Thomas J. Vogl • Wolfgang Reith • Ernst J. Rummeny (Hrsg.) Diagnostische und Interventionelle Radiologie
Thomas J. Vogl • Wolfgang Reith • Ernst J. Rummeny (Hrsg.)
Diagnostische und Interventionelle Radiologie Mit Beiträgen von: J. O. Balzer, A. Beer, B. Bodelle, M. Brügel, Th. Diebold, M. Dobritz, M. Eiber, H.-P. Engels, J. Gaa, C. Hannig, P. Hellerhoff, C. Herzog, C. Hillerer, K. Holzapfel, T. Link, F. Marquart, D. Müller, P. Proschek, W. Reith, E. J. Rummeny, S. Schmidt, J. Stollfuss, Th. Vogl, S. Waldt, A. Wetter, A. Wuttge-Hannig, S. Zangos
Mit 2551 Abbildungen
123
Prof. Dr. med. Thomas J. Vogl Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie Klinikum der Johann-Wolfgang Goethe-Universität Theodor Stern Kai 7 60590 Frankfurt
[email protected]
Prof. Dr. med. Wolfgang Reith Klinik für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie Universitätsklinikum des Saarlandes 66421 Homburg/Saar
[email protected]
Prof. Dr. med. Ernst J. Rummeny Institut für Radiologie Klinikum rechts der Isar Technische Universität München Ismaninger Straße 22 81675 München
[email protected]
ISBN 978-3-540-87667-0 Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer Medizin Springer-Verlag GmbH ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Planung: Peter Bergmann, Heidelberg Projektmanagement: Christiane Beisel, Heidelberg Lektorat: Dr. Susanne Meinrenken, Bremen Zeichnungen: Emil Wolfgang Hanns, Gundelfingen, Ingrid Schobel, München Layout und Umschlaggestaltung: deblik Berlin Satz, Reproduktion und digitale Bearbeitung der Abbildungen: Fotosatz-Service Köhler GmbH – Reinhold Schöberl, Würzburg SPIN: 10985953 Gedruckt auf säurefreiem Papier
V
Geleitwort Die moderne Diagnostische und Interventionelle Radiologie ist von allen Disziplinen der Medizin in besonderem Maße ständig sich wandelnden Bedingungen unterworfen. Vor dem Hintergrund eines stetig sich beschleunigenden technischen Fortschritts und der sich weiter entwickelnden diagnostischen und interventionell-therapeutischen Möglichkeiten ist es für jeden angehenden Facharzt wie auch jeden gestandenen Kollegen trotz der zunehmenden Subspezialisierungen immens wichtig, einen möglichst kompletten Überblick über das gesamte Fachgebiet zu haben. Leider gibt es seit Jahren in unserem Fach kein einzelnes Buch in deutscher Sprache mehr, dass dem Anspruch, die gesamte Radiologie auf »state-of-the-art«-Facharztniveau darzustellen, gerecht wird. Vor diesem Hintergrund haben sich die Herausgeber des vorliegenden Werkes der Herausforderung gestellt, ein solches aktuelles Übersichts- und Nachschlagewerk zu schaffen, welches den Anfänger durch seine Facharztweiterbildung begleitet und auch dem erfahrenen Praktiker einen Überblick über das gesamte Fach vermittelt. Dieser großen Herausforderung wird das Werk voll und ganz gerecht. Den Herausgebern und Autoren ist es gelungen, in prägnanten Kapiteln mit über 2500 hochwertig reproduzierten Abbildungen von der Indikationsstellung und -überprüfung über die systematische Herangehensweise bei der Bildanalyse bis hin zu allen gängigen interventionellen Verfahren das gesamte Fachgebiet auf heutigem Standard darzustellen. Angesichts der großen und wachsenden Bedeutung der bildgebenden Verfahren und der Zunahme sowohl der Patientenzahlen in der diagnostischen Radiologie wie auch der Zahl der interventionellen Eingriffe, ist die Zeit für eine strukturierte Facharztweiterbildung häufig genug begrenzt. Gerade deshalb ist diesem Buch eine große Verbreitung zu wünschen. Prof. Dr. Maximilian Reiser Direktor des Instituts für Klinische Radiologie am Klinikum der Universität München
VII
Vorwort Die Fachgebiete der Diagnostischen und Interventionellen Radiologie wie auch der Neuroradiologie unterliegen einem enormen raschen Wandel und sowohl technische als auch klinische Innovationen stellen Tag für Tag eine große Herausforderung an diese Disziplinen dar. Auch neue Therapieverfahren stellen den Radiologen täglich vor neue Herausforderungen. Jährlich ändern sich die Indikationen für die verschiedenen diagnostischen und interventionellen Fragestellungen, einzelne Techniken kommen hinzu und andere Techniken werden durch moderne, weniger invasive oder belastende Verfahren abgelöst. Die ständige Qualitätsverbesserung resultiert in einer weiteren Standardisierung von diagnostischen Untersuchungen und Strukturierungen von Befunden. Im vorliegenden Buch sind einmal zunächst die technischen Grundlagen für alle bildgebenden Verfahren vorgestellt. Für die jeweiligen Kapitel der Diagnostischen und interventionellen Radiologie sowie Neuroradiologie sind die klinischen Fragestellungen an die untersuchungstechnischen Aspekte angelegt. Trotz weiterer Subspezialisierungen in den obigen Fachgebieten ist es enorm wichtig, das notwendige Facharztwissen und die Weiterbildungsinhalte zu definieren und die notwendigen Informationen für den angehenden Facharzt zusammenzutragen. Gerade die Konzentration auf die wesentlichen Informationen stellt die größte Herausforderung an Herausgeber und Autoren dar. Die zunehmend eingeschränkten personellen und materiellen Ressourcen bei steigendem Leistungsvolumen erfordern auch einen gezielten Einsatz der einzelnen bildgebenden Verfahren entsprechend den Leitlinien. Dabei wurde versucht, den Einsatz der bildgebenden Verfahren den Leitlinien anzupassen, die sowohl für die radiologischen Disziplinen als auch für die klinischen Disziplinen und Fragestellungen gelten. Zusammen mit den Mitarbeitern vom Springer Medizin Verlag haben wir dieses gesamte Wissen strukturiert und in einem Buch zusammengefasst. Diesen dynamischen Prozess zu steuern, die wesentlichen Informationen herauszugreifen, hat uns – den Herausgebern und den Autoren – sehr viel Freude gemacht und in den zahlreichen Kapiteln wird der Leser hoffentlich auf diesen Enthusiasmus stoßen. Es ist uns gelungen, ein Kompendium für den angehenden Facharzt mit Zielrichtung einer strukturierten Weiterbildung und der Umsetzung in die tägliche Praxis zu verfassen. Da es sich um einen sehr dynamischen Prozess handelt, wird weiter an der Optimierung gearbeitet werden müssen. Wir als Autoren und Herausgeber hoffen, dass ein hoher Bedarf an einer strukturierten systemischen und übersichtlichen Darstellung der Technik, der Indikationen, der diagnostischen Kriterien und der Differenzialdiagnostik wie auch der Interventionen auf dem Gebiet der Diagnostischen und Interventionellen Radiologie und Neuroradiologie besteht. Wir bedanken uns bei all den Kollegen und Kolleginnen, die dieses Buch unterstützt haben – sowohl bei der Vorbereitung als auch bei der Erstellung und Zusammenstellung des Stoffs. Den Mitarbeitern des Springer Medizin Verlags und der Lektorin Susanne Meinrenken sei für die hochkompetente Beratung und den enormen Einsatz gedankt. Thomas J. Vogl Wolfgang Reith Ernst J. Rummeny
IX
Inhaltsverzeichnis 14 Orbita . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I
Allgemeine Radiologie
15 Kiefergelenk und Zähne . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Physikalische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . .
415
Th. Vogl
3
445
Th. Vogl
W. Reith
16 Speicheldrüsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Strahlenbiologie und Strahlenschutz . . . . . . . . .
11
455
Th. Vogl
W. Reith
17 Oropharynx und Mundhöhle . . . . . . . . . . . . . . 3 Konventionelle Röntgendiagnostik . . . . . . . . . .
21
465
Th. Vogl
W. Reith
18 Larynx, Hypopharynx und Weichteile . . . . . . . . . 4 Computertomographie . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
473
Th. Vogl
W. Reith
5 Magnetresonanztomographie . . . . . . . . . . . . .
37
IV Thorax, Mediastinum, Pleura
W. Reith
6 Angiographie und Intervention . . . . . . . . . . . .
45 19 Thorax, Mediastinum . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
W. Reith
489
P. Proschek, Th. Vogl
7 Ultraschall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
W. Reith
8 Kontrastmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
V
Mamma
W. Reith
II
20 Bildgebende und Interventionelle Diagnostik der Brustdrüse mittels Röntgen-Mammographie, Mamma-Sonographie und MR-Mammographie . .
Neuroradiologie
613
Th. Diebold, Th.Vogl
9 Gehirn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
W. Reith
10 Wirbelsäule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VI Herz und Gefäße 273
W. Reith
21 Herz und Gefäße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
681
C. Herzog, Th. Vogl
III Kopf und Hals
22 Gefäßdiagnostik und Interventionstechniken . . .
715
J. O. Balzer, Th. Vogl
11 Felsenbein und mittlere Schädelbasis . . . . . . . .
361
Th. Vogl
12 Nasopharynx und Parapharyngealraum . . . . . . .
Th. Vogl, B. Bodelle
385
Th. Vogl
13 Gesichtsschädel, Nasennebenhöhlen und Orbita Th. Vogl
23 Vaskuläre interventionelle Therapieverfahren . . .
397
739
X
Inhaltsverzeichnis
37 Primäre und sekundäre Knochentumoren . . . . . . 1141
VII Gastrointestinaltrakt 24 Leber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
S. Waldt
757
C. Hillerer, K. Holzapfel, J. Gaa, Th. Vogl
25 Gallenblase und Gallenwege . . . . . . . . . . . . . .
S. Waldt
827
M. Brügel, J. Gaa
26 Pankreas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
863
901
Anhang 913 Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1271
P. Hellerhoff, A. Wuttge-Hannig, C. Hannig
29 Magen und Darm (Dünndarm, Dickdarm und Rektum) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1277 951
J. Stollfuss, P. Hellerhoff
VIII Urogenitaltrakt 30 Nebenniere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
995
E. J. Rummeny, K. Holzapfel
31 Nieren, Harnwege und Harnblase . . . . . . . . . . . 1005 A. Beer, E. J. Rummeny
32 Prostata, Hoden und Nebenhoden . . . . . . . . . . 1049 A. Wetter, Th. Vogl
33 Diagnostik der inneren weiblichen Genitalorgane
1061
S. Zangos, F. Marquart
IX Knochen und Gelenke 34 Allgemeine Traumatologie . . . . . . . . . . . . . . . . 1093 S. Schmidt, H.-P. Engels
35 Spezielle Traumatologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 1099 H.-P. Engels
36 Entzündliche Erkrankungen des Knochens . . . . . 1131 S. Waldt, K. Holzapfel
40 Erkrankungen der Gelenke . . . . . . . . . . . . . . . 1221 S. Waldt, M. Eiber
E.J. Rummeny, M. Eiber
28 Radiologische Diagnostik des Schluckakts und des Ösophagus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39 Systemische Skeletterkrankungen . . . . . . . . . . 1179 S. Waldt, D. Müller, T. Link
M. Brügel
27 Milz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38 Tumorähnliche Knochenläsionen (Tumor-like lesions) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1171
XI
Autorenverzeichnis Dr. med. Jörn O. Balzer
Dr. med. Hans-Peter Engels
Dr. med. Franz Marquart
Facharzt für Diagnostische Radiologie St. Vincenz-Elisabeth-Hospital Abteilung Radiologie An der Goldgrube 11 55131 Mainz
Radiologische Praxis Halderstraße 29 86150 Augsburg
Internist – Endokrinologie Lehrpaxis der Universität München Isabellastraße 31 80796 München
PD Dr. med. Ambros Beer Klinik für Nuklearmedizin Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München Ismaninger Straße 22 81675 München
Dr. med. Boris Bodelle Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie Klinikum der Johann Wolfgang GoetheUniversität Theodor-Stern-Kai 7, Haus 23 C 60590 Frankfurt
Dr. med. Melanie Brügel Institut für Radiologie Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München Ismaninger Straße 22 81675 München
Dr. med. Thomas Diebold Radiologische Gemeinschaftspraxis Bad Homburg Hessenring 64 61348 Bad Homburg
Dr. med. Martin Dobritz Institut für Radiologie Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München Ismaninger Straße 22 81675 München
Dr. med. Matthias Eiber Institut für Radiologie Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München Ismaninger Straße 22 81675 München
Prof. Dr. med. Jochen Gaa Institut für Radiologie Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München Ismaninger Straße 22 81675 München
Dr. med. Dirk Müller Institut für Radiologie Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München Ismaninger Straße 22 81675 München
Prof. Dr. med. Christian Hannig Institut für Radiologie Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München Ismaninger Straße 22 81675 München
Dr. med. Petra Proschek
Dr. med. Paul Hellerhoff
Prof. Dr. med. Wolfgang Reith
Klinikum Dritter Orden Abteilung Radiologie Menzinger Straße 44 80638 München
Klinik für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie Universitätsklinikum des Saarlandes 66421 Homburg/Saar
Dr. med. Christopher Herzog
Prof. Dr. med. Ernst J. Rummeny
Radiologie München Ärztehaus Burgstraße 7 80331 München
Institut für Radiologie Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München Ismaninger Straße 22 81675 München
MedKonsil Medizinisches Versorgungszentrum GmbH Friedrichstraße 43 65185 Wiesbaden
Dr. med. Claudia Hillerer Klinik für Nuklearmedizin Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München Ismaninger Straße 22 81675 München
Dr. med. Stefan Schmidt Klinik für Nuklearmedizin Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München Ismaninger Straße 22 81675 München
Dr. med. Klaus Holzapfel Institut für Radiologie Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München Ismaninger Straße 22 81675 München
Prof. Dr. med. Thomas Link Department of Radiology University of Southern California 1500 San Pablo Street 90033 Los Angeles, CA, USA
PD Dr. med. Jens Stollfuss Abteilung für Radiologie und Nuklearmedizin Klinikum Memmingen Bismarckstraße 23 87700 Memmingen
XII Autorenverzeichnis
Prof. Dr. med. Thomas J. Vogl
Dr. med. Axel Wetter
PD Dr. med. Stephan Zangos
Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Theodor-Stern-Kai 7, Haus 23 C 60590 Frankfurt
Klinik für Radiologie und Neuroradiologie Klinikum Duisburg-Wedau-Kliniken Zu den Rehwiesen 9–11 45133 Essen
Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Theodor-Stern-Kai 7, Haus 23 C 60590 Frankfurt
PD Dr. med. Simone Waldt Institut für Radiologie Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München Ismaninger Straße 22 81675 München
Dr. med. Anita Wuttge-Hannig Gemeinschaftspraxis Radiologie – Strahlentherapie – Nuklearmedizin Karlsplatz 3–5 80335 München
I
Allgemeine Radiologie 1 Physikalische Grundlagen
–3
W. Reith
2 Strahlenbiologie und Strahlenschutz
– 11
W. Reith
3 Konventionelle Röntgendiagnostik
– 21
W. Reith
4 Computertomographie
– 29
W. Reith
5 Magnetresonanztomographie
– 37
W. Reith
6 Angiographie und Intervention W. Reith
7 Ultraschall
– 49
W. Reith
8 Kontrastmittel W. Reith
– 55
– 45
1 1 Physikalische Grundlagen W. Reith
1.1
Strahlungsarten
–4
1.1.1 Teilchenstrahlung – 4 1.1.2 Wellenstrahlung (elektromagnetische Strahlung)
1.2
Struktur von Materie und radioaktiver Zerfall
1.2.1 Aufbau von Atomen – 4 1.2.2 Formen des radioaktiven Zerfalls 1.2.3 Das Zerfallsgesetz – 6
1.3
–4
–5
Wechselwirkung von Strahlung und Materie
1.3.1 Allgemeines – 6 1.3.2 Röntgenstrahlung
1.4
–4
–6
–7
Messung von Strahlung/Dosimetrische Größen
1.4.1 Messgrößen in der Nuklearmedizin 1.4.2 Nachweis von Strahlung – 9
–9
–9
4
1
Kapitel 1 · Physikalische Grundlagen
Strahlungsarten
1.1
. Tab. 1.1. Die wichtigsten Korpuskel und ihre Eigenschaften
Als Strahlung wird jede freie Ausbreitung von Energie im Raum bezeichnet, wobei man Teilchenstrahlung (Korpuskularstrahlung) und Wellenstrahlung (elektromagnetische Strahlung) unterscheidet. Da in der Quantentheorie der Wellenstrahlung Teilcheneigenschaften zugesprochen werden, wird elektromagnetische Wellenstrahlung auch als Photonen- oder Quantenstrahlung bezeichnet. Die Energie der Strahlung wird in Joule oder Elektronenvolt gemessen. Ein Joule ist die Energie, die man aufwenden muss, um eine Masse von ca. 100 g um 1 m anzuheben. Eine Ladung Q kann durch elektrische Felder beschleunigt werden, wobei beim Durchlaufen einer Spannungsdifferenz U kinetische Energie gewonnen wird. Ein Elektronenvolt ist die Energie, die ein Elektron beim Durchlaufen einer Spannungsdifferenz von 1 V aufnimmt. Für die Umrechnung gilt:
Korpuskel
Ladung
Masse im Vergleich zum Elektron
Energie bei einer Reichweite von 10 cm
Elektron (β–)
–1
1
20 MeV
Positron (β+)
+1
1
20 MeV
Proton
+1
1836
100 MeV
Neutron
0
1839
–
α-Teilchen (Heliumkern)
+2
7294
600 MeV
Die Reichweite von Neutronen ist wie bei Photonen nicht begrenzt, es findet nur eine exponenzielle Schwächung der Intensität statt
1 J entspricht 6,242 · 1018 Elektronenvolt
1.1.1
Teilchenstrahlung
Die Bestandteile der Teilchenstrahlung, die Korpuskel, besitzen eine Ruhemasse (m0) und können eine Ladung tragen. Ihre Energie setzt sich aus der so genannten Ruheenergie E0 und Bewegungsenergie Ekin zusammen:
lung, γ-Strahlung und Mikrowellen gerechnet. Sie unterscheiden sich nur durch die Frequenz der Strahlung und damit durch ihre Energie.
1.2
Struktur von Materie und radioaktiver Zerfall
1.2.1
Aufbau von Atomen
E = E0 + Ekin Die Ruheenergie ergibt sich aus der Ruhemasse und der Lichtgeschwindigkeit (c): E0 = m0 × c2
1.1.2
Wellenstrahlung (elektromagnetische Strahlung)
Elektromagnetische Wellen bestehen aus einem elektrischen und einem magnetischen Feld. In der Quantentheorie werden elektromagnetischen Wellen Teilcheneigenschaften zugesprochen. Diese Teilchen, Photonen, tragen weder Masse noch Ladung, sondern nur Energie der Strahlung. Wellen werden durch ihre Wellenlänge λ, ihre Frequenz f und ihre Amplitude A beschrieben. Wellenlänge und Frequenz sind über die Ausbreitungsgeschwindigkeit C verknüpft: C=λ×f Elektromagnetische Strahlung breitet sich stets mit Lichtgeschwindigkeit aus. Die Energie der elektromagnetischen Strahlung ist ihrer Frequenz f proportional: E=h×f Dabei ist h die Naturkonstante (Planck’sches Wirkungsquantum). Zu den elektromagnetischen Wellen werden auch sichtbares Licht, Infrarotstrahlung, UV-Strahlung, Radiowellen, Röntgenstrah-
Das Atom ist aus Protonen, Neutronen und einer Hülle aus Elektronen aufgebaut. Nach dem Atommodell von Rutherford bestehen Atome aus einer Hülle aus negativ geladenen Elektronen und einem positiv geladenen Kern. Die Elektronen werden durch die elektromagnetische Wechselwirkung an den Kern gebunden. Der Atomkern besteht aus Nukleonen, den positiv geladenen Protonen und den ungeladenen Neutronen. Die Nukleonen werden durch die Kernkraft aneinander gebunden. Diese anziehende Kraft ist im Bereich der kurzen Distanz des Atomkerns sehr viel stärker als die abstoßende elektromagnetische Kraft, die zwischen den positiv geladenen Protonen wirkt. Die Atome eines chemischen Elements werden durch die Zahl der Protonen charakterisiert, die als Ordnungszahl Z bezeichnet wird (. Abb. 1.1). Atome mit gleicher Protonenzahl, aber verschiedener Neutronenzahl N, werden als Isotope eines Elements bezeichnet. Eine durch eine bestimmte Protonen- und Neutronenzahl charakterisierte »Atomsorte« wird als Nuklid bezeichnet. Die Summe aus Protonen- und Neutronenzahl wird als Massenzahl A bezeichnet. Ein Atom ist dann nach außen hin elektrisch neutral, wenn die Anzahl der Elektronen in der Hülle der Anzahl der Protonen im Kern entspricht. Ist die Zahl der Hüllenelektronen verschieden von der Protonenzahl, so ist das Atom elektrisch geladen, wobei man dann nicht von einem Atom, sondern von einem Ion spricht. Dieser Zustand wird durch Angabe des Ladungszustandes dargestellt, z. B. Na+, Cl-, Fe2+. Aus der zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelten Theorie der Quantenmechanik folgte, dass sich Elektronen nur auf Schalen bestimmter Energie (Energieniveaus) bewegen können. Die Zahl der Elektronen pro Schale ist dabei begrenzt, die Schalen
5 1.2 · Struktur von Materie und radioaktiver Zerfall
. Abb. 1.1. Aufbau eines Atoms am Beispiel von 4He (Schemazeichung; p: Protonen, n: Neutronen, e -: Elektronen)
. Abb. 1.2. Das Schalenmodell am Beispiel des Natriums. Schematische Darstellung von Anregung, Ionisation und Erzeugung der charakteristischen Strahlung (Einzelheiten im Text)
werden in der Reihenfolge zunehmender Energie angeordnet und als K-, L-, M-, N-Schalen etc. bezeichnet. Ihr Energiewert entspricht der Energie, die notwendig ist, um das jeweilige Elektron vollständig vom Atom zu trennen. Statt ein Atom zu verlassen (Ionisation), kann ein Elektron auf eine Schale höherer Energie übergehen (Anregung). Die Energiedifferenz muss dem Elektron, z. B. durch Strahlung, zugeführt werden. Geht ein angeregtes Elektron wieder auf eine Schale geringerer Energie über, wird die Energiedifferenz in charakteristische Strahlung (Röntgenstrahlung) oder bei leichtatomigem Material in Form eines Auger-Elektrons umgesetzt. Die Emission von Licht wird als Lumineszenz bezeichnet. Durch die Messung der Energie der charakteristischen Strahlungen (Spektroskopie) kann das chemische Element eindeutig identifiziert werden. Die Elektronenhülle legt die elektronischen Eigenschaften eines Atoms fest. Atome mit abgeschlossenen Schalen (z. B. die Edelgase Helium und Neon) sind chemisch reaktionsträge (. Abb. 1.2). Auch der Atomkern zeigt eine Schalenstruktur, wobei die Schalenübergänge wie von Nukleonen nur unter Energieaufnahme (Kernanregung) oder Energieabgabe (Kernzerfall) in Form von energetischer Strahlung möglich sind. 1896 stellte Becquerel fest, dass eine photographische Platte durch Urankristalle geschwärzt wird. Dies führte zur Entdeckung des radioaktiven Zerfalls. Beim radioaktiven Zerfall wandelt sich der Atomkern eines chemischen Elements spontan und unter Aussendung von Strahlung in den Atomkern eines anderen chemischen Elements um. Diese Eigenschaft bezeichnet man als Radioaktivität. Nuklide mit dieser Eigenschaft werden als radioaktive Nuklide bezeichnet. Bei den meisten Elementen lassen sich stabile und instabile Isotope (radioaktive) unterscheiden. Der durch einen radioaktiven Zerfall neu entstehende Kern kann seinerseits instabil sein, sodass eine Zerfallskette entsteht. Der radioaktive Zerfall wird nach der dabei emittierten Strahlung eingeteilt. Wird beim radioaktiven Zerfall eines instabilen Kerns immer dieselbe Strahlungsart frei, spricht man von einem reinen Strahler. Bei manchen radioaktiven Nukliden treten verschiedene Zerfallsarten auf (z. B. bei 64Cu).
1.2.2
Formen des radioaktiven Zerfalls
α-Zerfall. Beim α-Zerfall wird die α-Strahlung emittiert. Das Element X wandelt sich unter Aussendung eines Heliumkerns in das Element Y um. Dadurch verringert sich seine Massenzahl, die Ordnungszahl, um 2. Die frei werdende Energie wird in Bewegungsenergie des Heliumkerns umgesetzt. β-Zerfall. Beim β-Zerfall wird β-Strahlung in Form eines β-Teilchens (Elektron und Positron) emittiert. Daher unterscheidet man zwischen β‒ und β+-Zerfall. Beim β‒-Zerfall wandelt sich ein Neutron unter Aussendung eines Elektrons und eines Antineutrinos in ein Proton um. Dadurch erhöht sich die Ordnungszahl des Elements um 1. Das Antineutrino besitzt keine Ladung und nur eine verschwindend geringe Masse, teilt sich jedoch mit dem Elektron die frei werdende Bewegungsenergie. Beim β+-Zerfall wandelt sich ein Proton unter Aussendung eines Positrons und eines Neutrinos in ein Neutron um. Im Gegensatz zum β‒-Zerfall verringert sich dadurch die Ordnungszahl des Elements um 1. Positron und Neutrino teilen sich die frei werdende Energie. Kurz nach seiner Entstehung vereinigt sich das Positron mit einem Hüllenelektron. Dabei entstehen 2 Photonen (Vernichtungsstrahlung) mit einer Energie von je 0,511 MeV. Bei Aussendung eines Positrons und Neutrinos kann ein Elektron aus der K-Schale in den Atomkern integriert werden (Elektroneneinfang, K-Einfang). Dabei wird charakteristische Strahlung freigesetzt. Beim β-Zerfall und beim Elektroneneinfang bleibt die Massenzahl gleich. γ-Zerfall. Der γ-Zerfall ist keine echte Kernumwandlung, da sich weder die Massen- noch die Ordnungszahl verändert. Bei diesem Zerfall geht ein angeregter Kern X+, wie er z. B. nach einem α- oder β-Zerfall entsteht, unter Aussendung eines Photons (γ-Quant, daher γ-Strahlung) in einen Zustand geringerer Energie über. Nuklide, deren Kerne längere Zeit im angeregten Zustand verweilen, bezeichnet man als metastabil. Dies wird durch
1
6
1
Kapitel 1 · Physikalische Grundlagen
ein »m« neben der Massenzahl gekennzeichnet (z. B. 99mTc). Sie sind reine γ-Strahler.
1.2.3
Das Zerfallsgesetz
Der radioaktive Zerfall ist ein stochastischer Prozess. Für einen einzelnen Atomkern kann nur die Zerfallswahrscheinlichkeit pro Zeitintervall oder die mittlere Lebensdauer angegeben werden. Das Zerfallsgesetz N(t) = N0e-λt gibt an, wie viele von den anfänglich vorhandenen Kernen (N0) nach Ablauf der Zeit t im Mittel noch vorhanden sind. Dabei ist λ die Zerfallskonstante. Die Zerfälle pro Sekunde ergeben die Aktivität des radioaktiven Isotops (Einheit = Becquerel =1 Zerfall/s). Aus der mittleren Lebensdauer des radioaktiven Isotops lässt sich dessen Halbwertszeit berechnen. Die Halbwertzeit ist die Zeitspanne, nach der die Hälfte der ursprünglich vorhandenen Kerne und damit nur noch die Hälfte der ursprünglichen Radioaktivität vorliegt. Typische Radionuklide, die in der Medizin verwendet werden, und ihre Halbwertzeiten sind : 99mTc (6 h), 60Co (5,3 Jahre), 131J (8 Tage) und 67Ga (78 h).
1.3
Wechselwirkung von Strahlung und Materie
1.3.1
Allgemeines
Bei einer Wechselwirkung von Strahlung mit Materie wird Energie auf Atome übertragen, was zur Anregung oder Ionisation führt. Die Wechselwirkungen, die hierzu führen, heißen auch Primärprozesse. Je nachdem, ob die übertragene Energie zur Ionisation ausreicht, spricht man von ionisierender oder von nichtionisierender Strahlung. Beispiele für ionisierende Strahlung sind alle Arten von Korpuskularstrahlung sowie Röntgen-, γ-, und UV-Strahlung. Nichtionisierende Strahlung sind sichtbares Licht und Wärmestrahlung. Direkt ionisierende Strahlung führt durch Zusammenstoß mit Elektronen zu Anregung und Ionisation. Indirekt ionisierende Strahlung wird durch Atome absorbiert oder gestreut, wobei geladene Korpuskeln entstehen, die zu Anregung und Ionisation führen. Trifft indirekt ionisierende Strahlung auf Atome, kann sie durch diese absorbiert oder gestreut werden, wodurch sie geschwächt wird (. Abb. 1.3). Zwischen Photonen und Materie gibt es 5 Formen der Wechselwirkung: 4 Photoeffekt 4 Compton-Effekt 4 Paarbildung 4 klassische Streuung 4 Kernreaktionen Dabei beruhen der Photoeffekt, Paarbildung und Kernreaktion auf der Absorption eines Photons durch ein Atom.
Photoeffekt Beim Photoeffekt trifft ein Photon auf ein Hüllenelektron und wird absorbiert. Die gesamte Energie des Photons wird auf das Hüllen-
. Abb. 1.3a, b. Schwächungsvorgänge der diagnostischen Röntgenstrahlung bei zwei verschiedenen Spannungswerten, schematische Darstellung. a Bei niedriger Spannung überwiegt die Absorption; die Streuung erfolgt nach allen Richtungen. b Bei höherer Spannung nimmt die Absorption ab und die Streustrahlung nimmt relativ zu; die Strahlung wird mehr in Richtung der Primärstrahlung gestreut
elektron übertragen. Das Elektron, auch als Photoelektron bezeichnet, löst sich dann aus der Atomhülle (Ionisation) (. Abb. 1.4). Beim Photoeffekt ist die Energie des Photons größer als die Bindungsenergie des Elektrons. Der Photoeffekt findet vorwiegend an den inneren Schalen der Atomhülle statt. Die Schale wird durch ein Elektron aus einer äußeren Schale wieder aufgefüllt, wobei charakteristische Strahlung oder seltener ein Auger-Elektron emittiert wird. Unterschreitet die Strahlungsenergie absorbierter Photonen die Energie einer Schale, tritt eine Absorptionskante auf.
Compton-Effekt Beim Compton-Effekt (Compton-Streuung) gibt ein Photon einen Teil seiner Energie an ein Hüllenelektron ab. Durch den Zusammenstoß wird das Photon aus seiner ursprünglichen Richtung abgelenkt, gestreut und fliegt mit geringerer Energie bzw. Frequenz weiter (. Abb. 1.5).
Paarbildung Bei hohen Strahlungsenergien tritt die so genannte Paarbildung auf, bei der ein Photon von einem Atom absorbiert wird (. Abb. 1.6). Es wandelt sich im Feld des Atomkerns in ein Elektron-PositronPaar um. Das Positron vereinigt sich in unmittelbarer Nähe seines Entstehungsorts mit einem Hüllenelektron, und es entsteht Ver-
7 1.3 · Wechselwirkung von Strahlung und Materie
. Abb. 1.4. Schematische Darstellung des Photoeffekts: Freisetzung eines Elektrons aus einer inneren Schale durch vollständige Absorption eines Photons
. Abb. 1.6. Schematische Darstellung der Paarbildung. Wechselwirkung mit einem Kernfeld, wobei je ein Elektron und ein Positron auftreten
. Abb. 1.5. Schematische Darstellung des Compton-Effekts: Freisetzung eines Elektrons aus einer äußeren Schale durch Absorption eines Photons; dabei wird ein Photon geringerer Energie in einem abweichenden Winkel abgestrahlt
. Abb. 1.7. Schematische Darstellung der klassischen Streuung (Einzelheiten im Text)
nichtungsstrahlung mit einer Energie >1,022 MeV. Die bei diesen Wechselwirkungen gebildeten Elektronen erzeugen durch weitere Ionisationen sekundär Elektronen.
die Emission eines Protons oder eines Neutrons die größte Bedeutung hat (. Abb. 1.8).
Klassische Streuung
1.3.2
Bei der klassischen Streuung, kohärenten oder Rayleigh-Streuung, trifft ein Photon auf ein Hüllenelektron und verändert dadurch seine Richtung, ohne Energie an das Elektron abzugeben. Es findet also keine Ionisation statt, das Photon wird lediglich ohne Energieverlust gestreut.
Kernreaktion Absorbiert ein Atom ein Photon mit genügend Strahlungsenergie, können verschiedene Kernreaktionen auftreten, von denen
Röntgenstrahlung
Bei der Wechselwirkung von Strahlung mit Materie wird Energie übertragen. Je nachdem, wie viel Energie auf Atome übertragen wird, kommt es zu einer Anregung oder zu einer Ionisation. Die Wechselwirkung von Strahlung mit Materie bezeichnet man auch als Primärprozess. Reicht die übertragene Energie aus, um Atome zu ionisieren, spricht man von ionisierender Strahlung, reicht sie dazu nicht aus, spricht man von nicht ionisierender Strahlung. Ionisieren-
1
8
Kapitel 1 · Physikalische Grundlagen
1
. Abb. 1.8a, b. Schematische Darstellung der Kernreaktion; a Emission eines Protons, b Emission eines Neutrons
de Strahlung sind alle Arten von Korpuskularstrahlung, wie Röntgen-, y- und UV-Strahlung (. Abb. 1.9), nicht ionisierende Strahlung sind sichtbares Licht und Wärmestrahlung. In der Radiologie und Nuklearmedizin wird ionisierende Strahlung eingesetzt, die sich in direkt und indirekt ionisierende Strahlung unterteilen lässt. Direkt ionisierend sind elektrisch geladene Korpuskel, die zu Anregung und Ionisation führen können. Indirekt ionisierend sind ungeladene Korpuskel (Neutronen), Röntgen- und y-Strahlung. Sie werden von Atomen in Materie absorbiert oder gestreut. Welche Atome ionisiert werden, hängt von der Energie der ionisierenden Strahlung ab. Die Häufigkeit der Wechselwirkung ioniserender Strahlung mit Materie hängt v. a. von der Art der Materie ab: Je größer die Dichte der Materie (größere Ordnungszahl), desto häufiger finden Wechselwirkungen statt. Es gibt verschiedene Arten der Wechselwirkung: Photoeffekt, Comptoneffekt, Paarbildung, klassische Streuung und Kernreaktion (s. oben). Die Folgen der Wechselwirkung sind: Schwächung der Strahlung, an der die verschiedenen Wechselwirkungen je nach Strahlungsenergie und Material einen unterschiedlichen Anteil haben, und die Streustrahlung (. Tab. 1.2). Dabei zeigt sich, dass bei zunehmender Energie die Photoabsorption sich verringert, der Compton-Effekt dagegen zunimmt. Bei einer weiteren Energieerhöhung auf >1,02 MeV tritt Paarbildung auf, und der Compton-Effekt geht zurück. Bei der Röntgenstrahlung sind die Schwächungsvorgänge abhängig von der Röhrenspannung. Durch den so genannten Schwächungskoeffizienten wird die Schwächung der Röntgenquanten in Materie ermittelt. Wesentliche Faktoren für die Berechnung der Schwächungskoeffizienten sind Quantenenergie, Dichte und Ordnungszahl des schwächenden Materials. Die Berechnung des Gesamtschwächungskoeffizienten findet in der Praxis keine Anwendung, denn die Röntgenbremsstrahlung enthält im Gegensatz zur charakteristischen Strahlung ein relativ breites energetisches Quantenspektrum, das eine mathematische Berechnung kompliziert. Die Strahlungsintensität nimmt mit wachsender Schichtdicke exponenziell ab. Die Halbwertschichtdicke gibt an, welche Schichtdicke die Strahlungsintensität halbiert. Zu bemerken ist, dass nieder-
. Abb. 1.9. Entstehung der charakteristischen Röntgenstrahlung (Schema). Ein Elektron aus einem Anodenatom wird durch ein Kathodenelektron aus der k-Schale geschleudert; der frei werdende Platz wird durch ein Elektron der äußeren Schale oder durch ein Elektron der darüber liegenden Schale besetzt. Kommt es zu Elektronensprüngen auf niedrigere Energieniveaus, dann werden Röntgenphotonen bestimmter Energiebeträge frei
. Tab. 1.2. Schwächung von Röntgen- und Photonenstrahlung Wechselwirkung mit den Elektronen der Atomhülle
Absorption Klassische Streuung Compton-Streuung
Wechselwirkung mit dem Kernfeld
Paarbildung >1,02 MeV
Wechselwirkung mit dem Atomkern
Kernreaktion (sehr hohe Photonenenergie)
energetische Strahlung mit einem großen Massenschwächungskoeffizienten einhergeht und deshalb zu einer hohen Dosisbelastung führt. Als Streustrahlung bezeichnet man die Ablenkung von Photonen aus ihrer ursprünglichen Richtung bei der Comptonund der klassischen Streuung, die zu einer Minderung der Qualität von Röntgenaufnahmen führt. Bei Energien um 100 keV wird Strahlung in Weichteilen fast ausschließlich durch den Compton-Effekt absorbiert; um diesen negativen Effekt auf die Qualität der Röntgenaufnahme zu verringern, wird in diesem Energiebereich ein Streustrahlenraster vor der Filmkassette platziert. In der Mammographie kommen als einzige radiologische Untersuchung geringe Strahlungsenergien bis ca. 30 keV zum Einsatz. Der Anteil an der Schwächung der Strahlung ist in diesem Energiebereich niedrig, sodass man einen guten Kontrast zwischen den unterschiedlichen Weichteilgeweben erhält. Kleinste Verkalkungen können somit sichtbar gemacht werden, nachteilig ist die relativ hohe Dosisbelastung. Um den negativen Einfluss von Streustrahlung auf die Bildqualität zu reduzieren, werden auch hier Streustrahlenraster verwendet.
9 1.4 · Messung von Strahlung/Dosimetrische Größen
1.4
Messung von Strahlung/ Dosimetrische Größen
Die Energiedosis ist ein Maß für die absorbierte Strahlungsmenge und ist die auf die Masse bezogene absorbierte Strahlenenergie (. Tab. 1.3). Sie gilt heute als dosimetrische Basisgröße: Energiedosis D =
E (absorbierte Menge)
Äquivalentdosis, oder Kerma) und der Expositionsdauer. Sie beschreibt die pro Zeiteinheit eingestrahlte Dosis. Ihre Einheit richtet sich nach der Dosis (Begriffe: Coulomb/kg/s: Ionendosisleistung, Gray/s: Energiedosisleistung oder Kermaleistung, oder Sievert/s: Äquivalentdosisleistung).
1.4.1
Messgrößen in der Nuklearmedizin
M (Masse des Volumens)
Da die Energiedosis im Körper nicht direkt gemessen werden kann, wird sie aus der Energiedosis berechnet, die in einer Dosimetersonde erzeugt wird. Meist wird in einer luftgefüllten Ionisationskammer die Ionendosis gemessen, aus der sich die Energiedosis des zu interessierenden Materials ermitteln lässt. Für den Strahlenschutz wird die äquivalente Dosis ermittelt.
Kerma Kerma steht für »kinetic energy released in matter« und wird definiert als der Quotient aus der kinetischen Energie der in einem Volumen erzeugten Sekundärelektronen und der Masse dieses Volumens.
Dosisleistung Die Dosisleistung beschreibt die pro Zeit absorbierte Dosis. Sie entspricht dem Quotienten aus der Dosis (Ionen-Energie- oder
Die Aktivität einer radioaktiven Substanz folgt dem exponenziellen Zerfallsgesetz. Die Aktivität gibt die Zahl der Zerfälle pro Sekunde an, ihre Einheit ist das Becquerel (Bq). Ein Bq ist ein Zerfall pro Sekunde. Die Dosierung radioaktiver Substanzen erfolgt in der Nuklearmedizin nach dem Gewicht des Patienten, sodass für die Untersuchung eines Patienten eine festgelegte Menge Aktivität vorbereitet werden muss. Durch die spezifische Aktivität, d. h. die Zahl der Zerfälle pro Masse des absorbierten Substrats (Einheit Bq/kg), lässt sich die für den jeweiligen Patienten gewünschte Aktivität berechnen. Die physikalische Halbwertzeit des verwendeten Isotops, die Applikationsart und Biokinetik sind ausschlaggebend für die Strahlenbelastung. Als biologische Halbwertzeit wird die Zeitspanne bezeichnet, nach der die Hälfte der Aktivität des verabreichten Isotops ausgeschieden ist. Aus der physikalischen und biologischen Halbwertzeit lässt sich die effektive Halbwertzeit berechnen, welche maßgeblich für die Strahlenbelastung des Patienten ist.
. Tab. 1.3. Wichtige dosimetrische Größen
Nachweis von Strahlung
Dosimetrische Größe
SI-Einheit
1.4.2
Ionendosis (I)
Coulomb/kg (C/kg)
Energiedosis (D)
Gray (Gy)
Kerma (K)
Gray
Radioaktivität ist für unsere Sinne nicht unmittelbar wahrnehmbar, der Nachweis erfolgt indirekt durch so genannte Detektoren, die reproduzierbar auf Bestrahlung reagieren (. Tab. 1.4).
Äquivalentdosis (H)
Sievert (Sv)
Ionisationskammer
Effektive Äquivalentdosis (Heff )
Sievert
Eine Ionisationskammer ist eine mit Gas gefüllte Kammer, in der sich 2 Elektroden befinden, zwischen denen eine Spannung an-
. Tab. 1.4. Übersicht über Strahlungsdetektoren und ihre Anwendungsbereiche
Detektor
Messprinzip
Bevorzugter Anwendungsbereich
Ionisationskammer
Ionisation von Gas und Flüssigkeit
Strahlentherapie: Dosismessung
Stabdosimeter
Ionisation von Gas
Strahlenschutz
Geiger-Müller-Zählrohr
Nachweis durch Auslösung von Ladungslawinen
Nuklearmedizin: Aktivitätsmessung
Röntgenfilm, Filmdosimeter
Filmschwärzung
Strahlentherapie: Strahlenschutz Dosismessung
Thermolumineszenzdetektor (TLD)
Anregung und Speicherung von Elektronen in Kristallen
Strahlentherapie: Strahlenschutz, Dosismessung
Szintillationsdetektor
Erzeugung von Photonen durch Stöße in Kristallen
Nuklearmedizin: Nachweis der Kernzerfälle im Patienten
Eisensulfatdosimeter
Umwandlung von Fe2+ in Fe3+
Strahlentherapie: Bestimmung der Absolutdosis
Wasserkalorimeter
Erwärmung von Wasser
Strahlentherapie: Bestimmung der Absolutdosis
1
10 Kapitel 1 · Physikalische Grundlagen
1
gelegt ist. Aus der freigesetzten Ladung lässt sich die Energiedosis berechnen.
Stabdosimeter Stabdosimeter werden im Strahlenschutz zur Überwachung von Personen eingesetzt. Ein Stabdosimeter besteht aus 2 Elektronen, die einen gasgefüllten Hohlraum umschließen. Vor Gebrauch werden Elektronen aufgeladen. Einfallende Strahlung ionisiert die Gasmoleküle im Messvolumen und die dadurch erzeugte Ladung führt zu einer Entladung der Elektroden. Das Maß der Entladung ist zur Dosis proportional.
Geiger-Müller-Zählrohr Das Geiger-Müller-Zählrohr ist wie eine Ionisationskammer aufgebaut, hat aber im Vergleich zur Ionisationskammer eine höhere Spannung. Über eine Elektrodenlawine kommt es zu einer Verstärkung des Messimpulses, sodass die Teilchen gezählt werden können. Aus der Anzahl der Impulse kann die Aktivität bestimmt werden. Durch Einbringen von Material zwischen der Strahlenquelle und dem Zählrohr kann die Reichweite der Strahlung abgeschätzt und so mit einfachen Mitteln die Strahlungsart ermittelt werden. > α-Teilchen werden wegen ihrer geringen Reichweite durch ein Blatt Papier bereits vollständig absorbiert, für β-Strahlung ist wesentlich mehr Material erforderlich (z. B. Aluminiumplatten), γ-Strahlung wird nur unwesentlich geschwächt.
Filmdosimeter Die Filmdosimetrie hat eine besondere Bedeutung für die Strahlenschutzüberwachung des Personals in Strahlenbetrieben. Photographische Emulsionen und somit auch Röntgenfilme werden durch die Bestrahlung geschwärzt. Durch Bestimmung der Filmschwärzung kann die Dosis gemessen werden. Da in der Regel ein nichtlinealer Zusammenhang zwischen Schwärzung und Dosis besteht, muss die Dosis mittels eines anderen Dosimeters, z. B. einer Ionisationskammer ermittelt werden. Durch den Vergleich mit einer Dosisschwärzungskurve kann für eine gemessene Schwärzung die Dosis ermittelt werden. Autorisierte Messstellen werten die Filme hierzu an den Plaketten strahlenexponierter Personen alle 4 Wochen aus. Die schriftlichen Unterlagen der Messergebnisse werden dem Strahlenschutzbeauftragten mitgeteilt, sie sind 30 Jahre lang aufzubewahren. Bei den Plakettendosimetern wird die Dosismessung mit der Bestimmung der Strahlenqualität kombiniert. Die Filmkassette aus gepresstem Kunstharz ist in 5 Felder unterteilt. Ein Feld ist ohne Abdeckung, die anderen 4 Felder sind mit Metallfiltern abgedeckt. Das unbedeckte Feld wird nur von energiearmer Strahlung geschwärzt, während mit zunehmender Strahlenenergie die stärker gefilterten Felder geschwärzt werden. Dadurch können Rückschlüsse auf die Strahlenqualität gezogen werden. Filmplaketten sind sichtbar auf der Kleidung in Brusthöhe unter der Strahlenschutzkleidung zu tragen. Die untere Strahlennachweisgrenze liegt bei 0,2 mSv.
Thermolumineszenzdetektor Der Thermolumineszenzdetektor besteht aus bestimmten Ionenkristallen. Im Verfahren nehmen bestimmte Stoffe durch die Bestrahlung Energie auf, die unter Wärmeeinwirkung als Licht wieder abgestrahlt wird und gemessen werden kann. Die Lichtmessung dient dann als indirekter Dosismesser.
Fingerdosimeter Fingerdosimeter dienen zur Ermittlung der Teilkörperdosen an den Händen der mit Röntgen-, γ- oder β-Strahlen arbeitenden Personen. Der Dosisbereich liegt im Bereich bei 0,4 mSv bis 100 mSv. Der Energiebereich liegt bei Photonen zwischen 15 KeV bis 3 MeV und bei Elektronen >1 MeV. Ein Thermolumineszenzdetektor findet sich hinter einem 1 mm dicken Kupferfilter. Mit ihm ist es möglich, die Strahlenqualität zu identifizieren. Ringdosimeter müssen kalt sterilisiert werden (maximal 60°C).
Szintillationsdetektor Absorption von Strahlung führt im Kristall des Szintillationsdetektors zur Emission von Photonen, die mittels eines Photomultipliers, der hinter dem Kristall angeordnet ist, nachgewiesen werden kann. Szintillationsdetektoren werden v. a. in der Nuklearmedizin zur ortsempfindlichen Messung der Aktivität eingesetzt.
2 2 Strahlenbiologie und Strahlenschutz W. Reith
2.1
Strahlenwirkung auf biologisches Gewebe
– 12
2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.1.6
Phasen der Strahlenwirkung – 12 Strahlenschäden an der Zelle – 12 Akute Strahlenfolgen am menschlichen Körper Chronische Strahlenfolgen – 14 Lokale Strahlenfolgen – 14 Kanzerogenese – 15
2.2
Gefährlichkeit von Röntgenstrahlen
2.3
Strahlenschutz und Qualitätssicherung in der Röngendiagnostik
2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.3.6 2.3.7
Strahlenschutzbeauftragter (RöV §13) – 16 Aufzeichnungspflicht bei Röntgenuntersuchung (RöV § 28) – 17 Aufbewahrungspflicht (RöV § 28 und 35) – 17 Belehrung (RöV § 36) – 17 Strahlenschutzbereiche (StrlSchV § 57 – 60) – 17 Qualitätssicherung in der Röntgendiagnostik (RöV §16) – 17 Auszüge aus der Röntgenverordnung – 18
– 14
– 15 – 16
12 Kapitel 2 · Strahlenbiologie und Strahlenschutz
2.1
2
Strahlenwirkung auf biologisches Gewebe
Die heutige moderne Strahlentherapie und die Radiologie wären ohne das Wissen der grundlegenden Wirkung ionisierender Strahlung nicht vorstellbar. Die Gefahren und Risiken einer unkritischen Anwendung der Röntgenstrahlung in der Diagnostik müssen jedem Radiologen bewusst sein; dies dient sowohl der Sicherheit des Patienten als auch der eigenen Sicherheit. Durch die CT und die interventionellen radiologischen Verfahren nimmt die Dosisbelastung für Patienten und Arzt wieder zu. Wissen über strahlenbiologische Grundlagen und der Umgang mit ionisierenden Strahlen sind notwendig. Die ionisierende Strahlung verliert beim Durchtritt durch die Materie oder den Körper einen Teil ihrer Energie durch Absorption. Die Energieabgabe erfolgt dabei durch Anregung und Ionisation (Primärprozesse). Im biologischen Gewebe ist nur die absorbierte Energie der Strahlung wirksam, die Zellschäden hervorrufen kann. Durch chemische und biochemische Prozesse können Veränderungen an Biomolekülen hervorgerufen werden (Sekundärprozesse). Die Wirkung ionisierender Strahlung lässt sich in Phasen einteilen. Die Veränderungen an Biomolekülen entstehen durch unmittelbare oder mittelbare Übertragung von Strahlungsenergie auf Biomoleküle (direkte oder indirekte Strahlenwirkung). Durch die Energieabsorption im Gewebe kann es zu Ionisation, Molekülanregung und Wärme kommen. Durch die Ionisation von Wassermolekülen entstehen H2O+ und ein freies Elektron, in Folgereaktionen H- und OH-Radikale. Außerdem entstehen hydratisierte Elektronen. Die Reaktionsprodukte greifen direkt an Biomoleküle an und reagieren mit Sauerstoff zu Peroxidradikalen, die an Biomolekülen angreifen können. Biochemische Reaktionen können Veränderungen an Biomolekülen bewirken. Veränderungen der Nukleinsäuren der DNA führen zu genetischen Schäden, Veränderungen an anderen Biomolekülen, z. B. Proteinen oder Lipiden, zu Schädigungen von Körperzellen oder des Embryos (somatische und teratogene Strahlenschäden). Durch direkte Strahlenwirkung kann es zur primären Schädigung der Zelle kommen. Indirekt können die Zellen über entstehende freie Radikale geschädigt werden (Strahlenwirkung).
2.1.1
Biochemische Phase. In ihr laufen eine große Zahl chemischer
und biochemischer Prozesse ab: Hydroxylierungen, Decarboxylierungen, Reduktionen und Oxidationen. Dadurch können sich organische Moleküle verändern. Ihre Dauer schwankt zwischen Sekunden und Jahren. In dieser Phase stehen enzymatische Reaktionen sowie Reparaturprozesse der Veränderungen der Biomoleküle im Vordergrund. Biologische Phase. Die biologische Phase umfasst die Auswir-
kung der physikalischen und chemischen Abläufe. Sie verursachen Störungen der Vitalfunktion am biologischen Substrat, die bis zum Zelltod führen können. Gleichzeitig können latente oder manifeste Schäden auftreten, die sowohl den Zelltod als auch Mutationen bewirken. DNA-Schäden sind dabei besonders schwerwiegend (s. unten), da die DNA in der Zelle nur einmal vorhanden ist und sie alle für die Zelle relevanten Informationen enthält. Diese Phase kann mehrere Jahre bis Jahrzehnte betragen.
2.1.2
Strahlenschäden an der Zelle
Radiobiologische Untersuchungen von Zellen haben wesentlich zum Verständnis der Wirkung ionisierender Strahlen auf Normal- oder Tumorgewebe beigetragen. Die Strahlenwirkung betrifft jede einzelne Zelle, wird aber durch den Zellverband modifiziert. Hemmung der Zellproliferation und Zelltod sind die schwerwiegendsten und in Tumorgewebe erwünschten Strahlenwirkungen. Ionisierende Strahlen schädigen dosisabhängig biologische Strukturen. Die Folgen der Schädigung werden nach einer Latenzzeit, während die Zell- und Organgzerstörung abläuft, manifest. Genetische Strahlenschäden entstehen nach der Einwirkung ionisierender Strahlung auf Erbfaktoren oder funktionelle Abschnitte der DNA (Mutation). Jede proliferierende Zelle durchläuft einen Zyklus, der sich in Mitosephase und Intermitosephase einteilen lässt. In der Mitosephase (M-Phase) findet die Zellteilung statt. Die Intermitosephase lässt sich weiter unterteilen in die G1-Phase, S-Phase und G2-Phase. In der G1-Phase werden Zytoplasma und Zellorganellen, Enzyme und DNA-Bausteine zur Vorbereitung auf die DNASynthese produziert. In der Phase wird die DNA repliziert, die Chromosomen haben nun 2 Chromatiden (Diploe der Chromosomen) (. Abb. 2.1).
Phasen der Strahlenwirkung
Die Strahlenwirkung läuft im biologischen Gewebe über 4 Stufen ab. Die physikalische Phase entspricht der Energieabsorption im Gewebe, bewirkt Ionisation, Molekülanregung und Wärme. Sie erfolgt innerhalb von 10–60 s. Physikalische/klinische Phase. Hierbei kommt es zu einer primären Schädigung der Zelle durch die Reaktion der angeregten oder ionisierten Atome oder Moleküle mit anderen Molekülen. Dabei entstehen freie Radikale, im Wesentlichen Wasserradikale. Ca. 1 ms nach Strahlenexposition sind die Bildung und die Folgereaktion der freien Radikale abgeschlossen.
. Abb. 2.1. Generationszyklus der Zellen. G1-Phase = Wachstumsphase der Zellen; G0-Phase = Ruhephase der Zelle
13 2.1 · Strahlenwirkung auf biologisches Gewebe
. Abb. 2.2. Direkte und indirekte Strahlungswirkungen können zu Veränderungen von Molekülen führen
. Abb. 2.3. Verschiedene Arten der DNA-Schäden durch ionisierende Strahlung
In der G2-Phase werden Proteine und RNA synthetisiert und die Mitose vorbereitet. Die Mitosephase läuft in Abhängigkeit vom Zelltyp in einem genauen zeitlichen Rahmen von ca. 8–20 h ab. In der G1-Phase dagegen gibt es eine erhebliche zeitliche Variationsbreite von wenigen Stunden bis Tagen. Proliferierende Zellen können den Zellzyklus verlassen und in eine Ruhephase, die G0-Phase, eintreten. Aus dieser G0-Phase können sie wiederum in die G1-Phase eintreten oder differenzieren und sterben nach einiger Zeit ab. Untersuchungen haben gezeigt, dass Zellen in den einzelnen Zyklusphasen eine unterschiedliche Strahlensensibilität aufweisen. Die Strahlenempfindlichkeit ist in der M-Phase am größten, am zweitgrößten in der G2-Phase und in der frühen S-Phase. Im weiteren Verlauf ist die S-Phase sehr strahlenresistent, auch die lange G1-Phase ist relativ strahlenunempfindlich. Zu den ersten Strahlenwirkungen zählen die vorübergehende Teilsynchronisierung des Zyklus und die Abnahme der Mitoserate. Die Dauer des Zellzyklus nimmt zu, nach einiger Zeit treten überlebende Zellen wieder in strahlensensible Zyklusphasen ein und sprechen dann wiederum auf erneute Bestrahlung an.
Strahlenwirkung auf Zellbestandteile DNA-Schäden wirken sich besonders ungünstig auf die Zellen aus. Durch direkte oder indirekte Strahlenwirkung können folgende DNA-Schaäden vorkommen (. Abb. 2.2, . Abb. 2.3): 4 Einzelstrangbruch 4 Doppelstrangbruch 4 DNA-Vernetzung mit intra- oder intermolekularen Verbindungen (crosslinks) 4 Basenschäden, bei denen chemische Modifikationen oder Basenverluste auftreten. 4 Mehrfachschäden, wobei mehrere DNA-Schäden in Kombination auftreten (bulky lesion).
Reparaturmechanismen Zelluläre Systeme können Strahlenschäden z. T. vollständig wieder reparieren.Nach einer Strahlenexposition können innerhalb von Minuten bis Tagen Reparaturen des Schadens erfolgen. So werden z. B. Einzelstrangbrüche sowie Basenschäden durch Herausschneiden des geschädigten Abschnitts behoben. Doppelstrangbrüche können ebenfalls repariert oder unschädlich gemacht werden. Auch Mehrfachschäden können
2
14 Kapitel 2 · Strahlenbiologie und Strahlenschutz
2
durch unterschiedliche Reperaturmechanismen beseitigt werden. Die Apoptose (programmierter Zelltod) stellt ein wichtiges Reparatursystem dar, um irreparable Zellschäden durch Zelluntergang zu beseitigen.
Eine Dosis von bis zu 2 Gy führt zu Ermüdungserscheinungen und Konzentrationsstörungen, ab 7 Gy ist die Dosis letal. Die mediane Letaldosis beträgt 3–4 Gy (LD 50, d. h. 50% der Strahlenexponierten sterben innerhalb von 30 Tagen).
Folgen von Strahlenschäden Durch direkte und indirekte Strahlenwirkung und durch fehlerhafte Reparaturen können Mutationen auftreten. Mutationen sind irreversible Schäden der genetischen Information. Es gibt Gen- oder Punktmutationen, Chromosomen- und Genommutationen. Bei Punktmutationen treten Veränderungen eines Nukleotids auf, z. B. Verlust einer Base (Deletion) oder Ersatz einer Base durch eine andere (Transition und Transversion) sowie die Umkehrung der Reihenfolge der Basen (Inversion). Bei Chromosomenmutationen treten Veränderungen der Chromsomenstruktur auf (Deletion, Duplikation, Translation, Inversion). Dabei können nur ein Arm, aber auch beide Arme eines Chromosoms betroffen sein. Auch die Ausbildung von Ring- oder dizentrischen Chromosomen kommt vor. Der Nachweis dieser Veränderungen in Lymphozyten erlaubt eine Aussage über die empfangene Strahlendosis (Chromosomenaberrationsanalyse). Bei Genommutationen sind Veränderungen in der Anzahl der Chromosomen nachweisbar, z. B. Monosomie oder Trisomie. Mutationen führen nicht immer zu klinischen Veränderungen, sie können stumm bleiben, aber auch zur Entartung oder Tod der Zelle führen.
2.1.3
Akute Strahlenfolgen am menschlichen Körper
Akute Strahlenfolgen treten in einem Zeitraum von bis zu 90 Tagen nach Strahlenexposition auf. Betroffen sind v. a. Gewebe mit einem hohen Zellumsatz und das Gefäßsystem. Rasch proliferierende und somit früh reagierende Gewebe haben eine hierarchische Proliferationsorganisation; die Bestrahlung führt zu einem Verlust der Stammzellen, der sich bei diesen Geweben rasch in einem Mangel an funktionstüchtigen Zellen äußert und zu Funktionseinschränkungen führt. Beim Gefäßsystem kommt es zunächst zu einer Vasodilatation der Kapillaren und einer Kontraktion der Venolen, was zu einer Hyperämie (Erythem) und erhöhter Gefäßpermeabilität (Ödem) führt. Als »Akutes Strahlensyndrom« (akute Strahlenkrankheit) wird eine Vielzahl von Symptomen zusammengefasst, die nach ausgedehnten Teil- oder Ganzkörperstrahlenexposition auftritt. Die Ausdehung der Strahlenkrankheit ist von der Dauer und Intensität der Strahlenexposition abhängig. Das akute Strahlensyndrom verläuft üblicherweise in 3 Phasen: 4 Prodromalphase, gekennzeichnet durch Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen. Sie tritt umso früher auf, je höher die Dosis ist. 4 Latenzphase, in der der Betroffene weitgehend asymptomatisch ist. 4 Hauptphase, in der der Strahlenschaden manifest wird.
2.1.4
Chronische Strahlenfolgen
Chronische Strahlenfolgen treten ab 90 Tage nach der Strahlenexposition auf. Betroffen sind Gewebe mit einem niedrigem Zellumsatz, Bindegewebe, aber auch das Gefäßsystem. Durch den langsamen Zellumsatz zeigen diese Gewebe eine hohe Reparaturkapazität. Der Verlust an Stammzellen wirkt sich bei diesen Geweben jedoch nicht so gravierend aus. Chronische Strahlenfolgen sind von Strahlentherapeuten gefürchtet, da sie irreversibel, teilweise progredient und schlecht therapierbar sind.
2.1.5
Lokale Strahlenfolgen
Hämatopoetisches System. Das Knochenmark ist sehr strah-
lenempfindlich, v. a. die pluripotenten Stammzellen sind sehr empfindlich. Eine Einzeitbestrahlung von 3–4 Gy reduziert die Stammzellen um ca. 90%. Stammzellen können aus der Peripherie oder unbestrahltem Knochenmarkbereichen nachwandern. Gastrointestinaltrakt. Der Dünndarm ist am strahlenempfindlichsten, es kommt durch Absterben der Epithelzellen zu einer Strahlenenteritis mit Resorptionsstörung, blutiger Diarrhoe, Wasser- und Elektrolytverlust. Am Colon entsteht eine Strahlenproktitis. Leber. Bei einer Strahlenexposition der Leber >30 Gy kommt es zu einer Strahlenhepatitis mit allmählichem Verschluss der Zentralvenen. Klinisch zeigt sich dies durch einen Anstieg der Leberenzyme, Ikterus, Hepatomegalie und Aszites. Niere. Die Nieren sind relativ strahlenunempfindlich, nach entspechend hoher Strahlenexposition kommt es jedoch zu einer Strahlennephropathie mit Tubulusatrophie und interstitieller Fibrose, die sich etwa 6 Monate nach Bestrahlung manifestiert. Ein strahleninduzierter Hypertonus kann sich auch noch 10 Jahre nach Bestrahlung manifestieren. Lunge. Nach einer Strahlenexposition von 20–30 Gy kann sich
akut nach 4–8 Wochen eine Strahlenpneumonitis zeigen, die sich klinisch ähnlich wie eine atypische virale Pneumonie äußert (Husten, Dyspnoe), aber auch asymptomatisch verlaufen kann. Als chronische Strahlenfolge kann sich dann eine Lungenfibrose ausbilden. Herzkreislaufsystem. Als akute Strahlenfolgen können EKG-
Veränderungen auftreten, als Langzeitfolgen Perikardergüsse, Perikarditis. An den Gefäßen treten Veränderungen in Abhängigkeit von der Gefäßgröße auf. An großen Gefäßen treten kaum akute oder chronische Strahlenschäden auf. An den Arteriolen und im Kapillarbett treten chronische Strahlenfolgen relativ spät
15 2.2 · Gefährlichkeit von Röntgenstrahlen
auf, sind aber von entscheidender Bedeutung. Durch die Strahlenexposition kommt es zu einer Obliteration des Gefäßbetts im Bereich der Arteriolen und Kapillaren, Venen sind dagegen relativ strahlenresistent. Nervensystem. Am ZNS können 3 strahleninduzierte Effekte beschrieben werden: 4 Frühe Veränderungen, die bei sehr hohen Dosen bereits innerhalb von Stunden auftreten können. Ein radiogenes Ödem tritt durch eine Störung der Blut-Hirn-Schranke auf; man spricht dann von einer Strahlenenzephalitis oder -myelitis. 4 Eine »frühe Spätreaktion« tritt innerhalb von 6 Monaten nach Bestrahlung auf. Es kommt zu einer subakuten Enzephalitis, Myelitis oder Leukenzephalopathie. Es können reversible Parästhesien auftreten. 4 »Späte Spätreaktionen« treten nach mehreren Monaten bis Jahren auf, es kann zu einer Radionekrose kommen, die häufig bildmorphologisch schlecht von einem Tumorrezidiv unterschieden werden kann.
Das periphere Nervensystem ist relativ strahlenresistent, als Spätfolgen nach hohen Bestrahlungen können jedoch Lähmungen auftreten. Haut. Eine der häufigsten Nebenwirkung der Strahlentherapie ist eine akute Radiodermatitis. Sie manifestiert sich nach einer Gesamtdosis von ca. 16–20 Gy, Einzeldosen von 2 Gy. Es zeigen sich, abhängig von der Dosis, ein Erythem, Ödem, trockene Schuppung, Haarverlust, feuchte Epitheliolyse, Blutung und Nekrose. Die Ausprägung lässt sich durch gezielte Hautpflege mindern. Als chronische Strahlenfolgen treten eine Atrophie der Hautanhangsgebilde, Pigmentveränderungen, Teleangiektasien, Epidermisatrophie, Hypo- und Dyskeratosen und Ulzerationen auf. Auge. Die Linse ist der strahlensensibelste Teil des Auges. Schon bei Dosen von ca. 10 Gy kann sich mit einer Latenz von Monaten bis Jahren eine Strahlenkatarakt entwickeln. Durch eine Kataraktoperation und Einsetzen einer Kunststofflinse ist diese jedoch gut therapierbar. Akut kann eine Keratokonjunktivitis entstehen, die sich bis Ende der Bestrahlung zurückbildet. Eine Strahlenkeratitis kann zu einer Trübung oder einem Ulkus der Hornhaut führen. Durch eine Beeinträchtigung der Tränendrüse kommt es zu einer Conjunctivitis sicca. Keimdrüsen. Die Keimdrüsen gehören zu den strahlenempfindlichsten Organen. Insbesondere kindliche Keimdrüsen sollten vor ionisierender Strahlung geschützt werden, da sie ca. 10-mal strahlensensibler sind als bei Erwachsenen. Strahlenfolgen sind eine Störung der Keimzellproduktion, endokrine Störungen sowie genetische Schäden an den Keimzellen. Bei den männlichen Keimdrüsen kann es in der frühen Phase der Spermatogenese zu genetischen Veränderungen kommen. Die Spermien selbst sind relativ strahlenresistent. Als Schwellendosis bei Bestrahlung der männlichen Keimdrüsen gelten 0,2 Gy.
Die weiblichen Keimdrüsen sind am strahlensensibelsten im späten Stadium der Oogenese, nämlich bei den primären Oozyten. Die Strahlensensibilität des sekundären Oozyten ist geringer. Eine Infertilität tritt nach höheren Dosen auf. Bereits bei Dosen von 1–2 Gy kann es zu einer Amenorrhoe kommen. Die Schwellendosis für die sensibelsten Zellen der Eierstöcke liegt bei 2–6 Gy. Pränatale Strahlenschäden. In der Blastogenese (bis 10. Entwicklungstag) gilt das Alles-oder-Nichts-Gesetz. Hier führt eine Strahlung mit einer Dosis >0,05 Sv entweder zum Tod des Embryos oder es resultiert eine normale Entwicklung. Während der Organogenese entstehen Organfehlbildungen, v. a. des ZNS (2.–8. Entwicklungswoche). In der Fetogenese kann es zu neurologischen Defiziten oder Wachstumsstörungen kommen (9. Entwicklungswoche bis zur Geburt).
2.1.6
Kanzerogenese
Eine maligne Entartung von Zellen durch Mutationen aufgrund ionisierender Strahlung, ein kanzerogener Effekt, zählt mit genetischen Schäden zu den stochastischen Strahlenfolgen. Das bedeutet, dass es hierfür keine Schwellendosis gibt. Selbst sehr kleine Dosen können z. B. zu Leukämien, Brustkrebs, Hautkrebs, Schilddrüsenkrebs führen. Bei soliden Tumoren vergehen durchschnittlich 20, bei Leukämien 5–10 Jahre bis zur klinischen Manifestation.
2.2
Gefährlichkeit von Röntgenstrahlen
Aussagen hierüber beruhen auf statistischen Berechnungen, sind also Wahrscheinlichkeitsabschätzungen. Wird der Körper einer Röntgenstrahlung (elektromagnetische Welle) ausgesetzt, geht ein geringer Teil der Energie der Röntgenstrahlen auf den Körper über. Hierbei können prinzipiell alle Substanzen in einer Körperzelle geschädigt werden. Schäden der DNA der Körperzellen können zu Krebserkrankungen führen. 99,9% der DNA-Schäden werden durch körpereigene Reparaturmechanismen beseitigt (s. oben). Eine hohe Strahlenempfindlichkeit haben blutbildendes Knochenmark, Dickdarm, die weibliche Brust, Magen und Lunge. Eine mittlere Strahlenempfindlichkeit haben Blase, Leber, Speiseröhre und Schilddrüse, eine geringe Strahlenempfindlichkeit Haut, Knochenoberfläche und Muskulatur. Somit hängt die Belastung durch Röntgenstrahlen sowohl von der Höhe der Strahlendosis als auch von dem Ort der Bestrahlung ab. Bei der Dosisabschätzung wird die Bestrahlung kritischer Organe daher stärker gewichtet. Es wird eine vergleichbare effektive Dosis berechnet, die in Millisievert pro Jahr (mSV/a) angegeben wird. Kosmische Strahlen, Erdstrahlung, natürliche Radoninhalation und die Aufnahme natürlicher, radioaktiver Stoffe führen zu einer Strahlenbelastung von ca. 2,4 mSV/a. Durch das Reaktorunglück in Tschernobyl betrug die durchschnittliche Strahlenbelastung in Deutschland 1990 0,025 mSV/a. 100 h Farbfernsehen (3 m Abstand) entsprechen 0,01 mSV/a, 100 h vor einem Bildschirm (0,5 m Abstand) 0,12 mSV/a, eine 10-stündige Flugreise
2
16 Kapitel 2 · Strahlenbiologie und Strahlenschutz
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0,1 mSV/a, eine Zunahme der kosmischen Strahlenbelastung in 2000 m Höhe gegenüber Meereshöhe 0,6 mSV/a (angegeben ist jeweils die zusätzliche Belastung auf das Jahr bezogen). Dahingegen führt eine einmalige Röntgenuntersuchung zu einer zusätzlichen effektiven Dosis von: 4 Röntgen (7 Kap. 3): 5 Schädel: 0,03 bis 0,1 mSv 5 Thorax: 0,02 bis 0,08 mSv 5 Bauchraum: 0,6 bis 1,2 mSv 5 HWS: 2,0 mSv 5 Brustwirbelsäule: 0,5 bis 0,8 mSv 5 LWS: 0,8 bis 1,8 mSv 5 Becken: 0,5 bis 1,0 mSv 4 CT (7 Kap. 4): 5 Schädel: 2,0 mSv 5 Thorax: 6 bis 10 mSv 5 Bauchraum: 10 bis 25 mSv 4 DSA Herz: 10 mSv 4 Durchleuchtung Thorax: 1,5 mSv Das Risiko, durch eine einmalige Röntgenuntersuchung an einer strahleninduzierten Krebserkrankung zu versterben, beträgt: 4 bei Röntgenuntersuchungen von Lunge und Schädel 1:100 000 (innerhalb von 10 Jahren vom Blitz erschlagen zu werden), 4 bei Röntgenuntersuchungen von BWS, weiblicher Brust 1:40 000 (innerhalb von 3 Monaten einen tödlichen Verkehrsunfall zu erleiden), 4 CT-Kopf 1:10 000 (innerhalb eines Jahres einen tödlichen Verkehrsunfall zu erleiden), 4 CT-Wirbelsäule 1:2000 (innerhalb von 5 Jahren einen tödlichen Verkehrsunfall zu erleiden), 4 CT-Thorax, Angiographie 1:1000 (innerhalb von 10 Jahren einen tödlichen Verkehrsunfall zu erleiden). Es dauert viele Jahre, bis eine strahleninduzierte Krebserkrankung auftritt. Für die Leukämie geht man in diesem Dosisbereich von 15 Jahren, für andere Krebsformen von 40 Jahren aus.
Strahlungsbelastung/Strahlenschutz Ein wesentlicher Anteil der Strahlenexposition in der Medizin wird durch die CT verursacht (ca. 30%) (7 Kap. 4). Eine Dosisreduktion kann neben einer strengen Indikationsstellung durch folgende Maßnahmen erreicht werden: 4 Reduktion der Energie (mA) auf einen minimal erforderlichen Wert. Dies führt jedoch zu einem verstärkten Bildrauschen. 4 Erhöhung des Pitch-Faktors (Verhältnis Tischvorschub zu Schichtdicke). Eine Beschleunigung des Tischvorschubs um 50% bei konstanter nominaler Schichtdicke geht mit einer Dosisreduktion um 33% einher. Zudem verbreitert sich jedoch die effektive Schichtdicke um 50%. 4 Exaktes Festlegen des Untersuchungsbereichs. Eine einmal gestartete Spirale kann nicht angehalten werden. 4 Speichern von Rohdaten für evtl. Rekonstruktionen.
In Deutschland stirbt jeder 4. Mensch an einer Krebserkrankung. Dies entspricht einem Risiko von 25%. Eine einmalige Röntgenuntersuchung der Lunge erhöht das Risiko auf 25,001%. Durch eine veränderte Lebensweise lässt sich das Risiko um 5% verringern oder entsprechend erhöhen. Jede Röntgenuntersuchung birgt letztlich ein unkalkulierbares Risiko. Daher dürfen Röntgenuntersuchungen nur bei entsprechender Indikation durchgeführt werden (s. unten).
2.3
Strahlenschutz und Qualitätssicherung in der Röngendiagnostik
Die Röntgenverordnung (RöV §16) schreibt die Durchführung der Qualitätssicherung in der Röntgendiagnostik vor. Strahlenschutzverantwortlicher (RöV §13) ist, wer eine Röntgeneinrichtung betreibt. Der Strahlenschutzverantwortliche ist am Krankenhaus der Krankenhausträger und in der Röntgenpraxis der Praxisbetreiber. Er braucht selbst weder fachkundig zu sein, noch muss er den Umgang mit radioaktiven Stoffen oder den Betrieb von Anlagen persönlich überwachen.
2.3.1
Strahlenschutzbeauftragter (RöV §13)
Der Strahlenschutzverantwortliche bestellt schriftlich den Strahlenschutzbeauftragten, der den Umgang mit radioaktiven Stoffen oder den Betrieb von Strahlenanlagen überwacht und der verpflichtet ist, die Vorschriften einzuhalten. Der Strahlenschutzbeauftragte muss über den Nachweis der Fachkunde verfügen. Die Röntgenverordnung schreibt vor, dass im Falle der Abwesenheit des Strahlenschutzbeauftragten ein Stellvertreter bestellt sein muss. Organisatorisch getrennte Abteilungen mit Röntgengeräten müssen über einen eigenen Strahlenschutzbeauftragten und Stellvertreter verfügen. Das zuständige staatliche Gewerbeaufsichtsamt muss schriftlich über die Bestellung des Strahlenschutzbeauftragten und den Nachweis der Fachkunde informiert werden. Dem Strahlenschutzbeauftragten obliegen die vorgegebenen Pflichten nur im Rahmen seines innerbetrieblichen Entscheidungsbereichs (RöV §14). Er hat dem Strahlenschutzverantwortlichen unverzüglich alle Mängel mitzuteilen, die den Strahlenschutz betreffen. Der Strahlenschutzverantwortliche hat den Strahlenschutzbeauftragten über Verwaltungsakte, Maßnahmen, die die Aufgaben des Strahlenschutzbeauftragten betreffen, unverzüglich zu unterrichten. Der Strahlenschutzbeauftragte hat zum Schutz Einzelner und der Allgemeinheit vor Strahlenschäden durch geeignete Maßnahmen dafür zu sorgen, dass jede unnötige Strahlenexposition von Menschen unterbleibt (RöV §15), jede Strahlenexposition so gering wie möglich gehalten wird, die geeigneten Schutzvorschriften eingehalten werden, die Bestimmung des Bescheides über die Genehmigung oder Bauartzulassung eingehalten werden.
17 2.3 · Strahlenschutz und Qualitätssicherung in der Röngendiagnostik
2.3.2
Aufzeichnungspflicht bei Röntgenuntersuchung (RöV § 28)
Vor Beginn einer jeden Röntgenuntersuchung oder Behandlung ist nach früherer Anwendung von ionisierten Strahlen zu fragen, diese sind aufzuzeichnen. Es ist nach dem Röntgennachweisheft zu fragen und entsprechende Eintragungen sind vorzunehmen. Weibliche Patienten im gebärfähigen Alter sind nach einer bestehenden Schwangerschaft zu befragen. Das Ziel der Befragung ist, Mehrfachuntersuchungen zu vermeiden. Das Ergebnis der Befragung ist aufzuzeichnen. Aus der Aufzeichnung müssen der Zeitpunkt, die Art der Anwendung, die untersuchte oder behandelte Körperregion sowie die Angaben hervorgehen, die zur Ermittlung der Körperdosen erforderlich sind. Die Aufzeichnungen sind auf Verlangen den zuständigen Behörden vorzulegen. Dem untersuchten Patienten sind auf Wunsch Auskünfte über Aufnahme- und Durchleuchtungsdaten mitzuteilen.
2.3.3
Aufbewahrungspflicht (RöV § 28 und 35)
Aufzeichnungen über Röntgenbehandlungen (Strahlentherapie) müssen bis 30 Jahre nach der letzten Behandlung aufbewahrt werden. Aufzeichnungen über Röntgenuntersuchungen (inkl. Filme) müssen bis 10 Jahre nach der letzten Behandlung aufbewahrt werden. Bei Patienten <18 Jahren müssen die Aufzeichnungen nach dem vollendeten 18. Lebensjahr noch 10 Jahre aufbewahrt werden. Aufzeichnungen über Messungen der Personendosis von Personen, die sich im Kontrollbereich aufhalten, sind 30 Jahre aufzubewahren. Röntgenaufnahmen bleiben Eigentum des Instituts, in dem die Untersuchung gemacht wurde.
2.3.4
Belehrung (RöV § 36)
Die im Kontrollbereich tätigen Personen, die Röntgenstrahlen anwenden, sind vorher über die Arbeitsmethoden, die möglichen Gefahren und die anzuwendenden Schutzmaßnahmen zu belehren.
2.3.5
Strahlenschutzbereiche (StrlSchV § 57 – 60)
In der Strahlenschutzverordnung wurden Strahlenschutzbereiche definiert: 4 Sperrbereich 4 Kontrollbereich 4 Betrieblicher Überwachungsbereich 4 Außerbetrieblicher Überwachungsbereich
Kontrollbereich (RöV § 19) Ein Aufenthalt im Kontrollbereich liegt dann vor, wenn die Möglichkeit besteht, dass eine Person höhere Körperdosen als 6 mSv im Kalenderjahr aus Ganzkörperexposition absorbiert. Der Zutritt ist nur Beschäftigten >18 Jahren, Jugendlichen zur Ausbildung und Patienten zur Untersuchung gestattet. Der Kontrollbereich ist dann schon gegeben, wenn die Dosisbelastung von 6 mSv pro Jahr oder höhere Organdosen als 45 mSv für die Augenlinse oder 150 mSv für Haut, Hände, Unterarme, Füße oder Knöchel möglich sind. Die Bedingung erfährt auch keine Änderung durch das Tragen von Schutzkleidung für die beruflich strahlenexponierten Personen, die im Kontrollbereich vorgeschrieben ist.
Betrieblicher Überwachungsbereich (RöV § 19) Der betriebliche Überwachungsbereich umfasst an den Kontrollbereichen angrenzende Räume, in denen bei Daueraufenthalt im Kalenderjahr eine Körperdosis von >1 mSv erreicht werden kann oder höhere Organdosen als 15 mSv für die Augenlinse oder 50 mSv für Haut, Hände, Unterarme, Füße oder Knöchel möglich sind. Der Aufenthalt ist ohne zeitliche Begrenzung erlaubt.
2.3.6
Qualitätssicherung in der Röntgendiagnostik (RöV §16)
Bei röntgendiagnostischen Anlagen ist vor der Inbetriebnahme und nach jeder Änderung der Einrichtung eine Abnahmeprüfung durch den Hersteller oder Lieferanten durchzuführen. Bei der Abnahmeprüfung werden sämtliche Funktionsparameter der Anlage überprüft, v. a. Röhrenspannung, Dosisausbeute, Schaltfunktionen, Schwächungsfaktoren, Zentrierung des Nutzstrahlenbündels und Aufnahmen mit dem Prüfkörper. Der Betreiber ist in regelmäßigen Zeitabständen, mindestens monatlich, verpflichtet eine Konstanzprüfung mit einem Prüfkörper durchzuführen und mit der Ursprungsaufnahme zu vergleichen. Liegen Abweichungen der Bildqualität im Vergleich zur Ursprungsaufnahme vor, ist der Betreiber verpflichtet, die Ursache zu ermitteln und zu beseitigen. Die Ergebnisse der Abnahme und Konstanzprüfungen sind von den Behörden zu benennenden zahnärztlichen und ärztlichen Stellen zur Überprüfung zugänglich zu machen. Die Maßnahmen der Qualitätssicherung haben das Ziel, eine adäquate Bildqualität mit einer Strahlenexposition zu erreichen, die mit Erfordernissen der medizinischen Wissenschaft zu vereinbaren ist. Mit der angefertigten Röntgenuntersuchung soll die diagnostische Untersuchung mit einer Strahlenexposition durchgeführt werden, die so niedrig gehalten wird, wie dies vernünftigerweise vertretbar ist. Die regelmäßigen Konstanzprüfungen sollen eine Verbesserung der Bildqualität sowie eine Verringerung von Strahlenbelastung und Kosten bewirken.
Sperrbereich Der Sperrbereich ist ein Bereich mit einer höheren Dosisleistung als 3 mJ/kg/h (0,3 REM/h). Der Sperrbereich muss mit folgender Kennzeichnung markiert sein: Sperrbereich, kein Zutritt. Ein zeitlich begrenzter Zutritt ist nur mit Sondergenehmigung gestattet.
Abnahmeprüfung Bei einer Neuinstallation wird in einer Abnahmeprüfung nachgewiesen, dass die Röntgeneinrichtungen in einem technisch optimalen Zustand sind und den Vorgaben des Gesetzgebers entsprechen. Die Abnahmeprüfung wird bei Inbetriebnahme
2
18 Kapitel 2 · Strahlenbiologie und Strahlenschutz
2
und bei Änderung des Betriebs, welche die Bildqualität oder den Strahlenschutz betreffen, vorgenommen. Bei kleineren Veränderungen am Gerät, im Rahmen einer Reparatur oder eines Ersatzes genügt eine Teilabnahmeprüfung. Nach dem Medizinproduktegesetzt entfällt bei Geräten mit CE-Zeichen die Abnahmeprüfung durch den Hersteller, ebenso die Kontrolle der Abnahmeprüfung durch den Sachverständigen. Dennoch hat der Hersteller und der Lieferant eine Abnahme vorzunehmen, die der Produkthaftung genügt.
2.3.7
Auszüge aus der Röntgenverordnung
§ 31 Kategorien beruflich strahlenexponierter Personen Personen, die einer beruflichen Strahlenexposition durch Tätigkeiten nach dieser Verordnung ausgesetzt sind, sind zum Zweck der Kontrolle und arbeitsmedizinischen Vorsorge folgenden Kategorien zugeordnet: 1. Beruflich strahlenexponierte Personen der Kategorie A: Personen, die einer beruflichen Strahlenexposition ausgesetzt sind, die im Kalenderjahr zu einer effektiven Dosis von >6 mSv oder einer höheren Organdosis als 45 mSv für die Augenlinse oder 150 mSv für die Haut, die Hände, die Unterarme, die Füße und Knöchel führen kann. 2. Beruflich strahlenexponierte Personen der Kategorie B: Personen, die einer beruflichen Strahlenexposition ausgesetzt sind, die im Kalenderjahr zu einer effektiven Dosis von >1 mSv oder einer höheren Organdosis als 15 mSv für die Augenlinse oder 50 mSv für die Haut, die Hände, die Unterarme, die Füße und Knöchel führen kann, ohne in die Kategorie A zu fallen.
§ 31a Dosisgrenzwerte bei beruflicher Strahlenexposition (1) Für beruflich strahlenexponierte Personen darf die effektive Dosis den Grenzwert von 20 mSv im Kalenderjahr nicht überschreiten. Die zuständige Behörde kann im Einzelfall für ein einzelnes Jahr eine effektive Dosis von 50 mSv zulassen, wobei für 5 aufeinander folgende Jahre 100 mSv nicht überschritten werden dürfen. (2) Für beruflich strahlenexponierte Personen darf die Organdosis folgende Werte nicht überschreiten: 4 für die Augenlinse den Grenzwert von 150 mSv, 4 für die Haut, die Hände, die Unterarme, die Füße und Knöchel jeweils den Grenzwert von 500 mSv, 4 für die Keimdrüsen, die Gebärmutter und das rote Knochenmark jeweils den Grenzwert von 50 mSv, 4 für die Schilddrüse und die Knochenoberfläche jeweils den Grenzwert von 300 mSv, 4 für den Dickdarm, die Lunge, den Magen, die Blase, die Brust, die Leber, die Speiseröhre, andere Organe oder Gewebe gemäß Anlage 3, Fußnote 1, soweit nicht unter Nummer 3 genannt, jeweils den Grenzwert von 150 mSv.
§ 31b Berufslebensdosis Die Summe der in allen Kalenderjahren ermittelten effektiven Dosen beruflich strahlenexponierter Personen darf den Grenz-
wert von 400 mSv nicht überschreiten. Die zuständige Behörde kann im Benehmen mit dem Arzt nach § 41 Abs. 1 Satz 1 eine weitere berufliche Strahlenexposition zulassen, wenn diese eine effektive Dosis von 10 mSv im Kalenderjahr nicht überschreitet und die beruflich strahlenexponierte Person schriftlich einwilligt.
§ 19 Strahlenschutzbereiche (1) Bei genehmigungs- und anzeigebedürftigen Tätigkeiten nach dieser Verordnung sind Strahlenschutzbereiche nach Maßgabe des Satzes 2 einzurichten. Je nach Höhe der Strahlenexposition wird zwischen Überwachungsbereichen und Kontrollbereichen unterschieden: 1. Überwachungsbereiche sind nicht zum Kontrollbereich gehörende betriebliche Bereiche, in denen Personen im Kalenderjahr eine effektive Dosis von >1 mSv oder höhere Organdosen als 15 mSv für die Augenlinse oder 50 mSv für die Haut, die Hände, die Unterarme, die Füße und Knöchel erhalten können. 2. Kontrollbereiche sind Bereiche, in denen Personen im Kalenderjahr eine effektive Dosis von >6 mSv oder höhere Organdosen als 45 mSv für die Augenlinse oder 150 mSv für die Haut, die Hände, die Unterarme, die Füße und Knöchel erhalten können. (2) Kontrollbereiche sind abzugrenzen und während der Einschaltzeit zu kennzeichnen. Die Kennzeichnung muss deutlich sichtbar mindestens die Worte »Kein Zutritt – Röntgen« enthalten; sie muss auch während der Betriebsbereitschaft vorhanden sein. (3) Aus anderen Strahlenquellen herrührende Ortsdosen sind bei der Festlegung der Grenzen des Kontrollbereichs und des Überwachungsbereichs einzubeziehen. (4) Die zuständige Behörde kann anordnen, dass weitere Bereiche als Kontrollbereiche oder als Überwachungsbereiche zu behandeln sind, wenn dies zum Schutz Einzelner oder der Allgemeinheit erforderlich ist. (5) Die Bereiche nach den Absätzen 1 und 4 gelten als Strahlenschutzbereiche nur während der Einschaltzeit des Strahlers. (6) Beim Betrieb ortsveränderlicher Röntgeneinrichtungen oder Störstrahler nach § 5, Absatz 1 ist ein nach Absatz 1, Satz 2, Nr. 2 einzurichtender Kontrollbereich zu kennzeichnen und so abzugrenzen, dass unbeteiligte Personen diesen nicht unbeabsichtigt betreten können. Kann ausgeschlossen werden, dass unbeteiligte Personen den Kontrollbereich unbeabsichtigt betreten können, ist die Abgrenzung nicht erforderlich.
§ 23 Rechtfertigende Indikation (1) Röntgenstrahlung darf unmittelbar am Menschen in Ausübung der Heilkunde oder Zahnheilkunde nur angewendet werden, wenn eine Person nach § 24, Abs. 1 Nr. 1 oder 2 hierfür die rechtfertigende Indikation gestellt hat. Die rechtfertigende Indikation erfordert die Feststellung, dass der gesundheitliche Nutzen der Anwendung am Menschen gegenüber dem Strahlenrisiko überwiegt. Andere Verfahren mit vergleichbarem gesundheitlichem Nutzen, die mit keiner oder einer geringeren Strahlenexposition verbunden sind, sind bei der Abwägung zu berücksich-
19 2.3 · Strahlenschutz und Qualitätssicherung in der Röngendiagnostik
tigen. Eine rechtfertigende Indikation nach Satz 1 ist auch dann zu stellen, wenn die Anforderung eines überweisenden Arztes vorliegt. Die rechtfertigende Indikation darf nur gestellt werden, wenn der die rechtfertigende Indikation stellende Arzt den Patienten vor Ort persönlich untersuchen kann, es sei denn, es liegt ein Anwendungsfall des § 3 Abs. 4 vor. § 28a bleibt unberührt. (2) Der die rechtfertigende Indikation stellende Arzt hat vor der Anwendung, erforderlichenfalls in Zusammenarbeit mit dem überweisenden Arzt, die verfügbaren Informationen über bisherige medizinische Erkenntnisse heranzuziehen, um jede unnötige Strahlenexposition zu vermeiden. Patienten sind über frühere medizinische Anwendungen von ionisierender Strahlung, die für die vorgesehene Anwendung von Bedeutung sind, zu befragen. (3) Vor einer Anwendung von Röntgenstrahlung in der Heilkunde oder Zahnheilkunde hat der anwendende Arzt gebärfähige Frauen, erforderlichenfalls in Zusammenarbeit mit dem überweisenden Arzt, zu befragen, ob eine Schwangerschaft besteht oder bestehen könnte. Bei bestehender oder nicht auszuschließender Schwangerschaft ist die Dringlichkeit der Anwendung besonders zu prüfen.
2
3 3 Konventionelle Röntgendiagnostik W. Reith
3.1
Technische und physikalische Grundlagen
3.2
Bilddokumentation
3.3
Untersuchungsgeräte/-verfahren
– 23
3.3.1 Kontrastmittelunterstützte Aufnahmen
– 24 – 24
– 22
22 Kapitel 3 · Konventionelle Röntgendiagnostik
3.1
3
Technische und physikalische Grundlagen
Eine Anlage für die diagnostische Anwendung von Röntgenstrahlen besteht in der Regel in der Röntgenröhre als Strahlenquelle, dem Hochspannungsgenerator zum Betrieb der Röntgenröhre, im Röntgengerät mit dem Aufnahmesystem und dem Durchleuchtungsgerät. Die Röntgenstrahlen werden durch die Abbremsung schnell bewegter Elektronen im Anodenbrennfleck der Röntgenröhre erzeugt. Für die medizinische Anwendung kommen die diagnostische Röntgenröhre und die therapeutische Röntgenröhre zur Anwendung. Die Röntgenröhre besteht aus: 4 Elektronenquelle (Kathode) 4 Bremskörper (Anode) 4 Glaszylinder mit Hochvakuum
. Abb. 3.1. Röntgenröhre, schematisch dargestellt. A: Anode; B: Brennfleck; R: Röhrenabschirmung; UB: Beschleunigungsspannung; UH: Heizspannung; F: Strahlenaustrittsfenster
Kathode, Anode und Glaszylinder In der Projektionsradiographie (Röntgenübersichtsaufnahmen, Durchleuchtungsaufnahmen, kontrastmittelgestützte Röntgenaufnahmen bei Angiographie, Phlebographie) wird der Röntgenstrahl durch Absorption bei Passage durch die einzelnen Geweben geschwächt und zur Bildgebung benutzt. Die örtliche Verteilung der unterschiedlich geschwächten Röntgenstrahlen wird als Strahlenbild bezeichnet. Es ist eine Summation der im Strahlengang erfolgten Absorption durch die unterschiedlichen Gewebe (Summations- oder Projektionsbild). Die ionisierende Strahlung wird erzeugt in Röntgenröhren, die von einem Schutzgehäuse umgeben sind. Dieses Schutzgehäuse hat eine doppelte Funktion: zum einen begrenzt es den Austritt der Röntgenstrahlung auf das Strahlenaustrittsfenster, zum anderen übernimmt es die Funktion des Schutzes bei prinzipiell nicht auszuschließenden Implosionen der Röntgenröhre. Die Erzeugung von Strahlung wird dadurch erreicht, dass eine Heizkathode erhitzt wird. Bei sehr hoher Temperatur der Heizwände wird notwendige Energie für die Austrittsarbeit von Elektronen aus dem Kathodenmaterial aufgebracht. Das Kathodenmaterial besteht in der Regel aus Wolfram oder einem Metall, das einen ähnlich hohen Schmelzpunkt wie Wolfram besitzt. Durch die angelegte Spannung zwischen Kathode und den Präanodenteller werden die thermisch erzeugten Elektronen von der Oberfläche der Kathode auf die Anode hin beschleunigt. Der Aufprall wird Brennfleck bzw. Fokus genannt. Hochleistungsröhren besitzen meist 2 unterschiedlich große Brennflecke. Die Energie, die ein Elektron aufnimmt, wird durch die angelegte Röntgenröhrenspannung U bestimmt. Das auf das Anodenmaterial einfallende, schnelle Elektron wird vom elektrischen Feld eines Atomkerns abgebremst und aus seiner Richtung abgelenkt. Die dabei abgegebene Energie wird als Quant der Röntgenbremsstrahlung frei. Der Wirkungsgrad, mit dem diese Umwandlung stattfindet, ist von der Ordnungszahl Z des Anodenmaterials, von der Spannung U und einer Konstanten abhängig. Nur 1% der aufgewendeten Energie wird in Strahlung umgewandelt. Die so erzeugte Strahlung wird allgemein als Bremsstrahlung bezeichnet. Die Energieverteilung der Quanten beschreibt das Röntgenspektrum. Eine Erhöhung der Röntgen-
röhrenspannung bei gleicher mAs-Produkt erhöht die Dosisausbeute. Zusätzliche Filterung, z. B. mit Aluminium, haben den Zweck, weiche Strahlenanteile der Strahlung, die nicht bildgebend wirken, also zum weit überwiegenden Teil im Objekt absorbiert werden, aus dem Spektrum zu filtern. Diese zusätzliche Filterung der Strahlung beträgt beim Strahler 2 mm Aluminiumgleichwert, der in der Projektionsradiographie bei Erwachsenen verwendet wird. In der pädiatrischen Radiologie wird ein höherer Aluminiumgleichwert gefordert, der meist durch zusätzliche Kupferfilter realisiert wird. Weiche Anteile der Röntgenstrahlungen werden im Material stärker gefiltert als härtere Anteile; dieser Effekt wird üblicherweise als Aufhärtung der Strahlung beschrieben. Der Anteil der charakteristischen Strahlung bei einer Molybdänanode ist gegen eine mit Wolfram erzeugte Strahlung deutlich erhöht. Die Absorptionskante von Molybdän bewirkt bei einer zusätzlichen Molybdänfilterung mit 30 μm eine nahezu völlige Auslöschung der K-Linie. Diese Strahlenqualität, die starke Anteile charakteristischer Strahlung aufweist, findet in der Mammographie Anwendung. Neben dem Anodenmaterial Molybdän wird in der Mammographie auch Rhodium als Anodenmaterial verwendet.
Streustrahlung Streustrahlung entsteht dann, wenn die Röntgenstrahlen auf Materie auftreffen. Die gesamte im Nutzstrahlenbündel nicht gerichtete Strahlung gilt als Störstrahlung, ebenso die Strahlung, die außerhalb des Nutzstrahlenbündels den Film bzw. die digitale Detektorfläche erreicht. Diese Strahlung ist nicht bildgebend und verschlechtert die Bildqualität. Eine Streustrahlung lässt sich durch folgende Maßnahmen reduzieren: Die effektivste Maßnahme zur Verringerung der Streustrahlung besteht in der Verwendung eines Rasters (. Abb. 3.2). Dabei handelt es sich um parallel oder auf den Fokus ausgerichtete Bleilamellen, die sich zwischen Patient und Film befinden. Die Primärstrahlung durchstrahlt im Wesentlichen die Freiräume zwischen den Lamellen, die schräg auf die Lamellen treffende Streustrahlung wird absorbiert. Ein kleiner Teil der Primärstrahlen wird jedoch ebenfalls von den Bleistrahlen absorbiert, da-
23 3.2 · Bilddokumentation
Reduktionsvorgänge verstärkt (Entwicklung, nicht reduzierte Silbersalze werden aus der Emulsion entfernt, Fixierung). Die nicht belichteten Abschnitte des Films werden dabei transparent und die durch die Röntgenstrahlung belichteten Bereiche geschwärzt. Die Filmschwärzung ist dabei proportional zur Intensität der auftreffenden Strahlung. Die Intensität der Filmschwärzung und der auftreffenden Röntgendosis ist nicht in allen Bereichen linear, sondern hat einen S-förmigen Verlauf. Die kleinste Dosis Röntgenstrahlung kann den Film schon schwärzen, jedes absorbierte Röntgenquant bewirkt eine geringe Schwärzung. Die Lichtstrahlen dagegen rufen erst mit einer gewissen Intensität (Schwellenwert) eine Dichte hervor. Eine bestimmte Zahl an Quanten ist dabei notwendig, um den Effekt zu erziehlen. In den unter- und überbelichteten Bildabschnitten besteht kein linearer Zusammenhang in Dosis und Filmschwärze. Im annähernden linearen Verlauf im Mittelteil der Schwärzungskurve liegt der diagnostisch nutzbare Belichtungsbereich des entsprechenden Films, in dem die Schwächungsunterschiede im Strahlenbild proportional in Helligkeitsunterschiede im Film umgesetzt werden. . Abb. 3.2. Streustrahlenraster
durch erhöht sich bei Verwendung eines Rasters die zur Erzeugung eines ausreichend belichteten Röntgenbildes notwendige Strahlendosis etwas. Damit die Bleilamellen nicht als feine Linien auf den Röntgenaufnahmen sichtbar werden, werden sie während der Strahlenexposition bewegt. Raster werden dann verwendet, wenn eine hohe Detailerkennbarkeit erwünscht ist. Bei Kindern <7 Jahren sollte zur Verringerung der Strahlendosis kein Raster verwendet werden.
Dosisleistung Zur Abschätzung der individuellen Dosisleistung des Expositionsbedarfs des Patienten wird heute eine Belichtungsautomatik standardmäßig verwendet. Unmittelbar vor oder hinter dem Aufnahmesystem im Strahlengang befindet sich der zur Belichtungsautomatik gehörende Strahlendetektor, der die Dosisleistung misst. Nach Erreichen der vorgegebenen Dosisleistung wird die Strahlung automatisch abgeschaltet.
Verstärkerfolien In der Regel liegt der Röntgenfilm in den lichtundurchlässigen Filmkassetten zwischen 2 Verstärkerfolien, die für eine Verringerung der für die erforderliche Filmschwärzung notwendigen Dosen sorgen. Durch die auftreffende Röntgenstrahlung werden die Verstärkerfolien zur Lichtemission angeregt. Das auf diese Weise imitierte Licht der Verstärkerfolien trägt mit 95%, die Röntgenstrahlung nur mit 5% zur Filmschwärzung bei. Die aus den Verstärkerfolien austretenden Lichtquanten haben im Vergleich zur Röntgenstrahlung einen ungerichteten Verlauf, deswegen entstehen auf dem Film Folienunschärfen, die in der Praxis aber vernachlässigbar sind. Moderne Folien mit seltenen Erden als Fluoreszenzstoffe haben den Dosisbedarf gegenüber folienlosen Filmen um ca. 50% gesenkt. Die Filmfoliensysteme werden in Empfindlichkeitsklassen eingeteilt. Diese unterscheiden sich im Auflösungsvermögen, im Rauschanteil und im Dosisbedarf. Die Leitlinien der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung in der Röntgendiagnostik legen fest, mit welcher Empfindlichkeitsklasse bei Aufnahmen in den unterschiedlichen Einsatzbereichen gearbeitet werden soll.
Qualität 3.2
Bilddokumentation
Röntgenfilm Der Röntgenfilm war lange Zeit das Medium der Informationsaufnahme und der Informationswiedergabe. Bei der analogen Projektionsradiographie wird das aus dem Patienten austretende Strahlenbild als Schwärzungsbild auf dem Röntgenfilm wiedergegeben. Die Röntgenfilme bestehen aus einer Trägerschicht, die auf beiden Seiten mit einer photoempfindlichen Emulsion beschichtet ist. Die Emulsion enthält lichtempfindliche Silberhalogenidkörper (AgCr). Diese Silberbromidkristalle weisen einen Durchmesser von 0,7 nm auf und bilden nach der Belichtung den Entwicklungskeim. Im Laufe der Filmentwicklung werden die
Die Bildqualität wird durch die Schärfe und den Kontrast bestimmt. Der Kontrast wird durch die Strahlencharakteristik, die Strahlendosis, die Foliencharakteristik, die Streustrahlreduktion und den Entwicklungsprozess beeinflusst. Wichtige Unschärfefaktoren sind die Bewegung von Objekt, Film und Röhre, die Filmfolienkombination, Brennfleckgröße und Abstandsgeometrie. Die Röntgenstrahlung verursacht selbst eine gewisse Unschärfe, die folgenden Gesetzmäßigkeiten unterliegt: 4 Je größer der Brennfleck, desto größer die Unschärfe. 4 Je größer der Abstand zwischen Brennfleck und Objekt, desto geringer die Unschärfe. Bei konstantem Bildfokusabstand kann der Vergrößerungseffekt berechnet werden, wenn das Objekt auf dem filmnahen Bereich
3
24 Kapitel 3 · Konventionelle Röntgendiagnostik
3
in den röntgennahen Bereich des Strahlengangs gebracht wird. Dabei werden röhrennahe Objektbereiche vergrößert und unschärfer abgebildet als filmnahe Objektanteile. In den Randbereichen des Bildes entsteht mit zunehmendem Abstand von der Senkrechten projektionsbedingt eine Verzerrung der geometrischen Strukturen.
Bildentwicklung Die Bildentwicklung erfolgt heute in automatischen Entwicklungsmaschinen, bei denen die Entnahme der belichteten Filme aus den Kassetten und Beladung der Kassetten mit unbelichteten Filmen aus einem mit der Entwicklungsmaschine in Verbindung stehenden Vorratsmagazin automatisch abläuft.
3.3
Untersuchungsgeräte/-verfahren
3.3.1
Kontrastmittelunterstützte Aufnahmen
Die häufigsten durchleuchtungsgezielten Aufnahmen sind kontrastmittelunterstützte Aufnahmen des gastrointestinalen Trakts, Fistel- und Gefäßdarstellung. Bei der Durchleuchtung werden spezielle Einstellungen mit entsprechend beweglichen Röntgen- und kippbaren Lagerungstischen für spezielle Einstellungen entsprechend den anatomischen Verhältnissen durchgeführt. Unter Sicht können dabei dynamische Untersuchungen durchgeführt werden. Diese Untersuchungstechnik wird für folgende Untersuchungen benötigt: 4 Magendarmtrakt (Ösophagus-, Magen-, Dünn- und Dickdarmuntersuchungen) 4 Gefäße (Arterio- und Phlebographie) 4 Darstellung der Gänge exokriner Drüsen (endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie, Cholezystangiographie, Sialographie, Galaktographie, Dakrozystographie) 4 Gelenke (Arthrographie) 4 Spinaler Subarachnoidalraum (Myelographie) 4 Ableitende Harnwege (retrograde Ureteropyelographie, Urethrographie, Miktionszystourethrogramm) 4 Fisteldarstellung Mit den modernen Durchleuchtungsgeräten erfolgt zur Reduktion der Strahlenexposition die Darstellung mit gepulster Röntgenstrahlung. Die Pulsfolge kann dabei je nach dem zeitlichen Auflösungsbedarf in verschiedenen Stufen gewählt werden. Die Dosisbelastung ist bei der Durchleuchtung höher als bei Röntgenaufnahmen an Rasteraufnahmegeräten. Zur Reduzierung der Strahlenexposition und zur Verbesserung des Signalrauschverhältnisses werden heute Bildverstärker-Fernsehketten bei der Durchleuchtung verwendet. Der Bildverstärker besteht dabei aus einem Vakuumgefäß, in dem sich an der Frontseite der Eingangsschirm und an der abgewandten Seite der Ausgangsschirm befindet. Im Inneren des Vakuumgefäßes ist der Eingangsschirm angeordnet, der aus Fluoreszensschicht (Cäsiumiodid-Schicht) und der Photokathode zusammengesetzt ist. Die Cäsiumiodidschicht absorbiert einen großen Teil der auftreffenden Röntgenphotonen.
Die Photokathode setzt an den von Lichtquanten getroffenen Stellen mit dem photoelektrischen Effekt Elektronen frei. Die freien Elektronen werden in dem elektrischen Hochspannungsfeld zwischen der Photokathode und dem Ausgangsschirm mit beschleunigt. Das dem Strahlenbild hinter dem Patienten entsprechende Elektronenbild in der Vakuumröhre wird durch Fluoreszenzeffekte in der Phosphorschicht des Ausgangsschirms in ein Lichtbild umgewandelt, das im Vergleich zum Eingangsbild verkleinert, umgekehrt und intensiver ist. Durchleuchtungsgezielte Aufnahmen können dabei auf analogen Filmen oder digitalen Speicherfolien abgebildet werden (direkte Aufnahmetechnik). Bei der indirekten Aufnahmetechnik wird das verstärkte Ausgangsbild auf eine 100 mm-Kamera (Mittelformattechnik) oder auf eine Kinokamera gelenkt. Bei der digitalen Bildverstärkerradiographie wird das analoge Signal der Videokamera in ein digitales Signal umgewandelt. Der digitale Bilddatensatz wird nach Bearbeitung im Bildrechner an eine Laserkamera übermittelt, dort auf einem Film dokumentiert bzw. auf optische Medien gespeichert.
Digitale Subtraktionsangiographie Die digitale Subtraktionsangiographie (DSA) ist eine temporäre Filtertechnik, die es erlaubt, Gefäßkontrastierungen nach der Kontrastmittelgabe isoliert darzustellen. Es ist eine spezielle Form der digitalen Bildverstärkerradiographie. Dabei werden in der Regel Bilddatensätze vor und nach intravasaler Kontrastmittelgabe angefertigt. Anschließend werden die Bilddatensätze ohne und mit Gefäßkontrastierungen subtrahiert, sodass die statischen Bildelemente der Gefäßumgebung rechnerisch eliminiert werden und nur die von Kontrastmittel durchströmten Gefäße wirksam zur Darstellung kommen. Durch die Eliminierung des Hintergrundes verschwinden dabei die Skelett- und Weichteilstrukturen. Inkongruente Subtraktionsbilder treten auf, wenn durch Patientenbewegungen während der DSA-Serie eine Deckungsungleichheit von Maske und Füllungsbild auftritt. Zur Korrektur dieser Inkongruenz stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung: 4 Pixelshifting oder Bildpunktverschiebung: Auf elektronischem Wege wird ein »Pixelshifting« oder eine Bildpunktverschiebung durchgeführt und Inkongruenz beseitigt. 4 Re-Masking: Durch die Auswahl eines anderen, nicht voreingestellten Maskenbildes lässt sich evtl. die Inkongruenz ebenfalls reduzieren bzw. beseitigen. 4 Bildintegrationsmethoden: Die Bildintegration bewirkt eine deutliche Verbesserung des Signal-Rausch-Verhältnisses. Es können z. B. die ersten Bilder integriert und von 3 integrierten Gefäßfüllungsbildern subtrahiert werden. 4 Vascular-Tracing: Bei Injektion eines kleinen Kontrastmittelbolus kann eine längere Gefäßstrecke durch die Summation mehrerer DSA-Bilder dargestellt werden. Während einer Serie wandert der kleine Kontrastmittelbolus über eine Gefäßstrecke zuerst durch zentrale und auf den späten Bildern durch die peripheren Arterien. Die Kombination der ausgewählten Bilder ergibt eine kontinuierliche Darstellung des zu untersuchenden Gefäßbaums. Die Methode bewirkt gleichzeitig eine Reduktion des Signal-Rausch-Verhältnisses.
25 3.3 · Untersuchungsgeräte/-verfahren
. Abb. 3.3. Funktionsprinzip der digitalen Subtraktionsangiographie
4 Road-Mapping/Pfadfindertechnik: Das Road-Mapping gibt
dem Untersucher eine Hilfe zur Positionierung des Katheters im Gefäß. Unter Durchleuchtung wird im Katheter eine kleine Menge Kontrastmittel injiziert. Sobald sich das Gefäß kontrastiert, unterbricht der Untersucher die Durchleuchtung und der Rechner speichert das letzte Bild als Maske. Nach Wiedereinschalten der Durchleuchtung werden die folgenden Durchleuchtungsbilder fortlaufend von der Maske subtrahiert. Der Untersucher kann den Katheter unter Sicht im kontrastierten Gefäß lokalisieren und platzieren.
Myelographie Grundlagen und Vorbereitung der Untersuchung Bei der Myelographie wird der das Rückenmark umgebende liquorgefüllte Raum mit Kontrastmittel gefüllt. Der spinale Subarachnoidalraum kommuniziert mit dem Schädel und den Ventrikeln des Gehirns. Zur Verwendung kommen wasserlösliche Kontrastmittel. Vor der Untersuchung muss der Patient über mögliche Komplikationen, wie eine Kontrastmittel-Allergie, bakterielle oder abakterielle Meningitis, Arachnoiditis, Hirnnervenausfälle, Querschnittslähmung sowie intraspinale Blutungen aufgeklärt werden. Aufklärung des Patienten. Die Myelographie ist als invasive, den Patienten belastende Untersuchungstechnik zu werten. Über den Untersuchungsablauf und das Ziel der Untersuchung muss der Patient rein rechtlich 24 h im Voraus aufgeklärt werden. Die aufgrund der Punktion und der Injektion des Kontrastmittels
möglichen Beschwerden müssen dem Patienten mitgeteilt werden. Diese beinhalten Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, diese evtl. über Tage anhaltend. Auch auf die sehr selten auftretenden Komplikationen wie Blutung in den Spinalkanal, evtl. mit nachfolgender Operationsindikation, Lähmungen, Hör- und Sehstörungen (hier v. a. Lähmungen des N. abducens), Infektionen mit epiduralem oder intaduralem Abszess und Hirnhautentzündung und die Möglichkeit einer Verschlimmerung der vorbestehenden Beschwerden muss der Patient vor der Untersuchung hingewiesen werden. Kontraindikationen. Es ist sicherzustellen, dass bei den Patien-
ten keine Gerinnungsstörung vorliegt. Die häufig als Schmerzmittel und zur Antikoagulation eingenommene Acetylsalicylsäure, auch in niedriger Dosierung, ist 3–4 Tage vor der Untersuchung abzusetzen. Die Schilddrüsenwerte sollten vorliegen, bei Bestehen einer manifesten Hyperthyreose sollte diese zuvor abgeklärt werden, evtl. eine andere Untersuchungsmodalität angewandt werden. Eine intrakranielle Druckerhöhung ist absolute Kontraindikation für eine Myelographie. Bei schweren Funktionsstörungen der Leber, Nieren, Lungen, sowie Herz- und Kreislaufschwäche ist eine strenge Nutzen-Risiko-Abwägung erforderlich. Grundsätzlich sollten eine spinale CT- und/oder MRT-Untersuchung vorliegen. Vorgehen nach der Untersuchung. Nach der Untersuchung sollte der Patient über 24 h mindestens 3 l Flüssigkeit (Mineral-
3
26 Kapitel 3 · Konventionelle Röntgendiagnostik
wasser, Tee, etc.) zu sich nehmen. Die früher vorgeschriebene 24-stündige Bettruhe ist nicht notwendig, da kein eindeutig kausaler Zusammenhang zwischen Kopfschmerzen und Einhalten einer Bettruhe nachgewiesen werden konnte.
3
Durchführung der Untersuchung In der Regel wird ein nichtionisches Kontrastmittel in den Subarachnoidalraum injiziert (s. unten); eine Punktion in Höhe HWK 1/2 wird heutzutage nur noch selten durchgeführt. Vor der Injektion wird Liquor zur Diagnostik und zur chemischen Untersuchung entnommen. Die Myelographie kann am sitzenden oder liegenden Patienten am Durchleuchtungsgerät mit drehbarem Sitz durchgeführt werden. Die Punktion des Liquorraums erfolgt mit einer Spezialnadel (Yale Spinal 22 G) schmerz- und risikoarm, die typische Punktionshöhe liegt bei LWK 4/5, doch kann auch die Höhe LWK 3/4 oder LWK 2/3 gewählt werden, da der Konus meist in Höhe Th 12/LWK 1 steht (. Abb. 4.3). Zu Beginn der Kontrastmittel-Applikation ist eine kurze Durchleuchtung erforderlich, um eine sichere intrathekale Lage zu gewährleisten. Nach Punktion und Kopftieflagerung des Patienten lässt man das Kontrastmittel unter ständiger Durchleuchtungskontrolle nach kranial fließen, wobei deutlich wird, ob der Spinalkanal durchgängig ist. Injiziert werden zur lumbalen Myelographie 10 ml anionisches, iodhaltiges Kontrastmittel (z. B. Isovist, Solutrast) in einer Konzentration von 240 mg Iod/ml. Für eine zervikale Myleographie und eine Panmyelographie werden bis 18 ml in einer Konzentration von 300 mg Iod/ml appliziert. > Es ist darauf zu achten, dass das Kontrastmittel nicht über das Foramen magnum nach intrakraniell gelangt, weil dann die Wahrscheinlichkeit neurotoxisch bedingter generalisierter Krampfanfälle ansteigt. Deswegen wird von manchen Untersuchern 10 mg Diazepam i. v. vor einer zervikalen Myleographie und einer Panmyelographie appliziert, um dieses Risiko zu minimieren, wobei der Nutzen nicht belegt ist.
Für eine lumbale Myelographie werden nach Dokumentation der Nadellage eine a.p., eine seitliche und je 1‒2 schräge Aufnahmen durchgeführt. Abschließend werden noch Funktionsaufnahmen und Aufnahmen des Konusbereichs angeschlossen. Lumbale Myelographie:
4 Seitliche Aufnahme mit Dokumentation der Lage der Punktionsnadel 4 a.p.-Aufnahme 4 Schrägaufnahme, ca. 45% unter Freidrehung der Wurzel in beiden Richtungen 4 Aufnahme in Ante- und Retroflexion 4 Bis zur Anfertigung des CT-Myelographie ist der Patient in Bauchlage mit abgesenktem Kopf zu positionieren. Die folgenden Aufnahmen sind bei einer zervikalen Myelographie zu empfehlen:
4 Posteroanteriore Aufnahme in Hyperextension des Kopfs zur Darstellung des kranio-zervikalen Übergangs und der Cisterna magna.
. Abb. 3.4. Schematische Darstellung der Punktionsstelle für die Lumbalpunktion, z. B. zur Myelographie
4 Posteroanteriore Aufnahme der mittleren Halswirbelsäulensegmente und der zerviko-thorakalen Übergangsregion bei deckungsgleicher Kinn und Okzipitalschuppe. 4 2 Aufnahmen in 15–20° rechts- und linksanteriorer Schrägprojektion. 4 Aufnahmen mit angestellter Kassette in Bauchlage mit seitlich eingefahrener zweiter Röhre und möglichst vollständiger Darstellung auch des 7. Halswirbels und der zerviko-thorakalen Übergangsregion (an Schultern ziehen). 4 Seitliche Aufnahme am stehenden Patienten in Extension der Halswirbelsäule. 4 Seitliche Aufnahme am stehenden Patientem in Anteflexion der Halswirbelsäule.
CT-Myelographie Die spinale CT nach intrathekaler Gabe eines wasserlöslichen, iodhaltigen Kontrastmittels (z. B. Isovist) erfolgt über eine Lumbalpunktion im Rahmen einer Myelographie mit anschließender Post-Myelo-CT nach entsprechendem zeitlichem Intervall von 20 min bis 4 h. Die CT-Myelographie ist entweder in bandscheibenparalleler Schnittführung oder im Spiralmodus anzufertigen. Durch die intrathekale Kontrastmittelgabe gelingt in der Regel eine gute Abgrenzbarkeit des Myelons und der Nervenwurzeln innerhalb der Wurzeltaschen. Die Anzahl der zu untersuchenden Segmente richtet sich nach dem myelographischen
27 3.3 · Untersuchungsgeräte/-verfahren
Befund und der klinischen Beschwerdesymptomatik. Zur Erkennung zusätzlicher degenerativer Wirbelsäulenveränderungen ist die ergänzende HR-Knochendokumentation unerlässlich. In der Diagnostik von Bandscheibenerkrankungen werden bevorzugt dem Bandscheibenfach parallele 2‒3 mm dicke Schichten angefertigt. Diese sollten jeweils den Bereich vom Wirbelbogen des über dem Bandscheibenfach befindlichen Wirbels bis zum Wirbelbogen des darunter befindlichen Wirbels umfassen. Die Gantry-Neigung, d. h. die Winkelung der Schichtebene relativ zur Körperlängsachse, wird dabei für jede Etage neu angepasst. CT-Scans werden im Weichteil- und Knochenfenster durchgeführt. Nach der Injektion des Kontrastmittels werden Zielaufnahmen in den entsprechenden Ebenen angefertigt, bei denen durch die Neigung des Kipptischs und Rotation des Patienten eine möglichst überlagerungsfreie Darstellung der anatomischen Strukturen und pathologischen Veränderungen gegeben ist. Zusätzlich zu den Aufnahmen in Neutralposition können Aufnahmen in Funktionsstellung (Retroflexion, Anteflexion, Funktionsmyelographie) dokumentiert werden. In Ergänzung zu den indirekten myelographischen Darstellungen wird nach Abschluss der Myelogramme eine postmyelographische CT-Untersuchung durchgeführt, bei der der hohe Kontrast zwischen Liquor und umgebenden Weichteilstrukturen genutzt wird.
3
4 4 Computertomographie W. Reith
4.1
Allgemeines
– 30
4.2
Wichtige technische Charakteristika der Computertomographie
4.3
Multidetektor-CT
– 32
4.3.1 Akquisitionsparameter – 32 4.3.2 Rekonstruktionsparameter – 33 4.3.3 EKG-Synchronisation bei kardialer CT
4.4
– 33
Abbildung und Darstellungstechniken
– 34
– 30
30 Kapitel 4 · Computertomographie
4.1
Allgemeines . Tab. 4.1. Typische Dichtewerte in der CT in Hounsfield-Einheiten
4
Die CT ist eine der wichtigsten Techniken der radiologischen Diagnostik. Der erste Computertomograph wurde von Godfrey Hounsfield für Schädeluntersuchungen entwickelt und 1971 erstmalig eingesetzt. Im Jahr 1974 wurde dann der erste Ganzkörpercomputertomograph installiert. Die CT basiert auf einer tomographischen Röntgentechnik, bei der ein Röntgenstrahl den Patienten aus verschiedenen Richtungen abtastet. Durch parallele Kollimation wird der Röntgenstrahl zu einem dünnen Fächer geformt, der die Schichtdicke definiert. Bei Durchtritt durch den Körper wird die Röntgenstrahlung geschwächt und von Detektoren erfasst. Mittels mathematischer Bildrekonstruktionen wird die lokale Röntgenschwächung dann rekonstruiert und in so genannte CT-Werte, Graustufen, kodiert und schließlich als Bild dargestellt. Bei CT-Geräten der 1. und 2. Generation bewegte sich die Röntgenröhre noch in 2 Einzelbewegungen: Translation und Rotation. Bei den Geräten der 3. und 4. Generation rotiert die Röntgenröhre um den Patienten. Mit einem Kollimatorensystem wird ein schmaler Fächer und somit der Röntgenstrahl aus dem Strahlenkegel ausgeblendet. Seine Breite entspricht der gewünschten Dicke der Körperschicht. Da die Scanner der 3. Generation eine bessere Streustrahlunterdrückung und weniger Detektorelemente haben, wird diese Technologie bei allen derzeitigen Multidetektorsystemen eingesetzt. Elektronenstrahl-CT. Hier wird ein Elektronenstrahl mit einer
Hochspannung von 120 kV in einem trichterartigen Vakuumtunnel beschleunigt und von Ablenkspulen auf Targets zugelenkt, die halbkreisförmig unter dem Patienten eingebracht sind. Die einzelnen Targets entsprechen der Anode der Röntgenröhre, an ihnen entsteht die Röntgenstrahlung. Die Schwächung des Elektronenstrahls wird über einen Detektorhalbkreis über dem Patienten abgegriffen. Die Vorteile der Elektronenstrahl-CT sind die extrem kurzen Scan-Zeiten für Einzelschichtdicken, wodurch praktisch keine Bewegungsartefakte entstehen. Nachteile sind jedoch die schlechte Bildqualität durch das Rauschen. Mehrfachmessungen zur Verbesserung der Bildqualität bewirken wiederum längere ScanZeiten und höhere Dosen.
4.2
Wichtige technische Charakteristika der Computertomographie
Bildrekonstruktion Die bei der CT-Untersuchung aufgezeichneten Messungen und Daten werden vorverarbeitet, um Schwankungen des Detektorsystems und Aufhärtungsartefakte der Röntgenstrahlen zu korrigieren. Die Schwächung der Röntgenstrahlen beim Durchtritt durch den Patienten wird in jeder Position der Röntgenröhre ermittelt, logarithmiert und nach einer Hoch- und Tiefpassfilterung (Faltungskerne) anhand eines Linienintegrals rückprojiziert (gefaltete Rückprojektion). Aus den Schwächungswerten aller Projektionen ergibt sich durch Überlagerung ein Lichtbild, jedes zweidimensionale Bild (Pixel) repräsentiert ein Volumenelement (Voxel).
Gewebe
Hounsfield-Einheiten
Lunge
–500
Fett
–100 bis 0
Wasser
0
Leber (nativ)
40–60
Frisches Blut
70–90
Leber nach Kontrastmittelgabe
ca. 150
Spongiosa
bis ca. 300
Kompakta
300–1000
Die Bildrekonstruktion beginnt mit der Definition des interessierenden Bildausschnitts (Field of view, FOV). Ein CT-Bild besteht aus einer quadratischen Bildmatrix, bei neueren Geräten in der Regel 1024×1024 Bildpunkte, wobei jede CT-Schicht eine definierte Dicke besitzt und jeder Bildpunkt einem Volumenelement (Voxel) entspricht. Die Größe des Voxel ergibt sich aus der Matrixgröße, dem gewählten Bildausschnitt (Field of view) und der Schichtdicke. Bei der Mehrzahl der Untersuchungen besitzen die Voxel eine Balkenform, d. h. die XY-Ebene ist in der Regel kleiner als die Schichtdicke (Z-Richtung). Diese Anisotropie der Voxel lässt sich in der Regel nur durch eine Reduktion der Schichtdicke vermindern. Mit einem modernen MultidetektorCT-System wird eine annähernd isotrope Voxel erreicht. Bei der Bildrekonstruktion wird jedem Voxel ein Zahlenwert (CT-Wert) zugeordnet, der ein Maß für die Röntgenschwächung μ in diesem Voxel ist. Die CT-Werte werden in Hounsfield-Einheiten (HE) angegeben (. Tab. 4.1). Die Hounsfield-Skala beginnt bei –1000 für Luft, besitzt den Wert 0 für Wasser und ist nach oben unbegrenzt, wird jedoch meist mit 3000 angegeben (. Abb. 4.1). Der verfügbare CT-Wertebreich ist gerätespezifisch, je nach Bit-Tiefe (bits pro Pixel) verschieden (z. B. von ‒1024 bis 3071 HE bei 12 bit oder bis zu 64 500 Werte bei 16 bit). Die Definition des CT-Werts ist wie folgt: CT = 1000 ×
μ – μH2O μH2O
(HE)
Da das menschliche Auge lediglich eine begrenzte Anzahl von ca. 40‒100 Graustufen unterscheiden kann, wird in der CT-Skala nicht der gesamte Umfang der Grauskala dargestellt. Vielmehr wird nur ein Teil der CT-Skala, das so genannte Fenster, definiert dargestellt. Das Fenster ist durch seine Weite und seine Lage (auch Level oder Center genannt) definiert. Die Breite bestimmt den Bildkontrast, das Level die Helligkeit. Ein engeres Fenster (geringere Fensterweite) führt zu einer Kontrastanhebung und zu einer verbesserten Darstellung kontrastarmer Strukturen, ein weites Fenster zu einer Kontrastreduktion und verbesserter Darstellung von Strukturen mit stark verschiedenen CT-Werten, z. B. Knochen- und Lungenparenchym. Durch die
31 4.2 · Wichtige technische Charakteristika der Computertomographie
ren Dichtewerten als hyperdens, mit geringeren Dichtewerten als hypodens.
Gantry-Kippung Die Scanner-Einheit (Gantry) lässt sich für schräge Schnitte um die X-Achse je nach Hersteller bis zu ±30° kippen. In modernen Multidetektor-Scannern ist es jedoch oft nicht notwendig, eine Gantry-Kippung durchzuführen.
Schichtdicke
. Abb. 4.1. Skala der CT-Werte. Definiert wird die Skala durch die Werte 0 HE für Wasser und –1000 HE für Luft; Weichteilgewebe haben Werte um 50 HE
Fensterwahl sind die Dichtewerte ober- und unterhalb dieses Fensters einheitlich schwarz bzw. weiß. Gewebe bzw. pathologische Veränderungen, deren Dichte annähernd mit einer Bezugsgröße (z. B. Wasser, Gehirn) übereinstimmen, bezeichnet man als isodens, solche mit im Vergleich zur Bezugsgröße höhe-
Die Kollimation der Röntgenstrahler bestimmt die Dicke der untersuchten Schicht. Die Röntgenröhre gibt ähnlich wie in der konventionellen Röntgendiagnostik eine konisch divergierende Strahlung ab. Durch Blenden muss der Röntgenstrahl eingeblendet werden (Kollimation). Eine exakte planparallele Schicht wird jedoch nie erreicht. Die Röntgenröhre produziert neben dem Primärstrahl einen Halbschatten, die so genannte Penumbra (. Abb. 4.2). Aufgrund der Strahlengeometrie werden auch außerhalb der gewählten Schichtdicke gelegene Regionen miterfasst. Daraus resultiert ein abgerundetes Schichtempfindlichkeitsprofil, was einem idealen Rechteckprofil für große Schichtkollimationen annähernd entspricht. Als Maß für die effektive Schichtdicke wird die Breite des Schichtprofils in halber Höhe (FWHM) eingesetzt. Die effektive Schichtdicke ist ein Maß für die Auflösung entlang der Patientenachse (Z-Richtung).
a
b
c
. Abb. 4.2a–c. Schematische Darstellung der Schichtdicke. a Infolge der Strahlengeometrie werden auch Regionen miterfasst, die außerhalb der gewählten Schichtdicke liegen. b Das entstehende »Schichtempfindlich-
keitsprofil« kommt einem idealen Rechteck nur für große Schichtkollimationen nahe. c FWHM als Maß für die effektive Schichtdicke
4
32 Kapitel 4 · Computertomographie
10, 16, 20, 32, 40, 64, 128 und 256 Zeilen. Durch eine höhere Rotationsgeschwindigkeit wurde die Leistung dieser Systeme zusätzlich verbessert. Die Rotationszeiten liegen z. T. bei 0,3 s, was gerade für die Kardiodiagnostik von großem Vorteil ist. Die spiralförmige Datenakquisition wird häufig, v. a. für große Untersuchungsvolumina im Abdomen, angewandt, ein sequenzieller Modus (Schicht für Schicht) ist jedoch ebenfalls möglich und wird v. a. bei Untersuchungen der Lunge (HR-CT), des Neurokraniums oder bei Interventionen genutzt. Die Vorteile der Multidetektor-CT liegen in der kürzeren Abtastdauer mit reduzierten Bewegungsartefakten, v. a. bei Kindern, Unfallpatienten und schwerkranken Patienten. Durch die längeren Untersuchungsabschnitte sind Vorteile in der Gefäßdarstellung gegeben. Durch die dünnere Kollimation und damit dünneren Schichten ist eine nahezu isotrope Bildgebung gegeben, was v. a. bei der Felsenbeindarstellung und Darstellung des Bewegungsapparats bei multiplanaren Rekonstruktionen von Vorteil ist.
4
. Abb. 4.3. Partialvolumeneffekt. Die Voxel gleichen einem Streichholz bzw. Rechteck, wodurch neben den interessierenden Objekten auch die Umgebung (entsprechend ihrem Volumenanteil) zum CT-Wert im Voxel beiträgt. Das führt zu einer Verfälschung des CT-Werts des Voxels
Bei modernen Spiral- und Multidetektor-CT-Geräten sind die effektive Schichtdicke und die Schichtkollimation nicht mehr unbedingt übereinstimmend.
Partialvolumeneffekt Aufgrund der Rechteckgeometrie der Voxel tragen oft nicht nur die interessierenden Objekte, z. B. ein Rundherd, zum CT-Wert im Voxel bei, sondern entsprechend ihrem Volumenanteil auch die Umgebung. Der resultierende CT-Wert des Voxel ist demgemäß etwas verfälscht und stellt die Summe der verschiedenen Schwächungswerte dar (Teilvolumen- oder Partialvolumeneffekt) (. Abb. 4.3).
Schichtkollimation Die in der CT üblicherweise axiale Schnittführung führt dazu, dass senkrecht, parallel zur Körperachse verlaufende Strukturen nur geringe Partialvolumeneffekte aufweisen. Störend sind Partialvolumeneffkte bei kleinen Strukturen und schräg zur Scanachse verlaufende Strukturen, wie Zwerchfell, Nierenpole, etc. Für parallel zur Schichtebene verlaufende Strukturen sollte die Kollimation auf 3 mm verringert werden, z. B. Pankreas, Nebennieren. Dünne Kollimation von 1‒2 mm Schichtdicke werden bei der Diagnostik interstitieller Lungenerkrankungen eingesetzt, die eine Darstellung feinster Strukturen erfordert.
4.3
Multidetektor-CT
Im Gegensatz zu Systemen mit einem einzigen Detektorkranz (1-Zeilen-CT) verfügen Multidetektorsysteme über 2 oder mehr parallele Detektorzeilen, die gleichzeitig Rohdaten erfassen können. Die ersten Systeme mit 4 parallelen aktiven Detektorzeilen wurden 1998 eingeführt, zwischenzeitlich gibt es Geräte mit 6, 8,
4.3.1
Akquisitionsparameter
Ähnlich wie bei der konventionellen Spiral-CT sind beim Multidetektor-CT die wichtigsten Akquisitionsparameter Schichtkollimation, Tischvorschub pro Rotation und Pitch. Die effektive Schichtdicke oder Schichtweite ist ein weiterer wichtiger Rekonstruktionsparameter neben dem Rekonstruktionsinkrement. Es muss zwischen Akquisitions- und Rekonstruktionsparametern unterschieden werden.
Schichtkollimation Die an einem Multidetektor-CT verfügbaren Schichtkollimationen werden durch die Detektorkonfiguration vorgegeben. Die Schichtkollimation bestimmt die Ortsauflösung in Z-Richtung. Für hochauflösende Filter, wie sie z. B. für Skelett- und Lungendiagnostik eingesetzt werden, sind Kollimationen <1 mm erforderlich. Die kleinste rekonstruierbare Schichtweite ist identisch mit der Kollimation. Die Möglichkeit zur Rekonstruktion isotroper Daten geht mit Verwendung dickerer Schichtkollimation verloren.
Rotationsgeschwindigkeit Die Rotationsgeschwindigkeit beschreibt die Dauer einer vollständigen Rotation der Röntgenröhre um den Patienten. Die neuesten Scanner haben Rotationsgeschwindigkeiten in einer Größenordnung von 0,33‒0,42 s. Um noch effektivere Rotationszeiten zu bekommen, eignen sich als Alternative Scanner mit mehreren Röntgenröhren (Dual-Source-Technologie). Dadurch lassen sich bei limitierter mechanischer Röhrenbelastung höhere effektive Rotationszeiten erzielen, was besonders für die Herzbildgebung hervorragend geeignet ist.
Zwei-Röhrentechnologie (Dual-Source) Bei der Dual-Source-Technologie werden 2 Röntgenröhren und 2 Detektorkränze zur Verbesserung der zeitlichen Auflösung eingesetzt. Diese Technik wurde für die kardiale CT entwickelt. Durch den Einsatz von 2 Akquisitionssystemen kann die Zeit zur
33 4.3 · Multidetektor-CT
a
P=
TF N × SC
Der Pitch kann zwischen 0 und 2 variieren, ohne dass Abtastlücken auftreten (. Abb. 4.4). Ein geringer Pitch-Faktor führt zu geringeren Kegelstrahlartefakten, hat aber eine höhere Strahlendosis für den Patienten bei gleichem Rauschverhältnis. Werden eine dünne Schichtkollimation und ein hoher Pitch-Faktor eingesetzt, so können aus den Rohdaten hochwertige mulitplanare Rekonstruktionen gewonnen werden. Mit 16- und 64-ZeilenScannern sind diese Unterschiede weniger relevant, da ohnehin mit dünnen Schichten gearbeitet wird.
Scan-Dauer Die Scan-Dauer berechnet sich aus Scan-Länge und Tischgeschwindigkeit. Die Tischgeschwindigkeit berechnet sich aus dem Tischvorschub pro Rotation und der Rotationszeit. Die ScanDauer nimmt proportional mit der Rotationszeit und umgekehrt proportional mit der Detektorweite und dem Pitch ab. b
4.3.2
Rekonstruktionsparameter
Schichtweite Die Schichtweite kann nur kleiner oder gleich der Kollimation sein. Die verfügbaren Schichtweiten sind herstellerabhängig und durch die z-Filterung und den Kegelstrahlalgorithmus bestimmt. Eine identisch zur Kollimation gewählte Schichtdicke hat immer ein höheres Rauschen und sollte daher nur für Untersuchungen verwendet werden, bei denen eine höchstmögliche Auflösung in Z-Achse notwendig ist.
Rekonstruktionsinkrement
. Abb. 4.4a–d. Pitch-Faktor. a Ein erhöhter Pitch-Faktor führt zu einem »Auseinanderziehen« der Spirale. b Dadurch verbreitert sich bei konstanter Kollimation das Schichtprofil. Ein Pitch von 2 und das Schichtprofil bei 180°LI entspricht einem Pitch von 1 und dem Schichtprofil von 360°LI (siehe auch c). Also vergrößert sich das Schichtprofil bei einer Erhöhung des Pitch von 1 auf 2 nur um 30%, durch die Pitch-Erhöhung verdoppelt sich jedoch die Scan-Länge. c Wird der Pitch erhöht, gleichzeitig die Kollimation SC verringert, dann verändert sich die Scan-Länge nicht. d Dies resultiert aber in einem um 35% schmaleren Schichtprofil bei 180°LI (LI: lineare Interpolation)
Das Rekonstruktionsinkrement kann ähnlich der konventionellen Spiral-CT eingestellt werden. Für die normale Befundung ist eine moderate Überlappung von ca. 20% der Schichtdicke ausreichend. Eine optimale Qualität von MPR- oder 3 D-Datensätzen erfordert eine Überlappung von etwa 50%, so hat man annäherend isotrope Voxel. Bei den meisten Körperuntersuchungen beträgt die Pixel-Größe bei einem Field of view von 30‒40 cm zwischen 0,6 und 0,8 mm. Ein Rekonstruktionsinkrement von exakt der gleichen Größe produziert somit ein isotropes Gitter von Bildpunkten.
4.3.3
Bildakquisition halbiert werden. Ein weiterer potenzieller Vorteil ist der Einsatz von 2 Röhren mit unterschiedlicher Spannung (kV). Der Unterschied in der Röntgenabsorption bei identischen Projektionswinkeln kann dazu genutzt werden, Materialien mit verschiedenen Ordnungszahlen getrennt darzustellen (Kalzium, Iod, Weichteile).
Pitch Der Pitch-Faktor bei Multidetektor-Systemen ist definiert durch das Verhältnis von Tischvorschub pro Rotation zur Gesamtkollimation:
EKG-Synchronisation bei kardialer CT
Für die kardiale Bildgebung, aber auch zur Analyse von Pulsationseffekten, wird eine EKG-Synchronisation der Datenakquisition notwendig. Hier sind 2 Techniken verfügbar, die prospektive EKG-Triggerung und das retrospektive EKG-Gating. Bei der prospektiven EKG-Triggerung werden die Daten innerhalb eines vordefinierten Intervalls des RR-Zyklus abgetastet, beim retrospektiven EKG-Gating werden die Daten während des gesamten Herzzyklus aufgenommen und retrospektiv in verschiedenen Phasen rekonstruiert. Um die Herzbewegung auszuschalten und Artefakte zu minimieren, ist eine hohe zeitliche Auflösung not-
4
34 Kapitel 4 · Computertomographie
wendig. Für eine scharfe Abbildung des Herzens ohne Bewegungsartefakte wird eine zeitliche Auflösung von 50‒100 ms in der Endsystole und 100‒200 ms in der Mitdiastole benötigt.
4.4
Abbildung und Darstellungstechniken
Cine-Mode
4
Der Cine-Mode ist ein exzellentes Werkzeug zur Analyse größerer Mengen an Schnittbildern. Damit kann eine große Anzahl von Schnittbildern rasch durchgesehen werden. Wichtig ist, dass Bildablauf und Geschwindigkeit kontrolliert werden können.
Multiplanare Rekonstruktion Bei der multiplanaren Reformation werden zweidimensionale unformatierte Bilder aus axialen Bilddaten in beliebiger Ebene rekonstruiert (. Abb. 4.5). Koronare oder sagittale Rekonstruktionen entstehen durch Auswahl und Darstellung jeweils übereinander liegender Voxel in der entsprechenden Ebene. Gekrümmte Rekonstruktionen (curved planar reformation) dienen der Darstellung von Strukturen, die multiple axiale Schichten eines Schnittvolumens kreuzen, z. B. Blutgefäße. Die Qualität von MPR-Bildern verbessert sich, wenn die Schnittebene von der Scan-Ebene etwas abweicht. Die Auflösung in der Z-Achse sollte möglichst gering sein, um die Bildqualität zu verbessern. Sequenzielle Untersuchungstechniken und breite Kollimationen führen zu Stufenartefakten bei Rekonstruktionen senkrecht zur Untersuchungsebene. Eine dünne Kollimation und dünne Schichtweite ermöglicht Rekonstruktionen in hervorragender Qualität in jeder beliebigen Schnittrichtung. Bei größeren Pitch-Faktoren treten Stufenartefakte oder Zähnelungen an Strukturen auf, die außerhalb der Gantry-Mitte liegen oder die schräg durch die Schichtebene verlaufen. Diese Artefakte resultieren aus den Interpolationsverfahren unter einer Abtastung der Daten in Z-Richtung (Undersampling).
Maximum- und Minimumintensitätsprojektion Maximum- und Minimumintensitätsprojektionen (MIP und MINIP) sind Volumendarstellungsverfahren. Zunächst wird das darzustellende Volumen durch Anwendung geeigneter Editierverfahren bestimmt. MIP-Techniken werden in der CT-Angiographie und bei speziellen pulmonalen Fragestellungen eingesetzt (. Abb. 4.6). Die MINIP dient vorwiegend der Darstellung des Tracheobronchialsystems. Die eigentlichen Bilder entstehen durch die Projektion des interessierenden Volumens auf die Betrachtungsebene, wobei eine MIP den maximalen, eine MINIP den minimalen CT-Wert entlang der Projektionsrichtung darstellt. Eine optimale Bildqualität bei der MIP-Darstellung erfordert ein möglichst schmales Darstellungsvolumen (VOI). Die Vorteile der MIP-Bilder liegen darin, dass kontrastierte Gefäße und Wandverkalkungen aufgrund unterschiedlicher CT-Werte differenziert werden können. Auch kleinere Gefäße mit 1 mm Durchmesser bleiben sichtbar, solange sie einen höheren CT-Wert als ihre Umgebung innerhalb des VOI besitzen. Ein optimaler Bildkontrast wird erzielt bei hohem intravasalen Kontrast, geringem Partialvolumeneffekt und geringer Dichte des Hintergrundes.
. Abb. 4.5. Rekonstruierte multiplanare Tomogramme. Verschiedene Projektionen, schematisch dargestellt
. Abb. 4.6. Prinzip der Maximum-Intensitäts-Projektion (MIP). Die maximalen CT-Werte werden durch diese Technik senkrecht auf die Betrachtungsebene projiziert. Durch zusätzliches Editieren des Datenvolumens werden knöcherne Strukturen eliminiert, sodass die Gefäße darstellbar sind
Bei zu großem VOI und relativ dichten Umgebungsstrukturen sind kleinere Gefäße mit geringerer oder identischer Dichte relativ zu ihrer Umgebung nicht mehr darstellbar. Intravaskuläre Läsionen, wie wandständige Thromben oder weiche Plaques, sind mittels MIP häufig nicht direkt darstellbar. Dissektionsmembranen sind ebenfalls oft nicht darstellbar. Verkalkungen haben eine höhere Dichte und projizieren sich dadurch über die Gefäßstrukturen. Dabei ist es häufig nicht mehr möglich, den Stenosegrad richtig einzuschätzen. Hauptanwendungsgebiet bei der MIP ist die CT-Angiographie. Für die Diagnostik komplexer vaskulärer Malformationen, Aortendissektionen, zentraler Lungenembolien oder flottierender Thromben ist sie jedoch nicht zu empfehlen.
35 4.4 · Abbildung und Darstellungstechniken
3 D-Oberflächenrekonstruktion (shaded surface display) Die 3 D-Oberflächenrekonstruktion (SSD) ist ein Verfahren, mit dessen Hilfe sich dreidimensionale Bilder von Oberflächenstrukturen rekonstruieren lassen. Dabei wird das Objekt von einer virtuellen Lichtquelle angestrahlt, die Software berechnet die Reflektion der Lichtintensität zurück zum Betrachter (. Abb. 4.7). Klinisch muss jedoch das interessierende Volumen definiert und sequenziert werden. Die 3 D-Oberflächendarstellung liefert eindrucksvolle Bilder definierter Oberflächenstrukturen in komplexen Topographien. Die SSD dient in erster Linie der Befundpräsentation, für die Diagnosefindung ist sie nur in Ausnahmefällen geeignet. Sie wird vorwiegend in der Skelettdiagnostik eingesetzt. Die SSD gewinnt durch die virtuelle Endoskopie wieder an Bedeutung, da der Bearbeitungsprozess im Vergleich zu den Volumenrekonstruktionstechniken wesentlich schneller ist. Sie ist für die interaktive Navigation durch den virtuellen endoskopischen Datensatz geeignet. Zu beachten ist jedoch, dass der gewählte Schwellenwertbereich die Qualität der SSD gravierend beeinflussen kann.
. Abb. 4.7. Oberflächenrekonstruktion (SSD). Spezielle Software berechnet die Reflexion des Lichts einer virtuellen Lichtquelle vom darzustellenden Objekt zurück zum Betrachter, wodurch Oberflächen dreidimensional dargestellt werden
4
5 5 Magnetresonanztomographie W. Reith
5.1
Allgemeines
– 38
5.2
Physikalische Grundlagen der MRT und Merkmale der Bildentstehung
– 38
38 Kapitel 5 · Magnetresonanztomographie
5.1
5
Allgemeines
Basis für ein Verständnis von Theorie und Praxis der MRT ist ein Grundwissen über Magnetismus und der Elektrizität. Magnetismus beruht auf Elektrizität. Seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist bekannt, dass elektrische Ströme Magnetfelder erzeugen. Physiker messen die magnetische Felstärke in Ampère pro Meter (A/m), während die Magnetfelddichte entweder in der alten Größe Gauss (G) oder in der modernen SI-Einheit Tesla (T) angegeben wird. Ein Tesla entspricht dabei 10 000 Gauss. Die Einheit Tesla wird oft dazu verwendet, die Magnetfeldstärke anzugeben. Die meisten klinisch eingesetzten MR-Geräte arbeiten im Bereich 0,5 und 1,5 Tesla. Die MRT verwendet sowohl statische als auch variable Magnetfelder. Des Weiteren benötigt sie Hochfrequenzwellen (HF). Magnetresonanzsignale sind zeitabhängige elektrische Ströme oder Spannungen. Sie entstehen in Wellen, die von einem oszillierenden Magnetfeld induziert werden. Magnetresonanzsignale sind im Grunde Sinus- und Kosinuswellen, die durch 3 Faktoren definiert und beschrieben werden: Amplitude, Frequenz und Phase. Die Amplitude wird auch als Signalstärke bezeichnet und entspricht der endgültigen Helligkeit der Bildelemente einer Magnetresonanzaufnahme. Frequenz und Phase bestimmen Form und räumliche Auflösung des MR-Bildes. Die Phase bestimmt die Ausgangsamplitude einer Welle und kann nur für Wellen gleicher Frequenz verglichen werden. Phasenunterschiede werden in Grad angegeben. Werden 2 Wellen gleicher Frequenz gegeneinander verschoben, entsteht eine Phasenverschiebung. Die Übertragung von Signalen erfolgt durch sich ändernde elektromagnetische Strahlung. Bei der MRT wird diese in Pulse zerstückelt, die in unterschiedlicher Reihenfolge gesendet werden können. Die Bandbreite umfasst den Frequenzbereich des Pulses. In analogen Systemen wird die Bandbreite als Unterschied zwischen der höchst- und der niedrigstfrequenten Signalkomponente definiert. Radiofrequenzimpulse besitzen eine bestimmte Wellenform und verändern sich in der Zeitdomäne. Mittels der Prätransformation lassen sich die Pulse besser analysieren. Die Grundlagen für die MRT wurden durch die Gruppen um Russel und Bloch entdeckt. Beide Forscher wurden hierfür 1952 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet. 1973 publizierte Lauterpur das erste MRT-Bild, jedoch erst seit Beginn der 1980er Jahre erlangte die MRT zunehmend Bedeutung als digitales Schnittbildverfahren in der Medizin.
5.2
Physikalische Grundlagen der MRT und Merkmale der Bildentstehung
Atomkerne, die eine ungerade Anzahl von Protonen oder Neutronen enthalten, besitzen im Grundzustand einen eigenen Drehimpuls oder Kernspin.
Relaxation Nachdem die Spins angeregt worden sind, kreist die Magnetisierung in der XY-Ebene. Diese so genannte transversale Magnetisierung Mxy erzeugt in der Empfangsspule das MR-Signal.
. Abb. 5.1. TR und der T1-Kontrast. Bei kurzem TR (A) weist ein Gewebe mit kurzem T1 wieder viel Längsmagnetisierung auf und gibt viel Signal, während ein Gewebe mit langem T1 noch wenig Signal gibt. Bei langem TR (B) haben beide Gewebe eine ähnlich große Magnetisierung aufgebaut und geben etwa gleich viel Signal. (Aus: Weishaupt, Köchli, Marincek (Hrsg). Wie funktioniert MRI? 5. Aufl. New York, Heidelberg: Springer Verlag 2006)
Zwei unabhängige Vorgänge bewirken, dass die transversale Magnetisierung und damit das MR-Signal abnehmen und der stabile Ausgangszustand vor der Anregung wieder erreicht wird. Dies sind zum einen die so genannte Spin-Gitter-Wechselwirkung und zum anderen die Spin-Spin-Wechselwirkung. Beide Vorgänge werden auch als T1- und T2-Relaxation bezeichnet.
T1-Relaxation Mit der Zeit geht die transversale Magnetisierung in die Z-Richtung zurück. Die in der XY verbleibende transversale Magnetisierung nimmt ebenfalls langsam ab, das MR-Signal wird entsprechend kleiner. Dafür baut sich langsam die Längsmagnetisierung Mz wieder auf: longitudinale Relaxation. Sie ist verbunden mit der Abgabe von Energie an die Umgebung. Die Zeitkonstante dieses Vorgangs heißt T1 und ist abhängig von der Stärke des äußeren Magnetfeldes BO sowie der inneren Bewegung der Moleküle. Sie liegt für Gewebe in der Größenordnung einer halben bis mehreren Sekunden (. Abb. 5.1).
T2/T2* – Transversale Relaxation Die transversale Relaxation ist der Verlust der transversalen Magnetisierung durch die Dephasierung der Spins. Dabei wird keine Energie an die Umgebung abgegeben, die Spins tauschen vielmehr untereinander Energie aus. Die transversale Relaxation besitzt 2 Komponenten: Energieaustausch der Spins untereinander findet statt durch fluktuierende, teils rasch wechselnde lokale Magnetfeldveränderungen aufgrund benachbarter Spins. Die reine Spin-Spin-Wechselwirkung ist durch einen 180°-Impuls nicht beeinflussbar. Ihre Zeitkonstante ist T2, sie ist mehr oder weniger unabhängig von der Stärke des Magnetfeldes BO. Zeitliche Konstante, d. h. immer gleich starke Inhomogenitäten des äußeren Magnetfeldes BO: sie werden verursacht durch das MR-Gerät selber sowie den Körper der untersuchten Person und bewirken eine zusätzliche Magnetfeldveränderung, sodass das Signal nicht mit T2, sondern rascher mit einer Zeitkonstanten T2* zerfällt. Die Relaxationszeit T2* ist in der Regel kürzer als die T2-Zeit. Der Hauptanteil der Inhomogenitäten, welche den T2*-Effekt ausmachen, tritt an Gewebegrenzflächen auf oder werden durch lokale magnetische Felder, z. B. Eisenpartikel induziert. Das mit T2*-abklingende MR-Signal nennt man auch
39 5.2 · Physikalische Grundlagen der MRT und Merkmale der Bildentstehung
Echozeit (TE) und T2-Gewichtung
. Abb. 5.2. TE und T2-Kontrast. Bei sehr kurzem TE (A) besteht noch praktisch kein Signalabfall für beide Gewebe, bei längerem TE (B) bestehen hingegen deutliche Unterschiede: ein Gewebe mit kurzem T2 verliert rasch Signal und wird rasch dunkel, ein Gewebe mit langem T2 bleibt länger hell. (Aus: Weishaupt, Köchli, Marincek [Hrsg]. Wie funktioniert MRI? 5. Aufl. New York, Heidelberg: Springer Verlag 2006)
Free Induction Decay (FID), mittels Spin-Echo-Sequenzen kann der T2*-Effekt eliminiert werden. T2 beschreibt den eigentlichen Prozess des Energieaustauschs unter den Spins (. Abb. 5.2), während weitere Inhomogenitäten zu einem zusätzlichen Phasenzerfall führen, den wir mit T2* charakterisieren. > T1- und T2-Relaxation sind voneinander vollkommen unabhängig und laufen gleichzeitig ab.
Die Echozeit (TE) ist diejenige Zeitspanne, die man nach der Anregung bis zur Messung des MR-Signals verstreichen lässt. Die Gradienten bewirken im Magnetfeld Inhomogenitäten, die T2- und T2*-Effekte noch weiter verstärken. Die angeregten Spins geraten außer Phase und zerstören damit das MR-Signal. Vor jeder Messung müssen diese Effekte der Dephasierung zuerst rückgängig gemacht werden, damit die Spins wieder in Phase kommen. Die Echozeit bestimmt den Einfluss von T2 auf dem Bildkontrast. T2 ist viel kürzer als T1 und liegt im Bereich von bis zu einigen 100 m/s. Durch die Wahl der Echozeit TE wird die T2-Wichtung bestimmt. Gewebe mit kurzem T2 geben wenig Signal und erscheinen dunkel, Gewebe mit langem T2 erscheinen im MR-Bild hell.
Pulswinkel Ein reduzierter Pulswinkel wird verwendet, um bei sehr kurzer Repetitionszeit genügend Signal zu erhalten. Die Spins werden dann nicht mehr um 90°, sondern z. B. nur noch um 30° ausgelenkt. Man erhält weniger Signal in der XY-Ebene, es verbleibt aber ein Teil der Magnetisierung in der Z-Richtung und steht so für die nächste Anregung zur Verfügung. Als »Ernst-Winkel« bezeichnet man denjenigen Pulswinkel, der bei gegebenem TR und TE das maximale Signal angibt.
Bildkontrast
Vorsättigung
Verschiedene Parameter eines Gewebes bestimmen seine Helligkeit und damit den Bildkontrast im MR-Bild. Die Protonendichte, die Anzahl anregbarer Spins pro Voxel, gibt das Maximum an Signal an, das ein Gewebe abgeben kann. Die T1-Zeit eines Gewebes bestimmt, wie schnell sich die Spins von einer Anregung erholen und wieder anregbar werden. Die T2-Zeit bestimmt im Wesentlichen, wie rasch das MR-Signal nach einer Anregung abklingt.
Eine weitere Methode, um den zu Bildkontrast beeinflussen, ist die Vorsättigung. Hierzu wird ein 90°- oder 180°-Impuls auf die untersuchte Schicht angewendet, bevor die Messung beginnt. Die Vorsättigung kann bei allen Basis-Pulssequenzen angewandt werden. Durch den Vorsättigungsimpuls kann der T1-Kontrast verstärkt werden, der Effekt ist dabei umso stärker, je weniger Zeit zwischen dem Impuls und dem Beginn der eigentlichen Messung verstreicht. Die Stärke des T1-Kontrasts kann auch durch den Abstand des 180°-Inversionspulses zum Anregungspuls gesteuert werden (= Inversionszeit T1). Die Inversionszeit kann so gewählt werden, dass die Magnetisierung eines Gewebes bei der Anregung =0 und somit das Signal eines entsprechenden Gewebes verschwindet, dadurch kann z. B. mit einem kurzen T1 das Fettsignal und mit einem langen T1 das Liquorsignal unterdrückt werden.
> Protonendichte, T1 und T2 sind spezifische Merkmale, anhand derer sich verschiedene Gewebe unterscheiden lassen.
Repetitionszeit (TR) Die Repetitionszeit (TR) beeinflusst entscheidend den T1-Kontrast. Sie ist die Zeit, die zwischen 2 aufeinander folgenden Anregungen derselben Schicht verstreicht. Je länger sie dauert, desto mehr kippen die angeregten Spins in die Z-Richtung zurück und desto mehr Längsmagnetisierung steht bei der nächsten Anregung zur Verfügung. Wird die Repetitionszeit kurz gewählt, <600 m/s, so beeinflusst T1 wesentlich den Bildkontrast. Gewebe mit langem T1 erzeugen weniger Signal als Gewebe mit kurzem T1 und erscheinen im Bild dunkel. Wird die Repetitionszeit relativ lang gewählt, >1500 m/s, so haben alle Gewebe, auch jene mit langem T1, genügend Zeit zu relaxieren. Die Wahl der Repetitionszeit kann mit T1-Wichtung bestimmt werden.
Magnetisierungstransfer Nass- und Fettmoleküle sind relativ klein und besitzen unter in-vivo-Bedingungen eine hohe Beweglichkeit. Makromolekulare Protonen, z. B. in Eiweiß haben ein breiteres Spektrum von Larmorfrequenzen als die Protonen von freiem Wasser. Sie können deshalb durch Radiofrequenzpulse angeregt werden. Dies führt zu einer Sättigung der Magnetisierung von makromolekularen Protonen, was zu einem Signalabfall führt. Dieser Signalabfall hängt von der Konzentration von Makromolekülen und von der Interaktion mit freiem Wasser ab und wird als Magnetisierungstransfer bezeichnet. Der Abfall der Signalintensität durch Magnetisierungstransfer ist bei soliden Geweben deutlich, der Effekt bei Flüssigkeiten und Fettgewebe ist gering.
5
40 Kapitel 5 · Magnetresonanztomographie
5
. Abb. 5.3. Schematische Darstellung des MagnetisierungstransferKontrasts. (Aus: Weishaupt, Köchli, Marincek [Hrsg]. Wie funktioniert MRI? 5. Aufl. New York, Heidelberg: Springer Verlag 2006)
Die indirekten Effekte des Austauschs der Sättigung der Magnetisierung zwischen freien und gebundenen Protonen kann gemessen werden. Dies wird als Magnetisierungstransfer-Kontrast (MTC) bezeichnet. Diese Technik wird in der Knorpelbildgebung angewendet, um den Kontrast zwischen Synovialflüssigkeit und Knorpel zu verbessern. Dabei nutzt man die Tatsache, dass Synovialflüssigkeit wenig gebundene Protonen hat, der Knorpel hingegen einen großen Anteil gebundener Protonen, was sich in hohem Ausmaß als Magnetisierungstransfer äußert. Im ZNS können gadoliniumanreichernde Läsionen, z. B. bei der multiplen Sklerose, mithilfe des Magnetisierungstransfer-Kontrasts besser nachgewiesen werden.
Schichtwahl und Ortskodierung Um die MR-Signale zur Bildgebung verwenden zu können, müssen sie eine Ortskodierung erhalten. Die MRT ist ein tomographisches Verfahren, d. h. es werden Schnittbilder durch den Körper angefertigt. Um selektiv eine Schicht anzuregen, wird das Magnetfeld entlang der Z-Richtung inhomogen gemacht. Dazu dient eine zusätzliche Magnetspule, die das Magnetfeld unterschiedlich verstärkt bzw. abschwächt. Das Magnetfeld hat jetzt einen Gradienten entlang der Z-Richtung. Das bedeutet, dass auch die Larmor-Frequenz entlang der Z-Richtung unterschiedlich ist, jede Schicht besitzt nun eine eigene Frequenz. So kann mit einer bestimmten Frequenz genau eine entsprechende Schicht angeregt werden (. Abb. 5.4). Schichtdicke und -position sind durch den Schichtgradienten festgelegt. Da man die Gradientenstärke beliebig wählen
kann, lassen sich MR-Schnittbilder in beliebiger Orientierung erzeugen. Die Ortskodierung kann aufgeschlüsselt werden in eine Phasen- und eine Frequenzkodierung. Zur Phasenkodierung wird nach der Anregung ein Gradient in Y-Richtung eingeschaltet (Phasen-Gradient). Dadurch entsteht eine Phasenverschiebung der Spins gegeneinander. Sie ist abhängig von Dauer und Stärke des Phasenkodiergradienten und vom Ort. Wird der Gradient nach einer gewissen Zeit wieder abgeschaltet, so präzedieren alle Spins wieder genauso schnell wie vor der Anregung, der Phasenvorsprung, d. h. die Phasenverschiebung, bleibt jedoch. So kann jede Zeile innerhalb der Schicht durch jede Phase identifiziert werden. Die Frequenzkodierung erfolgt in der 2., der X-Richtung. Der Frequenzgradient bewirkt, dass das Magnetfeld von rechts nach links zunimmt und die Larmorfrequenzen sich entsprechend verhalten. Wird das MR-Signal ausgemessen, so empfängt man ein ganzes Frequenzspektrum. Durch Frequenz und Phase ist jedes Volumenelement (Voxel) eindeutig charakterisiert. Formal enthalten Phase und Frequenz identische Informationen, da der Quotient aus dem Phasenwinkel und der Gradientendauer t bis auf einen Faktor 2 π die Präzisionsfrequenz ergibt. Demzufolge lässt sich die der Phase zugrunde liegende Ortsinformation mittels Fouriertransformation rekonstruieren, wenn die Messsequenz unter Inkrementierung der Dauer des Phasenkodiergradienten wiederholt wird. Alternativ kann die Gradientenstärke inkrementiert werden. Insgesamt erfolgt bei der Bildgebung eine Aufnahme ortskodierter Zeitsignale als Funktion der Gradientendauer und -stärke. Eine zweidimensionale Rohdaten-Matrix entspricht so einem Raster aus n-Zeilen und nFSpalten, die im Zuge der Frequenz- bzw. Phasenkodierung aufgefüllt werden. Das eigentliche Bild wird durch Fourier-Transformation errechnet. Der K-Raum enthält, ähnlich wie beim Hologramm, Informationen über das gesamte Bild und entspricht nicht einfach einem Punkt der Bildmatrix. . Abb. 5.5 zeigt eine schematische Darstellung der Rohdaten im K-Raum. Die zentralen Linien im K-Raum bestimmen am stärksten den Kontrast, die äußeren Linien hauptsächlich die räumliche Auflösung. Manchmal ist es vorteilhaft, ein ganzes Volumen auf einmal zu untersuchten, anstatt nur eine Anzahl einzelner Schichten zu messen. Wenn eine Messung erfolgt, muss die Ortsinformation über die direkte Richtung (Z) erhalten werden. Neben einer Fouriertransformation in X- und Y-Richtung muss jetzt noch eine Transformation in Z-Richtung durchgeführt werden. Das Ergebnis ist ein dreidimensionaler Datensatz aus dem lückenlosen Volumen, aus dem beliebige Rekonstruktionen und Projektionen berechnet werden können.
Determinanten des Signal- zu Rausch-Verhältnisses
. Abb. 5.4. Schichtwahl durch den Z-Gradienten. Mit einer bestimmten Frequenz wird genau eine bestimmte Schicht (schraffiert) angeregt, die angrenzenden Schichten besitzen andere Resonanzfrequenzen und werden nicht beeinflusst. (Aus: Weishaupt, Köchli, Marincek [Hrsg]. Wie funktioniert MRI? 5. Aufl. New York, Heidelberg: Springer Verlag 2006)
Die Wechselwirkung zwischen dem MR-Signal und der Stärke des Rauschens wird als Signal- zu Rausch-Verhältnis (SNR) ausgedrückt. Mathematisch besteht das SNR aus dem Quotienten zwischen der Signalintensität einer interessierenden Fläche (ROI) geteilt durch die Standardabweichung der Signalintensität einer Fläche außerhalb des abgebildeten Körperteils oder Gegenstandes.
41 5.2 · Physikalische Grundlagen der MRT und Merkmale der Bildentstehung
a
b
. Abb. 5.5a–c. a Graphische Darstellung bei vollständiger K-Raum-Akquisition. Jeder Bildpunkt repräsentiert eine K-Raum-Linie in Frequenz- und Phasenrichtung. b Graphische Darstellung der »Partial-Fourier-Technik«. Etwas weniger als die Hälfte der K-Linien in Phasenrichtung werden nicht gesammelt (graue Punkte). Diese werden durch rechnerische Interpolation gefüllt. c Graphische Darstellung der »Fractional-Echo-Technik«. Etwas weniger als die Hälfte des K-Raums wird nicht direkt gefüllt (graue Punkte).
4 4 4 4 4 4 4
Das SNR wird von folgenden Parametern bestimmt: Schichtdicke und Bandbreite Gesichtsfeld (Field of view) Größe der Bildmatrix Anzahl der Messungen Bildparameter (TR, TE, Flipwinkel) Magnetfeldstärke Wahl der Sende- und Empfangsspule (RF-Spule)
Auflösung Signal-/Rausch-Verhältnis, Messzeit Die Auflösung eines MR-Bildes ist festgelegt durch die Schichtdicke und die Pixelabmessungen. Letzte entsprechend dem Quotienten aus Bildfeld (Field of view) und Matrixgröße. Bei dreidimensionalen Blöcken ist das Messvolumen aus lückenlos aufeinander folgenden Partitionen zusammengesetzt, während bei der zweidimensionalen Bildgebung zusätzlich der Abstand benachbarter Schichten eingestellt werden kann. Allgemein gilt: je kleiner die Voxelgröße ist, umso größer ist die Auflösung des MR-Bildes. Für eine optimale Bildauflösung sind möglichst dünne Schichten mit hohem SNR wünschenswert. Dünnere Schichten sind allerdings mit mehr Bildrauschen verbunden, umgekehrt führt eine Erhöhung der Schichtdicke zu einer Erhöhung des Signal- zu Rausch-Verhältnisses. Die Bandbreite ist das Spektrum der Spinfrequenzen, welches ein MR-System bei der Frequenzkodierung erfasst. Eine hohe Bandbreite ermöglicht eine raschere Datenaquisition und hat eine verminderte Anfälligkeit für Chemical-shift-Artefakte. Eine Halbierung der Bandbreite bewirkt eine Verbesserung des SNR um ca. 30%. Der Zwischenschichtabstand (Interslice-Space, GAP) ist der Abstand zwischen 2 Schichten. Wünschenswert ist, dass es keinen Abstand zwischen den einzelnen Schichten gibt, bei SpinEchosequenzen ist dies jedoch nicht möglich. Das sinusoidale RF-Profil von Spin-Echosequenzen führt dazu, dass sich 2 un-
c Die nicht gefüllten Anteile entsprechen den partiellen Echos, die nicht gemessen wurden. Das resultierende Bild wird eine ähnliche Auflösung wie b haben, jedoch wird das SNR geringer sein (weniger »echte« Daten). (Aus: Weishaupt, Köchli, Marincek [Hrsg]. Wie funktioniert MRI? 5. Aufl. New York, Heidelberg: Springer Verlag 2006)
mittelbar benachbarte Schichten gegenseitig beeinflussen und zu einer Abnahme des SNR führen. Durch die Verwendung eines Zwischenschichtabstandes wird diese partielle Anregung von benachbarten Schichten minimiert (in der Regel 25–50% der Schichtdicke). Die Beziehung zwischen Field of view und SNR ist eng, bei gegebener Matrixgröße bestimmt das Field of view die Pixelgröße. Je kleiner das Voxel, desto geringer ist das SNR. Die Bildaufnahmezeit ist direkt proportional zur Matrixgröße. Eine höhere räumliche Auflösung in vernünftiger Zeit kann erreicht werden, indem das Field of view nur in Phasenrichtung reduziert wird (»Rectangular Field of view«). Da die örtliche Auflösung durch die Matrixgröße in Frequenzrichtung, die Bildaufnahmezeit durch die Matrixgröße in Phasenrichtung bestimmt ist, kann die Matrix in Phasenrichtung reduziert werden, ohne dass die örtliche Auflösung verringert wird. Bei einem »Rectangular Field of view« wird nur die Hälfte der K-Linien in Phasenrichtung im K-Raum gesammelt. Eine weitere Möglichkeit die Bildaufnahmezeit zu verringern, ohne die Voxelgröße zu beeinflussen, besteht in den Techniken der unvollständigen Abtastung des K-Raums (PartialFourier-Technik), der Rest des K-Raums wird rechnerisch interpoliert (. Abb. 5.5b). Dies führt zu einer Verkürzung der Messzeit sowie zu einer Verminderung des Signal- zu Rausch-Verhältnisses. Die Anzahl der Messungen (Number of Excitations) ist die Anzahl, wie oft das Signal von einer bestimmten Schicht gemessen wird. Eine Erhöhung der Anzahl an Messungen führt zu einer Erhöhung des SNR. Sequenztyp, Echozeit, Repetitionszeit, TR und der Flipwinkel beeinflussen ebenfalls das SNR. Je länger das TR, umso höher das SNR. Je länger TE, umso geringer wird das SNR. Bei höheren Magnetfeldstärken wird die longitudinale Magnetisierung größer, da sich mehr Protonen entlang der Hauptachse des Magnetfeldes ausrichten. Damit wird auch das SNR größer.
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42 Kapitel 5 · Magnetresonanztomographie
. Abb. 5.6. SE-Sequenz. Der Pulswinkel beträgt immer 90°, das Echo wird mit einem 180°-Impuls erzeugt. Die verschiedenen Stufen des Phasengradienten sind gestrichelt angedeutet. (Aus: Weishaupt, Köchli, Marincek [Hrsg]. Wie funktioniert MRI? 5. Aufl. New York, Heidelberg: Springer Verlag 2006)
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Pulssequenzen Spin-Echo-Sequenzen (SE) Die Spin-Echo-Sequenz ist charakterisiert durch die Anregung mit einem schichtselektiven 90°-RF-Impuls (. Abb. 5.6). Danach zerfällt die transversale Magnetisierung mit T2*. Nachdem die Hälfte der gewünschten Echozeit verstrichen ist, wird ein 180°Impuls gesendet, der die Reihenfolge der Spins umkehrt. Der Vorteil der Spin-Echo-Sequenz liegt in ihrer Unempfindlichkeit gegenüber statischen Feldinhomogenitäten und in der daraus resultierenden sehr guten Bildqualität. Der Nachteil ist jedoch
eine relativ lange Messzeit und deshalb auch eine größere Empfindlichkeit gegenüber Bewegungsartefakten.
Mehrschichtaufnahmen (Multislice Imaging) Bei den Mehrschichtaufnahmen wird zwischen 2 Anregungen diese Zeit genutzt, um weitere Schichten anzuregen (. Abb. 5.7). Ein Nachteil dieser Technik ist, dass infolge Inperfektion des Schichtprofils oder Inperfektion der Sequenz des RF-Impulses Protonen außerhalb der gewünschten Schicht angeregt werden. Dies führt zu einem Abfall der longitudinalen Magnetisierung und kann das Signal vermindern.
Inversion-Recovery-Sequenz Die Inversion-Recovery-Sequenzen werden zur Aufnahme von T1-gewichteten oder fettsupprimierten Bildern verwendet. Es sind Spin-Echo-Sequenzen, denen ein 180°-Impuls vorausgeht. Im Gegensatz zu den Spin-Echo-Sequenzen wird bei der IR-Sequenz zuerst ein 180°-Impuls ausgesandt, dieser klappt die Längs-
. Abb. 5.7. Aufnahme von mehreren Schichten, Multislice Imaging. Während für die erste Schicht die Repetitionszeit TR verstreichen muss, können weitere Schichten angeregt und gemessen werden. So erhält man wie in diesem Beispiel gezeigt statt nur einer gleich vier Schichten in derselben Zeit. (Die Rechtecke repräsentieren verschiedene Schichten). (Aus: Weishaupt, Köchli, Marincek [Hrsg]. Wie funktioniert MRI? 5. Aufl. New York, Heidelberg: Springer Verlag 2006)
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. Abb. 5.8. Inversion-Recovery-Sequenz mit T1-Relaxation. Nach dem Aussenden des 180°-Impulses ist die Längsmagnetisierung (a) in die entgegengesetzte Richtung geklappt (b). c, d die T1-Relaxation erfolgt von –Z nach +Z. Solange keine Vektorkomponente in der Transversalebene ist, erfolgt kein Aussenden des Signals. (Aus: Weishaupt, Köchli, Marincek [Hrsg.]. Wie funktioniert MRI? 5. Aufl. New York, Heidelberg: Springer 2006)
43 5.2 · Physikalische Grundlagen der MRT und Merkmale der Bildentstehung
magnetisierung von der positiven Z-Richtung in die negative Z-Richtung (. Abb. 5.8). Es erfolgt die Relaxation des invertierten Längsmagnetisierungsvektors durch die transversale Ebene in seine ursprüngliche Ausrichtung. Nach einiger Zeit der Relaxation wird der initiale Puls der Spin-Echo-Sequenz eingestrahlt, die Zeit zwischen dem Einstrahlen des 180°-Impulses und dem 90°-Impuls wird als Inversionszeit (TI) bezeichnet. Zur Veränderung der Inversionszeit kann der Bildkontrast verändert werden. In der klinischen Routine werden v. a. 2 Inversion-RecoverySequenzen angewendet: 4 Short inversion-time-Inversion-Recovery-Sequenz (STIR) 4 Fluid attenuated-Inversion-Recovery-Sequenz (FLAIR) Die STIR-Sequenz ist eine häufig angewendete Sequenz zur Fettsuppression. Hier kann zuverlässig eine Fettsuppression erfolgen. Die Inversionszeit wird so gewählt, dass der 90°-Impuls gerade zu dem Zeitpunkt gesendet wird, an dem die T1-Relaxationskurve für Fett einen 0-Durchgang hat. So wird das Signal für Fett unterdrückt. Bei der Feldstärke von 1,5 Tesla beträgt die erforderliche TI-Zeit ungefähr 150 ms, bei einer Feldstärke von 0,5 Tesla ist sie ungefähr 100 ms. Die FLAIR-Sequenz ist eine Variante der IR-Sequenz, bei der im Gegensatz zur STIR-Sequenz sehr lange Inversionszeiten (TI ca. 2000 ms) verwendet werden. Ein weiterer Unterschied ist, dass FLAIR-Sequenzen FSE-Sequenzen sind. Durch die Veränderung solcher langer Inversionszeiten wird das Liquorsignal praktisch vollständig unterdrückt. Die FLAIR-Sequenz ist gut geeignet, um Läsionen mit geringem Kontrastverhalten im Hirnparenchym darzustellen.
Gradientenecho-Sequenzen Bei der Gradientenecho-Sequenz werden nicht ein RF-Impuls, sondern nur die Gradientenspulen zur Erzeugung des Echos verwendet. . Abb. 5.9. Gradientenecho-Sequenz. Der Einfachheit halber wurde ein Pulswinkel α von ebenfalls 90° angenommen. (Aus: Weishaupt, Köchli, Marincek [Hrsg]. Wie funktioniert MRI? 5. Aufl. New York, Heidelberg: Springer Verlag 2006)
Bei dem Gradientenecho entfällt der 180°-Impuls, sodass sehr kurze Repetitionszeiten (TR) erreicht werden können. Somit ist eine viel schnellere Bildaufnahme möglich, womit Gradientenecho-Sequenzen weniger anfällig für Bewegungsartefakte sind. Der Nachteil ist, dass die Zeit für die T1-Relaxation kurz ist und somit das SNR infolge Sättigung vermindert sein kann. Da bei Gradientenecho-Sequenzen der 180°-Impuls wegfällt, werden statische Feldinhomogenitäten nicht ausgeglichen und das Signal zerfällt mit T2*. Der Bildkontrast, welcher aus den Differenzen des T2*-Zerfalls und den verschiedenen Geweben resultiert, wird als T2*-Kontrast bezeichnet. Um eine optimale T1-Gewichtung zu erreichen, sollte deshalb das TE so kurz wie möglich gewählt werden. Wenn ein T2*-Kontrast gewünscht wird, sollte das TE erhöht werden. Um T1-Effekte zu verringern, wird gleichzeitig TR lang gewählt. T2*-gewichtete Bilder sind bei der Detektion von Kalkablagerungen oder Blutprodukten in sehr kurzer T2-Zeit von Nutzen. Eine spezielle Art von Gradientenecho-Sequenzen, welche in der klinischen Routine angewendet werden, sind die SteadyState-free-Precession (SSFP)-Sequenzen. Blut erscheint in diesen Sequenzen als helles Signal, diese Sequenzen sind besonders unempfindlich gegenüber fließendem Blut. > Die SSFP-Sequenzen zeigen sich durch sehr kurze Aquisitionszeiten aus und eignen sich besonders für die vaskuläre Bildgebung und die Echtzeitbildgebung am Herzen.
Schnelle Pulssequenzen Fast-Spin-Echosequenzen sind modifizierte Spin-Echo-Sequenzen, welche die Bildaufnahmezeit im Vergleich zu konventionellen Spin-Echo-Sequenzen erheblich reduzieren. In FSE-Sequenzen werden mehrere 180°-Pulse pro TR appliziert, wobei zwischen den einzelnen Echos der Phasenkodiergradient jedes
5
44 Kapitel 5 · Magnetresonanztomographie
5 . Abb. 5.10. Fast-Spin-Echo. Mit vier 180°-Impulse werden vier Echos erzeugt (Echozug). Da aber im Gegensatz zur Multi-Echo-Sequenz vor jedem Echo der Phasengradient neu eingeschaltet wid, erhält man vier Messungen mit unterschiedlichen Phasenkodierungen mit einer anstatt vier Anregun-
gen. In diesem Beispiel bestimmt das 3. Echo hauptsächlich den T2-Kontrast. (Aus: Weishaupt, Köchli, Marincek [Hrsg.]. Wie funktioniert MRI? 5. Aufl. New York, Heidelberg: Springer Verlag 2006)
. Abb. 5.11. Echoplanar-Sequenz. Wie beim Fast-Spinecho werden mehrere (in diesem Beispiel 8 Echos) Echos mit verschiedenen Phasenkodierungen erzeugt. Im Gegensatz zum Fast-Spin-Echo verwendet aber der Echoplanar keine 180°-Impulse, sondern erzeugt Echos wie beim Gradientenecho mit dem Frequenzgradienten. Dies erfordert kräftige Verstärker, da
der Frequenzgradient sehr schnell hin- und hergeschaltet werden muss. Die Spitzen des Phasengradienten heißen »blips«. (Aus: Weishaupt, Köchli, Marincek [Hrsg.]. Wie funktioniert MRI? 5. Aufl. New York, Heidelberg: Springer Verlag 2006)
Mal kurz eingeschaltet wird (. Abb. 5.10). Somit kann man mehrere Messungen mit unterschiedlichen Phasenkodierungen pro Anregung aufnehmen, was eine Serie von Spin-Echos (Echozüge) hervorruft. Die Anzahl der erhaltenen Echos pro TR wird auch als Echozuglänge bezeichnet. FSE-Sequenzen benötigen längere TR-Zeiten, um möglichst viele 180°-HF-Pulse gesetzt werden können. Die TR-Zeiten von FSE-Sequenzen sind zwischen 4000 ms und mehr, diejenigen von Spin-Echo-Sequenzen bei 2000‒2500 ms. Dieses zeigt, dass FSE-Sequenzen v. a. für T2-gewichtete Bilder geeignet sind. Die Echozeiten von FSE-Sequenzen für T2-gewichtete Bilder sind ebenfalls länger.
bei besteht der Echozug aus bis zu 128 Echos. Es kann ein Bild mit einer Auflösung von 256×128 mit einer einzigen Anregung (Single Shot) in 70 ms aufgenommen werden. Nachteile dieser Sequenz sind, dass es zu Feldinhomogenitäten kommen kann. Durch das repetitive Schalten des Frequenzgradienten werden zusätzliche Inhomogenitäten erzeugt, die sich mit der Zeit aufaddieren und zu geometrischen Verzerrungen des MR-Bildes führen. Wegen des raschen Signalabfalls mit T2* bleibt zur Aufnahme der Echos nur wenig Zeit. Notwendig ist hierfür deshalb ein sehr starker und schneller Gradient, da es aufgrund der rasch wechselnden Magnetfelder zu Nervenstimulationen und zu starker Geräuschentwicklung kommen kann.
Echoplanare (Epi-)Sequenz Der Vorteil echoplanarer Episequenzen ist die schnelle Aquisitionszeit. Sie sind deshalb für dynamische und funktionelle Bildgebung geeignet. Die Echos werden durch wiederholtes Hin- und Herschalten des Frequenzgradienten erzeugt (. Abb. 5.11). Da-
6 6 Angiographie und Intervention W. Reith
6.1
Angiographie
– 46
6.1.1 Grundlagen – 46 6.1.2 Aufklärung des Patienten und Durchführung der Untersuchung
6.2
Interventionelle Radiologie
6.2.1 Vaskuläre Interventionen
– 48
– 48
– 46
46 Kapitel 6 · Angiographie und Intervention
6
6.1
Angiographie
6.1.1
Grundlagen
Die Angiographie (Gefäßdarstellung) dient dem Nachweis funktioneller morphologischer Gefäßveränderungen. Durch die modernen Schnittbildverfahren wie CT-Angiographie und MR-Angiographie haben die Indikationen für die Durchführung angiographischer Untersuchungen abgenommen. Die Arteriographie wird nahezu ausschließlich in digitaler Subtraktionsangiographie-Technik (DSA) durchgeführt. In der Regel werden zur Kontrastmittel-Applikation intraarteriell eingeführte Katheter verwendet. Nur in Ausnahmefällen erfolgt eine direkte Punktion der Arterie mit Injektion des Kontrastmittels über die Nadel (»Nadel-Angiographie«). Die digitale Subtraktionsangiographie mit intravenöser Kontrastmittel-Applikation (i. v. DSA) wird nur noch ausnahmsweise durchgeführt.
6.1.2
Aufklärung des Patienten und Durchführung der Untersuchung
Vorbereitung der Untersuchung Aufklärungsgespräch Der Patient ist über den Sinn des Eingriffs, über Durchführung, Dauer, Alternativen und Risiken zu informieren. Nur dann ist die Einwilligung des Patienten rechtswirksam (informed consent). Das Einverständnis muss der Patient schriftlich geben. Beispielsweise werden bei rein diagnostischen Angiographien höhere Anforderungen an die Aufklärung gestellt als bei interventionellen Eingriffen mit primär therapeutischer Zielsetzung. Bei einer vitalen Indikation darf die Aufklärung auf das Notwendigste beschränkt werden, jedoch nicht entfallen. Die Verantwortung liegt jeweils beim behandelnden Arzt. Im Falle der Aufklärung durch einen Kollegen ist nicht dieser, sondern der durchführende Arzt im Schadensfall ersatzpflichtig. Ein rechtswirksames Aufklärungsgespräch geschieht bei interventionellen Eingriffen spätestens (!) einen Tag vor dem vorgesehenen Termin. In lebensbedrohlichen Notfallsituationen gilt diese Frist von 24 h nicht. ! Im Falle eines Kunstfehlerprozesses liegt die Beweislast für die sachgerechte Durchführung eines Eingriffs beim Arzt, daher sollten Form, Zeitpunkt und Inhalt des Aufklärungsgesprächs schriftlich festgehalten werden, am besten handschriftlich.
Das Aufklärungsgespräch beinhaltet die Verlaufserklärung und die Risikoaufklärung. In diesem sollten Chancen und Risiken bei Unterlassung des Eingriffs erörtert werden. Eine Aufklärung kann nur entfallen, wenn der Patient ausdrücklich darauf verzichtet, als Kollege über den geplanten Eingriff Bescheid weiß oder der Patient im Falle eines Mehrfacheingriffs bereits über die konkreten Behandlungsabläufe und Gefahren informiert wurde. Risiken der DSA ergeben sich aus der Gefäßpunktion, der Kontrastmittel-Injektion und der intravasalen Kathetermanipulation. Bei den Phlebographien sind Kontrastmittel-Nebenwirkungen (Allergie, Hyperthyreose, Niereninsuffizienz; 7 Kap. 8)
sowie kontrastmittelbedingte toxische Endothelschädigungen, thrombotische Wirkung des Kontrastmittels und eine mögliche Verschleppung vorhandener Thromben zu beachten. Bei der DSA sind die Risiken z. T. abhängig davon, in welchem Gefäßgebiet die Katheter eingeführt werden. Durch die Kathetermanipulation kann es zu Thrombosen, Embolien, Dissektion und Gefäßwandperforationen kommen. Auch Komplikationen durch die Gefäßpunktion, die Risiken einer Fehlpunktion von Nerven, arteriovenösen Fisteln, Infektionen sowie Komplikationen nach Entfernung der Gefäßschleuse aus der Gefäßwand (Nachblutung, Aneurysma) sind bei Aufklärung anzugeben.
Wichtige Patientendaten für die Untersuchung und Vorbereitung des Patienten Die Untersuchung beginnt mit den Angaben auf dem Überweisungsschein. Hier sollte eine präzise Fragestellung formuliert werden, um unnötige oder Folgeuntersuchungen des Patienten zu vermeiden. Es sollte eine Unterschrift des anfordernden Arzts vorhanden sein. Wünschenswert sind Angaben zu Voruntersuchungen, die zum Vergleich herangezogen werden können, sowie das Datum vorangegangener Operationen und die Dauer von Bestrahlungen im Untersuchungsgebiet. Ohne diese Angaben ist die Befundung für den Radiologen deutlich erschwert oder nicht möglich, z. B. bei der Beurteilung von narbigen Veränderungen und Rezidivtumoren. Der Patient sollte befragt werden, ob es bei vorherigen Kontrastmittelgaben zu allergischen Reaktionen kam. Für eine geplante CT müssen Metallgegenstände im Untersuchungsbereich, wie Ohrringe, Zahnspangen und nicht fest implantierter Zahnersatz, vor der Untersuchung entfernt werden, um Artefakte zu vermeiden. Bei Untersuchungen im Thoraxbereich müssen Büstenhalter mit Metallverschlüssen sowie Reißverschlüsse der Hosen beim Untersuchen der LWS aus dem Scanvolumen entfernt werden. Die wichtigsten Laborparameter, wie Schilddrüsenwerte und Nierenwerte, sollten vorliegen. Der Patient sollte gefragt werden, ob eine Schilddrüsen- oder Nierenfunktionsstörung vorliegt oder ob er Diabetiker ist und welche Allergien bei dem Patienten bestehen. Frauen müssen nach einer bestehenden Schwangerschaft gefragt werden. Ist dies nicht auszuschließen, sollte ein Schwangerschaftstest durchgeführt werden. Wenn der Patient angibt, bei einer Angiographie, Phlebographie, einem intravenösen Urogramm (IVU) oder einer vorangegangenen CT-Untersuchung nach Kontrastmittelgabe nur geringe Übelkeit, Juckreiz oder vereinzelte Hautrötungen erlitten zu haben, ist eine erneute Kontrastmittelgabe nach vorheriger Prämedikation noch vertretbar. Berichtet der Patient jedoch über hypotone Kreislaufreaktionen oder einen Schock, wird die Indikation äußerst streng gestellt oder auf die Untersuchung verzichtet. Wird eine Untersuchung mit Kontrasmittel nötig, muss der Überweiser vorher die Nierenfunktion durch Bestimmung des Kreatininwerts abklären. Bei etwa jedem 10. Patienten mit akutem Niervenversagen sind vorausgegangene Kontrastmitteluntersuchungen als kausaler Faktor zumindest mitverantwortlich. Vor allem bei einer präexistenten Nierenerkrankung ist höchste Vorsicht geboten. Als weiterer Risikofaktor gilt die gleichzeitige Gabe einer nephrotoxischen Begleitmedikation (Zytostatika, Aminoglykoside, Lithium, nichtsteroidale Antirheumatika, Amphotericin). Prin-
47 6.1 · Angiographie
zipiell ist eine Kreatininkonzentration in Serum von >1,5 mg/dl einer eingeschränkten Nierenfunktion gleichzusetzen. Weitere prognostisch wichtige Einzelrisikofaktoren sind der Diabetes mellitus. Jeder zweite Patient mit kontrastmittelinduziertem Nierenversagen ist Diabetiker. Weitere Risikofaktoren sind Leberzirrhose (hepatorenales Syndrom), Hyperurikämie, hohes Alter und schließlich eine präexistente Dehydratation. Im Zweifelsfall sollte zunächst eine Rücksprache mit einem kompetenten Kliniker erfolgen und man sich nicht, v. a. im Zeitalter der MRT, vom Drängen der Station beeinflussen lassen. Die Verantwortung liegt beim durchführenden Arzt. Es gibt nur wenige Notfallsituationen, bei denen eine sofortige Kontrastmittel-Applikation notwendig ist (Verdacht auf Basilaristhrombose, Kontrastmittel-Angiographie der hirnversorgenden Gefäße zum Ausschluss eines Aneurysmas/Verschlusses). Also muss bereits bei einer latenten Niereninsuffizienz die Indikation zur Kontrastmittelgabe streng gestellt werden. Zudem gibt es Berichte, dass besondere Vorsicht bei Diabetikern unter Biguanid-Therapie geboten ist. Bei diesen Patienten soll es nach Kontrastmittelgabe zu einer Laktatazidose oder bleibenden Nierenfunktionsstörungen gekommen sein. Retrospektive Studien bezweifeln jedoch, dass das Kontrastmittel bei den beschriebenen Fällen ursächlich war. Mehrere Autoren berichten, dass eine Kontrastmittelgabe bei Patienten unter BiguanidTherapie bei normalen Nierenwerten vertretbar sei. Jedoch wird von der Deutschen Gesellschaft für Radiologie ein Absetzen von metforminhaltigen Medikamenten für 2 Tage vor und nach der Untersuchung gefordert. Dies ist jedoch in der klinischen Routine, insbesondere unter dem Druck der kürzeren Liegezeiten häufig nicht möglich, sodass zumindest anschließend eine Kontrolle der Nierenwerte durchgeführt werden soll. Ist bei dialysepflichtigen Patienten eine Kontrastmittel-Applikation unbedingt erforderlich, wurde bisher unmittelbar nach der Untersuchung ein Dialysetermin festgelegt; neuere Arbeiten behaupten, dass eine Dialyse noch nach 1–2 Tagen erfolgen kann. Hierbei sollte jedoch die direkt toxische Wirkung des Kontrastmittels beachtet werden.
a
b
c
d
e
Durchführung der Untersuchung In der Regel erfolgt die intraarterielle DSA über eine Punktion der A. femoralis oder A. brachialis in Seldinger-Technik. Dabei wird mit einer Punktionskanüle von 6–8 cm Länge das entsprechende Gefäß punktiert, nach Entfernung des Mandrins wird ein spiraliger Katheterführungsdraht (Draht mit 3–4 cm langer flexibler Spitze) durch die Kanüle in die Arterie eingeführt (. Abb. 6.1). Anschließend wird die Kanüle zurückgezogen und ein zugespitzter Plastikkatheter über den Draht in das Gefäß eingeführt. Für die Darstellung der Aorta und ihrer Äste werden Katheter mit Seitlöchern im Spitzenbereich verwandt (z. B. Pigtail-Katheter). Bei der selektiven Arteriographie werden mithilfe von bestimmten vorkonfigurierten Kathetern die Gefäßabgänge des entsprechenden Gefäßes sondiert. Nach Kontrastmittel-Injektion wird das dem Gefäß zugeordnete Organ dargestellt. Diese Katheter für die selektive Angiographie besitzen nur eine Öffnung an der Spitze. Nach der Kontrastmittel-Injektion wird zunächst die arterielle Phase, dann die Parenchymphase und an-
f . Abb. 6.1a–f. Arterielle Punktion in Seldinger-Technik. a Zur lokalen Betäubung eignen sich ca. 10 ml Lokalanästhetikum, anschließend wird der Gefäßverlauf getastet und die Punktionsnadel im Winkel von 45° in Richtung des Arterienpulses vorgeschoben. Es sollte nur die vordere Arterienwand durchstochen werden. b Nach Entfernung der Innennadel pulsiert das Blut sichtbar – Hinweis auf die korrekte Lage intraluminal. c Einführen des Führungsdrahts in die Außenkanüle. d Entfernung der Außenkanüle unter Kompression der Punktionsstelle mit dem Finger. e Einführen der Gefäßschleuse über den liegenden Führungsdraht; dabei stabilisiert ein koaxial liegender Dilatator die recht flexible Schleuse. Durch den Dilatator lässt sich der Punktionskanal auf Durchmesser zwischen 4 und 10 F erweitern (1 French =0,33 mm). f Dilatator und Draht können schließlich entfernt werden, ein Ventil stoppt eine evtl. Blutung. Durch einen Seitenarm lassen sich die Schleuse spülen bzw. Kontrastmittel bzw. Medikamente verabreichen
6
48 Kapitel 6 · Angiographie und Intervention
schließend die venöse Abflussphase dokumentiert. Die Katheter bestehen aus Polyäthylen oder Polyurethan und sind oft mit einem Geflecht verstärkt. Zur Verbesserung der Gleitfähigkeit sind sie mit einer Silikonschicht ummantelt. An der Katheterspitze sind Marker angebracht. Die Katheterdurchmesser werden in French (Chariere) angegeben. Dabei entspricht 1 French einem Drittel Millimeter, für die Druckumrechnung gilt: 1 PSI (pound per square inch) =0,07 kg pro cm2=6,895 kN
6
Die Katheter werden in der Regel über Führungsdrähte aus hochwertigem Stahl in die Gefäße vorgeführt. Oft sind die Führungsdrähte mit Teflon beschichtet. Teflonbeschichtete Führungsdrähte dürfen nicht mit Strahlen sterilisiert werden. Für die Darstellung kleinster arterieller Gefäße werden speziell konfigurierte Katheter bis in die dazu zuständige Gefäßprovinz vorgeführt, um in den Gefäßen des Zielgebiets eine maximale Konzentration des Kontrastmittels zu erreichen (superselektive Angiographie). Diese Form der Angiographie ist für die Diagnostik kleinster Veränderungen der Hirn-, Herzkranz-, Leber-, Pankreas-, Nieren- und Darmgefäße erforderlich. Die sichere Beherrschung der superselektiven Kathetertechnik ist die wichtigste Voraussetzung für die Durchführung von Maßnahmen in der interventionellen Radiologie.
6.2
Interventionelle Radiologie
Bei der interventionellen Radiologie handelt es sich um: 4 Lumenerweiternde oder lumenverschließende Methoden 4 Konkrement- oder Fremdkörperextraktion 4 Perkutane Ableitungen pathologischer Flüssigkeitsansammlungen 4 Unterbrechung der Leitfähigkeit von Nerven 4 Verfahren der lokalen Tumor- oder Metastasentherapie Die Indikationsstellung erfolgt in der Regel interdisziplinär. Eine passende Aufklärung des Patienten vor der Durchführung der Intervention ist Voraussetzung und muss individuell erfolgen. Im Folgenden nicht beschriebene Interventionen werden in den weiteren Kapiteln dieses Buchs bei den entsprechenden Organen dargestellt.
6.2.1
Vaskuläre Interventionen
Näheres hierzu auch in den 7 Kap. 22 und 23. Zur Aufklärung des Patienten s. oben.
Gefäßerweiternde Maßnahmen Am häufigsten wird bei arteriellen Stenosen eine Ballondilatation durchgeführt. Dabei wird nach Heparinisierung ein Katheter in die Stenose vorgeführt. Der Katheter trägt einen Ballon, der über einen kleinen Kanal gefüllt und entleert werden kann (Inflation, Deflation). Der Ballon muss in seinem Durchmesser auf das zu dilatierende Gefäß abgestimmt sein. Diese erfolgt in der
Regel manometerkontrolliert mit hohem Druck (1–15 Barr) unter Durchleuchtung. In den letzten Jahren hat sich durchgesetzt, dass bei Gefäßstenosen zusätzlich endoluminäre Gefäßprothesen (Stents) eingesetzt werden. Hierbei handelt es sich um röhrenförmige Metallgitter, die passiv entfaltet werden oder selbst expandierende Gefäßwandstützen und so den Dilatationseffekt sichern. Die Wahl des Stents hat sich ebenfalls nach der Länge der Stenose und des Gefäßdurchmessers zu richten.
Lokale Lysetherapie Frische thrombotische oder embolische Gefäßverschlüsse können durch eine lokale Lyse behandelt werden. Die Therapie ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn das nachgeschaltete Organ noch nicht zugrunde gegangen ist. Beim zerebralen Schlaganfall gilt, dass die lokale Lysetherapie bis zu einem Zeitraum von 6 h nach Beginn der klinischen Symptomatik durchgeführt werden kann. Das Ziel der Behandlung besteht darin, den Katheter unmittelbar in oder vor dem Gefäßverschluss zu platzieren und so eine hohe Konzentration des Lysemedikaments (Urokinase oder RTPA) des Thrombus zu erreichen, ohne systemische Lyseeffekte zu erzielen. Die Lysetherapie ist auch nur dann sinnvoll, wenn noch keine bindegewebige Organisation des Verschlussmaterials im Gefäß erfolgt ist (venös ca. 14 Tage, arteriell bei Embolie bis ca. 1 Monat, bei Thrombose bis ca. 6 Monate). Bei älteren längerstreckigen Verschlüssen kann aufgrund der längeren Behandlungsdauer und höheren Dosierung zwangsläufig eine systemische Wirkung eintreten. Nach erfolgreicher Lyse zeigt sich oft eine der Thrombose zugrunde liegende Gefäßstenose, die anschließend dann ebenfalls behandelt werden muss.
Gefäßverschließende Maßnahmen Bei Blutungen, arteriovenösen Fisteln, Angiomen, Aneurysmen oder in Vorbereitung einer Operation gefäßreicher Tumoren sind gefäßverschließende Maßnahmen oft notwendig. Aneurysmen können interventionell radiologisch behandelt werden, in dem das Trägergefäß verschlossen oder selektiv das Aneurysma, z. B. mit Platinspiralen verschlossen wird. Außerdem kann eine Überdeckung des Aneurysmas durch einen beschichteten Stent erfolgen. Durch bei der Okklusion blutende Arterien, z. B. Ulkus, Tumorblutung, traumabedingte Gefäßverletzungen, kann die Blutungsquelle lokalisiert werden und durch entsprechende Maßnahmen, wie selektivem Gefäßverschluss, Injektion von Gefäßkleber, verschlossen werden. Dabei muss gewährleistet sein, dass die Gefäßokklusion für das arterielle Versorgungsgebiet tolerabel ist. Eine Verschleppung von Embolisationsmaterial in andere Gefäßgebiete muss vermieden werden. Dabei gibt es resorbierbare Embolisationsmaterialien, die zu einem temporären Gefäßverschluss führen (Stärke, Partikel, Lipiodol, Gelatine) und Verfahren mit einem definitiven Gefäßverschluss, z. B. Metallspiralen, Kunststoffpartikel oder ablösbare Ballons. Bei einer lokalen Tumortherapie können Embolisationsmaterialien mit Chemotherapeutika vermischt werden, um die Tumorpassage des Chemotherapeutikums zu verzögern und eine systemische Chemotherapie zu erzielen.
7 7 Ultraschall W. Reith
7.1
Grundlagen
– 50
7.1.1 Schwächung der Schallwellen – 50 7.1.2 Ortsauflösung – 51 7.1.3 Bildverarbeitung und Bilderzeugung
7.2
Verschiedene Schallköpfe
7.3
Ultraschallverfahren
– 52
– 51
– 51
50 Kapitel 7 · Ultraschall
7.1
7
Grundlagen
Die Sonographie ist ein Schnittbildverfahren, das auf der Ausbreitung von Ultraschallwellen basiert (. Abb. 7.1, . Abb. 7.2). Charakteristika der Sonographie sind Schallwellen, die an Materie gebunden sind und sich in longitudinaler Richtung ausbreiten. Durch die Bewegung der Materieteilchen kommt es zu einer Kompression und Dekompression im Gewebe. Da die Materieteilchen transversal zur Ausbreitungsrichtung der Welle um ihre Ruhelage schwingen, wird Energie nur in der Ausbreitungsrichtung der Welle longitudinal transportiert. Die Lage der Teilchen bleibt im zeitlichen Mittel konstant. Zu den Kenngrößen der Schallwellen gehören die Wellenlänge λ, die Frequenz f und die Amplitude A. Dabei hängt die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Schallwellen wesentlich von der Dichte und Kompressibilität des untersuchten Gewebes ab; in Luft ist sie am niedrigsten (330 m/s) und im Knochen am höchsten (3300 m/s), für Weichgewebe beträgt die Schallgeschwindigkeit ca. 1500 m/s.
7.1.1
Schwächung der Schallwellen
Beim Durchtritt durch biologisches Gewebe werden Schallwellen geschwächt, die Ursache hierfür sind Absorption, Reflexion, Brechung, Streuung und Divergenz.
Absorption Absorption bedeutet, dass durch Reibung die kinetische Energie von Schallwellen in Wärme umgewandelt (Absorption) und ihre Amplitude längs ihrer Ausbreitungsrichtung somit abnimmt. Die
Schwächung bzw. Dämpfung der Schallwellen erfolgt exponentiell, das Ausmaß hängt von der Kompressibilität und der Dichte des Materials und von der Frequenz ab. Im Wasser ist die Dämpfung durch Absorption geringer als im Weichgewebe, am höchsten im Knochen. Eine hohe Frequenz wird stark gedämpft und hat deshalb nur eine geringe Eindringtiefe. Dies bedeutet, dass je niedriger die Frequenz, desto größer die Eindringtiefe ist. Üblicherweise werden für die Sonographie oberflächlicher Strukturen Schallköpfe mit einer Frequenz von 10 MHz oder höher verwendet, für die Muskulatur- und Gefäßdiagnostik 5 MHz, für die Abdomensonographie 3,5 MHz. Die Ortsauflösung ist von der Frequenz abhängig: je höher die Frequenz, desto höher die Ortsauflösung.
Reflexion Unter Reflexion versteht man, dass eine Schallwelle auf eine Grenzfläche zwischen Geweben mit unterschiedlichen akustischen Eigenschaften trifft und teilweise als Echo zurückgeworfen wird (. Abb. 7.2). Als Brechung wird eine Änderung der Ausbreitungsrichtung bezeichnet. Das Ausmaß von Reflexion und Brechung hängen davon ab, wie stark sich die Schallleitungsfähigkeit (akustische Impedanz) der beiden Gewebe unterscheidet. Zwischen Luft und Knochen sowie den meisten anderen Geweben zeigen sich besonders große Impedanzunterschiede. An Grenzflächen zwischen Luft, Knochen oder kalkdichten Strukturen und anderen Geweben findet eine nahezu 100%ige Reflexion statt. Die Ultraschallwelle kann diese Grenzflächen nicht durchdringen, aus der Region hinter der Grenzfläche gelangen daher keine Echos zum Empfangsschallkopf. Diese dorsal an der Grenzfläche gelegene Schallauslöschung wird auch als dorsaler
. Abb. 7.1. Die Schallausbreitung ist an Materie gebunden. a Darstellung von Transversalwellen und b Longitudinalwellen, wie sie in Festkörpern auftreten. In Flüssigkeiten gibt es nur Longitudinalwellen
51 7.2 · Verschiedene Schallköpfe
7.1.3
. Abb. 7.2. Reflexionswinkel und Brechungswinkel von Ultraschallwellen. Unter dem Winkel Θe trifft ein Ultraschallpuls auf den Grenzübergang zwischen den zwei Medien 1 und 2. Beim Auftreffen wird an diesem Punkt ein Teil der Pulsintensität reflektiert (Reflexionswinkel Θr) und ein weiterer Teil transmittiert (Brechungs- oder Transmissionswinkel Θt). Es hängt vom Verhältnis der Schallgeschwindigkeiten in den Medien ab, ob der Transmissionswinkel größer oder kleiner als der Einfallswinkel ist
Schallschatten bezeichnet. Die dorsale Schallauslöschung kann die Beurteilung der Untersuchung unter Umständen erheblich behindern, z. B. Meteorismus bei der Oberbauchsonographie. An der Grenzfläche Luft/Haut wird die Reflexion in der Regel durch ein Ultraschallkontaktgel verhindert.
Streuung und Divergenz Unter Streuung und Divergenz versteht man, dass Schallwellen, wenn sie auf Strukturen auftreffen, die kleiner als ihre Wellenlänge sind, in alle Raumrichtungen abgelenkt werden. Durch die Streuung (ungerichtete Echos) bekommt das Ultraschallbild einen hellen Schleier. Der Kontrast und damit die Detailerkennbarkeit nehmen ab, dieser Effekt tritt am häufigsten bei der Leberverfettung auf. Die diffuse Leberverfettung führt zu einer erhöhten Echodichte der Leber, wodurch Herdbefunde schlechter abgrenzbar sind. Mit wachsender Entfernung von der Schallquelle geht das Strahlenbündel auseinander (Divergenz). Grund hierfür sind die technischen Eigenschaften des Schallkopfs und die Eindringtiefe des Schalls.
7.1.2
Ortsauflösung
Die Ortsauflösung ist für die Aussagekraft der Sonographie von großer Bedeutung. Das Auflösungsvermögen beschreibt die Fähigkeit, zwei unterschiedliche Gewebestrukturen voneinander getrennt darzustellen. Man unterscheidet zum einen das axiale Auflösungsvermögen, das ist der kleinste Abstand zweier noch getrennt abgebildeter Grenzflächen in der Schallausbreitungsrichtung. Das axiale Auflösungsvermögen hängt von der Wellenlänge ab und beträgt ca. 0,2–0,3 mm bei Schallköpfen mit 7,5 MHz. Das laterale Auflösungsvermögen zum anderen ist der kleinste Abstand zweier noch getrennt abgebildeter Strukturen, die senkrecht zur Schallausbreitungsrichtung liegen. Das laterale Auflösungsvermögen ist geringer als das axiale und hängt von der Wellenlänge und der Schallfeldbreite, somit ebenfalls wiederum von der Geometrie des Schallkopfs ab. Sie nimmt mit zunehmender Eindringtiefe ab.
Bildverarbeitung und Bilderzeugung
Grundlage für die Aussendung und Empfang von Ultraschallwellen ist der piezoelektrische Effekt. Der piezoelektrische Kristall sendet einen kurzen Schallimpuls aus, wobei mechanische Schwingungen entstehen. Dieser Effekt ist aber umkehrbar: Schallwellen verformen Piezokristalle, was zu einer messbaren Spannungsänderung führt. Daher dient der Piezokristall sowohl als Sender als auch Empfänger. Üblicherweise wird ein kurzer Schallimpuls mit einer Dauer von 0,3–0,6 μs gesendet, anschließend dient er als Empfänger für diese Echos. Um jedoch eine Ortskodierung vornehmen zu können, müssen alle Echos am Schallkopf angekommen sein, bevor der nächste Schallimpuls erfolgen kann (Pulsechoprinzip). Das Sonogramm beruht auf der Schwächung der Ultraschallwellen im Körper (s. oben). Dabei werden Schallwellen an der Grenze unterschiedlicher Gewebe absorbiert. Die Differenz der Amplitude von ausgesandter Schallwelle und Echo gibt Aufschluss über das durchstrahlte Gewebe. Die Reflexion ist für die Bilderzeugung ausschlaggebend. Die Laufzeit der Schallwellen, d. h. die Zeit von der Aussendung bis zum Empfang, ist je nach Gewebe bzw. je nachdem, an welcher Grenzfläche sie reflektiert wird, unterschiedlich. Das Ausmaß der Reflexion an einer Grenzfläche lässt Rückschlüsse auf die beteiligten Gewebearten zu. Das Grauwertbild des Sonogramms ist eine zweidimensionale Anordnung von Bildpunkten, auch Pixel genannt. Jedem Bildpunkt wird proportional zur Echointensität ein Grauwert zugewiesen. Nach dem Empfang der Echos am Schallkopf werden die Signale verstärkt, gleichgerichtet und analog/digital gewandelt.
7.2
Verschiedene Schallköpfe
Linear-Array Schallkopf Im Linear-Array-Schallkopf sind die Laufrichtungen des Schalls parallel zueinander. Bei anderen Schallköpfen werden die Positionen stets in unterschiedlichen Richtungen und einem Winkel Φ ausgesandt. Das Schallfeld des Linearscanners ist rechteckig, wodurch auch in der Tiefe eine annähernd gleichbleibende Bildqualität resultiert. Die Bildfeldbreite hängt dabei von der Breite des Schallkopfs ab.
Sektorscanner Beim Sektorscanner werden die Piezokristalle durch einen Elektromotor schrittweise um ihre Achse bewegt. Die Schallwellen werden dabei so ausgesandt, dass ein fächerförmiges Schallfeld entsteht. Sektorscanner sind besonders für Untersuchungen durch schmale Schallfenster geeignet, z. B. Untersuchung des Interkostalraums. Nachteil ist die durch die starke Strahlendivergenz bedingte Abnahme der Schallwellendichte in der Tiefe.
Konvexscanner Hierbei sind die Eigenschaften des Linear- und Sektorscanners kombiniert. Die Piezokristalle sind bogenförmig angeordnet, dadurch kommt es zu einem guten Auflösungsvermögen mit dem weiten Gesichtsfeld des Sektorscanners.
7
52 Kapitel 7 · Ultraschall
7
. Abb. 7.3. B-Bild der A. carotis im Längsschnitt mit generell verdickter Intima-Mediaschicht sowie Querschnitt mit exzentrisch verdickter Wand und
7.3
kleiner intramuraler Einblutung. (Mit freundlicher Genehmigung von Prof. R. Kubale, Pirmasens)
Ultraschallverfahren
A-Mode-Verfahren Beim A-Mode-Verfahren werden die Amplituden der Echos auf einer Zeitachse aufgetragen, die Zeitachse entspricht dabei der Entfernung vom Schallsender. Dieses Verfahren wird nur noch gelegentlich eingesetzt, z. B. bei der Sinusitisdiagnostik.
B-Mode-Verfahren Das B-Mode-Verfahren stellt eine Weiterentwicklung des AModes dar; je nach ihrer Amplitude im Verlauf der Laufstrecke werden den Echos Grauwerte zugeordnet (. Abb. 7.3). Viele nebeneinander liegende Grauwertlinien ergeben ein Helligkeitsschnittbild (B-Mode = Brightness-Mode), das B-Mode-Verfahren ist das in der medizinischen Diagnostik am häufigsten eingesetzte Verfahren und ermöglicht am Beispiel der A. carotis in . Abb. 7.3 die Beurteilung der Intima-Media-Schicht sowie der Zusammensetzung von Plaques.
. Abb. 7.4. Normale A. poplitea mit Abgang der A. suralis (rot kodiert) in der farbkodierten Duplexsonographie. Je heller der Farbton ist (in der Mitte des Gefäßes), desto höhere Frequenzverschiebungen liegen zugrunde, je dunkler er ist (am Rand des Gefäßes) desto niedriger ist die Frequenzverschiebung. (Mit freundlicher Genehmigung von Prof. R. Kubale, Pirmasens)
M-Mode-Verfahren Die Echos eines Orts werden auf einer Zeitachse aufgetragen, sodass sich dynamische Prozesse darstellen lassen (M-Mode = Motion-Mode). Dadurch können dynamische Prozesse wie Herzklappenbewegungen dargestellt werden. Dieses Verfahren wird hauptsächlich in der Kardiologie eingesetzt.
Farbkodierte Duplexsonographie Bei der farbkodierten Duplexsonographie, auch Color flow mapping genannt, wird jedem Farbfenster entweder ein Grau- oder ein Farbwert zugewiesen (. Abb. 7.4). Die Grauwerte (B-Bild) beschreiben die Morphologie und die Farbwerte den Blutfluss. Die Farben in der Frequenz- bzw. Geschwindigkeitsdarstellung repräsentieren die geschwindigkeitsgewichtete Dopplerverschiebung (»je heller, desto schneller«).
Dopplerverfahren Hierbei handelt es sich um spezielle Ultraschallverfahren für die Gefäßdiagnostik. Dabei werden Frequenzverschiebungen regis-
triert, die an bewegten Reflektoren (Blutkörperchen) auftreten. Diese Frequenzverschiebungen können farblich entsprechend der Blutflussrichtung dargestellt werden. Die farbkodierte Duplexsonographie verbindet das Dopplerverfahren und das B-Mode-Verfahren (. Abb. 7.5). Ausgenutzt wird dabei der 1842 von Christian Doppler beobachtete und nach ihm benannte Effekt. Bewegen sich ein Beobachter und eine Schallquelle relativ aufeinander zu oder voneinander weg, wird die vom Beobachter gemessene Frequenz je nach Bewegungsrichtung höher oder niedriger sein als die Frequenz, die von einem stationären Beobachter gemessen wird (dieses Phänomen wird als Doppler-Effekt bezeichnet). Analog zum Verhalten des Wassers an einer Enge im Fluss kann man aus der Flussbeschleunigung auf eine Stenose schließen. Die FKDS bietet zusammen mit dem Dopplerspektrum die Möglichkeit, Stenosen der A. carotis zu erfassen und zu quantifizieren (. Abb. 7.6).
53 7.3 · Ultraschallverfahren
. Abb. 7.5. FKDS der A. carotis communis und A. carotis interna mit Darstellung eines Doppler-Spektrums. Das Blutflussverhalten an einem Ort im Gefäß ist als Funktion der Zeit aufgezeichnet. Nach Winkelkorrektur kann die Flussgeschwindigkeit in cm/s abgelesen werden. Bis 125 cm/s sind normal. (Mit freundlicher Genehmigung von Prof. R. Kubale, Pirmasens)
. Abb. 7.7. Vergleich zwischen fundamentaler (links) und harmonischer Darstellung (rechts) einer Karotisbifurkation: Gefäßlumen und Plaquezusammensetzung lassen sich deutlich besser erkennen. (Mit freundlicher Genehmigung von Prof. R. Kubale, Pirmasens)
Neuere bildgebende Verfahren in der Sonographie
Das Harmonic-Imaging-Verfahren beruht auf der Auswertung der nichtlinearen harmonischen Teile des empfangenen Ultra-
schallechos. Beim Durchgang eines Ultraschallpulses durch ein Medium kommt es zu einer Kompression des Mediums. Der nachfolgende Teil der Schallwelle sieht eine höhere Dichte des Mediums als der Anfangsteil der Welle. Die Schallgeschwindigkeit ist jedoch in einem Medium höherer Dichte höher als in einem Medium niedriger Dichte. Dadurch kommt es zu einer Aufsteilung der Welle, die hinteren Anteile des Schallpulses holen scheinbar die vorderen Teile des Pulses ein. Dadurch entstehen die höheren harmonischen Frequenzen. Nutzt man zur Erzeugung des Bildes nur oder zusätzlich die nichtlinearen harmonischen Teile, so lassen sich Störartefakte und Speckle reduzieren. Dadurch ist eine weitere Verbesserung des B-Bildes möglich (. Abb. 7.7).
. Abb. 7.6. Hochgradige Stenose der A. carotis interna im B-Bild und in der FKDS. Im Querschnitt erkennt man das echoarme Plaquematerial sowie das durchströmte Restlumen. Rechts Längsschnitt durch die Stenose mit
Dopplerspektrum. Die intrastenotische Geschwindigkeit liegt >450 cm/s entsprechend einer Stenose von >90%. (Mit freundlicher Genehmigung von Prof. R. Kubale, Pirmasens)
Die neueren Farb- und B-Bildverfahren werden hier nur kurz gestreift. Sie sind in der Regel eine Ergänzung zu den bereits etablierten Verfahren und liefern wenig neue Informationen. Dazu zählen das Intensitäts-Doppler-Verfahren, der TissueDoppler und das Harmonic Imaging im Farbbereich sowie das Compound-B-Bildverfahren. Sämtliche Farbverfahren sind mit »aliasing« behaftet und somit winkelabhängig.
Harmonic Imaging
7
54 Kapitel 7 · Ultraschall
Gewebsdoppler (Tissue-Doppler) Beim Gewebsdoppler wird nicht die Blutflussbewegung farbig kodiert, sondern die Bewegung des Gewebes, insbesondere des Herzmuskels. Hier werden nicht die schwachen Echos vom Blut auf ihre Dopplerfrequenzverschiebung hin untersucht, sondern die starken Echos aus der Gewebefrequenz analysiert. Die Signalauswertung erfolgt auf ähnliche Weise wie bei den anderen farbkodierten Dopplersonographieverfahren. In der bildlichen Darstellung ist das bewegte Gewebe je nach seiner Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit farbkodiert und das Blut erscheint schwarz.
Intensitäts-Doppler
7
Das Intensitäts-Doppler-Verfahren, auch Power-Doppler genannt, ist in den letzten Jahren recht populär geworden. Hierbei
wird die bis dahin vorhandene Flussrichtungsdiskriminierung verlassen, wodurch besonders niedrige Pulswiederholfrequenzen möglich sind. Die Intensität des Dopplersignals wird bei diesem Verfahren farbig kodiert. Je größer die Dopplersignalintensität, desto heller ist an diesem Ort die Färbung. Der Vorteil des Intensitäts-Dopplers besteht in der Verwendung extrem niedriger Pulswiederholfrequenzen in der Größenordnung von wenigen 100 Hz. Dies ermöglicht, extrem niedrige Dopplerverschiebungen bzw. Flussgeschwindigkeiten aufzulösen.
Compound-Echtzeit-B-Bildverfahren Das Compound-Echtzeit-B-Bildverfahren wird verwendet, um z. B. einen Schnitt über den gesamten Oberbauch oder längs eines Oberschenkels in einem ununterbrochenen Gesamtbild darzustellen.
8 8 Kontrastmittel W. Reith
8.1
Grundlagen
– 56
8.2
Röntgenkontrastmittel
8.2.1 8.2.2 8.2.3 8.2.4 8.2.5
Eigenschaften der Röntgenkontrastmittel – 56 Beeinflussung der Schilddrüsenfunktion – 56 Beeinflussung der Nierenfunktion – 56 Kontrastmittelreaktionen – 56 Überempfindlichkeitsreaktionen – 57
8.3
MR-Kontrastmittel
– 56
– 57
8.3.1 Eigenschaften der MR-Kontrastmittel 8.3.2 Kontrastmittelreaktionen – 57
8.4
Ultraschallkontrastmittel
– 58
– 57
56 Kapitel 8 · Kontrastmittel
8.1
Grundlagen
Die klinische Fragestellung bestimmt die Untersuchungsstrategie. Nativuntersuchungen bei der CT dienen der Untersuchung von Hochkontraststrukturen (Skelett- und Lungenparenchym), andererseits dem Hämatomnachweis. Die Untersuchungen von parenchymatösen Organen und Weichteilgeweben profitieren von der parenteralen Kontrastmittel-Applikation. Für die meisten abdominellen Fragestellungen ist eine Darmkontrastierung sinnvoll. Kontrastmittel verstärken den Kontrast durch im darzustellenden Organ anreichernde Dichteunterschiede zwischen dem Organ und dem umgebenden Gewebe. Die Kontrastmittel können Nebenwirkungen hervorrufen, daher besteht eine Aufklärungspflicht.
8
8.2
Röntgenkontrastmittel
8.2.1
Eigenschaften der Röntgenkontrastmittel
Röntgenkontrastmittel absorbieren Röntgenstrahlen stärker (röntgenpositive Kontrastmittel) oder weniger (röntgennegative Kontrastmittel) als das umliegende Gewebe. Röntgenpositive Kontrastmittel sind Verbindungen mit einer hohen Ordnungszahl, z. B. Bariumsulfat- und iodhaltige Verbindungen. Bariumsulfathaltige Suspensionen werden vorwiegend in der Magendarm-Diagnostik eingesetzt, sie führen auf der Schleimhaut zu einem anhaltenden Kontrastmittelbeschlag und lassen sich mit röntgennegativem Kontrastmittel, z. B. Luft (Doppelkontrasttechnik), kombinieren. Da Bariumsulfat unlöslich ist, ist die Gabe bei Verdacht auf Perforation oder Aspiration kontraindiziert. In diesen Fällen sollten wasserlösliche iodhaltige Kontrastmittel, z. B. Peritrast, eingesetzt werden. Iodhaltige Kontrastmittel sind fett- oder wasserlöslich. Fettlösliche Verbindungen wurden zur Lymphographie eingesetzt. Die wasserlöslichen Verbindungen werden von allen Röntgenkontrastmitteln am häufigsten eingesetzt, z. B. zur Angiographie, Cholezysto- und Cholangiographie, Urographie und Myelographie. Bei den iodhaltigen Verbindungen wird zwischen ionischen und nichtionischen Kontrastmitteln unterschieden. Ionische Verbindungen haben eine höhere Osmolalität als Blut (hyperosmolar). Sie können bei intravasaler Anwendung dem Extravasalraum Wasser entziehen und so das Endothel schädigen und Schmerzen hervorrufen. Nichtionische Verbindungen sind weniger hyperosmolar als ionische Verbindungen und daher besser verträglich. Moderne iodhaltige Kontrastmittel besitzen eine niedrige Viskosität und sind nichtionisch. Sie werden überwiegend über die Nieren, zum kleineren Teil über den Darm, das hepatobilliäre System und die Speicheldrüsen eliminiert. Nichtionische Kontrastmittel sind in der Regel gut verträglich, mit schweren allergischen Nebenwirkungen ist selten zu rechnen. Die Angaben in der Literatur schwanken zwischen 1:10 000 bis 1:100 000. Patienten müssen über das Risiko von Schilddrüsen- und Nierenfunktionsstörungen sowie einer allergischen Reaktion bis hin zum Schock aufgeklärt werden. Auch über ein zu erwartendes allgemeines Wärmegefühl im gesamten
Körper kurz nach der Injektion sowie einem metallischen Geschmack auf der Zunge sollten die Patienten informiert werden. Da Nebenwirkungen auftreten können, muss die Indikation zur Kontrastmittelgabe in jedem Einzelfall kritisch überprüft werden, eine genaue Anamnese bzw. mögliche Risikofaktoren erhoben und die Kontrastmittelmenge auf das diagnostisch notwendige Maß reduziert werden.
8.2.2
Beeinflussung der Schilddrüsenfunktion
Das an den Benzolring gebundene Iod liegt zu einem geringen Teil als freies atomares Iod vor und wird von der Schilddrüse aufgenommen. Daher ist eine Funktionsdiagnostik oder Radioiodtherapie der Schilddrüse nach Gabe eines iodhaltigen Kontrastmittels für Wochen bis Monate nicht möglich. Bei Patienten mit latenter Hyperthyreose oder autonomem Adenom kann es zu einer Thyreotoxikose kommen. Diesbezüglich sollten verschiedene Schilddrüsenwerte (fT3, fT4 und der basale TSH-Wert) vor Gabe eines iodhaltigen Kontrastmittels bekannt sein. Ist eine Iodexposition indiziert, bevor eine Hyperthyreose ausgeschlossen werden kann, kann Natriumperchlorat 30 min vor der Kontrastmittelgabe appliziert und dann für weitere 5 Tage gegeben werden.
8.2.3
Beeinflussung der Nierenfunktion
Die nierengängigen Kontrastmittel wirken insbesondere an vorgeschädigten Nieren tubulotoxisch. Bei alten Patienten, Diabetikern und Patienten mit erhöhtem Kreatininwert sollte die Kontrastmitteldosis reduziert und zusätzlich eine ausreichende Volumenzufuhr vor Kontrastmittel-Applikation gewährleistet sein. In verschiedenen Studien hat sich gezeigt, dass eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr mit 1000–2000 ml NaCl-Lösung, 0,9% i.v. zu einer gesteigerten Nierenperfusion und damit zu einer Verdünnung des nephrotoxischen Kontrastmittels in den Tubuli führt. Eine durch Kontrastmittel induzierte Nephropathie kann bei ausreichender Flüssigkeitszufuhr und evtl. Verwendung von isoosmolaren nichtionischem Kontrasmittel Iodixanol reduziert werden.
8.2.4
Kontrastmittelreaktionen
Die meisten Kontrastmittelreaktionen treten innerhalb der ersten 20–30 min nach Applikation auf, 75% sogar innerhalb der ersten 3–5 min. Kontrastmittelreaktionen werden in 4 Schweregrade eingeteilt: 4 Schweregrad 1: Hautreaktionen und leichtere Allgemeinsymptome 4 Schweregrad 2: Hämodynamische und gastrointestinale Symptome 4 Schweregrad 3: Anaphylaktischer Schock 4 Schweregrad 4: Anaphylaktischer Schock mit Herz- und Atemstillstand Das therapeutische Vorgehen richtet sich nach dem Schweregrad.
57 8.3 · MR-Kontrastmittel
Schweregrad 1. Applikation eines H1-Rezeptorantagonisten,
H2-Rezeptorantagonisten.
. Tab. 8.1. Reaktionen auf MR-Kontrastmittel
Reaktion
Häufigkeit
werden. Als Richtdosis gelten 3 mg Prednisolon/kg Körpergewicht. Rasch wirken die Kortikosteroide mit geringerem Mineralkortikoidanteil.
Übelkeit, Erbrechen
0,42%
Lokales Wärmegefühl
0,41%
Kopfschmerzen
0,26%
Schwere Kontrastmittelreaktionen Grad 3 und Grad 4. Ein ana-
Parästhesie
0,13%
phylaktischer Schock ist lebensbedrohlich. Ein Notfallmediziner sollte hinzugezogen werden. Über die liegende Injektionsnadel sollte Adrenalin langsam unter Pulskontrolle injiziert werden. Die Adrenalingabe kann ggf. wiederholt werden. Eine nachfolgende klinische Überwachung auf einer Überwachungs-/Intensivstation ist notwendig.
Schwindel
0,10%
Schweregrad 2. Zusätzlich sollen Kortikosteroide i.v. appliziert
8.2.5
Krampfanfälle
0,03%
Urtikaria
0,03%
Allergische Hautreaktionen
0,07%
Flash
0,06%
Kardiovaskuläre Reaktionen
0,04%
Überempfindlichkeitsreaktionen
Übelkeit, Erbrechen, Erythem, Urtikaria, Bronchospasmus, Laryngospasmus, Krämpfe und anaphylaktischer Schock können auftreten. Die Anamnese bezüglich früher Kontrastmittelgaben oder allergischer Prädisposition ist besonders wichtig. Die Häufigkeit letaler Komplikationen nach i.v. Kontrastmittelgabe liegt für ionische Kontrastmittel bei 1:100 und für nichtionische Kontrastmittel bei 1:1 000 000 Anwendungen.
8.3
MR-Kontrastmittel
8.3.1
Eigenschaften der MR-Kontrastmittel
MR-Kontrastmittel verstärken Gewebekontraste, indem sie die Relaxationszeiten der betroffenen Gewebe beeinflussen. Am häufigsten wird die paramagnetische Substanz Gadolinium eingesetzt. Das hochtoxische Gd 3+-Ion ist an einem Chelatbildner, z. B. DTPA, gebunden. Andere Elemente, welche zumindest experimentell verwendet werden können, sind Mangan und Ferritin. Gadolinium-basierte Kontrastmittel zeigen eine geringe Proteinbildung, werden nicht metabolisiert und verteilen sich im extrazellulären Raum. Die Blut-Hirn-Schranke wird gewöhnlich nicht passiert. Die Halbwertszeit der Blutzirkulation beträgt ca. 90 min. Sie kann in einer Dosierung von 0,1–0,3 mmol/kg Körpergewicht appliziert werden. Bei pathologischen Prozessen im zentralen Nervensystem mit gestörter Blut-Hirn-Schranke kann eine Störung der Sensivität nachgewiesen werden. Gadolinium reichert sich dort an, verkürzt die T1-Relaxation und führt so zu einer Signalzunahme in der T1-Wichtung. Organspezifische Kontrastmittel haben die Sensitivität und Spezifität v. a. in der Leberdiagnostik beträchtlich steigern können. Das sind v. a. superparamagnetische Eisenpartikel, die zuerst von der Leber phagozytiert werden und sich demzufolge nur im gesunden, mit Hepatozyten ausgestatteten Lebergewebe anreichern. Durch die Verkürzung der T2-Relaxation wird die gesunde Leber in der T2-Wichtung dunkel, die Läsionen bleiben hell. Das Kontrastmittel Mangan-DPDP wird von Hepatozyten aufgenom-
men und führt zu einem lange anhaltenden Signalanstieg des Leberparenchyms. In Tumorzellen gelangt die Substanz nicht.
8.3.2
Kontrastmittelreaktionen
Allergische Reaktionen auf MR-Kontrastmittel sind selten, können jedoch ebenso lebensbedrohlich sein (. Tab. 8.1). Der Mechanismus ist unbekannt. Am ehesten wird das Immunsystem aktiviert und Histamin ausgeschüttet. Bis jetzt wurden keine Spätreaktionen publiziert, wie sie von iodhaltigen Kontrastmitteln bekannt sind. Typische Reaktionen auf Gadolinium-basierte Kontrastmittel variieren nicht wesentlich von denen auf iodhaltige Kontrastmittel. Bei den Unverträglichkeitsreaktionen auf Kontrastmittel werden Frühreaktionen (bis 60 min nach Injektion) von Spätreaktionen (60 min bis 3 Tage nach Injektion) unterschieden: 4 Frühreaktionen: Übelkeit, Erbrechen, Urtikaria, Erythem, Angioödem, Bronchospasmus, vasovagale Reaktion, Glottisödem, anaphylaktischer Schock, Atemnot, Kreislaufreaktion 4 Spätreaktionen: Rötung, Quaddeln, Schwellung, Übelkeit, Diarrhoe, Kopfschmerz, Schwindel, Rigor, Zittern, grippeähnliche Symptome.
Vorbereitung des Patienten mit Kontrastmittelallergie Ist eine Kontrastmittelallergie bekannt, sollte der Patient entsprechend auf die Untersuchung vorbereitet werden (. Tab. 8.2). Für die endovasale Anwendung sind ausschließlich nichtionische Kontrastmittel zugelassen, vorzugsweise sollten niedrigmolare nichtionische Kontrastmittel zur Anwendung kommen. Es bestehen im Wesentlichen 2 Möglichkeiten zur Vorbereitung des Patienten: 4 Prophylaktische Kurzinfusion mit H1- und H2-Blockern 4 Prophylaktische Kortikosteroidgabe Eine Prämedikation ist nur bei Patienten mit bekannter anamnestischer Kontrastmittelreaktion erforderlich. Kortikoide sollten bei elektiven Untersuchungen 12 h vor der Untersuchung gegeben werden, der chemotoxische Effekt wird durch die Kor-
8
58 Kapitel 8 · Kontrastmittel
. Tab. 8.2. Vorbereitung des Patienten mit Kontrastmittelallergie
Medikation
Zeitpunkt der Applikation
Patienten mit Niereninsuffizienz
40–50 mg Prednisolon
12–24 h vor der Untersuchung
300 mg Cimetidin, 20–50 ml NaCl Alternativ: 50 mg Ranitidin i.v.
30 min bis 2 h vor Untersuchung
50 mg Diphenhydramin i.v. Alternativ: 2 mg Clemastin
Unmittelbar vor der Untersuchung
Bei niereninsuffizienten Patienten sollte eine strenge Indikationsstellung erfolgen und die Patienten bei der Notwendigkeit einer Kontrastmittel-Applikation ausreichend gewässert werden. Besonderes Augenmerk soll auf die glomeruläre Filtrationsrate gelegt werden, die über das Serumkreatinin und Alter, Geschlecht des Patienten nach bestimmten Formeln berechnet werden kann:
tikoide wahrscheinlich nicht ausreichend gedämpft, weshalb eine Kombination mit H1-Blockern empfehlenswert ist (. Tab. 8.2).
Vorbereitung bei erhöhtem Risiko einer iodinduzierten Hyperthyreose
8
tiver Untersuchung erfolgt diese nach dem in . Tab. 8.3 genannten Schema, bei Notfalluntersuchungen gilt . Tab. 8.4.
Da iodhaltige Kontrastmittel freies Iod in einer Konzentration von bis zu 20 μg/ul enthalten, werden während einer normalen CT-Untersuchung etwa 2–3 mg freies Iod verabreicht, eine Menge, die dem 10- bis 40-Fachen der normalen Tagesdosis entspricht. Die Inzidenz für die Entwicklung der Thyreotoxikose beträgt in etwa 0,03–0,2%, sowohl bei euthyreoiden als auch bei hyperthyreoiden Patienten. Eine Prophylaxe wird aber kontrovers diskutiert, besonders bei Patienten aus Iodmangelregionen. Die Indikationen zur Prämedikation bestehen bei bekannter Hyperthyreose, bei Morbus Basedow, beim autonomen Adenom, der Knotenstruma sowie beim papillären oder follikulären Schilddrüsenkarzinom. Folgende Faktoren bzw. Vorerkrankungen erhöhen das Risiko für eine iodinduzierte Hyperthyreose: 4 Bekannte Hyperthyreose 4 Morbus Basedow 4 Latente Hyperthyreose bei autonomem Adenom 4 Papilläres Schilddrüsenkarzinom 4 Follikuläres Schilddrüsenkarzinom Auch diese Patienten bedürfen einer besonderen Vorbereitung vor der Untersuchung mit iodhaltigen Kontrastmitteln; bei elek. Tab. 8.3. Vorbereitung des Patienten bei erhöhtem Risiko für eine iodinduzierte Hyperthyreose – elektive Untersuchung
Medikation
Zeitpunkt der Applikation
Na-Perchlorat: 3-mal tgl. 300 mg
1 Tag vor der Untersuchung bis 8–14 Tage danach
Thiamazol: 1-mal tgl. 30 mg
1 Tag vor bis 28 Tage danach
Kreatininclearance – Rate =
. Tab. 8.4. Vorbereitung des Patienten bei erhöhtem Risiko für eine
Medikation
Zeitpunkt der Applikation
Na-Perchlorat: 1-mal 800 mg
Vor der Untersuchung und 3-mal 300 mg für 8–14 Tage danach
Thiamazol: 1-mal 30 mg
Vor Untersuchung und über 28 Tage
Serumkreatinin (μmol/l) × 0,8 l
Für Frauen kann ein Korrekturfaktor von 0,85 statt 0,80 l angenommen werden.
Nephrogene systemische Fibrose nach Anwendung gadoliniumhaltiger Kontrastmittel Die Assoziation der seltenen Erkrankung »nephrogene systemische Fibrose« (NSF) mit der Anwendung gadoliniumhaltiger MR-Kontrastmittel wurde kürzlich beschrieben. Die NSF ist eine seltene sklerodermieähnliche Systemerkrankung, einhergehend mit ausgedehnten Gewebsfibrosen. Im Januar 2007 informierte das Bundesamt für Arzeimittel und Medizinprodukte (BfArM) über eine neuartige unerwünschte Arzneimittelwirkung, die im Jahr 2006 beobachtet wurde. Die Erkrankung ist bisher ausschließlich bei Patienten mit Nierenschädigung aufgetreten. Am häufigsten bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz, wobei 90% der Patienten dialysepflichtig waren. Die Inzidenz der NSF ist nicht genau bekannt. Da die NSF zu schwerwiegenden Behinderungen führen und potenziell letal verlaufen kann, ist es notwendig, dass die Indikation bei niereninsuffizienten Patienten streng gestellt wird. Bei der NSF entwickeln sich erythematöse Papeln, bräunliche Plaques sowie eine ausgeprägte Verdickung und Verhärtung der Haut, die zu Kontrakturen und zunehmender Immobilität führen können. Die US Food and Drug Administration (FDA) betont, dass bei Risikopatienten möglicherweise jedes gadoliniumhaltige Kontrastmittel zu einer NSF führen kann. Risikopatienten sollen über die Gefahr einer NSF aufgeklärt werden. Alternative Untersuchungsmethoden oder eine native MRT sollten erwogen werden. Es sollten nur geringe Mengen an gadoliniumhaltigen MR-Kontrastmitteln verwendet werden. Der Nutzen einer Dialyse ist unklar. Die FDA empfiehlt bei Patienten mit einer GFR <60 ml/min/ 1,73 m2 eine prompte Dialyse. Jeder Fall einer NSF sollte den zuständigen Behörden gemeldet werden.
8.4 iodinduzierte Hyperthyreose – Notfalluntersuchung
(140 – Alter) × Körpergewicht (kg)
Ultraschallkontrastmittel
Als Ultraschallkontrastmittel stehen Mikrobläschen in definierter Größe zur Verfügung. Die Gasbläschen erhöhen die Rückströmung der Ultraschallwellen und verstärken so das Signal. Ultraschallkontrastmittel verbleiben intravasal und gehen nicht in das Interstitium über. Sie werden zur besseren Demarkierung von Läsionen in parenchymatösen Organen, v. a. der Leber, aber auch bei Herzecho- und kraniellen Ultraschalluntersuchungen eingesetzt.
II
Neuroradiologie 9
Gehirn
– 61
W. Reith
10
Wirbelsäule W. Reith
– 273
9 9
Gehirn W. Reith
9.1
Anatomie
– 63
9.1.1 9.1.2 9.1.3 9.1.4 9.1.5 9.1.6 9.1.7 9.1.8 9.1.9
Gliederung des Gehirns – 63 Hirnnerven und Hirnnervenkerne – 65 Mittelhirn – 71 Hirnschenkel – 71 Kleinhirn – 71 Zwischenhirn (Diencephalon) – 72 Funktionelle Bahnsysteme des Großhirns Blutversorgung des Gehirns – 75 Hirnvenen und Sinus durae matris – 79
9.2
Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen des Gehirns
9.2.1 9.2.2 9.2.3 9.2.4 9.2.5 9.2.6 9.2.7 9.2.8 9.2.9 9.2.10
Embryogenese des Nervensystems – 81 Myelinisierung des Gehirns – 82 Neuralrohrdefekte – 83 Anomalien der Medianstrukturen – 86 Störungen der Rindenentwicklung – 89 Schizenzephalie, Porenzephalie, Hemiatrophie – 91 Holoprosenzephalie – 92 Entwicklungsstörungen von Kleinhirn und Hirnstamm Arachnoidalzysten – 95 Neurokutane Syndrome (Phakomatosen) – 96
9.3
Vaskuläre Erkrankungen
9.3.1 9.3.2 9.3.3
Intrazerebrale Gefäßmalformationen – 102 Schlaganfall – 120 Seltene Ursachen vaskulärer Erkrankungen – 137
9.4
Intrakranielle Tumoren
9.4.1 9.4.2 9.4.3 9.4.4 9.4.5 9.4.6 9.4.7 9.4.8
Grundlagen – 145 Infratentorielle Tumoren – 148 Supratentorielle Tumoren – 158 Extraparenchymale Tumoren – 171 Missbildungs- und Keimzelltumoren – 175 Andere seltene Tumoren der hinteren Schädelgrube und der Schädelbasis Tumoren der Sellaregion – 190 Metastasen – 195
9.5
Schädelhirntrauma
9.5.1 9.5.2 9.5.3 9.5.4 9.5.5
Grundlagen – 197 Geburtstrauma und andere Frakturen bei Kindern Weitere Traumafolgen – 205 Sekundäre Traumafolgen – 215 Kindesmisshandlung – 216
– 72
– 81
– 93
– 102
– 145
– 197 – 200
– 177
9.6
Entzündliche Erkrankungen des Gehirns
9.6.1 9.6.2 9.6.3 9.6.4 9.6.5 9.6.6
Meningitis – 218 Komplikationen einer Meningitis bzw. intrazerebrale Infektionen ZNS-Infektionen bei immunsupprimierten Patienten – 225 Spongiforme Enzephalopathien – 237 Parasitäre Infektionen – 239 Multiple Sklerose und verwandte Erkrankungen – 240
– 218
9.7
Metabolische Erkrankungen des zentralen Nervensystems
9.7.1 9.7.2 9.7.3 9.7.4 9.7.5 9.7.6 9.7.7 9.7.8 9.7.9 9.7.10 9.7.11
Grundlagen/Definition – 248 Leukodystrophien mit primärer Hypomyelinisierung – 248 Leukodystrophien mit unbekanntem metabolischen Defekt – 248 Leukodystrophien mit bekanntem Defekt – 249 Peroxisomale Krankheiten – 251 Neurolipidosen – 251 Störungen der Fettsäureoxidation – 253 Heteroglykanosen – 254 Störungen im System der oxidativen Phosphorylierung (OXPHOS) – 255 Stoffwechselstörungen der Aminosäuren – 256 Morbus Wilson – 258
9.8
Erkrankungen der weißen Substanz
9.8.1 9.8.2 9.8.3 9.8.4 9.8.5
Primäre Demyelinisierung – 258 Ischämische Demyelinisierung – 258 Infektbedingte Demyelinisierung – 259 Toxisch oder metabolisch bedingte Demyelinisierung Dysmyelinisierende Erkrankungen – 262
9.9
Neurodegenerative Erkrankungen
– 258
– 263
9.10
Hydrozephalus und intrakranielle Hypotension
9.10.1 9.10.2
Hydrozephalus – 268 Liquorunterdrucksyndrom
– 271
– 260
– 268
– 221
– 248
63 9.1 · Anatomie
9.1
Anatomie
9.1.1
Gliederung des Gehirns
Das Gehirn lässt sich aufgrund morphologischer, entwicklungsgeschichtlicher und funktioneller Gesichtspunkte in folgende Abschnitte gliedern: 4 Medulla oblongata 4 Pons 4 Mesencephalon 4 Diencephalon 4 Cerebellum 4 Telencephalon Eine weitere Einteilung ist die in: 4 Hirnstamm 4 Kleinhirn 4 Großhirn Zum Hirnstamm werden Medulla oblongata, Pons und Mesencephalon gezählt. Als Rhombencephalon (Rautenhirn) werden die Medulla oblongata, Pons und Cerebellum zusammengefasst. In der Seitansicht des Gehirns nehmen die Großhirnhemisphären den größten Raum ein. Kaudal befindet sich das Klein-
hirn, dem vorne Medulla oblongata und Pons anliegen. Am Großhirn erkennt man den Frontal-, Parietal-, Temporal- und Okzipitallappen. Sulci (Furchen) unterteilen die Hemisphärenoberfläche in zahlreiche Gyri (Windungen). Besonders wichtig sind Sulcus centralis und Sulcus lateralis, Gyrus praecentralis und Gyrus postcentralis. Der Sulcus centralis trennt den Frontalvom Parietallappen, der Sulcus lateralis (Fissura Sylvii) trennt den Temporal- vom Parietal- und Frontallappen. In der Basalansicht (. Abb. 9.1) des Gehirns sieht man den Hirnstamm in ganzer Ausdehnung, von kaudal nach kranial, Medulla oblongata, Pons und Mittelhirn. Weiterhin erkennt man die Abgänge der Hirnnerven. An das Mittelhirn schließt sich nach vorne das Zwischenhirn an. Die basalen Anteile des Zwischenhirns werden vom Hypothalamus gebildet. Dem Mittelhirn schließt sich nach vorne das Zwischenhirn an, von dem die beiden Corpora mamillaria und die Hypophyse sowie das Chiasma opticum sichtbar sind. Im Chiasma opticum treten die Nn. optici beider Seiten zusammen und tauschen Fasern aus. Vor dem Chiasma opticum befindet sich unten am Frontallappen der Tractus olfactorius, der vorne in einer Verdickung im Bulbus olfactorius endet. Hier tritt der erste Hirnnerv (N. olfactorius) ins Gehirn ein. Im Hirnstamm erkennt man den Ursprung der anderen Hirnnerven von kaudal nach kranial: N. hypoglossus,
. Abb. 9.1. Basalansicht des Gehirns. (Aus: Tillmann B. Atlas der Anatomie des Menschen. 2. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York 2009)
9
64 Kapitel 9 · Gehirn
9
. Abb. 9.2. Mediansagittalschnitt des Gehirns. (Aus: Tillmann B. Atlas der Anatomie des Menschen. 2. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York 2009)
N. accessorius (aus dem Rückenmark mit nur einer kleinen Wurzel aus dem Hirnstamm), N. vagus, N. glossopharyngeus, N. vestibulocochlearis, N. facialis, ganz medial am Unterrand des Pons N. abducens, lateral aus dem großem Wulst des Pons N. trigeminus, am Oberrand des Pons lateral nach vorne tretend N. trochlearis, zwischen den beiden Hirnschenkeln N. oculomotorius. In der Medialansicht (. Abb. 9.2) blickt man auf den quer durchtrennten Balken, darüber erkennt man die Großhirnhemisphäre, darunter das Zwischenhirn mit dem längs geschnittenen 3. Ventrikel. Über den Balken verläuft der Gyrus cinguli, unmittelbar unter dem Balken verläuft ein großer Fasertrakt – Fornix – von hinten nach vorn. Er wölbt sich wie ein Dach über den 3. Ventrikel. Der 3. Ventrikel ist ein Teil des Zwischenhirns. An der Hinterwand des 3. Ventrikels ist die zapfenförmige Epiphyse zu sehen. Der Boden des 3. Ventrikels wird vom Hypothalamus des Zwischenhirns gebildet. Kaudal an das Zwischenhirn schließen sich das Mittelhirn, der Pons und die Medulla oblon-
gata an. Das Kleinhirn ist mit dem Mittelhirn durch das Velum medullare superius (oberes Kleinhirnsegel) und mit der Medulla oblongata durch das Velum medullare inferius (unteres Kleinhirnsegel) verbunden. Der Hirnstamm besteht aus Medulla oblongata, Pons und Mesencephalon und enthält wichtige funktionelle Strukturen. Die Medulla oblongata ist strukturell vom Rückenmark nicht scharf abgrenzbar. Nach kranial reicht die Medulla oblongata bis zum Beginn der quer verlaufenden, wulstartigen Fasern des Pons. Der Pons wird nach oben durch die längs verlaufenden Fasern der Crura cerebri des Mesencephalons begrenzt. Medulla oblongata und Pons bilden gemeinsam mit dem Cerebellum das Rhombencephalon. Bekannte Außenstrukturen sind ventral die beiden Pyramiden, lateral anschließend die Oliven sowie darüber die den Brückenfuß bildenden, quer verlaufenden Fasermassen des Pons. Dorsal kann man als Tuberculum cuneatum und Tuberculum gracile die Hinterstrangkerne erken-
65 9.1 · Anatomie
nen. Medulla und Pons bilden den Boden des 4. Ventrikels (Rautengrube), dessen Dach vom Kleinhirn und von den Kleinhirnsegeln gebildet wird. In der Medulla oblongata und dem Pons finden sich zahlreiche Nervenkerne, wobei die dort befindlichen Hirnnervenkerne den größten Anteil ausmachen. Die somatomotorischen Kerne sind mehr medial und die somatosensiblen Kerne mehr lateral gelegen. Die viszeromotorischen und viszerosensiblen Kerne liegen dazwischen. Die Kerne des 3.–12. Hirnnervs befinden sich im Hirnstamm.
9.1.2
Hirnnerven und Hirnnervenkerne
I. Hirnnerv – N. olfactorius Der N. olfactorius (. Abb. 9.3) ist ein viszerosensibler Nerv, der sich aus mehreren feinen Fasern (Fila olfactoria) zusammensetzt, die im Bereich der Riechschleimhaut an der oberen Nasenmuschel ihren Ursprung nehmen. Die primären Sinneszellen der Riechschleimhaut bündeln ihre marklosen Fortsätze zu den Fila olfactoria zusammen und ziehen zwischen den Siebbeinzellen hindurch zur Schädelbasis, wo sie das Siebbein in der Lamina cribrosa durchbrechen und im zum Großhirn gehörenden Bulbus olfactorius enden. Dort werden sie zum ersten Mal verschaltet, sodass der Bulbus olfactorius als Hirnnervenkern des 1. Hirnnervs aufgefasst werden kann. Von hier aus werden die olfaktorischen Impulse über den Tractus olfactorius, der sich dem Bulbus olfactorius als lang gestielte Struktur dorsal anschließt, in die primäre Riechrinde weitergeleitet. Eine Schädigung der Fila olfactoria kommt bei Schädelbasisverletzungen vor, die zu einem Abriss der feinen Fasern bei deren Durchtritt durch die Lamina cribrosa führen können. Dabei kommt es zur Anosmie, der Unfähigkeit zu Riechen bzw. zur Riechminderung (Hyposmie). Charakteristisch ist dabei, dass die Patienten aromatische Stoffe nicht mehr wahrnehmen können, scharfe Agenzien wie z. B. Ammoniak aber schon noch, da diese die Nasenschleimhaut reizen und damit über den N. trigeminus wahrgenommen werden.
. Abb. 9.3. N. olfactorius (I), MR-Zisternographie. (Aus Naidich, Duvernoy, Sorensen, Haacke (Hrsg.). Duvernoy’s Atlas of the Human Brain Stem and Cerebellum. Springer, Wien 2009). Legende: Einzelner schwarzer Pfeil: Bifurcatio des Tractus olfactorius in Stria medialis und Stria lateralis; paarige schwarze Pfeile: laterale olfaktorische Stria; 3V: dritter Ventrikel; C: A. carotis interna; GR: Gyrus rectus; M1: A. cerebri media; PMOL: Gyrus orbitalis posteromedialis; Un: Uncus; 60: Pedunculus cerebri; 101: Tractus opticus
Bildgebung. Der Bulbus olfactorius ist am besten auf koronaren
T1-gewichteten Aufnahmen darzustellen.
II. Hirnnerv – N. opticus Der N. opticus (. Abb. 9.4) ist ein speziell somatosensibler Nerv; er führt die Fasern mit den Impulsen der Sinneszellen aus der Retina des Auges, also die visuelle Information. Entwicklungsgeschichtlich ist er als ein Teil des Zwischenhirns zu betrachten und demnach nicht als peripherer Nerv zu bezeichnen. Der N. opticus beginnt in der Retina nicht direkt an den Sinneszellen, sondern setzt sich aus Fortsätzen der Ganglienzellen zusammen, die die innerste, dem Licht zugewandte Zellschicht in der Retina bilden. Diese Fortsätze treten dann gebündelt in der Sehnervenpapille zusammen und bilden dort den blinden Fleck der Retina. Das Auge verlassen sie etwas medial, vom hintersten Pol des Bulbus, indem sie die Sklera nach dorsal durchbrechen. Ab da werden sie von Oligodendrozyten ummarkt, wie alle zentralnervösen Nervenbahnen, zu denen der N. opticus als Gehirnanteil gerechnet werden muss. Er ist ebenso wie das Gehirn von harten und
. Abb. 9.4. N.opticus (II), MR-Zisternographie. (Aus Naidich, Duvernoy, Sorensen, Haacke (Hrsg.). Duvernoy’s Atlas of the Human Brain Stem and Cerebellum. Springer, Wien 2009). Legende: Weiße Pfeile: N. opticus (II), intraorbitaler Verlauf und Verlauf im Canalis opticus; II: Chiasma opticum
weichen Hirnhäuten umgeben. Der Durchmesser des N. opticus liegt bei etwa 4–5 mm und hat eine Länge von ca. 5 cm. Der N. opticus verlässt die Augenhöhle zusammen mit der A. ophthalmica durch den Canalis opticus und zieht in die mittlere Schädelhöhle. Der ipsilaterale N. opticus trifft unmittelbar über der Hypophyse mit dem N. opticus der kontralateralen Seite im Chiasma opticum zusammen. Der N. opticus selbst kann bis zum Chiasma opticum in einen intraorbitalen, kanalikulären
9
66 Kapitel 9 · Gehirn
9
und intrakraniellen Anteil untergliedert werden. Im Chiasma opticum kreuzen die Fasern, die von der medialen Netzhauthälfte kommen, zur Gegenseite, während die Fasern der lateralen Netzhauthälfte das Chiasma ungekreuzt durchlaufen. Gekreuzte und ungekreuzte Fasern ziehen dann als Tractus opticus weiter lateral an den Crura cerebri vorbei zum Corpus geniculatum laterale des Thalamus, wo sie erneut verschaltet werden, um von dort zur visuellen Großhirnrinde zu gelangen. Dabei teilt sich der Tractus opticus nach dorsolateral in einen lateralen Anteil (der wie beschrieben zum Corpus geniculate laterale zeiht) und einen dünneren, medialen Anteil, der zum Colliculus superior zieht. Vom Corpus geniculate laterale verläuft die Sehstrahlung um das Hinterhorn zum Sulcus calcarinus zur Sehrinde. Entsprechend den topisch geordneten und kreuzenden Fasernverläufen kann man klinische Schädigungen der Sehbahn recht gut lokalisieren. Eine Schädigung des N. opticus resultiert in einer Blindheit auf dem Auge der betroffenen Seite, da der N. opticus alle retinalen Fasern des entsprechenden Bulbus führt. Eine Schädigung im Chiasma hingegen hat eine so genannte bitemporale Hemianopsie zur Folge (z. B. bei einem Hypophysentumor). Eine Hemianopsie ist ein Ausfall einer Hälfte des Gesichtsfeldes. Der Begriff »bitemporal« bezieht sich dabei auf die betroffenen Gesichtsfelder. Bei einer Läsion des gesamten Chiasma resultiert eine Läsion aller Sehbahnenfasern, die zur völligen Blindheit führt. Eine Schädigung des Tractus opticus hat eine homonyme Hemianopsie der betroffenen Seite zur Folge, was bedeutet, dass beide ausgefallenen Gesichtshälften zur gleichen Seite zeigen. Eine Stauungspapille ist bei gesteigertem intrakraniellem Druck zu erkennen. Bei der multiplen Sklerose kommt es zu einer Zerstörung der von den Oligodendrozyten gebildeten Markscheiden und damit zu einem Funktionsverlust der entsprechenden Nervenbahnen. Da auch der N. opticus als zentralnervöser Fasertrakt von Oligodendrozyten ummarkt wird, kann er oft Erstmanifestationsort dieser Erkrankung sein. Die Folge ist zunächst ein partieller, dann aber unter Umständen vollständiger Funktionsverlust des Sehnervs. Bildgebung. Der N. opticus sowie das Chiasma können am bes-
ten in axialen und koronaren Schichtführungen dargestellt werden. Geeignet sind hier z. B. dünnschichtige, T1-gewichtete Sequenzen.
III. Hirnnerv – N. oculomotorius Der N. oculomotorius (. Abb. 9.5) ist ein gemischt somato- und viszeromotorischer Nerv, der zusammen mit dem IV. und VI. Hirnnerv für die Innervation der Augenmuskeln zuständig ist. Er hat seinen Ursprung im Mittelhirn mit 2 Kernkomplexen, einem somatomotorischen für die Bewegung der quergestreiften äußeren Augenmuskeln und einem viszeromotorischen für die Bewegung der glatten inneren Augenmuskeln. Der N. oculomotorius verlässt das Mittelhirn vorne zwischen den beiden Hirnschenkeln in der Fossa interpeduncularis und verläuft dann nach ventral zur Sella turcica. Dort durchbricht er die Dura mater und tritt in den Sinus cavernosus ein, in dessen Dach bzw. späterer Seitenwand er dann nach ventral zieht. Er gelangt schließlich ganz nach medial durch die Fissura orbitalis superior in die Augenhöhle, zieht durch den gemeinsamen Anu-
. Abb. 9.5. N. oculomotorius (III), 3T MR-Zisternographie. (Aus Naidich, Duvernoy, Sorensen, Haacke (Hrsg.). Duvernoy’s Atlas of the Human Brain Stem and Cerebellum. Springer, Wien 2009). Legende: Schwarze Pfeile: N. oculomotorius (III), zisternale Segmente; IP: Cisterna interpeduncularis; Un: Uncus; 60: Pedunculus cerebri
lus tendineus communis (den Sehnenursprungsring) der Augenmuskeln und zweigt sich in einen oberen und unteren Ast auf. Der kleinere Ramus superior versorgt den M. rectus superior und den M. levator palpebrae superioris, der größere Ramus inferior versorgt den M. rectus medialis, M. rectus inferior und den M. obliquus inferior. Ein weiterer Ast mit parasympathischen Fasern innerviert die inneren Augenmuskeln (M. sphincter pupillae und M. ciliaris). Der III. Hirnnerv versorgt also alle äußeren Augenmuskeln mit Ausnahme des M. rectus lateralis und des M. obliquus superior. Er ist damit für die Bulbusbewegung nach oben lateral, oben medial, medial und unten medial zuständig. Die Augenbewegung nach lateral und unten lateral werden durch andere Hirnnerven generiert (N. abducens und N. trochlearis). Tritt eine Schädigung des N. oculomotorius auf, steht das betroffene Auge nach außen und unten. Daraus resultieren Doppelbilder, die aufgrund der Blickabweichung des kranken Auges nach lateral unten schräg übereinander stehen. Weiterhin hängt aufgrund des Ausfalls des M. levator palpebrae auf der betroffenen Seite das Augenlid schlaff herunter (Ptose). Zusätzlich kommt es durch einen Ausfall der parasympathischen Fasern zu einer Weitstellung der Pupille (Mydriasis) und einer mangelnden Akkommodationsreaktion, sodass scharfes Sehen in der Nähe (z. B. Lesen mit dem betroffenen Auge) nicht mehr möglich ist. Der Kernkomplex des N. oculomotorius liegt im Mittelhirn in Höhe der Colliculi superiores, nahe der Mittellinie, ventral des Aquädukts, aber ist z. T. noch im periaquäduktalen Grau eingebettet. Der N. oculomotorius verläuft im zisternalen Abschnitt durch den Spalt zwischen A. cerebelli superior und A. cerebri posterior und verläuft am äußersten Rand der A. communicans posterior. Diese enge Lage zur A. communicans posterior ist oft
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Grund dafür, dass es zu Irritationen des N. oculomotorius bei Aneurysmen der A. communicans posterior kommen kann. Bildgebung. Der N. oculomotorius kann in sagittalen Dünnschicht-Aufnahmen in seinem zisternalen Lauf nachgewiesen werden, in axialen Aufnahmen ist er nur abschnittsweise zu erkennen. Die Beurteilung des N. oculomotorius im Sinus cavernosus ist am besten mit koronaren T1-gewichteten Sequenzen nach Kontrastmittelgabe möglich, da sich der N. oculomotorius dann von dem kräftigen, kontrastmittelanreichernden Sinus cavernosus als dunkler Fleck abhebt.
IV. Hirnnerv – N. trochlearis Der N. trochlearis (. Abb. 9.6) ist der dünnste der 12 Hirnnerven und versorgt als rein somatomotorischer Nerv nur einen einzigen Augenmuskel. Sein Ursprungskern liegt im Mittelhirn. Der N. trochlearis tritt am Unterrand der Vierhügelplatte als einziger Hirnnerv an der Dorsalseite des Gehirns aus. Er verläuft dann lateral der Hirnschenkel und knapp oberhalb der Brücke nach vorne, wo er durch den Subarachnoidalraum abwärts zieht und am vorderen Ende des Tentorium cerebelli in die Dura eintritt. Unter der Dura verläuft er dann in der Seitenwand des Sinus cavernosus nach ventral und tritt zusammen mit dem N. ophthalmicus (1. Ast des N. trigeminus), dem N. oculomotorius und dem N. abducens durch die Fissura orbitalis superior in die Augenhöhle ein. Er innerviert den M. obliquus superior und zieht als einziger für die Augenbewegung zuständiger Nerv nicht durch den Anulus tendineus. Eine Schädigung des N. trochlearis führt zu einer Fehlstellung des Auges, die in Primärstellung des Bulbus genau der Zugrichtung des M. obliquus superior entgegengerichtet ist, also geringfügig nach medial oben. Bei einer Schädigung resultieren Doppelbilder, die entsprechend der Fehlstellung des betroffenen Bulbus schräg verdreht übereinander stehen. Bildgebung. Da der Hirnnerv so dünn ist, ist es schwierig, ihn im
MRT darzustellen. Am günstigsten ist eine 3D-Technik mit einer Schichtdicke von <1 mm in T1- oder T2-Wichtung (MPRAGE, CISS, TRUFI).
V. Hirnnerv – N. trigeminus Der N. trigeminus (. Abb. 9.7) ist ein gemischt sensibler und motorischer Nerv. Der sensible Anteil versorgt das gesamte Gesicht, die Mund- und Nasenschleimhaut sowie einen Großteil der Hirnhäute. Ein motorischer Anteil versorgt die Kaumuskulatur. Der N. trigeminus hat 3 sensible Kerne im ZNS, im oberen Zervikalmark, in der Medulla oblongata und einen motorischen Kern. Der N. trigeminus ist der dickste Nerv; tritt an der Lateralseite des Pons aus und zieht nach vorne über die Felsenbeinpyramidenkante, wo er unter der Dura endet. Dabei bildet er eine Duratasche (Cavum trigeminale), in der ein großes sensibles Ganglion (Ganglion trigeminale oder Ganglion Gasseri) liegt. Im Anschluss daran gabelt sich der N. trigeminus in 3 große Äste auf: 4 N. ophthalmicus (V1) 4 N. maxillaris (V2) 4 N. mandibularis (V3)
. Abb. 9.6. N. trochlearis (IV), MR-Zisternographie. (Aus: Naidich, Duvernoy, Sorensen, Haacke (Hrsg.). Duvernoy’s Atlas of the Human Brain Stem and Cerebellum. Springer, Wien 2009). Legende: schwarzer Pfeil: N. trochlearis (IV), zisternale Segmente; 4V: vierter Ventrikel; 23: Pedunculus cerebellaris superior; 38: Pedunculus cerebellaris medius (Brachium conjunctivum); 56: Colliculus inferior
. Abb. 9.7. N. trigeminus (V), MR-Zisternographie. (Aus: Naidich, Duvernoy, Sorensen, Haacke (Hrsg.). Duvernoy’s Atlas of the Human Brain Stem and Cerebellum. Springer, Wien 2009). Legende: Schwarze Pfeile: N. trigeminus (V), zisternales Segment; Weiße Pfeile: laterale Wände des Cavum Meckeli; 38: Pedunculus cerebellaris medius (Brachium pontis); 227: Lobulus quadrangularis posterior; 4V: vierter Ventrikel; B: A. basilaris; C: A. carotis interna
Die 3 Äste ziehen durch getrennte Öffnungen der Schädelbasis und versorgen mit ihren sensiblen Fasern separate Bereiche der Gesichtshaut und des Kopfs. Der N. ophthalmicus und der N. maxillaris sind rein sensibel, der N. mandibularis hat auch motorische Fasern für die Kaumuskulatur. Die Nerven geben Äste zur sensiblen Innervation der Hirnhäute ab.
N. ophthalmicus (V1) Der N. ophthalmicus zieht nach Verlassen des Ganglion Gasseri in den Sinus cavernosus, in dessen Seitenwand er nach ventral verläuft. Er gibt einen Ast an die Meningen ab und zweigt sich beim Eintritt durch die Fissura orbitalis superior in 3 Äste auf: 4 N. nasociliaris 4 N. frontalis 4 N. lacrimalis
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68 Kapitel 9 · Gehirn
Diese 3 Nerven verzweigen sich in der Orbita weiter und ziehen zu ihren Zielorganen. Der N. ophthalmicus versorgt sensibel den gesamten Bereich der Orbita und des Auges einschließlich Cornea, die Haut der Stirn und der Nase sowie mit seinen Schleimhautästen die oberen Nasennebenhöhlen und die Nasenscheidewand.
N. maxillaris (V2) Der N. maxillaris zieht in der basolateralen Wand des Sinus cavernosus nach ventral und tritt im Foramen rotundum durch die Schädelbasis. Er teilt sich auf in: 4 Rami ganglionares 4 N. zygomaticus 4 N. infraorbitalis Er versorgt mit seinen sensiblen Ästen die Gesichtshaut der Wange zwischen Auge und Lippen sowie den vorderen Schläfenbereich lateral des Auges. Zusätzlich versorgt er die Schleimhäute der Nasenhöhle und des Gaumens sowie den knöchernen Oberkiefer mit sämtlichen Oberkieferzähnen.
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N. mandibularis (V3) Dieser Nerv ist der kräftigste der 3 Trigeminusäste. Er verlässt die Schädelhöhle durch das Foramen ovale, tritt dann in die Fossa infratemporalis ein. Der sensible Anteil teilt sich auf in: 4 N. auriculotemporalis 4 N. alveolaris inferior 4 N. lingualis 4 N. buccalis Darüber versorgt er sensibel die Gesichtshaut über dem Kinn und über dem angrenzenden Unterkieferbereich bis hinauf zur Schläfe. Zusätzlich versorgt er die vorderen zwei Drittel der Zunge sowie den Unterkiefer mit sämtlichen Zähnen und die Wangenschleimhaut. Der motorische Anteil versorgt über mehrere Äste die gesamte Kaumuskulatur. Bildgebung. Der N. trigeminus lässt sich auf T1- und T2-gewichteten Schichten in axialer und koronarer Rekonstruktion am besten darstellen. Klinisch ist am häufigsten eine Überempfindlichkeit des N. trigeminus zu beobachten, die meist auf eine Seite oder nur auf einzelne Äste beschränkt ist und als Trigeminusneuralgie bezeichnet wird. Dabei können schon kleinste Berührungsreize heftigste Schmerzattacken im Hautareal des betreffenden Trigeminusasts auslösen.
VI. Hirnnerv – N. abducens Der N. abducens (. Abb. 9.8) ist ein reiner somatomotorischer Nerv. Sein Kern befindet sich im Tegmentum pontis, nahe der Mittellinie, am Boden des 4. Ventrikels in Höhe des Colliculus facialis. Der Nerv verlässt den Hirnstamm am Unterrand der Brücke relativ weit medial. In seinem Verlauf tritt er am Klivus, auf dem er nach oben zieht, unter die Dura und verläuft im Sinus cavernosus nach vorne zur Fissura orbitalis superior. Er versorgt motorisch den M. rectus lateralis. Eine Schädigung des N. abducens kann leicht bei seinem Verlauf im Sinus cavernosus erfolgen. Dort ist er bei patholo-
. Abb. 9.8. N. abducens (VI), MR-Zisternographie. (Aus: Naidich, Duvernoy, Sorensen, Haacke (Hrsg.). Duvernoy’s Atlas of the Human Brain Stem and Cerebellum. Springer, Wien 2009). Legende: Schwarzer Pfeil: N. abducens (VI), zisternale Segmente; Schwarzer Pfeil mit Kreuz: Arachnoidea und zerebrospinale Flüssigkeit um den N. abducens, der hier die Dura des Clivus durchbricht; A: A. vertebralis
gischen Prozessen besonders gefährdet, da er als einziger Nerv mitten durch das Lumen dieses venösen Blutleiters zieht. So kann er bei Schädelbasisbrüchen oder basalen Hirnhautentzündungen geschädigt werden. Bei der Schädigung kommt es entsprechend dem Funktionsverlust des M. rectus lateralis zu einer Blickabweichung des Auges der betroffenen Seite nach medial. Dies führt zu Doppelbildern, die nebeneinander stehen. Bildgebung. Aufgrund des schrägen Verlaufs ist der Nerv häufig
nicht in seinem gesamten Verlauf zu erkennen. Am besten sind dünnschichtige CISS- oder MPRAGE-Sequenzen zur Darstellung des Nerven geeignet.
VII. Hirnnerv – N. facialis Der N. facialis (. Abb. 9.9) besteht aus 2 Anteilen, einem motorischen Anteil sowie dem Intermediusanteil. Er versorgt die mimische Muskulatur und mit dem Intermediusanteil viszerosensible Geschmacksfasern. Der Intermediusanteil enthält zusätzlich parasympathische Fasern. Seinen 3 Leitungskategorien entsprechend hat der N. facialis 3 Hirnnervenkerne im Hirnstamm. Intermedius- und Fazialisanteil umfassen den Hirnstamm am Unterrand der Brücke separat voneinander und treten dann zusammen mit dem N. vestibulocochlearis durch den Porus acusticus internus in den inneren Gehörgang ein, in dem sie den N. vestibulocochlearis bis zum Innenohr begleiten. Im Canalis facialis des Felsenbeins biegt der Nerv fast rechtwinklig nach hinten um. Diese Stelle wird als äußeres Fazialisknie bezeichnet. Hier liegt das Ganglion geniculi für die sensorischen Geschmacksfasern. Der Canalis facialis führt die Fazialisfasern über die Paukenhöhle hinweg in einem Bogen abwärts, wo sie im Foramen stylomastoideum zwischen Processus mastoideus und Processus styloideus an der Schädelba-
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sis erscheinen. In seinem Verlauf durch das Felsenbein verlassen die parasympathischen Fasern und die Geschmacksfasern den Nerven als N. petrosus major und Chorda tympani. Die motorischen Fasern teilen sich in der Glandula parotis in ihre Äste, die zur mimischen Muskulatur am Hals ziehen. Der N. facialis kann wegen seines komplexen peripheren Verlaufs an vielen Stellen geschädigt werden. Daraus resultiert ein jeweils unterschiedliches Symptommuster, das eine relativ genaue Lokalisation der Schädigung ermöglicht. Kardinalsymptom der Facialisläsion ist immer die schlaffe Lähmung der Gesichtsmuskulatur. Dabei hängt der Mundwinkel auf der betroffenen Seite herunter, die Falten auf der Stirn sind verstrichen, das Augenlid kann nicht mehr geschlossen werden. Bildgebung. Der N. facialis kann in seinem Verlauf durch die prä-
mesencephalen Zisternen und den Porus acusticus internus, in dem er gemeinsam mit dem N. vestibularis superior (oben dorsal), dem N. cochlearis (unten ventral) und dem N. vestibularis inferior (unten dorsal) liegt, abgebildet werden. Am besten hierzu geeignet sind axiale und koronare Schichten. Eine KontrastmittelAnreicherung des N. facialis ist nicht unbedingt gleichbedeutend mit einer Entzündung, da dieser physiologisch Kontrastmittel anreichern kann, v. a. in seinem tympanalen Abschnitt.
VIII. Hirnnerv – N. vestibulocochlearis Der VIII. Hirnnerv (. Abb. 9.9) ist rein somatosensibel und besteht wieder aus 2 Anteilen: 4 N. vestibularis 4 N. cochlearis Er hat 2 Kerngebiete im Hirnstamm, den Nucleus cochlearis und den Nucleus vestibularis. Der N. cochlearis beginnt in der Peripherie an den Perikaryen im Ganglion cochleare, das sich im Innenohr befindet und dort als spiralisiertes Zellband achsennah dem Verlauf der Cochlea folgt. Periphere, dendritische Fortsätze dieser bipolaren Ganglienzellen enden an den Sinneszellen des Corti-Organs, während die zentralen Fortsätze in ihrer Gesamtheit den Nucleus cochlearis bilden. Der N. vestibularis beginnt mit den zentralen Fortsätzen der Perikaryen, die im Ganglion vestibulare liegen, das sich in einem gesonderten Fundus am Boden des inneren Gehörgangs befindet. Beide Anteile des N. vestibulocochlearis treten dann im Gehörgang des Felsenbeins zu einem Nervenstrang zusammen. Der Nerv zieht am Unterrand der Brücke, unmittelbar kaudo-lateral des N. facialis in den Hirnstamm, wo sich cochleäre und vestibuläre Anteile wieder trennen. Klinisch können Schädigungen des vestibulären und des cochleären Anteils des VIII. Hirnnervs unterschieden werden. Man findet zusätzlich häufiger auch eine Läsion des N. facialis, da dieser in seinem anfänglichen Verlauf dem VIII. Hirnnerv unmittelbar anliegt. Eine Schädigung des cochleären Anteils hat entsprechend seiner Funktion eine Schwerhörigkeit oder Taubheit auf dem Ohr der betroffenen Seite zur Folge. Die Läsion des vestibulären Anteils kann zu Schwindelerscheinungen, Übelkeit, Fallneigung zur erkrankten Seite und pathologischem Nystagmus führen. Bildgebung. Der N. vestibulocochlearis und der N. facialis sind
in T1- und T2-gewichteten axialen und koronaren Sequenzen
. Abb. 9.9. N. facialis (VII) and N. vestibulocochlearis (VIII), MR-Zisternographie. (Aus: Naidich, Duvernoy, Sorensen, Haacke (Hrsg.). Duvernoy’s Atlas of the Human Brain Stem and Cerebellum. Springer, Wien 2009). Legende: Schwarze Pfeile: N. facialis (VII) and N. vestibulocochlearis (VIII), zisternale Segmente; Schwarze Pfeile mit Kreuz: N. abducens (VI), zisternale Segmente; 4V: vierter Ventrikel; B: A. basilaris; Co: Cochlea (Innenohr); Ve: Vestibulum; T: Tonsilla cerebelli
gut in der pontomedullären Zisterne und im Meatus acusticus internus zu erkennen. In sagittaler Schnittführung durch den Querschnitt des inneren Gehörgangs können die einzelnen Nerven identifiziert werden. Oben ventral liegt der N. facialis, dorsal der N. vestibularis superior, unten ventral der N. cochlearis, dorsal davon der N. vestibularis inferior.
IX. Hirnnerv – N. glossopharyngeus Der N. glossopharyngeus (. Abb. 9.10) ist motorisch zuständig für die Pharynxmuskulatur und sensibel für das hintere Drittel der Zungenschleimhaut sowie den Rachen. Er hat 4 verschiedene Hirnnervenkerne im Hirnstamm: 4 Nucleus ambiguus 4 Nucleus salivatorius inferior 4 Nucleus spinalis nervi trigemini 4 Nucleus tractus solitarii Der Nerv tritt aus dem Hirnstamm zwischen 8. und 10. Hirnnerven unter der Brücke aus, zieht schräg abwärts und ventral durch den Subarachnoidalraum zum Foramen jugulare, durch das er die Schädelhöhle zusammen mit dem N. vagus und dem N. accessorius verlässt. An dieser Stelle bildet er das Ganglion superius und kaudal davon in der Fossa petrosa das Ganglion inferius. Ein isolierter Ausfall des N. glossopharyngeus ist selten, häufig sind der 10. und 11. Hirnnerv mitbetroffen, da sie alle einen gemeinsamen Austrittspunkt an der Schädelbasis im Foramen jugulare haben. Dort können sie z. B. bei Tumoren in diesem Bereich oder bei Schädelbasisverletzung geschädigt werden. Eine Glossopharyngeusläsion führt zu sensiblen Ausfällen im oberen Pharynxbereich und des hinteren Drittels der Zunge, wo auch die Geschmacksempfindung, v. a. die Qualität bitter auf der betroffenen Seite verloren ist. Das Gaumenzäpfchen (Uvula) weicht in der Regel zur gesunden Seite ab. Auch das Schlucken ist eingeschränkt.
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70 Kapitel 9 · Gehirn
. Abb. 9.10. N. glossopharyngeus (IX), MR-Zisternographie. (Aus: Naidich, Duvernoy, Sorensen, Haacke (Hrsg.). Duvernoy’s Atlas of the Human Brain Stem and Cerebellum. Springer Wien 2009). Legende: Schwarze Pfeile: N. glossopharyngeus (IX), zisternale Segmente; Weißer Pfeil: Plexus choroideus in der Cisterna cerebellopontomedullaris; 16: Pyramide, darin verläuft der kortikospinale Trakt; 25 Pedunculus cerebellaris inferior; JFpN: Fossa jugularis, Pars nervosa; T: Tonsilla cerebelli
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Bildgebung. In T1- und T2-gewichteten Sequenzen kann er in
axialer Schichtführung normalerweise nachgewiesen werden.
X. Hirnnerv - N. vagus Der N. vagus (. Abb. 9.11) hat viszeromotorische Anteile und ist der größte parasympathische Nerv des Körpers. Zusätzlich besitzt er motorische Fasern für die Schlund- und Kehlkopfmuskulatur, die er auch sensibel innerviert. Ein zusätzliches sensibles Areal befindet sich im äußeren Gehörgang. Der N. vagus tritt lateral hinter der Olive aus der Medulla oblongata aus und verlässt die Schädelbasis durch das Foramen jugulare, wobei er ein kleineres somatosensibles Ganglion superius und ein größeres viszerosensibles Ganglion inferius ausbildet. Er ist der Hirnnerv mit dem weitesten Innervationsgebiet und reicht als einziger bis hinab in den Brust- und Bauchraum. Entsprechend seinen Leitungskategorien hat er 4 verschiedene Hirnnervengebiete im Hirnstamm: 4 Nucleus ambiguus 4 Nucleus dorsalis nervi vagi 4 Nucleus spinalis nervi vagi 4 Nucleus tractus solitarii Ein wichtiger Nerv ist der N. laryngeus recurrens, der durch seinen speziellen Verlauf und seine wichtige Funktion große klinische Bedeutung hat. Er kann durch vom Lungenhilus ins Mediastinum einwachsende Lymphknotenmetastasen komprimiert werden. Auch bei einem Aortenaneurysma kann er geschädigt werden. Dies äußert sich in einem einseitigen Funktionsverlust der Kehlkopfmuskeln und damit Heiserkeit, die auf diese Weise erstes Symptom eines Bronchialkarzinoms oder eines Aortenaneurysmas sein kann. Durch seinen Verlauf dorsal der Schilddrüsenkapsel wird er nicht selten bei Schilddrüsenoperationen verletzt, was ebenfalls zum einseitigen Funktionsverlust der Kehlkopfmuskulatur mit Heiserkeit führt. Eine beidseitige Schädigung des N. laryngeus recurrens kann zu schwerster Atemnot führen, da die Stimmbänder nicht mehr weit genug geöffnet werden können.
. Abb. 9.11. N. vagus (X), MR-Zisternographie. (Aus: Naidich, Duvernoy, Sorensen, Haacke (Hrsg.). Duvernoy’s Atlas of the Human Brain Stem and Cerebellum. Springer Wien 2009). Legende: Schwarze Pfeiler: N. vagus (X), zisternale Segmente; 16: Pyramide, darin verläuft der corticospinale Trakt; 25 Pedunculus cerebellaris inferior; 237´: Flocculus; A: A. vertebralis; JFpN: Fossa jugularis, Pars nervosa; O: Nucleus olivaris inferior; T: Tonsilla cerebelli
. Abb. 9.12. N. accessorius (XI), MR-Zisternographie. (Aus: Naidich, Duvernoy, Sorensen, Haacke (Hrsg.). Duvernoy’s Atlas of the Human Brain Stem and Cerebellum. Springer, Wien 2009); Legende: Weiße Pfeile: N. accessorius (XI), zisternale Segmente; A: A. vertebralis; Med: Medulla oblongata
XI. Hirnnerv – N. accessorius Der N. accessorius (. Abb. 9.12) führt nur motorische Fasern und innerviert den M. trapezius und den M. sternocleidomastoideus. Sein motorischer Kern bildet eine längliche Zellsäule, die sich von der Medulla oblongata bis ins Halsmark in Höhe HWK 5–7 erstreckt. Die Radices craniales nervi accessorii bestehen aus 3–4 Faserbündeln, die unmittelbar unterhalb des N. vagus aus der Medulla oblongata austreten, die Radices spinales, bestehen aus 6–7 Faserbündeln, die aus dem Halsmark austreten und im Spinalkanal aufwärts durch das Foramen magnum verlaufen.
71 9.1 · Anatomie
sind die Hirnschenkel (Crura cerebri), nach hinten anschließend das Tegmentum (Haube) und ganz dorsal schließlich das von hinten sichtbare Tectum, die Vierhügelplatte. Die Vierhügelplatte besteht aus 2 oberen und 2 unteren Hügeln (Colliculi superiores und inferiores). Das Mittelhirn wird von dem Liquor gefüllten Aquädukt durchzogen, der den 3. mit dem 4. Ventrikel verbindet.
9.1.4
. Abb. 9.13. N. hypoglossus (XII), MR-Zisternographie. (Aus: Naidich, Duvernoy, Sorensen, Haacke (Hrsg.). Duvernoy’s Atlas of the Human Brain Stem and Cerebellum. Springer, Wien 2009); Legende: Schwarze Pfeile: N. hypoglossus (XII), zisternale Segmente; Weißer Pfeil mit Kreuz: zerebrospinale Flüssigkeit, den XII. Hirnnerv umgebend; A: A.vertebralis; HC: Canalis n. hypoglossi; JT: Tuberculum jugulare; Med: Medulla oblongata; OC: Condylus occipitalis
Durch die Innervation des M. sternocleidomastoideus sorgt der N. accessorius für eine Neigung des Kopfs nach ipsilateral bei gleichzeitiger Wendung des Gesichts nach kontralateral. Die Innervation des M. trapezius führt zu einer Fixierung der Scapula, einer Hebung der Schulter und zu einer Elevation des Arms über die Horizontale. Eine Schädigung führt zu einer ausgeprägten Schwäche beim Heben des Arms der betroffenen Seite über die Horizontale und einer Schwäche beim Hochziehen der Schulter mit einem abstehenden Schulterblatt (Scapula alata).
XII. Hirnnerv – N. hypoglossus Der N. hypoglossus (. Abb. 9.13) ist ein rein motorischer Nerv und hat entsprechend nur einen Hirnnervenkern, den Nucleus nervi hypoglossi. Der Nerv entspringt mit mehreren Faserbündeln als einziger Nerv vor der Olive aus der Medulla oblongata und verlässt die Schädelhöhle durch den Canalis nervi hypoglossi im Foramen magnum. Er versorgt die Zunge und hat größte Bedeutung beim Sprechen, Essen, Trinken und Schlucken. Eine Schädigung äußert sich mit einem Abbweichen der Zunge zur erkrankten Seite beim Herausstrecken; sie führt histopathologisch zu einer fettigen Degeneration der Zunge auf der erkrankten Seite. Bildgebung. Im MRT lässt er sich in dünnschichtigen T1- und
T2-gewichteten Sequenzen in seinem Verlauf nachweisen. 9.1.3
Hirnschenkel
Im Hirnschenkel verlaufen die kortikospinalen (Pyramidenbahnen), die kortikonukleären und die kortikopontinen Bahnen. Im Tectum mesencephali werden in den Colliculi superiores optische Reflexe durch Zustandekommen von Sakkaden umgeschaltet, die beiden Colliculi inferiores sind eine Zwischenstation der Hörbahn. Im Tegmentum mesencephali liegen die Substantia nigra und der Nucleus ruber sowie die Formatio reticularis. Der Nucleus ruber hat wichtige Funktionen bei der Koordination der Feinmotorik. Die Substantia nigra hat eine wesentliche Funktion beim Bewegungsantrieb und bei der Initiation adäquater Reaktionen auf Sinnesreize. Der Ausfall verursacht klinisch häufig das Bild eines Parkinson-Syndroms. In der Formatio reticularis sind funktionelle Zentren, wie das Atemzentrum, Kreislaufzentrum, Brechzentrum und Wach-/Schlafzentrum, lokalisiert. Im Hirnstamm und Mittelhirn werden zahlreiche optische Reflexe (z. B. Pupillenreflexe) und die Koordination und Generierung von horizontalen und vertikalen Blickbewegungen geschaltet.
9.1.5
Kleinhirn
Das Kleinhirn ist die wichtigste und höchste Kontrollinstanz für Koordinationen und Feinabstimmungen von Bewegungsabläufen. Es lässt sich in einen Wurm und 2 Kleinhirnhemisphären aufteilen. Kaudal am Kleinhirnwurm findet man den Lobus flocculonodularis. Die Oberfläche des Kleinhirns ist durch zahlreiche Folia gekennzeichnet. Über die 3 Kleinhirnstiele (Pedunculi cerebellares superior, medius und inferior), die zu- und abführenden Bahnen des Cerebellums enthalten, ist es mit dem Hirnstamm verbunden (. Abb. 9.14). Im Sagittalschnitt entsteht das Bild des Arbor vitae. Es lässt sich eine Gliederung in Rinde und Mark erkennen. Hinsichtlich funktioneller und anatomischer Parameter kann das Kleinhirn in 3 Anteile gegliedert werden: 4 Vestibulocerebellum: Es erhält den Hauptteil der Afferenzen aus dem vestibulären System und wird durch den Lobus flocculonodularis repräsentiert. 4 Spinocerebellum: Es erhält die meisten Afferenzen aus dem Rückenmark und wird vereinfacht durch den Kleinhirnwurm und die paravermale Zone repräsentiert. 4 Pontocerebellum: Es erhält die meisten Afferenzen über die pontinen Kerne vom Großhirn und wird durch die beiden Hemisphären repräsentiert.
Mittelhirn
Das Mittelhirn grenzt kaudal an den Pons, kranial an das Zwischenhirn und lässt sich längs in 3 Schichten gliedern. Von vorne sichtbar
Ein Ausfall des Cerebellums verursacht vielfältige Symptome, die schwerpunktmäßig mit dem Begriff der zerebellären Ataxie (mangelnde Koordination der an einer Bewegung beteiligten
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72 Kapitel 9 · Gehirn
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. Abb. 9.14. Kleinhirn mit Projektionsfasern; Kleinhirnstiele, Faserpräparat, Ansicht von links-lateral. (Aus: Tillmann B. Atlas der Anatomie des Menschen. 2. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York 2009)
Komponenten, Blickstabilisierungsstörungen und herabgesetzter Muskeltonus) umschrieben werden können. Mediane sagittale Schichten ergeben die beste Übersicht über die topographische Beziehung von Hirnstamm und Kleinhirn. Dabei lässt sich die Basis pontis klar gegen das Mesencephalon der Medulla oblongata abgrenzen. In der Mittelebene scheidet der Aquädukt das Tegmentum vom Tectum mesencephali, der Vierhügelplatte. Der Aquädukt mündet nach unten in den 4. Ventrikel, der zeltartig vom Velum medullare superius und posterius nach oben und hinten begrenzt wird. Nach unten läuft der 4. Ventrikel in das Foramen Magendii aus. Die Spitze des Ventrikeldachs, das Fastigium, zeigt auf die zentrale weiße Substanz des Kleinhirnwurms. Von hier verzweigt sich die weiße Substanz baumartig. Oben, dem vorderen Ventrikeldach anliegend, befinden sich der Lobus centralis und das Culmen, die zusammen den Lobus anterior cerebelli bilden. Durch die Fissura prima getrennt folgen dann Declive, Folium, Tuber, Pyramis und Uvula vermis sowie Anteile des Lobus posterior cerebelli. Im hinteren Velum medullare liegt der Nodulus an, der mit dem Flocculus der Kleinhirnhemisphären den Lobus flocculonodularis cerebelli bildet.
9.1.6
Zwischenhirn (Diencephalon)
Das Zwischenhirn (Diencephalon) wird kaudal vom Mittelhirn und rostral sowie dorsal vom Großhirn begrenzt. Nach ihrer topographischen Lage in der Embryonalzeit werden 4 Abschnitte unterschieden:
4 Epithalamus, bestehend aus Epiphyse, Habenulae und Area praetectalis. 4 Thalamus, ein großer Kernkomplex, der von beiden Seiten her den 3. Ventrikel begrenzt. 4 Subthalamus, bestehend aus Nucleus subthalamicus und Teilen des Pallidums. 4 Hypothalamus, bestehend aus vielen kleineren Kerngebieten, die den Boden des 3. Ventrikels bilden und nach unten mit dem Hypophysenstiel in den Hypophysenhinterlappen auslaufen. Der Thalamus ist ein Konglomerat einzelner Kerne, die – mit Ausnahme der olfaktorischen – Teile der sensorischen und sensiblen Bahnen umschalten und zum Großhirn weiterleiten. Der Hypothalamus enthält viele Kerngebiete für das vegetative und endokrine System sowie Atmung, Kreislauf, Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme. Im Epithalamus werden vegetative Reflexe und der Pupillenreflex umgeschaltet.
9.1.7
Funktionelle Bahnsysteme des Großhirns
Den Neocortex des Großhirns kann man in Primär-, Sekundärund Assoziationsfelder einteilen. Die Primärfelder sind die primären Repräsentationsfelder von Sinnesafferenzen (Sehrinde, Hörrinde) oder der Ursprungsort für absteigende motorische Bahnen (Motorcortex). Sekundärfelder sind den Primärfeldern nach- (bei sensorischen) oder vorgeschaltet (bei motorischen). Im Frontallappen ist v. a. das somatomotorische System lokalisiert.
73 9.1 · Anatomie
Der Gyrus praecentralis, auch als Motorcortex bezeichnet, liegt vor dem Sulcus centralis und ist Ursprungsort des größten Teils der Pyramidenbahnen (. Abb. 9.2). Er ist somatotopisch gegliedert (Homunculus), d. h. jedem Abschnitt entspricht die Initiation von Bewegungen bestimmter Körperteile. Über kortikonukleäre und kortikospinale Fasern initiiert der Motorcortex v. a. feinmotorische Bewegungen der kontralateralen Körperhälfte. Schädigungen verursachen eine v. a. distal betonte Parese der kontralateralen Körperhälfte. Der prämotorische Cortex und das frontale Augenfeld liegen medial vor dem Motorcortex. Er kann direkte Bewegungen initiieren, v. a. extrapyramdiale Motorik. Das frontale Augenfeld liegt dem prämotorischen Cortex an und ist für die Initiation von willkürlichen Augenbewegungen zuständig. Im Gyrus frontalis inferior liegt das so genannte BrocaSprachzentrum. Es ist für die Initiation der Sprache in ihrem Wort- und Satzbau verantwortlich. Dieses Zentrum ist nur einseitig ausgebildet (meist in der dominanten linken Hemisphäre). Eine Schädigung führt zur so genannten motorischen Aphasie, wobei die Sprachbildung stark beeinträchtigt, das Sprachverständnis weitgehend erhalten ist. Dem präfrontalen Cortex werden funktionell höhere psychische und geistige Leistungen des Menschen zugeschrieben, dementsprechend hat eine Schädigung schwere Persönlichkeitsschädigungen zur Folge.
Parietallappen Im Parietallappen ist das somatosensible System lokalisiert. Alle protopathischen Bahnen für Schmerz, Temperatur und grobe Tastempfindung gehen im Rückenmark mit dem Tractus spinothalamicus vom Hinterhorn, im Hirnstamm vom Nucleus spinalis nervi trigemini aus. Alle diese Bahnen kreuzen auf die Gegenseite und laufen als Zone des 2. Neurons zum Thalamus (Nucleus ventralis posterior). Dort werden sie auf das 3. Neuron der Bahn verschaltet und zum somatosensiblen Cortex, dem Gyrus postcentralis, weitergeleitet. Die epikritischen Bahnen für feine Tastempfindung und Propriozeption ziehen mit den Fasern des 1. Neurons im Rückenmark unverschaltet und ungekreuzt nach oben zur Medulla oblongata, wo sie in den Nuclei cuneatus und gracilis verschaltet werden. Gemeinsam mit den Fasern des Nucleus principalis nervi trigemini ziehen sie nach Kreuzung auf die Gegenseite zum Thalamus und von dort nach Verschaltung auf das 3. Neuron der Bahn zum Gyrus postcentralis. Der Gyrus postcentralis liegt, durch den Sulcus centralis getrennt, hinter dem Motorcortex und ist der primäre Einigungsort der somatosensiblen Bahnen. Eine Schädigung hat Empfindungslosigkeit in den entsprechenden Arealen zur Folge, er ist ebenfalls wie der Motorcortex somatotopisch gegliedert. Der sekundäre somatosensible Cortex liegt dem Gyrus postcentralis hinten und unten an und ist für die Interpretation sensibler Informationen zuständig. Eine Läsion führt zur taktilen Agnosie, dabei können getastete Gegenstände nicht mehr erkannt werden. Der Gyrus angularis legt sich um das Ende des Sulcus temporalis superior und ist eine zentrale Schaltstelle zwischen Sehrinde und sensorischem Sprachzentrum in der sekundären Hörrinde; er ist für Lesen und Schreiben unverzichtbar, eine Schädigung führt zur Unfähigkeit zu lesen und zu schreiben (Alexie und Agraphie). Im posterioren parietalen kortikalen Cortex werden Raumwahrnehmungen sowie Orientierung und
Bewegung im Raum erkannt. Schädigungen führen oft zu räumlichen Orientierungsstörungen oder zu Apraxie.
Okzipitallappen Der Okzipitallappen ist der neokortikale Manifestationsort des visuellen Systems. Die Sehbahn beginnt in der Retina, deren Ganglienzellen mit ihren Axonen den N. opticus bilden. Diese vereinigt sich mit dem N. opticus mit der Gegenseite im Chiasma opticum, wo die Fasern der nasalen Netzhauthälften auf die jeweils kontralaterale Seite kreuzen. Der sich an das Chiasma anschließende Tractus opticus endet im Corpus geniculatum laterale des Thalamus und setzt sich von dort als Sehstrahlung breit gefächert bis zur primären Sehrinde fort. Die primäre Sehrinde (Area striata) liegt in der Wand des Sulcus calcarinus und bildet den Okzipitalpol des Gehirns. Die Sehrinde ist für die interpretationsfreie Bewusstwerdung der visuellen Impulse der kontralateralen Gesichtshälfte beider Augen verantwortlich. Eine Läsion dieses Gebiets verursacht Blindheit in dem Areal der Netzhaut, das in das geschädigte Sehrindengebiet projiziert. In der sekundären Sehrinde und den übergeordneten visuellen Assoziationsfeldern werden z. B. Zeichen und Schrift erkannt.
Temporallappen Im Temporallappen ist das auditorische System lokalisiert. Die Hörbahn beginnt in den Nuclei cochleares, in der Medulla oblongata, von wo aus sich die Fasern mit der Gegenseite kreuzen, aber auf der ipsilateralen Seite nach oben ziehen. Als Lemniscus lateralis läuft die Hörbahn mit einer Zwischenstation bis zu den Colliculi inferiores, von wo aus sie zum Corpus geniculatum mediale des Thalamus zieht. Von dort ziehen die Fasern anschließend als Hörstrahlung zur primären Hörrinde im Temporallappen. Die primäre Hörrinde (Heschl Querwindungen) liegt im Sulcus lateralis versteckt. Hier werden Töne oder Klänge erkannt, nicht aber Sprache oder Musik. Die Läsion der primären Hörrinde einer Seite bewirkt eine Hörminderung, aber keine Taubheit. Sekundäre Hörrinde: Im sensorischen Sprachzentrum (Wernicke-Zentrum), das lateral der primären Hörrinde im Gyrus temporalis superior liegt, wird Sprache erkannt. Das WernickeSprachzentrum ist nur in der dominanten (meist linken) Hemisphäre ausgebildet. Seine Schädigung verursacht einen Verständnisverlust für Sprache mit entsprechenden Störungen des eigenen Sprechens (sensorische Aphasie).
Liquor- und Ventrikelsystem Der Liquor cerebrospinalis umgibt als Flüssigkeitskissen das Gehirn und das Rückenmark. Er unterscheidet sich in seiner Zusammensetzung deutlich vom Blutplasma. Die Gesamtliquormenge beträgt ca. 150 ml. Die intrakraniellen Liquorräume werden durch die 4 Ventrikel, die basalen Zisternen und die Subarachnoidalräume über den Hirnkonvexitäten gebildet (. Abb. 9.15). Die beiden Lateral- oder Seitenventrikel liegen in den Hirnhemisphären und werden jeweils in ein Vorder- oder Frontal-, eine Cella media, ein Okzipital- und Temporalhorn unterteilt. Den Übergangsbereich zwischen Temporal- und Okzipitalhorn bezeichnet man auch als Antrum oder Trigonum. Die Seitenventrikel kommunizieren über das Foramen interventriculare (Foramen Monroi) mit dem 3. Ventrikel. Der 3. Ventrikel liegt in der Mittellinie
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74 Kapitel 9 · Gehirn
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c . Abb. 9.15a–c. Liquor- und Ventrikelsystem. a, b Ausgusspräparat, Ansicht von links-seitlich und hinten-oben, c Projektion der Hirnventrikel auf
den Schädel. (Aus: Tillmann B. Atlas der Anatomie des Menschen. 2. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York 2009)
75 9.1 · Anatomie
und ist mit dem 4. Ventrikel über den durch das Mesencephalon verlaufenden Aquädukt verbunden. Der 4. Ventrikel kommuniziert mit den äußeren Liquorräumen durch die lateral gelegenen Foramina Luschkae und das mediodorsal gelegene Foramen Magendii (Apertura mediana ventriculi quarti). Die Liquorproduktion (ca. 500 ml pro Tag) findet in den Plexus choroidei statt, die als speziell differenzierte Gefäßkonvolute in jedem Ventrikel zu finden sind. Die Rückresorption des Liquors erfolgt überwiegend über die Pacchioni-Granulationen, die Ausstülpungen des Subarachnoidalraums in die duralen venösen Sinus entsprechen. Liquor wird im Plexus choroideus im Seitenventrikel gebildet, über die Foramen Monroi in den 3. Ventrikel, in den Aquädukt des Mesencephalon, danach in den 4. Ventrikel und über die Foramina Magendie und Luschkae in den Subarachnoidalraum geleitet. Die Resorption erfolgt, wie bereits erwähnt, über die Pacchioni-Granulationen in das venöse System. Die Liquorbewegung wird wahrscheinlich durch Pulsationen des Plexus choroideus im Wechsel von Systole und Diastole erzeugt. In der MRT kann mit dynamischen Liquorflussmessungen der Liquorfluss dargestellt werden. Bei einem Hydrozephalus liegt ein Ungleichgewicht zwischen Bildung, Fluss und Rückresorption des Liquor cerebrospinalis vor (7 Kap. 9.11). Dadurch kommt es zu einem Anstieg des Volumens und Drucks des Liquor cerebrospinalis und zu einer Aufweitung der Liquorräume. Der Anstieg führt zu einer intrakraniellen Drucksteigerung. Bei Säuglingen und Kleinkindern fällt ein Hydrozephalus durch Zunahme des Kopfumfangs und durch ein Hervortreten der vergrößerten Fontanellen auf. Bei Erwachsenen führt der gesteigerte intrakranielle Druck zu Symptomen wie Unruhe, Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Später treten Merkfähigkeitsstörungen, vermehrte Müdigkeit, Vergesslichkeit, Doppelbilder, Gangunsicherheit und Blasenstörungen hinzu. Ein Hydrozephalus kann durch eine Liquorüberproduktion, eine Flussbehinderung des Liquors oder durch verminderte Resorption bedingt sein.
9.1.8
Blutversorgung des Gehirns
Das Gehirn wird aus 4 großen extrakraniellen Arterien mit Blut versorgt: 4 Rechte und linke A. carotis interna 4 Rechte und linke A. vertebralis Aus dem Aortenbogen gehen 3 Arterien ab, der Truncus brachiocephalicus, die A. carotis communis sinistra und die A. subclavia sinistra. Diese Arterien sind an der Schädelbasis durch einen großen Anastomosenkreislauf, den Circulus arteriosus cerebri Willisii miteinander verbunden.
A. carotis Die A. carotis communis teilt sich meist in Höhe HWK 4–5 oder HWK 3–4 in die A. carotis externa und die A. carotis interna. Die A. carotis interna zieht, ohne einen Ast abzugeben, bis zur Schädelbasis. Sie verläuft im Canalis caroticus des Felsenbeines und tritt über das Foramen lacerum in das Schädelinnere ein. In
der Schädelhöhle tritt sie direkt in den Sinus cavernosus ein und durchläuft diesen S-förmig, lateral der Hypophyse. Anschließend verläuft sie unter Abgabe kleinerer Äste im Subarachnoidalraum (Cisterna chiasmatica) ein Stück nach vorne, bis in Höhe der Substantia perforata anterior des Frontalhirns, wo sie sich in die A. cerebri anterior und die A. cerebri media aufteilt. Im Verlauf der A. carotis interna werden 4 Abschnitte unterschieden: 4 Pars cervicalis (C1-Segment): am Anfang bis zur Schädelbasis 4 Pars petrosa (C2-Segment): im Verlauf durch die Schädelbasis 4 Pars cavernosa (C3-Segment): im Verlauf durch den Sinus cavernosus 4 Pars cerebralis (C4-Segment): nach Verlassen des Sinus cavernosus bis zur Aufteilung in die A. cerebri anterior und media. Der S-förmige Verlauf in der Pars cavernosa und in der beginnenden Pars cervicalis wird auch als Carotissiphon bezeichnet. In der Pars cerebralis gibt die A. carotis interna zunächst die A. ophthalmica ab, die das Auge und Teile der Nasennebenhöhle versorgt. Die A. ophthalmica kommuniziert im Bereich des medialen Augenwinkels mit Ästen der A. facialis, die aus der A. carotis externa abstammt. Bei Stenosen der A. carotis interna kann über diese Anastomose ein Kollateralkreislauf erfolgen. Als nächster Ast geht aus der A. carotis interna die A. communicans posterior ab, die als Teil des Circulus arteriosus cerebri Willisii eine Anastomose zwischen hinterem und vorderem Hirnkreislauf bildet. Zusätzlich gibt die A. carotis interna vor ihrer Aufteilung die A. hypophysialis superior und A. hypophysialis inferior zur Hypophyse sowie die A. choroidea anterior ab. Die A. choroidea anterior ist ein wichtiges Gefäß, sie versorgt neben dem Plexus choroideus des Seitenventrikels v. a. die Capsula interna, Teile der Basalganglien, Hippocampus, Amygdala, Thalamus und Sustantia nigra. Die Versorgung in der A. carotis interna umfasst den vollständigen Frontal- und Parietallappen, den größten Teil des Temporallappens und des Zwischenhirns, das Auge und die Hypophyse. Der Durchmesser des Karotisendabschnitts beträgt in der Regel zwischen 3,5 und 5 mm. Die A. ophthalmica hat einen Durchmesser von ca. 0,7–1,4 mm und verläuft lateral und parallel zur Unterfläche des N. opticus. In der Orbita überkreuzt sie den N. opticus, um sich dann in ihre Endäste aufzuteilen. Als Variante ist der Ursprung der A. meningea media aus der A. ophthalmica zu erwähnen. Die A. communicans posterior zeigt in der Regel erhebliche Variationen in ihrem Kaliber, Hypoplasien, Aplasien und Duplikationen sind keine Seltenheit. Bei der kaliberkräftigen A. communicans posterior entsteht der Eindruck, dass die A. cerebri posterior direkt aus der A. carotis interna entspringt. Sie wird als fetaler Abgang der A. cerebri posterior bezeichnet. Die A. choroidea anterior geht distal von der A. communicans posterior aus der A. carotis interna hervor. Sie hat ein Lumen von etwa 0,5 mm.
Karotidobasiläre Anastomosen Arterien, die beim Fetus Verbindungen zwischen dem Carotisund Basilarisstromgebiet herstellen, obliterieren in dem Maße, in
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76 Kapitel 9 · Gehirn
A. carotis externa Die A. carotis externa versorgt den Gesichtsschädel, die Kopfhaut, den Großteil der Dura mater und den oberen Schilddrüsenpol. Die Carotis externa verläuft nach ihrem Ursprung aus der A. carotis communis in der Regel anteromedial von der A. carotis interna, doch kommt als Variante auch ein posterolateraler oder lateraler Verlauf vor. Die A. carotis externa ist ungefähr 7– 8 cm lang und kann in 3 Abschnitte unterteilt werden: 4 Unterer Zervikalabschnitt 4 Mittelabschnitt im Bereich des Kieferwinkels 4 Endabschnitt im Bereich der Ohrspeicheldrüse (Parotis) Die A. carotis externa hat zahlreiche Äste, die in Abbildung 1.21 dargestellt sind. A. thyroidea superior. Sie zweigt als 1. Ast aus der Vorderwand der A. carotis externa ab, kann aber auch in 16% der Fälle aus der A. carotis communis entspringen.
9 . Abb. 9.16. Karotidobasiläre Anastomosen, Schema. Persistierende primitive Verbindungen zwischen A. basilars und A. carotis interna. 1: A. trigemina primitiva, 2: A. acustica, 3: A. hypoglossica primitiva, 4: A. proatlantica
dem sich die Vertebralarterien bilden, wobei zuerst die A. otica/ acustica, dann die A. hypoglossica und schließlich die A. trigemina primitiva verschwinden. Gelegentlich können einzelne dieser Arterien persistieren (. Abb. 9.16). Die A. trigemina primitiva findet sich in einer Häufigkeit von 0,1–2%. Die Arterie entspringt aus der A. carotis interna nach dem Austritt aus dem Canalis caroticus und verläuft nach dorsal in einem bogenförmigen oder geraden Verlauf zum oberen Abschnitt der A. basilaris.
A. lingualis. Die A. lingualis ist der 2. Ast aus der Vorderwand der A. carotis externa und bildet in ca. 20% der Fälle mit der A. facialis einen gemeinsamen Stamm. Sie bildet einen nach unten konvexen charakteristischen Bogen und gibt die A. profunda linguae und die A. sublingualis ab. Sie versorgt Zunge und Pharynx. A. facialis. Der 3. Ast weist einen geschlängelten Verlauf nach
oben auf und zieht über den Kieferast zum Mundwinkel und zum medialen Augenwinkel, wo er in der A. angularis endet und mit der A. dorsalis nasi, dem Endast der A. ophthalmica, anastomosiert. Die A. facialis versorgt mit ihren Endästen den weichen Gaumen, die Pharynxtonsillen und die Glandula submandibularis. A. pharyngea ascendens. Kleinster Ast der A. carotis externa ist
die A. pharyngea ascendens, die von der Hinterwand gerade nach oben zieht und Äste zur Pharyngealmuskulatur abgibt. Sie hat einen meningealen Ast, der die Dura des Clivus und des Kleinhirnbrückenwinkels versorgt.
A. acustica primitiva/otica Sie ist sehr selten, geht aus dem petrösen Segment der A. carotis interna ab und verläuft mit dem N. facialis und N. acusticus im inneren Gehörkanal.
A. hypoglossica primitiva
A. occipitalis. Die A. occipitalis entspringt ebenfalls aus der Hinterwand und anastomisiert mit Ästen der A. temporalis superficialis und der A. auricularis posterior sowie Muskelästen der A. vertebralis. Die A. meningea posterior versorgt die Dura der hinteren Schädelgrube.
Sie ist ebenfalls relativ selten und entspringt aus dem zervikalen Segment der A. carotis interna auf Höhe des ersten und zweiten Halswirbels, verläuft im Canalis hypoglossicus und mündet in den unteren Abschnitt der A. basilaris.
A. auricularis posterior. Die A. auricularis posterior entspringt ebenfalls aus der Hinterwand und versorgt die Ohrmuschel und das Ohrläppchen sowie die Muskulatur im Mastoidbereich.
A. proatlantica
A. temporalis superficialis. Die A. temporalis superficialis ist
Die persistierende A. proatlantica ist ebenfalls sehr selten. Sie entspringt aus dem oberen zervikalen Abschnitt der A. carotis interna, dringt durch das Foramen magnum in das Schädelinnere und vereinigt sich mit der A. vertebralis. Eine persistierende A. stapedia ist ebenfalls sehr selten, sie gehört nicht zu den karotidobasilären Anastomosen. Sie ist ein Ast der Carotis interna, die aus dem petrösen Abschnitt abzweigt, durch das Mittelohr zieht und zur A. meningea media wird.
ein Endast der A. carotis externa. Sie überkreuzt in ihrem Verlauf den Processus zygomaticus und versorgt große Teile der Galea. A. maxillaris. Die A. maxillaris stellt den größten Endast dar,
zieht zum hinteren Abschnitt der Fossa pterygopalatina und gibt zahlreiche Äste ab, u. a. die A. meningea media, die A. meningea accessoria und die A. infraorbitalis. Die A. meningea media versorgt die Dura mater, sie verläuft durch das Foramen spinosum
77 9.1 · Anatomie
in die Schädelhöhle. Die A. infraorbitalis durchläuft den Canalis infraorbitalis und tritt durch das Foramen infraorbitale zur Wange, zum Unterlid, der Oberlippe, dem Tränensack und der Nase. Sie anastomosiert mit Endästen der A. ophthalmica und kann somit beim Verschluss der A. carotis interna in das Kollateralsystem mit einbezogen werden.
A. vertebralis Die A. vertebralis zweigt als Ast aus der A. subclavia ab und verläuft nach kranial im Foramen costotransversarium vom 6. bis zum 2. Halswirbel. Nach dem Durchtritt durch das Foramen costotransversarium des Axis beschreibt sie einen nach lateral konvexen Bogen, um das Querloch des Atlas zu erreichen. Sie zieht nach hinten und schlängelt sich um die Rückseite der Massa lateralis des Atlas. Sie hat dabei einen stark gewundenen Verlauf, um so bei dem weiten Bewegungsumfang in den oberen Zervikalwirbeln nicht überdehnt zu werden. Sie zieht anschließend lateral der Medulla oblongata durch das Foramen magnum in die Schädelhöhle hinein. Am Unterrand der Brücke vereinigt sie sich mit der A. vertebralis der Gegenseite zur A. basilaris (. Abb. 9.17). Im extrakraniellen Abschnitt gibt die A. verterbalis in variabler Weise Muskeläste ab, die mit den Ästen der A. carotis externa anastomosieren. Einzelne feine Äste treten als Rami meningei in den Wirbelkanal und anastomosieren mit anderen spinalen Arterien. Aus dem distalen extrakraniellen Abschnitt zweigen dann Arterien zur Dura des Foramen magnum, der hinteren Schädelgrube und des Tentoriums ab (Ramus meningeus anterior und Ramus meningeus posterior). A. spinalis anterior. Die A. spinalis anterior entspringt ebenfalls aus der A. vertebralis, kurz vor der Vereinigung aus dem so genannten V4-Segment. Die A. spinalis anterior verläuft zunächst nach medial unten und vereinigt sich nach ca. 2 cm mit der Arterie der Gegenseite zu einem unpaaren mittelständigen Gefäß an der Vorderseite der Medulla.
messer von knapp 4–4,5 mm. Die A. basilaris gibt zahlreiche kleine Äste zur Brücke und Medulla ab, die angiographisch nicht darstellbar sind. A. cerebelli inferior anterior. Die A. cerebelli inferior anterior
(AICA) ist der erste größere Ast aus der A. basilaris. Sie ist in Ursprung und Ausbildung sehr variabel und weist zahlreiche Variationen auf. Die AICA verläuft in Richtung des Kleinhirnbrückenwinkels und kann mit einer Schlinge in den inneren Gehörgang hinein reichen. Sie gibt die A. labyrinthi ab, die das Innenohr und anteriore Anteile des Cerebellums versorgt. A. cerebelli superior. Die A. cerebelli superior entspringt kurz
vor der Aufteilung in die A. cerebri posterior aus der A. basilaris. Sie versorgt Teile des Mittelhirns, die Oberfläche der Kleinhirnhemisphären und die oberen Wurmanteile. Die beiden Aa. cerebelli superiores sind konstanter vorhanden als die übrigen Kleinhirnarterien. Der Hauptstamm zeigt relativ häufig eine Duplikation, die in 28% der Fälle unilateral, in 8% bilateral vorkommt. A. cerebri posterior. Die Aa. cerebri posteriores gehen sowohl phylo- wie ontogenetisch ursprünglich aus der A. carotis interna ab. Die Verbindung zur A. basilaris wird erst später angelegt. Anatomische Untersuchungen ergeben, dass die A. cerebri posterior in 10–30% der Fälle direkt von der A. carotis interna abgeht. Die Aa. cerebri posteriores gehen als paarige Endäste von der Bifurkationsstelle der A. basilaris ab. Die Äste der A. cerebri posterior lassen sich entsprechend ihrem Versorgungsgebiet unterteilen in kortikale Äste zum Okzipital- und Temporallappen, Äste zum Thalamus (Aa. thalamoperforantes anteriores und posteriores), Äste zu den Plexus choroidei (Aa. choroidei posteriores mediales et laterales) und mesencephale Äste. Die Blutversorgung des Hirnstamms lässt sich vereinfacht in 3 Bereiche einteilen: 4 ventromedian 4 ventrolateral 4 dorsolateral
A. cerebelli inferior posterior. Die A. cerebelli inferior posterior
(PICA) ist ein kaliberkräftiger Ast (. Abb. 9.17), der in unterschiedlichen Höhen aus der A. vertebralis entspringt. In ca. 20% der Vertebralisangiogramme ist keine A. cerebelli inferior posterior identifizierbar, die Gefäßversorgung wird von einer kräftigen A. cerebelli inferior anterior übernommen. Der Verlauf der Arterie weist zahlreiche Varianten auf. In der Regel zieht sie um die Medulla und die Kleinhirntonsillen nach hinten. PICA-Infarkte können ein Wallenberg-Syndrom verursachen, eine Ischämie der dorsolateralen Medulla oblongata. Dies verursacht Schmerz- und Temperaturverlust mit einer ipsilateralen Ataxie, Vertigo und Nystagmus sowie ein ipsilaterales Horner-Syndrom.
Die ventromedianen Anteile des Hirnstamms werden aus direkten kleinen Ästen der A. vertebralis (Medulla oblongata), A. basilaris (Pons) oder A. cerebri posterior (Mesencephalon) versorgt. Dabei ist v. a. im Medulla oblongata-Bereich durch die beiden Aa. vertebrales eine deutliche Seitentrennung in der Versorgung vorhanden, sodass eine einseitige Durchblutungsstörung in der A. vertebralis isolierte Schäden in einer Hälfte dieses Hirnstammabschnitts zur Folge hat. Die ventrolateralen und dorsolateralen Hirnstammanteile werden von kurzen und langen Ästen der A. basilaris oder der Kleinhirnarterien und der A. cerebri posterior versorgt.
Circulus arteriosus Willisii A. basilaris Die A. basilaris (. Abb. 9.17) zieht in der Medianebene am Pons entlang und zweigt sich an dessen Oberrand in die beiden Aa. cerebri posteriores auf. Diese sind überwiegend für die Versorgung des Okzipital- und z. T. auch des Temporallappens der jeweiligen Seite zuständig. Die A. basilaris hat in der Regel einen Durch-
Dies ist ein Gefäßsystem, das den vorderen Hirnkreislauf und den hinteren Hirnkreislauf über Anastomosenarterien miteinander verbindet (. Abb. 9.17). Rechter und linker Hirnkreislauf werden auf diese Weise verbunden. So geht aus der linken und rechten A. carotis interna je eine A. communicans posterior ab, die eine Anastomose zwischen den Aa. carotides internae und
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78 Kapitel 9 · Gehirn
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b . Abb. 9.17a, b. Hirnarterien. a Mittlerer Bereich der inneren Schädelbasis mit Arterien der Hirnbasis und Hirnnerven, Ansicht von oben. b Normal-
fall des Circulus arteriosus cerebri (Willisii). (Aus: Tillmann B. Atlas der Anatomie des Menschen. 2. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York 2009)
den beiden Aa. cerebri posteriores bildet. Letztere sind wiederum selbst über einen gemeinsamen Ursprung aus der A. basilaris miteinander verbunden. Die beiden Aa. cerebri anteriores schließlich sind durch die A. communicans anterior verbunden. Der Circulus arteriosus Willisii ist häufig Sitz von Aneurysmen.
A. cerebri anterior Die A. cerebri anterior (. Abb. 9.18) zweigt sich aus der A. carotis interna ab. Sie zieht über das Chiasma opticum hinweg und zieht nach Abgabe der A. communicans anterior in den Interhemisphärenspalt. Dort verläuft sie vorne um das Balkenknie he-
79 9.1 · Anatomie
. Abb. 9.18. A. cerebri anterior und media. Arterielle Versorgung von Hirnrinde, Basalganglien und Capsula interna; Frontalschnitt durch das
Gehirn im Bereich des Striatum. (Aus: Tillmann B. Atlas der Anatomie des Menschen. 2. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York 2009)
rum auf die Dorsalseite des Balkens und teilt sich dabei in ihre beiden Hauptäste, die A. pericallosa und die A. callosomarginalis, auf. Sie gibt zahlreiche Äste ab und verläuft bis zur Grenze von Parietal- und Okzipitallappen. Vor Abgang der A. communicans anterior wird sie als A1-Segment (Pars praecommunicalis), der anschließende Anteil als A2-Segment bezeichnet (Pars postcommunicalis). Das Versorgungsgebiet der A. cerebri anterior erstreckt sich medial über den ganzen Frontal- und Parietallappen, das Septum und die basalen Vorderhornstrukturen. Es reicht auch über die Mantelkante hinaus auf die Konvexität der Großhirnhemisphäre, wo noch ein Teil des Frontal- und Parietallappens versorgt wird. Die Aa. cerebri anteriores versorgen einen großen Teil des präfrontalen und prämotorischen Cortex. Über die A. recurrens Heubner, die nach Abgabe der A. communicans anterior aus der A. cerebri anterior entspringt, werden der vordere Schenkel der Capsula interna sowie die vorderen Teile des Striatums versorgt. Da im vorderen Kapselschenkel auch kortikopontine Bahnen verlaufen, kann es bei Verschluss dieser Arterie zu ähnlichen Symptomen wie bei einem Kleinhirnausfall, wie z. B. einer Dysarthrie, kommen. Beim Verschluss der A. cerebri anterior kommt es zu einer beinbetonten Lähmung der kontralateralen Seite. Zusätzlich können schwere Persönlichkeitsveränderungen auftreten.
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A. cerebri media Die A. cerebri media (. Abb. 9.18) ist als Endast der A. carotis interna die stärkste und dickste der 3 großen Hirnarterien. Nach Abzweigung aus der A. carotis interna gibt die A. cerebri media die Aa. centrales anterolaterales (A. lenticulostriatae) ab. Es handelt sich dabei um mehrere senkrecht abzweigende Arterien, die durch die Substantia perforata anterior in das Gehirn eintreten und das Striatum und Pallidum und einen Teil von Capsula interna und Thalamus versorgen. Angiographisch sind 4 Abschnitte der A. cerebri media unterscheidbar:
Pars sphenoidalis (M1-Abschnitt) Pars insularis (M2-Abschnitt) Pars opercularis (M3-Abschnitt) Pars terminalis (M4-Abschnitt)
Die A. cerebri media ist am häufigsten von ischämischen Ereignissen bei Arteriosklerose, Embolien und Gefäßrupturen bei Bluthochdruck betroffen. Ist die gesamte A. cerebri media verschlossen, kommt es auf der kontralateralen Seite zu einer armbetonten Halbseitenlähmung. Dies ist v. a. auf die Minderversorgung der Capsula interna-Anteile, die die kortikofugalen Fasern führen, und auf die Minderversorgung des motorischen Cortex zurückzuführen. Zusätzlich zeigt sich eine halbseitige Empfindungslosigkeit auf der kontralateralen Seite. Da auch das frontale Augenfeld von der A. cerebri media versorgt wird, kommt es zu einer Blickdeviation zur ipsilateralen Seite. Ist die dominante Hemisphäre betroffen, zeigt sich eine globale Aphasie, da beide Sprachzentren betroffen sind. Zusätzlich zeigt sich oft auch eine Agraphie.
9.1.9
Hirnvenen und Sinus durae matris
Hirnvenen Der Verlauf der Hirnvenen ist von den Arterien unabhängig (. Abb. 9.19). Wie fast alle Venen des Kopfs haben auch die Gehirnvenen keine Klappen. Ihre zarten Wände sind frei von Muskelgewebe und meist hauchdünn. Man unterscheidet im Gehirn prinzipiell oberflächliche Venen und tiefe Venen. Die oberflächlichen Venen münden direkt in die Sinus durae matris, während die tiefen Venen in die V. magna cerebri Galeni ableiten, die dann ihrerseits in den Sinus rectus mündet. Die oberflächlichen Venen leiten das Blut aus den äußeren 1–2 cm des Großhirns ab. Bei diesen Venen unterscheidet man obere Venen, mittlere Venen und untere Venen. Die oberen Venen (Vv. superiores cerebri) drainieren das Blut der oberen, late-
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b . Abb. 9.19a, b. Hirnvenen und Sinus durae matris. a Linke Hemisphäre, Ansicht von lateral, b rechte Hemisphäre, Ansicht von medial. (Aus: Till-
mann B. Atlas der Anatomie des Menschen. 2. Aufl. Spinger, Berlin Heidelberg New York 2009)
ralen und medialen Hemisphäre, verlaufen im Subarachnoidalraum und leiten das Blut direkt in den Sinus sagittalis superior. Von der Hirnoberfläche aus müssen sie den Subarachnoidalraum durchqueren und anschließend als so genannte Brückenvenen die Arachnoidea durchbohren, um dann vom Subduralraum aus in den venösen Sinus zu enden. Diese Venen können bei leichteren Schädelhirntraumen verletzt werden, wodurch es zu meist ausgedehnten Blutungen in den Subduralspalt, zu so genannten subduralen Blutungen, kommt. Die mittleren Venen (Vv. mediae superficiales cerebri) leiten das Blut aus der Umgebung des Sulcus lateralis direkt in den Sinus sphenoparietalis.
Die unteren Venen (Vv. inferiores cerebri) sammeln das Blut aus dem basalen Hemisphärenbereich und münden in den Sinus transversus. Die tiefen Venen des Gehirns münden in die V. magna cerebri Galeni und drainieren v. a. das Blut aus den subkortikalen Großhirnstrukturen und dem Zwischenhirn. Bei den tiefen Hirnvenen können 2 Gefäße hervorgehoben werden, in die alle anderen tiefen Venen einmünden, und die sich dann beide zur unpaaren V. magna cerebri Galeni vereinigen: 4 V. basalis Rosenthal 4 V. interna cerebri
81 9.2 · Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen des Gehirns
. Tab. 9.1. Zeitplan zur Entwicklung des menschlichen Gehirns
Gestationsalter
Entwicklungsgang
Fehlbildung
0–18 Tage
Anlage der Keimblätter
Absterben
19–21 Tage
Neuralplatte, Neuralwülste, Neuralrinne
komplette Dysraphie
22–24 Tage
Augenbläschen
Hydrozephalus
24–28 Tage
Neuralrohr, Verschluss von Neuroporus cranialis und caudalis
Anenzephalie, Enzephalozele, Spina bifida
4. Woche
Rhombencephalon, Auge, mediane Längsfissur
Holoprosenzephalie
5. Woche
Riechlappen, Kleinhirn, Vorder-, Hinterwurzeln, Gefäßsystem
Kleinhirnhypoplasie, Mikrenzephalie, Proliferations- und Migrationsstörungen
7. Woche
Schläfenlappen
8. Woche
Plexus choroideus
3. Monat
Balkenstrahlung, Insel, Balken, Septum pellucidum, Fornix, Kleinhirnoberwurm
4. Monat
Differenzierung von Cortex, Meningen, Liquorzirkulation
5.–6. Monat
Abgrenzung der Hirnlobi, primäre Hirnfurchen, Proliferation beendet, Massenzunahme des Kleinhirns, Foramina des 4. Ventrikels, Kommissuren vollständig
Störung der zellulären Architektur, Dystopie, Myelinisierungsstörung
7.–9. Monat
Entwicklung der Gyri und Sulci, Sekundär-, Tertiärfurchung
Destruktive Veränderungen
6. Monat bis 1. Lebensjahr
Neurale Migration, Gliazellproliferation, Apoptose, axosomatische und axodendritische Verbindungen, Myelinisierung
Störung der zerebralen und zerebellären Mikroarchitektur
Die V. basalis entsteht durch Zusammenschluss der V. anterior cerebri und V. media profunda cerebri im Bereich der Substantia perforata anterior. Die V. interna cerebri entsteht im Bereich des Foramen interventriculare zwischen Seitenventrikel und 3. Ventrikel durch die Vereinigung von 3 Venen: 4 V. choroidea superior 4 V. septi pellucidi 4 V. thalamostriata superior Die Vv. basales und Vv. internae cerebri beider Seiten vereinigen sich dann zur V. magna cerebri, die nach einem kurzen, nach dorsal gerichteten Verlauf in den Sinus rectus mündet.
Sinus Die wichtigsten Sinus sind der Sinus sagittalis superior und der Sinus sagittalis inferior im Ober- bzw. Unterrand der Falx cerebri, der Sinus rectus, der Sinus transversus und der Sinus sigmoideus, die an der okzipitalen Schädelbasis entlang laufen, sowie der Sinus cavernosus, der die Hypophyse umgibt und besondere klinische Bedeutung hat. Er bekommt venöse Zuflüsse u. a. aus der V. ophthalmica superior des Auges, die am medialen Augenwinkel mit Gesichtsvenen anastomosiert. Durch den Sinus cavernosus ziehen die A. carotis und der N. abducens, in seiner Seitenwand verlaufen der N. ophthalmicus, N. oculomotorius, der N. trochlearis und N. maxillaris. Diese Leitungsbahnen können bei Sinus cavernosus-Läsionen, z. B. Fisteln, Aneurysmen, Tumoren, Thrombosen etc. geschädigt werden.
9.2
Balkenaplasie, Wurmaplasie
Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen des Gehirns
Die Bildgebung des Gehirns hat sich durch die Einführung der zerebralen MRT entscheidend verbessert. Der hohe Weichteilkontrast und die beliebige Wahl der Schnittbildebene lassen detaillierte Strukturen des Nervensystems sichtbar werden, die bisher weitgehend den Anatomen und Pathologen vorbehalten waren.
9.2.1
Embryogenese des Nervensystems
Die Entwicklung des Nervensystems während der Embryonalzeit beinhaltet 3 Schlüsselschritte: 4 Induktion 4 Neurulation 4 Bläschenformation Induktion. Nachdem sich beim Embryo die 3 übereinander lie-
genden Keimblätter Endoderm, Mesoderm und Ektoderm entwickelt haben, entsteht durch Induktion des darunter liegenden Mesoderms und der Chorda dorsalis im Ektoderm etwa am 17. Embryonaltag das Neuroektoderm (. Tab. 9.1). Neurulation. Früh in der Entwicklung des Embryos, um die
3. Woche, ist vom zentralen Nervensystem nichts als eine flache Neuralplatte zu sehen. Anschließend entstehen am Rand Ausstülpungen, die so genannten Neuralwülste (. Tab. 9.1). Diese Wülste richten sich zunehmend auf und bilden die Neuralfalten, die die Neuralrinne einschließen. Die beiden Wülste verschmel-
9
82 Kapitel 9 · Gehirn
zen daraufhin miteinander, sodass das Neuralrohr entsteht (Neurulation = Abschnürung von Neuralleiste und Neuralrohr aus dem Ektotoderm) (. Abb. 10.7). Am kranialen Abschnitt entsteht das Gehirn, aus dem kaudalen Abschnitt das Rückenmark. Aus dem Hohlraum des Rohrs entwickelt sich später das Ventrikelsystem. Am vorderen und hinteren Ende ist das Neuralrohr zunächst noch offen. Am 25. Embryonaltag schließt sich das vordere, 2 Tage später das hintere Ende. Fehlentwicklungen im Stadium der Neurulation führen zu so genannten dysraphischen Störungen. Bleibt der Schluss des vorderen Kopfendes (Neuroporus rostralis) aus, kommt es zu einer nicht mit dem Leben vereinbaren Anenzephalie. Bleibt der Schluss des hinteren Endes (Neuroporus caudalis) aus, kommt es zur Spina bifida. Sie ist gekennzeichnet durch einen unvollständigen Schluss der Wirbelbögen und kann verschiedene Schweregrade und Ausprägungen haben, von einer Spina bifida occulta bis hin zur Myelomeningozele.
9
Bläschenformation. Kurz nach dem Verschluss des Neuralrohrs lassen sich am kranialen Ende 3 kleine Bläschen erkennen, die primären Hirnbläschen. Diese bezeichnet man als: 4 Prosencephalon (Vorderhirn) 4 Mesencephalon (Mittelhirn) 4 Rhombencephalon (Rautenhirn)
Zusätzlich biegt sich das Neuralrohr in der Nackenbeuge und der Scheitelbeuge. Im Prosencephalon stülpen sich schließlich in der 5. Woche die beiden Großhirnbläschen aus, zusätzlich bilden sich 2 kleine Augenbläschen, die später zu den Augenbechern werden. Zwischen den beiden Großhirnbläschen kommt die Lamina terminalis zu liegen. Lamina terminalis und Großhirnbläschen zusammen nennt man Telencephalon (Endhirn). Das übrige Prosencephalon wird Diencephalon (Zwischenhirn) genannt. Im Rhombencephalon entsteht durch Einfaltung die Brückenbeuge, wobei der vordere Abschnitt des Rhombencephalons nun als Metencephalon bezeichnet wird. Aus seinem Dach entsteht später das Kleinhirn, der hintere Abschnitt wird als Myelencephalon bezeichnet. Entwicklung ab der 6. Woche. Am Ende der 6. Woche beginnt sich der Boden der Seitenventrikel vorzuwölben, daraus entstehen die Basalganglien. Am Übergang von der Hemisphärenwand zum Diencephalon entsteht der Plexus choroideus, direkt angrenzend zieht sich das Pallidum zum Hippocampus. Die Entwicklung des Balkens und der Kommissuren beginnt in der 7. Woche mit einer Verdickung des dorsalen Anteils der Lamina terminalis. Dieser verdickte Anteil wird Lamina reuniens genannt. Der ventrale Anteil der Lamina reuniens wird als Meninx primitiva bezeichnet. Die Axone beginnen die Mittellinie zu überkreuzen, wahrscheinlich vermittelt durch chemische Botenstoffe, und bilden die »Brücke« zwischen den Hemisphären, die Commissura anterior, den Balken und die Commissura posterior. Zunächst kreuzen die Axone des posterioren Anteils des Genu, darauf des Korpus und des anterioren Anteils des Genu, zuletzt des Spleniums und des Rostrums des Balkens. Während der Balken sich vergrößert, wird die Lamina terminalis immer dünner, aus ihr entsteht schließlich das Septum pellucidum.
Der Okzipitalpol des Großhirns beginnt sich am Ende der 6. Woche zu entwickeln, der Temporalpol gegen Anfang der 8. Woche. Am Anfang ist das Gehirn glatt, eine Gyrierung fehlt vollständig. Der erste abgrenzbare Sulcus ist die Sylvi’sche Fissur. Das Gehirn sieht zu diesem Zeitpunkt im 4. Monat aus wie eine angedeutete Zahl acht. Das Rindenband ist noch relativ dünn. Zwischen der 20. und der 22. Woche entstehen der Gyrus cinguli sowie der Sulcus parietooccipitalis. Die Gyrierung schreitet in den Anteilen mit sensomotorischen und visuellen Funktionen fort. Um den eigentlichen Geburtstermin haben sich die Gyri und Sulci ähnlich wie beim Erwachsenen ausgebildet. Die Sulci sind allerdings noch nicht so tief ausgeprägt wie später. Die Myelinisierung der weißen Substanz beginnt erst im 5. Entwicklungsmonat. Zum Zeitpunkt der Geburt sind in der Regel die Medulla oblongata, das dorsale Mittelhirn, die oberen und unteren Kleinhirnschenkel und die hinteren Schenkel der Capsula interna myelinisiert. Das Diencephalon entsteht aus dem mittleren Abschnitt des Prosencephalons. Aus den so genannten Flügelplatten des Diencephalons entwickeln sich Thalamus und Hypothalamus. Die Hypophyse besteht aus einem Teil des Diencephalons. Daraus entstehen später Hypophysenstiel und Hypophysenhinterlappen. Der Hypophysenvorderlappen entsteht aus der RathkeTasche, einer ektodermalen Ausstülpung des Stomodeums vor der Rachenmembran. Daraus lässt sich auch das Vorkommen von Rachendachhypophysen und Rathke-Taschenzysten ableiten. Aus den Grundplatten des Mesencephalons entstehen die Hirnschenkel und verschiedene Kerngruppen, die für die Okulomotorik wichtig sind. Angrenzend an die Vierhügelplatte entstehen Substantia nigra und Nucleus ruber. Aus dem vorderen Anteil des Rhombencephalons entwickelt sich das Metencephalon, aus dem ventralen Abschnitt des Metencephalons die Brücke, aus der Rückseite bildet sich das Kleinhirn. In der frühen Kleinhirnentwicklung nähern sich die beiden dorsalen Rautenlippen des Rhombencephalons einander und werden schließlich zur Kleinhirnplatte. In der 12. Woche lassen sich Kleinhirnhemisphären und Vermis unterscheiden. Aus den hinteren Anteilen des Rhombencephalons entsteht das Myelencephalon, woraus sich schließlich die Medulla oblongata entwickelt.
9.2.2
Myelinisierung des Gehirns
Bildgebung. Zur Darstellung der normalen Hirnreifung und Myelinisierung haben sich T1- und T2-gewichtete SpinechoAufnahmen als gut geeignet erwiesen (. Abb. 9.21). Daneben können aber auch T1-gewichtete Bilder in Inversion-recoverySequenz-Technik oder Turbo-Spinecho-Sequenzen in T2-Wichtung verwendet werden. Entwicklung. Bei termingerechter Geburt sind der hintere Schenkel der Capsula interna, Teile der Medulla oblongata, das dorsale Mittelhirn und Teile der Hirnschenkel myelinisiert. Im Alter von 4 Monaten ist der Brückenfuß myelinisiert, der Kleinhirnstiel zeigt ebenfalls eine weitere Myelinisierung. Auch in den Hirnschenkeln lässt sich jetzt eine Myelinisierung nachweisen.
83 9.2 · Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen des Gehirns
. Abb. 9.20. Myelinisierungsschema nach Grodd. Zeitplan für die normale Myelinisierung – zusammengefasste Angaben verschiedener Publikationen. Für 11 Hirnstrukturen sind schematisch Anfangs- und Endpunkte der Zeiträume aufgetragen, in denen in T1w (helle Balken) und T2w (dunkle Balken) Myelinisierungsvorgänge erkennbar sind (. Abb. 9.21). (Aus: Reiser M, Semmler W. Magnetresonanztomographie. Springer, Berlin Heidelberg New York 2002)
Mit 4 Monaten erscheint der Hinterschenkel der Capsula interna in seiner ganzen Länge myelinisiert, wobei sich der mittlere Anteil noch etwas heller darstellt. Darüber hinaus lässt sich jetzt auch eine Myelinisierung des vorderen Schenkels der inneren Kapsel sowie des Splenium des Balkens, nicht aber des Genu, nachweisen. Lateral angrenzend an das Temporalhorn des Seitenventrikels zeigt sich jetzt ebenfalls eine deutliche Myelinisierung. Die Myelinisierung der Sehbahn schreitet nach posterior und medial fort, sodass bald die Sehrinde erreicht wird. Im Centrum semiovale breitet sich die Hyperintensität des Marklagers in den T1-gewichteten Sequenzen vom Sulcus centralis nach parietal und frontal aus (. Abb. 9.20, . Abb. 9.21). Im Alter von 2 Jahren ist die Basis pontis weitgehend myelinisiert, darüber hinaus sind nur noch die Foliae cerebelli und die mittleren Kleinhirnstiele myelinisiert. In den T2-gewichteten Sequenzen lassen sich im Alter von 24 Monaten Balken und innere Kapsel mit vermindertem Signal erkennen. Der Thalamus weist weiterhin unterschiedliche Kompartimente auf, die bis in die Adoleszenz nachweisbar sein können. Im Temporallappen ist die Myelinisierung in allen Gyri entwickelt, erreicht aber v. a. rostral noch nicht den Cortex. Im Okzipitallappen ist die Mark/Rindengrenze jetzt überall scharf gezeichnet, da die Myelinisierung bis in alle Gyri reicht. Im Frontallappen ist im Alter von 2 Jahren das gesamte Marklager gut ausgereift und füllt den
Frontallappen bis in die Peripherie aus. Allerdings wirkt der Cortex wie in den übrigen Regionen des Großhirns noch relativ dick. Beim 2-jährigen Kind ist das Centrum semiovale weitgehend homogen, hypointens in T2-gewichteten Sequenzen mit guter Demarkierung der Mark-Rindengrenze. Ausgenommen hiervon ist das bereits erwähnte Areal dorsolateral der Hinterhörner der Seitenventrikel.
9.2.3
Neuralrohrdefekte
Schlussstörungen des Neuralrohrs sind die häufigsten Fehlbildungen des Nervensystems und treten bevorzugt am rostralen oder kaudalen Ende auf (. Abb. 10.7). Die Folge sind Anenzephalie, Kraniorhachischisis, Meningomyelozele oder Spina bifida occulta.
Anenzephalie Bei der Anenzephalie ist das Großhirn vollständig oder teilweise aplastisch, die Schädelkalotte fehlt, der Gesichtsschädel ist meist normal geformt. Mittelhirn und Pons sind angelegt, die Entwicklung von Cerebellum, Hypothalamus und Neurohypophyse bleibt aus. Extrakranielle Fehlbildungen kommen nur gelegentlich vor, häufig sind endokrine Veränderungen. Klinisch fallen
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84 Kapitel 9 · Gehirn
. Abb. 9.21a. Myelinisierung. T1w (a) und T2w (b) axiale Ausschnittsbilder in Höhe des 4. Ventrikels (obere Reihe), des Mesenzephalons (2. Reihe), der Basalganglien (3. Reihe) und des Centrum semiovale (untere Reihe) in sechs verschiedenen Altersstufen von 1 Monat bis 6 Jahren. (Aus: Reiser M, Semmler W. Magnetresonanztomographie. Springer, Berlin Heidelberg New York 2002)
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a
abnorme Bewegungsmuster des Feten bei der Ultraschalluntersuchung auf, auch die mangelnde Ausbildung des Hirnschädels ermöglicht eine frühe pränatale Diagnose, deren Konsequenz die Beendigung der Schwangerschaft ist.
Zephalozelen Betrifft die Verschlussstörung nur einen begrenzten Bezirk des Schädels, bestehen lokale, in der Medianlinie gelegene Vorwölbungen, meist von intakter Haut gedeckt. Sie enthalten entweder nur Meningen (Meningozele cranialis) oder Teile des Gehirns (Meningoenzephalozele) bzw. des Ventrikelsystems (Enzephalozystozele). Enzephalozelen kommen in verschiedenen Lokalisationen vor. Am häufigsten werden okzipitale und frontoethmoidale Zelen beobachtet, die jeweils in der Mittellinie liegen. Es wurden jedoch auch parietale, okzipitozervikale, temporale, frontale, sphenomaxilläre, nasopharyngeale und laterale Lokalisationen
beschrieben. Dabei gibt es deutliche Unterschiede in der geographischen Verteilung. In Mitteleuropa kommen okzipitale Enzephalozelen am häufigsten vor, im südostasiatischen Raum werden frontoethmoidale Zelen häufiger beobachtet. Beim Meckel-Syndrom sind sie mit anderen Anomalien kombiniert (Hexadaktylie, zystische Veränderungen innerer Organe).
Okzipitale und parietale Zephalozelen Okzipitale Enzephalozelen sind bereits bei der Geburt vorhanden und treten zwischen dem Foramen magnum und der Lambdanaht auf. Das Gehirn innerhalb der Zephalozelen ist in der Regel dysplastisch. Es zeigt sich eine weibliche Prädominanz und eine Vergesellschaftung mit Neuralrohrstörungen (Myelomeningozelen ca. 7%, Diastematomyelie ca. 3%). Parietale Zephalozelen zeigen einen Schädeldefekt zwischen der Lambdanaht und dem Bregma. Sie sind ebenfalls mit Mittellinienanomalien vergesellschaftet.
85 9.2 · Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen des Gehirns
. Abb. 9.21b. Myelinisierung. T1w (a) und T2w (b) axiale Ausschnittsbilder in Höhe des 4. Ventrikels (obere Reihe), des Mesenzephalons (2. Reihe), der Basalganglien (3. Reihe) und des Centrum semiovale (untere Reihe) in sechs verschiedenen Altersstufen von 1 Monat bis 6 Jahren. (Aus: Reiser M, Semmler W. Magnetresonanztomographie. Springer, Berlin Heidelberg New York 2002)
b
Frontoethmoidale Zelen
Atretische Zelen
Frontoethmoidale Zelen werden oft erst spät klinisch auffällig, meist durch eine Behinderung der nasalen Atmung. Gelegentlich kann sich jedoch eine Dysmorphie des Gesichts zeigen. Die frontoethmoidalen Enzephalozelen können nach ihrer Lage eingeteilt werden in: 4 nasofrontale Enzephalozelen 4 nasoorbitale Enzephalozelen 4 nasoethmoidale Enzephalozelen
Atretische Zelen beinhalten Anteile der Dura mater und Bindegewebe. Sie finden sich am häufigsten in der Okzipitalregion. Atretische Zelen parietal sind häufig mit anderen Fehlbildungen vergesellschaftet. Eine atretische Zele liegt vor, wenn lediglich ein schmaler Kanal durch die knöchernen Strukturen des Schädels zieht. Innerhalb dieses Kanals liegen Anteile der Dura mater und Bindegewebe. In der MRT sollten dünnschichtige T1- und T2gewichtete Sequenzen bzw. Volumensequenzen durchgeführt werden. Hilfreich können auch CT-Aufnahmen sein, um die knöchernen Defekte darzustellen.
Bildgebung. Bei einer frontoethmoidalen Enzephalozele sollten
T1- und T2-gewichtete Sequenzen in sämtlichen Raumebenen durchgeführt werden, um den Defekt darzustellen (. Abb. 9.22). Ebenfalls sollten dünnschichtige CT-Aufnahmen zum Nachweis des knöchernen Defekts angefertigt werden. Dabei muss beachtet werden, dass bis zum 2. Lebensjahr die knöcherne Frontobasis noch nicht komplett ausgebildet ist.
Spina bifida Dysrhaphische Störungen im Bereich der Wirbelsäule und des Rückenmarks kommen je nach der Entstehungsgeschichte in unterschiedlicher Ausprägung vor. Die Störungen werden detailliert im Kapitel der Wirbelsäule behandelt (7 Kap. 10).
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86 Kapitel 9 · Gehirn
Mit einer Balkenagenesie assoziierte Syndrome 4 4 4 4 4 4 4
9
. Abb. 9.22. Frontale Enzephalozele. In den sagittalen T2w-Sequenzen zeigt sich an der Frontobasis eine Knochenlücke, durch die Hirnparenchym tritt
9.2.4
Anomalien der Medianstrukturen
Bei der pathogenetischen Beziehung zur Dysrhaphie und Holoprosenzephalie findet man Anomalien der Mittellinien, nicht selten in Kombination mit anderen Fehlbildungen, sie können aber auch isoliert vorkommen.
Agenesie des Corpus callosum (Balkenmangel) Ein partielles oder völliges Fehlen der großen Kommissur kann klinisch unbemerkt bleiben. Die Untersuchung isolierter Funktionen ist schwierig, da zu oft weitere Anomalien vorhanden sind. Da die Entwicklung des Balkens in einer kritischen Periode der Gehirnentwicklung stattfindet, ist diese Störung oft mit verschiedenen Syndromen assoziiert (. Übersicht). Relativ häufig ist eine Balkenanomalie mit dem Chiari-Syndrom assoziiert (Chiari-Malformation Typ 2). Dabei zeigen sich neben der Balkenagenesie/-dysplasie ein Tiefstand der Kleinhirntonsillen, eine schnabelförmige Konfiguration des Tectum, eine Kompression und Abflachung des 4. Ventrikels und des Pons und eine Knickbildung der Medulla oblongata. Nicht selten findet man auch eine Balkenagenesie/-dysplasie mit dem Dandy-WalkerSyndrom vergesellschaftet. Hierbei zeigt sich eine Vergrößerung der hinteren Schädelgrube mit einer Hypoplasie oder Aplasie des Vermis und einer zystischen Aufweitung des 4. Ventrikels.
Chiari-Malformation-Typ 2 Dandy-Walker-Malformation Aicardi-Syndrom Morning-Glory-Syndrom Apert-Syndrom Rubinstein-Taybi-Syndrom Cogan-Syndrom
Die Entwicklung des Balkens findet bereits in der 7. Embryonalwoche mit einer Verdickung des dorsalen Anteils der Lamina terminalis statt. Dieser verdickte Anteil wird dann Lamina reuniens genannt (7 Kap. 9.2.1). Die gesamte Entwicklung des Balkens verläuft zwischen der 7. und der 20. Woche. Mögliche Ursachen sind primäre Anlagestörungen bei autosomal rezessiv oder geschlechtsgebundenen vererbten Mutationen, multifaktorielle Entstehung, Kombination mit bestimmten Hirnfehlbildungen, sekundäre Folgen bei Gefäßstörungen, Entzündungen, Teratogenen (z. B. Alkohol) oder Hydrozephalus. Die Anomalie kann symptomlos bleiben, mit verschiedenen Störungen einhergehen (Entwicklungsverzögerung, Zerebralparese, Anfälle) und auch im Rahmen von Syndromen vorkommen (. Übersicht, z. B. Aicardi-Syndrom bei Mädchen mit Chorioretinopathie, Hemihypertrophie und BNS-Krämpfen). In der MRT lassen sich die strukturellen Änderungen darstellen und quantitativ erfassen (. Abb. 9.23). ! Eine Differenzierung zwischen Anlagestörung und sekundärenSchädigungen des Balkens sind wichtig, da Anlagestörungen vollkommen andere Ätiologien aufweisen als sekundäre Schädigungen.
Im Gegensatz zu den Anlagestörungen des Balkens, die im Rahmen einer Hypogenesie oder einer Agenesie vorkommen, kann es bei sekundären Schädigungen zu einer Balkenläsion bzw. zu einer Ausdünnung des Balkens nach vollständiger Anlage kommen. Eine häufige Ursache für eine sekundäre Ausdünnung im periisthmischen Bereich ist die periventrikuläre Leukomalazie (PVL) (. Abb. 9.24). Eine PVL entsteht durch eine hypoxischischämische Schädigung der germinalen Matrixzone. Diese ist v. a. im Frühgeborenenalter metabolisch hoch aktiv, sodass dies ein häufiges Schädigungsmuster bei Frühgeborenen darstellt. Durch den Untergang der kreuzenden Bahnen kommt es zu einer periisthmischen Ausdünnung des Balkens, die so ausgeprägt sein kann, dass sie wie ein vollständiger Defekt in diesem Bereich aussieht. Andere sekundäre Schädigungen können folgende Ursache haben: 4 Leukodystrophien 4 Infarkte 4 Autoimmunerkrankungen, z. B. bei Enzephalomyelitis disseminata Bildgebung. Innerhalb des Balkens befinden sich dicht aneinander liegende Fasern, die durch ihre Struktur für die Stabilität und die Form der Seitenventrikel wichtig sind. Ein typisches Zeichen für eine Balkenagenesie oder Hypogenesie ist in der axialen
87 9.2 · Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen des Gehirns
a
c
b
. Abb. 9.23a–c. Balkenentwicklung und Balkenmangel. a In der T1wSequenz zeigen sich eine Aufweitung der Hinterhörner und annähernd parallel verlaufende Seitenventrikel. b In der koronaren T1w-Sequenz sieht man eine »Stierhornform« der Corpora der Seitenventrikel, die durch eine Vorwölbung der Probst-Bündel in das Ventrikelsystem hervorgerufen wird. c Die sagittale T2w-Sequenz stellt den kompletten Balkenmangel dar
Schichtführung eine Aufweitung der Seitenventrikel mit einer Betonung der Hinterhörner. Diese charakteristische Konfiguration bezeichnet man auch als Kolpozephalie. Im Bereich der Vorderhörner ist die Aufweitung geringer ausgeprägt, da Nucleus caudatus und Linsenkern dort zusätzlich zur Formgebung beitragen. Ein weiteres charakteristisches Zeichen eines Balkenmangels in axialer und koronarer Schichtführung ist eine »Stierhornform« der Corpora der Seitenventrikel (. Abb. 9.23). Diese Konfiguration resultiert aus einer Einbuchtung der Seitenventrikel von medial durch das so genannte Probst-Bündel, das in der Embryonal- bzw. Fetalentwicklung bei einem Balkenmangel entsteht.
Störungen sind im Allgemeinen Indikation für die Untersuchung, ein Zusammenhang bleibt meist ungeklärt.
Septooptische Dysplasie Bei der septooptischen Dysplasie (De-Morsier-Syndrom) sind Fehlen des Septum pellucidum, Hypoplasie der Sehnerven (mögliche Sehstörungen) und verschiedene endokrine Störungen zu finden (Störung der hypothalamisch-hypophysären Achse). Beim Neugeborenen finden sich Hypotonie, Krämpfe, Hypoglykämie und Ikterus, später werden Sehstörungen, Entwicklungsverzögerungen und Anfälle beobachtet. Bildgebung. Fällt bei einem Kind ein Fehlen des Septum pellu-
Anomalien des Septum pellucidum Während der Entwicklung entstehen normalerweise Hohlräume im Septum pellucidum. Sie verschwinden meist nach der Geburt, können aber als 5. und 6. Ventrikel Verbindung mit dem übrigen Liquorraum haben (Cavum septi pellucidi, Cavum vergae, Cavum veli interpositi). Selten kommen echte Zysten mit raumfordernder Wirkung vor. Eine Agenesie des Septum pellucidum wird in Kombination mit einer Balkenaplasie oder Holoprosenzephalie beobachtet. Zerebrale Anfälle und andere neurologische
cidums auf, so sollte nach einer septooptischen Dysplasie gesucht werden. Hierzu empfiehlt es sich, dünnschichtige MRT-Aufnahmen der vorderen Abschnitte der Sehbahn durchzuführen (. Abb. 9.25).
Balkenanomalien mit intrakraniellen Lipomen Intrakranielle Lipome sind wahrscheinlich Fehldifferenzierungen der Meninx primitiva, undifferenzierten Mesenchyms, das während der embryonalen Entwicklung das Gehirn umgibt.
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88 Kapitel 9 · Gehirn
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b . Abb. 9.24a, b. Periventrikuläre Leukomalazie (PVL). a In den T2w axialen Sequenzen zeigt sich eine deutliche Rarefizierung des Marklagers mit unregelmäßiger Ventrikelbewandung. Der jetzt 7-jährige Patient ist ein ehemaliges Frühgeborenes der 24. Schwangerschaftswoche mit bekannter periventrikulärer Blutung Grad II. b Auch in den FLAIR-Sequenzen zeigt sich die Rarefizierung des periventrikulären Marklagers mit Unregelmäßigkeiten in der Ventrikelwand
Etwa 30% aller intrakraniellen Lipome kommen im Bereich des Balkens vor (. Abb. 9.26). Tritt das Balkenlipom im vorderen Abschnitt des Balkens auf, so ist es meist mit einer Balkenanomalie vergesellschaftet, während Lipome im hinteren Abschnitt des Balkens oft mit einer normalen Ausbildung des Balkens einhergehen. Balkenassoziierte Lipome können verkalken und stellen sich dann bereits auf Röntgenübersichtsaufnahmen dar. Sie
b . Abb. 9.25a, b. Septooptische Dysplasie. a In der koronaren T1wSequenz Hypoplasie des Chiasma und der Nn. optici sowie ein fehlendes Septum pellucidum. b T2-Wichtung: Fehlendes Septum pellucidum
sind oft mit anderen Mittellinienfehlbildungen, z. B. Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten assoziiert. Bildgebung. Im CT zeigen sich die Balkenlipome mit fettisodensen (negativen) Dichtewerten. Selten können aber auch noduläre und schollige Verkalkungen auftreten. Im MRT stellen sich die Lipome in sämtlichen Sequenzen fettisointens dar, d. h. in T1-gewichteten
89 9.2 · Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen des Gehirns
9.2.5
Störungen der Rindenentwicklung
Verschiedene Anomalien bei der Differenzierung des Cortex, meist Folge einer Migrationsstörung, beeinträchtigen die Ausbildung von Gyri und Sulci in der 2. Schwangerschaftshälfte. Es können an Störungen der neuronalen und der glialen Proliferation auftreten: 4 generalisierte Störung der Rindenentwicklung (Mikrolissenzephalie) 4 fokale oder multifokale Störung (bei Phakomatosen, isoliert, neoplastisch) Störungen der neuralen Migration. Hier sind zu unterscheiden: 4 Generalisiert: Klassische Lissenzephalie (Typ 1) (Agyrie/Pa-
. Abb. 9.26. Balkenlipom. Im CT stellt sich das Balkenlipom als Hypodensität mit fettäquivalenten Hounsfieldeinheiten (negative Werte) in Projektion auf den Balken dar
Sequenzen sind sie stark hyperintens. Eine Sequenz mit einem Fettsättigungsimpuls kann zur Differenzierung weiterhelfen.
Balkenanomalien mit interhemisphärischen Zysten Balkenfehlbildungen sind oft auch mit Interhemisphärenzysten vergesellschaftet. Interhemisphärenzysten können klinisch stumm sein, aber auch mit Epilepsien auffällig werden. Die interhemisphärischen Zysten werden in 3 Gruppen eingeteilt: 4 Typ 1: eine einzelne große Zyste, die mit dem Seitenventrikel oder dem 3. Ventrikel in Verbindung steht. 4 Typ 2: zusätzlich Störungen der Kortexentwicklung, wie Polymikrogyrien, Pachygyrien, Migrationsstörungen oder Schizenzephalien. Die Zysten sind septiert und stehen nicht mit dem Ventrikelsystem in Verbindung. 4 Typ 3: Zysten mit komplexen Binnenstrukturen mit asymmetrischen Subseptierungen. Aufgrund der unterschiedlichen Zusammensetzung des Zysteninhalts kann das Signal der Zysten vom Liquorsignal abweichen, wenn keine direkte Kommunikation mit dem Ventrikelsystem existiert. . Abb. 9.27. Lissenzephalie. Ausgeprägte Gyrierungsstörung bei diesem 2 Wochen alten Säugling in den axialen T2w-Sequenzen. Hier handelt es sich um eine besonders schwere Form, bei der auch die Ausbildung der Sylvi’schen Fissur fehlt (Mikrolissenzephalie Gruppe 5)
chygyrie-Spektrum), an Chromosom 17 gebunden (MillerDieker-Syndrom, isoliert), an X-Chromsom gebunden (Lissenzephalie, subkortikale Heterotopie), Pflastersteinlissenzephalie (Typ 2), bei kongenitaler Muskeldystrophie Fukoyama, bei Walker-Warburg-Syndrom, Muscle-Eye-Brain-Disease als Heterotopie (subependymal, subkortikal, kortikal). 4 Fokal und multifokal: Fokale Agyrie oder Pachygyrie (partielle Lissenzephalie), fokale oder multifokale Heterotopie, mit Anomalie der Organisation des Cortex (z. B. Aicardi-Syndrom, paroxysmale Krankheiten). Störungen der Organisation des Cortex. Hier sind zu unterscheiden: 4 generalisiert: Polymikrogyrie 4 fokal oder multifokal: Polymikrogyrie/Schizenzephalie
Lissenzephalie Eine weitgehend glatte Hirnoberfläche findet man bei der Lissenzephalie (Agyrie) (. Abb. 9.27). Die Pachygyrie zeigt einige schwach ausgeprägte, grobe Windungen. Der Cortex ist relativ dick, seine Neuronen sind unregelmäßig in nur 4 Schichten angeordnet. Die weiße Substanz erscheint schmal, das Ventrikelsystem ist meist erweitert. Nach Morphologie und Genetik sind verschiedene Formen der Lissenzephalie zu unterscheiden. Ein Gen (LES 1) ist als verantwortlich nachgewiesen, wobei Beziehung zum plättchenaktivierenden Faktor (PAF) bestehen, der für die Differenzierung des Cortex wichtig ist. Das Gen ist auf dem Chromosom 17p13.3 lokalisiert.
9
90 Kapitel 9 · Gehirn
. Tab. 9.2. Gruppeneinteilung der Mikrolissenzephalien
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Gruppeneinteilung
Charakteristische Darstellung
Gruppe 1
Unkomplizierte Geburt und Schwangerschaft, Mikrozephalie mit wenigen, breiten Gyri, Cortex selbst nicht dysplastisch
Gruppe 2
Komplizierte Geburt, Mikrozephalie mit wenigen, breiten Gyri, Cortex selbst nicht dysplastisch, oft Myelinisierungsverzögerung
Gruppe 3
Unkomplizierte Geburt und Schwangerschaft, weniger und breitere Gyri als bei Gruppe 1 und 2, oft mit Heterotopien und Arachnoidalzysten vergesellschaftet
Gruppe 4
Pränatale Probleme, oft Polyhydramnion, jejunale Atresie und Arthrogryposis multiplex
Gruppe 5
Schwerste Form, massive Mikrozephalie, maximal 5 Gyri pro Hemisphäre, ausgedünnt erscheinender Cortex
Die Gruppe der Mikrolissenzephalien lässt sich in 5 verschiedene Untergruppen unterteilen, die sich klinisch und MR-tomographisch unterscheiden (. Tab. 9.2). Beim Lissenzephaliesyndrom (Miller-Dieker) wird neben einer autosomalen Vererbung auch eine Mikrodeletion im Bereich des kurzen Arms von Chromosom 17 beobachtet. Neben der Hirnfehlbildung treten weitere Anomalien auf: hohe Stirn, prominentes Hinterhaupt, schräge Lidachsen, antevertierte Nasenlöcher, Hornhauttrübung, abnorm geformte Ohrmuscheln, Mikrogenie, Hirsutismus, Poly- und Syndaktylie, Vierfingerfurche, Herzfehler. Die betroffenen Kinder zeigen kaum Entwicklungsfortschritte. Neben Gedeihstörungen und rezidivierenden Infekten haben sie zerebrale Anfälle bei Hypsarrhythmie. Eine Mikrozephalie wird schon intrauterin beobachtet. Mit der MRT ist die Diagnose zu stellen.
Polymikrogyrie Die Vermehrung der Windungen gibt dem Gehirn ein blumenkohlähnliches Aussehen. Oft sind die Veränderungen lokalisiert (Poikilogyrie, z. B. im Bereich dysgenetischer Bezirke) (. Abb. 9.28). Die Differenzierung des Cortex ist verändert, die weiße Substanz hypoplastisch. Die beeinträchtigte Neuroblastenmigration hat Bewegungsstörungen, geistige Behinderung und Anfälle zur Folge.
Hemimegalenzephalie Die Hemimegalenzephalie ist eine komplexe und relativ seltene Störung der neuronalen Proliferation, Migration und Organisation. Hierbei handelt es sich um eine hamartomatöse Veränderung einer Hemisphäre, die meist die gesamte, aber auch nur Teile einer Hemisphäre betreffen kann. Die Hemimegalenzephalie kann mit einer Hemihypertrophie des Körpers einhergehen, aber auch isoliert vorkommen. Bildgebung. Es zeigt sich in der Regel eine Vergrößerung einer
Hemisphäre oder Teile der Hemisphäre. Der Cortex ist meist dysplastisch, oft findet sich eine Pachygyrie oder eine Agyrie im betroffenen Bereich.
Kortikale Dysplasie Mithilfe der MRT sind umschriebene Differenzierungsstörungen der Hirnrinde (Anomalien der kortikalen Entwicklung) festzustellen (. Abb. 9.29), die für zerebrale Anfälle (ca. 25% bei
. Abb. 9.28. Polymikrogyrie. Okzipital zeigen sich kleine und kleinste Gyri in der axialen T1w-Aufnahme
partiellen Anfällen), aber auch für Entwicklungs- und Teilleistungsstörungen verantwortlich sein können. Aufgrund der Morphologie werden unterschiedliche Formen differenziert (fokale oder laminäre Dysplasien, Heterotopien). Neben der Rinde sind auch Markstrukturen betroffen, es können die neuronale Proliferation und kortikale Organisation beeinträchtigt sein. Mit der verbesserten Diagnostik sind derartige Anomalien zunehmend häufig nachzuweisen, sodass die Ursache mancher kryptogenen Epilepsie oder Entwicklungsauffälligkeit geklärt werden kann. Es werden fokale kortikale Dysplasien mit und ohne Ballonzellen unterschieden. Histopathologisch kann zwischen einer Dysplasie der Kortexarchitektur mit ektopen Neuronen in der weißen Substanz, einer Dysplasie der Zytoarchitektur des Cortex mit vergrößerten Neuronen und einer Dysplasie vom Typ Taylor, bei denen dysmorphe Neuronen und Ballonzellen zur Darstellung kommen, unterschieden werden. Bei der transhemisphärischen kortikalen Dysplasie finden sich dysplastische Zellen auf der gesamten Länge zwischen sub-
91 9.2 · Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen des Gehirns
nalen Migration auf ihrem Weg von der subependymalen germinalen Matrixzone zur Hirnoberfläche liegen geblieben. Es werden subependymale und fokal-subkortikale Heterotopien unterschieden: 4 Bei den subependymalen Heterotopien sind die Neuronen direkt in der germinalen Matrixzone verblieben. 4 Bei den fokal-subkortikalen Heterotopien befinden sich die Neuronen zwischen Ventrikeloberfläche und Cortex. > Eine 3. Form, die so genannte bandförmige Heterotopie, bei der graue Substanz breitbasig, bandförmig innerhalb der weißen Substanz verblieben ist, wird neuerdings zu den Lissenzephalien gerechnet.
. Abb. 9.29. Kortikale Dysplasie, Heterotopie. In den axialen T1w Inversion-recovery Aufnahme zeigen sich eine bandförmige Signalveränderung im Marklager, eine Verdickung des Cortex sowie eine Gyrierungsstörung, zugleich zystische Erweiterung des Seitenventrikels
ependymaler germinaler Matrixzone und Cortex. Histologisch zeigen sich hierbei atypische Neuronen und Gliazellen. Der histologische Befund entspricht dem einer tuberösen Sklerose, weswegen die fokalen transhemisphärischen, kortikalen Dysplasien bisweilen auch als abortive Formen der tuberösen Sklerose bezeichnet werden. Bildgebung. In der MRT zeigt sich eine Dysplasie, die von der subependymalen Ventrikeloberfläche bis zum Cortex reicht und meist linear bzw. trichterförmig konfiguriert ist. Der angrenzende Cortex ist in der Regel ebenfalls dysplastisch. Die Dysplasie ist im Vergleich zur umliegenden weißen Substanz in den T2-gewichteten Sequenzen und in den FLAIR-Aufnahmen hyperintens. Der Übergang zwischen grauer und weißer Substanz erscheint unscharf.
Pflasterstein-Lissenzephalie (Cobblestone-Lissenzephalie) Die Pflastersteinlissenzephalie ist mit einer kongenitalen Muskeldystrophie assoziiert. Das Fehlen bestimmter Proteine führt zu einer Migrationsstörung. Zu dieser Erkrankungsgruppe gehören das Walker-Warburg-Syndrom, die Fukoyama-kongenitale Muskeldystrophie und die Muscle-Eye-Brain-Erkrankung.
Heterotopien Subependymale und fokal-subkortikale Heterotopien Heterotopien stellen die klassische Störung der neuronalen Migration dar. Hierbei handelt es sich um versprengte graue Substanz; die Neuronen sind aufgrund eines Arrests der neuro-
Klinisch zeigen Patienten mit Heterotopien oft epileptische Anfälle und Entwicklungsverzögerungen. Heterotopien sind häufig mit anderen Fehlbildungen assoziiert, z. B. mit kortikalen Dysplasien, Pachygyrien und Polymikrogyrien. Ein Teil der subependymalen Heterotopien zeigt einen X-chromosomalen oder autosomal-rezessiven Abgang. Die wichtigste Differenzialdiagnose zu subependymalen Heterotopien ist die tuberöse Sklerose. Bei den fokal-subkortikalen Heterotopien sind die Neuronen in Richtung Kortexoberfläche gewandert, aber innerhalb der weißen Substanz verblieben. Sie können einzeln oder auch multipel vorkommen. Das zugehörige Rindenband ist meist dysplastisch oder ausgedünnt. Bildgebung. Die subependymalen Heterotopien liegen direkt periventrikulär, angrenzend an das ventrikuläre Ependym (. Abb. 9.30). In der Bildgebung stellen sich diese subependymalen nodulären Heterotopien in sämtlichen Sequenzen zur grauen Substanz in isointenser Signalgebung dar. Differenzialdiagnostisch sind sie von Tubera bei der tuberösen Sklerose abzugrenzen. Fokale subkortikale Heterotopien liegen direkt subkortikal, innerhalb der weißen Substanz. Sie können einzeln oder multipel vorkommen. Fokal-subkortikale Heterotopien sind häufig mit anderen kongenitalen Fehlbildungen des Gehirns vergesellschaftet. Der darüber liegende Cortex ist häufig dysplastisch. Die bandförmigen Heterotopien werden zum Lissenzephaliekomplex gezählt.
9.2.6
Schizenzephalie, Porenzephalie, Hemiatrophie
Strukturdefekte im Bereich der Hemisphären sind Folge einer
Entwicklungsstörung oder eines Gefäßverschlusses. Bei der Schizenzephalie findet man die Pori symmetrisch, bevorzugt parietotemporal (. Abb. 9.31). Sie reichen von der Rinde bis zum Ventrikel und sind von einer Polymikrogyrie umgeben. Es können Anfälle auftreten. Eine Schizenzephalie kann auch unbemerkt bleiben.
Schizenzephalie Die Spaltbildungen werden in so genannte offene und geschlossene Spalten eingeteilt (Open-lip- und Closed-lip-Schizenzephalien). Bei der Open-lip-Schizenzephalie kommuniziert das Ventrikelsystem über die Spalte direkt mit den äußeren Liquor-
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a . Abb. 9.30a, b. Subependymale Heterotopie. In sämtlichen Wichtungen (a T1-Wichtung in Inversion-recovery-Technik, b T2-Wichtung) zeigen
b sich noduläre, subependymal gelegene Heterotopien grauer Substanz, isointens zum Cortex
Porenzephalie Als Porenzephalie (. Abb. 9.32) wird eine Läsion bezeichnet, die infolge von Durchblutungsstörungen (Gefäßanomalien, Embolie, Thrombose) intrauterin aufgetreten ist und zu einem Parenchymuntergang geführt hat. Diese Pori sind unregelmäßig angeordnet und zeigen v. a. in den FLAIR-Sequenzen je nach Ausbildung unregelmäßige Wandungen.
Hemiatrophie Die Läsion einer ganzen Hälfte (Hemiatrophia cerebri) ist meist auf pränatale Durchblutungsstörungen zurückzuführen. Es resultieren Schädelasymmetrien, spastische Hemiplegie mit Wachstumsverzögerung, oft auch zerebrale Anfälle und Intelligenz- oder Teilleistungsstörungen. 9.2.7
. Abb. 9.31. Schizenzephalie. In den axialen FLAIR-Aufnahmen zeigt sich eine Spaltbildung links parietookzipital, die die inneren und äußeren Liquorräume verbindet und entlang des Spalts mit grauer Substanz ausgekleidet ist
räumen. Bei der Closed-lip-Schizenzephalie berühren sich die mit grauer Substanz ausgekleideten Spalten. In der MRT zeigt sich bei der Schizenzephalie, dass die Spaltbildung von grauer Substanz ausgekleidet ist. Die angrenzenden kortikalen Strukturen zeigen jedoch Dysplasien. Die Closed-lipSchizenzephalie ist häufig nur an einer fokalen Ausziehung der Ventrikelseitenwand in Richtung der Spaltbildung zu erkennen. Häufig sind die Formen der Schizenzephalie mit einem Fehlen des Septum pellucidum vergesellschaftet.
Holoprosenzephalie
Bei enger Beziehung zum prächordalen Mesoderm führen Entwicklungsstörungen des Prosencephalons (4. bis 6. Gestationswoche) auch zu Anomalien des Gesichts: 4 Zyklopie 4 Ethmozephalie mit Hypotelorismus 4 Mediane Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte Die Ursachen sind heterogen, es kommt ein monogener Erbgang vor (autosomal-rezessiv und -dominant oder eine Chromsomenaberration auf Trisomie D, Deletion 18t und 13q), aber auch exogene Faktoren sind in Betracht zu ziehen (Virusinfektion, Diabetes der Mutter, Dioxin). Es gibt verschiedene Formen der Holoprosenzephalie: 4 alobäre Holoprosenzephalie 4 semilobäre Holoprosenzephalie 4 lobäre Holoprosenzephalie
93 9.2 · Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen des Gehirns
. Abb. 9.32. Porenzephalie. Defekt rechts frontal bei Zustand nach Teilinfarkt im Versorgungsgebiet der A. cerebri media (T2w-Sequenz)
Die alobäre Holoprosenzephalie ist die schwerste Störung. Die Lebenserwartung ist deutlich reduziert, häufig werden die betroffenen Kinder tot geboren. Bei der alobären Holoprosenzephalie besteht keine Differenzierung der Hemisphären. Man findet einen halbmondförmigen Holoventrikel, der in eine große, dorsal gelegene Zyste übergeht. Die Seitenventrikel sind nicht getrennt. Bei der semilobären Holoprosenzephalie sind die Hemisphären typischerweise im anterioren Bereich verschmolzen. Im posterioren Bereich ist das Splenium des Balkens angelegt, im anterioren Bereich fehlt er. Das Ausmaß des Fehlens des Balkens kollidiert mit dem Schweregrad der klinischen Störung. Die semilobäre Holoprosenzephalie ist die einzige kongenitale Störung, bei der die anterioren Anteile des Balkens fehlen, der posteriore Balken jedoch angelegt ist. Die lobäre Form der Holoprosenzephalie besteht aus einem Fehlen des Septum pellucidum. Die Vorderhörner der Seitenventrikel sind meist rudimentär angelegt, der 3. Ventrikel ist regelrecht ausgebildet. Übergänge zur septooptischen Dysplasie sind z. T. fließend.
9.2.8
Entwicklungsstörungen von Kleinhirn und Hirnstamm
Kleinhirnagenesie und- hypoplasie Selten fehlt das Kleinhirn völlig, meist liegen Entwicklungsstörungen einzelner Teile, der Hemisphären oder median gelegener Strukturen (Kleinhirnwurm) vor. Mit der MRT kann die hintere Schädelgrube gut dargestellt werden, und es lassen sich Anomalien von Varianten (Erweiterung der Cisterna magna) abgrenzen.
. Abb. 9.33. CDG-Syndrom (Congenital Disorder of Glycosylation). In der sagittalen T2w-Aufnahme erkennt man die für diese seltene Stoffwechselerkrankung typische zerebelläre Hypoplasie
Klinisch sind die Symptome oft sehr mild, auch bei ausgeprägten Befunden, was für eine gute Kompensationsfähigkeit des zerebellären Systems spricht. Die Hypoplasie einer Kleinhirnhemisphäre ist mit einer pränatalen Läsion oder Fehlbildung der kontralateralen Hirnhälfte verbunden. Verschiedene Anomalien des Kleinhirns kommen familiär vor und führen zu nichtprogredienten Heredoataxien. Eine progrediente Kleinhirnatrophie ist für die angeborene Störung der Glykosylierung typisch (CDG-Syndrom) (. Abb. 9.33).
Chiari-Anomalien Im Rahmen einer dysraphischen Störung kommt es oft zu Veränderungen an Kleinhirn und Hirnstamm mit Dislokalisation und Verformung, oft auch mit Hydrocephalus occlusus. Bei Chiari-Malformationen Typ I findet man symmetrische oder asymmetrische Verlagerungen der Kleinhirntonsillen in das Foramen magnum (. Abb. 9.34). Als Ursache ist meist eine Hypoplasie der hinteren Schädelgrube nachzuweisen. Oft sind zusätzlich andere Fehlbildungen wie Blockwirbelbildung, craniovertebrale Anomalien etc. zu finden. Die klinischen Symptome können relativ unspezifisch sein, neben Kopfschmerzen können auch Kompressionen der kaudalen Hirnnerven auftreten. Es kann aber auch zu Liquorzirkulationsstörungen kommen. Bei Patienten mit Chiari-Malformation sollte immer die gesamte Neuroachse untersucht werden (Syringohydromyelie). Bildgebung. Zur Beurteilung einer Chiari-Malformation sollten dünnschichtige sagittale Aufnahmen durchgeführt wer-
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. Abb. 9.34. Chiari-I-Malformation. Tiefstand der Kleinhirntonsillen und Hypoplasie der hinteren Schädelgrube (sagittale T2-Wichtung)
den. Die Kleinhirntonsillen sollten nicht mehr als 5 mm unterhalb einer Verbindungslinie zwischen Basion und Opisthion stehen. Bei der Chiari-Malformation Typ 2 (. Abb. 9.35), kommt es zu einer Verlagerung von Teilen des Kleinhirnunterwums in den Spinalkanal. Zusätzlich ist diese Malformation mit einer Spina bifida aperta und einer Meningomyelozele assoziiert. Durch die zu kleine hintere Schädelgrube kommt es zu einer Steilstellung des Tentoriums, am Übergang der Medulla oblongata ins Halsmark entsteht eine bajonettförmige Abwinkelung (Kinking) des Hirnstamms. Die Kleinhirnhemisphären legen sich um den Hirnstamm und sind im Foramen magnum nachweisbar. Der 4. Ventrikel ist schmal und komprimiert. Es zeigt sich oft auch eine Formveränderung der Vierhügelplatte (beaking). Dies kann zu Hirnnervenstörungen und vegetativen Dysregulationen führen. Durch die Druckveränderungen in der hinteren Schädelgrube kommt es häufig zu einer Liquorzirkulationsstörung, die sich als Hydrocephalus noncommunicans manifestiert. Eine Chiari-Malformation Typ 2 ist oft auch mit supratentoriellen Fehlbildungen assoziiert (Balkenagenesie, -hypogensie). Die Falx cerebri ist häufig nicht vollständig angelegt, es kommt zu einem Ineinandergreifen von Sulci und Gyri der beiden Hemisphären (Interdigitationen). Die Gyri des medialen Okzipitallappens sind oft zu zahlreich und zu schmächtig (Stenogyri). Bei der Chiari-Malformation Typ 3 findet man eine extrakranielle Verlagerung des Kleinhirns in eine subokzipitale-zervikale Zele; die der Typ 4-Malformation zugerechneten Beobachtungen haben eine Kleinhirnhypoplasie gemeinsam. . Abb. 9.35a–c. Chiari-Malformation Typ 2. a Tiefer Ansatz des Tentoriums bei kleiner hinterer Schädelgrube, Tiefstand der Kleinhirntonsillen in der T2-Wichtung. b In den axialen T1-gew. Aufnahmen sind die Kleinhirntonsillen lateral um den Hirnstamm zu erkennen und umgreifen diesen. c Zusätzlich supratentorielle Fehlbildung mit Balkendysplasie. Die spinale Meningomyelozele, die ebenfalls zum Chiari-II gehört, ist nicht mit abgebildet
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b
. Abb. 9.36a, b. Dandy-Walker-Malformation. a Zystische Fehlbildung der hinteren Schädelgrube mit hochstehenden Torcular herophili in den
axialen T1w-Sequenzen. b Zusätzlich Hypogenesie des Kleinhirnwurms in der sagittalen T2-Wichtung
! Eine wichtige Differenzialdiagnose zur Chiari-Malformation ist das Liquorunterdrucksyndrom bei einem Leakage.
Joubert-Syndrom
Dandy-Walker-Syndrom Kennzeichen für das Syndrom ist eine partielle oder komplette Vermis-Agenesie, weshalb das Dach der Rautengrube defekt und zystisch verändert wird (Ventrikulozele). Die hintere Schädelgrube kann dadurch stark aufgeweitet sein, das Tentorium und der Torcular stehen hoch (. Abb. 9.36). Auch wenn die Aperturen des 4. Ventrikels nicht verschlossen sind, wird ein Hydrozephalus meist durch eine Entwicklungsstörung des Subarachnoidalraums verursacht. Zusätzliche Fehlbildungen am Großhirn kommen vor. Klinische Symptome sind eine vorspringende Okzipitalschuppe, Hirnnervenstörung, Nystagmus und Rumpfataxie, auch spastische Erscheinungen können auftreten. Im Allgemeinen können 3 Gruppen unterschieden werden: 4 Dandy-Walker-Malformation 4 Dandy-Walker-Variante 4 Megacisterna magna Die Übergänge zwischen diesen Gruppen sind fließend und nicht immer eindeutig abgrenzbar. Bei der Dandy-Walker-Variante kommt es zu einer Volumenminderung der Vermis, zugleich tritt auch eine zystische Dilatation des 4. Ventrikels auf. Die hintere Schädelgrube ist jedoch nicht vergrößert. Bei der Megacisterna magna kommt es zu einer Vergrößerung der hinteren Schädelgrube ohne Nachweis einer zystischen Malformation des 4. Ventrikels, lediglich die Cisterna magna ist vergrößert und zystisch aufgeweitet. Der 4. Ventrikel und der Kleinhirnwurm sind bei diesen Störungen nicht pathologisch verändert.
Hierbei handelt es sich um eine komplette oder partielle Vermisagenesie ohne zystische Aufweitung der Rautengrube. Beim Joubert-Syndrom wird ein autosomal-rezessiver Erbgang diskutiert, es geht mit Anfällen von Hyperpnoe, abnormen Augenbewegungen (Opsoklonus), Ataxie und geistiger Retardierung einher. Bildgebung. In der MRT zeigen sich in den axialen Schichten die Hypoplasie der Vermis und die dadurch im kaudalen Anteil direkt aneinander liegenden Kleinhirnhemisphären. Durch die Konfiguration des schmächtigen Mittelhirns und der Kleinhirnschenkel stellt sich der 4. Ventrikel wie eine Fledermaus konfiguriert dar.
Rhombenzephalosynapsis Bei der Rhombenzephalosynapsis sind die beiden Hemisphären des Cerebellums nicht vollständig voneinander separiert (. Abb. 9.37). Der Vermis fehlt oft vollständig. Zusätzlich finden sich meist andere Fehlbildungen wie ein fehlendes Septum pellucidum oder kortikale Anomalien.
9.2.9
Arachnoidalzysten
Definition Arachnoidalzysten sind mit Flüssigkeit gefüllte Hohlräume im Bereich der Meningen oder unterhalb der Arachoidea (Subarachnoidalzysten) (. Abb. 9.38). Sie können mit Strukturveränderungen angrenzender Hirnareale einhergehen und Anschluss an das Liquorsystem haben. Angeborene, echte Arachnoidalzysten werden von 2 Lagen der Arachnoidea umgeben, bei der Sub-
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. Abb. 9.37. Rhombenzephalosynapsis. In der axialen T2w-Sequenz ist die Verschmelzung der beiden Kleinhirnhemisphären gut zu erkennen
. Abb. 9.38. Arachnoidalzyste. Temporomesial gelegene, liquorisointense Raumforderung, typisch für eine Arachnoidalzyste
arachnoidalzyste enthält die Wand auch Anteile von Pia mater und neuralem Gewebe. Abzugrenzen sind intrazerebrale Zysten, Pori und zystische Tumoren.
9.2.10
Epidemiologie und Ätiologie In Autopsiestudien werden in 1 von 1000 Fällen Arachnoidalzysten gefunden. Als angeborene Anomalien entstehen Arachnoidalzysten wahrscheinlich in den ersten Wochen der Schwangerschaft. In einigen Fällen wird ein familiäres Vorkommen beobachtet. Arachnoidalzysten als erworbene Anomalien können Folge von Entzündungen, Traumata oder Blutungen sein. Die Zellen der Zystenwand können Flüssigkeit sezernieren, sodass es zu einer Größenzunahme kommen kann, wenn eine Verbindung zum Subrachnoidalraum fehlt.
Klinik Arachnoidalzysten bleiben nicht selten klinisch asymptomatisch und werden als Zufallsbefund festgestellt. Gelegentlich können sie zu Symptomen wie Liquorzirkulationsstörung mit Kopfschmerzen, Stauungspapillen, Erbrechen und Wesensveränderungen führen. Bei Säuglingen kommt es meist zu einem beschleunigten Schädelwachstum.
Bildgebung Im CT und MRT sind die Arachnoidalzysten in der Regel einfach zu erkennen, oft liegt eine Ausdünnung der Kalotte bei oberflächlich gelegenen Arachnoidalzysten vor. Differenzialdiagnostisch abzugrenzen sind zystische Tumoren, Schizenzephalien, subdurale Hämatome, Dandy-Walker-Syndrom sowie eine große Cisterna magna. Arachnoidalzysten liegen v. a. im Interhemisphärenspalt, temporal, im Bereich der basalen Zisternen oder der hinteren Schädelgrube.
Neurokutane Syndrome (Phakomatosen)
Unter neurokutanen Syndromen oder Phakomatosen versteht man eine heterogene Gruppe von genetisch bedingten Krankheiten, die durch Dysplasien, v a. von neuroektodermalem Gewebe charakterisiert sind. In den letzten Jahren konnten für eine Reihe dieser Krankheiten die zugrunde liegenden Gendefekte aufgeklärt werden. Hieraus ergeben sich ein erweitertes pathogenetisches Verständnis und Perspektiven für neue Therapieansätze. Zu den neurokutanen Syndromen zählen neben den hier aufgeführten Krankheiten eine Reihe seltener Störungen, die den Rahmen dieses Buchs sprengen würden und in speziellen Lehrbüchern nachgelesen werden können.
Neurofibromatose Typ I (NF I) Definition, Epidemiologie Die autosomal-dominant vererbte Neurofibromatose Typ I, auch periphere Neurofibromatose oder Morbus Recklinghausen genannt, tritt mit einer Häufigkeit von ca. 0,3/1000 auf. Es zeigen sich keine regionalen oder Geschlechtsunterschiede. Sie stellt eine der häufigsten Erbkrankheiten überhaupt dar. Spektrum und Ausprägungsgrad der für die Krankheit typischen Befunde sind ausgesprochen variabel und im Einzelfall nicht vorhersehbar, was die Beratung und Betreuung betroffener Patienten erschwert.
Ätiologie Die Krankheit wird verursacht durch eine Mutation des auf Chromosom 17q11.2 lokalisierten 1990 identifizierten NF IGens. Die Hälfte der NF I-Fälle geht auf Spontanmutationen zurück. Es handelt sich hier um ein Tumorsuppressorprotein, das in vielfältiger Weise die Zellproliferation und -differenzierung beeinflusst.
97 9.2 · Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen des Gehirns
Klinik Das charakteristische Merkmal der Neurofibromatose Typ I sind umschriebene, Milchkaffee-artige Hyperpigmentierungen der Haut mit einem Durchmesser von 0,5 bis ca. 5 cm. Diese Café-aulait-Flecken lassen sich bei fast 100% der Betroffenen nachweisen und führen bei der Mehrzahl der Patienten zur erstmaligen Vorstellung. Café-au-lait-Flecken können auch ohne Zusammenhang mit NF I auftreten, jedoch weisen >6 dieser gutartigen Hautveränderungen mit großer Wahrscheinlichkeit auf eine Neurofibromatose hin. Die Flecken können bereits bei Geburt vorhanden sein und in der Kindheit an Größe und Zahl zunehmen. Bei 40% der Patienten kommen sommersprossenartige Pigmentierungen der Achseln und Inguinalregion (Freckling) vor. Neurofibrome sind gutartige Tumoren des peripheren Nervenbindegewebes, die sich bei fast allen NF I-Patienten im Laufe des Lebens entwickeln. Unterschieden werden im Wesentlichen 2 Formen: 4 Plexiforme Neurofibrome: sie gehen von größeren viszeralen Nervensträngen aus und können durch ihre Größenausdehnung zur Verdrängung benachbarter Organe und erheblicher kosmetischer Entstellung führen. Dieser Tumortyp ist hochspezifisch für NF I und tritt kongenital oder im Säuglingsund Kleinkindesalter auf. In ca. 5% der Fälle entwickeln sich aus plexiformen Neurofibromen Neurofibrosarkome bzw. maligne Schwannome. 4 Dermale Neurofibromatome werden dagegen nur selten vor dem 5. Lebensjahr diagnostiziert und sind kleine, häufig in großer Zahl auftretende Tumoren, die von den terminalen Aufzweigungen kutaner Nerven ausgehen. Die häufigsten intrazerebralen Tumore stellen Optikusgliome dar, die meist im Kleinkindesalter auftreten und bei ca. 15% aller NF I-Patienten vorkommen. Beidseitiges Auftreten wird fast ausschließlich im Zusammenhang mit NF I beobachtet, einseitige Optikusgliome sind in ca. 70% der Fälle mit NF I assoziiert. Diese Tumoren verursachen in der Regel keine klinischen Symptome. Da Optikusgliome nur selten einen progredienten Verlauf zeigen und in Einzelfällen auch eine Spontanregression beschrieben wurde, ist bei asymptomatischen Tumoren in der Regel keine spezielle Therapie notwendig. Zu den pathognomonischen Befunden der NF I gehören die so genannten Lisch-Knötchen. Hierbei handelt es sich um IrisHamartome von 1–2 mm Durchmesser. Lisch-Knötchen nehmen mit zunehmenden Lebensalter an Zahl zu und werden bei 100% der erwachsenen NF I-Patienten gefunden. Primäre Knochenläsionen sind ein weiteres Merkmal der NF I. Bei 10% der Patienten werden Skoliosen gefunden, die typischerweise im Alter von 6–10 Jahren beginnen. Weitere charakteristische Knochendefekte sind Keilbeinflügeldysplasien, kongenitale Pseudoarthrosen der Tibia sowie frühkindliche Verkrümmungen der langen Röhrenknochen. Zu den häufigen weiteren Befunden gehören Minderwuchs, Makrozephalie, zerebrale Anfälle sowie häufig vorkommende Durchblutungsstörungen, die durch umschriebene zelluläre Hyperproliferationen an der Gefäßwand zustande kommen. Bei kernspintomographischen Befunden des Parenchyms von NF-I-Patienten zeigen sich häufig fokale Hyperintensitäten
in den Basalganglien, im Hirnstamm und des Cerebellum, die am ehesten Myelinvakuolisierungen entsprechen (. Abb. 9.39, . Abb. 9.40). Hierbei handelt es sich um passagere Befunde, die bei Kindern <15 Jahren häufiger, bei älteren Erwachsenen nur noch in 30% der Fälle gefunden werden.
Diagnose Bei international festgelegten NF I-Diagnosekriterien kann die Diagnose gestellt werden, wenn mindestens 2 der in der folgenden Übersicht genannten Kriterien erfüllt sind.
NF I-Diagnosekriterien 4 6 oder mehrere Café-au-lait-Flecken mit einem Durchmesser von >5 mm bei präpubertären, von >15 mm bei postpubertären Patienten 4 2 oder mehrere Neurofibrome jeglichen Typs oder mindestens 1 plexiformes Neurofibrom 4 Sommersprossenartige Pigmentierung der Achselhöhlen oder der Inguinalregion 4 Optikusgliom 4 Lisch-Knötchen (Irishamartome) 4 Typische Knochenläsionen wie Keilbeinflügeldysplasie oder Verkrümmung der langen Röhrenknochen mit oder ohne Pseudoarthrose 4 Ein Verwandter ersten Grades (Elternteil, Geschwister oder Kind) mit Diagnose von NF I aufgrund o. g. Kriterien
Bildgebung
Bei Patienten mit dem klinischen Verdacht auf eine Neurofibromatose vom Typ I sollten immer T2- und T1-gewichtete Sequenzen und eine FLAIR-Sequenz des gesamten Neurokraniums sowie eine STIR-Sequenz der vorderen Sehbahn angefertigt werden. Zusätzlich sollten T1-gewichtete Aufnahmen vor und nach Kontrastmittel-Applikation durchgeführt werden. Die Schichtführung sollte an den Verlauf des N. opticus und an das Chiasma angepasst werden. Bei Kindern mit einer Neurofibromatose vom Typ I fallen in der T2w- und FLAIR-Sequenz häufig multiple, relativ geringe Signalintensitätssteigerungen im Marklager auf, in den T1-gewichteten Sequenzen stellen sich diese Läsionen meist nicht dar. Für diese Marklagerläsionen hat sich der Begriff der Myelinvakuolen eingebürgert, wenn gleich er aus histopathologischer Sicht eigentlich nicht korrekt ist. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um kleine Areale mit einer Dysplasie des Myelins. Diese Myelinvakuolisierungen sind nur noch in ca. 30% der Fälle bei Erwachsenen zu finden. Klinisch haben sie wahrscheinlich keine Bedeutung. Bei Kindern mit einer Neurofibromatose vom Typ I kommt es gehäuft zur Entstehung verschiedener Arten von Tumoren, v. a. Gliomen der vorderen Sehbahn (7 Kap. 9.4). Histopathologisch sind diese Optikusgliome pilozytische Astrozytome (WHO Grad I). Es können jedoch auch hochmaligne Gliome der vorderen Sehbahn vorkommen. Nach Kontrastmittelgabe zeigen die Optikusgliome häufig ein ausgeprägtes Enhancement, v. a. im
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. Abb. 9.39a–c. Neurofibromatose Typ I. a, b In den T2-gew. und FLAIRAufnahmen zeigen sich an typischer Stelle um den 4. Ventrikel Signalanhebungen, die mit einer Myelinvakuolisierung vereinbar sind. Zusätzlich
. Abb. 9.40. Myelinvakuolisierung. Typische Myelinvakuolisierung in den Stammganglien bei einem Patienten mit NF I
Bereich der Nn. optici und des Chiasmas, z. T. auch der Tractus optici. Neben den Optikusgliomen kommen auch intrazerebrale Astrozytome gehäuft vor. Diesen können jeden histologischen Grad aufweisen, pilozytische Astrozytome WHO Grad I sind jedoch besonders häufig anzutreffen (. Abb. 9.83). Bei Patienten mit einer Neurofibromatose NF I treten diese Astrozytome v. a. im Bereich des Pons, der Medulla oblongata und des Mittelhirns, aber auch im Bereich der Kleinhirnhemisphären auf.
c zeigen sich verdickte und elongierte Nn. optici mit erweiterter Nervenscheide. c In der T1-Wichtung nach KM-Gabe ist kein pathologisches Enhancement zu erkennen
Da auch gehäuft Veränderungen an den Gefäßen auftreten, sollte wenn möglich auch eine Darstellung der intra- und extrakraniellen Gefäße im MRT erfolgen. Fibröse Dysplasien, v. a. am Os sphenoidale, treten ebenfalls gehäuft auf und können zu einer Druckwirkung auf die Orbita mit einem resultierenden Exophthalmus oder im Verlauf auch zu einer Optikusatrophie führen. Das typische Charakteristikum der Neurofibromatose vom Typ I ist das Vorliegen von Neurofibromen. Hierbei handelt es sich um Tumore der Nervenscheiden. In der MRT der Neuroachse zeigen sich Neurofibrome meist in intra- oder paraspinaler Lage. Sie können als noduläre Tumoren an der Cauda equina oder auch intraforaminal liegen. Intraforaminale Neurofibrome können zu einer Aufweitung des betroffenen Neuroforamens führen. Reicht dieses Neurofibrom nach intra- und nach extraspinal, so zeigt sich die Konfiguration einer Sanduhr. Im MRT stellen sich die Neurofibrome in den T1-gewichteten Sequenzen leicht hyperintens dar. In den T2-gewichteten Sequenzen ist ihre Signalintensität variabel, nach i. v. Kontrastmittelgabe kommt es meist zu einem deutlichen Enhancement der Neurofibrome. Vor allem bei paravertebraler Lage können fettunterdrückte T1-gewichtete Sequenzen nach Kontrastmittelgabe hilfreich sein. > Neurosarkome sind im Gegensatz zu Neurofibromen meist größer und oft auch unscharf begrenzt. Die Binnenstruktur ist häufig inhomogener, allerdings gibt es kein verlässliches Kriterium, das eine sichere Differenzierung eines Neurofibroms von einem Neurofibrosarkom erlaubt. Im Zweifelsfall sollte eine operative Entfernung bzw. eine Biopsie erfolgen. Plexiforme Neurofibrome bestehen aus einfachen Neurofibromen. Die Ausbreitung erfolgt meist diffus entlang eines Nervs, wobei sich der Ursprungsnerv in der Regel nicht mehr abgrenzen lässt. Sie wachsen lokal aggressiv, metastasieren jedoch nicht. In
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Wirbelkörper, die zu einer Skoliose führen können. Hierbei handelt es sich meist um eine Dextroskoliose. Patienten mit NF I zeigen zusätzlich durale Ektasien und laterale Meningozelen.
Neurofibromatose Typ II Definition, Epidemiologie, Ätiologie Die Neurofibromatose Typ II (NF II) oder zentrale Neurofibromatose – unterscheidet sich klinisch und genetisch von der NF I. Sie kommt mit einer Inzidenz von ca. 1:30 000 vor und ist damit wesentlich seltener als die NF I. Auch hier konnte eine Mutation des auf Chromosom 22 q11.2 lokalisierten NF II-Gens lokalisiert werden, die autosomal-dominant vererbt wird und in der Hälfte der Fälle auf eine Spontanmutation zurückgeht. Das veränderte Protein ist an der Kontrolle von Zellform, Zellbewegung und Zell-Zell-Kommunikation beteiligt.
Klinik
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Die NF II ist eine Krankheit des Jugendlichen und jungen Erwachsenen, nur 10% der Patienten werden vor dem 10. Lebensjahr symptomatisch. Die klinische Variabilität ist bei Weitem nicht so groß wie für die NF I. Der typische und bei >80% der Patienten anzutreffende Befund sind bilaterale Tumoren des 8. Hirnnervs (. Abb. 9.41, . Abb. 9.86). Diese Tumoren bestehen fast ausschließlich aus Schwannzellen und gehen vom Vestibularisanteil des Nervs aus, sodass die Bezeichnung VestibularisSchwannom dem früher üblichen und immer noch oft gebrauchten Akustikusneurinom vorzuziehen ist.
Klinik
b . Abb. 9.41a, b. Neurofibromatose Typ II. Bilaterale Vestibularis-Schwannome als typisches Beispiel für NF II. a T1-Wichtung vor KM; b T1-Wichtung nach KM-Gabe mit kräftigem Enhancement
der MRT stellen sie sich in der Regel als flächig wachsende infiltrative Raumforderungen dar. In den T1-gewichteten Sequenzen sind sie leicht hyperintens, nach Kontrastmittelgabe kommt es zu einem fokalen, inhomogenen Enhancement. In den T2-gewichteten Sequenzen stellen sie sich relativ hyperintens dar. Bei der Neurofibromatose NF I kommt es gehäuft auch zu spinalen Fehlbildungen. Häufig finden sich Dysplasien der
Die Vestibularis-Schwannome machen sich durch progrediente Hörminderung bis zur Ertaubung sowie durch Tinnitus und Schwindel bemerkbar. Bei zusätzlicher Beeinträchtigung von N. facialis und N. trigeminus können auch Muskelschwäche und Sensibilitätsstörungen im Gesichtsbereich auftreten. Schwannome können bei NF II auch im Verlauf anderer Nerven oder der Spinalwurzeln auftreten. Wenn subkutane periphere Nerven betroffen sind, können diese Schwannome klinisch wie dermale Neurofibrome bei NF I imponieren. Ca. 40% der Patienten zeigen im Verlauf der Erkrankung Meningeome, die auch multipel auftreten können. Daneben wird aber auch eine Häufung verschiedener anderer intrakranieller Tumoren beobachtet. Café-au-lait-Flecken kommen auch bei NF II ebenfalls häufiger vor als in der Normalbevölkerung. Das Auftreten von >6 dieser Hyperpigmentierungen ist bei NF II jedoch selten. Subkapsuläre posteriore Katarakte werden bei fast der Hälfte der Patienten gefunden. Sie treten meist schon im Kindesalter auf und können wegweisend für die Diagnosestellung sein. Hamartome der Retina werden ebenfalls gehäuft bei NF II gefunden.
Diagnose Auch hierfür gibt es klinische Kriterien, anhand derer eine Diagnose gestellt werden kann (Übersicht).
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Kapitel 9 · Gehirn
NF II-Diagnosekriterien Die Diagnose NF II kann gestellt werden, wenn die Kriterien für die Punkte I oder Punkt II erfüllt sind: 4 I. Computer- oder kernspintomographischer Nachweis von bilateralen Tumoren der 8. Hirnnerven oder 4 II. Ein Verwandter 1. Grades mit gesicherter Diagnose von NF II und entweder a) einem unilateralen Tumor des 8. Hirnnerven oder b) 2 der folgenden Befunde: – Neurofibrom – Meningeom – Gliom – Schwannom – Juvenile posteriore subkapsuläre Linsentrübung
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Bei Verdacht auf NF II sollten eine gründliche ophthalmologische und HNO-Untersuchung sowie eine kranielle Kernspintomographie durchgeführt werden. Kinder betroffener Eltern sollten in jährlichen Abständen körperlich, neurologisch und ophthalmologisch untersucht werden. Zwischen dem 10. und 30. Lebensjahr werden jährlich audiometrische Untersuchungen empfohlen. Ein normales kranielles MRT im Alter von 30 Jahren macht jedoch die Diagnose NF II sehr unwahrscheinlich. Bildgebung. Bei NF II sollten T2w- und FLAIR-Sequenzen
durch das gesamte Neurokranium sowie zusätzlich axiale T1-gewichtete Sequenzen vor und nach Kontrastmittelgabe sowie axiale dünnschichtige Sequenzen durch den Kleinhirnbrückenwinkel angefertigt werden. Besteht der Verdacht auf kleine intrameatal gelegene Vestibularis, sind zusätzliche T2gewichtete Sequenzen bzw. eine CISS-Sequenz hilfreich. Bei einer Neurofibromatose vom Typ II unterscheiden sich die auftretenden intrakraniellen Tumoren nicht von spontan auftretenden Tumoren. Es ist die Kombination der Tumoren, die die Diagnose einer Neurofibromatose vom Typ II nahe legt. Bei bilateralen Vestibularis-Schwannomen ist die Diagnose der Neurofibromatose vom Typ II auch ohne das Vorliegen weiterer Tumoren zu stellen, es sollte jedoch an deren mögliches Vorhandensein gedacht werden. Deswegen sollte die gesamte Neuroachse untersucht werden, da gehäuft intraspinale und paraspinale Schwannome auftreten können.
Tuberöse Sklerose Definition, Epidemiologie Früher wurde die tuberöse Sklerose als Morbus BournevillePringle und in neuester Zeit auch als TSC (tuberous sclerosis complex) bezeichnet. Diese Krankheit gehört mit den Neurofibromatosen zu den häufigsten neurokutanen Syndromen. Die tuberöse Sklerose tritt in einer Inzidenz von ca. 1:20 000 auf, in der Hälfte der Fälle kann ein autosominal-dominanter Vererbungsmodus nachgewiesen werden, der restliche Anteil der TSC-Erkrankungen geht auf neue Mutationen zurück. Bisher
konnten 2 unterschiedliche Genloci identifiziert werden: das TSC 1-Gen auf Chromosom 9q34 und das TSC 2-Gen auf 16p13.3.
Klinik Neben zerebralen Krampfanfällen und einer psychomotorischen Retardierung treten hypopigmentierte Flecken der Haut (white spots) auf, deren Größe von wenigen Millimetern bis zu ca. 5 cm variiert. Diese Hypopigmentierungen lassen sich in ca. 90% der Fälle schon im Säuglingsalter nachweisen, die fazialen Angiofibrome treten meist erst im Alter von 3–4 Jahren auf. Dabei handelt es sich um kleine, symmetrisch über Wangen, Nasolabialfalten und Kinn ausgebreitete teleangiektatische Papeln, die hamartöse Fehlbildungen der Gesichtshaut darstellen und früher als Adenoma sebaceum bezeichnet wurden. Sub- und periunguale Fibrome gehören ebenfalls zu den charakteristischen Befunden. Diese Erkrankungen treten auch als gliomatöse Tumoren der Retina und Rhabdomyome des Herzens auf. Eine renale Beteiligung in Form von Angiomyolipomen oder Nierenzysten ist ebenfalls bedeutsam.
Diagnose Die Kombination eines zerebralen Anfallsleiden mit fleckförmigen Hypopigmentierungen der Haut muss an das Vorliegen einer tuberösen Sklerose denken lassen. Zur Diagnose gehören eine dermatologische und ophthalmologische Untersuchung sowie die Durchführung einer kraniellen Kernspintomographie (. Abb. 9.42). Bei diesen Patienten sollten eine FLAIR- sowie eine T1- und T2-gewichtete axiale Sequenz durchgeführt werden. Zur Beurteilung von subependymalen Tubera der Seitenwand der Ventrikel sind koronare T1-gewichtete Sequenzen vor und nach Kontrastmittelgabe hilfreich. Pathognomonisch für die Erkrankung sind fokale Dysplasien des zerebralen Cortex, die so genannten Tuber. Dabei handelt es sich um harte und auffallend weiße Läsionen von wenigen Millimetern bis einigen Zentimetern Durchmesser, die histologisch durch Verlust der normalen Hirnrindenarchitektur, Nervenzelluntergang und Astrogliose gekennzeichnet sind. Ähnliche Gliaknötchen finden sich subependymal in den lateralen Wänden der Seitenventrikel. Die Zahl der kernspintomographisch nachweisbaren Tuber scheint mit dem Schweregrad der Krankheit zu korrelieren. Eine maligne Transformation einzelner Tuber ist ebenfalls beschrieben worden. Tuber stellen sich in den T1-gewichteten Sequenzen hypointens, in der T2-Wichtung und in der FLAIR-Sequenz hyperintens zur myelinisierten weißen Substanz dar. Tuber können auch außerhalb des Rindenbandes heterotop liegen. Subependymale Noduli, kleine fokale Hamartome in subependymaler Lage, imponieren als kleine noduläre Vorwölbungen, die in den T2-gewichteten Sequenzen hypo- und in den T1-gewichteten Sequenzen leicht hyperintens im Vergleich zur noch nicht myelinisierten weißen Substanz zur Darstellung kommen. Mit zunehmendem Alter neigen subependymale Knötchen zu Verkalkungen, diese Verkalkungen stellen sich oft schollig konfiguriert im CT dar und führen zu Signalminderungen bzw. -auslöschungen in den T2und T2*-gewichteten Sequenzen.
101 9.2 · Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen des Gehirns
a
b . Abb. 9.42a–c. Tuberöse Hirnsklerose. a In den FLAIR-Sequenzen sind die kortikalen Tubera als Signalintensitäten nachweisbar. b, c In der T1Wichtung nach KM-Applikation nehmen die subependymalen Knötchen z. T. kräftig homogen KM auf, die Raumforderung am Foramen Monroi ist verdächtig auf ein Riesenzellastrozytom
c
> Die wichtigste Differenzialdiagnose zu subependymalen Tuber ist die subependymale Heterotopie. Die Heterotopie zeigt immer in allen Sequenzen isointenses Signalverhalten zur grauen Substanz. Subependymale Noduli sind nicht kortexisointens in T2-gewichteten Sequenzen.
Von einem Riesenzellastrozytom spricht man, wenn ein subependymales Knötchen bei der tuberösen Sklerose eine deutliche Wachstumstendenz aufweist. Riesenzellastrozytome treten bei 10% der Patienten auf (. Abb. 9.42). Sie liegen meist im Bereich des Foramen Monroi und können dort zu einer Verlegung des Foramens mit einem konsekutiven Liquoraufstau des betroffenen Seitenventrikels führen. Riesenzellastrozytome wachsen in der Regel verdrängend und nicht invasiv. In seltenen Fällen ist jedoch auch eine Entartung zu höhergradigen Astrozytomen be-
schrieben worden. Riesenzellastrozytome weisen ein deutliches Enhancement nach Kontrastmittelgabe auf. Die KontrastmittelAufnahme ist jedoch kein Differenzierungskriterium zu unkomplizierten subependymalen Knötchen. Zur Beurteilung ist im Verlauf besonders auf eine Größenprogredienz eines subependymalen Hamartoms zu achten, wobei dem Foramen Monroi als bevorzugte Lokalisation der Riesenzellastrozytome besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss. Eine subependymale Raumforderung mit einem Durchmesser >12 mm und einem deutlichen Kontrastmittel-Enhancement ist verdächtig auf ein Riesenzellastrozytom.
Sturge-Weber-Syndrom Definition, Epidemiologie, Ätiologie Bei dem nach den britischen Ärzten William A. Sturge und Frederick Parkes Weber benannten Syndrom handelt es sich um eine meningofaziale Angiomatose mit zerebralen Verkalkungen. Die kongenitale Krankheit tritt meist sporadisch mit einer Häufigkeit von ca. 1:50 000 auf. Einzelne familiäre Fälle sind jedoch ebenfalls beschrieben, der Vererbungsmodus und der zugrunde liegende genetische Defekt sind nicht bekannt.
Klinik Typisch für diese Erkrankung ist ein Naevus flammeus, eine Ektasie oberflächlicher Gefäße der Haut, deren Ursache in einem lokalen Verlust autonomer Gefäßinnervation vermutet wird. Die zentralen Veränderungen werden durch embryonale venöse Gefäßmissbildungen des Cortex erklärt, die einerseits zu einer hypoxischen Schädigung der Hirnrinde führen, andererseits die
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102
Kapitel 9 · Gehirn
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c
. Abb. 9.43a–c. Sturge-Weber-Syndrom. Die axialen T2w- (a) und die T1w-Sequenzen vor (b) und nach KM-Applikation (c) zeigen das ausgedehn-
te piale Angiom mit angrenzender kortikaler Atrophie und deutlicher kortikaler Kontrastanhebung
kompensatorische Ausbildungen leptomeningealer Gefäßektasien bewirken. Durch die anatomische Nachbarschaft von Sehrinde, Augenanlage und Großhirn in der frühen embryonalen Periode lässt sich das häufig gemeinsame Auftreten von okulärer und zerebraler Beteiligung erklären. Der Naevus flammeus tritt meist im Innervationsgebiet des N. trigeminus auf und ist bereits bei Geburt vorhanden. Die Ausdehnung des Naevus ist unterschiedlich, betrifft jedoch immer das Gebiet des Stirnasts des N. trigeminus. Ebenso können die Schleimhäute von Mund, Larynx oder Pharynx mitbetroffen sein. Eine angiomatöse Veränderung der Choroidea ist ebenfalls häufig anzutreffen und kann zur Ausbildung eines Glaukoms führen. Bei rund 80% der Patienten mit Sturge-Weber-Syndrom treten Krampfanfälle auf, die meist schon im 1. Lebensjahr beginnen und als Folge der zerebralen Veränderungen angesehen werden. Bis zu zwei Drittel der Patienten zeigen eine mentale Retardierung. Je nach Ausmaß und Lokalisation der zerebralen Beteiligung können im weiteren Verlauf neurologische Störungen auftreten, wie spastische Hemiparesen und sensorische Defizite.
myelinisierten Marklager zeigt sich zudem in den nativen T2gewichteten Sequenzen häufig eine relative Hypointensität in dem Bereich des Marklagers, der direkt an das Angiom angrenzt. Im MRT lassen sich die pialen Angiome in T2-gewichteten Sequenzen meist als hypointense Areale darstellen, nach Kontrastmittelgabe zeigt sich hier ein lineares, oft z. T. aber auch flächiges Enhancement. Die zerebralen Verkalkungen, in der Regel verkalkter Cortex und subkortikales Marklager, zeigen sich am besten in T2-gewichteten Sequenzen oder in CT-Aufnahmen. Meist lässt sich in dem betroffenen Areal eine Atrophie nachweisen, eine Hypotrophie des Plexus choroideus tritt lateral zum Angiom auf und zeigt oft auch ein verstärktes Enhancement. Erklärt wird dies durch einen verstärkten Rückfluss über den Plexus choroideus. Die Angiome der Choroidea können mit einem verstärkten Enhancement an der Bulbushinterwand nachweisbar werden. Oft zeigt sich bei diesen Patienten ein Pneumatosinus dilatans, d. h. eine über die Norm hinausgehende Erweiterung der Sinus frontales. Die an das Angiom angrenzende Kalotte zeigt oft auch eine Verdickung.
Diagnostik Ein Naevus flammeus des Gesichts stellt in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle eine isolierte Anomalie dar, sind jedoch Stirn und Oberlid mitbetroffen, muss an ein Sturge-Weber-Syndrom gedacht werden, insbesondere, wenn gleichzeitig zerebrale Krampfanfälle auftreten. Bildgebung. Neben einer MR-Untersuchung sollten EEG und augenärztliche Untersuchungen durchgeführt werden. Im MRT (. Abb. 9.43) sollten neben T2-, FLAIR- und T1-gewichteten Aufnahmen vor und nach Kontrastmittelgabe auch T2*-gewichtete Sequenzen angefertigt werden. Auf diesen stellen sich die oben beschriebenen Verkalkungen als schmale, lineare Hypointensitäten im Bereich des Rindenbandes dar. In den nativen Sequenzen fällt oft auch eine Vergrößerung des ipsilateralen Plexus choroideus auf. Bei Säuglingen mit einem noch nicht vollständig
9.3
Vaskuläre Erkrankungen
9.3.1
Intrazerebrale Gefäßmalformationen
Intrazerebrale Gefäßmalformationen beinhalten: 4 V. Galeni-Anomalien 4 arteriovenöse Malformationen (AVM) 4 Kavernome 4 durale arteriovenöse Fisteln 4 kapilläre Teleangiektasien 4 venöse Anlagevarianten DVA (»developmental venous anomalies«) Obwohl einige familiäre Gefäßmalformationen beschrieben sind, tritt die überwiegende Mehrzahl spontan auf.
103 9.3 · Vaskuläre Erkrankungen
Klassifikation der vaskulären Malformationen in den verschiedenen Altersgruppen
Hinweise auf eine Wasserretention zeigen sich in einer Makrokranie ohne Ventrikulomegalie. Klinische Konsequenzen sind
Die verschiedenen vaskulären Malformationen können in unterschiedlichem Alter symptomatisch werden. Der Zeitpunkt und die Art der Therapie hängen u. a. vom Alter der Patienten ab. In diesem Abschnitt werden die Patienten in die folgenden Altersgruppen eingeteilt: 4 Fetalperiode 4 Neugeborenenperiode (bis zum 30. Tag) 4 Kinder bis zum 2. Lebensjahr 4 Ältere Kinder bis zum 18. Lebensjahr 4 Erwachsene
meist neurokognitive Verzögerungen ohne direkte Korrelation zu dem Grad der Zunahme des Kopfumfangs. Ist die Erweiterung der Suturen und die Erweiterung des Kopfumfangs zu gering im Vergleich zur intrakraniellen Druckzunahme, kommt es zu einer transependymalen Liquorresorption. Bei pialen arteriovenösen Malformationen zeigt sich oft eine piale oder subarachnoidale venöse Stauung, die bei V. GaleniMalformationen – wenn überhaupt – dann erst sehr spät auftritt. Bei den arteriovenösen Malformationen führt diese lokale venöse Stauung zu Ischämien, die sich in Anfällen und auch Blutungen äußern können. Eine diffuse venöse Stauung durch eine Konstriktion der venösen Abflussbedingungen kann auch zu direkten Hirnparenchymschädigungen führen. Eine adäquate Therapie kann die Progredienz dieser Symptomatik stoppen.
Fetalperiode In der Fetalperiode werden durch die Vorsorgeultraschalluntersuchungen in zunehmendem Maße zerebrale Raumforderungen oder Zysten, aber auch vaskuläre Malformationen, wie eine V.Galeni-Malformation und eine durale Sinusmalformation, entdeckt. Dabei zeigt sich im Ultraschall oder in einer fetalen MRUntersuchung oft eine Makrokranie. Eine Makrokranie kann sowohl bei einer V. Galeni-Malformation (VGAM) als auch bei einer duralen Sinusmalformation (DSM) nachgewiesen werden. Der Nachweis einer Enzephalomalazie hat erheblichen Einfluss auf die Diagnose und Prognose, unabhängig von der Art der arteriovenösen Malformation. Eine Kardiomegalie geht ebenfalls mit einer schlechteren Prognose einher.
Neugeborenenperiode In diesem Alter zeigt sich ein grundlegender Unterschied zwischen einer V.-Galeni-Malformation und anderen arteriovenösen Malformationen, insbesondere pialen arteriovenösen Malformationen. Früh auftretende neurologische Symptome bei V. GaleniMalformationen sind meist Hinweis auf eine schlechte Prognose. Die weiterführende Therapie ist abhängig vom Ausmaß der neurologischen Symptome. Wird keine Therapie eingeleitet, kommt es bei der V. Galeni-Malformation innerhalb von Tagen oder Wochen zu einem Multiorganversagen und zu ausgedehnten zerebralen Läsionen. Bei der V. Galeni-Malformation sind Anfälle häufig Hinweis auf ischämische Hirnläsionen. V. GaleniMalformationen führen in der Regel rasch zu einer Herzinsuffizienz, da die duralen Venen keinen Widerstand darstellen. Dies schützt jedoch andererseits das Gehirn vor einer retrograden venösen Kongestion. Bei pialen arteriovenösen Malformationen sind Anfälle ein erster Hinweis auf eine venöse Ischämie oder eine fokale Hämorrhagie. Bei diesen Patienten sollte eine schnelle Behandlung durchgeführt werden, um weitere Schädigungen des Hirnparenchyms zu verhindern. Bei V. Galeni-Malformationen treten Hämorrhagien in dieser Altersgruppe so gut wie nie auf.
Kinder bis zum 2. Lebensjahr In dieser Altersgruppe ist das venöse System noch nicht komplett ausgebildet. Die Pacchioni-Granulationen sind ebenfalls noch nicht vollständig entwickelt; es wird sogar angenommen, dass ein erhöhter Druck zu einer verzögerten Ausreifung führt. Erste
Kinder bis zum 18. Lebensjahr In dieser Altersgruppe treten kardiale Symptome sehr selten auf. Gefäßmalformationen werden meist erst dann symptomatisch, wenn es zu einer Kompression des Mesencephalons und des Aquädukts mit einem konsekutiven Hydrozephalus kommt. Venöse Thrombosen können als Teil des so genannten »High-flowAngiopathiephänomens« auftreten.
Erwachsene Bei atypisch gelegenen Blutungen muss bei jungen Erwachsenen stets an eine Gefäßmissbildung als Ursache gedacht werden, und es müssen entsprechende diagnostische Maßnahmen durchgeführt werden.
V. Galeni-Malformationen Malformationen der V. Galeni sind relativ selten. Es handelt sich hierbei um kongenitale Verbindungen zwischen den intrakraniellen Arterien, üblicherweise den Aa. thalamoperforantes, den Choroidalarterien und der A. cerebri anterior mit der V. Galeni oder mit primitiven Mittellinienvenen. V.-Galeni-Malformationen können direkte größere Fistelverbindungen oder eine Anzahl kleinerer Verbindungen darstellen. Die Ursache dieser abnormen Verbindungen ist unbekannt. In einigen Fällen wurde eine Venenanomalie mit fehlendem Sinus rectus und mit einem persistierenden falzinen oder okzipitalen Sinus beobachtet. Daher wird eine intrauterine Thrombose des Sinus rectus mit Rekanalisation als Ursache diskutiert. Es konnte gezeigt werden, dass es sich bei der dilatierten venösen Struktur um die persistierende prosenzephale Vene von Markowski handelt. Zusätzlich konnte eine Assoziation mit bestimmten kardiovaskulären Anomalien, meist mit einer Koarktation des Aortenbogens und Atriumseptumdefekten, demonstriert werden. Es gibt 2 große Gruppen der V. Galeni-Malformationen: 4 choroidale Malformationen 4 murale Malformationen Choroidale Malformationen. Über 90% der V. Galeni-Malformationen sind choroidale Malformationen. Dabei handelt es sich um eine arteriovenöse Verbindung zwischen der vorderen Wand der prosenzephalen Vene, die aus einer Anzahl von choroidalen,
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Kapitel 9 · Gehirn
perikallösen und thalamoperforanten Gefäßen gespeist wird. Typischerweise zeigen die Neugeborenen eine Kardiomegalie mit Symptomen der Herzinsuffizienz. Choroidale Malformationen haben eine sehr schlechte Prognose und oft ein fatales Outcome, wenn sie nicht adäquat behandelt werden.
siert durch wenige, üblicherweise 1–4, aber kaliberkräftige Verbindungen der prosenzephalen Venen, die aus der posteriorchoroidalen Arterie gespeist werden. Patienten mit einer muralen Malformation der V. Galeni zeigen eine Entwicklungsverzögerung, einen Hydrozephalus und Anfälle, weisen normalerweise jedoch nur milde oder keine Zeichen der Herzinsuffizienz auf. Die Gefäßmalformationen werden mit einer endovaskulären Therapie angegangen, d. h. mit Verschluss der Kurzschlussverbindungen. Murale Malformationen weisen häufig ein gutes Outcome mit einer geringen Morbidität auf.
chym hinweisen. Die Auswirkungen einer Hirnschädigung sollten sorgfältig analysiert werden. Die Eltern sollten vor der Therapie über mögliche neurologische Entwicklungsverzögerungen informiert werden. In der MRT stellt sich die Malformation in der Regel hypointens dar, was auf die Signalauslöschung durch den schnellen Fluss in der arteriovenösen Malformation zurückzuführen ist (. Abb. 9.44). Die zuführenden Gefäße können als dünne Hypointensitäten, die zu dem Varixknoten führen, nachgewiesen werden. Akute Thrombosen innerhalb der arteriovenösen Malformation zeigen sich in den T1-gewichteten Sequenzen iso- und in den T2-gewichteten Sequenzen hypointens zum Hirnparenchym, während subakute Thrombosen in den T1- und T2-gewichteten Sequenzen eine Signalanhebung zeigen. Läsionen des Hirnparenchyms sind auf den T2- gewichteten Sequenzen in diesem Alter oft schwer nachweisbar. T1-gewichtete Sequenzen sind hierfür besser geeignet.
Klinik
Therapie
Nach den klinischen Symptomen können 3 Gruppen eingeteilt werden: 1. Neugeborene mit Herzinsuffizienz und intrakraniellen Geräuschen 2. Neugeborene mit Hydrozephalus und/oder Anfällen 3. Ältere Kinder oder junge Erwachsene
Die Herzinsuffizienz sollte nach Möglichkeit vor einer Behandlung der arteriovenösen Malformation therapiert werden. Es hat sich gezeigt, dass Neugeborene mit einer Herzinsuffizienz eine Mortalität von bis zu 90% aufweisen. Danach sollte eine interventionelle neuroradiologische Behandlung durchgeführt werden mit dem Ziel, die Kurzschlussverbindungen zu verschließen. Alternativ besteht die Möglichkeit der chirurgischen Ligatur der Kurzschlussverbindungen – hier haben sich allerdings etwas schlechtere Resultate ergeben. Die V. Galeni-Malformation kann interventionellneuroradiologisch über einen transarteriellen oder transvenösen Zugang behandelt werden. Die definitive kurative Behandlung ist bei dem weniger häufig vorkommenden muralen Typ der V. Galeni-Malformationen in bis zu 100% der Fälle möglich.
Murale Malformation. Die murale Malformation ist charakteri-
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Die Patienten der Gruppe 1 haben typischerweise choroidale Malformationen, während die Patienten der Gruppe 2 und 3 meist murale Malformationen der V. Galeni aufweisen.
Bildgebung Durch die üblicherweise durchgeführten pränatalen Ultraschalluntersuchungen werden viele V. Galeni-Malformationen bereits intrauterin diagnostiziert. Im pränatalen Sonogramm zeigt sich eine große echoarme Raumforderung, die in der Doppleruntersuchung einen sehr ausgeprägten Fluss aufweist. Wird eine solche Diagnose gestellt, sollte unverzüglich ein interventioneller Neuroradiologe, der mit dem Erkrankungsbild vertraut ist, hinzugezogen werden. Zeigt das Neugeborene Zeichen der nicht medikamentös therapierbaren Herzinsuffizienz, sollte es sofort nach der Geburt oder innerhalb der ersten Lebenstage behandelt werden. In den postnatalen Ultraschalluntersuchungen zeigt die V. Galeni-Malformation eine echoarme bis gering echogene Struktur in der Mittellinie, die manchmal den vorderen Abschnitt des 3. Ventrikels verlagert. > Wichtig ist es, die Kontinuität zum Sinus rectus nachzuweisen. Doppleruntersuchungen liefern Informationen über die Fluss-
geschwindigkeit der arteriovenösen Malformation. In der CT stellt sich der Varixknoten nativ iso- bis hyperdens zum Hirnparenchym dar. Eine gewisse Hyperdensität findet sich, wenn es zu Thrombosen innerhalb der Malformation gekommen ist. Das Hirnparenchym zeigt häufig Dichteminderungen, die auf eine sekundäre Ischämie bzw. auf eine beginnende Enzephalomalazie zurückzuführen sind. Andererseits können hyperdense Areale auf eine Hämorrhagie oder dystrophe Verkalkungen im Paren-
Kavernome Definition, Epidemiologie, Ätiologie Kavernöse Malformationen oder auch Kavernome (früher kavernöse Hämangiome genannt) zeigen typischerweise einen sinusoidalen, sphärischen Aspekt der Gefäße. Die Inzidenz der Kavernome liegt in der Bevölkerung bei etwa 0,5–1%. Eine genetische Prädisposition wird angenommen. Multiple Kavernome sind häufig anzutreffen und in diesen Fällen mit einer familiären Prädisposition assoziiert. Der Gendefekt liegt auf dem Chromosom 7q. Bei familiärem Vorkommen kommt es in 50% zu multiplen Kavernomen, während bei sporadischen Fällen die Inzidenz multipler Kavernome bei lediglich 13% liegt.
Pathologie, Histologie Pathoanatomisch handelt es sich bei Kavernomen um livid-blaue, prall gefüllte und mit Endothel ausgekleidete Hohlräume. Häufig sind daneben verschiedene alte, z. T. hyalinisierte Thromben im Präparat erkennbar. Zwischen den Hohlräumen findet sich kein Hirngewebe, das umgebende Hirnparenchym zeigt häufig Gliosen. Kavernome haben eine sehr langsame Zirkulation; arteriovenöse Shunts kommen normalerweise nicht vor. Das Kaliber der zuführenden Arterien und drainierenden Venen ist deshalb normal groß. Venöse Malformationen und kapilläre Teleangiektasien werden häufig neben Kavernomen nachgewiesen. Hieraus resul-
105 9.3 · Vaskuläre Erkrankungen
a
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. Abb. 9.44a, b. V. Galeni-Malformation. 13 Monate alter Säugling mit Verdacht auf V. Galeni-Malformation. a In den T2-gewichteten Aufnahmen stellt sich ein hypointenses Areal, einer Signalauslöschung entsprechend, in Projektion auf den Sinus sagittalis superior dar. Das übrige Hirnparenchym
ist altersentsprechend. b Die Seitprojektion der DSA stellt die massiv erweiterte A. chorioidea posterior und die Fistelverbindung zu dem venösen Sack dar. (Aus Radiologe 2003, 43:936, Abb. 1 b, d)
tiert die Annahme, dass eine venöse Hypertension der obstruierten abfließenden Venen der Malformation die entsprechenden Veränderungen in den venösen Gefäßen hervorruft.
Ob weitere kleine Kavernome vorliegen, kann mit Gradientenecho-Sequenzen beurteilt werden, die sehr sensitiv für Hämosiderin und Verkalkungen sind (. Abb. 9.45). In einigen Fällen kann die Differenzialdiagnose zu einem thrombosierten Aneurysma, einem älteren Hämatom oder einer Tumorblutung schwierig sein. Etwa 20% der in der MRT erkennbaren Läsionen weisen angiographisch eine assoziierte Gefäßmissbildung auf, meist eine arteriovenöse Malformation oder eine angeborene venöse Anomalie (DVA). Da dies die Therapie beeinflussen kann, wird oft vorgeschlagen, bei Patienten, die eine Kavernomblutung erlitten haben, präoperativ eine Angiographie durchzuführen. In der Angiographie selbst sind die Kavernome nicht nachweisbar, was als diagnostisches Kriterium herangezogen werden kann.
Klinik Das klinische Erscheinungsbild ist sehr variabel. Etwa 10–20% der Patienten sind asymptomatisch, das Kavernom wird nur zufällig entdeckt. 30–50% der Patienten haben epileptische Anfälle, wobei unklar ist, ob der Hämosiderinsaum als Folge rezidivierender Blutungen den epileptogenen Fokus darstellt. Die meisten Kavernome werden allerdings erst im 3. bis 4. Lebensjahrzehnt symptomatisch. Etwa 20% der Patienten mit einem Kavernom erleiden eine intrakranielle Blutung. Die Blutungsinzidenz in der pränatalen Periode wird auf 0,25–0,7% geschätzt und ist damit deutlich niedriger als bei der arteriovenösen Malformation.
Kavernom
Bildgebung In der CT erscheinen Kavernome, falls sie nicht durch eine frische Blutung maskiert werden, als inhomogene Rundherde, die wenig Kontrast anreichern und oft stippchenförmige Verkalkungen aufweisen. Die höchste Sensitivität im Nachweis von Kavernomen hat die MRT. Das Signalverhalten der Läsion wird bestimmt durch die Mischung aus Blut in unterschiedlichen Abbaustufen und Flussgeschwindigkeiten, intrinsischen Verkalkungen und reaktiven Veränderungen des angrenzenden Parenchyms. Die meisten Kavernome sind in der T1- und T2-gewichteten Sequenz zentral hyperintens mit randständigem hypointensem, hämosiderinhaltigem Randsaum. Das Zentrum der Kavernome kann ein heterogenes Signalverhalten aufweisen, was im Wesentlichen auf die unterschiedlichen Flussverhältnisse und den Anteil an Verkalkungen und Thrombosen zurückzuführen ist.
4 Pathologie: Sinusoidaler, sphärischer Aspekt von endothelausgekleideten, dilatierten Gefäßen; kein normales Hirnparenchym innerhalb der Läsion; Blutungen unterschiedlichen Alters nachweisbar. 4 Lokalisation: 80% supratentoriell, kommen aber in jeglicher Lokalisation vor, 50–80% multipel. 4 Inzidenz: Liegt bei der normalen Bevölkerung etwa bei 0,5–1%, eine genetische Prädisposition wird angenommen, multiple Kavernome sind häufig anzutreffen und sind dann assoziiert mit einer familiären Prädisposition. Der Gendefekt liegt auf dem Chromosom 7q. 4 Klinische Symptome: Anfälle, fokal neurologische Defizite, Kopfschmerzen. 4 Blutungsrisiko: 0,25–0,7%/Jahr und Kavernom.
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Kapitel 9 · Gehirn
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d . Abb. 9.45a–e. Kavernom. a In den T2-gewichteten Sequenzen zeigt sich oberhalb des Trigonums rechts eine Raumforderung mit perifokalem fingerförmigen Ödem. Die Raumforderung weist einen hypointensen Randsaum auf und ist zentral inhomogen hyperintens. b In den T1-gewichteten Sequenzen vor KMApplikation stellt sich der in den T2-gewichteten Sequenzen hyperintense Anteil der Raumforderung mit einer T1-Verkürzung hyperintens dar. Nach KM-Gabe (nicht dargestellt) kommt es zu keinem wesentlichen zusätzlichen Enhancement. c In den T2*-gewichteten Sequenzen stellt sich die Läsion vorwiegend hypointens dar mit leicht hyperintensem perifokalem Ödem. d DSA. e Schematische Darstellung eines Kavernoms im Bereich des Pons mit multiplen eingeschlossenen Blutabbauprodukten. Die Pfeile zeigen den Hämosiderin-/Ferritinrandsaum an
Therapie Oberflächlich gelegene Kavernome können mit einer niedrigen Mortalität und Morbidität operiert werden. Normalerweise wird man erst dann zu einer Operation raten, wenn nicht beherrschbare, vom Kavernom ausgehende Anfälle vorliegen oder wenn es zu rezidivierenden Blutungen gekommen ist. Asymptomatische Kavernome ohne Blutungshinweis müssen nicht therapiert werden.
e
Kapilläre Teleangiektasien Definition Kapilläre Teleangiektasien sind wahrscheinlich Varianten einer kapillären Malformation und vorwiegend im Hirnstamm lokalisiert. Es handelt sich hierbei um eine Ansammlung dilatierter Kapillaren, die durch normales Hirnparenchym separiert sind. Sie bluten in der Regel sehr selten und werden meist zufällig bei Autopsien gefunden.
107 9.3 · Vaskuläre Erkrankungen
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b . Abb. 9.46a–c. Kapilläre Teleangiektasie. 17-jähriges Mädchen mit unspezifischen Kopfschmerzen. a In der axialen T2w-MRT hyperintenses Areal im Pons ohne Raumforderung. Vor KM-Gabe (nicht abgebildet) unauffällige Darstellung der Pons in der T1w-Aufnahme, nach KM-Gabe zeigt sich ein flaues Enhancement (b, c). Befund vereinbar mit einer kapillären Teleangiektasie
desoxygeniertem Blut in den Gefäßen. Die Befundkombination von schlechter Nachweisbarkeit in den Turbospinecho-Sequenzen und deutlicher Erkennbarkeit in der Gradientenecho-Sequenz sowie die Kontrastmittel-Anhebung ist typisch für kapilläre Teleangiektasien (. Abb. 9.46). > Vermutlich sind kapilläre Teleangiektasien harmlose Zufallsbefunde. Die seltenen Berichte über intrazerebrale Blutungen sind wahrscheinlich eher auf assoziierte Kavernome zurückzuführen. Kapilläre Teleangiektasien
c
4 Pathologie: Ansammlung dilatierter Kapillaren, die durch normales Hirnparenchym separiert sind. 4 Lokalisation: Vor allem im Pons, Kleinhirn und Myelon; können aber überall vorkommen. 4 Blutungsrisiko: Wenn überhaupt, dann sehr gering.
Bildgebung In der CT sind die kapillären Teleangiektasien meist nicht zu erkennen. In der MRT zeigen sich in den T2-gewichteten Sequenzen erhöhte Signalintensitäten. In den T1-gewichteten Sequenzen sind kapilläre Teleangiektasien meist iso- bis hypointens. Nach Kontrastmittelgabe ist typischerweise eine flaue, manchmal feinfleckige Kontrastanhebung zu erkennen. In Gradientenecho-Sequenzen findet sich oft eine deutliche Hypointensität, wahrscheinlich aufgrund des langsamen Flusses mit
Entwicklungsbedingte Venenanomalien (»developmental venous anomalies«) Definition, Ätiologie Venöse Malformationen, früher als venöse Angiome bezeichnet, sind ähnlich wie die kapillären Teleangiektasien nicht als echte Malformationen, sondern als Anlagevarianten aufzufassen. Makroskopisch finden sich medusenhauptförmig erweitere Venolen, die in eine transzerebral verlaufenden Sammelvene drainie-
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Kapitel 9 · Gehirn
. Abb. 9.47. DVA, schematische Darstellung. Zahlreiche vergrößerte medulläre Venen (kleine Pfeile) tief innerhalb der weißen Substanz vereinigen sich in der Nähe des Ventrikels zu einer vergrößerten transkortikalen Sammelvene (großer Pfeil). Diese Vene führt dann zum Sinus sagittalis superior a
ren (. Abb. 9.47). Histologisch handelt es sich um eine primäre Dysplasie der kapillären und der kleinen Venen oder um die Folge embryonal angelegter und später wieder verschlossener arteriovenöser Kurzschlüsse. Das zwischen den Gefäßstrukturen interponierte Hirnparenchym ist unauffällig, wobei die Gefäße oft weder Venen noch Arterien darstellen. Es handelt sich eher um eine nichtpathologische Variante der venösen Drainage in der weißen Substanz, daher wird jetzt anstatt von venösen Angiomen von angeborenen venösen Anomalien (DVA) gesprochen (. Abb. 9.48, . Abb. 9.49). Angeborene venöse Anomalien liegen bevorzugt im Frontalhirn und im Kleinhirn. Die venöse Venenanomalie (DVA) besteht aus radiär angeordneten, dilatierten Kollektorvenen, die von normalem Hirnparenchym umgeben sind. Diese Kollektorvenen, auch als Medusenhaupt bezeichnet, drainieren in eine erweiterte Vene. Ein arteriovenöser Shunt ist normalerweise nicht nachweisbar.
Epidemiologie In Autopsiestudien ist die Inzidenz der angeborenen venösen Anomalien mit 1,5% etwa 3- bis 4-mal so hoch wie die der arteriovenösen Malformationen.
Klinik In der Regel stellt die angeborene venöse Anomalie einen Zufallsbefund dar und steht in keinem eindeutigen Zusammenhang mit den klinischen Beschwerden, die zur Untersuchung geführt haben. Dies gilt besonders für Patienten mit Kopfschmerzen. Das Blutungsrisiko für intrazerebrale und subarachnoidale Blutungen wird allgemein mit etwa 0,22% pro Jahr angegeben. Auffällig ist dabei eine hohe Koinzidenz von angeborenen venösen Anomalien mit Kavernomen. Die Blutungen stammen dann eher aus dem Kavernom und nicht aus der angeborenen venösen Anomalie.
b . Abb. 9.48a, b. DVA. a Die T2w-Sequenz bei einem 16-jährigen Mädchen zeigt als Zufallsbefund ein hyperintenses Areal im Centrum semiovale rechts. b In den T1w-Sequenzen nach KM-Gabe ist ein enhancendes Gefäß nachweisbar (»developmental venous anomaly«/DVA). (Aus: Radiologe 2003, 43:940, Abb. 4 a,b)
Bildgebung In der Nativ-CT ist die angeborene venöse Anomalie häufig nicht zu erkennen. Oft können erst in der Kontrastmittel-CT neben der transzerebral verlaufenden Vene die medusenhauptförmigen, erweiterten Venolen sichtbar sein. Eine Raumforderung oder ein
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. Abb. 9.49a, b. DVA und Kavernom. 15-jährige Patientin mit einer Läsion im Trigonum rechts. a In den T2-gewichteten Sequenzen zeigt sich ein hypointenser Saum mit hypo-, nahezu hirnisointensem Zentrum mit nur geringer raumfordernder Wirkung auf das umgebende Hirnparenchym.
b In den T1-gewichteten Sequenzen nach KM-Gabe zeigt sich eine mäßig ausgeprägte Hyperintensität, die am ehesten kleinen Verkalkungen bzw. Blut im Methämoglobinstadium entspricht, zusätzlich zeigt sich eine DVA
DVA, developmental venous anomaly 4 Pathologie: Nicht als echte Malformationen zu bezeichnen, sondern als Anlagevariante aufzufassen. Die venöse Malformation besteht aus einer radiär angeordneten, dilatierten Kollektorvene, die von normalem Hirnparenchym umgeben ist. 4 Lokalisation: Bevorzugte Lokalisation der DVA ist das Frontalhirn und das Kleinhirn. 4 Klinische Symptome: Meist asymptomatisch. 4 Bildgebung: In der Nativ-CT ist die drainierende Sammelvene der DVA oft nicht zu erkennen, erst in der Kontrastmittel-CT können neben der transzerebral verlaufenden Vene meist die medusenhauptförmigen, erweiteren Venolen sichtbar sein. Keine Raumforderung, kein Perifokalödem. In der MRT sind die Gefäßstrukturen als typische Signalauslöschungen nachweisbar, in den T1-gewichteten Bildern nach Kontrastmittelgabe stellen sich die Sammelvene und die erweiterten Venolen hyperintens dar.
Perifokalödem sind nicht nachweisbar. In der MRT sind die Gefäßstrukturen als typische Signalauslöschungen nachweisbar. In den T1-gewichteten Sequenzen nach Kontrastmittelgabe stellen sich die Sammelvene und die erweiterten Venolen hyperintens dar. Angiographisch zeigen sich in der venösen Phase eine oder mehrere pathologisch erweiterte, intrazerebrale Venen, die das Blut in eine Sammelvene nach außen zu den Brückenvenen und zu den inneren Hirnvenen drainieren. Nur in der MRT sind mit der angeborenen venösen Anomalie assoziierte Kavernome sicher identifizierbar. Eine digitale Subtraktionsangiographie (DSA) ist bei typischem CT- oder MRT-Befund nicht indiziert. Zeigt sich jedoch eine Blutung, sollte der Patient angiographiert werden, um eine zusätzliche arteriovenöse Gefäßmissbildung nicht zu übersehen. Eine Indikation zur Operation einer angeborenen venösen Anomalie ist nur dann gegeben, wenn zusätzlich
. Abb. 9.50. Angiom, schematische Darstellung. Die kegelförmige Struktur der arteriovenösen Malformation besteht aus Arterien und Venen, die Basis liegt an der Hirnoberfläche, die Spitze zeigt in Richtung des lateralen Ventrikels. 1: AVM-Nidus, 2: Vergrößerte kortikale drainierende Venen, 3: Venöse Varize, 4: Aneurysma innerhalb des Nidus, 5: Aneurysma an der Bifurkation der A. cerebri media, 6: Vergrößerte Feeder der A. cerebri anterior und media, 7: Vaskulopathie mit fokalen Stenosen der Feeder-Arterien, 8: vaskulopathische Veränderungen der drainierenden Vene
eine arteriovenöse Gefäßmissbildung oder ein Kavernom vorliegt (. Abb. 9.49, Übersicht).
Arteriovenöse Malformationen Die Inzidenz der arteriovenösen Malformationen beträgt etwa 2 pro 100 000 Einwohner. Charakteristisch ist die direkte Kommunikation zwischen Arterien und Venen. Nach klassischen Einteilungen wird nicht zwischen duralen und pialen arteriovenösen Malformationen unterschieden. Beide werden unter dem Begriff
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. Abb. 9.51a–d. Angiom. a In den T2w-Sequenzen zeigt sich rechts temporal eine inhomogene Struktur mit girlandenartigen hypointensen Gebilden, die großen Gefäßen und drainierenden Venen entspricht. Kein Ödem und keine Raumforderung nachweisbar. b In der MR-Angiographie (TOF) stellt sich die A. cerebri media rechts sehr kräftig dar. Zwei größere zuführende Äste führen zu dieser arteriovenösen Malformation. c In der anschlie-
ßend durchgeführten digitalen Subtraktionsangiographie (in a.p.-Projektion) zeigen sich die kräftige A. cerebri media und 2 kräftige Mediaäste, die zum Angiomnidus führen. Die venöse Drainage erfolgt über kortikale Venen. d Zustand nach Embolisation mit einem Flüssigembolisat (Onyx). In a. p. sind keine zuführenden Gefäße und keine frühe drainierende Vene nachweisbar. Das Angiom ist komplett verschlossen
des Angioms subsummiert, wobei der ätiologische und pathogenetische Unterschied der beiden Erkrankungen nicht berücksichtigt wird (. Abb. 9.50, . Abb. 9.51).
Ursache für die hohe Blutungsneigung, denn die Drainagevenen sind dadurch unmittelbar dem arteriellen Druck ausgesetzt. Als Folge des venösen Hochdrucks bilden sich häufig venöse und arterielle Aneurysmen sowie Stenosen in den Drainagevenen.
Piale arteriovenöse Malformationen Histologisch bestehen arteriovenöse Malformationen aus Arterien, Venen und interponierten, primitiv aufgebauten Gefäßen. Normale Kapillaren fehlen in der Regel. Dies ist wahrscheinlich
Epidemiologie, Pathogenese und Klinik
Über 50% der arteriovenösen Malformationen manifestieren sich klinisch durch eine Blutung, die meist intrazerebral auftritt (63%),
111 9.3 · Vaskuläre Erkrankungen
bei 32% der Fälle subarachnoidal, bei 6% rein intraventrikulär. Ein Viertel bis zwei Drittel aller Patienten mit arteriovenösen Malformationen leiden unter epileptischen Anfällen. Arteriovenöse Malformationen haben ein jährliches Blutungsrisiko von etwa 2–4%. Die Blutungshäufigkeit hängt von der Größe, der Lage und der venösen Drainagesituation ab. Die Wahrscheinlichkeit des Angiompatienten, eine tödliche oder aber mit erheblichen Defiziten einhergehende intrazerebrale Blutung zu erleiden, liegt kumulativ bei 2,7% pro Jahr. Blutungen sind oft die ersten Symptome einer arteriovenösen Malformation (>50%). Sie liegen oft in Hirnregionen, die von hypertensiven Blutungen nur selten betroffen sind. Die Mortalität einer initialen Blutung einer arteriovenösen Malformation wird mit 10% angegeben, die Morbidität zwischen 30 und 50%. Mortalität und Morbidität nehmen mit jeder Blutung weiter zu. Die arteriovenösen Malformationen sind Ursache von bis zu 40% der spontanen intrakraniellen Blutungen bei jüngeren Patienten. Oberflächliche Malformationen können in den Subarachnoidalraum einbluten, tiefere Malformationen können eine intraventrikuläre Blutung hervorrufen. Symptomatische Vasospasmen und eine Reblutung können dann auftreten, wenn die Blutungsursache ein flussassoziiertes Aneurysma war. Das Risiko einer Reblutung einer arteriovenösen Malformation ist bei Kindern höher als bei Erwachsenen. Bei Kindern <15 Jahren stellen die arteriovenösen Malformationen die häufigste Ursache einer intrakraniellen spontanen Blutung dar. Sie machen etwa 20% aller Schlaganfälle im Kindesalter aus. Arteriovenöse Malformationen können mit dem Alter an Größe zunehmen und eine progrediente Dilatation der zuführenden Arterien und drainierenden Venen aufweisen. Aufgrund des hohen Shuntvolumens kann es zu einer Hypoperfusion von noch normalem Hirnparenchym kommen mit daraus resultierender Gliose und Atrophie – dies wird als so genanntes StealPhänomen bezeichnet. Der schnelle Fluss in den zuführenden Arterien kann auch zu arteriellen Aneurysmen führen, ähnlich den klassischen sakkulären Aneurysmen am Circulus arteriosus Willisii. Der hohe Druck und die Scherkräfte sowie der turbulente Fluss können zu einer Stenosierung oder Okklusion der drainierenden Venen führen, insbesondere an den Einmündungsstellen in die duralen Sinus. Proximal der venösen Stenosen können so genannte Varizen oder venöse Aneurysmen auftreten und Blutungen verursachen. Arteriovenöse Malformationen können auch zu einem raumfordernden Effekt führen. Arteriovenöse Malformationen werden – neben den o. g. Blutungen – klinisch auffällig durch Anfälle, Kopfschmerzen, progrediente neurologische Defizite oder Hydrozephalus. Etwa 20% der Patienten werden vor dem 20. Lebensjahr symptomatisch. Anfälle treten bei etwa 70% der Patienten mit arteriovenösen Malformationen auf, wobei die Hälfte der Patienten einen generalisierten Anfall zeigt. Am häufigsten sind Anfälle bei arteriovenösen Malformationen, die im zerebralen Cortex auftreten: Ursache dieser Anfälle ist häufig eine Gliose nach einer vorangegangenen Blutung oder ein so genanntes vaskuläres Steal-Phänomen mit konsekutiver Ischämie. Chronisch wiederkehrende Kopfschmerzen können ebenfalls bei arteriovenösen Malformationen auftreten und werden wahrscheinlich durch hypertrophierte durale Gefäße verursacht. Kopfschmerzen treten v. a. bei peripheren arteriovenösen Mal-
formationen auf, die zu Stenosen oder Okklusionen der zuführenden zerebralen Gefäße geführt haben. Arteriovenöse Malformationen in der Okzipitalregion sind besonders häufig mit Migräneattacken mit visuellen Symptomen assoziiert. Progrediente neurologische Symptome treten bei einem geringen Prozentsatz der Kinder mit arteriovenösen Malformationen auf, insbesondere dann, wenn die Malformation sehr groß und nahe am Cortex gelegen ist. In diesen Fällen wird das so genannte vaskuläre Steal-Phänomen als Ursache diskutiert. Eine andere Ursache für neurologische Defizite ist eine venöse Hypertension. Sie kann so ausgeprägt sein, dass es durch den hohen venösen Druck zu einer Malresorption des Liquors mit einem konsekutiven Hydrozephalus kommt. Bildgebung Die Nativ-CT kann erste Hinweise geben, v. a. wenn Verkal-
kungen, fokale Atrophien oder tubuläre hypodense Strukturen, die Gefäßen entsprechen, nachweisbar sind. Lineare oder stippchenförmige Verdichtungen und irreguläre Parenchymhypodensitäten sind hier oft die einzigen Hinweise auf eine arteriovenöse Malformation. Nach i. v.-Kontrastmittelgabe kommt es zu einer kräftigen Dichteanhebung der Gefäße, wobei sich die dilatierten Drainagevenen deutlich darstellen. Im akuten Stadium der intrazerebralen Blutung kann der Nachweis einer arteriovenösen Malformation durch die Blutung maskiert sein. In der MRT sind neben den Folgen vorangegangener Blutungen (Hämosiderin) auch eine Gliose und eine Signalauslöschung durch die Gefäßkonvolute sichtbar. Wie bei den Durafisteln handelt es sich um Gefäßfehlbildungen mit schnellem Fluss. Das in den drainierenden Venen noch schnell fließende Blut stellt sich als Areal überwiegender signalleerer, punktförmiger Strukturen dar. In der MR-Angiographie, evtl. als »Time of-flight-(TOF-) Technik« oder als kontrastmittelangehobene MR-Angiographie, lassen sich der Nidus und die zuführenden Arterien bzw. drainierenden Venen oft gut nachweisen. > Die intraarterielle DSA (als Panangiographie) ist in der Diagnostik von arteriovenösen Malformationen trotz CT, MRT und MRA unverzichtbar. Die zuführenden Gefäße, die Hämodynamik sowie die Drainage sind bisher nur angiographisch optimal nachweisbar.
Eine häufig verwendete Klassifikation der Angiome, die das therapeutische Risiko des einzelnen Patienten berücksichtigt, ist die Einteilung der arteriovenösen Malformationen nach Spetzler und Martin (. Tab. 9.3). Die Angiome werden anhand der Größe der arteriovenösen Malformation, der Lokalisation und der venösen Drainage unterschieden (Übersicht). Zerebrale arteriovenöse Malformationen werden ganz oder vorwiegend von hirnversorgenden Arterien gespeist. An den Angiom-zuführenden Gefäßen sind oft Aneurysmen nachweisbar. Intranidale Aneurysmen lassen sich meist nur durch die intraarterielle DSA darstellen. Therapie
Die Entscheidung, eine Behandlung einer symptomatischen arteriovenösen Malformation durchzuführen, muss den natürlichen Verlauf der Erkrankung sowie die Risiken und den Nutzen
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Kapitel 9 · Gehirn
. Tab. 9.3. Grading-System für piale AV-Malformationen nach Spetzler und Martin Größe der AV-Malformation Klein (<3 cm)
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Mittel (3–6 cm)
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Groß (>6 cm)
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Betroffene Hirnregion Nicht eloquent
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Eloquent
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Muster der venösen Drainage
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Ausschließlich oberflächliche Venen
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Tiefes Venensystem
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der Therapie berücksichtigen. Die wesentlichen therapeutischen Behandlungsansätze können in 3 Kategorien eingeteilt werden: 4 Chirurgische Exzision 4 Radiochirurgie 4 Endovaskuläre Embolisation der arteriovenösen Malformationen Oft wird eine Kombination dieser Techniken durchgeführt (s. u.). Durch die Verbesserung der mikrochirurgischen Operationstechniken können auch große und komplexe Malformationen mit einer relativ geringen Morbidität und Mortalität behandelt werden. Die komplette Exzision oder Ausschaltung des Nidus der Malformation ist das Ziel jeder Therapie. Die Radiochirurgie produziert hypoplastische Veränderungen in den Gefäßwänden der arteriovenösen Malformation. Eine komplette Okklusion einer arteriovenösen Malformation kann v. a. bei einer Nidusgröße <3 cm erreicht werden. Der größte Nachteil der radiochirurgischen Technik ist, dass innerhalb der ersten 1– 2 Jahre nach stereotaktischer Bestrahlung das Blutungsrisiko weiterhin besteht. Um strahleninduzierte Schädigungen des umgebenden Hirnparenchyms weitgehend zu vermeiden, werden in der Regel nur stereotaktische Einzeitbestrahlungen mit einem Linearbeschleuniger oder einem Gamma-Knife durchgeführt. Endovaskuläre Techniken haben sich als die dritte Therapiemodalität etabliert. Eine komplette angiographische Obliteration einer großen arteriovenösen Malformation ist oft nicht möglich. Kleinere arteriovenöse Malformationen können auch endovaskulär komplett verschlossen werden. Häufig wird eine kombinierte Behandlung durchgeführt. Dabei werden die tiefen und chirurgisch nicht erreichbaren, zuführenden Gefäße der arteriovenösen Malformationen embolisiert, um anschließend die chirurgische Exstirpation zu erleichtern. Diese präoperative Embolisation kann die Größe und den Druck innerhalb des Nidus reduzieren und so die operative Exzision erleichtern und den intraoperativen Blutverlust minimieren.
Piale arteriovenöse Malformationen 4 Pathologie: Kongenital (multipel bei Wyburn-Masonund Rendu-Osler-Weber-Syndrom); dilatierte Arterien und Venen ohne Kapillarbett, meist gliotisches Hirnparenchym. Flussbedingte Aneurysmen in etwa 10–12% der Fälle nachweisbar. 4 Lokalisation: 85% supratentoriell, 15% infratentoriell. 4 Klinische Symptome: Blutungsrisiko 2–3% pro Jahr; Anfälle in etwa 25% der Fälle.
Durale arteriovenöse Fisteln Unter einer duralen arteriovenösen Fistel (DAVF) versteht man direkte arteriovenöse Kurzschlussverbindungen innerhalb der Dura (. Abb. 9.52). Diese bestehen zwischen duralen Arterien oder leptomeningealen Ästen pialer Arterien und einem duralen Sinus, duralen oder leptomeningealen Venen.
Einteilung der duralen AV-Malformationen nach Djindjian 4 Typ I: Unmittelbare Drainage in einen duralen Sinus mit normaler Flussrichtung 4 Typ II: Normale Drainage wie bei Typ I, allerdings mit Reflux in eine Brückenvene 4 Typ III: Direkte Drainage in eine Brückenvene 4 Typ IV: Drainage in einen venösen Pouch, der auch raumfordernd sein kann
. Abb. 9.52. Durale AV-Fistel, schematische Darstellung.1: Die durale AV-Fistel wird durch ein Netz von duralen Arterien und Venen an der Wand des Sinus transversus und sigmoideus gebildet. 2: Die gepunktete Linie deutet das verschlossene Lumen des Sinus an. 3: Blutzuflüsse (Feeder) der Fistel kommen auch von den okzipitalen, retroaurikulären und vertrebralen Arterien
113 9.3 · Vaskuläre Erkrankungen
Ätiologie, Klinik
Bei Erwachsenen und bei Kindern zeigt sich bei duralen arteriovenösen Fisteln ein breites Spektrum an klinischen Symptomen, abhängig von der Lokalisation, Größe und venösen Drainage bzw. dem arteriovenösen Shunt. Die Ursachen für durale arteriovenöse Fisteln werden kontrovers diskutiert. Einige Fisteln im Bereich des Sinus transversus und sigmoideus sind erworben und Folge einer duralen Sinusthrombose. Mehrere genetische Faktoren, die zu einer Hyperkoagulabilität führen, gehen mit einem gehäuften Vorkommen duraler arteriovenöser Fisteln in unterschiedlicher Lokalisation einher. Selten gibt es bei Kindern auch kongenitale durale arteriovenöse Fisteln. Bei diesen kongenitalen Fisteln zeigen sich oft eine größere arteriovenöse Verbindung und ein erhöhter Fluss im Vergleich zu den erworbenen duralen arteriovenösen Fisteln bei Erwachsenen. Die Ursache der kongenitalen duralen Malformationen ist unbekannt. Durale Malformationen in der Pädiatrie werden meist bereits bei Neugeborenen diagnostiziert. Häufig zeigen sie ähnliche Symptome wie eine V.-Galeni-Malformation mit Makrozephalie, Herzinsuffizienz, Gefäßgeräuschen, erhöhtem intrakraniellem Druck und Hämorrhagien sowie erweiterten Venen im Kopfbereich. Die Kombination aus einer Makrozephalie, erweiterten Skalpvenen und einer Herzinsuffizienz sollte den Verdacht auf eine vaskuläre intrakranielle Malformation lenken. Intrakranielle Blutungen sind die schwerwiegendste Komplikation einer duralen arteriovenösen Fistel. Die Blutung kann sowohl nach intrazerebral, subdural, aber auch nach subarachnoidal erfolgen. Bei subkortikal gelegenen, ätiologisch unklaren intrazerebralen Blutungen, bei Subarachnoidalblutungen ohne Aneurysmanachweis und bei akuten Subduralhämatomen ohne adäquates Trauma sollte auch an eine durale arteriovenöse Fistel gedacht werden. Die Blutungsneigung der duralen arteriovenösen Fisteln hängt im Wesentlichen von der venösen Drainage ab. Die individuelle Abschätzung des Blutungsrisikos und damit die Indikation zu therapeutischen Maßnahmen wird entscheidend von ihrem angiographischen Bild beeinflusst. Um das Blutungsrisiko besser abschätzen zu können, wird eine angiographische Typisierung der duralen arteriovenösen Fistel vorgenommen. Intrazerebrale Blutungen treten bei duralen arteriovenösen Fisteln mit kortikaler venöser Drainage besonders häufig auf. Die Blutungsinzidenz dieses Drainagetyps liegt bei über 40%. Möglicherweise liegt die Blutungsinzidenz noch höher, denn bei einem Teil der Patienten sind anamnestisch erhobene Kopfschmerzereignisse Folge einer Mikroblutung. Das Blutungsrisiko kann auch anhand der Lokalisation der duralen arteriovenösen Fistel eingeschätzt werden. Diejenigen in der vorderen Schädelgrube weisen meist eine venöse Drainage über Brückenvenen in den Sinus sagittalis superior oder den Sinus cavernosus auf und haben damit ein deutlich höheres Blutungsrisiko (84%). Durale arteriovenöse Fisteln verursachen deutlich häufiger als piale arteriovenöse Malformationen Symptome, die nicht durch eine Blutung hervorgerufen werden. Der turbulente Fluss in den drainierenden Venen und im Nidus bedingt oft ein pulssynchrones Ohrgeräusch, v. a. wenn die Drainage in unmittelbarer Nachbarschaft des Felsenbeins liegt. Beschrieben sind auch Hirnnervenausfälle, vermutlich durch einen Steal-Mecha-
nismus der Vasa vasorum der entsprechenden Nerven aus duralen Arterien. Papillenödeme sind oft Ausdruck eines erhöhten Drucks im venösen System. Ophthalmoplegische Symptome können ebenfalls als Lokalbefund bei Fisteln des Sinus cavernosus vorkommen. Seltener verursachen durale arteriovenöse Fisteln auch einen Pseudotumor cerebri oder eine akute Visusverschlechterung. Bildgebung
Die Diagnose einer duralen arteriovenösen Fistel ist nur mit der intraarteriellen DSA möglich, da diese den arteriellen Zufluss, die genaue Lokalisation und Lage sowie den venösen Abfluss zeigt. In der CT und MRT können manchmal erweiterte Drainagevenen erkennbar sein. Eine Unterscheidung zwischen pialen und duralen arteriovenösen Malformationen ist hier aber oft nicht möglich. Bei einer Karotis-Sinus cavernosus-Fistel zeigen CT und MRT auf der Läsionsseite oft einen Exophthalmus und die gut identifizierbare, dilatierte V. ophthalmica. Liegt ein venöser Abfluss auch posterobasal vor, dann ist eine durale arteriovenöse Fistel in den üblichen Turbospinecho-Sequenzen kaum nachweisbar. Große Durafisteln der Schädelbasis nahe am Sinus sind computertomographisch oft nicht erfassbar und auch in der MRTDiagnostik problematisch. Bei einer ausgeprägten Arterialisierung kann im Sinus ein Signalverlust durch den schnellen Fluss eintreten, was bei duralen Fisteln am Sinus cavernosus am leichtesten nachweisbar ist. Führt der Shunt ausnahmsweise in die Oberflächenvenen des Gehirns, so entstehen in der CT und MRT Bilder wie bei pialen arteriovenösen Malformationen. > Durale arteriovenöse Fisteln des Sinus transversus gehen häufig mit einer Sinusthrombose einher, sodass mitunter der Nachweis der Sinus transversus-Thrombose ein entscheidender Hinweis darauf sein kann. Therapie
Eine zerebrale Panangiographie ist erforderlich, um ein endovaskuläres Vorgehen zu planen. Dies kann entweder transarteriell oder transvenös erfolgen. Eine operative Therapie wird seltener angewendet. In letzter Zeit gibt es Hinweise, dass auch eine Radiatio des Fistelpunkts zu guten Ergebnissen führt.
Intrakranielle Aneurysmen Ätiologie Intrakranielle Aneurysmen stellen keine angeborenen Erkrankungen dar. Es wird davon ausgegangen, dass eine Kombination bestimmter Faktoren für die Entwicklung eines Aneurysmas, insbesondere vom sakkulären Typ, verantwortlich sind (. Abb. 9.53). Es ist mittlerweile nachgewiesen, dass Hypertonus, Zigarettenrauchen und Kontrazeptiva die Ausbildung eines Aneurysmas begünstigen. In der Regel dauert es 15 Jahre, bis sich ein Aneurysma ausgebildet hat. Andererseits gibt es eine Reihe von Erkrankungen, bei denen aufgrund einer Wandschwäche der Gefäße gehäuft Aneurysmen auftreten. Diese Faktoren spielen wahrscheinlich eine entscheidende Rolle in der Ätiologie bei Aneurysmen im Kindesalter. Das gehäufte Auftreten von Aneurysmen mit infektiösem und traumatischem Ursprung bei Kindern impliziert, dass die Gefäße hierfür anfälliger sind als im Erwachsenen-
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b . Abb. 9.53a–c. Aneurysma. 17-jähriger Junge mit plötzlich aufgetretenen Kopfschmerzen. a Die CT zeigt eine ausgeprägte Subarachnoidalblutung mit beginnender Liquorzirkulationsstörung. b In der DSA stellt sich dann ein Aneurysma der A. communicans anterior dar. c Das Aneurysma wurde mit GDC-Coils endovaskulär verschlossen. (Aus Radiologe 2003, 43:944, Abb. 7 a–c)
4 höhere Inzidenz traumatischer und infektiös bedingter Aneurysmen 4 höhere Inzidenz spontaner Thrombosen Mit zunehmendem Alter werden diese Unterschiede geringer.
Epidemiologie
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alter. Andererseits muss davon ausgegangen werden, dass die Gefäße bei Kindern eher eine »Heilung« der Aneurysmen begünstigen als bei Erwachsenen, da es zahlreiche Berichte über spontane Thrombosen bei Aneurysmen im Kindesalter gibt. Die Aneurysmen im Kindesalter zeigen einige Abweichungen von Aneurysmen im Erwachsenenalter: 4 ein Überwiegen bei Jungen im Verhältnis 3:1 4 eine höhere Inzidenz ungewöhnlicher Lokalisation, z. B. mit etwa 15% in der hinteren Zirkulation, gehäuft peripheres Auftreten 4 Prädilektion der Karotisbifurkation (31–54%) 4 gehäuftes Auftreten von großen und Riesenaneurysmen (20%) 4 geringere Inzidenz multipler Aneurysmen (2%) 4 geringere Morbidität
Die Inzidenz intrakranieller Aneurysmen in der Bevölkerung variiert zwischen verschiedenen Ländern und Kontinenten und beträgt 4,9% in Nordamerika, Europa und Japan und nur 0,2% in einigen Ländern des mittleren Ostens. Die intrakraniellen Aneurysmen in der pädiatrischen Altersgruppe machen <5% aller intrakraniellen Aneurysmen in der Bevölkerung aus. Es gibt keine Angaben über inzidenziell entdeckte Aneurysmen im Rahmen von Autopsiestudien an Kindern. Einer höheren Inzidenz intrakranieller Aneurysmen beim weiblichen Geschlecht im Erwachsenenalter steht bei Kindern ein umgekehrtes Verhältnis gegenüber: Hier zeigt sich ein vermehrtes Auftreten bei Jungen in einem Verhältnis von 3:1, v. a. bei Kindern <8 Jahren (s. o.). In der Gruppe der 10- bis 20-Jährigen beträgt das Verhältnis noch 1,2:1. Das Verhältnis kehrt sich im 5. Lebensjahrzehnt um, hier sind dann etwas mehr Frauen als Männer betroffen. Mit zunehmendem Alter nimmt der Anteil der Frauen weiter zu.
Pathogenese Es wird davon ausgegangen, dass bei Kindern etwa 75% der Aneurysmen den sakkulären Typ aufweisen. Sie treten meist an Gefäßaufteilungsstellen auf. Prädilektionsstellen sakkulärer Aneurysmen bei Erwachsenen sind die Gabelung der A. communicans
115 9.3 · Vaskuläre Erkrankungen
anterior mit der A. cerebri anterior, die Aufzweigung der A. communicans posterior mit der A. carotis interna sowie die Bifurkation der A. cerebri media. Sie treten v. a. an der Schädelbasis auf. Des Weiteren kommen sakkuläre Aneurysmen am Basilariskopf und an der Aufteilung der A. basilaris mit der A. cerebelli superior oder der A. cerebelli anterior inferior vor. In 85% der Fälle treten die Aneurysmen im Circulus arteriosus Willisii auf. 10–30% der erwachsenen Patienten haben multiple Aneurysmen, in 10–20% findet sich ein weiteres Aneurysma in identischer Lokalisation auf der kontralateralen Seite. Bei der Entstehung eines Aneurysmas kommt es meist zur Ausbildung eines Halses und eines Aneurysmasacks. Die Weite des Halses und die Größe des Aneurysmasacks sind entscheidende Faktoren für die weitere therapeutische Planung. Die Lamina elastica interna verschwindet im Bereich des Aneurysmahalses, die Media verdünnt sich. An der Rupturstelle, welche meist im Bereich des Aneurysmasacks auftritt, verdünnt sich die Wand auf <0,3 mm, der Riss ist oft nicht länger als 0,5 mm. Bei welchen Aneurysmen es zu einer Blutung kommt, ist nicht vorhersehbar. Mehrere Studien deuten aber darauf hin, dass Aneurysmen mit einer Größe >7 mm eine höhere Rupturwahrscheinlichkeit besitzen. Bei Patienten <20 Jahren treten häufig traumatische Aneurysmen auf. Sie machen ungefähr 5–15% bei den pädiatrischen Aneurysmen aus. Die spontane Heilungstendenz dieser traumatischen Aneurysmen wird mit bis zu 20% angegeben. 40% der traumatischen Aneurysmen liegen im Bereich der A. cerebri anterior, 35% finden sich in den großen Gefäßen der Schädelbasis und etwa 25% sind distal in der Peripherie zu finden. Die meisten der Kinder hatten etwa 3–4 Wochen nach dem Traumaereignis eine intrakranielle Blutung. Über 70% hatten ein geschlossenes Schädel-Hirn-Trauma erlitten, etwa 16% eine Schussverletzung. In Einzelfällen wird auch über Aneurysmen berichtet, die anscheinend durch Geburtstraumen entstanden sind. Posttraumatische Aneurysmen sind häufig so genannte falsche oder Pseudoaneurysmen mit einer Ruptur der Wand. Hierbei ist das Aneurysma nur durch das umliegende Parenchym gedeckt.
Sonderform: Riesenaneurysmen und infektiöse Aneurysmen Riesenaneurysmen (>25 mm im Durchmesser) (. Abb. 9.54) scheint eine besondere Form der Wandschwäche zugrunde zu liegen. Sie sind etwa 4-mal häufiger bei Kindern anzutreffen als bei Erwachsenen. Bei Kindern <5 Jahren wird der Anteil der Riesenaneurysmen auf bis zu 20% geschätzt. In einigen Fällen wird auch über noch höhere Inzidenzraten mit bis zu knapp 50% berichtet. Die Inzidenz disseziierender Aneurysmen traumatischen oder spontanen Ursprungs wird wahrscheinlich stark unterschätzt, da Gefäßeinengungen distal oder proximal des Aneurysmas des Trägergefäßes nicht erkannt werden. Flussbedingte Aneurysmen treten in der pädiatrischen Altersgruppe in der Regel nicht auf, auch nicht bei sehr hohen arteriovenösen Shunts. Infektiöse Aneurysmen machen ungefähr 5–15% aller pädiatrischen Aneurysmen aus. Die häufigste Ursache sind Infektionen mit Staphylokokken, Streptokokken und verschiedenen gramnegativen Bakterien. Infektiöse Aneurysmen treten oft im Rahmen einer Endokarditis oder im Zusammenhang mit ange-
. Abb. 9.54. Riesenaneurysma. 26-jähriger Patient mit Augenmuskelparese. Im petrösen Segment der A. carotis interna ist ein nach lateral gerichtetes, ca. 18×25 mm großes Aneurysma nachweisbar (paralytisches Aneurysma)
borenen oder rheumatischen Herzerkrankungen auf. Es gibt auch einige Berichte über intrakranielle Aneurysmen bei HIVInfektion. Hier finden sich meist fusiforme Aneurysmen, die anscheinend oft im Verlauf einer opportunistischen Infektion auftreten. Infektiös verursachte Aneurysmen entwickeln sich innerhalb kurzer Zeit und werden oft durch ischämische Infarkte symptomatisch, die durch eine Arteriitis entstehen. Selten treten intrakranielle Blutungen dabei auf. Auch bei systemischen Erkrankungen, z. B. bei Kollagenerkrankungen, können Aneurysmen auftreten. Aneurysmen im Kindesalter sind im Zusammenhang mit dem Ehlers-DanlosSyndrom, dem Klippel-Trenaunay-Weber-Syndrom, hereditären hämorrhagischen Teleangiektasien, der tuberösen Sklerose, dem Moya-Moya-Syndrom, der Aortenstenose und fibromuskulären Dysplasien beschrieben worden. ! Multiple Aneurysmen bei Kindern werden, wie oben erwähnt, in nur etwa 2% gesehen. Bei infektiösen Aneurysmen wird allerdings über eine Multiplizität in etwa 15% der Fälle berichtet. Bei Erwachsenen treten multiple Aneurysmen in bis zu 15% der Fälle auf; deswegen ist es notwendig, in einer Panangiographie sämtliche hirnzuführende Gefäße darzustellen, alternativ MR- oder CT-Angiographie.
Klinik Die Ruptur eines intrakraniellen Aneurysmas ist die häufigste Ursache einer Subarachnoidalblutung (SAB) (. Abb. 9.55). Eine intrakranielle Aneurysmablutung wird bei Säuglingen und Kleinkindern <5 Jahren in 82% der Fälle als Ursache für eine Subarachnoidalblutung angegeben. Die Inzidenz nimmt mit steigendem Alter ab und beträgt nur noch etwa 45% bei Kindern
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Kapitel 9 · Gehirn
9 . Abb. 9.55. Subarachnoidalblutung. Im CT zeigt sich die typische basale Blutverteilung bei einer ausgeprägten SAB
. Abb. 9.56. Paralytisches Aneurysma. Fusiforme Erweiterung des Karotisendabschnitts führt zu einer Lähmung kaudaler Hirnnerven: paralytisches Aneurysma
>5 Jahren. Zwischen dem 10. und 20. Lebensjahr ist die Ursache einer Subarachnoidalblutung in etwa 40% ein intrakranielles Aneurysma und in knapp 30% eine arteriovenöse Malformation. Es gibt allerdings starke Unterschiede zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Bei der asiatischen Bevölkerung finden sich signifikant weniger intrakranielle Aneurysmen. Es gibt nur wenige Berichte über subarachnoidale Blutungen bei Neugeborenen. Klinische Symptome sind in diesen Fällen Anfälle, Hirndruckzeichen und Hemiparesen. Bei älteren Kindern und Erwachsenen manifestiert sich eine Subarachnoidalblutung typischerweise mit einem schlagartig einsetzenden Kopfschmerz, der von den Patienten als »Kopfschmerz wie noch nie« beschrieben wird. Häufige Begleitsymptome sind Übelkeit, Erbrechen, Nackenschmerzen sowie Bewusstseinsstörungen. Die Einteilung des klinischen Zustands wird anhand der Klassifikation von Hunt und Hess durchgeführt (. Tab. 9.4). Die Prognose ist abhängig vom Schweregrad der initialen klinischen Symptome. Als Grad 0 werden oftmals die asymptomatischen, zufällig entdeckten Aneurysmen bezeichnet. Nicht immer ist die Diagnose aber so »klassisch«. Es gibt Patienten, die zwar über heftige Kopfschmerzen klagen, bei denen aber die Schmerzintensität aufgrund der meningealen Reizung allmählich zunimmt. In dieser Situation kann es dann häufiger zu Fehldiagnosen kommen, z. B. einer Erstmanifestation einer Migräne, Spannungskopfschmerzen etc. Gerade bei Kindern wird oft nicht gleich an das Vorliegen einer Subarachnoidalblutung gedacht. Bei älteren Kindern ist die Klinik ähnlich wie bei Erwachsenen. Meist besteht ein schlagartiges Kopfschmerzereignis. Zudem kann es zu einem kurzen Bewusstseinsverlust und einem Meningismus kommen. Bei etwa 10% der Patienten bestehen beidseitige Pyramidenbahnzeichen. Bei einem Drittel der Fälle tritt eine Ruptur nach einer körperlichen Anstrengung auf.
Unabhängig von der Lokalisation des Aneurysmas sind die Kopfschmerzen fast immer diffus. Bei einer Aneurysmaruptur mit einer ausgeprägten subarachnoidalen Blutung nähert sich der intrakranielle Druck dem arteriellen Druck, und der Hirnperfusionsdruck fällt. Dies ist wahrscheinlich die Erklärung für den plötzlichen transienten Bewusstseinsverlust, der in etwa 45% auftritt. Der Vernichtungskopfschmerz kann dem vorausgegangen sein, jedoch klagen die meisten Patienten erst über Kopfschmerzen, nachdem sie das Bewusstsein wieder erlangt haben. Wenn mit einem plötzlichen Kopfschmerz Erbrechen verbunden ist, sollte immer der Verdacht auf eine akute Subarachnoidalblutung geäußert werden. Wenngleich das Fehlen fokal-neurologischer Symptome ein Charakteristikum der Aneurysmablutung ist, können diese dennoch auftreten und das nicht nur durch direkte Nervenkompression durch Druck des erweiterten Aneurysmas (paralytisches Aneurysma) (. Abb. 9.56). Einige Faktoren können auf das Vorhandensein und die Lokalisation eines nicht rupturierten Aneurysmas hinweisen. Zum Beispiel kann es bei einem Aneurysma im Bereich der Teilung der A. carotis interna und der A. communicans posterior zu einer Lähmung des N. oculomotorius kommen. Daran sollte v. a. dann gedacht werden, wenn es zusätzlich zu einer Pupillenerweiterung, einem Verlust des Lichtreflexes oder fokalen Schmerzen über und hinter dem Auge kommt. Eine Lähmung des N. abducens kann auf ein Aneurysma im Sinus cavernosus hinweisen. Bei einem supraklinoidalen Karotisaneurysma kann es zu Gesichtsfeldausfällen kommen. Okzipitale Schmerzen können auf PICA- oder AICA-Aneurysma hindeuten. Zu Schmerzen in und hinter dem Auge sowie im unteren Temporalbereich kann es bei einem expandierenden Mediaaneurysma kommen.
117 9.3 · Vaskuläre Erkrankungen
. Tab. 9.4. Klassifikation der Subarachnoidalblutung nach Hunt und Hess
Grad
Befund
0
Asymptomatische Aneurysmen
I
Leichte Kopfschmerzen und Meningismus, keine fokale Neurologie
II
Mäßige bis starke Kopfschmerzen, Meningismus, keine neurologischen Ausfalle außer Hirnnervensymptome
III
Benommenheit, Verwirrtheit oder/und leichtes neurologisches Defizit
IV
Sopor, mäßige bis schwere neurologische Defizite wie Halbseitenlähmung, vegetative Störungen
V
Koma, Dezerebrationszeichen
Bildgebung Ziel der radiologischen Untersuchung ist es festzustellen, ob eine Subarachnoidalblutung tatsächlich stattgefunden hat. Kann radiologisch der Nachweis einer Subarachnoidalblutung nicht erbracht werden, muss bei klinischem Verdacht auf eine Subarachnoidalblutung unbedingt eine Liquorpunktion duchgeführt werden. Bei Nachweis von Blut im Liquor muss zwingend nach einer Blutungsquelle gesucht werden.
. Abb. 9.57. Blutungen bei Aneurysma, CT. Bei dieser Patientin sieht man die typische basale Blutverteilung im Subarachnoidalraum und zusätzlich eine frontale intraparenchymale Blutung; hinweisend auf ein Aneurysma der A. communicans anterior
Computertomographie. Besteht der Verdacht auf eine Subarachnoidalblutung, so ist die CT aufgrund der hohen Sensitivität von 85–100% innerhalb der ersten 3 Tage nach Blutungsereignis die Methode der Wahl (. Abb. 9.57). Die Blutverteilung in der CT lässt nicht immer auf die Aneurysmalage schließen. Bei mehreren Aneurysmen kann oft aufgrund der Blutverteilung auf das rupturierte Aneurysma geschlossen werden, das dann vordringlich behandelt werden muss. Liegt das Blutungsereignis einige Tage zurück, sinkt die Sensitivität der CT stark, nach 14 Tagen liegt sie nur noch bei etwa 50%. Bei geringen Blutanteilen im subarachnoidalen Raum kann das Blut schon nach einigen Tagen resorbiert sein. CT-Angiographie. Die CT-Angiographie der intrakraniellen Gefäße ist mit modernen Mehrzeilenscannern bei einer gleichzeitig hervorragenden Bildqualität schnell durchführbar (. Abb. 9.58). Zurzeit gilt für den Nachweis eines Aneurysmas mit einem Durchmesser <3 mm die CT-Angiographie der DSA jedoch als unterlegen. Auch bei schädelbasisnahen Aneurysmen bestehen noch diagnostische Probleme. Die CT-Angiographie kann allerdings komplementär zur DSA eingesetzt werden. In einer prospektiven Studie an 134 konsekutiven Patienten mit DSA fand sich bei 21 Patienten in der DSA kein Aneurysma. In 5 von diesen Patienten konnte in der CT-Angiographie ein kleines Aneurysma der A. communicans anterior und in einem Fall ein Aneurysma der A. cerebri media nachgewiesen werden. In der Therapieplanung kann eine CT-Angiographie zur elektiven Operationsplanung hilfreich sein, besonders bei großen und morphologisch komplexen Aneurysmen. So kann bei teilthrombosierten und verkalkten Aneurysmen das durchströmte Restlumen besser dargestellt werden.
. Abb. 9.58. Subarachnoidalblutung. Aneurysma-Nachweis im Endabschnitt der linken ACI
Magnetresonanztomographie. Die MRT stand viele Jahre im Ruf, eine akute Blutung schlechter nachweisen zu können als die CT. Für das intrazerebrale Hämatom stehen mittlerweile gute »blutungssensitive« Sequenzen zur Verfügung, sodass die MRT hier zumindest als gleichwertig einzustufen ist. Da die radiolo-
9
118
Kapitel 9 · Gehirn
giographie-Quellenbilder in Kombination mit 3D-Rekonstruktionen haben eine hohe Sensitivität beim Nachweis von Rezidivaneurysmen. Zwar verursachen die zum Verschluss eines Aneurysmas verwendeten Platinspiralen Artefakte mit »Signalauslöschung« benachbarter Strukturen, doch kann das Aneuryma-tragende Gefäß oft ausreichend gut beurteilt werden. Noch besser geeignet scheint hierzu die kontrastmittelgestützte MRA zu sein. Hiermit lassen sich auch kleine restperfundierte Aneurysmaanteile nachweisen. Die Platinspiralen stellen keine Kontraindikation für eine MR-Untersuchung dar, im Gegenteil, die MRT ist fester Bestandteil der Nachsorge endovaskulär mit Platinspiralen versorgter Aneurysmen.
Komplikationen der Subarachnoidalblutung
9 . Abb. 9.59. Subarachnoidalblutung mit perimesenzephalen Blutanteilen. Die Temporalhörner sind betont, hinweisend auf einen beginnenden hydrozephalen Aufstau
gische Schlaganfalldiagnostik zunehmend mit der MRT durchgeführt wird, war es wichtig, spezielle MR-Protokolle zu erstellen, mit denen eine Subarachnoidalblutung – die klinisch einen Schlaganfall imitieren kann – nicht übersehen wird. Ein MR-Protokoll bei der Frage nach einem Schlaganfall sollte daher eine FLAIRSequenz (»fluid attenuated inversion recovery«) und evtl. noch eine Protonendichte(PD)-gewichtete Sequenz enthalten, damit auch eine Subarachnoidalblutung nachgewiesen werden kann. In der Akutphase ist die MRT aber noch nicht die Methode der Wahl zum Nachweis einer Subarachnoidalblutung. Das liegt außer an den höheren Kosten auch an der im Vergleich zur CT längeren Untersuchungszeit und der aufwendigeren Überwachung in der MRT bei oftmals bewusstseinsgetrübten Patienten. In der subakuten Phase der Subarachnoidalblutung ist die MRT der CT jedoch überlegen, weil dann die erhöhten Liquoreiweißkonzentrationen zusammen mit paramagnetischen Effekten von Blutabbauprodukten lokal zu charakteristischen MR-Veränderungen führen können (. Abb. 9.59). MR-Angiographie. Wie die CT-Angiographie erlaubt die MRAngiographie prätherapeutisch die verlässliche Darstellung komplex geformter größerer Aneurysmen, spielt aber in der Akutsituation zum Aneurysmanachweis zurzeit nur eine untergeordnete Rolle. Anders als mit der DSA lassen sich jedoch mit der CTA und MRA thrombosierte Aneurysmaanteile nachweisen. Eine große Bedeutung kommen der MR-Angiographie, besonders der TOF-MR-Angiographie, der kontrastmittelunterstützten MR-Angiographie und T1-gewichteten Sequenzen in der Nachsorge verschlossener Aneurysmen zu. Die MR-An-
Rezidivblutungen. Je nach Größe, v. a. jedoch je nach der Lokalisation eines rupturierten Aneurysmas, kommt es in bis zu 40– 50% der Fälle zu einer frühen Nachblutung. Entscheidend ist daher, das Aneurysma so bald wie möglich aus der Blutzirkulation auszuschalten. Patienten, die eine Rezidivblutung überleben, haben eine schlechtere Prognose als Patienten ohne Nachblutung. Dies liegt vermutlich u. a. daran, dass es infolge der Nachblutung zu Verklebungen des Subarachnoidalraums kommt, was später eher zu intrazerebralen Blutungen führen kann. Das Nachblutungsrisiko ist innerhalb der ersten Tage sehr hoch und wird mit 1,5% pro Stunde für die ersten 6 h angegeben, weswegen eine schnelle Versorgung der Aneurysmen erfolgen sollte. Hydrozephalus. Durch eine akute Resorptionsstörung bzw. eine akute Abflussstörung des Liquors durch intraventrikuläre Blutgerinnsel kann ein akuter Hydrozephalus auftreten. Dieser Umstand ist häufig Grund für die primär schlechte Bewusstseinslage der Patienten. Im weiteren Krankheitsverlauf persistiert der Hydrozephalus bei etwa 25–30% der Patienten, was dann eine dauerhafte Ventrikeldrainage durch Shuntanlage erfordert. Vasospasmus. Neben der Rezidivblutung eines nicht behandel-
ten Aneurysmas ist der Vasospasmus eine gefürchtete Komplikation nach Subarachnoidalblutung. Durch das Auftreten von Blut im Subarachnoidalraum entstehen meistens 4–14 Tage nach der Blutung aus pathophysiologisch bisher ungeklärten Gründen Vasospasmen der größeren, aber auch der kleineren, intrakraniellen Arterien. Wahrscheinlich sind die Ursache des Vasospasmus Blutabbauprodukte oder freigesetzte Mediatorstoffe. Die Vasospasmen können zu erheblichen Durchblutungsstörungen mit neurologischen Defiziten bis hin zum Multiinfarktsyndrom mit Todesfolge führen. Die Engstellung der Gefäße bleibt dabei nicht auf das Aneurysma-tragende Gefäß beschränkt, sondern ist häufig auch generalisiert zu beobachten. Sie kann sich sogar an den Gefäßen der anderen Hemisphäre bzw. infratentoriell manifestieren. Persistierende neurologische Ausfälle durch einen vasospastischen Hirninfarkt treten bei etwa 20% aller Patienten mit Subarachnoidalblutung auf (. Abb. 9.60). Diagnostiziert wird der Vasospasmus heute üblicherweise durch wiederholte transkranielle Doppleruntersuchungen. Eine DSA ist nur dann notwendig, wenn die Dopplersonographie die klinische Verschlechterung des Patienten nicht ausreichend erklärt ober aber wenn bei einem dopplersonographisch nachge-
119 9.3 · Vaskuläre Erkrankungen
a
b
. Abb. 9.60a, b. Vasospasmen bei SAB
wiesenen und klinisch symptomatischen Vasospasmus eine endovaskuläre Spasmolyse durchgeführt werden soll. Die transluminale Angioplastie eignet sich bei Spasmen der distalen ACI, allenfalls noch bei Spasmen der proximalen Abschnitte der A. cerebri media (M1-Segment). Im hinteren Hirnkreislauf kann die Angioplastie bei Spasmen der A. vertebralis und der A. basilaris eingesetzt werden. Hat der Patient generalisierte Vasospasmen unter Einbeziehung distaler Gefäßsegmente, kann die intraarterielle Gabe von Nimodipin, einem Kalziumantagonisten, versucht werden. Nachteilig ist dabei die nur kurze Wirksamkeit des Medikaments, sodass bei manchen Patienten diese Therapie mehrfach angewandt werden muss.
Therapie Das Prinzip der Aneurysmabehandlung besteht in der Ausschaltung des Aneurysmas aus der Blutbahn. Das kann durch ein operatives Vorgehen erfolgen – Aneurysmaclipping – oder durch einen endovaskulären Verschluss mittels Platinspiralen – GDC-Coiling. Eine frühe Behandlung wird angestrebt, um eine Rezidivblutung zu verhindern. Generell sollte die Therapie eines Aneurysmas in einem interdisziplinären Team, bestehend aus Neurochirurgen und Neuroradiologen, besprochen werden. Die Daten der ISAT-Studie zeigten, dass die endovaskuläre Behandlung bei Patienten mit rupturierten Aneurysmen ein besseres klinisches Outcome aufwies. Diese kontrollierte prospektive Studie zum Behandlungsrisiko rupturierter Aneurysmen wurde nach 2143 von 2500 geplanten Patienten vorzeitig gestoppt, da der endovaskuläre Therapiearm im Vergleich zu den operierten Patienten ein um 6,9% reduziertes absolutes Therapierisiko zeigte. Die endovaskuläre Therapie sollte deshalb zunächst als erste Option angestrebt werden (s. u.). Eine Operationsindikation ist jedoch dann gegeben, wenn ein raumforderndes intraparenchymales Hämatom vorliegt. Ein
solches Hämatom muss operativ entfernt werden, und in der Regel lässt sich dann über den gleichen Zugang auch das Aneurysma clippen. Für Aneurysmen, bei denen die regionale Gefäßanatomie nicht eindeutig dargestellt werden kann oder aus denen Arterien hervorgehen, ist die Operation ebenfalls die Methode der Wahl. Diese Konstellation tritt häufiger bei Aneurysmen an der Aufzweigung der A. cerebri media auf. Aneurysmen im hinteren Kreislauf werden wegen der Nähe zum Hirnstamm, wegen des schwierigen operativen Zugangs entlang der Hirnnerven und wegen der zahlreichen, funktionell wichtigen Perforansarterien aus der A. basilaris bevorzugt endovaskulär behandelt. Die Ergebnisse der endovaskulären Therapie sind hier so überzeugend positiv, dass eine randomisierte Studie ethisch nicht mehr vertretbar ist. Die Annahme, dass durch intraoperatives Spülen des Subarachnoidalraums mit Kochsalz und rTPA zur Entfernung des subarachnoidalen Bluts Vasospasmen verhindert werden können, konnte bislang nicht bestätigt werden. Eine vergleichende Studie hat sogar gezeigt, dass in der Gruppe der mit Coiling behandelten Patienten weniger Vasospasmen auftraten als in der operierten Gruppe. Durch die Einführung des Mikroskops während neurovaskulärer Operationen durch Krayenbühl und Yasargil 1967/1968 hat sich die offene Behandlung intrakranieller Aneurysmen deutlich verbessert, und zwar sowohl im Hinblick auf das klinische Outcome als auch auf die Effizienz. Der zusätzliche Einsatz eines Endoskops kann in einigen Fällen wichtige Informationen zur Konfiguration des Aneurysmahalses und der regionalen Gefäßanatomie geben und dadurch die Geweberetraktion minimieren. In jedem Fall ist jedoch eine Schädeltrepanation – wenn auch nicht mehr so ausgedehnt wie vor 50 Jahren – nötig, um den Clip präzise auf den Aneurysmahals zu platzieren und die Gefäßaussackung damit sicher von der Blutzirkulation auszuschließen.
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120
Kapitel 9 · Gehirn
Allerdings gibt es auch nach Clipping eines Aneurysmas residuale Aneurysmaanteile und Rezidivaneurysmen. Die Rate der Rezidivaneurysmen ist wegen der selten durchgeführten, postoperativen Angiographie noch nicht ausreichend bekannt. In den bisher vorliegenden Studien werden bis zu 13% angegeben. Klinisches Outcome, prozedurale Morbidität und Mortalität lassen sich bei Patienten mit Subarachnoidalblutung nur schwer von krankheitsbedingten Komplikationen trennen. Eine Metaanalyse von 2460 Patienten mit 2568 nichtrupturierten, geclippten Aneurysmen ergab eine prozedurale Morbidität mit permanenten Defiziten von 10,9% und eine prozedurale Mortalität von 2,6%. Eine höhere Morbidität wiesen hierbei größere Aneurysmen im hinteren Kreislauf auf. Endovaskuläre Therapie
9
Die Entwicklung von weichen elektrolytischen, ablösbaren Platinspiralen durch den Italiener Guglielmo (»Guglielmo Detachable Coil«/GDC) brachte den Durchbruch in der endovaskulären Therapie intrakranieller Aneurysmen. Mit dieser Technik kann unmittelbar nach der diagnostischen Angiographie ein speziell markierter Mikrokatheter koaxial durch den Führungskatheter in dem jedes Aneurysma manövriert werden. Je nach Größe und Form des Aneurysmas wird dann eine speziell ausgewählte Platinspirale unter Bildwandlerkontrolle durch den Mikrokatheter in dem Aneurysma platziert. Diese Spirale besteht aus verschiedenen Komponenten. Die wichtigste hiervon ist eine Ablösestelle, die so genannte Sollbruchstelle, die durch das Anschalten von Gleichstrom aktiviert wird, sodass sich die Spirale an dieser Stelle elektrolytisch von ihrem Einführungsdraht löst. Hilfreich und neu an dieser Entwicklung ist, dass die Spirale bis zu ihrer Ablösung jederzeit wieder problemlos aus dem Aneurysma herausgezogen werden kann. Dies ist besonders dann wichtig, wenn die Spirale zu groß oder zu klein gewählt wurde und teilweise in das Trägergefäß hineinragt. Nur wenige Aneurysmen lassen sich mit nur einer Spirale vollständig verschließen, in den meisten Fällen sind dazu 2 oder mehrere Spiralen notwendig. Die Therapie wird beendet, wenn die Kontrollangiographie keine Füllung des Aneurysmas mehr zeigt (. Abb. 9.61). Bei Anwendung herkömmlicher Platinspiralen sind zu diesem Zeitpunkt allerdings erst maximal 30–40% des Aneurysmalumens durch Material verlegt. Ein Nachteil der endovaskulären Therapieverfahren besteht darin, dass eine relativ hohe Rekanalisierungsrate der Aneurysmen zu erwarten ist. Hauptsächlich betrifft dies große Aneurysmen mit >25 mm Durchmesser. Mittlerweile sind allerdings auch Platinspiralen mit einer Beschichtung erhältlich, die die Rekanalisierungsrate minimieren sollen. Die ersten Ergebnisse bei Anwendung dieser neuartig beschichteten Spiralen sind ermutigend. Auch Flüssigembolisate (Onyx), die unter Zuhilfenahme eines Ballonkatheters in das Aneurysmalumen eingebracht werden, dienen der verbesserten Okklusionsrate. Der Ballonkatheter wird hierbei vorübergehend im Trägergefäß in Höhe des Aneurysmahalses so lange aufgeblasen, bis die Flüssigkeit ausgehärtet ist. Dieser Vorgang wird so oft wiederholt, bis das Aneurysma komplett mit Flüssigembolisat ausgefüllt ist. Die endovaskuläre Behandlung ist zwar »minimal invasiv«, aber auch nicht komplikationsfrei. Die wesentlichen Komplika-
tionen sind thromboembolische Ereignisse. Hierbei können distale Gefäßverschlüsse, aus dem Katheter abgeschwemmte Thromben oder aus dem Aneurysma freigesetzte Thromben auftreten.Durch eine während der Prozedur durchgeführte Heparinisierung kann die Rate thromboembolischer Komplikationen deutlich gesenkt werden. In 2–3% der Fälle kommt es während der Therapie zu einer Aneurysmaruptur. Fast immer kann diese Situation aber durch weiteres Einbringen von Platinspiralen in das Aneurysma beherrscht werden. Breitbasige Aneurysmen waren bisher schwierig bis nicht endovaskulär zu behandeln. Mithilfe intrakranieller Stents, die über den breiten Hals des Aneurysmas im Trägergefäß platziert werden, kann das Prolabieren von Coilschlingen in das Trägergefäß verhindert werden. Alternativ können auch weiche Ballons verwendet werden – Remodelling-Technik. Klinisches Outcome der endovaskulären Therapie. Prozedurale Morbidität und Mortalität sind bei den endovaskulären Verfahren mit etwa 3,7 bzw. 1% deutlich geringer als bei einem neurochirurgischen Clipping. Die prospektive, randomisierte ISATStudie konnte auch ein besseres klinisches Outcome bei den mit Platinspiralen behandelten Patienten feststellen. Neuropsychologische Defizite, die bei der üblichen Bewertung, z. B. mit der »Glasgow Outcome Scale«, keine Rollen spielen, sind bei endovaskulärer Behandlung ebenfalls deutlich geringer. Entscheidend für das Outcome von Patienten mit einer Subarachnoidalblutung sind aber die Schwere der initialen Blutung und die Qualität der intensivmedizinischen Behandlung der Komplikationen. Bisher erscheint das Risiko einer Rezidivblutung nach Behandlung eines Aneurysmas mit Platinspiralen nicht relevant erhöht. Trotzdem sollten endovaskulär behandelte Patienten nach 6 Monaten sowie nach einem weiteren Jahr zur Befundkontrolle angiographiert oder aber mit einer TOF- bzw. kontrastunterstützten MR-Angiographie oder einer mehrzeiligen CTAngiographie untersucht werden, um eine Rekanalisierung des Aneurysmas auszuschließen. Sollte sich in der Kontrolluntersuchung ein Rezidiv herausstellen, ist unter Umständen eine erneute endovaskuläre Therapie notwendig. Abhängig vom Befund der zweiten Kontrolle können dann in größeren Abständen Kontrolluntersuchungen durchgeführt werden. Aufgrund der thrombogenen Materialien, die zur Aneurysmabehandlung verwendet werden, ist es denkbar, dass vermehrt thromboembolische Ereignisse auftreten. Deshalb wird an vielen Zentren vorübergehend eine Gabe von ASS (100–300 mg) für 3–6 Monate nach endovaskulärer Behandlung des Aneurysmas empfohlen.
9.3.2
Schlaganfall
Schlaganfall bei Erwachsenen – Grundlagen Definition, Ätiologie Unter dem Symptom Schlaganfall subsummieren sich eine ganze Reihe von verschiedenen Erkrankungen. Am häufigsten wird der Schlaganfall verursacht durch eine zerebrale Ischämie (ca. 70– 80%) oder eine intrazerebrale Blutung (ca. 15–20%). Daneben können Subarachnoidalblutungen (2–5%), Tumoren, Entzündungen und auch epileptische Anfälle Ursache eines Schlagan-
121 9.3 · Vaskuläre Erkrankungen
a
b
d c
falls sein. Dabei kommt es zu einer plötzlich subakut auftretenden, fokal-neurologischen Symptomatik, die abhängig von der betroffenen Hirnregion ist. Eine exakte Differenzierung, z. B. zwischen einer intrazerebralen Blutung und einer Ischämie, ist oft auch klinisch nicht möglich; hier muss die Bildgebung die Ursache klären. Der Schlaganfall, die akute Durchblutungsstörung des Gehirns, ist keine einheitliche Erkrankung, sondern hat vielfältige Ursachen. Mikrozirkulationsstörungen machen rund 30–35% aller Hirninfarkte (HI) aus. Sie manifestieren sich in akuten lakunären Infarkten (. Abb. 9.62) und im chronischen Verlauf in der subkortikalen arteriolosklerotischen Enzephalopathie (SAE) (. Abb. 9.63). Ihr wichtigster Risikofaktor ist der Hypertonus. Makrozirkulationsstörungen, die zu Territorial-
. Abb. 9.61a–d. Coiling eines Aneurysmas. a Aneurysma vor Coiling, b Aneurysma während Coiling, c Aneurysma nach Coiling, d Platinspirale
(. Abb. 9.64) oder hämodynamischen Infarkten (. Abb. 9.65) führen, sind die Ursache weiterer 45–60%. Sie entstehen häufig durch kardiale Embolien bei absoluter Arrhythmie, Herzklappenersatz oder einem offenen Foramen ovale und durch arterioarterielle Embolien auf dem Boden arteriosklerotischer Gefäßveränderungen wie der Karotisstenose, oder durch lokale Thrombosen, beispielsweise bei Atherosklerose, Arteriitiden oder Gerinnungsstörungen. Die Kombination aus Mikro- und Makrozirkulationsstörungen ist für 10–20% der Hirninfarkte verantwortlich, weitere 10% können nicht sicher klassifiziert werden. In den letzten 10 Jahren haben sich die therapeutischen Möglichkeiten beim Schlaganfall v. a. durch die Etablierung der Stroke-Unit-Behandlung und die Einführung der Fibrinolyse
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122
Kapitel 9 · Gehirn
dern und relativ niedrige Raten in den westeuropäischen Ländern, Skandinavien und Nordamerika. Den ersten Schlaganfall überleben ca. 80–85% der Patienten in der Akutphase. Von diesen Patienten erleiden 8–15% im ersten Jahr ein zweites Ereignis. Hierbei ist das Risiko in den ersten Wochen am höchsten und nimmt mit zunehmender Zeit zum nächsten Ereignis immer weiter ab. Besonders gefährdet sind Patienten mit multiplen vaskulären Risikofaktoren oder solchen mit begleitender KHK oder pAVK. Bei TIA’s sind v. a. Patienten mit zerebralen Symptomen gegenüber jenen mit retinalen Symptomen (Amaurosis fugax) gefährdet sowie Patienten >60 Jahre mit Symptomdauer länger als 10 min und Symptomen mit Lähmungen oder Sprachstörungen. Das größte Risiko besteht in den ersten 3 Tagen nach einer TIA.
Verlauf und Prognose
9 . Abb. 9.62. Lakunärer Infarkt im Thalamus. 75-jähriger Patient mit neu aufgetretener Hemiparese. CT 48 h nach Beginn der klinischen Symptomatik zeigt eine lakunengroße Läsion im Thalamus rechts
bedeutend verbessert. Obwohl die Therapieverfahren so vielfältig wie die Ursachen der Schlaganfälle sind, gibt es wichtige Grundprinzipien, auf die im Folgenden für den ischämischen Hirninfarkt eingegangen werden soll.
Ischämischer Schlaganfall Epidemiologie Je nach geographischer Einteilung rechnet man mit 100– 700 Schlaganfällen pro 100 000 Menschen und Jahr. Derzeit finden sich die höchsten Inzidenzen in den osteuropäischen Län-
a
b
. Abb. 9.63a–c. Subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie (SAE). 82-jähriger Patient mit langjährig bestehendem Hypertonus. a In den axialen CT-Aufnahmen konfluierende Hypodensität v. a. im frontalen, weniger ausgeprägt auch im parietalen Marklager periventrikulär. Zusätz-
15% der Patienten mit einem ischämischen Insult sterben innerhalb der ersten 3 Monate. Durch die Verbesserung der Therapiekonzepte können heute etwa 40% der Patienten nach dem ersten Schlaganfall ein unbehindertes Leben führen. Das Risikoprofil für zerebrale Ischämien ist relativ gut bekannt, der größte Risikofaktor ist die arterielle Hypertonie. Die konsequente Behandlung einer arteriellen Hypertonie reduziert das Schlaganfallsrisiko sowohl bei primärer als auch bei sekundärer Prävention. Das Hirninfarktrisiko steigt mit zunehmendem Lebensalter besonders dann, wenn Vorhofflimmern, eine Linksherzinsuffizienz oder ein Diabetes mellitus vorliegen. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Der zweitgrößte Risikofaktor ist Nikotinmissbrauch, daneben sind Alkohol, Fettleibigkeit und Hyperlipidämie als Risikofaktoren bekannt. Die Behandlung der Risikofaktoren umfasst: 4 Konsequente Behandlung einer arteriellen Hypertonie 4 Behandlung eines Diabetes mellitus 4 Bei Patienten mit fokaler zerebraler Ischämie und KHK sollten unabhängig vom Ausgangswert des LDL-Cholesterins Statine eingesetzt werden.
c lich fällt eine deutliche Erweiterung der inneren und äußeren Liquorräume auf. b, c In den T2w- (b) und FLAIR-Sequenzen (c) stellen sich die diffusen Marklagerveränderugen hyperintens dar
123 9.3 · Vaskuläre Erkrankungen
. Tab. 9.5. Therapie des Schlaganfalls in der Prähospitalphase
. Abb. 9.64. Territorialinfarkt. In der diffusionsgewichteten Sequenz Signalsteigerung im linken Stammganglienbereich sowie im hinteren rechten Mediastromgebiet, vereinbar mit frischen Ischämien am ehesten kardioembolischer Genese
. Abb. 9.65. Hämodynamischer Infarkt. Signalsteigerung in der diffusionsgewichteten Sequenz, passend zu einer frischen Ischämie bei einer 72jährigen Patientin mit vorgeschalteter filiformer ACI-Stenose rechts
Diagnose, Therapie Jeder akute Schlaganfall ist ein Notfall, daher muss die Einweisung in eine Stroke Unit erfolgen. Unter Stroke Unit (SU) versteht man eine räumliche Behandlungseinheit, auf der rund um die Uhr ein auf die Schlaganfallbehandlung spezialisiertes ärztliches und pflegerisches Team unter der ständigen Leitung eines Neurologen die akut notwendige Diagnostik, Therapie und das entsprechende Monitoring durchführt. Zur ständigen 24 h-Verfügbarkeit gehören u. a. die zerebrale CT (CCT) oder MRT, die
Vitalparameter
Therapieoption
Hypoxämie
4 l O2 über Nasensonde
RR <220/120 mmHg
keine RR-Senkung
RR >220/120 mmHg
langsame RR-Senkung
Hypotonie und/oder Exsikkose
Flüssigkeitssubstitution (Ringerlösung i.v.)
Hypoglykämie <80 mg%
Glukose 40% 30 ml i.v.
Hyperglykämie 160 mg%
2 IE Altinsulin als Bolus
Hyperglykämie 200 mg%
4 IE Altinsulin as Bolus
Herzinsuffizienz, relevante Herzrhythmusstörungen
s. weiterführende Literatur
Krampfanfall
Clonazepam 1–2 mg i.v.
Aspirationsgefahr
Magensonde
Körpertemperatur
Therapie bei Fieber >37,5°C
Doppler-/Duplexsonographie, die transthorakale oder transösophageale Echokardiographie, ein Internist mit kardiologischer Kompetenz, eine intensivmedizinische Behandlungsmöglichkeit, die schnelle Erreichbarkeit einer neurochirurgischen Abteilung, klinisches und apparatives Monitoring zur Patientenüberwachung und -behandlung, die Möglichkeit zur Fibrinolyse. Die Beteiligung an einer anerkannten externen Qualitätssicherung ist obligat. Für die Prognose des Patienten ist ausschlaggebend, dass er wie beim Herzinfarkt so schnell wie möglich einer entsprechenden Klinik zugeführt wird. Die Maßnahmen in der Prähospitalphase dienen der Sicherung der Diagnose und der Vitalparameter. Weist z. B. eine gekreuzte neurologische Symptomatik auf einen akuten Hirnstamminfarkt oder hat der Patient eine schwerste Bewusstseinsstörung, sollte die Einweisung in eine überregionale Stroke Unit mit der Möglichkeit der direkten Angiographie zur Indikationsstellung der Fibrinolyse erfolgen. Das Monitoring umfasst, abgesehen von der neurologischen Symptomatik, die Vitalparameter Atmung, Blutdruck, Herzleistung und Blutzucker (. Tab. 9.5). Es muss beachtet werden, dass in der Akutphase Blutdruckwerte bis 220/120 mmHg toleriert werden und keine schematische Blutdrucksenkung erfolgt, da sonst die Prognose des Patienten verschlechtert wird (s. u.) Genau so wichtig ist es, eine unbehinderte Atmung mit hohem O2 und niedrigem CO2 zu gewährleisten. Die akute Basistherapie sieht folgendermaßen aus: 4 O2 und RR hoch 4 Blutzucker und Körpertemperatur niedrig 4 Infektionsprophylaxe Atmung
Die Atemwege müssen freigehalten werden, sodass eine optimale periphere Sauerstoffsättigung von >95%, u. U. durch eine kon-
9
124
Kapitel 9 · Gehirn
a
9
. Abb. 9.66a, b. Blutung nach Ischämie, hämorrhagische Transformation. a In der axialen T2-Wichtung Darstellung eines Posteriorteilinfarkts;
tinuierliche Sauerstoffgabe mittels Nasensonde (2–4 l/min), erreicht wird. Genauso wichtig sind optimale pCO2-Werte von 35–40 mmHg. Indikationen zur mechanischen Beatmung sind: 4 pO2 <50 mmHg 4 pCO2 >55 mmHg 4 respiratorische Erschöpfung 4 schwere Vigilanzstörung 4 Hirnstammläsion mit erhöhter Aspirationsgefahr Blutdruck
75–80% aller Schlaganfallpatienten haben aufgrund eines zentralen Regulationsmechanismus innerhalb der ersten 3 Tage erhöhte Blutdruckwerte mit oder ohne Aufhebung des zirkadianen Rhythmus, die sich innerhalb 1 Woche normalisieren oder auf die Hypertonus bedingten Werte abfallen. Es konnte nachgewiesen werden, dass hohe Blutdruckwerte bis 230 mmHg die bei einem Drittel der Schlaganfallpatienten noch während der ersten 3 Tage zu beobachtende klinische Verschlechterung verringern. Bei Patienten mit bestehender Hypertonie werden Zielwerte von 180 mmHg systolisch und 100–105 mmHg diastolisch empfohlen. Bei zuvor normotonen Patienten sollten systolische Werte zwischen 160–180 mmHg systolisch und 90–100 mmHg diastolisch angestrebt werden. Blutzucker
Erhöhte Blutzuckerwerte fördern über eine Laktatazidose die Hirnödementwicklung und den Anstieg des ICP und verschlechtern die Prognose des Patienten. Mit der diffusions- und perfusionsgewichteten MRT konnte nachgewiesen werden, dass bei gleicher Größe der Penumbra zu Beginn des Hirninfarkts das endgültige Infarktvolumen bei normoglykämischen Patienten kleiner war als bei hyperglykämischen. Es sind daher Blutzuckerwerte zwischen 100–150 mg/dl anzustreben.
b 78-jähriger Patient mit Hemianopsie seit 7 Tagen. b In der T1-Wichtung unregelmäßige Hyperintensität entsprechend Blut im Methämoglobinstadium
Körpertemperatur
Erhöhte Körpertemperaturen wirken sich negativ auf die Morbidität und Letalität der Schlaganfallpatienten aus. Zunächst steht die Prophylaxe von Infektionen, v. a. der Pneumonie und des Harnwegsinfekts, im Vordergrund. Wichtig sind physikalische Maßnahmen wie Lagerung und Physiotherapie, ferner das rechtzeitige Erkennen einer schlaganfallbedingten Aspirationsgefahr und die Prophylaxe durch frühzeitige Anlage einer Magensonde oder PEG. Die effiziente antipyretische Therapie wird schon ab Werten von 37,5°C empfohlen. Hirndruck
Die Therapie des erhöhten intrakraniellen Drucks (ICP) und des Hirnödems erfolgt mit abgestuften Maßnahmen. Therapiebedürftig ist ein ICP >20 mmHg. Zur Basistherapie gehören eine Normoglykämie, -thermie und -kapnie sowie eine ausreichende Oxygenierung und Analgosedierung. Mittelgradig erhöhte Blutdruckwerte sollten toleriert werden. Auf keinen Fall darf der Blutdruck vor dem ICP gesenkt werden, da sonst der zerebrale Perfusionsdruck auf kritische Werte abfallen kann. Dekompressive Kraniektomie
Die Hemikraniektomie (. Abb. 9.67) senkt nach Studien die Mortalität beim großen raumfordernden, so genannten malignen Mediainfarkt von 80 auf 40%. Mit einem malignen Mediainfarkt muss gerechnet werden, wenn mehr als zwei Drittel des Territoriums betroffen sind, v. a. wenn es sich um jüngere Patienten handelt. Die Trepanation sollte ausreichend groß sein und einen Durchmesser von 12–14 cm haben. Beim Kleinhirninfarkt können sich in Einzelfällen trotz der beschriebenen Hirndrucktherapie ein Liquoraufstau und eine lokale Kompression des Hirnstamms entwickeln. Sie sind bei zunehmender schwerer Vigilanzstörung eine Indikation zur exter-
125 9.3 · Vaskuläre Erkrankungen
tellen Ansatz, der entsprechenden Kliniken mit Erfahrung vorbehalten sein muss. Fibrinolyse
. Abb. 9.67. Hemikraniektomie. Großflächige Trepanation bei malignem Infarkt zur Druckentlastung
nen Ventrikeldrainage und operativen Dekompression durch subokzipitale Trepanation. Die Letalität kann durch den Eingriff bei komatösen Patienten von 80 auf 30% gesenkt werden. Voraussetzungen sind ein im CCT oder MRT nachgewiesener, zunehmender Hydrozephalus bzw. eine Kompression des 4. Ventrikels und der basalen Zisternen. Hypothermie
Obwohl es für die neuroprotektive Wirkung der Hypothermie viele Belege gibt, handelt es sich aufgrund der möglichen schwerwiegenden Komplikationen noch um einen experimen-
Die i. v.-Fibrinolyse mit rtPA im vorderen Hirnstromgebiet ist die Therapie, die den höchsten Evidenzgrad und die größte Effektivität hat. Sie ist beim Hirninfarkt in Bezug auf Reduktion von Tod und Behinderung mehr als doppelt so effizient wie beim Myokardinfarkt. Der Erfolg der Fibrinolyse hängt zum einen davon ab, dass die Rekanalisierung des Gefäßes möglichst frühzeitig erfolgt und zum anderen, dass die Rate schwerer intrazerebraler Einblutungen in das restliche Infarktareal möglichst niedrig ist. Die klinisch relevante intrazerebrale Blutung darf aber nicht mit der nicht selten vorkommenden hämorrhagischen Transformation ischämischen Gewebes verwechselt werden, die in der Regel zu keiner klinischen Verschlechterung führt. Daher gibt es Einschränkungen für die Indikation zur Lyse, die v. a. das therapeutische Zeitfenster und den Schweregrad der klinischen Symptomatik betreffen. In Deutschland ist die Fibrinolyse mit rtPA für die Behandlung des ischämischen Hirninfarkts innerhalb von 3 h nach dem Ereignis zugelassen (. Abb. 9.68). Die Effektivität ist aber auch innerhalb dieses Zeitfensters noch deutlich höher, je kürzer die Spanne zwischen Symptom- und Therapiebeginn ist (»symptom to needle time«). So ist die »number needed to treat« mit 4 statt 9 nur halb so hoch, wenn die Lyse innerhalb von 1,5 h statt 3 h durchgeführt wird. Studiendaten. In Deutschland muss die Fibrinolyse von einem
mit der Lyse vertrauten Team unter Mitwirkung eines in der neurologischen Intensivmedizin erfahrenen Arztes durchgeführt werden und die Weiterbehandlung auf einer Stroke Unit gewährleistet sein. Die Zulassungsbeschränkung für Patienten >80 Jahre ist nach einer Metaanalyse der NINDS-Studie nicht gerechtfertigt. Die Metaanalyse hat weiterhin ergeben, dass alle Infarkttypen unabhängig vom Geschlecht, Vorerkrankungen und kli-
. Abb. 9.68a, b. Medialyse. a In der Angiographie stellt sich der Verschluss der A. cerebri media dar; b nach Thrombolyse komplette Wiedereröffnung des verschlossenen Gefäßes
a
b
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Kapitel 9 · Gehirn
nischen Status von der Fibrinolyse profitieren. Wegen der erhöhten Einblutungsgefahr bei großen Infarkten ist sie aber nur bei einem mittleren neurologischen Defizit sinnvoll, das nach der NIH-Stroke-Scale Werten zwischen >4 und <26 entspricht. Nach den Erfahrungen aus den europäischen rtPA-Studien gelten frühe Infarktzeichen im CCT in >33% des Mediastromgebiets in der Regel als Kontraindikation, da sonst die Gefahr einer schweren intrazerebralen Einblutung als zu groß erscheint. Dieses Konzept wird jedoch ebenfalls nicht durch die entscheidende nordamerikanische NINDS-Studie gestützt, da nach einer Post-hocUntersuchung frühe ischämische Zeichen im CCT in >33% des Mediastromgebiets weder für den Erfolg der Lyse noch für die Komplikationen ausschlaggebend waren. Patienten mit diesen frühen Ischämiezeichen im CCT profitierten vielmehr besonders gut von der Lyse. Es erscheint daher sinnvoll, dieses Kriterium durch den Befund nach dem Mismatchkonzept zu ersetzen (s. u.). Voraussetzungen, Kontraindikationen und Durchführung müssen also sehr individuell am jeweiligen Fall orientiert sein. Eine Gefäßdarstellung ist nicht erforderlich. Sie ist aber für die Verlaufsbeurteilung sinnvoll, wenn sie den Therapiebeginn nicht verzögert. Die erfolgreiche Rekanalisierung ist bei einem distalen Gefäßverschluss wahrscheinlicher als bei einem proximalen. Ein proximaler Karotisverschluss oder ein distaler Karotis-T-Verschluss sind aber keine Kontraindikation für eine i. v.-Lyse. Voraussetzung für den Erfolg ist, dass noch eine Penumbra vorhanden ist (s. u.). Die rtPA-Dosis beträgt 0,9 mg/kg Körpergewicht (max. 90 mg). PWI-DWI-Mismatch. Im 3–6 h-Fenster ist die Fibrinolyse auch wirksam, aber in deutlich geringerem Maße, es sei denn, bei dem Patienten besteht noch ein großes PWI-DWI-Mismatch. Da die Wirksamkeit der Lyse unabhängig vom Zeitfenster v. a. vom Vorhandensein einer Penumbra abhängt, sollte die diagnostische Möglichkeit, sie als Perfusions-Diffusions-Mismatch im MRT
. Abb. 9.69. PWI-DWI-Mismatch. In der DWI Hyperintensität, einer frischen Ischämie entsprechend. Das Perfusionsdefizit im der PWI ist deutlich größer; dieses Mismatch entspricht dem tissue-at-risk. Es wird postuliert,
oder auch CT (PWI-DWI-Mismatch) darzustellen, häufiger genutzt werden (. Abb. 9.69). Das PWI-MRT zeigt das Gebiet, in dem die Durchblutung gestört ist. Das DWI-Bild stellt den Infarktkern dar, indem die Durchblutung so stark abgesunken ist, dass der Strukturstoffwechsel zusammengebrochen und ein irreversibler Gewebsschaden eingetreten ist. Die Differenz, d. h. das Mismatch zwischen PWI und DWI entspricht der Penumbra, also dem Areal, in dem die verminderte Durchblutung zwar zu einem Funktionsverlust, aber noch zu keiner Strukturzerstörung geführt hat, und das durch die Lyse gerettet werden soll. Patienten mit einem relevanten PWI-DWI-Mismatch sind also unabhängig vom Zeitfenster geeignete Kandidaten für eine erfolgreiche Lyse. Diese Untersuchung ist deshalb Voraussetzung, um die i. v.-Lyse auch in diesem nicht zugelassenen Zeitfenster im Rahmen eines individuellen Heilversuchs und entsprechenden Studienprotokolls von erfahrenen Zentren durchzuführen. Intraarterielle Thrombolyse im vorderen Kreislaufgebiet
Die intraarterielle Katheterlyse mit Pro-Urokinase, für die es noch keine Zulassung gibt, ist innerhalb eines Zeitfensters von bis zu 6 h sicher und wirksam. Sie führt zu einer höheren und schnelleren Rekanalisierungsrate und bietet die Möglichkeit, den Thrombus auch mechanisch zu zerkleinern und damit die Chance der Rekanalisierung weiter zu verbessern. Sie ist aber an ein entsprechend spezialisiertes und verfügbares Team sowie einen hohen apparativen Aufwand gebunden. Voraussetzung ist auch hier das Vorliegen eines PWI-DWI-Mismatch. Als Fibrinolytikum werden bisher Urokinase oder rtPA verwendet. Das Bridging-Verfahren kombiniert die intravenöse mit der intraarteriellen Applikation. Um keine Zeit bis zur Angiographie zu verlieren, wird ein Teil der rtPA-Dosis oder ein Thrombolytikum (z. B. Abciximab) direkt nach der Entscheidung zur Lyse als Bolus und Dauerinfusion gegeben und anschließend der Rest des
dass dieses Areal noch durch eine Therapie, eine Thrombolyse, vor der Infarzierung gerettet werden kann
127 9.3 · Vaskuläre Erkrankungen
Fibrinolytikums intraarteriell über den platzierten Katheter als lokale Lyse verabreicht. Nach den bisherigen Pilotstudien wurden eine höhere Rekanalisierungsrate und ein besseres Outcome erzielt als nach systemischer Lyse allein. Die mechanische Thrombusextraktion hat sich in ersten Pilotstudien ebenfalls als vielversprechend erwiesen; mithilfe verschiedener mechanischer Systeme kann der Thrombus aus dem Gefäß entfernt werden, wobei eine relativ hohe Rekanalisierungsrate erzielt wird (z. T. bis >90%).
Vorgehen bei i. v.-Thrombolyse mit rtPA im vorderen Hirnkreislauf Voraussetzungen: 4 Ausschluss ICB im CCT/MRT 4 Zeitintervall zwischen Beginn der Symptomatik und Beginn der Thrombolyse <3 h (Einzelheiten s. Text) 4 Mittleres neurologisches Defizit (NIH-Stroke-Scale >4 und <26) 4 Mismatch im PWI-/DWI-MRT Kontraindikationen: 4 Intrazerebrale Blutung 4 Frühe Infarktzeichen im CCT (Hypodensität des Versorgungsgebiets der A.cerebri media: mehr als ein Drittel) 4 Fixierte Kopf- und/oder Blickdeviation mit Hemiplegie oder mehr als somnolente Bewusstseinsstörung als Zeichen eines sehr großen Infarkts 4 Weiter s. Fachinformation Durchführung: 4 rtPA 0,9 mg/kg Körpergewicht, 10% als i. v. Bolus; max. 90 mg 4 Rest in 40 ml 0,9%igem NaCl kontinuierlich i. v. über 1 h 4 Heparin oder Thrombozytenfunktionshemmer frühestens nach 24 h
a . Abb. 9.70a, b. Basilaristhrombose und Lyse. In der DSA sieht man einen Verschluss im mittleren Abschnitt der A. basilaris. Nach 1,0 Mio. Einhei-
Thrombolyse bei Basilaristhrombose
Durchblutungsstörungen bei A. basilaris-Verschluss oder -Teilthrombosierung sind ein lebensgefährliches Krankheitsbild mit einer Letalität von 50%, das einer sofortigen Diagnostik und Therapie in einer überregionalen Stroke Unit bedarf. Bei mittelgradigen und schweren neurologischen Symptomen stellt sich die Indikation zur intraarteriellen Katheterthrombolyse mit oder ohne Bridging-Verfahren (. Abb. 9.70). Ausreichende Studien, um Durchführungsempfehlungen geben zu können, liegen weder für das Zeitfenster noch für das zu verwendende Thrombolytikum vor. Im Gegensatz zur Lyse im vorderen Kreislauf ist das Zeitfenster deutlich größer und wird mit <12 h, in Einzelfällen bis 24 h, angegeben. Entscheidende Ausschlusskriterien sind lichtstarre weite Pupillen, Koma seit 2–4 h und im CCT schon nachweisbare Hypodensitäten frischer Infarkte im vertebrobasilären Stromgebiet. Die Lyse wird in spezialisierten Zentren mit Urokinase (bis 1,5 Mio. IE) oder rtPA (70–90 mg fraktioniert) durchgeführt. Beim Double-shot-Verfahren wird die intraarterielle rtPA-Fibrinolyse mit der anschließenden i. v.-Gabe eines Gp IIa/IIIb-Inhibitors wie Abciximab verbunden. Frühe Sekundärprophylaxe
Die frühe Sekundärprophylaxe soll Reinfarkte in der Akutphase verhindern. Folgende Möglichkeiten stehen zur Verfügung: 1. Thrombozytenfunktionshemmer: Die Effektivität einer frühen Therapie mit Acetylsalicylsäure zur Reinfarktprophylaxe ist in verschiedenen Studien nachgewiesen worden. Sie ist nicht sehr hoch, wird aber in den Leitlinien generell empfohlen. Die Dosierungen bewegen sich zwischen 100–300 mg ASS/Tag. 2. Frühe Antikoagulation mit Heparin bei kardioembolischen Infarkten: Die Vollheparinisierung wurde bis vor Jahren in manchen Kliniken sehr häufig angewendet. Die Indikation wird heute fast ausschließlich nur noch bei kardioembolischer Genese und bei Dissektion gestellt. Grundlage dieses Vorgehens ist die gesicherte Studienlage, nach der zum einen die Marcumarisie-
b ten Urokinase ist die A. basilaris wieder komplett rekanalisiert. Die A. cerebri posterior rechts kommt direkt aus der A. carotis interna rechts
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Kapitel 9 · Gehirn
rung in der Sekundärprophylaxe kardioembolischer Hirninfarkte außerhalb der Akutphase mit einer Risikoreduktion von 75% die effektivste Reinfarktprophylaxe überhaupt ist, und zum anderen das höchste Reembolierisiko unmittelbar nach dem akuten Schlaganfall besteht. Trotzdem konnte in verschiedenen Studien die prophylaktische Wirkung der frühen PTTwirksamen Vollheparinisierung nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, sondern die erhöhte intrazerebrale Einblutungsrate mit der dadurch bedingten klinischen Verschlechterung hob in Gesamtkollektiven den Vorteil der geringeren Rezidivrate wieder auf. Erstaunlicherweise besteht aber auch in Nordamerika noch eine große Diskrepanz zwischen dieser schlechten Datenlage und der täglichen Praxis, in der nahezu 90% aller kardioembolischen Infarkte noch vollheparinisiert werden.Zusammenfassend besteht, bei allerdings unbefriedigender Studienlage, keine evidenzbasierte Grundlage für eine frühe Antikoagulation mit Heparin, sodass sie allenfalls bei gesichertem hohem Rezidivrisiko im Einzelfall infrage kommt. 3. Frühe Antikoagulation mit Heparin bei A. carotis-Dissektion: Die Häufigkeit von Dissektionen als Ursache von Hirninfarkten ist mit 3/100 000/Jahr nicht gering. Sie betrifft v. a. jüngere Patienten und ist in der Altersgruppe <45 Jahren immerhin in 15% der Fälle die HI-Ursache. Sie geht oft mit typischen Schmerzen im Halsbereich einher, und in der Angiographie ist die flammenartige Verengung des Gefäßes charakteristisch. Auch hier gibt es für die Vollheparinisierung keine durch Studien gesicherte Datenlage, aber wegen der hohen Reinfarkt-Rate und häufig erzielten Rekanalisierung wird sie in vielen Leitlinien mit einer Anhebung der PTT auf das 2- bis 3-Fache empfohlen. Eine Gefäßoperation oder eine alternative interventionelle Stentimplantation kommt allenfalls bei hochgradigen Stenosen und begleitendem, insbesondere hämodynamischem Hirninfarkt infrage. Es schließt sich eine Marcumarisierung mit einer INR von 2,0–3,0 über 6 Monate an. Danach wird der Gefäßbefund zum Ausschluss einer Stenose oder eines Pseudoaneurysmas angiographisch oder dopplersonographisch abgeklärt. Bei unauffälligen Gefäßverhältnissen wird die medikamentöse Therapie beendet. Bei persistierenden embolieträchtigen Gefäßveränderungen erfolgt die Umstellung auf einen Thrombozytenfunktionshemmer. Ein Pseudoaneurysma rechtfertigt keine Dauerantikoagulation. 4. Weitere Maßnahmen: 5 Die große Bedeutung der Frühmobilisierung wurde v. a. in skandinavischen Studien belegt und beginnt unmittelbar auf der Stroke Unit. 5 Auch die Pneumonie-, Dekubitus- und Thromboseprophylaxe mit einer Low-dose-Heparinisierung haben ihren festen Stellenwert. 5 Ein Gesundheitstraining zur Bekämpfung der Risikofaktoren Rauchen, Hypertonus, Diabetes mellitus, Übergewicht, Bewegungsmangel, Hyperlipidämie muss schon am Krankenbett beginnen. 5 Je nach Schweregrad und Art der neurologischen Defizite, einschließlich der neuropsychologischen, schließt sich bei 35% der Patienten eine Rehabilitationsbehandlung an. 5 Die konsequente Sekundärprophylaxe mit Thrombozytenfunktionshemmern senkt das Reinfarkt-Risiko um bis
zu 30%, die Hypertonusbehandlung um 50% und die Marcumarisierung bei kardialen Embolien aufgrund einer absoluten Arrhythmie um 75%. 5 Etwa 10% der Patienten entwickeln eine symptomatische Epilepsie und 50% eine Depression, die durch sozialen Rückzug die Wiedererlangung der Selbstständigkeit und Eingliederung in das Alltagsleben verzögert.
Intrazerebrale Blutungen Ätiologie Das klinische Erscheinungsbild intrazerebraler Blutungen ist vielfältig, es reicht von heftigen, akut einsetzenden Kopfschmerzen mit oder ohne neurologische Ausfälle bis zu subakuten Verläufen ohne Schmerzsymptomatik. Etwa 15% der Schlaganfälle sind auf intrazerebrale Blutungen zurückzuführen, etwa 2–5% auf eine Subarachnoidalblutung.
Epidemiologie und Ätiologie Die jährliche Inzidenz einer intrazerebralen Blutung beträgt 10–15 Fälle pro 100 000 Einwohner. Männer und Frauen sind dabei gleich häufig betroffen. Ursachen einer spontanen, nichttraumatischen intrazerebralen Blutung sind: 4 in >60% der Fälle eine Hypertonie 4 weniger häufig die Folge des Alkoholismus (ca. 10%) 4 die Amyloidangiopathie oder Gefäßmissbildungen (je ca. 10%) 4 seltener Blutkrankheiten und Gerinnungsstörungen, Tumoren, Venenthrombosen und Intoxikationen Die nichttraumatischen Hirnblutungen treten am häufigsten im 5.–7. Lebensjahrzehnt auf, v. a. im Zusammenhang mit arterieller Hypertonie und dadurch verursachten Gefäßveränderungen wie Hyalinose und Mikroaneurysmen. Das Risiko, eine intrazerebrale Blutung zu erleiden, steigt mit dem Alter deutlich an. In der Altersgruppe bis 45 Jahre sind Subarachnoidalblutungen häufiger als intrazerebrale Blutungen, danach überwiegen die intrazerebralen Blutungen. Bei jüngeren Patienten sind Aneurysmen der Hirnarterien und arteriovenöse Malformationen (AVM, 7 Kap. 9.3.1), seltener Hirntumoren, Blutgerinnungstörungen, Entzündungen und Sinusvenenthrombosen als Ursache zu berücksichtigen.
Prognose Die Mortalität intrazerebraler Blutungen, die stark von der Blutungsgröße und -lokalisation abhängt, beträgt zwischen 30 und 50%. Je größer die Blutung ist, desto schlechter wird die Prognose: überschreitet das Blutungsvolumen 100 ml, so steigt die Mortalität auf 90%. Ein frühes Koma sowie Blutungen im Thalamus und Hirnstamm haben ebenfalls eine schlechtere Prognose. Weitere prognostisch ungünstige Faktoren sind ein Einbruch der Blutung in das Ventrikelsystem oder in den Subarachnoidalraum.
Bildgebung Die bildgebende Diagnostik dient primär zur Unterscheidung einer zerebralen Ischämie von einer intrazerebralen Blutung oder einer Subarachnoidalblutung und bildet damit die Voraussetzung für eine weiterführende spezifische Therapie. Die genaue
129 9.3 · Vaskuläre Erkrankungen
. Tab. 9.6. Signalcharakteristika intrazerebraler Blutungen in SE-Sequenzen
Biochemische Form
Zeit
T2
T1
Oxyhämoglobin
>24 h
hyperintens
hypointens bis isointens
Deoxyhämoglobin
einige Stunden bis Tage
hypointens
hypointens bis isointens
Methämoglobin 5 intrazellulär 5 extrazellulär
5 >3 Tage 5 >7 Tage bis Monate
5 hypointens 5 hyperintens
5 hyperintens 5 hyperintens
Ferritin/Hämosiderin
>14 Tage
hypointens
hypointens bis isointens
Lokalisation und Ausdehnung einer intrazerebralen Blutung oder einer Subarachnoidalblutung ist mit der CT gut und sicher zu erkennen. Subakute und chronische Blutungen sind dagegen verlässlicher mit der MRT zu diagnostizieren. Die MRT galt bisher als nicht sehr sensitiv in der Frühdiagnose der intrazerebralen Blutung. Neuere Untersuchungen zeigen jedoch, dass die MRT sehr wohl in der Lage ist, eine intrazerebrale Blutung auch in der Akutphase eindeutig darzustellen, wenn adäquate MR-Sequenzen verwendet werden (. Tab. 9.6). Aus der unterschiedlichen Signalgebung in den verschiedenen MR-Sequenzen kann auf das Alter der Blutung rückgeschlossen werden. In die differenzialdiagnostischen Überlegungen bei intrazerebraler Blutung gehen folgende Fragen ein: 4 Sind Risikofaktoren wie Hypertonus oder Alkoholerkrankung bekannt? 4 Liegen Gerinnungsstörungen vor oder werden Substanzen oder gerinnungsbeeinflussende Medikamente wie Marcumar, Heparin, Fibrinolytika oder Antikonzeptiva eingenommen? 4 Liegt ein malignes Grundleiden vor, eine Endokarditis, eine Kollagenose? 4 Gibt es Hinweise auf einen erst kürzlich erlittenen ischämischen Infarkt?
Blutungstypen
. Abb. 9.71. Stammganglienblutung. In der CT zeigt sich bei diesem 58jährigen Patienten eine Hyperdensität die lateralen Stammganglien betreffend; es handelt sich um das typische Bild einer lateral gelegenen hypertensiven Stammganglienblutung
Hypertensive Blutungen
Als klassische hypertensive Massenblutung wird die Stammganglienblutung (. Abb. 9.71) angesehen. Die Stammganglien werden von perforierenden Arterien versorgt, die in ihrem Aufbau dünnere Wände als die kortikalen Arterien gleichen Durchmessers aufweisen. Chronischer Hypertonus führt zu Gefäßwandveränderungen mit fibrinoider Nekrose, Lipohyalinose mit fettigen subintimalen Ablagerungen und zur Ausbildung von Mikroaneurysmen. Eine zusätzliche Blutdruckerhöhung kann, bei dann eingeschränkter Vasoreaktivität, nicht mehr kompensiert werden und zur so genannten Rhexisblutung führen. Typischerweise sind hypertensive Massenblutungen lokalisiert in: 4 den Basalganglien (ca. 40%) 4 dem subkortikalen Marklager (ca. 25%) 4 dem Thalamus (ca. 20%) 4 dem Cerebellum (ca. 10%) 4 dem Pons (ca. 5%) Insbesondere bei Thalamusblutungen und medial gelegenen Basalganglienblutungen kann es zu einem Einbruch der Blutung in
das Ventrikelsystem kommen. Ganz selten treten rein intraventrikuläre Blutungen auf. Eine Komplikation intraventrikulärer Blutungen ist die Ausbildung einer Liquorzirkulationsstörung durch Verlegung des Aquädukts durch koaguliertes Blut oder einer Liquorresorptionsstörung durch Verkleben der PacchioniGranulationen. Blutungen bei Amyloidangiopathien
Atypisch gelegene intrazerebrale Blutungen bei über 70-jährigen Patienten, so genannte Lobärblutungen (. Abb. 9.72), sind häufig die Folge einer Amyloidangiopathie. Sie treten meist parietal oder okzipital, weniger häufig temporal auf. Bei kortexnahen Blutungen kann es zu einer subarachnoidalen Mitbeteiligung kommen. Lobärblutungen bei jüngeren Patienten sollten immer Anlass zur Suche nach einer Gefäßmissbildung geben, z. B. einer duralen Fistel, einer arteriovenösen Malformation oder eines atypisch gelegenen Aneurysmas.
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Kapitel 9 · Gehirn
Sinus- und Hirnvenenthrombosen
Sie können zu Stauungsblutungen mit hämorrhagischen Infarkten im Einzugsgebiet der verschlossenen Venen führen (s. u.). Es können aber auch ausgedehnte intrazerebrale oder subdurale Blutungen durch Ruptur venöser Kollateralen auftreten. Ist der Sinus sagittalis superior verschlossen, treten oft bilaterale Blutungen im subkortikalen Marklager der Großhirnhemisphären auf. Tumoreinblutungen
9
. Abb. 9.72. Blutung bei Amyloidangiopathie. Lobärblutung links parietookzipital bei einer 84-jährigen Patientin, mutmaßlich bei Amyloidangiopathie. (Aus Radiologe 1999;39:828–838, S. 830, Abb. 2)
> Eine Blutung auf dem Boden einer Amyloidangiopathie kann nur histologisch gesichert werden, ist aber als wahrscheinlich anzunehmen,wenn es bei einem älteren Menschen ohne Hypertonus in der Anamnese zu rezidivierenden Blutungen in das subkortikale Marklager gekommen ist. Blutungen unter Antikoagulanzien und thrombolytischen Substanzen
Das Risiko, unter einer Marcumartherapie eine intrazerebrale Blutung zu erleiden, liegt bei 0,5–1% pro Patientenjahr. Ca. 5% aller intrazerebralen Blutungen treten unter einer Therapie mit Marcumar oder Heparin auf, wobei nur bei einem Drittel der Patienten eine Überdosierung vorliegt. Die intrazerebralen Blutungen sind oft sehr groß und liegen meist subkortikal im Marklager. Oft sind Spiegelbildungen innerhalb des Hämatoms nachweisbar oder hypodense Areale, die auf eine hyperakute Blutung hinweisen. Eine sekundäre intrazerebrale Blutung unter Antikoagulanzien und Thrombolyse wird eingeteilt in: 4 die klinisch stumme hämorrhagische Transformation und 4 die parenchymatöse Blutung Eine hämorrhagische Transformation tritt bei ca. 60–70% der Patienten mit embolischen Hirninfarkten auf. Eine parenchymatöse Blutung nach Infarkt führt fast immer zu einer klinischen Verschlechterung. Eine thrombolytische Therapie eines Herzinfarkts hat ein Risiko für intrazerebrale Blutungen zwischen 0,5 und 2%. Eine Thrombolyse bei zerebraler Ischämie führt in ca. 6–15% zu einer intrazerebralen parenchymatösen Blutung. Intrazerebrale Blutungen bei Bluterkrankungen
Bei Bluterkrankungen, besonders bei Leukämien, können intrazerebrale Blutungen auftreten. Es gibt keine Kriterien, leukämisch verursachte Blutungen von anderen intrazerebralen Hämatomen zu unterscheiden.
Dies kann die Erstmanifestation eines zerebralen Tumors sein oder ein bereits bestehendes neurologisches Defizit verschlechtern. Dabei handelt es sich meist um hirneigene maligne Tumoren oder um Metastasen. Besonders häufig bluten Metastasen von malignen Melanomen, Bronchial-, Nieren-, Mamma-, Schilddrüsen- und Chorionkarzinomen. Metastasen führen häufiger zu subkortikalen Blutungen, während Glioblastome öfter in der Tiefe gelegene Blutungen verursachen. Bei den hirneigenen Tumoren bluten Glioblastome und Oligodendrogliome am häufigsten. Allerdings kann fast jeder intrazerebrale Tumor bluten. Die Inzidenz für Tumorblutungen wird mit 1–15% angegeben. Für eine Tumorblutung sprechen ein relativ frühes ausgedehntes Ödem sowie eine inhomogene und unregelmäßig begrenzte Hyperdensität. Nach Kontrastmittelgabe zeigt sich oft eine zusätzliche Störung der Blut-Hirn-Schranke. Meist lässt sich jedoch erst in Verlaufsuntersuchungen, wenn die Blutung weitgehend resorbiert ist, der zugrunde liegende Tumor nachweisen. > Eine sichere Unterscheidung zwischen einer Tumorblutung und einer spontanen intrazerebralen Blutung ist meist nicht möglich. Ein inkompletter Hämosiderinring in der MRT spricht eher für eine Tumorblutung, während multiple Blutungen und das Fehlen eines Ödems eher auf eine primär intrazerebrale Blutung hinweisen. Blutungen bei Gefäßmissbildungen
Die Gefäßfehlbildungen können weiter unterteilt werden in (s. o.): 4 arteriovenöse Malformationen (AVM) (. Abb. 9.73) 4 durale arteriovenöse Fisteln 4 Aneurysmen 4 Kavernome 4 kapilläre Teleangiektasien Zerebrale Gefäßmissbildungen stellen nach der Hypertonie die zweithäufigste Ursache nichttraumatischer intrakranieller Blutungen dar.
Therapie und Verlauf Spontane supratentorielle Hämatome werden in der Regel konservativ behandelt, außer man verspricht sich von der operativen Dekompression eine Verbesserung des klinischen Zustandes; bei drohender Hinstammkompression kann eine Hämatomausräumung durchaus sinnvoll sein. Bei Entwicklung eines Verschlusshydrozephalus kann eine externe Liquordrainage angelegt werden. Das Einbringen eines Katheters in das Hämatom zur spontanen Entleerung und zur Instillation von Fibrinolytika ist noch im experimentellen Stadium und kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Bleibt die Blutungsursache ungekärt, müssen weitere diagnostische Maßnahmen ergriffen werden.
131 9.3 · Vaskuläre Erkrankungen
c
a
d
b
e
. Abb. 9.73a–e. Blutung bei AVM. a Laterale Stammganglienblutung rechts mit Ventrikeleinbruch bei einer 27-jährigen Patientin mit einer akut aufgetretenen Hemiparese links. b Angiographisch zeigt sich eine kleine AVM mit Versorgung aus der A. cerebri anterior und A. cerebri media. c In der Vergrößerung in der späten arteriellen Phase Nachweis der früh dranierenden Vene; Darstellung des KM-angehobenen Sinus transversus links. d Im Kontroll-CT nach 3 Wochen ist die Blutung weitgehend resorbiert; noch leichte Raumforderung mit Verlagerung des rechten Vorderhorns des Seitenventrikels nachweisbar. e Im MRT stellt sich die Blutung nach 4 Wochen in den T1w-Sequenzen hyperintens dar (Methämoglobin). (Aus: Radiologe 1999;39:832, Abb.4a–e)
9
132
Kapitel 9 · Gehirn
! Um eine intrazerebrale Blutung entwickelt sich im weiteren Verlauf oft ein ausgeprägtes Ödem. Bei Kontrastmittelgabe kann in diesem Stadium dann leicht die Blutung mit einem Tumor oder einem Abszess verwechselt werden.
Klinische Manifestation
(%)
Hemiplegie
76
Bewusstseinsstörung
35
Aphasie
18
Anfälle
17
Stroke im Kindesalter
Locked-in-Syndrom
6
Etwa 3% aller Schlaganfälle treten im Kindesalter auf, bei jungen Erwachsenen ist das Vorkommen eines Schlaganfalls sogar noch seltener. Zerebrale Infarkte im Kindesalter haben meist eine andere Ätiologie verglichen mit der von Erwachsenen. Die Sinusvenenthrombose ist ein Krankheitsbild, das häufig nicht rechtzeitig diagnostiziert wird. Klinik, Ursachen, Diagnostik und Therapie werden dargestellt.
Ataxie
3
Doppelbilder
3
Die Blutung wird langsam über Tage und Wochen abgebaut, als Residualzustand ist oft nur ein kleiner schlitzförmiger Defekt zu sehen, manchmal auch größere zystische Läsionen.
9
. Tab. 9.7. Akute zerebrale Ischämien im Kindesalter
Epidemiologie Vaskuläre okklusive Erkrankungen sind im Kindesalter selten und variieren zwischen den unterschiedlichen ethnischen Gruppen. In den USA wird die Inzidenz ischämischer und hämorrhagischer Schlaganfälle bei Kindern auf 2,5 Fälle pro 100 000 Einwohner/ Jahr und die Rate ischämischer Schlaganfälle auf 1,2 Fälle pro 100 000/Jahr geschätzt. Diese Daten beziehen sich auf Patienten <15 Jahren und schließen die periventrikulären Leukomalazien mit ein. Die Verteilung des Schlaganfalls zeigt eine gleich bleibende Inzidenz ab dem 2. Lebensjahr. Während der Neonatal- und Säuglingsperiode ist die Inzidenz jedoch deutlich höher.
Klinik Ischämien können bereits in utero auftreten. Bisweilen manifestieren sich die klinischen Symptome erst Tage oder Wochen nach der Geburt, je nach Ausprägung und Lokalisation des Infarkts. Bei Neugeborenen mit einem akuten Schlaganfall treten oft Anfälle auf, fokal-neurologische Defizite sind seltener. Die neurologischen Defizite werden meist erst später klinisch apparent, oft über die nächsten Monate und Jahre hinweg. Kleinkinder und Schulkinder reagieren auf einen akuten Schlaganfall oft mit einer Bevorzugung einer Hand bzw. einer Körperseite (. Tab. 9.7). Der genaue Zeitpunkt des Schlaganfalls kann bei Kleinkindern oft nicht genau bestimmt werden. Die klinischen Symptome können Fieber, Anfälle und Koma beinhalten. Bei älteren Kindern tritt typischerweise ein akutes fokal-neurologisches Defizit auf, meistens eine Hemiparese mit oder ohne begleitende Anfälle. Die neurologischen Symptome bessern sich meist innerhalb kurzer Zeit. Anfälle, Fieber, Kopfschmerzen und Bewusstseinsstörungen können vorkommen, sind aber bei älteren Kindern nicht so häufig wie bei Kleinkindern und in der Neugeborenenperiode.
tikörper sowie Urin- und Liquoruntersuchung sollten zur Abklärung der Ätiologie durchgeführt werden. Zusätzlich sollten noch Antikörpertiter auf Varizella-Zoster-Virus, Zytomegalievirus, Herpes-simplex-Virus Typ 1 und auf das Masernvirus in Serum und Liquor vorgenommen werden. Die Ursache eines ischämischen Schlaganfalls im Kindesalter variiert signifikant von den zugrunde liegenden Ursachen im Erwachsenenalter (. Abb. 9.74, . Abb. 9.75, . Abb. 9.76). In der Mehrheit der Fälle (etwa 80%) kann eine spezifische Ätiologie für den Schlaganfall gefunden werden (. Tab. 9.8). Die häufigste Ursache für einen Schlaganfall im Kindesalter ist eine angeborene Herzerkrankung: Embolien aus dem Herzen oder aus der Peripherie über einen Rechts-Links-Shunt sind die häufigsten Ursachen für einen ischämischen Schlaganfall. Die häufigsten hierbei vorliegenden kardialen angeborenen Erkrankungen sind die Fallot-Tetralogie und die Transposition der großen Gefäße. Embolien von prothetischen Herzklappen sind ebenfalls eine wichtige Quelle für zerebrale Ischämien. Ein Mitralklappenprolaps wird hingegen nicht als erhöhtes Risiko für einen Schlaganfall im Kindesalter angesehen. Kinder >2 Jahre zeigen bei Embolien im Rahmen kongenitaler Herzerkrankungen häufiger einen Hirnabszess als eine zerebrale Ischämie. Bei Kindern mit kongenitalen Herzerkrankungen sind häufig als Begleitsymptome eine Polyzythämie und eine erhöhte Blutviskosität zu finden, was auch als eine Ursache für das gehäufte Vorkommen von zerebralen Sinus-Venen-Thrombosen gilt. Ein transösophagealer Ultraschall kann und sollte auch bei kleineren Kindern durchgeführt werden, um einen Thrombus oder ein offenes Foramen ovale mit paradoxer Embolie aufzudecken. Infektionen, wie bakterielle oder virale Meningitiden, können die Ursache für eine entzündliche Arteriitis sein, die zu einem akuten ischämischen Schlaganfall führen kann. Ein Schlaganfall wurde auch als eine seltene Komplikation bei Kindern mit einer HIV-Infektion beschrieben (etwa 1% der betroffenen Kinder). Autopsien ergaben bei HIV-Kindern eine Beteiligung der Gefäße in etwa 10–30%.
Ätiologie CT, MRT, konventionelle Angiographie, Blutbild, Serumelektrolyte, Entzündungsparameter (CRP, Blutsenkung), Gerinnungsparameter, transösophageales Echokardiogramm, EEG, 24 hEKG, Blutfette, Laktat, Protein C, Protein S, Antiphospholipidan-
Hämatologische Erkrankungen und Koagulopathien Die Sichelzellenanämie ist die häufigste, mit zerebrovaskulären
Komplikationen verbundene Gerinnungsstörung. Etwa 25% dieser Patienten entwickeln zerebrovaskuläre Komplikationen, 80%
133 9.3 · Vaskuläre Erkrankungen
a
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d
c
e
. Abb. 9.74a–e. Stroke im Kindesalter. 5 Jahre altes Mädchen mit bekannter Trisomie 21. Das Kind erlitt 4 h vor Durchführung der MRT eine Aphasie und rechtsseitige Hemiparese. a Diffusionsgewichtete Sequenzen mit hyperintensen Arealen links frontal im Versorgungsgebiet der A. cerebri media und A. cerebri anterior. b In der FLAIR-Sequenz zeigt sich noch keine pathologische Signalveränderung. c In der perfusionsgewichteten Sequenz deutliches perfusionsgestörtes Areal links frontal, das in seiner Größe und
Ausdehnung den Arealen mit gestörter Diffusionswichtung entspricht. d Trotz dieses Mismatches wurde eine arterielle DSA durchgeführt, die einen kompletten Verschluss der A. cerebri media zeigte. e Eine sofort durchgeführte, intraarterielle Thrombolyse zeigte nur eine Teilrekanalisation einzelner Mediaäste, ein Thrombus verblieb noch im Mediahauptstamm. (Aus: Radiologe 2003;43:952, Abb. 2a–e)
davon im Alter <15 Jahren. Ein Schlaganfall tritt meist im Rahmen einer akuten thrombozytischen Krise auf. Der Verschluss kleiner und größerer Blutgefäße durch die sichelförmigen Erythrozyten führt zu lokalen Durchblutungsstörungen. Fokale oder generalisierte Krampfanfälle treten bei etwa 70% dieser Patienten auf. Wenn eine Angiographie durchgeführt werden muss, sollte das Risiko durch eine gute Hydratation und eine ausreichende Transfusion minimiert werden. Es gibt auch mehrere angeborene Gerinnungsstörungen, die zu einer Thrombose oder zu einem Schlaganfall führen. Bei Kindern sollten v. a. Protein C, Protein S, Antithrombin III und eine Dysfibrinogenämie untersucht werden. Verschiedene Antiphospholipidantikörper, einschließlich des Lupus-Antikoagulans, können ebenfalls zu einer gestörten Gerinnung und zu zere-
bralen Infarkten im Kindesalter führen. Diese Antiphospholipidantikörper sind Autoantikörper gegen Phospholipide und bei systemischem Lupus erythematodes und anderen Autoimmunerkrankungen erhöht nachweisbar. Ihre pathogenetische Rolle beim akuten Schlaganfall ist allerdings noch nicht ganz geklärt. Metabolische Erkrankungen Der Homozystinurie liegt ein Defekt der Zystathioninsynthase
(Chromosom 21q22–3) zugrunde. Sie ist eine der metabolischen Erkrankungen, die zu arteriellen und venösen Thrombosen mit zerebralen Infarkten prädisponieren. Infarkte können oft auftreten, bevor die anderen Folgen dieser Erkrankung, z. B. eine Dislokation der Linsen, eine Entwicklungsverzögerung und ein marfanoider Habitus evident werden. Der Morbus Fabry, verur-
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Kapitel 9 · Gehirn
a
b
. Abb. 9.75a,b. Stroke im Kindesalter. 13-jähriger Patient mit bekanntem peripartalem Infarkt rechts frontal. a In den FLAIR-Sequenzen stellt sich der Defekt liquorisointens dar, lediglich am dorsalen Rand ist eine kleine Gliose-
a
zone zu erkennen. Das Vorderhorn des rechten Seitenventrikels ist konsekutiv eweitert. b In den koronaren T1w-Aufnahmen ist der Defekt ebenfalls liquorisointens. Der an das Defektareal angrenzende Cortex ist ausgedünnt
b
. Abb. 9.76a, b. Vaskulitis im Kindesalter. 10-jähriger Patient mit seit Monaten andauernden Kopfschmerzen und Schwindelsymptomatik (in T2Wichtung keine pathologische Signalabweichung). a Die koronaren FLAIRSequenzen zeigen ebenfalls keine pathologischen Signalveränderungen.
b Die durchgeführte MR-Angiographie in TOF-Technik zeigt jedoch einen deutlichen Kalibersprung in der A. cerebri media als Hinweis auf eine Vaskulitis der Aa. cerebri mediae beidseits. (Aus: Radiologe 2003; 43:953,Abb. 3 b,c)
sacht durch einen Mangel an α-Galaktosidase, führt ebenfalls zu zerebralen Infarkten. Die Infarkte sind hier allerdings eher vom lakunären Typ und treten häufiger im frühen Erwachsenenalter auf. Beim Morbus Fabry kommt es zu Ablagerungen von Globotriaosylceramid in zahlreichen Organen wie den Nieren, dem Herz, Nervensystem und Gefäßen. Mitochondriale Myopathien
mit Enzephalopathie, Laktatazidosen und schlaganfallartigen Episoden (7 Kap. 9.8, Metabolische Erkrankungen) können ebenfalls bereits im Kindesalter mit Kopfschmerzen, Anfällen, Hemiparesen und kortikaler Blindheit auftreten. Eine akute, regressive zerebrale Arteriopathie ist charakterisiert durch eine vorübergehende akute Angiitis der Gefäß-
135 9.3 · Vaskuläre Erkrankungen
. Tab. 9.8. Ätiologie des ischämischen und hämorrhagischen Schlaganfalls im Kindesalter (nach Lo, Stephens, Fernandez: Statement of Correction: Pediatric Stroke in the United States and the Impact of Risk Factors. J Child Neurol 2009 24: 194)
Pathologie
Auslöser
Ischämischer Schlaganfall
Kongenitale Herzerkrankung
9,6
Kopftrauma
9,5
Meningitis, Enzephalitis
8,7
Sepsis
8,5
Sichelzellanämie
7,8
Gerinnungsstörung
6,2
Arrhythmie
6,1
Vaskulopathien
Hypertonie
5,4
Autoimmunerkrankungen
4,6
Nichtinfektiöse Gefäßerkrankungen, wie die Periarteriitis nodosa und der systemische Lupus erythematodes kommen bei Kindern deutlich seltener als bei Erwachsenen vor. Gleiches gilt für die fibromuskuläre Dysplasie, die im Kindesalter selten mit einem Infarkt assoziiert ist. Die Moya-Moya-Erkrankung ist eine primäre Gefäßerkrankung, die durch progressive Stenosen und Okklusionen, v. a. des supraklinoidalen Abschnitts der A. carotis interna, charakterisiert ist (s. unten: Seltene Ursachen vaskulärer Erkrankungen). Oft sind auch die angrenzenden Segmente der A. cerebri media und anterior mitbeteiligt. Der Körper reagiert mit der Ausbildung eines abnormalen vaskulären Netzwerks, des so genannten Rete mirabile, im Japanischen als Moya-Moya bezeichnet, um die Gefäßverschlüsse auszugleichen. Die häufigsten Symptome des Kindesalters sind multiple, vorübergehende Ischämien, z. T. mit bleibenden klinischen Symptomen. Bei Kindern <6 Jahren treten häufiger Anfälle als Symptome der akuten Ischämie auf. Die Erkrankung kann sich auf einem bestimmten Level stabilisieren, häufiger kommt es jedoch zu einem progressiven Verlauf mit zunehmenden motorischen Defiziten und intellektuellen Verschlechterungen. So genannte Moya-Moya-artige Bilder können bei Kindern mit verschiedenen, langsam progredienten »Large-vessel-Vaskulopathien« mit Ausbildung von Kollateralkreisläufen auftreten. Die Symmetrie, die transdurale Angiogenese, das Fehlen leptomeningealer Kollateralen sowie die normale Erscheinung der Gefäße der hinteren Schädelgrube und die Rolle der ventrikulostriatären Gefäße unterscheiden diese Erkrankung jedoch von einer echten Moya-Moya-Erkrankung (s. unten, . Abb. 9.78). Die Takayasu-Erkrankung ist eine Arteriitis, die hauptsächlich die Aorta und die supraaortalen Gefäße betrifft. Sie geht mit fehlenden Pulsen und Gefäßgeräuschen einher. Ein akuter Schlaganfall tritt bei etwa 5–10% dieser Patienten auf. Die Erkrankung betrifft meist junge Frauen zwischen 15 und 20 Jahren, wurde aber auch bei jüngeren Kindern beschrieben.
Purpura
4,4
Moya Moya
2,6
Hirntumoren
2,4
Leukämien
2,4
Migräne
2,4
Herzstillstand Hämorrhagischer Schlaganfall
%
in einer Serie von Lasjaunias und Mitarbeitern mit 12 Jahren höher. Es war auch anamnestisch meist ein Neurotrauma zu eruieren. Bei Dissektionen waren die Gefäßunregelmäßigkeiten meist im supra- und infraklinoidalen Segment der A. carotis interna nachweisbar, jedoch nicht fokal oder multifokal im Bereich der A. cerebri anterior und media. Eine zeitliche Korrelation zwischen einem ischämischen Schlaganfall bei jungen Patienten und infektiösen Erkrankungen (Tonsillitis, zervikale Lymphadenopathie [Varizella-Zoster-Infektion, EBV]) wurde in mehreren Studien beschrieben. In der Serie von Sebiri lag bei 5 Kindern eine Varizelleninfektion vor, die der akuten zerebralen Ischämie voranging.
2,4
Kongenitale Herzerkrankung
13,6
Arteriovenöse Malformationen
13,5
Sepsis
9,4
Arrhythmie
9,0
Gerinnungsstörungen
7,7
Hypertonie
6,1
Purpura
6,0
Hirntumor
5,6
Meningitis, Enzephalitis
3,8
Leukämie (inklusive ALL)
2,9
Herzstillstand
2,9
Kopftrauma
2,9
Autoimmunerkrankung
2,6
ALL
2,1
Sichelzellanämie
1,5
wände. Sie wurde in der Serie von Sebiri in etwa 26% der Fälle als die Ursache eines Schlaganfalls ausgemacht. Häufiger Auslöser dieser zerebralen Arteriopathie sind infektiöse Erkrankungen, wie ein Varizella-Zoster-Infektion oder eine andere virale Meningoenzephalitis. Bei dieser Art der Arteriopathie tritt der pathologische Prozess nur transient auf, was auch angiographisch nachgewiesen werden kann. In der Akutphase zeigen sich segmentale Einengungen der basalen Arterien, insbesondere der A. cerebri media, die sich oft innerhalb von Wochen bis Monaten wieder zurückbilden. Die Angiographie kann diese entzündlichen Gefäßwanderkrankungen nicht direkt nachweisen. Die fokalen oder segmentalen Stenosen sind jedoch nicht typisch für einen embolischen oder thrombotischen Prozess, sie sprechen daher eher für eine Veränderung der Gefäßwand. Als Differenzialdiagnose müssen Dissektionen, die auch intrakraniell auftreten können, in Erwägung gezogen werden. Das mittlere Alter bei Dissektionen war
Trauma
Intrazerebrale Traumen oder Verletzungen im Halsbereich können einen akuten Schlaganfall hervorrufen (7 Kap. 9.5, 7 Kap. 9.3.3). Diese Verletzungen können eine Dissektion der Karotiden oder der Vertebralarterien mit konsekutiver Thromboseoder Emboliebildung bedingen. Die neurologischen Symptome können bisweilen erst Stunden oder sogar Tage nach dem Unfallereignis auftreten. Es kann auch zu einer eher schrittweisen Ver-
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136
Kapitel 9 · Gehirn
9 a
b
. Abb. 9.77a–c. Dissektion. 17-jähriges Mädchen, das eine Schwäche der linken Hand und des Arms bemerkte. a In der FLAIR-Sequenz hyperintense Darstellung des kleinen ischämischen Areals. b In der anschließend durchgeführten DSA zeigt sich ein Verschluss der A. carotis interna rechts, direkt nach dem Abgang mit flammenförmigem Auslaufen als Hinweis für eine Dissektion. c Die intrakranielle Einstellung zeigt eine gute Kollateralisation über einen kräftigen R. communicans posterior bei Injektion in die A. vertebralis links. (Aus Radiologe 2003;43:955, Abb. 5 c, d, e)
schlechterung der klinischen Symptomatik kommen. Dissektionen können aber auch spontan auftreten (. Abb. 9.77). Ein Horner-Syndrom sollte die Aufmerksamkeit immer auf eine Beteiligung der ipsilateralen A. carotis interna lenken. Gefäßveränderungen nach Radiotherapie
Ein radiogen induzierter Gefäßverschluss ist eine seltene Ursache für einen Schlaganfall im Kindesalter und tritt meist mehr als 6 Monate oder sogar Jahre nach der strahlentherapeutischen Behandlung von intrakraniellen Tumoren auf. c
Bildgebung Die CT wird nach wie vor als die Methode der Wahl zur Unterscheidung von intrazerebralen Blutungen oder einer akuten Ischämie angesehen. Durch die Mehrzeilentechnologie lässt sich die Nativdiagnostik inzwischen mit einer CT-Angiographie in hervorragender Qualität und mit einer Perfusionsbildgebung kombinieren. Bei Verdacht auf eine akute, frühe intrazerebrale Ischämie bietet allerdings die MRT die besseren Möglichkeiten. Insbesondere die zunehmend in der klinischen Routine eingesetzten diffusionsgewichteten MR-Sequenzen sind in der Lage, innerhalb der ersten Stunden das gesamte Ausmaß des ischämischen Areals darzustellen (. Tab. 9.9). Mit der CT gelingt dies meist erst nach etwa 12 h. Die MR-Angiographie, insbesondere die TOF-Technik für die intrakraniellen Gefäße sowie die kontrastunterstützte
MR-Angiographie im Bereich der Halsgefäße bieten die am besten geeignete Technik, um Gefäßpathologien nachzuweisen. Die DSA ist nach wie vor Standard für den Nachweis kleinster Gefäßveränderungen, insbesondere vaskulitischer Veränderungen der Gefäßwände. Auch ist die DSA Bestandteil endovaskulärer interventioneller Therapieoptionen.
Outcome und Prognose Die Prognose von Kindern mit einer akuten zerebralen Ischämie wird allgemein als günstiger angesehen als bei Erwachsenen, obwohl nur wenige Studien dies belegen. Studien zufolge wird eine Überlebensrate von 85% der Kinder mit einer akuten zerebralen
137 9.3 · Vaskuläre Erkrankungen
. Tab. 9.9. Schlaganfallprotokoll
MR-Sequenz
TR (ms)
TE (ms)
Schichtdicke (mm)
Akuisitionszeit (min)
T2-gewichtete Sequenz
4010
108
6
2:14
Diffusionsgewichtete Sequenz
3800
120
6
0:11
Perfusionsgewichtete Sequenz
1550
30
5,0
1:36
MRA, TOF
21
3,24
0,94
5:44
FLAIR
7400
119
6,0
2:13 TI 2300 mg
Ischämie beschrieben. Ein residuales Defizit wurde jedoch bei 75–100% der Patienten nachgewiesen. Nahezu alle Kinder mit einem Schlaganfall in der Neonatalperiode zeigten eine mentale und physische Entwicklungsverzögerung. Wie bereits erwähnt, treten bei akuten zerebralen Ischämien im Kindesalter Anfälle zu Beginn eines Schlaganfalls auf. Dies ist wahrscheinlich auch von prognostischer Bedeutung, da 60% der Kinder <3 Jahren mit einem Anfall zu Beginn einer zerebralen Ischämie im weiteren klinischen Verlauf Entwicklungsverzögerungen aufweisen. 75% haben später weiterhin Anfälle. Bei Kindern mit einem Schlaganfall, die keinen Anfall zu Beginn hatten, weisen nur 20% Entwicklungsverzögerungen auf und <10% haben in der Folgezeit weiter Anfälle. Da Anfälle bei Kindern unter 3–4 Jahren häufiger sind, haben jüngere Patienten vermutlich eine schlechtere Prognose für ihre weitere Entwicklung im Langzeitverlauf. Ein wahrscheinlich auch unterrepräsentiertes Phänomen ist das Vorkommen von »movement disorders« (Bewegungsstörungen) als Langzeitfolge bei Kindern mit Basalganglieninfarkten. Das Risiko eines erneuten Schlaganfalls im Kindesalter wird als gering angesehen, die Wiederholungsrate wird auf etwa 20% geschätzt.
9.3.3
Seltene Ursachen vaskulärer Erkrankungen
Moya-Moya Erkrankung Definition Die Moya-Moya-Erkrankung ist eine idiopathische zerebrovaskuläre Erkrankung, die durch eine spontane, langsam progrediente Stenosierung der distalen A. carotis interna und der proximalen Arterien des Circulus arteriosus Willisii mit sekundärer Ausbildung eines dichten Netzes aus kollateralen Gefäßen charakterisiert ist. Das Kollateralnetz besteht hauptsächlich aus den lentikulostriären und den Choroidalarterien.
Epidemiologie Die Erkrankung, die zuerst in Japan in den 1960er Jahren beschrieben wurde, tritt häufiger in Asien auf. Der Begriff »moyamoya« bedeutet auf japanisch »Nebel, Rauch« und wurde benutzt, um das charakteristische angiographische Erscheinungsbild der pathologischen Kollateralgefäße zu beschreiben. In Japan wird die Erkrankung mit einer Inzidenz von 0,35% beschrieben,
mit 400 Neumanifestationen jährlich, und gilt dort als häufigste Ursache des Schlaganfalls im Kindesalter. In der übrigen Welt ist die Manifestation wesentlich niedriger. Moya-Moya kann sowohl im Kindes- als auch im Erwachsenalter in Erscheinung treten, allerdings mit anderer klinischer Manifestation. Es besteht eine Dominanz des weiblichen Geschlechts.
Ätiologie Die Ätiologie dieser Erkrankung ist weiterhin unklar. Durch die erhöhte Inzidenz in Japan und Korea wie auch durch das familiäre Auftreten in Japan wurde vermutet, dass genetische Komponenten eine mögliche Rolle spielen. So zeigte sich u. a. eine genetische Veränderung in den Chromosomenloci 3p24.2–26 und 6.
Klinisches Bild Das klinische Erscheinungsbild der Moya-Moya-Erkrankung ist im Kindes- und Erwachsenenalter unterschiedlich. In der 1. Dekade des Lebens zeigt sich eine erhöhte Inzidenz der Erkrankung. Die Kinder präsentieren sich häufig mit transitorisch ischämischen Episoden (TIA). Zerebrale Ischämien können sich als reversible motorische Defizite, sensorische oder visuelle Störungen sowie auch als rezidivierende Hemiparesen manifestieren. Kopfschmerzen und Krampfanfälle treten ebenfalls bei einigen Patienten auf. Selten kann es bei Kindern zu einer intrazerebralen Blutung kommen. Mehrere Berichte zeigen, dass bei Kindern mit symptomatischer Moya-Moya-Erkrankung eine Verringerung des Intelligenzquotienten (IQ) auftreten kann. Diese Verringerung ist von der Dauer der Symptomatik abhängig und stabilisiert sich nach etwa 10 Jahren. Einige Studien zeigen eine Besserung des IQ nach einem chirurgischen Eingriff. Über eine Hypothalamus-Hypophysen-Dysfunktion bei Kindern wird in einigen Fallbeschreibungen ebenfalls berichtet. Im Gegensatz zu den Kindern manifestiert sich die Erkrankung bei den Erwachsenen in den überwiegenden Fällen als intrakranielle Blutung. Faktoren, die evtl. zu einer Blutung führen, umfassen arterielle Hypertonie sowie Pseudo- und Mikroaneurysmen. Jede Art von intrakranieller Blutung kann vorkommen. Eine Studie zeigte Stammganglienblutungen in 40% der Fälle, intraventrikuläre Blutungen in 30%, Thalamusblutungen mit Ventrikeleinbruch in 15% und subkortikale Blutungen in 5%. Eine Nachblutung kann längere Zeit nach der 1. Episode auftreten. Die Mortalität steigt nach einer Nachblutung; generell ist die Prognose nach einer Nachblutung schlecht. Wenn auch seltener,
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Kapitel 9 · Gehirn
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b . Abb. 9.78a–c. Moya-Moya. 1 Jahr alter Säugling mit plötzlich aufgetretenem Krampfanfall. In den daraufhin durchgeführten MRT-Untersuchungen zeigte sich in der diffusionsgewichteten Sequenz zunächst eine frische Ischämie im Mediastromgebiet links. a In den Kontrollaufnahmen 1 Woche später zusätzlich eine Ischämie im Mediastromgebiet rechts. b Eine daraufhin durchgeführte DSA zeigt eine sehr schmächtige A. carotis interna links. Der Karotisendabschnitt lässt sich nicht richtig einsehen, es zeigt sich allerdings ein diffuses Netzwerk (Rete). Über diese Kollateralen werden die A. cerebri media und die Stammganglienarterien aufgefüllt. Die Injektion in die A. carotis interna rechts zeigt ein ähnliches Bild mit ebenfalls feinen Kollateralen, die zu einer Auffüllung des Mediastromgebiets beitragen. c Eine Injektion in die A. vertebralis links zeigt eine kräftige A. basilaris und kräftige Rami communicantes posteriores, über die eine Mitversorgung der A. cerebri media beidseits erfolgt. (Aus Radiologe 2003;43:954, Abb. 4 a, d, f )
c
betont ist, lassen sich ebenfalls nachweisen. Die CT ist hilfreich bei der Diagnose intrakranieller Blutungen, die meistens in der Nähe der Seitenventrikel lokalisiert sind. In der kontrastmittelgestützten CT können sich im Bereich der Stammganglien Kontrastmittel-affine »Punkte« zeigen, die großen Gefäßen des Kollateralnetzes (lentikulostriären Arterien) entsprechen. Magnetresonanztomographie. Die Befunde der Moya-Moya-
können chronische Kopfschmerzen, rezidivierende TIA und neuropsychologische Veränderungen auftreten.
Bildgebung CT sowie konventionelle MRT und MR-Angiographie (. Abb. 9.78) sind nicht nur zur Diagnose der Moya-Moya-Erkrankung, sondern auch zur präoperativen Einschätzung und zum postoperativen Follow-up sehr hilfreich. Computertomographie. In der kraniellen CT können sich bereits bei der Erstdiagnose hypodense fokale Areale im Sinne von Infarkten zeigen. Zeichen einer Hirnatrophie, die häufig frontal
Erkrankung in der MRT sind gut dokumentiert. Eine Vielzahl von Pulssequenzen steht zur Verfügung, einschließlich FLAIR-, diffusionsgewichteter- (DWI-), perfusionsgewichteter, KM-gestützter Sequenzen sowie einer MR-Angiographie. Die MRT ist, verglichen mit der CT, bei der Darstellung ischämischer Regionen empfindlicher. In den T2-gewichteten Sequenzen zeigen sich die Infarktareale als signalgesteigerte Regionen kortikal gelegen, aber auch in der weißen Substanz. Die Kollateralgefäße können sich als hypointenses »Netz« im Bereich der basalen Zisternen oder als hypointese »Punkte« im Bereich der Stammganglien abbilden. Wie auch in der CT kann eine frontal betonte Hirnvolumenminderung nachweisbar sein. Zur Darstellung
139 9.3 · Vaskuläre Erkrankungen
kortexnaher Infarkte sind die FLAIR-Sequenzen durch die Unterdrückung des Flüssigkeitsignals gegenüber den T2-gewichteten Sequenzen empfindlicher. In den Kontrastmittelgestützten T1-gewichteten Sequenzen zeigen sich die Kollateralgefäße im Bereich der Stammganglien und der basalen Zisternen Kontrastmittel-affin. In den kortikalen Sulci zeigt sich ein leptomeningeales Enhancement, das als »ivy sign« bezeichnet wurde. Dieses leptomeningeale Enhancement entspricht am ehesten feinen Anastomosen. Es zeigte sich, dass nach effektiver Bypassoperation dieses Enhancement geringer wird. Das »ivy sign« ist in den FLAIR-Sequenzen als hyperintenser kortikaler Sulcus zur erkennen. Zur Differenzierung akuter von älteren ischämischen Ereignissen ist die DWI hilfreich. Frische Infarkte sind in der DWI als signalgesteigerte Areale nachweisbar. Die perfusionsgewichteten Sequenzen zeigen eine relativ niedrige Perfusion der weißen Substanz im vorderen Stromgebiet im Vergleich zur Perfusion des hinteren Stromgebiets. Sie ist zur Abgrenzung infarktgefährdeter Areale wertvoll, aber auch, um die postoperative Perfusionsbesserung nachzuweisen. Die MR-Angiographie zeigt eine hochgradige Stenosierung der beiden distalen Aa. carotides internae und der proximalen Arterien des Circulus arteriosus Willisii. Zerebrale Angiographie. Zur Diagnosestellung und auch Therapieplanung ist die Durchführung einer zerebralen Angiographie nötig. Angiographisches Charakteristikum der Erkrankung ist eine bilaterale supraklinoidale Stenosierung der A. carotis interna. Das Ausmaß der Veränderungen ist nicht unbedingt symmetrisch. Als Folge dieser progredienten Stenosierung, die schließlich zu einem Verschluss führt, kommt es zur Entwicklung eines Kollateralnetzes im Bereich der Stammganglien, des Thalamus und Hypothalamus und evtl. des Mesencephalons über die lentikulostriären Arterien, die vorderen Choroidalarterien, die A. communicans posterior und deren Seitenäste sowie über Kollateralwege der A. carotis externa zum Stromgebiet der A. carotis interna distal vom Circulus Willisii. Diese Kollateralen erweitern sich mit der Zeit und bilden ein dichtes Netzwerk. In den späteren Stadien der Krankheit zeigen sich Stenosierungen auch im Bereich des Circulus arteriosus Willisii, die zu neuen Kollateralnetzen führen, z. B. leptomeningeale oder transdurale Anastomosen.
ein transduraler Kollateralkreislauf ein, und es kann zur Entwicklung eines orbitalen und ethmoidalen MoyaMoya kommen. Die A. cerebri media, A. cerebri anterior und A. pericallosa sind nur noch dünn und stellen sich schlecht dar. 4 Stadium V: Das basale Moya-Moya ist nur noch spärlich entwickelt, die A. cerebri anterior und A. cerebri media sind kaum mehr erkennbar. Die intrazerebralen Anastomosen der A. cerebri posterior und die transduralen Kollateralwege verstärken sich. 4 Stadium VI: Die Vaskularisation des Anterior-, Perikallosaund Mediastromgebiets findet nur noch über Externaäste und vom Vertebralis-Basilaris-Stromgebiet statt.
Therapie Die einzige effektive Theraphie der Moya-Moya-Erkrankung besteht in der chirurgischen Revaskularisierung des minderperfundierten Parenchyms. Eine Reihe operativer Techniken wird angewendet, um eine Kollateralisation zu erstellen. Bei den chirurgischen Prozeduren wird entweder eine direkte Revaskularisation angestrebt, wie der Bypass zwischen der A. temporalis superficialis und der A. cerebri media, oder eine indirekte Revaskularisation wie EDAS (Enzephaloduro-Arteriosynangiosis) oder eine piale Synangiose durchgeführt. Generell wird die indirekte Revaskularisierung bei der Therapie von Kindern bevorzugt. In erfolgreichen Fällen wird die Frequenz der TIA reduziert und dadurch neue Infarkte vermieden.
Sinusvenenthrombosen Epidemiologie Sinusvenenthrombosen sind bei Kindern seltener als bei Erwachsenen. Bei Kindern wird die Häufigkeit auf 0,07 Fälle pro 100 000 Einwohner, bei Erwachsenen auf 0,25–0,5 pro 100 000 Einwohner geschätzt. Die tatsächliche Zahl duraler Sinusvenenthrombosen im pädiatrischen Krankengut ist nicht genau bekannt, sie sind aber wahrscheinlich doch häufiger als bisher angenommen wurde.
Ätiologie Klassifikation der Moya-Moya-Krankheit Durch eine Klassifikation der angiographischen Befunde nach Suzuki wird die Krankheit in 6 Stadien unterteilt: 4 Stadium I: Isolierte Stenose der Karotisendstrecke 4 Stadium II: Auftreten eines feinen Kollateralgeflechts und Erweiterung der distalen Hirnarterien 4 Stadium III: Volle Entwicklung des Kollateralgeflechts (Moya-Moya) mit verminderter Darstellung der A. cerebri anterior und A. cerebri media 4 Stadium IV: Das basale Gefäßgeflecht verschwindet allmählich und wird durch ein gröberes Geflecht ersetzt. Die Stenosen der Karotisendstrecke dehnen sich aus und greifen auf die basalen Hirnarterien über. Es stellt sich 6
Bei Neugeborenen geht man davon aus, dass eine hämorrhagische Infarzierung der Thalami durch eine Thrombose der zentralen Venen und des Sinus rectus, beispielsweise durch eine Dehydratation, verursacht wird. Im Säuglings-und Kindesalter liegt einer Sinusvenenthrombose in der großen Mehrzahl der Fälle ein eitriger Fokalinfekt im Kopfbereich (Otitis media, Mastoiditis, Sinusitis, Tonsillitis, Meningitis) zugrunde. Das klinische Bild wird von der Lokalisation und der Ausdehnung des venösen Verschlusses bestimmt. Eine Mastoiditis kann z. B. eine Thrombose im Sinus transversus und sigmoideus hervorrufen. Darüber hinaus gibt es eine Beziehung zwischen einer duralen Sinusvenenthrombose und generalisierten Infektionen, z. B. einer Erkältung sowie Traumen und Dehydratation. Intrakranielle arteriovenöse Kurzschlüsse, wie eine V.-Galeni-Malformation oder ein duraler arteriovenöser Shunt, können ebenfalls zu einer Sinus- und Venenthrombose führen. Bei ma-
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lignen Erkrankungen, z. B. einer Leukämie, können ebenfalls Sinusvenenthrombosen auftreten, genauso wie bei Vaskulopathien, die als prädisponierender Faktor gelten (. Abb. 9.79). Selbst bei Kindern mit angeborenen Gerinnungsstörungen, wie einem Antithrombindefekt oder Protein-C- oder Protein-SDefekten, treten Sinusvenenthrombosen gehäuft auf – dies ist jedoch meist erst im späteren Kindesalter der Fall. Ein Defekt im Faktor-5-Gen ist mit einer Protein-C-Resistenz (APC) assoziiert
. Abb. 9.79a–d. Sinusthrombose, Sinusvenenthrombose. Junge mit bekannter akuter lymphatischer Leukämie und Chemotherapie. Seit 3 Tagen Kopfschmerzen. a Die zunächst durchgeführte CT-Untersuchung zeigt einen hyperdensen Sinus sagittalis superior. b In den FLAIR-Sequenzen deutlich verstrichene Hirnfurchen apikal beidseits. c In den T1-gewichteten Sequenzen vor KM-Gabe stellt sich der Sinus sagittalis hyperintens dar, er scheint nicht durchströmt zu sein. d In der MR-Angiographie in Phasenkontrasttechnik stellt sich der Sinus sagittalis superior im gesamten Verlauf nicht dar. (Aus: Radiologe 2003;43:956, Abb. 6a,c,d,e)
und führt ebenfalls gehäuft zu Sinusvenenthrombosen. Eine APC-Resistenz wurde im Plasma von bis zu 50% der Patienten mit einer individuellen oder familiären Häufung von Sinus-Venen-Thrombosen gefunden. 5% der gesunden Bevölkerung zeigen eine APC-Resistenz, die mit einem 7-fach erhöhten Risiko für tiefe Beinvenenthrombosen assoziiert ist. Die APC-Resistenz ist der häufigste genetisch bedingte, autosomal-dominant vererbte Risikofaktor für die Entstehung von Thrombosen. Eine
141 9.3 · Vaskuläre Erkrankungen
APC-Resistenz führt zu einem 10-fach höheren Risiko als alle bekannten genetischen Risikofaktoren für Thrombosen (Protein-C-, Protein-S-, Antithrombindefekt) zusammen. Homozygote Anlageträger haben sogar ein 50- bis 100-fach erhöhtes Risiko, an einer Thrombose zu erkranken. Hämatologische Erkrankungen, wie eine Polyzythämie, oder angeborene Herzerkrankungen gehen ebenfalls mit einem erhöhten Risiko für zerebrale Sinus-Venen-Thrombosen einher. Zentrale Venenkatheter sind die häufigste Ursache iatrogener Venenthrombosen, insbesondere diejenigen der V. jugularis.
Klinik Das klinische Bild der Sinusvenenthrombose wird von der Lokalisation und Ausdehnung des venösen Verschlusses bestimmt. Solange bei Sinusthrombosen die Zirkulation eines Thrombosegefäßes offen bleibt, kommt es nur zu Allgemeinsymptomen wie Fieber, Kopfschmerzen, Erbrechen und erhöhtem intrakraniellen Druck. Die Diagnose wird häufig nicht oder verspätet gestellt, besonders wenn die Patienten nur milde oder ungewöhnliche klinische Symptome aufweisen. Kommt es zu einer langsamen Entwicklung der duralen Sinusvenenthrombose, zeigen die Kinder oft Zeichen der chronischen Abflussbehinderung mit Makrokranie und erweiterten fazialen Venen. Ein Verschluss des Sinus transversus ist als eine der Ursachen einer benignen intrakraniellen Hypertension bekannt. Fokale Symptome werden hervorgerufen durch ein lokalisiertes Ödem und durch Hämorrhagien. Die klinische Symptomatik hängt v. a. von der Lokalisation des Verschlusses und von den anatomischen Gegebenheiten ab. Eine links lateral gelegene Thrombose kann zu einer Kongestion im Temporallappen mit Aphasie führen. In fortgeschrittenen Fällen kann es sogar zu einer Temporallappenherniation und zu einer arteriellen Infarzierung der A. cerebri posterior kommen. Zerebrale Symptome treten beim Übergreifen der Thrombose auf die Hirnvenen auf. Die Befunde lassen häufig an eine Enzephalitis denken. Kopfschmerzen und Bewusstseinsstörungen entstehen v. a. durch eine Erhöhung des intrakraniellen Drucks. Die Initialsymptome eines Pseudotumor cerebri sind bei älteren Kindern und bei Erwachsenen meist Kopfschmerzen, die mit Übelkeit und Erbrechen einhergehen. Bei jüngeren Kindern kann sich ein Pseudotumor cerebri klinisch mit Somnolenz oder Apathie manifestieren. Bei asymptomatischen Patienten wird ein Papillenödem häufig zufällig entdeckt. Ataxie und Schwindel können ebenfalls als Frühsymptome vorkommen, ebenso wie Schulter- und Nackenschmerzen. Ein einseitiger Exophthalmus mit einem periorbitalen Ödem und mit einer ipsilateralen Lähmung der Augenmuskelnerven und der ersten beiden Trigeminusäste entwickelt sich bei einer Thrombose des Sinus cavernosus. Eine Thrombose eines Sinus transversus entwickelt sich am häufigsten bei einer Otitis media mit oder ohne Mastoiditis. Die Prognose ist als relativ günstig anzusehen, solange die Thrombophlebitis lokalisiert bleibt. Das klinische Outcome verschlechtert sich bei einem Übergreifen des entzündlichen Prozesses auf den Sinus sagittalis superior. In der Neugeborenenperiode sind durale Sinusvenenthrombosen seltener dokumentiert. Sie manifestieren sich bei Neugebo-
renen in etwa 88% durch Anfälle. Bei weiteren Verlaufskontrollen dieser Patienten zeigt sich, dass in nahezu allen Fällen mit einem guten klinischen Outcome zu rechnen ist. Anamnestisch ist in nur ganz wenigen Fällen eine perinatale Asphyxie nachweisbar. > Eine Sinusvenenthrombose stellt also eine wichtige und häufig nicht erkannte Ursache zerebraler Anfälle im Neugeborenenalter dar.
Liegt keine perinatale Asphyxie vor, ist in der Regel mit einer normalen neurologischen Entwicklung zu rechnen. Das Risiko, weitere Anfälle zu entwickeln, ist als sehr gering anzusehen. Eine Thrombose der zentralen Venen kann zu einer Thalamushämorrhagie führen, während eine laterale Sinus-sigmoideus-Thrombose eher einen benignen Pseudotumor cerebri hervorruft.
Bildgebung, Diagnose Computertomographie. Eine zerebrale Sinusvenenthrombose zeigt sich in der nativen CT oft als eine umschriebene Hypodensität in den entsprechenden venösen Blutleitern. Zusätzlich findet sich häufig eine fokale Hirnschwellung, z. T. mit hämorrhagischen Transformationen im Sinne von venösen Infarzierungen. In der CT unterscheidet man direkte und indirekte Zeichen. Die direkten Zeichen zeigen den intraluminalen Thrombus in einem duralen Sinus oder einer pialen Vene. Die indirekten Zeichen sind Ausdruck der von einer Thrombose verursachten venösen Stauung des Hirnparenchyms. Sie sollten zwar den Verdacht auf eine zerebrale venöse Durchblutungsstörung lenken, müssen aber gegen andere Differenzialdiagnosen abgegrenzt werden. Als direkte Zeichen gelten: 4 ein hyperdenser Sinus in der Nativ-CT (. Abb. 9.79) 4 das so genannte »cord sign« einer Brückenvene in der NativCT 4 das »empty-triangle-Zeichen« des Sinus in der kontrastverstärkten CT
Frisch thrombosiertes Blut stellt sich in der CT hyperdens dar, während sich ein etwa 1–2 Wochen altes Blutgerinnsel durchaus iso- bis hypodens darstellen kann. Bei einem frischen Thrombus im Sinuslumen ist deshalb ein hyperdenser Sinus in der Nativ-CT zu erwarten, bei einer frisch thrombosierten Brückenvene kommt es zu dem hyperdensen »cord sign«. Zu einem späteren Zeitpunkt mit iso- oder hypodensem Thrombus wird die Sinusthrombose erst nach Gabe von Kontrastmittel durch das so genannte »empty-triangle-Zeichen« direkt nachweisbar. Als indirekte Zeichen gelten ein globales Hirnödem, fokale Ödeme sowie uni- oder multilokuläre Stauungsblutungen. Die Bewertung der indirekten Zeichen muss unter Berücksichtigung der klinischen und radiologischen Differenzialdiagnosen getroffen werden. Ist ein fokales Ödem venöser Genese, so ist zu erwarten, dass die Form und Ausdehnung nicht typischen arteriellen Gefäßterritorien entspricht. Differenzialdiagnostisch ist dies von multifokalen Läsionen bei Vaskulitis und von einer posterioren Enzephalopathie abzugrenzen. Andere differenzialdiagnostische Überlegungen sind Infarkte oder andere mit Hirnblutungen einhergehende Erkrankungen. Zu Beginn der computertomographischen Abklärung sollte immer eine native CT er-
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142
Kapitel 9 · Gehirn
. Tab. 9.10. Stadien und Signalcharakteristika von Sinusthrombosen Stadium I
Akute Thrombose
1.–5. Tag
T1-Wichtung: isointens T2-Wichtung: stark hypointens
Stadium II
Subakute Thrombose
bis 15. Tag
T1-Wichtung: hyperintens T2-Wichtung: hyperintens
Stadium III
16. Tag bis 3. Monat
T1-Wichtung: inhomogen, hyper-, iso-, hypointens T2-Wichtung: inhomogen, hyper-, iso-, hypointens
Stadium IV
>3 Monate
T1- und T2-Wichtung: Normalisierung mit flussbedingter Signalauslöschung oder isodens organisiertem Thrombus
folgen. Mit der kontrastverstärkten CT-Angiographie kann meist die genaue Lokalisation des Thrombus nachgewiesen werden. Magnetresonanztomographie. Akute und subakute Sinusve-
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nenthrombosen sind in der MRT meist direkt nachweisbar, ebenso wie die dabei fakultativ auftretenden ödematösen und hämorrhagischen Veränderungen des vom Gefäßverschluss abgehenden Hirnparenchyms. Das Wichtigste ist hierbei jedoch, an die Diagnose zu denken, da sie ein adäquates Untersuchungsprotokoll verlangt (s. u.). Thrombosierte zerebrale Sinus zeigen zeitabhängige typische Veränderungen ihrer Signalintensitäten, die in den ersten Wochen ähnlich verlaufen wie bei intrazerebralen Hämatomen. Hämosiderineffekte treten in den venösen Sinus allerdings nicht auf. Das Signalmuster des intraluminalen Thrombus lässt Rückschlüsse auf sein Alter zu. In . Tab. 9.10 sind die entsprechenden Stadien und Signalcharakteristika von Sinusthrombosen aufgelistet. Bei einer frischen Sinusthrombose fehlen in den T1-gewichteten Aufnahmen die sonst typischen, flussbedingten Signalauslöschungen. Zwischen dem 1. und 5. Tag erscheint der venöse Blutleiter auf den T2-gewichteten Sequenzen stark hypointens. In diesem frühen Stadium kann aufgrund der sehr geringen Veränderungen eine Sinusvenenthrombose oft übersehen und als Normalbefund gedeutet werden. Bei klinischem Verdacht auf eine Sinusvenenthrombose sollten deshalb flusssensitive Gradientenecho-Sequenzen oder eine Phasenkontrast-MRAngiographie durchgeführt werden. In der subakuten Phase kommt es zu einer Hyperintensität in den T1-gewichteten Sequenzen. Dieser Befund muss allerdings von flussbedingten Signalintensitätsabhebungen abgegrenzt werden. Im späteren Stadium, ab der 3. bis 4. Woche, wird das Signal als Ausdruck von Organisation und Rekanalisationsvorgängen inhomogen. Es kommt zu einer Organisation des Thrombus, der sich dann isointens darstellt, oder zu einer Rekanalisation des Gefäßes mit Wiederauftreten flussbedingter Signalauslöschungen. Die zuverlässige Beurteilung einer vermuteten Sinus-VenenThrombose durch die MRT verlangt ein entsprechendes Untersuchungsprotokoll. Es sollte neben axialen und koronaren Turbo-Spinecho-Sequenzen auch eine Phasenkontrastangiographie und evtl. eine kontrastverstärkte MR-Angiogaphie zur Darstellung der venösen Blutleiter beinhalten.
> Mit der Möglichkeit der CT-Angiographie und MR-Angiographie, aber auch schon durch den Einsatz flusssensitiver Gradientenecho-Sequenzen, sind durale Sinusthrombosen fast ausnahmslos unter Verzicht auf eine invasive Katheterangiographie zu sichern. Seltene Probleme, wie etwa umschriebene Kontrastmittel-Aussparungen, z. B. durch Pacchioni-Granulationen, können zu Fehlbeurteilungen führen. In diesem Fall sollte zur Klärung die CT-Angiographie bzw. dann doch eine Katheterangiographie durchgeführt werden. Liquor. Der Liquorbefund bei Sinusvenenthrombosen ist überaus variabel. Am konstantesten findet sich eine Eiweißerhöhung. Die Zellzahl ist meist mäßig erhöht, oft jedoch normal. Bei einer hämorrhagischen Infarzierung kommt es zu einer Xanthochromie oder zu Blutbeimengungen.
Krankheitsverlauf Der klinische Verlauf der Sinusvenenthrombose ist schwierig vorherzusagen. Bei Kindern kann ein spontaner, günstiger Ausgang beobachtet werden, v. a. bei fokalen Thrombosen mit minimalen klinischen Symptomen, da bei Kindern die Toleranz gegenüber Änderungen im Blutfluss in der Regel besser ist als bei Erwachsenen. Die Prognose einer spontanen duralen SinusVenen-Thrombose ist daher für Kinder meist günstiger als für Erwachsene. Eine Ausnahme stellen Neugeborene und Säuglinge dar.
Therapie Üblicherweise wird eine durale Sinusvenenthrombose antikoagulatorisch behandelt. Es gab und gibt immer wieder Hinweise, dass Heparin eine Einblutung in hämorrhagische Areale provozieren kann. Da eine nichtbehandelte Sinusvenenthrombose zu einem ernsthaften Krankheitsbild führen kann, wird aber Heparin eingesetzt. Es konnte gezeigt werden, dass es zu einer deutlichen Verbesserung der Prognose führt. Der Nutzen einer lokalen fibrinolytischen Therapie ist umstritten. Wenn nötig, kann außerdem eine großflächige Trepanation erwogen werden. Im Anschluss an die Antikoagulation mit Heparin muss eine Marcumarisierung für die Dauer von etwa 6 Monaten angeschlossen werden. Eine Antibiotikatherapie bei septischen Thrombosen und eine antikonvulsive Begleitbehandlung sind selbstverständlich.
143 9.3 · Vaskuläre Erkrankungen
a . Abb. 9.80a, b. Dissektion. a In der DSA ist ein Gefäßverschluss der A carotis interna zu erkennen mit flammenförmigem Auslaufen des Gefäß-
b stumpfs. b In der axialen T2-Wichtung durch den Hals ist das Wandhämatom in der A. carotis interna als halbmondförmige Signalsteigerung zu sehen
Gefäßdissektion Epidemiologie, Ätiologie Dissektionen treten v. a. bei jüngeren Patienten <45 Jahre auf (. Abb. 9.80, . Abb. 9.77). Oft können anamnestisch Traumen, manchmal nur »Bagatelltraumen« eruiert werden. Kann keine Ursache nachgewiesen werden, bezeichnet man dies als »spontane« Dissektion. Prädisponierende Erkrankungen für eine Dissektion sind eine fibromuskuläre Dysplasie, Ehler-Danlos-Syndrom, andere Elastin- oder Kollagenoseerkrankungen sowie Entzündungen.
Bildgebung Digitale Subtraktionsangiographie. Eine Dissektion kann eindeutig in der DSA nachgewiesen werden; hier zeigt sich in der akuten Phase ein flammenförmiges Auslaufen des Kontrastmittels im verschlossenen Gefäß (. Abb. 9.80). In subakuten und späteren Stadien sind oft nur noch Gefäßwandunregelmäßigkeiten, Stenosen oder pseudoaneurysmatische Aufweitungen an der Schädelbasis zu erkennen. Selten können intrakranielle Dissektionen auftreten, die zu einer SAB führen können. MRT und MR-Angiographie. Im MRT lassen sich Dissektionen in der Regel ebenfalls eindeutig nachweisen. In den axialen Schnittbildern lässt sich meist die exzentrische Einengung der Gefäße durch das intramurale Hämatom signalangehoben nachweisen. Vor allem auf fettsupprimierten T1w-Sequenzen in koronarer Schichtführung ist das intramurale Hämatom hyperintens zu sehen. In der MR-Angiographie kann bei alleiniger Durchführung einer TOF-Angiographie und MIP-Rekonstruktion das Wandhämatom dem Nachweis entgehen.
. Abb. 9.81. Fibromuskuläre Dysplasie. DSA der A. carotis communis links. In der Seitprojektion Darstellung der Bifurkation und einer Wandunregelmäßigkeit der A. carotis interna, typisch für das Bild einer fibromuskulären Dysplasie
Fibromuskuläre Dysplasie Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei etwa 50 Jahren, es sind v. a. junge Frauen betroffen. Die Erkrankung betrifft vorwiegend die Aa. carotides internae und die Nierenarterien, die Aa. verteb-
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Kapitel 9 · Gehirn
rales sind weniger häufig betroffen. Die Verändungen an den Gefäßen sind gekennzeichnet durch Verengungen und Erweiterungen und haben ein perlschnurartiges Aussehen. Eine eindeutige Diagnose ist meist nur durch eine DSA zu stellen (. Abb. 9.81). ! Bei jüngeren Frauen ohne vaskuläre Risikofaktoren sollte bei Infarkten oder TIA’s oder ungeklärten zerebralen Embolien immer auch an die Möglichkeit des Vorliegens einer fibromuskulären Dyplasie gedacht werden.
Vaskulitis Epidemiologie, Einteilung, Klinik
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Die isolierte Vaskulitis des ZNS ist sehr selten. Die Vaskulitiden lassen sich in primäre und sekundäre einteilen, von denen sich die überwiegende Mehrzahl an verschiedenen Organsystemen einschließlich des ZNS manifestieren kann. Die isolierte ZNSVaskulitis ist auf das ZNS beschränkt, bei ihr stehen klinischneurologisch wie bei den anderen Vaskulitisformen Kopfschmerzen, Enzephalopathie, fokale Defizite und epileptische Anfälle im Vordergrund. Ein Kriterium der isolierten ZNS-Vaskulitis ist der klinische und laborchemische Ausschluss anderer Vaskulitiden bzw. der Beteiligung anderer Organsysteme.
Bildgebung Multiple Kalibersprünge intrakranieller Arterien in der zerebralen Angiographie und multiple, kleine, z. T. Kontrastmittel aufnehmende Läsionen in der MRT des Schädels sind vaskulitistypische Befunde, die allerdings auch bei anderen Vaskulitiden zu finden sind (. Abb. 9.76). Einzig beweisend ist eine Hirnhaut- und Hirnparenchymbiopsie. Besonders vor dem Hintergrund der therapeutischen Option, Immunsuppression mit Kortison und Cyclophosphamid, ist eine möglichst genaue Diagnose erforderlich. Die MRT ist sensitiver als die CCT, um die bei der Vaskulitis auftretenden multiplen kleinen Läsionen im Hirnparenchym nachzuweisen. Ein normales MRT schließt eine intrakranielle Vaskulitis, sei es als Mitbeteiligung einer systemischen Vaskulitis oder als isolierte ZNS-Vaskulitis, weitgehend aus.
Sekundäre Vaskulitiden 4 Rheumatischer Formenkreis: – Systemischer Lupus erythematodes – Mischkollagenosen – Rheumatoide Arthritis – Sjögren-Syndrom 4 ZNS-Infektionen: – Viren – Bakterien – Pilze – Parasiten 4 Andere: – Medikamente – Neoplasien – Entzündliche Darmerkrankungen – Sarkoidose
CADASIL Klinik und Ätiologie CADASIL steht für »Cerebrale Autosomal Dominante Arteriopathie mit Subkortikalen Infarkten und Leukenzephalopathie«. Im Vordergrund stehen im mittleren Erwachsenenalter einsetzende zerebrale Durchblutungsstörungen und die Entwicklung einer subkortikalen Demenz mit spastischer Tetraparese und Pseudobulbärparalyse. Zusätzlich treten auch gehäuft migräneartigen Kopfschmerzen und psychiatrische Störungen auf. 1993 gelang mithilfe einer großen französischen Familie die Lokalisierung des verantwortlichen Gendefekts auf dem kurzen Arm von Chromosom 19 (26). Inzwischen sind in Europa >100 Familien mit dieser Erkrankung bekannt geworden.
Klinik Klinisch zeigen die Patienten das Bild einer subkortikalen Demenz mit Antriebsstörung und emotionaler Verflachung, reduzierter Aufmerksamkeitsspanne, Perseverationen und herabgesetzten aktiven Gedächtnisleistungen. Migräneartige Kopfschmerzen sind häufig und anamnestisch ein wichtiges Frühsymptom der Erkrankung.
Einteilung der Vaskulitiden
Diagnose, Bildgebung
Primäre Vaskulitiden 4 Große Gefäße: – Riesenzellarteriitis – Takayasu-Arteriitis – Isolierte Angiitis des ZNS 4 Mittlere Gefäße: – Panarteriitis nodosa – Kawasaki 4 Kleine Gefäße: – Churg-Strauss-Syndrom – Wegener-Granulomatose – Mikroskopische Polyangiitis 6
Wegweisend für die Diagnose ist neben der Klinik und einer positiven Familienanamnese in erster Linie der Befund in der MRT. In den T2-gewichteten Aufnahmen zeigen sich diffuse, vorwiegend periventrikulär lokalisierte, später das gesamte Marklager betreffende konfluierende Hyperintensitäten und umschriebene, lakunäre Infarkte mit einer Prädilektion für die Basalganglien, die Capsula interna, den Thalamus und den Hirnstamm. Die Hirnrinde ist meist nicht betroffen und steht in fortgeschrittenen Fällen in scharfem Kontrast zu den ausgeprägten Marklagerveränderungen. Infratentorielle Läsionen sind selten. Territorialinfarkte gehören nicht zum Krankheitsbild. Da der Gendefekt bei CADASIL jetzt identifiziert ist, wird eine direkte DNA-Diagnostik schon bald verfügbar sein.
145 9.4 · Intrakranielle Tumoren
9.4
Intrakranielle Tumoren
9.4.1
Grundlagen
Primäre Hirntumoren Epidemiologie Jährlich erkranken in Deutschland 3700 Männer und 3400 Frauen an tumorösen Neubildungen des Nervensystems. Dies entspricht einer Inzidenz von 6–7 Neuerkrankungen/100 000 Einwohner/Jahr. 30% der Tumoren bei Frauen und >50% der Tumoren bei Männern treten vor dem 60. Lebensjahr auf, 10% davon manifestieren sich im Kindesalter. Die Altersverteilung der Hirntumoren zeigt einen ersten Häufigkeitsgipfel in der Kindheit (3–9 Jahre) und einen zweiten Gipfel im Alter zwischen 55 und 65 Jahren. Histologie und Lokalisation der Hirntumoren von Kindern unterscheiden sich von denen der Erwachsenen. Bei Kindern sind Medulloblastome und niedriggradige Astrozytome am häufigsten, während bei Erwachsenen maligne Gliome und Meningeome vorherrschen. Männer erkranken häufig an Gliomen, während Frauen häufiger an Meningeomen erkranken. Hirntumoren im Kindesalter machen etwa 15–20% aller primären Hirntumoren aus. Tumoren des Zentralnervensystems sind die zweithäufigsten pädiatrischen Tumoren nach den leukämischen Erkrankungen. Dabei treten infra- und supratentorielle Tumoren mit nahezu gleicher Häufigkeit auf. Hinsichtlich des Erkrankungsalters gibt es jedoch Unterschiede, supratentorielle Tumoren kommen häufiger in den ersten 2–3 Lebensjahren vor, während infratentorielle Tumoren ihren Altersgipfel zwischen dem 4. und 10. Lebensjahr erreichen. Ab dem 10. Lebensjahr treten die Tumoren infra- und supratentoriell in nahezu gleicher Häufigkeit auf. In den USA beträgt die Inzidenz der primären intrakraniellen Tumoren jährlich etwa 11,5 pro 100 000 Einwohner. Unter diesen Tumoren finden sich 52% Gliome, 24% Meningeome, 8% Hypophysenadenome, 6,5% Schwannome und 4% primäre ZNSLymphome. Bei den restlichen 5,5% der primären intrakraniellen Tumoren handelt es sich um andere, z. T. sehr seltene Tumoren.
Klinik Die Symptome intrakranieller Tumoren hängen stark vom Lebensalter ab. Im Säuglingsalter treten eine Vergrößerung des Kopfumfangs, Übelkeit, Erbrechen und Lethargie auf. Ältere Kinder zeigen meist ähnliche Symptome wie Erwachsene: hier treten neben den Allgemeinsymptomen, wie Kopfschmerzen, Anfälle oder Visusstörungen, lokale oder neurologische Defizite und Nervenlähmungen bzw. Ataxie und Hemiparese auf. Tumoren der Hypophysenregion im Bereich des Hypothalamus gehen häufig entsprechend ihrer endokrinen Dysfunktion mit Symptomen wie Diabetes insipidus, Wachstumsstörungen oder Pubertas praecox einher. Indikationen zur neuroradiologischen Diagnostik bei Verdacht oder zum Ausschluss eines Hirntumors sind: 4 Persistierende Kopfschmerzen >6 Monate Dauer, die nicht auf medikamentöse Behandlung ansprechen. 4 Kopfschmerzen, die mit neurologischen Symptomen einhergehen.
4 Persistierende Kopfschmerzen ohne familiäre Belastung, wie Migräne. 4 Persistierende Kopfschmerzen, die einhergehen mit Episoden von Verwirrtheit, Desorientiertheit und Erbrechen. 4 Kopfschmerzen, die bei Kindern aus dem Schlaf heraus auftreten oder unmittelbar nach dem Aufwachen auftreten. 4 Kopfschmerzen bei Kindern mit Syndromen, die mit einer erhöhten Rate an Hirntumoren einhergehen (z. B. Neurofibromatose oder andere Phakomatosen).
Bildgebung Charakteristika intrazerebraler Tumoren. Raumforderungen werden typischerweise in der CT oder MRT aufgrund ihrer abweichenden Dichte oder Signalintensität zum normalen Parenchym gesehen. Des Weiteren können ein raumfordernder Effekt, welcher zu einer Verlagerung der Hirnstrukturen führt, oder ein pathologisches Enhancement nach Konstrastmittelapplikation auffallen. Im gesunden zentralen Nervensystem wird ein Kontrastmittel-Enhancement nur im Bereich der Hypophyse, des Hypophysenstiels und ihrem Ursprungsort vom Hypothalamus gesehen sowie in der Pinealdrüse und dem Plexus choroideus. Fast alle Hirntumoren stellen sich im Vergleich zum übrigen Hirngewebe in der Nativ-CT hypodens dar. Auf T1-gewichteten MRT-Sequenzen erscheinen sie hypointens zur myelinisierten weißen Substanz, auf T2-gewichteten Bildern hyperintens. Das Vorkommen von Einblutungen, Nekrosen, Kalzifikationen und das Kontrastmittelverhalten variieren schon unter Tumoren ähnlicher histologischer Klassifikation und umso mehr bei Tumoren verschiedenen Zelltyps. Alle Tumoren weisen einen Masseneffekt auf. Im Falle eines relativ langsam wachsenden, peripheren Tumors bewirkt der Masseneffekt eine Expansion oder Erosion des Kraniums. Bei schneller wachsenden, mehr zentral gelegenen Tumoren kommt es zu Verlagerungen. Dies kann bis zu einer Herniation von Hirngewebe führen. Supratentorielle Raumforderungen verursachen üblicherweise eine Herniation nach kaudal durch den Tentoriumschlitz, infratentorielle Raumforderungen können zu einer Herniation nach kranial führen. Transtentorielle Herniation führt üblicherweise zu Druck auf das Mittelhirn mit nachfolgenden Störungen der Augenbewegung und Pupillenreaktion. Auch kann eine tentorielle Herniation zu einer Kompression der Aa. cerebri posteriores zwischen Mittelhirn und Tentorium führen mit nachfolgenden unilateralen oder bilateralen Ischämien im Versorgungsgebiet dieser Arterien. Die Herniation der Kleinhirntonsillen durch das Foramen magnum kann sowohl bei supra- als auch bei infratentoriellen Raumforderungen vorkommen. Die Tonsillenherniation kann leicht mittels MRT dargestellt werden und kann zu einer respiratorischen Insuffizienz führen. Sobald eine Raumforderung festgestellt wird, muss entschieden werden, ob diese intra- oder extraparenchymal liegt. Mit anderen Worten: Kommt die Raumforderung vom Hirnparenchym oder von extraparenchymalen Strukturen wie den Meningen, dem Plexus choroideus oder dem Subarachnoidalraum? Intraparenchymale Raumforderungen komprimieren die Zisternen und Sulci, sie infiltrieren das umgebende Hirnparenchym und können ein deutliches Ödem verursachen.
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9
Kapitel 9 · Gehirn
Extraparenchymale Läsionen verlagern typischerweise die Hirnstrukturen, anstatt sie zu infiltrieren. Das Gehirn wird vom Knochen oder der Dura weggeschoben, was zu einer erweiterten Zisterne führt. Ein gut abgrenzbarer Zwischenraum teilt die extraparenchymale Raumforderung vom Gehirn. Normalerweise zeigt sich nur wenig oder kein Perifokalödem. Andere Charakteristika, welche auf einen extraparenchymalen Tumor hinweisen, sind ein geringer Masseneffekt im Vergleich zur Größe des Tumors, eine Ausweitung der Raumforderung über die Mittellinie ohne Beteiligung der zerebralen Kommissur und eine relativ blande klinische Symptomatik. Natürlich gibt es auch hier Ausnahmen, so kann z. B. auch eine intraparenchymale Raumforderung mit langsamem Wachstum nur einen geringen Masseneffekt zur Folge haben. Jedoch wird es anhand der o. g. Regeln in den meisten Fällen möglich sein, zwischen einem intraund extraparenchymalen Wachstum zu unterscheiden.
Auch ist die MRT sensitiver bei der Frage nach Tumorausbreitung entlang der Subarachnoidalräume.
Differenzialdiagnose. Nachdem nun festgestellt wurde, dass die Raumforderung intraparenchymal liegt, muss entschieden werden, ob es sich hierbei wirklich um eine Neoplasie handelt. Infektionen und Ischämien können dem Bild einer Neoplasie ähneln und sollten zumindest kurzzeitig in die Differenzialdiagnose aufgenommen werden. Zerebrale Abszesse sind intraparenchymale Raumforderungen, welche durch ein rasches Wachstum und ein randständiges Enhancement charakterisiert sind. Tumoren wachsen typischerweise langsamer und zeigen ein mehr irreguläres, randständiges Enhancement. Die Unterscheidung zu Ischämien geschieht anhand der Lokalisation in einem vaskulären Stromgebiet und der Beteiligung von sowohl grauer als auch weißer Substanz. Tumoren und Infektionen entstehen typischerweise in der weißen Substanz oder an der Mark-RindenGrenze. Jedoch gibt es auch Tumoren, welche primär kortikal gelegen sind und in der Bildgebung einem akuten Infarkt ähneln. Sollte die Differenzialdiagnose aufgrund der Bildgebung und klinischen Kriterien erschwert sein, sollte vor Biopsieentnahme eine Verlaufskontrolle stattfinden. Handelt es sich bei der Strukturveränderung um einen Infarkt, kommt es innerhalb von 5 Tagen zu einem Enhancement, der raumfordernde Effekt wird bis zum Ende der ersten Woche abgenommen haben. Ein Abszess wächst schnell, und der randständige, kontrastmittelaffine Ring wird deutlicher. Tumoren werden sich innerhalb von 7 Tagen nicht oder nur wenig verändern. Die bildgebende Diagnostik stützt sich auf kranielle und spinale CT und v. a. MRT. Präoperativ wird nach Maßgabe des Operateurs eine Angiographie vorgenommen. Bei Hirntumoren, die zur Metastasierung im Liquorraum neigen, wie Medulloblastome und Ependymome, gehören zur Primärdiagnostik auch eine spinale MRT und Liquoruntersuchung. Bei gestörter Liquorzirkulation kann sich durch die mit der Lumbalpunktion verbundene Druckentlastung der neurologische Status verschlechtern. Auch wenn die Erstdiagnose eines intrakraniellen Tumors zumeist mittels der CT geschieht, sollte zur präoperativen Evaluierung eine MRT erfolgen, da hier in den multiplanaren Schichten eine genauere Ausdehnung des Tumors und seine Beziehung zu Umgebungsstrukturen erfolgen kann. Vor allem im Bereich der hinteren Schädelgrube ist eine Beurteilung aufgrund der Knochenartefakte in der CT oft nur eingeschränkt möglich.
Magnetresonanztomographie. Die Standardsequenzen beste-
> Bei Kindern sollte wegen der Strahlenbelastung zu Beginn der Diagnostik eine MRT erfolgen. Bei Kleinkindern ist auf eine ausreichende Sedierung zu achten, um Bewegungsartefakte zu vermeiden. Computertomographie. Die Bildgebung sollte nativ sowie nach Kontrastverstärkung in axialen Schichten erfolgen. Handelt es sich um einen Tumor in der hinteren Schädelgrube, sind koronare Bilder (entweder direkt oder reformatiert) hilfreich, um die Beziehung des Tumors zum Tentorium und Foramen magnum darzustellen. Auch können kleine Läsionen nahe der Dura oder des Knochens so leichter gefunden werden. Reformatierte sagittale Bilder sind v. a. bei mittig gelegenen Tumoren, wie am 3. Ventrikel, hilfreich.
hen aus einer sagittalen T1-gewichteten Sequenz sowie axialen T2-gewichteten Spinecho(SE)- oder Fast-Spinecho(FSE)-Bildern. Die Sequenzen sollten eine Schichtdicke von 5 mm oder weniger über das gesamte Gehirn aufweisen. Zusätzlich können zur besseren Beurteilung des Ausmaßes und des Verhältnisses zu den umgebenden Strukturen T1-gewichtete Bilder in entweder koronarer oder axialer Schnittführung durch den Tumor gefahren werden. Nach Kontrastmittelgabe sollten die Schichtrichtungen der Prä-Kontrastuntersuchung angepasst werden. Generell werden Hirnstamm, supraselläre und Raumforderungen des 3. und 4. Ventrikels am besten in der sagittalen oder koronaren Schichtebene dargestellt. Raumforderungen in den zerebralen und zerebellären Hemisphären können am leichtesten in den axialen und koronaren Schichtrichtungen beurteilt werden. Die Kontrastmittelmenge beträgt 0,1 mg/kg Körpergewicht und wird als i. v.-Bolus kurz vor der Untersuchung gegeben. ! Der Zeitpunkt der Konstrastmittelgabe sollte möglichst einheitlich sein, da es bei einer Verzögerung zu einer vermehrten Diffusion in den Extrazellularraum kommt, was zu einem größeren enhancenden Areal führt. So können Unterschiede im Zeitintervall zu einer falschen Beurteilung hinsichtlich der Tumorgröße führen. Flusskompensationstechniken (peripheres oder kardiales Ga-
ting) sind bei Tumoren in der hinteren Schädelgrube nützlich, da eine teilweise Missregistration des Kontrastmittel aufnehmenden fließenden Bluts Areale verdecken kann. Fließendes Blut, v. a. dann, wenn dessen T1-Relaxationszeit durch paramagnetisches Kontrastmittel heruntergesetzt wurde, kann zu Artefakten führen. Diese Artefakte sind v. a. in der hinteren Schädelgrube problematisch. Hohe Kontrastmitteldosen können das Ausmaß der Artefakte noch steigern. Auch daher sind Flusskompensationstechniken entweder durch Gradientenpulse oder Gating-Aufnahmen nach Kontrastmittelgabe wichtig. Eine Verzögerung von 15–30 min nach Kontrastmittelgabe kann die Artefakte reduzieren, da der intravaskuläre Kontrast sich durch Umverteilung re-
147 9.4 · Intrakranielle Tumoren
duziert, jedoch beinhaltet dies eine in der klinischen Routine kaum akzeptable Zeitverzögerung. CT versus MRT. Entgegen der allgemeinen Annahme ist die CT in
der Zuordnung von Tumoren häufig genauer als die MRT. Kleine Rundzelltumoren, wie die Germinome oder Medulloblastome, sind z. B. im Vergleich zum übrigen Hirnparenchym vor Kontrastmittelgabe iso- oder hyperdens. Astrozytome bei Kindern sind meist hypodens. So lässt sich z. B. ein supraselläres Germinom von einem suprasellären Astrozytom und ein Medulloblastom vom zerebellären Astrozytom unterscheiden. In der MRT ist dieses schwieriger, Kalzifikationen, welche z. B. bei Kraniopharyngeomen und Teratomen vorkommen, sind in der CT leichter zu entdecken. Die zusätzlichen anatomischen Informationen, welche die MRT liefert, lassen die eingeschränktere präoperative, histologische Zuordnung jedoch in den Hintergrund treten. Postoperative Kontrolle. Das postoperative »follow up« besteht
in der Regel aus nativen und kontrastverstärkten CT- oder besser MRT-Bildern innerhalb von 72 h. Nach der unmittelbaren postoperativen Phase sollte die initiale Bildgebung T1- und T2-gewichtete axiale Sequenzen vor Kontrastmittelgabe sowie T1-gewichtete Bilder nach Kontrastmittelgabe beinhalten. Die Nativbilder werden zur Unterscheidung zwischen postoperativen Blutungen und Residualtumor benötigt. Ein Enhancement entlang des Resektionsrandes kann innerhalb von 24 h nach Tumorresektion beobachtet werden. Das Ausmaß des Enhancements nimmt in der postoperativen Phase rapide zu, sodass eine frühe Bildgebung (innerhalb der ersten 72 h) stattfinden sollte, um das Ausmaß der Resektion zu bestimmen. Das operationsbedingte Enhancement an den Operationsrändern nimmt im Lauf der weiteren Untersuchungen nach 6 Wochen ab und sollte nach 12 Monaten nicht mehr nachweisbar sein. Ein meningeales und parenchymales Enhancement ist nach Kontrastmittelgabe auf postoperativen MRT-Bildern fast immer vorhanden. Ein durales Enhancement unterschiedlicher Dicke ist meistens glatt und persistiert oft über mehrere Jahre über den zerebralen Konvexitäten und entlang des Tentoriums. Kommt es jedoch zu einem nodulären meningealen Enhancement, muss an ein subarachnoidales Tumorwachstum gedacht werden.
Histologie Die Klassifikation einschließlich des Gradings der intrazerebralen Tumoren basiert nach wie vor auf dem histogenetischen Befund. Mit der Revision der WHO-Klassifikation der Hirntumoren von 1993 hat sich auch eine Änderung im Grading der astrozytären Gliome ergeben. Außerdem wurde das atypische Meningeom eingeführt. Für die prognostische Beurteilung sowie für therapeutische Entscheidungen ist eine eindeutige Zuordnung wichtig, die im Endeffekt nur durch die Histopathologie erfolgen kann. Die Prognose des Glioblastoms (Astrozytom Grad IV) ist mit einer mittleren Überlebensrate von 15 Monaten nach wie vor relativ schlecht. Die histologische Klassifikation der WHO berücksichtigt die zytogenetische Herkunft der Hirntumoren und unterscheidet bis zu 4 Malignitätsgrade (WHO-Grade I–IV). Hirntumoren werden meist durch Wesens- und Persönlichkeitsveränderungen,
fokale neurologische Störungen, Hirndruckzeichen oder zerebralorganische Anfälle symptomatisch. Maligne Hirntumoren metastasieren gelegentlich im Liquorraum und führen, wie auch primäre spinale Tumoren, zu spinalen und radikulären Symptomen. Systemische Metastasen primärer intrakranieller Tumoren sind selten.
Therapie In der Regel wird eine vollständige Resektion der Tumoren angestrebt. Bei Verdacht auf Germinom oder Lymphom oder bei Tumorlokalisation in funktionell kritischen Regionen wird zur Diagnosesicherung stereotaktisch oder neuronavigiert offen biopsiert. Anschließend wird je nach histologischem Befund zugewartet oder eine spezifische Therapie ± Strahlentherapie, Chemotherapie oder eine kombinierte Strahlen- und Chemotherapie eingeleitet. Die vollständige Resektion eines WHO-Grad-I-Tumors ist kurativ. Bei Neurinomen, v. a. Akustikusneurinomen bis zu einem Durchmesser von 2 cm, ist besonders bei erhöhtem Operationsrisiko die einzeitige oder fraktionierte Strahlentherapie eine Alternative zur Operation. Die fraktionierte Bestrahlung kommt auch bei größeren Neurinomen in Betracht. Die postoperative Bestrahlung ist eine etablierte Therapie bei den höhergradigen Gliomen der WHO-Grade III und IV, beim Medulloblastom und bei den Keimzelltumoren des ZNS. Operation und Strahlentherapie kurieren >50% der Medulloblastome. Germinome werden meist ausschließlich durch Bestrahlung geheilt. Die Strahlentherapie wird bei makroskopisch inkomplett resezierten niedriggradigen Gliomen des WHO Grads II und bei makroskopisch komplett entfernten malignen Meningeomen kontrovers diskutiert. Die Chemotherapie spielt im Vergleich zur Bestrahlung bei der Behandlung primärer hirneigener Tumoren eine untergeordnete Rolle, ist aber bei einigen Tumoren wirksam. Bei den anaplastischen Gliomen und den Glioblastomen zeigt Temozolomid in der Primärtherapie und in der Rezidivtherapie einen Effekt und konkurriert hier mit Nitrosoharnstoffbasierten Protokollen wie PCV. Auch Kinder mit Medulloblastomen scheinen von einer Chemotherapie zu profitieren. In den letzten Jahren wurde zudem die Wirksamkeit der Chemotherapie bei malignen Keimzelltumoren des ZNS belegt. Für die primären Non-HodgkinLymphome des ZNS ist eine methotrexathaltige Chemotherapie in der Primärtherapie heute Standard.
Hirnmetastasen Epidemiologie Bei 10–20% aller systemischen Tumorerkrankungen kommt es zu einer Metastasierung in das Nervensystem. Das Risiko beträgt 20–50% bei malignem Melanom und kleinzelligem Bronchialkarzinom und 10–30% bei nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom, Mammakarzinom und Nierenzellkarzinom. Es handelt sich überwiegend um zerebrale intraparenchymatöse oder spinale epidurale Metastasen.
Klinik Hirnmetastasen werden durch fokale neurologische Störungen, Hirndruckzeichen oder zerebralorganische Anfälle, epidurale Metastasen durch Querschnittsyndrome symptomatisch.
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Kapitel 9 · Gehirn
Bildgebung Die Diagnostik beinhaltet MRT als Methode der Wahl, alternativ CT, nativ und mit Kontrastmittel. Die MRT ist insbesondere dann essenziell, wenn es um die Frage geht, ob einzelne oder multiple Metastasen vorliegen. 5% der Mammakarzinom-Patientinnen, 10% der Patienten mit Bronchialkarzinom, 5–15% der Melanomund Non-Hodgkin Lymphom-Patienten und trotz ZNS-Prophylaxe 5–15% der Patienten mit akuter lymphatischer Leukämie (ALL) entwickeln eine Meningeosis neoplastica. Bis zu zwei Drittel dieser Patienten weisen gleichzeitig intraparenchymatöse Metastasen auf. Zusätzlich zu den bei Hirnmetastasen auftretenden Symptomen kommt es bei der Meningeosis neoplastica zu Hirnnervenund radikulären Störungen. Die Meningeosis neoplastica kann kernspintomographisch oder computertomographisch durch den Nachweis Kontrastmittel aufnehmender Läsionen im Subarachnoidalraum wahrscheinlich gemacht, sollte aber möglichst durch den Nachweis von Tumorzellen im Liquor gesichert werden.
Prognose
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Zerebrale oder spinale Manifestationen treten meist bei fortgeschrittener Grunderkrankung auf und bedeuten auch bei adäquater Therapie eine geringe mittlere Überlebenszeit von 3– 6 Monaten. Die 1-Jahres-Überlebensrate beträgt 10–20%. Bei Patienten mit solitären Metastasen oder isoliertem leptomeningealen Befall, z. B. beim Mammakarzinom, ist gelegentlich auch mehrjähriges Überleben möglich.
Medulloblastom (primitiver neuroektodermaler Tumor der hinteren Schädelgrube) Definition, Epidemiologie Medulloblastome sind hochmaligne Tumoren, die aus primitiven undifferenzierten, kleinen runden Zellen bestehen. Diese undifferenzierten Zellen wurden von Bede und Cushing als Medulloblasten bezeichnet, was zu der Bezeichnung »Medulloblastom« führte. Medulloblastome sind nach den zerebellären Astrozytomen die zweithäufigsten infratentoriellen Tumoren im Kindesalter. Sie machen etwa 15–20% aller intrakraniellen Tumoren im Kindesalter und 30–40% der Tumoren der hinteren Schädelgrube aus. Jungen sind 2- bis 4-mal häufiger als Mädchen betroffen. Etwa 40% der Medulloblastome treten innerhalb der ersten 5 Lebensjahre auf, 75% innerhalb der ersten10 Jahre. Medulloblastome können jedoch auch im Erwachsenenalter entstehen, sie bilden hier etwa 0,5–1% der Hirntumoren. Seltener sind Medulloblastome in den Kleinhirnhemisphären nahe der Oberfläche lokalisiert. Diese Tumoren sind histologisch häufig vom desmoplastischen Typ und kommen besonders bei Erwachsenen vor. Sie sind auch genetisch vom klassischen Typ zu unterscheiden. Da sie wahrscheinlich von der äußeren Körnerzellschicht der Kleinhirnrinde ausgehen, liegen sie meist an der Oberfläche und haben eine enge Beziehung zur Dura oder infiltrieren diese frühzeitig.
Klinik, Lokalisation 9.4.2
Infratentorielle Tumoren
Die häufigsten Tumoren der hinteren Schädelgrube im Kindesalter sind das Medulloblastom, Astrozytome des Kleinhirns und des Hirnstamms, atypische Teratome, Rhabdoidtumoren und Ependymome. Obwohl Medulloblastome, Ependymome, atypische Teratome und Rhabdoidtumoren häufig den Anschein erwecken, als würden sie intraventrikulär wachsen, handelt es sich um intraparenchymale Tumoren, die in den 4. Ventrikel vorwachsen. Hirnstammtumoren werden seit kurzem in verschiedene Gruppen untergliedert. Die differenzialdiagnostischen Überlegungen der infratentoriellen Hirntumoren im Kindes- und Erwachsenenalter sind in der Übersicht zusammengefasst.
Differenzialdiagnose infratentorieller Tumoren bei Kinden und Erwachsenen nach abnehmender Häufigkeit Kinder: 4 Kleinhirnastrozytom 4 Medulloblastom 4 Hirnstammgliom 4 Ependymom Erwachsene: 4 Schwannom 4 Meningeom 4 Epidermoid 4 Metastase
Nach dem Auftreten klinischer Symptome durch ein Medulloblastom wird die Diagnose in der Regel innerhalb von 4 Wochen gestellt. Die häufigsten klinischen Symptome sind Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen. Übelkeit und Erbrechen können neben dem allgemeinen Hirndruck auch durch ein Vorwachsen des Tumors in die Area postrema, die allgemein als »Brechzentrum« gilt, erklärt werden. Innerhalb des 1. Lebensjahres, wenn die Schädelnähte noch nicht komplett verschlossen sind, kommt es häufig zu einem schnellen Wachstum des Kopfumfangs. Medulloblastome der ersten 3 Lebensjahre unterscheiden sich von denjenigen älterer Kinder v. a. durch einen häufiger auftretenden Hydrozephalus, durch ein höheres Tumorstadium und eine höhere Inzidenz einer Liquordissemination bereits bei Diagnosestellung. Die Prognose ist deshalb auch vom Patientenalter abhängig. Bei älteren Kindern und jungen Erwachsenen ist häufig eine Rumpf- und Standataxie das führende Symptom. Treten eine Paraparese oder Symptome der Cauda equina auf, muss von einer Liquoraussaat nach spinal ausgegangen werden. Dies gilt als ein schlechter prognostischer Faktor. Bei bekanntem bzw. nachgewiesenem Medulloblastom in der hinteren Schädelgrube muss anschließend immer die gesamte Neuroaxis mittels MRT untersucht werden. Im Kindesalter treten zwei Drittel aller Medulloblastome im Vermis auf, während sie bei Jugendlichen und Erwachsenen häufiger in den Kleinhirnhemisphären lokalisiert sind. Der Tumor bildet oft eine gut definierte Raumforderung im Vermis, die den Raum zwischen den Kleinhirntonsillen aufweitet. Er imprimiert das Dach des 4. Ventrikels und führt zu einer partiellen oder kompletten Verlegung der Liquorzirkulation mit konseku-
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tivem Hydrocephalus occlusus. Dorsal kann er an die Cisterna magna und nach kaudal durch das Foramen magnum vorwachsen. Gelegentlich kann das Medulloblastom durch die Foramina Luschkae in den Kleinhirnbrückenwinkel vorwachsen. Ein Vorwachsen in den Hirnstamm wird bei etwa einem Drittel der Patienten gesehen. Eine leptomeningeale Dissemination über den Liquorraum geschieht sehr häufig; sie wird in der Literatur mit in bis zu 100% der Fälle angegeben. Supratentoriell ist eine Aussaat am häufigsten in der Fissura Sylvii, in den basalen Zisternen sowie in der hinteren Schädelgrube nachzuweisen. Eine leptomeningeale Tumoraussaat stellt sich in den T1-gewichteten Sequenzen nach Kontrastmittelgabe als hyperintense Struktur dar, die die Sulci und Zisternen nachzeichnet. Häufig ist auch eine zuckergussartige Überziehung des Hirnstamms zu erkennen. Eine retrograde Dissemination über den Aquädukt in den 3. Ventrikel sowie in die Seitenventrikel kann ebenso vorkommen. Von dort kann es dann wieder zu einem intraparenchymalen Vorwachsen des Tumors kommen. Abtropfmetastasen nach spinal werden in bis zu 40% der Fälle nachgewiesen. Eine systemische Metastasierung ist selten und kommt meist nur bei Tumorrezidiven vor. Dann ist häufig das Skelett betroffen, gefolgt von Lymphknoten- und Lungenbefall.
Diagnose, Bildgebung Histologie. Histologisch sind über die Hälfte der Medulloblastome vom klassischen undifferenzierten Typ. In 25% der Fälle handelt es sich um ein so genanntes desmoblastisches Medulloblastom, welches häufiger im 2. Lebensjahrzehnt und in den Kleinhirnhemisphären auftritt. Etwa 20–25% zeigen eine gliale oder neuronale Differenzierung innerhalb des Tumors, damit ist eine insgesamt noch schlechtere Prognose verbunden. Computertomographie. In der CT erscheint das typische Medullo-
blastom als eine relativ umschriebene hyperdense Raumforderung im Kleinhirnwurm, die nach Kontrastmittelgabe meist ein homogenes Enhancement zeigt. Diese primäre Hyperdensität kommt durch die hohe Zellzahl der kleinzelligen Medulloblastome zustande. Häufig ist der Tumor von einem hypodensen Randsaum, einem Ödem, umgeben. Verkalkungen und Zysten können vorkommen. Der 4. Ventrikel wird meist nach anterior abgedrängt und ist manchmal nicht mehr abgrenzbar. Aufgrund der Raumforderung in der hinteren Schädelgrube zeigt sich häufig eine beginnende Liquorzirkulationsstörung mit Erweiterung der Temporalhörner und des 3. Ventrikels. Ein Hydrozephalus wird bei ungefähr 95% der Patienten zum Zeitpunkt der Bildgebung gesehen. Zysten und Verkalkungen treten bei Medulloblastomen insgesamt selten auf. Mehrere Studien zeigten allerdings in bis zu 60% atypische CT-Erscheinungen auf mit Verkalkungen in bis zu 40% und Zysten oder Nekrosen und Tumoranteile ohne Enhancement in bis zu 50% der Fälle. > Eine Differenzialdiagnose ist das Astrozytom, das jedoch in der Regel hypodens zum umliegenden Hirnparenchym in den nativen CT-Aufnahmen zur Darstellung kommt. Die Hyperdensität in den nativen CT-Aufnahmen ist das beste Unterscheidungskriterium zu anderen Tumoren der hinteren Schädelgrube.
Magnetresonanztomographie. In der MRT stellen sich die Me-
dulloblastome variabel und unspezifisch dar (. Abb. 9.82). Die Tumorlokalisation und das Patientenalter sind die wichtigsten Faktoren, die zu einer korrekten Diagnose führen. Auf sagittalen Schichten ist der Ausgangspunkt des klassischen Medulloblastoms vom Kleinhirnwurm gut zu erkennen, da eine ventrale schlitzförmige Lamelle von Liquor den Tumor vom Boden des 4. Ventrikels trennt. Ein Hydrocephalus occlusus ist die Folge der Liquorabflussstörung aus der hinteren Schädelgrube. Auf T1-gewichteten Bildern stellt sich das Medulloblastom als hypointense Raumforderung dar. Nach Kontrastmittelgabe zeigt sich meist ein homogenes, z. T. auch inhomogenes Enhancement. In 5–10% der Fälle zeigen Medulloblastome kein Enhancement nach Kontrastmittelgabe. Überwiegend nimmt der Tumor jedoch schwach bis stark Kontrastmittel auf. Auf T2-gewichteten Sequenzen ist der Tumor hyper- bis isointens zur grauen Hirnsubstanz. Das Signalverhalten ist abhängig von der Zelldichte und dem freien Wasser innerhalb des Tumors. Eine hohe Zellzahl und wenig Wasseranteile innerhalb des Tumors führen zu einer geringeren Hyperintensität in T2-gewichteten Bildsequenzen. Meist ist das Medulloblastom im T2-gewichteten Bild deutlich hypointenser als ein pilozytisches Astrozytom. Eine leptomeningeale Ausbreitung des Tumors über die Liquorräume ist auf nicht-kontrastangehobenen Bildern nur schwer nachzuweisen. Deshalb muss bei Verdacht auf ein Medulloblastom bereits präoperativ die gesamte Neuroaxis vor und nach paramagnetischer Kontrastanhebung untersucht werden. Medulloblastome haben oft schon zum Zeitpunkt der Diagnose in den Liquorraum metastasiert. In einer Studie zeigten 17% der Medulloblastome eine Liquordissemination zum Zeitpunkt der Diagnose. Die Liquormetastasen sind meist nodulär, z. T. laminär. Sie können sowohl kraniell als auch spinal vorkommen. Meningeale und epidurale Metastasen sind in ihrem KontrastmittelVerhalten variabel und können ein anderes Verhalten aufweisen als der Primärtumor. Besonders häufig sieht man eine Liquoraussaat im Recessus infundibularis des 3. Ventrikels, die manchmal nur anhand einer unphysiologischen Verdickung des Hypophysenstiels zu erkennen ist.
Zerebelläre Astrozytome Definition, Epidemiologie, Klassifikation Astrozytome sind die häufigsten Hirntumoren im Kindesalter und machen etwa 40–50% der primär intrakraniellen Neoplasmen im Kindesalter aus. Etwa 60% aller Astrozytome im Kindesalter sind infratentoriell lokalisiert, 40% im Cerebellum und ungefähr 20% im Hirnstamm. Die meisten zerebellären Astrozytome im Kindesalter sind von einem speziellen histologischen Typ, dem so genannten juvenilen pilozytischen Astrozytom. Diese Astrozytome werden als eine eigene Tumorentität angesehen und nach den WHOKriterien als Grad-I-Tumor klassifiziert. Der Name leitet sich aus den charakteristischen haarähnlichen Fortsätzen der Tumorzellen ab. Juvenile pilozytische Astrozytome sind der häufigste benigne, astrozytäre Tumor des Zentralnervensystems. Es handelt sich um gut abgegrenzte, niedrig maligne Tumoren, die besonders häufig in der Umgebung des 3. und 4. Ventrikels vorkommen. Ihr Anteil an allen Gliomen bei Kindern und Jugendlichen
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. Abb. 9.82a–d. Medulloblastom. 3-jähriges Mädchen mit seit 2 Wochen bestehendem Nüchternerbrechen. a In der T2-Wichtung zeigt sich eine im Vergleich zur grauen Substanz etwas hyperintense Raumforderung im 4. Ventrikel mit Kompression des Hirnstamms und beginnender Liquorzirkulationstörung (Aufweitung der Temporalhörner). b, c Die axialen T1w-Se-
quenzen vor und nach KM-Applikation zeigen die Raumforderung hypointens mit inhomogener mäßiger KM-Aufnahme. d In den sagittalen Aufnahmen ist die Ausdehnung des Tumors und der Ausgang vom Dach des 4. Ventrikels zu erkennen
beträgt etwa 30%, an allen Gliomen etwa 5–10%. Sie stellen damit den häufigsten Tumor in dieser Altersgruppe dar. Juvenile pilozytische Astrozytome kommen mit gleicher Häufigkeit bei Jungen und Mädchen vor. Meist treten diese Tumoren innerhalb der ersten 10 Lebensjahre auf. Blastische Astrozytome, die ungefähr 25% der zerebellären Astrozytome ausmachen, kommen eher bei älteren Kindern, meist in der 1. Hälfte des 2. Lebensjahrzehnts, vor. Maligne infratentorielle Astrozytome, Glioblastome (GradIV-Astrozytome) können – wenn auch selten – im Kindes- und Jugendlichenalter auftreten.
Klinik, Prognose Die klinischen Symptome bei Patienten mit zerebellären Astrozytomen sind häufig ein morgendliches Erbrechen, Kopfschmerzen über Wochen und Monate. Zerebelläre Symptome, wie Ataxie oder eine Dysdiadochokinese, treten auf und können Hinweise auf die Lokalisation des Tumors innerhalb des Kleinhirns geben. Patienten mit juvenilen pilozytischen Astrozytomen haben eine sehr gute Prognose mit einer Überlebensrate von 90% nach 25 Jahren; dies gilt insbesondere für zystische juvenile pilozytische Astrozytome. Bei soliden zerebellären Astrozytomen wird die Überlebensrate nach 25 Jahren mit 40% angegeben. Eine
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b . Abb. 9.83a–c. Pilozytisches Astrozytom. a In der axialen T2-Wichtung zeigt sich eine teils solide, teils zystische Raumforderung in der Medulla oblongata, vorwiegend lateral links lokalisiert. b In den nativen T1w-Sequenzen stellen sich die soliden Anteile parenchym-isointens, die zystischen hypointens dar. c Nach KM-Gabe reichern die soliden Anteile kräftig an
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maligne Transformation eines benignen zerebellären Astrozytoms ist sehr ungewöhnlich.
Therapie Eine komplette Resektion eines pilozytischen Astrozytoms wird allgemein als ein kurativer Eingriff angesehen. Bei guter Lage und Inoperabilität kann eine stereotaktische Bestrahlung durchgeführt werden.
Bildgebung Die meisten zerebellären Astrozytome im Kindesalter entstehen in der Mittellinie und breiten sich in die zerebelläre Hemisphäre aus. Eine Ausbreitung in die Kleinhirnhemisphären allein tritt in etwa 15% der Fälle auf. Zerebelläre Astrozytome können zys-
tisch, solide oder solide mit nekrotischen zentralen Anteilen sein (. Abb. 9.83). Häufig zeigt sich eine zystische Läsion mit einem Tumorknötchen innerhalb der Zystenwand. Die Zystenwand besteht dann meist aus komprimiertem Kleinhirnparenchym. Zystische pilozytische Astrozytome mit wandständigen Tumorknoten machen etwa 50% der zerebellären Astrozytome aus. Die restlichen 40–45% bestehen meist aus einem soliden Tumor mit einem zystischen zentralen Anteil bzw. einem nekrotischen Anteil. Verkalkungen werden bei ungefähr 20% der zerebellären Astrozytome in der Histologie gefunden. Tumoreinblutungen kommen sehr selten vor. Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung weisen die Tumoren meist einen Durchmesser von etwa 5 cm auf. Wenn sich der Tumor in den 4. Ventrikel ausdehnt, muss er von einem Medulloblastom oder Ependymom abgegrenzt werden. Im Gegensatz zu den pilozytischen Astrozytomen am Chiasma und Hypothalamus sind die meisten Kleinhirnastrozytome zumindest partiell zystisch. Das typische Erscheinungsbild der zerebellären Astrozytome ist eine große vorwiegend zystische Raumforderung im Kleinhirnwurm oder in der Kleinhirnhemisphäre. Der solide Anteil des Tumors erscheint meist iso- bis hypodens zur umgebenden weißen Hirnsubstanz. Höhergradige Tumoren können jedoch auch iso- oder sogar hyperdens erscheinen. Nach Kontrastmittelgabe zeigt sich in der CT häufig ein irreguläres Enhancement. Die Hälfte der Tumoren zeigt ein ausgesprochen inhomogenes Muster. Pilozytische Astrozytome (WHO Grad I) weisen in der Regel ein kräftiges homogenes Enhancement der soliden Tumoranteile auf. Zeigt sich eine große Zyste mit einem wandständigen Tumorknoten, kommt es zu einem kräftigen homogenen Enhan-
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cement nach Kontrastmittel-Applikation. Kommt es zu keinem Tumorenhancement, handelt es sich in aller Regel nicht um ein pilozytisches Astrozytom. Die Zystenwand kann in der CT leicht hyperdens erscheinen, weist jedoch normalerweise kein Enhancement auf. Ein Enhancement der Zystenwand spricht für ein pilozytisches Astrozytom und gegen ein Hämangioblastom (Lindau-Tumor), das bei älteren Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Differenzialdiagnose Schwierigkeiten bereiten kann. In der MRT stellen sich die zerebellären Astrozytome sehr variabel dar. Solide und zystische Anteile können klar abgegrenzt werden. Normalerweise sind die soliden Anteile in T1-gewichteten Sequenzen hypointens, in den T2-gewichteten Sequenzen hyperintens zum umliegenden Hirnparenchym. Höhergradige Tumoren können jedoch auch eine geringere Signalintensität in den T2-gewichteten Sequenzen aufweisen, teilweise sogar einem Medulloblastom ähneln. Die soliden Tumoranteile zeigen nach paramagnetischer Kontrastmittel-Applikation in der Regel ein ähnliches Kontrastverhalten wie in der CT.
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> Die seltenen anaplastischen pilozytischen Astrozytome können sich klinisch wie maligne Tumoren verhalten. Trotz der niedrigen Malignität wird bei etwa 5% aller pilozytischen Astrozytome entweder primär oder sekundär im Verlauf eine leptomeningeale Aussaat beobachtet. Der Nachweis einer leptomeningealen Aussaat schließt deshalb die Diagnose eines niedriggradigen Astrozytoms nicht aus.
Ependymome Lokalisation, Epidemiologie Ependymome machen etwa 8–9% der primären Hirntumoren im Kindesalter aus und 8–15% der infratentoriellen Tumoren. Im Kindesalter treten Ependymome häufiger infratentoriell (70%) als supratentoriell (30%) auf und häufiger intrakraniell als intraspinal. Bei Jungen sind sie etwas häufiger als bei Mädchen. Ependymome der hinteren Schädelgrube zeigen 2 Altersgipfel: den ersten zwischen dem 1. und 5. Lebensjahr und den zweiten zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr.
Klinik Bei Patienten mit einem Ependymom der hinteren Schädelgrube lässt sich oft eine lange Anamnese eruieren. Die Verzögerung in der Diagnosestellung resultiert meist aus wenig ausgeprägten klinischen Symptomen. Bei Diagnosestellung leiden die Kinder häufig unter Übelkeit und Erbrechen, was meist auf den Begleithydrozephalus und intrakraniellen Druckanstieg durch die Verlegung des 4. Ventrikels zurückzuführen ist, was bei etwa 90% der Patienten vorkommt. Andere Symptome sind Tortikollis und Ataxie sowie Läsionen der kaudalen Hirnnerven.
Lokalisation, Histologie Ependymome stammen von differenzierten ependymalen Zellen aus Boden und Dach des 4. Ventrikels, sie wachsen in den Recessus lateralis des 4. Ventrikels sowie in die Foramina Luschkae (. Abb. 9.84). Supratentoriell gehen sie vom Ependym des Seitenventrikels (Foramen Monroi- oder Trigonumbereich) oder
des 3. Ventrikels aus. Sie wachsen entweder intraventrikulär oder liegen paraventrikulär im Marklager des Großhirns. Etwa 50% wachsen durch die Foramina Luschkae in den Kleinhirnbrückenwinkel. In einigen Fällen können Ependymome auch im Kleinhirnbrückenwinkel vorkommen, ohne dass ein Tumor im 4. Ventrikel oder im Recessus lateralis nachgewiesen werden kann. In diesem Fall muss davon ausgegangen werden, dass der Tumor aus minimalen Zellnestern im Kleinhirnbrückenwinkel gewachsen ist. Diese im Kleinhirnbrückenwinkel vorkommenden Ependymome haben eine relativ schlechte Prognose. Eine subarachnoidale Ausbreitung der Ependymome über den Liquorraum kommt in etwa 10–12% der Fälle vor, meist bei Tumoren mit einem höheren Grading. Wenn eine subarachnoidale Ausbreitung vorliegt, muss von einem anaplastischen Ependymom ausgegangen werden. Die meisten Ependymome sind solide. Kalzifikationen sind in bis zu 50% der Fälle histologisch nachweisbar, Zysten in etwa 20%. Ependymome können sich entlang des Subarachnoidalraums ausbreiten und Blutgefäße und Nerven ummauern. Sie können auch durch die Ventrikelwand in das angrenzende Hirnparenchym vorwachsen. Dieses so genannte plastische Wachstum der Ependymome verläuft unregelmäßig, der Form des 4. Ventrikels angepasst. Dadurch ist eine vollständige Tumorentfernung oft sehr schwierig und die Rezidivrate dementsprechend hoch.
Bildgebung Computertomographie. Die infratentoriellen Ependymome stellen sich in der CT meist als iso- bis hyperdense Raumforderungen des 4. Ventrikels dar, z. T. mit punktförmigen Verkalkungen und kleinen Zysten. Größere schollige Verkalkungen sind eher selten nachzuweisen. Intratumorale Einblutungen sind bei etwa 10% der Patienten zu erkennen. Nach KontrastmittelApplikation zeigt sich meist ein mäßig ausgeprägtes Enhancement. Die Ausbreitung des Tumors durch die Foramina Luschkae in die Kleinhirnbrückenwinkelzisternen stützt die Diagnose eines Ependymoms. Magnetresonanztomographie. In der MRT stellen sich Ependymome in den T1-gewichteten Sequenzen normalerweise leicht hypointens zum umliegenden Hirnparenchym dar, z. T. mit kleinen Arealen, die stark hypointens sind und am ehesten kleinen zystischen bzw. regressiven Veränderungen entsprechen. In den T2-gewichteten Sequenzen erscheint die Raumforderung meist isointens zur grauen Hirnsubstanz, die zystischen bzw. nekrotischen Areale stellen sich stark hyperintens dar. Manchmal können Flüssigkeitsspiegel innerhalb der zystischen Veränderungen nachgewiesen werden. Nach Kontrastmittelgabe nehmen Ependymome kräftiger und regelmäßiger als Medulloblastome Kontrastmittel auf. Das Enhancement in den Zystenwänden führt zu einem traubenartigen Bild, das für Ependymome besonders charakteristisch ist (. Abb. 9.84). Differenzialdiagnostisch können Medulloblastome oft nicht sicher davon abgegrenzt werden. Eine Dissemination in die Liquorräume ist beim Ependymom eher selten.
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c . Abb. 9.84a–c. Ependymom. 6-jähriger Junge mit unspezifischen Beschwerden im Rachenraum und Schluckbeschwerden. a In der axialen T2Wichtung ist eine etwas hyperintense Struktur lateral der Medulla oblongata zu erkennen. b, c Nach KM-Gabe stellt sich die Raumforderung mit unregelmäßigem, z. T. etwas traubenförmig anmutendem Enhancement dar
tio von 0,17±0,09 und eine Kreatin-Cholin-Ratio von 0,32±0,19. Mittelgradige Astrozytome und Ependymome weisen typischerweise vergleichbare Werte wie das Medulloblastom und das normale Cerebellum auf. Die MR-Spektroskopie kann daher in der Differenzierung eines Medulloblastoms von Astrozytomen und Ependymomen hilfreich sein. Die Cholin- und NAA-Werte von Hirntumoren variieren jedoch stark. Pilozytische Astrozytome z. B., allgemein als benigne Hirntumoren angesehen, haben sehr hohe CholinWerte, hohe Laktat-und niedrige NAA-Werte (NAA-CholinRatio von 0,29, Kreatin-Cholin-Ratio von 0,29). Solche Werte werden normalerweise bei »High-grade-Tumoren« gesehen. Aber auch inflammatorische Läsionen können ähnliche Spektren vorweisen wie maligne Tumoren. b
Akustikusneurinom Definition, Epidemiologie, Bildgebung MR-Spektroskopie bei Medulloblastomen, zerebellären Astrozytomen und Ependymomen Im Allgemeinen zeigt ein Protonenspektrum der Hirntumoren hohe Cholin-Peaks und verminderte NAA-Peaks. Das normale Spektrum des Cerebellums im Kindesalter hat eine NAA-Cholin-Ratio von 1,49±0,36 und Kreatin-Cholin-Ratio von 1,3±0,23. Medulloblastome haben eine NAA-Cholin-Ra6
Es ist eine gutartige Geschwulst der Schwann-Zellen und betrifft fast immer den vestibulären Anteil des N. acusticovestibularis. Bei einer Inzidenz von 1,3 Erkrankungen/100 000 Einwohner/ Jahr nimmt es eine wichtige Rolle im Spektrum der Neuroradiologie ein.
Ätiologie Das bilateral auftretende Akustikusneurinom ist pathognomonisch für eine Neurofibromatose Typ II. Verantwortlich für die
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b . Abb. 9.85a–c. Akustikusneurinom. a In der T2-Wichtung ist der Tumor im Kleinhirnbrückenwinkel leicht hyperintens zum Hinrparenchym. b T1Wichtung vor KM-Gabe. c In der T1-Wichtung zeigt sich nach KM-Gabe ein deutliches homogenes Enhancement des Tumors
gen. Häufig treten auch eine Fazialisparese sowie Schmerzen okzipital, bis zum Ohr ziehend, und bei sehr ausgedehnten Tumoren Hirnstammsymptome auf. Die Pathophysiologie der Hörverschlechterung ist letztendlich nicht geklärt. Dabei wird nicht allein von einer Degeneration des N. acusticus, sondern auch von degenerativen Veränderungen im Innenohr ausgegangen.
Pathogenese und Bildgebung
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Erkrankung ist ein Gendefekt auf Chromosom 22 mit einer Inaktivierung des NF2-Tumorsuppressorgens (. Abb. 9.41). Bei mehr als der Hälfte der Patienten handelt es sich allerdings um eine Neumutation. 25% zeigen eine Mosaikbildung. Bei diesen Patienten lässt sich häufig ein abweichender und milderer klinischer Verlauf beobachten.
Klinik Die Patienten entwickeln in der Regel eine langsame Hörverschlechterung, Tinnitus, Schwindel bzw. Gleichgewichtsstörun-
Meist beginnt das Wachstum im inneren Gehörgang und erreicht im späteren Stadium den Kleinhirnbrückenwinkel (. Abb. 9.85). Der Meatus acusticus internus wird dabei häufig aufgeweitet, bei sehr kleiner Tumorausprägung fällt evtl. nur eine Verdickung des Modiolus im Seitenvergleich in der MRT auf. Das Tumorgewebe nimmt homogen Kontrastmittel an, kann aber auch zystische Komponenten aufweisen. Meist wächst der intrakanalikuläre Anteil posteriorwärts, da der N. facialis eine anteriore Grenze darstellt. Differenzialdiagnostisch muss bei kleinen Tumoren im Meatus acusticus internus auch an das sehr seltene kavernöse Hämangiom gedacht werden.
Histologie Histologisch wird das Akustikusneurinom in Antoni Typ A und Antoni Typ B, abhängig vom unterschiedlichen Retikulinfasernetz, das die Tumorzellen umgibt, eingeteilt. Die Tumorareale vom Antoni-A-Typ sind zellreich, die Zellen sind parallel angeordnet. Es findet sich ein so genanntes faszikuläres Muster (fischzug- oder palisadenförmiges Kernmuster). Die Tumorareale vom Antoni-B-Typ sind zellarm und regressiv verändert. Die Tumor-
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zellen liegen in einem mikrozystisch aufgelockerten Retikulinfasernetz. Gelegentlich finden sich innerhalb des Tumors Verfettungen. Die Akustikusneurinome vom Typ B entwickeln signifikant häufiger eine Fazialisparese und vestibuläre Symptome als die vom Typ A.
Atypische Teratome und Rhabdoidtumoren Definition, Charakeristika In den letzten 7–15 Jahren hat sich herausgestellt, dass sich einige Tumoren, die als Medulloblastome klassifiziert worden waren, komplett anders verhalten. Diese so genannten atypischen Teratome oder Rhabdoidtumoren kommen in einem jüngeren Alter vor als die Medulloblastome. Das mittlere Alter bei Diagnosestellung beträgt 16 Monate, das mittlere Alter bei Diagnosestellung eines Medulloblastoms aber etwa 6 Jahre. Da die atypischen Teratome/Rhabdoidtumoren auf die Standardtherapie nicht ansprechen, ist es wichtig, sie von den Medulloblastomen zu differenzieren. Ein Resultat dieses fehlenden Ansprechens auf die gängige Chemotherapie des Medulloblastoms ist, dass die Patienten mit atypischen Teratomen/Rhabdoidtumoren meist innerhalb eines Jahres nach Diagnosestellung versterben.
Diagnose Die atypischen Teratome/Rhabdoidtumoren können vom Medulloblastom durch mikroskopische und histologische Techniken unterschieden werden. Die meisten dieser Tumoren kommen im Kleinhirn vor (etwa 60%), können jedoch auch in den Großhirnhemisphären (20%), in der Pinealisregion und im Hypothalamus auftreten. Durch die Bildgebung lassen sich diese Tumoren von den Medulloblastomen und Ependymomen in der hinteren Schädelgrube nicht differenzieren. Supratentoriell lassen sie sich ebensowenig von den Ependymomen und den primitiven neuroektodermalen Tumoren unterscheiden.
Syringomyelie begleitet. Seltener sind Hämangioblastome des Hirnstamms oder der Großhirnhemisphären. Da sie normalerweise von der Oberfläche des Gehirns ausgehen, besitzen die Tumoren immer eine Anbindung an die piale Oberfläche. Hämangioblastome sind normalerweise gut umschriebene weiche, zystische Tumoren mit einem wandständigen Tumorknoten. 30–40% der Hämangioblastome zeigen jedoch nur solide Anteile.
Bildgebung Computertomographie. In der CT erscheinen Hämangioblastome normalerweise als zystische oder solide Raumforderungen in der hinteren Schädelgrube. Der solide Tumoranteil zeigt meist ein homogenes kräftiges Kontrastmittel-Enhancement. Kleine solide Tumoranteile können jedoch nicht immer mit der CT nachgewiesen werden. Angiographie. Ein Hämangioblastom kann angiographisch be-
stätigt werden, da der solide Tumorknoten typische durchblutete Gefäßstrukturen besitzt oder einen ausgedehnten kräftigen Tumorblush aufweist. Magnetresonanztomographie. In der MRT zeigt sich in den T1-gewichteten Sequenzen meist eine zystische Raumforderung mit einem wandständigen, leicht hyperintensen Knoten. Dieser kann in den T1-gewichteten Sequenzen oft »flow voids« aufweisen, die Ausdruck der kräftigen Vaskularisation sind. Nach Kontrastmittelgabe zeigt sich dann ein kräftiges homogenes Enhancement. Bei allen Patienten mit Verdacht auf eine HippelLindau-Erkrankung sollte die gesamte Neuroaxis magnetresonanztomographisch untersucht werden.
Hämangioblastome Definition, Epidemiologie Hämangioblastome sind relativ seltene, benigne Tumoren vaskulären Ursprungs mit einer Häufigkeit von 1–2,5% aller intrakraniellen Neoplasien. Die meisten Hämangioblastome werden im jungen und mittleren Erwachsenenalter diagnostiziert. Das männliche Geschlecht ist etwas häufiger betroffen als Frauen. Etwa 10% der Hämangioblastome kommen gemeinsam mit retinalen Angiomen vor, eine Konstellation, die als Hippel-Lindau-Erkrankung bezeichnet wird. Patienten mit einer HippelLindau-Erkrankung weisen häufig multiple Hämangioblastome im zentralen Nervensystem auf, multiple Zysten oder Tumoren involvieren oft Pankreas, Leber, Nieren und Lunge. Im Herz kommen Rhabdomyome vor. Patienten mit Hämangioblastomen zeigen manchmal eine Erythrozythämie, die durch eine erhöhte Erythropoetin-Ausschüttung des Tumors entstehen soll.
Lokalisation Hämangioblastome kommen meist in der Kleinhirnhemisphäre vor. Wächst der Tumor in der Medulla, ist er häufig von einer
. Abb. 9.86. Hämangioblastom. DSA der A. vertebralis: deutliches Tumorblush des Hämangioblastoms
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Kapitel 9 · Gehirn
Hirnstammtumoren Epidemiologie, Klassifikation Hirnstammgliome machen etwa 15% aller Tumoren des Zentralnervensystems bei Kindern und etwa 20–30% der infratentoriellen Hirntumoren aus. Jungen und Mädchen sind gleich häufig betroffen, der Altersgipfel dieser Tumoren liegt zwischen dem 3. und 10. Lebensjahr. Hirnstammtumoren sollten nicht als eine einzige Entität betrachtet werden, sondern in mindestens 4 Kategorien eingeteilt werden: 4 Medulläre Tumoren 4 Pontine Tumoren 4 Mesenzephale Tumoren 4 Tumoren bei Neurofibromatose Typ I (NF I)
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Innerhalb jeder dieser Kategorien können die Tumoren nochmals unterschieden werden in fokale und diffuse Tumoren. Die MRT ist die Methode der Wahl, um Hirnstammtumoren nachzuweisen. Hauptvorteil ist, dass im Gegensatz zur CT keine Artefakte durch die knöchernen Strukturen der Schädelbasis auftreten. Ein weiterer Vorteil ist die multiplanare Schichtführung. Bei Verdacht auf Hirnstammtumoren sollten sagittale und axiale T2-gewichtete Sequenzen sowie FLAIR-Sequenzen verwendet werden. Diffuse Tumoren tendieren dazu, das betroffene Hirnparenchym mäßig zu vergrößern, ohne fokale exophytische Tumoranteile aufzuweisen. Die Tumorgrenzen sind in der Regel schlecht abgrenzbar und involvieren >50% des Hirnstamms in axialer Schichtführung in Höhe der maximalen Ausdehnung. Normalerweise zeigt sich nur ein minimales, meist aber kein Kontrastmittel-Enhancement. Fokale Neoplasien sind gut umschriebene Tumoren und involvieren normalerweise <50% des Hirnstamms in der axialen Ausdehnung. Fokale Tumoren zeigen öfter ein Enhancement und haben in der Regel eine günstigere Prognose als diffuse Tumoren.
Klinik, Bildgebung Medulläre Tumoren
Die Medulla oblongata ist eher selten von einem Hirnstammtumor betroffen. Üblicherweise zeigen die Patienten Zeichen eines intrakraniellen Hirndrucks. Zusätzlich können Ausfälle der kaudalen Hirnnerven beobachtet werden. Im fortgeschrittenen Stadium treten Hemiparesen oder eine Tetraparese auf. Innerhalb dieser Tumorentität können fokale, nach dorsal wachsende, exophytische Tumoren von den mehr diffus wachsenden Tumoren abgegrenzt werden. Die diffusen medullären Tumoren wachsen mehr infiltrativ und breiten sich nach rostral in den Pons und kaudal nach intramedullär aus. Diffuse medulläre Tumoren haben eine sehr schlechte Prognose im Vergleich zu den mehr fokal exophytisch wachsenden medullären Tumoren. Fokale medulläre Tumoren kommen häufig bei Neurofibromatose Typ I vor. Es handelt sich histologisch oft um pilozytische Astrozytome. Bildgebung. Wie bei den pilozytischen Astrozytomen anderer Lokalisation ist das Signal in der T2-gewichteten Sequenz meist deutlich hyperintens, und im T1-gewichteten Bild zeigt sich ein unscharf begrenztes Enhancement. Obwohl diese Tumoren in
der MRT einen infiltrativen Charakter zeigen, sind sie operabel. Eine Biopsie sollte zugunsten einer Resektion, deren Radikalität erst intraoperativ entschieden wird, vermieden werden. Pontine Tumoren
Pontine Tumoren sind unter den Hirnstammgliomen die häufigste Erscheinungsform. Ihre häufigsten Symptome sind multiple Hirnnervenausfälle, kombiniert mit Pyramidenbahnzeichen und einer zerebellären Dysfunktion, meist Ataxie und Nystagmus. Kleinere Tumoren zeigen oft zuerst isolierte Hirnnervenausfälle. Ein Hydrozephalus und erhöhter intrakranieller Druck sind eher selten anzutreffen. Die Prognose hängt stark von der Lokalisation des Tumors und seiner Ausdehnung ab. Die Prognose für die Patienten ist insgesamt schlecht, mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von ungefähr 10% trotz optimaler Therapie. Auch hier zeigen die seltenen fokalen, exophytisch wachsenden Tumoren, die auch häufig in den 4. Ventrikel vorwachsen, eine bessere Prognose, mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von bis 73%. Bildgebung. Diffuse pontine Tumoren stellen sich als hypodense Tumoren in der CT, in der MRT in den T1-gewichteten Sequenzen hypointens, in der T2-Wichtung hyperintens dar. In axialer und sagittaler Ausdehnung zeigt der Pons eine Größenzunahme, der 4. Ventrikel wird von ventral konvexbogig vorgewölbt und eingeengt. Die diffusen pontinen Tumoren zeigen in der Regel keine pathologische Aufnahme nach i.v.-Kontrastmittelgabe (. Abb. 9.87). Fokale pontine Tumoren sind sehr selten und bilden nur einen Anteil von etwa 10% aller pontinen Tumoren. Definitionsgemäß betreffen diese Tumoren <50% in der axialen Schichtführung des Pons. Diese Tumoren zeigen nach Kontrastmittelgabe typischerweise ein heterogenes Enhancement. Mesenzephale Tumoren
Das Mittelhirn ist der zweithäufigste Sitz dieser Tumorentität. Auch hier können fokale und diffuse Tumoren unterschieden werden. Im Gegensatz zum Pons kommen hier fokale Tumoren häufiger als diffuse Tumoren vor. Patienten mit diffusen Hirnstammgliomen klagen typischerweise über Sehstörungen oder Doppelbilder, die oft akut einsetzen. Fokale Tumoren verursachen in der Regel Kopfschmerzen, Erbrechen, Doppelbilder und eine Hemiparese. Ein Parinaud-Syndrom kann ebenfalls vorkommen. Bei tektalem Tumorsitz kommt häufig ein Hydrozephalus hinzu. Bildgebung. Die genaue Diagnose und Ausdehnung dieser Tu-
moren im Mittelhirn ist für das weitere Prozedere wichtig, da fokale Hirnstammtumoren chirurgisch behandelt werden können, diffuse Tumoren dagegen bestrahlt werden. Diffuse Hirnstammtumoren zeigen normalerweise wenig Raumforderung und weisen in der Regel ein geringes Enhancement nach Kontrastmittelgabe auf. Bei fokalen Hirntumoren kommen in etwa 25% der Fälle Einblutungen und zystische Veränderungen vor. Die Tumorausdehnung kann nach superior bis in den Thalamus hinaufreichen, nach inferior in den Pons. Nach Kontrastmittelgabe kann sich bei den fokalen Mittelhirntumoren ein ringförmiges Enhancement zeigen. Tumoren der Vierhügelplatte, so genannte tektale Gliome, sind meist gutartig und werden
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. Abb. 9.87a–e. Hirnstammgliom. a In den FLAIR-Sequenzen stellt sich der Pons aufgetrieben und im Vergleich zum angrenzenden Hirnparenchym hyperintens dar. Der 4. Ventrikel wird leicht pelottiert. b, c In den T1w-Sequenzen vor KM-Gabe stellt sich der Tumor hauptsächlich hypointens dar, nach KM-Gabe zeigen sich mehrere ringförmige KM-aufnehmende Areale. d T2w-Aufnahme und e Verlauf nach 12 Monaten
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Kapitel 9 · Gehirn
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. Abb. 9.88a, b. Hamartom bei NF I. 16-jähriger Patient mit bekannter Neurofibromatose Typ 1. Im Pons paramedian rechts, anterior gelegen,
zeigt sich eine mäßige Signalsteigerung in den axialen T2W-Sequenzen (a) und FLAIR-Sequenzen (b)
nur symptomatisch behandelt, indem ein Begleithydrozephalus therapiert wird. Die meisten dieser tektalen Gliome zeigen kein Wachstum.
den. Schwieriger kann es jedoch in einigen Fällen sein, eine Enzephalitis oder ein Tuberkulom von einem Hirnstammtumor anhand einer einzelnen Untersuchung zu differenzieren. Verlaufskontrollen, Laboruntersuchungen, die Liquorpunktion und die klinische Untersuchung ermöglichen dann die korrekte Diagnose.
Hirnstammtumoren bei Neurofibromatose Typ I
Bei Patienten mit Neurofibromatose Typ I treten gehäuft Hirnstammtumoren auf (. Abb. 9.88). Die häufigste Tumorlokalisation ist in diesem Fall die Medulla mit 68–82%. Obwohl sich die Hirnstammgliome bei Patienten mit Neurofibromatose Typ I von denjenigen ohne Neurofibromatose Typ I nicht unterscheiden, haben sie oft ein völlig anderes klinisches Verhalten. Viele dieser Patienten sind asymptomatisch, die Tumoren werden zufällig entdeckt. Der auffälligste Unterschied ist das Tumorwachstum. In der Nachsorgeuntersuchung zeigte sich, dass nur bei 32–42% der Patienten mit Neurofibromatose Typ I radiologisch eine Progression des Hirnstammglioms nachweisbar war, eine klinische Progression sogar nur bei 14–18% der Patienten. Selbst spontane Remissionen dieser Tumoren sind in Einzelfällen berichtet worden. Deshalb sind bei Patienten mit Neurofibromatose Typ I eine abwartende Haltung und Verlaufskontrollen zu empfehlen.
Differenzialdiagnose der Hirnstammtumoren Die wichtigste Differenzialdiagnose ist die Enzephalitis (viral oder autoimmunenzephalitisch). Ein weiterer wichtiger differenzialdiagnostischer Aspekt ist die Dysmyelinisierung, z. B. bei Neurofibromatose Typ I, sowie die Langerhanszell-Histiozytose, Hamartome, Hämatome und vaskuläre Malformationen sowie Tuberkulome. Aufgrund des ausgezeichneten Weichteilkontrasts und der guten Differenzierung von Blut- und Blutabbauprodukten können in der MRT Astrozytome von vaskulären Malformationen und subakuten Blutungen leicht unterschieden wer-
9.4.3
Supratentorielle Tumoren
Supratentorielle Tumoren sind bei Kindern <2 Jahren und >10 Jahren häufiger als infratentorielle Tumoren anzutreffen (. Tab. 9.11).
Tumoren der Hemisphären Tumoren der Astrozytomreihe werden im Kindesalter am häufigsten in den Großhirnhemisphären gefunden. Bei neugeborenen Säuglingen sollten jedoch auch andere Tumorentitäten in Betracht gezogen werden, insbesondere das Teratom. Bei älteren Kindern muss differenzialdiagnostisch an einen atypischen Teratoid-/Rhabdoidtumor (AT/RT), an das Ependymom und an primäre neuroepidermiale Tumoren (PNET) gedacht werden. Der primäre neuroepidermale Tumor sollte insbesondere dann in die Diagnose miteinbezogen werden, wenn solide Tumoranteile in der CT hyperdens erscheinen und in der MRT ein ähnliches Signalverhalten wie die graue Hirnsubstanz aufweisen. Bei Kindern mit einer langen Anfallsanamnese sollte an ein Gangliogliom und einen dysembryoblastischen neuroepithelialen Tumor (DNET) gedacht werden. Histologie. Die Klassifikation einschließlich des Gradings der
intrazerebralen Tumoren basiert nach wie vor auf dem histopa-
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. Tab. 9.11. Charakteristische Befunde bei supratentoriellen Tumoren bei Kindern
. Tab. 9.12. Malignitätsgrade des Astrozytoms
Malignitätsgrad
Beschreibung
WHO-Grad
Astrozytom Grad I
Entspricht dem juvenilen pilozytischen Astrozytom
WHO-Grad I
Astrozytom Grad II
Enstpricht dem fibrillären/ diffusen Astrozytom
WHO-Grad II
Peritrigonal, heterogen
Astrozytom Grad III
Entspricht dem anaplastischen Astrozytom
WHO-Grad III
Junge Kinder Heterogen, solide Anteile, Intensität wie graue Substanz
Astrozytom Grad IV
Entspricht dem Glioblastoma multiforme
WHO-Grad IV
Tumor
Typische Befunde/Charakteristika
Astrozytom
Häufigster Tumor Erscheinungsbild variiert mit Tumorgrading
Riesenzelltumor
Nähe zum Foramen Monroi
Ependymom PNET
DNET
Kortikale Lage Stark hyperintens in T2-Wichtung
Teratoide/ rhabdoide Tumoren
Kortikale Lage Hyperintens in T2-Wichtung
Neuronal-gliale Tumoren
Kortikale Lage Verkalkungen, Zysten
thologischen Befund (. Übersicht). Mit der Revision der WHOKlassifikation der Hirntumoren von 1993 hat sich auch eine Änderung im Grading der astrozytären Gliome ergeben. Außerdem wurde das atypische Meningeom eingeführt.
Grading der Tumoren nach der WHO 4 Grad I: zellarmer Tumor ohne Mitosen und Nekrosen, keine Gefäßproliferationen 4 Grad II: vermehrte Zellzahl, keine Mitosen 4 Grad III: erhöhte Zelldichte, Polymorphien, Kernatypien, Mitosen, keine Gefäßproliferationen 4 Grad IV: zellreicher und polymorpher Tumor mit zahlreichen atypischen Mitosen, Nekrosen, Gefäßproliferationen
meinsymptome wie Kopfschmerzen, Erbrechen und Übelkeit auf. Anfälle treten v. a. dann auf, wenn der Tumor frontal oder temporal kortikal gelegen ist. Pathologie
Die in den Großhirnhemisphären vorkommenden Astrozytome ähneln denen im Kleinhirn. Sie können solide sein, solide mit nekrotischen Anteilen oder zystisch mit einem wandständigen Tumorknoten. Die meisten Astrozytome sind niedriggradige Astrozytome, obwohl auch Glioblastome im Kindesalter vorkommen können. Sie haben dann allerdings eine etwas bessere Prognose als im Erwachsenenalter. Juvenile pilozytische Astrozytome (Grad I) sind seltener in den Hemisphären lokalisiert und kommen häufig im Cerebellum vor. Diese Tumorentität kommt v. a. in der weißen Substanz vor und infiltriert häufig die Basalganglien und den Thalamus. Oft ist auch mehr als ein Hirnlappen infiltriert. Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung sind diese Astrozytome z. T. schon sehr groß. Astrozytome im Kindesalter, auch mit niedrigem histologischen Grading, können multizentrisch auftreten. Dies ist meist auf eine subarachnoidale oder intraventrikuläre Tumorausbreitung zurückzuführen. Diese Multizentrizität wird v. a. dann vorgefunden, wenn der primäre Tumorsitz im Hypothalamus ist.
Tumoren der Astrozytomreihe Definition, Epidemiologie, Lokalisation
Astrozytom Grad I
Astrozytome nehmen ihren Ausgang von Astrozyten. Sie machen etwa 10% aller Hirntumoren aus. Astrozytome wachsen v. a. im Frontal- und Temporallappen. Bei Kindern <10 Jahren ist die typische Lokalisation der Pons. Nach dem Grad der Anaplasie werden 4 Malignitätsgrade unterschieden (. Tab. 9.12). Astrozytome der Großhirnhemisphären machen ungefähr 30% der supratentoriellen Hirntumoren im Kindesalter aus. In den meisten Serien ist ein leichtes Überwiegen des männlichen Geschlechts nachgewiesen worden. Sämtliche pädiatrischen Altersgruppen sind betroffen. Ein Altersgipfel zwischen dem 7. und 8. Lebensjahr ist dabei zu erkennen.
Pilozytische Astrozytome treten vorzugsweise im Kindes- und frühen Erwachsenenalter auf und machen etwa 5% aller Hirntumoren aus. Astrozytome Grad I treten häufig in Verbindung mit einer Neurofibromatose Typ I (NF I) v. a. im Chiasma opticum, im Hypothalamus, im Hirnstamm und Kleinhirn auf (. Abb. 9.89).
Klinik
Die klinischen Symptome hängen v. a. von der Lokalisation des Tumors ab. Neben Anfällen, fokalen neurologischen Defiziten und Zeichen des erhöhten intrakraniellen Drucks treten Allge-
Astrozytom Grad II und III Definition
Da kein signifikanter Unterschied in der Überlebensrate besteht, können die Astrozytome Grad II und III zu »Low gradeGliomen« zusammengefasst und den »High grade-Gliomen«, den Glioblastomen, gegenübergestellt werden. Bei Low grade-Astrozytomen beträgt die mittlere Überlebenszeit etwa 5 Jahre.
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Kapitel 9 · Gehirn
Differenzialdiagnosen des Astrozytoms Grad II 4 Oligodendrogliom: Dieses ist oft kalzifiziert. Etwa 20% der Astrozytome Grad II weisen jedoch ebenfalls Verkalkungen auf. 4 Astrozytom Grad III: Hierbei zeigt sich typischerweise ein infiltrativeres Wachstum, meist mit Perifokalödem und Kontrastmittel-Aufnahme. 4 Gangliogliom: Hier sind oft Zysten und Verkalkungen nachweisbar, der Tumor ist meist im Temporallappen gelegen. 4 Arachnoidalzyste: Extraaxiale Lage, auf allen Sequenzen liquorisointenses Signal in der MRT.
Astrozytom Grad III Definition
9 . Abb. 9.89. Astrozytom Grad I. Astrozytom mit kräftiger KM-Aufnahme in den sagittalen T1w-Aufnahmen am Boden des 4. Ventrikels
Bildgebung
In der Bildgebung lassen sich die Astrozytome Grad II durch die fehlende Kontrastmittel-Aufnahme vom anaplastischen Astrozytom Grad III differenzieren (. Abb. 9.90, . Abb. 9.91). Astrozytome Grad II wachsen langsam und infiltrierend, und sie können gegenüber gesundem Hirngewebe schlecht abgegrenzt werden. Die Form des Gehirns wird nicht verändert, d. h. es lässt sich keine Raumforderrung nachweisen. In der CT imponieren die Astrozytome Grad II als umschriebene Zonen verminderter Dichte. Eine Abgrenzung gegenüber einem den Tumor umgebenden Perifokalödem ist meist nicht möglich. Die indirekten Raumforderungszeichen sind diskret oder können sogar fehlen. Intravenös appliziertes Kontrastmittel wird nicht angereichert. Gelegentlich ist auch eine Unterscheidung von Infarkten schwer möglich. Die typische Keilform und die bei Verlaufskontrollen zunehmende Demarkierung der Infarkte sind differenzialdiagnostische Kriterien. In der MRT zeigt sich das Astrozytom Grad II auf den T1gewichteten Sequenzen mit geringer Signalintensität, auf T2-gewichteten und FLAIR-Sequenzen hyperintens. Auch hier fehlt typischerweise ein eindeutiges Enhancement nach Kontrastmittelgabe. Es besteht nur ein geringes oder kein Perifokalödem. Vereinzelt finden sich auch zystische Degenerationen und/oder Einblutungen. Auch die diffusionsgewichtete Bildgebung kann zwischen akutem Infarkt und Tumor unterscheiden. > Die Diagnose des Astrozytoms Grad II gilt als wahrscheinlich bei allen gut abzugrenzenden, intraaxialen Läsionen, welche auf T2-gewichteten Sequenzen ein hyperintenses Signal aufweisen und in den T1-gewichteten Aufnahmen keine Kontrastmittel-Aufnahme zeigen. Die endgültige Tumoreinteilung erfolgt jedoch nicht anhand der Bildgebung, sondern kann nur histologisch erfolgen.
Anaplastische Astrozytome sind Tumoren mit höherer Zelldichte, Polymorphien, Blutungen, kleineren Nekrosen und pathologischen Gefäßen. Der Übergang zum Astrozytom Grad IV (Glioblastom) ist fließend und oft schwierig zu bestimmen. Bildgebung
In der CT und MRT sind Astrozytome Grad III sehr variabel und zeigen solide und zystische Anteile sowie z. T. Nekrosen. In den T1-gewichteten Aufnahmen sind sie hypointens, in den T2-gewichteten Sequenzen hyperintens. Nach Kontrastmittelgabe zeigen sie ein Kontrastmittel-Enhancement (. Abb. 9.91). Um eine Verwechslung mit einer Einblutung zu vermeiden, sollte immer eine native T1-gewichtete Sequenz durchgeführt werden.
Astrozytom Grad IV/Glioblastom Epidemiologie, Lokalisation
Glioblastome zählen zu den häufigsten hirneigenen Tumoren und kommen im Erwachsenenalter mit 50% doppelt so häufig vor wie die übrigen Astrozytome. Histologisch zeigen sich Nekrosen, Gefäßproliferationen, Zellreichtum und Zellkernpolymorphien. Sie fallen durch ein schnelles infiltratives Wachstum auf und sind vorwiegend im Marklager und in den Stammganglien des Großhirns lokalisiert. Gelegentlich wird auch der Balken durchsetzt, sodass es zu einem Wachstum in beide Hemisphären kommt (Schmetterlingsglioblastom). Glioblastome können auch multizentrisch auftreten. Der Häufigkeitsgipfel liegt zwischen dem 4. und 6. Lebensjahrzehnt, allerdings können Glioblastome in jedem Lebensalter auftreten. Die Anamnese beträgt meist nur wenige Wochen bis Monate. Bei Kindern treten Glioblastome auch als Zweitmalignome nach akuten Leukämien und anderen Hirntumoren (insbesondere Medulloblastomen) als Folge einer Schädelbestrahlung auf. Bildgebung In der CT zeigt sich im nativen Scan eine Raumforderung, meist
mit gemischter Dichte. Oft finden sich Nekrosezonen, selten auch Zysten und Blutungen. In der Regel findet sich ein ausgedehntes Perifokalödem mit deutlichen Zeichen der indirekten Raumforderung. Es kommt fast immer zu einem Enhancement nach Kontrastmittelgabe. Das gefäßreiche Tumor-
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. Abb. 9.90a–d. Astrozytom Grad II. a Bei diesem 14-jährigen Jungen zeigt sich im CT eine inhomogen hyperdense, glatt begrenzte Raumforderung rechts parietal. b In den FLAIR-Aufnahmen stellt sich der Tumor hyperintens relativ glatt begrenzt dar. Es zeigt sich keine wesentliche Raumforde-
rung, keine wesentliche Umgebungsreaktion. c, d In den T1-gewichteten Sequenzen vor (c) und nach KM-Gabe (d) stellt sich der Tumor hypointens ohne Enhancement dar
gewebe zeigt sich als girlandenförmiger Ringwall oder seltener als Knoten, während die nekrotischen Areale kein Kontrastmittel aufnehmen. Verkalkungen sind selten anzutreffen. Die hohe Vaskularität kann eine arteriovenöse Malformation vortäuschen. Die MRT spiegelt ebenfalls die Heterogenität des Glioblastoms wider (. Abb. 9.92, . Abb. 9.93). T1-gewichtete Sequenzen zeigen ein schlecht abgrenzbares Tumorsignal mit Nekrosen oder Zysten und einer dicken irregulären Wand. Es kommt zu einem deutlichen, aber inhomogenen Enhancement. Da die Glioblastome stark vaskularisiert sind, sind oft deutliche Flow voids
und Einblutungen verschiedenen Alters erkennbar. In den T2gewichteten Sequenzen zeigt sich häufig die heterogene Raumforderung mit zentraler Nekrose und Blutungen verschiedenen Alters. Typisch ist das ausgeprägte Perifokalödem. Anaplastische Zellen können aber auch außerhalb der T2-Veränderungen nachgewiesen werden. Die Kontrastmittelgabe ist auch dazu geeignet, leptomeningeale Absiedlungen, Rezidive oder ein multizentrisches Wachstum aufzuzeigen.
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. Abb. 9.91a–d. Anaplastisches Astrozytom Grad III. a, b In den axialen T2w- und FLAIR-Aufnahmen zeigt sich eine z. T. hyperintense, z. T. leicht zur grauen Substanz isointense Raumforderung im Thalamus und in den Stammganglien links. c In den T1-gewichteten Sequenzen stellt sich diese
Raumforderung vorwiegend hypointens dar; d Nach KM-Gabe in axialer Schichtführung kommt es zu einem teils flächigen, teils ringförmigen KM-Enhancement. Histologisch ergab sich ein anaplastisches Astrozytom Grad III
Riesenzelltumoren
zurückzuführen. Selten kann der Tumor malignisieren und das umgebende Hirnparenchym infiltrieren.
Definition, Epidemiologie, Klinik
Der Name Riesenzelltumor wird bei Tumoren verwendet, die in der Regel mit der tuberösen Sklerose assoziiert sind (7 Kap. 9.2). Diese Tumoren kommen bei 5–15% der Patienten mit tuberöser Sklerose vor. Wird ein Riesenzelltumor nachgewiesen, sollte daher gezielt nach dieser Phakomatose untersucht werden. Die Prognose für Patienten mit Riesenzelltumoren und tuberöser Sklerose ist besser als für Patienten mit Riesenzellkomponenten bei normalen Astrozytomen. Jungen und Mädchen sind gleich häufig betroffen. Der Tumor kann in jedem Alter diagnostiziert werden, der Häufigkeitsgipfel liegt zwischen dem 5. und 10. Lebensjahr. Die klinischen Symptome sind meist auf den Hydrozephalus
Pathologie
Riesenzelltumoren haben ihren Ursprung an der Wand des Seitenventrikels, in der Nähe der Foramina Monroi und können durch deren Obstruktion einen Hydrozephalus hervorrufen (. Abb. 9.94). Sie stammen wahrscheinlich von subependymalen Hamartomen ab und sind als ein Teil des tuberösen Sklerosekomplexes anzusehen. In aller Regel sind die Riesenzellastrozytome scharf begrenzt. Fokale Verkalkungen sind selten anzutreffen, Anaplasien sind ebenfalls nicht sehr häufig zu finden.
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. Abb. 9.92a–d. Glioblastom. a–c 43-jährige Patientin mit frontalem Glioblastom. a Flair-Sequenz, große Raumforderung links frontal mit Ausbreitung über den Balken zur Gegenseite und Verlagerung der Mittellinie, nach KM-Gabe kräftige inhomogene Aufnahme. d Tumorspektrum:
a . Abb. 9.93a, b. Hochmalignes Gliom bei 4-jährigem Mädchen (a). Tumorspektrum (b), TE = 135 ms, ausgeprägte Erhöhung von Cho, starke Er-
TE = 135 ms, Erhöhung von Cho, Erniedrigung von NAA und Cr, Verhältnisse Cho/Cr (3,1) und Cho/NAA (4,54) stark erhöht, vereinbar mit hochgradigem Tumor (Pfeil: Laktatpeak). (Aus: Radiologe 2007;47:523, Abb. 4a-d)
b niedrigung von NAA als Zeichen des Malignitätsgrades der Läsion, stark erhöhtes Cho/NAA-Verhältnis (7,98). (Aus: Radiologe 2007;47:524, Abb. 5a,b)
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. Abb. 9.94a, b. Riesenzellastrozytom. a, b In den T1w-Sequenzen zeigt sich nach KM-Gabe ein homogenes Enhancement des Riesenzellastrozy-
toms am Eingang des Foramen magnum. Durch diese Lokalisation kann es zu einer akuten Liquorzirkulationsstörung kommen
Bildgebende Diagnostik
Oligodendrogliome Epidemiologie, Lokalisation
Das charakteristische Erscheinungsbild der Riesenzellastrozytome in der CT ist eine hypo- bis isodense, gut demarkierte runde Läsion im Bereich der Foramina Monroi sowie ein Hydrozephalus. Diese subependymalen Raumforderungen können Verkalkungen aufweisen. Nach Kontrastmittelgabe zeigen die Riesenzellastrozytome ein homogenes, deutliches Enhancement. In der MRT stellen sich die umschriebenen, rundlichen Raumforderungen im Bereich der Foramina Monroi gut dar. In den T1-gewichteten Sequenzen erscheinen sie meist hypointens, in den T2-gewichteten Sequenzen hyperintens. Nach Kontrastmittelgabe zeigt sich ein kräftiges homogenes Enhancement. Bei Patienten mit tuberöser Sklerose zeigen sich neben den subependymalen Tubera oft multiple kortikale Hamartome. Vor allem in den T2-gewichteten Sequenzen stellen sich diese kortikalen Hamartome als hyperintense, unscharf begrenzte Signalanhebungen dar. ! Riesenzelltumoren wachsen normalerweise langsam. Wird in Kontrollaufnahmen jedoch eine schnelle Größenzunahme eines Riesenzellastrozytoms entdeckt, sollte auch an eine Malignisierung gedacht werden.
Pleomorphes Xanthoastrozytom Eine weitere seltene Form der Astrozytome sind die pleomorphen Xanthoastrozytome. Sie treten meist an der Mark-RindenGrenze auf, sind temporal lokalisiert und haben häufig Zysten. In den T1-gewichteten Aufnahmen nach Kontrastmittelgabe kann ein geringes Enhancement auftreten. Auch diese Tumorentität kommt v. a. im Kindes- und frühen Erwachsenenalter vor.
Oligodendrogliome machen etwa 7% aller Hirntumoren aus, mit einer Häufung zwischen dem 35. und 55. Lebensjahr und einer leichten Bevorzugung des männlichen Geschlechts. Bei Kindern sind Oligodendrogliome sehr selten. Sie bilden nur ungefähr 1% aller pädiatrischen Hirntumoren. Oligodendrogliome kommen vorwiegend supratentoriell vor, selten infratentoriell oder intraventrikulär. Sie sind v. a. in den Großhirnhemisphären lokalisiert, hier v. a. im Frontal- und Temporallappen. Nur die Oligodendrogliome des Thalamus werden auch bei jüngeren Patienten gefunden.
Klinik Die Betroffenen haben häufig epileptische Anfälle. Andere klinische Symptome sind Kopfschmerzen, Gesichtsfelddefekte und Paresen. Der Tumor wächst sehr langsam, oft vergehen Jahre zwischen dem Auftreten erster Symptome und der Diagnosestellung.
Klassifikation, Histologie Die Tumoren leiten sich von Oligodendrozyten ab und wachsen diffus infiltrierend. Die Prognose hängt vom histologischen Grad des Tumors ab. Eine Kombination mit astrozytären Anteilen, die als Oligoastrozytom (Mischtumor) bezeichnet wird, kommt häufig vor. Die WHO unterscheidet Tumoren des Grades II und III. Histologisch zeigen sich in bis zu 90% der Fälle Verkalkungen, oft in den Randpartien des Tumors. Auch andere regressive Veränderungen mit Blutungen und Zysten kommen vor. Oligodendrogliome des Grades III zeigen verstärkt Zellpolymorphien mit riesenzellulären Elementen, analog zu den Astrozytomen.
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. Abb. 9.95a–d. Oligodendrogliom. a In der CT auffällige schollige Verkalkungen links frontal mit Ödem v. a. im vorderen Balkenknie. Mäßige Kompression des Vorderhorns des linken Seitenventrikels. b In der T2-gewichteten Sequenz zeigt sich die Ausdehnung des Ödems viel deutlicher. Die Verkalkungen stellen sich hypointens dar. c Die T1-gewichteten Sequen-
zen vor KM-Gabe zeigen die Raumforderung und ein hyperintenses Areal links frontal, das am ehesten Verkalkungen entspricht. d Nach GadoliniumGabe kommte es zu einem nodulären Enhancement im vorderen Balkenknie. (Aus Radiologe 2003;43:992, Abb. 5a–d)
Die Differenzierung in Grad II und III kann nur histologisch sichergestellt werden. Eine eindeutige Differenzierung zu Astrozytomen ist oft nicht möglich.
Kontrastmittelgabe zeigt sich häufig ein inhomogenes Enhancement. Auch zystische Veränderungen oder Einblutungen können vorkommen. Verkalkungen und Einblutungen sowie eine oberflächliche Lage sprechen eher für ein Oligodendrogliom. Diese Kalkherde sind meist von hyperdensen Tumorarealen umgeben, gelegentlich sind diese jedoch auch isodens, sodass die wahre Ausdehnung des Tumors nicht zu erkennen ist. Wie die Astrozy-
Bildgebung In der CT lassen sich die charakteristischen Verkalkungen, die in >50% der Fälle auftreten, gut nachweisen (. Abb. 9.95). Nach
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Kapitel 9 · Gehirn
tome sind auch die Oligodendrogliome schlecht gegen ein perifokales Ödem abzugrenzen. Oligodendrogliome mit niedriger Malignität (Grad II) nehmen nur selten Kontrastmittel auf. Die anaplastischen Oligodendrogliome (Grad III) sind seltener, ihre Gewebedichte ist gemischt, hypo-, iso- und hyperdens. Sie weisen oft zystische Areale und selten intratumoröse Blutungen auf. Meist besteht ein geringes perifokales Ödem. In 50% der anaplastischen Oligodendrogliome kommt es zu einer fleckig-diffusen oder ringförmigen Kontrastmittel-Anreicherung. In der MRT zeigen Oligodendrogliome ebenfalls ein relativ buntes Bild. Mit Gradientenecho-Sequenzen können die Verkalkungen und Einblutungen gut nachgewiesen werden. Kalk kann mit den konventionellen Spinecho-Sequenzen und auch Fast-Spinecho-Sequenzen nicht sehr sensitiv dargestellt werden. In den T1-gewichteten Sequenzen zeigen sie in den Nativaufnahmen selten primäre, hyperintense Areale, die entweder Einblutungen im Methämoglobinstadium entsprechen oder Verkalkungen. Nach Kontrastmittelgabe tritt ein inhomogenes Enhancement auf. Die Kontrastmittel-Aufnahme ist nicht immer gleichzusetzen mit einem Oligodendrogliom Grad III. In den T1-gewichteten Sequenzen sind die Tumoren iso- bis leicht hypointens. In den T2-gewichteten Sequenzen zeigen sie sich homogen signalintensiv, häufig mit nur geringem Perifokalödem. Anaplastische Oligodendrogliome Grad III weisen eine stärkere Signalabsenkung in den T1-gewichteten Sequenzen auf, diese Tumoren nehmen meist Kontrastmittel auf. Die Abgrenzung vom Meningeom gelingt, da dieses ein deutliches Enhancement nach Kontrastmittelgabe zeigt. Astrozytome zeigen seltener Verkalkungen. Ependymome sind nicht immer eindeutig davon abzugrenzen. > Die Diagnose eines Oligodendroglioms stützt sich v. a. auf das Vorkommen von Verkalkungen, Zysten, gering ausgeprägtem Ödem und inhomogenem Kontrastmittel-Enhancement.
Neuronale Tumoren Neuronale Tumoren leiten sich von den Nervenzellen ab. Sie sind mit einer Häufigkeit von 0,4% aller Hirntumoren sehr selten. In etwa 80% der Fälle treten sie bei Patienten <30 Jahren auf. Neuronale Tumoren können prinzipiell überall im Gehirn auftreten, bevorzugen jedoch den mittleren Temporallappen. Auch bei dieser Tumorentität ist eine lange Anamnese, oft mit Anfallsleiden über Jahre hinweg, typisch. Die meisten Tumoren können dem WHO Grad I zugeordnet werden, außer dem Neuroblastom, das einem Grad IV-Tumor entspricht. Neuronale Tumoren werden wie folgt eingeteilt: 4 Gangliogliom, Gangliozytom, infantiles desmoblastisches Gangliogliom 4 Zentrales Neurozytom 4 Neuroblastom
Gangliogliome Gangliogliome sind die häufigsten gemischt-glialen, neuronalen Tumoren des Zentralnervensystems. Die Inzidenz ist mit 0,4– 1,3% aller Hirntumoren sehr gering. Im pädiatrischen Krankengut treten sie mit einer Inzidenz von bis zu 7,6% aber weitaus häufiger auf. Klinisch auffällig werden die Gangliogliome meist
durch epileptische Anfälle. Sie sind meist im Temporallappen lokalisiert, können aber durchaus an jeder anderen Stelle des Zentralnervensystems vorkommen, einschließlich Hirnstamm und Myelon (. Abb. 9.96). Infantiles desmoblastisches Gangiogliom
Das infantile desmoblastische Gangliogliom ist ein seltener, embryonaler Tumor, der im Säuglingsalter durch Makrozephalie und/oder komplex fokale Anfälle auffällt. Bildgebung. Es zeigt sich ein großer, vorwiegend zystischer Tu-
mor in den Großhirnhemisphären. Die Infiltration von mehreren Hirnlappen ist nicht ungewöhnlich, in diesem Fall sind der Frontal- und Parietallappen betroffen. In der Peripherie kann häufig eine solide Tumorkomponente identifiziert werden. Dieser solide Tumoranteil infiltriert oft die Leptomeningen, sodass durchaus auch ein extraparenchymaler Tumor vorgetäuscht werden kann. Eine kurative Behandlung kann durch komplette Tumorresektion erzielt werden. Der solide Tumoranteil ist iso- bis hyperdens im Vergleich zur grauen Hirnsubstanz in der CT und isointens zum Cortex in T1- und T2-gewichteten Sequenzen der MRT. Dieser Tumoranteil zeigt ein kräftiges Enhancement nach Kontrastmittel-Applikation. Die Zystenwand des Tumors zeigt in der Regel keine Kontrastmittel-Aufnahme. Die Bildgebung beim desmoblastischen juvenilen Gangliogliom ist wichtig, da die Histologie häufig nur in Zusammenschau mit dieser eindeutig zu stellen ist. Neben astroglialen und neuronalen Tumorzellen enthalten diese Tumoren oft Komponenten aus kleinen, mitotisch aktiven Zellen, die als maligne Neoplasien missinterpretiert werden können. Infantile desmoblastische Gangliogliome unterscheiden sich von zystischen Astrozytomen durch die periphere Lokalisation und die relative Hyperdensität in der CT und die T2-Verkürzung der soliden Tumoranteile, verglichen mit der Hypodensität und relativen T2-Verlängerung der Astrozytome. Differenzialdiagnostisch kommen außerdem in Betracht: High-grade-Astrozytome, primitive neuroektodermale Tumoren und das Ependymom. Ist der leptomeningeale Tumoranteil sehr ausgedehnt, muss auch ein Meningeom oder ein Meningosarkom in die Überlegung mit einbezogen werden. Zentrales Neurozytom
Das zentrale Neurozytom ist ein intraventrikulärer, neuronaler Tumor des Erwachsenenalters mit relativ guter Prognose. Meist ist er in den vorderen Abschnitten der Seitenventrikel um das Foramen Monroi lokalisiert; das häufigste Vorkommen ist bei jungen Erwachsenen mit einem durchschnittlichen Alter von ca. 30 Jahren. Der Tumor ist mit derm Ependym des Ventrikels verwachsen und wölbt sich oft nach intraventrikulär vor. Histologisch handelt es sich um einen zellreichen Tumor mit geringer mitotischer Aktivität. Immunhistochemisch lässt sich eine neuronale Differenzierung durch Nachweis des synaptischen Membranproteins Synaptophysin belegen. Herdförmige Verkalkungen sind nachweisbar (. Abb. 9.97). Klinisch stehen Hirndrucksymptome als Folge der Verlegung des Foramen Monroi im Vordergrund. Auch bei inkompletter Resektion kann eine dauerhafte Heilung erzielt werden.
167 9.4 · Intrakranielle Tumoren
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. Abb. 9.96a–e. Gangliogliom. 17-jähriger Junge mit rezidivierenden, schlecht einstellbaren epileptischen Anfällen. a In der T2-Wichtung ist eine zystische Raumforderung in den Stammganglien rechts zu sehen, die zu einer leichten Kompression des rechten Seitenventrikelvorderhorns führt. b In den koronaren FLAIR-Sequenzen sind die Zysten leicht hyperintens zu Liquor, die soliden Anteile sind deutlich hyperintens. c In den diffusionsgewichteten Sequenzen sind die zystischen Anteile ähnlich wie Liquor abgebildet. d, e In den T1w-Sequenzen nach KM-Gabe nehmen die soliden Tumoranteile kräftig KM auf
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. Abb. 9.97a–d. Neurozytom. a In der FLAIR-Sequenz zeigt sich eine unregelmäßige, zentral sitzende Raumforderung, die durch die Blockade der Foramina Monroi zu einer Liquorzirkulationsstörung mit hydrozephalem Aufstau geführt hat. Der solide Tumoranteil stellt sich mit inhomogenem Signal dar. b In den T2*-Sequenzen deutliche Hypointensität des Tumors,
am ehesten Verkalkungen entsprechend. c In den T1-gewichteten Sequenzen vor KM-Gabe stellt sich der Tumor z. T. bereits nativ mit hyperintensen Anteilen dar, diese entsprechen den Verkalkungen, DD: kleine Einblutungen im Methämoglobin-Stadium. d Nach KM-Gabe zeigt sich ein flaues Enhancement
Supratentorielle Ependymome Epidemiologie
Klinik
Supratentorielle Ependymome machen zwischen 20 und 40% der Ependymome im Kindesalter aus. Sie kommen häufiger bei Jungen als bei Mädchen vor mit einem Häufigkeitsgipfel zwischen dem 1. und 5. Lebensjahr, bei Erwachsenen treten sie seltener auf.
Die klinische Symptomatik hängt v. a. von der Lokalisation des Tumors ab. Hirndruckzeichen und fokale Anfälle sind die häufigsten klinischen Manifestationen eines supratentoriellen Ependymoms.
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b . Abb. 9.98a–c. Supratentorielles Ependymom. 8-jähriges Mädchen mit rechts paramedianer Raumforderung. a In den Flair-Sequenzen erkennt man die große, teils solide, teils zystische Raumforderung mit Perifokalödem. Das Vorderhorn des rechten Seitenventrikels wird durch den Tumor komprimiert, die Mittellinie nach links verlagert. In den b axialen und c koronaren T1w-Sequenzen reichert der solide Anteil inhomogen KM an, der zystische Teil zeigt ein wandständiges KM-Enhancement. Histologisch gesichertes Ependymom
und in der Temporoparietalregion anzutreffen. Im Gegensatz zu den infratentoriellen Ependymomen sind die supratentoriellen Ependymome in der Regel nicht intraventrikulär lokalisiert. Eine metastatische Ausbreitung des Tumors über die Liquorräume ist dementsprechend selten anzutreffen.
Bildgebung
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Histologie, Lokalisation Supratentorielle Ependymome unterscheiden sich histologisch nicht von den infratentoriellen Ependymomen (s. oben). In knapp der Hälfte der Fälle werden kleine Foci von Verkalkungen nachgewiesen. Zystische Areale sind ebenfalls häufig anzutreffen, insbesondere bei größeren Tumorläsionen. Die Tumoren sind in der Regel bei Diagnosestellung sehr ausgedehnt, wahrscheinlich aufgrund ihrer häufigen Lokalisation im Frontallappen. Weniger häufiger sind sie in der Parietal-
Die supratentoriellen Ependymome zeigen ein variables Erscheinungsbild in der CT und MRT. Meist sind sie scharf begrenzt und kommen iso- bis hyperdens in der CT auf den Nativaufnahmen zur Darstellung. Verkalkungen und zystische Anteile sind häufig zu finden. Nach Kontrastmittelgabe zeigen v. a. die soliden Tumoranteile ein variables Enhancement. Die Diagnose eines Ependymoms sollte in Betracht gezogen werden, wenn eine isodense frontale oder parietale, juxtaventrikuläre Raumforderung mit Verkalkungen, Zysten und homogenem Enhancement angetroffen wird. In der MRT zeigt sich eine inhomogene Signalgebung in sämtlichen Sequenzen. Diese Inhomogenität resultiert aus den intratumoralen Verkalkungen, Zysten und gelegentlich vorkommenden Einblutungen, die eine gemischte Signalintensität in allen Sequenzen ergeben. Supratentorielle Ependymome können jedoch auch homogen in der MRT erscheinen und sind dann von niedriggradigen Astrozytomen nicht abzugrenzen. Selten kann auch eine ringförmige Kontrastmittel-Aufnahme auftreten mit ausgedehntem Perifokalödem, dann ist dieser Tumor nicht von
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Kapitel 9 · Gehirn
. Abb. 9.99. PNET. MRT eines PNET in der Pinealisregion, Befund zum Zeitpunkt der Diagnose. (Aus Radiologe 2003;43:994, Abb. 6a)
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einem High-grade-Astrozytom oder einem primitiven neuroektodermalen Tumor abzugrenzen (. Abb. 9.98). Differenzialdiagnose. Supratentorielle Ependymome sind v. a.
im jungen Kindesalter anzutreffen. Wenn bei einer MRT ein heterogener mittelliniennaher Tumor im 1. Lebensjahr, insbesondere in den ersten 6 Monaten, erkannt wird, sollte differenzialdiagnostisch an ein Teratom gedacht werden. Ist der Tumor nicht mittelliniennah und extraventrikulär gelegen, sollten Ependymome, primitive neuroektodermale Tumoren und atypische Teratoid-/Rhabdoidtumoren in die differenzialdiagnostischen Überlegungen mit einbezogen werden, insbesondere wenn das Kind zwischen 1 und 5 Jahre alt ist. Ist ein heterogener intraventrikulärer Tumor nachweisbar, muss an ein Kolloidplexuskarzinom gedacht werden.
Primitive neuroektodermale Tumoren Definition, Epidemiologie Primitive neuroektodermale Tumoren (PNET) wurden zuerst von Hard und Earl definiert als Tumoren, die in über 90–95% aus undifferenzierten Zellen bestehen. Auch wenn innerhalb der Tumormassen eine Differenzierung von glialen oder neuronalen Zellen gefunden werden kann, ist dieser Tumor aufgrund seines hohen Anteils undifferenzierter Zellen von den anderen Tumoren abzugrenzen. Primitive neuroektodermale Tumoren sind histologisch verwandt mit dem Medulloblastom, Pineoblastom, atypischen Teratoid-/Rhabdoidtumoren und peripheren Neuroblastomen. Sie treten mit <5% der supratentoriellen Neoplasien bei Kindern relativ selten auf. Obwohl sie auch bei jungen Erwachsenen, z. T. bis zur Mitte des 20. Lebensjahres, beschrieben worden sind, sind sie hauptsächlich bei Kindern <5 Jahren zu beobachten. Eine Geschlechtsbevorzugung ist nicht nachzuweisen.
Klinik Die Patienten fallen klinisch meist durch einen Makrozephalus und Hirndruckzeichen bzw. Anfälle auf.
Pathologie Die primitiven neuroektodermalen Tumoren kommen v. a. in der tiefen weißen Substanz vor und sind zum Zeitpunkt der Diagnose meist schon sehr groß. In der Regel weisen sie scharfe Grenzen auf, auch wenn histologisch eine Ausbreitung des Tumors über die bildgebend nachgewiesenen Tumorgrenzen feststellbar ist. Nekrotische Areale und Verkalkungen sind in der Hälfte der Tumoren zu finden. Eine Absiedelung über die Liquorräume und Metastasen in den Spinalkanal, in Lungen, Leber und Knochenmark wurden beschrieben.
Bildgebung In der nativen CT zeigen die soliden Tumoranteile des primitiven neuroektodermalen Tumors eine Hyperdensität zum umliegenden Hirnparenchym, wahrscheinlich aufgrund ihrer hohen Zelldichte. Zysten und Verkalkungen sind häufig nachweisbar, Einblutungen sind in etwa 10% der Fälle zu erkennen. Nach Kontrastmittelgabe zeigt sich immer ein Enhancement, z. T. heterogen, z. T. mit ringförmigem Enhancement, aufgrund der Zysten und nekrotischen Tumoranteile. In der MRT stellt sich der primitive neuroektodermale Tumor als eine große, gut begrenzte Raumforderung dar, die in den Großhirnhemisphären oder den Seitenventrikeln lokalisiert ist (. Abb. 9.99). Wie die Ependymome können sie ein sehr variables Bild aufweisen, hervorgerufen durch die verschiedenen soliden Anteile, Zysten und nekrotischen Areale sowie Verkalkungen und Einblutungen. Nach Kontrastmittelgabe stellt sich ein ähnliches Bild wie in der CT dar mit heterogenem kräftigen Enhancement, z. T. mit nekrotischen Arealen und Tumorzysten. > Wenn bei einem Kind <5 Jahren eine sehr große Raumforderung mit in der MRT sehr variablem Erscheinungsbild und heterogenem Kontrastmittel-Enhancement nachweisbar ist, sollte differenzialdiagnostisch an einen primitiven neuroektodermalen Tumor gedacht werden, alternativ an ein Ependymom und einen atypischen Teratoid-/Rhabdoidtumor.
171 9.4 · Intrakranielle Tumoren
Atypischer Teratoid-/Rhabdoidtumor Definition, Lokalisation Maligne Rhabdoidtumoren sind Neoplasien unbekannter Histogenese. Die Bezeichnung leitet sich von ihrem histologisch-rhabdoiden Erscheinungsbild ab, obwohl diese Entität nicht der Gruppe der Rhabdomyosarkome angehört. Rhaboidtumoren kommen selten im Hirnparenchym vor, normalerweise treten sie als maligne Neoplasien der Niere auf. Die meisten Fälle von zerebralen Rhabdoidtumoren werden in den ersten Lebensjahren beschrieben.
aufweisen. Zum Teil werden diese Tumoren neben kortikalen Dysplasien angetroffen. Dies wird als Hinweis darauf gewertet, dass sie entweder eine Zellfehlbildung sind oder eine Fehlentwicklung von Zellen während des 2. Trimenons der Schwangerschaft. > Es ist anzunehmen, dass manche der früher histologisch als Gangliogliome oder gemischte Oligoastrozytome klassifizierten Tumoren heute wahrscheinlich als dysembryoblastische neuroepitheliale Tumoren eingestuft werden.
Klinik und Prognose Klinisch fallen die Patienten durch Übelkeit, Sehstörungen und Lethargie auf. Die Prognose ist sehr schlecht, mit einer mittleren Überlebenszeit von etwas mehr als einem Jahr.
Pathologie Meist handelt es sich um solide Tumoren mit nekrotischen Anteilen. Histologisch zeigen sich rundliche bis ovoide Zellen mit exzentrischen und prominenten Nuklei, eosinophilem Zytoplasma und Hyalineinschlüssen. Molekulargenetisch ist die Deletion im INI1-Gen auf Chromosom 22 im Tumor beweisend. Diese findet sich ansonsten nur noch in Plexuskarzinomen.
Bildgebung Bei Diagnosestellung zeigt sich häufig ein sehr großer solider Tumor mit einem Durchmesser von >5 cm und nekrotischen Anteilen. Die soliden Tumoranteile sind iso- bis hyperdens zur grauen Hirnsubstanz in der CT und isointens zur grauen Substanz in der MRT. Nach Kontrastmittelgabe zeigen die soliden Tumoranteile ein heterogenes Enhancement. Bildgebend kann der Tumor nicht vom Ependymom oder primitiven neuroektodermalen Tumoren differenziert werden.
Dysembryoblastischer neuroepithelialer Tumor Definition, Klinik Bei den dysembryoblastischen neuroepithelialen Tumoren (DNET) handelt es sich um benigne Raumforderungen des zerebralen Cortex, die klinisch meist durch komplex-partielle Anfälle im Kindes- und Jugendalter auffallen. Andere fokal-neurologische Zeichen sind sehr selten. Die besten diagnostischen Kriterien, die für einen dysembryoblastischen neuroepithelialen Tumor sprechen, sind: 4 komplex-partielle Anfälle, die vor dem 20. Lebensjahr auftreten 4 keine neurologischen oder kognitiven Defizite 4 kortikale Raumforderung Sehr selten kann der Tumor auch einmal in der tieferen Region der Hemisphären vorkommen, z. B. im Kaudatuskopf.
Pathologie 60% der dysembryoblastischen neuroepithelialen Tumoren werden im Temporallappen gefunden, 30% im Frontallappen, weniger als 10% im Parietallappen, Okzipitallappen, den tiefen Kerngebieten, im Hirnstamm und im Kleinhirn. Es handelt sich um solide Tumoren, die häufig zystische oder mikrozystische Anteile
Bildgebung In der Bildgebung zeigt sich u. U. ein sehr variables Erscheinungsbild. Trotz dieses variablen Erscheinungsbildes sind alle dysembryoblastischen neuroepithelialen Tumoren gut umschriebene, lobulierte, kortikal gelegene Raumforderungen, die in der Nativ-CT hypodens zur weißen Substanz zur Darstellung kommen. In der MRT zeigen sie in den T2-gewichteten Sequenzen einen Signalanstieg, in den T1-gewichteten Sequenzen stellen sie sich hypointens dar (. Abb. 9.100). In etwa 30–40% der Fälle sind zystische oder mikrozystische Tumoranteile erkennbar. Verkalkungen können in bis zu 30% der Tumoren nachgewiesen werden. Da diese Läsionen primär kortikal und somit oberflächlich gelegen sind, zeigen die dysembryoblastischen neuroepithelialen Tumoren oft eine Ausdehnung der Tabula interna der Schädelkalotte. Eine subkortikale Ausbreitung wird in etwa 30% der Fälle gesehen. Ein Kontrastmittel-Enhancement ist nur in 20–40% nachweisbar, dann diffus und eher schlierenförmig. > Die Diagnose eines dysembryoblastischen neuroepithelialen Tumors sollte dann in Erwägung gezogen werden, wenn eine Raumforderung primär kortikal gelegen ist und sich in den T2-gewichteten Sequenzen hyperintens darstellt und der Patient eine lange Anfallsanamnese bei sonst normalem neurologischem Untersuchungsbefund aufweist (. Abb. 9.100).
9.4.4
Extraparenchymale Tumoren
Extraparenchymale Läsionen verlagern typischerweise die Hirnstrukturen anstatt zu infiltrieren. Das Gehirn wird vom Knochen oder der Dura abgedrängt, was zu erweiterten Zisternen führen kann. Ein gut abgrenzbarer Raum teilt die extraparenchymale Raumforderung vom Gehirn. Normalerweise zeigt sich nur wenig oder kein Perifokalödem. Intraparenchymale Raumforderungen dagegen komprimieren die Zisternen und Sulci, sie infiltrieren oft das umgebende Hirnparenchym und können ein deutliches Ödem verursachen. Alle Charakteristika, welche auf einen extraparenchymalen Tumor hinweisen, sind: 4 ein im Vergleich zur Größe des Tumors geringer Masseneffekt, 4 eine Ausbreitung der Raumforderung über die Mittellinie ohne Beteiligung der zerebralen Kommissur und 4 eine relativ blande klinische Symptomatik.
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Die Differenzierung zwischen extraaxial und intraaxial ist im Hinblick auf die Artdiagnose des Tumors von Interesse, des Weiteren ist sie für die Operationsplanung von Bedeutung. Die wichtigsten extraaxialen Tumoren sind Meningeom, Neurinom, Subarachnoidalzyste, Dermoid- und Epidermoidzyste. Letzere können auch intraaxial gelegen sein.
. Abb. 9.100a–d. Dysembryoblastischer neuroepithelialer Tumor. 17jähriger Junge mit schlecht einstellbaren fokalen Anfällen. a, b In den FLAIR- und T2w-Sequenzen ist rechts temporal im Cortex bis nach subkortikal reichend eine Signalintensität zu erkennen. c, d In der T1-Wichtung ist der Tumor überwiegend hypointens, nach KM-Gabe ist ein geringes Enhancement nachweisbar
Meningeome Definition, Epidemiologie Meningeome sind nach den den astrozytären Tumoren die häufigste Tumorentität. Sie sind die häufigsten primären nichtglialen intrakraniellen Tumoren. Es handelt sich um extraaxiale Neoplasien, die 15–20% der primären intrakraniellen Neoplasien aus-
173 9.4 · Intrakranielle Tumoren
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c . Abb. 9.101a–e. Meningeom. a In den diffusionsgewichteten Sequenzen stellt sich das Meningeom leicht hyperintens zum umgebenden Hirnparenchym dar. b In den FLAIR-Sequenzen stellt sich der Tumor nahezu isointens zum angrenzenden Parenchym dar. Frontal zeigt sich ein hyperintenses Areal, einem Ödem entsprechend. c, d In den T1-gewichteten Sequenzen vor und nach KM-Gabe stellt sich der Tumor nativ isointens, nach KM-Gabe mit deutlichem homogenen Enhancement dar. e In den T2-gewichteten Sequenzen stellt sich der Tumor ebenfalls isointens zur grauen Hirnsubstanz dar. Das Ödem frontal des Tumors ist hyperintens zu erkennen
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machen. Der Häufigkeitsgipfel liegt im 5.Lebensjahrzehnt, bei Kindern und Jugendlichen sind Meningeome selten, Frauen sind häufiger betroffen als Männer.
Pathogenese, Lokalisation Die meisten Meningeome entstehen aus arachnoidalen Zellen an der inneren Dura und wachsen daher nach innen, dem Hirn entgegen, wo sie eine intradurale Masse bilden. Sie sind meist gutartig, in 6% sind sie jedoch atypisch oder aggressiv, in 1–2% maligne. Die typischen Lokalisationen sind parasagittal, an der Falx, der Konvexität, der gesamten Schädelbasis, dem Kleinhirn und dem Tentorium. In 90% finden sie sich supratentoriell. Patienten mit Brustkrebs haben eine höhere Inzidenz von Meningeomen.
Bildgebung In der Röntgennativaufnahme zeigen sich Hyperostosen der Kalotte an den Anheftungsstellen und eine Erweiterung der meningealen Gefäßkanäle. In der CT sind sie meist hyperdens, seltener auch isodens homogen.Teilweise finden sich Verkalkungen. Sie haben ein mittelgradiges perifokales Ödem. Nach Kontrast-
mittelgabe kommt es zu einem ausgeprägten homogenen Enhancement mit scharfer Abgrenzbarkeit der Tumoren und Beziehung zu den Meningen. Kernspintomographisch zeigen die Meningeome sich isobis hypointens auf T1-gewichteten Sequenzen, iso- bis hyperintens auf T2-gewichteten Bildern. Die gut abgrenzbare extraaxiale Raumforderung verlagert den Cortex nach innen. Nach Kontrastmittelgabe kommt es zu einem homogenen kräftigen Enhancement (. Abb. 9.101, . Abb. 9.102), ein »dural-tail«-Zeichen (eine Verdickung und deutliches Enhancement der anliegenden Dura) ist häufig, aber unspezifisch. Da die Meningeome im Vergleich zur grauen Substanz auf allen Sequenzen oft isointens erscheinen, können sie ohne Kontrastmittelgabe leicht übersehen werden. Meningeome können rasenartig »en plaque« wachsen, den inneren Schädel auskleiden und Knochen und Dura infiltrieren. Kalzifizierte Meningeome sind nur selten maligne. Selbst beim Fehlen einer Neurofibromatose Typ II kann das Meningeom in 16% der Fälle multipel auftreten, sodass gezielt nach weiteren Läsionen gesucht werden muss. In <1% der Fälle entstehen die Meningeome extradural. Ursprungsorte können der intradiploische Raum, die äußere Schä-
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b . Abb. 9.102a–c. Olfaktoriusmeningeom. a In den FLAIR-Sequenzen Hyperintensität bilateral frontobasal. b In der T1-gewichteten koronaren Sequenz nach KM-Gabe stellt sich der Tumor homogen KM-aufnehmend mit breiter Lagerung an der Frontobasis dar. Der Bulbus olfactorius ist beidseits nicht mehr abgrenzbar. c In den T1-gewichteten axialen Sequenzen vor KM-Gabe ist der Tumor isointens zum Hirnparenchym
zipiell können aber auch Äste der A. carotis interna an der Meningeomversorgung beteiligt sein, insbesondere von zentralen Anteilen des Tumors. Deshalb ist bei angiographischer Darstellung eine selektive Sondierung der A. carotis externa und interna notwendig.
Neurinome Definition, Pathologie
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delkalotte, die Haut, die paranasalen Sinus sowie die Parotis und die parapharyngealen Räume sein. Gutartige, atypische und maligne Meningeome sehen auf der Bildgebung oft identisch aus, obwohl maligne Tumoren häufiger ein Perifokalödem sowie einen Hirnbefall zeigen. In 15% zeigen Meningeome eine atypische Bildgebung mit heterogenem Enhancement, Zysten, Einblutungen und/oder fettiger Degeneration. Als extraaxiale Tumoren meningealen Ursprungs zeigen Meningeome eine typische Gefäßversorgung über Meningealarterien, bei intraventrikulären Meningeomen über Choroidalarterien. Angiographisch ist deshalb die Darstellung der A. carotis externa, insbesondere der A. meningea media notwendig. Prin-
Neurinome, oder auch Schwannome genannt, sind Tumoren, die von den Schwann-Zellen ausgehen. Sie bilden sich in den Myelinscheiden um die Axone der Nervenfasern. Neurinome machen ungefähr 8% der primären Hirntumoren aus. Sie kommen häufiger bei Erwachsenen vor. Bei Kindern machen sie etwa 2% der Tumoren in der hinteren Schädelgrube aus. Wenn ein Schwannom bei einem Kind diagnostiziert wird, sollte auch das Vorliegen einer Neurofibromatose Typ II (NF II) in Betracht gezogen werden. Eine Suche nach anderen Schwannomen und Meningeomen sollte angeschlossen werden. Schwannome treten bevorzugt an Stellen auf, an denen oligodendrogliale Zellen zu Schwann-Zellen übergehen. Schwannome des N. acusticus kommen häufig im Meatus acusticus internus oder im Kleinhirnbrückenwinkel vor.
Klinik Bei Schwannomen handelt es sich um Tumoren der Nervenscheiden und nicht der Nervenzellen. Die Patienten weisen oft Neuropathien auf, da die Tumoren aufgrund ihrer Größe Druck
175 9.4 · Intrakranielle Tumoren
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. Abb. 9.103a, b. Ästhesioneuroblastom. a In den T1w koronaren Sequenzen stellen sich die soliden Tumoranteile nach KM-Gabe hyperintens dar. Zusätzlich zeigen sich zystische Tumorareale frontal beidseits. Der Tumor hat die Nasennebenhöhlen infiltriert. b In den sagittalen T1w-Sequen-
zen nach KM-Gabe stellt sich der Tumor in seiner kompletten Ausdehnung von den Nasennebenhöhlen bis nach dorsal zum 3. Ventrikel mit z. T. zystischen, z. T. soliden Tumoranteilen dar
auf die Nervenzellen ausüben. Wächst ein Schwannom des N. acusticus im Kleinhirnbrückenwinkel, kommt es meist erst dann zu Symptomen, wenn umliegende neurale Strukturen durch den Druck in Mitleidenschaft gezogen werden. Häufig treten dann Zeichen einer Hirnstammkompression oder ein Hydrozephalus durch Kompression des Aquädukts des 4. Ventrikels auf. Neurinome befallen am häufigsten den 8. Hirnnerven, gefolgt vom 5., 9. und 10. Hirnnerven. Andere intrakranielle Schwannome sind extrem selten.
9.4.5
Bildgebung
Hierbei handelt es sich um Tumoren, bei denen eine Fehlbildung der Organdifferenzierung mit versprengten, nicht weiter entwickelten Zellen die Grundlage darstellt. Epidermoid, Dermoid und Teratom stellen relativ benigne Missbildungstumoren dar. Sie haben ihren Ursprung in embryonalen versprengten Epidermisnestern. Sie wachsen langsam, können jedoch ein beträchtliches Ausmaß erreichen. Typische Lokalisationen sind Kleinhirnbrückenwinkel, paraselläre Region, Pinealisregion und die Ventrikel. Dermoide und Epidermoide stammen wahrscheinlich von kongenitalen, intrakraniell verbliebenen Zellen als Resultat einer inkompletten Separierung des Neuroektoderms vom Ektoderm während des Zeitpunkts des Schlusses der Neuraltube. Epidermoide sind häufiger als Dermoide anzutreffen.
In der CT stellen sich die Schwannome hypo- bis isodens dar, z. T. mit Verkalkungen. Zentrale Nekrosen können bei großen Tumoren vorkommen. Nach Kontrastmittelgabe kommt es typischerweise zu einem homogenen Enhancement. Wächst das Schwannom innerhalb des Meatus acusticus internus, kommt es zu einer Aufweitung des Tränenkanals innerhalb des Felsenbeins. In der MRT haben Schwannome eine verlängerte T1- und T2-Relaxationszeit. Große Schwannome zeigen oft ein heterogenes Signal mit Arealen hoher und niedriger Signalgebung in den T2-gewichteten Sequenzen. Diese hypointensen Areale sind oft durch intratuberale Einblutungen verursacht. Die verdickten kraniellen Nerven sind häufig durch die vergrößerten neuronalen Neuroforamina, z. B. des Foramen ovale und des Foramen rotundum bei Trigeminusschwannomen und im Meatus acusticus internus bei Akustikusschwannomen nachzuweisen. Auch hier zeigt sich nach i. v.-Kontrastmittelgabe ein kräftiges, meist homogenes Enhancement.
Ästhesioneuroblastom Das Ästhesioneuroblastom ist ein Tumor, der vom Riechepithel ausgeht (. Abb. 9.103).
Missbildungs- und Keimzelltumoren
Einteilung der Missbildungs- und Keimzelltumoren: 4 Epidermoidzysten/Epidermoid 4 Kolloidzysten 4 Arachnoidalzysten 4 Hamartome 4 Lipome 4 Keimzelltumoren
Epidermoide Definition, Epidemiologie, Pathologie Epidermoide bestehen aus einem Hornschuppenkonglomerat, welches von einer epidermalen Kapsel umgeben ist. Sie machen 0,2–1% der intrakraniellen Tumoren aus. Aufgrund des langsamen Wachstums werden sie hauptsächlich im Erwachsenenalter gefunden.
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b . Abb. 9.104a–c. Epidermoid. a In den T2w-Sequenzen sieht man eine liquorisointense Raumforderung in der linken Kleinhirnhemisphäre (stellt sich in den T1w-Sequenzen ebenfalls liquorisointens dar). b, c Erst in den Flair- und v. a. in den diffusionsgewichteten Sequenzen zeigt sich ein vom normalen Liquor abweichendes Signal, was für ein Epidermoid typisch ist. Eine Arachnoidalzyste würde sich auch in der Diffusion hypointens darstellen, da in der Zyste keine Restriktion des Wassers gegeben ist
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Lokalisation, Klinik In 40% der Fälle treten die intrakraniellen Epidermoide im Kleinhirnbrückenwinkelbereich auf. Sie machen 5% aller Kleinhirnbrückenwinkeltumoren aus. Die nächsthäufigsten Lokalisationen sind die Pinealisregion, die supraselläre Region und die mittlere Schädelgrube. Epidermoide in der suprasellären und Pinealisregion werden klinisch meist auffällig durch einen Hydrozephalus, während Epidermoide der mittleren Schädelgrube häufig symptomatisch werden durch eine chemische Meningitis, verursacht durch ein Ausbreiten des Tumors in den Subarachnoidalraum.
Bildgebung In der CT stellen sich Epidermoide als hypodense, lobulierte Raumforderungen in typischer Lokalisation dar. Die Dichtewer-
te sind ähnlich wie die einer Zyste. Gelegentlich finden sich in den umgebenden Kapselanteilen Kalkeinlagerungen. In 25% der Fälle finden sich bei den Epidermoiden periphere Verkalkungen. Da die Dichtewerte ähnlich wie Liquor sind, erweist sich eine Identifizierung dieser extraaxialen Raumforderungen oft als sehr schwierig. Einzig die Verdrängung der umliegenden Hirnstrukturen kann bei Nativ-CT-Aufnahmen Hinweis auf eine extraaxiale Raumforderung sein. Eine Möglichkeit, diese Tumoren in der CT besser abzugrenzen, ist die intrathekale Gabe von Kontrastmittel. Heute stehen jedoch moderne MR-Techniken und -Sequenzen zur Verfügung, um die Diagnose eines Epidermoids zu sichern. An erster Stelle sind hier die so genannten FLAIR- und diffusionsgewichteten Sequenzen zu nennen (. Abb. 9.104). Bei den FLAIR-Sequenzen kommt es zu keiner kompletten Liquorunterdrückung, die Epidermoide stellen sich hyperintens dar. Ähnlich ist es bei den diffusionsgewichteten Sequenzen, auch hier stellt sich der Liquor normalerweise aufgrund seiner hohen Diffusion hyperintens dar. In den konventionellen T1-und T2gewichteten Sequenzen zeigt sich ein Signal, das wiederum ähnlich wie das von Liquor erscheint. Bei den konventionellen Sequenzen ist es ebenfalls sehr schwierig, ein Epidermoid zu diagnostizieren. Eine Identifizierung eines in den basalen Zisternen wachsenden Epidermoids kann durch die Aufweitung der Zisternen und anhand der oft charakteristischen lobulierten Erscheinungen der Raumforderung erfolgen. Alternativ zu FLAIR- und diffusionsgewichteten Sequenzen können auch die magnetisierten Transfertechniken eingesetzt
177 9.4 · Intrakranielle Tumoren
werden, um die solide Matrix des Tumors vor und neben dem umgebenden freien Wasser nachzuweisen. So können Epidermoide eine T1-Verkürzung mit hyperintensem Signal aufweisen. In diesem Fall kann eine Unterscheidung von Dermoiden oder Lipomen schwierig sein. Hier kann eine T1-gewichtete Sequenz mit Fettsättigung weiterhelfen, da bei Lipomen und Dermoiden das Fett unterdrückt wird, während Epidermoide nach wie vor noch ein hyperintenses Signal aufweisen. Hin und wieder zeigen Epidermoide nach Kontrastmittelgabe einen schmalen kontrastverstärkten Saum, der wahrscheinlich einer entzündlichen Reaktion an der Peripherie des Tumors entspricht.
Dermoide Definition, Lokalisation Bei Dermoiden finden sich in der Zyste neben dem Epidermisanteil noch Fett, Kalk und Schweißdrüsen sowie Haare. Bei Teratomen können sich zusätzlich knorpelige, knöcherne und endodermale Anteile finden. Dermoide sind intrakraniell seltener als Epidermoide, jedoch häufiger im Spinalkanal anzutreffen. Intrakraniell sind sie meist in der hinteren Schädelgrube zu finden, entweder innerhalb des Vermis oder im Bereich des 4. Ventrikels. Im Spinalkanal kommen sie meist in der lumbosakralen Übergangsregion, entweder extramedullär oder intramedullär, vor. Etwa 20% der Dermoide sind mit einem Dermalsinus assoziiert.
pomen die Gefäße und Nerven innerhalb der Raumforderung eingebettet sind.
Teratome Definition, Lokalisation Intrakranielle Teratome sind sehr selten und machen nur ca. 0,5% der intrakraniellen Tumoren aus. Bei Kindern <15 Jahren sind sie für 2% der intrakraniellen Tumoren verantwortlich. Intrakranielle Teratome kommen häufiger bei Jungen als bei Mädchen vor, v. a. die Teratome der Pinealisregion. Die klinischen Symptome hängen von der Lokalisation des Tumors ab. Ein Hydrozephalus ist häufig vorzufinden, ähnlich wie bei anderen Tumoren im Bereich der Mittellinie. Teratome werden am häufigsten in der Pinealis- und parapinealen Region gefunden, gefolgt von Teratomen im Bereich des 3. Ventrikels und der hinteren Schädelgrube. Spinal sind sie seltener als intrakraniell anzutreffen. Sie können jedoch spinal auf jeder Höhe vorkommen und sind häufig mit einer Spina bifida occulta assoziiert.
Pathologie Die meisten Teratome sind gut umschrieben und benigne, manchmal enthalten sie jedoch primitive Zellen und sind hoch maligne mit einer schlechten Prognose. Einige setzen ihren biochemischen Marker frei, z. B. α-Fetoprotein, Choriongonadotropin oder β-HCG, welche im Liquor und im Serum nachgewiesen werden können. Die Tumoren haben sowohl solide als auch zystische Anteile und weisen häufig Verkalkungen auf.
Klinik Symptome von intraspinalen Dermoiden treten vorwiegend in den ersten 2 Lebensjahrzehnten auf. Intrakranielle Dermoide erreichen ihren Altersgipfel im 3. Lebensjahrzehnt. Symptome resultieren aus einer Verlegung der Liquorzirkulation, einer chemischen Meningitis, einer Ausbreitung des Zysteninhalts in den Liquorraum oder, wenn ein Dermalsinus vorhanden ist, durch eine Infektion oder einen Abszess innerhalb des Sinus oder des Dermoids.
Bildgebung In der CT erscheinen Dermoide mit negativen Hounsfield-Einheiten (. Abb. 9.105). Sie sind extra-axiale Raumforderungen, die normalerweise in der Mittellinie lokalisiert sind. Ein Enhancement nach Kontrastmittelgabe wird normalerweise nicht gesehen, Ausnahmen gibt es bei einer Infektion. Wenn ein Dermoid oder Epidermoid in der Mittellinie nachgewiesen wird, sollte die okzipitale und nasofrontale Region der Schädelbasis untersucht werden, um einen Dermalsinus auszuschließen. Bei intraspinaler Lokalisation sollten die hinteren Elemente der Wirbelbögen exakt untersucht werden, um auch hier einen Dermalsinus auszuschließen. Bei einer Infektion zeigen die Dermoidzysten das typische Erscheinungsbild eines Abszesses mit einer ringförmigen Kontrastmittel-Aufnahme. In der MRT stellen sich die Dermoide mit hyperintensem in T1- und mit mäßig hyperintensem Signalverhalten in T2-gewichteten Sequenzen dar. Zur Differenzierung, z. B. einer Blutung, können fettunterdrückte Sequenzen durchgeführt werden (. Abb. 9.105). Dermoide sind typischerweise weniger lobuliert als Lipome und verlagern Gefäße und Nerven, während bei Li-
Bildgebung In der CT und MRT stellen sich die Teratome als gut umschriebene, heterogene Läsionen dar, die häufig in der Mittellinie lokalisiert sind. Mit der CT können sie relativ zuverlässig diagnostiziert werden, wenn sowohl Fett als auch Verkalkungen innerhalb der Raumforderung vorkommen. Teratome mit einem homogenen Erscheinungsbild sind häufiger maligne und von anderen intrinsischen Hirntumoren oft nicht zu unterscheiden. Maligne Teratome haben oft ein deutliches vasogenes Ödem und eher eine irreguläre Erscheinungsform und sind weniger scharf vom umliegenden Parenchym abgegrenzt. Häufiger bestehen die malignen Teratome auch aus weniger Zysten und weniger Verkalkungen als die benignen Teratome. Eine fehlende KontrastmittelAufnahme spricht eher für einen niedrigmalignen Tumor, das Vorliegen einer Kontrastmittel-Aufnahme spricht jedoch nicht immer für einen malignen Tumor.
9.4.6
Andere seltene Tumoren der hinteren Schädelgrube und der Schädelbasis
Langerhans-Zellhistiozytose Definition Bei der Langerhans-Zellhistiozytose, früher als Histiozytosis X bezeichnet, handelt es sich um einen Tumor des endothelialen Systems, der selten im Zentralnervensystem vorkommt. Wenn eine osteolytische Raumforderung die Schädelbasis, Orbita oder den Gesichtsschädel infiltriert, sollte als Ursache eine Langerhans-Zellhistiozytose in Betracht gezogen werden (7 Kap. 38).
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. Abb. 9.105a–d. Dermoidzyste. a Im CT links frontobasal hypodense Formation, deren Dichtewerte Fett entsprechen. b In den T2w-Sequenzen hyperintenses Signal. c In den T1w-Sequenzen imponiert die Raumforde-
rung inhomogen hyperintens. d Nach Fettsuppression stellt sich die Raumforderung in der T1-Wichtung signalgemindert dar, vereinbar mit einer Dermoidzyste
Klinik
ben dar, meist temporal gelegen. Nach Kontrastmittel-Applikation zeigt sich häufig ein homogenes Kontrastmittel-Enhancement. In der MRT stellt sich die Läsion als eine scharf abgrenzbare Weichteilraumforderung dar mit einem Signalverhalten ähnlich dem von Muskelgewebe. Sie zeigt ein kräftiges Enhancement nach Kontrastmittelgabe. In solchen Fällen kann eine Langerhans-Zellhistiozytose intraparenchymal im Cerebellum oder in den Großhirnhemisphären vorkommen. Die neurologischen Symptome sind dann abhängig von der entsprechenden Lokalisation der Raumforderung. In der Bildgebung sind diese Tumoren sehr variabel, es zeigt sich eine verlängerte T1- und T2-Zeit, v. a. im Hirnstamm und im Corpus medullare des Cerebellum.
Bei einer Langerhans-Zellhistiozytose ist das führende klinische Symptom oft ein Diabetes insipidus durch eine Beteiligung des Hypophysenstiels. Andere Patienten wiederum können eine tastbare Raumforderung an der Schädelbasis mit Exophthalmus oder zerebraler oder zerebellärer Symptomatik zeigen. In diesem Fall wächst die Raumforderung nach intrakraniell vor.
Bildgebung In der Bildgebung findet sich oft eine gut umschriebene Raumforderung innerhalb des Schädels, der Orbita oder der Schädelbasis. In der CT stellt sich die Raumforderung scharf umschrie-
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b . Abb. 9.106a–c. Chordom. a In den T1w-Aufnahmen vor KM-Gabe erscheint der Clivus hypointens und aufgetrieben. Das übliche hyperintense Signal, hervorgerufen durch die Fettanteile des Clivus, ist z. T. durch den Tumor aufgehoben. b Nach KM-Gabe zeigt sich der Clivus deutlich hyperintens KM-aufnehmend, z. T. mit nekrotischen Abschnitten, die sich hypointens darstellen. c In den axialen T2w-Aufnahmen stellt sich der Clivus aufgetrieben und inhomogen leicht hyperintens dar
Klinik, Bildgebung
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Verkalkungen können ebenfalls, v. a. bei Kleinhirnlokalisation, in der CT nachgewiesen werden.
Chordome Definition, Epidemiologie, Lokalisation Chordome sind benigne, langsam wachsende, lokal infiltrierende Tumoren. Sie treten im Kindesalter sehr selten auf, nur wenige Dutzend Fälle wurden bisher in der Literatur beschrieben. Im Gegensatz zu Erwachsenen, bei denen die Chordome meist sakral vorkommen, manifestieren sich die Chordome im Kindesund Jugendalter meist an der Schädelbasis. Die häufigste Lokalisation ist die sphenookzipitale Synchondrose. Klivuschordome zeigen in der Regel eine ausgedehnte Destruktion des Os sphenoidale (. Abb. 9.106). Sie wachsen häufig in den Sinus sphenoidalis, in den Nasopharynx und seltener auch in die Ethmoidalregion vor.
Patienten mit Chordomen zeigen klinisch häufig Hirnnervenausfälle mit Diplopie und Zungenschwäche als Ausdruck einer Ausbreitung des Tumors in die Neuroforamina der Schädelbasis. Kopfschmerzen, Pyramidenbahnzeichen und ein erhöhter intrakranieller Druck können ebenfalls vorkommen. Wenn sich der Tumor in den Nasopharynx ausbreitet, ist eine Differenzierung von primär nasopharyngealen Tumoren, die sich sekundär in den Klivus ausbreiten, oft nicht möglich. Das Vorhandensein von Spiculae sowie ein Tumor mit nur geringem Enhancement in der CT weisen jedoch eher auf die Diagnose eines Chordoms hin. In der MRT erscheint das Chordom als große, intraossär gelegene Raumforderung, die häufig in die präpontine Zisterne, den Sinus sphenoidalis, die mittlere Schädelgrube und den Nasopharynx vorwächst. Eine Abdrängung des Hirnstamms kann ebenfalls vorkommen. Typischerweise haben Chordome eine verlängerte T1- und T2-Relaxationszeit. Chondroide Chordome, eine histologische Variante mit einer deutlich besseren Prognose, weisen dagegen eine geringere T2-Zeitverkürzung auf. Nach Kontrastmittelgabe zeigen Chordome ein variables Enhancement, die meisten Chordome nehmen jedoch kein oder nur sehr wenig Kontrastmittel auf.
Chondrosarkome Definition, Lokalisation, Epidemiologie Sehr selten können Chondrosarkome der Schädelbasis vorkommen. Chondrosarkome sind maligne Knorpeltumoren, die in den Synchondrosen entstehen oder von benignen knorpeligen Tumoren sekundär malignisiert wurden. Nur knapp 10% der Chondrosarkome zeigen sich im pädiatrischen Patientengut. Meist treten diese Tumoren erst in der mittleren Lebensdekade
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b . Abb. 9.107a–c. Neuroblastom. a, b In den axialen T1w-Aufnahmen vor KM-Gabe ist der Tumor leicht hypointens, nach KM-Gabe stellt sich der Tumor inhomogen KM-aufnehmend dar. c In den axialen T2w-Aufnahmen stellt sich im Kleinhirnbrückenwinkel links der Tumor leicht hypointens zum Hirnparenchym dar. Histologisch gesichertes Neuroblastom
Neuroblastom Definition, Lokalisation Eine Beteiligung des Hirnparenchyms bei Neuroblastomen ist sehr selten und kommt nur in etwa 1% der Fälle vor. Manchmal können Neuroblastome im oberen Zervikalbereich oder an der Schädelbasis aus sympathischen Fasern entstehen (. Abb. 9.107).
Bildgebung
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symptomatisch auf. Die häufigste Lokalisation ist die petrookzipitale, sphenookzipitale und sphenoethmoidale Synchondrose.
Bildgebung In der MRT und CT stellen sich Chondrosarkome sehr heterogen dar. Die nichtossären Anteile haben eine lange T1- und T2-Relaxationszeit und ein heterogenes Enhancement nach Kontrastmittel-Applikation. Da diese Tumoren oft neben fetthaltigem Knochenmark in der Fossa infratemporalis liegen, sollten fettunterdrückte Sequenzen nach Kontrastmittelgabe durchgeführt werden. Chondrosarkome sind v. a. von Chordomen bildgebend nicht zu unterscheiden.
Diese primären Neuroblastome stellen sich als homogene, Kontrastmittel aufnehmende, extraparenchymale Raumforderungen dar, die meist im Kleinhirnbrückenwinkel lokalisiert sind. Hat der Tumor die Schädelkalotte infiltriert, erscheint er als eine Kontrastmittel aufnehmende, infiltrierende Raumforderung, die das Periost vom Knochen abhebt. Die Identifikation einer Raumforderung mit Periostabhebung ist wichtig für die Diagnosestellung eines metastatischen Tumors der Schädelbasis, da der normale Knochen bei Kindern blutbildendes Knochenmark enthält, das ebenfalls noch Kontrastmittel anreichert. ! Das Ewing-Sarkom, leukämische Infiltrate und das Neuroblastom haben, wenn sie den Schädel infiltrieren, ein ähnliches Erscheinungsbild in der CT und MRT.
Aneurysmatische Knochenzysten Definition, Lokalisation Nur 2–6% der aneurysmatischen Knochenzysten kommen im Schädelbereich vor. Meist sind sie orbital und okzipital gelegen. Es ist wichtig, diese Läsionen präoperativ zu diagnostizieren,
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da eine Embolisation den intraoperativen Blutverlust minimieren kann.
Bildgebung Röntgenübersichtsaufnahmen zeigen eine expansive Läsion
des Schädelknochens mit dem typischen Erscheinungsbild. In der CT stellen sich die aneurysmatischen Knochenzysten als multilobuläre Masse mit einem dünnen peripheren Knochenanteil dar. Die aneurysmatische Knochenzyste ist eine osteolytische Läsion des Knochens, die aus blutgefüllten Hohlräumen unterschiedlicher Größe besteht. Diese werden durch Bindegewebe unterteilt und enthalten Trabekel aus Knochen oder Osteoid und osteoklastischen Riesenzellen. Differenzialdiagnostisch muss die aneurysmatische Knochenzyste von einer juvenilen Knochenzyste und einem Riesenzelltumor (teleangiektatisches Osteosarkom) abgegrenzt werden. Meist zeigen sich keine Beschwerden; sie werden zufällig entdeckt oder z. B. durch das Auftreten einer pathologischen Fraktur. In den T2-gewichteten MRSequenzen zeigt die aneurysmatische Knochenzyste oft einen Flüssigkeitsspiegel mit hyperintensen Anteilen.
besondere in Bezug zum Tentorium, ab. Der infratentorielle Zugang wird meist bevorzugt, außer es ist ein größerer supratentorieller Anteil vorhanden. Für den Radiologen bedeutet dies, die genaue Größe und Lokalisation des Tumors zu beschreiben und evtl. abzugrenzen, ob der Tumor vom Parenchym der Pinealis abstammt oder von außen in die Pinealisloge vorwächst. Die Anamnese der Patienten ist ebenfalls sehr hilfreich bei differenzialdiagnostischen Überlegungen.
Keimzelltumoren Definition, Klassifikation, Lokalisation
Die häufigsten Pinealistumoren stammen von Keimzellen ab. Zur Familie der Keimzelltumoren gehören das Germinom, der nichtmaligne, nichtgerminöse Keimzelltumor einschließlich des embryonalen Karzinoms, Kolloidkarzinoms, Dottersackkarzinoms und gemischte Typen, weiterhin noch das Teratom. Keimzelltumoren des Zentralnervensystems entstehen in der Regel in der Mittellinie, am häufigsten in der Pinealisregion, gefolgt von der suprasellären Region und im 4. Ventrikel. Lateral gelegene, basale Keimzelltumoren sind etwas häufiger und meist bei asiatischen Patienten beschrieben worden.
Tumoren der Pinealisregion Definition, Klassifikation
Tumoren der Pinealisregion sind insgesamt sehr selten mit einer Inzidenz von <1% aller intrakraniellen Tumoren. Die klinische Symptomatik dieser Tumoren ist gekennzeichnet durch 3 Hauptsymptome: 4 Hydrozephalus, hervorgerufen durch eine Aquäduktstenose 4 ein Parinaud-Syndrom, hervorgerufen durch eine Kompression im Tektum (Augenmuskelbewegungsstörungen nach oben, Pupillenreflexstörungen auf Licht bei erhaltener Akkommodation, fehlende Konvergenzreaktion) 4 endokrinologische Veränderungen, hervorgerufen durch supraselläres Tumorwachstum (allgemein Pubertas praecox bei Jungen mit Kernzelltumoren) Pinealistumoren können in 2 große Gruppen eingeteilt werden: Keimzelltumoren und Tumoren des Pinealisparenchyms. Eine ganze Reihe von Tumoren der Pinealisregion, z. B. Astrozytome oder Glioblastome, breiten sich mit entsprechender klinischer Symptomatik in die Pinealisloge aus. Bildgebung
Pinealiszysten sind häufig zufällige Befunde. Durch die MRT konnte die Diagnostik von Tumoren in der Pinealisregion erheblich verbessert werden. Teilweise ist es möglich, benigne und maligne Pinealistumoren zu unterscheiden sowie abzuklären, ob die Tumoren in die Pinealisloge vorwachsen. Tumoren der Pinealisregion zeigen z. T. charakteristische Befunde in der Bildgebung und lassen sich deshalb oft spezifizieren. Früher wurde die Ansprechbarkeit einiger Pinealistumoren auf eine Radiatio als Bestätigung der Diagnostik herangezogen. Heute ist die MRT mit i. v.-Kontrastmittelgabe die Methode der Wahl zur Diagnostik von Tumoren der Pinealisregion und wird häufig auch zur Therapieplanung herangezogen. Der chirurgische Zugang hängt von der Größe der Raumforderungen der Pinealisloge und ihrer genauen Lokalisation, ins-
Klinik Germinome sind die häufigsten Keimzelltumoren und zugleich
die häufigsten Raumforderungen der Pinealisregion (. Abb. 9.108). Diese Tumoren haben eine lange Krankengeschichte mit endokrinen Störungen, hauptsächlich Wachstumsstörungen und Diabetes insipidus, weniger häufig kommt es zu einem Hydrozephalus oder dem Parinaud-Syndrom. Sie können sich ebenso in einer Pubertas praecox bei Jungen äußern. Die Germinome der Pinealisregion haben ihre Inzidenz und ihren Häufigkeitsgipfel in der Pubertät, die meisten Patienten werden klinisch symptomatisch innerhalb der ersten 3 Lebensjahrzehnte. Über 90% der Patienten sind männlich. Studien haben auch eine erhöhte Inzidenz in Japan nachgewiesen. Die Tumoren zeigen eine häufige Aussaat in den Subarachnoidalraum und eine Infiltration des umliegenden Hirnparenchyms. Sie sind in der Regel sehr radiosensitiv und haben insgesamt eine hohe Überlebensrate noch bei weit fortgeschrittenen, disseminierten Metastasen. Intratumorale Blutungen sind häufig anzutreffen. Der zweithäufigste Keimzelltumor der Pinealis ist das Teratom. Diese Tumoren weisen eine große Variabilität in ihrem histologischen Grading auf und zeigen dementsprechend ein variables Wachstum und unterschiedliche klinische Verläufe. Das Teratom tritt früher auf als das Germinom und ist am häufigsten in den ersten 10 Lebensjahren anzutreffen. Da diese Läsionen von allen 3 germinalen Zonen abstammen können, beinhalten sie Haare, Zähne, Knochen und Fett. Fast immer sind zystische Veränderungen und Einblutungen nachweisbar. Embryonale Karzinome, Dottersacktumoren, Chorionkarzinome und gemischte Keimzelltumoren sind seltener und haben eine schlechte Prognose aufgrund ihrer hohen Malignität. Diese Raumforderungen zeigen häufig Einblutungen. Die Diagnose kann manchmal ohne Biopsie gestellt werden, wenn erhöhtes humanes Choriongonadotropin oder α-Fetoprotein im Serum oder Liquor nachgewiesen werden kann. Die Überlebensrate kann verbessert werden durch eine kombinierte Radio- und Chemotherapie.
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. Abb. 9.108a–d. Germinom. Supraselläre Raumforderung im Bereich des Recessus infundibularis des 3. Ventrikels. a Das histologisch gesicherte Germinom zeigt in T2-Wichtung ein inhomogenes intermediäres und b in na-
tiver T1-Wichtung ein isointenses Signalverhalten im Vergleich zur weißen Substanz. c, d Nach KM-Gabe weitgehend homogenes KM-Enhancement
Bildgebung Germinome der Pinealis sind gut umschriebene, relativ homo-
und keine zystischen Veränderungen. Dies gilt allerdings nicht für Germinome im Bereich der Basalganglien. Teratome der Pinealisregion erscheinen in der MRT sehr heterogen aufgrund ihrer verschiedenen Gewebearten, z. B. intratumorale Blutungen, Fett und zystische Anteilen. Teratome zeigen häufig ausgedehnte Verkalkungen oder knöcherne Veränderungen. Das Enhancement nach Kontrastmittelgabe ist bei Teratomen sehr variabel. Differenzialdiagnostisch muss auch an rhabdoide Tumoren gedacht werden oder auch an höhergradige Astrozytome.
gene Läsionen, die nicht von der Pinealis abzugrenzen sind. Sie zeigen häufig eine Isointensität zur grauen Hirnsubstanz auf T2gewichteten Sequenzen. Intratumorale Einblutungen sind häufiger bei Pinealistumoren anzutreffen, oft zeigt sich dann zugleich ein Ödem im angrenzenden Hirnparenchym. Eine Ausbreitung im Subarachnoidalraum ist ebenfalls häufig anzutreffen. Germinome und ihre Metastasen weisen ein deutliches, homogenes Enhancement nach Kontrastmittelgabe auf. Germinome der Pinealisregion enthalten normalerweise keine Verkalkungen
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b . Abb. 9.109a–c. Pinealoblastom. a Der hochmaligne primitive embryonale Tumor im Bereich der Pinealisloge zeigt in FLAIR-Technik (a) ein weitgehend homogenes, intermediäres Signalverhalten. b, c Nach KM-Gabe ist hier ein homogenes Enhancement festzustellen, allerdings kann bei diesen Tumoren auch ein heterogenes Enhancement nachgewiesen werden
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Pinealiszelltumoren Pinealiszelltumoren, Pineoblastome (WHO Grad IV) und Pineozytome (WHO Grad II) sind seltener als Germinome oder Teratome anzutreffen. Diese Läsionen zeigen keine Geschlechtsprädilektion. Die Tumoren stammen von neuroepithelialen Zellen der Pinealis ab. Dabei können verschiedene Tumorgraduierungen innerhalb eines Pinealiszelltumors angetroffen werden (WHO Grad II und III). Die Pineoblastome und Pineozytome können Melanin enthalten. Pineoblastome treten normalerweise im Kindesalter auf, sind zellreich und infiltrieren das umliegende Hirnparenchym (. Abb. 9.109). Sie zeigen häufig fokale Einblutungen und regressive Veränderungen. Histologisch ähneln die Tumoren Medulloblastomen und anderen primitiven, nichtdifferenzierten Neoplasien. Pineoblastome breiten sich bereits früh in den Subarachnoidalraum aus. Die Prognose bei Kindern mit Pineoblastomen ist schlechter als bei Kindern mit Medulloblastomen. Eine seltene
Variante des Pineoblastoms ist das »bilaterale Retinoblastom«. Dieser Terminus wird bei Patienten mit bilateralen Retinoblastomen und einem Pineoblastom verwendet. Es handelt sich dabei um ein vererbbares Syndrom. Bei Patienten mit bilateralen Retinoblastomen muss die Pinealisloge unbedingt mit untersucht werden. Pineozytome sind häufig im mittleren Alter und bei älteren Erwachsenen anzutreffen. Diese Tumoren sind gut umschriebene Läsionen, die normalerweise das umliegende Hirnparenchym nicht infiltrieren. Pineozytome sind weniger zellreich als Pineoblastome. Diese Tumoren stellen solide Raumforderungen dar, weniger zystische Läsionen. Daher sollte der Nachweis einer zystischen Pinealisraumforderung eher an eine einfache Pinealiszyste als an diese Tumorform denken lassen Pineozytome zeigen einen gutartigeren Verlauf. Es treten aber auch aggressivere Varianten mit kürzeren Überlebensraten bei weniger differenzierten Tumorformen auf. Differenzialdiagnose. Die spezifische Diagnostik und histopa-
thologische Typisierung der Pinealiszelltumoren ist mit der Bildgebung allein oft nicht möglich. Vor allem ist es wichtig, eine Pinealisneoplasie und eine Pinealiszyste zu unterscheiden (s. unten). In der MRT stellen sich Pinealisneoplasien als lobulierte solide Tumoren dar, die kräftig Kontrastmittel aufnehmen. Zystische Läsionen sollten in den meisten Fällen als Pinealiszysten beschrieben werden. Die Signalintensität variiert. In der Regel zeigen Pineoblastome ein isointenses Verhalten gegenüber der grauen Hirnsubstanz auf T2-gewichteten Spinecho-Sequenzen.
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. Abb. 9.110a, b. Pinealiszyste. a In den axialen T1w-Sequenzen nach KM-Gabe zeigt sich eine kleine liquorisointense zystische Struktur in der Pi-
nealisloge, die KM-gefüllten Venen führen um diese Läsion. b In den koronaren T2w-Sequenzen zeigt sich die zystische Formation in der Pinealisloge
Ein atypisches Signalverhalten tritt bei primitiveren Tumoren auf. Germinome der Pinealisregion sind häufig von Pineoblastomen in der MR-Bildgebung nicht zu differenzieren. Pineozytome haben ein höheres Signal in den T2-gewichteten Sequenzen. Sowohl Pineoblastome als auch Pineozytome können kalzifizieren; intratumorale Kalzifikationen treten dabei äufiger bei Pineozytomen auf.
nealisgewebe kann jedoch ein deutliches Enhancement zeigen, da die Pinealis keine Blut-Hirn-Schranke in ihren Kapillaren aufweist.
Pinealiszysten Definition, Epidemiologie, Klinik
Pinealiszysten sind häufige Befunde und werden in bis zu 40% bei Routineautopsien nachgewiesen. Diese zufällige, nichtneoplastische gliale Läsion wird seit der Einführung der MRT häufiger diagnostiziert. Auch große Pinealiszysten mit Kompression des dorsalen Mittelhirns bleiben in der Regel asymptomatisch, manchmal kann es auch zu Einblutungen in die Zyste kommen. Seltener kann die Raumforderung der Pinealiszyste zu einer Aquäduktstenose mit sekundärem Hydrozephalus führen. Bildgebung
Die Diagnose einer Pinealiszyste in der MRT basiert v. a. auf dem morpholgischen Bild und weniger auf der Signalintensität. Pinealiszysten sind rund und gut abgegrenzt. Sie können relativ klein und innerhalb des Parenchyms der Pinealis gelegen sein, aber auch die gesamte Pinealisloge ausfüllen. Die meisten Pinealiszysten zeigen ein isointenses Signalverhalten zu Liquor in den T1und T2-gewichteten Sequenzen (. Abb. 9.110), sie können aber auch eine Hypointensität aufweisen. Diese relative Hypointensität der Zystenflüssigkeit kann verschiedene Ursachen haben: zum einen ein höherer Proteingehalt, zum anderen ältere Einblutungen. Pinealiszysten zeigen normalerweise kein Enhancement nach Kontrastmittelgabe. Das umliegende, noch vorhandene Pi-
Kolloidzysten Definition, Epidemiologie, Pathologie Kolloidzysten sind seltene, benigne und mit Epithel ausgekleidete Zysten im anterioren Abschnitt des 3. Ventrikels. Zunächst wurde angenommen, dass diese Läsionen vom primitiven Neuroepithelium abstammen. Neuere Untersuchungen zeigen jedoch, dass sie vom Endoderm entspringen. Kolloidzysten sind die häufigsten neuroepithelialen Zysten. Sie können ebenso im Bereich des Plexus choroideus, in den Seitenventrikeln oder im Subarachnoidalraum vorkommen, selten sogar im Hirnparenchym. Es wird geschätzt, dass Kolloidzysten etwa 2% aller glialen Neoplasien ausmachen. Ein Unterscheidungskriterium der Kolloidzysten von anderen neuroepithelialen Zysten ist außer ihrer Lokalisation die Zusammensetzung des Zysteninhalts. Kolloidzysten enthalten denses mukoides Material einschließlich älteren Blutbestandteilen, wie Hämosiderin, Makrophagen und Cholesterinkristallen. Daneben können sie aber auch verschiedene Ionen – Natrium, Magnesium, Kalzium, Kupfer, Aluminium, Eisen und Phosphor – enthalten. Einige dieser Ionen zeigen in der MRT ein paramagnetisches Verhalten. Andere Zysten enthalten klare seröse Flüssigkeit, ähnlich wie Liquor, und zeigen dementsprechend nur eine geringe Abweichung zu Liquor in den verschiedenen MR-Sequenzen.
Klinik Kolloidzysten werden dann symptomatisch, wenn sie die Foramina Monroi okkludieren und einen Hydrozephalus hervorru-
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b . Abb. 9.111a–c. Kolloidzyste. a In den nativen CT-Aufnahmen stellt sich eine relativ glatt begrenzte, ca. 1,5 cm große Struktur im vorderen Abschnitt des 3. Ventrikels dar, die zu einer Verlegung der Foramina Monroi mit entsprechendem konsekutivem Liquoraufstau geführt hat. b In den axialen T2w-Sequenzen stellt sich die Zyste hypointens dar, dies spricht für eine Kolloidzyste im vorderen Abschnitt des 3. Ventrikels. c In den axialen T1wSequenzen nach KM-Gabe stellt sich die Zyste leicht hyperintens dar. Keine wesentliche KM-Aufnahme der Zystenwand
Bildgebung
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fen. Dies kann nur intermittierend, z. T. aber auch dauerhaft geschehen Die klinischen Symptome der meist jungen bis mittelalten Patienten sind Kopfschmerzen, plötzliche Paresen der unteren Extremitäten, Inkontinenz und Persönlichkeitsstörungen oder Demenz. Das klinische Erscheinungsbild wird zum einen auf die Lokalisation der Kolloidzysten zurückgeführt, zum anderen auch auf die Lage im vorderen oberen Abschnitt des 3. Ventrikels zwischen den Fornices.
Die Diagnose einer Kolloidzyste basiert im Wesentlichen auf der Lokalisation und Morphologie (. Abb. 9.111). Mehrere andere pathologische Prozesse können in derselben Region vorkommen, einschließlich Neoplasien des Plexus choroideus, Meningeomen, Gliomen und Granulomen. Kolloidzysten zeigen in der Regel ein sehr variables Signalverhalten in der MRT. In den T2gewichteten Sequenzen zeigen sie meist eine deutliche Hyperintensität, obwohl auch hypointense und zum Liquor isointense Kolloidzysten beschrieben worden sind. Auf T1-gewichteten Sequenzen zeigen sie meist ebenfalls eine Hyperintensität. Aber auch hier wurden hypointense Kolloidzysten beschrieben. Dieses Spektrum der Signalgebung beruht v. a. auf der Konzentration von paramagnetischen Substanzen, freiem Wasser und mukoidem Material in den Zysten. Eine dünne Wand ist nahezu immer abgrenzbar. Die Wand der Kolloidzysten kann nach i.v.-Kontrastmittelgabe eine Anreicherung zeigen, obwohl ein solides Enhancement auf eine andere Diagnose hinweist.
Primäre Lymphome Definition, Epidemiologie, Lokalisation Der Begriff malignes Lymphom umfasst Tumoren des lymphoretikulären Systems und schließt folgende Entitäten ein: 4 das Retikulozellsarkom 4 das adventitielle Sarkom
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. Abb. 9.112. Lymphom. 50-jähriger Patient mit zerebralem Lymphom. a T2-Sequenz, rechts frontale Läsion mit großem perifokalem Ödem, eingebluteter Anteil des Tumors hypointens. b T1-Sequenz nach KM-Gabe, parasagittaler KM-aufnehmender Herd. c Lokalisation der spektroskopischen Messung im parasagittalen Herd, um Artefakte durch Blut an der großen
frontalen Läsion zu vermeiden. d Trotz kleiner Läsion und Einbeziehung von normalem Hirngewebe in die Messung signifikante Erhöhung von Cho und Erniedrigung von NAA im Tumorspektrum (TE = 135 ms), Laktatpeak nachweisbar. (Aus: Radiologe 2007;47:525, Abb. 7a-d)
4 das Plasmozytom 4 das hypothalamische Granulom (Histiozytose) 4 den Morbus Hodgkin
Primäre Lymphome des Zentralnervensystems sind mit ungefähr 1% aller primären Hirntumoren selten, sie zeigen aber einen 10-fachen Anstieg in den letzten beiden Jahrzehnten. Dieser Anstieg wird nicht nur durch Patienten mit HIV-Infektion hervorgerufen, sondern auch durch die steigende Zahl immunsupprimierter Patienten. Die Ursache des primären ZNS-Lymphoms bleibt unklar, da das Zentralnervensystem nicht über ein endokrines lymphatisches Gewebe oder eine Lymphdrainage verfügt. Es
Von den primären malignen Lymphomen sind die sekundären Tumoren abzugrenzen, wobei auch leukämische Infiltrate des Gehirns vorkommen können. Die Tumoren werden in den Graden 3–4 gefunden.
187 9.4 · Intrakranielle Tumoren
gibt im Wesentlichen 3 Gruppen von Patienten mit einem erhöhten Risiko, ein primäres ZNS-Lymphom zu entwickeln: 4 organtransplantierte Patienten 4 Patienten mit kongenitalem Immundefekt 4 Patienten mit HIV-Infektion und anderen systemischen Erkrankungen, die mit einem Immundefizit einhergehen
Bei HIV-Patienten fällt häufig ein ringförmiges Enhancement nach Kontrastmittelgabe auf. Diese Patienten haben in der Regel auch ein ausgedehntes perifokales Ödem. Eine leptomeningeale Absiedlung kann der CT-Diagnostik entgehen. Sie kann aber in der MRT nach i. v.-Kontrastmittel-Applikation nachgewiesen werden.
Arachnoidalzysten Definition, Epidemiologie, Lokalisation
Der Altersgipfel bei Patienten ohne HIV-Infektion ist das 6. Lebensjahrzehnt. Über 90% der primären ZNS-Lymphome sind vom Non-Hodgkin-Typ. Wenn ein Non-Hodgkin-Lymphom das Gehirnparenchym infiltriert, ist dies meist die Folge einer systemischen Erkrankung oder einer duralen Proliferation. Fokale intrazerebrale Raumforderungen sind meist die ersten Erscheinungsbilder eines primären ZNS-Lymphoms. Eine Ausbreitung in den Subarachnoidalraum ist extrem selten. Der Tumor kommt in 75–85% der Fälle supratentoriell vor. Eine Multifokalität ist häufig und wird in knapp der Hälfte aller Fälle nachgewiesen. Intrakranielle Metastasen von systemischen Lymphomen sind entweder leptomeningealen Ursprungs oder innerhalb der Dura lokalisiert.
Arachnoidalzysten werden oft erst im Erwachsenenalter diagnostiziert. Es handelt sich um abgeschlossene Hohlräume zwischen Arachnoidea und Pia mater, die als kongenitale Fehlbildung erscheinen. Bevorzugter Sitz sind die basalen und die Interhemisphärenzisternen. Häufig finden sie sich jedoch auch in der Fissura Sylvii und in der Fossa temporalis (. Abb. 9.38). Auch Kombinationen mit einer Temporallappenpolagenesie sind möglich. Die Zysten sind flüssigkeitsgefüllt und wachsen langsam. Arachnoidalzysten machen etwa 1% aller nichttraumatischen, intrakraniellen Raumforderungen aus. Sie kommen in allen Altersgruppen vor, jedoch in 75% bei Kindern. Bei Männern sind sie häufiger nachweisbar (3:1).
Prognose
Bildgebung
Nach Radiatio zeigen 60% der primären ZNS-Lymphome eine komplette Remission mit einer mittleren Überlebenszeit von >12 Monaten. Dabei weisen Patienten mit einer solitären Läsion längere Überlebensraten auf als Patienten mit multiplen Läsionen.
7 Kap. 9.2.10.
Bildgebung In der CT erscheinen Lymphome nativ meist als homogene isodense bis leicht hypodense Raumforderung mit perifokalem Ödem. Auch hier kommt es nach Kontrastmittelgabe zu einem deutlichen Enhancement, was zu einer guten Abgrenzbarkeit des Tumors führt. Das klinische und computertomographische Bild ähnelt dem der rasch wachsenden Gliome und Metastasen, gelegentlich, wenn die Tumoren cortexnah gelegen sind, auch Meningeomen. In der MRT erscheinen die Tumoren in den meisten Fällen signalintensiv auf T2-gewichteten Sequenzen, z. T. finden sich aber auch Signalabschwächungen als Ausdruck eines paramagnetischen Effekts der Tumorzellen. Die Tumoren sind auf den Aufnahmen relativ scharf begrenzt. Nach Kontrastmittelgabe kommt es zu einem typischen homogenen Enhancement (. Abb. 9.112). Die fokalen Tumoren sind häufig von einem ausgedehnten Perifokalödem umgeben, welches durch Kontrastmittelgabe besser abgrenzbar ist. Diffus wachsende Lymphome zeigen häufig weder ein Perifokalödem noch eine KontrastmittelAnreicherung. Iso- bis Hypointensität gegenüber der grauen Substanz auf T2-gewichteten Sequenzen ist v. a. auf die hohe Zelldichte im Tumor zurückzuführen. > Charakteristisch sind die hohe Strahlensensitivität und die Wirkung der Kortisongabe, welche früher auch zur diagnostischen Differenzierung herangezogen worden ist. Ein Steroid kann einen dramatischen Effekt zeigen, sodass vor einer diagnostischen Biopsie Kortison gegeben werden sollte.
Hamartome Definition, Lokalisation Diese Missbildungstumoren bestehen histologisch aus glioseähnlichem Gewebe. Typische Lokalisation ist der Temporallappen. Folgen sind bereits im Kindesalter psychomotorische Anfälle. Meistens zeigen sich keine Raumforderungszeichen. Eine weitere typische Lokalisation ist vor dem Hypophysenstiel und hinter den Corpora mamillaria. Hamartome in dieser Region sind kongenitale, nichtneoplastische Heterotopien; sie setzen sich aus neuronalem Gewebe zusammen. Diese seltenen Läsionen finden sich hauptsächlich bei Männern.
Klinik Das Hamartom ist typischerweise pedunkuliert und im Bereich der Höhle zwischen Hypophysenstiel und Corpora mamillaria (Tuber cinereum) angeheftet. Größere Läsionen können mit den Pallister-Hall-Syndrom assoziiert sein. Hier kommen Gewichtsanomalien, Polydaktylie, ein nicht perforierter Anus und hypothalamische Hamartome vor. Bei den 2 klinischen Hauptsymptomen, Pubertas praecox und Krampfanfällen, oft der charakteristische gelastische Typ (Lachkrampf), sollte an ein Hamartom gedacht werden. Neuronale Entwicklungsverzögerung und Hyperaktivität gehen mit Läsionen >1 cm einher.
Bildgebung Die Läsionen haben eine Größe von wenigen Millimetern bis 4 cm und zeigen weder in der CT noch in der MRT ein eindeutiges Enhancement (. Abb. 9.88). In der CT erscheinen sie als rundliche, zum übrigen Hirngewebe isodense Raumforderungen. Selten mit zystischen Komponenten in den axialen Schichten scheinen diese in den suprasellären/intrapedunkulären Zisternen zu liegen. Blutungen finden sich nicht, äußerst selten Kalzifikationen.
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Kapitel 9 · Gehirn
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b . Abb. 9.113a–c. Extraaxiales Lipom. a In den T2w-Sequenzen stellt sich das Lipom links temporal hyperintens dar, ist theoretisch von einer Zyste nicht richtig abgrenzbar. b In den T1w-Sequenzen vor KM-Gabe zeigt diese Struktur eine deutliche Hyperintensität, vom Signal vergleichbar mit dem subkutanen Fettgewebe. c In den fettunterdrückten T1w-Sequenzen lässt sich das hyperintense Signal vollständig supprimieren, dies spricht eindeutig für ein Lipom
Kleine Läsionen werden leicht übersehen, daher ist eine dünne Schichtführung ausschlaggebend (T1- und T2-gewichtete volumetrische Sequenzen, z. B. MPRage, TRUFISP, und eine koronare, hochauflösende Phasen-SE-T2-gewichtete Sequenz mit 2–3 mm Schichtdicke). Diese sollte bei jedem Kind mit Pubertas praecox oder gelastischen Krampfanfällen durchgeführt werden, da diese Läsionen in der Bildgebung sonst kaum nachgewiesen werden können.
Lipom Ätiologie c
In der MRT erscheinen die Hamartome auf T1-gewichteten Sequenzen isointens zur grauen Hirnsubstanz, in T2-gewichteten Sequenzen iso- oder hyperintens. Die MRT ist für die Diagnose deutlich sensitiver und spezifischer als die CT. Sagittale Sequenzen sollten sowohl in T1- als auch in T2-gewichteten Bildern akquiriert werden. Der Boden des 3. Ventrikels sollte vom Infundibulum bis zu den Corpora mamillaria glatt abgegrenzt sein. Bei jeder knotigen Unregelmäßigkeit muss bei entsprechender Klinik der Verdacht auf ein Hamartom geäußert werden.
ZNS-Lipome sind Malformationen, keine Neoplasien. Subarachnoidale Lipome entstehen durch kongenitale Fehlbildungen der Leptomeningen. Bei unvollständiger Absorption der Meninx primitiva in der embryonalen Phase können sich diese Zellen zu Fettgewebe differenzieren.
Bildgebung Computertomographisch sind die Lipome als scharf konturierte homogene, hypodense Herde (weniger als –100 HE) zu erkennen. Gelegentlich besitzen sie einen kalzifizierten, hyperdensen Saum. In der MRT zeigt sich das typische Signalverhalten mit deutlicher Signalanhebung auf den T1- und geringer Signalintensität auf den T2-betonten Sequenzen. Abgesehen von Verkalkungs-
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. Abb. 9.114a–d. Plexuspapillom. a Bei diesem 7-jährigen Jungen zeigt sich in den T2-gewichteten Sequenzen eine Aufweitung und Signalsteigerung am Hinterhorn links. b T1-gewichtete Sequenz vor KM-Gabe. c, d Nach KM-Gabe axial und koronar zeigen sich ein kräftiges homogenes Enhance-
ment am medialen Rand des Hinterhorns, das insgesamt deutlich aufgeweitet erscheint, und die deutliche und homogene KM-Aufnahme des Plexuspapilloms
arealen gleicht das Signalverhalten dem subkutanen Fett. Entscheidend ist ein Signalverlust auf fettsupprimierten Bildern (. Abb. 9.113). Auch neurovaskuläre Strukturen, welche über die Raumforderung ziehen, sind häufig zu erkennen. Die Diagnose kann durch Fettsättigung oder durch Chemical-Shift-Artefakte, die am besten auf protonendichtegewichteten Sequenzen zu sehen sind, bestätigt werden. Fett innerhalb der Höhle des petrösen Knochens kann mit einem Lipom des inneren Gehörgangs verwechselt werden.
Wenn eine T1-gewichtete Sequenz nur nach Kontrastmittelgabe gefahren wird, kann ein Lipom mit einer enhancenden Läsion, wie einem Akustikusneurinom (. Abb. 9.85), verwechselt werden. Das Chemical Shift ist weniger deutlich bei einer Erhöhung der Bandweite. Nerven, z. B. der 8. Hirnnerv, und Blutgefäße ziehen über und durch die Läsion und können beim Versuch der Resektion verletzt werden.
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Kapitel 9 · Gehirn
Plexustumoren Epidemiologie, Klassifikation Plexustumoren sind seltene Tumoren und machen nur etwa 0,5% aller Hirntumoren aus. Bei Kindern und Jugendlichen treten sie v. a. im Seitenventrikel auf, bei Erwachsenen v. a. im 3. und 4. Ventrikel. Plexustumoren gehen vom Plexus choroideus aus, man unterscheidet die Plexuspapillome (. Abb. 9.114), gutartige WHO Grad I-Tumoren, die v. a. bei Kindern auftreten, von den Plexuskarzinomen (Grad III und IV). Das anaplastische Plexuskarzinom kann von der gutartigen Variante, dem Plexuspapillom, oft nicht differenziert werden.
Bildgebung
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In der CT sind die Tumoren meist iso- bis leicht hypodens mit starkem Kontrastmittel-Enhancement. Im MRT sind sie in der T1-Wichtung oft isointens zur grauen Substanz, in der T2-Wichtung mäßig hyperintens. Der Tumor ist meist relativ gut begrenzt, hat ein mäßiges Ödem und weist ein starkes Kontrastmittel-Enhancement auf. Klinisch zeigen sich oft Zeichen eines erhöhten intrakraniellen Drucks, der meist durch eine Passagebehinderung der Liquorzirkulation hervorgerufen wird, selten durch eine Hypersekretion, die durch den Tumor bedingt ist.
9.4.7
Tumoren der Sellaregion
Anatomie Die etwa kirschkerngroße Hypophyse liegt eingebettet in einer kleinen Knochengruppe der vorderen Schädelbasis, der Sella turcica, unter dem Zwischenhirn. Sie sezerniert verschiedene Hormone in das Blut. Ein Teil des Zwischenhirns, der Hypothalamus, beeinflusst wiederum die Aktion der Hypophyse durch die Ausschüttung von Transmitterhormonen und ist mit ihr durch den Hypophysenstiel verbunden. Somit kommt diesem System eine zentrale Rolle bei der Verknüpfung des Nervensystems mit dem Hormonhaushalt zu. Die Hypophyse setzt sich aus 2 Teilen zusammen: 4 der Hypophysenvorderlappen (HVL, Adenohypophyse) produziert die Hormone: 5 Wachstumshormon (Somatotropin – STH), Prolaktin, 5 Sexualhormone (Gonadotropine – LH/FSH), 5 nebennierenrindenstimulierendes Hormon (adrenokortikotropes Hormon – ACTH), 5 schilddrüsenstimulierendes Hormon (thyreoideastimulierendes Hormon – TSH); 4 der Hypophysenhinterlappen (HHL, Neurohypophyse) sezerniert die Hormone: 5 antidiuretisches Hormon (Adiuretin/Vasopressin – ADH), 5 Oxytocin. Die endokrine Drüse steht über den Hypophysenstiel (Infundibulum) mit dem Hypothalamus in Verbindung. Anatomie der Sellaregion. Die Hypophyse liegt anatomisch gesehen in einer knöchernen Vertiefung des Keilbeins, dem so genannten Türkensattel (Sella turcica). Die Sella grenzt nach
vorne und teilweise unten an die Keilbeinhöhle (Sinus sphenoidalis). Zu beiden Seiten grenzt die Struktur des Sinus cavernosus an, in dem sich die A. carotis interna befindet und durch den einige Hirnnerven laufen, nämlich die Nn. oculomotorius, abducens und trochlearis. Anteile des Trigeminusnervs (1. und 2. Ast) befinden sich ebenfalls im Sinus cavernosus. Nach hinten grenzt die Hypophyse an die präpontine Zisterne. Oberhalb der Hypophyse befindet sich die supraselläre Zisterne, in der sich der Hypophysenstiel und die Sehnervenkreuzung befinden, noch weiter rostral befindet sich dann der Hypothalamus als ein Teil des Zwischenhirns. Die Hypophyse selbst ist in einen Hypophysenvorderlappen und einen -hinterlappen unterteilt (s. oben).
Epidemiologie Etwa 10–15% der im Schädel nachgewiesenen Tumoren sind Hypophysentumoren. Die Tumoren der Hypophysenregion sind überwiegend gutartig. Die meisten entstehen aus Zellen des Hypophysenvorderlappens und werden Hypophysenadenome genannt.
Klassifikation, Klinik Man unterscheidet hormonaktive und hormoninaktive Tumoren. Es werden Mikroadenome mit einem Durchmesser bis 10 mm und Makroadenome >10 mm unterschieden (. Abb. 9.115, 9.116). Eine seltenere Gruppe von Tumoren der Hypophysenregion sind die Kraniopharyngeome, die aus Zellnestern der so genannten Rathke-Tasche entstehen. Sie produzieren selbst keine Hormone und fallen durch Sehstörungen und eine Minderfunktion der Hypophyse auf. Bei den anderen Tumoren der Hypophysenregion kann es zur Einschränkung der Hypophysenfunktion (Hypophyseninsuffizienz) kommen, aber auch zu einem Hypersekretionssyndrom (Akromegalie, Cushing-Syndrom), u. a. durch ein Prolaktinom oder TSH-sezernierendes Adenom. Unmittelbar über der Hypophysenregion liegt das Chiasma opticum, wodurch es bei Tumoren der Hypophysenregion zur Beeinträchtigung des Sehens kommen kann, meist als Verschlechterung des lateralen Sehfeldes beider Augen (bitemporale Hemianopsie).
Diagnose Die Diagnostik der Hormonstörung erfolgt in der Regel durch endokrinologische Untersuchungen im Blut. Die bildgebende Untersuchung der Wahl ist die Kernspintomographie der Hypophysenregion in dünnschichtiger koronarer und sagittaler Schichtführung in T1-gewichteter Technik vor und nach Kontrastmittel-Applikation.
Raumfordernde Prozesse im Bereich von Hypophyse und Hypothalamus 4 4 4 4 6
Hypophysenadenom Kraniopharyngeom Meningeom Germinom
191 9.4 · Intrakranielle Tumoren
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. Abb. 9.115a, b. Mikroadenom. a In den koronaren T1w-Sequenzen vor KM-Gabe Darstellung der Hypophyse und des Hypophysenstiels, der leicht nach links verlagert. Die Hypophyse stellt sich mit nahezu hirninsointensem Signal dar. b Nach KM-Gabe zeigt sich ein normales Enhancement des Hy-
4 Gliom 4 Metastasen, besonders bei Mamma-, Bronchial-, Nierenzell- und Prostatakarzinom 4 Lymphome 4 Granulomatöse Erkrankungen (Sarkoidose, Tuberkulose (7 Kap. 9.6), Histiozytose) 4 Chordome 4 Rathke-Taschen-Zyste 4 Epidermoidzyste 4 Aneurysmen
Hypophysenadenome Definition, Epidemiologie, Klassifikation Hypophysenadenome sind seltene, gutartige Tumoren, die von den Zellen des Hypophysenvorderlappens ausgehen. Die jährliche Inzidenz klinischer, sich manifestierender Adenome beträgt etwa 30–40/1 000 000 Einwohner. Man unterscheidet endokrin inaktive Adenome (etwa 40% aller Hypophysenadenome) und hormonsezernierende Adenome, zu dem das Prolaktinom (etwa 30%), das Wachstumshormon (GH) sezernierende Adenom (etwa 20%) und das ACTHproduzierende Adenom (etwa 5%) zählen. Selten werden TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon) oder LH/FSH (luteinisierendes Hormon/follikelstimulierendes Hormon) sezerniert. Hypophysenkarzinome sind eine Rarität, sie können ebenfalls eine Hormonproduktion aufweisen (Prolaktin, GH, ACTH). Von den Hypophysenadenomen sind andere Erkrankungen abzugrenzen, z. B. Störung der Hypophysenfunktion, das so ge-
pophysengewebes links, während eine Hypointensität in der rechten Hälfte der Hypophyse nachweisbar ist, dem Mikroadenom entsprechend (Aus: Radiologe 2009, Tumoren der Sellaregion)
nannte Empty-Sella-Syndrom, Zustand nach Schädelbestrahlung, traumatisch bedingte Hypophyseninsuffizienz, verschiedene Formen der Hypophysitis, Morbus Sheehan, angeborene hypothalamisch oder hypophysär bedingte Störungen der Hormonbildung. > Die niedrige Inzidenz und Prävalenz der Hypophysenkrankheiten führen dazu, dass die Diagnose häufig erst Jahre nach dem Auftreten erster klinischer Symptome gestellt wird.
Krankheitsverlauf Unbehandelte oder nicht adäquat behandelte Hypophysenadenome verursachen eine erhöhte Morbidität und Mortalität. Bei der Akromegalie liegen u. a. auch ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko und ein erhöhtes Malignomrisiko vor, Prolaktinome begünstigen bei inadäquater Therapie neben einer Infertilität eine Osteoporose. Eine Hypophyseninsuffizienz ist langfristig ebenfalls mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität assoziiert sowie mit einer Einschränkung von Leistungsfähigkeit, Wohlbefinden und Lebensqualität.
Klinik Die Leitsymptome von Patienten mit Hypophysenadenomen lassen sich auf folgende Faktoren zurückführen: 4 die Überproduktion der Hormone bei sezernierenden Adenomen 4 den Ausfall hypophysärer Funktionen 4 und/oder die Raumforderung des Adenoms Patienten mit Hypophysenadenomen haben oft unspezifische Symptome. Bei der Akromegalie können Beschwerden im Be-
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Kapitel 9 · Gehirn
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. Abb. 9.116a–d. Makroadenom. a In der koronaren T1w-Aufnahme ist das Makroadenom mit Ausdehnung bis zum Chiasma zu erkennen. b Nach KM-Gabe zeigt sich ein homogenes Enhancement. Das Makroadenom dehnt sich bis in den Sinus cavernosus links aus. c, d In den sagittalen T1w-
Sequenzen vor (c) und nach KM-Gabe (d) zeigt sich eine Zyste im Makroadenom als Ausdruck regressiver Veränderungen (Aus: Radiologe 2009, Tumoren der Sellaregion)
reich des Kiefers, ein Karpaltunnelsyndrom oder ein Schlafapnoe-Syndrom die wegweisenden Leitsymptome sein. Bei Patienten mit Prolaktinom oder mit einer Hypophyseninsuffizienz bestimmen Zyklusstörungen, Amenorrhoe, Libido- und Potenzstörungen oder eine Infertilität das Beschwerdebild. Patienten mit einem Morbus Cushing können durch psychiatrische Symptome, wie Depression, Angst oder auch Euphorie auffallen. Bei allen großen Adenomen mit Chiasma-Syndrom stehen Einschränkungen des Gesichtsfeldes und Sehstörungen im Vor-
dergrund. Leitsymptom bei Frauen mit einem Makroadenom ist eine Amenorrhoe.
Diagnose Endokrinologische Basisdiagnostik. Zum laborchemischen Ba-
sisprogramm bei Verdacht auf Hypophysenerkrankung mit einer Hormonüber- oder -unterproduktion gehört die differenzierte Bestimmung von Cortisol, TSH, fT4, GH, EGF-1, LH, FSH, Testosteron-/Östradiol bzw. Prolaktin. Die Beurteilung der Hor-
193 9.4 · Intrakranielle Tumoren
monwerte und der Testergebnisse muss in Kenntnis der klinischen Fragestellung durch einen endokrinologisch erfahrenen Arzt erfolgen: 4 Prolaktinom: Bei klinischem Verdacht auf ein Prolaktinom muss das Prolaktin bestimmt werden. Der Referenzbereich liegt bei Frauen bei <25 ng/ml, für Männer bei <15 ng/ml. Eine Konzentration von >200 ng/ml ist für ein Prolaktinom nahezu beweisend. In diesen Fällen muss immer eine bildgebende Diagnostik mit MRT erfolgen. 4 Akromegalie: Bei klinischem Verdacht auf eine Akromegalie sollte ein oraler Glukosebelastungstest (oGTT/GH-Suppressionstest) bei nüchternem Patienten mit 75 g Glukose mit einer handelsüblichen Trinklösung durchgeführt werden. 4 Morbus Cushing: Bei klinischem Verdacht auf ein CushingSyndrom sollte ein ACTH-Kurztest durchgeführt werden. Ein Wert von <200 ng/ml Cortisol im Serum schließt ein Cushing-Syndrom nahezu sicher aus. Bei kleinen ACTHproduzierenden Hypophysenadenomen kann selten eine Suppression von <80 ng/ml vorkommen. In Zweifelsfällen kann eine Bestimmung des freien Cortisols und 24 h-Sammelurin angeschlossen werden. Insuffizienz des Hypophysenvorderlappens. Weisen klinische
Symptome auf den Ausfall einer oder mehrerer hypophysärer Funktionen hin, sollten endokrinologische Funktionstests durchgeführt werden. Die Entscheidung über eine weiterführende Diagnostik einer Hypophyseninsuffizienz sollte im Einzelfall durch einen Spezialisten getroffen werden. Zusätzlich sollte eine MRTUntersuchung der Hypophysenregion erfolgen. Zufällig entdecktes Hypophysenadenom (Inzidentalom). In Autopsiestudien wurden in bis zu 27% der untersuchten Hyophysen Mikroadenome gefunden, die sich zu Lebenszeiten klinisch nicht manifestiert haben. In der MRT-Untersuchung des Schädels aus nicht endokrinologischen Indikationen werden ebenfalls in ca. 10–20% Hypophysenadenome nachgewiesen. Bei Makroadenomen sollte eine Hormonaktivität abgeklärt und die Hypophysenfunktion durch entsprechende endokrinologische Stimulationstests überprüft werden. Da sich zudem die Frage nach einer OP-Indikation stellt, sollten diese Patienten immer frühzeitig einem spezialisierten Zentrum vorgestellt werden. Bei Mikroadenomen steht der Ausschluss einer Hormonaktivität im Vordergrund. Ergeben sich klinisch dafür keine Hinweise, ist eine weiterführende Diagnostik nicht erforderlich. Eine Hypophyseninsuffizienz liegt bei den Mikroadenomen in der Regel nicht vor. Zum Ausschluss einer Größenzunahme sollten regelmäßige MRT-Kontrolluntersuchungen erfolgen. Bildgebung. Das wichtigste bildgebende Verfahren zur Untersuchung der Hypophysenregion ist die MRT. Indikationsstellung, Durchführung, Auswertung und Beurteilung sollten nach den gültigen Richtlinien zur Qualitätssicherung der Bundesärztekammer durchgeführt werden. Dementsprechend soll ein MRT der Sellaregion die Sella und die supraselläre Zisterne vollständig, symmetrisch und artefaktfrei mit zumindest koronaren und sagittalen – falls erforderlich – auch axialen Schichten darstellen.
Die Untersuchung sollte eine Differenzierung von Adenohypophyse und Neurohypophyse ermöglichen. Der Hypophysenstiel, das Infundibulum, das Chiasma und der Sinus cavernosus mit seinen Binnenstrukturen müssen eindeutig voneinander abzugrenzen sein. Eine CT ist nur dann sinnvoll, wenn Knochenerosionen oder Verkalkungen nachgewiesen werden sollen bzw. eine MRT-Untersuchung nicht durchgeführt werden kann. > Die Bildgebung sollte nur dann durchgeführt werden, wenn: 5 die endokrinologische Diagnostik eine Funktionsstörung der Hypophyse nachgewiesen hat und/ oder 5 Symptome vorliegen, die auf einen raumfordernden Prozess in der Sellaregion hinweisen.
Da Hypophysenadenome durch Kompression des Chiasma opticum bzw. des Tractus opticus zu typischen Gesichtsfeldausfällen führen können, sollte immer eine augenärztliche Untersuchung vorgenommen werden.
Therapie Die Entscheidung über das therapeutische Vorgehen sollte interdisziplinär zwischen Endokrinologen und Neurochirurgen getroffen werden. Stehen Symptome der raumfordernden Wirkung des Adenoms im Vordergrund (Gesichtsfeldausfälle, Kopfschmerzen) sollte umgehend eine Zuweisung in ein spezialisiertes Zentrum erfolgen. ! Bei akut einsetzenden starken Kopfschmerzen muss an die Möglichkeit einer Tumorapoplexie gedacht werden. In diesem Fall ist wegen des Risikos einer Erblindung eine sofortige Einweisung erforderlich.
Bei der Hypophysenerkrankung empfiehlt sich immer die frühzeitige Zusammenarbeit mit Endokrinologie, Neurochirurgie und Strahlentherapie, um eine adäquate Therapie anzustreben.
Kraniopharyngeom Definition, Epidemiologie Kraniopharyngeome sind gutartige, langsam wachsende Tumore, die in der Region der Sella turcica entstehen, wenn sich Zellreste des während der embryonalen Entwicklung angelegten Ductus craniopharyngeus plötzlich vermehren. Kraniopharyngeome treten bei Kindern und Erwachsenen auf und umfassen ungefähr 3–5%, bei Kindern 5–10% der intrakraniellen Tumore. Bei Kindern machen Kraniopharyngeome ca. 50% aller Tumore der Hypophysenregion aus. Frauen und Männer sind gleich häufig betroffen. Die Altersverteilung liegt bei 5–10 und 40–60 Jahren. Während es im Kinder- und Jugendalter meist einen adamantinösen histologischen Typ mit Zysten ausbildet, wird der Tumor im Erwachsenenalter mit einem Häufigkeitsgipfel im Alter von 50–75 Jahren und vornehmlich vom papillären histologischen Typ diagnostiziert.
Klinik Das klinische Bild bei Erstdiagnose umfasst häufig unspezifische Symptome eines gesteigerten intrakraniellen Drucks, wie Kopfschmerzen und morgendliches Nüchtern-Erbrechen. Weitere
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Kapitel 9 · Gehirn
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b . Abb. 9.117a–d. Kraniopharyngeom. 25-jähriger Patient, bei dem als Zufallsbefund diese supraselläre Raumforderung auffiel. In den a axialen und b sagittalen CT-Aufnahmen zeigt sich eine teilverkalkte Raumforderung mit zystischen Anteilen. c Bereits in den nativen T1w-Sequenzen stellen sich die zystischen Tumoranteile hyperintens dar. d Nach KM-Gabe zeigen sie ein randständiges Enhancement
klinische Leitsymptome sind Sehstörungen und endokrine Ausfälle. Endokrine Ausfälle betreffen die hypothalamisch/ hypophysären Achsen für Wachstumshormon sowie für das adrenokortikotrope Hormon (ACTH) und das Thyreoideastimulierende Hormon (TSH). Ein Diabetes insipidus neurohormonalis besteht präoperativ bei 17% der betroffenen Patienten. > Die Kombination der Leitsymptome Kopfschmerzen, Sehstörung, Wachstumsstörung und Polydipsie/-urie sollte differenzialdiagnostisch den Verdacht auf ein Kraniopharyngeom nahelegen.
Bildgebung Sowohl in der CT als auch der MRT sind Kraniopharyngeome als meist zystische Tumoren der intra- und/oder perisellären Region dargestellt (. Abb. 9.117). Die CT kann Verkalkungen, die in etwa 90% der Tumoren vorliegen, besser detektieren.
d
In der MRT haben Kraniopharyngeome abhängig vom Eiweißgehalt der Zysten eine höchst variable Signalintensität. Solide Tumoranteile und Zystenmembranen sind im T1-Bild isointens und häufig leicht heterogener Struktur. Die häufigste Lokalisation ist suprasellär mit intrasellärem Anteil. In ca. 20% der Fälle lokalisiert sich das Kraniopharyngeom ausschließlich suprasellär, in ca. 5% der Fälle ausschließlich intrasellär. Die Kombinationen von soliden, zystischen und verkalkten Tumoranteilen weist dabei auf die Artdiagnose des Tumors hin.
195 9.4 · Intrakranielle Tumoren
Therapie Der Versuch einer Operation, einer mikroskopischen kompletten Resektion unter Wahrung der optischen und hypothalamischen/ hypophysären Funktion stellt die Therapie der ersten Wahl bei günstiger Lokalisation dar. Bei ungünstiger Lokalisation wird diese Therapieoption kontrovers diskutiert und ist gegen eine geplante begrenzte Resektion mit anschließender Strahlentherapie abzuwägen. Die Progressionsrate nach subtotaler Resektion und nachfolgender Bestrahlung liegt bei 21%.
4 4 4 4 4
Metastasen von anderen Stellen des Körpers, entzündliche Veränderungen (Hypophysitiden), Sarkoidose (. Abb. 9.148), Keimzelltumoren, Germinome (. Abb. 9.108).
9.4.8
Metastasen
Extraaxiale intrakranielle Metastasen Seltenere Tumoren Meningeom. Obwohl sie 15% aller intrakraniellen Tumoren aus-
machen, kommen nur etwa 10% der Meningeome in der Sellaregion vor. Die supra- und parasellären Meningeome stellen damit den dritthäufigsten Tumor dieser Region dar. Das vom Tuberculum sellae ausgehende Meningeom ist ein klassischer suprasellärer Tumor. Es führt häufig zu Sehstörungen. Eine Kompression des Hypophysenstiels mit Hyperprolaktinämie ist oft als einzige Hormonstörung zu finden. Sinus cavernosus-Meningeome können eine Diplopie, Protrusio bulbi, Störungen der Okulomotorik und Hypästhesien im Versorgungsgebiet des N. trigeminus verursachen. Optikusscheidenmeningeome führen häufig zu einer progredienten Visusminderung. Rathke-Taschenzysten. Zysten der Rathke-Tasche ähneln in ih-
rer klinischen und radiologischen Erscheinung dem Kraniopharyngeom. Auch histologisch sind sie schwer vom Kraniopharyngeom und der Kolloidzyste zu unterscheiden. Sie bestehen aus epithelialen Zellen mit einer einschichtigen kubischen Zystenwand, die einer Basalmembran aufsitzt. Kolloidzysten. Kolloidzysten enthalten kolloidartiges Material
und besitzen keine Zystenwand. Sie verursachen häufig endokrinologische Ausfallserscheinungen. Arachnoidalzysten. Arachnoidalzysten führen klinisch häufig zu Kopfschmerzen, Sehstörungen und Hypopituitarismus (. Abb. 9.38). Im MRT kommt lediglich Liquor zur Darstellung, man kann sie leicht mit einer »empty sella« verwechseln. Die Arachnoidalzyste ist eine Zyste mit einer verdickten Membran, die zu einer Kompression des Chiasma opticums und der Sella führen kann, bei der »empty sella« ist lediglich der subarachnoidale Raum erweitert und wölbt sich ohne erhöhten Druck in die Sella vor. Man unterscheidet ein primäres von einem sekundären »empty sella«-Syndrom. Beim primären »empty sella«-Syndrom ist ein nicht vollständig ausgebildetes Diaphragma sellae typisch. Weitere Tumoren dieser Region. Um die Region der Hypophy-
se/Sella können noch andere tumoröse Veränderungen entstehen, die ebenfalls durch Hormonstörungen, Seh- oder Augenmuskelstörungen auffallen. Hierunter fallen neben den Meningeomen: 4 Knochentumoren, z. B. Chordome, 4 zystische Tumoren/Fehlbildungstumoren wie Kraniopharyngeome, 4 Rathke-Zysten, 4 Epidermoide,
Extraaxiale intrakranielle Metastasen finden sich häufig in der klinischen Routine. In einer Autopsiestudie bei Patienten mit extrakraniellen Tumoren und intrakraniellen Metastasen fanden sich in 18% einzig durale Metastasen. Am häufigsten metastasiert das Mammakarzinom nach dural, gefolgt vom Lymphom, dem Prostatakarzinom und dem Neuroblastom. Metastasen können im histologischen Aufbau dem Primärtumor gleichen oder stärker anaplasiert sein. Je nach Tumorart treten nekrotische Einschmelzungen und Einblutungen auf. Meist besteht ein ausgedehntes Perifokalödem, welches die Größe und den raumfordernden Effekt des Tumors weit übertrifft. Die Häufigkeit der Hirnmetastasen, bezogen auf die Zahl der Gesamthirntumoren, variiert zwischen 5–40%, je nachdem, ob Statistiken aus neurochirurgischen Kliniken oder pathologischen Instituten herangezogen werden. In der CT erscheinen die Metastasen als kleine, rundliche Zonen mit unterschiedlichem Signalverhalten. Es besteht ein ausgedehntes Perifokalödem. Nach Kontrastmittelgabe kommt es zu einem kräftigen Enhancement. Seltener sind die Metastasen groß, dann mit zentralen Nekrosen, welche eine Unterscheidung zum Glioblastom erschweren. Einige Metastasen, besonders beim Melanom, neigen zu Tumorblutungen, sodass sie auch als Hirnblutung verkannt werden können. Für eine Hirnmetastase spricht, wenn innerhalb einer ausgedehnten Ödemzone ein kleiner Bezirk Kontrastmittel anreichert. Gerade meningeale Metastasen bleiben nach Kontrastmittelgabe in der Regel oft unerkannt, zeigen sich manchmal nur durch den konsekutiven Hydrozephalus. Die Signalintensität in der MRT ist meist nicht spezifisch, die meisten Metastasen sind auf T1-gewichteten Bildern leicht hypointens zum Cortex und auf T2-gewichteten Bildern leicht hyperintens. Leptomeningeale Metastasen werden in der kontrastverstärkten CT oft nicht gesehen, v. a. Metastasen bei Leukämie oder Lymphom. Auch eine MR-Untersuchung ohne Kontrastmittel ist für diese Tumorentität nicht geeignet. Die Gabe von Kontrastmittel erhöht die Sensitivität bei der Entdeckung leptomeningealer Metastasen. Eine leptomeningeale Tumorinfiltration kann gewöhnlich nicht von anderen diffusen, meningealen Erkrankungen wie der infektiösen Meningitis unterschieden werden. Auch wenn die MRT heutzutage die sensitivste Methode ist, können subependymale/ependymale Tumoraussiedlungen sich ohne Kontrast-Enhancement zeigen und somit übersehen werden. Die Diagnose einer leptomeningealen Aussaat muss sich oft zusätzlich auf andere Befunde wie Liquor oder Klinik stützen. In der CT und selbst in der MRT weist häufig nur ein Hydrozephalus bei einem Patienten mit bekanntem extrakraniellem Malignom auf die Diagnose einer leptomeningealen Karzinomatose
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Kapitel 9 · Gehirn
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d
. Abb. 9.118a–d. Parenchymale Metastase. Histologisch gesicherte Metastase eines Adenokarzinoms. a In den axialen CT-Aufnahmen nach KMGabe zeigt sich eine kräftige randständige Aufnahme der links frontal und zentral gelegenen Raumforderung. b In den nativen T1w-Sequenzen erscheint die Raumforderung weitestgehend hirnparenchym-isointens mit
zentral hypointensem Anteil, passend zu einer zentralen Nekrose. c Ringförmiges Enhancement nach KM-Gabe. d Spätarterielle Phase bei selektiver Darstellung der linken ACI mit Nachweis einer starken Vaskularisation der Raumforderung
hin. Daher sollte hier eine weitere Diagnostik mit Liquoruntersuchung durchgeführt werden.
4 Nierenzellkarzinome 4 Karzinome des Gastrointestinaltrakts 4 Melanome
Intraparenchymale Metastasen 25% aller Raumforderungen im ZNS sind Metastasen. Die häufigsten sind: 4 Bronchialkarzinome 4 Mammakarzinome
Metastasen können überall im Gehirn vorkommen, sind aber meist an der Mark-Rinden-Grenze lokalisiert. 80% aller Hirnmetastasen sind supratentoriell, 20% infratentoriell. In ca. 70% der Fälle sind multiple Metastasen nachweisbar. Metastasen können
197 9.5 · Schädelhirntrauma
a
b
. Abb. 9.119a, b. Leptomeningeale Metastasierung. In den axialen (a) und koronaren (b) T1w-Sequenzen zeigt sich nach KM-Gabe ein kräftiges
leptomeningeales Enhancement infratentoriell, einer zuckergussartigen Auskleidung der Sulci entsprechend
auch extraaxial vorkommen und die Meningen und den Knochen befallen. Charakteristisch sind das Vorhandensein von mehreren Raumforderungen sowie eine subkortikale Lage. Die Metastasen können je nach ihrem Primärtumor zelldicht oder zellarm sein und auch Verkalkungen und Einblutungen aufweisen. Auch ihre Größe kann sehr variabel sein. Nach Kontrastmittelgabe zeigen die meisten Metastasen ein ringförmiges oder homogenes Enhancement. Die MRT ist sensitiver im Nachweis von Metastasen als die CT. Sie gilt als Methode der Wahl zum Nachweis kleinster Metastasen sowie zum Nachweis einer Meningeosis carcinomatosa. Eine doppelte Kontrastmitteldosis, sofern dies vertretbar ist, führt zu einer besseren Sichtbarkeit der Metastasen; alternativ kann auch ca. 20–30 min gewartet werden. Auch sehr kleine Metastasen weisen oft ein deutliches Ödem auf, Cortex und Balken werden dabei meist ausgespart. Einblutungen in die Metastasen kommen v. a. bei Nierenzellkarzinomen und bei Melanomen vor. Melanome sind oft wegen ihres Melaningehalts schon in der nativen T1-Wichtung der MRT hyperintens. Auch hier gilt, dass zuerst native Untersuchungen durchgeführt werden sollten. Als Beispiele sind zu nennen: parenchymale Metastasen (. Abb. 9.118) und leptomeningeale und durale Metastasen (. Abb. 9.119) – letztere sind im eigentlichen Sinne extraaxial gelegene Tumoren.
9.5
Schädelhirntrauma
9.5.1
Grundlagen
Schädelhirntraumen treten mit einer Häufigkeit von etwa 200– 300 pro 100 000 Einwohner auf. Kinder <15 Jahren haben daran einen Anteil von etwa 25%. Unfallbedingte Verletzungen gehören zu den häufigsten Todesursachen bei Kindern und jungen Erwachsenen; bei etwa der Hälfte aller tödlichen Unfallverletzungen spielt das Schädelhirntrauma (SHT) die führende Rolle.
Einteilung des Schädelhirntraumas Im angelsächsischen Sprachraum erfolgt die Einteilung des Schweregrades eines Schädelhirntraumas nach der Glasgow Coma Scale. Dabei werden die klinischen Kriterien beurteilt. Für die Fähigkeit des Patienten, seine Augen zu öffnen sowie die sprachliche und motorische Reaktion werden Punkte vergeben. Das Gesamtergebnis reicht von 3 (reaktionsloser Patient) bis 15 Punkte (unauffällig). Ein Ergebnis von 3–8 wird als schweres Schädelhirntrauma bezeichnet, 9–12 Punkte als mittelschweres und 13–15 Punkte als leichtes Schädelhirntrauma. Bei initial nicht bewusstlosem Patienten spricht man auch von einer Commotio. Je nachdem, ob die Dura mater verletzt ist, unterscheidet man zwischem geschlossenem und offenem SHT. Traumafolgen können in primäre und sekundäre Läsionen unterteilt werden. Primäre Läsionen entstehen bereits im Moment des Traumas, entweder durch direkte Einwirkung oder indirekt durch Scherkräfte. Sekundäre Läsionen entstehen als Komplikation aus dem weiteren Verlauf.
9
198
Kapitel 9 · Gehirn
Besonderheiten bei Kindern
9
Schädel- und Hirnverletzungen (Schädelhirntrauma/SHT) im Kindesalter zeigen im Vergleich zu denen erwachsener Patienten deutliche Unterschiede bezüglich des Unfallmechanismus, der intrakraniellen Auswirkungen, der Gewalteinwirkung und des Verlaufs. Als Gewalteinwirkungen sind nicht nur Unfälle, sondern das Geburtstrauma und insbesondere die Kindesmisshandlung als nichtakzidentelles Trauma zu beachten (s. unten). Bei Kindern bestehen einige anatomische Besonderheiten, v. a. in den ersten Wochen und Jahren. So besitzen sie einen weichen elastischen Schädel und offene Fontanellen, sodass auch starke Gewalteinwirkungen lediglich zu kurzzeitigen Deformierungen, jedoch nicht immer zu Frakturen führen. Im Vergleich zu Erwachsenen haben Kinder einen höheren Wassergehalt des Gehirns und eine noch nicht abgeschlossene Myelinisierung, die eine größere Plastizität des kindlichen Gehirns bewirken. Die stark bewegliche Wirbelsäule mit einem schlaffen Bandapparat und die schwach tonisierte, zervikale Muskulatur in Kombination mit einem zum übrigen Körper überproportional großen Kopf ermöglichen erhebliche Bewegungen desselben mit Zerrung der Kalotte, der meningealen Strukturen, der Gefäße und des Gehirns, sodass Akzelerations-/Dezelerationstraumen (Scherverletzungen und Hirnschwellungen) auch bei relativ geringer Traumaeinwirkung auftreten können. Die v. a. in den ersten 2 Lebensjahren, also im Kleinkindesalter, im Vergleich zu älteren Kindern noch deutlich größeren äußeren Liquorräume lassen ausgedehntere Bewegungen des Gehirns zu. Bei noch geöffneten Fontanellen können intrakranielle Raumforderungen trotz erheblicher Größe erst spät klinisch manifest werden. Da sich das kindliche Hirn noch in Entwicklung befindet und die Gefäße beim Kind sensibler reagieren, neigen Kinder verstärkt zu allgemeiner Hirnschwellung. Diese Faktoren haben in den ersten 2 Lebensjahren ihre größte Bedeutung. Zwischen dem 2. und etwa 8. Lebensjahr kommt es dann zu einer Ausreifung des Gehirns, die Fontanellen und Suturen beginnen sich zu schließen und die Körperproportionen ändern sich zugunsten des Körperstamms. Etwa ab 10.–12. Lebensjahr reagieren die Kalotte und das Gehirn auf die Gewalteinwirkung wie beim Erwachsenen.
Bildgebende Verfahren Zunächst soll ein kurzer Überblick über die bildgebenden Verfahren bei typischen Verletzungen beim kindlichen Schädelhirntrauma gegeben werden. Das kindliche Schädelhirntrauma kann eingeteilt werden in: 4 das Geburtstrauma 4 das akzidentelle Trauma 4 das nichtakzidentelle Trauma (7 Kap. 9.5.5) Das Geburtstrauma beschreibt traumatisch-mechanische Schädigungen, die während der Geburt auftreten können. Die Asphyxie wird gelegentlich ebenfalls als Geburtstrauma angesehen, wird in diesem Kapitel aber nicht detailliert dargestellt. Das akzidentelle Trauma beschreibt Gewalteinwirkungen durch Unfälle, während das nichtakzidentelle Trauma die Kindesmisshandlung meint (s. unten, . Abb. 9.141).
a
b . Abb. 9.120a, b. Ultraschall, Schädelhirntrauma. a Sonographie eines 14 Tage alten Säuglings mit einer intraparenchymalen Blutung mit Ventrikeleinbruch. b Der rechte Seitenventrikel ist mit Blut gefüllt
Ultraschall. Der Ultraschall stellt die Methode der Wahl zur Diagnostik bei Neugeborenen dar (. Abb. 9.120). Epidurale und subdurale Hämatome können gut erfasst werden. Die Beurteilung der hinteren Schädelgrube ist jedoch oft schwierig. Auch schmale subdurale Hämatome im Bereich der Konvexität können Schwierigkeiten bereiten. Bei entsprechender Klinik oder Befundverschlechterung und einem unauffälligen Ultraschallbefund muss trotzdem eine CT- oder MRT-Untersuchung durchgeführt werden. Die Sonographie eignet sich hervorragend zur Verlaufskontrolle kleiner, konservativ behandelter, epi- oder subduraler Blutungen. Auch Kalottenfrakturen und Impressionsfrakturen sind mit Ultraschall gut darstellbar. Computertomographie. Wenn die Fontanellen verschlossen sind, ist die CT die Methode der ersten Wahl zur Abklärung eines akuten Schädelhirntraumas (. Abb. 9.121). Es sollten die Schichten parallel zur Orbitomeatallinie mit einer Schichtdicke von 4– 5 mm beginnend am Foramen magnum bis zur Schädelkalotte durchgeführt werden. Die Dokumentation muss im Weichteilfenster und nach Rekonstruktion in einem hochauflösenden Kernel im Knochenfenster erfolgen. Das Topogramm sollte
199 9.5 · Schädelhirntrauma
a
b
c
d
. Abb. 9.121a–d. CT, MRT, Schädelhirntrauma. 10 Monate alter Säugling, bei dem eine leichte Minderbewegung der rechten Körperseite auffiel. a, b In der CT waren eine intraparenchymale Blutung links parietal und eine Kalottenfraktur zu erkennen. c Eine 2 Tage später durchgeführte MRT zeigt
in den T2-gewichteten Sequenzen einen hyperintensen Parenchymdefekt links parietal mit einem hypointensen Randsaum. d In den T2*-gewichteten Sequenzen stellt sich die Blutung v. a. im Randbereich hypointens dar mit zentralem hyperintensem Anteil
ebenfalls dokumentiert werden, da bereits Frakturen parallel zur Schichtung dem Nachweis entgehen können und möglicherweise auf dem Topogramm erkennbar sind.
Zudem sind Aufnahmen des kindlichen Schädels oft überexponiert. Die nichtdislozierte Fraktur hat keine therapeutische Konsequenz (. Abb. 9.122). Es kann jedoch eine behandlungsbedürftige, intrakranielle Blutung vorliegen. Ein Röntgennormalbefund schließt eine intrakranielle Verletzung nicht aus. Eine Studie an 9269 Kindern mit nur geringem Trauma zeigte, dass eine auf der Nativaufnahme nachweisbare Fraktur einen geringen prädiktiven Wert für intrakranielle Verletzungen hat. In den letzten 30 Jahren sind zahlreiche Publikationen er-
Röntgen. Die Röntgenuntersuchung des Schädels in 2 Ebenen ist für ein Kind eine unnötige und für das weitere Vorgehen überflüssige Untersuchung. Gerade bei Kleinkindern ist es oftmals
nicht möglich, eine gute Projektion anzufertigen, da die kleinen Patienten unruhig und wenig gewillt sind, sich röntgen zu lassen.
9
200
Kapitel 9 · Gehirn
vergesellschaftet. Die klinische Symptomatik gibt den Ausschlag, eine CT-Untersuchung anzuordnen und nicht der Verdacht auf eine einfache Kalottenfraktur. Bei Verdacht auf Kindesmisshandlung ist eine Übersichtsaufnahme indiziert, da Frakturen noch lange erkennbar sind und möglicherweise die mehrzeitige Gewalteinwirkung nachweisbar wird. ! Die Indikation zu einer Röntgenuntersuchung sollte streng gestellt werden, beim Säugling befinden sich 35%, beim 5-jährigen Kind 16% des roten Knochenmarks im Gesichts- und Hirnschädel. Zudem kommt es auch zu einer Belastung der Linse des Auges. Magnetresonanztomographie. Die MRT hat aktuell in der Akutphase der Versorgung von SHT-Patienten keinen Stellenwert.
9
a
b . Abb. 9.122a, b. Röntgenübersicht, Schädelhirntrauma. a, b A.-p. und seitliche Schädelübersichtsaufnahmen, die mehrere Aufhellungslinien zeigen, die Frakturen entsprechen. Übersichtsaufnahmen bei Schädelhirntrauma sind in aller Regel nicht indiziert; Ausnahme: Verdacht auf Kindesmisshandlung
schienen, die den Wert der Übersichtsaufnahmen als gering einstuften. Zudem zeigten diverse Studien, dass nur in etwa 2–3% aller Übersichtsaufnahmen auch Frakturen gefunden werden. Gerade bei Kindern sind einfache lineare Frakturen ohne neurologische Symptomatik selten mit intrakraniellen Verletzungen
Dies ist zum einen in der im Vergleich zur CT längeren Untersuchungszeit begründet, zum anderen in der schlechteren Überwachbarkeit der Patienten während einer MRT. Gerade die längeren Untersuchungszeiten sind häufig bei kreislaufinstabilen Polytraumapatienten zurzeit nicht akzeptabel. Zudem ist die Verfügbarkeit gerade unter Notfallbedingungen nicht immer gegeben. Die CT bietet zudem den Vorteil, dass sofort auch der Thorax, das Abdomen und die Wirbelsäule ohne Umlagerung des Patienten innerhalb kurzer Zeit auf Verletzungen untersucht werden können. In der subakuten Phase von SHT-Patienten gewinnt die MRT jedoch zunehmend an Stellenwert, da durch die MRT Verletzungen, die in der CT nur indirekt oder gar nicht erkennbar sind, dargestellt werden können. Dazu zählen u. a. diffuse axonale Scherverletzungen (Scherverletzungen mit und ohne petechiale Hämorrhagien, Kontusionen des Hirnstamms und des Balkens), die besonders bei Kindern häufig vorkommen. Gerade diese Veränderungen haben jedoch in der akuten Phase keine kausale, insbesondere keine operative Therapiekonsequenz, sodass sie nach allgemeiner Stabilisierung des Patienten abgeklärt werden können. Die MRT ist dann indiziert, wenn der CT-Befund den neurologischen Zustand des Patienten nicht ausreichend erklären kann und eine große Diskrepanz zwischen einer fast unauffälligen CT, aber massiver neurologischer Symptomatik besteht. Grundsätzlich sollten axiale, koronare und sagittale T2- oder FLAIR-gewichtete Sequenzen zur Darstellung der Verletzungen durchgeführt werden. T2*-gewichtete Gradientenecho-Sequenzen dienen dem Nachweis von hämorrhagischen Läsionen sowie Kontusionen und Scherverletzungen. Die diffusionsgewichtete Sequenz kann beginnende Infarkte bei Gefäßverletzungen darstellen. Eine Kontrastmittelgabe ist nur zur Abklärung entzündlicher Komplikationen notwendig, z. B. posttraumatischer Abszess nach offenem Schädelhirntrauma. . Tab. 9.13 zeigt ein MRT-Protokoll bei Patienten mit Schädelhirntrauma.
9.5.2
Geburtstrauma und andere Frakturen bei Kindern
Während der Geburt können intrakranielle Blutungen, aber auch Verletzungen der extrakraniellen Weichteile beobachtet werden. Intrakranielle Blutungen können durch perinatales Trauma, Asphyxie, Einblutungen in Infarkte, Infektionen, aber auch durch
201 9.5 · Schädelhirntrauma
. Tab. 9.13. MRT-Untersuchungsprotolkoll
Sequenz
Wichtung
Schichtdicke (mm)
Orientierung
SE
T1
4
Axial/koronar
TSE
T2
4
Axial
TSE
T2
3
Sagittal
GRE
T2*
5
Koronar/axial
FLAIR
T2
4
Koronar
SE-EPI
Diffusion
6
Axial/sagittal
Gerinnungsstörungen oder spontan entstehen. Nicht selten kommt es pränatal zu kleineren subduralen Hämatomen, die sich klinisch nicht äußern und lediglich als Zufallsbefunde oder aufgrund einer aus anderen Gründen durchgeführten Untersuchung bemerkt werden. In seltenen Fällen kann auch eine Gefäßmalformation ursächlich für eine Einblutung sein. Die besondere Thematik der frühkindlichen Hirnschädigung (hypoxisch-ischämische Läsion) werden in Kapitel Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen beschrieben (7 Kap. 9.2.4).
Caput succedaneum Ein Caput succedaneum entspricht einer Einblutung mit Ödem in die Galea und ist ein klinisch nicht relevanter Nebenbefund (. Abb. 9.123). Es ist normalerweise nicht auf die Suturen begrenzt. Beim subgalealen Hämatom handelt es sich um eine Einblutung in das lockere Bindegewebe, das die Galea mit dem Periost verbindet und eine erhebliche Größe erreichen kann. Die Blutung kann die Suturen überschreiten, eine Verkalkung tritt in der Regel jedoch nicht auf. Die Blutung kann auch
a . Abb. 9.124a, b. Zephalhämatom. a, b Nachweis eines Zephalhämatoms rechts parietal bei Entbindung mit mechanischen Hilfsmitteln (a: CT),
. Abb. 9.123. Caput succedaneum. 24 h alter Säugling nach spontaner vaginaler Entbindung: Caput succedaneum mit Ödem und Einblutung in der Galea sowie schmalem subduralen Hämatom rechts frontoparietal. (Aus Radiologe 2003:43:968, Abb. 1)
einmal solche Ausmaße annehmen, dass eine Transfusion notwendig wird.
Zephalhämatom Ein Zephalhämatom ist eine subperiostal gelegene Blutung, die durch die Suturen begrenzt wird (. Abb. 9.124). Auch hierbei han-
b Hämatom als frische hyperintense Raumforderung in der T2-gewichteten Sequenz (b)
9
202
9
Kapitel 9 · Gehirn
a
b . Abb. 9.125a–c. Subduralhämatom. a In der FLAIR-Sequenz zeigt sich rechts okzipital eine hyperintense Signalintensitität im subduralen Liquorraum, Blut entsprechend bei Zustand nach Schädelhirntrauma. b In den T1gewichteten Sequenzen ist dieses Areal hyperintens. c In den T2*-gewichteten Sequenzen stellt sich das subdurale Hämatom hypointens dar
delt es sich um einen klinisch nicht relevanten Befund, der keiner weiteren radiologischen Abklärung bedarf. Zephalhämatome können in seltenen Fällen verkalken. Sie treten besonders häufig nach langen Geburten auf. Sie können nach der Geburt noch an Größe zunehmen. Zephalhämatome bilden sich meist spontan wieder zurück, die Rückbildung kann allerdings mehrere Monate dauern.
Bildgebung In der MRT oder CT stellen sie sich als halbmondförmige Raumforderungen im Bereich der äußeren Kalotte dar. In Abhängigkeit vom Alter der Blutung stellen sich die Zephalhämatome isointens (mit frischer Einblutung) bzw. hyperintens (Methämoglobinstadium) in der T1-gewichteten Sequenz dar (. Tab. 9.14).
c
Kalotten- und Impressionsfrakturen
. Tab. 9.14. MR-Erscheinungsbild der intrazerebralen Blutungen
Stadium (Zeitintervall)
T1w-SE
T2w-SE
Hyperakut (erste Stunden)
Isointensität
Hyperintensität
Akut (2 Tage)
Isointensität
Hypointenses Zentrum mit signalintensem Rand
Subakut (2 Tage bis 2 Wochen)
Hyperintensität
Hyperintensität
Lineare Kalottenfrakturen oder eine Ping-Pong-Fraktur können während der Geburt beim Durchtritt des Kopfs durch das Becken auftreten (s. unten). Impressionsfrakturen können besonders durch die Verwendung mechanischer Hilfsmittel verursacht werden.
Subdurale Hämatome Nicht selten kann es unter der Geburt zu schmalen subduralen Hämatomen kommen, die dann klinisch oft nicht manifest und evtl. nur zufällig entdeckt werden. Sie treten gehäuft bei schwierigen Geburten und bei der Anwendung von mechanischen Hilfsmitteln auf, aber auch bei spontanen vaginalen Geburten können in bis zu 30% der Fälle subdurale Hämatome
203 9.5 · Schädelhirntrauma
bei den Neugeborenen beobachtet werden, meist als Zufallsbefund. Ursächlich ist eine Biegung und Stauchung des Schädelskeletts, die dann zu Zerrungen an der Dura, der Falx, dem Tentorium und den Brückenvenen führt, was venöse Blutungen bewirken kann. Dies kommt v. a. deshalb zustande, weil die Suturen noch nicht geschlossen sind und der Schädel relativ »weich« ist. Die Hämatome können über einer Hemisphäre, auf dem Tentorium oder im Interhemisphärenspalt liegen (. Abb. 9.125). Auch infratentorielle subdurale Hämatome treten durch okzipitale Osteodiastase auf. Sie sind jedoch selten und nur dann therapiebedürftig, wenn ein Kompressionssyndrom des Hirnstamms klinisch manifest wird. Bildgebung. In der CT zeigen sich die Hämatome als typische hyperdense, sichelförmige Raumforderungen im Bereich der Hemisphären. ! Da subdurale Hämatome die häufigste Läsion nach Kindesmisshandlung darstellen, ist eine ausführliche Geburtsanamnese notwendig, um die Ätiologie eines subduralen Hämatoms abschätzen zu können.
Intraparenchymale Blutungen Intraparenchymale Blutungen können fokal oder multifokal in jedem Gestationsalter auftreten. Bevorzugte Lokalisation ist die weiße Substanz periventrikulär mit Entwicklung einer periventrikulären Leukomalazie. Einblutungen in den Thalamus sind in aller Regel unilateral, meist liegt ein Einbruch in das Ventrikelsystem vor (. Abb. 9.126). Auch Einblutungen in die Stammganglien sind möglich. ! Bei intrakraniellen Blutungen peripartal sollten immer Verlaufskontrollen durchgeführt werden, um einen sich entwickelnden Hydrozephalus rechtzeitig feststellen zu können. Nach einer traumatischen Geburt sollte immer an eine Verletzung der Halswirbelsäule und auch des Plexus brachialis gedacht werden.
Unfalltrauma Schwere Unfalltraumen sind bei Kleinkindern bis etwa 2 Jahren selten, die überwiegende Mehrheit der in der Notaufnahme vorgestellten Fälle stellen Bagatelltraumen dar. Die häufigste Ursache sind Stürze, z. B. vom Wickeltisch. In dieser Altersgruppe muss ein schweres Schädelhirntrauma daher immer an eine Kindesmisshandlung denken lassen, wenn es keine eindeutige Anamnese mit einem glaubhaften massiven Trauma gibt. > Viele Verletzungen, wie Kontusionen, traumatische Subarachnoidalblutungen, Herniationssyndrome usw. stellen sich radiologisch im Kindesalter ähnlich wie im Erwachsenenalter dar.
. Abb. 9.126. Intraparenchymale Blutung. Axiale CT eines Neugeborenen, das durch eine Trinkschwäche auffiel. Vom Thalamus ausgehende Blutung mit geringem perifokalem Ödem, Einbruch in das Ventrikelsystem, Versorgung mit 2 externen Ventrikeldrainagen. (Aus: Radiologe 2003;43:968, Abb. 3)
Frakturen, Trümmerfrakturen, Impressionsfrakturen und Lochfrakturen (Schuss- und Stichverletzungen) unterschieden werden. Die bei einer Impressionsfraktur radiologisch gefundene Verlagerung von Knochenfragmenten nach intrakraniell muss nicht unbedingt der Maximalverlagerung zum Zeitpunkt der Gewalteinwirkung entsprechen. Impressionsfrakturen sollten dann revidiert werden, wenn die Eindringtiefe der Fragmente größer als die Kalottendicke ist.
Kalottenfrakturen Kalottenfrakturen sind in aller Regel linear und frontal oder parietal lokalisiert. Sie zeigen sich als Aufhellungslinie ohne sklerotischen Randsaum. Der Spalt ist spindelförmig und damit in der Mitte breiter als am Anfang und Ende der Frakturlinie. Ohne Dislokation kommt es zu einer spontanen Ausheilung in etwa 6 Monaten. Bei älteren Kindern dauert die Ausheilung etwa 1 Jahr, bei Erwachsenen etwa 2–3 Jahre. > Ein wichtiger Unterschied zwischen Neugeborenen oder Kleinkindern und älteren Kindern besteht darin, dass die A. meningea media noch nicht in die temporale Kalotte eingebettet ist und somit epidurale Hämatome bei Kleinkindern bis zu 2 Jahren nur selten vorkommen. Impressionsfrakturen können durch Druck auf die Kalotte wäh-
Schädelfrakturen Bei zwei Drittel der Patienten mit einem schweren SHT finden sich Schädelfrakturen. Nach ihrer Form kann zwischen linearen
rend der Geburt im Beckenbereich bei Verwendung mechanischer Hilfsmittel, bei Misshandlung oder akzidentellem Trauma auftreten (. Abb. 9.127, . Abb. 9.128). In der MRT- oder CT-
9
204
Kapitel 9 · Gehirn
a
9 . Abb. 9.128. Impressionsfraktur. Im CT bei Ausspielung im Knochenfenster zeigt sich ein deutlich nach intrakraniell imprimiertes Bruchstück
b
c . Abb. 9.127a–c. Kalottenfraktur, Impressionsfraktur. 8 Jahre alter Junge, beim Spielen vom Baum gestürzt. a CT: Impressionsfraktur ohne Nachweis einer intra- oder extraaxialen Blutung. b Bei Ausspielung im Knochenfenster: deutlich nach intrakraniell imprimiertes Bruchstück. c Im seitlichen Strahlengang ebenfalls unscharfe Verdichtung, etwas apikal der Verdichtung Aufhellung der Kalotte (Aus Radiologe 2003;43:972, Abb.8 a–d)
Aufnahme können eine kontusionelle Verletzung des unter der Fraktur liegenden Cortex oder ein extraaxiales Hämatom ausreichend dargestellt werden. Übersichtsaufnahmen reichen dafür nicht aus. Treten Risse in der Dura auf, können die Hirnhäute durch eine Fraktur nach extrakraniell hernieren. Die Interposition von Dura in einem Frakturspalt verhindert die knöcherne Durchbauung, zudem führen Liquorpulsationen zu einer Zunahme der Weite des Frakturspalts. Dieser Vorgang wird als wachsende Fraktur oder als posttraumatische leptomeningeale Zyste bezeichnet (. Abb. 9.129). Diese Zysten sind sehr selten und treten bei 0,6% aller Frakturen auf. Zu 90% sind die Patienten <3 Jahre. In Übersichtsaufnahmen zeigt sich eine Aufweitung des Frakturspalts mit sklerotischen Rändern, in CT- und MRT-Aufnahmen kann die Zyste mit Liquor gefüllt sein. Praktisch nur bei Neugeborenen ist das Phänomen der PingPong-Fraktur zu sehen. Dabei handelt es sich um umschriebene Areale der Kalotte, die sich nach intrakraniell einwölben und spontan durch die Plastizität des Knochens wieder eine regelrechte Form annehmen. Traumatische Nahtsprengungen sind im Erwachsenenalter selten und kommen jenseits des 30. Lebensjahres kaum mehr vor. Nahtsprengungen betreffen am häufigsten die Lambdanaht, die sich erst spät knöchern verschließt (. Abb. 9.130). Eine Breite von 2 mm gilt noch als normal, ab 3 mm Breite kann von einer Nahtsprengung ausgegangen werden.
205 9.5 · Schädelhirntrauma
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b . Abb. 9.129a–c. Wachsende Fraktur. 3 Jahre altes Mädchen, im Alter von 3 Monaten Bagatelltrauma mit Nachweis einer parietalen Kalottenfraktur, langsame Entwicklung einer »pulsierenden Schwellung«, die von den Eltern ignoriert wurde. a CT: flüssigkeitsgefüllte Zyste, zudem strangartig solides Gewebe in der Zyste. b Knochenfenster: knöcherne Ränder nach außen gewölbt und glatt berandet. c MRT: Defekt des Parietallappens mit narbigem, in die Zyste einstrahlendem Gewebe. Typische wachsende Fraktur mit Ausbildung einer leptomeningealen Zyste. (Aus: Radiologe 2003;43:973, Abb. 9 a–c)
Epidurale Hämatome Epidemiologie Epidurale Hämtome finden sich bei etwa 5% aller Schädelhirntraumen, am häufigsten als Ursache einer Kalottenfraktur, typischerweise temporoparietal. Durch die Fraktur kommt es zu einer Verletzung der A. meningea media oder deren Äste bzw. zu Verletzungen von venösen Gefäßen (V. meningea media, venöse Sinus- oder Diploevenen). Die extradurale Blutansammlung führt häufig zu einer bikonvexen Raumforderung. Die Ausbreitung des Hämatoms wird nahezu immer durch die Suturen der Schädelkalotte begrenzt, da hier die Dura fest am Knochen anhaftet. Zur Abgrenzung von subdural gelegenen Hämatomen ist die Begrenzung durch Schädelsuturen zuverlässiger als die bikonvexe Form. Epidurale Hämatome sind bei Kleinkindern selten, ihre Inzidenz steigt mit dem Lebensalter und erreicht das Maximum im Erwachsenenalter.
c
9.5.3
Weitere Traumafolgen Pathologie
Dazu gehören, sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen,
u. a. Kontusionen, traumatische subarachnoidale Blutungen, Hirnnervenverletzungen, offene Traumen mit Pneumatozephalus und evtl. einer Rhinoliquorrhoe, Gefäßverletzungen oder Schädelbasisfrakturen und Einklemmungssyndrome. Die Ätiologie, aber auch die radiologischen Zeichen dieser Verletzungen sind in beiden Altersgruppen identisch.
Der zeitliche Verlauf des Hämoglobinabbaus in extraaxialen Hämatomen kann von dem intraaxialer Hämatome erheblich abweichen. Dies liegt u. a. an dem erhöhten Sauerstoffpartialdruck im extraaxialen Kompartiment sowie auch in der Verdünnung des Blutes durch Liquor. Mehrzeitige Blutungen können heterogene Signale verursachen (helle und dunkle Areale nebeneinander).
9
206
Kapitel 9 · Gehirn
9 . Abb. 9.130. Nahtsprengung. 5 Jahre alter Junge nach Sturz auf den Hinterkopf. Knochenfenster: Lambdanaht links (Pfeil) deutlich aufgeweitet, rechts nicht abgrenzbar. (Aus Radiologe 2003;43:974, Abb. 10)
. Abb. 9.131. Epidurale Blutung. Weichteilfenster: erkennbares epidurales Hämatom mit geringer raumfordernder Wirkung, spricht für Sprengung der Lambdanaht mit Ausbildung eines Frakturhämatoms. (Aus Radiologe 2003;43:974, Abb. 10)
Ätiologie
in 80–85% der Fälle bilateral und in aller Regel frontoparietal lokalisiert.
Bei Kleinkindern werden Epiduralhämatome üblicherweise durch venöse Blutungen aufgrund von Einrissen duraler Venen oder aufgrund von Blutungen nach Frakturen hervorgerufen. Sie sind Ausdruck lokaler Gewalteinwirkungen auf den Schädel (. Abb. 9.131). Erst bei älteren Kindern und Jugendlichen ist eine Verletzung der A. meningea media als Ursache führend. Dies erklärt sich dadurch, dass die Arterie mit zunehmendem Lebensalter in eine Gefäßfurche der Tabula interna der Kalotte eingebettet wird und damit bei Kalottenfrakturen in diesem Bereich besonders vulnerabel ist.
Klinik, Bildgebung Klinisch entwickelt sich die Symptomatik bei Kindern langsamer als bei Erwachsenen. Die typische Bewusstlosigkeit ist seltener. Die Prognose ist bei Kindern deutlich besser als bei Erwachsenen. Die Diagnostik ist bei Kleinkindern, Kindern und Erwachsenen identisch. Bildgebung. Ein Epiduralhämatom zeigt sich als linsenförmige,
hyperdense Raumforderung, die in aller Regel die Suturen nicht überschreitet (. Abb. 9.131, . Abb. 9.132).
Subdurale Hämatome Epidemiologie Subdurale Hämatome (SDH) finden sich bei 10–20% aller Schädelhirntraumen. Die Konsistenz des noch nicht myelinisierten Gehirns führt bei Kindern zu einer verstärkten Distorsion während des Traumas mit Dehnung und Zerrung der Venen. Im Gegensatz zu Erwachsenen sind die Hämatome bei Kleinkindern
Ätiologie Meist sind subdurale Hämatome die Folge eines Akzelerations-, Dezelerations- oder Rotationstraumas. Sie entstehen am häufigsten durch Verletzungen der Brückenvenen, die von der Hirnoberfläche über die Dura zu den venösen Sinus verlaufen und in ihrem subduralen Abschnitt am vulnerabelsten sind. Direkte Verletzungen der Sinus, z. B. bei penetrierenden Traumata, können sowohl nach epidural als auch nach subdural bluten. Bei schwerem SHT kommt es meist auch zu einem subduralen Hämatom, die oft begleitenden schweren intraparenchymalen Verletzungen tragen zur schlechten Prognose der Patienten bei. Subdurale Hämatome sind typisch für Kinder und ältere Erwachsene. Sie entstehen durch Ruptur kortikaler Venen. Ein Einriss der Falx cerebri kann zu einem supratentoriellen, subduralen Hämatom führen. Meist reißt die Falx relativ nahe am Tentorium ein. Die Blutung hat dann ihren Ursprung meist im Sinus sagittalis superior. Das resultierende supratentorielle, subdurale Hämatom liegt dann oft dorsal im Interhemisphärenspalt. Ein Einriss der Brückenvenen führt ebenfalls zu einem supratentoriellen, subduralen Hämatom. Dies liegt jedoch über einer Hemisphäre und weist die für ein subdurales Hämatom typische halbmondförmige, konvex-konkave Konfiguration auf. Im Gegensatz zum subduralen Hämatom bei älteren Kindern ist das subdurale Hämatom bei Neugeborenen meist einseitig lokalisiert. Zusätzlich kann man auch noch subarachnoidale Blutungen beobachten.
207 9.5 · Schädelhirntrauma
a . Abb. 9.132a, b. Epidurale Blutung. Typisches bikonvexes epidurales Hämatom links temporal mit assoziiertem Galeahämatom. a In der FLAIR-
b Sequenz stellt sich die Blutung hyperintens dar. b In der T2*w-Sequenz erkennt man die für Blutabbauprodukte typische Signalminderung
Ein Einriss des Tentoriums führt in der Regel zu einer Lazeration der V. Galeni oder aber zu einer Ruptur kleiner infratentorieller Venen. Ist die V. Galeni betroffen, so tritt meist eine sehr ausgedehnte infratentorielle Blutung auf. Bei jeder größeren subduralen Blutung kann es auch zu einer Liquorzirkulationsstörung mit Ausbildung eines Hydrozephalus kommen. Bei einer okzipitalen Diastase, welche insgesamt relativ selten auftritt, weichen die Hinterhauptschuppen der Kalotte während der Geburt auseinander. Dabei kann es zu einem Einriss der venösen Blutleiter und dadurch zu einem infratentoriellen, subduralen Hämatom kommen.
Klinik Klinisch bestehen Krampfanfälle, Lethargie und eine Zunahme des Kopfumfangs. Bei älteren Kindern kann eine Halbseitensymptomatik bestehen, bei ausgeprägtem akuten Subduralhämatom kann eine Einklemmung eintreten.
Bildgebung Die Bildgebung ist bei Kindern und Erwachsenen identisch. Es
zeigt sich eine sichelförmige Raumforderung, die die Suturen überschreiten kann. In der CT stellt sich ein frisches subdurales Hämatom deutlich hyperdens dar (. Abb. 9.133). In der MRT hängt die Signalintensität vom Alter der Blutung ab. Bei akuten subduralen Hämatomen stellt sich die Blutung in den T2-gewichteten Sequenzen hypointens, in den T1-gewichteten Sequenzen isointens zum Hirnparenchym dar. Als akute Phase wird die Zeitspanne von wenigen Stunden bis wenigen Tagen bezeichnet. Diese Signalintensität wird durch Deoxyhämoglobin verursacht. Im weiteren Verlauf wird Deoxyhämoglobin in Methämoglobin umgewandet. Dadurch
. Abb. 9.133. Subdurale Blutung. CT: subdurales Hämatom links frontoparietal, traumatische Subarachnoidalblutung rechts frontal, Kalottenfraktur frontal und auch parietal
kommt es zu einer deutlichen Hyperintensität in den T1-gewichteten Sequenzen. Die Umwandlung in Methämoglobin findet zuerst in der Peripherie des Hämatoms statt. Erst später wird auch das Zentrum der Blutung hyperintens. Da die Umwandlung von Deoxyhämoglobin in Methämoglobin abhängig vom Sauer-
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. Abb. 9.134a, b. Chronisches subdurales Hämatom. a, b Typisches konkav-konvexes Hämatom rechtshemisphärisch mit Sedimentation von frischen Blutanteilen
stoffpartialdruck und dieser in subduralen und epiduralen Hämatomen im Vergleich zu intrazerebralen Blutungen erhöht ist, kommt es zu einem etwas anderen Zeitverlauf der Signalveränderungen. Im Gegensatz zu einer intraparenchymalen Blutung wird die subdurale Blutung relativ rasch, meist innerhalb von 3 Wochen vollständig resorbiert, ohne dass Hämosiderin und Ferritin später nachweisbar sind. Ist die Blutung komplett resorbiert, zeigt sich eine subdurale, liquorisointense Flüssigkeitsansammlung.
Hirnschwellung »talk and die« Ein Patient, der nach einem Trauma, insbesondere nach dem Bagatelltrauma kaum ansprechbar und ohne fokale Neurologie eingeliefert wird, stellt im Erwachsenen- wie im Kindesalter ein besonderes Problem dar. Bei primär komatösen oder beatmeten und daher nicht beurteilbaren Patienten, aber auch bei Patienten mit einer klaren neurologischen Ausfallserscheinung wird sicherlich immer eine CT-Untersuchung durchgeführt.
Klinischer Verlauf
Chronische Subduralhämatome Epidemiologie, Ätiologie, Klinik Chronische Subduralhämatome treten bevorzugt bei älteren Patienten auf. Hier können bereits Bagatelltraumen ausreichen. Die Patienten werden oft Tage bis Wochen später symptomatisch mit fokal-neurologischen Defiziten, Bewusstseinsstörungen oder Kopfschmerzen. Auch bei Säuglingen und Kleinkindern können chronische Subduralhämatome auftreten.
Bildgebung Die chronischen Subduralhämatome stellen sich in der CT meist hypodens, gelegentlich auch isodens dar. Mehrzeitige Blutungen können zu gemischten Dichtewerten führen (. Abb. 9.134). Um ein isodenses chronisches Subduralhämatom nachweisen zu können, ist es oft hilfreich, beim CT Kontrastmittel zu applizieren bzw. eine MRT durchzuführen. Eine ausgeprägte Membranbildung mit Kontrastmittel-Aufnahme ist manchmal nachweisbar. Unbehandelte chronische Subduralhämatome können auch partiell verkalken. In der MRT sind chronische SDH sowohl auf T1- als auch auf T2-gewichteten Aufnahmen überwiegend signalintens. Oft zeigen die Hämatome jedoch ein heterogenes Signalverhalten mit Septen und Blutabbauprodukten unterschiedlichen Zeitalters.
Bei wachen und augenscheinlich unauffälligen Patienten entscheidet der klinische Verlauf über die Anforderung einer CT. Bei sekundärer Verschlechterung wird in aller Regel ein intrakranielles Hämatom als Ursache befürchtet. Die Entwicklung einer Hirnschwellung stellt im Kindesalter ein besonderes Problem dar. Eine generalisierte Hirnschwellung tritt bei Kindern etwa 2-mal häufiger auf als bei Erwachsenen. In größeren Serien aus den 1970er Jahren zeigte sich, dass etwa 5% aller Kinder, die an einem Schädelhirntrauma verstarben, bei der Aufnahme im Krankenhaus wach und ansprechbar waren. Etwa 75% dieser Kinder verstarben innerhalb von 48 h nach Aufnahme. Bei Kindern, die wach und spontan sprechend (»talk and die«) aufgenommen wurden und sich dann sekundär verschlechterten, zeigten pathologische Studien eine generalisierte Hirnschwellung mit nur geringen Hinweisen auf eine Hirnverletzung. Es zeigte sich eine Obliteration der Liquorräume mit venöser Kongestion. Eine diffuse Hirnschwellung kann daher Ursache einer sekundären Verschlechterung sein. Die Ausbildung einer intrakraniellen Blutung ist zwar ebenfalls möglich, aber seltener. Bei rechtzeitiger Therapie haben diese Kinder eine gute Prognose. Das Syndrom wird wahrscheinlich durch eine Vasodilatation und Hyperämie mit Zunahme des intrakraniellen Blutvolumens verursacht.
209 9.5 · Schädelhirntrauma
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. Abb. 9.135a, b. Diffuse Schwellung nach Trauma. In Höhe des Tentoriumschlitzes perimesencephale Zisternen nicht einsehbar, Vorderhörner nur angedeutet abgrenzbar, oberhalb der Cella media Marklager betont hypo-
dens, äußere Liquorräume nicht abgrenzbar, keine intraparenchymalen Verletzungen oder extraaxiale Hämatome, ausgeprägte Weichteilschwellung, Befund mit diffusem Hirnödem vereinbar
Dies verhält sich bei erwachsenen Patienten anders: eine sekundäre Verschlechterung ist fast immer durch ein intrakranielles Hämatom verursacht.
hämatome weisen dagegen oft einen erhöhten Eiweißgehalt auf, der zu einer Signalerhöhung in T1- und T2-gewichteten Sequenzen führt. Differenzialdiagnostisch sind Arachnoidalzysten davon abzugrenzen. Oft ist es auch schwierig, subdurale Hygrome von einer durch kortikale Atrophie bedingten Erweiterung der Subarachnoidalräume abzugrenzen. Für ein Hygrom spricht ein raumfordernder Aspekt. Zudem sind bei einem Hygrom die Hirnbrückenvenen zur Hirnoberfläche verlagert. Bei einer Erweiterung des Subarachnoidalraums sind die Venen im Verlauf durch den Subarachnoidalraum in T1- und T2-gewichteten Sequenzen oft gut nachweisbar.
! Um eine sekundäre Verschlechterung zu erkennen, sollte daher auch nach geringem Trauma eine Überwachung durchgeführt werden, um die klinischen Zeichen einer Hirndrucksymptomatik, wie Übelkeit, Erbrechen, Benommenheit, rechtzeitig zu erkennen.
Bildgebung In der CT zeigen sich schmächtige Ventrikel und eine Verschmälerung der apikalen Zisternen. Insbesondere die perimesencephalen Zisternen, die auch beim Kleinkind im Normalfall immer erkennbar sind, sind häufig dann nicht mehr abgrenzbar. Das Marklager zeigt sich betont hypodens (. Abb. 9.135). Es kann im Einzelfall schwierig sein, ein Hirnödem als solches zu erkennen.
Subdurales Hygrom Definition, Ätiologie Subdurale Hygrome sind Flüssigkeitsansammlungen subdural, die sich in der Bildgebung ähnlich wie Liquor verhalten. Sie werden als Hygrome bezeichnet. Sie können im Moment des Traumas durch einen Einriss der Arachnoidea entstehen oder durch Resorption eines subduralen Hämatoms.
Scherverletzungen, diffuse axonale Verletzungen, Hirnstammkontusionen Pathogenese Scherverletzungen resultieren aus Akzelerations-/Dezelerati-
onstraumen mit rotatorischer Komponente. Da das noch nicht vollständig myelinisierte kindliche Gehirn plastischer und weniger steif als ein komplett myelinisiertes Gehirn ist, stellen Scherverletzungen einen häufigen Verletzungstyp beim Kind dar. Sie manifestieren sich an der Grenze der grauen und weißen Substanz, im Corpus callosum, den Stammganglien und im Hirnstamm (. Abb. 9.136). Scherkräfte wirken nicht nur auf das Hirnparenchym, sondern auch auf Gefäße, was insbesondere in den Stammganglien zu Einblutungen und Infarkten durch Ruptur kleiner Arterien führt.
Bildgebung Oft ist es schwierig, subdurale Hygrome von chronisch-subduralen Hämatomen zu unterscheiden. In der MRT ist dies eher als im CT möglich, da sich die subduralen Hygrome in sämtlichen Sequenzen liquorisointens verhalten. Die chronischen Subdural-
Klinik und Bildgebung Die Klinik dieser Patienten stellt sich ohne feste Form dar. In aller Regel handelt es sich um Gewalteinwirkungen, wie sie z. B. bei Verkehrsunfällen auftreten. Die Patienten sind am Unfallort pri-
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b . Abb. 9.136a–c. Axonale Scherverletzung. a In den FLASH-Sequenzen zeigen sich rechts frontal subkortikal kleine punktförmige, z. T. konfluierende Hypointensitäten, die kleinen axonalen Scherverletzungen entsprechen. b In den FLAIR-Sequenzen stellen sich diese kleinen axonalen Scherverletzungen hyperintens dar, kleinen Einblutungen entsprechend. c In den T2gewichteten Sequenzen sind diese axonalen Scherverletzungen hyperintens abgebildet
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mär komatös und erlangen das Bewusstsein nicht spontan wieder, sodass der Notarzt die Patienten intubiert und beatmet in die Klinik transportiert. Hier zeigt die initiale CT-Untersuchung direkt nach dem Trauma oftmals nur sehr diskrete oder keine auffälligen Befunde. Initial finden sich in unterschiedlicher Ausprägung kleine Blutspiegel in den Hinterhörnern der Seitenventrikel, kleine petechiale Einblutungen an der Grenze der grauen und weißen Substanz von wenigen Millimetern Durchmesser, angedeutet eine kleine Einblutung in die interpedunkuläre Zisterne. Diese Veränderungen sind in der ersten CT-Kontrolle, etwa 6 h nach dem Trauma, oftmals deutlich ausgeprägt. Zusätz-
lich kann sich eine Hirnschwellung mit beginnender Auspressung, insbesondere der perimesenzephalen Zisternen, manifestieren. In kurzfristigen Kontrollen können diese kleinen Blutungen eine schnelle Resorption zeigen. Nicht eingeblutete Läsionen sind in der CT praktisch nicht erkennbar, und wahrscheinlich sind nur etwa 20% der Läsionen eingeblutet. Insbesondere Verletzungen des Corpus callosum und des Hirnstamms sind erst in der MRT sichtbar (. Abb. 9.137). Wahrscheinlich bildet aber auch die MRT nicht alle Läsionen ab. Im Bereich des Hirnstamms kann zwischen primären und sekundären Schädigungen unterschieden werden. Die primäre Schädigung entsteht durch eine Scherverletzung mit diffuser axonaler Verletzung, die Läsionen sind dorsolateral im Mittelhirn und im oberen Pons lokalisiert. Die ventralen Anteile des Pons und auch die Medulla sind betroffen. Da diese Verletzungen oftmals nicht hämorrhagisch sind, können sie häufig nur mittels MRT dargestellt werden. Sekundäre Kontusionen entstehen z. B. durch Einklemmungssyndrome. Die Läsionen liegen typischerweise ventral und ventrolateral im Mittelhirn und im Pons. In aller Regel werden die primären und sekundären Veränderungen als Hirnstammkontusionen zusammengefasst. Die Darstellung der Verletzung bei Kindern ist identisch mit den Verletzungen im Erwachsenenalter. Es kann im Einzelfall schwierig sein, zwischen primärer und sekundärer Hirnstammkontusion zu unterscheiden. Parenchymblutungen können durch Kontusionsblutungen oder durch Scherverletzungen hervorgerufen werden. Oft finden
211 9.5 · Schädelhirntrauma
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b . Abb. 9.137a–c. Diffuse axonale Scherverletzung, Corpus callosum. a CT, b MRT: axiales, T2-gewichtetes Bild mit flauer diffuser Signalsteigerung dorsal im Mesencephalon (Pfeile). c MRT, sagittales Bild: Kontusionen im Genu und Korpus des Corpus callosum. Diese Veränderungen waren in der CT nicht erkennbar. Befunde mit einer diffusen axonalen Scherverletzung und primärer Hirnstamm- und Balkenkontusion vereinbar
den bekannten Stadien. Ist die Blutung vollständig abgebaut, bleiben liquorisointense Parenchymdefekte und Glianarben zurück.
Traumatische Subarachnoidalblutung Epidemiologie, Ätiologie
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Bei mittelschwerem oder schwerem Schädelhirntrauma sind traumatische Subarachnoidalblutungen ein häufiger Befund. Sie treten oft mit Hirnkontusionen oder Scherverletzungen auf. Patienten mit traumatischer SAB haben eine signifikant schlechtere Prognose als gleich schwer Verletzte ohne SAB.
Bildgebung
sich Kontusionsblutungen im Bereich des primären Aufpralls der Kalotte sowie im gegenüberliegenden Hirnareal durch den Aufprall des Weichteils an die kontralaterale Schädeldecke (Contrecoup). Es wird dann von einer Coup- und Contrecoup-Läsion gesprochen. Kontusionsblutungen nehmen nicht selten in den ersten 48 h nach dem Trauma an Größe zu. An der initialen Traumastelle kann eine Schädelfraktur, insbesondere eine Schädelfraktur mit Kompressionsfraktur, vorkommen. In der CT kommen akute Kontusionsblutungen, wie alle akuten bis subakuten, intrakraniellen Blutungen hyperdens zur Darstellung mit umgebendem, hypodensem Randsaum, der einem Ödem entspricht. In der MRT verläuft die Signalintensität der Blutung nach
Hier besteht kein Unterschied zwischen einer aneurysmatisch bedingten oder einer traumatischen SAB. Ist die Anamnese nicht eindeutig, muss der Patient, um eine Aneurysmablutung auszuschließen, einer Gefäßdiagnostik unterzogen werden. Bei einer traumatischen SAB ist die Blutverteilung allerdings eher fokal lokalisiert. Blut findet sich in den kortikalen Sulci eines Kontusionsareals oder unter einem Subduralhämatom. Eine Beteiligung der basalen Zisternen ist untypisch und spricht eher für eine aneurysmatische Blutung. In der CT finden sich hyperdense Areale in den subarachnoidalen Liquorräumen. In der MRT kann eine FLAIR-Sequenz das Blut in den Liquorräumen nachweisen. Eine traumatische Subarachnoidalblutung tritt oft als Begleiterscheinung bei schweren Schädelhirntraumen
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Kapitel 9 · Gehirn
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. Abb. 9.138a, b. Traumatische Subarachnoidalblutung. CCT nativ. a Nachweis von Blut in den temporookzipitalen Sulci links. b Weniger als
traumatisch zu wertende SAB in der Sylvi-Fissur rechts mit Ausbreitung in die basalen Zisternen. (Aus: Radiologe 2008;43:509, Abb.4a und 4b)
auf. . Abb. 9.138 zeigt eine traumatische Subarachnoidalblutung in der CT im Vergleich mit einer nichttraumatischen.
Wandverletzungen der A. carotis interna im Bereich des Sinus cavernosus können auch zu einer Carotis-sinus-cavernosus-Fistel führen. Diese Fistel kann sich durch Exophthalmus, Chemosis und ein pulssynchrones Geräusch bei Auskultation im Bereich der Schläfe bemerkbar machen. In der Schnittbildgebung kann manchmal die asymmetrische Darstellung der V. ophthalmica mit deutlicher Ektasie der betroffenen Seite der einzige Hinweis auf eine derartige Verletzung sein. Eine dopplersonographische Untersuchung sowie eine DSA müssen dann durchgeführt werden. Die Therapie der Wahl stellt die Embolisation mit Fistelverschluss dar.
Vaskuläre Verletzungen Epidemiologie, Ätiologie Traumatische Gefäßverletzungen im Rahmen eines Schädelhirntraumas sind selten (. Abb. 9.139). Verletzungen der A. carotis im zervikalen Bereich können durch ein direktes Trauma, z. B. Strangulation, perforierendes Trauma, aber auch durch Dehnung entstehen. Gefäßabrisse und Dissektionen können an der Schädelbasis bei Frakturen auftreten. Die A. vertebralis ist in ihrem Verlauf durch die Foramina der Processus transversi bei Frakturen, perforierenden Verletzungen und Überstreckungen gefährdet. Ein schweres Trauma muss nicht immer vorliegen, auch chiropraktische Maßnahmen können zu Dissektionen führen.
Klinik, Bildgebung, Therapie Während Gefäßabrisse durch Blutungen und Infarkte schnell auffällig werden, können Dissektionen zunächst symptomlos und damit unerkannt bleiben und erst durch Abströmen von Thromben mit dem Auftreten von Infarkten manifest werden. Dissektionen der A. carotis können mit einem Horner-Syndrom auffällig werden. Bei Dissektion der A. vertebralis kann zudem die Blutversorgung des Rückenmarks mitbetroffen sein. Dissektionen können mittels digitaler Subtraktionsangiographie und Ultraschall nachgewiesen werden. In der MRT kommen T1-gewichtete Sequenzen mit Fettsuppression zur Anwendung, die intramuralen Hämatome können damit nachgewiesen werden. In der MR-Angiographie können Gefäßverschlüsse ebenfalls nachgewiesen werden. Auch die CT-Angiographie kann hierzu beitragen.
> Patienten, die ein penetrierendes Trauma erlitten haben, insbesondere Kopfschussverletzungen, sollten einer DSA zugeführt werden, da diese Patienten in etwa 12% aller Fälle durch direkte Gefäßverletzungen traumatische Aneurysmen und Fisteln ausbilden können. Die Untersuchung sollte innerhalb der ersten 14 Tage nach dem Trauma durchgeführt werden.
Intraventrikuläre Blutungen Epidemiologie, Ätiologie Intraventrikuläre Blutungen sind nur bei etwa 1–5% aller Patienten mit Schädelhirntrauma festzustellen und fast immer mit anderen primären, intraaxialen Verletzungen assoziiert. Eine intraventrikuläre Blutung bedeutet daher in fast jedem Fall, dass ein schweres Schädelhirntrauma vorliegt (. Abb. 9.140). Entsprechend schlecht ist die Prognose. Eine Ruptur subependymaler Venen, Scherverletzungen und Blutungen in periventrikuläre Hirnareale mit Einbruch in das Ventrikelsystem können eine intraventrikuläre Blutung verursa-
213 9.5 · Schädelhirntrauma
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. Abb. 9.139a–d. Traumatische Gefäßverletzung. a Penetrierendes Trauma der Schädelbasis mit Ausbildung einer frontobasal beidseits gelegenen Blutung. b Intraoperativ: beidseits zerrissene A. cerebri anterior mit der Folge beiseitiger Infarkte. c Im weiteren Verlauf Ausbildung eines posttraumatischen Hydrozephalus und postmalazischer Defekte im Anterior-
stromgebiet beidseits. d Im weiteren Verlauf klinische Verschlechterung des Zustands und Fieber: nach KM-Gabe randständig anreichernde Läsion frontobasal (Pfeile) sichtbar, die einem Abszess entsprach. (Aus Radiologe 2003;43:1012, Abb. 8a–d)
chen (im Vergleich dazu zeigt . Abb. 9.73 eine intraventrikuläre spontane Blutung). In der CT zeigen sich die Blutungen als hyperdense Blutansammlung in den Ventrikeln, Spiegelbildungen sind möglich. Zu beachten ist, dass es durch Tamponade der Seitenventrikel, des Aquädukts oder des 4. Ventrikels zu einer Liquorzirkulationsstörung kommen kann. In diesem Fall kann die Implantation eines Ventrikelkatheters notwendig werden. Ein akuter Hydrozephalus ist jedoch nur selten zu beobachten.
Bildgebung Bei einem Patienten mit einer intraventrikulären Blutung sollte immer eine Scherverletzung mit Kontusion des Hirnstamms und des Corpus callosum mittels MRT ausgeschlossen werden. Etwa 60% aller Balkenkontusionen sowie 50% aller diffusen axonalen Scherverletzungen gehen mit einer Ventrikelblutung einher.
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. Abb. 9.140a–e. Intraventrikuläre Blutung. Eine 19 Jahre alte Patientin verunfallt als Beifahrerin in einem PKW. Die junge Frau ist sofort bewusstlos. a, b In den initialen CT-Aufnahmen zeigt sich in der interpedunkulären Zisterne (Pfeil) eine Einblutung. Blutspiegel in beiden Hinterhörnern (Pfeile). Weitere Auffälligkeiten sind nicht feststellbar. c In der axialen T2-gewichteten Sequenz zeigt sich dorsolateral im Hirnstamm (Pfeil) eine Signalsteigerung im Sinne einer Hirnstammkontusion. d Die sagittale T2-gewichtete Sequenz zeigt erneut die dorsolaterale Schädigung (Pfeil) und eine ausgeprägte Signalsteigerung des Balkens (Pfeilspitzen), der ebenfalls kontusioniert ist. e In der koronaren FLAIR-Sequenz zeigt sich die Verletzung im Balken und im dorsalen Mesencephalon erneut als Signalsteigerung. Die Befunde sind typisch für eine primäre Schädigung im Sinne einer diffusen axonalen Verletzung. (Aus Radiologe 2003;43:1004, Abb. 1a–e)
215 9.5 · Schädelhirntrauma
Hirnnervenverletzungen Schädigungen von Hirnnerven mit entsprechenden Ausfallserscheinungen können durch zwei Mechanismen entstehen: 4 durch direkte Schädigung des Nerven 4 durch eine Schädigung des Kerngebiets eines Nerven im Rahmen einer Hirnstammverletzung Allgemein können Hirnnervenlähmungen bei Frakturen im Bereich von knöchernen Kanälen (z. B. Optikus- und Fazialiskanal) oder bei Schädelbasisfrakturen (z. B. Nerven der Augenmuskulatur im Sinus cavernosus, N. olfactorius bei Fraktur der Lamina cribrosa) auftreten. Der N. trochlearis kann bei Herniationssyndromen gegen den freien Rand des Tentoriums gepresst und hier geschädigt werden.
9.5.4
Sekundäre Traumafolgen
Die primären Verletzungen ziehen oft typische sekundäre Traumafolgen nach sich. Dazu zählen: 4 fokale oder generalisierte Hirnödeme 4 Herniationssyndrome 4 sekundäre Hirninfarkte oder Einblutungen 4 Infektionen Kontusionsherde, Scherverletzungen oder Ischämieareale zeigen häufig als Umgebungsreaktion ein fokales Ödem. Eine generalisierte Hirnschwellung tritt bei etwa 10–20% aller schweren Schädelhirntraumen auf. Führen sie zu einem erheblichen Anstieg des intrakraniellen Drucks, steigt die Mortalität auf bis zu 50%. Ein generalisiertes Hirnödem kann auch ohne sichtbare intrakranielle Verletzungen entstehen, z. B. als Folge einer im Rahmen des Unfalls aufgetretenen zerebralen Hypoxie. Generalisierte Hirnödeme sind bei Kindern etwa doppelt so häufig wie bei Erwachsenen anzutreffen. Im CT und in der MRT zeigt sich ein generalisiertes Hirnödem mit einer diffusen Dichteminderung und Signalsteigerung des Hirngewebes. Die Ventrikel sind schmal und die subarachnoidalen Zisternen eng. Aufgrund der Hirnschwellung kann es zu Einklemmungssyndromen kommen. Hierbei lassen sich verschiedene Formen der Herniation unterscheiden. 4 Am häufigsten ist die subfalxiale Herniation. Hierbei werden durch eine unilaterale supratentorielle Raumforderung der Gyrus cinguli und Blutgefäße unter der Falx zur Gegenseite gepresst. In der Bildgebung sieht man die rostrale Mittellinienverlagerung. Der ipsilaterale Seitenventrikel ist eng, kontralateral kann er durch eine Blockade des Foramen Monroi erweitert sein. Angiographisch sind die A2-Segmente der A. cerebri anterior verlagert. 4 Durch eine beidseitige supratentorielle Raumforderung kann es zu einer transtentoriellen Herniation nach kaudal kommen. Dabei werden Gyrus parahippocampalis und Uncus ein- oder beidseitig nach kaudal in den Tentoriumschlitz gepresst. In der Bildgebung erscheinen die suprasellären und perimesencephalen Zisternen verschmälert. Durch eine Kompression des Nucleus nervi oculomotoriis kann es zu einer Erweiterung der Pupillen kommen. Die suprasel-
läre Zisterne ist ausgepresst, und Mesencephalon und Pons werden nach kaudal verlagert. Am besten ist dies bei sagittaler Schichtführung in der MRT darstellbar. Eine Erhöhung des intrakraniellen Drucks, z. B. bei generalisierter Hypoxie, führt immer zu einer schweren transtentoriellen Herniation. 4 Die Raumforderung in der hinteren Schädelgrube kann seltener einmal zu einer transtentoriellen Herniation nach rostral führen. Dabei werden Kleinhirnwurm und Kleinhirnhemisphären nach rostral in den Tentoriumschlitz verlagert. Die Cisterna ambiens wird komprimiert, und durch die Kompression des Aquäduktes kann ein akuter Hydrozephalus entstehen. 4 Eine Herniation der Kleinhirntonsillen findet sich bei etwa der Hälfte der Patienten mit transtentorieller kaudaler und bei zwei Drittel der Patienten mit transtentorieller rostraler Herniation. Dabei werden die Kleinhirntonsillen nach kaudal in das Foramen magnum verlagert, die Cisterna magna ist komprimiert. Sekundäre Infarkte oder Blutungen. Zu sekundären Hirninfarkten oder Hämorrhagien kommt es am häufigsten infolge von Herniationssyndromen. Dabei werden häufig die Äste der A. cerebri anterior gegen die Falx gepresst (transfalxiale Herniation, s. o.) bzw. die A. cerebri posterior am Tentoriumsrand eingeklemmt (transtentorielle Herniation, s. o.). Infarkte im Bereich der Stammganglien entstehen, wenn die perforierenden Stammganglienarterien gegen die Schädelbasis gepresst werden. Da dabei der Hirnstamm nach kaudal verlagert wird, können die Aa. thalamoperforantes aus dem P1-Segment der A. communicans posterior und die paramedianen pontinen Arterien überdehnen und sogar einreißen. In der Folge kann es zu zentral gelegenen Ischämien und/oder Einblutungen im Thalamus, Mesencephalon und Pons (Duret-Blutung) kommen. Diese DuretBlutungen liegen zentral im oberen Pons oder im Mittelhirn. Eine Abgrenzung zu primären Hirnstammkontusionen ist möglich, da Kontusionen in der Regel dorsolateral gelegen sind. Eine Druckschädigung mit Infarzierung oder Einblutung des kontralateralen Pedunculus besteht, wenn dieser gegen den Tentoriumsrand gepresst wird (Kernohan-Läsion). Hierbei ist eine sichere Abgrenzung gegen einen primären Kontusionsherd nicht immer möglich. Sekundäre Hirninfarkte können auch durch Embolien, Gefäßdissektionen, Fett- oder Luftembolien oder Venenthrombosen verursacht werden. Intrakranielle Infektionen. Bei offenen Schädelhirntraumen
kann es in der Folge zu intrakraniellen Infektionen kommen. Offene Schädelhirntraumen sind häufig an kleinen intrakraniellen Lufteinschlüssen erkennbar, v. a. kleinere Frakturen von Keilbein oder Lamina cribrosa und Duraverletzungen sind als Ursache anzunehmen. Mögliche infektiöse Komplikationen sind Meningitis, Enzephalitis, Ventrikulitis, subdurales Ödem, Osteomyelitis und Abszesse. Resultierende traumatische Liquorfisteln sind oft Ausgangspunkt von rezidivierenden Meningitiden. Posttraumatische Abszesse können auch noch Jahre nach dem Trauma auftreten.
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Kapitel 9 · Gehirn
Chronische Veränderungen nach Schädelhirnverletzungen können v. a. im MRT erfasst werden. Hierzu zählen fokale regionale oder diffuse Hirnatrophien mit Vergröberung der Hirnfurchung, Verschmächtigung der Hirnwindungen und Erweiterung des Ventrikelsystems. Kontusionsherde werden als rindennah gelegene Gliosen oder Glianarben nachgewiesen. Gliosen in der weißen Hirnsubstanz sind Folge von Scherverletzungen. Hämosiderinablagerungen, v. a. in den T2*-gewichteten GradientenEcho-Sequenzen zu erkennen, sind Folge von Blutungsresiduen. Fokale Gliosen sind häufig der Entstehungsort posttraumatischer Epilepsien, die als Komplikation bei etwa 4% der geschlossenen und bei über 50% der offenen SHT auftreten können.
9.5.5
Kindesmisshandlung
tiert, dass Traumen, die im normalen Alltag auf ein Baby oder ein Kleinkind einwirken, wie Stürze aus geringer Höhe, nicht ausreichen, um das »Shaken Baby-Syndrom« auszulösen. Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass direkte Gewalteinwirkungen ebenso möglich sind und nicht jedes misshandelte Kind, insbesondere gilt dies für ältere Kinder, geschüttelt wurde.
Epidemiologie Epidemiologisch zeigt sich das »Shaken Baby-Syndrom« praktisch nur bei Kindern bis 3 Jahre, wobei die große Mehrheit der Fälle in den ersten 12 Lebensmonaten auftritt. Inzidenzen werden unterschiedlich angegeben, teilweise werden bei Kindern bis 2 Jahren in etwa 24% aller Kopftraumen als durch Misshandlung entstanden angegeben. Bei Betrachtung der schweren SchädelHirn-Verletzungen steigt dieser Prozentsatz deutlich an.
Ätiologie, Pathogenese
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Ein Trauma ist eine häufige Todesursache im Kindesalter und gerade Misshandlungen sind die häufigste Ursache schwerer Schädel- und Hirnverletzungen bei Kleinkindern. 1946 hat Caffey mit seiner historischen Arbeit erstmals über misshandelte Kinder berichtet. Schon in dieser ersten Arbeit über das nichtakzidentelle Trauma hat Caffey zentrale Befunde festgestellt. Dazu gehören metaphysäre Frakturen, intrakranielle Verletzungen mit subduralen Hämatomen und die Tatsache, dass es sich um Kleinkinder handelt. Unter den Patienten war nur ein Kind älter als 12 Monate. In seiner Arbeit hat Caffey den Pathomechanismus der Verletzungen jedoch noch nicht klar dargestellt. Da die Morbidität und Mortalität mit dem Ausmaß der intrakraniellen Verletzungen korrelieren, werden die knöchernen Verletzungen des peripheren Skeletts hier nicht weiter diskutiert und abgehandelt. Die in der Literatur gängigen Namen des Syndroms versuchen, die Ätiologie der Verletzungen abzubilden, wobei der Terminus »Shaken Baby-Syndrom« häufig verwendet wird. Das Kleinkind wird an den Armen oder am Körper gefasst und dann geschüttelt, wobei der Kopf aufgrund der besonderen Anatomie, die wir oben beschrieben haben, erhebliche Akzelerationen und Dezelerationen mit Rotationskräften erfährt. Zudem kann das Kind im Rahmen der Misshandlung auch gegen Oberflächen geschleudert werden. Die Pathogenese von Infarkten ist noch umstritten. Diskutiert werden Apnoephasen, da die Kinder oft so lange geschüttelt werden, bis sie bewusstlos werden und Atemstörungen ausbilden. Durch Druck der Hände auf den Thorax oder das Abdomen des Kindes können Atemexkursionen unmöglich werden. Da in einem Drittel der Fälle Infarkte unilateral auftreten, ist eine globale Hypoxie sicher nicht der einzige auslösende Faktor. Wahrscheinlich überfordert die Kombination aus mechanischem Trauma, Blutung, Hypoxie und Krämpfen die Kompensationsfähigkeit des kindlichen Gehirns mit Ausbildung einer Hirnschwellung und Verlust von Neuronen. Epidurale Hämatome entstehen als Ausdruck lokaler Gewalteinwirkung auf ein umschriebenes Areal des Schädels. Diese Form der nichtakzidentellen Gewalteinwirkung ist bei Kleinkindern sicher auch möglich, jedoch eher selten. Ob Schütteln allein alle Befunde dieser Kinder erklärt, ist noch Gegenstand der Diskussion, es ist jedoch allgemein akzep-
Klinik Bei der Anamnese werden in aller Regel kein adäquates Trauma, sondern Bagatellverletzungen berichtet. Die Angaben sind häufig unglaubwürdig und widersprüchlich. Die Kinder leiden an Krämpfen, Vomitus, Atemstörungen, Lethargie und Ernährungsstörungen. Die Galea über den Fontanellen kann sich durch intrakranielle Druckerhöhung vorwölben. Krämpfe können bei 40–70% aller Fälle beobachtet werden. Netzhautblutungen werden bei bis zu 75% der Patienten gesehen. Sie treten ein- oder beidseitig auf, Einblutungen in den Glaskörper und entlang des N. opticus oder Netzhautablösungen kommen ebenfalls vor. Wichtig ist, dass Netzhautblutungen bei bis zu 40% aller vaginal entbundenen Kinder vorkommen können, normalerweise aber nach einem Monat resorbiert sind. Bei akzidentellem Trauma sind sie deutlich seltener nachweisbar. Wahrscheinlich werden sie durch venöse Hypertension verursacht. Da die Misshandlung oft mehrfach stattfindet, sind Verletzungen unterschiedlichen Alters typisch. Subdurale Hämatome sind der häufigste und konsistenteste Befund bei misshandelten Kleinkindern (. Abb. 9.141).
Bildgebung In der CT finden sich bilaterale subdurale Hämatome, die auch im Interhemisphärenspalt als typische hyperdense und/oder hypodense Raumforderungen zur Abbildung kommen. Die Dichte der Hämatome hängt vom Alter der Verletzung ab. Subdurale Blutungen im dorsalen Interhemisphärenspalt sind praktisch nur bei misshandelten Kindern zu beobachten und geradezu pathognomonisch. Subdurale Hämatome bei Kleinkindern werden sonst praktisch nur bei massiven Traumen, wie Verkehrsunfällen, beobachtet. Liegen sie bei einem Kleinkind ohne adäquates Trauma vor, muss daher immer an eine Misshandlung gedacht werden. Es treten aber auch Kontusionen, diffuse axonale Verletzungen, traumatische subarachnoidale und intraventrikuläre Blutungen auf. Gerade letztere sind in der CT oftmals der einzige Hinweis auf eine diffuse axonale Verletzung mit Beteiligung des Corpus callosum oder des Hirnstamms. In der MRT können diese Verletzungen sensitiver dargestellt werden. Sie tragen zur Entwicklung einer Hirnatrophie mit
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. Abb. 9.141a–d. Kindesmisshandlung. 16 Monate altes bewusstseinsgetrübtes Kind. Die Eltern berichteten über einen Sturz vom Wickeltisch. a In der CCT zeigt sich eine kleine subdurale Blutung rechts frontal sowie im vorderen Interhemisphärenspalt und auf dem Tentorium rechts. b In den T2-gewichteten MRT-Aufnahmen zeigt sich die frische subdurale Blutung rechts frontal sowie eine Erweiterung der äußeren Liquorräume über der
linken Hemisphäre. c Die T2*-Aufnahmen zeigen die Blutung rechts frontal sowie im vorderen Interhemisphärenspalt und auf dem Tentorium rechts als hypointense Raumforderung. d In den koronaren T1-gewichteten Aufnahmen sind die isointense subdurale Blutung sowie die ältere liquorisointense subdurale Blutung gut zu erkennen
schlechter Prognose bei. Akut können Hirnschwellungen mit Verlust der Mark-Rinden-Grenze und Ausbildung von enzephalomalazischen Defekten auftreten. Die MRT ist sensitiv im Nachweis schmaler subduraler Hämatome, aber auch Oberflächenkontusionen sind sensitiver er-
fassbar. Sie kann durch sich änderndes Signalverhalten der unterschiedlichen Blutabbauprodukte in subduralen Hämatomen die Mehrtätigkeit einer Misshandlung nachweisen. Nichthämorrhagische Scherverletzungen sind ebenfalls nur mittels MRT darstellbar.
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Kapitel 9 · Gehirn
Die Schädelübersichtsaufnahme ist bei Verdacht auf Misshandlung indiziert. Wenn Röntgenübersichtsaufnahmen einfache lineare Frakturen, insbesondere parietal, zeigen, ist dies unspezifisch. Multiple oder komplexe Frakturen, bilaterale Frakturen und Frakturlinien, die die Suturen überschreiten, sind jedoch typisch. Etwa 50% der Kinder zeigen Kalottenfrakturen. Eine Weichteilschwellung der Galea kann eine Impressionsfraktur klinisch-inspektorisch verdecken. Bei Verdacht auf ein »Shaken Baby-Syndrom« sollte sofort eine CT zum Ausschluss großer raumfordernder Hämatome angefertigt werden. Eine MRT ist aufgrund der höheren Sensitivität für diffuse axonale Verletzungen oder schmale subdurale Hämatome immer indiziert. Schädelübersichtsaufnahmen und eine Szintigraphie des Skeletts gehören ebenfalls zum Untersuchungsprogramm.
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> Liegt der Verdacht auf eine Kindesmisshandlung vor, so ist es forensisch wichtig, alle Verletzungen zu dokumentieren. Der Verdacht muss dem behandelnden Kollegen unverzüglich mitgeteilt werden. Das Kind sollte zur weiteren Diagnostik und evtl. Therapie unbedingt stationär aufgenommen werden, damit eine sichere Umgebung geschaffen werden kann.
9.6
Entzündliche Erkrankungen des Gehirns
Entzündliche Erkrankungen des Gehirns können unterschieden werden in Erkrankung mit Beteiligung der Meningen (Meningitis). Dabei können wiederum akute und chronische Meningitiden sowie septische und aseptische Meningitiden unterschieden werden. Weiterhin wird noch zwischen einer Enzephalitis bzw. bei Mitbeteiligung der Meningen eine Meningoenzephalitis unterschieden. Darüberhinaus kann es dann auch zu einer Mitbeteiligung des Hirnparenchyms, einer Zerebritis, kommen. Die Nomenklatur der ZNS-Infektionen erfolgt nach der Lokalisation der Entzündung. Man unterscheidet: 4 Meningitis: Entzündung der Hirnhäute, meist der Leptomeninx 4 Enzephalitis/Zerebritis: Entzündung des Parenchyms 4 Meningoenzephalitis: Mischform, meist Übergreifen von den Hirnhäuten auf das angrenzende Parenchym 4 Empyem: Subdurale Eiteransammlung; allgemein: Eiteransammlung in einer präformierten Höhle 4 Abszess: Lokal begrenzte Entzündung mit Kapsel und Abszesshöhle 4 Ventrikulitis: Entzündung des Ependyms mit/ohne Pus intraventrikulär
9.6.1
Meningitis
. Tab. 9.15. Liquorveränderungen bei Meningitis
Bakterielle Meningitis
Virale Meningitis
Tuberkulöse Meningitis
Liquor
trüb
klar bis opal
Spinngewebsgerinnsel
Zellzahl
>300/μl
<100/μl
20–300/μl
Zelltyp
Granulozyten
Lymphozyten
Lymphozyten
Glukose
erniedrigt: <40 mg/dl
normal
erniedrigt: <40 mg/dl
Eiweiß
erhöht: >120 mg/dl
normal: <120 mg/dl
erhöht: >120 mg/dl
Laktat
erhöht: >3,5 mmol/l
normal: <3,5 mmol/l
erhöht: >3,5 mmol/l
granulozytäre Liquorveränderungen) Formen. Die akute aseptische Meningitis tritt mit einer Inzidenz von 10–30 pro 100 000 Personen pro Jahr auf. Meist sind Kinder betroffen, vorwiegend in den Sommermonaten. Am häufigsten sind Viren die Ursache der aseptischen Meningitis. Die häufigsten Vertreter sind Enteroviren (Echo-, Coxsackie-, Epstein-Barr-Viren, Arbo-Viren). Das Erregerspektrum eitriger Meningitiden ist breit, prinzipiell können fast alle systemischen Infektionen eine meningeale Mitbeteiligung verursachen. Diagnostisch ist der Erregernachweis wünschenswert, gelingt jedoch nicht immer und dauert oft zu lang. Bei fulminanten Krankheitsbildern besteht für den Patienten akute Lebensgefahr, sodass die Therapie vor dem Vorliegen der Blut-/Liquorkultur eingeleitet werden muss. Die häufigsten Erreger eitriger Meningitiden sind Hämophilus influenzae (septische Meningitis) bei Kindern <7 Jahren, bei älteren Kindern Neisseria meningitidis und Streptococcus pneumoniae bei Erwachsenen. Die so genannten chronischen Meningitiden werden durch Tuberkulose oder durch Pilze hervorgerufen. Eine rasche Einordnung nach der Genese kann durch die laborchemische Liquoranalyse erfolgen (. Tab. 9.15).
Akute bakterielle Meningitis Ätiologie Das Erregerspektrum der akuten bakteriellen Meningitis ist altersabhängig verschieden. Der häufigste Erreger bei Kindern und Erwachsenen ist Neisseria meningitidis, Streptococcus pneumoniae überwiegt bei Erwachsenen >50 Jahren (s. o.). In der Perinatalperiode werden eitrige Meningitiden vorwiegend durch Standortkeime des maternalen Geburtskanals hervorgerufen. Die Inzidenz der durch Haemophilus influenzae verursachten Meningitis ist seit Einführung der standardisierten Reihenimpfung 1990 um >80% zurückgegangen. Die HiB-Meningitis spielt aktuell de facto nur noch eine untergeordnete Rolle.
Epidemiologie, Ätiologie Die Meningitis ist die am häufigsten vorkommende entzündliche Erkrankung des ZNS. Man unterteilt sie in akute und chronische (Stunden bis wenige Tage versus Wochen bis Monate) und purulente oder septische und nicht purulente oder aseptische (mit/ohne
Klinik Die bakterielle Meningitis ist als neurologischer Notfall zu betrachten, die Mortalität beträgt ca. 25%, die Morbidität ca. 60%. Klinisch imponieren Fieber, Kopfschmerzen, ausgeprägte Photo-
219 9.6 · Entzündliche Erkrankungen des Gehirns
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. Abb. 9.142a, b. Meningitis. 68-jährige Patientin mit akuten Kopfschmerzen, Fieber und Bewusstseinsstörung. In der Lumbalpunktion finden sich 5000 Granulozyten/μl, die Kultur war positiv für Pneumokokken. a Nati-
ve T1-Wichtung: unauffällig. b T1-Wichtung post KM: kräftige kortikale und gyrale Gefäßinjektionen links parietal bei verdickten, kräftig KM-affinen Meningen
phobie und Meningismus bis zum Opistotonus. Krampfanfälle können auftreten. Innerhalb von wenigen Stunden können die Patienten bewusstseinsgetrübt und komatös werden. Die Prognose korreliert mit der initialen Bewusstseinslage und dem Zeitpunkt des Therapiebeginns. Insgesamt ist die Prognose durch die bessere intensivmedizinische Therapie in den letzten Jahren verbessert worden. Septische Meningitiden können per continuitatem aus einem benachbarten Infektionsherd, z. B. Sinusitis, Otitis, hämatogen, oder über den Liquor cerebrospinalis entstehen. Seltener treten sie nach penetrierenden Verletzungen und Verletzungen der Dura auf, z. B. bei neurochirurgischen oder HNO-Operationen. Die Erreger führen zunächst zu einem Auftreten von neutrophilen Granulozyten. Es kann zu Eiteransammlungen im subarachnoidalen und subpialen Raum kommen, die zu einer Verklebung der Oberfläche führt. Bei einer Begleitvaskulitis kann es zu sekundären Durchblutungsstörungen kommen. Die klinische Symptomatik bei beginnenden Hirnabszessen als Komplikation der akuten bakteriellen Meningitis (s. u.) ist häufig unspezifisch, v. a. bei immunsupprimierten Patienten.
me der Lepto- oder Pachymeningen nachweisen (. Abb. 9.142). Bei septischen und chronischen Meningitiden kann eine Verdickung der Leptomeningen auf den T1-gewichteten Aufnahmen nach Kontrastmittelgabe nachweisbar sein. Ist in den FLAIRund den T2-gewichteten Sequenzen eine Hyperintensität im angrenzenden Hirnparenchym nachweisbar, spricht dies für ein Übergreifen der Entzündung auf das Hirnparenchym im Sinne einer Enzephalitis. Diese entzündlichen Mitreaktionen der Meningen bzw. des Hirnparenchyms sind abhängig von der Lokalisation und Eintrittspforte der Erreger. Bei der basalen Tuberkulose sind diese Veränderungen v. a. an der Schädelbasis nachweisbar. Hierbei kommt es auch frühzeitig zu vaskulitischen Veränderungen mit entsprechenden Stenosen und Verschlüssen der basalen Gefäße. Dabei ist bei diesen vaskulitischen Begleitreaktionen auch auf dadurch bedingte Hirninfarkte zu achten, die v. a. in den diffusionsgewichteten Aufnahmen als Hyperintensität nachweisbar sind. Die diagnostisch unbedingt notwendige Liquorpunktion sollte nach der Bildgebung erfolgen, um einen erhöhten Hirndruck und die Gefahr einer Einklemmung bei der Punktion rechtzeitig zu erkennen.
Diagnose
Differenzialdiagnose
Bei Verdacht auf bakterielle Meningitis werden zu diagnostischen Zwecken Blut- und Liquorkulturen angelegt, die kalkulierte antibiotische Therapie beginnt jedoch meist vor deren Ergebnis anhand des individuell zu erwartenden Erregerspektrums. Bei Vorliegen des Erregernachweises und Antibiogramms wird die Therapie angepasst.
Vermehrte Kontrastmittel-Aufnahme der Leptomeningen kann auch im Rahmen eines Liquorunterdrucksyndroms und nach Entnahme von Liquor auftreten. Auch bei einer Meningeosis carcinomatosa kann es zu einer starken Kontrastmittel-Anreicherung der Meningen kommen. Selten ist ein Lymphombefall der Meningen. Differenzialdiagnostisch müssen andere Infektionserkrankungen wie tuberkulöse Meningitiden, Pilzerkrankungen und nichteitrige Meningitiden aus dem rheumatischen Formenkreis, die Sarkoidose (. Abb. 9.148) und die idiopathische Pachy-
Bildgebung. Bei einer septischen Meningitis ist die Bildgebung oft normal, es lässt sich eine vermehrte Kontrastmittel-Aufnah-
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Kapitel 9 · Gehirn
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. Abb. 9.143a–d. Empyem. 29-Jähriger Patient mit bekannter chronischer Sinusitis. Akute Kopfschmerzen, Somnolenz, hohes Fieber. a CCT Knochenfenster koronar: ausgedehnte Pansinusitis mit subtotaler Verschattung sämtlicher Nasennebenhöhlen, knöcherne Lamelle der Frontobasis nicht sicher intakt. b FLAIR-Sequenz axial: Verbreiterung des Interhemisphärenspalts durch hyperintenses (proteinreiches) Material mit Begleitödem des
angrenzenden Cortex. c Axiale Diffusionswichtung: Signalsteigerung im Interhemispärenspalt. d Axiale T1-Wichtung post KM: randständige KM-Aufnahme als Begleitmeningitis, das Empyem ist hypointens, flächigere Anreicherung rechts frontal im Sinne einer Zerebritis, welche im Verlauf zum Abszess eingeschmolzen ist (nicht abgebildet)
meningitis in Betracht gezogen werden. Bei subduralen Hygromen, die typischerweise isointens zum Liquor sind, zeigt sich in der Regel keine vermehrte Kontrastmittel-Aufnahme der benachbarten Meningen.
trastmittel auf. Der Inhalt des Empyems ist je nach Proteingehalt meist hyper- bzw. iso-, seltener hypointens auf FLAIR- und T2gewichteten Aufnahmen. Bei einer septischen Meningitis kann es zu einer Zerebritis und der Ausbildung eines Hirnabszesses kommen (s. unten, 7 Kap. 9.6.2).
Komplikationen Eine der Komplikationen einer eitrigen Meningitis ist das subdurale Empyem (. Abb. 9.143) (s. u., 7 Kap. 9.6.2). In der CT stellt sich ein subdurales Empyem hypodens dar. In den T1-gewichteten Sequenzen nach Kontrastmittelgabe ist es meist hypointens. Die angrenzenden Gewebeschichten nehmen stark Kon-
Virale Meningitis Epidemiologie, Ätiologie Die akute aseptische Meningitis tritt mit einer Inzidenz von 10– 30 pro 100 000 Personen pro Jahr auf und ist in der Regel viral
221 9.6 · Entzündliche Erkrankungen des Gehirns
bedingt. Meist sind Kinder betroffen, es liegt eine jahreszeitliche Häufung in den Sommermonaten vor. Die häufigsten Erreger sind Enteroviren (ECHO-, Coxsackie-Viren), aber auch Herpesviridae (Herpes simplex Virus I meist jedoch Meningoenzephalitis, Epstein-Barr-Virus) und Arbo-Viren.
Hirnhautentzündungen liegt bei der chronischen Verlaufsform eine langsame, unspezifische Progredienz vor. Führende klinische Symptome sind Kopfschmerz und Wesensveränderung; fokale Defizite, Krampfanfälle und Vigilanzminderungen sind selten.
Klinik, Therapie Klinisch sind Fieber, Kopfschmerzen, Photophobie und Meningismus die führenden Symptome, die klinische Beschwerdesymptomatik ist aber im Vergleich zu den bakteriellen Meningitiden weniger stark ausgeprägt. Insgesamt ist die virale Meningitis meist Teil einer Systeminfektion und verläuft beim Immungesunden wie die Grunderkrankung (meist Atemwegs- oder Magen-Darm-Infekt) in der Regel selbstlimitierend. Defektzustände sind selten. Eine spezifische Therapie ist selten möglich bzw. erforderlich. Supportivmaßnahmen, z. B. Schmerz- und Volumentherapie, sind sinnvoll.
Sonderform: Frühsommermeningoenzephalitis (FSME) Die endemische Form der viralen Meningoenzephalitis wird durch das FSME-Virus – ein Einzelstrang-RNA-Virus der Familie der Flaviviridae – ausgelöst. Das Virus vermehrt sich in der Speicheldrüse von Zecken und wird beim Biss durch den Vektor übertragen. In etwa 70–90% der Fälle verläuft die Infektion asymptomatisch, bei nur etwa 10–30% treten Symptome eines grippalen Infekts auf. Bei 10% der symptomatischen Patienten kommt es ca. 1 Woche nach Entfieberung zu einem erneuten Fieberanstieg mit Zeichen einer meningealen Reizung. Im weiteren Verlauf können Bewusstseinsstörung bis hin zum Koma sowie Lähmungen auftreten. Die Erkrankung verläuft meist innerhalb von Wochen bis Monaten selbstlimitierend und führt in der Regel zur Restitutio ad integrum. Die FSME ist in Deutschland meldepflichtig. Das RobertKoch-Institut gibt jährlich Empfehlungen heraus, z. B. Expositionsschutz und Impfungen in Endemiegebieten.
Chronische Meningitis Die so genannten chronischen Meningitiden werden durch Tuberkulose (7 Kap. 9.6.3) oder durch Pilze hervorgerufen. Im Gegensatz zu den teilweise fulminant verlaufenden akuten
9.6.2
Komplikationen einer Meningitis bzw. intrazerebrale Infektionen
Abszess Epidemiologie Die Inzidenz von Hirnabszessen wird in der Literatur mit ca. 1/100 000 Personen/Jahr angegeben. Männer sind 2- bis 3-mal häufiger betroffen als Frauen, die Erkrankung tritt gehäuft in der 3.–4. Lebensdekade auf. Oftmals kann mehr als ein Erreger nachgewiesen werden. Aufgrund der zunehmenden Zahl immunsupprimierter Menschen (AIDS, Knochenmark-, Organtransplantationen) ist die Inzidenz steigend.
Ätiologie, Pathogenese Die meisten Abszesse entstehen per continuitatem, bei Sinusitis oder Otitis (. Abb. 9.144), in ca. 10% der Fälle durch Zahnabszesse im Bereich der Molaren. Verantwortlich hierfür ist eine hochgradig infektiöse Thrombophlebitis. Das Erregerspektrum umfasst hier die oropharyngealen Standortkeime sowie invasive Pilze z. B. Candida ssp. und Aspergillus ssp. In 70% der Fälle sind Streptokokken, in 10–30% Staphylokokken Ursache des Hirnabszesses. Gram-negative Bakterien werden bei ca. 10–20% der Patienten gefunden. 20% aller Hirnabszesse entstehen hämatogen bei bakterieller Endokarditis oder eitriger Pneumonie (so genannte septische Herdenzephalitis). Häufig ist der septische Streuherd nicht zu eruieren. Kongenitale zyanotische Herzerkrankungen, pulmonale Gefäßmissbildungen und andere Erkrankungen haben ein erhöhtes Risiko für septische Herdenzephalitiden. Bei Neugeborenen können auch bakterielle Menigitiden, meist mit gram-negativen Bakterien, zu Hirnabszessen führen. Die Abszessentwicklung verläuft in verschiedenen Phasen (. Tab. 9.16) (. Abb. 9.145). Nach der Invasion von Bakterien in das Hirnparenchym wandern polymorphkernige Granulozyten
. Tab. 9.16. Zeitlicher Ablauf der Abszessbildung
Phase
Ereignis
Bildkorrelat
Zeitraum
Frühe Zerebritis
Erregerinvasion, lokale Leukozytentransmigration
Diffuse Parenchyminfektion, schlecht abgerenzbar
1.–4. Tag
Späte Zerebritis
Verschmelzung kleinerer Nekrosezonen zur späteren Abszesshöhle, perifokale Gefäßproliferation, Häufung von Makrophagen und Fibroblasten, Granulationsgewebe
Entzündung wird umschriebener
4.–14. Tag
Frühes Kapselstadium
Bildung der Abszesskapsel aus Kollagen und Retikulinfasern
Bildung der Abszesskapsel
2.–3. Woche
Spätes Kapselstadium
Dreischichtige Kapsel: 5 innen Entzündungszellen 5 Mitte Kollagen 5 außen Gliosezone
Gute lokale Abgrenzbarkeit, kräftig KMaffine Kapsel
Wochen bis Monate
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Kapitel 9 · Gehirn
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c . Abb. 9.144a–d. Hirnabszess bei Sinusitis. a Im koronaren CT ausgedehnte entzündliche Verschattung der Siebbeinzellen und des Sinus frontalis links. b In der FLAIR-Sequenz Nachweis einer Signalsteigerung links frontal im Hirnparenchym. c In der axialen T1-Wichtung nach KM-Applikation ausgeprägtes leptomeningeales und durales Enhancement links. d In den koronaren T1-Wichtung (post KM) sieht man einen beginnenden Hirnabszess
aus dem lokalen Kapillarbett zum Infektionsherd. Im frühen Stadium der Zerebritis zeigt sich noch keine Kapselbildung, die Zerebritis ist vom umgebenden Hirnparenchym schlecht abgrenzbar. Dieses Stadium dauert etwa 3–5 Tage, daran anschließend vom 4.–14. Tag ist das Stadium der späten Zerebritis. In diesem Stadium verschmelzen kleinere zu großen Nekrosezonen und die Entzündung wird fokal noch umschriebener. Es zeigen sich jetzt Gefäßproliferationen, Makrophagen, Granulationsgewebe und Fibroblasten perifokal. Im frühen Kapselstadium gegen Ende der
d
2. Woche nach Infektion bildet sich die Abszesskapsel aus Kollagen und Retikulinfasern. Im späten Kapselstadium, das Wochen und Monate persistieren kann, ist diese Kapsel komplett und besteht aus einer inneren Schicht mit Entzündungszellen, einer mittleren Kollagenschicht und einer äußeren Glioseschicht. Der zeitliche Ablauf von der frühen Zerebritis zum späten Kapselstadium läuft nicht gleichförmig, sondern hängt vom immunologischen Stadium des Patienten und vom Beginn der antibiotischen Therapie ab.
223 9.6 · Entzündliche Erkrankungen des Gehirns
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b . Abb. 9.145a–c. Abszess. 45-jähriger Patient mit progredienten Kopfschmerzen, fieberhaftem Infekt, Wesensveränderung, erster Krampfanfall. a FLAIR-Sequenz, axial: Perifokalödem, verflüssigter Inhalt ist hyperintens zum Liquor und somit proteinreich. b Native T1-Wichtung axial: zytotoxisches Perifokalödem hypointens, randständige Hyperintensität bei Einblutung. c T1-Wichtung axial post KM: kräftige KM-Aufnahme der Abszesskapsel
Bildgebung
c
Klinik, Therapie Die klinische Symptomatik bei beginnenden Hirnabszessen ist häufig unspezifisch, v. a. bei immunsupprimierten Patienten. Neben Fieber, Kopfschmerzen und fokal neurologischen Defiziten können auch Bewusstseinsstörungen und Hirnnervenausfälle auftreten, insbesondere bei septischen Meningitiden. Die Therapie besteht aus Antibiotikagabe und neurochirurgischer Abszessentlastung. Die Antibiotikawahl richtet sich nach dem Ergebnis des mikrobiologischen Tests. Die Mortalität bei Hirnabszessen lag vor Einführung einer spezifischen Antibiotikatherapie bei 100% und beträgt heute immer noch 8–10%. Bei immunsupprimierten Patienten, v. a. bei Organ- und Knochenmarktransplantierten, liegt die Mortalität auch heute noch bei ca. 90%.
Am häufigsten sind Hirnabszesse im Frontal- und Parietallappen an der kortikomedullären Grenze nachweisbar (. Abb. 9.145). Ca. 15% der Hirnabszesse treten infratentoriell auf. Multiple Abszesse zeigen sich v. a. bei immunsupprimierten Patienten. In der frühen Phase der Zerebritis zeigt sich ein eher schlecht umschriebenes fokales Hirnödem mit Signalsteigerungen in den T1und den T2-gewichteten Sequenzen und den FLAIR-Aufnahmen. Nach Kontrastmittelgabe zeigt sich, wenn überhaupt, ein inhomogenes fleckiges Enhancement ohne Darstellung eines ringförmigen Kontrastmittel-Enhancements. In den späteren Stadien der Zerebritis kommt es dann zu einer zunehmend besseren Abgrenzbarkeit der Abszessmembran. In den T1-gewichteten Aufnahmen nach Kontrastmittelgabe stellt sie sich in der Regel kräftig homogen Kontrastmittel aufnehmend dar. Die Abszesshöhle ist meist hypointens in den T1-gewichteten Sequenzen, in den T2- und FLAIR-gewichteten Sequenzen hyperintens. Perifokal zeigt sich ebenfalls ein meist fingerförmiges Ödem mit Signalsteigerungen in den T1-, T2- und FLAIR-Sequenzen. Die Kontrastmittel aufnehmende Abszessmembran ist meist auf der ventrikelnahen Seite dünner als auf der kortexzugewandten. Multiple Abszesse sind häufig bei Patienten mit Systemerkrankungen, wie Lymphomen oder Leukämie. Unter erfolgreicher antibiotischer Therapie bildet sich der auf den T2-gewichteten Aufnahmen hyperintense Ring innerhalb von Tagen zurück.
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Kapitel 9 · Gehirn
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. Abb. 9.146a–d. Ventrikulitis. 12 Monate alter Säugling mit perinataler Blutung links parietal und konsekutivem Hydrozephalus. Zustand nach Shuntimplantation. Plötzlich einsetzendes, hohes Fieber, Krampfanfall und Hirndrucksymptomatik. a In der T2-Wichtung deutliche Aufweitung des
Hinterhorns. b In der T1-Wichtung vor KM beginnende hyperintense Ventrikelwände. c, d Nach KM-Gabe kräftiges Enhancement der Ventrikelwände und ausgeprägte leptomeningeale und durale KM-Aufnahme (T1-Wichtung)
Komplikationen
MRT zeigt sich eine kräftige Kontrastmittel-Aufnahme der Ventrikelberandung. Ein Übergreifen der Entzündung auf das subependymale Hirnparenchym ist als millimeterbreiter hyperintenser Saum auf T2- und FLAIR-gewichteten Sequenzen nachweisbar.
Komplikationen eines Hirnabszesses sind die Ausbildungen von weiteren Abszessen, die Entwicklung einer eitrigen Meningitis oder einer Ependymitis bzw. Ventrikulitis. Bei einer Ependymitis bzw. Ventrikulitis kann es zur Verklebung der Meningen mit Ausbildung eines Hydrozephalus kommen. Die Ventrikulitis (. Abb. 9.146, s. unten) resultiert am häufigsten aus der Implantation von Liquordrainagekathetern, intraventrikulären neurochirurgischen Eingriffen oder intrathekaler Chemotherapie. In der
Differenzialdiagnose Differenzialdiagnostisch sind Abszesse von zentralnekrotischen Metastasen oder hirneigenen Tumoren zu unterscheiden. Dabei zeigt sich, dass die Abszesskapsel auf T2-gewichteten Aufnah-
225 9.6 · Entzündliche Erkrankungen des Gehirns
men in der Regel als nicht unterbrochene hypointense Struktur abgrenzbar ist, was bei Neoplasien eher seltener zu finden ist. Auch die perfusionsgewichtete MRT kann zur Differenzierung herangezogen werden. Im soliden Anteil von höhergradigen Hirntumoren und Metastasen zeigt sich in der Regel meist eine Erhöhung der Perfusion, während bei Abszessen, Strahlennekrosen und fokalen Entzündungen meist eine Erniedrigung des regionalen zerebralen Blutflusses nachweisbar ist. Die MR-Spektroskopie zeigt im zystischen Anteil eine hohe Konzentration an Aminosäuren, Acetat und Succinaten, was bei zentral nekrotischen Metastasen oder hirneigenen Tumoren nicht der Fall ist. In der diffusionsgewichteten MRT zeigt sich eine Verminderung des ADC (apparent diffusion coefficient) im zystischen Abszessanteil.
Empyem Eine der Komplikationen von eitrigen Meningitiden oder Abszessen ist das Empyem, die subdurale Eiteransammlung. Selten kann es aber auch direkt per continuitatem z. B. bei Durchwanderungssinusitis oder penetrierenden Verletzungen entstehen. Das Erregerspektrum ist entsprechend unterschiedlich. Pathophysiologisch liegt eine exzessive Sezernierung von aktivierten Leukozyten, meist Granulozyten, aus den meningealen Gefäßen in den Suduralraum vor. Bildgebung. Siehe oben (. Abb. 9.143).
Ventrikulitis Die Ventrikulitis wird am häufigsten durch Implantation von Liquordrainagekathetern, intraventrikuläre neurochirurgischen Eingriffe oder intrathekale Chemotherapie verursacht, seltener entsteht sie als Komplikation eines intrakraniellen Abszesses oder einer Meningitis (s. o.). Durch Leukozytentransmigration entsteht ein proteinreiches, visköses Exsudat intraventrikulär, welches zur Verklebung der Meningen mit Ausbildung eines Hydrozephalus führen kann. Bildgebende Charakteristika . Abb. 9.146, s. oben.
9.6.3
ZNS-Infektionen bei immunsupprimierten Patienten
Erregerbedingte Entzündungen des ZNS sind beim immunkompetenten Patienten selten, unter Immunsuppression jedoch häufiger. Zusätzlich findet sich ein grundlegend verschiedenes Erregerspektrum. Pathognomonische Befunde in der Bildgebung existieren nicht, oftmals ist die Schnittbilddiagnostik auch bei ausgeprägter Klinik unauffällig oder unspezifisch.Das Erregerspektrum umfasst folgende: 4 Bakterien: Tuberkulose, Syphilis, Listeriose 4 Parasiten: Toxoplasmose 4 Pilze: Candidose, Apergillose, Kryptokokkose 4 Viren: HIV, HSV, VZV, EBV, CMV
der Lunge (7 Kap. 19), seltener in Haut oder Darm. Es entsteht der so genannte Primärkomplex, in dem das Bakterium über eine lange Latenz asymptomatisch bleiben kann. Bei geschwächter Immunlage kann eine Reaktivierung erfolgen, welche meist eine hämatogene, systemische Infektion bewirkt. Eine ZNS-Beteiligung ist eine der schwerwiegendsten Komplikationen der Tuberkulose. Bei 2–5% aller Patienten mit Tbc und bei ca. 10% der Tbc-Patienten mit AIDS kommt es zu einer ZNS-Beteiligung. Die Neurotuberkulose hat eine hohe Mortalität. Zu einer Neurotuberkulose kann es noch Jahre nach der Primärinfektion kommen. Insgesamt nimmt die Inzidenz der Tbc weltweit wieder zu. Ursächlich für das Ansteigen der Inzidenz der Tbc sind die weltweite Zunahme von AIDS, die Zunahme immunsupprimierter Patienten und das Vorkommen therapieresistenter Tbc. Beim Immunsupprimierten, v. a. bei HIV-Infektion im AIDS-Stadium, können jedoch auch andere, normalerweise gering-pathogene, ubiquitär vorkommende Mykobakterien, so genannte MOTT (Mycobacterium other than tuberculosis) zu ähnlichen Krankheitsbildern führen: Mycobacterium avium, intercellulare, kansasii, fortuitum.
Pathogenese, Histologie Bei der tuberkulösen Meningitis handelt es sich um eine granulomatöse Infektion der Leptomeningen mit Beteiligung von Arachnoidea und Pia mater. Hier bildet sich ein dickes Exsudat auf den Meningen, vorwiegend an der Hirnbasis. Ursache des Exsudats ist die Ruptur eines subependymalen oder subpialen Granuloms in den Subarachnoidalraum bzw. hämatogener Dissemination eines entfernten Tbc-Fokus. Die Zelle vermittelt dann die Immunanwort für die Ausbildung eines Exsudats an der basalen Hirnoberfläche. Später kann es zur Ausbreitung der Leptomeningitis bis auf die frontale, parietale oder okzipitale Hirnoberfläche oder zur Ependymitis kommen. Bei der parenchymalen Tuberkulose ist die häufigste Form das tuberkulöse Granulom, seltener der tuberkulöse Hirnabszess, die fokale Zerebritis und die allergische tuberkulöse Enzephalopathie. Histopathologisch bestehen tuberkulöse Granulome aus einer zentralen Zone mit Nekrose mit nur wenigen Tbc-Erregern und einer Kapsel aus kollagenem Gewebe, vielkörnigen Riesenzellen und mononukleären Entzündungszellen. Perifokal zeigen sich ein Hirnödem und Astrozyten-Proliferationszonen. Man kann verkäsende von nichtverkäsenden Granulomen ohne und mit Verflüssigung des Inhalts unterscheiden. Der tuberkulöse Hirnabszess ist eine seltene Komplikation. Er entwickelt sich aus parenchymalen Granulomen oder aus meningealen Herden. Eine fokale tuberkulöse Zerebritis kommt meist bei immunsupprimierten Patienten mit AIDS vor. Die tuberkulöse Enzephalopathie kommt vorwiegend bei Kindern und Jugendlichen mit pulmonaler Tbc vor, dabei kommt es zu einer exzessiven Zerstörung der weißen Substanz durch perivaskuläre Demyelinisierung aufgrund einer verzögerten allergischen enzephalitischen Immunreaktion vom Typ IV.
Tuberkulose Ätiologie und Epidemiologie
Klinik, Therapie
Tuberkulose wird durch das säurefeste Stäbchen Mycobacterium tuberculosis hervorgerufen. Die Primärinfektion erfolgt meist in
Die klinischen Symptome sind Fieber, Kopfschmerzen, Bewusstseinsstörungen unterschiedlicher Ausprägung sowie Zeichen der
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Kapitel 9 · Gehirn
meningealen Reizung, wie Nackensteifigkeit, Photophobie und Erbrechen. Zusätzlich treten häufig Ausfälle basaler Hirnnerven und Zeichen der fokalen zerebralen Ischämie auf. Die Hirnnervenausfälle werden durch ischämische Schädigungen der Nerven, Raumforderungen und über ein meningeales Entrapment erklärt. Das chronische fibrotische Endstadium ist durch permanenten Funktionsverlust dieser Nerven gekennzeichnet. Bei einem parenchymalen Befall sind die Symptome weniger stark ausgeprägt, vorwiegend Kopfschmerzen, Krampfanfälle und fokal neurologische Defizite, aber auch eine intrakranielle Drucksteigerung sind nachweisbar. Die Therapie bei Neurotuberkulose besteht aus der Gabe von mindestens 3 Tuberkulostatika (Isoniazid, Rifampicin, Ethambutol). In Epidemiegebieten kann dies auf 4–5 Tuberkulostatika ausgeweitet werden. Die mittlere Behandlungsdauer beträgt in der Regel 8–16 Monate.
Bildgebung/Diagnose
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Bei tuberkulösen ZNS-Infektionen herrscht die akute oder chronische Meningitis vor, seltener finden sich Tuberkulome, Abszesse oder eine Zerebritis. Die native CCT ist oftmals unauffällig oder zeigt unspezifische Veränderungen, z. B. Hydrozephalus. Häufig finden sich zentrale Verkalkungen in Tuberkulomen. Als Spätfolge können Popcorn-artige Verkalkungen in den suprasellären Zisternen mit oder ohne umgebende Kontrastmittel-Aufnahme resultieren. Bei der tuberkulösen Meningitis zeigt sich in der MRT in der Regel in den T1-gewichteten Sequenzen eine kräftige Kontrastmittel-Aufnahme der basalen Meningen. Hier sammelt sich auch ein gelatinöses Exsudat, das zu einem kommunizierenden Hydrozephalus führen kann und in T1- und T2-Wichtung iso- bis hyperintens imponiert (. Abb. 9.147). Greift die im Liquor floride Entzündung auf die basalen Hirngefäße über, können daraus Infarkte resultieren. Bei immunsupprimierten Patienten fällt die KontrastmittelAufnahme oft deutlich geringer aus. Durch die exzessive Verdickung der basalen Meningen kann es zu einem Übergreifen der Entzündung auf die Adventitia der Hirngefäße mit den Folgen einer Panarteriitis mit sekundärer Thrombose und Gefäßverschluss kommen. Infarkte sind meistens im Versorgungsgebiet der lentikulostriären Arterien nachweisbar. Eine vermehrte leptomeningeale Kontrastmittel-Aufnahme kann noch Jahre nach erfolgreicher Therapie nachweisbar sein. Daneben können als Residuen meningeale oder ependymale Verkalkungen persistieren. Tuberkulome können solitär oder multipel überall im Parenchym, den Meningen und dem Subarachnoidalraum entstehen. Die Größe des Perifokalödems ist sehr variabel und abhängig vom Ausmaß der Immunsuppression. Nichtverkäsende Granulome sind in den T2-gewichteten Sequenzen hyperintens und in den T1-gewichteten Aufnahmen hypointens mit homogener Kontrastmittel-Aufnahme. Sie zeigen ein heterogenes Enhancement im zentralen Anteil mit einer ringförmigen, nicht unterbrochenen gleichförmigen dicken Kontrastmittel-Aufnahme peripher.
Komplikationen und Differenzialdiagnose Bei der Erstinfektion unter Immundefizienz oder Reaktivierung unter hochgradiger Immunsuppression kann eine fulminante mykobakterielle Landouzy-Sepsis auftreten. In der MRT können hier disseminierte, knotige, nur wenige Millimeter messende Herde gefunden werden, so genannte Milien; eine Kontrastmittel-Aufnahme kann vorliegen oder fehlen. Häufig lassen sich keine Veränderungen nachweisen, weil sie unterhalb der MRTAuflösbarkeit liegen. Auch eine spinale Absiedlung oder Reaktivierung unter Immunsuppression ist möglich. Diese kann sich als Spondylodiszitis oder vertebrale Osteomyelitis manifestieren. Der klinische Verlauf ist langsam progredient, d. h. über Wochen bis Monate (im Gegensatz zur fulminanten durch Staph. aureus verursachten Spondylodiszitis). Smith et al. konnten in einer kleinen, retrospektiven Fallanalyse zeigen, dass die tuberkulöse Spondylodiszitis häufig einem neoplastischen Geschehen durch große paravertebrale Weichteilanteile mit randständiger Kontrastmittel-Aufnahme und knöcherner Destruktion ähnelt. Als Unterscheidungskriterium können Verkalkungen im CT detektiert werden. Auch spinal erfolgt die Infektion entlang der versorgenden Gefäße. Im Anfangsstadium sind am häufigsten die vordere und mittlere Säule betroffen, eine Beteiligung der hinteren Säule sowie der Wirbelbögen kann folgen. Eine pathognomonische MRT-Bildmorphologie existiert nicht. Die Diagnosesicherung erfolgt durch Biopsie und Erregernachweis. Differenzialdiagnostisch müssen Infektionserkrankungen wie bakterielle Meningitiden und Abszesse, Pilzerkrankungen, nichtinfektiöse Meningitiden aus dem rheumatischen Formenkreis, die Sarkoidose und idiopathische Pachymeningitis in Betracht gezogen werden. Die Diagnose ist aber in der Regel über den Liquorbefund zu stellen, der bei tuberkulöser Leptomeningitis eine Lymphozytose mit erhöhtem Protein und vermindertem Glukosespiegel aufweist. Die endgültige Diagnose wird durch Anzüchtung und Identifikation des Erregers gestellt, was allerdings 4–8 Wochen dauert. Der Nachweis von Erreger-DNA mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) ist sensitiver, weniger standardisiert und nicht überall verfügbar.
Sarkoidose Definition, Epidemiologie, Lokalisation Auch wenn es sich bei dieser systemischen Erkrankung des Bindegewebes nicht um eine infektiöse Erkrankung handelt, soll sie dennoch hier genannt werden, da es bei Patienten mit Sarkoidose in bis zu 15% zu einer intrakraniellen Beteiligung kommen kann. Typische Lokalisationen sind im Bereich der suprasellären Zisterne und des Hypothalamus einschließlich des Tractus opticus. Zusätzlich werden auch Läsionen in der weißen Substanz gefunden.
Bildgebung Bei der Diagnostik einer Sarkoidose ist die MRT der CT deutlich überlegen (. Abb. 9.148). Es gibt 2 Erscheinungsbilder: zumeist finden sich eine granulomatöse Leptomeningitis, multiple diffuse, parenchymale Läsionen oder eine einzelne, intrazerebrale Raumforderung, Granulomen entsprechend. Die leptomeninge-
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d
c . Abb. 9.147a–d. Tuberkulose. 12 Monate altes ehemaliges Zwillingsfrühgeborenes mit konnataler Tuberkelinfektion und überproportionalem Kopfwachstum, Dystrophie und Lethargie. a FLAIR-Sequenz: Ausgedehnte basale Ödematisierung von Marklager und Cortex bei hydrozephaler Konfiguration der Seitenventrikel. b T1-Wichtung post KM: Kräftige meningeale
und parenchymatöse KM-Aufnahme basal um den Hirnstamm. c T1-Wichtung post KM sagittal: KM-Aufnahme ventral und dorsal des Hirnstamms, der Aquädukt ist nicht abgrenzbar. d CCT: Residualzustand, deutlicher Hydrozephalus internus mit Popcorn-artigen suprasellären Verkalkungen
ale Beteiligung kann sekundär das anliegende Hirnparenchym entlang der perivaskulären Räume infiltrieren. Auch kann sich die Erkrankung als eine der Dura anliegende Raumforderung zeigen. In der MRT zeigen T1-gewichtete Bilder bei der leptomeningealen Form eine isointense Verdickung des Subarachnoidal-
raums, welche bis in die Sulci reichen kann. Diese kann sich sowohl lokalisiert als auch diffus über das ganze Gehirn verteilt finden. Auf T2-gewichteten Bildern zeigt sich diese Läsion meist hypointens, am ehesten aufgrund der kompakten Zellstruktur des granulomatösen Prozesses. Das Vorhandensein eines Ödems am anliegenden Hirnparenchym weist auf eine mögliche Infilt-
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. Abb. 9.148a, b. Sarkoidose. In den T1w-Sequenzen nach KM-Gabe zeigen sich ein verdickter Hypophysenstiel und ein KM-Enhancement am
Boden der Seitenventrikel und um das Chiasma (a) sowie in der dorsalen Medulla oblongata (b)
ration entlang der Virchow-Robin-Räume oder auf eine Vaskulitis der kleinen Gefäße hin. Nach Kontrastmittelgabe kommt es zu einem diffusen, homogenen Enhancement, welches eine genauere Beurteilung der Ausdehnung zulässt. Die MRT-Charakteristika der in der Dura lokalisierten Sarkoidose sind der im Subarachnoidalraum ähnlich. Bei dieser Lokalisation ist oft eine Unterscheidung zwischen dem Meningeom und dem dural ansässigen Lymphom schwierig, sodass nur eine Biopsie die endgültige Diagnose klären kann. Oft finden sich bei der Neurosarkoidose zusätzlich ein Hydrozephalus, parenchymale, homogen enhancende Knoten sowie ein vermehrter Wassergehalt in der periventrikulären, weißen Substanz. Häufig findet sich auch ein diffuses Enhancement der basalen Meningen und des Tentoriums. Die extraparenchymal gelegenen Raumforderungen ähneln den Meningeomen. Die glatt abgrenzbaren, parenchymalen Knoten zeigen kein Perifokalödem, können einzeln oder gehäuft auftreten und sind entweder an der Hirnbasis oder auch verteilt über die Hemisphären zu finden. In der CT sind sie vor Kontrastmittelgabe isodens, in der MRT auf T1-gewichteten Sequenzen isointens zur grauen Substanz und iso- bis hyperintens auf T2-gewichteten Bildern. Sie zeigen ein homogenes Enhancement. Nach Kortisongabe verringert sich die Größe rasch, und sie können auch komplett verschwinden. Die Granulome sind in der MRT leicht hyperintens, knapp 1 cm groß, mit homogenem Kontrastmittel-Enhancement, in der CT leicht hyperdens, ebenfalls mit deutlichem KontrastmittelEnhancement. Das Einschmelzen der Herde unter Kortisontherapie ist ein wichtiges Kriterium.
Neurolues Die Lues oder Syphilis wird durch die Spirochäte Treponema pallidum verursacht und gehört zu den sexuell übertragenen Krankheiten (STD). Daher erklärt sich auch die gehäufte Koinzidenz zur HIV-Infektion. Die Neurolues kann in jedem Stadium der Erkrankung auftreten, im Durchschnitt nach ca. 7 Jahren, die Inzidenz wird mit 5–10% der unbehandelten Infizierten angegeben. Man unterscheidet die in . Tab. 9.17 dargestellten Erscheinungstypen. Unter den Immunsupprimierten ist der akute meningitische Verlauf am häufigsten. Oft zeigen sich unspezifische Marklagerveränderungen. Da akute Schlaganfälle unter den HIV-Patienten sehr selten sind, sollte hier an eine infektiöse Vaskulitis gedacht werden und eine CT- oder MR-Angiographie durchgeführt werden.
Borreliose Definition, Ätiologie Die Erreger der Lyme-Borreliose, die Bakterien Borrelia burgdorferi, Borrelia garinii und Borrelia afzelii sind mit dem Syphiliserreger Treponema pallidum eng verandt. Es bestehen deshalb zwischen den beiden Erkrankungen Parallelen. Es existieren mehrere Krankheitsstadien, die ineinander übergehen, aber auch durch lange beschwerdefreie Intervalle getrennt sein können. Diese sekundären Stadien gehören zu den Charakteristika der Borreliose. Ob die 3 Borrelienarten auch unterschiedliche Erkrankungen und Verläufe aufweisen, ist noch nicht geklärt. Die Borreliose wird ausschließlich von Zecken übertragen (in Europa Ixodes ricinus).
229 9.6 · Entzündliche Erkrankungen des Gehirns
. Tab. 9.17. Erscheinungstypen der Neurolues
Erscheinungstyp
Bildmorphologie
Klinik
Manifestation
Akute Meningitis
Verdickte KM-affine Meningen, Exsudat
Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Nackensteife, Hirnnervenlähmung
Innerhalb der ersten 2 Jahre
Zerebrovaskuläre Neurosyphilis (Heubner vs. Nissl Arteriitis)
Akuter Schlaganfall, vaskulitisches Nebeneinander von Stenosen und Ektasien
Kopfschmerzen, Schwindel, Persönlichkeitsveränderungen, akuter Schlaganfall
Nach 5–7 Jahren
Enzephalitis
Diffuses parenchymatöses KM-Enhancement
Langsam progrediente Demenz, Müdigkeit, Intentionstremor, Wahnvorstellungen
Nach 10–20 Jahren
Tabes dorsalis
Atrophie der Hinterstrangbahnen, KMAufnahme möglich
Einschießende Schmerzen, Dysurie, Ataxie, Areflexie, Verlust der Propriozeption, ArgyllRobertson-Pupille
Nach 15–20 Jahren
Syphilitische Gummata
Kleine, von den Meningen ausgehende, umschriebene knotige Läsionen, keine raumfordernde Wirkung, KM-Aufnahme, Ödem möglich
Fokale Auffälligkeiten, oft mit Meningitis kombiniert
Manifestation der Tertiärsyphilis
> Die Borreliose sollte nicht mit der Frühsommermeningoenzephalitis (FSME), die auch durch Zecken (Erreger: Flavivirus) übertragen wird, verwechselt werden (s. oben, 7 Kap. 9.6.1). Die FSME kommt vorwiegend in bestimmten Endemiegebieten vor (Bayern, BadenWürttemberg, Österreich). In den letzten Jahren wurden auch in Rheinland-Pfalz, Thüringen und Hessen Fälle von FSME gemeldet. Jährlich erkranken etwa 200–250 Menschen an FSME und ca. 50 000–100 000 an Borreliose! Gegen die FSME kann man aktiv und vorbeugend impfen; eine FSME-Infektion führt in ca. 5–10% der Fälle zu bleibenden schweren Lähmungen. Bei der FSME treten grippeähnliche Symptome 2 Wochen nach Zeckenbiss auf. Erste Nervenentzündungen und Lähmungen treten ca. 3 Wochen nach Infektion auf.
Epidemiologie Die Borreliose ist weltweit verbreitet; in Deutschland erkranken 0,5% der Bevölkerung neu. Viele an Borreliose erkrankte Personen können sich nicht an den Zeckenbiss erinnern; die Zeckenlarven können Borrelien übertragen.
Stadium III. Chronisches Stadium. Ausbildung von Antikörpern, Reduktion der Zahl der Borrelien im Körper. Eine geringe Anzahl von Borrelien kann überleben und zu einem Wiederaufflammen von Krankheitssymptomen führen. Diese können Monate bis Jahre nach Infektionsbeginn auftreten. Typisch sind von Gelenk zu Gelenk springende Entzündungen. Auch Muskelentzündungen, Knochen- und Weichteilschmerzen sind typisch. Häufig finden sich auch Polyneuropathien. Vereinzelt können Vaskulitiden mit Schlaganfall oder eine Kardiomyopathie auftreten.
Diagnose/Bildgebung Nachweis von Antikörpern im Serum; die humorale Immunantwort benötigt mindestens 2 Wochen, bis die ersten Antikörper nachweisbar sind. Bildgebung. Eine lymphozytäre Meningitis geht mit kräftiger
Kontrastmittel-Anreicherung der Dura und der Leptomeningen einher. Bei der Borrelienenzephalomyelitis kann der MRT-Befund normal sein oder ausgeprägte multifokale, rundliche, z. T. konfluierende Veränderungen mit hohem Signal auf T2-gewichteten Aufnahmen zeigen. MR-tomographisch kann der Befund manchmal nicht von einer akuten disseminierenden Enzephalomyelitis oder einer MS unterschieden werden.
Klinik Stadium I. Lokale Infektion. Durch den Zeckenstich kommt es
Listeriose
zunächst zu einer lokalen Infektion der Haut. Das klassische Erythema migrans kommt in ca. 50% der Fälle vor. Kommt es zu einer direkten Infektion über das Blut, kann das Erythema migrans fehlen und die Krankheit beginnt wenige Tage nach dem Stich mit grippeähnlichen Symptomen.
Die Listeriose wird durch den gram-positiven Anaerobier Listeria monocytogenen (spp. icterohaemorrhagiae) hervorgerufen und betrifft in der Regel nur Immunsupprimierte. Die systemische Infektion geht mit unspezifischen, grippalen Prodromi einher. Eine ZNS-Beteiligung ist häufig in Form von Meningitis, Meningoenzephalitis oder Abszessbildung. Typisch ist der Befall des Hirnstamms und Kleinhirns (Rhombenzephalitis). Klinisch treten sehr früh Hirnstammsymptome wie Nystagmus, Schwindel, Dysphagie, Schluckauf bis hin zum Atemstillstand auf. Die Mortalität beträgt bis zu 50%.
Stadium II. Nach einer Latenzzeit von bis zu 10 Wochen kommt
es zu einer Streuung des Erregers über die Blut- und Lymphbahn. Charakteristisch sind extreme Schweißausbrüche, neben Allgemeinsymptomen wie Abgeschlagenheit, Nachtschweiß, Fieber, Muskel- und Gliederschmerzen.
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c . Abb. 9.149a–c. Toxoplasmose, 26-jähriger Patient, Zustand nach Knochenmarktransplantation bei akuter lymphatischer Leukämie. Neu aufgetretene Krampfanfälle führten zur Bildgebung, die Diagnose Toxoplasmose wurde durch die stereotaktische Biopsie bei fehlendem Antikörpernachweis gestellt. a FLAIR-Sequenz: Flächige Signalsteigerung im rechten Nucleus caudatus, jedoch verhältnismäßig geringe Ausprägung des Perifokalödems. b T2*-gewichtete Bildgebung: Nachweis paramagnetischer Substanzen im Herd sowie weitere kleinere Herde linkshemisphärisch (exemplarisch rechts parietal dorsal des Hinterhorns). c T1-Wichtung post KM: Kräftige KM-Aufnahme im rechten Nucleus caudatus
Toxoplasmose Dies ist die häufigste opportunistische ZNS-Infektion bei HIVPatienten, verursacht durch kontaminierte Nahrung (rohes Fleisch) oder eine Übertragung über Katzen. Der Erreger ist Toxoplasma gondii. Unter Immunsuppression, insbesondere bei AIDS, kann die Infektion reaktiviert werden und klinisch als Enzephalitis in Erscheinung treten (. Abb. 9.149). b
Bildgebung. Bildmorphologisch zeigt sich die Prädilektion für
das Rhombencephalon (überwiegend pontomedullär) als diffuse Ödematisierung und Verschlusshydrozephalus bei Einengung des 4. Ventrikels. Eine meningitische oder enzephalitische Kontrastmittel-Aufnahme kann vorliegen. > Bei bildmorphologischer Rhombenzephalitis und Hirnstammsymptomatik beim Immunsupprimierten sollte die Listeriose in Betracht gezogen und die Therapie schnellstmöglich auch ohne Erregernachweis initiiert werden.
Bildgebung. Die Reaktivierung resultiert in einer nekroti-
sierenden Enzephalitis mit multiplen, dünnwandigen Abszessen. Das typische Bild zeigt multiple, Kontrastmittel aufnehmende Läsionen von 1–4 cm Größe mit Randödem. Die multiplen, meist in den Stammganglien, periventrikulär, in der hinteren Schädelgrube oder an der Mark-Rinden-Grenze gelegenen Läsionen wirken raumfordernd und weisen ein Perifokalödem auf (hyperintens in T2-Wichtung und FLAIR-Sequenz, hypointens in nativer T1-Wichtung, hypodens im CCT) (. Abb. 9.149). Typischerweise zeigt sich eine kräftige ringförmige Kontrastmittel-Aufnahme. Je nach Grund und Ausmaß der Immunsuppression können Kontrastmittel-Anreicherung und Ödembildung jedoch schwach bis fehlend sein. Die 1H-MRSpektroskopie zeigt meist unspezifische entzündliche Veränderungen. Selten findet man lokale Hämorrhagien. Die Hauptdifferenzialdiagnose ist das primäre ZNS-Lymphom; Toxoplasmoseherde sind häufig kleiner und dissemi-
231 9.6 · Entzündliche Erkrankungen des Gehirns
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b . Abb. 9.150a–c. Aspergillose. 26-jähriger Patient, Zustand nach Doppellungentransplantation bei Mukoviszidose, multiple postoperative Komplikationen, neu aufgetretene Krampfanfälle. Ein Erregernachweis gelang nicht, bei bildmorphologischem Verdacht auf Aspergillose klinische Besserung und Regredienz der Herde unter antimykotischer Therapie. a CT nach KM-Gabe: ringförmiges Enhancement rechts frontal und links parafalxin mit perifokalem Ödem. b FLAIR-Sequenz: geringes Ödem, 2 bifrontale Herde. c T1-Wichtung post KM: Ringenhancement
trastmittel aufnehmende Läsionen mit oder ohne zentrale Einblutung an der Mark-Rinden-Grenze. Die selteneren Makroabszesse können fokal-neurologische Defizite durch ihre raumfordernde Wirkung verursachen und sind am häufigsten parieto-okzipital, seltener zerebellär anzutreffen.
Aspergillose c
nierter. Ein Ansprechen auf Antibiotika kann meistens zwischen Toxoplasmose und Lymphom differenzieren.
Kandidose Der Hefepilz Candida albicans ist der häufigste Erreger von Pilzinfektionen überhaupt. Generalisierte Infektionen sind beim Immungesunden jedoch selten, das höchste Risiko tragen AIDSPatienten und Patienten mit Neutropenie. Bei ca. 1–6% der systemischen Kandidosen findet man eine ZNS-Beteiligung, die Mortalität wird mit 10–30% unter adäquater Therapie beziffert. Die Kandidose kann sich als Meningitis oder Mikroabszess manifestieren. Meningitische Symptome treten meist subakut auf, oft steht isoliertes Fieber im Vordergrund. Bei Abszessbildung findet man Fieber und eine unspezifische Enzephalopathie, fokale Defizite sind selten. Bildgebung. Aufgrund der schlechteren Auflösung der CT kann
trotz disseminierter Candida-Mikroabszesse die CCT unauffällig erscheinen. In der MRT zeigen sich kleine, ringförmig Kon-
Die wichtigste opportunistische Pilzinfektion wird durch Aspergillus spp. – am häufigsten Aspergillus fumigatus – hervorgerufen. Schimmelpilze kommen ubiquitär in der Umwelt vor. Prädisponierend für die invasive Aspergillose sind AIDS, Krebserkrankungen und Stammzell- oder Organtransplantation. Eine ZNS-Beteiligung findet sich in 44–94% der Fälle einer disseminierten Aspergillose. Die Primärinfektion erfolgt über den Respirationstrakt (Lunge, Nasennebenhöhlen). Der Pilz ist angioinvasiv und streut hämatogen. Bei Erregerinvasion über die Nasennebenhöhlen, v. a. den Sinus sphenoidalis, kann eine ZNS-Infektion per continuitatem erfolgen und als Meningoenzephalitis in Erscheinung treten. Bildgebung. Meist liegt zunächst eine infektiöse Vaskulopathie vor, welche zu Hämorrhagien, Ischämien und mykotischen Aneurysmen führen kann. Erst sekundär erfolgt das Übergreifen der Entzündung auf das angrenzende Gewebe und die Manifestation als Zerebritis oder seltener als Abszess. Auffällig ist das vaskulitische Verteilungsmuster: bevorzugt werden die Perforans-Arterien des vorderen, seltener des hinteren Stromgebiets befallen. Hier zeigt sich in der MRT auch das typische Bild der septisch-embolischen kortikal-subkortikalen Infarzierungen (. Abb. 9.150). Bei venöser Vaskulitis kann es zu hämorrha-
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Kapitel 9 · Gehirn
gischen Stauungsinfarkten kommen. Am häufigsten finden sich Infarkte in den Stammganglien und Thalami, dem Corpus callosum und im Hirnstamm. Die Erregerinvasion in infarzierte Areale erfolgt rasch. In Abhängigkeit vom Immunstatus des Organismus konsolidieren sich innerhalb weniger Tage umschriebene Abszesse, so genannte Aspergillome, mit charakteristischem Ring-Enhancement. Beim Immunsupprimierten kommt es jedoch häufiger zu einer zerebritischen Ausbreitung mit diffuser parenchymatöser Kontrastmittel-Aufnahme. Ein Perifokalödem kann vorliegen. Eine leptomeningeale Beteiligung kann post mortem in fast allen Fällen nachgewiesen werden, dafür fehlt ante mortem ein bildmorphologisches Korrelat. Als Residuum größerer Läsionen können langfristig Parenchymverkalkungen im CT oder in T2oder T2*-Wichtung vorliegen. In T2-Wichtung können auch aktive Läsionen hypointense Bereiche durch paramagnetische Elemente wie Mangan, Eisen und Magnesium, sowie Blutabbauprodukte aufweisen.
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Kryptokokkose Der Erreger der Kryptokokkose ist der bekapselte, Hefe-ähnliche Pilz Cryptococcus neoformans. Der Erreger kommt ubiquitär vor und ruft überwiegend beim Immunsupprimierten, typischerweise beim AIDS-Patienten, eine Infektion hervor. Die Primärinfektion findet in der Lunge statt, von dort aus erfolgt eine hämatogene Disseminierung. Die Pathogenese ist der Tuberkulose verblüffend ähnlich. Man unterscheidet die meningitische von der parenchymatösen Infektion. Das klinische Bild ist das einer subakuten Meningitis, oftmals sind Kopfschmerzen das einzige Symptom. Die Meningitis ist basal betont und greift am häufigsten auf Hirnstamm, Mittelhirn und Stammganglien über. Bildgebung. Charakteristisch ist eine perivaskulär aszendieren-
de Infektion, welche sich bildmorphologisch in zystischen Erweiterungen der Virchow-Robin-Räume mit muzinösem Sekret äußert. Als Kryptokokkome bezeichnet man die granulomatöse Parenchymreaktion auf die Erregerinvasion. Die häufigste Lokalisation ist das Ependym der Plexus choroidei, hierbei kann ein obstruktiver Hydrozephalus entstehen. Beim Immunsupprimierten ist die Ausbildung granulomatöser Kryptokokkome jedoch selten. In den diffusionsgewichteten und kontrastmittelverstärkten MRT-Sequenzen gleicht ein Kryptokokkom mehr einem nekrotischen Tumor als einem Abszess. Auch bei der Kryptokokkose kann die Vaskulitis in ca. 4% der Fälle zu einer zerebralen Infarzierung führen. Es ließ sich nachweisen, dass die sofortige und verzögerte Kontrastmittel-angehobene Untersuchung bei zweizeitig applizierter, insgesamt doppelter Kontrastmittelmenge eine höhere Sensitivität der MRT beim Immunsupprimierten erzielt.
Bildgebung. Es zeigen sich multiple Raumforderungen mit unterschiedlich ausgeprägtem, peripherem Enhancement, abhängig von der Immunsituation des Patienten.
Herpesviridae Zur Gruppe der Herpesviridae gehören u. a. Herpes simplexVirus (HSV), Humanes Herpesvirus-6 (HHV-6), Varizella-zoster-Virus, Zytomegalie-Virus (CMV) und Epstein-Barr-Virus (EBV). Allen Herpesviren gemeinsam ist, dass sie eine hohe Durchseuchung in der Normalbevölkerung bereits in der Adoleszenz aufweisen und im Organismus persistieren. Unter Immunsuppression tritt somit meist eine Reaktivierung auf, die Erstinfektion ist selten.
HSV Die Herpes simplex-Enzephalitis wird überwiegend durch das HSV-1 hervorgerufen. Die Klinik der HSV-Enzephalitis beim Immunsupprimierten kann diffus und unspezifisch sein. Eine diffuse Ausbreitung der Enzephalitis über die fronto-temporale Prädilektion ist möglich. Liquorveränderungen können fehlen. Der Verlauf kann fulminant oder über Tage bis Wochen protrahiert sein. Bildgebung. Wie auch beim Immungesunden persistiert das Vi-
rus meist im Ganglion Gasseri. Auch die Bildmorphologie ist ähnlich: es findet sich ein Nebeneinander von zytotoxischem und vasogenem Ödem meist auf das limbische System bitemporal bis frontobasal beschränkt (. Abb. 9.151), zu deren Unterscheidung DWI und ADC besonders geeignet sind. Häufig zeigen sich Mikroblutungen, deren histopathologisches Korrelat eine hämorrhagisch-nekrotisierende Entzündung ist.
HHV-6 Das HHV-6 ist der Erreger der Kinderkrankheit Exanthema subitum (Roseola, 3-Tage-Fieber). Die symptomatische ZNS-Beteiligung bei Primärinfektion ist sehr selten, es wird jedoch eine Viruspersistenz im Hirnparenchym diskutiert. Beim Immunsupprimierten kann eine Reaktivierung zur Knochenmarksuppression und Pneumonie führen. Seltener sind nekrotisierende oder demyelinisierende Meningoenzephalitiden. In der Literatur sind nur wenige Fälle beschrieben, größere Studien liegen nicht vor. Bildgebung. Bildmorphologisch herrscht ein isolierter Befall
des mesialen Temporallappens mit Hyperintensität in T2-gewichteten und FLAIR-Sequenzen vor. Eine Diffusionsrestriktion in der DWI bei Abschwächung im ADC lässt auf ein zytotoxisches Ödem schließen. Zusätzlich findet man einen frühen Volumenverlust des Hippocampus durch Nekrosebildung, welche sich als abnormale Signalsteigerung im ADC ausdrückt. Zur Darstellung der Temporallappen empfiehlt sich eine koronare Schnittführung.
Mucor-Mykose
VZV
Bei der Mucor-Mykose kommt es zur direkten Ausbreitung von Mucor aus den Nasennebenhöhlen. Die Mortalitätsrate liegt bei 70%. Wie bei der Aspergillose kommt es häufig zu einer Invasion der Blutgefäße mit nachfolgenden Infarkten.
Das Varizella zoster-Virus ist der Erreger der Windpocken. Nach Erstinfektion persistiert das Virus in den Hirn- und Spinalnervenganglien. Eine spätere Reaktivierung kann zum klinischen Bild der Gürtelrose führen, welche beim Immungesunden chro-
233 9.6 · Entzündliche Erkrankungen des Gehirns
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b . Abb. 9.151a–c. Herpesenzephalitis. 50-jährige Patientin mit hochfieberhaftem Infekt, psychomotorischer Verlangsamung und erstmaligem Krampfanfall. a FLAIR-Sequenzen axial: flächige Signalsteigerung links temporal parahippokampal und frontobasal. b T1w-Aufnahme axial nativ: flächige Hypointensität bei zytotoxischem Ödem. c T1-Wichtung axial post KM: prominente meningeale KM-Anreicherung
Bildgebung. Bildmorphologisch zeigen sich hämorrhagische
Infarkte bei Beteiligung der großen Gefäße, ein Nebeneinander von runden oder ovaloiden Demyelinisierungen (multifokale Leukoenzephalopathie, Differenzialdiagnose PML) und Ischämien bei Befall der kleineren Gefäße. Selten ist eine Ventrikulitis bei Erregervermehrung im Ependym. Kontrastmittel-Aufnahme und Perifokalödem sind häufig (. Abb. 9.152). Die MR-Angiographie kann charakteristische Veränderungen nachweisen, ein Vaskulitisausschluss ist bei unauffälligem Bild jedoch nicht möglich.
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> Auch die Krankheitsbilder der VZV-assoziierten Meningomyeloradikulitis und akut nekrotisierenden Myelitis wurden bei AIDS-Patienten beschrieben.
CMV nische neuropathische Schmerzen verursachen kann, eine ZNSBeteiligung ist jedoch rar. Beim Immunsupprimierten hingegen besteht ein deutlich erhöhtes Risiko einer ZNS-Invasion mit oder ohne dermale Manifestation. VZV kann eine diffuse Meningoenzephalitis, einen Herpes ophthalmicus, eine Neuritis mit Nervenlähmung und eine Myelitis hervorrufen. Atypisch ist die Spätmanifestation als Hemiparese 2–5 Wochen nach kontralateraler dermaler Effloreszenz (meist Zoster ophthalmicus), welche durch vaskulitische Gefäßokklusion verursacht werden kann. Als Residuum einer Vaskulitis sind entzündliche Aneurysmen möglich. Die Invasion erfolgt vasogen.
Die CMV-Enzephalitis ist eine typische opportunistische Infektion, die zu 85% HIV-Patienten, 12% anderweitig Immunsupprimierte und nur 3% Immungesunde betrifft. Sie tritt meist erst im späten AIDS-Stadium (CD4-Zellen <50/μl) auf, zusätzlich leiden die Patienten oft an weiteren opportunistischen Infektionen. Ähnlich wie auch das VZV findet eine Erregervermehrung im Ependym statt, welche einerseits periventrikuläre Nekrosen und Störung der Blut-Hirn-Schranke, andererseits ein fibrinöses Exsudat hervorruft. Durch die hohe Viskosität des intraventrikulären Exsudats kann es zu einer Liquorzirkulationsstörung mit konsekutivem hydrozephalem Aufstau kommen. Die klinische Symptomatik der Enzephalitis ist meist eine subakute, über Tage bis Wochen
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. Abb. 9.152a, b. Varizellen. a In den Flair-Aufnahmen Signalsteigerung in der perivaskulären Eintrittszone, verursacht durch eine Vaskulitis; b in den T1w-Sequenzen nach KM-Gabe perivaskuläres Enhancement
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b
. Abb. 9.153a, b. EBV-assoziiertes Lymphom. 55-jähriger Patient mit Zustand nach Doppellungentransplantation bei fortgeschrittener »chronic obstructive pulmonary disease« (COPD). Bekannte generalisierte CMV- und Kryptokokkeninfektion. Unter Therapie fulminante neurologische Verschlechterung und Exitus letalis nach 6 Wochen. In der stereotaktischen Bi-
opsie Nachweis eines EBV-assoziierten B-Non-Hodgkin-Lymphoms. a Koronare T2-Wichtung: Flächige Marklagerödematisierung um das linke Vorderhorn mit zentral solide imponierendem Anteil. b Axiale T1-Wichtung post KM axial: Randständige KM-Aufnahme um den soliden Anteil, zentral regressive Veränderungen
auftretende neurologische Verschlechterung, in ca. 30% der Fälle finden sich fokale Hirnstamm- und Kleinhirnsymptome.
tel-affine Choroidea und Retina diagnostiziert werden kann. Weitere Manifestationen sind die Enzephalitis, Polyradikulitis, Guillain-Barré-Syndrom und multifokale Neuropathie. Die Enzephalitis zeigt sich periventrikulär subependymal sowohl im CT als auch in der MRT als zarte, scharf die Ventrikel nachzeichnende Kontrastmittel-Anreicherung. Zusätzlich finden sich dif-
Bildgebung. Am häufigsten manifestiert sich die CMV-Infektion bei HIV als Chorioretinitis (akuter Visusverlust), welche in der fettsupprimierten MRT als verdickte, deutlich Kontrastmit-
235 9.6 · Entzündliche Erkrankungen des Gehirns
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b . Abb. 9.154a–c. PTLD. 64-jähriger Patient mit Zustand nach Stammzelltransplantation bei Morbus Hodgkin 1973. Langsame Persönlichkeitsveränderung. Darstellung einer intrakraniellen Raumforderung. Bioptisch gesicherte EBV-assoziierte PTLD abdominell. a T2w-Bildgebung: Marklagerödem im linken Thalamus sowie links frontal. b T1w-Sequenz: Zytotoxisches Ödem. c T1w-Bild axial nach KM-Gabe: flaue inhomogene KM-Aufnahme, weitere Herde finden sich im Mesencephalon sowie rechts frontal
Scheinbar sind EBV-infizierte Lymphozyten sensitiver für eine HIV-Infektion (CD4-Zellen <100/μl), eine maligne Transformation kann stattfinden. Klinisch stehen fokal neurologische Defizite wie Hemiparese, Krampfanfall oder Aphasie je nach topographischer Lage des Tumors im Vordergrund. Die Prognose ist infaust. Bildgebung. Bildmorphologisch zeigen sich meist mehrere (1–3) multifokale, raumfordernde Massenläsionen mit kräftiger Kontrastmittel-Aufnahme (. Abb. 9.153). Die häufigsten Lokalisationen sind Großhirnrinde, Stammganglien und Hirnstamm. c
fuse Demyelinisierungen im Marklager als Hypodensität in der CT, Signalsteigerungen in T2-Wichtung und FLAIR-Sequenz. Als histopathologisches Korrelat konnten mikrogliale Knoten und fokale Parenchymnekrosen aufgezeigt werden.
EBV Das Epstein-Barr-Virus weist eine nahezu komplette Durchseuchung bereits im jungen Erwachsenenalter in der Normalbevölkerung auf. Wie alle Herpesviridae persistiert es lebenslang, jedoch nicht in Nervenzellen, sondern in den B-Lymphozyten.
Post-Transplant-Lymphoproliferative Disorder (PTLD)
Durch die iatrogen eingeschränkte Funktion der zytotoxischen T-Zellen nach Organtransplantation kann es zu einer fulminanten Replikation von EBV-Viren und infizierten Leukozyten (im ZNS hauptsächlich der B-Zellreihe) kommen. Die so entstehenden High grade-Lymphome sind lediglich immunhistochemisch von primären ZNS-Lymphomen zu unterscheiden. Diese Unterscheidung ist jedoch essenziell, da eine Reduktion der medikamentösen Immunsuppression Grundlage der Therapie ist. Die PTLD kann prinzipiell alle Organsysteme betreffen, eine ZNS-Beteiligung ist selten, aber mit einer schlechteren Prognose verbunden (. Abb. 9.154).
HIV und Aids-definierende Infektionen ZNS-Lymphome
Die Virus-DNA kann in primären ZNS-Lymphomen nachgewiesen werden, welche beim Immungesunden eine Rarität sind.
Die Infektion mit dem Humanen Immundefizienz-Virus (HIV), einem bekapselten Retrovirus mit hoher Affinität zum CD4-Rezeptor, führt über die Virusreplikation in CD4+-Lymphozyten zu
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b . Abb. 9.155a–c. HIV-Enzephalopathie. 45-jähriger Patient mit bekannter HIV-Infektion und progredienten kognitiven Defiziten. Bildmorphologisch handelt es sich um eine HIVE. a FLAIR-Bildgebung: Seitensymmetrische periventrikuläre Marklagerveränderungen, kortikale Atrophie. b T1wSequenz: Ohne KM keine Auffälligkeiten. c T1-Wichtung post KM: Keine KMAufnahme
einer Störung der zellulären Immunität. Durch schnelle Mutationen (molekulare Mimikry) entgeht das Virus der Immunabwehr. Das Stadium des Aquired Immunodeficiency Syndrom (AIDS) wird durch eine AIDS-definierende Erkrankung und in den USA auch durch Absinken der CD4-Zellen <200/μl definiert. Viele dieser Erkrankungen sind opportunistische Infektionen.
HIV-assoziierte Enzephalopathie (HIVE)
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Infektiöse AIDS-definierende Erkrankungen mit möglicher ZNS-Beteiligung 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Systemische Kandidose CMV-Enzephalitis, CMV-Retinitis HIVE (HIV-assoziierte Enzephalopathie) HSV-Enzephalitis Histoplasmose Kokzidiomykose Kryptosporidiose MOTT PML (progressive multifokale Leukenzephalopathie) Tuberkulose Toxoplasmose
Auch das Gehirn wird während eine HIV-Infektion zum Ort der Virusreplikation. Zerebrale Makrophagen und Gliazellen werden infiziert, über immunpathogenetische Mechanismen kommt es zu einer Störung der Integrität und Funktion von Neuronen. Das ZNS stellt ein partiell eigenständiges Kompartiment der Virusreplikation dar. Im Vergleich zum nicht betroffenen HIV-Patienten findet sich beim HIVE-Patienten eine signifikant erhöhte Viruslast in Liquor und Parenchym. Klinisch fallen Patienten mit HIVE durch den so genannten HIV-Demenz-Komplex auf, eine langsam progrediente subkortikale Demenz ähnlich dem Morbus Alzheimer, welche nach der Memorial-Sloan-Kettering-Skala (Price 1998) klinisch in Stadien unterteilt wird. Bildgebung. Bildmorphologisch zeigen sich neben einer globalen Atrophie ausgedehnte, seitensymmetrisch konfluierende Marklagerveränderungen, welche in der CT hypodens, in der MRT in T2-Wichtung und FLAIR-Sequenzen hyperintens, in T1-gew. Sequenzen nativ isointens imponieren. Diese Veränderungen sparen die Rinde aus (. Abb. 9.155). Kontrastmittel-Aufnahme spricht gegen HIVE. In der 1H-MR-Spektroskopie zeigt sich eine geringe NAA-Erniedrigung bei Cholinerhöhung.
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b . Abb. 9.156a–c. PML. 39-jähriger Patient mit bekannter HIV-Infektion. Plötzlich aufgetretene homonyme Hemianopsie nach links. Bildgebend bei deutlich asymmetrischen Marklagerveränderungen Verdacht auf PML. Keine KM-Aufnahme in der T1-Wichtung post KM (nicht abgebildet). a T2wAufnahmen: Biokzipitale Marklagerveränderungen (rechts > links). b DWISequenz: deutliche rechtsbetonte Diffusionseinschränkung. c FLAIR-Sequenz koronar: weitere asymmetrische Marklagerveränderungen rechts temporal und bifrontal
Die häufigsten Beschwerden sind kognitive Einschränkungen, aphasische Störungen, Kopfschmerzen, Gangstörungen, Lähmungen, Krampfanfälle, Gefühls- und Sehstörungen.
c
Progressive multifokale Leukoenzephalopathie (PML) Unter PML versteht man eine rasch progrediente multifokal demyelinisierende Erkrankung, welche durch Reaktivierung des JC-Virus, einem dsDNA-Polyomavirus, entsteht. Es erkranken ca. 1–10% der HIV-Infizierten, bei anderen Immunsupprimierten ist die PML deutlich seltener. Zeitpunkt, Lokalisation und Symptomatik der Primärinfektion mit dem JC-Virus sind unbekannt, ca. 70–90% der Erwachsenen weisen Antikörper auf. Die PML bei HIV-Infizierten hat eine infauste Prognose, die Überlebenszeit nach Diagnosestellung beträgt nur wenige Monate. Unklar ist, in welchen Zellen das Virus persistiert. Bei Ausbruch der PML erfolgt die Replikation in den Gliazellen, welche bei Virusfreisetzung zerstört werden.
Bildgebung. Bildmorphologisch zeigen sich ähnlich wie bei der HIVE nicht-enhancende, in T2 gewichteten und FLAIR-Sequenzen hyperintense Marklagerläsionen ohne raumfordernde Wirkung. Im Gegensatz zur HIVE zeigt sich eine asymmetrische Ausbreitung (. Abb. 9.156), der invasivere Charakter kommt durch Hypointensität in der nativen T1-Wichtung zum Ausdruck. Die Läsionen reichen bis an die Kortexgrenze, die begleitende Atrophie ist gering. Magnetization transfer(MT)-Sequenzen sind den Standardsequenzen in der Detektion der Marklagerveränderungen überlegen, da sie die Interaktion zwischen freien und in Makromolekülkomplexen gebundenen Protonen darstellen. Auch die 1H-MR-Spektroskopie kann spezifische Veränderungen aufweisen (deutliche NAA-Erniedrigung, Kreatinerniedrigung, Laktat-Peak).
9.6.4
Spongiforme Enzephalopathien
Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung Definition, Ätiologie, Allgemeines Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK) wird durch ein Prion verursacht (Synonym: übertragbare spongiforme Enzephalopa-
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. Abb. 9.157a, b. Creutzfeldt-Jakob-Krankheit. a In den axialen FLAIRSequenzen zeigt sich eine leichte Hyperintensität in den Stammganglien. b In den axialen diffusionsgewichteten Aufnahmen zeigt sich v. a. okzipital beidseits im Cortex und die subkortikalen Strukturen betreffend eine Hyper-
intensität. Diese Signalveränderungen entsprechen dem typischen Bild einer Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung der Heidenheim-Variante. Bei der Heidenheim-Variante kann es zu einer Blindheit bei dem Patienten kommen
thie). Sie zählt zu den Prionerkrankungen, die bei Menschen und Tieren auftreten, neuropathologisch durch spongiforme Veränderungen, astrozytäre Gliose, Neuronenverlust und Ablagerung der abnormen Form des Prionproteins charakterisiert und innerhalb der betroffenen Spezies oder auch zwischen den Spezies übertragbar sind. Klinisch zeigen sich eine progressive Demenz, Ataxie und ein Myoklonus. Die Diagnose erfolgt aufgrund der Klinik und EEGVeränderungen. Die Bildgebung ist häufig normal bis auf die fortschreitende, kortikale Atrophie. In T2-gewichteten Aufnahmen zeigen sich oft Signalsteigerungen in den Basalganglien (. Abb. 9.157).
Eine Weitergabe des Erregers von Mensch zu Mensch ist bisher nur auf iatrogenem Weg über direkten Kontakt mit infektiösem Gewebe nachgewiesen worden. Dabei wurde die Erkrankung in wenigen Fällen über kontaminierte neurochirurgische Instrumente oder intrazerebrale EEG-Elektroden übertragen. In wenigen Fällen kam es zu einer CJK-Erkrankung nach einer Cornea-Transplantation, wobei die Cornea von einem an CJK verstorbenen Spender stammte. Die weltweit meisten Fälle gehen jedoch auf kontaminierte Dura-mater-Transplantate (die meisten Fälle in Japan) oder i.m.-Gabe von aus Leichenhypophysen hergestellten Wachstumshormonen bei Patienten mit primärem Hypopituitarismus zurück.
Einteilung, Epidemiologie und Klinik
Variante der CJK. Die Variante der CJK wird ätiopathogenetisch
Die Prionerkrankungen des Menschen kommen als sporadische (sporadische CJK, sporadische FI), genetische (familiäre CJK, FFI, GSS) oder übertragene (iatrogene, vCJK, Kuru) Form vor.
mit boviner spongiformer Enzephalopathie in Zusammenhang gebracht. Bisher sind weltweit ca. 200 Erkrankungsfälle aufgetreten. Die Patienten sind deutlich jünger als bei der sporadischen Form der CJK (Median 30 Jahre). Die Erkrankungsdauer ist länger (Median 14 Monate). Im Vordergrund stehen psychiatrische Auffälligkeiten (meist Depression oder Psychose), die über mehrere Monate ohne neurologische Auffälligkeiten verlaufen können. Später kommen schmerzhafte Dysästhesien und Gangataxie hinzu, die Demenz tritt erst spät im Verlauf auf. Im Gegensatz zur sporadischen Form der CJK kann das abnorme Prionprotein auch im peripheren lymphatischen Gewebe (Appendix, Tonsillen und Lymphknoten) nachgewiesen werden. Eine Übertragung dieser Erkrankungsform über Blut und Blutprodukte wurde bereits beobachtet.
Sporadische Form. Die sporadische Form der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit ist die häufigste weltweit auftretende Erkrankungsform mit einer Inzidenz von etwa 1–1,5 Fällen pro Jahr pro Million Einwohner. Der Erkrankungsgipfel liegt zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr. Es handelt sich um eine rasch fortschreitende Erkrankung mit einer medianen Überlebenszeit von ca. 6 Monaten. Klinisch stehen häufig eine rasch fortschreitende Demenz, die sich innerhalb weniger Wochen bis Monate entwickelt, sowie eine progrediente Ataxie im Vordergrund; im Verlauf bilden sich extrapyramidal-motorische Störungen, Myoklonien und Pyramidenbahnzeichen aus. Schließlich tritt akinetischer Mutismus auf.
239 9.6 · Entzündliche Erkrankungen des Gehirns
Diagnose Während die definitive Diagnose einer CJK eine neuropathologische Untersuchung voraussetzt, wird die klinische Diagnose einer sporadischen CJK durch den Nachweis periodischer Komplexe im EEG (periodic sharp and slow wave complexes), erhöhter Konzentrationen des 14-3-3 Proteins im Liquor und hyperintenser Basalganglien in T2-Wichtung, FLAIR- und DWISequenzen im MRT untermauert. Obwohl das MRT derzeit noch nicht in die diagnostischen Kriterien einer sporadischen CJK eingegangen ist, ist es für die Abgrenzung anderer rasch fortschreitender Demenzen unerlässlich.
Differenzialdiagnose Bedingt durch die variable klinische Präsentation umfasst die Differenzialdiagnose einer CJK eine Fülle neurologischer und psychiatrischer Krankheitsbilder. Dabei ist bei älteren Patienten die wichtigste Differenzialdiagnose der Morbus Alzheimer, bei jüngeren Patienten kommt häufig eine entzündliche ZNS-Erkrankung infrage.
Zu dieser Zeit findet sich meist kein Enhancement. Später entleert sich die Flüssigkeit innerhalb der Zyste, was eine Entzündungsreaktion hervorruft (akute Enzephalitis). In der Bildgebung zeigt sich nun eine ringförmig enhancende Läsion mit umgebendem Ödem. In der CT hat die Zyste eine erhöhte Dichte, in T1- und T2-Wichtung ein gegenüber Liquor erhöhtes Signal. Im weiteren Verlauf kommt es zu Kalzifikationen im Bereich der Zyste. Die CT zeigt periphere Kalzifikationen, kein Ödem, kein Enhancement. Auch in der MRT zeigen sich diese Kalzifikationen (am besten auf T2- und T2*-Wichtung). Die Bildgebung wird zum Staging und zur Verlaufskontrolle verwendet. Bei der intraventrikulären Zystizerkose haben die Zysten ebenfalls ein liquorähnliches Signal. In der CT sind sie meistens nicht darstellbar. Abhängig vom Stadium kann es zu einem Enhancement kommen. Die Zysten obstruieren häufig das Foramen Monroi, den 4. Ventrikel oder Aquädukt, was zum Hydrozephalus führen kann. Eine Ventrikulitis entsteht bei Ruptur der Zysten.
Hydatide Zyste 9.6.5
Parasitäre Infektionen
Parasitäre Infektionen sind in den Industrieländern selten. Die häufigsten parasitären Infektionen sind Zystizerkose, Echinokokkose und Toxoplasmose.
Zystizerkose Taenia solium Die Infektion erfolgt durch Aufnahme von Eiern (Taenia solum), zumeist in unzureichend gekochtem Schweinefleisch. Erste klinische Zeichen sind meistens Krampfanfälle. Befallen werden Parenchym, Meningen, Ventrikel und Rückenmark. Bildgebung. Die spinale Zystizerkose findet sich meist intradu-
ral, kann jedoch intra- oder extramedullär gelegen sein. Intramedullär zeigt sich in der Kernspintomographie eine solide oder ringförmig enhancende Läsion. Extramedulläre Zysten sind ähnlich der subarachnoidalen (razemösen) Form. Bei der subarachnoidalen Form der Erkrankung finden sich die Zysten meistens in den basalen Zisternen, der Fissura Sylvii und dem Interhemisphärenspalt. Sie wachsen durch Wandproliferation. Die Zysten sind in der FLAIR-Sequenz hyperintens zu Liquor, in T2-Wichtung isointens. Häufig besteht ein randständiges Enhancement. Der Vesikel der intraaxialen Läsion repräsentiert die erweiterte Blase des Parasiten. Die zystische Läsion beim parenchymatösen Typ beinhaltet den Kopf des Wurms, beim subarachnoidalen Typ (razemöser Typ) nicht. Nach 5–10 Jahren stirbt der Parasit, und die Zyste schwillt mit dem Verlust der osmotischen Regulation an. Hier kommt es zum Austritt von Antigenen mit resultierender, entzündlicher Reaktion, Ödem und Krampfanfällen. Anschließend kommt es zur Kalzifikation. In der frühen Phase zeigt sich im CT oder MRT dann ein Ödem mit oder ohne nodulärem Enhancement. Später zeigen sich Zysten (meist <1 cm), isointens zum Liquor. Diese Läsionen sind meistens peripher an der Mark-/Rindengrenze. Manchmal ist ein kleiner Knoten sichtbar, welcher den Scolex repräsentiert.
Verursacht durch Echinokokkus. Die Zysten finden sich meist in Lunge und Leber, eine ZNS-Beteiligung tritt in ca. 2% auf. Bildgebung. Die Zysten sind üblicherweise solitär, groß und glatt berandet. Meistens liegen sie supratentoriell im Gebiet der A. cerebri media. In CT und MRT sind die Zysten liquorisointens. Sofern nicht superinfiziert, besteht typischerweise kein Enhancement nach Kontrastmittel-Verstärkung und kein Randödem.
Toxoplasmose Dies ist die häufigste opportunistische ZNS-Infektion bei HIVPatienten (s. oben, 7 Kap. 9.6.3). Bei der kongenitalen Infektion findet sich eine diffuse Enzephalitis. Das Kind weist einen Mikrozephalus, eine mentale Retardierung sowie eine Chorioretinitis auf. Bildgebung. Die Bildgebung zeigt Atrophie, dilatierte Ventrikel und Kalzifikationen in der periventrikulären, weißen Substanz, den Basalganglien und den zerebralen Hemisphären. Bei der kongenitalen Zytomegalieinfektion sind die Kalzifikationen meistens nur periventrikulär. Bei Patienten mit AIDS resultiert die Toxoplasmose zumeist aus einer reaktivierten Infektion (7 Kap. 9.6.3). Dies führt zu einer nekrotisierenden Enzephalitis mit multiplen, dünnwandigen Abszessen. Das typische Bild zeigt multiple, Kontrastmittel aufnehmende Läsionen von 1–4 cm Größe mit Randödem. Große Läsionen zeigen häufig ein Ringenhancement, während kleinere Läsionen komplett enhancen. In T2-Wichtung erscheinen sie zumeist hyperintens, vorwiegend in den Basalganglien gelegen. Die Hauptdifferenzialdiagnose ist das primäre ZNS-Lymphom. Ein Ansprechen auf Antibiotika kann meistens zwischen Toxoplasmose und Lymphom differenzieren.
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Kapitel 9 · Gehirn
9.6.6
Multiple Sklerose und verwandte Erkrankungen
Multiple Sklerose Definition, Epidemiologie
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Die Multiple Sklerose (MS) ist die häufigste chronisch entzündliche Erkrankung des Myelins mit eingesprengten Läsionen im Bereich der weißen Substanz des zentralen Nervensystems. Die pathologischen Läsionen wurden um 1835 das erste Mal von Robert Carswell und Jean Cruveilhier beschrieben, während Jean-Martin Charcot das erste klinische Erscheinungsbild dokumentierte. Die Erkrankung tritt weltweit auf, jedoch prädominierend in den nördlichen Teilen Kanadas, der USA und Europas. Bei einzelnen Bevölkerungsgruppen, u. a. den Eskimos, ist die MS bis heute nicht beschrieben. Ihre Inzidenz beträgt 30–80 Personen/100 000 Einwohner, wobei Frauen wesentlich häufiger betroffen sind als Männer (w:m=1,7:1,0). Auch bei Kindern wurde MS zweifelsfrei nachgewiesen. Hierbei sind ebenso Mädchen stärker betroffen als Knaben, wobei ein frühes Einsetzen der Erkrankung einen prognostisch ungünstigen Faktor darstellt. Das Manifestationsalter liegt bei einem Drittel der erkrankten Personen zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Damit zählt die MS zur häufigsten neurologischen Erkrankung unter jungen Erwachsenen.
Ätiologie und Pathogenese Die Pathogenese der MS ist nicht vollständig geklärt. Es wurden unterschiedliche Hypothesen aufgeführt, wie beispielsweise eine ursächliche virale Infektionskrankheit. Eine Vielzahl von Viren als auslösendes MS-Agens mit darauffolgender autoimmuner TZell-Reaktion wurde diskutiert. Kausale Zusammenhänge zwischen verschiedenen Impfungen und anschließendem Ausbruch der MS-Erkankung sind wie die beiden oben genannten Theorien in Betracht gezogen worden, allerdings nicht bewiesen, aber auch bis heute noch nicht völlig widerlegt. Familiäre Häufung und Zwillingsstudien belegen die Beteiligung genetischer Faktoren. Daneben ist eine Assoziation zu HLA-Antigenen nachgewiesen. Träger des HLA-DR2-Allels auf Chromosom 6p besitzen ein 4-fach höheres Erkrankungsrisiko.
Klinik MS-Patienten leiden je nach Lokalisation der Entzündungsherde, die das gesamte ZNS betreffen können, unter diversen fokal-neurologischen Ausfällen, wie u. a. Paresen oder Sensibilitätsstörungen, Schwindel, Ataxie, Visusstörungen, aber auch psychopathologischen Defiziten. Die Erkrankung kann mono- oder polysymptomatisch einsetzen. Sie verläuft meist in Schüben, kann aber auch chronisch progredient sein. Die Sehbahn ist eine häufige Lokalisation für das Auftreten von Entzündungsherden. Ein Krankheitsschub äußert sich oftmals als Optikusneuritis. Die akut eintretende Sehstörung dieses Krankheitsbildes wird erfolgreich mit Steroiden behandelt. Allerdings hat die Steroidtherapie keinen Einfluss auf die Prognose der im weiteren Verlauf möglicherweise resultierenden Optikusatrophie.
Klassifikation, Therapie International wurden verschiedene Bewertungsskalen eingeführt, um Krankheitsstadien und Progredienz der MS vergleichbar darzustellen. Auch die Therapieoptionen wurden darin berücksichtigt. Die bekannteste Bewertungsskala ist die EDSS (»expanded disability status scale«) von Kurtzke. Die Skala reicht von 0–10 in 0,5er Schritten, wobei ein Wert <3 eine geringgradige Einschränkung und ein Wert >5 schwerwiegende physische und geistige Beeinträchtigungen beschreibt. Die EDSS ist allerdings für die Erkrankung im Kindesalter nur begrenzt einsetzbar. Eine kausale Therapie der MS ist nicht bekannt. Zu ihrer Behandlung werden neben immunmodulatorischen Medikamenten unterstützend Krankengymnastik, Ergotherapie und Logopädie eingesetzt.
Bildgebung Die beschriebenen Entzündungsherde formieren sich zu Plaques. In der Frühphase lassen sich in ihnen entzündliche Zellelemente nachweisen. Im chronischen Stadium überwiegt eine Astrogliose mit Kollagenablagerungen in den Randgebieten. Voraussetzung nachweisbarer Remyelinisierungsvorgänge ist die Anwesenheit von Oligodendrozyten und intakten Axonen. Bei einem akuten MS-Schub zeigen Plaques eine partielle oder komplette Destruktion mit Verlust der Myelinscheide. Axonzylinder werden zunächst ausgespart und erst in einem fortgeschrittenen Erkrankungsstadium befallen. Gleichzeitig sieht man in dieser akuten Phase eine perivaskuläre Zellansammlung (»cuffs«). Diese gehen dem Markscheidenzerfall voraus. Magnetresonanztomographie
Die Sensitivität der MRT bei der Detektion einer bekannten MS wird mit 76–85% angegeben. Einzelstudien zufolge ist bei der Diagnosestellung der MS die MRT zur Detektion hilfreicher als evozierte Potenziale oder der Liquorbefund. Dieses betrifft v. a. Patienten mit isolierten Rückenmarksymptomen. Hier zeigte sich eine MR-tomographische Bildgebung des Kopfs sensitiver als Labortests. Die beste Darstellung der Plaques gelingt mit FLAIR- und T2-gewichteten Spinecho-Sequenzen (. Abb. 9.158, . Abb. 9.159). In der hinteren Schädelgrube sind T2-gewichtete Bilder überlegen, während die FLAIR-Sequenz in der supratentoriellen Region bessere Ergebnisse liefert. Gerade periventrikulär in der Nähe des in T2-Wichtung mit hohem Signal erscheinenden Liquors bieten sich FLAIR-Sequenzen an. Vereinzelt zeigen akute Plaques einen in T2-Wichtung hypo-, in T1-Wichtung hyperintensen dünnen Randsaum, der durch freie Radikale oder fettbeladene Makrophagen und Proteinansammlungen entsteht (. Abb. 9.158). MS-Herde haben trotz ihres irregulären Erscheinungsbildes meist einen gut abgrenzbaren Rand. Die meisten periventrikulär gelegenen Läsionen haben ein ovaläres Erscheinungsbild, wobei sich ihre Längsachse auf den axialen Bildern transversal ausrichtet. Dieses verursacht auch das in den sagittalen Sequenzen typische Bild der Dawson-Finger (. Abb. 9.158d). MS-Herde sind im Allgemeinen homogen ohne Zysten oder nekrotische Komponenten aufgebaut. Einblutungen kommen nicht vor. Des Weiteren findet sich nur in seltensten Fällen ein Umgebungsödem oder eine raumfordernde Wirkung.
241 9.6 · Entzündliche Erkrankungen des Gehirns
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c
d
. Abb. 9.158a–d. Multiple Sklerose. a Akute Plaque, die in T2-Wichtung einen dunklen Randsaum zeigt. b Trotz des irregulären Erscheinungsbildes sind die Ränder des Herdes gut abgrenzbar (→ axiale FLAIR). c In der axialen T1w-Sequenz zeigt sich die KM-Aufnahme eines akuten MS-Herdes. d Die
sagittale, dünnschichtige (3 mm) T2w-Sequenz über den Balken zeigt die bei Multipler Sklerose typischen Plaques, die fingerförmig in den Balken einstrahlen (Dawson-Finger)
Die Hauptlokalisation der Herde findet sich in der periventrikulären weißen Substanz, meistens entlang des Vorder- und
ata sowie die Capsula interna und die Sehbahn. Auch das Centrum semiovale ist meistens betroffen. Prinzipiell können jedoch alle myelinhaltigen Strukturen MS-Plaques beinhalten, inklusive Hirnstamm, Rückenmark (. Abb. 9.160) und subkortikale U-Fasern. Hirnstamm- und Kleinhirnplaques treten häufiger im Erwachsenenalter auf, charakteristisch sind Läsionen in der ventrolateralen Pons, an der Eintrittsstelle des 5. Hirnnerven (. Abb. 9.161). Diese sind Gegenstand zahlreicher Studien.
Hinterhorns. Es zeigen sich auch lange, gebogene Plaques, welche die inneren Fasern des Balkenknies und des Spleniums betreffen. Des Weiteren lassen sich geschlängelte Plaques entlang der subkortikalen U-Fasern nachweisen. Meistens besteht eine symmetrische Beteiligung beider Hirnhemisphären, typische Prädilektionsstellen sind das Corpus callosum, die Corona radi-
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Kapitel 9 · Gehirn
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. Abb. 9.159a, b. Multiple Sklerose, zahlreiche periventrikuläre Herde in den axialen FLAIR-Aufnahmen (a), ein akuter Herd stellt sich hyperintens in den DWI dar (b)
b . Abb. 9.160a, b. Multiple Sklerose, spinal. a In den sagittalen Aufnahmen zeigen sich in Höhe HWK 6 und BWK1 zentromedulläre Signalanhebungen. b Diese zeigen sich in den axialen T2w-Sequenzen als dorsal rechts gelegen
a
Schmale Läsionen am Corpus callosum, direkt dem Ependym des Seitenventrikels anliegend, sind v. a. auf sagittalen FLAIRSequenzen gut zu erkennen. Die Hirnatrophie kann insbesondere bei der chronischen Verlaufsform evident werden. Auffällig ist eine Erweiterung der Seitenventrikel und Sulci. 40% der Patienten weisen ebenfalls
eine Atrophie des Corpus callosum auf. Dieses zeigt sich am besten auf T1-gewichteten sagittalen Bildern. Der exakte Mechanismus ist jedoch unbekannt. Mögliche Ursachen sind Myelin- und axonaler Verlust. Die Atrophie scheint sich unabhängig von den Erkrankungssubtypen und der Menge der fokalen Läsionen zu entwickeln. In der Literatur wird ein jährlicher Hirnvolumenverlust von 0,5–1%, verglichen mit 0,1–0,3% in der allgemeinen Bevölkerung beschrieben. Es scheint eine Korrelation zwischen Hirnatrophie und klinischer Beeinträchtigung zu geben, die stärker ist als das Ausmaß der T2-Läsionen. Eine allgemeine Hirnvolumenminderung in den ersten 2 Jahren ist der beste MR-Prädiktor des 8-Jahres-EDSS-Scores. Auch eine Assoziation zwischen Hirnatrophie und kognitiven Einschränkungen bei MSPatienten wurde diskutiert.
243 9.6 · Entzündliche Erkrankungen des Gehirns
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b . Abb. 9.161a–c. Multiple Sklerose, Kleinhirnschenkel rechts. a In den axialen T2w-Sequenzen zeigt sich im Kleinhirnschenkel rechts eine unscharf begrenzte Hyperintensität, einer MS-Plaque entsprechend. b In den axialen FLAIR-Sequenzen stellt sich der Herd ebenfalls hyperintens dar. c In den T1gewichteten Sequenzen nach KM-Gabe zeigt sich die Läsion hypointens ohne KM-Aufnahme
c
Vereinzelt wurde bei fortgeschrittener Erkrankung eine Signalabschwächung (T2-Verkürzung) im Putamen und Thalamus auf T2-gewichteten Bildern beobachtet. Es wird vermutet, dass es hier zu Ablagerungen von Eisen oder anderen Metallen kommt. Eine Beteiligung des visuellen Systems, insbesondere des N. opticus mit dem klinischen Bild einer Optikusneuritis ist häufig. Zur Detektion akuter MS-Herde im N. opticus sollte eine gadoliniumverstärkte fettgesättigte T1-gewichtete Sequenz angefertigt werden. Partialvolumeneffekte werden in der koronaren Schnittrichtung minimiert. Das Myelon ist bei MS meistens beteiligt, was bei den Patienten zum Bild einer transversen Myelitis führen kann. Alle
Höhen des Rückenmarks können betroffen sein, jedoch finden sich die Plaques meistens in der Zervikalregion. Zur Diagnostik eignen sich STIR-Sequenzen besser als T2-gewichtete Spinechosequenzen (FSE). Vom Signal ähneln sie den Läsionen des Gehirns. Bei akuten Plaques kann ein umgebendes Ödem auftreten, was zu einer Schwellung des Myelons führt und einen intramedullären Tumor imitieren kann. Bei der primär und sekundär progressiven MS sind diffuse spinale Läsionen häufiger. Auch nach der akuten Phase bleiben diese Herde sichtbar. Die quantitative MRT kann nicht zwischen alten und neuen Läsionen unterscheiden. Interessanterweise zeigten quantitative Hirnanalysen bei MS-Patienten eine T2-Verlängerung nicht nur in akuten und chronischen Plaques, sondern auch diffus in unauffällig erscheinender weißer Substanz. Dies suggeriert, dass die Beteiligung der weißen Substanz nicht nur, wie durch die Bildgebung zu vermuten, ein fokaler, sondern eher ein diffuser Prozess ist. Die Korrelation mit klinischen Symptomen ist in der hinteren Schädelgrube besser. Etwa 83% der Patienten mit Hirnstamm- oder Kleinhirnplaques zeigen akute neurologische Defizite. Auch wenn ca. die Hälfte der MS-Patienten im Verlauf psychopathologische Auffälligkeiten zeigt, korrelieren Typ und Ausmaß nicht mit den MR-Veränderungen. Jedoch scheint das Ausmaß der Läsionen besser mit kognitiven Dysfunktionen als mit der Gedächtnisleistung zu korrelieren. Auch in T1-gewichteten isointensen Läsionen zeigten sich zelluläre Infiltrate mit Ödem, aber einer partiellen Erhaltung der Axone. Auch korrelierten T1Hyperintensitäten in MS-Plaques besser mit Demyelinisierungs-
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Kapitel 9 · Gehirn
9 a
b . Abb. 9.162a–c. Balo-Herd bei Morbus Balo. Großer Plaque mit konzentrischem, ringförmigem Erscheinungsbild auf FLAIR- (a), T2w- (b) und T1w- (c) Bildern. Nach KM-Verstärkung zeigte sich kein Enhancement
Der Verlust der Blut-Hirn-Schranke liegt am ehesten an einer Migration und Infiltration mit Makrophagen. So zeigte sich, dass das Ausmaß des Kontrastmittel-Enhancements mit dem Ausmaß der Makrophageninfiltration korrelierte, jedoch nicht mit der Infiltration perivaskulärer Lymphozyten. In Einzelfällen wurde auch ein leptomeningeales Enhancement bei der akuten MS beschrieben.
c
arealen, Axonenverlust und der Ausdehnung des extrazellulären Raums. Somit scheint, auch wenn weniger sensitiv, das T1-gewichtete Bild eine höhere Spezifität für die Schädigung der weißen Substanz zu haben. Bei akuten MS-Plaques kommt es zu einer vorübergehenden Störung der Blut-Hirn-Schranke mit nachfolgendem Enhancement der Läsion, das für 8–12 Wochen nach akuter Demyelinisierung nachweisbar ist. Sowohl ein noduläres als auch ein ringförmiges Enhancement ist möglich. Auf verzögerten Aufnahmen füllt sich jedoch zumeist der zuvor ausgesparte innere Bereich.
> Differenzialdiagnose. Vereinzelt können große Plaques einen raumfordernden Effekt verursachen und somit anderen Tumoren ähneln. Jedoch zeigen MS-Plaques im Vergleich zu neoplastischen oder inflammatorischen Erkrankungen nur ein minimales Umgebungsödem und fast keinen raumfordernden Effekt im Verhältnis zur Größe der Läsion. Auch eine fehlende Kontrastmittel-Aufnahme kann zur weiteren Diagnosefindung helfen. Des Weiteren bestehen meistens zusätzliche periventrikuläre Plaques.
Beim Morbus Balo (. Abb. 9.162), einer Unterform der MS, zeigt sich ein charakteristisches Bild. Die Plaques sind sehr groß, typisch ist ein konzentrisches, ringförmiges Erscheinungsbild auf T2- und T1-gewichteten Bildern. Nach Kontrastmittelgabe sind dann häufig mehrere enhancende Ringe zu sehen, die sich mit nichtenhancenden Regionen abwechseln. Histologisch korreliert dies mit alternierenden Banden demyelinisierter und myelinisierter weißer Substanz. Möglicherweise handelt es sich hierbei um sukzessive Episoden akuter Demyelinisation, wobei das Zentrum der Läsion den ältesten Kern darstellt. Kontrastverstärkte MR-Bilder geben einen Überblick über die Aktivität der Erkrankung, jedoch sind sie kein Prädiktor für den weiteren Verlauf.
245 9.6 · Entzündliche Erkrankungen des Gehirns
Diffusionsgewichtete Bildgebung (DWI)
Hierbei wird die Braun-Molekularbewegung gemessen. Diese wird in Geweben durch Zellmembranen, vaskuläre Strukturen, Axone oder chemische Interaktionen mit Makromolekülen behindert. Ein niedriger »apparent diffusion coefficient« (ADC) korrespondiert mit einer hohen Signalintensität (eingeschränkte Diffusion). So konnte gezeigt werden, dass die nicht Kontrastmittel aufnehmenden Areale der akuten Plaques im Vergleich mit dem enhancenden Ring und homogen enhancenden Läsionen eine höhere ADC (verminderte Anisotropie) haben. Dieses spiegelt vielleicht ein höheres Ausmaß an Demyelinisierung im Zentrum der ringförmig enhancenden Plaques wider. Subakute oder chronische Läsionen haben nur eine mittlere ADC-Erhöhung.
100 000 Einwohner. Kinder und Jugendliche sind häufiger betroffen. Zahlreiche Fälle wurden auch bei Erwachsenen, sogar auch bei älteren Patienten berichtet. Die Inzidenz scheint aber deutlich geringer im Vergleich zum Kindesalter zu sein. Kinder zwischen 5 und 8 Jahren sind am häufigsten betroffen.
Ätiologie
Dieses Verfahren erlaubt eine Aussage sowohl über das Ausmaß der Diffusion sowie die Ausrichtung der Diffusion entlang der 3 Richtungsachsen. Veränderungen in der DTI können der Bildung der fokalen Läsionen mindestens 6 Monate vorangehen.
In ungefähr 50–75% der Fälle geht der klinischen Manifestation der Erkrankung eine virale oder bakterielle Infektion voraus. Meistens handelt es sich um eine unspezifische Infektion der oberen Atemwege. ADEM kann ebenfalls nach einer Impfung auftreten. Die Symptome beginnen typischerweise 6 Tage bis 6 Wochen nach der Infektion oder der Impfung. Erreger, die mit ADEM assoziiert sind, sind Masern-, Mumps-, oder Rötelnvirus sowie auch Varizella-Zoster-, Epstein-Barr-, Hepatitis-A-, und Herpes-simplex-Virus. Der wichtigste bakterielle Erreger ist Mycoplasma pneumoniae. Eine impfassoziierte ADEM wird am häufigsten nach einer Masern-, Mumps- oder einer Rötelnimpfung beobachtet. Sie ist aber auch nach Impfungen gegen den Erreger der Poliomyelitis beschrieben worden.
MR-Spektroskopie
Pathogenese und Pathologie
Diese wird zur Charakterisierung von Hirnveränderungen eingesetzt. Bei akuten Plaques zeigen sich ein vermindertes N-Acetyl-Aspartat (NAA) und eine Erhöhung der Cholinwerte. Auch freie Lipide (durch den Myelinzerfall) sind erhöht. Chronische Läsionen haben ein vermindertes NAA und normale Cholinund Kreatinwerte. Leider sind diese Veränderungen nicht spezifisch und können nicht zur Unterscheidung von MS-Plaques und Tumoren oder anderen inflammatorischen Erkrankungen beitragen. Eine Korrelation zwischen NAA-Werten und EDSS bei der schubförmig remittierenden MS konnte nicht dargestellt werden. NAA-Werte können sich nach 2 Jahren wieder erhöhen, möglicherweise durch Remyelinisierung und Abnahme des Ödems. Das Kreatin, das initial normwertig war, erhöht sich zwischen 3 und 12 Monaten möglicherweise durch einen gesteigerten metabolischen Bedarf während der Remyelinisierung. Nach 12 Monaten normalisiert sich der initial erhöhte Cholinwert.
Die Pathogenese der ADEM ist nicht geklärt. Es existieren Hinweise, dass ADEM als Folge einer transienten Autoimmunreaktion gegen Myelin- oder anderer Autoantigene auftritt. Dies geschieht möglicherweise durch eine nichtspezifische Aktivierung von autoreaktiven T-Lymphozyten. ADEM-Läsionen werden im gesamten Gehirn und Rückenmark beobachtet. Infiltrate zeigen sich histologisch überwiegend in den perivaskulären Räumen. Es kommt zur diffusen, häufig symmetrischen perivenösen Demyelinisierung. Die Läsionen haben histologisch das gleiche Alter. Meistens sind sie in der weißen Substanz lokalisiert. Es finden sich allerdings auch Läsionen kortikal, im Thalamus, Hypothalamus und in der übrigen grauen Substanz. Die entzündlichen Infiltrate bestehen überwiegend aus Lymphozyten, können aber auch ein gemischtes Bild mit Lymphozyten, Neutrophilen, und Mikroglia zeigen. Meist ist eine reaktive Astrozytenproliferation vorhanden.
Akute disseminierte Enzephalomyelitis Definition
Klinik
Diffusion tensor imgaging (DTI)
Die akute disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM) ist eine akut auftretende autoimmune demylinisierende Erkrankung der weißen Substanz, die hauptsächlich das Gehirn und das Rückenmark befällt. Üblicherweise tritt sie nach einer Infektion oder Impfung auf. ADEM ist im Gegensatz zur Multiplen Sklerose eine monophasische Erkrankung. In seltenen Fällen kann sie rezidivieren, dann wird der Begriff multiphasische ADEM verwendet. Obwohl ADEM eine relativ seltene Erkrankung ist, hat sie aus zwei Gründen eine zunehmende Bedeutung bekommen. Erstens ist in den letzten Jahren die Anzahl der Erkrankungen nach Impfungen, insbesondere bei Kindern, gestiegen, zweitens kann sie zu permanenten neurologischen Defiziten führen.
Epidemiologie ADEM ist eine seltene Erkrankung, wobei die genaue Inzidenz unbekannt ist. Die geschätzte jährliche Inzidenz beträgt 0,8/
Generalisierte Symptome wie Fieber, Myalgien, Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen gehen oft den neurologischen Symptomen voraus. Diese Symptome beginnen 4–21 Tage nach dem viralen oder bakteriellen Ereignis. Die Entwicklung einer fokalen oder multifokalen neurologischen Funktionsstörung ist das Kennzeichen der klinischen Präsentation der ADEM. Der Beginn einer zentralen neurologischen Funktionsstörung ist rapide. Der Gipfel der Dysfunktion wird in nur wenigen Tagen erreicht. Klassische, klinische Eigenschaften beinhalten eine Enzephalopathie, die von Lethargie bis zum Koma reichen kann, sowie fokale oder multifokale neurologische Symptome wie Hemiparese, Hirnnervenausfälle und Paraparese. Meningismus, Ataxie, und Krampfanfälle werden seltener beobachtet. Patienten mit großen raumfordernden, supratentoriellen oder Hirnstamm-Läsionen benötigen gelegentlich eine intensivmedizinische Therapie mit Intubation und Beatmung. Wenn eine Optikusneuritis auftritt, ist sie in der Regel bilateral.
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246
Kapitel 9 · Gehirn
Spinale Symptome finden sich bei der Minderheit der Patienten. Prinzipiell kann eine isolierte Myelitis als ADEM angesehen werden. Es gibt keinen Grund für die Annahme, dass verschiedene pathophysiologische Mechanismen bei Patienten mit postinfektiöser Myelitis vorliegen. Die Rückbildung der Symptomatik beginnt oft innerhalb von Tagen. Gelegentlich kann eine komplette Remission in nur wenigen Tagen stattfinden, in der Regel dauert diese allerdings Wochen bis Monate.
Diagnose Liquor. Die Liquoruntersuchung zeigt in den meisten Fällen pathologische Veränderungen, ein völlig normaler Befund ist aber nicht ungewöhnlich. Lymphozytäre Pleozytose, erhöhte Druckverhältnisse und Eiweißerhöhung (häufig <1,0 mg/l) entsprechen typischen Befunden in der Liquoruntersuchung. Oligoklonale Banden, also eine intrathekale Antikörperproduktion, sind im Gegensatz zur MS und anderen neuroinflammatorischen Erkrankungen seltener.
9
Computertomographie. Die ADEM-Läsionen kommen in der
CT in bis zu 40% der Fälle nicht zur Darstellung. Erst wenn sie eine ausreichende Größe erreicht haben, können diese als hypodense Areale erkannt werden. Magnetresonanztomographie. Die MRT ist für die Darstellung
der ADEM die Methode der Wahl. Die Diagnose kann ohne MRT nicht gestellt werden. Die MRT dient nicht nur zum Nachweis demyelinisierender Läsionen, sondern auch zum Ausschluss anderer Erkrankungen. Die MRT-Veränderungen sind insbesondere in den T2-gewichteten Sequenzen und in der fluid-attenuated inversion recovery (FLAIR)-Sequenz zu identifizieren (. Abb. 9.163). Die Läsionen sind als unregelmäßige Areale mit hoher Signalintensität nachweisbar. Die Herde sind typischerweise groß, multipel und asymmetrisch. Sie können in den Großhirnhemisphären, Kleinhirnhemisphären, im Hirnstamm und im Rückenmark lokalisiert sein. Die subkortikale und die zentrale weiße Substanz sind am häufigsten befallen. Weniger häufig ist die graue Substanz der Thalami und der Basalganglien betroffen; in diesen Fällen typischerweise symmetrisch. Nur in 30–60% sind die Läsionen in der periventikulären weißen Substanz lokalisiert. Das Auftreten von Balkenläsionen ist – im Gegensatz zur MS – eine Ausnahme. In den T1-gewichteten Sequenzen kommen die ADEM-Läsionen hypointens zur Darstellung. Die Inzidenz der gadoliniumaffinen Herde ist variabel und hängt vom Stadium der Entzündung ab. Eine Kontrastmittel-Aufnahme ist in 30–100% der Fälle beschrieben. Das Muster der Aufnahme variiert und kann punktförmig oder peripher sein. Eine komplette oder inkomplette ringförmige Aufnahme ist nicht selten. In den diffusionsgewichteten Sequenzen können die ADEMHerde eine eingeschränkte Diffusion aufweisen, was insbesondere bei akuten Läsionen der Fall ist. Die MR-Spektroskopie zeigt oft eine Reduktion der NAA-Werte im Bereich der signalintensen T2-Läsionen, während die Cholinwerte normal sind. Ein pathologischer Laktat-Peak kann oft identifiziert werden.
MRT-Charakteristika bei ADEM Bei der zerebralen Beteiligung sind die folgenden kernspintomographischen Muster beschrieben: 4 ADEM mit kleinen Läsionen <5 mm. 4 ADEM mit großen, konfluierenden oder tumorartigen Läsionen, die oft ein perifokales Ödem und eine raumfordente Wirkung zeigen. In diesen Fällen kann die Differenzierung von einem Glioblastom sehr schwierig sein, eine bioptische Sicherung ist oft notwendig. 4 ADEM mit symmetrischen bithalamischen Läsionen. 4 Akute Hämorrhagische Enzephalomyelitis (AHEM), wenn eine Einblutung innerhalb großer Demyelinisierungsherde auftritt.
Eine Beteiligung des Rückenmarks ist in 14–28% beschrieben. Die Läsionen zeigen sich hyperintens in den T2-gewichteten Sequenzen und können nach Gabe von Gadolinium eine Aufnahme zeigen. Die Herde können groß sein, das Myelon ist häufig geschwollen. Die thorakale Region ist meistens betroffen. Eine wichtige Rolle zur Diagnose der ADEM spielen die MRT-Verlaufskontrollen. In der monophasischen ADEM treten keine neue Herde auf. Die komplette Rückbildung der MRT-Läsionen ist in 37–75% der Patienten beschrieben, eine partielle Rückbildung tritt bei 25–53% auf.
Differenzialdiagnose: ADEM versus MS Die Differenzialdiagnose zwischen ADEM und MS ist hautsächlich aus prognostischen Gründen wichtig. Bei Kindern mit ADEM ist die Prognose gut, während bei Kindern mit MS die Entwicklung einer signifikanten Behinderung im Verlauf zu erwarten ist. Die wichtigsten Unterschiede der klinischen Manifestation und der Liquoruntersuchung werden in . Tab. 9.18 dargestellt. In der Bildgebung können prinzipiell die Läsionen der ADEM nicht mit Sicherheit von denen der MS differenziert werden. Es sind allerdings Unterschiede vorhanden, die eine der beiden Diagnosen favorisieren: 4 Die ADEM-Läsionen sind oft unregelmäßig begrenzt, während MS-Herde scharf definiert sind mit einer »plaque-artigen« Begrenzung. 4 Die ADEM-Läsionen sind in der tiefen weißen Substanz lokalisiert mit häufiger Aussparung der periventrikulären Re-
. Tab. 9.18. ADEM versus MS: wichtigste Unterschiede der Klinik und Liquorbefunde
Charakteristikum
ADEM
MS
Alter
<10 Jahre
>10 Jahre
Enzephalopathie
ja
nein
Symptome
polysymptomatisch
monosymptomatisch
Optikusneuritis
bilateral
unilateral
Liquor
Lymphozytose
intrathekale IgG
247 9.6 · Entzündliche Erkrankungen des Gehirns
a
b . Abb. 9.163a–c. ADEM. 50-jährige Patientin mit hochfieberhaftem Infekt, psychomotorischer Verlangsamung und erstmaligem Krampfanfall. a FLAIR-Sequenzen axial: flächige Signalsteigerung temporal parahippokampal und frontobasal. b DWI-Bildgebung axial: Diffusionseinschränkung. c T1-Wichtung axial post KM: prominente, überwiegend homogene KM-Aufnahme der Herde
4 In den Verlaufsuntersuchungen treten bei der ADEM im Gegensatz zur MS keine neuen Läsionen auf.
Therapie und Prognose
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4 4 4 4
gionen und des Balkens. Im Gegensatz dazu sind die periventrikulären Herde und die Balkenläsionen charakteristisch für die MS. Die kortikalen Läsionen sind bei ADEM weit häufiger im Vergleich zur MS. ADEM-Läsionen sind asymmetrisch, während bei der MS die Herde eine relative Symmetrie zeigen. Liqourisointense Läsionen in den T1-gewichteten Bildern, so genannte »black holes«, sprechen für abgelaufene Demyelinisierungen und unterstützen damit die Diagnose einer MS. ADEM-Läsionen des Rückenmarks sind groß mit Schwellung des Myelons und meist thorakal lokalisiert. Spinale MSHerde sind kleiner, zeigen keine Schwellung und treten eher zervikal auf.
Eine spontane Vollremission ist bei Patienten mit ADEM möglich. Dies ist allerdings seltener als bei Patienten, die eine Behandlung erhalten. Als Therapie der ersten Wahl wird derzeit die hochdosierte Gabe von i.v.-Kortikosteroiden angesehen. Von diesen erhofft man sich eine Verkürzung der entzündlichen Reaktion im ZNS und eine Besserung der klinischen Symptome. Bei fehlender Verbesserung unter Kortison werden Immunglobuline eingesetzt. Alternativ kann eine Plasmapherese durchgeführt werden, die wegen der höheren Komplikationsrate als zweite Wahl betrachtet wird. Eine Mortalität von 20% mit signifikanten Spätfolgen ist in früheren Studien berichtet worden. Neuere Studien zeigten, dass die Prognose der ADEM im Allgemeinen günstig ist. Ungefähr 70% aller Patienten überleben ohne residuale Defizite. Auch schwer betroffene Patienten können sich komplett erholen. Nur wenige Patienten mit ADEM benötigen eine intensivmedizinische Therapie.
Neuromyelitis Optica (Devic) Bei der Neuromyelitis optica (Devic-Syndrom) kommt es zu einem kombinierten Auftreten einer Optikusneuritis und einer akuten Myelitis, die zeitgleich, aber auch versetzt auftreten können. Eine autochtone IgG-Produktion im Liquor kann fehlen, es können aber auch polymorphkernige Leukozyten vorkommen.
9
9
248
Kapitel 9 · Gehirn
9.7
Metabolische Erkrankungen des zentralen Nervensystems
9.7.1
Grundlagen/Definition
Als Leukodystrophien werden Krankheiten der weißen Substanz des Gehirns bezeichnet, sie zählen zur Gruppe der Leukenzephalopathien. Dieser Terminus sagt nichts über Ätiologie oder Pathogenese aus. Leukenzephalopathien bilden eine große, in ihrer klinischen Symptomatik, ihren Ursachen und ihrem Verlauf außerordentlich variable Gruppe von Krankheiten. Im Kindesalter sind im strengen Sinne alle prä-, peri- und postnatal entstandenen Myelinisierungsstörungen, peri- und parainfektiöse Entmarkungen, toxische Marklagerschäden und genetische Krankheiten der weißen Substanz hinzuzurechnen. Am längsten bekannt und am besten klinisch, morphologisch, biochemisch und genetisch definiert sind die Leukodystrophien. Leukodystrophien sind eine Gruppe genetischer Krankheiten des Nervensystems mit Beteiligung des zentralen und in wenigen Fällen auch des peripheren Myelins. Sie repräsentieren einen prozessgestörten Auf- oder Abbau der Markscheiden. Man unterscheidet zwischen Demyelinisierung, d. h. Abbau eines normal strukturierten Myelins und Dysmyelinisierung, d. h. Aufbau bzw. Abbau eines abnorm zusammengesetzten und damit instabilen Myelins, und der Hypomyelinisierung. Dies ist eine Einteilung, die nicht allen pathogenetischen Erkenntnissen gerecht wird, aber sinnvoll erscheint, solange pathogenetische Vorgänge noch nicht bekannt sind.
9.7.2
Leukodystrophien mit primärer Hypomyelinisierung
Morbus Pelizaeus-Merzbacher Definition, Epidemiologie, Ätiologie Die Pelizaeus-Merzbacher-Krankheit ist eine seltene geschlechtsgebundene Leukodystrophie, die durch Hypomyelinisierung und fleckförmige Demyelinisierung des Gehirns charakterisiert ist. Das periphere Nervensystem ist nicht betroffen. Die Inzidenz wird auf ca. 1:100 000 Knaben geschätzt. Bei der Krankheit wurden Punktmutationen bzw. Duplikationen des Proteolipid-Protein-Gens nachgewiesen.
Klinik, Diagnose, Therapie Die klassische Form betrifft nur Knaben mit variablem klinischem Beginn. Erstsymptome sind Nystagmus und Muskelhypertonie, meist schon im 1. Lebensjahr. Später entwickeln sich pyramidale und zerebelläre Symptome sowie eine spastisch dystone Bewegungsstörung. Die Krankheit ist langsam progredient, Verläufe bis zum 14. Lebensjahr wurden beschrieben. Die konnatale Form Seitelberger verläuft rascher progredient, die Patienten versterben in den ersten Lebensjahren. Neben den klinischen Symptomen sind pathologische Hirnstammpotenziale sowie die MRT wegweisend. Bildgebung. In der MRT können Ausmaß und Verteilung der Marklagerveränderung gut erfasst werden. In der Magnetreso-
nanzspektroskopie kann eine Erhöhung von N-Acetyl-Aspartat gefunden werden. Die Hypomyelinisierung lässt sich besonders in den T2-gewichteten Sequenzen erkennen, dabei kommt es teilweise zur Signalumkehr zwischen grauer und weißer Substanz. Der Gendefekt ist auch in Lymphozyten oder Fibroblasten nachweisbar. Eine kausale Therapie ist nicht möglich.
9.7.3
Leukodystrophien mit unbekanntem metabolischen Defekt
Morbus Alexander Epidemiologie, Ätiologie Diese Krankheit ist nach Alexander benannt, der 1949 eine Leukodystrophie bei einem megaloenzephalen Kind beschrieb. Die Krankheit ist sehr selten, familiäre Fälle wurden beschrieben. Die Ätiologie der Krankheit ist unbekannt. Es handelt sich um eine autosomal-rezessiv vererbte Krankheit.
Klinik Je nach Beginn wird zwischen einer infantilen, juvenilen und adulten Form unterschieden. Die Makrozephalie, deren Ursache eine echte Megaloenzephalie ist, entwickelt sich erst im Verlaufe des ersten Lebensjahres. Die Patienten entwickeln eine Tetraspastik, weniger ausgeprägt ataktische Symptome und reagieren auf milde Schädeltraumata häufig mit Krampfanfällen und komatösen Zuständen. Die kognitiven Funktionen sind relativ lange gut erhalten.
Bildgebung In der Bildgebung findet sich bei der infantilen Form häufig eine diffuse Entmarkung unter Aussparung der inneren Kapsel. Gelegentlich sind zystische Veränderungen im Centrum semiovale bzw. frontal erkennbar. Bei überwiegendem Befall des Hirnstamms kann es zur Auftreibung des Pons kommen. Differenzialdiagnostisch ist der Morbus Alexander von anderen megaloenzephalen Leukenzephalopathien abzugrenzen, besonders dem Morbus Canavan und der zystischen Leukenzephalopathie Van der Knapp.
Morbus Aicardi-Goutières Definition, Klinik Diese Leukenzephalopathie, 1984 von Aicardi und Goutières beschrieben, mit zerebralen Verkalkungen und persistierender Liquorpleozytose nimmt eine besondere Stellung ein. Die Krankheit manifestiert sich bereits im 1. Lebensjahr als schweres Enzephalopathie-Syndrom mit progressiver Mikrozephalie, Spastik und Dystonie.
Bildgebung Im CT finden sich neben pathologischen Signalveränderungen der weißen Substanz Kalkablagerungen in den Basalganglien. Die Leukenzephalopathie kann initial frontal beginnen und verläuft rasch progredient.
249 9.7 · Metabolische Erkrankungen des zentralen Nervensystems
Myelinopathia centralis diffusa Epidemiologie, Klinik Die Myelinopathia centralis diffusa, im Englischen als »Vanishing White Matter Disease« benannt, betrifft Kinder beiderlei Geschlechts. Nach normaler Entwicklung kommt es im 2.–3. Lebensjahr, häufig im zeitlichen Zusammenhang mit einem leichten Schädelhirntrauma, bronchopulmonalen oder gastrointestinalen Infekten, zu einer meist intermittierend erscheinenden Ataxie. Die Kinder verlieren in den folgenden Jahren rasch die Gehfähigkeit. Im Vordergrund steht zunächst eine Ataxie. Zwischen dem 6. und 10. Lebensjahr entwickelt sich eine zunehmende Tetraspastik. Es kommt zu Optikusatrophie, Krampfanfällen und einem demenziellen Abbau.
Bildgebung Auch in der Bildgebung zeigt sich eine diffuse Veränderung der gesamten weißen Substanz. In T1- und T2-gewichteten Aufnahmen sind Mark und Liquorräume kaum voneinander abgrenzbar. In der MR-Spektroskopie zeigt sich im Gegensatz zur zystischen Leukenzephalopathie ein Verlust aller Metaboliten und neben Glukose lediglich eine Laktatvermehrung. Die Krankheit ist wahrscheinlich sehr viel häufiger als bisher angenommen, verschiedene Verlaufsformen vom infantilen über den klassischen bis zum juvenilen Typ wurden beobachtet. Die Krankheit ist rasch progredient, die Patienten versterben zwischen dem 14. und 16. Lebensjahr. Es wurden Mutationen auf den Chromosomen 3 q27 und 14 q24 nachgewiesen.
Megalenzephale Leukenzephalopathie Definition, Klinik Die megalenzephale Leukenzephalopathie zählt zu den makrozephalen Leukenzephalopathien, die langsam progredient im Vorschulalter beginnen. Neben der Makrozephalie sind spastisch/ataktische Gangstörung typische Symptome, später treten Krampfanfälle hinzu.
verantwortlichen Gens auf Chromosom 22 q13. Der unterschiedliche klinische Verlauf bei den Defekten der Arylsulfatase A wird durch unterschiedliche Restaktivitäten des Enzyms erklärt.
Klinik Es gibt verschiedene Verlaufsformen: Die spätinfantile metachromatische Leukodystrophie beginnt im Alter von 15–24 Monaten, wenn die Kinder beim Laufenlernen nicht die zu erwartenden Fortschritte machen und häufig stolpern. Kinder entwickeln sich nicht weiter, verlieren die Gehfähigkeit völlig und verlieren auch mit 2–3 Jahren die Fähigkeit des freien Sitzens. Es entsteht ein dezerebaler Endzustand mit schwerer Spastik und Verlust aller psychomotorischen Fähigkeiten, an dem das Kind 1–7 Jahre nach Krankheitsbeginn verstirbt. Bei der juvenilen metachromatischen Leukodystrophie, die mit 4–6 Jahren beginnt, ist der Verlauf der spätinfantilen Form ähnlich, doch stärker protrahiert. Das Erwachsenenalter wird kaum erreicht. Die spätjuvenilen Formen beginnen fast unmerklich zwischen dem 6. und 10. Lebensjahr anfangs mit teils subtilen motorischen Störungen, teils mit mentalen Veränderungen, die lange unerkannt zu Schwierigkeiten in Schule und Gesellschaft führen. Der motorische und demenzielle Abbau kann langsam fortschreiten und sich bis in die 4. Dekade hinziehen. Die adulte metachromatische Leukodystrophie beginnt meist schon in der Adoleszenz mit Schulschwierigkeiten und auffälligem Sozialverhalten. Mit der Zeit werden schwere Störungen der Sprache und der mentalen Leistung sowie ein bizarres Verhalten offensichtlich.
Bildgebung
Im MRT zeigt sich eine diffuse, fast spongiöse weiße Substanz mit Zystenbildung hochparietal und temporal. Es handelt sich um eine autosomal-rezessive Krankheit, deren Genese unklar ist. Die Patienten können das Adoleszentenalter erreichen, das Gen konnte auf dem Chromosom 22q lokalisiert werden.
In der MRT findet man in frühen Stadien eine diffuse, von den Ventrikeln nach peripher fortschreitende Demyelinisierung, die die subkortikalen U-Fasern lange ausspart (. Abb. 9.164). Wenn gleichzeitig periphere Nerven betroffen sind, liegt fast sicher eine Leukodystrophie vor. Das Liquoreiweiß ist bei den spätinfantilen und frühjuvenilen Formen mit zunehmender Hirngewebszerstörung mäßig erhöht, bei den sich später manifestierten Formen nicht unbedingt pathologisch. Der biochemische Nachweis fehlendender Aktivität der Arylsulfatase A geschieht im Urin oder in den Leukozyten.
Metachromatische Leukodystrophie Ätiologie, Epidemiologie
9.7.4
Bildgebung
Hierbei handelt es sich um eine Gruppe von autosomal-rezessiv vererbten, zu Myelinzerfall führenden Lipidspeicherkrankheiten, bei denen sich im Gehirn und anderen Organen Sulfatide anreichern, die histochemisch »metachromatisch« reagieren. Sie werden auch Sulfatid-Lipidosen genannt. Die Krankheiten gehören zu den am häufigsten beschriebenen Leukodystrophien mit einer Inzidenz von 0,6 auf 100 000 Geburten. Das Sphingolipid-Cerebrosidsulfat ist ein Zellmembranbestandteil und kommt in großen Mengen, v. a. im Gehirn und dort besonders in Myelinmembranen, vor. Bei metachromatischen Leukodystrophien ist die Arylsulfatase A vermindert bzw. die Funktion des Enzyms gestört. Es gibt zahlreiche Mutationen des
Leukodystrophien mit bekanntem Defekt
Morbus Krabbe (Globoidzellen-Leukodystrophie) Ätiologie, Epidemiologie Der Morbus Krabbe beruht auf einem rezessiv-erblichen Mangel des lysosomalen Enzyms Galaktocerebrosidase. Er gehört neben dem metachromatischen und der Adrenoleukodystrophie zu den häufigsten Leukodystrophieformen. Galaktocerebroside sind wesentliche Sphingolipide des Gehirns, v. a. des Myelins. Die Galaktocerebrosidase hat normalerweise Aktivitäten gegenüber mehreren Substraten. Das Gen liegt auf Chromosom 14 q31 und zeigt in etwa der Hälfte der klassischen Krabbe-Patienten eine große Deletion. Bei Ausfall des Enzyms häufen sich grundsätz-
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Kapitel 9 · Gehirn
a
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b . Abb. 9.164a–c. Metachromatische Leukodystrophie. a In den axialen T2w-Sequenzen zeigt sich eine ausgeprägte fleckige Hyperintensität des gesamten Marklagers. b In den axialen FLAIR-Sequenzen ebenfalls hyperintense Darstellung des gesamten Marklagers. c In der Spektroskopie zeigt sich eine deutliche Erniedrigung des Kreatin- und Colinpeaks. Gesicherte metachromatische Leukodystrophie. Bei den metachromatischen Leukodystrophien zeigen sich im MRT symmetrische periventrikuläre, parieto-okzipitale und frontal betonte Signalanhebungen in der T2-Wichtung. Das Corpus callosum ist meist mitbetroffen. Die U-Fasern sind anfangs ausgespart. In der Regel zeigt sich kein Enhancement, in späteren Stadien zeigt sich eine sekundäre Atrophie
Morbus Canavan (Spongiöse Leukodystrophie) Ätiologie
c
lich alle Substrate an, die zytotoxisch sind und die Oligodendrozyten zerstören.
Klinik Die Krankheit beginnt bei zuvor unauffälligen Säuglingen im Alter von 4–6 Monaten mit Unruhezuständen, Irretabilität und zunehmender Versteifung der Glieder, zu denen Krämpfe hinzutreten können. Die Kinder entwickeln eine opisthotone Haltung, bewegen sich kaum noch und zeigen eine Hyperakusis und Optikusatrophie. Im Endstadium sind die Kinder schlaff und bekommen bulbäre Störungen, sie werden kaum älter als 1 Jahr.
Bildgebung Bei Morbus Krabbe werden besonders früh auftretende Hyperintensitäten des Thalamus in T2-gewichteten Sequenzen sowie progressive Marklagerveränderungen beschrieben. Auch Veränderungen des Kleinhirns sind in der Literatur beschrieben.
Die spongiöse Leukodystrophie der weißen Substanz ist eine seltene, vorwiegend bei Ashkenazi-Juden vorkommende, rasch progrediente, autosomal-rezessive Stoffwechselkrankheit, die auf einen Mangel an Aspartoacylase beruht. Das N-Acetat-Aspartat ist eine Aminosäure, die in großen Mengen, besonders in der grauen Substanz des Gehirns vorkommt. Ihre Funktion ist allerdings weitgehend unbekannt. Die Substanz wird durch Aspartoacylase zu Acetat und Aspartat hydrolisiert. Der Zusammenhang zwischen dem Enzymdefekt und der Zerstörung der weißen Substanz ist noch nicht vollständig verstanden. Das Gen für die Aspartoacylase liegt auf Chromosom 17p13.
Klinik, Bildgebung Der klinische Beginn ist variabel, bei einer kongenitalen Form tritt die Krankheit gleich nach der Geburt auf. Bei der häufigsten infantilen Form ist dies nach dem 6. Lebensmonat der Fall. Es kommt zu Stillstand und Verlust der psychomotorischen Entwicklung, Optikusatrophie und zu Bewegungsstörungen. Die meisten Patienten überleben die Krankheit nur einige Jahre. Bildgebung. Die MRT zeigt eine weit ausgedehnte, diffus öde-
matöse Zerstörung der weißen Substanz. In der MR-Spektroskopie zeigt sich ein stark erhöhtes Verhältnis von N-Acetyl-Aspartat zu Kreatin und erlaubt die Diagnose.
251 9.7 · Metabolische Erkrankungen des zentralen Nervensystems
9.7.5
Peroxisomale Krankheiten
Die Organell-Bezeichnung »Peroxisom« wurde 1966 von De Dove und Baodhoin eingeführt und geht auf den Gehalt an Wasserstoffperoxiden zurück, die durch Oxidasen gebildet und durch Katalasen abgebaut werden. Peroxisomen kommen in allen menschlichen Zellen mit Ausnahme der Erythrozyten vor. Leitsymptome sind intrauterine Wachstumsverzögerungen, schwere Entwicklungsverzögerungen sowie Dysmorphien, Hepatomegalie, Kontrakturen der Extremitäten und Nierenzysten. Alle Formen der Störung der peroxisomalen Biogenese werden autosomal-rezessiv vererbt und haben eine Inzidenz von 1:25– 50 000. Peroxisomale Stoffwechselkrankheiten können in 2 Hauptgruppen eingeteilt werden: 4 Gruppe 1: Bei den Entwicklungsstörungen von Peroxisomen werden Peroxisome nicht und nur sehr unvollständig gebildet. Defekte in mehreren peroxisomalen Stoffwechselwegen sind die Folge. 4 Gruppe 2: Bei isolierten Defekten eines peroxisomalen Stoffwechselwegs liegt morphologisch eine regelrechte Peroxisomenstruktur vor, die übrigen peroxisomalen Teilfunktionen sind nicht betroffen.
kodystrophie sind Akkumulationen von überlang-kettigen Fettsäuren in allen Körpergeweben und Körperflüssigkeiten, v. a. in Cholesterolestern des Myelins und in der Nebennierenrinde. Sie ist die häufigste der peroxisomalen Krankheiten und betrifft ca. 1:20.000 Knaben/Männern. Bildgebung. Im MRT sind Demyelinisierungen beschrieben, die sich zuerst an den Hinterhörnern der Seitenventrikel überwiegend symmetrisch zeigen, dann den Balken einbeziehen und sich weiter im parieto-okzipitalen Marklager ausbreiten (. Abb. 9.165). Am Rand der Demyelinisierungszonen zeigen sich oft Areale, die ein Kontrastmittel-Enhancement aufweisen und prognostisch von Bedeutung sind, da sie auf eine rasche Progression der Krankheit hindeuten. In einer MRT-Bewertungsskala kann der Befall der Hirnregionen bei X-chromosomaler Adrenoleukodystrophie beurteilt werden, was für eine mögliche Therapie mit einer Knochenmarktransplantation Bedeutung hat (Loes-Core). Auch in der MR-Spektroskopie bei Patienten mit X-chromosomaler Adrenoleukodystrophie werden typische Befunde mit einer NAA-Reduktion und Cholinerhöhung beschrieben.
Morbus Refsum
Entwicklungssstörungen von Peroxisomen (Gruppe 1) Das Zellweger-Syndrom ist der Prototyp dieser Krankheitsgruppe. Weitere Erkrankungen dieser Gruppe sind die neonatale Adrenoleukodystrophie, infantiler Morbus Refsum und Rhizomelische Chondrodysplasia punctata. Die gestörte Peroxisomenbildung der Patienten ist auf Fehler im Transportsystem peroxisomaler Bestandteile zurückzuführen. In dieser Gruppe sind Peroxine, Bausteine des peroxisomalen Transportsystems, gestört. Die Peroxine werden von PEX-Genen kodiert, Mutationen führen dazu, dass die Patienten die im Zytoplasma synthetisierten peroxisomalen Matrixenzyme nicht importieren können. Patienten mit klassischem Zellweger-Syndrom fallen durch ein typisches Gesicht mit flacher, hoher Stirn, tiefer Nasenwurzel, Hypertelorismus, Epikanthus, leicht mongoloider Lidachse, Mikrognathie und dysplastischen Ohrmuscheln auf. Die Patienten versterben meist in den ersten Lebensmonaten. Beim Zellweger-Syndrom finden sich eine verzögerte Myelinisierung sowie Gyrierungsstörung mit Polymikrogyrie und einem verdickten pachygyrischen Cortex.
Isolierte Defekte peroxisomaler Stoffwechselwege (Gruppe 2) Hierzu zählt die X-chromosomal vererbte Adrenoleukodystrophie. Weitere Erkrankungen dieser Gruppe sind der adulte Typ des Morbus Refsum sowie die Hyperoxalurie Typ 1.
Adrenoleukodystrophie Der Name Adrenoleukodystrophie beschreibt 3 charakteristische Merkmale der Krankheit. Sie beziehen sich auf die Funktionseinschränkungen der Nebennierenrinde (Morbus Addison), auf die Veränderungen der weißen Substanz des Gehirns und des Rückenmarks sowie auf einen fortschreitenden Untergang des Myelins. Charakteristisch für die X-chromosomale Adrenoleu-
Der Morbus Refsum ist eine autosomal-rezessive Krankheit, bedingt durch Defekte des peroxisomalen Enzyms Phytanyl-CoAHydroxylase. Dies führt zu mangelnder α-Oxidation von Phytansäure, die sich dadurch im Verlauf der Krankheit im Blut und in allen lipidreichen Geweben, insbesondere in den neuronalen Strukturen, anhäuft. Klinische Symptome sind eine Retinitis pigmentosa, periphere Neuropathie, zerebelläre Ataxie und erhöhtes Liquoreiweiß.
9.7.6
Neurolipidosen
Neurolipidosen sind durch einen erblichen Enzymdefekt verursachte Krankheiten des ZNS. Häufig besteht dabei eine Speicherung von Sphingolipiden, d. h. von Lipidmolekülen und komplexen Kohlenhydraten.
GM1-Gangliosidosen Ganglioside sind Sphingolipide, bei denen der Kohlenhydratanteil ein oder mehrere Reste von Sialinsäure enthält. GM1-Gangliosidosen sind autosomal-rezessiv erbliche Krankheiten, bei denen das Fehlen einer lysosomalen β-Galaktosidase zu Speicherphänomenen inner- und außerhalb des Nervensystems führt. Die neuropathologischen Befunde betreffen v. a. die graue Substanz. Weiße Substanz und periphere Nerven bleiben weitgehend verschont. Der Speicherprozess führt zu einem Ab- und Umbau der interneuronalen Konnektivität. Charakteristisch ist eine Bildung ektoper und stark verdickter Neuriten, die als Meganeuriten bezeichnet werden. Klinisch zeigt sich eine progrediente Verzögerung der psychomotorischen Entwicklung, besonders innerhalb des 1. Lebensjahres. Gesichts- und Skelettauffälligkeiten können schon bei Geburt bestehen. Der Krankheitsverlauf dauert kaum länger als 2–3 Jahre, die Pati-
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Kapitel 9 · Gehirn
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b . Abb. 9.165a–c. Adrenoleukodystrophie. a T2w-, b T2-FLAIR-Aufnahme, c Spektroskopie. Bei der adulten Form der zerebralen Adrenoleukodystrophie zeigt sich eine Demyelinisierung des Spleniums des Corpus callosum und der parieto-okzipital angrenzenden weißen Substanz bzw. des Genu des Corpus callosum und der angrenzenden frontalen weißen Substanz. Oft zeigt sich ein randständiges KM-Enhancement
Morbus Gaucher Unter dieser Bezeichnung werden drei verschiedene rezessiverbliche Sphingolipidspeicherkrankheiten zusammengefasst, die große Mengen von Glukocerebrosid in phagozytierenden Zellen speichern: Morbus Gaucher Typ 1, Typ 2 und Typ 3. Sie verursachen in sehr unterschiedlicher Weise neurologische und andere Symptome.
Morbus Gaucher Typ 1 c
enten entwickeln eine Muskelhypotonie, Spastik, zerebrale Anfälle und werden schließlich blind, taub und areaktiv.
GM2-Gangliosidosen GM2-Gangliosidosen sind zu amaurotischer Demenz führende, autosomal-rezessiv erbliche Krankheiten mit Anhäufung von GM2-Gangliosid in Nervenzellen. Die neuropathologischen Befunde sind ähnlich wie bei den GM1-Gangliosidosen, allerdings nicht so ausgeprägt. Auch hier zeigen sich klinisch-progressive Symptome, wie Spastik, Ataxie, Dysarthrie und Blindheit. Bildgebung. Hier zeigen sich bei GM1- und GM2-Gangliosidosen ähnliche Befunde. Insgesamt kann sich eine generalisierte Myelinisierungsverzögerung zeigen, bei der infantilen Form ist auch ein früher Befall der Stammganglien und des postomedialen Thalamus charakteristisch.
Der Morbus Gaucher Typ 1 ist der häufigste Typ. Die klinischen Befunde beim Typ 1 sind hinsichtlich Beginn und Verlauf sehr variabel. Typisch sind Splenomegalie, hämorrhagische Diathese, Anämie, Leukopenie und Thrombopenie. Neurologische Symptome sind bei jüngeren Patienten selten und beruhen auf Komplikationen, wie Rückenmarksläsionen bei Wirbelbrüchen, Fettembolien oder Blutungen ins Nervengewebe.
Morbus Gaucher Typ 2 Bei dieser rasch progredienten Krankheit des Säuglingsalters ist auch das Gehirn primär stark betroffen. Die Pathologie ist ähnlich wie beim Typ 1. Das klinische Bild ist recht uniform, die Hepatosplenomegalie wird meist mit 3–6 Monaten bemerkt. Im Laufe weniger Monate entwickeln sich Anämie, Verlust psychomotorischer Fähigkeiten, Schluckstörungen und spastische Lähmungen. Die Kinder werden in der Regel nicht älter als 1–2 Jahre.
Morbus Gaucher Typ 3 Dieser Typ tritt in der Adoleszenz oder im frühen Erwachsenenalter auf. Der Leber-, Milz- und Knochenmarkbefall ist dabei ähnlich wie beim Typ 1.
253 9.7 · Metabolische Erkrankungen des zentralen Nervensystems
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. Abb. 9.166a, b. Morbus Niemann Pick, Typ C. a FLAIR-Aufnahme, b T2w-Aufnahme. Die axialen FLAIR- und T2-gewichteten Sequenzen zeigen eine leichte Erweiterung der inneren Liquorräume, bei ansonsten normalen MRT-Befunden. Im MRT und CT sind beim Morbus Niemann-Pick oft eine
generelle, kleinhirnbetonte Atrophie nachweisbar, selten periventrikuläre Marklagerveränderungen. Die Magnetresonanzspektroskopie weist oft auf eine diffuse Hirnbeteiligung hin
Morbus Niemann-Pick
des- oder Jugendjahren mit periodisch auftretenden Schmerzkrisen und Akroparästhesien. Die charakteristischen Gefäßeinlagerungen führen zu Ischämien und Infarkten im Herz, Gehirn und den Nieren und dadurch zum Tod in der 4. oder 5. Dekade.
Zur Gruppe der Niemann-Pick-Krankheiten gehören autosomal-rezessiv erbliche Lipidspeicherkrankheiten mit Hepatosplenomegalie, die mit und ohne Beteiligung des Nervensystems einhergehen können. Hinsichtlich der biochemischen Charakteristika gibt es 2 Gruppen: 4 solche mit intrazellulärer Speicherung von Sphingomyelin aufgrund eines Mangels an Sphingomyelinase (NiemannPick Typ A und Typ B) 4 solche mit Speicherung von Cholesterin aufgrund einer Cholesterintransportstörung bei nur gering erhöhtem Gehalt der Organe an Sphingomyelin (Niemann-Pick Typ C und D) Beim Typ A zeigen sich in den Nervenzellen Speichervakuolen, die Zahl der Neuronen in der Rinde von Groß- und Kleinhirn ist stark vermindert, und es findet sich eine Gliaproliferation in der grauen und weißen Substanz. Beim Typ B tritt in der Regel keine ZNS-Symptomatik auf. Beim Morbus Niemann-Pick Typ C handelt es sich um eine autosomal-rezessiv erbliche, langsam progrediente, neurodegenerative Krankheit mit variablem Krankheitsbeginn. Man findet kortikale Atrophien, besonders stark sind Basalganglien und Hirnstamm betroffen (. Abb. 9.166).
Morbus Fabry Dies ist eine seltene geschlechtsgebundene vererbte Sphingolipidspeicherkrankheit mit weit im Körper verbreiteten Symptomen, die gelegentlich auch beim weiblichen Geschlecht Symptome macht. Hier führt ein genetischer Defekt der lysosomalen α-Galaktosidase A zur intrazellulären Akkumulation von Ceramid und Trihexosiden. Die Krankheit beginnt meist in den Kin-
> An den Morbus Fabry sollte bei älteren Jungen gedacht werden, die unter intermittierenden brennenden Schmerzen in den Füßen, Beinen oder Fingerspitzen leiden und deren Beschwerden bei warmem Wetter zunehmen.
9.7.7
Störungen der Fettsäureoxidation
Defekte der Fettsäureoxidation umfassen alle an der Energiebildung als Fettsäuren beteiligten Störungen. Da langkettige Fettsäuren nur als Carnitin-Verbindungen über die innere mitochondriale Membran in den mitochondrialen Matrixraum, den Ort der Oxidation, transportiert werden können, beinhaltet diese Krankheitsgruppe alle angeborenen Störungen des CarnitinStoffwechsels. Zu diesen gehören folgende Enzymschritte: 4 Acyl-CoA-Dehydrogenase 4 Enoyl-CoA-Hydratase 4 3-Hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase 4 Hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase 4 3-Ketoacyl-CoA-Thiolase Defekte des Carnitin-Transportsystems sind sehr selten. Die meisten Patienten werden im Alter von 3 Monaten bis 2,5 Jahren durch hypoketotische Hypoglykämien, Hyperammoniämie, Transaminaseerhöhungen und Muskelschwäche einschließlich
9
254
Kapitel 9 · Gehirn
einer Kardiomyopathie auffällig. In der Bildgebung sollen intrakranielle periventrikuläre Marklagerveränderungen und kortikale Infarkte auftreten können.
Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel Hier gibt es eine Reihe von verschiedenen Störungen, die den β-oxidativen Abbau von Fettsäuren betreffen. Meist treten Kardiomyopathien, hypoketotische Hypoglykämien, Intoleranz gegenüber Fasten, Erbrechen, Hypoglykämien, Lethargie und Koma auf. Die meisten dieser Erkrankungen manifestieren sich bereits in der Neugeborenenperiode. Bildgebend liegen bei den Acyl-CoA-Dehydrogenase-Defekten nur wenige Befunde vor. Die Acyl-CoA-Dehydrogenase-Defekte wurden früher als Glutarsäureazidurie Typ II zusammengefasst. Berichtet wird in der Literatur über Veränderungen in den Stammganglien und im supratentoriellen Marklager.
Hallervorden-Spatz-Erkrankung
9
Die Hallervorden-Spatz-Erkrankung ist eine neurodegenerative Erkrankung, bei der es zu einer Störung der Basalganglien, insbesondere des Pallidums und der Substantia nigra, durch Eisenablagerungen kommt. Ursache ist eine Störung in der Pantothenatkinase, eines essenziellen Regulatorenzyms bei der Biosynthese des Co-Enzyms A (CoA). Die Erstbeschreibung des Krankheitsbildes geht auf Hallervorden und Spatz im Jahre 1922 zurück, bei der eine axonale Schwellung, vorzugsweise im Globus pallidus und in der Zona reticulata der Substantia nigra, beschrieben worden ist. Die Krankheit wird autosomal-rezessiv vererbt, das Gen ist auf dem Chromosom 20p12.3-p13 lokalisiert. Die Krankheit beginnt meist gegen Ende der ersten Lebensdekade mit einer langsam progredienten Dystonie mit zusätzlicher Rigidität und positiven Pyramidenbahnzeichen sowie ausgeprägten orofazialen Hyperkinesen. Die Krankheit geht mit einer Demenz einher. Zusätzlich können Sehstörungen durch eine Retinopathie oder Optikusatrophie auftreten. Bildgebung. Durch die Bildgebung im MRT in Kombination mit den neurologischen Symptomen kann die Verdachtsdiagnose erhärtet werden. Im MRT zeigen sich bilaterale Signalminderungen im Globus pallidus mit zentraler Aufhellung, die als so genanntes »Tigerauge« beschrieben sind. Ferner zeigen sich unspezifische Hyperdensitäten im Pallidum, die als »Pseudokalk« beschrieben werden.
9.7.8
Pathogenese Glykosaminoglykane werden intrazellulär synthetisiert, überwiegend in den Extrazellularraum ausgeschieden und teilweise in Lysosomen wieder abgebaut. Ist dieser Abbau durch defekte lysosomale Enzyme gestört, häufen sich Glykosaminoglykanreste in Lysosomen an. Ihr Ausfall führt zur Speicherung unterschiedlicher Abbauprodukte in verschiedenen Geweben und zu insgesamt ähnlichen, aber doch unterscheidbaren Krankheitsbildern.
Klinik Die wichtigste Mukopolysaccharidose ist die Mukopolysaccharidose I, auch Morbus Pfaundler-Hurler genannt. Dies ist eine autosomal-rezessiv erbliche Krankheit. Die Patienten zeigen häufig einen großen Schädel und fallen durch prämature Nahtsynostosen auf. Sie sind häufig geistig und motorisch behindert. Sie erreichen etwa den Entwicklungsstand eines 2-bis 3-jährigen Kindes. Nach dem 4. Lebensjahr ist mit einem weiteren Abbau der psychomotorischen Fähigkeiten zu rechnen. Die Mukopolysaccharidose II (Morbus Hunter) wird ebenfalls X-chromosomal-rezessiv vererbt. Die Erkrankung ist klinisch ähnlich dem der Mukopolysaccharidose I, auch wie bei der Mukopolysaccharidose I gibt es hier schwere, intermediäre und leichtere Verläufe. Die Mukopolysaccharidose III (Sanfilippo-Krankheit) wird durch vier verschiedene Enzymdefekte hervorgerufen, die jeweils autosomal-rezessiv vererbt werden. Die klinischen Manifestationen ähneln sich. Weitere Mukopolysaccharidosen sind die Mukopolysaccharidose IV (Morbus Morquio), die Mukopolysaccharidose VI (Morbus Maroteaux-Lamy), die Mukopolysaccharidose VII (Morbus Sly) sowie die Mukopolysaccharidose IX (Hyaluronidase-Mangel). Bei den Mukopolysaccharidosen kommt es auch zu ZNS-Manifestationen, die für die unterschiedlichen Formen jedoch z. T. ähnlich sind. Die auffälligsten Befunde sind multiple zystische (kryptiforme) Veränderungen des Marklagers, die auf Erweiterung der perivaskulären Räume durch Akkumulation von mit Mukopolysacchariden gefüllten Schaumzellen zurückgeführt werden. Diese Veränderungen können im periventrikulären Marklager, den Balken und in Stammganglien angetroffen werden. Zusätzlich zeigen sich auch häufig Erweiterungen der inneren Liquorräume sowie diffuse präventrikuläre Marklagerveränderungen. Röntgenologisch zeigen sich bei fast allen Mukopolysaccharidosen knöcherne Veränderungen, die v. a. das Achsenskelett und die Atlantoaxialgelenke betreffen.
Heteroglykanosen Oligosaccharidosen und verwandte Krankheiten
Mukopolysaccharidosen Definition, Epidemiologie Mukopolysaccharidosen sind erbliche Speicherkrankheiten, die durch eine intrazelluläre Anhäufung von Glykosaminoglykanen (sauren Mukopolysacchariden) hervorgerufen werden. Glykosaminoglykane sind komplexe Kohlenhydratketten aus Uronsäuren, Aminozuckern und Neutralzuckern. Im Gewebe sind sie mit Proteinen zu großmolekularen Proteoglutanen verbunden. Die Häufigkeit von Mukopolysaccharidosen wird auf ca. 1:20 000 Geburten geschätzt.
Oligosaccharidosen sind lysosomale Speicherkrankheiten. Dabei werden Oligosaccharide, kurzkettige Verbindungen aus Neutralzuckern und Aminozuckern, gespeichert. Die Pathogenese entspricht der bei Mukopolysaccharidosen. Autosomal-rezessiv erbliche Mutationen bedingen eine verminderte Funktionsfähigkeit von lysosomalen Enzymen. Ihre Substrate – Oligosaccharidketten aus Glykoproteinen – können nicht ordnungsgemäß durch eine Serie von spezifischen Glykosidasen abgebaut werden. Je nach Enzymdefekt häufen sich unterschiedliche Produkte an und führen zu ähnlichen
255 9.7 · Metabolische Erkrankungen des zentralen Nervensystems
a
b . Abb. 9.167a–c. LEIGH-Syndrom. a In den axialen FLAIR- und b T2w-Sequenzen bilaterale symmetrische Signalanhebung des Putamens, des Caput nuclei caudati und diskret auch der Thalami. c In der koronaren T2w-Sequenz erkennt man zusätzlich die Beteiligung des Globus pallidus
reichen Untereinheiten bestehenden Enzymkomplexe werden auf 1:10 000 Lebendgeborene geschätzt. Klassifizierung. Wegen der außerordentlich großen phenotypischen Heterogenität dieser Krankheit muss die Einordnung eines jeden Krankheitsfalls unter Einbeziehung aller verfügbaren klinischen, biochemischen und genetischen Kriterien erfolgen. Nur dadurch lässt sich der Krankheitsverlauf prognostisch am besten abschätzen und die Wirksamkeit von Therapieansätzen objektiv beurteilen.
Enzephalomyelopathie (Morbus Leigh) c
Symptomen und Verlauf mit jedoch unterscheidbaren Krankheitsbildern. Klinisch ähneln Oligosaccharidosen den Mukopolysaccharidosen mit groben Gesichtszügen, Kleinwuchs und Skelettveränderungen, Leber-/Milzvergrößerungen und Neurodegenerationen in wechselndem Ausmaß.
9.7.9
Störungen im System der oxidativen Phosphorylierung (OXPHOS)
Defekte der oxidativen Phosphorylierung (OXPHOS) betreffen eine oder mehrere Komponenten der in den Mitochondrien lokalisierten Funktionen der Substrat-Endoxidation und der Übertragung der dabei gewonnenen Energien-ATP. Die Inzidenz von Defekten der im OXPHOS-System organisierten und aus zahl-
Hierbei handelt es sich um eine progressiv neurodegenerative Erkrankung mit unterschiedlichem Verlauf. Die Krankheit ist durch ihre neuropathologischen Befunde definiert mit fokalen, bilateralen und symmetrischen Nekrosen, welche vom Thalamus bis hin zum Pons reichen und eine Mitbeteiligung der unteren Olivenkerne und der Hinterstränge aufweisen können (. Abb. 9.167). Auf biochemischer Ebene hat sie sehr unterschiedliche Ursachen. Sowohl eine Reihe von Defekten im OXPHOS-System als auch Mangelzustände der Pyruvatdehydrogenase können mit einer Enzephalomyelopathie (Morbus Leigh) assoziiert sein. Gleiche Enzymdefizienzen im OXPHOS-System können bei einem Patienten mit Enzephalomyelopathie assoziiert sein, bei anderen Patienten aber zu einem völlig anderen klinischen Bild führen. Warum es zu diesen unterschiedlichen Verläufen kommt, ist noch nicht vollständig geklärt.
MELAS-Syndrom MELAS steht für mitochondriale Enzephalomyelopathie, Laktazidose und »stroke-like-episodes«. Die typische Symptomatik
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256
Kapitel 9 · Gehirn
umfasst, wenn auch sehr variabel, die im Namen enthaltenen Kennzeichen sowie Migräneanfälle, Minderwuchs, zunehmende Demenz und Diabetes mellitus. In der Skelettmuskulatur lässt sich neben den ragged-red-fibres bei über der Hälfte der Betroffenen ein Aktivitätsmangel an Komplex I oder den Komplexen I und IV der Atmungskette nachweisen. Nach zunächst normaler Entwicklung tritt eine fortschreitende Myopathie mit eingeschränkter körperlicher Belastbarkeit in den Vordergrund. Die charakteristischen »stroke-likeepisodes« mit Hemiparese, Hemianopsie, begleitet von Erbrechen, Kopfschmerzen und Krampfanfällen, beginnen im Alter von 4–15 Jahren. Die Symptome können aber bereits im Neugeborenenalter oder auch erst später beim Erwachsenen auftreten.
beginn im späteren Lebensalter. Bei diesem Symptomenkomplex können zusätzlich zu den charakteristischen Zeichen einer Ophthalmoplegie, einer Retinitis pigmentosa, einer Myopathie und Kleinhirnsymptomen und erhöhtes Liquoreiweiß eine große Zahl neurologischer, kardialer, renaler und endokriner Symptome vorliegen. Bildgebung. Beim Kearns-Sayre-Syndrom zeigen sich Veränderungen des Marklagers, besonders der O-Fasern; zusätzlich treten Verkalkungen in den Stammganglien und im Cerebellum auf. Bei der Leber’schen hereditären Optikusneuropathie zeigt sich eine Optikusatrophie mit Kontrastmittel-Enhancement im akuten Stadium, zusätzlich evtl. Hirnstammläsionen.
Morbus Eiper Bildgebung. In der MRT zeigen sich in den T2-gewichteten Se-
9
quenzen hyperintense Areale in der parieto-temporalen und/ oder posterioren Hirnregion sowie eine zunehmende Hirnatrophie und Verkalkungen. Diese Veränderungen repräsentieren Infarkte, welche sich in der Regel innerhalb von Stunden oder Tagen zusammen mit den sie begleitenden neurologischen Symptomen zurückbilden.
Beim Morbus Eiper (auch Eipers-Hutenlocher-Syndrom genannt) handelt es sich um eine seltene autosomal-rezessive Erkrankung mit Enzephalopathie und Leberversagen. Ursache ist ein mitochondrialer Defekt in der Atmungskette. Klinisch zeigen sich ein erhöhter Muskeltonus mit vermehrten Reflexen und Spastik sowie z. T. therapierefraktären Anfälle in der frühen Kindheit. Bildgebung. Hier zeigt sich eine spongiöse Atrophie mit Neu-
MERRF-Syndrom Das MERRF-Syndrom ist charakterisiert durch eine progrediente Myoklonusepilepsie und mitochondriale Myopathie mit raggedred-fibres, sowie eine langsam forschreitende Demenz mit variablem Beginn der Symptome von der späten Kindheit bis zum Erwachsenenalter. Neben einem weiten Spektrum an neurodegenerativen Zeichen finden sich häufig eine Taubheit und Ataxie. Der Krankheitsverlauf beim MERRF und MELAS kann sich ähneln, er unterscheidet sich aber durch das Vorkommen der »stroke-like-episodes«. Zu den klinischen Entitäten gehören die Leber’sche hereditäre optische Neuropathie und das NARP-Syndrom (Neuropathie, Ataxie und Retinitis pigmentosa). Das NARP-Syndrom ist durch das kombinierte Vorkommen von Retinitis pigmentosa, zerebralen Krampfanfällen, Ataxie, neurogener Schwäche der proximalen Muskulatur, peripherer Neuropathie und Demenz charakterisiert. Bildgebung. Hier zeigt sich ein ähnliches Bild wie beim MELAS-
Syndrom mit einer diffusen Atrophie und Marklagerveränderungen. Diese beiden Krankheitsentitäten fallen neben klinischen spezifischen Phenotypen durch eine Punktmutation in mtDNAAbschnitten auf, wobei hier eine Mutation der an der Synthese (Syn-Gene) von Proteinen beteiligten Gene vorkommt. Daneben gibt es noch eine Krankheitsgruppe mit Punktmutation in mtDNA-Abschnitten, welche mitochondriale Proteine kodieren (MIT-Gene).
Chronisch progressive externe Ophthalmoplegie (CPEO) Diese Krankheitsentität zeigt eine langsam progrediente Parese der Augen- und Lidhebermuskeln. In diese Gruppe fallen das Kearns-Sayre-Syndrom (KSS) mit Krankheitsbeginn vor der 3. Lebensdekade und das CPEO-Fluss-Syndrom mit Krankheits-
ronenuntergang und Astrozytenproliferation mit einer Prädilektion im visuellen Cortex. Hierbei kann es zu einer kortikalen Blindheit kommen.
9.7.10
Stoffwechselstörungen der Aminosäuren
Störungen des Phenylalaninstoffwechsels Menschen mit einer normalen eiweißhaltigen Ernährung nehmen wesentlich größere Mengen der essenziellen Aminosäure Phenylalanin zu sich als für die Eiweißsynthese benötigt wird. Überschüssiges Phenylalanin wird daher unter normalen Bedingungen ganz überwiegend durch die Phenylalaninhydroxylase zu Tyrosin umgewandelt. Dieses Enzym benötigt einen aktiven Kofaktor. Sowohl ein Aktivitätsverlust oder ein fehlendes Apoenzym PAH als auch ein Mangel des Kofaktors BH4 vermindern die Aktivität des Enzymsystems. Erhöhte Phenylalaninkonzentrationen führen im Säuglings- und Kleinkindesalter während der Phase der Entwicklung zu irreversiblen Schädigungen des Gehirns, nach Abschluss der Hirnentwicklung zu reversiblen Funktionseinschränkungen. Eine verminderte Aktivität des Phenylalaninhydroxylasekomplexes kann zu folgenden Stoffwechselkrankheiten bzw. -auffälligkeiten führen: 4 Klassische, behandlungsbedürftige Phenylketonurie 4 Milde Phenylketonurie mit einer Restaktivität des PAH-Enzyms 4 Benigne Hyperphenylalaninämie 4 Hyperphenylalaninämie infolge Fehlens des Kofaktors BH4 4 Transitorische Hyperphenylalaninämie von Frühgeborenen bei eiweißreicher Ernährung 4 Maternale Phenylketonurie, bei der das Kind intrauterin durch den erhöhten Phenylalaninspiegel im Sinne einer toxischen Embryofetopathie geschädigt wird.
257 9.7 · Metabolische Erkrankungen des zentralen Nervensystems
a
b . Abb. 9.168a–c. Morbus Wilson. a, b T2w- und c T1w-Aufnahme. In den axialen T2-gewichteten Sequenzen zeigt sich eine mäßig ausgeprägte Hyperintensität im Thalamus beidseits sowie eine Hypointensität im Pallidum beidseits, eher einer beginnenden Pallidumverkalkung entsprechend. In den T2*-gewichteten Sequenzen ist diese Hyperintensität im Thalamus bds. ebenfalls nachweisbar, in den T1-gewichteten Sequenzen vor (c) und nach KM-Gabe (nicht abgebildet) zeigt sich keine pathologische Signalveränderung. In der MRT sind häufig nur in späteren Stadien eine Volumenabnahme im Striatum und eine Signalhyperintensität der Basalganglien, des Thalamus und des Hirnstamms in den T2w-Aufnahmen nachweisbar
irreversiblen Störungen der kognitiven Funktion. Unbehandelt kommt es bei der klassischen PKO zu allgemeinen und fokalen Störungen der Myelinisierung. Bildgebung. Die bei der Phenylketonurie z. T unterschiedlich
stark ausgeprägte verzögerte Myelinisierung spiegelt sich in der MRT in einer Hyperintensität in der T2-Wichtung im periventrikulären Marklager wider. In der MR-Spektroskopie wird bei der adulten PKO nur eine diskrete Verminderung von Cholin beschrieben. c
Phenylketonurie (PKO) Die Phenylketonurie ist die häufigste Aminosäurestoffwechselstörung des Menschen. Sie wird autosomal-rezessiv vererbt. Ihre Häufigkeit ist in verschiedenen ethnischen Kulturen sehr unterschiedlich. Die Phenylketonurie wurde zum ersten Mal 1934 als Stoffwechselstörung des Phenylalanins beschrieben und mit erblicher Imbezilität in Zusammenhang gebracht. Die Hyperphenylalaninämie beeinträchtigt die Entwicklung und Funktion des Gehirns. Die Ursache der Neurotoxizität ist nach wie vor nicht vollständig geklärt. Hohe Phenylalaninspiegel führen sowohl zu akuten, reversiblen als auch zu chronischen,
> Durch das Neugeborenen-Screening werden fast alle PKO-Patienten rechtzeitig erkannt und mit einer entsprechenden Diät behandelt.
Homozystinurie Die Homozystinurie wird durch einen Enzymdefekt im Stoffwechsel des Homozystins verursacht und kommt mit einer Häufigkeit von ca. 1/300 000 vor. Das Gen für das bei der klassischen Homozystinurie defekte zytosolische Enzym Cystathion-β-Synthetase (CBS) wird auf dem Chromosom 21q22.3 lokalisiert. Es sind über 60 Mutationen im CBS-Gen bekannt. Wahrscheinlich führt Homozystin zu Gefäßläsionen, nachfolgenden arteriosklerotischen Veränderungen und Thrombembolien sowie Stö-
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258
Kapitel 9 · Gehirn
rungen der Kollagenstruktur. Die Krankheit kann in verschiedenen Lebensabschnitten in Erscheinung treten, in Abhängigkeit von der Schwere des Enzymdefekts. Die Hyperhomozystinämie führt zu einer Arteriosklerose. Entsprechend sind in der Bildgebung häufig unterschiedlich starke vaskuläre Schädigungen nachweisbar.
9.7.11
9.8.1
Primäre Demyelinisierung
Multiple Sklerose Die MS ist die häufigste demyelinisierende Erkrankung mit Prädominanz bei Frauen zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Die Optikusneuritis ist eine häufige Erscheinungsform. Zu Ätiologie, Pathogenese, Kinik und Bildgebung 7 Kap. 9.6.
Morbus Wilson 9.8.2
Ischämische Demyelinisierung
Definition, Ätiologie
9
Der Morbus Wilson, auch bekannt als hepatozerebrale Degeneration oder Kupferspeicherkrankheit, ist eine autosomal-rezessiv vererbte Störung der Kupferausscheidung aus den Leberzellen in die Galle. Ursache ist der Defekt einer Kupfer-transportierenden ATPase in der Leberzellmembran. Der Enzymdefekt bewirkt, dass überschüssiges Nahrungskupfer nach Resorption und Aufnahme in die Leber zu einem großen Teil nicht in die Galle gelangt, sondern in den Leberzellen gespeichert wird. Dies führt immer zu einer Leberzirrhose und bei längerem Überleben zu charakteristischen zerebralen Schäden. Ohne entsprechende Therapie ist der Verlauf letal.
Definition, Pathogenese Die häufigsten Läsionen der weißen Substanz sind ischämisch. Beim älteren Patienten gehören diese zum normalen Bild. Sie spiegeln eine arteriosklerotische Vaskulopathie wider. Vorwiegend sind die periventrikuläre weiße Substanz sowie die Basalganglien betroffen. Die subkortikalen U-Fasern, das Corpus callosum, die Medulla, das Mittelhirn sowie die Kleinhirnschenkel sind üblicherweise ausgespart aufgrund ihrer duralen Blutversorgung. Histologisch zeigen die vom Infarkt betroffenen Areale eine axonale Atrophie sowie einen verminderten Myelingehalt.
Ätiologie Epidemiologie, Klinik Die Krankheitshäufigkeit beträgt etwa 1:30 000. Klinisch überwiegt bei Erwachsenen der neuropsychiatrische Verlauf, während Kinder <10 Jahren vorwiegend nur hepatische Symptome aufweisen. Klinisch manifestiert sich der Morbus Wilson meist mit unspezifischen abdominalen Symptomen wie Hepatosplenomegalie, Bauchschmerzen und Erbrechen, die mit Müdigkeit und Leistungsabfall verbunden sind. Die zerebrale Symptomatik ist vorwiegend durch Kupfereinlagerung in Stammganglien und Kleinhirn bedingt. Sie betrifft vorwiegend den Bewegungsapparat, sensorische und kognitive Funktionen sind weniger oft beeinträchtigt. Typisch sind eine verwaschene Sprache, Schriftverschlechterung, Schreibunfähigkeit, Hypersalivation, extrapyramidaler Tremor, Chorea-Athetose und Schluckstörungen.
Die Veränderungen der weißen Substanz werden auch als mikroangiopathische Leukenzephalopathie und subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie (. Abb. 9.169) bezeichnet, was jedoch deren Bedeutung überbewertet. Die beschriebenen Läsionen unterscheiden sich von lakunären Infarkten (5–10 mm), welche in den Basalganglien, typischerweise in den oberen zwei Dritteln des Putamens auftreten. Die Ätiologie ist jedoch ähnlich. Die kleinen Läsionen in der weißen Substanz treten vorwiegend bei Patienten mit Vaskulopathie (verursacht durch Arterioskle-
Bildgebung Im MRT sind an den Stammganglien und im Hirnstamm in den T1-gewichteten Sequenzen Hyperintensitäten bzw. in T2-Wichtung Hypointensitäten nachweisbar (. Abb. 9.168).
9.8
Erkrankungen der weißen Substanz
Die Erkrankungen der weißen Substanz werden in demyelinisierende und dysmyelinisierende Erkrankungen eingeteilt: 4 Demyelinisierende Erkrankungen sind erworben u. betreffen das Myelin. 4 Dysmyelinisierende Erkrankungen sind vererbt, betreffen die Bildung oder Aufrechterhaltung des Myelins und finden sich vorwiegend im Kindesalter. Die demyelinisierenden Erkrankungen werden in 4 Gruppen eingeteilt: primäre, ischämische, infektiöse, toxische und metabolische.
. Abb. 9.169. Subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie. T2wAufnahme mit flächiger Signalsteigerung peri- und paraventrikuär
259 9.8 · Erkrankungen der weißen Substanz
a
b
. Abb. 9.170a, b. Virchow-Robin-Raum. a In der T2-Wichtung liquor-isointense Veränderung im Bereich der Basalganglien links. b Diese stellt sich in den FLAIR-Sequenzen hypointens dar, passend zu einer Suppression von
Liquor. Eine Gliose im Randbereich zeigt sich nicht, passend zu einem großen Virchow-Robin-Raum
rose oder Vaskulitis) auf. Bei jüngeren Patienten muss als Ursache an eine Vaskulitis, embolische Erkrankung, Hypoxie, Dissektion und migränöse Ischämie gedacht werden. Auch eine Unterscheidung zwischen MS-Läsionen und ischämischen Läsionen ist schwierig (MS tritt in 10% bei Patienten ab 50 Jahren auf). Eine exakte Anamneseerhebung ist wichtig. Das Corpus callosum und die subkortikalen Bahnen sind bei ischämischen Herden meist ausgespart.
erscheinen sowohl der Infarkt als auch der Virchow-RobinRaum hyperintens. Lakunäre Infarkte sind meistens >5 mm und treten vorwiegend in den oberen zwei Dritteln des Corpus striatum auf. Periventrikuläre Räume sind kleiner, bilateral, oft symmetrisch im unteren Drittel des Striatums.
9.8.3
Infektbedingte Demyelinisierung
Differenzialdiagnose Die Ependymitis granularis ist ein Normbefund. Hierbei handelt es sich um eine in T2-Wichtung sichtbare Signalsteigerung an den Spitzen der Vorderhörner von bis zu 1 cm. Histologisch handelt es sich hier um ein loses Netzwerk von Axonen mit geringem Myelingehalt. Dieses poröse Ependym erlaubt einen transependymalen Liquoraustritt, was zur verlängerten T2-Zeit führt. Virchow-Robin-Räume sind typischerweise 1–2 mm groß, können jedoch auch deutlich größer sein. Beim Eintritt von Blutgefäßen in das Hirnparenchym werden sie von Liquor und einer dünnen Piaschicht umgeben. Sie zeigen sich in T2-Wichtung als Signalsteigerung (. Abb. 9.170) und finden sich typischerweise im Centrum semiovale, den tiefen Basalganglien auf Höhe der Commissura anterior, da hier lentikulostriäre Arterien eintreten. Sie sind eine Normvariante und im Alter aufgrund der Atrophie prominenter. Zur Unterscheidung zwischen Parenchymläsionen und Virchow-Robin-Raum kann eine ProtonenDensity-weighted (Fast Echo T2w)- oder FLAIR-Sequenz hilfreich sein. Auf der PDW erscheint Liquor (der Inhalt des Virchow-Robin-Raums) isointens zur weißen Substanz. Ischämische Läsionen hingegen, außer wenn zystisch verändert, erscheinen auf der PDW hyperintens. Auf T2-Wichtung hingegen
Die viral induzierten Demyelinisierungen wurden bereits im Kapitel »Infektionen des ZNS« behandelt (7 Kap. 9.6). Die progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML) wird aufgrund der Ausbreitung von AIDS häufig gesehen. Es handelt sich um eine Reaktivierung des latenten JC-Papova-Virus. Die Patienten sind meistens immunsupprimiert. Durch den Befall der Oligodendrozyten kommt es zu einer ausgeprägten Demyelinisierung, v. a. der tiefen weißen Substanz, des Kleinhirns und Hirnstamms. Es finden sich kein Kontrastmittel-Enhancement, keine Raumforderungszeichen, keine Einblutungen. Die Läsionen sind asymmetrisch, vorwiegend parietal, rasch progressiv, konfluierend. Eine Beteiligung der grauen Substanz oder infratentoriell ist möglich. Der Tod tritt innerhalb weniger Monate ein.
HIV-Enzephalopathie Diese zeigt sich als subakute Enzephalitis mit progressiver Demenz ohne fokal-neurologische Zeichen. Die HIV-Infektion entwickelt sich in der Mikroglia (Makrophagen). Die resultierenden Zytokine haben einen toxischen Effekt auf die benachbarten Neurone (7 Kap. 9.6.3).
9
260
9
Kapitel 9 · Gehirn
a
b . Abb. 9.171a–c. Zentrale pontine Myelinolyse. 48-jährige Patientin nach Natriumsubstitution bei Alkoholabusus mit Hyponatriämie. Vor ca. 24 h neu aufgetretene Dysarthrie und Dysphagie. a In den axialen Flair- und b T2w-Sequenzen zeigt sich im Pons ein ausgedehntes signalgesteigertes Areal. c Die sagittale T2-Wichtung verdeutlicht das Ausmaß des Befundes
9.8.4
Toxisch oder metabolisch bedingte Demyelinisierung
Zentrale pontine Myelinolyse
c
Bildgebung. Häufig resultieren eine geringe, zerebrale Atrophie sowie fokale oder diffuse, symmetrische Signalsteigerungen in T2-Wichtung. Meist sind ausgedehnte, flächige Areale betroffen.
Weitere infektbedingte Demyelinisierungen Dazu gehören: 4 ADEM (7 Kap. 9.6.6) 4 Lyme-Disease (7 Kap. 9.6.3) 4 Subakut sklerosierende Panenzephalitis (SSPE): Sehr seltene, späte, stets letale Komplikation der Maserninfektion.
Die zentrale pontine Myelinolyse ist eine Demyelinisierung, die überwiegend bei Ernährungsstörungen, Alkoholismus und schnellen Elektrolytveränderungen auftritt, selten aber auch spontan vorkommt. Die klinische Manifestation ist oft nach sehr raschem Ausgleich einer Hyponatriämie zu beobachten. Selten besteht eine Assoziation zu Diabetes mellitus, Leukämie oder Infektionen. Klinisch entwickeln sich rapide kortikospinale Syndrome mit Quadriplegie und »Locked-in-Status« (der Patient ist stumm, kann sich nicht bewegen, teils komatös). Die Prognose ist schlecht. Bildgebung. In der MRT ist in der Regel eine Signalanhebung
zentropontin zu erkennen (. Abb. 9.171), in einigen Fällen ist eine Kontrastmittel-Aufnahme nachweisbar. Charakteristisch ist die bilaterale, pontine Beteiligung unter Aussparung der oberflächlichen Hirnstammstrukturen. In etwa 10% ist eine extrapontine Lokalisation nachzuweisen. > Das Marchiafava-Bignami-Syndrom ist eine seltene Form der Demyelinisierung der zentralen Bahnen (Medialseite des Corpus callosum) und wird vorwiegend bei Alkoholikern gefunden. Symptome sind eine Demenz, es besteht ein langsamer Progress bis zum Tod.
261 9.8 · Erkrankungen der weißen Substanz
a
b
c
d
. Abb. 9.172a–c. Wernicke-Syndrom. In den T2w- (a) und Flair-Sequenzen (b) symmetrische Signalsteigerung der Colliculi superiores der Vierhü-
gelplatte. c In den nativen T1w-Sequenzen stellen sich die Läsionen hypointens dar; d sie zeigen nach KM-Gabe ein deutliches Enhancement
Wernicke- und Korsakow-Syndrom
Strahlenleukenzephalitis
Auch wenn Wernicke- und Korsakow-Syndrom pathologisch nicht zu unterscheiden sind, besteht klinisch ein deutlicher Unterschied. Ursächlich ist in beiden Fällen ein Thiamin-Mangel, es besteht eine Demenz.
Nach einer kumulativen Strahlendosis von über 40 Gy kommt es 6–9 Monate nach der Behandlung häufig zu einer strahleninduzierten Vaskulopathie mit Läsion in der weißen Substanz (. Abb. 9.173).
Bildgebung. In der MRT zeigen sich Läsionen der Basalganglien,
Bildgebung. Die Läsionen sind auf T2-gewichteten Aufnahmen
des Thalamus und Hirnstamms um den Aquädukt. Zusätzlich besteht häufig eine Atrophie der Corpora mamillaria. In der akuten Phase zeigt sich hier ein Enhancement (. Abb. 9.172).
hyperintens, konfluieren und betreffen häufig die subkortikalen U-Fasern im Bereich des bestrahlten Hirns. Es handelt sich hierbei um einen indirekten Strahlenschaden durch eine Arteriitis,
9
262
9
Kapitel 9 · Gehirn
a
b
. Abb. 9.173a, b. Strahlungsschaden der weißen Substanz. Konfluierende Signalanhebung des Marklagers in den FLAIR- (a) und T2w-Sequenzen (b) nach Radiatio
verursacht durch Hypertrophie, Fibrose und Hyalinisierung des Endothels der kleinen Arterien. Die Patienten sind meist asymptomatisch. Bei strahlenbedingter Nekrose und Arteriitis kommt es hier Wochen bis Jahre nach Bestrahlung zu enhancenden (teils ringförmig) Läsionen mit Raumforderungszeichen. Diese können ein Tumorrezidiv vortäuschen. Das Auftreten ist dosisabhängig, die Nekrose kann progressiv und tödlich sein. Prädilektionsstellen sind in der Nähe des Tumors, das Gewebe scheint hier empfindlicher für Strahlenschäden zu sein. Schwierig ist die Unterscheidung zwischen Tumorrezidiv und strahlenbedingter Nekrose. Hier erfolgt die Verlaufskontrolle. Die Positronenemissionstomographie (PET) kann ebenfalls zur Unterscheidung herangezogen werden, da ein Tumorrezidiv im Gegensatz zur Strahlennekrose metabolisch aktiv ist. Durch die Bestrahlung kommt es ebenfalls zu Schäden an den Gefäßen mit resultierender Gefäßverengung. ! Methotrexat und Bestrahlung haben einen synergen Effekt. Vermutet wird eine Beschädigung der Blut-HirnSchranke durch die Bestrahlung, was zu neurotoxischen Spiegeln des Methotrexats führt.
Waller-Degeneration Bei der Waller-Degeneration handelt es sich um eine sekundäre Degeneration von Axonen und Markscheiden distal einer Läsion. Im Gegensatz zu peripheren Nerven kommt es im ZNS zu keiner vollständigen Regeneration, es bildet sich in der Regel eine Glianarbe. Bei Läsionen im ZNS kommt es deswegen, z. B. bei Infarkten, Blutungen etc. zu einer Degeneration der beteiligten Pyramidenbahnen.
Bildgebung. In der MRT ist dies in der Regel als eine Atrophie evtl. mit Hyperintensitäten in T2-gewichteten Aufnahmen nachweisbar (. Abb. 9.174).
9.8.5
Dysmyelinisierende Erkrankungen
Diese werden auch als Leukodystrophien bezeichnet und sind sehr selten. Charakteristisch ist ein vorzeitiger Myelinabbau oder eine fehlerhafte Bildung aufgrund eines angeborenen Enzyms oder metabolischen Defekts. Es zeigen sich diffuse Läsionen in der weißen Substanz, eine Unterscheidung erfolgt biochemisch oder durch Enzymanalyse. Auch das Alter des Auftretens sowie das Verteilungsmuster können eine Hilfestellung geben. Metachromatische Leukodystrophie. Häufigste Leukodystro-
phie, autosomal-rezessiv, Fehler am Enzym Arylsulfatase-A. Klinik: Mentaler Abbau, Beginn mit 2 Jahren. Progress mit Tod nach 5 Jahren. Magnetresonanztomographie: Symmetrische Areale, graue Substanz nicht betroffen. Adrenale Leukodystrophie. Rezessiv, betrifft nur Jungen. Krankheitsbeginn mit 5–10 Jahren. Häufig abnorme Pigmentierung, adrenale Insuffizienz. Prädilektionsstellen sind die periatriale weiße Substanz mit Ausdehnung in das Splenium des Corpus callosum. Dies führt zu einer raschen Ausbreitung an den medialen und lateralen Nucleus geniculatus, was die frühen Seh- und Hörstörungen der Kinder erklärt. Die graue Substanz ist nicht betroffen. Leigh-Erkrankung. Diese wird auch als nekrotisierende Enzephalomyelopathie bezeichnet und betrifft Kinder <5 Jahren. Da
263 9.9 · Neurodegenerative Erkrankungen
a
b
. Abb. 9.174a, b. Waller-Degeneration. In den axialen CT-Aufnahmen der Schädelbasis zeigt sich ein Substanzdefekt links temporal, bei Zustand nach älterem Schädelhirntrauma. In den weiter kaudal gelegenen Schichten
stellt sich das Crus cerebri links deutlich verschmächtigt dar, am ehesten bedingt durch eine Waller-Degeneration
die Histopathologie der Wernicke-Enzephalopathie ähnelt, vermutet man einen angeborenen Defekt im Thiamin-Metabolismus. Es finden sich symmetrische, fokale Nekrosen in den Basalganglien und im Thalamus sowie in der subkortikalen, weißen Substanz (. Abb. 9.168). Mittelhirn, Medulla und die hinteren Bahnen des Myelons können ebenfalls betroffen sein. Charakteristisch ist eine Beteiligung der periaquäduktalen, grauen Substanz; die Corpora mamillaria sind nicht betroffen (aber betroffen bei Wernicke-Korsakow-Syndrom).
einer Einschränkung der neuronalen Funktion insbesondere der Kognition. Veränderungen im Verhalten werden ebenfalls beobachtet. Das Alter ist der größte Risikofaktor mit einer Erkrankungshäufigkeit von etwa 8% im Alter >65 Jahren und >30% im Alter >85 Jahren. Die Inzidenz verdoppelt sich alle 5 Jahre. Das Fortschreiten der AD ist langsam, die Patienten überleben die Erkrankung durchschnittlich 8–10 Jahre nach Einsetzen von Symptomen. Demzufolge ist – bei gleichbleibendem Anstieg der Bevölkerungszahlen und einer Erhöhung des Lebensalters – mit einer Verdreifachung der Demenzfälle über die nächsten 50 Jahre zu rechnen.
Alexander- und Canavan-Erkrankung. Diese Krankheiten sind sehr selten, kommen in den ersten Lebenswochen vor. Das Hirn ist oft vergrößert, die Patienten zeigen einen Makrozephalus.
Bildgebung 9.9
Neurodegenerative Erkrankungen
Morbus Alzheimer Epidemiologie, Klinik Dieses ist die häufigste Form der Demenz. Die Diagnose erfolgt meist im Alter zwischen 50 und 65 Jahren, die Krankheit kann jedoch auch früher beginnen. Der Tod folgt 7–10 Jahre nach der Diagnosestellung. Demenzielle Syndrome gehören zu den häufigsten Erkrankungen im höheren Lebensalter. Neben der Alzheimer-Demenz gehören die vaskuläre Demenz, die Demenz mit Lewy-Körperchen und die frontotemporale Demenz dazu. Die AlzheimerDemenz (AD), eine progressive neurodegenerative Erkrankung, ist die häufigste Form der Demenz und betrifft etwa 2–4 Mio. Personen in der Europäischen Union und mehr als 30 Mio. Menschen weltweit. Sie geht einher mit einem Verlust bzw.
Es kommt zu einer diffusen Atrophie (. Abb. 9.175), v. a. im Bereich des Hippokampus und der Temporallappen (eine Erweiterung der Temporalhörner, suprasellären Zisternen und Sylvi-Fissur kann helfen, zwischen Alzheimer-Erkrankung und normalem Alterungsprozess zu unterscheiden). PET zeigt einen verminderten Glukose-Metabolismus, SPECT und Perfusions-MRT einen verminderten, zerebralen Blutfluss in diesen Regionen. Die Protonen-MR-Spektroskopie zeigt hier eine erniedrigtes N-Acetyl-Aspartat (NAA) mit erhöhtem Myo-Inositol. Eine Erhöhung von Myo-Inositol findet sich nur bei der Alzheimer-Erkrankung, nicht bei anderen Demenzen. Auch der apparent diffusion coefficient (ADC) im Hippokampus bei Patienten mit AlzheimerErkrankung ist höher als in den Kontrollgruppen.
Vaskuläre Demenz – Differenzialdiagnose zur AD Im Gegensatz zur AD zeigen Patienten mit einer vaskulären Demenz (VD), einer Multiinfarktdemenzform, häufig multiple Are-
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264
Kapitel 9 · Gehirn
9 . Abb. 9.175a, b. Morbus Alzheimer. Temporoparietal betonte Hirnatrophie
. Abb. 9.176. Morbus Parkinson, T2w-Aufnahme. Bei diesem 58-jährigen Patienten mit bekanntem, klinisch gesichertem Morbus Parkinson zeigt sich allenfalls eine leichte Hypointensität im Linsenkern und im Nucleus caudatus bds. Weitere Auffälligkeiten lassen sich nicht nachweisen
ale einer erhöhten Signalintensität in den T2-gewichteten Sequenzen, PD-gewichteteten oder FLAIR-Aufnahmen. Diese Signalanhebungen können in der weißen Hirnsubstanz, den Basalganglien und/oder dem Thalamus auftreten. Fokale Infarktareale oder Lakunen in wichtigen Hirnarealen können ebenfalls mit einer VD assoziiert sein. Auch Patienten mit AD können Veränderungen im Sinne von Läsionen in der weißen Hirnsubstanz aufweisen, häufig findet sich eine Überlappung zwischen VD und einer AD, die so genannte gemischte Form der Demenz. Daher sollte das Vorhandensein von Veränderungen an der weißen Hirnsubstanz nicht eingesetzt werden, um die Diagnose einer AD auszuschließen.
Die Bildgebung hilft, zwischen primärem (idiopathischem) und sekundärem (Infarkt oder Läsionen im Caput nuclei caudati) zu unterscheiden, oder wenn ein chirurgischer Eingriff geplant ist (Pallidotomie oder Thalamotomie). Die Protonen-MRS zeigt ein erniedrigtes NAA, nicht nur in den Basalganglien, sondern im gesamten Gehirn. Gelegentlich lässt sich auf Gradienten-Echo-Sequenzen (T2*) eine vermehrte Eisenablagerung (hypointens) im Mittelhirn darstellen mit einer Verdünnung der Pars compacta (die Substantia nigra besteht aus der Pars compacta (hyperintenses Band in T2-Wichtung), welche zwischen der Pars reticularis (anterior) und dem Nucleus ruber (posterior) gelegen ist). In der Regel ist die Bildgebung jedoch unauffällig. Im späteren Stadium besteht eine Atrophie.
Frontotemporale Demenz Die frontale Atrophie oder Pick-Erkrankung ist eine seltene Form der präsenilen Demenz und tritt bevorzugt beim weiblichen Geschlecht auf. Die Erkrankung zeigt eine frontotemporal betonte kortikale Atrophie, die die hinteren zwei Drittel des superioren frontalen Gyrus ausspart. Diese pathologischen Veränderungen dominieren auch die bildgebenden Befunde. Die Atrophie führt zur konsekutiven Erweiterung des frontalen Interhemisphärenspalts und der Sylvi-Fissur sowie einer Abrundung der Temporalpole, was als wichtiges diagnostisches Kriterium in der Unterscheidung zur AD gewertet wird.
Parkinson-Erkrankung Hier kommt es zu einem Verlust der Neurone in der Substantia nigra, insbesondere in der Pars compacta. Beträgt dieser Verlust >80%, treten Symptome auf (Tremor, Muskelrigidität, Bradykinesie). Zum Zeitpunkt der Bildgebung ist die Diagnose meist gefestigt (. Abb. 9.176).
Multisystematrophie Definition, Ätiologie Die Multisystematrophie (MSA) ist eine sporadisch auftretende neurodegenerative Erkrankung des mittleren Erwachsenenalters, die klinisch durch die Kombination von autonomen Störungen mit Parkinsonsymptomatik oder zerebellärer Ataxie gekennzeichnet ist. Die Ätiologie der MSA ist unbekannt, und die verschiedenen Symptome mit hypotonen Blutdruckregulationsstörungen, Schlafstörungen, Störungen der Blasenentleerung und Bewegungsstörungen stellen Neurologen, Internisten, Urologen und HNO-Ärzte vor eine interdisziplinäre diagnostische und therapeutische Herausforderung. Die älteren Begriffe Shy-Drager-Syndrom, sporadische olivo-ponto-zerebelläre Atrophie (OPCA) (. Abb. 9.177) und striatonigrale Degeneration (SND) bezeichnen unterschiedliche
265 9.9 · Neurodegenerative Erkrankungen
venzellen beobachteten. Diese GCI haben sich als spezifisch erwiesen und erlauben die definitive neuropathologische Diagnose einer MSA. Welche Mechanismen zur Bildung dieser Ablagerungen führen und welche Bedeutung sie für den Verlust von Nerven- und Gliazellen haben, ist unbekannt. Die GCI selbst bestehen aus aggregierten fibrillären Strukturen von 10–15 nm Durchmesser, die den Mikrotubuli ähneln und die u. a. α-Synuklein, α-β-Crystallin und Tau enthalten. Mutationen im α-Synuklein-Gen oder in anderen Kandidatengenen konnten bei MSAPatienten bislang nicht nachgewiesen werden.
Epidemiologie Mit den verbesserten neuropathologischen Diagnosemöglichkeiten zeigte sich bei Untersuchungen in verschiedenen Hirnbanken eine MSA bei etwa 5–22% aller autopsierten Parkinsonpatienten. Epidemiologische Untersuchungen sind nach wie vor schwierig, da die klinische Diagnose keine definitive Aussage erlaubt. Die altersangepasste Prävalenz der MSA wird auf 4,4 (2–15)/100 000 Einwohner, die Inzidenz auf ~0,6 pro 100 000 Einwohner und Jahr geschätzt. Eine familiäre Häufung ist bisher nicht berichtet worden, und bislang konnten keine eindeutigen exogenen Risikofaktoren identifiziert werden. . Abb. 9.177. OPCA/MSA. Bei diesem Patienten mit einer olivopontozerebellären Atrophie zeigt sich ein deutlich verschmächtigter Pons mit einem so genannten »Hot-cross-bun-Zeichen«. Diese Veränderungen sind bei Multisystematrophien vorwiegend zerebellärer Symptomatik zu sehen
Ausprägungen des klinisch-neuropathologischen Spektrums der MSA, deren spezifisches Merkmal der Nachweis von α-Synuklein-positiven Ablagerungen in Oligodendrozyten ist. Die vielfältige klinische Symptomatik und die Unkenntnis der Pathogenese sind die Ursache der verwirrenden deskriptiven Bezeichnungen, Akronyme und Eigennamen, die in der Vergangenheit für die Multisystematrophie (MSA) gebraucht wurden. In der Literatur des 20. Jahrhunderts findet man eine Vielzahl von Beschreibungen von Patienten mit einer Kombination von neurologischen Symptomen und autonomem Versagen in unterschiedlicher Ausprägung und mit variablen pathomorphologischen Veränderungen. So prägten Déjérine und Thomas bereits 1900 den Begriff der »L’Atrophie Olivo-Ponto-Cérébelleuse« (OPCA), Shy und Drager beschrieben 1960 zwei Patienten mit einer Kombination aus Impotenz, ausgeprägter orthostatischer Hypotension und Parkinsonsyndrom (Shy-Drager-Syndrom, SDS), und Syndrome mit Akinese, Tremor, erektiler Dysfunktion und Inkontinenz wurden nach anatomisch pathologischen Gesichtspunkten als striatonigrale Degeneration (SND) bezeichnet. Schließlich stellten Oppenheimer und Graham 1969 die Hypothese auf, dass OPCA, SND und SDS unterschiedliche Ausprägungen des Spektrums einer einzigen Erkrankung sein könnten und führten den Begriff MSA ein, der allerdings noch nicht durch genaue Diagnosekriterien oder spezifische pathologische Veränderungen definiert war und deshalb selten verwendet wurde. Die Beschreibung der MSA als neuropathologische Entität wurde erst 1989 durch Arbeiten von Papp, Kahn und Lantos möglich, die bei elf Fällen mit OPCA, SND und SDS argyrophile gliale zytoplasmatische Einschlusskörper (Glial Cytoplasmic Inclusions, GCI) in Oligodendrozyten und später auch in Ner-
Klinik, Verlauf Der mittlere Erkrankungsbeginn der MSA liegt in der 6. Lebensdekade; Männer und Frauen erkranken gleich häufig. Zu Beginn der Erkrankung weist die Mehrzahl der Patienten eine Parkinsonsymptomatik (46%) oder autonome Störungen (41%) auf, zerebelläre Störungen finden sich initial bei etwa 5–10%. Die autonomen Störungen, insbesondere Erektionsstörungen, aber auch eine Zunahme der Miktionsfrequenz, Dranginkontinenz und Restharnbildung können Jahre vor den Bewegungsstörungen auftreten. Nach Auftreten der neurologischen Symptomatik ist die Progression der MSA rasch: die mediane Überlebenszeit nach Diagnosestellung beträgt 9 Jahre. In dieser Zeit entwickeln fast alle Patienten ein Mischbild mit autonomen Störungen, Parkinsonsymptomatik, zerebellärer Ataxie und Zeichen einer Pyramidenbahnschädigung in unterschiedlicher Kombination und Ausprägung. Autonome Störungen treten schließlich bei allen Patienten auf, 50–70% leiden unter Urininkontinenz, etwa ebenso viele unter Schwindel und Benommenheit. Die Mehrzahl der MSAPatienten zeigt in den späten Krankheitsstadien Zeichen eines Parkinsonsyndroms mit Bradykinese, Rigor, Hypophonie und Dysphagie (90%). Gerade die Sprech- und Schluckstörung ist oftmals besonders ausgeprägt und nicht pharmakologisch therapierbar. Typische zerebelläre Zeichen (Gang- und Extremitätenataxie, Blickrichtungsnystagmus und Dysarthrie) finden sich bei 20–50%, ein positives Babinskizeichen oder Reflexsteigerungen bei etwa 60% der MSA-Patienten. Kognitive Beeinträchtigungen sind selten. Die häufigste Todesursache sind Bronchopneumonien infolge der ausgeprägten Hypokinese und der Immobilisierung.
Diagnose Die definitive Diagnose einer MSA kann bislang nur neuropathologisch gestellt werden. Die derzeit gültigen, leider recht kom-
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266
Kapitel 9 · Gehirn
plexen klinischen Diagnosekriterien unterscheiden zwischen möglicher, wahrscheinlicher und definitiver, neuropathologisch gesicherter MSA. Demnach ist eine MSA wahrscheinlich, wenn zusätzlich zu schwerer orthostatischer Hypotonie (RR-Abfall um mindestens 30 mmHg systolisch bzw. mindestens 15 mmHg diastolisch) oder dauerhafter Urininkontinenz ein schlecht auf die Behandlung ansprechendes Parkinsonsyndrom oder eine zerebelläre Dysfunktion vorliegt. Ein Erkrankungsbeginn vor dem 30. Lebensjahr oder eine positive Familienanamnese schließen eine MSA aus. Entscheidend für die Diagnose sind eine sorgfältige Anamnese und klinische Untersuchung, wohingegen die apparative Zusatzdiagnostik in erster Linie dem Ausschluss anderer Erkrankungen dient.
Differenzialdiagnose
9
Differenzialdiagnostisch muss die MSA von Erkrankungen mit orthostatischer Dysregulation, der idiopathischen ParkinsonKrankheit (IPK), anderen atypischen Parkinson-Syndromen sowie den sporadischen Ataxien des Erwachsenenalters abgegrenzt werden. Orthostatische Dysregulation
Eine orthostatische Dysregulation wird durch einen SchellongTest mit Abfall des systolischen RR um mindestens 20 mmHg beziehungsweise des diastolischen RR um 10 mmHg innerhalb von 3 min nach dem Aufstehen gesichert. Dieser Blutdruckabfall ist häufig von einem inadäquaten Anstieg der Herzfrequenz um <10 Schläge/min begleitet. Eine Vielzahl von Erkrankungen, insbesondere kardiale und endokrinologische Störungen sowie unerwünschte medikamentöse Nebenwirkungen können eine sekundäre orthostatische Hypotonie auslösen. Primäre autonome Störungen mit orthostatischer Dysregulation sind: 4 reflektorische Synkopen 4 das lageabhängige orthostatische Tachykardiesyndrom (Postural Orthostatic Tachycardia Syndrome, POTS) 4 die akute Pandysautonomie 4 die reine autonome Dysfunktion (Pure Autonomic Failure, PAF) 4 die MSA Die reflektorische (vasovagale oder neurokardiale) Synkope und das lageabhängige orthostatische Tachykardiesyndrom sind durch das völlige Fehlen weiterer Symptome im (synkopenfreien) Intervall charakterisiert. Die seltene akute Pandysautonomie ist durch die akute Entwicklung schwerster autonomer Störungen über Wochen wahrscheinlich im Rahmen einer immunvermittelten Neuropathie gekennzeichnet. Neben der MSA geht nur die reine autonome Dysfunktion mit chronischer orthostatischer Hypotonie und Störungen der autonomen Kontrolle einher. Dem PAF liegt im Gegensatz zur MSA, bei der in erster Linie die präganglionären Neurone des Rückenmarks betroffen sind, eine Degeneration peripherer postganglionärer Neurone zugrunde, ein Unterschied, der in der bildgebenden Diagnostik mittels MIBG-SPECT zur Differenzierung eingesetzt werden kann.
Idiopathische Parkinson-Krankheit (IPK) und atypische Parkinson-Syndrome
Parkinsonsyndrome bzw. -symptome können im Rahmen anderer neurodegenerativer Erkrankungen und als Medikamentennebenwirkung auftreten. Auch die atypischen Parkinsonsyndrome sind durch die in unterschiedlicher Gewichtung vorkommenden Symptome Akinese, Rigor, Ruhetremor und posturale Instabilität gekennzeichnet. MSA-Patienten unterscheiden sich jedoch in mancherlei Hinsicht von der IPK. So sind die Beschwerden bei Erkrankungsbeginn häufig symmetrisch ausgeprägt, Tremor ist seltener vorhanden, bei vielen Patienten irregulär und erinnert an Myoklonien. Viele MSA-Patienten entwickeln eine ausgeprägte Hypotonie. Orthostaseprobleme können zwar auch im Verlauf der IPK auftreten, zählen aber nicht zu den Frühzeichen und scheinen ganz überwiegend auf einer postganglionären Störung im autonomen Nervensystem zu beruhen. Im Vergleich zur IPK ist der Krankheitsverlauf der MSA ungleich dramatischer. Eine rasche Verschlechterung oder gar Einbuße der Gehfähigkeit innerhalb von <5 Jahren schließt eine IPK praktisch aus. Im Gegensatz zur IPK kann höchstens ein Drittel der MSA-Patienten befriedigend mit L-Dopa behandelt werden. Daher sollte das Nichtansprechen auf L-Dopa und eine früh im Krankheitsverlauf auftretende orthostatische Hypotonie immer Anlass zur kritischen Überprüfung der Diagnose einer IPK sein. Während die autonomen Störungen kennzeichnend für die MSA sind, sprechen Stürze und kognitiver Abbau für eine progressive supranukleäre Blickparese (PSP, Steele-Richardson-Olszewski-Syndrom).
. Abb. 9.178. Morbus Huntington. Bei Morbus Huntington zeigt sich eine Atrophie der Stammganglien, vorwiegend des Nucleus caudatus, weniger ausgeprägt des Putamen und Cerebellum. In diesen axialen T2w-Sequenzen bei einem Patienten mit bekanntem Morbus Huntington ist der Nucleus caudatus beidseits verschmächtigt
267 9.9 · Neurodegenerative Erkrankungen
a
b
c
d
. Abb. 9.179a–d. Morbus Fahr. a, b CT, c T1w, d T2w. Bei diesem 63-jährigen Patienten zeigt sich eine ausgeprägte Verkalkung der Stammganglien beidseits, ebenfalls im Thalamus beidseits sowie in den Kleinhirnhemisphä-
ren beidseits. In den T1-gewichteten axialen Aufnahmen stellen sich die Verkalkungen hyperintens dar, in den T2w-Gradientenecho-Sequenzen kommen die Verkalkungen hypointens zur Darstellung
Bildgebung
Morbus Huntington
MRT und PET beziehungsweise SPECT können die Diagnose einer MSA stützen und von der IPK abgrenzen. Das SchädelMRT besitzt in späteren Stadien eindeutige diagnostische Wertigkeit. Dabei findet sich ein pathologisches Signalverhalten in den T2-gewichteten Sequenzen in den dorsolateralen Anteilen des Putamens und im mittleren Kleinhirnstiel. Diese charakteristischen Befunde erlauben in fortgeschrittenen Krankheitsstadien in 80% eine eindeutige Diagnose. Durch geeignete PET-Untersuchungen mit Darstellung der prä- und postsynaptischen Anteile des nigrostriatalen Systems kann die Diagnose bestätigt werden.
Von dieser autosomal-dominant vererbten Erkrankung sind in der Regel Patienten ab dem 40. Lebensjahr betroffen. Es zeigt sich eine diffuse kortikale Atrophie, insbesondere des Nucleus caudatus und des Putamen (. Abb. 9.178). Die Atrophie des Nucleus caudatus bewirkt eine Erweiterung der Frontalhörner.
Morbus Fahr Definition, Pathogenese Symmetrische intrazerebrale Verkalkungen werden mittels CT (. Abb. 9.179) als häufiger unspezifischer Zufallsbefund diagnostiziert, wobei das Ausmaß der intrazerebralen Kalzifikationen stark differiert. Die Assoziation zwischen symmetrischer
9
268
9
Kapitel 9 · Gehirn
Stammganglienverkalkung und neurologischen bzw. psychiatrischen Symptomen wird im Allgemeinen als Morbus Fahr bezeichnet, während das so genannte Fahr-Syndrom pathologische Veränderungen des Kalziummetabolismus sowie vielfältige neurologische und neuropsychologische Defizite beinhaltet. Das als Morbus Fahr bezeichnete Krankheitsbild, ebenfalls in der Literatur als symmetrische Stammganglienverkalkung, nichtarteriosklerotische Gefäßverkalkung, zerebrovaskuläre Kalzinose, striatodentale oder striatonigrale Verkalkung bekannt, wurde im Jahre 1931 durch Thomas Fahr erstmals als selbstständige Erkrankung post mortem beschrieben. Als Prädilektionsorte der Kalkablagerungen gelten der Nucleus dentatus und das Mark des Kleinhirns, der Nucleus ruber, die Substantia nigra, der Globus pallidus, das Corpus striatum, der Nucleus lateralis thalami (mit dem Pulvinar thalami) und partiell das Centrum semiovale sowie die Capsula interna der Großhirnhemisphären. Histologisch konnten die Verkalkungsstrukturen sowohl perivaskulär als auch in der Tunica adventitia und media von Arterien, Venen und insbesondere der Kapillaren nachgewiesen werden. Bei den Kalkablagerungen handelt es sich um Hydroxylapatit mit Anteilen an Magnesium, Eisen, Silizium, Aluminium, Zink und Phosphatverbindungen. Als Vorstufe zur Bildung dieser irreversiblen Kalkareale konnte eine Hyalinisierung der Gefäßwände sowie die perivaskuläre Anreicherung eines Polysaccharid-Protein-Komplexes – auch als Pseudokalk bezeichnet – nachgewiesen werden, der in der konventionellen Röntgenuntersuchung und im CT nicht diagnostizierbar ist.
Klinik Das klinische Erscheinungsbild des Morbus Fahr ist vielfältig und betrifft alle Altersgruppen, wobei die Erkrankung in der Mehrzahl der Fälle eine langsame Progredienz aufweist. Je nach Lokalisation der Verkalkungsstrukturen ergibt sich eine Fülle von klinischen Symptomen, die im Einzelnen keine eindeutige Diagnosestellung zulassen und die Differenzierung zu anderen, möglicherweise auch zusätzlich bestehenden Krankheitsbildern erschweren. Neben verschiedenartig in Erscheinung tretenden epileptischen Anfallsäquivalenten stehen Ausfallerscheinungen des extrapyramidal-motorischen Systems im Vordergrund, welche sich als Hyper- bzw. Hypokinesie sowie Rigor und Spastizität bis hin zum Parkinson-Syndrom als am häufigsten beobachtete Bewegungsstörung äußern können.
Sonstige mit degenerativen Veränderungen einhergehende Erkrankungen Auch einige der in 7 Kap. 9.8 besprochenen Erkrankungen können zu degenerativen Veränderungen im Gehirn führen. So beobachtet man beim Morbus Wilson (7 Kap. 9.8.11, . Abb. 9.168) durch die Störung im Kupermetabolismus bedingte Degenerationen in den Basalganglien. Carbonmonoxyd und Methanol können ebenfalls Signalabweichungen in den Stammganglien bewirken, insbesondere im Globus pallidus (in T1Wichtung hypointens, in T2-Wichtung hyperintens). Auch beim Morbus Niemann Pick Typ C (7 Kap. 9.8.6) findet sich häufig eine Atrophie des Gehirns (. Abb. 9.166). Neuronale Speichervorgänge zeigen sich in granulären Einschlüssen und zellulären Auftreibungen, z. B. in tiefen kortikalen Schichten, Stammganglien, Thalamus, Substantia nigra und Locus coeruleus. Die weiße Substanz ist meist regelrecht, z. T. finden sich jedoch Demyelinisierungen mit perivaskulären Makrophagen. Bei prolongiertem Verlauf wurden auch neurofibrilläre Tangles beschrieben, jedoch mit anderer Verteilung als bei der Alzheimer-Demenz.
9.10
Hydrozephalus und intrakranielle Hypotension
9.10.1
Hydrozephalus
Grundlagen Definition Infolge eines Missverhältnisses zwischen Liquorproduktion und -resorption kommt es beim Hydrozephalus zur Erweiterung von Ventrikeln und/oder subarachnoidalen Liquorräumen (. Tab. 9.19). Es handelt sich um ein Symptom, das verschiedene Ursachen hat. Im frühen Kindesalter resultiert bald ein vermehrtes Kopfwachstum und Makrozephalie. Eine Ventrikelerweiterung durch Verlust von Hirnsubstanz geht mit normalem intrakraniellen Druck einher. . Abb. 9.15 zeigt eine schematische Darstellung der Liquorräume.
Epidemiologie Bei 3–4/1000 neugeborenen Kindern kann ein Hydrozephalus auftreten. In 25–30% ist er angeboren und mit einer Spina bifida kombiniert.
Bildgebung, Diagnose
Ätiologie
Beim Morbus Fahr zeigen sich im Vollbild bilaterale Verkalkungen der Basalganglien, des Thalamus des Nucleus dentatus sowie des Marklagers der Großhirnhemisphären. Zusätzlich können auch noch infratentorielle Verkalkungen in den Kleinhirnhemisphären auftreten. Patienten mit symmetrischen Stammganglienverkalkungen, die mit hochaufgelöster CT untersucht wurden, weisen zu >50% keine dem Krankheitsbild entsprechenden neurologischen Defizite auf: Das Ausmaß der mit bildgebenden Verfahren evaluierbaren Veränderungen korreliert nicht mit der Ausprägung der neurologischen und neuropsychologischen Defizite. Die Patienten zeigen meist eine Störung des Kalzium- und Phosphatstoffwechsels mit serologischem Nachweis einer Hypokalzämie sowie einer Hyperphosphatämie.
Als ursächlicher Mechanismus für einen Hydrozephalus kommen folgende 3 Mechanismen infrage (. Tab. 9.19): 4 Eine Überproduktion von Liquor, entsprechend einem Hydrocephalus hypersecretorius 4 Eine Passagestörung des Liquors als eine Liquorflussbehindung, entsprechend einem Hydrocephalus noncommunicans 4 Eine verminderte Resorption von Liquor, entsprechend einem Hydrocephalus communicans oder malresorptivus Ursachen des Hydrozephalus sind Fehlbildungen, Folgen von Infektionen, Blutungen oder Tumoren. Eine Aquäduktstenose kann durch geschlechtsgebundene rezessive Mutation entstehen. Intraventrikuläre Hämorrhagien bei Frühgeborenen sind eine
269 9.10 · Hydrozephalus und intrakranielle Hypotension
. Tab. 9.19. Hydrozephalus und Ursachen
Bezeichnung
Ursache
Ort der Veränderung
Ursache
Hydrocephalus hypersecretorius
Vermehrte Liquorproduktion
Plexus choroideus
Plexuspapillom, Plexuskarzinom
Hydrocephalus occlusus/noncommunicans
Behinderter Liquorfluss
Einengung des Foramen Monroi, des Aquädukts und seltener der Foramina Magendii oder Luschkae
Aquäduktstenose, Einengung der Foramina Monroi, Magendii, Luschkae Raumforderungen, z. B. bei intraventrikulärer Zyste, Kolloidzyste, Hypophysenadenom, Kraniopharyngeom, Pinealistumoren, Tektumgliom, Kleinhirntumoren, Kleinhirninfarkt, Epidermoid Posthämorrhagisch Postinfektiös
Hydrocephalus malresorptivus
Verminderte Liquorresorption
Pacchioni-Granulationen
Adhäsionen, posthämorrhagisch und postinfektiös Erhöhter venöser Druck bei: Sinusvenenthrombose, duralen AV-Malformationen, Cor pulmonale Umgekehrte Ätiologie bei Normaldruckhydrozephalus
häufige Ursache. Ein Hydrocephalus hypersecretorius tritt intermittierend bei Entzündungen und Traumen auf, progredient ist er beim Plexuspapillom. Resorptionsstörungen sind zumeist Folge von Infektionen und Blutungen. Bei Verschluss der Liquorwege entsteht ein Hydrocephalus occlusus (internus). Die Obstruktion führt zum Rückstau des vom Plexus choroideus und Ependym durch Ultrafiltration und Sekretion gebildeten Liquor cerebrospinalis, hat eine Steigerung des intrakraniellen Drucks und Kompression von Hirngewebe zur Folge. Die Lokalisation des Verschlusses bestimmt Art und Verlauf entstehender Symptome (Blockade des Foramen Monroi, Aquäduktstenose, Obliteration der Aperturen des 4. Ventrikels). Beim Hydrocephalus hypersecretorius führt vermehrte Liquorproduktion zur Drucksteigerung, die Passage ist durchgängig (Hydrocephalus communicans). Dies gilt auch für den Hydrocephalus malresorptivus für den Veränderungen an den Arachnoidalzotten (Pacchioni-Granulationen) sowie die beeinträchtige Resorption verantwortlich sind (Hydrocephalus externus). Nach der Verlaufsdynamik ist ein akuter, aktiver Hydrozephalus, bei dem Hirndrucksymptome rasch entstehen, abzugrenzen vom chronischen Hydrozephalus, der gelegentlich spontan zum Stillstand kommt. Besondere diagnostische Probleme bietet der »Normaldruckhydrozephalus«, bei dem eine intermittierende, insgesamt nur geringe Druckerhöhung eine fortschreitende Ventrikelerweiterung bedingt. Nicht selten sind verschiedene Faktoren miteinander kombiniert.
Dislokation der Ohren. Das Sonnenuntergangsphänomen der Augen ist Folge einer vertikalen Blickparese durch Kompression des Orbitadachs. Eine Stauungspapille tritt im frühen Kindesalter selten auf, eher kommen Optikusatrophie und Strabismus vor. Bei neurologischen Untersuchungen findet man nicht selten Zeichen einer Zerebralparese, die statomotorische Entwicklung ist oft verzögert, psychische Reaktionen sind v. a. bei akutem Hydrozephalus verändert. Bei geschlossenen Schädelnähten stehen Zeichen der Hirndrucksteigerung schon zu Beginn ganz im Vordergrund: Verhaltensänderungen durch organisches Psychosyndrom, Kopfschmerzen, Erbrechen (besonders morgens, nüchtern), Stauungspapille und Fundusblutung. Erfolgt nicht rechtzeitig eine Druckentlastung, droht die Einklemmung im Bereich des Foramen occipitale magnum mit Auftreten von Streckkrämpfen und vegetativer Dysregulation.
Bildgebung Sonographie. Ein Hydrozephalus ist immer zu vermuten, wenn
ein vermehrtes Kopfwachstum auffällt. Die Sonographie von Gehirn und Ventrikelsystem, beim Säugling durch die offene Fontanelle, ist gut möglich, informiert rasch über Ventrikelweite, Blutungen, Fehlbildungen und weitere Strukturveränderungen, womit die Differenzialdiagnose gegenüber anderen Ursachen des Makrozephalus möglich wird. Computer- und Magnetresonanztomographie. Hierdurch lässt
Klinik Solange die Schädelnähte noch nicht miteinander verwachsen sind, führt eine Steigerung des intrakraniellen Drucks zuerst zu vermehrtem Wachsen des Kopfumfangs. Deshalb gehört die Kontrolle des Schädelumfangs zu den wichtigen Aufgaben der Vorsorgeuntersuchung. Ein Hydrozephalus ist zu vermuten, wenn die Wachstumskurve den perzentilen Verlauf nach oben kreuzt. Symptome der Drucksteigerung sind beim Säugling eher gering und unspezifisch: Erbrechen, Gedeihstörungen, allgemeine Unruhe, schrilles Schreien. Wichtige Hinweise geben vergrößerte, auch bei Aufrechthaltung gespannte oder vorgewölbte Fontanellen, erweiterte Schädelnähte, vermehrte Venenzeichnung, auch eine Verformung des Kopfs mit Balkonstirn sowie
sich die morphologische Situation am besten beurteilen. Um die Liquordynamik genauer zu prüfen, können mit der MRT Liquorflussmessungen durchgeführt werden. Bei einer Erhöhung des Liquordrucks und beginnender Ventrikelerweiterung ist eine Dilatation der Temporalhörner meist das erste und das empfindlichste Zeichen eines Liquoraufstaus. Im weiteren Verlauf sind dann alle Ventrikelabschnitte von der Druckerhöhung betroffen. Die Hinterhörner und Vorderhörner der Seitenventrikel wirken verplumpt und abgerundet. Als Zeichen des gesteigerten Liquordrucks finden sich um die Ventrikel, meist betont um die Vorderhörner, so genannte Druckkappen. Diese sind Ausdruck einer transependymalen Liquordiapedese.
9
270
Kapitel 9 · Gehirn
a
9
b
. Abb. 9.180. Aquäduktstenose. a In den axialen T2w-Sequenzen zeigt sich eine deutliche Aufweitung der inneren Liquorräume bei altersentsprechender Weite der äußeren Liquorräume. b In den sagittalen hochauflösen-
den T2w-Sequenzen (TRUFI) ist der Aquädukt durch eine Membran verschlossen. Das üblicherweise zu sehende Flusssignal ober- und unterhalb des Aquädukts im 3. und 4. Ventrikel ist nicht nachweisbar
> Die Abgrenzung eines Hydrozephalus von einer sekundären Erweiterung der Liquorräume durch allgemeine Hirnatrophie ist oft nicht eindeutig zu treffen.
Kolloidzysten sind rundliche, glatt begrenzte, mit Epithel ausgekleidete Zysten und werden gewöhnlich zwischen der 3. und 5. Lebensdekade symptomatisch. Der Inhalt von Kolloidzysten besteht meist aus visköser Flüssigkeit, die Zysten nehmen nur langsam an Größe zu, können aber zu einem akuten Verschluss des Foramens mit dann plötzlich einsetzender Hirndrucksymptomatik führen. Typischerweise sind Kolloidzysten im vorderen Abschnitt des 3. Ventrikels lokalisiert. In der MRT sind sie kugelige und glatt begrenzte Strukturen, die üblicherweise in den T1-gewichteten Sequenzen hyperintens, in den T2-gewichteten Sequenzen hypointens zur Darstellung kommen (. Abb. 9.111). Bei Erwachsenen sind es häufiger Makroadenome der Hypophyse, Kraniopharyngeome und zentrale Neurozytome, die zu einer Verlegung der Foramina Monroi führen. Eine Kompression des Aquädukts kann durch Tumoren der Pinealisloge oder durch tektale Tumoren (Tektum-Gliome) erfolgen (. Abb. 9.181). Die kaudalen Abschnitte des Aquädukts können durch Kleinhirntumoren verlegt werden. Bei Chiari-Malformationen (. Abb. 9.34, . Abb. 9.35) sind häufig Aquäduktstenosen nachweisbar. Charakteristisch bei Aquäduktstenosen sind die deutlich erweiterten Seitenventrikel und der erweiterte 3. Ventrikel bei normaler Weite des 4. Ventrikels.
Therapie Die Liquorproduktion kann durch Medikamente nur wenig beeinflusst werden. Ein aktiver Hydrozephalus ist konservativ nicht zu behandeln, vielmehr muss das Missverhältnis zwischen Produktion und Resorption mechanisch beseitigt werden. Nur gelegentlich ist deshalb bei regelmäßiger Kontrolle eine abwartende Haltung gerechtfertigt. Ein kongenitaler Hydrozephalus kann bereits bei pränataler Ultraschalluntersuchung diagnostiziert werden. Versuche der intrauterinen Therapie haben bisher keinen überzeugenden Erfolg gehabt. Bei akutem Hydrozephalus muss rasch eine Entlastung vorgenommen werden.
Hydrocephalus occlusus Ätiologie, Diagnose Ursachen des Hydrocephalus occlusus sind Fehlbildungen, Folgen von Infektion oder Blutungen sowie Tumoren. Eine Aquäduktstenose (. Abb. 9.180) kann durch geschlechtsgebunden-rezessiv vererbte Mutationen entstehen (. Tab. 9.19). Intraventrikuläre Hämorrhagien bei Frühgeborenen sind eine häufige Ursache. Über die Foramina Monroi stehen die Seitenventrikel mit dem 3. Ventrikel in Verbindung. Die Foramina Monroi sind physiologische Engen des Liquorsystems. Einengungen der Foramina Monroi, bei Kindern z. B. durch pilozytische Astrozytome, Germinome, Kraniopharyngeome und supraselläre Arachnoidalzysten, gelegentlich auch subependymale Riesenzellastrozytome bei tuberöser Hirnsklerose, können zu einer Einengung bzw. Verlegung mit entsprechender Liquorzirkulationsstörung führen (. Abb. 9.94).
Hydrocephalus aresorptivus Eine verminderte Resorption des Liquors, z. B. durch Verklebung oder Verlegung im Bereich der Pacchioni-Granulationen nach Subarachnoidalblutung oder Meningitiden führt ebenfalls zu einer Liquoraufstauung. Andere Ursachen können Drucksteigerungen im intrakraniellen venösen System sein, z. B. Sinusvenenthrombosen, arteriovenöse Malformationen, durale Fisteln. Eine venöse Drucksteigerung ist bei einem Teil der Patienten die Ursache für einen Pseudotumor cerebri. Die Patienten weisen
271 9.10 · Hydrozephalus und intrakranielle Hypotension
a
b
. Abb. 9.181a, b. Tumor der Vierhügelplatte. a In den sagittalen T2wSequenzen zeigt sich eine Auftreibung der Lamina tecti, der so genannten Vierhügelplatte. Durch diesen Tumor in der Vierhügelplatte kommt es zu ei-
ner Kompression des Aquädukts mit einer konsekutiven Resorptionsstörung. b In den Liquorflussmessungen zeigt sich, dass kein Fluss im Aquädukt mehr nachweisbar ist
Kopfschmerzen, Stauungspapille, Visusminderung bis hin zur Erblindung und ein- oder beidseitige Abducensparesen auf. Eine venöse MR-Angiographie kann eine Abflussstörung im Sinusbzw. Venensystem nachweisen bzw. ausschließen.
überschreiten, aber langfristig zu einer Minderung der regionalen Hirndurchblutung führen können.
Normaldruckhydrozephalus Definition, Epidemiologie, Klinik Die Bezeichnung Normaldruckhydrozephalus (NPH) (. Abb. 9.182) steht für eine Sonderform des chronischen kommunizierenden Hydrozephalus. Klinische Zeichen sind die Trias: Gangstörung, Demenz, Harninkontinenz. Ein symptomatischer NPH tritt gewöhnlich nach dem 60. Lebensjahr auf, die Prävalenz wird auf 0,4% der über 65-Jährigen geschätzt.
Diagnose Eine Unterscheidung zwischen NPH und einer atrophischen Ventrikelerweiterung ist sehr schwer und mittels der Bildgebung nicht möglich. NPH ist keine radiologische Diagnose, die klinische Korrelation ist entscheidend. Die definitive Diagnose kann erst nach klinischer Besserung nach Ventrikeldrainage erfolgen. Liquorflussmessungen können helfen vorherzusagen, welche Patienten von einem Ventrikelshunt profitieren. Auch Radioisotop-Studien werden durchgeführt. Folgen des NPH sind Degeneration der extrapyramidalen Kerne.
Ätiologie, Pathogenese Die Ätiologie des NPH ist noch nicht vollständig geklärt. Es zeigt sich ein gewisser Zusammenhang zwischen NPH und mikroangiopathischen Veränderungen. Die Kapazität der Liquorresorption bei NPH-Patienten ist eingeschränkt, ohne dass an den Pacchioni-Granulationen eine Entzündung oder Blutung nachweisbar sind. Die gemeinsame pathogenetische Endstrecke der unterschiedlichen Noxen, nach denen sich ein NPH entwickeln kann, ist eine Blockade der zisternalen und/oder kortikalen Subarachnoidalräume mit konsekutiver Erhöhung des Liquorabflusswiderstandes. Die Aufweitung des Ventrikelsystems entsteht durch die Zunahme des transzerebralen Druckgradienten zwischen intraventrikulärem Liquorraum und dem fibrotisch veränderten Subarachnoidalraum über der Hirnkonvexität (kortikale Leptomeningealfibrose). Der Liquordruck ist beim NPH keineswegs normal, er ist vielmehr durch intermittierende oder periodische Druckanstiege gekennzeichnet, die zwar die Grenzen der physiologischen Autoregulation nicht
9
Therapie Durch eine Shuntoperation lassen sich anhaltende und drastische Verbesserungen erzielen. Durch die Liquordrainage sollen periodische Liquordruckspitzen abgefangen werden und damit die hydrodynamischen Folgen der Ventrikelaufweitung mit Minderung der regionalen Hirndurchblutung und Absenkung des Hirnstoffwechsels rückgebildet werden, bevor durch die transependymale Liquordiapedese irreversible strukturelle Läsionen in Form periventrikulärer Entmarkung und bleibenden neurologischen psychiatrischen Ausfällen eingetreten sind.
9.10.2
Liquorunterdrucksyndrom
Epidemiologie, Klinik Das spontane Liquorunterdrucksyndrom ist ein seltenes Krankheitsbild mit allerdings zunehmender Tendenz. Die klinischen
272
Kapitel 9 · Gehirn
a
a
9
b
b . Abb. 9.183a, b. Patient mit bekanntem Hydrozephalus, Liquorunterdruck. Durch die Veränderung der Druckstufen des Ventils des Ventrikelkatheters kam es zu einem Liquorunterdrucksyndrom mit konsekutiven subduralen Hämatomen beidseits apikal
Symptome sind mit denen des postspinalen Punktionssyndroms vergleichbar. Leitsymptom ist der lageabhängige Kopfschmerz (insbesondere in aufrechter Position), hinzukommen Übelkeit, Erbrechen, Tinnitus, Hirnnervenlähmungen und Hörstörungen.
Ätiologie Die Ursache des spontanen Liquorunterdrucksyndroms ist eine Liquorleckage (. Abb. 9.183), die zumeist zervikal oder zervikothorakal lokalisiert ist. Die Ätiologie ist noch weitgehend unbekannt. Als mögliche Komplikationen treten kranielle subdurale Hämatome auf.
Bildgebung c . Abb. 9.182a, b. Normaldruckhydrozephalus. a In den axialen, apikalen CT-Aufnahmen zeigt sich eine Verstreichung der Hirnfurchen. b In den koronaren CT-Aufnahmen stellen sich die inneren Liquorräume mit altersentsprechender Weite dar. Deutliche Diskrepanz zu den nahezu komplett verstrichenen apikalen Hirnfurchen. c In den axialen FLAIR-Sequenzen zeigen sich neben den Erweiterungen der inneren Liquorräume ausgeprägte Marklagerveränderungen
In der Bildgebung, v. a. in der MRT, zeigen sich häufig diffuse Kontrastmittel-Anreicherungen der Dura, oft auch mit Kaudalverlagerung des Hirnstamms. Die Kenntnis dieser radiologischen Befundkonstellation kann sehr hilfreich bei der Diagnosefindung sein. In den T2-gewichteten, fettunterdrückten Sequenzen kann unter Umständen die Liquorleckage nachgewiesen werden. Eine weitere Möglichkeit ist die intrathekale Gabe von gadoliniumhaltigem Kontrastmittel, um die Liquoraustrittsstelle besser zu lokalisieren.
10 10 Wirbelsäule W. Reith
10.1
Anatomie des Spinalkanals
– 274
10.1.1 10.1.2 10.1.3 10.1.4
Aufbau – 274 Wirbelsäulenentwicklung – 276 Bewegungen der Wirbelsäule – 277 Rückenmark – 277
10.2
Bildgebung
10.3
Spinale Fehlbildungen
10.3.1 10.3.2
Spinale Dysraphien – 285 Weitere Fehlbildungen der Wirbelsäule
10.4
Vaskuläre Erkrankungen des Rückenmarks
10.4.1 10.4.2
Vaskuläre Anatomie – 290 Vaskuläre Erkrankungen des Rückenmarks
10.5
Spinale Tumoren
10.5.1 10.5.2 10.5.3 10.5.4 10.5.5 10.5.6 10.5.7
Bildgebung spinaler Tumoren – 301 Intramedulläre Tumoren – 302 Intradurale extramedulläre Tumoren – 308 Differenzialdiagnosen – 312 Extradurale extramedulläre Tumoren – 315 Lymphome und Leukämie – 327 Extraspinale Tumoren mit spinaler Beteiligung
10.6
Verletzungen und Traumata der Wirbelsäule
10.6.1 10.6.2 10.6.3 10.6.4 10.6.5 10.6.6
Frakturen der Halswirbelsäule – 330 Frakturen der Brust- und Lendenwirbelsäule – 333 Spinoligamentäre Verletzungen – 334 Verletzungen des Myelons – 335 Chronische posttraumatische Rückenmarksveränderungen – 336 Schussverletzungen an der Wirbelsäule – 339
10.7
Entzündliche Erkrankungen des Spinalkanals
10.7.1
Extradurale entzündliche Erkrankungen
10.8
Degenerative Wirbelsäulenveränderungen
10.8.1 10.8.2
Degenerative Veränderungen der Knochen und Gelenke – 345 Bandscheibenprotrusion, Bandscheibenprolaps, Bandscheibensequester
10.9
Postoperative Befunde und Indikationen
– 282 – 284 – 287
– 290
– 291
– 301
– 328
– 329
– 339
– 339
– 344
– 354
10.10 Interventionelle Therapieverfahren an der Wirbelsäule
– 355
10.10.1 Vertebroplastie/Kyphoplastie – 355 10.10.2 Facettenblockade, peridurale und periradikuläre Schmerztherapie
– 358
– 350
274
Kapitel 10 · Wirbelsäule
10.1
Anatomie des Spinalkanals
10.1.1
Aufbau
In der Halswirbelsäule wird unterschieden der 1. HWK (Atlas), der 2. HWK (Axis) und der 7. HWK (Vertebra prominens) (. Abb. 10.2). Zwischen dem 3.–6. Halswirbel gibt es nur geringfügige Unterschiede. Der Wirbelkörper, Corpus vertebrae, setzt sich nach hinten in den Wirbelbogen (Arcus vertebrae) fort (. Abb. 10.3). Der Arcus vertebrae gliedert sich in einen vorderen und einen hinteren Anteil. Im Gegensatz zu den anderen Wirbelkörpern besitzen sie
zusätzlich nach oben gerichtete Fortsätze (Processus uncinatis), die seitlich von der Oberkante der Wirbelkörper ausgehen und mit den darüber liegenden Wirbelkörpern die Unkovertebralgelenke bilden. Die Querfortsätze der HWK weisen als weitere Besonderheit die Foramina transversaria auf, durch die die A. vertebralis und das Geflecht der Vv. vertebrales verlaufen. Der 1. HWK (Atlas) unterscheidet sich durch den fehlenden Körper grundsätzlich von den übrigen Wirbeln (. Abb. 10.2). Er besteht aus einem kleineren Arcus anterior und einem größeren Arcus posterior. Die verstärkten Seiten dieses Bogens (Massae laterales) tragen den Schädel und bilden mit den Kondylen das Os occipitale, das Atlantookzipitalgelenk. Seine unteren Gelenkfortsätze bilden mit dem Axis das Atlantoaxialgelenk. Eine Furche über dem hinteren Bogen dient der Aufnahme der A. vertebralis und wird als Sulcus arteriae vertebralis bezeichnet. Anstelle des Sulcus kann als Normvariante ein Canalis arteriae vertebralis vorhanden sein. Der 2. HWK (Axis) unterscheidet sich vom 3.–6. HWK durch den Dens axis (. Abb. 10.2): Der Körper des Axis trägt an seiner kranialen Fläche einen zahnartigen Fortsatz, den Dens axis, der mit einer abgerundeten Spitze, dem Apex dentis, endet. Der Dens geht aus dem vorderen Anteil des Wirbelkörpers hervor und reicht mit seiner Spitze bis knapp unter das Foramen magnum. Der vordere Anteil der Densspitze artikuliert mit dem vorderen Dens axis über das Atlantodentalgelenk.
. Abb. 10.1a–d. Schemazeichnung Halswirbelsäule. a Seitansicht der Halswirbelsäule. Eingezeichnet sind die 4 Konturlinien der HWS: 1: Die vordere Wirbellinie entlang der Vorderränder der Wirbelkörper, 2: Die hintere Wirbellinie entlang der Wirbelkörperhinterränder (umfährt den Vorderrand des Spinalkanals), 3: Die spinolaminare Linie entlang der Vorderränder der Ansatzstellen der Dornfortsätze am Wirbelbogen (am Hinterrand des Spi-
nalkanals) und 4: Die hintere Spinallinie entlang der Dornfortsatzspitzen von C2–C7. b Schrägaufnahme der HWS in a.-p.Strahlengang: Der Patient wird um 45° zu einer Seite gedreht – hier im Beispiel zur linken Seite, um die rechten Foramina intervertebralia darzustellen. c Einstelltechnik für die HWS-Schrägaufnahmen. d Schematische Darstellung der HWS in Schrägaufnahme
Die Wirbelsäule des Menschen besteht aus 33 Wirbelkörpern und wird unterteilt in einen zervikalen, thorakalen, lumbalen, sakralen und kokzygealen Abschnitt. Die Halswirbelsäule (HWS) besteht aus 7 Wirbelkörpern (HWK 1–7) (. Abb. 10.1), die Brustwirbelsäule (BWS) aus 12 (BWK 1–12) und die Lendenwirbelsäule (LWS) aus 5 Wirbelkörpern (LWK 1–5). Das Kreuzbein (Os sacrum) besteht aus fusionierten Wirbelkörpern (SWK 1–5), an die sich kaudal noch 4 Knochenstücke anschließen, die zusammen als Steißbein (Os coccygis) bezeichnet werden. HWS und LWS zeigen eine physiologische Lordose, die BWS eine Kyphose. Sacrum und Os coccygis weisen zusammen wieder eine Kyphose auf.
Halswirbelsäule
10
275 10.1 · Anatomie des Spinalkanals
. Abb. 10.2. Schemazeichnung Atlas und Axis. 1: Dens, 2: Massa lateralis des Atlas, 3: Körper des Axis, 4: obere Gelenkfacette, 5: Processus costotransversarius, 6: untere Gelenkfacette, 7: Bogenwurzel, 8: Lamina, 9: Dornfortsatz, 10: Foramen transversarium, 11: vorderer Atlasbogen, 12: hinterer Atlasbogen
Brustwirbelsäule Die thorakalen Wirbelkörper haben eine angedeutete dreieckige Grundform und nehmen in der Höhe von rostral nach kaudal allmählich zu. Die thorakalen Wirbelkörper artikulieren mit den Rippen, sowohl am Wirbelkörper selbst über die Fovea costalis superior et inferior als auch am Processus transversus über die Fovea costalis transversalis. Die Wirbelkörper haben relativ lange Dornfortsätze und liegen dachziegelartig übereinander, sodass ihre Spitzen jeweils 1–1,5 Wirbelhöhen tiefer liegen als die entsprechenden Wirbelkörper.
Lendenwirbelsäule Die lumbalen Wirbelkörper (LWK) sind wesentlich kräftiger als die übrigen Wirbelkörper ausgebildet. Der Processus spinosus ist platt und in sagittaler Richtung eingestellt. Die Lamina arcus vertebrae ist kurz und plump, der Pediculus entsprechend der Größe des Wirbelkörpers kräftig ausgebildet. Die Gelenkflächen der Facettengelenke sind im oberen LWS-Abschnitt annähernd sagittal, im unteren etwas schräg nach außen gerichtet. Die Dornfortsätze der Lendenwirbelkörper sind ebenfalls kräftig entwickelt und gerade nach hinten ausgerichtet.
Kreuzbein Das Os sacrum ist aus den 5 Kreuzwirbeln und den dazwischen liegenden Zwischenwirbelscheiben entstanden. Es wird eine nach vorne konkave Fläche und eine nach hinten gerichtete konvexe Fläche unterschieden. An der Facies pelvina kann man die 4 paarigen Foramina sacralia pelvina unterscheiden, die die Austrittsöffnungen für die ventralen Äste der Nn. spinales darstellen. Seitlich besteht eine gelenkige Verbindung mit dem Os coccygis.
. Abb. 10.3. Schemazeichnung Halswirbelkörper 4 und 5, Beispiele für die Wirbel der mittleren und unteren Halswirbelsäule. 1: Wirbelkörper, 2: Bogenwurzel, 3: unterer Gelenkfortsatz, 4: Processus costotransversarius, 5: Lamina, 6: Dornfortsatz, 7: Foramen transversarium, 8: oberer Gelenkfortsatz, 9: Spinalkanal (Foramen vertebrale)
Es gibt Geschlechtsunterschiede beim Kreuzbein. Beim Mann ist es etwas länger und zeigt eine stärkere Krümmung als bei der Frau.
Varietäten im Bereich des Kreuzbeins Rund ein Drittel der Menschen hat eine Vermehrung der Sakralwirbel um einen weiteren, sodass das Os sacrum aus 6 Wirbelkörpern besteht. Einerseits kann ein Lumbalwirbel in das Os sacrum einbezogen werden, dann spricht man von einer Sakralisation eines Lumbalwirbels, andererseits kann aber auch der erste Steißwirbel mit dem Kreuzbein verschmolzen sein, dann spricht man von einer Sakralisation des Steißbeins.
Steißbein Das meist aus 3–4 Wirbeln entstandene Steißbein (Os coccygis) ist häufig nur rudimentär vorhanden.
10
276
Kapitel 10 · Wirbelsäule
10.1.2
Wirbelsäulenentwicklung
Früh in der Entwicklung des Embryos, um die 3. Woche, stellt sich das zentrale Nervensystem lediglich als eine flache Neuralplatte dar. Aus dieser Neuralplatte entstehen später Ausstülpungen am Rand, die so genannten Neuralwülste. Diese Wülste richten sich auf und werden zu Neuralfalten, die die Neuralwände einschließen. Nach Verschmelzung dieser beiden Wülste entsteht das Neuralrohr, das am Anfang oben und unten offen ist (7 Kap. 9.1). Aus dem kaudalen Abschnitt des Neuralrohrs entsteht schließlich das Rückenmark. Spinale Fehlbildungen haben ihre Ursachen in Störungen der normalen Entwicklung im Zeitraum von der 3. bis zur 6. Schwangerschaftswoche. Die relevanten embryologischen Schritte sind: 4 die Gastrulation, 2.–3. Woche 4 die primäre Neurulation, 3.–4. Woche 4 die sekundäre Neurulation und die retrogressive Differenzierung (5.–6. Woche)
kennzeichnet den Neuralrohrschluss (Neurulation), der simultan in Kranial- und Kaudalrichtung erfolgt. Das kraniale Ende des Neuralrohrs schließt sich am 24.–25. Tag, das kaudale Ende am 27.–28. Tag. Nach Schluss des Neuralrohrs lösen sich neurales und oberflächliches Ektoderm voneinander, das oberflächliche Ektoderm fusioniert in der Mittellinie und bildet die Rückenhaut. Am Rand der Neuralplatte verlieren Ektodermzellen während der Neurulation ihren Kontakt mit den Nachbarzellen und bilden eine flache Zellschicht, die Neuralleiste. Diese zusammenhängende Schicht trennt sich bald wieder in 2 laterale Stränge und bildet später die Spinalganglien und die sensiblen Ganglien der Hirnnerven. Die Neuralleistenzellen zeichnen sich durch eine große Wanderungsfähigkeit und phänotypische Vielfältigkeit aus, da aus ihnen zahlreiche verschieden differenzierte Zelltypen entstehen werden. Aus der Neuralleiste entstehen nicht nur die oben erwähnten Nerven- und Gliazellen, sondern auch die Pigmentzellen der Epidermis (Melanozyten), die Kalzitoninzellen der Schilddrüse, die Zellen des Nebennierenmarks und einige Bestandteile des Skelett- und Bindegewebes im Kopfbereich.
Gastrulation
Sekundäre Neurulation
Als Gastrulation wird in der Embryogenese die Einstülpung und Faltung des Keims bezeichnet, durch die die Gastrula (Becherkeim) mit einem äußeren und einem inneren, später auch einem mittleren Keimblatt entsteht. Das wichtigste Ziel der Gastrulation ist die Ausbildung des dorsalen Primitivstreifens und der Chorda dorsalis (Notochord). Am Ende der 1. Schwangerschaftswoche findet eine Differenzierung des Blasenkeims (Blastula) in Epiblasten, embryonales Ektoderm und den Hypoblasten (embryonales Entoderm) statt. Der Primitivstreifen bildet sich am 14.–15. Tag auf der dorsochordalen Oberfläche der Keimschale aus. Durch Zellvermehrung im kaudalen Ende verlängert sich der Primitivstreifen in kranialer Richtung, wodurch sich das kraniale Ende verdickt und zu einem Primitivknoten (Hensen-Knoten) wird. Gleichzeitig entwickelt sich die Primitivrinne, die in einer kleinen Vertiefung endet, der Primitivgrube. Das dritte Keimblatt, das embryonale Mesoderm, entwickelt sich um den 15. Tag. Das embryonale Mesenchym differenziert später zu Fibro-, Chondro- und Osteoblasten. Am 16. Tag wandern weitere Zellen vom Primitivknoten kranialwärts und bilden den Kopf oder Chordafortsatz. Um den 18. Tag formen Teile des Chordafortsatzes die Chordaplatte, die sich von kranial beginnend zur eigentlichen Chorda dorsalis (Notochord) einfaltet. Vorübergehend entsteht dabei ein kleiner Kanal, der Canalis neurentericus, der zum Ende der 4. Woche obliteriert. Die Chorda dorsalis ist eine zentrale Struktur, um die herum sich die Wirbelsäule entwickelt und die die Ausbildung der Neuralplatte, die Anlage des ZNS, induziert. Reste der Chorda dorsalis sind später nur noch im Nucleus pulposus der Bandscheiben zu finden.
Im Gegensatz zur primären Neurulation betrifft die sekundäre Neurulation die Entwicklung des kaudalen Teils des Neuralrohrs auf Höhe des 31. Somiten, die von der 4. bis zur 7. Woche stattfindet.
Embryologische Entwicklung der Wirbelsäule
10
Primäre Neurulation Am Ende der 3. Schwangerschaftswoche induziert die Chorda dorsalis die Umwandlung oberflächlichen Ektoderms in neurales Ektoderm bis an die Neuralplatte oder Plakode. Am 17. Tag beginnt der Prozess der Invagination mit einer Verdickung der lateralen Anteile der Neuralplatte. Diffusion in der Mittellinie
Retrogressive Differenzierung Der kaudale Rumpf des Embryos ist nach dem Schluss des Neuroporus von Oberflächenektoderm bedeckt. Pluripotente mesenchymale Zellen der kaudalen Zellmasse bilden sich um ein kleines zentrales Lumen – Bildung des sekundären Neuralrohrs. Ab dem 38. Tag beginnt der Prozess der retrogressiven Differenzierung, der durch eine Verkleinerung von kaudaler Zellmasse und kaudalem Kanal durch programmierten Zelltod und weitere Differenzierung gekennzeichnet ist. Aus dieser Entwicklung entstehen das Filum terminale, der später obliterierte Ventriculus terminalis und der kaudale Anteil des Conus medullaris.
Wirbelkörper und Bandscheiben Grundsätzlich besitzen alle Wirbelkörper 3 Knochenanlagen. Von diesen entstehen 2 perichondral und eine enchondral. Der Atlas entwickelt sich aus 2 seitlichen Knochenanlagen. Neben den 3 Knochenanlagen und den sekundären Epiphysen finden sich beim Axis noch weitere Knochenkerne. So wird der Dens nach üblicher Ansicht aus der Knochenanlage des Atlaskörpers gebildet. Relativ spät tritt ein Knochenkern (Ossiculum terminale) im Apex dentis auf. In den übrigen Halswirbelkörpern treten die typischen Knochenanlagen Ende des 2. Embryonalmonats auf. Zur Vereinigung der Knochenbögen kommt es im 1. Lebensjahr, eine Verschmelzung zwischen dem Körper und den Bögen erfolgt zwischen dem 3. und 6. Lebensjahr. Die Wirbelkörperepiphysen verknöchern ab dem 6. Lebensjahr ringförmig (Randleisten) und verschmelzen mit dem Körper ab dem 18. Lebensjahr. Das Os sacrum entwickelt sich in jedem seiner Segmente wie die übrigen Wirbel, hat aber außerdem im Bereich der Pars lateralis auf jeder Seite eine weitere Knochenanlage. Die Kreuzbein-
277 10.1 · Anatomie des Spinalkanals
wirbel untereinander verschmelzen von kaudal nach kranial, fortschreitend bis etwa zum 25. Lebensjahr. Zwischen den Wirbelkörpern liegen die knorpeligen Bandscheiben, die aus einem äußeren straffen Anulus fibrosus und einem weichen gallertartigen Kern bestehen, dem Nucleus pulposus, der Reste der Chorda dorsalis enthält. Die Endflächen der Intervertebralis sind über hyalines Knorpelmaterial synchondrotisch mit den Wirbeln verbunden. Die Zwischenwirbelscheiben sind durch die Ligamenta longitudinalia noch zusätzlich in ihrer Lage gesichert. Dabei ist das Ligamentum longitudinale posterius flächenhaft mit den Disci verwachsen, während das Ligamentum longitudinale anterius nur eine sehr lockere Verbindung mit den Zwischenwirbelscheiben besitzt. Die Disci intervertebrales wirken als druckelastische Polster. Bildgebung. Der Nucleus pulposus enthält einen hohen Anteil gebundenen Wassers und stellt sich deshalb in den T1-gewichteten Sequenzen mäßig signalarm, in T2-gewichteten Sequenzen signalreich dar. Mit zunehmendem Alter nehmen der Wassergehalt und damit das Signal in der T2-Wichtung ab. Als erstes Zeichen der Alterung zeigt sich in den T2-gewichteten Sequenzen eine in der Mitte der Bandscheiben gelegene horizontale hypointense Linie. Bis zum 2. Lebensjahr enthält der Anulus fibrosus noch Blutgefäße, danach werden die Bandscheiben avaskulär und ihr Stoffwechsel erfolgt ausschließlich über Diffusion. Treten Rissbildungen auf, wobei radiär verlaufende Einrisse von konzentrisch verlaufenden Rissen zu unterscheiden sind, kann es zur Verlagerung von Diskusmaterial kommen. Verlagerungen von Diskusmaterial in die benachbarten Wirbelkörper werden auch als Schmorl-Knötchen bezeichnet und sind im Röntgenbild bzw. in den MRT-Aufnahmen gut sichtbar. Diskushernien treten auf, wenn der gallertartige Kern nach Schädigung des Anulus fibrosus nach dorsal und lateral in den Wirbelkanal gepresst wird und zu Rückenmark- bzw. Kompression einzelner Spinalnervenwurzeln führt.
Bandstrukturen der Wirbelsäule Das vordere Längsband beginnt am Os occipitale bzw. am Tuberculum anterius atlantis, zieht an den Vorderflächen der Wirbelkörper abwärts und reicht bis zum Kreuzbein. Das hintere Längsband entsteht als Fortsetzung der Membrana tectoria am Körper der Axis, verläuft an den Hinterflächen der Wirbelkörper nach kaudal und endet ebenfalls am Os sacrum. Die Ligamenta longitudinalia erhöhen die Festigkeit der Wirbelsäule, insbesondere beim Vor- und Rückwärtsneigen. Die Ligamenta flava sind zwischen den Wirbelbögen segmental ausgespannt. Sie grenzen die Foramina invertebralia nach medial ab. Ihre gelbliche Farbe wird durch scherenartig angeordnete, elastische Fasern hervorgerufen, die zum größten Teil diese Bänder bilden. Degenerativ bedingte Verdickungen des Ligamentum flavum treten häufig auf und führen zu einer Einengung des Spinalkanals. Die Ligamenta interspinalia sind kurze Bänder, die sich zwischen den Dornfortsätzen ausspannen, die Ligamenta intertransversalia sind kurze Bänder, die zwischen den Querfortsätzen verlaufen. Ligamentäre Strukturen stellen sich in der MRT in allen Wichtungen signalarm dar und nehmen kein Kontrastmittel auf.
Normvarianten und Fehlbildungen der Wirbelsäule Störungen des Wirbelbogenschlusses werden als Spina bifida bezeichnet. Mildere Formen sind gespaltene Dornfortsätze. Sie finden sich in etwa 10% der Fälle und bleiben meist klinisch asymptomatisch. Spalten in der Pars interarcularis des Wirbelbogens werden als Spondylolyse bezeichnet (. Abb. 10.4). Sie finden sich bei etwa 5–7% der Bevölkerung und sind am häufigsten in Höhe LWK 4 und 5 anzutreffen. Sie können zu einem Wirbelgleiten, einer Spondylolisthesis, führen. Angeborene Spaltbildungen werden von degenerativ bedingten (Pseudospondylolyse) unterschieden. Am zervikothorakalen Übergang stellen die Halsrippen die häufigste Variation mit 1–3% dar. Am thorakolumbalen Übergang finden sich häufig (4%) fehlende oder verkürzte Rippen, so genannte Stummelrippen. Auch lumbosakrale Übergangsvarianten sind häufig (5–10% der Fälle). Zur sicheren Höhenordnung bei Übergangsvarianten muss die gesamte Wirbelsäule dargestellt werden.
10.1.3
Bewegungen der Wirbelsäule
Das Vor- und Rückwärtsbeugen erfolgt hauptsächlich in der Hals- und Lendenwirbelsäule. Die Rückwärtsbewegung ist besonders stark zwischen den unteren Halswirbeln, zwischen dem 11. Brust- und 2. Lendenwirbel und zwischen den unteren Lendenwirbeln. Durch die besondere Beweglichkeit in diesen Bereichen sind Verletzungen und Schädigungen der Wirbelsäule durch Überbeanspruchung in den genannten Abschnitten häufiger anzutreffen. Der Umfang des Seitwärtsbeugens ist im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule etwa gleich groß, im Brustbereich am größten. Drehbewegungen sind in der Brust- und der Halswirbelsäule, und zwar besonders im Bereich des unteren Kopfgelenks möglich. Drehungen des Kopfs gehen immer einher mit einer Bewegung im unteren Kopfgelenk und einer Bewegung sowohl der Hals- als auch geringgradig der Brustwirbelsäule.
10.1.4
Rückenmark
Aufbau und Topographie Das Rückenmark, Medulla spinalis, ist der Teil des ZNS, von dem aus die Extremitäten, der Rumpf und zum großen Teil der Hals über die Spinalnerven versorgt werden. Das Rückenmark liegt im Wirbelkanal und ist wie das Gehirn von Liquor cerebrospinalis umgeben. Es reicht beim Erwachsenen vom Ende des Gehirns im Foramen magnum des Okzipitalknochens hinab zum 1.– 2. Lendenwirbelkörper. > Beim Säugling dagegen reicht das Rückenmark bis in Höhe von LWK 3, beim Fetus bis in den Sakralkanal. Dies erklärt sich dadurch, dass im Verlauf der fetalen und postnatalen Entwicklung die Wirbelsäule schneller wächst als das Rückenmark.
Das Rückenmark ist ein langer Strang, der 2 Verdickungen, die Intumescentia cervicalis und die Intumescentia lumbosacralis,
10
278
Kapitel 10 · Wirbelsäule
a
10 c
b
. Abb. 10.4a–c. Spondylolyse. a In der CT-Rekonstruktion zeigt sich eine Lückenbildung des Pedikels in Höhe LWK 5, hierbei handelt es sich um eine echte Spondylolyse. b In den parasagittalen, T2-gewichteten Sequenzen ist
diese Unterbrechung des Pedikels als hypointense Linie mit der Bogenwurzel zu erkennen. c In den axialen CT-Aufnahmen ist die Spaltbildung in der rechten Bogenwurzel sklerosiert zu erkennen
aufweist. In diesen Bereichen verlassen die zervikalen und lumbalen Spinalnerven das Rückenmark, die Verdickung entsteht dadurch, dass die graue und weiße Substanz des Rückenmarks hier besonders stark ausgebildet sind. Kaudal verläuft das Rückenmark im Conus medullaris aus und setzt sich dann in das nur aus Gliagewebe bestehende Filum terminale fort, bei dem es kaudal am Ende des Wirbelkanals im Sakralbereich befestigt ist. Im Querschnitt zeigt sich eine vorne in der Mitte von oben bis unten verlaufende kleine Furche, die Fissura mediana anterior. Eine ähnliche Struktur findet sich auf der Rückseite des Sulcus medianus posterior. Rechts und links dieser Furche verlaufen vorne der Funiculus anterior (Vorderstrang) und hinten der Funiculus posterior (Hinterstrang). Zwischen diesen beiden Strängen verläuft an der Seite der Funiculus lateralis (Seitenstrang), zwischen Vorder- und Seitenstrang treten im Sulcus anterior lateralis die Vorderwurzeln, zwischen Seiten- und Hinterstrang im Sulcus posterior lateralis die Hinterwurzeln als Fila radicularia kontinuierlich aus dem Rückenmark aus und vereinigen sich jeweils in der Höhe eines Foramen intervertebrale zu den Spinalnerven. Das zum jeweiligen Spinalnerven gehörende sensible Spinalganglion liegt im zugehörigen Foramen intervertebrale. Gleich nachdem die Spinalnerven die knöcherne Wirbelsäule durch die Foramina intervertebralia verlassen haben, zweigen sie sich jeweils in 3–4 Äste auf. Der Ramus anterior innerviert die vordere und seitliche Körperwand sowie die Extremitäten, der Ramus posterior innerviert die Rückenmuskulatur sowie die Haut des Rückens, Nackens und Hinterkopfs. Der Ramus menin-
geus oder recurrens zieht durch das Foramen wieder in den Spinalkanal zurück und innerviert die Dura. Soweit autonome Nervenfasern im jeweiligen Segment vorhanden sind, verlaufen sie im Ramus communicans. Da das Rückenmark in der Embryonal- und Kindheitsentwicklung langsamer als der Wirbelkanal wächst, entspricht die Lage des Lumbalmarks nicht mehr derjenigen der lumbalen Wirbelsäule. Das bedeutet, dass die Nervenwurzeln ein Stück weit im Wirbelkanal nach unten laufen müssen, bis sie im zugehörigen Foramen intervertebrale austreten. An der Halswirbelsäule gibt es 8 Zervikalnerven, aber nur 7 Halswirbelkörper. Der erste Zervikalnerv (C1) verlässt den Spinakanal zwischen den Okzipitalkondylen und HWK 1, die Wurzel C8 verläuft durch das Neuroforamen zwischen HWK 7 und BWK 1. Das bedeutet, dass an der HWS die Spinalnerven nach dem darunter liegenden Wirbelkörper bezeichnet werden. In der BWS, LWS und im Sakralbereich entspricht die Zahl der Spinalnerven der der Wirbelkörper, die Nervenwurzeln sind hier nach dem darüber liegenden Wirbelkörper benannt. Der Durchtritt des Spinalnerven durch das Foramen intervertebrale und seine topographische Beziehung der zwischen jedem Wirbel liegenden Bandscheiben hat größte klinische Bedeutung. Unmittelbar dorsolateral der Bandscheibe verläuft die ein Segment tiefer austretende Spinalnervenwurzel. Der im gleichen Segment austretende Spinalnerv hingegen tritt etwa im oberen Drittel seines Wirbelkörpers durch eine Aussackung der Dura aus den Wirbelkörpern aus und ist dann schräg nach kaudal und ventral zum zugehörigen Foramen intervertebrale zu
279 10.1 · Anatomie des Spinalkanals
sehen, sodass diese Nervenwurzel in Höhe der Bandscheibe sehr weit lateral bereits im Foramen liegt. Ein Austritt der Bandscheibe aus dem Zwischenwirbelraum in den Spinalkanal, wie er bei Bandscheibenvorfällen vorkommt, gefährdet aufgrund dieser topographischen Verhältnisse ganz besonders den ein Segment tiefer austretenden Spinalnerv. Anders als in der LWS, wie oben beschrieben, schädigen zervikale Bandscheibenvorfälle aufgrund ihrer engen Lagebeziehung zu den Nervenwurzeln in der Regel die zum jeweiligen Segment gehörigen Nervenwurzeln. Bildgebung. An der HWS können schräge Aufnahmen die Be-
urteilung der Foramina erleichtern. Zur Darstellung der Nervenwurzeln eignet sich neben der axialen Untersuchungsmethode, besonders in der LWS, gut die sagittale Ebene. Auf T1-gewichteten Aufnahmen sind Nervenwurzeln und -gefäße als signalarme Strukturen gut vom signalreichen Fettgewebe in den Foramina intervertebralia abzugrenzen.
Conjoined nerve root Von den kongenitalen Anomalien der Spinalnerven ist die Doppelwurzel (Conjoined nerve root) die häufigste Normvariante. Ihre Häufigkeit wird mit bis zu 14% angegeben. In klinischen Schnittbilduntersuchungen findet sich bei etwa 4–5% der Patienten mindestens eine Doppelwurzel, am häufigsten sind die Nervenwurzeln L4–S1 betroffen. Es werden 3 Varianten unterschieden: 1. Die Nervenwurzeln von 2 benachbarten Segmenten verlassen den Duralsack in einer gemeinsamen Wurzeltasche. 2. Die häufigste Variante ist, dass 2 Nervenwurzeln den Spinalkanal durch das gleiche Foramen intervertebrale verlassen, das 2. Foramen bleibt leer bzw. in ihm findet sich eine akzessorische Nervenwurzel. 3. Die Nervenwurzeln ziehen zu ihren Foramina, zeigen aber im Spinalkanal Anastomosen.
Ein Subduralraum im eigentlichen Sinne existiert im Spinalkanal in der Regel nicht. Der Dura mater liegt innen die dünne Arachnoidea an, anders als im Gehirn ist die Arachnoidea des Rückenmarks aber mit der Dura mater relativ fest verwachsen. Der Raum, der zwischen Arachnoidea und Pia mater liegt, heißt Subarachnoidalraum und ist mit Liquor cerebrospinalis gefüllt. Er stellt den äußeren Liquorraum des Rückenmarks dar und reicht bis zum SWK 2. Dura und Filum sind am Periost des zweiten Steißwirbels befestigt. Die dünne Pia mater liegt direkt auf der Oberfläche des Rückenmarks und überzieht es bis in seine Furchen hinein. Die Spinalnerven verlaufen bis zu der Stelle, an der sie den Duralsack verlassen, durch den Subarachnoidalraum. Sie sind dabei von Pia mater umhüllt. Der zervikale Subarachnoidalraum weist einen sagittalen Durchmesser von etwa 10–15 mm auf, der thorakale von etwa 12–13 mm, lumbal ist der Subarachnoidalraum mit einem sagittalen Durchmesser von etwa 15–20 mm am größten. Trabekel innerhalb des Subarachnoidalraums sind im spinalen Subarachnoidalraum anders als im Gehirn relativ spärlich ausgebildet. An beiden Seiten des Rückenmarks weist die Pia longitudinale Verstärkungszüge auf, die nach lateral in aus kollagenem Bindegewebe bestehende Backen auslaufen. Dieses im Subarachnoidalraum gelegene Bindegewebesystem wird in seiner Gesamtheit als Ligamentum denticulatum bezeichnet. > Arachnoidalzysten, die zu einer Auftreibung der Wurzeltaschen (Wurzeltaschenzysten, Tarlov-Zysten) führen, sind eine häufig anzutreffende Normvariante (. Abb. 10.5). Wenn sie Druck auf die Nervenwurzeln ausüben, können sie zu radikulären Schmerzen und einer Blasenstörung führen.
Hochauflösende T2-gewichtete axiale bzw. CISS- oder TRUFISequenzen in 3 D-Technik können die entsprechenden Nervenwurzeln darstellen.
Für die klinische Routine ist es wichtig, 3 Kompartimente abzugrenzen: 4 Epidural: innerhalb des knöchernen Spinalkanals, außerhalb der Dura gelegen. 4 Intradural-extramedullär: im Duralsack, aber nicht im Rückenmark gelegen. 4 Intramedullär: im Myelon gelegen.
Kompartimente des Rückenmarks
Graue und weiße Substanz des Rückenmarks
Das Rückenmark wird wie das Gehirn von einer äußeren harten Dura mater und einer inneren weichen Rückenmarkshaut umhüllt, die aus 2 verschiedenen Schichten besteht, Arachnoidea und Pia mater. Dadurch wird der Spinalkanal in mehrere Kompartimente unterteilt. Epiduralraum wird der Raum zwischen Dura mater und dem Periost des Wirbelkanals bezeichnet. Er ist in der Regel mit Fettgewebe und einem dichten Venenplexus ausgefüllt, in das ein dichter Venenplexus eingebettet ist. Durch den Epiduralraum ziehen die Spinalnerven auf ihrem Weg zum Foramen intervertebrale. Dura und Arachnoidea sind durch eine spezielle Schicht (Neurothel) miteinander verwachsen. Der Duralsack besitzt seitliche Ausziehungen für die Austritte der Spinalnerven. Die Dura umhüllt die Spinalnerven noch auf ihrem Weg durch den Epiduralraum zu den Foramina intervertebralia. Dort geht sie dann kontinuierlich in die Bindegewebskapsel und das Epineurium von Spinalganglion und Spinalnerven über.
Das Querschnittsbild des Rückenmarks zeigt die Gliederung in graue und weiße Substanz. Während die graue Substanz die Perikaryen der Rückenmarksneurone enthält, befinden sich in der weißen Substanz nur deren Fortsätze (Axone und Dendriten). Die weiße Substanz ist folgendermaßen gegliedert: Der Vorderstrang verläuft zwischen der Vorderwurzel und Fissura mediana anterior, zwischen Vorderwurzel und Hinterwurzel verläuft der Seitenstrang und schließlich zwischen der Hinterwurzel und dem Sulcus medianus posterior der Hinterstrang. Die hintere und vordere Commissura grisea ist durch die weiße Substanz beider Rückenmarkshälften über die Commissura alba posterior und anterior verbunden. Die graue Substanz des Rückenmarks zeigt eine typische schmetterlingsähnliche Konfiguration, wobei der breite Teil der Schmetterlingsflügel nach vorne zeigt und der schmalere nach hinten. Der vordere Teil wird auch als Vorderhorn bezeichnet und enthält Neurone, die der Motorik dienen und auch als Mo-
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Kapitel 10 · Wirbelsäule
10 . Abb. 10.5. Wurzeltaschenzysten. In der lumbalen a.p.-Aufnahme zeigen sich KM-gefüllte Wurzeltaschenzysten, v. a. links in der Wurzel S1 und S2
toneurone bezeichnet werden. Der hintere und schmalere Teil des Schmetterlingsflügels wird als Hinterhorn bezeichnet und enthält sensible Neurone. Entsprechend dieser Gliederung in ventral-motorische und dorsal-sensibel, entspringen von den Vorderhörnern die motorischen Vorderwurzeln und von den Hinterhörnern die sensiblen Hinterwurzeln. Beide vereinigen sich anschließend zum Spinalnerv. Zwischen Vorder- und Hinterhorn ist noch das kleine Seitenhorn (Cornu laterale), das Neuronengruppen des vegetativen Nervensystems enthält, anzutreffen (s. u.). Die beiden Hälften des Schmetterlings sind medial durch die Commissura grisea miteinander verbunden. In der Mitte der Kommissur findet sich eine schmale Öffnung, der Canalis centralis. Er ist mit Liquor gefüllt und stellt gewissermaßen die Fortsetzung der inneren Liquorräume des Gehirns dar. Häufig ist er verschlossen, was klinisch keine Symptome verursacht, da der Zentralkanal für den Liquorabfluss in der Regel keine Rolle spielt. Die graue Substanz des Rückenmarks lässt sich in jeweils unterschiedlich aufgebaute Zellschichten laminär einteilen, die von dorsal nach ventral mit I–X nummeriert werden. Darüber hinaus kann man einzelne Nervenkanäle voneinander abgrenzen, die sich im hinteren Anteil z. T. mit diesen Schichten decken. Die Laminae I und II bilden den dorsalen Teil des Hinterhorns, ein Teil davon lässt sich in Form eines umschriebenen Kerngebiets über die ganze Höhe des Rückenmarks als Substantia gelatinosa abgrenzen. Hier und in der Lamina VII enden proprio- und exterozeptive Schmerzafferenzen. Nach ihrer Umschaltung auf das jeweilige 2. Neuron werden diese Schmerzimpulse über den
Tractus spinothalamicus dem Thalamus zugeleitet. In den Laminae III und IV liegt der Nucleus proprius in der Mitte des Hinterhorns, er ist in der gesamten Höhe des Rückenmarks nachweisbar und erhält propriozeptive Afferenzen aus dem Bewegungsapparat (Tiefensensibilität). In den Laminae V und VI liegt das Kerngebiet des Nucleus dorsalis, der auch als Nucleus thoracicus posterior bezeichnet wird. Er bildet einen Komplex aus 2 Unterkernen, der ventral im Hinterhorn liegt. Er empfängt überwiegend propriozeptive Afferenzen, die so genannte tiefe Sensibilität. Diese Impulse geben Aufschluss über Lage und Stellung des Körpers und der Extremitäten und werden über den Tractus spinocerebellaris posterior zum Kleinhirn weitergeleitet. Der Nucleus intermediolateralis, der aus Neuronen des vegetativen Nervensystems gebildet wird, liegt im Seitenhorn. Er ist makroskopisch im thorakalen Mark gut sichtbar, existiert aber nicht im Zervikalmark. Im Thorakal- und oberen Lumbalmark (C8–L2/3) befinden sich im Nucleus intermediolateralis Perikaryen der sympathischen efferenten Bahnen, deren Fasern dann meist in den Ganglien des paravertebralen Hirnstrangs umgeschaltet werden. Im Sakralmark sitzen im Nucleus intermediolateralis die Perikaryen der parasympathischen efferenten Bahnen. Der Parasympathikus hat zusätzlich noch einzelne Kerne im Hirnstamm, der Sympathikus nicht. In den Laminae VIII und IX liegen die Neurone der motorischen Endstränge. In erster Linie sind dies die großen multipolaren α-Motoneurone, daneben findet man auch etwas kleinere β- und v. a. γ-Motoneurone im Vorderhorn. > Die funktionelle Bedeutung der Vorderhornneurone zeigt sich bei der Kinderlähmung (Poliomyelitis), bei der durch eine Virusinfektion nur die Motoneurone des Vorderhorns befallen werden. Es kommt zu einer schlaffen Lähmung der vom betroffenen Rückenmarkssegment aus versorgten Muskeln, während die Sensibilität völlig erhalten bleibt.
Auf- und absteigende Nervenbahnen im Rückenmark Aufsteigende Bahnen Das Vorderhorn besitzt, wie viele andere Teile des ZNS, eine somatotopische Gliederung. In der weißen Substanz des Rückenmarks laufen aufsteigende Bahnen vom Rückenmark zum Gehirn und absteigende Bahnen vom Gehirn zum Rückenmark. Die afferenten Fasern aus der Körperperipherie für Schmerzund Temperaturempfindungen treten in den jeweiligen ipsilateralen Segmenten in das Rückenmark ein, werden im Hinterhorn auf das 2. Neuron umgeschaltet und kreuzen dann in der Commissura alba auf die Gegenseite. Im Seitenstrang ziehen sie dann als Tractus spinothalamicus nach oben zum Thalamus. Afferente Fasern für grobe Druck- und Tastempfindungen werden ebenfalls im ipsilateralen Hinterhorn umgeschaltet. Die Leitungsqualitäten des Tractus spinothalamicus werden als protopathische Sensibilität zusammengefasst. Klinisch führt eine Schädigung des Tractus spinothalamicus zu einer Empfindungslosigkeit für Temperatur und Schmerz auf der kontralateralen Körperhälfte in allen Hautdermatomen,
281 10.1 · Anatomie des Spinalkanals
die unterhalb desjenigen Rückenmarksegments liegen, in dem die Schädigung eingetreten ist. Im Tractus spinocerebellaris werden propriozeptive Informationen über die Stellung von Rumpf und Extremitäten nach oben zum Hinterhorn geleitet. Der Tractus spinoreticularis endet in der Formatio reticularis des Hirnstamms und spielt eine wichtige Rolle in der Wahrnehmung tiefer, dumpfer und chronischer Schmerzen. > Eine isolierte beidseitige Thermanästhesie und Analgesie, die auf einzelne Segmente beschränkt ist, muss deshalb an eine segmentale Schädigung der Commissura alba denken lassen. Den isolierten Ausfall der protopathischen Sensibilität bei normal erhaltener epikritischer Sensibilität nennt man dissoziierte Empfindungsstörung.
Der Hinterstrang enthält 2 Bahnen, den Fasciculus cuneatus und den Fasciculus gracilis. Der Fasciculus cuneatus schiebt sich gewissermaßen in einen Keil zwischen Fasciculus gracilis und Hinterhorn. Die Fasern, die in den Hinterstrangbahnen nach oben zum Gehirn ziehen, werden nicht im Hinterhorn umgeschaltet und kreuzen im Rückenmark auch nicht auf die andere Seite. Sie verlaufen, vom Spinalganglion kommend, am Hinterhorn des Rückenmarks vorbei und dann in die gleichseitigen Hinterstränge nach oben, zur Medulla oblongata, wobei sie im Nucleus cuneatus und gracilis auf das 2. Neuron verschaltet werden. Sie leiten proprio- und exterozeptive Impulse der epikritischen Sensibilität (Information über genaue Lokalisation, Qualität einer Berührungsempfindung und Information auf die Muskelsehnen und Gelenksrezeptoren, über Lage und Stellung der Extremitäten und des Rumpfes (propriozeptiv)). Auch die Hinterstränge weisen eine somatotopische Gliederung auf. Medial liegen die epikritischen Fasern aus dem Sakralbereich, daran angrenzend diejenigen aus dem Lumbalbereich, dann die aus dem Thorakal- und ganz lateral schließlich die Fasern aus dem Zervikalbereich. Bei der Schädigung eines Hinterstrangs kommt es zu einem ipsilateralen Verlust des feinen Berührungsempfindens (Exterozeption) und zu einer Aufhebung des Vibrationsempfindens und der Propriozeption. Der Verlust führt dazu, dass die Kranken einen unsicheren Gang aufweisen (Gangataxie) und sich nur noch mit geöffneten Augen im Raum orientieren können, da die bewusste und unterbewusste Raumorientierung nicht mehr gewährleistet ist.
Motorische, absteigende Bahnen Die größte und bedeutendste motorische Bahn ist die Pyramidenbahn, aber auch einige so genannte extrapyramidale Bahnen führen vom Gehirn ins Rückenmark. Diese extrapyramidalen Bahnen können für die Motorik eine erhebliche Rolle spielen und dem Kranken bei einer Schädigung der Pyramidenbahn eine Restbeweglichkeit der Extremitäten und des Rumpfs ermöglichen. Die Pyramidenbahn, Tractus corticospinalis, innerviert die Motoneurone des Vorderhorns und nimmt ihren Ursprung von der Rinde des Motorkortex. Sie verläuft als Tractus corticospinalis durch den Hirnstamm und bildet in der Medulla oblongata eine von außen sichtbare Vorwölbung, die so genannten Pyrami-
den. Unmittelbar unterhalb der Pyramiden kreuzen ca. 70–90% der Fasern auf die Gegenseite und laufen dann als Tractus corticospinalis lateralis im Seitenstrang nach unten. Der Anteil der ungekreuzten Fasern (10–30%) läuft als schmaler Tractus corticospinalis anterior medial neben der Fissura longitudinalis anterior nach unten, um dann in Höhe seines Eintretens in die graue Substanz zu kreuzen und ins kontralaterale Vorderhorn einzutreten. Der Tractus corticospinalis anterior endet im Zervikalmark. Der Tractus corticospinalis lateralis weist eine somatotope Gliederung auf, wobei die zervikalen Fasern am weitesten medial, die sakralen Fasern am weitesten lateral gelegen sind. Die Funktion der Pyramidenbahn besteht v. a. in der Steuerung der distalen Extremitätenmuskulatur (Feinmotorik), daneben auch in einer Kontrollfunktion über syndaktische Prozesse im Rückenmark. Klinisch führen von außen einwirkende Schädigungen der Pyramidenbahn, z. B. durch Tumorwachstum, zuerst zu einem Ausfall der Fasern für die tiefen Segmente (untere Extremität); ein Tumor hingegen, der im Inneren des Rückenmarks wächst, beeinträchtig zuerst die Fasern der oberen Segmente (obere Extremität). Als extrapyramidale Bahnen werden alle motorische Projektionen bezeichnet, die ins Rückenmark ziehen und nicht in der Pyramidenbahn verlaufen, sie nehmen ihren Ursprung von Zentren im Hirnstamm, v. a. im Nucleus ruber, den Nuclei vestibulares und der Formatio reticularis. Entsprechend heißen sie Tractus ruberospinalis, Tractus vestibulospinalis und Tractus tectospinalis und Tractus reticulospinalis. Die Bahnen sind im Vorder- und Seitenstrang lokalisiert. Teile dieser extrapyramidalen Bahnen ziehen gekreuzt (Tractus ruberospinalis), andere ungekreuzt (Tractus vestibulospinalis) im Rückenmark nach kaudal. Der Tractus reticulospinalis verläuft bilateral nach kaudal. Der Tractus ruberospinalis beeinflusst den Tonus der distalen Extremitätenmuskeln, die anderen extrapyramidalen Bahnen sind v. a. für Massenbewegungen von Rumpf und Extremitäten verantwortlich. Daneben spielen die extrapyramidalen Bahnen, v. a. der Tractus vestibulo- und reticulospinalis, eine wichtige Rolle für den Grundtonus der Muskulatur. Die sensiblen und motorischen Faserzüge werden auch als lange Bahnen bezeichnet, weil sie das Gehirn mit dem Rückenmark verbinden. Daneben gibt es die Bahnen des so genannten Eigenapparats, die im Rückenmark entstehen und auf- oder absteigend in diesem verbleiben. Dadurch kann bereits auf Rückenmarksebene eine afferente/efferente Informationsverarbeitung erfolgen. Dies ist die Grundlage der spinalen Reflexe (z. B. Eigen-, Fremd- und viszerale Reflexe).
Blutversorgung des Rückenmarks Die arterielle Versorgung des Rückenmarks wird im Wesentlichen aus 3 längs verlaufenden Gefäßen versorgt. Das größte Gefäß ist die in der Fissura longitudinalis anterior am Rückenmark entlang verlaufende A. spinalis, die sich aus jeweils einem Ast der A. vertebralis bildet (. Abb. 10.6). Ihr stehen dorsal 2 dünnere, im Sulcus posterolateralis verlaufende Aa. spinales posteriores gegenüber, die meist ebenfalls aus der A. vertebralis entspringen. Die A. spinalis anterior und die beiden Aa. spinales posteriores verlaufen längs dem Rückenmark nach kaudal und erhalten dabei ihr Blut aus mehreren segmentalen Zuflüssen, die
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282
Kapitel 10 · Wirbelsäule
10
. Abb. 10.6. Arterielle Versorgung der HWS. Äste der A. vertebralis und des Truncus costocervicalis, Ansicht von vorn. (Quelle: Tillmann. Atlas der Anatomie. 2. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York 2009)
als Rami spinales, v. a. aus der A. vertebralis im Zervikalbereich, den Aa. intercostales im Thorakalbereich und den Aa. lumbales im Lumbosakralbereich abzweigen. In der Embryonalzeit gibt es in jedem Segment der Wirbelsäule links und rechts je einen Ramus spinalis, der aus den genannten Arterien entspringt und durch die Foramina intervertebralia in den Wirbelkanal eintritt. Hier gibt der Ramus spinalis an Spinalganglien, Wurzeln und Rückenmark eine A. medullaris segmentalis ab, an Wirbel und Bändern einen Ramus anterior und posterior. Im Laufe der Entwicklung bilden sich von den ursprünglich 31-paarigen Arteriae medullares segmentales alle bis auf 4–5 zervikale, 4–6 thorakale und 3–4 lumbosakrale Segmentarterien zurück. Die Versorgung des Rückenmarks selbst erfolgt über radiäre Äste der 3 genannten Hauptarterien, die in die graue und weiße Substanz eindringen. Dabei versorgt die A. spinalis anterior die Vorder- und die Basis der Hinterhörner sowie den größten Teil des vorderen Seitenstrangs. Der Rest wird durch die beiden
Aa. spinales posteriores versorgt. Untereinander gibt es zahlreiche Queranastomosen. Nach dem Eintritt in das Rückenmark sind alle intramedullären Arterien funktionelle Endarterien. Der venöse Abfluss des Bluts erfolgt z. T. parallel zur Arterienversorgung mit 2 Hauptvenen, der V. spinalis anterior und der V. spinalis posterior, die ihren Blutabfluss, v. a. entlang den segmentalen Venen, in die Vv. vertebrales, intercostales und lumbales haben. Neben den in Längsrichtung verlaufenden Vv. spinales anteriores und posteriores gibt es ein dichtes Venennetz auf der Pia mater der Rückenmarksoberfläche.
10.2
Bildgebung
Durch ihre hohe Weichteilauflösung und die Möglichkeit, große Abschnitte der Wirbelsäule auf einmal abzubilden, ist die Magnetresonanztomographie bei spinalen Erkrankungen zur Untersuchungsmethode der Wahl geworden. Die sagittale Ebene hat
283 10.2 · Bildgebung
für die MRT-Untersuchung die größte Bedeutung. Sie ermöglicht einen Überblick über mehrere Segmente sowie die gleichzeitige Beurteilung von Wirbelkörpern, Bandscheiben, Bandstrukturen, Spinalkanal, Neuroforamina und Myelon. Mit PHASED-ARRAY-Spulen kann nahezu die gesamte Wirbelsäule auf einmal erfasst werden. Die sagittale Ebene wird in der Regel durch axiale, teilweise auch durch koronare Ebenen ergänzt. In den axialen Aufnahmen ist die räumliche Beziehung einer Läsion zum Duralsack und Myelon beurteilbar. Die Schichtführung erfolgt in der Regel parallel zu den Bandscheibenfächern. Die koronare Ebene liefert Zusatzinformationen bei intraspinalen Abszessen oder Tumoren sowie zur Beurteilung der Gelenke am kraniozervikalen Übergang, ebenfalls bei ausgeprägten Skoliosen kann sie das Myelon besser erfassen. Die übliche Schichtdicke für spinale Untersuchungen sollte 3 mm nicht übersteigen. Bei axialen Aufnahmen ist oft eine geringere Schichtdicke von 1–2 mm zur Beurteilung degenerativer Veränderungen der HWS vorteilhaft. Üblicherweise werden für die sagittale Routineaufnahme T1und T2-gewichtete Spinecho- bzw. Turbo-Spinecho-Sequenzen eingesetzt. Für die axialen Aufnahmen kommen je nach Wirbelsäulenabschnitt und Fragestellung auch Gradientenecho-Sequenzen in 2 D- oder 3 D-Technik infrage. Vorteil der Gradientenecho-Sequenzen ist, dass sie weniger anfällig für Liquorflussartefakte als Turbo-Spinecho-Sequenzen sind. Durch ihren T2*-Kontrast sind sie jedoch deutlich anfälliger für Feldinhomogenitäten und Suszeptibilitätsartefakte als Turbo-Spinecho-Sequenzen. Dies kann genutzt werden, um Blutabbauprodukte nachzuweisen bzw. auszuschließen. Fettunterdrückte Sequenzen sind hilfreich, um ein Wirbelkörperödem nachzuweisen, da dies ansonsten vom hohen Signal des fetthaltigen Knochenmarks überlagert werden kann. Hierzu werden entweder STIR-Sequenzen, eine Sondertechnik der Inversionrecovery-Technik, gewählt, bei der der 0-Durchgang so gewählt ist, dass das Fettsignal unterdrückt wird. Die STIR-Sequenz bildet eine hohe Sensitivität bei guter anatomischer Auflösung. STIRSequenzen sollten jedoch immer vor Kontrastmittelgabe durchgeführt werden, da sich die durch ein Ödem und eine Kontrastmittel-Aufnahme verursachten Signalveränderungen gelegentlich gegenseitig aufheben können. Eine weitere Möglichkeit der Fettunterdrückung ist die Verwendung eines speziellen Vorsättigungsimpulses; dies ist sowohl mit T1- als auch mit T2-gewichteten Spinecho- und Gradientenecho-Sequenzen möglich. 3 D-Sequenzen mit sehr starker T2-Wichtung werden für die hochauflösende Darstellung der Spinalnerven sowie zum Nachweis von dünnen Septierungen oder Zysten im spinalen Subarachnoidalraum eingesetzt (TRUFI, CISS). Dabei ist eine Verringerung der Schichtdicke bis auf ca. 0,5 mm möglich. Durch entsprechende Reformatierungen können auch myelographieähnliche Bilder (MR-Myelographie) erzeugt werden. Die MR-Angiographie hat in den letzten Jahren starke technische Verbesserungen erfahren, sodass z. T. auch die Segmentarterien aus der Aorta dargestellt werden können. In seltenen Fällen gelingt es auch, die markzuführenden Gefäße darzustellen, insbesondere bei duralen Arterien und Fisteln mit verstärktem Fluss. FLAIR-Sequenzen werden in der Wirbelsäulendiagnostik seltener verwendet. Ihre Sensitivität für intramedulläre Läsionen ist
geringer als bei Untersuchungen supratentorieller Pathologien. Diffusionsgewichtete Sequenzen sind bislang zum Nachweis akuter Ischämien des Rückenmarks noch nicht weit verbreitet. Grundsätzlich ist das MR-Protokoll entsprechend der zugrunde liegenden Fragestellungen auszulegen. Dabei kommt es bei degenerativen Erkrankungen in erster Linie auf eine hohe anatomische Auflösung und auf einen ausreichenden Kontrast zwischen Liquor, Knochen- und Weichteilgewebe an. Für sagittale T2-gewichtete Aufnahmen bieten sich daher Turbo-Spinecho-Sequenzen mit einer hohen Matrix, hoher Echozuglänge und langer effektiver Echo-Zeit an. Damit kann eine gute Abgrenzung zwischen Bandscheibe, Subarachnoidalraum und Myelon erzielt werden. Beim Nachweis intramedullärer Läsionen nimmt die Sensitivität für Läsionen bei T2-gewichteten TurboSpinecho-Sequenzen mit einer Erhöhung der Echo-Zuglänge (Turbo-Faktor) oder Verstärkung der T2-Wichtung ab. Hier zeigen STIR-Sequenzen eine hohe Sensitivität für intramedulläre MS-Läsionen. Der Wirbelkörper zeigt typische Signalcharakteristika in der MRT. Die äußere Kompaktaschicht, die Kortikalis, zeigt in der Regel keine Signalanhebung. Darunter liegt die trabekulär aufgebaute Spongiosa mit spongiösen Knochenbälkchen und dem Knochenmark. Die kortikalen und spongiösen Anteile der Wirbelkörper sind in allen Sequenzen hypointens. Spongiöse Anteile werden aber normalerweise vom kräftigen Signal des fetthaltigen Knochenmarks überdeckt. Erst bei pathologischen Veränderungen, die zu einer Volumenzunahme der Trabekel führen, z. B. beim Hämangiomwirbel, wird trabekulärer Knochen in der MRT sichtbar. Das Knochenmark besteht aus blutbildendem und fetthaltigem Mark. Blutbildendes Knochenmark zeigt auf T1-gewichteten Sequenzen eine mittlere Signalintensität, auf T2-gewichteten Aufnahmen ein gemäßigtes bis hohes Signal. Das fetthaltige Knochenmark zeigt in T1-gewichteten Sequenzen ein hohes, in T2-gewichteten Sequenzen ein mediäres bis intermediäres bis hohes Signal. Bei fettsupprimierten Sequenzen zeigt sich eine deutliche Signalminderung. Da im Kindes- und Jugendalter die Wirbelkörper überwiegend aus blutbildendem Knochenmark, im Erwachsenenalter aus einem ausgewogeneren Verhältnis bestehen, ist im Verlauf des Alters eine entsprechende Signalveränderung nachweisbar. Mit zunehmendem Alter überwiegt das fetthaltige Knochenmark. Die Struktur des Knochenmarks erscheint normalerweise homogen bis kleinfleckig, im höheren Alter kann sich neben dem Fettmark auch eine fibröse Komponente entwickeln, die zu einem grobflächigen Muster führt. > Wichtig ist, dass das Wirbelkörpersignal von blutbildendem Knochenmark in T1-gewichteten Sequenzen über dem der Bandscheibe liegt. Bei gleicher oder sogar niedriger Signalintensität liegt ein pathologischer Knochenmarkprozess vor.
Bis zum 2. Lebensjahr ist eine deutliche Kontrastmittel-Aufnahme im Wirbelkörper physiologisch, bis zum 7. Lebensjahr ist eine geringfügige Aufnahme noch nachweisbar, bei Erwachsenen ist normalerweise keine Kontrastmittel-Aufnahme erkennbar. Die Bandscheiben stellen sich in T1-Wichtung mäßig signalarm, in T2-Wichtung signalreich dar. Mit zunehmendem Alter nehmen der Wassergehalt und damit das Signal in T2-Wichtung
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284
Kapitel 10 · Wirbelsäule
ab. Als erstes Zeichen der Alterung zeigt sich in den T2-gewichteten Sequenzen eine in der Mitte liegende horizontale, hypointense Linie. Die ligamentären Strukturen stellen sich in der MRT in allen Gewichtungen signalarm dar und nehmen kein Kontrastmittel auf. Bei degenerativen Veränderungen können gelegentlich Fetteinlagerungen im Ligamentum flavum beobachtet werden.
Kontrastmittelgabe
10
Die Gabe von Kontrastmittel ist bei degenerativen oder traumatischen Erkrankungen in der Regel nicht erforderlich, kann aber zur Unterscheidung zwischen postoperativem Narbengewebe und einem Diskusprolaps hilfreich sein. Zur Suche nach tumorösen oder entzündlichen Erkrankungen ist die Gabe von Kontrastmittel notwendig. Physiologische Kontrastmittel-Aufnahmen zeigen sich bei Untersuchungen der Wirbelsäule: 4 Vv. vertebrales, epidurale Venen, die eine kräftige Kontrastmittelaufnahme zeigen. 4 Sensorisches Spinalganglion 4 Meningen, die eine schwächere Kontrastmittelaufnahme zeigen. 4 Knochenmark und Faserknorpel der Bandscheiben: Hier zeigt sich eine kräftige Kontrastmittel-Aufnahme bis zum 2. Lebensjahr, danach eine schwächere Kontrastmittel-Aufnahme.
Kombinierte Störungen der Gastrulation und primären Neurulation: 4 Hemimyelozele-Hemimyelomeningozele Störungen der sekundären Neurulation und retrogressiven Differenzierung: 4 Lipom des Filum terminale 4 Tight Filum terminale 4 Terminale Myelozystozele 4 Sakrokokzygeales Teratom Unbekannte Ursachen: 4 Meningozele 4 Anteriore sakrale Meningozele
Die spinalen Fehlbildungen stellen eine heterogene Gruppe von Veränderungen dar, die isoliert oder sehr oft jedoch auch in vielfältigen Kombinationen auftreten können. Am einfachsten sind die kongenitalen spinalen Malformationen aus der embryonalen Entwicklung der einzelnen Strukturen der Wirbelsäule zu verstehen (. Abb. 10.7).
Pathologische Kontrastmittel-Aufnahmen sind zu beachten bei: 4 Rückenmark 4 Spinalnerven 4 Knochenmark und Faserknorpel der Bandscheiben bei älteren Kindern und Erwachsenen
10.3
Spinale Fehlbildungen
Klassifizierung nach embryologischen Kriterien Störungen der Gastrulation: 4 Segmentationsstörungen der Wirbelsäule 4 Dorsal enterische Fistel 4 Enterogene Zyste 4 Diastematomyelie 4 Kaudale Regressionssyndrome 4 Segmentale spinale Dysgenesie Störungen der primären Neurulation: 4 Spina bifida occulta 4 Myelozele/Myelomeningozele 4 Lipomyelozele/Lipomyelomeningozele 4 Intradurales Lipom 4 Dermalsinus 4 Zervikale Myelozystozele 6 . Abb. 10.7. Neurulation, schematische Darstellung
285 10.3 · Spinale Fehlbildungen
10.3.1
Spinale Dysraphien
Offene spinale Dysraphien Definition Bei den spinalen Dysraphien kann zwischen offenen und geschlossenen Dysraphien unterschieden werden. Zur Gruppe der offenen spinalen Dysraphien gehören primäre Neurulationsstörungen, die durch einen unvollständigen Schluss des Neuralrohrs und einer damit verbundenen, unvollständigen Fusion oberflächlichen Ektoderms entstehen. In der Regel liegt ein fehlender Neuralrohrschluss vor, der zu einer unvollständigen Differenzierung des neuralen Gewebes und damit zu einer Persistenz der embryonalen Neuralplatte (Plakode) führt. Es können Mesenchymzellen nicht zwischen Neuralplatte und Ektoderm einwandern, sodass dorsale Wirbel oder Muskelanteile nicht ausgebildet werden. Die Folge ist eine Bogenschlussstörung. Am häufigsten findet sich dabei eine Zelenbildung im Bereich der Lendenwirbelsäule. Sie kann jedoch prinzipiell in jedem Abschnitt der Wirbelsäule vorkommen. Nahezu immer liegt eine Chiari II-Malformation vor, wobei die intrakraniellen Veränderungen als Folge der veränderten Liquordynamik bei fehlendem Neuralrohrschluss interpretiert werden.
Epidemiologie, Prävention, Therapie Die Inzidenz beträgt 0,6:1000 Lebendgeburten, eine konsequente Folsäuresubstitution während der Schwangerschaft kann zu einer deutlichen Reduktion dieser Erkrankung führen. Wegen der Infektionsgefahr sollte eine Operation innerhalb der ersten 48 Lebensstunden durchgeführt werden. Das Auftreten eines unvollständigen Neuralrohrschlusses korreliert eng mit einer Erhöhung des α-Fetoproteins im mütterlichen Serum. Daher wird im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung häufig das α-Fetoprotein bestimmt.
des Defekts zu erkennen ist, wird eine gleichzeitige Neurulation in verschiedenen Höhen postuliert. Myelozelen sind sehr selten und unterscheiden sich von den Myelomeningozelen lediglich durch eine fehlende Erweiterung des Subarachnoidalraums. > Ein unvollständiger Schluss des Neuralrohrs ist häufig mit einer Gastrulationsstörung vergesellschaftet. Eine Kombination von Myelomeningozelen mit Diastematomyelien findet sich in ca. 25%, meistens jedoch in verschiedenen Höhen. Bei Lokalisation in gleicher Höhe kommt es zu dem seltenen Auftreten einer Hemimyelomeningozele. Bildgebung. Eine operative Korrektur einer Myelomeningozele zeigt in der Bildgebung den bekannten dysrhaphischen Defekt,
der jedoch postoperativ mit Haut überdeckt ist. Tritt jedoch eine klinisch-neurologische Verschlechterung auf, so muss nach einer Komplikation gefahndet werden. Hauptursachen einer neurologischen Verschlechterung sind: 4 Retethering durch Narbengewebe 4 Tethering durch eine präoperative, nicht nachgewiesene Zweitmalformation 4 Einengender Duraring 4 Ischämie durch Gefäßkompression 4 Kompression des Rückenmarks durch ein Dermoid, ein Epidermoid oder eine Arachnoidalzyste 4 Ausbildung einer Hydromyelie Neben den sonographischen Untersuchungen kann eine MRT in sagittaler und axialer Schichtführung ein Retethering nachweisen. Hilfreich kann eine Untersuchung der Kinder, sowohl in Rücken- als auch in Bauchlage sein, da angeheftete Kaudafasern ihre Position beim Lagewechsel nicht ändern.
Bildgebung Sollte die MRT-Untersuchung postnatal bei zweifelhaftem klinischem oder sonographischem Befund ausnahmsweise notwendig sein, sollte sie unter sterilen Bedingungen in Bauchlage durchgeführt werden. In den letzten Jahren existieren immer mehr Berichte über pränatale Zelenkorrekturen, wobei hier insbesondere der positive Einfluss auf die intrakranialen Veränderungen bei Chiari II-Malformationen durch Normalisierung der Liquordynamik angegeben wird. Der Nutzen der pränatalen Chirurgie ist noch nicht vollständig nachgewiesen. Myelomeningozele/Myelozele
Die am häufigsten diagnostizierte Fehlbildung dieser Gruppe ist die Myelomeningozele, die schwerpunktsmäßig lumbosakral auftritt (. Abb. 10.8). Klinisch zeigt sich eine rötliche Schwellung in der Mittellinie, die beidseits in normale Haut übergeht. Meistens liegen das dorsale Ende des Myelons und die Strukturen der Cauda equina im Zelensack und enden in der neuralen Plakode, die gleichzeitig die externe Oberfläche bildet. Die neurale Plakode ist von einem Gefäßnetz überzogen, ein Tethering ist bei lumbosakralen Myelomeningozelen immer vorhanden. Da bei höher gelegenen Myelomeningozelen oft ein normales Myelon kaudal
Geschlossene spinale Dysraphien Definition, Klinik Geschlossene spinale Dysraphien imponieren klinisch meist durch eine in der Mittellinie gelegene, weiche und leicht verschiebliche Schwellung, die am häufigsten lumbosakral, seltener zervikal anzutreffen ist. Die Schwellung ist mit Haut bedeckt, wobei diese jedoch durchaus dystrophische Veränderungen zeigen kann. Die Lipomyelozelen, und wesentlich seltener Lipomyelomeningozelen, stellen sich meist als lumbosakrale Schwellung oberhalb der Cauda equina dar und stellen ca. 76% aller spinalen Lipome dar. Klinische Symptome treten meist im 6. Lebensmonat in Form von Muskelschwäche, Sensibilitätsstörungen oder neurogenen Blasenstörungen auf. Wie das übrige Körperfett können auch Lipome wachsen oder auch bei allgemeiner Gewichtsreduktion abnehmen. Embryologisch liegt eine Neurulationsstörung zugrunde. Dabei schiebt sich embryonales Mesenchym zwischen kutanes neurales Gewebe und wandelt sich zu Fettgewebe um. Dadurch werden ein vollständiger Verschluss des Neuralrohrs und eine Ausdifferenzierung mesenchymalen Gewebes zur Meningenmuskulatur oder dorsalen Wirbelanteilen verhindert. Durch den meningealen und knöchernen Defekt
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dehnt sich das extradurale Lipom bis in das subkutane Fettgewebe aus. Von einer Lipomyelomeningozele spricht man, wenn gleichzeitig eine fokale Erweiterung des Subarachnoidalraums vorliegt. In der MRT zeigen sich die Strukturen des Conus medullaris und der Cauda equina mit dem Lipom verbacken, das Fettgewebe erstreckt sich bis zum Zentralkanal. Die Nervenwurzeln sind oft asymmetrisch innerhalb des Fettgewebes nachweisbar. Fast immer liegt ein Tethered cord vor (Tight filum terminale, s. u.). Innerhalb des Lipoms können knöcherne, muskuläre oder vaskuläre Strukturen als dysraphische Hamartome zu finden sein. Myelozystozelen sind eine dysraphische Störung, die vollständig von Haut verdeckt ist. Myelozystozelen finden sich meist auf Höhe der Halswirbelsäule oder des zervikothorakalen Übergangs, extrem selten sind sie als terminale Zystozelen anzutreffen. Embryologisch liegt eine Störung der sekundären Neurulation und retrogressiven Differenzierung vor. Eine Störung des embryonalen Mesenchyms führt zu einer Bogenschlussstörung mit Herniation von dorsalen Myelonanteilen und erweitertem Zentralkanal. Dorsale Meningozelen sind meist lumbosakral lokalisiert, können aber auch thorakal und zervikal auftreten. Ein von Dura
. Abb. 10.8a–c. Myelomeningozele. a, b In den axialen und sagittalen T2w-Sequenzen zeigen sich ein unvollständiger Bogenwurzelschluss mit Vorwölbung des Duralsacks bis nach subkutan sowie die Erweiterung des Duralsacks und die Anheftung der nach außen verlagerten Nervenwurzel dorsal. c In den sagittalen T2w-Aufnahmen des Kopfs sieht man den Tiefstand der Kleinhirntonsillen (Chiari-Malformation); zusätzlich Syringomyelie
ausgekleideter liquorgefüllter Sack herniert durch eine posteriore Bogenschlussstörung. Ursächlich wird eine Erweiterung der Meningen durch Liquorpulsation bei fehlendem dorsalem Bogenschluss vermutet. Das Rückenmark ist dabei normal angelegt und nur Nervenwurzeln oder das Filum terminale finden sich innerhalb des Zelensacks. Eine sakrale Meningozele ist meist mit einem Tethered cord verbunden (Tight filum terminale, s. u.). Therapeutisch sollte der Zelensack entfernt werden, lumbosakral ist zusätzlich eine Lösung der Myelonanheftung erforderlich.
Geschlossene spinale Dysraphien ohne kutane Stigmata Die größte Gruppe der dysraphischen Störungen sind geschlossene spinale Dysraphien ohne kutane Stigmata. Die einfachste und häufigste Variante ist eine einfache Bogenschlussstörung, eine Spina bifida occulta. Hier liegt eine Störung der primären Neurulation in einem späten Stadium zugrunde. Sie ist gekennzeichnet durch eine fehlende Fusion der Wirbelbögen mit Prädominanz in Höhe LWK 5/S1. Eine Spaltbildung der Wirbelbögen LWK 5 und SWK 1 ist klinisch physiologisch bis zum 6. Lebensjahr vorhanden.
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10.3.2
Weitere Fehlbildungen der Wirbelsäule
Sacrokokzygeales Teratom Dies sind insgesamt sehr seltene kongenitale Tumoren, die aber die häufigsten präsakralen Raumforderungen bei Kindern ausmachen. Etwa zwei Drittel davon sind gut differenzierte Teratome, die übrigen unreife oder anaplastische Karzinome. Sie entwickeln sich aus Resten omnipotenter Zellen der kaudalen Zellmasse. Die meisten Teratome sind große abgekapselte, z. B. lobulierte Raumforderungen, die solide und zystische Kompartimente mit Verkalkungen aufweisen können. Eine Klassifikation der sacrokokzygealen Teratome erfolgt nach ihrer Lokalisation: 4 Typ I: dorsal des Sakrums 4 Typ II: dorsal des Sakrums mit deutlicher Ausdehnung in das Becken 4 Typ III: Ausdehnung in das Becken und Abdomen 4 Typ IV: ausschließlich präsakral gelegen Bildgebung. Abhängig von der Binnenstruktur des Teratoms zeigt sich im MRT ein buntes heterogenes Bild, bedingt durch fetthaltige Anteile mit hyperintensem Signal in T1- und Signalauslöschungen durch Verkalkungen und zystische und solide Anteile. Eine Kontrastmittel-Aufnahme ist v. a. in den soliden Tumoranteilen nachweisbar.
Dermalsinus Definition, Ätiologie Bei einem Dermalsinus findet sich eine nicht physiologische Verbindung zwischen intraspinalen Strukturen und der Haut. Embryologisch liegt eine Störung der Neurulation mit einer fokal unvollständigen Trennung von kutanem und neuralem Ektoderm vor. Diese Störung verhindert das Einsprossen von Mesenchymzellen, sodass eine lange und schmale Verbindung zwischen Hautoberfläche und Spinalkanal bestehen. Die Verbindung ist dabei nicht immer vollständig, in etwas über der Hälfte der Fälle wird jedoch eine durchgängige Verbindung zwischen Haut und Spinalkanal beobachtet.
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. Abb. 10.9a, b. Dermalsinus. a In den sagittalen T2-gew.-Sequenzen stellt sich der Dermalsinus als hypointense Struktur im subkutanen Fettgewebe, in Höhe von LWK 5/SWK 1 dar. b In den T1-gew. sagittalen Aufnahmen nach KM-Gabe ist er dann nur als Sinus im subkutanen Fettgewebe als hypodense Struktur, die schräg nach unten zum Spinalkanal führt, nachweisbar. In den sagittalen T1w-Sequenzen zeigt sich keine kontinuierliche Verbindung zum Duralsack
Gewichtung meist hypointens und damit nicht vom Liquor abgrenzbar. Eine Kontrastmittelgabe kann diesen Anteil des Sinustrakts in der Regel darstellen, vermutlich bedingt durch narbige Veränderungen bei häufigen okkulten Infekten. Da ein Dermalsinus häufig mit Dermoiden oder Epidermoiden vergesellschaftet ist, sollten auch FLAIR-Sequenzen im Untersuchungsprotokoll aufgenommen werden.
Dorsal enterische Zysten Klinik In der klinischen Untersuchung fällt bei den Kindern meist eine kleine fokale Einziehung der Haut auf. Dermalsinus sind meist in der Lumbosakralregion zu finden, können aber auch okzipital und thorakal vorkommen. Endet der Sinustrakt im Subarachnoidalraum, kann eine offene Liquorfistel mit der Gefahr einer Infektion bestehen. Etwa die Hälfte der Dermalsinus endet in einem Dermoid oder Epidermoid, während 20–30% der Dermoide und Epidermoide mit dem Dermalsinus assoziiert sind. Die kutanen Stigmata sind diagnostisch wegweisend. Häufigste Komplikationen sind bakterielle Infektionen entlang des Sinustrakts, die sich in Form von Meningitiden oder Abszedierungen zeigen.
Bildgebung In der MRT zeigt sich ein im Vergleich zum umliegenden Fettgewebe hypointenser, subkutan gelegener Kanal, der sich über mehrere Segmente hinweg ausdehnen kann (. Abb. 10.9). Der intrathekale Anteil ist oft sehr dünn und auch bei starker T1-
Dies sind extrem seltene Malformationen, bei denen embryologisch eine Störung der Gastrulation mit Persistenz des Canalis neurentericus vorliegt. Meistens bilden sich beiderseits lateral der persistierenden Verbindungen zwei separate Chordastränge, und es resultiert das so genannte Split-Notochordis-Syndrom, das neben den dorsal enterischen Fisteln auch die enterogenen Zysten und die Diastematomyelie umfasst. Sehr häufig finden sich bei allen diesen Malformationen begleitende Wirbelsäulenveränderungen, die ebenfalls auf die gespaltene bzw. nur einseitig ausgebildete Chordaanlage zurückzuführen sind (Schmetterlingswirbel, Halbwirbel, Blockwirbel). Zusätzlich können Fehlbildungen der inneren Organe assoziiert sein, z. B. Herzfehler, Lungenhypoplasien, Zwerchfellhernien und Nierendysplasien. Bildgebung. Beim Split-Notochordis-Syndrom sollten zusätzlich koronare Aufnahmen des Achsenskeletts und Übersichtsaufnahmen von Thorax und Abdomen durchgeführt werden.
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10 . Abb. 10.10a, b. Diastematomyelie. a In den axialen T2w-Sequenzen zeigt sich eine Doppelung des Myelons, getrennt durch eine fibröse Struktur. Dadurch entstehen zwei getrennt erscheinende Duralsäcke. b In den sagitta-
len T2w-Sequenzen ist diese fibröse Struktur in der Mittellinie im Spinalkanal in Höhe LK 1/LK 2 nachweisbar. In Höhe Th 11/Th 12 zeigt sich eine intermedulläre Signalanhebung des Myelons, einer Syrinx entsprechend
Diastematomyelien Definition, Ätiologie
Klinik
Bei der Diastematomyelie ist das Myelon in seiner Längsrichtung aufgespalten. Während der Gastrulationsphase kommt es zu einer unvollständigen Trennung von embryonalem Ekto- und Entoderm, wobei im Gegensatz zu den enterogenen Zysten und neurenterischen Fisteln die persistierende Verbindung nicht in Höhe des Canalis neurentericus, sondern in jeder beliebigen Höhe entstehen kann. Meistens entwickeln sich zwei separate Chordastränge beidseits lateral der Adhäsion. In der Folge entwickeln sich 2 getrennte Neuralplatten und damit getrennte Myelonstränge. Beide Myelonstränge haben in der Regel ihren eigenen Zentralkanal und jeweils eine Hälfte der Schmetterlingsfigur der grauen Substanz, bestehend aus Vorder- und Hinterhorn, in jeweils einer Nervenwurzel. Komplette Myelonduplikaturen (Diplomyelie) und verschiedene Zwischenstufen sind jedoch möglich. Die Spaltbildung kann symmetrisch oder asymmetrisch sein und auch nur die ventralen oder posterioren Anteile des Myelons betreffen. Oberund unterhalb der Spaltbildung ist das Myelon in der Regel normal angelegt. Die häufigsten Lokalisationen sind lumbal und tief thorakal. Die Diastematomyelien werden auch als Split-Chord-Malformation bezeichnet. Es finden sich zwei Formen, eine, bei dem ein knorpeliges oder knöchernes Septum und getrennte Durasäcke vorhanden sind, eine weitere Form mit einer gemeinsamen duralen Umhüllung und einem bindegewebigen Septum.
Klinisch können sich in Höhe der Diastematomyelie auf der Haut Hyperpigmentationen, Naevi oder vermehrte Behaarung zeigen (in >50% der Fälle). Weitere klinische Symptome sind Schmerzen und skoliotische Fehlhaltung, wobei diese durch Schmetterlings- und Halbwirbelbildung zusätzlich verstärkt wird. Die neurologischen Syndrome eines Tethered cord (Tight filum terminale, s. u.) mit neurogener Blasenstörung und sensomotorischen Störungen der Extremitäten können ebenfalls vorhanden sein.
Bildgebung Die MRT ist am besten geeignet, die komplexen Fehlbildungen abzubilden (. Abb. 10.10). Aufgrund der skoliotischen Fehlhaltung sind Aufnahmen in allen 3 Raumrichtungen bzw. 3 D-Volumensätze in T1- und T2-Wichtung notwendig. Dünnschichtige T1- und T2-gewichtete Sequenzen, z. T. auch als T2*-Gewichtung durchgeführt, können das knöcherne Septum bzw. die bindegewebigen Elemente nachweisen. Eine ergänzende CT kann hier wertvolle Hinweise liefern. Zusätzlich muss auf ein begleitendes Filum terminale oder Lipom des Filum bzw. auf eine Hydromyelie geachtet werden. Auch eine gleichzeitige Chiari II-Malformation mit Myelomeningozele oder Hemimyelomeningozele kann vorkommen.
289 10.3 · Spinale Fehlbildungen
Tight Filum terminale Definition, Ätiologie Das Tight Filum terminale wurde früher als Tethered cordSyndrom bezeichnet und ist eine Störung der retrogressiven Differenzierung mit mangelhafter Involution des kaudalen Neuralrohrs und ungenügendem Längenwachstum der Fasern der Cauda equina. Es ist gekennzeichnet durch eine dorsale Anheftung des Myelons oder der Cauda equina und ist in der Regel mit einem Konustiefstand verbunden. Häufig finden sich zusätzlich eine Bogenschlussstörung, Skoliosen, seltener ein Dermalsinus.
Klinik Klinische Symptome können in jedem Lebensalter auftreten, hauptsächlich sind jedoch Jugendliche und junge Erwachsene davon betroffen. Die Betroffenen klagen über Schmerzen, die bei Bewegung verstärkt sind. In der klinischen Untersuchung fallen gesteigerte Reflexe der unteren Extremitäten auf. Häufig werden auch neurogene Blasenstörung, Parästhesien und Lähmungen der unteren Extremitäten beobachtet.
sollte bei Neugeborenen bis zum Alter von 2 Monaten in Höhe BWK 12-LWK 2 stehen. Ein tiefer Konusstand bis zur Unterkante von LWK 2 ist immer als pathologisch anzusehen. Ein Tight Filum terminale kann aber einmal mit einem normalen Konusstand einhergehen.
Spinale Lipome Spinale Lipome sind umschriebene fetthaltige Raumforderungen mit Kontakt zu den Hirnhäuten. Die Lipome des Filum terminale gehen aus einer Störung der sekundären Neurulation und retrogressiven Differenzierung hervor. Zusätzlich kann sich ein Tight Filum terminale mit den Symptomen eines Tethered cord finden (. Abb. 10.12). Oft sind jedoch die Patienten asymptomatisch, und das Lipom ist ein Zufallsbefund. Intradurale Lipome sind subpial, direkt angrenzend an das Myelon gelegen. Sie liegen meist dorsal des Myelons im Bereich
Bildgebung Für die Diagnose des Tight Filum terminale ist die MRT die Methode der Wahl. Dünne sagittale T1- und T2-gewichtete Sequenzen zeigen das verdickte und fast immer dorsal gelegene, nicht von der Dura trennbare Filum bis tief lumbosakral (. Abb. 10.11). Der Duralsack erscheint dabei oft erweitert. In Höhe von LWK 5/ SWK 1 sollte das Filum nicht größer als 2 mm sein. Der Konus
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. Abb. 10.11a, b. Tight filum terminale. a In den sagittalen T1w-Sequenzen zeigt sich ein Tiefstand des Konus in Höhe LWK 4/LWK 5. b In den T2wSequenzen zeigt sich ein verdicktes Filum terminale, das bis in Höhe SWK 1/ SWK 2 nachweisbar ist
. Abb. 10.12a–c. Lipom und Tethered cord. a In den sagittalen T1w-Sequenzen zeigt sich ein Tiefstand des Konus in Höhe LWK 4. Zusätzlich deutlich verdicktes Filum terminale und dorsal davon in Höhe LWK 5 eine ca. 3×1 cm große hyperintense Struktur, einem Lipom entsprechend. b In den fettunterdrückten T1w-Sequenzen stellt sich diese Struktur dann fettunterdrückt hypointens dar; damit ist erwiesen, dass es sich um ein Lipom handelt. Der Konus ist in Höhe LWK 4 angehaftet. c Dies zeigt sich auch in den axialen T1w-Aufnahmen
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Kapitel 10 · Wirbelsäule
der Hals- oder Brustwirbelsäule. Sie können mit einer fokalen Aufweitung des Spinalkanals verbunden sein und sind häufig mit anderen Fehlbildungen assoziiert. Bildgebung. In der MRT stellen sich die kleinen Lipome oder
Fibrolipome in den sagittalen T1-gewichteten Sequenzen als Hyperintensität dar.
Enterogene Zysten Enterogene, neuroenterische oder endodermale Zysten entstehen sehr früh während der Gastrulationsphase und sind eine weitere Variante des Split-Notochordis-Syndroms. Der Zysteninhalt ist flüssig und gleicht in seiner Zusammensetzung Liquor. Die typische Lokalisation ist intradural-extramedullär und ventral des thorakalen Myelons. Die Zysten sind von Epithel ausgekleidet, wodurch eine gewisse Wachstumstendenz erklärt wird. In der MRT zeigt sich eine meist ventral des Myelons gelegene rundlich ovaläre, glatt berandete Zyste, deren Inhalt in sämtlichen Sequenzen liquorisointens ist. Bei stärkerem Proteingehalt kann in der T1-Wichtung eine leichte Hypointensität nachgewiesen werden.
Kaudales Regressionssyndrom
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Die Inzidenz des kaudalen Regressionssyndroms beträgt 1:7500 Geburten, Kinder diabetischer Mütter sind auffallend häufig betroffen. Kaudale Regressionssyndrome sind durch eine lumbosakral Agenesie variablen Ausmaßes charakterisiert (. Abb. 10.13). Ne-
ben lumbalen Agenesien können Fusionen der unteren Extremitäten (Syringomyelie, Analadhäsionen, Malformationen der äußeren Genitale, verschiedene andere organische Fehlbildungen) vorliegen. Etwa 10% der Patienten zeigen eine kaudale Regression im Rahmen des OEIS-Syndroms (Omphalozele, Ekstrophie der Blase, imperforierter Anus und spinale Malformation). Bei weiteren 10% liegt ein VACTERL-Syndrom (Wirbelanomalien, anorektale Malformationen, kardiale Fehlbildungen, tracheoösophageale Fisteln, Nieren- und Extremitätenanomalien) vor. Bei allen Patienten mit kaudalem Regressionssyndrom sollten gastrointestinale und urogenitale Fehlbildungen ausgeschlossen werden.
Anterosakrale Meningozelen Die anterosakralen Meningozelen sind gekennzeichnet durch eine knöcherne Erosion oder Dysplasie eines sakralen oder kokzygealen Wirbelsegments mit Herniation eines liquorgefüllten meningealen Sacks in das Becken. Oft werden sie erst im zweiten oder dritten Lebensjahrzehnt diagnostiziert. Der Zelensack kommuniziert dabei mit dem erweiterten Duralsack, meist über einen schmalen liquorgefüllten Kanal. Anterosakrale Meningozelen können isoliert auftreten, sind aber gehäuft bei der Neurofibromatose Typ I und dem Marfan-Syndrom zu beobachten.
10.4
Vaskuläre Erkrankungen des Rückenmarks
10.4.1
Vaskuläre Anatomie
Arterielle Blutversorgung Die arterielle Versorgung der Wirbelsäule einschließlich des Rückenmarks erfolgt über die segmentalen Arterien, die im Bereich der Thorakal- und Lumbalregion auch nach der Embryonalphase als segmentale Interkostal- und Lumbalarterien erhalten geblieben sind (s. Abbildung der Gefäße zervikal). Im Zervikalbereich erfolgen in der Embryonalzeit Umformungen zu Längsblutleitern, von denen dann die entsprechenden Zuflüsse entspringen. Bei diesen längs verlaufenden Arterien handelt es sich um die A. vertebralis, A. cervicalis profunda und A. cervicalis ascendens, jeweils beider Seiten (. Abb. 10.6). Die Sakral- und untere Lumbalregion werden aus den Ästen der A. iliaca interna beidseits versorgt. > Die Segmentarterien sind durch extra- und intraspinale Kollateralen längs und quer verbunden, weshalb die Injektion eines Gefäßes bei der Angiographie häufig zur Mitfüllung benachbarter Arterien führt.
. Abb. 10.13. Kaudales Regressionssyndrom. In den sagittalen T2w-Sequenzen zeigt sich neben einer Myelonmeningozele ein in Höhe Th10 endendes, etwas kolbenartig aufgetriebenes Myelon, das auf ein kaudales Regressionssyndrom hinweist
Prinzipiell versorgen die segmentalen Arterien einer Seite alle zugehörigen Gewebe eines halben Metamers, mit Ausnahme des Rückenmarks. Jede Segmentarterie gibt einen Ramus spinalis ab, der u. a. die Nervenwurzeln und Dura mater (Ramus radicularis) und den halben Wirbelkörper versorgt. Eine von diesem Ramus spinalis abgehende A. radiculomedullaris, die nicht nur Wurzeln und Dura versorgt, sondern in Begleitung einer ventralen oder dorsalen Nervenwurzel weiter zum Rückenmark verläuft, gibt es
291 10.4 · Vaskuläre Erkrankungen des Rückenmarks
nach der embryonalen Phase beim Menschen nur noch in einigen wenigen Segmenthöhen. Im Durchschnitt bleiben 6 ventrale und 11–16 dorsale Rückenmarkzuflüsse (Aa. radiculomedullares) bestehen. Diese Arterien setzen sich dann in das System der A. spinalis anterior und posterior/posterolateralis fort. Hoch zervikal gibt es ein- oder beidseitige, deszendierende Zuflüsse aus dem V4-Segment der Vertebralarterien auf die Ventralseite, die sich zur Spinalis anterior vereinigen oder auch separat verlaufen können. Außerdem geben die Vertebralarterien als dünnen intrakranialen Ast die auf die Lateral- und Dorsalseite des oberen Halsmarks verlaufenden Aa. spinales posteriores ab. Die Oberflächenarterien des Rückenmarks sind die eine Längsanastomose darstellende Spinalis anterior sowie die wie ein Strickleitersystem vernetzten Aa. spinales posterolaterales und posteriores. Beide Anastomosenketten sind am Konus über eine so genannte Konusarkade miteinander verbunden. Die erwähnten Aa. radiculomedullares anteriores et posteriores stellen die von extradural kommenden Zuflüsse zu diesem arteriellen Oberflächensystem dar. In welcher Höhe und auf welcher Seite diese Zuflüsse einmünden, kann zwar durch statistische Häufigkeitsverteilung beschrieben werden, ist aber im Einzelfall nicht vorhersehbar. Für den Bereich der Intumescentia cervicalis und lumbalis gibt es meist einen besonders kaliberstarken anterioren Zufluss, der für den Thorakolumbalbereich als A. radiculomedullaris magna (Adamkiewicz) bezeichnet wird und ca. 1 mm Kaliberweite besitzt. Die A. Adamkiewicz entspringt in ca. 75% der Fälle auf der linken Seite zwischen Th9 und Th12 und ist durch ihren haarnadelförmigen Verlauf gekennzeichnet. Die A. spinalis anterior kann als Längsanastomose im oberen Thorakalbereich unterbrochen sein, sie hat in diesem Abschnitt, der wenig zur Versorgung des Rückenmarkparenchyms aufweist, auch ihr geringstes Kaliber (ca. 0,2–0,5 mm), und entsprechend kaliberschwach können auch die einspeisenden radikulomedullären Zuflüsse sein.
Intrinsische Rückenmarksversorgung Die inneren Arterien des Rückenmarks entspringen aus der A. spinalis anterior, die zwei Drittel des Myelonquerschnitts versorgt. Die weitere Versorgung erfolgt über die Aa. spinales posteriores und das piale Arteriennetz, die Vasocorona medullaris. Die aus der A. spinalis anterior stammenden Aa. sulcocommissurales (auch Aa. centrales genannt) dringen in die Fissura mediana ein und versorgen alternierend die linke und die rechte Rückenmarkhälfte. Im Verlauf durch die Fissura mediana werden kurze Äste an den Vorderstrang abgegeben, in der Tiefe versorgt ein zentrales Gefäßbäumchen mit vertikalen und horizontalen Ästen das Vorderhorn, die Basis des Hinterhorns, die Commissura grisea und die Commissura alba anterior. Die aus der Vasocorona medullaris, dem pialen Arteriennetz, entspringenden Äste dringen in radiärer Richtung entlang der Pia in das Rückenmark ein, wobei kurze Äste das Randgebiet der weißen Substanz, lange Äste ihre zentralen Anteile und den Kopf der Hintersäulen versorgen. Die längsten Äste versorgen den Hinterstrang. Das intramedulläre Kapillarnetz ist in der grauen Substanz dichter als in der weißen Substanz.
Venen Der venöse Blutfluss aus dem Rückenmark beginnt mit den intramedullären Venen, welche ein ähnliches Verteilungsmuster wie die Arterien zeigen. Man unterscheidet tiefe Venen, Vv. centrales, die in Begleitung der gleichnamigen Arterien die Fissura mediana passieren und oberflächliche Venen, die in ein piales Geflecht aufgenommen werden. Über Wurzelvenen gelangt das Blut in den Plexus venosus vertebralis internus, der sich von der Schädelbasis bis zum Steißbein erstreckt und aus weiten, klappenlosen dünnwandigen Venen besteht, die im Fettgewebe der Cavitas epiduralis eingebettet sind. Man unterscheidet an dem Plexus venosus vertebralis internus einen vorderen und einen hinteren Anteil. Beide Geflechte haben okzipital Anschluss an den Sinus marginalis durae matris am Rand des Foramen occipitale magnum, die hinten in den Sinus occipitialis und vorne in den Sinus petrosus inferior und in den Sinus sigmoideus einmünden. Die Verbindung ist wichtig, da sie im Falle einer Resektion oder Verlegung beider Jugularvenen als Abflussweg des Bluts aus dem Gehirn dient.
10.4.2
Vaskuläre Erkrankungen des Rückenmarks
Grundlagen Ätiologie, Pathogenese Zu den Gefäßerkrankungen des Rückenmarks zählen neben der spinalen Ischämie v. a. Gefäßfehlbildungen, wie die spinalen arteriovenösen Malformationen und die kavernösen Hämangiome des Rückenmarks (s. unten). Daneben können auch spinale Blutungen auftreten, deren Ätiologie nicht immer traumatischer Natur sein muss. Spinale Gefäßmalformationen sind seltene Erkrankungen, die unbehandelt zu einer meist progredienten Schädigung des Rückenmarks führen. In Abhängigkeit vom Typ der vaskulären Erkrankung kann diese Schädigung durch subarachnoidale oder intramedulläre Blutungen, venöse Stauungen mit Kongestionsmyelopathie, Ischämien oder Raumforderungseffekte hervorgerufen werden.
Klinik Die Anamnese kann wichtige Hinweise auf die Ätiologie der zugrunde liegenden Pathologie und damit die Differenzialdiagnose geben. Eine Blutung manifestiert sich in der Regel durch eine perakute und häufig ausgeprägte, klinische Symptomatik, während die Ischämie akut mit Schmerzen und einem darauffolgenden oft progredienten sensorischen und motorischen Defizit auftritt. Eine vaskuläre Myelopathie hingegen verläuft sogar akut bis chronisch und kann zu einer über Wochen und Monaten progredienten klinischen Verschlechterung führen. Akute und perakut auftretende Erkrankungen führen oft zu einer raschen und notfallmäßigen Diagnostik, wobei bei langsam progredienter Klinik die frühzeitige Diagnose der mit einer vaskulären Myelopathie einhergehenden Malformation durch die oft sehr unspezifische erste Symptomatik erschwert wird.
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Kapitel 10 · Wirbelsäule
Bildgebung Übersichtsaufnahmen sind allenfalls bei traumatischer Anamnese angezeigt. In allererster Linie ist die MRT das Verfahren der Wahl. Besonders bei klinischem Verdacht auf spinale Gefäßmissbildungen stellt die MRT die wichtigste diagnostische Maßnahme dar. Hiermit können intramedulläre Veränderungen, z. B. ischämische Läsionen, Kavernome oder Blutungen bzw. extramedulläre intradurale Auffälligkeiten, wie dilatierte Gefäße, subarachnoidales Blut, und auch extradurale Pathologien direkt nachgewiesen und diagnostiziert werden. Auch differenzialdiagnostische Überlegungen, wie Tumor, Kompression des Myelons oder degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, können damit erfasst werden. Die spinale Angiographie ist dann indiziert, wenn die neurologische Symptomatik im Zusammenhang mit dem MRT den Verdacht einer spinalen arteriovenösen Malformation nahe legt. Die Angiographie ist dabei erforderlich, um den genauen Typ der Gefäßmalformation zu klären und die für die spezifische Läsion geeignetste Therapieform auszuwählen. Eine spinale Ischämie stellt in der Regel keine Indikation für eine spinale Angiographie dar, kann jedoch Informationen zur Ätiologie des Infarkts liefern.
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> Die Indikation zur Angiographie sollte streng gestellt werden, da bei unsachgemäßer Durchführung die Gefahr einer bleibenden Querschnittsymptomatik besteht.
Besteht der Verdacht auf eine spinale durale AV-Malformation, müssen sämtliche potenzielle rückenmarkzuführenden Gefäße dargestellt werden. Dazu zählen neben den Interkostal- und Lumbalarterien auch die zervikalen Zuflüsse aus Vertebralarterien, Truncus thyreocervicalis, Truncus costocervicalis, A. cervicalis ascendens und die iliolumbalen Arterien. Bei klinischem Verdacht auf eine arteriovenöse Malformation müssen die oberhalb und unterhalb des Angiomnidus bestehenden anterioren und posterioren Rückenmarkszuflüsse dargestellt werden. Die CT und die Myelographie bzw. postmyelographische CT hat in den letzten Jahren für die Diagnostik spinaler Gefäßerkrankungen abgenommen. Bei jeder Myelographie bzw. postmyelographischen CT sollte jedoch auf pathologische Gefäße geachtet werden, insbesondere wenn eine unklare klinische Symptomatik vorliegt.
Spinale Ischämie Epidemiologie, Ätiologie Die spinalen Ischämien sind im Vergleich zu zerebralen Ischämien relativ seltene Ereignisse. Zur Inzidenz liegen keine gesicherten Daten vor. In Autopsiestudien zeigt sich jedoch, dass bei ca. 4% aller Fälle Zeichen einer abgelaufenen spinalen Ischämie gefunden wurden. Nach verschiedenen Studien variiert das mittlere Alter bei einer spinalen Ischämie zwischen 50 und 60 Jahren. Die spinalen Ischämien treten üblicherweise im Thorakolumbalbereich im Versorgungsgebiet der A. spinalis anterior auf. Ischämien im Versorgungsgebiet der A. spinalis posterior sind seltener. Bei jüngeren Patienten können so genannte fibrokartilaginäre Embolien eine spinale Ischämie auslösen. Die wichtigsten Ursachen einer spinalen Ischämie sind in der Übersicht aufgeführt.
Wichtigste Ursachen einer spinalen Ischämie : Generalisierte Hypoxie: 4 kardiogener Schock 4 Blutdruckabfall anderer Genese Umschriebene Unterbrechung der spinalen Blutversorgung 4 pathologische Veränderungen an der Aorta 4 Arteriosklerose 4 Thrombosen 4 Aneurysmen (Aneurysma dissecans) 4 nach Verletzungen der Aorta (traumatische Dissektionen) 4 operative Eingriffe (aorto-iliakale Operationen) 4 radiologische Interventionen, Angiographien Entzündliche Veränderungen an der Aorta 4 Vaskulitiden 4 Syphilitische Angiitis 4 Riesenzellarteriitis Spinale Gefäßmalformationen 4 durale arterio-venöse Malformationen 4 arterio-venöse Malformationen (Angiome) Kompression der V. Cava durch 4 Tumore 4 Aszites Epiduralanästhesie Fibrokartilaginäre Embolien Sichelzellanämie
Der Grund für das seltene Auftreten spinaler Infarkte ist in der speziellen Gefäßversorgung des Rückenmarks zu sehen. Das Myelon ist in der Regel gegen eine Ischämie durch multiple longitudinale und transversale Anastomosen geschützt. Die vaskuläre Gefäßversorgung erklärt auch, warum spinale Infarktmuster sehr variabel sind. Aufgrund der beschriebenen Gefäßversorgung wird postuliert, dass die thorakale Region besonders vulnerabel für Ischämien ist, da in diesem Bereich des Endstromgebiet der großen segmentalen Zuflüsse in der A. spinalis anterior zu finden ist (. Abb. 10.14). Im Bereich der zervikalen und lumbalen Intumeszenz gibt es meist einen besonders kaliberstarken anterioren Zufluss, der als radikulomedulläres Marklager (Adamkiewicz) lumbal bezeichnet wird. Da die häufigsten spinalen Ischämien jedoch thorakolumbal auftreten, ist es fraglich, ob diese Theorie richtig ist. Sicher ist, dass Erkrankungen und Operationen an der Aorta die häufigste Ursache einer spinalen Ischämie sind. Bei einer Aortenaneurysmaoperation kann durch das langstreckige distale und proximale Abklemmen der Aorta die multisegmentale Blutversorgung der A. spinalis oft nicht aufrechterhalten werden. Auch bei einer Dissektion der Aorta kann man sich vorstellen, dass mehrere Zuflüsse zur A. spinalis anterior durch Lage im falschen Lumen verschlossen werden. Plaques können zur Verlegung der Segmentarterien führen, was jedoch aufgrund der guten Kollateralisierung nur in seltenen Fällen zu manifesten Ischämien führt.
Klinik Die spinale Ischämie zeigt häufig einen plötzlichen Beginn mit einem akuten sensomotorischen Querschnittsyndrom. Gefolgt wird dieses Ereignis meist von einer progredienten Zunahme
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Dabei zeigen sich ein aufgehobenes Schmerz und Temperaturempfinden bei intakter epikritischer protopathischer Sensibilität sowie schlaffe Lähmungen und ausgefallene Muskeleigenreflexe. Anamnestisch lassen sich manchmal Prodromi eruieren. In der klinischen Differenzialdiagnose muss neben einer intramedullären Blutung an einen Massenvorfall oder einen Tumor, v. a. an eine akute Querschnittsmyelitis gedacht werden.
Therapie Zurzeit gibt es nach einem aufgetretenen spinalen Infarkt keine eindeutigen Therapieoptionen. Die Behandlung erfolgt in der Regel symptomatisch. a
Spinale Blutungen Definition, Ätiologie Zu den spinalen Blutungen zählen in Analogie zum Gehirn die intramedullären Blutungen, die Subarachnoidalblutung und die epi- und subdurale Blutung. Die häufigsten Ursachen spinaler Blutungen sind iatrogener Natur, z. B. nach einer Lumbalpunktion oder postoperativ, gefolgt von Traumen, die auch ohne begleitende Wirbelkörperfrakturen zur spinalen Blutung führen können.
Klinik Die neurologische Symptomatik hängt von der Ausprägung und Lokalisation des Hämatoms ab und kann von einer monoradikulären Symptomatik bis hin zu einem hohen Querschnittssyndrom reichen. An ein spinales Epiduralhämatom muss gedacht werden, wenn nach einer geringen Verletzung auch ohne Wirbelkörperfraktur nach wenigen Stunden und Tagen eine progrediente neurologische Verschlechterung eintritt, die typischerweise mit starken Rückenschmerzen einhergeht.
Bildgebung
b . Abb. 10.14a, b. Spinaler Infarkt. Bei dem 17-jährigen Dachdecker entwickelte sich plötzlich eine Schwäche in den Beinen aufsteigend bis hin zur Paraplegie. a In den axialen T2w-Aufnahmen zeigt sich eine zentromedulläre Signalanhebung. b In der anschließend durchgeführten spinalen Angiographie zeigt sich ein Abbruch der Spinalis anterior, am ehesten einem Infarkt entsprechend
der neurologischen Symptomatik über Stunden bis Tage. Ein klinisches Leitsymptom, das jedoch nicht immer auftreten muss, ist der Rückenschmerz, der diffus, aber auch radikulär angegeben wird. Der diffuse Schmerz kann auch Ausdruck einer Aortendissektion sein oder durch intramedulläre Affektion spinothalamischer Fasern erklärt werden. Zervikale Ischämien können mit retroorbitalen Kopf- oder Thoraxschmerzen einhergehen, Blasen- und Mastdarmstörungen können bei Konusläsionen auftreten. Typische medulläre Syndrome, wie das Brown-SéquardSyndrom, sind selten. Das häufigste klinisch abgrenzbare Syndrom ist das A. spinalis-anterior-Syndrom mit dissoziierten Empfindungsstörungen.
Eine rasche Bildgebung, um das Ausmaß der spinalen Blutung nachzuweisen, ist von großer Bedeutung, da auch hier die Therapie eine schnelle Entlastung der Blutung sein muss. Spinale Epiduralhämatome sind v. a. dorsal und lateral des Myelons gelegen (. Abb. 10.15), vermutlich wegen der festen Fixierung der Dura am Wirbelkörper. Epiduralhämatome erstrecken sich selten über mehr als 3 Wirbelkörperhöhen, spinale Subduralblutungen sind häufiger ventral gelegen. Wegen der unterschiedlichen Signalcharakteristik von Blut zu verschiedenen Zeitpunkten kann eine Blutung oft schwierig zu interpretieren sein. Unter Umständen stellt sich das Hämatom in der Routinesequenz liquorisointens dar. Eine Kombination aus T1- und T2-gewichteten Sequenzen und FLAIR-Sequenzen sowie fettunterdrückten Techniken kann zur Diagnose dieser Erkrankung beitragen. Mögliche Differenzialdiagnosen, die aber meist durch Bildgebung ausgeschlossen werden können, sind die epidurale Lipomatose sowie ein extraaxialer Tumorbefall, z. B. bei einem Plasmozytom, Lymphom oder Metastasen.
Kartilaginäre Embolien Definition, Ätiologie Kartilaginäre Embolien entstehen durch Bandscheibengewebe, das in die Spinalarterien gelangt (. Abb. 10.16). Wie das Bandscheibengewebe in die Spinalarterien gelangt, ist letztendlich
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a
10
b
. Abb. 10.15a–c. Epidurale Blutung. a Im CT zeigt sich in Höhe LWK 1 eine leicht hyperdense Raumforderung, die den Duralsack nach rechts ventral verlagert, hierbei handelt es sich am ehesten um eine epidurale Blutung. b In den axialen, fettunterdrückten T2w Sequenzen in Höhe HWK 7 zeigt sich ebenfalls eine epidural gelegene Blutung, die den Duralsack verlagert. c Dies ist auch in den sagittalen T1w Aufnahmen nachweisbar, wobei die Blutung hier in Höhe HWK 7 beginnend bis in Höhe BWK 5 nachweisbar ist
a
b
. Abb. 10.16a–c. Kartilaginäre Embolie. a In den fettunterdrückten T2-gew. STIR-Sequenzen zeigt sich eine zentromedulläre Signalanhebung in Höhe Th 5/Th 6. Das Myelon ist an dieser Stelle etwas aufgetrieben. Es handelt sich hierbei um ein 5-jähriges Mädchen, das nach einem Bagatelltrauma eine aufsteigende Paraparese entwickelt hat. b, c In den axialen und
c
c sagittalen T2-gew. Aufnahmen stellt sich noch einmal die zentromedulläre Signalanhebung dar, die am ehesten einer Ischämie bei kartilaginären Embolie entspricht. Hier handelt es sich um ein seltenes Ereignis, z. B. nach Bagattelltraumen bei Kindern, wobei nach einem intraspongiösen Bandscheibenvorfall Bandscheibenmaterial in das arterielle System gelangt
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noch nicht klar; postuliert wird, ob es infolge einer Herniation von Bandscheibenmaterial in den Wirbelkörper und seinen venösen Druck zu einem Übertritt von Bandscheibengewebe in die Radikulararterie kommen kann. Es müssen jedoch offensichtlich mehrere Faktoren zusammentreffen, wie intraspongiöser Bandscheibenvorfall, erhöhter Druck, arteriovenöse Bindungen und spinaler Fluss in dieser Höhe, um diesen Mechanismus auszulösen. Die wenigen Patienten, bei denen dieses Phänomen auch autoptisch gesichert ist, berichteten über Bagatalltraumen oder ungewöhnliche axiale Belastungen, gefolgt von plötzlichen Rückenschmerzen und einer progredienten neurologischen Verschlechterung. Infektionen wie Syphilis, Tuberkulose, Borreliose und bestimmte Pilzinfektionen können zu einer entzündlichen Gefäßwandveränderung der spinalen Gefäße führen, die dann über eine perivaskuläre Begleitreaktion eine spinale Ischämie verursachen kann.
Bildgebung In der Akutdiagnostik ist oftmals in den T1- und T2-gewichteten Sequenzen noch nichts zu sehen, erst nach wenigen Stunden tritt, ähnlich wie im Gehirn, ein Ödem auf, das in den T2-gewichteten Aufnahmen flau hyperintens erscheint, in den T1-gewichteten Sequenzen kann keine wesentliche Hypointensität nachgewiesen werden. Innerhalb der ersten 24 h sind die MR-Aufnahmen noch völlig normal, sodass erst Verlaufsuntersuchungen nach wenigen Tagen das gesamte Ausmaß des ischämischen Areals nachweisen können. Es ist in den T2-gewichteten Sequenzen der Übertritt im Myelon nachweisbar. Es zeigt sich oft eine langstreckige, stiftförmige ventrale und zentromedullär betonte Hyperintensität, deren Ausmaß meist dem Versorgungsgebiet der A. spinalis anterior entspricht. Die dorsolaterale Zirkumferenz des Rückenmarks ist ausgespart – passend zum Versorgungsgebiet der Vasa corona der posterolateralen Zuflüsse. In wenigen Tagen kommt es dann auch in den T1-gewichteten Sequenzen zu einer Hypointensität und nach Kontrastmittelgabe zu einer Schrankenstörung mit charakteristischer randbetonter Kontrastmittel-Aufnahme des infarzierten Myelons. Die Kontrastmittel-Aufnahme kann wenige Wochen anhalten, sodass dadurch die Differenzialdiagnose eines Tumors ausgeschlossen werden kann. Auch die ventralen Anteile der Cauda equina können nach thorakolumbalen Ischämien Kontrastmittel-Enhancement zeigen, hier liegt vermutlich eine Blutnervenschrankenstörung vor. Da die rückenmarkzuführenden Gefäße auch die Hälfte des entsprechenden Wirbelkörpers mitversorgen, ist häufig auch eine entsprechende Ischämie im Wirbelkörper nachweisbar. Dies lässt sich v. a. auf den fettunterdrückten STIR-Sequenzen gut nachweisen. Eine der Ursachen der spinalen Ischämie ist häufig eine langstreckige Aortendissektion, sodass entsprechend dieser Abschnitt mituntersucht werden sollte. Aufgrund der sehr variablen Gefäßversorgung des Rückenmarks und der möglicherweise gut ausgebildeten Kollateralisation sind Infarkte im Myelon in Lage, Form und Ausdehnung sehr unterschiedlich und haben oft eine zentromedulläre Betonung (Signalanhebung in den T2-gewichteten Sequenzen), passend zum Versorgungsge-
biet der A. spinalis anterior. In der Regel werden 2–3 Segmente betroffen. Längerstreckige Ischämien sind eher untypisch und lassen an eine venöse Kongestion oder eine andere Ursache denken. Reine Infarkte der A. spinalis posterior sind aufgrund der anatomischen Besonderheiten eher selten. Diffusionsgewichtete Sequenzen, wie sie jeweils zum Nachweis des ischämischen Areals eingesetzt werden, haben zurzeit noch keine weiterreichende Bedeutung für die Diagnose einer spinalen Ischämie. Die technischen Probleme sind noch zu groß, um einen deutlichen Nutzen zu erfahren. In bestimmten Fällen kann eine Angiographie durchgeführt werden und zur Ursachenklärung beitragen. Die CT und die postmyelographische CT haben keinen diagnostischen Stellenwert bei der Fragestellung spinale Ischämie. Differenzialdiagnostik. Erkrankungen, die progredient zu einer Querschnittsymptomatik führen können und zugleich noch mit Schmerzen auftreten, sind mit einzubeziehen. An erster Stelle ist dabei an die akute infektiöse oder parainfektiöse Myelitis, Querschnittmyelitis, eine Spondylodiszitis mit epiduralem Abszess, eine sub- oder epidurale Blutung oder eine intramedulläre Blutung zu denken. Eine Spondylodiszitis, ein Sub- oder Epiduralhämatom oder eine intramedulläre Blutung können durch Bildgebung rasch ausgeschlossen werden, schwieriger ist dies bei der Querschnittmyelitis, hier hilft oft nur eine zusätzliche Diagnostik mit Liquorpunktion und Anamnese. Intraspinale Tumoren, die sich ähnlich darstellen können, haben oft eine längere Wochen bis Monate anhaltende Klinik mit allmählicher Verschlechterung.
Gefäßmalformationen Angeborene Gefäßmalformationen des Spinalkanals sind seltene Erkrankungen, die unbehandelt fast immer zu einer Schädigung des Rückenmarks führen. In Abhängigkeit vom Typ der vaskulären Malformation kann die Schädigung durch Blutung, venöse Stauung, Durchblutungsstörungen oder Raumforderungseffekte hervorgerufen werden. Daneben können die infolge spinaler Subarachnoidalblutungen entstehenden Arachnopathien eine Rolle spielen. Eine frühzeitige Diagnose wird durch unspezifische Erstsymptome erschwert. Bei klinischem Verdacht stellt die MRT, ggf. gefolgt von einer spinalen Angiographie, die wichtigste diagnostische Maßnahme dar. Die Einteilung spinaler Gefäßmalformationen unterscheidet sich nicht prinzipiell von der des Gehirns. Es ist zu unterscheiden zwischen (. Tab. 10.1): 4 den angeborenen eigentlichen Gefäßmalformationen: 5 arteriovenösen Malformationen (AVM’s) 5 Kavernomen 5 kapillären Teleangiektasien und 4 den wahrscheinlich erworbenen arteriovenösen duralen Fehlbildungen, den duralen arteriovenösen Fisteln.
Arteriovenöse Malformationen Definition, Klassifikation
Histologisch bestehen arteriovenöse Malformationen aus Arterien, Venen und interponierten, primitiv aufgebauten Gefäßen. Normale Kapillaren fehlen in der Regel. Dies ist wahrscheinlich
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Kapitel 10 · Wirbelsäule
. Tab. 10.1. Einteilung der spinalen Gefäßmissbildungen
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Name
Ätiologie
Gefäßversorgung und venöse Drainage
Klinische Symptomatik
AVM
Angeboren
Radikulomedulläre Arterien, intramedulläre und oberflächliche Rückenmarksvenen (prämedullärer Venenplexus)
Blutung, venöse Kongestion, Raumforderung
Kavernom
Angeboren
–
Blutung, meist in das Kavernom
Kapilläre Teleangiektasie
Angeboren
–
–
Durale AV-Fistel
Erworben
Radikulomeningeale Arterien, Fistel endet in Dura, venöse Drainage über Wurzelvenen und perimedullären Venenplexus
Venöse Kongestion
Ursache für die hohe Blutungsneigung, denn die Drainagevenen sind dadurch unmittelbar dem arteriellen Druck ausgesetzt. Spinale AVM sind relativ selten und machen <10% aller Gefäßerkrankungen aus. Die Versorgung der spinalen AVM erfolgt in der Regel über radikulomedulläre rückenmarkversorgende Arterien (. Abb. 10.17), die venöse Drainage erfolgt intra- und/oder perimedullär, es sind in der Regel High flow-Malformationen. Es können in Abhängigkeit vom Aufbau des Nidus fistulöse und glomeruläre AVM unterschieden werden. Bei den fistulösen AVM handelt es sich um direkte AV-Shunts, die oberflächlich am Rückenmark oder dem Conus medullaris gelegen sind und seltener einen intramedullären Anteil haben. Der arterielle Zufluss kann sowohl aus der A. spinalis anterior als auch über die A. spinalis posterior erfolgen. Die venöse Drainage erfolgt in der Regel über perimedulläre Venen. Bei den AVM vom glomerulären Typ, der am häufigsten bei den spinalen AVM vorkommt, liegt ein Angiomnidus vor, der ähnlich denen der zerebralen AVM erscheint. Die Gefäßmalformation kann oberflächlich im Subarachnoidalraum oder tief im Myelon liegen bzw. beide Kompartimente betreffen. Der Angiomnidus wird dabei fast immer von mehreren zuführenden rückenmarkversorgenden Arterien aus dem vorderen und hinteren spinalen System versorgt. Die venöse Drainage erfolgt über dilatierte perimedulläre Venen. > Eine Sonderform stellt die AVM vom juvenilen Typ dar, es sind die seltensten spinalen AVM. Hierbei handelt es sich um sehr ausgedehnte Missbildungen, die fast immer auch zusätzlich vom Rückenmark benachbarte Gewebe, wie Dura, Wirbelkörper, Muskulatur und Haut durchsetzen. Es liegen in der Regel fistulöse und glomeroläre Anteile gemischt vor. Pathogenese, Klinik
Die Schädigung des Myelons erfolgt bei den AVM am häufigsten durch Blutung, seltener durch den Raumforderungseffekt bzw. ein so genanntes Stealphänomen. In Abhängigkeit von Lage, Größe und Fisteltyp tritt die Erstmanifestation in unterschiedlichem Alter auf. AVM vom glomerulären Typ werden fast immer schon in der Kindheit oder im frühen Erwachsenenalter symptomatisch. Die klinische Entwicklung ist meist über einen längeren Zeitraum langsam progredient, wobei Phasen akuter Verschlechterung von Phasen mit spontaner Remission gefolgt sein können.
Die klinische Symptomatik ist im Einzelfall sehr unterschiedlich, auch abhängig von der Größe und Lage des AVMs sowie von der Höhenlokalisation. Schmerzsymptome sind meist unspezifisch, die Patienten klagen über Gefühlsstörungen in Form von Taubheitsgefühl in den Beinen, Muskelschwäche, seltener radikulärer oder diffuser Rücken- und Muskelschmerzen. Eine sensomotorische Querschnittlähmung kann sich langsam progredient durch venöse Kongestion oder akut durch eine intramedulläre Blutung entwickeln. Die juvenile AVM wird ebenfalls fast immer bereits in der Kindheit mit einer Blutung oder einem, für den gesamten Kreislauf hämodynamisch relevanten, Stealphänomen symptomatisch. Wurde eine AVM diagnostiziert oder klinisch manifest, sollte sie in der Regel behandelt werden. Therapie
Da eine Vielzahl der spinalen AVM einen intramedullären Anteil hat, ist eine vollständige chirurgische Entfernung nur ausnahmsweise möglich. Die endovaskuläre Behandlung mit Flüssigembolisaten oder Partikeln ist deshalb eine inzwischen gut etablierte Alternative. Über die Bestrahlung spinaler AVM’s liegen noch keine Erfahrungen vor. Bildgebung Die MRT erlaubt in der Regel den zweifelsfreien Nachweis der
AVM einschließlich einer genauen Lage des Angiomnidus in Bezug auf das Myelon und die paraspinalen Weichteile. In der MRT zeigt sich in der Regel ein intra- und perimedulläres Konglomerat erweiterter Gefäße, das sich in den T2-gewichteten Sequenzen flussbedingt, durch Auslöschungsartefakte, in den T1-gewichten Aufnahmen, in Abhängigkeit von der Flussrichtung und Geschwindigkeit gemischt hypo- und hyperintens nach Kontrastmittelgabe darstellt. Unter Umständen sind Blut oder Blutabbauprodukte als Hinweis auf frische oder ältere Einblutungen nachweisbar. In Abhängigkeit von seinem Alter hat Blut in den T1- und T2-gewichteten Sequenzen unterschiedliche Signalcharakteristika. Eine begleitende Subarachnoidalbutung ist häufig nicht einfach zu diagnostizieren, auch hier zeigt sich jedoch eine perimedulläre oberflächliche Signalabschwächung, in den T2-gewichteten Sequenzen als Hämosiderinablagerung. Auch die in diesem Zusammenhang auftretende Arachnopathie kann im MRT dargestellt werden. Hier zeigen sich verdickte, adhärente Nervenwurzeln, v. a. im Bereich der Cauda equina.
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a
b
c . Abb. 10.17a–d. Spinale arteriovenöse Malformation. a In den T2gew. sagittalen Sequenzen zeigt sich eine gemischt hypo/hyperintense Struktur im zervikalen Halsmark, die zu einer Auftreibung des Myelons geführt hat. Die hypointensen Areale entsprechen flow voids. Hierbei handelt es sich um eine arteriovenöse Malformation. b, c, d In den daraufhin durchgeführten DSA-Aufnahmen zeigt sich die AVM versorgt über rückenmarkzuführende Äste aus der A. vertebralis
Differenzialdiagnostisch kommt bei einem spinalen AVM eigentlich nur das spinale Hämangioblastom infrage. Die massive Vaskularisation des Tumorknotens kann mit erweiterten, frühdrainierenden Venen einhergehen. In der Regel ist aber aufgrund der sehr intensen, gleichmäßigen Kontrastaufnahme des Tumors in den T1-gewichteten Sequenzen, eine Abgrenzung zur AVM möglich, da der Nidus sich nicht homogen kontrastiert.
Kavernöse Malformationen, Kavernome Definition, Epidemiologie, Ätiologie
d
Eine Schädigung des Rückenmarks infolge von Ischämie, Blutung oder durch die venöse Kongestion kann ebenfalls im MRT aufgezeigt werden. Es ist hierbei eine zentromedullär längerstreckige Signalanhebung in den T2-gewichteten Sequenzen zu erkennen. Bei allen spinalen AV-Malformationen muss eine spinale Angiographie durchgeführt werden, um Aussagen über den arteriellen Zufluss und die venöse Drainage dieser Gefäßbildungen zu erhalten (. Abb. 10.17). Aufgrund der arteriellen Zuflüsse und des Fisteltyps (glomerulär, fistulär) werden weitere therapeutische Entscheidungen getroffen. CT und Myelographie spielen in die Diagnostik spinaler AVM keine Rolle.
Kavernöse Malformationen oder auch Kavernome (früher kavernöse Hämangiome genannt) zeigen in typischer Weise einen sinusidalen, sphärischen Aspekt der Gefäße. Die Insidenz der Kavernome liegt in der Bevölkerung bei etwa 0,5–1%. Eine genetische Prädisposition wird angenommen, multiple Kavernome sind häufig anzutreffen und in diesen Fällen oft auch mit einer familiären Prädisposition assoziiert. Der Gendefekt wurde auf dem Chromosom 7g lokalisiert. Bei familiären Vorkommen kommt es in 50% zu multiplen Kavernomen, während bei sporadischen Fällen die Inzidenz multipler Kavernome bei 13% liegt. Spinale Kavernome machen ca. 5–12% aller spinalen Gefäßfehlbildungen aus. Sie treten etwa doppelt so häufig bei Frauen wie bei Männern auf. Beim Nachweis eines intraspinalen Kavernoms sollte auch das Zerebrum untersucht werden, um zerebrale Kavernome auszuschließen. Pathologie
Spinale Kavernome unterscheiden sich in der Histologie nicht von kraniellen Kavernomen. Pathoanatomisch handelt es sich
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bei Kavernomen um lividblaue, prall gefüllte und mit Endothel ausgekleidete Hohlräume. Häufig sind daneben verschiedene alte Thromben erkennbar. Zwischen den Hohlräumen findet sich kein Hirngewebe, das umgebende Hirnparenchym zeigt häufig Gliosen. Kavernome zeigen eine sehr langsame Zirkulation. Arteriovenöse Shunts kommen normalerweise nicht vor. Das Kaliber der zuführenden Arterien und drainierenden Venen ist deshalb normal groß. Venöse Malformationen und kapilläre Teleangiektasien werden zumindest im Zerebrum häufig in jedem Kavernom nachgewiesen. Residuen vormals stattgehabter Blutungen, Narbengewebe, Hämosiderophagen und Verkalkungen können vorkommen. Um die Läsion zeigen sich häufig eine Hämosiderinablagerung und eine unterschiedlich ausgeprägte Gliose, die im Laufe der Zeit zunimmt und für die progrediente Klinik verantwortlich zu sein scheint.
c
. Abb. 10.18a–d. Kavernom. a In den sagittalen T2w-Aufnahmen zeigt sich eine intramedulläre Raumforderung in Höhe HWK 6 mit zentraler Signalsteigerung und umgebendem hypointensem Randsaum. Dies entspricht am ehesten einem Kavernom mit Hämosiderinsaum. b In den sagittalen T2*w-Sequenzen stellt sich das Kavernom hypointens dar. c In den sagittalen T1w-Sequenzen zeigt sich eine Signalanhebung des Kavernoms, am ehesten frischen Einblutungen entsprechend (Methämoglobin). d In den axialen Aufnahmen nach KM-Gabe sind Teile des Kavernoms hypointens, die frischen eingebluteten Anteile hyperintens dargestellt
Klinik
Die Mehrzahl der Kavernome bleibt im Verlauf klinisch stumm. Werden sie hingegen symptomatisch, so ist die Entwicklung klinischer Symptome vom Sitz der Fehlbildung und der Größe einer auftretenden Blutung abhängig. Die klinischen Symptome reichen von gering ausgeprägten sensiblen und motorischen Ausfällen bis zu einer schweren, akut auftretenden Querschnittlähmung. Subakute Verläufe mit Schmerzen sind beschrieben worden. Therapie
Bei asymptomatischen Kavernomen als Zufallsbefund ist die Abschätzung der spontanen Prognose schwierig. Eine Behandlungsindikation wird bei symptomatisch gewordenen Gefäßmissbildungen gesehen, insbesondere dann, wenn rezidivierende Symptome aufgetreten sind. Die chirurgische Resektion als the-
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a
b
c
. Abb. 10.19a–c. Durale Fistel. a In den T2-gewichteten sagittalen Aufnahmen der unteren BWS und LWS zeigt sich das Myelon, v. a im KonusKauda-Bereich aufgetrieben und zentromedullär gesteigert. b In den T1-ge-
wichteten Sequenzen nach KM-Gabe zeigen sich zahlreiche, kleine perimedulläre Gefäße, die gestauten arterialisierten Venen entsprechen. c In der anschließend durchgeführten DSA zeigt sich eine durale Fistel
rapeutische Option hängt in erster Linie von der Lokalisation des Kavernoms im Myelon und des Bezugs zur Oberfläche ab. Eine chirurgische Intervention kann die klinische Symptomatik in ca. zwei Drittel aller Patienten verbessern, eine Verschlechterung tritt bei ca. 10% der Patienten auf.
rien gespeist (. Abb. 10.19). Die Fehlbildung entsteht an den Stellen, an denen die nach epidural drainierenden Wurzelvenen (V. radicularis) die Dura durchqueren, da an dieser Stelle die Dura am Aufbau der Gefäßwand beteiligt ist. Der Fistelpunkt liegt in der Regel auf einer kleinen Stelle, innerhalb der Dura beschränkt, direkt unterhalb der Bogenwurzeln der entsprechenden Wirbelkörper. Die Inzidenz der spinalen duralen AV-Fisteln wird mit 5– 10 Fällen/1 Mio Einwohner/Jahr angegeben. Männer sind dabei in einem Verhältnis von mindestens 5:1 häufiger betroffen als Frauen, das Durchschnittsalter liegt bei ca. 60 Jahren. Die meisten Fisteln befinden sich im thorakolumbalen Übergangsbereich, das Auftreten von multiplen Fisteln ist eine absolute Rarität.
Bildgebung
Das Signalverhalten des Kavernoms wird in erster Linie durch Blut aus unterschiedlichen Abbaustufen und Flussgeschwindigkeiten, intrinsischen Verkalkungen und reaktiven Veränderungen des angrenzenden Parenchyms bestimmt (. Abb. 10.18). Die meisten Kavernome sind in den T1- und T2-gewichteten Sequenzen zentral hyperintens mit randständigem, hypointensem, hämosiderinhaltigen Randsaum. Aufgrund der unterschiedlichen Anteile von Verkalkungen, Thrombosen, reaktiven Gewebsveränderungen und Flussverhältnissen kann v. a. im Zentrum des Kavernoms ein heterogenes Signalverhalten auftreten. Nach Kontrastmittelgabe tritt bei Kavernomen in der Regel kein Kontrastmittel-Enhancement auf. Angiographisch sind die spinalen Kavernome, ähnlich wie im Gehirn, nicht nachweisbar. Bei der ausgedehnten intramedullären Blutung kann eine ursächliche AVM durch die Blutabbauprodukte maskiert sein. Hier kann eine Angiographie zur weiteren Klärung helfen.
Spinale durale AV-Fisteln Definition, Ätiologie
Spinale durale AV-Fisteln sind vermutlich eine erworbene Erkrankung, die, unbehandelt über einen variablen Zeitraum, der sich über Monate bis zu mehreren Jahren erstrecken kann, zu einer reversiblen Querschnittlähmung führen kann. Bei der spinalen duralen AV-Fistel liegt der arteriovenöse Kurzschluss in der Dura mater und wird von kleinen duraversorgenden Arte-
Klinik
Die klinische Symptomatik lässt sich dadurch erklären, dass die arteriovenöse Kurzschlussverbindung zu einer Arterialisierung und retrograden Füllung der normalerweise nach außen drainierenden Wurzelvenen führt. Die perimedullär verlaufenden arterialisierten Venen lassen sich in der DSA als serpentinenartige Gefäße darstellen. Da der arterielle Druck größer als der venöse ist, kommt es zu einer venösen Kongestion und damit zu einer progredienten Schädigung des Rückenmarks. Bei kranialen duralen AV-Fisteln der hinteren Schädelgrube, deren Drainage in den epiduralen Venenplexus des Rückenmarks erfolgt, kann eine ähnliche Klinik auftreten. Die initialen Symptome bei einer spinalen duralen AV-Fistel sind uncharakteristisch. Sie können anfänglich oft passager und intermittierend auftreten, bestehen häufig im Einknicken der Beine, Gefühlsstörungen mit Taubheit und Dysästhesien bei seltenen Schmerzen der Muskeln. Neben zunehmenden sensomotorischen Symptomen treten auch Potenz-, Blasen- und Sphink-
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10 terstörungen auf. Bei hohem Fistelpunkt bzw. einer kranialen duralen Fistel in der hinteren Schädelgrube mit Abfluss über das Zervikalmark kann es zu einer hohen Querschnittsymptomatik mit Tetraparese, unter Umständen mit Atemstörungen, kommen. Blutungen lassen sich im Gegensatz zur arteriovenösen Malformation nicht nachweisen. Bei Diagnosestellung berichten die Patienten häufig über einen klinischen Verlauf von mehreren Monaten bis zu wenigen Jahren mit langsam progredienten Verschlechterungen. Der Verlauf der Erkrankung sowie der makroskopische und mikroskopische Befund des Myelons entsprechen der Erkrankung, die von Foix und Alajouanene 1926 als Syndrom der subakuten nekrotisierenden Myelitis beschrieben worden ist. Wird die durale Fistel nicht behandelt, kommt es zu einer fortschreitenden Querschnittlähmung bis hin zu einer reversiblen Paraplegie und bei hohem Fistelpunkt zu einer Tetraplegie. Differenzialdiagnose
Da die klinischen Beschwerden der Patienten mit einer spinalen duralen AV-Fistel unspezifisch sind und sich evtl. über Monate und bis zu einigen Jahren hinziehen, liegt der häufigste Fehler bereits in der klinischen Vorfelddiagnostik. Meist werden die Patienten auf eine Polyneuropathie bzw. eine häufig bei älteren Patienten auftretende spinale Stenose verdächtigt. Da initial oft eine gezielte MR-Diagnostik mit entsprechenden T1-gewichteten sagittalen Sequenzen vor und nach Kontrastmittelgabe nicht durchgeführt wird, verzögern diese Nebenbefunde die richtige Diagnose. Differenzialdiagnostisch werden in der Regel noch beschrieben ein Stiftgliom, eine Syringomyelie (. Abb. 10.20), eine chronische Querschnittmyelitis sowie ein Rückenmarksinfarkt. Zu diesen Diagnosen passt jedoch nicht die zumeist über viele Segmente nachweisbare Dilatation der prämedullären Ve-
. Abb. 10.20a, b. Syrinx. a In den T2w-Sequenzen zeigt sich bei diesem Patienten mit unspezifischen Schmerzen und Sensibilitätsstörungen in Höhe TH 4/TH 5 eine intramedulläre Signalsteigerung. b Diese ist auch in den axialen T2w-Sequenzen als rundliche liquorisointense Struktur nachweisbar, es handelt sich um eine kleine Syringomyelie
nen, die Syringomyelie zeigt zudem ein anderes Signalverhalten, v. a. in den T1-gewichteten Sequenzen. Bildgebung
Bei unklarer spinaler Symptomatik sollte differenzialdiagnostisch immer an eine mögliche durale AV-Fistel gedacht werden. Die MRT ist dabei die Methode der Wahl, da bei Vorliegen einer spinalen duralen AV-Fistel die entsprechenden Veränderungen im Myelon in der Regel nachweisbar sind. Dabei stellt sich das Myelon in den T2-gewichteten Sequenzen oft über mehrere Segmente zentromedullär deutlich hyperintens dar, während die nicht kontrastmittelangehobenen T1-gewichteten Sequenzen allenfalls eine leichte Hypointensität zeigen. Häufig lässt sich auch eine Auftreibung und Schwellung des Myelons nachweisen (. Abb. 10.19). Diese Signalveränderungen beruhen auf der venösen Kongestion mit entsprechendem Ödem im Myelon und/ oder einer beginnenden Nekrose. Eine Korrelation zwischen dem Fistelpunkt und der Lokalisation der zentromedullären Signalveränderungen ist nicht gegeben, vorzugsweise ist das mittlere oder untere thorakale Myelon von den Signalveränderungen betroffen. Nach Kontrastmittelgabe kann das Myelon eine flaue, irreguläre Schrankenstörung aufweisen, die Hinweise auf eine gestörte Blut-Hirnschranke bei chronischer Hypoxie ist. Nach erfolgter Therapie können eine Abnahme des Ödems und ein atrophisches Mark nachgewiesen werden. Die perimedullären, erweiterten Venen an der dorsalen Rückenmarkoberfläche und des Subarachnoidalraums sind deutlich elongiert und vermehrt geschlängelt und können in den T2gewichteten Sequenzen durch ihre flussbedingten Auslöschungsartefakte (Flow voids) sicher nachgewiesen werden. Nach Kontrastmittelgabe zeigen sich in den T1-gewichteten Sequenzen die
301 10.5 · Spinale Tumoren
dilatierten erweiterten Gefäße kontrastangehoben. Durch die Verbesserung der MR-Angiographietechniken kann die MR-A, v. a. als kontrastmittelverstärkte MR-A, herangezogen werden, um evtl. Hinweise auf die Höhe der Fistel zu bekommen. Die endgültige Diagnose der spinalen duralen AV-Fistel kann im Endeffekt nur durch eine selektive spinale Angiographie gestellt werden. Der Fistelpunkt der Arterie und Vene unterhalb der Bogenwurzel kann in der Regel eindeutig nachgewiesen werden. Übersichtsangiographien der Aorta sind dabei nicht hilfreich, da nicht genügend Kontrastmittel in die kleinen Segmentarterien gelangt. Deswegen muss jede Segmentarterie selektiv dargestellt werden, bis zum Nachweis der Fistel. Dazu müssen sämtliche rückenmarkversorgende Gefäße einschließlich der Segmentarterien und der Iliakalarterien in die Untersuchung miteinbezogen werden. Der Fistelpunkt stellt sich fast immer als ein deutlicher Kalibersprung der Arterie in eine dicke Vene dar.
klinische Präsentation ist aber oft ganz unterschiedlich ausgeprägt.
Therapie
Konventionelle Röntgenaufnahmen, Myelographie
Es gibt 2 Behandlungsoptionen, die operative Ausschaltung oder die neuroradiologisch endovaskuläre Embolisation der Fistel. Eine konservative Behandlung ist nicht angezeigt, da es zu einer progredienten klinischen Verschlechterung kommt. Vor einer geplanten Embolisation ist zu gewährleisten, dass der zu sondierende Ramus spinalis nicht einen Zufluss zum Myelon abgibt. Als Embolisat sind Partikel, wie Polyvinylalkohol (PVA), ungeeignet, da es darunter zu Revaskularisationen der Fistel kommen kann. Verwendet werden in erster Linie Gewebekleber (Histoacryl), der allerdings in seiner Konzentration so gewählt werden muss, dass er genau den Fistelpunkt innerhalb der Dura erreicht und diesen komplett verschließt. Die Erfolgsrate der Embolisation wird in der Literatur mit zwischen 25 und 75% angegeben, demgegenüber steht der operative Verschluss der spinalen duralen Fistel als technisch einfacher und sicherer Eingriff, bei dem die intrathekale Vene, die den arteriellen Kurzschluss aufnimmt, an der Dura koaguliert wird. Damit ist eine dauerhafte Beseitigung der Fistel gewährleistet. Das Behandlungsergebnis hängt vom Ausmaß des neurologischen Defizits ab. Die Unterbindung der Kurzschlussverbindung kann zumindest eine Stabilisierung des klinischen Befundes erreichen. Die motorischen Ausfälle zeigen die beste Rückbildungstendenz mit einer Besserung bei etwa zwei Drittel der Patienten innerhalb des ersten Jahres. Demgegenüber sind Verbesserungen der Sensibilität nur bei einem Drittel der Patienten zu beobachten, bestehende Potenz-, Sphinkter- und Blasenstörungen haben eine relativ schlechte Prognose.
Röntgenübersichtsaufnahmen sind zur Diagnostik intraspi-
10.5
Spinale Tumoren
Tumoren des Spinalkanals sind bei Kindern häufig langsam wachsende Raumforderungen, deren klinische Manifestation oft subtil und langsam progredient erfolgt. Die Diagnose eines spinalen Tumors erfolgt aus diesem Grund in vielen Fällen verzögert und wird dann erst spät im Verlauf der Erkrankung gestellt. Die Entwicklung der MRT hat die Diagnosestellung spinaler Tumoren erheblich erleichtert. Die spinalen Tumoren von Kindern ähneln denen von Erwachsenen, ihre Inzidenz und
10.5.1
Bildgebung spinaler Tumoren
Ähnlich wie bei den Hirntumoren, mit der wichtigen Unterteilung in extraaxiale und intraaxiale Tumoren, muss bei spinalen Tumoren unterschieden werden zwischen intramedullären und extramedullären Tumoren; letztere bedrängen das Myelon von außen (. Abb. 10.27). > Die Differenzierung zwischen einer intra- und einer extramedullären Raumforderung, die in der Regel mithilfe der Bildgebung erfolgt, ist auch im Hinblick auf die Therapie von großer Bedeutung.
naler intraduraler Tumore nur selten hilfreich. Da diese Tumoren ein langsames Wachstum zeigen können, können Zeichen einer chronischen Kompression der knöchernen Strukturen vorhanden sein (Übersicht).
Zeichen der chronischen Kompression knöcherner Strukturen 4 4 4 4 4
Aufweitung des Spinalkanals »Scalloping« der Hinterkante eines Wirbelkörpers Ausdünnung der Bogenwurzeln Aufweitung des Pedikelabstandes Aufweitung eines Neuroforamens
Auch eine Skoliose kann durch einen Tumor des Myelons verursacht sein. Konventionelle Aufnahmen sind in aller Regel erforderlich, um präoperativ in Zusammenschau mit einer MRT eine genaue Höhenlokalisation zu ermöglichen. Die Aufnahmen sollen daher die Anzahl der Wirbelkörper, die Anzahl der Rippen und ggf. Übergangsanomalien darstellen. Die Myelographie hat durch die Einführung der MRT praktisch keine Bedeutung mehr. Da die Myelographie eine invasive Untersuchung mit Komplikationen (Kopfschmerzen, Arachnopathie, Strahlenbelastung) darstellt, gibt es praktisch keine Indikationen zur Durchführung einer Myelographie mehr. Sollte eine Kontraindikation für eine MRT-Untersuchung bestehen, kann eine Myelographie jedoch durchgeführt werden. Diese Untersuchungstechnik kann sehr sensitiv zwischen intra- und extramedullären Tumoren differenzieren. Die Höhenlokalisation kann gut dargestellt werden. Die genaue Ausdehnung eines intramedullären Tumors ist jedoch nicht darstellbar. Ein Vorteil der Myelographie ist die Gewinnung von Liquor, der dann auf pathologische Zellen oder entzündliche Veränderungen untersucht werden kann. Befunde bei intramedullären Tumoren bestehen in einer fusiformen Auftreibung des Myelons. Der umgebende Subarachnoidalraum ist ausgepresst. Ein kompletter Kontrastmittelstopp ist
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302
Kapitel 10 · Wirbelsäule
möglich. Eine Auftreibung des Myelons ist nicht pathognomonisch für einen Tumor, auch eine Syrinx oder eine Myelitis können zu einer Auftreibung führen. Ein intraduraler extramedullärer Tumor zeigt einen scharfen Füllungsdefekt. Bei kompletter Verlegung des Spinalkanals kann die Kontur dann kappenförmig erscheinen. Die Leitlinien zur Durchführung einer Myelographie können über die Homepage der Deutschen Röntgengesellschaft bezogen werden.
Computertomographie, Post-Myelographie CT Die CT, mit oder ohne Kontrastmittelgabe, hat nur einen geringen Stellenwert in der Diagnostik intraduraler Tumore. Dies ist
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u. a. technisch bedingt, da der Spinalkanal von dichtem Knochen umgeben ist und daher eine Aufhärtung der Strahlung Artefakte und eine eher schlechte Dichteauflösung bewirkt. Die Darstellung der umgebenden knöchernen Strukturen kann jedoch, z. B. bei Neurinomen, sinnvoll sein. Die Gabe von Kontrastmittel kann bei stark vaskularisierten Veränderungen weitere Hinweise geben. Im Rahmen einer Myelographie ist eine CT immer indiziert und kann dann insbesondere die möglicherweise vorhandene Auftreibung des Myelons darstellen. Verglichen mit der MRT ist auch bei optimaler Durchführung einer CT die Darstellung einer intramedullären Läsion enttäuschend. Mit Einführung der MRT haben die CT und die Post-Myelo-CT daher erheblich an Bedeutung verloren. Die CT-Myelographie gibt Informationen über den Effekt einer Weichteilmasse auf das Rückenmark und die Nervenwurzeln. Intramedulläre Läsionen können, falls sie keine Auftreibung des Myelons bewirken, dem Nachweis entgehen. Extramedulläre Tumore zeigen einen Füllungsdefekt, möglicherweise sogar einen kompletten Kontrastmittelstopp. Die Schichtdicke sollte bei Einzeiler-CT-Geräten 2–3 mm nicht überschreiten. Die Dokumentation erfolgt im Weichteil (Fensterlage 40 HE, Breite 100–400 HE) sowie im Knochenfenster (Fensterlage 200–300 HE, Breite 2000–3500 HE). Wichtig ist eine genaue Höhenlokalisation: um dies zu ermöglichen ist ein aussagekräftiges Scanogramm notwendig. Alternativ kann ein Übergang (zervikothorakal oder thorakolumbal) im Untersuchungsbereich miterfasst werden. Die Leitlinien der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung in der CT können über die Homepage der Deutschen Röntgengesellschaft bezogen werden.
Magnetresonanztomographie Die MRT ist Methode der Wahl zur Abklärung eines intraduralen Tumors. Der Weichteilkontrast ist im Vergleich mit anderen Methoden allen überlegen. Im Gegensatz zur CT und Myelographie kann die MRT das Myelon in den 3 Raumrichtungen darstellen. Die MRT ist in der Lage, ein Ödem oder auch Veränderungen abzubilden, die noch nicht zur Auftreibung des Myelons geführt haben. Es werden sagittale und axiale T1- und T2gewichtete Spinecho-Sequenzen angefertigt. Eine MyelographieSequenz kann ebenfalls angefertigt werden. Eine Sequenz mit Fettsuppression kann zur Differenzierung fetthaltiger Tumore beitragen. Eine Kontrastmittelgabe ist immer erforderlich zur Detektion, Charakterisierung und Einschätzung des Gradings eines Tumors. Die Sensitivität und Spezifität wird durch eine Kontrastmittelgabe deutlich verbessert. Insbesondere kleine Tu-
more können erst durch eine Kontrastmittelgabe sichtbar werden. Extramedulläre Tumore reichern Kontrastmittel durch die Vaskularisierung, intramedulläre Tumore durch eine Störung der Blut-Myelon-Schranke an. Bei intramedullären Tumoren kann die Tumorausdehnung, die Abgrenzbarkeit gegen Zysten oder nicht Kontrastmittel affinen Tumoranteilen verbessert werden. Ein besonderes Problem stellen Artefakte dar. Flussartefakte durch Liquorfluss in Phasen-Kodier-Richtung kann die Visualisierung von Strukturen erschweren. Es können aber auch Erkrankungen vorgetäuscht werden, falls Liquorflussartefakte mit Flow-Voids durch pathologische Gefäße verwechselt werden. Es sollten daher flusskompensierte Sequenzen verwendet werden. Zur Vermeidung von Aliasing-Artefakten (»Wrap Around Artefact«), die typischerweise auf sagittalen Sequenzen in FrequenzKodier-Richtung auftreten, sollte ein ausreichendes Oversampling verwendet werden. Trunkationsartefakte entstehen an der Grenze zwischen Strukturen mit stark unterschiedlicher Signalintensität, wie in T2-gewichteten Bildern an der Oberfläche des Myelons zum liquorgefüllten Subarachnoidalraum. Es zeigen sich Artefaktbänder mit abwechselnd geringer und hoher Signalintensität. Dieses Artefakt kann durch eine höhere Matrix, also durch Steigerung der Phasen-Kodier-Schritte, minimiert werden. Die Schichtdicke sollte 3–4 mm nicht überschreiten. Die Auflösung sollte bei 1 mm liegen. Die genaue Höhenlokalisation muss bestimmbar sein. Die Leitlinien der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung in der MRT können über die Homepage der Deutschen Röntgengesellschaft bezogen werden.
10.5.2
Intramedulläre Tumoren
Allgemeines Definition Es kann zwischen primären und sekundären intramedullären Tumoren unterschieden werden. Bei den primären Tumoren überwiegen gliale Tumore mit ihren Differenzierungen in Ependymome, Astrozytome und, sehr selten, Oligodendrogliome, es sind also: 4 Ependymome 4 Astrozytome 4 Oligodendrogliome 4 Epidermoide, Dermoide 4 Lipome 4 Hämangioblastome Sekundäre Tumoren sind Metastasen des Myelons und verglichen mit intrazerebralen Metastasen extrem selten. Lungenkarzinome. Mammakarzinome und Melanome sind als häufigste primäre Tumoren zu nennen. Als Sonderform der Metastasierung sind die Meningeosis carcinomatosa sowie Abtropfmetastasen von intrakraniellen Tumoren (z. B. Medulloblastom) zu nennen.
Epidemiologie Intramedulläre Tumoren des Myelons machen etwa 6–10% der Tumoren des Zentralnervensystems im Kindesalter und ungefähr ein Drittel der spinalen Tumoren aus. Alle Altersgruppen sind annähernd gleich betroffen, aber am häufigsten treten die
303 10.5 · Spinale Tumoren
intramedullären Tumoren gegen Ende der 1. Lebensdekade und zu Beginn der 2. Lebensdekade auf. Jungen und Mädchen sind gleich häufig betroffen. Das Verhältnis von intrakraniellen zu intraspinalen Tumoren im Kindesalter variiert zwischen 10:1 und 20:1, verglichen mit 5:1 im Erwachsenenalter. In der pädiatrischen Altersgruppe machen Astrozytome etwa 60% und Ependymome etwa 30% der intraspinalen Tumoren aus. Im Erwachsenenalter ist diese Relation umgekehrt, hier sind über die Hälfte der intramedullären Tumoren Ependymome. Das myxopapilläre Ependymom, eine benigne Form des Ependymoms, das 40–50% der spinalen Ependymome im Erwachsenenalter ausmacht, ist bei Kindern recht selten. Es macht ungefähr 8–12% der spinalen Ependymome im Kindesalter aus. Auch andere intramedulläre Tumoren können im Kindesalter vorkommen. Hierzu zählen das Gangliozytom, das Gangliogliom, Germinome, primitive neuroektodermale Tumoren (PNET) und die Langerhans-Zellhistiozytose. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass Gangliogliome im Kindesalter häufiger auftreten und einige »Astrozytome« des Kindesalters eigentlich Gangliogliome sind. Maligne Astrozytome und Glioblastome des Myelons sind im Kindesalter häufiger als bei Erwachsenen anzutreffen.
Klinik Vor der Einführung der MRT kamen Patienten mit spinalen Tumoren erst Monate, z. T. Jahre nach Beginn der klinischen Symptome zur Behandlung. Inzwischen wird die Diagnose einer intraspinalen Raumforderung deutlich früher gestellt. Obwohl eine Parese das häufigste führende Symptom ist, zeigen 25–30% der Kinder Schmerzen als initiales Symptom. Die typischste und häufigste Form des Schmerzes, den ungefähr 70% der Patienten angeben, ist der spinale Schmerz. Dieser Schmerz wird als eher dumpf empfunden und ist in Höhe des Tumors lokalisiert. Die Ursache dieses Schmerzes ist unbekannt. Er resultiert wahrscheinlich aus der Schwellung des Myelons und damit aus einer Reizung der Dura. Der zweithäufigste Schmerztyp im Kindesalter ist ein Wurzelschmerz, der nicht von einem Schmerz unterschieden werden kann, der durch eine Kompression einer Nervenwurzel, also durch einen extramedullären Prozess verursacht wird. Einige Patienten berichten einen elektrisierenden Schmerz, der häufig als brennend empfunden wird und mit Parästhesien einhergeht. Dieses Brennen und die Parästhesien treten typischerweise kaudal des Tumors auf. Sie werden auf eine Infiltration der lateralen spinothalamischen Bahnen zurückgeführt. In den verschiedenen Altersgruppen zeigen die Patienten oft unterschiedliche Symptome. Kleinkinder und junge Kinder zeigen sehr häufig eine starke Schmerzhaftigkeit, motorische Beeinträchtigung, Rigidität und einen paraspinalen Muskelspasmus, während ältere Kinder häufiger eine progrediente Skoliose und eine Gangunsicherheit aufweisen. Eine Schwäche in den Extremitäten ist bei allen Patienten ein typisches Symptom, das auftritt. Bei zervikalen Tumoren kann neben einer Schwäche der oberen Extremitäten auch eine Schwäche der Beine auftreten. Ein sensibles Höhenniveau ist bei intramedullären Tumoren weniger häufig als bei extramedullären Tumoren festzustellen. Eine Beeinträchtigung der Blasen- und Mastdarmfunktion tritt meist erst im späteren Verlauf der Erkrankung auf.
Bei bis zu 15% der Patienten mit spinalen Tumoren treten Zeichen eines erhöhten intrakraniellen Drucks auf. Meist ist die Ursache ein erhöhter Proteingehalt des Liquors, der zu einer Liquorzirkulationsstörung führt.
Krankheitsverlauf und Prognose Ähnlich wie bei den intrazerebralen Tumoren hängt die Rezidivrate v. a. von der Möglichkeit der kompletten Resektion ab. Astrozytome sind in der Regel schwieriger komplett zu resezieren als Ependymome. Patienten mit einem Astrozytom weisen einen schlechteren postoperativen Verlauf und eine kürzere Überlebenszeit auf. Auch die Histologie des Tumors hat einen wesentlichen Einfluss auf die Überlebensrate. Die 10-Jahres-Überlebensrate für pilozytische Astrozytome des Myelons wird mit 81% angegeben, verglichen mit 15% für diffuse fibrilläre Astrozytome. Bei Ependymomen haben Tumoren mit einem hohen histologischen Grad (»High-grade-Tumoren«) mit einer Liquoraussaat ein sehr schlechtes klinisches Outcome. Intramedulläre Tumoren sind im Kindesalter häufiger weiter rostral lokalisiert als im Erwachsenenalter. Nahezu 50% der intramedullären Tumoren im Kindesalter sind zervikal oder zervikothorakal lokalisiert, verglichen mit 28% im Erwachsenenalter. Intramedulläre Tumoren im Kindesalter zeigen häufig eine Tumorausbreitung über wenige Wirbelkörpersegmente. Manchmal dehnt sich der Tumor durch tumorassoziierte Zysten rostral und kaudal weiter aus. Über solche tumorassoziierte Zysten wird in etwa 40% der spinalen Astrozytome und in etwa 80% der spinalen Ependymome berichtet.
Bildgebung Die MRT ist die Untersuchungsmethode der Wahl bei Verdacht auf einen intramedullären Tumor. In der MRT stellt sich der intramedulläre Tumor mit einer Auftreibung des Myelons und einer Signalanhebung in den T2-gewichteten Sequenzen dar. Nach i. v.Kontrastmittel-Applikation zeigt sich meist ein homogenes, teilweise auch ein heterogenes Enhancement bei fast allen spinalen Astrozytomen und Ependymomen und bei etwa 85% der spinalen Gangliogliome. Der Bezirk, in dem ein Kontrastmittel-Enhancement auftritt, entspricht den soliden Tumoranteilen. Dies hilft, Tumorgewebe von Zysten und Nekrosen zu unterscheiden. Bei Astrozytomen reicht der Tumor häufiger weiter nach kraniokaudal als das Kontrastmittel anreichernde Areal. Bei spinalen Ependymomen entspricht dieses Areal relativ genau der Tumorausbreitung. Bei 20–40% der Patienten sind kaudal und rostral des Tumors zystische Veränderungen nachweisbar. Bei Ependymomen sind in etwa 80% assoziierte Zysten nachweisbar. Diese Zysten werden durch eine Sekretion von Flüssigkeit durch den Tumor oder durch eine Störung des normalen Liquorflusses innerhalb des Myelons und des Subarachnoidalraums hervorgerufen. Wichtig sind axiale und sagittale T1- und T2-gewichtete Sequenzen sowie axiale und sagittale T1-gewichtete Sequenzen nach Kontrastmittelgabe, um die Tumorausdehnung genau lokalisieren zu können. Die Abgrenzung einer tumorassoziierten Syringomyelie von einer kongenitalen oder posttraumatischen Syringomyelie ist häufig schwierig, manchmal sogar unmöglich, wenn kein i. v.Kontrastmittel gegeben wird. Eine reaktive Astrogliose, die ein
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304
Kapitel 10 · Wirbelsäule
10 a
b
c
. Abb. 10.21a–c. Astrozytom. a In den T2-gewichteten sagittalen Sequenzen zeigt sich eine Auftreibung des Myelons, das ingesamt etwas inhomogen angehoben von Höhe HWK 5 bis Höhe BWK 5 zur Darstellung kommt. b In
den T1-gewichteten Sequenzen ist der Tumor ebenfalls inhomogen, hier mehr signalgemindert abgebildet. c Nach KM-Gabe kommt es zu keinem wesentlichen KM-Enhancement. Histologisch gesichertes Astrozytom
ähnliches Signalverhalten wie ein Tumor in T1- und T2-gewichteten Sequenzen zeigt, ist oft am kaudalen und rostralen Ende einer benignen Syrinx nachweisbar. Obwohl der Nachweis einer Anomalie des kraniozervikalen Übergangs, wie ein Tonsillentiefstand, eine Okzipitalisation des Atlas und eine Klippel-Feil-Anomalie, eher für eine nichtneoplastische Syrinx sprechen, können diese Anomalien auch bei spinalen Tumoren vorkommen. Bei Patienten mit einer typischen Syringomyelie und einer Chiari I-Malformation als Ursache für eine Syrinx muss nicht unbedingt Kontrastmittel appliziert werden. Bestehen jedoch Zweifel an der Ursache der Syrinx, muss unbedingt Kontrastmittel gegeben werden. Kommt es zu einem Kontrastmittel-Enhancement innerhalb und in direkter Nachbarschaft der Syrinx, muss die Diagnose einer tumorassoziierten Zyste in Betracht gezogen werden. In seltenen Fällen kann auch eine Entzündung Ursache einer Kontrastmittel aufnehmenden Zyste sein. Finden sich ober- und unterhalb der Grenzen der intramedullären Raumforderung Areale mit einer T2-Zeit-Verkürzung, die Hinweise auf eine intramedulläre Hämorrhagie geben, ist an ein Ependymom zu denken. Ependymome sind üblicherweise besser abzugrenzen als Astrozytome bei Untersuchungen nach Kontrastmittelgabe. Eine präoperative Differenzierung dieser Tumoren ist jedoch meist nicht von klinischer Relevanz, da das operative Vorgehen dadurch nicht beeinflusst wird. Wichtiger ist es, die exakte Längsausdehnung des Tumors anzugeben.
Astrozytome Epidemiologie, Lokalisation Astrozytome treten bei Erwachsenen in aller Regel in der 3. und 4. Lebensdekade auf. Bei Kindern handelt es sich um den häufigsten Tumor des Rückenmarks überhaupt. Das mittlere Alter bei Diagnosestellung beträgt 21 Jahre. Beide Geschlechter sind gleich häufig betroffen. Die häufigste Lokalisation ist das zervikale Rückenmark (. Abb. 10.21), gefolgt vom thorakalen Mark. Es sind üblicherweise mehrere Segmente betroffen. Im Filum terminale sind Astrozytome eine Rarität. In seltenen Fällen können Astrozytome auch exophytisch extramedullär vorkommen. Die Mehrzahl dieser Läsionen sind niedrigmaligne Astrozytome (WHO I–II). Bei Kindern sind 85–90% als niedrigmaligne anzusehen. Als Glioblastom treten nur 1,5% aller Astrozytome in Erscheinung (. Abb. 10.22).
Klinik Klinische Beschwerden sind nicht charakteristisch, die Diagnose wird daher oft verspätet gestellt. Geklagt wird typischerweise über lokale Schmerzen. Neurologische Ausfallserscheinungen entwickeln sich schneller als bei Ependymomen.
Bildgebung Die Läsionen sind nur schlecht abgrenzbar und treiben das Rückenmark auf. Zysten sind bei etwa 30% der Tumoren erkennbar,
305 10.5 · Spinale Tumoren
a
b
c
. Abb. 10.22a–c. Glioblastom. a Bei diesem 17-jährigen Patienten mit zunehmender Tetraparese zeigt sich eine Auftreibung und in den T2-gewichteten sagittalen Sequenzen eine Signalanhebung des Myelons an der Foramen magnum-Eingangsebene bis in Höhe BWK 3. Gleichzeitig finden
sich auch hypointense Areale, am ehesten Einblutungen entsprechend. b In den T1-gewichteten sagittalen Sequenzen vor KM-Gabe hypointens, c nach KM-Gabe inhomogenes fleckiges, z. T. konfluierendes Enhancement
eine Syrinx kann ebenfalls auftreten. Kalzifikationen und Einblutungen sind selten. Im Übersichtsbild zeigt sich manchmal eine Skoliose, gelegentlich eine Aufweitung des Spinalkanals, unauffällige Befunde sind jedoch die Regel. Im T2-gew. Bild sind die Tumoren hyperintens, im T1-gew. Bild hypo- bis isointens. Obwohl diese Läsionen fast alle niedriggradige Astrozytome sind, nehmen sie fast alle Kontrastmittel auf. Auch wenn die Tumorränder irregulär und nur selten klar erkennbar sind, kann nach Kontrastmittelgabe der Tumor besser von Ödem, Zysten und einer Syrinx abgegrenzt werden. Tumorzysten nehmen üblicherweise randständig Kontrastmittel auf, während eine Syrinx ohne Enhancement zur Darstellung kommt.
gisch fast ausschließlich um myxopapilläre Ependymome. Diese Entität betrifft häufig junge Männer.
Ependymome Epidemiologie Ependymome sind die häufigsten intramedullären Tumoren des Erwachsenenalters (. Abb. 10.23). Die Läsionen treten üblicherweise in der 4.–5. Lebensdekade auf, das mittlere Alter bei Erstdiagnose ist etwa 40 Jahre. Frauen sind etwas häufiger betroffen.
Pathogenese Es handelt sich um langsam wachsende Tumoren. Sie nehmen ihren Ursprung von Ependymzellen, die den Zentralkanal auskleiden. Diese Tumoren können intramedullär im Bereich des zervikalen Rückenmarks (häufigste Lokalisation) und im Conus, aber selten auch extramedullär im Bereich des Filum terminale gefunden werden. In dieser Lokalisation handelt es sich histolo-
Klinik Klinische Symptome sind unspezifisch, möglicherweise treten lokal Schmerzen auf. Neurologische Symptome mit Ausfallserscheinungen treten oftmals erst in fortgeschrittenen Stadien auf. Als Ausfallserscheinungen sind sensible Störungen in aller Regel vor motorischen Ausfällen zu beobachten.
Bildgebung Die Tumoren sind gut umschrieben und neigen zur Ausbildung von Zysten und Einblutungen, besonders im Tumorrandbereich. Hier können dann im T2-gew. Bild hypointense Kappen (»cap sign«) dargestellt werden, die Hämosiderinablagerungen entsprechen. Auch eine subarachnoidale Blutung kann verursacht werden. In etwa 45% der Fälle tritt eine Syrinx auf. Die Tumoren sind hyperintens im T2-gew. Bild, im T1gew. Bild in aller Regel iso- bis hypointens. Myxopapilläre Ependymome des Filum terminale können im T1-gew. Bild aber auch leicht hyperintens zur Abbildung kommen. Ein inhomogenes Muster ist möglich. Das Rückenmark ist symmetrisch aufgetrieben, sodass eine Aufweitung des Spinalkanals mit Scalloping der Wirbelkörper resultieren kann. Der interpedunkuläre Abstand kann erweitert und die Bogenwurzeln können ausgedünnt sein. Nach Kontrastmittelgabe ist ein kräftiges Enhancement die Regel, in seltenen Fällen kann ein Enhancement jedoch fehlen.
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Kapitel 10 · Wirbelsäule
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c . Abb. 10.23a–e. Ependymom. a, b In den Röntgenübersichtsaufnahmen der LWS zeigt sich eine deutliche Verbreiterung des Spinalkanals mit Ausdünnung der Pedikel. In der Seitprojektion ist eine Pelottierung der Hinterkante der Wirbelkörper zu erkennen. c In den T1w-Sequenzen stellt sich der Spinalkanal bis nach sakral tumorausgefüllt dar. d Insbesondere in den T1w-Sequenzen nach KM-Gabe sowie in den T2w-Sequenzen (e) ist das gesamte Ausmaß des Tumors bis in Höhe Th 12 reichend zu erkennen. Histologisch gesichertes Ependymom
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sind. Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen, das Manifestationsalter liegt in der 4. Lebensdekade. Die Mehrheit dieser Tumoren treten im Kleinhirn auf, nur selten ist das Myelon betroffen. In etwa 80% der Fälle handelt es sich um singuläre Tumoren, in 20% der Fälle kommen multiple Tumorknoten zur Darstellung. Das thorakale Mark ist in 50% der Fälle betroffen, gefolgt vom zervikalen Mark (. Abb. 10.24). Etwa 60% der Tumoren sind intramedullär, der Rest ist intradural extramedullär oder rein extradural lokalisiert. Etwa 40% der Tumoren ist mit Zysten vergesellschaftet.
Klinik d
e
Klinisch zeigen sich lokal Schmerzen und sensible und motorische Ausfallserscheinungen.
Bildgebung Differenzialdiagnostisch kann ein Ependymom von einem Astrozytom nicht unterscheidbar sein. Selten können Ependymome intradural, aber extramedullär auftreten.
Hämangioblastome Epidemiologie, Lokalisation Diese Tumoren können sporadisch oder als Manifestation einer Von-Hippel-Lindau-Erkrankung auftreten. Es ist davon auszugehen, dass etwa 25 bis 30% aller Patienten mit einem Hämangioblastom an einer Von-Hippel-Lindau-Erkrankung erkrankt
Eine subarachnoidale Blutung kann ein erstes Symptom eines Hämangioblastoms sein. Eine Varikose perimedullärer Venen ist für Hämangioblastome charakteristisch. Im T2-gew. Bild zeigt sich möglicherweise eine Auftreibung des Myelons mit Signalsteigerung als Hinweis auf ein Ödem (. Abb. 10.24). Im T1-gew. Bild zeigt sich nach Kontrastmittelgabe eine kräftige homogene Affinität. Der Tumor kann dann gut vom im T1-gew. Bild hypointensen Ödem differenziert werden. Eine Angiographie ist hilfreich, da zuführende Gefäße, ein deutlicher Tumorblush und drainierende Venen erkennbar sind.
307 10.5 · Spinale Tumoren
a
b
c
. Abb. 10.24a–c. Hämangioblastom. a In den T1w-Sequenzen vor KMGabe regelrechte Darstellung des Myelons im Zervikalbereich und im kranio-zervikalen Übergang ohne wesentliche Auffälligkeiten. b Nach KMGabe zeigen sich in Höhe HWK 3 und in Höhe HWK 5 zwei noduläre Knöt-
chen am hinteren Abschnitt des Myelons. c In den T2w-Sequenzen ist das Myelon in Höhe dieser Knötchen leicht hyperintens, einem Ödem entsprechend. Histologisch gesichertes Hämangioblastom
Lipome Definition
Klinik, Bildgebung
Es können 3 Typen spinaler Lipome unterschieden werden: 4 Intramedulläre Lipome 4 Lipomyelomeningozelen 4 Lipome des Filum terminale
Lokalisation, Klinik Rein intramedulläre Lipome sind selten, häufiger werden Lipomyelomeningozelen, als dysraphische Störung, und Lipome des Filum terminale (. Abb. 10.25) entdeckt. Diese beiden Entitäten können zu einem Tethered Cord führen und sensomotorische Störungen verursachen. Rein intramedullär gelegene Lipome können Symptome wie einen lokalen Schmerz oder sensomotorische Ausfälle verursachen.
Bildgebung Die Diagnostik stellt in aller Regel kein Problem dar, im T1- und T2-gewichteten Bild sind die Läsionen hyperintens, nach Kontrastmittel-Applikation zeigt sich kein relevantes Enhancement. In fettgesättigten Sequenzen zeigt sich dann ein stark hypointenses Signal. In seltenen Fällen findet sich eine Lipomatose mit ausgedehnten lipomatösen Veränderungen im gesamten Spinalkanal, evtl. mit Raumforderung auf das Myelon, sowie multiplen Lipomen intrakraniell (. Abb. 10.26).
Die Symptome sind ähnlich wie bei anderen intramedullären Tumoren. Epidermoide können ein langsames Wachstum zeigen. Epidermoide und Dermoide können in der MRT einfach unterschieden werden, da Dermoide im Gegensatz zu Epidermoiden Fett enthalten. Epidermoide können kongenital oder erworben (z. B. nach Lumbalpunktion) auftreten. Kongenitale Epidermoide zeigen oftmals epidermale Defekte mit Halbwirbeln oder einer Spina bifida. Bei erworbenen Läsionen fehlen diese Veränderungen. Das Signalverhalten in der MRT ist typischerweise iso- oder leicht hyperintens im Vergleich mit dem Signal des Liquors in sämtlichen Sequenzen. Eine Kontrastmittel-Affinität besteht nicht (. Abb. 10.27). Dermoide sind je zur Hälfte intra- und extramedullär gelegen. Die lumbale Wirbelsäule ist die häufigste Lokalisation. Das Signalverhalten in T1- und T2-gewichteten Bildern ist variabel, jedoch enthalten sie praktisch immer Fett.
Metastasen Epidemiologie Verglichen mit intrazerebralen Metastasen sind intramedulläre Metastasen sehr selten. Die Häufigkeit einer intramedullären Metastasierung wird in der Literatur bei an Karzinomen erkrankten Patienten mit etwa 0,9% angegeben. Der häufigste Primarius ist das Lungenkarzinom, gefolgt vom Mammakarzinom und Melanom.
Epidermoide und Dermoide Epidemiologie, Lokalisation
Klinik
Auch diese Entitäten stellen eine Rarität dar. Die meisten Epidermoide liegen intradural, aber extramedullär.
Die Symptome können verwirrend sein. Schmerz wird am häufigsten beklagt. Auch radikuläre Schmerzen können auftreten.
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Kapitel 10 · Wirbelsäule
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b . Abb. 10.25a–c. Typisches Lipom des Filum terminale. a In der sagittalen T1w-Sequenz stellt sich ventral der Kaudafasern gelegen in Höhe LWK 2 eine im Vergleich zum hypointensen Liquor deutlich hyperintense Struktur dar. b Im axialen T1w-Bild zeigt sich im Lipom eine hypointense punktförmige Struktur, die dem Filum entsprechen dürfte. c In der sagittalen fettsupprimierten T2w-Sequenz (STIR) zeigt sich die Struktur hypointens, einem Lipom entsprechend
c . Abb. 10.26a–c. Lipomatose. a In den sagittalen T2w-Sequenzen zeigt sich eine massive Aufweitung des Spinalkanals, der nahezu komplett vom Lipom ausgefüllt ist. b, c In den sagittalen und axialen T1w-Aufnahmen sind die Fettmassen im Spinalkanal als hyperintense Raumforderung zu erkennen
Lähmungen mit Inkontinenz können ebenfalls auftreten. Im Gegensatz zu den anderen bisher beschriebenen Tumoren ist die Entwicklung dieser Symptome oft dramatisch schnell. Die häufigste Lokalisation ist das thorakale Mark.
mittel, da Metastasen praktisch immer eine Kontrastmittel-Affinität zeigen (. Abb. 10.28). Die wichtigste Differenzialdiagnose ist das Hämangioblastom.
Bildgebung
10.5.3
Übersichtsaufnahmen sind in aller Regel unauffällig, es sei denn, dass auch Wirbelkörpermetastasen festgestellt werden können. In der MRT kann sich eine Aufweitung des Myelons zeigen. In T1-gewichteten Bildern ist das Myelon hypointens, im T2-Bild zeigt sich ein Ödem als hyperintense Zone. Das Ödem ist oft auch bei kleinen Tumoren massiv ausgeprägt. Der Tumor selbst kann mit einem gemischten Signal erkennbar sein. Metastasen sind nur sehr selten von Zysten oder einer Syrinx begleitet. Einblutungen sind möglich. Entscheidend ist die Gabe von Kontrast-
Die überwiegende Mehrheit intraduraler Tumore ist extramedullär gelegen (. Abb. 10.29). Sie entsprechen etwa 30% aller spinalen Tumoren. Die überwiegende Mehrheit entspricht Meningeomen, Tumoren der Nervenhüllen (Schwannome, Neurofibrome) sowie Metastasen. Als »Raumforderung« sind zudem zystische Läsionen (Arachnoidalzysten, Neurenterische Zysten) als Differenzialdiagnose zu erwähnen. Einen Überblick über die Entitäten gibt die Übersicht.
Intradurale extramedulläre Tumoren
309 10.5 · Spinale Tumoren
Myelons. Bei kleinen extraaxialen Raumforderungen sind der Subarachnoidalraum und das Myelon oft noch abgrenzbar. Bei einer entsprechenden Ausdehnung der extraaxialen Raumforderung kommt es zunächst zu einem kompletten Aufbruch des Subarachnoidalraums und erst dann zu einer Verlagerung und Kompression des Myelons. Insbesondere in koronaren und axialen Schichtführungen kann die Verlagerung des Myelons nachgewiesen werden. Wie auch bei Tumoren im Gehirn sollten diese MR-Untersuchungen mit Kontrastmittel durchgeführt werden.
Tumoren der Nervenhüllen Epidemiologie, Lokalisation
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Tumoren der Nervenhüllen stellen die häufigste Tumorentität in dieser Lokalisation mit etwa 30% aller Fälle dar. Es können Neurofibrome von Neurinomen unterschieden werden. Neurinome sind in aller Regel solitäre Tumoren und nicht notwendigerweise mit einer Neurofibromatose vergesellschaftet. Dies verhält sich bei Neurofibromen anders, es treten gleichzeitig multiple Tumoren auf und ein derartiger Befund ist in aller Regel mit einer Neurofibromatose verbunden (7 Kap. 9). Die Tumoren treten in den mittleren Lebensdekaden auf, Frauen sind bei Neurinomen (. Abb. 10.30) leicht überrepräsentiert. Beide Entitäten sind in etwa 60% intradural extramedullär, intra- und extradural in 15%, rein extradural in 25% der Fälle und extrem selten intramedullär lokalisiert.
Klinik, Krankheitsverlauf Die häufigsten klinischen Beschwerden sind Schmerzen und radikuläre Symptome. In etwa 1–12% der Fälle können diese benignen Tumoren maligne transformieren. Dieser Prozess kann Jahre dauern. Diese Tumoren werden dann als malignes Neurinom/Schwannom und Neurofibrosarkom bezeichnet. Die Prognose dieser Tumore ist schlecht, bei Vorliegen einer Neurofibromatose tritt eine Malignisierung bereits in jüngeren Lebensjahren auf.
c
Bildgebung d . Abb. 10.27a–d. Epidermoid im Konusbereich. a, b T1w-Sequenz vor und nach KM-Gabe. Nativ (a) zeigt sich ein gemischtes, zum Liquor im Wesentlichen isointenses Signal. Nach KM-Gabe (b) kein Enhancement. c, d Im axialen und sagittalen T2w-Bild ebenfalls leicht irreguläres, aber im Wesentlichen zum Liquor isointenses Signal
Intradurale extramedulläre Tumoren 4 4 4 4 4
Tumoren der Nervenhüllen Meningeome Lipome Epidermoide, Dermoide Metastasen von ZNS oder anderen Tumoren
Bildgebung. Extramedulläre Raumforderungen sind normalerweise relativ scharf begrenzt und führen zu einer Verlagerung des
Übersichtsaufnahmen zeigen oftmals eine Aufweitung eines (Neurinom) oder mehrerer (Neurofibrom) Neuroforamina. Ein »Scalloping« der Wirbelkörper kann ebenfalls auftreten. Die Tumoren sind scharf begrenzt und lobuliert. Bei Wachstum durch ein Neuroforamen kann sich die typische Sanduhrform zeigen. Beide Entitäten neigen dazu, im nativen T1-gew. Bild ein zum Muskel leicht hyperintenses Signal zu zeigen. In T2gew. Bildern zeigt sich ebenfalls eine Signalsteigerung oder ein gemischtes Signal. Nach Kontrastmittelgabe zeigen beide Entitäten ein kräftiges Enhancement. Kleine Nekroseareale können sich demarkieren. Die MRT kann sehr anschaulich die intraspinalen Tumoranteile darstellen, die das Myelon verlagern und/oder komprimieren. Malignisierte Tumoren sind oftmals unschärfer und irregulär begrenzt mit Infiltration der umgebenden Strukturen, während benigne Tumoren scharfe Grenzen zeigen. Wichtige Differenzialdiagnosen sind Meningeome (. Abb. 10.31, s. unten) sowie Ependymome des Filum terminale, die von einem Neurinom nicht unterscheidbar sein können.
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310
Kapitel 10 · Wirbelsäule
a
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. Abb. 10.28a–c. Metastase. a Native T1-Wichtung: keine Auffälligkeit. b Nach KM-Gabe zeigt sich intramedullär eine ovaläre Struktur, die zentral
c wohl eine Nekrose aufweist. c T2-Wichtung, sagittal: der Tumor zeigt sich hypointens mit deutlichem Ödem nach kranial und kaudal
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Meningeome Epidemiologie, Lokalisation Meningeome sind nach den Tumoren der Nervenhüllen die zweithäufigste Entität. Spinale Meningeome sind Tumoren der 5. und 6. Lebensdekade, Frauen sind überrepräsentiert. 80% der Tumoren treten thorakal auf, 17% zervikal und nur wenige Tumoren sind lumbal lokalisiert. Die Mehrheit der Tumoren ist rein intradural
d
. Abb. 10.29a–d. Metastasen extramedullär. a, b In den T1w-Sequenzen nach KM-Gabe zeigt sich ein fleckiges, inhomogenes Signalmuster der gesamten Wirbelkörper. Hierbei handelt es sich um eine diffuse Metastasierung. Weiterhin zeigen sich mehrere epidural gelegene knotige KM-aufnehmende Raumforderungen thorakal. c In den axialen T1w-Sequenzen nach KM-Gabe zeigen sich die knotigen Raumforderungen links intradural, die zu einer Verlagerung und Kompression des Myelons führt. d In den T2w-Sequenzen stellt sich die extramedulläre, intradural gelegene Raumforderung hypointens dar
lokalisiert, aber eine extra- und intradurale Manifestation kann gefunden werden. Das Myelon wird nicht infiltriert, aber verlagert und komprimiert. Eine maligne Entartung ist extrem selten.
Klinik Das häufigste Symptom sind Schmerzen, Paresen bis zu einem Querschnittsyndrom.
311 10.5 · Spinale Tumoren
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. Abb. 10.30a–g. Zervikales Neurinom. a In den HWS-Übersichtsaufnahmen zeigt sich eine Aufweitung des Neuroforamens zwischen HWK 3 und 4. b, c In den T2w sagittalen Aufnahmen zeigt sich eine hyperintense Struktur intramedullär mit Auftreibung des Myelons. d In den T1w-Sequenzen stellt sich der Tumor leicht KM-aufnehmend dar. e, f In den axialen fettunterdrückten T2w-Sequenzen deutliche Ausbreitung des Tumors links im Neuroforamen mit Aufweitung des knöchernen Kanals. g In den axialen T1w-Aufnahmen nimmt der Tumor nahezu leicht Kontrastmittel auf
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Kapitel 10 · Wirbelsäule
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. Abb. 10.31a–c. Spinales Meningeom. a, b Als Ursache einer langsam beginnenden Paraparese zeigt sich ein intraduraler extramedullärer Tumor, der in den T1w-Bildern nach KM-Gabe ein deutliches Enhancement aufweist (b). c Im T2w-Bild zeigt sich der Tumor scharf berandet und leicht hypoin-
tens. Ein Ödem des Myelons ist nicht sicher erkennbar. Der Befund ist typisch für ein Meningeom. Differenzialdiagnostisch kann der Befund von einer Metastase nicht unterscheidbar sein
Bildgebung
Klinik, Verlauf
Übersichtsaufnahmen können ossäre Veränderungen wie Erosionen der Pedikel oder eine Aufweitung des Spinalkanals zeigen. Auf T1-gewichteten Sequenzen zeigt sich in der Regel ein iso- bis hypointenses Signal im Myelon. Die Tumoren sind scharf umschrieben und infiltrieren die umgebenden Strukturen nicht. Nach Kontrastmittelgabe zeigt sich ein kräftiges homogenes Enhancement (. Abb. 10.31). Verkalkte Areale können vorhanden sein. In T2-gewichteten Bildern zeigt sich ein zum Myelon iso-bis hyperintenses Signal. Die wichtigste Differenzialdiagnose stellen Tumoren der Nervenhüllen dar. Meningeome sind eher posterolateral, Neurinome und Fibrome eher anterolateral und in den Neuroforamina lokalisiert. Im Bereich der HWS sind Meningeome jedoch auch eher ventral lokalisiert. Neurofibrome treten synchron multipel auf, Meningeome sind solitäre Läsionen. Wie auch intrakraniell können Meningeome spinal ebenfalls ein »dural tail sign« zeigen.
Symptome sind oft unspezifisch. Ein Kaudaequina-Syndrom, eine Paraparese oder Schmerzen können auftreten. Eine Zytologie des Liquors zeigt in bis zu 75% der Fälle maligne Zellen. Die Prognose ist schlecht, etwa 80% der Patienten versterben innerhalb von 4 Monaten nach Diagnosestellung.
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Bildgebung Übersichtsaufnahmen können unauffällig sein oder Knochenmetastasen zeigen. Die diagnostische Methode der Wahl ist die MRT. Das Erscheinungsbild ist sehr variabel. Das native T1-Bild kann unauffällig sein. Nach Kontrastmittelgabe zeigen sich dann die multiplen KM-affinen Knötchen. Der Tumor kann auch zuckergussartig das Myelon und die Nervenwurzeln umfassen (. Abb. 10.32). Ein komplettes Ausfüllen des Duraschlauchs mit Tumor ist ebenfalls möglich. Bei Kindern sind es v. a. Medulloblastome und PNETs, die zu einer Metastasierung führen. In seltenen Fällen kommt es auch bei »benignen« Tumoren wie pilozytischen Astrozytomen zu einer Metastasierung.
Metastasen Lokalisation Metastasen im spinalen Subarachnoidalraum können als Abtropfmetastasen bei ZNS-Tumoren oder als Metastasierung anderer Karzinomerkrankungen auftreten. Medulloblastome, Ependymome und Glioblastome sind die häufigsten ZNS-Tumoren, die eine spinale Metastasierung verursachen. Bei den Tumoren außerhalb des ZNS sind die Lunge, Mamma, Melanome sowie Lymphome die häufigsten Ursachen. Die lumbosakrale Wirbelsäule ist die häufigste Lokalisation. Multiple Läsionen sind die Regel. Es kann sich eine tapetenartige Auskleidung des Subarachnoidalraums zeigen oder es finden sich multiple kleine Knötchen, die auch an den Kaudafasern lokalisiert sein können.
10.5.4
Differenzialdiagnosen
Im Folgenden sollen 4 wichtige Differenzialdiagnosen vorgestellt werden, die in ihrer Bildgebung einen intraspinalen Tumor imitieren können.
Kavernome Lokalisation, Epidemiologie Kavernome, als vaskuläre Fehlbildungen, stellen eine wichtige Differenzialdiagnose dar, und werden mit Einführung der MRT zunehmend häufiger entdeckt (7 Kap. 10.4). Kavernome sind eigentlich keine Tumoren, sondern mit Endothel ausgekleidete vas-
313 10.5 · Spinale Tumoren
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. Abb. 10.32a–d. Leptomeningeale Metastasierung. a In den T1w-Sequenzen vor KM-Gabe zeigt sich keine wesentliche pathologische Signalveränderung, nach KM-Gabe (b) kommt es zu einer KM-Aufnahme entlang des Myelons und entlang der Kaudafasern. c In den axialen T1w-Sequenzen
zeigt sich dann, dass die KM-Aufnahme dem Myelon aufgelagert erscheint. Hierbei handelt es sich um eine leptomeningeale Metastasierung. d In den sagittalen T2w-Sequenzen findet sich eine deutliche, v. a. intramedulläre Signalsteigerung des Myelons
kuläre Räume ohne einen eindeutigen arteriellen Zufluss (Feeder) oder eine venöse Drainage. Die genaue Inzidenz ist nicht sicher bekannt, mit Einführung der MRT werden diese Läsionen jedoch häufiger entdeckt. Sie sind typischerweise intramedullär und kommen in allen Abschnitten des Rückenmarks gleich häufig vor (. Abb. 10.18). Während bei intrakraniellen Kavernomen Männer und Frauen gleich häufig betroffen sind, überwiegen bei spinalen Kavernomen Frauen deutlich. Wenn auch als Rarität, so können diese Läsionen sowohl intrakraniell als auch im Myelon de novo nach Bestrahlung oder Trauma entstehen.
Gegensatz zu intrakraniellen Kavernomen jedoch eher selten. In etwa 10% der Fälle nehmen Kavernome Kontrastmittel auf.
Multiple Sklerose Epidemiologie, Klinik
Klinisch treten sensomotorische Ausfälle auf, diese können diskret sein und auch eine Rückbildung zeigen. Eine akute Verschlechterung bis hin zur Para- oder Tetraparese tritt typischerweise bei akuten Einblutungen auf.
Eine Beteiligung des Myelons im Rahmen einer entzündlichen ZNS-Erkrankung ist keine Seltenheit. In etwa 5–24% aller MSFälle kann eine Beteiligung des Myelons auftreten. Die typischen Beschwerden einer Myelopathie werden angegeben mit sensomotorischen Ausfällen, die nicht radikulär erscheinen. Das typische Erkrankungsalter einer MS liegt etwa zwischen 20 und 40 Jahren, Frauen sind etwas häufiger betroffen. In aller Regel dürfte eine MS bereits bekannt sein, wenn ein Herd im Myelon gefunden wird, da nur in seltensten Fällen das Myelon zuerst befallen wird. Daher ist die Einordnung eines Myelonherdes bei einem MS-Patienten in aller Regel kein Problem.
Bildgebung
Bildgebung
Es handelt sich um Läsionen mit einem Durchmesser von bis zu 1 cm, mehrere Segmente sind also im Gegensatz zu Ependymomen oder Astrozytomen nicht betroffen. Die Befunde in der MRT sind sehr charakteristisch und erlauben in aller Regel eine spezifische Diagnose. In T2-gewichteten Bildern zeigt sich ein hypointenser Randsaum, der Eisenablagerungen nach Blutungen entspricht (. Abb. 10.18). Zentral kann das Signal in T1- und T2-gewichteten Bildern gemischt sein. Ein perifokales Ödem, eine Gliose oder eine Syrinx können auftreten. Es können, wie intrakraniell, multiple Läsionen auftreten. Verkalkungen sind im
Die Kombination von intrazerebralen und Läsionen des Myelons macht die Diagnose einer MS wahrscheinlicher, sodass die spinale MRT bei MS-Patienten einen wichtigen Stellenwert besitzt. Die Läsionen können im gesamten Myelon auftreten, jedoch ist das zervikale Myelon in 60% der Fälle betroffen (. Abb. 10.33). Sind jedoch Symptome einer Myelopathie festzustellen, ist die spinale MRT Methode der Wahl zur Abklärung. In T1-gewichteten Sequenzen zeigen sich die Läsionen iso- bis leicht hypointens. Nach Kontrastmittelgabe kann ein Enhancement erkennbar sein. Das Myelon ist in bis zu 14% der Fälle leicht aufgetrieben, der Durchmesser kann jedoch
Klinik, Diagnose
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Kapitel 10 · Wirbelsäule
umfassen. Die Erkrankung kann jedoch auch bei jungen Patienten auftreten. Dissektionen der Aorta zeigen in 2% der Fälle eine spinale Mitbeteiligung und Ausbildung eines Infarkts. Die Operation eines Aortenaneurysmas ist ebenfalls mit der Gefahr einer spinalen Ischämie verbunden.
Klinik, Diagnose Klinisch tritt die Symptomatik schlagartig ein. Beim A. spinalis anterior-Syndrom zeigt sich eine Paraparese bis hin zur Paraplegie. Schmerz und Temperaturempfindung unterhalb der Läsion sind ebenfalls gestört. Die Symptome können wechselhaft und auf einer Seite betont sein.
Bildgebung Die MRT ist die Methode der Wahl zur Abklärung einer spinalen Ischämie (. Abb. 10.14). Die meisten Infarkte treten im oberen thorakalen Myelon oder im thorakolumbalen Übergang auf. Es kann ein Segment betroffen sein, in aller Regel betrifft der Infarkt jedoch mehrere Höhen. T1-gewichtete Sequenzen zeigen im akuten Infarktstadium eine subtile Auftreibung des Myelons. Eine Kontrastmittel-Affinität ist im akuten Stadium nicht zu sehen. Im subakuten Stadium tritt, wie beim zerebralen Infarkt, eine Störung der Blut-Myelon-Schranke mit Kontrastmittel-Affinität auf. Im T2-gewichteten Bild zeigt sich eine Signalsteigerung. Im Verlauf entwickelt sich eine fokale Atrophie des Myelons.
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. Abb. 10.33a, b. Multiple Sklerose. Bei einer Patientin mit einer bekannten MS zeigte sich eine akut, neu aufgetretene Hinterstrangsymptomatik a Nach KM-Gabe demarkiert sich in Höhe HWK 2/3 dorsal eine KM-affine Läsion. Eine Auftreibung des Myelons besteht nicht. b Im T2w-Bild zeigt sich die Läsion hyperintens
auch unverändert bleiben. In T2-gewichteten Sequenzen zeigen sich die Läsionen hyperintens und unscharf. Die Läsionen können solitär, in etwa 50% der Fälle aber auch multiple auftreten. Typischerweise liegen die Läsionen dorsolateral, wobei anatomische Grenzen zwischen unterschiedlichen Trakten sowie grauer und weißer Substanz nicht respektiert werden. In Spätstadien kann eine Atrophie des Myelons erkennbar sein. Die Läsionen sind in ihrer Längenausdehnung in aller Regel nicht größer als 2 Wirbelkörperhöhen und nehmen nicht mehr als die Hälfte des Myelonquerschnitts ein.
Spinaler Infarkt Epidemiologie, Ätiologie Spinale Infarkte sind extrem selten, sie können jedoch in allen Altersgruppen, auch bei jungen Patienten, auftreten (7 Kap. 10.4). Die Perfusion des Myelons wird durch 3 longitudinal verlaufende Arterien sichergestellt: durch die in der Medianlinien ventral verlaufende A. spinalis anterior sowie zwei posterolaterale Arterien. Kollateralen sind nur begrenzt ausgebildet, sodass der Verschluss eines Gefäßes in einem Infarkt resultieren kann (. Abb. 10.14). Spontane Infarkte der A. spinalis anterior betreffen oftmals Patienten mit einer erheblichen Arteriosklerose. Andere Ursachen können eine Syphilis, Vaskulitis, fibrokartilaginäre Embolien, Diabetes mellitus oder hämatologische Erkrankungen
Zysten Zysten sollen nur kurz als Differenzialdiagnose genannt werden. Spinale Arachnoidalzysten sind insgesamt selten. Es handelt sich um intraspinale extramedulläre Zysten, die Flüssigkeit enthalten. Diese Zysten können das Myelon verlagern und komprimieren (. Abb. 10.34). In aller Regel liegen diese Zysten dorsal. Klinisch können dann Symptome einer Myelopathie auftreten. Bildgebung. In der MRT zeigt sich eine Raumforderung, die in allen Wichtungen das Signal von Liquor zeigen. Eine KM-Affinität besteht nicht. Die Membranen der Zyste müssen nicht erkennbar sein.
Allgemeines Ein differenzialdiagnostisches Problem kann die Abgrenzung intramedullärer Tumoren von nichtneoplastischen Raumforderungen sein. Ein Hauptproblem ist die Differenzierung eines Tumors von Demyelinisierungsherden. Bei einem akutem Schub einer Encephalitis disseminata (s. oben) oder einer ADEM können klinisch ähnliche Zeichen und Symptome auftreten wie bei einem intramedullären Tumor. Bei beiden Erkrankungen wird eine fokale Auftreibung mit einer T2-Zeitverlängerung im Myelon nachweisbar sein. Demyelinisierende Plaques können nach Kontrastmittelgabe eine Schrankenstörung aufweisen. Ein Demyelinisierungsherd kann von einem Tumor in der Regel anhand der Form und Größe der Läsion zum Zeitpunkt der Untersuchung differenziert werden. Tumoren des Myelons haben in der Regel eine ovaläre Form und besitzen häufig assoziierte Tumorzysten. Sie zeigen typi-
315 10.5 · Spinale Tumoren
> Kann die Diagnose nicht eindeutig geklärt werden, sollte eine Verlaufskontrolle vor und nach Kontrastmittelgabe innerhalb von 4–6 Wochen nach der initialen MR-Untersuchung durchgeführt werden. Der Tumor wird seine Größe in diesem Zeitraum meist nicht verändert haben, während ein Demyelinisierungsherd in der Regel kleiner wird und das Enhancement im Vergleich zur ersten Untersuchung ebenfalls eine Veränderung aufweist. Eine Zeitverzögerung von 4–6 Wochen wird das klinische Outcome eines Patienten mit einem Tumor normalerweise nicht beeinträchtigen, die Biopsie eines akuten Demyelinisierungsherdes kann aber zu einer bleibenden neurologischen Verschlechterung führen.
10.5.5
Extradurale extramedulläre Tumoren
Etwa zwei Drittel aller intraspinalen Tumoren sind extramedullär lokalisiert. Von diesen sind ungefähr 50% extradural und 10–15% intradural gelegen. a
b
Allgemeines Extradurale Tumoren machen ungefähr die Hälfte bis zwei Drittel aller spinalen Tumoren aus. Sie können unterteilt werden in: 4 Knochentumoren (benigne, intermediäre und maligne) 4 Tumoren des Epiduralraums 4 Extraspinale Tumoren, die in den Spinalraum vorwachsen
c . Abb. 10.34a–c. Arachnoidalzyste. Als Ursache einer Inkontinenz zeigte sich bei dieser Patientin eine arachnoidale Zyste in der unteren BWS. a Die T1-Wichtung zeigt die raumfordernde Läsion in typischer Lage dorsal mit Verlagerung des Myelons nach ventral. b In der sagittalen T2-Wichtung zeigt die Läsion ein homogenes hyperintenses Signal. Nach KM-Gabe kein Enhancement. c Im CT Knochenfenster zeigt sich die Zyste dorsal links gelegen mit Pelottierung und glattrandiger Arrosion des Knochens
scherweise eine erhebliche Auftreibung des Myelons im Querdurchmesser zum Zeitpunkt der Diagnosestellung. Die Tumoren werden in der Regel erst dann symptomatisch, wenn sie einen Größendurchmesser von >2 cm aufweisen. Demyelinisierungsherde haben üblicherweise eine eher flammenförmige Konfiguration und verursachen in der Regel keine ausgeprägte Auftreibung des Myelons. Assoziierte Zysten sind in der Regel nicht zu sehen. Bei Verdacht auf einen Demyelinisierungsherd ist es oft hilfreich, den Kopf zusätzlich zu untersuchen, um ggf. weitere Demyelinisierungsherde nachzuweisen. Sind auch intrazerebral Herde nachweisbar, fällt die Diagnosestellung leichter. Zusätzlich muss der Liquor cerebrospinalis auf entzündliche Veränderungen und pathologische Zellen untersucht werden.
Rückenschmerzen und Schwäche sowie Myelopathien und Radikulopathien, verursacht durch Kompression des Rückenmarks bzw. der Nervenwurzeln, sind die führenden Symptome. Bildgebung. Die Darstellung der extraduralen Tumoren erfor-
dert meist sowohl ein MRT als auch ein CT. Das MRT kann die extraduralen Weichteilanteile und Infiltrationen des Knochenmarks gut darstellen. Veränderungen im Myelon, z. B. verursacht durch Kompression im Sinne einer Myelopathie mit zentromedullärer Signalanhebung, können ebenfalls, v. a. auf den T2-gewichteten Aufnahmen, sehr gut im MRT dargestellt werden. Die CT kann osteolytische oder osteosklerotische Läsionen darstellen und das Ausmaß der knöchernen Beteiligung zeigen. Eine Szintigraphie ist oft hilfreich, um Metastasen nachzuweisen und Osteoidosteome zu charakterisieren.
Benigne Knochentumoren und tumorähnliche Veränderungen Hämangiom Definition, Histologie
Definition (WHO): »Beim Hämangiom handelt es sich um eine benigne Läsion, die aus neu gebildeten kapillären oder kavernösen Blutgefäßen besteht.« Histologisch wird zwischen kapillären und kavernösen Hämangiomen unterschieden. Die kapillären Hämangiome bestehen aus Lobuli von Kapillaren mit einigen größeren ernährten Gefäßen, die kavernösen aus vielen großen, dünnwandigen Räumen. Venöse Hämangiome, die aus überwiegend dickwan-
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Kapitel 10 · Wirbelsäule
digen kleinen Venen bestehen, sind sehr selten. Allgemein nimmt man heute an, dass es sich bei asymptomatischen Hämangiomen, die zufällig entdeckt werden, wahrscheinlich nur um Zonen von Teleangiektasien und weniger echten Gefäßneubildungen handelt, die keine echten Knochengeschwülste, wahrscheinlich nicht einmal Hamartome, darstellen. Dies gilt insbesondere für die häufig zu findenden Wirbelhämangiome, die oft als Zufallsbefund nachgewiesen werden. Sie sind meist im Wirbelkörper solitär und überwiegend in thorakalen und lumbalen Abschnitten nachweisbar, jedoch können multiple Wirbel betroffen sein. Klinik, Diagnose
Die meisten dieser Wirbelhämangiome verursachen keine Symptome und zeigen kein Größenwachstum. Es gibt jedoch aggressivere Varianten, die durch eine Expansion des involvierten Knochens charakterisiert sind und zu einer Fraktur des betroffenen Wirbelkörpers führen können. Diese Patienten zeigen gewöhnlich lokale Schmerzen sowie klinische Symptome durch die Kompression der entsprechenden Nervenwurzeln.
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Bildgebung
Auf Übersichtsaufnahmen zeigen Wirbelhämangiome eine typische narbige oder strähnige Struktur, manchmal auch die Anhangsgebilde betreffend. Die feinen Spongiosabälkchen sind verschwunden, und es treten strähnige Spongiosazüge in meist vertikaler Orientierung hervor. Dieses Röntgenbild erklärt sich entweder aus einer kompensatorischen Verstärkung der tragenden Trabekel bei druckbedingter Auflösung, v. a. der horizontal verlaufenden Bälkchen, oder aus restlichen nicht abgebauten Trabekeln als Summationsphänomen. Im Computertomogramm können die Hämangiome nach reichlicher Kontrastmittelgabe durchaus ein deutliches Kontrastmittel-Enhancement zeigen. Die CT-Untersuchung ist bei klinischer Beschwerdesymptomatik von Bedeutung, da sie den nach intraspinal reichenden Anteil darstellen kann. Ein einfaches Hämangiom stellt sich gewöhnlich im T1-gewichteten Bild signalintensiv dar, korrespondierend mit dem intratrabekulären starken Vakatfett, das im Computertomogramm negative Hounsfield-Einheiten hat. Im T2-gewichteten Bild ist das gewöhnliche Hämangiom gegenüber der Muskulatur ebenfalls hyperintens, bedingt durch langsam fließendes, relativ stagnierendes Blut innerhalb der Läsion. Fokale Abschnitte mit Signalinhomogenität können durchaus auch durch eine Blutung bedingt sein. Die angiographische Darstellung von Hämangiomen des Knochens kann sehr unterschiedlich sein. Stark vaskularisierte intraossäre Prozesse zeigen ein dementsprechend hypervaskularisiertes Bild, häufig mit Korkenziehergefäßen und Ausbildung von Gefäßseen. Manche Hämangiome sind jedoch angiographisch völlig stumm. Differenzialdiagnose
Das Röntgenbild eines Hämangiomwirbels ist in der Regel so typisch, dass differenzialdiagnostische Probleme selten auftreten. Dabei ist die nur selten auftretende umschriebene Osteoporose eines Wirbelkörpers zu nennen. Eine strähnige Spon-
giosastruktur wird auch beim Morbus Paget beobachtet. Die differenzialdiagnostische Abgrenzung lässt sich durch das beim Morbus Paget in der Regel vergrößerte Knochenvolumen und die kortikale Sklerose und Verdickung nachweisen. In der überwiegenden Zahl der Fälle greifen beim Morbus Paget die Veränderungen eher als beim Hämangiomwirbel auf die Bogenpartien über.
Osteoidosteom Definition, Epidemiologie, Lokalisation
Definition (WHO): »Beim Osteoidosteom handelt es sich um eine benigne osteoblastische Läsion, die durch ihre geringe Ausdehnung, in der Regel weniger als 1 cm, ihre gute Begrenzung und durch die in der Regel umgebende reaktive Knochenneubildung gekennzeichnet ist. Histologisch besteht der Tumor aus einem zellreichen, stark vaskularisierten Gewebe mit Osteoid und unreifen Knochen.« Nach den bisherigen Kenntnissen wird der Schmerz des Osteoidosteoms durch Reizung afferenter Nerven im Nidus durch erhöhten Gefäßdruck oder Ödem erklärt. Das Prädilektionsalter liegt in etwa 50% in der 2. Lebensdekade, je 20% entfallen auf die 1. und 3. Lebensdekade, die 4. Lebensdekade ist mit <10% beteiligt. Im Säuglings- und Kleinkindalter ist mit Osteoidosteomen kaum zu rechnen. Bei Männern werden Osteoidosteome fast doppelt so häufig wie bei Frauen angetroffen. In der Wirbelsäule kommen etwa 5% aller Osteoidosteome vor, wobei Brust- und Lendenwirbelsäule etwas häufiger als die Halswirbelsäule betroffen sind. Die Prädilektionsorte für Osteoidosteome an der Wirbelsäule sind die Wirbelbögen, die Bogenwurzeln und die Gelenk- und Querfortsätze. Das Osteoidosteom wächst in der Regel monoostotisch, unizentrisch. Bi- oder multizentrische, d. h. mit zwei oder mehreren benachbarten Nidi in einem Knochen wachsende Osteoidosteome und solche in verschiedenen Knochen sind sehr selten. Klinik
Typischerweise haben die Patienten einen starken Schmerz, der v. a. nachts auftritt. Von artdiagnostischer Bedeutung ist dabei auch, dass in 25–50% der Fälle charakteristische Ansprechen auf eine Salicylattherapie. Bildgebung
Der eigentliche Tumor besteht aus einer umschriebenen Osteolyse mit einem maximalen Durchmesser von 1–1,5 cm, auch Nidus genannt, in der überwiegenden Zahl umgeben von einer mehr oder weniger ausgeprägten reaktiven Sklerose. Wenn das von dem Tumor abgelegte Osteoid ossifiziert, dann findet sich in der Osteolyse eine solide oder gesprenkelte Dichtezunahme, teilweise in Ringform, die häufig zu der Fehlinterpretation eines Sequesters in eine Abszesshöhle führen kann. In der CT lässt sich der Nidus oft sehr gut darstellen. Ohne Nachweis des Nidus ist die Diagnose nicht eindeutig zu sichern. Bei der Szintigraphie stellt sich der Nidus innerhalb der durch die reaktive Sklerose bedingten Aktivitätsanreicherung als zusätzlich umschriebene, starke Anreicherungszone dar (Double Density Sign). Somit ist auch eine Abgrenzung gegenüber einer Osteomyelitis mit Abszess und Sequesterbildung möglich, denn der Abszess stellt sich
317 10.5 · Spinale Tumoren
in der Regel als weniger oder nicht speicherndes zentrales Areal in der Umgebungssklerose dar. Bei der Sequenzszintigraphie kann sich der Nidus infolge einer starken Durchblutung auch in der Frühphase deutlich demarkieren. Im Bereich der Anhangsgebilde der Wirbelsäule (Bogenwurzel-, Bogen- und Gelenkfortsatzbereich, seltener im Querfortsatz) kann der Nachweis durch die zumeist stärkere Knochen- und Weichteilüberlagerung im Summationsbild erschwert sein. Häufig weist nur eine begleitende Skoliose auf den Befund hin, wobei der Herd an der konkaven Seite der Skoliose zu suchen ist. Als weiteres Hinweiszeichen gilt die umgebende Sklerose. Nach anfänglichen positiven Berichten über die Nachweismöglichkeit eines Nidus mithilfe der MRT ist nun eine Ernüchterung eingetreten. Dies liegt z. T. daran, dass mit der MRT eine sehr subtile Darstellung des Ödems im benachbarten Knochenmark und in den Weichteilen einschließlich der Gelenkstrukturen möglich ist, das zu entsprechenden Fehlinterpretationen in Richtung eines Sarkoms oder eines entzündlichen Prozesses führen kann. Dementsprechend stellt die Computertomographie nach wie vor die Methode der Wahl bei der Darstellung des Nidus dar. Im MRT ist der Nidus hyperintens in den T2-gewichteten Sequenzen und zeigt ein deutliches Kontrastmittel-Enhancement in den T1-gewichteten Sequenzen.
benignen Osteoblastom in der Regel geringer als beim Osteoidosteom ausgebildet ist. > Klinische Unterscheidungskriterien zwischen Osteoidosteom und benignem Osteoblastom sind in der Schmerzsymptomatik zu suchen, die bei Osteoidosteomen wesentlich intensiver ist und sich in 25–50% der Fälle durch Salicylate gut beeinflussen lässt.
Ca. 26–30% aller Osteoblastome sind an der Wirbelsäule anzutreffen. Bei allen benignen Tumoren der Wirbelsäule hat das Osteoblastom einen Anteil von etwa 18%, bei allen Tumoren der Wirbelsäule von etwa 10%. Der größte Teil der Osteoblastome wird mit ca. 50% in der 2. Lebensdekade entdeckt. Es folgen die 3. Lebensdekade mit ca. 30% und die 1. Lebensdekade mit etwa 15%. Fast 90% aller Patienten sind <30 Jahre. Klinik
An der Wirbelsäule besteht die Symptomatik ähnlich wie an den Extremitäten aus mehr oder weniger lokalisierbaren Schmerzen, hinzu kommt eine schmerzhafte Skoliose. Die Symptomatik ist ähnlich der des Osteoidosteoms, der lokale Schmerz ist aber im Allgemeinen von wesentlich geringerer Intensität. Auch die Anamnesedauer ist kürzer als beim Osteoidosteom und beträgt im Mittel 6 Monate.
Differenzialdiagnose
Aus rein röntgenologischer Sicht kommen differenzialdiagnostisch all jene Prozesse infrage, die mit einer stärkeren reaktiven oder reparativen Sklerose oder mit einer Tumormatrixossifikation einhergehen. Dabei ist in erster Linie an eine subakute bis chronische Osteomyelitis zu denken, bei der aber die Umgebungssklerose nicht so gleichmäßig wie beim Osteoidosteom ist, und bei der sich der Knochenabszess selten so glatt wie der Nidus abgrenzen lässt. Zumeist haben Patienten mit einer Osteomyelitis auch eine entsprechende klinische Allgemeinsymptomatik. Ermüdungsfrakturen (stress fractures) vermögen zuweilen eine dem Osteoidosteom ähnliche reaktiv-reparative Sklerose zu verursachen. Bei Sitz des Osteoidosteoms in der Wirbelsäule ist weniger an die chronische Osteomyelitis als an ein Ewing-Sarkom und Osteosarkom zu denken, die im Wirbelsäulenbereich deutliche Sklerosen hervorrufen können. Die fibröse Dysplasie an der Wirbelsäule ist in der Regel schmerzlos, röntgenologisch kann sie zu ähnlichen Auftreibungen wie das Osteoidosteom führen, wenngleich die reaktive Umgebungssklerose zumeist wesentlich spärlicher ausfällt. > Osteoidosteome sind die häufigste Ursache einer schmerzhaften Skoliose bei älteren Kindern und Jugendlichen.
Benignes Osteoblastom Definition, Lokalisation, Epidemiologie
Beim benignen Osteoblastom (. Abb. 10.35) handelt es sich um den größeren Vertreter des Osteoidosteoms. Von einem Osteoblastom ist immer dann zu sprechen, wenn der Nidus >2 cm ist. Radiologisches Unterscheidungskriterium ist die über die Nidusgröße hinausgehende, reaktive Knochenneubildung, die beim
Bildgebung
Die Tumorausdehnung ist in der Regel meist scharf begrenzt, in knapp 20% der Fälle ist jedoch eine unscharfe Tumorgrenze nachweisbar. Die Auftreibung des Knochens ist beim Osteoblastom ein wichtiges Röntgensymptom (. Abb. 10.35). An der Wirbelsäule dominiert beim Osteoblastom in der Regel eine scharf begrenzte Osteolyse mit Auftreibung des befallenen Knochenabschnitts. Die Läsion ist in weniger als der Hälfte von einem Sklerosesaum umgeben. In dynamischen CT-Untersuchungen kann sich nach Kontrastmittelgabe ein massives Enhancement finden, das als ziemlich charakteristisch für das Osteoblastom betrachtet werden kann. Die radiologische Darstellungsmethode der Wahl ist nach Übersichtsaufnahmen die CT, denn es gilt, die evtl. Matrixossifikation und die verkalkte Periostschale darzustellen, die typisch für das Osteoblastom sind. Die MRT liefert eher unspezifische Befunde, die sich von denen bei anderen Tumorentitäten nicht unterscheiden. In der 3 Phasen-Szintigraphie ergeben sich ähnliche Bilder wie beim Osteoidosteom, Angiogramme zeigen in der Regel einen hochvaskularisierten Tumor.
Aneurysmatische Knochenzyste Definition, Lokalisation, Epidemiologie
Definition (WHO): »Es handelt sich um eine osteolytische Läsion, die aus blutgefüllten Hohlräumen unterschiedlicher Größe besteht, die durch Bindegewebesepten unterteilt werden, welche Bälkchen aus Knochen oder Osteoid und osteoklastische Riesenzellen enthalten«. Die aneurysmatische Knochenzyste ist keine häufig vorkommende Läsion. Sie nimmt etwa 1% der biopsierten primären Knochengeschwülste ein. An der Wirbelsäule sitzt die
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Kapitel 10 · Wirbelsäule
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. Abb. 10.35a–c. Osteoblastom. a In den sagittalen T2w-Sequenzen zeigt sich im unteren Abschnitt von LWK 4 eine halbmondförmige Signalsteigerung des Wirbelkörpers, bis an das Bandscheibenfach und an die dorsalen Strukturen des Wirbelkörpers heranreichend. b In den sagittalen
T1w-Sequenzen zeigt sich innerhalb dieser pathologischen Signalveränderungen eine stark hyerintense Struktur, einem Nidus entsprechend mit ausgeprägter Umgebungsreaktion. c Dies ist auch auf den axialen T1w-Sequenzen nachweisbar, am ehesten einem Osteoblastom entsprechend
Läsion überwiegend in den Anhangsgebilden, d. h. in den Querund Dornfortsätzen sowie in den Bogenpartien. Von dort entwickelt sie sich häufig in Richtung Wirbelkörper oder nach kranial und kaudal in das angrenzende Segment, wo sie Destruktionen und Arrosionen verursachen kann. Von aneurysmatischen Knochenzysten hauptsächlich betroffen ist die Halswirbelsäule, an Häufigkeit folgen BWS- und LWS-Manifestationen. Die Altersverteilung der aneurysmatischen Knochenzyste zeigt einen eindeutigen Gipfel von ca. 50% der Fälle in der 2. Lebensdekade, an Häufigkeit folgt die 1. Lebensdekade mit etwas mehr als 20% und die 3. Lebensdekade mit etwas mehr als 10%. In der überwiegenden Zahl der Fälle liegt das Patientenalter <15 Jahren. Im pädiatrischen Patientengut zeigt sich eine Präferenz im unteren Thorakal- und Lumbalbereich der Wirbelsäule. 75% der Fälle waren zwischen Th 11 und S 2 lokalisiert.
Wirbelkörper befallen, es imponiert zunächst eine aufgeblasen wirkende Wirbelkontur, die Zystenwand ist trabekuliert und überragt die Wirbelsäulenfront. Später kann es zu spontanen Frakturen kommen, wodurch sich die primäre Röntgensymptomatik verschleiert.
Bildgebung Das Röntgenbild von aneurysmatischen Knochenzysten an der
Wirbelsäule wird durch eine blasige Strukturauslöschung im Bereich der Läsion mit in der Regel erheblicher paraossaler Geschwulstausbreitung charakterisiert. Die paraossale Geschwulstausbreitung erkennt man an einer dichten, in die Weichteile ragenden Masse, die von einer eierschalenartigen Periostverknöcherung umgeben ist. Zum Knochen hin ist die Grenze der aneurysmatischen Knochenzyste zumeist scharf und gelegentlich durch einen feinen Sklerosesaum markiert. Beim primären Sitz in den Dorn- und Querfortsätzen sowie im Bogenbereich können sich aneurysmatische Knochenzysten in Richtung Wirbelkörper entwickeln, an dem es dann zu druckbedingten Arrosionen bzw. Defekten kommen kann. Es ist überwiegend der
> Sekundäre aneurysmatische Knochenzysten, d. h. Knochenzystenauf dem Boden einer vorbestehenden Läsion, sind außerordentlich schwierig als solche zu diagnostizieren, insbesondere dann, wenn die aneurysmatische Knochenzyste das Röntgenbild beherrscht.
Die CT kann durch die exzellente Dichteauflösung die aus einer hauchdünnen Periostschale bestehende, äußere Kontur der Knochenzyste nachweisen. Die Dichtewerte von aneurysmatischen Knochenzysten liegen in der CT bei etwa 60–70 HE. Typischerweise sind die Läsionen durch weniger oder mehr große Hohlräume in solide Formationen beschrieben, umgeben von der bereits erwähnten, mehr oder weniger dünnen Knochenschale. Manchmal kann man auch im CT Spiegelbildungen nachweisen. In der MRT kommt prinzipiell dasselbe Bild wie bei der CT zur Darstellung, die Flüssigkeitsspiegel sind aber zumeist deutlich ausgeprägt. In der T1-Wichtung finden sich Areale mit erhöhter Signalintensität, basierend auf methämoglobinoxidiertem Blut, das zu einer relativen Verlängerung der T1-Zeit führt. Auf T2-gewichteten Bildern kann sich der starke T1-Effekt mit relativ hoher Signalintensität durchsetzen. Der obere Teil von Spiegelbildungen ist signalintensiv, der abhängige Teil ist signalarm.
319 10.5 · Spinale Tumoren
Differenzialdiagnose aneurysmatische Knochenzyste und Riesenzelltumor Röntgenologische und klinische Unterscheidungskriterien sind: 4 Aneurysmatische Knochenzysten entwickeln sich überwiegend exzentrischer unter Ausbildung eines größeren paraossalen Geschwulstanteiles als beim Riesenzelltumor. Der paraossale Anteil ist von einer eierschalenartigen Periostverknöcherung umgeben. Diese fehlt zumeist beim Riesenzelltumor. 4 Riesenzelltumoren kommen am häufigsten in der 3. und 4. Lebensdekade, aneurysmatische Knochenzysten in der 2. und 1. Lebensdekade vor.
Differenzialdiagnose
Sowohl radiologisch als auch histologisch kann es erhebliche Schwierigkeiten in der Abgrenzung zwischen der aneurysmatischen Knochenzyste vom Riesenzelltumor geben (Übersicht). An der Wirbelsäule lässt sich die Diagnose einer aneurysmatischen Knochenzyste in der Regel dann leicht stellen, wenn die Läsion einen paraossalen Anteil besitzt, der von einer eierschalenartigen Periostverknöcherung umgeben ist, und wenn der Patient sich in einem jüngeren Lebensalter (<20 Jahren) befindet. Ansonsten müssen in die differenzialdiagnostischen Überlegungen Riesenzelltumoren und wenig sklerosierende Osteoblastome einbezogen werden. Zu berücksichtigen ist bei der Abgrenzung gegenüber einem Riesenzelltumor immer, dass etwa 85% der Riesenzelltumorträger <20 Jahre und 78% mit einer aneurysmatischen Knochenzystenerkrankung <20 Jahre sind.
Langerhans–Zellhistiozytose Synonyme, Definition, Klassifikation
Synonyme: Eosinophiles Granulom, solitäre oder chronische fokale Histiozytose X, Morbus Hand-Schüller-Christian, Langerhans-Zellgranulomatose. Definition (WHO): »Das eosinophile Granulom ist eine nichtneoplastische tumorähnliche Läsion unbekannter Ätiologie, die durch eine intensive Proliferation von Histiozyten mit variierender Anzahl von eosinophilen Leukozyten, neutrophilen Leukozyten, Lymphozyten, Plasmazellen und multinukleären Riesenzellen charakterisiert ist. Nekrosezonen sind häufig, desgleichen lipidbeladene Schaumzellen, v. a. in multiplen und älteren Läsionen.« Die WHO-Klassifikation von 1994 verwendet noch den Begriff eosinophiles Granulom erstrangig und gibt als Synonyme Histiozytose X und Langerhans-Zellgranulomatose an. Auf Vorschlag der internationalen Histiozytose-Society wurde in Zusammenarbeit mit der WHO kürzlich eine neue Klassifikation erarbeitet, in der der Begriff der Langerhanszell-Histiozytose als verbindlich vorgeschlagen wird. Nach dieser Klassifikation werden die Histiozytosen in 2 Hauptgruppen gegliedert: 1. Eindeutig maligne Erkrankungen, wobei es sich im Wesentlichen um die monozytären Leukämien und Sarkome handelt. 2. Erkrankungen, deren Verlauf ganz unterschiedlich sein kann und nicht immer im Voraus bestimmbar ist. Dabei reicht das
Spektrum von der Selbstheilung bis zu einer Disseminierung mit tödlichen Komplikationen, ohne dass eine Entdifferenzierung eintritt. Die 2. Gruppe besteht im Wesentlichen aus jenen Krankheiten, die sich von dendritischen Zellen ableiten. Ein Hauptvertreter ist die Langerhans-Zellhistiozytose, eine Untergruppe sind Krankheitsbilder mit Makrophagenproliferationen, nämlich die primitiven und sekundären Hämophagozytosesyndrome und die Rosai-Dorfman-Erkrankung. Abhängig vom klinischen Ausbreitungsgrad zum Zeitpunkt der Diagnose soll die Langerhans-Zellhistiozytose weiter untergliedert werden in solche Fälle, bei denen nur ein Krankheitsherd vorliegt (monolokulär) und solche Fälle, in denen zwar multiple Herde bestehen, die jedoch auf ein Organsystem (z. B. Skelett) beschränkt sind. Als weiteres wird eine Multisystemerkrankung abgegrenzt. Wenn bei den ersten beiden Gruppen eine günstige Prognose angenommen werden kann, ist die bei Multisystembefall eher als zurückhaltend zu beurteilen. Demzufolge lassen sich aus klinischer Sicht 2 Formen unterscheiden: 4 die chronisch-fokale Langerhans-Zellhistiozytose, die lokalisiert und multizentrisch verläuft 4 die akute disseminierte Langerhans-Zellhistiozytose Im Folgenden sollen aber noch einige Anmerkungen zur Evolution der Nomenklatur der »Histiozytose X« gemacht werden. Bekanntlich wurde von Lichtenstein 1953 der Begriff der Histiozytose X eingeführt als zusammenfassende Beschreibung von 3 histogenetisch ähnlichen Krankheitsbildern, die sich nach dem damaligen Verständnis vom retikulohistiozytären System ableiten sollten: 4 Eosinophiles Knochengranulom 4 Morbus Hand-Schüller-Christian 4 Morbus Abt-Letterer-Siwe Als gemeinsame pathologisch-anatomische Grundlage der Histiozytose X wurde die Proliferation von Histiozyten angenommen, in denen einzelne und mehrkernige Riesenzellen und eosinophile Granulozyten in unterschiedlicher Zahl untermischt sein konnten. Neuere Untersuchungen zeigten jedoch, dass es sich bei der typischen Histiozytosis X um eine Erkrankung der Langerhans-Zellen handelt. Nach diesem Verständnis ist die Langerhans-Zellhistiozytose morphologisch definiert als histologisch typisches Krankheitsbild, bestehend aus einer umschriebenen Proliferation von Langerhans-Zellen. Diese sind elektronenmikroskopisch durch die zytoplasmatischen Birbeck-Granula charakterisiert, deren Nachweis im Elektronenmikroskop auch heute noch als Goldstandard bei der Diagnose der LangerhansZellhistiozytose gilt. Durch die immunhistologische Charakterisierung dieser Zellen mit gleichzeitiger Markierung mit CD1a und Expression von S-100-Protein ist eine Absicherung der Diagnostik möglich. Epidemiologie
Die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen mit einer LangerhansZellhistiozytose wird auf ca. einen Fall auf 1–2 Mio Einwohner geschätzt. Das Prädilektionsalter für Träger eines eosinophilen
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Kapitel 10 · Wirbelsäule
Granuloms liegt in der 1. und 2. Lebensdekade, überwiegend im Schulalter. In seltenen Fällen können auch ältere Patienten betroffen sein. Das primäre solitäre eosinophile Granulom kommt insgesamt häufiger als das multiple vor. 85% der Patienten präsentieren sich mit einem solitären eosinophilen Granulom, bei 20% dieser Fälle kommt es später zu weiteren Herden. Bei multiplen eosinophilen Granulomen liegt die Herdzahl durchschnittlich bei 7, kann aber auch 40 und mehr erreichen. Prädilektionsstellen für das eosinophile Granulom sind die Schädelkalotte mit gut einem Viertel aller Fälle, gefolgt von Femur und Wirbelsäule sowie Becken und Rippen. Klinik, Therapie
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Allgemein gilt, dass kleinere Läsionen in der Regel keine klinischen Erscheinungen verursachen, vielfach werden sie lediglich als Zufallsbefund entdeckt. An der Schädelkalotte imponieren sie manchmal nur als umschriebene schmerzlose Schwellungen, die röntgenologisch dann in einem Defekt ihr Korrelat finden. Beim Wirbelsäulenbefall treten neurologische Komplikationen erstaunlicherweise selten auf. Selten treten eosinophile Granulome akut zur gleichen Zeit an verschiedenen Lokalisationen mit Osteolysen auf, in der Regel manifestieren sie sich metachron, d. h. in einem zeitlich versetzten Abstand. Wird eine neue Osteolyse manifest, dann findet sich eine ältere meistens bereits schon im Ausheilungsstadium. Die Prognose des solitären und oligotopen eosinophilen Granuloms ist im Allgemeinen gut. Eine rein ossäre Form mit nicht allzu großem Ausmaß limitiert sich meist von selbst. Die Ausheilungsphase des eosinophilen Knochengranuloms kann Zeiträume von 2–10 Jahre beinhalten. Generalisierte Herde bzw. die akute disseminierte Langerhans-Zellhistiozytose, die auch als maligne Verlaufsform bezeichnet wird, erfordern im Allgemeinen eine aggressive Therapie, zu der eine systemische Chemotherapie und eine lokale Radiotherapie der einzelnen Läsionen gehören. Bildgebung
Das Röntgenbild des eosinophilen Granuloms kann grundsätzlich sehr polymorph sein, wobei das Spektrum von mottenfraßartigen Destruktionen mit Kompaktazerstörung und Weichgewebsinfiltration bis zu gut begrenzten geographischen Läsionen, evtl. mit Skleroserand, reicht. Das bedeutet eine Bandbreite auf der Lodwick-Skala von Lodwick Grad I–III. Auch kommt es darauf an, in welchem Stadium man ein eosinophiles Granulom antrifft. Im akuten Stadium fehlt meist der Sklerosesaum, und die Begrenzung ist unregelmäßig, im Ausheilungsstadium sind die Läsionen zumeist von einem Sklerosesaum umgeben. An der Wirbelsäule kann sich das eosinophile Granulom sowohl im Wirbelkörper als auch im Wirbelbogen und in den Wirbelfortsätzen ausbreiten. Überwiegend wird aber nur der Wirbelkörper befallen, der bei erhaltener statischer Suffizienz eine größere Osteolyse aufweist, evtl. mit zentralem Sequester. Bricht aber der Wirbelkörper zusammen, so entsteht das typische Bild der Vertebra plana (. Abb. 10.36). Dabei sieht man auch konventionell-radiographisch und besonders im CT
. Abb. 10.36. Eosinophiles Granulom. In den Röntgenübersichtsaufnahmen zeigt sich eine deutliche Höhenminderung und Zusammensinterung des 5. Halswirbelkörpers bei diesem 6-jährigen Jungen. Histologisch gesichertes eosinophiles Granulom mit jetzt Vertebra plana
paraossale Tumorausbreitungen durch Granulationsgewebe oder durch symptomatische Blutungen. So kann gelegentlich auch ein entzündlicher Prozess vorgetäuscht werden. Die destruierten und zusammengedrückten Wirbelkörper können mit und ohne Therapie im Laufe des Wachstums erfahrungsgemäß eine nahezu normale Höhe und Form annehmen. In der Regel liefern CT und MRT einen diagnosespezifischen Beitrag. Die skelettszintigraphische Symptomatik hängt ganz vom Stadium der Läsion ab. Im rein lytischen Stadium sind die meisten Läsionen kalt oder gar nicht zu sehen, im reparativen Stadium stellt sich oft eine ringförmige Hyperaktivität dar. Das MRT zeigt sowohl die knöchernen Läsionen als auch die umgebende Weichteilkomponente, welche den anterioren Subduralraum involvieren kann. Die Läsion ist in den T1-gewichteten Sequenzen hypointens, in den T2-gewichteten Sequenzen hyperintens und zeigt ein deutliches Enhancement nach Gadolinium-Applikation. > Patienten mit einer suspekten Langerhans-Zellhistiozytose sollten einer MRT-Untersuchung der hypothalamisch-hypophysären Region unterzogen werden, um eine mögliche Beteiligung des Hypophysenstiels nachzuweisen.
Das eosinophile Granulom ist die häufigste, aber nicht die einzige Ursache einer Vertebra plana bei Kindern. In der Differenzialdiagnostik ist hier durchaus noch an Lymphome sowie andere neoplastische und nichtneoplastische Läsionen zu denken, wie ein Ewing-Sarkom, Osteosarkom, aneurysmatische Knochenzyste, Morbus Gaucher und eine Osteomyelitis.
Intermediäre Knochentumoren Chordom Definition, Pathogenese, Lokalisation
Definition (WHO): »Beim Chordom handelt es sich um einen malignen Tumor mit lobulärer Struktur, gewöhnlich aus hochva-
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kuolisierten Zellen, bestehend mit Mukoid in der Zellularsubstanz. Diese Tumoren kommen nur am Achsenskelett vor.« Chordome entspringen notochordalen Resten der Wirbelsäulenanlage, die sich in der Spongiosa oder im Nucleus pulposus und im Ligamentum apicis dentis finden oder ektop in der sphenookzipitalen Region einschließlich des Klivus, im dorsalen Anteil des Nasopharynx, in der Knochensubstanz der Wirbelkörper oder im umgebenden Gewebe auftreten. Daraus leitet sich ab, dass Chordome fast ausschließlich in der Mittellinie des Achsenskeletts zu erwarten sind, mit besonderer Bevorzugung des kranialen und distalen Endes der Wirbelsäule, d. h. also im Sphenookzipitalbereich und in der Sakrokokzygealregion. Das Chordom ist im strengen Sinne kein eigentlicher autochthoner Knochentumor, sondern als so genannter Einschlusstumor einzugruppieren. Biologisch verhält sich das Chordom wie ein maligner Knochentumor, es wächst lokal invasiv, zerstört den angrenzenden Knochen und infiltriert die Weichgewebsstrukturen, womit es einen größeren paraossalen Tumoranteil mit Kalzifikationen und Knochentrümmern bildet und metastasiert, wenn auch gewöhnlich erst spät. Das Chordom ist als ausgesprochen seltener Tumor zu bezeichnen, es ist mit etwa 2% an allen malignen Tumoren des Skeletts beteiligt. Etwa 85–90% aller Chordome sind in der Sakrokokzygealregion und der Sphenookzipitalregion lokalisiert, wobei die Sakrokokzygealregion dominiert. Der Rest verteilt sich über die Wirbelsäule, wobei besonders die zervikale (C1–C5), weniger häufig die lumbale und selten die thorakale Region betroffen sind. Von diagnostischer Bedeutung ist der Befund, dass die meisten Wirbelsäulenchordome ihren Ausgang vom Wirbelkörper (ektopes Chordagewebe) und nicht vom Nucleus pulposus nehmen. Das Prädilektionsalter für das Chordom liegt in der 5. und 6. Lebensdekade. Grundsätzlich kann der Tumor aber in jedem Alter vorkommen, bei Kindern ist er jedoch sehr selten anzutreffen. Sakrokokzygeale Chordome werden bei Männern etwa 3-mal so häufig wie bei Frauen gefunden, kraniale Chordome hingegen zeigen nur eine geringfügige Androtopie. Histologie, Diagnose Histologisch zeigt der Tumor in der Übersicht einen sehr ty-
pischen lobulären Aufbau. Innerhalb reichlich myxoider Grundsubstanz liegen die Tumorzellen in unregelmäßigen Gruppen geordnet. In den meisten Fällen ist die Kernpolymorphie nur gering. Der Grad der Anaplasie hat jedoch keine Bedeutung für die Prognose. Für die Diagnose wichtig sind die physaliformen Zellen mit zentralem runden Kern und stark blasig umgewandeltem Zellleib. Durch diesen ziehen spinnenartige Zytoplasmaausläufer, welche mit den Nachbarzellen Kontakt halten. Das Chordom zeigt histologisch eine so typische Struktur, dass dies eine Abgrenzung von anderen Tumoren in der Regel ohne Probleme zulässt. Klinik, Therapie, Verlauf
Die klinischen Symptome des Chordoms hängen ganz vom Sitz der Geschwulst ab. Kraniale Chordome verursachen meist früher Symptome als vertebrale und sakrocokzygeale, die lange Zeit
asymptomatisch bleiben können und sich dann als relativ fortgeschrittene Tumoren präsentieren. Kraniale Chordome können zu Hirnnervenstörungen führen, bei einer Infiltration der Hypophyse kommt es zu entsprechenden endokrinologischen Ausfallserscheinungen. Die Prognose des Chordoms hängt ganz von der Ausdehnung und Lage des Prozesses und der damit zusammenhängenden Operabilität ab, die Therapie der Wahl ist die Chirurgie. Tumorexzisionen sind praktisch nur im Sakrokokzygeal- und bei kleineren Tumoren nur im Vertebralbereich technisch möglich. Ungenügende Resektionen führen zu Rezidiven, die sich manchmal erst nach vielen Jahren einstellen, da das Chordom grundsätzlich ein langsam wachsender Tumor ist. Eine Fernmetastasierung des Chordoms setzt sehr spät im Verlauf der Erkrankung ein, häufig erst nach wiederholten Rezidiven. Grundsätzlich kann eine Fernmetastasierung in alle Organe erfolgen, wenngleich die Lungen, die Leber, Lymphknoten, Knochen, Gehirn und Haut in abfallender Häufigkeit bevorzugt werden. Bildgebung
Durch sein intraossäres Wachstum mit Destruktion der angrenzenden Knochenabschnitte verursacht das Chordom in der Regel eine unspezifische Osteolyse, die zum Zeitpunkt der Entdeckung des Tumors bereits erhebliche Ausmaße erreicht haben kann (. Abb. 10.37). Die Osteolyse grenzt sich gegenüber dem gesunden Knochen bei langsamem Wachstum des Prozesses durch einen Sklerosesaum ab, der sich wellig und irregulär darstellt. Bei rascherem Wachstum kann der Tumorbefall im Knochen eine irreguläre Breite und fleckige reaktive Sklerose hervorrufen, oder ihn weitgehend reaktionslos mit zusätzlicher Spontanfraktur zerstören. In etwa zwei Drittel aller Fälle wird der Tumor von einer mehr oder weniger ausgedehnten paraossalen Weichteilmasse begleitet. In etwa 30–50% der Fälle ist mit einer intratumoralen Kalzifikation zu rechnen, der sich in Form von unregelmäßigen fleckigen, aber auch bizarr konfigurierten Verdichtungsherden darstellt. Tumorossifikationen machen die Abgrenzung gegenüber Chondrosarkomen manchmal schwierig. Bei der Untersuchungstechnik beim Chordom ist anzumerken, dass die CT zur Darstellung der knöchernen Verhältnisse und von Tumorverkalkungen und die MRT insbesondere bei Klivuslokalisationen die Tumorausbreitung darstellen können. Nach i. v.-Kontrasmittelgabe kann es zu einem deutlichen Kontrastmittel-Enhancement kommen, sowohl in der MRT als auch in der CT. Die MRT vermag insbesondere eine intraspinale Tumorausdehnung nachzuweisen. Sitzt der Tumor im Sakrokokzygealbereich, so findet sich im Sakrum zum Zeitpunkt der Erstdiagnose zumeist schon eine ausgedehnte Osteolyse, die sich häufig paramedian ausbreitet. Differenzialdiagnose
Differenzialdiagnostische Überlegungen zum Chordom haben sich ganz an der Lokalisation zu orientieren. Kraniale Chordome sind in erster Linie gegenüber dem Kraniopharyngeom abzugrenzen. Tumorkalzifikationen, die Beschränkung des Tumors auf Klivus, Keilbeinhöhle und Sella turcica sprechen eher für ein Chordom als für ein Kraniopharyngeom. Bei Chordomen ist die Anamnese in der Regel länger als bei dem wesentlich aggres-
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Kapitel 10 · Wirbelsäule
möglich, auch feinere endotumorale Kalzifikationen nachzuweisen, die eher für das Chordom sprechen.
Sakrokokzygeales Teratom Definition, Lokalisation, Histologie
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Das sakrokokzygeale Teratom ist der häufigste kongenitale Tumor und betrifft typischerweise Neugeborene. Teratome stammen in der Regel von allen 3 Keimzelllinien ab, dem Ektoderm, Mesoderm und dem Entoderm, und können sowohl isoliert als auch in Kombination mit anorektalen Malformationen und Kaudalagenesie in der so genannten Currarino-Trias vorkommen. Diese Läsionen zeichnen sich in der Regel durch eine enorme Raumforderung aus. Die raumfordernde Masse ist abgekapselt und lobuliert und zeigt solide und zystische Anteile. Blutungsanteile, Knorpelgewebe und Zähne können innerhalb dieser Masse nachgewiesen werden. Zwei Drittel aller Teratome sind differenziert, während ein Drittel unreife Teratome sind, deren Prognose sehr schlecht ist. Reifere Formen sind dadurch charakterisiert, dass sie parenchymales Gewebe, Fett und Kalzifikationen aufweisen. Unreife Teratome zeigen in der Regel kein fettiges Gewebe und sind durch eine erhöhte Wachstumsrate sowie der Tendenz zur Metastasierung charakterisiert. Obwohl die Mehrheit der Teratome im Neugeborenen- und Kindesalter benigne Läsionen sind, zeichnet sich ein Trend zu maligner Transformation bei älteren Kindern ab. Sakrokokzygeale Teratome können in 4 Gruppen eingeteilt werden (Übersicht).
Einteilung der sakrokokzygealen Teratome
b . Abb. 10.37a, b. Sakrales Chordom. 57-jährige Patientin mit bekanntem, bereits voroperierten und stabilisiertem sakralem Chordom. a, b Nach KM-Gabe zeigt das Chordom in den sagittalen und axialen fettsupprimierten T1w-Sequenzen ein deutliches Enhancement. Destruktion des kompletten Sakrums und Vorwachsen des Tumors nach intraspinal und in die paravertebrale Muskulatur
4 Typ I (46,7% aller Fälle): Die Läsion wächst vorwiegend extern ohne einen signifikanten präsakralen Anteil. 4 Typ II (34,7% aller Fälle): Überwiegend externe Läsion, aber mit einem signifikanten intrapelvinen Anteil. 4 Typ III (8,3% aller Fälle): Überwiegend intrapelvine Raumforderung. 4 Typ IV (9,4% aller Fälle): Rein intrapelvine Masse ohne externe Anteile.
Maligne Knochentumoren Ewing-Sarkom Definition
siveren Kraniopharyngeom. Metastasen im Schädelbasisbereich können durchaus die Symptomatik eines Chordoms vortäuschen, wenn man einmal von den chordomeigenen Tumorkalzifikationen absieht. Im Sakrokokzygealbereich sind Chordome die häufigsten malignen Knochentumore, weshalb bei metastasenunverdächtigen Patienten die Differenzialdiagnose einer Osteolyse mit paraossalem Tumoranteil immer zuerst in Richtung eines Chordoms gehen sollte. In zweiter Linie ist an den Riesenzelltumor zu denken, der bis auf die endotumoralen Ossifikationen eine gleiche klinische und röntgenologische Symptomatik verursachen kann. Bei beiden Tumoren zeigt sich angiographisch eine Hypervaskularisation, sodass die Angiographie als differenzialdiagnostisches Kriterium nicht herangezogen werden kann. Mithilfe der CT ist es
Definition (WHO): »Das Ewing-Sarkom ist ein maligner Tumor mit einförmiger histologischer Struktur aus dicht gepackten kleinen Zellen mit runden Kernen, aber ohne scharfe Zytoplasmagrenzen und ohne prominente Nuceoli. Oft wird das Tumorgewebe durch fibröse Septen gegliedert. Ein intrazelluläres Netzwerk aus Retikulinfasern wird nicht beobachtet.« Danach kann das Ewing-Sarkom am besten als ein hochmaligner anaplastischer Stammzelltumor neuroektodermaler Genese mit mesenchymaler Differenzierungsmöglichkeit definiert werden. Es gehört in die Gruppe der malignen Rundzellneoplasien des Kindes- und frühen Erwachsenenalters, welche die Rhabdomyosarkome, das Neuroblastom, die Lymphome und den intraabdominellen desmoplastischen Rundzelltumor umfasst.
323 10.5 · Spinale Tumoren
Das Ewing-Sarkom ist heute nicht mehr als eine isolierte Entität, sondern eher als eine Gruppe von eng verwandten Entitäten zu verstehen, zu denen neben dem Ewing-Sarkom selbst und von den atypischen Ewing-Sarkomen der periphere primitive ektodermale Tumor (PNET) des Knochens, das periphere Neuroepitheliom sowie der Askin-Tumor der Brustwand gehören. Diese einzelnen Entitäten unterscheiden sich nur durch das Ausmaß der neuralen Differenzierung. Dabei ist das Ewing-Sarkom im engeren Sinne der am wenigsten differenzierte Tumor, er lässt im histologischen und elektronenmikroskopischen Präparat keine neurale Differenzierung erkennen. Der primitive periphere neuroektodermale Tumor des Knochens und der Askin-Tumor, sein Counterpart an der Brustwand, zeigen schon in vivo unterschiedliche neurale Differenzierungen. Am Ende der Skala steht das manifeste neural differenzierte Neuroblastom. Epidemiologie
Von allen malignen Knochentumoren hat das Ewing-Sarkom einen Anteil von etwa 7–10%. Lässt man das maligne Lymphom und das Plasmozytom in größeren Statistiken unberücksichtigt, so steigt der Anteil des Ewing-Sarkoms an allen malignen Tumoren des Knochens auf etwa 16–17% an. Im Kindesalter ist das Ewing-Sarkom der zweithäufigste maligne Tumor. Die meisten Tumoren kommen in den langen und flachen Röhrenknochen vor, <10% sind primär in der Wirbelsäule lokalisiert. Die lumbosakrale Region ist dabei am häufigsten betroffen. Die meisten Ewing-Sarkome werden zwischen dem 9. und 18. Lebensjahr beobachtet, das Durchschnittsalter liegt bei 15 Jahren. Mehr als 75% aller Ewing-Sarkome kommen vor dem 20. Lebensjahr vor. Vor dem 5. Lebensjahr treten sie relativ selten auf. In diesem Alter sind metastasierende Neuroblastome und tumorförmig sich manifestierende akute Leukämien häufiger anzutreffen. Umgekehrt ist ebenfalls äußerste Vorsicht bei Patienten nach der 3. Lebensdekade geboten, hinter klinisch-radiologisch und histologisch ähnlichen Rundzelltumoren steckt eher ein metastasierendes Karzinom oder ein Non-Hodgkin-Lymphom. Klinik
Die klinische Symptomatik des Ewing-Sarkoms kann sehr vielseitig und gerade deswegen irreführend sein. Im Gegensatz zu anderen Knochengeschwulsten können Allgemeinsymptome auftreten. In der Regel beginnt die Symptomatik mit Schmerzen und einer lokalen Schwellung. Der Schmerz kann dumpf oder heftig sein, meistens fängt er intermittierend an und wird dann bald dauerhaft. Begleitsymptome wie Anämie, Fieber, Leukozytose und eine erhöhte Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit können beobachtet werden, sie sind z. T. Ausdruck stärkerer Tumornekrosen. Diese Allgemeinsymptome können häufig Anlass zur klinischen Fehldeutung einer akuten hämatogenen Osteomyelitis geben. Eine oligotop sich ausbreitende Langerhans-Zellhistiozytose oder ein Knochenbefall beim Non-Hodgkin-Lymphom können mit derselben klinischen Symptomatik einhergehen. Die Anamnesedauer liegt beim Ewing-Sarkom bei etwa 7– 9 Wochen und liegt damit deutlich unter dem Zeitraum anderer primärer Knochengeschwülste, die im Kindes- und Jugendalter vorkommen. Bei Sitz des Ewing-Sarkoms an der Wirbelsäule
kann es zu Spontanfrakturen mit entsprechender Gibbusbildung kommen. Bildgebung
Die Symptomatik des Ewing-Sarkoms kann sehr vielgestaltig und bunt sein und zu schweren diagnostischen Fehldeutungen führen. In der Mehrzahl der Fälle lässt sich aber der aggressive und maligne Charakter des Tumors aus dem Röntgenbild ablesen, wo sich überwiegend Destruktionstypen der Lodwick-Grade II und III finden. Lytische Veränderungen sind häufig von periostalen Reaktionen begleitet, von denen besonders die unscharfe und unterbrochene lamelläre oder zwiebelschalenartige Reaktion in Kombination mit dem Destruktionsmuster ziemlich spezifisch für ein Ewing-Sarkom ist. Dieses Zwiebelschalenmuster kommt allerdings in <25% aller Fälle vor, meist sieht man Codmandreieck- und Spiculabildungen. An der Wirbelsäule entwickeln sich Ewing-Sarkome überwiegend im Wirbelkörperbereich und können von dort aus auf die Anhangsgebilde übergreifen. Meistens lässt sich computertomographisch ein deutlicher paraossaler Geschwulstanteil nachweisen. Seltener sind primäre Manifestationen an den Wirbelkörperanhangsgebilden, z. B. am Querfortsatz. Neben Sinterungen der befallenen Wirbelkörper können fleckige Osteolysen und irreguläre Sklerosierungen auftreten. Im CT und MRT können keine spezifischen Muster erkannt werden, die einer Unterscheidung des Ewing-Sarkoms von anderen Knochentumoren zeigen (. Abb. 10.38). Im MRT stellt sich das Ewing-Sarkom sowohl in T1- wie auch in T2-gewichteten Sequenzen hypointens dar, was für eine Hypozellularität mit hohem Kern-Zytoplasmaverhältnis spricht. Signalinhomogenitäten in den T1- und T2-gewichteten Sequenzen resultieren aus nekrotisch-zystischen Veränderungen innerhalb der Tumormasse. Meist zeigt sich ein deutliches, heterogenes KontrastmittelEnhancement. Differenzialdiagnose
Die klinische und radiologische Vielfalt des Ewing-Sarkoms hat eine dementsprechend breite Differenzialdiagnostik zur Folge. So können klein- und rundzellige Knochenveränderungen, wie ein malignes Lymphom, Neuroblastom, Rhabdomyom, Rhabdomyosarkommetastasen und ein primitiver peripherer neuroektodermaler Tumor wie das klassische Ewing-Sarkom aussehen. Eine oft schwierige Differenzialdiagnose stellt auch die Osteomyelitis dar. Das eosinophile Granulom kann ebenfalls ein EwingSarkom imitieren. Es tritt in derselben Altersgruppe wie das Ewing-Sarkom auf.
Osteosarkom Synonym, Definition Synonym: Osteogenese Sarkom. Definition (WHO): »Beim Osteosarkom handelt es sich um ei-
nen malignen Tumor, der dadurch charakterisiert ist, dass die Tumorzellen direkt Osteoid oder Knochen bilden.« Epidemiologie, Lokalisation
Unter allen Knochentumoren rangiert das medulläre Osteosarkom neben dem Osteochondrom mit fast 20% an erster Stelle.
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Kapitel 10 · Wirbelsäule
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Unter allen malignen primären Knochentumoren besetzt es mit 36% den ersten Rang. Das medulläre Osteosarkom kann grundsätzlich jeden Knochen des Skeletts befallen. In der Regel tritt es unizentrisch in einem Knochen auf. Mehr als 80% aller Osteosarkome wachsen in den langen Röhrenknochen, in der Mehrzahl der Fälle metaphysär. Diaphysäre Lokalisationen kommen vor, während epiphysäre absolute Raritäten darstellen. Häufigstes Vorkommen des Osteosarkoms ist die kniegelenknahe metaphysäre Region von Femur und Tibia, wo sich gut 50% aller Osteosarkome finden. Osteosarkome der Wirbelsäule sowie der Schädelkalotte sind häufigste Sekundärformen auf dem Boden einer polyostotischen Ostitis deformans Paget. Der Altersgipfel liegt zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr, mit ca. 50% aller Osteosarkome in der 2. Lebensdekade. In der 1. Lebensdekade werden nur ca. 8–9%, in der 3. Lebensdekade 14–15% aller Osteosarkome gefunden. Osteosarkome werden bei Männern etwas häufiger als bei Frauen beobachtet. Klinik, Verlauf
Die klinische Symptomatik des medullären Osteosarkoms ist leider recht uncharakteristisch und besteht meistens in lokalen Schmerzen, die anfänglich intermittierend sind und nach einigen Wochen dauerhaft werden. Die Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit ist anfangs normal oder nur mäßig erhöht, die alkalische Phosphatase weist in der Regel erst dann pathologische Werte auf, wenn bei großer Tumormasse eine rege Osteoblastentätigkeit herrscht. Die Anamnesedauer vom Auftreten des Leitsymptoms Schmerz bis zur Einleitung einer spezifischen Behandlung ist in der Regel relativ lang und beträgt häufig knapp 40 Wochen.
. Abb. 10.38a–c. Ewing-Sarkom. a In den sagittalen T2w-Sequenzen finden sich mehrere pathologische Signalanhebungen in Höhe HWK 2, BWK 2 und BWK 8, z. T. mit Destruktion und Höhenminderung der Wirbelkörper. In Höhe BWK 2 und BWK 8 Beteiligung der Hinterkante und Vorwachsen von Weichteilmassen nach intraspinal. Vor allem in Höhe BWK 2 führt das zu einer Auftreibung und Kompression des Myelons. b In den paravertebralen T1w-Sequenzen nach KM-Gabe zeigt sich, dass der Tumor entlang der periund paravertebralen Strukturen wächst. c Dies zeigt sich auch in den axialen T2w-Aufnahmen in Höhe von BWK 2, wobei es zu einem epiduralen Vorwachsen und Ummauerung des Myelons gekommen ist. Histologisch gesichertes Ewing-Sarkom
! Der zuerst konsultierte Arzt sollte immer dann an das Vorliegen einer Knochengeschwulst denken, wenn junge Menschen nach einer geringen Traumatisierung eines Knochens unverhältnismäßig lange (mehr als 2– 3 Wochen) über Schmerzen klagen und sich vielleicht auch eine persistierende oder größer werdende Schwellung eingestellt hat.
Die Prognose des Osteosarkoms kann nur im Zusammenhang mit der modernen Chemotherapie betrachtet werden. Als sichere Indikation für eine schlechte Prognose sind Tumoren mit einem Durchmesser von >20 cm und vorhandene Metastasen bei der Primärpräsentation des Patienten anzusehen. Eine Zu- oder Abnahme der Tumormasse sowie eine Zu- oder Abnahme von Osteodestruktionen sind relativ, aber in keiner Weise absolut verlässliche Indikatoren für einen gutes oder schlechtes Ansprechen des Tumors. Aus einer Zunahme des Tumorvolumen und einer Zunahme der Destruktion kann mit ziemlicher Sicherheit auf eine schlechte Prognose geschlossen werden. Umgekehrt sind das Ansprechen bei einer z. B. mehr als 90%igen Tumornekrose und radiologische Zeichen eines Tumorrückgangs keine Garantie für eine gute Prognose. Bildgebung, Diagnose Das konventionelle Röntgenbild steht in aller Regel an erster
Stelle aller diagnostischen Maßnahmen beim klinischen Verdacht auf ein Osteosarkom. In der überwiegenden Zahl der Fälle lässt sich anhand des einfachen Röntgenbildes in 2 Ebenen die Diagnose eines Osteosarkoms stellen, sofern die Morphologie typisch ist. Mithilfe der CT lassen sich initiale Veränderungen im Mark- und im Paraossalbereich aufgrund der hohen Dichteauf-
325 10.5 · Spinale Tumoren
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. Abb. 10.39a–d. Osteosarkom. Der MRT kommt in der präoperativen Ausdehnungsbestimmung des Osteosarkoms eine entscheidende Bedeutung zu. In MRT-Aufnahmen zeigen sie meist ein inhomogenes Signalverhalten, wobei das Tumorgewebe in der T1-Wichtung meist muskelisointens, in T2-Wichtung leicht hyperintens zur Darstellung kommt. a In den T1-gew.
Sequenzen bei diesem Patienten zeigt sich der Tumor rechts im Sacrum gelegen mit Einwachsen nach intraspinal. b Nach KM-Gabe zeigt sich ein inhomogenes Signal, z.T. mit zystischem Anteil und nekrotischen Anteilen. c, d In den parasagittalen Aufnahmen zeigt sich, wie der Tumor durch die Neuroforamina nach paravertebral vorwächst (c T1, d T2)
lösung besser darstellen, v. a., wenn die für die Diagnose des Osteosarkoms so wichtige Matrixmineralisation eingesetzt hat, aber noch der konventionellen Darstellung entgeht. Einschränkend muss gesagt werden, dass geringfügige Kompaktadestruktionen bei früherem Auftreten des Tumors sowie frühe Periostreaktionen durch Aufhärtungsartefakte bei noch sehr dicker Kompakta der Darstellung entgehen können. In der MRT (. Abb. 10.39) ist der vom Tumor gebildete, mineralisierte Knochen nur indirekt und damit unsicher darstellbar.
> Sowohl MRT als auch insbesondere CT vermögen nicht sicher zwischen Tumorgewebe und begleitendem Markraum- und Weichteilödem zu differenzieren, weshalb mit beiden Methoden, insbesondere mit der MRT, erfahrungsgemäß zu viel Tumor dargestellt wird. Dynamische Untersuchungen mit CT und MRT können entgegen anfänglicher Hoffnungen nicht verlässlich zur Lösung des Problems beitragen. Mithilfe der 3-Phasen-Szintigraphie lässt sich die Aktivität eines Osteosarkoms gut definieren.
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Kapitel 10 · Wirbelsäule
Histologie. Je nach Dominanz der histologischen Differenzie-
rung wird zwischen osteoblastischen (etwa 50% der Fälle), chondroblastischen (etwa 25%) und hypoplastischen (etwa 25%) Formen des Osteosarkoms differenziert. Als weiterer Subtyp gibt es das teleangiektatische Osteosarkom, das histologisch große Ähnlichkeit mit der aneurysmatischen Knochenzyste aufweist. Aus klinisch-radiologischer, prognostischer sowie z. T. auch histologischer Sicht ist zwischen den häufigsten klassischen medullären und den seltenen juxtakortikalen Osteosarkomen zu unterscheiden. Eine seltene Variante stellt schließlich das intrakortikale Osteosarkom dar. Therapie
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Einen entscheidenden Durchbruch in der Therapie des Osteosarkoms hat die adjuvante Chemotherapie mit hochdosierter Methotrexatgabe, kombiniert z. B. mit Bleomycin oder Cyclophosphamid gebracht. 5-Jahres-Überlebensraten konnten erheblich auf 60–70% gesteigert werden. Das Ansprechen auf eine präoperative Chemotherapie kann in 70% der Fälle zu einem rezidivfreien 5-Jahres-Überleben führen. 20% der Osteosarkompatienten haben zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits manifeste Metastasen. Entscheidend ist jedoch, dass bei Patienten, die initial frei von Metastasen erscheinen, in 80–90% der Fälle bereits eine okkulte Metastasierung vorliegt. Die Frage, warum manche Osteosarkome auf eine Chemotherapie nicht reagieren und damit a priori eine schlechte Prognose haben, hängt wahrscheinlich mit dem Nachweis eines erhöhten P-Glykoproteinspiegels im Tumor zusammen. Es handelt sich um ein Glykoprotein, das vom MDR-1-Gen (Multiple drug resistance-Gen) exprimiert wird, und eine intrazelluläre Akkumulation zytotoxischer Substanzen verhindert.
Chondrosarkom Synonym, Definition Synonym: Chondroidsarkom, Osteochondrosarkom, chondro-
blastisches Sarkom, Chondromyxosarkom Definition (WHO): »Beim Chondrosarkom handelt es sich um einen malignen Tumor, dessen Zellen Knorpel, aber keine Knochen bilden. Der Tumor unterscheidet sich vom Chondrom durch stärkeren Zellreichtum und Pleomorphie sowie durch das Vorkommen von plumpen Zellen mit großen Kernen und/oder deutlicher Doppelkernzahl, Nekrosen sind selten.« Das Chondrosarkom ist ein Tumor mit einem breiten Spektrum von klinischen, radiologischen und histologischen Manifestationsmöglichkeiten und -varianten (. Abb. 10.40). Die durchschnittliche 5-Jahres-Überlebensrate von >70% darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bandbreite der Chondrosarkome sich von einem lokal aggressiven und nicht metastasierenden Tumor (Grad I) bis zu einem meist tödlich verlaufenden, so genannten entdifferenzierenden Chondrosarkom (Grad IV), erstreckt. Pathogenese, Epidemiologie
Die Herkunft des Chondrosarkoms ist unklar. Im Skelett tritt es immer im Knochen selbst auf, nur wenige Ausnahmen eines primären Chondrosarkoms sind bekannt, die sich aus Knorpelgewebe herausentwickelt haben könnten (Nasenseptum). Lediglich
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. Abb. 10.40a–d. Chondrosarkom. 25-jähriger Patient mit therapieresistenten Rückenschmerzen. a In den sagittalen T1w-Sequenzen zeigt sich in Höhe BWK 11 im dorsalen Abschnitt des Wirbelkörpers eine Signalminderung. b Diese nimmt nach KM-Gabe deutlich und kräftig KM auf. c In den axialen T2w-Sequenzen stellt sich dieser Anteil signalangehoben dar. d In den axialen T1w-Sequenzen ist noch einmal die leicht inhomogene KM-Aufnahme nachweisbar. Die postoperative Histologie zeigt ein Chondrosarkom
sekundäre Chondrosarkome entwickeln sich öfter direkt aus Knorpelgewebe, z. B. beim Morbus Ollier und bei der exostotischen Form sowie bei den seltenen Chondrosarkomen der Synovialis, die sich aus einer Chondromatose der Synovialis ableiten. Im Gegensatz zum Osteom oder Ewing-Sarkom kommt das Chondrosarkom typischerweise im Erwachsenenalter oder bei älteren Menschen vor. Ein Auftreten im Alter <10 Jahren ist äußerst ungewöhnlich. Zwischen primären und sekundären Chondrosarkomen gibt es Unterschiede in der Altersprädilektion: Während primäre Chondrosarkome überwiegend im Erwachsenenalter in der 6. Lebensdekade auftreten, wird das sekundäre Chondrosarkom auch bei jüngeren Menschen gefunden. Klinik
Klinisches Leitsymptom des Chondrosarkoms ist der Schmerz. Die Anamnesedauer bei den undifferenzierten Chondrosarko-
327 10.5 · Spinale Tumoren
men beträgt manchmal nur einige Monate, während sie bei gut differenzierten Sarkomen oft jahrelang dauern kann.
im Kindesalter initial als solitäre Knochenläsion radiologisch und klinisch manifestieren.
Bildgebung
Maligne Lymphome Klassifikation
Das klassische Röntgenbild des Chondrosarkoms, sowohl in einem Röhren- wie in einem Plattenknochen, besteht im Wesentlichen aus einem mehr oder weniger gut erkennbaren osteolytischen Defekt mit überwiegend definierbaren Konturen, Zeichen einer Kompaktabeteiligung und unterschiedlich ausgeprägten Matrixossifikationen. Die Tumorgröße variiert stark und kann 3 bis 15 cm betragen. Aus dem Röntgenbild kann auf die histologische Graduierung des Tumors nicht geschlossen werden. Hochmaligne Chondrosarkome verfügen häufig über größere Areale und einen stärkeren bindegewebigen Anteil, dem Struma entsprechend. Im CT stellen sich diese Anteile mit niedrigeren Dichtewerten, z. B. mit 20–40 HE, dar.
Radiologische Zeichen von Chondrosarkomen Hochmaligne Chondrosarkome (Grad III und IV) zeichnen sich aus durch: 4 Wenig dichte, z. T. gerade erkennbare amorphe Kalzifikationen 4 Größere nicht kalzifizierte Areale mit niedrigeren Dichtewerten in der CT 4 Konzentrisches Wachstum 4 Kompaktazerstörung 4 Gelegentlich größere Nekrosezonen Niedrigmaligne Chondrosarkome (Grad I) sind charakterisiert durch: 4 Dichte Kalzifikationen von Ring und Bogenform, bei starker Summation amorph, aber sehr dicht erscheinend (die Kalzifikationen sind meist zusammenhängend) 4 Exzentrisches lobuliertes Wachstum 4 Keine nennenswerten Dichtewerte <50 HE
10.5.6
Lymphome und Leukämie
Die Beteiligung der Wirbelsäule bei Lymphomen und Leukämien ist häufig anzutreffen. Bei den malignen Lymphomen ist zwischen den Non-Hodgkin-Lymphomen und den HodgkinLymphomen zu unterscheiden. Das primäre Non-HodgkinLymphom des Skelettsystems ist definitionsgemäß ein Tumor, der vom Knochen ausgeht (7 Kap. 37.5). Streng davon abzugrenzen sind Non-Hodgkin-Lymphome des Knochenmarks ohne Tumorbildung, seien sie primär dort entstanden, wie die chronische lymphatische Leukämie, oder aber weisen sie Infiltrate im Rahmen einer Generalisierung eines nodalen oder extranodalen, nichtossären Non-Hodgkin-Lymphoms auf. Selten manifestieren sich auch Leukämien initial als solitäre Knochenläsionen. Bei der chronisch-myeloischen Leukämie ist dies seit langem bekannt und mit den Begriffen Chlorom, so genanntes granulozytisches Sarkom, oder auch als Myeloblastom bezeichnet. Ebenso kann sich eine akute lymphatische Leukämie
Das maligne Lymphom des Knochens kann in 4 Stadien eingeteilt werden: 4 Stadium I: Primäres monolokuläres und monoossäres Lymphom des Knochens ohne Hinweis auf eine nodale oder Weichteilmanifestation über einen Zeitraum von 6 Monaten nach Diagnosestellung. 4 Stadium II: Multilokuläre oder multifokale Knochenbeteiligung ohne Hinweis auf extraskelettale Manifestationen innerhalb von 6 Monaten nach Diagnosestellung. 4 Stadium III: Simultane Manifestationen im Knochen, in den Lymphknoten oder im Weichgewebe innerhalb von 6 Monaten nach Diagnosestellung. 4 Stadium IV: Knochenbeteiligung bei einem Patienten mit bekannter Diagnose eines nodalen oder Weichgewebslymphoms. Der Prognose der Stadien I und II ist überraschend gut mit 5und 10-Jahres-Überlebensraten von 42 bzw. 35%. Regional begrenzte Non-Hodgkin-Lymphome können operiert oder bestrahlt werden, der Tumor ist strahlensensibel. Eine auffallende Altersprädilektion ist vom Non-HodgkinLymphom des Knochens nicht bekannt, wenngleich der Tumor offensichtlich in der 3.–6. Lebensdekade häufiger als in der 2. und 7. vorkommt.
Klinik Klinisches Leitsymptom beim primären Non-Hodgkin-Lymphom des Knochens ist der lokale Schmerz.
Bildgebung Das primäre Non-Hodgkin-Lymphom des Knochens wächst lokal invasiv und weist zumeist eindeutige Zeichen eines aggressiven Prozesses auf (. Abb. 10.41). Röntgenologisch drückt sich dieses Wachstumsverhalten in einem mottenfraßartigen oder permeativen Destruktionsmuster aus. Bevorzugte Manifestation von Non-Hodgkin-Lymphomen mit Skelettbeteiligung sind die Skelettabschnitte, die zur Hämatopoese beitragen, z. B. Wirbelsäule, Becken, Schädel und Rippen sowie auch proximaler Humerus und Femur. Wirbelsäule und Sakrum partizipieren am Skelettbefall allein mit 30–50%. Röntgenologisch imponieren die Wirbelsäulen- und Beckenherde in der überwiegenden Zahl der Fälle als mehr oder weniger grobe Destruktionen mit unscharfen Herdgrenzen. Reaktive Sklerosen und gemischtförmige Bilder zwischen Osteolysen und reaktiven Sklerosen werden relativ häufig beobachtet, reine Osteolysen sind hingegen seltener. Bei Manifestationen im Wirbelkörperbereich treten rasch Frakturen ein. Im Stadium IV des Morbus Hodgkin kommt es in etwa einem Viertel aller Fälle zu einem Knochenmark-, Spongiosaoder Kompaktabefall. Im Gegensatz dazu ist eine primär ossäre Manifestation des Morbus Hodgkin ungewöhnlich selten. Am häufigsten wird dann die Wirbelsäule befallen. Die Skelett-
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Kapitel 10 · Wirbelsäule
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. Abb. 10.41a–d. Lymphom. a In den sagittalen T1w-Aufnahmen stellen sich BWK 11 und BWK 12 inhomogen signalgemindert dar. Zusätzlich zeigt sich paravertebrales Weichteilgewebe, das nach intraspinal und nach prävertebral vorwächst. Die Neuroforamina sind ebenfalls mit Zellgewebe ausgefüllt. b Nach KM-Gabe kommt es in den sagittalen v. a. in den intraspinal gelegenen Weichteilmassen zu einem kräftigen KM-Enhancement. c Das
lässt sich auch in den axialen T1w-Aufnahmen nach KM nachweisen. Das Myelon ist durch die epidural vorwachsenden Weichteilmassen komprimiert und verlagert. d In den sagittalen T2w-Sequenzen stellt sich der Tumor isointens zur Muskulatur dar. Bei dem Patienten war ein Lymphom bekannt, histologisch auch postoperativ gesichert
beteiligung beim Morbus Hodgkin äußert sich im Wesentlichen mit relativ früh einsetzenden Schmerzen, häufig noch bevor das Röntgenbild irgendeine Veränderung erkennen lässt. Die Skelettszintigraphie vermag die Skelettbeteiligung aufzuzeigen. Die röntgenologischen Skelettveränderungen beim Morbus Hodgkin des Stadiums IV können lytisch oder sklerosierend sein. Osteolysen werden durch die Tumorinfiltration ausgelöst, sie muten häufig permeativ und mottenfraßartig an. Sklerosierende Veränderungen, v. a. diffuser Art, sind meistens reaktiv. Extreme Sklerosierungen, wie sie beim Elfenbeinwirbel beobachtet werden, haben pathogenetisch Ähnlichkeit mit der osteoblastischen Metastase.
volvieren. Sie zählen zu den häufigsten soliden Tumoren außerhalb des ZNS. In der pädiatrischen Altersgruppe kommen sie typischerweise bei Kindern <5 Jahre vor.
10.5.7
Extraspinale Tumoren mit spinaler Beteiligung
Neuroblastome Definition, Epidemiologie, Lokalisation Neuroblastome sind solide Tumoren, die aus der Neuralrinne entstehen, die Nebennieren in ca. 40% der Fälle befallen und den paravertebralen Grenzstrang (25% der Fälle) sowie das ZuckerKandel’sche Organ, wie den Glomus caroticus und aorticus in-
Klinik Kindern mit Sanduhrneuroblastomen sind in der Regel jünger als 5 Jahre. Die klinische Symptomatik hängt von der Lokalisation und Größe der Raumforderung ab. In der Regel zeigen sich neurologische Symptome, verursacht durch die intraspinale Ausdehnung und Kompression des Rückenmarks und der Nervenwurzeln. Thorakale Tumoren können manchmal durch eine Dyspnoe auffallen. Eine seltene, aber spezifische Präsentation der Neuroblastome ist das so genannte Kinsbourne-Syndrom, charakterisiert durch Opsoklonus (dancing eyes), Myoklonus, Ataxie.
Diagnose Die Sekretion von Vanillinmandelsäure und Homovanillinsäure im Urin ist charakteristisch. Üblicherweise handelt es sich um große Raumforderungen mit ausgeprägten nekrotischen hämorrhagischen Arealen und Kalzifikationen. Histologisch zeigen sich runde kleine Zellen mit einem hohen Nukleus- zu Zytoplasmaverhältnis, ähnlich wie Ewing-Sarkome und PNET’s. Es gibt ein kontinuierliches histologisches Spektrum von High-grade-
329 10.6 · Verletzungen und Traumata der Wirbelsäule
Tumoren (Neuroblastom) bis zu intermediären Formen (Ganglioneuroblastom) zu Low-grade-Formationen (Ganglioneurom). Radiologisch können diese verschiedenen histologischen Gradings nicht unterschieden werden.
Bildgebung In Röntgenübersichtsaufnahmen können die teilkalzifizierten paraspinalen Raumforderungen nachgewiesen werden. Öfter zeigen sich jedoch indirekte Zeichen, wie Osteolysen und sklerotische Veränderungen in den angrenzenden Knochen. Aufweitung einer oder mehrerer Neuroforamina und ein erweiterter interpedunkulärer Abstand werden ebenfalls gefunden. Die MRT kann die intraspinale Ausdehnung der Raumforderung sehr gut darstellen. In den T1-gewichteten Sequenzen ist der Tumor in der Regel hypointens, in den T2-gewichteten Sequenzen iso- bis hypointens. Es zeigen sich nekrotisch-zystische Veränderungen, intratumorale Blutungen, Kalzifikationen, die teils zu einem inhomogenen Signal führen können. Ein Kontrastmittel-Enhancement ist in der Regel ausgeprägt vorhanden. Differenzialdiagnostisch kommen noch maligne Nervenscheidentumoren infrage.
10.6
Verletzungen und Traumata der Wirbelsäule
hohe Gewicht des Kopfs und die anatomisch bedingte, ernorme Beweglichkeit der einzelnen Segmente untereinander auf. Patienten, bei denen Anamnese und klinische Befunde für eine Wirbelsäulenverletzung sprechen, müssen stets zum sicheren Ausschluss einer Fraktur mit allergrößter Vorsicht behandelt werden. Dies gilt insbesondere für Patienten mit einem Polytrauma und für nicht bewusstseinsklare Patienten. Besondere Vorsicht ist beim Umlagern des Patienten geboten. Die Lagerung und Überwachung des Patienten ist in diesen Fällen die ärztliche Aufgabe. Zunächst sollten konventionelle Aufnahmen in 2 Ebenen von allen Wirbelsäulenabschnitten angefertigt werden, die bei der Verletzung gefährdet waren. Beim geringsten Zweifel ist die gesamte Wirbelsäule zu röntgen. Es sollte immer an die Möglichkeit einer Mehretagenverletzung gedacht werden. Außerordentlich wichtig ist die einwandfreie Darstellung des zervikothorakalen und kraniozervikalen Übergangs. Werden bei den Verletzten die Untersuchungen in einem Multislice-CT vorgenommen, so erübrigen sich die Röntgenübersichtsaufnahmen, und die entsprechenden Höhenabschnitte der Wirbelsäule können im CT mit anschließender axialer und sagittaler Reformation dargestellt werden. Insbesondere in kraniozervikalen und zervikothorakalen Segmenten bietet die CT gegenüber der konventionellen Aufnahme eine bessere Darstellung der knöchernen Strukturen. Werden Röntgenübersichtsaufnahmen in 2 Ebenen angefertigt, so sind die in der Übersicht genannten Punkte zu beachten.
Allgemeines Die häufigsten Fragestellungen, die mit bildgebenden Verfahren geklärt werden sollen, betreffen die Verletzungen der Wirbelsäule und deren Folgen. Es sollte dabei zwischen der Diagnostik einer frischen Verletzung, z. B. Frakturen und traumatischen Bandscheibenvorfällen und der Diagnostik der langfristigen Folgen (Instabilitäten, Fehlstellungen, Stenosen etc.) unterschieden werden. Nach einem Trauma muss vorrangig geklärt werden, ob die Verletzung die Stabilität der Wirbelsäule und dadurch möglicherweise Nervenstrukturen gefährdet. Unter der Stabilität versteht man die Fähigkeit, den physiologischen Belastungen zu widerstehen und die neuralen Elemente sicher zu schützen. Orientiert man sich in der Definition der Stabilität an der Vorgabe von 3 Säulen nach Holdsworth und Denis ist davon auszugehen, dass eine Fraktur dann instabil ist, wenn alle 3 Pfeiler der Wirbelsäule oder ein mittlerer oder benachbarter Abschnitt verletzt sind. Hier wird wie folgt definiert: 4 als Vordersäule das vordere Längsband, der vordere Anteil der Wirbelkörper (zwei Drittel) einschließlich Zwischenwirbelscheibe 4 als mittlere Säule der hintere Teil des Wirbelkörpers einschließlich des Anulus fibrosus und des hinteren Längsbandes 4 als Hintersäule die dorsale Spinalkanalummantelung einschließlich Facettengelenke und den hinteren Bändern
Diagnose, Bildgebung Entscheidend für die Verletzungsfolgen ist die Art der Krafteinwirkung im Unfallmoment. Dabei tritt eine besondere Belastung, insbesondere für die Halswirbelsäule, durch das verhältnismäßig
Wichtige Fragestellung für Röntgenübersichtsbilder in 2 Ebenen beim Trauma 4 Zunächst die normale Krümmung der Wirbelsäule; besteht eine Steilstellung bzw. Abknickung? 4 Sind die abgebildeten Wirbel annähernd genauso groß wie die jeweiligen Nachbarwirbel? 4 Erscheint ein Wirbel in der a.p.-Aufnahme auffällig verbreitert? 4 Ist der Zwischenwirbelabstand ungefähr gleich weit? 4 Erscheinen die Dornfortsätze und die »Augen der Wirbelbögen« symmetrisch, liegen sie auf einer Linie? 4 Ist die Strahlentransparenz der Wirbelsäule normal oder besteht eine generalisierte oder lokale Verminderung? 4 Ist der Weichteilschatten in der Umgebung der Wirbelsäule unauffällig, insbesondere der prävertebrale Weichteilschatten?
Neben nativen Röntgenübersichtsaufnahmen hat sich v. a. die CT als Verfahren der Wahl zum Nachweis von knöchernen Frakturen bewährt. Insbesondere die Frage nach Myelonverletzungen kann im MRT gut geklärt werden. Standarduntersuchungen von Wirbelsäule und Rückenmark nach einem Trauma sollten in der MRT sein: 4 T1- und T2-gewichtete Aufnahmen in sagittaler Ebene mit Turbo- bzw. Phasen-Spinecho-Sequenzen 4 T2*-gewichtete Gradientenecho-Sequenzen in axialer Schichtführung 4 Sagittale STIR-Sequenzen zur sensitiven Fraktur-/Ödemdetektion
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330
Kapitel 10 · Wirbelsäule
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10 b . Abb. 10.42a–e. Jefferson-Fraktur. a In den axialen CT-Aufnahmen in Knochenfensterausspielung zeigt sich eine Fraktur im vorderen und hinteren Abschnitt des Atlasbogens, dieser kombinierte Bruchtyp des vorderen und hinteren Bogenanteils des Atlas wird auch als Jefferson-Fraktur bezeichnet (Typ II-Fraktur nach Gehweiler). Hierbei handelt es sich um eine instabile Fraktur. b Zusätzlich zeigt sich bei diesem Patienten in den sagittalen Rekonstruktionen eine Vergrößerung des atlantodentalen Abstandes. c–e Schematische Darstellung der Jefferson-Fraktur: c a.p.-Ansicht, d axiale Ansicht. Die Seitverschiebung der Gelenkpfeiler führt zu einer Ruptur der queren Bänder (Ligamenta transversa atlantis). e Es kann auch nur eine einseitige Verschiebung des Gelenkpfeilers vorliegen
Zusätzlich können befundbezogen folgende Aufnahmetechniken angezeigt sein: 4 T1- und T2-gewichtete Sequenzen in koronarer Schichtführung am kraniozervikalen Übergang zur Beurteilung des Dens axis und ggf. gewinkelt entlang der Ligamenta alaria. Hierzu sind auch 3 D-Sequenzen geeignet 4 MR-Myelographie bei Verdacht auf Wurzeltaschenverletzungen 4 MR-Angiographie bei Verdacht auf Verletzungen der hirnversorgenden Arterien (Dissektion) im Zusammenhang mit einem HWS-Trauma Die Gabe von i. v.-Kontrastmittel ist nach der Akutphase nach einem Wirbelsäulentrauma nur selten indiziert. Lediglich Probleme in der Abgrenzbarkeit von Hämatomen gegenüber entzündlichen bzw. tumorösen Veränderungen bei unklarer Anamnese können dies erforderlich machen. STIR-Aufnahmen sind dagegen äußerst sinnvoll, um auch kleinste Knochenmarksödeme als Hinweis auf eine traumatische Mitbeteiligung des entsprechenden Wirbelkörpers und der Wirbelkörperanhangsgebil-
e
de nachzuweisen. Unter Umständen sind sie sensitiver als die herkömmlichen CT- und Übersichtsaufnahmen.
10.6.1
Frakturen der Halswirbelsäule
Frakturen des Atlas Definition Verletzungen des Atlas wurden zuerst von Jefferson beschrieben. Man unterscheidet hier Berstungsfrakturen mit einer doppelten Ringsprengung (auch als Jefferson-Fraktur genannt) und isolierte, nicht wesentlich dislozierte Frakturen des Wirbels. Eine bedeutende Funktion für die Stabilität im Segment C1/2 hat das Ligamentum transversum. > An eine Fraktur des Atlas sollte insbesondere bei fortgeleiteter Krafteinwirkung gedacht werden, z. B. nach einem Sturz auf das Gesäß aus großer Höhe.
Jefferson-Frakturen sind Berstungsfrakturen des Atlas (. Abb. 10.42). Durch die axiale Kompression kommt es zur
331 10.6 · Verletzungen und Traumata der Wirbelsäule
Sprengung des knöchernen Rings mit Fraktur des vorderen und hinteren Halbrings an mindestens 2 Stellen. Die Integrität des Ligamentum transversum entscheidet über die Stabilität.
Bildgebung Früher war eine der wichtigsten Untersuchungen die Aufnahme der HWS in 2 Ebenen und die a.p.-Aufnahme bei geöffnetem Mund (Denszielaufnahme). Bei der a.p.-Aufnahme war ein symmetrischer Abstand zwischen den Massae laterales und dem Dens axis wichtig. Bei der seitlichen Aufnahme sollte der Abstand zwischen der Densvorderseite und der Hinterfläche des vorderen Atlasbogens 3 mm nicht überschreiten. Für die Beurteilung der Aufnahme im seitlichen Strahlengang sind 2 Referenzlinien von Bedeutung: 4 zum einen die Chamberlain-Linie (. Abb. 10.43) zwischen dem hinteren oberen Rand des harten Gaumens und dem Hinterrand des Foramen magnum, 4 zum anderen die Mc Gregor-Linie zwischen dem hinteren oberen Rand des harten Gaumens und der tiefsten Stelle des Os occipitale. Zum Ausschluss einer Stauungsfraktur darf die Spitze des Dens axis die Chamberlain-Linie um nicht mehr als 3 mm und die Mc Gregor-Linie um nicht mehr als 4,5 mm überragen. In der CT, in den sagittalen und koronaren Rekonstruktionen, können die entsprechenden Frakturlinien nachgewiesen werden (. Abb. 10.42). Das MRT kann Informationen über eine Beteiligung des Myelons und mögliche Bandverletzungen liefern.
. Abb. 10.43. Schema Chamberlain-Linie. Verbindungslinie zwischen dorsalem Anteil des harten Gaumens und dorsaler Begrenzung des Foramen magnum
Frakturen des Dens Der Dens axis steht als Gelenkpartner in unmittelbarer Verbindung zum Atlas. Die klassische Einteilung der Densfrakturen stammt von Anderson und D’ Alonzo (. Abb. 10.44). Danach werden 3 Typen unterschieden: 4 Typ I: Fraktur durch den proximalen Dens axis, eine stabile Ausheilung kann erwartet werden. 4 Typ II: Fraktur durch die Densbasis (. Abb. 10.45). Hier besteht die Gefahr einer Pseudarthrose, differenzialdiagnostisch ist an ein Os odontoideum zu denken (angeborene Fehlbildung). 4 Typ III: Fraktur mit Verletzung des Axiskörpers. Da große Spongiosakontaktflächen bestehen, kann eine stabile Ausheilung erwartet werden. Die Fraktur des Axisbogens wird als Hanged man’s fracture bezeichnet. Diese Verletzung des Axis entsteht beim Erhängen durch Hyperextension unter gleichzeitiger Distraktion. Ähnliche Verletzungsmechanismen treten bei Motorradunfällen und beim Pkw-Unfall bei nicht angeschnallten Insassen auf den Vordersitzen auf. Dabei wird der Körper nach vorne geschleudet und der Kopf gegen das Dach oder die Windschutzscheibe gepresst. Axisfrakturen dieser Art stellen etwa 7% aller HWS-Frakturen dar. Eine Hanged man’s fracture (. Abb. 10.46) ist bei minimaler Dislokation nur des Axisbogens als stabil zu betrachten, wenn eine Mitverletzung der Bandscheibe zwischen dem Axiskörper und dem 3. Halswirbel ausgeschlossen wurde (Einteilung nach Effen-
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b . Abb. 10.44a–c. Schema der Einteilung der Densfrakturen nach Anderson und D’Alonzo. a Typ I: Fraktur (meist schräg) des oberen Densanteils (stabil). b Typ II: Querfraktur durch die Basis (instabil). c Typ III: Fraktur durch die Densbasis mit Ausdehnung in den Axiskörper (stabil)
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Kapitel 10 · Wirbelsäule
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d . Abb. 10.45a–d. Densfraktur/Fraktur durch die Densbasis. a In den axialen CT-Aufnahmen stellt sich der Dens axis zwar mittig, allerdings mit einer schräg verlaufenden Fraktur dar. b In den koronaren Rekonstruktionen zeigt sich dann eine Fraktur an der Densbasis, die auch in den sagittalen (c) Rekonstruktionen nachweisbar ist. Keine wesentliche Verschiebung der Frakturfragmente. d In den sagittalen T2w-Sequenzen ist der Frakturspalt des Dens axis hyperintens nachweisbar. Zusätzlich zeigt sich eine intramedulläre Signalanhebung des Myelons als Hinweis auf einen Myelon-
schaden. Bei der traumatischen Spondylolyse C2 handelt es sich um Frakturen der Bogenwurzeln des 2. Halswirbels, die durch Hyperextension und Distraktion entstehen. Dieser Frakturtyp ist die typische Verletzung beim Erhängen, deshalb wird dieser Bruch auch als Hanged man’s fracture bezeichnet. Dabei handelt es sich um eine isolierte Fraktur der Bogenwurzeln des Axis. In diesen parasagittalen Rekonstruktionen ist die Fraktur des Axis mit Dislokation klar zu erkennen. In den axialen Rekonstruktionen sieht man, dass zusätzlich eine rotatorische Komponente nachweisbar ist
di Typ I). Bei Vorliegen einer Achsenabweichung des Dens axis oder einer stärkeren Dislokation des abgesprengten Fragments ist mit einer traumatischen Schädigung der Bandscheibe zu rechnen. Diese Frakturen sind instabil und heilen nicht ohne eine operative Versorgung stabil aus (Effendi Typ II und III) (. Abb. 10.46).
axiale Kompression führen zu einer Kompressions- oder Berstungsfraktur der Wirbelkörper (. Abb. 10.47) und eine Mitbeteiligung der angrenzenden Bandscheiben. Hyperflexionsverletzungen sind entweder mit einer Kompression oder einer Distraktionskomponente verbunden. Die typische Kompressions-/Hyperflexionsverletzung entsteht durch einen Schlag auf den Hinterkopf von kranial, die Distraktions-/Hyperflexionsverletzung durch einen Schlag gegen das Os occipitale von unten. Eine Sonderform der Distraktions-/Hyperflexionsverletzung ist die Tear drop fracture. Hierbei wird die ventrale Wirbelkörperkante abgerissen und meißelartig in den darunter liegenden Wir-
Frakturen der mittleren und unteren Halswirbelsäule Für die Verletzung der mittleren und unteren Halswirbelsäule hat sich noch keine allgemein anerkannte und klinisch gebräuchliche Klassifikation durchgesetzt. Verletzungen durch
333 10.6 · Verletzungen und Traumata der Wirbelsäule
belkörper hineingepresst. Dies führt zu einer instabilen Fraktur (. Abb. 10.48). Bei Verletzungen durch Hyperextension lässt sich ein Verletzungsmuster mit Kompression von einem Muster mit Distraktion unterscheiden. Typischerweise entstehen die Verletzungen durch Krafteinwirkung gegen die Stirn bzw. gegen das Kinn. Zu diesem Verletzungstyp gehört auch die Hanged man’s fracture. Verletzungen durch Scherung (Translation) führen zu einer Luxation von einer oder beiden Gelenkfacetten und zur Zerreißung der anterioren und posterioren ligamentären Strukturen.
Clay-shoveller’s-Fraktur Fraktur des Processus spinosus von HWK 6 oder 7. Der Name rührt von deren Entstehungsmechanismus her: Beim Stechen von Ton kann dieser teilweise an der Schaufel hängen bleiben,
a
sodass es beim über die Schulter werfen zu einer ausgeprägten Kraft auf die dem Processus spinosus anheftenden Ligamente kommen kann, mit anschließender Fraktur desselben.
10.6.2
Frakturen der Brustund Lendenwirbelsäule
Die Verletzungen der Brust und Lendenwirbelsäule können anhand einer Frakturklassifikation beschrieben werden (Magerl et al. 1954). Sie beruht hauptsächlich auf pathomorphologischen Kriterien und bezieht sich auf das Wirbelsäulenmodell von Denis (. Abb. 10.50). Verletzungsmechanismus, Verletzungstyp und prognostische Faktoren gehen in die Einteilung der Frakturen
b
c . Abb. 10.46a–c. Hanged man’s fracture. a Fraktur der rechten Bogenwurzel von HWK 2, welche bis inden Wirbelkörper hereinzieht (axiales CT). b Im sagittalen CT-Scan ist die Frakturlinie mit einer deutlichen Dehiszenz
nachweisbar. c Schematische Darstellung der Klassifikation der Erhängungsfrakturen in Typ I bis Typ III
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334
Kapitel 10 · Wirbelsäule
a
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b
. Abb. 10.47a, b. Berstungsfraktur HWS. a In den sagittalen CT-Rekonstruktionen zeigen sich in LWK 3 eine Höhenminderung sowie eine Fraktur der Bogenwurzel, zusätzlich ausgeprägte osteodegenerative Veränderungen und eine Osteopenie. b In den T2w-Sequenzen stellt sich der frakturier-
te Wirbelkörper signalintens dar, die Hinterkante ist nach dorsal in den Spinalkanal verlagert. Zusätzlich in diesen fettunterdrückten, T2w-Sequenzen Nachweis eines Weichteilödems in der dorsalen autochthonen Rückenmuskulatur
ein. Es werden 3 Hauptgruppen gebildet, die die 3 fundamentalen Verletzungsmechanismen berücksichtigen: 4 Typ A: Beinhaltet Kompressionsverletzungen mit Höhenverlust der Wirbelkörper (. Abb. 10.51) 4 Typ B: Flexions-/Distraktionsverletzungen der vorderen oder hinteren Säule 4 Typ C: Verletzungen des Typs A oder B mit zusätzlicher Torsion
10.6.3
Diese Hauptgruppen werden in jeweils 3 Untergruppen unterteilt, die mit I–III beziffert werden. Dabei ist Typ A I ein Impressionskeilbruch, Typ A II ein Spaltbruch und Typ A III ein Berstungsbruch. Bei Frakturen des Typs B ist der Typ B I eine hintere Zerreißung und entspricht der Chance-Fraktur, Typ B II ist eine hintere Zerreißung durch Flexion und Distraktion, Typ B III ist eine vordere Zerreißung durch Hyperextension.
Seat belt injury Diese tritt nach Hyperflexion im Bereich der Taille auf. Es kommt zur Distraktion der hinteren Elemente und Ligamente und anteriorer Kompression der Wirbelkörper. Meistens sind BWK 12, LWK 1 und 2 betroffen. Eine Fraktur des hinteren Wirbelkörpers wird als Smith-Fraktur, eine Fraktur durch den Processus spinosus als Chance-Fraktur bezeichnet. Horizontale Frakturen der Wirbelbögen mit Beteiligung der Querfortsätze können ebenfalls auftreten. Als Flexions-Tear-drop-Fraktur wird eine Ruptur der posterioren Ligamente mit anteriorer Kompression des Wirbelkörpers bezeichnet. Ursache ist eine starke Flexion. Meistens bestehen zusätzlich Verletzungen des Myelons.
Spinoligamentäre Verletzungen
Bei Frakturen der Wirbelsäule kann es zu begleitenden Verletzungen mit Distraktion einer Säule und zur Zerstörung des ligamentären Halteapparats der Wirbelsäule kommen. Meistens sind auch die angrenzenden Bandscheiben betroffen. Dabei sind 2 Verletzungstypen möglich, zum einen die rein ligamentäre Verletzung, zum anderen die traumatische Zerstörung einer Bandscheibe. Letztere muss bei intaktem Knochen immer mit einer ligamentären Begleitverletzung einhergehen.
Bildgebung Die konventionelle Röntgendiagnostik ist unter Notfallbedingungen nicht immer in der Lage, alle relevanten Verletzungen zu erfassen. Insbesondere Regionen wie der kraniozervikale und der zervikothorakale Übergang sind problematisch. Ligamentäre Instabilitäten sind schon methodisch bedingt mit einer statischen Aufnahme nicht definitiv abzuklären. So wird an der Halswirbelsäule etwa die Hälfte aller diskoligamentären Instabilitäten im konventionellen Röntgenbild übersehen. Deshalb hat sich in den letzten Jahren die CT in Abhängigkeit vom Unfallmechanismus, Klinik und konventionellem Röntgenbefund als Methode der Wahl für die bildgebende Abklärung der Wirbelsäule etabliert. Idealerweise erfolgt die Untersuchung mit Mehrschicht-CT-Geräten, um die gesamte Wirbelsäule lückenlos in ausreichender Auflösung zu untersuchen und Sekundärrekonstruktionen anfertigen zu können. Das MRT in der Primärdiagnostik ist in ausgewählten Fällen möglich, da nach wie vor die Überwachung des Patienten im MRT erheblich aufwendig ist. Die Diagnostik zur Darstellung
335 10.6 · Verletzungen und Traumata der Wirbelsäule
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. Abb. 10.48a–c. Tear-Drop-Fraktur. a In den sagittalen CT-Aufnahmen zeigt sich eine tropfenförmige Absprengung an der Vorderkante von HWK 6. Diese tropfenförmige Absprengung wird als Tear drop bezeichnet. b In
den axialen Aufnahmen Nachweis der Frakturlinie im vorderen Abschnitt des Wirbelkörpers. c Schematische Darstellung an einem Sagittalschnitt
der Frakturen und begleitenden Weichteilverletzungen, Bandverletzungen und Myelonbeteiligung ist in der MRT besser als in der CT abgrenzbar. Auch manche Stauchungsfrakturen lassen sich in der MRT erst über ein Knochenmarködem nachweisen. Bei Kindern sollte jedoch die Indikation für das MRT großzügig gestellt werden, um ihnen eine Strahlenexposition zu ersparen.
sonographie sein. Klinische Hinweise, wie ein Horner-Syndrom und Ischämiezeichen durch thromboembolische Ereignisse aus dissezierten Gefäßen sollten an das Vorliegen einer traumatisch verursachten Gefäßläsion denken lassen.
> Da CT und MRT statische Untersuchungsmethoden sind, muss in ausgewählten Fällen ergänzend eine dynamische Untersuchung unter Durchleuchtung erfolgen.
10.6.4
Die Prognose von Patienten mit HWS-Frakturen wird durch begleitende Gefäßverletzungen beeinträchtigt. Die Präferenz derartiger Ereignisse wird in der Literatur mit 0,38–1% angegeben, wobei die Zahlen wahrscheinlich höher sein dürften. Frakturen von Atlas und Axis, auch von weiter kaudal gelegenen Abschnitten der HWS, können zu Dissektionsverletzungen der A. vertebralis und A. carotis interna führen. Die Diagnostik besteht in der kontrastmittelunterstützten CT-Angiographie bzw. MR-Angiographie. Hilfreich kann auch die farbkodierte Duplex-
Verletzungen des Myelons
Bildgebung Die MRT hat die beste Aussagekraft bezüglich dem Nachweis akuter spinaler Traumen, wie epidurale Hämatome, Pseudomeningozelen, Nervenwurzelausriss oder Myelonkompression. Kontusionen des Myelons mit Mikrozirkulationsstörungen des Marks und resultierendem Ödem oder Hämatomyelie, können damit nachgewiesen werden. Das intermedulläre Ödem wird sensitiv durch Signalanhebungen in den T1- und T2-gewichteten oder STIR-Sequenzen (. Abb. 10.52) dargestellt. Vorübergehend reichert das Myelon nach i.v.-Kontrastmittel-Applikation als Ausdruck der Schrankenstörung an. Ausmaß und Dauer des En-
10
336
Kapitel 10 · Wirbelsäule
a . Abb. 10.49a, b. Atlantoaxiale Rotationsluxation C1 gegen C2. 8-jährige Patientin mit Torticollis. a Im axialen CT durch C1 erkennt man, dass der
b Atlas nach links rotiert ist. b Das axiale CT durch C2 verdeutlicht den nach rechts verdrehten Axis
10 hancements sind uncharakteristisch. Intermedulläre Blutungsherde sind altersabhängig und die Ausdehnung des medullären Ödems bzw. der Hämtomyelie ist für die Prognose des klinischen Verlaufs hilfreich. Vor allem in T2*-gewichteten Gradientenecho-Sequenzen können auch kleinere intermedulläre Blutungen nachgewiesen werden (. Abb. 10.53).
Klinik Klinisch sind die Folgen einer Rückenmarkverletzung gekennzeichnet durch den vollständigen oder partiellen Ausfall motorischer, sensibler und vegetativer Leitungsbahnen unterhalb der Höhe des schädigenden Ereignisses. Im Rahmen des spinalen Schocks können sich auch Herzrhythmus und Kreislaufstörungen, Atonie von Magen, Darm- und Harntrakt sowie Stoffwechselstörungen finden. Etwa 4–6 Wochen nach dem Abklingen des spinalen Schocks führt die fehlende oder inkomplette zentrale Steuerung zu pathologischen Reflexen und oft zu einer Spastik.
10.6.5
. Abb. 10.50. Schema Verletzungen der BWS und LWS. Anhand des 3Säulen-Konzepts nach Denis lässt sich die Stabilität von Verletzungen der BWS und LWS einschätzen. Ist nur eine Säule betroffen, ist die Fraktur stabil, sind alle Säulen betroffen, ist sie instabil
Chronische posttraumatische Rückenmarksveränderungen
Pro Jahr erleiden etwa 1500–1800 Patienten eine Querschnittlähmung, wovon etwa 60% der Betroffenen para- und etwa 40% tetraplegisch bleiben. Die Überlebensrate dieser Patienten hat sich durch die Versorgung in Zentren unter Anwendung moderner osteosynthetischer Verfahren und der damit verbundenen Möglichkeit einer Frühmobilisierung dramatisch verbessert. Monate, teilweise Jahre nach dem initialen Trauma können Komplikationen auftreten. Diese Veränderungen führen zu einer Verschlechterung des neurologischen Status in ca. 5–10% der Patienten. Motorische und sensible Dysfunktionen, Reflexverluste
337 10.6 · Verletzungen und Traumata der Wirbelsäule
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. Abb. 10.51a–c. Kompressionsfraktur BWS–LWS. a In den Röntgenübersichtsaufnahmen zeigt sich bei diesem jungen Patienten in Höhe BWK 9 und 10 sowie in Höhe LWK 1 eine leichte Höhenminderung der Wirbelkörper. Das übrige Achsenskelett stellt sich regelrecht dar. b In den T2w-STIRSequenzen zeigt sich ein Knochenmarködem der Wirbelkörper BWK 9 und
a
c 10, BWK 12, LWK 1 und LWK 2. Hierbei handelt es sich um Knochenmarködem bei Stauchungsfrakturen ohne wesentliche Höhenminderung (bone bruise). c In den sagittalen T1w-Sequenzen nach KM-Gabe ist eine Höhenminderung von BWK 9 und 10 sowie von BWK 12 und LWK 1 zu erkennen
b
. Abb. 10.52a, b. Myelonkontusion. a In den STIR-Sequenzen zeigt sich bei diesen Patienten mit einem PKW-Auffahrunfall eine intramedulläre Signalanhebung im Myelon in Höhe HWK 3 bis 7, zusätzlich noch Wirbelkör-
perfrakturen in Höhe von HWK 4, 5 und 6. b In den axialen T2w-Sequenzen zeigt sich, dass es zusätzlich zu kleinen Einblutungen intramedullär gekommen ist
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Kapitel 10 · Wirbelsäule
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. Abb. 10.53a–c. Hämatomyelie. a In den sagittalen T2-gew. Aufnahmen zeigt sich eine Wirbelkörperfraktur mit Vorwölbung der Hinterkante nach intraspinal von HWK 5. In Höhe HWK 4/5 zeigt sich eine zentromedulläre Signalveränderung im Myelon mit Auftreibung des Myelons und auf- und absteigendem intramedullärem Ödem. b In den sagittalen T1w-Sequenzen
sind die Wirbelkörperfraktur sowie die leichte Auftreibung des Myelons erkennbar. c In den axialen T2w-Gradientenecho-Sequenzen zeigt sich intramedullär links eine Signalminderung, die kleinen Scherverletzungen/Blutungen im Myelon entsprechen
sowie neu auftretende Schmerzsymptome stellen je nach Lokalisation die klinische Symptomatik dar. Ursächlich finden sich Syringohydromyelie, Myelonmalazie, Zysten, Myelondurchtrennungen, Verklebungen des Myelinschlauchs und Atrophien des Rückenmarks. Bei posttraumatischer Syrinx oder Verklebungen können das angeheftete Mark bzw. die zystischen Veränderungen operativ entlastet werden.
Kontinuität des Myelons, spricht man von einer Myelondurchtrennung. Eine typische Spätfolge ist die Atrophie mit einer Verminderung des Durchmessers. Als Myelomalazie wird eine persistierende, unscharf begrenzte Zone im Rückenmark verstanden, die in den T2-gewichteten Sequenzen hyperintens erscheint und in T1-gewichteten Sequenzen isointens zur grauen Substanz zur Abbildung kommt.
Syringohydromyelie Pathogenese, Klinik
Traumatisch bedingte Nervenwurzelschädigungen
Normalerweise obliteriert der mit Ependym ausgekleidete Canalis centralis. Findet sich eine Erweiterung dieses Kanals auf >2 mm, spricht man von einer Hydromyelie. Die klinische Symptomatik entsteht durch entsprechende Druckwirkung auf die umgebenden Leitungsbahnen zentromedullär. Findet sich eine nicht von Ependym ausgekleidete Höhlenbildung unabhängig vom Zentralkanal, bezeichnet man dies als Syringomyelie (. Abb. 10.20). Posttraumatische Höhlen im Rückenmark des primären Traumas, die mit dem Subarachnoidalraum kommunizieren und keiner Wachstumsdynamik unterliegen, werden als posttraumatische Zysten bezeichnet. Die Abgrenzung zwischen Syringo- und Hydromyelie ist oft schwierig, deshalb wird oft auch der Begriff Syrinx oder Syringohydromyelie benutzt.
Vor allem in der HWS können Traumen zu einem Ausriss der Wurzeln myelonnahe führen. Zusätzlich können noch Schädigungen des Plexus beobachtet werden. Myelonnahe Verletzungen können in der MRT gut nachgewiesen werden, Armplexusverletzungen sind oft lediglich durch komprimierende Hämatome darstellbar. Bei intrathekaler Kontrastmittelgabe lässt sich in der Myelographie und im postmyelographischen CT der Nervenwurzelausriss darstellen (. Abb. 10.54). Hierbei ist eine massiv erweiterte Wurzeltasche in der entsprechenden Höhe Hinweis auf einen Nervenwurzelausriss. Mit dünnschichtigen hochaufgelösten MR-Techniken, v. a. in starker T2-Wichtung, ist dies ebenfalls möglich. Auch die MR-Myelographie kann die Erweiterung der Wurzeltaschen ohne regelrechte Darstellung einer Nervenwurzel nachweisen. Wird bei einer spinalen Operation die Dura verletzt, kann es zur Ausbildung einer Pseudomeningozele kommen. Dabei
Bildgebung Die Methode der Wahl zur Abbildung zystischer posttraumatischer Myelonveränderungen ist die MRT. T2-gewichtete Sequenzen in sagittaler Ausrichtung sowie axiale Schichten in Höhe der pathologischen Befunde sind obligatorisch. Eine T1-gewichtete Sequenz ist zur Abgrenzung einer Myelomalazie notwendig, Aufnahmen nach Kontrastmittel-Applikation können tumorbedingte Syringomyelien nachweisen. In seltenen Fällen kann eine Myelographie zur Kontrastierung der Syrinx und zum Nachweis einer direkten Verbindung zum Subarachnoidalraum durchgeführt werden. Hierbei sind so genannte Spätaufnahmen nach ca. 12–24 h nach Kontrastmittel-Applikation hilfreich (Übersichtsaufnahmen und postmyelographische CT-Aufnahmen). Kommt es durch das Trauma zu einer vollständigen Unterbrechung der
. Abb. 10.54. Wurzelausriss. In den axialen T2w, fettunterdrückten Sequenzen zeigt sich eine Vergröberung der Wurzeltasche links im Halsbereich in Höhe HWK 5/6. Zustand nach Motorradunfall. Hier handelt es sich am ehesten um einen Wurzelausriss in Höhe der Wurzel C6
339 10.7 · Entzündliche Erkrankungen des Spinalkanals
kommt es zum freien Liquoraustritt in das umgebende Gewebe, wo sich später eine fibröse Kapsel ausbildet. Das Signal der Zele entspricht dem von Liquor, jedoch können Blutbeimengungen oder eine Abkapselung mit Eindickung des Liquors ein abweichendes Signalverhalten und eine Spiegelbildung erzeugen. Intraspinale Blutungen können auch zur Ausbildung einer Arachnoiditis führen, die sich magnetresonanztomographisch recht unterschiedlich darstellen kann. Am auffälligsten ist dabei, dass die normale Anordnung der Kaudafasern aufgegeben ist, und es zu einer Verplumpung und Verdickung der Nervenfasern kommt. Es können auch verdickte noduläre Strukturen am Durasack angeheftet sein. Dabei kann die Anordnung der normalerweise eher zentral oder dorsal gelegenen Kaudafasern verplumpt und lateral dem Duralsack angeheftet sein.
Epidurales Hämatom Diese »extramedullären« Blutungen kommen häufig nach Traumen vor. Subdurale Hämatome sind an der Wirbelsäule selten und meist durch Koagulopathien bedingt (im Kopf sind Dura und Periost fest verbunden, ein arterieller Druck ist nötig, um die Dura vom Periost zu lösen). Bei der Wirbelsäule hingegen wird die Dura vom Knochen durch epidurales Fett getrennt. Im ventralen Spinalkanal liegt hier zusätzlich ein Venenplexus, der die Wirbelkörper drainiert. Beim Trauma kommt es häufig zur Verletzung dieser Venen, was zu einem langsam wachsenden, epiduralen Hämatom führt, mit möglicher Kompression des Myelons.
10.6.6
Schussverletzungen an der Wirbelsäule
Schussverletzungen an der Wirbelsäule sind v. a. in Deutschland nicht so häufig, stellen jedoch in anderen Regionen, z. B. in den USA, ein medizinisches und soziales Problem dar. In den USA ereignen sich ca. 37 000 Todesfälle und 240 000 Schusswaffenverletzungen jährlich. Die Behandlung der Schusswaffenverletzungen beruht im Wesentlichen auf der Kriegschirurgie im letzten Jahrhundert. Bei den direkten Verletzungen durch das Projektil sind die indirekten Traumafolgen v. a. durch die Hochgeschwindigkeitsprojektile nicht zu vernachlässigen. Als Hauptfaktor wird die Kontusion und Störung der Durchblutung durch die indirekten Traumafolgen angesehen. Die Ausprägung der knöchernen Verletzungen steht in keinem Zusammenhang mit der Schwere der Rückenmarksverletzung, selbst bei intaktem Wirbelkanal können Myelonschädigungen bis zur vollständigen Querschnittlähmung auftreten.
prüft werden, da das Ausmaß der Myelonschädigung nur durch eine MRT ausreichend beurteilt werden kann (. Abb. 10.55).
Therapie Eine selektive Dekompression mit oder ohne Fremdkörperentfernung ist bei Verletzung der Wirbelsäule mit gleichzeitiger Perforation von viszeralen oder vaskulären Strukturen indiziert. Bei stabilem neurologischem Status besteht keine Indikation zur Dekompression.
10.7
Entzündliche Erkrankungen des Spinalkanals
Entzündliche Erkrankungen des Spinalkanals und des Rückenmarks können verschiedene Ursachen haben. Im Vordergrund stehen die Infektionen durch Mikroorganismen und immunologische Erkrankungen. Die radiologische Diagnostik kann oft im Zusammenhang mit einer entsprechenden Anamnese, den klinischen Befunden sowie Liquor- und Laboruntersuchungen gestellt werden. Entzündliche Erkankungen werden entsprechend ihrer Genese in septische und aseptische Entzündungen ohne auslösenden Krankheitserreger eingeteilt; die Ursache letzterer liegt z. B. in einer Mitbeteiligung der Wirbelsäule bei Systemerkrankungen (z. B. primär chronische Polyarthritis). Iatrogen verursachte Infektionen der Wirbelsäule stellen eine eigene Entität dar und werden besonders besprochen. Die Aufgabe der radiologischen Diagnostik ist die Lokalisation des Prozesses und die Darstellung der in das Entzündungsgeschehen einbezogenen Strukturen. In der Mehrzahl der Fälle sind die ventralen Abschnitte der Wirbelsäule betroffen, d. h. Wirbelkörper, Bandscheiben, entweder als Spondylitis (auf den Wirbelkörper begrenzte Entzündungen), als Diszitis (Entzündungen der Bandscheibe) oder als Spondylodiszitis. Letztere ist die häufigste Form der Entzündung, die aufgrund der Gefäßversorgung jeweils 2 benachbarte Wirbelkörper mit der dazwischen liegenden Bandscheibe umfasst. Der Verlauf der Erkrankung kann akut oder protrahiert verlaufen, je nach Virulenz des Erregers. Die dorsalen Wirbelsäulenanteile mit den Facettengelenken werden in analysierten Erkrankungen, wie der primär chronischen Polyarthritis, Arthritis psoriatica oder der chronischen Synovialitis, geschädigt. Entzündungen mit Einbruch in den Spinalkanal mit einer Mitbeteiligung der Meningen sind selten, verlaufen jedoch hoch akut und lebensbedrohlich. Die entzündlichen Erkrankungen des Myelons selbst gehen in der Regel mit entsprechenden neurologischen Ausfällen einher (. Abb. 10.56).
Bildgebung Die Beurteilung von Patienten mit Schussverletzungen der Wirbelsäule sollte mit dem üblichen Traumaprotokoll erfolgen. Bei Schussverletzungen an der Halswirbelsäule sollte eine Angiographie durchgeführt werden, um Gefäßverletzungen nachzuweisen und evtl. auch gleich interventionell zu behandeln. Ein MRT der Wirbelsäule wird als kontraindiziert angesehen, da das Magnetfeld zu einer Verschiebung des Projektils und zu zusätzlichen Schäden führen kann. Dies muss im Einzelfall ge-
10.7.1
Extradurale entzündliche Erkrankungen
Bakterielle Spondylodiszitis Ätiologie, Pathogenese Die bakterielle Spondylodiszitis geht meist von ventralen abschlussplattennahen Wirbelkörpern aus und greift im weiteren Verlauf auf den Intervertebralraum und die benachbarten Wir-
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Kapitel 10 · Wirbelsäule
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. Abb. 10.55a–d. Schussverletzung der WS. a In den sagittalen T2w-Aufnahmen zeigt sich neben der prävertebralen Weichteilvergröberung und Signalanhebung eine Signalsteigerung in der dorsalen Muskulatur, am ehesten Ödem und Einblutung entsprechend. Zusätzlich zeigt sich eine Auftreibung des Myelons in Höhe HWK 1 bis nach HWK 5 reichend. b In den axia-
len T2w-Sequenzen ist das Myelon komplett aufgetrieben. c In den axialen T1w-Sequenzen ist der Schusskanal mit Verletzungen des Foramen transversum links in Höhe HWK 3 zu erkennen. d In den koronaren Schichten zeigt sich dann die Destruktion des Querfortsatzes von HWK 3 links mit mehreren Knochenfragmenten, der Spinalkanal ist aber intakt
belkörper über. Da im Erwachsenenalter die Bandscheibe normalerweise keine Vaskularisation aufweist, ist sie im Regelfall nicht der Ausgangspunkt des entzündlichen Prozesses. Dagegen kann im Kindesalter bei noch bestehender Vaskularisation eine hämotogene Absiedlung direkt von der Bandscheibe ausgehen.
arterielle als auch die venöse hämatogene Dissemination. Operative Eingriffe oder wirbelsäulennahe Injektionen sind mögliche Ursachen der exogenen Spondylitis. Wirbelsäuleninfektionen können jedoch auch auf lymphogenem Weg unter Ausbreitung per continuitatem entstehen.
Infektionsweg. Es wird zwischen endogenen und exogenen Infektionswegen unterschieden. Die endogene Spondylodiszitis geht meist von einer wirbelkörperfernen Infektion aus. Hierbei kommt es zur hämatogenen Streuung eines Erregers mit Absiedlung in einen oder mehrere Wirbelkörper. Möglich ist sowohl die
Erregerspektrum. Als mögliche Erreger sind Bakterien, Pilze
und selten Parasiten zu nennen. Oft handelt es sich um bakterielle Infektionen, wobei abhängig vom Erreger die spezifische von der unspezifischen Spondylitis unterschieden wird. Staphylokokkus aureus ist der häufigste bakterielle Erreger mit einer In-
341 10.7 · Entzündliche Erkrankungen des Spinalkanals
a
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. Abb. 10.56a, b. Myelitis. a In den sagittalen T2w-Sequenzen zeigt sich eine dorsale, im Myelon gelegene Signalanhebung in Höhe HWK 2 bis Oberkante HWK 4. b Auch in den axialen T2w-Sequenzen ist diese Signalanhebung im dorsalen Abschnitt des Myelons zu erkennen
zidenz zwischen 30 und 80%, obwohl grundsätzlich alle Krankheitserreger in Betracht kommen. Die spezifische Spondylitis entsteht immer endogen. Bei jüngeren Patienten mit langsamem progedienten Verlauf sollte an eine tuberkulöse Spondylitis gedacht werden, wobei hier vorwiegend die BWS betroffen ist. Bei Tuberkulose-Patienten manifestiert sich die Tuberkulose in 3– 5% im Skelett, bei HIV-positiven Patienten in bis zu 60%.
Epidemiologie Die Erkrankung betrifft überwiegend ältere Patienten (>60 Jahre), wobei Männer etwa doppelt so häufig betroffen sind wie Frauen. Risikofaktoren sind Diabetes mellitus, Alkohol-und Drogenabusus sowie eine Immunschwäche. In den meisten Fällen ist die LWS betroffen. Die Inzidenz der unspezifischen Spondylodiszitis liegt bei 1/250 000. Männer sind bis zu doppelt so häufig betroffen wie Frauen. Am häufigsten tritt die Spondylodiszitis im 5.–7. Lebensjahrzehnt auf. Nach lumbalen Bandscheibenoperationen tritt eine Spondylodiszitis bei mikrochirurgischen Eingriffen mit 0,1–0,6% und bei makrochirurgischen Eingriffen mit 1,4–3% auf.
Klinik, Diagnose Vom Auftreten der ersten klinischen Beschwerden bis zur Diagnosestellung vergehen oft 2–6 Monate. Ursache hierfür sind die häufig unspezifischen Beschwerdebilder. Im Rahmen der ärztlichen Erstversorgung werden die Patienten meist zunächst unter der Verdachtsdiagnose einer degenerativen Wirbelsäulenerkrankung therapiert. Von prognostischer Bedeutung ist aber eine frühe Diagnosestellung und Therapie. In der präantibiotischen Ära war die Prognose der Spondylodiszitis infaust. Auch heute noch kann sie vital bedrohlich sein, die Letalität wird mit 2–17% angegeben. Die klinische Symptomatik kann über längere Zeit unspezifisch sein, meist stehen zunächst Rückenschmerzen im Vordergrund, deren Lokalisation Hinweise auf die betroffene Wirbelsäulenetage geben kann. Labordiagnostisch ist v. a. die Bestimmung der Entzündungsparameter wichtig. Die Latenzzeit
zwischen Infektion und Beginn der Symptome kann aber sehr variabel sein. Besteht zusätzlich ein epiduraler Abszess, kommt es je nach Lage auch zur Kompression intraduraler Strukturen mit entsprechender klinischer Symptomatik, bis hin zur Blasen-/Mastdarmlähmung. Spondylodiszitisinfektionen der Wirbelsäule sind selten und werden oft erst spät erkannt und behandelt. Bei der klinisch neurologischen Untersuchung fällt typischerweise ein Stauchungs- und Klopfschmerz bei fehlendem oder geringem lokalem Druckschmerz auf. Der Patient zeigt meist eine Schonhaltung und vermeidet die Belastung der ventralen Wirbelsäulenabschnitte. Laborchemisch sind die Leukozyten, C-reaktives Protein und die Blutsenkungsgeschwindigkeit erhöht. Bei chronischem Verlauf können normwertig oder grenzwertig erhöhte Werte vorkommen. Eine Leukozytose ist nicht immer obligat, eine deutliche Erhöhung des CRP hingegen typisch. Differenzialdiagnostisch sind die erosive Osteochondrose, osteoporotische und pathologische Frakturen, tumorbedingte Destruktionen, die Spondylarthritis ankylosans und der Morbus Scheuermann zu nennen.
Bildgebung Radiologisch zeigt sich meist schon bei der Diagnosestellung eine entzündliche Veränderung sowohl der Wirbelkörper als auch der Bandscheibe. Der Ursprung der bakteriellen Besiedlung ist oft nicht genau herzuleiten. Im konventionellen Röntgen sind in der Frühphase der Spondylodiszitis keine Skelettveränderungen nachweisbar. Auch im weiteren Verlauf können die radiologischen Zeichen nur gering ausgeprägt sein und von degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen nicht unterschieden werden. Die Methode der Wahl ist die MRT (. Abb. 10.57). Durch die Darstellung der Wirbelsäule in ihrer gesamten Lage werden auch Infektionen anderer Wirbelsäulenabschnitte miterfasst. Zudem gelingt die Darstellung einer möglichen Ausbreitung der Entzündung auf den paravertebralen oder spinalen Raum. Hierzu besonders geeignet sind die fettunterdrückten T2- und T1-gewichteten Sequenzen (STIR). In der CT können die knöchernen Destruktionen detailliert wiedergegeben werden. Bei einer Skelettszintigraphie ist es nicht möglich, zwischen Infektionen des Knochens und aktivierten Osteochondrosen zu unterscheiden. Sie ist daher kein diagnostisches Mittel der ersten Wahl. Allerdings schließt ein unauffälliges Skelettszintigramm einen ossären Entzündungsprozess mit hoher diagnostischer Genauigkeit aus. Die Leukozytenszintigraphie ist eine Ergänzung zu der Mehrphasen-Skelettszintigraphie, bei der radioaktiv markierte körpereigene Blutzellen oder heute vorzugsweise Tc99-M-markierte GranulozytenAntikörper eine entzündliche Veränderung von Knochengewebe detektieren. Die F18-FDG-PET spielt eine immer wichtigere Rolle bei der Diagnostik der Spondylodiszitis. Entzündliche Veränderungen werden als hot spots dargestellt.
Erregernachweis Der Nachweis des ursächlichen Erregers und die Bestimmung seiner Antiobiotikaempfindlichkeit sind die Voraussetzung für
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Kapitel 10 · Wirbelsäule
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. Abb. 10.57a–d. Spondylodiszitis. a In den T2-gew. sagittalen Sequenzen zeigt sich eine Signalanhebung der Wirbelkörper Th 10 und Th 11 mit einer starken Hyperintensität des Bandscheibenfachs. b In den T1w-Sequenzen nach KM-Gabe kommt es zu einem kräftigen Enhancement im Bandscheibenfach sowie der angrenzenden Wirbelkörper. c In den T1-gew. koronaren Sequenzen zeigt sich dann neben der kräftigen KM-Aufnahme der Wirbelkörper auch eine ausgedehnte, paravertebrale Weichgewebereaktion, die sich über mehrere Wirbelkörper, v. a. rechts erstreckt. d In den axi-
alen T1w-Sequenzen sieht man paravertebral rechts neben dem Wirbelkörper zwei kleine hypointense Areale mit kräftigem umgebendem KM aufnehmendem Rand, hierbei handelt es sich um Abszedierungen. Deutliche zentromedulläre Signalanhebung des Myelons in Höhe Konus/Kauda, auch in den axialen T2w-Sequenzen deutliche Signalsteigerungen des Myelons, v. a. zentromedullär. Hierbei handelt es sich um eine spinale Ischämie im subakuten Stadium
eine gezielte Antibiotika-Therapie. Ein Erregernachweis gelingt jedoch nur in ca. 50–80% der Fälle.
belkörpers kommt es oft zu konzentrischen schalenförmigen, knöchernen Überbauungen, um die Stabilität wieder herzustellen. Im MRT zeigt sich häufig ein entzündungsbedingtes Knochenödem, das zu einer Absenkung des Signals im T1-gewichteten Bild und zu einer Signalsteigerung, v. a. in den STIR-Sequenzen, führt. Typisch ist auch eine hyperintense Darstellung der oft destruierten Bandscheiben in den T2-gewichteten Sequenzen. Nach Gadolinium-Gabe zeigen die betroffenen Strukturen in der Regel eine kräftige Signalsteigerung, die sich oft auch in die paravertebralen Weichteilanteile fortsetzt. Hier ist nach Abszessen zu suchen, die sich in den T2-gewichteten Bildern stark hyperintens darstellen, in den T1-gewichteten Bildern nach Kontrastmittelgabe signalarm im signalgesteigerten entzündlichen Gewebe imponieren. Besonders wichtig ist die Darstellung des epiduralen Abszesses mit einer damit verbundenen Kompression des Rückenmarks oder Nervenwurzeln. Die Szintigraphie kann ebenfalls einen wertvollen Beitrag zur Diagnostik leisten. Mit ihrer Hilfe können weitere septische Entzündungsherde aufgedeckt werden, und sie kann zur Verlaufskontrolle herangezogen werden. Die beste Information erhält man dabei mit einer 3-Phasen-Szintigraphie, da die Einschwemmung des Nuklids bis in den Weichteilmantel verfolgt werden kann. Die CT hat durch die Einführung der MRT an Bedeutung verloren, ist aber noch eine wertvolle Methode, um die knöchernen Reaktionen, insbesondere die knöcherne Durchbauung mitdarzustellen.
> Ursache für den oft erfolglosen Versuch einer Erregerdiagnose ist eine vorangegangene systemische antiobiotische Therapie, weswegen mit der antibiotischen Therapie erst nach Gewinnung von Untersuchungsmaterial für die mikrobiologische Diagnostik begonnen werden sollte.
Eine weitere Möglichkeit des Erregernachweises ist die perkutane Biopsie. Tuberkulose (. Abb. 10.58) und Bruzellose führen über eine ähnliche Pathogenese wie die typischen Erreger zu nicht biogenen, granulomatösen Spondylolitiden. Im Gegensatz zu den biogenen Erregern bleiben die Bandscheiben von der Entzündung oft verschont.
Nichtbakterielle Myelitis Bildgebung Nativaufnahmen der Wirbelsäule zeigen innerhalb der ersten 3 Wochen oft einen unauffälligen Befund. Erste röntgenologische Zeichen sind eine diskrete Unschärfe der Wirbelkörperbegrenzung und ggf. eine Verbreiterung des Weichteilschattens. Im weiteren Verlauf kommt es zu Sklerosierungen der angrenzenden Wirbelkörperabschnitte und zu einer Höhenminderung des Bandscheibenfachs bis zur völligen knöchernen Durchbauung. Bei einer ausgedehnten Zerstörung des Wir-
343 10.7 · Entzündliche Erkrankungen des Spinalkanals
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c . Abb. 10.58a–d. In den sagittalen T2-gewichteten Sequenzen zeigt sich eine Hyperintensität der Wirbelkörper BWK 10 bis LWK 1 mit ausgedehnter prävertebraler Weichteilschwellung (a). In den T1-gewichteten sagittalen Sequenzen vor (b) und nach Kontrastmittelgabe (c) kommt es zu einem inhomogenen, teils flächiger Kontrastmittelaufnahme prävertebral, aber auch intraspinal, extradural. Die nicht kontrastmittelaufnehmenden Areale entsprechen Abszessen. In den axialen T2-gewichteten Sequenzen (d) sind diese Abszesse hyperintens prä- und paravertebral zu erkennen. Histologisch gesicherte Tuberkulose
kann (skip lesions). Im Gegensatz zu anderen Erregern lassen sich im Bereich der paraspinalen Abszesse tuberkulöse Verkalkungen nachweisen. Eine isolierte Spondylarthritis ist relativ selten. Das betroffene Gelenk stellt sich in der Regel in T2-gewichteten Sequenzen hyperintens dar und zeigt eine kräftige Kontrastmittel-Aufnahme. Im typischen Fall bestehen paravertebrale, manchmal auch epidurale Abszesse (. Abb. 10.59).
Aseptische Entzündungen der Wirbelsäule d
Für den oft chronischen Verlauf einer tuberkulösen Spondylodiszitis spricht eine ausgeprägte Knochendestruktion mit später auftretender ventraler Höhenminderung der betroffenen Wirbelkörper (Gibbus). Häufig zeigen die Läsionen ein sehr ausgeprägtes girlandenförmiges Enhancement innerhalb der betroffenen knöchernen Strukturen. Bandscheiben werden bei der tuberkulösen Spondylodiszitis oft verschont, und durch die knöcherne Destruktion kann der Bandscheibenraum sogar erweitert wirken. Die Ausbreitung erfolgt in der Regel entlang des vorderen Längsbandes oder über arterielle Anastomosen, sodass auch der Befall von nicht benachbarten Wirbelkörpern vorkommen
Es gibt ganz verschiedene Formen der aseptischen entzündlichen Arthritis. Die Krankheit beginnt meist mit einer chronischen Synovialitis. Durch die Entzündung kommt es initial zur Schwellung, Ausbildung eines Gelenkergusses und Erosion der korrespondierenden Gelenkflächen mit Destruktion der bindegewebigen Umgebungsstrukturen. Die Wirbelsäule ist bei vielen dieser generalisierten Erkrankungen mit involviert. Eine der häufigsten chronisch-entzündlichen Systemerkrankungen mit Beteiligung der Gelenke ist die rheumatoide Arthritis oder primär chronische Polyarthritis (7 Kap. 40). Die Diagnose wird anhand von Kriterien gestellt, die von der American Rheumatism Association (ARA) erarbeitet wurden und sowohl klinische als auch röntgenologische und histologische Befunde mit einbezieht. Die Ätiologie der rheumatoiden Arthritis ist noch nicht eindeutig geklärt. Über eine Autoimmunreaktion kommt
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344
Kapitel 10 · Wirbelsäule
10 a
b
c . Abb. 10.59a–d. Epiduraler Abszess. a Sagittale STIR-Aufnahmen: in Th 11 + 12 Signalintensität mit epiduralem Weichteilanteil. b Sagittale T1-w-Aufnahmen: nativ Hypointensität der Wirbelkörper Th 11 und 12. c und d Nach KM-Gabe deutliches Enhancement, zentral nekrotische Anteile in Th 11
ligung des kraniozervikalen Übergangs ist die atlantoaxiale Subluxation. Betroffen sind zwischen 25 und 43% aller Patienten mit rheumatoider Arthritis. Durch eine teilweise Zerstörung und Lockerung des Ligamentum transversum wird die Dislokation des Atlas nach ventral ermöglicht. Die Folgen sind zunächst temporomandibuläre Schmerzen und bewegungsabhängige Schmerzen im Bereich der Kopfgelenke. Bei einer weiteren Zunahme der Fehlstellung kann es zu einer Kompression des Myelons mit entsprechenden neurologischen Ausfällen kommen.
10.8
d
es zur Bildung von Immunkomplexen, die eine chronische Entzündung und Proliferation der Synovialis auslösen. Die Entzündung greift im Verlauf der Erkrankung auf die Knorpelflächen über, die Bänder und Kapseln der Gelenke werden durch die chronische Ergussbildung überdehnt und verlieren die Fähigkeit, die Stabilität der Gelenke aufrecht zu erhalten. An der Wirbelsäule sind v. a. der kraniozervikale Übergang und die mittlere Halswirbelsäule zwischen C3 und C6 betroffen. Typisch für die Betei-
Degenerative Wirbelsäulenveränderungen
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule sind Ausdruck von Alterungs- und Abnutzungsvorgängen. Durch körperliche Belastung kommt es mit zunehmendem Alter zum Verschleiß der Bandscheiben und Gelenkknorpel, in der Folge zu Knochenanbauten an den Wirbeln. Die degenerativen Veränderungen können asymptomatisch bleiben, sind aber die häufigste Ursache für Beschwerden im Erwachsenenalter, v. a. einhergehend mit Rückenschmerzen. Die Rolle der Bildgebung ist es, die Ursache der klinischen Symptome aufzuzeigen und andere Erkrankungen, wie Tumoren und entzündliche Veränderungen, auszuschließen.
345 10.8 · Degenerative Wirbelsäulenveränderungen
10.8.1
Degenerative Veränderungen der Knochen und Gelenke
Osteochondrose Definition, Pathogenese Die Osteochondrose der Wirbelsäule ist als degenerative Erkrankung der ventralen Abschnitte eines Bewegungssegments definiert. Die Wirbelsäulenbewegungssegmente stellen funktionelle Gelenkeinheiten dar, die sich aus mehreren anatomisch voneinander getrennten Abschnitten zusammensetzen. Mit Ausnahme der beiden obersten Bewegungssegmente atlantookzipital, C0/ C1, und atlantoaxial, C1/2, ist der Bauplan der Bewegungssegmente einheitlich und weist eine Vielzahl unterschiedlicher Strukturen auf (7 Kap. 10.1): 4 die ventral gelegene Bandscheibe mit Gallertkern und Anulus fibrosus 4 die knorpeligen Wirbelkörperabschlussplatten mit den angrenzenden knöchernen Wirbelkörperabschnitten 4 das vordere und hintere Längsband 4 die hinteren Strukturen mit Ligamentum flavum, den kleinen Wirbelgelenken, den Weichteilen zwischen den Dornfortsätzen und Querfortsätzen Die Bandscheibe entspricht einem kolloidosmotischen druckelastischen System, bestehend aus einer zugfesten Hülle (Anulus fibrosus), die die Verbindung der Wirbelkörper sichert. Die Verankerung in den Randleisten erfolgt durch SharpeyFasern. Die laminären Bindegewebsschichten des Anulus fibrosus gehen kontinuierlich in eine Zone aus Faserknorpel über. Dieser Faserknorpel schließt einen Gallertkern (Nucleus pulposus) ein, der auch wenige Reste der ehemaligen Chorda dorsalis enthält. Der flüssigkeitsreiche Gallertkern steht unter innerem Druck, er quillt auf, wenn man die Bandscheibe anschneidet. Die Wirbelkörper sind gegenüber den Bandscheiben innerhalb der knöchernen Randleisten durch Knorpelplatten begrenzt. Diese bestehen beim Erwachsenen aus hyalinem Knorpel. Da das Höhenwachstum der Wirbelkörper von der Knorpelplatte her erfolgt, besitzen diese beim Kind und Jugendlichen eine typische Proliferations- und Umbauzone. Etwa bis zum 4. Lebensjahr ist der Faserring durch Blutgefäße aus den angrenzenden Wirbelkörpern versorgt. Danach ist auch der Faserring wieder gallertkern- und gefäßfrei. Vorne und hinten werden die Bandscheibenräume von den Längsbändern überbrückt. Das Ligamentum longitudinale posterius ist mit der Bandscheibe nur locker verbunden. Das vordere Längsband, Ligamentum longitudinale anterius, ist an Ober- und Unterrand der Wirbelkörper und an den Zwischenwirbelscheiben fest angehaftet. Mit zunehmendem Alter kommt es zu einer Höhenminderung der Bandscheibe durch Wasserverlust. Intradiskale Spaltbildungen können gashaltig sein (Vakuumphänomen). Als Folge der Zwischenwirbelraumerniedrigung kommt es zu einer relativen Instabilität des Bewegungssegments, eine Retrolisthese – Spondylolisthese (. Abb. 10.61) – kann in Funktionsaufnahmen nachweisbar werden. Der durch die degenerativen Veränderungen des Bandscheibengewebes verursachte Funktionsverlust
a
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. Abb. 10.60a, b. Wirbelsäule des Kindes und des Erwachsenen, MRT. a In der kindlichen Wirbelsäule sind in den T2w-Sequenzen die Bandscheiben signalintens, was aufgrund des noch erhöhten Wassergehalts zustande kommt. b Mit zunehmendem Alter kommt es zu einer allmählichen Dehydratation der Bandscheibe und somit zu einem Absinken des Signals in den Bandscheiben. Bei den Erwachsenen sinkt das Signal der Bandscheiben in den T2w-Sequenzen zunehmend ab
. Abb. 10.61a, b. Spondylolisthesis. a Die Spondylolisthesis kann in Kombination mit einer Spondylolyse als Folge eines Defekts in der Pars interarticularis vorkommen. b Sie kann aber auch Folge eines degenerativen Bandscheibenleidens und einer degenerativen Arthrose und Subluxation der kleinen Wirbelgelenke sein (Pseudospondylolisthesis)
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346
Kapitel 10 · Wirbelsäule
führt sekundär zur sklerotischen Verdichtung der benachbarten Wirbelkörperabschnitte. Weitere Sekundärphänomene, die aber auch unabhängig von einer Osteochondrosis intervertebralis auftreten können, sind die Spondylose und im Bereich der Halswirbelsäule Spondylosis uncovertebralis (. Abb. 10.62). Es zeigen sich meist bandförmige, im Belastungsbereich betonte Verdichtungen der grundplatten- bzw. deckplattennahen Anteile der Wirbelkörper mit osteophytären Randkantenanbauten. Bei der akuten, erosiven Chondrose können zusätzliche Konturunterbrechungen der Grund- bzw. Deckplatten vorliegen, die von entzündlichen und tumorösen Destruktionen gelegentlich nur schwer zu unterscheiden sind. a
Modic-Klassifikation. Bei Veränderungen des subkortikalen
Knochens und den Knochenmarkveränderungen beruhen die Erkenntnisse im Wesentlichen auf den Studien von Modic et al. Hier werden 3 Grundtypen unterschieden (Übersicht).
Modic-Klassifikation
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4 Typ I: Pseudoentzündliche Reaktionen mit Knochenmarködem und Hypervaskularisation. – In der MRT streifenförmige umschriebene hypointense Strukturen in T1-Wichtung, die auf T2-gewichteten Aufnahmen hyperintens erscheinen und nach Kontrastmittelgabe dieses anreichern. – Pseudoentzündliche Prozesse; der erhöhte Druck im Knochenmark kann zu umschriebenen Schmerzen führen. – Typ I kann sich folgenlos zurückbilden oder sich zum Typ II weiterentwickeln. 4 Typ II: Streifenförmige und umschriebene subkortikale fettige Knochenmarkskonversionen. Ausdruck der chronischen Stressreaktion des Knochenmarks. – Entstehungsdauer aus Typ I, mindestens 6–9 Monate. – Subkortikale Lokalisation. Hyperintenses Signalverhalten auf T1- und T2-gewichteten Aufnahmen. 4 Typ III: Reaktive subkortikale, bandförmige oder umschriebene Sklerosen. – Die Entstehungsdauer beträgt ein bis mehrere Jahre. In diesem Stadium sind oft ventrale und dorsale osteophytäre Anbauten als Zeichen der Instabilität festzustellen.
Bildgebung Zur Darstellung der knöchernen Veränderungen der degenerativen Diskopathien eignen sich vorwiegend sagittale und koronare Bilder in T1- und T2-Wichtung, ggf. T2-gewichtete Sequenzen mit Fettsättigung (STIR-Technik). Die akute Osteochondrose stellt sich in der MRT als meist bandförmige Signalanhebung der grund- und deckplattennahen Anteile der Wirbelkörper in T2-gewichteten Sequenzen dar. Bei fettgesättigten Bildern, z. B. STIR-Technik, sind die Signalsteigerungen wesentlich deutlicher (7 Kap. 40, . Abb. 40.14). Auf T1gewichteten Bildern kommt es zu einer Signalminderung durch die Flüssigkeitsvermehrung und Überlagerungen des eigent-
b . Abb. 10.62a, b. Spondylarthrose. In den axialen CT-Aufnahmen zeigt sich bei diesem Patienten mit ausgeprägten, degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule eine Spondylarthrose (Synonym Spondylarthrose deformans) der kleinen Wirbelbogengelenke
lichen hellen Fettmarks. Nach Kontrastmittelgabe findet sich eine weitestgehende Angleichung der Signalveränderungen zum nicht veränderten Fettmark im T1-gewichteten Bild. Diese Veränderungen entsprechen Typ-I-Veränderungen nach Modic (Übersicht). Bei der chronischen Osteochondrose zeigen sich degenerative Veränderungen der Bandscheibe wesentlich deutlicher. Sie ist höhengemindert und signalalteriert, im Sinne einer Dehydratation. In T1- und T2-gewichteten Sequenzen zeigt sich eine bandförmige Zone mit Signalanhebungen. Nach Kontrastmittelgabe zeigt sich keine wesentliche Änderung der Signalanhebung. Die Veränderungen entsprechen der Klassifikation Typ II nach Modic. Die Typ-III-Osteochondrose entspricht alten chronischen Veränderungen mit Sklerosierung der entsprechenden Grundund Deckplatten. Im MRT kommen diese mit hypointensem Signal in T1- und T2-gewichteten Sequenzen zur Darstellung. Die erosive Osteochondrose zeigt zusätzlich zu den typischen Zeichen der akuten Osteochondrose eine partielle Destruktion der Grund- und/oder Deckplatten, die von einer beginnenden Destruktion der Wirbelkörper bei Spondylodiszitis nicht zu unterscheiden ist.
347 10.8 · Degenerative Wirbelsäulenveränderungen
Spondylarthrose Definition, Pathogenese Die Spondylarthrose beschreibt den primär nicht entzündlichen, mit Knorpeluntergang beginnenden progredienten Prozess der Destruktion der kleinen Wirbelgelenke (. Abb. 10.62). Über Knorpelulzerierung und Faserdemaskierung wird der Gelenkknorpel aufgebraucht. Es kommt zu reaktiven reparativen Veränderungen an den knöchernen Strukturen mit Verplumpung der Gelenkfacetten, zystischen Formationen, osteophytären Anbauten und zu reaktiven Veränderungen der Synovialmembran, zur hypertrophen Proliferation mit Einschluss kleiner Chondroida mit Aplasien und Ausbildungen von Ossifikationsherden. Größere Osteophyten können zu Neoarthrosen führen, in dem sie Kontakt zu benachbarten Wirbelbögen bekommen. Folge der fortgeschrittenen Spondylarthrose ist eine Einengung der korrespondierenden Neuroforamina. Die Spondylarthrose ist auch die Hauptursache der sekundären Spinalkanalstenose und der sekundären lateralen Recessusstenose.
der kleinen Wirbelgelenke, nach außen oder in den Spinalkanal hineinentwickelt. Bei Spondylolisthesen können sie auch im Pseudoarthrosebereich als Ausstülpung einer Neosynovialmembran entstehen.
Bildgebung Vor allem in T2-gewichteten axialen Sequenzen lassen sich die Synovialzysten mit einem Kontakt zum Gelenkspalt darstellen. Die Synovialzysten liegen in der Nachbarschaft der kleinen Wirbelgelenke, sind meist nach ventromedial gerichtet und stehen typischerweise in Verbindung mit dem Gelenkspalt (. Abb. 10.63). Innerhalb der zystisch aufgeweiteten Gelenkkapsel finden sich homogene hyperintense, flüssigkeitsisointense Strukturen. Nach Kontrastmittelgabe kann es im Randbereich zu einer diskreten Anreicherung der Zystenwand kommen. Differenzialdiagnostisch sind sie von zystisch degenerierten Bandscheibenvorfällen oft nicht abzugrenzen. Bedeutung erlangen sie bei unmittelbarer Nachbarschaft zu neurogenen Strukturen.
Bildgebung Die Arthrose der kleinen Wirbelgelenke führt zu einer Höhenminderung des Gelenkspalts und zu einer ossären Ausziehung und Verplumpung/Deformierung der Wirbelbögen. Konsekutiv kommt es zu einer Einengung des Spinalkanals und im weiteren Verlauf zu einer T-förmigen Deformierung des Spinalkanalquerschnitts. Die osteochondrotischen Randkantenausziehungen der Facettengelenke stellen sich auf den T1w-Sequenzen hypointens dar. Innerhalb des Gelenkspalts finden sich oft bandförmige Flüssigkeitsansammlungen, die auf den T2w-Sequenzen signalgesteigert erkennbar sind. Die Ligamenta flava stellen sich in T1w- und T2w-Sequenzen relativ signalarm dar.
Spinalkanalstenose Epidemiologie Die Inzidenz der lumbalen Spinalkanalstenose beträgt in Deutschland ca. 50 auf 100 000 Einwohner. Die Spinalkanalstenose ist eine Erkrankung des älteren Menschen. Aufgrund des höheren Durchschnittsalters der Bevölkerung ist das Krankheitsbild des engen Spinalkanals heute deutlich häufiger als noch vor 50 Jahren. Der zervikal enge Spinalkanal ist in Asien aufgrund der dort deutlich gehäuft auftretenden idiopathischen Verkalkungen des hinteren Längsbandes häufiger.
Definition, Pathogenese
Synovialzyste Definition, Pathogenese Synovialzysten stellen ganglionartige Ausstülpungen von Synovialmembranen dar (. Abb. 10.63). Sie finden sich im Bereich
a
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. Abb. 10.63a–c. Synovialzyste. a In den T2-gew. Sequenzen zeigt sich in Höhe HWK 4/5 von dorsal nach intraspinal vorwölbend eine relativ knapp begrenzte, rundliche Struktur mit hypointensem Randsaum, die am ehesten einer Synovialzyste entspricht. b In den T1-gew. sagittalen Aufnahmen stellt
Der enge Spinalkanal ist definiert als Diskrepanz zwischen der Weite des Kanals und seines Inhalts. Hierbei wird als Maß der sagittale Durchmesser angegeben. Für den zervikalen Spinalkanal unterhalb von C4 wird ein unterer Grenzwert von 13 mm
c sich diese Struktur hypointens mit deutlich KM-aufnehmendem Zystenrand dar. c In den axialen T1-gew. Sequenzen ist zu erkennen, dass diese Struktur von der Gelenkkapsel ausgeht
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Kapitel 10 · Wirbelsäule
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c
. Abb. 10.64a–c. Spinalkanalstenose. a In den Seitaufnahmen dieser Myelographie zeigt sich eine Einengung des KM-gefüllten Duralsacks in Höhe BWK 3/4 und 4/5. Diese Funktionsaufnahmen sind sinnvoll, um das punktum maximum einer Spinalkanalstenose zu bestimmen. Bei diesem Patienten mit den im Röntgenbild ausgeprägten Verkalkungen des hinteren
Längsbandes zeigte sich in den T1-gew., sagittalen Aufnahmen eine deutliche Einengung durch die osteophytären Anbauten. b, c In den T2-gew. Sequenzen stellen sich diese Anbauten hypointens dar. Ausgeprägte Ossifikation des hinteren Längsbandes
angenommen, für lumbale Spinalkanalstenosen gilt eine kritische Grenze des sagittalen Durchmessers von ca. 12 mm und für den lumbalen lateralen Recessus von 3 mm. Den Wirbelkanalstenosen werden alle Formen der Einengung des Wirbelkanals zugerechnet, die nicht durch Entzündungen, Tumoren und Bandscheibenvorfälle hervorgerufen sind. Man unterscheidet zwischen angeborenen und erworbenen Wirbelkanalstenosen. Auch ist zwischen einer statischen und einer dynamischen Wirbelkanalstenose zu differenzieren. Bei der mit Abstand häufigsten Form der Wirbelkanalstenose, der degenerativen Spinalkanalstenose, wird die Lumeneinengung sowohl durch Weichteilgewebe als auch durch Knochen verursacht. Das pathologisch-anatomische Substrat stellen v. a. osteophytäre Reaktionen an den Gelenkfacetten, zirkuläre Vorwölbungen der hinteren Bandscheibengrenzen (Protrusion des dorsalen Anulus fibrosus bei degenerativer Bandscheibenerniedrigung), dorsale Spondylophyten, hypertrophe Proliferationen der Synovialmembran und teilweise ausgeprägte Verdickungen des Ligamentum flavum dar. Besonderer Aufmerksamkeit bedürfen leichtere Formen der segmentalen Instabilität, da die dynamische Spinalkanalstenose klinisch und bildgebend unter Umständen erst in der Funktionsuntersuchung erkennbar wird.
den, die einen myelographieähnlichen Aspekt aufweisen und die Einengung des Duralsacks nachweisen. Die anomale Einengung des Spinalkanals führt primär zu einer Einengung des Subarachnoidalraums. Neben der Verlagerung der spinalen Flüssigkeit durch die Einengung kommt es oft auch zu einer Obliteration des epiduralen Fettgewebes. Chronische Signalalterationen im Bereich des Myelons, im Sinne von Myelomalazien, sind in der Spätfolge nachweisbar. Nach Dekompression einer Spinalkanalstenose kann eine partielle Rückbildung der neurologischen Ausfälle in etwa 50– 60% der Fälle erwartet werden. Dabei findet sich eine ausgeprägte negative Korrelation zwischen Operationserfolg und Dauer der Symptomatik. Die MRT ist derzeit am besten geeignet, eine Korrelation zwischen klinisch-neurologischer Symptomatik und pathomorphologischen Veränderungen herzustellen und so eine entsprechende Operationsindikation zu begründen. Neben der MRT können auch die Myelographie und eine postmyelographische CT mit sagittalen und koronaren Rekonstruktionen die Einengung des Spinalkanals hervorragend nachweisen (. Abb. 10.64). Der Vorteil der Myelographie ist, dass zusätzlich noch Funktionsaufnahmen unter Belastung (im Stehen) durchgeführt werden können.
Bildgebung
Ossifikation des hinteren Längsbandes (OPLL)
Axiale Aufnahmen sind am aussagefähigsten, gelegentlich können 3 D-gewichtete Sequenzen in T2-Technik angefertigt wer-
Eine Einengung des Spinalkanals kann auch durch Verkalkung und Ossifikation des hinteren Längsbandes bedingt sein
349 10.8 · Degenerative Wirbelsäulenveränderungen
a
. Abb. 10.65. Ossifikation des posterioren Ligamentum longitudinale (OPLL). Im CT erkennt man im ventralen Spinalkanal in Höhe HWK 5–6 eine hyperdense längliche Struktur, die einem verknöcherten hinteren Längsband entspricht
(. Abb. 10.65). Klinisch werden die Patienten auffällig durch Radikulopathien und eine milde Myelopathie. Beginn der Symptomatik ist das 5. und 6. Lebensjahrzehnt. Bildgebung. Radiologisch zeigt sich die charakteristische Ossi-
fikation des hinteren Längsbandes, die segmental hinter den Wirbelkörpern, kontinuierlich in den Wirbelkörpern und Bandscheibe oder in kombinierten Formen auftreten kann. In der CT können die Verkalkungen und Ossifikationen, die nach intraspinal reichen, deutlich nachgewiesen werden. Bei der segmentalen Form zeigen sich häufig zusätzliche Bandscheibenprotrusionen, die die spinale Kompression weiter verstärken können.
Neuroforaminale Stenose Einengungen der Neuroforamina treten durch osteophytäre Randanbauten auf, oft in Kombination mit einer Spondylolisthesis bzw. Pseudospondylolisthesis. Bildgebung. In sagittalen und axialen Aufnahmen können die Neuroforamina und deren Einengungen dargestellt werden (. Abb. 10.66). T1-gewichtete Bilder vor und nach Kontrastmittelgabe sind zum Ausschluss von parenchymatösen Raumforderungen wie Neurofibromen, Neurinomen, Metastasen oder Knochentumoren sinnvoll. In den sagittalen Aufnahmen ist die Nervenwurzel in den T1-gewichteten Sequenzen primär hypointens innerhalb des Neuroforamens zu erkennen. Bei einer Einengung des Neuroforamens kommt es zu einer Verdrängung des Fettgewebes um die Nervenwurzel. Bei Kompression/Reizung kann es zu einer Signalanhebung auf den T2-gewichteten Bildern und einer Signalminderung auf den T1-gewichteten Bildern der Nervenwurzel kommen.
b . Abb. 10.66a, b. Neuroforaminale Stenose. In den T2-gewichteten axialen Sequenzen zeigt sich eine Hypointensität, die bis in das Neuroforamen links hineinragt: hier handelt es sich am ehesten um osteophytäre Anbauten, die zu einer knöchernen Einengung des Neuroforamens in dieser Höhe führen. Im Vergleich ist die Gegenseite ausreichend weit und die Nervenwurzel im Neuroforamen abgrenzbar
Atlantoaxiale Arthrose Hierbei handelt es sich um einen degenerativen Gelenkverschleiß, vorzugsweise im atlantodentalen Gelenk, selten auch in den seitlichen Atlantoaxialgelenken. Die fortgeschrittene atlantoaxiale Arthrose kann zu erheblichen funktionellen Ausfällen, insbesondere zu einer Einschränkung der HWS-Rotationsfähigkeit führen. Sie kann darüber hinaus auch zu bewegungs- und lagerungsabhängigen Kopfschmerzsymptomen führen. Bildgebung. Axiale, sagittale und koronare Sequenzen in T1und T2-Wichtung bzw. in 3 D-Technik können die atlantoaxialen Strukturen darstellen. Eine i. v.-Kontrastmittelgabe ist sinnvoll, um entzündliche Strukturen (Pannus) nachzuweisen.
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Kapitel 10 · Wirbelsäule
10.8.2
Bandscheibenprotrusion, Bandscheibenprolaps, Bandscheibensequester
Grundlagen, Pathophysiologie
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Bandscheiben stellen die mobilen Verbindungsstücke zwischen 2 Wirbelkörpern dar. Lediglich die obersten 2 Bewegungssegmente besitzen keine Bandscheiben. Die Höhe der Bandscheiben nimmt von kranial nach kaudal zu. Die Gesamthöhe aller Bandscheiben beträgt etwa 20–30% der gesamten Wirbelsäulenlänge. Jede Bandscheibe besteht aus 2 Abschnitten: einem zentralen Nucleus pulposus und einem ringförmigen Anulus fibrosus (7 Kap. 10.1). Als weiteres Element ist die knorpelige Grenzplatte des Wirbelkörpers mit der Bandscheibe funktionell eng verbunden. An den knorpeligen Deck- und Bodenplatten der Wirbelkörper sind die Zwischenwirbelscheiben über den Anulus fibrosus fest verankert. Die Verbindung der knorpeligen Endplatte mit den Wirbelkörpern selbst ist relativ locker. Der Nucleus pulposus besteht aus einer zellhaltigen gallertartigen Grundsubstanz. Er macht etwa 30–50% des Querschnitts der Bandscheibe aus. Der Anulus fibrosus besteht aus kollagenen Fasern, die sich in Schraubenwindungen miteinander verflechten. Bandscheibenprotrusionen und Bandscheibenprolaps beschreiben unterschiedliche Ausprägungen in der Verlagerung von Bandscheibengewebe mit Vorwölbung über die ursprüngliche Bandscheibengrenze hinaus (. Abb. 10.67). Als einfachste Form der Massenverlagerung gilt die intradiskale Dislokation von Teilen des Nucleus pulposus bei völlig intaktem Faserring und ohne äußere Formveränderungen. Die Bandscheibenprotrusion beschreibt die umschriebene Vorwölbung bei zumindest teilweise erhaltenem Anulus. Beim Bandscheibenprolaps ist definitionsgemäß der Anulus vollständig zerrissen. Bandscheibenvorwölbungen und -vorfälle können in alle Richtungen, nach ventral, nach lateral, nach dorsolateral in Richtung Recessus lateralis bzw. Neuroforamen und nach dorsal Richtung Wirbelkanal (mediolateral bzw. median) erfolgen.
Die Bandscheibe ist vorne und hinten von Längsbändern bedeckt. Das vordere Längsband ist relativ locker, das hintere Längsband dagegen fest mit dem Bandscheibenring verbunden. Bei vollständiger Zerreißung des Anulus fibrosus (Bandscheibenprolaps) kann eine unmittelbare Verbindung des verlagerten Gewebes zum Bandscheibenraum nachgeweisbar bleiben oder auch verloren gehen, so genannter freier Sequester. In beiden Fällen kann das hintere Längsband bzw. die ventrale epidurale Membran erhalten (subligamentärer/submembranöser Prolaps bzw. Sequester) oder rupturiert sein. Als freier Sequester kann sich das Bandscheibengewebe in den ventralen Epiduralraum verlagern. > Als topographisch anatomische und klinische Sonderform muss die intra-/extraforaminale Bandscheibenprotrusion bzw. der intra-/extraforaminale Bandscheibenprolaps abgegrenzt werden.
Zervikale Bandscheibendegenerationen Epidemiologie, Pathogenese Degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule werden mit zunehmendem Alter häufiger. In der 4. Lebensdekade finden sich bei ca. 30% asymptomatischer Probanden degenerative Veränderungen der zervikalen Bandscheibe, in der 7. Lebensdekade sind dies >90%. Entsprechend der Mobilität der Halswirbelsäule sind die Segmente C5/6 sowie C6/7 und damit die Wurzeln C6 und C7 mit Abstand am häufigsten betroffen (. Abb. 10.68). Die zervikalen Bandscheiben werden durch die Processus uncinati der Wirbelkörper seitlich verschmächtigt und sind stärker als die übrigen Bandscheiben knöchern abgestützt. Die besondere knöcherne Abstützung der Halsbandscheiben macht verständlich, dass trotz der großen Beweglichkeit zervikaler Bewegungssegmente und trotz einer hohen flächenbezogenen Druckbeanspruchung der zervikalen Bandscheiben Vorfälle im eigentlichen Sinne (»soft disk«) eher selten sind. Harte Bandscheibenvorfälle mit Einengung der Foramina intervertebralia durch degenerative Prozesse im Bereich der Processus uncinati werden dagegen häufiger gefunden. Die Zwischenwirbellöcher der Halswirbel sind im Vergleich zur Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule relativ klein.
Klinik, Therapie
. Abb. 10.67a–c. Schemazeichnung Bandscheibenprotrusion/-vorfall. a Gesunde Bandscheibe. b Protrusio. c Prolaps
Zervikal manifestieren sich radikuläre Ausfallserscheinungen meist als sensible Reizerscheinungen, wie Schmerzen und Parästhesien, meist im gesamten Dermatom, während sich etwaige Sensibilitätsausfälle in der Regel auf das Zentrum des Dermatoms beschränken. Paresen sind bevorzugt in den jeweiligen Kennmuskeln klinisch und elektromyelographisch nachweisbar. Zusätzlich zeigen die Patienten häufig eine verminderte Nackenbeweglichkeit und klagen über Nackenschmerzen. Zervikale Radikulopathien lassen sich oft erfolgreich konservativ behandeln. Eine Operationsindikation ergibt sich bei radikulärer Funktionsstörung und Versagen der konservativen Therapie oder bei Zeichen der Myelopathie. Ziel der Operation ist die Dekompression der Nervenwurzel. Dies kann über einen vorderen oder hinteren Zugangsweg erfolgen. Bei multiplen Bandscheibenprotrusionen und engem Spinalkanal wird durch einen
351 10.8 · Degenerative Wirbelsäulenveränderungen
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entlastenden Eingriff von dorsal (Laminoplastik über mehrere Segmente) Platz für das Rückenmark geschaffen.
Bildgebung Die Methode der Wahl zum Nachweis degenerativer zervikaler Veränderungen ist die MRT (. Abb. 10.68). Zervikale Bandscheibendegenerationen sind anders als thorakale und lumbale nicht so sehr an einem Signalverlust der zentralen Abschnitte, sondern eher an der Höhenminderung der Bandscheibe zu erkennen. Gewöhnlich sind Bandscheibendegenerationen mit einer Signalminderung in T2-gewichteten Sequenzen verbunden. Nervenwurzelkompressionen und Kompressionen des Duralsacks sind am besten in axialen T1-gewichteten Sequenzen nachweisbar. Prolabiertes Bandscheibengewebe zeigt in der Regel keine Kontrastmittel-Anreicherung. Durch Einsprossen von Kapillaren kann es aber im Randbereich zu einer KontrastmittelAnreicherung kommen. Laterale Bandscheibenvorfälle im Neuroforamen entgehen üblicherweise dem myelographischen
b
. Abb. 10.68a–c. Bandscheibenvorfall der HWS. a In den sagittalen, T2w-Sequenzen zeigen sich in Höhe HWK 5/6 und 6/7 jeweils Bandscheibenvorfälle. b In den axialen, T1w-Aufnahmen ist der Bandscheibenvorfall mediolateral links zu erkennen, der zu einer Pelottierung und Verlagerung des Rückenmarks führt. c In den axialen T2*w-Aufnahmen ist deutlich zu erkennen, dass der Vorfall bis nach intraforaminär reicht
Nachweis. Während knöcherne foraminale Engen sehr gut im CT dargestellt werden, können intraforaminale Bandscheibenvorfälle gelegentlich schwer von einem Neurinom zu unterscheiden sein. Die MRT erlaubt hier häufig eine bessere Differenzierung. Bei schweren degenerativen Bandscheibenveränderungen kann es zu langstreckigen spinalen Stenosen mit einer entsprechenden Kompression des Myelons und einer intramedullären Signalanhebung in den T2-gewichteten Sequenzen kommen. Hier können Liquorflussmessungen und MR-myelographische Techniken das Punctum maximum der Spinalkanalstenose nachweisen.
Thorakale Bandscheibendegenerationen Pathogenese, Epidemiologie Der Wirbelkanal ist im BWS-Bereich eng und verfügt nur über einen schmalen Epiduralraum (. Abb. 10.69). Die schmalste Stelle liegt zwischen Th 4 und Th 9. Die Bandscheiben sind in der BWS flacher als in der HWS und in der LWS. Die Foramina in-
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Kapitel 10 · Wirbelsäule
. Abb. 10.69. Thorakaler Bandscheibenvorfall. In diesen postmyelographischen CT-Aufnahmen zeigt sich ein mediolateral rechts gelegener Bandscheibenvorfall, der zu einer deutlichen Einengung des Spinalkanals und Verlagerung des Myelons nach links dorsal führt
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scheibenvorfälle unmittelbar Kontakt zur Nervenwurzel bekommen. Die Nervenwurzeln verlassen den Spinalkanal im oberen Abschnitt des Foramen intervertebrale. Dabei liegt das Foramen intervertebrale im lumbalen Bereich nach kranial hin zunehmend proximal, sodass der Anteil der knöchernen Begrenzung des Foramen intervertebrale in der oberen LWS relativ größer ist als im unteren LWS-Bereich. Am lumbosakralen Übergang ist durch die Verringerung der Bandscheibenhöhe und durch die Stellung der Gelenkfacetten das Zwischenwirbelloch besonders klein. Die Inzidenz des lumbalen Bandscheibenvorfalls beträgt 5% bei der männlichen und 3,7% bei der weiblichen Bevölkerung. Lumbale Bandscheibenvorfälle entstehen am häufigsten in den untersten Segmenten, v. a. bei LWK 4/5 und LWK 5/S1, während nur ca. 7% bei LWK 3/4 nachweisbar sind. Der Häufigkeitsgipfel liegt zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr, Bandscheibenvorfälle können, wenn auch selten, auch im Kindesalter oder noch im höheren Alter vorkommen.
Klinik, Diagnose
tervertebralia an der BWS sind relativ groß, insbesondere befinden sie sich nicht wie an der HWS und LWS in Höhe der Bandscheiben, sondern nach kranial versetzt hinter den Wirbelkörpern. Daher weisen laterale Bandscheibenvorfälle thorakal selten Kontakt zur spinalen Nervenwurzel auf. Degenerative Veränderungen der Brustwirbelsäule spielen im Vergleich zu denen der Hals- und der Lendenwirbelsäule nur eine untergeordnete Rolle. Nur ca. 4% aller Bandscheibenvorfälle sind thorakal lokalisiert. 75% der thorakalen Bandscheibenvorfälle betreffen die unteren Drittel der Brustwirbelsäule (BWK 7–12). Thorakal kommen häufig ausgeprägte Spondylosen und Osteochondrosen vor, die zu einer teilweise Überbrückung der Zwischenwirbelräume führen.
Klinisch relevante Bandscheibenvorfälle sind v. a. nach dorsal oder dorsolateral gerichtet. Die Kompression des Spinalnervs führt zu einer radikulären Schmerzsymptomatik, segmentalen Hypästhesien und Paresen bis hin zur Kaudakompressionssymptomatik oder zum Querschnittsyndrom. Die häufig plötzlich einschießenden Kreuzschmerzen führen zu lumbalen Haltungsund Bewegungsstörungen, die auch in den Nativaufnahmen nachweisbar sind. Dabei ist die Lendenlordose gewöhnlich abgeflacht und von einer Entlastungsskoliose begleitet. Die Schmerzen verstärken sich bei Pressen, Husten oder Niesen. Klinisch findet sich ein positiver Lasèque-Test. Das hintere Längsband, die äußeren Anteile des Anulus fibrosus, Teile des Periost und des Wirbelkörpers sowie die Meningen und Blutgefäße im Epiduralraum werden direkt somatosensorisch versorgt.
Klinik, Diagnose
Bildgebung
Klinische Bedeutung erlangen mediane Bandscheibenprotrusionen oder -vorfälle, welche im ohnehin relativ engen thorakalen Wirbelkanal zu einer Kompression des Rückenmarks führen können. Mit der MRT ist der Nachweis thorakaler Bandscheibenvorfälle gestiegen. Wegen der meist diffusen Symptomatik sind thorakale Bandscheibenvorfälle klinisch schwer zu diagnostizieren. Die medulläre Kompression führt neben Schmerzen vornehmlich zu einer Myelopathie mit diffusen, oft gürtelförmigen Hypästhesien. Klinisch kann das Bild manchmal nicht von einer tumorbedingten Kompression abgrenzbar sein. Differenzialdiagnostisch muss auch an andere Ursachen, wie eine multiple Sklerose, Querschnittsmyelitis oder amyotrophe Lateralsklerose, gedacht werden.
Bandscheibenprotrusionen lassen sich am besten auf sagittalen und axialen Sequenzen darstellen. Eine Bandscheibenprotrusion stellt sich meist als breitbasige Vorwölbung des Anulus fibrosus dar. Die Bandscheibe überragt die Knochenbegrenzung des darüber und darunter gelegenen Wirbelkörpers. Ein Einriss des Anulus fibrosus mit Austritt des Nucleus pulposus findet sich nicht. Fokale bandscheibenbedingte Raumforderungen sind ungewöhnlich. Zusätzlich finden sich meist abstützende osteophytäre Randkantenausziehungen der darunter und darüber gelegenen Knochenstrukturen. Die Bandscheibe weist häufig degenerative Signalveränderungen auf, die sich besonders auf T2-gewichteten Bildern als Signalminderungen darstellen. Postoperative Narben können auf Nativaufnahmen mit Protrusionen verwechselt werden. Der Bandscheibenprolaps stellt sich als mehr fokale Bandscheibenwölbung dar, der sub-, aber auch transligamentär vorkommen kann und entsprechend der Position des Prolaps, zu einer Einengung des Spinalkanals und/oder der Neuroforamina führt (. Abb. 10.70). Auf den T2-gewichteten Bildern ist häufig die Impression und Verlagerung des Duralsacks besser erkennbar als auf T1gewichteten Sequenzen. Ein Bandscheibenprolaps steht in Verbindung mit der primär erkrankten Bandscheibe. Ein Prolaps
Bildgebung Am aussagekräftigsten sind T2-gewichtete axiale und sagittale Sequenzen und T1-gewichtete Aufnahmen.
Lumbale Bandscheibendegenerationen Pathogenese, Epidemiologie Die Höhe der lumbalen Bandscheiben nimmt von kranial nach kaudal zu. Im Gegensatz zur BWS befinden sich die Zwischenwirbellöcher in Höhe der Bandscheiben, sodass laterale Band-
353 10.8 · Degenerative Wirbelsäulenveränderungen
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b
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. Abb. 10.70a–c. Lumbaler Bandscheibenvorfall. a, b In den seitlichen Myelographieaufnahmen zeigt sich in Neutralstellung und in In- und Reklination eine noch deutlich verstärkte Einengung des Duralsacks in Höhe LWK 3/4, weniger ausgeprägt in Höhe LWK 4/5. Vor allem in Höhe LWK 3/4 kommt es zu einer deutlichen Pelottierung des Duralsacks. c In den postmyelographischen CT-Aufnahmen zeigt sich dann der mediolateral links gelegene Bandscheibenvorfall, der nahezu den gesamten Spinalkanal einnimmt, in Höhe LWK 4/5v und das linke Neuroforamen einengt
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354
Kapitel 10 · Wirbelsäule
. Abb. 10.71a, b. Sequestrierter Bandscheibenvorfall. a In den sagittalen T1w-Sequenzen zeigt sich in Höhe LWK 2 ein nach kranial sequestrierter Bandscheibenvorfall mit bandscheibenisointensem Material, dorsal des Wirbelkörpers LWK 2 links. b Auch in den sagittalen T2w-Sequenzen stellt sich der Bandscheibenvorfall nach kranial sequestriert in Höhe LWK 2 dar
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kann nach kaudal oder kranial gerichtet sein, wobei dies vorwiegend bei den subligamentären Bandscheibenvorfällen eindrucksvoll zur Darstellung kommt, meist dann nach kaudal. Durch die Raumforderung des Bandscheibenprolaps kommt es zu einer Impression des Duralsacks sowie zu einer partiellen Verlegung und Verlagerung des intraspinalen, intraforaminalen Fettgewebes und damit zu einer hypointensen Raumforderung auf den T1- und T2-gewichteten Sequenzen. Postoperative Narben können im Nativbild mit einem Prolaps verwechselt werden. Nach Kontrastmittelgabe nimmt die Narbe im Gegensatz zum Bandscheibengewebe Kontrastmittel deutlich auf. Der raumfordernde Charakter der Narbe ist darüber hinaus deutlich weniger ausgeprägt als der des Prolaps. Der Bandscheibensequester ist ein von primärem Bandscheibengewebe losgelöster Anteil der Bandscheibe, der meist in direkter Nachbarschaft der ehemaligen Bandscheibe gelegen ist, aber auch nach kaudal oder ventral abgewandert darstellbar sein kann (. Abb. 10.71). Er findet sich epidural als hypointense Raumforderung auf T1- und T2-gewichteten Sequenzen. Eine Kontrastmittel-Anreicherung findet sich in der Regel nicht, außer bei sehr alten Sequestern, bei denen ein Einsprossen von Gefäßen in die äußeren Anteile stattgefunden hat. Der Sequester weist in der Regel eine ähnliche Signalgebung wie die betroffene Bandscheibe auf. Nach längerem Bestehen können aber weitere Degenerationen und etwaige Verkalkungen das Signal deutlich verändern. Differenzialdiagnose. Bandscheibensequester müssen von tu-
morösen Raumforderungen oder narbigen Veränderungen nach Operation abgegrenzt werden. Bei unklaren Befunden ist eine
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Kontrastmittel-Applikation notwendig. Differenzialdiagnostisch ist auch die Abgrenzung gegenüber einer Doppelwurzel gelegentlich schwierig. Hier müssen die Bandscheibenetagen unterund oberhalb des Sequesters nach fehlenden Wurzeln abgesucht werden, um eine Doppelwurzel nicht zu übersehen.
Therapie Die konservative Therapie der Lumbago beschränkt sich in der akuten Phase auf Bettruhe in flacher Rückenlage oder im Stufenbett. Zusätzlich werden analgetische und muskelrelaxierende Medikamente verabreicht. Ziel dieser Maßnahme ist neben der Schmerzlinderung auch die Durchbrechung der schmerzreflektorischen Fehlstellung der betroffenen Bewegungssegmente. Nach klinischer Besserung kann eine vorsichtige Mobilisierung und Physiotherapie durchgeführt werden. Eine Operationsindikation ergibt sich bei Versagen der konservativen Therapie und aus radikulären Funktionsstörungen. Eine absolute Operationsindikation ist beim Kaudakompressionssyndrom oder dem akuten Ausfall funktionell wichtiger Muskeln gegeben.
10.9
Postoperative Befunde und Indikationen
Das so genannte »Failed back surgery-Syndrom« kann bedingt sein durch: 4 nicht entfernte Bandscheibenanteile 4 einen Rezidivbandscheibenvorfall 4 Narbenbildung
355 10.10 · Interventionelle Therapieverfahren an der Wirbelsäule
Zu den häufigsten Indikationen für die postoperative Bildgebung zählt die Kontrolluntersuchung nach operativen Prozeduren. Bei postoperativen Kontrollen müssen oft mehrere bildgebende Verfahren kombiniert werden. So haben Myelographie und MyeloCT eine besondere Bedeutung zur Beurteilung einer Instabilität und in der Darstellung der Pseudomeningozelenbildung bzw. eines Fistelgangs. Hinsichtlich der MRT-Befunde sind verschiedene postoperative Perioden zu berücksichtigen. In der unmittelbaren postoperativen Phase, d. h. innerhalb der ersten 6–8 Wochen post operationem, ist die Beurteilung der MRT-Befunde eine Herausforderung. Gründe sind komplexe postoperative Veränderungen während dieser Zeit, die sowohl knöcherne als auch intra- und paraspinale Kompartimente betreffen können und vom Ausmaß des chirurgischen Eingriffs und vom Zeitintervall nach der Operation abhängen. Es hat sich bewährt, 3 postoperative Stadien zu unterscheiden: 4 unmittelbare postoperative Phase innerhalb der ersten 6– 8 Wochen nach der Operation 4 früh-postoperative Phase bis zu 6 Monaten 4 chronische spät klinisch apparente Phase (6 Monate bis Jahre nach der Operation) Eine herausragende Bedeutung kommt der Anamnese und klinischen Untersuchung zu. Patienten mit nicht vollständig entfernten Bandscheibenanteilen werden postoperativ nicht beschwerdefrei. Bei Patienten mit einem erneuten Bandscheibenvorfall treten nach einem beschwerdefreien Intervall ähnliche Probleme wie zuvor auf. Ein Rezidivbandscheibenvorfall ist definiert als ein Bandscheibenvorfall auf der gleichen Etage, ipsioder kontralateral, der nach einem schmerzfreien Intervall von mehr als 6 Monaten auftritt. Mit einer Inzidenz von bis zu 10% sind Rezidivbandscheibenvorfälle relativ häufig anzutreffen. Typisch für Beschwerden durch Narbenbildung ist die postoperativ geringe klinische Symptomatik, die dann aber stetig zunimmt. Die Inzidenz einer epiduralen Narbenbildung als Ursache eines »Failed-back-surgery-Syndroms« wird mit 8–14% angegeben. Postoperativ anzutreffende Infektionen sind relativ selten mit einer Inzidenz von ca. 4%. Weitere mögliche postoperative Indikationen sind iatrogene Verletzungen des Rückenmarks bzw. der Nervenwurzeln, Pseudomeningozelen, Frakturen der Facettengelenke und spinale Stenosen.
Narbenbildung versus Bandscheibenrezidivvorfall Frühe postoperative Veränderungen können die Diagnose eines Rezidivbandscheibenvorfalls erschweren. Postoperativ ist der Knochen- und Weichteildefekt normalerweise in T1-gewichteten Sequenzen heterogen signalgemindert. Er zeigt eine Signalsteigerung in T2-gewichteten Sequenzen. In der Folge wird diese Formation durch gut vaskularisiertes Granulationsgewebe ersetzt. Damit setzt die Narbenbildung ein, der raumfordernde Effekt dieser Narbenbildung nimmt in der postoperativen Phase ab, insbesondere innerhalb der ersten 3–6 Monate nach dem Eingriff. Die Narbenbildung führt zu einer Signalminderung in T2gewichteten und STIR-Sequenzen. Zu diesem Zeitpunkt kann
häufig in T1-gewichteten Sequenzen nach i. v.-Kontrastmittelgabe ein Enhancement festgestellt werden. Im Gegensatz zum Granulations- bzw. Narbengewebe ist ein Bandscheibenvorfallrezidiv nicht vaskularisiert und zeigt deshalb kein vermehrtes Enhancement. Eine über 6 Monate nach Operation bestehende Kontrastmittel-Anreicherung sollte als pathologisch angesehen werden. In der späten postoperativen Phase nimmt die initial bestehende Signalanhebung der dorsalen Bandscheibe im T2-gewichteten Bild allmählich ab und stellt sich nun signalgemindert dar. Pathomorphologisch entspricht dies einer Heilung des anulären Defekts. Nach ungefähr 6 Monaten besteht in der Regel keine raumfordernde Wirkung mehr auf den Duralsack.
Postoperative Pseudomeningozele Eine postoperative Komplikation ist die Ausbildung einer Pseudomeningozele. Sie tritt gewöhnlich an der Laminektomiestelle auf und zeigt keine arachnoidale Begrenzung. Postuliert werden muss eine Verletzung der Dura mit anschließender unzureichender Versorgung dieser Verletzung. In der MRT stellt sich die Pseudomeningozele in sämtlichen Sequenzen liquorisointens dar. Gelegentlich kann eine Kontrastmittel anreichernde fibröse Kapsel nachgewiesen werden.
Arachnoiditis Die Arachnoiditis ist eine seltene entzündliche Veränderung, die infolge einer Myelographie oder nach forcierter Manipulation bei einer Operation auftreten kann. Dabei werden 3 Gruppen unterschieden: 4 Die zentrale Adhäsion, anstatt normaler Cauda equina-Fasern erscheinen diese verbacken zu einem oder mehreren Strängen 4 Adhäsion der Nervenfasern am Duralsack. 4 Das Endstadium einer inflammatorischen Antwort zeigt hier ein granulomatöses Gewebe, das den Duralsack ausfüllt und auch einen Tumor imitieren kann. Eine Arachnoiditis kann myelographisch und in der Myelo-CT eindeutig nachgewiesen werden, ebenfalls ist dies mit der kontrastverstärkten MRT möglich (. Abb. 10.72). Die akute Arachnoiditis zeigt in der Regel eine diskrete Kontrastmittel-Anreicherung.
10.10
Interventionelle Therapieverfahren an der Wirbelsäule
10.10.1
Vertebroplastie/Kyphoplastie
Die perkutane Vertebroplastie stellt eine minimal invasive Technik dar, bei der unter bildgebender Kontrolle üblicherweise röntgendichter Polymethylmethacrylat-Zement (PMMA) in den schmerzhaften frakturierten Wirbelkörper instilliert wird. Die Indikation der perkutanen Vertebroplastie wurde in den letzten Jahren von der Behandlung symptomatischer Wirbelkörperhämangiome auf osteoporotische und tumorbedingte Verän-
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356
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10
Kapitel 10 · Wirbelsäule
b
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. Abb. 10.72a–c. Arachnoiditis. a In den sagittalen T2w-Sequenzen stellen sich die Kaudafasern verbacken und hypointens dar. b Dies ist auch in
der seitlichen Myelographie deutlich zu erkennen. c In den axialen, postmyelographischen CT-Aufnahmen zeigen sich die verklebten Kaudawurzeln
derungen der Wirbelsäule ausgedehnt. Maligne Tumoren der Wirbelkörper werden bei fehlender operativer Resektionsmöglichkeit behandelt. In Einzelfällen können auch lokal-ablative Verfahren, wie transarterielle Tumorembolisation oder Radiofrequenzablation zum Einsatz kommen. Die Inzidenz osteoporotischer Wirbelkörperfrakturen wird sich laut Prognosen in den kommenden 5 Jahrzehnten weltweit vervierfachen und stellt somit eine außerordentlich sozioökonomische Belastung dar. Etwa die Hälfte der Patienten mit einer osteoporotischen Wirbelkörperfraktur entwickelt nach dem akuten Frakturereignis eine Chronifizierung der Beschwerden. Die Osteoporose gehört nach Angaben der WHO zu den 10 bedeutendsten Erkrankungen der westlichen Industrienationen. In Deutschland sind rund 7 Mio. Menschen betroffen. Eine verminderte Knochenmasse und Desintegration der Mikroarchitektur des Knochens führen zu einer verminderten Festigkeit und folglich erhöhten Frakturgefahr. Die Schmerzen nach Fraktur entstehen, da das Periost eine hohe Dichte nozizeptiver Fasern besitzt, weshalb bereits Mikrobewegungen des Knochens zu einer Retardation und zu Schmerzen führen können. Das bisherige Konzept bestand überwiegend aus konservativen Maßnahmen, wie Bettruhe, Gabe von Analgetika, Biphosphonaten und Anlage eines Stützkorsetts für mehrere Wochen.
radiolgen, Orthopäden, Wirbelsäulenchirurgen, Neurologen, Onkologen, Rheumatologen etc. gestellt werden. Die Indikation besteht bei benignen Wirbelsäulenläsionen, insbesondere bei einer schmerzhaften osteoporotischen Wirbelkörperfraktur ohne adäquates Trauma, einer traumatischen Wirbelkörperfraktur bei Osteoporose, bei der eine operative Standardtherapie nicht indiziert erscheint. Die Fachgesellschaften sehen einen Entscheid in der medikamentös-konservativen Therapie als gegeben an, wenn nach 3 Wochen keine Linderung der Beschwerden erreicht wurde. Bei schmerzhaften Osteolysen im Rahmen disseminierter maligner Tumoren (Metastasen, maligne hämatologische Erkrankungen, Lymphom, multiples Myelom) ist die Vertebro-/Kyphoplastie ebenfalls indiziert. Relative Kontraindikationen sind eine radikuläre Schmerzsymptomatik, bei der eine Vertebroplastie nur in Kombination mit einer operativen Druckkompression des betroffenen Wirbelsäulensegments erfolgen kann. Auch eine teilweise oder vollständige Destruktion der Wirbelsäulenhinterkante mit oder ohne Protrusion von Tumoranteilen in den Epiduralraum wird als relative Kontraindikation angesehen. Eine osteoporotische Fraktur mit fraglicher Instabilität der Hinterkante oder Fragmentdislokation in den Spinalkanal ist nur mit besonderer Vorsicht interventionell anzugehen. Patienten <60 Jahren sollten in der Regel primär einer chirurgischen Behandlung zugeführt werden, da bisher noch keine Langzeitergebnisse der Vertebroplastie vorliegen. Ebenso sollten mehr als 3 Wirbelkörperhöhen in einer Sitzung nicht behandelt werden. Dies gilt auch für eine Wirbelkörperhöhenminderung von >70%. Als absolute Kontraindikationen werden asymptomatische, stabile Wirbelkörperfrakturen angesehen. Die Vertebroplastie ist auch kontraindiziert, wenn sich die Beschwerdesymptomatik des
Indikationen und Kontraindikationen Ziele der Vertebroplastie/Kyphoplastie sind eine Schmerzreduktion, eine Stabilisierung der Wirbelkörperfraktur bzw. -läsion und damit eine Verbesserung der Lebensqualität. Die Indikation zur Vertebro-/Kyphoplastie sollte möglichst in interdisziplinärem Konsens zwischen interventionellem Radiologen/Neuro-
357 10.10 · Interventionelle Therapieverfahren an der Wirbelsäule
Patienten unter medikamentöser Therapie deutlich bessert. Weitere absolute Kontraindikationen sind eine bekannte Allergie gegen eine der im Rahmen der Vertebro-/Kyphoplastie eingesetzten Komponenten, eine therapierefraktäre Koagulopathie oder hämorrhagische Diathese, aktive Entzündungen (Osteomyelitis, Spondylodiszitis im betroffenen Wirbelkörpersegment bzw. eine aktive systemische Infektion).
Präoperative Bildgebung Technisch sollte, wenn verfügbar, eine MRT vor der Vertebro-/ Kyphoplastie durchgeführt werden, da sie funktionelle und anatomisch-morphologische Zusatzinformationen liefert. Akute, subakute und nicht ausgeheilte Frakturen stellen sich aufgrund des Knochenmarködems hypointens auf T1- und hyperintens auf T2- und STIR-Sequenzen dar. Die MRT ist auch bei der Differenzierung osteoporotischer von tumorbedingten und entzündlichen Prozessen überlegen.
a
Durchführung des Eingriffs Die Prozedur kann in lokaler Anästhesie, besser in Vollnarkose, durchgeführt werden. Zunächst wird unter mono- oder biplaner Fluoroskopie oder anhand der CT-Schichten der Zugangsweg geplant, nach sterilem Abdecken des Patienten im Bereich der Halswirbelsäule ein anterolateraler, im Bereich der Brustwirbelsäule ein interkostotransversaler und an der Lendenwirbelsäule ein transpedikulärer bzw. posterolateraler Zugang gewählt. Die Nadel wird mit einem sterilen Hammer kontrolliert durch die Kortikalis in den Wirbelkörper getrieben und die Nadelspitze in der Medianlinie im vorderen Wirbelkörperdrittel positioniert. Im Gegensatz zur Kyphoplastie wird auf die zusätzliche intravertebrale Einbringung eines Ballons zur Aufrichtung des Wirbelkörpers vor der Zementinstillation bei der Vertebroplastie verzichtet. Vor Einbringung des Zements kann eine KontrastmittelApplikation die venösen Abflussverhältnisse darstellen. Nach Platzierung des Nadelsystems wird der Trokar entfernt, der Zement angerührt und mithilfe eines Applikationssystems oder mit Einmalspritzen unter kontinuierlicher fluoroskopischer Durchleuchtung bzw. CT-fluoroskopischer Kontrolle instilliert, wobei der Zement eine pastenartige Konsistenz besitzt. Die neueren Generationen von Knochenzementen sind ausreichend röntgendicht und daher gut in der Durchleuchtung oder in der CT zu erkennen (. Abb. 10.73). In der Regel stehen für die Verarbeitung des Knochenzements bei 20°C Raumtemperatur nach dem Anrühren 8–10 min zur Verfügung, neuere Zemente ermöglichen andere Applikationszeiten. Im Falle eines Zementaustritts in den Epiduralraum, nach paravertebral oder in das benachbarte Bandscheibenfach muss die Zementinstillation durch Druckentlastung des Applikationssystems sofort gestoppt werden. Ein technisch zufrieden stellendes Ergebnis ist erreicht, wenn der Zement die vorderen zwei Drittel bis drei Viertel des Wirbelkörpers und zwei Drittel der Wirbelkörperhöhe ausfüllt. Die Häufigkeit von Zementaustritten liegt bei osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen zwischen 30 und 65%, bei der Vertebroplastie von Tumoren in der Größenordnung von 38 und 72%. Nach Beendigung der Injektion wird der Trokar in die Hohlnadel geschoben und dadurch der in der Nadel verbliebene Zement in den Wirbelkörper eingebracht. Auf diese Weise wird
b . Abb. 10.73a, b. Vertebroplastie. a In der sagittalen CT-Rekonstruktion zeigt sich ein Zustand nach Vertebroplastie mit Palacoszement im Wirbelkörper. b In den axialen Aufnahmen zeigt sich die Lage des Palacoszements. Injektion über beide Pedikel
eine Verschleppung von Zementresten oder ein Verbleiben einer Zementantenne entlang des Zugangswegs verhindert. Der Patient sollte anschließend zunächst für 2 h Bettruhe einhalten. Im Falle neu auftretender neurologischer Symptome muss unverzüglich eine dünnschichtige CT-Kontrolle zum Ausschluss einer Nervenwurzel- oder spinalen Kompression durchgeführt werden.
Operationserfolg Pro Jahr treten in den USA ca 750 000 neue osteoporotische Wirbelkörperfrakturen auf. Die Frakturen verlaufen entweder symptomlos oder gehen mit z. T. unerträglichen Schnerzen einher. Seit über 20 Jahren wurden therapierefraktäre Patienten mit der Vertebroplastie, bei der eine Zementinjektion in den Wirbelkörper erfolgt, behandelt.
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358
10
Kapitel 10 · Wirbelsäule
Klinisch wird eine gute bis exzellente Schmerzreduktion in ca. 90% erreicht. Für die Kyphoplastie wird eine vergleichbare Responserate bei osteoporotischen und tumorbedingten Frakturen festgestellt. Schnelle Schmerzlinderung nach einer Vertebroplastie/Kyphoplastie ist auf die Stabilisierung der Trabekelstrukturen des Wirbelkörpers durch den eingebrachten Knochenzement zurückzuführen. Daneben wird ein zytotoxischer bzw. neurotoxischer Effekt des Polymethylmethacrylats diskutiert, da auch bei Installition von geringen Mengen Knochenzements eine signifikante Schmerzreduktion erreicht wird. Der zytotoxische Effekt des Zements und die exotherme Reaktion beim Aushärten des Zements sollen die terminalen nozizeptiven Nervenendigungen schädigen. Nach diesen zunächst positiven Ergebnissen zur Wirkung der Vertebroplastie kam eine aktuelle Studie jedoch zu einer anderen Einschätzung: In der randomisierten, parallelen, plazebo-kontrollierten Studie wurde die Kurzzeiteffektivtät und Sicherheit bei Patienten mit osteoporotisch bedingten schmerzhaften Wirbelkörperfrakturen über 2 Jahre untersucht. Es wurden rund 130 Patienten entweder per Vertebroplastie oder aber mit einer Scheinoperation, bei der kein Zement in den Wirbel gespritzt wurde, behandelt. Einen Monat nach dem Eingriff hatten sich die Schmerzen und die Beweglichkeit in beiden Gruppen gleichermaßen gebessert, egal ob ihnen Zement injiziert wurde oder nicht.
10.10.2
Facettenblockade, peridurale und periradikuläre Schmerztherapie
Diagnostische Nervenblockaden Diagnostische Nervenblockaden an der Wirbelsäule sind wichtig, weil die Schmerzen klinisch größtenteils uncharakteristisch sind, die Innervation komplex und die Schmerzen subjektiv. Eine genaue Zuordnung kann durch spezielle Nervenblockaden erfolgen. Voraussetzung zur Durchführung einer diagnostischen Nervenblockade sind eine ausführliche Schmerzanamnese, eine Untersuchung des Patienten vor der Blockade, eine exakte Technik und Dokumentation, Untersuchung des Patienten nach der Blockade sowie eine Dokumentation des objektiven Blockadeeffekts mittels standardisierten Ratings der Schmerzstärken durch den Patienten über mehrere Stunden. Die diagnostischen Blockaden werden an den Zwischenwirbelgelenken, den medialen Ästen der Rami dorsales, den Sakroiliakalgelenken, Bandscheiben und spinalen Wurzeln durchgeführt.
. Abb. 10.74. Facettenblockade CT. Darstellung der liegenden Nadeln bei Facetteninfiltration
Blockade des Ramus medialis des hinteren Asts von jeweils 2 Spinalnerven erfolgen. Am einfachsten ist eine CT-gesteuerte Facettenblockade (. Abb. 10.74).
Blockade der Iliosakralgelenke Die Iliosakralgelenke spielen bei der Entstehung von Rückenschmerzen eine wichtige Rolle. Durch Stimulation des Gelenks bei der Injektion wurde nachgewiesen, dass von den Iliosakralgelenken die Schmerzen am Gesäß, an der Rückenseite der Oberschenkel und im Knie ausgehen können. Eine direkte intraartikuläre Injektion ist nur im kaudalen Teil des Gelenks unter Durchleuchtung möglich. Das Injektionsvolumen beträgt ca. 2– 5 ml, auch bei dieser Blockade muss wie bei der Facettenblockade eine genaue Protokollierung der Schmerzsymptomatik und des Ablaufs der Prozedur erfolgen.
Wurzelblockade (Spinalnerven) In schwierigen Fällen kann eine selektive Wurzelblockade bei Verdacht auf eine Radikulopathie die Zuordnung der Schmerzen zu einem bestimmten Spinalnerven erleichtern. Dies ist besonders dann der Fall, wenn CT und MRT keine eindeutigen Befunde liefern, pathologische Veränderungen in mehreren Höhen zeigen oder mit dem klinischen Befund nicht in Einklang stehen. Die wichtigsten Indikationen zur Wurzelblockade sind: 4 Atypische Topographie radikulärer Schmerzen 4 Bandscheibenvorfälle und zentrale spinale Stenose in mehreren Höhen bei monoradikulären Schmerzen 4 Laterale spinale Stenose 4 Postnukleotomiesyndrom mit Verdacht auf Radikulopathie
Facettenblockade
Therapeutische Nervenblockaden
Die Prävalenz von Schmerzen, die im Bereich der Zwischenwirbelgelenke entstehen, wird mit 15–40% angegeben. Die Indikation zur Facettenblockade ist nicht klar definiert, facettenbedingte Schmerzen scheinen bei folgenden Patienten gehäuft vorzuliegen: Ältere Patienten, akute Schmerzen, deutliche lumbale punktuell muskuläre Empfindlichkeit, Rückenschmerzen beim aktiven Anheben der gestreckten Beine, Schmerzen bei Extension, kein Schmerz beim Husten und Niesen. Eine Anästhesie der Facettengelenke kann durch direkte intraartikuläre Applikation des Lokalanästhetikums oder durch
Die Wirksamkeit von Infiltrationen mit Lokalanästhetika im Bereich von Muskeln und Bändern wurden bisher in kontrollierten Studien nicht nachgewiesen. Eine neuere Technik mit intraartikulärer Facettendenervation scheint bessere Ergebnisse zu bringen als die konventionelle extraartikuläre Technik.
III
Kopf und Hals 11
Felsenbein und mittlere Schädelbasis
– 361
Th. Vogl
12
Nasopharynx und Parapharyngealraum
– 385
Th. Vogl
13
Gesichtsschädel, Nasennebenhöhlen und Orbita Th. Vogl
14
Orbita
– 415
Th. Vogl
15
Kiefergelenk und Zähne
– 445
Th. Vogl
16
Speicheldrüsen
– 455
Th. Vogl
17
Oropharynx und Mundhöhle
– 465
Th. Vogl
18
Larynx, Hypopharynx und Weichteile Th. Vogl
– 473
– 397
11 11 Felsenbein und mittlere Schädelbasis Th. Vogl
11.1
Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechnik und spezifische Bildbefunde – 362
11.1.1 11.1.2 11.1.3
Normale Topographie – 362 Spezielle Untersuchungstechniken Spezifische Bildbefunde – 365
– 362
11.2
Missbildungen/Fehlbildungen
– 368
11.3
Traumatologische Fragestellungen
11.4
Entzündliche Erkrankungen
11.5
Neoplastische Prozesse
11.5.1 11.5.2
Neoplastische Veränderungen des inneren Gehörgangs, Kleinhirnbrückenwinkels und Innenohrs – 372 Äußerer Gehörgang und Mittelohr – 377
11.6
Andere Krankheitsentitäten
11.7
Zusammenfassung
– 369
– 370
– 372
– 383
– 379
11
362
Kapitel 11 · Felsenbein und mittlere Schädelbasis
11.1
Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechnik und spezifische Bildbefunde
11.1.1
Normale Topographie
Die mittlere Schädelgrube (Fossa cranii media) umfasst einen großen wannenförmigen Anteil, der den Schläfenlappen aufnimmt, sowie einen zentralen Anteil, der die Basis bildet für den Sinus cavernosus. Wesentliche ossäre Strukturen stellen der große Keilbeinflügel und das Os temporale dar. Charakterisiert wird diese Region insbesondere durch den Durchtritt von Leitungsbahnen, wie vaskulären und nervalen Strukturen. Verschiedene Foramina wie die Fissura orbitalis superior, Foramen rotundum, Foramen venosum vesalii, Foramen ovale und Foramen spinosum begrenzen diese Leitstrukturen und werden begleitet von weiteren Foramina, z. B. des Canalis caroticus, Foramen lacerum und der komplexen Gesamtstruktur des Sinus cavernosus. Am Übergang der mittleren Schädelbasis zu den posterioren Abschnitten sind das Foramen jugulare und die Fossa jugularis klinisch von Bedeutung sowie der Meatus acusticus internus und begleitend der topographische Raum des Kleinhirnbrückenwinkels (KHBW). Im Folgenden sollen topographisch die wesentlichen Räume für die Diagnostik von Erkrankungen des Felsenbeins, des Mastoids und der mittleren Schädelbasis vorgestellt werden. Topographisch ist das Felsenbein dabei aus 5 verschiedenen knöchernen Anteilen aufgebaut: 4 dem Os mastoideum 4 dem Os squamosum 4 dem Os petrosum 4 dem Os tympanale 4 dem Processus styloideus
Cavum tympani Das Cavum tympani stellt einen komplexen topographischen Raum dar. Das Trommelfell grenzt diesen ab gegenüber dem Meatus acusticus externus. Innerhalb des Cavum tympani muss diagnostisch der Verlauf der Ossikelkette mit den Einzelstrukturen des Malleus, dem Incus und des Stapes beurteilt werden (. Abb. 11.3). Mittels der MDCT in MPR-Rekonstruktion können dabei die artikulierenden Gelenke der Ossikel wie auch dabei die Fußplatte des Stapes dokumentiert werden.
Mastoid Über den Aditus ad antrum kommuniziert das Mastoid mit dem Cavum tympani. Wesentlich ist dabei die Erfassung der Pneumatisation des Mastoids, die von verschiedenen Faktoren abhängt. Die wesentliche Leitstruktur des Mastoids ist die mastoidale Verlaufstrecke des N. facialis (. Abb. 11.3).
Innerer Gehörgang Diagnostisch ist der Nervenverlauf wichtig mit dem am weitesten kranioventral verlaufenden N. facialis, in der Nachbarschaft zum N. intermedius, ventrokaudal verläuft der N. cochlearis. In den superior-posterioren Abschnitten des Meatus acusticus internus verläuft der N. vestibularis superior, der den Utriculus wie auch
den superioren und lateralen Bogengang versorgt, sowie kaudal der N. vestibularis inferior mit Versorgung des Sacculus. Als wichtige Leitstruktur im inneren Gehörgang lässt sich der Verlauf der A. cerebellaris anterior inferior (AICA), in der Regel als eine vaskuläre bogenförmige Struktur oder auch Schlinge, in direktem Kontakt zu den Nervenstrukturen identifizieren.
Innenohr Das Innenohr ist aufgebaut aus dem membranösen Labyrinth, das in das knöcherne Labyrinth eingebettet ist. Dabei werden das Vestibulum mit Sacculus und Utriculus, die Canales semicirculares, der Ductus endolymphaticus sowie der Ductus cochlearis abgegrenzt. Die Kenntnis der topographischen Lagebeziehung der einzelnen Strukturen bietet die Voraussetzung dafür, die Erkrankungen des Labyrinths zu evaluieren. Im Vordergrund steht dabei die MRT-Diagnostik, wobei der hohe Flüssigkeitsgehalt von Cochlea und Vestibulum zu einer exakten Abgrenzbarkeit dieser Strukturen in stark T2-gewichteten Sequenzen führt (. Abb. 11.1).
Vestibulum Das Vestibulum gliedert sich in die Untereinheiten von Utriculus und Sacculus, und stellt damit den größten Abschnitt des membranösen Labyrinths dar. Der Utriculus liegt weiter kranial, der Sacculus meistens inferior. Die Bogengänge werden gegliedert in den Canalis semicircularis superior, posterior und lateralis. Dabei läuft der Canalis semicircularis posterior entlang der longitudinalen Pyramidenachse. Der laterale Canalis semicircularis wird auch als horizontaler Bogengang bezeichnet und läuft in enger Nachbarschaft zum Epitympanon, hier besteht bei Pathologien das Risiko einer Fistelung. Das kochleare Aquädukt enthält den Ductus perilymphaticus mit einer Länge von 8 mm, damit die Verbindung der basalen Windung der Cochlea zur lateralen Begrenzung des Foramen jugulare. Das vestibuläre Aquädukt begleitet das kochleare Aquädukt und verläuft vom Vestibulum über eine Strecke von 7 mm zum Sacculus und Ductus endolymphaticus.
11.1.2
Spezielle Untersuchungstechniken
Spezifische bildgebende Untersuchungstechniken erlauben die Wahl der optimalen diagnostischen Strategie für die Evaluation der mittleren Schädelbasis und des Felsenbeins. Die primär bildgebenden Verfahren stellen die CT und die MRT dar. Im Folgenden soll auch die Wertigkeit der konventionellen Röntgendiagnostik vorgestellt werden, die jedoch weiter in ihrer Indikation zurückgedrängt worden ist. Die klinische Evaluierung wird durchgeführt von den Fachgebieten der Otologie und der Neuro-Otologie mit der Differenzialdiagnostik von Hörstörungen und Gleichgewichtserkrankungen auf der Basis von Symptomen wie Innenohrschwerhörigkeit, Tinnitus und Schwindel. Die jeweilige topographische Evaluation mittels bildgebender Verfahren erlaubt hier eine präzise Zuordnung der Morphologie. Insbesondere die Vielfalt an Ätiologien und Formen der Symptomatik des Schwindels erschwert die Differenzialdiagnose. Ätiologisch werden dabei neben dem
363 11.1 · Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechnik und spezifische Bildbefunde
Morbus Menière die paroxysmale sowie vaskuläre Genese, Meningitiden oder auch tumorbedingte Läsionen differenziert. Bei Erkrankungen des Mittelohrs muss insbesondere eine Mittelohrschwerhörigkeit akuter und chronischer Form gegenüber der Innenohrschwerhörigkeit abgegrenzt werden. Weitere klinische Symptome sind Ohrenschmerzen, Missempfinden, die Otorrhoe wie auch Formveränderungen. Als wesentliche weitere klinische Symptomatik spielt die Abklärung einer Fazialisparese (Bell palsy) eine wichtige Rolle für die bildgebende Diagnostik des Felsenbeins und der mittleren Schädelbasis. Die idiopathische Fazialisparese beginnt dabei abrupt, erholt sich spontan und basiert am ehesten auf einer viralen Entzündung des Ganglion geniculi. Weitere inflammatorische oder neoplastische Veränderungen müssen jedoch abgeklärt werden.
Konventionelle Röntgendiagnostik Die konventionelle Röntgendiagnostik kann in verschiedenen Projektionen durchgeführt werden, um die Schädelbasis und ihre Umgebungsstrukturen zu untersuchen. Als Basisverfahren dient die konventionelle Übersichtsaufnahme in 2 Ebenen zur Abklärung ossärer Veränderungen des Schädels. In der Schädel p. a.-Aufnahme werden die knöchernen Strukturen der Schädelkalotte mit ihren Suturen, die knöchernen Konturen beider Orbitae, die Stirnhöhle und die Nasenhaupthöhle sowie kaudal die Pyramidenoberkante, Pyramidenspitze und Mastoid dargestellt. Die seitliche Aufnahme des Schädels dient zur Beurteilung der knöchernen Strukturen der Schädelkalotte mit ihren Suturen in einer zweiten Ebene. Die Fossa hypophysealis, das Dorsum sellae und das Os frontale (Schädelbasisstrukturen) werden in der seitlichen Projektion abgebildet. Als weitere Übersichtsaufnahme erlaubt eine axiale Projektion die Darstellung der vorderen, mittleren und hinteren Schädelgrube. Dabei können von der mittleren Schädelgrube, von medial nach lateral, die Foramina lacerum, ovale und spinosum sowie die hintere Schädelgrube (umschließt das Foramen magnum) zur Darstellung gebracht werden. Neben den Standardaufnahmen gibt es noch verschiedene Spezialaufnahmen nach Schüller,
. Abb. 11.1. Normale Topographie des Felsenbeins und Kleinhirnbrückenwinkels in der MRT (Untersuchung mittels einer hochaufgelösten T2-gewichteten MR-Sequenz). Hochauflösende magnetresonanztomographische Darstellung des Felsenbeins und des Kleinhirnbrückenwinkels. Kernspintomographisch zeigt sich der Liquor mit erhöhter Signalintensität, mit niedriger Signalintensität die Strukturen des Hirnstamms und der Gefäße. Dokumentation der Nervenstrukturen im inneren Gehörgang, hier kommt ein Doppelnervenbündel zur Darstellung mit ventral verlaufendem N. cochlearis, dorsal verlaufendem N. vestibularis. Die Signalintensität der Flüssigkeit im Bereich der Cochlea (C) sowie des Labyrinthsystems (l) zeigt sich deutlich erhöht. Symmetrischer Befund linksseitig
Stenvers und Mayer.
Computertomographie Das primär bildgebende Verfahren zur Darstellung der ossären Strukturen stellt die CT dar, in hochauflösender Technik für die Diagnostik des Felsenbeins und der Schädelbasis mittels Mehrzeilen-Computertomographen (MSCT) mit primärer axialer Datenaquisition, kleinem Inkrement und adaptiertem Tischvorschub (. Abb. 11.3). Die Bildanalyse umfasst die Auswertung der axialen Datensätze, sowie die Evaluation mittels koronarer und sagittaler »Maximum Intensity Projektion-MIP« Rekonstruktionen. Die primären Indikationen betreffen Erkrankungen des Mittelohrs, des Mastoids, des Innenohrs und der ossären Leitstrukturen. Für die Missbildungsdiagnostik und die Erfassung chronisch entzündlicher Erkrankungen ist oft die native Diagnostik ausreichend. Für die Fragestellung von Komplikationen, Entzündungen wie auch von Tumoren muss die Diagnostik nach i.v.-Kontrastmittelgabe erfolgen. Die konsekutive Akquisition von axialen und koronaren Schichten sollte aufgrund der hohen
. Abb. 11.2. Normale Topographie des Felsenbeins und Kleinhirnbrückenwinkels. Schichtführung 3 mm kaudal mit Dokumentation einer Gefäßschlinge der A. auditiva interna (Pfeil). MR-Angiographie Datensatz FISP 3D-Sequenz, axiale Rekonstruktion. Dokumentation einer Gefäßschlinge der A. auditiva interna aus der A. cerebellaris inferior, posterior im linken Canalis auditivus internus (Pfeile). Kräftiges Gefäß der A. auditiva interna auf der rechten Seite
11
364
Kapitel 11 · Felsenbein und mittlere Schädelbasis
a
11
b . Abb. 11.3a, b. Normale Anatomie Felsenbein. a Axiale MSCT mit schräg koronarer Rekonstruktion zur Darstellung des Mittelohrraums. Dokumentation der Artikulation der Ossikel Incus und Stapes mit einer exzellenten Visualisierung des Verlaufs des Incus (weißer Pfeil). Stapes im Foramen ovale (kleiner weißer Pfeil). b Mehrschicht-CT: Rekonstruktion in schräg und angulierter Schichtorientierung entlang des Canalis N. facialis. Dokumentation der tympanalen Verlaufsstrecke (Pfeile) des ersten Knies (g) sowie des Verlaufs im Bereich des Canalis facialis und im Bereich der mastoidalen Verlaufsstrecke (m)
Strahlenexposition heute nicht mehr erfolgen und wird durch die Möglichkeiten der Maximum-Intensitäts-Projektion (MIP) wie auch der MPR-Rekonstruktion ersetzt. Besondere Sorgfalt sollte verwendet werden auf die Erstellung von multiplanaren Rekonstruktionen, insbesondere zur Erfassung der topographischen Verhältnisse des tympanalen Raum sowie der Ossikelstrukturen.
Magnetresonanztomographie Die MRT muss an der klinischen Fragestellung orientiert durchgeführt werden. Für den Einsatz der MRT im Bereich des Felsenbeins gelten als klinische Indikationen die Abklärung des sensoneuralen Hörverlusts (sensorineural hearing loss, SNHL)
und der Verdacht auf vaskuläre Variationen sowie auch Raumforderungen. Hier stehen spezifische Untersuchungsprogramme zur Verfügung. Insbesondere zur Darstellung der Schädelbasisstrukturen sollten stets T1- und T2-gewichtete Spinechosequenzen zum Einsatz kommen, dies optimalerweise als Turbospinechosequenzen. Die Schichtdicke sollte dabei nicht größer als 3 mm gewählt werden. Gute diagnostische Ergebnisse lassen sich auch mit Schichtdicken von 2 mm erzielen. Die T2-gewichteten Sequenzen sollten dabei optimalerweise in axialer und koronarer Schichtorientierung durchgeführt werden. T1-gewichtete Sequenzen nach i.v.-Applikation von paramagnetischen Kontrastmitteln erlauben die Beurteilung der Vaskularisation von Strukturen durch die verbesserte Charakteristik pathologischer Strukturen sowie auch Störungen der Blut-Hirn-Schranke. Durch den zusätzlichen Einsatz von fettunterdrückten Sequenzen (FATSAT-Sequenzen) gelingt eine verbesserte Visualisierung von Kontrastmittel aufnehmenden Strukturen. Post Kontrast sollten auch T1-gewichtete Spinechosequenzen oder auch Gradientenechosequenzen eingesetzt werden. Mithilfe von 3D-CISS-Sequenzen oder auch 3D-Gradientenechosequenzen gelingt eine höhere räumliche Auflösung der Strukturen des Liquorraums, mit hoher Signalintensität von Flüssigkeit wie der Endo- und Perilymphe und der zerebrospinalen Flüssigkeit (CSF). Vergleichbare diagnostische Resultate können heute unter Einsatz der T2-gewichteten Turbospinechosequenzen erzielt werden, um hier im Kontrast zu Liquor, neurale und vaskuläre Strukturen im inneren Gehörgang, im Kleinhirnbrückenwinkel und auch im Labyrinth und Vestibulumsystem zu erfassen (. Abb. 11.1). Weitere wesentliche Sequenzen zur Diagnostik der Schädelbasis stellen MR-angiographische Sequenzprotokolle dar (. Abb. 11.2). Dabei stehen prinzipiell time-of-flight (TOF) MRSequenzen zur Verfügung oder auch Phasenkontrast (PC) MRSequenzen. Mithilfe der kontrastmittelverstärkten MR-Angiographie-Sequenzen (CE-MRA) wird eine weitere verbesserte räumliche Auflösung insbesondere im Bereich kleinluminaler terminaler Gefäßprovinzen erzielt. Die venöse MR-Angiographie ist von besonderer Bedeutung zur Evaluation des Bulbus inferior venae jugularis, des Sinus sigmoideus und des Sinus transversus mithilfe einer venös gewichteten MR-angiographischen Nativsequenz (FLASH 2D). Nach Absättigung der arteriellen Spins gelingt hier eine hervorragende Dokumentation des normalen topographischen Verlaufs des Sinus und der Venen.
Angiographie Die primär angiographische Evaluation bei Fragestellungen des Felsenbeins oder der mittleren Schädelbasis hat ihre Bedeutung durch den nichtinvasiven Einsatz der MR-Angiographie verloren. Angiographische Darstellungen erfolgen im Zusammenhang mit primär interventionellen Therapieverfahren. Diese beinhalten präoperativ angiographische Abklärungen von hypervaskularisierten Tumoren wie Paragangliomen, von Läsionen wie arteriovenösen Fisteln oder auch Aneurysmen. Im Rahmen des interventionellen Vorgehens werden präoperative Embolisationen, lokale Chemotherapien oder auch interventionelle Okklusionen von arteriovenösen Kurzschlüssen durchgeführt.
365 11.1 · Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechnik und spezifische Bildbefunde
Im Wesentlichen steht dabei heute die präoperative Embolisation von Paragangliomen, des juvenilen Nasenrachenfibroms oder auch von Hämangiomen im Vordergrund, wie auch die Diagnostik von vaskulären Anomalien.
11.1.3
Spezifische Bildbefunde
Die spezifischen Bildbefunde in der Region Felsenbein und mittlerer Schädelbasis weisen einzelne wesentliche Charakteristika auf, die im Folgenden vorgestellt werden. Die Bildbefunde basieren dabei wesentlich auf dem Einsatz der CT und der MRT.
Befundungskriterien in der Computertomographie und Magnetresonanztomographie Seitenasymmetrische Dilatation des Meatus acusticus internus Die vergleichende Analyse der bilateralen Befunde in der CT muss den Befund einer Asymmetrie des Meatus acusticus internus (MAI) erfassen. Ätiologisch liegen dabei entweder Variationen vor oder tumorbedingte Läsionen (s. folgender Abschnitt). Mittels kontrastmittelverstärkter MRT müssen dabei die bildgebenden Befunde abgeklärt werden. In der Übersicht werden detailliert die differenzialdiagnostisch wesentlichen Bildbefunde aufgelistet.
Differenzialdiagnostisch wesentliche Bildbefunde 4 Häufig: Normvariation 4 Tumor: – Akustikusneurinom (häufig) – Metastase – Neurinom N. V, VII, Neurofibromatose – Meningeom – Hydrozephalus – Zyste – Cholesteatom, primär 4 Vaskulär: – Aneurysma der A. auditiva interna – AV-(arteriovenöse) Malformation – Hämangiom
Lufteinschluss im Kleinhirnbrückenwinkel und Meatus acusticus (CT) Die Identifikation von lufthaltigen Zonen innerhalb des Kleinhirnbrückenwinkels stellt einen seltenen Befund dar. In der Regel kommen ätiologisch einschmelzende entzündliche Prozesse in dieser Region infrage, mit Superinfektion durch gasbildende Erreger. Die zweite Differenzialdiagnose liegt in iatrogen induzierten Veränderungen bei Zustand nach Myelographie, Liquorpunktion und neurochirurgischen Eingriffen.
Vermehrte Pneumatisation des Os temporale (CT) Während eine vermehrte Pneumatisation computertomographisch durch ausgeprägt lufthaltige Strukturen mit knöchernen Binnensepten imponiert, zeigen die gleichen Veränderungen in
der MRT eine signalarme Textur in den T1- und T2-gewichteten Sequenzen. In der Regel stellt dieser Befund eine Normvariation dar. Selten findet sich eine vermehrte Pneumatisation assoziiert bei Patienten mit Akromegalie, beim adrenogenitalen Syndrom sowie bei der Lipodystrophie.
Knöcherne Arrosion der Pyramidenspitze (CT) Differenzialdiagnostisch kommen für eine Arrosion der Pyramidenspitze in der Regel entzündliche Prozesse oder auch Raumforderungen durch Tumoren infrage: am häufigsten das Cholesteatom und die sekundäre Metastasierung!
Raumforderung mit röntgenologisch erhöhter Dichte des Os temporale (CT) Die Differenzialdiagnose einer Raumforderung mit erhöhter Dichte, computertomographisch verifiziert, basiert auf der morphologischen Erfassung von Strukturen, die sich entweder diffus flächig ausbreiten oder fokal (Übersicht).
Diferenzialdiagnose einer Raumforderung mit erhöhter Dichte des Os temporale 4 Häufig: – Fibröse Dysplasie (flächig, diffus) – Chronisch sklerosierende Mastoiditis (flächig, diffus) 4 Selten: – Missbildung: kraniometaphyseale Dysplasie – Tumor: – Ossifizierendes Fibrom (lokalisiert) – Osteoplastische Metastase (lokalisiert) – Osteosarkom (lokalisiert, flächig) – Stoffwechsel: – Osteodystrophie (diffus) – Morbus Paget (diffus) – Osteopetrose – Gicht
Arrosion/Destruktion des Os temporale Eine Arrosion und Destruktion der knöchernen Strukturen des Os temporale, insbesondere Tympanon, Mittelohr und Mastoid, wird in der Regel durch die hochauflösende Mehrschicht-CT verifiziert. Am häufigsten finden sich klinisch dabei das Cholesteatom, primär oder auch erworben, sowie die akute chronische Otitis media und Mastoiditis.
Differenzialdiagnosen von Arrosion und Destruktion des Os temporale 4 Entzündlich (häufig): – Cholesteatom – Mastoiditis, akut oder chronisch – Otitis chronica – Postoperative Defekte, Mastoidektomie – Traumatologische Folgezustände 6
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366
Kapitel 11 · Felsenbein und mittlere Schädelbasis
– Cholesterolgranulom – Petrositis – Otitis externa maligna – Granulom (Tbc) 4 Tumoren (selten): – Primär ossär: benigne, maligne Morphologie – Neurogen: – Neurinom – Histiozytose X – Dermoidzyste – Karzinom äußerer Gehörgang – Sekundär: – Metastase – Nasopharynxkarzinom
Destruktiver Prozess an der Pyramidenspitze Die Differenzialdiagnosen finden sich in der Übersicht.
Differenzialdiagnose eines destruktiven Prozesses an der Pyramidenspitze
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4 Variation: Fetteinschlüsse (häufig) 4 Tumor: – Metastase – Cholesterolgranulom – Epidermoid – Plasmozytom – Chordom – Chondrosarkom 4 Entzündlich: – Bakteriell, viral – Sarkoidose
Erosive Destruktion des Foramen jugulare (CT-MRT-Befund) Im Rahmen der Evaluation von klinischer Symptomatik, z. B. Tinnitus oder Nervenläsionen des N. glossopharyngeus und N. vagus, stellt die Abklärung des Foramen jugulare die wesentlichen Anforderungen an die CT- und MRT-Diagnostik. Dabei muss stets eine Variation gegenüber einer Raumforderung infolge eines Tumors abgeklärt werden, z. B. eines Paraganglioms, Neurinoms oder Meningeoms. Über die Beurteilung der Vaskularisation gelingt hier eine Differenzierung auch von Läsionen wie dem Meningeom gegenüber dem Glomustumor. Insbesondere der Einsatz der MR-Angiographie hat dabei die entscheidende Bedeutung. Die in der Übersicht gezeigten differenzialdiagnostischen Läsionen müssen evaluiert werden.
Differenzialdiagnose der erosiven Destruktion des Foramen jugulare 4 Variation: – Bulbushochstand – Asymmetrische Dilatation 4 Tumoren: – Paragangliom – Neurinom – Meningeom – Chordom – Metastase – AV-Malformation – Cholesteatom; primär (Epidermoid) oder sekundär – (Aneurysma der A. carotis interna)
Solide Kontrastmittel aufnehmende Raumforderungen im inneren Gehörgang mit einem Durchmesser <5 mm (MRT-Befund) Die Evaluation dieses Phänomens beruht auf den Einsatz von hochauflösenden MRT-Sequenzen nach Applikation von Gadolinium-DTPA. Dabei muss insbesondere eine fokale Arachnoiditis/Neuritis gegenüber einem tumorbedingten Prozess abgeklärt werden. Die in der Übersicht aufgeführten differenzialdiagnostischen Kriterien kommen infrage.
Differenzialdiagnose solider, Kontrastmittel aufnehmender Raumforderungen im inneren Gehörgang mit einem Durchmesser <5 mm 4 Entzündung – Arachnoiditis – Sarkoidose – Meningitis 4 Tumor – Akustikusneurinom (Schwannom) – Fazialisneurinom – Andere Neurinome – Meningeom – Arachnoidalzyste – Metastase 4 Vaskulär – AV-Malformation vaskulärer Strukturen
Lineare Kontrastmittel-Aufnahme im inneren Gehörgang (MRT) Eine selektive Gruppe von Ätiologien induziert eine lineare Kontrastmittel-Aufnahme. Im Vordergrund stehen entzündliche und vaskuläre Formationen, wie in der Übersicht gezeigt.
367 11.1 · Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechnik und spezifische Bildbefunde
Lineare Kontrastmittel-Aufnahme im inneren Gehörgang (MRT) 4 Variation/Gefäßschlinge der A. auditiva interna 4 Entzündung – Spezifische Meningitis – Unspezifische Meningitis – Neuritis – Labyrinthitis 4 Tumor – Hämangiom – Intrakanalikuläres Meningeom – Lymphom – Karzinomatose – AV-Malformation – Lipom
MRT-Befundkriterium. Raumforderungen mit erhöhter Signal-
intensität in der T1-gewichteten Sequenz im inneren Gehörgang/ Kleinhirnbrückenwinkel. Zwei Differenzialdiagnosen müssen bei der Erfassung einer Zone mit erhöhter Signalintensität in den T1und T2-gewichteten Sequenzen dokumentiert werden. Einmal das Lipom, selten auch das Cholesterolgranulom oder eine Hämorrhagie. Mit dem Einsatz von fettunterdrückten Sequenzen kann hier eine weitere Differenzierung erfolgen. Bei Zonen erhöhter Signalintensität in den T1-gewichteten Sequenzen innerhalb des Labyrinths muss eine Einblutung differenzialdiagnostisch erwogen werden, basierend auf einer spontanen Einblutung, einer neoplastischen Läsion oder auch entzündlichen Veränderungen.
Kontrastmittel aufnehmende Strukturen des Labyrinths Eine spezifische Kontrastmittel-Aufnahme innerhalb der häutigen Strukturen des Labyrinths im MRT stellt eine selten zu erfassende Befunddokumentation dar. Dabei wird ein cochleares oder ein vestibuläres Kontrastmittel-Enhancement unterschieden. Insgesamt müssen dabei entzündliche Veränderungen wie eine Labyrinthitis oder Cochleitis von neoplastischen Veränderungen wie einem Neurinom oder einer Lymphominfiltration abgegrenzt werden. Maligne Tumoren der Cochlea stellen einen seltenen Befund dar.
Fehlendes Signal des Labyrinths in der T2-gewichteten MR-Sequenz Im Rahmen der Abklärung vor Cochleaimplantat muss dieser Befund differenzialdiagnostisch abgeklärt werden (Übersicht).
Differenzialdiagnosen bei fehlendem Signal des Labyrinths in der T2-gewichteten MR-Sequenz 4 Missbildung mit fehlender Anlage des Labyrinths 4 Tumor: Schwannom 4 Entzündung – Labyrinthitis – Vestibulitis 6
4 Viral – Röteln – Mumps – Masern – Herpes zoster 4 Bakteriell (sekundär): Lues 4 Primär autoimmun – Cogan-Syndrom – Panarteriitis nodosa – Wegener-Granulomatose 4 Traumatisch
Kontrastmittel aufnehmende Läsion des N. facialis Die Diagnostik des N. facialis in der MRT beruht auf dem Einsatz der Kontrastmittel-unterstützten Sequenzen mit exakter Evaluation des ersten Knies (genu) sowie der horizontalen und tympanalen Verlaufsstrecke. Differenzialdiagnostisch bei der Fazialisparese kommen idiopathische Veränderungen infrage (infektiös), posttraumatische und postoperative Veränderungen, selten auch neoplastische Läsionen.
Differenzialdiagnosen bei Kontrastmittel aufnehmender Läsion des N. facialis 4 4 4 4 4 4
Idiopathische Fazialisparese Entzündlich Herpes zoster Varizellen Sarkoidose Lues
Neoplastische Raumforderungen des Os temporale Hier kommen als Differenzialdiagnosen die in der Übersicht aufgeführten Erkrankungen infrage.
Differenzialdiagnosen neoplastischer Raumforderungen 4 Tumor primär: Hämangiom/Angiosarkom 4 Tumor sekundär: – Meningeom – Metastasen – Leukämische Infiltrate – Lymphom – Chordom
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368
Kapitel 11 · Felsenbein und mittlere Schädelbasis
11.2
Missbildungen/Fehlbildungen
> In den vergangenen 3 Jahrzehnten beruhten Missbildungssyndrome des Os temporale im Wesentlichen auf den charakteristischen Befunden tympanaler Missbildungen bedingt durch das Präparat Thalidomid, das, in der Schwangerschaft eingesetzt, teratogene Effekte induziert. Heute handelt es sich um seltene spontan auftretende Missbildungssyndrome.
Die nachgeschaltete Gliederung erlaubt eine präzise Erfassung der möglichen Missbildungen anhand der allgemeinen Einteilung der Missbildungen und Fehlbildungen des Os temporale. Bildgebend steht die hochauflösende CT mit multiplanarer Rekonstruktion für die Erfassung von Anomalien des Schallleitungssystems zur Verfügung. Anomalien des häutigen Labyrinths, Innenohrs und inneren Gehörgangs werden mithilfe hochauflösender MR-Techniken mittels submillimeterdicken T2-gewichteten Turbospinechosequenzen erfasst.
. Abb. 11.4. Diagnostisches Flowchart: Abklärung der verschiedenen Formen der Schwerhörigkeit mittels bildgebender Verfahren (Leitlinie DRG)
Allgemeine Einteilung der Missbildungen und Fehlbildungen des Os temporale Hier werden die in der Übersicht aufgeführten Formen unterteilt.
11 Allgemeine Einteilung der Missbildungen und Fehlbildungen des Os temporale 1. Anomalien des Schallleitungssystems – Meatus acusticus externus: Stenose, Agenesie, membranöse knöcherne Atresieplatte – Ohrmuschel: Mikrotie, ggf. in Kombination mit anderen Missbildungen – Os mastoideum: Hypoplasie, Atresie – Cavum tympani – Agenesie, Aplasie – Deformation der Räume – Missbildungen der Ossikel 2. Anomalien des häutigen Labyrinths/Cochlea 3. Anomalien des inneren Gehörgangs 4. Anomalien des N. facialis: Ektopie, abnormer Verlauf, Hypoplasie 5. Kongenitale vaskuläre Anomalien – Bulbus-venae-jugularis Hochstand – Intratympanaler Bulbus jugularis – Ektoper intratemporaler Verlauf der A. carotis interna – Persistente A. stapedis – Aberrierende A. meningea media
Das führende klinische Symptom für Missbildungen des Mittelohrraums ist der konduktive Hörverlust mit der fenestralen Otosklerose als wichtigster Differenzialdiagnose (. Abb. 11.4, . Abb. 11.5). Die häufigste Deformation stellt dabei die Fusion des Malleus und Incus im Attikus-Raum dar. Die Untersuchung mittels CT erlaubt die präzise Erfassung von Anomalien des Malleus, der malleoloincudalen Artikulation und des Stapes.
. Abb. 11.5. Diagnostisches Flowchart: Abklärung bei klinischem Verdacht auf Fehlbildungen des Mittelohrraums (Leitlinie DRG)
Die hochauflösende Evaluation anguliert in MPR-Technik erlaubt heute die Identifikation des Stapes und dessen Teilstrukturen, wie auch die Erfassung von incudostapedialen Diskonnektionen. Weitere häufige Fehlbildungen stellen Stenosen oder Atresien des äußeren Gehörgangs dar. Diese können mit genetischen Syndromen assoziiert sein, z. B. der kraniofazialen Dysostose (Crouzon), der mandibulofazialen Dysostose (Treacher-Collins) und der Goldenhar-Dysplasie.
Missbildungen und Fehlbildungen des Innenohrs und Labyrinths Die Missbildungen und Fehlbildungen des Labyrinths beinhalten Veränderungen wie die Cochleaaplasie als vollständiges Fehlen der Cochlea. Diese kann auch kombiniert sein mit einer vollständigen Aplasie des N. cochlearis. Der Begriff der Mondini-Malformation beinhaltet eine inkomplette Partition der Cochlea mit Veränderungen der Anzahl der Windungen. Häufig sind dabei auch bilaterale Aplasien der Canales semicirculares kombiniert. Bei dem Goldenhar-Syndrom kann es zu einem vergrößerten Ductus lymphaticus sowie einer Dysplasie des Canalis semicirculares lateralis und des Vestibulums kommen.
369 11.3 · Traumatologische Fragestellungen
11.3
Traumatologische Fragestellungen
Bei der Diagnostik von traumatologischen Veränderungen des Os temporale muss gezielt nach dem Vorliegen von primär knöchernen Pathologien wie einer Pyramiden-Längs- und -Querfraktur sowie Trümmerfrakturen gefahndet werden (. Abb. 11.6). Bei umschriebenen Weichteilveränderungen muss zusätzlich die Differenzialdiagnose einer primären Variation oder einer entzündlichen Erkrankung eingeschlossen werden. Die traumatologische Diagnostik erfordert die sorgfältige Beurteilung des tympanalen Raums, mit Suche nach Dislokationen der Ossikel und Verletzungen des N. facialis, insbesondere bei klinisch partieller oder kompletter Fazialisparese. Die Diagnostik beinhaltet außerdem eine Evaluation des knöchernen Labyrinths. Klinisch finden sich bei Verletzungen hier insbesondere akute Labyrinthdysfunktionen mit Schwindel und Taubheit. > Eine besondere Herausforderung stellen Verletzungen des Canalis caroticus dar. Diese können eine Okklusion der Carotis interna bewirken und müssen durch eine sorgfältige Analyse der Einzelschichten in multiplanaren Rekonstruktionen diagnostiziert werden.
Pyramidenlängsfraktur Klinisch findet sich bei Pyramidenlängsfrakturen eine Schädigung des Mittelohrraums, des Trommelfells und des äußeren
. Abb. 11.6. Pyramidenlängsfraktur. Pyramidenlängsfraktur mit komplexer Splitterung im Verlauf des Mittelohrraums. Axiale CT mit 1 mm rekonstruierter Schichtdicke. Dokumentation mehrerer Frakturverläufe im Bereich des Dachs des äußeren Gehörgangs unter Mitbeteiligung des Mittelohrraums
Gehörgangs mit Hämatotympanon, Trommelfellriss oder Blutung aus dem äußeren Gehörgang. Die klinische Diagnostik dokumentiert eine Schallleitungsschwerhörigkeit oder eine Stufenbildung im äußeren Gehörgang. Die konventionelle Röntgendiagnostik mit Aufnahmen nach Schüller, Stenvers und Mayer ist in den Hintergrund gerückt, und wird heute primär durch den Einsatz der CT ersetzt. Diese dient der Primärdiagnostik sowie der Erfassung von Komplikationen, z. B. Mastoiditis, Meningitis, Hirnabszessen und Rupturen der angrenzenden Weichteilstrukturen. In der CT in Dünnschichtrekonstruktion sollte präzise nach folgenden Verletzungen gefahndet werden. Frakturlinienverlauf: 4 Dach der Paukenhöhle 4 Antrum mastoideum und äußerer Gehörgang 4 Malleus/Incus 4 Temporomandibulargelenke 4 Luxationen von Malleus/Incus/Stapes 4 Dislokationen Am häufigsten finden sich dabei Dislokationen des langen Schenkels des Incus. Verletzungen der incudostapedealen Artikulation sind 10-mal häufiger als Verletzungen der malleoloincudalen Konnektion. Dislokationen der Ossikelstrukturen um >2 mm gelten dabei als computertomographisch sichere Kriterien (. Abb. 11.7, . Abb. 11.8, . Abb. 11.9) Dies gilt auch für spontane oder traumatologisch induzierte Dislokationen z. B. der Stapesprothese oder Cochleaimplantation.
. Abb. 11.7. Komplexes Mittelohrtrauma mit Einblutung im Bereich des Tympanons und Fraktur der Wand des Fazialiskanals. CT mittels 1 mm rekonstruierter Schichtdicke. Verifizierung einer Konturunterbrechung im Verlauf des N. facialis in Höhe des Mittelohrraums (Pfeil), einhergehend mit einer kompletten Fazialisparese bedingt durch die Ödematisierung und Verlagerung von Minifragmenten
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Kapitel 11 · Felsenbein und mittlere Schädelbasis
. Abb. 11.8. Dislozierte Stapesprothese. Frontale CT in frontaler Schnittführung, Rekonstruktion. Dokumentation des Verlaufes des Kopfs des Malleus (m) und des Incus (i). Dokumentation einer Unterbrechung des Kontakts des Endes des langen Incusfortsatzes gegenüber dem Ende der Stapesprothese (langer weißer Pfeil). Die Stapesprothese ist dabei über das Foramen ovale weit hinaus in das Labyrinthsystem eingedrungen (Pfeilspitze)
. Abb. 11.10. Diagnostisches Flowchart: Diagnostische Evaluation bei Felsenbeinfrakturen (Leitlinie)
4 Frakturverlauf:
5 5 5 5 5
11
Labyrinth Innerer Gehörgang Ganglion geniculi Tympanaler Fazialiskanal Fragestellung einer lokalen Dehiszenz
4 Lufteinschlüsse:
5 Labyrinth 5 Vestibulum 5 Cochlea
. Abb. 11.9. Diagnostik des Verlaufs der Cochleasonde. Frontale Schichtrekonstruktion aus den axialen CT-Schichten. Dokumentation des Verlaufs der Cochleaelektrode. Dabei wird die Länge des Verlaufs innerhalb der Cochlea dokumentiert
Auf die Limitationen der CT zur Dokumentation von Mikrofrakturen muss allerdings hingewiesen werden. Durch den zusätzlichen Einsatz der hochauflösenden magnetresonanztomographischen Diagnostik lässt sich hier der Flüssigkeitszustand der Cochlea und des Vestibulums beurteilen (. Abb. 11.10). Durch die Evaluation des Flüssigkeitsgehalts und der Topographie können dabei Verletzungen der Cochlea und des Vestibulums präzise diagnostiziert werden. Durch den zusätzlichen Einsatz von T1-gewichteten Sequenzen kann auch die Fragestellung einer Hämorrhagie in die Weichteilstrukturen des häutigen Labyrinths dokumentiert werden.
11.4
Entzündliche Erkrankungen
Pyramidenquerfraktur Bei der Pyramidenquerfraktur kommt es primär zur Schädigung des Innenohrs und des inneren Gehörgangs. Klinisch imponiert eine Schallempfindungsstörung mit Schwerhörigkeit, Schwindel, Spontannystagmus sowie einer Fazialisparese in ca. 50% der Fälle, selten eine Otoliquorrhoe. Die konventionelle Röntgendiagnostik spielt heute keine wesentliche Rolle mehr zur Erfassung von Felsenbeinquerfrakturen. Die computertomographische Diagnostik muss folgende topographische Informationen erfassen:
Im Rahmen der Diagnostik bei entzündlichen Fragestellungen werden folgende topographische Kompartimente differenziert: Mittelohr, innerer Gehörgang, häutiges Labyrinthsystem sowie der N. facialis. Die akute Otitis media stellt heute keine Indikation zur bildgebenden Diagnostik dar. Eine Ergussbildung wird jedoch häufig nebenbefundlich in der bildgebenden Diagnostik erfasst. Im Rahmen der chronischen Otitis media kann im Einzelfall eine Diagnostik erforderlich sein zur Erfassung von Granulationsge-
371 11.4 · Entzündliche Erkrankungen
webe, zur Frage einer Dislokation von Ossikelstrukturen unter Mitbeteiligung der Stapes-Grundplatte. Computertomographisch kann das Granulationsgewebe dabei als Zone erhöhter Dichte nachgewiesen werden und klinisch muss dabei jeweils eine Otitis maligna externa ausgeschlossen werden. Bei computertomographisch nachweisbaren Erosionen müssen differenzialdiagnostisch die chronische Otitis media und das Cholesteatom differenziert werden.
Cholesteatom Definitionsgemäß stellt das Cholesteatom eine sackförmige Anhäufung von keratinhaltigen Plattenepithelformationen dar – aufzufinden sowohl im Mittelohr wie auch in anderen pneumatisierten Regionen des Os temporale. Die erworbenen Cholesteatome zeigen ihren Ursprung in der Regel in der Pars flaccida oder Pars tensa der Membrana tympanica. Das Cholesteatom der Pars flaccida beginnt dabei meist im Prussack-Raum. Grundsätzlich gelten alle Erkrankungen aus dem Formenkreis der akuten oder chronischen Otitis media als mögliche Ätiologie für die Entwicklung des Cholesteatoms. Bildgebung. Das bildgebende Verfahren der Wahl ist im Fall
einer klinisch notwendigen bildgebenden Diagnostik die CT. Diese muss die Lokalisationen des Cholesteatoms erfassen, die Topographie und die mögliche Erosion benachbarter Leitstrukturen, insbesondere bei Komplikationen wie der Meningitis, von Abszessformationen und Sinusvenenthrombose. Weiterhin müssen abgeklärt werden Komplikationen wie eine labyrinthine Fistel, eine Parese des N. facialis oder eine kochleare Mitbeteiligung.
Ossifizierende Labyrinthitis Bei der Erkrankung der ossifizierenden Labyrinthitis imponiert klinisch eine zunehmende Ertaubung. Ätiologisch liegen am häufigsten postentzündliche Ossifikationen des membranösen Labyrinths oder auch tympanogene, posttraumatische und postmeningitische Ursachen vor. Als Therapie bietet sich die Implantation eines Cochleaimplantats an. Bildgebung. Computertomographisch zeigt das membranöse
Labyrinth vereinzelte Knochendepositionen und Kalzifikationen (. Abb. 11.11). Magnetresonanztomographisch findet sich ein partieller bis kompletter Signalverlust der Cochlea und des Labyrinths. Morphologisch zeigt sich insbesondere im Rahmen von entzündlichen Veränderungen wie der Cochleitis eine MR-tomographisch nachweisbar vermehrte Kontrastmittel-Aufnahme.
Entzündung der Pyramidenspitzen (Gradenigo-Syndrom) Die Entzündung der Pyramidenspitze, auch als Gradenigo-Syndrom bekannt, bietet klinisch ein dramatisches Erkrankungsbild, einhergehend mit Parese der Hirnnerven. Computertomographisch imponiert eine osteomyelitische Destruktion der Pyramidenspitze, oft kombiniert mit begleitender Otitis und Mastoiditis (. Abb. 11.12, . Abb. 11.13). Die zusätzlich durchgeführte MRT dient zum Ausschluss von intrakraniellen Komplikationen und
. Abb. 11.11. Labyrinthsklerose. CT in rekonstruierender Schichtdicke 1 mm in frontaler Orientierung. Dokumentation von kalzifierenden Strukturen im Bereich der Cochlea (Pfeile); dies im Sinne einer Labyrinthsklerose mit feinnodulären Erosionen der ossären Strukturen. Die Flüssigkeit innerhalb der Cochleastrukturen ist noch erhalten
zeigt die entzündlichen Läsionen mit erhöhter Signalintensität in der T2-gewichteten Sequenz, und partiell auch in den T1-gewichteten Sequenzen.
Fazialisparese Eine besondere Herausforderung stellt die Diagnostik der Fazialisparese dar (. Abb. 11.17). Bei der primären Fazialisparese und idiopathischer Genese wird in der Regel keine Bildgebung durchgeführt. Bei länger anhaltender klinischer Symptomatik ist der Ausschluss sekundärer Ätiologien, z. B. Tumoren, wie Akustikus- oder Fazialisneurinome und die Abklärung komplexer entzündlicher Erkrankungen wie der Sarkoidose, Borreliose, Lyme und Cholesteatom (. Abb. 11.15) notwendig. Eine Indikation zur Abklärung mittels MRT (CT) der Fazialisparese besteht bei folgenden Befunden: 4 Dauer der Fazialisparese länger als 2 Monate 4 Langsam progrediente Parese 4 Fazialer Spasmus 4 Rezidiv einer Fazialisparese 4 Ausgeprägte Schmerzsymptomatik 4 Weitere kraniale Neuropathien 4 Klinischer Verdacht auf vaskuläres Kompressionssyndrom: Coiling, Kinking Bildgebung. Wichtig sind T2-gewichtete Sequenzen in der MRT; mit T1-gewichteten Sequenzen wird vor allen Dingen nach einer vermehrten Kontrastmittel-Aufnahme im Verlauf des N. facialis an der tympanalen und mastoidalen Verlaufsstrecke gefahndet (. Abb. 11.16). Insbesondere bei mastoidalem Kontrastmittel-Enhancement muss eine entzündliche, aber auch neoplastische Genese in Betracht gezogen oder ausgeschlossen werden. Hier ist insbesondere die Abklärung eines Lymphoms von wesentlicher Bedeutung.
11
372
Kapitel 11 · Felsenbein und mittlere Schädelbasis
a
b
. Abb. 11.13. Otitis und Mastoiditis rechts. Hochauflösende CT mit 2 mm Schichtdicke. Dokumentation einer Weichteilformation, die am medialen Trommelfell beginnt, das komplette Tympanon ausfüllt und Weichteilbeteiligung des gesamten Mastoids (Pfeile)
11 11.5
Neoplastische Prozesse
11.5.1
Neoplastische Veränderungen des inneren Gehörgangs, Kleinhirnbrückenwinkels und Innenohrs
Die häufigste Anforderung an die bildgebende Diagnostik stellt die Abklärung von möglichen Tumoren im Bereich der Schädelbasis dar. Die Diagnostik von derartigen Tumoren beruht auf der topographischen Zuordnung und spezifischen bildgebenden Kriterien (11.1 Spezifische Bildbefunde) sowie einer exakten artdiagnostischen Zuordnung. Bei der Auswertung großer pathologischer Kollektive dominiert das Vorhandensein benigner Tumoren, allen voran das Akustikusneurinom (Schwannom) (. Abb. 11.18). . Abb. 11.12a, b. Mastoiditis mit Petrositis links. a Hochauflösende CT, axiale Schichtführung, rekonstruierte Schichtdicke 2 mm. Computertomographisch zeigt sich linksseitig eine Ausfüllung der lufthaltigen Räume des Mastoids wie auch Felsenbein und Felsenbeinspitze durch ein weichteildichtes Material. Dies führt zu einer Dichteanhebung im Vergleich zur Gegenseite. Dokumentation einer ossären Arrosion im Bereich der Pyramidenspitze (Pfeilspitzen). b Fettunterdrückte Spinechosequenz TR/TE 500/20, Gadolinium-DPTA. Die Vorteile der MR-tomographischen Diagnostik liegen in der Erfassung der Weichteilstrukturen. Dokumentation einer vermehrten KM-Aufnahme im Bereich des Mastoids (kleine Pfeile). Dokumentation der Pyramidenspitzenarrosion mit zentraler liquider Zone (Pfeilspitzen). Nebenbefundlich: Sinusitis mit vermehrter KM-Aufnahme im Bereich der Schleimhaut der Kieferhöhlen und der Nasenmuscheln
Schwannom Pathogenese, Epidemiologie Die Schwannome nehmen ihren Ursprung von den Nervenscheidenzellen sensorischer Nerven. Die Variation der Begriffe umfasst Neurom, Neurinom, Neurilemmon und auch Schwannom. Neurome und Neurinome beruhen auf einer Proliferation der Nervenzellfasern, während Neurilemmome durch eine neoplastische Transformation der neuralen Membran induziert werden. Die Mehrzahl der Schwannome entsteht am vestibulären Abschnitt des 8. Hirnnerven, die spezifische Ursprungsregion stellt dabei das Scarpa-Ganglion am leptomeningealen Übergang dar. Die Schwannome des 8. Hirnnerven machen einen Anteil von ca. 10% aller intrakraniellen Tumoren, und 80–90% aller
373 11.5 · Neoplastische Prozesse
. Abb. 11.14. Diagnostisches Flowchart: Evaluation entzündlicher Erkrankungen und deren Komplikationen
zerebellopontinen Tumoren aus. Das mittlere Alter der betroffenen Patienten beträgt dabei 45 Jahre.
Klinik Die klinische Symptomatik von Tumoren in dieser Region ist geprägt von Tinnitus und Hörverlust. Dieser kann langsam progressiv wie auch plötzlich auftreten.
Bildgebung
. Abb. 11.15. Borreliosebefall der basalen Hirnnerven klinisch. T1-gewichtete Spinechosequenz (TR/TE 500/17). KM-aufnehmende Foci im inneren Gehörgang, Vestibulum und N. facialis (Pfeile) betont auf der linken Seite
Die CT ist zur Primärdiagnostik heute in den Hintergrund gerückt. Früher wurde eine Luftzisternographie durchgeführt, dabei wurde intrathekal Luft appliziert und computertomographisch in einer speziellen Lagerung die Verteilung der Luft dokumentiert. In seltenen Fällen kann bei großen Tumoren in der CT eine Erosion einer Pyramidenkante dargestellt werden. Kalzifikationen finden sich insgesamt selten. Das bildgebende Verfahren der Wahl stellt heute die magnetresonanztomographische Diagnostik dar. Sowohl unter Verwendung von Dünnschicht-T2-gewichteten hochauflösenden MR-Sequenzen, als auch T1-Kontrastmittel verstärkten Sequenzen. Das Signalverhalten ist dabei abhängig von der Morphologie der Tumoren, mit zystischem oder auch hämorrhagischem Anteil. Die Tumoren sind in der Regel homogen und mit einer Kapsel versehen. In Einzelfällen finden sich hier zentrale Blutungen, ein Ödem oder die Formation von Zysten. Das Vorhandensein von zystischen Veränderungen, in der Bildgebung gilt als Kriterium einer höheren Aggressivität der Tumoren. Differenzialdiagnostik. Beim Vorhandensein von Neurinomen
bilateral muss an den Morbus Recklinghausen gedacht werden. Differenzialdiagnostisch kommt jedoch auch eine Erweiterung des inneren Gehörgangs bei Morbus Recklinghausen infrage, ohne hier zugrunde liegende neoplastische Raumforderung.
11
374
Kapitel 11 · Felsenbein und mittlere Schädelbasis
a
11
. Abb. 11.16a, b. Fazialisparese. a T1-gewichtete SE-Sequenz, TR/TE 500/17, Gadolinium-DTPA. In der axialen Schichtführung (Pfeile) zeigt sich im Verlauf des N. facialis beidseits ein diskretes KM-Enhancement, das noch im physiologischen Bereich liegt. b T1-gewichtete Sequenz, TR/TE 500/17,
b Gadolinium-DTPA, sagittale Schichtführung. Verifizierung der mastoidalen Verlaufsstrecke des N. facialis (Pfeile), hier mit diskret vermehrter KM-Aufnahme als Hinweis für die am ehesten virale Genese der Fazialisparese
. Abb. 11.17. Diagnostisches Flowchart: Diagnostische Evaluation der peripheren Fazialisparese (Leitlinie)
Schwannome anderer Hirnnerven Schwannome anderer Hirnnerven können auch im Bereich des zerebellopontinen Winkels und der Schädelbasis identifiziert werden. Das Fazialisneurinom stellt den zweithäufigsten Tumor dar. Häufig ist auch das labyrinthine Segment des N. facialis mitbeteiligt und imponiert bildgebend als eine Verbreiterung dieses Seg-
ments mit vermehrter Kontrastmittel-Aufnahme. Große Neurinome des N. trigeminus können auch den zerebellopontinen Winkel mitbetreffen. Sie entspringen im Cavum Meckeli, einem duralen Recessus im Bereich der hinteren Schädelgrube. Schwannome der kaudalen 4 Hirnnervengruppen erweitern in der Regel das Foramen jugulare oder den Canalis hypoglossi (. Abb. 11.19).
375 11.5 · Neoplastische Prozesse
. Abb. 11.19. Hypoglossusneurinom. T1-gewichtete Spinechosequenz TR/TE 500/20 Gadolinium DTPA und sagittal. Neurinom des N. hypoglossus. Dokumentation der typischen Lokalisation der Raumforderung im Bereich der Schädelbasis. Dabei zeigt sich eine intrakranielle Komponente des Tumors mit deutlich erhöhter Signalintensität, einer randständigen Duramitbeteiligung. Erweiterung des Foramen jugulare (Pfeile) und des Kanals des N. hypoglossus a
Meningeome Epidemiologie, Pathogenese Im Vergleich zu den Schwannomen/Neurinomen sind Meningeome deutlich seltener, können jedoch aufgrund der Morphologie und der Kontrastmittel-Charakteristika von Schwannomen differenziert werden. Die Meningeome entstehen aus den arachnoidalen Zotten im zerebellopontinen Winkel ( . Abb. 11.20, . Abb. 11.21). Bildgebung. Computertomographisch imponiert das Meninge-
om mit einem höheren Prozentsatz an Kalzifikationen sowie einer erhöhten Dichte des Tumors. Kernspintomographisch gilt als Charakteristikum der breitbasige Kontakt des Tumors entlang der Pyramidenkante mit homogenem Enhancement nach i.v.Applikation des paramagnetischen Kontrastmittels GadoliniumDTPA. Dies entspricht Tumorausläufern entlang der Dura = »Dura tail sign«.
Epidermoid (kongenitales Cholesteatom) b . Abb. 11.18a, b. Intrameatales Akustikusneurinom rechts. a T1-gewichtete Spinechosequenz (TR/TE=500/17, Gadolinium DTPA): Dokumentation einer intrameatalen Raumforderung mit vermehrter KM-Aufnahme Durchmesser 3×4 mm messend. Diagnostik eines intrameatalen Akustikusneurinoms. Die Differenzialdiagnose umfasst hier das Vorliegen einer fokalen Neuritis. b Hochaufgelöste Dünnschicht T2-gewichtete Sequenz; Im Unterschied zu der T1-gewichteten KM-verstärkten Sequenz zeigt die stark T2-gewichtete Sequenz den Liquor mit erhöhter Signalintensität. Dokumentation der Nervenverläufe im inneren Gehörgang (Pfeilspitze). Aussparung und Verdrängung des Liquors in Höhe der Raumforderung im inneren Gehörgang (Pfeile), nahe am distalen Abschnitt des Meatus acusticus internus gelegen. Hohe Signalintensität der regelhaft erhaltenen Cochlea und des Vestibulums
Den zweit-/dritthäufigsten Tumor im Bereich des zerebellopontinen Winkels stellt das Epidermoid/kongenitales Cholesteatom dar. Bildgebung. Diese homogenen Tumoren sind durch eine niedrige Dichte in der CT charakterisiert und zeigen in der CT wie auch in der MRT ein randständiges Kontrastmittel-Enhancement. Die angrenzenden ossären Strukturen werden aufgeweitet oder verdrängt (»scallopping«). Häufig ist das Infiltrationsmuster der Epidermoide komplex und umfasst mehrere Kompartimente.
Arachnoidalzysten Ätiologisch wird für die Arachnoidalzysten eine Anzahl von Faktoren diskutiert, z. B. Trauma, Infektion oder die Duplikatur der Membrana arachnoidea.
11
376
Kapitel 11 · Felsenbein und mittlere Schädelbasis
a
11 b
c
. Abb. 11.20a–c. Meningeom im Kleinhirnbrückenwinkel links. a Raumforderung im Kleinhirnbrückenwinkel als Differenzialdiagnose: Dokumentation eines Meningeoms (Pfeile) im Kleinhirnbrückenwinkel unter Mitbeteiligung der Dura im Meatus acusticus internus. T2-gewichtete Sequenz (TR/TE): Signalarme Dokumentation der Raumforderung in der Cisterna cerebellomedularis (Kleinhirnbrückenwinkel) mit Kontakt zum Eingang des Meatus acusticus internus. b T1-gewichtete Sequenz TR/ TE=500/17, Gadolinium-DTPA. In den KM-verstärkten Sequenzen Dokumentation der vermehrten KM-Aufnahme innerhalb des Meningeoms (Pfeil). Dokumentation einer vermehrten strangförmigen KM-Aufnahme in den Meatus acusticus internus. c Dokumentation des vermehrten KM-Enhancements in frontaler Schnittführung. Verifikation der duralen Mitbeteiligung der Raumforderung mit Ausdehnung in den inneren Gehörgang, mit Ausziehungen entlang der Dura (Pfeile) (Duratail-Zeichen)
377 11.5 · Neoplastische Prozesse
Weitere Raumforderungen im inneren Gehörgang, Kleinhirnbrückenwinkel und Innenohr Seltene primäre hirneigene Tumoren werden im Kapitel Cerebrum diskutiert, z. B. Astrozytome, Medulloblastome und Ependynome. Gelegentliche Raumforderungen in dieser Region stellen Missbildungen dar, wie das AV-Angiom sowie primäre Tumoren wie Chordome, Rhabdomyosarkome und Metastasen. Weitere Raumforderungen können ausgehen von der Fossa jugularis wie bei Glomustumoren, die sich in den Kleinhirnbrückenwinkel erstrecken.
11.5.2
a
Äußerer Gehörgang und Mittelohr
Raumforderungen des äußeren Gehörgangs und Mittelohrs sind in der Regel benigne Prozesse. Prozesse wie das Cholesteatom werden anhand typischer CT- und MRT-Befunde diagnostiziert. Exostosen des äußeren Gehörgangs finden sich gehäuft beim männlichen Geschlecht, bei exzessivem Kontakt mit kaltem Meerwasser. Osteome stellen solitäre, unilaterale und pedunkulierte Knochenwachstumsformen dar. Die charakteristische Dichte und die typische Morphologie ermöglichen eine präzise Diagnosestellung in der MRT und CT. An malignen Tumoren finden sich am häufigsten Plattenepithel-, Basalzellkarzinome oder Tumoren ausgehend von der Glandula parotis. Maligne Melanome und Metastasen stellen einen seltenen Befund dar. Plattenepithelkarzinome betreffen meist direkt den Meatus acusticus externus, können aber auch im Bereich des Mittelohrs auftreten. Diagnostische Evaluation erfolgt in der Regel mittels CT, die auch eine entsprechende therapeutische Strategieplanung, z. B. Chirurgie oder Strahlentherapie erlaubt. Zwei Tumoren sind in der Diagnostik des Mittelohrs von wesentlicher Bedeutung: Hämangiome und Paragangliome.
Hämangiom Das Hämangiom wird auch als ossifizierendes Hämangiom bezeichnet. Es geht oft klinisch mit einer progressiven peripheren Fazialisparese und einem pulsatilen Tinnitus einher. Bildgebung. Computertomographisch und MR-tomographisch
b . Abb. 11.21a, b. Intra-/extrameatales Meningeom im Kleinhirnbrückenwinkel und im inneren Gehörgang. a CT im Knochenfenster. Dokumentation eines normalen Meatus acusticus internus linksseitig (m). Dilatation des Meatus acusticus internus rechts. b T1-gewichtete Sequenz, TR/ TE=500/17, Gadolinium-DTPA. Dokumentation der Raumforderung im Bereich des extrameatalen Abschnitts mit kompletter Ausfüllung der Cisterna cerebellomedullaris (Pfeile). Komplette Ausfüllung des Meatus acusticus internus bis an die Cochlea heranreichend (Pfeilspitzen) und Dura-Enhancement
Bildgebung. In der MRT und CT imponieren die Läsionen als
homogene Raumforderungen, mit niedriger Dichte in der CT und typischen Veränderungen der Relaxationszeiten in der MRT und hohem Signal in den T2-gewichteten Sequenzen.
findet sich eine stark Kontrastmittel aufnehmende Masse mit spikulärem Erscheinungsbild und intratumoralen Verkalkungen. Häufig findet sich auch eine Mitbeteiligung des Verlaufs des N. facialis im Bereich der tympanalen Verlaufsstrecke.
Paragangliome Paragangliome des Mittelohrs und des Foramen jugulare werden auch als Glomustumoren bezeichnet. In der Definition unterscheidet man Glomus-hypotympanicum-Tumoren (Mittelohr), Glomus-jugulare-Tumoren (Foramen jugulare sowie Glomus caroticum), Glomus-vagale-Tumoren entlang des N. vagus. Diese Tumoren stellen den zweithäufigsten Tumor des Os temporale dar sowie den häufigsten Primärtumor im Mittelohrraum. Die bildgebende Diagnostik erfolgt über die Indikationsstellung, Abklärung eines Tinnitus, bei zunehmender Mittelohrschwerhörigkeit und lokalen Nerven- oder vaskulären Kompressionssymptomen.
11
378
11
Kapitel 11 · Felsenbein und mittlere Schädelbasis
a
b
c . Abb. 11.22a–c. Glomustumor. a T1-gewichtete Spinechosequenz nativ (TR/TE=500/17). Nativ zeigt sich eine Weichteilformation im Felsenbein und Foramen jugularis auf der rechten Seite unter Mitbeteiligung einzelner Mastoidabschnitte (Pfeil). Hyperintense Darstellung einer kleinen, zentral gelegenen Einblutung (anteriorer Pfeil). b T1-gewichtete Spinechosequenzen (TR/TE=500/17) Gadolinium-DTPA. Dokumentation der typischen Hypervaskularisation des Foramen jugulare-Tumors. Dieser imponiert mit erhöhter
Signalintensität in den T1-gewichteten Sequenzen, partiell konfluierend (Pfeile). Weiterhin zeigt sich das Salz- und Pfeffermuster mit inhomogenen Binnenstrukturen, die unterschiedlich KM aufnehmen. c MR-Angiographie, arteriell gewichtet. Darstellung der A. carotis interna und externa: FISP-3 DSequenzen nach venöser Absättigung. MR-angiographisch Dokumentation einer s-förmigen Formation in Projektion auf das Foramen jugulare in schräger Ansicht (Pfeile und Pfeilspitzen)
> Die bildgebende Diagnostik ist von entscheidener Bedeutung, da es sich um einen stark vaskularisierten Tumor mit komplexen Ausbreitungs- und hohem Infiltrationsmuster handelt.
phisch imponieren eine ossäre Destruktion, einzelne Kalzifikationen sowie eine Destruktion der ossären Begrenzungen des Os temporale. Im Rahmen der kontrastmittelverstärkten CT zeigt sich eine deutliche Hypervaskularisation, in der Angio-CT können in der Spätphase im Rahmen der dynamischen CT Washout-Phänomene beobachtet werden. Magnetresonanztomographisch zeigen die Glomustumoren eine deutlich verlängerte T2-Relaxationszeit mit niedriger Sig-
Bildgebung. Der Glomus-jugulare-Tumor ist dabei charakterisiert durch eine asymmetrische Dilatation des Foramen jugulare in der konventionellen Röntgenaufnahme. Computertomogra-
379 11.6 · Andere Krankheitsentitäten
a
b
c
. Abb. 11.23a–c. Tympanaler Glomustumor rechts. a Hochauflösende CT, Gadolinium-DTPA und axial. Dokumentation einer schlüsselförmigen Raumforderung im tympanalen Raum (weiße Pfeile). Der Tumor füllt dabei vollständig den tympanalen Raum aus, hält sich an die Grenzen. Symmetrische Abgrenzung, der Tumor erstreckt sich auch nach ventral. Differenzialdiagnostische Abklärung gegenüber Cholesteatom (weiße Pfeile). b Frontale MR-Tomographie, T1-gewichtete Sequenz, TR/TE=500/17, Gadolinium-
DTPA. Scharf begrenzte Raumforderung im tympanalen Raum, scharf demarkiert (weiße Pfeile). c Angiographie-Abklärung nach selektiver Injektion von KM über die A. sphenopalatina mit Hypervaskularisation im Bereich des tympanalen Raums, paratympanaler Verlaufsstrecke und der subtympanalen Regionen. Bestätigung eines Glomustumors. Angiographie im Rahmen der Embolisation (Pfeile)
nalintensität in T1-gewichteten SE-Sequenzen, aufgrund der verkürzten T1-Relaxationszeiten (. Abb. 11.22, . Abb. 11.23). Weiterhin gilt als charakteristisches Kriterium eine körnige Struktur in einem Wechsel von Arealen erhöhter und niedriger Signalintensität. In der dynamischen MRT, nach Kontrastmittelgabe, zeigt sich ein rascher Signalanstieg der Tumoren. Dieser kann bereits in einer einfachen Dosierung des Kontrastmittels dynamisch reproduzierbar nachgewiesen werden. Zur Abklärung von vaskulären Veränderungen des Os temporale gehört die zusätzliche Durchführung einer MR-Angiographie arteriell in time-of-flight-Technik oder KM-verstärkten MR-Angiographien venös mit Durchführung z. B. FLASH-2DMR-Angiographie und arterieller Absättigung. Durch die Verwendung dieser Techniken kann eine Untersuchung erfolgen, z. B. eines hochstehenden Bulbus venae jugularis in der Differenzialdiagnose gegenüber einem Glomustumor oder einer Jugularisvenenthrombose (. Abb. 11.24).
tasen mit Infiltrationen im Mittelohr und Mastoid auf, am häufigsten bei Mamma-, Bronchial- und Nierenkarzinomen. Im Kindesalter zeigen sich Tumoren wie das Rhabdomyosarkom mit einer embryonalen, alveolären oder pleomorphen Morphologie. Die Histizytose X imponiert als tumor-infiltrierende Raumforderung, in Zusammenhang mit verschiedenen Krankheitsbildern wie dem Hand-Schüller-Christian-Krankheit-Syndrom oder dem eosinophilen Granulom. Selten finden sich auch Hämangiome mit typischen MRT-Befunden oder auch tumorartig imponierende Exostosen (. Abb. 11.26).
Kongenitales Cholesteatom
Osteodystrophien des Os temporale (Otosklerose, Otospongiose)
Das primäre Cholesteatom, auch als Epidermoid bezeichnet, stellt 2% aller Cholesteatome des Mittelohrraums dar. Es kommt in verschiedenen Lokalisationen wie dem Os temporale, Pyramidenspitze, dem Mastoid und des Meatus acusticus internus vor. Die häufigste Ursprungsart ist jedoch das Epitympanon.
Seltene Tumoren Als seltene Tumoren finden sich primär maligne Mittelohrtumoren. Hierbei gibt es das Adenokarzinom, das Plattenepithelkarzinom oder das adenoidzystische Karzinom. Selten treten Metas-
11.6
Andere Krankheitsentitäten
Als spezielle Erkrankungsgruppe des Felsenbeins sowie der mittleren Schädelbasis sind osteogene Erkrankungen zu diagnostizieren und differenzialdiagnostisch einzuordnen.
Bei Osteodystrophien des Os temporale werden 3 verschiedene Formen unterschieden: 4 der kochleare Typ mit sensoneuralen Hörverlust 4 der fenestrale Typ mit konduktivem Hörverlust und 4 die Kombinationsform Bei der fenestralen Otosklerose, als häufigste Form der Otosklerose, beginnt diese in der Fissula antefenestrum. Computertomographisch kann eine Knochenneubildung lokoregional
11
380
11
Kapitel 11 · Felsenbein und mittlere Schädelbasis
a . Abb. 11.24a, b. Jugularvenenthrombose auf der rechten Seite als Differenzialdiagnose zum Hochstand des Bulbus venae jugularis und zum Glomustumor. a Protondichtegewichtete MR-Sequenz nativ (TR/TE=2500/17), in der Spinechosequenz zeigt sich im rechten Bulbus venae jugularis und der V. jugularis eine Zone erhöhter Signalintensität peripher betont, zentral diskre-
b ter Signalverlust (Pfeile). Ventral verlaufend das Segment der A. carotis interna. Linksseitig normale Flussphänomene im Bereich des Bulbus venae jugularis. b Gadolinium-verstärkte T1-gewichtete Sequenz (TR/TE= 500/17 Gadolinium DTPA). Dokumentation der randständigen KM-Aufnahme im Bulbus venae jugularis (Pfeile), ventral Dokumentation des Thrombus
b
a
. Abb. 11.25a, b. Patient mit venösem Tinnitus, Bulbushochstand. a T1-gewichtete Spinechosequenz (TR/TE=500/15, Gadolinium-DTPA): kleiner hypoplastischer Bulbus venae jugularis auf der rechten Seite (Pfeilspitzen). Hyperplastischer Bulbus venae jugularis auf der linken Seite mit Hochstand, ventral verlaufend das Segment der A. carotis interna. b Venöse MR-Angiographie FLASH 2D (TR/TE=30/17). MR-angiographisch rechtsseitig Verlauf des Sinus transversus, Sinus sigmoideus und Bulbus venae jugularis rechtsseitig regelhaft. Linksseitig Hochstand des Bulbus venae jugularis (Pfeile) mit mäßiger Hyperplasie
381 11.6 · Andere Krankheitsentitäten
b . Abb. 11.26a, b. Exostose linksseitig bei einem Berufstaucher. a Computertomographische Diagnostik axial, rekonstruierte Schichtdicke 1 mm. Dokumentation einer flächigen Exostose (Pfeile) an den knöchernen Wandstrukturen des Meatus acusticus externus ventral wie dorsal gelegen. Die Breite der Exostose beträgt 3 mm. b Verifizierung in frontaler Schichtorientierung. Dokumentation der Einengung des äußeren Gehörgangs. Verifizierung der verdickten Wand des äußeren Gehörgangs sowohl ventral wie dorsal, wie auch kranial und kaudal (Pfeile)
a
. Abb. 11.27a, b. Otosklerose. a Abklärung mittels CT, 1 mm rekonstruierte Schichtdicke, axiale Schichtführung. In der axialen CT Dokumentation regelhafter Struktur des Mastoids und des Tympanons. Darstellung der Ossikelstrukturen innerhalb des Tympanons sowie Malleus und Darstellung des Stapes, der als halbrunde Konfiguration erscheint, und Darstellung mit Verdichtung im Bereich des Foramen vestibulare und Foramen ovale im Sinne der Otosklerose. b Rekonstruktion 1 mm Schichtdicke. Verifikation der Artikulation von Malleus, Incus, Otosklerosematerial komplex fusioniert mit dem Stapes (weißer Pfeil)
a
nachgewiesen werden. In Einzelfällen finden sich Plaques auch am ovalen und am runden Fenster. Die kochleare Otosklerose findet sich seltener im Vergleich zur fenestralen Otosklerose (. Abb. 11.27a, b). Dabei zeigen sich fokale Aufhellungen in der otischen Kapsel im Bereich der dritten Windung. Computertomographisch können jedoch nur ausgeprägte Formen identifiziert werden. MR-tomographisch findet sich ein punktuell fokales Enhancement in den T1-gewichteten SE-Sequenzen.
b
Morbus Paget Der Morbus Paget, als Osteitis deformans, ist eine progressive Knochenerkrankung mit Bevorzugung axialer Skelettabschnitte. Im Bereich des Schädelknochens tritt eine Osteoporosis circumscripta auf, wobei das Os temporale nur selten betroffen ist. Bei Befall des membranösen Labyrinths resultiert ein sensoneuraler Hörverlust. Bildgebung. Computertomographisch imponiert eine diffuse Mineralsalzminderung mit fokalen Arealen erhöhter Dichte, mit
11
382
Kapitel 11 · Felsenbein und mittlere Schädelbasis
. Abb. 11.28. Diagnostisches Flowchart: Evaluation bei V.a. Neoplasie
11
. Abb. 11.29. Diagnostisches Flowchart: Diagnostische Kaskade Tinnitus
unscharfer Randbegrenzung oder auch baumwollartigen Veränderungen der Knochenmatrix.
Regel monoostotischem Befall bei Beteiligung des Os temporale. Klinisch findet sich häufig ein konduktiver Hörverlust bei knöcherner Stenose im Bereich des Meatus acusticus externus.
Fibröse Dysplasie Definiert ist das Krankheitsbild der fibrösen Dysplasie durch die langsam progrediente inhärente Knochenerkrankung, mit in der
Bildgebung. Computertomographisch imponiert der betroffene
Knochen in der Regel mit hoher Dichte, wobei auch einzelne
383 11.7 · Zusammenfassung
zystische Areale beschriebenen werden. In der Region des äußeren Gehörgangs kommt es zu einer ossären Prominenz. Häufig wird auch eine Mitbeteiligung des membranösen Labyrinths, der ossären Randstrukturen des N. facialis und des Meatus acusticus internus dokumentiert. Es können dabei auch Begleitveränderungen auch im Sinne eines Cholesteatoms auftreten.
11.7
Zusammenfassung
Die diagnostische Abklärung von Felsenbein, Mittelohrraum, Mastoid, Foramen jugulare und mittlerer Schädelbasis wird auf der Basis der klinischen Symptomatik gesteuert (. Abb. 11.28, . Abb. 11.29). Bei klinischem Verdacht auf eine Missbildung oder
eine entzündliche Erkrankung sowie bei traumatischen Schädigungen sollte primär die hochauflösende CT in Dünnschichttechnik mit sekundären Rekonstruktionen zum Einsatz kommen, in Einzelfällen auch mit Einsatz von Kontrastmittel. Bei vaskulären und neoplastischen Fragestellungen ist der primäre Einsatz der Magnetresonanztherapie kombiniert mit Kontrastmittelgabe sowie arteriellen und venösen MR-angiographischen Techniken sinnvoll. Bei dem Vorliegen einer Fazialisparese sollte beim atypischen klinischen Verlauf ein bildgebendes Verfahren, in der Regel primär der Einsatz der kontrastmittelverstärkten MRT zum Einsatz kommen. Insgesamt stellt dabei die Abklärung der Innenohrschwerhörigkeit eine primäre Indikationsstellung zur Durchführung der MRT dar, wie auch die Nervenstörungen des N. facialis und des N. trigeminus.
11
12 12 Nasopharynx und Parapharyngealraum Th. Vogl
12.1
Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechnik und spezifische Bildbefunde – 386
12.1.1 12.1.2 12.1.3
Normale Topographie – 386 Spezielle Untersuchungstechniken Spezifische Bildbefunde – 390
12.2
Fehlbildungen
12.3
Traumatologische Fragestellungen
12.4
Entzündliche und infektiöse Erkrankungen
12.5
Tumoren
12.5.1 12.5.2
Benigne Tumoren – 391 Maligne Tumoren – 392
12.6
Zusammenfassung
– 389
– 390
– 391
– 395
– 390 – 390
12
386
Kapitel 12 · Nasopharynx und Parapharyngealraum
12.1
Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechnik und spezifische Bildbefunde
12.1.1
Normale Topographie
Der Nasopharynx stellt einen muskulären Schlauch dar, der sich von der Schädelbasis und vom Clivus ausgehend, nach kaudal erstreckt und in den Oropharynx übergeht. Die Kommunikation erfolgt dabei über die Nasenhaupthöhle. Der Nasopharynx besteht in der inneren Auskleidung aus Mukosa und der pharyngealen Muskulatur und wird durch die Faszia pharyngobasilaris begrenzt. Die Tuba Eustachii penetriert die Fascia pharyngobasilaris und mündet in den Nasopharynx. Die Funktion der Tuba Eustachii wird durch den M. tensor veli palatini und M. levator veli palatini sowie den M. stylopharyngeus bestimmt. Der Waldeyer-Rachenring besteht aus einer Gruppe von lymphatischen Gewebeverbänden am oberen Ende des Pharynx und enthält die pharyngealen, palatinen und lingualen Tonsillen sowie angrenzendes submukosales lymphatisches Gewebe. Die zentrale Region stellt der Parapharyngealraum dar, der von allen anderen Räumen umgeben wird. Nur wenige pathologische Prozesse haben ihren Ursprung direkt im Parapharyngealraum (PPR). Die meisten Läsionen infiltrieren sekundär oder verdrängen diesen Raum. Die exakte Zuordnung einer derartigen Raumforderung kann dabei die differenzialdiagnostische Einschätzung entscheidend verbessern. Topographisch ist der Raum überwiegend fettgefüllt, unregelmäßig begrenzt, stellt sich in Form einer auf der Spitze stehenden Pyramide dar und erstreckt sich von der Schädelbasis bis zum Os hyoideum. Lateral wird der PPR durch die mediale Wand des Mastikatorraums begrenzt. Der M. pterygoideus medialis bildet die mediale Begrenzung des Mastikatorraums und trennt den Mastikatorraum vom Parapharyngealraum. Insgesamt wird der Parapharyngealraum entsprechend der topografischen Gegebenheiten in ein prästyloidales und poststyloidales Kompartiment unterteilt, die diagnostisch wesentliche Gefäß-Nerven-Scheide ist im posterioren Kompartiment lokalisiert.
Prästyloidales Kompartiment des Parapharyngealraums Das prästyloidale Kompartiment des Parapharyngealraums erstreckt sich von der Schädelbasis bis zum Cornu superior des Os hyoideum (. Abb. 12.1, . Tab. 12.1). Die mediale Begrenzung bilden der M. tensor veli palatini und die Faszie, anteriore Begrenzung wird vom M. pterygoideus medialis posterolateral von dem medialen Pol der Parotis gebildet. Es bestehen Verbindungen zum medialen Parotispol, der Fossa pterygomandibularis und dem submandibulären Raum. Über den N. lingualis, Nn. tensor veli palatini und tensor tympani sowie Äste der A. maxillaris besteht eine Verbindung zum Mastikatorraum. Die Faszie des M. tensor veli palatini trennt das prästyloidale Kompartiment vom poststyloidealen Kompartiment.
. Abb. 12.1. Raumforderung des Parapharyngealraums auf der rechten Seite. MRT-Sequenzen T1-gewichtete SE-Sequenz, TR/TE 500/17, Gadolinium DTPA. In der T1-gewichteten MR-Sequenz Raumforderung (Zahl 1 im anterioren Kompartiment des parapharyngealen Raums). Verlagerung der A. carotis und V. jugularis nach dorsal. Die Pfeilspitze zeigt die Lagebeziehung zu den lateralen Abschnitten des Oropharynx. Aufgrund der Signaltextur handelt es sich dabei der Binnenstruktur nach am ehesten um die bildgebenden Kriterien eines pleomorphen Adenoms ausgehend von den kleinen Speicheldrüsen des Parapharyngealraums
Poststyloidales Kompartiment des Parapharyngealraums Das poststyloidale Kompartiment wird auch als Karotisraum oder retrostyloidaler Raum bezeichnet und erstreckt sich von der Schädelbasis bis zum Aortenbogen. Kranial wird das poststyloidale Kompartiment vom Foramen caroticum und jugulare begrenzt. Medial besteht eine Verbindung mit dem retropharyngealen Raum. Der Inhalt des poststyloidalen Kompartiments wird in . Tab. 12.1 aufgeführt.
Mastikatorraum Der Mastikatorraum enthält die Pterygoidmuskulatur, den M. masseter, den M. temporalis inferior sowie den Ramus ascendens der Mandibula (. Tab. 12.1). Der Mastikatorraum verbindet die Mandibula mit der Schädelbasis. Der N. mandibularis (V3) des N. trigeminus verläuft entlang der Schädelbasis, tritt in den Mastikatorraum ein und führt sowohl sensible wie auch motorische Fasern. Sensible Äste verlaufen dort, z. B. der N. buccalis, der N. auriculotemporalis, N. alveolaris inferior und der N. lingualis.
387 12.1 · Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechnik und spezifische Bildbefunde
Fossa infratemporalis
Retropharyngealraum
Die Fossa infratemporalis ist ein ungleichmäßig abgegrenzter Raum hinter der Maxilla lateral zum Nasopharynx gelegen. Medial kommuniziert die Fossa infratemporalis mit der pterygomaxillären Fissur der Fossa pterygopalatina. Enthalten ist dort die Kaumuskulatur, die Gefäße der Maxilla sowie der N. mandibularis.
Der Retropharyngealraum stellt einen fettgefüllten, normalerweise sehr kleinen Raum dar ‒ zwischen Nasopharynx, Mukosa und der prävertebralen Muskulatur.
Prävertebraler Raum Vom retropharyngealen Raum wird durch die Fascia pharyngobasilaris der prävertebrale Raum abgetrennt, der auch als ante-
. Tab. 12.1. Kompartimente im Nasopharynx und Parapharyngealraum und entsprechende Pathologien
Kompartiment
Inhalt
Vorkommende Pathologien
Mukosaraum
Mukosa Lymphatisches Gewebe des WaldeyerRachenrings Kleine Speicheldrüsen Fascia pharyngobasilaris M. constrictor pharyngeus superior et medius M. salpingopharyngeus M. levator veli palatini Torus tubarius Knorpeliges Ende der Tuba Eustachii
Pseudotumoren 5 Asymmetrische Fossa Rosenmüller (Recessus pharyngeus lateralis) 5 Entzündliche Mukosaschwellung (durch Infektion, radiogen induzierte Pharyngitis Kongenital 5 Tornwaldt-Zyste Entzündlich 5 Adenoide lymphatische Hyperplasie 5 Adenitis, Tonsillitis, 5 Abszedierung 5 Postentzündliche dystrophe Verkalkung 5 Postentzündliche Retentionszyste Benigne Tumoren 5 Gutartiger Tumor der kleinen Speicheldrüsen, juveniles Nasenrachenfibrom Maligne Tumoren 5 Plattenepithelkarzinom 5 Non-Hodgkin-Lymphom 5 Maligner Tumor der kleinen Speicheldrüsen 5 Melanom 5 Kindliches Rhabdomyosarkom
Prästyloidales Kompartiment des Parapharyngealraums
Fett Ein Ast des N. mandibularis (Ast für den M. tensor veli palatini) A. pharyngea ascendens Äste der A. maxillaris interna Pharyngeale Venen Primordiale Speicheldrüsenreste (. Abb. 2.12)
Maligne Tumoren 5 Mukoepidermoid-Karzinom 5 Adenoid-zystisches Karzinom 5 Maligne Mischtumoren der Speicheldrüsenreste 5 Direkte Infiltration eines Plattenepithelkarzinoms Benigne Tumoren 5 Benigne Mischtumoren der Speicheldrüsenreste 5 Lipom 5 Branchiogene Zyste 5 Hämangiom 5 Schwannom Entzündliche Läsionen 5 Abszess 5 Zellulitis
Poststyloidales Kompartiment des Parapharyngealraums
A. carotis interna V. jugularis interna Hirnnerven IX–XII Symphatikus (Ganglion cervicale superior) Lymphknoten (laterale pharyngeale) Lymphknoten (laterale und posteriore V. jugularis-Lymphknoten
Maligne Tumoren 5 Lymphknotenmetastasen 5 Lymphom 5 Direkte Infiltration eines Plattenepithelkarzinoms Benigne Tumoren 5 Paragangliom(Glomus jugulare, vagale, caroticum) 5 Neurogener Tumor (Neurofibrom, Schwannom) 5 Verschiedenes (Meningeom, Chordom) Vaskuläre Läsionen 5 Thrombose 5 Aneurysma 5 Dissektion
6
12
388
Kapitel 12 · Nasopharynx und Parapharyngealraum
. Tab. 12.1 (Fortsetzung)
Kompartiment
Inhalt
Vorkommende Pathologien
Mastikatorraum
Mandibula M. pterygoideus medialis M. pterygoideus lateralis M. temporalis M. masseter N. alveolaris inferior (V3 sensorischer Ast) N. mandibularis (V3) A. und V. alveolaris inferior
Pseudotumoren 5 Akzessorische Glandula parotis 5 Benigne Masseterhypertrophie 5 Denervierungsatrophie (V3) Kongenital 5 Hämangiom 5 Lymphangiom 5 Hypertrophia facies Entzündlich 5 Odontogener Abszess 5 Osteomyelitis der Mandibula Benigne Tumoren 5 Osteoblastom 5 Leiomyom 5 Neurogener Tumor (Neurofibrom, Schwannom) Maligner Tumor 5 Weichteilsarkom 5 Chondrosarkom 5 Osteosarkom 5 Malignes Schwannom 5 Non-Hodgkin-Lymphom 5 Plattenepithelkarzinom (ausgehend vom Oropharynx) 5 Rhabdomyosarkom 5 Leiomyosarkom 5 Metastase 5 Tumor der kleinen Speicheldrüsen 5 Malignes Hämangioendotheliom
12 Retropharyngealraum
Fett Retropharyngeale Lymphknoten
Pseudotumor 5 Torquierte A. carotis 5 Ödem, Lymphstauung Kongenital 5 Hämangiom 5 Lymphangiom Entzündlich 5 Reaktive Adenopathie 5 Zellulitis 5 Abszess Benigne Tumoren 5 Lipom Maligne Tumoren 5 Lymphknotenmetastasen 5 Non-Hodgkin-Lymphom 5 Direkte Plattenepithelkarzinominfiltration
Prävertebraler Raum
Wirbelsäulenelemente Prävertebrale Muskulatur
Chordom, Metastase im Bereich der Wirbelsäule, Osteomyelitis mit Abszess
Spatium buccale
Bukkales Fett A. und V. facialis Ductus parotideus (distaler Abschnitt) M. buccinator
In der Regel meist sekundäre Infiltration aus dem Mastikatorraum
389 12.1 · Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechnik und spezifische Bildbefunde
riorer perivertebraler Raum bezeichnet wird. Dort ist die prävertebrale Muskulatur lokalisiert, wie die Mm. longus und capitis.
12.1.2
Spezielle Untersuchungstechniken
Für die bildgebende Diagnostik des Nasopharynx und Parapharyngealraums müssen die Untersuchungsmodalitäten unter diagnostischen und differenzialdiagnostischen Gesichtspunkten angepasst durchgeführt werden. Aufgrund der schwierigen klinischen Diagnostik kommt dabei häufig die primär hochaufgelöste kontrastmittelverstärkte MRT wie auch die MehrschichtCT zum Einsatz. In seltenen Fällen ergibt sich auch die Möglichkeit einer CT-gestützten Punktion zur Verifizierung der Histologie vor einer geplanten Therapie. Aufgrund der spezifischen Bildbefunde des Parapharyngealraums kommt der Analyse der Topografie eine hohe Bedeutung zu. Die konventionelle Röntgendiagnostik hat eine untergeordnete Bedeutung, hier lassen sich lediglich größere konfluierende Läsionen aufgrund von ossären Destruktionen und Weichteilraumforderungen verifizieren.
Computertomographie Die computertomographische Diagnostik sollte zunächst in nativer Technik erfolgen, die Schichtdicke zwischen 2 und
maximal 4 mm betragen. Die Applikation von Kontrastmittel ist notwendig zur Beurteilung der vaskulären Strukturen, wie des Verlaufs der A. carotis interna und externa und deren Äste, der venösen Strukturen sowie zur Beurteilung der Vaskularisation einer Raumforderung. Rekonstruktionen in frontalen und angulierten MPR-Rekonstruktionen sind zu empfehlen. In Einzelfällen sollten auch 3D-Darstellungen durchgeführt werden. Zusätzlich erlaubt die computertomographische Diagnostik eine Durchführung von CT-gestützten Biopsien zur histologischen Verifizierung. Der Zugang zum Parapharyngealraum erfolgt unter CT-Steuerung oder auch am offenen MRT. Zur Entnahme von Gewebeproben eignet sich der subzygomatische Zugang sowie in den kaudalen Bezirken der retromandibuläre Zugang.
Magnetresonanztomographie Das optimale bildgebende Verfahren zur Diagnostik des Nasopharynx und des angrenzenden Parapharyngealraums stellt die MRT dar. Diese sollte unter Einsatz der Kopfspule oder einer kombinierten Kopf-Hals-Spule erfolgen. Das empfohlene Sequenzprotokoll umfasst: 4 native T1-gewichtete Sequenzen (. Abb. 12.2) (TR/TE=450‒ 750 ms/15‒20 ms, 2 Akquisitionen, Matrix 256x512, »field of view«/FOV 180‒2050 mm) und T2-gewichtete Sequenzen (TR/TE=2000‒3000 ms/80‒100 ms, 1‒2 Akquisitonen, Matrix 256x256, FOV 180‒250 mm) oder auch 4 Turbospinechosequenzen und 4 T1-gewichtete Sequenzen nach i. v.-Kontrastmittelapplikation Zur Abklärung von Läsionen mit Lagebeziehung zum Sinus sphenoidalis und Clivus empfiehlt sich die additive Anfertigung von sagittalen Schichten. Die Schichtdicken sollten zwischen 3 und 4 mm betragen. Der zusätzliche Einsatz von fettunterdrückten Sequenzen optimiert im Einzelfall die Beurteilung des Vaskularisationsverhaltens von Läsionen. Vorteile der MRT liegen erstens in der exzellenten Abgrenzung des Tumorgewebes und dem umgebenden Weichteilgewebe, zweitens in der Darstellung entzündlicher Veränderungen sowie einer sicheren Beurteilung der Infiltration von angrenzenden Strukturen. Bei vaskulären Fragestellungen empfiehlt sich der zusätzliche Einsatz von arteriellen und venösen MRangiographischen Untersuchungstechniken. Die unterschiedlichen Signalintensitäten in den T1-gewichteten und T2-gewichteten MR-Sequenzen erlauben dabei die Differenzierung einzelner Läsionen.
Angiographie und Interventionen
. Abb. 12.2. Lymphatische Hyperplasie. MRT: T1-gewichtete Sequenz, SE, TR/TE, 500/17, Gadolinium DTPA. In der T1-gewichteten Spinechosequenz Dokumentation einer Raumforderung mit einem mäßigen KM-Enhancement, komplett den Nasopharynx ausfüllend. Kein Nachweis zentraler Nekrosen. Insgesamt imponiert ein homogenes Bildmuster im Sinne der lymphatischen Hyperplasie
Die Indikation zur Durchführung einer Angiographie ergibt sich im Wesentlichen bei der Diagnose eines hypervaskularisierten Tumors, z. B. eines juvenilen Nasenrachenfibroms, eines Hämangioms oder eines Glomustumors mit interventionellen Therapieoptionen wie Okklusion und Embolisation.
12
390
Kapitel 12 · Nasopharynx und Parapharyngealraum
12.1.3
Spezifische Bildbefunde
Im Bereich des Nasopharynx empfiehlt sich dabei folgende Differenzierung: 4 Liquide Raumforderung 4 Lufthaltige Raumforderung 4 Solide Raumforderung (. Abb. 12.3) 4 Destruierende Raumforderung 4 Hypervaskularisierte Raumforderungen
12.2
Fehlbildungen
Angeborende Anomalien im Bereich des Nasopharynx, des Parapharyngealraums und der angrenzenden Kompartimente stellen einen seltenen Befund dar. Im poststyloidalen Kompartiment entwickelt sich eine Vielzahl von Läsionen vaskulärer, neurogener oder lymphoepithelialer Genese. Kongenitale Läsionen finden sich am häufigsten in Form von Hämangiomen und Lymphangiomen.
12.3
Traumatologische Fragestellungen
Hier gibt es in der Regel keine Indikationen für die bildgebende Diagnostik.
12
a . Abb. 12.3a, b. Pleomorphes Adenom des parapharyngealen Raums mit typischer Signaltextur. T2-gewichtete Sequenz, TR/TE=3000/90, Spinechosequenz. a Axiale Schnittführung, b frontale Schnittführung. In der T2-gewichteten Sequenz noduläre Raumforderung (b, 1), hohe Signalinten-
12.4
Entzündliche und infektiöse Erkrankungen
Aufgabe der bildgebenden Diagnostik bei entzündlichen Erkrankungen des Nasopharynx und Parapharyngealraums ist die exakte Dokumentation des Ausbreitungsmusters sowie einer Mitbeteiligung angrenzender Strukturen und evtl. Komplikationen. Insbesondere Affektionen der Hirnnerven, der ossären Strukturen der Schädelbasis und der Nasennebenhöhlen und Kieferhöhlen sind dabei von wesentlicher Bedeutung. Im Bereich des prästyloidalen Kompartiments des Parapharyngealraums sind Veränderungen meist bedingt durch folgende Erkrankungen: 4 Abszedierungen: (medialer Parotispol oder Peritonsillarabszess) 4 Thrombophlebitiden der V. retrotonsillaris 4 Entzündliche Veränderungen nach Zahnextraktion 4 Penetrationsverletzungen der Pharynxwand 4 Iatrogene Veränderungen bei Zustand nach Lokalanästhesie In der Akutsymptomatik stellt die CT das bildgebende Verfahren der Wahl dar. Dabei können Mitbeteiligungen der vaskulären Strukturen wie auch der Orbita evaluiert werden. Die computertomographische Diagnostik dokumentiert die entzündlichen Veränderungen aufgrund von Weichteilstrukturen mit vermehrter Kontrastmittel-Aufnahme unter Mitbeteiligung von Faszien und die Ödematisierung der Umgebungsstrukturen.
b sität, scharfe Begrenzung, lappenförmige Binnentextur und Lagebeziehung zum medialen Kompartiment der Glandula parotis. Bildgebend handelt es sich, aufgrund der Signaltextur, um ein pleomorphes Adenom des parapharyngealen Raums mit direkter Lagebeziehung zum Nasopharynx
391 12.5 · Tumoren
Abszesse
Juveniles Angiofibrom
CT. Hier stellen Abszesse sich meist als uni- oder multilokuläre
Das juvenile Angiofibrom tritt bei Jugendlichen auf, in der Regel meist in der Fossa pterygopalatina und im angrenzenden Nasopharynx. Weiterhin kann der Tumor in die Fossa infratemporalis und die Orbita infiltrieren. Die CT wie auch die MRT ermöglichen eine frühe Diagnostik dieser Tumoren.
zystische Läsion dar, mit Anteilen an Luft und Flüssigkeit. Eine inhomogene Kontrastmittel-Aufnahme im Randbereich und meist ein umgebendes Ödem kennzeichnen diese Veränderungen, angrenzend müssen Thrombosen insbesondere der V. jugularis im Verlauf evaluiert werden.
Bildgebung. Optimal erweist sich die MRT mittels kontrastmitMRT. Hier stellt sich das entzündliche Exsudat in den T1-gewich-
teten Aufnahmen mit niedriger oder mittlerer Signalintensität dar, häufig isointens zum Muskelgewebe. Abszedierungen wie auch die Zellulitis sind charakterisiert in den T2-gewichteten Sequenzen durch eine erhöhte Signalintensität. > Die Differenzierung des Erregers infektiöser Erkrankungen gelingt bildgebend wie zu erwarten nicht.
Seltener werden granulomatöse Veränderungen bildgebend erfasst, wie auch Veränderungen, z. B. die Aktinomykose. Begleitende Weichteilveränderungen, wie insbesondere Lymphknotenvergrößerungen in den verschiedenen zervikalen Ebenen müssen bildgebend dokumentiert werden.
telverstärkter Sequenzen wie auch die zusätzliche Durchführung der MR-Angiographie. Die Läsionen sind deutlich hypervaskularisiert mit einem sehr starken Kontrastmittel-Enhancement, es zeigen sich unscharfe Umgebungsreaktionen und topografisch ein infiltratives Wachstum. Die Differenzialdiagnose umfasst das Vorliegen eines Glomus-vagale-Tumors (. Abb. 12.4). Präoperativ wird in der Regel interventionell eine Angiographie mit Embolisation der Tumorgefäße durchgeführt.
Lymphatische Hyperplasie Die nasopharyngealen Tonsillen sind am Dach des Nasopharynx lokalisiert. Ab dem Alter von 2‒3 Jahren beginnt eine Hypertrophie, die oft den gesamten Nasopharynx ausfüllt. Im jugendlichen Alter beginnt dann eine erneute Regression. Typischerweise findet sich eine lymphatische Hyperplasie bei HIV und Patienten mit chronisch infektiösen Erkrankungen. Differenzialdiagnostisch muss diese Form der Schleimhauthyperplasie von der Manifestation eines Lymphoms abgegrenzt werden.
a
MRT. Die lymphatische Hyperplasie zeigt sich mit einem charak-
teristischen Dichteverhalten insbesondere in der MRT in den T2- und den KM-T1-gewichteten Sequenzen mit globaler Raumforderung im Bereich des Nasopharynx mit streifigen septalen Binnenstrukturen (. Abb. 12.1). 12.5
Tumoren
Raumforderungen im Bereich des Nasopharynx haben den Ursprung entweder primär im Nasopharynx, insbesondere aus dem Mukosaraum, oder topografisch in der Nähe des benachbarten Neurokraniums. Während im prästyloidealen Kompartiment des Parapharyngealraums primäre Tumoren selten sind, gibt es eine Vielzahl an primären Raumforderungen im Bereich des pharyngealen Kompartiments, und zwar aufgrund der verlaufenden vaskulären und neurogenen Strukturen. Dies unterstreicht die strategisch wesentliche Bedeutung des benachbarten Parapharyngealraums. Gutartige Prozesse bleiben dort lange Zeit asymptomatisch. 12.5.1
Benigne Tumoren
Primär benigne Tumoren des Nasopharynx sind selten, am häufigsten sind das juvenile Angiofibrom sowie das pleomorphe Adenom des Parapharyngealraums.
b . Abb. 12.4a, b. Glomus-vagale-Tumor im parapharyngealen Raum. a T1-gewichtete Spinechosequenz, TR/TE=500/17, Gadolinium-DTPA. Raumforderung mit deutlich erhöhter Signalintensität post Kontrastmittelgabe. Nahezu isointens zum umgebenden Fettgewebe im posterioren Kompartment des parapharyngealen Raums mit Verlagerung des retropharyngealen Raums, zentraler Verlauf entlang der A. carotis interna. Typische Morphologie und Signalverhalten eines Glomus-Tumors (Typ: Glomus vagale). b MRAngiographie: Verifikation der Gefäße, mit Verlagerung und Versorgung (Pfeil) (C: A. carotis interna, B1: A. basilaris)
12
392
Kapitel 12 · Nasopharynx und Parapharyngealraum
Pleomorphes Adenom Das pleomorphe Adenom des Parapharyngealraums stellt den häufigsten gutartigen Tumor dar. In der Regel geht der Tumor vom tiefen Parotispol aus, selten entspringen die pleomorphen Adenome aus extraparotidal versprengten kleinen Speicheldrüsen. Bildgebung. Die Signalintensität ist charakteristisch für das pleomorphe Adenom: erhöhte Signalintensität in den T2-gewichteten Sequenzen und erniedrigte Signalintensität in den T1-gewichteten Sequenzen (. Abb. 12.3). In der bildgebenden MRT und CT zeigt sich häufig eine Aufweitung des so genannten stylomandibulären Tunnels und eine Verlagerung des parapharyngealen Fettgewebes nach medial. Das poststyloidale Kompartiment des Parapharyngealraums wird nach posterior verlagert.
Hämangiome, Lymphangiome, Lipome Hämangiome und Lymphangiome im Bereich des Nasopharynx werden bildgebend optimal durch die MRT charakterisiert. Die Hämangiome zeigen dabei die identischen Signalcharakteristika wie auch in der Leber. Insbesondere die Differenzierung gegenüber arteriellen AV-Shunts und venösen Fisteln ist wichtig. Selten finden sich auch im Bereich des Nasopharynx Lipome, primäre oder sekundäre Zysten.
Benigne, tumorähnliche Raumforderungen: Zysten
12
Zu den möglichen zystischen Läsionen im Bereich des Nasopharynx und des parapharyngealen Raums mit angrenzenden Kompartimenten gehören die in der Übersicht dargestellten Varianten.
Zystische Läsionen im Bereich des Nasopharynx und parapharyngealen Raums 4 Kongenitale Zyste – Branchiogene Zysten – erster Bogen (periparotidal) – zweiter Bogen (posteriorer submandibulärer Raum) – dritter Bogen (posteriorer zervikaler Raum) – Zyste des Ductus thyreoglossus – Lymphangiom, zystisches Hygrom – Tornwaldt-Zyste 4 Entzündliche zystische Läsionen – Abszess – Adenopathie – Ranula (Mundhöhle) – Retentionszyste 4 Vaskuläre zystische Läsionen – Thrombose der V. jugularis – Thrombophlebitis – Aneurysma A. carotis interna – Aneurysma A. vertebralis 4 Zystische benigne Tumoren – Schwannom – Neurofibrom – Lipom 6
4 Zystische malige Tumoren – Plattenepithelkarzinom – Lymphknotenmetastasen – Adenoid-zystisches Karzinom – Lymphoepitheliales Karzinom
Neurogene Tumoren Zu den neurogenen Tumoren des Parapharyngealraums gehören Schwannome wie auch Neurofibrome, insbesondere im Bereich des poststyloidealen Kompartiments (. Abb. 12.1). Die Raumforderungen sind in der Regel asymptomatisch, zeigen bildgebend die klassischen Kriterien von Neurinomen wie im Bereich des Kleinhirnbrückenwinkels und der Schädelbasis. Selten imponieren Chordome mit einer Infiltration im Bereich des Nasopharynx, bei Granulosazelltumor oder Rhabdomyosarkom.
12.5.2
Maligne Tumoren
Nasopharynxkarzinom Epidemiologie Während in den westlichen Ländern maligne Tumoren des Nasopharynx eher einen seltenen Tumor darstellen, ist dieser Tumor in asiatischen Ländern, z. B. Süd-China, deutlich häufiger zu finden. Histologisch sind 70% aller Nasopharynxtumoren Plattenepithelkarzinome und lymphoepitheliale Karzinome, 20% der Tumoren sind Lymphome, die restlichen 10% verteilen sich auf Adenokarzinome, adenoid-zystische Karzinome, Rhabdomyosarkome, Melanome und andere.
Klinik Viele Tumoren sind dabei in der Regel asymptomatisch. Bei größeren Tumoren finden sich klinisch als Symptome persistierende Otitis, nasale Obstruktion, Blutungen oder Hirnnervenausfälle, häufig jedoch auch positive Halslymphknoten. ! Klinisch wesentlich ist auch die Information, dass beim Nasopharynxkarzinom kein Zusammenhang zwischen Tumorstadium und Lymphknotenmetastasierung existiert. So zeigen ausgedehnte Karzinome teils keine Lymphknotenmetastasen, wobei sehr kleine Karzinome eine diffuse, bilaterale Metastasierung in beiden Halslymphknotengruppen aufweisen.
Tief infiltrierende Tumoren breiten sich vom so genannten Mukosaraum aus über eine Öffnung in der Fascia pharyngobasilaris für den Durchtritt der Tuba Eustachii und des M. levator veli palatini. Von dort aus können die Tumoren die Fascia pharyngobasilaris oder den tiefen Lappen der Glandula parotis infiltrieren. Als wichtigste Infiltrationsregion gilt das poststyloideale Kompartiment des Parapharyngealraums (. Abb. 12.6), dieser wird auch Carotisraum genannt.
Diagnose Bildgebung. Dieses oben beschriebene Infiltrationsmuster kann
heute optimal in der MRT, Kontrastmittel-verstärkt, mit fettun-
393 12.5 · Tumoren
a
b
c
d
. Abb. 12.5a–d. Nasopharynxkarzinom linksseitig im Stadium T4. Dokumentation der verschiedenen Untersuchungssequenzen. a T2-gewichtete Turbospinechosequenz, TR/TE=3500/90. In der T2-gewichteten Sequenz imponiert eine Raumforderung (Pfeile) linksseitig im Nasopharynx, angrenzend an den parapharyngealen Raum, die Fossa pterygopalatina. Zusätzlich erhöhte Signalintensität im Mastoid linksseitig. Entzündliche Veränderungen der Nasennebenhöhlen. b Fettunterdrückte T1-gewichtete Sequenz, TR/TE=500/17, Gadolinium DTPA. Großflächige Raumforderung linksseitig Nasopharynx, parapharyngealer Raum, Fossa pterygopalatina (Pfeile) mit Infiltration bis an den retropharyngealen Raum heranreichend,
Tuba Eustachii infiltriert, daher die sekundäre Belüftungsstörungen im Mastoid. c T1-gewichtete Spinechosequenz, TR/TE=500/17, frontale Schnittführung. In der frontalen Schnittführung imponiert die Raumforderung im Nasopharynx (Pfeile). Der Tumor infiltriert über den Sinus cavernosus, Foramina rotundum und ovale sowie die Schädelbasis (Pfeilspitze). d MR-Angiographie (time flight), venöse Sättigung. In der MR-Angiographie zeigt sich eine kräftige A. maxillaris bds. Regelhafter Verlauf der A. carotis interna bds. Kein sicherer Nachweis einer umschriebenen Gefäßkompression. Mäßige Hyperperfusion im Tumorareal
12
394
Kapitel 12 · Nasopharynx und Parapharyngealraum
. Abb. 12.7. Lymphom des Nasopharynx. Fettunterdrückte T1-gewichtete Spinechosequenz, Gadolinium-DTPA. Im Bereich des Nasopharynx zeigt sich eine neoplastische Raumforderung bilateral bis an den retropharyngealen Raum heranreichend. Typisch für das Lymphom zeigen sich zentrale Inhomogenitäten und Auflockerung, das starke KM-Enhancement und die fehlenden Infiltrationskriterien in die Umgebungsstrukturen
12
. Abb. 12.6. Rezidiv eines Nasopharynxkarzinoms mit Infiltration des retropharyngealen Raums. T1-gewichtete SE-Sequenz, TR/TE=500/25, Gadolinium DTPA. In der axialen Schichtführung zeigt sich eine Raumforderung linksseitig parapharyngeal (1) sowie retropharyngeal mit zentraler Nekrose, im Sinne eines lokalen Rezidivtumors, deutlich hypervaskularisiert, mit Infiltration bis an die Schädelbasis heranreichend
glasartige, nahezu homogene Kontrastmittelaufnahme. Als weitere diagnostische Merkmale gelten vergrößerte zervikale Lymphknoten, ebenfalls mit homogener Kontrastmittel-Anreicherung, ohne zentrale Nekrosen. Für die Differenzialdiagnose muss auch ein Plasmozytombefall des Nasopharynx berücksichtigt werden. Der bildgebenden Diagnostik kommt eine entscheidene Bedeutung im Rahmen des prätherapeutischen Stagings, unter Therapie sowie zur Rezidivdiagnostik zu.
Lymphknotenbefall/Staging terdrückten Sequenzen, dokumentiert werden. Im Vergleich zu den Plattenepithelkarzinomen zeigen die lymphoepithelialen Karzinome ein aggressiveres Wachstumsverhalten, infiltrieren früher in die Umgebungsstrukturen. In seltenen Fällen findet sich, insbesondere im Kindesalter, eine Infiltration durch das Rhabdomyosarkom in der Region des Nasopharynx, hier noch mit weiteren Beteiligungen der Kopf-Hals-Region dargestellt. Auch hier kommen bildgebend die MRT und die CT zum Einsatz.
Differenzialdiagnose In der weiteren Differenzialdiagnose müssen insbesondere Lymphominfiltrationen des Nasopharynx evaluiert werden. Aus der Gruppe der lymphatischen Erkrankungen stellt das Lymphom des Nasopharynx die häufigste Tumorentität in der Kopf-HalsRegion dar. Die weitere Typisierung des Lymphoms ist durch die bildgebende Diagnostik nicht möglich. Differenziert werden müssen benigne Veränderungen, z. B. die lymphatische Hyperplasie oder Entzündungen im Bereich des Naso-/Oropharynx. Bildgebung/Lymphom. Im MRT erscheinen die Lymphome (. Abb. 12.7) in den T2-gewichteten Aufnahmen als hyperintense Raumforderungen, in den T1-gewichteten Sequenzen hypodens. Nach Applikation von Kontrastmittel zeigt sich eine milch-
Sowohl für die primäre Stadieneinteilung als auch die weitere Therapieplanung ist die Beurteilung der Lymphknoten von entscheidener Bedeutung. Beim Nasopharynxkarzinom sind bereits bei 70‒80% der Patienten, zum Zeitpunkt der Diagnosestellung, palpable Lymphknoten vorhanden, lediglich bei 50% der Patienten finden sich bilaterale Lymphknoten. Die bildgebende Diagnostik der Lymphknoten beruht auf der Erfassung der Lymphknotenstationen. T-Klassifikation des Nasopharynxkarzinoms: 4 Tcis: Carcinoma in situ 4 T1: Tumor auf den Nasopharynx begrenzt 4 T2: Tumor dehnt sich in die Weichteilstrukturen und/oder
Fossa nasalis aus 5 T2a: ohne des Beteiligung des Parapharyngealraums 5 T2b: mit Beteiligung des Parapharyngealraums 4 T3: Tumor infiltriert knöcherne Strukturen und/oder Nasennebenhöhlen 4 T4: Tumor intrakranieller Ausbreitung und/oder Beteiligung der Hirnnerven, Fossa intratemporalis, des Hypopharynx und der Orbita
Aufgabenstellung der bildgebenden Diagnostik Die Wertigkeit der bildgebenden Diagnostik ergibt sich insbesondere wegen der Detektion und der Differenzialdiagnose
395 12.6 · Zusammenfassung
eines nasopharyngealen Tumors. Mittels der Bildgebung gilt es die Infiltrationen des Tumors in die angrenzenden Strukturen der Schädelbasis zu erfassen, wie Sinus cavernosus, Infiltration des prä- und poststyloidalen Kompartiments, des Parapharyngealraums, Affektion von Hirnnerven. Die bildgebende Diagnostik umfasst die Aufgabenstellung prätherapeutisch (vor Radiatio, vor Chemotherapie, vor möglicher Operation) und dann die Evaluation der Tumoren im follow up. Als bildgebendes Verfahren erweist sich die MRT zur Erfassung der Tumorausdehnung in den tiefen Schichten des Nasopharynx, in den Parapharyngealraum und in angrenzende Räume aufgrund der verbesserten Weichteildifferenzierung der CT überlegen.
12.6
Zusammenfassung
Für die bildgebende Diagnostik des Nasopharynx, Parapharyngealraums und der angrenzenden Räume stellt heute die MRT bei Fehlbildungen, Variationen, entzündlichen und tumorösen Fragestellungen das Verfahren der ersten Wahl dar, aufgrund der multiplanaren Schichtführung und des besseren Weichteilkonstrasts. Die CT in Mehrschicht-Technik (MSCT) hat bezüglich der diagnostischen Information aufgeholt ‒ aufgrund der schnellen Untersuchungstechniken und der geringen Anzahl von Bewegungsartefakten. In den Übersichten sind die verschiedenen Indikationen für die bildgebende Diagnostik des Nasopharynx und Parapharyngealraums zusammengefasst.
Therapiekontrolle und posttherapeutische Veränderungen Die diagnostisch bildgebenden Verfahren CT und MRT haben eine entscheidene Bedeutung für die Therapieverlaufsdokumentation und die Rezidivdiagnostik bei malignen Tumoren des Nasopharynx und des Parapharyngealraums unter Radiatio, Chemotherapie, Kombinationen oder Operationen. Dabei muss in der bildgebenden Diagnostik narbiges, fibrotisches Gewebe differenziert werden, das sich in der Regel durch ein niedriges Signal in den T2-gewichteten MR-Sequenzen, und durch eine geringe Vaskularisation mit verminderter Kontrastmittelaufnahme auszeichnet. Typische radiogene Veränderungen in der Region, bei Zustand nach Nasopharynxkarzinom und Zustand nach Radiatio, ist z. B. eine Schleimhauthyperplasie, die in einzelnen Fällen problematisch zu differenzieren ist von narbigen Veränderungen. Eine Verdickung des subkutanen Fettgewebes, eine Ödematisierung und eine Fibrosierung können in fettunterdrückten Sequenzen bildgebend verifiziert werden. Nach Radiatio wird häufig eine Sialadenitis initiiert, die zu einer Volumenreduktion der Speicheldrüsen führt, bei noch deutlicher Kontrastmittelaufnahme. Selten resultiert eine Nekrose der Mandibula, des Os hyoideum und des Os temporale, die bildgebend dokumentiert werden kann, insbesondere durch den Einsatz der MRT.
Derzeitige Indikationen für die bildgebende Diagnostik: 4 Verdacht auf Nasopharynxtumor 4 Läsionen des Parapharyngealraums und angrenzende Räume 4 Frage: Schädelbasisinfiltration 4 Karzinom des Oropharynx und der Mundhöhle 4 Rezidivdiagnostik
Indikation für ergänzende Untersuchungen mittels bildgebender Verfahren besteht bei: 4 Tumoren in den Nasennebenhöhlen 4 Entzündlichen Läsionen 4 Suche eines unbekannten Primärtumors
Mögliche wichtige zukünftige Indikationen 4 Lymphknotenstaging – spezielle MRT-Sequenzen – spezifische Kontrastmittel 4 MR-Angiographie 4 MR-Sialographie
12
13 13 Gesichtsschädel, Nasennebenhöhlen und Orbita Th. Vogl
13.1
Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechnik und spezifische Bildbefunde – 398
13.1.1 13.1.2 13.1.3
Normale Topographie – 398 Spezielle Untersuchungstechniken Spezifische Bildbefunde – 399
– 398
13.2
Missbildungen/Fehlbildungen
– 400
13.3
Traumatologische Fragestellungen
13.4
Entzündliche Fragestellungen
13.5
Tumoren in den Nasennebenhöhlen
13.5.1 13.5.2
Benigne Tumoren – 408 Maligne Tumoren – 411
13.6
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie
– 401
– 402 – 407
– 413
398
Kapitel 13 · Gesichtsschädel, Nasennebenhöhlen und Orbita
13.1
Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechnik und spezifische Bildbefunde
13.1.1
Normale Topographie
Die Erfassung der normalen Topographie in der computertomographischen Diagnostik der Nasennebenhöhlen basiert auf dem Verständnis der Lage und der Kommunikation der unterschiedlichen Nasennebenhöhlen. Der Sinus frontalis zeigt dabei unterschiedliche Variationen von Aplasie, einer regelhaften Pneumatisation bis hin zum Pneumosinus dilatans (. Tab. 13.1). Die Lagebeziehung des Ethmoids ist besonders komplex, dabei öffnet sich unter der mittleren Nasenmuschel das Infundibulum ethmoidale in den Hiatus semilunaris, in den auch der Ductus nasofrontalis, der Ausgangsgang der Stirnhöhle, mündet. Eine wichtige diagnostische Region stellt der osteomeatale Komplex dar. Dieser spielt eine entscheidene Rolle bei der Entwicklung akuter oder chronischer Entzündungen der Nasennebenhöhlen. In der radiologischen Befundung sollten die einzelnen Nebenhöhlen individuell beschrieben werden bezüglich ihrer Größe, ihrer Pneumatisation, dem Vorliegen von Weichteilveränderungen oder von Spiegelbildungen. Als wesentliche Landmarken müssen topographisch erfasst werden: der osteomeatale Komplex, der Verlauf der Lamina cribrosa und der Lamina perpendicularis (mediale Orbitawand).
13
13.1.2
Spezielle Untersuchungstechniken
Die häufigste diagnostische Anforderung im Kopf-Hals-Bereich stellt die computertomographische Diagnostik des Gesichtsschädels dar – aufgrund der inzwischen obligat notwendigen Diagnostik vor geplanten chirurgischen Maßnahmen auf den Gebie-
ten der Hals-Nasen-Ohren Heilkunde und der Kieferchirurgie. Das primär bildgebende Verfahren ist heute die Mehrschicht-CT mit sekundären Rekonstruktionen. Der Einsatz der MRT erfolgt insbesondere bei neoplastischen Fragestellungen. Pathologische Veränderungen im Bereich des Gesichtsschädels basieren auf dem jeweiligen physiologisch wichtigen Phänomen des Flimmerstroms, der in den Nasennebenhöhlen zu dem Ostium gerichtet ist und zur Reinigung der Nasennebenhöhlen dient. Eine Störung dieser so genannten mukoziliaren Clearance stellt einen der wesentlichen Aspekte zum Verständnis der Nasennebenhöhlen dar und ist ätiologisch bedeutsam für akute und chronische Erkrankungen.
Konventionelle Röntgendiagnostik Die Bedeutung der konventionellen Röntgenaufnahme der Nasennebenhöhlen, so genannte NNH oder okzipitomental (om) und okzipitofrontal (of) Aufnahmen, ist heute nahezu aufgehoben durch den Einsatz der CT. Lediglich zum Ausschluss einer akuten Sinusitis mit Spiegelbildungen oder einer Komplettverschattung wird in einzelnen Fällen die Röntgenaufnahme der NNH eingesetzt (. Abb. 13.1).
Computertomographie Die Mehrschicht-CT (MDCT) erlaubt die überlagerungsfreie Darstellung der Strukturen des Gesichtsschädels mit hoher Ortsauflösung und einem ausreichenden Weichteilkontrast zur Erfassung entzündlicher, traumatischer und neoplastischer Veränderungen der Nasennebenhöhle. Zusätzlich muss bei Weichteilprozessen auch das Kontrastverhalten nach i.v.-Applikation von Kontrastmittel zur Analyse mit herangezogen werden. Die Untersuchung des Gesichtsschädels wird heute am Mehrschicht-CT in primärer Datenakquisition in axialer Schichtführung durchgeführt. Hier sollte parallel zum harten Gaumen und der äußeren Orbitomeatalinie in Dünnschichttechnik untersucht werden. Standard stellt die Spiraltechnik dar. Neben der schnel-
. Tab. 13.1. Anatomische Varianten im Nasennebenhöhlenbereich
Lokalisation
Varianten
Topographische Bedeutung
Concha nasalis media
Pneumatisation 25–65%, Concha bullosa
Einengung des Hiatus semilunaris bzw. des Infundibulums
Processus uncinatus
Pneumatisation 3–8%, Uncinatus bullosa
Obstruktion des Infundibulums
Celluae ethmoidalis
Haller-Zellen (Ethmoidalzellen, die sich unter dem Orbitaboden nach lateral bis in das Dach des Sinus maxillaris erstrecken
Einengung des Infundibulums
Onodi-Zellen (1%, Ausdehnung posterolateral im Bereich der hinteren Celluae ethmoidalis – Nähe zum N. opticus) Tiefstehende Lamina cribrosa, »gefährliches Siebbein«
Kompression des Sehnerven evtl. Verletzung bei endoskopischer Chirurgie Intrakranielle Komplikationen bei endoskopischer Chirurgie
Sinus frontalis
Agger-nasi-Zellen (inferior und anterolateral des Recessus frontalis)
Einengung des Ausführungsgangs der Stirnhöhle
Sinus sphenoidalis
Unterschiedliche Pneumatisation, Lagebeziehung Sinus cavernosus, A. carotis interna, N. opticus
Intrakranielle Komplikationen
Nasenseptum
Septumdeviation
Einengung des Hiatus semilunaris bzw. Infundibulum Einengung der Nasenhaupthöhle/Infundibulum
Pneumatisation
399 13.1 · Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechnik und spezifische Bildbefunde
das Perfusions- und Vaskularisationsverhalten von Läsionen zu untersuchen. In Einzelfällen erlaubt die MR-Angiographie die Verifizierung der Lagebeziehung von Gefäßstrukturen und die Darstellung von arteriellen Feedern und venösen Kollateralen.
DSA und Intervention Die angiographische Darstellung von Läsionen im Bereich des Gesichtsschädels erfolgt in der Regel im Rahmen von Interventionen: einmal bei unstillbarem Nasenbluten mit der Option der sofort erfolgenden Embolisation sowie der präoperativen Dokumentation und Embolisation bei juvenilem Nasenrachenfibrom und komplexen Tumoren der Schädelbasis. Gefäßokklusionen können mit Coils, Ballons und schnell polymerisierenden, flüssigen Substanzen erfolgen. > Zusammenfassend dient der Einsatz der CT der prätherapeutischen Darstellung knöcherner Läsionen, der Erfassung von Spaltbildungen und der Dokumentation umschriebener Strukturdefekte. Eine absolute Indikation für die Durchführung der MRT stellt die Fragestellung einer intrakraniellen Mitbeteiligung und die Evaluation von möglichen Komplikationen dar.
13.1.3
. Abb. 13.1. Röntgenuntersuchung der Nasennebenhöhlen (of ). Dokumentation einer regelhaften Anatomie mit ventiliertem Sinus frontalis und Sinus ethmoidalis. Dokumentation der Linea innominata linksseitig (weißer Pfeil)
leren Datenakquisition besteht die Möglichkeit der Rekonstruktion mittels 3-dimensionaler Rekonstruktionsverfahren. Bei der Fragestellung von tumorösen Prozessen oder einer Schädelbasismitbeteiligung sollte eine i.v.-Kontrastmittelgabe erfolgen. Dabei wird eine Druckinjektion von 80–120 ml nichtionischen Kontrastmittels mit einer Flussgeschwindigkeit von etwa 2–4 ml/s gegeben. In Abhängigkeit vom gewählten CT-Untersuchungsgerät und der Geschwindigkeit der Datenakquisition startet die CT-Untersuchung zwischen 20–50 s nach Beginn der Injektion. Die koronaren Rekonstruktionen dienen dazu, Pathologien entlang des Schädelbasisverlaufs und der Frontobasis zu evaluieren. Die Strahlenexposition sollte dabei so gewählt werden, dass bei klinischen Fragestellungen eine Low-dose-CT zum Einsatz kommt. Die Wertigkeit der Low-dose-CT für die Standardaussage zu Nasennebenhöhlen, z. B. vor geplanter Operation und zur Navigation, wird derzeit wissenschaftlich evaluiert.
Magnetresonanztomographie Für die Evaluation des Gesichtsschädels erfolgt die MRT unter Einsatz einer Kopfspule, optimal mit 1,5 Tesla und auch 3 TeslaFeldstärke. Die Schichtdicke sollte dabei maximal 4 mm betragen, eine möglichst hohe Matrix und ein FOV von maximal 230 mm. Den Standard stellt die Untersuchung mittels T2- und T1-gewichteten Sequenzen dar, teils auch mit fettunterdrückten Sequenzen. Die i.v.-Kontrastmittelapplikation gilt als obligat, um
Spezifische Bildbefunde
Spezifische Bildbefunde erfassen die Dokumentation von Variationen und Anomalien im Bereich des Verlaufs der Nasennebenhöhlen. Insbesondere wichtige Landmarken und Lagevariationen, wie der Verlauf der A. carotis interna, müssen verlässlich erfasst werden. Weiterhin wichtig ist die Dokumentation von Luftansammlungen im Bereich einer Nasennebenhöhle, z. B. im Sinne des Pneumosinus dilatans, bei Zustand nach Trauma oder im Rahmen von entzündlichen Komplikationen. Außerdem gelten als spezifische Bildbefunde die Verschattung einer Nasennebenhöhle oder raumfordernde Aspekte.
Differenzialdiagnosen von Raumforderungen im Bereich des Gesichtsschädels und spezifische Bildbefunde Differenzialdiagnosen sind in der Übersicht aufgeführt.
Mögliche Differenzialdiagnosen im Bereich des Gesichtsschädels 4 Variationen/Fehlbildungen, mediane Nasenfistel 4 Meningo-Enzephalozele, Schädeldeformitäten, nasale Gliome 4 Neoplasien: – Benigne: – Osteom, Chondrom, ossifizierendes Fibrom, Hämangiom, Epidermoid – Hypervaskuläre Malformationen – Maligne: – Primäres Karzinom 6
13
400
Kapitel 13 · Gesichtsschädel, Nasennebenhöhlen und Orbita
– Sarkome (Osteo- und Chondrosarkom) – Neuroblastom 4 Entzündliche Veränderungen: – Abszess – Osteomyelitis – Weichteilphlegmone – Muko/Pyozele 4 Andere: – Vaskulär: Arterielles Aneurysma – Histiozytose
Zonen/Raumforderungen erhöhter Dichte im Bereich der Nasennebenhöhlen Spezifische Bildbefunde. Fokale Zonen mit erhöhter Dichte finden sich bedingt durch knöcherne Prozesse wie beim Osteom. Langstreckige Zonen erhöhter Dichte finden sich bei chronischen Sinusitiden und einer Mitbeteiligung der angrenzenden Nasennebenhöhlenwände.
. Abb. 13.2. Diagnostisches Flowchart: Evaluation von Fehlbildungen des Gesichtsschädels (Leitlinien). (* Lokalisation von Liquorfisteln, ** bei Verdacht auf Dysfunktion des Kiefergelenks)
Zonen mit erhöhter Signalintensität in der MRT Spezifische Bildbefunde. Liquide Prozesse in der MRT der Ne-
benhöhlen mit 4 verlängerter T2-Relaxationszeit 4 verlängerten T1-Zeiten mit erniedrigter Signalintensität Ursachen: in der Regel entzündliche Prozesse, liquide Strukturen und Hämatome (in Abhängigkeit vom Alter des Hämatoms).
13
> Bei Eindickung des entzündlichen Sekrets kommt es aufgrund des abnehmenden Wassergehalts zu einem langsamen Abfall der Signalintensität in den T2-gewichteten Sequenzen, bis hin zum völligen Signalverlust (signal void). Parallel kommt es häufig in den T1gewichteten Sequenzen zu einer Signalsteigerung, sodass die Läsionen in den T1-gewichteten Bildern signalreicher als in den T2-gewichteten Bildern sein können. Bei einer Eiweißkonstellation >40% sinkt die Signalintensität auch in der T1-Sequenz wieder ab.
Im Rahmen der folgenden klinischen Kapitel zu Variationen, Entzündungen und Tumoren werden diese einzelnen Kriterien evaluiert.
13.2
Missbildungen/Fehlbildungen
Die Mehrzahl der Missbildungen im Bereich des Gesichtsschädels beruht auf angeborenen oder anlagebedingten, unvollständigen oder auch fehlerhaften Ausbildungen von Gesichtsschädelstrukturen. Je nach Lagebeziehung resultiert dabei in der Regel eine unterschiedliche klinische Symptomatik, von Atem- und Schluckstörungen, bis hin zu neurologischen Problemen (. Abb. 13.3). Häufige Veränderungen sind für die bildgebende Diagnostik wichtig, z. B. die Choanalatresie und im Rahmen der pädiatrischen Radiologie die Spaltbildungen. Hierbei dient die bildgebende Diagnostik der operativen Therapieplanung und
. Abb. 13.3. Diagnostisches Flowchart: Evaluation von Riechstörungen (Leitlinien)
der Verlaufskontrolle (. Abb. 13.2). Dabei müssen insbesondere computertomographisch die Knochenlamellen des harten Gaumens dargestellt werden und die Kommunikation zur Schädelbasis. Von wesentlicher Bedeutung sind Enzephalozelen, dabei wird differenziert: 4 nasofrontale Enzephalozele (in ca. 60% der Fälle) 4 nasoethmoidale Enzephalozele (ca. 30%) Der MRT kommt dabei die entscheidene Bedeutung zu für die exakte topographische Erfassung, Lagebeziehung sowie die Charakterisierung des Inhalts der Enzephalozele. Bei der diagnostischen Abklärung von Riechstörungen kommen die bildgebenden Verfahren wie MDCT und MRT abgestuft zum Einsatz (. Abb. 13.3).
401 13.3 · Traumatologische Fragestellungen
. Abb. 13.5. Orbitabodenfraktur ventral rechtsseitig. Verifizierung in der frontalen Schnittführung mit Absinken des Orbitabodens ohne eine sichere Interposition von Muskulatur (Pfeile) a
b . Abb. 13.4a, b. Frakturen. a In axialer Schnittführung Dokumentation einer Fraktur der ventralen und lateralen Kieferhöhlenwand. Flüssigkeitsspiegel mit frischem Blut in der rechten Kieferhöhle (Pfeil). b Verifizierung der lateralen Orbitabodenfraktur in frontaler Schnittführung (Pfeil)
13.3
Traumatologische Fragestellungen
Bei Frakturen des Gesichtsschädels muss eine einheitliche Klassifikation herangezogen werden. Insgesamt gelten für die Diagnostik die klassischen Kriterien, z. B. die direkten Zeichen einer Fraktur mit Konturunterbrechungen (. Abb. 13.4), ohne oder mit Stufenbildungen sowie Dehiszenzen von Knochenstrukturen mit Dislokation einzelner Fragmente (. Abb. 13.5, . Abb. 13.6). Zusätzlich muss die Diagnostik z. B. Ergussbildungen im Bereich der Nebenhöhlen, Luftansammlungen, Weichteilgewebe und Fremdkörper erfassen. Die Erfassung von Mittelgesichtsfrakturen differenziert die Klassen I–IV wie infrazygomatikal, zentral, zentrolateral und lateral. Die Klassifikation beruht auf dem Einsatz der CT, insbesondere in den koronaren Rekonstruktionen.
. Abb. 13.6. Laterale Jochbogenfraktur, bis an das Kiefergelenk heranreichend mit mehreren Stückfragmenten. Verifizierung in axialer Schnittführung (Pfeile)
Bei einer Jochbogenfraktur werden als laterale Mittelgesichtsfrakturen subklassifiziert: 4 Isolierte Jochbogenfrakturen (. Abb. 13.6) 4 Ohne und mit Dislokation 4 Mit zentraler Einstauchung 4 Mit orbitaler Einstauchung 4 Dislokation des abgesprengten Jochbeins nach dorsal und kaudal
13
402
Kapitel 13 · Gesichtsschädel, Nasennebenhöhlen und Orbita
a . Abb. 13.8. Fremdkörper in der Wangenloge (bukkal) als diagnostischer Pitfall. Verifizierung in axialer Schichtführung im Weichteilfenster (Pfeile). Abgegrenzter dichter Weichteilprozess mit erhöhter Dichte als Zufallsbefund. Bei klinischer Untersuchung imponierte dieser Prozess als ein dort platzierter Kaugummi
13
3D-Oberflächenrekonstruktionen (SSD) hilfreich (. Abb. 13.7, . Abb. 13.8). Für die Befundung ist eine Analyse im Knochenund Weichteilfenster notwendig. Insbesondere müssen hier neben Einblutungen auch Fremdkörper wie Glas, Holz oder Plastik detektiert werden. Auch die Verlagerung von Fett- und Muskelstrukturen z. B. im Bereich der Orbita sind wichtig.
b
! Bei traumatologischen Fragestellungen im Bereich des Gesichtsschädels und der Schädelbasis stellt die CT die primär diagnostische Strategie dar. Nur für spezielle Fragestellungen sollte der Einsatz der MRT erfolgen (. Abb. 3.9).
. Abb. 13.7a, b. Fremdkörper intraorbital. Verifizierung aus Daten axialer Schnittführung mit sekundären Rekonstruktionen. a Sagittale Rekonstruktion. Verifizierung eines 3×1 mm messenden Fremdkörpers ventral, orbitales Weichteilgewebe. b 3 D-Rekonstruktion. Dokumentation von multiplen metalldichten Fremdkörpern mit Visualisierung der Lagebeziehung vor geplanter Intervention
13.4
Bei der Evaluation von traumatologischen Pathologien müssen Frakturlinien von physiologischen Suturen und Spaltbildungen unterschieden werden. Insbesondere die Sutura frontozygomatica, Sutura zygomatica und Sutura sphenozygomatica sind dabei zu beobachten. Bei der bildgebenden Diagnostik einer Drei-/Vierfußfraktur können computertomographisch die exakten Frakturverläufe und mögliche Komplikationen evaluiert werden. Die MPR-Rekonstruktionen in koronarer und sagittaler Schnittführung, wie auch in angulierten Schnittführungen, helfen dem Chirurgen bei der Operationsplanung. In Einzelfällen sind auch
Bei entzündlichen Veränderungen des Gesichtsschädels werden akute oder chronische Entzündungsreaktionen differenziert. Ätiologisch liegen virale, bakterielle oder auch mykotische Infektionen zugrunde. Ein zentrales pathophysiologisch wichtiges Korrelat bildet der osteomeatale Komplex. Im Falle einer Obstruktion oder einer Schleimhautschwellung dort, führt dies zu sekundär entzündlichen Reaktionen der angrenzenden Nasennebenhöhlen. Die Aufgabenstellung der radiologisch bildgebenden Diagnostik liegt in: 1. Darstellung der normalen Topographie und Leitstrukturen – knöcherne/Weichteilstrukturen
Entzündliche Fragestellungen
403 13.4 · Entzündliche Fragestellungen
. Abb. 13.9. Diagnostisches Flowchart: Traumatologische Fragestellungen (* Bei Verdacht auf intrakranielle Komplikationen ist die MRT zu bevorzugen)
2. Erfassung von entzündlichen Veränderungen, z. B. Weichteilschwellungen (. Abb. 13.10) 3. Flüssigkeitsverhalte (Spiegelbildung) 4. Ossäre Mitbeteiligung (Osteomyelitis) 5. Erfassung von Komplikationen wie Mukozelen, Meningitis Die Erfassung der diagnostischen Charakteristika beruht auf dem primären Einsatz der CT, in seltenen Fällen werden noch Röntgenübersichtsaufnahmen in OM- und OF- Strahlengang angefertigt (. Abb. 13.11). Bei der akuten Sinusitis imponieren randständige oder diffuse Verschattungen einer oder mehrerer Nebenhöhlen mit Schleimhautschwellung und Flüssigkeitsspiegeln im Bereich der betroffenen Nebenhöhlen, insbesondere der Sinus maxillares und in Einzelfällen auch der Sinus frontales (. Abb. 13.12, . Abb. 13.13, . Abb. 13.14). Die Dichtewerte des flüssigen Sekrets liegen computertomographisch bei 5–20 HE. Die Dichte verändert sich jedoch bei zunehmender Eindickung oder bei Einblutung. Problematisch erweist sich dann die Durchführung der Diagnostik bei Komplikationen (3% der Patienten). Die computertomographische Diagnostik von entzündlichen Prozessen des Gesichtsschädels und orbitaler Komplikationen orientiert sich an den in . Tab. 13.2 dargestellten verschiedenen Stadien.
Mykotische Infiltrationen der Nasennebenhöhlen Die akute Aspergillusinfektion tritt meist bei immundefizienten Patienten auf und führt in der CT zu einer Dichteanhebung bildgebend im Pilzgewebe, die durch Kalzium und Schwermetalleinlagerungen wie Eisen, Mangan sowie das eingedickte Sekret hervorgerufen wird. Der Dichtewert liegt bei >200 HE und erlaubt mit einer 90%-igen Sicherheit die Diagnose eines Aspergillus sinusitis (. Abb. 3.15, . Abb. 3.16). Im konventionellen Röntgen kann die Aspergillussinusitis nicht von einer bakteriellen Entzündung unterschieden werden. Die CT-Kriterien für eine allergische mykotische Sinusitis bei immunkompetenten Patienten sind eine Verschattung der
. Abb. 13.10. Entzündliche Veränderung. Röntgenuntersuchung der Nasennebenhöhlen (om). Spiegelbildung im Bereich des Sinus maxillaris bds., mäßige Nasenmuschelhyperplasie, Kriterien eines akut minipneumatorischen Geschehens
13
404
Kapitel 13 · Gesichtsschädel, Nasennebenhöhlen und Orbita
. Abb. 13.11. Diagnostisches Flowchart: Entzündliche Erkrankungen des Gesichtsschädels und diagnostische Kaskade. (* Bei nicht kooperationsfähigen Patienten: primär KM-CT; ** Halslymphknotendiagnostik)
13
b
a . Abb. 13.12a, b. Chronische Sinusitis maxillaris mit Polyposis. a Axiale computertomographische Diagnostik: Dokumentation einer chronischen Sinusitis mit Verbreiterung der Maxillawände beidseits (Pfeile) bei Zustand nach operativer Entfernung der medialen Kieferhöhlenwand. Schleimhautschwellung im gesamten mitdargestellten Bereich (Pfeilspitze).
Polyposis und Nasenseptumdeviation. b Frontale Schichtrekonstruktion: Dokumentation der ausgeprägten Polyposis im Bereich der Nasenhaupthöhlen, Sinus ethmoidalis beidseits Destruktion der Kieferhöhlenwände (Pfeile) mit Randsklerose
Nebenhöhlen, Zeichen einer langdauernden Veränderung mit Formveränderungen der Nebenhöhlen (remodeling) und dünnlumiger Ausbildung der knöchernen Strukturen. Kernspintomographisch imponiert die Infektion mit Signalabsenkung. Die Differenzierung des eingedickten Sekrets ist dabei schwierig.
Chronische Sinusitis Die radiologische Diagnostik der chronischen Sinusitis umfasst die Charakterisierung von Schleimhautschwellungen und von reaktiven Knochenveränderungen, die häufig als reaktive Knochensklerose imponieren. Bei einer chronischen Sinusitis kann dabei auch eine Demineralisierung der knöchernen Wände ein-
405 13.4 · Entzündliche Fragestellungen
. Abb. 13.13. Chronische Polyposis nasi. Im Rahmen der axialen CT-Diagnostik Auffüllung der Kieferhöhle subtotal beidseits mit Weichteilmassen, konfluierend, ohne ossäre Destruktion, mitbetroffen auch der Sinus sphenoidalis (s). Gute Abgrenzbarkeit des ventral verlaufenden Ductus nasolacrimalis beidseits (Pfeile)
. Abb. 13.14. Tränengangsstenose bei chronischer Sinusitis, Zustand nach Trauma. Frontale Rekonstruktion: Verifizierung der Einengung des Ductus nasolacrimalis rechtsseitig, partiell knöchern (Pfeile). Ausgeprägte Polyposis lokal mit Einengung
. Tab. 13.2. Stadien der entzündlichen Prozesse des Gesichtsschädel
Stadium
Diagnostisches Kriterium
Stadium I Entzündliches Lidödem (cellulitis)
Entzündliche Schwellung der Ober- und Unterlider vor dem Septum orbitale
Stadium II Periorbitales Ödem (orbital cellulitis)
Entzündliche Veränderungen des Periosts der Lamina papyracea ohne Durchbruch
Stadium III Subperiostaler Abszess (cellulitis subperiosteal abscess)
Zunehmende Infiltration mit Ausbildung eines Abszesses subperiostal, Periorbita nicht betroffen
Stadium IV Intraorbitaler Abszess
Intraorbitale Entzündung ohne/mit Abszessbildung, intrakonaler und orbitaspitzennahe Lage
Stadium V Sinus-cavernosus Thrombose
Direkte Durchwanderung, Thrombose des Sinus cavernosus über eine Thrombophlebitis
treten (. Abb. 13.19), sodass sich ein Nebeneinander von Knochenverminderung oder Vermehrung findet. Die Differenzierung gegenüber einer floriden Osteomyelitis ist erschwert.
Komplikationen einer NNH-Infektion Als mögliche Komplikationen der Nasennebenhöhlenentzündung ist die Entwicklung einer Mukozele klinisch wichtig (. Abb. 13.19). Wird das Ostium einer Nebenhöhle verlegt – be-
. Abb. 13.15. Chronisch entzündliche Sinusitis (Mukormykose linker Sinus maxillaris). KM-verstärkte axiale Schnittführung: Dokumentation eines flüssigkeitsgefüllten Sinus maxillaris mit randständiger KM-Aufnahme (Pfeile), ohne Infiltrationskriterien, hier Befunde einer Mukormykose des Sinus maxillaris
13
406
Kapitel 13 · Gesichtsschädel, Nasennebenhöhlen und Orbita
. Abb. 13.16. Klinische Fragestellung Pilzsinusitis. Axiale computertomographische Diagnostik. Computertomographisch in der nativen CTSchnittführung der Sinus sphenoidalis, Sinus ethmoidalis ausgefüllt mit Weichteilmassen mit erhöhter Dichte, ohne umschriebene Destruktionen. Die hohe Dichte ist hier bedingt durch die Myzeten-Mitbeteiligung bei Aspergillus
. Abb. 13.17. Chronische Sinusitis maxillaris mit Osteitis und Infilration des Os maxillare. Axiale Schichtführung. Verifikation einer Osteitis des Os maxillare mit ossärer Destruktion insbesondere der lateralen Wand des Os maxillare (Pfeil). Geringe Weichteilreaktion im angrenzenden Sinus maxillaris. Damit kommt am ehesten eine dentogene Ursache infrage
13
a . Abb. 13.18a, b. Entzündliche Affektion des Sinus maxillaris mit Beteiligung des Kapillarnetzes und akuter nasaler Blutung. a Angiographische Evaluation bei Notfallblutung und Coilembolisation. Angiographie: Selektive Sondierung der A. carotis externa, kräftiger aus der A. maxillaris
b ventral. Dokumentation eines Kapillarnetzes (Kieselbach-Komplex) (Pfeile). b Angiographische Evaluation nach Coilembolisation der A. maxillaris in den distalen Abschnitten. Regelhafte Lage der Coils. Keine Dislokation. Kein weiterer KM-Übertritt
407 13.5 · Tumoren in den Nasennebenhöhlen
4 4 4 4
Rundliche homogene Verschattung Ausdünnung der Nachbarstrukturen z. B. Orbita niedrige Dichte (15–25 HE) Fehlendes Enhancement nach Kontrastmittelgabe
Bei Superinfektion kann es zur Entwicklung einer Pyozele kommen; das diagnostische Kriterium zusätzlich zur Mukozele sind Lufteinschlüsse. > Im Rahmen der Diagnostik von raumfordernden Prozessen der Nasennebenhöhle bei der Abklärung von entzündlichen Veränderungen müssen Polypen von so genannten Retentionszysten abgegrenzt werden, die submuköse Ansammlungen von Flüssigkeit darstellen. Bildgebende Charakteristik sind kugelige Raumforderungen ohne Kontrastmittel-Enhancement und ohne raumfordernden Aspekt.
a
b . Abb. 13.19a, b. Mukozele des Sinus frontalis. a In axialer Schnittführung Dokumentation einer kompletten Weichteilverschattung des Sinus frontalis linksseitig. Ausdünnung der knöchernen Wand der dorsalen Stirnhöhlenwand (Pfeil). b In frontaler Schichtführung Verifizierung der Lagebeziehung der Mukozele des Sinus frontalis insbesondere mit der kaudalen und kranialen Begrenzung (Pfeilspitzen)
dingt durch Trauma, durch verdickte Schleimhaut oder postoperativ – kann es zu einer Ansammlung von Sekreten sowie einer langsamen Auftreibung der Höhle und Ausdünnung der knöchernen Begrenzung kommen. Häufigkeit einer Mukozele der NNH: 4 Stirnhöhle 65% (. Abb. 13.19) 4 Vorderes Siebbein 25–30% 4 Kieferhöhlen 5–10% Diagnostische Kriterien der Mukozele: 4 Auftreibung und Volumenzunahme der Nasennebenhöhle 4 Ausdünnung der knöchernen Begrenzung
13.5
Tumoren in den Nasennebenhöhlen
Die Mehrzahl tumoröser Prozesse, sowohl benigner oder maligner Genese ist in der Regel epithelialen Ursprungs, selten auch mesenchymal oder neurogen. Knapp 1% aller bösartigen Tumore findet sich im Bereich des Gesichtsschädels und der Nasennebenhöhlen. Das entspricht knapp 3–5% aller Malignome in der HNO-Region. Die Diagnose tritt in der Regel spät im Verlauf der tumorösen Erkrankung auf. Klinisch imponieren neben einer einseitig dauerhaften Behinderung der Nasenatmung Veränderungen, wie die Hyposmie oder die Auftreibung von Gesichtsstrukturen, sowie eine entsprechende Schmerzsymptomatik. Klinisch erfolgt die Einteilung der KopfHals-Tumoren nach dem klinischen und pathologischen TNMSystem. In der Übersicht werden die diagnostisch relevanten Tumoren des Gesichtsschädels und der Nasennebenhöhlen zusammengestellt (Morphologie s. a. auch Beschreibung in den nachfolgenden Bildsegmenten).
Tumoren des Gesichtsschädels Häufige benigne Tumoren 4 Juveniles Nasen-Rachen Angiofibrom 4 Osteom 4 Retenzionszyste 4 Polyp 4 Invertiertes Papillom (. Abb. 13.24) Seltene benigne Tumoren 4 Choanalpolyp 4 Adenom (. Abb. 13.21) 4 Harmatom, Hämangiom (. Abb. 13.20) 4 Granulom 4 Invertiertes Granulom 4 Histiozytose X 6
13
408
Kapitel 13 · Gesichtsschädel, Nasennebenhöhlen und Orbita
a
b
. Abb. 13.20a, b. Hämangiom links bukkal. Vergleichende Darstellung CT und MRT. a CT: Axiale Schichtrekonstruktion. 15–18 mm messende hypodense Raumforderung ventral (der Massetermuskulatur). Im Kapselbereich Dokumentation kleinerer Inhomogenitäten (Pfeile). b MR-tomogra-
13
4 4 4 4
phisch T2-gewichtete MR-Sequenz, TR/TE=2500/90. MR-tomographisch signalintensive Raumforderung, unscharfe Begrenzung, randständige hypointense Strukturen, typisches Bild eines Hämangioms (Pfeile)
Lipom Chondrom Fibrom (. Abb. 13.22, . Abb. 13.23) Chordom
Häufige maligne Tumoren 4 Plattenepithelkarzinom 4 Lymphom 4 Adenoidzystisches Karzinom 4 Metastase Seltene maligne Tumoren 4 Ästhesioneuroblastom 4 Extramedulläres Plasmozytom 4 Sarkome/Osteosarkom/Chondrosarkom/Histiozytom 4 Malignes Melanom 4 Neuroblastom
13.5.1
Benigne Tumoren
Osteom Das Osteom tritt am häufigsten bei Patienten im Alter von 30– 50 Jahren auf, ist häufig ein Zufallsbefund und verursacht nur selten eine klinische Symptomatik.
. Abb. 13.21. Benigner Tumor des Gesichtsschädels retro/paramaxillär: Pleomorphes Adenom. a MRT TR/TE=500/17 Gadolinium DTPA. MR-tomographisch paramaxillär glatt begrenzt, zentral irreguläre Struktur mit einzelnen KM-aufnehmenden Zonen (Pfeile). Verifizierung in frontaler Schichtführung. Ursprungsregion sind kleine akzessorische Speicheldrüsen im paramaxillären Raum
409 13.5 · Tumoren in den Nasennebenhöhlen
a
b
. Abb. 13.22a–e. Benigne Tumoren Gesichtsschädel: Juveniles Nasenrachenfibrom. Vergleichende Bewertung CT/MRT und Angiographie mit Intervention. a Inhomogene stark vaskularisierte Raumforderung Nasenhaupthöhle linksseitig mit Infiltration des retromaxillären Raums (weißer Pfeil). b Koronare Rekonstruktion. Dokumentation der Infiltration der posterioren Wand der medialen Kieferhöhlenbegrenzung sowie des posterioren Infiltrationsmusters und Dokumentation einer Ausdünnung. Infiltration des Processus pterygoideus (weiße Pfeile). c MRT, T1-gewichtete Sequenz, TR/TE=546/12, Gadolinium, Fettunterdrückt. Dokumentation der hypervaskularisierten Binnentextur des Tumors mit linkslateral zystischem Areal (Pfeile). d Angiographie der A. maxillaris mit Selektivkatheter. Hypervaskularisierte Raumforderung (Pfeile) mit kleineren arteriovenösen Shunts vor der Embolisation. e Abschlusskontrolle nach der Embolisation (Pfeil) c
d
e
13
410
Kapitel 13 · Gesichtsschädel, Nasennebenhöhlen und Orbita
Bildgebung. Charakteristische Befunde sind:
4 Homogen hohe Dichte 4 Scharfe Begrenzung 4 Lokalisation am häufigsten Stirnhöhle, selten Siebbeinzellen
Chondrom, Chondrosarkom Chondrome oder auch Chondrosarkome sind extrem seltene Befunde in der NNH. Bildgebung. Charakteristische Befunde sind:
4 Glatte Begrenzung 4 Knorpelige, schollige, punktuelle Verkalkungen 4 Knöcherne Defekte von ausgeprägten Destruktionsmuster geringer Vaskularisation Die Differenzierung von Chondromen und Chondrosarkomen ist nicht sicher möglich.
Papillom – invertiertes Papillom . Abb. 13.23. Fibrom des harten Gaumens. MRT in selektiver Schichtführung, TR/TE=540/15, Gadolinium DTPA, fettunterdrückt. MR-tomographisch zeigt sich eine pathologische Weichteilgewebsvermehrung, ausgehend vom harten Gaumen. Weichteilprozess mit vermehrtem KM-Enhancement nodulär flächig infiltrierend (Pfeile)
13
Eine wichtige Differenzialdiagnose zum Polypen ist das invertierte Papillom (. Abb. 13.24). Bildgebung. Charakteristische Befunde sind:
4 4 4 4
Als Kriterium einseitig laterale Nasenwand Lobulierte Form in der CT/MRT Lobuliertes Enhancement Geschlängeltes Enhancement (mehrfache Einfaltung der Schleimhaut
Histologisch ergibt sich in der Regel ein benigner, selten maligner Befund.
Juveniles Nasen-Rachen-Angiofibrom Dieser invasiv wachsende Tumor betrifft männliche Jugendliche und ist oft vaskulären Ursprungs (. Abb. 13.22). Der Ursprung liegt im Foramen sphenopalatinum und der Fossa pterygopallatina. Der Tumor dehnt sich häufig in die Fossa infratemporalis, die Orbita, den Sinus cavernosus und die Kieferhöhlen aus. Bildgebung. Charakteristika sind:
4 4 4 4 4
. Abb. 13.24. Benigner Tumor der Nasenhaupthöhle (invertiertes Papillom), Nasenhaupthöhle und Kieferhöhle betreffend. MR-tomographische Diagnostik, TR/TE/660/13. MR-tomographisch flächige Raumforderung in der linken Nasenhaupthöhle, inhomogen, ohne lokal infiltratives Muster, randständige Hypervaskularisation, typisches Bild eines invertierten Papilloms (Pfeile)
Starke Vaskularisation Mögliche KM-Aufnahme Drop-out-Effekte Flussphänome Versorgung über die A. maxillaris und die A. pharyngea ascendens
Bildgebende Charakteristika sind im CT/MRT: 4 Infiltratives Wachstum unter Mitbeteiligung der Umgebungsstrukturen Perivaskulärraum, Perineuralraum 4 Hypervaskularisation mit vermehrter Kontrastmittelaufnahme in der CT und MRT 4 Starke Kontrastmittelaufnahme mit hohem KontrastmittelEnhancement 4 Gefäßversorgung über die A. pharyngea ascendens
411 13.5 · Tumoren in den Nasennebenhöhlen
a
. Abb. 13.26. Nasennebenhöhlentumor (differenzialdiagnostisch Lymphom, Non-Hodgkin-Lymphom, low grade). CT-Diagnostik, Multislice-CT transversal. Flächige Infiltration der Kieferhöhle, des paramaxillären Raums, der Orbita, Infiltration der Umgebungsstrukturen (Pfeile). Inhomogenes, lokal aggressives Infiltrationsmuster als Charakteristikum des Lymphoms
! Bei rezidivierendem Nasenbluten müssen auch weitere Differenzialdiagnosen abgeklärt werden, wie Hypertonus, Gerinnungsstörungen, vaskuläre Malformationen und entzündliche Veränderungen.
13.5.2
Maligne Tumoren
Plattenepithelkarzinom Plattenepithelkarzinome der Nasennebenhöhlen werden häufig erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert und infiltrieren in der Regel bereits die Fossa pterygopalatina, die Orbita und die Schädelbasis (. Abb. 13.25). Bildgebung. Kriterien sind: 4 Nativdiagnostik: isodenses, isointenses starkes Kontrastverb . Abb. 13.25a, b. Plattenepithelkarzinom der Nasennebenhöhlen. Vergleichende Darstellung CT, MRT. a CT-Diagnostik nativ. Asymmetrische Formation dorsal der Kieferhöhle unter Mitbeteiligung der Fossa pterygopalatina, Durchmesser 15×18 mm, partiell konfluierend (Pfeil). b MRT, TR/ TE=660/13, Gadolinium DTPA, frontale Schnittführung. Infiltration der Umgebungsstrukturen, Schädelbasismitbeteiligung (Pfeile)
Für die Diagnostik ist wesentlich die präoperative Angiographie mit Embolisation, vor chirurgischer Intervention oder palliativ. Da die Rezidivsituation fraglich ist, ist die präoperative Bildgebung extrem wichtig.
halten in der CT und MRT 4 Kontrastmittelapplikation: Moderates Kontrastmittel-En-
hancement Die Visualisierung der Weichteilausdehnung gelingt optimal mittels MRT, ebenso wie die Dokumentation einer Schädelbasismitbeteiligung, einer meningealen Tumorausbreitung. Wichtig ist die Differenzierung von Sekretstau und Mukozelen. Die dreidimensionale Diagnostik mit multiplanaren Rekonstruktionen dient auch der Differenzierung vom adenoidzystischen Karzinom. Dieses zeigt ein infiltratives Wachstum in die perivaskulären und perineuralen Räume. Seltenes Befallsmuster sind Lymphome (. Abb. 13.26), das Ästhesioneuroblastom, mes-
13
412
a
Kapitel 13 · Gesichtsschädel, Nasennebenhöhlen und Orbita
c
13
d
b
. Abb. 13.27a–d. Chondrosarkom, malignes Infiltrationsmuster, vor und nach lokaler Thermoablation mittels LITT. a SE, TR/TE=500/17, Gadolinium DTPA. Hypervaskularisierte Raumforderung retromaxillär bei Zustand nach Operation retromaxillär im Sinne der Chondrosarkominfiltration (Pfeile). Ventral Zustand nach Operation. b MR-Sequenz bei Zustand nach Applikation einer Lasersonde interventionell in den retromaxillären Raum (Pfeile). c MRT, TR/TE=500/17, Gadolinium DTPA, transversal. Ventral Verifizierung der eingebrachten Lasersonde. Nekrotisierung der Raumforderung retromaxillär (Pfeile), als Ergebnis der thermischen Ablation. d Das Therapiekontrollergebnis bei Zustand nach Ablation (1-Jahres-Kontrolle). TR/TE=500/17, Gadolinium DTPA. Postinterventionell MRT, post LITT dokumentiert die immer noch vorhandene Devaskularisation der Raumforderung retromaxillär (Pfeile). Ausgeprägter Operationsdefekt
413 13.6 · Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie
enchymale Tumoren, osteogene Tumoren wie Osteosarkom, Chondrosarkom (. Abb. 13.27), Melanominfiltrationen und v. a. Metastasen.
13.6
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie
Als primär bildgebendes Verfahren zur Diagnostik für alle Erkrankungen von Nasennebenhöhlen sollte der Einsatz der CT, nativ und Kontrastmittel-verstärkt, mit multiplanaren Rekonstruktionen erfolgen (. Abb. 13.28, . Abb. 13.29). Zur Charakterisierung und zur Frage der Infiltration der Schädelbasis sollte zusätzlich die Magnetresonanztomographie, unter Einsatz von T1- und T2-gewichteten Sequenzen, durchgeführt werden.
. Abb. 13.28. Diagnostisches Flowchart: Abklärung einer tumorösen Raumforderung. (Bei nicht kooperationsfähigen Patienten: KM-CT; ** Halslymphknotendiagnostik)
. Abb. 13.29. Diagnostisches Flowchart: Abklärung Nasenbluten
13
14 14 Orbita Th. Vogl
14.1
Anatomie
– 416
14.2
Bildgebende Verfahren
– 419
14.3
Pathologische Prozesse
– 421
14.3.1 14.3.2 14.3.3 14.3.4 14.3.5 14.3.6 14.3.7 14.3.8
Okuläre Läsionen – 422 Retrobulbäre Läsionen – 422 Okuläre Infektionen – 435 Weitere okuläre Erkrankungen – 435 Systemerkrankungen mit Beteilung der Orbita – 436 Andere Erkrankungen der Orbita, inklusive Neoplasien Primäre knöcherne Läsionen – 442 Traumen – 442
– 438
416
Kapitel 14 · Orbita
14.1
Anatomie
Die Orbita hat eine Trichterform (. Abb. 14.1). Das Dach besteht im vorderen Abschnitt aus dem Os frontale und im hinteren Abschnitt aus dem kleinen Keilbeinflügel. Die laterale Wand der Orbita setzt sich aus dem Os zygomaticum im vorderen und dem großen Flügel des Os sphenoidale im hinteren Abschnitt zusammen. Der Orbitaboden wird von dem orbitalen Anteil des Os maxillare gebildet. Die ventrolateralen Abschnitte werden durch Anteile des Os zygomaticum geformt, im hinteren Abschnitt sind noch Anteile des Pars palatinum beteiligt. Die Knochen der medialen Wand der Orbita bestehen im vorderen Abschnitt aus dem Os lacrimale, der Lamina papyracea, bestehend aus dem Os ethmoidale und im hinteren Abschnitt aus Anteilen des Os sphenoidale. Die Orbita ist im oberen Abschnitt durch die vordere Schädelgrube begrenzt, nach medial durch den Sinus ethmoidalis, nach hinten durch die mittlere Schädelgrube, nach kaudal durch den Sinus maxillaris und lateral durch das Os temporale.
Bulbus
14
Der Bulbus hat einen Durchmesser von ca. 2,5 cm und die Wand besteht aus 3 Lagen: Sklera, Fovea und Retina (. Abb. 14.2). Die äußerste Schicht ist die Sklera, die aus einem kollagenelastischen Gewebe besteht. Die Konjunktiva, eine klare muköse Membran, bedeckt die Sklera in ihrem vorderen Abschnitt und geht in die Kornea über. Die Fovea besteht aus einer vaskularisierten pigmentierten Schicht, die sich aus der Choroidea, dem Ziliarkörper und der Iris zusammensetzt. Die innerste Schicht des Bulbus ist die Retina, die in den N. opticus übergeht. Sie kann weiter unterteilt werden in eine innere sensorische Schicht, die die Photorezeptoren, die Ganglienzellen und neurogliale Elemente trägt, sowie die äußere Schicht, bestehend aus einem pigmentierten Epithel, welches der Basalmembran der Choroidea (BruchMembran) anliegt. Das anteriore Segment des Bulbus ist durch die Iris in eine vordere und eine hintere Kammer unterteilt. Die Linse besteht aus einem zentralen Anteil, dem Nucleus und einer peripheren Komponente, dem Kortex. Der Ziliarkörper liegt zwischen der Iris und der Choroidea und enthält Muskeln, die die Linse durch Ligamente aufspannen. Hinter der Linse ist der hintere Augenabschnitt der mit einer galertartigen Flüssigkeit gefüllt ist. Der Raum zwischen der Basis des Glaskörpers und der sensorischen Retina wird als hyaloidaler Raum bezeichnet, der Raum zwischen den Schichten der Retina (sensorische Retina und retinale Pigmentschicht) ist der subretinale Raum, zwischen Choroidea und Sklera liegt der subchoroidale Raum. Eine komplette retinale Anheftung stellt sich V-förmig dar, mit einer Anheftung in der Nähe des N. opticus. Choroidale Verklebungen erreichen normalerweise nicht den Eintrittsbereich des N. opticus. Sie können über den vorderen Rand der Ora serrata des Ziliarkörpers hinausreichen. Der subtenon’sche Raum ist zwischen der Sklera und der fibrösen Membran (Tenonkapsel) lokalisiert. Blutungen in diesen Raum, z. B. durch ein Trauma verursacht, zeigen eine rundliche Struktur. Blutungen, so genannte Hyphämien können in den unterschiedlichen Kompartimenten der vorderen und hinteren Kammer vorkommen.
. Abb. 14.1. Knöcherne Strukturen der Orbita. Schematische Darstellung der knöchernen Strukturen von frontal. (Aus: Tillmann. Atlas der Anatomie des Menschen. 2. überarb. Aufl. Heidelberg, New York: Springer Verlag 2009)
. Abb. 14.2. Horizontaler Schnitt durch den Bulbus, schematisch. (Aus: Tillmann. Atlas der Anatomie des Menschen. 2. überarb. Aufl. Heidelberg, New York: Springer Verlag 2009)
Foramina Die orbitalen Foramina enthalten die in der Übersicht aufgeführten Strukturen.
Extraokuläre Muskeln . Abb. 14.3 zeigt in einem koronaren Schnitt durch die Orbita und die extraokulären Muskeln.
417 14.1 · Anatomie
a . Abb. 14.3a, b. Orbita mit extraokulären Muskeln (vereinfachtes Schema). (Aus: Tillmann. Atlas der Anatomie des Menschen. 2. überarb. Aufl. Heidelberg, New York: Springer Verlag 2009)
N. opticus
b
Inhalt der orbitalen Foramina 4 Canalis N. opticus: – N. opticus – Sympathische Fasern – A. ophthalmica 4 Fissura orbitalis superior: – N. oculomotorius (N. III) – N. abducens (N. VI) – N. ophthalmicus (N. V1) – N. trochlearis (N. IV) – V. ophthalmica superior – Sympathische Fasern – Orbitaler Ast der A. meningea media 4 Fissura orbitalis inferior: – N. maxillaris (N. V2) – A. und V. infraorbitalis – V. ophthalmica inferior
Der etwa 40 mm lange N. opticus gehört zum Gehirn und sollte deshalb besser als Fasciculus opticus bezeichnet werden. Der N. opticus wird von Hirnhäuten umscheidet. Topografisch werden am N. opticus 4 Abschnitte unterschieden: er beginnt mit einem kurzen Abschnitt von ca. 2 mm Länge, der aus den marklosen Fasern des Stratum neurofibrarum besteht. Die 2,5–3 cm lange Pars orbitalis reicht von seiner Austrittstelle aus dem Bulbus bis zum Canalis opticus. Die ca. 5 mm lange Pars canalicularis durchläuft den Canalis opticus oberhalb und medial von der A. ophthalmica. Sie setzt sich in die Pars intracanalicularis mit einer Länge von ca. 13 mm fort, die nur noch von Pia mater umschieden in der Cisterna chiasmatis nach hinten zieht. . Abb. 14.4 stellt den N. opticus in seinem intrabulbären, intraorbitalen, kanalikulären und intrakraniellen Verlauf bis zum Chiasma opticum dar.
Vaskuläre Strukturen . Abb. 14.5 zeigt die Gefäßversorgung der Orbita.
Anastomosen der A. carotis externa mit A. ophthalmica (A. carotis interna) sind: 4 Äste der A. temporalis superficialis: A. supratrochlearis,
A. supraorbitalis, A. palpebrae interna 4 Äste der A. maxillaris: A. temporalis anterior, A. meningea
media (anteriorer Ast), A. infraorbitalis, A. sphenopalatina 4 Äste der A. facialis: A. angularis, A. nasalis lateralis
Tränendrüsensystem Die ableitenden Tränenwege lassen sich anatomisch und funktionell in einen membranösen und einen knöchernen Anteil
14
418
Kapitel 14 · Orbita
. Abb. 14.4. N. opticus in seinem intrabulbären, intraorbitalen, kanalikulären und intrakraniellen Verlauf bis zum Chiasma opticum (vereinfachtes
Schema). (Aus: Lanz/Wachsmuth. Praktische Anatomie. Kopf, Gehirn und Augenschädel. Heidelberg, New York: Springer Verlag 1979)
gliedern (. Abb. 14.6). Die membranösen Strukturen umfassen die Canaliculi und den ventralen Anteil des Saccus lacrimalis. Durch in die Wand einstrahlende Muskulatur wird ein aktiver Transport der Tränenflüssigkeit möglich (Tränenpumpe). Die Tränenröhrchen beginnen am oberen bzw. am unteren Tränenpünktchen. Die Röhrchen verlaufen zunächst ca. 2 mm senkrecht zur Lidkante, biegen dann knieartig in den horizontalen Schenkel um und vereinigen sich vor dem Eintritt in den Tränensack zu einem 2 mm langen Canaliculus communis. Der Tränensack wird von der knöchernen Fossa sacci lacrimalis umfasst und ist vollständig von Periost umgeben. Seine Gesamtlänge beträgt ca. 15 mm, seinen Breite ca. 6 mm. Nach kaudal geht er in den ebenfalls periostumkleideten Ductus nasolacrimalis, vollständig vom Knochen umschlossen, über. Die Gesamtlänge des Ductus beträgt zwischen 10 und 24 mm. Er tritt, von der Hasner-Klappe ventilartig verschlossen, in den unteren Nasengang ein.
Retinahälften zur Gegenseite, die Fasern aus der temporalen Hälfte bleiben ungekreuzt. Aus dem Chiasma opticum geht jederseits der Tractus opticus hervor, der die ungekreuzten Fasern der temporalen Netzhauthälfte des homolateralen Auges und die gekreuzten Fasern der nasalen Hälfte des kontralateralen Auges führt. Läsionen eines N. opticus peripher vom Chiasma führen zu einer vollständigen Erblindung – Amaurose – des einen Auges. Trifft die Schädigung einen Tractus opticus, entsteht eine homonyme Hemianopsie mit Ausfall beider rechter oder linker Gesichtsfeldhälften. Läsionen der zentralen Anteile des Chiasma opticum, wie dies bei Tumoren der Hypophyse der Fall sein kann, haben infolge der Zerstörung aller kreuzender Fasern den Ausfall beider temporaler Gesichtsfeldhälften zur Folge (bitemporale Hemianopsie) (. Abb. 14.7). Wird nur der laterale Anteil des Chiasma opticums unter Schonung des zentralen zerstört, resultiert infolge des Ausfalls der ungekreuzten Fasern eine rechts- oder linksseitige nasale Hemianopsie. Zerstörung einer Hälfte des Chiasma erzeugt Blindheit auf dem gleichseitigen mit temporaler Hemianopise auf dem anderen Auge. Der Tractus opticus verläuft zwischen der Substantia perforata rostralis und dem Tuber cinereum nach hinten lateral, er
14
Sehbahn Die beiden Nn. optici vereinigen sich zum Chiasma opticum, das auf dem Diaphragma sellae liegt und eine topografische Beziehung zum Infundibulum, zur A. carotis interna und zum Tuber cinereum hat. Im Chiasma kreuzen die Fasern der nasalen
419 14.2 · Bildgebende Verfahren
. Abb. 14.5. Gefäßversorgung der Orbita. (Aus: Tillmann. Atlas der Anatomie des Menschen. 2. überarb. Aufl. Heidelberg, New York: Springer Verlag 2009)
windet sich um das Crus cerebri herum nach dorsal und teilt sich in Nähe des Corpus geniculatum laterale in eine mediale und eine laterale Wurzel. Die Area 17 (Area striata) ist der primäre visuelle Kortex. Dieses Areal findet sich auf der medialen Hemisphärenseite im Sulcus calcarinus. Die Area 17 ist die Stelle der kortikalen Repräsentation des Gesichtsfeldes. Ist nur der Okzipitalpol von einer Schädigung betroffen, so entsteht ein zentrales Skotom. Auch andersartige Läsionen der Sehstrahlung führen zu ganz charakteristischen Ausfällen.
14.2
Bildgebende Verfahren
Indikationen für verschiedene bildgebende Verfahren Die Bildgebung der Orbita hat sich durch die Einführung der MRT entscheidend verändert. Obwohl die CT exzellente Einblicke ermöglicht in die pathologischen Prozesse, die das Auge und den Retrobulbärraum betreffen, hat die MRT doch einige Vorteile. Die Vorteile der MRT liegen in der multiplanaren Aufnahmetechnik und der Tatsache, dass keine Artefakte durch Zahnfüllungen, keine Aufhärtungsartefakte durch umgebende Knochen-
strukturen, insbesondere im Bereich des Optikuskanals, entstehen; weiterhin in der exzellenten anatomischen Auflösung des N. opticus und der Orbitaspitze, der Möglichkeit der Gefäßdarstellung, Darstellung unterschiedlicher Blutabbauprodukte und der Möglichkeit, melaninhaltige Läsionen nachzuweisen. Die MRT ist hervorragend geeignet, Tumoren im Bereich der Nasennebenhöhlen mit orbitaler Beteiligung bzw. Infiltrationen und intraorbitale Ausdehnungen nachzuweisen. Auch eine Unterscheidung zwischen entzündlichen und tumorösen Veränderungen ist oft in der MRT möglich. Der Vorteil der CT liegt in der kürzeren Untersuchungszeit, insbesondere bei den neuen Multislice-CT’s mit multiplanarer Rekonstruktion. Insbesondere unruhige und nicht kooperative Patienten können im CT besser als in der MRT untersucht und überwacht werden. Das CT ist nach wie vor die Methode der Wahl bei traumatischen Verletzungen mit Orbitabeteiligung. Frakturen sind in der Regel im CT leichter und besser darzustellen als in der MRT. Auch intraorbitale und intraokuläre Fremdkörper sind in der CT gut nachweisbar, insbesondere metalldichte Fremdkörper. Ein entscheidender Vorteil der CT ist die Darstellung auch kleinster Verkalkungsstrukturen, dies ist insbesondere bei der Diagnose des Retinoblastoms oft entscheidend.
14
420
Kapitel 14 · Orbita
. Abb. 14.6. Schemazeichnung des Tränenwegsystems. (Grehn. Augenheilkunde. 30. Aufl. Heidelberg, New York: Springer Verlag 2008
14
Eine CT-Untersuchung in axialer und koronarer Schichtung durch die Orbita resultiert in einer Strahlendosis der Linse von 50 mG, überlappende Schichtungen erhöhen die Strahlendosis weiter. Mit Einführung der MDCT-Technik werden heute axiale Daten akquiviert und sekundär rekonstruiert. Trotzdem ist die CT eine exzellente Methode, um intraorbitale und intraokuläre Fremdkörper nachzuweisen. Dabei liegt die Auflösefähigkeit von intraokulären metallenen Fremdkörpern bei ca. 0,06 mm2 und 1,8 mm2 für Glas. In der Regel sollte eine Spiral-CT, dünnschichtig, unter Umständen mit reduziertem mAs-Produkt durchgeführt werden. Fremdkörper aus Holz entgehen oft dem Nachweis in der MRT, da Holz von seiner Dichte und von seinem Wassergehalt unter Umständen ähnlich wie der Bulbus erscheinen kann (. Abb. 14.8). Besteht der Verdacht auf einen Fremdkörper aus Holz, sollte bei fehlendem Nachweis in der CT eine MRT bzw. eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt werden. Um die regionale Auflösung im MRT noch weiter zu verbessern, können Oberflächenspulen verwendet werden. T1-gewichtete Sequenzen ergeben eine exzellente Darstellung der anatomischen Details. Hochaufgelöste dünnschichtige T2-gewichtete Sequenzen, z. B. in TurboSpinecho-Technik, stellen den N. opticus und intrinsische Läsionen dar, z. B. eine Optikusneuritis. Meist gelingt eine Differenzierung der Nervenscheide vom N. opticus aufgrund der flüssigkeitsgefüllten Räume zwischen Nerv und Nervenscheide. Grundsätzlich sollte jeder Patient, der im MR untersucht wird, befragt werden, ob ein intraokulärer metallener Fremdkörper bekannt ist, da es durch diese Fremdkörper zu Schädigungen kommen kann. Es können okuläre Einblutungen auftreten, auch selbst Erblindungen sind durch metallene Fremdkörper im MRT beschrieben. Eine routinemäßige Übersichtsaufnahme zur Auf-
. Abb. 14.7. Gesichtsfeldausfälle infolge von Läsionen des N. opticus, des Chiasma opticum oder des Tractus opticus
findung intraorbitaler metallener Fremdkörper wird in der Regel nicht empfohlen. Besteht der Verdacht auf einen intraorbitalen Fremdkörper, sollte eine Röntgenübersicht in 2 Ebenen durchgeführt werden. In diesen Fällen muss auf eine CT-Untersuchung ausgewichen werden. Mit der Ultraschalldiagnostik lässt sich die Intaktheit des Bulbus nachweisen sowie kleinere Fremdkörper im Bulbus detektieren. Auch die Darstellung einer retinalen Ablösung ist im Ultraschall möglich. Daneben können auch mithilfe des Dopplers die Gefäße der Orbita, insbesondere z. B. bei Fisteln bzw. gefäßreichen Tumoren, untersucht werden.
Artefakte In der MR-Diagnostik der Orbita können zahlreiche Artefakte auftreten, die man kennen sollte. Bewegungen des Bulbus sind ein Problem und können erhebliche Bildverschiebungen verursachen. Die Bulbusbewegungen können durch schnelle Sequenzen und kurze Untersuchungsdauer minimiert werden. Die Phasenkodierachse ist die sensitivste Richtung für Bewegungen, die Artefakte können als Blurring, Ghosting (Aliasing) und/oder Mehrfachregistrierungen auftreten. Durch die Bewegungsartefakte kann die diagnostische Sicherheit z. T. erheblich eingeschränkt werden. Um die Bewegungen zu minimieren, sollte der Patient einen festen Punkt im MRT fixieren. Zusätzlich kann die Phasencodierrichtung von links nach rechts in axialen Schichten
421 14.3 · Pathologische Prozesse
a
b
. Abb. 14.8a, b. Fremdkörper. a Der Fremdkörper (Pfeile) in der Orbita bei diesem 28-jährigen Patienten stellt sich am medialen Augenwinkel hypodens im CT dar; es handelte sich um ein kleines Stück Holz (b)
gewechselt werden, um ein Ghosting über den hinteren Augenabschnitten zu vermeiden. Die Midline-shift-Artefakte resultieren aus der Tatsache, dass Fett- und Wasserprotonen unterschiedliche Larmour-Frequenzen aufweisen. Die Larmour-Frequenz muss uniform über die gesamte Schichtselektion sein, um eine korrekte Ortswiedergabe zu erhalten. Aufgrund der leichten Differenz in der Larmour-Frequenz kommt es zu einer Missregistierung von Fettund Wasserprotonen und somit zu einer Ortsverschiebung. Dieser Effekt der Ortsverschiebung von Wasser- und Fettprotonen untereinander ist an den Grenzflächen zwischen orbitalem Fett und Weichteilgewebe besonders zu beobachten. Silikon, welches für die Behandlung von retinalen Ablösungen verwendet wird, hat eine niedrigere Frequenz als Fett und Wasser. Fettunterdrückungen können diese Artefakte z. T. eliminieren. Make-up der Augen (Mascara) enthält Kobalt, welches zu suszeptibilitäts-bedingten Artefakten führen kann. Dies resultiert in einem Signalverlust über den Augenlidern. Auch Tätowierungen im Sinne von Permanent-Make-up, v. a. der Augenbrauen, können ferromagnetische Bestandteile enthalten und zu entsprechenden Artefakten führen. Weiterhin können Zahnimplantate und Zahnprothesen zu ausgedehnten Auslöschungseffekten führen. Aber auch im CT kommt es aufgrund der Zahnplomben und Zahnimplantate bzw. -prothesen zu entsprechenden Aufhärtungsartefakten. Durch entsprechende Angulierungen lassen sich diese Artefakte z. T. vermeiden. Toxylimplantate der Orbita, die nach Enukleationen verwendet werden, stellen sich im MRT in allen Sequenzen mit intermediärem Signal dar. Aufgrund des porösen Materials kann es zu einem unterschiedlichen Enhancement kommen. Dieses Enhancement wird auf eine Revaskularisierung des Implantats zurückgeführt. Noduläre oder infiltrative enhancende Areale um das Implantat sprechen für einen Rezidivtumor bzw. eine Entzündung. Intraokuläre Linsenprothesen, wie sie bei Kataraktoperationen verwendet werden, können in der CT bzw. mit T2-gewichteten Sequenzen identifiziert werden. Dies ist insbesondere bei Orbitatraumen notwendig, um eine mögliche Linsenverschiebung nachzuweisen. Dislokationen der Linsen können bei un-
terschiedlichen Erkrankungen vorkommen; gehäuft treten sie auf bei: 4 Marfan-Syndrom 4 Homocystinurie 4 Ehlers-Danlos-Syndrom 4 GEMSS-Syndrom (Glaukom, topische Line, Mikrospherophakie, Stiffness und Shortness) 4 Weill-Marchesani-Syndrom 4 Trauma
Untersuchungstechnische Aspekte Die Verwendung von Oberflächenspulen wird oftmals favorisiert, um eine bessere Detailauflösung zu erhalten. Es kann jedoch zu einem deutlichen Signalabfall in der Orbitaspitze und dahinter kommen, sodass der intrakanalikuläre und intrazerebrale Verlauf des N. opticus nicht mitabgebildet ist. Ist mit einer Beteiligung des Chiasmas bzw. der Sehbahn intrazerebral zu rechnen, müssen zusätzliche Aufnahmen mit der Kopfspule durchgeführt bzw. von vornherein damit vorgenommen werden. Da die Orbita v. a. retrobulbär sehr viel Fett enthält, und damit eine hohe Intensität in den T1w-Sequenzen und den Turbo-Fast-Spinecho-Sequenzen sowie eine niedrigere Signalintensität in den konventionellen T2w-Sequenzen aufweist, sollte v. a. bei T1w-Sequenzen nach Kontrastmittelgabe eine Fettunterdrückung vorgenommen werden, um die T1-Verkürzung nach Gadoliniumgabe zu erkennen. Die Gadoliniumgabe ist insbesondere notwendig, um intrinsische Läsionen des N. opticus darzustellen. Die extraokulären Muskeln nehmen in der Regel deutlich stärker als die skelettalen Muskeln Kontrastmittel auf, da sie eine höhere Vaskularität und größere vaskuläre Räume aufweisen.
14.3
Pathologische Prozesse
Für differenzialdiagnostische Überlegungen ist es hilfreich, die orbitalen Erkrankungen in okuläre und retrobulbäre Kompartimente zu trennen. Der Retrobulbärraum kann zudem noch in intrakonale, konale und extrakonale Kompartimente aufgeteilt werden.
14
422
Kapitel 14 · Orbita
14.3.1
Okuläre Läsionen
Die CT ist in der Darstellung und Diagnose okulärer Läsionen eingeschränkt, da die Retina, Choroidea und Sklera nicht aufgelöst werden können. Sie ist dagegen hervorragend geeignet, um okuläre Kalzifikationen nachzuweisen. In der Übersicht sind die möglichen Ursachen okulärer Kalzifikationen aufgeführt.
Mögliche Ursachen okulärer Kalzifikationen
14
4 Degenerativ – Katarakt – Drusenpapillen – Phthisis bulbi – Retinaablösung – Retrolentale Fibroplasie – Senile Kalzifikation und Insertion der Muskelansätze am Bulbus 4 Neoplasmen – Astrozytäre Hamartome – Neurofibromatose – Tuberöse Sklerose – Von Hippel-Lindau-Syndrom – Choroidales Osteom – Retinoblastom 4 Infektionen – Zytomegalievirus – Herpes simplex – Rubella, Syphilis – Toxoplasmose – Tuberkulose 4 Sonstige – Hyperkalzämien – Chronische Niereninsuffizienz – Hypoparathyeroidismus – Hypervitaminatosis D – Milch-Alkali Syndrom – Sarkoidose
Im CT erscheint die Linse in der Regel aufgrund ihres hohen Proteingehalts hyperdens. In T1- und T2-gewichteten Sequenzen sind Verkalkungen in der Regel hypointens und verändern sich nicht bei Verlängerung der Echozeit. Unter bestimmten Umständen können Kalzifikationen jedoch hyperintens in den T1-gewichteten Sequenzen erscheinen. Dies trifft v. a. auf die in den Basalganglien zu erkennenden Verkalkungen zu. Schnell fließendes Blut kann in T1- und T2-gewichteten Sequenzen ebenfalls hypointens erscheinen. In den Gradientenecho-Sequenzen jedoch stellt sich fließendes Blut in T1-gewichteten Sequenzen hyperintens dar. Ausnahmen hierzu sind turbulente Flüsse, Inplan-Flüsse und sehr langsam fließendes Blut. In den T2*-gewichteten GradientenechoSequenzen stellen sich Verkalkungen in der Regel hypointens dar. Diese Hypointensität ist jedoch nicht spezifisch für Kalzium und andere Blutabbauprodukte, wie z. B. Deoxyhämoglobin und Hämosiderin; intrazelluläres Methämoglobin und paramagnetische Materialien stellen sich ebenfalls hypointens dar.
Neoplasien Die Mehrzahl der primären und metastasierenden okulären Neoplasmen befallen die Choroidea. Der Radiologe kann einen entscheidenden Beitrag zur Diagnose okulärer Neoplasmen und zur Erkennung anderer nicht neoplastischer Veränderungen beitragen. Entscheidend ist eine episklerale Ausbreitung des Tumors oder ein Vorwachsen nach posterior entlang des Nervs. Es gibt bestimmte Umstände, in denen der Ophthalmologe einen begrenzten Blick in den Bulbus und auf die Retina hat, z. B. bei Katarakt- und/oder Kornea-Operationen.
14.3.2
Retrobulbäre Läsionen
Retrobulbäre Läsionen können unterteilt werden in intrakonale, konale und extrakonale Läsionen.
Intrakonale Läsionen 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Lymphangiom Lymphom Hämatom Metastasen Läsionen des N. opticus: Gliom, Meningeom, Hämangioblastom Schwannom, Neuritis, Sarkoidose Pseudotumor orbitae Rhabdomyosarkom Schwannom Vaskuläre Läsionen: Kavernöses Hämangiom, Varixknoten
Differenzialdiagnosen bei konalen Läsionen 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Akromegalie Carotis-cavernosus-Fistel Thrombose Durale arteriovenöse Malformationen Zellulitis Hämatom oder Schwellung nach Trauma Lymphom Leukämie Metastasen Myositis Pseudotumor orbitae Rhabdomyosarkom Sarkoidose Endokrine Orbitopathie Morbus Wegener
Eine Erweiterung des perioptischen Subarachnoidalraums ist im MRT leicht nachweisbar und kann kongenital als Atrophie des N. opticus oder bei Situationen mit erhöhtem intrakraniellen Druck auftreten. Klinische Symptome sind Kopfschmerzen, transienter Visusverlust. In diesen Fällen kann ein Enhancement des N. opticus auftreten, wahrscheinlich verursacht durch eine
423 14.3 · Pathologische Prozesse
Veränderung der Blut-Retina-Barriere bei erhöhtem intrakraniellen Druck. Extrakonale Läsionen werden verursacht durch Strukturen außerhalb der Muskelkonus, wie die Tränendrüse, peripheres Fett, Sinus oder die angrenzende knöcherne Orbita. Bilaterale orbitale Raumforderungen lenken die Diagnose auf inflammatorische, leukämische, lymphoproliferative histiozytotische oder metastatische Erkrankungen.
Extrakonale Läsionen 4 Knöcherne Läsionen, wie fibröse Dysplasie, LangerhansZellhistiozytose 4 Kapilläres Hämangiom 4 Zellulitis, Abszess 4 Dermoid, Epidermoid/Teratom 4 Frakturen, Hämatome 4 Granulomatöse Erkrankungen 4 Tränendrüsentumoren 4 Lymphangiome 4 Lymphome, Leukämien 4 Meningeome 4 Metastasen 4 Mukozelen 4 Orbitale Zysten 4 Rhabdomyosarkom 4 Schwannom 4 Plexiformes Neurofibrom 4 Karzinome der Sinus
. Abb. 14.9. Optikusatrophie bei septooptischer Dysplasie. In den koronaren T1w schmächtige Nn. optici (Pfeile) und weite Cisterna und Sinus cavernosus
Atrophie des N. opticus Ursache einer N. opticus-Atrophie sind neben kongenitaler Hypoplasie ein Makroophthalmus, Kompressionen bei Hypophysentumoren, Kraniopharyngeomen, Herpes Zoster, multiple Sklerose, Trauma, Glaukom, ischämische Optikusneuropathie, toxische und metabolische Ursachen. Bei einer N. opticus-Hypoplasie im Kindesalter muss eine septooptische Dysplasie (. Abb. 14.9) (De Morseer-Syndrom) gedacht werden. Bei diesem Syndrom findet sich eine Visusreduktion, Hypothyreoidismus, Hypopituitarismus und ein Fehlen des Septum pellucidums.
. Abb. 14.10. Drusenpapillen beidseits mit Verkalkungen am Austritt des N. opticus (Pfeile)
Drusenpapillen Drusen bestehen aus Mukoprotein, welches im vorderen Abschnitt des N. opticus in der Lamina cribrosa auftritt. Drusenpapillen (. Abb. 14.10) können familiär gehäuft auftreten und sind mit anderen Auffälligkeiten, wie einer Retinitis pigmentosa vergesellschaftet. Sie können uni- und bilateral vorkommen und an der Eintrittsstelle des N. opticus im Bulbus auftreten. Die Inzidenz der Drusenpapillen ist mit 2% der Bevölkerung beschrieben. Bildgebung. Im CT zeigen sich punktförmige Verkalkungen an
der Eintrittsstelle des N. opticus. Im MRT können diese Verkalkungen oft dem Nachweis entgehen.
Neuritis n. optici Eine Neuritis des N. opticus (. Abb. 14.11) ist eine inflammatorische Läsion, welche sich klinisch mit Schmerzen, Visuseinschränkungen, abnormalem Farbensehen und differenten Pupillendefekten äußert. Eine Optikusneuritis ist in bis zu 87% der Fälle bei Patienten mit multipler Sklerose als Erstmanifestation dieser Erkrankung anzutreffen. Bei Patienten mit initialem Auftreten einer Optikusneuritis zeigen sich in bis zu 65% asymptomatische Veränderungen in der weißen Substanz im Hirnparenchym. Andere Erkrankungen, die mit einer Optikusneuritis einhergehen, sind Vaskulitis, Sarkoidose, systemischer Lupus erythematodes, Syphilis und Lyme disease, Virusinfektionen,
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Kapitel 14 · Orbita
Neben asymptomatischen Fällen können klinisch Strabismus, Visusverlust, afferente Pupillendefekt auftreten. In 10–30% der Fälle ist ein Optikusgliom mit einer Neurofibromatose Typ I (von Recklinghausen-Erkrankung) vergesellschaftet (7 Kap. 9). Ca. ein Viertel der Optikusgliome betreffen den intraorbitalen Verlauf des N. opticus, der Rest betrifft den intrakraniellen Abschnitt, das Chiasma oder die retrochiasmale Sehbahn. Bei Gliomen, die das Chiasma betreffen, findet sich in 40% der Fälle eine Ausbreitung in den Hypothalamus. Dies ist mit einer signifikant erhöhten Morbidität und Mortalität behaftet. Selten treten Optikusgliome im Erwachsenenalter auf, sie sind dann in der Regel maligne und breiten sich oft nach intrakraniell aus und weisen eine schlechte Prognose auf.
Bildgebung
. Abb. 14.11. Neuritis N. optici. In der T2w geschichteten MR-Sequenz fettunterdrückt, Dokumentation einer Aufhebung und eines Signalanstiegs des N. opticus über den gesamten Verlauf (Pfeile)
Toxoplasmose und Tuberkulose; auch im Rahmen einer Chemotherapie (z. B. Cisplatin) oder Radiatio kann es zur Neuritis N. optici kommen.
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Bildgebung. Bei einer Optikusneuritis stellen sich in den T2gewichteten Sequenzen die betroffenen nervalen Strukturen hyperintens dar. Häufig ist jedoch der signalangehobene N. opticus vom Subarachnoidalraum nicht eindeutig abzugrenzen. Hier können so genannte STIR-Sequenzen hilfreich sein, bei denen der Liquor dunkel zur Darstellung kommt. Nach Kontrastmittelgabe sollten fettunterdrückte Sequenzen durchgeführt werden, um das hyperintense retrobulbäre Fettgewebe zu sättigen und das Kontrastenhancement besser zu visualisieren. Wichtig ist es auch, den intrakraniellen Abschnitt des N. opticus einschließlich Chiasma darzustellen.
Devic-Erkrankung (Neuromyelitis optica) Die Erkrankung ist charakterisiert durch eine Demyelinisierung des N. opticus und des Chiasma sowie mit einer spinalen Beteiligung. Die meisten dieser Patienten haben Multiple Sklerose, es sind jedoch Fälle beschrieben, bei denen es zu isolierten Entmarkungszonen des N. opticus und im spinalen Mark kommt.
Optikusgliom Definition, Epidemiologie, Klinik Das Optikusgliom (. Abb. 14.12) ist ein juveniles pilozytisches Astrozytom WHO Grad I und repräsentiert zwei Drittel aller primären Optikustumore und 1,5–3% aller orbitalen Tumore. Das mittlere Erscheinungsalter ist 8,5 Jahre, in 80% der Fälle tritt es vor dem 20. Lebensjahr auf. Optikusgliome tendieren zum Wachstum während der Kindheit, im jungen Erwachsenenalter kommt es nur noch in knapp 40% der Fälle zu einer weiteren Progression.
Im MRT zeigt sich der verdickte und elongierte N. opticus in den T1-gewichteten Sequenzen isointens und hyperintens in T2gewichteten Sequenzen. Die Signalintensität der Optikusgliome gleicht in den T1- und T2-gewichteten Sequenzen weitgehend der der grauen Hirnsubstanz. Durch die hohe Signalintensität des Liquors in T2- und dessen niedriger Signalintensität in T1gewichteten Aufnahmen können Optikusgliome bei paraaxialer Schnittführung im Verlauf des Nervus auch intraorbital von der Umgebung abgegrenzt werden. Das gliomatöse Gewebe zeigt in der Regel eine geringgradig höhere Signalintensität im T2gewichteten Bild als das normale Gewebe. Im CT lässt sich häufig ein erweiterter Optikuskanal nachweisen. Im MRT können neben den orbitalen Läsionen auch die assoziierten intrazerebralen Abnormalitäten, wie Veränderungen und Vergrößerungen der intrakraniellen Abschnitte des N. opticus, Chiasma und Tractus opticus, abgebildet werden. Nach Kontrastmittelgabe kommt es zu einem variablen Enhancement, Verkalkungen sind selten nachzuweisen. Ebenfalls selten sind zystische Veränderungen zu sehen.
Optikusscheidenmeningeome Epidemiologie, Klinik Die orbitalen Meningeome, in der Regel Optikusscheidenmeningeome (. Abb. 14.13), stellen 3–7% aller Orbitatumoren dar. Daneben ist eine sekundäre Mitbeteiligung des Cavum orbitae durch intrakranielle Meningeome oder in seltenen Fällen durch versprengte Arachnoidalzellen möglich. Meningeome gehen gewöhnlich von den Meningen des N. opticus aus oder sekundär von den kranialen Meningen. Klinisch zeigt sich ein Visusverlust, eine Atrophie des N. opticus, eine milde Ptosis und optoziliare Shunts auf dilatierte Venen des N. opticus. Meist sind Frauen mittleren Alters betroffen, Optikusscheidenmeningeome können aber auch bei Kindern mit Neurofibromatose auftreten. Bilaterale Tumoren werden bei Patienten mit Neurofibromatose Typ I oder II gefunden, häufig assoziiert mit Pneumosinus dilatans. In 20–50% der Fälle treten Kalzifikationen bei Optikusmeningeomen auf. > Häufig kann der N. opticus noch innerhalb des Tumors abgegrenzt werden, womit eine Unterscheidung vom Optikusgliom erleichtert wird.
425 14.3 · Pathologische Prozesse
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b . Abb. 14.12a–c. Optikusgliom. a Verdickte und elongierte Nn. optici in den T2-gewichteten Sequenzen hypointens in T2-gewichteten Sequenzen. Die Signalintensität der Optikusgliome gleicht in den T1- und T2-gewichteten Sequenzen weitgehend der der grauen Hirnsubstanz. Die Flüssigkeit zeigt sich perineural mit hoher Signalintensität. b Nach KM-Gabe mit Fettunterdrückung zeigt sich in diesem Fall kein Enhancement. Erweiterung der Liquoräume um die N. optici. c In den koronaren Schichten ist eine Mitbeteiligung des Chiasmas zu erkennen
quenzen dar. In der Regel kommt es zu einem homogenen Enhancement des Tumors (. Abb. 14.13).
Kavernöse und kapilläre Hämangiome Definition, Epidemiologie
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Definitionsgemäß werden als vaskuläre intrakonale Raumforderungen kapilläre und kavernöse Hämangiome, venöse Angiome und Varizen bezeichnet. Häufigste gutartige retrobulbäre Raumforderung ist das Hämangiom. Im Erwachsenenalter liegt in der Regel ein kavernöses Hämangiom, bei Kindern ein kapilläres Hämangiom vor. Das kavernöse Hämangiom tritt häufiger bei Frauen im 2.–5. Lebensjahrzehnt auf. In der Regel sind es langsam wachsende Tumoren, während Schwangerschaften kann jedoch ein beschleunigtes Wachstum beobachtet werden.
Bildgebung In der CT sind die Tumoren meist nativ hyperdens und zeigen ein kräftiges Kontrastenhancement. Knöcherne Veränderungen treten auf, wenn der Tumor im Bereich des Canalis N. opticus auftritt. Im CT kann nach Kontrastmittelgabe ein so genanntes Sandwich-Zeichen oder Eisenbahnschienenzeichen gesehen werden. Dabei kommt der Nerv im Tumor liegend zur Darstellung. Analoges trifft für das MRT zu. Im MRT stellt sich das Optikusscheidenmeningeom in T1-gewichteten Sequenzen iso- bis leicht hypointens und leicht hyperintens in T2-gewichteten Se-
Bildgebung Im CT stellen sich die glatt begrenzten raumfordernden Tumoren nativ mit erhöhter Dichte und starkem Enhancement nach Kontrastmittelgabe dar. Verkalkungen sind normalerweise nicht zu erkennen. In der MRT ist das Bild der Hämangiome variabel (. Abb. 14.14). Auf T1-gewichteten Aufnahmen zeigen die Hämangiome eine überwiegend niedrige Signalintensität, die weitgehend isointens zur Muskulatur ist. Relativ typisch für das Hämangiom ist das Auftreten von kleinen Zonen erhöhter Signalin-
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Kapitel 14 · Orbita
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b . Abb. 14.13a–c. Optikusscheidenmeningeom. a In den T2w zeigt sich eine Raumforderung, die den N. opticus umgibt und isointens zur grauen Substanz ist. In den T1w ist der Tumor ebenfalls isointens zum Hirnparenchym, nach KM-Gabe nimmt der Tumor homogen KM auf, der N. opticus ist gut abgrenzbar (b, c)
rome, Schwannome, Hämangioperizytome oder benigne mesenchymale Tumoren. Die kapillären Hämangiome sind selten nach dem 3. Lebensjahr anzutreffen. Sie sind normalerweise nicht so gut umschrieben und nicht intrakonal gelegen. Die zahlreichen kleinen Gefäße in den kapillaren Hämangiomen stellen sich als punktuelle Hypointensitäten (Flow voids) dar.
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Orbitale venöse Anomalien
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tensität auf T1-gewichteten Aufnahmen, die durch Thromben erklärt werden. Auf T2-gewichteten Sequenzen sind die Hämangiome in der Regel signalintens im Vergleich zu den Augenmuskeln und dem N. opticus. In dynamischen MR-Sequenzen 20 min nach Kontrastmittelinjektion zeigt sich eine variable Kontrastmittel-Aufnahme mit einem starken Enhancement. Selten können kavernöse Hämangiome auch extrakonal auftreten. Hämangioperizytome haben ein ähnliches Erscheinungsbild wie im CT. Andere Differenzialdiagnosen betreffen Neurofib-
Diese Anomalien können eingeteilt werden in einen Typ mit venöser Verbindung (Varizen) und in solche ohne (Lymphangiome) venöse Verbindung. In der Regel ist kein arterieller Zufluss angiographisch nachweisbar. MR-angiographisch zeigt sich eine gemischte Signalgebung mit signalintensen Arealen (Thromben, Phlebolithen, Einblutungen und signalgeminderten Arealen) in den T1-gewichteten Sequenzen. Die histologische Differenzierung zwischen lymphatischen und venösen Veränderungen ist oft erschwert.
Orbitale Varizen Varizen sind venöse Malformationen mit dilatierten Venen, einhergehend mit Ptosis und retrobulbären Schmerzen. Eine Ptosis tritt beim Husten bzw. Pressen auf, wenn der intravenöse Druck ansteigt. Dieser Anstieg kommt vor, wenn die klappenlosen Venen durch Druckerhöhung dilatieren. Differenzialdiagnostisch können verdickte Venen bei intrakraniellen arteriovenösen Malformationen oder Sinus-carotis-cavernosus-Fisteln auftreten.
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. Abb. 14.14a–d. Kavernöses Hämangiom. a In T1-gewichteten Aufnahmen zeigen die Hämangiome eine überwiegend niedrige Signalintensität, die weitgehend isointens zur Muskulatur ist. Relativ typisch für das Hämangiom ist das Auftreten von kleinen Zonen erhöhter Signalintensität auf T1gewichteten Aufnahmen, die durch Thromben erklärt werden. b Nach KM-
Gabe kräftiges Enhancement. c, d In T2-gewichteten Sequenzen (mit Fettsättigung; STIR-Sequenz) sind die Hämangiome in der Regel signalintens im Vergleich zu den Augenmuskeln und dem N. opticus mit einer Inhomogenisierung
Bildgebung. Im CT zeigt sich eine intrakonale Masse mit er-
Lymphangiome
höhter Dichte, nach Kontrastmittelgabe kommt es zu einem kräftigen Enhancement. Im MRT können die verdickten Venen nachgewiesen werden. Schwieriger ist die Abgrenzung, wenn Thrombosen auftreten.
Lymphangiome (. Abb. 14.15) bestehen aus dysplastischen Gefäßkanälen (lymphatisch oder venös), losem Bindegewebe und glatten Muskelzellen. Es sind eher vaskuläre Hamartome, die aus Anlagen vaskulären Mesenchyms entstehen. Lymphangiome sind in der Regel extrakonale Raumforderungen, können aber in
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Kapitel 14 · Orbita
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b
. Abb. 14.15a, b. Lymphangiom. a Unscharf abgegrenzter Tumor, einem Lymphangiom entsprechend, mit Spiegelbildung in den STIR-Sequenzen
(T2-Kontrast). b In T1w isointens zu den Augenmuskeln und nach KM-Gabe inhomogenes Enhancement und Ausbreitung bis in die Orbitaspitze
jedem orbitalen Raum vorkommen. Diese Tumoren sind in der Regel nicht gut abgekapselt. Das mittlere Alter bei der Präsentation ist die 2. Lebensdekade, sie können aber auch schon bei Neugeborenen nachgewiesen werden.
Muskeln, eine Ptosis und Dilatation der V. ophthalmica superior sowie ein orbitales Ödem durch die venöse Hypertension.
Bildgebung
Klinik
Im CT zeigt sich die vergrößerte V. ophthalmica superior; eine beidseitige Erweiterung der orbitalen Venen kann auch bei erhöhtem intrakraniellen Druck auftreten. Daneben kann eine periorbitale Schwellung und eine Unschärfe des Bulbus aufgrund des konjunktivalen Ödems zu sehen sein. Der Sinus cavernosus kann konvex gegen die mittlere Schädelgrube vorgewölbt sein. Im MRT sind die Befunde ähnlich mit Darstellung der erweiterten V. ophthalmica superior. Daneben kann in so genannten STIR-Sequenzen eine Hyperintensität im retrobulbären Fettgewebe als Zeichen des Ödems dargestellt werden. In einer MRAngiographie kann ein mögliches Aneurysma des kavernösen Abschnitts der A. carotis interna als mögliche Ursache der Fistel dargestellt werden. Eine Angiographie in DSA-Technik kann die direkte Verbindung zwischen dem kavernösen Abschnitt der Carotis interna und dem Sinus cavernosus abbilden (. Abb. 14.16). Hierbei zeigen sich die venösen Abflüsse, die neben den ophthalmischen Venen, wie dem Sinus petrosus, als kortikale Venen sowie über den Sinus intracavernosus in das andere Auge stattfinden können.
Es zeigen sich oft ein pulsierender Exophthalmus, orbitale Geräusche und Bewegungseinschränkungen mit dilatierten konjunktivalen Gefäßen sowie ein Glaukom. Eine Sinus-carotis-cavernosus-Fistel verursacht eine Vergrößerung der extraorbitalen
! Kommt es zu einer Darstellung kortikaler Venen, ist in der Regel mit einem erhöhten intrakraniellen Blutungsrisiko zu rechnen.
Bildgebung. Im CT stellen sich die Lymphangiome mit irregu-
lären Grenzen und erhöhter Dichte und variablem Enhancement dar. Kalzifizierte Phlebolithen können nachgewiesen werden. Im MRT können Einblutungen in multiple oder singuläre Zysten mit Flüssigkeitsspiegel nachgewiesen werden.
Carotis-cavernosus-Fisteln und durale vaskuläre Malformationen Definition, Epidemiologie Die Carotis cavernosus-Fistel ist eine direkte Verbindung zwischen dem intrakavernösen Abschnitt der Carotis interna und dem Sinus cavernosus (. Abb. 14.16). Ursächlich sind meist penetrierende oder nicht penetrierende Traumen, in älteren Patienten können spontane Rupturen zu einer Sinus-cavernosus-Fistel führen. Spontane Sinus-carotis-cavernosus-Fisteln können auch bei Osteogenesis imperfecta, Ehlers-Danlos-Syndrom und Pseudoxanthoma elasticum auftreten.
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. Abb. 14.16a, b. DSA einer Carotis-cavernosus-Fistel. a Injektion in die A. carotis interna (i) der Gegenseite zeigt in a. p.-Projektion die Darstellung der Fistel (Pfeile) über den Sinus intrakavernosus und den vensösen Abfluss
über die V. ophthalmica. b In der Seitprojektion ist die erweiterte V. ophthalmica gut zu erkennen (Pfeile)
Die ipsilaterale Karotisinjektion zeigt den Ort der Fistel, das Ausmaß des Steal-Phänomens und die kortikale venöse Drainage. Die Injektion in die kontralaterale Carotis interna ist wichtig, um das Ausmaß des intrakraniellen Kollateralkreislaufs nachzuweisen, da eine Therapieoption der Verschluss der ipsilateralen Carotis interna ist, um die Fistel zu verschließen. Um die Fistel darstellen zu können, sollen auch die Vertebralarterien injiziert werden mit gleichzeitiger Kompression der ipsilateralen Carotis interna. Dabei zeigt sich dann eine Kontrastfüllung der Carotis interna über die A. communicans posterior retrograd in den supraklinoidalen Karotisabschnitt und in den Sinus cavernosus.
mica superior bzw. faziale Venen oder über den Sinus petrosus in den Sinus cavernosus. Falls diese Verfahren nicht zum Erfolg führen, bleibt oft nur noch der Verschluss der A. carotis interna. Bei nichttraumatischen Fisteln mit einem langsamen, geringen Shuntvolumen kann eine orbitale Kompression versucht werden, die dann zu einer Thrombose der Fistel in ca. 20% der Fälle führen kann. Eine Notfallindikation zur Therapie besteht bei akutem Visusverlust.
Differenzialdiagnose. Durale arteriovenöse Malformationen, die den Sinus cavernosus betreffen, sind von direkten Carotiscavernosus-Fisteln zu differenzieren. Klinisch treten die vorhandenen Symptome langsamer auf, beinhalten aber ebenfalls periokuläre Schmerzen, Lähmungen des 3., 4. und 6. Nervs und Visusreduktion. Falls die venöse Drainage nach hinten über den Sinus petrosus inferior erfolgt ist, ist unter Umständen keine venöse Kongestion mit einem roten Auge nachweisbar. Die Lähmung des 6. Hirnnervens kann durch eine venöse Kompression im Dorello-Kanal verursacht sein. Die arterielle Zufuhr erfolgt über Äste aus der A. meningohypophysialis, A. pharyngea ascendens, A. meningea media, A. meningea accessoria und Arterien des Foramen rotundum oder anderer meningealer Zuflüsse.
Therapie Sowohl die Sinus-carotis-cavernosus-Fistel als auch die duralen arteriovenösen Malformationen können durch interventionelle Verfahren behandelt werden. Bei einer direkten Carotis-cavernosus-Fistel kann der Fistelpunkt durch ablösbare Coils oder ablösbare Ballons verschlossen werden. Ein anderer Wege ist ein Verschluss des Fistelpunkts über einen Zugang über die V. ophthal-
Neurogene Tumoren Diese Läsionen können von orbitalen Ästen der Hirnnerven III, IV, V und VI, sympatischen und parasympatischen Nerven und dem Ganglion ciliare ausgehen. Schwannome stellen sich ähnlich wie in anderen Lokalisationen mit zystischen und soliden Komponenten und Blutabbauprodukten dar. Neurofibrome können lokal, diffus oder plexiform auftreten. Neurome können nach Traumen oder Operationen vorkommen.
Endokrine Orbitopathie Definition, Ätiologie Als eine Autoimmunerkrankung führt die endokrine Orbitopathie durch Einlagerung von Mukopolysacchariden in die Augenmuskulatur und das retrobulbäre Fett zu einem nicht schmerzhaften Exophthalmus. Dabei kann als Komplikation durch Optikuskompression eine progrediente Sehverschlechterung auftreten. Eine endokrine Orbitopathie kann bei euthyreoten und hyperthyreoten Personen auftreten. Frauen sind im Verhältnis 4:1 häufiger betroffen.
Klinik Bei Patienten mit einer klinischen endokrinen Orbitopathie zeigen 85% beidseitige Beteiligungen der Muskeln, 5% unilaterale Beteiligung und 10% der Patienten haben normale Muskeln. Am
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Kapitel 14 · Orbita
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b . Abb. 14.17a–c. Endokrine Orbitopathie. a In der koronaren fettsupprimierten STIR-Sequenz deutlich verdickte Mm. rectus lateralis, rectus medialis, rectus inferior und superior. b In den T1w ohne Fettsupprimierung sind die Muskel gut gegen das retrobulbäre Fettgewebe abgrenzbar. c Nach KMGabe, jetzt nach Fettsupprimierung deutliches Enhancement der verdickten Muskelbäuche v a. medialseitig (Pfeile)
Beteiligung des retrobulbären Fettgewebes dargestellt werden (. Abb. 14.17). Im akuten Stadium der endokrinen Orbitopathie ist auf T2-gewichteten Sequenzen der ganze Muskelabschnitt in den einzelnen Arealen wegen des Ödems hyperintens, v. a. in den STIR-Sequenzen über dem nicht betroffenen Gewebe. Dieser Befund bildet sich bei gutem Behandlungserfolg langsam zurück. Nach längerem Krankheitsverlauf sind die betroffenen Augenmuskeln wegen der Fibrosierung im T2-gewichteten Bild signalgemindert. Die Berechnungen der T2-Relaxationszeiten von betroffenen Augenmuskeln erlauben eine Abschätzung der entzündlichen Aktivität.
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häufigsten sind die Mm. rectus medialis und inferior betroffen. Der M. rectus lateralis ist, wenn überhaupt, nur sehr selten betroffen. Der M. levator palpebrae superioris kann ebenfalls beteiligt sein.
Bildgebung Im CT und MRT können die prominenten okulären Muskeln mit einer Verdickung vorwiegend im Bereich des Muskelbauchs und der Orbitaspitze beobachtet werden: es kann in axialen und koronaren Schichtungen die Verdickung der Muskulatur und die
Pseudotumor orbitae Definition, Ätiologie, Klinik Der Pseudotumor orbitae entspricht einer diffusen oder umschriebenen entzündlichen, retrobulbären Raumforderung unklarer Genese. In der Regel tritt er einseitig auf. Klinisch zeigt sich eine eingeschränkte okuläre Motilität, Chemosis, Lidschwellung und Schmerzen. Der Beginn ist häufig abrupt und spricht auf Steroide an, wobei aber auch eine chronische Form mit progredienter Fibrose und nur mildem Ansprechen auf Steroiden vorkommt. In diesen Fällen ist eine Chemotherapie oder Radiotherapie möglich. Der Pseudotumor orbitae kann als eine diffuse retrobulbäre Raumforderung mit verdickten Muskeln und Muskelansätzen auftreten. In >70% der Fällen tritt eine Ptosis auf.
431 14.3 · Pathologische Prozesse
Bildgebung Oft lässt sich erhöhte Dichte des orbitalen Fettgewebes im CT bzw. eine Hyperintensität in T2-gewichteten fettunterdrückten Sequenzen nachweisen (. Abb. 14.18). In den T1-gewichteten Aufnahmen stellt sich die retrobulbäre Raumforderung isointens zum Muskel und hypointens zum orbitalen Fettgewebe dar. In den T2-gewichteten Aufnahmen zeigt sich eine geringe Hyperintensität in den fettunterdrückten Sequenzen im retrobulbären Fettgewebe. Nach Kontrastmittelgabe kommt es nur zu einem geringen Enhancement. Differenzialdiagnostisch sind eine Wegener-Granulomatose, Polyarthritis nodosa, Sarkoidose und ein Lupus erythematodes bzw. Dermatomyositiden und rheumatoide Arthritiden anzuführen, bei denen ein Pseudotumor orbitae begleitend auftreten kann. Im Gegensatz zur endokrinen Orbitopathie ist die Kontur der verdickten Muskeln nicht glatt, die Ansatzstellen sind ebenso betroffen.
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Tolosa-Hunt-Syndrom Das Tolosa-Hunt-Syndrom ist eine idiopathische inflammatorische Entzündung, die den Sinus cavernosus und die Orbitaspitze betrifft. Klinisch zeigt sich eine schmerzhafte Ophthalmoplegie. Bildgebung. Im CT und im MRT kann die Dura mater und ein
verdickter Sinus cavernosus nachgewiesen werden. Pathologisch zeigen sich Lymphozyten und Plasmazellen, die die Dura mater infiltrieren. Nach Kontrastmittelgabe zeigt sich ein deutliches Enhancement des verdickten Gewebes.
Leukokorie Eine Leukokorie (weiße Pupillen) tritt auf, wenn Licht an der Retina reflektiert wird. Dies tritt dann auf, wenn die Passage des Lichts durch den Bulbus beeinträchtigt ist. Deshalb ist die Leukokorie ein unspezifisches Zeichen mit verschiedenen Ursachen. Retinoblastome können eine Leukokorie verursachen, was in der Hälfte der Fälle auftritt. Mögliche Ursachen einer Leukorie sind: 4 Retinoblastom 4 Kongenitaler Katarakt 4 Retinopathie bei Frühgeborenen 4 Chronische Retinaablösung bei retrolentaler Fibroplasie 4 Choroidales Hämangiom 4 Retinales Astrozytom 4 Primär persistierender hypoplastischer Glaskörper 4 Coats disease 4 Toxocara-canis-Infektion
Retinoblastom Epidemiologie, Klinik, Ätiologie Das Retinoblastom (. Abb. 14.19) ist der häufigste intraokuläre Tumor im Kindesalter. 98% der Fälle treten innerhalb der ersten 3 Lebensjahre auf. Klinische Zeichen sind eine Leukokorie, Strabismus, eingeschränkter Visus (besonders bei bilateralen Fällen), Retinaablösung, Glaukom, okulärer Schmerz mit Zeichen einer okulären Inflammation. Die meisten der Fälle treten als sporadische Mutationen auf (ca. 90%), während ca. 10% eine familiäre Häufung zeigen. Eine akkurate radiologische Diagnostik ist für eine zeitnahe Behand-
b . Abb. 14.18a, b. Pseudotumor orbitae. a Diffuse flächige Raumforderung mit Beteiligung v. a. der medialen und superioren Augenmuskeln (Pfeile). b Nach KM-Gabe kräftiges Enhancement. Im Gegensatz zur endokrinen Orbitopathie ist die Kontur der verdickten Muskeln nicht glatt, die Ansatzstellen sind ebenso betroffen
lung eminent wichtig. Familiäre Retinoblastome zeigen eine autosomal dominante Vererbung mit einer variablen Penetranz und einem bilateralen und multifokalen (gleicher Bulbus) Auftreten (30% der Fälle). Das Retinoblastomgen ist auf dem Chromosom 13 auf dem Locus Q 14 identifiziert worden. Retinoblastome mit einer sporadischen Mutation sind in der Regel unilateral und kommen in etwas späterem Lebensalter in familiären Formen vor. Es gibt auch eine seltene Form, bei der es histologisch zu einer diffusen Infiltration der Retina ohne eigentliche noduläre Tumormasse kommt. Diese Form tritt im Mittel im 6. Lebensjahr auf und ist unilateral mit einer Dissemination in den Glaskörper. Diese Form zeigt eine Retinaablösung mit Verdickung, Irregularität. Kalzifikationen fehlen in der Regel in diesen Fällen und machen dadurch die Differenzialdiagnose zur Akuterkrankung schwierig. Dadurch wird die Diagnose in diesen Fällen oft verzögert. Obwohl die Diagnose eines Retinoblastoms in der Regel ophthalmoskopisch gestellt werden kann, ist die Bildgebung wichtig, um die retrobulbäre Beteiligung, Metastasen, andere Tumoren und eine Beteiligung des N. opticus und der Lamina cribrosa zu diagnostizieren. Bei Retinoblastomen kann eine direkte Ausbreitung
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Kapitel 14 · Orbita
Pineoblastome können bei beidseitigem Retinoblastom auftreten. Ektope Retinoblastome sind auch in der parasellären und suprasellären Region beschrieben worden. Die Pinealis wird bei niedrigeren Tieren als drittes Auge bezeichnet und enthält Fotorezeptoren. Eine Beteiligung der Pinealis, normalerweise ein Pinealoblastom, assoziiert mit einem bilateralen Retinoblastom, wird oft als „trilaterales Retinoblastom“ bezeichnet.
Bildgebung
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Im CT zeigen sich beim Retinoblastom Kalzifikationen im hinteren Abschnitt des Bulbus mit Ausdehnung in den Glaskörper. Die Verkalkungen sind homogen oder irregulär und kommen in ca. 95% der Patienten vor. Finden sich bei einem Kind unter 3 Jahren okuläre Verkalkungen, so muss der Verdacht auf ein Retinoblastom gestellt werden. Treten keine Verkalkungen auf, ist die Diagnose eines Retinoblastom in dieser Altersgruppe unwahrscheinlich. Die Läsionen zeigen in der Regel nur ein schwaches Kontrastmittel-Enhancement. In der MRT zeigen sich die Retinoblastome mit einer geringen Hyperintensität in den T1- und einer Hypointensität in den T2gewichteten Sequenzen. Insbesondere die nicht kalzifizierenden Anteile sind weniger hypointens als die Verkalkungen. Die Hyperintensität in den T1-gewichteten Sequenzen kann durch Kalzium oder hämorrhagische Blutabbauprodukte (Methämoglobin) verursacht sein. Kommt es zu einer Retinaablösung, stellt sich diese in den T1-gewichteten Sequenzen hyperintens und mit variabler Intensität in den T2-gewichteten Sequenzen dar. Dies ist davon abhängig, ob es sich in dieser Läsion um eine proteinreiche Flüssigkeit bzw. um Einblutungen subretinal handelt. Eine koronare Schichtführung ist wichtig, um eine zusätzliche Beteiligung des Optikus nachzuweisen. Differenzialdiagnostisch ist an einen primären persistierenden hypoplastischen Glaskörper zu denken, an die CoatsErkrankung, eine Toxocara-canis-Infektion, Melanom und eine retrolentikuläre Fibroplasie. Das Vorliegen von Verkalkungen und das Alter der Patienten grenzen die Differenzialdiagnosen jedoch sehr stark ein.
Primär persistierender hypoplastischer Glaskörper Ätiologie, Klinik
b . Abb. 14.19a, b. Retinoblastom. a T2-Sequenz, intraokuläre Raumforderung mit moderatem Signal im Vergleich zur hohen Signalintensität des Glaskörpers, b geringe Hyperintensität in den T1-gewichteten Sequenz
in den Subarachnoidalraum über den N. opticus vorkommen. Metastasen kommen in der Regel beim Retinoblastom innerhalb der ersten 2 Jahre nach der Behandlung vor. Bei der familiären Form liegt die 35-Jahres-Mortalität bei knapp 60%. Bei diesen Fällen treten auch andere Tumoren auf, wie primitive neuroektodermale Tumoren, Pinealistumoren, osteokinetische Sarkome, Weichteilsarkome, maligne Melanome, Rhabdomyosarkome.
Ein persistierender hypoplastischer Glaskörper (PHPV) ist verursacht durch die Persistenz verschiedener Anteile des primären Glaskörpers (embryonale choroidale vaskuläre Strukturen) mit Hypoplasie des assoziierten embryologischen Bindegewebes. Klinisch kann ein PHPV sich als eine Leukokorie bei Neugeborenen darstellen. In der Regel zeigt sich ein Mikroophthalmus, die Linsen vor der Augenkammer können verkleinert erscheinen. Initial zeigt sich ein fibrovaskuläres Gewebe im retrolentikulären Raum, das in einem S-förmigen Verlauf (genannt Cloquet-Kanal) zwischen dem Eintritt des N. opticus und am Hinterrand der Linse auftritt.
Bildgebung Im CT zeigen sich in der Regel eine erhöhte Dichte im Bulbus und ein Enhancement des intravitrealen Gewebes nach Kontrastmittelgabe. Im Gegensatz zum Retinoblastom verkalkt ein PHPV normalerweise nicht. Einblutungen mit Flüssigkeitsspiegel kön-
433 14.3 · Pathologische Prozesse
nen in einigen Fällen nachgewiesen werden. Im MRT ist die Intensität unterschiedlich, die Darstellung des so genannten Cloquet-Kanals reicht dann jedoch für die Diagnose. > Die so genannte Norrie-Erkrankung ist eine Sonderform der PHPV mit ähnlichen okulären Läsionen, assoziiert mit Anfällen, mentaler Retardierung und Katarakt.
Coats-Erkrankung Definition, Epidemiologie, Klinik Die Coats-Erkrankung ist eine vaskuläre Anomalie, die klinisch schwierig vom Retinoblastom zu unterscheiden ist. Die Läsion tritt normalerweise unilateral auf. Bei teleangiektatischen Gefäße kommt es zu einem Austritt von Serum und Lipiden in die Retina und den subretinalen Raum. Klinisch auffällig werden die Patienten, wenn es zu einer Retinaablösung kommt. Die Symptomatik tritt in der Regel in den ersten 2 Lebensjahren auf, aber häufig werden die Patienten jedoch erst im 6. bis 8. Lebensjahr klinisch auffällig. Zwei Drittel der Patienten sind männlich.
Retrolentikuläre Fibroplasie Eine retrolentikuläre Fibroplasie tritt bei einer verlängerten Sauerstofftherapie bei Frühgeborenen auf. Die Ausbildung der Fibroplasie ist abhängig vom Geburtsgewicht und der Länge der Sauerstofftherapie und vom Alter des Frühgeborenen. In extremen Fällen kann eine retrolentikuläre Fibroplasie sich als bilaterale Leukokorie darstellen. Bildgebung. Im CT zeigt sich eine erhöhte Dichte in den hinteren Abschnitten des Bulbus, z. T. können Verkalkungen nachgewiesen werden.
Uveales Melanom Epidemiologie, Ätiologie Das maligne Melanom der Uvea ist der häufigste bösartige intraokuläre Tumor des Erwachsenen (. Abb. 14.20). In der schwarzen Bevölkerung sind sie selten anzutreffen. Prädisponierende Faktoren enthalten eine kongenitale Melanose, eine okuläre Melanozytose, okulodermale Melanozytose und uveale Nävi. Eine extraokuläre Ausbreitung ist für die Prognose entscheidend.
Bildgebung
Bildgebung
Im CT erscheint der Glaskörper hyperintens, Verkalkungen sind selten. Ein CT kann hilfreich bei der Abgrenzung zum Retinoblastom sein, auch wenn die nicht verkalkende Variante des Retinoblastoms genauso aussehen kann. Im MRT stellt sich die Läsion hyperintens in T1- und T2-gewichteten Sequenzen dar, wogegen das Retinoblastom in der Regel in den T1-gewichteten Sequenzen hypointens erscheint. Eine weitere Unterscheidung zum Retinoblastom ist, dass es bei der Coats-Erkrankung entlang der Retina zu einem Kontrastmittel-Enhancement kommt, während beim Retinoblastom eher ein noduläres KontrastmittelEnhancement auftritt. In der MR-Spektroskopie können die Lipide bzw. Proteolipide zu einem entsprechenden Peak führen.
Im Gegensatz zu anderen Tumoren zeigen sich melanotische Melanome in den T1-gewichteten Sequenzen hyperintens und hypointens in den T2-gewichteten Sequenzen. Freie Radikale, die in Melanin vorkommen, sind für die T1- und T2-Verkürzungen verantwortlich. Das Ausmaß der T1- und T2-Verkürzung ist abhängig vom Melaningehalt. Amelanotische Tumore weisen ein MR-Verhalten wie andere Tumoren mit einer Hypointensität in den T1- und einer Hyperintensität in den T2-gewichteten Sequenzen auf. Andere Läsionen mit einem ähnlichen Signalverhalten mit T1- und T2-Verkürzung sind subakute Blutungen (Methämoglobin) und Fett. Fettunterdrückte Sequenzen können jedoch Fett von melanotischen Tumoren eindeutig unterscheiden. Bei Melanomen kann eine Retinaablösung mit subretinalen proteinreicher Flüssigkeit auftreten, die dann in den T2-gewichteten Sequenzen hyperintens erscheint. Um ein Melanom eindeutig nachzuweisen, sind die T1- und T2-gewichteten Sequenzen unbedingt notwendig. Differenzialdiagnostisch ist eine senile Makuladegeneration in Betracht zu ziehen, bei der es zu einer Retinaablösung, Einblutungen und gliotischen Narben in der Makularegion durch Arteriosklerose der Gefäße vorkommen kann. Diese Läsionen können sich ähnlich wie ein Melanom verhalten. Die seltenen amelanotischen Melanome, in der Regel ca. 5% aller Melanome, zeigen ein uncharakteristisches Signalintensitätsverhalten im MRT, da der paramagnetische Melanineffekt fehlt. Deshalb können amelanotische Melanome in der MRT nicht von anderen, nicht melaninhaltigen Veränderungen eindeutig differenziert werden. Eine Hauptindikation der MRT beim Melanom ist der Ausschluss eines extraokulären Wachstums, hier ist die MRT der Sonographie überlegen.
Toxocara-canis-Infektion Epidemiologie, Klinik Eine Toxocara-canis-Infektion im Kindesalter tritt auf, wenn hundekotkontaminierte Lebensmittel aufgenommen werden. Die Eier des Nematoden Toxocara canis infiltrieren den Gastrointestinaltrakt und migrieren in den Körper. Eine okuläre Toxocara canis-Infektion resultiert, wenn Larven im Auge sterben und eine inflammatorische Reaktion auftritt, ähnlich wie bei der Zystizerkose im Gehirn. Dadurch kommt es zu einer Glaskörpertrübung und einer Retinaablösung. Okuläre Läsionen treten Monate bis Jahre nach der initialen Infektion auf. Diese chronische Endophthalmitis verusacht eine unilaterale Leukokorie.
Diagnose Antikörper gegen Toxocara canis sind hilfreich für die Diagnose. Bildgebung. Im CT zeigt sich eine diffuse Signalanhebung im
Bulbus ohne Nachweis von Verkalkungen. Die verdickte Sklera zeigt in der Regel ein deutliches Enhancement. Im MRT stellen sich die Läsionen signalangehoben in T1- und T2-gewichteten Sequenzen dar.
Choroidales Hämangiom Das choroidale Hämangiom ist ein vaskuläres Hamartom, das im mittleren und höheren Lebensalter auftritt. Es gibt dabei 2 Vari-
14
434
Kapitel 14 · Orbita
a . Abb. 14.20a, b. Aderhautmelanom. a In den T1-gewichteten Sequenzen charakteristisch leicht hyperintense Raumforderung (Pfeile), hypointens in den T2-gewichteten Sequenzen. Freie Radikale, die in Melanin vorkom-
b men, sind für die T1- und T2-Verkürzungen verantwortlich. b Nach KM-Gabe Enhancement des Tumors
anten, eine umschriebene solitäre Form, nicht assoziiert mit anderen Abnormalitäten und eine diffuse angiomatöse Läsion, die mit dem Sturge-Weber-Syndrom oder einem fazialen Naevus flammeus assoziiert ist.
14
Bildgebung. Im MRT stellt sich diese Läsion iso- bis leicht hyperintens in T1- und T2-gewichteten Sequenzen dar.
Medulloepitheliom Diese Tumoren stammen von der primitiven unpigmentierten Epithellinie des Ziliarkörpers. Sie kommen sowohl bei pädiatrischen als auch bei erwachsenen Patienten vor. Bildgebung. Das MR-Erscheinungsbild ist ähnlich eines Mela-
noms. Diese Tumoren sind benigne, z. T. mit lokal invasivem Wachstum. Extrem selten treten Metastasen auf.
Metastasen Metastasen bei Mamma-, Lungenkarzinom, Lymphom und Leukämie können im Bulbus auftreten (. Abb. 14.21). Choroidale Metastasen beim Mamma-, Bronchial-, Brust- oder Hoden-, Nieren- und gastrointestinalen Karzinomen zeigen häufig eine »en-plaque-Ausbreitung« mit geringer Tumordicke. Nach i. v.Kontrastmittelapplikation zeigt sich in der Regel ein kräftiges Enhancement und die Abgrenzung zu uvealen Strukturen kann verbessert werden.
Choroidale Osteome Choroidale Osteome sind gutartige Tumoren bei jungen Frauen.
. Abb. 14.21. Okuläre Metastase eines Bronchialkarzinoms. Die okulären Metastasen zeigen oft eine »en-plaque-Ausbreitung« mit geringer Tumordicke. Nach KM-Gabe kräftiges Enhancement des Tumors
Bildgebung. Diese Läsionen sind in der Regel unifokal und zeigen eine Verkalkung im CT. Punktförmige Verkalkungen im hinteren Abschnitt des Bulbus, gewöhnlich temporal des N. opticus gelegen, führen zur Diagnose. Differenzialdiagnostisch ist an Metastasen, muzinöse Adenokarzinome, Leukämien oder lymphomatöse Infiltrate, Makula- und retinale Einblutungen zu denken. Zudem ist eine Abgrenzung zu amelanotischen Melanomen und choroidalen Hämangiomen wichtig, die beide in der Regel nicht verkalken.
435 14.3 · Pathologische Prozesse
Vogt-Koyanage-Harada-Syndrom Dies ist eine systemische Erkrankung mit bilateraler Panuveitis, exsudativer retinaler Ablösung und einer Hyperämie des N. opticus, assoziiert mit kutanen und neurologischen Symptomen, wie Vitiligo, Alopezie, Meningismus und Dysakusis. Bildgebung. Im MRT findet sich eine diffuse choroidale Verdi-
ckung mit Aussparung der Sklera. Diese Befunde differenzieren das Syndrom von einer posterioren Skleritis, welche sowohl die Choroidea als auch die Sklera befällt. Im CT kann in der Regel die Choroidea von der Sklera nicht differenziert werden.
Interokuläre Hämorrhagie nach Subarachnoidalblutung Eine retinale Hämorrhagie tritt in 18–41% bei Erwachsenen und bis zu 70% bei Kindern mit Subarachnoidalblutung auf. Kommt es zusätzlich noch zu einer Glaskörpereinblutung, wird von einem Terson-Syndrom gesprochen. Als Ursache wird ein plötzlicher intrakranialer Druckanstieg angenommen, der zu einer Kompression der zentralen retinalen Venen und zu einer intraokulären Hämorrhagie führt. Eine intraokuläre Hämorrhagie ist aber auch bei HIV-Patienten mit einer CMV-Retinitis beobachtet worden.
Okuläre Hypotonie und Ablösung der Choroidea Eine okuläre Hypotonie wird definiert als ein niedriger Druck im Bulbus, die sekundär nach Operationen, Traumen oder einer Glaukomtherapie auftritt. Eine hämorrhagische choroidale Ablösung kann nach penetrierenden Verletzungen oder interokulären Operationen auftreten, wird verursacht durch eine Ruptur eines choroidalen Gefäßes und ist in der Regel mit einer schlechten Prognose behaftet. Das MRT kann hilfreich sein in der Abgrenzung hämorrhagischer choroidaler Ablösungen von serösen choroidalen Veränderungen. Bildgebung. Im CT bzw. MRT kann eine uvosklerale Entfaltung
nachgewiesen werden. Im MRT können die unterschiedlichen Blutabbauprodukte, abhängig vom Alter der Blutung nachgewiesen werden. Seröse choroidale Ablösungen zeigen sich in der Regel mit einer Signalanhebung in T1- und T2-gewichteten Sequenzen.
14.3.3
Kommen noduläre Verdickungen vor, kann es zu Schwierigkeiten in der Abgrenzung eines Melanoms führen, bei einer diffusen Verdickung sind die Veränderungen ähnlich wie beim Lyphom.
14.3.4
Weitere okuläre Erkrankungen
Staphylom Staphylome und Kolobome können im CT oder MRT nachgewiesen werden. Staphylome sind erworbene Defekte der Sklera oder Cornea. Sie sind von uvealem Gewebe begrenzt. Staphylome treten v. a. temporal der Eintrittsstelle des N. opticus auf und zeigen eine nach außen gerichtete Wölbung mit einer uvoskleralen Ausdünnung ohne Kontrastmittel-Enhancement.
Kolobome Ein Kolobom (. Abb. 14.22) ist ein kongenitaler Defekt okulärer Strukturen. Das typische Kolobom zeigt eine konusförmige Deformität im inferomedialen Abschnitt des Bulbus. Es wird verursacht durch einen inkompletten Verschluss der choroidalen Fissur, die in einer abnormalen Elongation und einem missgebildeten Bulbus oder einer okulären Zyste an der Seite der fetalen optischen Fissur resultiert. Es kann Teil eines so genannten CHARGE-Syndroms (Kolobom, Herzfehler, Adhäsie der Choanen, retardiertes Wachstum, Ohrabnormalitäten) sein. Andere Syndrome, bei denen ein Kolobom auftreten kann, sind eine Meckel-Syndrom, Trisomie 13, Golden Haar-Syndrom, Rubinstein-Taybi-Syndrom, Aicardi-Syndrom und WaardenburgAnophthalmie-Syndrom. Bei einer seltenen autosomal dominanten Form kommt es in bis zu 60% der Fälle zu bilateralen Kolobomen.
Phakomatosen Astrozytäre gliale Hamartome werden bei der tuberösen Sklerose, Neurofibromatose und selten bei von Hippel-Lindau-Erkrankungen beobachtet. Im CT zeigt sich eine fokale Verkalkung der Retina, die mit einem Retinoblastom verwechselt werden kann. Bei der von Hippel-Lindau-Erkrankung kommt es zu retinalen Angiomatosen. Über Hämangioblastome des retrobulbären N. opticus und Orbita sind bei der von Hippel-Lindau-Erkrankung ebenfalls berichtet worden. Bei der Sturge-Weber-Erkrankung können choroidale Hämangiome auftreten.
Okuläre Infektionen Makroophthalmie
Zytomegalievirus ist die häufigste Infektion der Retina und Choroidea. Bis zu einem Viertel der Patienten mit AIDS haben CMV. Im CT können aufgrund der Hämorrhagien eine Hyperdensität, im MRT abhängig vom Alter der Blutung, Veränderungen nachgewiesen werden. Andere Veränderungen bei AIDS sind Toxoplasmose, Herpes simplex und Herpes Zoster.
Die häufigste Ursache eines vergrößerten Bulbus ist die Myopie. Andere Ursachen, die zu einem vergrößerten Bulbus führen, sind ein kongenitales Glaukom (Buphthalmus, Kollagenerkrankungen (Marfan-Syndrom), posteriores Staphylom, Kolobom, juveniles Glaukom bei Patienten mit Sturge-Weber-Syndrom, Proteus-Syndrom und Neurofibromatose)).
Posteriore Skleritis
Mikrophthalmie
Eine posteriore Skleritis kann infektiös, bakteriell, viral oder fungal oder autoimmun (Kollagenosen) bedingt sein. Sie werden eingeteilt in akute und chronische Stadien. In der Regel zeigen sich eine Verdickung und ein Enhancement der Sklera und Uvea.
Ein verkleinerter Bulbus kann bei kraniofazialen Anomalien, kongenitaler Masernerkrankung, persistierenden hypoplastischem Glaskörper, Retinopathie, Frühgeborenenretinopathie und einer Phthisis bulbi nach traumatischer Verletzung vorkom-
14
436
Kapitel 14 · Orbita
Makroophthalmus 4 PHPV 4 Trisomie 13 (Patau-Syndrom) 4 Operation 4 Fetale Röteln, Varizellen, Herpes simplex, Infektionen 4 Holoprosencephalie 4 Phthisis bulbi 4 Retinopathie bei Frühgeburt 4 Bestrahlung 4 CHARGE-Syndrom 4 Kinder von Müttern mit Diabetes mellitus 4 Fetales Alkoholsyndrom 4 Lowe-Syndrom (okulozerebrorenales Syndrom: kleine Orbita, kleiner Bulbus, okuläre Hypotonie, Retardation, pathologische Frakturen, periventrikuläre Läsionen der weißen Substanz, Pseudohypoparathyreoidismus)
a
14.3.5
Systemerkrankungen mit Beteilung der Orbita
Myositis Die Myositis (. Abb. 14.23) kann als Komplikation im Bereich der Nasennebenhöhlen, von Autoimmunerkrankungen, z. B. Lupus erythematodes, oder auch idiopathisch auftreten. Bei der akuten Form mit Bewegunsgeinschränkungen des betroffenen Muskels kommt es zu schmerzhaften Doppelbildern. b
14
. Abb. 14.22a,b. Kolobom mit konusförmiger Deformität (Pfeile, b) im inferomedialen Abschnitt des Bulbus. Sagittale Rekonstruktion in der MSCT
men. Als Anophthalmien wird das komplette Fehlen okulären Gewebes bezeichnet.
Ursachen eines Mikro- und Makroophthalmus Mikroophthalmus: 4 Aniridie 4 Axiale Myopie 4 Kongenitales Glaukom 4 Ehlers Danlos 4 Homocystinurie 4 Intraokuläre Raumforderung 4 Lowe-Syndrom 4 Marfan-Syndrom 4 Neurofibromatose I 4 Proteus-Syndrom 4 Staphylom 4 Sturge-Weber 4 Weill-Marchesani-Syndrom (Kleinwuchs, Brachyzephalus, Linsenektopie, Stiff joints, Short limbs) 6
Bildgebung. Die entzündliche Myositis zeigt im Gegensatz zur endokrinen Orbitapathie in den T2-gewichteten Sequenzen eine größere, relative homogene Signalintensitätszunahme gegenüber dem normalen Muskelgewebe. In den T1-gewichteten Bildern sind die betroffenen Augenmuskeln hypointens und zeigen keine Unterschied zur nicht erkrankten Muskulatur. Die Entzündung ist typischerweise nicht im Bereich des hinteren Muskelabschnitts, sondern in der Ansatzregion des Muskels am Bulbus lokalisiert. Neben dem unterschiedlichen Signalintensitätsverhalten ist auch durch die Befundlokalisation eine Differenzierung von Myositis und endokriner Orbitopathie möglich.
Sarkoidose 25% der Patienten mit einer Sarkoidose haben eine Orbitabeteiligung. Eine isolierte Orbitabeteiligung ist selten und normalerweise auf die Tränendrüse limitiert. Am häufigsten sind eine Uveitis sowie eine Involvierung der Tränendrüse, des N. opticus und der Optikusscheide, Chiasmas und des retrobulbären Gewebes.
Wegener-Granulomatose Die Wegener-Granulomatose ist charakterisiert durch granulomatöses inflammatorisches, z. T. nekrotisches Gewebe, eine Vaskultis mit Beteiligung der Arterien, Venen und Kapillaren. Bis zu 54% der Patienten mit einem Morbus Wegener haben neurologische Symptome, die Häfte davon eine Beteiligung der Orbita.
437 14.3 · Pathologische Prozesse
a
b . Abb. 14.23a–c. Myositis. a Die entzündliche Myositis zeigt im Gegensatz zur endokrinen Orbitapathie in den T2-gewichteten Sequenzen eine größere, relative homogene Signalintensitätszunahme gegenüber dem normalen Muskelgewebe (Pfeile). b In den T1-gewichteten Bildern sind die betroffenen Augenmuskeln hypointens und zeigen keine Unterschied zur nicht erkrankten Muskulatur. Die Entzündung ist typischerweise nicht im Bereich des hinteren Muskelabschnitts, sondern in der Ansatzregion des Muskels am Bulbus lokalisiert. c Homogene KM-Aufnahme der beteiligten Muskeln
genes Enhancement. Die klassische Läsion zeichnet sich durch ein homogenes Enhancement der Masse mit Beteiligung der Sinus- und Knochendestruktion aus. Die häufigste neurologische Manifestation ist eine periphere kraniale Neuropathie, Ophthalmoplegie, Horner-Syndrom, Papillenödem, Hörverlust, Kopfschmerzen, Meningitis, Myelopathie, Zerebritis, Stroke und Anfälle. Eine Wegener-Granulomatose sollte in Betracht gezogen werden bei leptomeningealem Enhancement mit ophthalmischen und neurologischen Symptomen. c
Die häufigste okuläre Manifestation des Morbus Wegener ist eine Keratitis und Skleritis, wobei die orbitale Beteiligung in knapp 2% der Fälle auftritt.
Diagnose Der Nachweis neutrophiler Antikörper gilt als sensitiv für die Diagnose der Erkrankung. Bildgebung. In den T2-gewichteten Sequenzen zeigen sich eine
relative Hypointensität des orbitalen Fettgewebes und ein homo-
Lymphome der Orbita Lymphome (. Abb. 14.24) können als primäre orbitale Tumoren oder bei systemischen Lymphomen auftreten. In der Regel sind ältere Patienten betroffen mit langsam progredienten Schmerz, periorbitale Schwellungen mit geringer ausgeprägter Ptosis. Bildgebung. Im CT zeigt sich eine diffuse infiltrierende Raumforderung mit Destruktion der normalen orbitalen Architektur, sodass anatomische Strukturen nicht mehr identifiziert werden. Die Erkrankung kann sich ähnlich wie ein diffuser Tumor der Orbita darstellen. Die Läsion kann in die Muskeln infiltrieren und/oder die Tränendrüse befallen. Knöcherne Destruktionen sind relativ selten.
14
438
Kapitel 14 · Orbita
a
b . Abb. 14.24a–c. Lymphom. Es zeigt sich eine diffuse infiltrierende Raumforderung mit Destruktion der normalen orbitalen Architektur, sodass anatomische Strukturen nicht mehr identifiziert werden. a T1w, b T2w mit Fettsupprimierung. c Nach KM-Gabe lassen sich außer dem N. opticus die retrobulbären Strukturen nicht mehr abgrenzen (Pfeile)
14.3.6
14
Andere Erkrankungen der Orbita, inklusive Neoplasien
Infektionen
c
Hyperproliferative Veränderungen nach Transplantationen Dieses Problem kommt in ca. 2–3% der Patienten nach Organtransplantationen vor und wird gewöhnlich innerhalb des ersten Jahres nach der Transplantation manifest. Es wird hervorgerufen durch eine Epstein-Barr-virusinduzierte B-Zell-Proliferation durch einen T-Zell-vermittelten Prozess. Es zeigt sich eine Weichteilmasse im Bereich der Tränendrüse mit deutlichem Kontrastenhancement. Im Gegensatz zum Lymphom kann bei der posttransplantationsbedingten lymphoproliferativen Erkrankung mit Destruktion der knöchernen orbitalen Begrenzungen auftreten.
Die Periorbita (auch Periost) kleidet die Orbita aus. Das orbitale Septum ist eine fibröse Barriere, welche in das orbitale Periost übergeht und ein Ausbreiten von Infektionen verhindert. Das orbitale Septum teilt die Orbita in einen oberflächlichen anterioren präseptalen Raum und einen tiefen postseptalen Raum. Klinische Manifestationen einer präseptalen Zellulitis sind eine schmerzlose Schwellung und ein Ödem der Haut und subkutanem Gewebe des Augenlides. In der Regel zeigen sich keine Ptosis und keine Störung der Okulomotilität bzw. Chemosis. Im CT und MRT zeigen sich keine Abnormalitäten im postseptalen Raum. Eine orbitale, postseptale Zellulitis ist in der knöchernen Orbita, dem orbitalen Septum lokalisiert. Klinisch zeigt sich eine schmerzvolle Ophthalmoplegie, Ptosis, Chemosis und unter Umständen eine Visuseinschränkung. Bildgebend lässt sich eine Inflammation ohne Abszessformation in der Orbita nachweisen. Ursächlich kommen eine Sinusinfektion, bakterielle Infektionen der Haut (sekundär nach Trauma, Infekten oder Fremdkörper) infrage. Im CT können im Vergleich zur MRT die knöchernen Strukturen sowie die luftgefüllten Sinus und Fremdkörper besser dargestellt werden (. Abb. 14.25). Im CT kann zwischen einer präseptalen Zellulitis, orbitalen Zellulitis und einer subperiostalen Infektion unterschieden werden. Eine präseptale Zellulitis zeigt eine Schwellung und Oblite-
439 14.3 · Pathologische Prozesse
a
b
c . Abb. 14.25a–c. Orbitaphlegmone linke Orbita. a Im koronaren CT ausgedehnte Verschattung der Siebbeinzellen und der Kieferhöhlen. b Im MRT in den T2w Verschattung auch in den Stirnhöhlen; in den T1w und nach KM (c) Darstellung der entzündlich veränderten Schleimhäute mit kräftigem KM-Enhancement in den apikalen Orbitaabschnitten links (Pfeile)
ration des präseptalen Weichteilgewebes ohne Ausbreitung in die tiefen orbitalen Strukturen. Bei einer orbitalen (postseptalen Zellulitis) zeigt sich eine intra- oder extrakonale Weichteilraumforderung. Ein ringförmiges Enhancement ist dringend verdächtig auf einen Abszess. Die Weichteilmasse entlang der knöchernen Strukturen der Orbitawand mit Verlagerung der Muskel mit einem dünnen Streifen extrakonalen Fettgewebes spricht für eine subperiostale Infektion, eine Komplikation einer Sinusitis der NNH. In der Regel zeigen sich eine Schwellung, Chemosis, Ptosis und eingeschränkte Bewegung der Augenmotilität auf der Seite des subperiostalen Abszesses. Die übliche Lokalisation ist die mediale Orbitawand, angrenzend an die Ethmoidalzellen. Orbitale Infektionen können eine Venenthrombose oder eine Thrombose der orbitalen Venen mit Ausbreitung in den Sinus cavernosus hervorrufen. Es wichtig, auch das Gehirn mitabzubilden, um einen frontobasalen epiduralen Abszess, ein subdurales Empyem oder einen intraparenchymalen Abszess auszuschließen. Opportunistische Infektionen, wie sie bei AIDS vorkommen, involvieren die anterioren und posterioren Segmente des Auges. Bei HIV-Patienten muss an eine orbitale Aspergillose gedacht werden. Beim Herpes Zoster ophthalmicus zeigen sich Bläschen entlang des Versorgungsgebiets des ersten Asts des N. trigeminus. Der Herpes Zoster ophthalmicus kommt sowohl bei immunsupprimierten als auch nicht immunsupprimierten Patienten vor. Wenn der Patient älter als 45 Jahre alt ist, sollte an eine HIV-Infektion gedacht werden. Ein Rhinosklerom ist eine granulomatöse Erkrankung, die endemisch in Afrika, Asien, Südamerika und Osteuropa vorkommt und durch Klebsiella rhinoscleromatis verursacht wird. Das radiologische Erscheinungsbild ist ähnlich eines malignen Tumors.
Tränendrüsenläsionen Die Tränendrüse ist eine präseptale Struktur zwischem anteriorem und medialem Septum. Eine Obstruktion des Sackes oder des Ductus nasolacrimalis kann zu einer Dilatation und Inflammation (Dakryozystitis) führen. Traumata können zu einer Unterbrechung der normalen lakrimalen Drainage mit Epiphorie und Dakryozystitis führen. Tumoren der Tränendrüse sind relativ selten. 50–60% der Tränendrüsentumoren sind pleomorphe Adenome, wobei in 5– 10% der Fälle Karzinomanteile im Adenom vorkommen können. Adenoidzystische Karzinome sind in 20–30% der Fälle und andere Karzinome in weiteren 5–10% der Fälle nachweisbar. In der MRT zeigt sich, dass das pleomorphe Adenom in T1-gewichteten Sequenzen weitgehend homogen ist und eine annähernd gleiche Signalintensität wie die graue Hirnsubstanz hat. In T2-gewichteten Sequenzen kommt eine deutliche inhomogene signalangehobene Struktur zur Darstellung, wobei flüssige Anteile eine hohe Signalintensität gegenüber der Muskulatur zeigen und solide Anteile weitgehend isointens hierzu sind. Lymphome der Tränendrüse und Tränendrüsenpseudotumoren sind auf T2-gewichteten Aufnahmen häufig relativ signalarm mit weitgehender Isointensität zum Fett. Das pleomorphe Adenom verändert die Außenkontur der im Normalfall mantelförmigen Tränendrüse und reichert inhomogen Kontrastmittel an. Lymphome hingegen ver-
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440
Kapitel 14 · Orbita
größern die Tränendrüse meist unter Erhaltung der Mantelform und zeigen eine sehr homogene Signalverstärkung.
Mukozelen Mukozelen (. Abb. 14.26) sind expansive extrakonale Raumforderungen, die bei Obstruktion eines Sinus auftreten und klinisch mit Diplopie und Ptosis einhergehen. Die häufigste Lokalisation ist der Sinus frontalis und Sinus ethmoidalis. Meistens haben die Patienten häufig Sinusitiden, allergischer oder traumatischer Genese. Bildgebung. Im CT zeigt sich eine isodense weichteildichte Raumforderung mit randständiger Kontrastanhebung. Eine Auslenkung und Ausdünnung der knöchernen Strukturen kann oft nachgewiesen werden. Im MRT zeigen die Mukozelen eine variable Intensität, abhängig vom Proteingehalt und der Viskosität der Binnenstruktur. Im Gegensatz zur Neoplasmen zeigen sie ein peripheres Kontrastmittel-Enhancement.
Dermoide Dermoidzysten sind die häufigste benigne kongenitale Läsion der Orbita und machen ca. 1–2% aller Orbitaraumforderungen aus. Gewöhnlich werden sie erst im Erwachsenenalter klinisch manifest durch Ruptur, die zu einer granulomatösen Infektion und narbigen Veränderungen führt. Dermoidzysten stammen von epithelialen Zellen, meist im superiorlateralen Anteil der Sutura frontozygomatica, der Fossa lacrimalis. Diese Läsionen sind extrakonal gelegen und verlagern den Bulbus nach median und inferior. Bildgebung. Im CT zeigt sich eine gut umschriebene, nicht kon-
trastmittelaufnehmende Läsion mit niedrigen Hounsfield-Einheiten (Fettanteile). Ausdünnung der Knochen und Verkalkungen können manchmal nachgewiesen werden. Im MRT stellen sich diese Läsionen in den T1-gewichteten Sequenzen mit hohem Signal dar, welches mit fettunterdrückten Sequenzen supprimieren lässt.
14 a
b
c
d
. Abb. 14.26a–d. Mukozele, 53-jähriger Patient mit Schmerzen und Schwellung am rechten Auge. a Im CT zeigt sich eine hyperdense Raumforderung in den hinteren Ethmoidalzellen mit Ausbreitung in die mediale Orbita (Pfeile). b In Knochenfenstereinstellung knöcherne Läsion in der Lamina papyracea und Einbruch der Raumforderung in die Orbita mit Verlage-
rung des M. rectus medialis. c Im MRT stellt sich die Raumforderung in den axialen T2w Schichten inhomogen hyperintens dar. d In den T1w stellt sie sich nach KM-Gabe mit eher homogenen Enhancemen dar, intraorbital im extrakonalen Raum
441 14.3 · Pathologische Prozesse
a
. Abb. 14.27. Rhabdomyosarkom. T1-gewichtete SE-Sequenz, fettunterdrückt, diffuse Infiltration der Orbita dorsal und des retromaxillären Raums (Pfeile), Tumor mit hoher KM-Aufnahme (Pfeile)
Rhabdomyosarkom Epidemiologie, Klinik Das orbitale Rhabdomyosarkom (. Abb. 14.27) ist der häufigste primär maligne Orbitatumor im Kindesalter und die häufigste Manifestation von Kopf- und Halsrhabdomyosarkomen. Das mittlere Erscheinungsalter liegt bei 8 Jahren; 90% treten vor dem 16. Lebensjahr auf. Die Patienten zeigen häufig einen schnell auftretenden schmerzlosen Exophthalmus, ca. 10% haben Kopfschmerzen. Bei der klinischen Untersuchung zeigt sich häufig dann schon eine palpable Raumforderung und konjunktivale Chemosis und Ophthalmoplegie. Primäre orbitale Rhabdomyosarkome stammen von primitiven orbitalen mesenchymalen Zellen, während ein sekundärer Befall über die extraokulären Muskeln, Nasopharynx oder paranasale Sinus vorkommt.
Bildgebung Im CT stellt sich die Raumforderung isodens bis leicht hyperdens dar mit uniformem Enhancement. Meist ist die Raumforderung hinter dem Bulbus (50%) gelegen, in 25% über, in 12% unter dem Bulbus. Wichtig für die Prognose ist die Ausbreitung des nativ gut umschriebenen Tumors.
Orbitale Metastasen Epidemiologie, Klinik, Lokalisation In 2–9% der orbitalen Raumforderungen handelt es sich um Metastasen (. Abb. 14.28), die am häufigsten von einem Bronchial-, Mamma-, gynäkologischen oder gastrointestinalen Karzinom ausgehen. Sie machen ungefähr 10% der orbitalen Tumoren aus. Die Patienten klagen oft über Doppelbilder, Ptosis, Augenlid-
b
c . Abb. 14.28a–c. Infiltrative retrobulbäre Raumforderung einer orbitalen Metastase. Die Läsionen sind im MRT meist isointens bis leicht hypertens (a T1w und b T2w) und zeigen ein deutliches Enhancement nach Kontrastmittelgabe (c). Mamma- und Lungenkarzinome machen ungefähr 50% der orbitalen Metastasen aus
schwellung, Schmerzen und Visusverlust. Der große Keilbeinflügel ist die häufigste Lokalisation von knöchernen Metastasen.
Bildgebung Im CT lässt sich die orbitale und kraniale Tumorausbreitung abgrenzen. Die Läsionen sind im MRT meist isointens bis leicht hyperdens und zeigen ein deutliches Enhancement nach Kontrastmittelgabe. Das Bild einer infiltrativen retrobulbären Raum-
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Kapitel 14 · Orbita
forderung mit Enophthalmus ist meist charakteristisch für ein zirrhöses Mammakarzinom. Mamma- und Lungenkarzinome machen ungefähr 50% der orbitalen Metastasen aus. Metastasen eines Neuroblastoms, der zweithäufigste Tumor nach Rhabdomyosarkom im Kindesalter, machen 8% der initialen Orbitaläsionen aus. Neuroblastome können von Rhabdomyosarkomen durch ihre hohen Dichtewerte und ihre fehlende präseptale Ausbreitung vom Rhabdomyosarkom abgegrenzt werden. > Zudem sollte differenzialdiagnostisch auch an ein Ewing-Sarkom gedacht werden, insbesondere bei plötzlicher Proptosis und orbitalen Einblutungen.
14.3.7
Primäre knöcherne Läsionen
Fibröse Dysplasie Definition, Klinik Bei der fibrösen Dysplasie (. Abb. 14.29) ist normaler Knochen durch unreifen Knochen und Osteoid von einer zellulären fibrösen Matrix ersetzt. Schmerzen, Schwellungen und Konturveränderungen können auftreten. Eine maligne Transformation ist äußerst selten, meist assoziiert mit einer vorangegangenen Radiatio. Die meisten orbitalen fibrösen Dysplasien sind monoostotisch, aber multiple Knochen der Schädelbasis mit Überschreiten der Konturen können vorkommen. Das typische Erscheinungsbild ist das so genannte Milchglasmuster in Übersichtsaufnahmen. Klinisch kann eine fibröse Dysplasie durch Visuseinschränkungen, Proptosis und orbitale Raumforderungen manifest werden.
Diagnose Diagnostisches Vorgehen. Pathologische Veränderungen im
Bereich der Orbita stützen sich primär auf die klinische Diagnostik. Funduskopie und Fluoreszenzangiographie erlauben mit hoher Sicherheit eine konklusive Diagnose. Bei Trübung der brechenden Medien sind sie jedoch nicht einsetzbar. Die nicht-invasive Ultraschalluntersuchung stellt den nächsten Untersuchungsgang dar. Bei intrabulbären Veränderungen liefert diese Methode mit hoher Sicherheit eine artdiagnostische Zuordnung. Indikationen zur MRT bestehen in der Differenzierung des malignen melanotischen Aderhautmelanoms von einer älteren Blutung. Die CT wird zum Ausschluss eines Retinoblastoms eingesetzt. Auch bei retrobulbären Raumforderungen kann die CT, ähnlich wie die MRT, eingesetzt werden. Differenzialdiagnostisch sollte an einen Morbus Paget und Meningeome, welche ebenfalls zu einer homogenen Verdickung des Knochens führen können, gedacht werden. Weitere seltenere Läsionen sind das eosinophile Granulom, Osteome, ossifizierende Fibrome, Osteoblastome, Osteosarkome, aneurysmatische Knochenzysten.
14.3.8
Traumen
Traumen mit und ohne Bulbusperforation Bei einer perforierenden Bulbusverletzung (. Abb. 14.30) wird das diagnostische Vorgehen vom Ausmaß und vom zeitlichen Abstand zum Trauma beeinflusst. Ist ein Fremdkörper opthalmologisch sichtbar, muss aufgrund der Anamnese entschieden werden, ob weitere Fremdkörper vorliegen können.
14 a
. Abb. 14.29a, b. Fibröse Dysplasie mit Infiltration der Maxilla und Pellotierung des retromaxillären Raums. a T2-gewichtete STIR-Sequenz, die ossä-
b
re Beteiligung signalarm konfluierend, homogen; b T1-gewichtete Sequenz mit peripherer KM-Aufnahme im Aktivitätssaum (Pfeile)
443 14.3 · Pathologische Prozesse
a
a
b b
. Abb. 14.31a, b. Bulbuseinblutung bei stumpfem Trauma (Autounfall). a T2w mit Spiegelbildung im Bulbus, b FLAIR
Besteht die Notwendigkeit, Traumafolgen unabhängig vom Fremdkörpernachweis abzuklären (Schädelhirntrauma, Mittelgesichtsfrakturen), ist in der Regel primär eine CT indiziert. Die Untersuchungsmethoden müssen die intraokulären Strukturen darstellen sowie einen Fremdkörper als Ursache ausschließen. Bei einem Bulbustrauma ohne Perforation kommen bildgebende Verfahren nur bei Transparenzverlust der optischen Medien zum Einsatz, um intraokuläre Schäden nachzuweisen (. Abb. 14.31). c . Abb. 14.30a–c. Bulbusperforation durch einen metallenen Fremdkörper. a Lokalisation im Röntgenbild in a. p.- und b Seitprojektion. c Darstellung im CT
Orbitatraumen Die Orbita stellt einen anatomisch klar definierten, von Schädelsklett und Lidapparat umschlossenen Raum dar. Einerseits
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14
Kapitel 14 · Orbita
besteht er aus einen stabilen Ring aus Os frontale, Os zygomaticum und Os maxillare, andererseits wird die Orbita aber auch durch knöcherne Strukturen mit nur geringer Stabilität gebildet; hierzu zählen das Os lacrimale, Os ethmoidale und Orbitaboden. Bereits relativ geringe Gewalteinwirkung kann hier bereits zu Frakturen führen (. Abb. 14.32). Der knöcherne Orbitatrichter wird von einem nur lose auf der Knochenoberfläche aufsitzenden Periostschlauch, der Periorbita bedeckt. Dadurch ist ein potenzieller Spaltraum für die Ansammlung von Flüssigkeit mit entsprechenden Kompressions- und Verlagerungseffekten gegeben. Der N. opticus ist in der Orbita aufgrund seiner zentralen Lage relativ gut bei Traumata geschützt. Lediglich der Canalis opticus stellt hier eine Gefahrenzone dar, weil Scher- und Kompressionseffekte zu meist irreversiblen, bildmorphologisch eher selten nachweisbaren Schädigungen führen kann. Folgende Traumata kommen vor: 4 Traumen, die zu einer direkten Fraktur der Orbitawandstrukturen führen und dabei in unterschiedlichem Ausmaß die Orbitaweichteile miteinbeziehen. 4 Kraftwirkungen, die eine starke Erhöhung des hydrostatischen Drucks in der Orbita bewirken und sowohl zu Einblutungen als auch zur indirekten Fraktur im Bereich eines Locus minoris resistentiae (Orbitaboden, mediale Orbitawand) führen. 4 Traumatische Auswirkungen, die mit oder ohne darstellbare Knochen- oder Weichteilaffektion zu einer Schädigung des N. opticus in seinem intrakanalikulären Verlauf führen (indirektes Trauma). 4 Verletzungen durch Fremdkörper, die vorn über die Weichteile mit oder ohne Bulbusbeteiligung in die Orbita eindringen.
a
b
. Abb. 14.32a, b. Trauma mit Fraktur der Lamina papyracea und Lufteinschluss retrobulbär (a). In den koronaren CT-Reformationen zeigt sich eine Herniation von Orbitastruktutren durch den Frakturspalt in die Siebbeinzellen (b)
Frakturen Nach der Lokalisation der Fraktur werden unterschieden: 4 Orbitarandfrakturen (Sprengung der Suturen, bzw. der die knöchere Orbita bildenden Schädelknochen) 4 Orbitabodenfrakturen 4 Orbitadachfrakturen (isoliert: so genannte Blow-out Fraktur, kombiniert: im Rahmen von Mittelgesichtsfrakturen) 4 Frakturen der Orbitaspitze
Indirekte Frakturzeichen sind: 4 Orbitaler Lufteinschluss 4 Einblutungszeichen in die NNH-Räume, z. T. mit Spiegelbildung 4 Seltener der Nachweis umschriebener Verschattungsfiguren an den Orbitawänden als Ausdruck eines subperiostalen Hämatoms
Bildgebung. Sonographie: Die Sonographie liefert nur in wenigen Fällen klinisch wichtige Informationen.Konventionelle Röntgentechniken: Direkte Frakturzeichen sind:
CT: Der Frakturnachweis bzw. -ausschluss basiert auf den o. g.
4 Nachweis der frakturbedingten Aufhellungslinien 4 Darstellung von Knochenfragmenten bzw. Stufenbildung 4 Abbildung einer meist glatt begrenzten (tropfenförmigen) Verschattungsfigur, die sich in die NNH-Räume vorwölbt. Bei Knochendehiszenz ist sie Ausdruck eines orbitalen Weichteilprolaps (auch von Muskelanteilen!). Sie kann aber auch die Folge einer posttraumatischen Reaktion (Ödem/ Hämatom) sein In den Röntgenübersichtsaufnahmen sind die direkten Frakturzeichen im Bereich der medialen Orbitawand und Orbitaspitze oft nur unzureichend nachweisbar.
direkten und indirekten Frakturzeichen. Die Sensitivität der Erfassung ist aber durch die Darstellung in überlagerungsfreien Schnittbilder in verschiedenen Ebenen sowie der Möglichkeit der synchronen Beurteilung von Weichteil- und Knochenstrukturen, insbesondere hinsichtlich der Differenzierung von Hämatom und Augenmuskelverlagerungen bzw. -einklemmungen deutlich höher. Zusätzlich können Informationen über das Ausmaß der Traumafolgen im Bereich des Mittelgesichts, der Schädelbasis, des Cerebrums erbracht werden. MRT: Sofern im CT ein klinisch suspekter Befund nach einem Trauma nicht hinreichend erklärt werden kann, bietet sich aufgrund der optimalen Weichteilgewebsdifferenzierung die Chance, einen relevanten Befund nachzuweisen.
15 15 Kiefergelenk und Zähne Th. Vogl
15.1
Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechnik und spezifische Bildbefunde – 446
15.1.1 15.1.2 15.1.3
Normale Topographie – 446 Spezielle Untersuchungstechniken Spezifische Bildbefunde – 447
– 446
15.2
Missbildungen/Fehlbildungen
– 448
15.3
Traumatologische Fragestellungen
15.4
Entzündliche Fragestellungen
15.5
Tumoren
15.6
Zusammenfassung
– 450 – 454
– 449
– 449
446
Kapitel 15 · Kiefergelenk und Zähne
15.1
Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechnik und spezifische Bildbefunde
15.1.1
Normale Topographie
Bezüglich der Lagebeziehung der einzelnen Zähne zueinander werden folgende Begriffsdefinitionen gebraucht. 4 Mesial: näher zu den Frontzähnen gelegen 4 Distal: weiter von den Frontzähnen entfernt Für die Lagebeziehung der Kontaktflächen sind folgende Begriffe wichtig: 4 Bukkal/Vestibulär: dem Mundvorhof zugewandte Kontaktflächen 4 Palatinal: liegt im Oberkiefer auf der Seite der Mundhöhle 4 Lingual: auf der gleichen Seite im Unterkiefer
15
Um die Lage eines Zahns anzugeben, werden zwei Ziffern kombiniert. Die erste Ziffer bezieht sich dabei auf die betroffene Kieferseite. Diese beginnt rechts im Oberkiefer mit 1, mit 2 im Oberkiefer linksseitig, mit 3 im Unterkiefer linksseitig und mit 4 für den rechten Unterkiefer, also gegen den Uhrzeigersinn. Die zweite Ziffer bezeichnet mit Zahlen von 1‒8 beginnend beim mesialen Frontzahn die Lage im Alveolarfortsatz. Milchzahnregionen werden von 5‒8 gezählt. In der Nähe des Kieferwinkels treten lingual an der Mandibula die A., V. und der N. alveolaris inferior ein, durchkreuzen die Mandibula im Alveolarkanal und treten im Foramen mentale wieder aus. Die kortikale Begrenzung des Alveolarkanals ist in der Regel computertomographisch gut gegenüber der Spongiosa abzugrenzen. Lediglich bei stark atrophierten Kiefern ist die Abgrenzbarkeit nicht mehr gegeben. Der Zahnhalteapparat spielt eine wichtige Rolle bei der Entwicklung verschiedener pathologischer Veränderungen und besteht aus mehreren Strukturen: 4 Gingiva 4 Spongiosa des Alveolarkamms 4 Alveoläre Kortikalis mit periostaler Auskleidung 4 Parodontalspalt mit Bindegewebsapparat 4 Wurzelelement des Zahns Konventionell radiologisch sind die schattengebenden Anteile des Zahns, wie Zahnschmelz, Dentin und Zahnzement darzustellen. Das Pulpenkavum und die Wurzelkanäle sind deutlich als Aufhellung erkennbar. Die Zahnwurzel wird von einer strichförmigen Aufhellung umgeben. Der Paradontalspalt zeigt sich als strichförmige Aufhellung. In den Panoramaaufnahmen müssen neben der oberen und unteren Zahnreihe der gesamte Ober- und Unterkieferknochen beurteilt werden. Hinzu kommen die Abgrenzung des Processus condylaris und des Processus coronoideus des Unterkiefers, das Cavum nasi, Septum nasi, der Orbitaboden, der Sinus maxillaris, Processus pterygoideus und Arcus zygomaticus. Bei der Röntgendarstellung der Mandibula sind der Canalis mandibulae und das Foramen mentale gut abgrenzbar.
15.1.2
Spezielle Untersuchungstechniken
In den folgenden Abschnitten werden die radiologischen Verfahren zur Diagnostik des Ober- und Unterkiefers aus dem Gebiet der Zahnheilkunde und Kieferchirurgie, v. a. die Untersuchungstechniken im Detail dargelegt. Die einzelnen bildgebenden Verfahren werden vorgestellt sowie die entscheidenden klinischen Fragestellungen diskutiert.
Röntgenuntersuchung Für die zahnärztliche Radiologie wird zwischen intraoralen (enorale) und extraoralen Aufnahmetechniken differenziert: 4 Intraorale Aufnahme: 5 Der Röntgenfilm wird in den Mund des Patienten eingebracht 5 Fixierung des Films durch Beißen 4 Extraorale Aufnahme: 5 Röntgenfilm wird außerhalb der Mundhöhle positioniert
Intraorale Aufnahmen Die Röntgenaufnahmen für intraorale Aufnahmen werden auch als Zahnfilme bezeichnet. Diese werden im Unterkiefer auf der lingualen Seite der Zahnreihe eingelegt, im Oberkiefer auf der palatinalen Seite. Die Technik ist analog und digital möglich. In der Regel hält während der Aufnahme die zu untersuchende Person mit Daumen oder Zeigefinger den Film fest, z. T. werden auch spezielle Filmhalter verwendet. Die Größen variieren von 2×3 cm für Kinder bis zu 6×7 cm für Erwachsene. Um eine optimale Schärfe zu erzielen, muss der Abstand zwischen Objekt und dem Röntgenfilm gering gehalten werden. Um dagegen eine möglichst geringe Vergrößerung zu erhalten, muss der Abstand zwischen dem Fokus des Röntgengeräts und dem Objekt möglichst groß sein. Die Geräte für intraorale Aufnahmen haben dabei in der Regel einen kegelförmigen oder zylindrischen Tubus, der eine Einstellung des Zentralstrahls auf die Bildmitte erlaubt und gleichzeitig als Abstandshalter dient. Bei der Justierung des Zentralstrahls auf die Wurzelspitze des Zahns spricht man von einer apikalen Projektion, bei Ausrichtung auf den Limbus alveolaris von limbaler Projektion. Die Zahnfilme müssen immer im trockenen Zustand beurteilt werden. Die Umgebung des Films muss durch eine geeignete Schablone abgedeckt sein. Bei korrekter Durchführung der Aufnahme imponieren pathologische Befunde als transparent (Aufhellung) und z. B. Metallfüllungen als extrem schattengebend. Zur Beurteilung des Zustandes des gesamten Ober- und Unterkiefers dient ein Röntgenstatus aus 10–14 Einzelbildern in Halb- oder Rechtwinkeltechnik.
Extraorale Aufnahmen Die extraoralen Aufnahmen sind entweder Panoramaaufnahmen, mit Darstellung des gesamten Zahnbogens und der umliegenden Kieferknochen, oder Fernröntgenaufnahmen mit Darstellung des gesamten Schädels in anterior-posteriorer und in seitlicher Projektion. Die Standardtechnik zur Durchführung von Panoramaaufnahmen ist das Orthopantomogramm (OPG), eine Schichtaufnahme des Ober- und Unterkiefers. Bei der Aufnahmetechnik der Orthopantomographie wird das Prinzip der
447 15.1 · Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechnik und spezifische Bildbefunde
Magnetresonanztomographie Der Einsatz der MRT im Bereich des Ober- wie Unterkiefers ist im Wesentlichen begrenzt auf die: 4 Erfassung von unklaren Entzündungsprozessen 4 Vaskuläre Topographie und Perfusion 4 Kontrolle vor und nach Transplantation (Zahn) 4 Evaluation des Kiefergelenks
. Abb. 15.1. Normale Anatomie. Dokumentation einer OPG-Aufnahme mit zusätzlicher Visualisierung der HWS zur Verifizierung des komplexen Strahlengangs
Tomographie auf den Kieferbereich angewandt. Damit entsteht eine Panoramaaufnahme des gesamten Ober- und Unterkiefers mit Abbildung von Anteilen der Orbita und Nasennebenhöhle. Dabei wird die Filmkassette während der Aufnahme an einer Schlitzblende vorbeibewegt. Gleichzeitig dreht sich das ganze Gerät um den Kopf in einer Kreisbewegung, der Schädel wird über eine Halterung im Gerät fixiert. Die Schichtdicke beträgt im Frontzahnbereich 6–10 mm, im Molarenbereich 15–20 mm. Dabei werden alle Strukturen unscharf abgebildet, die nicht in dieser Schicht liegen. So überdeckt der Schatten der Wirbelsäule den gesamten Bereich der Frontzähne. Das Fernröntgen stellt die Lage der einzelnen Elemente des Gesichtsschädels zueinander dar und bildet gleichzeitig Knochen und Weichteile ab. Dabei wird über einen großen Fokusfilmabstand die topographische Lagebeziehung optimal wiedergegeben.
Computertomographie Die CT stellt ein wesentliches Abbildungsverfahren zur Diagnostik des Ober- wie Unterkiefers dar. An den modernen Mehrschichtcomputertomographen wird dabei in primär axialer Datenakquisition untersucht (. Abb. 15.6). Für die Darstellung von Hochkontraststrukturen, wie bei der Kieferdarstellung, kann die Dental-CT im Vergleich zum Ganzkörperbereich mit geringeren Stromstärken erfolgen. Ein Untersuchungsprotokoll beinhaltet z. B. Werte von 120 kV und 150–200 mAs, z. T. auch niedrigere Strahlenexpositionen. Damit reduziert sich die Strahlendosis am Auge auf Werte von 0,2 mGy. > Die so genannte Kataraktgrenze der Augenlinse liegt insgesamt bei 200 mGy.
Pro Kiefer werden ca. 30 Schichten von je 5 mm benötigt. Die Aufnahmen werden dabei im hochauflösenden Knochenalgorithmus berechnet. Parallel zu einem Panoramamodus werden alle Schichten reformatiert, dabei werden auf den orthoradialen Schichten die einzelnen Zähne rekonstruiert. Die Daten können weiterhin auch 3-dimensional verarbeitet werden. Bei der Dental-CT wird die dento-aveoläre Einheit genau beurteilt. Aufgrund der etwas höheren Strahlenexposition im Vergleich zu Zahnfilmaufnahmen ist die Indikation auf die präoperative Fragestellung begrenzt. Die neueste Entwicklung ist der Einsatz der digitalen Volumentomographie (DVT).
Die Untersuchung des Ober- wie Unterkiefers wird dabei in der Kopfspule durchgeführt. Für die Untersuchung der Kiefergelenke kommt eine duale Kiefergelenkspule zum Einsatz, die seitlich über den Kiefergelenken positioniert wird, untersucht wird mittels T1- und T2-gewichteten Spinecho/Turbospinechosequenzen (. Abb. 15.1), sowie bei Tumorverdacht nativ und nach Applikation eines paramagnetischen Kontrastmittels. Die magnetresonanztomographische Untersuchungstechnik für die so genannte statische MR-tomographische Diagnostik beruht auf dem Einsatz einer koronaren MR-Sequenz zur Planung und im Anschluss angulierte, sagittale Aufnahmen, die in verschiedenen Funktionszuständen durchgeführt werden. Mithilfe spezieller Aufbissbehelfe werden verschiedene Öffnungszustände des Kiefergelenks erzielt und Aufnahmen in den spezifischen Positionen ermöglicht. Dabei werden die so genannte Ruheschwebelage, die maximale Mundöffnung und die Okklusion unterschieden. Mittels neuer dynamischer Sequenztechniken gelingt die Untersuchung der Kiefergelenke in Echtzeit.
15.1.3
Spezifische Bildbefunde
Verschiedene differenzialdiagnostische Parameter werden diagnostisch erfasst, in Abhängigkeit von der zugrunde liegenden Erkrankung oder Funktionsstörung. Im Vordergrund stehen dabei degenerative Veränderungen wie Mikroverkalkungen und mukoide Degenerationen der artikulierenden Strukturen.
Bildbefunde des Kiefergelenks (Temporomandibulargelenk) Formvarianz des Processus condylaris: Konkave-, konvexe-, S-, C- und Y-Formen des Discus. Die Diagnostik erfolgt dabei ausschließlich magnetresonanztomographisch. Im Folgenden werden die spezifischen Bildbefunde kurz genannt und die Differenzialdiagnosen aufgeführt.
Signalalteration des Processus condylaris Dieser Befund zeigt sich in einer: 4 Signalanhebung in T2-gewichteten Sequenzen (Signalverlust) 4 Signalverminderung in den T1-gewichteten Sequenzen Differenzialdiagnostisch abzugrenzen ist die akute vaskuläre Nekrose in der Spätform der Chronifizierung mit zunehmender Sklerosierung (. Abb. 15.3).
15
448
Kapitel 15 · Kiefergelenk und Zähne
a . Abb. 15.2a, b. MR-tomographische Diagnostik im Ruheschwebezustand. a MRT nativ, sagittale Schichtführung. Dokumentation des Discus articularis mit signalarmer Zone (Pfeile) (TR/TE=500/17). Direkte Lagebeziehung des posterioren Pols des Discus articularis in Relation zum Kondylus.
b b MR-tomographische Diagnostik Mundöffnung. Regelhafte Reposition des Discus articularis anterior des Kondylus (Pfeile), keine Dislokation, keine Destruktionen
Erguss des Kiefergelenks Hier ist eine Visualisierung mittels Sonographie, CT, MRT indiziert. Differenzialdiagnostisch kommt am ehesten eine unspezifische Arthritis, zusätzlich auch eine spezifische Arthritis, degenerative Veränderungen und eine Osteomyelitis infrage.
Raumforderungen der Kiefergelenke Eine zystische Raumforderung zeigt sich mit folgenden Charakteristika: 4 T2-Sequenz hyperintens 4 T1-Sequenz hypointens 4 Computertomographisch: hypodens
15
Bei der Differenzialdiagnostik von benignen und malignen Tumoren sind Charakteristika sowie Signalverhalten im MRT und nach Applikation von Kontrastmittel zu berücksichtigen: 4 Scharfe Begrenzung zum gesunden Gewebe 4 Keine Knochenmarksinfiltration 4 Kein Weichteilgewebe . Abb. 15.3. Degeneration des Kondylus. Untersuchung im Ruheschwebezustand. Anteriore Diskusverlagerung TR/TE=500/17, sagittal. MR-tomographisch zeigt sich der Discus articularis ventral des Condylus positioniert, als signalarme lineare Zone (Pfeile). Degeneration des Kondylus (Pfeilspitze) mit Signalverlust
Das diagnostische Vorgehen bei Erkrankungen des Kiefers und Kiefergelenks im Überblick zeigt . Abb. 15.4.
15.2
Missbildungen/Fehlbildungen
Auftreibung des Processus condylaris Die Differenzialdiagnostik mit Auftreibungen des Processus condylaris umfasst die: 4 Osteodystrophia deformans Paget 4 Akromegalie 4 Neurofibromatose Recklinghausen
Zahnmissbildungen und Dystrophien Missbildungen im Bereich der Zähne betreffen die Anzahl, Form, Größe und Lage. Unterschieden werden dabei: 4 Mikrodontie/Makrodontie: Auffällig geringe Größe einzelner oder mehrerer Zähne z. B. bei Osteogenesis imperfecta oder anderer Fehlbildungen.
449 15.4 · Entzündliche Fragestellungen
. Abb. 15.4. Diagnostisches Flowchart: Diagnostische Evaluation von Erkrankungen des Kiefers und Kiefergelenke
4 Gemination: Unvollständige Zahnkeimteilung, Definition:
unterschiedliche Teilung der Zähne. 4 Taurodontismus: Mehrwurzelige Zähne. 4 Hypodontie/Hyperdontie: Zahnunterzahl oder Zahnüberzahl.
15.3
Traumatologische Fragestellungen
Verletzungen im Bereich des Kiefergelenks sind oft bedingt durch Verkehrsunfälle, Strafdelikte sowie Arbeits- und Sportunfälle. Neben der Weichteiltraumatisierung sind direkte und indirekte Frakturen als Schwachpunkt des Kieferknochens und der Zähne zu beachten. Im Rahmen eines Unfallgeschehens wird zwischen Subluxationen und Luxationen des Kiefergelenks unterschieden. Indirekte Begleitverletzungen müssen dabei ausgeschlossen werden. Eine Unterkieferfraktur unterscheidet man in Einfach-, Doppel- und Mehrfachfrakturen. Dabei wird differenziert, ob es sich um eine Fraktur innerhalb oder außerhalb der Zahnreihe handelt. Frakturen des Caput mandibulae und Processus condylaris treten ein- oder zweiseitig auf. Bei Frakturen und Luxationen sollte die Stellung der Fragmente und die Beziehung des Frakturspalts zum Canalis mandibulae beschrieben werden. Eine Verletzung des N. alveolaris inferior ist auszuschließen. Frakturen des Pro-cessus condylaris sind häufig mit einer Jochbogenfraktur assoziiert.
Diskusverlagerungen Dabei werden bei den Frakturen des Processus condylaris folgende Formen unterschieden: 4 Dikapitale Frakturen 4 Subkapitale Frakturen 4 Mittlere Kollumfraktur 4 Basale Kollumfraktur 4 Subkondyläre Fraktur
Falls die Fraktur oberhalb des Ansatzes des M. pterygoideus lateralis liegt, wird dabei evtl. die Perfusion der Mandibula unterbrochen. Pathologische Frakturen liegen vor, wenn Zysten, Metastasen oder entzündliche Veränderungen zugrunde liegen. Bei der bildgebenden Diagnostik sollte deshalb nach Anamnese, Inspektion und Palpation eine Übersichtsaufnahme des Schädels erfolgen. Zum Auschluss von Frakturen und Luxationen des Kiefers sollte eine OPG-Aufnahme angefertigt werden, ggf. die CT mit sekundärer Rekonstruktion. Postoperative Veränderungen können bedingt sein durch Fehllage von Implantaten (. Abb. 15.6) oder auch durch dentogene Komplikationen. In den konventionellen Aufnahmen sind Diskusverlagerungen nur indirekt visualisierbar. Normalerweise sollte der posteriore Pol des Discus zwischen 9 und 10 Uhr ventral des Condylus zum Liegen kommen. MR-tomographisch wird die anteriore Diskusverlagerung in die Formen ohne und mit Reposition (=Fixierung) differenziert (. Abb. 15.3).
15.4
Entzündliche Fragestellungen
Die Diagnostik von Entzündungen der Zähne wie auch der angrenzenden Kieferknochen stellt eine Domäne der dentalen Radiologie dar. Bildgebend werden dabei spezielle Zahnfilmaufnahmen sowie OPG-Aufnahmen eingesetzt (. Abb. 15.7). Lediglich bei komplexen entzündlichen Prozessen der Kieferhöhlen und Nasennebenhöhlen, mit direkter Beteiligung des Zahnapparates, erfolgt eine computertomographische Evaluation. Neuerdings auch unter Einsatz der digitalen Volumentomographie (DVT). Die Diagnostik von Entzündungen des Kiefergelenkes ist komplex. Hier erfolgt in der Regel der Einsatz der MRT, die es erlaubt komplexe Weichteilveränderungen sicher zu erfassen, insbesondere eine Synoviaproliferation wie auch eine Ergussbildung im Bereich des Kiefergelenks.
15
450
Kapitel 15 · Kiefergelenk und Zähne
a
a
b
15
b . Abb. 15.5a, b. Diskusverlagerung. a Anteriore Discusverlagerung mit partieller Repositionierung. TR/TE=1000/15, nativ. Der Discus articularis zeigt sich im Ruheschwebezustand mit seinem posterioren Pol ventral des Kondylus bei 9 Uhr positioniert. Regelhafte Abgrenzung des Discus articularis (Pfeile). b TR/TE=500/17 nativ. Weite anteriore Bewegung des Processus condylaris. Diskrete Repositionerung des Discus articularis (Pfeile) möglich. Zentrale Ruptur des Discus articularis (Pfeilspitze)
15.5
Tumoren
Allgemeines Die Evaluation von benignen wie malignen Tumoren des Ober- und Unterkiefers betreffen die Fachgebiete der Zahnheilkunde wie auch der Kieferchirurgie. Eine Vielzahl benigner Tumoren wird pathologisch differenziert. Die röntgenologischen Befunde lassen nur eine eingeschränkte Differenzialdiagnose zu. Dabei müssen folgende Merkmale beurteilt werden, z. B.: 4 das Infiltrationsverhalten 4 das ossäre Wachstumsmuster 4 Begleitreaktion 4 die Lagebeziehung zu den nervalen Strukturen
. Abb. 15.6a, b. Implantat-Diagnostik, Post Implantationem. Axiale Datenakquisition im Rahmen der Dental-CT mit Sekundärrekonstruktion. Computertomographisch Verifikation einer Kompression des N. alveolitis infence durch ein zu weit in die Spongiosa eingebrachtes Dentalimplantat. a Ausschnitt aus dem axialen Datensatz. Verifikation von 2 Implantaten. Skizzierung der Rekonstruktionsachsen für die Dental-CT. Die longitudinale Achse entspricht der Rekonstruktion in b. b In der schräg sagittalen Rekonstruktion zeigt sich das ventrale Implantat regelhaft. Das dorsale Implantat (Pfeilspitze) zeigt sich zu weit in die Spongiosa eingebracht, mit direkter Kompression des Kanals des N. mandibularis sowie dessen Inhalt (Pfeilspitzen für den N. mandibularis-Kanal); direkte Lagebeziehung
Die dentale CT mit Sekundärrekonstruktionen, vergleichbar mit einer Panoramaaufnahme (. Abb. 15.8), dokumentiert die Lagebeziehung zu den Zahnstrukturen und Zahnwurzeln. Dabei wird das Destruktionsverhalten der ossalen und dentalen Leitstrukturen beschrieben (. Abb. 15.8). Verschiedene benigne Tumoren finden sich häufiger, darunter das Myxom (. Abb. 15.9). Die 3-dimensionale Rekonstruktion dient der Operationsplanung. Seltener sind maligne Tumoren, wie ein primäres und sekundäres Lymphom. Selten finden sich Karzinome, diese müssen bezüglich ihrer topografischen Information erfasst werden, die Lagebeziehung dokumentiert werden; es sollten spezifische Rekonstruktionen erfolgen.
451 15.5 · Tumoren
Odontom Bezüglich der Häufigkeit der Verteilung führt das Odontom nach einer Statistik mit knapp 50% der benignen Tumoren gefolgt von Zementom und vom Ameloblastom. Bildgebung. Charakteristische radiologische Morphologie des
Odontoms ist dabei die benigne Wuchsform, meist selbst limitierend. Insgesamt handelt es sich hier eher um eine Missbildung als um einen soliden Tumor. Das Charakteristikum ist eine dichte Verschattung umgeben von einem strahlendurchlässigen Saum mit Kontakt zum verlagerten Zahn.
Zementom Das Zementom stellt einen Tumor und eine tumorähnliche Läsion dar, die zementbildendes Gewebe enthält, knapp 25% aller benignen odontogenen Tumoren. Auffällig ist dabei eine gleichmäßig begrenzte gesprenkelte Verschattung im periradikulären Bereich eines Zahns. Seltenere Befunde stellen dann Ameloblastome und Myxome dar. . Abb. 15.7. Entzündung des Kiefergelenks (Synovitis). MR-tomographische Diagnostik TR/TE=2000/70, nativ, sagittal. In der T2-gewichteten MR-Sequenz ist der Discus articularis signalarm abgegrenzt (Pfeilspitze). Es zeigt sich der gesamte Gelenkspalt erweitert. Die Flüssigkeit (Pfeile) innerhalb des Gelenkspalts erscheint mit erhöhtem Signal bandförmig. Es zeigt sich zudem eine Verbreiterung der Synovia; Kriterien einer Synovitis bei Superinfektion des Kiefergelenks im Rahmen einer rheumatoiden Arthritis
Ameloblastom Hierbei handelt es sich hier um einen infiltrierend wachsenden semimalignen Tumor. Bevorzugte Lokalisation ist die Molarenregion des Unterkiefers, dieser kann relativ groß erst klinische Symptome verursachen. Bildgebung. Der charakteristische Röntgenbefund ist eine poly-
Die häufigste Fragestellung einer tumorösen Raumforderung stellt die Abklärung von Zysten und Pseudozysten des Ober/ Unterkiefers dar. Dabei werden differenziert odontogene Zysten von radikulären, follikulären Zysten: 4 Bei der radikulären Zyste imponiert der Knochenbefund als eine, durch eine Knochenlamelle, scharf begrenzte Aufhellung im periapikalen Bereich eines toten Zahns. 4 Bei der follikulären Zyste wird die Zyste durch eine scharfe Knochenlamelle begrenzt, es zeigt sich eine gleichmäßige Aufhellung. 4 Die Keratozysten imponieren als zahnlose Aufhellung mit einem peripheren kortikalen Saum. In der Dentalradiologie kommt noch die Abklärung von solitären und aneurysmatischen Knochenzysten hinzu Für die Differenzialdiagnostik von benignen Tumorerkrankungen des Unterkiefers werden einmal differenziert: 4 Odontogene Tumoren 4 Tumoren und tumorähnliche Veränderungen des Knochens
zystische Aufhellung mit seifenblasiger und wabiger Zeichnung. Teilweise wird die Kortikalis auch aufgetrieben.
Osteom Bei den benignen Veränderungen des Knochens steht das Osteom im Vordergrund, gefolgt vom Osteochondrom. Bildgebung. Der typische Befund des Osteoms umfasst eine gleichmäßig dichte Verschattung, die Struktur entspricht der Kompakta. ! Bei multiplen Osteomen muss das Gardner-Syndrom abgeklärt werden.
Osteochondrom Bildgebung. Das Osteochondrom entspricht dem typischen Röntgenbefund auch im Bereich des übrigen Skelettsystems, imponierend als kartilaginäre Exostose, als pilzartig dem Kiefer aufsitzende tumoröse Form.
Osteoblastom Zu den häufigsten odontogenen Tumoren zählen:
Bildgebung. Beim Osteoblastom findet sich ein unterschiedlich
4 4 4 4 4 4 4
mineralisierter Nidus, von einem strahlendurchlässigen Saum umgeben, in der Regel imponierend als osteolytischer Tumor (. Abb. 15.8).
Odontom Zementom Ameloblastom Ameloblastisches Fibrom Odontogenes Myxofibrom Verkalkender epithelialer odontogener Tumor Maligne odontogene Karzinome und Sarkome
Ossifizierendes Fibrom Beim ossifizierenden Fibrom zeigt sich eine umschriebene Aufhellung mit starker Mineralisation.
15
452
Kapitel 15 · Kiefergelenk und Zähne
a
b
15
. Abb. 15.8a, b. Osteoblastom der Mandibula. a Verifikation mittels Dental-CT und Sekundärrekonstruktion. Aus dem transversalen Datensatz Rekonstruktion in OPG-Ansicht. Verifikation eines großen osteolytischen Areals im Bereich der Mandibula (Pfeile) lateral in den Regionen 4–5, 6 und 7.
b Schräg koronare Rekonstruktionen aus dem axialen Datensatz. Verifikation einer kompletten Destruktion der Mandibula lingual wie buccal mit kompakter Destruktion zentraler Matrixverkalkung. Typische Befunde im Sinne eines bekannten Osteoblastoms
Andere benigne Prozesse
4 Fibrosarkom 4 Lymphome, wie das maligne Non-Hodgkin-Lymphom 4 Ewing-Sarkom
Seltene Prozesse sind Hämangiome, eosinophile Granulome oder auch Myxome (. Abb. 15.9).
Maligne Tumoren 4 An seltenen malignen Tumoren des Unterkiefers müssen differenziert werden: 4 Sarkome der Gruppe Osteosarkom 4 Chondrosarkom
Häufig finden sich auch sekundäre Tumoren mit ihrem charakteristischen Infiltrationsmuster von Metastasen, osteolytisch oder osteoblastisch imponierend. Differenzialdiagnostisch wichtig ist dabei auch die Abgrenzung von tumorösen Infiltrationen durch Mundschleimhautkar-
453 15.5 · Tumoren
a
b
c
d
. Abb. 15.9a–d. Myxom des Unterkiefers. Vergleichende Darstellung CT und MRT. a Sagittale T2 gewichtete MRT TR/TE = 2500/90. Lytisches Areal in der Mandibula im Unterkieferbereich in der remolaren Region beginnend (Pfeil). Randständig Kompakta partiell erhalten. b Schräg sagittale MR-tomographische Diagnostik. MRT TR/TE=900/10, nativ. In der T1-gewichteten Sequenz signalarme Raumforderung im Bereich der Mandibula und Zahn-
wurzeln in den Prozess mit eingebaut (Pfeile). c Schräg sagittale Rekonstruktion. Großer lytischer Defekt im Bereich der Mandibula. Die Weichteilstrukturen diskret verlagert. d Sagittale Rekonstruktion aus der MSCT: zentral lytische Destruktion in der Mandibula (Pfeile) mit in den Tumor hineinragenden Zahnhälsen
15
454
Kapitel 15 · Kiefergelenk und Zähne
zinome, Oropharynxkarzinome oder direkter ossärer Mitbeteiligung.
15.6
Zusammenfassung
Die radiologische Diagnostik des Zahnapparats und der Kiefergelenke stellt eine komplexe Anforderung in Überschneidung mit der so genannten Dentalradiologie dar. Daher muss hier der dezidierte Einsatz von speziellen Zahnaufnahmen, Panoramaaufnahmen, Fernaufnahmen, Computertomographien im Einzelfall geprüft werden. Im Vordergrund der Diagnostik stehen dabei die Evaluation der normalen Topografie, traumatologische und entzündliche Fragestellungen. Nur selten kommen onkologische Fragestellungen zur Evaluation.
. Abb. 15.10. Plasmozytominfiltration Caput mandibulae. T1-gewichtete Sequenzen nativ, TR/TE=450/15. Signalarme Zone im Caput mandibulae (Pfeile), partiell konfluierend. Anteriore Diskusverlagerung
15
16 16 Speicheldrüsen Th. Vogl
16.1
Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechniken und spezifische Bildbefunde – 456
16.1.1 16.1.2 16.1.3
Normale Topographie – 456 Spezielle Untersuchungstechniken Spezifische Bildbefunde – 457
– 456
16.2
Missbildungen/Fehlbildungen
– 458
16.3
Traumatologische Fragestellungen
16.4
Entzündliche Fragestellungen
16.5
Tumoren
16.6
Systemerkrankungen
16.7
Zusammenfassung
– 458 – 463 – 463
– 458
– 458
456
Kapitel 16 · Speicheldrüsen
16.1
Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechniken und spezifische Bildbefunde
16.1.1
Normale Topographie
Glandula parotis Die Glandula parotis als größte Speicheldrüse liegt in der Parotisloge, die zusätzlich den N. facialis, die V. retromandibularis, die Äste der A. carotis externa sowie intraparotideale Lymphknoten beinhaltet. Für die Diagnostik ist die Dokumentation des Verlaufs des N. facialis wichtig, der aus dem Foramen mastoideum aus der Schädelbasis heraustritt, die Drüse von dorsal erreicht und sich in 5 Äste aufteilt. Dabei teilt er die Parotis in einen tiefen und einen oberflächlichen Lappen. Diagnostisch muss hier jeweils der Verlauf des Ausführungsgangs der Glandula parotis mitdokumentiert werden.
Glandula submandibularis Die Glandula submandibularis ist die zweitgrößte Speicheldrüse und mündet über dem Wharton-Gang entlang des Mundbodens in die Caruncula sublingualis. In der Loge der Glandula submandibularis finden sich zusätzlich der »venter anterior« des M. digastricus, der N. hypoglossus und Fettgewebe. Die Glandula submandibularis liegt unter der Mundschleimhaut ventral im Mundboden auf dem M. myelohyoideus. In der Loge der Glandula sublingualis verläuft der N. lingualis sowie auch Äste des N. glossopharyngeus und N. hypoglossus.
16.1.2
16
Spezielle Untersuchungstechniken
Zur Region der Speicheldrüsen werden gerechnet die 3 paarigen großen Glandulae parotides, die Glandula submandibulares, die Glandula sublinguales und mehrere hundert kleine Speicheldrüsen die im gesamten Pharynxraum und des Parapharyngealraum lokalisiert sind. Die häufigste klinische Symptomatik sind ein- oder beidseitige Schwellungen der betroffenen Drüse. Die Schwellung kann einhergehen mit oder ohne Schmerzsymptomatik. Weitere Symptome können auftreten als Hyper-/Hyposalivation bzw. ein Sialorrhoe/Siccasyndrom. Pathogenetisch handelt es sich in der Regel um tumorbedingte Läsionen, obstruktive/entzündliche Veränderungen oder eine Drüsenbeteiligung im Rahmen einer systemischen Erkrankung. Klinisch wird neben der Anamnese und Palpation mittels Laborkonstellationen untersucht. Die bildgebende Diagnostik umfasst den Einsatz der Sonographie als erstes Diagnostikum, weiter ergänzt durch die CT, MRT, in einzelnen Fällen auch die Sialographie.
Konventionelle Röntgendiagnostik An spezifischen Untersuchungstechniken gilt für die konventionelle Röntgendiagnostik eine Aufnahme in der p. a.- und kraniokaudalen Projektion sowie auch Schrägaufnahmen, in der Regel zur Erfassung von Konkrementen, diese müssen jedoch mindestens 2–3 mm groß sein (. Abb. 16.1).
. Abb. 16.1. Konkrement der Glandula submandibularis. In der Röntgenaufnahme schräg seitlich Dokumentation einer glatt begrenzten homogenen, erhöhten Zone in Projektion auf den Unterkiefer (Pfeile). Dieser Befund entspricht einem Konkrement innerhalb der Glandula submandibularis
Sialographie Durch die Applikation eines wasserlöslichen jodhaltigen Kontrastmittels in den Ausführungsgang der Glandula parotis oder auch der Glandula submandibularis erfolgt eine Kontrastierung der Speicheldrüsengänge und deren Ramifikationen. Evaluiert werden dabei Ektasien, Stenosen und Gangabbrüche im Rahmen von entzündlichen oder tumorösen Prozessen. > Die Risiken des Verfahrens liegen in der Extravasation des Kontrastmittels, in der Infektion und Abszedierung. Daher ist die Sialographie in der entzündlichen Phase kontraindiziert und wird zunehmend durch die MR-Sialographie ersetzt.
Sonographie Die Sonographie erfolgt in der Regel als erstes bildgebendes Verfahren mittels 7,5-MHz-Schallkopf. Dabei werden durch diese Untersuchungstechniken intra- und extraglanduläre Läsionen differenziert und der Versuch unternommen, benigne von malignen Läsionen zu differenzieren. Der tiefe Lappen der Parotis sowie Läsionen im Kieferwinkel und im parapharyngealen/retropharyngealen Raum sind in der Regel nicht darstellbar.
Computertomographie Die computertomographische Diagnostik der Speicheldrüsen erfolgt im Rahmen einer Evaluation des Gesichtsschädels und der Halsregion. In der Regel wird dies heute durchgeführt an Mehrschicht-Computertomographen, nach Applikation von Kontrastmittel (100–150 ml). Die Evaluation erfolgt auf der Basis axialer, koronarer bis hin zu sagittalen MPR-Rekonstruktionen.
Magnetresonanztomographie Das primär bildgebende Verfahren für die Diagnostik der Speicheldrüsen, also zur Diagnostik von Raumforderungen und unklaren Prozessen der Speicheldrüsen, stellt die MRT dar. Diese
457 16.1 · Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechniken und spezifische Bildbefunde
Steinerkrankung (. Abb. 16.1) bzw. eines Steinkonglomerats. Dabei werden zystische Raumforderungen der Glandula parotis, der Glandula submandibularis und sublingualis differenziert (Übersichten).
Zystische Raumforderungen der Glandula parotis 4 Variationen: Kiemenbogenzyste 4 Entzündliche Veränderungen: – Abszess – Eingeschmolzener Lymphknoten – Gangobstruktion des S-Gangs – Lymphoepitheliale Zyste (HIV-Infektion) 4 Tumoröse Veränderungen: – Zystadenolymphom, Whartin-Tumor – Zystisches Schwannom, Neurofibrom – Pleomorphe Adenome (groß-Eisbergtumor) – Mukoepidermoides Karzinom – Zystisches Hygrom
. Abb. 16.2. Normale Topographie der großen Speicheldrüsen (Glandula parotis beidseits). T1-gewichtete fettunterdrückte Spinechosequenz, TR/TE=500/22, Gadolinium-DTPA. Dokumentation des oberflächlichen (Pfeile) und tiefen (Pfeilspitzen) Lappens der Glandula parotis beidseits. Erhöhte Signalintensität im Vergleich zu dem Fettgewebe der Glandula parotis. Regelhafte scharfe Ausläufer des Drüsengewebes
wird in der Regel mit stark T1- und T2-gewichteten Spinechosequenzen in axialer und koronarer Schnittführung durchgeführt, unterstützt durch fettunterdrückte Sequenzen und nach Applikation von Kontrastmittel (. Abb. 16.2). Insgesamt sollten dabei Sequenzen mit hoher räumlicher Auflösung (Matrix 256×512) erfolgen. Die MR-Sialographie kann mittels stark T2-gewichteter Sequenzen erfolgen, z. B. mittels Sequenzen wie RARE (»rapidaquisition with relaxation enhancement«) und 3 D-CISS (»constructive interference in steady state«). Der Einsatz von STIR-Sequenzen ergänzt die diagnostischen Informationen.
16.1.3
Spezifische Bildbefunde
Die Diagnostik der Kopfspeicheldrüsen mittels Sonographie, CT und MRT beruht auf der Analyse folgender diagnostischer Kriterien: 4 Intra- und extraglandulärer Prozess 4 Art des Tumorwachstums 4 Beurteilung der Randstrukturierung 4 Topographische Ausbreitung des tumorösen Prozesses 4 Infiltration der Schädelbasis 4 Staging der Lymphknoten Die Bildanalyse beinhaltet den Nachweis von Verkalkungen (in der Regel computertomographisch) zur Differenzierung einer
Zystische Raumforderungen der Glandula submandibularis und sublingualis 4 Variationen: Kiemenbogenzyste, zweiter Bogen 4 Entzündliche Veränderungen: – Abszess – Mukozele – Obstruktionen 4 Tumoröse Veränderungen: – Dermoidzyste – Zystisches Hygrom – Kolloidzysten – Epidermoidzysten – Lipome
Allgemeine Differenzialdiagnosen von Raumforderungen der Glandula submandibularis und sublingualis 4 Kongenitale Veränderungen: – Kiemenbogenzyste – Zystisches Hygrom – Dermoid 4 Entzündliche Veränderungen: – Lymphadenopathie – Sialoadenitis – Ranula – Phlegmone – Abszess 4 Tumoren: – Benigne: – Lipom – Epidermoid – Pleomorphes Adenom 6
16
458
Kapitel 16 · Speicheldrüsen
– Maligne: – Mukoepidermoides Karzinom – Adenozystisches Karzinom – Lymphom – Infiltration von Sekundärmetastasen 4 Sonstige Raumforderungen: – Morbus Sjögren – Pseudotumor – Lymphknoten
16.2
in der Akutphase kontraindiziert. Die CT wird eingesetzt um Kalkuli nachzuweisen. Um Abszesse/phlegmonöse Veränderungen zu dokumentieren, sollte eine kontrastmittelverstärkte CT erfolgen (. Abb. 16.3). Die besondere Wertigkeit der MRT liegt in der Erfassung von entzündlichen Veränderungen im Rahmen einer Sialoadenitis (. Abb. 16.4), z. B. Morbus Sjögren (. Abb. 16.5). Dabei zeigt die MRT diffuse punktförmige Ansammlungen von Flüssigkeit (Speichel innerhalb der Drüse). Dies kann auch MR-sialographisch nachgewiesen werden. Bei der chronischen Sialoadenitis/Adenose resultieren eine Schrumpfung der Drüse, später auch intraglanduläre Verkalkungen. Dabei kommt es dann zum typischen Beispiel eines entlaubten Baums in der MR-Sialographie.
Missbildungen/Fehlbildungen Ranula
Keine diagnostisch relevanten Fragestellungen.
16.3
Traumatologische Fragestellungen
Keine diagnostisch relevanten Fragestellungen.
16.4
Die Ranula manifestiert sich klinisch als schmerzlose Schwellung der Glandula sublingualis. Dabei handelt es sich um eine postentzündliche Retentionszyste mit einer umscheidenen Epithelschicht. Bildgebend kann dabei eine Ranula nicht differenziert werden von einem zystischen Hygrom oder einem Epidermoid. Im Falle komplizierter Ranula sind die Signaltexturen unterschiedlich.
Entzündliche Fragestellungen 16.5
Tumoren
Sialoadenitis Entzündliche Veränderungen stellen in der Regel keine Indikation für eine bildgebende Diagnostik dar. Lediglich im Falle von Komplikationen kann dies notwendig sein. Die Sialographie ist
Die einseitige, nicht schmerzhafte Schwellung einer betroffenen Speicheldrüse ist das führende klinische Symptom einer tumorösen Raumforderung.
16
a . Abb. 16.3a, b. Akute bakterielle Parotitis linksseitig, MRT. a T2-gewichtete Spinechosequenz, fettunterdrückt. Raumforderung linksseitig der Glandula parotis, diffus das Organ betreffend (Pfeile), oberflächige und tiefe Lappen. Erhöhte Signaltextur konfluierend. Keine Umgebungsinfiltration.
b Regelhafte Signalintensität der Glandula parotis rechtsseitig. b In der T1-gewichteten Sequenz diffuse Auftreibung in der Glandula parotis linksseitig (Pfeile), unscharfe ödematöse Abgrenzung des M. masseter. Linksseitig keine Nekrotisierung
459 16.5 · Tumoren
a . Abb. 16.4. Sialoadenitis. Sagittale T1-gewichtete Sequenz nativ mit Darstellung des Kiefergelenkes und Glandula parotis. T1-gewichtete SE-Sequenz, TR/TE=500/17. In der T1-gewichteten Sequenz Dokumentation eines Salz- und Pfeffermusters der Glandula parotis (Pfeil) mit signalarmen zystischen Binnenstrukturen. Signalreich: chronisch entzündlich verändertes Drüsenparenchym
> Dabei gilt als Regel: je kleiner eine betroffene Drüse ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines malignen Geschehens. 50–81% der neoplastischen Raumforderungen der Glandula sublingualis sind maligne, während dies nur für ungefähr 20–25% der Tumoren der Glandula parotis gilt.
b
Die MRT stellt das überlegene bildgebende Verfahren dar. Dabei erfolgt die Charakterisierung der Tumoren durch die Analyse von T1- und T2-gewichteten Sequenzen und die Dokumentation des Kontrastmittel-Enhancements sowie die Erfassung des infiltrativen Wachstums. Besonderes Augenmerk muss auf perineurale Tumorausbreitung auch in Richtung der Schädelbasis gerichtet werden, insbesondere bei adenoidzystischen Karzinomen. Die perineurale Tumorausbreitung kann entlang des Foramen stylomastoideum (N. facialis), des Foramen ovale (Trigeminus, 3. Ast), des Foramen rotundum (Trigeminus, 2. Ast) erfolgen und wird nach Applikation von Kontrastmittel durch ein starkes Enhancement sichtbar. In der bildgebenden Diagnostik ist die Differenzierung von benignen und malignen Läsionen häufig eingeschränkt. Insbe-
. Abb. 16.5. Morbus Sjögren; lymphoepitheliale Zysten. a T2-gewich- 7 tete axiale Spinechosequenz, TR/TE=3090. Auftreibung der Glandula parotis beidseits. Multiple Signalerhöhungen glatt begrenzt (Pfeile), zystischer Natur, in der Glandula parotis beidseits im Sinne von lymphoepithelialen Zysten bei zugrunde liegendem Morbus Sjögren. b, c MR-Sialographie: stark T2-gewichtete Sequenz. Dokumentation von multiplen hyperintensen Foci im Sinne von Zysten
c
16
460
Kapitel 16 · Speicheldrüsen
sondere bei zystischen Läsionen ist die Abgrenzung schwierig. Das pleomorphe Adenom zeigt in der Regel ein kräftiges Enhancement des gesamten Tumors, allerdings können auch einzelne Nekrosen vorliegen. Klinisch zeigen gutartige Tumoren der Speicheldrüsen folgende Charakteristika: 4 Langsames Wachstum über Monate bis Jahre 4 Prall elastischer gut verschieblicher Knoten 4 Keine desmoplastische Reaktion 4 Keine pathologischen Lymphknotenschwellungen Maligne Tumoren zeigen im Gegensatz dazu: 4 Ein rasches Wachstum 4 Eine fehlende Verschieblichkeit 4 Häufig eine Umgebungsinfiltration
Hämangiom Im pädiatrischen Patientenkollektiv findet sich an benignen Tumoren häufig das Hämangiom. Hämangiome sind in 61% bereits bei der Geburt vorhanden und werden in 84% innerhalb des 1. Lebensmonats diagnostiziert. Bildgebung. Bildgebende Charakteristika sind das kräftige Enhancement nach i.v.-Kontrastmittelgabe und die erhöhte Signalintensität in den T2-gewicheten Sequenzen. Diagnostische Kriterien sind: 4 Kräftiges Enhancement 4 Hohe Signalintensität in den T2-gewichteten Sequenzen 4 Blutfluss-bedingte Signalauslöschung (flow voides in T1und T2 Sequenzen) 4 Kräftiges Enhancement nach Applikation von GadoliniumDTPA
16
a
> Im Kindesalter werden häufig auch Lymphangiome sowie zystische Hygrome diagnostiziert. Hier imponiert der zystische Charakter insbesondere in den MRT-Sequenzen.
Pleomorphes Adenom Den häufigsten benignen Tumor (. Abb. 16.6) stellt das pleomorphe Adenom dar. Klinisch findet sich eine progressive Größenzunahme der betroffenen Speicheldrüse und eine glatt begrenzte, solide, solitäre, gut tastbare Raumforderung. Als Komplikation eines unbehandelten Tumors gilt die maligne Entartung. Bildgebung. In der CT erscheint das pleomorphe Adenom hypodens, rundlich begrenzt und vom umgebenden Parenchym gut abgrenzbar, mit kräftigem Enhancement nach Kontrastmittelgabe. Bei zunehmender Größe imponiert der Tumor inhomogen und mit hypodensen Arealen, z. T. mit Verkalkungen. Magnetresonanztomographisch findet sich ein intermediäres Signalverhalten in den T1-gewichteten Sequenzen und ein hohes Signal in den T2-gewichteten Aufnahmen und einen analog der CT kräftigem Kontrastmittel-Enhancement. Einblutungen in den T1-gewichteten Sequenzen erschweren die Differenzialdiagnose von Malignomen.
b . Abb. 16.6a, b. Benigner Tumor: Pleomorphes Adenom linke Glandula parotis. a Protonendichtegewichtete Sequenz, TR/TE=3000/25. In der protondichtegewichtete Sequenz regelhafte normale Topographie und Morphologie der Glandula parotis rechtsseitig. Linksseitig zeigt sich eine Raumforderung im dorsalen Parotislappen mit einer mäßig erhöhten Signalintensität, zentral ein intraparotideales Areal mit erhöhter Signalintensität, Durchmesser 5×5 mm. b T1-gewichtete Spinechosequenz, fettunterdrückt, TR/TE=500/17, Gadolinium-DTPA. Vermehrte Vaskularisation im Bereich der Raumforderung im dorsalen Parotislappen, Größe und Morphologie sprechen hier für das Vorliegen eines pleomorphen Adenoms
461 16.5 · Tumoren
Zystadenolymphom/Warthin-Tumor Als zweithäuftigster Tumor der Glandula parotis gilt der WarthinTumor (. Abb. 16.7), der aus lymphatischen Gewebe entspringt. Bildgebung. Hier imponiert das zystische Erscheinungsbild. In
der MRT resultiert daher auch ein vergleichbares Signalverhalten mit oft randständigem Kontrastmittel-Enhancement.
Lipom Das Lipom findet sich sowohl innerhalb der Parotis (. Abb. 16.8) wie auch in der Umgebung. Bildgebung. Typisch sind niedrige Dichte in der CT, hohes Signal in den T1- und T2-gewichteten Spinechosequenzen, in der Regel ohne Kapselbildung.
Tumoren neuralen Ursprungs Diese Tumoren entspringen in der Regel vom N. facialis und sind häufig mit der Neurofibromatose Typ I vergesellschaftet. Die Morphologie zeigt in der MRT einen häufig heterogen imponierenden Tumor.
Maligne Tumoren Bei der Differenzierung maligner Tumoren der Speicheldrüsen wird im Wesentlichen das Adenokarzinom differenziert. Die Karzinome können dabei ausgehen von großen Speicheldrüsen, Glandula parotis, Glandula submandibularis und Glandula sublingualis. Die regionären Lymphknoten stellen die Halslymphknoten dar. Bezüglich der TNM-Klassifikation gilt ein: 4 Tumorstadium T1, wenn ein Tumor <2 cm, ohne extraparenchymatöse Ausbreitung ist 4 Tumorstadium T2, wenn der Tumor >2 cm jedoch <4 cm ist 4 Tumorstadium T3, >4 cm messend 4 Tumorstadium T4a: mit Tumorinfiltration Haut, Unterkiefer und äußerem Gehörgang 4 Tumorstadium T4b: Tumor infiltriert Schädelbasis, Processus pterygoideus oder umschließt die A. carotis interna
a
Die Klassifikation der Lymphknoten entspricht der der übrigen Kopf-Hals-Tumoren. Bildgebung. Bildgebend imponieren die Tumoren computerto-
mographisch in der Regel mit mäßiger Kontrastmittel-Aufnahme. Die Weichteilinfiltration kann exakt dokumentiert werden. Als optimales bildgebendes Verfahren zur Differenzierung von intra- und extraparotidealen Tumoranteilen, zur Detektion von Infiltrationscharakteristika in Richtung der Schädelbasis und benachbarter Strukturen erweist sich die MRT. Diese sollte erfolgen unter Einsatz von T2- und T1-w Sequenzen sowie unter Einschluss von diffusions-w-Sequenzen, um hier eine Abklärung der Bildgebung zu erzielen. Selten differenziert werden müssen maligne Tumoren der großen Speicheldrüsen wie Lymphome, selten auch ein neuroendokrines Karzinom oder selten auch Plattenepithelkarzinome. Die Lymphome imponieren in der Regel als homogene Raumfor-
b . Abb. 16.7a, b. Whartin-Tumor (Zystadenolymphom). a T2-gewichtete Spinechosequenz, TR/TE=3000/19. Auftreibung der Glandula parotis linksseitig, oberflächlicher wie tiefer Lappen mit medial gelegenen Nekrosen (Pfeile). b T1-gewichtete Spinechosequenz, TR/TE=500/22. Raumforderung, die gesamte Glandula parotis einnehmend. Peripherer Saum mit erhöhtem Signalmuster. Die liquiden Zonen zentral zeigen einen deutlichen Signalverlust
16
462
Kapitel 16 · Speicheldrüsen
a . Abb. 16.8a, b. Lipom der Glandula parotis rechtsseitig. a T1-gewichtete Spinechosequenz, TR/TE=500/17, nativ. Hohe Signalintensität der Raumforderung im Bereich des dorsalen Parotispols, scharfe Demarkierung, kleiner Ausläufer auch nach medial. b T1-gewichtete Spinechosequenz,
b Gadolinium-DTPA, fettunterdrückt. Raumforderung der Glandula parotis mit komplettem Signalverlust nach Fettunterdrückungen (Pfeile), diskretem randständigem Enhancement; damit sind die Kriterien eines Lipoms dokumentiert
16
a . Abb. 16.9a, b. Adenokarzinom der Parotis. a Diffusionsgewichtete MR-Sequenz, TR/TE=8000/20. Erhöhte Signalintensität im Bereich der Raumforderung linksseitig Glandula parotis mit histologisch gesichertem Adenokarzinom, oberflächlicher wie tiefer Lappen. Die medial gelegenen
b nekrotischen Abschnitte zeigen sich mit niedriger Signalintensität. b Frontale T1-gewichtete MR-Sequenz, TR/TE=500/17, nativ. Frontal zeigt sich eine Auftreibung der Glandula parotis linksseitig sowie eine Raumforderung im medialen Lappen mit zentral liquiden Abschnitten
463 16.7 · Zusammenfassung
derung mit moderat erhöhter Signalintensität in den T2w-Sequenzen und mäßigem Signalverlust in den T1w-Sequenzen.
16.6
Systemerkrankungen
Zu den Systemerkrankungen gehören Immunerkrankungen (HIV-assoziierte Veränderungen der Sarkoidose und Morbus Sjögren). Computertomographisch können dabei einzelne granulierende Verkalkungen dokumentiert werden. Die MRT und MR-Sialographie erweisen sich als richtungsweisend zur Beurteilung der Drüsenarchitektur. Bildgebung. Magnetresonanztomographisch findet sich ein typisches Salz- und Pfeffermuster mit Arealen erhöhter und erniedrigter Signalintensität in den T1-gewichteten Sequenzen. Die Zysten imponieren dabei signalarm. In den T2-gewichteten Sequenzen imponieren die Areale erhöhter Signalintensität partiell zystisch. Die MR-Sialographie erlaubt die Abgrenzung des Gangs und die Dokumentation der Lagebeziehung. Die bildmorphologische Diagnostik bei Morbus Sjögren ist deswegen von außerordentlicher Bedeutung, weil die frühe Entwicklung von Lymphomen, Non-Hodgkin-Lymphomen evaluiert werden muss, diese finden sich gehäuft bei Morbus Sjögren und imponieren dann als signalarme konfluierende Areale innerhalb der gestörten Drüsenarchitektur.
16.7
Zusammenfassung
Zusammenfassend beruht die bildgebende Diagnostik von Erkrankungen der Speicheldrüsen primär auf der klinischen Evaluation und den bildgebenden Verfahren wie der Sialographie und der MRT und CT (. Abb. 16.10).
. Abb. 16.10. Diagnostisches Flowchart bei Erkrankungen der Speicheldrüsen
16
17 17 Oropharynx und Mundhöhle Th. Vogl
17.1
Normale Topographie, spezielle Untersuchungsbefunde und spezifische Bildbefunde – 466
17.1.1 17.1.2 17.1.3
Normale Topographie – 466 Spezifische Untersuchungstechnik Spezifische Bildbefunde – 466
– 466
17.2
Missbildungen/Fehlbildungen
– 467
17.3
Traumatologische Fragestellungen
17.4
Entzündliche Fragestellungen
17.5
Tumoren
17.5.1 17.5.2
Maligne Tumoren – 467 Benigne Tumoren – 470
17.6
Zusammenfassung
– 467
– 471
– 467
– 467
466
Kapitel 17 · Oropharynx und Mundhöhle
17.1
Normale Topographie, spezielle Untersuchungsbefunde und spezifische Bildbefunde
17.1.1
Normale Topographie
Die Mundhöhle umfasst kranial den harten Gaumen, lateral die Mukosa der Lippen sowie die Alveolarkämme der Ober- und Unterkiefer und enthält die ventralen zwei Drittel der Zunge. Anatomisch wird kaudal auch der Mundboden der Mundhöhle zugerechnet. Die Mandibula bildet den knöchernen Rahmen des Mundbodens. Paarig angelegt sind die Mm. mylohyoidei plattenförmig zwischen Mandibula und Zungenbein ausgespannt und tragen als Diaphragma die Strukturen des Mundbodens. Komplexe Muskelzüge wie der M. genioglossus und M. hypoglossus bilden eine topographische Barriere zur Erfassung pathologischer Erkrankungen. Der Oropharynx schließt sich nach dorsal und kaudal an die Mundhöhle an und reicht vom weichen Gaumen nach kaudal in Höhe der Valleculae glossoepiglotticae. Für die Erfassung dieser 3 topographisch miteinander kommunizierenden Räume bietet die MRT die höchste räumliche Auflösung mit exakter Abgrenzung von Faszien, Muskulatur und zwischengeschalteten Weichteilgewebsstrukturen.
17.1.2
Spezifische Untersuchungstechnik
Allgemeines
17
Die oberflächliche Schleimhaut bedeckt Strukturen der Mundhöhle, des Oropharynx und des Mundbodens und ist der klinischen Untersuchung gut zugänglich. Bildgebende Verfahren kommen zum Einsatz, um tiefer gelegene Kompartimente zu analysieren. Im Wesentlichen beruht dies auf Verfahren wie der Mehrschicht-CT (MSCT) mit Kontrastmittel sowie der MRT. Die Hauptfragestellung ist dabei die Erfassung des Infiltrationsmusters und der Tiefenausdehnung einer Raumforderung sowie der differenzialdiagnostischen Abgrenzung gegenüber entzündlichen oder benignen Veränderungen. Im Bereich der Mundhöhle werden zur Evaluation von dentalen Fragestellungen die angegebenen bildgebenden Verfahren eingesetzt.
Weichteilstrukturen in der Region Mundhöhle, Oropharynx und Mundboden. Für eine computertomographische Evaluation im Rahmen eines onkologischen Stagings sollte dabei von der Schädelbasis aus bis in das obere Mediastinum untersucht werden, um den Primärtumor wie auch die Lymphknotenmetastasen exakt zu erfassen. Die Probleme sind aber häufig Schluck- und Bewegungsartefakte; diese können unterdrückt werden, indem man den Patienten auf einen Bisskeil oder ein Endoskopiemundstück beißen lässt. Die Datenakquisition erfolgt primär axial, die sagittale Schichtführung wird aus den Datensätzen mittels multiplanarer Reformatierung errechnet. Die Kontrastmittelapplikation erfolgt obligat, um insbesondere die Lymphknoten gut von Blutgefäßen und Muskulatur zu differenzieren. Dabei erfolgt eine Injektion von 100‒130 ml Kontrastmittel, gefolgt von 20‒15 ml NaCl. Die dynamische Kontrastmitteluntersuchung hat derzeit ihre Bedeutung verloren, hier besitzt die MRT eine höhere Wertigkeit. Die Bildevaluation sollte im Weichteil- und im Knochenfenster erfolgen, um mögliche ossäre Infiltrationen, insbesondere bei Mundbodentumoren, sicher zu erfassen.
Magnetresonanztomographie Die MRT ist derzeit mit Feldstärken von 1,0‒3,0 Tesla für die Untersuchung der Kopf-Hals-Region geeignet. Die Datenakquisition erfolgt optimal mit zirkularpolarisierten Kopfspulen und z. T. mit speziell entwickelten Oberflächenspulen. Die minimale Displaymatrix sollte 256×256 Pixel betragen, die Schichtdicke 4 mm oder sogar geringer. An Sequenzen kommen die Spinecho(SE-), Inversion-recovery- (IR-), Gradientenecho-(GRE-) und Turbospinecho-(TSE-) Sequenzen sowie fettunterdrückte TSEund GRE-Sequenzen zum Einsatz. Die Signalintensität der einzelnen Strukturen hängt ab vom Gewebekontrast und darunter verschiedenen Gewebeparametern (Protonendichte, Relaxationszeit, T1- und T2-Flussgeschwindigkeit in Blutgefäßen, Suszeptibiliät). Die räumliche Lagebeziehung bei der Untersuchung des Mundbodens, Oropharynx oder Mundhöhle lässt sich in T1gewichteten Sequenzen aufgrund der niedrigen Signalintensität des Tumors gut evaluieren. Nach Applikation von Gadolinium-DTPA resultiert regelmäßig in der Peripherie von Tumoren ein Kontrastmittel-Enhancement mit einer Erhöhung der Signalintensität. Damit lassen sich insbesondere Vaskularisationsverhalten, Größe und benachbarte Strukturen sicher erfassen.
Sonographie Die Sonographie kommt regelmäßig vor den Schnittbildverfahren CT und MRT zum Einsatz. Die Haupteinsatzgebiete für die Sonographie ist dabei die Diagnostik von Speicheldrüsenerkrankungen der Glandula submandibularis und Glandula parotis (7 Kap. 16).
Computertomographie Bei Patienten mit reduziertem Allgemeinzustand und mangelnder Kooperation stellt die CT das primär bildgebende Schnittbildverfahren zur Diagnostik von Oropharynx, Mundhöhle und Mundboden dar. Dabei sollte nativ und nach Applikation von i. v.-Kontrastmittel untersucht werden. Die CT erlaubt eine überlagerungsfreie, maßstabsgetreue Darstellung der Knochen und
17.1.3
Spezifische Bildbefunde
Für die Schnittbilddiagnostik der Region Mundhöhle, Oropharynx und Mundboden steht die onkologische Diagnostik im Vordergrund. Als erstes bildgebendes Kriterium gilt eine Änderung der normalerweise symmetrisch konfigurierten Kompartimente des Oropharynx, Mundhöhle und Mundbodens.
Aufhebung der Symmetrie Die Asymmetrie kann bedingt sein durch ein Minus an Muskelmasse, Atrophie eines Teilmuskels, Schädigung der Innervation von Muskulatur oder durch tumoröse Raumforderungen.
467 17.5 · Tumoren
Charakteristisch zeigt sich in der MRT bei der Hypoglossusparese eine Asymmetrie mit erhöhter Signalintensität der Zungenhälfte in der T1-gewichteten Spinechosequenz. In der CT imponiert die betroffene Zungenhälfte hypodens. Aufgrund der Überlappung asymmetrischer Strukturen lassen sich dabei entzündliche und tumoröse Prozesse nicht sicher differenzieren. Hinzu kommen die Detektion von Verlagerungen von Fettbindegewebssepten wie das Spatium sublinguale und der parapharyngeale Raum.
Kontrastmittel-Enhancement: CT und MRT In der Regel nehmen tumoröse Raumforderungen des Mundbodens, Mundhöhle und Oropharynx Kontrastmittel auf. Dabei handelt es sich um ein interstitielles Enhancement, das nach 60‒90 s nach Injektionsbeginn am ausgeprägtesten ist. Etwa 85% aller Tumoren zeigen dieses Phänomen in der CT, vergleichbar auch in der Kernspintomographie unter Einsatz von paramagnetischen Kontrastmitteln.
17.2
Missbildungen/Fehlbildungen
Primäre Fehlbildungen des Mundbodens sind selten, am häufigsten finden sich eine Zungengrundstruma oder Spaltenbildungen (. Abb. 17.1).
17.3
. Abb. 17.1. Zungengrundtumor. FAT-SAT T1-gewichtete SE Sequenzen, TR/TE=500/17. Komplexes, KM aufnehmendes Weichteilgewebe im Bereich des Zungengrundes kaudal (Pfeil), ventral des Hypopharynx (Pfeilspitzen). Deutliche KM-Aufnahme
Traumatologische Fragestellungen
S. Ausführungen im 7 Kap. 15, Zähne und Kiefergelenke.
17.4
Entzündliche Fragestellungen
Lediglich in Ausnahmefällen machen Entzündungen im Bereich Mundboden und Oropharynx die Durchführung einer bildgebenden Diagnostik notwendig (. Abb. 17.3). Nur Komplikationen einer Tonsillitis, z. B. ein pharyngealer Abszess (. Abb. 17.2), eine septische Thrombose oder eine nekrotisierende Fasziitis, und selten Infektionen ausgehend von den Zähnen, erfordern eine derartige Abklärung. Bei spezifischen Entzündungen wie der Tuberkulose werden primär die lymphatischen Manifestationen mittels bildgebender Verfahren abgeklärt. Besonders wichtig ist dabei die Diagnostik einer Osteomyelitis in der Region der Mandibula.
17.5
Tumoren
17.5.1
Maligne Tumoren
Grundlagen Von allen malignen Tumoren stellen Tumoren des Oropharynx, Mundhöhle und Mundbodens ca. 2% dar, davon sind 90% Plattenepithelkarzinome. Andere histologische Entitäten sind selten ‒ wie das adenoidzystische Karzinom, das eine hohe Rezidivhäufigkeit zeigt. Seltene Tumore stellen auch Malignome im Kindesalter dar, z. B. das Rhabdomyosarkom oder die Manifestation
. Abb. 17.2. Parapharyngealer Abszess bei Staphylokokkeninfektion (Pfeile). CT-Diagnostik, KM-verstärkt, 100 ml KM. Transversale Rekonstruktionen. Flächige unscharfe Infiltration der Tonsillenloge auf der rechten Seite (Pfeil). Nach dorsal hypodense Zone mit Inhomogenitäten, Nekrotisierung, Ödematisierung der Umgebungsstrukturen, Verlagerung des Pharynxlumens (P)
17
468
Kapitel 17 · Oropharynx und Mundhöhle
Als direkte Zeichen maligner Tumoren müssen folgende Kriterien evaluiert werden: 4 Raumforderung mit Wachstum und Obliteration von FettBindegewebs-Räumen 4 Destruktionen von Knochen 4 Infiltration von Muskel- und Weichteilstrukturen Indirekte Zeichen maligner Tumoren sind:
4 Kontrastmittelaufnahme des Tumors nach Kontrastmittelgabe (. Abb. 17.4) 4 Strukturinhomogenitäten mit Nekrosen 4 Dokumentation von Lymphknotenmetastasen mit vermehrter Kontrastmittelaufnahme und zentraler Nekrotisierung
. Abb. 17.3. Diagnostisches Flowchart: Diagnostische Evaluation bei Verdacht auf entzündliche Veränderungen von Oropharynx und Mundhöhle
von Lymphomen. Die Klassifikation von Tumoren in der Mundhöhle, Oropharynx und Mundboden erfolgt nach der TNMKlassifikation. Die klinische Diagnostik ist dabei entscheidend für die primäre Wahl der entsprechenden Therapiestrategien, als Ausgangs- und als Verlaufskontrolle unter laufender onkologischer Therapie (. Abb. 17.8).
Computertomographisch nativ zeigen sich die Tumoren isointens zur Muskulatur und können nur anhand der raumfordernden Morphologie erkannt werden. Nach Applikation von Kontrastmittel zeigt sich in der Regel ein randständig betontes Kontrastmittel-Enhancement. T1/T2-Tumoren. Kleine Tumoren (<4 cm) im Stadium T1 oder
T2 werden optimalerweise abgegrenzt durch das vermehrte Kontrastmittel-Enhancement, sowohl computertomographisch als auch in der MRT. Die differenzialdiagnostische Abklärung erfolgt gegenüber hyperplastischem Lymphgewebe, insbeson-
17
a . Abb. 17.4a, b. Oropharynxkarzinom, im Stadium T4 mit Infiltration des weichen Gaumens, des parapharyngealen Raums, Tonsillenlogen beidseits bis an den Nasopharynx angrenzend. a T1-gewichtete fettunterdrückte Spinechosequenz, Gadolinium DTPA, TR/TE 500/17. Flächiges Infiltrationsmuster des gesamten Oropharynx. Die Raumforderung hypervaskularisiert (Pfeile). Infiltration des gesamten retropharyngealen Raums nach parapharyngeal angrenzend.
b b T1-gewichtete Gradientechosequenz, 500/17, Gadolinium DTPA. Flächige Infiltration des gesamten Oropharynx, Tonsillenloge, Pharynxwand und parapharyngeal sich ausbreitend. Pathologisch vergrößerte Lymphknoten jugulo-digastrisch im Level 2, 3 (Pfeilspitzen). Kernspintomographisch ergibt sich das Tumorstadium T4, N2. Das T4 begründet sich durch die Infiltration der prävertebralen Faszie
469 17.5 · Tumoren
a . Abb. 17.5. Zungengrundkarzinom linksseitig mit Überschreitung der Mittellinie, Infiltration bis an den aufsteigenden Unterkiefer. T2-gewichtete Sequenz, TR/TE=2000/90. Flächige Raumforderung im Zungengrund linksseitig bis an die laterale Oropharynxwand heranreichend. Mittellinie wird erreicht (Pfeile)
dere in der Tonsillenloge und dem Nasopharynx. Als problematisch erweisen sich computertomographisch Aufhärtungsartefakte, verursacht durch dichten Knochen, Zähne oder Zahnfüllungen in Höhe der Mandibula oder Maxilla. Diese Artefakte sind bei Einsatz der MRT deutlich reduzierter. Insbesondere Tumorausbreitungen in Höhe der Tonsillenloge wie auch des weichen Gaumen sind häufig schwerer computertomographisch zu erfassen. T3-Tumoren. Definitionsgemäß sind Tumoren im Stadium T3
>4 cm, zeigen computertomographisch sowie kernspintomographisch ein deutliches Kontrastmittel-Enhancement. Die bildgebende Diagnostik erlaubt die exakte Bestimmung der Tumorgröße, der Infiltration und des Mittellinien überschreitenden Wachstum (. Abb. 17.5, . Abb. 17.6, . Abb. 17.7). Die besten diagnostischen Ergebnisse bei kooperativen Patienten lassen sich mittels MRT aufgrund des exzellenten Gewebekontrasts und der geringen Artefaktbildung durch Zahnfüllung oder Zahnmaterialien erzielen. Die MR-tomographische Diagnostik gelingt am besten durch den Einsatz von T1- und T2-gewichteten Spinechosequenzen, die der Kooperationsfähigkeit des Patienten in der Dauer der Untersuchung angepasst werden sollte. Die hohe Wertigkeit der bildgebenden Diagnostik beruht zusätzlich auf dem differenzierten Einsatz der Schnittbildverfahren CT oder MRT im Follow up nach erfolgter Chemotherapie, Radiotherapie, Kombinationstherapie und der lokoregionären Chemotherapie.
b . Abb. 17.6a, b. Zungenkarzinom ventral gelegen. Verifizierung bildgebend in der MRT mit MR-Protonenspektroskopie. a Protondichte-gewichtete MR-Sequenz zur Lokalisation des Tumors und Vorbereitung für die Protonenspektroskopie ventral (rechteckiger Quader). b MR-Spektrum. Dokumentation der Spektren von Cholin bei 3,2 ppm, für Kreatin bei 3,0 ppm. Dokumentation einer deutlich erhöhten Cholinkonzentration als Kriterium für die Malignität des Tumors. Diese Parameter dienen zur Verlaufskontrolle unter Therapie
17
470
Kapitel 17 · Oropharynx und Mundhöhle
T4-Tumoren sind charakterisiert durch eine Infiltration von
Umgebungsstrukturen wie Knochen, Gefäße und prävertebraler Faszie.
Differenzialdiagnose beim Plattenepithelkarzinom Differenzialdiagnostisch müssen andere maligne Formen differenziert werden, z. B.: 4 Adenoidzystisches Karzinom (früher auch als Zylindrome bezeichnet) 4 Morbus Hodgkin/Non-Hodgkin 4 Sarkome 4 Metastasen anderer Primärtumoren 4 Aggressive Fibromatose Insbesondere die Verlaufsbewertung stellt das Problem der bildgebenden Diagnostik dar.
17.5.2
. Abb. 17.7. Zungenkarzinom. Sagittale T1-gewichtete Sequenz, Gadolinium DTPA. In der sagittalen Sequenz Verifizierung des Tumors (1) mit randständiger Hypervaskularisation, zentrale Nekrose, tumorversorgendes Gefäß. Zur Verifikation der Tumorversorgung dient die MRT (Pfeile = Gefäße)
Benigne Tumoren
Nur stichwortartig sollen die charakeristischen Befunde bei benignen Tumoren dargestellt werden. Hämangiome: 4 Intra/subkutan (. Abb. 17.9) 4 Erhöhte Signalintensitäten in der T2-gewichteten Sequenz 4 Niedrige Signalintensität in der T1-gewichteten Sequenz 4 Starkes Kontrastmittel-Enhancement
17
. Abb. 17.8. Diagnostisches Flowchart: Diagnostische Evaluation bei Verdacht auf Neoplasie des Oropharnynx und Mundhöhle. (*Lymphknotenfeindiagnostik)
471 17.6 · Zusammenfassung
a
b
. Abb. 17.9a, b. Hämangiom des Oropharynx. a T1-gewichtete Spinechosequenz, TR/TE 500/17, nativ. Die doppelkonturierte Raumforderung im Bereich des Oropharynx mit Verlegung des Lumens (Pfeile). Erhöhte
Binnentextur. b T2-gewichtete Sequenz 2000/90, Spinechosequenz, TR/TE = 50/5, nativ. Hohe Signalintensität entlang der kranial gelegenen zystischen Raumforderung (Pfeile). Keine Infiltration der Umgebungsstrukturen
Lipome:
4 MRT: T1-Sequenz: signalarm Gadolinium DTPA, schlierenförmige Kontrastmittelaufnahme 4 T2-Sequenz: hohes homogenes Signal
4 CT: hypodense Dichtewerte: 100 HE 4 MRT: T1-gewichtete Sequenz: hohe Signalintensität 4 Nachweis einzelner Verkalkungen > Zeichen der malignen Entartung: Infiltratives Wachstum und Nachweis von nicht verfetteten Anteilen mit Kontrastmittel-Enhancement. Zysten: Ätiologisch odontogen, follikulär, radikulär Neurinome:
4 Lokalisation Parapharyngealraum 4 CT: Niedrige Dichtewerte, schlierenartige Inhomogenitäten bei hypovaskularisierten Tumoren Kavernöses Lymphangiom, zystisches Hygrom:
4 Charakteristika Vielkammerung, 80% im Halsbereich liegend 4 wasseräquivalente Gewebemassen
17.6
Zusammenfassung
Die bildgebende Diagnostik von Oropharynx und Mundhöhle beruht im Wesentlichen auf dem Einsatz der CT und der MRT. Die Schnittbilddiagnostik ist dabei immer nachgeordnet der klinischen Untersuchung. Klinische Fragestellungen sind die Abklärung der topographischen Details bei Vorliegen von Malignomen im Rahmen des Stagings, im Rahmen der Therapiekontrolle und der Nachsorge. In seltenen Fällen erfolgt der primäre Einsatz von Schnittbildverfahren zur Abklärung entzündlicher Veränderungen, von Abszessen oder phlegmonösen Veränderungen.
17
18 18 Larynx, Hypopharynx und Weichteile Th. Vogl
18.1
Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechniken und spezifische Bildbefunde – 474
18.1.1 18.1.2 18.1.3
Normale Topographie – 474 Spezielle Untersuchungstechniken Spezifische Bildbefunde – 477
– 474
18.2
Missbildungen/Fehlbildungen
– 479
18.3
Traumatologische Fragestellungen
18.4
Entzündliche Fragestellungen
18.5
Tumoren
18.5.1 18.5.2 18.5.3 18.5.4 18.5.5 18.5.6
Benigne Tumoren – 480 Maligne Tumoren – 481 Semimaligne Tumoren – 481 Differenzialdiagnosen bei tumorösen Raumforderungen im Bereich der Halsweichteile – 482 Seltene Tumoren – 483 Weitere mesenchymale Tumoren – 483
18.6
Zusammenfassung
– 479
– 479
– 480
– 483
474
Kapitel 18 · Larynx, Hypopharynx und Weichteile
18.1
Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechniken und spezifische Bildbefunde
18.1.1
Normale Topographie
Als Begrenzung des Hypopharynx gilt nach kranial der Oropharynx und nach kaudal der supraglottische Anteil des Larynx (. Abb. 18.2). Dabei bilden der freie Rand der Epiglottis und die lateralen pharyngoepiglottischen Falten, die die Valleculae epiglotticae bilden, die echte Grenze nach kranial. Ventral der Epiglottis liegt der präepiglottische Raum, der mit Fettgewebe ausgefüllt ist. Der Ösophagus wie auch der linke und rechte Recessus piriformis stellen die dorsalen Grenzstrukturen des Hypopharynx dar. Der Larynx wird topographisch in supraglottische, glottische und subglottische Anteile differenziert, die Stimmbänder mit den Mm. vocali stellen die zentralen Anteile des glottischen Larynx dar. Dabei wird eine vordere und hintere Kommissur unterschieden. Die Stellung der Stimmbänder ist abhängig von der jeweiligen Funktion. Bei ruhiger Atmung ist die Stimmritze geöffnet, bei Atemstillstand ist sie geschlossen. In Inspiration und bei einem Valsalva-Pressversuch erfolgen verschiedene Stellungspositionen.
Kompartimente des Halses Posteriores Kompartiment (. Abb. 18.3):
4 Inhalt: Halswirbel, Extensoren- und Flexorenmuskeln wie M. scaleni, M. longus capitis und M. longus colli Viszerales Kompartiment (am weitesten ventral):
4 Inhalt: Aerodigestivtrakt, Larynx, Trachea, Ösophagus, Schilddrüse und Nebenschilddrüsen Laterales Kompartiment:
4 Inhalt: Gefäß, Nervenbündel um die A. carotis communis und V. jugularis
18
– Larynx – Pharynx – Schilddrüse 4 Submaxilläre Gruppe: – Mundboden – Zunge 4 Paratracheale und mediastinale Gruppe: – Larynx – Bronchien – Lunge – Schilddrüse 4 Supraklavikuläre Gruppe: – Mamma – Magen – Bronchien – Ösophagus
18.1.2
Spezielle Untersuchungstechniken
Allgemeines Die glottischen und supraglottischen Anteile des Larynx sowie die proximalen Anteile des Hypopharynx sind bei der klinischen Untersuchung gut zugänglich. Klinisch imponieren Erkrankungen in dieser Region mit den Symptomen der Heiserkeit (Larynx), der Dyspnoe und der Dysphagie (Hypopharynx) (. Abb. 18.1). Bei Vorliegen von Tumoren muss zur Therapieplanung deren Tiefenausdehnung bestimmt werden. Die Aufgabenstellung der bildgebenden Diagnostik umfasst das nichtinvasive Staging. Zudem müssen die exakte Diagnostik der zervikalen Lymphknoten und die Abgrenzung seltener differenzialdiagnostischer Prozesse erfolgen. Die Erkrankungen der Halsweichteile sind in der Regel inspektorisch und palpatorisch gut evaluierbar. Die häufigsten Ursachen für Raumforderungen stellen Vergrößerungen der Schilddrüse dar. Dies lässt sich jedoch durch eine sonographische Ab-
Die Erfassung der normalen und pathologischen Topographie der Halsweichteile und der Lymphknoten stellt eine wesentliche Aufgabe der bildgebenden Diagnostik dar. Dabei werden die Lymphknoten entsprechend der verschiedenen Gruppen topographisch zugeordnet und bezüglich entzündlicher und neoplastischer Infiltrationen evaluiert (Übersicht).
Topographische Zuordnung der verschiedenen Lymphknotengruppen 4 Obere zervikale Gruppe: – Zungengrund – Nasennebenhöhlen – Nasopharynx – Tonsillen 4 Mittlere/untere jugulare Gruppe: – Ösophagus 6
. Abb. 18.1. Diagnostisches Flowchart: Diagnostische Evaluation beim Vorliegen einer Dysphagie
475 18.1 · Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechniken und spezifische Bildbefunde
a
b
. Abb. 18.2a, b. Normale Anatomie in der frontalen Schnittführung. a Visualisierung der topographischen Lagebeziehung von Oropharynx mit Zunge. Eingang in den Larynx mit Stimmbandebene M. vocalis (m). Kranial gelegene Sinus morgagni (Pfeil) und Taschenfalten (Pfeilspitze weiß). T1-gewichtete Spinechosequenz, TR/TE=500/17, Gadolinium DTPA. b Spinecho-
sequenz, T1-gewichtet, TR/TE=500/17, frontal, dorsale Schnittführung. Visualisierung der jugulo-digastrischen Lymphknotenstationen (Level IIIb, Pfeile) insbesondere linksseitig medialseitig des M. sternocleidomastoideus (m)
klärung gut abgrenzen und charakterisieren. Die zweithäufigste Fragestellung in der Halsregion stellt die Abklärung vaskulärer Fragestellungen dar (klinisch imponieren eine Schwellung der Halsweichteile, ein schmerzhafter Lokalbefund oder auch eine Hautbeteiligung sowie ein infiltrierender Herdbefund).
mögliche arteriosklerotische Wandveränderungen, Aneurysmen sowie AV-Malformationen beurteilen.
Konventionelle Röntgendiagnostik Für die konventionelle Röntgendiagnostik gibt es derzeit nur seltene Inditkationen. Meist ist das die Diagnostik von Fremdkörpern oder blanden Verkalkungen. Bei Hypopharynxkarzinomen wird zur Abgrenzung häufig eine Röntgenbreischluckuntersuchung durchgeführt, um den Verlauf des Ösophagus und die Ausdehnung des Tumors in Hinblick auf die Therapieplanung von oral nach distal zu bestimmen.
Sonographie Die Diagnostik von Läsionen des Halses, der Halsweichteilstrukturen wie auch der Lymphknoten erfolgt primär durch die klinische Untersuchung und durch die Durchführung der Sonographie (7,5 Mhz, Linearschallkopf). Die farbkodierte Duplexsonographie sowie die Power-Dopplersonographie erlauben eine regelhafte Darstellung der Perfusion tumoröser Raumforderungen und der pathologischen Gefäßarchitektur. Zusätzlich werden die Flussverhältnisse in den Karotiden abgeklärt und es lassen sich
Computertomographie Die computertomographische Diagnostik erweist sich als vorteilhaft aufgrund der schnellen Datenakquisition, der zufriedenstellenden Weichteildifferenzierung und der exakten Dokumentation der ossären Leitstrukturen. Die Schichtdicke sollte 2 mm, maximal 4 mm betragen. Die i. v.-Kontrastmittel-Applikation ist obligat. Auf eine native Untersuchung kann in der Regel verzichtet werden.
Magnetresonanztomographie Die MRT der Halsregion wird bei Feldstärken von 1,5-3,0 Tesla durchgeführt. Zum Einsatz kommen T1- und T2-gewichtete Spinecho- und Turbospinechosequenzen sowie koronare Inversion-Recovery-Sequenzen. Als vorteilhaft für den Einsatz der MRT erweisen sich die multiplanare Darstellungsmöglichkeit (. Abb. 18.2, . Abb. 18.3), die gute Verträglichkeit des Kontrastmittels und die Möglichkeiten einer exzellenten Weichteilgewebekontrastierung, insbesondere auch für Verlaufskontrollen unter und nach Therapien. Durch den zusätzlichen Einsatz der MR-Angiographie (. Abb. 18.4) können differenzialdiagnostisch Veränderungen
18
476
Kapitel 18 · Larynx, Hypopharynx und Weichteile
c
a
18
b
der arteriellen Halsgefäße evaluiert werden, z. B. Stenosen, Thrombosen der A. carotis wie auch der V. jugularis. Die MR-Angiographie stellt dabei ein nichtinvasives MR-Verfahren dar, mit dem arterieller und venöser Fluss spezifisch dargestellt werden können. Zur Darstellung arterieller Flussverhältnisse
. Abb. 18.3a–c. Dokumentation der normalen Topographie von Larynx, Hypopharynx und Halsweichteilen in der axialen Schnittführung. a T1-gewichtete Spinechosequenz, 600/13, Gadolinium-DTPA, fettunterdrückt. Verifizierung der Glandula submandibularis (S) ventral der Gefäßnervenloge mit A. carotis interna (A) und externa beidseits der V. jugularis (V) und der Muskellogen. b Axiale Schnittführung, T1-gewichtete Spinechosequenz, 600/13, Gadolinium-DTPA. Verifizierung der Plica aryepiglottica (Pfeile) und des dorsal liegenden Sinus piriformis (Pfeilspitze). c Weiter kaudale Schnittführung axial in Höhe der Schilddrüse. T1-gewichtete Spinechosequenz, 600/13, Gadolinium-DTPA. Verifizierung in der fettunterdrückten Sequenz einer erhöhten Signalintensität der Schilddrüse, die sich homogen abgrenzen lässt. Zentraler Verlauf der Trachea, lateral die Gefäßloge. (A: A. carotis interna, V: V. jugularis)
empfehlen sich native Time-off-flight-Sequenz-Protokolle, auch für die Darstellung der Venen. Die kontrastmittelverstärkte MR-Angiographie erlaubt darüber hinaus eine zeitliche und räumliche hochaufgelöste Abbildung der zervikothorakalen Gefäße.
477 18.1 · Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechniken und spezifische Bildbefunde
Für die Laryngozele gilt: 4 Charakteristikum: Ursprung aus dem laryngealen Ventrikel. 4 Binnenstruktur: Dichte (computertomographisch in der Regel >30 HE) 4 Differenzialdiagnose: Endolaryngeale Zyste, Abszess, zentral nekrotischer Tumor. Differenzierung einfache Zyste. Für das Transsudat ist typisch:
4 CT <30 Hounsfield-Einheiten 4 T1-gewichtete MR-Sequenzen: hypointenses Signal Infizierte Zyste/Abszess. Für das Exsudat ist typisch:
4 CT >30 Houndsfield-Einheiten 4 T1-gewichtete MR-Sequenzen: hyperintenses Signal
Tumoröse Raumforderungen Die morphologischen Charakteristika von benignen und malignen Raumforderungen hängen von dem jeweiligen durchgeführten bildgebenden Verfahren ab. Konventioneller Röntgenbreischluck. Tumorcharakteristika:
4 4 4 4 4 . Abb. 18.4. Angiographie der Halsgefäße. Arterielle 3D-MR-Angiographie, Gadolinium-DTPA. In der arteriellen MR-Angiographie in schräger Rekonstruktion Dokumentation des Verlaufs des Aortenbogens und der A. carotis communis beidseits (C) mit offener einsehbarer Karotisbifurkation und der A. vertebralis (V)
18.1.3
Spezifische Bildbefunde
Asymmetrie der Vallecula Asymmetrie des Sinus piriformis Schleimhautunregelmäßigkeiten Faltenabbrüche Pellotierung des Respirationstrakts
Differenzialdiagnose tumoröser Raumforderungen des Larynx Maligne Tumoren:
4 4 4 4
Plattenepithelkarzinom Chondrosarkom Rhabdomyosarkom Adeno-/adenoidzystisches Karzinom
Lufthaltige Raumforderungen
Semimaligne Tumoren:
Die Diagnostik einer lufthaltigen Raumforderung im Larynx-, Hypopharynxbereich gelingt computertomographisch, selten auch MR-tomographisch. Die Differenzialdiagnose umfasst dabei das Vorliegen einer Laryngozele. Luft kann auch spontan auftreten. Für primäre Zysten gilt: spontaner Lufteintritt, Abszesse, Einschmelzungen. Ein Weichteilemphysem kann als Traumafolge bei Pneumothorax auftreten.
4 Kaposi-Syndrom 4 Schilddrüsenkarzinom mit sekundärer Infiltration (. Abb. 18.5)
Zystische Raumforderungen Die Detektion gelingt mittels Sonographie und CT/MRT. Differenzialdiagnosen sind Zelen, entzündliche Veränderungen, nekrotische Tumoren. Bei den zystischen Läsionen im Halsbereich sind zu unterscheiden: 4 Mediane/laterale Halszyste 4 Laryngozele 4 Lymphozele, postoperativ 4 Abszess 4 Nekrotischer Tumor/Lymphknoten
Benigne Tumoren:
4 Mesenchymale Tumoren wie Chondrom, Lipom, Fibrom, Rhabdomyosarkom, Hämangiom 4 epitheliale Tumoren wie Adenom, Papillom, Polyp 4 Laryngozele, endolaryngeale Zyste 4 Benigne Tumoren der Schilddrüse und Nebenschilddrüse (. Abb. 18.6) Entzündliche Raumforderungen:
4 Abszess, Phlegmone Iatrogen:
4 Muskel- und Fettgewebsinterponat
Diagnostische Kriterien bei Larynxtumoren Hier sind wichtig: 4 laryngeales Tumorwachstum 4 extralaryngeales Tumorwachstum
18
478
Kapitel 18 · Larynx, Hypopharynx und Weichteile
a
. Abb. 18.6. Raumforderung der Halsregion. Histologisch Epithelkörperzellenadenom bei primärem Hyperparathyreoidismus. T1-gewichtete Spinechosequenz, nativ, TR/TE=500/17. Hypointense Raumforderung (Pfeile) dorsal der Schilddrüsenloge im Sinne eines zystischen Epitheladenoms, mäßig hypervaskularisiert
Stippchenförmige Verkalkungen bei Larynxtumoren Differenzialdiagnostisch zu bedenken sind:
4 Hämangiom 4 Chondrom 4 Chondrosarkom Charakteristika in der MRT:
4 Erhöhte Signalintensität in den T2-gewichteten Sequenzen b
18
. Abb. 18.5a, b. Schilddrüsenkarzinom linksseitig mit lokalem Infiltrationsmuster. a Computertomographische Diagnostik, transversale Schnittführung, KM-verstärkt. Verifikation einer Raumforderung ausgehend von der Schilddrüsenloge mit Infiltration in den paralaryngealen Raum (Pfeile). Die Fascia thyrocervicalis ist infiltriert, lateral liegt die Gefäßloge, zentral die Nekrose (N), es zeigen sich unscharfe Leitstrukturen, eine Infiltration in die Umgebung. b Verifikation der Raumforderung (Pfeile) in der frontalen Schnittführung mit Rekonstruktion. Verlagerung der lateralen Gefäßkompartimente. Zentrale Nekrotisierung, randständige KM-Aufnahme
4 4 4 4
Knorpelinvasion Erosionen Lysen der Knorpel/Knochenstrukturen Obliteration des Markraums von Larynxskelettstrukturen
T1-gewichtete Sequenzen:
4 Deutliches Kontrastmittel-Enhancement
Knorpeldestruktion bei Larynxtumoren Differenzialdiagnostisch:
4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Infiltrationen Plattenepithelkarzinom Primäres Chondrom Chondrosarkom Entzündliche Prozesse Wegener-Granulomatose Perichondritis Osteosklerose Arthritis Osteoradionekrose
479 18.4 · Entzündliche Fragestellungen
18.2
Missbildungen/Fehlbildungen
Missbildungen im Bereich des Larynx, Hypopharynx und der Halsweichteile stellen seltene Befunde dar. Im Bereich der Larynxstrukturen ist der häufigste Befund die Laryngozele. Dabei handelt es sich um eine sackförmige Erweiterung von Räumen des Larynx; diese ist assoziiert mit einzelnen Berufsbelastungen, z. B. Musiker mit Blasinstrumenten. Primär muss bei der Abklärung einer Laryngozele das Vorliegen einer zugrunde liegenden Neoplasie mit einer sekundären Laryngozele abgegrenzt evaluiert werden. Als primär bildgebendes Verfahren bietet sich der Einsatz der Schnittbildverfahren CT und MRT an. Bei speziellen Fragestellungen kann die Untersuchung in I- und E-Phonation und Durchführung des Valsalva-Manövers notwendig sein. In seltenen Fällen müssen auch Pharyngozelen abgeklärt werden. Im Bereich der Halsweichteile, am Übergang zur Region des Oropharynx kann auch ektopes Schilddrüsengewebe vorliegen.
18.3
Traumatologische Fragestellungen
Die Diagnostik von traumatologischen Fragestellungen erfolgt bei der primären Abklärung zervikaler, spinaler Verletzungen, auch im Bereich der Polytraumadiagnostik (s. entsprechende Kapitel). Die Schnittbildverfahren dienen, neben der Abgrenzung von Hämatomen, der Evaluation von Verletzungen z. B. des Larynx im Sinne von Frakturen mit Luftaustritt sowie von nervalen oder vaskulären Verletzungen. Ein besonderes Augenmerk muss auf den Verlauf der Arteria carotis communis interna und externa gerichtet werden. Hier ist das Vorliegen einer Aneurysmaformation, einer Dissektion oder einer Gefäßokklusion bildgebend abzuklären. Das primär bildgebende Verfahren stellt dabei die farbkodierte Duplexsonographie dar. In einzelnen Fällen kann diese durch die MR-Angiographie oder die CT-Angiographie bis hin zum Einsatz der DSA mit der Möglichkeit der Intervention ergänzt werden.
18.4
. Abb. 18.7. Entzündliche Affektion der Halsweichteile im Sinne einer phlegmonös abszedierenden Entzündung. T1-gewichtete fettunterdrückte axiale Spinechosequenz, Gadolinium-DTPA. Ausgeprägte phlegmonöse Entzündungen der Halsweichteile linkslateral mit zentraler Nekrotisierung im Sinne einer Abszedierung (Pfeile). Verlagerung von Trachea (T) und Schilddrüse (S) auf die rechte Seite. Reaktive Lymphadenopathie (Pfeilspitzen)
Entzündliche Fragestellungen
Folgende Kriterien sind bei der bildgebenden Diagnostik von Larynx und Hypopharynx wichtig. 4 Epiglottis, Epiglottitis: Schnittbildiagnostik nur bei komplizierten Verläufen 4 Laryngitis: keine Indikation für bildgebende Verfahren 4 Paralaryngealer Abszess: Weichteilinfiltration, Verifizierung mittels kontrastverstärkter CT oder MRT (. Abb. 18.7). 4 Arthritis, Perichondritis: Diagnostik des Knorpels mittels CT oder besser MRT 4 Wegener-Granulomatose: Chronische Erkrankungen mit multiplen Granulombildungen, entzündliche Schleimhautveränderungen und Knorpeldestruktionen (. Abb. 18.9).
. Abb. 18.8. Chronische Laryngitis. Raumforderung des Larynx. Differenzialdiagnostisch Entzündung gegenüber Tumor. T1-gewichtete Spinechosequenz, fettunterdrückt, Gadolinium DTPA. Raumforderung über dem Larynx linksseitig, kranial der Stimmbandebene mit paralaryngealer Ausbreitung nach links (DD fokal Laryngitis, Neoplasie). Die histologische Sicherung ergab den Befund einer chronischen Laryngitis
18
480
Kapitel 18 · Larynx, Hypopharynx und Weichteile
a
b
. Abb. 18.9a, b. Entzündliche Larynxstenose. Morbus Wegener. a Axiale computertomographische Diagnostik, axiale CT-Schnittführung 3 mm Schichtdicke, KM-verstärkt. Bei langjährigem Morbus Wegener zeigt sich ein minimales Restlumen des Larynx ventral (weißer Pfeil). Massive Vermehrung
18.5
18
Tumoren
Das häufigste Malignom von Larynx und Hypopharynx ist das Plattenepithelkarzinom. Selten kommen auch andere Tumoren wie Sarkome oder benigne Prozesse differenzialdiagnostisch infrage. Bei kooperativen Patienten erweist sich die MRT aufgrund der verbesserten Weichteildiffenzierung und der multiplanaren Schichtführung als der CT überlegen (. Abb. 18.10). Wichtig ist dabei jeweils die Evaluation des Primärtumors wie auch der möglicherweise vorliegenden Lymphknotenmetastasen. Eine wesentliche Aufgabenstellung der bildgebenden Diagnostik umfasst dabei die Primärdiagnostik sowie die Verlaufskontrolle unter kombinierten Therapieverfahren wie der Radiochemotherapie oder nach Operation. Differenzialdiagnostisch kommen Weichteil- und Lymphknotenbefall auch bei Lymphomen vor. Hier erfolgen das Staging und die Befundung analog zu den topographischen Leitstrukturen.
18.5.1
des laryngealen und paralaryngealen Weichteilgewebes (Pfeilspitze). Vergrößerte Schilddrüsenlappen rechtsseitig (S). b Virtuelle Laryngoskopie aus dem primären CT-Datensatz. Verifizierung der Taschenbandebene (t) sowie der hochgradigen Einengung des Larynxeingangs (Pfeile)
. Abb. 18.10. Diagnostisches Flowchart: Abklärung tumoröser Raumforderungen von Larynx, Hypopharynx und Lymphknoten. (* Pharynx, Larynx, Mundhöhle, Speicheldrüsen: s. entsprechende Leitlinien; ** bei nicht kooperationsfähigen Patienten ist die CT zu bevorzugen; *** Lymphknotenfeindiagnostik)
Benigne Tumoren
Eine Papillomatose ist ein Krankheitsbild mit diffuser papillomatöser Auskleidung des Larynx. Häufig findet man diese Läsionen bei Kindern, wobei die Tumoren eine glatte Begrenzung mit z. T. blumenkohlartiger Morphologie und eine typische Lokalisation anterior an der Plica vestibularis oder vocalis bis in den subglottischen Raum reichend aufweisen.
Chondrom Meist ausgehend vom Ringknorpel weist ein Chondrom eine charakteristische amorph verkalkte Matrix auf, die am ehesten
computertomographisch nachgewiesen wird. Weitere Kennzeichen sind eine glatte Begrenzung mit Pellotierung des Respirationstrakts und eine niedrige Kontrastmittelaufnahme.
Amyloidbefall Ein Amyloidbefall der Larynxschleimhaut ist ein seltener Befund. In der MRT findet sich Weichteilgewebe mit einer umschriebenen Kontrastmittelaussparung bei entzündlich verdickten, umgebenden Schleimhautverhältnissen.
481 18.5 · Tumoren
Adenom Ein Adenom weist eine glatte Begrenzung bei homogener Binnenstruktur auf. Bildgebend zeigt sich ein langsames und verdrängendes Wachstum mit mittlerer Kontrastmittelaufnahme.
Endolaryngeale Zyste Es handelt sich hierbei um eine mit Schleimhaut ausgekleidete zystische Raumforderung an den Stimm- oder Taschenbändern oder den aryepiglottischen Falten mit niedriger Dichte in der CT-Untersuchung bzw. hohem Signal in der T2-gewicheteten MR-Sequenz.
18.5.2
Maligne Tumoren
Plattenepitelkarzinom Stadieneinteilung Die Grundlage für die Stadieneinteilung bei Plattenepithelkarzinom stellt das international gültige Klassifikationsschema nach dem TNM-System der UICC dar. Die derzeit gültige TNM-Klassifikation legt für das Stadium T1 fest, dass der Tumor auf einen Unterbezirk einer topographischen Region begrenzt ist, also Supraglottis, Glottis, Subglottis bzw. Hypopharynx nicht überschreitet. Bei glottischen Tumoren wird weiter untergliedert nach T1a bei Beschränkung des Tumors auf ein Stimmband und T1b bei Tumorbefall beider Stimmbänder. Tumoren des Stadiums T2 überschreiten bereits den Entstehungsbereich, bleiben aber auf die Larynx- bzw. Hypopharynxregion beschränkt. Supra- und subglottische Tumoren erreichen also die Glottisebene und glottische Tumoren breiten sich auf Supra- und Subglottis aus. Dabei sind die Stimmbänder entweder normal oder eingeschränkt beweglich. Bei Hypopharynxtumoren ist der Tumor nicht am Larynx fixiert. Tumoren im Stadium T3 sind weiter fortgeschritten und zeigen bei supraglottischen Tumoren eine Infiltration des Sinus piriformis oder präepiglottischen Gewebes. Bei glottischen Tumoren sind ein oder beide Stimmbänder fixiert. Tumoren im Stadium T4 haben sich bereits auf Nachbarregionen wie Oropharynx oder Halsweichteile mit infrahyoidaler Muskulatur ausgebreitet. Bei glottischen und supraglottischen Tumoren sind Schildknorpel und/oder Ringknorpel infiltriert, bei Hypopharynxtumoren die Epiglottis.
nahme des Tumors und eine mögliche Pellotierung des Respirationstrakts. Bildgebend gelten als Kriterien des malignen zervikalen Befalls bei Plattenepithelkarzinom: 4 Durchmesser >15 mm 4 Zentrale Nekrosen 4 >3 gruppierte Lymphknoten 4 Infiltratives Wachstum 4 Aufgehobene Gefäßarchitektur 4 Fixation an Umgebungsstrukturen Ein weiteres Kriterium ist der so genannte M/Q-Quotient. Dieser stellt ein Maß für den Maximaldurchmesser eines Lymphknotens im Verhältnis zu seinem transversalen Durchmesser dar (Wert <2). Ist dieser Wert <2, ist der Lymphknoten als malignitätsverdächtig zu werten. Morphologisch bedeutet dies eine Reduzierung der normalen ovalären Form zugunsten einer rundlichen Konfiguration. Bildgebend lassen sich die Lymphknotenmetastasen computertomographisch verifizieren, die Sensitivitäten und Spezifitäten liegen dabei bei 70–80%. Die Wertigkeit der MRT ist höher mit Werten zwischen 80 und 88%, sie ist optimal unter Einsatz der neuen, supraparamagnetischen Eisenpartikel wie der Substanz Sineren, die demnächst in die Klinik eingeführt werden sollen.
Rhabdomyosarkom, Fibrosarkom, adenoid-zystisches Karzinom Bildmorphologisch sind diese Tumoren in der Regel nicht vom Plattenepithelkarzinom zu differenzieren. Hinweise geben uncharakteristische Lokalisationen und Wachstumsrichtungen der Läsionen ausgehend und entlang von Muskelstrukturen oder Sehnenansätzen. 18.5.3
Semimaligne Tumoren
Kaposi-Sarkom Ein Kaposi-Sarkom zeigt in der Regel ein flächiges Wachstum ohne ossäre Destruktionen. Computer- oder magnetresonanztomographisch findet sich eine hohe Kontrastmittelaufnahme durch gute Vaskularisation ohne regionalen Lymphknotenbefall oder Fernmetastasierung. Kennzeichnend sind weiterhin die relativ scharfe Begrenzung bei schnellem Wachstum und die Assoziation mit einer HIV-Infektion.
Klinik Bei Hypopharynxkarzinomen, supra- und subglottischen Larynxkarzinomen gelingt die Diagnosestellung häufig erst durch primär detektierte zervikale Lymphknotenmetastasen. Beim glottischen Larynxkarzinom ist die Heiserkeit initiales Leitsymptom, erst im späteren Verlauf wird ein regionaler Lymphknotenbefall beobachtet.
Bildgebung Charakteristika eines malignen Tumors sind asymmetrisches und infiltratives Wachstum mit unscharfer Begrenzung und inhomogener Binnenstruktur. Computertomographisch können Knochen- und Knorpeldestruktionen nachgewiesen werden. In CT und MRT zeigen sich eine signifikante Kontrastmittelauf-
Stadieneinteilung des glottischen/supraglottischen Larynx-Hypopharynxkarzinoms Stadium T1: Der Tumor beschränkt auf eine topographische Region der Supraglottis, Glottis, Subglottis und Hypopharynx. Stadium T2: Die Tumoren überschreiten Entstehungsbereich, bleiben auf Larynx bzw. auf Hypopharynxregion begrenzt. Stadium T3: Supraglottische Tumoren mit Infiltration des Sinus piriformis wie auch des epiglottischen Gewebes. Stadium 4: Tumoren infiltrieren Nachbarregionen wie Oropharynx, Halsweichteilknorpel, Ringknorpel oder Epiglottis. 6
18
482
Kapitel 18 · Larynx, Hypopharynx und Weichteile
a
b
. Abb. 18.11. Larynx- und Hypopharynxkarzinom auf der rechten Seite. T1-gewichtete SE-Sequenz, fettunterdrückt, Gadolinium DTPA, TR/TE=500/17. a Raumforderung im Recessus pririformis auf der rechten Seite unter Mitbeteiligung der Taschenwandebene. Zentrale Nekrose, randständige KM-Aufnahmen, Mukosareaktion. Befund im Sinne eines supraglottischen Larynxkarzinoms mit Infiltration im Stadium T2 (Pfeile). b Vergleichende Gegenüber-
stellung eines Larynxkarzinom in der CT-Diagnostik, KM-verstärkt. Normaler Recessus piriformis auf der rechten Seite. Raumforderung linksseitig im Recessus piriformis im Sinne eines Hypopharynxkarzinoms (1) (Pfeile). Unscharfe Umgebungsinfiltration. Die lateralen Infiltrationskriterien lassen sich nicht sicher erfassen (2). A. carotis externa (3) und V. jugularis (4)
Das Staging von Lymphknotenmetastasen stellt die häufigste Fragestellung an die bildgebende Diagnostik der Halsregion dar. Dies gilt sowohl für primäre Tumoren im KopfHals-Bereich wie auch Lymphome und weitere seltene Tumoren (. Abb. 14.11).
18.5.4
Differenzialdiagnosen bei tumorösen Raumforderungen im Bereich der Halsweichteile
Maligne Tumoren:
18
4 Lymphknotenmetastasen 4 Lymphom (. Abb. 14.12, . Abb. 14.13) 4 Mesenchymale Tumoren (. Abb. 14.14) Benigne Tumoren:
4 4 4 4
Lymphadenitis MesenchymaleTumoren Chordom Glomus-caroticum-Tumor
Entzündung:
4 Abszess Iatrogen:
4 Muskel-Fettgewebs-Interponat
. Abb. 18.12. Zystischer Halslymphknoten (benigne). T2-gewichtete Turbospinechosequenz, TR/TE=3000/100, nativ, fettunterdrückt. Raumforderung linksseitig im jugulodigastrischen Level 3. Hohe Signalintensität dieser Raumforderung, scharfe Begrenzung, homogene Binnenstruktur. Keine Verlagerung der Umgebungsstrukturen
483 18.6 · Zusammenfassung
a . Abb. 18.13. Non-Hodgkin-Lymphom der Halsweichteile mit kettenförmigen Lymphknotenstationen. T1-gewichtete Gradientenechosequenzen, Gadolinium DTPA, TR/TE=50/17. In der frontalen Schnittführung der Halsregion zeigen sich in den Halslymphknotenstationen jugulo-digastrisch kettenförmige Lymphome, partiell konfluierend, ineinander verankert, mit Verlagerung der angrenzenden Weichteilstrukturen. Typischer Befund eines Lymphombefalls mit kettenförmiger Anordnung der Lymphknotenstationen
18.5.5
Seltene Tumoren
Für den Glomustumor gilt: 4 Parasymphatische nichtchromaffine Tumorzellen 4 Lage in der Karotisbifurkation 4 Glomus vagale 4 Bildgebende Charakteristika: Extremes Enhancement, Wash-out Phänomen
18.5.6
Weitere mesenchymale Tumoren b
Lipome: Typisches MR- und CT-Charakteristikum, diffuse Ver-
teilung des Fettgewebes im Halsbereich entspricht einem Morbus Madelung (. Abb. 18.15). Hämangiome: Typisches Vaskularisationsverhalten (. Abb. 18.16). Neurinom/Neurofibrom/Malignes Schwannom: Charakteristikum: Lagebeziehung zur nervalen Leitstruktur. Die Aufgabenstellung der bildgebenden Diagnostik ist dabei die topographische Zuordnung der Lymphknoten, die Lagebeziehung zu den verschiedenen Gruppen.
18.6
Zusammenfassung
Für die Abklärung von Prozessen des Hypopharynx und Larynx steht heute als Routinediagnostik die Mehrschicht-CT zur Ver-
. Abb. 18.14a, b. Lipom nuchal in den Halsweichteilen gelegen. a Differenzialdiagnostisch maligne/benigne typisches Signalverhalten in den MR-Sequenzen. Frontale Schnittführung, MR-Spinechosequenz TR/TE = 500/12. Hohes Signal der Raumforderung innerhalb der nuchalen Muskulatur gelegen, Durchmesser 40×30 mm, mit zentral zystischem Areal. b Axiale Schnittführung, T2-gewichtete Spinechosequenz, fettunterdrückt, TR/ TE=3000/60. Es zeigt sich eine randständig erhöhte Dichte. Zentral kompletter Signalverlust als Folge der Fettunterdrückung, dann Verifikation der Lipomanteile im Sinne eines nuchalen Lipoms
fügung (. Tab. 18.1 bis . Tab. 18.3). Diese sollte mit optimierten Untersuchungsprotokollen und aufwendigen Nachbearbeitungsmethoden erfolgen. Das Verfahren empfiehlt sich insbesondere bei Patienten mit reduziertem Allgemeinzustand und geringer Kooperationsfähigkeit. Eine zusätzliche Detaildiagnostik bei ho-
18
484
Kapitel 18 · Larynx, Hypopharynx und Weichteile
a
a
18
b . Abb. 18.15a, b. Morbus Madelung, generalisierte Lipomatose des Halses. a Axiale computertomographische Schichtführung, 5 mm Schichtdicke. Nach Applikation von KM ausgeprägte Fettgewebsvermehrung unter der oberflächlichen Halsfaszie, Verdrängung der Muskellogen. b Koronare MRT, T1-gewichtete SE-Sequenz, TR/TE, nativ. Kernspintomographisch imponiert das Fettgewebe als Struktur erhöhter Signalintensität. Verdrängung der signalarmen Muskelstrukturen. Kleinere Lymphknoten in der tiefen Halsloge
b . Abb. 18.16a, b. Zufallsbefund eines Hämangioms im Recessus piriformis bei einem Patienten mit Schluckbeschwerden. a T2-gewichtete Sequenz, TR/Te=2500/60. Raumforderung im Recessus piriformis mit erhöhter Signaltextur (Pfeile) und scharfer Begrenzung als Hinweis für benignen Prozess. b Sagittale Schnittführung, T1-gewichtete SE-Sequenz, fettunterdrückt, TR/TE=500/17, Gadolinium DTPA. Verifikation der Lagebeziehung in den apikalen Abschnitten des Recessus piriformis. Deutliche Hypervaskularisation. Die Differenzialdiagnose umfasst hier einen hypervaslukarisierten Tumor, wie in diesem Fall ein Hämangiom
485 18.6 · Zusammenfassung
her Auflösung und präzisen topographischen Informationen erlaubt der Einsatz der MRT. Die Scanrichtung ist bei Spiral- und Mehrzeilen-DetektorGeräten immer axial mit sekundären Rekonstruktionen (v. a.
koronar!) bei Einzelschicht-Sequenz-CT kann noch eine direkte koronare Schichtung notwendig werden. Untersuchungsbereich: Os frontale (oberhalb S. frontalis) bis Maxilla. Missbildungen: Mandibula einschließen.
. Tab. 18.1. Untersuchungstechnik MSCT Hals
Parameter
Sequenzielles CT
1 Zeilen-SpiralScanner
4–8 Zeilen-Scanner
10–16-ZeilenScanner
32–64 ZeilenScanner
Spannung (kV)
120
120
120
120
120
Stromstärke (eff mAs)
170
160
160
160
150 Qual Ref
Kollimation (mm)
3
3
1
0,75
0,5–06
Norm. pitch
–
1,7
1,5
0,8–1,2
0,8–1,2
Rekonstruktionsschichtdicke (axial, mm)
–
3
3
3
3
Rekonstruktionsschichtdicke (coro, mm)
–
–
3
3
3
WT + Knochen
WT + Knochen
WT + Knochen
WT + Knochen
Scannereinstellungen
Kernel Spezielles
+ coro-Scan (SB)
+ coro Scan (SB)
b
b
b
Bereich
Schädelbasis bis Jugulum
Schädelbasis bis oberes Mediastinum
Schädelbasis bis oberes Mediastinum
Schädelbasis bis oberes Mediastinum
Schädelbasis bis oberes Mediastinum
Kontrastmittel
obligat
obligat
obligat
obligat
obligat
Konzentration (mg Iod/ml)
350
350
350
350
350
Mono/biphasisch
monophasisch
monophasisch
monophasisch
monophasisch
monophasisch
Volumen (ml)
120
120
120
120
120
Injektionsrate (ml/s)
2,0
2,5
2,5
2,5
2,5
Delay (s)
50
70
70
80
80
Untersuchung während ruhiger Atmung, ca. 10 s vor Scan: Kommando: »nicht schlucken« Lagerung: Rückenlage in Schaumstoffkopfschale. Bei Larynxkarzinomen ggf. Gantryangulation parallel zur Stimmbandebene (sofern dies die Scanner noch erlauben) a: Falls Option einer primär koronaren Rekonstruktion (3D-Rekon) besteht: 20 Bilder koronar als Standard; falls Rekon über MPR, nur bei ausgewählten Fällen, z. B. Infiltration der Schädelbasis b: Bei Zahnmetallartefakten ist die Aquisition einer zweiten Spirale mit Angulation zur Okklusionsebene nötig
. Tab. 18.2. Halsregionen: Topographie in der Sonographie, CT und MRT Region I:
regio
submandibularis submentalis
II:
jugulodigastrisch 1:
kraniales Halsdrittel Mastoid bis Karotisgabel
III:
jugulodigastrisch 2:
mittleres Halsdrittel bis M. omohyoideus
IV:
jugulodigastrisch 3:
Kaudales Halsdrittel bis Clavicula
V:
dorsal:
Hinterrand M. sternocleidomastoideus
VI:
ventral:
Regionen II–IV bis Mittellinie
18
486
Kapitel 18 · Larynx, Hypopharynx und Weichteile
. Tab. 18.3. N – Regionäre Lymphknoten (Hals) NX
Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden
N0
Keine regionären Lymphknotenmetastasen
N1
Metastase(n) in solitärem ipsilateralem Lymphknoten, 3 cm oder weniger in größter Ausdehnung
N2
Metastase(n) wie nachfolgend beschrieben: N2a Metastase(n) in solitärem ipsilateralem Lymphknoten, mehr als 3 cm, aber nicht mehr als 6 cm in größter Ausdehnung N2b Metastasen in multiplen ipsilateralen Lymphknoten, keiner mehr als 6 cm in größter Ausdehnung N2c Metastasen in bilateralen oder kontralateralen Lymphknoten, keiner mehr als 6 cm in größter Ausdehnung
N3
Metastase(n) in Lymphknoten, mehr als 6 cm in größter Ausdehnung
Anmerkung In der Mittellinie gelegene Lymphknoten gelten als ipsilateral.
18
IV
Thorax, Mediastinum, Pleura 19
Thorax, Mediastinum P. Proschek, Th. Vogl
– 489
19 19 Thorax, Mediastinum P. Proschek, Th. Vogl
19.1
Normale Anatomie/Topographie
– 491
19.2
Spezielle Untersuchungstechnik
– 503
19.3
Systematik der Bildanalyse
19.4
Spezifische Analyse der Thoraxorgane: spezifische Bildmerkmale
19.4.1 19.4.2 19.4.3
Merkmale zur Beurteilung der einzelnen Organe Bildmerkmal Änderung der Transparenz – 511 Weitere spezifische Bildbefunde – 521
19.5
Variationen und Fehlbildungen
19.5.1 19.5.2 19.5.3 19.5.4
Knöchernes Skelett – 524 Lunge – 525 Mediastinum – 529 Trachea – 529
19.6
Entzündliche Erkrankungen
19.6.1 19.6.2 19.6.3 19.6.4 19.6.5
Pneumonien – 530 Bronchiektasen und typische Erkrankungen, die mit Bronchiektasen einhergehen – 542 Akute Bronchiolitis – 548 Chronische Bronchiolitis und verwandte Krankheiten – 549 Idiopathische Lungenfibose – 553
19.7
Inhalative Noxen und Fremdkörperaspiration
19.7.1 19.7.2 19.7.3
Pneumokoniosen – 553 Inhalation von Rauchgas – 558 Fremdkörperaspiration – 558
19.8
Immunologische Erkrankungen
19.8.1 19.8.2 19.8.3 19.8.4 19.8.5 19.8.6 19.8.7
Vaskulitiden – 559 Kollagenosen – 561 Amyloidose – 564 Diffuse pulmonale Einblutungen – 565 Langerhans-Zellhistiozytose – 565 Sarkoidose – 566 Lymphangioleiomyomatose – 568
19.9
Neurokutane Syndrome (Neurofibromatose, tuberöse Sklerose)
19.10 Alveoläre Mikrolithiasis
– 508 – 509
– 509
– 524
– 529
– 553
– 559
– 569
T. J. Vogl et al. (eds.), Diagnostische und Interventionelle Radiologie, DOI 10.1007/978-3-540-87668-7_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
– 569
19.11 Alveolarproteinose 19.12 Neoplasien
– 570
– 570
19.12.1 Typische Befunde für Neoplasien – 570 19.12.2 Benigne Tumoren der Lunge – 573 19.12.3 Maligne Erkrankungen der Lunge – 575
19.13 Zirkulationsstörungen
– 583
19.14 Iatrogene Veränderungen
– 588
19.15 Traumatologische Diagnostik 19.16 Mediastinum 19.16.1 19.16.2 19.16.3 19.16.4 19.16.5
– 590
– 594
Entzündung – 595 Erkrankungen des vorderen Mediastinums – 595 Erkrankungen des mittleren Mediastinums – 597 Erkrankungen des hinteren Mediastinums – 599 Pleura – 600
19.17 Thoraxwand
– 602
19.18 Lungenintervention
– 603
19.18.1 Regionale Chemotherapieverfahren der Lunge – 603 19.18.2 Thermale Ablation – 606 19.18.3 Laserinduzierte Thermotherapie der Lungen – 609
491 19.1 · Normale Anatomie/Topographie
19.1
Normale Anatomie/Topographie
Für die Analyse der normalen Topographie müssen in der Thoraxaufnahme p.a. die Organsysteme der Trachea, des Mediastinums, des Zwerchfells, der Fissuren, der Lunge, der Hiluskonfigurationen, der Weichteilstrukturen und der ossären Strukturen evaluiert werden (. Abb. 19.1). Wichtige Kriterien sollen für jedes dieser Organsysteme dezidiert vorgestellt werden.
Trachea und Bronchialbaum Der normale Verlauf der Trachea auf der a.p.-Aufnahme im Thoraxraum ist für den oberen Abschnitt der Trachea in der Mittellinie. Der Aortenbogen führt zu einer Deviation auf die rechte Seite. In den Exspirationsaufnahmen ist eine Abweichung nach rechts ausgeprägter bei zusätzlicher Verkürzung der Trachea (. Abb. 19.5). Das transparente Lumen der Trachea nimmt im Normalfall bzgl. der Breite nach kaudal ab. In der koronaren Schnittführung zeigt sich eine maximale Breite von 25 mm (bei Männern) und 21 mm (bei Frauen). Der rechte tracheale Rand, an dem die Trachea im Verlauf Kontakt zum Lungengewebe findet, kann von der Clavicula bis zum rechten Hauptbronchus verfolgt werden. Dieser Rand bzw. diese Zone wird als der rechte paratracheale Streifen bezeichnet und ist bei 60% der Patienten sichtbar. Normalerweise weist er eine Breite von <5 mm auf. Eine linke paratracheale Linie findet sich im Allgemeinen nicht, da der linke Rand der Trachea direkt an den großen Gefäßen liegt und hier kein Kontakt mit der Lunge stattfindet.
Anatomisch besteht die Trachea ventral aus u-förmigen Knorpelspangen, die nach dorsal durch die elastische Pars membranacea begrenzt werden. Die Trachea teilt sich etwa auf Höhe des 4. Brustwirbelkörpers (. Abb. 19.2, . Abb. 19.3). Danach verläuft der rechte Hauptbronchus steiler als der linke. Der normale Bifurkationswinkel der Carina beträgt 60–75°. Eine mögliche Vergrößerung des Winkels resultiert bei vergrößertem linkem Vorhof und vergrößerten Carina-Lymphknoten. Entsprechend der 3 Lungenlappen rechts teilt sich der rechte Hauptbronchus in je einen Ober-, Mittel- und Unterlappenbronchus. Aus dem abzweigenden rechten Oberlappenbronchus entspringt dann der apikale (1), posteriore (2) und anteriore (3) Segmentbronchus. Der Bronchus intermedius teilt sich in den Mittel- und Unterlappenbronchus auf. Der Mittellappenbronchus gabelt sich anschließend in den lateralen (4) und medialen (5) Segmentbronchus. Der apikale (6), parakardiale (7), anterobasale (8), laterobasale (9) und posterobasale (10) Segmentbronchus entspringen dem Unterlappenbronchus. Die linkseitige Verzweigung verläuft analog. Aus einem Hauptbronchus entstehen ca. 4 cm nach der Carina ein Oberund ein Unterlappenbronchus, die sich wiederum entsprechend der Segmente teilen. Der Oberlappenbronchus unterteilt sich in den apikoposterioren (1/2) und den anterioren (3) Segmentbronchus. Die superioren (4) und inferioren (5) Segmentbronchien der Lingula zweigen sich aus dem Oberlappenbronchus ab. Aus dem Unterlappenbronchus gehen der apikale (6), der ante-
a . Abb. 19.1a, b. Normale Anatomie. a Thorax p.a. 1. Trachea, 2. rechter Hauptbronchus, 3. linker Hauptbronchus, 4. Skapula, 5. Klavikula, 6. Manubrium sterni, 7. V. azygos, 8. Aortenbogen, 9. linke A. pulmonalis, 10. linker Vorhof, 11. linker Ventrikel, 12. rechter Vorhof, 13. Unterlappenarterie, 14. Sinus phrenicocostalis lateralis, 15. Mammaschatten b Thorax seitlich 1. Trachea, 2. prätracheales Gefäßband, 3. Aortenbogen, 4. rechter Oberlappenbronchus, 5. linker Oberlappenbronchus, 6. linke A. pulmonalis, 7. rechte A. pulmonalis, 8. Skapula, 9. Sinus phrenicocostalis dors. links, 10. Sinus phrenicocostalis dors. rechts, 11. Magenblase, 12. V. cava inf.
b
19
492
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
robasale (8), laterobasale (9) und posterobasale (10) Segmentbronchus hervor. > Die Einteilung der Segmente ist von großer Bedeutung, da sie sich auf die funktionelle Struktur stützt. Viele Krankheiten sind deshalb auf einzelne Segmente bezogen (. Tab. 19.1).
Drei wesentliche bildgebende Befunde müssen bei der Evaluation der Trachea evaluiert werden: 4 Engstellung 4 Verlagerung 4 Intraluminäre Läsionen
V. azygos . Abb. 19.2. Normale Anatomie von Trachea und Bronchialbaum (Frontalansicht des Bronchialbaums)
Die V. azygos befindet sich topographisch zwischen dem rechten Hauptbronchus und der Trachea. Im Stehen soll die normale
19
. Abb. 19.3. Bronchienaufteilung. Oben: Segmentbronchien, Lungen von ventral. Lappengrenzen: durchgezogene Linien; Segmentgrenzen: gestrichelte Linien. Unten: Segmentbronchien, Lungen von medial
493 19.1 · Normale Anatomie/Topographie
a d
b e
c
f . Abb. 19.4a–f. Schema von Trachea und Bronchialbaum in horizontalen Schnitten
Weite ≤10 mm sein. Sie reduziert sich im Rahmen des ValsalvaManövers oder bei der Inspiration. Eine Vergrößerung des Durchmessers der V. azygos tritt auf in liegender Position, bei subcarinären Lymphknoten, Schwangerschaft, portaler Hypertension, Obstruktion der V. cava inferior oder superior, Rechtsherzbelastung, konstriktiver Perikarditis.
Mediastinum/Herz In der Thorax p.a.-Aufnahme korreliert die zentrale Verdichtung mit einer Transparenzveränderung durch das Mediastinum, das Herz, die großen Gefäße und das Sternums. Bei guter Zentrierung liegen zwei Drittel des Herzschattens links der Mittellinie und ein Drittel rechts, mit jedoch hoher Variabilität. Der trans-
19
494
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
. Tab. 19.1. Lungensegmente
Rechte Lunge
Segment
Nummer
Oberlappen
Linke Lunge
Segment
Nummer
Oberlappen apikal
1
apikoposterior
1, 2
anterior
2
anterior
3
posterior
3
lateral
4 (Lingula)
medial
5 (Lingula)
Mittellappen lateral
4
medial
5
Unterlappen
Unterlappen superior
6
superior
6
basomedial
7
anterobasal
8
anterobasal
8
basolateral
9
basolateral
9
posterobasal
10
posterobasal
10
Die Einteilungen des Mediastinums sind vielfältig. Der obere Anteil des Mediastinums beginnt an der oberen Thoraxapertur und endet etwa auf Höhe am Übergang Manubrium – Corpus sterni und BWK 4. Unterhalb wird in ein vorderes, mittleres und hinteres Mediastinum unterschieden: 4 Das vordere Mediastinum beginnt an der Hinterkante des Sternums und geht bis zum Perikard. Darin liegen die Aorta ascendens, V. cava superior, V. azygos und der Thymus. 4 Im mittleren Mediastinum befinden sich das Herz und die Hauptgefäße sowie die Trachea. 4 Nach dorsal ist das hintere Mediastinum durch die Thoraxwand begrenzt und beinhaltet die Aorta descendens, den Ösophagus, N. vagus, Ductus thoracicus und den sympathischen Grenzstrang.
19
. Abb. 19.5. Röntgenthorax p.a. Trachealdeviation der Trachea nach rechts
versale Herzdurchmesser liegt für das weibliche Geschlecht <14,5 cm, für das männliche Geschlecht bei 15,5 cm. ! Eine Vergrößerung des Herzschattens um >1,5 cm im transversalen Durchmesser gilt als signifikant.
Eine scheinbare Herzvergrößerung wird bei kurzem Filmfokusabstand, in Exspiration sowie bei einer Aufnahme im Liegen erzeugt. Die Grenzen des Herzens und des Mediastinums sind scharf begrenzt bis auf die Kontaktstelle des Herzens mit dem linken Zwerchfell.
Die Lymphknoten des Mediastinums werden in eine viszerale und parietale Gruppe eingeteilt. Die parietalen Lymphknoten sind die parasternalen und die diaphragmalen Lymphknoten. Die übrigen zählen zu den viszeralen. Die Lymphe aus der Lunge, Ösophagus, Thymus und Trachea drainieren über die paratrachealen Lymphknoten. Die parasternalen erhalten ihren Zufluss aus der Pleura und der Thoraxwand inklusive der Mammae. Kriterien der Herzbegrenzung. Das Mediastium bzw. das Herz wird von mehreren Strukturen begrenzt (. Abb. 19.6). Links sind
von kranial nach kaudal folgende Strukturen randbildend: A./ V. subclavia, Aortenbogen, Aorta descendens, Truncus pulmonalis, linkes Herzohr und linker Ventrikel. In zunehmendem Alter kann auch die Aorta zur Randbegrenzung beitragen. Der rechte Rand wird formiert durch die V. cava superior, V. azygos, den rechten Vorhof und die V. cava superior. Mit zunehmendem Al-
495 19.1 · Normale Anatomie/Topographie
a
b
c . Abb. 19.6a–c. Topographische Anatomie von Mediastinum und Herz. a Schematische Darstellung des Mediastinums in medianer Sagittalschnittebene. b Herzbegrenzung in der a.p.-Aufnahme. c Herzbegrenzung in der Seitaufnahme
ter wird der elongierte und dilatierte Aortenbogen auch rechts wandbildend. Es gilt: 4 Rechtsseitig kranial:
5 Obere Begrenzung: V. cava superior/Truncus brachiocephalicus/ 5 Dilatierte Aorta im zunehmenden Alter rechtsseitig kaudal – rechter Vorhof
4 Linksseitig kranial:
5 Unscharfe Begrenzung der oberen mediastinalen Linien 5 geformt von der A. subclavia
Mediastinale Linien > Die mediastinalen Linien sind die Kontaktareale von Mediastinum und Lunge (. Abb. 19.7). Sie sind zu sehen, wenn sie langstreckig tangential getroffen werden. Eine sichtbare Verschiebung dieser Linien kann ein Hinweis auf einen raumfordernden Prozess des entsprechenden Kompartiments sein.
Die hintere Bindungslinie (auch: Apex-Arkus-Linie, hintere Pleuraumschlagsfalte) wird gebildet durch das Zusammentreffen der beiden hinteren Umschlagfalten der Pleura, die entlang der 2. Rippe auf Höhe BWK 3 verlaufen. Gemeinsam ziehen sie etwa 2 mm breit horizontal, leicht konvex nach unten zum Aortenbogen. Die Subklavia-Herz-Linie ist das Gegenstück zur hinteren Bindungslinie und wird auch vordere Pleuraumschlagsfalte genannt (. Tab. 19.2). Hier treffen sich die vorderen Pleuraumschlagfalten, die y-förmig ab der Unterkante des Sternums kraniolateral nach kaudoventral bis zum Herz ziehen. Rechts neben der Trachea verläuft der bis zu 4 mm breite paratracheale Streifen. Lateral der Aorta descendens ist die zarte, senkrecht verlaufende paraaortale Linie zu sehen. Die azygoösophageale Linie wird durch die Pleuraumschlagsfalte gebildet, die rechtsseitig an die V. azygos und den Ösophagus stößt (. Abb. 19.9). Sie hat die Form eines Baseballschlägers und verläuft auf der linken Seite nach rechts bis zum tracheobronchialen Winkel, auf der Höhe der Mündung von V. azygos in die V. cava superior. Die paraspinale Linie ist eine vertikal beidseits der Wirbelsäule verlaufende Linie, bestehend aus den Pleuraschichten, die die dorsalen Lungenanteile von der paravertebralen Muskulatur trennen. Paraspinale Linien auf der linken Seite sind <10 mm breit, auf der rechten Seite <3 mm. Die Verbreiterung resultiert aus den Osteophyten, Spondylophyten, einer elongierten Aorta oder Aneurysma (. Abb. 19.10), Wirbelkörpern und Weichteilmassen, einer dilatierten V. azygos oder paraspinalen Prozessen (z. B. Abszess, Lymphknoten, extramedulläre Blutbildung etc.). Die pleurokardiale Linie wird geformt von der rechten Wand des Ösophagus, dehnt sich von der Lungenspitze zur V. azygos aus. Sie ist nur abgrenzbar, wenn der Ösophagus luftgefüllt zur Darstellung kommt. Normalerweise ist die linke Wand des Ösophagus nicht sichtbar. Die retrotracheale Linie ist in der Seitaufnahme zu sehen und wird aus der dorsal der Trachea gelegenen Pleuraumschlagsfalte gebildet. Ist sie breiter als 4 mm, besteht der Verdacht auf eine Raumforderung. Ebenfalls in der Seitaufnahme zu sehen ist der retrosternale Pleurastreifen. Er wird gebildet durch die ventralen Anteile der Pleura und verläuft hinter dem Manubrium und Corpus sterni nach kaudal. Im kranialen Anteil ist er breiter, da hier die V. brachiocephalica zwischen Lunge und Sternum liegt. Nach kaudal verschmälert er sich zunehmend. Bei der Analyse des kindlichen Thorax und des Thorax des Adoleszenten kann der Thymus als dreieckige, segelförmige Struktur mit knapper Begrenzung auf beiden Seiten des Mediastinums abgegrenzt werden. Die rechte Wand ist dabei gerader als die linke, die häufiger zur Darstellung kommt. Die Thymusgröße reduziert sich bei der Inspiration und als Antwort auf Stresserkrankungen. Beim DiGeorge-Syndrom ist der Thymus nicht angelegt. Eine Vergrößerung des Thymus findet sich häufig in der Rekonvaleszenzphase sowie bei Jungen.
Weitere Linien . Abb. 19.11, . Abb. 19.12, . Abb. 19.13.
19
496
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
a
b
c
e
d
. Abb. 19.7. Normalbefund in der Thorax-Röntgenaufnahme: mediastinale Linien
Zwerchfell Bei der Inspiration liegen die Kuppen der Zwerchfelle in Höhe der 6. Rippe anterior und unter der 7. Rippe posterior. In der liegenden Position steht das Zwerchfell höher. Die kraniale Begrenzung des Zwerchfells ist scharf abgrenzbar, mit Ausnahme der linken Seite. Dort hat das Herz direkten Kontakt zum Zwerchfell. Normalerweise steht das rechte Zwerchfell höher als das linke (. Abb. 19.14). Dabei ist der höchste Punkt des rechten Zwerchfells etwa auf Höhe der 10. Rippe. In Exspiration zeigt es eine Verschieblichkeit um 2 Interkostalräume. Bei einer Inzidenz von 3% zeigt sich das linke Zwerchfell höher stehend als die rechte Seite.
19
! Ein Unterschied der Zwerchfellkuppen von >3 cm gilt als signifikant. Häufig basiert dies auf einer Dilatation des Magens oder der linken Kolonflexur. . Abb. 19.8. Auffällige paraspinale Linie bei Verdacht auf Lymphom, Röntgenthorax p. a. (Pfeile)
Zu einem beidseitigen Hochstand des Diaphragmas kann es – wenn eine insuffiziente Inspiration ausgeschlossen wurde –
497 19.1 · Normale Anatomie/Topographie
. Abb. 19.9. Überschreitung der azyösophagealen Linie bei mediastinalem Lymphom (Pfeile), Röntgenthorax a.p.
. Abb. 19.10. Aneurysma des Truncus brachiocephalicus, Röntgenthorax seitlich: unscharfe Begrenzung des proximalen Verlaufs des Aortenbogens (Pfeile)
. Tab. 19.2. Mediastinale Linien
Name
Ätiologie
Verlauf
Visualisierbarkeit
Verbreiterung
Hintere Pleuraumschlagfalte
Zusammentreffen beider Pleuraumschlagsfalten dorsal
Gerade konvex
2 mm
Lymphknoten Paravertebrale Raumforderung
Vordere Pleuraumschlagsfalte
Zusammentreffen der vorderen Pleuraumschlagsfalten
y-förmig von kraniolateral nach kranioventral, unterhalb des Sternums
Paratracheale Linie
Fettstreifen
Senkrecht rechts neben der Trachea
4 mm
Mediastinale Raumforderung Aberranter Oberlappenbronchus
Ösophagiales Interface
Pleurale Umschlagsfalte, die an Ösophagus und V. azygos stößt
Von der Mitte nach rechts zur Carina trachea
2 mm
Luftgefüllter Ösophagus, Raumforderung
Paraspinale Linie
Paravertebraler Raum
Senkrecht im Verlauf parallel zu Wirbelsäule
Links <10 mm
Entzündlich Tumoren Degenerativ
Rechts <3 mm
durch folgende Erkrankungen kommen: bilaterale Atelektasen, ausgedehnte Lungenfibrose, subphrenischer Erguss oder subphrenische Ursachen wie abdominelle Tumoren, Schwangerschaft, massiver Aszites, Hepatosplenomegalie und Adipositas. Ursachen für eine Buckelung des Diaphragmas sind: 4 Subphrenischer Erguss 4 Lebertumor (Abszess, Metastase) 4 Narbige Verziehung nach stattgehabter Pneumonie 4 Zwerchfellhernie 4 Perikardialer Fettbürzel
Fissuren Die Fissuren werden von den benachbarten Schichten der Pleura visceralis gebildet und sind in der Röntgenaufnahme nur sichtbar, wenn sie tangential getroffen werden.
Die Lungenlappen werden von den Interlobien getrennt. Dabei trennt das Hauptseptum den Ober- und Unterlappen und zieht nach kaudal ventral ab etwa BWK 5. Durch den schrägen Verlauf ist es in der p.a.-Aufnahme nur selten zu sehen. Der rechte Mittellappen wird vom Oberlappen durch das horizontal verlaufende Nebenseptum getrennt (. Abb. 19.19). Als akzessorische Fissuren sind das untere akzessorische und das obere akzessorische Septum zu finden. Das untere akzessorische Septum trennt das mediobasale Segment des Mittellappens ab, das dann Lobus accessorius cardiacus genannt wird. Das obere akzessorische Septum dient zur Trennung des apikalen Unterlappensegments vom restlichen Unterlappen. Das Azygosseptum begrenzt den Lobus V. azygos im rechten Oberlappen nach lateral (. Abb. 19.18).
19
498
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
a . Abb. 19.11a, b. Vergrößerte Lymphknoten. Verbreitertes Mediastinum bei Sarkoidose (Pfeile) mit deutlich vergrößerten Lymphknoten im aor-
b topulmonalen Fenster und Mediastinum. a Röntgenthorax p.a. b Röntgenthorax seitlich
. Abb. 19.13. Lymphomrezidiv. CT, Weichteilfenster. In der CT-Kontrolle zeigt sich ein ausgedehntes Lymphomrezidiv: Ausmauern des mittleren Mediastinums durch das Lymphomgewebe
19 . Abb. 19.12. Bekanntes zentrales Bronchialkarzinom links hilär nach Behandlung mit Radiochemotherapie. Röntgenthorax p.a.
Lunge Anatomie Aufbau des Lungengerüsts:
4 Peripher interstitielles Kompartiment: 5 Subpleurales Bindegewebe 5 Periphere Interlobalsepten mit Venen und Lymphbahnen 4 Axial interstitielles Kompartiment: 5 Hüllschlauch mit bronchiovaskulärem Bündel
5 Inhalt: Lymphbahnen 4 Parenchymatöses interstitielles Kompartiment: 5 Stabilisation des inneren Lumens der Lobuli zwischen den Azinii Die Basis des Strukturgerüsts der Lunge besteht aus dem bronchiovaskulären Bündel. Darunter versteht man folgende Strukturen: 4 die Pulmonalarterien 4 die Bronchien
499 19.1 · Normale Anatomie/Topographie
. Abb. 19.14. Röntgenmorphologie der Zwerchfellkuppeln
a
c b
. Abb. 19.15a–c. Paraaortale Verdichtung in Projektion auf den Herzschatten, a Röntgenthorax a.p.; b im Seitbild nicht eindeutig abgrenzbar (Pfeile) c CT im Lungenfenster: Darstellung einer paraösophagealen Fetthernie (Pfeile). A: Aorta; H: hinteres Mediastinum
19
500
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
. Abb. 19.18. Lobus V. azygos mit zarter Verdichtungslinie rechts paramediastinal (Pfeile), Ausschnitt Röntgenthorax p.a.
. Abb. 19.16. Entwicklung eines Lobus V. azygos
a
b
c
. Abb. 19.17a–c. Lappenspalte und akzessorische Spalte. a rechte Seite p.a.; b rechte Seite seitlich; c linke Seite seitlich
4 das umgebende Bindegewebe der Basalmembran, der Alveololen 4 das subpleurale Bindegewebe 4 die interlobulären und interlobären Septen mit Lungenvenen, Lymphgefäßen und Lungenrundherden
19
> Pathogenetisch gilt, dass bei Bronchiektasen die Bronchien, bei Bronchioloektasen die Bronchiolen und bei einem Emphysem der sekundäre Lobulus mit den Bronchioli respiratorii und den Alveolen betroffen sind.
Histologisch bestehen die Alveolen aus Alveolarepithel, Kapillaren und interstitiellem Gewebe. Das Epithel hat direkten Kontakt zum Endothel der Gefäße, was die Diffusion von Sauerstoff und Kohlendioxid ermöglicht. In den Alveolen sind Pneumozyten für die Sezernierung von Surfactant zuständig. Durch den Surfactant wird die Oberflächenspannung der Alveolen reduziert und so ein Kollabieren verhindert. Die nächstgrößere funktionelle Einheit ist der primäre Lobulus. Dieser besteht aus den Anteilen, die von einem Bronchiolus
respiratorius versorgt werden. Dazu zählen Ductuli alveolares, Sacculi alveolares und die beteiligten Alveolen. Ein Azinus umfasst mehrere Bronchioli respiratorii mit den nachgeschalten Einheiten, den versorgenden Gefäßen, nervalen Strukturen und bindegewebigen Anteilen. Etwa 4 Azini bilden den so genannten sekundären Lobulus. Man kann ihn als die kleinste von einer bindegewebigen Begrenzung umgegeben Einheit verstehen. Im Mittel enthält er ca. 40 primäre Lobuli. Von den Bronchien versorgt wird der Sekundärlobulus mit einer Größe von insgesamt 10 mm. Dieser wird von ca. 10 Azini gebildet. Der Sekundärlobulus stellt die kleinste von Bindegewebe umgebene Baueinheit des Lungenparenchyms dar und hat eine polygonale Form. Weiter unterteilt er sich in die terminalen und respiratorischen Bronchiolen sowie den Primärlobulus. Der Primärlobulus besteht aus den Ductuli alveolares, denen die Sacculi alveolares anhängen. Die Sacculi alveolares werden von je einer zuführenden A. terminalis versorgt. Im sekundären Lobulus ist ein Azinus der kleinste funktionelle Abschnitt der Lunge
501 19.1 · Normale Anatomie/Topographie
. Abb. 19.20. Schematische Darstellung von zwei benachbarten sekundären Lobuli
. Abb. 19.19. Großer Lappenspalt (Röntgenthorax seitlich, Pfeile), entspricht Hauptseptum (Nebensepten: Pfeilspitzen)
und besteht aus dem Bronchiolus terminalis mit den sich daran anschließenden Endaufzweigungen. > Pathologische Veränderungen des Lungeninterstitiums bedingen in der Regel eine Verbreiterung durch Flüssigkeiten wie auch Einlagerungen von Stoffwechselprodukten und Zellen. . Abb. 19.21. Schematische Darstellung der Alveolarwand
Bildgebung Die Schwierigkeit der Interpretation des Lungenparenchyms liegt in der Überlagerung durch Gefäße, Knochen und Knorpel. Im Bereich der Lungenspitzen ist die Diagnostik erschwert durch Überlagerung von Weichteilen und der Schlüsselbeine. In der Mitte des Lungenparenchyms spielt die diagnostische Erfassung des Lungenhilus eine entscheidene Rolle. Hier ist die Beurteilung durch Projektion von Gefäßen und Bronchien übereinander besonders kompliziert. Bei 97% steht der linke Hilus höher als der rechte, bei 3% sind sie annährend auf einer Höhe. Die Hili sollten dabei mit gleicher Dichte zur Darstellung kommen und lateral konkav begrenzt sein. An der Lokalisation der oberen Pulmonalvene ist die Identifikation jeder Struktur wichtig. Jede nicht zuzuordnende Struktur muss diagnostisch abgeklärt werden. Insbesondere der Vergleich mit Voraufnahmen ist dabei von hoher Wertigkeit. Zu den Strukturen des Hilus tragen im Wesentlichen die Pulmonalarterien und die Pulmonalvenen des Oberlappens bei. Normalerweise sind nicht vergrößerte Lymphknoten im Bereich der Hili nicht visualisierbar. Die normalen Bronchialwände werden lediglich sichtbar, wenn diese orthograd getroffen werden. Die ringförmige Abbildung des anterioren Oberlappenbronchus findet sich auf der rechten Seite in 45%, auf der linken
Seite in 50% der Untersuchungen. Die Breite des Weichteilgewebes lateral des Bronchus sollte <5 mm sein. Eine Verbreiterung weist auf das Vorliegen von möglicherweise malignen Veränderungen hin. Im HR-CT wird der Sekundärlobulus mittels dünner Schichten und hochauflösendem Faltungskern dargestellt. Bereits beginnende Strukturänderungen des Lungenparenchyms lassen sich so darstellen.
Pulmonalgefäße Die linke A. pulmonalis ist topographisch oberhalb des linken Hauptbronchus lokalisiert (. Abb. 19.22). Die rechte A. pulmonalis verläuft vor dem Bronchus nach posterior. Die Hilusgrößen sind damit insgesamt sehr variabel, der maximale Durchmesser des aszendierenden Asts der Pulmonalarterie misst 1 cm medial und 1 cm lateral. Die Gefäßbreite in Höhe des Hilus beträgt bei einem männlichen Erwachsenen 16 mm und bei einer weiblichen Erwachsenen 15 mm. Die Pulmonalvene des Oberlappens liegt lateral der Arterie und wird in einem 1 cm breiten Lungenparenchymstreifen von Mediastinum getrennt. Im ersten Interkostalraum sollen die normalen Gefäße 3 mm im Durchmesser nicht überschreiten.
19
502
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
! In aufrechter Position sind die Gefäße des Unterlappens im Durchmesser kräftiger im Vergleich zu denen der Oberlappen aufgrund der Reduktion der Perfusion und der Belüftung. In der liegenden Position ist die Breite der Gefäße im Ober- und Unterlappen vergleichbar. Rechts parakardial sind die Gefäße in der Regel prominenter.
Die Bildmorphologie der Peripherie der Lunge wird bestimmt durch die Sichtbarkeit vaskulärer Strukturen wie der Venen und Arterien. Diese können aufgrund ihrer und Dichte und dem Verlauf nicht sicher differenziert werden. Zentral haben die Arterien und Venen eine ähnliche Morphologie und Verlauf. Die Pulmonalvenen haben in der Regel weniger Äste als die Arterien, sind gerader, größer und unschärfer begrenzt. Die Arterien begleiten die Bronchien, liegen in der Regel posterior superior. Die Venen folgen nicht dem Bronchus, sondern drainieren über die Interlobärsepten in das Blut. Zum Teil formen sich daraus die superioren und basalen Venen, die direkt im linken Vorhof liegen. Diese Mündung kann als rundliche Struktur in der rechten Mittellinie, z. T. in Projektion auf das Herz, visualisiert werden. Die Bronchialarterien entspringen ventral von der Aorta descendens in Höhe BWK 5 und BWK 6 mit variabler Anatomie. In der Regel gibt es 2 Äste, einen auf der linken und der rechten Seite, die oft einen gemeinsamen Abgang aus der
Interkostalarterie haben. Beim Eintritt in den Hilus begleiten die Bronchialarterien die Bronchien. Die Bronchialvenen drainieren in die Pulmonalvenen, in einzelnen Fällen auch in die V. azygos. > Normalerweise lassen sich Bronchialarterien und -venen nicht mittels Thoraxaufnahmen visualisieren. Vergrößerte Bronchialarterien zeigen sich als multiple kleine Knoten entlang des Hilus und kurzverlaufende Linien in den proximalen Lungenfeldern. Dilatationen der Bronchialgefäße finden sich bei zyanotischen Herzfehler oder fokalen Erweiterungen aufgrund einer pulmonalen Läsion, z. B. eines Bronchialkarzinoms.
Lymphatisches System Die Aufgabe des lympathischen Systems der Lungen ist der Transport interstitieller Flüssigkeit und von Fremdmaterial. Es verläuft in den Interlobärsepten, verbindet die subpleuralen lymphatischen Wege und drainiert über die tiefen lympathischen Systeme wie den Hilus. Normalerweise sind Lymphgefäße im konventionellen Röntgenbild nicht sichtbar. Sie sind nur zu erkennen, wenn die Lymphgefäße verdickt sind. Sie treten dann im umliegenden Bindegewebe als so genannte Kerley-Linien in Erscheinung. Kerley-Linien können transient und persistent vorkommen. Die Verdickung des Bindegewebes ist dabei das wesentliche pathologische Korrelat.
19
. Abb. 19.22a, b. Pulmonalgefäße. a Gefäßbündel im Seitenbild, b Gefäßbündel auf dem p.a.-Bild
503 19.2 · Spezielle Untersuchungstechnik
. Tab. 19.3. Lymphknotenklassifikation nach den Definitionen der AJCC–UICC von 1997
Lymphknotenstation
Lage
N2 Lymphknoten innerhalb des Mediastinums 1
Oberes Mediastinum (über der Höhe der V. brachiocephalica gelegen)
2
Paratracheale Lymphknoten
3
Prävaskulär bzw. retrotracheale Lymphknoten
4R
Untere paratracheale Lymphknoten einschließlich der Azygoslymphknoten
4L
Untere paratracheale Lymphknoten
5
Subaortale Lymphknoten im aortopulmonalen Fenster oberhalb des ersten Abgangs der Pulmonalarterie gelegen
6
Paraaortale Lymphknoten entlang der Aorta ascendens
7
Infracarinale Lymphknoten ohne Kontakt zu den Bronchien oder Gefäßen der Unterlappen.
8
Paraösophageale Lymphknoten infracarinal
9
Lymphknoten entlang des Ligamentum pulmonale
N1 Lymphknoten innerhalb der viszeralen Pleura 10
Hiläre Lymphknoten
11
Interlobäre Lymphknoten
12
Lobäre Lymphknoten
13
Segmentale Lymphknoten
14
Subsegmentale Lymphknoten
Die intrapulmonalen Lymphgefäße drainieren direkt in die bronchiopulmonalen Lymphknoten. Eine kleine Anzahl intrapulmonaler Lymphknoten sind stets visualisierbar und können in der CT gesehen werden, in der Regel aber nicht im Nativfilm. Aus pathologischer Sicht ist dabei von Bedeutung, dass die anterioren und mediastinalen Lymphknoten in der Umgebung der Aorta drainieren (. Tab. 19.3). Die interpulmonalen Lymphknoten liegen entlang der Hauptbronchien, die mittleren und mediastinalen Lymphknoten drainieren Lunge, Bronchien, linkes Herz, untere Trachea und linken Raum der Pleura.
19.2
Spezielle Untersuchungstechnik
Mehr als 50% aller radiologischen Leistungen werden im Gebiet der Thoraxdiagnostik erbracht. Die Thoraxübersichtsaufnahme p.a. und seitlich stellen gegenwärtig das am häufigsten zum Einsatz kommende bildgebende Verfahren zur Beurteilung der Thoraxorgane dar. Für die Diagnostik des Herzens, der großen Gefäße, des Mediastinums und der Bronchien sind heute komplexe Verfahren wie CT, MRT und die Echokardiographie maßgebend.
Die früher eingesetzten Methoden der Bronchographie wie auch der Verwischungstomographie kommen heute nur noch in seltenen Einzelfällen zur Anwendung. Der Einsatz der Sonographie beschränkt sich im Wesentlichen auf die Thoraxwand, das Zwerchfell, das Sternum und der pleuralen Flüssigkeitsansammlungen. Die CT stellt heute das Standardverfahren zur weiterführenden Diagnostik thorakaler Erkrankungen dar, insbesondere auf der Basis der Multidetektor-CT (MDCT). Zur Abklärung von Erkrankungen des Lungenparenchyms wie auch der mediastinalen Strukturen wird sie häufig angewandt. Verbessert wird diese Technik durch die CT-Angiographie (CTA), die die Mehrzahl der Indikationen zur konventionellen Angiographie (DSA) abgelöst hat. Die Einsatzgebiete der MRT betreffen im Wesentlichen die Darstellung der oberen Thoraxapertur, der Thoraxwand und des Diaphragmas, ergänzt durch den Einsatz der MR-Angiographie (MRA). Der Echokardiographie kommt eine wichtige Rolle bei der Diagnostik des Herzens wie auch bei der akuten Aortendissektion und weiterer thorakaler und kardialer Erkrankungen zu. Die nuklearmedizinischen Verfahren wie die Lungenventilations- und Lungenperfusionsszintigraphie sind gegenüber der CT und MRT an Indikationen rückläufig. Zunehmende Bedeutung findet die Positronenemissionstomographie (PET) für das Staging des Bronchialkarzinoms und weiterer mediastinaler Tumoren.
Projektionsradiographie Sinn und Zweck der Projektionsradiographie ist die Beurteilung der Thoraxorgane. Die zur Durchführung der Projektionsradiographie erforderlichen grundsätzlichen Qualitätskontrollen und Leitlinien werden im Folgenden vorgestellt, sowie auch die Grenzen des Verfahrens, wie Überlagerungseffekte und die schlechte Dichteauflösung. Die verbesserten diagnostischen Systeme und der Einsatz digitaler Radiographiesysteme werden diskutiert.
p.a.-Aufnahme Position des Patienten. Bei der Einstelltechnik des Thorax für die p.a.-Aufnahme gilt es eine für den Patienten nicht alltägliche Position mit den Brustorganen möglichst nahe an ein Wandstativ zu erreichen. Die Schultern müssen dabei nach vorne an das Wandstativ gedrückt und innenrotiert werden. Das Wandstativ muss zudem vom Patienten mit seinen Armen und seiner Hüfte berührt werden (. Abb. 19.23). Aufnahmetechnik. Für die p.a.-Aufnahme sollte eine sehr kurze
Expositionszeit von <20 ms mit einem Fokus in einem Abstand von in der Regel 180 cm gewählt werden. Die Spannung beträgt normalerweise in der Hartstrahltechnik zwischen 125–150 kV. In der Regel erfolgt die Aufnahme am Rasterwandstativ mit beweglichem Raster (Rastertechnik) zur Reduktion der Streustrahlung mit einem Verhältnis von mindestens 10:1. Die Zentrierung erfolgt auf den 6. Brustwirbelkörper. In den meisten Fällen wird die Durchführung der p.a.-Aufnahme mit der lateralen Aufnahme kombiniert. Die routinemäßige Durchführung einer p.a.-Aufnahme erfolgt lediglich bei Patienten mit Verlaufskontrollen im Vorbefund.
19
504
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
Liegendaufnahme Position: Die Aufnahme wird in halb sitzender oder liegender Position durchgeführt. Aufnahmetechnik: Der Fokusfilmabstand beträgt 1 beziehungsweise 1,25 m, soweit maximal möglich. Die Aufnahmespannung liegt bei 80–100 kV, die Brennfleckgröße ≤1,3 mm.
Indikationen für Liegendaufnahmen 4 Allgemein: Bettlägerige Patienten, die nicht aufstehen oder sich außerhalb des Bettes aufsetzen können 4 Intensivmedizinische Kontrollen bei kardio- und pulmonalen Fragestellungen 4 Kontrolle bei mechanischer Ventilation und Katheterkontrollen 4 Nach endotrachealer Intubation zur Lagebeurteilung des Tubus 4 Nach Legen einer Pleuradrainage, von zentralvenösen Kathetern und Positionieren einer intraarteriellen Ballonpumpe
Besonderheiten der Liegendaufnahme sind: . Abb. 19.23. Position des Patienten bei einer p.a.-Aufnahme. Anmerkung: Bei einer p.a.-Aufnahme wird der Scribor mit den Patientendaten so belichtet, dass die endgültige Aufnahme spiegelbildlich angeschaut wird. Dann zeigt die Herzspitze auf dem Röntgenbild nach links
Indikationen für die p.a.-Thoraxaufnahme 4 Abklärung einer Lungenerkrankung 4 Bestimmung der Herzgröße/Konfiguration 4 Verlaufskontrolle bei Entzündungen, Tumor, vaskulären Erkrankungen 4 Präventivuntersuchung: Präoperativ, Personalarzt, Routineuntersuchungen bei TBC-Exposition
19
4 Zwerchfelle stehen beidseits höher als bei der Aufnahme im Stehen. 4 Herz: vermehrte Querlagerung mit Größenzunahme des Herzschattens. 4 Einschränkung der Herzgrößenbestimmung (nur im Verlauf möglich) 4 Mediastinum wirkt verbreitert. 4 Vermehrte Perfusion der Lungenoberfelder (basoapikale Blutumverteilung). 4 Dilatation der Oberlappengefäße. 4 Pneumothorax oft nur erschwert durch verschärften Herzrand oder minimale Transparenzerhöhung zu diagnostizieren. 4 Pleuraergüsse bilden keinen Rand, sondern nur eine flächige Verschattung von basal nach kranial abnehmend.
Zusätzliche Aufnahmen
Aufnahmen beim Kind
Zusätzlich zur p.a.-Aufnahme kommen folgenden Aufnahmen zum Einsatz: 4 Exspirationsaufnahme: in forcierter Exspiration bei Verdacht auf einen Pneumothorax. Auch zur Diagnostik bei Bronchialobstruktion und Air-Trapping. 4 Lordoseaufnahme: Verbesserte Einsehbarkeit von Veränderungen im Lungenapex. Heute weitgehend durch die CT abgelöst. 4 Knöcherner Hemithorax: weniger harte Strahlen (70 kV) zur Darstellung von knöchernen Prozessen insbesondere der Rippen.
Technische Angaben zu Aufnahmen beim Kind je nach Alter sind in . Tab. 19.4 dargestellt. Für kindliche Thoraxaufnahmen sollte wie beim Erwachsenen gelten: 4 Kürzestmögliche Belichtungszeit 4 Optimierung von Fokus plus Gesamtfilterung, Rasteranwendung und bildempfangendem System. (Beim Säugling optimal sind dabei Belichtungszeiten <4 ms, nahe 1 ms). 4 Zusatzfilterung von 3,0 mm Gadolinium Gleichwert zum Schutz sämtlicher Organe der Neugeborenen wie Schilddrüse, Brustdrüsen, Thymusorgan sowie Hautdrüsen, die auf der Eintrittsseite der Strahlung direkt an der Haut liegen. 4 Kein Streustrahlenraster beim Säugling notwendig aufgrund des geringen Körpervolumens. 4 Thoraxaufnahmen mit Raster erst ab einem Körpergewicht von 25 kg abhängig von Rumpfhöhe und dorsoventral einem Durchmesser >12 cm.
Seitaufnahme Position: Der Patient steht seitlich zum Stativ. Die Arme werden nach hinten über den Kopf gehoben (positionierter Bügel). Aufnahmetechnik: Die Expositionszeit sollte bei <40 ms liegen.
505 19.2 · Spezielle Untersuchungstechnik
. Tab. 19.4. Aufnahmen beim Kind
Alter
Spannung (kv)
Belichtungszeit (ms)
Belichtungsautomatik
Zusatzfilterung
Streustrahlenraster
Sensitivitätsklasse
Feldgröße
0–1 Monat
60–65
<4
nein
1 AI+0,1 Cu
nein
200–400
Mandibula-T12/L1
1–18 Monate
60–65
4–10
nein
1 AI+0,1 Cu
nein
400–600
C4 T2/L1
18 Monate bis 7 Jahre
60–65
<10
nein
1 AI+0,1 Cu
nein
600–800
Apices-T12/L1
8–18 Jahre
115–125
<10
nein/ja
1 AI+0,1 Cu
ja, 8/40
600–800
Apices-T12/L1
A: Aluminiumfilter, Cu: Kupferfilter
Film-Folienradiographie Technische Aspekte Die konventionelle Röntgendiagnostik beruht auf dem Prinzip der Folienfilmkombination. Dabei wird der Röntgenfilm indirekt durch Licht belichtet, das von verstärktender Folie erzeugt wird, d. h. hier wird der Röntgenfilm nicht direkt durch die Röntgenstrahlen belichtet. Unter Berücksichtigung des breiten Kontrastumfangs der Thoraxdiagnostik werden die verschiedenen Filmfoliensysteme nach Empfindlichkeitsklassen eingeteilt. Für die Thoraxdiagnostik sollte ein System der Belichtung der Empfindlichkeitsklasse von 200, besser jedoch 400 eingesetzt werden. Derzeit liegen die Anforderungen bei einer Folienfilmkombination der Empfindlichkeitsklasse 400 bei 2,4 Linienpaaren pro Millimeter (Lp/mm). Für die Folienfilmkombination ist eine charakteristische Gradationskurve zugehörig. Diese beschreibt, welche Detektordosis eine bestimmte Filmschwärzung verursacht. Grundsätzlich verläuft die Granulationskurve S-förmig. Der Kontrast einer Röntgenaufnahme wird durch die Gradation des verwendeten Films bestimmt, basierend auf dem mittleren Gradienten G und dem maximalen Gradienten Y. Der Dynamikbereich liegt für die Röntgenuntersuchung des Thorax bei hohen Werten, da die Lungen nur eine geringe Strahlungsmenge absorbieren und damit eine hohe Detektordosis auftrifft. Im Mediastinum ist die Absorption hoch, also resultiert eine geringe Detektordosis. Insgesamt übersteigt das Absorptionsverhältnis zwischen den dichten Strukturen des Mediastinums und den Lungen mit etwa 1:100 normalerweise den Dynamikbereich des Systems. Daraus resultiert, dass einzelne Strukturen mit optischen Dichten außerhalb des Bereichs von 0,4–2,0 wiedergegeben werden und nicht optimal beurteilt werden können. Als Lösung ergeben sich hier Möglichkeiten wie die asymmetrischen Folien-Film-Systeme und Äquilisationsverfahren.
Speicherfolienradiographie (Digitale Lumineszenzradiographie, DLR) Technische Aspekte Im Folgenden sollen die Grundtechniken vorgestellt werden, die zur digitalen Bildakquisition benützt werden können. Die Speicherfoliensysteme (DLR) stellen Systeme dar, die mit Kassettenbeladenen Radiographiesystemen kompatibel sind. Die internationale Bezeichnung lautet CR: computed radiography. Dabei werden die Kassetten in dezidierten Ausleseein-
heiten mittels Laser ausgewertet und sind damit in ihrer praktischen Handhabung vergleichbar den Tageslichtsystemen. Bei der DLR wird ein Detektormaterial verwendet, das den konventionellen Verstärkerfolien ähnlich ist. Meistens kommen mit Europium-dotierte Bariumfluorobromidkristalle beschichtete Folien zum Einsatz. Die Röntgenstrahlung wird absorbiert und dadurch Elektronen auf ein höheres Energieniveau gehoben. Ein Teil der Elektronen bleibt auf diesem Energielevel und hat somit die Röntgeninformation in Form eines latenten Bildes gespeichert. Über eine Laserabtastung wird auf optoelektronischem Wege das latente Bild in ein digitales Bild umgewandelt. Mithilfe einer starken Lichtquelle wird nach Beendigung der Auslese die Folie vollständig gelöscht und kann daher neu exponiert werden. Die maximale erreichbare Ortsauflösung liegt bei der Speicherfolienradiographie mit einer Pixelgröße von 200 n/m bei 2 Lp/mm, bei Flachbilddetektoren zwischen 3,5 und 2,5 (Lp/mm).
Digitale Radiographie Technische Aspekte Bei der digitalen Radiographie (DR) wird unterschieden zwischen der direkten Radiographie (Photokonduktor) und der indirekten Radiographie. Die direkte digitale Radiographie steht auf der Basis der Selenradiographie (SLR) in Form von dezidierten Arbeitsplätzen zur Verfügung. Dabei besteht der Detektor aus einer bis zu 50 n/m dicken Schicht aus amorphem Selen, einem Fotohalbleiter, in dem die Energie der Röntgenphotonen (Quanten) direkt in elektrische Ladung umgewandelt wird. Zwischen der Selenoberfläche in der Vorderfront des Gehäuses besteht dabei entweder ein 15 cm breiter Luftspalt zur Streustrahlungsreduktion oder ein Raster mit 60 Lamellen pro Zentimeter (L/cm). Die Flachbilddetektoren (Flat-panel-Halbleiterdetektoren) zeichnen sich aus durch ein einfaches Handling, die Integration des Detektors in verschiedene Stative und eine gute Quantenausbeute. Bei den Flachbilddetektoren ist die Oberfläche primär in einzelne aktive Pixel unterteilt. Jedes Pixel enthält dabei ein eigenes Schaltelement, das in der Lage ist, die eintreffenden Röntgenstrahlen in ein proportionales elektrisches Signal umzuwandeln. Der am weitesten verbreitete Detektortyp ist der amorphe Silizium-Detektor. Dabei ist eine Bildwandlerschicht aus einem Szintillatormaterial (z. B. Caesiumiodid) auf einer Halbleiterschicht einer Matrix von Photoelektroden aus
19
506
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
. Tab. 19.5. Indikationen für die Thoraxdurchleuchtung Überprüfung der Atembeweglichkeit des Zwerchfell bei tiefer Inspiration und Exspiration, forcierter Inspiration
Hitzenberg Schnupfversuch (engl. sniff test): Rasches Einatmen durch die Nase bei geschlossenem Mund. Normal ist eine Abwärtsbewegung des Zwerchfells. Bei Lähmung oder Funktionsschwäche kommt es zur paradoxen oder ausbleibenden Bewegung des Zwerchfells.
Beurteilung der Lungenschwankungen der Trachea
Müller Manöver: Inspiration bei zugehaltener Nase gegen die geschlossene Glottis zur Erzeugung eines intrathorakalen Unterdrucks. Daraus resultiert ein erhöhtes intrathorakales Blutvolumen. Valsalva-Manöver: Pressen gegen die geschlossen Stimmritze, intrathorakaler Druck wird erhöht, somit vermindertes intrathorakales Blutvolumen
Erfassung abnormer Mediastinalbewegungen
Beurteilung des Mediastinums in In- und Expiration
Indikation, Charakterisierung und Lokalisation von unklaren Verschattungen auf Thoraxübersichtsaufnahmen
Differenzierung reeller Veränderungen von Projektions-/summationsbedingten Verschattungen 5 Intrapulmonal: Atemverschieblichkeit einer Verschattung 5 Intrathorakal: Bei Rotation des Patienten wandern Verschattungen in Drehrichtung
Pulsierende Läsionen des Lungenmantels
Vaskuläre Genese: Volumenänderung in In- und Exspiration
amorphem Silizium aufgebracht. Das im Szintillator entstehende Licht wird mittels der Photoelektroden in ein elektrisches Signal umgewandelt.
tal, parasternal und suprasternal unter Umgehung von Lunge und Rippen. Bei oberflächlichen Veränderungen wird häufig der 10 Mhz-Schallkopf eingesetzt.
Durchleuchtung
Indikationen. Die Sonographie der Thoraxorgane dient zur Darstellung eines Pleuraergusses und ersetzt damit die röntgenologische Ergussaufnahme. Zusätzlich kommt sie komplementär zum Einsatz bei Brustwandprozessen oder umschriebenen Raumforderungen der Pleura. Damit gelingt die Differenzierung, ob die Raumforderung solide oder liquide ist. Zusätzlich können unter sonographischer Führung Drainagen eingebracht und Biopsien vorgenommen werden.
Die konventionelle Röntgendurchleuchtung findet unter klinischen Bedingungen bei Fragestellungen der Thoraxorgane nur noch selten Anwendung (. Tab. 19.5): 4 Bei unklaren Befunden in der Thoraxröntgenaufnahme: 5 falls primär keine Klärung mittels CT angestrebt wird. 5 falls eine Schrägaufnahme oder Lordoseaufnahme nicht adäquate Informationen zur Befundklärung liefern kann. 5 falls Herdbefunde größer als 5 mm sind und somit im Verlauf mittels der konventionellen Durchleuchtung differenziert werden können. 4 In In- und Exspiration mittels der Low-dose-Technik: zum Nachweis einer Parese des N. phrenicus.
Ursachen eines einseitigen Zwerchfellhochstandes
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4 4 4 4 4 4 4 4 4
Hepatomegalie Meteorismus Reflektorisch bei subphrenischem Abszess Lähmung des N. phrenicus (z. B. durch Pancoasttumor, iatrogen) Atelektase Hemiplegie Schonatmung nach Trauma Pleuraler Erkrankung, z. B. Empyem Subpulmonaler Erguss
Sonographie Die Sonographie der Thoraxorgane ist durch Luft und Knochen als Schallhindernis erschwert. Die Untersuchung wird je nach Fragestellung mit Ultraschallsonden von 3,5–10 Mhz durchgeführt. Die Zugänge erfolgen von abdominell subkostal, interkos-
Bronchographie > Definition: Darstellung des Bronchialbaums durch Benetzung der Bronchialschleimhaut mit einem positiven Kontrastmittel.
Die Bronchographie umfasst folgende Schritte: 1. Bronchoskopie 2. Vorschieben eines Bronchialkatheters in die Region des Bronchialsystems 3. Applikation eines dimeren, nichtionischen Kontrastmittels 4. Anfertigen einer Röntgenthoraxaufnahme Die Bronchographie kommt nicht mehr zum Einsatz; sie wurde durch die CT ersetzt. Dabei kann in der MDCT das Tracheobronchialsystem virtuell rekonstruiert werden.
Computertomographie Die weiterführende radiologische Diagnostik der Thoraxorgane erfolgt durch die CT, optimal unter Einsatz der Multidetektorcomputertomographie (MDCT). Verfahren wie die konventionelle Tomographie, Bronchographie und Angiographie wuden weitgehend verdrängt. Die CT/Mehrschicht-CT erlaubt die überlagerungsfreie Darstellung der Organe Lunge, Pleura, Lungenhilus und Mediastinum.
507 19.2 · Spezielle Untersuchungstechnik
Untersuchungsmethodik. Der Patient liegt auf dem Rücken und hält während der Aufnahme den Atem an. Normalerweise erfolgt die Aufnahme in Inspiration. Bei besonderen Fragestellungen kann eine ergänzende Aufnahme in Exspiration und/oder Bauchlage indiziert sein. Die Arme sollten durch Elevation möglichst aus dem Untersuchungsbereich herausgenommen werden, um eine Dosiserhöhung und Aufhärtungsartefakte zu vermeiden. Der Thorax wird von der tiefsten Stelle der Zwerchfellrippenwinkel bis zur oberen Thoraxapertur geschichtet. Die i. v.-Kontrastmittelgabe verbessert die Abgrenzung von Mediastinalstrukturen und Lungengefäßen und gibt Hinweise auf die Durchblutung pathologischer Thoraxstrukturen. Auch ermöglicht sie je nach Abstimmung der Scanparameter die artierielle Darstellung der Koronargefäße oder Pulmonalarterien. Wegen des hohen Dichteumfangs der abgebildeten Strukturen (Luft: -1000 HE, Knochen +1000 HE; = Schwächungswerte gemessen in Houndsfield-Einheiten) werden für die optimale Beurteilung der Lunge und des Mediastinums jeweils unterschiedliche Fenstereinstellungen gewählt.
Magnetresonanztomographie Die MRT hat aufgrund ihrer Flexibilität und hohen diagnostischen Spezifität einen hohen Stellenwert in der radiologischen Diagnostik. Als Vorteilhaft für ihren Einsatz erweist sich die Möglichkeit der multiplanaren Schichtführung in axialer, sagittaler und koronarer Schichtorientierungen, der hohe Weichteilkontrast, die nichtinvasive Gefäßdarstellung mit der Möglichkeit der Flussmessung sowie die fehlende Strahlenexposition. Mittels Kontrastmittelapplikation kann in der Magnetresonanzangiographie (MRA) eine hohe räumliche Auflösung erreicht werden. Weitere Vorteile sind zusätzliche Möglichkeiten von funktionellen Stoffwechseluntersuchungen wie die MR-Spektroskopie oder Diffusions- und Perfusionsuntersuchungen. Nachteilig sind die im Vergleich zur CT längeren Untersuchungszeiten mit daraus resultierenden Atem- und Bewegungsartefakte durch z. B. Herzaktionen. Allerdings konnte die Dauer der Messungen durch neue Sequenzen und Computerweiterentwicklungen deutlich verkürzt werden. Bewegungsbedingte Artefakte lassen sich durch EKG- oder Atemtriggerung minimieren. Für die Thoraxregion sind dabei Gradientenechosequenzen sowie neue Sequenzprotokolle mit einer schnelleren bildtragenden Akquisition und mit der Möglichkeit der sekundären Rekonstruktion nötig. Die Einsatzmöglichkeiten der MRT sind vielfältig. Aufgrund der Möglichkeit der Signal- und Texturanalyse ist sie besonders geeignet zur Differenzierung von Gewebestrukturen wie Fettgewebe, Muskelstrukturen, Raumforderungen und deren Charakterisierungen. Die MRT hat einen hohen diagnostischen Stellenwert für Pathologien der Thoraxwand, Pleura und des Spinalraums. Des Weiteren wird sie eingesetzt für Fragestellungen bezüglich des Mediastinums, vaskulärer Erkrankungen wie Gefäßanomalien, Aneurysmen und entzündlichen Erkrankungen. Der Einsatz von Untersuchungsmethoden bei kardialen Fragestellungen wird in den 7 Kap. 21–23 (Herz- und Gefäße) abgearbeitet.
Perfusionsszintigraphie Die Perfusionszintigraphie wird zur Diagnostik und zum Ausschluss von Lungenembolien eingesetzt. Dabei werden i. v. radi-
oaktiv markierte makroaggregierte Albuminpartikel verabreicht, die im normalen perfundierten Lungenparenchym multiple, kleinste Embolien erzeugen. Die von den Partikeln emittierten Gammastrahlen werden durch eine Gammakamera in mehreren Positionen aufgezeichnet. Die Verteilung der Aktivität erlaubt die qualitative und quantitative Erfassung der Perfusion. Vermindert perfundierte Areale sind durch ausbleibende Speicherung zu erkennen. Eine unauffällige Perfusionsszintigraphie schließt eine klinisch relevante Lungenembolie aus. > Jedoch handelt es sich nicht bei jedem Perfusionsdefekt um eine Lungenembolie, da auch z. B. Ventilationsstörungen zu verminderter Perfusion führen kann. Daher wird häufig die Perfusionsszintigraphie und die Ventilationsszintigraphie kombiniert.
Das typische Befundmuster in der Perfusionsszintigraphie stellt für die Fragestellung der Lungenembolie eine keilförmige Defektbildung dar. Durch den Einsatz der Mehrschicht-CT mit schnellerer Bilddatenerfassung ist jedoch der Einsatz dieses Verfahrens stark in den Hintergrund gerückt. Die CT erweist sich als vorteilhaft durch die Erfassung primär der Morphologie und sekundär der Veränderungen bis hin zur Planung eines möglichen interventionellen Eingriffs wie der Katheterdefragmentation.
Ventilationsszintigraphie Die Methodik erfasst die Darstellung einer regelhaften Lungenluftverteilung durch die Inhalation von radioaktiven Edelgasen, wie Xenon-133- oder Technetium-99m-Aerosolen. Die Mikrosphären lagern sich an die Alveolar- und Bronchialwände an. Vermindert ventilierte Bezirke zeigen eine geringere oder ausbleibende Traceranreicherung. Zur Diagnostik der Lungenembolie müssen die Befunde der Ventilationsszintigraphie und die der Perfusionsszintigraphie in Ergänzung durch eine Thoraxübersicht zusammengeführt werden. Bei stattgehabter Lungenembolie zeigt sich ein so genanntes Miss-match zwischen den beiden Untersuchungen. Die betroffenen Areale stellen sich durch eine normale Ventilation mit verminderter Perfusion dar. Indikationen sind Ventilationsstörungen, wie Restriktion und Obstruktion, weiterhin Bronchostenosen sowie als Ergänzung zur Perfusionsszintigraphie bei der Diagnostik der Lungenembolie. Durch die Durchführung von Spätaufnahmen nach mehreren Stunden kann der Abtransport des Nukleoids untersucht werden und gibt damit die Information der Aktivität des mukoziliaren Transportsystems. > Restriktionsstörung Bei einer restiktiven Lungenerkrankung, die zu einem funktionellen Verlust an Gasaustauschfläche führt, kommt es zu einer reduzierten Compliance, Vitalkapazität, funktionellen Residualkapazität und Diffusionskapazität. Bedingt durch die verminderte Diffusionskapazität resultiert eine Hypoxämie und reduziertes FEV1. Um eine ausreichende Menge an Luft zu inspirieren, ist eine vermehrte Atemtätigkeit notwendig. Gleichzeitig muss der kardiale Druck erhöht werden, 6
19
508
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
um das Herzzeitvolumen durch den Lungenkreislauf zu pumpen. So kommt es zu einer vermehrten Rechtsherzbelastung bis hin zur kardialen Dekompensation. Beispiele für eine restiktive Lungenerkrankung sind: Fibrose, Atelektase, Lungenteilresektion, Pleuraschwarte, Pneumothorax, Thoraxdeformität mit eingeschränkter Beweglichkeit.
Positronenemissionstomographie Bei der PET-CT wird ein appliziertes Radiopharmakon mittels CT sichtbar gemacht. Die Positronen aussendenden Tracer werden in den normalen Stoffwechsel integriert. Der β-Zerfall führt zu einer Wechselwirkung mit Elektronen. Dabei kommt es zur Vernichtung beider Teilchen, wobei 2 Photonen entstehen, die sich genau entgegesetzt voneinander bewegen. Diese Vernichtungsstrahlung kann somit an 2 Stellen des Detektorrings nachgewiesen werden und erlaubt damit Rückschlüsse auf den Ort des Zerfalls. Bei insgesamt schlechter Ortsauflösung der PET-Scanner wird die Untersuchung mit einem Computertomographen kombiniert. Dabei wird der Patient direkt nach der PET-Scannung durch einen zweiten Detektorring eines Computertomographen gefahren. Die beiden Bilder werden per Computer in Einklang gebracht. In der Thoraxdiagnostik kommt die PET-CT nur bei elektiven Untersuchungen im Rahmen des Stagings, bei unklarem Tumormarkeranstieg oder zu Nachuntersuchung in Einsatz. Es können über den veränderten Stoffwechsel infiltrierte Lymphknoten oder atypische Tumorlokalisationen detektiert werden. > Wichtig für die Wahl des Tracers ist, dass er im Plasma nicht metabolisiert wird und eine gute, selektive Rezeptorbindung hat. Um den richtigen Tracer auszuwählen, müssen bestimmte Merkmale des Tumors bekannt sein. Liegen Rezeptoren vor? Gibt es spezifische Antigene (z. B. CEA)? Stoffwechselaktivität der Tumorzellen? Zellprodukte (z. B. Iod)?
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Bei einem erhöhten Glukoseumsatz des Tumorgewebes kommt F-18-Fluorodeoxyglucose (FDG) zum Einsatz, z. B. bei hochdifferenzierten Adeno- und Plattenepithelkarzinomen, Sarkomen oder Lymphomen. Eine diagnostische Lücke können endokrine Tumoren darstellen. FDG eignet sich auch für den Nachweis florider Entzündungen. Vorteile der Methode sind, dass postoperativ-narbige Veränderungen von Rezidiven unterschieden werden können. Auch unübersichtliche Regionen oder Stellen mit artefaktbedingter Überlagerung durch postoperative Materialien können in der PET-CT eindeutig beurteilt werden.
19.3
Systematik der Bildanalyse
Kriterien Die Interpretation der Thoraxaufnahme sollte nach bestimmten Kriterien erfolgen. 1. Visuelle Kontrolle der Bildqualität:
5 Einhaltung der Richtlinien der Europäischen Qualitätskriterien.
5 Qualität der Belichtung mit scharfer Abbildung der Gefäße bis in die Peripherie, des Hilus, Herzrand und Zwerchfell, sowie Darstellung des sechsten ventralen Rippenabschnitts. 5 Vollständige Erfassung der Thoraxorgane in Inspiration (Zwerchfell auf Höhe mindestens der 8. Rippe). 5 Symmetrie der Aufnahme mit Projektion des Processus spinosus des dritten Brustwirbelkörpers in der Mitte zwischen beiden Sternoclaviculargelenken. 5 Clavicula soll sich auf die 3. Rippe projizieren um eine falsche Angulation auszuschließen. 2. Überprüfung der Identität:
5 Name, Geburtsdatum, Untersuchungsdatum, Name des Instituts. 3. Morphologische Analyse der bildgebenden Strukturen und wesentlichen Bildmerkmale: 5 Transparenzänderung 5 Strukturänderung 5 Morphologisches Erscheinungsbild
Systematiken Zur systematischen Bildanalyse des Thorax stehen mehrere Muster und Schemata zur Verfügung. Hierbei sollte sich jeder für das für sich persönlich passende entscheiden. Wichtig ist es, sich an »sein« Schema zur Bildinterpretation zu halten. Nur so kann vermieden werden, dass Befunde oder evtl. Nebenbefunde übersehen werden. > Schema von innen nach außen: Herz, Mediastinum, Lunge, Rippen, Thoraxwand. Schema von außen nach innen: Thoraxwand, Rippen, Lunge, Mediastinum, Herz.
Leitbefunde Das konventionelle Röntgenbild stellt ein Summationsbild dar, da das gesamte durchstrahlte Volumen auf einer Fläche abgebildet wird. Daher ist jeweils die Durchführung einer Seitaufnahme notwendig, um eine entsprechende Lokalisierung vornehmen zu können. Dabei sind verschiedene Röntgenzeichen für die Lokalisationsdiagnostik hilfreich:
Silhouettenphänomen Eine Kontur (Silhouette) auf einer Röntgenaufnahme ist erkennbar, wenn 2 Medien unterschiedlicher Dichte nebeneinander liegen. Dabei versteht man unter dem Begriff des Silhouettenzeichens die Auslöschung der normalerweise vorhandenen Kontur bei Aneinandergrenzen zweier Medien gleicher Röntgendichte. Beispielsweise zeigen die strahlendichten Hilusfiguren gegenüber der strahlendurchlässigeren Lunge eine deutliche Silhouette, sprich Kontur. Sobald ein Medium gleicher Dichte unmittelbar an der Herzkontur liegt, z. B. ein Infiltrat oder ein Tumor, so ist die primär lufthaltige Lunge dort verdrängt; die Kontur des Herzens verschwindet. Sollte jedoch Luft zwischen Infiltrat, Tumor und dem Herzschatten vorhanden sein, so lässt sich weiterhin das Herz abgrenzen.
509 19.4 · Spezifische Analyse der Thoraxorgane: spezifische Bildmerkmale
> Durch das Silhouettenphänomen lässt sich beweisen, dass eine Verschattung, durch die der rechte Herzrand sich nicht mehr abgrenzen lässt, im rechten Mittellappen liegt. Die linke Herzkontur wird verdeckt durch Veränderungen in der Lingula.
Die Grenze des rechten Zwerchfells wird durch Pathologien im rechten Unterlappen und das linke dementsprechend durch den linken Unterlappen beeinflusst.
Bronchopneumogramm Das Bronchopneumogramm ist definiert als ein »Sichtbarwerden« eines Bronchus in einer Verschattung oder Verdichtung. Die Bronchien sind lufthaltig und sind normalerweise nur dann im Hilus sichtbar, wenn sie orthograd getroffen werden. Normalerweise ist die Bronchuswand zu dünn und nicht primär schattengebend. Ein Bronchus kommt zur Darstellung, wenn das umgebende dichtere Gewebe einen Kontrast zum lufthaltigen Lumen bildet.
Airtrapping Bei Fremdkörperaspiration kann eine lokalisierte Überblähung einer Lunge resultieren. Dies geschieht in der Regel auf der rechten Seite mit einer Obstruktion im Hauptsegment und Subsegment. Prinzipiell kann durch eine Aspiration bei Verschluss des Bronchus eine Atelektase oder bei Ventilmechanismus eine Überblähung entstehen. Im Falle einer Überblähung ist die entsprechende Lunge hypertransparent und volumenvermehrt. In der Durchleuchtung kann dabei das so genannte Pendeln des Mediastinums dokumentiert werden. Das Mediastinum bewegt sich dabei in Exspiration zur gesunden Seite.
19.4
Spezifische Analyse der Thoraxorgane: spezifische Bildmerkmale
19.4.1
Merkmale zur Beurteilung der einzelnen Organe
Die systematische Analyse der Thoraxübersichtsaufnahme (. Abb. 19.24) ist in . Tab. 19.6 und . Tab. 19.7 zusammengefasst.
Trachea
. Abb. 19.24. Spezifische Analyse der Thoraxorgane. 1: Retrosternalraum, 2: Thoraxdurchmesser
. Tab. 19.6. Systematische Analyse der Thoraxübersichtsaufnahme
Thoraxorgane und Strukturen
Analyse von
Herz
Lage, Größe, Konfiguration
Mediastinum
Trachea, Carina, Aorta, Pulmonalissegment, V. cava, V. azygos
Lungenparenchym
Transparenz/Muster: 5 von kranial nach kaudal 5 von zentral nach peripher 5 getrennt rechts und links
Lunge
Gefäßzeichnungen: 5 vergleichende Bewertung 5 von kranial nach kaudal 5 von rechts nach links
Knochen
Claviculae, Scapulae, Humerus, Rippen, Brustwirbel
Weichteilstrukturen
Halsabschnitte, Brustschatten, Axilla, Retromamillarraum
Abdomen
Verdichtungen, Verkalkungen, Luftverteilung
Fremdkörper
Katheter, Drainagen, Schrittmacher, etc.
Kriterien:
4 4 4 4 4
Normalwerte: koronarer Durchmesser 25/21 mm Stenosen? Verlauf? Verlagerungen? Intraluminale Läsionen? Rechte pleuratracheale Linie, Verbreiterung bei: 5 mediastinaler Lymphadenopathie 5 Malignomen der Trachea 5 mediastinalen Tumoren 5 mediastinaler Flüssigkeit
. Tab. 19.7. Systematische Analyse der Thoraxseitaufnahme
Thoraxorgane und -strukturen
Analyse von
Herz
Lage, Konfiguration, Größe
Mediastinum
Trachea, rechte und linke Pulmonalarterie, Aorta Cave: Retrosternalraum, Retrokardialraum, Zwerchfell, kostophrenischer Rezessus
Knochen
Sternum, Brustwirbelknochen
Herz/Mediastinum Die Randstrukturen des Herzens und Mediastinums sind klar begrenzt bis auf den Kontakt zum linken Zwerchfell (7 Kap. 19.1).
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510
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
Die rechte obere Mediastinalbegrenzung wird formiert durch die V. cava superior und den Truncus brachiocephalicus. Im Rahmen einer Aortenelongation (zunehmendes Alter) trägt die Aorta hier zusätzlich zu dieser Herzkontur bei. Die linke obere Mediastinalbegrenzung ist weniger scharf abgrenzbar. Sie wird gebildet von der A. subclavia und dem Aortenknopf. Verschiedene mediastinale Linien lassen sich visualisieren (junction lines). Sie werden geformt durch die Pleura, die sich von der angrenzenden, luftgefüllten Lunge abhebt. Kriterien sind: 4 Verbreiterung des Mediastinums 4 Aortopulmonales Fenster? 4 Lufteinschlüsse? 4 Spiegelbildung? 4 Fremdkörper? (z. B. Herzklappen, Stent) 4 Verkalkungen? (z. B. Perikard, Klappen, Lymphknoten) 4 Größe des Herzens 4 Randkonturen (z. B. Aneurysmen)
. Abb. 19.25. Subphrenischer Abszess ausgehend von der Leber mit Zwerchfellhochstand im Röntgenbild des Thorax p.a mit deutlicher Spiegelbildung und begleitenden Plattenatelektasen (Pfeilspitzen) bei schmerzbedingt reduzierter Inspirationstiefe (Pfeile)
Zwerchfell
19
Normalerweise ist das Zwerchfell glatt begrenzt (7 Kap. 19.1). Ist es nur unscharf abgrenzbar, können entsprechend dem Silhouettenphänomen Affektionen der angrenzenden Lungenabschnitte vorliegen. Auch fibrotische oder narbige Lungenparenchymveränderungen können zu einer Unschärfe des Zwerchfells führen. Auch sollte der Abstand des linken Zwerchfells zur Magenblase beachtet werden. Ist dieser größer als etwa 1 cm, kann ein subpulmonaler Erguss bzw. ein Tumor vorliegen. Ist der Sinus phrenicocostalis, der sonst seitengleich spitz ausläuft, insbesondere in der Seitaufnahme abgeflacht und verplumpt, kann es sich um einen Pleuraerguss oder narbige Residuen handeln. Hier hilft zur Differenzierung der Vergleich mit den Voraufnahmen oder eine ergänzende Sonographie. Es gibt viele Gründe für einen uni- oder bilateralen Zwerchfellhochstand oder Tiefstand. Ein beidseitiger Tiefstand weist auf ein erhöhtes intrathorakales Volumen hin. Dies kann z. B. bei einem Emphysem der Fall sein. Physiologisch zeigt sich der beidseitige Tiefstand auch bei jungen Menschen und Sportlern. Ein beidseitiger Zwerchfellhochstand kann seine Ursache in einem reduzierten intrathorakalem Luftvolumen, eingeschränkter Beweglichkeit des Zwerchfells (z. B. bei Adipositas) oder der Pleura haben. Eine Aufnahme in Exspiration muss zuvor jedoch ausgeschlossen werden. Ein einseitiger Hochstand kann entweder durch intra- oder extrathorakale Ursachen bedingt sein. Extrapulmonal kommen raumfordernde abdominelle Prozesse wie eine Hepato- oder Splenomegalie, subdiaphragmale Abzesse in Betracht. Intrathorakal sind differenzialdiagnostisch an einen subpulmonalen Abszess, Atelektase, Pneumothorax, Phrenikusparese, lokalisiererte Schrumpfung der Pleura (z. B. Pleuritis calcarea) zu denken (. Abb. 19.25).
Halsweichteile In der Röntgenaufnahme des Thorax kann der M. sternocleidomastoideus als senkrechte, lateral scharf begrenzte Transparenzminderung zu sehen sein (. Abb. 19.26). Insbesondere bei
. Abb. 19.26. Spezifische Analyse der Thoraxorgane, Weichteilschatten der Brustwand
. Abb. 19.27. Ansatz des M. sternocleidomastoideus erscheint als scharfe, zur Clavicula ziehende Linie, Ausschnitt Röntgenbild des Thorax a. p. (Pfeile)
schlanken Menschen tritt er hervor und kann im Ansatz am Jugulum zu Überlagerungen führen. Oberhalb der Clavicula kann ebenfalls bei schlanken Menschen die Haut konturbildend sein. Sie zeigt sich als parallel zur Clavicula verlaufende, zarte Linie, die medial in den M. sternocleidomastoideus übergeht. Hautfalten können als feine Verdichtung einen Pneumothorax vortäuschen. Bei Fortlaufen der Linie
511 19.4 · Spezifische Analyse der Thoraxorgane: spezifische Bildmerkmale
ins umgebende Weichteilgewebe kann ein Pneumothorax ausgeschlossen werden. Dies ist häufiger bei Aufnahmen im Liegen z. B. auf einer Intensivstation zu beobachten. Ätiologisch muss man es sich so vorstellen, dass die Kassette unter den Patienten geschoben wird, ohne ihn richtig anzuheben und dabei die Haut eine Falte wirft. In den Halsweichteilen sind insbesondere bei älteren Menschen häufig verkalkte Schilddrüsenanteile zu sehen.
Lunge Das Bildmuster der Thoraxradiologie lässt sich nach folgenden Kriterien beurteilen: 4 Transparenzänderung: 5 Erhöhung 5 Minderung 4 Strukturänderung: Gerüstdestruktion 4 Morphologisches Bild: 5 flächenhaft (alveolaär/interstitiell) 5 umschrieben (nodulär/retikulär) 5 retikulonodulär (generalisiert/fokal)
19.4.2
Bildmerkmal Änderung der Transparenz
Die Transparenz, also die Strahlendurchlässigkeit der Lunge, weist auf die Dichte der Lunge hin. Sie wird durch die spezifische Röntgendichte bestimmt. Die Lunge eines Gesunden hat eine homogene Transparenz, die auf der spezifischen Dichte des Lungenparenchyms, normalerweise 0,3 g/ml basiert. Während des Schlafs ist die Strahlentransparenz erhöht. Die Dichte der Lunge wird durch folgende Faktoren beeinflusst: 4 Luft 4 Blut 4 Bindegewebsflüssigkeit > Die normale Lungendichte wird wie folgt definiert: 4 Luft: 4/6 der Dichte 4 Blut in den Pulmonalarterien und Lungenvenen: 1/6 der Dichte 4 Bindegewebsflüssigkeit: 1/8 der Dichte 4 Bindegewebe: 1/8 der Dichte
Wesentlich ist, dass die Darstellung der Flüssigkeit unabhängig davon ist, ob die Flüssigkeit sich interstitiell, alveolär oder intrazellulär befindet. Außerdem ist zu beachten, dass eine hohe individuelle Variabilität sowie die Abhängigkeit der Lungendichte von extrapulmonalen Einflüssen, z. B. Adipositas oder Mammaschatten bestehen. Die Schwierigkeit der Lungengerüstdiagnostik besteht darin, dass in der konventionellen Röntgenaufnahme die Sensitivitätserfassung pathologischer Veränderungen gering ist. Damit können irreversible pathologische Veränderungen wie Lungenfibrose erst ab einem fortgeschrittenen Stadium verifiziert werden. Die Diagnostik von Erkrankungen des Lungengerüsts beruht im Wesentlichen auf dem Einsatz der CT.
> Folgende Kriterien müssen evaluiert werden: 4 Flächenhafte Darstellung: – alveolär – interstitiell 4 Umschriebene Darstellung: – nodulär – retikulär 4 Kombination der nodulären und retikulären Darstellung: – generalisiert – fokal
Transparenzerhöhung Definition. Unter einer Transparenzerhöhung versteht man die Zunahme des intrathorakalen Luftgehalts. Eine Transparenzerhöhung kann auftreten mit oder ohne Gefäßzeichnung, generalisiert oder umschrieben. Dabei erfolgt eine verminderte Absorption der Röntgenstrahlen. Beurteilungskriterien sind: 4 Zunahme der Luftverteilung: 5 Homogene/inhomogene Transparenzzunahme 4 Verminderte Gefäßzeichnung 4 Zeichen der pulmonalarteriellen Hypertonie 4 Verlagerung des Lappenspalts: 5 Lokalisierte Überblähung 4 Zwerchfellverlagerung: 5 Tiefstand, kaudal der 6. Rippe ventral 5 Abflachung/Inversion des Zwerchfells 4 Größenzunahme der Lunge: 5 Verbreiterung der Zwischenrippenräume 5 Retrosternalraum >25 mm 5 Größenzunahme des Thorax in allen Raumrichtungen Ursachen. Mögliche Ursachen für eine Transparenzerhöhung
sind: 4 Intrapulmonal:
5 über die Norm erhöhter Luftgehalt des Lungenparenchyms 5 Dilatation der Alveolarräume 5 Reduktion des Bindegewebes 5 Verlust der Gefäßzeichnung durch Abnahme des Blutgehalts 4 Extrapulmonal: Bei der Detektion und der Differenzialdiagnose einer Lungentransparenzerhöhung müssen streng extrapulmonale Ätiologien ausgeschlossen werden. Dabei muss unterschieden werden zwischen ätiologischen Ursachen, die auf dem Patienten basieren, und technischen Gegebenheiten. Ursächlich sind dabei folgende extrapulmonale Ursachen zu unterscheiden: 5 Technische Ursachen: – falsche Positionierung des Patienten – Dezentrierung der Röhre 5 Patientenbedingte Ursachen: – Thoraxasymmetrie (Haltung, Skoliose) – Weichteilasymmetrie (Hemiplegie: M. pectoralis; Zustand nach Ablatio mammae)
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512
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
. Tab. 19.8. Bilaterale Transparenzerhöhung mit erhaltener Gefäßzeichnung
Muster
Ätiologie
Überblähung bei normaler Lunge
Exspiratorische Obstruktion: Asthmaanfall Stenosen der Trachea: Ventilmechanismus
Fokale Transparenzerhöhung
Chronische Bronchitis, COPD
Bilaterale Transparenzerhöhung mit erhaltener Gefäßzeichnung Ursächlich findet sich dabei ein erhöhter Luftgehalt in beiden Lungen. Dabei kann der intrathorakale Luftgehalt erhöht oder normal sein. Ursächlich kommt dafür eine exspiratorische Obstruktion z. B. im Rahmen eines akuten Asthmaanfalls oder einer Stenose der oberen Atemwege infrage (. Tab. 19.8). Bei normalem intrathorakalem Luftgehalt können die Ursache der bilateralen Transparenzerhöhung ein angeborener Herzfehler mit verminderter Lungendurchblutung oder multiple Lungenembolien sein.
. Abb. 19.28. Schematische Darstellung der Emphysemtypen
Lungenemphysem und Asthma bronchiale sind weitere Bei-
19
> Obstruktive Lungenerkrankung Bei einer obstruktiven Lungenerkrankung handelt es sich um eine Erhöhung der Resistance, d. h. der Widerstand für die in die Bronchien einströmende Luft ist erhöht. Dazu kommt es durch eine Verengung der Bronchien entweder von außen muskulär bedingt oder von innen durch eine Verdickung der Schleimhaut oder Schleim. Die Resistance kann aber auch durch extrathorakale Veränderungen beeinflusst werden. Hier sind eine Kompression der Trachea oder eine Stimmbandlähmung ursächlich möglich. Durch die obstruktiven Veränderungen kommt es zu einer eingeschränkten Ventilation, wobei extrathorakale Hindernisse zu einer Beeinträchtigung der Inspiration führen, während die intrathorakalen mehr die Exspiration beeinflussen. Bei erschwerter Exspiration tritt eine Verlängerung der Exspirationszeit und eine Erhöhung des intraalveolären Drucks auf. Dies hat zur Folge, dass die Alveolen geschädigt werden und die Compliance zunimmt. Außerdem bildet sich ein Fassthorax aus. Der exspiratorisch notwendige Druck, der nötig ist, um die gesteigerte Compliance und Resistance zu überwinden, verursacht eine Kompression der Bronchiolen, sodass der Widerstand weiter zunimmt. Die Atemtätigkeit muss massiv gesteigert werden. Die FEV1 ist deutlich eingeschränkt. Gleichzeitig resultiert eine intrathorakale Verteilungsstörung, was eine Vasokonstriktion der hypoventilierten Alveolen und eine weitere Zunahme des Widerstandes im Lungenkreislauf zur Folge hat. Dadurch kommt es letztlich zur pulmonalen Hypertonie und Ausbildung eines Cor pulmonale.
spiele für eine bilaterale Transparenzerhöhung mit erhaltener Gefäßzeichnung.
Emphysem Definition Als Lungenemphysem bezeichnet man eine konstante und irreversible Erweiterung der Alveolarräume distal der terminalen Bronchioli mit Zerstörung des Interstitiums innerhalb des Lobulus und der perilobären Septen ohne vermehrte Bildung von Bindegewebe (. Abb. 19.28).
Pathogenese, Ätiologie Häufig ist ein Emphysem bei Nikotinabusus zu beobachten. Insbesondere bei einem panlobulärem Emphysem bei jüngeren Patienten sollte auch an einen α1-Antitrypsin-Mangel gedacht werden. Bei der Entstehung eines Emphysems geht man von einem Ungleichgewicht zwischen Proteasen und Antiproteasen aus. Werden vermehrt Proteasen gebildet, die in den Alveolarmakrophagen und Leukozyten vorkommen, oder zu wenig Antiproteinasen, wie α1-Proteinaseninhibitor ausgeschüttet, kommt es zu einem Ungleichgewicht. Dies führt dann zu einer Zerstörung des Lungenparenchyms und somit zu einer Emphysembildung. Rauchen spielt hierbei einen maßgeblichen Faktor, da es über eine chronische Entzündungsreaktion zur Anreicherung von Elastase produzierenden Lymphozyten führt. Des Weiteren werden Elastaseinhibitoren direkt durch toxische Metabolite des Rauchs inaktiviert. > Der α1-Antitrypsin-Mangel (auch: Laurell-Eriksson-Syndrom, α1-Proteinasen-Inhibitormangel) ist eine autosomal-rezessiv vereerbte Krankheit, die durch eine Mu6
513 19.4 · Spezifische Analyse der Thoraxorgane: spezifische Bildmerkmale
tation im α1-Antitrypsin-Gen (PI) auf dem langen Arm von Chromosom 14 (14q32.1) verursacht wird. Die Allele werden nach ihrem Verhalten in der Elektrophorese unterschiedlich bezeichnet. Dabei gibt es die Varianten F=fast, S=slow, Z=very slow, M=intermediate. Die normalen Allele werden mit MM bezeichnet. Der wichtigste homozygote Defekt ist der mit ZZ. Bei α1-Antitrypsin (AAT) handelt es sich um den wichtigsten plasmatischen Proteinaseinhibitor, welcher die Neutrophilen-Elastase, Trypsin, Plasmin, Thrombin und Plasminogen hemmt. Das Glykoprotein wird in der Leber gebildet und über das Blut transportiert. Durch ein Überwiegen der destruktiven Elastase kommt es zu Ausbildung eines Lungenemphysems. Auch die Leber kann mit der Ausbildung einer Leberzirrhose betroffen sein. Es sind verschiedene Mutationen bekannt. Am häufigsten treten jedoch 2 Varianten auf. 4 PiZ: Aminosäurenaustausch von Glutaminsäure nach Lysin bei Codon 342 Am häufigsten, bevorzugt in Nordeuropa 4 PiS: von Glutaminsäure nach Valin bei Codon 264 Bevorzugt in Südeuropa α1-Antitrypsin kann im Plasma bestimmt werden. Bei homozygoten Defektträgern sind verminderte Werte bis zu 15% Restaktivität zu beobachten. Heterozygote weisen Level am unteren Normbereich auf. Bei heterozgoten Merkmalsträgern kann somit eine genetische Typisierung für die Diagnosestellung notwendig sein.
. Abb. 19.29. Panlobuläres Emphysem mit konfluierenden Abschnitten von Emphysem, in den Unterlappen betont. Röntgenbild p.a., waagerecht verlaufende Rippen
Klinik Progrediente Dyspnoe, zu Beginn unter Belastung, später auch in Ruhe. Zudem kommt es zur Zyanose und erhöhtem Hb-Wert sowie zu einer erhöhten Compliance mit Verschiebung der Atemlage zugunsten der Inspiration mit Ausbildung des typischen Fassthorax. Die Diffusionskapazität ist bei Reduktion des funktionsfähigen Parenchyms erniedrigt, gleichzeitig vergrößert sich der funktionelle, nicht am Gasaustausch teilnehmende Totraum.
Diagnose Die Blutgasanalyse (BGA) dient der quantitativen Bestimmung der Gasaustauschstörung; im Blutbild findet sich eine Polyglobulie. Bei der Lungenfunktionsuntersuchung zeigt sich, dass funktionelle Residualkapazität und Residualvolumen mit zunehmendem Elastizitätsverlust der Lunge erniedrigt sind. Die Exspirationsphase ist verlängert. Bildgebung. Röntgen: 4 Tief stehende, abgeflachte Zwerchfelle (kaudal 6. Rippe ventral) 4 Inversion des Zwerchfells mit konkaver Wölbung nach kaudal möglich 4 Verbreiterter Retrosternalraum (>2,5 cm) 4 Fassthorax mit beinahe horizontal verlaufenenden Rippen (. Abb. 19.29) 4 Transparenzzunahme (homogen/inhomogen) Die inhomogene Form des Emphysems ist bedingt durch die
unterschiedlich starke Beteiligung der Lungenabschnitte mit z. T. begleitenden streifigen Veränderungen wie bei einer Plattenatelektase oder Kompressionsatelektase. 4 Gefäßrarefizierung (. Abb. 19.30): 5 Die periphere Rarifizierung der Gefäßzeichnung stellt ein Charakteristikum der emphysematösen Destruktion des Lungengerüsts dar. Weiterhin werden die Abstände zwischen den röntgenologisch gut abgrenzbaren Gefäßen größer. 5 Kalibersprung: Gefäße lassen sich nicht bis in die Peripherie verfolgen und brechen aprupt ab. Durch die Reduktion des Gefäßquerschnitts kommt es zur sekundären pulmonalarteriellen Hypertonie. 4 Zeichen der pulmonalarteriellen Hypertonie: 5 Dilatation der zentralen Pulmonalarterien >19 mm 5 Dilatation des Truncus pulmonalis >46 mm lateral der Carina. Sekundär führt die Dilatation des Truncus pulmonalis zu einer Einengung des Retrosternalraums.
Zentrilobuläres Emphysem Definition, Ätiologie, Klinik
Es liegt eine oberlappenbetonte Zerstörung der dilatierten respiratorischen proximalen Bronchiolen durch eine destruktive Bronchiolitis mit Obstruktion der Atemwege vor. Es wird auch als Raucherempyhsem bezeichnet. Bedingt durch die Betonung der Oberlappen kommt es zu einer Verteilungsstörung mit nach-
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514
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
. Abb. 19.31. Panlobuläres Emphysem, CT (Lungenfenster), mit Rarefizierung der Gefäßstrukturen und Konfluieren der emphysematischen Bezirke
. Abb. 19.30. Lungenemphysem mit abgeflachten Zwerchfellen, Röntgenthorax seitlich, mit erweitertem Retrosternalraum, reduzierter Gefäßzeichnung in der Peripherie, unterlappenbetont
folgender Hypoämie. Klinisch zeigt sich hierbei häufig das Bild des »blue bloaters« mit Zyanose, Polyglobulie und Husten mit Auswurf bei meist übergewichtigen Patienten. Bildgebung CT (. Abb. 19.32):
19
4 Kleine Areale homogen destruierten Lungenparenchyms in gesundem Lungengewebe, oberlappenbetont. 4 Bei Fortschreiten der Erkrankung konfluieren der Herde mit Befall des gesamten Lobulus. 4 Reduzierte Gefäßzeichnung erst im fortgeschrittenen Stadium. 4 Im Spätstadium nicht vom panlobulären Emphysem zu unterscheiden.
Panlobuläres Emphysem Definition, Ätiologie, Klinik
Basal betonte Destruktion des sekundären Lobulus. Häufig mit α1-Antirypsin-Mangel assoziiert. Im fortgeschrittenen Stadium nicht von einem zentrilobulärem Empyhsem zu unterscheiden. Klinisch bieten die Patienten meist das Bild des »pink puffers« mit ausgeprägter Dyspnoe, nur wenig Auswurf bei eher kachektischen Patienten, da das erhöhte Totraumvolumen eine vermehrte Atemtätigkeit bedingt.
. Abb. 19.32. Zentrilobuläres Emphysem mit Betonung der rechten Lungenoberfelder mit Bullae rechts, CT Lungenfenster
Bildgebung HRCT:
4 Ausgeprägtere Schädigungen als beim zentrilobuläre Emphysem 4 Destruktion der Alveolen 4 Deutliche Gefäßrarefizierung 4 Dichtewerte bei <–900 und 950 4 Konfluieren der emphysematischen Bezirke (. Abb. 19.31) 4 Bevorzugung der Unterlappen 4 Im fortgeschrittenen Stadium nicht eindeutig vom zentrilobulärem Emphysem zu trennen 4 Typisch bei α1-Antitrypsin-Mangel
Paraseptales Emphysem Definition
Das paraseptale Emphysem stellt eine Sonderform des Emphysems dar und zählt zu den panlobulären Emphysemen. Es sind die peripheren Lobuli an der Lobärseptengrenze der viszeralen Pleura anliegend betroffen.
515 19.4 · Spezifische Analyse der Thoraxorgane: spezifische Bildmerkmale
Bei α1-Antitrypsin-Mangel kann die Substitution mit menschlichem α1-Antitrypsin erfolgen. Ob die Entwicklung eines Emphysems damit verzögert werden kann, ist noch unklar. > Verteilungsstörung: Bei der Verteilungsstörung kommt es entweder zu einer unterschiedlichen Belüftung der Lungenbezirke oder zu einer geänderten Relation von Ventilation und Perfusion. Dies kann im Rahmen einer obstruktiven Lungenerkrankung auftreten. Durch einen vergrößerten Totraum kommt es z. B. zu belüfteten, aber insuffizient durchbluteten Alveolen.
Asthma bronchiale Definition, Ätiologie, Pathogenese . Abb. 19.33. Emphysem, CT Lungenfenster
Bildgebung CT:
4 Zeigt hier Areale wechselnder Dichte durch interlobäre Septen getrennt 4 Typischerweise subpleural 4 Betonung der ventralen und dorsalen Unterlappen 4 Grenzen der normalen Lobuli werden in den Frühstadien der Erkrankung eingehalten 4 Im fortgeschrittenen Stadium Zerstörung des sekundären Lobulus, Läsion imponiert dann als subpleurale Bulla. 4 Vorkommen oft mit zentrilobulärem Empyhsem kombiniert > Sonderform: vikarisierendes Emphysem: Bei narbigen Veränderungen wird das umgebende Lungenparenchym destruiert und es bilden sich durch atrophische Vorgänge bedingt durch den Zug lokalisierte Emphysembullae (geeignet als differenzialdiagnostischer Hinweis dafür, ob ein Rundherd älterer oder neuerer Genese ist).
Therapie des Emphysems Um einen Progress zu verhindern, ist das Aussetzen aller Noxen wie Rauchen, Stäube etc. notwendig. Außerdem sollten pulmonale Infekte frühzeitig und aggressiv behandelt werden. Symptomatisch kann eine bronchiolytische Therapie erfolgen. Zur Vermeidung des Kollapses der Bronchien sollte der Emphysematiker bestimmte Atemtechniken erlernen, z. B. die »Lippenbremse«. Sauerstofftherapie: PaO2 <55 mmHg in Ruhe oder während körperlicher Betätigung, falls keine Hyperkapnie vorliegt. Bei respiratorischer Globalinsuffizienz ist eine Sauerstoffgabe kontraindiziert, da hier der Sauerstoffmangel der wichtigste Atemantrieb ist. PO2 <60 mmHg bei bekanntem Cor pulmonale. Eine Option ist die partielle Lungenresektion zur Verminderung des Überblähung und Steigerung der kardialen Pumpleistung; ggf. Lungentransplantation.
Bei Asthma handelt es sich um eine chronische Entzündung der Atemwege, die mit einer Obstruktion einhergeht. Es gibt verschiedene Formen des Asthmas. Häufig erfolgt die Einteilung in eine extrinsische und eine intrinsische Variante. Dabei wird das extrinsische Asthma durch allergene Stoffe in der Umgebung ausgelöst. Die intrinsische Variante hat ihre Ursache in Infektionen, Medikamenten, körperliche Belastung oder chemisch-irritativ wirkenden Substanzen. Mischformen sind möglich. Prädisponierend ist eine atopische Vorerkrankung wie Pollinosis oder Neurodermitis. Pathogenetisch handelt es sich bei einem Viertel der Patienten, die im Erwachsenenalter ein Asthma entwickelt, um eine Typ-I-Reaktion vom IgE-vermittelten Soforttyp. Dabei verursachen spezifische Allergene eine Degranulation von Mastzellen und Eosinophilen, die eine Vielzahl von Mediatoren ausschütten. Es kommt es zum Bronchospasmus durch Kontraktion der glatten Muskulatur, zu glandulärer Hypersekretion, chemotaktischer Anregung von Entzündungszellen und nachfolgender bronchialer Obstruktion. Die Reaktion tritt Minuten nach dem Allergenkontakt auf und klingt innerhalb von Stunden wieder ab. Danach schließt sich eine zweite Phase an, die vom Mediatorbild einer Entzündungsreaktion ähnelt und für den chronischen Verlauf maßgeblich ist. > Bei einigen Patienten handelt es sich auch um eine IgG-vermittelte Reaktion, die nach etwa 12 h auftritt. Bei dieser pseudoallergischen Reaktion werden die gleichen Mediatorsysteme aktiviert. Es ist jedoch keine vorherige Sensibilisierung notwendig und sie kann bereits beim ersten Kontakt auftreten.
Klinik Typische Symptome sind: 4 Stridor bei episodenartiger Atemnot, dabei Erstickungsangst des Patienten 4 Teilweise Atmung nur mit Zuhilfenahme der Atemmuskulatur möglich 4 Exspiration verlängert 4 Tachykardie 4 Auskultatorisch typisch: Giemen und Brummen
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Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
4 Perkutorisch zeigt sich ein hypersonorer Klopfschall mit reduzierter Atembeweglichkeit der Lunge. 4 Glasiges Sputum
Diagnose Bei der Anamnese ist wichtig zu erfragen, in welchen Situationen, wann und wie oft die Anfälle auftreten. Laborchemisch zeigt sich eine Eosinophilie insbesondere bei allergischem Asthma; bei Infekt-Assoziation ergeben sich erhöhte Entzündungsparameter. Im Sputum sind vermehrt eosinophile Granulozyten, Curschmann-Spiralen und Charcot-Leyden-Kristalle vorhanden. Perkutorisch ähnlich wie bei einem Lungenemphysem zeigt sich ein hypersonorer Klopfschall bei tief stehenden Zwerchfellen. Auskultatorisch ist das typische Giemen und Brummen zu hören. Im EKG im Anfall Sinustachykardie ggf. mit Zeichen der Rechtsherzbelastung. Die Lungenfunktion zeigt eine reduzierte FEV1 (forciertes exspiratorisches Volumen in der ersten Sekunde), eine erhöhte Residualkapazität und Atemwegswiderstand. Die Peak-Flow Rate ist ebenfalls reduziert. Die FEV1 normalisiert sich nach Inhalation eines β2-Antagonisten. Bei ausgeprägter Obstruktion lässt sich ein erhöhtes Residualvolumen mit verminderter Vitalkapazität dokumentieren. Je nach Schweregrad wird ein intermittierendes, geringradig persistierendes, mittelgradig persistierendes und schwergradig persistierendes Asthma unterschieden. Dies ist wichtig für die stufenweise Therapie. > Bei der Peak-Flow-Messung wird, ähnlich der FEV1, die maximale Atemflussgeschwindigkeit unter forcierter Exspiration in l/s gemessen. Da dies mit einem kleinen, handlichen Gerät kostengünstig und einfach möglich ist, eignet sich diese Methode zur Verlaufskontrolle durch den Patienten selbst. Es ist somit ein frühzeitiges Erkennen einer Verschlechterung bzw. die Optimierung der Therapie möglich. Die Normwerte sind abhängig von Alter, Geschlecht und der Größe des Patienten. Dabei sollte der Patient die Messung am besten morgens unter ähnlichen Bedinungen vornehmen, da tageszeitliche Schwankungen möglich sind. Sinken die Werte auf <80% des persönlichen Bestwerts, sollte die Therapie überprüft werden.
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Bildgebung. Die Röntgenaufnahme dient nur zum Ausschluss anderer Erkrankungen, z. B. obstruktiver Tumor, Pneumonie oder strukturelle Lungengerüsterkrankung. Asthma-spezifische Kriterien gibt es nicht. Im Anfall kann sich ein emphysemartiges Bild mit tiefstehenden Zwerchfellen und bilateral erhöhter Strahlentransparenz zeigen.
Therapie Schweregrade des Asthmas nach der Deutschen Atemwegs
Liga 1999: 4 Intermittierendes Asthma: tagsüber bis zu 2 Anfälle pro Woche, nachts bis zu 2 Anfällen pro Monat, die FEV1 ist >80% des Sollwerts. 4 Leichtes Asthma: tagsüber <1 Anfall pro Tag, aber >2 pro Woche, nachts >2 Anfälle pro Monat. FEV1 auf bis zu 80% des Sollwerts reduziert.
4 Mittelgradiges Asthma: tagsüber tägliche Anfälle, nachts >1 Anfall pro Woche. Die FEV1 liegt zwischen 60 und 80% des Sollwerts. 4 Schweres Asthma: permanent klinische Symptome auch gehäuft nachts. FEV1 <60% des Sollwerts. Die Therapie des Asthmas basiert auf mehreren Pfeilern und ist für den Radiologen von besonderer Bedeutung, da Anfälle spontan oder in Zusammenhang mit Kontrastmittel-Applikation auftreten können. Zum einen sollte das auslösende Allergen gemieden werden. Des Weiteren sind eine antiinflammatorische und eine bronchodilatative Medikation notwendig. Bei intermittierendem Asthma ist die Therapie mit einem inhalativen β2-Mimetikum bei Bedarf indiziert. Bei geringgradig persistierendem Asthma sollte diese Medikation durch ein regelmäßig eingenommenes niedrig dosiertes inhalatives Kortikoid ergänzt werden. In der nächsten Stufe besteht die Basistherapie aus einen inhalativen Kortikoid und einem langwirksamen β2-Mimetikum. Sie kann ergänzt werden durch oral verabreichtes Theophyllin oder β2-Mimetikum. Im Anfall kommt ein schnell wirksames β2-Mimetikum zum Einsatz. Bei schwergradig persistierendem Asthma ist die Dauertherapie aufgebaut auf hochdosiertem inhalativen Kortikoid und langwirksamen β2-Mimetikum sowie ggf. systemische Kortikoide und Theophyllin. Bei einem akuten Asthmaanfall soll die Dilatation der Bronchien durch die Inhalation eines β2-Mimetikums oder Theophyllin-Gabe i. v. erreicht werden. Ergänzend werden im Status Glukokortikoide i. v. verabreicht und Sauerstoff gegeben. Ein Sedierung mit z. B. Valium kann notwendig sein. Bei allergischem Asthma können prophylaktisch Medikamente zur Stabilisierung der Mastzellen wie Cromoglycinsäure oder Antihistaminika eingesetzt werden. Ergänzend kann man Theophyllin zur Mastzellstabilierung, Bronchospasmolyse und Atemstimulation verabreichen. ! Status asthmaticus: 4 In sitzender Lagerung intensive Überwachung mit Monitoring von Herzkreislauf und Lungenfunktion. 4 Sauerstoffgabe unter Kontrolle durch Pulsoxymeter. 4 Eine Sedierung aufgrund der Atemdepressiven Wirkung von Benzodiazepinen nicht sinnvoll. 4 Medikamente: – Bis zu 250 mg Prednison i. v. – Theophyllin 200 mg i. v. (ggf. über einen Perfusor) – Bei kreislaufstabilen Patienten z. B. Reproterol 90 μg i. v. (cave: Rhythmusstörungen bei vorangegangener Selbstmedikation durch den Patienten) – Sekretolytika wie ACC
Einseitige Transparenzerhöhung mit erhaltener Gefäßzeichnung Grundsätzlich gelten für die einseitige Transparenzerhöhung die gleichen Grundlagen wie bei der bilateralen. Insgesamt muss die Differenzialdiagnose der einseitigen Lunge beachtet werden mit einem typisch radiologischen Bild.
517 19.4 · Spezifische Analyse der Thoraxorgane: spezifische Bildmerkmale
Wenn technische Fehler ausgeschlossen sind, kann eine einseitige Transparenzerhöhung viele Ursachen haben. Sie kann bedingt sein durch Veränderungen des Lungenparenchyms selbst, durch pleurale Defekte, Probleme der Gefäßversorgung und Besonderheiten der Thoraxwand. Infrage kommen die in der Übersicht genannten Erkrankungen:
Ursachen einer einseitigen Transparenzerhöhung 4 Technische Ursachen: – dezentrierte Röhre – insuffiziente Positionierung des Patienten 4 Patientenbedingte Ursachen: – Weichteilmantel: – Zustand nach Ablatio mammae – Muskelatrophie z. B. bei Hemiplegie – Angeborene Muskelasymmetrie. z. B. bei ausgeprägter Skoliose – pleurale Ursachen: – Pneumothorax – ausgeprägte Pleuraschwiele – Störungen der Perfusion: – angeboren: hypoplastische Lunge, angeborenes Emphysem, Pulmonalatresie – erworben: Lungenembolie, tumorbedingte Einengung der Pulmonalarterie – Störungen der Ventilation: – bronchialer Verschluss durch Schleim – Fremdkörper – zentrale Raumforderung – Swyer-Champ-Syndrom – Bronchiolitis obliterans – Defekte des Lungenparenchyms – Bullae – kompensatorische Überblähung z. B. bei Zustand nach Pneumektomie
Einseitige Transparenzerhöhung 4 Fremdkörperaspirationen mit Ventilmechanismus 4 Kompensatorische Überblähung bei Zustand nach Pneumektomie 4 Pneumatozele 4 Pneumothorax 4 Zentrale Bronchusobstruktion mit Minderperfusion 4 Thoraxdeformität bei Skoliose 4 Ablatio mammae
Pneumatozele Bei einer Pneumatozele handelt es sich um eine umschriebene Transparenzerhöhung der Lunge bei Ausbildung einer postpneumonischen Höhlenbildung mit zartem Rand im Lungenparenchym (. Abb. 19.34). Durch eine entzündungsbedingte Stenosierung eines Bronchus kommt es zur Ventilbildung mit Überblähung des nachgeschalteten Lungenareals. Das umgebende Lungenparenchym wird verdrängt und komprimiert. Sie sind häufig nach Staphylokokkeninfekten oder Traumata zu beobachten und können reversibel sein.
Einseitige Transparenzerhöhung mit veränderter Gefäßzeichnung Ursachen einer einseitigen Transparenzerhöhung sind in der Übersicht aufgeführt.
a
Die einseitige oder auch umschriebene Transparenzerhöhung liegt in der Regel vor bei erhaltener Gefäßzeichnung durch die Kombination von vermehrtem Luft- und vermindertem Blutgehalt in der betroffenen Region. Der verminderte Blutgehalt ist dabei assoziiert mit einer reduzierten Gefäßzeichnung.
b
. Abb. 19.34a, b. Pneumatozele. a Röntgenthorax a.p. Zystische Aufhellung im rechten Lungenunterfeld (Pfeile) mit Ausbildung einer Höhle. b Röntgenthorax seitlich (Pfeile)
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518
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
Transparenzminderung Unter einer Transparenzminderung versteht man einen generalisierten Verlust an luftgefüllten Räumen. Dies wird auch als Verschattung bezeichnet. Sie entsteht durch eine erhöhte Dichte des von den Röntgenstrahlen getroffenen Gewebes, was eine vermehrte Strahlenabsorption zur Folge hat (. Abb. 19.35). Verschattungen können dabei folgende Morphologien aufweisen: 4 azinär (milchglasartige Dichteanhebungen) 4 interstitiell 4 homogen Eine fokale Transparenzminderung kann bedingt werden durch Rundherde: 4 solitär/multipleural 4 Raumforderungen 4 kondyläre Verdichtungen
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> Bei einer umschriebenen oder den ganzen Hemithorax betreffenden Transparenzminderung sind zur Diagnosestellung immer die umgebenden Strukturen zu beobachten. Dadurch soll die Frage geklärt werden, ob die Transparenzminderung volumenspendend oder volumenfordernd wirkt, was uns eine Aussage über die jeweilige Genese erleichtert. Bewegen sich die angrenzenden Strukturen wie Lappenspalten oder das Mediastinum von der Transparenzminderung weg, ist sie volumenfordernd, d. h. es handelt sich um intrapulmonale Vorgänge, die Platz benötigen. Hierbei kann es sich um einen ausgedehnten Pleuraerguss ohne oder nur kleine begleitende Atelektase handeln. In Betracht kommt auch eine ausgedehnte Zwerchfellhernie. Diese lässt sich evtl. an nach intrathorakal hernierten Darmanteilen erkennen. Ein entzündliches Infiltrat oder Abzess wirken ebenfalls volumenfordernd, jedoch nicht so ausgeprägt, dass es dadurch zu einer Mediastinalverlagerung kommt. In der Regel ist in einem entzündlichen Infiltrat ein positives Bronchopneumogramm zu sehen. Auch tumoröse Veränderungen wie ein pleurales Mesotheliom wirken volumenfordernd ohne Verschiebung des Mediastinums. Verlagert sich das Mediastinum zur Seite der Transparenzminderung, gibt diese intrathorakales Volumen frei. Dies tritt auf bei einer Atelektase, da es sich hier um nicht mit luftgefülltes Lungengewebe handelt. Außerdem nach einer Pneumektomie mit kompensatorischer Überblähung der restlichen Lungen und narbiger Transparenzminderung auf der betroffenen Seite. Nur selten ist eine einseitige Lymphangiose zu sehen, die ebenfalls volumenspendend wirkt. > Perfusionsstörung Eine Perfusionsstörung kann verschiedene Ursachen haben. Es kommt dazu bei einer reduzierten arteriellen Blutzufuhr, Destruktion des Kapillarbetts bei z. B. Fibrosen oder Störung des venösen Abflusses bei Links6
. Abb. 19.35. Verkapseltes Mammaimplantat rechts in Projektion auf das Lungenunterfeld (Pfeile), Röntgenthorax p.a.
herzinsuffizienz. Auch eine alveoläre Hypoventilation kann aufgrund des Euler-Liljestrand-Reflexes zur Verengung der Kapillaren in minderbelüfteten Arealen mit vermehrter Durchblutung der ventilierten Areale führen. Sichtbar kann dieses durch eine Perfusionszintigraphie der Lunge oder eine Pulmonalisangiographie gemacht werden.
Atelektasen führen zu einer Transparenzminderung im Röntgenbild (. Abb. 19.36).
Atelektase Definition Eine Atelektase ist eine homogene Verschattung mit Volumenverlust der Lunge bei fokaler Minderbelüftung unterschiedlicher Ursache. Es existieren 4 verschiedene Formen: 4 Obstruktionsatelektase: Dazu kommt es bei zentraler Verlegung der luftzuführenden Wege unterschiedlicher Ätiologie (z. B. Bronchialkarzinom, Schleimpfropf, Fremdkörper) mit negativen Bronchopneumogramm. Sie wird auch Resorptionsatelektase genannt, weil die vormals enthaltene Luft resorbiert wird. 4 Kompressionsatelektase: Ursache ist hier Druck von außen, der die betroffenen Lungenabschnitte komprimiert. Die atelektatischen Abschnitte sind theoretisch noch mit Luft gefüllt. Deshalb können wir in einigen Fällen ein positives Bronchopneumogramm sehen. Ursachen können z. B. ein Pneumothorax, Pleuraerguss oder Zwerchfellhochstand sein. 4 Plattenatelektasen: Feine Plattenatelektasen im Sinne von Dyselektasen stellen sich als schmale, längliche Verschattungen in horizontaler Ausrichtung des Lungenparenchyms dar (. Abb. 19.37). Sie treten bei verminderter Zwerchfellbeweglickeit auf. Größere Plattenatelektasen sind bei Kollaps eines Lobulus nach Lungenembolien aufgrund verminderter Surfactantbildung zu sehen.
519 19.4 · Spezifische Analyse der Thoraxorgane: spezifische Bildmerkmale
. Abb. 19.36. Atelektase. Schematische Darstellung der Transparenzminderung bei Atelektase
4 Kontraktionsatelektase: Narbige, fibrotische Verände-
rungen des Lungenparenchyms bei chronischen Entzündungen führen zur Volumenreduktion. > Sonderform: Die Rund- oder auch Kugelatelektase imponiert im Röntgenbild im Sinne eines Rundherdes als rundliche, homogene Verschattung in den basalen Lungenabschnitten mit Kontakt zur teils verdickten Pleura. Häufig sieht man komentenschweifartige Bronchien, die von der Kugelatelektase Richtung Hili ziehen.
Bildgebung Merkmale von Atelektasen sind (. Abb. 19.38): 4 Meist in den Unterlappen pleuraständig lokalisiert. 4 Zentral stellt sich ein positives Pneumobronchogramm dar. 4 Die Dichte nimmt in die Peripherie hin zu. 4 Nach Kontrastmittelgabe kann bei homogenem Enhancement die versorgende Pulmonalarterie vom atelektatischen Gewebe differenziert werden. 4 Charakeristikum: so genannter »Kometenschweif«, der durch die Verziehung von Gefäßen hervorgerufen wird. Allgemeine Diagnosehinweise für Atelektasen sind: Röntgen: 4 Indirekte Zeichen: 5 Zeichen der Volumenreduktion, z. B.: Zwerchfellhochstand oder Hilusverlagerung 5 Verlagerung des Mediastinums zur betroffenen Seite aufgrund des Volumenverlusts 5 Kompensatorische Überblähung der Restlunge 4 Direkte Zeichen: 5 Verlagerung der Lappenspalten als Zeichen des Volumenverlusts 5 Lokalisierte verminderte Strahlentransparenz durch fehlende Belüftung des Lungenparenchyms
. Abb. 19.37. Plattenetalektase, Ausschnitt Röntgenthorax p.a. Flächenförmige Verdichtung rechts basal konfluierend
4 4 4 4
Homogen verdichtetes Lungenparenchym Verziehung der Gefäße als Zeichen der Volumenminderung Verlagerung des Lappenspalts Positives Bronchopneumogramm Ausnahme: Kompressionsatelektase
CT: Hier zeigt sich das so genannte S-sign: scharf vom umge-
benden Lungenparenchym abzugrenzende Verdichtung mit starkem Kontrastmittel-Enhancement. Zusätzliche Zeichen sind:
Je nach Lokalisation der Atelektase ergeben sich verschiedene Befunde (Übersicht).
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520
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
b
a . Abb. 19.38a–c. Oberlappenatelektase. a im Röntgenthorax p. a., rechts mit flächiger Verdickung und Verziehung (Pfeile). b CT, c CT (Lungenfenster) mit koronarer MPR-Rekonstruktion: Minderbelüftung des rechten Oberlappens bei zentralem Bronchialkarzinom mit Stenosierung des Oberlappenbronchus (Pfeile)
Befunde bei Atelektasen je nach Lokalisation Atelektase des rechten Oberlappens: 4 Verschiebung des Nebenseptums nach kranio-medial 4 Verschattung kranial medial 4 Verziehung des rechten Hilus nach kranial 4 Überblähung des Mittel- und Unterlappens 4 Mediastinum teilweise nicht abgrenzbar c
Atelektase des Mittellappens: 4 Nebenseptum liegt dichter beim kaudalen Anteil des Hauptseptums 4 Teilweise nur kleine Verschattung aufgrund des begrenzten Volumens sichtbar 4 Rechter Herzrand kann nur unscharf abgegrenzt werden
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Atelektase des rechten Unterlappens: 4 Verlagerung des Hauptseptums nach dorsokaudal 4 Verschattung rechts basal 4 Rechter Hilus wandert nach kaudal 4 Rechter Herzrand kann nicht abgegrenzt werden 4 Rechtsseitiger Zwerchfellhochstand 4 Überblähung der Restlunge Atelektase des linken Oberlappens: 4 Verlagerung des Hauptseptums nach ventral 4 Verschattung links paramediastinal mit zentraler Aufhellungslinie sowie retrosternal 6
4 4 4 4
Linker Hilus wandert nach kranial Verlagerung des Mediastinums nach links Überblähung der rechten Lunge Linker Thorax optisch verkleinert
Atelektase des linken Unterlappens: 4 Verlagerung des Hauptseptums und Hilus nach mediokaudal 4 Verschattung dorsokaudal und hinter dem Herzen 4 Verlagerung des Mediastinums zur atelektatischen Seite sowie Zwerchfellhochstand 4 Überblähung der restlichen Lunge Atelektase der Lingula: 4 Herzrand nur unscharf abzugrenzen 4 Zipfelige Ausziehung des Zwerchfells
521 19.4 · Spezifische Analyse der Thoraxorgane: spezifische Bildmerkmale
19.4.3
Weitere spezifische Bildbefunde
Ringstrukturen Pathogenese, Diagnose Ringstrukturen treten auf, wenn rundliche Prozesse zentral einschmelzen und der Inhalt abgebaut oder abgehustet wird (. Tab. 19.9). In horizontaler Position der untersuchten Person kann ein Flüssigkeitspiegel zu sehen sein. Je nach Dichte des enthaltenen Materials kann der Spiegel in der CT sensitiver dargestellt werden. Werden diese Prozesse orthograd getroffen, imponieren sie als Ringschatten (. Abb. 19.39). Werden sie tangential vom Strahlengang erfasst, können sie je nach eigentlicher Form auch als ovale Strukturen oder als parallele Linien in Erscheinung treten. Dabei werden Bullae, Zysten und Kavernen unterschieden. Die Unterscheidung ist abhängig von der Morphologie und Ätiologie. Unter einer Bulla versteht man eine dünnwandige Blase, die im Rahmen eines Empyhsems entstehen kann. Kavernen haben Anschluss an das Bronchialsystem und sind durch Verflüssigung von inflammatorisch verändertem oder tumorösen Gewebe entstanden, das sich über die Bronchien entleert hat.
Perivaskuläre, subpleurale, peribronchiale Verschattungen Krankheitsprozesse der Lunge und Entzündungen können neben einer Verdickung der Interlobien mit einer Verbreiterung des peribronchialen, perivaskulären, subpleuralen Raums einhergehen:
4 Peribronchial cuffing: Verdickung der Bronchialwand, deutlich beim orthograd getroffenen Bronchus zu sehen 4 Unscharfe Gefäßstrukturen 4 Verdickte Interlobien
Noduläre Muster Das noduläre Verschattungsmuster ist charakterisiert durch rundliche, scharf begrenzte, bis zu 1 cm große Verdichtungen, die über alle Lungenpartien verteilt sind. Das Verteilungsmuster ist variabel, möglich ist ein solitäres, multiples Vorkommen mit basal oder apikal betonter, symmetrischer und asymmetrischer Betonung. Basierend auf der Knötchengröße wird differenziert (. Tab. 19.10): 4 Mikronodulär (feinfleckig miliar): 5 Kleinste ca. 1–3 mm große Knötchen scharf begrenzt, nicht konfluierend 5 Bei verschatteten Alveolen oder interstitiellen Veränderungen 5 Beispiel: Miliartuberkulose (Milium = Hirsekorn) 4 Makronodulär: 5 Einzelne Knötchen mit einem Durchmesser von 5–10 mm 5 Schärfer begrenzt ohne konfluierende Tendenz 5 Beispiele: Sarkoidose, Silikose, Histozytosis X oder Metastasen eines Schilddrüsenkarzinoms 4 Retrikulo-nodulär: 5 Noduläre Verdichtungen verbunden mit retrikulären Verdichtungen
Retikuläre Muster inklusive Honigwaben . Tab. 19.9. Differenzialdiagnose von intrapulmonalen Herden mit Spiegelbildung
Pathogenese
Differenzialdiagnose
Infektion
5 Eingeschmolzene Staphylokokkenherde, ggf begleitende Pneumatozele, kein charakteristisches Verteilungsmuster 5 Tuberkulose: meist dickwandig und bevorzugt in den Oberlappen 5 Aspergillose 5 Echinokokken 5 Herpesviren 5 Superinfizierte Bulla 5 Superinfizierte Bronchiektasen 5 Echinokokkuszyste 5 Kryptokokkose
Tumorös
5 Bronchialkarzinom: meist dickwandig und peripher gelegen, solitär, selten begleitende Satellitenherde 5 Metastasen (am häufigsten schmelzen Kolonkarzinom und Metastasen von Plattenepithelkarzinomen ein) 5 Morbus Hodgkin
Granulomatös
5 Morbus Wegener (eher größere Herde bis 10 mm, nicht alle Herde müssen eingeschmolzen sein, kein typisches Verteilungsmuster) 5 Rheumaknoten (meist basal betont)
Sonstiges
5 5 5 5 5
Hämatom Lungensequester Lungeninfarkt Silikose (in den Oberfeldern betont) Intralobärer Sequester
Unter dem retikulären Verschattungsmuster versteht man eine netzförmige Zeichnung des Lungenparenchyms. Dabei sind verschiedene Formen zu beobachten: 4 Feinretikuläre Lungenzeichnung 5 Meistens zentral betont 5 Entsteht durch die Übereinanderprojektion der verdickten Septen, die auch als Kerley-C-Linien bezeichnet werden. 4 Honigwabenmuster 5 Grob-retikuläre Zeichung 5 Bevorzugt in basalen Lungenabschnitten bei interstitiellen Lungenerkrankungen, wie der Lungenfibrose im Endstadium. 5 Verursacht durch Fibrosierung des Interstitums mit narbigen Verziehungen der Bronchiolen. Die normalen Gefäßstukturen sind durch die retikulären Muster überdeckt. Komplizierend wirkt eine erhöhte Pneumothoraxneigung. Ursächlich können diverse Erkrankungen zugrunde liegen. In Betracht kommen hierfür eine idiopathische interstielle Fibrose, Langhanszell-Histiozytose, zystische Fibrose, Sakoidose Typ III, Pneumokoniose insbesondere die Asbestose, extrinsische allergische Alveolitis bei progredientem Verlauf, Medikamententoxisch, Kollagenosen.
Rundherde Definition, Pathogenese Als Rundherd wird ein annähernd kugelförmiger Verdichtungsbezirk mit einem Durchmesser von ca. 1–6 cm bezeichnet, der
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522
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
. Abb. 19.39. Schematische Darstellung der Lungenrundherde und Ringstrukturen
somit größer als Fleckschatten oder Noduli ist und in geringerer Anzahl auftritt (. Abb. 19.39). Ursachen von Rundherden
19
4 Granulomatöse Erkrankungen: – Tuberkulose: meist in den Oberlappen, teils verkalkt, glattbegrenzt, Satellitenherde – Histoplasmose: glatt begrenzt, unterlappenbetont, Satellitenherde, Verkalkungen – Silikose: relativ dichte Herde in den Mittelfeldern, unscharf begrenzt – Morbus Wegener: selten solitär, neigt zum Einschmelzen 4 Neoplasien: – Bronchialkarzinom: schnell wachsender, meist peripher gelegener Herd, polyzyklisch mit scheinbarer Infiltration des umgebenden Gewebes – Metastasen: nur in einem Viertel der Fälle solitär, meist Primärtumoren wie Mammakarzinom, Nierenzellkarzinom, Seminom, Verkalkungen bei Osteosarkomen möglich 6
4
4 4 4
4 4 4
– Lymphom – Myelom – Alveolarzellkarzinom: nur selten umschrieben Infektionen und Parasiten, z. B. Abszess, Windpocken, Aspergillus, Echinokokken, Paragonimiasis (Lungenegel), Pneumonie Stoffwechselerkrankungen, z. B. Amyloidose, Morbus Gaucher Erkrankungen des Immunsystems, z. B. Rheuma, Hypersensivitätserkrankungen Vaskulär: – Arteriovenöse Malformation: meist solitär, glattbegrenzt und lobuliert – Hämatom: vorangegangenes Trauma, glattbegrenzt, Rückbildungstendenz Andere, z. B. Sarkoidose, Pneumokoniosen, Histiozytosis X, Methothrexat, Hamartom Lungensequester Bronchogene Zyste
523 19.4 · Spezifische Analyse der Thoraxorgane: spezifische Bildmerkmale
Diagnose Allgemeine Kriterien sind: 4 Zeichen für eher benigne Läsionen: 5 Scharfe Begrenzung 5 Solitäres Vorkommen 5 Partiell verkalkt 4 Zeichen der Malignität: 5 Rasche Größenzunahme 5 Unscharfe Begrenzung 5 Corona radiata 5 Pleurafinger 5 Rigler-Nabelzeichen (. Abb. 19.40, . Tab. 19.11) Dichtewerte >160 HE in der CT finden sich bei verkalkten Metastasen oder Osteosarkomen, Ovarial-, Mamma-, Kolon- oder Schilddrüsenkarzinomen.
Bei computertomographisch gemessenen Dichtewerten >60 HE ist primär von einer eher benignen Ätiologie auszugehen.
Verkalkungsmuster als Diagnosekriterien Auf vielen Thoraxaufnahmen sind röntgendichte Verschattungen im Sinne von Verkalkungen zu sehen. Sie sind unterschiedlicher Genese, aber in den meisten Fällen ein Hinweis auf abgelaufene Prozesse (. Tab. 19.12). Bei unklarer Lokalisation der Verkalkung kann diese mittels Durchleuchtung, zusätzlicher Schrägaufnahme oder CT zugeordnet werden. Weichteilverkalkungen sind meist ähnlicher Ätiologie, doch trifft man sie auch im Rahmen von systemischen Erkrankungen an, z. B. bei Niereninsuffizienz, dermatologischen Erkrankungen, posttraumatischer Myositis ossificans. Besondere Bedeutung kommt Verkalkungen in den Mammae zu. Hierbei ist an Fibroadenome, Mastopathie oder Nekrosen zu denken. Auch im
. Tab. 19.10. Differenzialdiagnose von Fleckschatten
Stippchenförmig
Mikronodulär
Makronodulär
Alveoläre Mikrolithiasis
Miliartuberkulose (kleine, unscharfe Herde ohne charakteristisches Verteilungsmuster)
Pneumonie z. B. Staphylokokken
Pneumokoniose Silikose Stannose
Pneumokoniose Silikose (zentral betont, relativ dichte Herde) Siderose (kein charakteristisches Verteilungsmuster) Kohlenstaub
Kryptokokken
Pilzinfektionen wie Krykptokokkose und Histioplasmose Exogen allergische Alveolitits (begleitende homogene Transparenzminderungen)
Exogen allergische Alveolitits (begleitende homogene Transparenzminderungen)
Hämosiderose Sarkoidose (unscharfe Herde, in den Mittelfeldern betont, begleitend vergößerte hiläre Lymphknoten)
Sarkoidose (unscharfe Herde, in den Mittelfeldern betont, begleitend vergößerte hiläre Lypmphnoten) Metastasen von Karzinomen der Mammae, Nieren, Prostata, Melanom, Schilddrüse (teils mit Verkalkungen, größenprogredient und ortsständig) Lungenödem (Lage und Größen variabel)
. Tab. 19.11. Rundherdmuster und ihre Bewertung
Morphologie
Skizze
Beschreibung
Rund/glatt
Wertung
Ergänzung
Eher benigne
Granulom, Tuberkulom
Eher maligne
Tumorinfiltration des umgebenden Gewebes
Lobuliert/polyzyklisch Corona radiata
Multiple strahlige Ausläufer (Krebsfüßchen)
Pleurafinger
Verdichtung zu Pleura gelegen
Eher maligne
Invasion der lokalen Lymphgefäße
Pleurazipfel
Verziehung der Pleura zum Rundherd hin
Eher benigne
Narbige Ausziehung häufig bei Tuberkulomen
Rigler Nabelzeichen
Kontureinziehung am Eintrittsort von Gefäßen
Eher maligne
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Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
. Tab. 19.12. Verkalkungen in der Lunge Multiple Verkalkungen
Nach Infektionen: 5 Miliartuberkulose 5 Windpockenpneumonie Pneumokoniose (Silikose) Alveoläre Mikrolithiasis
Verkalkte Herde
Metastasen: 5 Osteosarkom 5 Chondrosarkom 5 Adenokarzinom 5 Plattenepithelkarzinom Tuberkulom: postspezifischer Primärherd in den Oberlappen
. Abb. 19.40. Pleurafinger und Rigler-Nabelzeichen. Oben: Pleura-Finger: strangartige Verdichtung des Interlobiums bei pleuranahen Tumoren; unten: Rigler-Nabelzeichen: Kontureinkerbung am Eintrittsort der Gefäße
Herzen sind häufig charakteristische Verkalkungen zu sehen. Dabei gilt: 4 Maligne Herde verkalken seltener als benigne. 4 Feine, schießscheibenartige Verkalkungen sind häufig bei Prozessen zu sehen, die an Größe langsam progredient sind, z. B. Granulomen. 4 Bei Chondro-Hamartomen zeigt sich ein grobkörniges Kalkmuster.
Muster in der HR-CT
19
Als Sonderform der CT ist die hochauflösende HRCT zu sehen. Es werden Schichten mit einer Dicke von 1–2 mm in größeren Abständen als gewöhnlich generiert. Alternativ werden heute moderne Techniken auf der Basis der Mehrschicht-CT (MSCT). Dazu ist eine dünne Schichtkollimation notwendig. Hierbei werden 4 Zeichnungsmuster zu Diagnosestellung und Klassifizierung benutzt. Man unterscheidet die Dichteanhebung und -minderung sowie retikuläre und noduläre Muster. 4 Dichteanhebung: 5 Bei konsolidierten Infiltraten und narbigen Veränderungen, die zur Verengung oder Verschluss von Gefäßen führen können. 5 Milchglastrübung: verschiedene Vorgänge im Bereich der Alveole wie intralaveoläre Flüssigkeit, Verdickung der Alveolenwand oder Kollabieren der Alveole. 4 Verminderte Dichte: 5 Im Bereich von emphysematischen Veränderungen, verminderter Blutfülle, Kavernen, Zysten, Bronchiektasen.
5 Noduli zentrilobulär bei Beteiligung der Arteriolen oder Alveolen 5 Können direkt der Pleura anliegend sein und zeigen teilweise das »tree-in-bud Zeichen«. 5 Bei hämatogener Aussaat können die nodulären Strukturen homogen über die Lunge verteilt sein; bei lymphogener Ausbreitung entlang der Lymphgefäße.
19.5
Variationen und Fehlbildungen
Die Region des Thorax weist eine große Vielzahl an Formvariationen auf, die die Interpretation radiologischer Verfahren erschweren. Die Kenntnis derartiger Veränderungen ist notwendig, um Formvarianten gegenüber »echten Pathologien« zu differenzieren. Im Folgenden sollen die wesentlichen Formvariationen getrennt nach den zugrunde liegenden Organsystemen vorgestellt werden.
19.5.1
Knöchernes Skelett
Thoraxdeformitäten Primäre Thoraxdeformitäten. Dazu zählt man: 4 die so genannte Kielbrust mit dem konvex gewölbten Sternum und 4 die Trichterbrust mit konkaver Wölbung des Sternums nach innen
4 Retikuläre Muster:
5 Bei Einlagerung von Flüssigkeit oder narbigen Gewebe in das Interstitium. 5 Imponieren als vermehrte bronchovaskuläre Zeichnung, septale oder intralobuläre Verdichtung oder im ausgeprägten Fall als so genannte Wabenlunge. 5 Septale oder intralobuläre Verdichtungen sind bei einer Lymphangiosis carcinomatosa, Sarkoidose oder fibrotischen Schäden typisch.
4 Noduläre Muster:
5 Rundliche Strukturen bis 6 mm Durchmesser. 5 Form von glatt begrenzt bei miliaren Veränderungen über polygonales Aussehen bei der Alveolitis.
Deformierungen führen zu einem verändertem Transversaldurchmessers des Thorax. Das führt zu einer Lageveränderung der Thoraxorgane, was in der Röntgenaufnahme z. B. eine scheinbare Herzvergrößerung verursachen oder ein Infiltrat vortäuschen kann. Sekundäre Deformitäten. Als solche können ein Glocken- oder Fassthorax auftreten. Der morphologisch beschriebene Glockenthorax tritt auf bei Osteomalazie oder Rachitis. Dabei
kommt es durch den Zug des Zwerchfells zur Ausbildung der so genannten Harrison-Furche am Zwerchfellansatz. Beim Glockenthorax ist der transversale Thoraxdurchmesser kranial deutlich kleiner als kaudal. Ein Glockenthorax kann auch bei durch
525 19.5 · Variationen und Fehlbildungen
einen Morbus Scheuermann bedingten Wirbelsäulenveränderungen auftreten. Der Fassthorax mit einem vergrößerten horizontalen Durchmessers in der Seitaufnahme kann verschiedene Ursachen haben. Bei einem Empyhsem kommt es durch das erhöhte Lungenvolumen zu einer vermehrten Kyphosierung der Brustwirbelsäule und Vorwölbung des Sternums. Ähnliche Veränderungen können bei multiplen Wirbelkörperfrakturen der Brustwirbelsäule auftreten. Durch eine Skoliose kann durch die Fehlbelastung des Skelettapparats zu teils bizarren Verformungen des Thoraxskeletts mit teils deutlicher funktioneller Einschränkung kommen (. Abb. 19.41).
Häufig sind am thorakozervikalen oder thorakolumbalen Übergang überzählige Rippen zu beobachten (. Abb. 19.44). Dabei können größere Halsrippen zu Nerven- oder Gefäßkompressionssyndromen führen.
Rippenanomalien
Bronchogene Zyste Definition, Epidemiologie, Pathogenese
Bei der Beurteilung der Rippen bezüglich Anomalien ist es wichtig zu differenzieren, welcher Anteil der Rippe der dorsale und welcher ventrale Anteil ist: Die dorsalen Rippen verlaufen in der Regel beinahe horzional zur Bildebene und sind relativ scharf konturiert. Der ventrale Anteil der Rippen hingegen erscheint unscharf und zieht schräg zur Horizontalen durch das Bild. ! Verkalkungen des Ansatzes der ersten Rippen täuschen häufig apikal gelegene Rundherde vor.
Als echte Formenvarianten in der Röntgenaufnahme sind die Gabelrippen oder Fusionierung von Rippen zu sehen. Bei Gabelrippen spaltet sich die Rippe im ventralen Anteil in 2 Enden auf. Bei der Srb-Anomalie handelt es sich eine rudimentäre 1. Rippe, die entweder mit der 2. Rippe oder dem Manubrium verschmolzen sein kann. Hier wird gelegentlich eine Lungenhernie beobachtet. Teilweise können einzelne Rippen einseitig oder beiseitig auch fehlen.
. Abb. 19.41. Thoraxdeformität bei Rotationsskoliose. Die Skolioseform ist rechtskonvexder Herzschatten verzogen, die Gesamtkontrastierung unscharf
Sternum Anomalien im Bereich des Sternums sind selten. Gelegentlich kommt es zur unvollständigen Verknöcherung der Apophysenkerne oder einem geteilten Xyphoid.
19.5.2
Lunge
Bronchogene Zysten treten selten und sporadisch auf. Jungen und Mädchen sind gleichermaßen betroffen. Beginn der Symptomatik ist abhängig von Größe und Lokalisation der Zyste. Bronchogene Zysten beruhen auf einer fetalen Wachstumsstörung, im Sinne einer gestörten Knospenbildung des ventralen Divertikulums des Vordarms etwa in der 4. Fetalwoche. Die Lokalisation der bronchogenen Zyste ist abhängig vom Zeitpunkt der Entwicklungsstörung. Sie können intrapulmonal oder im Mediastinum liegen. Bei intrapulmonaler Lage haben sie meist Kontakt zum Bronchialsystem. Die Zysten sind von Flimmerepithel ausgekleidet und entweder mit Schleim oder Luft gefüllt. Eine gesonderte Blutversorgung besteht nicht. Die mediastinalen Zysten liegen meist der Carina an und treten häufiger auf als die pulmonalen. Auch sie sind mit respiratorischem Flimmerepithel ausgekleidet, haben aber meist keinen Anschluss an das Bronchialsystem. Dementsprechend sind sie mit Flüssigkeit gefüllt.
. Abb. 19.42. Deformierung des Thorax durch ausgeprägte Skoliose, dadurch eingeschränkte Beurteilbarkeit der Röntgenuntersuchung, Seitaufnahme. Insbesondere die Wirbelsäulenstrukturen lassen sich nicht mehr abgrenzen (Pfeile)
19
526
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
. Abb. 19.44. Halsrippe links, Ausschnitt Thorax p.a. (Pfeile)
Klinik Die Klink der Lungenhypoplasie hängt vom Ausprägungsgrad ab und ist somit variabel. Eine beidseitige Lungenhypoplasie ist mit dem Leben nicht vereinbar. Bei der einseitigen Lungenhypoplasie versterben jedoch viele der Kinder früh durch Infekte der hypoplastischen Lunge.
Bildgebung . Abb. 19.43. Röntgenthorax p.a. Langstreckige Osteolysen der 4. und 8. Rippe links (Pfeile) mit konsekutiver Thoraxdeformierung bei unbekanntem Primarius als Differenzialdiagnose zu Anomalien
Klinik Die Symptomatik ist variabel und reicht von Atemnot, rezidivierenden Infektionen bis zu Dysphagie in Abhängigkeit der Lage und Größe der Zyste. Häufig sind die Zysten symptomlos und werden bei Routineuntersuchungen als Nebenbefund dokumentiert.
Bildgebung Röntgenbild:
4 Rundliche, glattbegrenzte Struktur 4 Zu zwei Drittel im Unterlappen gelegen 4 Flüssigkeits- oder luftgefüllt, je nach Anschluss an das Bronchialsystem Zusätzlich CT:
4 Dichte abhängig vom Proteingehalt des Zysteninhalts 4 Kein Kontrastmittel-Enhancement
19
Bei der einseitigen Lungenhypoplasie sieht man im Röntgenthorax einen im Vergleich zur Gegenseite kleineren Hemithorax mit verminderter Gefäßzeichnung. Sonographisch kann der Mediastinalshift zur betroffenen Seite und die verminderte Perfusion dargestellt werden. > Sonderform: Scimitar-Syndrom Hierbei handelt es sich um eine partielle Lungenaplasie mit gleichzeitig fehlenden pulmonalen Gefäßen. Weiterhin sind meist angeborene Defekte des ipsilateralen Diaphragmas, wie Hernierung, sowie eine Skoliose oder Spina bifida vorhanden. Der Name des Syndroms ergibt sich aus der säbelartigen Morphologie eines meist atypisch in die V. cava inferior mündenden pulmonalen Gefäßes. Bevorzugt betroffen ist die rechte Lunge mit einer höheren Prädilektion bei Frauen. In der CT zeigt sich mediastinaler Shift zur betroffenen Seite durch die fehlbildungsbedingte Volumenminderung mit Zwerchfellhochstand. Das Bronchialsystem verzweigt sich atypisch und die gleichseitige A. pulmonalis ist verkleinert.
Therapie
Lungenagenesie/-aplasie Definition
Die Therapie ist abhängig von der Klinik. Die operative Entfernung ist bei rezidivierenden Infekten und Atemnot indiziert.
Unter einer Lungenagenesie versteht man das völlige Fehlen von einem oder beiden Lungenflügeln.
Lungenhypoplasie Definition, Ätiologie
Klinik
Bei der Lungenhypoplasie handelt es sich um eine insuffiziente Ausbildung der Lunge bei regelrechter Organanlage. Diese kann einseitig oder beidseitig vorliegen. Die Ausprägung der Lungenfehlbildung hängt vom Zeitpunkt der Schädigung ab. Als ursächlich werden verschiedene Faktoren wie eine intra- oder extrathorakale Kompression der Lunge oder eine stattgehabte Hypoxie gesehen.
Die Symptomatik ist abhängig vom Ausprägungsgrad der Fehlbildung: sind größere Teile betroffen, kann sie von der respiratorischen Insuffizienz bis zu völlig unauffälliger Symptomatik bei Befall einzelner Lobuli variieren.
Bildgebung In der Röntgenaufnahme zeigt sich bei kompletter Agenesie oder Aplasie einer Lunge eine komplette Verschattung einer Thorax-
527 19.5 · Variationen und Fehlbildungen
hälfte mit Verlagerung des Mediastinums zur betroffenen Seite. Die gesunde Seite erscheint kompensatorisch überbläht.
Arteriovenöse Malformation Definition, Epidemiologie, Ätiologie Bei den arteriovenösen Malformationen handelt es sich um eine Verbindungen zwischen einer Lungenvene und einer Lungenarterie. Sie werden auch als AV-Fistel, kavernöses Hämangiom der Lunge oder pulmonales AV-Aneurysma bezeichnet. Frauen sind etwa doppelt so häufig wie Männer betroffen. Die Läsionen können im Laufe der Zeit an Größe zunehmen. Bei langsamer Progredienz wird die zunehmende Beimischung von venösem Blut bei Links-Rechts-Shunt nur selten bemerkt. Meist ist die Malformation angeboren. Sie können aber auch postraumatisch, iatrogen nach chirurgischen Interventionen oder postentzündlich entstehen. Des Weiteren werden sie im Rahmen eines Morbus Osler beobachtet. Bei dieser autosomaldominant vererbten Krankheit sind in der Regel multiple AVMalformationen in der Lunge und in anderen Organen nachweisbar.
Klinik Die Symptomatik ist abhängig von der Größe der Malformation. Meist handelt es sich um symptomlose Zufallsbefunde. Bei einem ausgepägten Links-Rechts-Shunt kann es zur Hypoxämie kommen. Daraus resultieren eine zunehmende Dyspnoe und reduzierte Belastbarkeit. Häufiger sind rezidivierende Epistaxis und Hämoptysen. Als seltenere Symptome treten Husten und Thoraxschmerzen auf. Komplikationen wie rezidivierende zerebrale Ischämien können durch eine paradoxe Thrombembolie ausgelöst werden.
Diagnose Die Hypoxämie lässt sich mithilfe einer Blutgasanalyse darstellen. Meist besteht eine konsekutive Polyglobulie. Bildgebung. Im Röntgenbild zeigen sich scharf begrenzte Rundherde mit folgenden Merkmalen: 4 Teils lobuliert 4 Manchmal traubenförmig angeordnet 4 Meist in den Unterfeldern zwerchfellnah
Lungensequester Definition, Epidemiologie, Ätiologie Bei einem Lungensequester handelt es sich um einen vom normalen Lungengewebe abgetrennten, funktionslosen Bezirk ohne Beziehung zum Tracheobronchialsystem. Man unterscheidet die intra- und extralobäre Sequestration. Bei der extralobären Form (ein Drittel der Fälle) liegt der Sequester, im Gegensatz zur intralobären Form (zwei Drittel), außerhalb der normalen Pleura und wird in der Literatur auch als akzessorischer Lungenlappen bezeichnet. Am häufigsten zeigt sich der intralobäre Sequester in den Unterlappen, der extralobäre subdiaphragmal linksseitig. Der extralobäre Sequester ist gelegentlich mit Zwerchfellhernien assoziiert. Jungen sind etwa 4-mal so häufig wie Mädchen betroffen, wobei die Ätiologie noch unklar ist. Es wird u. a. eine entzündliche Genese diskutiert. Der arterielle Zustrom erfolgt über zentrale Gefäße (Ligamentum pulmonale), der venöse Abfluss in den meisten Fällen über die entsprechenden Pulmonalvenen.
Klinik Symptome treten meist erst im jungen Erwachsenenalter ein und reichen von chronischem Husten mit bluttingiertem Sputum, Thoraxschmerzen bis zu rezidivierenden Pneumonien. In einigen Fällen wird die Diagnose des Lungensequesters auch als Zufallsbefund, z. B. im Rahmen des pränatalen Screenings gestellt.
Diagnose Die Diagnose ist unter Umständen in Abhängigkeit von der Lage auch mittels Sonographie und Farbdoppler möglich. Im Röntgen sieht man: 4 Lobulierte, homogene Verschattung 4 Zystische Veränderungen möglich; DD: bronchogene Zyste, Abszess, Tumor, pneumonisches Infiltrat 4 Paravertebrale Lage, DD: neurogener Tumor, pleuraständiger Tumor CT (. Abb. 19.45):
4 Als beweisend gilt die Darstellung eines zuführenden Gefäßes. 4 Es zeigt sich ein starkes Kontrastmittel-Enhancement.
4 Homogene, glattbegrenzte Raumforderung 4 Verdrängender Charakter 4 Intralobulär: 5 Überblähung bei Ventilation über die Kohnschen Poren 5 Schleimgefüllte, rudmentäre Bronchien 4 Extraloblär: 5 Weichteildicht verschattet bei fehlendem Anschluss ans Bronchialsystem 5 Deutliches, homogenes Enhancement
Therapie
Therapie
Bei asymptomatischen AV-Malformationen ist keine Therapie notwendig. Bei Größenzunahme, deutlicher Hypoxämie oder Embolien sollte eine Therapie erfolgen. Früher bestand die Therapie in einer chirurgischen Intervention, bei der der betroffene Lungenabschnitt reseziert oder das Gefäß ligiert wurde. Heute erfolgt die Therapie mittels angiographischer Coil-Embolisierung.
Der extralobäre Sequester kann reseziert werden, der intralobäre Sequester wird im Rahmen einer Segmentresektion entfernt. Es kann je nach Größe eine Lobektomie notwendig sein.
Ergänzende CT:
Kongenitales Emphysem Ätiologie, Epidemiologie Ein lobäres Emphysem ist bedingt durch eine Überblähung aufgrund eines Ventilmechanismus des zuführenden Lappenbronchus. Der Ventilmechanismus kann durch verschiedene Ursa-
19
528
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
a
b . Abb. 19.45a–c. Intralobärer Lungensequester. a MIP-Rekonstruktion axial aus einem CT-Angiographie-Datensatz: intralobärer Lungensequester links basal mit venösem Abfluss über die Pulmonalvenen (Pfeile, Pfeilspitzen). b MIP-Rekonstruktion frontal, c CT-Angiographie, arterielle Phase. Arterieller Zustrom direkt aus der Aorta entspringend (Pfeile). Dokumentation von intraläsional dilatierten Gefäßen
Kongenitale zystisch adenomatoide Malformation (CCAM) Definition
c
19
chen bedingt sein, z. B. entzündliche oder angeborene Stenosen oder eine mediastinale Raumforderung. Das Emphysem tritt meist im Ober- und Mittellappen auf. Jungen sind etwas häufiger betroffen als Mädchen. Begleitende Fehlbildungen finden sich bei der Hälfte der Kinder.
Es handelt sich um eine embryonale Fehlbildung des subsegmentalen Bronchialsystems mit Zystenbildung, wobei vermehrt epitheliales Gewebe gebildet wird und das alveoläre Wachstum unterdrückt ist. Das männliche Geschlecht ist bevorzugt betroffen. Es werden 3 Typen nach Stroker eingeteilt: 4 Typ I: multiple Zysten, >2 cm, ausgekleidet von Zylinderepithel, durch Kompression Hydrops fetalis und Lungenhypoplasie möglich 4 Typ II: <1 cm, multiples Auftreten, ausgekleidet von zilientragendem Epithel 4 Typ III: seltenste Form, nicht zystisch, Mediastinalverschiebung bei Anreicherung von Alveolar- und Epithelzellen.
Diagnose In der Thoraxaufnahme wie in der CT ist ein überblähter Lungenlappen mit erhöhter Strahlentransparenz, verminderter Gefäßzeichung, Mediastinalverlagerung und evtl. Kompressionsatelektase des angrenzenden Lungenlappens zu sehen.
Klinik Meist kommt es zu rezidiverenden Infekten; in seltenen Fällen bleibt die Malformation auch asymptomatisch.
Bildgebung Therapie Chirurgische Entfernung des betroffenen Lungeareals (Lobektomie), falls eine Stenose nicht ursächlich mittels Bronchoskopie behoben werden kann.
Pränatale Diagnose ist mittels Sonographie möglich. Deshalb wird die Diagnose meist bereits vor der Geburt gestellt. Thorax: 4 Häufig multilokuläre Verschattungen <1 cm mit Mediastinalshift 4 Isolierte, größere Zyste >2 cm
529 19.6 · Entzündliche Erkrankungen
4 Homogene Verschattung der Lunge 4 Lokalisierung im linken Unterlappen 4 Begleitend: Pneumonie, Zwerchfellhernie, Luft- oder Flüssigkeitsspiegel
Therapie Auch wenn eine Regression möglich ist, sollte die chirurgische Resektion erfolgen, da es zu einer malignen Entartung kommen kann.
Weitere Fehlbildungen Es gibt noch einer Reihe weiterer Fehlbildungen des Tracheobronchialsystems, die alle jedoch nur selten auftreten. Bei der Trachealagenesie handelt es sich um ein komplettes Fehlen der Trachea, was mit dem Leben in den meisten Fällen nicht vereinbar ist. Bei einer Dilatation der Bronchien und Trachea während der Inspirationsphase spricht man von einer Tracheobronchomegalie (Mournier-Kuhn-Syndrom). Die Symptome sind unterschiedlich, zeigen sich aber meistens mit rezidivierenden Infekten und unproduktivem Husten. Die Diagnose kann mittels Aufnahmen in Ex- und Inspiration sowie ergänzender CT gestellt werden. Ab einer Weite von 3 cm spricht man von einer Dilatation der Trachea; zur Erweiterung kommt es infolge eines minderwertigen Knorpels – die Ätiologie ist unbekannt. Stenosen der Trachea äußern sich durch obstruktive Beschwerden. Ebenfalls selten ist die Atresie eines Bronchus, der somit keinen oder nur insuffizienten Kontakt zum vorgeschalteten Tracheobronchialsystem hat. Dadurch kommt es zur Schleimretention und kompensatorischer Überblähung bei Ventilmechanismus oder bei Luftdiffusion durch die Kohn-Poren. Klinische Symptome treten nur selten im Kindesalter auf. Im Röntgenbild ist eine umschriebene Überblähung typisch, jedoch kann sich die Bronchusatresie auch als umschriebene Verdichtung mit vermindertert Gefäßzeichnung zeigen. Das Verfahren der Wahl zur Diagnosestellung ist die CT. Eine weitere Fehlbildung im Tracheobronchialsystem ist ein zusätzlicher Bronchus, der meist den rechten Oberlappen versorgt. Dieser kann entweder direkt komplett aus der Trachea abgehen oder als zusätzliche Versorgung des rechten Oberlappens der Trachea entspringen. Meist ist dies ein symptomloser Zufallsbefund. Bei Intubation kann es aufgrund des aberierenden Bronchus zur Minderbelüftung des betroffenen Lungenabschnitts mit Gefahr der Pneumonie bzw. Hypoxie kommen. Unter einem Bridging-Bronchus versteht man eine sehr seltene Fehlbildung mit einem Bronchus, der seinen Ursprung medialseitig des linken Hauptbronchus hat und dann nach rechts kreuzt, um dort den Mittel- und Unterlappen zu versorgen. Meist ist der Bridging-Bronchus mit einer Trachealstenose assoziiert. Im Röntgenbild imponiert das Ganze wie eine (»bridging«) zu tief stehende Carina mit rechtsseitiger Trachealbronchus-Formation.
Je nach Beschaffenheit der im Mediastinum gelegenen Strukturen kann es zu umschriebenen Aufhellungen oder Verdichtungen kommen: 4 Eine erhöhte Strahlentransparenz im Bereich des Mediastinums sehen wir bei Hernien, eingeschmolzenen Abszessen oder einem Mediastinalemphysem. 4 Verschattungen sind bei Verkalkungen, Schwielen oder gelegentlich bei Fremdkörpern zu beobachten. Je nach Lokalisation können bestimmte Hinweise auf die Genese der Raumforderung gewonnen werden. Im vorderen oberen Mediastinum können Anteile der Schilddrüse, Thymus oder Fettgewebe zu finden sein. Etwas tiefer im vorderen Mediastinum können Raumforderungen von Teratomen oder Perikardzysten ausgehen. Das mittlere Mediastinum ist Prädilektionsort für Lymphome und Zysten ausgehend vom Bronchialsystem. Im hinteren Anteil des Mediastinums sind als pathologische Raumforderung am häufigsten neurogene Tumoren identifizieren, gefolgt von Raumforderungen ausgehend vom Ösophagus.
19.5.4
Tracheobronchomalazie Ätiologie, Pathogenese Bei der Tracheobronchomalazie kommt es zu einer Knorpeldestruktion, woraus eine Deformierung der tracheobronchialen Strukturen resultiert. Meistens ist die Ursache eine traumatische Schädigung oder eine chronische Entzündung. In seltenen Fällen liegt ein angeborener Defekt wie eine Bindegewebsschwäche (z. B. Ehler-Danlos oder CF) vor. Besonders häufig ist die Tracheomalazie bei über lange Zeit intubierten Patienten zu sehen. Hierbei wird die vermehrte Verformbarkeit des Knorpels durch den erhöhten intraluminalen Druck verursacht.
Diagnose Am besten ist die über die Norm hinausgehende Verformung der Trachea im Bereich der Hauptbronchen zu sehen. Wird der Hauptbronchus in der CT in orthogonal rekonstruiert, stellt er sich nicht rundlich, sondern knopflochförmig imprimiert dar. In tangentialer Schnittführung geht der bandförmige Charakter verloren. Das Lumen der Bronchien zeigt sich kolbenförmig deformiert. Zur Diagnosestellung sind computertomographische Aufnahmen in In- und Exspiration notwendig, um die betroffenen Anteile im Vergleich darzustellen. Im Röntgenbild des Thorax ist der Trachealschatten im oberen Mediastinum bei einer Tracheomalazie säbelscheidenartig meist nach rechts deviiert.
19.6 19.5.3
Mediastinum
Auch im Mediastinum kann es zu Variationen und Fehlbildungen kommen. Bei einem Situs inversus ist evtl. eine so genannte Malposition des Mediastinums zu sehen.
Trachea
Entzündliche Erkrankungen
Entzündliche Erkrankungen der Thoraxorgane stellen die häufigste Indikation zur Durchführung von Röntgenuntersuchungen der Thoraxorgane dar. Die Komplexität entzündlicher Erkrankungen ist bedingt durch die unterschiedliche Ätiologie, die Variationen des morphologischen und röntgenologischen Erschei-
19
530
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
nungsbildes (. Tab. 19.13, . Tab. 19.14, . Tab. 19.15) sowie die Verlaufskontrollen unter Therapie.
19.6.1
Pneumonien
Als Pneumonie wird eine Infektion der Lunge durch pathogene Organismen bezeichnet, die in einer Konsolidierung der Lunge resultiert. Abzugrenzen ist die Pneumonitis, die sich auf entzündliche Prozesse die Alveolarwand betreffend, ausgelöst durch
physikalische oder chemische Noxen bezieht, z. B. fibrosierende Alveolitis oder die interstitielle Pneumonie. Für die Enteilung der Pneumonien gibt es verschiedene Varianten. Neben der unten benutzten Klassifikation werden die Pneumonien auch z. B. nach dem Ort der Infektion unterschieden. Die CT stellt in der Primärdiagnostik neben der konventionellen Thoraxaufnahme nur eine untergeordnete Rolle dar. Sie kommt bei Komplikationen wie Abszessbildung oder bei der Suche nach einer prädisponierenden Grunderkrankung (z. B. Tumor) zum Einsatz.
. Tab. 19.13. Bildmuster bei bakeriellen Erkrankungen (aus: Freyschmidt J, Galanski M. Handbuch Diagnostische Radiologie: Thorax. Berlin, Heidelberg: Springer 2003)
Erreger
Klinik
Röntgenkriterien
Streptococcus pneumoniae
5 Meist ambulant erworben 5 Akuter Verlauf mit hohem Fieber, Husten und blutigem Auswurf
5 5 5 5 5
Streptococcus pyogenes
5 Selten 5 Akuter Verlauf 5 Blutiger Auswurf, deutliche Rasselgeräusche
5 Multilokuläre, teils bilaterale Infiltrate 5 Volumenminderung
Staphylococcus aureus
5 Häufig nosokomial 5 Akuter Verlauf mit Pleuraschmerzen, Fieber, eitrigem Auswurf 5 3 Verlaufsformen: foudroyant nach vorheriger Virusinfektion, septisch, chronisch
5 Multilokulärer Befall 5 Foudroyant: hilifugale, unscharfe Verschattung, die einschmilzt (Pneumatozelenbildung) 5 Septisch: multipe Herde bis zu 3 cm ohne typisches Verteilungsmuster, konfluieren und Einschmelzungen möglich 5 Bilaterale Infiltrate mit Fibrosierung
Bacillus anthracis
Foudroyanter Verlauf, ohne Behandlung letal
5 Perihiläre Verschattungen 5 Peripher wanderndes hämorrhagisches Ödem
Klebsiellen (Friedländer Pneumonie)
Gram negative Bakterien, bei Immunsuppremierten häufig 5 Akuter Beginn mit leichtem Fieber, Schmerzen, Hypotonie 5 Zunächst glasiger, später purulenter Auswurf 5 Schnell kardiorespiratorischer Schock
5 5 5 5 5
E. coli
5 Akuter Beginn mit Schüttelfrost, atemabhängigen Schmerzen, Auswurf, Schwindel, gastrointestinalen Begleiterscheinungen
5 Multiple alveoläre Infiltrate 5 Oft beidseitig 5 Pleuraergüsse
Proteus mirabilis
5 Schleichender Beginn über Wochen 5 Leichtes Fieber, eitriger Auswurf 5 Hohe Mortalität
5 Segmentale Verschattungen mit Einschmelzungen und Abszessbildung
Pseudomonas aeruginosa
Akuter Verlauf mit ausgeprägter Dyspnoe, Fieber, Bradykardie
Alveoläre Infiltrate wie bei Bronchopneumonie Konfluierend Kavernenbildung
Haemophilus influenzae
5 Akut: hämatogene Streuung, hohes Fieber, Zyanose, Sepsis 5 Prothrahiert: als exazerbierte chronische Bronchitis
5 Ähnlich Bronchopneumonie 5 Meist rechts 5 Pleuraergüsse bei akutem Verlauf
Legionellen
Ambulant erworben: hohes Fieber, trockener Husten, Bradykardie, neurologische Begleitsymptomatik, gastrointestinale Begleiterscheinungen
Basal, periphere, fleckige Verschattungen, schnell konfluierend, selten Pleuraerguss Veränderungen im Röntgenbild bilden sich nur verzögert zurück
Mykoplasma pneumoniae
Akuter oder subakuter Verlauf mit trockenem Husten, später eitrigem Auswurf Allgemeines Krankheitsgefühl
Vielfältige Manifestationen: 5 Homogen, segemental mit Bronchopneumogramm und scharfen Grenzen 5 Flächig ohne Begrenzung 5 Retikuläre Infiltrate mit Milchglastrübung
Anaerobier (Bacteroides, Actinomyces)
Unterschiedliche Verlaufsformen, abhängig von der Grunderkrankung
5 Nach Aspiration meist rechts 5 Muster unterschiedlich
19
Peripherer Beginn mit alveolärer Konsolidierung Ausbreitung nach hiluswärts Vollbild: homogene Verschattung mit Bronchopneumogramm Volumenvermehrung Meist unilateral, basal oder im zweiten Oberlappensegment
Pneumonie ähnlich Neigt zu großflächigen, dichten Verschattungen Positives Bronchopneumogramm Meist einseitig rechts im Oberlappen Hohe Komplikationsrate mit Nekrose, Lungengangrän
531 19.6 · Entzündliche Erkrankungen
. Tab. 19.14. Bildmuster bei viralen Infektionen (aus: Freyschmidt J, Galanski M. Handbuch Diagnostische Radiologie: Thorax. Berlin, Heidelberg: Springer 2003)
Viren
Klinik
Bildmuster
Influenzaviren
Husten, Gliederschmerzen, Tachypnoe, Zyanose Foudroyanter Verlauf bei immungeschwächten Menschen
5 Alveoläre Verschattungen, segmental begrenzt 5 Auch kleine, konfluierende Rundherde möglich
Respiratory syncytial Virus
Häufig bei Säuglingen 5 Blander Verlauf 5 Komplikation: hyperreagibles Bronchialsystem
Peribronchiale Infiltrate mit Bronchialwandverdickung
Morbili Virus (Masernpneumonie)
Meist milder Verlauf
Peribronchiale Infitrate mit Bronchialwandverdickung und retikulärer Zeichungsvermehrung
Varizellen
Häufiger bei Erwachsenen als bei Kindern Foudroyanter Verlauf möglich
Metastasen-ähnliches Bild mit verkalkenden Residuuen
HPV (human papilloma virus) 6 und 11
Inhalation bei Larynxpapilomatose möglich
Kleine, unregelmäßig verteilte, einschmelzende Herde
CMV
Beim immundefizienten Patienten Schleichender Verlauf mit allgemeiner Schwäche, trockenem Husten und Tachypnoe
Interstitielle Pneumonie mit retikulo-nodulärem Muster oder Milchglaszeichnung
. Tab. 19.15. Bildmuster bei sonstigen Erregern (aus: Freyschmidt J, Galanski M. Handbuch Diagnostische Radiologie: Thorax. Berlin, Heidelberg: Springer 2003)
Erreger
Klinik
Chlamydien
Fakultativ humanpathogen, milder Verlauf mit allgemeinem Krankheitsgefühl, Arthralgien Auch akute Verläufe mit Fieber und respiratorischer Insuffizienz möglich
Bildmuster
C. trachomatis
Beidseitiges, interstitielles Infiltrat
C. pneumonia
Subsegmental, alveolär
C. psittaci 5 Retikuläre Zeichungsvermehrung mit Milchglasinfiltraten, teilweise fleckförmig 5 HRCT: zentroazinäre Noduli ohne zentrale Nekrose
Rickettsien
R. rickettsii
Rocky Mountain Spotted Fever
R. burnettii
Durch Schafe
Candida albicans
Als Komplikation bei Soor und Immundefizienz, bronchogene oder hämatogene Streuung
5 Hämatogen: flaue Herde, rel. glatt begrenzte Herde ohne charakteristische Verteilung, teils pleuraständig 5 Bronchogen: bronchogene Infiltrate
Pneumocystis carinii
Fakultativ pathogener Schlauchpilz, häufig bei HIV-postiven Patienten Klinik: zunehmende Dyspnoe, trockener Husten, Temperaturerhöhung, steigende LDH
5 Röntgenbild am Anfang unauffällig, nach 48 h milchglasartige, zentrale Verschattung mit retikulonodulärer Zeichung 5 Im Vollbild bilaterale, diffuse interstitielle und alveoläre Transparenzminderung mit Aussparung des Recessus phrenicocostalis, nur selten begleitender Pleuraerguss
Aspergillus fumigatus
Ubiquitäres Vorkommen (z. B. Blumenerde, fakultativ pathogen Klinik abhängig von Manifestationsart und Immunstatus
5 Allergische, bronchiale Aspergillose 5 Aspergillombildung in präformierter Höhle: Rundherd, Höhle ggf. mit Luftsaum abgrenzbar
19
532
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
a . Abb. 19.46a, b. Mittellappenpneumonie, Lobärpneumonie. a Befund im Röntgenthorax p.a. Flächige Verdichtung lateral (Pfeile), unscharf abge-
grenzt nach medial (Pfeilspitzen). b Nach antibiotischer Therapie vollständige Restitutio
Lobärpneumonie Definition
Bildgebung
Die Lobärpneumonie stellt eine lokalisierte, bakterielle Infektion der terminalen Luftwege dar.
4 Homogene Verschattungen, strikt an Lappengrenzen orientiert (. Abb. 19.46) 4 Positives Bronchopneumogramm 4 Komplikationen: Lungenabszess, Pleuraempyem, Begleitpleuritis, septische Streuung, Chronifizierung (. Abb. 19.47). 4 Entzündliche Lungenanteile haben normales Volumen. 4 DD: Atelektase
Klinik
19
b
Akuter Verlauf mit hochfebrilen Temperaturen, Husten, blutig tingiertem Auswurf und Schmerzen. Die Lobärpneumonie verläuft in Stadien, in denen sich das inflammatorische, primär intraalveoäre Ödem über die Kohn-Alveolarporen ausbreitet und zu einer zügigen Konsolidierung ganzer Lungenlappen führt. Bei akutem Verlauf zeigt das Röntgenbild oft das Maximum der Erkrankung auf. Im Falle von anderen Infektionen oder Suprainfektionen zeigt sich meistens eine nichtuniforme Konsolidierung innerhalb der Lunge. Segmentgrenzen werden überschritten und unscharf begrenzte Ränder führen dann zu so genannten Bronchopneumonien (s. u.). Die querliegende Kerley-B-Linie erscheint in der betroffenen Region verbreitert aufgrund der Verdichtungen der lymphatischen Strukturen wie auch das Ödem der interlobären Septen. Eine klinische Besserung der Pneumonie wird in der Regel begleitet durch eine Reduktion der Dichte des betroffenen Lungenparenchyms und eine Wiederbelüftung. Normalerweise kommt es zu einer kompletten Restitutio ad integrum der gesamten Lungenarchitektur. Als prognostisch ungünstig zu werten ist der Befall mehrerer Lappen, Erregernachweis im Blut und das Vorliegen immundefizitären Begleiterkrankungen.
CT/Thorax:
Bronchopneumonie Definition, Pathogenese, Klinik Die Bronchopneumonie beginnt mit einer lokalen Infektion der terminalen Bronchien durch direkten Erregerkontakt. Die häufigste Ursache stellt die Infektion durch Staphylococcus aureus und gram-negative Organismen dar. In der täglichen Routine wird die Klassifikation der Pneumonien auf der Basis des zugrunde liegenden Erregers durchgeführt, mit direktem Einfluss auf das Management des weiteren Verlaufs der Infektion. Die Klinik ist ähnlich die der Lobärpneumonie.
Diagnose Ein direkter Hinweis auf den Erreger gelingt mit der radiologischen Diagnostik nur selten. Die Aufgabe der konventionellen Röntgendiagnostik ist der Nachweis der Lokalisation einer Pneumonie, wie auch von möglichen Komplikationen wie z. B. Pleuraerguss, Emphysem, Pneumothorax, Atelektase und Abszessformation.
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Nosokomiale Pneumonie: Die Therapie erfolgt sofort nach Erregerdiagnostik bis zum Erhalt des Antibiogramms ungerichtet. Hierbei wird auf Aminopenicilline in Kombination mit einem Beta-Laktamasehemmer wie Amoxicillin und Clavulansäure und ein Cephalosporin der 3. Generation zurückgegriffen. Carbapeneme und Teicoplanin sind als Reserveantibiotika zu sehen.
Interstitielle/Atypische Pneumonie Definition Es handelt sich um eine durch Viren oder Mykoplasmen hervorgerufene Entzündung des interstitiellen Lungengerüsts. Atypisch beschreibt das Fehlen des normalerweise beobachteten alveolären Infiltrats bei den Lobär- oder Bronchopneumonien.
Klinik . Abb. 19.47. Mittellappenpneumonie mit Abszedierung (Pfeil) im Röntgenthorax p.a. Zentrale Aufhellungsfigur intraläsional mit kleinem Spiegel (Pfeilspitzen)
Thorax/CT:
4 Zu Beginn sind keine Veränderungen sichtbar. 4 Vermehrte Bronchuszeichnung durch Ulzerationen der Bronchialschleimhaut 4 Alveoläre, basal betonte Fleckschatten bei Übergreifen des Infekts auf die Alveolen (daher Synonym Herdpneumonie) 4 Homogene, lobäre Verschattung bei zunehmender Sekretproduktion mit Füllung der Bronchien und Alveolen 4 Kein positives Bronchopneumogramm 4 Inhomogenes Kontrastmittel-Enhancement 4 Zentrale Einschmelzung bei Abszedierung möglich > Ambulant erworbenene Pneumonien (CAP: community acquired pneumonia) Dabei handelt es sich um eine akute, bakterielle, nicht im Krankenhaus oder bis zur 4 Wochen danach aufgetretene Infektion eines gesunden Erwachsenen. Das Erregerspektrum ist mit Augenmerk auf regionale, saisonale und demographische Faktoren unterschiedlich. Der häufigste Erreger ist jedoch Streptococcus pneumoniae, danach folgen Mykoplasma pneumoniae und Haemophilus influenzae. Die Therapie erfolgt in der Regel empirisch, d. h. ohne vorheriges Antibiogramm. Bei einer typischen bakteriellen Pneumonie, einer ambulant erworbenen Pneumonie, kann Penicillin G oder bei Allergie gegen Penicillin ein Makrolid gegeben werden. Atypische Pneumonien, wie durch Mykoplasmen, Legionellen oder Chlamydien verursacht, erfordern eine Antiobiotikatherapie mit Makroliden wie Erythromycin oder Clarithromycin. Reservemedikamente bei Infektionen mit Pneumokokken, Haemophilus, Legionellen, Mykoplasmen etc. sind die Chinolone. 6
Imponierend ist die Diskrepanz zwischen relativ blander Klinik und ausgeprägten radiologischen Veränderungen. > Differenzialdiagnose: Typische versus atypische Pneumonie Typische Pneumonie: Fieber >38°C ohne Prodromi, atemabhängige Schmerzen und purulenter Auswurf, laborchemische Entzündungsparameter mit erhöhten Leukozyten zahlen und erhöhter BSG. Atypische Pneumonie: subfebrile Temperaturen bei vorherigen Symptomen wie Rhinitis oder Otitis. Meist nur wenig Auswurf, nicht purulent. Keine erhöhten Leukozytenzahlen, nur diskret beschleunigte BSG.
Bildgebung Im Thoraxbild zeigen sich meist bilaterale, zentral betonte hilifugale streifige Verschattungen des Parenchyms, die durch Verbreiterung der Septen und Verdichtung des peribronchialen intersitiellen Gewebes entstehen. CT: 4 Diffuse, klein-fleckige, milchglasartige Trübungen, selten zu größeren Verschattungen verschmelzend. 4 Bei Resorption der Infiltrate Verdickung der interlobären Septen. Bei Viren gibt es unterschiedliche Erreger, die die Lunge befallen. Die Veränderungen in der konventionellen Thoraxaufnahme sind alle unspezifisch, ebenso die Veränderungen in der CT-Diagnostik.
Therapie Bei einer nachgewiesenen Mykoplasmeninfektion sind Makrolide sowie Doxicyclin wirksam. > Bei Kindern kommt häufig die Infektion mit Respiratory-Syncytial-Viren oder Parainfluenzaviren vor. Bei Erwachsenen dominieren die Infektionen mit Adenound Grippeviren. Pneumonische Infiltrate ausgelöst durch Zytomegalie-Viren sind bei immungeschwäch6
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. Abb. 19.48a–c. Legionellen-Pneumonie im Verlauf; Röntgenthorax p.a. a Beginnende Veränderungen mit vermehrter Bronchuszeichnung im linken Mittelfeld. b Akute klinische Phase: homogene lobäre Verschattung links im Mittel- und Unterfeld (Pfeile). c Intensivtherapiephase: diffuse Infiltration der Lunge links, konfluierend, beginnend auch rechts
ten Patienten (HIV, Leukämie, Immunsuppresive Therapie) zu finden. Die radiologische Diagnostik ist wichtig zur Verlaufsbeurteilung. Klinisch typisch sind hohes Fieber, Husten mit oder ohne Auswurf, sowie eine erhebliche Diskrepanz zwischen Auskultations- und radiologischem Befund. Thorax: 4 Beginnend perihiläre, retikulonoduläre Verschattungen, in flächige Infiltrate übergehend 4 Milchglasartige Transparenzminderung kann ganze Lungenlappen betreffen 4 Meistens basal betont 4 Häufig begleitender Pleuraerguss
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Es zeigt sich auch ein Manschettenphänomen (cuffing sign) bei orthograd getroffenen Bronchien durch die verdickte Bronchialwand.
Pilzpneumonien Mykotische Pneumonien sind bei einem nicht immunsupprimierten Patienten eher selten, häufige Erreger sind Aspergillus fumigatus und Candida-Erreger. Es gibt noch eine Reihe weiterer Pilzerreger, die die Lunge befallen können. Sie verursachen bei vielfältigen klinischen Symptomen jedoch nur unspezifische Veränderungen in der Röntgenaufnahme oder CT, sodass eine Diagnosestellung nur durch direkten Erregernachweis gelingt. Als Risikofaktoren gelten eine persistierende Neutropenie <500/μl, eine bekannte GVHD, Kortikoidlangzeittherapie, im-
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munsuppressive Therapie, stattgehabte Pilzinfektionen oder AIDS. Nach der EORTC (European Organization for Research and Treatment of Cancer) gilt eine Pilzinfektion als bewiesen bei histopathologischem oder kulturellem Nachweis. Als wahrscheinlich wird eine Infektion erachtet, wenn mindestens ein Risikofaktor kombiniert mit einem mikrobiologischen Kriterium und einem klinischen Kriterium der Stufe I oder 2 Kriterien der Stufe II vorliegen. Möglich ist ein Pilzbefall bei einem Risikofaktor, einem begleitenden mikrobiologischen Kriterium oder dem Vorliegen eines klinischen Kriteriums der Stufe I oder 2 Kriterien der Stufe II.
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. Abb. 19.49a, b. Wanderndes eosinophiles Infiltrat im Röntgenthorax p.a. a Infiltrationen im Mittelfeld und Unterfeld, im Verlauf wandernd. b Infiltrat hier mit dominanter Betonung des Unterfeldes (Pfeile)
Bei sichtbarem Befall der Mund- und Ösophagusbefall mit Bildung von systemisch weißlichen Belägen spricht man von Soor. Soor ist häufig die Erstmanifestation einer HIV-Infektion. In ausgeprägten Fällen bei deutlich immunsupprimierten Patienten kann es zur Candiasepsis mit generalisiertem Befall der viszeralen Organe wie Nieren, Leber oder des Augenhintergrundes und Endokards kommen. Candiapneumonien treten gelegentlich als Komplikation bei Soorerkrankungen auf.
Diagnose
. Abb. 19.50. Histioplasmose. Mikronoduläre, disseminierte Verkalkungen im Röntgenthorax p.a.
Candida kann direkt im Bronchialsekret oder Lungengewebe nachgewiesen werden. Der indirekte Nachweis der Infektion kann über einen Antikörpernachweis mittels Candidahämagglutinationstest erfolgen. Röntgen: Bei der hämatogenen Streuung finden wir über das Lungenparenchym verteilte Herde ohne besondere Lokalisation. In der CT ist um die Candidaherde der milchglasartige Halo zu sehen. Die bronchogene Manifestation zeigt sich als bronchopneumonische Infiltrate. Die endgültige Diagnosestellung erfolgt bei Verdacht mittels Kultivierung der Erreger aus Sputum oder einer transbronchialen Biopsie.
Aspergillose Candidiasis Bei Candia albicans handelt es sich um einen Pilz, der in geringer Anzahl auch bei gesunden Menschen im Stuhl oder Oropharynx vorkommt. Bei immunsupprimierten Patienten kann es zur Exazerbation kommen. Bei Befall wird eine mukokutane von einer sytemischen Form unterschieden.
Die Infektion mit ubiquitär vorkommenden Aspergillen erfolgt meist per inhalationem. Sie sind fakultativ pathogen, d. h. kommen auch beim Gesunden vor. Die Manifestation kann in Form einer allergischen bronchialen Aspergillose, lokalisiert als Aspergillom in präformierter Höhle oder als Aspergilluspneumonie in Abhängigkeit vom Immunstatus erfolgen.
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b b . Abb. 19.51a, b. Aspergillom. Vergleich von konventionellem Röntgen und CT. a In der nativen Röntgendiagnostik zeigt sich ein Rundherd (Pfeil) mit lufthaltigem Randsaum (Halo). b CT, Lungenfenster. Verifikation der Gerüstdestruktion
. Abb. 19.52a, b. Aspergillose im Verlauf. a Röntgenthorax p. a., multifokale Herde intrapulmonal, rundlich, unscharf, in den Mittelfeldern betont. b Pilzherde im CT, Lungenfenster
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CT (. Abb. 19.52):
Die invasiv pulmonale Aspergillose betrifft meistens immundefiziente Menschen. Es kommt zur Infiltration kleinerer und Arrosion größerer Gefäße mit begleitenden Embolien. Diagnostische Befunde sind: Thorax: 4 1–2 cm große Rundherde mit hämorrhagischen Halo (. Abb. 19.51) 4 Begleitende bronchopneumonische Verschattungen 4 Bei embolischen Infarkten keilförmige Transparenzminderungen
4 Kleine Herde mit umgebender milchglasartiger Trübung (Halo) 4 Konfluieren der Herde in fortgeschrittenen Stadien 4 Einschmelzen der Herde mit Luftsichelbildung im Sinne einer Nekrose 4 Selten vergrößterte Lymphknoten 4 Kein positives Bronchopneumogramm 4 Nur in Einzelfällen begleitende Pleuraergüsse
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> Bei präformierten Kavernen oder Bronchiektasen kann sich auch bei nur leichter Immunschwäche ein so genanntes Aspergillom oder Fungusball aus fibrinverklebten Hyphen bilden. Dieser stellt sich als homogener Rundschatten mit zartem, halbmondförmigem Luftsaum in Abgrenzung zur Kavernenwand dar. Das umgebende Lungengewebe kann bei gleichzeitigem Pilzbefall verdichtet erscheinen. Die Klinik ist oft unauffällig, gelegentlich bestehen Hämoptysen.
Allergische bronchopulmonale Aspergillose (ABPA) Die allergische bronchopulmonale Aspergillose ist eine allergische Reaktion bei präexistentem Asthma. Durch die Immunantwort kommt es zur proteolytischen Zerstörung des Lungenparenchyms mit Bronchiektasenbildung. Das morphologische Bild basiert auf wechselnden Infiltraten und lobären Verdichtungen, verdickten Bronchialwänden bis zur zentralen Bronchiektasenbildung, Minderbelüftung, fibrotischen Umbauten und Emphysemzeichen bei normaler Darstellung der peripheren Abschnitte, sehr variabel. Im Blutbild zeigt sich eine begleitende Eosinophilie.
Therapie Falls möglich und lokalisierbar, sollte die Ursache, z. B. i. v.-Verweilkatheter entfernt werden und die Grunderkrankung behoben werden bzw. die Immunlage gebessert werden. Für die medikamentöse Therapie werden Fluconazol oder Amphotericin B empfohlen. Die Behandlung ist für mindestens 2 Wochen über die Eradikation hinaus durchzuführen.
Kryptokokkus neoformans Pathogenese, Epidemiologie Bei Kryptokokken handelt es sich um in der Erde und in Vogelkot lebende Hefepilze, die areogen übertragen werden. Aufgrund des Übertragungswegs kommt es zunächst zu einem Befall der Lunge der über eine hämatogene Streuung zu einer Meningoenzephalitis führen kann. Diese ist ohne Behandlung tödlich. Etwa 5% der an AIDS erkrankten Menschen sind davon befallen. In den USA ist die Kryptokokkose deutlich verbreiteter als in Europa.
Klinik Bei der zerebralen Manifestation kommt es zu Symptomen wie Kopfschmerzen, Fieber und zunehmenden Bewusststeinsstörungen begleitet von Hirnnervenausfällen. Bei Befall der Lunge ähnelt das Bild einer atypischen Pneumonie mit Husten, atemabhängigen Schmerzen und spärlichem Auswurf.
Nach Ausschluss von Hirndruckzeichen mittels MRT und Funduskopie sollte eine Liquorpunktion folgen. Gelegentlich ist der Erregernachweis auch in der Blutkultur möglich.
Mucor-Mykose Die Mucor-Mykose wird in der Literatur auch als Zygomykose bezeichnet, da es sich bei Mucor nur um eine Klasse innerhalb der Zygomycetenordnung handelt. Die Pilze sind ubiquitär vorkommend und werden aerogen übertragen. Bei Befall des Nasenrachenraums sind ausgeprägte Destruktionen im Bereich der Nasennebenhöhlen möglich. Weiterhin ist eine hämatogene Streuung und Darmbesiedelung möglich. Ein pulmonaler Befall ist fast aussschließlich bei Patienten mit Leukämien oder Lymphomen zu beobachten. Bei generalisiertem Befall ist die Progonose schlecht. Je nach Literatur werden Mortalitätsraten von bis zu 90% angeben, beim rein pulmonalen Befall bis zu 65%.
Klinik Bei einem pulmonalen Befall kommt es zu thorakalen Schmerzen, Fieber und blutigem Auswurf als Komplikation kann der Befall der Pumonalgefäße mit Aneurysmabildung hinzukommen.
Bildgebung CT:
4 Bevorzugter Befall der Oberfelder mit flächigen, rundlichen Herden mit rascher Größenprogredienz (. Abb. 19.53) 4 Meist zentrale Einschmelzung mit Luftsichel 4 Binnenstruktur wirkt aufgelockert ähnlich eines Vogelnests (. Abb. 19.53) 4 Häufig pleuraständig 4 Umgebender Halo 4 Nur selten vergrößerter Lymphknoten
Pneumocystitis carinii (Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie) Der von Chagas entdeckte Erreger Pneumocystis carinii wird zu den Ascomycita (Schlauchpilzen) gezählt. Die Pneumonie, die durch den fakultativ pathogenen Erreger ausgelöst wird, war früher die häufigste opportunistische Infektion bei HIV-Patienten dar. Sie wird heute bei Patienten mit CD4-Werten <400 beobachtet. ! Häufig handelt es sich bei der PCP-Erkrankung um die Erstmanifestation einer HIV-Infektion.
Klinik, Diagnose Diagnose Im CT ergeben sich unterschiedliche Manifestationen, abhängig von der Immunlage des Patienten: 4 Kleine, peripher gelegene, noduläre Herde bei immunsupprimierten Patienten 4 Konfluierende Infiltrate meist auf einen Lungenlappen begrenzt, aber Segmentgrenzen überschreitend. 4 Einschmelzungen sind eher selten. 4 Meist direkte Erregerdiagnostik mittels BAL notwendig.
Typisch sind progrediente Belastungsdyspnoe und respiratorische Partialinsuffizienz. Es zeigt sich eine erhöhte LDH; LDH gilt als Verlaufsparameter: in geringem Maße korreliert die Höhe der LDH-Werte mit der Schwere der Erkrankung. Das CRP nicht oder nur mäßig erhöht, nicht geeignet als Verlaufsparameter. Bei Kindern verläuft die Infektion akuter. Der Erregernachweis gelingt durch bronchoalveoläre Lavage.
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b . Abb. 19.53a,b. Mucor-Mykose. a Nativdiagnostisch multiple konfluierende, wolkige Verdichtungen, betont in den Lungenoberfeldern, zentrale Einschmelzung. b CT, Lungenfenster: Binnenstruktur wie Vogelnester
Bildgebung Thorax: Zu Beginn besteht oft ein unauffälliger Befund. In spä-
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teren Stadien zeigt sich zuerst eine retikulonoduläre Zeichung, später milchglasartige, alveoläre Infiltrate, von den Hili bis in die basalen Lungenabschnitte und den Apex sich ausbreitend unter Ausspaarung des Recessus phrenicocostalis (. Abb. 19.54). Im fortgeschrittenen Stadium treten flächige homogene Verschattungen auf. Das CT besitzt zur Früherkennung die höhere Signifikanz. Es zeigen sich: 4 Milchglasartige, perihilär betonte Trübungen im Rahmen der intraalveolären Beteiligung bis in die Peripherie. 4 Interstitielle Infiltrate mit verdickten Septen 4 Aussparung des Recessus phrenicocostalis 4 Bei immunsuppressiven Begleiterkrankungen teils flächige Konsolidierungen mit positiven Bronchopneumogramm.
b . Abb. 19.54a, b. Pneumocystis carinii-Pneumonie. a Röntgenthorax p. a. Interstitielle Infiltrate mit verdickten Septen (Pfeile). Aussparen des Sinus phrenicocostalis. b MSCT nativ, frontale Rekonstruktion: Verifikation der milchglasartigen Infiltrate (Pfeile) mit intraalveolärer Beteiligung
4 Nach gezielter Therapie fibrotische, strangförmige Narbenbildung möglich. 4 Gelegentlich vergrößerte Lymphknoten oder Pleuraergüsse.
Therapie Mittel der Wahl bei einer PCP-Infektion ist Cotrimoxazol; bei bekannter Cotrimoxazol-Allergie bzw. Therapieresistenz kann auf Pentamidin zurückgegriffen werden.
Tuberkulose Definition/Pathogenese Die Tuberkulose ist eine der häufigsten Infektionskrankheiten der Welt. Sie wird durch ubiquitär vorkommenden Mykobakterien übertragen. Der wichtigste Erreger ist das Mykobaterium tuberculosis, dessen Nachweis direkt aus sämtlichen Körpersekreten mittels Ziehl-Neelsen Färbung erfolgen kann. Bei Anzucht
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. Abb. 19.55. Schematische Darstellung des Primärkomplex bei Tuberkulose
. Abb. 19.56. Bronchiolitis bei Tbc. CT, Lungenfenster: Bronchiolitis mit sequenzieller Infiltration (Pfeile)
in entsprechenden Nährmedien ist eine Kultivierungszeit von ca. 4 Wochen einzuplanen. Die Infektion wird per inhalationem als Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch weitergegeben. Bevorzugt betroffen sind Personenkreise mit reduziertem, schwächerem Immunsystem, wie Kinder und ältere Menschen oder bei Personen mit Vorerkrankungen wie HIV oder immunsuppresiver Therapie. Eine Übertragung ist auch maßgeblich durch soziale Komponenten bedingt. Sie tritt gehäuft in Massenunterkünften wie Gefängnissen oder Flüchtlingslagern auf. Weitere wichtige Rollen spielen Begleitfaktoren wie Drogenkonsum, Alkoholismus und der Ernährungszustand.
Klinik, Diagnose Der Verlauf der Tuberkulose wird in verschiedene Stadien eingeteilt.
. Abb. 19.57. Tuberkulose, CT, Lungenfenster. Tuberkulosekaverne im linken Mittelfeld mit dickem Randwall (Pfeile)
. Abb. 19.58. Miliartuberkulose. HR-Rekonstruktion, multiple unscharf begrenzte Mikronoduli
Primäre Tuberkulose
Unter einer primären Tuberkulose versteht man die Erstinfektion eines Organismus mit einem Mykobakterium. Die per inhaltionem aufgenommen Bakterien werden von den Alveolarmakrophagen phagozytiert. Bei insuffizienter Abwehrlage kommt es dann zur intrazellulären Vermehrung der Bakterien mit Lyse der Makrophagen. Dies verursacht meist im rechten Oberlappen eine zunehmende Ansammlung von intraalveolären Entzündungszellen, die als so genannter Ghon-Herd bezeichnet wird (. Abb. 19.59). Dieser imponiert als kleinflächiges Infiltrat. Begleitend tritt eine hiläre Lymphadenitis, erkennbar an der verplumpten Hilusstrukturen und eine zentrale streifige Zeichnungsvermehrung im Rahmen einer Lymphangitis auf. Dieser Symptomenkomplex von Ghon-Herd, Lymphknotenschwellung und Lymphangitis wird auch als hantelförmiger Ranke-Komplex bezeichnet. Bei normaler Immunlage kommt es zum Abheilen mit lokaler Narbenbildung im Sinne eines Granuloms mit zentraler Ne-
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ursachen. Je nach Abwehrlage kann dies zur Septikämie führen. Weitere Manifestationsformen sind der Befall der Bronchien und die Kavernenbildung (. Abb. 19.57). Die Bronchustuberkulose breitet sich per continuitatem aus den infizierten hilären Lymphknoten aus und befällt die Bronchialschleimhaut. Diese Form der Tuberkulose wird bei Keimaussscheidung ebenfalls als offene Tuberkulose bezeichnet. Bei ausgedehnten Nekrosen des Lungenparenchyms, die Kontakt zu einem Bronchus haben, nennt man dies Kaverne. Die meist dickwandigen Kavernen können gelegentlich verflüssigtes Gewebematerial enthalten, was in der Röntgenübersicht wie in der CT als Spiegelbildung zu erkennen ist. ! Eine ebenfalls lebensbedrohliche Komplikation ist der Befall der Pulmonalgefäße mit Ausbildung von Pseudoaneurysmata (Rassmusen-Aneurysma), die zum so genannten Blutsturz führen kann.
. Abb. 19.59. Ghon-Herd. Ausschnitt Röntgen-Thorax p. a., unscharf begrenzte Verdichtung mit hoher Dichte (Pfeile)
krose. Im Röntgenbild ist dies als meist rundliche Verkalkung (Tuberkulom) und vergrößerten Lymphknoten (Primärkomplex, . Abb. 19.55) erkennbar. Befindet sich ein solches Tuberkulom in den apikalen Oberlappen, werden sie auch Simon-Spitzenherd genannt. Ein durchgefühter Tuberklintest nach Mendel-Mentoux ist erst nach etwa einem Monat positiv. Bei schlechter Immunlage mit nur insuffizienter Abwehrreaktion kann es zur hämatogenen Streuung kommen, die sich als Miliartuberkulose in allen Organen manifestieren kann (. Abb. 19.58). Postprimäre Tuberkulose
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Eine postprimäre Tuberkulose kann nur nach einer bereits stattgehabten Erstinfektion entstehen. Sie entwickelt sich bei schlechter Immunlage aus einem reaktivierten Primärkomplex, d. h. ist dementsprechend vermehrt in den Oberfeldern zu finden. Die Diagnose ist häufig ein Zufallsbefund, da die Klinik unspezifisch und zu Beginn blande ist. Es treten Symptome wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, persistierender Husten und gelegentlich Nachtschweiß mit subfebrilen Temperaturen auf. Lymphknotenbeteiligungen sind bei immunkompetenten Patienten in weniger, bei HIV-postitiven Patienten in >50% der Fälle zu sehen. Der Primärkomplex kann sich lokal reaktivieren und bis hin zur verkäsenden Pneumonie per continuitatem ausweiten. Kleine, einschmelzende Spitzenherde nennen sich Assmaninfiltrat und werden als Form der offenen Tuberkulose bezeichnet. Des Weiteren können Mykobakterien in regionale Lymphknoten transportiert werden und dort eine Lymphadenitis ver-
Bei hämatogener Streuung kommt es zur Miliartuberkulose, die als ca. 1–2 mm große, generalisierte Herde, die von apikal nach basal an Größe abnehmen, imponiert, oder zur Pleuritis exsudativa tuberculosa. Die Pleuritis tuberculosa ist röntgenologisch nicht von Pleuraergüssen anderer Genese zu unterscheiden. Unter einer Landouzy-Sepsis versteht man eine Absiedelung in andere Organe, insbesondere die Knochen. Das von der Tuberkulose betroffene Lungengewebe heilt narbig aus. In der Röntgenaufnahme sieht man postspezifische Zeichen wie streifenförmige Verdichtungen, die scheinbar vom Hilus nach meist apikal ziehen. Dabei kann der gesamte Hilus im Sinne einer narbigen Raffung nach kranial verzogen sein (Schienenstrang-Zeichen). Außerdem sind gelegentlich Traktionsbronchiektasen, Schrumpfung eines kompletten Lungenlappens mit konsekutiver Überblähung der Restlunge zu sehen. Insbesondere bei älteren Patienten mit stattgehabter Tuberkulose vor der Zeit der Antibiotikatherapie sind häufig eindrucksvolle Befunde in der Thoraxaufnahme zu sehen. In der Zeit vor der Antiobiotikatherapie der Tuberkulose wurden bei Kavernenbildung teils invasive Behandlungmethoden wie die Verplompung/Oleothorax oder Thorakoplastik angewandt. Bei der Verplompung wurde die Kaverne mit Öl ausgegossen. Die Thorakoplastik beinhaltete die chirurgische Resektion der betroffenen Lungenabschnitte mit den angrenzenden Strukturen der Thoraxwand. > Die Röntgendiagnostik ist wichtig für die Diagnosestellung, Überprüfen des Ansprechens auf Therapie und Verlaufskontrolle.
Therapie Die Therapie der Tuberkulose besteht aus einer Tuberkulostatika-Kombinationstherapie. Die Langzeitbehandlung erfolgt über 3 Monate mit Isoniazid, Ethambutol und Rifampicin. Dabei kann Streptomycin Ethambutol oder Rifampicin ersetzen. Bei Resistenzen stehen noch Prothionamid, Ciprofloxacin, Capreomycin und Paraaminiosalycilsäure zur Verfügung. Danach wird die Therapie mit einer Zweierkombination von Isoniazid und Rifampicin über 6–9 Monate fortgeführt. Bei einer Miliartuberkulose oder Befall der Meningen wird mit einer Vierfach-Kombination behandelt.
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Die weitere medikamentöse Behandlung erfolgt unter Gabe von Predison über 9–12 Monate. Gleichzeitig soll der Patient sich schonen. Bei ausgeprägten Verläufen mit Kavernenbildung kann eine chirurgische Resektion notwendig sein. > Atypische Mykobakterien Bei den atypischen Mykobaterien ist ein häufig vorkommender Keim das Mykobakterium avium intrazellulare. Die Infektion erfolgt ebenso wie bei den typischen Mykobakterien per inhalationem. Atypische Mykobakteriosen sind meistens bei immundefizienten Patienten oder bei Menschen mit vorgeschädigter Lunge zu finden. Die Klinik ist auch hier mit Gewichtsverlust, Abgeschlagenheit, subfebrilen Temperaturen meist unspezifisch. In der Röntgendiagnostik zeigen sich bei immunkompetenten Menschen glatt begrenzte Knötchen, selten >1 cm, über die ganze Lunge verteilt mit dem so genannten »tree in bud sign«. Bei Patienten mit Immundefizit kann es auch zu schnell progredienten, flächigen Verschattungen kommen. Insgesamt ist das Erscheinungsbild variabel. Die Abgrenzung der normalen Tuberkulose von der atypischen Tuberkulose ist nicht möglich. Jedoch kann das mangelnde Ansprechen auf die Standardtherapie ein Hinweis sein.
Parasiten Zu den häufigsten Erregern gehören die Echinokokken und Askariden.
Echinokokken Am häufigsten anzutreffen sind Infektionen mit Echinococcus cysticus (Hundebandwurm) und Echinococcus multilocularis (Fuchsbandwurm). Die Finnen des Hundebandwurms siedeln sich bevorzugt zu zwei Drittel in die Leber und zu einem Drittel in die Lunge an. Außerdem können das ZNS, Milz und Nieren befallen werden. Der Fuchsbandwurm ist primär zu fast 100% in der Leber zu finden. Er wächst infitrativ und streut sekundär in andere Organe.
Klinik Die Infektion bleibt meist lange okkult. Erst durch große Hyatiden können Kompressionssymptome ausgelöst oder bei rupturierten Lungenhyatiden Symptome wie Husten provoziert werden.
. Abb. 19.60. Echinokokkusbefall der Lunge, Röntgenthorax p.a. Rundliche Verdichtung im rechten Mittelfeld, 15 mm messend mit zentralen Aufhellungen (Pfeile), ein zweiter Rundherd liegt kranial (Pfeilspitze)
Der Fuchsbandwurm stelt sich als unregelmäßig begrenzte Raumforderung mit echofreier Binnenstruktur und teilweisen Verkalkungen dar. Thorax: 4 Solitärer, glattberandeter Rundherd mit variabler Größe (. Abb. 19.60) 4 Selten so genanntes Meniskuszeichen in Form einer Luftsichel zwischen Lunge und Echinokokkusmembran sichtbar. 4 Nach Ruptur der Hydatide kann die Membran auf dem Spiegel schwimmend erkennbar sein.
Therapie Die Therapie des E. granulosus erfolgt wenn möglich chirurgisch. Bei Kontraindikationen für einen operativen Eingriff ist die Instillation von hochprozentigem Alkohol in Kombination mit Albendazol möglich. Bei einem Befall mit E. multilocularis wird hochdosiert und über einen langen Zeitraum mit Mebendazol oder Albendazol therapiert.
Diagnose, Bildgebung Serologisch zeigt sich eine Eosinophilie. Außerdem können spezifische Antikörper mittels KBR, Elisa oder indirekter Hämagglutination nachgewiesen werden. Kreuzreaktionen zwischen den verschiedenen Arten sind möglich. Da die Nachweise nicht in allen Fällen positiv sind, sollten verschiedene Methoden kombiniert werden. Sonographisch ist bei Hundebandwurmbefall eine glattbegrenzte Struktur teils mit Verkalkungen und liquidem Inhalt erkennbar. Eingelagert ist die in einigen Fällen die Echinokokkenmembran sichtbar. Eventuell liegen noch weitere kleinere Absiedlungen vor.
Askariden Die Askariden sind auf der ganzen Welt vorkommende Spulwürmer. Sie werden durch Ingestion von Eiern aus mit menschlichen Fäces kontaminierten Nahrungsmitteln oder Erde übertragen. Eine inhalative Infektion ist ebenfalls möglich. Die im Dünndarm lebenden Parasiten gelangen über die Darmwand und die Mesenterialvenen in die Leber. Von hier aus breiten sie sich über das Herz in die Lunge aus, wo sie in die Alveolen eindringen und dort zu einem eosinophilen Infiltrat (Löffler-Infiltrat) führen. In den Alveolen entwickeln sich die Ascariden weiter und wandern durch das Lungenparenchym bis in die Trachea. Dort werden sie
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abgehustet, verschluckt und setzen sich nun im Jejunum fest, wo sie zum geschlechtsfähigen Wurm reifen, der in seiner Reproduktionsphase täglich Eier produziert.
Klinik Bei Befall mit einzelnen Askariden finden sich häufig keine Symptome. Ausscheiden des Wurms ist dann häufig das erste Zeichen einer Infektion. Bei Besiedlung mit vielen Würmern kommt es durch die Stoffwechselprodukte der Würmer zu allergischen Reaktionen oder lokalen Symptomen wie Ileus, Verlegung der Gallenwege, Abszesse oder Pankreatitis.
Diagnose Serologisch tritt eine intermittierende Eosinophilie auf. Mit geringer Spezifität ist der immunhistologische Nachweis mittels ELISA möglich. Typisch sind eine Bluteosinophilie und eine blande, uncharakeristische Klinik. In der Bildgebung fallen zeitlich versetzt auftretende, flächige Verschattungen auf, die über die Lunge wandern.
Therapie Therapeutisch erfolgt die Gabe von Mebendazol über 3 Tage oder von Pyrantel in einer Einzeldosis. Danach werden die abgetöteten Würmer Via naturalis ausgeschieden.
Mendelson-Syndrom Definition, Pathogenese Bei dem Mendelson-Syndrom handelt es sich um die Aspiration von Magensaft. Dies kann verursacht bzw. begünstigt werden durch z.B. Bewusstlosigkeit, Zwerchfellhochstand, Schluckstörungen bei Sklerodermie, Schwangerschaft, Divertikel, etc. Der aspirierte Magensaft führt aufgrund seines pH-Werts zu einer chemischen Reizung des respiratorischen Epithels und teilweisen Verlegung der kleinen Luftwege. Dadurch kommt es zum Lungenödem und Superinfektion des abwehrgeschwächten Lungengewebes. Redzidivierende Aspirationen können zu granulomatösen und fibrotischen Umbauten des betroffenen Lungenparenchyms führen.
Klinik
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Gelegentlich bleibt die direkte Aspiration unbemerkt. Nach etwa 6 h kommt es dann zum Bronchospasmus mit Hypersekretion, Dyspnoe und Zyanose sowie subfebrilen Temperaturen. Auskulatorisch sind rechtsbetont grobblasige Rasselgeräusche zu hören.
Pneumonitis Bei der Pneumonitis handelt es sich um eine interstitielle Entzündung des Lungengewebes, die nicht durch infektiöse Erreger, sondern durch chemische oder physikalische Reize hervorgerufen wird, z. B. eine Bestrahlung. Davon abzugrenzen ist die exogen allergische Alveolitis.
19.6.2
Bronchiektasen und typische Erkrankungen, die mit Bronchiektasen einhergehen
Bronchiektasen Definition, Pathogenese Als Bronchiektasen werden Erweiterungen der mittleren und kleinen Bronchien bezeichnet. Sie werden in der Regel von entzündlichen Veränderungen der Bronchialwand und des umgebenden Gewebes begleitet. Meistens treten die Bronchiektasen regional oder diffus auf und müssen von vorübergehenden Dilatationen der Bronchien im Rahmen von pulmonalen Infektionen abgegrenzt werden. Im Unterschied zu Bronchiektasen sind die entzündlichen Dilatationen der Bronchien komplett reversibel. Die Pathogenese der Bronchiektasen ist komplex; eine Vielzahl an Ursachen wird diskutiert. Pathophysiologisch liegt eine Schwäche der Bronchialwände zugrunde sowie ein erhöhter intramuraler Druck. Ätiologisch kommen chronische rekurrierende oder auch entzündliche Erkrankungen infrage. Frühkindlich erworbene Bronchiektasen werden u. a. durch pulmonale Infektionen viraler Genese mit begleitender Bronchiolitis hervorgerufen. Im Erwachsenenalter liegen ätiologisch bakterielle oder mykotische Infekte (Tuberkulose, nichttuberkulöse Mykobakterien, Aspergillus) zugrunde. Weitere Entstehungsfaktoren sind z. B. die Mukoviszidose, das »immotile cilia syndrome« oder schwere Immundefekte; außerdem eine zurückliegende Aspiration von säurehaltigem Mageninhalt, die allergische bronchopulmonale Aspergillose, Inhalation toxischer Gase, induzierte Bronchiektasen wie auch interstitielle Lungenfibrosen mit sekundären so genannten Traktionsbronchiektasen. Weiterhin finden sich Obstruktionsbronchiektasen bei stenosierenden endobronchialen Tumoren und Fremdkörpern.
Pathomorphologie Bronchiektasen werden nach dem morphologischen Erscheinungsbild differenziert in zylindrische, variköse und sakkuläre/ zystische Formen (. Abb. 19.61).
Diagnose Zu Beginn ist der Röntgenthorax evtl. unauffällig. Später bilden sich Atelektasen sowie ein Infiltrat betont im rechten Unterlappen aus. In der Blutgasanalyse zeigen sich ein reduzierter pO2 mit erhöhtem pCO2 und eine Azidose im fortgeschrittenen Stadium.
Therapie Falls möglich sollte das Aspirat in Kopftieflage abgesaugt werden. Die medikamentöse Behandlung erfolgt mit Bronchiolytika, Glukokortikoiden, Sauerstoff und einem Breitbandantibiotikum, das auch gram-negative und anaerobe Bakterien abdecken sollte.
Differenzierung der Bronchiektasen 4 Zylindrische Bronchiektasen: – Am häufigsten unter den erworbenen Formen – In der Regel in der 6.–10. Teilgeneration – Häufig doppelseitig und dorsobasal – Keine Verjüngung zur Periphere – Ende abrupt 4 Variköse Bronchiektasen: 6
543 19.6 · Entzündliche Erkrankungen
. Abb. 19.61. Schematische Darstellung der verschiedenen Formen von Bronchiektasen
– – – –
Perlschnurartige Form Abwechselnden Aufweitungen Lokal narbigen Engstellen Stärkere Ektasie und peribronchiale Veränderungen als die zylindrische Form 4 Sakkuläre/zystische Bronchiektasen: – Ausgeprägteste Form – Ballonförmige Auftreibung – Können in allen Lungenabschnitten vorkommen – Oft mit Bronchusstenosen vergesellschaftet – Die Anzahl der Bronchialaufzweigungen ist deutlich reduziert – Meist beschränkt auf die 4. und 5. Generation
Die Differenzierung von angeborenen oder erworbenen Bronchiektasen erscheint heute nicht mehr sinnvoll, da von der Morphologie her die unterschiedlichen Ätiologien nicht differenziert werden können. Im Falle schwerer Formen der Bronchiektasie kann eine bronchioektatische Wabenlunge resultieren. Im Unter-
schied zu den verschiedenen morphologischen Formen der Bronchiektasen werden histopathologisch lymphofollikuläre, hypertrophische und atrophische Bronchiektasen differenziert, je nach dem histologischen Erscheinungsbild.
Klinik Die Symptomatik ist unspezifisch: 4 Bei ausgeprägten Bronchiektasen maulvolle, dreischichtige Expektorationen (Spätsymptomen) 4 Häufig rezidivierende bronchopulmonale Infektion mit und ohne Auswurf 4 Rezidivierende Hämoptysen 4 Oft Mischinfektionen mit Aspergillen 4 Herde für Septikämien und hämatogene Abszesse 4 Im fortgeschrittenen Stadium Belastungs- und Ruhedyspnoe mit Ausbildung eines Cor pulmonale.
Diagnose Laborchemische Untersuchungen und Lungenfunktionstests ergeben keine diagnosesicheren Befunde; einen hohen Stellenwert hat die bildgebende Diagnostik auch zur Verlaufsbeurteilung.
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Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
Bildgebung. Als Basisuntersuchung als auch zur Verlaufsunter-
suchung wird unverändert die Röntgen-Thoraxübersichtsaufnahme in 2 Ebenen eingesetzt. Während die konventionelle Tomographie heutzutage keine Rolle mehr spielt, wurde die Bronchographie noch vor kurzem als Goldstandard zur Abklärung angesehen. Die Invasivität des Verfahrens mit notwendiger Einbringung eines Katheters in das Bronchialsystems und Sedierung der Patienten sowie der fehlende Nachweis pathologischer Veränderungen, die distal obstruierender Veränderungen gelegen sind, limitieren das Verfahren. Die MRT ist als Primärdiagnostik nicht geeignet, da eine Darstellung der normalen und pathologischen Bronchialmorphologie derzeit nicht ausreichend gelingt. Das bildgebende Verfahren der Wahl, unter Einsatz verschiedener Untersuchungstechniken, stellt heute die CT dar. Die Sensitivität der Thoraxübersichtsaufnahme wird im Allgemeinen als zu gering angesehen, charakteristisch ausgeprägte Befunde lassen sich jedoch auch hier diagnostizieren, dazu gehören: 4 Verdickte Bronchialwände als dünne, einzelne oder parallel verlaufende Verschattungslinien abzugrenzen → Bahngleiszeichen, Tram-Track-Sign 4 Ringförmig luftgefüllte Verschattungsformationen mit einem Durchmesser von 5–20 mm bei orthograder Abbildung, schleimgefüllt als Rundherde imponierend, mit Spiegelbildungen bei inkompletter Füllung. 4 Bandförmige Verschattungen mit einer Breite von 5–10 mm und mehreren Zentimeter Länge, die sich in der Peripherie y-förmig teilen. Unspezifische Begleitzeichen müssen bei der Evaluation der konventionellen Röntgendiagnostik beachtet werden. Dies betrifft eine vaskuläre Zeichnungsbetonung, eine peribronchiale Fibrose mit oft einer dystelektatischen Komponente, die zu einer Verziehung der Interlobärspalten führt oder durch eine Gefäßbildung auffällt. Diese Begleitzeichen finden sich auch bei anderen Lungenparenchymerkrankungen. Bei der generalisierten Form von Bronchiektasen, wie bei einer Mukoviszidose und der ziliaren Dyskinesie, ist das Lungenparenchym deutlich überbläht. Kriterien einer Exazerbation stellen zusätzlich flächige und fleckige Verdichtungen sowie Zeichen der Sekretretention dar. Röntgenologische Kriterien einer pulmonalen Hypertonie oder eines Cor pulmonale finden sich bei lang anhaltendem chronischem Verlauf.
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> Sonderform der Bronchiektasen: Mukozele Bei einer Mukozele handelt es sich um eine schleimgefüllte Bronchiektase (. Abb. 19.62). Diese imponiert als Rundherd, wenn sie orthograd getroffen wird. Bei inkompletter Füllung kann ein Spiegel sichtbar sein. Wird die Mukozele im normalen Röntgen tangential getroffen, sieht sie aus wie ein vom Hilus wegziehendes Band, das sich in der Peripherie verzweigt. CT-Diagnostik der Bronchiektasen: Unter Beachtung der diagnostischen Kriterien ist die Sensitivität und Spezifität der CT von Bronchiektasen stark von der Auswahl des Untersuchungsprotokolls abhängig. Bei dicken Schichten in der CT (8–10 mm) liegt die Sensitivität zwischen 60–80%, die Spezifität von 90–100%. Als
. Abb. 19.62. Mukozelen im Röntgenthorax a.p. Schleimgefüllte Bronchiektasen (Mukozelen, Pfeile), links basal stärker ausgeprägt im Vergleich zur rechten Seite
Methode der Wahl gilt hier die Durchführung der HR-CT mit 1– 2 mm dicken Schichten und Verwendung eines hochauflösenden, kantenanhebenden Algorithmus. Damit lässt sich die Sensitivität auf >95% mit einer Spezifität von 93–100% steigern. Als Protokoll für die HR-CT gilt derzeit die Rekonstruktion von 1,5 mm dicken Schichten in hochauflösender Algorithmen, die mit einem Schichtabstand von 10 mm von der Lungenspitze bis zur Basis, bei einer Matrix von 521×512 Pixel und einer Scanzeit von maximal 1 s. Wertigkeit der MSCT: Die computertomographische Diagnostik erlaubt die exakte Dokumentation des Verlaufs und des Lumens der Bronchien, beginnend tracheal in Höhe des tracheobronchialen Winkels bis weit in die Peripherie. Ein Normalwert für die Weite eines Bronchus existiert nicht direkt, sodass ein Vergleich zur normalerweise gleich großen kontralateralen Seite sowie die Relation zur begleitenden Pulmonalarterie für die Diagnose entscheidend sind. Bei Gesunden konnte gezeigt werden, dass sich geringe Dilatationen der Bronchien bei 26% eines Normkollektivs finden; dies mit einer erheblichen interindividuellen Variabilität. Die quantitative Bewertung der Bronchiektasen wird problematisch bei Patienten mit einer Zunahme der Perfusion, wie bei der pulmonalarteriellen Hypertonie oder Volumenbelastung bei Shuntvitien. Im Gegenzug kann eine Oligämie zu einer Unterinterpretation führen. Als zweites wichtiges Diagnosekriterium wird daher die fehlende Verjüngung der Bronchien angegeben. Als drittes Kriterium gilt der Nachweis von Bronchien in den peripheren Dritteln der Lunge. Diagnostische Kriterien von Bronchiektasen in der CT sind: 4 Dilatation des Bronchus in Relation zur begleitenden Pulmonalarterie 4 Fehlende Verjüngung der Bronchien 4 Nachweis von Bronchien im peripheren Drittel der Lunge
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b
a . Abb. 19.63a–c. Zystische Fibrose. a Röntgenthorax p.a. Interstitiell narbige Zeichnungsvermehrung mit wabigem Strukturmuster, Überdeckung normaler Gefäße und Bronchialstrukturen. b axiale und c frontale Rekonstruktion im CT: Verifikation der Kombination aus interstitiellen Narben und dem Wabenmuster sowie Bronchiektasen
Differenzialdiagnostisch problematisch ist die Beurteilung der
Bronchien in der Lingula. Hier kann die Pulsation von Herz und den größeren Gefäßen zur doppelten Abbildung führen und so Bronchiektasen vortäuschen. Die CT dient in einem zweiten Arbeitsschritt der morphologischen Beschreibung der Bronchiektasen. Im Rahmen der zylindrischen Bronchiektasen ist die Erweiterung des Bronchiallumens leicht erkennbar. Das wichtigste Kriterium ist die abrupte Beendigung der bronchiektatischen Aufweitung, sowie Begleitveränderungen wie verdickte Bronchialwände. Letztere Symptomatik findet sich häufig auch ohne Bronchiektasen bei Vorliegen einer Bronchiolitis. Bei varikösen Bronchiektasen können diese computertomographisch bei exakter Rekonstruktion, insbesondere in frontaler Schichtführung, exakt dokumentiert werden. Bei Vorliegen von ausgeprägt bronchiektatischer Veränderungen in der CT müssen zystische oder sakkuläre Bronchiektasen diagnostiziert werden. Einzelne Bronchien imponieren dabei als zystische Raumforderung. Eine Sekretretention, im Sinne einer gefüllten Bronchiektase, kann auch als Bronchiozele dokumentiert werden. Die CT hat neben der Detektion von Bronchiektasen die Ursache von sekundären Bronchiektasen darzustellen. Daher umfasst die Diagnostik die Suche nach endobronchialen Tumoren, wie Karzinoide, das Bronchialkarzinom, inkarzerierte Fremdkörper oder narbige Lungenparenchymveränderungen. Differenzialdiagnostisch müssen zystische Bronchiektasen mit Sekretspiegeln von einschmelzenden Prozessen abgegrenzt werden. Als wichtigstes Kriterium dient dabei die Dicke der Bronchuswand.
c
Im Rahmen einer Bronchitis überschreitet die Dicke der Bronchialwand selten einen Wert von 1 mm und ist in der Regel homogen. Dies unterscheidet sich signifikant von den bronchiektatisch assoziierten entzündlichen Komplikationen. > Der radiologische Nachweis von Bronchiektasen muss nicht mit dem klinischen Bild einer Bronchiektasenkrankheit einhergehen. Die konventionelle Thoraxübersichtsaufnahme kann nur ausgeprägte Formen nachweisen und eignet sich zur Verlaufskontrolle. Die CT stellt das diagnostische Verfahren der Wahl dar und erlaubt die Differenzierung zylindrischer, variköser und zystischer Bronchiektasen sowie eine ätiologische Einengung und die Erfassung von Komplikationen.
Therapie Bei ausgeprägten Bronchiektasen kann eine ähnliche Therapie wie bei der Zystischen Fibrose notwendig sein. Dazu zählt die
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Inhalation von schleimlösenden Medikamenten mit anschließender Bronchialtoilette und Atemgymnastik. Ebenfalls ist eine frühzeitige Antibiotikatherapie bei respiratorischen Infekten wichtig. Bei Hämoptysen ist die Embolisierung möglich. In sehr ausgeprägten, streng auf ein Segment lokalisierten Bronchiektasen kann eine operative Resektion in Betracht gezogen werden.
Zystische Fibrose Definition/Pathogenese Ätiologisch handelt es sich um eine autosomal-rezessive Erkrankung auf dem langen Arm des Chromosoms 7 mit einer Inzidenz von 25:1000 Einwohner in Deutschland. Es kommt zu ausprägten Bronchiektasen der gesamten Lunge, progressivem Parenchymverlust und resultierender respiratorischer Insuffizienz. Ursächlich liegt ein Defekt im CFTR (cystic fibrosis transmembrane conductance regulator gen)-Gen vor, das einen Chloridkanal kodiert und zu Sekretveränderungen unterschiedlichster exokriner Drüsen führt. Normalerweise wird Natrium aktiv entlang eines Gradienten über einen selektiven Ionenkanal absorbiert. Intrazelluläres Natrium wird über eine ATP-abhängige Na+/K+-ATPase nach extrazelluär transportiert. Begleitend erfolgt der Transport von Chloridionen. Des Weiteren kann es über cAMP abhängige ClKanäle (CFTR) ausgeschieden werden. Wegen des defekten oder strukturell veränderten CFTR-Proteins ist der Chloridtransport nicht mehr gewährleistet. Es kommt zu einer intrazelluären Anreicherung von Chloridionen. Konsekutiv wird auch Natrium und Wasser in die Zelle transportiert, um das elektrochemische Gleichgewicht aufrecht zu erhalten. Dadurch entsteht ein stark verdicktes, hoch visköses Sekret, welches die Drüsenausgänge verstopft. Diese degenerieren zystisch und werden fibrotisch umgebaut. In der Lunge ist durch das zähe Sekret die mukoziliare Clearance gestört, was die chronische Keimbesiedlung und rezidivierende Infekte begünstigt. Die angelockten Entzündungszellen setzen Proteinasen, insbesondere die neutrophile Elastase frei. Das führt zu einem Ungleichgewicht zwischen Proteinasen und Antiproteinasen, und begünstigt die Entstehung eines Emphysems. Hinzu kommt, dass bei Patienten, die an zystischer Fibrose leiden, ein begleitender Mangel an dem anitoxidativ wirkenden Gluthation besteht. Meist besteht bei den an CF leidenden Patienten auch eine exokrine Pankreasinsuffizienz.
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Klinik Die Symptomatik ist charakterisiert durch Sekretretentionen im Drüsengewebe verschiedener Organe oder eine vermehrte Schweißneigung. Hinzu kommen: 4 Polypen im Nasen-Rachenbereich 4 Rezidivierende Sinusitiden 4 Zähes, eitriges Sputum bei rezdivierenden Bronchitiden 4 Bei Pseudomonadenbesiedelung Grünfärbung des Sputums 4 Im Abdomen Sekretverlust im Dünn- und Dickdarm und konsekutive Durchfälle 4 Bei Neugeborenen ein Ileus aufgrund des zähen Mekoniums
Des Weiteren kommt es zu Entwicklungsstörungen, Steatorrhoe und Obstipation sowie zu Dyskrinie mit Schleimretentionen, vermehrtem Keimbefall, häufig chronischer Besiedelung mit P. aeruginosa, meist rasch progredienter Bildung von Bronchiektasen, Fassthorax. Hinzu kommt einer progrediente Belastungsdyspnoe und Atemnot bis hin zur Orthopnoe. Im Endstadium ist die Atmung fast nur mithilfe der Atemhilfsmuskulatur möglich. Bei Männern liegt häufig eine Zeugungsunfähigkeit durch Verlegung des Ductus deferens vor, bei Frauen eine eingeschränkte Fruchtbarkeit durch zähen Zervikalschleim.
Diagnose > Schweißtest nach Gibson und Cooke Dazu wird an der Innenseite des Unterarms die Schweißsekretion stimuliert; es werden Pads getränkt mit Pilocarpin aufgelegt. Durch Gleichstrom wandert das Pilocarpin zu den Schweißdrüsen und verursacht eine vermehrte Schweißsekretion. Der Schweiß wird mithilfe von Kapillaren aufgesammelt und flammenphotometrisch oder durch Titrierung analysiert. Bei zystischer Fibrose zeigt sich eine Erhöhung der Chlorid- und Natriumionenkonzentration. Zur Verifizierung ist eine zweimalige Kontrolluntersuchung notwendig. Ergänzend kann eine Gentypisierung durchgeführt werden.
In den Lungenfunktionstests zeigt sich eine obstruktive Ventilationsstörung mit erhöhtem Atemwegswiderstand und einer reduzierten FEV1. Bei Tachypnoe kommt es in der Blutgasanaylse zu einer zunehmenden Hypoxämie. Im fortgeschrittem Stadium resultiert daraus ein Cor pulmonale mit respiratorischer Partialinsuffizienz.
Bildgebung Befunde im Röntgenthorax: 4 Interstitielle narbige Zeichungsvermehrung bis hin zu wabenartigen Mustern durch chronische Entzündung; dadurch werden normale Gefäß- und Bronchialstrukturen überdeckt (. Abb. 19.63). 4 Begleitend narbige Residuen und Atelektasen 4 Progrediente Fassthoraxdeformierung Die CT zeigt: 4 Verdickte Bronchialwände 4 So genanntes »tree-in-bud Zeichen« mit kleinknotigen Stukturen und zuführendem Gefäß
Verlauf der Zystischen Fibrose Verbreitet ist der Chrispin-Norman-Score zur radiologischen Verlaufsbeurteilung der CF; dazu wird die Lunge in 4 Quadranten unterteilt, die getrennt von einander nach verschiedenen Kriterien begutachtet werden (. Tab. 19.16). Die subjektiv vergebenen Punkte werden addiert und als Gesamtwert angeben.
Therapie Für die zystische Fibrose gibt es keine kausale Therapie. Somit steht im Vordergrund die Erhaltung der Organfunktionen.
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. Tab. 19.16. Radiologischer Score nach Chrispin und Norman (aus: Chrispin AR, Norman AP. Pediatr. Radiol. 1974;2:101-107)
Radiologische Veränderungen
Nicht vorhanden
Vorhanden
Ausgeprägt vorhanden
Sternalvorwölbung
0
1
2
Kyphosierung der BWS
0
1
2
Abflachung des Zwerchfells
0
1
2
Streifige, bronchiale Zeichnungsvermehrung
Re OL 0
li OL 0
Re OL 1
Li OL 1
Re OL 2
Li OL 2
Re OL 0
li UL 0
Re UL 1
Li UL 1
Re UL 2
Li UL 2
Re OL 0
Li OL 0
Re OL 1
Li OL 1
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Li OL 2
Re UL 0
Li UL 0
Re UL 1
Li UL 1
Re UL 2
Li UL 2
Re OL 0
Li OL 0
Re OL 1
Li OL 1
Re OL 2
Li OL 2
Re UL 0
Re OL 0
Re UL
Li UL 1
Re UL 2
Li UL 2
Re OL 0
Li OL 0
Re OL 1
Li OL 1
Re OL 2
Li OL 2
Re UL 0
Li UL 0
Re UL 1
Re UL 1
Re UL 2
Li UL 2
Fleckschatten
Ringstrukturen
Größflächige Verschattungen
OL: Oberf eld, UL: Unterfeld, re: rechts, li: links
Wichtig ist die ausreichende Zufuhr von Energie, da die Patienten durch die vermehrte Atemtätigkeit einen stark erhöhten Grundumsatz haben. Bei der Ernährung müssen die Probleme durch die exokrine Pankreasinsuffzienz mit Malassimilation müssen beachtet werden. Es kann die Substitution von Pankreasenzymen sowie von den fettlöslichen Vitaminen notwendig sein. Mit Ursodesoxycholsäure soll die Leberfunktion unterstützt werden. Bei der Behandlung der Lungenbeteiligung ist es wichtig, das entstehende, hochvisköse Sekret durch die Inhalalation von Kochsalz und N-Acetylcystein zu verflüssigen und das Abhusten mittels Bronchialtoilette wie Lagerungsmaßnahmen, Klopf- und Vibrationsmassagen zu erleichtern. Begleitend werden β-Sympatomimetika zur Bronchodilatation eingesetzt. Bei Infekten ist die hochdosierte, frühzeitige antibiotische Therapie teils nach Antibiogramm wichtig. Die Besiedlung mit resistenten Problemkeimen ist häufig. Im fortgeschrittenen Stadium ist eine Sauerstoffgabe zur Reduzierung des pulmonalen Hochdrucks und Entlastung des Herzens indiziert. Im Spätstadium ist die Lungentransplantation die letzte Alternative und sollte vor schwerwiegender Schädigung des Herzens in Betracht gezogen werden. > Chronische Pulmonale Hypertonie Hierbei handelt es sich um eine persistierende Erhöhung des Drucks in den pulmonal-arteriellen Gefäßen >20 mmHg im Durchschnitt und in Ruhe. Der Druck wird bestimmt vom Widerstand in den pulmonalen Gefäßen, dem Druck im linken Vorhof und dem Herzzeitvolumen. Die Ursachen für eine pulmonale Hypertonie sind vielfältig. Sie kann als primäre pulmonale Hypertonie idiopathisch, unklarer Ätiologie auftreten. Medika6
mente wie Amphetamine lösen ebenso wie Kollagenosen, Deformität des Thoraxskeletts oder Zustand nach Pneumektomie eine pulmonale Hypertonie aus. Bei strukturellen Lungengerüsterkrankungen, rezidivierenden Lungenembolien und Schlafapnoe kommt es durch Hypoxie über den Euler-Liljestrand Reflex zum Druckanstieg im pulmonalen Schenkel. Die Klinik ist zu Beginn unspezifisch. Es zeigt sich ein Leistungsabfall bei Sinustachykardie und diskreter Belastungsdyspnoe. Erst im fortgeschrittenen Stadium kommt es bei zunehmender Rechtsherzdekompensation zu den klassischen Zeichen mit gestauten Halsvenen, Aszites und Ödemen. Entsprechend der Druckmessung wird eine latente und manifeste Form der pulmonalen Hypertonie bzw. des Cor pulmonale unterschieden. Bei der latenten pulmonalen Hypertonie zeigt sich der pulmonale Mitteldruck in Ruhe mit <20 mmHg nicht erhöht, erst unter Belastung steigt er auf <30 mmHg an. Bei der manifesten pulmonalen Hypertonie ist der pulmonale Mitteldruck auch in Ruhe auf >20 mmHg erhöht. Von einer manifesten Rechtsherzinsuffizienz geht man aus, wenn der mittlere rechtsatriale Druck in Ruhe auf >9 mmHg erhöht ist. Therapeutisch sind kausale Ansätze bei behandelbaren, obstruktiven Lungenerkrankungen bzw. rezidivierenden Lungenembolien mit Antikoagulation möglich. Symptomatisch kann eine Sauerstofftherapie bei chronischer Hypoxie zur Senkung des pulmonal-arteriellen Drucks indiziert sein. Medikamentös eignet sich die inhalative Verabreichung von Prostazyklinderivaten zur Drucksenkung.
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Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
Ziliares Dyskinesie-Syndrom Eine der spezifischen ätiologischen Faktoren zur Entwicklung von Bronchiektasen stellt das ziliare Dyskinesie-Syndrom (CDS) dar. Auf der Basis eines autosomal-rezessiven Erbgangs wird u. a. ein Defekt des Chromosom 5p15-p14 weitergegeben, der die mukoziliare Clearance beeinträchtigt. Es kommt zu rezidivierenden Infektionen der unteren und oberen Atemwege. Die Veränderungen sind im Vergleich zur Mukoviszidose nicht so stark ausgeprägt. > Das so genannte Kartagener-Syndrom stellt einen Untertyp bzw. eine veraltete Bezeichnung des CDS dar. Es tritt auf in Kombination mit einem Situs inversus, Sinubronchitis mit Polypenbildung und Bronchiektasen (. Abb. 19.64). Dem Syndrom zugrunde liegt ein autosomal-rezsessiver Erbdefekt mit einer gleichen Geschlechtsverteilung und Prävalenz von 1:2000. Klinisch imponieren Symptome wie Bronchitis, Rhinitis, Sinusitis selten auch Otitis. Die Bronchiektasen treten im jugendlichen Alter auf. Bevorzugt finden sich diese im Mittellappen und der Lingula.
Diagnose Die Diagnosestellung ist zeitaufwendig und von der Kooperation der Patienten abhängig. Da meist kleinere Kinder untersucht werden, sind die Methoden entsprechen anzupassen. Mittels Biopsie der Nasen- oder Bronchialschleimhaut kann der Schlag der Zilien beurteilt werden. Mit Farbstoffen lässt sich die Geschwindigkeit des Transports bestimmen, welche beim CSD deutlich erhöht ist.
. Abb. 19.64. Ziliares Dyskinesie-Syndrom (Kartagener-Syndrom) mit Situs inversus und parakardialen Bronchiektasen (Pfeile). Röntgenthorax p.a.
Therapie Die Therapie beruht ähnlich wie bei der zystischen Fibrose auf meheren Pfeilern. Es werden schleimlösende Medikamente inhalativ und Sympatomimetika zu Broncholyse verabreicht. Außerdem ist eine frühzeitige und aggressive Antibiotikatherapie bei Infekten wichtig.
19.6.3
Akute Bronchiolitis
Definition, Ätiologie
19
Die Broncholitis ist eine unspezifische, von Husten, Auswurf, Dyspnoe begleitete durch verschiedene Noxen ausgelöste Erkrankung des Lungenparenchyms, die zur pulmonalen Globalinsuffizienz führen kann. Diese kann akut, chronisch oder als eine der vielen Sonderformen auftreten. Die akute Bronchiolitis tritt bevorzugt bei Kindern ausgelöst durch Virusinfektionen (Parainfluenzae/RS-Viren) auf.
. Abb. 19.65. Akute Bronchiolitis bei Heroin-Inhalation, CT Lungenfenster. Diffuse Mikronoduli, konfluierend, der Subpleuralraum ist ausgespart
Komplikation kann selten eine Pneumonie bzw. bakterielle Superinfektion auftreten. Auskulatorisch ist ein feinblasiges Rasselgeräusch zu hören. Eine obstruktive Komponente fehlt.
Diagnose Klinik Die Erkrankung verläuft meist akut mit trockenem Husten, Tachypnoe mit Nasenflügeln und komplikationsträchtigen Trinkproblemen bei Kleinkindern auf. In den Wintermonaten stellt die akute Bronchiolitis einen der häufigsten Gründe für eine Krankenhauseinweisung bei Säuglingen dar. Im Röntgenbild sieht man Zeichen der Überblähung und ein Mosaikmuster. Als
RS-Viren können über einen Schnelltest im Nasensekret nachgewiesen. Serologisch gibt es keine eindeutigen Kriterien. CT/Röntgenthorax (. Abb. 19.65): 4 Verstärkte Hiluszeichnung 4 Erhöhte Transparenz mit reduzierter Gefäßzeichnung der Lungenperipherie 4 Sternchenartige Verdichtungen peribronchial
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4 »Tree in bud sign« 4 Mosaikperfusion 4 Milchglaszeichnung
Therapie Die Therapie ist abhängig vom Schweregrad der Erkrankung. Bei Ateminsuffizienz, reduziertem pO2, Zeichen der Dehydration, Apnoe und Begleiterkrankungen besteht die Indikation für eine stationäre Behandlung. Wichtig ist die ausreichende Versorgung mit Flüssigkeit und Sauerstoff. Ein Monitoring mittels Pulsoxymetrie soltte durchgeführt werden. Eine suffiziente medikamentöse Behandlungsmethode liegt nicht vor.
19.6.4
Chronische Bronchiolitis und verwandte Krankheiten
Chronische Bronchiolitis Ätiologie, Pathogenese, Klinik Chronische Bronchiolitiden haben unterschiedliche Auslöser und sind variabel in ihrer symptomatischen Ausprägung. Sie treten meist sekundär auf. Bei den obstruktiven Varianten kommt es durch fibrotische Narbenbildung zur fortschreitenden Dyspnoe und trockenem Husten. Teilweise sind basale Rasselgeräusche im Sinne von Knisterrasseln auskultierbar. Die restriktiven Formen bedingen durch Verengung der Bronchiolen, dass die Alveolen nicht mehr am Gasaustausch beteiligt werden. Dadurch entstehen Atelektasen und teils bindegewebiger Umbau. Klinisch imponiert ein nicht produktiver Husten.
durchblutung vor. Aufgrund der 20-mal besseren Löslichkeit von CO2 im Blut gegenüber Sauerstoff kommt es zunächst nur zu einer Hypoxämie ohne Anstieg des PCO2. Diffusionsstörungen können somit verschiedene Ursachen haben: 4 Verlängerte Diffusionsstrecke, z. B. Entzündungen, Lungenödem, Fibrose 4 Verminderte Diffusionsfläche bei Emphysem, Zustand nach Pneumektomie, Pneumonie, Fibrose, Tuberkulose, rezidivierende Lungenembolien Symptomatisch werden die Patienten meist bei gesteigertem Herzzeitvolumen, d. h. unter Belastung wenn viel Blut und kurzer Zeit die Lunge durchfließt und die Kontaktzeit nicht für einen suffizienten Gasaustausch reicht.
IPF (idopathische pulmonale Fibrose)/UIP (usual interstitial pneumonia) Definition, Epidemiologie, Pathogenese Die IPF Ist eine Form der idiopathischen Lungenfibrose. Sie wird gelegentlich auch als kryptogene fibrosierende Alveolitis bezeichnet. Meistens sind Männer im mittleren bis höheren Alter betroffen. Man geht davon aus, dass die Erkrankung durch die Inhalation einer bisher unbekannten Noxe ausgelöst wird. Als weitere Kofaktoren werden Defekte in einem für die Surfactantproduktion notwendigen Gen diskutiert. Durch Bildung eines intraalveolären Exsudats entwickeln sich Ulzerationen der Alveolen mit Schädigung der Pneumozyten. Reparationsmechanismen führen zur Fibrogenese. Die Prognose ist bei einer mittleren Überlebenszeit von ca. 5 Jahren schlecht.
Bildgebung Im Röntgenbild lassen sich nur die Zeichen für Entzündungen der kleinen Luftwege sichtbar machen. Bei unauffälligem Röntgenbild und entsprechender Anamnese und klinischen Zeichen sollte eine weitere Klärung mittels HR-CT erfolgen. Die charakteristischsten Befunde sind u. a. ein Airtrapping bei Lumeneinengung der Bronchiolen, eine Wandverdickung der Bronchiolen sowie Dyseleketasen. Die Einteilung der idiopathischen interstitiellen Pneumonien erfolgt nach der American Thoracic Society/European Respiratory Society International Multidisciplinary Consensus Classification of the Idiopathic Interstitial Pneumonias aus dem Jahr 2002. > Diffusionskapazität Die in der Luft gelösten Gase gelangen mittels Diffusion in das Blut. Dies ist abhängig entsprechend dem Fick-Gesetz von der Gasaustauschfläche, der Wanddicke und dem Partialdruck.
Bei einer Diffusionsstörung liegt ein erniedrigter Quotient aus der Diffusionskapazität und der Lungen6
Klinik Typische Symptome sind: 4 Progrediente Dyspnoe bei zunehmender Diffusionsstörung 4 Trommelschlägelfinger, Uhrglasnägel 4 Basal betontes Knisterrasseln 4 Lippenzyanose und Cor pulmonale bei chronischer Hypoxämie 4 Gelegentlich Fieber > Diffusionstörung: Beim Gasaustausch muss O2 aus den Alveolen zum Hämoglobin der Erythrozyten und CO2 in die Alveolen diffundieren. Dabei ist die Gasmenge abhängig von der Diffusionsfläche und dem Partialdruck.
Bildgebung, Diagnose Im Röntgen/HR-CT zeigt sich zu Beginn basal betonte, retikuläre Zeichnungsvermehrung in der Thoraxübersicht (. Tab. 19.17). In der HR-CT kann die Diagnose bereits vor im Röntgenbild sichtbaren Veränderungen gestellt werden. Weiterhin zeigen sich: 4 Symmetrische, subpleural, basalbetonte honigwabige Parenchymzeichnung im Verlauf nach kranial zunehmend 4 Begleitende milchglasartige Trübungen 4 Übergang in Fibrosezonen möglich 4 Traktionsbronchiektasen durch zunehmende Fibrosierung
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Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
. Tab. 19.17. ATS/ERS-Kriterien zur klinischen Diagnose einer IPF (idopathische pulmonale Fibrose )*
Hauptkriterien
Nebenkriterien
Ausschluss anderer Ursachen
>50 Jahre
Reduzierte Diffusion von CO2
Langsam progrediente Belastungsdyspnoe ohne andere Ursache
Erniedrigter pO2 in Ruhe
Dauer >3 Monate
Basal betontes retikuläres Muster mit nur diskreter Milchglaszeichnung
Bilaterale-basales Knisterrasseln
Keine andere Erklärung der BAL oder Biopsie *Es müssen alle Hauptkriterien und 3 der Nebenkriterien erfüllt sein
> Bei ausgedehnten milchglasartigen Verschattungen sollte auch an andere Differenzialdiagnosen gedacht werden. Weiterhin sollten die RB-ILD (Respiratory Bronchiolitis-associated Interstitial Lung Disease), DIP (desquamative interstitielle Pneumonie), COP (Cryptogenic organizing pneumonia) und die NSIP (Nichtspezifische interstitielle Pneumonie) in Betracht gezogen werden.
NSIP (Nichtspezifische interstitielle Pneumonie) Definition Unter der NSIP waren früher alle nicht näher klassifizierbaren interstitiellen Pneumonien zusammengefasst. NSIP ähnliche Symptomenkomplexe finden sich oft auch im Rahmen von autoimmunen Erkrankungen. Die Patienten sind meist in einem Alter zwischen 40 und 50 Jahren. Es gibt keine anderen prädisponierenden Faktoren. Histologisch findet sich in der Lavage eine lymphozytenreiche Alveolitis. Die Veränderungen können zur peripher, basal betonten Fibrosierung ohne noduläre Komponente neigen.
Klinik
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Die Krankheit entwickelt sich schleichend, es kommt zu Abgeschlagenheit, Gewichtsabnahme und Dyspnoe, selten zu Fieber oder Uhrglasnägeln.
Bildgebung HR-CT:
4 Vorwiegend milchglasartige, symmetrische, subpleurale Opazitäten 4 Retikuläre Zeichnungsvermehrung in etwa 50% mit Traktionsbonchiektasen 4 »honey combing« in Abhängigkeit der individuellen Fibrosierungsneigung eher selten Dann ist die radiologische Abgrenzung zur UIP (usual interstitial pneumonia) nur noch in Ausnahmefällen möglich.
. Abb. 19.66. Bioptisch gesicherte desquamative interstitielle Pneumonie (DIP), CT Lungenfenster. Dokumentation einer basal betonten und peripher gelegenen Milchglaszeichnung (links>rechts)
DIP (desquamative interstitielle Pneumonie) Definition Die desquamative intersitielle Pneumonie ist computertomographisch nur schwer von der RB-ILD abzugrenzen. Auch sie betrifft häufig Raucher im mittleren Alter und in der Lavage zeigen sich vermehrt Makrophagen, Eosinophile und Neutrophile. Die Prognose ist bei Aussetzen der inhalativen Noxe und ggf. ergänzender immunmodulatorischer Therapie gut.
Klinik Klinisch kommt es zu zunehmenden Zeichen der Diffusionsund Restriktionsstörung mit Uhrglasnägeln und Trommelschlägelfingern. Auskultatorisch ist ein zartes, basal betontes Knisterrasseln zu hören. Außerdem leiden die Patienten und Dyspnoe begleitet von einem Reizhusten.
Bildgebung Röntgen/HR-CT:
4 Lokalisierte, basal betonte und peripher gelegene Milchglaszeichung (. Abb. 19.66) 4 Konfluieren der Infiltrate möglich 4 Zarte retikuläre Muster häufig 4 Fibrose erst im Spätstadium > Im HR-CT ist die UIP und DIP durch basal betonte milchglasartige Trübungen und Konsolidierung ohne Fibrose abzugrenzen. Die DIP spricht nicht auf Anti biotikaan, die Therapie erfolgt mit Kortikoiden. Die DIP weist im Gegensatz zur RB-ILD ein homogeneres Muster auf.
RB-ILD (Respiratory Bronchiolitis interstitial lung disease), Kondensatpneumopathie, Raucherpneumopathie Pathogenese Der Respiratory Bronchiolitis interstitial lung disease geht meist eine Respiratory Bronchiolitis (RB) mit Kollabieren der kleinen
551 19.6 · Entzündliche Erkrankungen
Atemwege voraus. Die RB-ILD tritt bevorzugt bei Männern zwischen 40 und 50 Jahren mit langjährigem Nikotinabusus auf. Histologisch sind in der BAL pigmentierte Alveolarmakrophagen zu sehen. Die Erkrankung kann bei Nikotinkarenz und evtl. Kortikoidtherapie gestoppt werden.
Klinik Die Erkrankung äußert sich mit zunehmender Dyspnoe, Hypoxämie; obstruktive und restriktive Funktionsstörungen treten kombiniert auf.
Bildgebung HR-CT:
4 4 4 4 4
Lokal begrenzte, fleckförmige Milchglastrübungen Zentrilobuläre Knötchen Peripher betont Meist apikal betontes zentrilobuläres Emphysem Airtrapping
In der bronchoalvelären Lavage sind viele pigmentierte Makrophagen zu sehen, die sich histologisch ebenso wie eine zarte peribronchiale Fibrose darstellen lassen.
Bronchiolitis obliterans/Cryptogenic organizing pneumonia Ätiologie, Pathogenese Die COP tritt idiopathisch, d. h. ohne erkennbare Ursache auf. Als Begleiterkrankung bei z. B. Kollagenosen, Inhalationserkrankungen, Infekte, medikamententoxisch nennt sie sich Bronchiolitis obliterans. Histologisch finden sich von Fibroblasten verstopfte Bronchiolen mit in Organisation übergehende Pneumonieherde bei chronischer interstitieller Entzündung der Alveolen. Die Diagnose darf nur gestellt werden, wenn alle anderen Entzündungsursachen ausgeschlossen sind. Die endgültige histologisch gesicherter Diagnose kann häufig nur nach CT-gesteuerter Punktion gestellt werden, da die Bronchoalveoläre Lavage (BAL) oft nur unspezifische Ergebnisse liefert. Betroffen sind meist Patienten im 5. Lebensjahrzehnt ohne Geschlechterbevorzugung. Jedoch sind bei der COP vermehrt Nichtraucher betroffen.
Klinik Die Erkrankung verläuft grippeartig mit Dyspnoe, trockenem Husten, gelegentlich geringem Fieber über etwa 2 Monate. Es zeigt sich keine Besserung auf Antibiotikagabe.
Bildgebung Röntgen:
4 Fleckige, am Anfang milchglasartige Verdichtungen (. Abb. 19.67) 4 Bevorzugt beidseitig in den Unterlappen 4 Meistens positives Bronchopneumogramm mit verdickten Bronchialwänden 4 Gelegentlich ein Pleuraerguss 4 Vergrößerte Hiluslymphknoten begleitend 4 Multifokale, basale Konsolidierungen haben einen breitbasigen Kontakt zur Pleura.
. Abb. 19.67. Cryptogenic organizing pneeumonia (COP), Röntgenthorax p. a. Fleckige, milchgalsrtige Verdichtungen im rechten Lungenoberfeld mit sekundärem Bronchopneumogramm
CT:
4 Zwei Drittel der Fälle flächige, periphere Konsolidierungen 4 Positives Bronchopneumogramm Die Bronchien sind teilweise verdickt. In etwa der Hälfte der Fälle peripher gelegene milchglasartige Trübungen und zentrilobuläre Noduli durch die Alveolitis. Die BAL liefert vermehrt CD8-Zellen und Granulozyten. > Sonderform: Swyer-James-McLeod Syndrom Bei diesem Syndrom handelt es sich um eine Erkrankung, die durch virale Infekte vor Abschluss des Lungenwachstums ausgelöst wird. Dabei kommt es zu den Zeichen einer Bronchiolitis obliterans meist auf eine Lunge begrenzt. Durch die chronischen Veränderungen ist eine Hypoplasie der entsprechenen Pulmonalarterie möglich. Die Diagnosestellung ist häufig ein Zufallsbefund im Erwachsenenalter. In der Lungenfunktionsuntersuchung zeigt sich jedoch eine reduzierte Vitalkapazität kombiniert mit Hinweisen auf eine obstruktive Störung. Computertomographisch persistieren überblähte Lungenareale neben narbig durchbauten Abschnitten mit Bronchiektasenbildung.
AIP (acute interstitial pneumonia/ Hamman-Rich-Syndrom) Definition, Pathogenese Akute Form der interstitiellen Pneumonie. Histologisch zeigt sich ein diffuser alveolarer Schaden, der mit hyalinen Membranen, Ödem und einer ausgeprägten Entzündungsreaktion einhergeht. Meistens erfolgt ein homogener Befall der Lunge. Die
19
552
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
Prognose ist bei einer Letalität von ca. zwei Dritteln der Patienten innerhalb von 3 Monaten auch mit modernen Behandlungsmethoden schlecht. Ein spontanes Abheilen ist ebenso wie der Übergang in eine Honigwabenlunge möglich. Der genaue Auslöser der Erkrankung ist bisher unbekannt; sie kann aber mitbeeinflusst werden durch Medikamente, oder im Rahmen von Kollagenosen auftreten. Letztlich stellt die AIP eine Ausschlussdiagnose dar. Die endgültige Diagnose kann per Biposie gestellt werden, die eine alveoläre Schädigung mit diffuser Fibroblastenproliferation darstellt.
Klinik Es treten grippeähnliche Symptome auf sowie schnell zunehmende Dyspnoe, trockener Husten und eine Diffusionsstörung sowie restriktive Veränderungen in der Lungenfunktionsmessung.
Bildgebung CT/Thorax:
4 Diffuse, basal betonte alveoläre Verschattungen 4 Im CT homogenes Bild mit basalen, milchglasartigen Verschattungen 4 Diffuse Konsolidierung 4 Vereinzelte narbige Stränge 4 Im Falle eines Überlebens »residual honey combing«
Lymphozytäre interstitielle Pneumonie) (LIP) Definition, Pathogenese Die LIP ist eine sehr seltene Erkrankung, die am häufigsten im Rahmen von autoimmunen Systemerkrankungen wie bei einem systemischen Lupus erythematodes, der Rheumatoiden Arthritis oder Myasthenia gravis zu finden ist. Dementsprechend sind vermehrt Frauen in fortgeschrittenem Alter betroffen. Histologisch kommt es zu einer Infiltration der Alveolarsepten mit Lymphozyten und Histiozyten sowie vergrößerten Pneumozyten. Schwierig ist die Abgrenzung gegenüber pulmonalen Lymphomen (MALT).
Klinik Es kommt zu trockenem Husten und langsam progredienter Belastungsdyspnoe.
Bildgebung
senen System mit Glockenspirometer oder in einem offenen System mit elektronischer Messung der Strömungsgeschwindigkeit. Bei der Untersuchung atmet der Patient durch ein Rohr. Dabei wird die Atem- und die Strömungsgeschwindigkeit bestimmt. Ermittelt werden statische und dynamische Parameter der Atmung. Statische Lungenparameter: 4 Vitalkapazität (VC) als Differenz zwischen der maximalen In- und Exspiration. Hierbei handelt es sich um das maximale Lungenvolumen, das mobilisiert werden kann. Normwerte liegen zwischen 4 l für Männer und 3 l für Frauen. Die Vitalkapazität ist bei restriktiven und obstruktiven Erkrankungen und beim ausgeprägten Emphysem reduziert. 4 Residualvolumen (RV): Luft die nach maximaler Exspiration in der Lunge verbleibt. Normal sind dies etwa 1,5 l. Bei einem Emphysem ist das Residualvolumen erhöht, bei restriktiven Erkrankungen erniedrigt. 4 Totalkapazität (TC): gesamtes Lungenvolumen, setzt sich rechnerisch aus der Vitalkapazität und dem Residualvolumen zusammen. 4 Atemzugvolumen (AZ): Luftvolumen von etwa 500 ml, das ohne Belastung ein- und ausgeatmet wird. Dynamische Lungenparameter: 4 Forciertes exspiratorisches Volumen in 1 s (FEV1).: Volumen, das nach maximaler Inspiration innerhalb 1 s ausgeatmet werden kann. Normal ist eine Flussgeschwindigkeit von >2 l/s. Bei einer Obstruktion ist die FEV1 deutlich reduziert. 4 Tiffeneau-Wert: der Tiffeneau-Wert wird errechnet durch Multiplikation des Quotienten aus der FEV1/ VC mit 100. Normal ist ein Wert von ca. 70%. Bei einer schweren Obstruktion beträgt er nur noch 40%. Bei restriktiven Erkrankungen kann der Tiffeneau-Wert erhöht sein. Die Bestimmung der Messwerte bei der Spirometrie ist extrem abhängig von der Mitarbeit des Patienten. Desweiteren variieren die Werte in Abhängigkeit von Alter, Geschlecht und Statur des Patienten.
HR-CT:
19
4 Milchglasartige Trübungen 4 Retikuläres Zeichnungsmuster
Therapie Ein therapeutischer Ansatz der Lungenfibrosen stellt die Gabe von Kortikoiden dar. Dabei sind alle Formen bis auf die AIP und die IFP weitgehend steroidsenibel. Meist wird Prednisolon mit Azathioprin oder Cyclophosphamid kombiniert. Weitere Therapiekonzepte mit Interferonen sind in der Erprobung. > Spirometrie Bei der Spirometrie werden verschiedene Parameter der Lungenfunktion gemessen und graphisch dargestellt. Dazu gibt es 2 Methoden: in einem geschlos6
Body-Plethysmographie: Bei der Body-Plethysmographie sitzt der Patient in einer luftdichten Kammer und atmet über ein Mundstück in einen abgetrennten Raum. So kann der in den Alveolen vorherrschende Druck (Compliance) und der Atemwegswiderstand (Resistance) ermittelt werden. Die Messwerte werden graphisch über ein Druck-Volumen Diagramm dargestellt, das für bestimmte Lungenerkrankungen charakteristisch ist. Neben dem Lungenvolumen und der Resistance kann auch noch das Residualvolumen, das nach maximaler Exspiration in der Lunge verbleibt, gemessen werden. Bei der Compliance wird die Dehnbarkeit der Lunge und des Thorax als Volumenänderung der Lunge in Korrelation zur transpulmonalen Druckdifferenz bestimmt.
553 19.7 · Inhalative Noxen und Fremdkörperaspiration
a . Abb. 19.68. Idiopathische Lungenfibrose, Röntgenthorax p.a. Verdickte interstitielle Strukturen diffus in der Lunge beidseits, mit Zwerchfellelevation links
19.6.5
Idiopathische Lungenfibose
Definition, Pathogenese Bei einer Fibrose kommt es zum Untergang von funktionsfähigem Lungenparenchym durch narbige Umbauten unterschiedlichster Genese. Erst wenn alle behandelbaren Ursachen ausgeschlossen sind, darf von einer idiopathischen Fibrose gesprochen werden. Allgemeine radiologische Zeichen einer Fibrose sind (. Abb. 19.6, . Abb. 19.69): 4 Verdickte interstitielle Strukturen mit narbiger Komponente 4 Kräftige interlobäre Septen 4 Volumenminderung des betroffenen Areals, dadurch Zwerchfellhochstand auf der betroffenen Seite möglich 4 Bildung von Traktionsbronchiektasen 4 Pleuraparallele, kurvilineare Fibrosebänder 4 Teils eingelagerte milchglasartige Areale 4 Im Spätstadium Zeichen der pulmonalen Hypertonie mit Dilatation der Pulmonalarterien
19.7
Inhalative Noxen und Fremdkörperaspiration
19.7.1
Pneumokoniosen
Definition, Ätiologie, Pathogenese Bei Pneumokoniosen handelt es sich um Lungenerkrankungen, die durch inhalierte und in der Lunge abgelagerte Stäube hervorgerufen werden, die eine Gewebsreaktion verursachen. Bei der Exposition mit Stäuben spielt die Größe der Partikel eine entscheidende Rolle für die Entwicklung einer Pneumokoniose. Große Partikel >10 μm werden im Nasenrachenraum herausgefiltert. Bei einer einer Größe <10 μm bis etwa 5 μm können
b . Abb. 19.69a, b. Idiopathische Lungenfibrose. a CT Lungenfenster, bilaterale, dorsale Verdichtungen, Fibrosebänder möglich (Pfeile). b CT, Lungenfenster, bei der Kontrolluntersuchung nicht mehr darstellbar (Pfeile)
die Stäube bis in die Lunge vordringen. Jedoch werden diese Partikel durch die Zilien im Bronchialbaum nach oben transportiert und abgehustet. Die für die Entwicklung einer Pneumokoniose relevanten Staubanteile haben einen Durchmesser von ca. 1– 3 μm. Sie gelangen bis in die Alveolen. Besonders wichtig ist, dass die Stoffe dann meist zu jedoch 100% in die peripheren Lungenabschnitte gelangen und die anderen natürlichen Filterstationen unbehelligt passieren. Die abgelagerten Substanzen sedimentieren und gelangen über die Lymphspalten in die an den Hili lokalisierten Lymphknoten. Wichtig für die Entwicklung ist, dass die Selbstreinigungsmechanismen der Lunge überfordert sind, d. h. die inhalierte Staubmenge die mukoziliare Clearance-Funktion der Lunge überschreitet. Deshalb sind die Staubkonzentration in der Luft, die tägliche Expositionszeit sowie die Anzahl der Jahre, die der Patient der Noxe ausgesetzt war, ausschlaggebend. Primär verusachen die Stäube bei permanenter Exposition eine Reizung der Schleimhäute. Das hat eine Resistenzminderung der respiratorischen Epithelien zur Folge, woraus eine chro-
19
554
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
nische Bronchitis resultieren kann. Diese ist bei Staubexponierten häufiger als im Normalkollektiv der Bevölkerung zu beobachten. Weiterhin können Stäube auch eine allergisierende Wirkung haben. Dies ist besonders bei pflanzlichem Ursprung zu beobachten. Hierbei kann sich ein Bronchalasthma entwickeln. Desweiten können die Partikel wie z. B. Pilzsporen oder bakteriell kontaminierte Stäube auch infektiös wirken. Pneumokoniosen treten am häufigsten im Rahmen einer beruflichen Exposition auf. Die inhalierten Stäube können entweder von Makrophagen aufgenommen oder direkt in das Lungengewebe transportiert werden. Dort lösen sie in Stufen verlaufende Reaktionen aus. Überschreitet die Menge der inhalierten Noxe die Kapazität des alveoären Selbstreinigungsmechanismus, kommt es zur Bildung von interstitiellen Staubablagerungen, die eine chronische Reizung auslösen. Je nach Art der inhalierten Substanz kommt es entweder zur septalen oder nodulären Fibrose. Klinische Symptome wie Belastungsdyspnoe und Reizhusten treten bei Komplikationen wie Gefäßkomprimierung oder Ausbildung eines Emphysems auf. Histologisch können 2 große Gruppen der Pneumokoniosen unterschieden werden: 4 Kollagene Formen 4 Nichtkollagene Formen
19
Den kollagenen Pneumokoniosen ist gemein, dass die Stäube eine mäßig bis ausgeprägte bindegewebige Reaktion hervorrufen. Daraus resultiert eine irreversible Zerstörung der Alveolen mit Abnahme der Elastizität des Lungengewebes. Meist ist hierfür eine lange Expositionszeit von >10 Jahren erforderlich. Zu Beginn kommt es zu einer Leistungsabnahme, später tritt eine Atemnot auf. Eine kausale Therapie ist nicht möglich und die Veränderungen schreiten auch nach Beendigung der Exposition noch fort. Durch die restriktiven Veränderungen und die Behinderung des Gasausstauschs kommt es zur Ausbildung eines Cor pulmonale. Die wichtigsten Vertreter sind die Silikose und die Asbestose. Die nichtkollagenen Pneumokoniosen werden durch nicht fibrogene Stäube verursacht. Hierbei bleibt bei nur geringer bindegewebiger Reaktion die Alveolarstruktur intakt. Die Veränderungen können nach Beendigung der Exposition reversibel sein. Beeinträchtigung der Lungenfunktion sind meist nur milde ausgeprägt bzw. liegen nicht vor. Zu den nichtkollagenen Pneumokoniosen zählen die Siderose und die Anthrakose. Laut ICD 10 werden die in . Tab. 19.18 genannten Pneumokoniosen unterschieden.
Die inhalierten Stäube können direkt zytotoxisch wirken. Außerdem werden nach Phagozytose durch Alveolarmakrophagen zytotoxische Abbauprodukte freigesetzt. Diese Makrophagen wandern in die Lymphspalten in Richtung der hilären Lymphknoten ein, so kommt es zu zunehmender perivaskulärer Granulombildung.
Klinik Klinisch tritt zuerst eine Obstruktion auf, folgend kommt es zu einer Restriktion. Daraus resultiert eine pulmonale Hypertonie, die im Endstadium ein Cor pulmonale zur Folge hat. Die Partialinsuffizienz geht zunehmend in eine Globalinsuffizienz über. Begleitend ist häufig eine chronische Bronchitis zu beobachten, außerdem tritt eine Tuberkulose etwa 20-mal häufiger auf als in der Normalbevölkerung auf. Das karzinogene Potenzial wird diskutiert. Bronchialkarzinome sind in Form von Narbenkarzinomen zu beobachten. Es werden 2 Verlaufsformen unterschieden. 4 Bei der akuten Silikose kann aufgrund einer ausgeprägten Staubbelastung über einen Zeitraum von Monaten eine Proteinose entstehen, die bei zunehmendem Verlust der Lungenfunktion innerhalb von Jahren zum Tode führt. 4 Die chronische Silikose setzt eine längere Expositionszeit voraus. Bei langsamer Progredienz schreiten die Veränderungen auch nach Beendigung der Staubbelastung vorran. Die Schwielenbildung setzt dann nach einem Zeitraum von ca. 20 Jahren ein. Klinisch kommt es zu Ruhe- und Belastungsdyspnoe bei progredientem Emphysem bis hin zum Cor pulmonale. Bei frühzeitiger Ausschaltung der Noxe kann der Verlauf gestoppt werden.
Silikose Definition, Pathogenese Unter einer Silikose versteht man die Ablagerung von Silikatstäuben in der Lunge. Dies geschieht meist im Rahmen einer beruflichen Exposition insbesondere bei Bergarbeitern. Die Erkrankung hat in den letzten Jahren aufgrund der reduzierten Zahl an Bergarbeitern und verbessertem Arbeitsschutz insgesamt abgenommen. Weitere gefährdete Tätigkeiten sind die Verarbeitung von Schiefer, Steinen, Keramikherstellung, die Arbeit als Gussputzer oder jegliches Hantieren mit quarzhaltigen Füllstoffen.
. Abb. 19.70. Silikose, Röntgenthorax p.a. In der Lungenperipherie kleinknotige, fibrotische Veränderungen (Pfeile). Lymphknotenbeteiligung mit schalenförmiger Verdickung (Pfeilspitzen)
555 19.7 · Inhalative Noxen und Fremdkörperaspiration
. Tab. 19.18. Lungenkrankheiten des Atmungssytems nach ICD 10 (2006)
ICD
Name
Untergruppe
J 60
Kohlebergarbeiter Pneumokoniose
Anthrakose Anthrakosilikose Kohlenstaublunge
J 61
Pneumokoniose durch Asbest und sonstige anorganische Fasern
J 62
Pneumokoniose durch Quarzstaub
Asbestose
J 62.0
Pneumokoniose durch Talkumstaub
J 62.8
Pneumokoniose durch sonstigen Quarzstaub
J 63
Pneumokoniose durch sonstige anorganische Stäube
J 63.0
Aluminose
J 63.1
Bauxitfibrose
J 63.2
Berylliose
J 63.3
Graphitfibrose
J 63.4
Siderose
J 63.5
Stannose
J 63.8
Pneumokoniose durch sonstige näher bezeichnete anorganische Stäube
J 64
Nicht näher bezeichnerte Pneumokoniose
J 65
Pneumokoniose in Verbindung mit Tuberkulose
J 66
Krankheiten der Atemwege durch spezifischen organischen Staub
J 66.0
Byssinose
J 66.1
Flachsarbeiter-Krankheit
J 66.2
Cannabiose
J 66.8
Krankheiten der Atemwege durch sonstige näher bezeichnete organische Stäube
J 67
Allergische Alveolitis durch organischen Staub
J 67.0
Farmerlunge
Derscher-Lunge Erntearbeiter-Lunge Mouldy hay disease
J 67.1
Bagassose
Krankheit/Pneumonitis
J 67.2
Vogelzüchterlunge
Tauben-/Wellensittichzüchterkrankheit, -lunge
J 67.3
Suberose
Korkarbeiterlunge
J 67.4
Malarbeiterlunge
Auslöser: Aspergillus clavatus
J 67.5
Pilzarbeiterlunge
J 67.6
Ahornrindenschäler-Lunge
J 67.7
Befeuchter-/Klimaanlagenlunge
J 67.8
Allergische Alveolitis durch organische Stäube
J 67.9
Allergische Alveolitis durch nicht näher bezeichnete organische Stäube
Bildgebung Röntgen: Zu Beginn zeigt sich ein feinretikuläres Muster
(. Abb. 19.70), in fortgeschrittenen Stadien in ein Honigwabenmuster übergehend. Bevorzugt in den Oberfeldern finden sich glatt begrenzte, feine Noduli mit einem maximalen Durchmesser von ca. 1 cm (Schneegestöber). Diese können zu polygonalen Herden mit zentralen Verkalkungen konfluieren. Eine Kavernenbildung in den Granulomkonglomeraten ist möglich. Dann ist der Ausschluss einer reaktivierten Tuberkulose wichtig. Um die Herde entwickelt sich narbig schrumpfendes Lungenparenchym (vikarisierendes Emphysem). In 5% der Fälle
Fischmehl, Kaffee, Kürschner, Sequoiose
findet man eine eierschalenförmig imponierende Silikatablagerung in den vergrößerten hilären Lymphknoten. > Die Silikose prädisponiert für die Entstehung einer Tuberkulose. Das karzinogene Potenzial wird diskutiert. HRCT:
4 Kleinknotige, fibrotische meist zentrilobuläre Veränderungen 4 Bei zunehmender Fibrose Verdickung der interlobulären Septen 4 Zentrilobuläres Emphysem
19
556
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
Die teils ausgedehnten Schwielen sind von Bronchialkarzinomen abzugrenzen.
Therapie Es gibt keine kausale Therapie der Silikose. Um einen Progress zu verhindern, ist eine weitere Exposition zu verhindern. Pulmonale Infekte müssen frühzeitig antibiotisch behandelt werden. Verkomplizierende obstruktive Veränderungen werden wie bei der Therapie des Asthma bronchiale angegangen. > Caplan Syndrom: Hierbei handelt es sich um eine Silikose, die von einer Rheumatoiden Arthritis begleitet wird.
Asbestose Definition, Pathogenese Asbest ist ein feuerfestes Material, das in Deutschland bis in die 1990er Jahre des letzten Jahrtausends im Bau benutzt wurde. Dabei handelt es sich um eine Sammelbezeichnung. Als besonders aggressiv gilt Amosit-Asbest. Weitere Formen sind Aktinolith, Anthophyllit, Chrysotil, Krokydolith und Tremolith-Asbest. Als risikohaft gilt die Inhalation der Asbestfasern, die eine Reihe von reaktiven Lungen- und Pleuraveränderungen hervorrufen. Die inhalierten Fasern werden entweder von den Alveolarmakrophagen aufgenommen oder durchdringen die Alveolarwand bis zur Pleura, wo sie eine diffuse Pleuraverdickung oder tafelbergartige Plaques bilden. Die Makrophagen gehen an den spitzen Nadeln zugrunde und induzieren auf zytochemischen Wege eine Fibrose des umgegebenden Gewebes. Deshalb können pulmonale und pleurale asbestassoziierte Veränderungen unterschieden werden.
Klinik
19
Die pulmonale Form zeichnet sich durch eine interstitelle Lungenfibrose aus. Diese führt zu einer Belastungsdyspnoe durch Ventilationsstörungen und gelegentlich zu thorakalen Schmerzen. Begleitend tritt eine chronische Bronchitis auf. In der BAL sind so genannte Asbestkörperchen (Feruginous body) zu finden. Dabei handelt es sich um Asbestfasern, die an ihren Enden eisenhaltige Proteinablagerungen aufweisen. Angelagert sind meist Makrophagen zu sehen. Als Minimalasbestose wird der lichtmikroskopische Nachweis einer Asbestexposition mit Fibrose eines respiratorischen Bronchiolus mit Einstrahlen in die angrenzenden Alveolarsepten und eingelagerten Asbestkörperchen bezeichnet. Man geht davon aus, dass das kanzerogene Potenzial mit Länge der Expositionsdauer und Menge der inhalierten Fasern korreliert. Die Anerkennung als Berufskrankheit ist abhängig von der Anamnese, Lungenfunktion und dem Röntgenbild. Als Komplikationen gelten das Bronchialkarzinom und das Pleuramesotheliom. Bei der Anerkennung des Bronchialkarzinoms als Berufserkrankung ist der Nachweis der Lungenfibrose oder der histologisch gesicherten Minimalasbestose wichtig.
Bildgebung Thorax:
4 Unterfelder: betont kleine, unscharf begrenzte Fleckschatten 4 Verdickte Pleura mit narbigen Ausläufern
4 4 4 4 4
Randwinkelergüsse als Zeichen einer Asbestpleuritis Kugelatelektase Unscharfe Herz- und Zwerchfellkonturen Septale Verdickungen Selten massive Fibrose
CT/HTCT:
4 4 4 4 4 4
Mikronoduläre Herde basal peripher betont Kurvilineare Verdichtungen meist basal Retikuläres Muster mit verdickten Septen Verdickte bronchovaskuläre Strukturen Kugelatelektase Narbenstränge, die sternförmig an der Pleura zusammenlaufen. 4 Ggf. Wabenmuster 4 Tafelbergartige Plaques 4 Unspezifisch verdickte Pleura teilweise stippchenförmig oder flächig verkalkt Als spezifisch für die Asbestose gelten in der CT und HRCT verdickte inter- und intralobäre Septen im Sinne eines retikulären Muster bei Fibrose mit fleckigen Verschattungen und Kugelatelektasen. Pleuraständige Plaques, teils mit Verkalkung oder eine Pleuraverdickung beweisen nur die Asbestexposition, sind jedoch nicht pathognomonisch für die Asbetose.
Aluminose Bei der Aluminose entwickelt sich eine massive Lungenfibrose, die sich bereits nach kurzer Expositionszeit ausbilden und zu schweren respiratorischen Beeinträchtigungen führen kann.
Siderose Die Siderose zählt zu den nur schwach oder gar nicht fibrogen wirkenden Pneumokoniosen. Bei der Siderose werden die inhalierten, eisenoxidhaltigen Stäube in den Alvolarmakrophagen im Interstitium und perivaskulär gespeichert. Sie tritt nach langer Expositionszeit bei Brennern und Schweißern auf. Bildgebung. Thorax/CT:
4 Retikuläres bis retikulo-noduläres Muster 4 Kann sich nach Expositionsbeendigung zurückbilden 4 Keine vergrößerten Lymphknoten
Anthrakose Bei der Anthrakose handelt es sich um eine nichtkollagene Pneumokoniose. Sie wird durch die Einlagerung von Kohlenstoff, der bei Umgang mit Ruß erfolgen kann, ausgelöst.
Exogen-allergische Alveolitis Definition, Ätiologie, Pathogenese Ätiologisch liegen Inhalationsnoxen vor. Meistens besteht eine berufsbedingte Exposition. Sie kann ausgelöst werden durch bakterielle, tierische und pflanzliche Antigene, Pilze und Chemikalien. Typisch ist sie bei Bauern, die Kontakt mit feuchtem Heu haben. Hierbei sind Aktinomyzeten die auslösenden Antigene. Beschäftigte, die mit Malz, Müll, Obst, etc. zu tun haben, sind mit Schimmelpilzen exponiert. Bei Vogelhaltern sind Exkremente und Federn die Allergene.
557 19.7 · Inhalative Noxen und Fremdkörperaspiration
Die wiederholte Allergenexposition verursacht im Rahmen von Typ-2- und -3-Allergien chronisch granulomatöse Entzündungen. Im Frühstadium sind diese Veränderungen bei Allergenkarenz reversibel, im späteren Stadium kommt es zur Fibrose.
Klinik Akut entwickelt sich eine grippeähnliche Symptomatik mit Belastungsdyspnoe und trockenem Husten einige Stunden nach der Exposition; nach ca. 2 Tagen tritt eine Besserung ein – mit Aufflammen nach erneuter Allergenexposition. Bei chronischem Verlauf kommt es zur progredienten Belastungsdyspnoe, Abgeschlagenheit und Gewichtsverlust. Wichtig ist es, eine herkömmliche Bronchopneumonie auszuschließen.
Diagnose, Bildgebung In der Lungenfunktionsuntersuchung ist die Vitalkapazität erniedrigt bei nur geringgradig reduzierter bis normaler funktioneller Residualkapazität. Auch die Diffusionskapazität ist erniedrigt. Laborchemisch sind Blutsenkungsgeschwindigkeit und Leukozytenzahlen erhöht. Die BAL zeigt sich einen CD4/CD8-Quotient von <1 sowie eine reduzierte Makrophagen- und erhöhte neutrophile Granulozytenzahl. Bei unklaren Formen kann eine Biopsie notwendig sein.
a
Röntgen:
4 Im Frühstadium unspezifisch (. Abb. 19.71) 4 Später feinnoduläre, teils konfluierende Infiltrate in den Mittel- und Unterlappen. 4 Im chronischen Stadium ist ein fibrotischer Umbau der Lunge zu sehen. > Die HR-CT bietet die Möglichkeit, die Krankheit in frühen Stadien nachzuweisen. HR-CT:
4 Differenzierung von aktiven Entzündungsherden und intraparenchymalen Narben 4 Kleine peribronchiale Entzündungsareale 4 Milchglasartige Trübungen mit kleinen knotigen Verdichtungen, die konfluieren können; die Trübungen teils scharf begrenzt mit Mosaikbildung. 4 Airtrapping 4 Retikuläre Zeichung im fortgeschrittenen Stadium, bei beginnender Fibrose
b
Therapie An erster Stelle steht die ausführliche Anamnese zur Detektion des auslösenden Allergens. Dann ist eine Allergenkarenz obligat. Symptomatisch kann im akuten Fall eine Sauerstoffgabe indiziert sein. Medikamentös stehen zur Unterdrückung der Entzündungsreaktion bei chronischen und akuten Verläufen systemische Kortikoide an erster Stelle. In der akuten Phase wird Prednison gewichtsabhängig (1–2 mg/kg) verabreicht und dann bis zur Erhaltungsdosis von 0,2 mg/kg reduziert.
Seltenere Pneumokoniosen Eine Reihe weiterer Stoffe kann inhalative Pneumokoniosen verursachen. Hier sind Cer, Hartmetallstäube, Kaolin, Talkum, Be-
c . Abb. 19.71a–c. Exogen allergische Alveolitis. a Röntgenthorax p.a., unspezifisches Bild mit feinnodulärer, konfluierender Infiltration (Pfeile). b CT, HR-Schichten, milchglasartige Trübungen, partiell scharf begrenzt, Airtrapping. c CT, Lungenfenster. Fibrotischer Umbau im Spätstadium bei exogenallergischer Alveolitis mkt gemischtem Bild und narbigen Veränderungen
19
558
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
ryllium und Eisenoxide zu nennen. Die Berylliose kann akut oder chronisch auftreten. Die röntgenologischen Veränderungen sind insgesamt unspezifisch. > Bei vielen Fällen von Pneumokoniosen handelt es sich um die Mischpneumokoniosen, d. h. verschiedene Noxenwurden gemischt oder nacheinander inhaliert. Dann ist die eindeutige Diagnosestellung mittels Röntgen bzw. CT schwer bis unmöglich. Zur Anerkennung als Berufserkrankung kann dann eine Lungenbiopsie notwendig sein.
ILO-Klassifikation Bei der ILO-Klassifikation handelt es sich um ein weltweites Mittel zur epidemiologischen Erfassung der Inhalationsfolgen von alveolargängigen Stäuben. Sie ist teilweise ein Kriterium zur Anerkennung einer Berufskrankheit. Dazu wird eine p. a.-Röntgenaufnahme im Format 1:1 benötigt. Falls diese nicht möglich ist, darf die Aufnahme nicht kleiner als zwei Drittel des Originals sein. Papierausdrucke sind zur Befundung nicht zugelassen. Insgesamt werden verschiedene Kriterien bewertet. Darunter fallen die Bildgüte, Lungenbefunde; Pleurabefunde und Nebenbefunde. Die Bewertung der Bildgüte erolgt in Deutschland mit +, +/–, +/– – und u. Dabei bedeuten: 4 +: Aufnahme einwandfrei 4 +/–: technische Fehler, die die Diagnosestellung einer Pneumokoniose nicht beeinträchtigen 4 +/– –: Beurteilung beeinträchtigt, aber Klassifikation möglich 4 u: unbrauchbar
19
Sonst wird eine Einstufung von 1–4 vorgenommen. Kann die Bewertung nicht mit + erfolgen, ist eine schriftliche Bemerkung notwendig. Bei den Lungenbefunden erfolgt eine Einteilung nach Größe, Form, Streuung und Streuungsdichte. Pleuraverdickungen werden seitengetrennt und mit Angabe der Lokalisierung dokumentiert. Außerdem spielt die Dicke ab 3 mm und Längenausdehung sowie Verkalkungen eine Rolle. Mithilfe von Symbolen können Zusatzbefunde wie Pleuraerguss, Empyhsem, Eierschalenverkalkungen, Tuberkulose, Arteriosklerose etc. mit den Zusätzen »vereinbar mit, Verdacht auf« kodiert werden.
a
b . Abb. 19.72a, b. Inhalation von Crack. a Röntgenthorax p.a. diffuse, bilaterale alveoläre Verdichtungen beidseits (Pfeile). b In der CT (Lungenfenster) alveoläre Infiltrate (Pfeile) desselben Patienten (perihiläre Lagebeziehung)
19.7.3
Fremdkörperaspiration
Eine Aspiration von Fremdkörpern ist am häufigsten bei Kindern zu beobachten. Sie inhalieren kleine Gegenstände wie Mün19.7.2
Inhalation von Rauchgas
Nach Inhalation von toxischen Gasen kann es zu verschiedenen Reaktionen des Lungenparenchyms kommen. Je nach Art und Dauer der Exposition entwickelt sich eine Reizung der Bronchien oder eine alveoläre Schädigung, die sich als Bronchiolitis bis hin zum Lungenödem manifestiert. Die Bronchitis lässt sich am Röntgenbild nicht diagnostizieren. Das toxische Lungenödem hingegen zeigt sich als zentral betonte multiple, flaue Fleckschatten, die bei Progredienz konfluieren können.
zen, Nägel, Erdnüsse. Bei Erwachsenen kann es jedoch in seltenen Fällen zur Aspiration von z. B. Zahnfüllungen kommen. Per Röntgenbild soll dann die Vermutung der Aspiration überprüft und ggf. der Fremdkörper lokalisiert werden.
Klinik Bei Aspiration kommt es meist zu Hustenattacken, die bei Kindern keuchhustenähnlich imponieren können. Bei der klinischen Untersuchung zeigt sich bei Verlegung eines Bronchus ein abgeschwächtes Atemgeräusch mit poststenotischem, hypersonorem Klopfschall.
559 19.8 · Immunologische Erkrankungen
Bildgebung Da der rechte Hauptbronchus steiler verläuft, finden sich dort die meisten Aspirate. Je nach Röntgendichte kann der Fremdkörper direkt oder indirekt dargestellt werden. Indirekte Zeichen sind: 4 Atelektasen bei Verlegung eines Bronchus 4 Poststenotische Pneumonie 4 Überblähung durch Ventilmechanismus des Fremdkörpers mit lokaler Transparenzerhöhung 4 Pendeln des Mediastinums in Exspiration zur gesunden Seite hin > Insbesondere bei Kindern ist bei rezidivierenden Pneumonien an eine bisher nicht bemerkte Fremdkörperaspiration zu denken.
Therapie Nach Lokalisierung des Fremdkörpers erfolgt die Extraktion mittels Bronchoskopie und ggf. eine ergänzende Antibiose. > Hypoxämie Bei der Hypoxämie kommt es zu einem erniedrigten arteriellen pO2. Dies kann verschiedene Ursachen haben: entweder es steigt der alvoläre pCO2-Gehalt durch Hypoventilation oder es liegt ein reduzierter Druck vor, z. B. in großen Höhen. Hierbei ist die O2-Differenz zwischen den Alveolen und dem arteriellen Blut normal. Bei anderen Ursachen für eine Hypoxämie, z. B. Verteilungsstörungen oder ein Shunt, kann es zu einer erhöhten alveolär-arteriellen O2-Differenz kommen.
19.8
Immunologische Erkrankungen
19.8.1
Vaskulitiden
. Abb. 19.73. Morbus Wegener. Röntgenthorax p. a., multiple, polyzystisch begrenzte Herde, Durchmesser ≤5 cm, partielle Einschmelzungen (Pfeilspitzen)
Lokalisation zu sehen. In zwei Drittel der Fälle treten begleitende Pleuraergüsse auf. Ohne Therapie ist die Prognose schlecht. Bei aggressiver Behandlung ergibt sich eine 5-Jahres-Überlebensrate von etwa zwei Drittel der betroffenen Patienten.
Diagnose, Bildgebung Im Blut können spezifische Antikörper nachgewiesen werden. Zur endgültigen Diagnosestellung kann die Biopsie mit histologischer Untersuchung notwendig sein. CT/Thorax:
Vaskulitiden sind Gefäßentzündungen mit Beeinträchtigung der betroffenen Organe. Sie können primär mit idiopathischer Genese die kleinen, mittelgroßen oder großen Gefäße betreffen. Sekundär sind sie bei Autoimmunerkrankungen wie Kollagenosen, rheumatoiden Erkrankungen, bei Infektionserkrankungen oder medikamentös induziert zu beobachten.
Morbus Wegener Definition, Pathogenese Unter dem Morbus Wegener versteht man die Bildung von ulzerierenden Granulomen im Respirationstrakt und Befall der der kleinen Gefäße mit möglicher Nierenbeteiligung bei einer cANCA-Assoziation.
Klinik Die Wegener-Granulomatose verläuft in Stadien, wobei das erste lokal begrenzt ist und sich durch Ulzerationen, ggf. blutigen Schnupfen, Sinusitis, Mikrohämaturie und Husten äußert. Im zweiten Stadium erfolgt dann die Generalisierung mit zunehmenden Lungenbefall, Glomerulonephritis und B-Symptomatik. Im Röntgenbild sind bilaterale, multiple, verschmelzende Lungenrundherde teils mit Kavernenbildung ohne charakteristische
4 Bilaterale, multiple polyzystisch begrenzte Herde mit einem möglichen Durchmesser von >5 cm (. Abb. 19.73). 4 Einschmelzung in etwa der Hälfte aller Fälle mit Bildung von dickwandigen, nach innen irregulär begrenzte Kavernen 4 Sekundäre Superinfektion möglich 4 Vergrößerte Lymphknoten nur selten 4 In der CT lässt sich teilweise ein zuführendes Gefäß darstellen. 4 Milchglaszeichnung möglich
Therapie Die Therapie des Morbus Wegener verläuft in 3 Phasen. Zunächst erfolgt die Induktion zur Erzielung einer Remission. Dies wird zu Beginn mit hohen Dosen Kortikoiden und bei Organbefall mit Cyclophosphamid versucht. Nach Remission geht die Therapie in die Erhaltungsphase über. Dabei erfolgt die schrittweise Reduzierung der Medikamentendosen. Um ein Rezidiv zu verhindern, wird die medikamentöse Behandlung mit einer prophylaktischen Sulfonamidgabe fortgesetzt.
Churg-Strauss Definition, Pathogenese, Epidemiologie Bei dem Churg-Strauss-Syndrom handelt es sich um eine pANCA-assoziierte Vaskulitis der kleinen Gefäße. Dabei ist ein beste-
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Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
hendes Asthma bronchiale häufig. Weiter kommt es durch Befall der Vasa nervorum zur Entzündung einzelner Nerven. Ebenfalls sind Beteiligungen der Nasennebenhöhlen typisch. Auslöser sind weitgehend unbekannt. Diskutiert werden eine idiopathische, multifaktorielle und medikamentöse Genese. Es treten etwa 2,5 Fälle auf 100 000 Menschen pro Jahr auf, wobei Frauen in mit einem mittleren Alter von 38 Jahren bevorzugt betroffen sind. Die Überlebenszeit mit Behandlung liegt im ersten Jahr nach Diagnosestellung bei 90%. Die 5-Jahres-Überlebenszeit beträgt 62%. Die Mortalität wird bedingt durch den Befall des Myokards bzw. der Herzkranzgefäße.
Klinik Die Krankheit verläuft in 3 Phasen, mit unterschiedlichem Befallsmuster: 4 Anfangsphase: allergische Beschwerden mit Bronchialasthma und allergischer Rhinitis 4 Zwischenstadium Bluteosinophilie und eosinophile Infiltration von Geweben, z. B. der Lungen und des Darms 4 Endstadium: Vaskulitiden der mittleren und kleinen Gefäße, bei Lungenbefall trockener Husten und ggf. Hämoptysen Die anderen Symptome sind abhängig vom jeweiligen betroffenen Organ. Häufig zeigen sich eine Mononeuritis multiplex und ein Befall des Gastrointestinaltrakts mit blutigen Durchfällen.
Diagnose Für Diagnosestellung ist die Trias von Bluteosinophilie, Asthma und systemischer Vaskulitis wichtig. In histologischen Präparaten kann ein eosinophiler Befall des perivaskulären Gewebes gesehen werden. Nach dem American College of Rheumatology (ACR) müssen die folgenden 6 Kriterien zutreffen. Bei Vorliegen von 4 der Symptome vor kann von einer Sensivität von 85% und einer Spezifität von 99,7% ausgegangen werden: 4 Asthma 4 Bluteosinophile >10% 4 Sinusitis 4 Pulmonale Infiltrate 4 Histologischer Nachweis einer Vaskulitis mit umgebender Eosinophilie 4 Mononeuritis multiplex oder Polyneuropathie
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Röntgenthorax/CT: es zeigen sich eosinophile Infiltrate mit transi-
enten Verschattungen ohne typische Prädilektionsstelle sowie teils konfluierende noduläre Rundherde, die nicht einschmelzen. Weiterhin sieht man verdickte Bronchialwände und interlobäre Septen sowie bei vaskulärem Befall Einblutungen ins Lungenparenchym. Die CT zeigt eine subpleurale Milchglaszeichung und ein stellares Bild durch die vaskulitisch veränderten Arteriolen. Differenzialdiagnose: Wegener-Granulomatose, LoefflerSyndrom, allergische bronchopulmonale Aspergillose.
Therapie Zu Beginn sollten hochdosierte Kortisongaben erfolgen. Bei Organbeteiligung oder Therapieresistenz ist ergänzend Cyclophosphamid indiziert.
Morbus Behçet Definition, Pathogenese Bei Morbus Behçet handelt es sich um eine seltene Multisystemerkrankung im Sinne einer »small vessel disease« der kleinen Venen, die bei jungen Erwachsenen aus dem Mittelmeerraum gehäuft auftritt und dem Formenkreis der rheumatologischen Erkrankungen zu geordnet wird. Dabei sind Männer etwa doppelt so häufig wie Frauen befallen. Die Auslöser sind bisher unklar. Eine genetische Präsdisposition wird vermutet, eine HLA B5- bzw. HLA B27-Assoziation konnte mittlerweile nachgewiesen werden.Weiterhin wird auch eine infektiöse Genese oder Autoimmunkomponente diskutiert. Wahrscheinlich wird die Vaskulitis durch Ablagerung von Immunkomplexen bedingt.
Klinik E kommt es zur Trias von genitalen oder oralen Aphthen, Uveitis und einer multisystemischen Vaskulitis mit Arthralgien und bevorzugtem Befall der venösen, aber auch der arteriellen Gefäße mit Aneurysma- und Thrombenbildung. Die aphthösen Veränderungen treten 2- bis 3-mal im Jahr auf und heilen ohne Narbenbildung ab. Die meisten Patienten erleiden einen teilweisen oder völligen Verlust ihrer Sehkraft durch multiple Gefäßverschlüsse im Auge. Bei der Spiegelung des Augenhintergrundes zeigen sich kleine Einblutungen und entzündliche Veränderungen. Bei Befall des Gehirns, der etwa 5 Jahre nach kutanen Erstsymptomen auftritt, wird eine parenchymatöse und eine vaskuläre Form unterschieden. Bei parenchymatösem Befall kommt es zu psychischen Auffälligkeiten, Hirnstammsymptomen und motorischen Ausfällen. Hierbei zeigt sich meist ein schubförmiger, akuter Verlauf. Beim vaskulären Neuro-Behçet kommt es zu einer intrakraniellen Hypertension mit Gefäßverschlüssen und Sinusvenenthrombosen. Seltener sind die Manifestation als Hirninfarkt oder aseptische Meningitis. Weiterhin können im Rahmen der Multisystemerkrankung auch Arthritiden, Schleimhautläsionen im Magendarmtrakt, Befall der Gefäße der Extremitäten mit Thrombophlebitis und Aneurysmabildung und Schädigung der Pulmonalgefäße auftreten. Bei Befall der Lunge kommt es klinisch durch die Gefäßarrosionen zu Hämoptysen.
Diagnose Die Diagnose erfolgt hauptsächlich anhand der Klinik. Hier bei wurde festgelegt, dass neben de wiederkehrenden oralen Ulzerationen zwei der folgenden Symptome zur Diagnosestellung vorliegen müssen: Hautveränderungen wie Erythema nodosum, genitale, narbigabheilende Ulzerationen, positiver Pathergie-Test oder Entzündungen der Augen wie Uveitis oder Vaskultitis der Retina. Bei einem positiven Pathergie-Test handelt es sich um eine lokale, sterile, pustulöse Reaktion 1–2 Tage nach einem Stich durch eine Nadel. Liquorpunktion: Hier sind oligoklonale Banden, eine autochtone IgG Produktion sowie eine meist lymphozytäre Pleozytose oder isolierte Eiweißerhöhung typisch.
561 19.8 · Immunologische Erkrankungen
Bildgebung Thorax:
4 4 4 4
Flächige Verschattungen bei Einblutungen Subpleurale, noduläre Herde Verbereitertes Mediastinum bei Thrombose Pleuraergüsse
Diagnose
CT:
4 Pulmonalarterienaneurysma 4 Lungenembolie 4 Thrombose der V. cava superior
Therapie Eine kausale Therapie existiert nicht. Aufgrund der Variabilität des Befallsmusters gibt es verschiedene Therapieansätze. Teils wurden gute Erfolge bei Haut- und Schleimhautbefall mit hochdosierter Kortikoidgabe begleitet von Immunsuppressiva wie Azathioprin und Cyclophosphamid erzielt. Therapieresistente Fälle sprechen häufig auch Cyclosporin A an. Weitere Therapieansätze basieren auf Colchicin- oder Thalidomidgaben oder immunmodulatorischen Substanzen wie Interferonen.
19.8.2
5 Hochakut gelegentlich Pneumonitits mit Dyspnoe, Fieber und inspiratorischen Schmerzen 4 Nieren: Bis zum Nierenversagen mit Proteinurie und Zylindurie 4 Herz: Myo- und Perikarditis
Kollagenosen
Als Kollagenose versteht man eine Krankheit, die generalisiert das Bindegewebe befällt. Sie treten idiopathisch mit Bevorzugung des weiblichen Geschlechts auf. Zu ihnen zählen der Systemische Lupus erythematodes (SLE), die Sklerodermie, Polymyositis, das Sjörgen-Syndrom und die Mischkollagenosen. Ein Lungenbefall im Sinne einer Fibrose kann beim SLE, der progressiven systemischen Sklerose, der rheumatoiden Arthritis, Polymyositis, Dermatomyositis auftreten. Als weitere Begleiterkrankungen können eine Pleuritis, COP oder Vaskulitis oder andere Formen der Lungenbeteiligung entstehen.
Systemischer Lupus erythematodes (SLE) Definition, Pathogenese
Für die Diagnose wichtig ist der Nachweise von antinukleären Antikörpern (ANA) in der Beurteilung der Aktivität. Weitaus spezifischer sind die anti-ds-Antikörper und das sm-Antigen, jedoch eingeschränkt durch eine mäßige Sensitivität. Zur Sicherung der Diagnose kann eine Biopsie von betroffenen Hautarealen notwendig sein. Hier zeigen sich dann histologisch Ablagerungen von Antikörpern entlang der Basalmembran. Laborchemisch ist die BSG bei annähernd normaler CRP erhöht. Außerdem können Antinukleäre Faktoren sowie Anti-ds bei fast allen Patienten nachgewiesen werden, und es sind Antism, Anti Ro und Antiphospholipin-Antikörper vorhanden. Teilweise tritt begleitend eine Panzytopenie auf. Nach dem American College of Rheumatology macht das Vorliegen von 4 der folgenden Symptome einen SLE wahrscheinlich 4 Schmetterlingserythem 4 Diskoider Lupus 4 Photosensibilität 4 Schleimhautulzerationen 4 Seronegative Arthrititis 4 Pleuraerguss, Perikarderguss 4 Proteinurie 4 ZNS-Schädigung 4 Hämolytische Anämie, Zytopenie einer der Zellreihen 4 Antinukleäre Antikörper 4 Sonstige Antikörper (Anti-ds, Anti-Sm, etc.) Röntgen:
4 Basal betonte, milchglasartige Verschattungen entweder uni oder bilateral 4 Begleitende Pleuraergüssen 4 Teils flüchtige Infiltrationen im Röntgenbild 4 Lungenfibrose nur selten
Der SLE ist eine Kombination einer Autoimmunerkrankung und einer Immunkomplexerkrankung. Auslöser sind unbekannt. Da Frauen im gebährfähigen Alter deutlich vermehrt betroffen sind, wird eine hormonelle Komponente bei der Entstehung der Krankheit diskutiert. Man geht von einer exogenen, multifaktoriellen Triggerung bei genetischer Prädisposition aus.
Dabei kommt es betont in den Unterlappen zu Milchglastrübungen, Verdickungen der interlobären Septen, retikulären Verdichtungen, die in der so genannten Wabenlunge enden.
Klinik
Therapie
Der Verlauf der Krankheit wird bestimmt durch den renalen und zerebralen Befall sowie den durch die arterielle Hypertonie bedingten arteriosklerotischen Veränderungen. Die Patienten zeigen eine allgemeine Abgeschlagenheit, eine Polyarthritis ohne Erosionen, typische Hautveränderungen wie das Schmetterlingserythem, eine vermehrte Lichtempfindlichkeit mit Exanthembildung sowie orale Ulzerationen. Der SLE kann sich an folgenden Organen manifestieren: 4 Lunge: 5 Pleuritis, Pleuraerguss 5 Teils flüchtige Infiltrationen
Eine kausale Therapie ist nicht möglich. Im akuten Schub werden hochdosiert Kortikoide verabreicht. Eine Langzeittherapie wird mit Malariamitteln wie Hydrochloroquin und Chloroquin, Kortikoiden, Azathioprin und Cyclophosphamid durchgeführt. Zusätzlich erfolgt die symptomatische Therapie bei Organbeteiligungen.
Progressive systemische Sklerose (PSS) Definition, Pathogenese Bei der progressiven systemischen Sklerose handelt es sich um eine zunehmende Fibrose der Haut und der inneren Organe im Sinne einer Multisystemerkrankung. Die Ursache ist bisher un-
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Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
bekannt, sie tritt aber gehäuft bei HLA-DR 5-positiven Patienten auf. Es kommt zu einer überschießenden Aktivität der Fibroblasten und Ablagerung von Proteinen. Diese wird getriggert durch Zytokine wie den Transforming Growth Factor b, der bei Erkrankten in wesentlich höheren Konzentrationen im Blut nachgewiesen werden kann als bei Gesunden. Um die Blutkapillaren finden sich außerdem vermehrt Entzündungszellen. > Sonderform der PSS: Thibierge-Weissenbach-Syndrom mit subkutaner Kalzinose.
Klinik Am Anfang stehen unspezifische Allgemeinsymptome wie Abgeschlagenheit, evtl. Arthralgien und unklare, ödematöse Schwellungen an den Extremitäten im Vordergrund. Im Verlauf kommen dann die für die Sklerodermie typischen Veränderungen der Haut hinzu. Hier äußert es sich durch so genannte Rattenbissnekrosen, Raynaud-Phänomen, Tabaksbeutelmund. Desweiteren kann es zu Arthralgien und vielfältigen Organmanifestationen wie Befall des Ösophagus mit Schluckbeschwerden und der Nieren mit Niereninsuffizienz kommen. In der Hälfte der Erkrankungen tritt eine unspezifische Lungenfibrose auf, die sich klinisch als trockener Husten mit Dyspnoe äußert.
Diagnose Die Diagnose der Sklerodermie wird meist klinisch gestellt. Bei >90% der Patienten sind antinukleäre Antikörper wie SLC 70, Antizentromere Antikörper und CENB-P nachweisbar. Weiterhin zeigen sich in der Kapillarmikroskopie dilatierte Kapillaren mit teils devaskularisierten Zonen. Im Röntgenbild zeigen sich basal peripher betonte retikuläre oder retikulonoduläre Infiltrate (. Abb. 19.74), die ebenfalls in einer Wabenlunge resultieren. HR-CT:
4 Verdickte Interlobärsepten, Mikronoduli, Milchglastrübungen, verdickte Pleura 4 Zentrale Lungenabschnitte erst in fortgeschrittenen Stadien mitbeteiligt Komplikationen sind eine Aspirationspneumonie sowie eine pulmonale Hypertonie.
Therapie
19
Eine kausale Therapie gibt es nicht. Bei der systemischen Sklerose kann eine Progedienz der Erkrankung mit immunsuppressiven Medikamenten wie Methotrexat oder Cyclophosphamid erreicht werden. Bei Organbeteiligung ist eine systematische Therapie notwendig. Zur Erhaltung der Bewegungsfähigkeit ist ergänzende Physiotherapie notwendig.
. Abb. 19.74. Basal betonte Fibrose bei Sklerodermie, Röntgenthorax p. a., flächige interstitielle Verdichtungen beidseits (Pfeile)
faktoriellen Genese ausgegangen. Die betroffenen Patienten sind zu 75% HLA-DR4-positiv. Durch Interagieren von Lymphozyten und Monozyten kommt es zur vermehrten Produktion von Zytokinen und Autoantikörpern gegen das Fc-Fragment von IgG, den so genannten Rheumafaktoren. Die den Knorpel überziehende Synovia wird zunehmend von Entzündungszellen infiltriert, dadurch wird die überschießende Pannusbildung durch Fibroblasten ähnliche Zellen stimuliert. So kommt es zur zunehmenden Destruktion der Gelenke mit Versteifung und Mutilation.
Klinik Zur Klinik gehören unspezifische Allgemeinsymptome wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, subfebrile Temperaturen, Muskelschmerzen. Meist sind zu Beginn die kleinen Gelenke betroffen. Bevorzugt befallen werden die MCP- und PIP-Gelenke, was sich im so genannten Gaenslen-Zeichen, dem schmerzhaften Händedruck, äußert. Begleitend zeigen sich eine morgendliche Steifigkeit und Symptome wie Bakerzysten oder Karpaltunnel-Syndrom. An den Streckseiten der Gelenke können subkutane Schwellungen im Sinne von Rheumaknoten auftreten. Mit zunehmender Destruktion kommt es zur Deformität und Funktionsverlust der befallenen Gelenke. Zum extraartikulären Befall der Rheumatoiden Arthritis zählt die Perikarditis, Befall der Lunge, Polyneuropathie oder Konjunktivitis. Diese Beteiligungen betreffen speziell die Thoraxdiagnostik.
Diagnose
Rheumatoide Arthritis Definition, Pathogenese Die rheumatoide Arthritis ist die häufigste Form der Kollagenosen. Sie führt zu einer entzündlichen Gelenkdestruktion mit Bevorzugung der peripheren Gelenke. Frauen sind wie bei vielen Autoimmunerkrankungen häufiger betroffen. Die genaue Ätiologie der Erkrankung ist unbekannt, es wird aber von einer multi-
Im Blut zeigen sich erhöhte Entzündungsparameter und evtl. ein positiver Rheumafaktor. Für die Diagnose müssen nach dem American College of Rheumatology von den folgenden Kriterien 4 erfüllt sein: 4 (Morgensteifigkeit der Gelenke (Dauer mindestens 1 h) 4 Tastbare Schwellung in 3 oder mehren Gelenkregionen 4 Arthritis an Hand- oder Fingergelenken
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4 Symmetrische Arthritis (gleichzeitig, beidseits dieselbe Gelenkregion) 4 Rheumaknoten 4 Rheumafaktornachweis im Blut 4 Typische Röntgenveränderungen (gelenknahe Osteoporose und/oder Erosionen)
Bildgebung Röntgen:
4 Pleuritis mit Pleuraergüssen 4 Pleurale Verdickungen 4 Fibrosierende Alveolitis mit retikulo-nodulärem Muster, dass in eine Wabenlunge übergeht 4 Bronchiektasen durch zunehmende Fibrosierung Es zeigen sich glatt begrenzte bis lobulierte Rundherde (intrapulmonale Rheumaknoten), meist subpleural gelegen. In den Herden sind Verkalkungen oder Einschmelzungen möglich; nach Einschmelzung imponieren die Herde als Ringschatten. Im HR-CT oder MSCT gelingt die Darstellung der Veränderungen vor Auftreten der plumonalen Symptome. Die Veränderungen sind ähnlich wie bei einer Lungenfibrose; milchglasartige Verschattungen und Traktionsbronchiektasen.
einer Hypomimie. An den Gelenken kann zu weißlichen Atrophien der Haut kommen. Außerdem treten kutane Verkalkungen und gelblicher Verhornung der Nagelhaut auf. Begleitend sind Allgemeinsymptome wie Müdigkeit und Schwäche sowie depressive Verstimmung. Als Komplikationen können eine Glomerulonephritis, Myokarditis, Alopezie und gastrointestinale Beschwerden mit Durchfällen, Schluckbeschwerden und Krämpfen auftreten. Der Verlauf kann von rapid-progressiv bis hin zu mildem Progress über Jahre hinweg sehr variabel sein.
Diagnose Laborchemisch findet sich ein erhöhtes CRP, LDH und GOT und Autoantikörper (PmScl) sind nachweisbar. Die Schädigung der Muskulatur kann mithilfe eines Elektromyogramms dargestellt werden. Dabei zeigen sich Fibrillationen in Ruhe und kleinamplitudige polyphasische Potenziale bei Stimulation. Häufig ist die beweisende Muskelbiopsie notwendig, die eine perivaskuläre Infiltration von CD4-Zellen und intramuskuläre CD8-Zellen zeigt. Radiologisch zeigen sich ggf. eine Aspirationspneumonie bei Dysphagie sowie eine fibrosierende Alveolitis mit basal betonter Milchglaszeichnung, peribronchiale Verdichtungen mit Übergang in ein Honigwabenmuster. Es besteht häufig eine COPD.
Therapie Therapie Die Therapie der Rheumatoiden Arthritis basiert auf mehreren Pfeilern: zum einen sollen das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamt, die Bewegungsfähigkeit erhalten und Beschwerden gelindert werden. Medikamentös werden Immunsuppresiva wie Methotrexat, Sulfasalazin, Hydroxychloroquin, Chloroquin, Aurothioglukose, Azathioprin verwendet. Außerdem sollen die Entzündungsreaktion und die Schmerzen mit nichtsteroidalen Antirheumatika reduziert werden. Immunmodulierende Therapien mit TNF-α und Interleukinen werden versucht. Ergänzend kommt die physiotherapeutische Behandlung hinzu. Ggf. müssen betroffene Gelenke chirurgisch durch Prothesen ersetzt werden.
Polymyositis und Dermatomyostitis Definition, Pathogenese Bei der Poly- und Dermatomyositis kommt es zu einer generalisierten Entzündungsreaktion der Muskulatur bzw. Haut. Auch andere Stützgewebe können dadurch betroffen sein. Frauen sind etwa doppelt so häufig wie Männer betroffen. Das Manifestationsalter liegt zwischen 30 und 60 Jahren. Bei ca. der Hälfte der Betroffenen kommt es zu einer pulmonalen Mitbeteiligung. Die Ursache ist unbekannt. Pathophysiologisch wird die Expression von HLA-Antigenen stimuliert und muskuläre Autoantigene produziert. CD8-Zellen dringen in die Muskulatur ein und führen zu deren Zerstörung. Häufig wird die Dermatomyositis jedoch als Paraneoplasie bei Lungen- und Brusttumoren sowie bei Tumoren des Verdauungstrakts oder Kollagenosen beobachtet.
Eine kausale Therapie ist nur bei den tumorassoziierten Formen möglich. Deshalb müssen Tumoren ausgeschlossen werden. Es erfolgt die Immunsuppression mit Glukosteroiden, Azathioprin und Methotrexat. In etwa der Hälfte der Fälle kann eine Vollremission nach 5 Jahren erreicht werden.
Sjörgen-Syndrom Definition, Pathogenese Hierbei kommt es zu einer lymphozytischen Infiltration der Speichel- und Tränendrüsen mit CD4-Zellen im Rahmen einer langsam progredienten Autoimmunerkrankung. Das SjörgenSyndrom kann primär als eigenständige oder als Begleiterkrankung bei anderen Autoimmunerkrankungen oder sekundär bei einer rheumatoiden Arthritis auftreten (. Tab. 19.19). Frauen sind wesentlich häufiger betroffen als Männer, wobei das Manifestationsalter bei etwa 50 Jahren liegt. Gehäuft werden HLA B 8 und DR 3 nachgewiesen. Die Ursache ist unbekannt.
Klinik Die Klinik wird beherrscht von der Sicca-Symptomatik mit Xerophthalmie und Xerostomie. Begleitend können ein RaynaudSyndrom, ausgeprägte Müdigkeit, Arthralgien, Nierenbeteiligung mit Nephritis und eine primäre biliäre Zirrhose auftreten. Bei Mitbeteiligung der Lunge kommt es klinisch zu persistierendem Husten, Dyspnoe und häufigen Infekten aufgrund des verdickten Tracheobronchialsekrets. Als Komplikation können vergrößerte Lymphknoten auftreten, die in einen Morbus Hodgkin übergehen können.
Klinik
Diagnose, Bildgebung
Klinisch kommt es im Gesicht und an den oberen Extremitäten zu roten, teils diffus verteilten Erythemen und zu einer schmerzlosen Muskelschwäche. Der Gesichtsausdruck ist geprägt von
Die Diagnosestellung erfolgt meist klinisch. Hierbei muss ein begleitendes Malignom ausgeschlossen werden. Die Xerophthalmie kann mithilfe des Schirmer-Tests quantifiziert werden. Die
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Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
Diagnosestellung kann durch den laborchemischen Nachweis von Ro-(SSA) und La-(SSB)-Antikörper erleichtert werden. Die BSG ist fast immer über die Norm erhöht. Eine Speicheldrüsenbiopsie zeigt fokale Lymphozyteninfiltrate. Röntgen:
4 4 4 4 4
Bronchialwandverdickung »tree in bud sign« Airtrapping Bronchiektasen Basal betontes retikulonoduläres Muster
Therapie Eine kausale Therapie gibt es nicht. Die Sicca-Symptomatik kann mit künstlichem Speichel oder Tränenflüssigkeit gelindert werden. Gleichzeitig lässt sich z. B. durch Kaugummis o.ä. der Speichelfluss stimulieren. Bei hohen Entzündungsparametern ist eine immunsuppressive oder immunmodulatorische Therapie mit Kortikoiden oder Cyclosporin indiziert.
19.8.3
Amyloidose
Definition/Pathogenese Bei der Amyloidose kommt es zur extrazellulären Proteinablagerung im Interstitium von verschiedenen Organen. Dabei werden mit der AA-, AL- und den hereditären Amyloidosen mehrere Formen unterschieden. Die Differenzierung erfolgt entsprechend des amyloidbildenden Ausgangsmoleküls. Die häufigste ist die AA-Amyloidose, die durch eine Umformung eines Akute-Phase-Proteins entsteht. Dementsprechend ist sie begleitend bei chronischen Erkrankungen aus dem rheumatologischen und autoimmunen Formenkreis zu sehen. Hier sind bevorzugt die Niere, Leber, Milz und der Magendarmtrakt betroffen. Dadurch kommt es zur Proteinurie bis hin zum Nierenversagen, Hepatosplenomegalie, Obstipation und Ulzera. Bei der AL-Amyloidose handelt es sich um eine so genannte Leichtketten-Amyloidose. Die AL-Proteine werden von Plasmazellen gebildet. Die Symptome variieren dann je nach betroffenem Organ.
Klinik Bei genetischen Defekten können aus körpereigenen veränderte, defekte Proteine entstehen, die dann in Form von Amyloid in den verschiedenen Organen abgelagert werden. Dementsprechend vielfältig sind die Symptome, die von Herzversagen bei Befall des Myokards bis zur Leberzirrhose bei Ablagerung in der Leber reichen können. Das klinische Bild wird vom befallenen und geschädigten Organ bestimmt. Die Ablagerungen in der Lunge können entweder tracheobronchial oder parenchymal, nodulär- oder diffus-parenchymal erfolgen. Der Lungenbefall stellt auch bei Befall von Herz und Nieren den limitierenden Faktor bezüglich der Überlebenszeit dar.
Bildgebung Bei der tracheobronchialen Form der Amyloidose ist die Röntgenübersichtsaufnahme in vielen Fällen bis auf Zeichen der chronischen Bronchialobstruktion unauffällig. Für die Sicherung der Amyloidose bei Verdacht ist meist eine Biopsie des befallenen Organs notwendig. Die endgültige Diagnose der Lungenmitbeteiligung wird dabei per Biopsie entweder transkutan oder offen gesichert. Hierbei erfolgt die Färbung mit Kongorot, welches das Amyloid im Polarisationsmikroskop grün leuchten lässt. Ergänzend erfolgt die Immunhistologie zur Typisierung. Im CT zeigen sich endobronchiale Plaques (schwer von malignen Raumforderungen zu differenzieren). Bei der parenchymalen Form treten solitäre oder selten multiple Rundherde auf, die einen Durchmesser von bis zu 5 cm haben können und in den basalen Lungenabschnitten liegen. Ihre äußere Struktur ist variabel von rund und glatt begrenzt bis zu oval und lobuliert. Zudem finden sich grobschollige Verkalkungen in den Herden. Bei der generalisierten Amyloidose ist der Lungenbefall in der Thoraxaufnahme häufig nur in fortgeschrittenem Stadium zu sehen. Es zeigen sich verdickte Septen oder zentrale, peribronchovaskuläre Verdickungen durch Amyloidablagerungen, gelegentlich mit einen miliaren Bild.
. Tab. 19.19. Häufigkeit pulmonaler Manifestationen bei Kollagenosen
19
Manifestation
Rheumatoide Arthritis
Systemischer Lupus erythematodes
Progressive systemische Sklerose
Poly-/Dermatomyositis
Aspiration
0
0
++
+++
Ventilatorische Insuffizienz
0
+
+
++
Primäre Vaskulopathie
0
+
++
0
Pleural: Verschwartung Erguss
++ ++
++ +++
+ 0
0 0
Parenchymal: Akute Pneumonie Interstitielle Fibrose Knoten
0 ++ +
+ + 0
0 +++ 0
0 ++ 0
565 19.8 · Immunologische Erkrankungen
Therapie
Therapie
Bei der AA-Amyloidose steht, um schwerwiegende Organschäden zu verhindern, die antiphlogistische Therapie im Vordergrund. Zusätzlich muss eine symptomatische Therapie erfolgen. Die Therapie der AL-Amyloidose gestaltet sich schwierig, da sie meist nicht kausal behandelbar ist. In der Regel erfolt eine systemische Chemotherapie ergänzt durch Kortikoide. Bei den hereditären Amyloidosen ist ebenfalls keine kausale Therapie möglich. Als Ultima Ratio steht hier die Transplantation des betroffenen Organs zur Verfügung.
Eine kausale Therapie ist nicht möglich. Zu Beginn der Erkrankung kann eine tägliche Plasmapherese das Fortschreiten verlangsamen. Eine ergänzende immunsuppressive Therapie mit Glukokortikoiden und Cyclophosphamid ist notwendig und hat die Prognose verbessert. Weiterhin müssen die durch die progressive Nierenschädigung entstehende Anämie und Hypertonie behandelt werden. Als Ultima ratio ist eine Nierentransplantation zu sehen.
Idiopathische pulmonale Hämosiderose (IPH) Definition, Pathogenese 19.8.4
Diffuse pulmonale Einblutungen
Es gibt unterschiedliche Ursachen für diffuse Einblutungen ins Lungenparenchym: 4 Idiopathische Lungenhämosiderose 4 Kardiovaskuläre Fehlbildungen 4 Goodpasture-Syndrom 4 Systemische Vaskulitiden/Kollagenosen: SLE; Morbus Wegener, ITP 4 Gerinnungsstörungen 4 Malignome: Leukämie, Kaposi 4 Exogen: toxisch, traumatisch
Goodpasture-Syndrom Definition, Pathogenese Das Goodpasture-Syndrom setzt sich zusammen aus pulmonalen Einblutungen und einer rapid progressiven Glomerulonephritis, die durch Antibasalmembran Antikörper (ANCA) ausgelöst werden; es wird auch pulmorenales Syndrom genannt. Von einer genetischen Komponente wird bei gehäuften Vorkommen von HLA DR2 ausgegangen. Der genaue Aulöser ist unbekannt, Infektassoziation wird angenommen. Männer sind gehäuft betroffen. Unbehandelt ist die Sterblichkeit hoch. Immunhistochemisch lassen sich IgG-Ablagerungen entlang der tubulären Basalmembran darstellen. Auch in der Lunge kommt es zu IgG-Niederschlägen an der Basalmembran der Alveolen.
Klinik Bei den meisten Patienten kommt es zur Kombination von pulmonalen und renalen Symptomen: Anämie in Folge des chronischen Blutverlusts sowie Husten mit Hämoptysen. Nur bei einem kleinen Prozentsatz kommt es zum isolierten Lungenbefall im Sinne einer idiopatischen Hämosiderose. Auch hier kommt es klinisch zur Anämie und Husten mit Hämoptysen. Die renalen Symptome mit einem rasch progredienten Nierenversagen führen zu Urämie mit Anurie. Unspezifische Begleitsymptome mit Fieber und Muskelschmerzen können auftreten.
Bildgebung Im Röntgenthorax zeigen sich flaue, fleckige Verschattungen unterschiedlicher Dichte, die entweder konfluierend oder nodulär imponieren. Rückbildungen der Einblutungen sind innerhalb von Tagen möglich. Im Verlauf entwickelt sich eine zunehmende irreversible Fibrose.
Bei der der IPH handelt es sich um eine seltene, von Virchow erstmal beschriebene Erkrankung unklarer Genese, bei der es zu teils ausgeprägten pulmonalen Einblutungen kommt. Als Auslöser diskutiert werden exogene Faktoren bei einer genetischen Prädisposition. Meist sind Kinder und Jugendliche betroffen.
Klinik, Diagnose Die Patienten leiden an Hämoptysen, Husten, Dyspnoe sowie einer restriktiven Ventilationsstörung; zudem fällt eine mikrozytäre Anämie bei den Laborwerten auf. In der BAL sind vermehrt Siderophagen vorhanden. Eventuell ist zur endgültigen Diagnosestellung Biopsie notwendig.
Diagnose Im CT/Thorax stellen sich ein Pneumonie ähnliches Bild mit flächigen Verschattungen sowie perihilär-symmetrische, feinnoduläre Veränderungen dar.
Therapie Therapeutisch kommen Steroide, Transfusionen bei ausgeprägter Anämie, prophylaktische Antibiose und Sauerstoff zum Einsatz.
19.8.5
Langerhans-Zellhistiozytose
Defininition, Pathogenese Weitere Synonyme für diese Erkrankung sind Histiozytose X, Abt-Letterer-Siwe Syndrom, Morbus Hand-Schüller-Christian, eosinophiles Granulom. Bei der Histiozytose handelt es sich um eine granulomatöse Entzündung unklarer Ätiologie bei der eine unkontrollierte Immunreaktion von dendritischen Zellen auftritt, die den Langerhanshistiozyten ähneln. Ätiologisch wird ein Defekt der Zellinteraktion zwischen den T-Zellen und den Langerhanszellen vermutet, der auf einem Zytokin-Ungleichgewicht basiert. Diese wird generalisiert beobachtet, kann aber auch nur auf die Lunge beschränkt sein. Der Erkrankungsgipfel liegt im jungen Erwachsenenalter, wobei bevorzugt Raucher betroffen sind. Unterschieden wird der Single-System- oder der MultiSystem-Befall. Histologisch lassen sich drei Stadien klassifizieren. Ein zellreiches Frühstadium, ein proferatives-fibroblastenreiches und ein fibrozytisches Stadium. Generalisierte Verläufe mit Befall von Lymphknoten, Haut, ZNS, Leber, Darm etc. sind möglich.
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566
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
Der Verlauf ist mit Spontanremission bis hinzu Todesfällen bei respiratorischer Insuffizienz sehr variabel.
Klinik Die Klinik ist variabel. Es sind völlig symptomlose Verläufe bis hin zu generalisierten Beschwerden möglich. Am häufigsten ist der Knochen gefolgt von der Haut befallen. Bei Beteiligung der Lunge handelt es sich meistens um rauchende Patienten, die von unspezifischen Symptomen wie Husten, Schmerzen, Gewichtsverlust, Hämoptysen und Dyspnoe geplagt werden.
Diagnose, Bildgebung In der Lungenfunktionsuntersuchung zeigt sich eine eingeschränkte Diffusionskapazität und obstruktive Ventilationsstörung. Die Diagnose kann durch den Nachweis von >5% Langerhans-Zellen in der BAL gesichert werden. Immunologisch zeigt sich eine Reaktion mit CD68-Antikörpern. Im Röntgen/CT zeigt sich ein retikulonoduläres Muster (. Abb. 19.75). Später entwickeln sich maximal 5 mm große, peribronchial gelegene Noduli (Differenzialdiagnose: Sarkoidose mit Aussparung des Sinus phrenicocostalis). Im Verlauf entstehen um die Noduli fibrotische Parenchymschrumpfungen und Einschmelzung mit Grundlage des retikulonodulären Musters. Eingelagert sind in allen Abschnitten kleine zystisch, dickwandige Veränderungen (Differenzialdiagnosen: einschmelzende Metastasen). Die Zysten neigen zum Konfluieren. Im Endstadium ergibt sich das Bild einer ausgeprägten Fibrose mit Wabenlunge ohne Volumenminderung (Differenzialdiagnose: zystische Fibrose). Selten sind vergrößerte Lymphknoten. Eine Silikose ist mittels Berufsanamneseerhebung auszuschließen.
a
b
Therapie Eine kausale Therapie gibt es nicht. Spontanremissionen sind möglich. Bei respiratorischer Einschränkung ist eine immunsuppressive Therapie notwendig.
19.8.6
Sarkoidose
Definition, Epidemiologie, Pathogenese
19
Bei der Sarkoidose handelt es sich um eine Allgemeinerkrankung, bei der es zur epitheloidzelligen Granulombildung in verschiedenen Organen kommt. Dabei sind histologisch im Randbereich der Granulome vermehrt CD8-Zellen und zentral CD4Zellen zu finden. Bevorzugt betroffen sind Menschen im jungen Erwachsenenalter; Frauen etwas häufiger als Männer. Bei Schwarzen ist die Prävalenz höher als bei Kaukasiern, zudem kommt es bei Schwarzen häufiger zur fibrosierenden Verlaufsform. Der Erkrankungsgipfel liegt zwischen 20 und 40 Jahren. Die Entstehung der Sarkoidose ist unbekannt. Eine genetische Disposition oder virale Infektion bzw. Infektion mit Mykobakterien wird diskutiert. Im Interstitium, in den Alveolen und Gefäßen sammeln sich aktivierte Makrophagen, Monozyten und Lymphozyten. Monozytäre Langerhans-Riesenzellen wer-
. Abb. 19.75a, b. Langerhans-Zellhistiozytose. a Röntgenthorax. Im konventionellen Röntgenschnitt retikulonoduläres Muster mit Noduli peribronchial gelegen. b CT, Lungenfenster. Partiell solide Noduli (Pfeile), andere mit Aufhellungen
den schließlich von Fibroblasten und Entzündungszellen umbaut und bilden so die nichtverkäsenden Granulome. Am häufigsten betroffen ist die Lunge. Im Stadium I kommt es bei zwei Dritteln der Patienten zu einer Spontanremission innerhalb einiger Monate (. Abb. 19.76). Im fortgeschrittenen Stadium ist dies nur bei etwa der Hälfte der Fall. Residuell kann eine Einschränkung der Lungenfunktion sein.
Klinik Die Symptome im Anfangsstadium sind unspezifisch, später stehen sie in Abhängigkeit zum betroffenen Organ. Unterschiedenen wird der akute und der chronische Verlauf. Bei der akuten Form der Sarkoidose, auch Löfgren-Syndrom genannt, entwickeln sich ein Erythma nodosum, Monarthritis und vergrößerte hiläre Lymphknoten bevorzugt bei jungen Frauen. Begleitend bestehen grippeähnliche Symptome wie Fieber, Husten, verminderte Leistungsfähigkeit. Der chro-
567 19.8 · Immunologische Erkrankungen
. Abb. 19.76. Schematische Darstellung der Sarkoidose vom Typ I–III
nische Verlauf ist meist von unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit, Husten, Abgeschlagenheit etc. charakterisiert. Häufig wird die Diagnose als Zufallsbefund bei einer Thoraxaufnahme gestellt. Des Weiteren kann es zu einem Befall peripherer Lymphknoten, der Augen mit Iridozyklitis und Uveitis, des Nervensystems, der Nieren und des Myokards sowie Granulombildung in Narbengewebe kommen.
Bildgebung Am häufigsten sind die intrathorakalen Lymphknoten betroffen. Diese stellen sich im Röntgenthorax als hiläre Asymmetrien (. Abb. 19.77) mit traubenartigem Muster bzw. Verschattung des aortopulmonalen Fensters dar. Diese Lymphknoten können auch mit zunehmender Krankheitsdauer verkalken. Intrapulmonal kann eine Sarkoidose vielfältige morphologische Veränderungen verursachen. Bei Diagnosestellungen liegen bei einem Teil der Patienten intraparenchymale Auffälligkeiten vor. Diese können sich in der CT wie folgt darstellen: 4 Bilaterale, flächige, milchglasartige Verschattungen mit irregulärer Kontur und ohne charakteristisches Verteilungsmuster 4 Begleitende feinnoduläre, interstitielle Läsionen entlang der Bronchien 4 Apikal betonter Befall ähnlich bei einer Tuberkulose möglich 4 Retikulonoduläres Bild, meist bilateral und symmetrisch 4 Rundherdartige Veränderungen mit Tendenz zum Einschmelzen möglich 4 Irreversible, nach apikal ziehende perihiläre Fibrosebänder mit Ausbildung von Traktionsbronchiektasen und/oder Bullae 4 Übergang in eine Honigwaben-Lunge 4 In seltenen Fällen Pleurabefall mit begleitendem Pleuraerguss Als Komplikation sind Kompression von Gefäßen oder bronchialen Strukuren möglich.
Radiologisch werden 3 Stadien unterschieden 4 Typ I: – Bihiläre Adenopathie mit verplumpten, glattbegrenzten Hili (. Abb. 19.77). – Verbreiterter Mediastinalschatten bei mediastinalen Lymphomen – Lymphknoten teilweise verkalkt – Selten begleitende Alveolitis mit milchglasartiger Parenchymzeichnung – Spontan reversibel 4 Typ II: – Hilusnahe, kleine Granulome – Verstärkte intersitielle, teils retikulären Zeichnung – Begleitende kleine Noduli – In Einzelfällen großnoduläre Veränderungen, die nicht von einem Bronchialkarzinom abzugrenzen sind. – Gleichzeitig Rückläufigkeit der hilären Lymphome. – In der CT max. 2 mm große, perivaskuläre und peribronchiale Granulome, die eine Lymphangiosos carcinomatosis simulieren können. 4 Typ III: – Übergang in eine irreversible, zentralbetonte Lungenfibrose – Von den Hili ausgehende streifige Zeichnungsvermehrung – Honigwabenmuster
Weitere Diagnostik Nach einem auffälligen Röntgenbild kann eine BAL angestrebt werden. Dort zeigt sich makroskopisch eine pflastersteinartige Musterung der Bronchialschleimhaut. Die Lymphozyten sind auf ca. 50% der Zellen erhöht, wobei die T-Lymphozyten mit mehr als zwei Dritteln überwiegen. Je höher der CD4/CD8-Quotient ist, desto wahrscheinlicher ist eine Sarkoidose. Im Gegensatz dazu ist der DC4/DC8-Quotient bei einer Silikose erniedrigt. Laborchemisch zeigen sich eine erhöhte BSG, IgG und Angiotensin converting enzyme. Zur Aktivitätsbeurteilung kann eine Galliumszintigraphie in Kombination mit einem angehobenen
19
568
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
a
b
. Abb. 19.77a–c. Sarkoidose. a Sarkoidose Typ I, Röntgenthorax p. a., bihiläre Lymphadenopathie (Pfeile) mit verplumpten, glatt begrenzten Hili beidseits. b Sarkoidose Typ III, Röntgenthorax p. a., Hilusverbreiterung beidseits und interstitielle Fibrosierung mit Honigwabenmuster. c Sarkoidose Typ III, CT, diffuse Infiltration beidseits hilär mit interstitieller Beteiligung
ACE-Spiegel verwendet werden. Dabei eignet sich die Bestimmung des ACE als Verlaufskontrolle. Außerdem sollten weitere, organbezogene Untersuchungen stattfinden und eine Tuberkulose ausgeschlossen werden. Eine endgültige Diagnose ist in einigen Fällen nur durch den histologischen Nachweis der nichtverkäsenden Granulome mittels Biopsie möglich.
19
> Der Kveim-Test wurde früher zur Diagnose einer Sarkoidose durchgeführt. Dabei wurde pasteurisiertes Sarkoidosegewebe subkutan injiziert. Bei einer aktiven Sarkoidose entwickelt sich bei etwa zwei Drittel der Patienten nach einigen Wochen eine rötliche Induration, die sich histologisch als Granulom einordnen lässt. Da sich auch bei anderen, die Lymphknoten betreffenden Erkrankungen wie Tuberkulose oder Leukämie positive Ergebnisse zeigen können, wird der Test heute nicht mehr angewandt. Benannt ist der Test nach seinem norwegischen Entwickler Morten A. Kveim.
Therapie Bei symptomatischen Typ I sowie Typ II und III werden Kortikoide zur Therapie eingesetzt. Nach Ansprechen der Therapie sind Kontrolluntersuchungen über etwa 6 Monate indiziert.
19.8.7
Lymphangioleiomyomatose
Definition, Pathogenese Bei der Lymphangioleiomyomatose (LAM), die fast ausschließlich jüngere Frauen zwischen 30 und 40 Jahren befällt, handelt es
c
sich um eine unkontrollierte Vermehrung von atypischen, glatten Muskelfasern in der Lunge, den Bronchien und dem Lymph-/Gefäßsystem; sie wurde 1937 das erste Mal beschrieben. Es kommt zur Einengung der Bronchiolen durch peribronchial proliferierte Muskelzellen mit Ausbildung von Emphysemblasen. Begleitend sind die intrapulmonalen Gefäße betroffen, was zur pulmonalen Hypertonie führt. Gelegentlich zeigt sich der Ductus thoracicus erweitert. Die LAM kann auch extrapumonale Organe wie Uterus, Nieren und Pankreas befallen. Häufig beobachtet werden begleitende Angiomyolipome der Nieren. Es werden 2 Typen der LAM unterschieden. Es gibt eine sporadisch auftretende Variante, die sehr selten ist und eine Variante, die bei Patienten auftritt, die von tuberöser Sklerose betroffen sind. Bei der sporadischen Variante konnten atypische Östrogenrezeptoren im Lungengewebe oder in den extrapulmonal betroffenen Organen nachgewiesen werden. Die Prognose ist mit einer mittleren Überlebenszeit von ca. 10 Jahren nach Erstdiagnose schlecht.
569 19.10 · Alveoläre Mikrolithiasis
Therapie Eine kausale Therapie existiert nicht. Bisher werden die Patientinnen bei mäßigem Erfolg mit Medroxyprogesteron behandelt. Ein weiterer Therapieversuch ist die die medikamentöse Behandlung mit Rapamycin. Endgültig hilft nur die Organtransplantation.
19.9
. Abb. 19.78. Lymphangioleiomyomatose, CT Lungenfenster. Retikulonoduläres Muster der Lunge, Übergang zu Honigwabenmuster
Klinik Klinische Symptome können den radiologischen Befunden lange vorausgehen; es können sich eine progrediente Dyspnoe, ein Spontanpneumothorax sowie ein Chylothorax entwickeln.
Diagnose, Bildgebung Es gibt keine richtungsweisende Laborkonstellation oder charakteristische Lungenfunktionsuntersuchung. Differenzialdiagnostisch muss bei einer computertomographisch nachgewiesenen Zystenbildung eine Histiozytose X ausgeschlossen werden (. Abb. 19.78). Die zystischen Veränderungen der LAM weisen jedoch keine apikale Betonung wie bei der Histiozytose auf. Außerdem muss ein Lungenemphysem abgegrenzt werden, was im Frühstadium der Erkrankung schwer ist. > Die endgültige Diagnose muss dann mittels Lungenbiopsie gestellt werden. Thorax:
4 4 4 4
Retikulonoduläres Muster Begleitender Pleuraerguss oder Pneumothorax Übergehen in ein Honigwabenmuster Diskrete Zunahme des Lungenvolumens
Im HR-CT können sich auch bei noch unauffälligen Röntgenthorax charakteristische Veränderungen zeigen. In der Frühphase ergibt sich ein Bild ähnlich dem eines Emphysems: über die gesamte Lunge gleichmäßig verteilte dünnwandige, polygonale Zysten mit einer Wandstärke von bis zu 2 mm und einer Größe von ca. 5 cm im Durchmesser, selten größer. Das Restparenchym ist unauffällig. Gelegentlich kommt es zur Verdickung des Interstitiums bei Beteiligung der lymphatischen Strukturen, dann sind begleitender Pleuraerguss und Kerley-Linien möglich.
Neurokutane Syndrome (Neurofibromatose, tuberöse Sklerose)
Unter einem neurokutanen Syndrom versteht man erbliche Defekte, die mit mesenchymalen und neuroektodermalen Veränderungen verknüpft sind. Hierzu zählen die Phakomatosen wie die Neurofibromatose Recklinghausen, Sturge-Weber-KrabbeSyndrom, Bourneville-Pringle-Syndrom und das von-HippelLindau Syndrom. Weitere neurokutane Syndrome sind z. B. das Leschke-Syndrom, Mafucci-Syndrom, Klippel-Trenaunay-Syndrom, Morbus Osler-Weber-Rendu oder das Peutz-Jeghers Syndrom. Insbesondere bei der Neurofibromatose und beim Bourneville-Pringle-Syndrom kann es zu einer Lungenbeteiligung kommen. Bei der Neurofibromatose handelt es sich um eine autosomal-dominant vererbte Erkrankung. Hierbei kommt es zur Bildung von Fibromen entlang der peripheren Nerven, kutanen Fibromen und den charakteristischen Café au lait-Flecken. Bei etwa 20% der betoffenen Patienten tritt ein Befall des Lungenparenchyms im Sinne einer fibrosierenden Alveolitis auf. In Einzelfällen kann diese in eine ausgedehnte, zentral betonte Fibrose mit bullösen Veränderungen übergehen. Ebenfalls können Mediastinum und Thorax von der Erkrankung betroffen sein. Dann kommt es im mittleren und hinteren Mediastinum ebenso wie entlang der Thoraxwand zur Neurofibrombildung. Bei der tuberösen Sklerose handelt es sich um eine seltene, autosomal-dominant vererbte Erkrankung, die in den meisten Fällen vor dem 20. Lebensjahr zum Tode führt. Beim Vollbild der Erkrankung zeigen sich neben dem Adenoma sebaceum eine Epilepsie und mentale Retarierung. In nur äußerst seltenen Fällen kommt es zum Befall des Lungenparenchyms mit einer der Lymphangioleiomyomatose ähnlichen Ausprägung.
19.10
Alveoläre Mikrolithiasis
Definition, Pathogenese Bei der alveolären Mikrolithiasis handelt es sich um eine seltene, in etwa der Hälfte der Fälle vererbbare Erkrankung. Es kommt zu einer intralveolären Anreicherung von kalziumphosphathaltigen Mikrolithen mit reaktiver Fibrosierung des umgebenden, interstitiellen Gewebes. Charakteristisch ist eine teils erhebliche Varianz zwischen dem ausgeprägten radiologischen und relativ blanden klinischen Bild.
19
570
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
Bildgebung Im Röntgenthorax stellt sich eine »Sandsturmlunge« mit basal betonten, kleinknotigen, kalkdichten Verdichtungen; typisch ist ein Verwischen der mediastinalen Konturen bei ausgeprägten Verschattungen. Im CT zeigen sich zentroazinäre Mikrolithen mit interstitieller Fibrosierung sowie ein milchglasartiger Eindruck bei dichtem Beeinanderliegen der Mikrolithen.
19.11
. Tab. 19.20. Treffsicherheit zur Lungenherddiagnostik (Aus: Diederich 1999; Am J. Röntgenol 172:53; Kersjes 1999, Radiology)
Rundherde
Konventionelle Röntgendiagnostik
CTDiagnostik
MRTDiagnostik
<6 mm
Extrem niedrig
Ca. 70%
Gering
6–10 mm
50%
95%
95%
>10 mm
ca. 100%
100%
100%
Alveolarproteinose
Definition, Pathogenese Bei der Alveolarproteinose handelt es sich um eine intraalveoläre Anreicherung von protein- und phospholipidreichem Material, welches unterschiedlichen Thesen nach, entweder vermehrt von den Alveolamarkrophagen produziert oder vermindert resorbiert wird. Es sind bevorzugt Männer ohne charakteristisches Altersmaximum betroffen. Es gibt jedoch auch kindliche Formen.
Klinik Die Symptomatik ist unspezifisch mit progredienter Dyspnoe, Müdigkeit, Gewichtsverlust und Hypoxie. Es zeigen sich diskrete restiktive Veränderungen in den Lungenfunktionstests; häufig kommt es zu Infekten mit Problemkeimen.
Bildgebung Röntgen: es zeigen sich ein zentral betontes, perihiläres Verdich-
tungsmuster mit retikulärer Komponente sowie randständige noduläre Veränderungen. Infiltrate können ortsunbeständig sein und in ihrer Lokalisierung wechseln. CT: hier sieht man milchglasartige Verschattungen, ein begleitendes retikuläres Muster. Pathologisch veränderte Areale wechseln sich mit völlig unauffälligen Abschnitte ab; zudem zeigen sich verdickte interlobäre Septen.
Therapie Eine kausale Therapie existiert nicht. Mittel der Wahl ist die therapeutische bronchoalveoläre Lavage, die ggf. mehrfach durchgeführt werden muss.
19
19.12
Neoplasien
19.12.1
Typische Befunde für Neoplasien
Rundherde Die moderne Diagnostik von Lungenrundherden beruht auf dem Unterschied zwischen Gewebeeigenschaften des normalen Lungenparenchyms und der verschiedenen Lungenrundherde (Kap. 19.4.3) (. Tab. 19.20). Die moderne Schnittbilddiagnostik basiert auf der hohen räumlichen Auflösung der MehrschichtCT wie auch der in Zukunft eingeführten CT unter Einsatz von digitalen Flachbilddetektoren. Dabei stellt sich insbesondere die Fragestellung nach dem Screeningeinsatz dieses Verfahren, insbesondere bei risikoexponierten Personen.
Für die Diagnostik von Tumoren der Lunge gilt neben der Detektion insbesondere die Erfassung der exakten Differenzialdiagnose als wichtige Aufgabenstellung radiologischer Diagnostik (. Abb. 19.79 bis . Abb. 19.81). Die Differenzialdiagnose von Lungenrundherden umfasst damit einmal die Differenzierung der möglichen Ätiologie (. Tab. 19.25). Dies basiert auf den morphologischen Kriterien, z. B. Lungenmetastasen, auf der Basis der CT, der Analyse der KM-Applikation sowie der Tumor-Volumetrie in der Verlaufskontrolle. Differenzialdiagnostisch müssen bei Lungenrundherden die häufigsten benignen Pathologien differenziert werden – wie intrapulmonale Lymphknoten, fokale Infektionen, verschiedene Formen von Granulomen und gutartige Tumoren wie das Harmatom (. Tab. 19.21). Die häufigsten primär malignen Prozesse stellen das Bronchialkarzinom, das Karzinod und der maligne Lymphombefall dar. Zur Differenzialdiagnose der einzelnen Herde helfen das Verteilungsmuster, die Lokalisation und die Morphologie (. Tab. 19.25). Als Charakteristikum pulmonaler Lymphknoten findet sich eine Verteilung basal und die Form und Größe bis max. 12 mm. Durch die Analyse von computertomographischen Schichten im Weichteilfenster, vor und nach Applikation von Kontrastmittel, können mittels Messungen so genannter »regions of interest« (ROI), der Dichteunterschied vor und nach Kontrastmittelapplikation analysiert werden. Dabei gelten nach den derzeitigen Literaturkriterien eine Kontrastmittel-Enhancement von >15 HE-Einheiten als prinzipiell malignomverdächtig (. Tab. 19.22). Wenn man diesen Stellenwert zugrunde legt, können Sensitivitäten bis 98% und eine Spezifität bis 58% dokumentiert werden. Ein wesentliches Kriterium der Differenzialdiagnose bei Lungenrundherden ist die Erfassung der Tumorvolumetrie. Dabei wird zugrunde gelegt, dass eine Tumorverdopplungszeit für maligne Tumoren zwischen 20 und 400 Tagen beträgt. Die Standardabweichung beträgt dabei 7–2800 Tage. Als Kriterium für benigne Läsionen gilt dabei die Dokumentation einer fehlenden Volumenzunahme als Charakteristikum für Granulome, rasche Volumenzunahme für entzündliche Prozesse (. Tab. 19.22, . Tab. 19.23). Eine sehr langsame Größenzunahme wird bei intrapulmonalen Lymphknoten, wie auch Harmatomen beobachtet. Grundsätzlich gilt, dass rasch größenprogrediente Rundherde in erster Linie entzündlichen Prozessen zuzuordnen sind.
571 19.12 · Neoplasien
. Tab. 19.21. Differenzialdiagnostische Kriterien bei Lungenrundherden
Benigne
Maligne
Intrapulminale Lymphknoten (meist peripher, basal gelegen, oval)
Bronchialkarzinome
Fokale Infektionen (Tbc, Varizellen, Histioplasmose)
Sonstige Karzinome
Granulome
Malignes Lymphom
. Tab. 19.25. Lungenrundherde
Typische bildgebende Kriterien
Atypische bildgebende Kriterien
Konfiguration
Rund
Stellär
Begrenzung
Scharf
Unscharf
Dichte
weichteildicht
Verkalkt (Osteosarkom, Ovarialkarzinom nach Therapie)
Lokalisation
Peripher (92%) Perivaskulär Perilymphatisch Basal
Zentral
Charakteristika
Keine Einschmelzung
Spontan, Einschmelzung nach Therapie
. Tab. 19.22. Differenzialdiagnostische Kriterien bei Lungenmetastasen
Hinweise für Malignität Kontrastmittelanflutung
> 15 HE
Sensivität
98%
Spezifität
58%
NPV
96%
Größenzunahme Range
Tumorverdopplungszeit 20–400 Tage 7–2800 Tage
. Tab. 19.26. Übersicht über die CT-Densitometrie
. Tab. 19.23. Differenzialdiagnostische Kriterien bei benignen Lungenherden
Häufig
Selten
Sehr selten
Verkalkte Granulome (zentral diffus)
Bronchialkarzinome
Schleimpfröpfe
Karzinoide
Metastasen
Sklerosierende Hämangiome
Fett
Hamartome (gelegentl. mit Verkalkungen)
Lipoidpneumonie
Flüssigkeit
Abszess
Bronchogene Zyste
Verkalkungen
Volumenänderung
Differenzialdiagnose
Keine Volumenzunahme
Granulom
Iod
Amiodaroneinnahme
Rasche Volumenzunahme
Entzündlich
Metastasen
Sehr langsame Volumenzunahme
Lymphknotenhamartom
Enhancement
Parasiten
Bronchialkarzinome Karzinoide AV-Malformationen
. Tab. 19.24. Verkalkte Rundherde
Teilverkalkte Lungenmetastasen
Primärtumoren
Endobronchiale Metastasen
5 5 5 5 5 5 5
5 5 5 5 5 5 5
5 5 5 5 5
Mammakarzinom Osteosarkom Chondrosarkom Papilläres Schilddrüsenkarzinom Ovarial- und Hodenkarzinom Muzinöses Adenokarzinom Metastasen unter Bestrahlung/Chemotherapie
Plattenepithelkarzinom Sarkom Kolonkarzinom Melanom Transitionalzellkarzinom Zervixkarzinom Metastasen unter Chemotherapie
Bronchialkarzinom Lymphom Nierenzellkarzinom Mammakarzinom Kolonkarzinom
19
572
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
. Abb. 19.79. Pleuraständiger Rundherd links dorsobasal, MRT. T2-gewichtete Sequenz, inhomogenes hohes Signal; Reizzustand der Pleura medial (Pfeilspitzen)
. Abb. 19.80. Multiple, glatt begrenzte Rundherde bei bekannter intrapulmonaler Metastasierung eines Nierenzellkarzinoms, CT, Lungenfenster
Lungenrundherddiagnostik Die Charakterisierung detektierter Lungenrundherde beruht derzeit auf der Mehrschicht-CT, obwohl die Spezifität immer noch weiterhin eingeschränkt ist. Die Informationen über pulmonale Rundherde mittels CT sind limitiert durch die Grenzen der räumlichen Auflösung. Artdiagnostische Zuordnung. Die Differenzialdiagnostik erlaubt eine artdiagnostische Zuordnung bei charakteristischen Befunden. Rundherde mit hohen Fettanteilen kann man mit sehr hoher diagnostischer Sicherheit Harmatomen zuordnen. Rundherde mit einem großen Anteilen an scholligen verkalkten Anteilen sind meist als verkalkte Granulome zu werten, wenn sie kein relevantes KM-Enhancement (>15 HE) aufweisen. Im Gegensatz muss bei scholligen Verkalkungen und endobronchialer Lage, bei deutlichem Enhancement ein Karzinoid stets ausgeschlossen werden. Bei bizarren Verkalkungsmustern ohne Weichteilanteil müssen Metastasen eines Osteosarkoms differenzialdiagnostisch erwogen werden.
19
Größe und Wachstum des Rundherdes. Ein weiteres Merkmal zur Einordnung eines Befundes stellt die Größe der Herde dar. Als Faustregel gilt ein zufällig entdeckter solitärer Rundherd mit einer Größe <10 mm als eher benigne zu werten. Ein solitärer Rundherd mit einem Durchmesser <30 mm als malignitätsverdächtig. Die Wachstumsgeschwindigkeit eines Rundherdes kann weiterhin für die Differenzierung von Befunden berücksichtigt werden. Für benigne Tumoren liegt die Volumenverdopplung bei etwa 300–700 Tage, bei malignen Befunden zwischen 30–400 Tagen. > Als allgemeine Faustregel gilt, dass eine Volumenverdopplung von <30 Tagen oder >500 Tagen mit hoher Sicherheit auf benigne Veränderungen hinweist.
. Abb. 19.81. Lipoidpneumonie, CT. Diffuse, flächige, destruierende Infiltration der Lunge basal links mit zentraler Verdichtung (Pfeile)
Außenkontur. Ein weiteres wichtiges Kriterium für die Differenzierung für benigne Tumoren stellt die Außenkontur eines Herdes dar; bei narbigen Veränderungen muss ein überwiegender Anteil der Randung konkav verlaufen, finden sich als nur sehr wenige Vorwölbungen. Proliferierende Befunde zeigen dagegen eine überwiegend konvexe Außenkontur. Weitere Kriterien. Rundherde mit zusätzlichen Kriterien wie
einem »Feeding vessel Zeichen« können diagnostisch erschwert zugeordnet werden, eine sichere Differenzierung benigne versus maligne ist nicht möglich. Dennoch muss die Differenzialdiagnose auch einen intrapulmonalen Rheumaknoten beinhalten sowie eine arteriovenöse Malformation.
573 19.12 · Neoplasien
Im Rahmen serieller CT-Untersuchungen wurde auch das Kontrastmittel-Enhancement als Unterscheidungsmerkmal be-
nigne/maligne gewertet. Dabei konnte gezeigt werden, dass benigne Herde in der Regel einen Mittelwertanstieg nach Kontrastmittelgabe von <5 HE über 4 min aufweisen, während bei malignen Befunden ein deutlich stärkeres Kontrastmittel-Enhancement mit 38 HE nachweisbar ist. Bei Wahl eines genannten Grenzwerts von 15 HE lässt sich eine Sensivität von 98%, eine Spezifität von 58 %, eine Genauigkeit von 77% erreichen. Daher ergeben sich folgende Möglichkeiten der Wertung benigner/maligner Befunde: 4 Benigner Befund: <15 HE-Enhancement 4 Grauzone: 16–25 HE-Enhancement 4 Maligner Befund: >25 HE-Enhancement Die MRT zur Charakterisierung von Lungenrundherden noch nicht weitgehend evaluiert. Derzeit erfolgen einzelne prospektive Untersuchungen um die Wertigkeit gegenüber der CT genauer zu erfassen. Der Einsatz der Positronemissionstomographie (PET) erlaubt die Aquivisition von weiteren zusätzlichen Informationen über die Stoffwechselaktivität eines Befundes. Allerdings können sowohl maligne wie benigne Veränderungen mit hohem Stoffwechsel im PET positiv visualisiert werden. Ein weiteres Kriterium zur Evaluation von Lungenrundherden ist die Frage der Häufigkeit: Solitäre Lungenrundherde sind in den meisten Fällen Granulome, in absteigender Häufigkeit folgen das Bronchialkarzinom, das Hämatom und die Metastase. Die Treffsicherheit zur Lungenrundherddiagnostik in der konventionellen Röntgendiagnostik liegt für Rundherde <6 mm extrem niedrig; dieser Wert ist lediglich erhöht, wenn die Rundherde verkalkt sind. Bei einem Durchmesser von 6–10 mm werden ca. 50% in der konventionellen Übersichtsaufsnahme erkannt, bei Rundherden >10 mm nahezu 100%. Die optimale Treffsicherheit zur Detektion von Rundherden wird mit Einsatz der CT erzielt. Die CT-Diagnostik erlaubt dabei für Läsionen <6 mm eine Treffsicherheit von ca. 70%, die steigert sich auf 100% bei Rundherden >6 mm. Problematisch erscheint die Diagnostik bei einzelner zentral perivaskulär gelegenen Rundherdformationen. Die Treffsicherheit der Kernspintomographie liegt niedriger für Läsionen <6 mm, sie steigt bis auf Werte von 83% und 100% der Läsionen bei einem Durchmesser >6 mm.
Interventionelle Abklärung von Rundherden Zur Abklärung von unklaren Lungenrundherden kommen prinzipiell diagnostische und interventionelle radiologische Verfahren infrage. Mithilfe der CT erweist sich die Durchführung einer perkutanen Biopsie als effektiv (. Abb. 19.82, . Abb. 19.83), entweder als Feinnadelaspiration oder als Rotationsbiopsie (z. B. halfcore). Für die perkutane Biopsie ist dabei zu beachten, dass ein möglichst kurzer Punktionskanal durch das Lungenparenchym beachtet werden sollte, möglichst ein Auftreffwinkel senkrecht zur Pleura eingehalten und die Punktion durch entzündliche Prozesse vermieden werden sollte. Relative Kontraindikation zur
Durchführung einer Biopsie sind massive Interlobärsepten im Punktionskanal, die Reduktion der Lungenfunktion, eine funktionelle Einzellunge und insbesondere Zeichen der pulmonalen Hypertonie. Nach sachkundiger Aufklärung müssen die Risiken der Thoraxpunktion beachtet werden. Das Risiko der Entwicklung eines diagnostisch verifizierbaren Pneumothorax liegt zwischen 30– 50%. Therapierelevant ist der Pneuthorax mit 3–4%. Minimal findet sich bis zu 70% eine Einblutung in das Lungenparenchym, Hämoptysen lediglich bei 2–4%, Luftembolien bei deutlich weniger als 1%. Mit Entwicklung minimal invasiver thermoablativer Techniken ist auch die Behandlung von Lungentumoren, wie Lungenmetastasen und Bronchialkarzinomen, weiter entwickelt. Zur Planung von interventionellen Lungeneingriffen müssen dabei folgende Voruntersuchungen erfolgen: 4 Alters- und therapierelevante Vorgänge müssen evaluiert werden. 4 Aufklärung über Umfang und Risiken des genannten Eingriffs muss erfolgen. 4 Funktionelle Einschränkungen müssen beachtet werden: durch eine Lungenfunktionsanalyse, ggf. ergänzt durch Untersuchung der Lungenperfusion und auch der funktionellen Aspekte der Atemmuskulatur.
Perkutane thermoablative Therapie von Lungentumoren Zur Therapie von primären oder sekundären Lungenrundherden kommen primär operative oder radioonkologische Verfahren wie die Radiatio zum Einsatz. Bei primärer Inoperabilität kann die interventionelle Radiologie auf dem Gebiet der interventionellen Onkologie mehrere Therapieverfahren anbieten: die superselektive regionale pulmonalarterielle Chemotherapie (TPCE) oder die Thermoablation von Lungentumoren >3 cm mittels Techniken, wie der CT-gesteuerten Radiofrequenzablation (RFA), die laserinduzierte Thermotherapie (LITT) oder die Mikrowellenablation (MWA). Dabei lassen sich lokale Ortskontrollraten von >85% bei Tumoren <3 cm und einer Anzahl von <3 Herden. Therapieplanung: 4 Alters- und therapierelevante Vorerkrankungen 4 Aufklärung über Umfang und Risiken des geplanten Eingriffs 4 Atemphysiolgische Einschränkungen 4 Lungenfunktionsanalyse: 5 Atem-flow-Messung: Spirometrie 5 FEV1 5 Lungenperfusion 5 Arterielle Blutgase 5 Spiroergometrie
19.12.2
Benigne Tumoren der Lunge
Benigne Tumoren der Lunge sind sehr selten. Die Diagnose kann oft nur histologisch gestellt werden. Zu finden sind Papillome, Lipome, Neurofibrome, Hamartome, Hämangiome, Endometriose.
19
574
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
a b
c
19
d
. Abb. 19.82a–d. Raumforderung im vorderen Mediastinum. Diagnose: Magenhochzug nach Kardiakarzinom, jetzt Verdacht auf Rezidiv. a Röntgenthorax p. a. Rechts: Spiegel und Luftnachweis bei Zustand nach Magenhochzug, zusätzlich Verdacht auf Lungenmetastase (Rundherd R). Links: Raumforderung kranial des Aortenbogens (Pfeilspitze). b seitlich: Verifikation
des Magenhochzugs ventral als strahlentransparente Zone (Pfeile). c In der MRT lufthaltiger Magenhochzug rechts mediastinal (Pfeile); zusätzlich randständiger, KM-aufnehmender Herd mediastinal. d CT-gesteuerte Biopsie eines Tumorrezidivs sowie Lungenrundherd rechts (R)
Hamartom Definition
(. Abb. 19.84). Es stellen sich grob schollige Verkalkungen ähnlich Popcorn mit zunehmender Größe bei knorpeligen Anteilen dar. Je nach Zusammensetzung des Tumors ist ein Kontrastmittel-Enhancement in der CT möglich.
Hamartome sind relativ häufig vorkommende gutartige Mischtumoren ohne infiltratives Wachstum. In der Lunge bestehen sie aus Fibrozyten und Zellen, die sich von den Bronchialwänden ableiten wie Chondrozyten, glatte Muskelzellen oder Fett.
Bildgebung In der Bildgebung finden sich lobulierte Rundherde <4 cm, die in der Peripherie liegen und meist unilateral auftreten
> Wichtig ist in der CT die Darstellung von fettigen Anteileninnerhalb der Läsion (somit ist eine maligne Veränderung nahezu ausgeschlossen).
575 19.12 · Neoplasien
a
. Abb. 19.84. Hamartom. Röntgenthorax p.a., glatt begrenzter Befund mit hoher Dichte im Lungenmittelfeld links (Pfeile)
chial-, Mamma-, Magen- und Prostatakarzinomen über eine hämatogene Ausbreitung zu beobachten. Die Prognose ist mit und ohne Behandlung schlecht.
Klinik Es herrscht eine unspezifische Klinik mit trockenem Husten und Abgeschlagenheit vor. Nicht selten ist die Lymphangiose völlig symptomlos.
Bildgebung Thorax: b . Abb. 19.83a, b. Rundherd. a Im CT glatte Begrenzung, homogene Struktur, histologisch Pleurafibrom. b CT-gesteuerte Punktion: Verifikation der ausgefahrenen Punktionsnadel innerhalb der Raumforderung
Hämangiome Hämagiome imitieren meist periphere Rundherde, die häufig zu Fehldiagnosen wie z. B. Metastasen führen können. Der Nachweis einer Verbindung zu größeren Gefäßen gelingt nur selten.
19.12.3
Maligne Erkrankungen der Lunge
Lymphangiosis carcinomatosa Definition, Pathogenese Bei einer Lymphangiose kommt zu einem generalisierten Befall der Lymphgefäße mit malignen Zellen. Häufig ist dies bei Bron-
4 4 4 4
Interstitielle bis retikuläre Zeichnung Kerley-B-Linien Begleitender Pleuraerguss auf der betroffenen Seite Meist einseitig
CT:
4 Relativ homogen verdickte bronchovaskuläre Strukturen perihilär 4 Hervortreten der interlobären Septen bei sonst normaler Lungenarchitektur 4 Teils eingelagerte Noduli Bei Tumorbefall der mediastinalen Lymphknoten kommen diese vergrößert zur Darstellung; häufig findet sich zudem ein begleitender Pleuraerguss. Differenzialdiagnostisch müssen andere Erkrankungen mit Beteiligung des Interstitiums wie ein Lungenödem oder die Sarkoidose abgegrenzt werden.
19
576
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
a
. Abb. 19.86. Bronchialkarzinom. CT, Lungenfenster
Staging/Klassifikation Staging mittels bildgebender Diagnostik
Die Kenntnis der aktuellen TNM-Klassifikation zum Staging des Bronchialkarzinoms stellt eine der Voraussetzungen dar zur Interpretation. > Die Klassifikation gilt nur für Karzinome, histologische Diagnosesicherung und Unterteilung der Fälle nach histologischem Typ sind erforderlich.
b . Abb. 19.85a, b. Lymphangiosis carcinomatosa. a Röntgenthorax p.a., diffuse flächige Infiltration beidseits konfluierend (links>rechts). b CT, Lungenfenster, diffuse interstitielle Verdichtungen beidseits
Bronchialkarzinom
19
Für die Diagnostik, Differenzialdiagnostik und Therapieverlaufskontrolle von primären Neoplasien der Thoraxorgane kommt den bildgebenden Verfahren eine entscheidene Bedeutung zu (. Abb. 19.86, . Abb. 19.87), neben den klinischen Verfahren wie der Bronchoskopie oder Mediastinoskopie. Die konventionelle Röntgendiagnostik ist bezüglich der Informationen begrenzt, der CT und in einzelnen Fällen der MRT kommen als Aufgabenstellung die primäre Diagnostik und Therapieverlaufskontrolle zu. Das Bronchialkarzinom stellt dabei die häufigste Tumorerkrankung des männlichen Geschlechts mit hohen Anforderungen an die Diagnostik dar. Neben der frühen Detektion sind insbesondere die therapierelevanten Kriterien durch die bildgebenden Verfahren zu erarbeiten. Dies betrifft die Fragestellung der Resektabilität, des Therapieansprechens auf die Radiatio oder Chemotherapie und die frühzeitige Rezidivdiagnostik.
Verfahren zur Bestimmung der T-, N- und M-Kategorien sind (. Tab. 19.27, . Tab. 19.28): 4 T-Kategorien: Klinische Untersuchung, bildgebende Verfahren, Endoskopie und/oder chirurgische Exploration 4 N-Kategorien: Klinische Untersuchung, bildgebende Verfahren, Endoskopie und/oder chirurgische Exploration 4 M-Kategorien: Klinische Untersuchung, bildgebende Verfahren, Endoskopie und/oder chirurgische Exploration Anatomische Unterbezirke sind: 4 Hauptbronchus (C34.0) 4 Oberlappen (C34.1) 4 Mittellappen (C34.2) 4 Unterlappen (34.3) Regionäre Lymphknoten sind die intrathorakalen, Scalenus-
und supraclaviculären Lymphknoten. Klinische Klassifikation
Für die Klassifikation des Primärtumors (T) gelten die in . Tab. 19.27 dargestellten Definitionen, für N und M . Tab. 19.28. Pathologische Klassifikation
Die Kategorien pT, pN und pM entsprechen den Kategorien T, N und M. 4 pN0: Regionäre Lymphadenektomie und histologische Untersuchung üblicherweise von 6 oder mehr Lymphknoten.
577 19.12 · Neoplasien
. Tab. 19.27. Bronchialkarzinom: Klassifikation des Primärtumors (T)
a
TX
Primärtumor kann nicht beurteilt werden oder Nachweis von malignen Zeilen im Sputum oder bei Bronchialspülungen, jedoch Tumor weder radiologisch noch bronchoskopisch sichtbar
T0
Kein Anhalt für Primärtumor
Tis
Carcinoma in situ
T1
Tumor 3 cm oder weniger in größter Ausdehnung, umgeben von Lungengewebe oder viszeraler Pleura, kein bronchoskopischer Nachweis einer Infiltration proximal eines Lappenbronchus (Hauptbronchus frei)
T2
Tumor mit wenigstens einem der folgenden Kennzeichen hinsichtlich Größe oder Ausbreitung 5 Tumor >3 cm in größter Ausdehnung 5 Tumor befällt Hauptbronchus, 2 cm oder weiter distal der Carina 5 Tumor infiltriert viszerale Pleura 5 Assoziierte Atelektase oder obstruktive Entzündung bis zum Hilus, aber nicht der ganzen Lunge
T3
Tumor jeder Größe mit direkter Infiltration einer der folgenden Strukturen: Brustwand (einschließlich der Sulcus-superior-Tumoren), Zwerchfell, mediastinale Pleura, parietales Perikard; oder Tumor im Hauptbronchus <2 cm distal der Carina, aber Carina selbst nicht befallen oder Tumor mit Atelektase oder obstruktiver Entzündung der ganzen Lunge
T4
Tumor jeder Größe mit Infiltration wenigstens einer folgenden Strukturen: Mediastinum, Herz, große Gefäße, Trachea, Ösophagus, Wirbelkörper, Carina; vom Primärtumor getrennte Tumorherde im gleichen Lappen; oder Tumor mit malignem Pleuraerguss
b
. Tab. 19.28. Bronchialkarzinom: N- und M-Klassifikation Klassifikation der regionären Lymphknoten (N)
c . Abb. 19.87a–c. Bronchialkarzinom mit Pulmonalisstenose. a CT, Weichteilfenster. Diffus infiltrierendes zentrales Bronchialkarzinom mit mediastinaler Infiltration und Stenose der A. pulmonalis links (Pfeile). b MRT. T2-gewichtete Sequenz: solide signalarme Raumforderung (Pfeile) mit begleitendem Pleuraerguss (Pfeilspitzen). c MR-Angiographie (KM-MRA, FISP 3D): Verifikation der Stenose der A. pulmonalis zentral (Pfeile)
NX
Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden
N0
Keine regionären Lymphknotenmetastasen
N1
Metastase(n) in ipsilateralen peribronchialen und/oder ipsilateralen Hilus- oder intrapulmonaler Lymphknoten (einschließlich eines Befalls durch direkte Ausbreitung des Primärtumors)
N2
Metastase(n) in ipsilateralen mediastinalen und/oder subcarinalen Lymphknoten
N3
Metastase(n) in kontralateralen mediastinalen, kontralateralen Hilus-, ipsi- oder kontralateralen Scalenus- oder supraclaviculären Lymphknoten
Klassifikation der Fernmetastasen (M) Mx
Fernmetastasen können nicht beurteilt werden
M0
Keine Fernmetastasen
M1
Fernmetastasen, einschließlich vom Primärtumor getrennte Tumorherde in einem anderen Lungenlappen (ipsilateral oder kontralateral)
19
578
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
4 Wenn die untersuchten Lymphknoten tumorfrei sind, aber die Zahl der üblicherweise untersuchten Lymphknoten nicht erreicht wird, soll pN0 klassifiziert werden. Histopathologisches Grading
Hier wird wie folgt definiert: 4 GX: Differenzierungsgrad kann nicht beurteilt werden 4 G1: Gut differenziert 4 G2: Mäßig differenziert 4 G3: Schlecht differenziert 4 G4: Undifferenziert Stadiengruppierung
Je nach TNM-Klassifikation der Bronchialkarzinome ergeben sich die in . Tab. 19.29 genannten Stadiengruppierungen. Zum Staging ist weiterhin die Erfassung der Lymphknoten von wesentlicher Bedeutung. Zunächst geht es um die Differenzierung von N0 gegenüber N1, N2 und N3. Dabei gilt festzuhalten, dass normale hiläre oder mediastinale Lymphknoten in der Regel computertomographisch nur erschwert visualisierbar sind. Derzeit stehen als Kriterien die Morphologie und Größe des Lymphknotens zur Verfügung. Zentrale Nekrosen sind selten und nicht spezifisch. Es finden sich auch falsch positive Befunde bei hyperplastischen Lymphknoten, wie auch falsch negative Befunde bei Mikrometastasen. Der Einsatz der CT erlaubt dabei in der Regel eine exakte Erfassung des Zielstadiums nur in 54,1% der Fälle, des Endstadiums korrekt nur in 62–68%.
. Tab. 19.29. Stadiengruppierung des Bronchialkarzinoms
Stadium
Primärtumor
Regionäre Lymphknoten
Fernmetastasen
Okkultes Karzinom
TX
N0
M0
Stadium 0
Tis
N0
M0
Stadium IA
T1
N0
M0
Stadium IB
T2
N0
M0
Stadium IIA
T1
N1
M0
Stadium IIB
T2
N1
M0
T3
N0
M0
T1, T2
N2
M0
T3
N1, N2
M0
jedes T
N3
M0
T4
jedes N
M0
jedes T
jedes N
M1
19 Stadium IIIA
Stadium IIIB
Stadium IV
Frühere Klassifikation Bis vor kurzem wurde für die Einteilung der Kleinzelligen Bronchialkarzinome die Einteilung nach der Veterans Administration Lung Cancer Study Group verwendet. Diese wurde mittlerweile zugunsten der TNM-Klassifikation verlassen. »Limited disease« 4 Primärtumor auf einen Hemithorax begrenzt 4 Ipsilaterale hiläre Lymphknoten 4 Ipsilaterale supraclaviculäre Lymphknoten 4 Ipsilaterale und kontralaterale mediastinale Lymphknoten 4 Vorhandene Atelektase 4 Nervenschädigung wie Recurrens- und/oder Phrenicusparese 4 Kleiner Winkelerguss ohne maligne Zellen »Extensive disease« 4 Kontralaterale hiläre Lymphknoten 4 Kontralaterale supraclaviculäre Lymphknoten 4 Thoraxwandinfiltration (auch ipsilateral) 4 Pleuritis carcinomatosa 4 Pleuraerguss 4 Lymphangiosis carcinomatosa 4 Syndrom der V. cava superior 4 Kontralaterale Metastasen 4 Fernmetastasen (Leber, Gehirn, Knochen, sonstige Lymphknoten usw.)
Bedeutung der bildgebenden Verfahren zur Diagnostik und Therapieplanung Durch den Einsatz der Mehrschicht-CT mit sekundärer Rekonstruktion und zusätzlich die Möglichkeit der virtuellen Bronchoskopie können die Ergebnisse der bildgebenden Diagnostik weiter verbessert werden. Insbesondere müssen diese Daten dazu dienen, eine therapierelevante Abgrenzung von Kandidaten für die Lobektomie gegenüber denen für eine Pneumektomie zu erlauben, sowie auch die exakten Kriterien der Resektabilität zu erfassen. Faktoren, die für die Durchführung einer Pneumektomie erforderlich machen, sind die Infiltration der Pulmonalgefäße. Eine Beteiligung des Oberlappen- und Unterlappenbronchus und Infiltration des Hauptbronchus mit einer Distanz <2 cm zur Carina. Die CT-Untersuchungstechnik zur Durchführung und Analyse oder Suche nach primären bronchialen Neoplasien sollte in der Regel nach i.v.-Kontrastmittelapplikation erfolgen (60– 100 ml Kontrastmittel, Flow 2 mm/s, Delay 30–50 s/automatisierte System. Techniken zur Rekonstruktion der Daten sind von entscheidener Bedeutung wie Maximum Intensity Projection (MIP), multiplanare Rekonstruktionen (MPR) und CT-Angiographie (CTA).
Adenokarzinom Definition, Epidemiologie Häufigster Lungentumor bei Nichtrauchern. Häufig betroffen sind Frauen im mittleren Alter. Die Tumoren sind meist peripher gelegen. Die Entstehung ist unklar, relativ häufig sind Adenokarzinom jedoch in Lungenparenchymnarben zu finden.
579 19.12 · Neoplasien
a
b
. Abb. 19.88a, b. Alveolarzellkarzinom. a Röntgenthorax p.a. Flächige Verdichtung der Lunge. b CT, Lungenfenster, diffuse flächige alveoläre Infiltration
Bildgebung Röntgen:
4 Peripherer Herd 4 Langsames Wachstum, aber früher Metastasierung 4 Strahlige Ausziehungen im Sinne von Spiculae oder Corona radiata 4 Aussparung der Interlobärsepten > Die seltene Sonderform Alveolarzellkarzinom/Bronchoalveoläres Karzinom geht vom Alveolarepithel und den Bronchiolen aus (. Abb. 19.88). Die Patienten klagen über Husten, teils mit Expektoration von reichlich dünnflüssigen Schleim, Thoraxschmerzen, Hämoptysen. Im Röntgenbild zeigt sich ein solitärer Rundherd, möglich sind aber auch multiple kleine Rundherde bis hin zur flächigen Ausdehnung. Die Rundherde nehmen nach basal in Anzahl zu; es kommt zu einer pneumonieartige Ausbreitung mit flächigen Verschattungen. Große Rundherde haben teils blasige Aufhellungen oder Luftbronchogramm; sie sind teils konfluierend, rechtsseitig betont, meist bilateral und unscharf begrenzt. Im CT kann ein solitärer Herd ein positives Bronchopneumogramm zeigen, teils kommt es zu strahligen Ausziehungen mit Retraktion der Pleura sowie einem »crazy paving« mit gemischt interstitiellen-alveolären Verschattungen. Möglich ist eine pneumonie-ähnliche Ausbreitung entlang der Lungenstrukturen.
Sekundäre Veränderungen (Metastasen) Lungenmetastasen Die Diagnostik von primären und sekundären Lungenmalignomen stellt eine der wesentlichen Aufgabenstellungen der diagnostischen Radiologie dar.
Für die Diagnostik der Lungenmetastasen werden dabei als bildgebende Verfahren die Röntgenaufnahme des Thorax in 2 Ebenen und die CT in Mehrschicht-Technik, herangezogen (. Abb. 19.80, . Abb. 19.89, . Abb. 19.90). In Einzelfällen ergänzt die MRT als Bildverfahren die Diagnostik des Lungenparenchyms. Die Positronenemissionstomographie (PET, oder jetzt PET-CT) kommt im Wesentlichen für die Diagnostik zur Erfassung von mediastinalen und hilären Lymphknotenmetastasen zum Einsatz. Die Detektion eines Lungenrundherdes stellt eine besondere Herausforderung an die Kenntnisse des Radiologen dar – insbesondere in der Differenzierung von Varianten versus benignen, entzündlichen, primären und sekundären malignen Tumoren wie auch vaskulären Strukturen. In der Röntgenaufnahme des Thorax lassen sich eine oder multiple Rundherdformationen detektieren, im Rahmen einer onkologischen Diagnostik wie auch Nachsorge hat dieser Befund einen entscheidenden Einfluss auf die onkologische Therapieentscheidung. In der Regel kommt diagnostisch die CT zum Einsatz, optimiert durch die i.v.-Applikation von Kontrastmittel mit sekundär multiplanarer Rekonstruktion und volumetrischen Untersuchungen. Als typische Kriterien der Lungenmetastasierung gelten dabei die rundliche Konfiguration, die scharfe Begrenzung und das Fehlen von Einschmelzungen, sowie meistens das multiple Vorkommen. Wesentliches Kriterium stellt die Lokalisation dar. Meistens peripher lokalisiert, davon 92% der Fälle häufig perivaskulär, perilymphatisch, und typischerweise basal. Die Diagnostik und die Wertigkeit zur Detektion von Lungenrundherden sind derzeit am höchsten für die Mehrschicht-CT mit sekundärer Rekonstruktion (MSCT), am niedrigsten für die Röntgenaufnahme des Thorax in 2 Ebenen. Atypische Morphologien bei Lungenmetastasen betreffen Einschmelzungen, die spontan oder nach Therapie auftreten
19
580
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
chial gelegenen Metastasen. Diese führen in der Regel zu einer Verlegung des Bronchuslumens mit segmentalen und subsegmentalen Atelektasen. Lungenmetastasen mit Hämorrhagien weisen eine computertomographisch unscharfe Berandung auf, passen damit nicht zum Bild des typischen Lungenrundherdes. Pleurametastasen treten bei verschiedenen Tumoren unterschiedlich häufig auf. Primärtumor. Bei Lungenmetastasen in der Peripherie, ohne dass ein Primätumor bekannt ist, liegt bei etwa 20% der Patienten ein Mammakarzinom zugrunde. Die Fülle der bislang diskutierten Informationen zur Charakterisierung von Lungenrundherden erweitert dabei die Entscheidung des erfahrenen Radiologen. Im Einzelfall muss jedoch eine histologische Sicherung erfolgen. Daten zu Primärtumoren und der Wahrscheinlichkeit pulmonaler Metastasen zeigen die . Tab. 19.30 bis 19.32. . Abb. 19.89. Verkalkte Lungenmetastase, links perihilär im CT (Pfeile), bei Vaginalkarzinom
Verlaufskontrolle. Für die Verlaufskontrollen von Lungenmetastasen im Rahmen der bildgebenden Diagnostik von Lungenmetastasen sind folgende Punkte entscheidend: 4 Die Lage und Größe der Lungenmetastasen (CT stellt das Verfahren der Wahl dar). 4 Metastasen hochvaskularisierter Tumoren, z. B. eines Schilddrüsenkarzinoms, neigen zu multiplen kleinen Lungenmetastasen. 4 Das Patientenalter und die Prognose.
. Tab. 19.30. Vorhandensein pulmonaler Metastasen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bzw. zum Zeitpunkt der Autopsie in Abhängigkeit vom jeweiligen malignen (extrathorakalen) Primärtumor
. Abb. 19.90. Metastase, CT, Lungenfenster. Verkalkte Metastase links basal (Pfeile) bei kolorektalem Karzinom
19
können. In seltenen Fällen kann ein Spontanpneumothorax auftreten, der den Hinweis auf das Vorliegen von Sarkommetastasen gibt. Seltene Morphologien umfassen die Dokumentation endobronchialer Metastasen. Diese finden sich gehäuft bei malignen Melanomen, Nierenzellkarzinomen und dem Mammakarzinom. Verkalkungen innerhalb von Metastasen gelten als Hinweis für das Vorliegen von Osteosarkomen, Ovarialkarzinomen oder auch Metastasen, die bereits therapiert wurden, und sekundär verkalken. Häufiger als verkalkte Metastasen sind einschmelzende Metastasen, wobei hier verschiedene Primärtumoren vorliegen können. Die Morphologie der einschmelzenden Metastase kann beim kolorektalen Karzinom auftreten wie auch bei endobron-
Primärtumor
Diagnosestellung
Autopsie
Chorionkarzinom
60
70–100
Nierenzellkarzinom
5–30
50–75
Rhabdomyosarkom
21
25
Wilms-Tumor
20
60
Ewing-Sarkom
18
77
Osteosarkom
15
75
Hodentumor
12
70–80
Melanom
5
66–80
Schilddrüsenkarzinom
5–10
65
Mammakarzinom
5
60
Morbus Hodgkin
5
50–70
Kolorektales Karzinom
5
25–40
HNO
5
13–40
Harnblase
5–10
25–30
Prostatakarzinom
5
13–53
Non-Hodgkin Lymphom
1–10
30–40
581 19.12 · Neoplasien
. Tab. 19.31. Bei Patienten, deren Tumorerkrankung durch das Auftreten von Lungenmetastasen erkannt wird, liegen in absteigender Häufigkeit die folgenden Primärtumoren zugrunde Mammakarzinom
22%
Nierenzellkarzinom
11%
HNO
10%
Kolorektales Karzinom
9%
Endometrium- und Zervixkarzinom
6%
Pankreaskarzinom
5%
Ovarialkarzinom
5%
Prostatakarzinom
4%
Magenkarzinom
4%
. Tab. 19.32. Wahrscheinlichkeit des Auftretens pulmonaler Metastasen im gesamten Krankheitsverlauf bei verschiedenen Primärtumoren in absteigender Häufigkeit
> Stadien der HIV-Erkrankung 1. Asymptomatische HIV-Erkrankung ohne klinische Symptome und mit >500 CD4-Zellen/μl. 2. HIV-Infektion mit Erkrankungen, die nicht zu den AIDS definierenden Erkrankungen gezählt werden, aber auf eine Schwäche der zellulären Abwehr hinweisen; z. B. Herpes zoster, idiopathische thromboyztopenische Prupura, Symptome wie Fieber und Durchfälle über einen Monat andauernd. 3. AIDS Erkrankung bei schwerem Immundefizit. Zur Definition des Stadiums AIDS werden bestimmte Erkrankungen sowie die Anzahl der CD4-Zellen herangezogen. Die Zahl der CD4-Zellen ist auf <200 Zellen/μl gesunken. Zu den AIDS definierenden Erkrankungen zählen die so genannten opportunistischen Erkrankungen wie eine CMV-Infektion, Candidabefall der Lunge, des Tracheobronchialsystem und Ösophagus, desweiteren Infektionen mit CM-Viren, Histoplasmen, atypischen Mykobakterien, Pneumocystis carinii und Kryptokokken sowie die zerebrale Manifestation einer Toxoplasmose. Zu den tumorösen AIDS-definierenden Erkrankungen zählen die Lymphome, insbesondere das Burkitt-Lymphom, der zerebrale Befall und das immunoblastische Lymphom. Desweiteren kann es zur Affektion des zentralen und peripheren Nervensystems kommen (z. B. progressive multifokale Leukenzephalopathie.
Nierenzellkarzinom
75%
Osteosarkom
75%
Chorionkarzinom
75%
Schilddrüsenkarzinom
65%
Melanom
60%
Mammakarzinom
55%
Die Symptomatik ist unspezifisch mit Husten, Hämoptysen und gelegentlich Fieber.
Prostatakarzinom
40%
Bildgebung
HNO
30%
Ösophaguskarzinom
20%
Kaposi-Sarkom Definition, Pathogenese Das Kaposi-Sarkom ist eine Erkrankung, die häufig mit HIVInfektionen assoziiert ist. Seit den verbesserten retroviralen Therapien ist seine Inzidenz erheblich gesunken, steigt jedoch mit sinkenden CD4-Zahlen (<200) (Übersicht). Es sind deutlich mehr Männer als Frauen betroffen. Die Pathogenese ist weiterhin ungeklärt. Diskutiert wird, ob das Kaposi-Sarkom von Herpes (HHV 8) infizierten Monozyten, Endothel- oder glatten Muskelzellen ausgeht. Zu Beginn kommt es entlang der Hautspaltenlinien zu lividen, rötlichen Maculae, die später exulzieren. Begleitend kann es zu einer viszeralen Beteiligung mit Befall des Gastrointestinaltrakts, der Lunge und Lymphknoten kommen. Bei Befall der Lunge kommt es zur zentral betonten, hypervaskularisierten Knötchenbildung entlang der bronchovaskulären Strukturen.
Klinik
Im Thorax zeigen sich perihiläre, unscharf begrenzte Noduli mit einer Größe von ca. 1 cm groß, basal betont. Zentral stellt sich eine vermehrte interstitielle Zeichnung dar. Begleitend treten bei ca. 50% der Patienten kleine Pleuraergüsse (. Abb. 19.91) und mediastinale Lymphknoten auf. Im HR-CT sehen die Herde wie Wunderkerzen entlang der bronchovaskulären Bündel aus; dies verdeutlicht den infiltrativen Charakter sowie die zuführenden, interstitiellen Parenchymveränderungen.
Lymphom Definition, Pathogenese Maligne Lymphome sind Multisystemerkrankungen, die häufig die intrathorakalen Lymphknoten im Mediastinum und hilär betreffen. Bei jüngeren Patienten im 2. oder 3. Lebensjahrzehnt tritt meistens das Hodgkin-Lymphom (. Tab. 19.33), bei Patienten jenseits des 60. Lebensjahres das Non-Hodgkin Lymphom auf. Zusätzlich wird noch eine ergänzende Einteilung hinzugefügt: 4 A: ohne Begleitsymptome 4 B: Allgemeinsymtpome wie Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust
19
582
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
a
b
. Abb. 19.91a, b. Kaposi-Sarkom. a Röntgenthorax p.a. Flächige Verdichtung rechts basal, Pleuraerguss rechts. b CT, Lungenfenster unscharfer Rundherd rechts basal bei Kaposi-Sarkom (Pfeile)
. Tab. 19.33. Die Einteilung der Stadien des Hodgkin-Lymphoms erfolgt nach der Ann Arbor Klassifikation Stadium I:
Befall einer einzelnen Lymphknotenregion
Stadium I e
Einzelner, nicht lymphatischer Herd (z. B. Lungenrundherd)
Stadium II
Befall von mindestens 2 Lymphknotenregionen auf einer Seite des Zwerchfells
Stadium II e
Nicht-lymphatischer Herd und mindestens ein Lymphknoten befallen
Stadium III
Lymphknoten auf beiden Seiten des Zwerchfells befallen
Stadium III e
Nicht-lymphatischer Herd und Lymphknotenbefall auf beiden Seiten des Zwerchfelles
Stadium III e s
Zusätzlich Befall der Milz
Stadium IV
Diffuser Befall von mindestens einem nichtlymphatischen Organ mit oder ohne Lymphknotenbeteiligung
19
Die gängige Beurteilung der Non-Hodgkin-Lymphome erfolgt durch die von der WHO festgesetzten Kriterien in Low risk-, Intermediate risk- und High risk-Lymphome in Abhängigkeit von dem dominierenden Zelltyp (. Tab. 19.34).
Bildgebung Typisch ist eine schornsteinartige Verbreiterung des Mediastinums in den bildgebenden Verfahren bei mediastinalen Lymphomen. Es zeigen sich zudem ein verschattetes aortopulmonales Fenster oder Retrosternalraum sowie verplumpte Hili mit
polyzyklischer Konfiguration. Gelegentlich kommt es zur Infiltration des umgebenden Gewebes per continuitatem, was sich in einer streifigen Zeichungsvermehrung manifestiert. Eine frühere Diagnose mittels CT möglich (. Abb. 19.92, . Abb. 19.93). Es zeigt sich ein intrapumonaler Befall mit solitären bis multiplen Rundherden unterschiedlicher Konfiguration von miliarer Größe bis zu grobknotigen Struktur. Charakteristisch ist, dass Bronchien ohne nachgeschaltete Atelektase durch die Herde hindurchziehen.
. Abb. 19.92. Lymphomherd. Ausschnitt CT, Lungenfenster. Rechts intrapulmonaler Rundherd, unscharf begrenzt mit infiltrativem Charakter und Bronchiektasien (Pfeile)
583 19.13 · Zirkulationsstörungen
. Tab. 19.34. Einteilung der Non-Hodgkin Lymphome nach WHOKriterien B-Zell-Ursprung
T-Zell-Ursprung
I. Indolente Lymphome (low risk) Chronische lymphozytische Leukämie/ lymphozytisches Lymphom
Leukämie großer granulärer Lymphozyten, vom T- und NK-Zell-Typ
Lymphoplasmozytisches Lymphom/Immunozytom/ Morbus Waldenström
Mycosis fungoides/Sézary Syndrom
Haarzell-Leukämie
»smoldering« und chronische adulte T-Zell-Leukämie/Lymphom (HTLV+)
Splenisches Marginalzonenlymphom Marginalzonen-Lymphom Extranodales (MALT-B-Zell Lymphom) Nodal (monozytoid)
a
Follikelzentrums-Lymphom/ follikulär, Grad I Follikelzentrumslymphom/ follikulär, Grad II II. Aggressive Lymphome (intermediate risk) Prolymphozytenleukämie
Prolymphozytenleukämie
Plasmozytom/Multiples Myelom
Peripheres T-Zell-Lymphom, nicht spezifiziert
Mantelzell-Lymphom
Angioimmunoblastisches Lymphom
Follikelzentrums-Lymphom/ follikulär, Grad III
Angiozentrisches Lymphom
Diffuses großzelliges B-Zell Lymphom
Intestinales T-Zell-Lymphom
Primäres mediastinales (thymisches) B-großzelliges Lymphom
Anaplastisches großzelliges Lymphom (T- und Null-Zell-Typ)
b . Abb. 19.93a, b. Infiltrate bei malignem Lymphom. a Röntgenthorax a.p., diffuse Infiltrationen beidseits pulmonal, konfluierend, unscharf begrenzt. b CT, Lungenfenster, diffuse flächige Infiltrationen rechte Lunge, parahilär und konfluierend links
Hochmalignes B-Zell-Lymphom, Burkitt-ähnlich
19.13
Zirkulationsstörungen
III. Sehr aggressive Lymphome (high risk) Vorläuferzell B-lymphoblastisches Lymphom/Leukämie
Vorläuferzell T-lymphoblastisches Lymphom/Leukämie
Burkitt-Lymphom/akute BZell-Leukämie
Adultes T-Zell-Lymphom/Leukämie
Plasmazell-Leukämie IV. Morbus Hodgkin
Pulmonale Hypertonie Definition, Pathogenese Von einer pulmonalen Hypertonie wird gesprochen, wenn der in Ruhe gemessene mittlere Druck in der A. pulmonalis ≥25 mmHg ist. Sie kann entweder primär, d. h. ohne erkennbare Ursachen, oder sekundär bei Obstruktion der Lungengefäße wie bei einer Lungenembolie und bei Destruktion des Parenchyms durch ein Emphysem oder Fibrose auftreten. Ein erhöhter Blutfluss findet sich bei Rezirkulationsdefekten wie Links-RechtsShunts und führt ebenfalls zur pulmonalen Hypertonie. Bei chronischer Hypoventilation kann durch eine reflektorische Verengung der pulmonalen Gefäße ein pulmonaler Hochdruck
19
584
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
. Abb. 19.95. Schematische Darstellung der Kerley-Linien beim interstitiellen Ödem
. Abb. 19.94. Umverteilung mit erhöhtem intrathorakalem Blutvolumen, Röntgenthorax p.a., Herz allseits vergrößert
induziert werden. Dies kann bei seltenen Erkrankungen wie dem Pickwick-Syndrom, chronischer Hyperkapnie oder Höhenaufenthalten auftreten.
Klinik Die Patienten weisen eine deutliche Belastungsdyspnoe auf, mit Steigerung bei Rechtsherzversagen bis zur oberen Einflussstauung. Es kommt zu Aszites, Beinödemen sowie Hämoptysen.
5 Linksherzinsuffizienz 5 Mitralstenose 4 Erhöhte Membranpermeabiltiät der Kapillaren. Dadurch ist der onkotische Druck gemindert und der Filtrationsdruck erhöht; mögliche Ursachen sind: 5 Toxisch durch Inhalation von Gasen (z. B. O2, Phosgen, Chlorgas, Nitrosegase) 5 Aspiration (z. B. Magensaft) 5 Medikamente 5 Hypoxie 4 Reduzierter onkotischer Druck, z. B. bei: 5 Niereninsuffizienz 5 Iatrogener Überwässerung 5 Behindertem Lymphabfluss
Klinik Bildgebung
19
Die indirekten Zeichen der pulmonalen Hypertonie sind in der Röntgenthoraxaufnahme zahlreich: 4 Dilatation der Pulmonalarterie >15 mm in der Pars intermedia durch den erhöhten Druck 4 Im Seitbild Einengung des Retrosternalraums durch Erweiterung des Pulmonalisstamms 4 Vergrößerung des Herzschattens mit Betonung des rechten Herzens durch die vermehrte Pumparbeit (. Abb. 19.94) 4 Hervortreten der V. azygos >7 mm 4 Kalibersprung der Gefäße in der Peripherie, vermindert wirkende Gefäßzeichnung bei zentral deutlich dilatierten Gefäßen
Lungenödem Definition, Pathogenese Bei einem Lungenödem handelt es sich um eine interstitielle und alveolare Anreicherung von Flüssigkeit. Dafür gibt es unterschiedliche Ursachen: 4 Druckerhöhung in den Kapillaren durch reduzierte Förderleistung des linken Herzens. Der Druck im linken Vorhof setzt sich bis in die pulmonalen Gefäße fort, bedingt durch:
Die Patienten entwickeln eine progrediente Dyspnoe, Tachykardie, schaumige Hämoptysen, Zyanose; zu auskultieren sind grobblasige Rasselgeräusche.
Diagnose Pulmonale Stauung
Bei kardialer Dekompensation entwickelt sich das Lungenödem langsam über das Stadium der kardialen Lungenstauung mit pulmonalvenöser Umverteilung über ein interstitielles Ödem zum intraalveolären Ödem. Die Diagnose der beginnenden Stauung ist schwierig. Hierbei müssen mehrere, einzeln nicht signifikante Veränderung im Röntgenbild zusammengefasst werden. In der Röntgenaufnahme sind erweiterte Lungengefäße (rechte Unterlappenarterie >15 mm) zu sehen. Um hierbei die interindividuellen Schwankungsbreiten auszugleichen ist der Vergleich mit Voraufnahmen wichtig. Insgesamt sind durch die pulmonalvenöse Hypertonie mehr Gefäße sichtbar. Die Gefäße in den Oberfeldern, die beim Gesunden aufgrund des hypostatischen Drucks zarter sind als die in den Unterfeld, stellen sich verbreitert dar.
585 19.13 · Zirkulationsstörungen
Interstitielles Ödem
Eine Flüssigkeitvermehrung im Interstitium ist durch die so genannten Kerley-Linien zu erkennen. Insgesamt werden 3 Arten von Kerley-Linien unterschieden (. Abb. 19.95): 4 Kerley A: feine hilifugale Linien in den Mittelfeldern 4 Kerley B: zarte horizontale Linien, subpleural oberhalb des Zwerchfells in den Unterfeldern 4 Kerley C: perihiläre, interstitielle Zeichnungsvermehrung Orthograd getroffene Bronchien imponieren durch ödematöse Verdickung der Schleimhaut als deutliche Ringschatten. Die Gefäße erscheinen insgesamt unscharf. Alveoläres Ödem
Beim alveolären Ödem kommt es in der Thoraxaufnahme zu einer zunehmenden perkardialen Unschärfe, die sich schmetterlingsähnlich hilifugal ausbreitet (. Abb. 19.96). Durch Flüssigkeitsfüllung der Azini zeigen sich Fleckschatten, die durch nicht betroffene Areale getrennt sein können. Die Verschattungen reichen in der Regel nicht bis in die Peripherie. Außerdem sind aufgrund der Hydrostase die basalen Abschnitte stärker betroffen als die apikalen.
a
Chronisches Lungenödem
Die chronische Stauung mit Ödem führt zur irreversiblen Fibrose des Lungenparenchyms. Herzversagen
Beim akuten Herzversagen kommt es zur rapiden Ausbildung eines interstitellen und alveolären Ödems. Hierbei zeigen sich die interlobären Septen verdickt und es treten Kerley-B-Linien auf (. Tab. 19.35). Desweiteren kommt es zur Verdickung der Peribronchialwände und deutlichem Hervortreten der Fissuren. Begleitend sind Pleuraergüsse.
Embolie Definition, Pathogenese Unter einer Lungenembolie versteht man den Verschluss oder ein Einengung des Lumens von Lungenarterien durch eingeschwemmtes thrombotisches Material. Dieser Embolus hat seinen Ursprung in den meisten Fällen in einer tiefen Becken-Beinvenen-Thrombose. Neben Thrombembolien sind auch septische Embolien, Fett-, Luft- und Fruchtwasserembolien möglich. Es kommt zu einer Druckbelastung des rechten Herzen, was zu einem kardiogenen Schock führen kann. In der Blutgasanalyse zeigen sich eine Hypoxämie und Hyperkapnie. ! Die Letalität innerhalb der ersten Stunden kann in Abhängigkeit von Begleiterkrankungen und Ausmaß bis zu 90% betragen. Erfolgt keine Therapie, können bei Überleben eine dauerhafte Schädigung des rechten Herzen und Rezidive resultieren. Bei therapeutischer Antikoagulation lässt sich die Mortalität deutlich senken.
b . Abb. 19.96a, b. Alveoläres Infiltrat. a Röntgenthorax p.a.. Alveoläre Verschattung diffus, beidseits; 6 h später. b Alveoläres Lungenödem im Röntgenthorax im Liegen, 6 h später diffuses, schmetterlingsartiges Ödem beidseits
. Tab. 19.35. Pulmonale Veränderungen in Abhängigkeit von den Druckverhältnissen
Veränderung
Linksatrialer Druck
Kranialisierung
10–15 mmHg
Kerley-B-Linien
15–20 mmHg
Interstielles Ödem
20–25 mmHg
Alveoläres Ödem
>25 mmHg
nende Atemnot, Thoraxschmerzen, Synkope, Tachykardie und Hämoptysen.
Diagnose Klinik Die Symptomatik ist variabel in Abhängigkeit des Ausmaßes. Bei ausgeprägter Lungenembolie kommt es zur plötzlich begin-
Bei der Diagnosestellung müssen die verschiedenen Parameter wie Vitalparameter, Röntgenaufnahmen, EKG, BGA im Kontext gesehen werden.
19
586
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
Wichtig ist die Anamnese, um Risikofaktoren für eine Thrombose wie Tumoren, Immobilisierung, Schwangerschaft, Rauchen, orale Antikonzeptiva zu evaluieren. Eine bestehende Thrombose wird mithilfe einer Duplexsonographie der Beinvenen nachgewiesen. Im EKG zeigt sich in etwa der Hälfte aller Fälle eine Rechtsherzbelastung vom S1QIII-Typ, ein Rechtschenkelblock oder Ppulmonale ist möglich. Inspektorisch können sich klinische Zeichen einer Phlebothrombose mit gerötetem, umfangsvermehrtem und druckdolentem Bein und Zeichen der Rechtsherzbelastung mit gestauten Halsvenen zeigen. Mithilfe der Ventilations- und Perfusionsszintigraphie kann eine Lungenembolie nachgewiesen bzw. ausgeschlossen werden. Jedoch kommt es bei dieser Untersuchungsmethode häufig zu nicht verwertbaren Befunden. Laborchemisch kann eine Lungenembolie bei negativen D-Dimeren nahezu ausgeschlossen werden, wobei jedoch Case Reports über D-Dimer-negative Lungenembolien exsistieren. Laut Leitlinien sollte der erste Schritt beim hämodynamisch stabilen Patienten eine Korrelation von D-Dimeren und der klinischen Wahrscheinlichkeit sein. Sind die D-Dimere bei einem Patienten mit geringer klinischer Wahrscheinlichkeit negativ, ist keine weitere Diagnostik notwendig. Bei hoher klinischer Wahrscheinlichkeit erfolgen weitere Untersuchungen unabhängig vom Ergebnis des D-Dimer-Tests. Hier schließen sich dann die bildgebenden Verfahren mit Ultraschalluntersuchung der Beine, CT-Angiographie oder Szintigraphie an. > D-Dimere sind ein Produkt, das bei der Proteolyse von Fibrin entsteht. Die Sensivität der einzelnen Testverfahren zum Nachweis liegt bei bis zu 95%. Ein positiver Wert ist zunächst unspezifisch, jedoch kann bei einem negativen Wert eine Lungenembolie nahzu ausgeschlossen werden. Wichtig ist zu bedenken, dass bei Schwangeren der D-Dimer-Test physiologisch positiv ausfällt.
Bei hämodynamisch instabilen Patienten ist eine intensivmedizinische Überwachung notwendig. Hier ist der erste Schritt der Diagnostik das transthorakale Echokardiogramm, um die rechtsventrikuläre Dysfunktion als Diagnosebeweis zu dokumentieren und unverzüglich eine Therapie einzuleiten.
19
Bildgebung Das Röntgenbild ist nur unspezifisch; eine unauffällige Aufnahme schließt das Vorliegen einer Lungenembolie nicht aus. In der Literatur wird am häufigsten das Westermarkzeichen beschrieben; hierunter versteht man eine verminderte Gefäßzeichnung in der dem verschlossenen Gefäß nachgeschalteten Lungenregion. Hierbei sind außerdem eine Erweiterung des betroffenen Gefäßes sowie ein entsprechender Kalibersprung zu beobachten. Durch fokale Einblutungen oder einem Infiltrat im betroffenen Areal kann es zu einer segmentalen, zuckerhutförmigen Verdichtung des Lungenparenchyms, dem so genannten Hampton Hump, kommen. Diese breitbasig der Pleura aufsitzende Verschattung bildet sich über einen Zeitraum von ca. 1 Woche wie-
. Abb. 19.97. Thrombus im rechten Unterlappen. DSA pulmonal arteriell: Thrombus im rechten Unterlappen arteriell als Aussparung zu sehen (Pfeile)
der zurück. Begleitend können ein Pleuraerguss und/oder Zwerchfellhochstand auftreten. In ausgeprägten Fällen ist die V. azygos erweitert. Zur Diagnosestellung eignet sich ebenfalls die Pulmonalisangiographie, die mittlerweile durch die CT als Goldstandard abgelöst wurde (. Abb. 19.97, . Abb. 19.98). In der CT ist die Lungenembolie durch Kontrastmittelgabe in der arteriellen Phase direkt als Kontrastmittelaussparung in den Pulmonalarterien bis auf die Subsegmentebene zu sehen. Bei Verlegung des kompletten Gefäßes kommt es zum Gefäßabbruch. Indirekte Hinweise können eine zentral weite Pulmonalarterie, ein dilatierter rechter Ventrikel sowie eine erweiterte V. cava superior und inferior sein. Begleitend sind zeltförmige, der Pleura aufsitzende Infiltrate möglich.
Therapie Wichtig für die Akuttherapie ist die Antikoagulation mit Heparin, was die Mortalität signifikant senkt. Bei großen Thromben sind die systemische Lyse mit Streptokoinase, rtPA, Urokinase oder die mechanische Thrombusbeseitigung in Betracht zu ziehen. Nach Therapie ist eine Sekundärprophylaxe mit Vitamin-KAntagonisten im Rahmen einer radiologisch interventionellen Katheterdefragmentierung indiziert. Im Notfall erfolgt die Gabe von Nitro-Spray, Schmerzbekämpfung mit 2 mg Morphin i. v. und Sedierung. Weiterhin kann Aspisol i. v. verabreicht werden. ! Keine i.m.-Injektion, da sonst eine Lysetherapie ausgeschlossen ist.
Das Vorgehen richtet sich nach der hämodynamischen Funktion, die folgendermaßen klassifiziert wird:
587 19.13 · Zirkulationsstörungen
fäße. Ursachen hierfür sind ungeklärt und die genaue Pathogenese ist unbekannt. Eine Abhängigkeit zu einer schweren Lebererkrankung besteht nicht, sodass die pulmonale Beteiligung oft der begrenzende Faktor für die Überlebenszeit der Patienten ist. Man geht davon aus, dass die arterielle Hypoxämie durch intrapulmonale Shuntbildung, eingeschränkte Diffusionskapazität und unausgeglichene Perfusion entsteht. Die intrapulmonale Vasodilatation wird über einen komplexen Wirkmechanismus ausgelöst.
Klinik
a
Meist liegen nur unspezifische, milde pulmonale Symptome vor. In ausgeprägten Fällen der arteriellen Hypoxie kommt es zur Dyspnoe mit Zyanose und Uhrglasnägel und Trommelschlegelfinger sowie Schmerzen beim Atmen. Kutan lassen sich Spider naevi erkennen. Das Herzzeitvolumen ist meist erhöht und die arteriovenöse Differenz erniedrigt.
Diagnose, Bildgebung Bei einem pO2 <80 mmHg ohne kausale Lungen- oder Herzdysfunktion und bekannter Lebererkrankung stellt sich der Verdacht auf eine hepatopulmonales Syndrom. Die Lungenfunktionsuntersuchung zeigt ein normales Lungenvolumen und keine obstruktiven Veränderungen. Die Diffusionskapazität ist jedoch reduziert. In der Blutgasanalyse lassen sich unterschiedliche Werte bei der Messung im Stehen und im Liegen nachweisen. Dabei gelten Unterschiede ab 5 mmHg als signifikant. Im Röntgen stellt sich eine bilaterale interstitielle Zeichnungsvermehrung dar. Im CT zeigen sich ebenfalls die interstitielle Zeichnungsvermehrung sowie eine periphere Dilatation der Lungengefäße. Der Shunt kann ebenso wie die intrapulmonale Vasodilatation durch ein Echokardiogramm mit Kontrastmittel dargestellt werden. Desweiteren eignet sich dafür die Lungenperfusionsszintigraphie. b . Abb. 19.98a, b. Großer Thrombus im linken Pulmonalishauptstamm. a CT, Weichteilfenster: Thrombus im linken Pulmonalishauptstamm. b CT, Weichteilfenster. Zentraler Hauptstamm: Lungenembolie. Abklärung mittels MSCT und Kontrastmittel: Aussparung, Länge des Thrombus verifiziert (Pfeile)
4 I: Hämodynamisch stabil ohne rechtsventrikuläre Dysfunktion → Antikoagulation mit Heparin 4 II: Hämodynamisch stabil mit rechtsventrikulärer Dysfunktion → ggf. systemische Lysetherapie 4 III: Schock (RR systolisch <100 mmHg, Puls >100/min) → systemische Lysetherapie 4 IV: Reanimationspflicht → systemische Lysetherapie auch bei Kontrainidikationen
Hepatopulmonales Syndrom Definition, Pathogenese Hierbei handelt es sich um eine Störung des Lungenkreislaufs bei einer chronischen Lebererkrankung. Dabei kommt es zu einer Störung des Gasaustauschs, aus dem eine arterielle Hypoämie resultiert und eine unklare intrapulmonale Dilatation der Ge-
> Bei der Kontrastmittelechokardiographie wird das Kontrastmittel i.v. injiziert und zeigt sich in der rechten Herzkammer. Aufgrund der Molekülgröße ist es nicht kapillargängig und somit nicht lungengängig. Bei Vorliegen eines Rechts-Links-Shunts kann das Kontrastmittel trotzdem im linken Ventrikel dargestellt werden. Je nach Zeitdauer lässt sich auf die Lokalisation des Shunts rückschließen. Bei einem intrakardialen Shunt erfolgt die Kontrastierung des linken Ventrikels schnell, bei einem intrapulmonalen Shunt nach etwa 5 Herzschlägen langsamer.
Therapie Eine Erholung der Lunge kann nach Besserung der Leberfunktion auftreten. Bei ausgeprägter Hypoxie ist die Sauerstoffgabe notwendig. Eine spezifische medikamentöse Therapie besteht nicht. Experimentell wurde versucht, die Bakterienzahl im Darm durch Antibiose zu reduzieren, um so die Produktion von Endotoxinen zu reduzieren. Ebenso konnte die portale Hypertension durch die Anlage eines transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunts gesenkt und eine verbesserte Oxygenierung erreicht werden.
19
588
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
ARDS Pathogenese Bei dem akuten Atemnotsyndrom des Erwachsenen handelt es sich um ein akutes Lungenversagen. Durch vielfältige Ursachen wie eine direkte Schädigung bei Lungenkontusion, Beatmung, Aspiration, Intoxikation oder eine indirekte Schädigung durch Polytraumatisierung, Sepsis, Transfusionen etc. kommt es zu einer Aktivierung verschiedener Prozesse, die zu einer Permeabilitätsstörung der Lungenkapillaren und gestörter Surfactantbildung führen. Dabei entstehen intraalveoläre Blutungen und parenchymale, ödematöse Exsudate. Das ARDS verläuft in 3 Stadien: Im ersten Stadium bildet sich durch eine erhöhte Permeabilität der Kapillaren ein interstitielles Ödem aus. Im weiteren Verlauf kommt es zu einem Untergang der surfactantbildenden Pneumoyzten, was zu einem Übertritt von Flüssigkeit in die Alveolen führt. Aufgrund des Surfactantmangels kommt es zur Bildung von Mikroatelektasen und hyalinen Membranen. Im letzten Stadium kommt es zur Proliferation des Endothels und zum Übergang in eine irreversible Fibrose.
Klinik Es kommt durch rasch progediente, bilaterale Infiltrate zur schweren Dyspnoe mit Hypoxämie, respiratorischer Alkalose und Husten bis hin zur Intubationspflichtigkeit bei Hypoxämie, Hyperkapnie und respiratorischer Azidose.
. Tab. 19.36. Score nach Pistolesi et al. zur Klassifizierung des ARDS (aus: Pistolesi et al. Schweiz Med Wochenschrift 1993;123(11):464.472)
Radiologischer Befund
Punktzahl eine Lungenseite
beidseitig
Dilatation des RV mit Prominenz des Hauptstamms der A. pulmonalis
2
4
Pathologische Hilusgefäße (Größe und Dichte)
1
2
Luftbronchogramm
2
4
Zentral
1
2
Peripher
2
4
Zentral und peripher
3
6
Zentral
2
4
Peripher
5
10
Zentral und peripher
7
14
Vermehrte schleierartige Eintrübung (»hazy«)
Fleckförmige Verdichtung (»patchy«), Infiltrate
White lung
20
Diagnose, Bildgebung Bei der Diagnosestellung im Frühstadium spielt die Blutgasanalyse eine wichtige Rolle. Die Veränderungen im Röntgenthorax treten einer gewissen Zeitverzögerung (6–12 h) auf und dienen der Verlaufsbeurteilung (. Tab. 19.36). 4 Stadium I:
5 Nach 24 h: progrediente Dyspnoe, Tachypnoe mit mäßiger Hypoxie und respiratorischer Alkalose 5 Röntgen: beginnendes Ödem meist nur der Bronchialwände mit unscharfer Abbildung der Hili und Gefäße, Herzgröße normal
19.14
Iatrogene Veränderungen
Lungentransplantation
4 Stadium II:
Nach einer Lungentransplantation kann es zu einer Abstoßungsreaktion kommen. Diese kann akut oder prothrahiert als chronische Abstoßung auftreten. Zur Diagnosestellung in Kombination mit der Klinik sind Aufnahmen in In- und Exspiration notwendig.
4 Stadium III:
Hyperakute Abstoßung
5 Nach 48 h: ausgeprägte Dyspnoe mit Orthopnoe und Zyanose 5 Zunehmende Stauung, Bildung hyaliner Membranen 5 Röntgen: interstitielles Ödem mit homogenen Verschattungen und positiven Bronchopneumogramm
19
auch der dorsalen Lungenabschnitte nötig sein. Gleichzeitig sollte die Beatmung mit einem positiven endexspiratorischen Druck und unter »inflation hold« erfolgen.
5 Nach 36 h: starke Hypoxie und Hyperkapnie auch unter Sauerstoffbeatmung 5 Röntgen: konfluierende Infiltrate, white lunge
Nach etwa 1 Woche bildet sich eine irreversible Fibrose mit retikulärer Zeichnungsvermehrung aus. Die flächigen Verschattungen sind rückläufig.
Die hyperakute Abstoßung tritt sofort nach der Transplantation auf, wenn das Fremdgewebe mit dem köpereigenen Blutkreislauf verbunden wird. Durch Blutgruppen oder HLA-Antikörper kommt es zur Komplementaktivierung, was zu einer fibrinösen Verlegung und somit Absterben des transplantierten Gewebes führt. > Für die radiologische Diagnostik spielt die hyperakute Abstoßung keine Rolle.
Therapie Falls möglich ist die Grunderkrankung zu behandeln. Das ARDS selbst muss symptomatisch behandelt werden. Besonders wichtig ist die ausreichende Belüftung der gesamten Lunge. Dazu kann die Lagerung in einem so genannten Rotorest-Bett zur Belüftung
Akute Abstoßung
Diese tritt im Mittel nach 40 Tagen auf und zeigt sich klinisch mit Husten, Dyspnoe, Fieber und Absinken des FFV1. Ein begleitender Infekt muss ausgeschlossen werden. Als beweisend gilt eine
589 19.14 · Iatrogene Veränderungen
Rückbildung der Symptome unter Steroidtherapie. Diagnostisch wegweisend sind im HR-CT: 4 Airtrapping 4 Intraalveoäre Verschattungen (Milchglas) 4 Verdickte alveoläre Septen Chronische Abstoßung
Diese beginnt etwa 1 Jahr nach Transplantation; es zeigt sich ein langsam progredienter Abfall des FFV1. Diagnostisch zeigen sich im HR-CT: 4 Verdickte Alveolarsepten 4 Verdickung der Bronchialwände 4 Dilatation der Bronchien 4 Bronchiolitis obliterans
Therapie Die Therapie der akuten Abstoßung erfolgt mit Immunsuppressiva wie Azathioprin, Cyclosporin und Steroiden. Bei der chronischen Abstoßung ist die Therapie schwieriger. Häufig ist hier die Retransplantation notwendig. > Weitere Komplikationen nach Lungentransplantation sind: 4 Anastomoseninsuffizienz/-stenose: Besonders zu achten ist auf mediastinale und perihiläre Luftansammlungen. 4 Stenosenbildung kann mit der virtuellen Bronchoskopie (Basis: MSCT) dargestellt werden. 4 Infektionen: Hohe Gefahr der CMV-Pneumonitis bzw. Pneumonien unter immunsuppressiver Therapie. 4 Gefahr des Malignoms: Beobachtet werden lymphatische Erkrankungen durch Übertragung des EB-Virus und Bronchialkarzinome in der transplantierten Lunge.
. Abb. 19.99. Iatrogene Veränderung. Fehllage einer Magensonde im rechten Hauptbronchus (Pfeile), Röntgenthorax p.a.
Weitere iatrogen bedingte Veränderungen nach invasiven Eingriffen zeigen . Abb. 19.99 und . Abb. 19.100.
Strahlen Pathogenese Die Ausprägung der Strahlenfolgen ist abhängig von der applizierten Dosis und Wahl des Bestrahlungsfeldes sowie begleitender Chemotherapie. Akut kommt es zur Pneumonitits, die in eine Strahlenfibrose übergehen kann. Der genaue Pathomechanismus ist noch ungeklärt. Histologisch ergibt sich eine Schädigung der alveolären Membran mit Übertritt von intrazellulären Bestandteilen in das Alveolarlumen. Gleichzeitig werden lytische Enyzme aktiviert und reaktiv vermehrt Surfactant gebildet.
Operationsfolgen
Klinik
An der Pleura werden häufig Eingriffe durchgeführt, die – beabsichtigt oder nicht – zu einer ausgedehnten Schwartenbildung führen. Bei rezidivierenden Pneumothoraces wird zur Prävention eine Pleurodese durchgeführt, bei der der Pleuraraum versiegelt wird. Pneumektomie: Nach der Pneumektomie entwickelt sich auf der operierten Seite ein Sero-/Pneumothorax, der sich zunehmend konsolidiert und teilweise narbig schrumpft. Dadurch kommt es zu einer Mediastinalverlagerung und Kranialisierung des Zwerchfells sowie Überblähung der verbliebenen Lunge mit Transparenzerhöhung. Segment-/Lappenresektion: Je nach Lokalisation und Größe des resezierten Areals kommt es ebenso wie bei der Pneumektomie zur Überblähung des restlichen Lungenparenchyms, Verlagerung des Zwerchfells, Mediastinalverlagerung und Verziehung der Lappengrenzen wie bei den Atelektasen beschrieben. Wichtig ist hierbei immer die Verlaufskontrolle, da postoperative, narbige Residuuen von möglichen Rezidiven abgegrenzt werden müssen. Geachtet werden sollte auch auf Fremdkörper, die nicht zu geordnet werden können; evtl. wurden sie während der Operation im Situs vergessen (. Abb. 19.101).
Die Patienten leiden an Dyspnoe, Reizhusten, weißlichem Auswurf.
Bildgebung Im CT zeigt sich eine Pneumonitis meist nach Abschluss der Bestrahlung, die sich nicht an Lappen- oder Segmentgrenzen orientiert. Es kommt zu flächigen, milchglasartigen Verschattungen bis zur vollständigen Konsolidierung. Nach Abheilen stellt sich eine deutliche Fibrose mit Volumenminderung und Retraktion von umgebenden Strukturen dar; häufig ist diese paramediastinal zu sehen bei Zustand nach Radiotherapie von mediastinalen Lymphomen.
Therapie Die Therapie besteht aus hochdosierten Kortikoiden und evtl. ergänzender Antibiose.
Medikamente Viele Medikamente können die Lunge schädigen. Hier werden exemplarisch einige beschrieben. Detaillierte Informationen sind auf der Seite www.pneumotox.com des Universitätsklinikums Dijon/Frankreich erhältlich.
19
590
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
a
. Abb. 19.101. Vergessener Führungsdraht bei ZVK-Anlage, Röntgenthorax seitlich
4 Methotrexat: akute Pneumonitis mit Lungenversagen, subakute interstitielle Pneumonie, eosinophile Infiltrate, Fibrose 4 Phenytoin: COPD, eosinophile Infiltrate 4 Salbutamol: akutes Lungenödem
b . Abb. 19.100a, b. Dislozierte Schrittmachersonde (Pfeile). a CT, Lungenfenster. b Topogramm der CT
19
Die Klinik schwankt dabei von akuten Verläufen mit Fieber, Husten, Auswurf, Ödem oder Spasmen zu chronischen Beschwerden. Bei chronischen Verläufen tritt meist nur ein geringer Reizhusten auf. Akute Veränderungen mit Ödem- oder Infiltratbildung wird z. B. bei Einnahme von Penicillin, Hydrochlorothiazid oder Sulfonamiden beschrieben. Chronische Schädigung tritt bevorzugt bei der Behandlung mit Zytostatika auf. > Lungenschädigende Medikamente (Auswahl) 4 Aminorex: pulmonale Hypertension 4 Amiodaron: subakute interstitielle Pneumonitis, eosinophile Infiltrate, Fibrose, COPD 4 ACE-Hemmer: eosinophile Infiltrate, subakute interstitielle Pneumonitis 6
> Blutgasanalyse (BGA) Bei einer Blutgasanalyse werden Sauerstoff- und Kohlendioxidpartialdruck sowie die Pufferkapazität des Bluts im arteriellen Blut bestimmt. Bei Erkrankungen des Lungenparenchyms kann es zu einem gestörten Gasaustausch mit veränderten, altersabhängigen Partialdrücken der im Blut gelösten Gase kommen. Unterschieden werden dann eine respiratorische Partial- und eine Globalinsuffizienz. Bei der Partialinsuffizienz kommt es zu einer Hypoxämie bei normalem Kohlendioxidgehalt. Bei der Globalinsuffizienz tritt dann zum reduzierten Sauerstoffgehalt die Hyperkapnie hinzu. Normwerte des arteriellen pCO2 sind: 4 m: 35–46 mmHg 4 w: 32–43 mmHg Normwert des arteriellen pO2 (mit dem Alter abnehmend): 72–107 mmHg
19.15
Traumatologische Diagnostik
Pneumothorax Pathogenese Ein Pneumothorax tritt auf, wenn durch äußere oder innere Ursachen Luft in den Pleuraspalt zwischen die Pleura visceralis und Pleura parietalis gelangt. Der Pneumothorax kann unterschied-
591 19.15 · Traumatologische Diagnostik
a
. Abb. 19.103. Pneumothorax links, Röntgenthorax p.a. Visualisierung der Pleura visceralis (Pfeile)
Klinik Die Symptome reichen von milder Dyspnoe bis zur akuten Atemnot mit Tachykardie, stechenden Schmerzen im Brustbereich. Perkutorisch ist auf der betoffenen Seite ein hypersonorer Klopfschall mit abgeschwächtem Atemgeräusch im Seitenvergleich zu hören.
Bildgebung
b . Abb. 19.102a, b. Postoperativer Seropneumothorax. a Röntgenthorax p.a., Seropneumothorax links mit Spiegelbildung und großem Erguss links. b Röntgenthorax seitlich
lich ausgeprägt sein; er kann nur mantelförmig als zarter Luftsaum um das Lungenparenchym intrathorakal sichtbar sein oder zum vollständigen Kollaps der Lunge führen. Ursachen sind: 4 Idiopathisch: rezidivierende Pneumothoraces, häufig bei schlanken Frauen mittleren Alters 4 Iatrogen (ZVK, Biopsie, Pleurapunktion, Beatmung) 4 Vorschädigung (Emphysem, Bullae) 4 Nach stumpfen Thoraxtrauma oder bei perforierenden Thoraxwandverletzungen (Messer, Rippen)
Der Röntgenthorax in Exspiration zeigt sich eine feine Linie entlang der Rippen verlaufend (nach medial verlagerte Pleura visceralis) (. Abb. 19.103); die Lungengefäße überschreiten die Linie nicht. Die Linie kann nicht über die Grenzen des Thoraxraums verfolgt werden (cave: Hautfalte). Im Spalt ist die Strahlentransparenz erhöht. Der Herzrand tritt deutlich hervor. Bei ausgeprägtem Befund: komplette Transparenzerhöhung der betroffenen Seite, zusammengefallene Lunge perihilär zu erkennen. Bei einem Spannungspneumothorax tritt über einen Ventilmechanismus inspiratorisch Luft in den Pleuraspalt, die exspiratorisch nicht entweichen kann. Dadurch kommt es zu einer intrathorakalem Druckerhöhung, die die Atemfunktion der intakten Lungen und die Herztätigkeit maßgeblich beeinträchtigt. Hinweisende Zeichen sind (. Abb. 19.104): 4 Mediastinalshifting 4 Abflachung des Zwerchfell auf der betroffenen Seite 4 Umschlagen des Zwerchfells konkav nach kaudal
Therapie Bei einem zarten Pneumothorax mit Breite etwa eines Fingers im Röntgenthorax ist meist keine Therapie notwendig. Bei einem Spannungspneumothorax ist die sofortige Entlastung des Pleuraraums mittels Punktion notwendig. Falls notwendig, wird eine so genannte Bülaudrainage oder interventionell ein Pneu-
19
592
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
Wirbelkörper: Radiologisch zeigen sich Höhenminderungen von Wirbelkörpern, Impressionsfrakturen sind am besten in der seitlichen Thoraxaufnahme zu sehen. Nahezu immer muss eine ergänzende CT durchgeführt werden, um die Stabilität des Wirbelkörpers und eine Hinterkantenbeteiligung zu beurteilen. Immer ist die Frage nach der Ursache der Fraktur zu stellen (z. B. Mineralsalzminderung, Metastasen). Clavicula/AC-Gelenk: Derartige Frakturen sind in der p. a.Aufnahme zu sehen. Bei entsprechender Dislokation der Clavicula kann es zur thorakalen Einblutung oder Pneumothorax kommen.
Kontusion Definition Bei Lungenkontusionen handelt es sich um flächige Einblutung bedingt durch eine traumatische Quetschung des Lungenparenchyms.
Diagnose
. Abb. 19.104. Spannungspneumothorax, Röntgenthorax p.a. Spannungspneumothorax rechts mit Mittellinienverlagerung (Pfeile) und Mediastinalverschiebung
mokath gelegt, die verlaufsabhängig nach etwa 3 Tagen für 12 h abgeklemmt werden. Anschließend erfolgt die Kontrolle mittels Röntgenthorax. Bei einem Rezidivpneumothorax oder bei Persistenz kann die thorakoskopische Übernähung des Lecks oder eine Pleurodese indiziert sein.
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Im CT sieht man eine fleckige, homogene Dichteanhebung im Lungenparenchym, kein positves Bronchopneumogram, meist subpleural gelegen. Diese ist nicht an segementale Grenzen gebunden, teilweise konfluierend. Nach wenigen Tagen erfolgt die Rückbildung. Im Röntgenbild zeigt sich eine flächige Verschattung.
Verletzungen des Bronchialsystems Pathogenese, Klinik Zu einer Verletzung des Tracheobronchialsystemes kann es durch Penetration, einer intrathorakalen Druckerhöhung oder Hochgeschwindigkeitstraumen kommen. Klinisch sind Atembeschwerden mit Dyspnoe, Husten oder Stridor möglich. Da bronchiale Verletzungen meist nur bei polytraumatisierten Patienten zu beobachten sind, stehen häufig andere klinische Symptome im Vordergrund.
Pleuradrainagen
Diagnose
4 Bülau-Drainage: Beim Legen einer Bülaudrainage erfolgt eine Hautinzision in der vorderen Axillarilinie auf Höhe des 6./7. Interkostalraums mit nachfolgender stumpfer Präparation Richtung des 5. ICR bis zur Pleura. Mit einem Trokar wird die Pleura durchstoßen und die Drainage in den Pleuraspalt vorgeschoben. 4 Monaldi-Drainage: Auf der Höhe des 2. ICR erfolgt die Punktion ca. 2 Querfinger neben dem Sternum mit stumpfer Präparation bis zur Pleura, welche oberhalb der 3. Rippe durchstoßen wird.
Nur selten ist ein direkter Nachweis möglich (80% der Verletzungen liegen Carina nah): bei vollständigem Bronchusabriss stellt sich eine Dislokation des entsprechenden Abschnitts nach kaudal dar (nur bei stehendem Patient). Indirekte Hinweise sind: 4 Pneumomediastinum bzw. Perikard 4 Pneumothorax 4 Atelektase
Frakturen Rippenfrakturen entstehen häufig posttraumatisch; ohne Trauma ist an eine pathologische Fraktur zu denken. Begleitend können verschiedene röntgenologische Phänomen wie eine lokalisierte Einblutung, Kontusion oder ipsilateraler Pleuraerguss auftreten. Bei Penetration einer oder mehrerer Rippen durch die Pleura kann es zum Pneumothorax oder Spannungspneumothorax kommen. Klinisch ist die Überwachung der Atmung wichtig, da es zu einer schmerzbedingten Schonatmung bzw. bei Rippenserienfrakturen zu einem instabilen Thorax kommen kann.
Pneumomediastinum Definition, Pathogenese Die Ursachen für ein Pneumomediastinum, d. h. einer pathologischen Ansammlung von Luft im Mediastinum, sind vielfältig (. Abb. 19.105, . Abb. 19.106). Die Luft gelangt über perforierte Alvolen, von retroperitoneal oder bei Verletzungen des Tracheobronchialsystems in das bindegewebig ausgekleidete Mediastinum. Mögliche Ursachen sind: 4 Trauma (Bronchialruptur, Pneumothorax) 4 Iatrogen (Beatmung, Tracheotomie, Bougierung) 4 Entzündlich (Mediastinitis, retroperitoneale Entzündung, Pneumonie) 4 Im Rahmen von Tumoren oder Boerhave-Syndrom
593 19.15 · Traumatologische Diagnostik
. Abb. 19.105. Pneumomediastinum, Röntgenthorax, p.a., mit linearen lufthaltigen Binnenstrukturen (Pfeile) und Hautemphysem rechts
Klinik Klinisch lässt sich das reine Pneumomediastinum nur schwer diagnostizieren. Häufiger ist es ein Nebenbefund in der Thoraxübersichtsaufnahme oder in der CT.
Bildgebung Thorax/CT:
4 Fadenförmige Lufteinschlüsse auf Höhe des Herzschattens und der Trachea 4 Zarte, streifige Kontur, die den Herzschatten deutlich hervortreten lässt. 4 Teils bis nach zervikal ziehend
Verletzungen der Aorta Pathogenese Ursachen für Aortenläsionen sind Hochgeschwindigkeitstraumen oder penetrierende Verletzungen. Häufige Lokalisation ist der Aortenisthmus nahe dem Ligamentum Botalli. Es kann zur Aortenruptur, Aneurysmabildung oder Aortendissektion kommen.
. Abb. 19.106. Pneumoperikard (Pfeile), Röntgenthorax seitlich
4 Prominenter Aortenknopf 4 Verlegung des aortopulmonalen Fensters Im CT sind Verletzungen der Aorta eindeutig zu diagnostizieren: 4 Bei gedeckter Ruptur: zarter Flüssigkeitssaum um die Aorta oder im Mediastinum (besser zu erkennen in EKG-getriggerter CT) 4 Aussackung im Sinne eines Aneurysmas 4 Dissektionsmembran als intraluminales zartes hypodenses Band parallel zur Aortenwand verlaufend Bei unklarem Befund sollte ein ergänzendes TEE durchgeführt werden.
Zwerchfellruptur Eine Zwerchfellruptur ist gelegentlich nach einem Trauma zu beobachten. Häufig ist sie begleitet von anderen, teils schweren Verletzungen wie Milz- oder Leberparenchymverletzungen.
Klinik Uncharakteristische Beschwerden wie Thoraxschmerzen, Dyspnoe, Blutdruckdifferenz zwischen beiden Armen, Blutdruckinstabilität.
Klinik Abhängig vom Ausmaß der Verletzung. Kleinere Läsionen können auch asymptomatisch sein und sind dann eher ein Zufallsbefund.
Diagnose: Im Röntgenbild des Thorax zeigen sich nur unspezifische Zeichen: 4 Verbreitertes oberes Mediastinum 4 Evtl. Trachealverlagerung
Bildgebung Im Röntgenbild des Thorax finden sich nur indirekte Hinweise: 4 Zwerchfellhochstand und Unschärfe des Zwerchfells auf der betroffenen Seite
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594
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
. Abb. 19.107. Hiatushernie, Röntgenthorax p.a. Aufhellung der unteren mediastinalen Abschnitte mit Flüssigkeit intraläsional (Pfeile)
. Abb. 19.108. Große Hiatushernie, Röntgenthorax seitlich. Abgrenzung der Hernie (Pfeilspitzen)
4 Intrathorakale Spiegelbildungen oder untypische Kavernen durch Verlagerung von abdominellen Organen 4 Mediastinalshift
Defekte der phreno-ösophagealen Membran. Die paraösophageale Hernie verursacht häufig postprandiale, abdominelle Beschwerden bis hin zu klinischen Beschwerden bei Eintritt einer Inkarzeration. Als Sonderfall der paraösophagealen Hernie ist der »Upside-Down-Stomach« zu sehen. Dabei verlagert sich der gesamte Magen durch den erweiterten Hiatus nach intrathorakal.
Ergänzend bei unklaren Befunden kann die Breischluckuntersuchung unter Durchleuchtung zum Einsatz kommen. Kleine oder relativ frische Läsionen lassen sich in der CT darstellen.
Hernien (auch nicht traumatisch) Hiatushernie . Abb. 19.107, . Abb. 19.108.
Axiale Gleithernie
Bei der axialen Gleithernie kommt es aufgrund einer Insuffizienz der phreno-ösophagealen Membran bei einer intraabdominellen Druckerhöhung zur Verlagerung von Magenanteilen in den Thorax. Durch die daraus resultierende Beeinträchtigung des unteren Ösophagussphinkters tritt eine Refluxsymptomatik auf. In vielen Fällen sind die axialen Gleithernien symptomlos.
19
Röntgen:
4 Rundliche, glattbegrenzte Raumforderung mit Spiegelbildung 4 In der p.a.-Aufnahme in Projektion auf den Herzschatten 4 In der Seitaufnahme im Retrokardiaraum sichtbar Breischluck:
4 Intrathorakale Stagnation des Kontrastmittels 4 Teils mit Spiegelbildung Paraösophageale Hernie
Bei der paraösophagealen Hernie stülpen sich Anteile des Magens, insbesondere die Kardia, neben dem Ösophagus durch das Zwerchfell (. Abb. 19.109). Meist handelt es sich um angeborene
Zwerchfellhernien Bei der Bochdalek-Hernie treten intraabdominellen Anteile wie omentales Fettgewebe oder seltener Darm- und Organanteile durch das Trigonum lumbocostale auf. Bei der Morgagni-Hernie hernieren die gleichen Strukturen durch das Trigonum sternocostale.
19.16
Mediastinum
Das Mediastinum enthält mit dem Herzen, den großen Gefäßen, dem Ösophagus, der Schilddrüse und Nerven viele Strukturen, die pathologische Veränderungen hervorrufen können. Außerdem kann das Mediastinum als Gesamtes betroffen sein: im Rahmen eines Spannungspneumothorax, Fremdkörperaspiration oder bei einseitiger Parese des N. phrenicus kann es zu einer Verlagerung des Mediastinums im Sinne eines Pendelns kommen. Eine fixierte Verlagerung des Mediastinums sieht man bei deformierenden Wirbelsäulenveränderungen, raumspendenden Prozessen wie Pneumektomie, Atelektasen, Volumenverlust bei Pleuraschrumpfung oder raumfordernden Prozessen wie Pleuraergüssen, Tumoren.
595 19.16 · Mediastinum
Endokopie oder durch fortgeleitete Prozesse entstehen. Es handelt sich dabei um eine schwerwiegende Erkrankung mit hoher Letalität von bis zu 50%.
Klinik Es treten ausgeprägte, retrosternale Schmerzen in den Hals ausstrahlend, Dyspnoe, Dysphagie und ein Weichteilemphysem auf. Zudem entwickelt sich ein septisches Bild mit hohem Fieber, Tachykardie und Tachypnoe. Bei der chronischen Mediastinitis können verschiedene granulomatöse Erkrankungen zugrunde liegen, die eine Fibrosierung des Mediastinums verursachen. Sie tritt bei granulomatösen Erkrankungen wie die Sarkoidose oder im Rahmen einer Tuberkulose auf. Selten wird ein mediastinaler Morbus Ormond beobachtet. Die Beschwerden sind meist blande, erst bei zunehmender Fibrosierung kommt es zu Symptomen durch Einengung der Organe im Mediastinum mit oberer Einflussstauung, Schluck- und Atembeschwerden.
Bildgebung Im Thorax/CT zeigen sich ein verbreiterter Mediastinalschatten mit unregelmäßiger Kontur, ggf. Pneumomediastinum. In der CT gelingt die Darstellung einer diffusen, streifigen Entzündungsreaktion des mediastinalen Fettgewebes. Ggf. stellt sich eine Komprimierung bis hin zum Verschluss der V. cava superior dar.Flüssigkeitsansammlungen mit ringförmigen Kontrastmittel-Enhancement und Lufteinschlüssen sind als Abszess zu werten. Ggf. ist eine CT-gesteuerte Punktion zur Diagnosesicherung sinnvoll, denn bei der chronischen Mediastinitis muss ein maligner Prozess ausgeschlossen werden.
a
Therapie Bei der akuten Mediastinitis erfolgt die Antibiose mit einem Breitband-Antibiotikum und die operative Sanierung bzw. Behandlung der Ursache für die Mediastinitis. Die Therapie der chronischen Mediastinitis ist abhängig von der Grunderkrankung. Eventuell kann ein Infektherd ausgeräumt und eine Antibiose nach Antibiogramm verabreicht werden.
19.16.2 b . Abb. 19.109a, b. Paraösophageale Hernie. a CT, Weichteilfenster. Raumforderung im unteren Mediastinum mit zentralem Lumen (Pfeile) b CT, Lungenfenster
Erkrankungen des vorderen Mediastinums
Raumforderungen im Mediastinum zeigen die . Abb. 19.110 bis . Abb. 19.115.
Schilddrüse Definition, Pathogenese 19.16.1
Entzündung
Pathogenese Eine Entzündung im Mediastinum führt zu einer unspezifischen Verbreiterung des mediastinalen Schattens in der Thoraxübersicht. Dabei ist die akute von der chronischen Entzündung des Mediastinums zu unterscheiden. Die akute Entzündung kann postoperativ, durch Ösphagusruptur, iatrogen nach Sternotomie,
Eine Vergrößerung der Schilddrüse, die sogar bis in das vordere obere Mediastinum reicht, kann unterschiedliche Ursachen haben (. Abb. 19.112, . Abb. 19.113). Pathogenetisch kann ein Iodmangel mit Strumabildung, eine Entzündung oder eine Neoplasie vorliegen. Je nach Größe der Raumforderung kann es zu einer Deviation und Verformung der Trachea kommen.
19
596
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
. Abb. 19.112. Mediastinale Raumforderung. CT. Weichteilfenster. Von der Schilddrüse ausgehende Raumforderung mit zentralen Verkalkungen im Sinne einer nach retrosternal reichenden Struma
. Abb. 19.110. Raumforderung im oberen Mediastinum, Röntgenthorax p.a. Durchmesser 10 cm, homogene Textur, glatte Begrenzung (Pfeile)
. Abb. 19.113. Verkalkter Strumaknoten, Ausschnitt Röntgenthorax p.a. (Pfeile)
CT:
4 Glattbegrenzter, deutlich Kontrastmittel aufnehmender Tumor 4 Rundliche, hypodense Areale bei Vorliegen von Adenomen 4 Verkalkungen sind möglich
Nebenschilddrüsentumoren Nebenschilddrüsentumoren fallen meist durch klinische Symptome des Hyperparathyreodismus auf. Im Regelfall liegen sie dorsal der Schilddrüse, ektopes Auftreten bis hin zum Aortenbogen ist möglich. Oft handelt es sich um nur sehr kleine Strukturen, deren Enhancement geringer als das der angrenzenden Schilddrüse ist. Ergänzend kommt die Sonographie zum Einsatz.
19
. Abb. 19.111. Raumforderung im vorderen, oberen Mediastinum (Pfeile), Röntgenthorax seitlich
> Tumoren des vorderen Mediastinums: Threogene Tumoren (Struma, Karzinome), Thymusassoziierte Tumoren (Thymom, Thymuskarzinom, Hyperplasie), Teratom, Zysten (z. B. Dermoid/Epidermoid), mesenchymale Tumoren.
Thymusassozierte Raumforderungen Diagnose Im Röntgen sieht man in der p.a.-Aufnahme eine unspezifische Verbreiterung des Mediastinalschattens, evtl. mit Imprimierung und/oder Verdrängung der Trachea.
Im Röntgenthorax sind diese indirekt durch eine Verbreiterung des oberen Mediastinums oder eine Verengung des Retrosternalraums sichtbar. In der CT zeigt sich eine zeltförmige, weichteildichte Raumforderung um vorderen, oberen Mediastinum, dem Aortenbogen anliegend.
597 19.16 · Mediastinum
. Abb. 19.114. Raumforderung im oberen Mediastinum, Röntgenthorax p.a.
. Abb. 19.115. Vom Thymus ausgehender Tumor, CT, Weichteilfenster. Flächige, diffuse Infiltration im vorderen Mediastinum mit Verlagerung der Gefäße: malignes Lymphom
19.16.3 Mögliche Ursachen für thymusassoziierte Raumforderungen sind (. Abb. 19.115): 4 Thymushyperplasie nach schweren Allgemeinerkrankungen 4 Follikuläre Hyperplasie, in zwei Drittel der Fälle mit einer Myasthenia gravis assoziiert 4 Thymom: – Meist solide, polyzklisch begrenzte Raumforderung im vorderen oberen Mediastinum. – Verkalkungen und lokalinfiltratives Wachstum möglich. – In der MRT haben die Thymustumoren in der T2-Wichtung eine hohe Signalintensität. In der T1 sind sie muskelisointens. – Eindeutige Dignitätsbestimmung nur mittels Biopsie möglich. 4 Thymuszysten: – Können angeboren oder erworben sein. – Erworbene Zysten können bis zu 10 cm groß werden. – Cave: Seminome können zystische Anteile enthalten. 4 Infiltration des Thymus bei Morbus Hodgkin, Non-Hodgkin und ALL möglich 4 Weitere Tumoren: Thymolipom, Karzinoid
MRT:
4 T1: niedrige Signalintensität, ähnlich Muskulatur 4 T2: inhomogen, ähnlich mediastinalem Fett
Keimzelltumoren Diese Tumoren zeigen sich mit uneinheitlichem Bild, meist glatt begrenzt. Die Klinik ist variabel: möglich sind asymptomatische Verläufe, aber auch lokale Kompressionsfolgen oder eine Infektion des Tumors.
Erkrankungen des mittleren Mediastinums
Gefäßvarianten Die möglichen Gefäßvarianten sind in der Übersicht dargestellt.
Gefäßvarianten im Mediastinum 4 Aortenaneursyma: – Erweiterung der Aorta ascendens ausgelöst durch degenerative, entzündliche (z. B. Lues), traumatische oder genetische (z. B. Marfan-Syndrom) Prozesse – Dabei gilt ein Durchmesser von >4 cm der Aorta ascendens als pathologisch. – Bei Verdacht durch veränderte mediastinale Linien ist die Klärung mittels Ultraschall oder CT anzustreben. – In der CT kann das Aneurysma eindeutig diagnostiziert und quantifiziert werden; desweiteren sind ggf. Dissektionen oder randständige Thromben zu sehen. – Bei Fragestellungen, die insbesondere die Aorta ascendens betreffen, ist die EKG-getriggerte CT indiziert. 4 A. lusoria: – Variante im Verlauf und Ursprung der A. subclavia dextra – Direkter Abgang aus der Aorta descendens und Kreuzen nach rechts hinter dem Ösophagus. – Kann Schluckbeschwerden im Sinne einer Dysphagia lusoria verursachen. 4 Varianten im Verlauf der Aorta: – Unendlich viele Varianten möglich. 6
19
598
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
– Häufig assoziiert mit einem Truncus arteriosus, bzw. angeborenen Herzfehlern wie Fallot-Tetralogie, Pulmonalatresie etc. – Arcus aortae dexter mit Kreuzen vor oder hinter der Trachea und Ösophagus – Im Röntgenthorax ist der Aortenknopf rechts zu sehen und fehlt links. – Trachea kann leicht nach links verdrängt sein. – Arcus aortae duplex – Hoher Verlauf des Aortenbogens 4 Linksseitige V. cava superior
Bronchogene Zyste 7 Kap. 19.5.2.
Perikardiale Zyste Es handelt sich um eine dünnwandige, flüssigkeitsgefüllte Zyste ohne Anschluss an das Perikard; sie tritt am häufigsten im costophrenischen Winkel auf und hat keinen Krankheitswert.
Bildgebung Im Röntgenbild zeigt sich eine glatt begrenzte, rundliche Struktur mit Kontakt zum Herzen, selten Verkalkungen. Auch im CT stellt sich eine glatt begrenzte, rundliche Struktur ausgehend vom Perikard mit wasserisodensen Dichtewerten dar.
4 Konvexe Raumfoderung im aortopulmponalen Fenster bzw. sub/totale Verschattung des aortopulmonalen Fensters in der Seitaufnahme 4 Verbreitertes Mediastinum 4 Verschattung infracarinal mit Verlagerung der azygo-ösophagealen Linie 4 Polyzyklisch-verplumpte Hili In der CT werden Lymphknoten mit einer Größe von 10 mm in der kurzen Achse gemessen als pathologisch vergrößert gewertet. Sie stellen sich als hypodense, meist glatt begrenzte noduäre Strukturen dar. Die Lymphknoten können auch im Sinne eines Bulking konfluieren und nicht mehr einzeln voneinander abzugrenzen sein. Nekrotische Einschmelzungen mit zentralen, flüssigkeitsisodensen Arealen ohne wesentliche Kontrastmittelaufnahme sind möglich und werden bei Pilzinfekten, Tuberkulose und Lymphomen beobachtet. Deutliches Enhancement ist bei gut perfundierten Metastasen bei NSCLC oder Nierenzellkarzinomen und Morbus Castleman zu sehen. Wichtig ist es, Lokalisierung, Größe, evtl. Verkalkungen zu beschreiben. Bei unklaren Befunden und/oder unbekanntem Primarius kann die Biopsie indiziert sein. MRT:
4 T1: geringe Signalintensität, ähnlich Muskulatur 4 Nach Kontrastmittelgabe Angleichung an das Fettgewebe vom Signalverhalten, d. h. Fettunterdrückung empfohlen. 4 T2: hohe Signalintensität
MRT:
4 T2: hohe Signalintensität 4 T1: hohe Signalintensität in Abhängigkeit vom Proteingehalt, randständiges Enhancement nach Kontrastmittelgabe 4 Protonendiche Messung: nur geringer Signalanstieg im Vergleich zur T1 Dieses Bild kann je nach Zysteninhalt variieren. > Tumoren des mittleren Mediastinums: Lymphom, Tumoren vom Ösophagus ausgehen (z. B. Leiomyom), Neurinome (N. phrenicus, N. vagus), Schilddrüsentumoren.
Lymphome
19
Vergrößerte Lymphknoten im Mediastinum können viele Ursachen haben. Sie können verursacht sein durch Neoplasien wie Morbus Hodgkin, Non-Hodgkin Lymphome, Leukämie, Metastasen, durch granulomatöse Erkrankungen wie die Sarkoidose, Amyloidose, Morbus Wegener oder reaktiv bei Infektionserkrankungen wie Tbc, Pilzinfekte, virale und Mykoplasmen Pneumonien.
Trachealtumoren Pathogenese Tumoren der Trachea sind selten. Bei Befall der Trachea handelt sich meist um aus anderen Organen invasiv einwachsende Raumforderungen (z. B. Bronchien, Kehlkopf). An benignen Tumoren sind gelegentlich pleomorphe Adenome, Papillome, Hamartome oder Chondrome zu sehen. Bei den malignen Tumoren mit Lokalisierung in der Trachea ist am häufigsten das Plattenepithelkarzinom, gefolgt vom adenoidzystischen Karzinom.
Klinik Meist zeigt sich ein langsam progredienter Verlauf; symptomatisch wird ein Tumor erst ab Einengung des Lumens um ca. zwei Drittel, dann mit Dyspnoe, Husten, Stridor, blutigem Auswurf. Diese Beschwerden werden häufig fehldiagnostiziert als Asthma oder Bronchitis.
Bildgebung Im Röntgen ergeben sich selten direkte Zeichen, ggf. Abweichungen in der Tracheakontur. CT:
Bildgebung Das Bild im Röntgenthorax ist abhängig von der Lokalisierung der vergrößerten Lymphknoten: 4 Verbreiterung des rechten paratrachealen Streifens bei vergrößerten Lymphknoten rechts paratracheal 4 Verlagerung des Azygosschattens nach lateral bzw. prominenter Azygoslymphknoten
4 Intraluminale Raumforderung 4 Benige, meist glattrandige Läsionen begrenzt durch den knorpeligen Anteil der Trachea 4 Bei fettigen Anteilen handelt es sich um ein Hamartom 4 Ggf. mit Infiltration des umgebenden Gewebes 4 Virtuelle Bronchoskopie zur Beurteilung der Ausdehnung und präoperativen Planung möglich.
599 19.16 · Mediastinum
19.16.4
Erkrankungen des hinteren Mediastinums
Neurogene Tumoren Definition Bei den neurogenen Tumoren handelt es sich um Tumoren, die von Nervenzellen und Nervenhüllgwebe ausgehen. Hierbei sind am häufigsten Schwannome, Neurofibrome, Neuroblastome, Ganglioneurome und Paragangliome.
Klinik Die Patienten sind häufig asymptomatisch; mögliche Symptome sind radikuläre Schmerzen und bei Einwachsen in den Spinalkanal Affektion des Myelons.
Bildgebung Im Röntgenbild zeigt sich eine glatt begrenzte, homogene Struktur paravertebral gelegen. Ein sklerosierter Rand ist Hinweis auf einen benignen Prozess; bei Rippendestruktionen besteht der Verdacht auf einen malignen Tumor. Im CT zeigen sich benigne Tumore als weichteildichte, glatt begrenzte Raumforderung im hinteren Mediastinum. Maligne Tumoren weisen eine uneinheitliche Gewebestruktur mit unscharfen Rändern und infiltrativen Charakter sowie ein deutliches Enhancement bei ausreichender Vaskularisierung auf. Wichtig ist die Lage zum Myelon, hierzu ist eine MRT ergänzend notwendig. Im MRT gelingt eine bessere Signalintensität als Muskelgewebe in der T1- und T2-Wichtung. Die Anreicherung von Gadolinium verläuft in Abhängigkeit von der Zusammensetzung des Tumors und Vaskularisierung.
Extramedulläre Blutbildung Eine extramedulläre Blutbildung wird bei Patienten mit Sichelzellanämie, Thalassämie oder ausgeprägten Anämien beobachtet. Die Gewebevermehrung bei der extramedullären Blutbildung stellt sich als eine asymptomatische, längliche Raumforderung beidseitig paraspinal dar, und ist nur bei großem Volumen konventionell zu identifzieren. Meist ist eine extramedulläre Blutbildung nur in der CT zu sehen. Hier sieht man eine hyperdense, weichteildichte, glattbegrenzte Raumforderung mit deutlichem Kontrastmittel-Enhancement. In der MRT weist das Gewebe in der T2-Wichtung eine höhere Signalintensität auf als die umgebende Muskulatur bei Signalverstärkung durch Gadoliniumgabe in den T1-gewichteten Sequenzen. > Tumoren des hinteren Mediastinums: Neurinome, Neuroblastom, Phäochromozytom, Tumoren ausgehend vom Ösophagus.
Ösophagus Die Achalasie, Tumoren des Ösophagus (. Abb. 19.116), Divertikel oder Hernien können zu einer Veränderung des hinteren Mediastinums führen. Bei einer Achalasie ist im Röntgenthorax als unspezifisches Zeichen ein erweiterter, luftgefüllter Ösophagus zu sehen. Zur weiteren Diagnostik sollte ein Bariumbreischluck durchgeführt werden. Tumoren des Ösophagus sind in normalen Röntgenaufnahmen nicht zu sehen. In der CT zeigt sich selten eine umschriebene Wandverdickung.
b
a
. Abb. 19.116a, b. Leiomyom des Ösophagus. a Durchleuchtung: spindelförmige Aussparung des Ösophagus nach oraler KM-Gabe mit Einengung des Lumens. b Kontrastverstärkte MRT mit der Weichteilstrukturen (Pfeile)
19
600
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
. Abb. 19.117. Nachweisgrenzen eines Pleuraergusses
Divertikel Das Zenkerdivertikel ist ein Pulsionsdivertikel mit Ausstülpung von Mukosa und Submukosa durch durch eine linksseitige Muskellücke oberhalb des M. cricopharyngeus. Klinisch kommt es zu Schluckbescherden, Regurgitation von Speiseresten und Schmerzen bei Ulzerationen. Im Röntgenthorax ist gelegentlich eine Verschattung mit Flüssigkeitsspiegel zu sehen; der Bariumbreischluck ist zur endgültigen Diagnosestellung indiziert. Das epiphrenische Divertikel ist ein Pulsationsdivertikel, ca. 10 cm oberhalb der Cardia im distalen Ösophagus lokalisiert. Die Diagnose wird durch Bariumbreischluck gestellt, wobei kleine Divertikel Ulzerationen vortäuschen können.
Mediastinale Verkalkungen Diese sind in der Übersicht aufgeführt.
5 Infektionen (Tuberkulose, Viren, Parapneumonisch) 5 Malignome (Lungenkarzinom, Metastasen, Morbus Hodgkin, Mesotheliome) 5 Lungenembolie 5 Bei Erkrankungen aus dem rheumatoiden Formenkreis 5 Pankreatitis 4 Hämatothorax/Chylothorax
5 Iatrogen: nach Punktion, Operation 5 Traumatisch 5 Bronchialkarzinom
Klinik Klinisch kann bei größeren Ergüssen eine Dyspnoe auffällig sein. Perkutorisch zeigt sich eine Dämpfung des Klopfschalls nach lateral ansteigend (Ellis-Damoiseau-Linie) und ein abgeschwächter Stimmfremitus. Auskultatorisch ist das Atemgeräusch über dem Erguss aufgehoben.
Mediastinale Verkalkungen 4 4 4 4 4 4 4
Struma, Schilddrüsenzysten Teratom Thymom Verkalkte Trachealspangen Perikardiale Verkalkung (z. B. Perikardaneurysma) Verkalkungen von Herzklappen Arteriosklerose (Koronarien, Aortenbogen)
19 19.16.5
Pleura
Pleuraerguss Pathogenese Bei einem Pleuraerguss sammelt sich Flüssigkeit unterschiedlicher Genese im Pleuraspalt (. Abb. 19.117). Mögliche Ursachen sind: 4 Transsudat (. Tab. 19.37) 5 Herzinsuffizienz 5 Hypoproteinämie (nephrotisches Syndrom) 5 Leberzirrhose 4 Exsudat
Bildgebung Bei einem freien Pleuraerguss sammelt sich die Flüssigkeit an den tiefsten Stellen der Thoraxhöhle an. Im Stehen ist das der Sinus phrenicocostalis. Da er dorsal am tiefsten ist, können kleinere Ergüsse als erstes in der Seitaufnahme diagnostiziert werden. Ab einer Menge von ca. 150 ml ist er im Röntgenbild als Abflachung der Randwinkel mit Spiegelbildung sichtbar, die bei größeren Ergussmengen nach lateral ansteigen. Gekammerte Ergüsse können sich in den Lappenspalten ansammeln und dort als spindelförmige Verdichtung oder teils als Rundherd imponieren. Durch ihre volumenfordernde Wirkung sind die normalen Strukturen verdrängt. In der Sonographie können bereits Ergüsse ab 50 ml dokumentiert werden.
Sonderformen eines Pleuraergusses 4 Gekammerter Erguss: Ein Pleuraerguss kann bis in die Lappenspalten ziehen. Diese erscheinen dann verbreitert und zeigen eine sichel- oder spindelförmige Raum6
601 19.16 · Mediastinum
forderung, die scharf gegen das umgebende Lungenparenchym begrenzt ist. Der gekammerte Erguss ist lageunabhängig. 4 Subpulmonaler Erguss: Bei einem subpulmonalen Erguss handelt es sich um eine Flüssigkeitsansammlung zwischen dem Zwerchfell und der Lungenbasis. Dadurch wird ein Zwerchfellhochstand imitiert. Außerdem steigt der Erguss nicht wie sonst typisch nach lateral an. Ein indirektes Zeichen ist die evtl. darunter liegende Magenblase in großem Abstand zum darüber liegenden Lungenparenchym. 4 Mantelerguss: Pleuraerguss umgibt die ganze Lunge als gleichmäßiger Saum.
Auf den häufig auf Intensivstationen angefertigten Liegendaufnahmen sind Ergüsse erst bei Mengen ab 500 ml zu erkennen. Da hier der Erguss nach dorsal ausläuft, zeigt er lediglich eine Verschattung der basalen Lungenanteile mit unscharfer Abgrenzbarkeit des Zwerchfells und des Herzschattens. Zur Diagnosestellung ist die ergänzende Sonographie wichtig. Mögliche Komplikation ist das Pleuraempyem. ! Bei einem blutigen Pleuraerguss muss immer ein Tumor ausgeschlossen werden.
Pleuritis wird Exsudat in den Pleuraspalt sezerniert. Die Pleuritis sicca zeichnet sich durch Fibrinablagerungen aus. Desweiteren sind eitrige, tuberkulöse und hämorrhagische Formen bekannt.
Klinik, Diagnose Es treten atemabhängige, einseitige Schmerzen der Thoraxwand, bei Pleuritis sicca ein auskultatorisches Reibegeräusch auf. Im Röntgen stellen sich ein Zwerchfellhochstand auf der betroffenen Seite sowie ein zarter Pleuraerguss dar; ggf. sind Punktion und Drainage notwendig.
Therapie Wichtig ist die Therapie der Grunderkrankung. Symptomatisch kann mit Paracetamol und evtl. ergänzend Codein behandelt werden.
Malignes Mesotheliom Definition, Pathogenese Bei einem malignen Pleuramesotheliom handelt es sich um einen von der Pleura ausgehenden Tumor, der sich mit einer langen Latenzzeit nach einer andauernden Asbestexposition entwickelt. Bevorzugt befallen sind Männer >50 Jahre. Nur bei einem kleinen Teil der von einer Asbestose betroffenen Patienten entwickelt sich ein malignes Mesotheliom.Die Prognose ist bei einer mittleren Überlebenszeit von etwa 12 Monaten schlecht.
Therapie
Klinik
Als erstes muss die Ursache des Ergusses, z. B. die Linksherzinsuffizienz behoben werden. Symptomatisch kann die einmalige Punktion oder die CT-gesteuerte Einlage einer Drainage bei rezidivierenden Ergüssen erfolgen.
Da die Klinik mit Atemnot, Schmerzen und Husten unspezifisch ist, gelingt die Diagnosestellung meist im fortgeschrittenen Stadium und somit ist die Prognose schlecht.
Bildgebung
Bronchopleurale Fistel
Röntgen:
Unter einer bronchopleuralen Fistel versteht man eine Verbindung zwischen der Pleura und dem Bronchien. Sie können iatrogen nach Lungenteilresektion, traumatisch insbesondere bei begleitenden Infektionen oder bei großen Bullae auftreten. Klinisch zeigt sie die Persistenz eines Pneumothorax teils mit Weichteilemphysem bei liegender Drainage. Die Diagnose erfolgt mittels hochauflösender CT, wobei der Defekt nicht immer lokalisierbar ist.
4 Pleuraerguss 4 Umschriebene noduläre Verschattungen, pleuraständig 4 Mediastinalshift auf die betroffene Seite durch Volumenreduktion der Pleura möglich 4 Im fortgeschrittenen Stadium: Rippendestruktionen, mediastinale Lymphknoten
Pleuritis Eine Pleuritis ist eine akute oder chronische Entzündung der Pleura meist in Kombination mit anderen pulmonalen Prozessen, z. B. einer Pneumonie, Bronchitis, Tuberkulose, Tumor. Dabei werden mehrere Formen unterschieden. Bei der serösen
CT:
4 Tumorausdehnung besser darstellbar 4 Tafelbergartige Pleuraverdickung die die Lunge, Thoraxwand und Zwerchfell infiltrieren 4 Völlige Infiltrierung der Pleura, sichtbar durch Verdickung, der Pleura möglich 4 Vergrößerte Lymphknoten (parasternal)
. Tab. 19.37. Differenzierung Transudat versus Exsudat
Gesamteiweiß
GE Pleura/Serum
Spezifisches Gewicht
LDH
LDH Pleura/Serum
Transudat
<30 g/l
<0,5
<1,016
<200 U/l
<0,6
Exsudat
>30 g/l
>0,5
>1,016
>200 U/l
>1
19
602
Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
. Tab. 19.38. Stadieneinteilung des Pleuramesothelioms T – Primärtumor T1A
Tumor auf einer Seite, Pleuraraum nicht verklebt, kein Befall des Brustfells
T1B
Befall des Lungen- und Brustfells, verstreute Tumorherde
T2
Tumorbefall aller Anteile des Lungen-/Brustfells, Zwerchfells oder Lungen
T3
Lokal sehr ausgedehnt (z. B. Pleura, Faszie, Perikard), jedoch noch operabel
T4
Lokal ausgedehnt, nicht operabel, Rippen-, Zwerchfell-, Herzbefall
N – Lymphknotenmetastasen (LK)
erfolgt in 3 Stadien über die exsudative Phase zur purulenten bis hin zur Verschwartung.
Klinik Die Klinik des Pleuraempyems kann überdeckt werden durch die Grunderkrankung. Meist kommt es zu Fieber, lokalen Thoraxschmerzen, Husten und Nachtschweiß.
Bildgebung Im Röntgenthorax kann keine Aussage über die mögliche Infektion eines Pleuraergusses gemacht werden. Die Transparenzminderung in typischer Lokalisation eines Pleuraergusses zeigt lediglich die ungefähre Menge an Erguss an. Im CT ist die Ursache evtl. abgrenzbar; ggf. ist die direkte Punktion möglich. Zudem zeigen sich: 4 Verdickte Pleurablätter 4 Deutliches Enhancement der Pleura nach Kontrastmittelgabe
NX
Keine Beurteilung möglich
N0
Keine regionalen LK-Metastasen
Therapie
N1
Gleichseitige bronchopulmonale und hiläre LK-Metastasen
N2
Subcarinäre und gleichseitige mediastinale LK-Metastasen
N3
Gegenseitige LK-Metastasen
Falls das Empyem noch nicht organisiert ist, kann es punktiert und drainiert werden. Sonst ist eine chirurgische Intervention notwendig. Dabei kann das Empyem thorakoskopisch ausgeräumt oder tPA eingespritzt werden.
M – Fernmetastasen MX
Keine Beurteilung bezüglich Fernmetastasen möglich
M0
Keine Fernmetastasen
M1
Fernmetasten vorhanden
Nach Verdacht auf ein malignes Mesotheliom kann eine Feinnadelpunktion bzw. Thorakoskopie zur endgültigen Diagnosesicherung notwendig sein. Die Stadieneinteilung erfolgt wie in . Tab. 19.38 dargestellt.
19.17
Thoraxwand
Weichteilemphysem Definition, Pathogenese Ein Weichteilemphysem stellt eine Luftansammlung aus der Lunge, über den Pleuraspalt in das umgebende Weichteilgewebe wie Muskulatur und Fettgewebe dar. Diese tritt auf im Rahmen eines fistelnden Pneumothoraxes, bei mechanischer Beatmung oder Fehllage von Drainagen.
Klink Therapie In einem frühen Tumorstadium kann eine chirurgische Resektion im Sinne einer Pleuropneumektomie nach vorangeganger Chemotherapie erfolgen. In fortgeschrittenen Stadien ist nur eine alleinige Chemotherapie möglich.
Gutartige Pleuratumoren
19
Das gutartige Pleuramesotheliom bildet sich aus der Pleura visceralis und kann, wenn es nur aus fibrösem Gewebe besteht, auch als Pleurafibrom bezeichnet werden. Rezidive treten nach Resektion des meist solitären Herdes nur selten auf. Selten werden auch pleurale Lipome beobachtet, die sich in der CT aufgrund der Dichtewerte gut bestimmen lassen.
Pleuraempyem Pathogenese Bei einem Pleuraempyem handelt es sich um einen infizierten Pleuraerguss, der häufig als eine Begleiterscheinung bei einer bakteriellen Pneumonie auftritt. Weitere Ursachen können eine Sepsis, Lungenabszess, bronchopleurale Fistel, iatrogene, paraneoplastische oder posttraumatische Faktoren sein. Der Verlauf
Über dem Emphysem lässt sich ein Knistern auskultieren. Lokal kann die Haut gedehnt imponieren.
Diagnose Im Röntgenthorax sind feine, zarte Linien mit Transparenzerhöhung zu sehen, als würde ein zartes Gewebe oder Feder über dem Bild liegen; in der liegenden Aufnahme sind diese oft subpektoral sichtbar (. Abb. 19.118). Im CT zeigt sich eine wabenförmige Auffiederung des subkutanen Gewebes mit Luft-isodensen Dichtewerten; am besten ist dies im Lungenfenster sichtbar.
Tumoren Zu nennen sind hier: 4 Tumoren ausgehend von der Rippen oder Knorpel (7 Kap. 37) 4 Weichteiltumoren 4 Primäre Neoplasien: Hämangiom, Lymphangiom, Fibrom, Melanom, Melanom 4 Sekundäre Neoplasien: Bronchialkarzinome, Mesotheliome, Metastasen
603 19.18 · Lungenintervention
pneumonien können kleine, fleckförmige Verkalkungen hinterlassen. Verkalkende Metastasen sind bei Sarkomen, (muzinösen) Adenokarzinomen und papillären Schilddrüsenkarzinomen möglich. Pleurale Verkalkungen können nach einem Empyem oder Hämatothorax auftreten. Bei einer Asbestexposition zeigen sich langstreckige, tafelberartige Kalkeinlagerungen, ähnliches Bild bei einer Silikose.
Literatur Felson B, Weinstein A, Spitz HB. Röntgenologische Grundlagen der Thoraxdiagnostik, 9. Aufl. Stuttgart: Thieme Verlag 1998 Freyschmidt J, Galanski M. Handbuch Diagnostische Radiologie: Thorax. Berlin, Heidelberg: Springer 2003 Lange S. Radiologische Diagnostik der Thoraxerkrankungen, 4. Aufl. Stuttgart: Thieme Verlag 2010 Reiser M, Kuhn FP, Debus J. Radiologie, 2. Aufl. Stuttgart: Thieme Verlag 2006 a
19.18
Lungenintervention
19.18.1
Regionale Chemotherapieverfahren der Lunge
Im Rahmen der regionalen Chemotherapie von Lungenerkrankungen kommen die Transvenöse Pulmonalkatheter-Chemoembolisation (TPCE) und Transarterielle Chemoembolisationsverfahren zur Anwendung.
Transvenöse PulmonalarterienChemoembolisation (TPCE)
Dabei handelt es sich um Schmerzen an einer oder mehrerer Rippen am sternocostalen Übergang unklarer Ätiologie. Die Thoraxaufnahme ist unauffällig. In der CT oder MRT zeigt sich gelegentlich eine Verdickung des Knorpels.
Die Inzidenz für das Bronchialkarzinom nimmt in den letzten Jahrzehnten rapide zu (Pech et al. 2004). Heute ist diese Tumorentität die häufigste maligne Erkrankung weltweit. In den USA steht das Bronchialkarzinom bei den malignen Erkrankungen an erster Stelle, sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen. Das Durchschnittsalter der Erkrankung liegt zwischen 65 und 75 Jahren. Am häufigsten handelt es sich bei dem Bronchialkarzinom um ein Plattenepithelkarzinom (34%), gefolgt von dem großzelligen Karzinom mit 28% und dem Adeno- und bronchioalverolären Karzinom mit 20%. Kleinzellige Karzinome werden in 17% der Fälle, gemischte Karzinome in 1% der Fälle diagnostiziert (Pech et al. 2004).
Verkalkungen
Prinzip der TPCE
Verkalkungen der Thoraxwand können vielfältige Ursachen haben. Differenziert werden müssen Verkalkungen, die sich auf die Thoraxwand projizieren und Verkalkungen, die tatsächlich im Muskel oder Fettgewebe liegen. Im Röntgenthorax sind Verkalkungen häufig. Oft zeigen sich die Rippenknorpelansätze im höheren Lebensalter grob schollig bis wolkig verkalkt. Subkutane Hämatome oder Granulome können als rundliche verkalkte Strukturen imponieren (. Abb. 19.119). Auch Sarkome oder Osteosarkome neigen zur Kalkeinlagerung. In den Axillen sowie die Hili umgebend und im aortopulmonalen Fenster sind verkalkte Lymphknoten möglich. Intrapulmonal verkalken Herde von Tuberkulose und Histioplasmozytose, ebenso postentzündliche Granulome. Varizellen-
Das Prinzip der transpulmonalen Chemoembolisation (TPCE) sieht eine Kanülierung der A. pulmonalis für den arteriellen Zufluss zum Tumor vor, wodurch ein »hoher first pass effect« resultiert. Dies ermöglicht die Applikation eines hoch dosierten Zytostatikums direkt in die tumorbefallene Lungenregion, wodurch eine systemische Belastung durch die Zytostatika weitgehend vermindert werden kann.
b . Abb. 19.118a, b. Weichteilemphysem. a Röntgenthorax a.p. im Liegen. b CT, Lungenfenster, diffuse Aufhellung der Haut und Weichteile
Sonstige Erkrankungen Tietze Synrom
Technik der TPCE Ein 5-F Headhunter-Katheter wird in die Pulmonalarterie platziert. Danach erfolgen eine angiographische Darstellung des arteriellen Gefäßsystems und der zu embolisierenden Lungenhälfte und eine Sondierung der entsprechenden Segmentarterie mittels
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Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
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. Abb. 19.119a–c. Granulom. Röntgenthorax a p.a. Granulom linkes Lungenunterfeld, Durchmesser 12 mm mit hoher Dichte. b Röntgenthorax seitlich; hier als rundliche Verkalkung mit Projektion auf den Herzschatten zu sehen. c CT, Lungenfenster. Verkalkung innerhalb des aneurysmatisch aufgeweiteten linken Ventrikels (Pfeile)
Headhunter-Katheter. Im Anschluss wird ein Ballonkatheter (Durchmesser 7 mm; Länge 110 mm) in der ausgewählten Segmentarterie platziert. Abhängig von der Größe, der Lokalisation und dem Versorgungsgebiet der Arterien wird die Katheterspitze in die subsegmentalen Pulmonalarterien über einen Führungsdraht vorgeschoben. Um möglichst frühzeitig arteriovenöse Shunts auszuschließen, wird nach Blockung des Katheters eine kontrastmittelverstärkte Angiographie durchgeführt. Im Anschluss werden langsam unter Durchleuchtung Zytostatika und bis zu 10 ml Lipiodol sowie die Mikrosphären injiziert, bis der Blutfluss sistiert (Siperstein et al. 2000).
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Ergebnisse
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Um die Prognose des nichtkleinzelligen Bronchialkarzinoms in den Stadien II und III zu verbessern, wurden diverse Therapieprotokolle bei neoadjuvanten Chemotherapien, kombinierte Chemo-/Radiotherapien und solche für postoperative Bestrahlung entwickelt (Vogl et al. 2007). Im Stadium III und IV stehen noch symptomatische Therapieverfahren wie die Kryotherapie, Behandlung mittels Nd-YAG-Laser, Stentimplantation oder intraluminale Bestrahlung (Vogl et al. 2007) als palliative Therapieoptionen zur Verfügung. Der palliative Einsatz der TPCE dient der lokalen Tumorkontrolle von therapierefraktären Manifestationen des Bronchialkarzinoms und Lungenmetastasen, insbesondere des kolorektalen Karzinoms(CRC), Mammakarzinoms und anderer hypervaskulärisierter Metastasen unterschiedlicher Primärtumoren. Die lokalen Ansprechraten liegen bei 47%, eine palliative Remis-
sion kann bei bis zu 33% erzielt werden. Viel versprechend ist der neoadjuvante Effekt der RFA oder LITT (laserinduzierte Thermotherapie) zum Downsizing, zur Devaskularisation und Reduktion des Risikos eines Zellverschleppens. Folgende Faktoren beeinflussten die Ergebnisse der TPCE als regionales Therapieverfahren: 4 Erstens die notwendige Gefäßblockade durch einen Ballonkatheter, um eine Embolisatverschleppung zu verhindern und um einen arteriovenösen Shunt mit möglichen Komplikationen auszuschließen. 4 Zweitens die superselektive Applikation des Chemotherapeutikums und die Verwendung von Lipiodol, das als Carrier für Zytostatika fungiert (Suh et al. 2003) sowie die Verwendung von Mikrosphären, um die Elimination der Zytostatika zu verzögern.
605 19.18 · Lungenintervention
Bronchialarterienembolisation Diverse Studien unterstützen den Einsatz der Bronchialarterienembolisation (BAE) bei zystischer Fibrose (CF)-Patienten mit akuter Hämoptoe und chronischen Hämoptysen, sodass trotz fehlender randomisierter Daten eine Konsensuskonferenz der CF-Foundation deren Einsatz befürwortet (Miao et al. 2001) (Übersicht).
Leitlinien bei pulmonaler/bronchialer Embolisation (Deutsche Röntgengesellschaft) 4 Bronchialarterien – Notfallembolisation bei vital bedrohlicher Hämoptyse bei kontraindiziertem chirurgischem Eingriff. Kurativ bei ursächlichen Gefäßmalformationen, in der Regel palliativ, da die Grunderkrankung nicht behandelt wird. – Dringliche Indikation bei schwerer Hämoptyse (200– 500 ml/Tag) – Bisher vorwiegend durchgeführt bei: Tuberkulose, Bronchiektasen, zystischer Lungenfibrose, Lungenabszess, Pneumokoniosen, Aspergillom, Blastomykose, Bronchialkarzinom, Gefäßmissbildung – Vor einer Bronchialarteriographie sollte eine lokale endobronchiale Blutungsquelle ausgeschlossen werden, die endoskopisch therapiert werden kann. 4 Pulmonalarterien – Solitäre und multiple AV-Fisteln, die >3 mm sind, wegen der Gefahr paradoxer Embolien (zerebraler Insult, Hirnabszess) sowohl bei symptomatischen als auch bei asymptomatischen Patienten – Bisher durchgeführt bei kongenitalen AV-Malformationen, am häufigsten im Rahmen eines Morbus Osler (hereditäre Teleangiektasie) – Perkutane Embolisation ist Methode der Wahl vor dem operativen Vorgehen
Technik Der Eingriff wird in der Regel über einen femoralen, selten über einen brachialen Zugang durchgeführt. In einem ersten Schritt erfolgte eine selektive Angiographie der Interkostal- und Bronchialarterien, um die Blutungsquelle angiographisch nachzuweisen. Dabei erfolgt die selektive Sondierung der Gefäße anhand der bronchoskopisch und computertomographisch gewonnenen Informationen. In DSA-Technik werden Lokalisation, Größe, Anzahl und Morphologie der Blutungsgefäße dokumentiert. Nach Detektion der Blutungsquelle erfolgt in einem zweiten Schritt die Embolisation mittels Platin-Coils. Um atypische Zuflüsse aus Interkostal- und Zwerchfellarterien zu detektieren, die zu der Blutung beitragen, wird eine Aortographie durchgeführt (Kang et al. 2004). Methodisch erfolgt eine komplette Darstellung der Gefäßanatomie und zur Blutungslokalisation eine thorakale Aortographie und selektive Arteriographien der Aa. bronchiales, Aa. intercostales und der A. subclavia. Die Ergebnisse vorangegangener Untersuchungen (z. B. Bronchoskopie) ermöglichen die gezielte Suche nach der Blutungsquelle (Germer et al. 2005).
Zusätzlich zu der angiologischen Intervention erfolgten therapeutische Allgemeinmaßnahmen wie antitussive Therapie, Seitenlagerung, Optimierung der Gerinnungssituation und Inhalation vasokonstriktorischer Substanzen.
Ergebnisse Die Therapie pulmonaler Blutungen stellt die Bronchialarterienembolisation (BAE, oder perkutane transluminale Embolisation, PTE) von Bronchial-/Interkostalarterien oder Pulmonalarterien dar (De Baere et al. 2000). Die Ursachen der Blutungen und die morphologischen Veränderungen der blutenden Gefäße zeigen eine große Heterogenität. In der selektiven Bronchialarteriographie sind direkte Blutungszeichen die Extravasation von Kontrastmittel. Indirekte Blutungszeichen sind eine Hypervaskularisation des Areals, die Hypertrophie der versorgenden Arterie und arterio-pulmonalarterielle Shunts. Angiographisch ist eine Blutung bei einer Blutungsmenge von >30 ml/h sichtbar (Puls et al. 2003). Optimal ist die Embolisation mit Platin-Coils. Bei 90% der Patienten mit nicht-tumorbedingter Blutung konnte ein sofortiger Stillstand der Blutung erreicht werden. Bei den Patienten mit tumorbedingten Blutungen wurden 1–6 Platin-Coils, in Abhängigkeit von Gefäßquerschnitt und Blutfluss, appliziert. Dabei wurden alle Zweige der tumorspeisenden Arterien embolisiert. Ein Blutungsrezidiv wird bei 50% der Patienten innerhalb von 34 Tagen (1–69 Tage) beobachtet (Pech et al. 2004). Diese Coils okkludieren relativ proximal der Blutungsquelle. Bei zarten Bronchialarterien macht ein Spasmus das sichere Einbringen von Teilchen oft unmöglich. Eine Re-Embolisation bei vorher proximal applizierten Spiralen kann erschwert sein, da die Blutungsquelle mit dem Katheter nicht mehr erreicht werden kann. Grundsätzlich sollte jedes Embolisat möglichst distal arteriell verschließen, ohne über die Shunt-Verbindungen weitergetragen zu werden. Dies ist durch Partikel ab 355 μm möglich (Pech et al. 2004). Andere Gruppen schätzen den Einsatz von Platin-Coils als problematisch ein, da diese v. a. proximale Gefäße verschließen (de Baere 2000). Der Mechanismus der Blutung beim Tumor umfasst Neovaskularisationen, instabile Gefäßstrukturen, vulnerable Oberflächen und Tumorinvasionen in gesunde Gefäßstrukturen. Im Rahmen der fortschreitenden Tumorerkrankung wirken diese Mechanismen in immer ausgedehnteren Bereichen. Hierdurch wird ein erneutes Blutungsereignis begünstigt. Bei benignen Blutungsursachen (z. B. Angiodysplasie) ist eine Zunahme und Ausdehnung der bestehenden Gefäßveränderungen weniger wahrscheinlich (Siperstein 2000).
Komplikationen Der BAE wurden mehrere Komplikationen zugeschrieben, wie massive thorakale Schmerzen, Dysphagie, Bronchialnekrose, Zwerchfellparese und spinale Ischämie vergesellschaftet mit einer Paraplegie (Vogl et al. 2007). Neuere Studien zeigen jedoch, dass unter Verwendung nichtionischer Röntgenkontrastmittel und Einsatz einer modernen DSA-Anlage die Komplikationsrate in den Händen eines erfahrenen Interventiologen als gering einzustufen ist (Vogl et al. 2007).
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Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
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. Abb. 19.120a, b. Nierenzellkarzinom/RFA. a 68-jähriger Patient mit metastasiertem Nierenzellkarzinom. Bipolare RFA einer Lungenmetastase.
19.18.2
Thermale Ablation
Radiofrequenzablation Die Radiofrequenzablation(RFA) gehört zur Gruppe der thermoablativen Verfahren. Der minimal-invasive Charakter des Verfahrens und eine geringe therapieassoziierte Morbidität im Bereich der Leber im Zusammenhang mit einer hohen lokalen Effektivität stellen ihre Vorteile dar (Tacke 2003). Die Sicherheit und Effektivität der RF-Ablation als Therapieoption in der Behandlung von Leber, Lungen- und Nierentumoren sowie in der symptomatischen Behandlung von Knochen- und Weichteiltumoren wird gegenwärtig evaluiert (Vogl et al. 2004, Boss 2005).
Metastase linker Oberlappen. b RFA-Sonde von dorsal in einer anderen Läsion in situ liegend
4 maximaler Durchmesser der Tumoren 6 cm, 4 maximale Zahl von 3 Tumoren pro Leberlappen(<50% des Lebervolumen), 4 keine extrahepatischen Metastasen, 4 suffiziente Blutgerinnungswerte (Quick >50%, Thrombozyten >60 000/μl). Bei Patienten mit kolorektalen Metastasen sind die Indikationen für die RFA: Multifokale Läsionen mit maximalem Durchmesser 3,5 cm, bei unifokalen Läsionen ein maximaler Durchmesser von 5 cm, extrahepatische Metastasen ohne Wachstumtendenz oder mit der Möglichkeit zur Therapie, suffiziente Blutgerinnungswerte (Quick >50%, Thrombozyten >60 000/ mcl) und die Einverständniserklärung des Patienten.
Prinzip der RFA
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Bei der Radiofrequenzablation wird die Energieausbreitung auf die soliden Tumoranteile fokussiert, da die Strukturen zu einer Isolation führen. Der gleiche Effekt limitiert jedoch die Energiedeposition aufgrund der zunehmenden Gewebeaustrocknung. Dieses Fehlen von freien Ladungen für den Stromfluss registrieren die Generatoren als Impedanzanstieg und brechen die Applikation ab (roll off) (Vogl et al. 2004).
Indikationen für RFA Nach derzeitigem Stand von Wissenschaft und Technik soll die RFA nur bei Patienten mit nicht resektablen oder nicht operablen HCC-Tumoren durchgeführt werden. Weitere Indikationen sind: 4 wenn der Patient die Operation ausdrücklich ablehnt, 4 die RFA als neoadjuvante Therapie zur begleitenden systemischen oder lokalen Therapien durchgeführt wird, 4 Child A/B,
Technik der RFA Bei der Radiofrequenzablation wird eine Nadelelektrode bildgebungsgesteuert im Tumor platziert, eine oder mehrere breite Neutralelektroden an der Hautoberfläche (typischerweise an den Oberschenkeln) angebracht und über einen Wechselstromgenerator ein Stromfluss zwischen den Elektroden generiert. Das bewirkt eine Oszillation von Ionen im elektrischen Feld und damit eine Erhitzung des Gewebes durch Friktion. Dieser Effekt nimmt mit der applizierten Energie zu. Die Dichte der Feldlinien und damit die Energieabgabe pro Volumeneinheit ist bei kleinerer Elektrodenoberfläche höher als bei größerer. In unmittelbarer Umgebung der Nadelelektrode besteht daher die höchste Energiedichte bzw. Erwärmung. Mit zunehmender Distanz, abhängig von der Nadelelektrode maximal 3,5 cm, reicht die Energie nicht mehr aus, Gewebe zu schädigen (Sommer 2004).
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. Abb. 19.121a–e. Lungenmetastasen, TPCE. a 77-jähriger Patient mit Lungenmetastasen. Transpulmonale Chemoembolisation (TPCE) der rechten Lunge. Dokumentation des Katheters in der rechten A. pulmonalis sowie des eingebrachten Embolisatmaterials. b Die MDCT zeigt eine teilweise nekrotisierte Läsion rechts basal nach TPCE. c RFA der Läsion mit zentraler Lage der RFA-Sonde. d Die T2-gewichtete MRT des Thorax zeigt die heterogene Textur der Läsion aufgrund einer mäßigen Nekrose. e Nach 6 Monaten zeigt die kontrastverstärkte T1-gewichtete MRT-Aufnahme keine KM-Anhebung der Läsion
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Kapitel 19 · Thorax, Mediastinum
Mechanismus der RFA Ein zytotoxischer Effekt ist ab Temperaturen von >42°C nachgewiesen. Während der Zelltod maligner Zellen bei 46°C nach 8 min eintritt, bei 51ºC nach 2 min, ist dies bei 70ºC praktisch sofort festzustellen (Goldberg 2001, Dickson u. Calderwood 1980, Schlemmer et al. 2004). Die Mechanismen der temperaturinduzierten Zellschädigung sind nur inkomplett aufgeklärt. Zwischen 40 und 60°C stehen Effekte auf die Zellstabilität und die Proteinsynthese im Vordergrund. Neben den direkten zytotoxischen Einflüssen werden in dieser Phase auch intrazelluläre Prozesse induziert, die zum Zelltod führen. In diesem Zusammenhang spielen »heat shock proteins« (Schlemmer et al. 2004) eine Rolle, die über den Weg einer Antigenpräsentation an der Zelloberfläche zusätzlich zu einer den Therapieerfolg eventuell verstärkenden Immunreaktion führen können. Über 60°C erfolgt eine Koagulationsnekrose, bei Temperaturen um 90–100°C karbonisiert das Gewebe. Die Thermosuszeptibilität des Gewebes steigt mit niedrigem pH-Wert und Hypoxie (Schlemmer et al. 2004). Die geminderte Leberperfusion führt nicht nur über den Weg einer Abnahme der Sauerstoffspannung und Verschiebung des pH-Werts zu einer Verbesserung des zytotoxischen Effekts der Thermoablation, sondern auch über die Reduktion der Temperaturkonvektion. Der gewebeschädigende Effekt der Thermoablation ist durch den von größeren Blutgefäßen bewirkten Wärmeabtransport limitiert, d. h. Tumorzellen, die sich in unmittelbarer Nähe von Lebergefäßen befinden, werden unter Umständen nicht ausreichend genug geschädigt. Dieser Effekt wird »heat sink effect« genannt und tritt bei Gefäßlumina von >3 mm auf (Lu et al. 2002). Eine thermoinduzierte signifikante Schädigung von Gefäßen >2 mm Durchmesser wird nicht beobachtet (Lu et al. 2002).
Ergebnisse
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Die Kriterien zur Evaluation des Ablationserfolges sind gegenwärtig nicht einheitlich definiert. Eine frühzeitige Detektion von Resttumorgewebe ist entscheidend für die Prognose einer ggf. notwendigen erneuten RF-Ablation. Aus diesem Grund ist eine Optimierung der Evaluation des Ablationserfolges anzustreben. Einen Ansatz stellt die Charakterisierung der Kontrastmittelaufnahme im Bereich der Ablationszone dar (Suh et al. 2003), vergleichbar zur Dignitätsabschätzung von Lungenrundherden mittels CT (Swensen et al. 2000). Die MRT bietet eine gute Korrelation mit unterschiedlichen histologischen Zonen im Bereich der Ablation (Miao et al. 2001) und stellt eine aussagekräftige Alternative dar. Mittels PET oder PET/CT ist möglicherweise in der Frühphase nach RF-Ablation eine höhere Sensitivität und Spezifität in der Beurteilung des Ablationserfolgs zu erzielen als in der CT (Kang et al. 2004).
Lungenmetastasen Die perkutane RF-Ablation könnte eine mögliche Alternative zur potenziell kurativen Metastasektomie in der Behandlung von Lungenmetastasen darstellen. Voraussetzungen sind, in Analogie zur Metastasektomie, eine vollständige Eradikation des Primärtumors und das Fehlen extrapulmonaler Metastasen bzw. die Verfügbarkeit einer Therapie der extrapulmonalen Metastasen. Darüber hinaus muss eine vollständige RF-Ablation aller Metastasen tech-
nisch möglich sein. In Anbetracht der begrenzten Erkenntnisse sollte die RF-Ablation von Lungentumoren aber auch auf dieses Patientenklientel beschränkt bleiben (Vogl, Herzog et al. 2007). Nahezu alle Arbeitsgruppen bevorzugen die direkte Punktion der Lungenmetastase mit der RFA-Sonde, um anschließend, abhängig vom System, noch kleinere schirmartige Sonden auszufahren. Verschiedene Sondenlängen sowohl des Schafts als auch der aktiven Spitzen kommen in Abhängigkeit von der Läsionsgröße zur Anwendung. Vereinzelt wird auch die »Tandem-Technik« durchgeführt, wobei erst eine dünne Punktionsnadel (22 Gauge) platziert und anhand dieser die eigentliche RFA-Nadel ins Zielvolumen geführt wird. Dabei steht neben dem oben beschriebenen Radiotherapeutics-System alternativ das RITA multi-tinned array (Starbust XL, RITA Medical Systems, Mountain View, CA) als Vertreter der Schirmelektroden zur Verfügung. Als Einzelelektrode, offen oder geschlossen gekühlt, steht die monopolare, aber auch die bipolare Sonde zur Auswahl. Auch eine Clusterelektrode (»Clustered-cooled-tip«-Elektrode Radionics, Burlington, MA) kommt bei großen Läsionen zum Einsatz. Einzelne Arbeitsgruppen führen vor und nach der Ablation eine Densitometrie der Läsion durch, um daraus Rückschlüsse auf verbliebene Restaktivität zu ziehen (Suh et al. 2003). Die Stichkanalverödung durch Rückzug der beheizten Elektrode wird in den meisten Arbeitsgruppen durchgeführt, um das Problem der Tumorzellverschleppung zu minimieren. Potenziell kurative Indikationstellungen der RFA der Lungentumoren: 4 Fehlende funktionelle Operabilität bei eingeschränkter Lungenfunktion 4 Nicht mögliche Operabilität aufgrund von Begleiterkrankungen 4 Ablehnung der Operation durch den Patienten Indikationsstellungen bei Metastasen sind: 4 Vollständige Eradikation des Primärtumors 4 Fehlende extrapulmonale Metastasen oder Verfügbarkeit einer effektiven Therapie der extrapulmonalen Metastasen. Palliative Indikationen der RFA bei Lungentumoren: Durch RF-Ablation ist eine Therapie von tumorassoziierten Schmerzen im Bereich der Lunge und Thoraxwand möglich (van Sonnenberg et al. 2005). > Ungeachtet der bestehenden Unsicherheiten besteht Einigkeit darüber, dass gerade die intrapulmonalen Neoplasien besonders gute Voraussetzungen für die Thermoablation besitzen, da das umgebende luftgefüllte Lungenparenchym als guter Isolator einem Temperaturabtransport entgegen wirkt (Goldberg et al. 1995). Prinzipiell sollte die RFA eine vollständige Ablation intrapulmonaler Tumoren ermöglichen, sodass mit der Thoraxchirurgie vergleichbare Ergebnisse erreicht werden können, und dies mit niedrigerer Mortalität, Morbidität und deutlich besserer Lebensqualität für den Patienten. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Behandlung innerhalb eines stationären Aufenthalts von 24 h oder sogar ambulant durchgeführt werden kann.
609 19.18 · Lungenintervention
erwarten ist, die Nadelplatzierung; andererseits ist die Pleura sehr schmerzempfindlich und der Punktionswinkel bei hinter einer Rippe gelegenen pleuranahen Metastase meist ungünstig. Basal gelegene Metastasen sind schlechter therapierbar als weiter kranial gelegene; aufgrund der größeren Lungenbewegung bei der Atmung ist es schwieriger, den Applikator bei der Therapie in den basalen Metastasen platziert zu halten. Diese Punkte sollten bei der Patientenauswahl berücksichtigt werden (Weigel et al. 2004). Die Vorteile der LITT der Lunge sind die Induktion größerer Ablationsvolumina (Amin et al. 1993, Anzai et al. 1991), eine erhöhte Rate an kompletten Tumorablationen, die geringeren »Coolingeffekte« durch benachbarte Gefäße und die fehlende Impedanzproblematik (Brookes et al. 1997). Andererseits erweist sich bei der LITT der Lunge die etwas schwierige Punktion mit einer erschwerten präzisen Positionierung des Applikationssystems bei Direktpunktion als nachteilhaft. Die Limitation der thermischen Ablation der LITT beruht auf dem Phänomen der Karbonisation (Hosten et al. 2003, Ishibashi et al. 2003, Jolesz et al. 1988, Lee et al. 2004). . Abb. 19.122. Lebermetastasen eines Kolonkarzinoms. 47-jähriger Patient mit Lebermetastasen eines Kolonkarzinoms. Die MSCT nach LITT zeigt die hypodensen Areale der Nekrose mit umgebenden relativ hyperdensen Areale der Hyperämie
Komplikationen Zu den möglichen postinterventionellen Komplikationen gehören Schmerzen, Fieber und Übelkeit, die jedoch lediglich eine symptomatische Therapie erfordern (Dodd et al. 2005). Gelegentlich treten Pleuraergüsse bei zwerchfellnah gelegenen Tumoren auf. Sehr selten sind Blutungen aus dem Punktionstrakt – besonders nach der Ablation sehr pleuranah gelegener Herde – oder die Ausbildung von Abszessen im Bereich der Tumornekrose. Zudem können gelegentlich Gallengangsfisteln auftreten, und es kann in Einzelfällen zu einer Tumorzellverschleppung im Punktionskanal kommen.
19.18.3
Laserinduzierte Thermotherapie der Lungen
Für die Laserablation von Lungentumoren wurden miniaturisierte Applikatoren entwickelt, die mittels Direktpunktion im Tumor platziert werden können (Hosten et al. 2003, Puls et al. 2003). Im Gegensatz zur Laserablation von Lebertumoren ergeben sich erhebliche technische Probleme, wenn die Intervention mit MRT gesteuert wird (Pneumothoraxgefahr, Dislokationsgefahr, notwendige seitliche Lagerung oder Bauchlagerung), sodass die CT als Modalität der Wahl anzusehen ist. Zudem besteht in der CT ein ausgezeichneter Kontrast zwischen Tumor und Lungengewebe, der eine hinreichende Abschätzung des zu erzielenden Koagulationsvolumens gewährleistet. Entgegen der ursprünglichen Erwartung ist es leichter, die LITT bei einer eher zentral gelegenen als bei einer peripheren Lungenmetastase durchzuführen. Nur selten verhindert einerseits ein Pneumothorax, der bei langem Punktionsweg eher zu
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V
Mamma 20
Bildgebende und Interventionelle Diagnostik der Brustdrüse mittels Röntgen-Mammographie, Mamma-Sonographie und MR-Mammographie – 613 Th. Diebold, Th.Vogl
20 20 Bildgebende und Interventionelle Diagnostik der Brustdrüse mittels Röntgen-Mammographie, Mamma-Sonographie und MR-Mammographie Th. Diebold, Th.Vogl
20.1
Anatomie und Entwicklung der weiblichen Brust
– 614
20.2
Röntgen-Mammographie
20.2.1 20.2.2 20.2.3 20.2.4 20.2.5 20.2.6
Historie – 614 Technik der Röntgen-Mammographie – 615 Indikationsstellung/Anwendungsgebiete – 618 Durchführung – 621 BI-RADS™ Klassifikation – 624 ACR BI-RADS-Lexikon (Mammographie) – 625
20.3
Sonographie
20.3.1 20.3.2 20.3.3 20.3.4
Historie – 640 Indikationsstellung/Anwendungsgebiete – 641 Durchführung – 648 ACR BI-RADS-Lexikon (Sonographie) – 650
20.4
MR-Mammographie
20.4.1 20.4.2 20.4.3 20.4.4 20.4.5 20.4.6 20.4.7 20.4.8
Historie (Methodik) – 651 Historie (Literatur) – 651 Indikationsstellung/Anwendungsgebiete – 654 Durchführung – 658 Auswertung/Interpretation – 659 ACR BI-RADS Lexikon (MR-Mammographie) – 660 Zusammenfassung – 662 Ausblick – 662
20.5
Interventionelle Methoden im Bereich der Brust
20.6
Grundsätzliche Betrachtungen bei der Therapie eines Mammakarzinoms – 676
– 614
– 640
– 651
– 663
614
Kapitel 20 · Bildgebende und Interventionelle Diagnostik der Brustdrüse mittels Röntgen-Mammographie, Mamma-Sonographie und MR-Mammographie
Dieses Kapitel soll Ihnen für alle in der bildgebenden Diagnostik der Mamma maßgeblich eingesetzten Verfahren – also der Röntgen-Mammographie, der MR-Mammographie und der Mamma-Sonographie – zunächst ein grundlegendes Verständnis und darüber hinaus an einer Vielzahl pathognomonischer Befunden auch den weiteren Einstieg in die Thematik ermöglichen. Am Anfang jedes Unterkapitels werden zunächst die Historie und die Besonderheiten des jeweiligen Verfahrens bei der Anwendung an der (weiblichen) Brust und die Gründe für das Abweichen von der Methodik bei der Untersuchung anderer Organe dargestellt. In einem separaten Kapitel werden im Anschluss kurz auch die interventionellen Verfahren abgehandelt. Prinzipiell sei an dieser Stelle aber auch auf die Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms verwiesen, die in regelmäßigen Abständen aktualisiert wird und zum Zeitpunkt der Drucklegung in der 1. Aktualisierung aus dem Jahr 2008 vorliegt. Aber auch die BI-RADS-Klassifikation, der zugehörige Atlas und das Lexicon des American College of Radiology (ACR) sei an dieser Stelle bereits erwähnt, das mittlerweile für die Mammographie, Sonographie und MR-Mammographie in deutscher Fassung ebenfalls aus dem Jahre 2008 vorliegt. Alle Belange des Mammographie-Screenings sind schließlich in der Anlage 9.2. des Bundesmantelvertrags für Ärzte in allen Details festgehalten. Die letzte Version datiert vom 24.9.2009.
20.1
20
Anatomie und Entwicklung der weiblichen Brust
Wie bei allen anderen Säugetieren entwickelt sich die weibliche Brust auch beim Menschen aus einer – beim Menschen weitestgehend zurückgebildeten – Milchleiste, entlang der aber auch beim Menschen mehr oder weniger deutlich ausgebildet noch akzessorische Mamillen (Polythelie) sein können. In besonders seltenen Fällen kann sich sogar aus dem verbliebenen Gewebe der Milchleiste eine akzessorische Mamma (Polymastie) ausbilden. Lokalisiert ist die weibliche Brust beidseits kranial von der 2. Rippe bis kaudal zur 6. Rippe und von dem Brustbein medial bis zur mittleren Axillarlinie lateral. Der so genannte Drüsenkörper besteht aus 12–24 Drüsenlappen, die mamillenfern breit und flach sind und sich in Richtung der Mamille triangulär zuspitzen. Jeder der Drüsenlappen ist in kleinere Läppchen unterteilt, die alle einen kleinen eigenen Ausführungsgang haben und in den Hauptausführungsgang münden. Der Hauptausführungsgang der Drüsenlappen mündet entweder direkt in die Mamille oder vereinigt sich unmittelbar retro- bzw. intramamillär mit den anderen Ausführungsgängen. Hinter der Mamille bilden die Hauptausführungsgänge den Sinus lactiferus, eine umschriebene Ausbuchtung, die auch »Milchsinus« genannt wird. Auf der Brustwarzenspitze münden in der Regel 12–15 Milchgänge. Sowohl die Areola als auch die Mamille weisen reichlich glatte Muskulatur auf, die sich auf entsprechende Stimuli, z. B.
das Saugen des Säuglings, kontrahieren kann und so den Stillvorgang ermöglicht. Unterstützend wirken hierbei auch die 20– 30 Montgomery-Drüsen des Warzenhofs, deren gelbliches Sekret dem luftdichten Abschluss zwischen der Mamille und den Lippen des Säuglings dient. Die weibliche Brust besteht außer aus dem Drüsengewebe prinzipiell auch noch aus Binde- und Fettgewebe, wobei im jungen Erwachsenenalter die Brust zu einem ganz überwiegenden Anteil aus Drüsen- und Bindegewebe und in der späten Postmenopause ganz überwiegend aus Fettgewebe besteht. Hierbei müssen große interindividuelle Unterschiede berücksichtigt werden, da bei manchen postmenopausalen Frauen insbesondere unter Hormonersatztherapie auch im hohen Alter noch dichte Drüsengewebsstrukturen zu verzeichnen sind und umgekehrt bei der Untersuchung eines suspekten Tastbefundes bei manchen jungen Frauen in der Mammographie bereits involuierte Mammae abgebildet werden. Die so genannten Cooper’schen Ligamente entsprechen Bindegewebssträngen, die von der Haut zum interlobären Bindegewebe und von dort zur oberflächlichen Brustwandfaszie ziehen und zur Stabilität der Brust beitragen.
20.2
Röntgen-Mammographie
20.2.1
Historie
Nachdem Conrad Röntgen im Jahre 1895 die X-Strahlen erstmals beschrieben hatte und 1901 dafür mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden war, sollte es noch bis 1927 dauern, bis Otto Kleinschmidt die erste »Mammographie« und Emil Ries 1930 die erste »Milchgangsdarstellung« anfertigten, soweit die damaligen Abbildungen einer solchen Bezeichnung gerecht werden. Die erstmalige Anwendung der Röntgenstrahlen, bei der das Verfahren nicht nur zum Anfertigen einer simplen Abbildung der Brust, sondern als diagnostisches Instrument im engeren Sinne diente, hat Raul Leborgne im Jahre 1951 realisiert. Leborgne hat damals erstmals den Zusammenhang zwischen Mikrokalzifikationen und dem Vorhandensein von malignen Veränderungen der Brust in seinen Aufnahmen beobachtet. Gerade einmal 11 Jahre später, nämlich im Jahre 1962, wurde von Robert Egan in den USA der damals absolut visionäre Vorschlag gemacht, die Mammographie als Screeninguntersuchung für Brustkrebs einzusetzen. Damit hatte Egan bereits den ersten Schritt in Richtung der großen Mammographie-Screeningstudien getan, die in den späten 70er Jahren und v. a. den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts in den USA, in den Niederlanden, in England und Skandinavien mit dem Ziel durchgeführt wurden, das Potenzial dieses Verfahrens für die erwünschte Reduktion der Brustkrebssterblichkeit zu evaluieren. In den Folgejahren war die Weiterentwicklung der Mammographie gleichermaßen von den Bemühungen bestimmt, zum einen die anfänglich relativ hohe glanduläre Strahlendosis des Verfahrens zu minimieren und zum anderen die Detailinformationen der Mammographie zu maximieren. In diesem Zusam-
615 20.2 · Röntgen-Mammographie
menhang sind als Stichworte die Einführung der »Raster«-Mammographie, der modernen Anoden- und Filtermaterialien und der hochempfindlichen Film-/Folienkombinationen zu nennen. Durch die Abkehr vom einfachen »Industriefilm« zu den sehr feinzeichnenden und hochempfindlichen modernen Film-/ Folienkombinationen auf der einen Seite und die Einführung der Rhodium- und Wolframanoden bzw. Filterungen und Verbesserungen der Molybdänanoden auf der anderen Seite wurden in diesem Zusammenhang enorme Fortschritte erzielt. Es gelang, die Mittlere Parenchymdosis (englisch: average glandular dose) pro Mammographieeinzelbild auf deutlich geringere Werte zu senken, sodass heute auch bei hoher und maximaler Drüsengewebsdichte (= ACR-Dichte III–IV) selten mehr als 3 mGy/Aufnahme benötigt werden, um aussagekräftige Bilder zu erzeugen. Bei den meisten lipomatösen bzw. fibroglandulären Mammae (= ACR-Dichte I–II) wird in aller Regel nicht mehr als 1–1,5 mGy/ Aufnahme appliziert. Unter anderem auch in diesem Zusammenhang ist die in jüngster Vergangenheit stattgehabte Einführung der Digitalen Technologie in die Röntgenuntersuchung der Brust zu sehen, wobei die hauptsächliche Intention bei der Einführung der Digitalen Technologie in die Röntgendiagnostik ganz allgemein natürlich in der Kostenreduktion und methodischen Erleichterung der Archivierungs- und Transfervorgänge bestand. Aber auch für die Einführung der Teleradiologie, die in manchen Flächenländern heute bereits eine große Rolle spielt, war die Digitalisierung der Röntgentechnik unerlässlich. Hierbei muss hinzugefügt werden, dass die Teleradiologie zumindest in der »kurativen« Brustdiagnostik nur schlecht einsetzbar ist, da bei der Untersuchung einer Patientin mit einer symptomatischen Brust die Überprüfung der Konsistenz eines Tast- und/oder Herdbefundes v. a. im Rahmen der ergänzenden Sonographie von eminenter Bedeutung ist. Automatisierte Ultraschalluntersuchungen, bei denen ein 3-dimensionaler Datensatz beider Mammae erzeugt wird, werden im Rahmen von wissenschaftlichen Studien in den USA allerdings bereits evaluiert. Diese Datensätze, die ähnlich wie die Mammographie von MTRA’s erzeugt werden, sind v. a. für die kostengünstige Zusatzanwendung im Rahmen des (amerikanischen) Mammographie-Screenings gedacht und werden die gezielte manuelle Ultraschalluntersuchung eines Herdbefundes durch den Arzt zumindest vorläufig sicher nicht ersetzen können. Für das Mammographie-Screening, das mit »mobilen«, in Lastwagen eingebauten Mammographiegeräten auch dünn besiedelte Wohngebiete erreichen soll, ist die digitale MammographieTechnik allerdings in zweierlei Hinsicht eine große Erleichterung – nämlich zum einen dadurch, dass kein Ansetzen und Austauschen von Chemie und keine Filmentwicklung notwendig ist und zum anderen dadurch, dass keine zeitaufwendige Zuordnung der entwickelten Filme zu den Röntgentüten der Klientinnen notwendig wird, sondern die Bilder als Datensätze auf DVD’s oder Festplatten archiviert und kompakt transportiert werden können. In manchen »high-end«-Installationen des mobilen Mammographie-Screenings erfolgt die Übermittlung der Untersuchungen von den Mammographie-LKW’s bereits über besonders schnelle Datenleitungen, über UMTS-Verbindungen oder sogar Sateli-
tenübertragung direkt auf die Workstations in den Befundungsstandorten. Innerhalb des Gesamtgebiets der Röntgendiagnostik war die Mammographie im Übrigen die letzte Bastion, die von der Digitalen Technologie erobert wurde. Die für die Mammadiagnostik erforderliche sehr hohe räumliche Auflösung in Kombination mit der Vorgabe einer mit der Analogen Mammographie zumindest vergleichbaren Röntgendosis machten lange Zeit den Einsatz v. a. der Speicherfolientechnik indiskutabel. Erst mit dem Einsatz von siliziumbasierten Festkörperdetektoren Ende der 1990er Jahre wurde die damals durchaus nicht unumstrittene Digitalisierung der Mammographie dann erstmals vollzogen. In den ersten wissenschaftlichen Studien mit den neuartigen Geräten wurde aber schnell klar, dass die Digitale Mammographie die für die Brustkrebsfrüherkennung so essenziellen Details mindestens genauso gut abbilden kann wie die Film-/FolienMammographie und keine höhere Strahlenbelastung zu befürchten ist.
20.2.2
Technik der Röntgen-Mammographie
Röhrenspannung. Im Gegensatz zu nahezu allen anderen Gebieten der Röntgendiagnostik, bei denen für aussagekräftige Bilder Röhrenspannungen zwischen 50–120 kV erforderlich sind, sind aufgrund der spezifischen Organzusammensetzung der Brust aus Drüsen-, Binde- und Fettgewebe und fehlenden knöchernen bzw. muskulären Anteilen für die Mammographie je nach Hersteller und Technik Röhrenspannungen zwischen 23–34 kV optimal. Kämen bei der Mammographie ähnlich hohe Spannungen wie bei der Röntgendiagnostik des Thorax oder der Extremitäten zur Anwendung, würden die geringen Absorptionsunterschiede der Brust einen nahezu komplett fehlenden Kontrast des resultierenden Bildes und damit verbunden eine zu geringe diagnostische Aussage bedingen. Aus der Verwendung dieser niedrigen Röhrenspannungen resultiert auch eine weitere Besonderheit bei der Röntgen-Mammographie: Im Gegensatz zur sonstigen Röntgendiagnostik, bei der die Bremsstrahlung für die Bildentstehung maßgeblich ist, überwiegt bei der Mammographie die charakteristische Eigenstrahlung für die Bildentstehung. Anodenmaterial. Der methodisch bedingte und prinzipiell bei allen Röntgenröhren vorhandene anodenseitige Dosisabfall, der auch als »Heel-Effekt« (. Abb. 20.1) bezeichnet wird, kommt der Mammographie aufgrund der Form der Brust mit geringerer Kompressionsdicke der Brust an der Brustspitze und größerer Kompressionsdicke der Brust in den thoraxwandnahen Abschnitten besonders entgegen, da die Röhre dementsprechend eingebaut wird und so ein homogenes Bild der Brust erzeugt werden kann. Verursacht wird der »Heel-Effekt« durch die vermehrte Absorption der Röntgenstrahlung durch das Anodenmaterial im Bereich des stumpfwinkligen Strahlenbündels. Um mit Röhrenspannungen um 30 kV arbeiten zu können, werden bei der Mammographie je nach Hersteller Anoden und Filterungen aus Molybdän, Rhodium und Wolfram verwendet.
20
616
Kapitel 20 · Bildgebende und Interventionelle Diagnostik der Brustdrüse mittels Röntgen-Mammographie, Mamma-Sonographie und MR-Mammographie
Anodenmaterial eine deutlich bessere Durchdringung dichterer Gewebsstrukturen ermöglichen und ein geringeren Dosisanstieg bei dichten Brüsten mit sich bringen. Nachteil von Molybdän ist v. a. eine schlechtere Durchdringung der Gewebe und ein daraus resultierender schnellerer Dosisanstieg bei höheren Kompressionsdicken, sodass manche Hersteller eine Molybdänanode mit einer Rhodiumfilterung kombinieren. > Es gibt also nicht eine bestimmte Anoden-/Filterkombination, die für alle Mammae optimal geeignet ist, sondern nur für bestimmte Brustzusammensetzungen und Kompressionsdicken optimierte Kombinationen (. Abb. 20.2). Belichtung. Wird bei den modernen Mammographiegeräten die
. Abb. 20.1. Ausnutzung des »Heel-Effekts« zum Ausgleich der unterschiedlichen Objektdicke der Brust (Quelle: Siemens Healthcare, Stand 2006)
In Ausnahmefällen kommt auch Aluminium zur Anwendung. Diese Materialien haben ihre charakteristische Eigenstrahlung in dem für die Mammographie richtigen »Fenster«. Molybdän hat als Anodenmaterial hierbei den Vorteil, dass es eine optimale Detailabbildung erlaubt, während Rhodium und Wolfram als
vollautomatische Belichtung angewählt, wird klassischerweise bei der lipomatösen und der wenig dichten fibroglandulären Mamma die Molybdän-Anode mit Molybdän- oder Rhodiumfilterung eingesetzt, um hier bei den minimalen Absorptionsunterschieden noch feinste Veränderungen abbilden zu können. Umgekehrt werden je nach Hersteller bei dichteren Mammae die Wolfram- oder Rhodiumanode mit entsprechender Filterung angewählt, um das Drüsengewebe mit ausreichend kurzen Belichtungszeiten zu durchdringen und die Dosis zu begrenzen. Im Gegensatz zu den früheren Mammographie-Anlagen muss die MTRA bei den modernen Gerätegenerationen nicht mehr wie früher die jeweils besten Parameter für die durchzuführende Untersuchung aus ihren Erfahrungswerten bzw. Belichtungstabellen ableiten oder in der Voruntersuchung ablesen, sondern kann sich auf die Technologie der modernen Belichtungsautomatik verlassen. Diese wählt anhand der Kompressionsdicke und der ermittelten Strahlentransparenz der Brust bei einer kurzen »Vormessung« die optimalen Parameter und bei manchen Herstellern auch die richtige Messkammer-
20
. Abb. 20.2. Unterschiedliche Eignung der Anoden-/Filter-Kombinationen für unterschiedliche Objektdicken. (Quelle: Siemens Healthcare)
617 20.2 · Röntgen-Mammographie
bar. Bei der digitalen Mammographie hingegen liegen scheinbar immer mehr oder weniger perfekt belichtete Aufnahmen vor, da die digitalen Detektoren keine sigmoidale, sondern eine lineare Dosis-/Schwärzungskurve aufweisen. Eine systematisch zu hohe oder zu niedrige Dosis kann daher erst ab einem gewissen Ausmaß erkannt werden, wenn z. B. die resultierenden Mammographien bei einer zu geringen Dosis »verrauscht« sind. Eine zu hohe Dosis bei der Digitalen Mammographie ist an den resultierenden Aufnahmen schließlich gar nicht ersichtlich, im Gegenteil profitiert die Bildqualität nur von der hohen Dosis.
a
b
. Abb. 20.3a, b. Mammaimplantat. Film-/Folien-Mammographie rechts in cc- und mlo-Projektion. Implantate können operativ auf unterschiedliche Weise und in unterschiedlichen Lokalisationen eingebracht werden. Hier das Beispiel sehr alter Implantatmodelle mit einer subglandulären Lage des Implantats, also ventral des M. pectoralis (offene Pfeile) und »unter« dem Drüsengewebe (geschlossene Pfeile). Kein Nachweis von Rupturzeichen bei kräftiger Kapselbildung
position eigenständig aus, sodass es mit diesen Geräten nahezu immer gelingt, eine gute bis sehr gute Belichtung zu gewährleisten. Natürlich kann die MTRA sich auch gegen die seitens der Software vorgeschlagenen Parameter entscheiden und in einer »freien Belichtung« davon abweichen. Vor allem bei Implantaten oder sonstigen stattgehabten komplexen Operationen werden solche »freien« Belichtungen durchaus angewendet (. Abb. 20.3). ! Bei älteren Mammographiegeräten war neben falsch gewählten Parametern für kV/mAs-Werte oder die Anoden-/Filterkombinationen auch die fehlerhafte Position der Messkammer eine mögliche Quelle für fehlbelichtete Mammographien. Bei den modernen (digitalen) Mammographie-Geräten fällt dieser Einflussfaktor wenig ins Gewicht – sowohl die Messkammerposition als auch die optimale Anoden-/Filterkombination und die Nachbearbeitung des Bildes zum Erlangen einer optimalen »optischen Dichte« werden von der Software übernommen.
Auch wenn einerseits alle Beteiligten die technischen Fortschritte der digitalen Mammographie, durch die die früher wegen Fehlbelichtungen nicht unüblichen Wiederholungsaufnahmen sehr selten geworden sind, nicht mehr missen möchten, war bei der Film-Folien-Mammographie andererseits doch zumindest eindeutig am Bild ersichtlich, ob die korrekte Röntgendosis für die Aufnahme appliziert wurde. Unter- oder Überbelichtungen waren an der Schwärzung des Films nämlich eindeutig erkenn-
Räumliche Auflösung. Die Film-/Folien-Mammographie mit den modernen Film-Folien-Systemen kann bereits mit dem großen Brennfleck (0,3 mm) Ortsauflösungen von bis zu 14 Linienpaaren/mm (LP/mm) erreichen. Wird der kleine Brennfleck (0,1 mm) eingesetzt, der im klinischen Einsatz für Vergrößerungsaufnahmen genutzt wird, sind bei der Film-/Folien-Mammographie 20 Lp/mm im Bereich des Möglichen. Derartig hohe räumliche Auflösungen sind für die Bildinterpretation jedoch gar nicht notwendig. Mehr noch – das menschliche Auge ist gar nicht imstande, eine derartig hohe Ortsauflösung umzusetzen. Der optimale »Arbeitsbereich« des menschlichen Auges, in dem die mammographischen Kriterien eines Mammakarzinoms gut zu erkennen sind, liegt bei 1–5 Lp/mm. Trotzdem erfolgte die Charakterisierung der Film-/FolienMammographie lange Zeit über die maximal mögliche Ortsauflösung der Anlage. Dieser »Umweg« bei der Charakterisierung der Film-/Folien-Mammographie wurde deswegen gewählt, weil man davon ausgehen konnte, dass, wenn eine derart hohe maximale Ortsauflösung gesichert ist, dann auch die suffiziente Abbildung der kritischen Strukturen in dem für das menschliche Auge wichtigen Bereich gewährleistet ist. Als Mindestanforderung bei der Abnahmeprüfung einer Film-/Folien-Mammographie wurde daher neben vielen anderen Parametern eine Ortsauflösung von 8 Lp/mm definiert. Nachdem die digitalen Mammographie-Geräte neu auf den Markt gekommen waren, entstand diesbezüglich allerdings ein zunächst schwierig aufzulösender Widerspruch, da das damals als erstes angebotene digitale Mammographie-Gerät nur eine Auflösung von 5 Lp/mm aufweisen konnte. Die Skepsis gegenüber der Digitalen Mammographie war damals so groß, dass von allen Fachgesellschaften die Anforderung lautete, dass zunächst ausführliche in-vitro-Studien stattzufinden hätten, bevor an klinische Studien zu denken sei. Zunächst wurde also in Vergleichsstudien die Abbildung von simulierten Herdbefunden und Mikroverkalkungen durch die Film-Folien-Mammographie und die Digitale Mammographie überprüft. Schnell fiel auf, dass entgegen aller Erwartungen trotz der mit nur 5 Lp/mm deutlich geringeren räumlichen Auflösung des ersten digitalen Systems auf dem Markt (GE Senographe 2000D) das digitale System keineswegs der sonst baugleichen analogen Mammographie (GE Senographe) in den Vergleichsstudien unterlegen war. Ganz im Gegenteil zeigten sich sogar erhebliche Vorteile des digitalen Systems im direkten Vergleich. Auch in den angeschlossenen ersten klinischen Vergleichsstudien konnte die Digitale Mammographie nachweisen, dass sich
20
618
Kapitel 20 · Bildgebende und Interventionelle Diagnostik der Brustdrüse mittels Röntgen-Mammographie, Mamma-Sonographie und MR-Mammographie
die niedrigere räumliche Auflösung nicht negativ auf die Untersuchungsqualität auswirkt. »Modulations-Übertragungs-Funktion« (MÜF) und die »Detektive Quanteneffizienz« (DQE). Es stellte sich bald heraus, dass sich zur Charakterisierung der Digitalen Mammographie
vielmehr die so genannte »Modulations-Übertragungs-Funktion« (MÜF) und die »Detektive Quanteneffizienz« (DQE) (. Abb. 20.3) eignet, um z. B. die optimale Abbildung von diagnostisch relevantem Mikrokalk mit einer Größe von 0,1–0,3 mm zu überprüfen. Die detektive Quanteneffizienz ist definiert als der Wirkungsgrad, mit dem auftreffende Röntgenstrahlung in ein Signal umgewandelt wird. Die Modulations-Übertragungsfunktion stellt ein Messmittel der erreichbaren Schärfe und ein Maß der Kontrastwiedergabe zum Beurteilen und Vergleichen von optischen Übertragungssystemen dar. Neben der DQE und der MÜF spielt auch die hohe Kontrastauflösung der digitalen Systeme eine wichtige Rolle, da die höchste Ortsauflösung nicht umgesetzt werden kann, wenn nicht gleichzeitig auch die Kontrastauflösung hoch ist oder umgekehrt sogar ein signifikantes Rauschen das Bild überlagert. Zusammenfassend wird die Güte der Digitalen Systeme heute v. a. mit der DQE und der MÜF und nicht mehr in erster Linie über die maximal mögliche räumliche Auflösung des Systems als einem nicht alleine maßgeblichen Parameter für diese Technologie überprüft. Die maximal mögliche räumliche Auflösung des Systems wird allerdings durchaus weiterhin angegeben und neben anderen wichtigen Parametern in der Abnahme- und Konstanzprüfung auch kontrolliert. Ebenfalls im Rahmen der Aufstellung und Abnahmeprüfung (PAS-Prüfung (public available specification)) wird die Dosisfeinjustage eines Mammographiegeräts durch den Servicetechniker des Herstellers in Zusammenarbeit mit dem Anwender innerhalb der gesetzlichen Grenzen vorgenommen und darf dann nicht mehr variiert werden, ohne eine erneute Abnahmeprüfung vorzunehmen.
Die Abstimmung der meisten kommerziell erhältlichen digitalen Mammographie-Systeme ist hierbei so gewählt, dass die Abbildungsqualität zumindest vergleichbar ist mit der der Analogen Mammographie ist. Hierbeit resultiert je nach Hersteller eine im Vergleich zur Analogen Mammographie um 20–45% reduzierte Dosis. Prinzipiell können aufgrund der linearen Dosis-Schwärzungskurve der digitalen Systeme die Vorteile dieser Technologie aber auch dazu genutzt werden, mehr Details als bei der Film-/ Folien-Mammographie bei vergleichbarer Dosis zu der abgelösten Technologie abzubilden. Die unterschiedlichen Bildeindrücke der analogen und digitalen Mammographie sind in der . Abb. 20.5 illustriert.
20.2.3
Indikationsstellung/Anwendungsgebiete
> Generell gilt es, zwischen der diagnostischen oder auch »kurativen« Mammographie einerseits und der Screening-Mammographie andererseits zu unterscheiden. Es besteht hierbei kein Unterschied hinsichtlich der Untersuchung und der technischen Durchführung, sondern nur hinsichtlich der Indikationsstellung und der Möglichkeit der Anwendung ergänzender Verfahren (Palpation, Ultraschall, MRT). Im Mammographie-Screening werden bei maximal 7% (5%) der Gesamtzahl der Mammographien ergänzend Ultraschalluntersuchungen und/oder Zusatzaufnahmen durchgeführt, wohingegen im »kurativen« Bereich üblichweise bei allen Frauen mit einem Tastbefund und bei allen Frauen mit einer ACR-Dichte des Drüsengewebes Grad II oder mehr eine Sonographie angeschlossen wird. Beim Mammographie-Screening erfolgt ein Terminvorschlag seitens der »zentralen Stelle« zunächst ohne Rücksprache mit der zu untersuchenden Frau, wohingegen bei der »kurativen« Mammographie der Termin von der Patientin selbst nach dem Besuch beim Gynäkologen und dem Aushändigen einer Überweisung vereinbart wird. Eine Selbsteinladung zum Mammographie-Screening ist für die Altersgruppe von 50–69 Jahre allerdings auch möglich und der vorgeschlagene Termin kann von der Patientin auch verschoben werden.
Diagnostische/Kurative Mammographie
20
. Abb. 20.4. Exemplarische Abbildung der detektiven Quanteneffizienz der analogen und digitalen Mammographie. (Quelle: Siemens Healthcare, Stand 2006)
Hier wird die Untersuchung aufgrund eines Tastbefundes und/ oder eines Sonographie- und/oder MR-Befundes durchgeführt, und zwar zum Zwecke der Dignitätsbestimmung des Befundes sowie zur Festlegung des weiteren Procedere. Die Notwendigkeit der »genaueren« Untersuchung bei der kurativen Mammographie erklärt sich daraus, dass die Häufigkeit der Diagnose eines Mammakarzinoms bei symptomatischen Frauen deutlich höher (ca. 4- bis 6-mal) ist als bei den »per Definition« asymptomatischen Frauen, die im MammographieScreening untersucht werden sollen. Je nach Alter der Patientin und Anzahl der Erkrankungen an Brustkrebs in der Familie wird bei einem neu aufgetretenen Tast-
619 20.2 · Röntgen-Mammographie
a
b
c
d
. Abb. 20.5a–d. Vergleichende Abbildungen derselben Patientin innerhalb eines Jahres (Hochrisikopatientin). a, b Digitale Technik, c, d Film-/Folientechnik. Außer der transparenteren Abbildung des Drüsengewebes fällt v. a. die
sehr viel deutlichere Abbidlung der Haut auf, wie es bedingt durch die lineare Dosis-Schwärzungskurve und die große Anzahl an verfügbaren Grauwerten bei der digitalen Mammographie typisch für diese Abbildungstechnik ist
befund bis zum Alter von 40 Jahren zunächst eine sonographische Untersuchung durchgeführt, die v. a. für den Fall eines eindeutig benignen Korrelats (z. B. Zyste) ohne mammographische Ergänzungsuntersuchung bleiben kann. Ab dem 40. Lebensjahr hingegen wird zur Abklärung eines Tastbefundes oft primär auch schon eine Mammographie zumindest der symptomatischen Seite angefertigt. Eine Sondersituation besteht bei Frauen während der Schwangerschaft, sofern sie mit einem suspekten Tastbefund zur weiteren Abklärung überwiesen werden. Hier kommt unabhängig vom Alter primär die Sonographie zum Einsatz. Zur Dignitätsbestimmung eines sonographisch ggf. nachgewiesenen unklaren Herdbefundes wird primär die Stanzbiopsie eingesetzt. Üblichweise wird nur im Falle eines stanzbioptisch gesicherten Mammakarzinoms auch während der Schwangerschaft eine Mammographie ergänzend durchgeführt. Die Mammographie innerhalb des 1. Trimenons sollte jedoch nach aller Möglichkeit auf jeden Fall vermieden werden. Während der Stillzeit wird ebenfalls primär die Sonographie eingesetzt, wobei für den Fall eines sonographisch und/oder stanzbioptisch benignen Befundes, z. B. einem Fibroadenom oder einem laktierenden Adenom, bereits 2–3 Wochen nach dem Abstillen eine Mammographie mit einem gut interpretierbaren Resultat und ohne eine exorbitant erhöhte Dosis angefertigt werden kann. Muss während der Laktation eine Mammographie angefertigt werden, sollte darauf geachtet werden, dass die Milch vor der Mammographie abgepumpt oder das Kind gestillt wird. Sowohl in der Schwangerschaft als auch in der Laktationsphase ist bei der Mammographie v. a. der Ausschluss suspekter Mikroverkalkungen Inhalt der Untersuchung, da die Möglichkeit der Analyse von Herdbefunden aufgrund der sehr hohen Dichtewerte der Brust primär nicht sehr wahrscheinlich ist. Da die Chemotherapie eines während der Schwangerschaft erstdiagnostizierten Mammakarzinoms in einem nicht geringen Prozentsatz noch während der Schwangerschaft begonnen wird (spezielle Chemotherapien sind nicht plazentagängig), kommt
der bildgebenden Bestimmung der Größenausdehnung des Malignoms insbesondere im Falle einer präoperativen Chemotherapie eine wesentliche Bedeutung bei, da bei der nach Abschluss einer neoadjuvanten Chemotherapie stattfindenden Operation zumindest die Kenntnis der »alten« Tumorgrenzen gegeben sein sollte. Hierzu kann die Mammographie neben der Sonographie zumindest mit beitragen. Kontrovers diskutiert wird die »vorsorgliche« Untersuchung der kontralateralen Seite bei einem ipsilateral in der Schwangerschaft diagnostizierten Mammakarzinom. Aufgrund des erhöhten Risikos eines kontralateralen Mammakarzinoms bei Erkrankung an einem Mammakarzinom (in jungen Jahren) kann z. B. eine mlo-Projektion der kontralateralen Mamma zum Ausschluss eines beidseitigen Karzinoms durchaus sinnvoll sein. Hier gilt es, zusammen mit der Patientin und dem betreuenden Gynäkologen oder Onkologen das Vorgehen abzustimmen.
Screening-Mammographie Der diagnostischen Mammographie steht das MammographieScreening gegenüber, das ausschließlich für asymptomatische Frauen gedacht ist und in der BRD für die Altersgruppe von 50–69 Jahre (im europäischen und US-amerikanischen Ausland teilweise 40–75) angeboten wird. Die Frauen dieser Altersgruppe erhalten von der »Zentralen Stelle«, die unter strenger Beachtung datenschutzrechtlicher Aspekte mit dem Einwohnermeldeamt zusammenarbeitet und je nach Bundesland eine Institution der Kassenärztlichen Vereinigung oder des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse darstellt, ein Einladungsschreiben, das einen bestimmten Tag und eine bestimmte Uhrzeit vorschlägt, zur der sich die Klientin (keine Patientin!) in der dem Wohnort am nächsten liegenden Screeningeinheit einfinden soll. Dort wird von entsprechend geschulten MTRA’s eine Mammographie beidseits und in 2 Ebenen erstellt und der Klientin ein Fragebogen vorgelegt. In diesem Fragebogen soll die Klientin ihre anamnestischen Daten ankreuzen und ggf. stattgehabte Operationen be-
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620
Kapitel 20 · Bildgebende und Interventionelle Diagnostik der Brustdrüse mittels Röntgen-Mammographie, Mamma-Sonographie und MR-Mammographie
kannt geben. Definitionsgemäß kommen bei diesem Termin keine zusätzlichen Untersuchungsmethoden zur Anwendung, vielmehr ist in der Screeningeinheit üblicherweise weder ein Gynäkologe noch ein Radiologe anwesend. Nach einer eingehenden Beurteilung der Mammographien durch 2 Radiologen, die komplett unabhängig voneinander und zunächst ohne Wissen des Befundungsergebnisses des anderen ihren Befund abgeben, werden die Ergebnisse beider Radiologen von der Eingabesoftware automatisiert miteinander verglichen. Alle Frauen, die von beiden Befundern als unauffällig bewertet wurden, werden dann nach 2 Jahren und bis einschließlich 69. Lebensjahrs wieder eingeladen. Die Fälle hingegen, die von einem oder beiden Radiologen als auffällig befundet wurden, werden in der wöchentlich stattfindenden Konsensuskonferenz diskutiert. Je nach Beschluss der Konferenz, bei der sowohl die beiden Befunder als auch der programmverantwortliche Arzt (PVA) anwesend sein müssen, wird die Auffälligkeit entweder bestätigt und die Klientin zur Abklärung eingeladen oder aber der Fall wird in der Konferenz sekundär doch als unauffällig abgelegt. > Die Rationale für das Mammographie-Screenings besteht darin, dass die europäischen, skandinavischen und USamerikanischen Screeningstudien nachgewiesen haben, dass sich alleine durch das qualitätsgesicherte Mammographie-Screening eine signifikante Reduktion der Sterblichkeit an Brustkrebs erreichen lässt, sofern umfangreiche Qualitätssicherungsmaßnahmen eingehalten werden und eine hohe Teilnahmerate der anspruchsberechtigten Frauen (>70%) erreicht werden kann.
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Nach sehr heftigen Kontroversen in der Fachliteratur, die v. a. auch durch Publikationen dänischer und kanadischer Wissenschaftler ausgelöst wurden, gilt es heute u. a. auch seitens der WHO als erwiesen, dass die Mortalitätsreduktion des Mammakarzinoms durch das Mammographie-Screening ca. 25% beträgt, sofern bestimmte Qualitätsparamter eingehalten werden. Andererseits ist es ebenso unumstritten, dass man trotz der früheren Diagnose durch das Mammographie-Screening den Verlauf mancher Mammakarzinomerkrankungen nicht zum Vorteil beeinflussen kann, sodass die erkrankten Frauen durch die frühere Diagnose keinen Vorteil haben, sondern umgekehrt sogar zusätzlich belastet werden. Da es aber keine Möglichkeit gibt, die einen von den anderen Mammakarzinomerkrankungen bildgebend zu unterscheiden, muss bei allen auffälligen bildgebenden Befunden und allen nachgewiesenen Erkrankungen gleichermaßen verfahren werden. Die 25%-ige Mortalitätsreduktion bedeuten in absoluten Zahlen ausgedrückt nicht mehr und nicht weniger als dass von 1000 Frauen 4 Frauen ohne und 3 mit Mammographiescreening an einem Mammakarzinom versterben. Aus dem Faktum, dass man 1 von 4 Frauen mit dem Mammographie-Screening das Versterben an einem Mammakarzinom ersparen kann, errechnet sich die Mortalitätsreduktion von 25%. Hierbei muss natürlich v. a. auch jedem Arzt bewusst sein, dass das Mammakarzinom zwar der häufigste maligne Tumor bei Frauen ist, der Prozentsatz der Frauen, die letztendlich an einem Mammakarzinom versterben an der Gesamtzahl an Todesfällen bei Frauen trotzdem gering ist.
Der Aufwand für das Mammographie-Screening muss bei solchen Betrachtungen z. B. aber auch mit dem Aufwand für die Chemotherapie von Frauen mit stattgehabtem Mammakarzinom ins Verhältnis gesetzt werden. Bekanntermaßen sind die erforderlichen Mittel hierfür ebenfalls sehr hoch und trotzdem wird der breite Einsatz der Chemotherapie nicht infrage gestellt, obwohl auch hier nur ein nicht genau zu beziffernder Prozentsatz der therapierten Frauen hiervon profitieren, wohingegen nahezu alle Chemotherapierten mit den Nebenwirkungen zu kämpfen haben. Bezüglich der Mortalitätsreduktion beim Mammakarzinom durch das Mammographie-Screening muss noch hinzugefügt werden, dass es auch Daten aus dem Schweden der frühen 1980er Jahre gibt, als es dort noch keinerlei bildgebende Früherkennung, also kein »graues« Mammographie-Screening gab. Die skandinavischen Frauen haben damals das Programm sehr gut angenommen, sodass sich schnell eine Teilnahmerate von >80% erreichen ließ. Unter diesen Bedingungen konnte eine Mortalitätsreduktion des Brustkrebses von sogar 40% erreicht werden. In der BRD ist mit einer Mortalitätsreduktion in diesem Ausmaße nicht zu rechnen, da im Gegensatz zu Schweden zu dem damaligen Zeitpunkt in der BRD ein »graues Screening« weit verbreitet ist. Alle Auswertungen dieses nicht bevölkerungsbezogenen und nicht flächendeckenden Screenings haben aber gezeigt, dass trotz eines sehr hohen finanziellen Aufwandes keine ausreichende Beeinflussung der Mortalität des Mammakarzinoms erreicht werden konnte. Folgerichtig wurde entsprechend einem einstimmigen Beschluss des Deutschen Bundestages aus dem Jahre 2002 das populationsbezogene, flächendeckende und qualitätsgesicherte Mammographie-Screening in der BRD eingeführt. Seit 2006
wurden unter der Leitung der »Kooperationsgemeinschaft Mammographie-Screening« in Köln die übergeordneten Referenzzentren und die ausführenden Screeningeinheiten in der BRD etabliert, nachdem zuvor in Modellprojekten in Wiesbaden, Weser-Ems und Bremen gezeigt werden konnte, dass organisatorisch innerhalb des deutschen Gesundheitswesens ein Mammographie-Screening eingerichtet werden kann. Werden bei einer Frau, die sich einer Screening-Mammographie unterzogen hat, auffällige Befunde erhoben, wird sie nach einer Konsensuskonferenz der Befunder und des programmverantwortlichen Arzts (PVA) einer weiteren Abklärung zugeführt. Falls bioptische Abklärungen notwendig sind, muss nach den Festlegungen des Bundesmantelvertrags (BMVÄ) der programmverantwortliche Arzt die sonographisch gesteuerten Biopsien selbst durchführen, während die Abklärung von Mikrokalk mittels der stereotaktischen Vakuumbiopsie delegiert werden darf. Um die Kosten für das Gesundheitswesen möglichst gering zu halten, dürfen nach erfolgter Doppelbefundung und Konsensuskonferenz maximal 7% der Gesamtzahl zum »Assessment« einbestellt werden, um eine weitere Abklärung mittels Sonographie, Vergrößerungs-Mammographie und/oder bioptischen Verfahren vorzunehmen. Um gleichzeitig eine sehr hohe Sensitivität und Spezifität zu erreichen, muss eine sehr hohe Expertise bei allen Beteiligten vorliegen, da sonst entweder zu viele Frauen »abgeklärt« werden oder aber zu wenige Karzinome erkannt werden oder anders ausgedrückt, die Spezifität und/oder die Sensitivität zu niedrig wären. Daher müssen sich sowohl die Befunder als auch v. a. die pro-
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grammverantwortlichen Ärzte, weniger ausgeprägt aber auch die im Screening beteiligten Krankenhausärzte, z. B. die vakuumbiopsierenden Radiologen und die Operateure, zu sehr ausführlichen Kursen im Referenzzentrum einfinden. Ohne diese Kurse, die z. T. mit Prüfungen abschlossen werden müssen, werden die Genehmigungen zur Teilnahme am Screening nicht erteilt. Alle im Screening tätigen Befunder müssen zusätzlich 1-mal/ Jahr zu einer Prüfung in Form einer Fallsammlung mit 50 Screening-Mammographien antreten, wobei bei der Beurteilung der 200 Einzelbilder maximal 2 der bis zu 29 Mammakarzinome übersehen werden dürfen und maximal 7 der als suspekt eingestuften Mammae falsch positiv beurteilt sein dürfen. Die Beurteilungsmöglichkeiten sehen BI-RADS I,II,IV (a),IV (b) und V vor. Eine BI-RADS III-Kategorie, wie sie in der kurativen Mammographie in seltenen Fällen zur Anwendung kommen kann, ist nicht vorgesehen. Zusätzlich zu den Eingangsqualifikationen werden im weiteren Verlauf auch zahlreiche andere Parameter, deren Zielwerte im Bundesmantelvertrag festgehalten werden, bei allen Screening-Einheiten ständig überwacht und bei Verstößen ggf. auch mit persönlichen Konsequenzen geahndet. Die angestrebte Reduktion der Brustkrebs-Mortalität kann allerdings erst nach mindestens 7 Jahren statistisch signifikant nachgewiesen werden. Um den Erfolg des sehr kostspieligen Programms vorher schon zu verifizieren, muss man sich auf andere Surrogatparameter verlassen, z. B. den Prozentsatz der in situund T1-Karzinome oder auch den Anteil der Patientinnen ohne Lymphknotenbefall jeweils im Verhältnis zur Gesamtzahl. Von den Auswertungen der abgeschlossenen Screeningstudien weiß man, dass mit diesen Parametern der Erfolg eines Screeningprogramms »vorausgesagt« werden kann.
Hochrisiko-Patientinnen Ein letzter »Spezialfall« der Indikation zur mammographischen Diagnostik besteht in der Früherkennungsuntersuchung von Frauen, die ein Hochrisikoprofil haben bezüglich eines Mammakarzinoms oder aber selbst bereits an einem Mammakarzinom erkrankt sind. Bei der so genannten »Hochrisiko-Situation«, die bei nur ca. 5% aller Brustkrebserkrankungen zugrunde liegt und einer erblichen Form des Mammakarzinoms entspricht, liegt zumeist eine Mutation des BRCA-Gens zugrunde. Mit dieser Genmutation, die auf einem defekten Reparaturmechnismus auf Zellebene beruht, ist nicht nur ein erheblich erhöhtes Risiko für ein Mammakarzinom, sondern auch für ein Ovarialkarzinom verbunden. Eine derartige Hochrisikosituation kann aus einer Stammbaumanalyse angenommen werden oder aber besser das konkrete Ergebnis einer genetischen Untersuchung sein. Die genetische Untersuchung auf eine mögliche BRCA-Mutation (und multidisziplinäre Beratung) kann der Ratsuchenden nach den S3-Leitlinien angeboten werden, wenn in der Familie: 4 mindestens 3 Frauen an Brustkrebs erkrankt sind, 4 mindestens 2 Frauen an Brustkrebs erkrankt sind, davon eine vor dem 51. Lebensjahr, 4 mindestens eine Frau an Brustkrebs und eine Frau an Eierstockkrebs erkrankt sind, 4 mindestens 2 Frauen an Eierstockkrebs erkrankt sind,
4 mindestens eine Frau an Brust- und Eierstockkrebs erkrankt ist, 4 mindestens eine Frau mit 35 Jahren oder jünger an Brustkrebs erkrankt ist, 4 mindestens eine Frau mit 50 Jahren oder jünger an bilateralem Brustkrebs erkrankt ist, 4 mindestens ein Mann an Brustkrebs und eine Frau an Brustoder Eierstockkrebs erkrankt sind. Die Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie sowie die Arbeitsgemeinschaft Mammadiagnostik der Deutschen Röntgengesellschaft haben weitgehend übereinstimmend die Empfehlung ausgesprochen, dass diese Frauen zum einen, sofern nach einer erfolgten psychologischen Beratung der Wunsch zur Früherkennung fortbesteht, im jährlichen Abstand mammographiert und sonographiert werden sollten, zum anderen, dass zusätzlich eine intermittierende halbjährliche Ultraschalluntersuchung sinnvoll ist. Der Beginn dieses Früherkennungsregimes sollte mindestens 5 Jahre vor der jüngsten Erkrankung in der Familie sein, zumindest aber ab dem 30. Lebensjahr. Aufgrund der hohen Erkrankungswahrscheinlichkeit (Lebenszeitrisiko bis zu 80%) wird diesen Frauen nach einer entsprechenden psychologischen Beratung nicht nur eine medikamentöse Prophylaxe zur Risikoreduktion, sondern zusätzlich zur mammographisch und sonographischen Früherkennung auch noch die MR-Untersuchung im jährlichen Turnus angeboten. Diese sollte v. a. bei Frauen unter 45 Jahren wie auch die Mammographie sinnvollerweise zyklusadaptiert erfolgen (2. Zykluswoche), um falsch positive Befunde durch die MR-Mammographie zu vermeiden. Die Bezahlung dieses engmaschigen Früherkennungsregime bei der »Hochrisiko«-Situation ist zumeist unproblematisch, wobei v. a. die MR-Untersuchungen von manchen Krankenkassen nur bezahlt werden, wenn die Untersuchungen in einer der wenigen BRCA-Ambulanzen ausgewählter Universitätskliniken durchgeführt werden. Unterschieden wird die »Hochrisiko«-Situation bezüglich eines Mammakarzinoms bei nachgewiesener Genmutation von einem erhöhten Risiko für die Erkrankung an einem Mammakarzinom wie es bei folgenden Faktoren anzunehmen ist: 4 Zustand nach stattgehabter Bestrahlung z. B. mediastinaler Lyphome bei Morbus Hodgkin/NHL und Mammae im Strahlenfeld, oft im Jugendalter 4 Postmenopausal ACR-Dichte Grad IV 4 Zustand nach stattgehabter ADH, LCIS (»Indikatorläsion«) 4 Zustand nach stattgehabtem In-situ-Karzinom/Invasivem Mammakarzinom
20.2.4
Durchführung
Sowohl die Screening- als auch die diagnostische Mammographie wird beidseits in 2 Projektionen durchgeführt, nämlich in der mediolateral-obliquen (mlo) und der kraniokaudalen (cc) Projektion. Für die Schrägaufnahme wird die Röntgenröhre von der ccProjektion aus um ca. 45° nach außen gekippt und die Brustdrüse so komprimiert, dass auch thoraxwandnahes Gewebe mit den axillären Ausläufern miterfasst wird. Frühere Ansätze, nach denen
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Kapitel 20 · Bildgebende und Interventionelle Diagnostik der Brustdrüse mittels Röntgen-Mammographie, Mamma-Sonographie und MR-Mammographie
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. Abb. 20.6a–f. Beispiele für Zusatzaufnahmen zur erweiterten Abbildung der lateralen Abschnitte der Mamma im cc-Strahlengang. Aufgrund des Strahlengangs in cc-Projektion mit lateraler Betonung wird die Aufnahme auch als kranio-kaudale-axiale (cca) oder »Cleopatra-Aufnahme« bezeichnet. a–c An diesem Beispiel sind die in der mlo-Projektion (a) nachgewiesenen metastatisch durchsetzten Lymphknoten (c) mittels der cca-Aufnahme (c) auch im cc-Strahlengang zu erkennen (geschlossener Pfeil). »Nebenbefundlich« auch Nachweis eines Mammkarzinoms rechts bei 11 Uhr (offene Pfeile). d–f Nachweis eines 9 mm großen sternförmigen Herdbefundes unmittelbar vor der Thoraxwand bei 1–2 Uhr gelegen (offene Pfeile). In der cca-Aufnahme (geschlossene Pfeile) kann der BI-RADS 5Befund im kraniokaudalen Strahlengang besser nachgewiesen werden
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Screening-Mammographie nur in der mlo-Projektion angefertigt wurden (Holland, England), sind mittlerweile wieder verlassen worden, da die Beurteilung von Herdbefunden in 2 Ebenen sehr viel genauer und die Karzinomdetektionsrate höher ist. Für eine hohe Bildqualität bei der Mammographie sind eine Kompression von möglichst >8 Newton sowie eine korrekte Positionierung der Brust unerlässlich. Vor Abschluss einer Mammographie muss die MTRA die Qualität der Bilder kritisch hinterfragen und ggf. eine nicht ausreichende Aufnahme wiederholen oder eine ergänzende Zusatzaufnahme anfertigen. Die Aufnahme zur ergänzenden Abbildung der axillanahen Brustabschnitte wird als axiale kranio-kaudale (cca) oder »Cleopatra«-Aufnahme (. Abb. 20.6) bezeichnet, während die Zusatzaufnahme zur Abbildung der medialen Brustabschnitte als Cleavage-Aufnahme (. Abb. 20.7) bezeichnet wird. Bei der Cleavage-Aufnahme werden beide Brüste mit ihren inneren Abschnitten gleichzeitig nebenein-
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ander abgebildet. Die latero-mediale (lm) Aufnahme wird ebenso wie die gerollten Aufnahmen nur noch sehr selten angefertigt. Außer den Zusatzprojektionen gibt es noch die Vergrößerungs- und/oder Kompressionsaufnahmen, die dazu geeignet sind, einen suspekten Herdbefund oder Mikrokalzifikationen genauer zu charakterisieren. Bei fraglichen Herdbefunden kann es in vielen Fällen sinnvoller sein, ergänzende Kompressionsaufnahmen anzufertigen, um abzuklären, ob es sich um eine einfache Überlagerung von verschiedenen Strukturen handelt oder ein wirklicher Herdbefund vorliegt. Bei Mikroverkalkungen, die nicht eindeutig benigne sind und/oder entweder neu aufgetreten oder progredient sind oder aber aufgrund des Fehlens von Voraufnahmen nicht bezüglich des Zeitpunkts der Entstehung zu beurteilen sind, sollten hingegen aufgrund der größeren geometrischen Schärfe mit dem kleinen Röntgenfokus in 2 Ebenen vergrößert werden.
623 20.2 · Röntgen-Mammographie
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. Abb. 20.7a–d. Analoge Mammographie links; a, b cc-/mlo-Projektion, c, d Cleavageaufnahme mit Ausschnittsvergrößerung. Beispiel einer Cleavage-Zusatzaufnahme zur erweiterten Abbildung der medialen Abschnitte der Mammae im cc-Strahlengang als Ergänzungsaufnahme zur cc-Projek-
d tion (a). In diesem Beispiel (mit der Ausschnittsvergrößerung d) Nachweis eines links weit medial bei 9 Uhr lokalisierten sternförmigen Herdbefundes (offene Pfeile), der einem 8 mm großen Mammakarzinom entspricht
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a
. Abb. 20.8a, b. Galaktographie rechts in ml-Projektion, a nach Einbringung von 1 ml Kontrastmittel, b Ausschnittsvergrößerung. Zartes unauffälliges Milchgangssystem ohne Hinweis für Papillome oder papilläre Malignome
Bei derartigen Zusatzaufnahmen sind cc- und ml-Projektionen sinnvoll, um abweichend von den sonst üblichen mloProjektionen ggf. vorhandene spezifische Verkalkungsmuster (»Teetassenphänomene«) eindeutiger nachweisen zu können. Diese »Teetassenphänomene« entstehen durch die Sedimentierung von kalkhaltiger Flüssigkeit (»Kalkmilch«) innerhalb eines erweiterten Milchgangs bzw. einer terminalen duktolobulären Einheit und sind daher in der streng seitlichen Projektion am besten zu erkennen. Die kranio-kaudale Projektion bildet dann in der Aufsicht von oben typischerweise eine runde Form des Mikrokalks ab.
Aber auch bei allen Maßnahmen, bei denen eine genaue Lokalisation des Mikrokalks innerhalb der Brust zu ermitteln ist, sind mlo-Projektionen aufgrund der 45°-Verkippung nicht optimal geeignet. Die ml-Projektion ist auch immer dann auszuwählen, wenn z. B. eine präoperative Zusatzaufnahme nach erfolgter sonographischer Drahtmarkierung anzufertigen ist oder aber eine stereotaktische Vakuumbiopsie zu indizieren ist (. Abb. 20.54, . Abb. 20.56). Dies gilt auch für Aufnahmen, die nach Kontrastmittel-Instillation in einen sezernierenden Milchgang, also im Rahmen einer Galaktographie, angefertigt werden
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Kapitel 20 · Bildgebende und Interventionelle Diagnostik der Brustdrüse mittels Röntgen-Mammographie, Mamma-Sonographie und MR-Mammographie
vollständig oder fehlerhaft ist oder die Beschriftung in die Abbildung der Brust hineinreicht. Um einen hohen Ausbildungsstand der mammographierenden MTRA’s zu sichern, sind nicht nur die Häufigkeiten der Mammographie-Qualitätskategorien P bis I vorgegeben, sondern auch die maximal erlaubte Anzahl an Wiederholungsaufnahmen. In der Regel sind diese hohen Anforderungen nicht ohne eine spezielle Schulung der MTRA’s zu erfüllen. Diese Schulungen werden von verschiedenen Instituten angeboten und werden von den MTRA’s mit einem Zertifikat als »Fachkraft Mammographie« abgeschlossen. Dieses Zertifikat gilt für die »kurative« Mammographie und ist nicht identisch mit dem Zertifikat, das nach dem absolvierten Kurs zur Anfertigung von Screening-Mammographien erteilt wird.
. Abb. 20.9. PGMI-Klassifikation zur Bewertung der Einstellqualität von Mammographien
(. Abb. 20.8). Muss im Anschluss an die Galaktographie ein Papillom für den Operateur mittels einer Markierungsnadel gekennzeichnet werden, kann dann eine Zusatzaufnahme eingespart werden. Die Beurteilung der Qualität einer Mammographie erfolgt sinnvollerweise nach den PGMI-Kriterien (. Abb. 20.9). Die Details zu den PGMI-Kriterien werden u. a. von den Kassenärztlichen Vereinigungen zur Verfügung gestellt – hier sollen nur Beispiele für die Qualitätskriterien gegeben werden. Zu den Qualitätsstufen gehören: P= perfekt, G= gut, M= moderat, I= technisch inadäquat). Von der Gesamtzahl aller Aufnahmen in einer Stichprobe sollen: 4 75% der Aufnahmen zu P oder G 4 97% der Aufnahmen zu P+G+M 4 <3% der Aufnahmen technisch inadäquat ausfallen.
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Qualitätskriterien für eine optimal positionierte mlo-Projektion sind z. B. die Miterfassung des Pektoralismuskels mindestens bis in Höhe der Mamille, die tangential abgebildet werden muss und die möglichst vollständige Abbildung der entfalteten Inframammärfalte. Gerade die tangentiale Abbildung der Mamillen kann aber bei angeborenen Schlupfwarzen (. Abb. 20.11) und/oder kaudal bzw. nicht mittig positionierten Mamillen sehr schwierig sein, sodass in diesem Fall eine Brustspitzen-Zusatzaufnahme gemacht wird, um auch die Retromamillarregion sicher beurteilen zu können. Wichtig zur Sicherstellung der hohen Qualität einer Mammographie ist aber auch, vor Beginn der Untersuchung zu überprüfen, dass die Haut der zu Untersuchenden keine Verunreinigungen durch Deodorant, Puder, Bodylotion etc. aufweist, da sonst Bilder entstehen können, die ablärungsbedürftigem Mikrokalk täuschend ähnlich sein können (. Abb. 20.10). Für die kranio-kaudale Ebene gilt als Qualitätsmerkmal, dass der gesamte Drüsenkörper mit dem präpektoralen Fettgewebe sowohl medial als auch lateral vollständig erfasst sein soll. Für beide Projektionen gilt darüber hinaus u. a., dass eine faltenfreie Abbildung der Brust vorliegen soll. Eine insuffiziente Aufnahme liegt z. B. vor, wenn die Beschriftung der Mammographie nicht
20.2.5
BI-RADS™ Klassifikation
BI-RADS Klassifikation des American College of Radiology BI-RADS 0: Zusatzinformation zur Beurteilung nötig. 4 Weitere Bildgebung und/oder Voraufnahmen erforderlich. Beurteilung erst nach weiterer Aufarbeitung. BI-RADS I: Unauffällig. 4 Normales Erscheinungsbild. Routine-Früherkennung. BI-RADS II: Gutartiger Befund. 4 Mammographisch erkennbare, eindeutig gutartige Veränderung. Routine-Früherkennung. BI-RADS III: Wahrscheinlich gutartiger Befund. 4 Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit gutartige Veränderung. Kontrolle mit kurzem Intervall. BI-RADS IV: Möglicherweise bösartiger Befund. 4 Kein charakteristischer, aber möglicher Hinweis auf Malignität. Biopsie ist zu empfehlen. BI-RADS V: Hochverdächtiger Befund. 4 Hohe Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Karzinoms. Adäquate Konsequenzen. BI-RADS VI: Bekanntes Karzinom. 4 Bioptisch verifiziertes Karzinom vor endgültiger Therapie. Adäquate Konsequenzen.
Die Befundung mammographischer Aufnahmen erfolgt sinnvollerweise nach der Mammographie-BI-RADS™ Klassifikation, die eine Klassifikation von Herdbefunden und Mikroverkalkungen in 6 Kategorien vorsieht, wobei jede Kategorie ein bestimmtes Procedere impliziert (Übersicht). In Ergänzung zur Klassifikation der Befunde gibt es sowohl für die Mammographie als auch für die Sonographie und die MR-Mammographie ein speziell für das jeweilige Verfahren entwickelte BI-RADS-Lexikon, das als Befundungshilfe dienen soll. Ein Überblick über die Kriterien dieser Lexika wird in jedem Unterkapitel dieses Lehrbuchs gegeben. Die Originalkompendien der BI-RADS™-Klassifikation sind im Fachhandel erhältlich, werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert und gehen über die an dieser Stelle abgehandelten Kriterien weit hinaus.
625 20.2 · Röntgen-Mammographie
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. Abb. 20.10a–e. Mammographie-Artefakte. Digitale Mammographie rechts in cc- und mlo-Projektion in Vergrößerung nach Reinigung der Haut. Die in der cc-Projektion fraglich intramammär nachweisbaren Mikroverkalkungen (offene Pfeile, a) sind in der mlo-Projektion intrakutan (geschlossene Pfeile, b) nachzuweisen und nach erneuter Reinigung auch in der cc-Pro-
20.2.6
ACR BI-RADS-Lexikon (Mammographie)
In diesem Abschnitt werden nur die mammographischen Kriterien abgehandelt (Deutsche Übersetzung des amerikanischen Originals aus dem Jahre 2005). Für den Fall, dass alle 3 bildgebenden Verfahren zum gleichen Zeitpunkt zur Anwendung kommen, wird für die Gesamtbeurteilung zumeist die höchste Wertung ausgewählt, die in einem der Verfahren erreicht wird. Dies gilt natürlich nur, soweit sich ein suspekter Befund in einem der Verfahren nicht als eindeutig gutartig in einem anderen Verfahren herausstellt. Als Beispiel wäre hier ein in-
e jektion (c) nicht mehr zu erkennen. d, e Digitale Mammographie rechts in cc-Projektion sowie Wiederholung mit Haarspange. Es handelte sich um dichte Haare, die von der Schulter ins Bild hineinhingen. Bei allen Frauen mit längeren Haaren sollte daher die Mammographie immer primär mit einer Haarspange zum Zusammenhalten der Haare gemacht werden
homogen verkalkendes Fibroadenom zu nennen, das einen suspekten Herdbefund in der Sonographie verursachen kann, aber in der Mammographie durch den »Popcorn«-Makrokalk als sicher benigne eingestuft werden kann. In einem Mammographiebefund sollte weiterhin immer die Dichte der Brust absolut gesehen und auch relativ zur Voruntersuchung festgehalten werden, um z. B. dem überweisenden Gynäkologen den Effekt einer stattfindenden oder geplanten Hormontherapie mitzuteilen. In dem Mammographie BI-RADS-Lexikon sind diese DichteKategorien definiert (Übersicht).
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Kapitel 20 · Bildgebende und Interventionelle Diagnostik der Brustdrüse mittels Röntgen-Mammographie, Mamma-Sonographie und MR-Mammographie
. Abb. 20.11a, b. Eingezogene Mamillen. Digitale Mammographie rechts in cc- und mlo-Projektion. In beiden Projektionen Nachweis nicht projektionsbedingter eingezogener Mamillen, jedoch ohne Hinweis für eine retromamilläre Raumforderung im Sinne eines Sekundärzeichens eines Malignoms. Es handelt sich um eine angeborene Normvariante, die im Übrigen auch meist beidseits auftritt
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Einteilung der Brustdichte nach den Empfehlungen des American College of Radiology (ACR) ACR Typ I: Überwiegend lipomatös (Anteil Drüsengewebe <25%) ACR Typ II: Fibroglandulär (Anteil Drüsengewebe 25–50%) ACR Typ III: Inhomogen dicht (Anteil Drüsengewebe 51–75%) ACR Typ IV: Extrem dicht (Anteil Drüsengewebe >75%)
Mikrokalklexikon des ACR Im Lexikon der aktuellen Version des American College of Radiologe, die auch als eine von Hellwig/Fischer ins Deutsche übersetzte Version erhältlich ist, werden zunächst einmal Herdbefunde und Mikrokalzifikationen definiert. Weiterhin sind schematische Abbildungen von Mikroverkalkungen und Herdbefunden enthalten. Aufgrund der Einteilung in 3 Gruppen (eindeutig benigne, mittelgradig suspekt, höhere Malignomwahrscheinlichkeit) wird auch eine Einschätzung der Malignitäts-Wahrscheinlichkeit in Abhängigkeit vom mammographischen Bildes vorgenommen.
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> Definition Mikrokalk BI-RADSTM: »Gutartige Verkalkungen sind in der Regel größer als Kalzifikationen maligner Genese. Sie sind in der Regel gröber, oft rundlich, glatt begrenzt und einfach zu detektieren. Verkalkungen, die mit Malignität assoziiert sind, sind in der Regel sehr klein und oft erst mit der Lupe erkennbar. Falls keine spezifische Ätiologie einer auffälligen Verkalkungen zugeordnet werden kann, so sollten die Morphologie und das Verteilungsmuster der Kalkpartikel beschrieben werden. Gutartige Verkalkungen müssen nicht immer im Bericht erwähnt werden. Sie sollten nur dann im Befund angesprochen werden, 6
b
wenn der befundende Radiologe der Meinung ist, dass sie von anderen Betrachtern missinterpretiert werden könnten.«
Genau diese Analyse der Morphologie des einzelnen Mikrokalks und der vorhandenen oder fehlenden Übereinstimmung mit den benachbarten Mikroverkalkungen in Kombination mit dem Verteilungsmuster und auch der Lokalisation innerhalb der Brust bringen den Befunder zu einer abschließenden Einschätzung, die er im Befund festhält. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass die Arbeitsgemeinschaft Mamma-Diagnostik der Deutschen Röntgen-Gesellschaft im Mai 2007 eine Konsensuskonferenz in Frankfurt/Main mit dem Thema der Einschätzung von Mikroverkalkungen abgehalten hat. Die Ergebnisse dieser Konferenz wurden von M. Müller-Schimpfle in einer Publikation zusammengefasst und können dort nachgelesen werden. (MüllerSchimpfle M; AG Mammadiagnostik der DRG. Müller-Schimpfle M; AG Mammadiagnostik der DRG, Rofo. 2008 Jan;180(1):66-8). Unter anderem enthält die Publikation eine sehr hilfreiche 9Feldertafel, bei der aus der Morphologie und dem Verteilungsmuster der Verkalkungen eine BI-RADS-Kategorie resultiert.
Eindeutig benigne Verkalkungen Es bereitet dem Befunder unabhängig von der Verteilung dieser typisch benignen Verkalkungen kein Problem, einen BI-RADSII-Befund zu beschreiben. Derartig eindeutig benigne Verkalkungen müssen – wie im BI-RADS™ Lexikon festgehalten – im Befund nicht einmal unbedingt erwähnt werden (. Abb. 20.16). Als Beispiele sind postoperative Nahtverkalkungen und Fremdkörper (. Abb. 20.12, . Abb. 20.17), kutane Talkdrüsenverkalkungen (. Abb. 20.13) oder schienenstrangartige Verkalkungen im Rahmen einer Arteriosklerose (. Abb. 20.14) zu nennen. Auch wenn die Verkalkungen alle mehr oder weniger rund sind
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. Abb. 20.12a–c. Digitale Mammographie, Fremdmaterial. a Aufnahme rechts in mlo-Projektion; Nachweis von 5-mal Nahtmaterial rechts nach Reduktionsplastik (offene Pfeile). b Digitale Mammographie links in mloProjektion. Nachweis einer postoperativ verbliebenen Nadel nach Fibroade-
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c nomexstirpation links (offener Pfeil). c Digitale Mammographie rechts in mlo-Projektion; Nachweis einer abgerissenen Drainagespitze, die postoperativ in der Brust verblieben ist
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. Abb. 20.13a–c. Talgdrüsenverkalkungen. a, b Analoge Mammographie rechts in cc- und mlo-Projektion sowie Ausschnittsvergrößerung in ccProjektion (c). ACR I–II dichte Mamma beidseits mit unzähligen bis 6 mm im Durchmesser großen, runden, randständig betonten Verkalkungen mit zen-
traler Aufhellung, wie man an der Ausschnittsvergrößerung gut erkennen kann (c). Diese Verkalkungen entsprechen blanden Talgdrüsenverkalkungen
und es sich um einen diffuse Verteilung handelt (. Abb. 20.15), bereitet der Befund keine Probleme. Erst recht hat man keine Probleme bei Makroverkalkungen, die eine Ähnlichkeit mit Popcorn aufweisen. Hierbei handelt es sich um einen der seltenen Fälle, in denen der Radiologe sehr gerne dem Pathologen
Konkurrenz macht und mit fast uneingeschränkter Sicherheit die Histologie eines Fibroadenoms voraussagt. Auch Makroverkalkungen, wie sie typischerweise im Rahmen einer Narbe auftreten können, sind nicht problematisch in der Beurteilung. Ebenso wenige Probleme bereiten im Allgemeinen
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Kapitel 20 · Bildgebende und Interventionelle Diagnostik der Brustdrüse mittels Röntgen-Mammographie, Mamma-Sonographie und MR-Mammographie
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. Abb. 20.14a, b. Arteriosklerose. Digitale Mammographie rechts in cc-/ mlo-Projektion. Nachweis pathognomonischer schienenstrangartiger Verkalkungen der rechten Mamma im Sinne einer Arteriosklerose (offene Pfeile)
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die verschiedenen Formen der zentral aufgehellten Mikroverkalkungen, die als liponekrotisch, eierschalenartig oder punktförmig bezeichnet werden und sicher benigne sind. Schon anders sieht die Situation aus, wenn die Einzelverkalkungen einen verzweigenden Charakter aufweisen und eindeutig duktal ausgerichtet sind. Nur wenn es sich um beidseitige Verkalkungen handelt und die einzelnen Verkalkungen eher dicker als 1 mm sind und ein wenig plump wirken, kann die Diagnose einer abgelaufenen (klinisch inapparenten) Plasmazellmastitis (. Abb. 20.18) gestellt werden. Die Morphologie dieser Verkalkungen wird auch als »lanzettförmig« bezeichnet. Deutlich schwieriger zu diagnostizieren und immer wieder »Stein des Anstoßes« sind die so genannten Kalkmilchzysten oder »Teetassen«, da diese oft den malignen Mikrokalkgruppen zum Verwechseln ähnlich zur Darstellung kommen und nur in einer geraden seitlichen Projektion die klassische Sedimentation (. Abb. 20.19) aufweisen, die dann die Diagnose einer harmlosen »Teetasse« erlaubt. Es sei auch an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es auch benachbart zu solchen benignen proliferativen Veränderungen Malignome gibt und eine benachbarte »Teetasse« nichts über den eigentlich zu diagnostizierenden Mikrokalk aussagt. Anders formuliert können Malignome durchaus in dichtem mastopathisch-proliferativen Gewebe angesiedelt sein – sie sind dann besonders schwierig zu detektieren.
Mittelgradig suspekte Mikroverkalkungen In dieser Kategorie sind als erstes sind die amorphen oder unscharfen Verkalkungen zu nennen, die so klein und verschwommen sind, dass man sie in ihrer Einzelmorphologie nicht genau differenzieren kann. Bei allen anderen Anordnungen außer der diffusen Anordnung sind diese Verkalkungen als BI-RADS IV einzustufen und einer Vakuumbiopsie zuzuführen. Weiterhin sind als Vertreter dieser Gruppe die granulär-heterogenen Ver-
b . Abb. 20.15a, b. Mikroverkalkungen bei Mastopathie. Digitale Mammographie rechts in cc- und mlo-Projektion und Vergrößerung. Außer der ACR-dichten Mastopathie sind in allen Quadranten mastopathie-typische runde Mikroverkalkungen nachweisbar, die diffus verteilt zur Darstellung kommen und als typisch benigne zu interpretieren sind. Sedimentationen sind in diesem Beispiel nicht nachzuweisen
kalkungen zu nennen (. Abb. 20.21, . Abb. 20.22), die >0,5 mm sind, aber nicht das klassische Bild einer Fettgewebsnekrose (. Abb. 20.20) haben und somit nicht als benigne einzustufen sind. Als histologisches Korrelat kommen die regionale Fibrose, das beginnend verkalkende Fibroadenom, aber auch das Mammakarzinom infrage.
Mikroverkalkungen mit höherer Wahrscheinlichkeit von Malignität Die nächste Gruppe beherbergt schließlich die Verkalkungen, die den höchsten Prozentsatz eines DCIS und/oder eines Mammakarzinoms als Ursache der Mikroverkalkungen aufweisen. Es handelt sich um die fein-pleomorphen (früher »polymorph«)
629 20.2 · Röntgen-Mammographie
. Abb. 20.16a, b. Arteriolosklerose. Ausschnittsvergrößerungen einer digitalen Mammographie links in cc- und mlo-Projektion. Nachweis von Verkalkungen nahezu aller intramammären und v. a. der kleinen arteriellen Blutgefäße bei langjährigem, insulinpflichtigen Diabetes mellitus (offene Pfeile)
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. Abb. 20.17a–c. Postoperative Makroverkalkung. a, b Film-FolienMammographie rechts in cc-/mlo-Projektion sowie Ausschnittsvergrößerungen rechts in cc-Projektion (c). Mammographisch Nachweis eines klas-
sischen Bildes nach Reduktionsplastik sowie zusätzlich einer pathognomonischen, sehr kräftig ausgebildeten Makroverkalkung im Sinne einer Hämatomverkalkung bei 6 Uhr nach stattgehabter Operation 2 Jahre zuvor
(. Abb. 20.24, . Abb. 20.25) und die fein-linearen und linearverästelnden (. Abb. 20.26) Verkalkungen, die immer abgeklärt werden sollten, egal wie das Verteilungsmuster auch sein mag.
lung kamen. Somit sind nur 36% aller Malignome über die Detektion von Mikrokalk nachweisbar gewesen oder anders formuliert, 64% aller Malignome wurden über die Detektion von Herdbefunden ohne assoziierten Mikrokalk entdeckt. Zum anderen haben Tabar und Tot die Häufigkeit von Malignomen bei den einzelnen Mikrokalkarten ermittelt und fanden heraus, dass bei den über die Detektion von Mikrokalzifikationen diagnostizierten Malignomen die verschiedenen Mikrokalk-Untergruppen mit folgenden Prozentzahlen beteiligt waren: 4 die pleomorphen Verkalkungen mit 45% 4 die unscharf amorphen Verkalkungen mit 36% 4 die verzweigenden Verkalkungen mit 19%
Malignomhäufigkeit bei verschiedenen Mikrokalzifikationen (Schwedisches Screening) In einer sehr genau ausgearbeiteten Screeningstudie haben L. Tabar und T. Tot ein Kollektiv von 866 Malignomen ausgewertet und zum einen herausgefunden, dass von der Gesamtzahl aller im Rahmen des Screenings mammographisch erkannten Malignomen 19% nur mit Mikrokalzifikationen und weitere 17% mit Mikrokalzifikationen und einem Herdbefund zur Darstel-
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Kapitel 20 · Bildgebende und Interventionelle Diagnostik der Brustdrüse mittels Röntgen-Mammographie, Mamma-Sonographie und MR-Mammographie
Bei der Analyse der Malignitätshäufigkeit der Verkalkungstypen liegen allerdings die verzweigenden Verkalkungen am weitesten vorne mit 94% Malignität, gefolgt von den pleomorphen Verkalkungen mit 61% Malignität und den unscharf amorphen mit immer noch 47% Malignität. Die häufigsten benignen Befunde innerhalb der pleomorphen Mikroverkalkungsgruppe waren fibrozystische Veränderungen und Fibroadenome (. Abb. 20.32, . Abb. 20.33). Nur bei der Gruppe der amorph-unscharfen Verkalkungen war die sklerosierende Adenose mit >90% auf dem ersten Platz.
Definition Herdbefund BI-RADS
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. Abb. 20.18a, b. Plasmazellmastitis. Film-Folien-Mammographie links in cc-/mlo-Projektion. Nachweis pathognomonischer lanzettförmiger Verkalkungen der linken Mammae im Sinne einer Plasmazellmastitis. Wenn diese Verkalkungen nicht beidseits und nur regional ausgeprägt sind und nicht einen Durchmesser von >1 mm aufweisen, kann die Differenzialdiagnose zu den linear verzweigenden Verkalkungen eines DCIS sehr schwierig sein
> Definition Herdbefund BI-RADS: »Bei einem Herdbefund handelt es sich um eine raumfordernde Veränderung, welche gewöhnlich in 2 orthogonalen Ebenen sichtbar ist. Ist ein potenzieller Herdbefund nur in einer Ebene sichtbar, so sollte von einer »Asymmetrie« gesprochen werden, bis der 3-dimensionale Charakter dieser Veränderung gesichert ist.« Die Übersetzer merken hierbei noch an, dass aufgrund von Unklarheiten bezüglich des bisher verwendeten Ausdrucks »Verdichtung« dieser Begriff in der neuen Auflage durch den Begriff »Asymmetrie« ersetzt wurde.
Bei jedem Herdbefund müssen nach der BI-RADS-Klassifikation die Form, die Begrenzung und die Dichte analysiert werden. Bei
. Abb. 20.19a, b. Kalkmilchzysten. Ausschnittsvergrößerungen einer Mammographie links in cc- und mlo-Projektion. Mammographisch Nachweis eines klassischen Bildes bei fibrozystischer Mastopathie, die sich mit punktförmigen partiell unscharfen Verkalkungen in der cc-Projektion (geschlossene Pfeile), jedoch mit klassischen Sedimentationen in der mloProjektion im Sinne von Kalkmilchzysten (offener Pfeil) abbilden lassen. Besser geeignet für den Nachweis dieser Sedimentationen ist die ml-Projektion
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. Abb. 20.20a–g. Fettgewebsnekrose. Film-Folien- (a, b) bzw. digitale Mammographie links (c, d), Sonographie links (e) und MR-Mammographie in T2-Gewichtung (f) und in T1-Gewichtung nach KM-Applikation und Subtraktion (g). Präoperative Mammographien der linken Mamma (a, b) mit präpektoralem Herdbefund innen oben (offene Pfeile) sowie postoperative Kontrolle (c, d) mit unklarer Narbenbildung innen oben. Sonographisch kein spezifisches Schallverhalten, insbesondere kein Rezidivnachweis. Nebenbefundlich auch sonographisch Nachweis von Verkalkungen (offener
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Pfeil). Die MR-Mammographie, die aufgrund wieder angestiegener Tumor- 7 marker nach erfolgter Therapie durchgeführt wurde, zeigt typisch für die Fettgewebsnekrose eine erhöhte Signalintensität in der T2-Gewichtung und eine hochgradige Anreicherung in der T1-Gewichtung. Der Rezidivausschluss ist bei einer derartigen Konstellation oft nur per Histologiegewinnung möglich. In diesem Fall histologisch kein Rezidivnachweis, sondern nur hochaktives Granulationsgewebe
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. Abb. 20.21a–c. Suspekte Mikroverkalkungen. Film-Folien-Mammographie links und Ausschnittsvergrößerung links in cc-Projektion. Nachweis eines sternförmigen BI-RADS V-Herdbefundes der linken Mamma oben au-
ßen (offene Pfeile, a) assoziiert mit suspekten Mikroverkalkungen zur Darstellung kommend, die z. T. als fein pleomorph (geschlossene Pfeile, b), z. T. als granulär heterogen (gebogene Pfeile, c) zu bezeichnen sind
. Abb. 20.22a–d. Suspekte Mikroverkalkung. a, b Digitale Mammographie links in cc-/mlo-Projektion, c, d Ausschnittsvergrößerungen in cc- und mlo-Projektion. Nachweis suspekter, unscharf abzugrenzender Herdbefunde der linken Mamma oben außen (offene Pfeile), assoziiert mit suspekten Mikroverkalkungen, die überwiegend als granulär heterogen (geschlossene Pfeile), z. T. auch als fein pleomorph (gebogene Pfeile) zu bezeichnen sind. Die Befunde entsprechen einem das gesamte Segment ausfüllenden, multifokalen, invasiv duktalen Mammakarzinom
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633 20.2 · Röntgen-Mammographie
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. Abb. 20.23a–d. Mikroverkalkung. a, b Digitale Mammographie rechts in cc-/mlo-Projektion; c, d Vergrößerungen in cc- und mlo-Projektion. Nachweis segmental angeordneter pleomorpher Mikroverkalkungen der rechten Mamma bei 12 Uhr, wie es typischerweise bei einem DCIS bzw. einem invasiv duktalen Mammakarzinom anzutreffen ist. Dieser Mikrokalk entspricht
a . Abb. 20.24a, b. Regionale Mikroverkalkung. a, b Digitale Mammographie rechts in cc-/mlo-Projektion. Nachweis regionaler Mikroverkalkungen rechts oben innen bei 1–2 Uhr (offene Pfeile), wobei die Einzelkalkmorphologie als fein pleomorph zu bezeichnen ist. Außerdem sind die Verkalkun-
d nekrotisch zerfallenem Gewebe innerhalb des Milchganglumens, das sich bei der histopathologischen Aufarbeitung wie ein Pickel ausdrücken lässt und daher auch als »Comedo«-Karzinom bezeichnet wird. Es ist in einem so hohen Prozentsatz mit einem Malignom vergesellschaftet, dass es der BI-RADS-Kategorie IVb zuzuordnen ist
b gen im präpektoralen Fettgewebe gelegen, sodass mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Malignom auszugehen ist. Histologisch ergab sich ein DCIS »high grade«
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Kapitel 20 · Bildgebende und Interventionelle Diagnostik der Brustdrüse mittels Röntgen-Mammographie, Mamma-Sonographie und MR-Mammographie
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. Abb. 20.25a, b. Unscharfe Herdbefunde und lineare Mikroverkalkungen. a, b Digitale Mammographie rechts in cc/mlo-Projektion. Nachweis mehrerer unscharf abzugrenzender Herdbefunde rechts oben außen (offene Pfeile) sowie suspekter Mikroverkalkungen mit linearem Charakter (geschlossene Pfeile), die nicht mit den Herdbefunden assoziiert zur Dar-
stellung kommen. Histologisch ist der gesamte rechte obere äußere Quadrant durchsetzt mit invasiven Karzinomen und DCIS. Die erweiterte Quadrantenresektion mit anschließender operativer Deckung des Defekts mittels eines Schwenklappens wurde notwendig
den Formen der Herdbefunde gilt es zwischen rund, ovalär, lobulär und irregulär zu unterscheiden, die mit zunehmender Wahrscheinlichkeit mit einer Malignität assoziiert sind (. Abb. 20.34 bis . Abb. 20.45). Ebenso wird bei der Begrenzung der Herdbefunde zwischen glatt begrenzt, mikrolobuliert, überlagert, unscharf begrenzt und spikuliert unterschieden. Auch hier ist mit zunehmender Wahrscheinlichkeit von Malignität auszugehen. Schließlich wird die Dichte eines Herdbefundes relativ zur Dichte eines vergleichbaren Volumens fibroglandulären Gewebes zwischen fettäquivalenter geringerer, gleicher und höherer Dichte unterschieden. Im Gegensatz zu den Mikroverkalkungen, die in aller Regel mehr oder weniger leicht zu detektieren sind, gilt es bei den Herdbefunden, v. a. bei hoher Dichte des Drüsengewebes (. Abb. 20.29), in aller erster Linie erst einmal, den Herdbefund als solchen zu detektieren. Wenn der Nachweis eines Herdbefundes gelungen ist, umfasst die Differenzialdiagnose sehr viel weniger andere Möglichkeiten als bei Mikrokalk (. Abb. 20.30, . Abb. 20.31, . Abb. 20.32). Da jede einzelne Abbildung zum Thema »Herdbefunde« nach vielen Kriterien beurteilt werden muss, ist nicht wie bei den Verkalkungen jeweils ein Beispiel zu den verschiedenen Möglichkeiten vorhanden, sondern die Beispiele sind in eine Gruppe »benigne Herdbefunde« (. Abb. 20.27 bis . Abb. 20.34) und eine Gruppe »maligne Herdbefunde« aufgeteilt (. Abb. 20.35 bis . Abb. 20.44). Alle Kriterien, die bei der Beurteilung eine Rolle spielen, sind in den Abbildungslegenden beschrieben. Auch bei
den Abbildungen der sekundären Malignome der Mammae sind überwiegend Herdbefunde mit den entsprechenden Beschreibungen enthalten.
Malignomhäufigkeit bei verschiedenen Herdbefunden (Schwedisches Screening) Die Daten, die Tabar und Tot in ihrer Auswertung der 694 Malignome, die mit einem Herdbefund in der Mammographie beim Mammographie-Screening aufgefallen waren, gewinnen konnten, geben auch hier Aufschluss über die Häufigkeiten der einzelnen Untergruppen. 65% dieser 694 Malignome imponierten mammographisch als stelläre Läsionen, also in der BI-RADS-Terminologie unscharf begrenzte, spikulierte Herdbefunde, wohingegen 35% runde oder ovaläre Herdbefunde waren. Die unscharf begrenzten und spikulierten Herdbefunde wiesen die höchste Malignitätswahrscheinlichkeit von allen Untergruppen auf, nämlich 93%. Bei den Malignomen dieser Gruppe war das invasiv duktale Karzinom mit 65% die häufigste Untergruppe, gefolgt von dem Invasiv lobulären Karzinom mit 21% und dem tubulären Karzinom mit 9%. Die benignen histologischen Ergebnisse dieser Gruppe setzen sich zu 86% aus radiären Narben und zu 11% aus Fettgewebsnekrosen zusammen, wobei diese beiden Histologien sich bekanntermaßen mammographisch als sternförmiger Herdbefund äußern können. Bei den runden bzw. ovalären Karzinomen stehen wiederum das invasiv duktale Karzinom an erster Stelle (59%), gefolgt von
635 20.2 · Röntgen-Mammographie
. Abb. 20.26a–d. Linear verästelnde Mikroverkalkungen. a, b Digitale Mammographie links in cc- und mlo-Projektion. c, d Ausschnittsvergrößerungen links in cc- und mlo-Projektion. Nachweis eines BI-RADS-V-Bildes links oben außen bei einer Kombination eines sternförmigen Herdbefundes (offene Pfeile) mit pathognomonischen Mikroverkalkungen des linear verästelnden Typs (geschlossene Pfeile). Nebenbefundlich Nachweis eines typischen mammographischen Bildes bei einer prominenten Hautwarze bei 1 Uhr (gebogener Pfeil). Histologischer Nachweis eines invasiv duktalen Mammakarzinoms mit extensiver DCIS-Komponente
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dem medullären (8%), dem muzinösen (7%), dem intrazystischen (5%), dem tubulären (4%) und schließlich dem invasiv lobulären Karzinom. Die benignen Ergebnisse der als abklärungsbedürftig angesehenen runden/ovalären Herdbefunde waren Fibroadenome (35%), fibrozystische Veränderungen (19%), Papillome (18%) und Abszesse (8%). In dem ACR BI-RADS-Lexikon werden außer Mikroverkalkungen und Herdbefunden noch einige wenige Besonderheiten beschrieben: 4 die Architekturstörung 4 die tubuläre Verdichtung 4 intramammäre Lymphknoten 4 fokale bzw. globale Asymmetrien
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Weiterhin werden »assoziierte Befunde« beschrieben, nämlich Hauteinziehungen, Retraktionen der Brustwarze, umschriebene Hautverdickungen oder trabekuläre Verdickungen der fibrösen Septen der Brust. Bei den Architekturstörungen ist »die normale Architektur des Parenchyms gestört, wobei aber kein definitiver Herdbefund sichtbar ist. Dies umfasst Spikulierungen, die strahlenförmig von einem Punkt ausgehen, fokale Retraktionen oder Gefügestörungen am Rande des Drüsenparenchyms. Architekturstörungen können mit Herdbefunden, Asymmetrien oder Verkalkungen assoziiert sein«. Liegen keine anamnestischen Informationen über stattgehabte Operationen oder entsprechend kräftig ausgeprägte Traumata vor, ist eine Architekturstörung hoch suspekt für ein Malignom oder eine radiäre Narbe (. Abb. 20.34). Beide Be-
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Kapitel 20 · Bildgebende und Interventionelle Diagnostik der Brustdrüse mittels Röntgen-Mammographie, Mamma-Sonographie und MR-Mammographie
funde müssen mit einer Biopsie abgeklärt werden, wobei die radiäre Narbe in toto exzidiert werden sollte, da bei dieser seltenen Entität maligne Veränderungen nicht im Zentrum der Läsion zu finden sind, sondern in der Peripherie. Typisch für radiäre Narben ist das Fehlen hoher Dichtewerte im Zentrum der sternförmigen Veränderung. Die radiäre Narbe ist zentral oft auffallend flau, da es sich hierbei im Zentrum der Läsion ja auch histologisch nicht um ein besonders dichtes Gewebe handelt. > Radiäre Narben gehören zu den proliferativen Veränderungen und sind zu unterscheiden von den operativ oder traumatisch entstandenen Narben.
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. Abb. 20.27a, b. Gynäkomastie. Digitale Mammographie links in ccund mlo-Projektion. Mammographisch Nachweis sowohl einer »echten« drüsigen (offene Pfeile) als auch »falschen« lipomatösen Gynäkomastie; in diesem Fall ohne endokrinologische Ursache oder sonographischen Herdbefund
Der Architekturstörung steht die architektonische Unruhe gegenüber, mit der als Terminus beschrieben werden kann, dass das einen Herdbefund umgebende Gewebe in seinem Gefüge gestört ist oder retrahiert ist. Bei den tubulären Verdichtungen handelt es sich »um eine tubuläre oder verzweigte Struktur, die gewöhnlich einem dilatierten oder anderweitig erweiterten Milchgang entspricht«. Wenn sich keine weiteren Malignitätskriterien ergeben, muss man einer tubulären Verdichtung keine weitere Bedeutung beimessen. Bei den globalen Asymmetrien handelt es sich zumeist um Normvarianten, die sich mammographisch zwar nicht in Form von Herdbefunden oder Mikrokalzifikationen äußern und auch nicht mit einer Architekturstörung einhergehen, aber in Form einer höheren Dichte des Drüsenparenchyms oder prominenterer Milchgänge zur Darstellung kommen. Auch bei der fokalen Asymmetrie handelt es sich nicht um einen Herdbefund, da im Gegensatz zu diesem klare Randstrukturen fehlen. Die fokale Asymmetrie kann Ausdruck einer Parenchyminsel sein, wobei beim Fehlen eindeutiger Kriterien der Gutartigkeit eine weitere Befundabklärung notwendig ist.
. Abb. 20.28a, b. Digitale Mammographie links in cc- und mlo-Projektion. Mammographisch ACR II dichte Mamma mit einem akzessorischen, axillanah gelegenen Drüsengewebe links im Sinne einer Normvariante (offene Pfeile). Wenn das umgebende Brustgewebe weniger dicht ist, kann das akzessorische Drüsengewebe deutlich in den Vordergrund treten, wie es in den Abbildungen ersichtlich ist (offene Pfeile)
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637 20.2 · Röntgen-Mammographie
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. Abb. 20.29a–c. Nachweis pathognomonischer Mammographiebefunde bei 2 Frauen mit Lipomen. a, b Diese benignen, bisweilen aber sehr großen Herdbefunde kommen jeweils in Form von scharf abgrenzbaren und glatt berandeten, meist hypodensen Raumforderungen zur Darstellung (offene Pfeile). In seltenen Fällen, wenn Lipome bindegewebsreich sind und
das umgebende Drüsengewebe involutiert ist, können diese anstelle der hypodensen Abbildung in der Mammographie auch als gering hyperdense, aber immer glatt berandete und scharf abgrenzbare, meist ovaläre Raumforderungen zur Darstellung kommen. c Sonographisch sind Lipome hingegen charakteristischerweise gemischt hyperechogen
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. Abb. 20.30a–c. Fibrozystische Mastopathie. a, b Digitale Mammographie links in cc-/mlo-Projektion; c Sonographie links oben außen. Nachweis multipler, stark drüsengewebsüberlagerter, überwiegend glatt berandeter
und scharf abgrenzbarer Herdbefunde (Pfeile), sonographisch einer großen Anzahl an Zysten bei fibrozystischer Mastopathie entsprechend. Unter Kenntnis der Sonographie ergeben sich keine Kriterien für eine Malignität
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Kapitel 20 · Bildgebende und Interventionelle Diagnostik der Brustdrüse mittels Röntgen-Mammographie, Mamma-Sonographie und MR-Mammographie
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. Abb. 20.31a, b. Herdbefunde Mamma. Digitale Mammographie rechts in mlo-/cc-Projektion. Nachweis multipler, glatt berandeter, z. T. drüsengewebsüberlagerter, ovalärer Herdbefunde der Mammae, symmetrisch auf
alle Quadranten verteilt. Es handelt sich um freie Silikoninjektionen zur Brustvergrößerung, wie diese v. a. in Asien lange Zeit üblich waren
20 a . Abb. 20.32a, b. Makroverkalkungen bei Fibroadenom. Digitale Mammographie rechts in cc-/mlo-Projektion. Nachweis zahlreicher, pathognomonisch popcornartig verkalkender Fibroadenome. Die Verkalkungen entsprechen dystrophen Makroverkalkungen und sind als Makroverkalkungen
b leicht zu diagnostizieren, können aber im Frühstadium sehr an Mikroverkalkungen erinnern und sind dann schwer von malignen Verkalkungen zu unterscheiden
639 20.2 · Röntgen-Mammographie
. Abb. 20.33a–d. Fibroadenom. a, b Film-FolienMammographie rechts in cc-/mlo-Projektion, c Vergrößerungsmammographie in cc-Projektion, d Sonographie der rechten Mamma. Nachweis eines gering drüsengewebsüberlagerten, sowohl mammographisch als auch sonographisch glatt berandeten, aber nicht ganz scharf abgrenzbaren Herdbefundes der rechten Mamma bei 1 Uhr. Die sonographische Stanzbiopsie, die aufgrund der Lage des Herdbefundes außerhalb des Drüsengewebes und der hohen Dichte erfolgt, ergab ein Fibroadenom
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Die Mamillenretraktion ist nur für den Fall, dass es sich um eine beidseitige Veränderung handelt oder aber seit langer Zeit vorliegt, nicht als malignitätssuspekt anzusehen. Neu aufgetretene Mamillenretraktionen können, auch wenn diese einseitig sind, lediglich Ausdruck abgelaufener Galaktophoritiden sein, müssen jedoch weiter abgeklärt werden. Nicht selten finden sich aber fortgeschrittene Brustkrebsstadien, die den Mamillen-/ Areolakomplex nach innen einziehen. Die Trabekulierung der Brust kann verschiedene Ursachen haben, tritt aber zumeist als Folge einer Operation und/oder Bestrahlung der Brust auf und entspricht eingelagerter Flüssigkeit, also einem Lymphödem. Dann geht sie auch mit einer Verdi-
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ckung der Haut einher. In seltenen Fällen kann sie aber auch nach einer Armvenenthrombose oder im Rahmen eines Inflammatorischen Mammakarzinoms oder einer Mastitis auftreten. Falls zunächst kein klinischer Grund nachzuweisen ist, muss die Trabekulierung weiter abgeklärt werden. Zur Abklärung eingesetzt wird bei einer unklaren Verdickung der Haut und/oder der Trabekulierung der Brust die Punchbiopsie der Haut, um hier ggf. vorhandene Tumorzellen nachzuweisen.
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Kapitel 20 · Bildgebende und Interventionelle Diagnostik der Brustdrüse mittels Röntgen-Mammographie, Mamma-Sonographie und MR-Mammographie
. Abb. 20.34a–d. Sternförmiger Herdbefund. a, b Film-/Folien-Mammographieaufnahmen in cc-/mlo-Projektion, c Vergrößerungsaufnahmen links in mlo-Projektion, d Präparate-Radiographie. Nachweis sternförmiger Herdbefunde jeweils der linken Mamma oben außen (offene Pfeile), die sich in der Vegrößerungsaufnahme bestätigen (geschlossener Pfeil). Nach der radiologischen Markierung und operativen Exstirpation zeigt sich im Präparat und eine radiäre Narbe als Erklärung für den sternförmigen Herdbefund. Das komplett fehlende sonographische Korrelat ist typisch für diese sehr seltenen, schwierig zu diagnostizierenden sternförmige Herdbefunde. In der Mammographie und im Operationspräparat von radiären Narben ist das Fehlen eines sehr strahlendichten Zentrums (wie es bei Malignomen immer der Fall ist) typisch
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20.3
Sonographie
20.3.1
Historie
Der Anwendung des Ultraschalls in der Medizin gingen am Anfang letzten Jahrhunderts entscheidende technische Entwicklungen in völlig anderen Bereichen voraus. Der Physiker A. Brem machte nämlich nach dem Untergang der Titanic im Jahre 1912 den Vorschlag, mit Ultraschallwellen künftig Eisberge unter der Wasseroberfläche für die Schifffahrt rechtzeitig zu orten. Die technischen Voraussetzungen hierfür wurden allerdings erst 1917 geschaffen, als P. Langevin das erste praktische »Ultra-
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schallgerät« mit einer Leistung von 1 kW zum Aufspüren von U-Booten hergestellt hat. Die entscheidenden Schritte für die Anwendung des Ultraschalls in der Medizin im heutigen Sinne erfolgten in den Jahren 1956 und 1957, als zum einen von der Firma Siemens das Ultraschallgerät »Vidoson« entwickelt wurde, das mit 15 Bildern/s einen Körperausschnitt von 14 cm in Echtzeit untersuchen konnte und zum anderen, als von dem Gynäkologen I. Donald der erste handgeführte Ultraschallkopf in Verbindung mit dem heute noch verwendeten Gel erfunden wurde. Auf diese Weise konnten in der Folge Untersuchungen interaktiv in Echtzeit durchgeführt werden und die Pa-
641 20.3 · Sonographie
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d . Abb. 20.35a–d. Invasiv duktales Mammakarzinom. a, b Digitale Mammographie links in cc-/mlo-Projektion, c, d Sonographie links in 2 Achsen. Nachweis eines 2,6 cm großen, unscharf begrenzten und nicht glatt berandeten Herdbefundes (offene Pfeile) mit linearen Mikrokalzifikationen links medial der Mamille bei 9 Uhr gelegen und auch entsprechendem Erscheinungsbild in der Songraphie (gebogene Pfeile). Die sonographisch gesteuerte Stanzbiopsie ergab ein invasiv duktales Mammkarzinom
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tienten mussten nicht mehr in ein Wasserbad eingetaucht werden. Der erste Prototyp des »Vidoson« wurde in der Universitätsfrauenklinik in Würzburg klinisch evaluiert und brachte insbesondere in der Pränataldiagnostik entscheidende Vorteile, da Zwillingsschwangerschaften, Plazentafehllagen und kindliche Tumoren damals mit dieser Technologie bereits schon relativ sicher pränatal nachgewiesen bzw. ausgeschlossen werden konnten. Aufgrund der nicht zu erwartenden Schädigungen des ungeborenen Kindes durch den Ultraschall konnte das Verfahren beliebig oft und ausführlich zur Anwendung kommen. Natürlich lag es ab diesem Zeitpunkt nahe, diese neu gewonnene lautlose und unschädliche Untersuchungstechnik für alle medizinischen Bereiche weiterzuentwickeln. Der letzte erforderliche grundsätzliche Schritt in Richtung der routinemäßigen Anwendung des Ultraschalls u. a. auch in der Brustdiagnostik war dann die Grauabstufung des B-Bildes, die 1972 von den Australiern Kossoff und Garrett erstmals um-
gesetzt wurde. In der Folge wurde 1977 von Siemens der erste Großserien-Sektorscanner auf den Markt gebracht, der Combison 100 genannt wurde und der den Grundstein für die Allgegenwart des Ultraschalls in der heutigen modernen Medizin gelegt hat. Schnell folgten eine große Anzahl an Publikationen über die Anwendung des Ultraschalls in der bildgebenden Diagnostik der parenchymatösen Oberbauchorgane, des Herzens und der Weichteile und Haut.
20.3.2
Indikationsstellung/Anwendungsgebiete
Die Ultraschalluntersuchung ist neben der Röntgen-Mammographie das zweite unentbehrliche Instrument des senologisch tätigen Arztes. Die Indikationen für die Ultraschalluntersuchung der Brust sind hierbei so zahlreich, dass dieses Verfahren heute zu den am meisten eingesetzten Verfahren in der Senologie zählt. Aufgrund der im Gegensatz zur Mammographie fehlenden Risiken bzw. Nebenwirkungen kann das Verfahren v. a. auch bei jungen Frauen, die sich mit einem unklaren Tastbefund zur Abklärung vorstellen, unkritisch eingesetzt werden und bleibt bei einem nicht unerheblichen Anteil der bis 40 Jahre alten Frauen das einzige angewendete Verfahren. Liegt bei einer Frau aus dieser Altersgruppe keine familiäre Häufung eines Mammakarzinoms vor und der getastete Befund lässt sich im Ultraschall eindeutig als Zyste oder Fibroadenom identifizieren, so ist im Allgemeinen an diesem Punkt das Ende der Bildgebungskaskade erreicht.
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642
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Kapitel 20 · Bildgebende und Interventionelle Diagnostik der Brustdrüse mittels Röntgen-Mammographie, Mamma-Sonographie und MR-Mammographie
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. Abb. 20.36a–f. Invasiv duktales Mammakarzinom. a–d Digitale Mammographie beidseits in cc- und mlo-Projektion; e, f Ausschnittsvergrößerung rechts in cc-/mlo-Projektion. Nachweis mammographisch hochsuspekter Herdbefunde der Mammae beidseits oben außen nahezu spiegelbildlich, einem beidseitigen Mammakarzinom entsprechend. In diesem Beispiel ist
das rechtsseitige Mammakarzinom weitaus kleiner und sonographisch nur unter Kenntnis der Mammographie aufzufinden. Histologisch ergab sich ein invasiv duktales Mammakarzinom, rechts mit einer Größe von 5 mm, links mit einer Größe von 22 mm
Der zurückhaltendere Einsatz der Mammographie bei den Frauen <40 Jahren liegt neben den bekannten Strahlenrisiken auch in der sehr viel niedrigeren Häufigkeit von Mammakarzinomen in dieser Altersgruppe im Vergleich zu den >50-jährigen Frauen sowie in der im Durchschnitt deutlich höheren Drüsenkörperdichte der Frauen bis 40 Jahre begründet. Die hohe Drüsenkörperdichte macht die Detektion eines Mammakarzinoms im Vergleich zu den oft nur ACR-I bis ACR-II dichten Mamma der über >50-Jährigen sehr viel schwieriger.
> Generell resultiert aus der weitaus höheren Dichte der Brust bei Frauen < 40 Jahren eine entscheidende Limitation der Mammographie in diesem Alter: Die Krebsknoten, die ausschließlich über deren besonders hohe Dichte diagnostiziert werden können und keinen Mikrokalk beinhalten, lassen sich von dem umgebenden dichten Drüsengewebe nur sehr schwer unterscheiden. Mit der ergänzenden Sonographie und ggf. MR-Mammographie können diese Nachteile der Mammographie ausgeglichen werden.
643 20.3 · Sonographie
. Abb. 20.37a, b. Mammakarzinom in fortgeschrittenem Stadium. Digitale Mammographie links in cc-/mlo-Projektion. Auffällig ist die Trabekulierung der Haut, die einem Ödem aufgrund einer Lymphangiosis carcinomatosa der Haut entspricht (offene Pfeile) sowie einem sehr unscharf abgrenzbaren >6 cm im Durchmesser großen Herdbefund der linken Mamma oben außen (geschlossene Pfeile) und zahlreichen Lymphknotenmetastasen der Axilla (gebogene Pfeile)
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und/oder Eierstockskrebs (BRCA-Mutationen) und/oder die
. Abb. 20.38. Postoperative Narbenverkalkungen und zusätlich ein Rezidiv nach Karzinomoperation. Ausschnittsvergrößerung einer Film-/ Folien-Mammographie links in cc-Projektion. Mammographisch Nachweis eines komplexen Bildes nach brusterhaltender Therapie und Radiatio eines Mammakarzinoms. Als Folge der Therapie haben sich narbenassoziierte Makroverkalkungen ausgebildet (offene Pfeile). Zusätzlich jedoch kann der Nachweis eines 6 mm im Durchmesser großen Rezidivs (geschlossene Pfeile) geführt werden, das aufgrund der Schallauslöschungen an den benachbarten Makroverkalkungen leicht übersehen werden kann
! Bei allen Frauen >40 Jahren ist bei der Untersuchung eines unklaren oder suspekten Tastbefundes auch im Falle eines nicht malignom-suspekten sonographischen Herdbefundes (außer einer blanden Zyste) die Anfertigung einer Basis-Mammographie zu erwägen.
Eine andere Situation bzgl. dem Einsatz von Mammmographie und Mamma-Sonographie ergibt sich, wenn entweder in der Familie der Patientin eine Häufung an Mammakarzinomen
Erkrankung eines Mannes an einem Mammakarzinom vorliegt oder aber in der Ultraschalluntersuchung fragliche Kriterien eines malignen Befundes erhoben werden können (7 Kap. 20.1: Mammographie). Bleibt z. B. auch bei genauer Untersuchung eines Herdbefundes eine nicht ganz scharfe Abgrenzung, eine nicht in gesamter Zirkumferenz glatte Berandung oder eine auffällige Ausrichtung der Läsion bestehen, dann wird oft auch bei jüngeren Frauen eine Mammographie, zunächst nur auf der betroffenen Seite, angefertigt. In weiterhin unklaren Fällen wird – je nach mammographischen Erscheinungsbild – dann zur Symmetriebeurteilung auch eine Mammographie auf der Gegenseite angefertigt und ggf. auch eine sonographisch gesteuerte Stanzbiopsie durchgeführt. Die Mammographie auf der Gegenseite wird oft nur in mlo-Projektion zur Symmetriebeurteilung durchgeführt. Eine weitere wichtige Rolle der Sonographie besteht schließlich in der Steuerung der am häufigsten angewendeten Biopsietechnik, der sonographisch gesteuerten Stanzbiopsie (. Abb. 20.54). Der Grund dafür, dass die Sonographie die Methode ist, die am häufigsten zur Steuerung einer Stanzbiopsie der Mamma eingesetzt wird, ist zum einen, dass sich ein hoher Prozentsatz aller Läsionen der Brust entweder primär bereits oder aber im Rahmen einer »Second look«-Sonographie unter Kenntnis eines mammographisch und/oder MR-mammographischen Befundes auffinden lassen. Die entstehenden Kosten betragen abgesehen davon bei der sonographisch gesteuerten Stanzbiopsie nur einen Bruchteil der anderen Biopsieverfahren. Zum anderen ist aber auch das Faktum, dass es sich bei der sonographisch gesteuerten Stanzbiopsie (. Abb. 20.54) sowohl für den Arzt als auch für die Patientin um die am wenigsten aufwendige und risikobehaftete Methode handelt, ein Grund für die häufige Anwendung. In aller Regel braucht man für eine
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Kapitel 20 · Bildgebende und Interventionelle Diagnostik der Brustdrüse mittels Röntgen-Mammographie, Mamma-Sonographie und MR-Mammographie
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. Abb. 20.39a–g. Radiäre Narbe und invasiv duktales Karzinom. a, b Film-/Folien-Mammographie in cc- und mlo-Projektion, c, d Vergrößerungsaufnahmen in cc- und mlo-Projektion; e–g MR-Mammographie in T1-Gewichtung nach Subtraktion: Subtraktionen 1, 3 und 5 abgebildet. Mammographisch Nachweis eines sternförmigen Herdbefundes der rechten Mamma innen knapp oberhalb der Mamille gelegen (offene Pfeile). MR-Mammographisch ergibt sich ein frühzeitig KM-aufnehmender, sternförmiger Herdbefund in übereinstimmender Lokalisation. die stetige »Größenzunahme« des Herdbefundes in den Subtraktionen wird auch als »blooming sign« bezeichnet und spricht ebenso wie die sehr frühzeitige Anreicherung für Malignität. Bei fehlendem sonographischem Korrelat wird die Verdachtsdiagnose einer radiären Narbe am Operationspräparat bestätigt. Zusätzlich wird jedoch ein kleines invasiv duktales Mammakarzinom gefunden, das bei einer Größe von 4 mm weder in der Mammographie noch in der MRT ein Korrelat aufwies
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645 20.3 · Sonographie
. Abb. 20.40a–d. Intrazystisches Karzinom. a, b Film-/ Folien-Mammogarphie rechts in cc- und mlo-Projektion; c, d Sonographie in 2 orthogonalen Ebenen. Die Mammographie zeigt einen drüsengewebsüberlagerten Herdbefund, der in der Sonographie scharf abgrenzbar und glatt berandet zur Darstellung kommt. Innerhalb der Zyste sind jedoch papilläre Vegetationen zu erkennen, die histologisch einem intrazystischen Karzinom entsprechen
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sonographische Stanzbiopsie, die zumeist mit einer 14 G-Nadel durchgeführt wird, nicht mehr als 10–15 min. Im Anschluss reicht ein einfacher Druckverband für wenige Stunden, um den sehr selten vorkommenden Nachblutungen vorzubeugen. Die Details der sonographischen Interventionen finden sich im Kapitel über die Interventionellen Methoden. Der einzige Anwendungsbereich, bei dem für die Sonographie bisher keine ausreichenden Daten vorhanden sind, um eine breite Anwendung zu rechtfertigen, ist die Screening-Untersuchung zur Früherkennung von Brustkrebs. Der Grund für die fehlende Eignung der Sonographie in diesem Anwendungsbereich ist nicht etwa in einer niedrigen Sensitivität des Verfahrens, sondern in einem ungünstigen Verhältnis von Sensitivität zu
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Spezifität und in dem daraus resultierenden fehlenden Potenzial des Verfahrens zur kosteneffizienten Mortalitätsreduktion zu sehen. Gesundheitsökonomisch ist aber genau diese Mortalitätsreduktion, und zwar mit möglichst geringen Kosten, das Ziel einer Reihenuntersuchung von asymptomatischen Probanden. Das einzige Subkollektiv, bei dem ein »Sonographie-Screening« indiziert ist, ist wiederum das bereits erwähnte Kollektiv der Frauen mit einer Hochrisiko-Situation (»BRCA-Mutation«), bei denen nach Empfehlung vieler Fachgesellschaften zusätzlich zu den Sonographien, Röntgen- und MR-Mammographien im 1 Jahres-Turnus auch Sonographien und klinische Untersuchungen im 6 Monatsintervall bereits ab dem 25. Lebensjahr
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Kapitel 20 · Bildgebende und Interventionelle Diagnostik der Brustdrüse mittels Röntgen-Mammographie, Mamma-Sonographie und MR-Mammographie
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. Abb. 20.41a–d. Implantate nach Mammakarzinomoperation und Rezidiv. a, b Digitale Mammographie rechts in cc- und mlo-Projektion; c, d Ausschnittsvergrößerung rechts in cc- und mlo-Projektion. Kontrolluntersuchung bei Zustand nach Einbringung von 2 Implantaten infolge einer kom-
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d plexen Operation eines Mammakarzinoms. Bei blandem sonographischen Befund kommen in der digitalen Mammographie sowohl Mikroverkalkungen (offene Pfeile) als auch ein sternförmiger Herdbefund (geschlossene Pfeile) zur Darstellung. Die Histologie ergab ein Rezidiv
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. Abb. 20.42a–d. Mammakarzinom beim Mann. a, b Digitale Mammographie links in cc- und mlo-Projektion; c, d digitale Mammographie beidseits in mlo-Projektion. Mammographische Beispiele von Mammakarzinomen beim Mann, die zumeist ohne Mikroverkalkungen, eher in Form eines
mehr oder weniger scharf abgrenzbaren Herdbefundes zur Darstellung kommen. Im 2. Beispiel nebenbefundlich Nachweis eines intramammären Lymphknotens kontralateral rechts oben außen
durchgeführt werden sollen. Das Einstiegsalter für die Mammographien ist das 30. Lebensjahr bzw. 5 Jahre vor der frühesten Erkrankung in der Familie. Als Zukunftsperspektive für die Mamma-Sonographie gilt es zu erwähnen, dass es in den USA Bestrebungen gibt, innerhalb der Screeningeinheit zusammen mit den Screening-Mammographien nicht ärztlich durchgeführte, also automatisierte Ultraschalluntersuchungen anzufertigen. Es würden dem befundenden Radiologen dann nicht nur die Mammographien, sondern zusätzlich auch noch 3D-Ultraschall-Datensätze zur besseren
Interpretation der Mammographien zur Verfügung stehen, sofern diese Technik soweit entwickelt werden kann. Auf diese Weise könnte der Screening-Radiologe bei einer auffälligen Verdichtung oder einem Herdbefund in der Screening-Mammographie das Korrelat in dem Sonographie-Datensatz aufsuchen. Bei eindeutig mit einem mammographischen Herdbefund korrelierender Zyste in dem Ultraschalldatensatz – ein sehr häufig vorkommendes Ergebnis bei Frauen, die im Rahmen des Mammographie-Screening zur Abklärung wieder einbestellt werden – könnte dann auf eine Wiedereinbestellung
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647 20.3 · Sonographie
. Abb. 20.43a, b. Metastase. Film-/FolienMammographie links in cc- und mlo-Projektion. Nachweis eines nur partiell scharf abgrenzbaren, überwiegend drüsengewebsüberlagerten Herdbefundes links bei 12 Uhr (offene Pfeile). Insbesondere aufgrund der Lokalisation im präpektoralen Fettgewebe ist der Befund als suspekt anzusehen und entspricht histologisch der Metastase eines Bronchialkarzinoms. Nach Gewinnung einer entsprechenden Histologie aus dem Herdbefund der Mamma konnte der Primärtumor sowohl im Röntgen-Thorax als auch im CT nachgewiesen werden
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. Abb. 20.44a, b. Sekundärbefall der Mamma bei Non-Hodgkin-Lymphom. Film-/Folien-Mammographie rechts in cc- und mlo-Projektion. Mammographisch Nachweis multipler, überwiegend runder bis ovalärer Herdbefunde der rechten Mamma auf alle Quadranten verteilt (offene Pfeile). Bei einer fortgeschrittenen Lymphomerkrankung der Patientin vom NonHodgkin-Typ konnte die sonographische Stanzbiopsie einen Sekundärbefall der Mamma im Rahmen der Grunderkrankung sichern
verzichtet werden. Der Hintergrund für diese Bestrebungen ist in den traditionell besonders hohen Wiedereinbestellungsraten bei den Screeninguntersuchungen in den USA und den damit verbundenen Kosten zu sehen. Aufgrund der speziellen forensischen Situation in den USA liegen die Wiedereinbestellungraten dort nicht selten bei 10–12% der gescreenten Frauen gegenüber den maximal erlaubten 7% bzw. 5% für die Initial-/Wiederholungsuntersuchungen in den EU-Richtlinien. Ein weiterer elementarer Unterschied des US-amerikanischen Mammographie-Screenings gegenüber dem Europäischen Screening ist das
nicht bevölkerungsbasierte und nicht flächendeckende Einladungssystem. Die erforderliche Technik zur Erzeugung standardisierter 3D-Datensätze nicht handgeführter Ultraschalluntersuchungen ist aber sehr komplex und steckt derzeit noch in den Kinderschuhen. Der am erfolgversprechendste Forschungsansatz besteht in dem Integrieren spezieller Ultraschallköpfe in das Kompressorium der Mammographie, sodass die Ultraschalldatensätze dann auch in vergleichbaren »Projektionen« wie die Mammographie erzeugt werden können. Es bleibt abzuwarten, ob und wann
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Kapitel 20 · Bildgebende und Interventionelle Diagnostik der Brustdrüse mittels Röntgen-Mammographie, Mamma-Sonographie und MR-Mammographie
. Abb. 20.45a–d. Metastasen. a, b Digitale Mammographie rechts in cc- und mlo-Projektion; c Sonographie rechts. Nachweis von multiplen lobulierten und nur partiell scharf abgrenzbaren Herdbefunden beidseits (offene Pfeile). Nebenbefundlich Nachweis von benignen, grob granulären Verkalkungen rechts (geschlossene Pfeile). In der Sonographie sind die Herdbefunde nur flau und mit einem unspezifischen Echomuster (offene Pfeile) abzugrenzen, wobei der hyperechogene Randsaum (geschlossene Pfeile) ebenso wie die unscharfe Berandung des Herdbefundes (offene Pfeile) auf ein Malignom hinweisen. Die sonographisch gesteuerte Stanzbiopsie ergab den Nachweis von Metastasen eines Melanoms. Nebenbefundlich Nachweis einer verkippten Mamille beidseits sowohl in cc- als auch in mlo-Projektion (gebogener Pfeil)
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diese Technik eine Serienreife erreichen wird und mehr noch, ob im Zeitalter der weiterentwickelten Mammographie, nämlich der »Tomosynthese«, die Wiedereinbestellungsrate im Screening nicht ohnehin sehr viel niedriger sein wird. Diese Mammographie-»Schichtaufnahmen« zeigen nicht nur die Projektionsbilder der Mammae, sondern auch Einzelbilder, die die Binnenstruktur von Herdbefunden charakterisieren und somit ähnliche Informationen wie die Sonographie zur Verfügung stellen. ! Generell gilt wie bei den anderen Verfahren zur Untersuchung der Brust auch zu bedenken, dass die 2. Zy6
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kluswoche am besten für die Untersuchung der Brust geeignet ist. Die Sonographie ist aber am wenigsten für die zyklusabhängigen Schwankungen empfindlich.
20.3.3
Durchführung
Bei der Sonographie der Brust liegt die Probandin auf dem Rücken mit den Armen über oder unter dem Kopf, damit man durch die Elevation der Arme eine Straffung der Brust erreicht und der Untersucher mit dem Ultraschallkopf optimal an die Brust und die Axilla herankommt. Je nach Größe der Brust und
649 20.3 · Sonographie
dem Ausmaß der Ptose kann eine halbseitliche Lagerung sinnvoll sein, v. a. um die äußeren Quadranten der Brust optimal untersuchen zu können. Die inneren Quadranten beidseits sind hingegen in Rückenlage optimal zu untersuchen. Für die Untersuchung der Axillen ist die senkrechte Anwinklung der Arme zum Oberkörper optimal geeignet. Für die Untersuchung der Brust sind seitens der Kassenärztlichen Vereinigung Schallköpfe mit mindestens 5 Mhz vorgeschrieben, wobei nahezu alle modernen Ultraschallgeräten über 7,5–14 Mhz-Schallköpfe verfügen, die auch unbedingt zur Anwendung kommen sollten. Die eingestellte Frequenz stellt hierbei den Mittelwert des applizierten Ultraschallspektrums dar, das je nach Hersteller unterschiedlich breit gefächert ist. Viele Hersteller ermöglichen an den Sonographie-Geräten die Verstellung der mittleren Frequenz innerhalb eines gewissen Bereichs, z. B. zwischen 6 und 9 MHz oder zwischen 9 und 12 MHz. Es muss dem Untersucher hierbei klar sein, dass die mittlere Frequenz einen ganz entscheidenden Einfluss auf die Eindringtiefe des Ultraschalls hat. Eine große Brust kann mit einer mittleren Frequenz von 12 Mhz oder mehr nur mit Einschränkungen komplett erfasst werden. Umgekehrt ist für einen hautnahen Herdbefund ein Schallkopf mit 12 Mhz oder mehr, ggf. in Kombination mit einer »Vorlaufstrecke« wünschenwert. »Vorlaufstrecken« werden von den Geräteherstellern in Form von entsprechend konfigurierten Flüssigkeitsbehältern angeboten. Alternativ kann man z. B. auch einfach einen wassergefüllten Handschuh verwenden, den man sich entsprechend zurechtmodelliert. Bei der Mamma-Sonographie ist weiterhin von entscheidender Bedeutung, dass sich der Fokus, also der scharf abgebildete Bereich, in der Region des Herdbefundes befindet. Mit den modernen Geräten können und sollten bei der Mamma-Sonographie 2 oder mehr Foki gleichzeitig benutzt werden bzw. falls vorhanden eine für die Mamma optimierte »Multi-Fokus«-Einstellung ausgewählt werden. Hierbei muss bedacht werden, dass mit jedem zusätzlichen Fokus automatisch die Bildwiederholungsfrequenz reduziert wird und der Bildaufbau dadurch zunehmend diskontinuierlich wirkt. Entgegen der weit verbreiteten Meinung ist bei der Sonographie nicht der gesamte Bereich bis zum Fokus, sondern nur der Bereich des Fokus selbst scharfgestellt, sodass man je nach gewählter Eindringtiefe und Lokalisation des zu untersuchenden Herdbefundes den Fokus nachregulieren muss. Die Eindringtiefe sollte so gewählt werden, dass einerseits die Thoraxwand gerade noch mit abgebildet ist und tiefer liegende Teil der Brust nicht abgeschnitten werden, andererseits intrathorakale Strukturen nicht unnötig mit abgebildet werden. Wenn diese Parameter vorgewählt sind, wird der ausreichend mit Gel benetzte Schallkopf entweder von der Mamille nach pe-
. Abb. 20.46a–d. Durchführung einer sonographischen Untersuchung 7 der Mammae und der Axillen. a, b Sonographische Untersuchungen der Mammae sollten sinnvollerweise entweder mäanderförmig mit sagittaler und transversaler Schallkopforientierung (Symbol) durchgeführt werden. Meist in Ergänzung zur mäanderförmigen Untersuchung wird v. a. bei suspekten Auffälligkeiten oft zusätzlich eine radiäre eine antiradiäre oder aber duktusorientierte Untersuchung angeschlossen. c, d Die Axilla wird sinnvollerweise parallel und senkrecht zu den großen Gefäßen der Axilla durchgeführt. Hierbei sollten die Axilla-Level I–III komplett miterfasst werden
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Kapitel 20 · Bildgebende und Interventionelle Diagnostik der Brustdrüse mittels Röntgen-Mammographie, Mamma-Sonographie und MR-Mammographie
ripher bzw. umgekehrt (radiär/antiradiär) oder aber besser mäanderförmig über die Brust bewegt (. Abb. 20.46). Für welche Untersuchungstechnik man sich entscheidet, ist letztendlich bedeutungslos, solange sichergestellt bleibt, dass jeder Abschnitt der Brust am Ende der Untersuchung mit abgebildet und ausreichend beurteilt wurde. Schließlich sollte am Ende der Untersuchung der Mammae noch die Axilla beidseits bzgl. möglicherweise vorhandener pathologischer Lymphknoten untersucht werden. Beispielsweise ist bei einem »Cancer of unknown primary (CUP)«, also einem primär lympfknotenmetastasierten Karzinom, der Nachweis pathologischer Lymphknoten der Axilla der Anlass, die Suche nach intramammären Auffälligkeiten zu intensivieren. Nicht selten finden sich bei Frauen mit einem CUP in der intensivierten Untersuchung ggf. auch mit dem MRT dann primär nicht detektierte, noch sehr kleine Mammakarzinome, die trotz ihrer geringer Größe schon Lymphknotenabsiedlungen verursacht haben. Für die Untersuchung der Axillen wird der Schallkopf sowohl in der Längsachse der Achselhöhlengefäße also auch senkrecht dazu auf dem Pektoralismuskelvorderrand entlang bewegt, um so auffällige Lymphknoten ausschließen zu können. Die optimale Eindringtiefe kann anhand des Schultergelenks bestimmt werden, das in der Tiefe das Sichtfeld von unten begrenzt. Prinzipiell werden in der Axilla die Levels I–III unterschieden, wobei das Level I bis zum M. pectoralis minor, das Level II in Höhe des Muskels und das Level III jenseits des Muskels gelegen ist. Pathologische Lymphknoten fallen v. a. dadurch schnell auf, dass sie ohne das »zentrale Fettzeichen«, also nicht in der Mitte hyperechogen zur Abbildung kommen.
20.3.4
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ACR BI-RADS-Lexikon (Sonographie)
Bei der Durchführung einer sonographischen Untersuchung gilt es, in allererster Linie nach dem Vorhandensein von Herdbefunden zu fahnden bzw.auch auf »sonopalpatorische« Auffälligkeiten während der Untersuchung zu achten. Wird ein sonographischer Herdbefund suspiziert, muss nach der Frage nach dem Vorhandensein postoperativer Narben als erstes geklärt werden, ob es sich bei dem aufgefundenen Befund wirklich um einen Herdbefund handelt oder, wie z. B. bei einer Rippe oder einem Fettgewebseinschluss in der Brust, sich ein fraglicher Herdbefund nach dem Drehen des Schallkopfs um 90° in der anderen Achse »auflöst«. Wenn sich jedoch ein fraglicher Herdbefund nach dem Drehen des Schallkopfs um 90° in ähnlicher Weie reproduzieren lässt, ist von dem Vorhandensein eines echten Herdbefundes auszugehen und es muss als nächstes die Form des Herdbefundes charakterisiert werden. In dem im Folgenden auszugsweise erläuterten Lexikon der ACR BI-RADS-Klassifikation unterscheidet man zwischen: 4 »oval« (Unterkategorien elliptisch oder eiförmig) 4 »rund« (Unterkategorien sphärisch, ballförmig oder zirkulär) 4 »irregulär« (weder rund noch oval) Als nächstes muss die Orientierung der Längsachse des Herdbefundes analysiert werden, wobei hier nur entweder »parallel« (zur Hautoberfläche) oder »nicht parallel« unterschieden werden. Wenn der maximale Durchmesser nicht parallel zur Haut-
oberfläche verläuft oder beide Diameter gleich sind, ist ein Kriterium für Malignität gegeben. Eine maximale Ausdehnung, die parallel zur Hautoberfläche verläuft, also »weiter als hoch« ist, spricht für Benignität. Als nächstes folgt die Analyse der Begrenzung eines Herdbefundes, wobei prinzipiell zwischen »umschrieben« und »nicht umschrieben« unterschieden werden. Umschrieben wird als gut definiert und scharf abgrenzbar, mit einem abrupten Übergang zwischen der Läsion und dem umgebenden Gewebe definiert. Bei nicht umschrieben werden die Unterkategorien »unscharf«, »anguliert«, »mikrolobuliert« und »spikuliert« unterschieden. Die Definition von unscharf lautet, dass keine klare Abgrenzbarkeit zwischen einem Herdbefund und dem umgebenden Gewebe nachweisbar ist. Anguliert ist über einen teilweise oder insgesamt mit scharfen Ecken versehenen Rand, häufig mit spitzen Winkeln definiert. Mikrolobuliert bedeutet, dass eine Wellenform in kurzer Abfolge dem Rand des Herdbefundes ein ausgebeultes Erscheinungsbild verleiht, während spikuliert als aus dem Herdbefund strahlende scharfe Linien definiert wird. Als nächstes Kriterium wird der Grenzbereich zwischen Herdbefund und Umgebung analysiert. Entweder es handelt sich um eine »abrupte Grenzfläche« mit einer scharfen Demarkation zwischen der Läsion und dem umgebenden Gewebe oder es lässt sich keine scharfe Demarkation zwischen dem Herdbefund und dem umgebenden Gewebe nachweisen, sondern eine »echoreiche Übergangszone«. Es folgt die Analyse des Schallmusters eines Herdbefundes, wobei unterschieden wird zwischen: 4 »echofrei« 4 »hyperechogen« 4 »komplex« 4 »hypoechogen« 4 »isoechogen« Die Definition von echofrei lautet ohne Binnenechos, während »hypoechogen« über ein durchgehend niedriges Echo in Verhältnis zum umgebenden Fettgewebe charakterisiert wird. Die Relation zum umgebenden Fettgewebe bei einem »hyperechogenen«, »isoechogenen« bzw. »hypoechogenen« Herdbefund ist über ein höheres, gleiches bzw. niedrigeres Echoverhalten bestimmt. Als Mischung aus den bereits erwähnten Schallverhalten bleibt das »komplexe« zu nennen, wobei diese Herdbefunde sowohl echofreie als auch echoreiche Anteile enthalten. Ganz ähnlich sind die Definitionen bei den »posterioren« Schallmerkmalen, wobei »keine posterioren Schallmerkmale«, »verstärkte posteriore Echos«, »verminderte posteriore Echos« und wiederum ein »kombiniertes Muster« unterschieden werden. Das Fehlen posteriorer Echos erlaubt keinen Rückschluss auf die Dignität, während verstärkte posteriore Echos typisch für Zysten sind, kombinierte Muster am ehesten benignen Befunden entsprechen (Fibroadenome, Liponekrosen) und verminderte Schallmerkmale suspekt sind für ein Malignom, außer bei einer Makroverkalkung, wie z. B. bei popcornartig verkalkenden Fibroadenomen. Zu bemerken gilt es hierbei, dass z. B. verstärkte posteriore Schallmerkmale keineswegs beweisend sind für eine benigne Zyste, sondern in seltenen Fällen auch ein Malignom mit verstärkten posterioren Echos zur Abbildung kommen kann,
651 20.4 · MR-Mammographie
ebenso wie die hyperechogene Abbildung eines tastbaren Herdbefundes, wie es typisch für Lipome ist, in seltenen Fällen auch das Korrelat eines Malignoms sein kann. Umgekehrt kann eine dorsale Schallauslöschung auch bei eindeutig benignen Herdbefunden vorkommen, z. B. einem verkalkenden Fibroadenom oder einer Fettgewebsnekrose oder auch bei einer Fibrose, die dann oft auch mit einer unscharfen Berandung des Herdbefundes einhergehen. Ein weiteres Kriterium ist der Effekt eines Herdbefundes auf das Umgebungsgewebe, wobei in dem Lexikon der ACR BI-RADS-Klassifikation differenziert wird zwischen: 4 »Veränderung der Milchgänge« 4 »Veränderungen der Cooper-Ligamente« 4 »Ödem« 4 »Architekturstörung« 4 »Hautverdickung« 4 »Hauteinziehung/-unregelmäßigkeit« Zum Abschluss des Lexikons werden »Makrokalzifikationen« sowie »Mikrokalzifikationen in einem Herdbefund« und »außerhalb eines Herdbefundes« und schließlich »Spezialfälle« und »Vaskularisation« unterschieden.
20.4
MR-Mammographie
20.4.1
Historie (Methodik)
quenzen allerdings auf Informationen über die Perfusion eines Herdbefundes verzichten, da eine einzelne Sequenz bereits länger dauerte als die nach heutigen Erkenntnissen für die Dignitätsbeurteilung entscheidenden 7 min nach Kontrastmittel-Applikation. Daher wurden dann Überlegungen angestrengt, den bisherigen Weg der bildgebenden Diagnostik von Brustkrebs über morphologische Kriterienfür die MR-Mammographie zu verlassen und die Dignitätsdiagnostik über eine Analyse der Kontrastmittel-Anreicherungszeitpunkte mittels der dynamischen Untersuchungsmethodik vorzunehmen. Natürlich führten beide Wege nur eingeschränkt zum Erfolg und erst nachdem vonseiten der Hersteller die Voraussetzungen geschaffen waren, beide Brüste simultan vor und während der Kontrastmittel-Applikation in ausreichend hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung mit dynamischen Sequenzen zu untersuchen, konnte die MR-Mammographie den Stellenwert gewinnen, den sie nunmehr seit vielen Jahren hat. Ein weiteres technisches Problem bestand zunächst für viele Jahre darin, dass man in der MR-Mammographie nachgewiesene Befunde ohne Korrelat in der Mammographie und/oder Sonographie nicht ohne Weiteres unter MR-Kontrolle biopsieren konnte, da die geeignete Technologie nicht zur Verfügung stand. Erst ab Mitte der 1990er Jahre wurden von den Herstellern dann auch Einrichtungen für die MR-gesteuerte Biopsie sowie MR-gesteuerte präoperative Markierung angeboten.
20.4.2
Nachdem in den Jahren 1977 bzw. 1988 die Meilensteine der ersten MR-Untersuchung eines Menschen ohne bzw. mit Kontrastmittel überwunden worden waren, wurde nach den durchschlagenden Erfolgen des MRT auf dem Bereich der muskuloskelettalen und der neuroradiologischen Diagnostik die MRT im Rahmen von klinischen Studien bald auch im Bereich der weiblichen Brust eingesetzt. Doch zunächst galt es, diverse grundlegende technische Probleme zu Beginn der MR-Ära zu lösen und den erfolgversprechendsten Ansatz zur Durchführung der MR-Untersuchung einer bestimmten Region herauszufinden. Die technischen Probleme bei der MR-Mammographie bestanden v. a. in der geringen zeitlichen Auflösung der damaligen MR-Geräte sowie in der damals noch in den Kinderschuhen befindlichen Spulen- und Rechnertechnologie, die eine simultane hochauflösende Untersuchung beider Brüste noch nicht ermöglichte. Für eine morphologische Beurteilung einer Raumforderung der Mamma konnten in einer ausreichend hohen Auflösung lediglich statische Untersuchungen entweder der linken oder der rechten Seite angefertigt werden. Die Spulen- und Gerätetechnologie zur simultanen Abbildung beider Brüste wurden erst im weiteren Verlauf entwickelt. Im Einzelnen bestand der Ansatz für die MR-Mammographie zuerst darin, die in der Röntgen-Mammographie langjährig evaluierten morphologischen Kriterien eines Mammakarzinoms auch in der MRT nachzuweisen. Für diesen Ansatz wurden Sequenzen ausgewählt, die mithilfe einer für die MR-Technologie relativ hohen räumlichen Auflösung erfolgversprechend schienen für die Erkennung von morphologischen Malignitätskriterien. Aufgrund der resultierenden langen Messzeiten musste man bei diesen Se-
Historie (Literatur)
Wenn man eine Literaturrecherche durchführt, so findet man den ersten Eintrag zum Thema MR-Mammographie aus dem Jahre 1984. Damals publizierte El Yousef eine »work in progress«Arbeit über die damals noch native MR-Mammographie. 1985 folgten unabhängig voneinander die ersten Publikationen von S. Heywang und W. Kaiser, zunächst ebenfalls noch über die native MR-Mammographie. 1986 folgte dann die erste Publikation von S. Heywang über die kontrastverstärkte MR-Mammographie. Seitdem sind unzählige Publikationen über die MR-Mammographie erschienen, die sich mit der Wertigkeit des Verfahrens beschäftigten. Neben der morphologischen Beurteilung einer Läsion gewann die Auswertung der Kontrastmittel-Dynamik einen immer größeren Stellenwert. Ein Meilenstein in der späteren Literatur über die MR-Mammographie war die Publikation von U. Fischer aus dem Jahr 1999. Publiziert wurden von U. Fischer damals die Ergebnisse von 463 präoperativ untersuchten Patientinnen, bei denen ein neu entworfenes Punkte-Schema, das im Weiteren noch erläutert wird, erstmals zur Anwendung kam. Dieses Auswerte-Schema fasste die bis dahin international erarbeiteten Kriterien zusammen und bewährte sich in der Folgezeit im klinischen Einsatz sehr. Folglich hielt dieses Auswerte-Schema in den Folgejahren flächendeckenden Einzug in die Auswertung von MR-Untersuchungen der Mamma, zumindest im deutschsprachigen Raum. Nach dem Ort der Erstanwendung wird dieses Schema auch »Göttinger-Score« genannt. Eine besondere Bedeutung hatte diese Studie damals v. a. auch deswegen, weil weltweit v. a. die operativ an der Brust tätigen Kollegen (im Ausland zumeist Chirurgen) lange Zeit heftige
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652
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Kapitel 20 · Bildgebende und Interventionelle Diagnostik der Brustdrüse mittels Röntgen-Mammographie, Mamma-Sonographie und MR-Mammographie
Kritik an der MR-Diagnostik der Mamma übten. Unter anderem war v. a. die fehlende Standardisierung der Untersuchungstechnik und der Befundung der MR-Mammographie unter Kritik und mehr noch, die fehlende Evaluierung der Wertigkeit des Verfahrens in einer prospektiven Multicenter-Studie. Mit dem Göttinger-Score war also der erste entscheidende Schritt für das Verfahren getan, denn eine Standardisierung der Auswertung und Befundung war somit gegeben. Die Standardisierung der Untersuchungstechnik war im Vorfeld schon so weit vorangeschritten, dass jede Arbeitsgruppe sich bei der Kontrastmittel-Dynamik nur noch zwischen dem koronaren und transversalen Protokoll entscheiden musste. Die wichtigsten Eckdaten für die Methodik (Anzahl und Dauer Einzelmessung, räumliche Auflösung, Kontrastmitteldosis, Nachinjektion, Bildnachbearbeitung) und Untersuchungszeitpunkt werden ebenso festgelegt wie die Auswahl der Kriterien (. Tabelle 20.4) Der nächste Meilenstein wurde dann im Jahr 2001 in Form der Publikation einer groß angelegten europäischen Multicenterstudie mit 11 zumeist universitären Zentren erreicht. Diese Studie hatte nun die multizentrische Evaluierung der Wertigkeit der MR-Mammographie als Thema und es wurde inbesondere auch die Bedeutung der Einzelkriterien untersucht. Auch wurden die Ergebnisse der unterschiedlichen Zentren miteinander verglichen, um die Frage der Reproduzierbarkeit zu überprüfen. Da diese Publikation sehr gut zum Verständnis der Einflussfaktoren bei der MR-Mammographie geeignet ist, werden Ausschnitte aus der Publikation an dieser Stelle wiedergegeben: Jedes der an der Multicenterstudie beteiligten Zentren untersuchte das Patientenkollektiv nach einem standardisierten Protokoll, die Ein- und Ausschlusskriterien waren an allen Standorten klar definiert. Insgesamt wurden 519 histopathologisch korrelierte Läsionen MR-tomographisch beurteilt. Die Untersuchungen wurden sowohl an 1,0 Tesla als auch an 1,5 Tesla Geräten angefertigt. Im Weiteren wird besonders auf diese Publikation eingegangen, da viele wichtige Aspekte der MR-Mammographie an den Ergebnissen abzulesen sind. Die zu erhebenden Parameter waren: Die Signalintensität zum Zeitpunkt »null«, also vor Kontrastmittel-Applikation (SI0), sowie zum Zeitpunkt »eins« nach Kontrastmittel-Applikation (SI1) bis »fünf« (SI5), also nach knapp 7 min, mussten bestimmt werden. Weiterhin musste die Kontrastmittel-Verteilung innerhalb der Läsion analysiert werden, insbesondere in Hinblick auf das Vorhandensein eines peripheren Enhancements (»rim enhancement«), das bekanntermaßen sehr häufig mit malignen Läsionen einhergeht. Schließlich musste die Form der Anreicherung analysiert werden. Die zur Auswahl stehenden Beschreibungen waren: 4 diffus (in)homogen 4 scharf umschrieben 4 duktal/verzweigend angeordnet 4 spikuliert 4 lobulär oder 4 andere Außer der abschließenden Dignitätsbeurteilung war es Ziel der Studie, zu evaluieren, sowohl welche Einzelkriterien als auch welche Kriterien bei kombinierter Anwendung eine möglichst
. Tab. 20.1. Sensitivitäten/Spezifitäten in der MR-Mammographie (Heywang-Köbrunner et al. 2001)
1,0 Tesla
1,5 Tesla
Spezifität 30%
98%
96%
Spezifität 50%
97%
93%
Spezifität 70%
93%
86%
. Tab. 20.2. Wichtigste Einzelaspekte der Auswertung der MRMammographie (Heywang-Köbrunner et al. 2001)
Wichtigste Parameter 1,0/1,5 Tesla
Erklärung
ENH 1/ ENH 1
Relatives Enhancement prä KM/ 1. postkontrast
ENH 2/ Sat
Relatives Enhancement prä KM/ 2. postkontrast Signalintensität 1. postkontrast: max. SI
ENH 2–5/ ENH 2–5
Relatives Enhancement 2:5 postkontrast »Washout«-Kriterium postinitial
-/ ENH 1–2
-/ Relatives Enhancement 1:2 postkontrast
. Tab. 20.3. Werte der MR-Mammographie zur Beurteilung maligne versus benigne (Heywang-Köbrunner 2001)
1,0 Tesla
1,5 Tesla
Sensitivität
95,6%
89,6%
Spezifität
71,4%
63,7%
Positiver Voraussagewert
88,5%
83,4%
Negativer Voraussagewert
87,5%
75,2%
sichere Beurteilung der Läsionen ermöglichen. Hierbei wurde unterschieden, welche Kombinationen eine maximale Sensitivität ermöglichen bei einer Spezifität von 30% und bei welcher Kombination die Spezifität auf ein »moderates« Maß (50%) bzw. auf ein hohes Maß (70%) angehoben werden kann und welche Sensitivität dann noch erreicht werden kann. Die erzielten Sensitivitäten/Spezifitäten werden in der . Tab. 20.1 dargestellt (Heywang-Köbrunner et al. 2001). Bei der weiteren statistischen Aufarbeitung der Daten in Hinblick auf die beste Kombination an Auswertekriterien zeigte sich, dass die Auswertung der Signalintensitäten von besonderer Bedeutung war. Daher wurden viele Einzelaspekte analysiert, von denen die wichtigsten in der . Tab. 20.2 aufgeführt sind (Heywang-Köbrunner et al. 2001). Für die Unterscheidung maligne versus benigne wurden folgende Werte für die MR-Mammographie ermittelt (. Tab. 20.3, Heywang-Köbrunner et al. 2001). Auch die Frage der Detektierbarkeit von in situ-Karzinomen in der MRT wurde von den Autoren separat evaluiert. Für
653 20.4 · MR-Mammographie
die Gruppe der DCIS (. Abb. 20.47) und LCIS ergab sich lediglich eine Sensitivität von 63%, wobei die Sensitivität auf 83% gesteigert werden konnte, sofern eine Spezifität von 30% akzeptiert wurde. Die Autoren schlussfolgerten aus diesen Ergebnissen, dass im Falle von Mikroverkalkungen der Gruppe IV sowie bei Architekturstörungen ohne »Zentrum« eine negative MR-Untersuchung aufgrund der limitierten Sensitivität des Verfahrens gegenüber in situ-Veränderungen keinen Tumorausschluss erlaubt.
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Wird aus einem anderen Grund trotzdem eine MR-Mammographie bei einer Patientin mit Verdacht einer in situ-Veränderung durchgeführt, muss das Augenmerk besonders auf die »wash-in« und »wash-out«-Phase in der Kontrastmittel-Dynamik gerichtet werden, um eine möglichst hohe Sensitivität zu erreichen. C. Kuhl berichtete in einer Publikation aus dem Jahr 2000, in der die Ergebnisse mehrerer anderer Autoren zusammengefasst werden, dass DCIS zwar in 70–83% der Fälle ein Enhancement
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d . Abb. 20.47a–f. High-grade DCIS. a–c Digitale Mammographie links in cc- und mlo-Projektion; d, e MR-Mammographie in T2- (e) und T1-Gewichtung (f) nach Subtraktion. Mammographisch Nachweis segmentaler BI-RADS V-Mikroverkalkung der linken Mamma oben außen und einer davon abweichend MR-mammographisch höchstgradigen Anreicherung
der gesamten linken Mamma in allen Quadranten, die mit einer massiven Ödembildung der gesamten Brust im T2-Bild einhergeht. Die histologische Untersuchung ergab die komplette Durchsetzung der gesamten linken Mamma mit einem High-grade DCIS und zahlreichen mikroinvasiven Herden
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654
Kapitel 20 · Bildgebende und Interventionelle Diagnostik der Brustdrüse mittels Röntgen-Mammographie, Mamma-Sonographie und MR-Mammographie
aufwiesen, jedoch bei 30–40% der Fälle ein unspezifisches Enhancement nachgewiesen wurde (. Abb. 20.47). Weiterhin weisen die Autoren darauf hin, dass es unterschiedliche Manifestationsformen des DCIS in der MRT gibt: Bei 10–26% zeigt sich eine umschrieben Kontrastmittel-Aufnahme wie bei einem soliden Herdbefund, während bei 43–60% eine segmentale Kontrastmittel-Aufnahme verzeichnet werden kann. Bei weiteren ca. 30% wird auch ein duktal verzweigendes Enhancement dokumentiert, ähnlich dem Mikrokalkmuster in der Mammographie. Die direkte Visualisierung von Mikroverkalkungen in der MRT ist entgegen einzelner Autoren nicht zuverlässig möglich. Neuere Daten u. a. auch von Frau C. Kuhl weisen aber darauf hin, dass es mammographisch okkulte DCIS gibt, die ausschließlich mit der MR-Mammographie nachweisbar sind.
20.4.3
Indikationsstellung/Anwendungsgebiete
Anders als bei der Röntgen-Mammographie und der MammaSonographie, die in der Mammadiagnostik eine breite Anwendung finden, ist die Indikation für die MR-Mammographie sehr viel seltener gegeben. Bei den Indikationsstellungen gilt es zu unterscheiden zwischen den wenigen Indikationen, die von den Trägern des Gesundheitswesen als Kassenleistung akzeptiert werden auf der einen Seite und den zahlreicheren, medizinisch sinnvollen Indikationen auf der anderen Seite. Oft werden die MR-Mammographien daher als IGEL-Leistung erbracht. Im Folgenden sind diese beiden Indikationsgruppen getrennt voneinander aufgelistet.
Standard-Indikationen MR-Mammographie (GKV) Bei den Indikationen, die vonseiten der GKV akzeptiert werden, sind zum einen der Ausschluss eines Mammakarzinom-Rezidivs bei stattgehabtem Mammakarzinom und sonographisch und/oder mammographisch und/oder palpatorisch unklarem Befund zu nennen und zum anderen die Untersuchung von Patientinnen mit einer Lymphknotenmetastasierung der Axilla und unbekanntem Primarius, dem so genannten »Cancer of unknown primary« (CUP)-Syndrom (. Abb. 20.48 und . Abb. 20.59). Für die Therapieeinleitung und Prognose dieser Patientinnen ist – abgesehen von weit fortgeschrittenen, systemisch metastasierten Erkrankungen – der Nachweis des Primärtumors von großer Bedeutung. Nicht selten wird bei CUP’s nach erfolgtem Primärtumornachweis mittels MR aus einer kaum heilbaren CUP-Situation ein T1- oder T2-Mammakarzinom mit einer solitären Lymphknotenmetastase und einer (relativ) guten Prognose. Die MR-Untersuchung der Mamma im Rahmen einer »intensivierten Früherkennungsuntersuchung« mittels Mammographie, Sonographie und MR-Mammographie bei Frauen mit nachgewiesenen Genmutationen (z. B. BRCA 1-2 Mutation) und/oder anzunehmender erblicher Brustkrebserkrankung (Stammbaumanalyse) wird vonseiten der GKV nur an wenigen, zumeist universitären Zentren erstattet, sofern das jeweilige Zentrum für die Erbringung dieser Leistung zugelassen ist. Als wissenschaftlich fundiert kann in Anbetracht der zahlreichen Publikationen v. a. auch von C. Kuhl in jedem Falle gelten, dass die »MR-Screeninguntersuchung« der Mamma bei einem Hochrisikokollektiv für die Erkrankung an einem Mammakarzi-
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. Abb. 20.48a–f. CUP-Syndrom. a–d Digitale Mammographie beidseits in cc- und mlo-Projektion; e kontrastverstärkte transversale CT-Untersuchung des Thorax, f kontrastverstärkte MR-Mammographie nach Subtraktion der ersten T1-gewichteten KM-Dynamik nach KM-Gabe. »Cancer of unknown primary«-Situation (CUP) bei einer 23-Jährigen mit einer oligosymptomatischen Knochenfilialisierung. Beim CT ergeben sich
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außer der diffusen Knochenmetastasierung auch auffällige knotige Mehranreicherungen in der rechten Mamma, wobei in der daraufhin durchgeführten MR-Mammographie und dann auch bioptisch ein multifokal invasives Mammakarzinom gesichert werden konnte
655 20.4 · MR-Mammographie
. Abb. 20.48e
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656
Kapitel 20 · Bildgebende und Interventionelle Diagnostik der Brustdrüse mittels Röntgen-Mammographie, Mamma-Sonographie und MR-Mammographie
20 . Abb. 20.48f
657 20.4 · MR-Mammographie
nom die wesentlich frühere Erkennung der Karzinome ermöglicht. Neben der sehr viel höheren Erkrankungswahrscheinlichkeit bei dieser Genmutation spielt hierbei auch eine Rolle, dass es sich bei den Ratsuchenden meist um junge Frauen mit ACR IIIund IV-dichten Brüsten handelt und die Mammographie dementsprechend eine limitierte Sensitivität aufweist. Auch weisen die Mammakarzinomerkrankungen bei BRCA-Mutationen oft atypische Erscheinungsformen mit überraschend scharfer Begrenzung und glatter Berandung in der Mammographie und nicht selten zystischem Aspekt im Mamma-Sonogramm auf. Als optimaler Zeitpunkt für den Start mit einem derartigen »erweiterten Früherkennungsprotokoll« gilt ein Zeitpunkt ca. 5 Jahre vor dem frühesten in der Familie nachgewiesenen Mammakarzinom. Ein derartiges Früherkennungsprotokoll, sofern von der Probandin gewünscht, beinhaltet halbjährliche Sonographien sowie jährliche Röntgen- und MR-Mammographien.
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Zu dieser Gruppe, die nur ca. 5% aller Mammakarzinomerkrankungen ausmacht, zählen charakteristischerweise nicht die Familien, bei denen 1 oder 2 Erkrankungen in höherem Alter aufgetreten sind. Bei der erblichen Form des Brustkrebses treten klassischerweise gehäuft Erkrankungen im Lebensalter von <40 Jahren auf. Handelt es sich um eine BRCA-Mutation, können für die Betroffenen komplizierend Erkrankungskombinationen von Brust- und Eierstockkrebs oder auch Brustkrebserkrankungen bei Männern auftreten. Das Erkrankungsrisiko kann nach einer Stammbaumanalyse sowie einer genetischen Untersuchung für die Ratsuchenden ermittelt werden. Es liegen aber auch Tabellen vor, aus denen man die Risikoerhöhung gegenüber der »Normalbevölkerung« vorab bereits annäherungsweise abschätzen kann. Diese Risikokoeffizienten wurden aus den Daten von >2500 Familien mit entsprechenden Krankengeschichten berechnet.
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. Abb. 20.49a–f. Implantatruptur. a–d Digitale Mammographie beidseits in cc-/mlo-Projektionen; e, f MR-Mammographie in silikonsensitiver T2-Gewichtung (e) und in T1-Gewichtung nach i.v. KM-Applikation (f). Nachweis von Leckagen der subpektoralen Implantate beidseits, die sowohl in der Röntgen- als auch in der MR-Mammographie mit den Zeichen einer Ruptur sowie zusätzlich mit einem reaktiven Lymphknoten zur Darstellung kommen. In der Röntgen-Mammographie ist die subpektorale Lage, die Kapselverkalkungen (offene Pfeile) und links auch die Ruptur eindeutig zu diagnostizieren (geschlossene Pfeile). In den MR-Mammographien sind v. a. links die Kriterien eines »Spaghettizeichens« (offene Pfeile) nachweisbar, die als wichtige Hilfe bei der Diagnose einer Implantatruptur gelten. Der reaktive Lymphknoten rechts oben außen kommt (geschlossene Pfeile) mit einem kräftigen Enhancement zur Darstellung. Die Implantate wurden beidseits entfernt und erneuert, wobei sich die präoperativen Diagnosen bestätigten
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658
Kapitel 20 · Bildgebende und Interventionelle Diagnostik der Brustdrüse mittels Röntgen-Mammographie, Mamma-Sonographie und MR-Mammographie
Medizinisch sinnvolle, weitere Indikationen für die MR-Mammographie Dazu gehören: 4 Patientinnen mit nachgewiesenem (invasiv lobulärem) Mammakarzinom und dem Verdacht auf ein multifokales/zentrisches oder ein kontralaterales Mammakarzinom. 4 Bei Frauen vor Beginn einer neoadjuvanten Chemotherapie zum präoperativen Nachweis der Größe, Beschaffenheit und Lokalisation eines ggf. vorhandenen Resttumors. 4 Frauen nach Implantateinbringung zum Ausschluss eines Mammakarzinoms oder eines Implantatdefekts (. Abb. 20.49; . Abb. 20.50). 4 Frauen mit neu aufgetretenen Mamillenretraktionen ohne wegweisendes mammographisches oder sonographisches Korrelat. 4 Frauen mit mammographischen und/oder sonographischen Auffälligkeiten ohne Möglichkeit einer Stanzbiopsie z. B. bei fehlender sicherer Zuordnung des Befundes in der »zweiten Ebene«. 4 Herdbefunde mit sehr geringer Größe und dementsprechend schwieriger Biopsie bzw. bei Biopsie-Kontraindikationen wegen zwingend einzunehmenden Antikoagulanzien (v. a. bei Vitamin-K-Antagonisten).
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Diese Indikationen sind zumeist keine Regel-Leistungen der GKV bzw. werden nur im Rahmen von Einzelfallentscheidungen genehmigt und werden daher (prä)-stationär im Rahmen der OP-Vorbereitungen durchgeführt. Spätestens seit den Publikationen von U. Fischer kann jedenfalls die Relevanz der präoperativen MR-Untersuchung der Mammae bei stanzbioptisch nachgewiesenem Mammakarzinom sowohl für das operative Vorgehen als auch mit großer Wahrscheinlichkeit für die Rezidivhäufigkeit im 5-Jahresverlauf als erwiesen gelten. Insbesondere bei stanzbiopstisch gesicherten invasiv lobulären Mammakarzinomen gilt nach der aktuellen Version der S3-Leitlinien eine präoperative MR-Mammographie inzwischen als Standard. Weiterhin sind die seltenen Fälle mit reproduzierbaren suspekten 1-Ebenenbefunden in der Übersichts-Mammographie, bei denen weder mit mammographischen Zusatzaufnahmen noch mit der Sonographie eine zufriedenstellende Abklärung zu erreichen ist oder auch bei Frauen mit neu aufgetretenen Mamillenretraktionen ohne jeden mammographisch oder sonographisch ersichtlichen Grund Szenarios, die eine MR-Untersuchung sinnvoll machen. Schließlich ist die MR-Mammographie, die vor Beginn einer Chemotherapie angefertigt wurde, nicht selten das nach Abschluss der Chemotherapie und Aktualisierung der MR-Untersuchung das einzige Verfahren, das Residuen des ehemaligen Tumors nachweisen kann und somit für den Operateur entscheidende Informationen liefern kann. Inwieweit die 1H-MR-Spektroskopie hier einmal klinisch verwertbare Zusatzinformationen erbringen wird, ist derzeit noch nicht abschließend zu beantworten, obwohl es Anzeichen gibt, die auf einen möglichen Stellenwert der MR-Spektroskopie bei Brustkrebs hinweisen.
a
b . Abb. 20.50a, b. Mammaimplantat mit Kapselfibrose, CT. Transversale und koronare Rekonstruktionen einer CT-Thoraxuntersuchung, die wegen eines drainagepflichtigen Ergusses durchgeführt wurde. Je nach Verweildauer der Implantate und Ausmaß der Reaktion des umliegenden Gewebes kann es zu unterschiedlich stark ausgeprägten Kapselbildungen und Implantatschrumpfungen kommen. In diesem Beispiel handelt es sich um eine maximal ausgeprägte Kapselfibrose, die in der CT-Untersuchung mit dem ganzen Ausmaß zur Darstellung kommt (offene Pfeile). Nebenbefundlich Nachweis von Pleuraergüssen und basalen Dystelektasen rechts
20.4.4
Durchführung
Bei der MR-Untersuchung der Brust liegt die Probandin in Bauchlage auf einer Spezialspule, die beidseits Aussparungen mit jeweils einem Kompressorium pro Seite aufweist, das zur lockeren Fixation der Brüste genutzt werden. Die Fixation der Brust ist notwendig, um Bewegungseinflüsse auf die Brust durch die Atmung zu minimieren. Von ganz besonderer Bedeutung ist der Untersuchungszeitpunkt innerhalb des Menstruationszyklus, da insbesondere bei jüngeren Frauen eine MR-Untersuchung der Mamma, die perimenstruell durchgeführt wird, nahezu sicher ohne sichere Aussage bleiben wird.
659 20.4 · MR-Mammographie
Eine Kompression in ähnlichem Ausmaß wie bei der Mammographie ist für die MR-Untersuchung jedoch absolut kontraindiziert, da die Durchblutung der Brust vermindert würde und die Ergebnisse auf diese Weise verfälscht würden. Im Extremfall könnte ein Malignom durch eine zu starke Kompression »unsichtbar« gemacht oder fehlinterpretiert werden. Bei dem Untersuchungsprotokoll gibt es bis heute zwei unterschiedliche »Schulen«, die letztendlich noch aus der Zeit der Anfänge der MR-Mammographie stammen. Es können zum einen entweder 2D- oder 3D-Sequenzen, zum anderen entweder transversale oder koronare Schichten der Mammae angefertigt werden. In jedem Falle sind je nach Dauer der Einzelmessung mindestens 5 Messungen nach Kontrastmittel-Applikation anzufertigen. Innerhalb dieser 7 min sind die Hauptunterschiede in der Perfusion benigner und maligner Befunde nachweisbar, die für die Dignitätsbeurteilung eine so große Bedeutung haben. Unabhängig von der gewählten Schichtorientierung muss jede einzelne Dynamiksequenz die gesamte Brust abbilden und in identischen Tischpositionen wie die vorherige Dynamik-Sequenz angefertigt werden, da sonst keine Subtraktionen angefertigt werden können. Speziell in der amerikanischen Literatur werden bei der Dynamik häufig primär fettsupprimierte Sequenzen angewandt, da diese nicht unbedingt eine Subtraktion benötigen, um Anreicherungen eindeutig erkennen zu lassen. Für den Fall, dass sich die Patientin während der Untersuchung stärker bewegt, können diese Sequenzen die Interpretation der Untersuchung erheblich verbessern, denn eine nicht fettsupprimierte MR-Untersuchung der Mamma mit starken Bewegungsartefakten kann wegen des geringen Kontrasts zwischen Fettgewebe und Kontrastmittel-Anreicherungen sehr schwer zu interpretieren sein. Auch bei der Kontrastmitteldosis gibt es Unterschiede, da je nach Schule entweder 0,1 oder 0,2 mmol Kontrastmittel (GDDTPA) pro Kilogramm Körpergewicht zur Anwendung kommen. Bei der transversalen 3D-Technik werden mit einer speziellen T1-gewichteten 3D-Sequenz ca. 40–60 Schichten der Brüste bei einer Schichtdicke von maximal 1,5–2,5 mm angefertigt. Die einzelne Messung der Dynamik dauert klassischerweise ca. 90 s, wobei prinzipiell Sequenzen mit kürzerer Messzeit benutzt werden können, sofern das MR-Gerät das Potenzial dazu hat. Um die entscheidenden ersten 7 min nach Kontrastmittelgabe mit den Einzelmessungen abzudecken, muss bei der Verwendung schnellerer Sequenzen allerdings die Anzahl an Einzelmessungen erhöht werden. Vor der T1-gewichteten Dynamik werden bei der MR-Untersuchung der Mamma zusätzlich noch transversale T2-gewichtete Sequenzen (z. B. STIR) zum Nachweis von Zysten sowie koronare T1-gewichtete Sequenzen zum Nachweis von axillären Lymphknoten angefertigt. Darüber hinaus werden vielfach zusätzlich maximal hochauflösende T1-gewichtete transversale Sequenzen zur Abbildung der Tumormorphologie angewandt. Nach Ende der Untersuchung werden die Postkontrastsequenzen von der nativen Sequenz subtrahiert und zusätzlich noch 3DMIP (Maximum Intensitätsprojektionen) berechnet. Die resultierenden Aufnahmen werden auch als »gläserne Mamma« bezeichnet und erlauben bei der ersten Durchsicht der Untersuchung einen ersten Eindruck des Anreicherungsverhal-
tens. Auffällige Läsionen mit frühzeitigen und höhergradigen Anreicherungen werden dann für die endgültige Auswertung mithilfe eines speziellen Auswerteprogramms bezüglich der Signalintensitäten im zeitlichen Verlauf analysiert. Die resultierenden Kurven werden auch »Zeit-Intensitäts-Kurven« genannt (s. u.). Neueste Zusatzsoftware stellen die Geschwindigkeit und das Ausmaß der Anreicherung innerhalb einer Läsion farbig dar, wobei auch hier noch nicht ansatzweise wissenschaftlich geklärt ist, ob eine klinisch relevante Zusatzinformation daraus hervorgeht.
20.4.5
Auswertung/Interpretation
Bei der Auswertung der MR-Mammographie werden zum einen morphologische Kriterien wie bei der Röntgen-Mammographie herangezogen, zum anderen wird analysiert, welche Areale der Brüste zu welchen Zeitpunkt wieviel Kontrastmittel und mit welcher Homogenität aufgenommen haben. Hierzu werden »Zeit-Intensitäts«-Kurven angefertigt, die eine objektivere Auswertung als die rein visuelle Beurteilung ermöglichen. Von besonderer Bedeutung sind bei diesen Kurven der initiale Signalverlauf während der ersten 3 Sequenzen sowie das postinitiale Signalverhalten ab der 4. Sequenz. Maligne Läsionen sind durch einen schnellen und hochgradigen initialen Anstieg mit einem anschließenden Auswaschphänomen oder einem Plateauphänomen charakterisiert, während benigne Läsionen eher langsam und stetig anreichern. Hierbei gibt es einen breiten Überlappungsbereich und es sollte niemals eine aufgrund anderer Details suspekte Läsion als benigne bewertet werden, nur weil das MR-Anreicherungsmuster benigne erscheint. Umgekehrt sollte, v. a. wenn es um eine glatt abgrenzbare und scharf berandete Läsion handelt, auch bei einer suspekt erscheinenden Anreicherung die Möglichkeit in Betracht gezogen wird, dass es sich z. B. um ein Fibroadenom oder einen Lymphknoten handelt, auch wenn man zur Sicherung der Benignität eine Biopsie doch anschließt.
Auswertung der Kontrastmitteldynamik Zur Auswertung der dynamischen MR-Untersuchung der Brust werden typischerweise eine native sowie mindestens 5 Sequenzen nach Kontrastmittel-Applikation in ein spezielles Auswerteprogramm eingeladen. In jedem Falle müssen die ersten 7 min nach Kontrastmittelgabe in der Auswertung erfasst werden (s. o.). Bei einer Schichtdicke von 1,5–3 mm sind in der Regel pro Sequenz ca. 60–100 Bilder während der Untersuchung angefertigt worden, sodass zwischen 360 und 600 Bilder zur Auswertung herangezogen werden. Hierbei ist darauf zu achten, dass nicht die in der Regel nur zu 3 Zeitpunkten angefertigten Subtraktionen in das Programm eingeladen werden, sondern die nicht subtrahierten Originalmessungen. Eine Kontrastmittelperfusionskurve mit nur 4 Messpunkten könnte im ungünstigsten Falle in eine Fehlinterpretation der Untersuchung münden. Parallel zu den nicht subtrahierten Einzelmessungen in dem dynamischen Auswerteprogramm werden die Subtraktionen, die die Herdbefunde deutlicher hervorheben, zusammen mit den nicht subtrahierten Einzelschichten in das konventionelle Bildbetrachtungsprogramm eingeladen. Zunächst werden dann die
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660
Kapitel 20 · Bildgebende und Interventionelle Diagnostik der Brustdrüse mittels Röntgen-Mammographie, Mamma-Sonographie und MR-Mammographie
Subtraktionen und die Einzelbilder nach höhergradigen Kontrastmittel-Anreicherungen sorgfältig durchgemustert, um fragliche oder suspekte Läsionen herauszufinden. Pseudoanreicherungen durch Subtraktionsartefakte sind durch ein genaues Durchmustern der nicht subtrahierten Einzelbilder genauestens von den echten Kontrastmittel-Anreicherungen in Herdbefunden zu unterscheiden. Weiterhin können 3D-MIP Aufnahmen (»gläserne Mamma«) hilfreich sein, um keine Läsionen in den Einzelschichten zu übersehen. Nachdem die Schichtposition einer detektierten Läsion notiert wurde, wird diese in den nicht subtrahierten Einzelschickten aufgesucht und dann innerhalb des Auswerteprogrammsdie Läsion markiert, sodass eine Zeit-Intensitäts-Kurve resultiert, die übersichtlich und objektiv angibt, welche Signalintensitäten innerhalb der Läsion zu welchem Zeitpunkt der dynamischen Untersuchung erreicht wurden. Bei den meisten Auswerteprogrammen kann zwischen absoluten Signalintensitäten und prozentualem Enhancement auf der y-Achse ausgewählt werden.
Morphologische Auswertung > Die Dignitätsbeurteilung der Morphologie einer zu untersuchenden Läsion bei der MR-Mammographie folgt den Kriterien, die aus der Mammographie und Sonographie bekannt sind. Hierbei muss man in Betracht ziehen, dass die räumliche Auflösung des MR bei weitem nicht an die der Mammographie heranreicht und daher auch nicht ähnlich eindeutige morphologische Befunde, wie man sie in der Mammographie oft sieht, erwartet werden können.
Tendenziell ist es jedoch durchaus so, dass schlecht abgrenzbare, sternförmige oder duktal angeordnete Befunde eher für Malignität sprechen, während scharf abgrenzbare Befunde mit runder oder ovalärer Konfiguration eher im Sinne eines benignen Befunds zu interpretieren sind. Ringförmige und inhomogene Anreicherungsmuster sind häufiger bei Malignomen, homogene Anreicherungen häufiger bei benignen Tumoren nachweisbar. In der T2-Gewichtung wird nach regionalen Ödemen und Hautverdickungen gefahndet, v. a. wenn sie eine Läsion umgeben oder in der Haut lokalisiert sind (. Abb. 20.51). Auch zur Konsistenzbeurteilung wird
die axiale T2-Gewichtung herangezogen, da hier flüssige Befunde mit hohem Signal abgebildet werden. Lipome lassen sich bereits in der nativen T1-Gewichtung oft eindeutig diagnostizieren. Ein hoher Protein-/ bzw. Fettgehalt z. B. innerhalb einer Zyste, einem Serom oder einer Fettgewebsnekrose lässt sich mit dem hohen Signal in der nativen T1-Gewichtung in Kombination mit einem hohen T2-Signal suspizieren. Zusätzlich werden in den »statischen« koronaren Sequenzen die Lymphknoten bezüglich Größe und Morphologie sowie nach Position beurteilt. Anhand des M. pectoralis minor lassen sich die Level 1–3 leicht zuordnen. Eine Größe von >15–20 mm sowie v. a. eine fehlende Verfettung des Lymphknotenszentrums können einen Tumorbefall anzeigen. Die Auswertung der Kontrastmitteldynamik ist bei Lymphknoten zumeist nicht sehr aussagekräftig, da hier auch bei nicht befallenen Lymphknoten häufig eine »maligne« Dynamik nachweisbar ist. Im Falle eines Tumorbefalls des Lymphknotens bleibt eine Kontrastierung, also ein Signalverlust des Lymphknotens aus. Die Kriterien aus den dynamischen und den statischen Untersuchungen werden bei der MR-Mammographie in dem bereits ausgeführten »Göttingen-Score« zusammengefasst. Im Rahmen der Beurteilung mittels des Göttingen-Scores werden für die unterschiedliche Ausprägung bestimmter Kriterien Punkte vergeben, sodass über die Summenpunktzahl eine abschließende Beurteilung möglich wird (. Tab. 20.4). Aus den Punktzahlen der Einzelbewertungen resultiert ein Summenscore, der die Dignitätsbeurteilung einer Läsion erleichtert (. Tab. 20.5). Unter Verwendung dieses Punkte-Scores erreichten Fischer et al. bei 463 Patientinnen präoperativ mit insgesamt 143 benignen und 405 malignen Läsionen die in . Tab. 20.6 genannten Werte.
20.4.6
ACR BI-RADS Lexikon (MR-Mammographie)
Die BI-RADS-Klassifikation für die MR-Mammographie beinhaltet prinzipiell alle bisher erwähnten Kriterien, wobei diese aber noch sehr viel detaillierter abgehandelt werden. In dem Vorwort zu dem Lexikon finden sich zunächst »wichtige Kommen-
. Tab. 20.4. »Göttingen-Score«
20
Merkmal
Ausprägung/Punktezahl
Initialer Signalanstieg
<50%: 0 Pkt
50–100%: 1 Pkt
>100%: 2 Pkt.
Postinitiales Signalverhalten
Weiterer Anstieg: 0 Pkt
Plateau: 1 Pkt
Auswasch-Phänomen: 2 Pkt.
Begrenzung der Läsion
Scharf begrenzt: 0 Pkt.
Unscharf: 1 Pkt.
Form der Läsion
Rund, ovalär, lobulär: 0 Pkt.
Linear, dentritisch, stellär: 1 Pkt.
Verteilung KM-Aufnahme
Homogen: 0 Pkt.
Inhomogen: 1 Pkt.
Ringförmig: 2 Pkt.
661 20.4 · MR-Mammographie
. Tab. 20.5. Bewertung der Punkte des »Göttingen-Score« (Fischer
. Tab. 20.6. Ergebnis der Studie von Fischer et al. (1999) an
et al.1999)
463 Frauen präoperativ
Punkte
Kategorie
Bewertung
Konsequenz
Sensitivität
Spezifität
0–1
I
sicher benigne
keine
Klinische Untersuchung
58%
76%
2
II
wahrscheinlich benigne
ggf. Kontrolle
Mammographie
86%
32%
3
III
unklar
unklar
Sonographie
75%
80%
4–5
IV
wahrscheinlich maligne
Histologie
MRT
93%
65%
6–8
V
sicher maligne
Histologie
tare zur Vorgeschichte (Teil A), dem Vergleich mit älteren Voruntersuchungen (Teil B), der Empfehlung zur MR-Technik (Teil C), der Formulierung der Befunde (Teil D), den dynamischen Anreicherungscharakteristika (Teil E), den Parameterbildern (Teil F) und der Gesamtbeurteilung (Teil G)«. Die Details dieser Kommentare sind der Deutschen Übersetzung der 2. aktualisierten und erweiterten Deutschen Auflage der BI-RADS-Klassifikation des American College of Radiology zu entnehmen. Folgende Kriterien von Teil D (Formulierung des Befundes) werden im Folgenden auszugsweise aufgelistet:
Endotumorales Enhancement
Fokus
Ein Herd stellt eine dreidimensionale, raumfordernde Läsion dar, die das umgebende Gewebe verschieben oder auf andere Weise beeinflussen kann.
Ein homogenes Enhancement spricht in erster Linie für einen gutartigen Prozess. Allerdings kann die räumliche Auflösung die Evaluation bei kleinen Läsionen limitieren. Ein heterogenes Enhancement ist eher ein Hinweis für einen malignen Tumor, insbesondere bei Vorliegen eines Ringenhancement. Nichtanreichernde endotumorale Septierungen weisen auf ein Fibroadenom hin. Nichtanreichernde Herdbefunde können Fibroadenome mit hohem hyalinen Gewebeanteil entsprechen. Inflammatorisch veränderte Zysten können peripher anreichern, zeigen jedoch in der T2-Gewichtung zentral ein erhöhtes Signal als Hinweis auf ihren zystischen Charakter. Gutartige Fettgewebsnekrosen können mit einem Ringenhancement und zentral erniedrigtem Signal einhergehen. Mit Blick auf die Anamnese und das Mammogramm können sie richtig interpretiert werden.
Form/Begrenzung. Form und Begrenzung eines Herdbefundes
Nicht raumforderndes Enhancement
erlauben eine Unterscheidung gut- und bösartiger Brustkrebserkrankungen. Die Form kann rund, oval, lobuliert oder spikuliert sein. Üblicherweise spricht eine irreguläre oder spikulierte Form eher für ein malignes Geschehen, während scharfe Begrenzungen eher an ein gutartiges Geschehen denken lassen. Die Analyse der Herdbegrenzung hängt von der räumlichen Auflösung ab, da irreguläre Ränder in einer nicht hochauflösenden Messung durchaus glatt erscheinen können. Einige kleine Karzinome können jedoch auch in der hochauflösenden MR-Mammographie gutartig erscheinen. Die Auswertung der Form und Begrenzung sollte auf der ersten Messung nach Kontrastmittelgabe erfolgen, um Auswascheffekte und den zunehmenden Signalanstieg des Umgebungsgewebes zu vermeiden.«
Findet sich ein Enhancement, das weder einem Fokus noch einem Herdbefund entspricht, so wird es als »nicht raumforderndes« Enhancement klassifiziert. Mit Blick auf das Verteilungsmuster der Anreicherung werden fokal, linear, duktal, segmental, regional, multiple Regionen betreffend und diffus unterschieden. Eine fokale Region mit einer auffälligen Anreicherung umfasst <25% des Volumens einer Mamma. Sie stellt die einzige auffällige Mehranreicherung dar. Lineares Enhancement ist eine Mehranreicherung in Form einer Linie. Duktales Enhancement kann linear oder sich aufzweigend sein, korreliert mit einem oder zwei Milchgängen, weist in Richtung Brustwarze und ist verdächtig auf Malignität. Segmentales Enhancement zeigt eine trianguläre oder kugelförmige Konfiguration mit der Spitze zur Mamille. Sie ist verdächtig auf Malignität innerhalb eines Milchgangssegments. Regionales Enhancement betrifft ein umfassen-
»Ein Fokus stellt ein kleines punktförmiges Enhancement dar, das unspezifisch ist, aufgrund der geringen Größe morphologisch nicht charakterisiert werden kann, und das auf dem Nativbild keinen korrespondierenden Befund aufweist. Foki werden häufig gefunden. Sie sollten im klinischen Kontext evaluiert werden. Multiple Foki sind winzige, jedoch voneinander abgrenzbare Flecken mit Kontrastmittel-Anreicherungen. Typischerweise ist ein Fokus kleiner als 5 mm.«
Herdbefund
Herdbefunde können homogen oder inhomogen anreichern: 4 Ein homogenes Enhancement ist einheitlich konfluierend. 4 Ein heterogenes Enhancement ist uneinheitlich mit Arealen unterschiedlicher Signalintensität. Weiterhin unterschieden werden: 4 Ringenhancement 4 dunkle endotumorale Septierungen 4 anreichernde Septierungen 4 ein zentrales Enhancement innerhalb eines Herdbefundes
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662
Kapitel 20 · Bildgebende und Interventionelle Diagnostik der Brustdrüse mittels Röntgen-Mammographie, Mamma-Sonographie und MR-Mammographie
deres Areal als ein einzelnes Milchgangssegment, wobei die Begrenzung nicht konvex erscheint. Zahlreiche Regionen mit gesteigertem Enhancement beschreiben mindestens 2 ausgedehnte Areale, die durch normales Drüsengewebe oder Fett getrennt sind. Ein diffuses Enhancement beschreibt ein im fibroglandulären Brustgewebe weit verstreutes, gleichmäßig verteiltes und in sich einheitliches Enhancementmuster.
Nicht raumforderndes Enhancement: Interne Charakteristika Fokales, lineares, duktales, segmentales, regionales, multiple Regionen betreffend oder diffuses Enhancement können zusätzlich beschrieben werden als homogen, heterogen, fleck- oder punktförmig, gruppiert bzw. retikulär oder dendritisch. Fleckförmig bedeutet zahlreiche, oft unzählbare, punktförmige Foki mit 1– 2 mm Durchmesser verteilt innerhalb eines Areals, das nicht einem Milchgang entspricht. Es spricht eher für eine gutartige Variante der parenchymalen Anreicherung oder einen fibrozystischen Umbau. Regionales, mehrere Regionen betreffendes oder ein diffuses Enhancement sind charakteristisch für gutartige Veränderungen, aber auch multizentrische Karzinome können sich so darstellen. Gruppierte Anreicherungen entstehen durch eine Anhäufung enhancender Herdbefunde oder Foki in einer pflastersteinartigen, und hier gelegentlich auch konfluierenden Anordnung. Solche gruppierten Anreicherungen sind verdächtig auf das Vorliegen eines DCIS. Ein retikuläres/dendritisches Anreicherungsmuster beschreibt Strukturen bei Frauen mit partieller Involution des Drüsengewebes, bei denen sich streifige Drüsenareale zwischen den Fettinseln finden. Allerdings finden sich hierbei – im Gegensatz zur normalen Rückbildung des Drüsengewebes mit Verbleiben der Cooper-Ligamente – eine Verdickung, Störung und Verkürzung der normalen fibroglandulären Drüsenstrukturen mit Verlust der normalen bogig-konfigurierten Begrenzungen an der Grenze zwischen Fett- und Drüsengewebe.
Symmetrische versus asymmetrisches Enhancement
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Wird eine bilaterale MR-Mammographie durchgeführt, so sollte die »Symmetrie« oder »Asymmetrie« der Anreicherung beschrieben werden. Symmetrisches Enhancement beschreibt eine spiegelbildliche Anreicherung der rechten und linken Mamma und ist eher wegweisend auf eine gutartige Veränderung. Asymmetrie ist eine weitere Form einer nicht raumfordernden Anreicherung und beschreibt ein Enhancement, das in der einen Brust ausgeprägter zur Darstellung kommt als in der anderen Brust. > Die klassische Erscheinungsform eines Mammakarzinoms in der MR-Mammographie ist als eine fokale, segmentale oder duktal (verzweigende) Mehranreicherung mit unscharfer Abgrenzung und ggf. spikulierter Form sowie eine sehr starke initale Anreicherung gefolgt von einem Plateau oder einen Wash-out zu beschreiben. Das Fehlen dieser Kriterien, insbesondere auch das Fehlen der typischen Anreicherungszeitpunkte 6
und Intensitäten schließt ein Mammakarzinom jedoch nicht aus. Speziell auch in-situ-Karzinome zeigen oft geringgradigere Enhancements ohne Wash-out-Anreicherungen. Die Korrelation mit Mammographie und Sonographie ist sehr wichtig.
20.4.7
Zusammenfassung
Die MR-Untersuchung der Mammae ist ein hochempfindliches Verfahren, das v. a. zum Nachweis invasiver Karzinome geeignet ist und unter Beachtung der geeigneten Indikationen eingesetzt werden sollte. Werden alle vorhandenen Auswertekriterien genutzt, ist das Verfahren von großem klinischem Nutzen. Beachtet werden sollte auch der Untersuchungszeitpunkt v. a. bei jüngeren Patientinnen. Wie M. Müller-Schimpfle nachweisen konnten, sind die Zyklustage 7–20 optimal geeignet zur Untersuchung, während mit dem Einsatz der MRT an den Tagen 21–6 unnötig viele falsch positive Befunde riskiert werden. Im Falle fraglich hormonell induzierter, nicht eindeutig pathologischer Herdbefunde in der MR-Mammographie sollte eine Kontrolluntersuchung nach mindestens 4 Monaten erwogen werden. Betsch konnte in einer Publikation aus dem Jahre 2001 zeigen, dass MR-Kontrolluntersuchungen die diagnostische Sicherheit erhöhen können. Im Falle weiterhin oder zunehmend suspekter Details eines Herdbefundes muss jedoch die histologische Abklärung angestrebt werden. Zur Abklärung von ausschließlich MR-tomographisch darzustellender Befunde muss unbedingt die Möglichkeit einer MR-gesteuerten Biopsie/Markierung genutzt werden. Wird ein mutmaßliches sonographisches oder mammographisches Äquivalent für den Herdbefund in der MR-Mammographie gefunden, so solltedoch zumindest eine MR-Kontrolle nach Einbringung eines MR-kompatiblen Markierungsdrahts durchgeführt werden.
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Ausblick
Forschungsansätze bei der MR-Mammographie gibt es u. a. bei der Weiterentwicklung der Kontrastmittel und bei der Korrelation der Anreicherungsmuster mit den histopathologischen Details. Verschiedene Autoren konnten nachweisen, dass die Proliferationsdichte, die Kapillardichte und die Zellularität mit der Nachweisbarkeit eines frühen Enhancement korrelieren. Ein weiterer vielversprechender Forschungsansatz besteht in der MR-spektroskopischen Untersuchung von Herdbefunden der Mamma sowie der Kontrolluntersuchung von großen Mammakarzinomen unter neoadjuvanter Chemotherapie zur Erfolgskontrolle und zur Bestimmung der Resektionsgrenzen präoperativ. Schließlich ist die Diagnitätsbestimmung von axillären Lymphknoten mittels superparamagnetischer Kontrastmittel eine wissenschaftliche Fragestellung von großer Bedeutung.
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Interventionelle Methoden im Bereich der Brust
Galaktographie (Milchgangsdarstellung) Die Indikation zur Galaktographie besteht dann, wenn es sich um eine blutige Sekretion und/oder eine Sekretion mit zytologisch nachgewiesenen, pathologischen oder suspekten Zellen im Abstrich handelt. Bei der Galaktographie wird unter Lupenbetrachtung der Mamille der sezernierende Ausführungsgang der betroffenen Brust mit einer feinen, lymphographieähnlichen Kanüle sondiert, um dann 0,3–1 ml jodhaltiges Kontrastmittel (in der Regel 300-er) zu injizieren und anschließend das »Galaktogramm«, also eine Mammographie mit Kontrastmittel in einem Milchgang zu erzeugen. Zumeist wird vorher eine diagnostische Mammographie angefertigt, um nicht Gefahr zu laufen, z. B. feine Mikroverkalkungen in der Galaktographie durch Kontrastmittel-Überlagerungen zu übersehen. Als häufigste Auffälligkeiten bei Milchgangsdarstellungen sind intraduktale Kontrastmittel-Aussparungen und/oder Gangabbrüche bzw. Kaliberschwankungen der Milchgänge zu nennen (. Abb. 20.51, . Abb. 20.52, . Abb. 20.53). Sollten sich im Galaktogramm weder Gangabbrüche noch intraduktale Kontrastmittel-Aussparungen nachweisen lassen und doch – etwa wegen suspekter Zellen im Abstrich – eine OP-Indikation bestehen, kann man dem Operateur mithilfe des Galaktogramms doch vor der Duktektomie die wichtige Information geben, in welchem Quadranten sich der zu entfernende Milchgang befindet. ! Die Indikation zur Duktektomie bleibt bei zytologisch nachgewiesen pathologischen Zellen im Sekret und/ oder einer blutigen Sekretion auch im Falle einer un6
auffälligen Galaktographie bestehen! Auch der Wunsch seitens der Patientin zur Beseitigung einer Sekretion ergibt natürlich eine OP-Indikation, auch wenn keine zytologischen Auffälligkeiten des Sekrets nachzuweisen sind.
Aufgrund des operationsvorbereitenden Charakters einer Galaktographie sollte die Untersuchung stets in cc- und ml-Projektion angefertigt werden, um ein »Verkippen« des zu operierenden Befundes in der mlo-Schrägprojektion zu vermeiden. Wenn die Galaktographie aufgrund von narbigen Veränderungen nach stattgehabten Operationen und/oder eines anlagebedingten zu starken Abknickens des Milchgangs technisch nicht möglich ist, bleibt dem Operateur für die Bestimmung der Lokalisation des zu exzidierenden Milchgangs nur die intraoperative Farbstoffinjektion (zumeist Methylenblau). Für den Fall einer technisch zwar möglichen Sondierung des Milchgangs, aber eines Kontrastmittel-Paravasats aufgrund einer Perforation des Milchgangs führt nicht selten ein zweiter Sondierungsversuch dann zum Erfolg. Spätestens nach 2–3 Tagen nach einem frustranen Galaktographie-Versuch mit einem Paravasat ist das Kontrastmittel in der Regel resorbiert, sodass keine Überlagerungen mehr resultieren. Als Aufklärungsinhalt für eine Galaktographie sollte der Patientin u. a. auch die infolge der Untersuchung sehr selten vorkommende bakterielle Mastitis genannt werden. Non puerperale Mastitiden sind leicht zu therapieren, wenn man frühzeitig nach Symptombeginn mit der Antibiose startet, verlaufen aber umso schwerer, wenn sich die Infektion bereits ausgebreitet hat. Das Risiko einer Kontrastmittel-Allergie ist zwar prinzipiell auch bei einer Galaktographie gegeben, würde aber in praxi nur bei schweren allergischen Neigungen der Patientin zu entsprechenden Maßnahmen führen.
. Abb. 20.51a, b. Galaktographie rechts in cc- und ml-Projektion. Bei einer blutigen Sekretion durchgeführte Galaktographie mit dem Nachweis einer scharf abgrenzbaren KM-Aussparung innerhalb des Milchgangs ca 5 cm von der Mamille entfernt, einem Papillom entsprechend (offene Pfeile). Papillome können ebenso wie Malignome sowohl eine blutige Sekretion als auch suspekte Zellen im Sekret verursachen, sodass die Duktektomie nach intraoperativer Farbstoffinjektion notwendig wird, um ein benignes Papillom zu sichern und ein papilläres Karzinom sicher ausschließen zu können
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. Abb. 20.52a, b. Galaktographie links in cc- und mlo-Projektion. Blutige Sekretion links mit unklarer Zytologie und präoperativer Galaktographie. Es zeigen sich beidseits multiple Gangunregelmäßigkeiten (offene
Pfeile), die nach erfolgter Duktektomie links einer chronischen Galaktophoritis mit einer Papillomatose entsprachen
In den meisten Fällen handelt es sich bei Verursacher einer blutigen Sekretion um ein Papillom oder eine Papillomatose,
mit/ohne pathologische Zellen immer mit einer Duktektomie abgeklärt. Beidseitige Sekretionen ohne pathologische Zellen und ohne Erythrozyten im Abstrich stellen zumeist keine Indikation für eine Galaktographie oder eine Operation dar. Dies gilt auch, wenn sich kein erhöhter Prolaktinspiegel nachweisen lässt, da im Rahmen von mastopathischen Drüsengewebsveränderungen Sekretionen auch ohne besonderen Grund auftreten.
sehr viel seltener um eine chronische-proliferative Mastopathie ohne Papillomnachweis. In seltenen Fällen finden sich aber auch papilläre Neoplasien, invasive Mammakarzinome und nicht selten auch DCIS als Ursache. Daher werden blutige Sekretionen
Präoperative Biopsien und Markierungen
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. Abb. 20.53. Galaktographie rechts in ml-Projektion. Die zahlreichen KM-Aussparungen in diesem Galaktogramm sind durch eine nicht ausreichende Entlüftung des Schlauchsystems und somit Luftblasen verursacht. In der ml-Projektion sind die Aussparungen alle an der kranialen Begrenzung des jeweiligen Milchgangs lokalisiert
Das oberste Ziel eines senologisch tätigen Arztes muss es sein, einen möglichst hohen Anteil der bildgebend auffälligen Befunde unabhängig vom bildgebenden Verfahren, mit dem der Befund nachgewiesen wurde, minimal invasiv abzuklären. Die Rationale für dieses Vorgehen ist es, einerseits der Patientin unnötige operative Eingriffe in Vollnarkose und mit resultierenden, mehr oder weniger ausgeprägten, postoperativen Narben zu ersparen, andererseits aber auch, möglichst geringe Kosten zu verursachen. Im klinischen Alltag ist die sonographisch gesteuerte Stanzbiopsie (. Abb. 20.54) die am häufigsten eingesetzte Methode, gefolgt von der stereotaktischen Vakuumbiopsie (. Abb. 20.56) als der zweithäufigst eingesetzten Methode und schließlich dem MR-gesteuerten Biopsie-Verfahren als der komplexesten und am seltensten erforderlichen und eingesetzten Methode. Generell wird sinnvollerweise die einfachste Methode ausgewählt, die den abzuklärenden Befund sicher genug reproduzieren kann, um als Steuerungsmethode für die Biopsie eingesetzt zu werden. Es kann also z. B. durchaus sein und kommt in praxi auch häufig vor, dass ein Herdbefund, der in der Röntgen- und/ oder MR-Mammographie nachgewiesen wurde, sonographisch zunächst nicht erkannt wurde, nach einer erneuten Sonographie unter Kenntnis der anderen Methode (»Second-look«- Sonogra-
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phie) jedoch durchaus darstellbar ist und konsekutiv auch unter Sonographiesteuerung biopsiert wird. Die Methodik einer sonographischen Stanzbiopsie ist . Abb. 20.54 im Detail erläutert.
Methodik allgemein Alle präoperativen Markierungen erfolgen mit speziellen Hohlnadeln, die im Lumen einen nach Abschluss des Markierungsvorgangs verbleibenden Draht enthalten. Je nach Hersteller haben die Markierungsdrähte entweder 1 oder 2 Widerhaken, die sich wiederum je nach Hersteller, auch nach dem Freisetzen aus dem Lumen der Nadel noch einmal repositionieren lassen oder nicht. Unter Repositionieren versteht man das Zurückziehen der Widerhaken in das Nadelinnere, sodass die Nadelposition noch einmal verändert werden kann. Bei den nicht repositionierbaren Markierungssystemen ist eine Korrektur der Nadel nach Ausfahren der Widerhaken nicht mehr möglich. Wenn die perfekte Position des Markierungsdrahts bzw. der Widerhaken erreicht ist, wird die Nadel in allen Fällen entfernt. Anschließend wird der Draht mit einem einfachen Verband auf der Haut fixiert. Die meisten Hersteller verwenden für den Draht spezielle Titanlegierungen, sodass die meisten Markierungsdrähte keine oder nur geringe MR-Artefakte verursachen, sodass die Drähte z. T. sogar sehr schlecht im MRT sichtbar sind. Für MR-gesteuerte Markierungen werden Sets von verschiedenen Herstellern angeboten, die speziell optimierte, MR-kompatible Nadeln und Drähte beinhalten.
Methodik radiologisch gesteuerter Verfahren Die präoperative radiologische Markierung von mammographisch suspekten Auffälligkeiten sollte nur in seltenen Ausnahme-Fällen zur Anwendung kommen, nämlich dann, wenn entweder alle Verfahren zur minimal invasiven Abklärung eines Befundes ohne Erfolg zur Anwendung gekommen sind oder aus technischen Gründen nicht zur Anwendung kommen können. Generell stehen bei der präoperativen radiologischen Markierung folgende Methoden zur Wahl: 4 die »Freihand«-Markierung 4 die Lochplatten-Markierung (. Abb. 20.55) 4 die stereotaktische Markierung Bei der Freihand-Markierung wird in aller Regel nach ausführlichem Betrachten der Bilder und Ausmessen der Tiefe, in der sich der Herdbefund und/oder der Mikrokalk befindet, die Nadel von vorne areolanah in die Brust eingebracht und dem auffälligen Befund so weit wie möglich angenähert. Zur Vorbereitung des Einbringens der Nadel durch den Arzt kann entweder die MTRA die Brust in vergleichbarer Weise wie bei der vorher erstellten Mammographie halten oder aber die Einbringung der Nadel erfolgt direkt am Mammographiegerät. Für den Fall, dass die Markierung an der am Mammographiegerät stehenden oder sitzenden Patientin erfolgt, kommt das (nicht perforierte) Kompressorium zunächst nicht zur Anwendung. Anstelle dessen wird die Brust manuell in ähnlicher Art und Weise wie bei der Mammographie komprimiert, wobei das Komprimieren der Brust nur zum Straffen der Haut dient und die Kompression nicht in vergleichbarer Intensität ausgeübt wird wie bei der Mammographie. Unter diesen Bedingungen kann die Mar-
kierungsnadel von vorne z. B. periareolär in die Brust eingebracht werden, nachdem man sich auf der Mammographie die Lage des zu markierenden Befundes innerhalb des Quadranten einschließlich der Tiefe klargemacht hat. Um die Position der Nadelspitze relativ zum Befund zu kontrollieren, wird eine Mammographie in cc- und ml-Projektion angefertigt- genauso wie bei der Vorbereitung zur radiologischen Markierung zusätzlich zu der vorhandenen cc-Projektion immer die gerade seitliche mlProjektion erforderlich ist. In den für eine Markierung nicht optimal geeigneten mlo-Projektionen können Befunde je nachdem, wie weit diese von der Drehachse entfernt liegen, z. T. sehr stark »verprojiziert« werden. In diesen beiden, orthogonal zueinander stehenden Aufnahmen wird die Abweichung der Nadel zum Befund überprüft und ggf. eine Optimierung vorgenommen. In der Regel reichen bei der Freihandmarkierung 1–2 Korrekturen dann aber aus, um die Nadelspitze zumindest bis auf eine Distanz von 1 cm zum Herdbefund anzunähern. Bei derartigen Korrekturen einer Radiologischen Markierung wird die Nadel üblicherweise bis 1 oder 2 cm vor dem kompletten Entfernen der Nadel aus der Brust zurückgezogen, um dann den Winkel in die vorher ermittelte Richtung abzuändern. In seltenen Fällen mit besonders indurierten Mastopathien kann es hingegen schneller zum Erfolg führen, wenn die Nadel komplett entfernt und ein neuer Zugangsweg mit einer neuen Nadel gesucht wird. Radiologische Markierungsnadeln haben eine cm-Markierung aufgeprägt, so dass man jederzeit weiß, wie viele Zentimeter die Nadel sich in der Brust befindet. ! Markierungen unter Mammographiekontrolle und mammographische Kontrollen nach sonographischer oder MR-mammographischer Markierung werden immer in cc und ml-Projektionen durchgeführt, da bei den mlo-Projektionen die Herdbefunde »verprojiziert« werden und dies für den Operateur zu Orientierungsproblemen führen kann.
Bei der Lochplattenmarkierung (. Abb. 20.55) wird ein spezielles Kompressorium verwendet, das ca. 1 cm im Durchmesser große, in mehreren Reihen angeordnete Aussparungen aufweist, die mammographisch sichtbar sind, sodass man auf einer Mammographie, die mit einem Lochplattenkompressorium angefertigt wurde, leicht abzählen kann, in welche der Aussparungen man die Nadel in der cc-Projektion einzubringen hat. Nach Einbringen der Nadel wird die Kompression gelöst, ohne die sterile Nadel zu berühren. Dies ist unproblematisch möglich, da die Nadel durch die Aussparungen im Lochplatten-Kompressorium leicht hindurch passt. Danach wird die Brust in ml-Richtung komprimiert und die richtige »Tiefe« der Nadel in kranio-kaudaler Richtung überprüft. Ist die Nadelspitze unmittelbar vor dem zu markierenden Befund gelegen, wird der Draht freigesetzt und die Nadel entfernt. Entscheidend wichtig unabhängig von der Markierungsmethode ist, dass der Patientin ausschließlich die Abschlusskontrolle nach Freisetzen des Drahts und ein entsprechend eindeutig formulierter Befund mitgegeben werden.
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. Abb. 20.54a–e. Durchführung einer sonographisch gesteuerten Stanzbiopsie (Ultraschallgerät Toshiba Nemio, Biopsiehandy Bard Magnum 14 G plus Coaxialnadel). Zuerst wird der sonographische Herdbefund (offener Pfeil) in 2 Achsen (a, b) vermessen, um anschließend die Lokalanästhesie vorzunehmen. In der Regel reichen wie auch bei der Vakuumbiopsie 5–10 ml Lokalanästhetikum aus, um die Haut und das Unterhautfettgewebe schmerzfrei zu bekommen. Der oft verwendete Adrenalinzusatz dient der Verminderung der Einblutung in das Gewebe bei Biopsie. Es kann auch ein Vereisungsspray verwendet werden, um die Haut im Vorfeld der lokalen Betäubung schon unempfindlich für die Nadel zu machen. Anschließend wird unter sonographischer Kontrolle die Coaxialnadel an den zu biopsierenden Herdbefund angenähert (d). Die Sonokontrolle nach Auslösen des Schussmechanismus sollte die Biopsienadel direkt mittig durch den Herdbefund oder geringgradig »off-center« zeigen (e). Anschließend wird die Nadel entfernt und das Präparat entnommen, während die Coaxialnadel bzw. die Hülse zunächst verbleibt, um dann die nächsten Präparate entnehmen zu können. Eine präoperative Drahtmarkierung wird nahezu komplett analog zur Biopsie durchgeführt, wobei dann oft kein Coaxialsystem verwendet wird und je nach Schule auch keine Lokalanästhesie zur Anwendung kommt
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Genauer und schneller im Vergleich zur Feihandmarkierung ist die Lochplattenmethode und die Stereotaxie, wobei die Nadel bei diesen Methoden von oben oder ggf. von der Seite in die Brust eindringt und es so für den Operateur nach einem Mamillenrandschnitt komplizierter ist, die Drahtspitze in der Brust und somit den zu entfernenden Befund aufzusuchen. Eine zusätzliche sonographisch gestützte Markierung der mittels Lochplattenmethode oder Stereotaxie eingebrachten Drahtspitze von periareolär kann hier jedoch Abhilfe schaffen.
Besonderheiten bei der radiologischen Markierung von Herdbefunden
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. Abb. 20.55a, b. Digitale Mammographie mit Lochplatte für radiologische Markierungen. Durchführung einer radiologischen Markierung mit einer »Lochplatte« zur präoperativen Markierung von Mikrokalk (offener Pfeil). Nach Überprüfung der Nadelposition in der cc-Projektion (a) wird die »Tiefe« der Markierungsnadel in der ml-Projektion (b) überprüft. Diese Form der präoperativen radiologischen Markierung unterscheidet sich von der »Freihand«-Markierung, die mit einer von vorne, in der Regel perimammillär eingebrachten Nadel durchgeführt wird (ohne Bild). Cave: Wie bei allen präoperativen Bildern wird keine mlo-Schrägposition, sondern die strenge seitliche ml-Projektion verwendet
! Bei einer Lochplattenmarkierung muss die Kontrolle einer in cc-Richtung eingebrachten Nadel anschließend in der ml-Projektion erfolgen, um die korrekte »Tiefe« der Nadel in kranio-kaudaler Richtung zu ermitteln. Wichtig ist auch, dass der Draht vor dem Nachlassen der seitlichen Kompression freigesetzt wird, da beim Nachlassen der Kompression das Brustgewebe relativ zur Nadelspitze wieder verschoben wird und das Drahtende dann nicht sicher am zu markierenden Befund zu liegen kommt.
Bei der stereotaktischen Markierung wird dieselbe technische Apparatur, die bei der stereotaktischen Vakuumbiopsie zum Einsatz kommt, genutzt und auf diese Weise die Markierungsnadel für die OP eingebracht. Das generelle Vorgehen bei der Verwendung der Stereotaxie wird im Abschnitt der Stereotaktischen Vakuumbiopsie im Detail erläutert und unterscheidet sich außer in der Größe und Art der verwendeten Nadel nicht voneinander. Welche der Markierungsmethoden zur Anwendung kommt, sollte zwischen dem Radiologen und dem Operateur generell und im speziellen Falle besprochen werden. Manche Operateure bevorzugen die Nadeleinstrittsstelle an der Brustvorderseite, da man über einen Mamillenrandschnitt leicht an der Nadel entlang operieren kann, um den zu entfernenden Befund aufzusuchen.
Die klinischen Indikationen für eine radiologische Markierung beziehen sich in der Mehrzahl der Fälle auf Mikroverkalkungen, die mit den minimal invasiven Methoden nicht abgeklärt werden konnten oder aber sich im Rahmen der zuvor durchgeführten Vakuumbiopsie als maligne herausgestellt haben. In manchen Fällen, wenn die Vakuumbiopsie zu lange zurückliegt oder die Resektionshöhle direkt nach der Biopsie sich wieder geschlossen hat, kann die sonst üblichweise eingesetzte sonographisch gestützte Markierung aufgrund eines fehlenden oder zu unsicheren sonographisches Korrelats nicht stattfinden. Die Anforderung zur Markierung von mammographischen Herdbefunden kommt sehr viel seltener vor, da in aller Regel mammographisch suspekte Herdbefunde zumindest unter Kenntnis der Mammographie auch sonographisch nachgewiesen werden können und dann bei Bedarf unter sonographischer Kontrolle markiert werden. Ausnahmen stellen hier typischerweise die radiären Narben (. Abb. 20.34) dar. Diese lassen sich sonographisch häufig auch unter Kenntnis der Mammographie nicht ausreichend sicher darstellen. Es kann fast schon formuliert werden, dass sich der Verdacht einer radiären Narbe geradezu erhärtet, wenn man bei einem nicht ganz kleinen sternförmigen Herdbefund in der Mammographie sonographisch keinerlei Korrelat findet. Es handelt sich bei radiären Narben um mammographisch sternförmig zur Darstellung kommende Herdbefunde, die bildgebend oft große Ähnlichkeit mit Karzinomen aufweisen. Einziger Unterschied bei den radiären Narben ist, dass im Mittelpunkt des Herdbefundes oft geringere Dichtewerte als bei einem Karzinom vorliegen und der Befund daher auch als »dark star« bezeichnet wird. Radiäre Narben sind nicht selten nur in einer Ebene sicher nachweisbar, weil diese sehr flach wachsen und daher nur in einer Ebene eine signifikante Schwächung der Röntgenstrahlung verursachen. Die radiäre Narbe wird als einer der wenigen mammographischen Herdbefunde primär einer operativen Therapie zugeführt, obwohl das radiologisch auffällige Zentrum nur in absoluten Ausnahmefällen maligne Gewebsanteile enthält. Dieses Vorgehen ist darin begründet, dass in der Peripherie der Läsion vermehrt kleine Karzinome entstehen, diese aber bildgebend nicht erfasst werden können. Die radiäre Narbe ist demnach auch keine Indikation für eine stereotaktische Vakuumbiopsie, da man mit der Vakuumbiopsie unter Röntgenkontrolle nur den Mittelpunkt der Läsion abklären könnte, nicht aber maligne Anteile in der Peripherie ausschließen kann. Diese Läsionen sollten daher,
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wenn in Vergrößerungsaufnahmen sich der Verdacht eindeutig bestätigt hat, präoperativ so markiert werden, dass die vollständige Exzision des Befundes vom Operateur gut geplant werden kann. Eine Präparateradiographie muss natürlich wie sonst auch zumindest bei allen radiologisch markierten Befunden angefertigt werden und gerade auch bei einer so komplexen Läsion wie der radiären Narbe das Ergebnis sowohl dem Operateur als auch dem Pathologen mitgeteilt werden. Sonstige Befunde zur primär radiologischen Markierung können Mammakarzinome sein, die nach erfolgter Chemotherapie weder sonographisch noch palpatorisch abgrenzbar, in der Mammographie mit einer verbliebenen Architekturstörung jedoch noch erkennbar sind. In jedem Falle sollten bei einer radiologischen Markierung der nach Entfernung der Nadel zur Dokumentation der Drahtposition abschließend angefertigten Mammographie ein klar formulierter Befund und eine Fettstiftmarkierung des markierten Befundes beigefügt werden. In komplexen Fällen ist immer eine direkte Besprechung der Bilder zwischen Operateur und Radiologe anzustreben.
Stereotaktische Vakuumbiopsie der Mamma Die Einführung der stereotaktischen Vakuumbiopsie in die Mammadiagnostik, die zuerst Mitte der 1990er Jahre in den USA und dann Ende der 1990er Jahre auch in Europa und der BRD stattgefunden hat, zog eine grundsätzliche Veränderung der Mammadiagnostik nach sich. Die bei abklärungswürdigen Mikroverkalkungen bis zu diesem Zeitpunkt notwendige Einbringung einer radiologischen Markierungsnadel mit anschließender Operation wurde innerhalb kurzer Zeit nicht nur unnötig, sondern in der weiteren Folge sogar leitlinienwidrig. > Abklärungswürdige Mikroverkalkungen lassen sich mit der stereotaktischen Vakuumbiopsie wenig zeitaufwendig, ambulant und unter Lokalanästhesie mit einem deutlich geringeren Gesamtaufwand im Vergleich zur Operation abklären (. Abb. 20.56).
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Setzt man z. B. bei BI-RADS IV-Mikrokalk eine nach der Literatur anzunehmende Malignomwahrscheinlichkeit von ca. 25% voraus, so bedeutet dies nicht mehr und nicht weniger, als dass von 100 wegen eines BI-RADS IV-Mikrokalk vakuumbiopsierten Frauen 75 Frauen ein gutartiges Ergebnis mitgeteilt bekommen und somit keine Operation in Vollnarkose in Verbindung mit einem stationären Aufenthalt benötigen. Nur bei 25 der 100 Frauen muss eine Nachresektion der Brust und ggf. eine Lymphknoten-OP anschließend durchgeführt werden. Zur Abstimmung des optimalen und einheitlichen Vorgehens bei der stereotaktischen Vakuumbiopsie wurde im Jahre 1999 ein Konsensustreffen abgehalten und die Empfehlung erarbeitet, dass bei einer stereotaktischen Vakuumbiopsie im Falle einer benignen Histologie eine Mammographiekontrolle nach 6 und 18 Monaten stattfinden sollte, um das theoretisch mögliche sehr geringe Risiko einer falsch negativen Biopsie auszuschließen. Die intramammäre Narbenbildung im Rahmen dieser Kontrollen ist ohne Kenntnis der ehemaligen Mikrokalklokalisation zumeist bereits bei der 6-Monatskontrolle kaum noch nach-
zuvollziehen. In der vorliegenden inzwischen sehr zahlreichen Literatur sind nahezu gar keine Beispiele einer nachträglich erkannten Malignität im Sinne eines initial falsch negativen Ergebnisses bekannt geworden. Nichtsdestotrotz muss in ca. 0,2–0,3% aller Vakuum-Biopsien damit gerechnet werden, dass eine falsch negative Histologie vorliegt oder anders formuliert, der maligne Tumor nicht getroffen wurde. Diese sehr niedrige Zahl steht einer mindestens genauso großen Zahl an falsch negativen Ergebnissen bei der operativen Abklärung von mammographischen Auffälligkeiten nach stattgehabter radiologischer Markierung gegenüber. Diese Zahlen beziehen sich natürlich auf Biopsien, die von dem durchführenden Radiologen und Pathologen als sicher repräsentativ beurteilt wurden. Eine derartige Stellungnahme über den Erfolg der Vakuumbiopsie hat in jedem einzelnen Fall am besten im Anschluss an eine senologische Konferenz mit Teilnahme von Gynäkologen, Pathologen und Radiologen zu erfolgen. Die Anzahl der methodisch nicht möglichen oder misslungenen Biopsien ist ebenso wie die Anzahl der klinisch relevanten Komplikationen bei der stereotaktischen Vakuumbiopsie sehr gering. Dies gilt v. a. für ein Biopsieteam, das die »learning curve« der ersten 40–50 Biopsien erfolgreich abgeschlossen hat. In seltenen Einzelfällen kann Mikrokalk auch an mehreren Stellen der Brust nachweisbar sein und trotzdem Ausdruck eines Malignoms sein. Auch diese Fälle lassen sich sehr gut mit der Vakuumbiopsie abklären. Prinzipiell kann die stereotaktische Vakuumbiopsie auch bei Herdbefunden eingesetzt werden, wobei es von großer Bedeutung ist, dass man den Herdbefund in dem sehr kleinen mammographischen Ausschnittsfenster der Digitalen Mammographie von 5×5cm, die bei der Vakuumbiopsie unter Röntgen-Kontrolle zumeist eingesetzt wird, eindeutig in mindestens 2 der 3 angefertigten Projektionen wieder erkannt werden kann. Schließlich muss man sich im Klaren darüber sein, dass, wenn man einen Herdbefund stereotaktisch vakuumbiopsiert hat, bei einer Diskordanz zwischen mammographischen Bild und histologischem Ergebnis eine operative Abklärung angeschlossen werden muss. Es kann aber ohne weiteres nach der Biopsie der Fall sein, dass der ursprüngliche Herdbefund aufgrund der Hämatomüberlagerung nicht mehr sicher nacheisbar ist. Viele Arbeitsgruppen setzen in Fällen, in denen dies zu befürchten ist, dann die Clip-Markierung der Biopsiehöhle ein.
Durchführung der Stereotaktischen Vakuumbiopsie Jede Einheit zur Durchführung einer stereotaktischen Vakuumbiopsie besteht prinzipiell aus einer Digitalen Mammographie, einem Kompressorium für die Brust, einer Lagerungshilfe für die Patientin sowie einem Vakuumbiopsiesystem. Unabhängig von dem verwendeten digitalen Mammographie-Gerät und der Lagerungshilfe werden bei allen stereotaktischen Vakuumbiopsien nach einer für die Patientin bequemen Lagerung zunächst 3 unterschiedliche Projektionen des zu biopsierenden Befundes angefertigt. Klassischerweise sind es die »gerade« 0°-Projektion und die nach links und rechts abweichenden 15°-Projektionen, die für die Anwendung des 2. Strahlensatzes verwendet werden. Der Steuercomputer errechnet aus den Koordinaten der zu biopsierenden Läsion zum einen den Winkel, der sich von der »Ruheposition« der Biopsienadel aus, also in der
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. Abb. 20.56a–i. Stereotaktische Vakuumbiopsie am Beispiel der Kombination des Fischertischs und der Mammotome-Biopsie. a -15°-Projektion, die zusammen mit der +15°-Projektion für die Berechnung des optimalen Eindringwinkels der Nadel und der Eindringtiefe notwendig sind (Stereotaxie-Gesetze). b Das »Prefire«-Bild zeigt die Kontrolle der Nadelposition nach Einbringen der Nadel in die Brust und vor dem Auslösen des Schussmechanismus. c, d, e Hingegen zeigen das »Postfire«-Bild und die Skizze die Kontrolle nach Auslösen des Schussmechanismus und Aktivieren des Vakuums. f, g die »Postprocedure«-Aufnahme und die Skizze stellen die Abschlusskontrollen dar, bei denen anstelle der Mikroverkalkungen Lufteinschlüsse zu erkennen sind (offene Pfeile). h Die Präparateradiographie zeigt schließlich den entnommenen Kalk (offene Pfeile) in den Präparaten (i) (d, e, f Copyright©: Johnson & Johnson)
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i . Abb. 20.56g–i g
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Regel der Horizontalen relativ zu der zu biopsierenden Läsion ergibt, zum anderen die Tiefe, in die die Nadel vorgeschoben werden muss, um in Verbindung mit dem eingestellten Winkel genau an die gewünschte Stelle in der Brust zu kommen. Am Beispiel des am längsten auf dem Markt erhältlichen und derzeit am weitesten verbreiteten Vakuumbiopsiesystem, dem »Mammotome« der Fa. Ethicon Endosurgery in Kombination mit dem Tisch der Fa. Fischer (. Abb. 20.56), wird dann die Nadel nach erfolgter Infiltration der Haut und des Unterhautfettgewebes mit Lokalanästhetikum sowie einer minimalen Stichinzision der Haut mit einem Skalpel anschließend die Nadel in die so genannte »Prefire«-Position vorgeschoben, um dann in einer erneuten Röntgenkontrolle die richtige Nadelposition zu kontrollieren. Im optimalen Falle liegt die Nadelspitze unmittelbar vor der zu biopsierenden Läsion. Wenn das der Fall ist, wird der »Schussmechanismus« ausgelöst, der die Nadel mit hoher Ge-
schwindigkeit genau so weit nach vorne treibt, dass die Resektionsöffnung danach unmittelbar benachbart zur Läsion zu liegen kommt. Hierzu ist eine weitere Röntgenkontrolle erforderlich, in deren Anschluss nach Bestätigung der korrekten Nadelposition die Gewebeentnahme stattfinden kann. Bei allen Vakuumbiopsiemethoden wird das Gewebe mittels Unterdruck in die Nadelöffnung hineingesogen, abgetrennt und innerhalb der Biopsie-Nadel oder innerhalb einer zusätzlichen Coaxialnadel nach außen transportiert. Wird die »Mammotome«-Nadel verwendet, muss die Position des Resektionsfensters dann weitergedreht werden, um an der neuen Position die Gewebeentnahme zu wiederholen. Nach den Empfehlungen der Fachgesellschaften sollten ca. 20 Präparate/Biopsie entnommen werden und zwar in etwa gleichmäßig bei allen »Uhrzeiten«, sodass eine konzentrische Resektionshöhle entsteht. Die Anzahl von 20 Präparaten bezieht sich auf die 11 G-Mammotome-Vakuumbiopsienadel, bei der 20 Präparate je nach Konsistenz des Gewebes einem Durchmesser der Resektionshöhle von ca. 1–1,5 cm entsprechen. Wenn größere Nadeldurchmesser verwendet werden, kann die Anzahl der Präparate reduziert werden – beispielsweise bei der 8 G-Mammotome-Vakuumbiopsienadel auf ca. 10–12 Präparate, die dann in kürzerer Zeit entnommen werden können. Ist ein abzuklärender Befund größer, können aber mit beiden Nadeln auch mehr Präparate entnommen werden. Auf diese Weise sind auch Befunde mit einem Durchmesser von 2 cm und mehr mit der Vakuumbiopsie leicht repräsentativ abzuklären. > Es kommt bei der Vakuumbiopsie als einem rein diagnostischen Verfahren nicht auf die vollständige Resektion des abzuklärenden Befundes an, sondern auf die repräsentative und nach Möglichkeit zumindest 50%-ige Entfernung des Gewebes.
Aus wissenschaftlichen Auswertungen ist bekannt, dass eine mehr als 50%-ige Entfernung der Befunde mit einer niedrigeren »Unterschätzungsrate« einhergeht. Der Begriff der »Unterschätzungsrate« gibt an, in welchem Prozentsatz sich eine zuerst
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als ADH eingeschätzte Läsion in der operativen Histologie als ein DCIS oder ein invasives Karzinom bzw. ein DCIS als invasives Karzinom herausstellt. Mit dem beschriebenen Vorgehen bei der Vakuumbiopsie und der daraus resultierenden höherprozentigen Resektion der Befunde geht eine »Unterschätzungsrate« von ca. 8–12% einher. Im Vergleich zu den Unterschätzungsraten bei der sonographischen Stanzbiopsie, die in der Literatur mit bis zu 30% angegeben wird, sind die Ergebnisse der Vakuumbiopsie somit sehr nierdrig. Von nicht unerheblicher Bedeutung ist die Unterschätzungsrate deswegen, weil im Falle einer notwendigen sich an die Biopsie anschließenden operativen Therapie das Vorgehen sich bei einer malignen Läsion unterscheidet von dem Vorgehen bei einer Vorläuferstufe eines Karzinoms. Wenn die ersten 10 Präparate bei der Vakuumbiopsie entnommen wurden, wird eine Radiographie der Präparate angefertigt, um anhand der vorhandenen oder fehlenden Mikroverkalkungen in den Präparaten die Frage der Repräsentativität zu beantworten. Wenn man nach einer »Rotation« der Vakuumbiopsienadel die Präparateradiographie anfertigt, bleibt genug Zeit, die zweite »Rotation« der Vakuumbiopsienadel durchzuführen, bis das Ergebnis der Präparate-Radiographie vorliegt. Für die überlagerungsfreie und artefaktfreie Abbildung der Präparate eignet sich eine einfache Petrischale sehr gut und ist darüber hinaus auch noch kostengünstig. Wenn die Repräsentativität anhand des Mikrokalks in den Präparate-Radiographien sichergestellt ist, wird eine mammographische Abschlusskontrolle durchgeführt, um das Ausmaß der Resektion zu bestimmen (Vollständigkeit) und einen Vergleichswert zu schaffen für die 6 Monate nach dem Biopsietag stattfindenden Kontrollen. Wenn umgekehrt in den Präparate-Radiographien noch nicht genug oder gar kein Microkalk vorhanden ist, muss man sich an den Kontroll-Mammographien orientieren, in welcher »Uhrzeit« der Mikrokalk lokalisiert ist und ggf. dann in dieser Position »nachresezieren«. Wenn weitere Gewebeentnahmen stattgefunden haben, wird wieder eine PräparateRadiographie angefertigt und auch wieder eine Kontroll-Mammographie der Brust. Zum Abschluss der gelungenen Biopsie bekommt die Patientin nach einer 3- bis 5-minütigen manuellen Kompression durch die MTRA oder die Patietin selbst einen Steristrip zum Adaptation der Wundränder und einen zirkulären Druckverband, um die sehr seltenen Fälle von Nachblutungen zu vermeiden. Es ist sinnvoll, die Präparate nach Mikrokalkgehalt zu sortieren, sodass bei 2 Rotationen klassischerweise 4 kleine Behälter resulieren, nämlich 2 mit und 2 ohne Mikrokalk. Den Behältern wird für den Pathologen noch eine Präparateradiographie beigefügt, um einen Eindruck zu vermitteln, um wie viel und welche Art von Mikrokalk es sich handelt. Der Bericht des Pathologen sollte beeinhalten, ob sich Mikrokalk mit einem Durchmesser von mehr als 150–200 μm in den Präparaten gefunden hat und ob der Mikrokalk mit den relevanten Histologien in Zusammenhang steht. Mikroverkalkungen mit einer Größe von <150 μm werden zwar in den (Kossa)Färbungen der Pathologen nachgewiesen, sind aber mammographisch nicht nachweisbar und erklären somit keinen mammographischen Mikrokalk.
Methodik sonographisch gesteuerter Verfahren Bei einer sonographisch gesteuerten Stanzbiopsie (. Abb. 20.54) wird zunächst nach der Indikationsstellung zur histologischen Abklärung eine entsprechende Aufklärung vorgenommen. Aufklärungsgespräche über die möglichen Risiken sollten wie auch bei der Vakuumbiopsie unter Röntgenkontrolle zunächst einmal die Blutung in die Brust oder nach außen beinhalten, wobei es in besonders seltenen Fällen zu derart hartnäckigen Blutungen kommen kann, dass eine operative Blutstillung notwendig wird. Besonders schwierig sind die Fälle zu behandeln, bei denen nicht eine umschriebene abgekapselte Einblutung, sondern eine diffuse interstitielle Blutung vorliegt, die zu einer sehr prallen Schwellung und Verfärbung der Brust führen kann. Abgekapselte Einblutungen sollten interventionell mittels einer dicklumigeren Nadel abgesaugt werden oder aber operativ freigelegt werden. Die klinisch relevanten Blutungen hierbei treten sehr viel häufiger bei den dickeren, zumeist vakuumassistierten Biopsiesystemen (11 G–8 G) auf als bei der einfachen 14 G-Stanzbiopsie. Inhalt des Aufklärungsgesprächs sollte auch die mögliche, wenn auch sehr seltene Brustmuskelverletzung und der Pneumothorax sein, die in noch sehr viel selteneren Fällen mit einer Bülaudrainage versorgt werden müssen. Der histologische Nachweis von Muskelgewebe in den Präparaten der Stanzbiopsie eines brusteigenen Herdbefundes v. a. bei thoraxwandnaher Lage ist allerdings keine Seltenheit. Schließlich gibt es in sehr seltenen Fällen auch allergische Reaktionen auf die Lokalanästhetika, wobei vor Beginn der Biopsie die Neigung zu allergischen Reaktionen und v. a. nach eingenommenen Antikoagulanzien erfragt werden muss. ! Bei Quickwerten unter 40% oder stark verlängerte PTT sollte eine Stanzbiopsie nicht ohne zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt werden, wohingegen die Einnahme von Acetyl-Salicyl-Säure zumeist heute nicht mehr als Kontraindikation gesehen wird (zumindest für die 14 G-Biopsie).
Als Lokalanästhetikum werden 5–10 ml Scandicain oft mit Adrenalinzusatz verwendet, die in der Haut und dem Unterhautfettgewebe direkt vor dem Herdbefund verteilt werden. Ein Vereisungsspray kann zusätzlich den kurzen Schmerz bei der Punktion der Haut mit Nadel zur Infiltration des Lokalanästhetikums reduzieren. Je nach persönlicher Expertise des biopsierenden Arztes werden entweder Coaxialsysteme verwendet oder aber die 14 G-Biopsienadel als primäres Arbeitsinstrument ohne Coaxialnadel eingesetzt. Beiden Vorgehensweisen ist gemeinsam, dass die Spitze der Nadel direkt vor den Herdbefund positioniert wird, um dann nach Auslösen des Schussmechanismus erst die Schneidekanüle und dann die Abtrennkanüle in sehr schneller Folge durch den Herdbefund hindurchzutreiben (s. o.). Anschließend wird das Biopsiesystem herausgezogen und das Präparat entnommen, um es in Formalin einzulegen. Wenn eine Coaxialnadel vor den Herdbefund gelegt wird, ist das Wiedereinführen der Biopsienadel für ein 2. oder 3. Biopsat sehr viel leichter, wobei das Einbringen der Coaxialnadel aufgrund des etwas größeren Außendurchmessers schwierig sein kann und in manchen Fällen eine kurze Stichinzision mit dem Skalpel erfordert. Die Coaxialnadel wird zunächst sehr steil, fast
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senkrecht zur Haut ungefähr in der Entfernung von dem Herdbefund wie die Coaxialnadel lang ist, in die Brust eingebracht, bis die Haut perforiert ist, um die Coaxialnadel dann flach und unter sonographischer Kontrolle am besten parallel zur Thoraxwand in Richtung des Herdbefundes vorzuschieben. Anschließend wird die Nadel aus dem Coaxialsystem, das während der gesamten Biopsie in der Brust verbleibt, entfernt und die Biopsienadel durch die verbliebene Hülse vor den Herdbefund positioniert. Anschließend wird der Schussmechanismus ausgelöst und die Biopsie damit durchgeführt. Im Rahmen der Biopsie werden 2–5 Biopsate pro Herdbefund empfohlen, um sicherzugehen, dass die Biopsie repräsentativ ist. Auch die Kontrolle der Nadelspitze in 2 Ebenen vor und nach Auslösen des Schussmechanismus ist zur Sicherung der Repräsentativität zu empfehlen.
durchgeführt und nur deshalb zur mammographischen Kontrolle geschickt, um eine entweder primär schon suspizierte oder aber erst nach sonographischer Markierung erkennbare mammographische Übereinstimmung zu sichern bzw. auszuschließen. Die mammographische Kontrolle einer sonographisch durchgeführten Markierung ist in der Regel unabhängig von der Eintrittsstelle und dem Eintrittswinkel möglich, da die Markierungsnadel nach Abschluss der sonographischen Markierung bereits entfernt wurde und der verbliebene Draht bei der Mammographie nicht stört. Lediglich das Ausmaß der Kompression wird bei der mammographischen Lagekontrolle einer unter sonographischer Steuerung eingebrachten Nadel oft reduziert, um die Schmerzhaftigkeit zu begrenzen.
> Ein erster oberflächlicher Eindruck über die Dignität der Läsion lässt sich gewinnen, wenn man überprüft, ob das Gewebe in Formalin auf den Boden des Behälters absinkt oder nicht. Ein Absinken spricht eher für eine maligne Läsion, während ein dauerhaftes Schwimmen auf der Oberfläche eher bei gutartigen Befunden zu beobachten ist.
Ähnlich wie schon bei der Indikationsstellung für eine MR-Mammographie ist auch bei der MR-gesteuerten Intervention sorgfältig zu überprüfen, ob man die Indikation zu dieser Methode stellen muss. Nur wenn man die Ergebnisse von Mammographie und Sonographie im Detail kennt und auch nach erneutem Durchmustern der Mammographie und erneuter Ultraschalluntersuchung unter Kenntnis der MR-Untersuchung (»second look ultrasound«) kein Korrelat für einen ggf. vorhandenen suspekten MR-Befund nachzuweisen ist, sollte man die MR-Intervention indizieren. In den meisten Fällen lässt sich zumindest unter Kenntnis der Lokalisation und Größe des MR-Befundes ein sonographisches und/oder mammographisches Korrelat finden und dann auch eines der beiden Verfahren zur Abklärung einsetzen. Eine Kontrolluntersuchung nach 4 Wochen, in jedem Falle nach Absetzen einer ggf. stattfindenden Hormonersatztherapie, ist für den Fall, dass es sich nicht um eine hochgradig suspekte Läsion oder um eine Läsion von geringer Größe handelt, eine durchaus zu überdenkende Alternative. Bei den MR-gesteuerten Interventionen der Brust ist abweichend von der MR-Bildgebung der Mamma eine spezielle Vorrichtung notwendig, die einen Zugang für die Intervention an der Brust erlaubt (. Abb. 20.57, . Abb. 20.58, . Abb. 20.59). Bei den meisten Interventionsvorrichtungen ist der Zugangsweg seitlich, wobei der prinzipiell zu bevorzugende kranio-kaudale Zugang mittlerweile auch angeboten wird. Weiterhin muss man simple Lagerungshilfen ohne integrierte Empfangsspulen von den seit neuestem auf dem Markt befindlichen, kombinierten Bildgebungs- und Interventionsspulen unterscheiden. Selbstverständlich sind die spulentragenden Vorrichtungen den reinen Lagerungshilfen, die auf manuell zu positionierende kleine Ringspulen zur Erzeugung von Bildern angewiesen sind, bei weitem überlegen. Nicht selten treten bei den Bildern, die von den Ringspulen unter den Lagerungshilfen erzeugt werden, Probleme bei der Reproduktion der Herdbefunde auf, die mit den sehr detailgenauen Bildgebungsdoppelspulen nachgewiesen wurden und zur Biopsie vorgesehen waren. Probleme bei der Reproduktion der zu biopsierenden Befunde treten v. a. auch bei den offenen Niederfeld-MR-Geräten bis 0,5 Tesla auf, die aufgrund des interventionsfreundlichem Designs der Geräte v. a. früher gerne auch für Interventionen an der Brust eingesetzt wurden. Unabhängig von der MR-Hardware ist für die MR-Interventionen eine spezielle Software erforderlich, um die 3-dimen-
Die mammographische Kontrolle einer sonographisch gesteuerten Markierung sollte im Übrigen auch für den Fall, dass man kein mammographisches Korrelat erwartet, angestrebt werden, um für die postoperativen Mammographiekontrollen die ehemalige Tumorlokalisation zu kennen und mit dieser Kenntnis ggf. eine Rezidivdiagnose leichter stellen zu können. Schließlich werden ein Pflaster auf die Punktionsstelle und ggf. ein zirkulärer Druckverband angebracht, um die seltenen Fälle von Nachblutungen zu vermeiden. Für jede Biopsie sollte protokolliert werden, um welche BI-RADS-Kategorie es sich bei der Läsion handelt und ob die Biopsie sicher repräsentativ ist oder nicht. Der die Biopsie durchführende Arzt sollte auch den Histologiebericht in Empfang nehmen, um zu überprüfen, ob das sonographische Bild und der Pathologiebericht zueinander passen oder ggf. die Biopsie wiederholt werden muss. Optimal ist es, wenn die Ergebnisse in Anwesenheit des Pathologen und Senologen anhand der Bilder zu diskutieren. Wenn Präparate-Radiographien angefertigt wurden, weil sich auch Mikrokalk in dem Herdbefund befand, sind auch die Präparate-Radiographien an den Pathologen mitzuschicken und bei der Konferenz zu zeigen. Generell sollten Herdbefunde mit Mikrokalk besser stereotaktisch mittels Vakuumbiopsie abgeklärt werden.
Sonographisch gesteuerte Markierungen Sonographisch gesteuerte, präoperative Markierungen sind in der Regel unkompliziert durchzuführen und oft viel leichter und schneller als die Markierungen unter mammographischer Kontrolle vorzunehmen. Bei dieser Form der Markierung können onkologische und operationstechnische Aspekte gut miteinbezogen werden, da prinzipiell jeder beliebige Zugangsweg zur Verfügung steht. In vielen Fällen werden die sonographisch gesteuerten, präoperativen Drahtmarkierungen von den Operateuren selbst
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sionalen Koordinaten der zu biopsierenden bzw. markierenden Läsion zu berechnen. Alternativ werden ähnlich wie bei der Lochplattenmarkierung mit der Röntgen-Mammographie signalgebende Markierungen an den Kompressorien mancher Interventionsspulen angebracht, um dann von der am nächsten zu der biopsierenden Läsion gelegenen Markierung in die Brust mit der Nadel einzugehen und die jeweilige Intervention durchzuführen. Natürlich sind hierfür spezielle Materialien der Biopsie-/Markierungsnadeln notwendig, da die sonst handelsüblichen Materialien nicht nur vom Magnetfeld angezogen, sondern auch einen Auslöschungsartefakt verursachen würden, sodass eine Lagekontrolle mittels MRT nicht möglich wäre. Die MR-kompatiblen Materialien, seien es Stanz- oder Vakuum-Biopsienadeln, Coaxialnadeln oder Markierungsnadeln bzw. Drähte bestehen zumeist aus Titanlegierungen, tragen eine spezielle Aufschrift (»MR-Tool«) und sind mittlerweile in großer Anzahl auf dem Markt erhältlich.
. Abb. 20.57a–e. Beispiel einer MR-gesteuerten Intervention: Drahtmarkierung. a MR-Mammographie in T2-Gewichtung (a) und T1-Gewichtung (b) in T1-Gewichtung und Subtraktion 3 min nach KM-Gabe; c MR-Mammographie unter Verwendung der Lagerungshilfe für MR-Interventionen in Kombination mit einer kleinen Ringspule (T1-gewichtet nach Subtraktion); d, e T1-gewichtete Aufnahmen ohne Subtraktion. Präoperative MR-gesteuerte Drahtmarkierung bei einem ausschließlich im MRT darstellbaren, 7 mm großen suspekten Befund links medial retromamillär (offene Pfeile). Aufgrund der geringen Größe dieses Befundes und zur Vermeidung eines falsch negativen Ergebnisses wurde von einer minimal invasiven Biopsie abgesehen und die primär operative Abklärung nach MR-gesteuerter Drahtmarkierung (geschlossene Pfeile, e) vorgenommen. Es handelte sich um ein Papillom
Schließlich bleibt zu klären, wann minimal invasive MR-Biopsien und wann MR-Markierungen als OP-Vorbereitung indiziert sind. Prinzipiell gilt natürlich auch bei MR-gestützen Interventionen der Grundsatz, dass man bei der histologischen Abklärung einer Läsion so invasiv wie nötig und so vorsichtig wie möglich vorgehen sollte. An allererster Stelle aber stehen die Patientensicherheit und der selbstverständliche Anspruch der Patientin, dass sie sich auf das Ergebnis einer minimal invasiven Biopsie verlassen können muss. Je nach Expertise des senologisch tätigen Teams, den Details des jeweiligen Befundes und den vorhandenen Gerätschaften kann es durchaus Sinn machen, eine besonders kleine, aber reproduzierbar suspekte Läsion für den Operateur MR-gesteuert zu markieren, um die definitive Entfernung der Läsion sicherzustellen. Man muss sich im Klaren darüber sein, dass nach einer stattgehabten Biopsie die Frage, ob eine repräsentative Gewebeentnahme gelungen ist, sehr schwierig zu
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. Abb. 20.58a–g. Beispiel einer MR-gesteuerten Intervention: MR-gesteuerte Stanzbiopsie. a–d Film-Folien-Mammographie beidseits in cc-/mlo-Projektion; e MR-Mammographie in T1-Gewichtung nach Subtraktion. f, g MR-Mammographie in identischer Position, aber unter Verwendung der Interventionsvorrichtung in Kombination mit einer kleinen Ringspule. Die Bilder wurden vor und nach Durchführung der MR-gesteuerten Biopsie aquiriert. Mammographisch unklare Situation links nach stattgehabtem Mammakarzinom mit zunehmend radiärem Aspekt der Narbe links 9 Jahre postoperativ (offene Pfeile), sodass ein MRT der Mamma zum Ausschluss
eines Rezidivs durchgeführt wurde. Im Rahmen der MR-Untersuchung kein Hinweis für ein Rezidiv links, aber Nachweis eines knapp 1 cm großen Herdbefundes kontralateral in einer Distanz von zwei Dritteln zum Thorax im Zentralsegment gelegen. Bei fehlendem Korrelat in der Mammographie und der »Second-Look«-Sonographie Durchführung einer MR-gesteuerten Biopsie. Es ergab sich in der Dynamik ein deutliches »blooming-sign«, also eine Größenzunahme des Befundes in den Subtraktionen. Es handelte sich dabei histologisch um ein 9 mm großes Mammakarzinom der Gegenseite
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. Abb. 20.59a–h. Beispiel einer MR-gesteuerten Intervention: Präoperative MR-gesteuerte Drahtmarkierung. a T1-gewichtete koronare Schichtung des Thorax; b, c fettgesättigte T1-gewichtete transversale Schichtung der Mamma mit korresponierender suspekter Zeit-Intensitätskurve; d-f MR-gesteuerte präoperative Drahtmarkierung; g, h Mammographiekontrolle nach MR-Markierung. MR-Untersuchung der Mammae bei Lymphknotenmetastasen der Axillen beidseits (offene Pfeile) und unbe-
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kanntem Primärtumor. Neben zahlreichen, nicht suspekten Anreicherungen kann links bei 3 Uhr (geschlossener Pfeil) der Primarius der Lymphknotenmetastasen nachgewiesen und die entsprechende Therapie eingeleitet werden. Auch nach MR-gesteuerter Drahteinbringung kann das Karzinom in der Mammographie nicht nachvollziogen werden. Auch sonographisch war in der »Second-Look«-Untersuchung kein Korrelat für den MR-Befund nachzuweisen
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beantworten sein kann, da dann eine Überlagerung der Läsion mit postmanipulatorisch bedingten Anreicherungen vorliegen kann. In diesem Zusammenhang ist es dann am besten, die großvolumige Vakuumbiopsie einzusetzen, um den operativen Eingriff zu vermeiden. Bei der Vakuumbiopsie, die im Kapitel Röntgen-Mammographie-Interventionen ausführlich beschrieben wurde, wird ähnlich wie bei der Operation ein größeres Volumen entfernt und das Risiko, die suspizierte Läsion nicht getroffen zu haben, weitaus reduziert. > In jedem Fall sollte, falls bei einer sicheren repräsentativen Biopsie sich keine eindeutige Korrelation zwischen MR-Befund und Histologie herstellen ließ, eine Kontroll MR-Untersuchung erfolgen, um eine falsch negative Intervention auszuschließen. Voraussetzung für den Abgleich der Histologie mit den Bildgebungsdetails ist im Idealfall eine interdisziplinäre Konferenz von Radiologen, Gynäkologen und Pathologen, bei der zusammen überlegt wird, ob die Befunde »zusammenpassen«.
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Grundsätzliche Betrachtungen bei der Therapie eines Mammakarzinoms
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Nachdem die histologische Diagnosesicherung eines Mammakarzinoms erfolgt ist, besteht der nächste Schritt– außer bei einer präoperativen Chemotherapie – obligatorisch in der operativen, histologisch zu verifizierenden in Sano-Entfernung des Malignoms. Nicht tastbare Auffälligkeiten sollten hierzu präoperativ am besten unter Verwendung des jeweiligen Verfahrens, mit dem die pathologische Veränderung erkannt wurde, drahtmarkiert werden. Um ein etwaiges Verrutschen des Markierungsdrahtes präoder intraoperativ auszuschließen, muss mit demselben Verfahren, das zur Steuerung der Drahtmarkierung verwendet wurde, eine Untersuchung des Präparats erfolgen. Wurde der minimal invasiv abgeklärte Herdbefund z. B. primär mit der Sonographie erkannt, muss eine Präparate-Sonographie durchgeführt werden. Präparate-Radiographien hingegen kommen zur Anwendung, wenn es sich um einen mammographischen Befund gehandelt hat, der präoperativ stereotaktisch markiert wurde. Die intraoperative Untersuchung eines MR-markierten Herdbefundes im Sinne einer »MR-Präparate-Radiographie« ist technisch hingegen nicht möglich, sodass bei Unklarheiten hinsichtlich der Vollständigkeit der Resektion eines ausschließlich in der MR-Mammographie entdeckten Mammakarzinoms ggf. eine postoperative MR-Kontrolle stattfinden muss. > Bei der Operation eines Mammakarzinoms wurde in der Vergangenheit zumeist gefordert, dass auch der Stichkanal einer vorangegangenen, minimal invasiven Biopsie mit exzidiert wurde, wobei dies heute nicht mehr als obligatorisch gilt. Die Kenntnis des für die minimal invasive Biopsie genutzten Zugangwegs ist für die Einbringung der Markierungsnadel und die Durchführung der Operation allerdings weiterhin erstrebenswert.
Als Sicherheitsstandard bei der Operation eines Mammakarzinoms gilt, dass man bei invasiven Mammakarzinomen einen Sicherheitsabstand von 1 mm bzw. bei DCIS einen Sicherheitsabstand von 5 mm zum Resektionsrand erreicht. Damit der Pathologe den Abstand des Malignoms zum Resektionsrand bestimmen kann und v. a. – bei nicht ausreichendem Sicherheitsabstand – auch eine gezielte Nachresektion in der richtigen Region erfolgen kann, ist eine genaue intraoperative Kennzeichnung der Resektionsränder unabdingbar, und zwar kranial, kaudal, ventral, dorsal, innen und außen. In der Regel werden hierzu unterschiedlich lange und farbige Fadenmarkierungen in das Operationspräparat eingenäht. Es ist unbedingt zu beachten, dass diese Fadenmarkierungen bei einer Präparate-Radiographie oder PräparateSonographie auf keinen Fall inzidentiell entfernt werden. Die radiologische Zuordnung ggf. vorhandener, bis an den Präparaterand heranreichender Auffälligkeiten relativ zu den Resektionsrändern in der Präparate-Radiographie ist eine wichtige Information für den Operateur und auch den Pathologen. Die beschriebenen intraoperativen Arbeitsschritte spielen natürlich besonders bei der brusterhaltenden Vorgehensweise eine große Rolle. Die in Sano-Resektion ist zwar auch für die histologische Beurteilung einer Ablatio wichtig, wobei eine Nonin-sano-Resektion nach erfolgter Ablatio zum einen nur in absoluten Ausnahmefällen vorkommt, zum anderen eine operative Erweiterung der Resektion nach stattgehabter Ablatio oft nicht möglich ist. In Falle einer Non-in-sano Resektion bei einer Ablatio mammae würde für den Fall einer technisch nicht möglichen Nachresektion ggf. eine Radiatio der Thoraxwand ergänzend durchgeführt. Entgegen früheren Überzeugungen, dass die Ablatio mammae die einzig Therapieform bei einem Mammakarzinom wäre, die eine ausreichende Sicherheit bietet, konnten große klinische Studien in den 1970er und 1980er Jahren (u. a. von Veronesi) zeigen, dass sowohl das Gesamt-Überleben als auch das Auftreten klinisch relevanter Rezidive bei beiden Vorgehensweisen, also bei brusterhaltender Therapie mit Radiatio und primärer Ablatio mammae, vergleichbar sind. Die Lokal-Rezidivrate bei brusterhaltender Therapie beträgt mit ergänzender standardisierter Radiatio ca. 5–15% im Vergleich zu ca. 30–40% ohne Radiatio. Mehr noch konnte gezeigt werden, dass die früher einmal praktizierte, besonders radikale Mastektomie nach RotterHalsted (1894), die auch die Entfernung des Brustmuskels vorsah, wie auch die modifiziert radikale Mastektomie nach Patey (1942), die ohne Entfernung des Brustmuskels durchgeführt wurde, keine Verbesserung des Überlebens brachte. Die Rationale für die damaligen Therapieansätze bestand darin, dass man die Mammakarzinom-Erkrankung v. a. als ein »lokales Problem« ansah, das nur durch besonders radikale lokale Maßnahmen suffizient behandelt werden könne. Das aktuelle Verständnis der Mammakarzinom-Erkrankung hingegen betrachtet das Mammakarzinom auch im nicht metastasierten Zustand als eine systemische Erkrankung, sodass je nach Stadium der lokal sanierenden Therapie schon frühzeitig eine systemische adjuvante Therapie hinzugefügt wird.
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Histopathologische Untersuchung
Radiatio
An den Operationspräparaten der Brust werden neben der Tumorgröße, dem Vorhandensein invasiver Tumorherde, dem histologischen Bild (duktal/lobulär/dukto-lobulär/muzinös/tubulär etc.), der Mitoserate und dem Differenzierungsgrad (G1–G3) v. a. auch die Rezeptoren für Östrogen, Gestagen und Her 2-Neu bestimmt. Tumoren mit einem großen Durchmesser, lobulärer Differenzierung, hoher Mitoserate, niedriger Differenzierung und fehlender Exprimierung von Hormonrezeptoren weisen tendenziell eine schlechte Prognose auf. In diesem Zusammenhang gelten die »Triple-negativen« Tumoren, also die Tumoren komplett ohne Exprimierung von Östrogen-/Progesteron und Her-2-NeuRezeptoren als besonders ungünstig.
Nach Abschluss der operativen Therapie wird zumeist nach 2– 3 Wochen, wenn die Operationsnarbe weitestgehend abgeheilt ist, mit der Strahlentherapie der Restbrust begonnen. Hierzu werden 50–55 Gy in Einzeldosen von 1,8–2 Gy appliziert, wobei die Bestrahlung üblicherweise 5- bis 6-mal/Woche erfolgt. Die Gesamtdosis kann bis auf 60 Gy erhöht werden, wenn der Tumor nur knapp im Gesunden reseziert werden konnte. Durch die Fraktionierung können die Nebenwirkungen reduziert werden, ohne die Sicherheit für die Patientin die gleiche bleibt. Bestrahlungen der Axilla und/oder der Thoraxwand erfolgen nur in besonderen Fällen und erfordern ein für jede einzelne Patientin angepasstes Protokoll. Inwieweit die neuen intraoperativen Bestrahlungstechniken das Potential haben, in einer einzelnen oder wenigen Sitzungen eine ähnliche Sicherheit in der Vermeidung von Rezidiven zu erreichen wie die über mehrere Wochen sich erstreckenden hyperfraktionierten perkutanen Bestrahlungen, muss erst noch in prospektiv randomisierten Studien geklärt werden.
Sentinel-Node-Biopsie Ein weiterer Schritt in der Modernisierung der Mammakarzinom-Therapie ist in der seit wenigen Jahren auch außerhalb von Studien praktizierten »Sentinel Node«-Biopsie, also der WächterLymphknoten-Biopsie zu beschreiben. Hierbei handelt es sich um eine minimal invasive Methode zur Abklärung eines möglichen axillären Lymphknotenbefalls bei histologisch gesichertem Mammakarzinom. Die klinischen Studien zu Beginn der »Sentinel Node«-Ära konnten zeigen, dass die Sicherheit der Voraussage einer Lymphknotenmetastasierung in der Axilla über die Analyse des Wächter-Lymphknoten so hoch ist, dass man auf eine operative Axilla-Dissektion im Falle eines negativen Wächter-Lymphknotens verzichten kann. Bei dieser Methode wird v. a. bei T1-/T2-Tumoren ein Radiopharmakon (150-250 MBq 99m Tc-markierte Kolloide) peritumoral und/oder perimamillär injiziert und dann der/die drainierende(n) Lymphknoten, der/ die das Radiopharmakon gespeichert hat/haben, exstirpiert. Hierzu wird intraoperativ eine Sonde benutzt, die Radioaktivität semiquantitativ nachweisen kann und somit das intraoperative Auffinden der radioaktiven Lymphknoten erlaubt. Die exstirpierten Lymphknoten werden zum Schnellschnitt geschickt und nur im Falle eines Befalls dieser Lymphknoten wird eine »konventionelle« Axilla-Dissektion angeschlossen. Bei der operativen Axilla-Dissektion werden die Lymphknoten in den Axilla-Levels I und II, selten auch im Level III exstirpiert. Die Entnahme von mindestens 10 Lymphknoten ist hierbei anzustreben, wobei es sich nicht um eine primär therapeutische Maßnahme handelt, die als Einzelmaßnahme bedeutsam wäre, sondern um eine diagnostische Maßnahme, um das Ausmaß der Absiedlung von Tumorzellen und somit das Tumorstadium bestimmen zu können. Der Lymphknotenstatus stellt somit ein ähnlich wichtiges prognostisches Kriterium dar wie die Tumorgröße, die Differenzierung etc. Inwieweit auch T3-/T4-Tumoren für diese Methode geeignet sind, ist noch nicht abschließend geklärt und wird derzeit in Studien evaluiert. Schlecht geeignet sind Patientinnen, die bereits eine Quadrantenresektion hinter sich haben, weil das Ergebnis der Sentinel-Node-Biopsie verfälscht werden kann. In den Fällen, bei denen palpatorisch und/oder bildgebend eine Lymphknotenfilialisierung zu suspizieren ist, ist die Sentinel-Node-Methode sogar streng kontraindiziert. Hingegen ist eine stattgehabte Stanz-/Vakuumbiopsien keine Kontraindikation für eine Sentinel-Node-Biopsie.
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Kapitel 20 · Bildgebende und Interventionelle Diagnostik der Brustdrüse mittels Röntgen-Mammographie, Mamma-Sonographie und MR-Mammographie
gnostic Methods (Mammography, Ultrasound, MRI) in the secondary and tertiary prevention of familial breast cancer. Preliminary results after the first half of the study period. Rofo. 2005 Jun; 177(6): 818-27 Kuhl CK, Schrading S, Leutner CC, Morakkabati-Spitz N, Wardelmann E, Fimmers R, Kuhn W, Schild HH. Mammography, breast ultrasound, and magnetic resonance imaging for surveillance of women at high familial risk for breast cancer. J Clin Oncol. 2005 Nov 20; 23(33): 8469-76 Lacour J, Le M, Rumeau C, Bucalossi P, Caceres E, Koszarowski T, Jacobelli G, Veronesi U. International therapeutic trial comparing the value of radical mastectomy (Halsted) and extended mastectomy (Halsted plus internal mammary node dissection in the treatment of breast cancer. 5-year results). Chirurgie. 1976; 102(8): 638-49 Lazlo Tabar, Tibor Tot, Peter B. Dean. The art and science of early detection with mammography. Thieme Verlag, ISBN 3.13.1352716 Müller-Schimpfle M; AG Mammadiagnostik der DRG. Consensus meeting of course experts in breast diagnosis 5 May 2007 in Frankfurt am Main – topic: microcalcinosis. Rofo. 2008 Jan; 180(1): 66-8 Müller-Schimpfle M, Ohmenhäuser K, Claussen CD. Effect of age and menstrual cycle on mammaography and MR mammography Radiologe. 1997 Sep; 37(9): 718-25 Veronesi U, Cascinelli N, Mariani L, Greco M, Saccozzi R, Luini A, Aguilar M, Marubini E. Twenty-year follow-up of a randomized study comparing breast-conserving surgery with radical mastectomy for early breast cancer. N Engl J Med. 2002 Oct 17; 347(16): 1227-32 Veronesi U, Saccozzi R, Del Vecchio M, Banfi A, Clemente C, De Lena M, Gallus G, Greco M, Luini A, Marubini E, Muscolino G, Rilke F, Salvadori B, Zecchini A, Zucali R. Comparing radical mastectomy with quadrantectomoy, axillary dissection, and radiotherapy in patients with small cancers of the breast. N Engl J Med. 1981 Jul 2; 305(1):6-11
20
VI
Herz und Gefäße 21
Herz und Gefäße
– 681
C. Herzog, Th. Vogl
22
Gefäßdiagnostik und Interventionstechniken
– 715
J. O. Balzer, Th. Vogl
23
Vaskuläre interventionelle Therapieverfahren Th. Vogl, B. Bodelle
– 739
21 21 Herz und Gefäße C. Herzog, Th. Vogl
21.1
Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechniken und spezifische Bildanalyse – 682
21.1.1 21.1.2 21.1.3
Normale Anatomie/Topographie – 682 Spezielle Untersuchungstechniken – 682 Systematik der Bildanalyse und spezifische Bildmerkmale
21.2
Differenzialdiagnostik der Herzerkrankungen
– 688
– 691
682
Kapitel 21 · Herz und Gefäße
21.1
Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechniken und spezifische Bildanalyse
21.1.1
Normale Anatomie/Topographie
Normale topographische Aspekte in der bildgebenden Diagnostik Das Herz liegt wie ein schräg geneigter Kegel im Brustkorb, umgeben von rechtem und linkem Lungenflügel. Dabei projiziert sich die Herzbasis nach rechts oben hinten, die Herzspitze (Apex) nach links unten vorne. Unter physiologischen Bedingungen liegen etwa zwei Drittel des Herzens auf der linken und ein Drittel auf der rechten Seite des Brustkorbs. Die Größe des Herzens entspricht in etwa der geschlossenen Faust des Trägers (Gesamtgewicht: ca. 5 g/kg KG (~250–350 g). Das Herz wird durch das längs verlaufende Septum in eine linke und eine rechte Hälfte geteilt, die jeweils noch einmal in einen Vorhof (Atrium) und eine Kammer (Ventrikel) unterteilt sind. 4 Herzklappen wirken als Rückschlagventile und lenken unter physiologischen Bedingungen den Blutfluss ausschließlich in antegrader Richtung. Man unterscheidet Trikuspidal- und Mitralklappe (Segelklappen) zwischen Vorhof und Ventrikel (= Einstrombahn) sowie Pulmonalis- und Aortenklappe (Taschenklappen) zwischen rechter Kammer und pulmonalem Kreislauf bzw. linker Kammer und Körperkreislauf (= Ausstrombahn). Die Versorgung des Herzmuskels (Myokard) erfolgt über 2 getrennte Koronarkreisläufe: die rechte Koronararterie (RCA) und die linke Koronararterie (LCA). Letztere wird unterteilt in 2 Hauptäste: Ramus interventricularis anterior (RIVA) und Ramus circumflexus (RCX). Im Bereich der Herzunterseite kommunizieren beide Systeme miteinander. Form, Größe und Lage des Herzens sind eng miteinander verknüpft und kardiale sowie extrakardiale Faktoren bewirken eine große Anzahl von Varianten, deren Kenntnis wichtig ist, um Fehlbeurteilungen zu vermeiden. Bei der üblichen, im posterioren-anteriorem Strahlengang angefertigten Thoraxaufnahme wird der rechte Herzrand des normalen Herzens ausschließlich vom rechten Vorhof gebildet (. Abb. 21.1). Kaudal kann gelegentlich ein sehr kleiner Anteil des rechten Ventrikels randbildend werden. Ein dreieckförmiger Schatten im rechten Herzzwerchfellwinkel entspricht der V. cava inferior bzw. der einmündenden V. hepatica. Alternativ kommt auch ein Fettbürzel in Betracht. Nach kranial geht die Kontur des rechten Vorhofs ohne Abgrenzung in die V cava superior über, die gelegentlich sehr ausladend oder aber von einer nach rechts ausschwingenden Aorta ascendens überlagert sein kann.
21
! Wichtig ist die Unterscheidung zwischen einer Herzdilatation und einer Mediastinalverbreiterung, z. B. im Rahmen einer Mediastinitis oder einer Tumorerkrankung.
Der linke Herzrand wird, von kranial gesehen, aus 4 ineinander übergehenden Bögen gebildet: dem Aortenbogen, dem Pulmonalissegment (= linke Pulmonalarterie, nicht Pulmonalkonus des rechten Ventrikels!), dem linken Herzohr (als Teil des linken Vorhofs) sowie dem am stärksten vorspringenden Herzabschnitt,
dem Kammerbogen (. Abb. 21.1). Zwischen Pulmonalissegment und linkem Herzohr findet sich im gesunden Herzen eine, häufig nur diskrete, Einschnürung, die so genannte Herztaille oder Herzbucht. ! Im Laufe des Lebens macht das Herz eine beträchtliche Änderung der Form durch. Diese ist bei der röntgenologischen Beurteilung stets zu berücksichtigen.
Herz und große Gefäße unterliegen bis zum 6. Lebensjahr einem stetigen Formenwandel. Beim Neugeborenen können einzelne Abschnitte oft nur unvollkommen abgegrenzt werden. Bis zum Alter von etwa 3 Jahren ist die Herzbucht oft ausgefüllt, sodass sich eine »mitrale« Konfiguration (s. unten) ergibt. Die Herzbucht bildet sich etwa ab dem 4. Lebensjahr und ab der Pubertät (~13 Jahren) entsprechen Lage, Form und Größe etwa den Verhältnissen beim Erwachsenen. Allerdings zeigt sich häufig bis ins frühe Erwachsenenalter ein Überwiegen der rechten Herzanteile, was sich meist durch ein prominentes Pulmonalissegment äußert. Dies darf daher nicht mit kongenitalen Anomalien wie etwa einer Pulmonalisstenose verwechselt werden. Mit zunehmendem Lebensalter kommt es zu einer Aortenelongation und damit zur Ausbildung eines deutlich prominenteren Aortenbogens. Oft ist die so genannte »aortale« Konfiguration (s. unten) bedingt durch eine meist gleichzeitig vorhandene Hypertonie und Aortenektasie. Auch die Lage des Herzens muss berücksichtigt werden. Ein durch Zwerchfellhochstand quergelagertes Herz erscheint ebenfalls fälschlicherweise aortal umgeformt. Ein Tropfenherz, z. B. bei Asthenikern oder im fortgeschrittenen Lebensalter im Rahmen einer Altersatrophie des Myokards, ist ebenfalls von einem pathologischen Befund zu trennen. Wichtig ist auch die Berücksichtigung aufnahmebedingter und extrakardialer Faktoren. So erscheint das Herz auf Liegendaufnahmen deutlich dilatiert (. Abb. 21.3) oder es können Skelettveränderungen (z. B eine Trichterbrust oder Skoliose) zu ausgeprägten intrathorakalen Verlagerungen und Achsenrotationen führen. > Viele pathologische Veränderungen lassen sich deshalb auch häufig nur im Rahmen von Verlaufsuntersuchungen feststellen.
21.1.2
Spezielle Untersuchungstechniken
Eine Beurteilung des Herzens mittels konventioneller Technik erfolgt vorwiegend im Rahmen einer Mitbeurteilung auf Projektionsradiographien des Thorax. Für jede weiterführende kardiale Diagnostik kommen jedoch spezifischere Methoden wie die CT, MRT, Echokardiographie, Katheterangiographie oder aber auch nuklearmedizinische Verfahren zum Einsatz. Die Verfahren werden nachfolgend im Einzelnen dargestellt. Früher eingesetzten Techniken wie die Röntgenkinematographie zur Bewegungsanalyse oder die Tomographie zur Darstellung haben heutzutage gänzlich an Bedeutung verloren.
683 21.1 · Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechniken und spezifische Bildanalyse
. Abb. 21.1. Normale Topographie des Herzens
Projektionsradiographie Die native Herzdiagnostik in 2 Ebenen erfolgt im Zeitalter der MRT, Ultraschalldiagnostik und zuletzt auch CT fast ausschließlich im Rahmen von Routineuntersuchungen (. Abb. 21.2). Dennoch sollte jeder Radiologe die Grundzüge der nativen Herzdiagnostik beherrschen, nicht zuletzt um pathologische Prozesse frühzeitig zu erkennen und weiterführende Maßnahmen einzuleiten. Prinzipiell erlaubt die native Übersichtsradiographie des Herzens eine orientierende Bestimmung von Herzvolumen und Herzgröße (Transversaldurchmesser, Herztiefendurchmesser) sowie eine Beurteilung einzelner Herzhöhlen sowie deren Größenänderung im Verlauf. Das Herzvolumen berechnet sich nach Rohrer-Kahlstorf entsprechend der Formel: V = 0,4 × l × b × t 0,4 entspricht dabei dem Korrekturfaktor des Projektionsfehlers (Erwachsene), l dem Längsdurchmesser, b dem Breitendurch-
messer (br +bl) und t dem maximalen Herztiefendurchmesser (. Abb. 21.2). Insgesamt ist dieses Vorgehen aber heute angesichts der weit präziseren Messungen mittels MRT und Ultraschall als recht ungenau zu betrachten. Die Größenbestimmung im p. a.-Bild erfolgt durch Ermittlung des Transversaldurchmessers, entsprechend der Summe der größten Distanz des äußersten (oberen) rechten und (unteren) linken Herzrandes von der Mittellinie (. Abb. 21.2). Auch wenn es sich hierbei lediglich um eine orientierende Größenabschätzung handelt, kann man bei einer Differenz von >1,5 cm im Verlauf von einer signifikanten Größenabweichung ausgehen. Insgesamt darf der Transversaldurchmesser bei tiefer Inspiration höchstens 50% des Thoraxdurchmessers entsprechen (CT-Quotient ≤0,5). Der Herztiefendurchmesser wird 2 cm oberhalb der Kreuzungsstelle zwischen V. cava inferior und der Kontur des linken Ventrikels gemessen (. Abb. 21.2). Eine linksventrikuläre Größenzunahme des Herzens führt im Seitbild zu einer Verringerung des Retrokardialraums (dorsa-
21
684
Kapitel 21 · Herz und Gefäße
Leitlinien nur kurz skizziert. Für eine ausführlichere Diskussion hinsichtlich Limitationen des Verfahrens sowie möglichen Verbesserungsansätzen etwa durch Einsatz digitaler Radiographiesysteme wird allerdings auf das 7 Kap. 19, Thorax verwiesen.
p.a.-Aufnahme 7 Kap. 19, Thorax.
Schrägaufnahme
a
Die native Herzdiagnostik hat das Ziel, Lage, Form und Größe der Herzabschnitte und ihren Bezug zu den zu- und abführenden großen Gefäßen zu beurteilen (. Abb. 21.2). Dies erfolgt gewöhnlich im Rahmen einer konventionellen Thoraxübersichtsaufnahme in 2 Ebenen. Gezielte Fragestellung machen gelegentlich noch Aufnahmen im 1. und 2. schrägen Durchmesser (RAO, LAO) oder eine Durchleuchtung mit Zielaufnahmen erforderlich. Aufgrund der Bildgebungsmöglichkeiten von Echokardiographie und MRT werden beide Aufnahmetechniken allerdings heutzutage nur noch vergleichsweise selten eingesetzt. Die RAO-Projektion berücksichtigt die Lage der Herzlängsachse und entspricht damit einer echten Herzseitenansicht. Das Infundibulum (Ausstrombahn) des rechten Ventrikels), der Pulmonalishauptstamm und der rechte Ventrikel werden randständig erfasst, sodass eine Belastung des rechten Ventrikels frühzeitig erkannt werden kann. Die LAO-Projektion entspricht einer Aufnahme senkrecht zur RAO-Projektion und damit einer annähernd echten Frontalansicht des Herzens. Linker Vorhof und Ventrikel werden am hinteren Herzrand frei projiziert, sodass linksventikuläre/linksatriale Vergrößerungen frühzeitig erkannt werden können. Gleichzeitig wird der Aortenbogen »aufgedreht« und kommt so in voller Seitenansicht zur Darstellung.
Position des Patienten
b . Abb. 21.2a, b. Normalbefund mit Einzeichnung der Thorax-/Herzmessungen. Das Herzvolumen berechnet sich nach Rohrer-Kahlstorf entsprechend der Formel: V=0,4 × l × b × t. 0,4 entspricht dabei dem Korrekturfaktor des Projektionsfehlers (Erwachsene), l dem Längsdurchmesser, b dem Breitendurchmesser (br +bl) und t dem maximalen Herztiefendurchmesser
Die Aufnahme wird am liegenden Patienten durchgeführt. Klassische Projektionen sind: 4 1. schräger Durchmesser (Fechterstellung, RAO), hier ist die Röntgenröhre um 45° nach links und 15° nach kranial gedreht 4 2. schräger Durchmesser (Boxerstellung, LAO), hier ist die Röntgenröhre um 45° nach rechts und 15° nach kranial geneigt.
Aufnahmetechnik Die Aufnahmeparameter entsprechen denen der Projektionsradiographie.
21
le Kontur des linken Ventrikels überragt die hinterer Begrenzung der V. cava inferior um >1,5 cm). Eine isolierte Vergrößerung des linken Vorhofs manifestiert sich als umschriebene Dorsalverlagerung der Speiseröhre in Vorhofhöhe. Eine rechtsventrikuläre Größenzunahme des Herzens zeigt sich als Einengung des Retrosternalraums. Auch Verlaufsanomalien der Aorta und der supraaortalen Gefäße gehen mit einer Verlagerung und Impression der Speiseröhre einher. Im Folgenden werden daher die zur Durchführung der Projektionsradiographie erforderlichen Qualitätskontrollen und
Aufnahmen im Liegen Die Liegendaufnahme entspricht einer Behelfstechnik, die gewöhnlich nur dann durchgeführt wird, wenn eine Projektionsradiographie im Stehen nicht möglich ist. Typischerweise beobachtet man im Liegen eine deutliche Änderung von Herzform und -größe, die nicht etwa im Sinne einer Dilatation fehlgedeutet werden darf. Auch lassen sich viele klassische Begleitzeichen wie Randwinkelergüsse, Kerley-Linien, Inflitrate, Dystelektasen im Liegen häufig nicht nachweisen (. Abb. 21.3).
685 21.1 · Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechniken und spezifische Bildanalyse
a
b
. Abb. 21.3a, b. Herzaufnahme stehend versus liegend. Die Stehendaufnahme (a) zeigt eine deutlich schmalere Herzsilhouette und weniger prominente Pulmonalgefäße als die Liegendaufnahme (b)
Position des Patienten Die Aufnahme wird in halb sitzender oder liegender Position durchgeführt.
dialen Diagnostik etabliert. Generell unterscheidet man M-Mode, B-Mode, Doppler- und Farbdoppler-Sonographie. Relativ neu ist der Einsatz von spezifischen Kontrastmitteln.
Aufnahmetechnik
Position des Patienten
Der Fokusfilmabstand beträgt 1 bzw. 1,25 m, soweit maximal möglich. Die Aufnahmespannung liegt bei 80–100 kV, die Brennfleckgröße ≤ 1,3 mm.
Echokardiologische Untersuchungen erfolgen gewöhnlich am halbschräg lagernden bzw. liegenden Patienten.
Aufnahmetechnik
Durchleuchtung mit Zielaufnahmen Durchleuchtungen mit Zielaufnahmen werden im Zeitalter moderner Schnittbildverfahren und aufgrund unnötiger Strahlenexposition nur selten eingesetzt. Die Zielaufnahmen dienen dabei der Dokumentation des Durchleuchtungsbefundes. Mögliche Indikationen sind der Nachweis von: 4 Verkalkungen 4 Herzwandaneurysmen/Perikardzysten 4 kardiale Raumfordungen 4 Vitien 4 Schrittmacherlagekontrollen/metallische Herzklappenprothesen
Position des Patienten Die Aufnahme wird am stehenden Patienten durchgeführt.
Aufnahmetechnik Als Untersuchungsgerät werden nahbediente Untersuchungsgeräte (Untertischgeräte) sowie zunehmend fernbediente universelle Arbeitsplätze (Obertischgeräte) eingesetzt. Der Fokusfilmabstand beträgt 70–90 bzw. 1,50 m. Die Aufnahmespannung liegt bei 40–125 bzw 150 kV, die Brennfleckgröße ≤1,3 mm.
Sonographie Die Echokardiographie hat sich aufgrund der einfachen Handhabung, der ubiquitären Verfügbarkeit und des Verzichts auf ionisierende Strahlung derzeit als Standardverfahren in der kar-
Der M-Mode (M= Motion) ermöglicht Funktionsanalysen der Herzklappen, Bestimmung der Myokarddicke sowie Messungen der Herzhöhlengröße in Abhängigkeit vom Herzzyklus. Es handelt sich um ein eindimensionales Verfahren abhängig von der Zeit. Der B-Mode stellt ein zweidimensionales Echokardiographieverfahren dar, das v. a. zur morhologischen Beurteilung kardialer Strukturen eingesetzt wird. Man unterscheidet die transthorakale und die transösophageale Echokardiographie. Die Qualität transthorakaler echokardiographischer Untersuchungen (TTE) wird erheblich durch konstitutionelle Bedingungen des Patienten beeinträchtigt (Lungenemphysem, Fettleibigkeit, Muskulatur, Rippenstellung etc.) und kann vereinzelt völlig unzureichend sein. Die transösophageale Echokardiographie (TEE) erfolgt mittels einer im mittleren Ösophagus platzierten US-Sonde. Sie bietet sich insbesondere zur Beurteilung dorsaler Herzabschnitte an. Die Dopplersonographie dient v. a. der Beurteilung und Analyse von Klappenfehlern, intrakardialen Blutdruck und -flussverhältnissen. Man unterscheidet continous-wave (CW) und pulsed-wave (PW) Dopplerverfahren. Die CW-Dopplersonographie erlaubt eine recht genaue Analyse insbesondere hoher Flussgeschwindigkeiten (z. B. bei Klappenstenosen), nicht aber eine Aussage über die Entstehungstiefe. Die PW-Dopplersonographie dagegen ermöglicht eine freie Wahl des Tiefenbereichs, nicht aber die exakte Bestimmung hoher Flussgeschwindigkeiten.
21
686
Kapitel 21 · Herz und Gefäße
Die Farbdopplersonographie kombiniert Dopplereffekt und zweidimensionales B-Mode-Bild. Durch unterschiedliche Farbkodierung wird strömendes Blut abhängig von Flussrichtung und -geschwindigkeit dargestellt. Die Methode wird insbesondere zur Detektion und Beurteilung von Shuntvitien oder Klappeninsuffizienzen eingesetzt. Bei der kontrastverstärkten Echokardiographie wird durch i. v.-Applikation eines Ultraschallkontrastmittels die Reflexion der Ultraschallwellen erheblich verstärkt. Echokontrastmittel bestehen aus Mikrobläschen. Sie haben eine Größe von 2–3 μm, das entspricht etwa einem Viertel der Größe eines roten Blutkörperchens. Wenn nun Ultraschallwellen auf die Mikrobläschen auftreffen, werden diese stärker gestreut als das normale Blut. Die Ultraschallwellen werden auf den Schallkopf zurückgestrahlt, unterschiedliche Geschwindigkeiten zeigen sich auf dem Bildschirm in Schwärzungsunterschieden. Dadurch stellt sich der mit Kontrastmittel angereicherte Bereich heller dar und umgebende Strukturen lassen sich besser abgrenzen und erkennen. Man unterscheidet lungengängige und nichtlungengängige Kontrastmittel. Lungengängige Kontrastmittel bestehen aus D-Galaktose und Palmitinsäure zur Stabilisierung der Mikrobläschen und können über die Lunge in das linke Herz gelangen. Nach wenigen Minuten reichern sie sich im Herzmuskelgewebe an. Da diese Kontrastmittel bis in das linke Herz gelangen, werden sie zur Darstellung des linken Vorhofs und der linken Herzkammer eingesetzt. Nichtlungengängige Kontrastmittel bestehen aus in Wasser gelöster D-Galaktose und können die kapillare Lungenstrombahn nicht passieren. Auf diese Weise wird nur die rechte Herzhöhle, nicht aber die linke kontrastiert. Nachweis von Kontrastmittel im linken Herz weist somit auf das Vorliegen von Septumdefekten oder Shuntvitien hin. Ein in der kardiologischen Diagnostik häufig eingesetztes Verfahren stellt die Belastungs-(Stress)-Echokardiographie dar. Sie kombiniert die zweidimensionale Echokardiographie (B-Mode) mit gleichzeitiger Steigerung der Herzarbeit (Stress). Prinzipiell wird zwischen tatsächlicher körperlicher Belastung (z. B. Fahrradergometrie) und pharmakologischem Stress unterschieden. Bei letzterem wird die Herzarbeit unter Verwendung von i. v.-applizierten Pharmaka gesteigert (vgl. auch Stress-MRT). Beide Methoden erlauben die Beurteilung regionaler Wandbewegungsstörungen z. B. im Rahmen einer KHK.
Katheterangiographie Die Katheterangiographie oder Angiokardiographie dient der Röntgenkontrastdarstellung der Koronararterien, Herzbinnenräume und großen Gefäße. Weitere Indikationen sind Funktionsanalysen sowie der Nachweis von Shuntvitien und -volumina.
21
Position des Patienten Die Aufnahme wird am liegenden Patienten durchgeführt. Klassische Projektionen sind RAO und LAO (s. oben bei Projektonsradiographie).
Aufnahmetechnik Eingesetzt werden je nach Verfügbarkeit Ein- und Doppelröhren-Angiographiesysteme. Der Fokusfilmabstand beträgt 90–
1,20 m. Die Aufnahmespannung liegt bei 40–125 bzw. 150 kV. Wichtig ist die Möglichkeit eines Serienaufnahmebetriebs mit bis zu 12,5 Bildern/s sowie einer gepulsten Durchleuchtung zur Dosisreduktion. Die Brennfleckgröße beträg ≤1,0 mm. Man unterscheidet die Links- und Rechtsherzkatheterangiographie. Bei der Linksherzkatheterangiographie wird ein Katheter perkutan über die A. femoralis bzw. A. brachialis in das arterielle Gefäßsystem eingeführt und anschließend bis in die linke Herzkammer und Abgänge der Koronararterien im Aortenbulbus vorgeschoben. Auf diese Weise lassen sich Größe, Form, Funktion und Kontraktionsverhalten des linken Herzens (Laevoventrikulographie) beurteilen sowie eine selektive Darstellung der Koronararterien (Koronarangiographie) vornehmen. Bei Vorliegen hämodynamisch relevanter (>50%) Stenose in geeigneten Gefäßabschnitten können diese mittels Dilatationskatheter und Einbringen von Gefäßstützen (Stents) aufgedehnt werden. Bei der Rechtsherzkatheterangiographie wird ein Katheter über die V. femoralis oder V. brachialis in das venöse Gefäßsystem eingeführt und anschließend in den rechten Vorhof bzw. Ventrikel vorgeschoben. Neben einer Beurteilung des rechten Herzens (Dextroventrikulographie) können auch Pulmonalisangiographien und elektrophysiologische Untersuchungen (EPU) vorgenommen werden. Letztere dienen zur Überprüfung des Reizleitungssystems durch gezielte Applikation von Stromimpulsen. Beim Vorliegen aberranter Reizleitungsfasern können diese durch Elektrokoagulation minimal-invasiv ausgeschaltet werden. Kontraindikationen für die Katheterangiographie sind: 4 Hyperthyreose 4 Kontrastmittelallergie 4 Dekompensierte Herzinsuffizienz 4 Gerinnungsstörungen
Computertomographie Eine diagnostische Darstellung der Leitstrukturen des Herzens mittels CT ist erst seit Einführung der Mehrschicht-CT in Kombination mit EKG-Triggerung möglich. Die Mehrschicht-CT erlaubt eine Akquisition von Volumendatensätzen des Herzens in verhältnismäßig kurzer Aufnahmezeit (~15 s in tiefer Inspiration). Anschließend können submillimeterfeine Schichten in jeder beliebigen Herzphase rekonstruiert werden. Dadurch lassen sich im Bereich niedriger und mittlerer Herzfrequenzen nahezu bewegungsartefaktfreie CT-Bilder des Herzens erstellen. Durch Rekonstruktion mehrer Datensätze zu verschiedenen Zeitpunkten des R-R-Zyklus und anschließende Kombination dieser Daten können auch Funktionsauswertungen und Bewegungsanalysen des Myokards vorgenommen werden. Im Vergleich zur MRT liegt die durchschnittliche zeitliche Auflösung modernster CT-Scanner allerdings bei etwa 100 ms und somit deutlich niedriger. Insbesondere bei hohen Herzfrequenzen zeigen sich in Funktionsdatensätzen Missregistrierungen (Stufenbildungen) und Bewegungsartefakte, die im Vergleich zur MRT eine valide Analysen von Pumpfunktion oder myokardialer Kontraktilität verhindern. Hinzu kommt eine Röntgenstrahlenexposition, die etwa im Bereich der Katheterangiographie liegt. Im Gegensatz zu den genannten Verfahren gelingt mittels CT allerdings eine einwandfreie Darstellung verkalkter athero-
687 21.1 · Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechniken und spezifische Bildanalyse
sklerotischer Plaques bei Vorliegen einer Koronarsklerose. Da der negative Vorhersagewert bei fehlenden Kalzifikationen einen sehr hohen Wert zeigt (>96%), spielt die native CT dennoch zunehmend eine bedeutende Rolle in der Früherkennung der KHK. Allerdings stehen größere abschließende Studien zum derzeitigen Zeitpunkt noch aus. Durch i. v.-Kontrastmittel-Applikation lassen sich auch CT-Koronarographien sehr valide erstellen. Die räumliche Auflösung der Methode liegt dabei derzeit bei maximal 0,4 mm3. In Verbindung mit der Artefaktanfälligkeit bei höheren Herzfrequenzen führt dies dazu, dass die CT-Koronarographie aktuell noch kein klinisch etabliertes Verfahren darstellt. Indikationen zur kardialen CT ergeben sich bei: 4 Verkalkungen des Peri- und Myokards 4 Perikardergüssen 4 Kardialen Tumoren 4 Koronarkalkquantifizierung 4 Angiographie aortokoronarer Bypässe (im Kurzzeitverlauf sowie limitiert auf proximale Abschnitte) 4 Darstellung von Koronargefäßanomalien Eingeschränkt sind auch myokardiale Funktionsanalysen und eine Evaluation der Herzbinnenräume möglich. Die Kontraindikationen sind vorwiegend kontrastmittelassoziiert (vgl. Katheterangiographie).
Position des Patienten Die Aufnahme wird am liegenden Patienten durchgeführt.
Aufnahmetechnik Grundsätzlich sind Aufnahmeparameter in der CT sehr herstellerund geräteabhängig. Eine vollständige Abbildung geeigneter Werte ist somit wenig sinnvoll und auch schnell veraltert. Grundsätzlich sollten die Aufnahmen an einem Mehrschicht-Spiral-CT mit >4 Zeilen sowie >1 mm Kollimation erfolgen. Die Bildakquisition findet in EKG-Gating-Technik, mit einem Pitch <1, Gantryrotationszeiten <500 ms und in inspiratorischem Atemstillstand statt. Das Bildfeld muss maximal eingegrenzt sein, jedoch das ganze Herz miterfassen. Die Bildrekonstruktion erfolgt in überlappender Dünnschichttechnik mit ~50% Inkrement und Schichtdicken <1 mm. Es gilt grundsätzlich: je schneller, kürzer und feiner die Scanner-Abtastung, desto besser. Die Kontrastmittelgabe wird mit einem Fluss ≥3,5 ml/s durchgeführt, dabei beträgt die Iodkonzentration ≥320 mgI/ml. Bei Herzfrequenzen sollten auch bei Verwendung von Hochleistungsscannern (64 Zeilen-CT) orale oder kurzwirkende i. v. Betablocker zum Einsatz kommen.
Magnetresonanztomographie Die MRT ermöglicht eine nichtinvasive, röntgenstrahlenfreie Beurteilung der Herzkammern in Hinsicht auf ihre Größe und Form sowie ihre Lagebeziehung zueinander. Ferner wird sie in der Beurteilung der Herzwand sowie der kardialen Funktion eingesetzt. Hierzu zählen insbesondere die Pumpfunktion des Herzens sowie Kontraktilität, Perfusion und Vitalität des Myokards. Eine suffiziente kardiale Bildgebung mittels MRT unterliegt vielen Einflussfaktoren und die Wahl der Scanparameter ist insgesamt sehr komplex und z. T. untersucherabhängig und geräte-
spezifisch. Auf einzelne technische Parameter kann daher im Rahmen dieses Kapitel nicht eingegangen werden. Prinzipiell werden heute aber die meisten Untersuchungen unter Verwendung schneller, gespoilter Gradientenecho-Sequenzen durchgeführt (steady-state GE-Sequenzen, z. B. trueFISP). Zur Bestimmung der kardialen Funktion und myokardialen Kontraktion bedarf es keiner Kontrastmittelgabe. Flussmessungen werden mittels Phasenkontrast-Angiographie durchgeführt. Kontrastmittel (Gadoliniumchelate) werden im Rahmen der Ischämiediagnostik eingesetzt, z. B. zur MR-Koronarographie, Vitalitätsbeurteilung des Myokards und zur Perfussionsmessung. Die zeitliche Auflösung für Funktionsaufnahmen liegt derzeit bei etwa 50 ms, die räumliche Auflösung bei etwa 0,3 mm. Daraus ergeben sich auch die klinischen Indikationen für das Verfahren: 4 Evaluation kongenitaler Herzfehler vor und nach operativer Korrektur 4 Evaluation kongenitaler oder erworbener Erkrankungen der herznahen großen Gefäße 4 Nachweis/Ausschluss muraler oder intrakavitärer Raumforderungen des Herzens 4 Diagnostik von Perikarderkrankungen 4 Diagnostik von Kardiomyopathien (insbesondere der arrythmogenen rechtsventrikulären Kardiomyopathie [ARVD]) 4 Myokardiale Vitalitätsuntersuchungen bei ischämischen Koronarerkrankungen In wissenschaftlicher Evaluation befinden sich die MR-Angiographie der Koronararterien, die Funktionsdiagnostik kardialer Bypässe, die Diagnostik von Erkrankungen der Herzklappen und Shunt-Vitien sowie die Diagnostik entzündlicher Erkrankungen des Myokards. Kontraindiziert sind MRT-Untersuchungen bei: 4 Vorliegen von Herzschrittmachern 4 Implantierbaren automatischer Kardioverter-Defibrillatoren (ICD) 4 Fremdkörpern, Prothesen oder medizinischen Implantaten aus ferromagnetischem Material (weiterführende Literatur).
Position des Patienten Die Aufnahme wird am liegenden Patienten durchgeführt.
Aufnahmetechnik Grundsätzlich ist die Wahl geeigneter Aufnahmeparameter in der MRT extrem abhängig von der spezifischen Fragestellung. Hinzu kommen hersteller- und gerätespezifische Sequenzkonfigurationen, die teilweise sehr komplex sind. Für eine vollständige Abbildung geeigneter Werte verweisen wir daher auf weiterführende Sekundärliteratur.
Nuklearmedizinische Verfahren Vereinzelt werden in der kardialen Diagnostik auch nuklearmedizinische Verfahren eingesetzt. Hierbei wird der intrakorporale Zerfall künstlich erzeugter, i. v.-applizierter Radionuklide mithilfe unterschiedlicher Verfahren registriert. Wichtige Verfahren sind die Herzszintigraphie, die Single-Photon-Emissionscomputertomographie (SPECT) und die Positronen-Emissionscomputertomographie (PET).
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688
Kapitel 21 · Herz und Gefäße
Bei der Herzszintigraphie löst aus dem Körper austretende γ-Strahlung in einem Szintillationskristall Lichtblitze aus, die mittels eines Photomultipliers um den Faktor 105 verstärkt werden. Diese Anordnung wird Gamma-Kamera genannt und erlaubt eine Aufzeichnung des elektrischen Signals mit hoher (ms) zeitlicher Auflösung. Bei der Single-Photon-Emissionscomputertomographie (SPECT) rotieren mehrere Gamma-Kameras um den Patienten und nehmen Messwerte aus unterschiedlichen Projektionen auf. Ähnlich wie bei der Mehrzeilen-CT lassen sich im Anschluss an die Untersuchung transversale, koronale und sagittale Schnittbilder rekonstruieren. Überlagerungen der Radioaktivität wie auf planaren Szintigrammen werden hierdurch vermieden. Beide Verfahren werden hauptsächlich eingesetzt zur Beurteilung der Ventrikelfunktion (Radionuklidventrikulographie [99mTechnetium-markierte Erythrozyten]) und der myokardialen Stoffwechselaktivität (Myokardperfusionsszintigraphie [201Thallium-Chlorid/99mTechnetium-Isonitril].SeltenereAnwendungsgebiete sind die Immunszintigraphie z. B. bei Transplantatabstoßung oder zur Diagnostik einer Herzmuskelentzündung (Myokarditis). Hierzu werden 111Indium-markierte monoklonale Antikörper gegen Myosin eingesetzt. Die Positronen-Emissionscomputertomographie basiert auf der Tatsache, dass beim β+-Zerfall Elektronen und Positronen enstehen, die unmittelbar im Anschluss unter Abgabe von Lichtenergie (0,511 MeV) wieder rekombinieren (Vernichtungsstrahlung). Dabei kommt es zur Aussendung von 2 Photonen in diametral entgegengesetzter Richtung. Ein geschlossener Detektorring im Tomographiegerät erlaubt die zeitgleiche Registrierung des Auftretens beider Photonen auf 2 gegenüber liegenden (180°) Detektorelementen und ermöglicht somit indirekt einen Rückschluss auf den Ort der Vernichtungsstrahlung und damit des β+-Strahlers. Hauptanwendungsgebiet ist die Beurteilung der myokardialen Vitalität im Rahmen einer koronaren Herzerkrankung.
21.1.3
Systematik der Bildanalyse und spezifische Bildmerkmale
Kriterien
21
Die Interpretation der Herz-/Thorax-Projektionsradiographie sollte nach bestimmten Kriterien erfolgen. Für die visuelle Kontrolle der Bildqualität sind zu beachten: 4 Einhaltung der Richtlinien der Europäischen Qualitätskriterien 4 Scharfe Abbildung der Gefäße bis in die Peripherie, des Hilus, Herzrand und Zwerchfell, sowie Darstellung des 6. ventralen Rippenabschnitts 4 Vollständige Erfassung der Thoraxorgane in Inspiration 4 Symmetrie der Aufnahme mit Projektion des Processus spinosus des 3. Brustwirbelkörpers in der Mitte zwischen beiden Sternoklavikulargelenken Zur Überprüfung der Identität sind Name, Geburtsdatum, Untersuchungsdatum, Name des Instituts wichtig.
. Tab. 21.1. Systematische Analyse des Thorax
Thoraxorgane
Analyse von
Herz
Lage, Größe, Konfiguration
Mediastinum
Breite, Dichte Beurteilung von: Trachea, Carina, Aorta, Pulmonalissegment, V. cava, V. azygos
Lunge
Form, Dichte, Transparenz, Schatten, Linien 4 kranial vs. caudal 4 zentral vs. peripher 4 rechts vs. links Beurteilung von: Gefäßen, Interstitium, Alveolarraum (CT)
Knochen
Form, Dichte, Textur Beurteilung von: Claviculae, Scapulae, Humerus, Rippen, Wirbelkörper
Weichteilmantel
Dichte, Dicke, Seitendifferenz Beurteilung von: Hals, Brust, Axilla, Thoraxweichteilen
Abdomen
Verdichtungen, Verkalkungen, Luftverteilung
Fremdkörper
Katheter, Drainagen, Schrittmacher, etc.
Weiterhin entscheidend ist die morphologische Analyse der bildgebenden Strukturen mit den wesentlichen Punkten: 4 4 4 4
Bildmerkmale Transparenzänderung Strukturänderung Morphologisches Erscheinungsbild
Systematik > Die systematische Bildanalyse des Herzens sollte stets in Kombination mit einer systematischen Evaluation des übrigen Thorax stehen (. Tab. 21.1, 7 Kap. 19).
Dies ist besonders wichtig, weil sich pathologische kardiale Prozesse sekundär auch in Form pulmonaler oder thorakaler Veränderungen präsentieren und vice versa. Es empfiehlt sich, zunächst Lungen-, Thorax-, und Herzveränderungen getrennt zu dokumentieren und dann gemeinsam unter Berücksichtigung (patho-) physiologischer Zusammenhänge zu interpretieren. So kann etwa eine pulmonale Hypertonie auf dem Boden einer Lungenfibrose entstehen oder aber eine Fibrose als Folge eines Mitralvitiums mit Hämosiderose sein etc.
Leitbefunde Das konventionelle Röntgenbild stellt ein zweidimensionales Summationsbild des gesamten durchstrahlten dreidimensionalen Volumens dar. Größenänderungen spezifischer Herzabschnitte können daher in a.p.-Projektion z. T. sehr ähnlich aussehen. Durch eine Aufnahme in der 2. Ebene (= Seitaufnahme) lässt sich aber zumeist eine definitive Seiten- sowie Kammerzuordnung der Veränderungen vornehmen. Zudem können extrakardiale Ursachen leichter differenziert werden. Durch die Möglichkeit der freien Schichtwahl ergibt sich diese Problematik in
689 21.1 · Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechniken und spezifische Bildanalyse
der Echokardiographie, CT und MRT primär nicht. Dagegen können allerdings auf Katheterangiographien aus eben diesem Grund Stenosen schnell falsch interpretiert werden.
Leitbefunde in der kardialen Diagnostik 4 4 4 4 4 4
Größe, Form und Lage des Herzens Veränderungen spezifischer Herzabschnitte Nachweis von Kalzifikationen Nachweis von Fremdmaterial (Klappen, Stents etc.) Aspekt extrakardialer Gefäße (Aortensklerose etc.) Thorakale Veränderungen (z. B. Usuren bei Isthmusstenose etc.) 4 Pulmonale Begleiterscheinungen (Fibrose, Hypertransparenz, Stauung, Pleuraerguss, Verdichtung etc.) 4 Abdominale Begleiterscheinungen (Lebervergrößerung, Gleithernien etc.)
Reaktionsmuster auf veränderte Druckund Volumenverhältnisse Das gesunde Herz ist in der Lage, sich in weiten Bereichen und über längere Zeit an veränderte Druck- und Volumenverhältnisse anzupassen. Dies kann recht eindrucksvoll in der Herzentwicklung vom Neugeboren bis zum Erwachsenenalter beobachtet werden. Klinisch von Bedeutung ist die Beurteilung, ob es sich bei beobachteten Veränderungen um physiologische Entwicklungsprozesse, Anpassungsvorgänge bei noch erhaltener Kompensation oder aber Zeichen einer beginnenden kardialen Leistungsinsuffizienz handelt. Trotz unterschiedlicher zugrunde liegender Ursachen laufen die morphologischen Veränderungen stets nach dem gleichen Prinzip ab: Bei erhöhter Druckbelastung kommt es primär zur kompensatorischen Herzmuskelhypertrophie, während eine kardiale Dilatation erst spät im Stadium der Dekompensation auf-
a . Abb. 21.4a, b. Aortale Konfiguration. Ventrikuläre Dilatation mit Streckung der Einstrombahn und transversaler Linksverbreiterung. Dies führt auf dem p.a. Bild (a) zu einer zunehmend vertieften Herztaille. Die gleichzei-
tritt. Typischerweise kommt es zunächst zu einer Streckung der ventrikulären Ausflussbahn und damit Verlängerung der Längsachse. Bei vermehrter Volumenbelastung reagiert das Myokard ebenfalls zunächst mit einer kompensatorischen Hypertrophie, allerdings kommt es bereits früh zur kardialen Dilatation. Ursächlich hierfür ist eine volumeninduzierte, zunehmende Streckung der Sarkomerlänge (physiologisch: 2,0–2,2 μm) und dadurch ein vermehrtes Auseinanderweichen myokardialer Aktin-MyosinBrücken. Die Folge ist eine Verminderung der Muskelspannung mit konsekutiv beginnender Dekompensation. Typischerweise kommt es hier zu einer Streckung der Querachse, Rechtsdrehung des Herzens und Zunahme des Tiefendurchmessers. Nachfolgend sind die Anpassungsvorgänge seitengetrennt dargestellt.
Reaktion des Herzens auf vermehrte Druckund Volumenbelastung 4 Erhöhte Druckbelastung: – Kompensatorische Herzmuskelhypertrophie – Streckung der ventrikulären Ausflussbahn und damit Verlängerung der Längsachse – Meist schwer diagnostizierbar, da nur diskrete Veränderung der Herzkonfiguration 4 Bei bestehender Druckbelastung oder auch isoliert kommt es zur 4 Vermehrten Volumenbelastung: – Rasche Dilatation durch Dekompensation – Streckung der Querachse – Rechtsdrehung des Herzens und damit Zunahme des Tiefendurchmessers
Anpassungsvorgänge im Bereich der linken Herzhöhlen Während eine Volumenbelastung zu einer eher diffusen Ventrikeldilatation führt, bewirkt eine erhöhte Druckbelastung im
b tige Vorwölbung der Hinterwand des linken Ventrikels bewirkt im Seitbild (b) eine sukzessive Einengung des Retrokardialraums und bogenförmige Verlagerung des Ösophagus
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Kapitel 21 · Herz und Gefäße
a
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. Abb. 21.5a, b. Mitrale Konfiguration. a Mit zunehmender Dilatation des linken Vorhofs kommt es im p.a.-Bild zu einer Aufspreizung des linken Hauptbronchus sowie Ausbreitung über die Mittellinie hinaus nach rechts. Bedingt durch eine Übereinanderprojektion beider Vorhöfe findet sich häu-
fig eine Doppelkontur (Kernschatten) rechts parakardial (dies ist besser sichtbar in der . Abb. 21.6). b Im Seitbild resultiert eine Verengung des oberen Retrokardialraums
Rahmen der konzentrischen Hypertrophie zunächst eine Streckung der Ausflussbahn. Diese ist im sagittalen Strahlengang nach unten links gerichtet und ist damit im Anfangsstadium kaum nachweisbar. Diskretes Zeichen auf Übersichtsradiographien kann eine verstärkte Rundung im Spitzenbereich sein. Bei weiterer Progredienz kommt es zunehmend zu einer ventrikulären Dilatation mit Streckung der Einstrombahn, transversaler Linksverbreiterung und Zunahme des Tiefendurchmessers. Es imponiert eine optische Verlängerung des Kammerbogens mit zunehmend vertiefter Herztaille, die auch als aortale Konfiguration bezeichnet wird (. Abb. 21.4). Durch gleichzeitige Rechtsdrehung des Herzens werden vordere Ventrikelanteile nach rechts und damit weiter vorn verlagert. Es resultiert eine deutliche Vorwölbung der Hinterwand des linken Ventrikels mit sukzessiver Einengung des Retrokardialraums und bogenförmiger Verlagerung des Ösophagus (. Abb. 21.4). Einer linksventrikulären Dilatation liegen typischerweise folgende Erkrankungen zugrunde: 4 Herzinsiffizienz oder Kardiomyopathie 4 Aortenklappenfehler 4 Mitralinsuffizienz 4 chronisch arterielle Hypertonie 4 artherosklerotisch bedingte Myokardschädigung (post Infarkt)
rung des linken Herzohrs mit zunehmender Auslöschung der Herztaille. Es resultiert die Mitralkonfiguration (. Abb. 21.5). Mit zunehmender Dilatation kommt es zu einer Aufspreizung des linken Hauptbronchus sowie einer Ausbreitung über die Mittellinie hinaus nach rechts. Solange der linke Vorhof rechts noch nicht randbildend ist, findet sich häufig eine Doppelkontur (Kernschatten) rechts parakardial bedingt durch eine Übereinanderprojektion beider Vorhöfe (. Abb. 21.5). Im Seitbild resultiert eine Verengung des oberen Retrokardialraums. Solange noch keine Rechtsherzinsuffizienz besteht, spricht man auch vom »Cor bovinum«, das gleichermaßen bei der Aorteninsuffizienz und beim kombinierten Mitralvitium auftritt. Die Vorhofdilatation nimmt jedoch meist rasch zu, da die schwache Muskulatur den Leistungsabfall im Myokard nicht adäquat kompensieren kann. Schnell kommt es zu einer Lungenmitbeteiligung, zunächst erkennbar als Kaliberzunahme hilärer Gefäße (Pulmonalvenen), später als pulmonale Stauung mit typischen stauungsassoziierten Lungenveränderungen (s. dort). Typischerweise findet sich eine Vergrößerung des linken Vorhofs bei folgenden Krankheiten: 4 Mitralklappenfehlern (-vitien) 4 Vorhofseptumdefekt 4 Ventrikelseptumdefekt 4 offener Ductus arteriosus 4 Tumoren des linken Vorhofs
Insgesamt wird der Zustand einer linksventrikulären Druck- oder Füllungsdilatation meist jahrelang kompensiert. Erst im Stadium der Dekompensation kommt es dann zu einer Mitbeteiligung des linken Vorhofs mit nachfolgender Dilatation. Im Gegensatz zum rechten System wird häufig auch eine isolierte linke Vorhofsvergrößerung beobachtet, z. B. bei Vorliegen von Mitralstenosen. Erstes Anzeichen einer linksatrialen Dilatation ist eine Vergröße-
Anpassungsvorgänge im Bereich der rechten Herzhöhle Eine reine Volumenbelastung führt auch am rechten Ventrikel rasch zu einer transversalen Dilatation. Eine primäre Druckbelastung bewirkt dagegen zunächst eine Streckung der pulmonalen Ausflussbahn mit Verlagerung der Pulmonalklappenebene
691 21.2 · Differenzialdiagnostik der Herzerkrankungen
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. Abb. 21.6a, b. Rechtsherzvergrößerung. a In der p.a.-Projektion kommt es durch Dilatation der rechtsventrikulären Einstrombahn mit konsekutiver Linksdrehung und Verlagerung des Sulcus interventricularis zu ei-
ner liegenden Eiform. b Das Seitbild zeigt eine Einengung des unteren bis mittleren Retrosternalraums, bedingt durch den vergrößerten rechten Ventrikel mit darüber reitendem Pulmonalkonus
nach kranial. Die Herztaille erscheint verstrichen, gleichzeitig wird das verstärkt hervortretende Pulmonalissegment links randbildend. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der stehenden Eiform. Bei Progredienz kommt es zur Dilatation der rechtsventrikulären Einstrombahn mit konsekutiver Linksdrehung und Verlagerung des Sulcus interventricularis, der zunehmend links randbildend wird (liegende Eiform) (. Abb. 21.6). In der p. a.-Projektion ist typischerweise eine Unterscheidung zwischen linkem und rechtem Ventrikel nicht möglich. Dagegen zeigt das Seitbild eine Einengung des unteren bis mittleren Retrosternalraums, bedingt durch den vergrößerten rechten Ventrikel mit darüber reitendem Pulmonalkonus.
sind eine Verlagerung der rechten Herzkontur nach lateral sowie eine Dilatation des V. cava-Schattens. Insgesamt sind diese Veränderungen jedoch recht unspezifisch und damit schwierig zu beurteilen. Im Seitbild zeigt sich eine Einengung des Retrosternalraums, allerdings ist eine isolierte Vorhofvergrößerung von einer isolierten oder kombinierten Ventrikelvergrößerung letztlich nicht differenzierbar. Eine Vorhofdilatation findet sich etwa bei Vorhofseptumdefekt, Trikuspidalklappenvitien oder der sehr seltenen Ebstein-Anomalie. Bei Vorliegen einer kombinierten Links- und Rechtsherzdilatation spricht man von globaler Herzvergrößerung mit einem nach allen Seiten vergrößerten Herzschatten (. Abb. 21.7).
> Bei zunehmender Rechtsherzdilatation rotieren und verlagern sich die linken Herzanteile weiter nach dorsal. Es resultiert eine Einengung des Retrokardialraums, die nicht primär als linksventrikuläre Dilatation interpretiert werden darf.
Typischerweise findet sich eine rechtsventrikuläre Vergrößerung bei folgenden Erkrankungen: 4 Vorliegen eines Cor pulmonale 4 Herzfehler mit Links-Rechts-Shunt 4 Pulmonalstenose 4 Fallot-Tetralogie 4 Trikuspidalatresie Zu einer Mitbeteiligung des rechten Vorhofs kommt es erst im Stadium der Dekompensation. Eine isolierte Vorhofvergrößerung tritt im Gegensatz zur linken Seite sehr selten auf. Mögliche Anzeichen einer rechtsatrialen Dilatation in der p.a.-Projektion
21.2
Differenzialdiagnostik der Herzerkrankungen
Herzinsuffizienz Definition Die Herzinsuffizienz ist definiert als Unfähigkeit des Herzens, das vom Organismus benötigte Herzzeitvolumen bei normalem enddiastolischem Ventrikeldruck zu fördern. Es handelt sich dabei um ein klinisches Syndrom unterschiedlicher Ätiologie.
Klinik Man unterscheidet zwischen Low-output-failure (Vorwärtsversagen mit Verminderung des Herzeitvolumens) und High-output-failure (mangelhafte Blut-(O2-)Versorgung der Peripherie bei erhöhtem Herzzeitvolumen: z. B. bei Anämie, Hyperthyreose, AV-Fisteln etc). Allgemeine klinische Symptome sind Nyktu-
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Kapitel 21 · Herz und Gefäße
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. Abb. 21.7a, b. Globale Herzvergrößerung. In der p.a.-Projektion (a) und im Seitbild (b) finden sich Zeichen einer kombinierten Links- und Rechtsherzdilatation mit einem nach allen Seiten vergrößerten Herzschatten
rie sowie sympatikotone Überaktivität (z. B. Tachykardie, Rhythmusstörungen, feucht-kalte Haut etc.). Die Linksherzinsuffizienz geht entweder mit einem Rückwärtsversagen und Lungenstauung oder aber einem Vorwärtsversagen einher. Letzteres zeigt sich klinisch durch Leistungsminderung sowie zerebrale Funktionsstörungen. Ein Rückwärtsversagen dagegen manifestiert sich klinisch mit Zeichen der Dyspnoe, Zyanose sowie des Lungenödems. Ein klassisches Merkmal ist das Asthma cardiale mit nächtlichem Husten und anfallsweißer Dyspnoe im Liegen (= Orthopnoe). Im Sputum finden sich zudem häufig hämosiderinhaltige Alveolarmakrophagen (Herzfehlerzellen). Die Rechtsherzinsuffizienz manifestiert sich klassischerweise durch äußerlich sichtbare Venenstauungen, Gewichtszunahme und Körperödeme (= Anasarka). Im Verlauf kommt es oft zu Stauungsleber, -nieren und -gastritis.
staus: zunächst prominente Hilusgefäße (Pulmonalvenen) im Verlauf auch Zeichen der Lungenstauung wie Umverteilung, unscharfe Gefäße, Kerley-Linien, Pleuraerguss etc. (7 Kap. 19). Radiologische Zeichen einer Linksherzinsuffizienz 4 Aortale Konfiguration (= Holzschuhform) 4 Aufspreizung des linken Hauptbronchus 4 Gedoppelte Vorhofkontur recht parakardial (Vorhofkernschatten) 4 Verengung des Retrokardialraums im Seitbild – Isoliert auf Ventrikelebene (primär ventrikuläre Insuffizienz) – Isoliert auf Vorhofebene (primär atriale Insuffizienz) – Gesamter Retrokardialraum (Linksherzinsuffizienz) 4 Zeichen des pulmonalen Rückstaus bei kardialer Dekompensation
Bildgebung Linksherzinsuffizienz. Bei Vorliegen einer Linksherzinsuffizienz
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lassen sich radiologisch die in 7 Kap. 21.1 beschriebenen Anpassungsveränderungen auf die veränderten Druck- und Volumenverhältnisse nachweisen. Aufgrund der linksventrikulären Vergrößerung kommt es zunächst zur aortalen Konfiguration oder auch Holzschuhform (in Anlehnung an die holländische Nationaltracht). Im Seitbild zeigt sich primär eine Verengung des Retrokardialraums auf Höhe der Ventrikelebene, im fortgeschrittenen Stadium dann, durch Mitbeteiligung des Vorhofs, im Bereich des gesamten Retrokardialraums. In der p.a.-Projektion sieht man in diesem Stadium eine zunehmende Aufspreizung des linken Hauptbronchus sowie eine gedoppelte Vorhofkontur recht parakardial (Vorhofkernschatten) (. Abb. 21.5). Bei zunehmender Dekompensation finden sich Zeichen des pulmonalen Rück-
Rechtsherzinsuffizienz. Bei Vorliegen einer Rechtsherzinsuffizienz findet sich eine rechtsventrikuläre und -atriale Herzvergrößerung, die in p.a.-Projektion wenig spezifisch ist und daher letztlich nur in Kombination mit den Seitaufnahmen differenziert werden kann. Hier zeigt sich eine Verschmälerung des Retrosternalraums. In p.a.-Projektion kommt es häufig zu einer Auslöschung des rechtsseitigen paratrachealen Streifens (= mediastinale Pleura an der Wand der Trachea) durch die prominente V. cava superior (. Abb. 21.8). Ein Zwerchfellhochstand rechtsseitig durch eine stauungsbedingte Hepatomegalie sowie Pleuraergüsse wird ebenfalls beobachtet. Letztere treten rechts meist frühzeitiger auf, am ehesten aufgrund der größeren Pleuraoberfläche (3 Lappen) im Vergleich zur linken Seite (2 Lappen).
693 21.2 · Differenzialdiagnostik der Herzerkrankungen
Therapie Radiologische Zeichen einer Rechtsherzinsuffizienz 4 Rechtsventrikuläre Herzvergrößerung (in p.a.-Projektion wenig spezifisch) 4 Auslöschung des rechtsseitigen paratrachealen Streifens 4 Zwerchfellhochstand rechts (stauungsbedingte Hepatomegalie) 4 Pleuraergüsse (rechts > links) 4 Verschmälerung des Retrosternalraums
Globale Herzinsuffizienz. Diese ist meist Folge einer dekompensierten Linksherzinsuffizienz mit Rückstau in das rechte System. Differenzialdiagnostisch sollte man aber auch an komplexere Krankheitsbilder, wie etwa koronare Herzkrankheit, Myokarditis oder Herzrhythmusstörungen denken. Radiologisch zeigt sich die globale Herzvergrößerung mit Einengung des Retrosternal- und Retrokardialraums. Bei länger bestehender Symptomatik können pulmonale Stauungszeichen komplett fehlen. Ursächlich hierfür ist sowohl die verminderte Auswurfleistung des rechten Ventrikels selbst als auch die Entwicklung eines chronischen Cor pulmonale bedingt durch den pulmalvenösen Rückstau bei dekompensierter Linksherzinsuffizienz. Radiologisch finden sich dann Zeichen der pulmonalen Hypertonie (s. u.).
Die Herzinsuffizienz ist ein Syndrom unterschiedlicher Ätiologie und bedarf entsprechend einer differenzierten Behandlung. Man unterscheidet eine kausale Therapie zur Behandlung zugrunde liegender Ursachen (z. B. Hypertonie, KHK, Myokarditis, Herzrhythmusstörungen, konstriktive Perikarditis) und eine kompensatorische Therapie. Letztere sollte stets eine Kombination aus Allgemeinmaßnahmen (z. B. Gewichtsnormalisierung, O2-Gabe etc.) sowie Medikamenten sein. Eingesetzt werden Vasodilatoren (ACE-Hemmer, Nitrate, Diuretika), positiv inotrope Substanzen (Digitalis, Beta-Symathomimetika), Phosphodiesterasehemmer (Amiodaron) sowie Medikamente zur Normalisierung der Herzfrequenz (Digitalis, Antiarrythmika). Weitere Optionen sind die Schrittmacherimplantation und zuletzt Herztransplantation.
Pulmonale Hypertonie Definition Pulmonale Hypertonie bezeichnet das Vorliegen eines mittleren arteriellen Drucks von >20 mmHg in der A. pulmonalis. Die leichte Form geht mit Werten um 20–30 mmHg, die mäßiggradige mit Werten um 40–70 mmHg und die schwere Form mit Werte <70 mmHg einher. Die chronische Erhöhung des pulmonalarteriellen Drucks (chronisches Cor pulmonale) ist Folge entweder einer chronischen Flusssteigerung, einer Widerstandszunahme oder einer Druckerhöhung im Bereich der Pulmonalvenen.
Diagnostik der Herzfunktion. Da der Herzmuskel eine hohe
Leistungsbreite hat und es darüber hinaus keine physiologische Herzgröße gibt, dient die Übersichtsradiographie vorwiegend zur Verlaufskontrolle bei Herzdilatation sowie Beurteilung der pulmonalen Stauungskomponente. Aus der Herzgröße an sich kann man keine Rückschlüsse auf die Pumpleistung ziehen (z. B. großes Sportlerherz). Zur spezifischeren Diagnostik der Herzfunktion kommen dagegen nichtinvasive Schnittbildverfahren wie die Echokardiographie, Radionuklidventrikulographie, Kernspintomographie oder vereinzelt auch CT zum Einsatz. Hier lassen sich Funktionsparameter wie Auswurffraktion und enddiastolisches/endsystolisches Ventrikelvolumen, myokardiale Kontraktion und Motilität bestimmen. Zudem können Größe der Herzhöhlen und die Myokarddicke direkt bestimmt werden. Herzinsuffizienz aufgrund akuter Ereignisse. Anzumerken ist, dass eine Herzinsuffizienz aufgrund akuter Myokardläsionen (z. B. Myokarditis, Infarkt) primär nicht mit einer Herzvergrößerung einhergeht. Erst im Verlauf zeigen sich Zeichen der Herzdilatation und Lungenstauung. In der MRT lassen sich zugrunde liegende ischämische und nichtischämische Ursache häufig durch Spätaufnahmen nachweisen. Dazu erfolgt ca. 15 min nach i. v.-Gadoliniumgabe eine Darstellung des Herzens in Kurzachsschnitten (= paralell zu Ventrikelebene und Apex sowie im 90°Winkel zum Septum) mit fettsupprimierten »Steady-state«-Gradientenecho-Sequenzen. Eine transmurale/subendokardiale Kontrastmittel-Aufnahme (= late enhancement) kann dann hinweisend auf eine Ischämie, eine intramurale Anreicherung auf eine Myokarditis sein (s. u.).
Ätiologie, Pathogenese Der pulmonalen Hypertonie liegen unterschiedliche Ursachen zugrunde. Man unterscheidet: 4 eine akute Form (Cor pulmonbale acutum), der meist eine Pulmonalembolie oder ein akuter Asthma-bronchiale-Anfall zugrunde liegt und 4 eine chronische Form (Cor pulmonale chronicum). Sichtbare Herzveränderungen treten nur bei der chronisch pulmonalarteriellen Hypertonie auf. Typische Ursachen sind: 4 Eine pulmonale Flusssteigerung durch Rezirkulationsvitien (Vorhofseptumdefekt, Ventrikelseptumdefekt, Ductus arteriosus apertus Botalli, Fehlmündung der Lungenvenen). 4 Eine Widerstandserhöhung in der pulmonalen Gefäßbahn, z. B. durch ein chronisch obstruktives Emphysem (Cave: Es müssen >60% der pulmonalen Gefäßbahn obturiert sein, ehe der Druck messbar erhöht ist). 4 Pulmonalvenendruckerhöhungen etwa bei Mitralinsuffizienz führen über einen venösen Rückstau zu einer Erhöhung des pulmonalarteriellen Drucks. Eher seltene Ursachen der chronischen pulmonalen Hypertonie sind: 4 Die familiär gehäuft auftretende idiopathische pulmonale Hypertonie (betrifft vorwiegend Frauen und Jugendliche) 4 Pickwick-Syndrom (chronische Einschränkung der Atemexkursion durch Adipositas per magna): hierdurch wird das Atemzentrum refraktär auf chronische Hyperkapniereize (tritt auch bei Poliomyelitis, Muskeldystrophie oder amyotropher Lateralsklerose auf)
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Kapitel 21 · Herz und Gefäße
4 Wotans-Fluch-Syndrom (angeborene oder postenzephalitische CO2-Hyposensibilität des Atemzentrums): die Patienten »vergessen« intermittierend zu atmen 4 Chronisches Hyperkapniesyndrom (Verteilungsstörungen der Perfusion und Ventilation machen das Atemzentrum refraktär und führen zur Hypoventilation) bedingt durch: Thoraxdeformität, Fibrose oder Emphysem
Zeichen der pulmonalen Hypertonie in der Übersichtsradiographie 4 Verbreiterte perihiläre Gefäßschatten 4 Durchmesser der rechten Pulmonalarterie: >18 mm 4 Abstand zwischen Carina und Außenkontur des Pulmonalsegments: >4,5 cm 4 Verbreiterung des Truncus pulmonalis mit Verschmälerung des Retrosternalraums im Seitbild und Hervortreten des Pulmonalissegments links in p.a.-Projektion
Klinik Klinische Zeichen sind leichte Belastungsdyspnoe, Schwindel, diskrete Zyanose, Brustschmerz sowie ggf. Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz (Halsvenenstauung, Ödeme etc.).
Bildgebung Grundsätzlich lässt sich eine pulmonale Hypertonie sicher nur mittels Druckbestimmung im Rechtsherzkatheter messen. Alternativ bietet sich als invasive Methode eine Fluss- und Druckgradientenmessung in der A. pulmonalis mittels MRT oder Echokardiographie an. Zusätzlich kann damit auch das Myokard beurteilt werden. Konventionelle Übersichtsradiographien dienen in erster Linie der Verlaufskontrolle sowie Dokumentation zugrunde liegender Erkrankungen. Pathogenetisch führt die Widerstandserhöhung im kleinen Kreislauf zunächst zur Druckbelastung des rechten Ventrikels in Richtung der Ausflussbahn. Bei Progredienz kommt es dann zunehmend zur ventrikulären Dilatation mit Vergrößerung der Einflussbahn, Linksrotation des Herzens sowie transversaler Größenzunahme des rechten Ventrikels. Bei Fortschreiten der Erkrankung finden sich zunehmend Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz (s. dort). Insgesamt sollte eine isolierte Rechtherzbelastung ohne Beteiligung linker Herzabschnitte differenzialdiagnostisch stets auch an das Vorliegen einer pulmonalen Hypertonie (. Abb. 21.8) denken lassen.
Je nach Ursache der pulmonalen Hypertonie finden sich auch pulmonale Veränderungen: 4 Rarefizierung der peripheren Gefäßzeichnung mit Kalibersprung zwischen breiten zentralen und schmalen peripheren Gefäßen bei fibrotischen Lungenveränderungen. 4 Verstärkte periphere Gefäßzeichnung mit pulsierenden Hili im Anfangsstadium eines Rezirkulationsvitiums. 4 Andere ursächliche Veränderungen, wie Thoraxdeformation, Emphysem etc.
Therapie Die Behandlung richtet sich nach den zugrunde liegenden Ursachen und besteht aus einer Kombination von kausaler und symptomatischer Therapie. Kausal sollten z. B. zugrunde liegende Lungenerkrankungen konsequent behandelt werden. Symptomatisch wird eine medikamentöse pulmonalarterielle Drucksenkung (Theophyllin, Nitrate, Kalziumantagonisten), die Gabe von Herzglykosiden (Cave: Glykosidtoleranz bei Hypoxämie, Azidose und Hypokalämie vermindert), O2-Langzeittherapie (bei chronisch hypoxischen Patienten) oder isovolämische Hämodilution (bei Hämatokrit >60%) kombiniert. Die Therapie des dekompensierten Cor pulmonale besteht aus körperlicher
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a . Abb. 21.8a, b. Pulmonale arterielle Hypertonie (PAH). a Typische Zeichen in der p.a.-Projektion sind ein verbreiterter perihilärer Gefäßschatten, eine rechte Pulmonalarterie mit >18 mm Durchmesser sowie >4,5 cm Ab-
b stand zwischen Carina und Außenkontur des Pulmonalsegments. b Im Seitbild zeigt sich eine Verbreiterung des Truncus pulmonalis mit Verschmälerung des Retrosternalraums
695 21.2 · Differenzialdiagnostik der Herzerkrankungen
Schonung (Bettruhe), Diuretikagabe (Cave: Kaliumhaushalt) und ACE-Hemmern.
Arterielle Hypertonie Definition Die arterielle Hypertonie ist definiert als konstante Erhöhung des systolischen Blutdrucks auf Werte ≥140 mmHg sowie des diastolischen Blutdrucks auf Werte ≥90 mmHg. Man unterscheidet zwischen der primär (essenziellen) Hypertonie unklarer Ätiologie und der sekundären Form, z. B. im Rahmen von endokrinen Erkrankungen, Nierenarterienstenosen etc.
Klinik Die Klinik der arteriellen Hypertonie ist vielgestaltig und abhängig von der zugrunde liegenden Ursache. Beschwerden können oft auch lange Zeit komplett fehlen. Typisch sind der frühmorgendlich auftretende Kopfschmerz (v. a. im Bereich des Hinterkopfs), Schwindel, Ohrensausen, Nervosität, Präkordialschmerz, Herzklopfen, Belastungsdyspnoe und Nasenbluten.
Diagnose, Bildgebung Die Diagnose der arteriellen Hypertonie erfolgt im Rahmen ausgedehnter klinischer Untersuchungen. Konventionelle Projektionsradiographien und die Echokardiographie helfen, eine Linksherzhypertrophie zu diagnostizieren. Eine Renovasographie mittels konventioneller Angiographie, Farbdopplersonographie, MRT oder CT dienen der Dokumentation möglicher Nierenarterienstenosen. Auf konventionellen Übersichtsradiographien des Thorax finden sich meist unspezifische Veränderungen, die lediglich in Zusammenschau mit den klinischen Daten auf eine zugrunde liegende arterielle Hypertonie schließen lassen.
Zeichen der arteriellen Hypertonie auf Übersichtsradiographien 4 Linksseitige Verbreiterung des Herzschattens mit aortal konfigurierter Herzsilhouette 4 Elongation und Sklerose der Aorta (prominenter Aortenknopf ) 4 Pulmonal-venöse Lungenstauung bei beginnender Linksherzinsuffizienz 4 Bei fortschreitender Linksherzinsuffizienz Zeichen der pulmonalen Hypertonie (s. dort) 4 Rechtsherzbelastung sowie später Globalinsuffizienz (s. dort)
Als Ausdruck der ausgeprägten linksventrikulären Vegrößerung stellt sich die linke Koronararterie auf Katheterangiographien und EKG-gegateten Mehrschicht-CT- bzw. MRT-Aufnahmen häufig als stark geschlängeltes Gefäß dar.
Therapie Die Therapie besteht aus einer Beseitigung ggf. zugrunde liegender Ursachen (Beseitigung einer Nierenarterien-, Aortenisthmusstenose, Behandlung endokriner Ursachen), Allgemeinmaß-
nahmen (Gewichtsnormalisierung, salzarme Therapie, Beseitigung kardiovaskulärer Risikofaktoren) sowie dem Einsatz von Antihypertonika (Diuretika, Betablocker, Kalziumantagonisten, ACE-Hemmer).
Klappenvitien Definition Prinzipiell unterscheidet man zwischen angeborenen und erworbenen Herzklappenfehlern. Angeborene Klappenvitien treten letztlich nur in Form der isolierten Pulmonalisstenose, isolierten Aortenstenose oder kombiniert mit anderen Herzfehlern z. B. im Rahmen der Fallot-Tetralogie auf. Erworbene Klappenfehler sind in jüngerem Alter größtenteils endokarditischer oder rheumatischer, in höherem Alter oft auch sklerotischer Genese. Häufig sind mehrere Klappen gleichzeitig betroffen. Typische Kombinationsvitien sind: 4 Mitral- und Aortenfehler 4 Mitral- und Trikuspidalfehler 4 Aorten-, Mitral- und Trikuspidalfehler Klappenfehler des rechten Herzens sind insgesamt relativ selten und dann oft Folge einer bakteriellen Endokarditis. In der Mehrzahl der Fälle sind Klappenvitien des rechten Herzens relative Klappeninsuffizienzen durch Überdehnung des Klappenrings bei schwerer pulmonaler Hypertonie (relative Pulmonalisinsuffizienz) oder rechtsventrikulärer Dilatation (relative Trikuspidalinsuffizienz).
Klinik, Pathogenese Abhängig vom Schweregrad und Lokalisation des Vitiums reicht das klinische Erscheinungsbild von einem unauffälligen Befund bis hin zu Zeichen einer Volumen- bzw. Drucksteigerung des jeweiligen Kreislaufs. Klappeninsuffizienzen führen primär zu einer Volumenbelastung mit günstigerer Prognose, Klappenstenosen zu einer Druckbelastung mit insgesamt ungünstigerer Prognose. Entsprechend dem Ausmaß der subjektiven Beschwerden unterscheided man 4 Schweregrade der Vitien (New York Heart Association; NYHA): 4 Stadium I: keine Beschwerden 4 Stadium II: Beschwerden bei körperlicher Belastung 4 Stadium III: Beschwerden bereits bei leichter körperlicher Belastung 4 Stadium IV: Beschwerden in Ruhe (kardiale Dekompensation und Bettlägerigkeit) Erworbene Aortenklappenstenosen treten überwiegend im mittleren Alter auf. Männer sind etwa 3-mal so häufig betroffen wie Frauen. Hämodynamisch wirksam wird eine Stenose erst, wenn sich der Klappenumfang auf weniger als ein Drittel oder die Fläche des Querschnitts auf weniger als ein Fünftel (<0,5 cm2) reduziert. Pathomorphologisch unterscheidet man valvuläre (Einengung am Klappenring), supravalvuläre (Einengung oberhalb der Klappenebene) sowie subvalvuläre Stenosen (Einengung unterhalb der Klappenebene, z. B bei hypertrophisch-obstruktiver Kardiomyopathie). Die erworbene Aortenklappeninsuffizienz ist in zwei Dritteln der Fälle rheumatischer Genese und betrifft überwiegend Männer (3- bis 5-fach).
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Kapitel 21 · Herz und Gefäße
Erworbene Mitralklappenstenosen gehören zu den häufigsten Herzfehlern (ca. 50% aller kardialen Vitien), kommen überwiegend in jüngerem bis mittlerem Lebensalter vor und werden v. a. durch eine rheumatische Endokarditis verursacht. Meist ist das vordere Segel stärker betroffen. Grundsätzlich werden 2 Hauptformen der Stenose unterschieden: 4 Fibrös geschrumpfte Segel mit starrer verengter Öffnung und verdickten, verklebten Sehnenfäden (ca. 90%) oder 4 Bildung eines elastischen Trichters mit verwachsenen Sehnenfäden.
Pendelfluss, der in schweren Fällen bis zu 50% des Schlagvolumens betragen kann. Erworbene Pulmonalklappenvitien sind äußerst selten. Häufiger ist die relative Klappeninsuffizienz etwa auf dem Boden einer rechtsventrikulären Dilatation z. B. bei schwerer Mitralstenose oder pulmonaler Hypertonie. Erworbene isolierte Trikuspidalvitien sind ebenfalls selten. Sie sind meist rheumatischer Natur und kommen großenteils in Verbindungen mit weiteren Vitien vor.
Bildgebung Wie in der Bildgebung der Aortenklappe sind eine direkte Visualisierung sowie eine Bestimmung funktioneller Parameter überwiegend der Echokardiographie und MRT vorbehalten. Die Mitralklappeninsuffizienz ensteht ebenso meist als Folge einer rheumatischen Endokarditis. Frauen sind doppelt so häufig betroffen. Trotz häufigem Auftreten einer isolierten Mitralinsuffizienz zu Krankheitsbeginn wird im Spätstadium häufiger ein kombiniertes Mitralvitium (ca. 40%) beobachtet. Pathomorphologisch unterscheidet man: 4 einen Schrumpfungstyp (Substanzverlust der Klappen und Reduzierung der Klappenfläche durch narbige Schrumpfung) und 4 einen Dilatationstyp (Erweiterung des Klappenrings aufgrund entzündlicher Vorgänge oder infolge einer linksventrikulären Dilatation). Seltenere Ursachen sind Rupturen der Papillarmuskeln oder Cordae tendineae. Funktionell kommt es zu einem systolischen
Während die Beurteilung von Klappenfunktion wie Flussgeschwindigkeit oder Druckgradienten eindeutig Domäne der Echokardiographie und MRT ist, lassen sich fehlertypische Umformungen des Herzens bereits auf Übersichtsradiographien erkennen. In den letzten Jahren gewinnt auch die CT, aufgrund der zunehmend hohen zeitlichen Auflösung und der hervorragenden Darstellbarkeit von Kalzifikationen, an Bedeutung. Gewöhnlich führen Klappenvitien (Fehler) zu veränderten Druck- und Volumenverhältnissen und damit zu den eingangs beschriebenen relativ uniformen Reaktionsmustern des Myokards. Im Folgenden werden daher nur für die jeweilige Klappe spezifische Merkmale aufgezeigt. Aortenstenose. Bei der reinen Aortenstenose kommt es zu-
nächst zu einer konzentrischen Linksherzhypertrophie mit Verlängerung der Ausflussbahn. Meist findet sich in diesem Stadium ein unauffälliger Röntgenbefund. Diskrete Zeichen auf Übersichtsradiographien können aber sein:
21 a . Abb. 21.9a, b. Aortensklerose. a Typische Zeichen in der p.a.-Projektion sind eine verstärkte Rundung im Spitzenbereich sowie zunehmend aortale Konfiguration mit betonter Herztaille. b Im Seitbild sieht man eine Verschmälerung des Retrokardialraums durch Betonung der Hinterwand des
b linken Ventrikels. Zusätzlich sichtbar eine Dilatation A. ascendens bedingt durch den im Rahmen der Stenose direkt auf die Gefäßwand gerichteten Blutstrahl
697 21.2 · Differenzialdiagnostik der Herzerkrankungen
4 verstärkte Rundung im Spitzenbereich 4 betonte Herztaille 4 Betonung der Hinterwand des linken Ventrikels im Seitbild Bei weiterer Progredienz kommt es zur Verlängerung der Einflussbahn mit konsekutiver Zunahme der Herztiefe. Es kommt zu einer deutlichen linksventrikulären Dilatation und Rechtsrotation des Herzens, auf Übersichtsradiographien erkennbar durch eine (. Abb. 21.9): 4 ausgeprägte aortale Konfiguration 4 Verschmälerung des Retrokardialraums Im weiteren Verlauf kommt es dann zu Zeichen einer myogenen Dekompensation mit Vergrößerung des linken Vorhofs und zunehmender Lungenstauung. Beide sind Ausdruck einer relativen Mitralinsuffizienz bedingt durch eine Schlussunfähigkeit der Mitralsegel aufgrund einer Überdehnung des Klappenrings infolge der starken Linksherzdilatation. Die Ausweitung des Querund Tiefendurchmessers bedingt eine plumpe Mitralkonfiguration. Solange noch keine Rechtsherzinsuffizienz besteht, spricht man auch vom »Cor bovinum«, das gleichermaßen auch beim kombinierten Mitralvitium auftritt. Schlussendlich kann es in Folge dann auch zu einer Rechtsherz- und damit Globalinsuffizienz kommen. Wichtige Unterscheidungsmerkmale gegenüber der Aortenklappeninsuffizienz sind in der Übersicht dargestellt. > Unterscheidungsmerkmale der Aortenstenose gegenüber der Aortenklappeninsuffizienz: 4 Erweiterung der klappennahen Abschnitte der Aorta ascendens (poststenotische Dilatation bedingt durch einen Düsenstrahleffekt des ausgeworfenen Bluts) 4 Nachweis von Klappenverkalkungen (schollige Verkalkungen links neben der Wirbelsäule in ca. 80% der Fälle) Aortenklappeninsuffizienz. Im Gegensatz zur Aortenklappenstenose führt die bei der Aorteninsuffizienz die massive Volumenbelastung des Ventrikels rasch zu einer Linksherzdilatation, die zunächst primär nach dorsal gerichtet ist. Das Herz vollführt dabei eine Rechtsdrehung (rechter Ventrikel wandert nach rechts), sodass das Herz in a.p.-Projektion jahrelang unauffällig erscheinen kann. Wird die ventrikuläre Regurgitationsfraktion größer, zeigt sich eine: 4 deutlich ausgeprägtere Aortenkonfiguration als bei der Aortenstenose 4 die gesamte Länge der Aorta ascendens betreffende Dilatation
Bei Fortbestehen kommt es dann wie bei der Aortenstenose zur myogenen Dekompensation mit Vergrößerung des linken Vorhofs, zunehmender Lungenstauung und schlussendlich einer Rechtsherzbelastung. Mitralstenose. Bei der Mitralstenose werden die röntgenolo-
gischen Zeichen auf der Übersichtsradiographie von der Hämo-
dynamik und deren Folgen bestimmt. Leichte Mitralstenosen treten meist nur in Form einer diskreten Verschmälerung des Retrokardialraums in Erscheinung. Bei fortschreitender Erkrankung finden sich typischerweise die in der Übersicht dargestellten Merkmale (. Abb. 21.5). Zeichen einer fortgeschrittenen Mitralinsuffizienz 4 Vorhofdoppelkontur (Kernschatten) rechts paramediastinal 4 Anhebung und Spreizung der Tracheabifurkation 4 Kombination von deutlicher Dilatation des linken Vorhofs verbunden mit normal großem bis verkleinertem linken Ventrikel/sichtbares Cavadreieck (wichtiges Unterscheidungsmerkmal zur Aorteninsuffizienz) 4 Verkalkungen (~60% der Fälle) links der Wirbelsäule Bei mittelschweren Formen zeigen sich zudem Zeichen der chronischen Lungenstauung (s. dort): 4 Erweiterte Pulmonalarterien (rechts deszendierender Ast >15 mm im Durchmesser) 4 Prominentes Pulmonalissegment 4 Verwaschene Gefäße (ohne Nachweis von Pulsationen als Unterscheidungsmerkmal gegenüber von LinksRechts-Shuntvitien) 4 Kerley-B-Linien 4 Kalibersprung der Pulmonalgefäße als Frühzeichen einer pulmonalarteriellen Hypertonie (s. dort) 4 Perihilär symmetrische feinfleckige miliares Zeichnung als Ausdruck einer pulmonalen Hämosiderose (= Diapedese- und Mikroeinblutungen durch Gefäßrupturen)
Bei fortbestehender Symptomatik entwickelt sich eine zunehmende pulmonalarterielle Hypertonie mit steigender rechtsventrikulärer Belastung. Kommt es zur muskulären Kontraktionsinsuffizienz des rechten Ventrikels, beobachtet man einen Rückgang der Lungenstauung sowie Vergrößerung des rechten Vorhofs als Ausdruck einer relativen Trikuspidalinsuffizienz. Mitralinsuffizienz. Hier entwickelt sich aufgrund der geringen Kompensationsmöglichkeiten des linken Vorhofs rasch eine Dilatation des linken Vorhofs mit sukzessiver Vergrößerung des Tiefendurchmessers. Es kommt zur Abnahme des Retrokardialraums und Aufspreizung der Trachea oft bis >70°. Bedingt durch das hohe Pendelblutvolumen findet sich begleitend eine Dilatation des linken Ventrikels mit Rechtsdrehung und Abrundung des linken Herzrandes. Letzteres kann als Unterscheidungsmerkmal zur Mitralstenose herangezogen werden (. Abb. 21.5). Auch werden im fortgeschrittenen Stadium weder eine Hämosiderose noch Lungenfibrose beobachtet. Eine Zunahme der Insuffizienz führt dann im Verlauf zu den typischen Zeichen einer Lungenstaung, pulmonalen Hypertonie und schließlich Rechtsherzbelastung (s. dort). In der Mehrzahl der Fälle liegt ein kombiniertes Mitralvitium vor, dessen Nachweis nativradiologisch schwierig und in den meisten Fällen funktionellen Verfahren wie der Echokardiographie und zunehmend auch der MRT vorbehalten ist.
21
698
Kapitel 21 · Herz und Gefäße
> Je größer ein Mitralherz ist, desto wahrscheinlicher liegt ein kombiniertes Vitium vor; je kleiner es ist, desto unwahrscheinlicher ist ein kombiniertes Vitium. Pulmonal- und Trikuspidalklappe. Zeichen eines Pulmonalklappenvitiums können sein: eine Verschmälerung hilusnaher
Gefäße ohne Rarefizierung der peripheren Lungestrukturen sowie eine leichte Linksverbreiterung aufgrund der rechtsventrikulären Dilatation. Die isolierte Trikuspidalstenose erschwert den Blutfluss zum rechten Ventrikel. Als Folge zeigt sich eine Dilatation des rechten Vorhofs sowie der V. cava. Aufgrund der relativ herabgesetzten Lungenperfusion zeigt sich häufig eine verminderte Lungengefäßzeichnung. Bei der Trikuspidalinsuffizienz kommt es zu einer erhöhten Pendelblutmenge und dadurch zur raschen Dilatation des rechten Vorhofs und Ventrikels. Auf Übersichtsradiographien sieht man eine verstrichene Herztaille und Verbreiterung des Herzens nach rechts, ähnlich wie bei der Mitralstenose. Im Gegensatz dazu ist aber primär der Retrosternalraum eingeengt. Häufiger ist eine relative Klappeninsuffizienz etwa auf dem Boden einer rechtsventrikulären Dilatation wie sie bei verschiedenen Herzund Lungenerkrankungen auftritt. Funktionelle Auswirkungen von Klappenvitien. Diese können
heute recht einfach mittels Echokardiographie oder MRT bestimmt werden. Goldstandard ist aktuell zwar weiterhin die Duplex-Echokardiographie, die eine zuverlässige Bestimmung der wichtigsten Funktionsparameter sowie Darstellung der Klappe selbst ermöglicht. Im Gegensatz zur Echokardiographie lassen sich in der MRT aber auch adipöse Patienten einfach untersuchen. Bei zunehmender Verfügbarkeit ist daher davon auszugehen, dass sich dieses Verfahren über kurz oder lang als Referenzverfahren in der Beurteilung letztlich aller Klappen etablieren wird. Neben einer direkten Visualisierung von Klappenfunktion und -vegetationen erlaubt die MRT-Flussmessung mittels PhasenkontrastBildgebung eine zuverlässige und schnelle Bestimmung von Regurgitationsvolumen, Flussgeschwindigkeiten Auswurfsfraktion, Druckgradienten etc. Verkalkungen stellen sich in MRT und Echokardiographie häufig unzureichend dar oder verursachen ausgeprägte Auslöschungsartefakte. Hier können EKG-getriggerte CT-Aufnahmen des Herzens helfen, um etwa eine Beteiligung von Klappensegeln und -ring zu differenzieren oder aber die maximale Klappenöffnungsfläche zu berechnen.
21
ren sind hämodynamisch günstiger und werden daher bevorzugt durchgeführt. Bioprothesen zeichnen sich durch eine nur begrenzte Haltbarkeit aus und werden daher nur bei älteren Patienten eingesetzt. Mechanische Klappen sind dagegen aufgrund der Flussdynamik und körperfremden Oberfläche ausgesprochen thrombogen und bedürfen daher einer lebenslangen Antikoagulation.
Kongenitale Anomalien Definition, Epidemiologie Kongenitale Anomalien des Herzens und der großen Gefäße werden bei etwa 0,2–0,4% aller Menschen beobachtet. Die häufigsten kongenitalen Anomalien sind in . Tab. 21.2 aufgeführt.
Klinik Klinisch ist es am sinnvollsten, kongenitale Anomalien nach hämodynamischen Auswirkungen einzuteilen, je nachdem, ob sie ohne Shunt, mit Links-Rechts-Shunt oder Rechts-Links-Shunt verbunden sind (. Abb. 21.10). Herzfehler ohne Shunt. Dazu gehören insbesondere:
4 Aortenisthmusstenose 4 Aortenstenose 4 Pulmonalstenose Klinisch zeigen sich bei schweren Fällen eine Belastungsdyspnoe sowie Zeichen der peripheren Zyanose. Herzfehler mit Links-Rechts-Shunt. Typische Formen sind:
4 4 4 4
Vorhofseptumdefekt Ventrikelseptumdefekt Persistierender Ductus Arteriosus (PDA) Botalli Fehlmündung der Lungenvenen
Klinische Leitsymptome sind typische Geräuschbefunde (z. B. Pressstrahlgeräusch bei VSD, Maschinengeräusch bei PDA etc.), Fehlen einer Zyanose sowie die Röntgenzeichen einer verstärkten Lungenperfusion.
. Tab. 21.2. Die häufigsten kongenitalen Anomalien des Herzens und der großen Gefäße
Anomalie
Häufigkeit
Therapie
Vorhofseptumdefekt
25–30%
Je nach Schweregrad des Vitiums stehen alternativ internistische sowie chirurgische Therapieoptionen zur Verfügung. Die internistische Therapie umfasst die Behandlung der Herzinsuffizienz, die Endokarditisprophylaxe sowie eine mögliche Thromboembolieprophylaxe mit Antikoagulanzien. Chirurgisch unterscheidet man zwischen klappenerhaltenden Verfahren wie der Klappenrekonstruktion oder Valvuloplastie und dem Klappenersatz mittels biologischer (Homograft/Heterograft) oder mechanischer Prothesen (Kugel-Käfig-Prothese/Kippscheibenprothesen/Doppelflügelprothesen). Klappenerhaltende Verfah-
Ventrikelseptumdefekt
10%
Persistierender Ductus arteriosus (PDA) Botalli
10%
Aortenisthmusstenose
7%
Pulmonalstenose
7%
Aortenstenose
6%
Fallot-Tetralogie
6%
Transposition der großen Arterien (TGA)
4%
699 21.2 · Differenzialdiagnostik der Herzerkrankungen
. Abb. 21.10. Kongenitale Anomalien (blau: Herzfehler mit Links-Rechts-Shunt; rot: Herzfehler mit Rechts-Links-Shunt; gelb: Herzfehler ohne Shunt; RA: rechter Vorhof; LA: linkker Vorhof; RV; rechter Ventrikel; LV: linker Ventrikel)
Herzfehler mit Rechts-Links-Shunt. Hier unterscheidet man: 4 Vitien mit verminderter Lungenperfusion (z. B. Fallot-Tetralogie) 4 Vitien mit vermehrter Lungenperfusion (z. B. Transposition der großen Arterien [TGA])
Klinisch finden sich häufig eine zentrale Zyanose sowie Zeichen der Hypoxämie (Polyglobulie, Leistungsabfall, Synkopen, Trommelschlegelfinger, Uhrglasnägel etc.).
direkten Nachweis der Stenose sowie die invasive Messung des Druckgradienten über der Stenose. Unter Verwendung von Lowdose-Protokollen können vergleichbare Ergebnisse aber auch sehr einfach und v. a. nichtinvasiv mittels CT erzielt werden. Radiologische Zeichen der angeborenen Aorten- oder Pulmonalstenose gleichen weitgehend denen der erworbenen Formen (s. o.).
Bildgebung Herzfehler ohne Shunt. Man unterscheidet 2 Formen der Aortenisthmusstenose:
4 eine präduktale (= infantile), proximal des Abgangs des Ductus arteriosus Botalli lokalisierte Form und 4 eine postduktale (= erwachsene) Form, die sich distal des Abgangs befindet. Typische Zeichen in der konventionellen Projektionsradiographie sind ein fehlender Aortenknopf sowie Rippenusuren als Zeichen einer Versorgung der unteren Körperhälfte über Kollateralgefäße (Interkostalarterien) (. Abb. 21.11). Echokardiographisch lassen sich partiell Druckgradienten über der Stenose messen. Darüber hinaus können eine mögliche linksventrikuläre Hypertrophie sowie assozierte Fehlbildungen (z. B. bikuspide Aortenklappe) dargestellt werden. Die MRT ermöglicht eine hochauflösende Darstellung der Pathomorphologie und erlaubt darüber hinaus eine Graduierung des Stenosegrades durch Gradientenund Flussmessungen. Die Katheterangiographie ermöglicht den
. Abb. 21.11. Aortenisthmusstenose. Typische Zeichen in p.a.-Projektion sind ein fehlender Aortenknopf sowie Rippenusuren als Zeichen einer Versorgung der unteren Körperhälfte über Kollateralgefäße (Interkostalarterien)
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700
Kapitel 21 · Herz und Gefäße
Herzfehler mit Links-Rechts-Shunt. Beim Vorhofseptumdefekt
(Atrium-Septum-Defekt [ASD]) werden 4 Formen unterschieden (. Abb. 21.12): 4 Ostium-secundum-Defekt (ASD II) im Bereich der Fossa ovalis (ca. 75% aller ASD) 4 Ostium-primum-Defekt (ASD I) infolge einer Hemmung der Endokardkissenbildung im Septumanteil nahe der Trikuspidalklappe (ca. 15% aller ASD) 4 Sinus-venosus-Defekt (Unterscheidung zwischen oberem – im Bereich der Einmündung der V. cava superior – und unterem – im Bereich der Einmündung der V. cava inferior; ca. 10% aller ASD) 4 Koronarsinusdefekt (Defekt im Bereich des Koronarsinus am Boden der Vorhöfe, dabei kommunizieren die Vorhöfe über den Koronarsinus, das Vorhofsptum bleibt intakt) Auf konventionellen Projektionsradiographien wird ein ASD gewöhnlich erst bei relevantem Shuntvolumen durch eine Vergrößerung des rechten Ventrikels, der zunehmend links randbildend wird, auffällig. Durch die verstärkte Lungenperfusion kommt es zunächst zur Ausfüllung der Herzbucht durch das verbreiterte Pulmonalissegment, im weiteren Verlauf dann zu den klassischen Zeichen der pulmonal-arteriellen Hypertonie. Die Katheterangiographie erlaubt eine Darstellung des Defekts und Shuntvolumens. Die Echokardiographie und Kernspintomographie ermöglichen jeweils die funktionelle Messung von Druckgradienten und Shuntvolumen. Zudem können Vorhof- und Ventrikelgrößen sowie Morphologie und Bewegung des Vorhofseptums valide erfasst werden. Zur validen Shuntdolumentation sollte das MRT-Untersuchungsprotokoll stets auch Flussmessungssequenzen über der Aorten- und Pulmonalklappe umfassen. Hierdurch lassen sich die jeweiligen Auswurfvolumina recht gut erfassen. Differenzen zwischen rechter und linker Kammer sind dann als indirekter Shuntnachweis zu werten. Mit Ausnahme funktioneller Parameter können sämtliche morphologischen Informationen prinzipiell auch mittels CT gewonnen werden. Beim Ventrikelseptumdefekt (VSD) werden 4 Formen unterschieden (. Abb. 21.12): 4 Perimembranöser VSD: Öffnung(en) im membranösen Ventrikelseptum nahe der Trikuspidal und/oder Aortenklappe 4 Muskuläre VSD: einzeln oder mehrfach (Swiss-cheese-Defekt) vorkommender Defekt, rein muskulär begrenzt (mittig, bzw. apikal gelegen) 4 Infundibulärer VSD: Öffnung unterhalb der Aortenklappe 4 AV-Kanaltyp (Endokardkissendefekt): Öffnung im Bereich des Einlassseptums des rechten Ventrikels
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Bei kleinem Ventrikelseptumdefekt finden sich als diskrete Zeichen einer volumenbedingten Drucksteigerung im kleinen Kreislauf auf konventionellen Projektionsradiographien meist nur eine Vorbuchtung des Pulmonalisbogens sowie eine verstärkte Hilusund Lungenzeichnung. Gelegentlich findet sich eine Abnahme des Retrosternalraums als Zeichen der rechtsventrikulären Volumenbelastung. Diese Veränderungen treten im Verlauf immer stärker in den Vordergrund (. Abb. 21.13). Im fortgeschritten Stadium zeigen sich dann klassische Zeichen der pulmonal-arteriellen Hypertonie (. Abb. 21.13). Katheterangiographie, Echokardigraphie,
. Abb. 21.12. Schematische Darstellung des Ventrikelseptumdefekts
MRT und CT spielen eine ähnliche Rolle wie in der Diagnostik des ASD. Insgesamt sind Echokardiographie und MRT jedoch grundsätzlich vorzuziehen, wobei letztere zusätzlich den Vorteil des patienten- und untersucher-unabhängigen Verfahrens bietet. Die Zeichen des persistierenden Ductus Arteriosus Botalli
gleichen auf konventionellen Projektionsradiographien weitgehend denen des Ventrikelseptumdefekts oder der Pulmonalstenose (. Abb. 21.13). Allerdings kommt es durch die Volumenbelastung früh zur Dilatation und Hypertrophie des linken Ventrikels. Ein direkter Nachweis des PDA gelingt meist sowohl mit der Katheterangiographie, CT (. Abb. 21.14), Echokardiographie und MRT. Vorteil der beiden letztgenannten Verfahren ist die Möglichkeit der direkten (Echokardiographie) und indirekten (MRT; s. o.) Shuntmengenbestimmung. Bei der Lungenvenenfehlmündung wird sauerstoffreiches Blut nicht in den linken Vorhof, sondern auf die rechte Seite des Herzkreislaufsystems geleitet. Ist nur ein Teil der Lungenvenen betroffen, so spricht man von partieller Fehlmündung, im Gegensatz zur totalen Fehlmündung, bei der alle 4 Lungenvenen betroffen sind. Der venöse Rückstrom erfolgt gewöhnlich in die obere bzw. untere Hohlvene oder in den rechten Vorhof. Klinisch haben die Kinder häufig Atemwegsinfekte und gedeihen schlecht. Bei Neugeborenen zeigt sich ein ausgeprägtes Lungenödem und Zeichen der Herzinsuffizienz. Ein direkter Nachweis der Anomalien gelingt gewöhnlich recht einfach mittels Echokardiographie. Häufig kommt auch die MRT zum Einsatz, die v. a. bei komplexen Fehlbildungen den Vorteil der besseren Übersicht bietet. Alternativ kann auch der Einsatz der CT erwägt werden, allerdings mit dem Nachteil der höheren Strahlenexposition (. Abb. 21.15). Die Katheterangiographie wird angesichts dieser nichtinvasiven Alternativen zunehmend in den Hintergrund gedrängt.
701 21.2 · Differenzialdiagnostik der Herzerkrankungen
a . Abb. 21.13a, b. Ventrikelseptumdefekt. Auf konventionellen Projektionsradiographien wird ein VSD gewöhnlich erst bei relevantem Shuntvolumen durch Vergrößerung des rechten Ventrikels, der zunehmend links randbildend wird, auffällig. Durch verstärkte Lungenperfusion kommt es
a
b zunächst zur Ausfüllung der Herzbucht durch das verbreiterte Pulmonalissegment, im weiteren Verlauf dann zu den klassischen Zeichen der pulmonal-arteriellen Hypertonie
b
. Abb. 21.14a, b. Persistierender Ductus arteriosus Botalli. CT-Datensatz. Deutlicher Kalibersprung der Aorta am Übergang vom Bogen auf die
A. descendens. Der Befund ist sichtbar auf axialen Schichten (a) und sagittalen Reformationen (b)
Herzfehler mit Rechts-Links-Shunt. Bei der Fallot-Tetralogie
Auf konventionellen Projektionsradiographien findet sich meist eine eingezogene Herztaille (durch Rechtsverlagerung des Pulmonalissegments) sowie eine abgerundete und angehobene Herzspitze bedingt durch den vergrößerten rechten Ventrikel (»Holzschuhherz«). Als Folge der Pulmonalisstenose ist die arterielle Lungengefäßzeichnung tendenziell verringert, die Hili eher klein. Da die Fallot-Tetralogie oft mit rechtsseitig deszendierender Aorta und einem rechtsseitig verlaufenden Aortenbogen kombiniert ist, erscheint der Mediastinalschatten häufig rechts verbreitert mit rechts mediastinal randbildendem Aortenbogen. Katheterangio-
handelt es sich um eine komplexe Herzmissbildung mit verminderter Lungenperfusion (. Abb. 21.16). Die Symptomatik wird vom Ausmaß der Lungenperfusion bestimmt. Es findet sich die klassische Kombination von folgenden Merkmalen: 4 Rechtsventrikuläre Hypertrophie 4 Pulmonalstenose (valvulär/infundibulär) 4 VSD (subaortal) 4 über dem VSD »reitende« Aorta
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702
Kapitel 21 · Herz und Gefäße
a . Abb. 21.15a, b. Lungenfehlmündung (CT). CT-Datensatz. Auf der axialen Schicht (a) sieht man deutlich die Fehlmündung der linken oberen Lungenvene in den rechten Vorhof. Es handelt sich um eine partielle Fehlmündung: auf der parakoronalen Reformation (b) sieht man – von unten
a
21
b nach oben – die (in den linken Vorhof mündende) linke untere Lungenvene, die fehlmündende rechte obere Lungenvene, die linke Pulmonalarterie sowie den Aortenbogen
b
. Abb. 21.16a, b. Fallot-Tetralogie. CT-Datensatz. a Auf der parasagittalen Reformation zeigt sich links neben der über dem VSD »reitenden« Aorta auch die deutliche Pulmonalstenose b Auf der axialen Schicht deutlich
sichtbar die rechtsventrikuläre Hypertrophie sowie der subaortale VSD. Beachte auch die fast vollständige Lungenatelektase links.
graphie, CT, Echokardiographie und MRT erlauben eine bessere Darstellung der Pathomorphologie (. Abb. 21.16). Vor chirurgischer Therapie sind insbesondere die Schnittbildverfahren sehr dafür geeignet, die komplexen Veränderungen darzustellen. Dabei ist zwischen dem Vorteil einer extrem schnellen (ca. 10 s) und weitgehend patientenunabhängigen (CT) oder einer strahlungsfreien, aber langwierigen und auf Patientenkooperation (oft Sedierung nötig) angewiesenen Untersuchungart (MRT) zu wählen.
Bei der Transposition der großen Arterien wird die Aorta vom rechten Ventrikel gespeist, die A. pulmonalis vom linken. Ohne ärztliches Eingreifen ist das Kind nicht lebensfähig, da sich Ductus arteriosus und/oder Foramen ovale innerhalb der ersten Woche nach der Geburt verschließen. Die Echokardiographie kann fast immer eine eindeutige Diagnose liefern. Alternativ kommen die MRT sowie vereinzelt auch CT zum Einsatz.
703 21.2 · Differenzialdiagnostik der Herzerkrankungen
Therapie Eine Aortenisthmusstenose führt zu vermehrter Arbeitslast im linken Ventrikel und je nach Ausprägung zu einer verminderten Blutversorgung der unteren Körperhälfte. Folgen sind dann eine arterielle Hypertonie im Bereich der Koronararterien und supraaortalen Gefäße sowie relative Ischämie der unteren Körperhälfte (Niereninsuffizienz!). Bei Vorliegen einer präduktalen (= infantilen) Stenose kommt erst nach dem spontanen Verschluss des Ductus arteriosus post partum die Enge in der Aorta voll zu tragen, da vorher die Durchblutung der unteren Körperhälfte großenteils durch den Ductus arteriosus aufrechterhalten wurde. Daher wird zunächst der Ductus arteriosus medikamentös (Prostaglandine) offen gehalten und eine baldige operative Korrektur angestrebt. Aufgrund einer hohen Restenoserate bedürfen allerdings bis zu 30% der im frühen Säuglingsalter operierten Kinder einer späteren Reoperation. Bei der Pulmonalklappenstenose kann zusätzlich eine Zyanose wegen der eingeschränkten Lungendurchblutung bzw. eines Rechts-Links-Shunts auf Vorhofebene über ein persistierendes Foramen ovale oder einen ASD II bestehen. Bei der Pulmonalklappenatresie ist dagegen die Klappe atretisch und eine intraatriale Verbindung somit für das Überleben notwendig. Daher muss unmittelbar post partum mit einer Prostaglandininfusion begonnen werden, um eine evtl. bestehende Verbindung offenzuhalten. Anschließend wird dann zunächst versucht, die Klappe mittels Ballondilatation zu sprengen. Bei Misslingen oder Vorliegen besonders ausgeprägter Fehlbildungen wird alternativ eine chirurgische Erweiterungsplastik durchgeführt. Die Schwere eines Vorhofseptumdefekts wird vom individuellen Ausmaß der Fehlbildung bestimmt. Bei einem mittleren Defekt im Ventrikelseptum und geringer Klappenfehlbildung sind die Patienten oft jahrelang nicht symptomatisch. Bei einem großen Defekt besteht dagegen die Gefahr einer rechtsventrikulären Volumenbelastung mit sukzessiv pulmonal-arterieller Hypertonie. Je nach Ausprägung wird der Defekt entweder interventionell mittels eines katheterangiographisch eingebrachten Metallplättchens oder operativ mit einem Patch verschlossen. Eventuelle gemeinsame AV-Klappen werden getrennt und ebenfalls rekonstruiert. Beim Ventrikelseptumdefekt wird meist primär ein operativer Verschluss angestrebt. Eine Lungenvenenfehlmündung ist stets eine Operationsindikation. Palliativ kann zunächst mittels Ballon-Atriostomie (Rashkind) ein künstlicher Rechts-Links-Shunt geschaffen werden. Die endgültige Operation zielt dann auf eine Reinsertion der Lungenvenen in den linken Vorhof. Die Operationsletalität ist hoch (30%), allerdings versterben ohne Operation 75% der Kinder. Das klinische Erscheinungsbild der Fallot-Tetralogie kann sehr unterschiedlich ausgeprägt sein: einige Kinder sind nach der Geburt rosig und werden erst im Verlauf zyanotisch. Bei anderen Kindern ist der Blutfluss in der Pulmonalarterie so gering, dass die Gefäße in der Lunge hypoplastisch sind. Die Ausprägung der Fehlbildung von Pulmonalgefäßen und -klappe bestimmen die Schwere der Erkrankung und damit auch Operationsmöglichkeiten und Prognose. Meist wird eine Korrekturoperation bereits im 1. Lebensjahr angestrebt. Bei ungünstigen Voraussetzungen wird zunächst ein aortopulmonaler Shunt als palliative Operation
vorgenommen. Ziel ist eine Perfusionssteigerung in den Pulmonalarterien, um eine spätere Korrekturoperation zu ermöglichen. Diese zielt auf einen Verschluss des Ventrikelseptumdefekts und die Beseitigung der Pulmonalstenose. In manchen Fällen sind hierzu künstliche Verbindungen zwischen rechtem Ventrikel und Pulmonalarterie notwendig (Homograft oder Conduit). Bei der Transposition der großen Arterien wird post partum ebenfalls der Ductus arteriosus durch Prostaglandingabe geöffnet oder offen gehalten. Alternativ kann eine artifizielle Erweiterung des Foramen ovale mittels Ballonkatheter erwägt werden (Rashkindmanöver). Innerhalb der ersten Lebenswochen erfolgt dann die so genannte arterielle Switchoperation, bei der Aorta und Pulmonalarterie kurz oberhalb der Klappe abgetrennt und vertauscht werden. Entsprechend müssen dann auch die Koronararterien abgetrennt und neu eingepflanzt werden.
Koronare Herzerkrankung Definition Herzerkrankungen unterschiedlicher Ätiologie mit dem gemeinsamen pathophysiologischen Mechanismus der Koronarinsuffizienz (= Missverhältnis zwischen Sauerstoffbedarf und -angebot im Herzmuskel).
Epidemiologie, Ätiologie Häufigste Todesursache in den Industrieländern. Männer sind 2- bis 3-mal so häufig betroffen wie Fauen. Zugrunde liegt eine Kombination aus erhöhtem Koronarwiderstand sowie extrakoronaren Zusatzfaktoren. Ursächlich für einen erhöhten Koronarwiderstand können vasale Faktoren (Makroangiopathie, Mikroangiopathie, Koronarspasmen) sowie myokardiale Zusatzfaktoren (Herzhypertrophie, Hypertonie oder Tachykardie) sein. Extrakoronare Zusatzfaktoren umfassen kardiale (Aortenklappenfehler, Rhythmusstörugnen, etc.) sowie extrakardiale (erhöhter O2-Bedarf, erniedrigtes O2-Angebot, erhöhte Blutviskosität) Ursachen. Risikofaktoren der Arteriosklerose werden wie in der Übersicht aufgeführt unterteilt.
Risikofaktoren der Arteriosklerose 4 Unbeeinflussbare Risikofaktoren – Familiäre Disposition – Lebensalter – Männliches Geschlecht 4 Risikofaktoren 1. Ordnung: – Fettstoffwechselstörungen – Nikotinabusus – Bluthochdruck – Diabetes mellitus 4 Risikofaktoren 2. Ordnung – Adipositas – Bewegungsmangel – Stress
Basierend auf diesen Faktoren lässt sich mittels des Framingham-Risiko-Scores das individuelle Risiko für eine koronare Herzerkrankung (KHK) bestimmen:
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704
Kapitel 21 · Herz und Gefäße
4 Sind 2 Risikofaktoren 1. Ordnung erhöht, ist das Infarktrisiko im Vergleich zu einer Normalperson etwa 4-fach erhöht, 4 beim Vorliegen von 3 Risikofaktoren 1. Ordnung ergibt sich ein etwa 10-fach höheres Risiko.
Klinik Klassische Manifestationsformen der KHK sind: 4 Latente KHK (= asymptomatische KHK/stumme Ischämie) 4 Manifeste KHK
1. Angina pectoris (Thoraxschmerz infolge reversibler Myokardischämie) 5 Stabile Angina pectoris (regelmäßig durch bestimmte Mechanismen [z. B. körperliche Anstrengung] auslösbar) 5 Instabile Angina pectoris (jede Erstangina/zunehmende Symptomatik/Ruhe-Angina) 5 Sonderformen (Prinzmetal/Walking through/Angina decubitus) 2. Herzinfarkt (Ischämische Myokardnekrose) 3. Herzrhythmusstörungen 4. Plötzlicher Herztod Klinisches Leitsymptom ist ein retrosternal lokalisierter Schmerz, der durch körperliche und psychische Belastungen ausgelöst werden kann und von kurzer Dauer ist (Minuten). Der Schmerz kann bis in den Hals, Unterbauch und Arm ausstrahlen.
Diagnose Arterielle Versorgung des Myokards. Die Koronararterien ver-
sorgen als »Vasa privata« das Myokard; dazu werden 5–10% des Schlagvolumens benötigt. Die rechte (RCA) sowie linke (LCA) Koronararterie entspringt dabei aus dem Sinus valsalvae aortae sinister bzw. dexter. Der Hauptstammm der LCA teilt sich nach kurzer Verlaufsstrecke in den Ramus interventricularis anterior (RIA, RIVA, LAD), der epikardial im Sulcus interventricularis verläuft, und den Ramus circumflexus (RCX), der ringförmig im Sulcus coronarius zur linksseitigen Zwerchfellfläche des Herzens gelangt. In der LCA-Bifurkation kann in etwa 25% der Fälle als
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. Abb. 21.17. AHA-Schema der Koronarsegmente
Normvariante ein R. intermedius entspringen. Aus dem RIVA entspringen 1–3 Diagonaläste sowie die kleineren Rami interventriculares. Als Hauptäste gibt der RCX dem RMS sowie die Rami atrioventriculares ab. Die RCA verläuft im Sulcus interventricularis posterior bis zur Herzspitze und gibt in ihrem Verlauf üblicherweise Versorgungsäste zum Sinusknoten und Konus, den Ramus marginalis dexter, Ramus posterolateralis dexter, Ramus interventricularis posterior (RIVP) sowie kleinere Äste zum rechten Vorhof und Interventrikularseptum ab (. Abb. 21.17). Idealerweise wird zur Beurteilung der Koronararterien die numerische Segmenteinteilung (1–15) der American Heart Association (AHA 1999) eingesetzt (. Abb. 21.17). In <1% aller Fälle finden sich Ursprungsanomalien der Koronararterien, die allerdings bei einem Gefäßverlauf zwischen Pulmonalishauptstamm und Aorta die Gefahr kompressionsbedingter Myokardischämie bergen. In Abhängigkeit von der Versorgung des inferolateralen Myokards des linken Ventrikels unterscheidet man zwischen einem 4 indifferenten (80%) 4 linksdominanten (10%) oder 4 rechtsdominanten Versorgungstyp (10%) Entscheidend ist der Ursprung des Ramus interventricularis posterior (RIVP) aus RCA (rechtsdominant), RCX (linksdominant) oder beiden (indifferenter Typ) (. Abb. 21.18). Klinische Diagnostik. Klinisch beruht der Nachweis der KHK auf einer Kombination von Anamnese, EKG, Laborchemie sowie Bildgebung. Laborchemisch (Troponin T, CKMB, etc.) und elektrophysiologisch (EKG) ist die Angina pectoris ist häufig schwer diagnostizierbar. Im Gegensatz hierzu finden sich beim manifesten Myokardinfarkt klassische EKG- und Enzym-Veränderungen. Bildgebung. Goldstandard bildgebender Verfahren ist die Linksherzkatheterangiographie, die im Falle einer Angina pectoris
dem Nachweis beziehungweise Ausschluss einer Koronarsklero-
705 21.2 · Differenzialdiagnostik der Herzerkrankungen
. Abb. 21.18. Dominanztyp (rechtsdominant) der Versorgung durch die Koronararterien. CT-Datensatz. In Abhängigkeit von der Versorgung des inferolateralen Myokards des linken Ventrikels unterscheidet man zwischen einem indifferenten (80%), linksdominanten (10%) oder rechtsdominanten Versorgungstyp (10%). Entscheidend ist der Ursprung des Ramus interventricularis posterior (RIVP) aus RCA (rechtsdominant), RCX (linksdominant) oder beiden (indifferenter Typ)
se dient. Aufgrund der hohen Orts- (12 lp/dm) sowie Zeitauflösung (20 ms/Bild) gelingt hiermit mühelos eine bewegungsartefaktfreie Darstellung auch kleinster Koronarabschnitte. Nachteil des Verfahrens ist allerdings seine Invasivität sowie Untersucherabhängigkeit. Hinzu kommt, dass zwar die Stenose selbst, nicht aber die funktionellen Auswirkungen der Ischämie dargestellt werden können (. Abb. 21.19). Letztere können recht einfach mittels Myokardperfusionsszintigraphie bzw. SPECT (Tracer: 201Thallium) oder aber PET erfasst werden. Alle 3 Vorgehensweisen erlauben eine recht valide Unterscheidung zwischen irreversibel geschädigten Myokardbezirken und reversibler Aktivitätsminderungen aufgrund der Ischämie. Nachteilig sind allerdings die deutlich hohe Strahlenexposition sowie die Tatsache, dass beide Untersuchungen in der Akutsituation oft nicht terminierbar sind. Alternativ kommen daher auch die (Stress-) Echokardiographie und MRT zum Einsatz. Durch Induktion von pharmakologischem Stress erlauben beide Verfahren den Nachweis der funktionelIen Auswirkungen einer latenten Ischämie. > Stress-Echokardiographie und Stress-MRT: 4 Low-dose Dobutamin (>10 μg/kg KG/min) – Prinzip: Zunahme von Herzfrequenz und O2-Utilisation bewirken myokardiale Hypomotilität in Gegenwart hämodynamisch relevanter Stenosen 4 Adenosin (140 μg/kg KG/min) – Prinzip: Induktion koronararterieller Vasodilatation mit konsekutivem »Steal Effekt« in stenosierten Gefäßabschnitten
Dabei bietet die Echokardiographie den Vorteil des einfachen, ubiquitär verfügbaren und kostenneutralen Verfahrens. Im Gegensatz ist die MRT weitgehend untersucherunabhängig und ermöglicht, analog zu den nuklearmedizinischen Verfahren, zudem eine valide Unterscheidung zwischen irreversibel geschädigtem Myokard und reversibler Aktivitätsminderungen (Hibernation = Winterschlaf). So zeigt sich ca. 15 min nach Applikation von intravasalem Kontrastmittel (Gd-Chelate) in irreversibel geschädigtem Myokard eine deutliche Kontrastmittel-Anreicherung (»Late enhancement«) als morphologisches Korrelat eines vergrößerten Interzellulärraums (= Narbengewebe) (. Abb. 21.20). Trotz intensiven Bemühens und deutlich verbesserter MRSequenzen gelingt eine diagnostisch ausreichende Visualisierung der Koronarterien mittels MRT nur selten. Deutlich besser und v. a. einfach kann dies heute mittels CT erfolgen (. Abb. 21.21). Unter Verwendung modernster CT-Technologie (64–320 Zeilen CT/Dual-Source CT) finden sich bereits heute hochsignifikante Übereinstimmungen im Vergleich zur Koronarangiographie. Zukünftige Studien werden zeigen, ob das Verfahren geeignet ist, die diagnostische Katheterangiographie in Zukunft zumindest teilweise zu ersetzen. Neben einer validen Darstellung des koronaren Stromgebiets erlaubt die CT auch eine zuverlässige Beurteilung funktioneller Parameter (Auswurffraktion, enddiastolisches, endsystolisches Volumen etc.). Darüber hinaus kann sicher zwischen kalzifizierten und nichtkalzifizierten Plaques unterschieden werden. Herzhöhlen, Myokard und umgebendes Weichteilgewebe werden ebenfalls stets miterfasst. Nachteilig sind allerdings die fehlende Beurteilbarkeit möglicher Umgehungskreisläufe im Vergleich zur Katheterangiographie sowie die erhöhte Strahlenexposition im Vergleich zur MRT. Postoperativ ergibt sich mit der Verlaufskontrolle von Bypassgrafts eine derzeit bereits fest etablierte Indikation zur kardialen CT.
Therapie Prinzipiell wird bei Vorliegen einer KHK zunächst eine kausale (= Ausschalten arteriosklerotischer Risikofaktoren) sowie symptomatische (= medikamentös) Therapie angestrebt. Bei manifestem Myokardinfarkt oder Nachweis von signifikanten Koronarstenosen (>50% Lumenreduktion) kann katheterangiographisch eine Stenosedilatation (Perkutane Transarterielle Coronarangioplastie = PTCA) vorgenommen werden. Der Stenosegrad eines Gefäßes wird idealerweiße mittels Quantitativer Coronarangiographie (QCA) semimanuell bestimmt. Man unterscheidet zwischen: 4 Wandunregelmäßigkeiten (<25% Stenose) 4 Mittelgradiger Stenose (25–49%) 4 Signifikanter Stenose (50–69%) 4 Hämodynamisch relevanter Stenose (70–99%) 4 Kompletter Stenose (100%) Bei fehlender Klinik werden mittelgradige Stenosen normalerweise nicht interventionell angegangen, hämodynamisch relevante Stenosen werden dagegen frühzeitig dilatiert. Üblicherweise erfolgt zudem eine Stentimplantation in den betroffenen Gefäßabschnitten. Die bisherige Restenoserate von 20–30% nach Stentimplantation wurde seit klinischer Einführung von »drug
21
706
21
Kapitel 21 · Herz und Gefäße
a
b
c
d
. Abb. 21.19a–d. Koronarographie. CT-Angiographie als Volume Rendering Technik (VRT) (a) und Curved Planar Reformation (CPR) (b) im Vergleich zu konventioneller Angiographie (c, d). Dargestellt sind der RIVA mit Seitäs-
ten und die RCX. Die CT-Angiographie erlaubt eine valide Beurteilung von Gefäßen bis zu etwa 1 mm Durchmesser, die konventionelle Angiographie von Gefäßen von bis zu 0,5 mm
eluting stents« (d. h. mit anti-stenotischen Medikamenten beschichtete Stents) auf maximal 6% gesenkt. Alternativ bietet sich auch eine Revaskularisierung mittels Bypasschirurgie an (. Abb. 21.21). Dazu werden direkte arterielle Grafts (linke/rechte A. thoracica interna) oder Autografts (V. saphena/A. radialis) eingesetzt. Die Indikation zur Bypasschirurgie wird allerdings – aufgrund sehr guter PTCA-Ergebnisse sowie einer »Gatekeeping« Funktion der Kardiologie – zunehmend eng gestellt.
sind eine heterogene Gruppe von chronisch progressiven Erkrankungen, die den Herzmuskel affektieren und nicht Folge ischämischer, perikardialer oder valvulärer Erkrankungen bzw. eines kongenitalen Herzfehlers sind. Die Myokarditis bezeichnet eine akute oder chronisch rezidivierende Herzmuskelentzündung im Rahmen von Infektionen oder rheumatischen bzw. granulomatösen Erkrankungen.
Erkrankungen des Myokards Definition Das Spektrum myokardialer Erkrankungen umfasst vorwiegend Kardiomyopathien sowie die Myokarditis. Kardiomyopathien
Klinik Der klinische Verlauf der Myokarditis reicht von asymptomatisch und mild (Mehrzahl der Fälle) bis zu fulminant mit tödlichem Ausgang (selten). Chronische Verläufe mit Übergang zur Kardiomyopathie sind möglich. Typische Symptome sind Müdigkeit, Leistungsknick, Rhythmusstörungen, Tachykardie und kli-
707 21.2 · Differenzialdiagnostik der Herzerkrankungen
. Abb. 21.20. Älterer transmuraler Myokardinfarkt. MRT-Datensatz. Die MRT ermöglicht eine valide Unterscheidung zwischen irreversibel geschädigtem Myokard und reversibler Aktivitätsminderungen. Das Bild zeigt ca. 15 min nach Applikation von intravasalem KM (Gd-Chelate) eine deutliche KM-Anreicherung (»Late enhancement«) als morphologisches Korrelat von Narbengewebe bei Zustand nach Myokardinfarkt . Abb. 21.21. Bypassdarstellung. CT-Datensatz. Dargestellt ist ein aortokoronarer Venenbypass (hinten, geschwungener Verlauf ) auf die RCX sowie ein LIMA-Bypass auf den RIVA (vorne, gerader Verlauf )
nische Zeichen der Herzinsuffizienz. Kardiomyopathien werden nach klinischen, morphologischen und histologischen Kriterien in die in der Übersicht aufgeführten Subtypen unterteilt.
Unterteilung der Kardiomyopathie (nach Friedrich 2000) 4 Kongestive (dilatative) Kardiomyopathie 4 Hypertrophe Kardiomyopathie – obstruktiv (25% der Fälle) – nichtobstruktiv (75% der Fälle) 4 Restriktive Kardiomyopathie – Primäre Formen – Endokarditis parietalis fibroplastica (Löffler-Endomyokardfibrose) – Hypereosinophiles Syndrom – Idiopathische Formen – Sekundäre Formen – Sarkoidose – Amyloidose – Hämochromatose – Sklerodermie 4 Arrythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie (ARVCM)
Je nach Subtyp reichen die klinischen Zeichen bei Kardiomyopathie von der Herzinsuffizienz über Rhythmusstörungen, Dyspnoe, Angina-pectoris-Symptomatik, Schwindel und Synkopen bis hin zum plötzlichen Herztod.
Diagnose, Bildgebung Myokarditis. Die Diagnose Myokarditis wird primär anhand
verschiedener klinischer Parameter sowie elektrokardiographischer Kriterien gestellt. Immunhistologische, histochemische und molekularbiologische Untersuchungen liefern weitere Hinweise. Ein direkter Nachweis mittels Myokardbiopsie gelingt nur selten. Echokardiographisch sind Dyskinesien, Perikarderguss, Herzdilatation und Ausbildung einer Herzinsuffizienz mit verminderter Auswurfleistung hinweisend. Auf der konventionellen Projektionsradiographie finden sich meist Zeichen der Herzinsuffizienz, Herzvergrößerung und Lungenstauung (. Abb. 21.22). Die Szintigraphie mit markierten Antimyosinantikörpern ist eine sehr sensitive Methode mit allerdings geringer Spezifität. Nuklidanreicherungen finden sich auch bei Herzinfarkt und dilatativer Kardiomyopathie. Die Katheterangiographie dient letztlich nur dem Ausschluss anderer Ursachen. Der diagnostische Stellenwert der MRT ist derzeit trotz sehr guter Ergebnisse noch nicht abschließend definiert. Typischerweise findet sich bei der Myokarditis ein intramurales »late enhancement« ca. 15 min nach Injektion von GD-haltigem Kontrastmittel (. Abb. 21.23). Die Zuordnung der betroffenen myokardialen Abschnitte zum jeweiligen koronaren Stromgebiet erfolgt analog der AHA-Klassifikation (. Abb. 21.24). Die CT spielt derzeit noch eine untergeordnete Rolle. Kongestive Kardiomyopathie. Hier zeigen sich Symptome einer verminderten Kontraktionskraft (systolische Ventrikelfunktionsstörung) sowie der gestörten Relaxation des linken Ventrikels
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708
Kapitel 21 · Herz und Gefäße
a
b
. Abb. 21.22a, b. Kardiomyopathie. Auf der konventionellen Projektionsradiographie zeigen sich als Zeichen der Herzinsuffizienz eine globale Herzvergrößerung, kräftige Pulmonalarterien und eine Lungenstauung
a
b
. Abb. 21.23a, b. Myokarditis: MRT-Datensatz. Im 4-Kammerblick (a) und in der Kurzachse (b) findet sich bei Myokarditis typischerweise ein intramurales »late enhancement« ca. 15 min nach Injektion von GD-haltigem KM
21
. Abb. 21.24. Myokardiale Gefäßversorgung
709 21.2 · Differenzialdiagnostik der Herzerkrankungen
(diastolische Ventrikelfunktionsstörung). Das Herzeitvolumen ist vermindert (Vorwärtsversagen) und es kommt zu einem Rückstau in den Lungen- und Körperkreislauf (Rückwärtsversagen). Typisch auf konventionellen Projektionsradiographien ist eine Kardiomegalie mit Dilatation beider Ventrikel, Zeichen der Lungenstauung und ein prominenter Cavaschatten. Mittels Echokardiographie und MRT können zudem die meist stark ausgedünnten Ventrikelwände, die erniedrigte Auswurffraktion und das hohe enddiastolische Volumen nachgewiesen werden. Als Index für die verminderte Kontraktilität beträgt die prozentuale systolische Verkürzungsfraktion (FS = fractional shortening) <70% im Vergleich zum Normalkollektiv. In der Katheterangiographie zeigt sich ein erhöhter diastolischer Füllungsdruck der Ventrikel. Nuklearmedizinische Verfahren und CT liefern keine Zusatzinformationen. a
Hypertrophe Kardiomyopathie. Diese ist durch deutlich vergrö-
ßerte endsystolische Myokarddicke und öfters auch asymetrische Verdickung des Myokards des linken bzw. rechten Ventrikels bei meist normaler Größe der Herzkammern charakterisiert. Echokardiographie und MRT eignen sich, um die asymmetrische Verdickung des Myokards valide darzustellen: Funktionsaufnahmen zeigen eine Vorwölbung des vorderen Mitralsegels gegen das Septum sowie systolisch eine verstärkte Einengung der linksventrikulären Ausflussbahn mit mesosystolischem vorzeitigem Aortenklappenschluss. In der Katheterangiographie zeigen sich ein erhöhter diastolischer Füllungsdruck sowie ein intraventrikulärer Druckgradient. Nuklearmedizinische Verfahren und CT liefern keine zusätzlichen Informationen. Konventionelle Projektionsradiographien sind häufig wenig wegweisend. Restriktive Kardiomyopathie. Diese seltenste Form der Herz-
muskelerkrankung zeichnet sich oft durch eine hochgradig eingeschränkte diastolische Funktion des linken Ventrikels aus. Eine klinische Diagnose setzt gewöhnlich eine Linksherzkatheteruntersuchung in Kombination mit einer endomyokardialen Biopsie voraus. Konventionelle Projektionsradiographien können mitunter völlig unauffällig sein. Die Echokardiographie liefert Zusatzinformationen bezüglich assoziierter morphologischer Veränderungen sowie begleitender Klappenvitien (Mitral- bzw. Trikuspidalinsuffizienz). Darüber hinaus ermöglicht die MRT den Nachweis myokardialer Amyloid- oder Eisenblagerungen (Hämochromatose). Mittels geschwindigkeitskodierter »cineMRT«-Technik (Phasenkontrast-Prinzip) lassen sich Flussmessungen im Bereich der Mitralklappe durchführen. Bei Vorliegen einer restriktiven Kardiomyopathie zeigt sich eine deutliche Reduktion der frühen (E = early) ventrikulären Füllungsgeschwindigkeit als Zeichen einer verminderten myokardialen Relaxation und eine kompensatorische Erhöhung der atrialen (A) Füllungsgeschwindigkeit bedingt durch die unbeeinträchtigte Vorhofskontraktion (. Abb. 21.25).
b . Abb. 21.25a, b. Restriktive Kardiomyopathie bei Sarkoidose. MRTDatensatz. a Im Vierkammerblick finden sich auf den T2-gewichteten Sequenzen ein deutlicher Perikarderguss sowie hyperintense Areale in der lateralen Wand des rechten Ventrikels. b Auf den T1-gewichteten fettsupprimierten Sequenzen zeigt sich hier ein deutlicher Signalzuwachs nach Applikation von gadoliniumhaltigem KM
ventrikulären Myokards mit Degeneration der Myozyten und konsekutivem Ersatz durch Fett- und/oder Bindegewebe (= fibrolipomatöse Degeneration). Charakteristische Prädilektionsstellen sind die (freie) rechtsventrikuläre Vorderwand, der rechtsventrikuläre Apex (Spitze), der rechtsventrikuläre Ausflusstrakt (RVOT) sowie die Subtrikuspidalregion. Typische klinische Befunde bei der ARVCM sind: 4 positive familiäre Anamnese 4 rechtsventrikuläre Dilatation 4 ventrikuläre Rhythmusstörungen 4 fibrolipomatöser Umbau des Myokards
Arrythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie (ARVCM).
Zur Diagnose der ARVCM werden alternativ Katheterangiographie, Myokardszintigraphie, Echokardiographie und MRT ein-
Diese Erkrankung betrifft bevorzugt junge männliche Patienten im 2.–3. Lebensjahrzehnt, führt zu rezidivierenden ventrikulären Tachykardien und zeigt histologisch eine Hypoplasie des rechts-
gesetzt, ohne dass sich bislang eine Methode als Referenzstandard etablieren konnte. CT und konventionelle Projektionsradiographien liefern keinen Mehrwert.
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710
Kapitel 21 · Herz und Gefäße
> Mittels spezieller Aufnahmesequenzen (TSE-dark blood mit und ohne Fettsättigung) erlaubt die MRT als einziges Verfahren den gleichzeitigen Nachweis funktioneller und morphologischer (fibrolipomatöse Degeneration!) Veränderungen.
Therapie Die Therapie der Myokarditis und kongestiven Kardiomyopathie ist kausal (z. B. Penicillin etc.) und symptomatisch (Bettruhe, körperliche Schonung, Therapie der Herzinsuffizienz etc.). Bei der hypertrophen Kardiomyopathie kann zusätzlich ein chirurgisches Vorgehen (z. B. transaortale subvalvuläre Myektomie [TSM]) erwägt werden. Die Therapie der restriktiven Kardiomyopathie und arrythmogenen rechtsventrikulären Kardiomyopathie (ARVCM) ist primär symptomatisch (Diuretikagabe etc.). Ultima ratio aller dieser Erkrankungen ist die Herztransplantation.
Erkrankungen des Perikards Definition Es gibt angeborene und erworbene Erkrankungen des Perikards. Perikardzysten und -divertikel sind typischerweise angeboren, können aber auch erworben sein. Perikardzysten sind flüssigkeitsgefüllte Hohlräume ohne Verbindung zum Perikard, Divertikel flüssigkeitsgefüllte Ausziehungen des Perikardsacks, die mit der Herzbeutelhöhle in Verbindung stehen. Perikarderguss, Perikarditis und Neoplasien sind überwiegend erworben. Bei der Perikarditis unterscheidet man: 4 Infektiöse Ursachen: 5 viral: z. B. Coxsackie A, Echoviren Typ A 5 bakteriell: selten z. B. Tbc 4 Nichtinfektiöse Ursachen: 5 Autoimmunerkrankungen: z. B. Kollagenosen, rheumatisches Fieber einer Perikarditis 5 Stoffwechselerkrankungen: z. B. Urämie, Myxödem, Morbus Addison 5 Sonstige: post Radiatio, metastasierende Tumoren Bei chronischer Entzündung können viszerales und parietales Blatt des Perikards miteinander verkleben. Es entsteht dann eine dicke Narbenplatte, die auch Kalkplaques einlagern kann und Perikarditis constrictiva genannt wird. Perikardiale Tumoren sind selten und werden im Abschnitt kardiale Raumforderungen behandelt.
Klinik
21
Perikardzysten und -divertikel sind meist Zufallsbefunde und haben keinen Krankheitswert. Entwickelt sich ein Perikarderguss langsam, können bis zu einigen Litern toleriert werden. Bei akuter Ausbildung etwa eines Hämoperikards können dagegen bereits 150 ml die Herzaktion nachhaltig behindern und zu einer lebenbedrohlichen Herzbeuteltamponade führen. Dabei werden insbesondere die Ventrikel während der Diastole komprimiert. Die Perikarditis manifestiert sich klinisch meist mit stechendem retrosternalem Schmerz, der verstärkt im Liegen, in tiefer Inspiration und beim Husten auftritt. Differenzialdiagnostisch ist stets ein Myokardinfarkt auszuschließen. Im Gegensatz hierzu finden sich im EKG aber keine infarkttypischen Veränderungen,
sondern häufig eine Niedervoltage bedingt durch die ergussbedingte Isolierung von Myokard und EKG-Elektroden. Klinische Zeichen der Perikarditis constrictiva sind Ausdruck einer eingeschränkten systolischen Kontraktion bzw. diastolischen Füllung. So beobachtet man einen erhöhten Venendruck (>12 cm H2O), paradoxen Jugularvenenpuls bei tiefer Inspiration (Kussmaul-Zeichen), Zeichen der Lebervergrößerung (Aszites, Ödeme, Stauungsproteinurie und Hyponatriämie) sowie ein »Low cardiac output syndrom« mit Belastungsdyspnoe, Schwäche und inspiratorischer Abnahme der Blutdruckamplitude um >10 mmHg (Pulsus paradoxus).
Bildgebung Perikardzysten finden sich am häufigsten im rechten kardiophrenischen Winkel, Perikarddivertikel dagegen meist über dem rechten Vorhof. Auf konventionellen Projektionsradiographien imponieren sie als dem Herzschatten anliegende Raumforderungen (. Abb. 21.26). Mittels Echokardiographie, MRT und CT lässt sich der flüssige Inhalt identifizieren. Ein Perikarderguss führt auf konventionellen Projektions-
radiographien im p.a.-Strahlengang erst ab 300–500 ml zu sichtbaren Veränderungen der Herzsilhouette. Daher ist die Echokardiographie prinzipiell das zu bevorzugende, weil sensitivere Untersuchungsverfahren. Auf der konventionellen Projektionsradiographie kommt es zunächst zur Abrundung der Herzkontur im Zwerchfellwinkel, im Verlauf dann zum Verstreichen der Herztaille (Dreiecks- oder Bocksbeutelform) (. Abb. 21.27, CT: . Abb. 21.28). In der Röntgendiagnostik der akuten Perikarditis steht ebenso die Ergussbildung im Vordergrund. Bei der Perikarditis constrictiva werden Kalkeinlagerungen recht einfach auf konventionellen Projektionsradiographien und CT nachgewiesen. Kalkplaques selber können mittels Echokardiographie und MRT häufig nur unzureichend diagnostiziert werden. Beide Verfahren bieten aber analog zur CT den Vorteil, funktionelle Einschränkungen valide beurteilen und quantifizieren zu können. Nuklearmedizinische Verfahren haben derzeit keinen Stellenwert in der Diagnostik perikardialer Erkrankungen.
Therapie Perikardzysten und -divertikel haben keinen Krankheitswert und bedürfen daher keiner Intervention. Die Therapie des Perikardergusses ist sowohl kausal (z. B. antivirale, antibakterielle Therapie oder NSAR bzw. Kortikosteroide bei rheumatischer/ allergischer Genese) als auch symptomatisch (Analgetikagabe/ Entlastungspunktion/evtl. Perikarddrainage oder -fensterung bei chronisch rezidivierendem Erguss). Die Therapie der Perikarditis constrictiva zielt auf eine chirurgische Dekortikation des Herzens (Perikardektomie).
Kardiale Raumforderungen Definition Prinzipiell unterscheidet man zwischen primär (d. h. von herzeigenem Gewebe ausgehenden) und sekundär kardialen Tumoren. Primär kardiale Tumoren sind äußerst selten (<0,2%) und zu 75% benigne. Tyischerweise kommen vor: Fibrome, Mesotheliome, Rhabdomyome, Hämangiome, Teratome, Paragangliome,
711 21.2 · Differenzialdiagnostik der Herzerkrankungen
a
b
c
d
. Abb. 21.26a–d. Perikardzyste. Projektionsradiographie (a), parakoronale CT-Reformation (b), Volume Rendering Technik (c) und transversale Schichten (d). Perikardzysten finden sich am häufigsten im rechten kardio-
a . Abb. 21.27a, b. Perikarderguss, Projektionsradiographie. a In p.a.Projektion kommt es zunächst zur Abrundung der Herzkontur im Zwerchfellwinkel, im Verlauf dann zum Verstreichen der Herztaille (Dreiecks- oder
phrenischen Winkel und imponieren als eine dem Herzschatten anliegende Raumforderung
b Bocksbeutelform). b In der Seitaufnahme kommt es zu einer Abrundung von linkem Vorhof und Ventrikel
21
712
Kapitel 21 · Herz und Gefäße
a
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. Abb. 21.28a, b. Perikarderguss, CT-Datensatz. Die CT ermöglicht eine umfassendere Abschätzung des Perikardergusses einschließlich der Beurteilung von Thorax und Mediastinum
Sekundäre kardiale Tumoren sind in erster Linie Metastasen, die hämatogen, lymphatisch oder per continuitatem zum Herz gelangen (. Abb. 21.29). Typische Primariusentitäten sind: Mammakarzinom, Bronchialkarzinom, Hypernephrom, Nebennierenkarzinome, Leukämie, Melanom und das maligne Lymphom.
Klinik Je nach Lokalisation der Tumoren kommt es zur rechts-, bzw. linksventrikulären Einflussstauuung, pulmonalen Hypertonie, Rhythmusstörungen, Klappenvitien, Herzinsuffizienz etc.
Bildgebung
. Abb. 21.29. Melanommetastase. CT-Datensatz. Ausgeprägte Raumforderung im rechten Ventrikel mit annähernd vollständiger Verlegung der Trikuspidalklappe. Beachte auch den Pleuraerguss rechts sowie die Weichteilmetastase an der Scapula mit beginnender knöcherner Arrosion
Die Echokardiographie und insbesondere MRT sind die Verfahren der Wahl zur Detektion und Differenzierung kardialer Raumforderungen. Beide erlauben eine recht valide Abgrenzung gegenüber benachbarten kardialen, mediastinalen und vaskulären Strukturen sowie die Beurteilung tumorbedingter funktioneller Veränderungen. Nicht zuletzt durch Einsatz von Kontrastmittel ermöglicht die MRT zudem häufig auch eine weiterführende Gewebecharakterisierung. Entscheidend in der Differenzialdiagnose ist aber oft die Lokalisation der Tumoren (. Tab. 21.3). Katheterangiographie, nuklearmedizinische Verfahren, CT und konventionelle Projektionsradiographien liefern keine
relevanten Zusatzinformationen. Lediglich Kalzifikationen können mittels CT besser identifiziert werden.
21 Phächromozytome und Lipome. Myxome stellen mit ca. 50% die größte Entität. Bei den malignen primär kardialen Tumoren handelt es sich vorwiegend um Sarkome wie das Rhabdomyosarkom, Angiosarkom oder maligne fibröse Histiozytome. Primäre Lymphome des Herzens sind eine Rarität.
Therapie Kurativ wird primär eine chirurgische Tumorresektion angestrebt, ggf. kombiniert mit neoadjuvanter Chemotherapie. Palliativ kommt eine systemische Chemotherapie aber auch als alleiniges Verfahren zum Einsatz.
713 21.2 · Differenzialdiagnostik der Herzerkrankungen
. Tab. 21.3. Differenzialdiagnose benigner und maligner kardialer Raumforderungen in der MRT
Histologie
Bevorzugte Lokalisation
T1w
T2w
cMRT(Gd-DTPA)
Myxom
Atriales Septum (links)
isointens
hyperintens
hyperintens
Fibroelastome
Klappen
hypointens
hypointens
hypointens
Rhabdomyome
Multilokulär intramural
isointens
isointens
hyperintens
Fibrome
Ventrikelwand
isointens
hypointens
hypointens
Paragangliome
Vorhof links
hypointens
hyperintens
hyperintens
Lipome
Vorhof re/Ventrikel li
hyperintens
hypointens
hypointens
Lymphangiome
Ubiquitär
hyperintens
hyperintens
hyperintens
Thromben
Atrial/ventrikulär
heterogen
heterogen
nur akut
Lymphome
Ventrikel rechts
hyperintens
hyperintens
hyperintens
Angiosarkome
Atriales Septum (rechts)
heterogen
heterogen
hyperintens
Rhabdomyosarkome
Multilokulär intramural
isointens
isointens
hyperintens
Maligne fibr. Histiozytome
Vorhof links
hyperintens
hyperintens
hyperintens
Metastasen
Ubiquitär
heterogen
heterogen
heterogen
Benigne Raumforderungen
Maligne Raumforderungen
21
22 22 Gefäßdiagnostik und Interventionstechniken J. O. Balzer, Th. Vogl
22.1
Normale Anatomie und Varianten, Anomalien
22.2
Spezielle Untersuchungstechniken und spezifische Bildanalyse
22.2.1
Bildgebende Verfahren
22.3
Primäre Gefäßerkrankungen
22.4
Arteriosklerotische Erkrankungen
– 727
22.5
Entzündliche Gefäßerkrankungen
– 731
22.6
Sonstige Gefäßerkrankungen
– 719
– 722
– 733
– 716 – 719
716
Kapitel 22 · Gefäßdiagnostik und Interventionstechniken
22.1
Normale Anatomie und Varianten, Anomalien
Aorta Die Aorta abdominalis erstreckt sich vom Hiatus aorticus (etwa in Höhe des Zwischenwirbelraumes BWK 12/LWK 1 bis zur Aortenbifurkation (etwa in Höhe des Zwischenwirbelraums LWK 4/5), wo sie sich in die beiden Aa. iliacae communes teilt. Sie verläuft ventral und gering links der Mittellinie. Es kann zwischen lateralen, dorsalen, ventralen und terminalen Ästen der Aorta abdominalis differenziert werden. Zu den lateralen Ästen gehören: 4 Aa. phrenicae inferiores 4 Aa. suprarenales mediae 4 Aa. renales 4 Aa. ovaricae oder Aa. testiculares Zu den dorsalen Ästen gehören: 4 Aa. lumbales 4 A. sacralis mediana Die ventralen Äste der Aorta abdominalis sind Truncus coeliacus, Aa. mesentericae superior und inferior. Etwa in Höhe von LWK 4 teilt sich die Aorta abdominalis in die rechte und die linke A. iliaca communis.
Nierenarterien
22
Die Nierenarterien entspringen lateral oder ventrolateral in Höhe des Zwischenwirbelraums LWK 1/2 aus der Bauchaorta. Das Ostium der linken Nierenarterie liegt meist etwas weiter kranial als das der rechten. In etwa 60% der Fälle wird die Niere durch eine einzelne Arterie versorgt. Multiple Nierenarterien werden einseitig bei ca. 32% und beidseitig bei ca. 12% der Individuen beobachtet. Liegen multiple Nierenarterien vor, die am Hilus in die Niere eintreten, besitzen diese gewöhnlich einen etwa gleichen Durchmesser. Zu den Nierenpolen ziehende akzessorische Gefäße sind dagegen kleiner als die Hilusgefäße. Bei Vorliegen von multiplen Nierenarterien ist der Ursprung der akzessorischen Gefäße sehr variabel. Meist gehen sie aus der infrarenalen Aorta hervor; andere Ursprungsorte sind die untere thorakale Aorta, die Iliakal-, Lumbal- oder Mesenterialarterien. Eine Blutversorgung der Nieren durch aberrierende Gefäße ist häufig mit einer Malrotation der Nieren oder mit Hufeisennieren vergesellschaftet. In ca. 7% der Fälle findet sich eine aus der Aorta entspringende selbstständige obere Polarterie; eine untere Polarterie wird bei ca. 6% beobachtet. Aus der A. suprarenalis media können Äste zum oberen Nierenpol und zur Nierenkapsel verlaufen, die bei Verschlusskrankheiten möglicherweise als wichtige Kollateralen dienen. Kurz vor dem Hilus teilt sich die Nierenarterie zunächst in eine anteriore und eine posteriore Gefäßgruppe, die gemeinsam die Versorgung der 5 vaskulären Stromgebiete der Niere übernehmen. Die posteriore Gefäßgruppe zieht dabei zur Rückseite der Niere und versorgt meist ohne weitere Verästelung das posteriore Segment. Die anteriore Gruppe teilt sich in segmentale Arterien für das superiore, das anterosuperiore, das anteroinferiore und das inferiore Segment. Einzelne Aa. interlobulares bil-
den Anastomosen mit Gefäßen der Nierenkapsel, die aus den renalen, suprarenalen, lumbalen und gonadalen Arterien entspringen. Als mögliche Äste der Nierenarterie können Aa. suprarenales inferiores zur Nebenniere, Aa. testiculares bzw. Aa. ovaricae zu den Gonaden und die A. phrenica inferior zum Zwerchfell ziehen. Der venöse Abfluss der Nieren erfolgt zunächst über die Vv. interlobulares zu den Vv. arcuatae an der Rinden-MarkGrenze und weiter über die Vv. interlobares zu den Vv. lobares und schließlich zu den Nierenvenen. Intrarenal finden sich zwischen den Venen multiple Anastomosen (Schild 2003).
Viszerale Gefäßanatomie Die viszerale Blutversorgung erfolgt hauptsächlich über die 3 großen ventralen Äste der abdominellen Aorta: Truncus coeliacus, A. mesenterica superior sowie A. mesenterica inferior. Dabei besteht insbesondere im Bereich des Truncus coeliacus und der A. mesenterica superior eine große Variationsbreite des Abgangs der einzelnen Arterien.
Truncus coeliacus und seine Äste Der eigentliche Truncus coeliacus ist ein kurzer, etwa 1–4 cm langer Gefäßstamm, der direkt unterhalb des Zwerchfells ventral aus der Aorta entspringt, ungefähr in Höhe der unteren Hälfte von BWK 12. Ein gemeinsamer Ursprung des Truncus coeliacus und der A. mesenterica superior wird bei ca. 0,4% der Patienten beobachtet. Bei etwa 65% der Patienten teilt sich der Truncus coeliacus in 3 Hauptäste auf: 4 A. lienalis 4 A. hepatica communis 4 A. gastrica sinistra Bei den übrigen 35% teilt er sich in mehr oder weniger Äste auf. Ein kongenitales Fehlen stellt eine Rarität dar. Aus dem Truncus coeliacus können zudem entspringen: 4 die A. pancreatica dorsalis bei 22% der Patienten 4 selten eine oder beide Aa. phrenicae inferiores 4 sehr selten Äste zum Jejunum (eine Variante, die bei der Abklärung einer gastrointestinalen Blutung wichtig sein kann) Die A. hepatica communis verläuft nach Abgang aus dem Truncus coeliacus nach rechts, gibt die A. gastroduodenalis ab und teilt sich als A. hepatica propria in die rechte bzw. linke A. hepatica auf. Äste der A. hepatica communis bzw. der A. hepatica propria sind: Die A. gastroduodenalis entspringt aus der A. hepatica communis bei ca. 90% der Patienten. Bei den übrigen entstammt sie einer aberrierenden A. hepatica oder aus der Milzarterie. Nach Abgang der Aa. pancreaticoduodenales superiores verläuft sie als A. gastroepiploica dextra entlang der großen Magenkurvatur. Die A. gastrica dextra hat ca. ein Drittel des Durchmessers der A. gastrica sinistra und entspringt zu je etwa 40% aus der A. hepatica propria oder der A. hepatica sinistra, bei 8% aus der A. gastroduodenalis und bei etwa 10% aus der rechten oder mittleren Leberarterie.
717 22.1 · Normale Anatomie und Varianten, Anomalien
Die A. supraduodenalis entspringt entweder aus der A. gastroduodenalis, aus der A. hepatica communis oder der A. hepatica dextra. Die A. cystica ist üblicherweise ein kleiner Seitenast der A. hepatica dextra, kann aber ebenso aus der mittleren oder der linken Leberarterie oder der A. hepatica communis bzw. aus der A. gastroduodenalis entspringen. Gelegentlich ist sie paarig angelegt. Die rechte A. hepatica teilt sich in eine vordere und eine hintere Segmentarterie auf, entsprechend den Segmenten des rechten Leberlappens. Im Leberhilus unterkreuzt sie in 87% der Fälle den Ductus hepaticus. Ein ventraler Verlauf der rechten Leberarterie oder ihrer Äste kann für eine biliäre Obstruktion verantwortlich sein. Die zum Lobus caudatus ziehenden Arterien stammen in der Regel aus der rechten A. hepatica. Die linke A. hepatica teilt sich entsprechend den 2 Lebersegmenten ebenfalls in 2 Hauptgefäße auf, wobei die das mediale Segment des linken Leberlappens versorgende Arterie auch mittlere A. hepatica genannt wird. In 25% der Fälle entspringen diese Segmentarterien separat aus der A. hepatica propria. Anastomosen zwischen den Leberarterien, die im Wesentlichen Endarterien sind, werden nur in den extrahepatischen Anteilen sowie in der Leberkapsel beobachtet. In autoptischen Untersuchungen sind diese in 25% der Fälle nachweisbar, radiologisch beim normalen Patienten jedoch nur in Ausnahmefällen. Häufiger stellen sie sich bei Patienten mit einem Leberarterienverschluss dar. Hier dienen sie als Kollateralgefäße und können auch angiographisch nachgewiesen werden. Weitere Kollateralgefäße bei einer hochgradigen Leberarterienstenose oder einem -verschluss sind: 4 aberrierende Leberarterien 4 die Aa. gastroepiploicae, gastricae breves und die A. gastroduodenalis 4 die linke und die rechte A. gastrica 4 die A. pancreaticoduodenalis sowie die den Ductus choledochus, den Ösophagus und das Zwerchfell versorgenden Arterien Da die Leber in der Regel zu ca. 75% portalvenös und nur zu ca. 25% arteriell versorgt wird und aufgrund des ausgedehnten Kollateralnetzes toleriert die Leber einen proximalen Verschluss der A. hepatica oder eine isolierte Stenose des Truncus coeliacus relativ gut. Abgangsvarianten der Leberarterien sind häufig. So werden aberrierende Leberarterien (zusätzliche Leberarterie oder Abgangsanomalie) bei etwa 42% der Fälle beobachtet. Am häufigsten (ca. 19%) wird die Leber z. T. oder ganz über Äste aus der A. mesenterica superior versorgt. So zeigt sich z. B. ein Ursprung aus der A. mesenterica bei folgenden Arterien: A. hepatica communis bei 2% der Patienten, rechte A. hepatica bei 10% oder eine zusätzliche rechte Leberarterie bei 6%. Die A. lienalis entspringt in 82% der Fälle zusammen mit der A. hepatica communis und der A. gastrica sinistra aus dem Truncus coeliacus und ist der größte Ast. Als Abgangsanomalien sind beschrieben: direkter Abgang aus der Aorta, der A. mesenterica superior oder einer der Leberarterien. In Ausnahmefällen ist sie gedoppelt. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Bevölke-
rung (>90%) verläuft sie am Oberrand der Bauchspeicheldrüse; nur bei 8% verläuft sie retropankreatisch. Bei Kindern und jüngeren Erwachsenen verläuft die Milzarterie entweder gerade oder hat lediglich einen leicht geschlängelten Verlauf. Mit zunehmendem Alter nimmt die Schlängelung zu. Im Milzhilus teilt sich die Milzarterie in zwei (bei 80% der Bevölkerung) oder 3 Äste auf. Die Hauptäste der Milzarterie sind: 4 A. pancreatica dorsalis, A. pancreatica magna sowie Arterien zum Pankreaskörper und -schwanz 4 Aa. gastricae breves 4 A. gastroepiploica sinistra (entspringt gelegentlich aus der distalen A. lienalis) In 90% der Fälle entspringt die A. gastrica sinistra nach kranial aus dem Truncus coeliacus, bei 2,5% der Patienten direkt aus der Aorta. In den übrigen Fällen entstammt sie der Milzarterie. In den meisten Fällen liegt der Abgang der A. gastrica sinistra im proximalen Truncus coeliacus, in etwa 25% der Fälle jedoch nahe am Abgang der A. lienalis bzw. der A. hepatica communis, sodass eine Trifurkation gebildet wird. Eine zusätzliche A. gastrica sinistra aus der Milzarterie wird in ca. 6%, aus dem Truncus coeliacus in etwa 2% beobachtet. Zusätzliche kleinere Arterien zur Magenversorgung aus der linken Leberarterie werden bei etwa 14% der Patienten angiographisch gesehen. Äste der A. gastrica sinistra anastomosieren frei mit Ästen der linken und rechten A. gastroepiploica und den Aa. gastricae breves. Die A. gastrica dextra anastomosiert mit der A. gastrica sinistra und bildet so eine Arkade entlang der kleinen Magenkurvatur. Äste aus der A. gastrica sinistra versorgen den distalen Ösophagus mit Blut. Die Pankreasarterien bilden ein ausgeprägtes Gefäßnetz, dessen Äste sowohl aus dem Truncus coeliacus als auch aus der A. mesenterica superior stammen. Diese Gefäße dienen bei Verschlüssen der proximalen A. hepatica oder der Milzarterie auch als Kollateralweg zu Leber oder Milz. Der Pankreaskopf wird über die pankreatikoduodenalen Arkaden mit Blut versorgt; die größere verläuft ventral, die kleinere dorsal der Bauchspeicheldrüse. Die Blutversorgung des Processus uncinatus und des Übergangs zum Pankreaskorpus erfolgt über die A. pancreatica dorsalis. Die Blutversorgung von Pankreaskörper und -schwanz stammt aus Ästen der Milzarterie, die dorsal am Oberrand des Pankreaskörpers und -schwanzes verläuft und folgende Arterien abgibt: 4 A. pancreatica dorsalis: zu 40% aus der proximalen Milzarterie, zu 20% aus der proximalen A. hepatica, zu 22% aus dem Truncus coeliacus und zu 14% aus der A. mesenterica superior. 4 A. pancreatica inferior: aus der A. pancreatica dorsalis und verläuft entlang der Hinterfläche der Bauchspeicheldrüse. Gelegentlich entspringt sie aus der A. gastroduodenalis. Die Äste der A. pancreatica transversa anastomosieren mit Gefäßen aus der A. pancreatica magna und den Rami epiploici aus dem Mesocolon transversum. 4 A. pancreatica magna: Diese ist der größte aus der distalen Milzarterie entspringende Ast und verläuft über dem Pankreaskörper.
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718
Kapitel 22 · Gefäßdiagnostik und Interventionstechniken
4 A. pancreatica inferior: Sie ist die größte, den Pankreasschwanz versorgende Arterie und entspringt in der Regel aus der Milzarterie, gelegentlich aus der linken A. gastroepiploica. Zusätzlich entspringen 2–8 kleine Äste direkt aus der Milzarterie. Die A. mesenterica superior geht ventral aus der Aorta ab, ca. 1 cm unterhalb des Abgangs des Truncus coeliacus, ungefähr in Höhe der oberen Hälfte von LWK 1. In aller Regel verläuft sie direkt in kaudaler Richtung. Äste der A. mesenterica superior sind: 4 A. pancreaticoduodenalis inferior: Sie teilt sich in einen anterioren und einen posterioren Ast auf, die mit korrespondierenden Ästen der A. pancreaticoduodenalis superior aus der A. gastroduodenalis anastomosieren und so die Pankreaskopfarkaden bilden. 4 10–14 jejunale und ileale Arterien bilden mehrere arkadenähnliche Anastomosen. Aus den distalen Arkaden entspringen die Vasa recta zur Versorgung des Dünndarms. 4 A. colica media: Sie teilt sich in einen linken und einen rechten Ast auf. Der linksseitige Ast anastomosiert mit dem aufsteigenden Ast der A. colica sinistra (Riolan-Anastomose), der rechte Ast mit dem aufsteigenden Ast der A. colica dextra und bildet so die A. marginalis coli (Drummond-Arterie), die entlang der mesenterialen Seite des Kolons verläuft und die Vasa recta zum Kolon abgibt. Gelegentlich haben beide Äste einen separaten Ursprung aus der A. mesenterica superior. 4 A. colica dextra: Diese entspringt distal der A. colica media und teilt sich in einen aszendierenden und einen deszendierenden Ast auf. Wie oben beschrieben, anastomosiert der aszendierende Ast mit dem rechten Ast der A. colica media. Der deszendierende Ast anastomosiert mit der A. ileocolica. 4 A. ileocolica: Dieser terminale Ast der A. mesenterica superior versorgt das Zökum, das terminale Ileum sowie die Appendix. Die A. mesenterica inferior entspringt links lateroventral aus der Aorta ungefähr in Höhe von LWK 3/4, ca. 3 cm oberhalb der Aortenbifurkation, und verläuft nach links. Der Stamm der A. mesenterica inferior ist etwa 3–6 cm lang und teilt sich anschließend in die folgenden Äste auf: 4 A. colica sinistra: Aus dieser entspringt der aszendierende Ast, der mit dem linksseitigen Ast der A. colica media anastomosiert und so die A. marginalis coli bildet. 4 Aa. sigmoideae: 2–3 zum Sigma verlaufende Arterien. 4 A. rectalis superior: Äste aus der A. rectalis superior anastomosieren mit Ästen aus der A. iliaca interna.
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Zusätzlich können eine Reihe von Anastomosen zwischen den Viszeralarterien beobachtet werden, welche an Bedeutung gewinnen wenn Stenosen oder Verschlüsse im Abgangsbereich des Truncus coeliacus, der A. mesenterica superior oder inferior vorliegen: 4 Riolan-Anastomose: inkonstante Anastomose zwischen der mittleren und der linken A. colica. 4 Bühler-Anastomose: embryologisch angelegte ventrale Anastomose zwischen dem Truncus coeliacus und der A. mesenterica superior, die sehr selten auch persistieren kann.
4 Barkow-Anastomose: Hierbei handelt es sich um Gefäße des
großen Netzes (Arterien und Venen), die parallel zu den gastroepiploischen Gefäßen verlaufen und mit linken und rechten gastroepiploischen Gefäßen anastomosieren. Die Venen dienen bei einem Milzvenenverschluss als wichtiger Umgehungskreislauf (Schild 2003).
Pfortadersystem Die Aufzweigungen der Venen des Gastrointestinaltrakts entsprechen weitgehend denen der Arterien. Etwa in Höhe des Pankreaskopfs vereinigen sich Milzvene (V. lienalis) und V. mesenterica superior und bilden die Pfortader (V. portae hepatis). Die Milzvene führt dabei Blut des Versorgungsgebiets der Milzarterie. Zuflüsse stellen Äste aus der Milz, die V. gastricae breves, Venen des Pankreas, die linke V. gastroepiploica sowie die V. mesenterica inferior dar. Die V. mesenterica superior wird aus dem Zusammenfluss jejunaler und ilealer Venen, der rechten V. gastroepiploica, Pankreasvenen sowie duodenaler Venen und der rechten und mittleren V. colica gebildet. Die V. mesenterica inferior selbst wird gebildet aus Zuflüssen der V. colica sinistra, 2 oder 3 Venen vom Sigma sowie den Vv. rectales superiores. Sie vereinigt sich mit der Milzvene kurz vor deren Zusammenfluss mit der V. mesenterica superior. Die rechte und linke V. gastrica (coronaria) fließen direkt in die Pfortader. Der Pfortaderstamm selbst ist ungefähr 8 cm lang. Er liegt retroduodenal und dorsal der A. hepatica. In der Leberpforte liegt die Pfortader zwischen der A. hepatica und dem Ductus hepaticus. Sie teilt sich in einen größeren rechten und einen kleineren linken Ast auf, bevor sie in die Leber eintritt. Das Lig. teres hepatis (fibröses Band, das die obliterierte V. umbilicalis enthält) und das Lig. venosum (fibröses Band, das den obliterierten Ductus venosus enthält) führen zum linken Pfortaderhauptast. Das Aufteilungsmuster der Pfortader in der Leber ist ähnlich dem der Leberarterien dichotom mit einer jeweiligen Kaliberabnahme der Äste. Diese Äste anastomosieren nicht miteinander (Schild 2003). Zwischen den Ästen der Pfortader bestehen keine direkten Verbindungen. Arterioportale Shunts werden normalerweise nicht beobachtet, obwohl direkte arterioportale Verbindungen bestehen (Bookstein et al. 1982). Diese Verbindungen verlaufen über: 4 die Lebersinusoide 4 die peribiliären arteriellen Plexus und peribiliären Pfortaderäste 4 die Vasa vasorum der Pfortaderäste, direkte präsinusoidale Anastomosen zwischen Leberarterien und Pfortaderästen In 2% wird die Pfortader von einer aberrierenden A. hepatica unterkreuzt. Anomalien der Pfortader selbst sind extrem selten. Eine ventral des Duodenums verlaufende Pfortader ist in der Regel mit kongenitalen Abnormalitäten des kardiovaskulären Systems, der Gallenwege oder des Gastrointestinaltrakts verbunden. Eine kongenitale Agenesie der Pfortader ist ebenfalls eine Rarität. In einem solchen Fall erfolgt der Abfluss der V. mesenterica superior und der Milzvene in die Hohlvenen entweder direkt über die Vv. renales oder über die V. azygos.
719 22.2 · Spezielle Untersuchungstechniken und spezifische Bildanalyse
Die venöse Drainage der Leber erfolgt im Wesentlichen über 3 Lebervenen; zusätzlich münden zahlreiche kleinere Venen direkt in die V. cava inferior ein. Die Äste der klappenlosen Lebervenen haben untereinander ausgedehnte Verbindungen. Im Gegensatz zu den Pfortaderästen ist die Verteilung der kleineren Lebervenenäste nicht segmental. Die rechte Lebervene verläuft zwischen dem anterioren und posterioren Segment des rechten Leberlappens. Sie führt Blut des posterioren sowie eines großen Anteiles des anterioren Segments des rechten Leberlappens. Die mittlere Lebervene trennt den rechten und den linken Leberlappen. Sie drainiert sowohl einen Teil des rechten Leberlappens als auch das mediale Segment des linken Leberlappens. Die linke Lebervene liegt in der segmentalen Fissur des linken Leberlappens und führt Blut des lateralen Segments und des kranialen Anteils des medialen Segments des linken Leberlappens. Häufig vereinigen sich die mittlere und die linke Lebervene, bevor sie in die untere Hohlvene einmünden. Die den Lobus caudatus drainierenden Venen (2 oder 3 kleinere Venen) münden direkt in die untere Hohlvene. Der venöse Abstrom der Bauchspeicheldrüse erfolgt über Pankreasvenen sowie über die Vv. pancreaticoduodenales. Die ersteren münden in die V. lienalis, letztere in die V. mesenterica superior.
22.2
Spezielle Untersuchungstechniken und spezifische Bildanalyse
22.2.1
Bildgebende Verfahren
Für die Gefäßdiagnostik spielt zunächst die körperliche Untersuchung eine Rolle: Erhebung des Pulsstatus, Dopplersonographie, bei pAVK (7 Kap. 22.4): Bestimmung des Tibiobrachialen Quotienten (TBQ) in Ruhe und nach Belastung. Als nichtinvasive bildgebende Verfahren stehen die Duplexsonographie, die kontrastverstärkte MR-Angiographie (CE-MRA) sowie die CTAngiographie (CTA) zur Verfügung. Für die invasive Gefäßdiagnostik wird die intraarterielle digitale Angiographie eingesetzt. Dieses Verfahren bietet neben der exakten Darstellung der Gefäßanatomie und -pathologie die Möglichkeit der Evaluierung der Hämodynamik im untersuchten Bereich und ermöglicht auch zeitgleich eine minimal-invasive Therapie, falls erforderlich. Die i.v.-DSA sowie die Feinnadelangiographie sollten im Zeitalter der CE-MRA und CTA heute nicht mehr eingesetzt werden und sind eigentlich obsolet.
Duplexsonographie Die Untersuchung mittels Ultraschall und Farbduplexsonographie bietet eine nichtinvasive, kostengünstige und beliebig wiederholbare Möglichkeit der Darstellung der Morphologie und der hämodynamischen Signifikanz eines stenotischen Prozesses im Gefäßsystem in Echtzeit. Der Einsatz der Farbduplexsonographie ist generell indiziert in der präinterventionellen Diagnostik (. Abb. 22.1) und Therapieplanung, zur Verlaufskontrolle bei konservativer Therapie sowie als postinterventionelle Nachkontrolle (. Abb. 22.2).
. Abb. 22.1. Farbkodierte Dopplersonographie einer Stenosierung im Bereich der A. femoralis superficialis
. Abb. 22.2. Farbkodierte Dopplersonographie einer Reokklusion nach Stentimplantation im Bereich der A. femoralis superficialis
Bei Patienten mit Kontrastmittelallergie ist die Farbduplexsonographie neben der MR-Angiographie das einzig mögliche bildgebende Verfahren zu diesen Zwecken. Sie wird zur Beurteilung der Länge sowie des hämodynamischen Schweregrades einer Stenose mit Bestimmung des Druckabfalls über der Läsion
herangezogen. Im Falle multisegmentaler Stenosen hilft diese Methode bei der Identifikation der hämodynamisch relevantesten und somit für die Therapie entscheidendsten Läsion und eines für die Perfusion der Extremität evtl. ausreichenden Kollateralflusses. Auch ist es mithilfe des Ultraschalls möglich, die Beschaffenheit des stenotischen Prozesses abzuschätzen. Es besteht die Möglichkeit zwischen thrombotischen Auflagerungen, Kalzifikationen und aneurysmatischer Dilatation eines Gefäßes zu differenzieren. Postinterventionell ist es möglich, die verbliebene Reststenose zu quantifizieren, Punktionskomplikationen, z. B. Aneurysmata und Dissektionen aufzudecken, sowie im Verlauf der Nachbeobachtung die Stentdurchgängigkeit auf elegante Weise zu prüfen (. Abb. 22.2).
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Kapitel 22 · Gefäßdiagnostik und Interventionstechniken
Bei der Diagnostik mittels farbkodierter Sonographie verlangt es jedoch eine hohe technische Fertigkeit, um mit der Angiographie vergleichbare Ergebnisse zu erhalten. Ebenso stellen das Problem der Dokumentation und Archivierung der Bilder und die Tatsache, dass man jeweils nur kleine Ausschnitte der Strombahn einsehen kann, nach wie vor einen entscheidenden Nachteil dar. > Eine verbesserte Flusssensibilität, erhöhte Detail- und Tiefenauflösung, Verbesserung der Bildspeicherung und -übertragung und der Einsatz von Ultraschallkontrastmittel wird dem farbkodierten Ultraschall in der Gefäßdiagnostik peripherer Durchblutungsstörung in den nächsten Jahren einen noch höheren Stellenwert sichern.
Sehr viel häufiger dagegen wird der bidirektionale Doppler eingesetzt, mit dessen Hilfe die Blutflussrichtung und -geschwindigkeit bestimmt werden. Eine qualitative und semiquantitative Analyse der Doppler-Flusskurven gewährt Rückschlüsse auf hämodynamisch relevante Strombahnhindernisse. Das in den Beingefäßen normale triphasisches Signal ist gekennzeichnet durch einen raschen Anstieg bis zur systolischen Maximalfrequenz und kurzen negativen Ausschlag nach Erreichen der NullLinie (frühdiastolische Rückflusskomponente, »dip«). Ist die diastolische Rückflusskomponente aufgehoben, liegt ein monophasisches Signal und damit höchstwahrscheinlich eine Gefäßstenose vor (Alexander 1999). Eine exakte Lokalisation von Strombahnhindernissen im Schultergürtel-, Becken- und Extremitätenbereich gestattet die Duplexsonographie als Kombination aus Ultraschalldopplersonographie und B-Bild-Verfahren. Sie ermöglicht zudem Aussagen über Gefäßmorphologie und Beschaffenheit der Intima und durch Kopplung an einen gepulsten Doppler die Bestimmung des Frequenzspektrums. Die Genauigkeit ist jedoch in hohem Maße von den Fähigkeiten und der Erfahrung des Untersuchenden abhängig (Mazzariol 1998).
MR-Angiographie
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Als konkurrierende bildgebende Verfahren zur farbkodierten Duplexsonographie nehmen heutzutage die MR-Angiographie und die CT-Angiographie einen immer höheren Stellenwert ein. Durch ständige technische Weiterentwicklung rücken beide, insbesondere aber die Mehrschicht-CT-Angiographie, als nichtinvasive Alternative in die Nähe der digitalen Subtraktionsangiographie (DSA). Inwieweit jedoch die technisch aufwendigen und noch sehr kostspieligen Methoden die invasive Angiographie ablösen oder zumindest ergänzen, ist derzeit noch unklar (Vogl et al. 2004, Morasch et al. 2003, Belli 1997). In den letzten Jahren hat die MR-Angiographie zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die fehlende Invasivität und der Verzicht auf ionisierende Strahlung bei vergleichbar hoher Qualität in der Darstellung des Gefäßsystems bieten einen entscheidenden Vorteil gegenüber intraarterieller digitaler Subtraktionsangiographie. Die Gefäßdarstellung unter Verzicht auf iodhaltige Kontrastmittel ermöglicht den Einsatz der MR-Angiographie selbst bei Patienten mit bekannter Kontrastmittelunverträglichkeit (Neufang 1999). Neueste technische Errungenschaften in der
Kontrastmittel-gestützten MR-Angiographie wie die Entwicklung der Schrittverschiebetechnik mit einmaliger Bolusgabe sowie der Oberflächen- und peripheren MR-Angiospule ermöglichen die detaillierte Evaluation des Gefäßsystems einschließlich der Unterschenkelgefäße mit hervorragender räumlicher und zeitlicher Auflösung (. Abb. 22.3) (Balzer et al. 2005). Als Nachteil der Technik ist jedoch nach wie vor das Problem mit Überschätzungsraten von Stenosen, v. a. in suprainguinalen Gefäßen, durch die MR-Angiographie zu nennen. Des Weiteren erschweren bereits vorhandene Stents durch Artefaktbildung die Interpretation der umliegenden Gefäßsegmente und die Diagnostik einer evtl. vorhandenen Instent-Restenose (Vavrik et al. 2004). Nachteil im Vergleich mit anderen angiographischen Verfahren ist das als absolute Kontraindikation geltende Vorhandensein eines Herzschrittmachers (Neufang 1999).
CT-Angiographie Die CT-Angiographie, insbesondere mit der Mehrzeitentechnologie, bietet die Möglichkeit einer exakten Darstellung des gesamten arteriellen Gefäßsystems mit hoher Ortsauflösung, wobei größere Gefäße exakt und mit hoher diagnostischer Genauigkeit erfasst werden können. Die Darstellung von kleinen Gefäßdurchmessern (z. B. Unterschenkelarterien) bereitet jedoch nach wie vor Schwierigkeiten (Portugaller et al. 2004). Indikationen sind derzeit die präinterventionelle Evaluierung (. Abb. 22.4) vor geplanten interventioneller oder gefäßchirurgischer Therapie sowie die Abklärung von Patienten mit Kontraindikationen bezüglich der MRA (z. B. Patienten mit Herzschrittmacher). Ein großer Vorteil der CT-Angiographie ist die exakte Erfassung von Kalzifikationen. Die Exposition des Patienten gegenüber Röntgenstrahlung und iodhaltigem Kontrastmittel sowie die aufwendige Nachbearbeitung des Bildmaterials stellen jedoch entscheidende Nachteile dieser Technik dar (Heuser u. Luka 1999).
Digitale Subtraktionsangiographie (DSA) Die intraarterielle DSA stellt eine Weiterentwicklung der Angiographie dar, bei der alle Bildsignale eliminiert werden, die nicht durch das Kontrastmittel im Blutgefäß hervorgerufen werden. Man erreicht dies durch die Subtraktion des so genannten Maskenbildes vom Füllungsbild während Kontrastmittelinjektion und erhält damit einen hervorgehobenen und verstärkten Gefäßkontrast. Die im Vergleich zur konventionellen Blattfilmangiographie um eine Größenordnung höhere Kontrastauflösung ermöglicht in Kombination mit der selektiven Kathetertechnik als intraarterielle DSA (i.a. DSA) je nach Fragestellung, Gefäßgebiet und Katheterlage, eine Kontrastmittelersparnis von 50–80% (Biederer et al. 2000). Mittels i.a. DSA ist es möglich, die Lokalisation, die Länge und die hämodynamisch Relevanz eines Strombahnhindernisses zu ermitteln. Gleichzeitig lässt sich ein evtl. vorhandenes Kollateralsystems und der Blutfluss distal der Läsion beurteilen. Im Anschluss kann, wenn notwendig, die Intervention erfolgen (. Abb. 22.5) (Biederer et al. 2000). Nachteil ist die unverzichtbare Exposition des Patienten mit Röntgenstrahlung und die Invasivität der i.a. DSA. Auch kann es bei Einsatz von Kontrastmitteln zu unvorhergesehenen Zwischenfällen kommen. Der Mechanismus der »Kontrastmittel-
721 22.2 · Spezielle Untersuchungstechniken und spezifische Bildanalyse
a . Abb. 22.3a, b. Stenose der A. poplitea. a MR-Angiographie des Beckens, KM-verstärkt. b MR-Angiographie der peripheren Gefäße mit Nach-
b weis einer Stenose im Bereich der distalen A. poplitea links, kurz vor dem Abgang der A. tibialis anterior (Pfeile)
allergie« ist nach wie vor ungeklärt, da es sich mangels Nachweis von Antikörperbildung um eine atypische Allergie handelt, welche das Komplementsystem bereits bei Erstkontakt mit dem Antigen aktiviert. Die Inzidenz renaler Komplikationen und die Gefahr einer thyreotoxischen Entgleisung bei Einsatz von iodhaltigen Kontrastmaterialen an Patienten mit vorbestehenden Veränderungen an Niere oder Schilddrüse muss ebenfalls berücksichtigt werden (Neufang u. Gross-Fengels 1999, Liermann u. Kirchner 1997). Bei bekannten Überempfindlichkeitsreaktionen auf iodhaltige Kontrastmittel oder Niereninsuffizienz können auch alternative Kontrastmittel wie CO2 oder Gadolinium, ein paramagnetisches Kontrastmittel, zum Einsatz kommen (Kessel et al. 2002, Sam et al. 2003). > Somit gilt weiterhin die i.a. DSA als Goldstandard in der Gefäßdiagnostik. Wegen der mit ihr verbundenen Komplikationen (. Tab. 22.1) sollte die Angiographie nur mit ersichtlicher therapeutischer Konsequenz und nicht zur Primärdiagnostik eingesetzt werden. . Abb. 22.4. Thorakales Aortenaneurysma. Rekonstruktion einer CT-Angiographie der gesamten Aorta in Volume Rendering Technik (VRT) zur Interventionsplanung bei thorakalem Aortenaneurysma. Gesamte Aorta mit Beckenarterien in frontaler Ansicht und Darstellung der Lagebeziehung des Aneurysmas in parasagittaler Ansicht
Statistisch gesehen kommen anaphylaktische Kontrastmittelreaktionen in etwa 3% aller Untersuchungen vor. In ca. 1/100 000 Fällen verlaufen sie tödlich. Das Risiko des Eingriffs kann durch gewissenhafte Indikationsstellung und sorgfältig durchgeführte Vorbereitung vermindert werden. Bei bekannter Kontrastmittelallergie muss eine Prämedikation mit H1- und H2-Blockern und einem Glukokortikoid erfolgen. Bei schwerer Unverträglichkeit, bestehender Niereninsuffizienz oder Hyper-
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722
Kapitel 22 · Gefäßdiagnostik und Interventionstechniken
a
b
. Abb. 22.5a, b. Intraarterielle DSA einer Transplantniere vor (a) und nach PTA (b) bei 90%-iger Stenose der Transplantnierenarterie abgangsnah (Pfeile)
. Tab. 22.1. Komplikationen der Angiographie/Angioplastie
Kontrastmittelbedingte Komplikationen
Untersuchungstechnische Komplikationen
Allergische Reaktionen
Blutung/Hämatom an der Punktionsstelle Aneurysma spurium an der Punktionsstelle AV-Fistel Arterielle Thrombose Thrombembolie Luftembolie Cholesterinkristallembolie Gefäßdissektion Gefäßspasmus Gefäßverschluss Zerebrale Komplikationen Lokale Infektionen der Punktionsstelle Sepsis
5 Juckreiz, Urtikaria, Nausea, Erbrechen 5 Larynxödem, Asthmaanfall 5 Hypotension 5 Herz-Kreislauf-Stillstand Nephrotoxische Wirkung 5 ↓ Kreatininclearance 5 akutes/chronisches Nierenversagen Allgemein: 5 Hyperthyreose/thyreotoxische Krise 5 Lungenödem 5 weitere Reaktionen auf Kontrastmittel
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thyreose kann auf eine Kohlendioxid-Arteriographie zurückgegriffen werden. Diese ist allerdings im Vergleich zur Kontrastmittelangiographie weniger aussagekräftig (Spinosa et al. 2000). Wirksamste Prophylaxe ist eine ausreichende Hydrierung des Untersuchten mit Sicherung einer konstanten Diurese. Patienten mit Niereninsuffizenz und entsprechendem Serumkreatinin >1,5 mg/dl müssen ggf. direkt nach Kontrastmittelgabe einer Hämodialyse zugeführt werden.
22.3
Primäre Gefäßerkrankungen
Als primäre Gefäßerkrankung sind Dissektionen und Aneurysmen zu nennen. Diese können jedoch auch auf dem Boden einer Arteriosklerose oder Vaskulitis entstehen. Eine Indikation zur Angiographie der Aorta kann sich in diesem Zusammenhang insbesondere bei denen in der Übersicht genannten Erkrankungen ergeben.
Indikationen zur Angiographie der Aorta 4 Aortendissektionen zur Abklärung von Typ und Ausdehnung der Dissektion, zum Nachweis von Kommunikationsstellen zwischen wahrem und falschem Lumen und zur Klärung der lumenbezogenen Abgangsverhältnisse der abdominellen Gefäße. 4 Bei arteriosklerotischen Veränderungen zur Abklärung der Komplikationen (Aneurysmen, Stenosen, Thrombosen, arteriovenöse Fisteln, Gefäßelongation bzw. -kinking) 4 Abklärung von Thrombembolien 4 Traumatische Aortenverletzungen zur Abklärung der Lokalisation und Ausdehnung einer Verletzung (z. B. Aneurysma, Gefäßokklusion, arteriovenöse Fistel) 4 Aortenkoarktation (kongenital, arteriitisch, neurofibromatös) 4 Komplikationen von Gefäßprothesen und Stentgrafts
Aortendissektion Ätiologie, Pathogenese Als unmittelbare Auslöser der Dissektion werden 2 verschiedene Mechanismen diskutiert: selten ist eine primäre Blutung in die Media die Ursache (s. u.), am häufigsten kommt es zunächst zu einem
723 22.3 · Primäre Gefäßerkrankungen
Einriss der Intima, der dem Blutstrom einen Zugang zur Media öffnet. Durch diese Öffnung (entry) presst der arterielle Blutdruck das Blut zwischen Intima und Adventitia, wo es sich meist in Längsrichtung des Gefäßes weiter ausdehnt und einen künstlichen Raum (»falsches Lumen«) schafft. Der dabei auftretende Schmerz kann ein ähnliches Beschwerdebild zeigen wie der Myokardinfarkt (Herzinfarkt). Da hierbei eine recht rigide Muskelschicht das Gefäß umgibt, kann es durch Zunahme der Durchblutung im falschen Lumen zu einer Ausdehnung des falschen Lumens und Kompression des echten (wahren) Lumens kommen. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Aortendissektionen handelt es sich um thorakale Aortendissektionen; nur selten beginnen Dissektionen im Bereich der abdominellen Aorta. Spontane lokalisierte Dissektionen der Aorta und der Aa. iliacae sind eine seltene Manifestation atherosklerotischer Gefäßerkrankungen. Ebenfalls selten finden sich Dissektionen der abdominellen Aorta und der Iliakalgefäße auch als Folge iatrogener Maßnahmen (arterielle Katheteruntersuchung, aorto-iliakale Endarteriektomie). Seltener scheint eine Blutung in die Media als primäres Ereignis zu einem zunächst kleinen Bluterguss (Hämatom) zu führen. Sie stammt aus den Versorgungsgefäßen (Vasa vasorum) der Aorta und verschafft sich in vielen Fällen erst sekundär Zugang zum Gefäßlumen, wenn der Druck des Blutergusses die Intima zerreißt. Einige dieser Hämatome sind auf die Gefäßwand beschränkt und bleiben ohne Verbindung zum Blutstrom in der Aorta (intramurales Hämatom). Die Ausdehnung der Dissektion hängt wesentlich vom Blutdruck als treibende Kraft und der Widerstandsfähigkeit der Media ab. Sie kann wenige Millimeter betragen oder auch die gesamte Länge der Aorta erfassen, bis in die Beckenarterien und auch in Seitenäste wie die supraaortalen Gefäße und die Nierenarterien hineinreichen.
Klassifikation 1965 schlug der US-amerikanische Chirurg DeBakey eine Einteilung in 3 Kategorien (Typ DeBakey I bis III) vor. Beim Typ I sind sowohl die Aorta ascendens als auch die Aorta descendens betroffen, beim Typ II nur die Aorta ascendens und beim Typ III nur die Aorta descendens. Um die Gefährdung des Patienten und die wichtigsten therapeutischen Schritte unmittelbar aus der Klassifikation ableiten zu können, wurde diese Einteilung 1970 von Dailey und Mitarbeitern von der Stanford University noch vereinfacht. Sie fassten die Typen »DeBakey I« und »DeBakey II« zusammen und unterschieden nur noch, ob die Aorta ascendens beteiligt ist (Typ Stanford A oder proximale Dissektion) oder nicht (Typ Stanford B oder distale Dissektion). Diese Klassifikation hat sich heute am weitesten durchgesetzt (. Tab. 22.2, . Tab. 22.3). ! Umstritten ist noch, wie das von vielen als »Vorstufe« oder »enge Verwandte« der Aortendissektion betrachtete intramurale Hämatom (IMH) und das penetrierende Ulkus einzuordnen sind. Das IMH wird oft als Dissektion angesehen und bezeichnet. In den westlichen Ländern besteht auch Einigkeit, es wie eine Dissektion zu 6
behandeln. In asiatischen Ländern wird zwischen beiden strikter getrennt und für das IMH eine eher konservative Therapie befürwortet, da es häufiger zu Spontanheilungen kommt.
Klinik Die Klinik ist oft unspezifisch; im Vordergrund stehen starke Schmerzen oder weitere Symptome in Abhängigkeit von den betroffenen Organen.
Bildgebung Eine CT-Angiographie ermöglicht eine umfassende und exakte Darstellung der gesamten Aorta und kann sowohl die Dissektion selbst als auch deren räumliche Beziehung zu den Seitenästen der Aorta und evtl. Blutungen in der Umgebung zuverlässig darstellen. Eine mögliche Beteiligung der Aortenklappe ist allerdings nicht verlässlich erkennbar, die klappennahen Aortenabschnitte sind aufgrund von Artefakten durch das schlagende Herz bei älteren CT-Geräten schwieriger zu beurteilen. Neuere Geräte ermöglichen eine EKG-getriggerte CTA der Aorta ascendens. Ohne EKG-Triggerung wurde in mehreren Studien eine Sensitivität von 83–94% und eine Spezifität von 87–100% ermittelt, neuere MD-CT erreichen eine Sensitivität von durchschnittlich >95% (. Abb. 22.6a–c). Ähnlich exakt und umfassend ist die Darstellung in der MRT, für die kein iodhaltiges Kontrastmittel benötigt wird und die auch eine zuverlässige Beurteilung der Aortenklappe erlaubt. Die MRT erzielt mit jeweils fast 100% die beste Sensitivität und Spezifität für die Diagnose einer Aortendissektion, ist allerdings zeitaufwendiger und somit für die Akutsituation nur bedingt geeignet (. Abb. 22.7). Bei der Angiographie sind die Seitenäste der Aorta und auch eine evtl. vorhandene Aortenklappeninsuffizienz gut beurteilbar, die Dissektion führt zu einer unterschiedlichen Kontrastierung des wahren und des falschen Lumens sowie zu einer ungewöhn-
. Tab. 22.2. Klassifikation der Aortendissektion Häufigkeit
60%
10–15%
25–30%
Typ
DeBakey I
DeBakey II
DeBakey III
Lokalisation
Stanford A
Stanford B
proximal
distal
. Tab. 22.3. Erweiterte Klassifikation der Aortendissektion
Klasse
Charakteristika
Klasse 1
Klassische Dissektion mit entry und Membran
Klasse 2
Mediaeinriss mit intramuraler Blutung
Klasse 3
Intimariss mit diskreter Aussackung
Klasse 4
Aortenulkus nach Plaqueruptur
Klasse 5
Iatrogene oder traumatische Dissektion
22
724
Kapitel 22 · Gefäßdiagnostik und Interventionstechniken
a . Abb. 22.6a, b. CT-Angiographie einer Typ-B-Dissektion. a Die VRT-Rekonstruktion in parasagittaler Schichtorientierung zeigt die Ausdehnung und den Ursprung der Dissektion im Bereich der thorakalen Aorta. b Die
b MIP-Rekonstruktion detektiert das »entry« im proximalen Anteil der Aorta descendens (Pfeil)
Heute ist die Prognose dieser Patienten besser. Die in dem internationalen Register IRAD zusammengetragenen Daten von über 1100 Patienten zeigen für Typ A-Dissektionen eine noch immer beträchtliche, aber eindeutig geringere Letalität (Mehta et al. 2002). Diese Zahlen verdeutlichen auch, dass die heute übliche frühzeitige Intervention statt Operation entscheidend zu dieser Prognoseverbesserung beiträgt. Bei Typ B-Dissektionen, die sich auf die Aorta descendens beschränken, ist die Prognose besser. Für sie fanden sich Einund Zwei-Jahres-Überlebensraten von 80–90% unter rein medikamentöser Therapie. Aus den IRAD-Daten ergibt sich für diese Patientengruppe eine 30-Tage-Letalität von etwa 20% für operierte Patienten und ca. 10% für jene, die nicht operiert werden mussten.
Therapie . Abb. 22.7. MRT und MRA einer Aortendissektion. Die axiale MRT zeigt die Typ A-Dissektion mit Dissektionsmenbran im Bereich der Aorta ascendens
lichen Ausbreitung des Kontrastmittels (. Abb. 22.8). Die Sensitivität der Angiographie ist mit etwa 70% geringer als bei den vorgenannten Verfahren, hauptsächlich bedingt durch die mangelhafte Darstellung der Dissektion und des »entry«. Die Spezifität in der Größenordnung von 95% hingegen ist hoch.
22
Prognose Noch bis in die 1960er Jahre war die Prognose für Patienten mit einer Aortendissektion katastrophal. Die akute Typ-A-Dissektion war in unterschiedlichen Studien mit einer Letalität von 30– 70% innerhalb von 24 h und 80–95% in der ersten Woche vergesellschaftet. Kaum ein Patient überlebte das erste Jahr.
Bei einer akuten Dissektion Typ A gilt es, möglichst rasch die Gefahr der Ruptur zu bannen. Standardtherapie ist der sofortige operative Ersatz der Aorta ascendens. Gelegentlich ist auch im Rahmen des Notfalleingriffs die Rekonstruktion der Aortenklappe möglich. In der Regel wird aber die Aortenklappe bei Dissektion der klappennahen Aortenabschnitte und Patienten mit einer angeborenen Bindegewebserkrankung (z. B. Marfan-Syndrom) entfernt und eine Prothese mit integrierter Klappenprothese (klappentragendes Conduit oder Composite-Prothese) verwendet, an die auch die Herzkranzgefäße wieder »angeschlossen« werden. Die 30-Tage-Sterblichkeit nach einer Operation bei Typ A-Dissektion beträgt 15–30%. Auch bei chronischen Dissektionen vom Typ A wird fast immer eine operative Korrektur vorgenommen. Allerdings ist hier der Zeitfaktor von untergeordneter Bedeutung, sodass der Eingriff nicht notfallmäßig vorgenommen werden muss. Da
725 22.3 · Primäre Gefäßerkrankungen
a
b
. Abb. 22.8a, b. Aortendissektion vom Typ B. Intraarterielle DSA einer Typ B-Dissektion vor (a) und nach endovaskulärer Versorgung (b) mittels Stentgraft. Die initiale DSA zeigt das »entry« im Bereich der Proximalen Aor-
ta descendens. Nach Stentgraftimplantation (b) noch Kompression des wahren durch das falsche Lumen. Eine Nachdilatation wurde nicht durchgeführt, um eine komplette Ruptur der Dissektionsmembran zu vermeiden
überdies die Wandschichten besonders des falschen Lumens meist dicker sind als bei einer akuten Dissektion, sind die Nähte technisch einfacher anzulegen und von größerer Haltbarkeit. Bei unkomplizierten Typ B-Dissektionen ist die 30-TageSterblichkeit nach operativer Therapie mit etwa 25% höher als bei rein medikamentöser Therapie mit <10%. Aus diesem Grund wird nur bei lebensbedrohlichen Komplikationen operiert, etwa bei rasch zunehmendem Durchmesser der Aorta oder anderen Zeichen einer drohenden oder bereits erfolgten Ruptur sowie bei Komplikationen infolge von Mitbeteiligung der Viszeral-, Nieren- und peripheren Arterien. Die Behandlung anderer Komplikationen erfolgt heute überwiegend interventionell (. Abb. 22.8). Dabei kann die Dissektionsmembran durch einen oder mehrere Stents fixiert oder kathetertechnisch durch ein künstliches re-entry »gefenstert« werden, um die Gefahr einer Ruptur zu mindern. Verschlossene Seitenäste können oft wieder eröffnet, dilatiert und mit einem Stent fixiert werden (Ince u. Nienaber 2007). Ob auch unkomplizierte Typ B-Dissektionen von einer interventionellen Therapie profitieren, ist noch ungewiss. Die Ergebnisse einer randomisierten Studie (INSTEAD), die eine rein medikamentöse Therapie mit einer medikamentösen Therapie und zusätzlicher Stentgraft-Implantation bei Patienten mit unkomplizierter Typ B-Dissektion vergleicht, werden noch erwartet (Nienaber et al. 2005).
4 asymptomatischen Aneurysmata 4 symptomatischen Aneurysmata 4 rupturierten Aneurysmata
Aneurysmen Aortenaneurysma Definition, Klassifikation
Als Aortenaneurysma wird eine Erweiterung der Aorta im anterioposterioren Durchmesser auf >30 mm angesehen. Klinisch unterscheidet man zwischen:
Beim asymptomatischen Aneurysma handelt es sich um einen Zufallsbefund. Beim symptomatischen Aneurysma stehen die Symptome und bei den rupturierten Aneurysmata die Kreislaufsituation im Vordergrund. Man unterscheidet das echte Aneurysma (Aneurysma verum) vom falschen Aneurysma. Während sich beim echten Aneurysma die gesamte kranke Gefäßwand erweitert, entsteht das falsche Aneurysma (Aneurysma falsum) durch einen Riss in einer Schicht oder allen Schichten der Gefäßwand. Die Brisanz aortaler Aneurysmen liegt in ihrer potenziell tödlichen Rupturgefahr. Diese steigt mit zunehmendem Querdurchmesser des Aneurysmas, da der Druck auf die Gefäßwand gemäß dem Gesetz von Bernoulli mit zunehmender Gefäßweite und damit verbundenem Abfall der Fließgeschwindigkeit zunimmt. Bildgebung
Die angiographische Darstellung von Aortenaneurysmen erfordert eine Darstellung des Aneurysmas in 2 Ebenen. Über einen femoralen oder brachialen Zugang wird die Spitze eines PigtailKatheters in die Aorta ascendens (thorakales Aortenaneurysma, TAA) bzw. in Höhe von BWK 12/LWK 1 (abdominelles Aortenaneurysma, AAA) platziert (. Abb. 22.9a–d). Liegt keine Ruptur oder akute Expansion eines Aortenaneurysmas vor, so kann das Kontrastmittel auch im Bereich des Aneurysmas mit einer Geschwindigkeit von 10–15 ml/s injiziert werden. Die Mehrzahl der atherosklerotischen AAA weist eine umschriebene Erweiterung des Aortenlumens im infrarenalen Abschnitt auf, wobei in ca. zwei Drittel der Fälle ein Übergreifen des
22
726
Kapitel 22 · Gefäßdiagnostik und Interventionstechniken
a
b
. Abb. 22.9a, b. Aortenaneurysma. Intraarterielle DSA eines abdominellen Aortenaneurysmas vor (a) und nach (b) Stentgraftimplantation
22
Aneurysmas auf die Iliakalarterien beobachtet werden kann. Eine verdickte Aortenwand lässt sich nach Kontrastmittelapplikation durch den Abstand zwischen dargestelltem Lumen und Wandverkalkungen bei ca. 80% der Patienten nachweisen. Verschlüsse von Lumbalarterien sind ebenfalls bei der Mehrzahl der Patienten mit abdominellen Aortenaneurysmen erkennbar; ein Verschluss der A. mesenterica inferior findet sich bei nahezu 80% der Patienten. Aortenaneurysmen weisen zumeist einen langsamen antegraden Fluss im Aneurysmabereich auf. Eine gedeckte Aneurysmaruptur mit evtl. extraluminaler Kontrastmittel-Ansammlung oder ein penetrierendes Aneurysma mit Kontrastmittel-Extravasation wird selten angiographisch dargestellt, kann jedoch in der Akutphase mittels CTA sehr gut dokumentiert werden. Diese Aneurysmakomplikationen werden jedoch aufgrund der ausgeprägten klinischen Symptomatik meist ohne präoperative Diagnostik direkt einem operativen Eingriff zugeführt. Problematisch wird die angiographische Diagnostik eines Aortenaneurysmas, wenn das Lumen des Aneurysmas durch wandständige Thromben auf das Lumen einer normalen Aorta eingeengt wird. In diesem Fall können Verschlüsse von Lumbalarterien, verlagerte und ausgespannte Mesenterialarterienäste, das Fehlen parenchymaler Äste um das dargestellte Aortenlumen (Halo) oder die Verlagerung der linken Niere und/oder des Ureters Hinweise auf das Vorliegen eines Aortenaneurysmas geben. Ein Verschluss der A. mesenterica inferior kann bei einer Kontrastmittelinjektion in die obere abdominelle Aorta durch eine Schichtung des Kontrastmittels mit überwiegend dorsal gelegenem Kontrastmittel vorgetäuscht werden. Erst eine Kontrastmittelinjektion in die untere Aorta thoracica oder das Aneurysma bringt dann das Gefäß zur Darstellung, wenn es offen ist.
> Wird eine Aortographie lediglich im a. p. Strahlengang angefertigt, so kann durch die Projektion des proximalen Anteils des Aneurysmas auf die Nierenarterien ein kurzer oder fehlender »Aneurysmahals« vorgetäuscht werden. Die tatsächlichen Verhältnisse lassen sich in einem solchen Fall durch die Anfertigung einer zusätzlichen seitlichen Projektion nachweisen. Durch eine Kontrastmittelinjektion in einen Thrombus kann unter Umständen eine Extravasation durch eine Kontrastmittelpersistenz vorgetäuscht werden.
Aneurysmen der peripheren Gefäße Aneurysmen der peripheren Gefäße bedrohen v. a. durch thromboembolische Gefäßverschlüsse die Gliedmaßen. In der Regel sind Aneurysmata teilweise mit Thrombenmassen ausgefüllt, welche sich randständig befinden. Diese Thrombenmassen können z. B. beim Aneurysma in der Kniekehle durch entsprechende Bewegungen in die periphere Zirkulation ausmassiert werden. Dies führt zu peripheren, z. T. irreversiblen Gefäßverschlüssen mit entsprechenden Folgen. Bildgebung
Die Zeichen für ein Aneurysma im Bereich der A. poplitea können angiographisch sehr subtil sein. Häufig imponieren diese Läsionen in der i.a. DSA lediglich als diskrete Wandunregelmäßigkeiten, ohne dass eine umschriebene Aufweitung des Lumens detektierbar ist. Diagnostisch beweisend sind hier die Duplexsonographie oder die MRT/MR-Angiographie bzw. CTAngiographie. Differenzialdiagnostisch ist bei Raumforderungen in der Kniekehle auch an eine Bakerzyste zu denken (. Abb. 22.10a, b).
727 22.4 · Arteriosklerotische Erkrankungen
a
b
. Abb. 22.10a, b. Aneursyma der A. poplitea beidseits. a Intraarterielle DSA beider unteren Extremitäten in Höhe des Kniegelenks und beider proximalen Unterschenkel mit Nachweis von aneurysmatisch erweiterten
A. popliteae bds.; b mit thromboembolischem Verschluss der Trifurkation sowie der A. tibialis posterior und proximalen A. fibularis rechts
Ätiologie, Pathogenese Nierenarterienaneurysmen werden bei etwa 1% der Nierenan-
22.4
giographien meist als Zufallsbefund gefunden. Sie besitzen einen Häufigkeitsgipfel in der 4. und 5. Lebensdekade und treten bei beiden Geschlechtern in gleicher Häufigkeit auf. Ursachen von Nierenarterienaneurysmen sind die Arteriosklerose, die fibromuskuläre Dysplasie, das Trauma sowie das kongenitale oder das mykotische Aneurysma. Multiple Aneurysmen gehen meist auf eine fibromuskuläre Dysplasie, eine Arteriitis oder ein Trauma zurück. Arteriosklerotische und angeborene Aneurysmen treten gewöhnlich einzeln auf und gehen größtenteils vom Nierenarterienstamm oder den größeren Ästen der Nierenarterie aus. Ihr Ursprungsort liegt häufig in der Nähe einer Gefäßbifurkation und ihre Ausdehnung kann z. T. beträchtliche Ausmaße annehmen. Aneurysmen bei einer fibromuskulären Dysplasie sind im Hauptstamm der Nierenarterie und ihren proximalen Ästen lokalisiert. Im Rahmen einer Arteriitis (Panarteriitis nodosa, Wegener-Granulomatose, nekrotisierende Angiitis) auftretende Aneurysmen und die meisten traumatischen Aneurysmen sind intrarenal lokalisiert. Penetrierende Verletzungen (z. B. Stichund Schussverletzungen) können jedoch auch traumatische Aneurysmen im Hauptstamm der Nierenarterie hervorrufen. Ein traumatisches Aneurysma im Nierenarterienhauptstamm kann darüber hinaus auch als Komplikation einer Nierenarteriendilatation auftreten. Mykotische Aneurysmen sind an unterschiedlichen Stellen anzutreffen, wobei der Nierenarterienstamm meist ausgespart bleibt.
Periphere arterielle Verschlusskrankheit Epidemiologie
Arteriosklerotische Erkrankungen
Die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) ist die häufigste periphere Gefäßerkrankung auf dem Gebiet der Arteriosklerose der unteren Extremität. Man schätzt die Häufigkeit bei den >35-Jährigen in der Bevölkerung auf etwa 13,7%. So gibt es in Deutschland ca. 4,5 Mio Patienten mit pAVK (Diehm u. Weiss 2000). Die Prävalenz steigt mit zunehmendem Alter und ist bei Männern höher als bei Frauen. Nur bei etwa einem Drittel der Erkrankten zeigen sich die typischen Symptome einer Claudicatio intermittens. Zwei Drittel der Patienten dagegen haben keine oder nur atypische Symptome (Fowkes 1997, Solberg u. Strong 1983). Die Häufigkeit der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) ist durch eine hohe Dunkelziffer asymptomatischer Verläufe nur schwer einzuschätzen. Auf einen symptomatisch Erkrankten kommen 2 Patienten ohne Anzeichen einer peripheren Durchblutungsstörung. Die Zahl der Betroffenen liegt in Deutschland bei etwa 3,3 Mio. Menschen, davon 5-mal mehr Männer als Frauen. Mit zunehmendem Lebensalter steigt die Prävalenz deutlich an und die Geschlechterunterschiede verschwimmen. Während im Alter von 35–44 Jahren nur 2% der Männer an einer pAVK leiden, sind es in der Altersgruppe der 55- bis 64-Jährigen schon 11% und bei den >65-Jährigen bis zu 18% (Unterschenkelarterienläsionen nicht miteingeschlossen). Bei Frauen treten Durchblutungsstörungen in jüngeren Jahren zunächst seltener auf als bei Männern, sind in höheren Altersgruppen nach den Wechseljahren aber gleich häufig bzw. häufiger (Fowkes 1997, Golledge 1997).
22
728
Kapitel 22 · Gefäßdiagnostik und Interventionstechniken
Chronische Verschlüsse der Beinarterien, insbesondere vom Oberschenkel- und Beckentyp, sind mit 90% wesentlich zahlreicher als Obliterationen der Arterien der oberen Extremitäten. Dabei ist die Lokalisation abhängig von den vorhandenen Risikofaktoren. Während Raucher bevorzugt Verschlüsse der Becken- und Oberschenkelarterien aufweisen, werden bei Diabetikern gehäuft Verschlüsse der Unterschenkelarterien und der A. profunda femoris beobachtet.
. Tab. 22.4. Stadieneinteilung nach Fontaine
Fontaine-Stadium
Klinische Beschreibung
Stadium I
Asymptomatisch
Stadium IIa
Claudicatio intermittens, schmerzfreie Gehstrecke >200 m
Stadium IIb
Claudicatio intermittens, schmerzfreie Gehstrecke <200 m
Stadium III
Ruheschmerz
Stadium IV
Gewebedefekt infolge pAVK
Ätiologie Ursache ist meist eine Arteriosklerose. Andere Ursachen sind selten (wiederkehrende Embolien, Gefäßentzündungen oder arterielle Entrapment-Syndrome). Hauptrisikofaktoren für die Entstehung der Arteriosklerose in den Beinen sind Nikotinkonsum, Diabetes mellitus, Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen und Vererbung.
Verlauf, Prognose Eine frühzeitige Diagnose und der Therapieerfolg sind von großer Bedeutung, da durch die belastungsabhängigen ischämischen Schmerzen bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit die Lebensqualität sehr beeinträchtigt ist. Es ist bekannt, dass die allgemeine Lebenserwartung der an der pAVK erkrankten Patienten sich um 10 Jahre vermindert (Diehm u. Weiss 2000). Literaturangaben zufolge ist bei Patienten mit Claudicatio intermittens gegenüber anderen Personen das Sterberisiko doppelt so hoch (Criqui et al. 1992). Dabei liegt die 5-Jahres-Mortalitätsrate bei Männern mit Claudicatio intermittens bei 15% (Golledge 1997). Außerdem ist anhand der amerikanischen FraminghamStudie statistisch signifikant belegt, dass Faktoren wie Zigarettenrauchen, Hypertonie und Stoffwechselstörungen, wie Diabetes mellitus oder Hyperlipidämie, von beträchtlicher Bedeutung bei der Entstehung von Arteriosklerose sind, die wiederum die häufigste Ursache für die Durchblutungsstörung bei der pAVK ist (Heyden 1974).
Symptomatik, Klassifikation
22
Als gängige klinische Einteilung der pAVK haben sich die 4 Stadien nach Fontaine bewährt. Rutherford ergänzte sie in einer eigenen Klassifikation durch objektive hämodynamische Kriterien. (. Tab. 22.4, . Tab. 22.5). Aufgrund der Verschlusslokalisation lassen sich verschiedene Häufigkeiten und Risikofaktoren der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit zuordnen (Diehm u. Weiss 2000). Aufgrund der Beschwerdefreiheit der Patienten sind stenosierende Arterienveränderungen im Stadium I nach Fontaine meist eine Zufallsdiagnose. Die Claudicatio intermittens (»Schaufensterkrankheit«), ein belastungsabhängiger krampfartiger Schmerz, der nach kurzer Ruhepause wieder nachlässt, entspricht als klassisches Symptom dem Stadium II und wird unterteilt in ein Stadium IIa mit einer schmerzfreien Gehstrecke von >200 m und ein Stadium IIb mit einer schmerzfreien Gehstrecke <200 m. Die Stadien III und IV nach Fontaine werden unter Berücksichtigung der Doppler-Druckwerte als kritische Extremitätenischämie zusammengefasst. Als Kriterien gelten nach Definition der »European Working Group on Critical Limb Ischemia«
. Tab. 22.5. Stadieneinteilung nach Rutherford (Rutherford et al 1997)
Stadium nach Rutherford
Klinik
Objektiver Befund
0
Asymptomatisch
normale Laufbandbelastung * normaler Hyperämie-Test
1
Milde Claudicatio intermittens
Laufband *: 5 min möglich aKD nach Belastung >50 mmHg, aber mind. 20 mmHg niedriger als Ruhewerte
2
Mäßige Claudicatio intermittens
zwischen Rutherford 1 und 3
3
Schwere Claudicatio intermittens
Laufband *: 5 min nicht möglich aKD nach Belastung <50 mmHg
4
Ruheschmerz
aKD ≤40 mmHg aZD ≤30 mmHg
5
Distale trophische Läsion
aKD ≤60 mmHg aZD ≤40 mmHg
6
Transmetatarsale trophische Läsion
aKD ≤60 mmHg aZD ≤40 mmHg
* 3 km/h, 12% Steigung aKD = arterieller Knöchelverschlussdruck, aZD = arterieller Zehenverschlussdruck
ein länger als 2 Wochen anhaltender Ruheschmerz, der sich beim Herabhängenlassen der Extremität bessert, Ulzerationen bzw. Gangräne und ein Knöchelverschlussdruck <50 mmHg. Im weiteren Sinne kann auch eine rasche Gehstreckenverschlechterung von mehreren hundert Metern auf nur wenige Schritte als kritische Ischämie gedeutet werden. ! Besondere Aufmerksamkeit richtet sich auf Diabetiker mit arterieller Verschlusskrankheit. Aufgrund einer gleichzeitig bestehenden Polyneuropathie kann bei diesen die klassische gefäßbedingte Schmerzempfindung als Leitsymptom fehlen, sodass eine kritische Durchblutungsstörung zunächst unbemerkt bleibt.
729 22.4 · Arteriosklerotische Erkrankungen
sklerotische Veränderungen können von flachen Wandplaques mit nur geringer Gefäßunregelmäßigkeit bis zu kompletten Verschlüssen reichen (. Abb. 22.11). Da atherosklerotische Verschlüsse sich in der Regel nur langsam entwickeln, bildet sich meist eine ausgedehnte Kollateralisation aus. Bei engen atherosklerotischen Gefäßen mit umschriebener hochgradiger Stenose entwickelt sich unbehandelt durch Thrombusauflagerung häufig ein kompletter Verschluss. Eine ausgeprägtere Thrombusauflagerung bei einem distalen Aortenverschluss (Leriche-Syndrom) kann gelegentlich auch zu einem Verschluss beider Nierenarterien und seltener auch der Mesenterialarterie führen. Der Ausgangspunkt eines atherosklerotischen Aortenverschlusses liegt hierbei gewöhnlich in der Nähe der Aortenbifurkation. Eine dilatierende Atherosklerose führt zu einer axialen Rotation der Aorta mit Verlagerung der viszeralen Gefäßabgänge. Diese Atheroskleroseform wird im Gegensatz zu den engen atherosklerotischen Aorten bei Frauen selten gefunden. Patienten mit einer progredient verlaufenden Atherosklerose sind bevorzugt von thromboembolischen Komplikationen betroffen. Aufgrund eines langsamen Blutflusses ist die arteriographische Darstellung schwierig. Die technischen Untersuchungsparameter (Kontrastmittelmenge, Aufnahmefrequenz und -dauer usw.) müssen entsprechend angepasst werden. Das angiographische Bild ist durch irreguläre Gefäßlumina mit multiplen fokalen Stenosen gekennzeichnet.
Therapie Zur Wiedereröffnung von so entstandenen Gefäßverschlüssen und Stenosen können verschiedene Verfahren genutzt werden. Dabei gibt die nach der Therapie bestehende Offenheitsrate des Gefäßes eine Auskunft über den Erfolg. Die perkutane transluminale Angioplastie (PTA), die erstmals von Dotter und Judkins 1964 beschrieben wurde, ist heute ein etabliertes Therapieverfahren für die Rekanalisation von Gefäßläsionen (Dotter u. Judkins 1964) (7 Kap. 23). Im Vergleich zu anderen Therapiemethoden wie Thrombolyse und Thrombendarteriektomie sowie Gefäßprothesen weist die PTA verschiedene Vorteile auf. Dank der Modifizierung des Dotter-Verfahrens durch Grüntzig und Hopff minimierte sich das Risiko in Bezug auf Komplikationen wie Embolie oder Gefäßperforation (Grüntzig u. Hopff 1974).
Prognose . Abb. 22.11a, b. Kontrastverstärkte MR-Angiographie (CE-MRA) bei Verdacht auf pAVK. a Die CE-MRA der Aorta und Beckenarterien mit proximalen Oberschenkelarterien zeigt eine Signalintensitätsauslöschung beider Aa. iliaca communis (Pfeile) bei Zustand nach Stentimplantation. b In der CE-MRA der Oberschenkelregion Nachweis eines Verschlusses der distalen A. femoralis superficialis (AFS) rechts sowie 80%-igen Stenosen der distalen AFS links
Diagnostik, Bildgebung Die von atherosklerotischen Gefäßstenosen und -verschlüssen am häufigsten betroffenen Segmente sind die infrarenale Bauchaorta und die Iliakalarterien gefolgt von Oberschenkelarterien. Gefäßläsionen im Bereich der Unterschenkelarterien machen ca. 15% der Patienten mit pAVK aus. Nachweisbare athero-
Morbidität und Mortalität von pAVK-Patienten werden durch kardiovaskuläre Ereignisse bestimmt. Bei ca. 75% der Betroffenen liegt eine Koinzidenz mit Gefäßerkrankungen des Herzens oder der Hirnarterien vor. Infolgedessen verstirbt etwa die Hälfte der Patienten an einer koronaren Herzkrankheit, ein Viertel an einem Schlaganfall, und nur ein Viertel an nichtkardiovaskulären Erkrankungen (Fowkes 1997, Golledge 1997, Ouriel 2001).
Sonderform: Mönckeberg-Mediaverkalkung Als Sonderform der Arteriosklerose gilt die Mönckeberg-Mediaverkalkung (Synonyma: Mönckeberg-Sklerose; Mönckeberg’s sclerosis), eine Erkrankung der Extremitätenarterien mit stein-
22
730
Kapitel 22 · Gefäßdiagnostik und Interventionstechniken
a . Abb. 22.12a, b. Intraarterielle DSA bei Leriche-Syndrom. Die transbrachiale i. a. DAS der Aorta abdominalis zeigt einen Verschluss der Aorta
unmittelbar nach dem Abgang der Nierenarterien (a) sowie einen Verschluss der Aa. iliacae bds. (b)
harten Verkalkungen oder Verknöcherungen der Arterienwände. Häufig sind die Verkalkungen spangenartig aneinandergereiht, so genannte »Gänsegurgelarterien«. Im Röntgenbild sind die Spangen gut zu erkennen. Die Erkrankung betrifft die mittlere Schicht der Arterienwänd (Tunica media) und beginnt mit einem Absterben (Nekrose) dieses Gewebes. Die innere Auskleidung der Gefäßwand (Intima) ist nicht betroffen – im Gegensatz zur Arteriosklerose. Die Arterie wird auch nicht wie bei der Arteriosklerose eingeengt. Männer erkranken häufiger als Frauen (m:w = 3:1). Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz sowie primärer oder sekundärer Hyperparathyroidismus begünstigen die Entstehung dieser Gefäßerkrankung.
Bereich des Hauptstamms der Nierenarterie lokalisiert (>90%); in den übrigen Fällen sind sowohl Stenosen des Hauptgefäßes als auch von Ästen der Nierenarterie vorhanden. Isolierte arteriosklerotische Stenosen in einem Gefäßast sind selten.
Aortenverschlüsse Akute Verschlüsse der abdominellen Aorta können durch Trauma, Thrombembolien, Aneurysmaverschluss, akute aufgepfropfte Thrombose bei atherosklerotischen Stenosen (Leriche-Syndrom, . Abb. 22.12) oder iatrogen (Manipulation mit Führungsdraht oder Katheter) entstehen. Klinisch manifestieren sich derartige akute Verschlüsse mit Pulsverlust, Blässe, Schmerzen, Parästhesien und Paralyse.
Nierenarterienstenose
22
b
Die Nierenarterienstenose ist bei der Mehrzahl der Patienten mit renovaskulärem Hypertonus Ursache für die Hypertonie (ca. 60%). Meist handelt es sich um männliche Patienten >50 Jahre. Die Stenose liegt gewöhnlich proximal in der Nierenarterie und dehnt sich häufig durch eine arteriosklerotische Plaque der Aortenwand zusätzlich auf das Gefäßostium aus (. Abb. 22.13). Etwa ein Drittel der Patienten weist beidseitige Nierenarterienstenosen auf. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten ist die Gefäßeinengung im
Fibromuskuläre Dysplasie Epidemiologie, Pathogenese Die fibromuskuläre Dysplasie (. Abb. 22.14) tritt in allen Altersgruppen auf und ist 3-mal häufiger bei Frauen zu finden. Insgesamt sind die Patienten jünger als die von Arteriosklerose betroffenen. Die fibromuskuläre Dysplasie ist bei ca. einem Drittel der Patienten mit Nierenarterienstenosen und dadurch bedingtem renovaskulären Hypertonus ursächlich. Das Befallsmuster ist durch eine Bevorzugung der mittleren und distalen Nierenarterienabschnitte gekennzeichnet. Gelegentlich findet sich aber auch ein Befall der ganzen Nierenarterie einschließlich des proximalen Segments. Ein isolierter Befall des proximalen Drittels der Nierenarterie ist dagegen selten. Neben den Veränderungen im Hauptstamm der Nierenarterie ist bei ca. 17% der Fälle eine Mitbeteiligung von Gefäßästen nachweisbar. Ein isolierter Befall von Ästen der Nierenarterie ist sehr selten (ca. 4%). Bei zwei Dritteln der Patienten tritt die Erkrankung bilateral auf. Liegt ein einseitiger Befall vor, ist die rechte Nierenarterie bevorzugt betroffen. Im Kindesalter ist die fibromuskuläre Dysplasie die häufigste Ursache für einen renovaskulären Hypertonus, wobei ein Befall von Gefäßästen, isoliert oder im Zusammenhang mit Veränderungen des Nierenarterienhauptstamms, überwiegt. Bei älteren Patienten kann eine fibromuskuläre Dysplasie gemeinsam mit einer Arteriosklerose auftreten.
731 22.5 · Entzündliche Gefäßerkrankungen
a
b
. Abb. 22.13a, b.CT-Angiographie bei Nierenarterienstenose rechtsseitig. Die Maximum Intensity Projection (MIP) Rekonstruktion (a) zeigt die
Stenose (Pfeil) und Restlumen deutlicher als die Volume Rendering Technique (VRT) Rekonstruktion (b)
Bildgebung Je nach dem Befall unterschiedlicher Wandschichten lassen sich verschiedene Formen der fibromuskulären Dysplasie pathologisch-anatomisch und z. T. auch angiographisch unterscheiden. Das angiographische Bild kann von einer fokalen Stenose über perlenkettenähnliche Veränderungen (Wechsel von Stenosen und Aneurysmen) bis zu langstreckigen Stenosen variieren.
22.5
Entzündliche Gefäßerkrankungen
Entzündliche Gefäßveränderungen fallen zumeist in den Formenkreis der rheumatologischen Erkrankungen. Eine bildgebende Gefäßdiagnostik mittels Duplexsonographie, CE-MR-Angiographie oder CT-Angiographie ist indiziert, wenn umschriebene Gefäßwandveränderungen dargestellt werden sollen. Die i.a. DSA kommt bei Komplikationen im Endstromgebiet zur Anwendung. Eine interventionelle Therapie ist meist nicht indiziert, da die Therapie der Wahl in der medikamentösen Therapie besteht.
Nomenklatur der Vaskulitiden gemäß der Chapel Hill Consensus Conference (Verstraete 1998) I. Primäre Vaskulitiden 4 Vaskulitiden kleinerer Gefäße 1. ANCA-assoziiert: a) Wegener-Granulomatose b) Churg-Strauss-Syndrom c) Mikroskopische Polyarteriitis (MPA oder mPAN) 6
2. nicht ANCA-assoziiert a) Purpura Schönlein-Henoch b) Vaskulitis bei essenzieller Kryoglobulinämie c) Kutane leukozytoklastische Angiitis 4 Vaskulitiden mittlerer Gefäße 1) Polyarteriitis nodosa (PAN oder cPAN) 2) Kawasaki-Syndrom 4 Vaskulitiden großer Gefäße 1) Riesenzellarteriitis (auch Arteriitis cranialis, Arteriitis temporalis oder Morbus Horton genannt) 2) Takayasu-Arteriitis II. Sekundäre Vaskulitiden 4 Bei Autoimmunerkrankungen 4 Bei Infektionserkrankungen (z. B. AIDS, Syphilis) 4 Medikamentös induziert III. Nichtklassifizierte Vaskulitiden 4 Endangiitis obliterans 4 Behçet-Syndrom IV. Isolierte Vaskulitis des ZNS
Die häufigste Indikation für eine bildgebende Diagnostik besteht bei der Dokumentation von Gefäßwandveränderungen, z. B. bei Takayasu-Arteriitis oder Durchblutungsstörungen im Rahmen des Raynaud-Syndroms oder der Thrombangiitis obliterans. Bei letzteren kann auch im Rahmen einer peripheren Embolie eine i.a.-Lyse-Therapie indiziert sein.
22
732
Kapitel 22 · Gefäßdiagnostik und Interventionstechniken
a . Abb. 22.15. MRT bei Takayasu-Arteriitis. Die KM-verstärkte MRT verdeutlicht die KM-Aufnahme der Aortenwand sowie die Gefäßwandverdickung (Pfeile)
Pathogenese Die Takayasu-Arteriitis befällt bevorzugt die großen Arterien vom elastischen Typ. Die Granulome bilden sich v. a. in der mittleren Schicht der Gefäßwand, die dadurch zerstört wird. Einsetzende Vernarbungsprozesse führen dann zu einer Einengung des Gefäßdurchmessers und damit zu einem Hindernis für den Blutstrom. Bedingt durch den hohen Druck, der in den herznahen Gefäßen herrscht, kann es langfristig jedoch auch zur Bildung von Aneurysmen kommen.
Bildgebung
b . Abb. 22.14a, b. Intraarterielle DSA der linken Niere bei fibromuskulärer Dysplasie. Charakteristische, perlschnurartige Stenosierung der linken Nierenarterie im Hauptstammbereich (a), welche einer alleinigen Ballondilatation ohne Stentimplantation sehr gut zugänglich ist (b).
Takayasu-Arteriitis Definition, Epidemiologie
22
Die Takayasu-Arteriitis ist eine Autoimmunerkrankung, bei der es zu einer granulomatösen Entzündung der Aorta und ihrer Hauptäste kommt. Sie ist mit der Riesenzellarteriitis verwandt und zählt wie diese zu den Vaskulitiden. Benannt ist sie nach ihrem Erstbeschreiber Mikito Takayasu (1908). Die Takayasu-Arteriitis betrifft v. a. junge Frauen unter 40 Jahren. Sie ist eine seltene Erkrankung, die Inzidenz in Westeuropa liegt <1:1 000 000.
Charakteristisch sind eine Wandverdickung der Aorta sowie eine Kontrastmittel-Aufnahme der Gefäßwand in der MRT (. Abb. 22.15).
Endangiitis obliterans Definition, Epidemiologie Die Endangiitis obliterans oder Thrombangiitis obliterans ist eine multilokuläre segmentale Vaskulitis kleiner und mittelgroßer Arterien und Venen überwiegend der unteren Extremität. Ein weiteres Synonym ist Morbus Winiwarter-Buerger (nach dem österreichischen Chirurg Felix von Winiwarter). Betroffen sind in der Regel junge Männer <40 Jahren.
Ätiologie Aktive Tabakraucher sind unter den Betroffen in der deutlichen Mehrzahl (75%). Die Ursache der Endangiitis obliterans ist bisher unbekannt, postuliert wird jedoch ein Zusammenspiel von Genen (v. a. HLA B5 und A9) mit exogenen Noxen (Nikotin). Auch Autoantikörper werden in der Entstehung diskutiert. Sofortiger Nikotin-Verzicht kann zum Stillstand der Erkrankung
733 22.6 · Sonstige Gefäßerkrankungen
führen. Patienten, die weiterrauchen, haben eine schlechte Prognose: bei ausgedehnten Nekrosen können Amputationen notwendig werden.
Therapie Für die Therapie stehen systemische Medikamente oder auch eine regionale intraarterielle Therapie wie die i.a. Lyse im Vordergrund.
Diagnose, Verlauf Die Diagnose wird in der Regel anhand des klinischen Verlaufs, der Angiographie und der patho-histologischen Untersuchung der betroffenen Gefäße gestellt. Initial findet sich ein gemischtes entzündliches Infiltrat aus Lymphozyten, Granulozyten und Plasmazellen in allen Gefäßwandschichten. Die Entzündung führt zum Endothelschaden mit sekundärer Auflagerung von thrombotischem Material und Nekrosen der Tunica media der Gefäße und letztlich zum Verschluss des betroffenen Gefäßes. Der Thrombus kann im weiteren Verlauf rekanalisiert werden. Die Gefäßwand fibrosiert meist. Innere Organe sind in der Regel nicht betroffen. Die Lebenserwartung ist in der Regel nicht vermindert.
Raynaud-Syndrom Definition, Klinik, Epidemiologie Das Raynaud-Syndrom (Morbus Raynaud) ist eine Gefäßerkrankung, die durch anfallsweises Abblassen der Hände oder Füße aufgrund von Vasospasmen gekennzeichnet ist. Unter Umständen können auch Nase und Ohren betroffen sein. In den USA leiden nach Schätzungen der National Institutes of Health etwa 5–10% der Bevölkerung am Raynaud-Syndrom. Frauen sind 5mal häufiger betroffen als Männer.
Klassifikation Man unterscheidet das primäre vom sekundären Raynaud-Syndrom. Primäres Raynaud-Syndrom (Synonym Morbus Raynaud, Ray-
naud-Krankheit). Vom primären Raynaud-Syndrom spricht man, wenn die Symptome ohne erkennbare Grunderkrankung auftreten. Oft wird ein Anfall durch Kälteexposition oder psychische Belastung ausgelöst.
22.6
Sonstige Gefäßerkrankungen
Morbus Osler Definition, Pathogenese Morbus Osler oder Osler-Syndrom (nach William Osler), auch Morbus-Osler-Weber-Rendu, Morbus Osler-Rendu-Weber oder Hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie (HHT) ist eine autosomal-dominant vererbte Erkrankung, bei der es zu einer krankhaften Erweiterung von Blutgefäßen kommt. Unter anderem weiten sich kleinste Gefäße von Haut und Schleimhaut und sind anschließend als stecknadelkopf- bis reiskorngroße rote Flecken zu sehen. Diese so genannten Teleangiektasien können überall auftreten, finden sich jedoch besonders in Nase (daher auch das Leitsymptom Nasenbluten), Mund, Gesicht und den Schleimhäuten des Magendarmtrakts. Da die Gefäßerweiterungen sehr verletzlich sind, kann es leicht zu Einrissen und somit zur Blutung kommen. Besondere Bedeutung haben diese Teleangiektasien im Magendarmtrakt, weil sie dort Ursache für evtl. häufig wiederkehrende gastrointestinale Blutungen sein können. Es können jedoch auch bedeutend größere Gefäßerweiterungen auftreten. Diese entstehen besonders in der Lunge, dem Gehirn und der Leber. Die Veränderungen machen sich oft lange Zeit nicht bemerkbar, können jedoch z. B. durch Blutungen plötzlich sehr bedrohlich werden. Die Diagnose wird überwiegend klinisch gestellt, genetische Untersuchungen können jedoch entscheidend dazu beitragen. Ungefähr 5–30% aller Morbus-Osler-Patienten haben große Gefäßerweiterungen in den Lungen, so genannte pulmonale arteriovenöse Malformationen (PAVM, . Abb. 22.16).
Klinik, Verlauf, Komplikationen Sekundäres Raynaud-Syndrom. Dieses tritt als Begleiterkran-
kung auf, z. B. bei: 4 Progressiver systemischer Sklerodermie 4 Lupus erythematodes 4 Arteriosklerose 4 Kälteagglutininkrankheit 4 Verschiedenen Traumen 4 Vergiftungen (Schwermetalle, Vinylchlorid, Ergotaminpräparate, Zytostatika) 4 Nebenwirkungen von Medikamenten, z. B. Betablocker 4 Arbeit mit den Fingern (Sekretärinnen, Pianisten) 4 Arbeit mit vibrierenden Werkzeugen
Bildgebung Die i. a.-DSA ist indiziert zur Erfassung des Ausmaßes der peripheren Durchblutungsstörung, zur Differenzierung von fixierten und reversiblen Vasospasmen durch i.a. Applikation von Vasodilatanzien sowie zur Detektion von akuten Thrombosen mit ggf. i.a. Lyse-Therapie.
Die PAVM sind bei der HHT die Ursache gefürchteter Komplikationen. Diffus verstreute, kleine dilatierte Gefäße oder große dünnwandige Aneurysmakomplexe können im Shuntfluss Thromben und Bakterien am Kapillarfilter der Lunge vorbeiführen. Als Folge können zerebrale und viszerale Embolien und Abszedierungen auftreten. Tückisch ist, dass sich die Komplikationen an anderen Organen einstellen, und so die Gefahr besteht, die Ursache der z. T. lebensgefährlichen Symptomatik für Jahrzehnte zu übersehen (Suresh et al. 1995). Seltenere Komplikationen der PAVM sind Blutungen in Form eines Hämatothorax oder von Hämoptysen. Bei unbehandelten, meist symptomatischen PAVM wird die Mortalität für einen Beobachtungszeitraum bis zu 15 Jahren mit 4–22% angegeben. Die PAVM haben meist die Tendenz größer zu werden, während eine spontane Rückbildung selten ist (Shovlin u. Letarte 1999). Die Häufigkeit einer Leberbeteiligung bei der HHT wird auf 8–31% geschätzt, Frauen scheinen häufiger betroffen zu sein (Marchuk et al. 2000). Pathophysiologisch treten sowohl Shunts zwischen der Leberarterie und den Lebervenen mit daraus resul-
22
734
22
Kapitel 22 · Gefäßdiagnostik und Interventionstechniken
a
c
b
d
. Abb. 22.16a–d. Pulmonale AV Malformationen (PAVM) rechts basal bei einem jungen Mann mit rezidivierenden TIA’s. a Die MIP-Rekonstruktion der CE-MRA zeigt das PAVM im Bereich der rechten basalen Lunge (Pfeile). b Der Original-MRA-Datensatz ermöglicht zudem die Identifikation der Feeder für
das PAVM. c, d Die selektive i.a.-Angiographie der Pulmonalarterie (c) verdeutlicht das PAVM und ermöglicht zeitgleich auch eine Coilembolisation zum Verschluss des PAVM (d)
735 22.6 · Sonstige Gefäßerkrankungen
tierender »High-output-Herzinsuffizienz«, Shunts zwischen Leberarterie und Pfortader mit resultierender portaler Hypertension und schließlich Shunts zwischen Pfortader und Lebervenen auf (Garcia-Tsao et al. 2000). Typische pathologische Befunde sind eine so genannte Pseudozirrhose im Sinne von abnormal dilatierten Gefäßen und AV-Malformationen mit umgebendem, unterschiedlich stark ausgeprägtem Stroma. Klinische Zeichen finden sich bei ca. 50% der Patienten mit hepatischen AVM. Klinisch imponieren 3 typische Manifestationen in Form einer Herzinsuffizienz, einer portalen Hypertonie oder einer Cholestase, die sich überlappen und abwechseln können.
Bildgebung Bei der Diagnostik stehen unterschiedliche bildgebende Verfahren zur Verfügung. Bei Routine-Ultraschalluntersuchungen der Leber werden häufig nur ausgeprägte Veränderungen diagnostiziert. Diskretere Veränderungen können suffizient in der kontrastverstärkten Dreiphasen-CT oder auch in der MRT detektiert werden. Die genaue Darstellung der Veränderungen gelingt z. T. jedoch erst in der Katheterangiographie.
Therapie Bis vor ca. 20 Jahren war die chirurgische Therapie die einzig verfügbare Möglichkeit zur Behandlung von PAVM. In den letzten Jahren hat sich jedoch aufgrund der geringeren Invasivität bei gleichzeitig hohen Erfolgsraten die Katheterembolisation als Verfahren der Wahl durchgesetzt. Hierbei wird eine Embolisation mit thrombogenen Metallspiralen und manchmal zusätzlich »detachable balloons« durchgeführt, um die zuführenden Gefäße zu okkludieren. Auch nach Embolisation verbleiben in bis zu 60% noch PAVM unklarer klinischer Bedeutung (Shovlin u. Letarte 1999) und je nach angewendeter Technik wird auch über Rekanalisationen berichtet, sodass eine regelmäßige Nachkontrolle nach 1–5 Jahren erfolgen sollte. Die Therapie von hepatischen AVM ist aktuell noch nicht etabliert. Sie ist schwierig und mit einer hohen Rate von Komplikationen behaftet. Deshalb ist die Indikation nur für symptomatische Patienten zu stellen und ansonsten ein beobachtendes Verhalten angezeigt. Eine Therapiemöglichkeit stellt die schrittweise Reduktion des Shuntvolumens durch transarterielle Embolisation dar (Caselitz et al. 1998). Als Komplikation kann es dabei zu Lebernekrosen und der Notwendigkeit einer Transplantation kommen. Besonders gefährdet für diese Komplikation sind wahrscheinlich Patienten mit Shuntverbindungen zwischen Pfortader und Lebervenen (Geisthoff et al. 2002).
Thoracic-Outlet-Syndrom Definition, Klinik, Ätiologie Das Thoracic-Outlet-Syndrom (TOS) fasst alle Kompressionssyndrome des neurovaskulären Bündels im Bereich der oberen Thoraxapertur zusammen. Den verschiedenen Kompressionsmechanismen entsprechend, können in unterschiedlicher Ausprägung neurologische, arterielle oder venöse Symptome im Vordergrund stehen oder kombiniert auftreten. Wichtig sind die Früherkennung von vaskulären Kompressionen und therapieresistenten, neurogenen Beschwerden, die eine absolute Indikation
für eine operative Therapie darstellen. In der Ätiologie des Thoracic-outlet-Syndroms spielen angeborene und erworbene knöcherne und fibromuskuläre Strukturen, Haltungsanomalien und Traumata eine Rolle.
Diagnose Bei der Diagnostik ist der AER-Test (Abduktion, Elevation, Rotation) von ausschlaggebender Bedeutung. Unabdingbar sind die Darstellung von A. und V. subclavia in verschiedenen Positionen am aufrechten Patienten. 75% der operierten TOS-Patienten weisen embolische Digitalarterienverschlüsse auf. Zur neurologischen Untersuchung gehört die Messung der Leitgeschwindigkeiten von N. ulnaris und medianus. Eine verzögerte proximale Nervenleitgeschwindigkeit, morphologische Veränderungen an der A. subclavia sowie eine filiforme Kompression der V. subclavia stellen ebenso wie schwerste Schmerzzustände und Analgetikaabusus eine Indikation zur transaxillären Exartikulation der 1. Rippe dar. Die Ergebnisse der Primäroperation sind günstig: vollkommen beschwerdefrei 85%, entscheidend gebessert 12%, unverändert oder verschlechtert 3% (. Abb. 22.17) (Gruß 2006).
Entrapment-Syndrom Definition, Ätiologie, Klinik Das Entrapment-Syndrom, auch Poplitea-Kompressionssyndrom (popliteal artery entrapment syndrome; PAES) genannt, ist eine Durchblutungsstörung des Unterschenkels, die auf einer Schädigung der A. poplitea beruht. Ursache dafür sind Variationen im Verlauf der Muskelansätze oder der Gefäße. Bei Belastungen kommt es dadurch zur Kompression der A. poplitea und zur Schädigung der Arterienwand, die wiederum zu Thrombosen und weiteren Gefäßeinengungen bis hin zu Gefäßverschlüssen führen kann. Am Unterschenkel treten Zeichen einer Durchblutungsstörung wie bei der arteriellen Verschlusskrankheit auf. Die Erkrankung tritt vorwiegend bei jüngeren Patienten auf und kommt oft beidseitig vor. Das Beschwerdebild umfasst u. a. Schmerzen im Unterschenkel bei Belastung sowie Kälte und Blässe des Unterschenkels.
Diagnose, Therapie Die Erkrankung ist unter Ruhebedingungen schwer zu erkennen, da dann der Puls in den Knöchelarterien normal sein kann. Zur Diagnose ist eine Magnetresonanztomographie mit Belastung (Beugung und Streckung des Fußes im Sprunggelenk gegen Widerstand) erforderlich. Die Therapie erfolgt durch Operation (Altehoefer et al. 1998, Mohrs et al. 2004).
Arteriovenöse Fehlbildungen und arteriovenöse Fisteln der Niere Definition, Ätiologie Arteriovenöse Fehlbildungen der Nierengefäße sind seltene, angeborene Veränderungen, die meist im Nierenmark lokalisiert sind. Arteriovenöse Fisteln sind dagegen in der Regel erworben und meist Folge eines Traumas; seltenere Ursachen sind kongenitale Fehlbildungen, Ruptur eines Aneurysmas (arteriosklerotisch oder bei fibromuskulärer Dysplasie), iatrogene Maßnahmen (Biopsie, Operation) und Neoplasien.
22
736
Kapitel 22 · Gefäßdiagnostik und Interventionstechniken
a
c
Klinik Häufigste Symptome arteriovenöser Fehlbildungen sind Hämaturie und gelegentlich Hypertonie. Arteriovenöse Fisteln können aufgrund eines großen Shunt-Volumens und dadurch bedingten kongestiven Herzversagens klinisch in Erscheinung treten.
22
Bildgebung Die Angiographie zeigt bei angeborenen arteriovenösen Fehlbildungen der Niere dilatierte, geschlängelt verlaufende Gefäße mit arteriovenösem Shunt. Bei kleineren arteriovenösen Fehlbildungen kann eine Differenzierung von Hämangiomen schwierig sein. Liegen arteriovenöse Fisteln vor, ist die zuführende Arterie vergrößert, und es lässt sich eine sofortige, intensive venöse Kon-
b
. Abb. 22.17a–c. Thoracic-Outlet-Syndrom. 22-jährige Frau mit rezidivierenden Durchblutungsstörungen und Embolien im Bereich der linken Hand. Die i. a. DSA der supraaortalen Gefäße in Ruhestellung (a) und nach Elevation und Abduktion beider Arme (b) zeigt eine Kompression der A. subclavia beidseits (links > rechts). Die selektive i. a. DSA in Elevation (c) verdeutlicht die Lagebeziehung der Kompressionstelle der A. subclavia zur 1. Rippe und Clavicula (Pfeil)
trastierung darstellen. Kongenitale Fisteln lassen häufig aufgrund des gesteigerten Blutflusses ein venöses Aneurysma erkennen. Bei traumatischen Fisteln ist im Bereich der Fistelverbindung oft ein falsches Aneurysma vorhanden.
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737 22.6 · Sonstige Gefäßerkrankungen
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22
23 23 Vaskuläre interventionelle Therapieverfahren Th. Vogl, B. Bodelle
23.1
Einleitung
– 740
23.2
Perkutane transluminale Angioplastie (PTA)
23.3
Laser-PTA
– 743
23.4
Stent-PTA
– 745
23.5
Lysetechniken und Atherektomie
23.6
Postinterventionelle Behandlung nach Rekanalisation
23.7
Endovaskuläre Therapie des Aneurysmas
– 740
– 746
– 752
– 750
740
Kapitel 23 · Vaskuläre interventionelle Therapieverfahren
23.1
Einleitung
Im Zuge der Weiterentwicklung und Verbesserung der Interventionsmaterialien sind heute die meisten Gefäßläsionen minimalinvasiv therapierbar und die Indikationstellung zur interventionellen Therapie nimmt weiter zu. Grundlage für eine interventionelle Therapie stellt die perkutane Punktion des Gefäßterritoriums dar. Als mögliche Punktionsstellen für eine arterielle Intervention kommen infrage: 4 A. femoralis communis 4 A. brachialis 4 A. radialis 4 A. poplitea 4 A. axillaris 4 Distale A. tibialis posterior 4 A. dorsalis pedis > Die Wahl der Punktionsstelle hängt von der Art und Lokalisation der Gefäßläsion ab, die diagnostiziert und therapiert werden soll. Die richtige Wahl der Punktionsstelle ist erste Voraussetzung für eine erfolgreiche Interventionelle Therapie.
Generell wird die Seldinger-Technik zur Gefäßpunktion verwendet. Im Folgenden soll diese Technik am Beispiel der Punktion der A. femoralis communis beschrieben werden. Zur transfemoralen Punktion orientiert man sich an 4 wesentlichen Punkten: 4 dem Leistenband 4 der Inguinalfalte 4 dem Hüftkopf 4 dem tastbaren Puls der A. femoralis communis (AFC) Bei retrograder Punktion wird die Haut im Bereich der Inguinalfalte durchstochen. Die räumliche Beziehung der Inguinalfalte zum Hüftkopf ist bei adipösen und älteren Personen sehr variabel, deshalb hilft hier ggf. eine Durchleuchtung zur Identifizierung des Hüftkopfsitzes weiter. Der ideale Punktionsbereich der AFC befindet sich unterhalb des Leistenbandes auf Höhe des Hüftkopfs. Hier kann man den Puls gut tasten und die Arterie nach der Intervention zur Blutstillung gegen den Knochen komprimieren. ! Punktiert man zu weit proximal, können retroperitoneale und pelvine Hämatome entstehen. Erfolgt die Punktion zu weit distal, resultieren ggf. große Hämatome, AV-Fisteln oder Pseudoaneurysmata.
23
Nachdem man das entsprechende Areal mit einem Lokalanästhetikum (z. B. Scandicain 1%) betäubt hat, tastet man den Puls der Arterie, führt 1–2 cm oberhalb des Unterrandes des Hüftkopfs eine Stichinzision durch und punktiert in einem Winkel von ca. 45° in Richtung auf die Mitte des Hüftkopfs. Eine schmerzlose arterielle Punktion beugt Gefäßspasmen vor. Eine beidseitige Punktion der Gefäßwand, d. h. Vorder- und Rückseite, sollte vermieden werden. Erscheint der Sitz der Punktionsnadel nicht korrekt oder lässt sich der später eingeführte Führungsdraht nicht vorschieben, ist eine Kontrastmittelinjektion oder ein Road-mapping während der Angiogra-
phie hilfreich, um die Position festzustellen bzw. Hindernisse zu erkennen. ! Ein gewaltsames Vorwärtsschieben des Führungsdrahts kann zu Gefäßdissektionen oder im schlimmsten Fall zur Perforation führen.
Nach erfolgter Punktion wird ein Führungsdraht durch die Hohlnadel in die Arterie eingebracht. Über diesen wird in Seldinger-Technik eine Einführschleuse eingewechselt. Über diesen Zugang kann dann das weitere Interventionsmaterial eingebracht werden. Die Größe der Schleusen richtet sich nach den für die Intervention benötigten Materialien.
23.2
Perkutane transluminale Angioplastie (PTA)
Die Technik der perkutanen transluminalen Angioplastie wurde erstmalig von C. Dotter und M. Judkins im Jahr 1962 eingesetzt. Dotter erkannte die Möglichkeit, die durch W. Forsmann entwickelte diagnostische Kathetertechnik in ein Behandlungsprinzip umzuwandeln. Die Behandlung erfolgte zunächst mit koaxialen Teflonkathetern von 8–12 French. Mitte der 1970er Jahre verbesserte A. Grüntzig das Verfahren mit der Entwicklung eines insufflierbaren Ballons aus Polyvinylchlorid, der primär an einen einlumigen Angiographiekatheter angeklebt wurde. Es zeigte sich, dass lokale Komplikationen mit dem Ballonkatheter seltener auftraten und das hämodynamische Ergebnis besser war.
Stellenwert Seit Einführung des Ballonkatheters vor 30 Jahren wurde die PTA aufgrund der hohen technischen Erfolgsrate, guter klinischer Langzeitergebnisse und einer geringen Komplikationsrate immer mehr zu einem wesentlichen Bestandteil in der Behandlung obstruktiver Gefäßläsionen. Sie stellt heute nicht nur eine minimal-invasive Alternative zu gefäßchirurgischen Eingriffen dar, sondern gilt in einzelnen Bereichen sogar als Methode der Wahl. Die perkutane transluminale Angioplastie (PTA) oder Ballonangioplastie nimmt heute einen hohen Stellenwert in der Behandlung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit ein. Während im Jahr 1998 im Register der Arbeitsgemeinschaft Interventionelle Radiologie (AGIR) 10 489 extrakoronare Katheterrekanalisationen erfasst wurden, stieg ihre Zahl im Jahre 2002 auf 17 567 (Theiss 2004). Die Therapie der pAVK richtet sich nach dem Schwere- und Kompensationsgrad der Gefäßläsion, nach seiner Lokalisation, aber auch nach Alter und Allgemeinzustand des Patienten. In den Stadien IIb, III und IV, evtl. bereits im Stadium IIa nach Fontaine, reicht die konservative Therapie meist nicht mehr aus. Sie erfordern in der Regel rekanalisierende oder revaskularisierende Maßnahmen (. Tab. 23.1).
Ergebnisse Die Beurteilung der klinischen Ergebnisse nach PTA erfolgt im Vergleich zum Ausgangsbefund nach den Richtlinien von Rutherford (Rutherford et al. 1997). Als primärer Erfolg gilt eine
741 23.2 · Perkutane transluminale Angioplastie (PTA)
. Tab. 23.1. Rekanalisierende und revaskularisierende Verfahren
Rekanalisation
Revaskularisation
Thrombolyse von Gefäßverschlüssen Dilatation von Gefäßstenosen (PTA) Atherektomie Rotationsangioplastie Laserangioplastie Thrombendarteriektomie Embolektomie
Gefäßprothese (Venen- oder Kunststoffbypass) In-situ-(Venen)-Bypass Extraanatomische Gefäßrekonstruktion
. Tab. 23.2. Richtlinien zur Beurteilung der klinischen Ergebnisse (Rutherford et al. 1997)
Grad
Klinische Beschreibung
+3
Deutliche klinische Verbesserung
+2
Mäßige klinische Verbesserung; TBQ-Steigerung > 0,1 (jedoch kein Normalwert); Verbesserung um eine Kategorie
+1
Leichte klinische Verbesserung; TBQ-Steigerung > 0,1 (jedoch kein Normalwert) Verbesserung um eine Kategorie
0
Keine Veränderung
–1
Leichte klinische Verschlechterung; TBQ > 0,1 schlechter; keine Verschlechterung in der Kategorie
–2
Mäßige klinische Verschlechterung um eine Kategorie oder nicht geplante Minor-Amputation
–3
Verschlechterung um mehr als eine Kategorie oder nicht geplante Major-Amputation
TBQ: Tibiobrachialer Quotient
a
Verlängerung der Gehstrecke um mindestens 100 m oder das Abheilen von Nekrosen oder Ulzerationen ebenso wie ein Anstieg des TBQ um mindestens 0,1 (TBQ: tibiobrachialer Quotient). Treten Diskrepanzen zwischen klinischen Symptomen und objektiven Ergebnissen auf, bestimmen die klinischen Symptome die Einordnung in die jeweilige Kategorie. Bei Patienten mit Mediasklerose kann der TBQ aufgrund eines falsch hohen Werts nicht berücksichtigt werden (. Tab. 23.2). Bei Stenosen und kurzstreckigen Verschlüssen im aortoiliakalen-Abschnitt kann die PTA sehr gute Resultate erzielen (. Abb. 23.1a, b). In Anbetracht der guten Langzeitergebnisse bietet sich die interventionelle Therapie daher v. a. im aortoiliakalen Bereich an. Hier finden sich 5-Jahres-Offenheitsraten von 80–90% (Dt. Gesellschaft für Angiologie, Gesellschaft für Gefäßmedizin, Leitlinien 2001). Damit entsprechen die interventionellen Ergebnisse annähernd den chirurgisch erzielten. Die Resultate bei femoropoplitealen Läsionen fallen dagegen weniger gut aus. So liegen in einer Metaanalyse von Muradin et al. aus dem Jahre 2001 die Offenheitsraten nach 5 Jahren zwischen 11% und 62% (Muradin et al. 2001). Der technische Erfolg und die Langzeitoffenheit sind hierbei, mehr als in anderen Segmenten, abhängig von der Art, Länge und Morphologie der Läsion sowie dem peripheren Abstrom (»run-off«). Neuere Arbeiten zeigen hier allerdings schon deutlich bessere Ergebnisse, dies ist v. a. auf den Einsatz von neuen Stentsystemen zurückzuführen (Sabeti et al. 2004). ! Allerdings stellen exzentrische, kalzifizierte Verschlüsse von >10 cm Länge in Kombination mit schlechtem run-off eine prognostisch äußerst ungünstige Ausgangsituation dar und sind für eine perkutane Therapie nur bedingt geeignet (Society of Intervent. Radiology Standards of Practice Comitee, 2003).
b
. Abb. 23.1a, b. A. femoralis-Stenose. PTA einer isolierten Stenose der A. femoralis superficialis rechts vor (a) und nach (b) PTA mit einem 5/40 mm PTA-Ballon
23
742
Kapitel 23 · Vaskuläre interventionelle Therapieverfahren
a . Abb. 23.2a, b. Restenose nach Stentimplantation. a Intraarterielle DSA mit Darstellung einer Restenose innerhalb des in der A. poplitea rechts
implantierten Stents. b Nach erfolgreicher PTA mit einem 5/20 mm Ballonkatheter (Cutting-Balloon) erfolgreiche Wiederherstellung der Perfusion
Durchführung, Indikation
im femoropoplitealen Gebiet sind allerdings, analog denen nach PTA allein, ebenfalls oft enttäuschend und zeigten hinsichtlich der Restenosierung bisher keinen wesentlichen Vorteil. Neointimale Hyperplasie findet sich in ca. 50% aller gestenteten Segmente, in 38% ist eine Reintervention notwendig (. Abb. 23.2) (Mahler 2002). Verschiedene Stenttypen werden derzeit mittels klinischer Studien evaluiert. Untersucht werden die Ergebnisse bezüglich Material, Design und Implantationstechnik des Stents sowie Charakteristik und Lokalisation der behandelten Läsionen. Viel versprechend erscheint der Einsatz von Nitinol-Stents. In einer Studie von Sabeti et al. betrug die primäre Offenheitsrate 2 Jahre nach Implantation von Nitinol-Stents in die AFS 69% (Sabeti et al. 2004). In einer Studie von Lugmayer et al. ergaben sich primäre 3-Jahres-Offenheitsraten von 76% (Lugmayer et al. 2002, Zeitler 2002, Schulte 2004).
Unter Röntgenkontrolle wird für die interventionelle Therapie ein zweilumiger Ballonkatheter meist transfemoral in retrograder oder Cross-over-Technik, seltener antegrad oder transpopliteal und nur in Ausnahmefällen transbrachial oder transaxillär, über einen Führungsdraht in den verengten oder verschlossenen Bereich vorgeschoben und platziert. Durch Insufflation des Ballons wird die Stenose dilatiert und das Gefäßlumen eröffnet. Während der Intervention werden dem Patienten zur Antikoagulation in der Regel 2500–10 000 I. E. unfraktioniertes Heparin intraarteriell verabreicht, um eine periinterventionell katheterassoziierte Thrombose zu verhindern. Bei erheblichen Reststenosen, Recoiling und Dissektionen können im Anschluss zur Minderung der Restenoserate endoluminale Stents eingesetzt werden (Gardiner et al. 2001). Allerdings wird hierdurch die neointimale Hyperplasie begünstigt. Die im Jahre 2000 erstmals publizierte und im Jahre 2007 überarbeitete Leitlinie zur Behandlung der PAVK, das TransAtlantic Society Consensus (TASC) Dokument, dient derzeit als Grundlage für die Auswahl der Therapiestrategie (konservativ, interventionell oder gefäßchirurgisch) von Patienten mit PAVK. Hier basiert die Therapiestrategie neben der Klinik auch auf der Läsionsmorphologie und -lokalisation sowie auf den bislang publizierten Daten zur Effektivität der einzelnen Behandlungsarme (TransAtlantic Inter-Society Consensus Working Group 2000, Norgren et al. 2007).
Implantation von Stents
23
b
Im Falle nicht ausreichender primärer Behandlungsergebnisse und zur Verbesserung der Langzeitresultate hat sich die zusätzliche Implantation von Stents in einer Vielzahl von Gefäßläsionen bereits bewährt, so z. B. in der Region der distalen Aorta und der Beckenarterien. Die Ergebnisse nach Stentimplantation
Therapie der kritischen Extremitätenischämie mittels PTA und Stent Zur Behandlung der kritischen Extremitätenischämie stehen eine Reihe von interventionellen Möglichkeiten zur Verfügung. Neben der intraarteriellen Lysetherapie kommen heute auch vermehrt die Ballonangioplastie und die Stentimplantation zum Einsatz. Während bis vor kurzem die PTA unterhalb des Kniegelenks noch schlechte Ergebnisse aufwies mit Offenheitsraten nach 12 Monaten von knapp 25%, haben in den letzten Jahren die weitere Verbesserung des interventionellen Materials sowie der Einsatz von Kobalt-Chrom-Stents (CoCr) oder Drug-eluting Stents (DES) zu deutlich höheren Offenheitsraten und v. a. zu einer deutlich verbesserten Rate des Extremitätenerhalts geführt (. Abb. 23.3) (Bosiers et al. 2006, Rand et al. 2006, Sigala et al. 2006). Nach Ziehen von Drähten, Kathetern und Einführungsschleuse wird ein Druckverband angelegt oder, zur Verkürzung
743 23.3 · Laser-PTA
a
b
. Abb. 23.3a, b. PTA bei Stenose des Truncus tibiofibularis und Okklusion der A. tibialis anterior. a In der i. a.-DSA Dokumentation einer hochgradigen Stenosierung des Truncus tibiofibularis rechts (Pfeil) sowie einer
Okklusion der A. tibialis anterior. b Nach erfolgreicher PTA mit einem 4/20 mm Ballonkatheter und Implantation von einem 4/20 mm CoCr-Stents erfolgreiche Wiederherstellung der Perfusion (Pfeil)
der postinterventionellen Liegezeit, ein Verschlusssystem angewandt. Die Bettruhe variiert je nach Schleusengröße, Verschlussart und Verlauf der Intervention.
Die Wirkung der Laserstrahlung im biologischen Gewebe wird durch folgende Parameter charakterisiert (fs= femto Sekunden; cw= continous wave): 4 Wellenlängenbereich (ultraviolett bis infrarot) 4 Pulslänge (fs bis cw) 4 Repetitionsrate (cw bis kHz) 4 Energiedichte (bis zu 10P12P J/cmP2P)
23.3
Laser-PTA
Indikationen Bei der Excimer-Laser Angioplastie wird atherosklerotisches Material in Gefäßen mittels Laserstrahlung abladiert (. Abb. 23.4). Nach Passage der Gefäßläsion mit dem Laserkatheter wird eine Ballondilatation angeschlossen und evtl. eine Stentimplantation durchgeführt. Ein weiteres Einsatzgebiet ist die Behebung von InStent-Restenosen. Außerdem hat der Excimer-Laser einen festen Platz in der Therapie von Gefäßläsionen der Koronararterien (The Spectranetics Excimer Laser System 1999, Topaz et al. 2001).
Technik, biologische Wirksamkeit Der Excimer-Laser ist ein Gaslaser, der im UV-Wellenlängenbereich von 157 nm bis 351 μm emittiert. Der Name ExcimerLaser stammt aus den beiden Wörtern excited dimer, was angeregtes Dimer bedeutet (Edelgashalogene werden als Dimer bezeichnet). Als aktives Medium wird beim Excimer-Laser ein Gemisch aus einem Edelgas (Argon, Krypton oder Xenon), einem Halogen (Chlor oder Fluor) und einem Puffergas (Helium oder Neon) benutzt. Je nach Kombination der Edelgase und Halogene werden verschiedene Wellenlängen des Excimer-Lasers realisiert. Der Excimer-Laser wird typischerweise als gepulster Laser und nicht als »Dauerlaser« betrieben. Die Pulsdauer eines Excimer-Laser-Systems beträgt 10 s bis einige 100 ns bei einer mittleren Leistung von bis zu 200 W (Balzer u. Vogl 2001).
Prinzipiell beruht der Effekt des Laserlichts im biologischen Gewebe (die Laser-Gewebe-Wechselwirkung) auf der Absorption von Photonen. Dabei wird die absorbierte (deponierte) Energie der Photonen in andere Energieformen im Gewebe umgewandelt, z. B. in thermische, chemische oder mechanische Energie. Die Menge der im Gewebe absorbierten Energie pro Volumen resultiert aus dem Absorptionskoeffizienten μa des bestrahlten Gewebes und der Photonenflussdichte. Mit 1/μa wird die optische Eindringtiefe E der Laserwellenlänge definiert. In Abhängigkeit von den verschiedenen Wellenlängen der Laserstrahlung finden sich bei der Bestrahlung von Weichgewebe unterschiedliche Eindringtiefen. Hinzu kommt die Tatsache, dass bestimmte körpereigene Farbstoffe die eingestrahlte Laserwellenlänge stärker absorbieren und damit geringere Eindringtiefen bedingen. Dies gilt im Besonderen für Farbstoffe wie Hämoglobin, Melanin und Xanthophyll. Man kann bisher 3 Reaktionsweisen bei der Bestrahlung von biologischem Gewebe in Abhängigkeit von der Leistungsdichte und der Bestrahlungsdauer (Expositionszeit) unterscheiden: 4 photochemische Wirkungen 4 photothermische Wirkungen 4 photoionisierende Wirkungen (oligothermisch)
23
744
a
23
Kapitel 23 · Vaskuläre interventionelle Therapieverfahren
b
c
d
. Abb. 23.4a–d. Laser-PTA einer Okklusion der A. femoralis. a, b i. a. DSA mit Darstellung einer langstreckigen Okklusion der A. femoralis superficialis links. (Pfeil: proximaler Verschluss) c, d Nach Passage mittels eines 2,5 mm La-
serkatheters und PTA mit einem 5/80 mm Ballonkatheter erfolgreiche Wiederherstellung der Perfusion
Werden die einzelnen Laser-Gewebe-Reaktionen miteinander verglichen, so fällt die reziproke Korrelation zwischen Leistungsdichte und Interaktionszeit auf. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass mit konstanten Energiedichten alle 3 Bereiche der Laser-Gewebe-Wirkung erzielt werden können. Daraus folgt, dass die Einwirkzeit bei gegebener Energiedichte der entscheidende Parameter ist, welcher die verschiedenen Wirkungen zwischen Gewebe und Laserstrahlung unterscheidet. So werden bei langen Expositionszeiten (continous wave irradiation, cw) und niedrigen Leistungsdichten photochemische Prozesse gefunden und bei kurzen Einwirkzeiten und höheren Leistungsdichten thermische Wirkungen. Wird eine Leistungsdichte von >10 P7P bis 10 P9P W/cmP2P bei extrem kurzer Bestrahlungszeit (μs bzw. ηs Bereich) erreicht, treten so genannte photoionisierende Prozesse (Photoablation und Photodisruption) auf. Der photoablative Effekt ist für den gepulsten Excimer-Laser kennzeichnend. Für die Photoablation gilt, dass bei stark absorbierenden Geweben auch mit kleinen Energiedichten ausreichend Energie in einer sehr dünnen Oberflächenschicht deponiert werden kann. Die Abtragung des bestrahlten Gewebes erfolgt explosionsartig mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit unter geringer thermischer Belastung für das umgebende, nicht bestrahlte Gewebe. Die Schädigungszone des umgebenden Gewebes ist <50 μm im Vergleich zu einer thermischen Gewebeabtragung mit Beschädigungszonen von >50 μm. Dies ist eine willkürliche Unterscheidung, die auf klinischen Gesichtspunkten basiert und
auf den Einsatz in der Laserangioplastie bezogen ist. Aufgrund des Kontakts zwischen optischer Faser und Gewebe während der Bestrahlung findet die bei der Photoablation entstehende Mikroexplosion praktisch in einem geschlossenen Raum statt, sodass ein Entweichen der eingebrachten Energie nicht möglich ist. Dies führt zu einem Anwachsen des entstehenden mechanischen Drucks (Stoßwellen), der neben dem photoablativen Effekt zur Zerstörung nicht bestrahlten Gewebes beiträgt. Dieser photohydraulische Effekt trägt zusätzlich zur Gewebeabtragung, besonders der Oberflächenstrukturen, bei. Einschränkend muss allerdings bemerkt werden, dass diese zusätzliche Gewebeabtragung (mechanischer Druck) zwangsläufig auch zu einer erheblichen Zerstörung des umliegenden Gewebes führt. So werden die bei jeder Photoablation entstehenden Stoßwellen für die hohe Anzahl von Gefäßdissektionen und Gefäßspasmen beim Einsatz des Excimer-Lasers im koronaren Gefäßbereich verantwortlich gemacht. Es hat sich gezeigt, dass die Amplitude der Schock- oder Stoßwellen signifikant mit kürzeren Pulslängen ansteigt. Dies bedeutet, dass kurze Laserpulse hohe Stoßwellenamplituden induzieren, mit resultierender mechanischer Irritation des umliegenden Gewebes. Weitere Determinanten für die Intensität der Schockwellen scheinen die Konfiguration des Laserpulses selbst zu sein sowie die Geometrie des Laserkatheters (Balzer u. Vogl 2001). Die photoablativen Wechselwirkungen wurden erstmalig von Srinivasan 1982 beschrieben (Srinivasan u. Mayne-Bauton 1982, Srinivasan u. Leigh 1982).
745 23.4 · Stent-PTA
Im Gegensatz dazu stellen Koagulation und Verdampfen von Gewebe die wesentlichsten thermischen Wirkungen der Laserbestrahlung dar. Die spezifische Expositionszeit variiert zwischen 1 ms und 1 s und bewegt sich dabei in der Größenordnung der Wärmeleitungszeit. Die Gewebeabtragung entsteht hierbei durch lokale thermische Prozesse, die je nach der im bestrahlten Gewebe erzielten Temperatur und der Dauer der Temperatureinwirkung zur Karbonisierung und Vaporisation des Gewebes führen. Wichtigste Vertreter für photothermische Wechselwirkungen sind der im Dauerbetrieb arbeitende Nd YAG- und Argon-Laser. Obwohl lange Zeit die relativ einfache Transmission der cwLasersysteme über Quarzfasern mit Metalltipps, Quarzfenstern oder Saphirtipps als besonderer Vorteil angesehen wurde, besitzen alle thermischen Lasersysteme einen gemeinsamen Nachteil: sinkt bei der Vaporisation von obstruierendem Gefäßmaterial in der Angioplastie die Rekanalisationsgeschwindigkeit auf <1,5 mm/s, führt dies zu einem signifikanten transvasalen Temperaturanstieg mit erheblicher thermischer Schädigung des umliegenden Gewebes. Dies gilt insbesondere für kalzifizierte Stenosierungen und dem daraus resultierenden potenziellen Risiko einer Gefäßperforation durch den Laser. In diesem Zusammenhang müssen sicherlich auch die bislang unbefriedigenden Langzeitergebnisse thermischer Lasersysteme gesehen werden. > Deshalb werden bei der Behandlung der pAVK heute nur noch Lasersysteme benutzt, die auf dem Wirkprinzip der Photoablation beruhen.
23.4
a
Stent-PTA
Wie bereits erwähnt, können Stents nach einer Gefäßintervention implantiert werden. Hauptindikation sind die Dissektion nach PTA oder eine hämodynamisch relevante Reststenose sowie ein elastisches Recoiling. Heute unterscheidet man ballonexpandierbare Stents von selbstexpandierbaren Stents. Unterschiede finden sich in der Flexibilität, der Radialkraft und in der Präzision der Platzierbarkeit. Die meisten Stents bestehen aus Edelstahl und Kobalt-Chrombzw. Nickel-Titan-Legierungen. Ihr Einsatzort liegt derzeit überwiegend im Bereich: 4 der A. subclavia (. Abb. 23.5) 4 der Nierenarterien (. Abb. 23.6) 4 der Beckenarterien 4 der Arterien unterhalb des Kniegelenks Die Implantation von ballonexpandierenden Stents erfolgt durch kontrollierte Inflation des Ballons. Selbstexpandierende Stents werden ohne Ballon entweder mechanisch, z. B. der Wallstent, oder thermisch entfaltet. Letztere, so genannte Nitinol-Stents, sind aus einer Nickel-Titan-Legierung (50% Nickel, 50% Titan) gefertigt, die ihnen den charakteristischen Memoryeffekt verschafft. Aufgrund ihrer hohen Elastizität sind NitinolStents bei Körpertemperatur sehr flexibel und ziehen sich durch Abkühlung zusammen. Während Stahl nur eine Verformung von 0,5% toleriert, kann Nitinol einer Deformierung von 10–20%
b . Abb. 23.5a, b. Stenose A. subclavia und PTA/Stent. a Intraarterielle DSA der A. subclavia links mit Nachweis einer 90%igen Stenose der A. subclavia links (Pfeil). b Nach Stent-PTA (8/29 mm Stahl-Stent) gutes Ergebnis ohne Anhalt für Reststenose
23
746
Kapitel 23 · Vaskuläre interventionelle Therapieverfahren
a
standhalten. Erst bei Körpertemperatur entfaltet er sich wieder in seine Ursprungsform und erreicht durch seine hohe Radialkraft volle Stabilität (Rabkin et al. 2000). Selbstexpandierende Stents sind flexibler und daher geeignet für Cross-over-Implantationen und gewundene Gefäßregionen. Ihre Aufstellungskraft ist heute nahezu vergleichbar mit der von ballonexpandierbaren Stents. Außer dem Wallstent (Boston Scientific, Ratlingen) bestehen alle selbstexpandierbaren Stents aus Nitinol. Der Wallstent besteht aus einem feinen Geflecht von Stahldrähten, die seine Flexibilität bedingen. Ihr Einsatzort liegt derzeit überwiegend im Bereich der A. carotis, der Beckenarterien (. Abb. 23.7) sowie der Oberschenkelarterien. Des Weiteren können Stents mit Materialien wie Polyester, Polycarbonaturethan, PTFE und anderen Materialien überzogen sein. Diese gecoverten Stents finden u. a. Anwendung nach iatrogenen Gefäßverletzungen (Dissektionen, Aneurysmen und AV-Fisteln) (Scheinert u. Biamino 2001). Um Rezidiven nach Stentimplantationen vorzubeugen, befinden sich momentan neben hoffnungsvollen neuen Beschichtungen mit immunsuppressiv und antiproliferativ wirkenden Medikamenten (Drug eluting Stents (DES); Sirolimus, Paclitaxel etc.) auch so genannte Stentgrafts in der Erprobung. Hierbei handelt es sich um ballonexpandierbare oder selbstexpandierende Gefäßstützen aus Edelstahl oder Nitinol, die zusätzlich mit Polytetrafluoroethylen (PTFE), Dacron oder Polyurethan überzogen sind und somit eine glatte, für Zellen undurchlässige Oberfläche haben (Duda et al. 2004, Duda et al. 2003, Schumacher et al. 1999, Vorwerk u. Schürmann 2000, Strauss 2002).
23.5
Lysetechniken und Atherektomie
Lysetechniken Grundlagen Intraarterielle Thromben unterliegen einer ständigen Veränderung. Frische Thromben können durch Apposition wachsen oder durch fibrinolytische Prozesse abgebaut werden. Gleichzeitig erfolgt eine Organisation des Thrombus durch Fibroblasten, die von der Media und Intima einwachsen. Bei atherosklerotisch veränderten Gefäßwänden ist das Einwachsen dieser Fibroblasten gestört und die Thrombusorganisation deutlich verlangsamt (Mittelmeier 1959). Ortsständige Thromben können bei einer Atherosklerose über viele Monate im nativen Zustand verbleiben (Gottlob et al. 1968, Roselleck 1961). b . Abb. 23.6a, b. Nierenarterienstenose und PTA/Stent. a Intraarterielle DSA der linken Nierenarterie mit Dokumentation einer 80%-igen Nierenarterienstenose. b Nach PTA und Stentimplantation (Stahl-Stent: 6/12 mm) regelrechte Perfusion ohne Anhalt für Reststenose
23
> Die Entstehung langstreckiger Verschlüsse auf der Basis einzelner, meist distaler Stenosen mit proximaler Thrombusbildung und die verzögerte Thrombusorganisation machen auch ältere Verschlüsse einer thrombolytischen Therapie zugänglich, da sich in diesen Verschlüssen immer Thromben unterschiedlichen Organisationsgrades finden.
Die Thrombolyse bei chronischer als auch bei akuter arterieller Verschlusskrankheit wird heute vorwiegend als lokale intraarterielle Lyse über Katheter durchgeführt (. Abb. 23.8). Heute hat die systemische Methode wegen ihrer hohen Blutungskomplikationen an Bedeutung verloren. Da bei der lokalen Lyse, auch Katheterlyse ge-
747 23.5 · Lysetechniken und Atherektomie
a
c
b
. Abb. 23.7a–c. Verschluss der rechten A. iliaca externa und Laserrekanalisation/Stent. a Intraarterielle DSA der Beckenarterien mit Nachweis eines langstreckigen Verschlusses der rechten A. iliaca externa (Pfeilspitzen). b, c Nach Laserrekanalisation (2,5 mm Laserkatheter) PTA (7/40 mm Ballonkatheter) und Stentimplantation (Nitinol-Stent: 8/60 mm) regelrechte Perfusion ohne Anhalt für Reststenose
nannt, das systemische Gerinnungssystem kaum beeinträchtigt wird, ist das Blutungsrisiko vermindert. Dennoch sind auch hier die Kontraindikationen für eine Lyse-Therapie zu beachten.
! Eine exakte Festlegung der Kontraindikationen für einen niedrig dosierten lokalen Fibrinolytikaeinsatz zur intraarteriellen Therapie existiert nicht (Kröger 2004).
Indikationen und Kontraindikationen, Erfolgsrate
Die Erfolgsrate der Thrombolyse ist abhängig vom Alter des Verschlusses und damit von der Organisation des Thrombus. Sie liegt zwischen 70% und 90% für thrombotische und bis zu 97% für embolische Verschlüsse (Kröger 2004).
Eine Thrombolyse bei Patienten mit pAVK kann eine Indikation sein bei akutem Verschluss durch oder nach Gefäßintervention und Bypässen sowie bei älteren Verschlüssen, wenn eine Operation oder eine PTA nicht durchführbar ist. Kontraindikationen für den therapeutischen Einsatz von Fibrinolytika sind alle Erkrankungen, die ein erhöhtes Blutungsrisiko mit sich bringen. Bei nicht vitaler Indikation zur Lysetherapie ist das Blutungsrisiko entsprechend kritischer zu beurteilen.
Therapiesubstanzen Als Therapiesubstanzen stehen folgende zur Verfügung: 4 Streptokinase 4 Urokinase
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748
Kapitel 23 · Vaskuläre interventionelle Therapieverfahren
4 Rekombinanter Gewebeplasminogen-Aktivator (rt-PA) 4 Pro-Urokinase Die verschiedenen Thrombolytika wirken durch unterschiedliche Mechanismen. Das Plasminogen wird beispielsweise bei der Streptokinase über eine Komplexbildung, bei der Urokinase aber auf direktem Wege aktiviert. Nachteilig bei der lokalen Thrombolyse sind das sehr zeitaufwendige Verfahren und die nötige intensivmedizinische Überwachung.
Durchführung Bei lokaler Applikation direkt in das betroffene Gefäß sollte das Fibrinolytikum möglichst in direkten Kontakt zum intrathrombotischen Plasmin bzw. Fibrin gebracht werden (Infiltrationsfibrinolyse). Bei einer Infusionsfibrinolyse wird das Fibrinolytikum durch im Blut vorhandene Enzyme abgebaut und/oder antagonisiert. Infiltrationsfibrinolyse. Diese hat sich aufgrund der zuvor beschriebenen theoretischen Überlegungen und den klinischen Erfahrungen als die Therapieform der Wahl durchgesetzt (Norgren et al. 2007, Verstraete 1998). Eine starke Ausschwemmung des Fibrinolytikums geht erwartungsgemäß mit einem verringerten Lyseerfolg einher (Stein et al. 1994). Abhängig von der Verschlusslokalisation und der Möglichkeit der Verschlusspassage sind verschiedene Katheter und Katheterpositionen notwendig. Liegt der Verschluss in einem Gefäß distal größerer Kollateralgefäße und der Katheter kann nur wenig in den Verschluss vorgeschoben werden, bietet sich die Applikation des Fibrinolytikums über einen Endlochkatheter an. Kann ein Katheter tief in den Verschluss vorgeschoben werden, bietet sich die Applikation des Fibrinolytikums über einen Seitlochkatheter an. Dieser Katheter hat über eine längere Strecke eine definierte Anzahl von Löchern und benetzt darüber mit kleineren Mengen des Fibrinolytikums eine größere Oberfläche (Kröger et al. 2004). Die Applikation des Fibrinolytikums kann kontinuierlich oder pulsatil erfolgen. Für die pulsatile Applikation wurden besondere Pumpen entwickelt, um in kurzen Abständen das Fibrinolytikum mit hohem Druck zu applizieren. So soll das Fibrinolytikum tief in das thrombotische Material gepresst werden (Bookstein u. Valji 1992, Roeren et al. 1996, Tepe et al. 2000, Yusuf et al. 1994). Intraarterielle Fibrinolyse. Hier wird auf dem Interventionstisch
23
ein Bolus des Fibrinolytikums langsam unter Röntgenkontrolle in den Verschluss appliziert. Dann wird die Dosis reduziert, um eine Akkumulation des Fibrinolytikums zu verhindern und die Gefahr systemischer Nebenwirkungen gering zu halten. Da es sich um eine weitgehend intrathrombische Applikation handelt, ist die benötigte Menge des Fibrinolytikums nicht vom Körpergewicht abhängig. Für rt-PA wurden Dosierungen von 0,025– 2,5 mg/kg Körpergewicht vergleichend getestet. Danach war die Effektivität dosisunabhängig, nicht aber die Anzahl der systemischen Nebenwirkungen (Earnshaw et al. 1988). Die Fortführung der Lysetherapie über einige Stunden bis Tage hat ihre Bedeutung bei chronischen Verschlüssen.
> Die Gabe von i.v. Heparin (700–800 iE/h; Ziel: Verdopplung der PTT) während der Lysetherapie erhöht nicht nur die Erfolgsrate der Fibrinolyse, sondern vermindert auch die Rate der frühen Rethrombosen. Der Verzicht auf Heparin reduziert allerdings die Blutungsrate als die wesentliche Komplikation der Lyse (Ouriel et al. 1998, Semba et al. 2000). Dennoch wird die Heparinisierung während der intraarteriellen Lysetherapie in der klinischen Routine angewandt. Steuerung der Fibrinolyse. Zur Steuerung der Fibrinolyse wäre die genaue intrathrombische Messung der Wirkung des Fibrinolytikums notwendig. Das Ergebnis der Fibrinolyse wird bestimmt durch die aktuelle Plasminaktivität und ihre Inhibition durch die im Thrombus vorhandenen Plasminogeninhibitoren. Im klinischen Alltag hat sich die Steuerung über die partielle Thromboplastinzeit und des Fibrinogens bewährt. Diese Parameter beurteilen jedoch nur die systemischen Veränderungen verursacht durch ausgeschwemmtes Fibrinolytikum und sagen nichts über die intrathrombotische Wirkung aus (Kröger 2004).
Therapiedauer Die Zeitdauer einer lokalen fibrinolytischen Therapie richtet sich nach der zu erreichenden Rekanalisation und der Gefährdung des Patienten. Bei einem akuten Verschluss kann eine Lyse innerhalb weniger Minuten bis Stunden zum Erfolg führen (. Abb. 23.10). Bei älteren Verschlüssen (geschätztesVerschlussalter >3 Monate) sind längere Zeiträume notwendig. Allgemeine Empfehlungen lauten, dass, wenn eine Kontrollangiographie nach 12–24 h keinen Lyseerfolg erkennen lässt, die Therapie abgebrochen werden sollte (Braithwaite u. Quinones-Baldrich 1996). Andererseits kann bei entsprechend langsamem Lyseerfolg und stabiler Situation des Patienten auch über mehrere Tage behandelt werden. Schon in den frühen Publikationen von Dotter et al. 1974 sind Therapiezeiten bis zu 322 h angegeben.
Atherektomie Ein weiteres Verfahren für die Rekanalisation von chronischen Gefäßveränderungen ist die Atherektomie. Funktionell ähnlich der chirurgischen Thrombendarteriektomie wird hier das atherosklerotische Material endoluminär abgetragen (. Abb. 23.9). Mittels eines Katheters werden die Plaques im Gefäß zerkleinert. Simpson et al (Hofling et al. 1988) entwickelten einen Katheter (Simpson AtheroCath, Devices for Vascular Intervention), der ein von einem Metallgehäuse umgebenes Messer enthielt. Einen Ballon fixierte das Metallgehäuse an der Stenose. Durch Rotieren trug das Messer das Stenosematerial ab und fing dieses im Inneren des Gehäuses auf, sodass es für histologische Untersuchungen bereitstand (Nierhoff u. Rilinger 2004).
Rotarex-Thrombektomie-System Ein gefäßeröffnendes Verfahren ist der Straub-Rotarex-Katheter (Rotarex, Straub Medical). Dieses Thrombektomie-System kombiniert 2 wesentliche Mechanismen: zum einen die mechanische Thrombus-Zerkleinerung und zum anderen die Entfernung der Thrombuspartikel. Eine rotierende Stahlspirale ermöglicht beide Vorgänge.
749 23.5 · Lysetechniken und Atherektomie
a
b
. Abb. 23.8a–c. Intraarterielle Lyse-Therapie bei thromboembolischem Verschluss der linken Unterarmarterien bei thoracic outlet syndrom. a Die i.a.-DSA des linken Unterarms zeigt einen kompletten thromboembolischen Verschluss der Arterien des linken distalen Unterarms und Hohlhandbogen. Einleitung der i.a. Lyse-Therapie mit i.a. Bolus von 10 mg
a
b
. Abb. 23.9a–c. Okklusion der A. femoralis superficialis und Atherektomie, PTA und Stent. a Intraarterielle DSA mit Darstellung einer langstreckigen Okklusion der A. femoralis superficialis links (Pfeilspitzen). b Nach erfolgreicher Passage mittels eines Silver-Hawk Atherektomiekatheters noch
c rt-PA gefolgt von 2,5 mg rt-PA/h und i.a. Heparin von 800 IE/h. b, c Die Kontroll-DSA nach 24 h zeigt eine Wiederherstellung der Perfusion im Bereich des linken Unterrams (b) und Hohlhandbogens bei allerdings noch fehlender Perfusion der A. ulnaris links (c)
c Nachweis von Restplaques. c Die anschließend durchgeführte PTA (5/80 mm Ballonkatheter) und Stentimplantation (Nitinol-Stent: 6/80 mm) führte zu einer erfolgreichen Wiederherstellung der Perfusion
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750
Kapitel 23 · Vaskuläre interventionelle Therapieverfahren
Durch die Rotation entsteht ein Unterdruck, der seinerseits das fragmentierte Material nach außen transportiert. Somit können in der Gefäßperipherie Embolisationen durch Thrombosepartikel vermieden werden. Neben der Gefahr der Perforation liegt das Langzeitergebnis abhängig von der Art des zu eröffnenden Verschlusses zwischen 32% und 86% (Mahler et al. 2004, Zeller 2004).
Rotationsangioplastie Die Rotationsangioplastie ist ein weiteres Kathetersystem zur Rekanalisation von Stenosen. Zu diesen gehört der TRAC-Katheter (TRAC-(Kensey)-Katheter, Dow-Corning Wright). Der Rotablator ist ein Katheter mit einem Mikro-Diamantbohrer an der Spitze. Das ablatierte Material wird nach Durchführung der Rotationsangioplastie vom körpereigenen, retikuloendothelialen System abgebaut. Dieses System ist besonders geeignet für stark verkalkte Stenosen. Komplikationen können Stichnadelblutungen, Dissektionen und Perforationen sein. Trotz der mechanisch-technisch beeindruckenden Möglichkeiten bleibt die Effektivität dieser Methode fraglich. Meist ist zusätzlich eine PTA erforderlich, da sonst die Offenheitsrate gleich oder schlechter ist als die der PTA (Nierhoff u. Rilinger 2004).
sierung erneut aufgeworfen. Um eine antiproliferative Wirkung auszunutzen, ist jedoch die Gabe der Heparinpräparate für einige Monate notwendig (Kröger 2004).
Orale Antikoagulanzien Zur längerfristigen postinterventionellen Antikoagulation bietet sich die orale Antikoagulation z. B. mit Phenoprocuomon oder Cuomadin an. Klare Empfehlungen, nach welchen Interventionen eine orale Antikoagulation sinnvoll oder sogar notwendig und für welchen Zeitraum diese durchzuführen ist, gibt es nicht. Obwohl einzelne Autoren nach Stentimplantation oder Rekanalisation längerstreckiger Verschlussstrecken oder bei schlechtem peripheren Run-off eine dauerhafte orale Antikoagulation praktizierten, gibt es keine prospektiven randomisierten Studien zu diesem Thema (Ahmadi 2002, Gray u. Olin 1997, Jackson u. Clagett 2001). > Eine orale Antikoagulation bleibt Patienten mit unzureichenden Interventionsergebnissen oder Lowflow-Phänomenen auf der Basis ektatischer Gefäße oder eines schlechten run-Offs vorbehalten. Systematische Untersuchungen liegen zu dieser Fragestellung nicht vor.
Thrombozytenaggregationshemmer 23.6
Postinterventionelle Behandlung nach Rekanalisation
Heparin Etabliert ist die Gabe von 2500–10 000 I. E. eines hochmolekularen Heparins als Bolus während der Intervention, um eine periinterventionell katheterassoziierte Thrombose zu verhindern. Die postinterventionelle Heparingabe ist zwar weit verbreitet, ihr Nutzen nach Angioplastie einer Stenose oder Verschlussrekanalisation jedoch nicht gesichert. Die Handhabung der postinterventionellen Heparinisierung wird in den einzelnen Zentren abhängig von der Erfolgs- bzw. Komplikationsrate festgelegt. Aufgrund der experimentell nachweisbaren antiproliferativen Wirkung der niedermolekularen Heparine auf das Endothel wurde die Frage nach einer postinterventionellen Heparini-
Die Thrombozytenaggregation spielt sowohl bei der Initiierung frischer Thromben als auch bei der Progression der Atherosklerose eine wichtige Rolle. Neben Acetylsalicylsäure (ASS) stehen Clopidogrel und Ticlopidin zur peri- und postinterventionellen Therapie zur Verfügung. Eine generelle Überlegenheit der beiden letztgenannten Substanzen gegenüber ASS hinsichtlich der Reduktion postinterventioneller Thrombosen und Restenosen nach peripheren Interventionen ist im Gegensatz zu koronaren Interventionen nicht belegt (Cassar et al. 2003).
Zusammenfassende Bewertung Eine allgemeingültige Empfehlung zur standardisierten Nachbehandlung nach peripheren interventionellen Eingriffen gibt es in Deutschland nicht. Im Gegensatz zu den peripheren Interventionen existieren für die koronare Angioplastie Vorgaben, veröffentlicht in den
. Tab. 23.3. Empfehlungen zur postinterventionellen Nachbehandlung nach peripheren Interventionen
Therapieart
Empfehlung
Antiaggregation
Soweit möglich vor der Intervention beginnen und postinterventionell langfristig weiterführen. Ein Unterschied in der Effektivität hinsichtlich Frühverschlüssen und Restenosen ist für Acetylsalicylsäure, Ticlopidin und Clopidogrel nicht belegt. Bei Stentimplantation mag es in Übereinstimmung mit Studien zur koronaren Intervention sinnvoll sein, Clopidogrel für einige Wochen zu geben.
Antikoagulation
Eine postinterventionelle Heparinisierung nach peripherer Intervention ist nicht obligat. Fakultativ kann sie bei unbefriedigendem Ergebnis sinnvoll sein. Sie sollte immer zusätzlich zur Antiaggregation gegeben werden. Es gibt keine Indikation, für die der Nutzen einer langfristigen oralen Antikoagulation belegt ist. Auch die orale Antikoagulation sollte nach Aufklärung unter Beachtung der Blutungskomplikationen zusätzlich zur Antiaggregation gegeben werden.
Statine
Zur Bekämpfung der fortschreitenden Atherosklerose sollten alle Risikofaktoren angesprochen und behandelt werden. Die Senkung des Cholesterins ist eine der medikämentösen Ansätze, die dabei im Vordergrund stehen sollten.
23
751 23.6 · Postinterventionelle Behandlung nach Rekanalisation
a
b
c
d
. Abb. 23.10a–d. Infrarenales Bauchaortenaneurysma. a Die i. a. DSA vor der endovaskulären Versorgung mittels Stentgraft verdeutlicht die Lagebeziehung des Aneurysmas zu den Nierenarterien und ermöglicht die Längenbestimmung des Stentgrafts. b Fluoroskopische Aufnahme nach Freisetzung des Prothesenhauptkörpers, wobei die proximale Stentgraftreihe noch nicht freigesetzt ist, um eine Reposition des Stentgrafts zu ermögli-
chen. c Abschluss-DSA nach vollständiger Ausschaltung des infrarenalen Aneurysmas ohne Anhalt für ein Endoleak. d Die Kontrolle mittels CT-Angiographie verdeutlicht die Lagebeziehung des Stentgrafts zu den Nierenarterien sowie den Aa. iliacae internae. Zusätzlich dient diese Methode der vorzeitigen Erfassung von Endoleaks, der Ausdehnung des Aneurysmasacks im Verlauf sowie der Evaluierung der Stentgraftintegrität im Verlauf
Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, zur periund postinterventionellen Therapie. Darin wird die Gabe eines Thrombozytenaggregationshemmers als wichtigste Maßnahme aufgeführt. So sollen bereits am Tag vor der Intervention 250– 500 mg Acetylsalicylsäure gegeben werden und nach der Intervention mit 100 mg pro Tag fortgeführt werden. Bei ASS-Unverträglichkeit kann auf Ticlopidin oder Clopidogrel ausgewichen werden, obwohl es sich dabei um eine Indikation außerhalb der
Zulassung handelt. Die Gabe von Heparin periinterventionell wird generell empfohlen. Die postinterventionelle Fortführung der Hepariniserung wird nur für Fälle mit suboptimalem Angioplastieergebnis und/oder Nachweis von thrombotischem Material angeraten. Die folgende . Tab. 23.3 fasst die Empfehlungen für die postinterventionelle Therapie zusammen (Kröger. VASA 2004).
23
752
Kapitel 23 · Vaskuläre interventionelle Therapieverfahren
23.7
Endovaskuläre Therapie des Aneurysmas
Grundlagen, Indikationen Ein alternatives Verfahren zur offenen konventionellen Operation ist die endovaskuläre Aneurysmatherapie (endovascular aortic repair (EVAR)) durch Aneurysmaexklusion mittels Aortenstent (Stentgraft). Die Indikation für eine EVAR besteht ab einem Aneurysmadurchmesser von >40 mm beim abdominellen und ab ca. 50 mm beim thorakalen Aortenaneurysma. Weitere Therapieindikationen stellen eine Wachstumstendenz von >1 cm/Jahr eine deutliche Asymmetrie des Aneurysmas (z. B. sakkuläre Ausbuchtung) oder eine gedeckte Ruptur dar. Der Stentgraft wird zumeist über die A. femoralis communis (perkutan oder nach Freilegung) nach proximal in die Aorta platziert und so das Aneurysma ausgeschaltet. Seit der ersten EVAR durch Parodi 1991 liegen Erfahrungen mit dieser wenig invasiven Methode bei vielen tausend Patienten vor. Die publizierten Daten schwächen die anfängliche Euphorie für diese Methode ab. Es zeigt sich einerseits, dass die Platzierung bei einem Großteil der Patienten primär erfolgreich verläuft. Andererseits sind die Systeme keineswegs ausgereift, sodass im Mittel- und Langzeitverlauf die Komplikationsrate nicht unbeträchtlich ist.
mittels Verlängerung des Stentgrafts nach proximal oder offen operativ korrigiert werden. 4 Endoleaks vom Typ II sind Folge eines retrograden Flusses von aortalen Seitenästen (Spinal-/Lumbalarterien, A. mesenterica superior). Sie kommen bei bis zu 40% vor und können durch selektive Embolisation angegangen werden, verschließen sich jedoch in ca. 50% spontan. Obwohl Aneursmarupturen wegen Typ-II-Endoleaks beschrieben sind, scheinen sie das Rupturrisiko in größeren Serien innerhalb von 2–3 Jahren nicht zu beeinflussen. 4 Typ-III-Endoleaks werden durch Stentgraftdefekte oder Diskonnektion der Module verursacht. Ihnen wird eine Erhöhung des Rupturrisikos zugeschrieben und eine sofortige Sanierung empfohlen. 4 Typ IV ist selten und beruht auf der Porosität des Stentgraft. Nach heutigem Wissen können auch nach einigen Jahren noch Endoleaks auftreten, die behandlungsbedürftig sind. Aus diesem Grund ist eine mindestens jährliche Nachkontrolle mittels Duplex oder MRT oder CT notwendig. Die Langzeitresultate dieses Verfahrens sind noch völlig unbekannt. Zusätzlich zu den Endoleaks wird unter »Endotension« die Situation verstanden, bei der sich ein ausgeschlossenes AAA weiter vergrößert, ohne dass ein Endoleak im CT oder Duplex nachgewiesen werden kann.
Material und Durchführung Die endovaskulären Prothesensysteme bestehen aus einem selbstexpandierenen Nickel-Titan(=Nitinol)-Skelett, die von einer dünnwandigen Polyester- oder PTFE-Prothese überzogen sind. In der elektiven Situation fast ausschließlich gebraucht werden modular aufgebaute Bifurkationsprothesen. Das Hauptmodul besteht aus dem Prothesenkörper, einem langen und einem zweiten kurzen Schenkel. Letzterer wird mit einem gesonderten kontralateralen Schenkel ergänzt. Beide Komponenten sind in getrennten Entladungssystemen verpackt. Sie werden über eine Inzision der Leistenarterie eingeführt, unter Röntgendurchleuchtung in das Aneurysma platziert und expandiert (. Abb. 23.10). Es sind auch aorto-uni-iliakale Systeme erhältlich, bei welchen die Blutversorgung des kontralateralen Beines über einen Crossover-Bypass erfolgt. Postinterventionell kann der Patient nach einem kurzen Aufenthalt auf der Überwachungsstation auf die Normalstation verlegt werden. Die Entlassung erfolgt nach Kontrolle bezüglich Endoleak (Duplex und CT) sowie Integrität des Stents (Röntgen Abdomen) ca. 4 Tage nach der Operation.
Komplikationen
23
Im Gegensatz zur offenen Operation, bei welcher kaum Nachkontrollen nötig sind, liegt das große Problem der Endoprothesen in der Entwicklung von so genannten Endoleaks (Leckage), die in bis zu 44% auftreten. Durch Endoleaks kommt der Aneurysmasack wieder unter systemischen Blutdruck, sodass das Ziel der Operation nicht erreicht ist. Folgende Endoleaktypen werden unterschieden: 4 Typ I wird durch eine undichte proximale oder distale Andockstelle verursacht. Es sollte baldmöglichst endovaskulär
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753 23.7 · Endovaskuläre Therapie des Aneurysmas
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23
VII
Gastrointestinaltrakt 24
Leber
– 757
C. Hillerer, K. Holzapfel, J. Gaa, Th. Vogl
25
Gallenblase und Gallenwege
– 827
M. Brügel, J. Gaa
26
Pankreas
– 863
M. Brügel
27
Milz
– 901
E.J. Rummeny, M. Eiber
28
Radiologische Diagnostik des Schluckakts und des Ösophagus P. Hellerhoff, A. Wuttge-Hannig, C. Hannig
29
Magen und Darm (Dünndarm, Dickdarm und Rektum) J. Stollfuss, P. Hellerhoff
– 951
– 913
24 24
Leber C. Hillerer, K. Holzapfel, J. Gaa, Th. Vogl
24.1
Anatomie
– 759
24.2
Allgemeines/Technik
24.2.1 24.2.2 24.2.3 24.2.4
Sonographie – 760 Computertomographie – 760 Magnetresonanztomographie – 762 Digitale Subtraktionsangiographie (DSA)
24.3
Anomalien
24.4
Perfusionsstörungen der Leber
24.4.1 24.4.2 24.4.3 24.4.4 24.4.5 24.4.6 24.4.7
Perfusionsanomalien – 765 Portale Hypertension – 765 Störungen des portalvenösen Blutflusses – 767 Störungen des venösen Blutabflusses – 768 Störungen des arteriellen Blutflusses – 769 Morbus Rendu-Osler-Weber (hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie) Peliosis hepatis – 771
24.5
Diffuse Leberparenchymerkrankungen
24.5.1 24.5.2 24.5.3 24.5.4 24.5.5 24.5.6
Leberverfettung/Fettleber – 771 Zirrhose – 773 Primär biliäre Zirrhose – 775 Hämosiderose/Hämochromatose – 775 Sonstige diffuse Lebererkrankungen – 775 Hepatitis – 777
24.6
Herdförmige Lebererkrankungen: zystisch-dysontogenetische Formen – 777
24.6.1 24.6.2
Zysten – 777 Hamartome – 777
24.7
Herdförmige Lebererkrankungen: entzündlich-infektiöse Formen (inkl. Hepatitis) – 779
24.7.1 24.7.2 24.7.3 24.7.4 24.7.5
Hepatitis – 779 Tuberkulose – 779 Leberabszesse – 780 Perihepatische Abszedierung Parasitosen – 782
– 760
– 763
– 764
– 782
– 765
– 771
– 771
24.8
Herdförmige Lebererkrankungen: benigne/tumor-like lesions
24.8.1 24.8.2 24.8.3 24.8.4 24.8.5 24.8.6 24.8.7
Hämangiome – 784 Angiomyolipom – 785 Fokale noduläre Hyperplasie (FNH) – 786 Adenom (hepatozellulär/cholangiozellulär) – 789 Noduläre regenerative Hyperplasie (NRH) – 790 Gallengangszystadenom/-papillom – 790 Sonstige – 790
– 784
24.9
Herdförmige Lebererkrankungen: primär maligne Herdbefunde
24.9.1 24.9.2 24.9.3 24.9.4 24.9.5 24.9.6 24.9.7 24.9.8
Hepatozelluläres Karzinom – 791 Cholangiozelluläres Karzinom – 795 Fibrolamelläres Karzinom – 797 Zystadenokarzinom – 797 Mesenchymale Sarkome – 798 Angiosarkom – 798 Epitheloides Hämangioendotheliom – 798 Lymphom – 799
24.10
Herdförmige Lebererkrankungen: sekundär maligne Herdbefunde
24.10.1
Metastasen
24.11
Lebertumoren im Kindesalter
24.11.1 24.11.2
Benigne Tumoren im Kindesalter – 803 Maligne Tumoren im Kindesalter – 804
24.12
Leberbefall bei Systemerkrankungen
24.12.1 24.12.2
Lymphom – 805 Lymphoproliferative Erkrankungen nach Transplantation (PTLD)
24.13
Traumatisch bedingte Veränderungen
24.13.1 24.13.2 24.13.3
Stumpfes Lebertrauma – 806 Penetrierendes Lebertrauma – 807 Hämatom – 807
24.14
Posttherapeutische Veränderungen
24.14.1 24.14.2
Resektion – 808 Transplantation – 808
24.15
Leber: Interventionen
24.15.1 24.15.2 24.15.3
Biopsien und Drainagen – 809 Transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Stent-Shunt (TIPSS) TransarterielleChemoembolisationsverfahren (Transarterielle Chemoembolisation) – 810 Embolisation: Blutung – 815 Thermale Ablation – 820
24.15.4 24.15.5
– 791
– 799
– 799
– 803
– 805 – 806
– 806
– 808
– 809 – 809
759 24.1 · Anatomie
24.1
Anatomie
Die Leber ist das größte parenchymatöse Stoffwechselorgan des Körpers. Ihr kommt eine zentrale Rolle bei der Entgiftung sowie der Galleproduktion zu; die Blutbildung im Erwachsenenalter kann bei Störungen der Hämatopoese durch die Leber übernommen werden.
Mikroskopische Anatomie Aufgrund ihrer Binnenstruktur lässt sich die Leber in verschiedene mikroanatomische Einheiten unterteilen. Am gebräuchlichsten ist die Verwendung des portalen Läppchens als zugrunde liegende anatomische Einheit. Die zentrale Struktur bildet dabei das periportale Feld mit der Glisson-Trias. Über die Lebersinusoide findet hier ein Austausch zwischen dem nährstoffreichen Blut der Pfortaderäste und dem sauerstoffreichen Blut aus der A. hepatica statt, das anschließend –mit abnehmenden Sauerstoffgehalt – zu den dreiecksförmig peripher angeordneten Vv. centrales transportiert wird. Blutplasma tritt über das lückenhafte Porenendothel der Lebersinusoide in den Disse-Raum aus und kommt so mit den Hepatozyten in Kontakt. Hier erfolgen Stoffaustausch sowie Eliminierung von Fremdkörpern und Blutfarbstoffen durch phagozytierende Kupfferzellen. Alternativ wird beim »klassischen Leberläppchen« die V. centralis in den Mittelpunkt gestellt, die Periportalfelder sind dementsprechend randständig.
Makroskopische Anatomie Leberlappen/Lebersegmente Die Leber wird durch das Gallenblasenbett und das Ligamentum falciforme in den linken und rechten Leberlappen unterteilt. Das Verhältnis von linkem zu rechtem Leberlappen beträgt 2:3. Lobus caudatus und quadratus sind dorsal bzw. ventral der Leberpforte gelegen. Neben dieser anatomischen Gliederung hat sich im klinischen Alltag die Unterteilung der Leber in Segmente durchgesetzt. Die Lebersegmente lehnen sich an die Lappengliederung an, sind aber nicht mit ihr identisch. Am gebräuchlichsten ist die Klassifikation nach Couinaud und Bismuth (. Abb. 24.1). Dabei werden die Segmente S1 bis S8 unterschieden. Sie sind vertikal durch die rechte, mittlere und linke Lebervene vorgegeben, eine weitere Aufteilung erfolgt horizontal durch die Pfortaderebene. Da die Gefäßverläufe starken individuellen Schwankungen unterliegen, kann ihre Ausdehnung erheblich variieren. Normwerte für die Leber sind in . Tab. 24.1 angegeben.
Gefäße/Gallenwege Die Leber besitzt eine doppelte Gefäßversorgung über die Pfortader und die A. hepatica und enthält 15–20% des Gesamtblutpools. 75–80% des Blutzuflusses erfolgen über die Pfortader. Beide Gefäßnetze kommunizieren miteinander, sodass ein verminderter Pfortaderfluss durch einen erhöhten arteriellen Fluss kompensiert werden kann.
. Abb. 24.1. Einteilung der Lebersegmente nach Couinaud und Bismuth
ferior aufnimmt. Sie zieht entlang des Ligamentum hepatoduodenale zur Leberpforte und stellt hier das kaliberstärkste Gefäß dar, bevor sie sich in den rechten und linken Pfortaderhauptast aufteilt. Der rechte Pfortaderast verzweigt sich anteroposterior im rechten Leberlappen. Der linke Pfortaderast nimmt die Umbilikalvene auf, zu seinem mediolateral ausgerichteten Versorgungsgebiet gehören der linke Leberlappen sowie der Lobus caudatus und quadratus. Auch die A. hepatica propria, die nach dem Abgang der A. gastroduodenalis aus der A. hepatica communis entsteht, erreicht entlang des Ligamentum hepatoduodenale die Leberpforte, wobei sie ventromedial der Pfortader und ventral des Gallengangs gelegen ist. Dort teilt sie sich in ihre beiden Endäste, die A. hepatica dextra et sinistra auf. Häufig findet sich eine zusätzliche A. hepatica medialis, die zum Segment IV zieht. Die Versorgung der Gallenblase und teilweise des Lobus caudatus erfolgt über die A. cystica aus der rechten Leberarterie. > Daneben bezieht die Leber auch Blut aus weiteren, kleinen arteriellen Zuflüssen (v. a. A. phrenica inferior dextra, aber auch A. phrenica inferior sinistra, sowie A. mammaria interna, A. gastrica sinistra und Aa. intercostales), die bei der Tumorversorgung oder der Ausbildung von Kollateralen eine wichtige Rolle spielen. Venöses System. Das venöse Gefäßsystem der Leber entwickelt sich aus den Vv. centrales der Leberläppchen und endet in den Vv. hepatica dextra, medialis et sinistra, die dorsal der Area nuda in die V. cava inferior (VCI) münden. Die rechte V. hepatica drainiert die Segmente VI–VIII, die mittlere Lebervene die Segmente V und IVb und die linke Lebervene die Segmente II–IVa. Das Segment I (Lobus caudatus) hat eine davon abweichende venöse Drainage über kleine Vv. emissariae, die kaudal des Lebervenensterns direkt zur VCI laufen. Gallesystem. Die Gallekanälchen – Canaliculi biliferi – besitzen
Arterielles System. Die Pfortader entsteht dorsal des Pankreas-
kopf/-korpus-Übergangs aus dem Konfluens der V. mesenterica superior und der V. lienalis, welche vorher die V. mesenterica in-
anfänglich kein eigenes Epithel und werden von umgebenden Leberzellen »abgedichtet«. Als Ductus interlobulares sind sie Bestandteil der Glisson-Trias und verlassen als Ductus hepatis dex-
24
760
Kapitel 24 · Leber
. Tab. 24.1. Normwerte der Leber Gewicht
1500 g
Volumen
1700 ml (Hepatomegalie >2000 ml in 80%)
Ausdehnung
Kraniokaudal (MCL): 12 ± 3 cm (Hepatomegalie >16 cm)
Dichte im CT
~ 60 HE
Durchmesser V. portae
<15 mm (extrahepatisch)
Durchmesser Truncus coeliacus/A. mes. superior
<10 mm
Durchmesser A. hepatica
<6 mm
Durchmesser V. cava inferior
<15 mm
Durchmesser Vv. hepaticae (zentral)
<10 mm
Blutfluss A. hepatica
500 ml/min
Blutfluss V. portae
1000 ml/min
Blutfluss Leber gesamt
100–130 ml/min pro 100 g
Blutdruck V. portae
5–10 mmHg (portale Hypertension >12 mmHg)
Blutdruck Vv. hepaticae
2–4 mmHg
Blutdruck A. hepatica
Entsprechend Aortendruck
MCL = mittlere Klavikularlinie
ter et sinister, nach deren Vereinigung zum Ductus hepatis communis, die Leber über die Leberpforte.
Leberpforte Neben den bereits genannten Strukturen finden sich in der Leberpforte auch Lymphknoten und vegetative Nerven aus dem Plexus coeliacus. Die Strukturen der Leberpforte liegen in variabler Lage zueinander, meistens findet sich die Pfortader dorsal. Der Lymphabfluss erfolgt hauptsächlich über die Lymphbahnen von der Organoberfläche zur Leberpforte (Nodi lymphatici hepatici), dann entlang des Truncus coeliacus in die Cysterna chyli und weiter in den Ductus thoracicus. Geringgradig sind auch Nodi lymphatici parasternales et phrenici superiores beteiligt, die zur VCI verlaufen. Die Innervation der Leberkapsel erfolgt über Äste des N. phrenicus.
Bandstrukturen
24
Mit Ausnahme der Area nuda, des Gallenblasenbetts und der intrahepatischen Anteile der VCI wird die Leber komplett von einem peritonealen Überzug (Glisson-Kapsel) ummantelt. Seitlich der Area nuda liegen die Ligamenta coronare hepatis superius et inferius, welche die Umschlagfalte des viszeralen ins parietale Peritoneum darstellen. Sie sind mit dem Diaphragma verwachsen und bilden das Ligamentum triangulare dextrum, das den posterioren subhepatischen Raum (Morrison-Pouch) vom subphrenischem Raum trennt, während das Ligamentum triangulare sinistrum den
linken subphrenischen Raum in ein anteriores und posteriores Kompartiment aufteilt. Nach ventral setzt sich das Band in das Ligamentum falciforme fort, das den linken vom rechten Leberlappen trennt und mit dem Ligamentum teres hepatis in Verbindung steht, das die obliterierte Nabelvene enthält. Nach dorsal schließt sich daran das Ligamentum venosum an. Eine weitere wichtige ligamentöse Leitstruktur stellt das Ligamentum hepatoduodenale dar, das neben dem Ligamentum hepatogastricum vom Omentum minus zur Leberpforte zieht. Es enthält die zur Leber ziehende A. hepatica propria, die V. portae, den Ductus choledochus sowie Nerven- und Lymphbahnen.
24.2
Allgemeines/Technik
24.2.1
Sonographie
Auch heute noch wird die Sonographie weltweit zum Screening und in der Primärdiagnostik von Leberherden eingesetzt, da sie gut verfügbar, billig und nichtinvasiv ist. An Nachteilen sind jedoch neben menschlichen Faktoren, wie der stark untersucherabhängigen Qualität und der individuell unterschiedlich guten Untersuchungsbedingungen, die schlechte Reproduzierbarkeit und Vergleichbarkeit mit Voruntersuchungen zu nennen. Das Einsehen der gesamten Leber, insbesondere der dorsal gelegenen Abschnitte, ist mitunter schwierig. Dementsprechend ist die Sensitivität der Sonographie mäßig, bei der Detektion von Metastasen beträgt sie z. B. nur 60–70%. Seit 2002 sind spezifische Ultraschall-Kontrastmittel zur i.v.-Applikation zugelassen, welche die Herddetektion und -differenzierung verbessern sollen und auch für Perfusionsmessungen eingesetzt werden können. Bei den aktuell verwendeten Mikrobläschen der zweiten Generation handelt es sich um stabile, nicht wasserlösliche Gase (Perfluorkarbon, SF6), die von einer oft Phospholipid-haltigen Kapsel umgeben sind. Sowohl eine Bolusinjektion als auch die langsame, kontinuierliche Infusion des Kontrastmittels ist, je nach Fragestellung, möglich, mit einem diagnostischen Fenster von bis zu 15 min. Durch die unterschiedlichen Muster der Blutversorgung und Gefäßarchitektur können, ähnlich wie bei den CT- und MRTKontrastmitteln, hypo- und hypervaskularisierte Leberläsionen unterschieden und diese durch ihr Verhalten in der dynamischen Untersuchung weiter differenziert werden. Dabei zeichnen sich maligne Läsionen im Allgemeinen durch einen raschen Kontrastmittel-wash-out aus, d. h. sie stellen sich in der Spätphase (nach ca. 100 s) echoarm im Vergleich zu normalem Lebergewebe dar. Benigne Herde hingegen besitzen eine längere Kontrastmittel-Plateau-Phase. Hämangiome sind echoarm in der arteriellen Phase, mit kräftiger Kontrastmittel-Aufnahme ab der venösen Phase (. Tab. 24.2).
24.2.2
Computertomographie
Routinediagnostik Die CT zeichnet sich u. a. durch ihre kurze Akquisitionszeit aus. Hierdurch lässt sich auch bei wenig compliancefähigen Patienten
761 24.2 · Allgemeines/Technik
. Tab. 24.2. Kontrastverhalten von Leberherden nach Applikation von Ultraschall-Kontrastmittel
20 s
100 s
HCC
++
–
CCC
+
–
Metastase, hyperperfundiert
++
–
Metastase, hypoperfundiert
+
–
Hämangiom
(+)
++
FNH
++
+
Adenom
++
+
. Tab. 24.3. CT-Untersuchungsprotokolle für typische Fragestellungen 1-Phase: venös
2-Phasen: arteriell-venös
3-Phasen: nativ-arteriell-venös arteriell-venös-spät
Hypovaskularisierte Tumoren, Filiae Follow up Inflammatorische Prozesse Primärstaging Tumor, hypervaskularisierte Filiae GIST Karzinoid Gefäßstatus, Perfusion, nach Transplantation
HCC nach Intervention, Trauma HCC, CCC, Hämangiom
noch eine gute Bildqualität erreichen. Je nach Fragestellung sind verschiedene, teils mehrphasige Untersuchungsprotokolle indiziert (. Tab. 24.3). Nativ-Scan. Der Nativ-Scan allein hat ein eingeschränktes Indikationsspektrum wie den Nachweis von:
4 4 4 4
Einblutungen fibrotischen Veränderungen Verkalkungen Dichteänderungen
In der Regel wird er als Teil einer Multiphasen-CT eingesetzt. Etwa 25 s nach Start der Kontrastmittelgabe (z. B. 90–100 ml Imeron 400 oder 120 ml Imeron 300, bei gewichtsabhängiger Gabe: 1,5–2,0 ml/kg, Flow 3,0 ml/s) beginnt die rein arterielle Phase, mit noch unkontrastierter Pfortader. Die spätarterielle Phase wird nach weiteren 10–20 s erreicht. In dieser Phase ist eine gute Darstellung der meisten hypervaskularisierten Tumoren möglich. Die portalvenöse Phase ist die in der Routine am häufigsten eingesetzte Untersuchungsmöglichkeit. Sie beginnt ca. 20 s nach Injektionsende, das Peakmaximum folgt ca. 10 s später, mit einem Plateau über ca. 30 s. Frühportal findet sich Kontrastmittel in den Pfortaderästen mit noch arterieller Überlagerung, dann folgt die spätportale, eigentlich hepatisch venöse Phase, in der auch die Lebervenen kontrastiert sind.
Mehrphasen-CT. Zur weiteren Differenzierung von hepatischen Befunden wird die Mehrphasen-CT eingesetzt. Bei hypervaskularisierten Tumoren oder zum Staging vor operativen Eingriffen an der Leber wird häufig die arterielle mit der portalvenösen Phase kombiniert. Die arterielle Phase wird mit Bolustriggerung geplant, die portalvenöse Phase folgt mit einem festen Delay von 70 s. Die Scanrichtung ist von kaudal nach kranial, da so die Lebervenen bereits besser kontrastiert sind. Bei so genannten triphasischen Schemata kann, neben der arteriellen und portalvenösen Phase, ergänzend ein Nativ-Scan oder eine Spätphase akquiriert werden. Der Nativ-Scan dient dabei v. a. dem Nachweis von Einblutungen und Verkalkungen. Bei der Spätphase unterscheidet man die vaskuläre EquilibriumPhase nach 3–5 min, in der das Enhancement in allen 3 Gefäßbäumen gleich ist, und die parenchymatöse oder interstitielle Equilibrium-Phase nach 10–15 min, in der Parenchym und Gefäße gleich kontrastiert sind. Sie eignet sich gut zur Charakterisierung bereits bekannter Leberherde und zeigt verbesserte Detektionsraten beim HCC, v. a. bei Patienten mit Leberzirrhose. CT-Angiographie. Eine häufig eingesetzte Untersuchungstech-
nik stellt die CT-Angiographie (CTA) dar. Mit ihrer Hilfe können Gefäßvarianten ebenso wie Blutungsquellen, Stenosen und Aneurysmen zuverlässig erkannt werden. Um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen, wird bei negativer oraler Kontrastierung Bolustracking oder ein Testbolus eingesetzt. 3D-Datensätze werden akquiriert und mit verschiedenen Rekonstruktionsverfahren nachbearbeitet (MIP, volume rendering).
Kontrastmittelphasen der Leber (z. B. 90–100 ml Imeron 400/120 ml Imeron 300, Flow 3,0 ml/s) 4 Arterielle Phase: 25 s p.i. 4 Spätarterielle Phase: 35–45 s p.i. 4 Portalvenöse Phase: 70 s p.i. 4 Vaskuläre Equilibrium-Phase: 3–5 min p.i. 4 Parenchymatöse Equilibrium-Phase: 10–15 min p.i.
CT in Kombination mit angiographischen Methoden Bei speziellen Fragestellungen ist die Kombination computertomographischer und angiographischer Methoden möglich. Die Untersuchung ist aufwendig und invasiv und wurde daher durch die verbesserte Technik der Multislice-CT und die Entwicklung leberspezifischer MR-Kontrastmittel in den letzten Jahren deutlich zurückgedrängt.
CTHA und CTAP CTHA. Bei der CT mit hepatischer Arteriographie (CTHA) wird ein Angiographiekatheter selektiv in der A. hepatica propria platziert, über den im CT Kontrastmittel appliziert wird. Durch die selektive Kontrastmittelgabe wird ein ausgezeichneter arterieller Kontrast erreicht, der im Vergleich zur i.v.-Gabe nicht venös überlagert ist und länger anhält. Hypervaskularisierte, arteriell versorgte Tumoren lassen sich so deutlich darstellen. Interpretationsschwierigkeiten können atypisch verlaufende Gefäßen oder Perfusionsinhomogenitäten bereiten, in diesem
24
762
Kapitel 24 · Leber
Fall können biphasische CT-Scans eine weitere Differenzierung ermöglichen. CTAP. Die CT mit arterieller Portographie (CTAP) bedient sich
des Prinzips der indirekten Splenoportographie mit einem Angiographie-Katheter in der A. lienalis, seltener auch in der A. mesenterica superior. 20 s nach Applikation von 30–40 ml Kontrastmittel erfolgt die erste Messung in der portalen Phase, nach ca. 60 s wird die Untersuchung in der so genannten Rezirkulationsphase wiederholt. Maligne und leberfremde Herde erscheinen typischerweise hypodens. Herde mit überwiegend portaler Versorgung sind iso- oder hyperdens. > Auch gut differenzierte HCC’s erscheinen in der CTAP iso- oder hyperdens.
Lipiodol-CT Nach Arteriographie der A. hepatica propria werden 5–10 ml Lipiodol injiziert. Während die Substanz aus gesundem Lebergewebe ausgewaschen wird, kommt es zu einer Speicherung in hepatozellulären Karzinomen, die in der Nativ-CT auch nach mehreren Wochen noch gut nachweisbar ist. Die Methode besitzt eine hohe Spezifität bei nur mittelmäßiger Sensitivität, da nicht alle HCC-Herde Lipiodol aufnehmen.
Perfusions-CT Dabei handelt es sich um Kontrastmittel-Dynamiken mit repetitiven Messungen der immer selben Schicht. Seit Verwendung der Mehrzeilen-Technik ist die gleichzeitige Auswertung mehrerer (zukünftig bis zu 256) Positionen möglich. Die Auswertung umfasst verschiedene Perfusionsparameter, so die Bestimmung des Blutflusses, des Blutvolumens, der Transitzeit, des hepatischen Perfusionsindex oder des Peak-Perfusions-Verhältnisses. Durch ihre unterschiedlichen Kontrastmittel-Dynamiken können Perfusionsanomalien von tatsächlichen Herden oder zirrhotischen Umbauvorgängen differenziert und Herdbefunde weiter charakterisiert werden.
PET-CT Die Fusion von CT- und PET-Bildern ermöglicht die Ergänzung der morphologischen Bildinformationen der CT durch die metabolische Analyse der PET (Positronenemissionstomographie) und kann somit zur weiteren Differenzierung maligner und benigner Herde beitragen. Am häufigsten wird mit 18F markierte Fluorodeoxyglucose (FDG) verwendet, weitere Tracer sind 11CCholin oder 111In-Octreotid. Erste Studien belegen eine höhere Sensitivität der FDG-PET/ CT im Vergleich zur alleinigen CT in der Charakterisierung fokaler Leberläsionen. Zu bedenken ist, dass nicht jeder maligne Prozess eine erhöhte Utilisation der verwendeten Tracer aufweist und andererseits auch inflammatorische Prozesse vermehrt stoffwechselaktiv sein können und damit die Hauptquelle falsch positiver Ergebnisse liefern. Nachteile der PET/CT sind ihre schlechte Verfügbarkeit und hohe Kosten.
24
24.2.3
Magnetresonanztomographie
Durch die Verfügbarkeit neuer, schneller Sequenzen findet die MRT auch in der Routinediagnostik immer weitere Verbreitung. Nachteile sind die stellenweise noch begrenzte Verfügbarkeit bei hohen Kosten und im Vergleich zur CT langen Untersuchungszeiten. Zudem sind die allgemeinen MR-Kontraindikationen zu beachten. > Die CT ist daher weiterhin das primär angewandte Staging-Verfahren. Die MRT kommt ergänzend bei unklaren oder schlecht demarkierten Befunden sowie vor Transplantationen oder Operationen zum Einsatz.
Eine normale Körperspule kann zur Untersuchung verwendet werden, besser ist jedoch der Einsatz einer Phased-Array-Spule. Basis des Untersuchungsprotokolls bilden native T1-gewichtete Gradientenecho-Sequenzen (GRE-Sequenzen, z. B. FLASH) und ultraschnelle T2w-Sequenzen (TSE, HASTE), teils in Kombination mit vorgeschalteten Sättigungspulsen. Die Schichtorientierung ist primär axial; ergänzend, insbesondere bei Prozessen der Leberpforte, können koronare, selten auch sagittale Schichten angefertigt werden. Die meisten Sequenzen werden in Atemanhalte-Technik durchgeführt, häufig ist dabei die Untersuchung der gesamten Leber in einem Atemanhalt (14–20 s) möglich. In den T1w-Sequenzen kann der Leber-/Läsionskontrast durch vorgeschaltete Inversionspulse (Turbo-FLASH) oder die Verwendung von fettunterdrückten Sequenzen sowie In/opposedphase-Darstellungen noch verbessert werden. Bewegungs- oder Atemartefakte werden durch die beschriebenen schnellen oder ultraschnellen Sequenzen bei gleichzeitigem Atemanhalt großteils vermieden, Pulsationsartefakte und Ghosting durch Vorsättigungspulse neutralisiert. Kontrastmittel-Dynamiken. Diese dienen der weiteren Differenzierung von Herdbefunden. Als Kontrastmittel werden üblicherweise extrazelluläre, Gadolinium-haltige Substanzen mit Dosierungen von 0,1 mmol/kg Körpergewicht verwendet. Bei ähnlicher Kinetik der verwendeten Kontrastmittel entspricht die MR-Dynamik bezüglich des zeitlichen Ablaufs weitgehend der der CT. Da die meisten Herde hypovaskularisiert sind und in der portalvenösen Phase der größte Kontrastmittel-Durchfluss durch normales Parenchym gegeben ist, sind intrahepatische Läsionen dann durch den maximalen Kontrastunterschied am besten zu erkennen. Spätaufnahmen werden in der Regel nach 2–6 min angefertigt. Darüber hinaus können auch MR-Angiographien und die MRCP in verschiedenen Untersuchungsphasen den intrahepatischen Gefäß- bzw. Gallenwegsverlauf veranschaulichen. Daneben werden für spezielle Fragestellungen, z. B. im präoperativen Staging, auch RES-spezifische (RES: retikuloendotheliales System), superparamagnetische Kontrastmittel verwendet, so genannte superparamagetische Eisenoxidpartikel (SPIOs). Sie bestehen aus kleinen Eisenoxidpartikeln, die von einer Trägersubstanz (Dextran/Carboxydextran) ummantelt sind und von den Zellen des RES aufgenommen werden. Im Gegensatz zu den Gadolinium-haltigen Substanzen ist bei den meisten RESspezifischen Kontrastmitteln keine Bolus-Applikation und damit auch keine Kontrastmittel-Dynamik möglich, neuere Verbin-
24
763 24.2 · Allgemeines/Technik
dungen sollen diesen Nachteil zukünftig beseitigen. Ein optimaler Kontrast wird nach ca. 20 min erreicht: da es sich um T2Kontrastmittel mit Verkürzung der Relaxationszeit handelt, kommt es zu einem Signalabfall gegenüber den nativen Sequenzen. Maligne Tumoren, die keine Zellen des RES enthalten, stellen sich hyperintens im Vergleich zum Leberparenchym dar. Lediglich hochdifferenzierte, lebereigene Tumoren zeigen gelegentlich eine geringe Aufnahme von SPIOs. Gutartige Herde reichern meist das Kontrastmittel an und sind dementsprechend hypointens. Zunehmend zum Einsatz kommen so genannte hepatozytenspezifische (hepatobiliäre) Kontrastmittel. Hierbei handelt es sich um paramagnetische T1-KM, die Gadolinium oder Mangan enthalten (z. B. Gd-EOB-DTPA: Primovist, MnDPDP: Teslascan). Sie werden von Hepatozyten in unterschiedlichem Maß aufgenommen und über das Gallengangssystem und die Nieren ausgeschieden. Eine Bolus-Applikation ist teils möglich. Beginn der biliären und renalen Ausscheidung ist nach ca. 15–20 min. Durch die Aufnahme in Hepatozyten ist eine Unterscheidung lebereigener, gutartiger oder niedrigmaligner Läsionen, die funktionsfähige Hepatozyten enthalten, von leberfremden oder entdifferenzierten Geweben, in denen keine funktionierenden Hepatozyten vorhanden sind, mit großer Zuverlässigkeit möglich. Die Spezifität und Sensitivität der MRT wird somit gegenüber der Verwendung unspezifischer Gadolinium-Kontrastmittel verbessert. Werden 3D-Gradientenecho-Sequenzen eingesetzt, lassen sich die Gallengänge mit MIP-Rekonstruktionen entsprechend der MRCP darstellen (so genannte contrast-enhanced MR-cholangiopgraphy [CE-MRC]). Mit dieser Methode sind auch funktionelle Aussagen zur Exkretion im zeitlichen Verlauf möglich. > Aufgrund der höheren Kosten und der längeren Untersuchungszeiten sollte der Einsatz leberspezifischer Kontrastmittel dennoch speziellen Fragestellungen vorbehalten sein. Diffusionsgewichtete MR-Bildgebung. Eine neue, vielverspre-
chende und zunehmend zum Einsatz kommende Methode ist die diffusionsgewichtete MR-Bildgebung (diffusion-weighted MR imaging [DWI]) der Leber, die in Atemanhaltetechnik oder besser mit Navigator-gesteuerter Atemtriggerung meist unter Verwendung von Echo-planar-imaging-Sequenzen (EPI-Sequenzen) durchgeführt wird. Das Verfahren macht sich die unterschiedlichen Diffusionseigenschaften von Wasserprotonen in verschiedenen Geweben zunutze, die Rückschlüsse auf die Architektur des jeweiligen Gewebes zulassen. Die Diffusionskapazität lässt sich mittels des apparent diffusion coefficient (ADC) quantifizieren. Gutartige Leberläsionen wie Zysten oder Hämangiome sind zellarm im Vergleich zum Leberparenchym, erlauben also eine relativ ungehinderte Diffusion von Protonen und besitzen daher höhere ADC-Werte als Lebergewebe. Maligne Leberläsionen wie HCC’s und Metastasen hingegen sind zellreich, die Protonendiffusion wird durch zahlreiche Zellmembranen und -organellen behindert, die ADCWerte sind folglich niedrig. Mehrere Studien zeigen, dass die DWI der Leber die Detektion insbesondere kleiner fokaler Leberläsionen verbessert und eine zusätzliche Hilfe bei der Charakterisierung fokaler Leberläsionen sein kann.
. Tab. 24.4. Aufnahmeparameter verschiedener angiographischer Untersuchungsmodalitäten
Untersuchung
Kontrastmittelmenge
Flow
Zöliakographie
20–30 ml
6–8 ml/s
Hepatikographie
25–35 ml
5–6 ml/s
Splenoportographie
30–40 ml
5–6 ml/s
Mesenterikoportographie
30–40 ml
6–8 ml/s
A. hepatica sinistra
10–15 ml
3–4 ml/s
Freie Lebervenographie
10 ml
6–8 ml/s
Transhepatische Portographie
25–35 ml
6–8 ml/s
Wedge-Venographie
4 ml
1–2 ml/s
24.2.4
Digitale Subtraktionsangiographie (DSA)
Indikationen. Angiographische Verfahren werden weniger zur
artdiagnostischen Klärung eines Herdbefundes eingesetzt, sondern sind speziellen Fragestellungen vorbehalten, wie z. B. der Differenzierung der prä-, intra- oder posthepatisch bedingten portalen Hypertonie oder, in Kombination mit der CT (CTHA, CTAP), zur exakten zahlenmäßigen Herd-Bestimmung und Lokalisation. Seltener ist sie zur Abklärung vaskulärer Erkrankungen indiziert (Malformationen, AV-Fisteln, Hämobilie). Ist ein hepatischer Shunt oder einer Lebertransplantation geplant, findet die Angiographie in der präoperativen Diagnostik Anwendung. Eine Übersicht der angiographischen Untersuchungstechniken und ihrer Aufnahmeparameter ist in . Tab. 24.4 zusammengefasst.
Angiographie Über einen transfemoralen Zugang wird ein Katheter in den Truncus coeliacus und die A. mesenterica superior eingebracht, deren Abgänge normalerweise in Höhe der Wirbelkörper Th 12/ L1 liegen. Anschließend erfolgt die selektive Sondierung der A. hepatica oder ihrer Äste. Normalerweise sind die intrahepatischen Arterien mit geraden oder leicht wellenförmigen Verlauf und homogener Verteilung bis zur 5. oder 6. Aufzweigung in die Leberperipherie zu verfolgen. Da maligne Herdbefunde zum großen Teil arteriell versorgt sind, lassen sich v. a. hypervaskularisierte Herde gut darstellen. Neben atypischen Gefäßen oder vaskulären Anomalien und Shuntverbindungen sind die Kontrastmittel-Anflutung und der wash-out richtungweisend. Interventionelle Gefäßspasmen sind differenzialdiagnostisch von Stenosierungen oder Pellotierungen des Gefäßes abzugrenzen. In der Spätphase bietet die Spleno- oder Mesenterikoportographie auch die Möglichkeit zur indirekten Portographie.
Venographie Bei der portalen Hypertension und geplanter TIPSS (7 Kap. 24.15) spielt die Darstellung des venösen und portalen Gefäßbaums eine wichtige Rolle. Auch funktionelle Aussagen können getroffen werden, z. B. durch Druckmessungen. Meist wird über einen
764
Kapitel 24 · Leber
kubitalen Zugangsweg eine Lebervene sondiert und durch einen endständig offenen Katheter, alternativ auch einen Ballonkatheter, okkludiert und so der Okklusionsdruck (Leber-WedgeDruck) gemessen (normal <10 mmHg, korrigiert < 5 mmHg). Die selektive Gefäßdarstellung erfolgt erst im Anschluss, da nach Kontrastmittelgabe falsch hohe Druckwerte durch Vasospasmen oder Mikrohämatome entstehen können. Die Lebervenenäste sollten bis zur 5. Teilung verfolgbar sein, anschließend färbt sich das Parenchym mit granulärem, sinusoidalen Muster. Liegt eine Flussumkehr vor, füllt sich die Pfortader retrograd und eine auslösende Lebervenenthrombose oder ein Budd-Chiari-Syndrom können nachgewiesen werden. In Sonderfällen ist auch die direkte perkutane Gefäßpunktion bzw. Kontrastmittel-Injektion ins Leberparenchym möglich (perkutane transhepatische Hepatikographie).
Portographie In der Praxis wird am häufigsten die indirekte Portographie über die A. lienalis oder mesenterica superior eingesetzt (s. o.). Durch die Verdünnung des Kontrastmittelbolus mit unkontrastiertem Blut entsteht lediglich ein flauer Kontrast. Bei unvollständiger Vermischung kann der Eindruck von Pseudothromben entstehen. Die direkte (perkutan transhepatische) Portographie, bei der in Blindpunktion ein intrahepatischer Pfortaderast nahe der Leberpforte sondiert wird, ist heute größtenteils durch Schnittbildverfahren ersetzt. Neben der bildlichen Darstellung des Pfortadersystems sind Druckmessungen und selektive Blutproben, z. B. zur Hormonanalyse endokrin aktiver Tumoren, aber auch Embolisationen ösophagogastraler Varizen möglich. Neben allgemeinen Punktionsrisiken können sich Komplikationen durch Verletzungen des vaskulären Systems (Pfortaderthrombose, Blutungen, Aneurysmen, AP-Fistel) oder anderer intrahepatischer Strukturen (Hämobilie) ergeben. Bei Kontraindikationen (hypervaskularisierten Lebertumoren Gerinnungsstörungen, Aszites) kann alternativ eine Umbilikalvenenkatheterisierung durchgeführt werden, bei der die Vene freipräpariert und ein dünner Katheter bis zum linken Pfortaderast vorgeschoben wird. Die direkte Splenoportographie, bei der analog über eine Milzblindpunktion ein Katheter in die V. lienalis eingebracht wird, ist heute weitgehend verlassen.
24.3
. Abb. 24.2. Situs inversus, CT. Linkslage der Leber, Magen und Milz sind nach rechts rotiert
grenzender Kolonanteile, seltener auch von Dünndarmabschnitten zwischen Zwerchfell und rechtem Leberlappen.
Formanomalien Während man Segmenthypoplasien (v. a. Segment IV b) oder -hyperplasien (v. a. linker Leberlappen) relativ häufig findet, ist eine echte Agenesie oder Aplasie äußerst selten. Im Gegensatz zur Hypoplasie, die funktionell und morphologisch normales Lebergewebe aufweist, zeichnet sich die Aplasie durch eine abnorme Parenchymstruktur mit nur wenigen funktionierenden Hepatozyten aus. Lobäratrophien entstehen als Folge angeborener oder erworbener, vaskulärer oder biliärer Erkrankungen. Akzessorische Leberlappen sind teils gestielt und mit der ansonsten normal geformten Leber durch gefäßführende Fasersepten verbunden. Relativ häufig ist der so genannte »RiedelLappen«, der meist aus dem rechten Leberlappen entspringt und zungenförmig vor der Gallenblase gelegen ist. Von dort kann er weit nach kaudal reichen. Eine sekundäre Formanomalie der Leber ist die Buckelung der Leberoberfläche bei Hypertrophie der Insertiones tendinae des Zwerchfells bei COPD (Zwerchfellfurchen bzw. »Hustenfurchen«).
Anomalien Strukturanomalien
Man unterscheidet Lage-, Form- und Strukturanomalien der Leber, des Weiteren finden sich häufig Anlage- und Verlaufsanomalien der versorgenden Gefäße.
Lageanomalien
24
Lageanomalien der Leber sind selten. Neben der Linkslage beim kompletten oder partiellen Situs inversus (. Abb. 24.2) findet sich auch eine zentralisierte Lage mittig im Oberbauch. Bei Zwerchfellhernien kann es zu einer partiellen oder kompletten Kranialisierung der Leber kommen, mit Ausbildung eines so genannten Lobus accessorius superior. Das Chilaiditi-Syndrom wird hingegen relativ häufig beobachtet und bezeichnet eine klinisch meist inapparente Interposition der rechten Kolonflexur und an-
Bei der autosomal-rezessiv vererbten, kongenitalen Leberfibrose kommt es zu einer aberrierenden Gallengangsproliferation mit begleitender periduktaler Fibrose. Die dadurch bedingte Verödung der Pfortadervenolen kann einen juvenilen Pfortaderhochdruck zur Folge haben. Ein verwandtes Krankheitsbild sind die polyzystischen Lebererkrankungen, die jedoch einen anderen Erbgang aufweisen (s. Herdförmige Lebererkrankungen: zystisch).
Gefäßanomalien Arterielle Gefäßvariationen finden sich in 35–45% der Fälle, oft sind mehrere Gefäße betroffen. Am häufigsten (ca. 25%) sind Anlageanomalien der linken A. hepatica, die dann meist aus der
765 24.4 · Perfusionsstörungen der Leber
bung der CT eine zentrale Rolle zu, da sie eine gleichzeitige Darstellung der Gefäße und des versorgten Parenchyms ermöglicht. Durch den heutigen Entwicklungsstand der Mehrphasen-CT ist dadurch bereits bei vielen Fragestellungen der Ersatz der invasiven DSA überflüssig. Auch CTHA und CTAP treten zunehmend in den Hintergrund.
24.4.1
Perfusionsanomalien
Anatomische Varianten
. Abb. 24.3. Abernethy-Syndrom, MRA. Fehleinmündung der V. lienalis und V. mesenterica superior (nach Ausbildung eines gemeinsamen Konfluens) in die V. cava inferior bei angeborener Pfortaderaplasie
Neben der A. hepatica propria sind in geringem Ausmaß auch weitere arterielle Zuflüsse an der Leberdurchblutung beteiligt (7 Kap. 24.1 Anatomie), die aber bei malignen Erkrankungen oder vermindertem Fluss über die A. hepatica propria an Bedeutung gewinnen können. Die Kenntnis dieser alternativen Versorgungswege ist auch bei der Frage nach Perfusionsdefiziten differenzialdiagnostisch wichtig. Auch der Inflow nicht dem Pfortadergebiet zugehöriger Venen kann ein Perfusionsdefizit oder eine THAD (transient hepatic attenuation difference, 7 Kap. 24.4.3) vortäuschen. So drainiert das posteriore S4 in ca. 8% über die V. gastrica dextra, seltener auch über die V. gastrica sinistra. Die Region um das Gallenblasenbett, insbesondere das posteriore S2, kann von der V. cystica drainiert werden, die in intrahepatische Pfortaderäste mündet. Vv. paraumbilicales ziehen über das Ligamentum falciforme zu Pfortaderästen des linken Leberlappens mit Perfusion von Leberarealen beidseits des Ligaments.
Arterioportale Shunts A. gastrica sinistra entspringt. Die rechte A. hepatica kann aus der Aorta, dem Truncus coeliacus oder der A. mesenterica superior abgehen. Ein gemeinsamer Abgang von A. hepatica communis und A. mesenterica superior wird als Truncus hepatomesentericus bezeichnet. Die Pfortader weist in ca. 20% Gefäßvariationen auf, die meist den Hauptast betreffen (z. B. Ausbildung einer Trifurkation), der linke Pfortaderast bleibt fast immer konstant. Bei Störungen der embryonalen Entwicklung kann es zu einer Aplasie der Pfortader mit direkter Einmündung der V. lienalis und V. mesenterica superior in den systemischen venösen Kreislauf kommen (. Abb. 24.3). Diese als Abernethy-Syndrom bezeichnete Fehlentwicklung ist häufig mit dem Auftreten von soliden Leberherden assoziiert, v. a. Adenomen. Frauen sind deutlich häufiger betroffen. Die Lebervenen weisen ebenfalls zahlreiche Variationen sowohl bezüglich ihrer Drainagewege, als auch dem Vorhandensein akzessorischer Lebervenen auf, was jedoch nur selten klinische Bedeutung hat.
Arterioportale Shunts können ganz unterschiedliche Ursachen haben. Meist bilden sie sich iatrogen nach Biopsien oder Leberund Gallenwegsoperationen aus, seltener finden sie sich auch postthrombotisch, posttraumatisch oder kongenital. Transsinusoidale Shunts entstehen z. B. bei Zirrhose, als Folge eines Verschlusses kleinerer venöser Gefäße. Transtumorale Shunts finden sich häufig beim hepatozellulären oder cholangiozellulären Karzinom oder beim Hämangiom, durch Kurzschlussverbindungen in hypervaskularisierten Tumoren oder über eine Infiltration von Pfortaderästen. Ein retrograder arterieller Fluss mit begleitendem Perfusionsdefizit ist möglich. In der CT oder in der angiographischen Bildgebung fällt eine periphere keilförmige THAD auf, unter Umständen wird in der arteriellen Phase ein sich früh füllender, drainierender Pfortaderast sichtbar. Arteriovenöse Fisteln sind im Vergleich seltener, und treten z. B. im Zusammenhang mit einem bestehenden Morbus RenduOsler-Weber auf (s. dort). Portovenöse Fisteln sind Ausnahmen (. Abb. 24.4).
24.4.2 24.4
Portale Hypertension
Perfusionsstörungen der Leber Definition
Während die primäre Abklärung vaskulärer Läsionen und Störungen sonographischen Verfahren inklusive der Doppler-Methode vorbehalten sind, kommt in der weiterführenden Bildge-
Der Druck in der Pfortader beträgt normal 5–10 mmHg und liegt damit 3–5 mmHg über dem Druck der VCI. Per definitionem spricht man von einer portalen Hypertension bei einem
24
766
Kapitel 24 · Leber
a . Abb. 24.4a, b. Portovenöser Shunt. Postinterventionell ist es bei diesem Patienten zu einer großen Kurzschlussverbindung zwischen dem rechten Pfortaderhauptast und der VCI über eine volumenstarke, drainierende
Druckgradienten zwischen V. portae und VCI >5 mmHg. Klinisch signifikant wird sie meist ab Werten >12 mmHg.
Pathophysiologie Die veränderten Druckverhältnisse führen zur Ausbildung portosystemischer oder auch portoportaler Kollateralkreisläufe mit Gefäßerweiterungen und aktiver Angiogenese. Die Drainagewege führen v. a. zu den ösophagealen und paraösophagealen Venen, zur linken Nierenvene, sowie zu omentalen, paraumbilikalen, hämorrhoidalen oder retroperitonealen Venen. Bei prähepatischer Obstruktion ist auch eine splenoportale Überbrückung (über Vv. gastricae breves oder coronariae bzw. über die V. gastroepiploica oder über Venen des großen Netzes) oder ein Blutfluss über die Vv. pancreaticoduodenales und V. cystica zu hilären Pfortaderästen möglich. Die Erhöhung des intrahepatischen Drucks führt neben der Verminderung des portalvenösen Flusses zu einer kompensatorischen Erhöhung des arteriellen Flusses. Steigt der intrahepatische Druck weiter an, erfolgt eine portale Flussumkehr mit hepatofugalen Strömungsverhältnissen. Indirekte Folgen der portalen Hypertension sind Splenomegalie und Aszites, eine Beeinträchtigung der Leberfunktion mit konsekutiver Enzephalopathie ist erst im Spätstadium zu beobachten.
Ätiologie
24
Prä-, intra- und posthepatische Ursachen können unterschieden werden. Andere Einteilungen differenzieren zwischen präsinusoidal, sinusoidal und postsinusoidal (. Tab. 24.5).
b Lebervene gekommen. a Darstellung dieser Verbindung in der MRA; b in der Angiographie
. Tab. 24.5. Einteilung der portalen Hypertonie und häufigste Ursachen Extrahepatisch (präsinusoidal)
Pfortaderverschluss Arterioportale Fisteln Milzvenenverschluss Verschluss der V. mesenterica superior
Intrahepatisch
Kongenitale Leberfibrose Idiopathische, nicht zirrhotische Fibrose Primär biliäre Zirrhose Felty-Syndrom Sarkoidose Morbus Wilson Schistosomiasis Toxische Fibrosen (Arsen, Kupfer)
Intrahepatisch (sinusoidal)
Zirrhose Sklerosierende Cholangitis
Posthepatisch (postsinusoidal)
Lebervenenverschluss
Präsinusoidale Genese. Diese umfasst sowohl intrahepatische als auch extrahepatische Beeinträchtigungen des Pfortadersystems, z. B. durch Thrombosen oder AV-Fisteln. Die portale Hypertonie kann bei isoliertem Verschluss der Milzvene oder der V. mesenterica superior nur segmental ausgebildet sein, mit normalem Druck in der Pfortader. Bei solitär erhöhtem Druck im Milzmark kommt es zur Splenomegalie, wobei ein hilusnaher
767 24.4 · Perfusionsstörungen der Leber
Verschluss Fundusvarizen nach sich zieht, pfortadernah bilden sich Kollateralkreisläufe über die V. mesenterica inferior, splenorenal oder splenoperitoneal. Der Verschluss der V. mesenterica superior führt zu mesenterialen Kollateralen.
spitzwinkelige Vereinigung der Lebervenenäste in der Lebervenographie charakterisiert. Des Weiteren finden sich, neben Gefäßverziehungen und -verschlüssen, größere venovenöse Verbindungen und unregelmäßige Anastomosen zwischen peripheren Pfortaderästen.
Intrahepatische Genese. Die intrahepatische (präsinusoidale)
Hypertension entsteht durch eine Obstruktion der portalen Venolen. Hauptursache sind chronische Lebererkrankungen, insbesondere die Leberzirrhose, die aber auch zu sinusoidalen oder postsinusoidalen Störungen führen kann. Eine Sonderform stellt das Banti-Syndrom (idiopathische portale Hypertension) dar. Dabei handelt es sich um eine, v. a. im Orient verbreitete, nichtzirrhotische, obliterative Venopathie der kleinen Pfortaderäste; die Lebervenen sind nicht betroffen. Klinisch bietet sich das Erscheinungsbild einer Leberzirrhose mit begleitender Splenomegalie, Anämie, Varizenbildung und gastrointestinalen Blutungen, bei normaler Leberfunktion. Bei der dynamischen portalen Hypertonie finden sich extra- und intrahepatische arterioportale Kurzschlussverbindungen, die in den meisten Fällen traumatisch erworben sind, selten als Folge einer Aneurysma-Ruptur auftreten. Der angeborene Typ ist selten: sowohl arterioportale als auch arteriovenöse Fisteln sind möglich, häufig ist er mit einer Hämangiomatose assoziiert. Spontane Fistelverschlüsse werden beobachtet. Posthepatische Genese. Solche postsinusoidalen Ursachen einer portalen Hypertonie sind meist venookklusive Erkrankungen, z. B. das Budd-Chiari-Syndrom (7 Kap. 24.4.4). Selten entsteht sie posttraumatisch oder kongenital durch vermehrte Perfusion oder neoplastisch durch die Ausbildung von Fisteln.
Bildgebung Die CT wird nicht zur Diagnose der portalen Hypertonie verwendet, häufig aber zur Darstellung von Kollateralkreisläufen oder Komplikationen. Insbesondere in Kombination mit verschiedenen Bild-Nachverarbeitungsverfahren (MIP, sagittale und koronare Rekonstruktionen), gelingt eine gute Darstellung der intra- und extrahepatischen Gefäße sowie von Umgehungskreisläufen und Varizen. Erster Hinweis auf eine portale Hypertension ist der erweiterte Durchmesser der Pfortader auf >15 mm bzw. der V. mesenterica superior und lienalis auf jeweils >10 mm. Durch die kompensatorische Erhöhung des arteriellen Flusses kann auch das arterielle Gefäßlumen erweitert sein. ! Vorsicht ist bei großen, splenorenalen Shunts geboten, die unter Umständen zu einer Normalisierung des portalen Drucks führen können, was ein »Verschwinden« der restlichen Kollateralen nach sich zieht.
In der Milz lassen sich manchmal so genannte Gamna-GandyKörperchen nachweisen. Dabei handelt es sich um wenige mm bis cm große Sideroseknötchen, die in der CT als feine Verkalkungen erscheinen, in der MRT stellen sie sich als signalfreie Herde in T1w und T2w dar. Angiographisch sind die beschriebenen Gefäßveränderungen gut nachweisbar, wobei, je nach ihrer Lokalisation, verschiedene Phasen der DSA und unterschiedliche Katheterpositionen nötig sind. Das Banti-Syndrom ist durch eine typische,
Hinweise auf eine portalvenöse Hypertension in der Bildgebung sind: 4 Durchmesser der Pfortader >15 mm bzw. Durchmesser V. mesenterica superior/V. lienalis >10 mm 4 Durchmesser A. hepatica >6 mm 4 Ausbildung portokavaler Umgehungskreisläufe, evtl. Rekanalisation der V. umbilicalis 4 Nachweis von Gamna-Gandy-Körperchen in der Milz 4 Splenomegalie 4 Aszites
24.4.3
Störungen des portalvenösen Blutflusses
Transient hepatic attenuation difference (THAD) Der Begriff THAD beschreibt eine lokale arterielle Hyperperfusion als reaktiven Ausgleich auf eine regionale portale Minderdurchblutung unterschiedlicher Genese. In der Mehrphasen-CT oder der dynamischen MRT kommt es zu einer hyperdensen, signalreichen Darstellung des betreffenden Areals in der arteriellen, teils auch noch in der frühportalen Phase, während sich die Durchblutungsverhältnisse im weiteren Verlauf wieder normalisieren. ! Bleibt die Hypervaskularisierung prolongiert bis in die portalvenöse Phase bestehen, kann die Unterscheidung zu malignen Herdbefunden mit ringförmigem Enhancement erschwert sein.
Pfortaderthrombose Definition, Ätiologie, Pathophysiologie Die Pfortaderthrombose ist die Hauptursache einer prähepatischen portalen Hypertension und daraus resultierender Varizenblutungen. Die Auslöser umfassen ein breites Spektrum, häufig sind Tumorthromben (insbesondere beim HCC), aber auch entzündliche oder myeloproliferative Erkrankungen, Koagulopathien, eine akut dekompensierte Zirrhose oder Lebertransplantationen. Vor allem im asiatischen Raum tritt bei vorwiegend jungen Patienten eine idiopathische Form der Pfortaderthrombose auf, die durch das Vorhandensein venöser Membranen gekennzeichnet ist. Es entwickeln sich Kollateralkreisläufe oder in 20% eine kavernöse Transformation. Die Arterien sind konsekutiv dilatiert und zeigen einen erhöhten Fluss. Man unterscheidet 2 Kompensationsmuster: 4 den lokal erhöhten arteriellen Fluss im Bereich der portalen Minderversorgung ohne Kollateralen, 4 den peripher erhöhten arteriellen Fluss mit Versorgung des zentralen Parenchyms über periportale Kollateralen (kavernöse Transformation) und arterioportale Shunts.
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768
Kapitel 24 · Leber
Das betroffene Leberparenchym atrophiert und verfettet bei gleichzeitiger Hypertrophie normal durchbluteter Leberanteile, die v. a. periportal durch die dort bestehende Mitversorgung durch den peribiliären Plexus lokalisiert ist. Infarzierungen und portale Hypertension sind weitere Folgen.
Bildgebung Frische Thromben stellen sich sonographisch echoarm dar, bei längerem Bestehen werden sie mit zunehmender Organisation echoreich. Tumorinfiltrationen, Kollateralen oder eine kavernöse Transformation können zuverlässig nachgewiesen werden. Neben der fehlenden V. portae in der Leberpforte und der Erweiterung der präthrombotischen Pfortaderabschnitte, teils auch der VCI, finden sich Zeichen der portalen Hypertension. Weitere Hinweise auf eine Thrombosierung sind die fehlende Kaliberschwankung der V. portae und der VCI beim Valsalva-Manöver sowie dopplersonographisch veränderte Flussverhältnisse bis hin zur Flussumkehr. In der Nativ-CT sind frische Thromben hyperdens bei Erweiterung der präthrombotischen Pfortader und begleitendem Aszites. Länger bestehende Thromben haben ein erniedrigtes Signal, teils mit Kalzifikationen des Thrombus bzw. der Venenwand. Nach Kontrastmittelgabe fällt ein intraluminaler Füllungsdefekt auf, der nicht mit Vermischungsphänomenen durch den Zusammenstrom des bereits Kontrastmittel führenden Bluts der V. lienalis und noch unkontrastierten Bluts der V. mesenterica superior verwechselt werden darf. Tumorthromben zeigen im Gegensatz zu Appositionsthromben häufig ab der arteriellen Phase ein mäßig bis kräftiges, irreguläres Enhancement. Die Ausbildung von Kollateralen hängt vom Alter und vom Schweregrad der Thrombose ab. Das Venennetzwerk bei kavernöser Transformation lässt sich auch computertomographisch gut erkennen (. Abb. 24.5). Das Lebergewebe zeigt ein inhomogenes Enhancement mit Hypodensität der betroffenen Areale, evtl auch eine THAD.
In der MRT ist frisches bis subakutes thrombotisches Material sowohl in den T1w- als auch T2w- Sequenzen intermediär bis hyperintens, mit zunehmendem Alter verringert sich das Signal in beiden Wichtungen, ein organisierter Thrombus zeigt eine niedrige Signalintensität. Bei subtotalem Verschluss kann ein zirkuläres Flusssignal verbleiben. Nach Kontrastmittelgabe ist das durchflossene Lumen gut als hyperintenser Randsaum von älterem thrombotischem Material abzugrenzen. Insgesamt ist das Lebergewebe unruhig kontrastiert, da arterioportale Shunts, portovenöse Perfusionsausfälle und umschriebene Verfettungen als Ausdruck der relativen Ischämie auftreten. Angiographische Hinweise auf eine akute Thrombose liefern – neben dem venösen Füllungsdefekt selbst – arterielle Spasmen des betroffenen Segments, Gefäßerweiterungen und Shuntverbindungen oder ein hepatofugaler Fluss der Pfortader. Durch den erhöhten Druck ist eine Darstellung in der indirekten Portographie meist nicht möglich.
24.4.4
Störungen des venösen Blutabflusses
Kardialer Rückstau Bei bestehender Rechtsherzinsuffizienz kommt es zu einem erhöhten Druck in der VCI mit vermindertem hepatischem Fluss und Ausbildung von Umgehungskreisläufen. Die sinusoidale Stauung mit begleitender Hypoxämie führt zu einem perisinusoidalen Ödem mit Hepatomegalie und kann bei Persistenz des Beschwerdebildes bis zur kardialen Zirrhose fortschreiten. Bildgebung. Sonographisch findet sich eine Hepatomegalie, die
durch die Blutfülle mit verminderten Echomustern und einer insbesondere applikatorfern verbesserten Schallleitung einhergeht. Die großen Lebervenen können auf >1 cm erweitert sein, auch die VCI ist kalibervermehrt und hat ihr querovales Aussehen verloren. Die durch die Herzaktion oder Atmung normalerweise zu beobachtenden Lumenschwankungen fehlen, Aszites ist seltener nachweisbar. Die nur in Ausnahmefällen durchgeführte CT oder MRT zeigt nativ eine Hepatomegalie mit weitgehend normaler Parenchymdichte und regelhaftem Verhältnis der Leberlappen zueinander. Nach Kontrastmittelgabe kommt es zu einer diffus gesprenkelten Anreicherung der Leber, manchmal mit perivaskulären Dichteanhebungen oder einem Kontrastmittel-Reflux aus dem Herzen.
Prozesse im Bereich der Lebervenen
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. Abb. 24.5. Kavernöse Transformation. Bei einer Pfortaderthrombose bildet sich ein Venennetz mit multiplen, gewunden verlaufenden Venenkonvoluten in der Leberpforte aus (Pfeile)
Durch die Erhöhung des postsinusoidalen Drucks kommt es zum verzögerten portalen Inflow bis zur Flussumkehr mit konsekutiv gesteigertem arteriellen Fluss. Erstes sichtbares Zeichen ist oft die Hepatomegalie, darauf folgt, aufgrund seiner abweichenden Blutversorgung, eine Hypertrophie des Lobus caudatus. Ein Lebervenenverschluss wird nach Zytostatikagabe, aber auch bei veränderten Druckverhältnissen (Perikarderguss, mediastinale Fibrose, Kompression von außen) oder einem Budd-ChiariSyndrom beobachtet.
769 24.4 · Perfusionsstörungen der Leber
Diagnostik, Bildgebung . Tab. 24.6. Ursachen des Budd-Chiari-Syndroms Primär
Membranöse Lebervenenokklusion
Sekundär Vv. centrales Vv. sublobulares
Chemotherapie, Radiatio Post partum Orale Kontrazeptiva Pyrrolizidine Aflatoxine Azathioprin Chronische Arsenvergiftung
Zentrale Lebervenen
Polycythaemia vera, myeloproliferative Syndrome, Thrombozytose, Sichelzellenanämie, Morbus Behçet Hypereosinophiles Syndrom, Protein S- oder CMangel, AT-III-Mangel Antikörper gegen Anticardiolipin, Antiphospholipide, Sjögren-Syndrom
Externe Ursachen
HCC, BC, Tumorthromben Echinokokkus, Amöbiasis, Abszesse Caroli-Syndrom Leiomyosarkom der V. cava Intrahepatisches Hämatom
Budd-Chiari-Syndrom Definition
Bei einem Budd-Chiari-Syndrom handelt es sich um eine segmentale oder globale Abflussstörung der intra- und suprahepatischen Venen, wobei kleine, lobuläre Venen bis zur VCI betroffen sein können. Ätiologie, Klassifikation
Häufig liegt beim Budd-Chiari-Syndrom der Lumenverlegung eine Thrombose zugrunde, Obstruktionen sind eher selten. In 20% der Fälle finden sich auch begleitende portalvenöse Thrombosen. Je nach Ätiologie werden primäre von sekundären Formen unterschieden (. Tab. 24.6). Das Krankheitsbild, das häufiger Frauen betrifft, ist v. a. im mittleren Osten, Indien und Japan verbreitet und wird dann oft durch venöse Membranen oder Septen ausgelöst. Beim Auftreten in USA und Europa sind häufig Koagulopathien, Gefäßverletzungen oder -entzündungen und tumorbedingte Obstruktionen der Auslöser. In einem Drittel der Fälle bleibt die Ursache unklar. Je nach Ort der Gefäßverlegung lässt sich das Budd-ChiariSyndrom in 3 Typen einteilen: 4 Typ I: Obstruktion der VCI 4 Typ II: Obstruktion der großen hepatischen Venen 4 Typ III: Erhöhter Widerstand der kleinen, postsinusoidalen Venen (häufig nach CTX und RTX). Symptomatik, Verlauf
Akute Verläufe zeichnen sich durch eine Hepatomegalie mit therapierefraktärem Aszites aus und können bis zum Leberversagen fortschreiten. Zwei Drittel der Fälle verlaufen chronisch und enden über die Entwicklung einer zentrilobulären Fibrose in einer Zirrhose.
Da die Lebervenen partiell oder auch komplett mit thrombotischem Material ausgefüllt sind, sind sie sonographisch kaum noch abgegrenzbar, dopplersonographisch ist kein sicheres Flusssignal mehr zu detektieren. Die Leber weist in der Nativ-CT eine Hepatomegalie mit durch das Stauungsödem verminderter Dichte auf, oft begleitet von Aszites. Thromben können hypderdens abgrenzbar sein. Bei längerem Bestehen kommt es zur kompensatorischen Hypertrophie, aber auch zu fettigen Infiltrationen, und v. a. peripher gelegenen Infarzierungen mit narbigen Einziehungen. Die arterielle Phase stellt das Leberparenchym mit fleckiger Kontrastmittel-Aufnahme (»Mosaik-Muster«, . Abb. 24.6a) dar, streckenweise mit unruhiger Anreicherung um die terminalen Pfortaderäste oder THAD. Während die VCI lumengemindert ist und die Vv. hepaticae nicht oder nur stark kaliberreduziert erkennbar sind, treten an ihrer statt Drainagevenen in Erscheinung. Nach 5–10 min homogenisiert sich das Enhancement bei weiterhin fehlender oder verminderter Kontrastmittel-Füllung der Lebervenen. Ein vergleichbarer Befund findet sich in der MRT. Bereits nativ sind kleine, kommaförmige Gefäße in der Peripherie zu erkennen, die intrahepatischen, subkapsulären Kollateralen entsprechen. Die zentralen Leberabschnitte, sowie der Lobus caudatus, können ein noch weitgehend normales Enhancement aufweisen und erscheinen dann hyperintens. In späteren Kontrastmittelphasen findet sich eine Kontrastumkehr mit zentralem wash-out und peripherer Anreicherung, was auch als »flip-flop sign« bezeichnet wird. Auch wenn bereits andere bildgebende Verfahren den Verdacht auf das Vorliegen eines Budd-Chiari-Syndroms ergeben haben, ist die endgültige Diagnose gelegentlich der Venographie vorbehalten, evtl. kombiniert mit Druckmessungen. Die Vv. hepaticae sind nicht abgrenzbar, stattdessen findet man ein spinnengewebsartiges Netz aus Kollateralen und rekanalisierten Venen (. Abb. 24.6b). Die VCI ist teilweise in ihrem hepatischen Segment komprimiert. Thromben, Perfusionsstörungen und Verschlüsse der größeren venösen Gefäße sind gut nachweisbar, während die Obliteration kleiner Lebervenenäste unter Umständen nur bioptisch gesichert werden kann. In der Arteriographie zeigt sich eine Hepatomegalie mit aufgespannten Gefäßen und einem inhomogenen, fein getüpfelten Hepatogramm mit verlängerter, intensiver Füllung. Das Auftreten einer Peliosis hepatis ist möglich. Bei hepatofugalem oder bidirektionalem Fluss kommt die Pfortader in der venösen Phase zur Darstellung. > Differenzialdiagnostisch ist zu bedenken, dass auch die fortgeschrittene Zirrhose die Darstellung der Lebervenen unmöglich machen kann.
24.4.5
Störungen des arteriellen Blutflusses
Gefäßwanderkrankungen Neben arteriosklerotischen Veränderungen der extrahepatischen A. hepatica propria wie auch ihrer parenchymatösen Äste kommen differenzialdiagnostisch Lumeneinengungen durch Gefäß-
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770
Kapitel 24 · Leber
a
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b . Abb. 24.6a, b. Budd-Chiari-Syndrom. In der CT findet sich nach KMGabe ein »Mosaik-Muster” mit fleckigem Enhancement. Die großen Lebervenen sind nicht abgrenzbar bei Lumenminderung der VCI. a Hepatomegalie und begleitender Aszites. b Venographisch (Katheter im Mündungsbereich einer ehemaligen V. hepatica aus V. cava inferior) lassen sich die großen Lebervenen nicht in ihrem gewohnten Verlauf darstellen, stattdessen findet sich ein spinnengewebsartiges Netz aus Kollateralen und kleinen perfundierten Venen
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spasmen, posttraumatische, postoperative, entzündliche, radiogene oder tumoröse Veränderungen infrage. Fibromuskuläre Erkrankungen der Lebergefäße sind selten. Während früher die – häufig multipel auftretenden – mykotischen Aneurysmen im Vordergrund standen, dominieren heute arteriosklerotische, posttraumatische oder iatrogene Ursachen. Betroffen ist v. a. die A. hepatica communis (ca. 65%), gefolgt von der A. hepatica dextra (ca. 30%). Bei der Panarteriitis nodosa lassen sich angiographisch multiple, sackförmige oder fusiforme Aneurysmen der kleineren Seitenäste nachweisen, die häufig rupturieren und zu subkapsulären Hämatomen führen.
b . Abb. 24.7a, b. A. hepatica-Verschluss, MRA. a In der MRA lässt sich bei Zustand nach Aortenprothese ein Verschluss der A. hepatica (Pfeil) ab ihrem Abgang aus dem Truncus coeliacus erkennen. b Nach angiographischer Lyse ist das Gefäß wieder bis zur Leber darstellbar
Leberinfarkt Ätiologie Aufgrund der doppelten Gefäßversorgung der Leber sind Infarkte selten, da eine gleichzeitige arterielle und portale Obstruktion, wie sie z. B. nach Lebertransplantationen vorkommt, notwendig ist, um einen Untergang von Lebergewebe zu bewirken. Weitere mögliche Ursachen sind – meist kardial bedingte – Embolien (. Abb. 24.7), Arteriosklerose, Schock, Sepsis, (Prä-)eklampsie, HELLP-Syndrom und orale Kontrazeptiva. Rasch bilden sich arterielle Kollateralen mit extrahepatischen Lumenerweiterungen und verzögerter intrahepatischer Kontrastmittel-
771 24.5 · Diffuse Leberparenchymerkrankungen
Anflutung, evtl. begleitet von einer Hepatomegalie und peripheren THAD.
Das Rupturrisiko ist erhöht, sodass häufiger intra- und perihepatische Hämatome auftreten. Das Verteilungsmuster kann diffus oder fokal begrenzt sein.
Klassifikation Drei Infarktkonfigurationen lassen sich unterscheiden: 4 peripher keilförmig 4 zentral oder peripher rundlich 4 irregulär begrenzt, peribiliär
Bildgebung Sonographisch ist nur der extrahepatische Anteil der A. hepatica zu beurteilen, das Infarktareal demarkiert sich echoreich. Im weiteren Verlauf wird die Berandung zunehmend unscharf, letztlich kommt es zu narbigen Schrumpfungen. Bei Nekrosen der Gallengänge sind Gasansammlungen oder zystische Erweiterungen möglich. Angiographisch ist sowohl die intra- als auch extrahepatische Gefäßsituation komplett erfassbar.
24.4.6
Morbus Rendu-Osler-Weber (hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie)
Diese autosomal-dominant vererbte Erkrankung ist durch das Vorkommen multipler Gefäßmalformationen in unterschiedlichen Organsystemen gekennzeichnet. Bei Leberbeteiligung finden sich neben Teleangiektasien auch arteriovenöse und arterioportale Shunts. Bildgebung. Bereits in der Nativ-CT sind die erweiterten Ge-
fäße erkennbar, oft in Kombination mit einer Hepatomegalie und Zeichen einer portalen Hypertension. In der arteriellen Phase fallen dilatierte Arterien und ein verfrühtes venöses Enhancement bei Shuntbildung auf, portalvenös ist sowohl die Kontrastmittel-Anreicherung der Gefäße als auch des Parenchyms vermindert. Die Differenzierung peripherer venöser und arterieller Gefäße kann schwierig sein, da meist beide Gefäßbäume diffus miteinbezogen sind. Differenzialdiagnostisch ist eine Hämangiomatose durch die umschriebene KontrastmittelAnreicherung und das charakteristische Irisblendenphänomen abzugrenzen.
24.4.7
Peliosis hepatis
Definition Bei dieser seltenen Erkrankung werden, in Abhängigkeit von der Endothelauskleidung, 2 Unterarten differenziert: 4 Einerseits können periportale, endothelausgekleidete, blutgefüllte Räume vorliegen, die mit erweiterten Lebersinusoiden kommunizieren. Hierbei besteht eine Assoziation zu hormonproduzierenden Lebertumoren, oraler Hormonzufuhr, aber auch chronischen Infektionen, Diabetes mellitus oder chronischem Nierenversagen. 4 Bei der zweiten Unterart fehlen die Endothelauskleidung und die Verbindung zu den Venolen, bei auf ca. 2–6 mm erweiterten Lebersinusoiden und Gefäßlakunen.
Ätiologie Ein Auftreten bei unterschiedlichen Noxen (Chemotherapie, Polyvinylchlorid, Arsen, Thorotrast), Hormontherapien, Systemerkrankungen (aplastische Anämie, Diabetes, Vaskulitiden, chronisches Nierenversagen, nach Transplantationen) und bei konsumierenden Erkrankungen wurde beschrieben.
Bildgebung Neben Rupturen und Hämatomen sind die sinusoidalen Erweiterungen bildgebend als arteriell stark anreichernde Lakunen mit venös langsam abnehmendem Enhancement gut abgrenzbar (Blood-pool-Effekt). Teilweise ist die Differenzierung zu hypervaskularisierten Neoplasien schwierig, richtungweisend ist dann der fehlende raumfordernde Effekt. Hämangiome zeigen ausgeprägtere Kontrastmittel-Ansammlungen und sind lokal klar begrenzt.
24.5
Diffuse Leberparenchymerkrankungen
24.5.1
Leberverfettung/Fettleber
Die Leberverfettung ist die insgesamt häufigste Hepatose und eine potenzielle Vorstufe zur Zirrhose. Neben allgemeinen altersoder ernährungsbedingten Veränderungen kommen Intoxikationen (Alkohol, Medikamente, nach Chemotherapie), Infektionen (Virushepatitiden), Stoffwechselstörungen (Diabetes mellitus, Hämochromatose, Morbus Wilson) sowie Systemerkrankungen als Ursachen infrage. Sonderformen stellen die so genannte NASH (nonalcoholic steatohepatitis) mit gutartigem Verlauf und die AFLP (acute fatty liver of pregnancy) dar, die bis zum Leberausfall führen kann.
Diffuse Leberverfettung (Steatosis hepatis) Bildgebung In der Mehrzahl der Fälle wird die diffuse Leberverfettung von einer Hepatomegalie begleitet. Neben der Größenzunahme wirken die Leberränder abgerundet mit konvexer Vorder- und Rückfläche, was v. a. am linken Leberlappen zu erkennen ist. Sonographisch ist eine Zunahme der Reflexdichte sowie ein, im Vergleich zur rechten Niere objektivierbarer, Anstieg der Echogenität nachweisbar (. Abb. 24.8a). Die Abgrenzbarkeit gegenüber der Umgebung nimmt ab, die Kontur wirkt verwaschen. Auch das intrahepatische, periportale Bindegewebe lässt sich, v. a. peripher, nur noch schemenhaft erkennen. In den applikatorfernen Leberabschnitten wird das Signal vermehrt abgeschwächt, die Leber ist schlecht schallgängig. > Der Übergang zur Fettleberhepatitis, zur Fibrose, aber auch zur beginnenden Zirrhose oder zu Glykogen- bzw. Lipid-Speicherkrankheiten ist fließend, da auch sie mit einer erhöhten Strukturdichte einhergehen.
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Kapitel 24 · Leber
a
. Abb. 24.9. Fokale Verfettung, CT. Hypodenses Areal in Nachbarschaft des Ligamentum falciforme (loco typico) im Sinne einer fokalen Verfettung
Fokale Leberverfettung Ätiologie, Lokalisation
b . Abb. 24.8a, b. Steatosis. a Im Vergleich zur Niere ist das Lebergewebe sonographisch bei einer diffusen Verfettung echoreicher. b CT: Im Vergleich zur Milz und Muskulatur weist die Leber in der CT bei Steatosis deutlich erniedrigte Dichtewerte auf
Die Steatosis hepatis ist ein Zufallsbefund in 7% aller CT-Untersuchungen. Der erhöhte Fettgehalt ist durch einen HE-Abfall von ca. 15 HE pro 10% Anstieg des Fettgehalts objektivierbar (normales Leberparenchym: 55–65 HE). Das hat zur Folge, dass eine Erhöhung des Fettanteils um 10–15% zu einer Parenchymisodensen Abbildung der Gefäße im Nativ-Scan führt, bei weiterer Verfettung kommt es zu einer Dichteumkehr mit hyperdenser Darstellung der Gefäße. Auch intrahepatische Läsionen kommen verändert zur Darstellung: im normalen Lebergewebe hypodense Herde werden hyperdens oder sind bei isodensen Dichtewerten maskiert. Nach Kontrastmittelgabe zeigt das Leberparenchym im Vergleich zu Milz und Muskulatur erniedrigte Dichtewerte (. Abb. 24.8b). In der MRT bleibt das Signal häufig unverändert, allenfalls ist ein diskreter Anstieg, sowohl in T1- als auch T2-Wichtungen, zu erkennen. Auffallender ist der Signalabfall bei Verwendung fettgesättigter Sequenzen.
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Fokale Verfettungen können durch lokale Hypoxien oder durch toxisch-metabolische Schäden entstehen. Bevorzugt treten sie perihilär oder kapselnah auf, bei Vorliegen einer vaskulären Ursache ist die Lokalisation variabler. Häufig sind auch Regionen mit atypischer portaler Versorgung betroffen, können umgekehrt aber auch ausgespart bleiben. Typische Lokalisationen sind der Lobus caudatus, die dem Ligamentum falciforme benachbarten und die posterioren Abschnitte des S4 sowie die das Gallenblasenbett umgebenden Leberanteile (. Abb. 24.9). Die Verteilung der verfetteten Areale kann sich, wie auch bei der diffusen Verfettung, innerhalb von Tagen bis Monaten ändern. Es kommen sowohl in normales Leberparenchym eingebettete fettige Areale vor, als auch Areale normaler Dichte in Fettlebern (»Pseudoläsionen«).
Bildgebung In der kontrastunterstützten CT zeigt sich ein hypodense Läsion, die über den fehlenden Masseneffekt, bei glatter Leberoberfläche und regelrechten Gefäßverläufen, von echten Herdbefunden abgegrenzt werden kann. In der MRT sind fokale Verfettungen sowohl in T1w- als auch T2w-Sequenzen signalreich, bei gleichzeitigem Signalabfall in fettgesättigten Sequenzen. Die Verwendung von in- und opposed-phase T1-gewichteten GRE-Sequenzen sichert die Diagnose.
773 24.5 · Diffuse Leberparenchymerkrankungen
24.5.2
Zirrhose
Definition, Epidemiologie, Ätiologie Die Leberzirrhose gehört zu den 10 führenden Todesursachen der westlichen Welt, ein Drittel der letalen Ausgänge ist auf Varizenblutungen zurückzuführen. Im Vergleich zum Lebergesunden besteht bei Zirrhotikern ein ca. 2,5-fach erhöhtes HCCRisiko, bei einer viralen Genese steigt das Risiko weiter an. In der westlichen Welt stellt der chronische Alkoholabusus mit steigender Inzidenz die häufigste Ursache dar (aktuell 70%), gefolgt von chronischen Virushepatitiden. Seltener können auch Cholangitiden oder Cholestasesyndrome sowie Toxine, Medikamente, Fehlernährung, die chronische Rechtsherzinsuffizienz oder Speicherkrankheiten bzw. Enzymdefekte zum zirrhotischen Umbau der Leber führen. Bei Kindern ist die Entwicklung in Zusammenhang mit einer zystischen Pankreasfibrose oder bei Galaktosämie möglich (. Tab. 24.7).
Pathogenese, Verlauf, Diagnostik Das Anfangsstadium zeichnet sich durch eine Hepatomegalie, meist in Begleitung einer heterogenen, fettigen Infiltration aus. Die Leberränder sind abgerundet, aber glatt, umschriebene Konturunregelmäßigkeiten und Protuberanzen sind selten. Häufig ist eine beginnende Atrophie des Segments 4 mit Vergrößerung des periportalen Raums zu beobachten. Im fortgeschrittenen Stadium finden zunehmend fibrotische Umbauvorgänge statt. Die Leberoberfläche ist teils knotig gebuckelt, umschriebene, intraparenchymatöse Knoten sind hingegen meist erst im Spätstadium abgrenzbar. Während bei viraler Genese auch die linkslateralen Leberanteile betroffen sind, atrophieren bei der alkoholinduzierten Zirrhose vornehmlich das Segment 4 sowie der rechte Leberlap-
. Tab. 24.7. Ursachen der Leberzirrhose Toxisch
Alkohol Pflanzenschutzmittel, Insektizide, Aflatoxin, Arsen Thorotrast, Vinylchlorid
Entzündlich
Viral (Hepatitis B) Tuberkulose, Lues Schistosomiasis Sarkoidose
Cholangiogen
Chronische Cholangitis, Cholestase Primär sklerosierende Cholangitis
Autoimmunprozess
Primär biliäre Zirrhose
Mediamentös
Laxanzien, Isoniazid, Methotrexat, α-Methyldopa
Systemerkrankungen
Diabetes mellitus, Fehlernährung Hämochromatose, Morbus Wilson Galaktosämie, Fructoseintoleranz, Tyrosinämie Mukoviszidose, zystische Pankreasfibrose Glykogenose IV, Cholesterinspeicherkrankheiten, α1-Antitrypsinmangel
Durchblutungsstörungen
Rechtsherzinsuffizienz, Perikarditis constrictiva, Budd-Chiari-Syndrom
pen, bei gleichzeitiger Vergrößerung des Lobus caudatus, aufgrund seiner abweichenden Blutversorgung. Dadurch verschieben sich die Größenverhältnisse zwischen linkem und rechtem Leberlappen zugunsten des linken Leberlappens auf >0,65 (normal 0,37). Das Gallenblasenbett ist erweitert und fettig ausgefüllt, begleitende Lymphknotenvergrößerungen können vorkommen. Eine Druckerhöhung der VCI durch Kompression durch den hypertrophierten Lobus caudatus und Aszites ist ebenfalls möglich. Im Spätstadium findet sich eine verkleinerte, konturunruhige Leber mit keilförmigen, radiär von der Leberpforte ausgehenden, teils konfluierenden Fibrosefeldern. Typisch sind Retraktionen der Leberoberfläche durch ein Nebeneinander von narbigen Einziehungen und raumfordernden Regeneratknoten. Die veränderte Leberarchitektur führt zu intrahepatischen Abflussbehinderungen und sekundären Veränderungen: in einem Drittel der Fälle kommt es zur portalen Hypertension mit Ausbildung von Kollateralkreisläufen, Varizen und AP-Fisteln sowie zu Splenomegalie und Aszites. Schließlich können der Verlust der Syntheseleistung und die strukturellen Veränderungen nicht mehr ausgeglichen werden und die Zirrhose dekompensiert. Regeneratknoten finden sich nicht nur bei der Leberzirrhose, sondern auch nach Leberteilresektionen oder als Folge einer Chemotherapie oder eines Traumas. Sie besitzen portale Strukturen mit Gefäßen und Gallengängen und werden dementsprechend portalvenös versorgt. Eine echte Kapsel fehlt. In 25% sind sie eisenhaltig (Sideroseknoten). Die bildgebend nur schwer erkennbare mikronoduläre Form ist v. a. alkoholinduziert und weist gleich große, <3 mm messende Knötchen ohne begleitende Narbenfelder auf. Bei der makronodulären Form, die häufig in Zusammenhang mit einer chronischen Virushepatitis gefunden wird, zeigt sich ein unruhigeres Bild: inhomogen große Knoten zwischen 3 mm und mehreren Zentimetern liegen eingebettet in breite Narbenfelder und Bindegewebszüge. Mischtypen kommen vor und sind häufig mit chronischen Gallengangsobstruktionen assoziiert. ! Dysplastische Regeneratknoten werden als Präkanzerose gewertet. Ihre Größe liegt häufig bei 10–20 mm, histologisch werden High- und Low-grade-Atypien unterschieden, manchmal enthalten dysplastische Regeneratknoten auch bereits ein fokales HCC (»Knoten im Knoten«). Die rein portale Blutzufuhr weicht mit zunehmender Entartung einem arteriellen Versorgungsmuster. Sonographie. Erster unspezifischer, sonographischer Hinweis auf eine Zirrhose ist die Hepatomegalie mit abgerundeten Rändern. Die veränderten Größenverhältnisse zwischen linkem und rechtem Leberlappen sind ebenso erkennbar wie die Hypertrophie des Lobus caudatus. Später stellen sich narbig-fibrotische Umbauvorgänge mit Leberverkleinerung, Konturunregelmäßigkeiten und Einziehungen der Leberoberfläche ein. Die Strukturdichte nimmt zu, kombiniert mit einer dorsalen Schallabschwächung und fehlender Verformbarkeit bei Respiration oder Palpation. Neben Flussmessungen liefert das erweiterte portale bzw. lienale Gefäßlumen Hinweise auf eine Kompression der VCI oder
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774
Kapitel 24 · Leber
eine portale Hypertension. Die Nabelvene kann wiedereröffnet sein mit einem fakultativen Caput medusae (Cruveilhier-vonBaumgarten-Syndrom). Es kommt zur Trunkulisation, d. h. dem Verschwinden kleiner peripherer, v. a. portaler Gefäße. Die Verbreiterung der Periportalfelder wird auch als »Uferbegrenzung« bezeichnet. Teilweise ist die Abgrenzung von einer kleinknotigen Metastasierung schwierig, der Nachweis von Sekundärveränderungen kann dann Klarheit schaffen. CT. In der CT ist im Anfangsstadium, neben den unspezifischen
Zirrhosezeichen, insbesondere die heterogene fettige Infiltration gut nachweisbar. Später steht die, im rechten Leberlappen betonte, Atrophie bei gleichzeitiger Hypertrophie des Lobus caudatus im Vordergrund (. Abb. 24.10a) und Sekundärveränderungen treten in Erscheinung (. Abb. 24.10c). Regeneratknoten stellen sich meist isodens, bei Steatosis hepatis oder dem Vorliegen von Sideroseknoten leicht hyperdens zum umgebenden Lebergewebe dar. Trotz ihrer portalen Versorgung können sie nach Kontrastmittelgabe, durch den erhöhten arteriellen Fluss hyperdens in der arteriellen Phase erscheinen. Dysplastische Knoten zeigen sowohl nativ als auch nach Kontrastmittelgabe ein oft hypodenses Erscheinungsbild, maximal werden isodense Dichtewerte erreicht. Konfluierende Fibrosefelder, mit allenfalls diskreter, diffusionsbedingter Anreicherung in der Spätphase, und kapselartige Retraktionen der Leberoberfläche prägen das Endstadium. Bei nur flauer Pfortader-Füllung zeigt die Leber ein vermindertes, inhomogenes Kontrastmittel-Enhancement, was die Unterscheidung zwischen dysplastischen und gut differenzierten, kleinen HCC-Knoten schwierig bis unmöglich machen kann. MRT. Neben den Möglichkeiten der CT bietet die MRT eine bes-
sere Darstellung der Morphologie und von eisenhaltigen Sideroseknoten (. Abb. 24.10b). Sie wird häufig zum Follow-up und differenzialdiagnostisch zum Ausschluss maligner Transformationen eingesetzt. Bei Fehlen einer Steatose oder von entzündlichen Reaktionen ist die Signalintensität anfangs unverändert. Bei vermehrter Fetteinlagerung kommen die Leberpforte und Bindegewebsräume in T1w-Sequenzen hyperintens zur Darstellung. Fibrotische Septen sind sowohl in T1w- als auch T2w-hypointens. Siderinhaltige Regeneratknoten zeigen ein in der T1whyperintenses und T2w-hypointenses Signalmuster, bei Fetteinlagerung sind sie in T1w- und T2w-hyperintens. Als »Knoten-im-Knoten-Phänomen« wird das Auftreten eines fokalen HCC in einem dysplastischem Knoten bezeichnet. Besser als unspezifische extrazelluläre MR-Kontrastmittel eignen sich dann leberspezifische oder superparamagnetische Kontrastmittel zur Differenzierung. Während Regeneratknoten anreichern, unterbleibt die Aufnahme – abgesehen von einem kleinen Überlappungsbereich beim hochdifferenzierten HCC oder fibrolamellären Karzinom – bei malignen Herdbefunden aus.
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c . Abb. 24.10a–c. Leberzirrhose CT/MRT. a In diesem fortgeschrittenen Zirrhosestadium ist die Hypotrophie der Leber, betont im rechten Leberlappen, in Kombination mit dem hypertrophen Segment 1 gut zu erkennen. Bei Vorliegen von Makroregeneratknoten und kapselartigen Retraktionen ist die Leberoberfläche deutlich gebuckelt. b Hypodense Areale in der insgesamt vermindert und inhomogen kontrastierten Leber weisen auf dysplastische Regeneratknoten hin. c Daneben sind sekundäre Veränderungen, wie Aszites, Splenomegalie und die Ausbildung von Umgehungskreisläufen zu erkennen (z. B. gastroösophageale)
775 24.5 · Diffuse Leberparenchymerkrankungen
Zeichen einer Leberzirrhose 4 Zunächst Hepatomegalie, später Schrumpfung des Organs 4 Abrundung der Organränder bei gebuckelter Oberfläche 4 Hypertrophie des Lobus caudatus und relative Vergrößerung des linken Leberlappens 4 Ultraschall: zunehmende Echodichte, schlechte Schallgängigkeit, betonte Periportalfelder, periphere Gefäßrarefizierung 4 Noduläre Umbauvorgänge (regenerative/dysplastische Knoten – Unterscheidung teils mittels MRT möglich; cave: HCC-Entwicklung!) 4 Inhomogene Kontrastierung der Leber 4 Zeichen der portalen Hypertension
24.5.3
Primär biliäre Zirrhose
Definition, Epidemiologie, Ätiologie Die primär biliäre Zirrhose stellt die dritthäufigste Indikation zur Lebertransplantation beim Erwachsenen dar. Es handelt sich um ein seltenes chronisches Leiden, mutmaßlich eine Autoimmunerkrankung, das über eine Cholestase zu entzündlichen Veränderungen und Zerstörungen der kleinen intrahepatischen Gallengänge, zum zirrhotischen Umbau und schließlich zum Leberausfall führt, ohne dass das HCC-Risiko dabei wesentlich erhöht wäre. Betroffen sind v. a. Frauen mittleren Alters, eine Assoziation mit Erkrankungen der humoralen und zellulären Immunabwehr bzw. anderen Autoimmunerkrankungen liegt vor.
Eine primäre Form wird von der sekundären unterschieden. Bei der primären Form handelt es sich um eine autosomal-rezessiv vererbte Eisenspeicherkrankheit mit abnormal hoher intestinaler Eisenabsorption und gleichzeitiger Dysfunktion von retikuloendothelialen Zellen, die v. a. Männer in der 4.–5. Dekade betrifft. Eisen wird vermehrt in Hepatozyten, aber auch in anderen parenchymatösen Zellen (Pankreas, Herz) und kutan abgelagert (»Bronzediabetes«). Die Milz bleibt dabei ausgespart. Im Frühstadium finden sich fast ausschließlich hepatische Eisendeposits. Das Speichereisen kann auf 50–60 g ansteigen (normal: 2–6 g), Serumeisen und Serumferritin sind erhöht, die Transferrin-Sättigung liegt bei 100%. Die toxische Zellschädigung führt erst zu einer Hepatomegalie, dann zur Entwicklung einer mikronodulären Zirrhose. An der Haut ist die vermehrte Eisenablagerung durch Hyperpigmentierungen zu erkennen. Im Weiteren kommt es zur Pankreasfibrose mit Diabetes mellitus (50%), zu Kardiomyopathien (15%) oder Arthropathien insbesondere der Metakarpophalangealgelenke (20–50%). > Die klassische Hämochromatose-Trias setzt sich dementsprechend aus Zirrhose, Diabetes mellitus und Hyperpigmentierung zusammen.
Die Lebenserwartung wird durch die Erkrankung eingeschränkt (5-Jahres-Überlebensrate 89%), zusätzlich weisen die Patienten eine deutlich erhöhte HCC-Inzidenz (30%) auf. Die sekundäre Form entsteht – bei normaler Funktion des RES – durch eine erhöhte Eisenzufuhr (Bluttransfusionen, orale Eisenaufnahme) oder -absorption (Leberzirrhose, portokavale Shunts). Auch in Milz und Knochenmark lassen sich dann Eisendeposits nachweisen. In der Regel überschreitet die Eisenspeicherung 10–20 g nicht.
Bildgebung Das bildgebende Muster entspricht dem anderer Zirrhose-Formen. Eine leichte Hepatomegalie findet sich nur im Frühstadium, oft ist die Leber verkleinert mit irregulärer Binnenstruktur, eine segmentale Fibrose oder Regeneratknoten finden sich nur in einem Drittel der Fälle. Die Entwicklung einer portalen Hypertension ist dagegen häufig, ebenso wie eine begleitende Lymphadenopathie. Sonographisch fällt ein feingranuläres, perilobuläres bindegewebiges Netzwerk bei relativ glatter Leberoberfläche auf. Angiographisch zeigt sich im Anfangsstadium durch die Hepatomegalie eine Streckung der Gefäße, im weiteren Verauf überwiegen zirrhotische Veränderungen, auch lassen sich Thromben in kleinen Pfortaderästen nachweisen.
24.5.4
Hämosiderose/Hämochromatose
Bildgebung Computertomographisch lässt sich der erhöhte Eisengehalt durch einen Dichteanstieg auf >70 HE, in Extremfällen auf bis zu 140 HE nachweisen (. Abb. 24.11a). Auffällig ist bereits im Nativ-Scan die sehr gute Abgrenzbarkeit der intrahepatischen Gefäße (cave: falsch niedrige HE-Werte bei gleichzeitiger Verfettung). Die MRT eignet sich aufgrund ihrer hohen Eisenempfindlichkeit sowohl zur Diagnostik als auch zur Verlaufskontrolle. In der T1w- sowie in leicht T2w- Sequenzen zeigen sich Signalauslöschungen bei insgesamt hypointensem Signal der Leber (. Abb. 24.11b). Die Eisenablagerungen führen zu einem höheren Läsion/Leberkontrast, was die Früherkennung von Malignomen erleichtert. Zirrhotische Umbauten und begleitende, extrahepatische Veränderungen sind sowohl in der CT als auch in der MRT gut zu erkennen.
Definition, Klinik Die Unterscheidung zwischen Hämosiderose und Hämochromatose wird über den Eisengehalt und das Vorliegen einer Funktionsbeeinträchtigung getroffen: 4 Die Hämosiderose weist eine Erhöhung des Speichereisens bis auf ca. 20 g bei normaler Leberfunktion auf. 4 Bei der Hämochromatose finden sich Werte bis >50 g und assoziierte Leberfunktionsstörungen.
24.5.5
Sonstige diffuse Lebererkrankungen
Sarkoidose Histopathologisch ist bei der Sarkoidose in 25–75% ein Leberund Milzbefall festzustellen, eine klinisch relevante Dysfunktion des befallenen Organs ist jedoch selten. Bildmorphologisch kann eine Hepatosplenomegalie nachweisbar sein. In bis zu einem
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776
Kapitel 24 · Leber
a . Abb. 24.11a, b. Hämochromatose CT, MRT. a Computertomographisch lässt sich der erhöhte Eisengehalt durch einen Anstieg der Dichtewerte auf >70 HE nachweisen. b In den T1w-MRT-Sequenzen sind gut umschriebene Signalauslöschungen in der insgesamt hypointensen Leber zu erkennen,
die umschriebenen Eisendepots entsprechen. Auffällig ist eine Größenreduktion der Leber mit begleitendem Aszites, was auf ein bereits länger bestehendes Geschehen mit Entwicklung einer mikronodulären Pigmentzirrhose schließen lässt
Drittel der Fälle finden sich knotige Veränderungen mit einer Größe von 2–20 mm, die allenfalls ein geringgradiges Kontrastmittel-Enhancement aufweisen. Häufig kommt es zu einer Lymphadenopathie an der Leberpforte und zöliakal, was die Abgrenzung von einem Lymphom erschweren kann.
fig sind Ablagerungen in den Stammganglien (»hepatolentikuläre Degeneration«), aber auch in der Kornea (Kayser-FleischerKornealring), den Nieren und Erythrozyten.
Amyloidose Man unterscheidet die primäre Amyloidose, die mit Immunglobulin-Erkrankungen (z. B. multiples Myelom) assoziiert ist, von der sekundären Form bei chronisch inflammatorischen Erkrankungen (z. B. rheumatoide Arthritis). Die bildgebenden Befunde sind unspezifisch, häufig ist eine Hepatomegalie der einzige Hinweis auf einen Leberbefall. In der CT erkennt man manchmal hypodense Areale ohne raumfordernde Wirkung, die vermindert Kontrastmittel aufnehmen. Richtungweisend ist die oft gleichzeitig zu beobachtende, verminderte Kontrastmittel-Aufnahme der Milz.
Morbus Wilson
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Aufgrund eines autosomal-rezessiv vererbten Enzymdefekts mit Störung der biliären Kupferausscheidung kommt es zu erhöhten Coeruloplasminspiegel im Serum bei gleichzeitig erniedrigtem Kupfergehalt des Serums. Toxische Coeruloplasmin-Kupfer-Komplexe akkumulieren in der Leber, was computertomographisch durch erhöhte Dichtewerte nachgewiesen werden kann. Die Zellschädigung kann fettige Umbauvorgänge, Nekrosen oder eine chronische Hepatitis bis zur Zirrhose nach sich ziehen. Die MRT ist im Anfangsstadium unauffällig, später zeigen sich ein diffus angehobenes T1-Signal und eine mikronoduläre Zirrhose mit teils hypointensen Herden bei vermehrter Kupferspeicherung. Nach Überschreiten der hepatischen Speicherkapazität werden auch andere Organsysteme miteinbezogen. Besonders häu-
Sonstige Unabhängig von der vorliegenden Noxe reagiert die Leber auf Schädigungen immer ähnlich mit unspezifischen Veränderungen, welche insbesondere im Anfangsstadium nur durch eine Hepatomegalie auffällig werden können, im weiteren Verlauf dann steatotische oder zirrhotische Veränderungen bis zur Hepatitis mit fulminanter Nekrose umfassen. Sowohl akute als auch chronische Verläufe sind möglich. Neben Gendefekten (Morbus Wilson, Glykogen-Speicherkrankheiten) kommen auch toxische Ursachen (Vinylchlorid, Arsen) oder Folgen einer Radiatio bzw. Chemotherapie sowie multiple medikamentöse Auslöser in Betracht (Anästhetika, Antikonvulsiva, Antiphlogistika, Antidepressiva, Antibiotika, Analgetika, kardiovaskuläre Präparate, Amiodaron, Hormonpräparate). > Insbesondere für den Typ I der Glykogenspeicherkrankheiten (von Gierke) und den Morbus Gaucher ist eine erhöhte Inzidenz für die Entwicklung eines HCC bekannt.
Bestrahlungsfolgen Eine Strahlenhepatitis als venookklusive, entzündliche Reaktion auf Bestrahlungsdosen >35 Gy tritt meist 2–6 Wochen nach Therapieende auf. Im Regelfall heilt sie komplett aus, selten nimmt sie einen langsam progredienten oder chronischen Verlauf mit Atrophie und Fibrose des Bestrahlungsfeldes bei kompensatorischer Hypertrophie des umgebenden Gewebes. In der CT finden sich scharf demarkierte hypodense Areale als Ausdruck öde-
777 24.6 · Herdförmige Lebererkrankungen: zystisch-dysontogenetische Formen
matöser Veränderungen. Nach Kontrastmittelgabe erscheinen die bestrahlten Areale sowohl in der arteriellen als auch portalvenösen Phase hypodens mit verzögerter Anreicherung in der Spätphase. Vergleichbar sind die Befunde in der MRT.
24.5.6
Hepatitis
7 Kap. 24.7, Entzündliche Erkrankungen.
24.6
Herdförmige Lebererkrankungen: zystisch-dysontogenetische Formen
24.6.1
Zysten
Einfache Zysten Zysten sind mit Epithel ausgekleidete, dysplastische bzw. hyperplastische Gallengangsdeformitäten, die sich in ca. 7% der Bevölkerung, autoptisch sogar in bis zu 14%, als Zufallsbefund finden. Frauen mittleren Alters sind bevorzugt betroffen. Sie sind in der Mehrzahl der Fälle solitär, können aber auch multipel vorkommen (. Abb. 24.12). Ihre Größe variiert von wenigen Millimetern bis zu >20 cm. In der Regel sind sie einkammerig, Septierungen sind jedoch möglich. Ein meist einschichtiges Epithel bildet die Abgrenzung zum umgebenden Parenchym, durch Kompression kann jedoch der Eindruck einer Pseudokapsel entstehen. Peribiliäre Zysten entstehen aus erweiterten periduktalen Drüsen, die nahe der großen, intrahepatischen Gallengänge gelegen sind. Sie sind häufig multipel und liegen nahe dem Leberhilus. Im Gegensatz zu anderen, einfachen Zysten weisen sie eine erhöhte Zirrhose-Inzidenz auf. Zysten sind für gewöhnlich symptomlos, lediglich bei großen Zysten kann es durch Kompression zu Beschwerden kommen, Komplikationen sind selten. Als komplizierte Zysten werden eingeblutete, rupturierte oder superinfizierte Zysten bezeichnet, die zu einem akuten Krankheitsbild führen können.
tenflüssigkeit oder Sedimentablagerungen. Problem der Sonographie ist bei Zystenlebern die Darstellung des dazwischen gelegenen, soliden Lebergewebes, das durch die entstehenden Schallverstärkungen teils nur schwer und eingeschränkt beurteilbar ist. Die CT zeigt Zysten häufig als Zufallsbefunde. In der Dünnschicht-CT können Herde bis zu einer Größe von 3–4 mm nachgewiesen werden. Computertomographisch sind die zystischen Hohlräume hypodens, mit flüssigkeitsisodensen Dichtewerten zwischen 0–15 HE. Eine Kontrastmittel-Aufnahme fehlt, es kann jedoch ein randständiges Enhancement durch die Pseudokapsel vorgetäuscht werden. Ein intraluminales Pseudoenhancement bis zu 10 HE ist durch Partialvolumeneffekte möglich. Steigen die Dichtewerte >20 HE, kann eingebluteter oder proteinreicher Zysteninhalt die Ursache sein. Zum Ausschluss anderer Entitäten kann dann die MRT herangezogen werden. Auch sie ermöglicht die Detektion kleinster zystischer Herde bis zu wenigen mm Größe. Das Signal ist flüssigkeitsäquivalent, also hypointens in der T1- und hyperintens in der T2-Wichtung (. Abb. 24.12c), kann aber bei proteinreichen Zysteninhalt oder bei Einblutungen abweichen. Ein Enhancement fehlt (. Abb. 24.12e). Bei Vorliegen einer Zystenleber finden sich multiple Herde unterschiedlicher Größe in oft haufenförmiger Anordnung. Die Ränder sind hierbei nicht immer vollkommen glatt, häufig zeigen sich stippchenförmig eingestreute Randwallverkalkungen, ansonsten entspricht der bildgebende Eindruck dem solitärer Zysten. Differenzialdiagnostisch sind Parasitosen, Abszesse oder zystische Metastasen auszuschließen. Ein gutes Unterscheidungsmerkmal ist deren randständiges, ringförmiges Kontrastmittel-Enhancement, während dysontogenetisch-zystische Läsionen allenfalls ein Pseudoenhancement durch komprimiertes Nachbargewebe zeigen. Kommt es zur Superinfektion, ist auch bei Zysten ein randständiges Enhancement, teils auch intraluminale Gaseinschlüsse, zu erkennen: damit wird die Unterscheidung, insbesondere bei Herden <1 cm, zusätzlich erschwert. Im Vergleich zur Zystenwand findet sich ein breiterer und irregulärer Randsaum mit knötchenförmigen Verdickungen und soliden Anteilen.
Polyzystische Lebererkrankungen: Zystenleber Im Gegensatz zu einfachen Zysten ist das Erkrankungsbild häufig mit polyzystischen Veränderungen des Pankreas oder der Nieren kombiniert. Auch begleitende Missbildungen des Urogenitaltrakts sind nicht ungewöhnlich. Ein autosomal-dominanter Erbgang, der an das Auftreten polyzystischer Nierenerkrankungen gekoppelt ist, ist bekannt. Eine Hepatomegalie kann entstehen, die Entwicklung einer Leberinsuffizienz wird trotz der massiven Parenchymveränderungen nur in Ausnahmefällen beobachtet. Durch die raumfordernde Wirkung kann es zur Kompression von Blutgefäßen, Gallengängen oder auch Nachbarorganen kommen.
Typische Merkmale von Leberzysten 4 Ultraschall: echoleerer Inhalt, fehlende solide Wandanteile, dorsale Schallverstärkung, Zystenrandschatten 4 Flüssigkeitsisodenser bzw. -isointenser Inhalt 4 Fehlende Kontrastmittel-Aufnahme (cave: »Pseudoenhancement« des umgebenden, komprimierten Leberparenchyms)
24.6.2
Hamartome
Bildgebung Sonographisch sind Herde ab 0,5–1 cm sind mit hoher Treffsicherheit detektierbar. Es finden sich zartberandete, echofreie, rundliche Formationen in unterschiedlicher Größe, die in 8–10% septiert sind. Charakteristisches Zeichen ist die dorsale Schallverstärkung. Bei Einblutungen erkennt man Reflexe in der Zys-
Biliäre Hamartome. Die klinisch für gewöhnlich asymptoma-
tischen biliären Hamartome (von-Meyenburg-Komplexe) sind ein häufiger autoptischer Zufallsbefund (2–3%). Es handelt sich dabei um angeborene, gutartige biliäre Malformationen mit zystischen Komponenten, die in ein unterschiedlich ausgeprägtes
24
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Kapitel 24 · Leber
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. Abb. 24.12a–e. Zyste. a Sonographie: Solitäre Leberzyste mit echofreier Binnenstruktur, glatter, zarter Berandung bei fehlendem Randwall und charakteristischer dorsaler Schallverstärkung. Am Boden der Zyste ist ein kleiner Spiegel zu erkennen, der Sedimentablagerungen entspricht. b In der CT stellen sich Zysten als glatt berandete, rundliche Herde mit Dichten von 0–30 HE dar. Eine KM-Aufnahme fehlt gänzlich. c MRT: 2 glatt berandete Zysten, deren Inhalt liquoräquivalente Dichten aufweist. d Nach KM-Gabe bleibt das hypointense Erscheinungsbild in T1-gewichteten Aufnahmen bestehen ohne Nachweis eines Enhancements, auch der Zystenrand zeigt keine vermehrte KMAufnahme. e Dass es sich trotzdem nicht um vitale, solide Gewebe handelt, lässt sich gut an der fehlenden KM-Aufnahme mit völlig unverändertem Signal nachweisen. Gut zu erkennen ist auch die Sedimentierung in 2 Zysten mit Spiegelbildung
e
779 24.7 · Herdförmige Lebererkrankungen: entzündlich-infektiöse Formen (inkl. Hepatitis)
fibröses Stroma eingebettet sind. Eine Kommunikation zu den Gallengängen besteht nicht. In der CT sind sie als kleine (5–15 mm) zystoide Herde mit unregelmäßigen Berandungen zu erkennen, die häufig multipel vorkommen und über die ganze Leber verstreut sind. Häufig liegen sie in Nachbarschaft mittelgroßer portaler Äste. Sie nehmen kein Kontrastmittel auf, allenfalls kann ein ringförmiges Pseudo-Enhancement erkennbar sein. Mesenchymale Hamartome. Diese setzen sich aus einer Mischung aus mesenchymalen Gewebe und Gallengängen mit zystischen Arealen zusammen. Sie sind sehr selten und weisen eine schnelle Wachstumstendenz auf. Sie werden oft schon im Kleinkindesalter symptomatisch, mit einem Häufigkeitsgipfel zwischen dem 15. und 22. Monat. Spätere Manifestationen (bis zum 19. Lebensjahr) sind möglich. Der rechte Leberlappen ist deutlich häufiger betroffen (>80%). Sie unterscheiden sich in der Bildgebung deutlich von den biliären Hamartomen, mit Nachweis eines großen (5–30 cm), meist solitären, inhomogenen, computertomographisch insgesamt eher hypodensen Herdes (. Abb. 24.13). Darin sind große zystische Komponenten (>10 cm) enthalten, die meist unterschiedliche Dichtewerte aufweisen. Es kommt zu einer inhomogenen Kontrastmittel-Aufnahme der hypervaskularisierten Tumoranteile.
24.7
Herdförmige Lebererkrankungen: entzündlich-infektiöse Formen (inkl. Hepatitis)
24.7.1
Hepatitis
Definition, Ätiologie, Verlauf Es lassen sich toxische Hepatitiden durch Stoffwechselerkrankungen, Alkohol oder Medikamente (Amiodaron, Narkotika, Kontrazeptiva, Chemotherapie) von autoimmunen, infektiösen (bakteriell, viral, fungal) und postradiogenen Entzündungen abgrenzen. Am weitesten verbreitet ist die Virushepatitis. Die Hepatitis C, die ein deutliches Gefälle bezüglich ihrer Inzidenz zwischen westlichen Ländern (1%) und Afrika (ca. 10%) zeigt, chronifiziert in ungefähr der Hälfte der Fälle mit Entwicklung eine Leberzirrhose in 10–20% der Fälle und konsekutiv erhöhtem HCCRisiko. Die akute Entzündung ist durch das Anschwellen der Hepatozyten gekennzeichnet, fulminant-nekrotisierende Verläufe sind möglich. Im weiteren Verlauf treten zentrilobuläre Nekrosen und periportale entzündliche Infiltrationen, sowie reaktive Veränderungen der Sinusoide auf. Es kommt zu einer zentrilobulären Cholestase und Gallengangsproliferationen.
. Abb. 24.13. Mesenchymales Hamartom, CT. Man erkennt einen hypodensen Herd mit zystischen Arealen. Typisch ist das Auftreten bei Kindern und Jugendlichen mit einer schnellen Wachstumsprogredienz. Der rechte Leberlappen ist deutlich häufiger betroffen (80%)
In der Sonographie ist eine Hepatomegalie, evtl. mit begleitender Lymphadenopathie, nachweisbar. Aufgrund des Gewebeödems ist die Leber konsistenzvermehrt, mit verstärkter Schallleitung. CT und MRT liefern keine weiterführenden Ergebnisse. Durch das Lymphödem sind die erweiterten Periportalfelder in der CT hypodens, in T1w-Sequenzen vermehrt hypointens bzw. hyperintens in T2w-Sequenzen. In den seltenen Fällen, in denen eine Angiographie durchgeführt wird, lassen sich unspezifische, entzündliche Veränderungen mit gestrecktem, aufgebogenem Verlauf der Arterien und unscharfer Abgrenzung der Gefäße darstellen. Das Hepatogramm ist inhomogen, mit intensivierter und verlängerter Anreicherung. Bei länger bestehender, chronifizierter Entzündung dehnen sich die anfänglich um die Portalfelder lokalisierten, inflammatorischen Veränderungen in das Parenchym aus. Fibröse Veränderungen um die Lobuli, intralobuläre Septen und nekrotische Areale treten hinzu. Die Veränderungen des Akutstadiums weichen zirrhotischen Umbauvorgängen mit makronodulären Regeneratknoten und Zeichen der portalen Hypertension. In dieser Phase kann die Unterscheidung zu metastatischen Absiedlungen schwierig sein.
Bildgebung
24.7.2
> Prinzipiell stellen Hepatitiden keine Indikation für die bildgebende Diagnostik dar, da sich nur diskrete, unspezifische Veränderungen nachweisen lassen. Sie gewinnt aber beim HCC-Screening oder bei der Abklärung von Komplikationen an Bedeutung.
Der Leberbefall der Tuberkulose ist für gewöhnlich mit ihrer miliaren Form assoziiert. Daher finden sich meist mikronoduläre Herde, makronoduläre Veränderungen sind seltener. Bildgebend fällt bei der mikronodulären Form eine mäßiggradige He-
Tuberkulose
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780
Kapitel 24 · Leber
patomegalie ohne klar umschriebenen Herdbefund auf. Das Lebergewebe kann homogen zur Darstellung kommen oder einen inhomogenen Aspekt aufweisen. Bei der makronodulären Form finden sich disseminierte hypodense Knötchen mit Dichtewerten zwischen 35–45 HE. Verkalkungen sind möglich. Eine begleitende Lymphadenopathie, Aszites oder ein peritonealer Befall können ebenfalls nachweisbar sein.
24.7.3
Leberabszesse
Intrahepatische Abszesse sind in westlichen Ländern selten, autoptisch werden sie in ca. 1% der Fälle vorgefunden. Am häufigsten (ca. 85%) liegt ihnen eine pyogene Ursache zugrunde, während in Ländern mit niedrigen hygienischen Standards Amöben und Pilze überwiegen. Aufgrund der Durchblutungsverhältnisse ist der rechte Leberlappen bevorzugt betroffen (ca. zwei Drittel der Fälle), gefolgt von bilateralen Abszedierungen (ca. 23%), während der linke Leberlappen eine eher untergeordnete Rolle spielt. Multilokuläre Herde, die meist in beiden Leberlappen auftreten, sind häufiger biliären als vaskulären Ursprungs. Klinisch findet sich im Akutstadium, neben erhöhten Entzündungsparametern und Leberwerten, eine ausgeprägte Beschwerdesymptomatik mit Oberbauchschmerzen und Hepatomegalie, das Krankheitsbild kann bis zur Sepsis fortschreiten. Die anschließende Abheilung kennzeichnet eine zunehmende Verkleinerung der Abszesshöhle durch Eindickung und Resorption des Inhalts bzw. dessen Drainage über die Gallengänge. Residuelle Verkalkungen können zurückbleiben. Die endgültige Restitutio ad integrum kann Monate dauern. Auf chronische Verläufe weisen persistierende oder intermittierend auftretende Fieberschübe hin.
Pyogene Leberabszesse Ätiologie Betroffen sind v. a. ältere, abwehrgeschwächte Patienten. Das Erregerspektrum umfasst E. coli, Staphylococcus aureus, Enterokokken, Klebsiellen oder Anaerobier. In der Hälfte der Fälle werden mehrere Erreger isoliert. Hauptsächlich ist der Infektionsweg biliär infolge einer Cholangitis, gefolgt von Entzündungen aus dem portalvenösen Stromgebiet (Appendizitis, Divertikulitis, Pankreatitis, chronische entzündliche Darmerkrankungen). Per continuitatem können Magen- oder Duodenalulzera, Lobärpneumonien, Pyelonephritiden oder subphrenische Abszesse zu einer Mitbeteiligung der Leber führen. Eine arterielle, embolische Aussaat im Rahmen einer Sepsis oder posttraumatische bzw. postinterventionelle Ursachen sind eher selten.
Bildgebung
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Bereits sonographisch lassen sich die zeitlich aufeinander folgenden Abszessstadien gut darstellen: In der bis zu 10 Tagen andauernden, Initialphase ist ein ödematöser, echoarmer Bezirk zu erkennen, der schon kleine, eingeschmolzene, nekrotische Areale aufweisen kann. Bei subkapsulären Lage können Konturdeformitäten beobachtet werden. Eine sichere Abgrenzung zu tumorösen Veränderungen ist sonographisch nicht möglich.
In der anschließenden Kolliquationsphase (Tag 10–15) ist das nekrotische Zellmaterial größtenteils abgebaut, die liquiden Areale überwiegen. Daher kann man jetzt echoarme, relativ glatt begrenzte Läsionen mit dorsaler Schallverstärkung erkennen, die einen nach innen unregelmäßigen, echoreichen Randwall besitzen (. Abb. 24.14a). Der Nachweis dorsaler Binnenechos entspricht sedimentiertem Detritus. Auch Septierungen sind möglich. Bei Anaerobiern und Gasbildnern können kleine Gasbläschen zu einer echoreichen Darstellung des Abszessinhalts mit zartem Schallschatten führen, bei Gas-Flüssigkeitsspiegeln sind die transducerfernen Abschnitte dadurch maskiert. ! Bei Immunsuppression und Cholangitiden finden sich häufig multiple, kleine Abszesse, die aufgrund ihrer Multifokalität manchmal nur schwer von Metastasen zu unterscheiden sind. Weiterhin stehen andere nekrotisierende Prozesse oder ein intrahepatisches Hämatom differenzialdiagnostisch zur Diskussion.
Die Konsolidierungsphase (ab Tag 15) zeichnet sich durch eine zunehmende Resorption aus, die Innenwand des Abszesses wird zunehmend glatter und der Randwall nimmt an Umfang zu. Es folgt die narbige Abheilung, teils mit residuellen Kalkablagerungen. Auch computertomographisch und in der MRT lassen sich die beschriebenen Abszessstadien mit hoher Sensitivität nachvollziehen: In der CT findet sich ein rundlicher oder irregulär begrenzter, hypodenser Herd mit unscharfen Berandungen. Für frische Abszesse sind Dichtewerte um 30 HE typisch, superinfizierte Zysten weisen meist etwas niedrigere HE-Werte auf. Nach Kontrastmittelgabe ist zentral keine Anreicherung nachweisbar und auch der umgebende Wall aus Granulationsgewebe zeigt nur in der Hälfte der Fälle das charakteristische Ringenhancement. Wird dieser Wall von einer Ödemzone umgeben, kommt es zur Ausbildung eines so genannten »double-target-sign« (. Abb. 24.14b, c). Gaseinschlüsse bei Anaerobierinfektionen sind spezifisch, aber nur in Ausnahmefällen nachweisbar. Beim Auftreten von Abszess-Clustern, wie sie v. a. bei einer cholangitischen Genese vorkommen, ist die Differenzialdiagnose zu einem malignen Prozess beim Vorliegen von Konglomeraten unterschiedlich großer, zystischer Läsionen mit irregulärer Konfiguration oft erschwert. Eine Aspirationsbiopsie zur Diagnosesicherung und Keimbestimmung kann dann Klarheit schaffen. Auch die CT-gesteuerte Drainageneinlage zur Abszessentlastung ist möglich. Neben der Hepatomegalie werden weitere, unspezifische Begleitreaktionen wie ein rechtsseitiger Zwerchfellhochstand, Pleuraergüsse oder auch basale, intrapulmonale Dystelektasen und Infiltrate computertomographisch zuverlässig miterfasst. Neben den bereits beschriebenen, allgemeinen Merkmalen sind Abszesse in der T1-Wichtung scharf berandet und hypointens, während sie in T2-Wichtungen variierende Signalintensitäten, je nach Konsistenz ihres Inhalts, zeigen können. Auch in der MRT kommt es nach Kontrastmittelgabe typischerweise zu einem kräftigen Randenhancement, aber auch nur gering Kontrastmittel aufnehmende, unscharf abgrenzbare Übergangszonen zum normalen Lebergewebe sind möglich.
781 24.7 · Herdförmige Lebererkrankungen: entzündlich-infektiöse Formen (inkl. Hepatitis)
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Amöbiasis Epidemiologie Eine Infektion mit Entamoeba histolytica ist weltweit die häufigste Ursache von hepatischen Abszessen. 10% der Weltbevölkerung sind infiziert, endemisch ist die Erkrankung in den Tropen und Subtropen, aber auch im Südwesten der USA. In zivilisierten Regionen liegt die Infektionsrate bei ca. 6%, wobei v. a. Randgruppen betroffen sind. 10% der Betroffenen entwickeln einen Leberabszess, der damit die häufigste extraintestinale Komplikation darstellt.
Pathogenese Nach oraler Aufnahme führen die Trophozoiten zu einer Durchwanderungsenteritis der Darmmukosa (Amöbenruhr) und gelangen anschließend über mesenchymale Lymphbahnen oder Venen, bzw. direkt peritoneal durch Kapselpenetration, in die Leber. Durch die Aggregation in kleinen Lebervenen kommt es
. Abb. 24.14a–c. Abszess. a Sonographie: Abszess in der Kolliquationsphase – echoarmer, liquider Abszessinhalt mit dorsaler Schallverstärkung (der daneben zu erkennende Schallschatten ist durch das verwendete interkostale Schallfenster bedingt). Die Wand ist im Gegensatz zu blanden Zysten verdickt mit einem unregelmäßig in das Lumen ragenden, echoreichen Randwall. b CT: Auch irregulär begrenzte und septierte Abszesscluster können beobachtet werden. c MRT: Abszessherde mit deutlichem Enhancement des Randwalls in der kontrastunterstützten T1-VIBE-Sequenz. Die Herde sind klar zum umgebenden Leberparenchym abgegrenzt. Der Inhalt ist homogen hypointens ohne KM-Aufnahme. Die Multifokalität des Geschehens lässt auf eine embolische Aussaat schließen
zu Thrombosierungen mit Infarkten und Nekrosen. Bei ausbleibender Abheilung konfluieren die ischämischen Nekrosen und bilden in ca. einem Drittel der Fälle septierte, sterile Abszesse, die Blut und Detritus enthalten, während die Trophozoiten in den umgebenden Nekrosezonen persistieren.
Bildgebung Eine Abszessmembran ist nicht vorhanden, lediglich zeigt sich eine kapselähnliche Begrenzung durch komprimiertes Leberbindegewebe. Der rechte Leberlappen wird deutlich bevorzugt, in 75–85% handelt es sich um solitäre Läsionen. Wie auch bei den pyogenen Abszessen werden die intrahepatischen Veränderungen häufig von einer Hepatomegalie, Pleuraergüssen und perihepatischer Flüssigkeit begleitet. Sonographisch sind die Herde nicht sicher von pyogenen Abszessen zu differenzieren. Hinweise auf eine Amöbiasis liefern
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782
Kapitel 24 · Leber
das unilokuläre Vorkommen und die subkapsuläre Lage. Auch die CT-Befunde zeigen nur die Abszedierung ohne spezifische Hinweise auf eine Amöbiasis. Man erkennt meist solitäre, gut berandete, rundliche, hypodense Herde mit Randenhancement. Im Frühstadium können Dichtewerte wie bei soliden Läsionen gemessen werden. Die Ränder sind oft nodulär, können aber auch glatt imponieren. Häufig findet sich ein perifokales, inkomplettes Randödem. Diese Befunde spiegeln sich auch in der MRT wider. > Die Indikation zur sonographisch- oder CT-gesteuerten Punktion oder Drainage ergibt sich, wenn die medikamentöse Therapie versagt, der Verdacht auf eine bakterielle Superinfektion besteht, eine Abszessruptur droht oder eine Schwangerschaft vorliegt.
Pilzinfektionen Sie machen 9% aller Leberabszesse aus und sind oft mit einer bestehenden Abwehrschwäche assoziiert, z. B. aufgrund einer immunsupressiven Behandlung oder einer hämatologischen Tumorerkrankung. Typische Erreger sind Candida albicans, Aspergillus-Species und Kryptokokkus. Der Leberbefall geht häufig mit einem begleitenden Milz- und Nierenbefall einher. Bildgebung. Die bildgebenden Befunde sind unspezifisch mit multiplen, kleinen Mikroabszessen, die im CT als hypodense Herde über die gesamte Leber verteilt sind und teilweise ein Randenhancement aufweisen können. Größere Herde lassen manchmal ein charakteristisches, hyperdenses Zentrum erkennen. Zur sicheren Differenzialdiagnose gegenüber Metastasen, Lymphomen, Sarkoidoseherden oder einer Infektion mit Mykobakterien ist normalerweise die Biopsie nötig. Bei abgeheilten Herden können Verkalkungen zurückbleiben.
Aktinomykose Für die Aktinomykose sind große, solitäre Herde typisch, die von putriden Waben durchsetzt sind, welche Drusen enthalten. Der Befund lässt sich sowohl sonographisch als auch CT- und MRTmorphologisch gut darstellen.
24.7.4
Perihepatische Abszedierung
Neben intrahepatischen Befunden kommen auch subphrenische oder subhepatische Abszesslokalisationen vor. Häufig treten sie nach einer Ulkusperforation, im Zuge einer Appendizitis, Peritonitis oder Cholezystitis, aber auch postoperativ auf.
24
Bildgebung. Rechtsseitig bilden sie ein sichelförmiges, liquides Band zwischen Leber und Zwerchfell oder lateraler Bauchwand, während sich links häufig ein Auslaufen nach subhepatisch zeigt. Weitere Lokalisationen finden sich dorsal des rechten Leberlappens und ventral der rechten Niere am Morrison-Pouch. Oft wird die Abszedierung von einem rechtsseitigen Pleuraerguss begleitet. Während analog zu den intrahepatischen Abszessen mittels CT und MRT eine gute Darstellung der Veränderungen, teils auch der auslösenden Quelle und von Komplikationen, gelingt, ist die Sonographie insbesondere bei dorsal und
lateral gelegenen Befunden durch Artefakte (linke Kolonflexur, Rippen, Lungengewebe) limitiert.
24.7.5
Parasitosen
Echinokokkose Die Echinokokkose ist die häufigste parasitäre Lebererkrankung in Europa, wobei der Mensch als Zwischenwirt für die Larven (Finnen) fungiert. Aufgabe der Bildgebung ist die exakte anatomische Lokalisation mit Darstellung der Beziehung zu intrahepatischen Strukturen sowie einer evtl. Multifokalität oder des Mitbefalls umgebender Organe.
Echinococcus granulosus (Hundebandwurm, zystische Echinokokkose) Der Hundebandwurm kommt endemisch in Mittelmeerländern, Russland, dem mittleren Osten, Japan, Australien, Südamerika und Teilen Afrikas vor. Die Finnen durchdringen die Darmschleimhaut und gelangen in drei Viertel der Fälle mit dem portalen Blutstrom zur Leber, die zweithäufigste Lokalisation ist die Lunge, aber auch Peritoneum, Nieren, Milz, Herz oder ZNS können befallen werden. Die Larven entwickeln sich in langsam wachsenden Hydatiden, die sich aus der außen liegenden Perizyste, die aus infiltriertem Wirtsparenchym besteht, und der Endozyste, welche die Keimschicht beinhaltet, zusammensetzen. Durch Invagination der inneren Keimschicht bilden sich Tochterzysten, die in das Lumen der Mutterzyste hineinragen. Daneben sind auch solitäre Zysten mit teils erheblicher Größe und verdrängendem Wachstum möglich. Ältere Zysten haben Zelldetritus und Cholesterin zum Inhalt, Kalk kann sowohl intraluminal als auch im Bereich der schrumpfenden Kapsel als Zeichen der Avitalität gefunden werden. Viele Patienten werden erst nach einem längeren Krankheitsverlauf durch Komplikationen, wie der Kompression von benachbarten Strukturen oder Sekundärinfektionen mit Abszedierung, auffällig. Bei einer Zystenruptur kann es zur Aussaat der Scolices mit anaphylaktoider Reaktion durch die freigesetzten Allergene kommen. Therapeutisch wird z. B. Mebendazol oder Albendazol eingesetzt, das teils (CT-gesteuert) direkt in den Herd eingebracht wird. Bei solitärem Befall ist auch eine chirurgische Resektion möglich. Bildgebung. Man unterscheidet 3 unterschiedliche Formen der
Echinokokkuszyste: 4 Die unkomplizierte Echinokokkuszyste (Typ I) liegt meist kapselnah im kranialen Leberanteil und ist oft erst nach Ablösung der Zystenmembran sicher von dysontogenetischen Zysten zu unterscheiden. 4 Typ II beschreibt ein Stadium mit Ausbildung von Tochterzysten (»Zyste-in-der-Zyste«, . Abb. 24.15a). Dabei finden sich multiple, teils polyedrisch begrenzte Zysten mit stegoder gitterartigen »Septierungen«, die meist wandständig innerhalb einer dicken Zystenkapsel lokalisiert sind. 4 Ältere Zysten (Typ III) weisen solide, intrazystische Anteile auf, mit verdickten, oft auch verkalkten Wänden.
783 24.7 · Herdförmige Lebererkrankungen: entzündlich-infektiöse Formen (inkl. Hepatitis)
ontogenetischen Zysten unterscheidet. Randständige sowie intraluminale Verkalkungen sind CT-morphologisch gut nachweisbar (. Abb. 24.15b). Kommt es zu einer Abszedierung, finden sich Luftspiegel sowie gesteigerte HE bei sonographisch echoreichem Zysteninhalt.
Echinococcus multilocularis (Fuchsbandwurm, alveoläre Echinokokkose)
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Der Fuchsbandwurm kommt endemisch in Zentraleuropa, Russland, Japan und Nordamerika vor, wo er gehäuft bei Jägern oder Forstarbeitern auftritt. Prognostisch unterscheidet er sich von Echinoccocus granulosus durch seine erhöhte Letalität von 50– 75%, da die Herde aufgrund des infiltrativen Wachstumsmusters meist inoperabel sind. Die Larven gelangen fast ausschließlich in die Leber, wobei die zentralen Abschnitte beider Leberlappen und der Hilus bevorzugt befallen werden, der rechte Leberlappen häufiger als der linke. Es bildet sich ein harter Herd mit punktförmigen Kalkeinschlüssen und Einschmelzungen, der ein invasives, diffus infiltrierendes Wachstum aufweist. Früh kommt es dadurch zu einer Obstruktion der Gallenwege und anderer Strukturen der Leberpforte mit Ausbildung eines obstruktiven Ikterus bei teils tastbarem Tumor. Bei chronischen Verläufen ist durch granulomatöse Reaktionen eine zentrale Höhlenbildung möglich. Bildgebung. Hier bietet sich kein eindeutiges Erscheinungsbild.
b . Abb. 24.15a, b. Echinokokkuszyste. a Sonographie: Man erkennt einen Herd mit dicker Kapsel, der eine komplexe Binnenstruktur mit multiplen polyedrisch begrenzten Zysten mit gitterartiger Septierung aufweist (»Zystein-der-Zyste«). Auch solide Anteile mit Wandverdickung sind als Ausdruck eines bereits länger bestehenden Geschehens zu beobachten. b CT: Der unregelmäßige, stark KM aufnehmende Randwall lässt sich klar vom umgebenden Leberparenchym abgrenzen. Sowohl intraluminal als auch randständig sind Verkalkungen im Sinne regressiver Veränderungen zu erkennen. Daneben finden sich auch peritoneal verkalkte Absiedlungen
Neben der Sonographie stellt die CT die Basis-Bildgebung dar, sowohl zur Therapieüberwachung, als auch vor Interventionen oder präoperativ. Die Nativ-CT zeigt gut abgrenzbare zystische Läsionen mit flüssigkeitsisodensen HE-Werten, die aber bei dicht gepackten Scolices (»Hydatidensand«) bis 45 HE ansteigen können. Die Tochterzysten erscheinen normalerweise als eigenständige Herde innerhalb der Zyste, können aber auch den Eindruck eines multilokulären Geschehens vermitteln. Ihre Dichtewerte liegen dabei teils unter denen der Mutterzyste. Häufig sind auch dünne Septen nachweisbar, sowie ein stark Kontrastmittel aufnehmender Randwall, was sie von einfachen, dys-
Es finden sich 2–15 mm große, blasige Herde, die traubenförmig angeordnet sind, aber auch solide, sonographisch echoreiche, unregelmäßig begrenzte Anteile besitzen. Computertomographisch stellen sich die Läsionen heterogen, mit niedrigem bis mäßigem Signal und geographischem Verteilungsmuster mit schlecht definierten Rändern dar. Darüber verstreut liegen punktuelle Verkalkungen unterschiedlicher Dichte. Größere, solitäre Zysten sind selten. Trotz einsprossender Blut- und Lymphgefäße sind zentrale Nekrosen typisch, mit pseudozystischen Dichtewerten zwischen 10–20 HE und einem hyperdensen, perifokalen Randsaum. Nach Kontrastmittelgabe kommt es zu einer inhomogen, tumorähnlichen Anreicherung, sodass die sichere Abgrenzung zu Malignomen oft erst durch die Serologie gelingt.
Andere Parasitosen Schistosoma japonicum ist eine v. a. in Südostasien auftretende Parasitose, die mit einem erhöhten HCC-Risiko verbunden ist. Bei Leberbefall zeigt sich ein, CT-morphologisch gut nachweisbares, charakteristisches Muster mit kapsulären oder kapselnahen parenchymatösen Verkalkungen. Die Leberoberfläche kann nodulär vorgewölbt sein, fibrotische Umwandlungen und eine Atrophie mit vermehrtem periportalem Fett sind im längeren Krankheitsverlauf zu beobachten. Zur Infektion mit dem chinesischen Leberegel Clonorchis sinensis kommt es nach dem Genuss von rohem Fisch. Die kleinen bis mittleren Gallenwege werden befallen, was sich bildgebend als diffuse, oft aber nur geringgradige, Erweiterung der intrahepatischen Gallengänge äußert. Männer sind, mit zunehmendem Alter, häufiger betroffen. Auch die Clonorchiasis ist mit einem erhöhten HCC-Risiko assoziiert.
24
784
Kapitel 24 · Leber
Die orientalische Cholangiohepatitis führt zu rezidivierenden Cholangitiden durch coliforme Bakterien. Es kommt zu Gallengangsstrikturen mit nachgeschalteter, fusiformer oder variköser Dilatation, Gallenwegssteine oder eine Aerobilie sind, ebenso wie Abszesse oder eine segmentale Atrophie bis zum Leberausfall, zu beobachten. Bei der sehr selten, v. a. im mittleren und fernen Osten, vorkommenden Infektion mit Burkholderia mallei (»Glanders disease«) finden sich eine oropharyngeale Mukositis sowie Abszesse in Lunge, Leber und Milz. Die Leberherde beginnen als multiple, kleine Knoten, die zu größeren nekrotischen Abszessen verschmelzen können. Unbehandelt ist die Infektion für den Menschen tödlich.
24.8
Herdförmige Lebererkrankungen: benigne/tumor-like lesions
24.8.1
Hämangiome
Definition; Epidemiologie Kavernöse Hämangiome werden in 5–7% der Bevölkerung als Zufallsbefund diagnostiziert und sind damit die häufigsten benignen, mesenchymalen Lebertumoren (. Tab. 24.8). Frauen sind 2- bis 5-mal öfter betroffen, wobei eine Häufung bei Mehrgebärenden und postmenopausal festzustellen ist. Eine hormonell bedingte Größenzunahme, z. B. während der Schwangerschaft, ist möglich. Selten sind sie mit einer fokalen oder regenerativen nodulären Hyperplasie oder dem Kasabach-Merritt-Syndrom assoziiert. Histologisch finden sich endothelausgekleidete vaskuläre Hohlräume, die durch fibröse Septen getrennt sind.
Bildgebung Kavernöse Hämangiome. Diese werden rein arteriell versorgt,
mit von peripher nach zentral gerichtetem Blutfluss. Die Herde
sind scharf begrenzt, mit oft subkapsulärer oder septennaher Lage, wobei der rechte Leberlappen bevorzugt betroffen ist (ca. 70%). Sie treten in über der Hälfte der Fälle solitär auf, daneben können aber auch multiple Befunde bis zur Hämangiomatose der Leber beobachtet werden. Ihr Durchmesser liegt für gewöhnlich <2 cm, ab 10 cm spricht man von »Riesenhämangiomen«, die eine Größe von bis zu 30 cm erreichen können. Durch den stockenden Blutfluss in den vaskulären Hohlräumen kommt es zu regressiven Veränderungen mit zentral beginnender Fibrosierung und Thrombosierung, im weiteren Verlauf zu Nekrosen und Verkalkungen. Einblutungen sind untypisch, Phlebolithen sehr selten, Spontanrupturen eine Rarität. Bei niedriger Komplikationsrate ist die Mehrzahl der Fälle asymptomatisch. Eine operative Therapie ist nur in Ausnahmefällen notwendig, so z. B. bei raumfordernden Riesenhämangiomen oder bei Hämangiomrupturen mit subkapsulären Hämatomen. Kapilläres Hämangiom. Diese seltenere Unterart setzt sich aus multiplen kleinen, bluthaltigen Hohlräumen zusammen, die dicht aneinander liegen und durch interstitielles Bindegewebe verbunden sind. Eine Weiterentwicklung zum kavernösen Hämangiom ist beschrieben. Sonographisch zeigen sich anfangs echoarme, bluthaltige Räume, die von echoreichen Septen durchzogen werden, gelegentlich ist auch eine abführende Vene zu erkennen. Bei zunehmender Thrombosierung der Blutleiter bildet sich das typische Erscheinungsbild mit echoreichen, rundlichen, glatt begrenzten Herden, die manchmal von echoarmen, linearen Strukturen durchzogen sind (. Abb. 24.16). Bei der Hämangiomatose finden sich multiple, meist gleich große, echoreiche Herde, die als »Stanzdefekte« bezeichnet werden. Atypische Muster umfassen zentral echoarme, randständig echoreiche Herde oder Herde mit zentralen Verkalkungen und dadurch bedingten Schallschatten. In diesen Fällen ist eine sonographische Diagnose oft unmöglich, insbesondere die Abgrenzung zu metastatischen Herden erfordert eine weitere Abklärung.
. Tab. 24.8. Leberherde im Überblick
Benigne
Maligne
Hepatozellulär
Hepatozelluläres Adenom FNH FRH Makroregenerationsknoten
HCC Fibrolamelläres Karzinom Hepatoblastom Sklerosierendes Lberkarzinom Karzinosarkom
Cholangiozellulär
Einfache Zysten Polyzystische Leber Kongenitale Leberfibrose Biliäre Zystadenome Gallengangsadenom
Zystadenokarzinom Cholangiozelluläres Karzinom
Hämangiom Hamartom Infantiles Hämangioendotheliom Lymphangiom Lipom, Angiomyolipom, Myelolipom, Leiomyom, Firbrom, Myxom
Angiosarkom Malignes fibröses Histiozytom Epitheliales Hämangioendotheliom Lymphom Leiomyosarkom, Rhabdomyosarkom, Fibrosarkom
Mesenchymal
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Sekundär
Lymphom Metastasen
785 24.8 · Herdförmige Lebererkrankungen: benigne/tumor-like lesions
. Abb. 24.16. Hämangiom, Sonographie. Sonographisch stellen sich Hämangiome als glatt berandete, typischerweise stark echoreiche Herdbefunde mit homogener Binnenstruktur dar
In der Nativ-CT ist die Darstellung eines gut abgrenzbaren, lobulierten subkapsulären Herdes, der auch Verkalkungen in den thrombosierten Anteilen aufweisen kann, richtungsweisend, entscheidend ist aber das charakteristische Kontrastverhalten in der Mehrphasen-CT: ab der arteriellen Phase kommt es zu einem »Zulaufen« der Herde von peripher nach zentral, was als »Irisblenden-Phänomen« bezeichnet wird (. Abb. 24.17a, b). In der vaskulären Equilibrium-Phase ist das Enhancement isodens zu den vaskulären Räumen und dementsprechend hyperdens zum umgebenden Lebergewebe (Blood-pool-Effekt). Eine verspätete oder fehlende Anreicherung spricht für regressive Veränderungen, die meist zentral lokalisiert sind. Isodense Werte zum Parenchym werden in der parenchymatösen Equilibrium-Phase erreicht (. Abb. 24.17c). Während das Kontrastmittel zunehmend aus dem Lebergewebe ausgewaschen wird, kann das Herdenhancement, insbesondere bei großen Herden, bestehen bleiben, sodass dann eine Kontrastumkehr zu beobachten ist. Vor allem kleine Herde zeigen oft ein davon abweichendes Kontrastmittel-Verhalten, teils mit bereits nach Sekunden erreichter, homogener arterieller Füllung. > Die Differenzialdiagnose zu hypervaskularisierten malignen Tumoren ist erschwert und oft ist dann das Kontrastmittel-Verhalten in der parenchymatösen Equilibrium-Phase der einzige Anhalt für die Benignität der Läsion.
Umgekehrt sind auch hypodens bleibende Herde möglich. Hier ist der Nachweis eines »Bright-dot-sign« richtungweisend: bei insgesamt hypodensem Herd zeigt sich, bevorzugt in der venösen Phase, eine periphere, punktuelle Anreicherung, die dem zuführendem Gefäß entspricht (. Abb. 24.17d). Riesenhämangiome verhalten sich oft untypisch mit einem unruhigen, heterogenen Erscheinungsbild, das durch eine in-
komplette Kontrastmittel-Aufnahme, kombiniert mit thrombotischen und nekrotischen Arealen, hervorgerufen wird. Häufig kommen große Feeder-Gefäße zur Darstellung. Durch die Hämangiom-typische Kontrastmittel-Dynamik ist die Diagnose meist trotzdem zu stellen. Die Kontrastmittel-Dynamik in der MRT entspricht den computertomographisch geschilderten Befunden. In NativScans stellen sich kleinere Hämangiome meist homogen dar, Herde >5 cm sind hingegen häufig inhomogen. In der T1-Wichtung erscheinen sie mäßig hypointens und glatt berandet. In der T2-Wichtung sind sie deutlich hyperintens, wobei die Hyperintensität mit zunehmenden T2-Relaxationszeiten weiter steigt (»Glühbirnen-Zeichen«). Dieser Effekt kann als Unterscheidungsmerkmal zu malignen Läsionen dienen, wobei bedacht werden muss, dass auch kleine Metastasen von endokrin aktiven Tumoren ein intensiv hyperintenses Signal erzeugen können. Sind zentrale Fibrosierungen nachweisbar, können auch sie in T2-Wichtungen hyperintens erscheinen, da sie aus thrombosiertem Material mit einem hohen Flüssigkeitsgehalt entstehen. Die Angiographie ist nur noch in Ausnahmefällen indiziert. Das kavernöse Hämangiom ist auch hier durch die typische, arteriell beginnende und bis in die Parenchymphase reichende, von peripher nach zentral fortschreitende Kontrastierung charakterisiert (. Abb. 24.18). Beim kapillären Hämangiom zeigt sich eine wahllose Aufzweigung der zuführenden, häufig erweiterten Arterie in ein Gewirr von Kapillaren. Die Parenchymphase wird durch eine inhomogene Anfärbung des Herdes geprägt. Differenzialdiagnostisch steht die Abgrenzung zu hypervaskularisierten Metastasen bzw. zum HCC im Vordergrund. Bei malignen Veränderungen fehlt die Verjüngung der zuführenden Gefäße bei gleichzeitig bestehendem irregulärem Aufteilungsmuster und schnellerem wash-out.
Typische Merkmale von Hämangiomen 4 Ultraschall: glatt begrenzte, homogen echoreiche Läsion 4 Zunächst peripher betonte, noduläre KontrastmittelAufnahme, dann zentripetales Enhancement (»Irisblendenphänomen«) 4 Bright-dot-sign 4 Blood-pool-Effekt 4 Ausgeprägt hyperintenses Signalverhalten in T2wSequenzen
24.8.2
Angiomyolipom
Dabei handelt es sich um sehr seltene intrahepatische Tumoren, die sich aus Muskelzellen, proliferierenden Gefäßen und Fettanteilen zusammensetzen. Ein gehäuftes, meist multiples Auftreten wird in Assoziation mit der tuberösen Sklerose beobachtet. Bildgebung. Entsprechend der unterschiedlichen Wichtung der
beteiligten Gewebe zeigen sich in der Bildgebung unterschied-
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786
Kapitel 24 · Leber
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. Abb. 24.17a–d. Hämangiom, Irisblendenphänomen, Bloodpool-Effekt und Bright-dot-sign. a In der Nativ-CT ist ein lobulierter, gut begrenzter hypodenser Herd mit zentral regressiven Veränderungen zu erkennen. b Nach KM-Gabe kommt es zur typischen, von peripher nach zentral zulaufenden KM-Dynamik (Irisblendenphänomen). c Im weiteren Verlauf wird das KM aus dem Parenchym wieder ausgeschieden, während sich das Hämangi-
om im Vergleich zum umgebenden Lebergewebe zunehmend hyperdens darstellt (Blood-pool-Effekt). d Bleiben Irisblendenphänomen und Bloodpool-Effekt aus, kann der Nachweis einer punktuellen Anreicherung in dem ansonsten hypodensen Herd, die dem zuführenden Gefäß entspricht, richtungweisend sein (Bright-dot-sign)
liche Muster, die vom Fettgehalt dominiert sind. Nativ findet sich ein Nebeneinander hypodenser, fettiger Areale und isodenser Weichgewebsanteile. Da das Fett in Hepatozyten und nicht in Fettzellen enthalten ist, kommen zwar negative HE-Werte vor, ein reines Fettsignal von –100 HE wird aber nie erreicht. Das Kontrastmittel-Enhancement ist inhomogen, was die Differenzialdiagnose zum Liposarkom, hepatozellulären Adenomen und Karzinomen erschweren kann.
24.8.3
Fokale noduläre Hyperplasie (FNH)
Epidemiologie, Ätiologie Nach dem Hämangiom ist die fokale noduläre Hyperplasie (FNH) der zweithäufigste gutartige Lebertumor mit einer Prävalenz von ca. 3%. Frauen sind, bei einem Altersgipfel zwischen 20–50 Jahren, 4- bis 10-mal häufiger betroffen. Der Einfluss oraler Kontrazeptiva auf Entstehung und Wachstum
787 24.8 · Herdförmige Lebererkrankungen: benigne/tumor-like lesions
Bildgebung
. Abb. 24.18. Hämangiom, Angiographie. Typisches Hämangiom mit angiographisch gut erkennbarer, von peripher nach zentral fortschreitender Kontrastierung und angedeutet halbmondförmiger Konfiguration. Gut erkennbar ist auch die rein arterielle Versorgung des Herdes sowie die charakteristischen, gut begrenzten, teils dilatierten, teils irregulären oder knötchenförmigen Gefäßräume mit lakunenartigen KM-Depots, die über die Parenchymphasen hinaus nachweisbar sind
von FNH-Herden wird weiterhin diskutiert. Neuere Studien deuten auf ein Wachstum bereits bestehender FNH-Herde bei Einnahme von Hormonpräparaten hin, zu einer de-novo-Entstehung von FNHs scheint es jedoch nicht zu kommen. Die FNH ist häufig ein Zufallsbefund, da sie klinisch für gewöhnlich stumm ist.
Pathologie Charakterisiert ist die FNH durch eine zentrale, arteriovenöse Malformation mit Feeder-Arterie und bindegewebiger Narbe (Nidus). Davon gehen radiäre Ausläufer ab, die den Herd in »Pseudoläppchen« unterteilen. Manche Autoren gehen davon aus, dass die umgebende Hyperplasie, die histologisch Regeneratknoten ähnelt, reaktiv entsteht. Die FNH ist häufig singulär (80%), meist mit einer Größe <5 cm, Herde bis zu 20 cm wurden beschrieben. Vorzugsweise ist sie subkapsulär lokalisiert, gestielte oder gelappte Befunde kommen vor. Trotz der fehlenden Kapsel ist sie mit glatter Berandund gut gegen das umgebende Parenchym abgrenzbar. Eine Koinzidenz zu Hämangiomen liegt vor, bei multiplen Herden sind häufig auch andere Organe mitbetroffen. Komplikationen, z. B. durch Kompression, manchmal auch Einblutungen, Nekrosen oder Stiel-Torsionen, sind selten.
In der Sonographie ist die charakteristische narbige Sternfigur nur in Ausnahmefällen erkennbar. Oft ist der Herd von einer streifenförmigen, echodichten Pseudokapsel umgeben und stellt sich dann gut demarkiert und glatt konturiert dar. Ansonsten gleicht die Echogenität dem Lebergewebe, wobei auch echoreiche oder -arme Herde beschrieben wurden. Der Nachweis gestielter Formen ist verlässlich möglich. Auch computertomographisch ist nativ die Darstellung des leicht hypo- bis isodensen Herdes oft schwierig. Die zentrale Narbe ist nativ nicht immer abgrenzbar. Verkalkungen sind selten (<1%). Nach Kontrastmittelgabe zeigt die arterielle Phase eine intensive, homogene Anreicherung des gesamten Tumors und jetzt auch die pathognomonische zentrale Narbe, die allenfalls geringgradig Kontrastmittel aufnimmt. Die Darstellung der zentralen Feeder-Arterie gelingt in ca. 60% der größeren Herde. Bei schnellem wash-out sind portalvenös oft schon wieder isodense Dichten zum umgebenden Lebergewebe erreicht. Neben der zentralen Feeder-Arterie sind v. a. venös auch große periphere Drainagevenen oder Sinusoide sichtbar. Teilweise findet in der Spätphase ein langsam zunehmendes Kontrastmittel-Enhancement der zentralen Narbe durch Diffusion statt, die dann hyperdens erscheint. In einem hohen Prozentsatz zeigen sich aber auch atypische Erscheinungsbilder, die oft erst bioptisch von hepatozellulären Adenomen, dem fibrolamellären Karzinom oder hypervaskularisierten Filiae zu differenzieren sind. Herde mit inhomogenem arteriellen Enhancement und schlechter Abgrenzbarkeit kommen ebenso vor wie portalvenös hypodense Herde mit ringförmigem Pseudoenhancement durch die umgebende Gewebekompression. Auch in der nativen MRT lässt sich die FNH häufig nur schlecht vom umgebenden Lebergewebe unterscheiden. Sie erscheint in T1w-Sequenzen gering hypointens und gering hyperintens in T2w (. Abb. 24.19). Der Nidus lässt sich in 35–50% als hypointense zentrale Struktur nachweisen. Vergleichbar mit den Befunden der CT, zeigt sich in der Gadolinium-Dynamik eine kräftige, früharterielle Kontrastmittel-Aufnahme mit zentrifugaler Ausbreitung und Anreicherung des Nidus erst in der Spätphase, wobei seine bestehen bleibende Hypointensität nicht ungewöhnlich ist. > Ein gutes Unterscheidungsmerkmal zu malignen, insbesondere leberfremden, Tumoren liefern leberspezifische Kontrastmittel, die von der FNH aufgenommen werden, da FNHs sowohl funktionsfähige Hepatozyten als auch Zellen des RES enthalten. Angiographisch bietet sich typischerweise der Befund eines
hypervaskularisierten Herdes mit Radspeichen-Charakter, der in der Parenchymphase fein granuliert ist, mit weiterhin nachweisbaren Septierungen. Bei großen Tumoren ist die zentrale Arterie erweitert und bildet zahlreiche, sich radiär aufteilende, gewundene und hypertrophierte Gefäßkanäle. AV-Shunts sind selten.
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Kapitel 24 · Leber
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. Abb. 24.19a–d. FNH, MRT. a, b Man erkennt einen gut begrenzten Herd mit zentraler Narbe, der in den T1w-Sequenzen weitgehend isodens zum umgebenden Leberparenchym ist und sich in der T2-Wichtung leicht hyperintens darstellt. c Die kräftige früharterielle KM-Aufnahme mit weiter-
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hin hypodensem Nidus ist typisch für die FNH. d Erst in der Spätphase kann durch Diffusionsvorgänge eine zunehmende KM-Aufnahme des Nidus beobachtet werden
789 24.8 · Herdförmige Lebererkrankungen: benigne/tumor-like lesions
Typische Merkmale einer FNH 4 Ultraschall: glatt begrenzte, leicht echoarme (40%), echogleiche (30%), leicht echoreiche (15%) oder eine inhomogene Echodichte aufweisende (15%) Läsion 4 T1: hypointens, T2: leicht hyperintens, zentrale Narbe: T1 und T2: hypointens 4 Ausgeprägte, oft lobulierte Kontrastmittel-Aufnahme in der arteriellen Phase unter Aussparung der zentralen Narbe 4 Schneller wash-out von Kontrastmittel; Läsion isodens bzw. isointens bereits in der portalvenösen Phase 4 Gelegentlich Kontrastmittel-Aufnahme der zentralen Narbe in der Equilibriumphase 4 Aufnahme leberspezifischer Kontrastmittel
24.8.4
Adenom (hepatozellulär/cholangiozellulär)
Definition, Ätiologie Ob ein Leberadenom als hepatozellulär oder cholangiozellulär bezeichnet wird, richtet sich nach seinem Abstammungsort. Cholangiozelluläre Adenome sind sehr selten und für gewöhnlich klinisch stumm. Da die Herde fast immer <1 cm sind, ist die bildgebende Diagnostik schwierig. Hepatozelluläre Adenome sind ebenfalls selten und können ursachenabhängig in 7 Typen unterteilt werden: 4 Der mit >90% häufigste Typ I betrifft junge Frauen, die orale Kontrazeptiva einnehmen. Dabei korreliert die Häufigkeit mit der Dauer der Einnahme: nach 10 Jahren steigt die Wahrscheinlichkeit eines Leberzelladenoms um den Faktor 25, nach Absetzen können sich bereits vorhandene Herde wieder zurückbilden. 4 Daneben kommt ein spontanes Auftreten ohne Kontrazeptiva-Einnahme (Typ II) vor sowie bei Männern (Typ III), Kindern (Typ IV) sowie 4 in Zusammenhang mit Stoffwechselerkrankungen (Typ V) und 4 nach Anabolika-Einnahme (Typ VI). 4 Die Adenomatose entspricht dem Typ VII.
Pathomorphologie Adenome bestehen aus fettreichen Hepatozyten in unorganisierter Anordnung, die auch Zellatypien enthalten können. Strukturen der normalen Leberarchitektur, mit in Leberläppchen oder Periportalfeldern angeordneten Gallengängen oder Gefäßen, fehlen. Zellen des RES lassen sich nur selten nachweisen, was die Abgrenzung zur FNH ermöglicht. Adenome sind meist solitär und liegen oft subkapsulär, bevorzugt im rechten Leberlappen. Eine Kapsel grenzt sie zum Nachbargewebe ab. Gestielte Tumoren kommen in ca. 10% der Fälle vor. Die Herde sind hypervaskularisiert und werden durch große, subkapsuläre Gefäße gespeist. Aufgrund der von peripher erfolgenden Gefäßversorgung kommt es mit zunehmender Größe zu einer zentralen Unterver-
sorgung, Infarzierungen, Nekrosen und Einblutungen. Besonders unter Kontrazeptiva-Einnahme ist das Risiko für Blutungen deutlich erhöht. Durchbricht die Blutung die Leberkapsel, kann eine lebensgefährliche intraabdominelle Blutung entstehen. Eine Transformation in ein Zystadenokarzinom oder ein niedriggradiges HCC ist möglich. > Da die Abgrenzung zu entdifferenzierten Herden auch histologisch schwierig ist, wird im Großteil der Fälle, trotz der erhöhten Blutungsgefahr, die chirurgische Resektion angestrebt.
Bildgebung Sonographisch ist kein spezifischer Befund zu erheben, sodass Adenome nicht sicher von einer FNH, Metastasen, Abszessen oder Hämangiomen zu unterscheiden sind. Lediglich die Häufung von zentralen Einblutungen und Nekrosen lässt Rückschlüsse zu. Zur weiteren Diagnostik wird die 3-Phasen-CT eingesetzt. Nativ finden sich dabei gut demarkierte, glatt begrenzte, hypodense Läsionen. Inhomogene, teils hypo-, teils hyperdense Zonen sprechen für Einblutungen oder Nekrosen. Verkalkungen sind untypisch. Arteriell stellen sich Adenome bei nur geringer Kontrastmittel-Aufnahme leicht hyperdens dar, das inhomogene Erscheinungsbild durch regressive Veränderungen bleibt weiterhin bestehen. Portalvenös bietet sich kein eindeutiges Muster: sowohl hypo- als auch hyperdense Dichtewerte zum umgebenden Lebergewebe sind möglich, meist sind die Herde jedoch isodens und damit nur schlecht abgrenzbar. Bei hohem intraläsionalem Fettgehalt sind nativ auch negative HE-Werte möglich, was zu arteriell isodensen und venös hypodensen Herden führt. Aufgrund des hohen Fettgehalts sind Adenome in der nativen MRT iso- bis leicht hyperintens zum umgebenden Lebergewebe (. Abb. 24.20). Die Abnahme der Signalintensität auf fettunterdrückten Sequenzen ist typisch (. Abb. 24.20b), oft aber durch Einblutungen und Nekrosen nicht nachweisbar. Stattdessen findet sich dann ein buntes Bild mit unterschiedlichen Signalintensitäten. Nach Kontrastmittelgabe reichern Adenome schnell an, wobei sie einen eher zentripetalen Fluss zeigen. AVShunts begünstigen den schnellen wash-out (. Abb. 24.20c). Als lebereigene Tumoren nehmen sie spezifische, paramagnetische Kontrastmittel in der Spätphase auf. Insgesamt bleiben die MRT-Befunde aber relativ unspezifisch, sodass, insbesondere bei größeren, regressiv veränderten Adenomen eine sichere Abgrenzung zum Zystadenokarzinom oder gut differenzierten HCC schwierig bis unmöglich ist. Auch die Unterscheidung zu FNH, Makroregenerationsknoten, der nodulär regenerativer Hyperplasie oder hypervaskularisierten Metastasen gelingt nicht immer. Im Vergleich zur FNH ist die arterielle Kontrastmittel-Aufnahme geringer und eine zentrale Narbe fehlt, wobei sie durch Nekrosen imitiert werden kann. Angiographisch findet man eine hypervaskularisierte Raumforderung, die durch eine Kapsel gut abgegrenzt ist. Die Leberarterien werden durch den Tumor verlagert und können erweitert sein, Einblutungen und Nekrosen bleiben ausgespart. Eine Differenzierung zur FNH ist auch mit dieser Methode nicht sicher möglich.
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Kapitel 24 · Leber
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b
. Abb. 24.20a–c. Adenom, MRT. a MRT: In der Nativ-MRT stellen sich Adenome aufgrund ihres hohen Fettgehalts sowohl in T1- als auch in T2-gewichteten Aufnahmen oft hypointens dar. b Der Befund bestätigt sich bei Verwendung fettunterdrückter Sequenzen, die einen Signalabfall des Her-
c des im Vergleich zum umgebenden Parenchym zeigen (b ist mit KM!). c Nach einem kurzen arteriellen Enhancement ist der Herd aufgrund eines schnellen wash-out, der durch das Vorhandensein von AV-Shunts gefördert wird, in der portalvenösen Phase bereits wieder hypointens
24.8.6
Gallengangszystadenom/-papillom
Typische Merkmale von Leberadenomen 4 Ultraschall: echogleich bzw. inhomogenes Binnenecho 4 Nativ-CT: leicht hypodens 4 MRT: leicht hyperintens auf T1w-Bildern, iso-/leicht hypointens auf T2w-Bildern, gelegentlich Signalabfall auf opposed-phase T1w-GRE-Bildern (fetthaltige Hepatozyten) 4 Bei regressiven Veränderungen inhomogene Dichte bzw. inhomogenes Signalverhalten 4 Mäßige arterielle Kontrastmittel-Aufnahme (geringer als bei der FNH), inhomogene Anreicherung 4 Aufnahme Hepatozyten-spezifischer Kontrastmittel
24.8.5
24
Noduläre regenerative Hyperplasie (NRH)
Synonym werden auch die Bezeichnungen noduläre Transformation, milliare Adenomatose, adenomatöse Hyperplasie oder nichtzirrhotische Knotenbildung verwendet. Dabei kommt es zum Umbau der Leber mit Regeneratknoten von wenigen mm bis cm Größe, ohne Ausbildung einer Fibrose, sodass die Patienten erst beim Auftreten von Komplikationen auffällig werden. Eine Assoziation mit Systemerkrankungen (myelo- und lymphoproliferative Syndrome, chronische Gefäßerkrankungen, Polyarteriitis nodosa, Sklerodermie, Felty-Syndrom, Morbus Raynaud, Lupus erythematodes, kutane Kalzinose), sowie Medikamenten (Steroide, Chemotherapeutika) ist beschrieben. Bildgebend sind die Knoten weder durch ihre Signalintensität noch ihr Kontrastmittel-Verhalten von normalem Lebergewebe zu unterscheiden. Kleine Herde können sich der Darstellung entziehen, daneben ist eine höckerige Oberfläche der Leber ebenso wie eine diffuse Durchsetzung möglich.
Kongenital treten fast ausschließlich intrahepatische Erweiterungen des biliären Systems mit muzinösem und serösem Inhalt auf, die auch interne Septen aufweisen und von einer Bindegewebskapsel umgeben sein können (7 Kap. 25.8.2). Insgesamt ist der Befund selten, in 90% finden sich multifokale Herde mit einer Größe zwischen 1,5–30 cm. Verkalkungen und polypoide Verdickungen der Zystenwand sind ebenfalls verbreitet, während Einblutungen nur selten vorkommen. Die maligne Transformation zum Zystadenokarzinom ist beschrieben. Eine weitere Entdifferenzierungsmöglichkeit stellt das mikrozystische Karzinom dar. Bildgebung. Sowohl die benignen Adenome und Papillome als auch die malignen Entartungen stellen sich als multilokuläre, multizystische Herde dar, in der MRT mit hypointensem Signal in den T1-Wichtungen und hyperintensem Signal in T2. Nach Kontrastmittelgabe kontrastiert sich die Kapsel, verzögert auch die intratumoralen Septen. Ein infiltratives Wachstum als Zeichen der Malignität ist nur schwer nachweisbar.
24.8.7
Sonstige
Inflammatorische Pseudotumoren bilden meist solitäre, ca. 4–
8 cm große Herde und treten sehr selten v. a. bei Kindern und jungen Männern auf, die Symptome eines aktiv entzündlichen Prozesses zeigen. In der Nativ-CT lassen sich gut abgrenzbare, hypodense Herde darstellen, die Proliferationen von Entzündungszellen und fibrovaskulärem Gewebe entsprechen. Nach Kontrastmittelgabe kann ein irreguläres Enhancement ab der portalvenösen Phase beobachtet werden, mit unvollständiger Kontrastierung bis in die Spätphase. Intrahepatische Lipome sind sehr selten. Ihre Größe variiert zwischen wenigen Millimetern bis >10 cm. Computertomogra-
791 24.9 · Herdförmige Lebererkrankungen: primär maligne Herdbefunde
phisch sind sie aufgrund ihrer pathognomonischen Dichtewerte von ca. –100 HE leicht zu diagnostizieren. Die Herde sind gut umschrieben, glatt berandet und zeigen kein Kontrastmittel-Enhancement. Fettunterdrückte MRT-Sequenzen können die Diagnose weiter absichern. Auch Myxome, Fibrome oder Histozystome wurden beschrieben, stellen jedoch Raritäten dar.
Fokale Leberverfettung (7 Kap. 24.5) Makroregenerationsknoten (7 Kap. 24.8)
24.9
Herdförmige Lebererkrankungen: primär maligne Herdbefunde
24.9.1
Hepatozelluläres Karzinom
Definition, Epidemiologie, Klinik Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) ist mit 80–90% der häufigste primär maligne Lebertumor (. Tab. 24.8). Bei Kindern nimmt es nach dem Hämangioblastom den zweiten Platz ein. Männer sind 4- bis 8-mal häufiger betroffen als Frauen, mit einem Gipfel zwischen der 5.–7. Dekade. Da der Tumor anfangs symptomlos ist, kommt es meist erst im fortgeschrittenen Stadium durch Oberbauchschmerzen, Fieber, Gewichtsverlust und Aszites zur Diagnose. Die Inzidenz des HCC ist geographisch verschieden und folgt der Verteilung der chronischen Hepatitis B und C. Daher zählen Japan, Südostasien, China und Teile Afrikas mit einer Inzidenz von bis zu 150 Neuerkrankungen auf 100 000 Einwohner zu den Hochrisikoländern, gefolgt von Griechenland (Inzidenz 10–30/100 000), Spanien, Italien und Argentinien (5–10/100 000 Neuerkrankungen). Das Risiko in Westeuropa, den USA oder Australien ist mit einer Inzidenz von 1–3/100 000 niedrig, wobei ein globaler Anstieg zu verzeichnen ist.
Ätiologie Den Hauptrisikofaktor stellt die in 60–90% vorliegende Zirrhose dar. Dabei ist die meist hepatitisassoziierte, makronoduläre Form deutlich stärker gefährdet als die mikronoduläre, alkoholinduzierte. Trotzdem ist in der westlichen Welt der chronische C2Abusus die führende Noxe, während in Asien und Afrika Aflatoxine und Hepatitis-B-Infektionen überwiegen. Insgesamt ist bei Zirrhotikern von einer HCC-Inzidenz von 3–5% auszugehen. Das Screening von High-risk-Populationen setzt sich aus der Bestimmung des α-Fetoproteins und der Oberbauchsonographie zusammen. In Kombination mit γ-Carboxyprothrombin II ist die Erhöhung nahezu beweisend für das Vorliegen eines HCC. Selten kommt es zur Produktion endokrin aktiver Substanzen. Auch andere Substanzen, wie das bis vor 50 Jahren verwendete Röntgenkontrastmittel Thorotrast, bergen ein erhöhtes HCCRisiko, ebenso wie längere Steroideinnahmen und Stoffwechselerkrankungen wie die Hämochromatose, seltener auch andere Speicherkrankheiten.
Pathogenese, Klassifikation Die Entstehung eines HCC in gesundem Lebergewebe ist möglich, meist aber folgt die Tumorgenese einer schrittweisen Entwicklung aus der Zirrhose. Aus Regeneratknoten bilden sich dysplastische Low- bis High-grade-Dysplasien. Darin kann sich ein fokales HCC entwickelt, was als »Knoten-im-Knoten«-Phänomen oder »Früh-HCC« bezeichnet wird. Das daraus entstehende HCC kann in gut bis schlecht differenziert oder anaplastisch unterteilt werden. Makroskopisch unterscheidet man, nach Art des Erscheinungsbildes und Ausbreitungsmusters, 3 verschiedene Formen: 4 Solitäres oder fokales HCC: Es findet sich ein großer Tumorknoten, der zentrale Nekrosen und Blutungen aufweisen kann und gut vom umgebenden Parenchym abgrenzbar ist. Der rechte Leberlappen ist bevorzugt betroffen. 4 Multifokales HCC: Diese Form ist am häufigsten. Die vergrößerte Leber wird von zahlreichen, unterschiedlich großen Tumorknoten durchsetzt, wobei sowohl multiple kleine Knoten als auch ein Mutterherd mit Satelliten möglich sind. 4 Diffuses HCC: Bei diesem mit 5–7% seltensten Erscheinungsbild zeigen sich disseminierte, miliare Herde in beiden Leberlappen. Daneben lassen sich Sonderformen wie das v. a. in Asien vorkommende, prognostisch günstigere, fokal gekapselte HCC oder das sklerosierende HCC abgrenzen. Wie für andere Tumoren hat auch für das HCC die TNM-Klassifikation ihre Gültigkeit (. Tab. 24.9, . Tab. 24.10). Die Blutversorgung passt sich dem Grad der Entdifferenzierung und der Tumorgröße an: gut differenzierte Herde werden v. a. portal versorgt, schlecht differenzierte v. a. arteriell mit entarteten Gefäßen und Gefäßlakunen. Mit zunehmender Größe und Entartung häufen sich zentrale Einblutungen und Nekrosen, eine zentrale Fibrose fehlt jedoch. HCC-Knoten sind im Allgemeinen eher gering vaskularisiert, es findet sich aber ein frühzeitiger Gefäßeinbruch, von dem v. a. Pfortaderäste betroffen sind (40–70%, Lebervenen in nur 15%). Folge der dadurch induzierten Gefäßverschlüsse sind intratumorale Hämorrhagien, ebenso wie eine portale Hypertonie oder ein Budd-Chiari-Syndrom. Die direkte Gefäßinvasion begünstigt außerdem die intrahepatische Streuung. Ein Einbruch in die Gallengänge ist selten und erst bei fortgeschrittenen Tumorstadien zu beobachten. Per continuitatem können das Diaphragma, die Bauchwand oder das Pankreas infiltriert werden. Die lymphogenen Metastasierungswege umfassen, in absteigender Häufigkeit, die Lymphbahnen der Leberpforte, am Ligamentum hepatoduodenale, im Pankreasbett, an der Mesenterialwurzel und die Mammaria-Lymphknotengruppe. Hämatogen kommt es zu einer Aussaat in die Lunge, das Peritoneum, die Nebennieren und die Knochen. ! Eine lebensbedrohliche Komplikation des HCC stellt die Tumorruptur dar, die einer sofortigen chirurgischen Intervention bedarf.
24
792
Kapitel 24 · Leber
. Tab. 24.9. TNM-Klassifikation des HCC
Stadium
Charakteristika
T T0
Kein Anhalt für Primärtumor
T1
Solitärer Tumor bis zu 2 cm, keine Gefäßinvasion
T2
Solitärer Tumor bis zu 2 cm, mit Gefäßinvasion Solitärer Tumor >2 cm, keine Gefäßinvasion Multiple Tumoren bis zu 2 cm, begrenzt auf einen Leberlappen, ohne oder mit Gefäßinvasion
T3
Solitärer Tumor >2 cm, mit Gefäßinvasion Multiple Tumoren >2 cm, begrenzt auf einen Leberlappen, ohne oder mit Gefäßinvasion
T4
a: Multiple Tumoren in beiden Leberlappen, bis zu 2 cm b: Multiple Tumoren in beiden Leberlappen, ein Herd >2 cm c: Invasion eines Pfortader- oder Lebervenenhauptasts d: Invasion angrenzender Organe (außer Gallenblase) e: Perforation des viszeralen Peritoneums
TX
Primärtumor kann nicht beurteilt werden
. Abb. 24.21. HCC, Sonographie. Häufig finden sich insgesamt eher echoreiche Herde mit zentral echoarmen, unregelmäßig konturierten Arealen, die stattgehabten Einblutungen oder Nekrosen entsprechen. Sie sind in der Regel gut zum umgebenden Lebergewebe abgrenzbar
N N0
Keine regionären Lymphknotenmetastasen
N1
Regionäre Lymphknotenmetastasen
Nx
Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden
chirurgisch-kurativer Ansatz ist bei bis zu 3 Herden von je bis zu 3 cm Größe indiziert (Milan-Kriterien).
M M0
Keine Fernmetastasen
M1
Fernmetastasen
Mx
Das Vorliegen von Fernmetastasen kann nicht beurteilt werden
. Tab. 24.10. Stadieneinteilung des HCC nach UICC Stadium I
T1
N0
M0
Stadium II
T2
N0
M0
Stadium IIIA
T3
N0
M0
Stadium IIB
T1
N1
M0
T2
N1
M0
T3
N1
M0
Stadium IVA
T4
jedes N
M0
Stadium IVB
jedes T
jedes N
M1
Prognose, Therapie
24
Die Prognose ist von mehreren Faktoren abhängig, darunter das Staging, die Histologie, der Zirrhose-Grad (s. Child-Pugh) und allgemeinen Kriterien wie dem Karnofsky-Index. Gelingt bei kleinen HCC-Herden eine kurative chirurgische Sanierung, liegt die 5-Jahre-Überlebensrate bei guter Leberfunktion bei 30%. Ein
Bildgebung Die CT wird sowohl bei Staging-Untersuchungen als auch im Follow-up eingesetzt. Die Frage nach Multifokalität, Gefäßversorgung oder Komplikationen, und abhängig davon nach Resektabilität oder Embolisation, lässt sich häufig beantworten. Die Aufgabe der MRT liegt in der Diagnosesicherung bei unklaren Fällen. Eine bioptische Sicherung ist bei palliativen Konzepten wünschenswert, präoperativ wird sie, aufgrund des Blutungsrisikos, der Gefahr einer Tumorruptur und der peritonealen Aussaat, kontrovers diskutiert. Sonographisch bietet das HCC ein vielfältiges Bild, wobei die Diagnose oft durch zirrhotische Veränderungen erschwert wird. Das solitäre HCC ist insgesamt echoreich, kann aber von unregelmäßig konturierten, echoarmen Nekrose- und Blutungsarealen durchsetzt sein. In der Regel ist die Abgrenzbarkeit zum umgebenden Lebergewebe gut (. Abb. 24.21). Das multifokale HCC durchsetzt in Konglomeraten die ganze Leber. Es findet sich ein Nebeneinander von verstärkten und verminderten Reflexionen mit unregelmäßigem Echomuster, die Leberkontur ist deformiert mit verlagerten intrahepatischen Gefäßen und Gallengängen, auch eine intrahepatische Cholestase kann auftreten. Beim diffusen HCC kommt es zum disseminierten Befall beider Leberlappen. Die Organoberfläche ist vergrößert und gebuckelt bei echoreichem, desorganisiert wirkendem Parenchym. Die Abgrenzung des multifokalen und diffusen HCC von einer metastatischen Durchsetzung ist nicht sicher möglich. Auch in der CT bieten sich ganz unterschiedliche Muster. Ein biphasisches CT mit arterieller und venöser Phase ist empfehlenswert. Im Nativ-Scan ist das HCC meist schlecht abgrenzbar,
793 24.9 · Herdförmige Lebererkrankungen: primär maligne Herdbefunde
a
b
c
d
. Abb. 24.22a–e. HCC, CT. a CT nativ: Vor allem hypervaskularisierte und gut differenzierte HCC-Knoten kommen in den Nativ-Scans zur Darstellung. Man erkennt einen zum Lebergewebe hypodensen Herdbefund mit relativ homogener Binnenstruktur. Verkalkungen und Nekrosezonen sind nicht nachweisbar. b CT arteriell: Kleine HCC-Herde sind häufig hypervaskularisiert und zeigen eine intensive homogene Kontrastmittel-Anreicherung. c CT arteriell und venös: Multifokaler HCC-Befall mit Mosaikmuster: es finden sich disseminierte Herdbefunde unterschiedlicher Größe mit heterogener, randständig betonter KM-Aufnahme und zentralen Nekrosezonen. Zu beachten ist, dass kleinere hypervaskularisierte Herde arteriell gut zu erkennen sind. d Diese werden durch den schnellen wash-out jedoch maskiert. Dadurch können sie der Detektion entgehen und die eigentliche Tumorausdehnung wird unterschätzt. e CT, HCC-Kapsel: Größere, insbesondere solitäre HCC-Knoten weisen in 70–80% der Fälle eine Kapsel auf und erscheinen dann scharf vom Lebergewebe begrenzt
e
24
794
Kapitel 24 · Leber
hypovaskularisierte und gut differenzierte Herde können hypodens zur Darstellung kommen (. Abb. 24.22). Gut erkennbar sind die in 5–10% auftretenden Verkalkungen, ebenso wie Nekrosezonen. Die häufiger in Asien auftretende begleitende Steatosis hepatis kann zur Maskierung von Tumorknoten führen, bei weiterem Fortschreiten zu hyperdensen Erscheinungsbildern. Daneben sorgen zirrhotische Veränderungen für eine schlechte Abgrenzbarkeit aller HCC-Formen: Dichtesprünge, architektonische Unregelmäßigkeiten, Regeneratknoten und hämodynamische Veränderungen können zu Pseudoläsionen führen, ebenso wie sie reelle Herde verschleiern. Arteriell sind v. a. kleine Herde häufig hypervaskularisiert mit intensiver Kontrastmittel-Anreicherung (. Abb. 24.22b) und Feeder-Arterien. Größere Herde sind hingegen, aufgrund der oft vorliegenden Einblutungen und Nekrosen, eher heterogen mit geringerem Enhancement. Portalvenös stellen sich durch den raschen wash-out sowohl hyper- als auch hypovaskularisierte Herde iso- bis hypodens dar. Große Tumoren weisen dabei häufig ein Mosaik-Muster auf (. Abb. 24.22c, d). Das HCC wird häufig von einer Kapsel umgeben, die bei kleinen Herden CT-morphologisch oft nicht sichtbar ist, bei größeren Knoten lässt sie sich in 70–80% nachweisen (. Abb. 24.22e). Sowohl Kapsel als auch tumoreigene Septen zeigen ein protrahiertes Enhancement, sodass sie erst in der späten Parenchymphase hyperdens zur Darstellung kommen. Infiltrative Wachstumsformen zeichnen sich durch schlecht definierte Ränder aus, häufig ist ein segmentaler, heterogener Befall mit strangförmigen Infiltrationen entlang der Portalvenen zu beobachten. Der diffuse Typ ist bildgebend nicht eindeutig fassbar. Bezeichnend für das HCC sind die regelmäßig auftretenden vaskulären Veränderungen: durch Gefäßeinbrüche, v. a. durch die direkte Invasion von Pfortaderästen kommt es zu Thrombosen, die sich nativ leicht hyperdens, nach Kontrastmittelgabe, v. a. arteriell, mit irregulärem Enhancement präsentieren. Entsteht ein Budd-Chiari-Syndrom, kann die daraus resultierende erhöhte Durchblutung zu einer verminderten Signalabhebung des HCC in der arteriellen Phase führen, sodass die Herde nur noch schlecht abgrenzbar sind. Arterioportale Shunts sind charakteristisch: man erkennt bereits arteriell eine Anreicherung von Pfortaderästen, teils in Assoziation mit einer THAD und Perfusionsdefiziten. > Zeichen der Tumorruptur ist die Diskontinuität der Herdberandung mit angrenzendem Hämatom oder Kapseldurchbruch mit intraperitonealer Blutung.
24
Tritt ein hypervaskularisierter Herd mit Kapsel und MosaikMuster in einer Zirrhose-Leber auf, ist die Wahrscheinlichkeit eines HCC sehr hoch, die Differenzialdiagnosen sind weitgehend auf Hämangiome oder hypervaskularisierte Filiae beschränkt. In der normalen Leber ist die Abgrenzung gegenüber einer Metastase, anderen primären Lebertumoren, der FNH, einem hepatozellulären Adenom oder einem Hämangiom schwierig (. Abb. 24.23). Auch die Biopsie gibt oft keine endgültige Sicherheit, da HCC-Herde histologisch und zytologisch vielen infrage kommenden Differenzialdiagnosen ähneln oder sie sogar imitieren. Eine ergänzende MRT oder ein Lipiodol-CT (. Abb. 24.24) kann weiterhelfen.
. Abb. 24.23. HCC, DD FNH. In der Spätphase der CT erkennt man einen glatt berandeten, gegenüber dem Lebergewebe gut demarkierten Leberherd mit zentral sternförmiger Hypodensität, der bildmorphologisch gut mit einer FNH vereinbar ist. Aufgrund des Größenprogresses wurde eine Biopsie durchgeführt, die die Diagnose eines HCC ergab
. Abb. 24.24. HCC, Lipiodol. Lipiodol kann sowohl therapeutisch bei der angiographischen Chemoembolisation als auch diagnostisch zur Herddetektion eingesetzt werden. Während die Substanz in normalem Lebergewebe nicht angereichert wird, besitzt sie eine hohe Affinität zu HCC-Herden, die dadurch in der CT demarkiert werden
In der MRT sind, je nach Differenzierungsgrad und Tumorgröße, unterschiedliche Signalmuster möglich. Am häufigsten (54%) sind die Tumorknoten hypointens in der T1w und leicht hyperintens in T2w. Seltener (ca. 16%) finden sich in T1w und T2w isointense Herde oder ein hypointenses T1- und isointenses T2-Signal (10%). Tumorknoten <2 cm weichen in ihrem Signalverhalten oft ab mit sowohl T1w als auch T2w hyper- oder isointensem Signal. Eine gleichzeitig bestehende Leberzirrhose macht kleine HCC-Knoten oft schwer abgrenzbar. Manchmal ist ein »Knoten-im-Knoten«-Phänomen beim frühen, fokalen HCC nachweisbar. Tumorknoten >3 cm Größe zeigen in ca. der Hälfte
795 24.9 · Herdförmige Lebererkrankungen: primär maligne Herdbefunde
a
b
. Abb. 24.25a–c. HCC, MRT. a HCC-Knoten erscheinen häufig leicht hypodens in den T1-gewichteten Aufnahmen; b sie erscheinen leicht hyperintens in den T2w-Sequenzen. Auffällig sind die inhomogene Binnenstruktur
ein Mosaikmuster mit unregelmäßigen Signalintensitäten in T2w Sequenzen und homogener Darstellung in T1-Wichtungen. Die Tumorkapsel ist hypointens, Einblutungen führen zu fokalen Hyperintensitäten in der T1w. Die Kontrastmittel-unterstützte MRT besitzt mit >90% die höchste Sensitivität und Spezifität unter den bildgebenden Verfahren. Im Gegensatz zu zirrhotischen Veränderungen kommt es beim HCC, v. a. arteriell, zu einem verstärkten KontrastmittelEnhancement (. Abb. 24.25). Gefäßeinbrüche sind gut darstellbar. Bei Verwendung von superparamagnetischen Kontrastmitteln nehmen Herde, die Kupffer-Zellen enthalten, die eisenhaltigen Kontrastmittel-Partikel auf, was sich in T1w-GRE-Sequenzen als Signalabfall äußert. Mit zunehmender Entdifferenzierung gehen die Kupffer-Zellen verloren, was zur Signalanhebung führt. Zukünftig wird das Spektrum noch durch leberspezifische Kontrastmittel erweitert. In unklaren Fällen kann die Untersuchung mit unterschiedlichen Kontrastmittelarten wiederholt werden. Die Angiographie wird v. a. präoperativ durchgeführt. Eine angiographische Tumorembolisation (. Abb. 24.26) kann manchmal eine Alternative zu chirurgischen Verfahren darstellen. Die kumulativen 1-Jahresüberlebenszeiten betragen dabei bis zu 50%. Falsch negative Befunde kommen v. a. bei Tumorknoten <2 cm und bei diffus infiltrierenden Tumorformen vor, die auch häufig hypovaskularisiert sind. Hochdifferenzierte HCC-Knoten zeigen erweiterte Arterien, häufig arterioportale Shunts, Kontrastmittelseen und ausgeprägte Gefäßneubildungen (. Abb. 24.26a). In der Parenchymphase findet sich eine starke Tumoranfärbung (. Abb. 24.26b). Verdächtig auf ein anaplastisches HCC ist die weniger dichte Tumoranfärbung mit schlechter Abgrenzung, vermehrte Gefäßummauerungen und Neovaskularisationen, während die erweiterten zuführenden Gefäße und Shunts verschwinden.
c und die Tumorkapsel. c Nach KM-Gabe kommt es zu einem inhomogenen, randständig betonten Enhancement mit verbesserter Abgrenzung zum umgebenden Lebergewebe
Typische Merkmale eines HCC 4 Ultraschall: inhomogenes Signalverhalten, häufig schlechte Abgrenzbarkeit 4 CT/MRT: arterielle Hypervaskularisation, rascher washout des Kontrastmittels mit meist hypodenser bzw. hypointenser Darstellung in der portalvenösen Phase 4 Bild eines »Knoten-im-Knoten« bei Leberzirrhose 4 Keine Aufnahme leberspezifischer Kontrastmittel (cave: mit Ausnahme von gut differenzierten HCC-Herden) 4 Fehlende Kontrastmittel-Aufnahme
24.9.2
Cholangiozelluläres Karzinom
Epidemiologie, Ätiologie Nach dem HCC ist das cholangiozelluläre Karzinom (CCC) der zweithäufigste primäre Lebertumor. Frauen sind häufiger betroffen. Risikofaktoren sind: 4 eine stattgehabte Thorotrast-Exposition 4 eine primär sklerosierende Cholangitis 4 Choledochuszysten 4 die familiäre Polypose 4 die kongenitale Fibrose
Pathogenese Der Tumor geht vom Gallengangsepithel des Ductus hepaticus communis oder einem seiner Hauptäste aus und setzt sich aus einem großen, zentralen Kern fibrösen Gewebes und peripher gelegenen, häufig Mucin produzierenden, Adenokarzinomzellen zusammen. Die Dilatation von Gallengängen und die Infiltration der Pfortader sind weit verbreitet, werden aber erst in fortge-
24
796
Kapitel 24 · Leber
a . Abb. 24.27. CCC, Klatskin-Tumor. Typisch ist die Lage am Leberhilus mit Dilatation der vorgeschalteten intrahepatischen Gallengänge und Infiltration der Pfortader
b . Abb. 24.26a, b. HCC, Angiographie. a Gute Abgrenzung eines Tumorknotens mit erweiterten Arterien, Kalibersprüngen und Neovaskularisationen. b in der Parenchymphase verbleiben KM-Seen und eine im Vergleich zum umgebenden Parenchym deutliche Tumoranfärbung
schrittenen Tumorstadien durch das Auftreten eines obstruktiven Ikterus symptomatisch (. Abb. 24.27a). Man differenziert den in den meisten Fällen (95%) vorliegenden nodulären vom diffusen Typ. Weitere Unterscheidungsmerkmale sind die Wachstumsform (exophytisch, szirrhös, infiltrierend, polypoid, duktal) und die Lage. Der Klatskin-Tumor mit seiner Lage am Leberhilus stellt die häufigste Tumorlokalisation dar und ist fast immer mit einer vorgeschalteten, intrahepatischen Gallengangsobstruktion gekoppelt (. Abb. 24.36a). Manchmal ist die Atrophie des betroffenen Lebersegments der einzige Tumorhinweis.
Bildgebung
24
Sonographisch ähnelt das CCC einem großen HCC. In der CT findet sich nativ ein rundlicher, hypodenser Herd mit unregelmäßigen Rändern. Zentrale, stippchenförmig hyperdense Formationen entsprechen eingelagertem Mucin. Auch irreguläre oder punktuelle Verkalkungen werden regelmäßig beobachtet.
Des Weiteren fallen erweiterte Gallengänge und kapsuläre Einziehungen auf. Satellitenherde sind häufig, CT-morphologisch aber nur schlecht zu erkennen. Nach Kontrastmittelgabe zeigt sich sowohl arteriell als auch portalvenös ein nur geringes ringförmiges Enhancement. Typischerweise kommt es erst in der parenchymatösen Spätphase entlang der Pfortaderäste zu einer zunehmenden Anreicherung. Eine THAD kann auftreten. Metastasen, v. a. von anderen Adenokarzinomen, sind bildgebend oft nicht sicher abzugrenzen. Kapseleinziehungen und grobschollige Verkalkungen kommen auch beim epitheloiden Hämangioendotheliom und bei Filiae des kolorektalen Karzinoms vor. Ein wichtiges Differenzierungsmerkmal liefert dann das beim CCC erst in der Spätphase zu beobachtende Enhancement. In der MRT finden sich, abhängig vom Stromaanteil, eher T1w- und T2w-hypointense Herde. Bei bestehender Cholestase ist eine segmentale Signalerhöhung in den T2w-Sequenzen möglich. Häufig ist der Tumor selbst, v. a. wenn es sich um einen Klatskin-Tumor handelt, nicht oder nur angedeutet sichtbar und fällt nur durch die Sekundärveränderungen auf. Die MRCP kann auch bei intraduktalem Wachstum unauffällig sein. Analog zur CT zeigt das CCC nach Kontrastmittelgabe arteriell und portalvenös nur ein geringes Enhancement, in der Spätphase eine mäßige Aufnahme durch Diffusionsvorgänge. Angiographisch ähnelt das CCC dem anaplastischen HCC.
Typische Merkmale eines CCC 4 Geringe, randständige Kontrastmittel-Aufnahme in der arteriellen und portalvenösen Phase 4 Mäßige Kontrastmittel-Aufnahme in der Equilibriumphase 4 Verkalkungen 4 Kapselretraktion 4 Assoziierte Cholestase
797 24.9 · Herdförmige Lebererkrankungen: primär maligne Herdbefunde
24.9.3
Fibrolamelläres Karzinom
Epidemiologie, Ätiologie Das fibrolamelläre Karzinom (FLC) ist mit anteilsmäßig ca. 2% der malignen Lebertumoren selten. Frauen und Männer sind gleich häufig betroffen, wobei das Erkrankungsalter mit einem Altersgipfel zwischen dem 5. und 35. Lebensjahr niedrig ist. Sein Entstehen ist an keine bekannten Risikofaktoren gekoppelt. Das AFP ist im Normbereich.
Pathomorphologie Ausgeprägte fibröse Stränge und Septen (»lamelläre Fibrose«) mit eingestreuten, maligne transformierten Hepatozyten und eine zentrale, sternförmige Narbe sind für die gut demarkierten Neoplasien typisch. Differenzialdiagnostisch erinnern sie damit an die FNH. Durch den hohen Fibroseanteil sind Einblutungen und Nekrosen selten, Verkalkungen kommen in 30–40% der Fälle vor, auch Gallengangsdilatationen werden beobachtet. Ein Einbruch in Pfortaderäste ist möglich, aber viel seltener als beim HCC. Das FLC hat eine langsame Wachstumstendenz, neigt aber zur Ausbildung von Satellitenherden.
a
Prognose Die Prognose ist deutlich besser als beim HCC: bei einer Resektionsrate von 50–75% liegt die 5-Jahre-Überlebenszeit bei ca. 60%.
Bildgebung Entsprechend der vergleichsweise guten Prognose steht bildgebend die Frage nach der Resektabilität im Mittelpunkt. In der CT findet sich nativ ein meist solitärer, gut abgrenzbarer und lobulierter, hypodenser Herd mit einer Größe zwischen 4 und 17 cm. Auffallend ist eine zentrale, radiäre Narbe, die häufig knotige oder sternförmige Verkalkungen aufweist. Nach Kontrastmittelgabe kommt es zu einem mittelgradigen peripheren Enhancement, was, im Vergleich zum umgebenden Lebergewebe, zu einem iso- bis hyperdensem Erscheinungsbild führt. Eine durch Kontrastmittel-Diffusion bedingte Anreicherung der Narbe stellt sich, wenn überhaupt, erst in der Spätphase ein. Die MRT bietet aufgrund des hohen Bindegewebsanteils ein heterogenes Bild. In den T1w-Sequenzen stellen sich die Herde v. a. hypointens dar, in den T2-Wichtungen v. a. hyperintens (. Abb. 24.28a). Das Enhancement entspricht dem der CT mit bis zur Spätphase signalarmer zentralen Narbe (. Abb. 24.28b). Insgesamt ist die Differenzialdiagnose zu Adenomen und insbesondere zur FNH schwierig, da beide ein ähnliches Erscheinungsbild mit zentraler Narbe, Bindegewebssepten und nekrotischen Anteilen besitzen. Der Nachweis von Satellitenherden spricht für ein FLC.
24.9.4
Zystadenokarzinom
7 Kap. 24.8.6 Zystadenom.
b . Abb. 24.28a, b. Fibrolamelläres Karzinom, MRT. Das FLC bietet aufgrund seines hohen Bindegewebsanteils ein heterogenes Bild. a In den T1wSequenzen stellen sich die gut abgrenzbaren, lobulierten Herde v. a. hypointens dar, in den T2-Wichtungen v. a. hyperintens. Ausgeprägte, teils verkalkte, fibröse Stränge und Septen durchziehen den Tumor (»lamelläre Fibrose«), typisch ist die Ausbildung einer zentralen radiären Narbe. Damit ist die Differenzialdiagnose zur FNH nur schwierig zu stellen (vgl. . Abb. 24.19). b Nach KM-Gabe kommt es zu einem mittelgradigen peripheren Enhancement, die zentrale Narbe bleibt bis zur Spätphase signalarm
24
798
24.9.5
Kapitel 24 · Leber
Mesenchymale Sarkome
Zu den mesenchyalen Sarkomen zählen seltene Tumoren mesenchymalen Ursprungs wie das Angiomyosarkom, das Rhabdomyosarkom, Fibrosarkom, Leiomyosarkom oder das maligne fibröse Histiozytom (. Tab. 24.8). Bildgebend sind die einzelnen Tumorentitäten nicht sicher zu unterscheiden. Meist finden sich große, solide Herde mit Septierungen, Einblutungen und Nekrosen, die eine heterogene, peripher betonte Kontrastmittel-Aufnahme zeigen. Verkalkungen sind selten.
24.9.6
Angiosarkom
a
Epidemiologie, Ätiologie Dieser extrem seltene primäre Lebertumor, der von Endothelzellen ausgeht, findet sich v. a. nach Exposition mit Thorotrast (Latenz 15 Jahre) oder anorganischem Arsen und Vinylchlorid (Latenz 4 Jahre) und tritt erst im höheren Lebensalter auf (Altersgipfel in der 7. Dekade). Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Auch eine Assoziation mit Steroiden, der Hämochromatose und dem Morbus Recklinghausen wurde beschrieben.
Pathomorphologie Es bilden sich multiple, über die ganze Leber verstreute und stark durchblutete Tumorknoten, die keine Kapsel besitzen und schlecht demarkiert sind. Häufig enthalten sie eine zystische Komponente, mit Einblutungen oder Zelldetritus. Auch ein Gefäßeinbruch mit resultierender Thrombose ist nicht selten. Es kommt zur Hepatomegalie und zu hämorrhagischem Aszites, Leberrupturen können vorkommen, sind aber selten. Bei hochagressivem Wachstum metastasiert der Tumor früh in regionale und mesenteriale Lymphknoten, aber auch in Lunge und Milz. Die mittlere Überlebenszeit beträgt ca. 6 Monate.
Bildgebung In der Nativ-CT finden sich disseminierte, hypodense Herde, die auch zystische Komponenten oder hyperdense Einblutungen aufweisen können. Eventuell vorhandene Thorotrast-Ablagerungen stellen sich in der Peripherie als metalldichte Hyperdensitäten dar, in der MRT als punktförmige Suszeptibilitäts-Artefakte, die auch die Milz und Lymphknoten betreffen können. Die inhomogene Tumorbinnenstruktur lässt sich auch in der MRT durch gemischte Hypound Hyperintensitäten in T1- und T2-Wichtungen nachvollziehen (. Abb. 24.29a, b). Nach Kontrastmittelgabe reichern die Tumoren deutlich und prolongiert bis zur Spätphase an, wobei sich das Enhancement auf die Peripherie konzentriert. Periphere Kontrastmittel-Lakunen zeichnen das Angiosarkom aus, da dieser Befund ansonsten für das kavernöse Hämangiomen typisch ist (. Abb. 24.29b).
24.9.7
Epitheloides Hämangioendotheliom
Definition, Epidemiologie
24
Beim epitheloiden Hämangioendotheliom (EHE) handelt es sich um einen niedrig-malignen Tumor mit langsamen Wachstum
b . Abb. 24.29a, b. Angiosarkom, MRT. a Die disseminierten Herde sind stark durchblutet und bei fehlender Kapsel nur schlecht gegenüber dem Lebergewebe demarkiert. Aufgrund des Nebeneinanders von zystischen Veränderungen, Nekrosen und Einblutungen findet sich ein gemischtes T1und T2-Signal. b CT: Man erkennt einen disseminierten Leberbefall mit unterschiedlich großen Tumorknoten, der von einer Hepatomegalie begleitet wird. Das inkomplette KM-Enhancement ist inhomogen und peripher betont. Typisch sind die peripheren KM-Seen, die lakunären Gefäßveränderungen entsprechen. Nebenbefundlich lässt sich eine renale Filia abgrenzen
und kompensatorischer Hyperplasie des umgebenden Lebergewebes. Eine Beziehung zum infantilen EHE besteht nicht. Die insgesamt sehr seltene Tumorentität betrifft v. a. Frauen zwischen 20–40 Jahren.
Pathomorphologie Anfänglich entstehen multiple Knötchen, die dann zu großen Tumormassen in der Leberperipherie konfluieren. Neben dem hepatischen Befall treten gelegentlich auch Herde in der Lunge und in den Weichteilen auf. Durch die regelmäßig zu beobachtenden, fokal-entzündlichen Begleitreaktionen kommt es zu zunehmenden Sklerosierungen, Kalzifikationen (. Abb. 24.30) und Gefäßokklusionen, die bis zum Leberversagen fortschreiten können.
799 24.10 · Herdförmige Lebererkrankungen: sekundär maligne Herdbefunde
Bildgebung Schon nativ lassen sich computertomographisch multiple, teils verkalkte, hypodense Raumforderungen abgrenzen. In der MRT zeigt sich ein variables Signalverhalten, mit überwiegend hypointensen Befunden in der T1w, in der T2w stellen sich die Herde mäßig signalreich mit mehreren konzentrischen Zonen unterschiedlicher Intensität dar. Nach Kontrastmittelgabe kommt es zu einem peripheren Enhancement, manchmal bleibt ein hypodenser Randwall bestehen (. Abb. 24.30b). ! Durch die in der CT Leber-isodensen Dichtewerte nach Kontrastmittelgabe kann die eigentliche Tumorgröße unterschätzt werden, sodass die Ausdehnung besser mittels MRT beurteilt werden sollte.
Typische Merkmale eines epitheloiden Hämangioendothelioms 4 Multiple, gering vaskularisierte Herde, betont in der Leberperipherie bei nichtzirrhotischer Leber 4 Kapselretraktion 4 Verkalkungen 4 Kompensatorische Hypertrophie nicht befallener Anteile der Leber
24.9.8
a
Lymphom
Primär hepatische Lymphome sind sehr selten, meist handelt es sich um eine Organbeteiligung bei Systembefall (7 Kap. 24.12).
24.10
Herdförmige Lebererkrankungen: sekundär maligne Herdbefunde
24.10.1
Metastasen
Epidemiologie Metastasen bilden mit 90% den Hauptanteil aller bösartigen Lebertumoren und sind damit 18- bis 30-mal häufiger als primäre Lebermalignome. Bei 25–50% aller an einem Tumorleiden verstorbener Patienten lassen sich autoptisch hepatische Filiae nachweisen. Damit ist die Leber nach den peritumoralen Lymphknoten der häufigste Metastasierungsort, sodass die Abklärung eines metastatischen Leberbefalls zu den häufigsten Fragestellungen der onkologischen Bildgebung überhaupt gehört.
b . Abb. 24.30a, b. Epitheloides Hämangioendotheliom. a MRT: Man erkennt ein variables Signalverhalten mit überwiegend hypointensen Befunden in T1-gewichteten Sequenzen und mäßig signalreichen Herden mit konzentrischen Zonen unterschiedlicher Intensität in den T2-Wichtungen. b Nach Gd-Gabe ist nur ein mäßiggradiges peripheres Enhancement zu verzeichnen
Pathogenese Die hämatogene Aussaat, v. a. aus dem Magendarmtrakt über die V. portae, ist der verbreitetste Metastasierungsweg. Die häufigsten Lokalisationen der Primärtumoren sind Kolon (42%), Magen (23%), Pankreas (21%) und die Gallenwege. Indirekt über die A. hepatica metastasieren Bronchialkarzinome (13%), Mammakarzinome (14%), Nierentumoren und Malingome des Urogenitaltrakts. Malignome der großen Gallenwege, des Magens oder Pankreas erreichen den Leberhilus auch
lymphogen oder wachsen per continuitatem in die Leber ein. Die Blutversorgung erfolgt hauptsächlich über Äste der A. hepatica, wobei Metastasen aufgrund ihres Missverhältnisses von Stroma und Neovaskularisation meist hypovaskularisiert sind. Der rechte Leberlappen wird bevorzugt befallen. Typisch sind multiple Herde unterschiedlicher Größe. Man unterscheidet fokale von diffusen und infiltrative von expansiven Wachstumsformen.
24
800
Kapitel 24 · Leber
Bildgebung Sonographisch werden Filiae nach ihrer Echogenität in 3 Typen
a
b . Abb. 24.31a, b. Filiae, Sonographie. Leberfiliae bieten sonographisch ein vielfältiges Bild. a Typisch sind »Targetläsionen«, Herdbefunde mit echoarmem Randsaum und zur leber isodensem bis echoreichem Zentrum. b Aber auch hypodense Herdbefunde werden häufig angetroffen, v. a. beim Mammakarzinom, dem Bronchialkarzinom, Melanom und Karzinoid
24
unterteilt: 4 Der echofreie Typ I ist sehr selten und findet sich v. a. bei Zystadenokarzinomen oder Ovarialkarzinomen. Häufiger wird er bei sekundären Einschmelzungen und Nekrosen beobachtet, teilweise mit Spiegelbildung. Die Differenzierung von anderen zystischen Prozessen gelingt durch die unregelmäßige Wandkonfiguration, die sich sonst nur noch bei Abszessen findet. 4 Vor allem epitheliale Tumoren (Mammakarzinom, Bronchialkarzinom, Melanom, Karzinoide) bilden echoarme Typ II-Läsionen, welche die zweithäufigste MetastasierungsGruppe darstellen (. Abb. 24.31b). Aufgrund ihrer dem Lebergewebe ähnelnden Echogenität sind sie oft schlecht abgrenzbar. 4 Der Typ III ist homogen echoreich und findet sich am häufigsten bei kolorektalen Karzinomen, Adenokarzinomen des Magens, Hodenteratomen und dem SCLC. Die Subtypen IIIa bis IIIc werden unterschieden: 5 Dem Typ IIIa entsprechen die so genannten »Targetläsionen«, für die ein ringförmiger, echoarmer Randsaum, als Hinweis auf ein schnelles Wachstum mit Kompression des umgebenden Lebergewebes, typisch ist (. Abb. 24.31a). 5 Typ III b: Bei zentralen Einschmelzungen durch Tumornekrosen oder posttherapeutische Veränderungen (Chemotherapie) findet sich hingegen häufig ein echoarmes Zentrum mit echoreichem Saum, was als »Bull’s-eye-lesion« bezeichnet wird. Spiegelbildungen sind möglich. Bei sehr schnellem Wachstum werden auch Mischungen aus Bullseye- und Target-Läsionen beobachtet mit echoarmem Außenbezirk, echoreichem Randwall und echoarmem Zentrum. 5 Typ III c: Diesem Typ entsprechend sehr echoreiche Herde mit dorsalen Schallschatten durch Verkalkungen. Sie weisen häufig auf ein kolorektales Karzinom, ein osteogenes Sarkom, ein Adenokarzinom des Magens, ein Mammakarzinom oder ein medulläres Schilddrüsenkarzinom hin, oder entstehen posttherapeutisch, z. B. nach Chemotherapien, unabhängig vom vorliegenden Tumor. Unabhängig von den genannten typischen Echomustern kann jeder Tumor jeden Metastasentypus erzeugen. Bei Steatosis hepatis sind fast alle Herde echoarm, echoreiche Metastasen können dann maskiert werden. Auch das simultane Auftreten verschiedener Echogenitäten wird beobachtet. Bei einer diffusen Durchsetzung der Leber durch kleinknotige Metastasen (z. B. SCLC, Melanom) oder bei konfluierenden Herden ist die Abgrenzung gegenüber nichtmalignen Parenchymveränderungen manchmal schwierig. Das (Mehrphasen-)CT wird sowohl als Staging-Untersuchung als auch präoperativ und zur Verlaufskontrolle eingesetzt. In der Nativ-CT sind Metastasen hypodens, viele aber auch nicht vom Lebergewebe zu unterscheiden. Beim Vorliegen einer Fettleber sinkt die Abgrenzbarkeit weiter, erst bei höhergradiger Verfettung kommt es zu einer Dichteumkehr mit dann hyperdensen Läsionen. Kleine Herde sind meist knotig und homogen, größe-
801 24.10 · Herdförmige Lebererkrankungen: sekundär maligne Herdbefunde
a
b
c
d
. Abb. 24.32a–d. Filiae, CT. Verschiedene Darstellungsformen von Leberfiliae in der CT: a zystisch, b hypodens, c mit Ring-Enhancement, d target-lesion
24
802
24
Kapitel 24 · Leber
re Herde sind häufiger heterogen mit irregulären, schlecht abgrenzbaren Rändern. Verkalkungen sind gut nachweisbar. Nach Kontrastmittelgabe weisen hypovaskularisierte Herde für gewöhnlich ein allenfalls geringes arterielles Enhancement, mit portalvenös weiterbestehender Hypodensität, auf. Hypervaskularisierte Herde reichern arteriell mittelgradig bis stark an, bei schnellem venösen wash-out mit dann iso- bis hypodenser Darstellung. Obwohl auch in der CT alle Dichte-Muster vorkommen können (. Abb. 24.32), überwiegen hypovaskularisierte Herde. Fast pathognomonisch für viele Metastasen ist das bereits erwähnte »Target-Sign«, das bis in die portalvenöse Kontrastmittel-Phase hinein zu beobachten ist. Daher wird in Routine-Untersuchungen die portalvenöse Phase zur Filiasuche verwendet, ein bi- oder triphasisches CT ist speziellen Fragestellungen vorbehalten. So kann, neben der standardmäßigen venösen Phase, die Nativ-CT bei hypervaskularisierten Filiae (Melanom, Nierenzellkarzinom, neuroendokrine Tumoren, Schilddrüsenkarzinom, Sarkome, GIST) als zweite Phase eingesetzt werden, mit – im Vergleich zur arteriellen Phase – gleichen, teils sogar besseren Studienergebnissen. Kein zusätzlicher Nutzen konnte in Studien für das ebenfalls teils hypervaskularisierte Metastasen verursachende Mammakarzinom aufzeigt werden. Beim Verdacht auf Karzinoidmetastasen ist eine dritte Kontrastmittel-Phase empfehlenswert, da hier häufig heterogene Filiae mit einem Nebeneinander von zystischen Komponenten sowie hypo- und hypervaskularisierten Räumen auftreten. Eine Spätphase kann zur Abgrenzung gegenüber benignen Herdbefunden durch den unterschiedlichen wash-out hilfreich sein. Die Differenzialdiagnose hepatischer Filiae schließt u. a. kleine Hämangiome mit ein, v. a. wenn diese ein schnelles wash-out zeigen und nicht die typische, bis in die Spätphase anhaltende Hyperdensität aufweisen. Auch die Abgrenzung zur FNH kann bei fehlender zentraler Narbe schwierig sein. Fokale Verfettungen zeigen keine Kontrastmittel-Aufnahme. Nekrotische Metastasen mit Ringenhancement sind von intrahepatischen Abszessen durch deren niedrigere, zentrale Dichtewerte zu differenzieren. Im Vergleich zu einfachen Zysten ist der Randsaum breiter und irregulär, mit knötchenförmigen Verdickungen und Kontrastmittel aufnehmenden soliden Tumoranteilen. Die MRT besitzt in der Herddetektion die beste Sensitivität aller bildgebenden Verfahren (>90%). Die weitere Charakterisierung der Filiae hängt vom Primarius, dem Vaskularisationsgrad, dem Auftreten von Nekrosen oder Einblutungen ab, sodass sich das aus Sonographie und CT bekannte bunte Bild bestätigt, mit Target- und Bull’s-eye-Läsionen (bei breitem Rind auch Doughnut-Läsionen). Im Vergleich zu normalem Lebergewebe sind die T1- und T2-Relaxationszeiten verlängert, jedoch kürzer als bei Zysten und Hämangiomen. Meist stellen sich Filiae in T1wSequenzen hypointens dar. Durch das meist leicht hyperintense T2-Signal ist hier oft eine bessere Darstellung möglich (. Abb. 24.33a). Melanin-haltige Metastasen eines malignen Melanoms stellen sich in nativen T1w-Sequenzen hyperintens dar. Der nativ oft anzutreffende, signalreiche Randsaum kann sowohl Ödem als auch vitalem Tumorgewebe entsprechen. Erst die Kontrastmittelgabe ermöglicht die genaue Unterscheidung,
a
b
c . Abb. 24.33a–c. Filiae, MRT. a Metastasen stellen sich in den T2-gewichteten Sequenzen in der Regel hyperintens. b Nach Gd-Gabe ist häufig ein typisches Ring-Enhancement ab der arteriellen Phase zu beobachten; c dabei können hypovaskularisierte Herde in der portalvenösen Phase maskiert werden
803 24.11 · Lebertumoren im Kindesalter
unter Umständen kann die Filia also kleiner sein als in der NativUntersuchung angenommen. Wie in der CT zeigen hypervaskularisierte Herde arteriell die stärkste Kontrastierung (. Abb. 24.33b). Venös sind hypovaskularisierte Herde manchmal isointens zum Lebergewebe, weswegen die Spätphase abgewartet werden sollte: ein Charakteristikum, das bei ca. einem Drittel aller Metastasen nachweisbar ist, ist der peripher beginnende wash-out mit Entstehung eines hypodensen Rings. > Der Einsatz leberspezifischer oder superparamagnetischer Kontrastmittel kann kleine Herde mit guter Spezifität und Sensitivität darstellen oder auch zusätzliche Herde demarkieren. Aufgrund des deutlich erhöhten Kostenfaktors sollte ihr Einsatz jedoch speziellen Fragestellungen und therapierelevanten Entscheidungen vorbehalten sein. Zunehmend kommt zur Detektion kleiner und kleinster Metastasen die diffusionsgewichtete MR-Bildgebung zu Anwendung.
Die Angiographie dient weniger der Herddetektion als vielmehr der Vorbereitung interventioneller oder chirurgischer Eingriffe. Das variable Bild, das sich bietet, ähnelt den Gefäßveränderungen bei primären Lebertumoren und wird von hypervaskularisierten Herden mit ihrer deutlichen Tumoranfärbung dominiert (. Abb. 24.34). Die untere Nachweisgrenze liegt dabei bei einer Größe von 0,5–1 cm. Hypovaskularisierte Metastasen zeigen eine deutlich schlechtere Abgrenzbarkeit mit einer unteren Nachweisgrenze von ca. 2 cm.
Typische Merkmale von Lebermetastasen 4 Ultraschall: variables Erscheinungsmuster, Target- und bull’s-eye Muster sind typisch 4 Randständige, ringförmige Kontrastmitel-Aufnahme: – Bei hypervaskularisierten Metastasen in der arteriellen Phase (Melanom, Nierenzellkarzinom, neuroendokrine Tumoren, medulläres Schilddrüsenkarzinom, Sarkome, GIST) – Bei hypovaskularisierten Tumoren in der portalvenösen Phase (z. B. Pankreaskarzinom, kolorektale Tumoren) – Peripheres wash-out
. Abb. 24.34. Filiae, Angiographie. Metastasen sind fast ausschließlich arteriell versorgt, sodass sich hypervaskularisierte Herde angiographisch gut darstellen lassen. Ähnliche den primären Lebertumoren zeigen sich Neovaskularisationen und Klaibersprünge bei unregelmäßiger Aufzweigung der Gefäße. Gefäßeinbrüche kommen ebenfalls regelmäßig vor. Der Tumor zeigt eine verlängerte KM-Speicherung in der Parenchymphase
In lediglich einem Drittel der Untersuchungen werden benigne Läsionen, mit Betonung vaskulärer Herde, diagnostiziert. Dabei kommen bei Kindern als Zufallsbefunde v. a. Zysten, Hämangiome, eine FNH, Adenome oder Lipome vor, die sich bildgebend identisch zu den jeweils charakteristischen Befunden beim Erwachsenen darstellen. Maligne kindliche Läsionen überwiegen mit zwei Dritteln der Fälle.
24.11.1
Benigne Tumoren im Kindesalter
Hämangiom/Hämangiomatose
24.11
Lebertumoren im Kindesalter
Bei kindlichen Patienten wird die Primärdiagnose eines Lebertumors meist sonographisch gestellt. Häufig erfolgt – trotz der Strahlenexposition – anschließend eine CT, da sie schneller und weniger traumatisierend ist als MRT-Untersuchungen, die häufig eine Sedierung notwendig machen. Sequenzen in Atemanhaltetechnik können in der Regel erst ab einem Alter von 6–8 Jahren durchgeführt werden. Die Dauer der MRT sollte, inklusive Kontrastmittelgabe, möglichst unter 20 min liegen. Eine ergänzende MRCP oder MRA ist ausgesuchten Fragestellungen vorbehalten. Sowohl in der CT als auch in der MRT stehen spezielle, kinderfreundliche Protokolle zur Verfügung.
Das schon bei Neugeborenen und Kleinkindern auftretende kindliche Riesenhämangiom fällt durch eine Hepatomegalie bei ansonsten asymptomatischen Kindern auf. Die Hämangiomatose ist häufig mit kutanen Hämangiomen assoziiert. In Einzelfällen kann es, beim Vorliegen großer AV-Shunts, zur Entwicklung einer Herzinsuffizienz kommen. Durch die vermehrte Sequestration von Blutplättchen treten Thrombozytopenien auf (z. B. Kasabach-Meritt-Syndrom). Neben regredienten Verläufen unter Steroidtherapie oder nach Katheterembolisation kommen auch spontane Rückbildungen vor. Bildgebung. Die Bildgebung entspricht der beim Erwachsenen. Auffällig ist eine, durch den erhöhten Durchfluss und AV-Shunts bedingte Erweiterung der A. hepatica, teilweise auch der proximal des Truncus coeliacus gelegenen Aorta. Das differenzialdi-
24
804
Kapitel 24 · Leber
agnostisch infrage kommende HCC oder das Hepatoblastom weisen im Gegensatz dazu nur selten Shunts auf.
Infantiles Hämangioendotheliom Epidemiologie, Pathogenese Das infantile Hämangioendotheliom (IHE) ist der häufigste gutartige, mesenchymale Lebertumor der Kindheit. 85% der Erkrankungen werden vor dem 6. Lebensmonat diagnostiziert. Während in den ersten 6 Monaten die Wachstumsprogredienz überwiegt, kommt es im Anschluss oft zu spontanen Regressionen, die durch Steroid- oder Interferon-Gabe unterstützt werden können. Es finden sich meist solitäre Raumforderungen bis zu 20 cm Größe mit konsekutiver Hepatomegalie. Der Tumor ist mit angeborenen Herzfehlern oder Koagulopathien (KasabachMeritt-Syndrom) assoziiert. Kutane Hämangiome finden sich in 50% der Fälle.
Bildgebung Computertomographisch stellen sich die Herde nativ hypodens, teils glatt, teils unscharf berandet dar. In 15% sind Kalkeinlagerungen nachweisbar, in großen Herden auch Nekrosezonen und Einblutungen. Nach Kontrastmittelgabe ähnelt das Enhancement Hämangiomen mit Irisblendeneffekt. Bei großen AVShunts kommt es zum Kalibersprung zwischen supra- und infracoeliacaler Aorta mit Zunahme des Durchmessers des Truncus coeliacus und der A. hepatica. Die MRT bietet ein sehr intensives, aber inhomogenes T2Signal mit eingestreuten Signalauslöschungen durch Kalzifizierungen und Fibrosezonen. In der T1w fallen insbesondere die hyperintensen Hämorrhagien in dem heterogen, signalarmen Tumorgewebe auf. Die Ähnlichkeit zum Hämangiom nach Kontrastmittelgabe ist auch hier zu beobachten. Angiographisch ist bei inhomogener KontrastmittelAufnahme und Kontrastmittelseen die Unterscheidung zum Hämangiom durch den schnelleren Kontrastmittel-Abstrom möglich. Die zuführenden Arterien sind erweitert und gewunden, bei fehlender, kontinuierlicher Kaliberabnahme, oft finden sich AV-Shunts. Symptomatische Herde können embolisiert werden.
Mesenchymales Hamartom Diese meist solitären Tumoren, die sich häufiger im rechten Leberlappen finden, treten schon bei Säuglingen und Kleinkindern auf. Bildgebung. Man erkennt multiple Zysten, die in der in der T1w
bei klarem Zysteninhalt ein hypointenses Signal aufweisen, bei mukoidem Inhalt hyperintens erscheinen. In der T2w ist immer das zystentypische hyperintense Erscheinungsbild gegeben. Der Tumor wird durch Kontrastmittel aufnehmende Septen unterteilt. Eine Entartung zum undifferenzierten embryonalen Sarkom ist möglich. Differenzialdiagnostisch kommt weiterhin das Hepatoblastom infrage, falls die zystische Komponente nur gering ausgebildet ist. Für das Hepatoblastom spricht ein Anstieg des AFP, der beim Hamartom meist fehlt.
24
24.11.2
Maligne Tumoren im Kindesalter
Hepatoblastom Epidemiologie Das Hepatoblastom ist mit >50% der häufigste kindliche Lebertumor und stellt insgesamt den dritthäufigsten abdominellen Tumor dar. Er wird v. a. bei Kindern <5 Jahren diagnostiziert, wird aber bis zum 15. Lebensjahr beobachtet. Jungen sind doppelt so häufig betroffen. Bei Diagnosestellung haben sich bereits große Tumormassen (>10 cm) gebildet, wobei der rechte Leberlappen deutlich häufiger befallen ist. Eine Assoziation mit der Trisomie 18, der Polyposis coli, dem Beckwith-Wiedemann-Syndrom, dem Wilmstumor, Glykogenspeicherkrankheiten und Meckel-Divertikeln ist bekannt.
Pathogenese Meist tritt das Hepatoblastom solitär auf, in ca. 20% kommt es zum multifokalen Auftreten. Der Tumor setzt sich aus fetalen Hepatozyten und mesenchymalen Zellen zusammen, je nach Zusammensetzung wird ein fetaler von einem embryonalen und kleinzellig undifferenzierten Subtyp unterschieden. Während rein mesenchymale Tumoren ein homogenes Erscheinungsbild haben, kommt es beim häufigeren Mischtyp zu Einblutungen, Nekrosen und Fibrosen, teils finden sich auch knöcherne oder knorpelige Anteile. Der häufigste Metastasierungsort ist die Lunge. AFP ist in 65–90% erhöht; auch endokrin aktive Herde, mit Ausbildung einer Pubertas praecox, kommen vor.
Bildgebung Die Bildgebung ist meist unspezifisch: Die oft große Teile der Leber einnehmenden Tumoren sind beim Mischtyp in der NativCT hypodens mit Nekrosen, fibrotischen bandförmigen Strukturen und grobschollige Verkalkungen. Einblutungen sind insbesondere nach Chemotherapie häufig. Nach Kontrastmittelgabe stellen sich die Raumforderungen arteriell und venös heterogen hyperdens dar. Bei inhomogener Binnenstruktur überwiegen in der MRT Hypointensitäten in T1w- und Hyperintensitäten in T2w-Sequenzen. Sowohl scharfe als auch unscharfe Begrenzungen sind möglich. Die zentralen Nekrosen stellen sich flüssigkeitsisodens dar, zusätzlich erkennt man in den T1w-Sequenzen hyperintense zentrale Hämorrhagien. Die intraläsionalen Septen sind signalarm in der T2w, reichern aber nach Kontrastmittelgabe durch Diffusion an. Das Tumorgewebe selbst, inklusive Pseudokapsel, reichert ausgeprägt, aber inhomogen an. Eine mögliche Gefäßinfiltration ist nachweisbar. In der Angiographie ist der Tumor meist hypervaskularisiert mit ausgeprägter Neovaskularisation und dichter Anfärbung. Kontrastmittelseen können vorhanden sein, andererseits sprechen avaskuläre Areale für Nekrosen. AV-Shunts sind möglich, aber untypisch. Wie auch bei anderen kindlichen Tumorentitäten kann es zu einer Erweiterung der A. hepatica und der Aorta proximal des Truncus coeliacus kommen. Die Darstellung der VCI sollte zum Ausschluss eines Tumoreinbruchs ergänzt werden. Aufgrund des inhomogenen Bildes kommt eine Fülle von Differenzialdiagnosen infrage, welche die Mehrzahl der gutartigen kindlichen Lebertumoren umfasst. Die infantilen Hämangioendotheliome weisen eher feingranulomatöse Verkalkungen
805 24.12 · Leberbefall bei Systemerkrankungen
und vaskularisierte Räume auf, die an ein Hämangiom erinnern. Das metastasierte Neuroblastom oder mesenchymale Hamartom sind durch zystische Räume unterschiedlicher Größe und Dichte bei geringgradigem Kontrastmittel-Enhancement charakterisiert. Beim fibrolammelären Karzinom liefert das Alter >5 Jahren den entscheidenden Hinweis. Ein differenzialdiagnostisches Problem stellt das HCC dar, das weder bildgebend noch durch das AFP sicher zu unterscheiden ist. Auch hier spielt das etwas höhere Alter (12–15 Jahre) eine Rolle, zusätzlich besteht in einem Drittel der Fälle eine Leberzirrhose durch metabolische Störungen, biliäre Atresien oder Hepatitiden.
kennt eine Raumforderung in der Leberpforte, die sich intraluminal in die zentralen Gallengänge ausbreitet und daher häufig von einer intrahepatischen Cholestase begleitet wird. Das auch beim Erwachsenen vorkommende HCC macht 23% aller kindlichen Lebertumoren aus, weitere mesenchymale Malignome sind mit ca. 5% selten.
Metastasen Auch hier gelten dieselben Kriterien wie bei einer Metastasierung im Erwachsenenalter. Die häufigsten in der Leber metastasierenden Primärtumoren im Kindesalter sind das Neuroblastom, der Wilms-Tumor und Lymphome.
Mesenchymales Sarkom Epidemiologie, Klinik, Prognose Der Tumor ist einem undifferenziertem Lebersarkom gleichzusetzen und kommt nur selten mit einem Altersgipfel zwischen 5 und 10 Jahren vor. Bei unspezifischer Klinik ist das AFP normal. Bei Bevorzugung des rechten Leberlappens zeigt sich ein lokal aggressives Wachstum mit früher Infiltration des Zwerchfells und der Lunge. Die Prognose ist dementsprechend schlecht mit einer mittleren Überlebenszeit von 12 Monaten.
Pathomorphologie, Bildgebung Die Tumoren besitzen meist eine fibröse Pseudokapsel und sind gut begrenzt. In der MRT sind sie T1-hypointens und mäßig T2hyperintens. Die Binnenstruktur ist inhomogen mit zentralen Zysten, Einblutungen und Nekrosen. Bei dem hypovaskularisierten Tumor ist ein mäßiges, portalvenöses Enhancement zu erkennen, während die Pseudokapsel deutlich anreichert.
Undifferenziertes embryonales Sarkom Epidemiologie In >90% der Fälle werden Kinder und Jugendliche <15 Jahren von diesem seltenen Tumor betroffen, vereinzelt kommen Neuerkrankungen bis zum 3. Lebensjahrzehnt vor. Man geht davon aus, dass es sich um eine maligne Variante des mesenchymalen Hamartoms handelt.
Bildgebung Es finden sich große (10–25 cm), solitäre Knoten, bevorzugt im rechten Leberlappen (75%), teils mit Einblutungen und Nekrosen. Sonographisch ähneln Sarkome ausgedehnen HCC-Herden. In der CT zeigen sich, aufgrund der myxoiden Grundsubstanz, fast wasseräquivalente Dichtewerte. Die Raumforderung wird meistens durch eine fibröse Pseudokapsel scharf begrenzt. Bei starker arterieller Anreicherung in der Peripherie ist der Tumor zentral größtenteils hypodens. Die Unterscheidung zum mesenchymalen Hamartom ist durch die anreichernde Weichteilkomponente und die Pseudokapsel zu treffen.
Andere Angiosarkome entwickeln sich in der Kindheit aus Hämangioendotheliomen. Ihr primärer Metastasierungsort ist die Lunge. Das Rhabdomyosarkom der Gallengänge ist ein seltener Tumor, der bildgebend dem Klatskin-Tumor ähnelt. Man er-
24.12
Leberbefall bei Systemerkrankungen
24.12.1
Lymphom
Pathomorphologie Bei den Lymphomen ist abgesehen vom Knochenmark nach der Milz die Leber der häufigste extranodale Manifestationsort. Diffuse Befallsmuster überwiegen. Die verschiedenen Formen bieten dabei ein verhältnismäßig uniformes Bild mit vergrößerter, glatt berandeter Leber mit abgerundeten Rändern.
Bildgebung Sonographisch fällt eine vergröberte Echobinnenstruktur mit auffallend guter Schallleitung auf. Der diffuse Befall entzieht sich häufig der Darstellung in der CT und MRT, hinweisend sind dann einzig die Hepatomegalie und eine Lymphadenopathie. Bei der nodulären Infiltration sind unterschiedlich große, meist kleinknotige, Herde über die gesamte Leber verstreut, die ein infiltrativ-destruierendes Wachstumsmuster zeigen und nekrotisch zerfallen können. Initial ist mikroskopisch beim Morbus Hodgkin in ca. 5%, beim NHL in ca. 15% ein Leberbefall nachweisbar, im Spätstadium finden sich autoptisch in über der Hälfte der Fälle hepatische Infiltrate. In der Sonographie sind die Herde echoarm, in der nativen CT durch ihre leicht hypo- bis isodensen Dichtewerte schlecht sichtbar. Portalvenös lassen sich kleine, hypodense Herde mit schlecht definierten Berandungen abgrenzen (. Abb. 24.35), in der Spätphase können sie durch Kontrastmittel-Diffusion hyperdens erscheinen. In der MRT finden sich T2w mäßig signalreiche und T1w signalarme Knoten. Besser lässt sich der häufige initiale Befall am Leberhilus durch seine Verbreiterung und Signalerhöhung in den T2-Wichtungen nachweisen. Differenzialdiagnose: NHL nehmen allenfalls geringgradig, der Morbus Hodgkin so gut wie nie Kontrastmittel auf. Die Abgrenzung zu Metastasen, bzw. beim diffusen Befall zu anderen Leberparenchymerkrankungen, ist schwierig, hilfreich sind die Klinik und der Nachweis anderer Manifestationsorte. Die teils fehlende Kontrastmittel-Aufnahme in Kombination mit einem knotigen Wachstumsmuster kann die Differenzialdiagnose zum HCC erschweren.
24
806
Kapitel 24 · Leber
Bildgebung
. Abb. 24.35. Lymphom, CT. Neben dem Milzbefall sind in der portalvenösen Phase unterschiedlich große Leberherde mit hypo- bis isodensen Dichtewerten und schlecht definierter Berandung zu erkennen
24.12.2
Lymphoproliferative Erkrankungen nach Transplantation (PTLD)
Epidemiologie, Ätiologie Die PTLD (post-transplant lymphoproliferative disorder) ist mit 2–5% die häufigste maligne Erkrankung infolge einer Organtransplantation. Durch unregulierte B-Zell-Proliferationen, die oft im Anschluss an eine Epstein-Barr-Virus-Infektion gefunden werden, kommt es zu lymphoiden Hyperplasien bis hin zur Ausbildung eines Lymphoms. Extranodale Manifestationen überwiegen. Eine nur bei Transplantatempfängern beobachtete Eigenheit ist die lymphomatöse Infiltration der Periportalfelder.
Bildgebung In der CT lassen sich 3 Befallsmuster differenzieren: 4 Einzelne oder multiple, hypodense intrahepatische Knoten von 1–4 cm Größe, 4 eine diffuse Infiltration mit hypodensem, geographischem Muster und schlechter Abgrenzbarkeit oder 4 eine Raumforderung in der Leberpforte, die sich entlang der Gallengänge ausdehnt, mit begleitendem hilärem Lymphknotenbefall.
24.13
Traumatisch bedingte Veränderungen
24.13.1
Stumpfes Lebertrauma
Epidemiologie
24
Die Leber ist bei stumpfen Bauchtraumen mit ca. 15–20% das am zweithäufigsten betroffene solide Organ. Durch Kompressionsund Scherkräfte wird der rechte Leberlappen, v. a. in seinen posterioren Anteilen, bevorzugt in Mitleidenschaft gezogen. Verletzungen durch Rippenfrakturen kommen hinzu. Ein begleitendes Hämatoperitoneum findet sich in 80% der Fälle, daneben kann es bei Leberrupturen aber auch zu retroperitonealen Blutungen kommen.
In der Akutdiagnostik ist die Multislice-CT durch ihre gute Verfügbarkeit und kurze Untersuchungszeit Methode der Wahl. Mit Ausnahme der aktiven Blutung ist die portalvenöse Phase am besten zur Darstellung der traumatischen Veränderungen geeignet. In manchen Fällen ist die periportale Dichteminderung der einzige Hinweis auf eine Leberbeteiligung. Sie entsteht durch Einblutungen entlang der Pfortaderäste und ödematöse Flüssigkeitsaustritte, auch kann der intrahepatische Druck bei Erhöhung des zentralen Venendrucks indirekt angehoben sein. Kontusionen sind Areale mit geringgradigen Einblutungen und fokalem Ödem, ohne Nachweis eines Einrisses. Sie stellen sich hypodens dar und zeigen durch die raumfordernde Wirkung des Ödems teilweise einen verminderten portalen Zustrom bei gleichzeitig gesteigertem arteriellem Zufluss (. Abb. 24.36a, b). Rupturen und Lazerationen orientieren sich oft an Gefäßverläufen und Fissuren (. Abb. 24.37) und dürfen nicht mit Aufhärtungsartefakten verwechselt werden. Perihilär sind sie häufig mit Gallengangsrupturen assoziiert, proximal mit Verletzungen der Lebervenen. In der CT stellen sie sich als lineare oder verzweigte hypodense Areale mit scharfen Berandungen dar. Die Leberfraktur bezeichnet einen Riss durch die gesamte Leber, bei dem Teile des Parenchyms komplett aus ihrer Kontinuität gelöst sind. ! Eine periportale Dichteminderung kann in der CT der einzige Hinweis auf eine Schädigung der Leber im Rahmen eines stumpfen Traumas sein.
Ein intraparenchymatöses Hämatom ist als rundliches, hypodenses Areal, bei frischer Blutung mit hyperdensen, v. a. zentral gelegenen Arealen, gut abgrenzbar. Parenchymatös gelegene Hämatome sind in der Sonographie unregelmäßig berandet mit echofreiem oder heterogenem Signal, entsprechend den unterschiedlich frischen bzw. schon abgebauten Blutungsarealen (. Abb. 24.38c). Subkapsuläre Hämatome sind teilweise nur schwer von intraperitonealen zu unterscheiden. Die subkapsuläre Lage zeichnet sich durch eine linsenförmige Kontur des Hämatoms direkt unter der intakten Leberkapsel aus (. Abb. 24.36b und . Abb. 24.38a, b). Auch dieser Befund kann durch Atmungsund Bewegungsartefakte vorgetäuscht werden. Sonographisch findet sich bei subkapsulären Hämatomen eine streifenförmige, echofreie Zone um die Leber, mit nach außen glatt abgrenzbarem Rand. Ein begleitendes Hämatoperitoneum ist bevorzugt entlang des hepatorenalen Recessus (Morrison-Pouch) lokalisiert. In der arteriellen Phase demarkiert es sich durch stark hyperdense »spots«, teils finden sich auch aufgefächerte Extravasate. Eine aktive Blutung, nicht nur arteriell, sondern auch aus der VCI und den großen Lebervenen, erfordert fast immer die sofortige Intervention. In diesen Fällen kann die Angiographie auch in der Akutsituation zur Diagnosesicherung eingesetzt werden, aber auch therapeutisch zur Embolisation oder zum Coiling. Häufiger werden angiographische Techniken jedoch elektiv angewandt, z. B. bei falschen Aneurysmen nach Gallenwegsoperationen. Subkapsuläre Hämatome stellen sich angiographisch als
807 24.13 · Traumatisch bedingte Veränderungen
a
. Abb. 24.37. Lebereinriss, CT. Der Lebereinriss erstreckt sich als lineare, von der Kapsel ausgehende Hypodensität ins Parenchym und endet dort blind. Begleiterguss und Aszites, jedoch kein Nachweis einer intraparenchymatösen Blutung oder Kontusion
b
24.13.2 . Abb. 24.36a, b. Hämatom und Kontusion, CT. a Kontusion des rechten Leberlappens mit eingebluteten und ödematösen Arealen. Im Vergleich zum normal perfundierten linlen Leberlappen ist der Kontusionsherd inhomogen hypodens, mit weitgehend aufgehobener Architektur, was durch die raumfordernde Wirkung des Ödems, verbunden mit einem verminderten portalen Zustrom bedingt ist. Zusätzlich erkennt man einsubkapsuläres Hämatom mit glatter, sichelförmiger Berandung und geringgradiger Sedimentierung von Blutkoageln, jedoch ohne Nachweis einer aktiven Blutung. b Während sich das Kontusionsmaterial im zeitlichen Verlauf vollständig zurückbildet, kommt es zu einer Organisation des subkapsulären Hämatoms mit homogenem, liquidem Inhalt. Die Leberkapsel ist gut abgrenzbar, mit außen anliegendem Aszitessaum
avaskuläre Raumforderungen dar, welche periphere Gefäßäste verdrängen und im Hepatikogramm zur einer, v. a. in Schrägaufnahmen gut zu erkennenden, Kompression des Leberparenchyms mit konkaver Verformung führen. Intraparenchymatöse Hämatome sind ähnlich in ihrer Darstellung, jedoch besitzen sie keinen Bezug zur Leberkontur. Falsch positive Befunde entstehen durch KontrastmittelAussparungen bei Versorgung durch eine akzessorische Arterie aus einem anderen Stromgebiet. Wichtiges Unterscheidungsmerkmal sind dann die normal verlaufenden Gefäße und die fehlende raumfordernde Wirkung.
Penetrierendes Lebertrauma
Penetrierende Bauchtraumen sind wesentlich seltener als stumpfe Traumen. Sie werden am häufigsten durch Stich- oder Schusswunden hervorgerufen. Mit Ausnahme der Schussverletzungen handelt es sich meist um nur oberflächliche Läsionen. Auch hier wird bevorzugt die CT zur Festlegung der Verletzungstiefe und zur vollständigen Erfassung betroffener Strukturen in der Notfallsituation eingesetzt. Die bildgebenden Befunde entsprechen denen bei stumpfen Traumen. Zusätzlich können verbliebene Fremdkörpern (Projektile) lokalisiert und die Parenchymzerstörung, mit begleitenden Hämatomen oder Lufteinschlüssen, entlang des Verletzungswegs nachverfolgt werden.
24.13.3
Hämatom
Neben dem Entstehen als Traumafolge können auch die Therapie mit Antikoagulanzien oder angeborene Gerinnungsstörungen zu spontanen subkapsulären oder intraparenchymatösen Hämatomen führen. Die Befunde entsprechen den beim stumpfen Bauchtrauma beschriebenen Veränderungen.
24
808
Kapitel 24 · Leber
a
c
. Abb. 24.38a–c. Hämatom. a, b Altes Hämatom: In der MRT stellen sich ältere Hämatome, entsprechend dem Stadium der Blutabbauprodukte, in der T1-Wichtung hyperintens und hypointens in der T2-Wichtung dar, mit glatter Berandung sowohl zum Leberparenchym als auch zur Kapsel. c Sonographie: In den ventralen Leberabschnitten findet sich eine Zone mit inhomogenem Echo, das sowohl echoarme, geringgradig aber auch echoreiche Bezirke umfasst und eine raumfordernde Wirkung besitzt. Im Gegensatz zum subkapsulären Hämatom ist der Prozess eher rundlich mit unscharfer Begrenzung zum umgebenden Parenchym
b
24
24.14
Posttherapeutische Veränderungen
24.14.1
Resektion
Der häufigste Grund für eine Hemihepatektomie oder Segmentektomie ist die solitäre hepatische Metastasierung. Sowohl präoperativ als auch zur postoperativen Kontrolle und bei Komplikationen wird die Mehrphasen-CT verwendet. Präoperativ wird durch die Kombination der arteriellen und venösen Phase eine optimale Herddetektion gewährleistet, aber auch Lagebeziehungen einzelner Strukturen zueinander und die Gefäßversorgung geklärt. Postoperative Veränderungen beinhalten Flüssigkeitsansammlungen im Resektionsgebiet, OP-Clips oder die Verlagerung benachbarter Strukturen und Organe. Die häufigste Komplikation sind Hämatome, daneben finden sich auch Biliome mit Dichtewerten <15 HE, die nur schwer von Seromen, verflüssigten alten Hämatomen oder infizierten Resektionshöhlen abzugrenzen sind. Abszesse weisen häufig keine direkte Verbindung zur Leber oder zur Resektionsstelle auf und zeigen nach Kontrastmittelgabe ein charakteristisches Ringenhancement. In
den Verlaufskontrollen beginnt bereits nach einer Woche eine Hypertrophie des verbleibenden Lebergewebes, welches an die ursprüngliche Lebergröße heranreichen kann (. Abb. 24.39). Keilresektionen hinterlassen hypodense Areale, die teils schwer von Tumorgewebe zu unterscheiden sind, die zeitliche Entwicklung ist dann oft richtungweisend.
24.14.2
Transplantation
Man unterscheidet die orthotope Lebertransplantation von so genannten »Split-liver«-Verfahren. Präoperativ ist die CT mit arterieller und venöser Phase die Methode der Wahl. Auch der Lebendspender muss zum Ausschluss neoplastischer Erkrankungen und zur Darstellung von Gefäßanomalien in das präoperative Staging miteinbezogen werden. Nach der Transplantation wird die vaskuläre Situation primär durch die farbkodierte Dopplersonographie kontrolliert, während bei Verdacht auf Gallengangsveränderungen (Leckage, Striktur), Hämatome oder Abszesse sowohl die Sonographie als auch die CT eingesetzt werden können.
809 24.15 · Leber: Interventionen
. Abb. 24.39. Resektion, CT. Bei Zustand nach Resektion kommt es zu einer deutlichen Hypertrophie des verbleibenden Lebergewebes, in diesem Fall des linken Leberlappens und des Lobus caudatus. Am Absetzungsrand sind noch ein kleines organisiertes Hämatom und OP-Clips zu erkennen
24.15
Leber: Interventionen
24.15.1
Biopsien und Drainagen
24.15.2
Eine sonographische oder computertomographische Probebiopsie ist indiziert, wenn mit mindestens 2 bildgebenden Verfahren keine sichere Diagnose gestellt werden kann. Vorteile der Sonographie liegen in der Realtime-Darstellung, limitierend sind große Aszitesmengen, die, neben der schlechteren Bildqualität, durch die lange Vorlaufstrecke eine exakte Nadelpositionierung erschweren und ein erhöhtes postbioptisches Blutungsrisiko nach sich ziehen. In diesem Fall sollte, bei diffusen Lebererkrankungen, eine transjuguläre Biopsie oder eine CT-gestützte Vorgehensweise vorgezogen werden, möglichst unter Verwendung der »carevision«-Technik.
a
Bei gut durchbluteten Herden sollte eine Vorlaufstrecke durch gesundes Gewebe vorhanden sein, um das Risiko einer Blutung mit Durchbruch in die Peritonealhöhle durch Selbsttamponade abzusenken. Subphrenische Herde sollten in Exspiration oder in Rechtsseitenlage biopsiert werden, um einen transpleuralen Zugangsweg zu vermeiden. Die Gewinnung mehrerer Stanzzylinder ist der FeinnadelAspirationsbiopsie vorzuziehen und führt in ca. 90% der Fälle zu einer Diagnose. Die Komplikationsrate ist äußerst niedrig, am häufigsten kommt es zu Einblutungen, seltener zu einem Pneumothorax, Verletzungen anderer Organe sind bei bildgestützten Punktionen Raritäten. Die Drainagen-Einlage unterscheidet sich nicht wesentlich von der bei Biopsien verwendeten Technik. In den meisten Fällen wird sie zur Entlastung von Abszessen, seltener auch von Aszites oder noch flüssigen Hämatomen verwendet. Bei unübersichtlichen oder durch benachbarte Strukturen beengten Zugangswegen empfiehlt sich die Verwendung der Seldinger-Technik (. Abb. 24.40).
b
Transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Stent-Shunt (TIPSS)
Bei einem TIPSS handelt es sich um eine angiographisch geschaffene Kurzschlussverbindung zwischen einem Lebervenenast und einem Pfortaderast zur intrahepatischen Drucksenkung. Das dazwischen liegende Parenchym wird mit einem Stent überbrückt. Der angiographische Zugang erfolgt über die rechte Jugularvene. Nach Sondierung einer, bevorzugt der rechten, Lebervene, wird die Pfortader blind punktiert, die Lage durch das Anspritzen mit Kontrastmittel kontrolliert und anschließend der Stent platziert (. Abb. 24.41). Die korrekte Lage sowie der regelrechte Abfluss werden durch eine weitere Kontrastmittelgabe und durch die Messung des zentralen Venendrucks bzw. der Druckverhältnisse im Bereich der Anastomose überprüft.
c
. Abb. 24.40a–c. Drainage-CT. Nach der bildgebenden Diagnostik (a) wird der Abszess zuerst punktiert (b) und anschließend in Seldinger-Technik ein Drainagekatheter platziert (c)
24
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Kapitel 24 · Leber
a
b
. Abb. 24.41a, b. TIPSS-Anlage. a Nach Sondierung bevorzugt der rechten Lebervene wird die Pfortader blind punktiert; b anschließend der Stent
platziert. Die korrekte Lage sowie der regelrechte Abfluss werden bildgebend und durch die Messung des zentralen Venendrucks überprüft
Die CT wird präoperativ zur Darstellung der anatomischen Verhältnisse bzw. postoperativ beim Auftreten von Komplikationen eingesetzt. Dabei wird ein dreiphasiges Untersuchungsschema mit verschiedenen Rekonstruktionsebenen und -methoden zum Nachweis von akuten Blutungen, Hämatomen, Pseudoaneurysmen, AP-Fisteln, einer Hämobilie oder von Stentdislokationen bzw. -verschlüssen gewählt.
Prinzip der TACE und RCP
24.15.3
Transarterielle Chemoembolisationsverfahren (Transarterielle Chemoembolisation) Th. Vogl
TACE bei Lebertumoren Einleitung
24
Das transarterielle Chemoembolisationsverfahren (TACE) wie auch das regionale intraarterielle Chemoperfusionsverfahren (RCP) oder als transarterielle Chemoperfusion (TAP) stellen symptomatische und palliative Therapieverfahren des hepatischen Karzinoms (HCC) oder auch von Lebermetastasen dar. 85–95% der Patienten mit einem HCC sind zum Zeitpunkt der Diagnosestellung inoperabel. Hier stehen interventionelle Therapieverfahren wie die transarterielle Chemoembolisation (TACE), die perkutane Ethanolinjektion (PEI) oder thermoablative Behandlungsverfahren wie die Radiofrequenzablation (RFA), die Mikrowellenablation oder die laserinduzierte Thermotherapie (LITT) als Alternative zur Verfügung.
Das Therapieverfahren der TACE basiert auf der selektiv regionalen intraarteriellen Applikation einer chemotherapeutischen Substanz mit anschließender Okklusion. Daher stellen die zu erzielende Zytostatikakonzentration innerhalb eines Tumors sowie die arterielle Hypervaskularisation des Tumors die entscheidenden Parameter dar, die das Ausmaß der Tumorzerstörung definieren. Zusätzlich erlaubt die Kombination der Chemotherapie und der Ischämie innerhalb des Tumors synergistische Effekte um eine maximale Tumornekrose zu erzielen. Mittels TACE wird eine hohe Dosis des Chemotherapeutikums gezielt an die Tumorzellen herangebracht, wobei die Kontaktzeit zwischen den Zytostatika und den Tumorzellen verlängert wird. Damit ist auch das Ausmaß der Embolisatseinlagerung ein wichtiger Parameter. Das gesunde Leberparenchym muss dabei geschont werden (Ramsey et al. 2002). Das Verfahren der regionalen intraarteriellen Chemoperfusion (RCP) basiert auf der Applikation der Zytostatika im »first pass« und beinhaltet keine nachfolgende Embolisation.
Indikationstellungen bei TACE Die TACE kommt bei einer Kontraindikation für ein chirurgisches oder ein lokal ablatives Verfahren wie der LITT oder der RFA als Therapieoption in Frage. Außerdem wird die TACE palliativ symptomatisch eingesetzt, bei der Behandlung nicht beeinflussbarer Kapsel- oder Dehnungsschmerzen und rein palliativ zur Reduktion der Wachstumsgeschwindigkeit. Der neoadjuvante Einsatz zum »downsizing« des Tumors erfolgt vor einer
811 24.15 · Leber: Interventionen
Resektion oder/und lokalen Ablation und zur Vermeidung eines Progresses vor einer Lebertransplantation. Weitere Indikationen zur TACE ergeben sich postoperativ bei verbliebenen Tumorresten oder der Therapie von Rezidivtumoren.
Leitlinien der (Chemo)-Embolisation der Leber (Deutsche Röntgengesellschaft) 4 Neoplasmen – Als adjuvante Maßnahme bei systemischer Chemotherapie oder Radiatio – Zur Ausschaltung hormonproduzierender Tumoren oder deren Metastasen (z. B. Karzinoid) – Präoperativ, wenn dadurch die Resektion eines Neoplasmas erleichtert oder erst ermöglicht wird (auch bei rupturierten Tumoren) – Postoperativ, um verbliebene Tumorreste oder Rezidive zu therapieren – Palliativ bei inoperablen primären oder sekundären Lebermalignomen (z. B. als Schmerztherapie) – Vor Lebertransplantation, um eine zwischenzeitliche Progression zu vermeiden, in Abstimmung mit dem Operateur 4 Lebergefäßläsionen – Postoperative Blutungsrezidive – Posttraumatische gastrointestinale Blutungen – Arterioportale, biliäre oder venöse Fisteln – Aneurysmen der Leberarterien – Präoperativ zur Reduktion eines potentiellen Blutverlusts 4 Weitere Indikationen – Behandlung therapierefraktärer Schmerzzustände (Kapsel- oder Dehnungsschmerz) – Zur Herabsetzung des Shuntvolumens bei Hämangioendotheliomen
Technik der TACE der Lebertumoren Vor der Behandlung werden alle Patienten über Nebenwirkungen und die Risiken des Verfahrens aufgeklärt. Im Rahmen der angiographischen Intervention wird für die primäre Darstellung der Aorta abdominalis ein Pigtail-Katheter eingesetzt. Der Truncus coeliacus und die A. mesenterica superior werden mittels Kobra- oder Sidewinderkatheter sondiert. Sämtliche tumorversorgenden Arterien sowie deren mögliche Kollateralen werden dargestellt und eine indirekte Splenoportografie über die A. mesenterica superior und/oder A. lienalis durchgeführt (Ramsey et al. 2002). Diese angiographischen Serien sollen die Normvarianten der leberversorgenden Gefäße abbilden und das Vorliegen eines arteriovenösen oder arterioportalen Shunts sowie auch eine partielle oder komplette Thrombose der V. portae ausschließen (. Abb. 24.42). Für die Lokalisation des Tumors werden die früharteriellen und spätvenösen Phasen aus den angiographischen Serien evaluiert. Abhängig von Tumorgröße, Lokalisation und Gefäßtopografie wird anschließend die selektive bzw. superselektive Platzierung des Katheters vorgenommen. Aufgrund der Gefahr von
. Abb. 24.42. Varianten der arteriellen Versorgung der Leber. Die A. hepatica sinistra (schwarzer langer Pfeil) hat ihren Ursprung aus der A. gastrica sinistra (schwarzer kurzer Pfeil). Die A. hepatica dextra (weißer Pfeil) hat ihren Ursprung direkt aus dem Truncus coeliacus
Gefäßspasmen ist es empfehlenswert einen Mikrokatheter (2,3– 3 F) zu benutzen, der in Koaxialtechnik superselektiv in die regionalen Segmentarterien positioniert wird. Die Applikation der Embolisatemulsion erfolgt unter gepulster Durchleuchtung. Hierbei muss ein Reflux in die A. lienalis, die A. gastrica sinistra sowie auch in die A. gastroduodenalis und A. cystica verhindert werden (Zangos et al. 2001).
Komplikationen Ein Postembolisations-Syndrom (PES) mit Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Fieber hängt ab von der selektiven Technik, dem Volumen des Zytostatikums und des Embolisats. Nach eigenen Daten tritt ein PES bei 3–5% auf. Die Ätiologie des PES ist nicht vollständig geklärt; es liegt am ehesten die Kombination einer Gewebeischämie und eines inflammatorischen Effekts der Chemoembolisation zugrunde. Die Entwicklung eines PES beeinflusst das postinterventionelle Procedere und erfordert häufig eine Hospitalisierung (Leung et al. 2001). Eine der schwerwiegendsten Komplikationen der TACE ist die Leberfunktionsstörung bis hin zum Leberausfall.
Indikationstellungen der TACE bei malignen Lebertumoren Palliative Indikationen
Bei multifokalem Tumorbefall, bei irresektabler Manifestation des HCC und auch bei Lebermetastasen von kolorektalen Karzinomen und Mammakarzinomen wird die TACE als palliative therapeutische Methode für größere Tumoren (>10 cm) eingesetzt (. Abb. 24.43). Die Einschlusskriterien für eine palliative Indikation der TACE sind folgende: primäre oder sekundäre Inoperabilität der
24
812
Kapitel 24 · Leber
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a
. Abb. 24.43a–c. Palliative Indikation zur TACE bei HCC. a 63-jähriger Patient mit Child-B-Zirrhose und 7 cm großem hepatozellulären Karzinom in den Segmenten 7 und 8. DSA während der ersten TACE-Sitzung. Es zeigt sich ein abgekapselter Tumor mit starker arterieller Vaskularisation. b MSCT. 24 h nach der TACE zeigt sich eine sehr gute Lipiodolbelegung mit 80%iger Tumorbelegung mit Lipiodol (Pfeil). c In den nachfolgenden nativen MSCT zeigt sich das Haupttumorgewebe im Vergleich zu den Voraufnahmen an Volumen reduziert. Der Patient erhielt insgesamt 6 Zyklen und überlebte 18 Monate nach Beginn der interventionellen Therapie
24
Tumoren oder Ablehnung einer Operation. Die Ausschlusskriterien sind: relevante extrahepatische Metastasierung, ausgeprägte intrahepatische Okklusion der V. portae und hochgradig verminderte Lebersynthesefunktion (Produkt aus Quick-Wert und Serumcholinesterase <100) (Huppert et al. 2004). Es besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Tumorgröße, dem Tumortyp, dem Okuda-Stadium und dem Grad der Lipiodol-Speicherung im Tumor einerseits und dem lokalen Ansprechen der TACE andererseits. Nodulär eingekapselte Tumoren zeigen in 35% der Fälle ein partielles oder geringes Ansprechen, wohingegen dies bei infiltrativen Tumoren nur in 16% der Fall war. Die lokale Effizienz der TACE ist abhängig von der kompletten Embolisation, der Größe und dem Vaskularisationsgrad der Tumoren. Dagegen sind Pfortaderastinfiltrationen, Leberkapselinfiltrationen, Okuda-Stadien und Speichergrad des Lipiodols im Tumor nach der ersten TACE und Lokalisation des HCC keine relevanten Prognosefaktoren (Huppert et al. 2004). Einheitlich zeigt sich in zahlreichen Studien, dass Patienten mit oligonodulären und multinodulären HCCs nach TACE eine deutlich bessere Prognose haben als Patienten mit HCCs des massiven und diffusen Typs (Huppert et al. 2004).
c
Neoadjuvante Indikationsstellung der TACE vor Lebertransplantation
Die Lebertransplantation stellt die einzige kurative Therapie des HCCs und der Leberzirrhose dar. Die TACE ist die häufigste Therapieoption, um vor einer geplanten Lebertransplantation die Wartezeit zu überbrücken (Llovet et al. 2002). Für die TACE vor Lebertransplantation liegt der Vorteil in der Induktion einer Tumorischämie, der 10- bis 25-mal höheren intratumoralen chemotherapeutischen Konzentration, einer langen chemotherapeutischen Exposition und niedrigen systemischen Risiken (Herber et al. 2005) (. Abb. 24.44). Die lokale Tumorkontrollrate (steady state) nach TACE liegt zwischen 56% und 100%. Neoadjuvante Indikationsstellung der TACE vor perkutaner Ethanolinjektion (PEI)
Durch das niedrige Ansprechen des HCCs auf die systemische Chemotherapie wurde die Entwicklung und Evaluation anderer therapeutischer Optionen, wie TACE, Perkutane Ethanolinjektion (PEI), Radiofrequenzablation (RFA), Laserinduzierte Thermotherapie (LITT), Mikrowellen-Ablation und Radiotherapie positiv
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beinflusst (Omata et al 2004). Die PEI wird zudem verbreitet als effektive Therapie des HCC eingesetzt, insbesondere bei Kapselinfiltration. Die Wirksamkeit der Alkoholinjektion basiert auf einer zellulären Dehydration, einer Entwicklung von Koagulationsnekrosen und Gefäßthrombosen des Tumors. Die Einschlusskriterien der TACE-PEI-Kombination sind: die gesicherte HCC-Diagnose (histologisch oder hohes AFP >250 ng/ml und positive CT-, MRT-, Ultraschall- oder Angiographiebefunde) (Becker et al. 2005). Die 1-Jahres-Überlebensraten für die Therapiekombination werden in der Literatur zwischen 79 und 100% beschrieben. Neoadjuvante Indikationsstellung der TACE mit Radiofrequenzablation (RFA)
Wird eine lokal thermische Ablation wie RFA und LITT mit der TACE kombiniert, verhindert der Gefäßverschluss die thermale
c
. Abb. 24.44a–c. Neoadjuvante Indikation zur TACE vor Lebertransplantation. a 57-jähriger Patient mit Child-A-Leberzirrhose und 5 cm großem Herd bei HCC in den Lebersegmenten 7 und 8. DSA am Ende der Intervention mit guter Lipiodolbelegung des HCC. b Die CT am Ende der ersten TACE zeigt einen nodulären Tumor mit scharfer Begrenzung und hoher Embolisatbelegung (80%) Minisatellitenherde im Segment 7 und 8 (Pfeilspitzen). c MSCT nach 2 TACE-Sitzungen. Der Herd reduzierte sich um 50% an Volumen und zeigt sich mit hoher Embolisatbelegung wie eine Plombe imponierend. Die Satelliten zeigen ebenfalls eine Reduktion an Lipiodolspeicherung. Ein intratumorales Areal mit niedrigem Enhancement (Pfeil)
Dispersion, die Nekroseareale werden vergrößert und die komplette Tumornekrose wird verbessert (Buscarini et al. 2005). Durch die synergistischen Effekte der Ischämie und Gewebehypoxie nach der TACE wird der thermale Effekt auf die Tumorzellen effektiv verbessert. Eine frühzeitige Detektion von Resttumorgewebe ist entscheidend für die weitere Therapieplanung. Möglicherweise bieten MRT und PET/CT Vorteile bei der Beurteilung des Ablationserfolgs (Clasen u. Pereira 2006). Eine perkutane Coil-Implantation vor RFA verbessert die Visualisierung des HCC-Knotens (Veltri et al. 2006). In der CT-Verlaufskontrolle wird die Bildqualität wegen der Lipiodolspeicherung eingeschränkt. Aktuell erlaubt der volumetrische Nekrose-/TumorQuotient (NTQ) die Dokumentation der lokalen Tumorfreiheit im Verlauf und kann somit als Grundlage zur weiteren Therapieplanung verwendet werden (Kühl et al. 2006).
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Kapitel 24 · Leber
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. Abb. 24.45a–d. Neoadjuvante Indikation für TACE nach Leberresektion und vor LITT. a 61-jähriger Patient mit Child-A-Zirrhose und 4 cm großem hepatozellulärem Karzinom in Segment 6. DSA nach der ersten TACEBehandlung. Am Ende der TACE gutes Enhancement des HCC-Herdes subkapsulär dorsal der V. cava inferior gelegen. b MSCT nach der ersten TACEBehandlung. Die Kontroll-CT dokumentiert eine hohe und homogene Lipiodolbelegung (Pfeil) im Tumor. Es zeigt sich des Weiteren ein multifokaler Uptake von Lipiodol der Regeneratknoten bei zugrunde liegender Le-
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berzirrhose. c MSCT nach 4 Monaten mit sehr gutem Tumoransprechen, 70% Volumenreduktion und Rest-Lipiodolbelegung; keine de-novo-Herde abgrenzbar. Indikation zur thermischen Ablation mittels LITT, um ein lokales Rezidiv zu verhindern. d Transversale GRE T1-gewichtete MRT (TI=874, TR/TE=110/5, FA=90) nach LITT. Die Koagulationsnekrose des Tumors zeigt sich hypointens (schwarze Pfeile) mit randständiger Hypervaskularisation. Patient über 3 Jahre ohne lokales Rezidiv oder de-novo-Herde
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Neoadjuvante Indikation der TACE mit laserinduzierter Thermotherapie (LITT)
Definitionsgemäß bedeutet das Verfahren der LITT, dass durch eingebrachte Laserenergie eine thermische Zerstörung von Tumoren erfolgt. Die dabei auftretenden Gewebeveränderungen müssen »online« überwacht werden (»Monitoring«) (Vogl et al. 2002). Dabei wird der hypertherme Effekt um den koagulativen Effekt ergänzt. Abhängig von der Gewebestruktur führen Absorptions- und Wärmeleitungsprozesse zum erwünschten Effekt der Proteindenatuierung, d. h. zur Koagulation. Normale Zellen sind gegenüber der hyperthermen Exposition weniger sensibel, maligne Zellen zeigen aufgrund ihres veränderten Stoffwechselstatus eine signifikant höhere Sensibilität mit ausgeprägter Hypoxie. Das Punktionsset für die LITT besteht aus einer Punktionsnadel mit Dreikant-Schliff und einem Führungsdraht, einem lichtundurchlässigen Schleusensystem mit seitlichem Zugang sowie einem speziellen, lichtdurchlässigen Hüllkatheter mit Einführungsmandrin. Der Hüllkatheter ist bis 400°C thermostabil und am distalen Ende spitz verschlossen (. Abb. 24.45). Somit wird der direkte Kontakt zwischen Patient und Laserapplikator verhindert, was zu einer Reduktion von Komplikationen wie Blutungen und Infektionen führt. Beim konventionellen Applikatorsystem ist die effektive radiäre Wärmeausbreitung um den Applikator auf maximal 2 cm im Querschnitt limitiert. Bei Läsionen mit einem Durchmesser >2 cm kann zudem alternativ zum multifokalen Zugang das gespülte Power-Lasersystem auch in Multiapplikatortechnik eingesetzt werden (Vogl et al. 2001). Bei einer Studie (Pacella et al. 2001) wurde für Patienten mit irresektablen Tumoren eine Kombinationstherapie aus TACE und LITT eingesetzt. Eine komplette Nekrose wurde in 97% der Tumoren erreicht. Bei 6% der erfolgreich behandelten Läsionen zeigten diese ein lokales Rezidiv. Die lokalen 1-, 2- und 5-JahresRezidivraten betrugen 1,6%, 6% und 6%.
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Symptomatische Indikation zur TACE bei HCC
Die spontane Ruptur stellt die gefährlichste Komplikation des HCCs dar. Mehrere klinische Szenarien können als Notfallindikation beim HCC auftreten: die spontane Tumorruptur mit intraabdomineller Blutung (. Abb. 24.46a–d), die therapierefraktäre Hämobilie und therapierefraktären Kapsel- und Druckschmerzen. Die spontane Ruptur wird häufiger bei Patienten mit großen Tumoren bei niedrigem Hämoglobin-Wert, reduzierten Quick-Werten, hohem AFP und fortgeschrittener Tumorerkrankung beobachtet. Bei restabilisiertem hämodynamischem Status und rezidivierenden intrabdominellen Blutungen wird die Transarterielle Embolisation (TAE) am häufigsten eingesetzt (Liu et al. 2001).
Literatur Becker G, Soezgen T, Olschewski M, et al. Combined TACE and PEI for palliative treatment of unresectable hepatocellular carcinoma. World J Gastroenterol 2005;11:6104–6109 Bhattacharya S, et al. Human liver cells and endothelial cells incorporate iodised oil. Br J Cancer 1996;73:877-881 Buscarini E, Savoia A, Brambilla G, et al. Radiofrequency thermal ablation of liver tumors. Eur Radiol 2005;15:884–894 Clasen S, Pereira PL. Radiofrequenzablation von Lungentumoren. Fortschr Röntgenstr 2006;178:852–861
24.15.4
Embolisation: Blutung Th. Vogl
Gastrointestinale Blutung Akute gastrointestinale Blutungen stellen unverändert ein häufiges Problem in der Notfallmedizin dar. Die Inzidenz beträgt etwa um die 100–150/100 000 (Rockall et al. BMJ 1995), wobei die Angaben zur Mortalität erheblich variieren und in einer großen englischen Multicenter-Studie mit 14,3% bei einer Varianz von 0–29% angegeben wurden (Rockall et al. Lancet 1995). Rund 90% aller gastrointestinalen Blutungen sind so genannte »obere« gastrointestinale Blutungen proximal des Treitz-Bandes. Deren Inzidenz ist zwar in den letzten Jahren um 23% von 61,7 auf 47,7 pro 100 000 Personen gesunken, die Mortalität der Erkrankungen hat sich jedoch nicht verändert (Van Leerdam et al. 2003). Die häufigste Ursache für eine akute gastrointestinale Blutung sind gastrale oder auch duodenale Ulzera gefolgt von Varizenblutungen. Die primäre Therapie stellt die gastroskopische Intervention dar.
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Kapitel 24 · Leber
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. Abb. 24.46a–d. Symptomatische Indikation zu TACE: Blutendes HCC. a MSCT in arterieller Phase dokumentiert inhomogene tumortragende Areale, die arterielle Hpyervaskularisation und das ventrale Hämatom. 44-jährige Patientin mit Child-B-Zirrhose und großem infiltrativen HCC in den Lebersegmenten 7 und 8 mit akuter abdomineller Symptomatik und intraperitonealer
Blutung. b DSA der A. hepatica zeigt flächige Areale der Kontrastmittelanreicherung intratumoral und Kontrastmittelaustritt aus dem Parenchym des Tumors. c DSA nach Embolisation der hepatischen Arterien mit Contour-Partikeln ohne weitere Extravaskularisation. d MSCT, venöse Phase nach Embolisation, ohne KM-Austritt mit Nekrotisierung des Tumors (Pfeile)
Leitlinien der Embolisation des Gastrointestinaltrakts (Deutsche Röntgengesellschaft)
– Beschrieben vorwiegend bei penetrierenden Ulzera, chronischer Pankreatitis, Divertikeln, Angiodysplasie, postoperativ nach Magenresektion, Darmeingriffen oder Papillotomie, palliativ bei Tumorblutung – Nicht bei diffusen gastrointestinalen Blutungen indiziert (z. B. flächenhafte Entzündungen des Dünn- und Dickdarms oder erosiver Gastritis) 4 Gefäßanomalie (AV-Fistel, AV-Malformation) – AV-Fisteln nur dann, wenn sie hämodynamisch wirksam oder Ausgangspunkt einer gastrointestinalen Blutung sind (kongenital oder iatrogen bedingt) 4 Aneurysma – Bei Gefahr der Aneurysmablutung (z. B. Milzarterienruptur)
Ausnahmeindikation, wenn chirurgisch oder endoskopischkonservativ keine therapeutische Alternative mehr besteht. Die A. mesenterica superior und A. mesenterica inferior sind in hohem Maße nekrosegefährdet, wenn eine Embolisation nicht ausreichend superselektiv durchgeführt wird. 4 Blutung – Nur bei angiographisch nachgewiesenen umschriebenen gastrointestinalen Blutungen als kurativer Eingriff oder präoperativ – Superselektive Sondierung erforderlich (»Punktschweißung des Gefäßes«), ansonsten Operation 6
817 24.15 · Leber: Interventionen
Leitlinien der Beckenembolisation (Deutsche Röntgengesellschaft) Blutungen: Erstversorgungsmaßnahme bei hämodynamisch instabilen Patienten mit Hb-wirksamen Blutungen aus den Organen des Beckens, die konservativ nicht beherrschbar sind. 4 Posttraumatisch 4 Gefäßmissbildungen 4 Puerperal, HELLP-Syndrom 4 Iatrogen/postoperativ 4 Infolge Tumoreinbruch in die Harnblase, Prostata, Uterus 4 Als Folge einer Strahlenbehandlung (v. a. bei hämorrhagischer Strahlenzystitis)
Embolisationsmaterialen (Layer 2003) Interventionell platzierbare Ballons sind – unabhängig von Form und Ablösetechnik – zur Behandlung von Blutungen nur temporär als mechanische Blockade geeignet. Sie messen 4– 20 mm im Durchmesser und erlauben damit keine superselektive Embolisation auf kapillarer Verschlussebene. Spiralen (Coils) sind röntgendichte Materialien, die erst im Gefäß ihre Konfiguration annehmen und über die Induktion einer Thrombozytenaggregation zur Embolisation führen. Sie sind sowohl über 4–5 F als auch dünnlumige Koaxialsysteme sehr sicher applizierbar. Gelatineschwammpräparate (Gelfoam) sind in verschiedenen Formen im Handel erhältlich. Es handelt sich dabei um Würfel, die vom Untersucher selbst portionierbar sind, aber auch als Pulver erhältlich. Die Substanz wird mit Kontrastmittel durch den Katheter injiziert, da diese selbst nicht röntgendicht sind. Der gemischte Okklusionsmechanismus beruht auf der mechanischen Verlegung der Blutgefäße und anschließender Thrombozytenaggregation mit konsekutiver Thrombosierung. Alkoholpräparate sind als Embolisate ebenfalls seit langem im Einsatz. Möglich ist sowohl die Verwendung hochprozentiger Alkohole als auch Polyvinylalkohole (feste Partikel). Auch die Sklerosierungspräparate, die insbesondere für Behandlung von venösen Varizen Anwendung gefunden haben, sind alkoholähnliche Substanzen. Der Wirkungsmechanismus besteht in der toxischen Endothelschädigung mit konsekutiver Gefäßthrombose. Polyvinylalkohol wird als definiertes Partikelpräparat ähnlich dem Gelfoam eingesetzt. Es handelt sich um einen nichtresorbierbaren, nichtlöslichen Polyvinylalkohol, der in Partikelgrößen zwischen 150–1200 μm geliefert wird und durch Wasseraufnahme um den Faktor 10 expandiert. Im Gegensatz zu Gelfoam ist Polyvinylalkohol intravasal nicht abbaubar und führt zu einer lokalen toxischen Gefäßreaktion. Cyanoacrylat ist ein flüssiger, schnell aushärtender Gewebekleber der aus der chirurgischen Wundversorgung seit langem bekannt ist und dessen Einsatz auf die perkutanen Verfahren aus der Kenntnis der Chirurgie übertragen wurde. Für die Verschlussebene ist entscheidend, bis zu welchem Gefäßquerschnitt die Substanz im Gefäßsystem transportiert wird. Die Okklusion beruht dann auf einer Polymerisation des flüssigen Monomers im Blut. Diese Polymerisation unterliegt einem Alles-oder-
Nichts-Prinzip, diese ist temperaturabhängig und nach gestarteter Reaktion nicht mehr beeinflussbar. Der regelrechte Umgang mit Cyanoacrylat erfordert eine erhebliche Erfahrung des interventionell tätigen Radiologen. Bei Ethibloc handelt es sich um ein Okklusionsgel mit zäher Konsistenz. Grundlage ist ein Maisprotein (Zein), dem hochprozentiger Alkohol, Kontrastmittel und Konservierungsstoffe beigemischt sind. Die Röntgendichte ist trotz der Beimischung von Kontrastmittel nicht sehr gut und kann durch die Beigabe von Lipiodol ähnlich wie bei Cyanoacrylat deutlich verbessert werden. Lipiodol ist der jodinierte Fettsäureethylester des Mohnsamenöls, das in der Radiologie früher zur Lymphographie verwendet wurde. Als alleiniges »Embolisat” findet Lipiodol nur im Rahmen der Chemoembolisation der Leber Anwendung. Der genaue Wirkmechanismus ist dabei weiterhin ungeklärt. Mikrosphären sind Albumin- oder Stärkepartikel mit einer Größe zwischen 15–50 μm. Diese Teilchen sind biologisch abbaubar und haben eine Halbwertszeit von wenigen Minuten bis mehreren Tagen. Diese kurze Auflösungszeit macht den Einsatz bei Blutungen nur wenig Erfolg versprechend.
Technik Das technische Vorgehen bei der Therapie der gastrointestinalen Blutung basiert auf einer diagnostischen Angiographie über einen transfemoralen Zugang mit Einlage einer 4 F- oder 5 FSchleuse. Über dieses Schleusensystem wird ein Katheter gleichen Durchmessers zur Selektiv-Angiographie der A. hepatica communis, der A. gastroduodenalis, der A. lienalis und der A. mesenterica superior jeweils in das entsprechende Gefäß vorgeführt und Selektiv-Angiographieserien sämtlicher, vom jeweiligen Gefäß versorgten Gefäßarkaden, ggf. in 2 Ebenen, nach Darmrelaxation mit Hilfe von 20–40 mg Butylscopolamin i.a. vorgenommen. Reicht die Detaildarstellung von peripheren Gefäßen bei der Injektion in den Gefäßhauptstamm nicht aus, so muss ggf. auch distal selektiv sondiert werden. Während die proximalen Stämme der A. hepatica dextra oder sinistra, der A. gastroduodenalis und der A. lienalis sowie der A. mesenterica superior über einen hydrophil beschichteten 4F-Kobra-Katheter oder 4F-Vertebralis-Katheter problemlos erreicht werden können, sind Gefäße zweiter oder dritter Ordnung nur über so genannte Koaxialsysteme mit <3 F-Durchmesser erreichbar. Diese werden durch den Hauptkatheter vorgeführt und können fast jedes Gefäß erreichen, auch nach komplexen Winkelbildungen im Bereich des Pankreas (Layer 2003). Für den Verschluss der blutungsunterhaltenden Gefäße werden meist so genannte Spiralen oder Coils verwendet. Dabei handelt es sich um winzige Metall-, in der Regel Platinfilamente, die in gestrecktem Zustand in den Katheter eingeführt werden und sich nach Austritt aus der Katheterspitze aufrollen und das Gefäßlumen verlegen. Durch die Thrombozytenaggregation und die mechanische Gefäßverlegung kommt es zur dauerhaften Embolisation des Zielgefäßes. Dieser Embolisationseffekt ist gerade bei Verwendung von Mikrospiralen bei superselektiven Kathetersystemen nicht sofort während der Angiographie zu beobachten, sondern benötigt unter Umständen einige Stunden bis zur Blutstase (Layer 2003).
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Kapitel 24 · Leber
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darmtrakts sind häufig nur mittels einer Katheterangiographie lokalisierbar. Durch die direkte Embolisation der blutenden Läsionen können auch gastrointestinale Blutungen gestillt werden (Zuckerman et al. 1993) (. Abb. 24.47). Der Stellenwert der Angiographie bei der Suche unklarer gastrointestinaler Blutungen liegt insbesondere in der prächirurgischen oder präendoskopischen Lokalisationssuche. So konnte gezeigt werden, dass der Nachweis einer Blutungsquelle in der Angiographie zu einer höheren Operationsrate und einer niedrigeren Rezidivblutungsrate sowie zu einer Senkung der Mortalität führt (Heider et al. 1998). Entscheidend für den Nachweis einer gastrointestinalen Blutung in der Angiographie ist die Untersuchung zum richtigen Zeitpunkt (Hastings 2000). Einigkeit besteht darüber, dass die radiologische Intervention bei nachgewiesener Blutung eine sichere Methode darstellt, die selten zu Komplikationen führt (Aina et al. 2001), wie arterieller Spasmus, Schmerzen, Embolisatverschleppung, allergische Reaktionen und eine Dissektion des Truncus coeliacus (Careira et al. 1999). Aufgrund der Gefäßversorgung im oberen Gastrointestinaltrakt sind die Ischämieraten dort grundsätzlich deutlich geringer (Careira et al. 1999). Bei positivem Nachweis können die zur Blutung ziehenden Gefäße superselektiv sondiert, und mit Spiralen oder Partikelembolisaten, (z. B. Mikrosphären) embolisiert werden (Careira et al. 1999) (. Abb. 24.48). Die Erfolgsraten für eine primär erfolgreiche Blutstillung variieren zwischen 83 und 94% (Careira et al. 1999). Bei 27–34% der initial erfolgreich embolisierten Patienten kommt es zu einer erneuten Blutung (Careira et al. 1999). ! Probleme bei der Sondierung können aufgrund der anatomischen Situation bei schwierig sondierbaren Gefäßen oder infolge eines Gäßspasmus auftreten. Dabei müssen sowohl die proximalen als auch die distalen Gefäßanteile des die Blutung versorgenden Gefäßes embolisiert werden. Wird nur das proximale Gefäß embolisiert, kann über die distalen Anteile erneut Kollateralen eine Blutung auflehnen. Der Zugang zu diesen Gefäßen ist dann über die bereits verschlossenen Anteile nicht mehr möglich.
Literatur b . Abb. 24.47a, b. Rektale Blutung. 76-jährige Patientin mit Rektumkarzinom und starker, anhaltender rektaler Blutung. DSA der A. rectalis superior nach Cross-over-Sondierung der A. iliaca interna links zeigt eine unscharf begrenzte flaue Kontrastierung im Bereich des Tumorgewebes (Pfeile). b Nach Coilembolisation; es findet sich eine deutliche Devaskularisation des Tumors
Ergebnisse
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In Fällen, in denen eine schwere Blutung endoskopisch nicht lokalisiert werden kann bzw. endoskopisch therapierbar ist, kann mit der interventionellen Angiographie eine Blutstillung erzielt werden. Die medikamentöse Verabreichung von Vasopressin ist mit 71% genauso erfolgreich in der initialen Blutstillung wie eine Embolisation (70%). Das Rezidivblutungsrisiko liegt jedoch nach Vasopressingabe mit 25% deutlich höher als nach einer Embolisation (0%) (Messmann 2003). Okkulte Blutungen des Magen-
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. Abb. 24.48a–c. Blutendes Pseudoaneurysma. 70-jähriger Patient mit Lebermetastasen eines Rektumkarzinoms (nach RFA-Ablation). Der Patient hat ein blutendes Pseudoaneurysma der rechten A. hepatica dextra entwickelt. Die CT hatte das perihepatische Hämatom als Riesenhypodensität gezeigt. a DSA der A. hepatica dextra zeigt kleines Kontrastextravasat eines kaudalen Asts der A. hepatica dextra. b DSA der arteriellen Phase der A. hepatica dextra mit simultaner Kontrastierung der V. hepatica, entsprechend arteriovenösen Fisteln. c Nach Coiliembolisation, es zeigt sich eine totale Devaskularisation des Pseudoaneurysmas Tonkin IL, Hanissian AF, Boulden TF, et al. Bronchial arteriography and embolotherapy for hemoptysis in patients with cystic fibrosis. Cardiovasc Intervent Radiol 1991;14:241-246 Van Leerdam ME, Vreeburg EM, Rauws EA. Acute upper GI bleeding: Did anything change? Time trend analysis of incidence and outcome of acute upper GI bleeding between 1993/1994 and 2000. Am J Gastoenterol 2003;98:1494-1499 Yoon W, Kim JK, Kim YH, Chung TW, Kang HK. Bronchial and nonbronchial systemic artery embolization for life-threatening hemoptysis: A comprehensive review. RadioGraphics 2002;22:1395-1409 Zuckerman DA, Bocchini TP, Birnbaum EH. Massive hemorrhage in the lower gastrointestinal tract in adults: diagnostic imaging and intervention. Am J Roentgenol 1993;161:703-711
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24.15.5
Thermale Ablation Th. Vogl
Radiofrequenzablation Die Radiofrequenzablation (RFA) gehört zur Gruppe der thermoablativen Verfahren. Der minimal-invasive Charakter des Verfahrens und eine geringe therapieassoziierte Morbidität im Bereich der Leber im Zusammenhang mit einer hohen lokalen Effektivität stellen ihre Vorteile dar (Tacke 2003. Die Sicherheit und Effektivität der RF-Ablation als Therapieoption in der Behandlung von Leber, Lungen- und Nierentumoren sowie in der symptomatischen Behandlung von Knochen- und Weichteiltumoren wird gegenwärtig evaluiert (Vogl et al. 2004, Boss 2005).
Prinzip der RFA Bei der Radiofrequenzablation wird die Energieausbreitung auf die soliden Tumoranteile fokussiert, da die Strukturen zu einer Isolation führen. Der gleiche Effekt limitiert jedoch die Energiedeposition aufgrund der zunehmenden Gewebeaustrocknung. Dieses Fehlen von freien Ladungen für den Stromfluss registrieren die Generatoren als Impedanzanstieg und brechen die Applikation ab (roll off) (Vogl et al. 2004).
Indikationen für RFA Nach derzeitigem Stand von Wissenschaft und Technik soll die RFA nur bei Patienten mit nicht resektablen oder nichtoperablen HCC-Tumoren durchgeführt werden. Weitere Indikationen sind: 4 wenn der Patient die Operation ausdrücklich ablehnt, 4 wenn die RFA als neoadjuvante Therapie zur begleitenden systemischen oder lokalen Therapien durchgeführt wird, 4 Child A/B, 4 maximaler Durchmesser der Tumoren 6 cm, 4 maximale Zahl von 3 Tumoren pro Leberlappen(<50% des Lebervolumen), 4 keine extrahepatischen Metastasen, 4 suffiziente Blutgerinnungswerte (Quick >50%, Thrombozyten >60 000/mcl). Bei Patienten mit kolorektalen Metastasen sind die Indikationen für die RFA: Multifokale Läsionen mit maximalem Durchmesser 3,5 cm, unifokale Läsionen, ein maximaler Durchmesser von 5 cm, extrahepatische Metastasen ohne Wachstumtendenz oder mit der Möglichkeit zur Therapie, suffiziente Blutgerinnungswerte (Quick >50%, Thrombozyten >60 000/mcl) und die Einverständniserklärung des Patienten.
Technik der RFA
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Bei der Radiofrequenzablation wird eine Nadelelektrode bildgebungsgesteuert im Tumor platziert, eine oder mehrere breite Neutralelektroden an der Hautoberfläche (typischerweise an den Oberschenkeln) angebracht und über einen Wechselstromgenerator ein Stromfluss zwischen den Elektroden generiert. Das bewirkt eine Oszillation von Ionen im elektrischen Feld und damit eine Erhitzung des Gewebes durch Friktion. Dieser Effekt nimmt
mit der applizierten Energie zu. Die Dichte der Feldlinien und damit die Energieabgabe pro Volumeneinheit ist bei kleinerer Elektrodenoberfläche höher als bei größerer. In unmittelbarer Umgebung der Nadelelektrode besteht daher die höchste Energiedichte bzw. Erwärmung. Mit zunehmender Distanz, abhängig von der Nadelelektrode maximal 3,5 cm, reicht die Energie nicht mehr aus, Gewebe zu schädigen (Sommer 2004).
Mechanismus der RFA Ein zytotoxischer Effekt ist ab Temperaturen von über 42°C nachgewiesen. Während der Zelltod maligner Zellen bei 46°C nach 8 min eintritt, bei 51ºC nach 2 min, ist dies bei 70ºC praktisch sofort festzustellen (Goldberg 2001; Dickson u. Calderwood 1980; Schlemmer et al. 2004). Die Mechanismen der temperaturinduzierten Zellschädigung sind nur inkomplett aufgeklärt. Zwischen 40 und 60°C stehen Effekte auf die Zellstabilität und die Proteinsynthese im Vordergrund. Neben den direkten zytotoxischen Einflüssen werden in dieser Phase auch intrazelluläre Prozesse induziert, die zum Zelltod führen. In diesem Zusammenhang spielen »heat shock proteins« eine Rolle, die über den Weg einer Antigenpräsentation an der Zelloberfläche zusätzlich zu einer den Therapieerfolg evtl. verstärkenden Immunreaktion führen können (Schlemmer et al. 2004). Über 60°C erfolgt eine Koagulationsnekrose, bei Temperaturen um 90–100°C karbonisiert das Gewebe. Die Thermosuszeptibilität des Gewebes steigt mit niedrigem pH-Wert und Hypoxie (Schlemmer et al. 2004). Die geminderte Leberperfusion führt nicht nur über den Weg einer Abnahme der Sauerstoffspannung und Verschiebung des pH-Werts zu einer Verbesserung des zytotoxischen Effekts der Thermoablation, sondern auch über die Reduktion der Temperaturkonvektion. Der gewebeschädigende Effekt der Thermoablation ist durch den von größeren Blutgefäßen bewirkten Wärmeabtransport limitiert, d. h. Tumorzellen, die sich in unmittelbarer Nähe von Lebergefäßen befinden, werden unter Umständen nicht ausreichend genug geschädigt. Dieser Effekt wird »heat sink effect« genannt und tritt bei Gefäßlumina von >3 mm auf (Lu et al. 2002). Eine thermoinduzierte signifikante Schädigung von Gefäßen >2 mm Durchmesser wird nicht beobachtet (Lu et al. 2002).
Ergebnisse Die Kriterien zur Evaluation des Ablationserfolgs sind gegenwärtig nicht einheitlich definiert. Eine frühzeitige Detektion von Resttumorgewebe ist entscheidend für die Prognose einer ggf. notwendigen erneuten RF-Ablation (. Abb. 19.122). Aus diesem Grund ist eine Optimierung der Evaluation des Ablationserfolges anzustreben. Einen Ansatz stellt die Charakterisierung der Kontrastmittelaufnahme im Bereich der Ablationszone dar (Suh et al. 2003), vergleichbar zur Dignitätsabschätzung von Lungenrundherden mittels CT (Swensen et al. 2000). Die MRT bietet eine gute Korrelation mit unterschiedlichen histologischen Zonen im Bereich der Ablation (Miao et al. 2001) und stellt eine aussagekräftige Alternative dar. Mittels PET oder PET/CT ist möglicherweise in der Frühphase nach RF-Ablation eine höhere Sensitivi-
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tät und Spezifität in der Beurteilung des Ablationserfolgs zu erzielen als in der CT (Kang et al. 2004).
RFA bei Lebertumoren Die lokale Tumortherapie mittels RFA oder LITT stellt ein wichtiges alternatives bzw. komplementäres Behandlungsverfahren zur Therapie von primären und sekundären malignen Lebertumoren dar. Die RFA besitzt einen hohen Stellenwert als etablierte, minimal-invasive, perkutan durchführbare Methode zur lokalen Tumorkontrolle bei primären und sekundären Lebertumoren. Grundlage der Radiofrequenztherapie ist die Induktion hochfrequenter Wechselstromfelder im Kontaktverfahren durch mono- oder bipolare Applikationssysteme. Dies führt zu einer Erhitzung des Gewebes mit konsekutiver Gewebekoagulation, wobei Temperaturen >100°C an der Applikatorspitze induziert werden. Die Indikationen sind: nicht mehr als 5 Metastasen bei einem Metastasendurchmesser von <3,5 cm, bei singulären Metastasen Metastasendurchmesser maximal 4 cm. Die Kontraindikationen sind: 4 Extrahepatische Metastasierung 4 Leberinsuffizienz 4 Thrombozytopenie 4 Floride Infektionen 4 Die absolute Kontraindikation sind Pfortaderthrombosen und Zustand nach biliodigestiver Anastomosen (Germer et al. 2005). Die Radiofrequenz-Thermoablation kann perkutan unter Analgosedation oder intraoperativ bzw. laparoskopisch durchgeführt werden (de Baere et al. 2000). Der Hauptvorteil des perkutanen Vorgehens ist die minimale Invasivität, die im Vergleich zu operativen Verfahren mit einer deutlich geringeren Morbidität und Mortalität assoziiert ist. Der intraoperative Ansatz wird v. a. dann gewählt, wenn nach Metastasenresektion in anderen Bereichen der Leber Läsionen verbleiben. Die Positionierung der Ablationssonde unter intraoperativen Bedingungen kann mit sehr hoher Präzision erfolgen. Die neu verfügbaren MR-kompatiblen Applikatoren bieten die Möglichkeit, die Vorteile des MRT hinsichtlich des exzellenten Weichteilkontrasts in der Detektion von Leberläsionen und der Option zur Multiplanarität und zur direkten Prozessund Erfolgskontrolle bei der RFA zu nutzen. Durchführbarkeit und Sicherheit von Interventionen im MRT wurden bereits in Studien zur Platzierung von Laserapplikatoren oder Biopsiesystemen gezeigt (Puls et al. 2003). Mehrere Studien belegen jedoch die hohe Sensitivität in der Detektion von Rest- und Rezidivtumoren in der MRT, ein Vergleich mit der CT/Multidetektoren-CT steht noch aus (Pech et al. 2004). Eine dritte Möglichkeit ist die Kombination von sonographisch geleiteter Platzierung der Applikatoren und die MRTProzesskontrolle. Diese Methodenkombination scheint ähnlich wie die CT/MRT-Verbindung schnell und dazu kosteneffektiver, wurde in dieser Studie jedoch nicht evaluiert. Bei Läsionen, die in der nativen CT gut kontrastiert sind, ist die Positionierung der Schleuse und des Applikators in der CT
vorteilhaft. Nach RFA sollte mit intraläsional belassener Schleuse oder besser mit belassenem Applikator die komplette Ablation in der MRT unter Verwendung T2-gewichteter Sequenzen belegt werden. Die MRT hat hier den Vorteil eines guten intrinsischen Kontrasts zwischen Resttumor und Thermoablationszone (Pech et al. 2004). Die T1-gewichtete Gradientenechosequenz diente in erster Linie zur Darstellung der Nekrosezone nach i.v. KontrastmittelApplikation. Gut perfundierte Tumoren können bei entsprechender zeitlicher Ausrichtung der Sequenz (arterielle und/ oder portal-venöse Phase) ebenfalls detektiert werden (Pech et al. 2004). Hier kann jedoch eine Differenzierung von reaktiv hyperperfundierten Arealen unmöglich werden. Das induzierte Artefakt der Applikatorelektroden ist in den T1-gewichteten GRE-Sequenzen größer, Resttumor kann hier artifiziell verborgen werden, T2-gewichtete TSE-Sequenzen bieten hier aufgrund der geringeren Artefaktausdehnung Vorteile. Der Perfusionsdefekt überschreitet mit einer Ausdehnung von im Mittel 4 cm die Artefakte, sodass insbesondere die Wahrung eines Sicherheitssaums um den koagulierten Tumor auch in den T1-gewichteten Sequenzen hinreichend beurteilt werden kann. Patienten mit vollständiger Ablation von Lebermetastasen mittels RFTA haben einen deutlichen Überlebensvorteil (Siperstein et al. 2004). Eine inkomplette Ablation kann erst im Verlauf als Lokalrezidiv nachgewiesen werden. Zu den Hauptursachen für eine solche unvollständige Tumornekrose nach RFA gehören neben Mängeln in der technischen Durchführung und einer Tumorgröße >4 cm auch die Nachbarschaft zu großen Gefäßen oder das Vorhandensein großer Tumorgefäße (Siperstein et al. 2004). > Neue Therapiesonden, die auch mithilfe der MRT gesteuert werden können, erleichtern nicht nur die räumliche Therapiekontrolle, sondern es lässt sich auch die Temperaturentwicklung im Ablationsbereich besser beurteilen. Genauigkeit und Vollständigkeit der Tumorablation könnten hierdurch verbessert werden. Diese Sonden können jedoch derzeit noch nicht in der klinischen Routine eingesetzt werden.
RFA bei Nierenzellenkarzinom Als Indikation zum perkutanen Vorgehen gelten Tumoren bei Einzelnieren, Rezidivtumoren nach erfolgter Tumornephrektomie, Zweittumoren bei Morbus von Hippel-Lindau sowie das metastasierte Nierenzellkarzinom unter systemischer Therapie. Eine weitere Indikation ist ein erhöhtes Operationsrisiko oder die Ablehnung einer chirurgischen Eingriffs. Grundsätzlich muss eine vollständige Tumorablation erzielt werden. Ist dies technisch oder aus sonstigen Gründen nicht zu erreichen, sollten andere Therapieverfahren angestrebt werden. Geeignet sind alle Tumoren im Stadium T1, d. h. <7 cm Durchmesser und solche ohne Infiltration der Nierenvene. Exophytisch wachsende Tumoren oder solche, die im Nierenparenchym gelegen sind, sind problemlos zu behandeln. Vor der Entscheidung zu einer perkutanen RFA sollte Klarheit über Größe, Lage und Tumorstadium sowie evtl. Lymphkno-
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ten- oder Organmetastasen herrschen. Dazu eignen sich die Mehrphasenspiral-CT und die kontrastmittelverstärkte Hochfeld- MRT, die nicht mehr als 2 Wochen zurückliegen sollte (Tacke u. Mahnken 2004).
Komplikationen Zu den möglichen postinterventionellen Komplikationen gehören Schmerzen, Fieber und Übelkeit, die jedoch lediglich eine symptomatische Therapie erfordern (Dodd et al. 2005). Gelegentlich treten Pleuraergüsse bei zwerchfellnah gelegenen Tumoren auf. Sehr selten sind Blutungen aus dem Punktionstrakt – besonders nach der Ablation sehr pleuranah gelegener Herde – oder die Ausbildung von Abszessen im Bereich der Tumornekrose. Zudem können gelegentlich Gallengangsfisteln auftreten, und es kann in Einzelfällen zu einer Tumorzellverschleppung im Punktionskanal kommen.
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Laserinduzierte Thermotherapie (LITT) Allgemeines Die chirurgische Leberteilresektion gilt derzeit als Goldstandard in der potenziell kurativen Therapie von Lebermetastasen, wobei nur 20–25% der Patienten dieser Therapieoption zugänglich sind (Liu et al. 2003). Hier konnten lokale Therapieverfahren zur Behandlung von Lebermetastasen etabliert werden. Dazu zählen u. a. lokale Medikamenteninstillationen, wie die Alkoholtherapie, die transarterielle Chemoembolisation (TACE), aber v. a. thermische Ablationsverfahren, wie die Kryotherapie, die Radiofrequenztherapie (RF) und die laserinduzierte interstitielle Thermotherapie (LITT) (Liu et al. 2003, Vogl et al. 1999). Die LITT basiert auf der Methodik der klassischen Hyperthermie, wobei der hypertherme um den koagulativen Effekt ergänzt wird. Die Patienten profitieren nach der Behandlung von einer signifikant verlängerten Überlebenszeit (Mack et al. 2001, Vogl et al. 2000).
Ein- und Ausschlusskriterien Geeignet für eine LITT sind Patienten, die inoperabel sind, entweder aufgrund allgemeiner Parameter wie schlechte Lungenfunktion, Begleiterkrankungen oder aufgrund der fortgeschrittenen Tumorerkrankung, bei denen die konventionelle Therapie wie systemische Chemotherapie oder Strahlentherapie nicht anspricht und die Reduktion der Tumorlast den Krankheitsverlauf verbessern könnte. Ausschluss extrapulmonaler Metastasen ist notwendig (Vogl et al. 2004) (Übersicht).
823 24.15 · Leber: Interventionen
Leitlinien für die Interstitielle Therapie der Leber (Deutsche Röntgengesellschaft) 4 Perkutane Alkoholinjektion oder Laserthermotherapie – (Metastasierendes) hepatozelluläres Karzinom: Bei inoperablen Patienten infolge Leberinsuffizienz kurative Alternative bei solitärem Karzinomherd bis 3 cm Größe. – Voroperierte Patienten mit Lebermetastasen gastrointestinaler Tumoren, bei denen eine systemisch adjuvante Chemotherapie bisher erfolglos war und keine operative Alternative besteht. Optimale Wirkung bei Tumoren <4 cm. 4 Perkutane Therapie in Kombination mit KatheterChemoembolisation – Als Therapieversuch bei größeren hepatozellulären Karzinomen
Technik der LITT Die perkutane LITT wird ebenfalls unter CT-Steuerung in Lokalanästhesie und Analgosedierung durchgeführt. Auch Hautpräparation, Desinfektion und Lokalanästhesie erfolgen wie oben beschrieben. Die eigentliche Punktion wird dann jedoch in einem »One-step”-System mit einer speziellen 9 F-Schleuse durchgeführt, versehen mit einem scharfen Mandrin und einem stabilen Dilatator. Als Monitoring während der Systemplatzierung eignet sich die CT-Fluoroskopie. Nach erfolgter intratumoraler Positionierung des Systems wird der innere Mandrin entfernt und der thermostabile Hüllkatheter für die Laserfaser eingeführt, gefolgt von der eigentlichen Laserfaser. Die Feinpositionierung der Laserfaser wird durch röntgendichte Marker auf der Glasfaser in Relation mit der Läsion abgestimmt. Die Laserfaser wird anschließend mit dem Nd-YAG-Laser eingekoppelt. Abhängig von der Tumorgröße startet die Energieapplikation mit 10–12 Watt pro cm aktive Applikatorlänge. Die durchschnittliche Applikationsdauer liegt bei ca. 10–15 min. Nach Ende der Applikation wird das komplette System aus Schleuse und Hüllkatheter entfernt und ein Pflasterverband angelegt. Abschließend folgen CT-Einzelscans zum Ausschluss einer Komplikation (z. B. Pneumothorax, Blutung) und zur Einschätzung der perifokalen Blutungszone (Vogl et al. 2004).
LITT der Leber Bei der LITT macht man sich die Tatsache zunutze, dass maligne Zellen aufgrund ihres veränderten Stoffwechselstatus eine höhere Sensitivität gegenüber hyperthermen Einflüssen zeigen als normales Gewebe. Darauf folgt der höhere Energietransfer in maligne veränderte Zellen unter Lasertherapie (Vogl et al. 2002). Dank dieser Phänomene ist es möglich, die induzierte Koagulationsnekrose auf die zu behandelnde Läsion zu begrenzen, während das umgebende Lebergewebe in seiner Integrität weitgehend unbeeinflusst bleibt (Vogl et al. Dt. Ärzteblatt 2000) (. Abb. 24.49). Die erzielten Ergebnisse der perkutanen LITT bei Lebermetastasen, des kolorektalen Karzinoms und des Mammakarzinoms können hinsichtlich der lokalen Tumorkontrolle und der Überlebensraten mit umfangreichen Literaturdaten der chirurgischen Resektion verglichen werden. Dabei liegen die Überlebensdaten
nach perkutaner LITT von Lebermetastasen ähnlich wie bei chirurgisch resezierten Patienten, obwohl die Therapie aus palliativer Intention erfolgte. Dies rechtfertigt den klinischen Einsatz dieses Therapieverfahrens. Insbesondere stellt die LITT bei Rezidivmetastasen nach Leberteilentfernungen, biliären Metastasen, schwer resezierbaren Metastasen und bei internistischen Kontraindikationen eine sehr gute Therapieoption dar (Vogl et al. 1998). Für die Verlaufskontrolle nach LITT erweisen sich die nativen und kontrastverstärkten T1-gewichteten Gradientenechosequenzen (. Abb. 24.50) (Liu et al. 2003), die in Atemanhaltetechnik durchgeführt werden, als die diagnostisch wichtigsten Sequenzen. Typischerweise zeigen sich nach der Laserbehandlung die erfolgreich therapierten Metastasen in der nativen T1gewichteten Sequenz mit einer diskret erhöhten Signalintensität aufgrund einer geringgradigen hämorrhagischen Inhibierung. Nach Kontrastmittelapplikation kommt die induzierte Koagulationsnekrose in der Regel hypointens im Vergleich zum umgebenden Lebergewebe zur Abbildung (. Abb. 24.51). > Entscheidend für den Erfolg einer LITT-Behandlung oder auch der RF-Therapie sind die initial vollständige Tumordestruktion sowie die Koagulation eines angemessenen Sicherheitssaums zirkulierend um die HCCFormation. Dieser Sicherheitssaum sollte, wenn immer anatomisch möglich, mindestens 5 mm betragen. In 97,5% der durch LITT therapierten Läsionen kann eine vollständige Nekrose mit einem 5 mm Sicherheitssaum erzielt werden (Vogl et al. 1997, Pacella et al. 2001).
Die Verlaufskontrollen nach LITT wurden mit verschiedenen MRT-Sequenzen evaluiert. Neben den nativen Standardsequenzen der Leberdiagnostik (Semelka et al. 1994) wurde als Kontrastmittel Gd-BOPTA eingesetzt. Als leberspezifisches Kontrastmittel kann hier die unspezifische frühe Anflutungsphase entsprechend den Eigenschaften des Gd-DTPA genutzt werden. Die LITT erreicht bei Leberherden >4 cm mit >95% lokale Kontrolle nach 6 Monaten eine hohe Sicherheit der Tumorablation (Mack et al. 2001). Das Prinzip ist die Schaffung einer Koagulationsnekrose durch die thermische Wirkung des Lasers. Voraussetzung für ein gutes Ergebnis ist die komplette Abtragung der tumorösen Läsion, eine Tumormassenreduktion bringt keinen Vorteil im Langzeitverlauf. Eine Veröffentlichung beschreibt eine mittlere Überlebenszeit von 40,9 Monaten bei 606 Patienten, hiervon u. a. 368 Patienten mit kolorektalen Lebermetastasen und 26 Patienten mit HCC (Vogl et al. 2001). Die hierfür verwendeten Laser sind meist ND-YAG-Laser, die Diffusor-Fasern werden über kochsalzgespülte Applikatorsysteme eingeführt, welche CT-gesteuert in die Tumoren eingebracht wurden. Die neoadjuvanten Effekte der TACE und LITT ermöglichen eine Kombinationstherapie, die kumulativen Überlebensraten betrugen 36 Monate und die Rezidivraten im 6-Monatsverlauf 6,3% (. Abb. 24.51c, d) (Zangos et al. 2006). Der perkutane Zugang und das ambulante Therapiemanagement unter Lokalanästhesie erwiesen sich als die wesentlichen Vorteile dieses minimal-invasiven Verfahrens.
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Kapitel 24 · Leber
a
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. Abb. 24.49a–e. HCC-Herde. a 44-jähriger Patient mit Leberzirrhose Child A und 2 HCC-Herden in den Segmenten 4 und 7. Die T1-gewichtete MRT-Sequenz der Leber dokumentiert 2 rundliche hypointense Herde in den Segmenten 4 und 7 (schwarze Pfeile), der dorsal liegende komprimiert die V. cava inferior (weißer Pfeil). Nachweis von assoziiertem Aszites. b MDCT der Leber nach Positionierung von 3 Laserapplikatoren an der Peripherie des dorsalen Herdes. c MRT der Leber am Ende der LITT Sitzung mit Verbreiterung des betroffenen Areals (Pfeile) aufgrund einer Koagulationsnekrose. d Die zweite LITT Sitzung 2 Monate später. Das MDCT zeigt die Positionierung von 2 Laserapplikatoren am zweiten, ventral gelegenen Herd. e MRT der Leber (STIR-Sequenz) nach der zweiten LITT-Sitzung des ventralen Herdes. Es zeigt sich eine Ausbreitung der Ablationsstelle und teilweise Heterogenität, entsprechend einer beginnenden Tumornekrose. Der erste Herd ist nach 2 Monaten deutlich regredient (weißer Pfeil)
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e
825 24.15 · Leber: Interventionen
a . Abb. 24.50a, b. HCC, LITT. a 74-jähriger Patient mit histologisch gesichertem HCC. Das MRT der Leber zeigt eine rundliche Raumforderung in den Seg-
b menten 5 und 6. b Das MRT der Leber 2 Jahre nach LITT zeigt die gleiche Läsion mit extensiver Nekrose (Pfeile) und Reduktion der Tumorgröße
a
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. Abb. 24.51a–d. HCC, LITT. a MRT der Leber vor LITT bei einer 55-jährigen Patientin mit HCC im Segment 8. b MRT der Leber vor LITT bei einer 55jährigen Patientin mit HCC im Segment 8. c Dieselbe Läsion nach 3,5 Jahren
mit kompletter Nekrose und mäßiger Tumorverkleinerung. d Neoadjuvante nachfolgende TACE mit Lipiodol-Anreicherung im zentralen Bereich des Tumors
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Kapitel 24 · Leber
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25 25 Gallenblase und Gallenwege M. Brügel, J. Gaa
25.1
Normale Anatomie und Varianten
– 828
25.2
Untersuchungstechniken
25.3
Bildgebende Normalbefunde
25.4
Cholestase
25.5
Missbildungen des Gallenwegssystems
25.5.1 25.5.2
Missbildungen der intrahepatischen Gallengänge – 835 Missbildungen der extrahepatischen Gallengänge – 837
25.6
Cholelithiasis
25.7
Entzündliche Erkrankungen des Gallenwegssystems
25.7.1 25.7.2 25.7.3
Cholezystitis – 841 Cholangitis – 846 Papillitis stenosans – 849
25.8
Tumoren der Gallenblase und der Gallenwege
25.8.1 25.8.2
Tumorähnliche Läsionen und Tumoren der Gallenblase Tumoren der Gallengänge – 856
25.9
Traumen und postoperative Befunde des Gallenwegssystems
– 829 – 831
– 833 – 835
– 839 – 841
– 850 – 850
– 860
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Kapitel 25 · Gallenblase und Gallenwege
25.1
Normale Anatomie und Varianten
Mündung eines aberranten Gangs in den Ductus hepaticus communis fälschlicherweise mit der Hepatikusgabel verwechselt werden. Bei cysticusnaher Mündung eines aberranten Gallengangs kann dieser Gang während einer laparoskopischen Cholezystektomie mit dem Ductus cysticus verwechselt und versehentlich ligiert werden.
Gallengänge Die Leber produziert täglich 0,5–1,5 l Galle, die aus 97% Wasser, 1% Gallensäuren, 0,7% Kalziumsalzen und je 0,1% Bilirubin, Phospholipiden und Cholesterin besteht. Die zwischen den Hepatozyten gelegenen Gallenkapillaren führen die Galle vom Zentrum des Leberläppchens zur Peripherie und münden dort in die Ductuli interlobulares, die zur Glisson-Trias gehören. Die intrahepatischen Gallengänge verlaufen zusammen mit den Ästen der Pfortader und der Leberarterie von der Leberperipherie nach zentral und bilden dort die beiden Hauptgallengänge. Der Ductus hepaticus sinister und der Ductus hepaticus dexter vereinigen sich zum Ductus hepaticus communis, wobei dieser Zusammenfluss entweder unmittelbar außerhalb des Leberrandes oder innerhalb des Parenchyms mit bis etwa 1 cm Entfernung zum Leberrand stattfindet. Der 3–4 cm lange Ductus hepaticus communis verläuft ventral der Pfortader und lateral der A. hepatica propria im Ligamentum hepatoduodenale vom Leberhilus nach kaudal und medial. Die Einmündung der Gallenblase über den Ductus cysticus markiert den Übergang vom Ductus hepaticus communis in den Ductus choledochus, wobei die Höhe der Einmündung sehr variabel ist. Der Ductus cysticus weist spiralig angeordnete Schleimhautwülste (Heister-Klappen oder Plica spiralis) auf, die eine Ventilfunktion ausüben und somit eine spontane Gallenblasenentleerung bei erhöhtem intraabdominellen Druck verhindern. Der 6–7 cm lange Ductus choledochus zieht zunächst in einem extrapankreatischen Abschnitt im Ligamentum hepatoduodenale hinter die Pars superior duodeni. Das distale, intrapankreatische Drittel des Ductus choledochus verläuft mediodorsal der Pars descendens duodeni und ventral der V. cava inferior in einer Rinne der Pankreaskopfrückseite nach kaudal. Der Ductus choledochus endet schließlich im Sphinkter Oddi, der sich in die Hinterwand des Duodenums als Papilla duodeni major (Papilla Vateri) vorwölbt. Ein hoher Prozentsatz der Mündungen des Ductus choledochus liegt hierbei im Bereich der Pars descendens duodeni, seltener finden sich Mündungen in der Pars superior oder der Pars horizontalis duodeni.
> Auch im Rahmen einer Leberlebendspende ist die exakte präoperative Abklärung der anatomischen Verhältnisse der Gallengänge beim Donor essenziell, da aberrant mündende und akzessorische Gänge sich auf die Eignung des Donors auswirken bzw. die Komplexität des chirurgischen Eingriffs erheblich steigern können.
Eine starke anatomische Variabilität ist auch bezüglich der Einmündung des Ductus choledochus und des Ductus pancreaticus in das Duodenum bekannt. In der Mehrzahl der Fälle vereinigen sich der Ductus choledochus und der Ductus pancreaticus zu einer gemeinsamen Mündung in der Papilla duodeni major, verschiedene Mündungsvarianten zeigt . Abb. 25.2.
Gallenblase Die Gallenblase hat eine Reservoir-Funktion und sorgt durch Wasserentzug für eine Eindickung der Lebergalle auf 10–20% des ursprünglichen Volumens. Sie liegt in der Fossa vesicae felleae zwischen den Segmenten IV und V an der Unterseite des rechten Leberlappens mit enger Nachbarschaft zur Pars superior duodeni und der rechten Kolonflexur. Der Fundus überragt den Leberrand ein wenig, der Corpus liegt der Leber im Gallenblasenbett an, während das Infundibulum ohne unmittelbaren Kontakt zur Leber in den Ductus cysticus übergeht. Der Ductus cysticus mündet in etwa 75% der Fälle lateralseitig in den Ductus hepatocholedochus. Mündungsvarianten um-
Varianten Anatomische Varianten der extrahepatischen Gallengänge kommen sehr zahlreich vor. Zu den häufigsten Normvarianten zählt hierbei der aberrant mündende rechtsposteriore Segmentast. Anstelle der Vereinigung eines anterioren und posterioren Asts aus dem rechten Leberlappen zum Ductus hepaticus dexter mündet hierbei der rechtsposteriore Ast z. B. direkt in den Ductus hepaticus sinister, den Ductus hepatocholedochus oder den Ductus cysticus (. Abb. 25.1). Zu den selteneren Gangvariationen zählen u. a. auch akzessorische oder gedoppelte Gänge und ektopische Mündungen von Gallengängen in die Gallenblase, den Magen oder das Duodenum. ! Die aberranten Gallengänge können bei chirurgischen Eingriffen zu einer erhöhten Komplikationsrate führen. Im Falle einer Hemihepatektomie kann die direkte 6
a
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. Abb. 25.1a–f. Varianten der Gallengangsanatomie. a Typische Anatomie (ca. 60%). b Rechtsposteriorer Ast mündet in den Ductus hepaticus sinister (ca. 15%). c »Trifurkation« (ca. 10%). d Rechtsposteriorer Ast mündet in den Ductus hepaticus communis (ca. 5%). e Rechtsposteriorer Ast mündet in den Ductus choledochus. f Rechtsposteriorer Ast mündet in den Ductus cysticus. 1 = rechter anteriorer Ast, 2 = rechter posteriorer Ast, 3 = Ductus hepaticus dexter, 4 = Ductus hepaticus sinister, 5 = Ductus hepaticus communis, 6 = Ductus choledochus, 7 = Ductus cysticus
829 25.2 · Untersuchungstechniken
a
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. Abb. 25.2a–f. Variationen der Mündungen des Ductus choledochus und des Ductus pancreaticus. a Langes gemeinsames Endstück. b Kurzes gemeinsames Endstück. c Ampulläre Erweiterung des gemeinsamen Endstücks. d Septierung des gemeinsamen Endstücks. e Getrennte Mündung.
f Akzessorischer Pankreasgang. 1 = Ductus choledochus, 2 = Ductus pancreaticus, 3 = Duodenum, 4 = Papilla duodeni major, 5 = »Papilla bipartita«, 6 = Ductus pancreaticus accessorius, 7 = Papilla duodeni minor
fassen eine Mündung in den Ductus hepaticus dexter, medialseitige Mündungen in den Ductus hepatocholedochus mit Überoder Unterkreuzung des Ductus hepaticus communis sowie ein langer Ductus cysticus mit langstreckigem parallelem Verlauf bzw. Verklebung mit dem Ductus hepaticus communis. Die arterielle Versorgung der Gallenblase erfolgt über die A. cystica. Diese nimmt ihren Ursprung meist aus dem Ramus dexter der A. hepatica propria, kann aber auch aus dem Ramus sinister oder direkt aus der A. hepatica propria oder der A. hepatica communis abgehen. Die arterielle Versorgung ist im Fundusbereich am schlechtesten, weshalb die Perforationsgefahr dort bei krankhaften Prozessen am größten ist. Der venöse Abfluss erfolgt über die V. cystica in den rechten Pfortaderast und über den Venenplexus der Gallenwege sowie über kleine Venen des Gallenblasenbetts direkt in das Segment V der Leber (Metastasierungswege des Gallenblasenkarzinoms!).
verkalkter Konkremente, einer Aerobilie, eines Gallenblasenemphysems oder zum Ausschluss einer Perforation. Der Nachweis einer Porzellangallenblase ist eher als Zufallsbefund anzusehen. Die orale Cholezystographie, bei der Röntgenaufnahmen des rechten Oberbauchs nach oraler Gabe eines biliär auszuscheidenden Kontrastmittels angefertigt werden, ist heute aufgrund der übrigen zur Verfügung stehenden Verfahren praktisch bedeutungslos geworden. Auch die i.v.-Cholezystographie kommt heute nur noch selten und dann v. a. vor laparoskopischen Cholezystektomien zum Ausschluss einer Choledocholithiasis zum Einsatz, wurde in den letzten Jahren jedoch zunehmend von der Magnetresonanzcholangiopankreatikographie (MRCP) abgelöst. Nach Kurzinfusion eines gallengängigen iodhaltigen Kontrastmittels kontrastieren sich die Gallengänge nach ca. 30 min, die Gallenblase stellt sich ca. 45– 90 min nach der Kontrastmittel-Applikation dar. Ein Nachteil des Verfahrens besteht v. a. darin, dass bei den gallengängigen iodhaltigen Kontrastmitteln weitaus häufiger allergische Reaktionen auftreten als bei den nierengängigen iodhaltigen Kontrastmitteln.
Anomalien Lageanomalien der Gallenblase, wie eine intrahepatische Lage, Linkslage (unter dem linken Leberlappen), Medianlage (in der Mittellinie, häufig mit dem Aspleniesyndrom vergesellschaftet) oder eine Pendelgallenblase, sind sehr selten. Auch anatomische Varianten wie Duplikaturen der Gallenblase bzw. Mehrfachgallenblasen oder eine Agenesie der Gallenblase sind Raritäten. Häufiger zeigen sich Formanomalien im Sinne von Abknickungen (»phrygische Mütze«). Echte Septierungen sind hingegen selten, ebenso wie Gallenblasendivertikel.
25.2
Untersuchungstechniken
Sonographie Die perkutane Sonographie steht als leicht verfügbares und nichtinvasives Verfahren grundsätzlich am Anfang der diagnostischen Kaskade bei Erkrankungen des Gallenwegssystems. Sie ist Methode der Wahl zum Nachweis von Gallenblasenkonkrementen und erlaubt den zuverlässigen Nachweis einer Dilatation der Gallenwege und die Lokalisation eines Abflusshindernisses in der Diagnostik des Obstruktionsikterus. Akute und chronische Entzündungen der Gallenblase stellen ebenfalls eine Domäne der Sonographie dar, auch Tumoren der Gallenblase werden häufig sonographisch aufgedeckt.
Konventionelle Röntgendiagnostik Die Abdomenübersichtsaufnahme kommt bei akut einsetzender klinischer Symptomatik häufig als erstes bildgebendes Diagnoseverfahren zum Einsatz. Sie dient v. a. zum Nachweis
ERCP/PTC Bei der endoskopisch retrograden Cholangiopancreaticographie (ERCP) wird nach endoskopisch kontrollierter Sondierung
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Kapitel 25 · Gallenblase und Gallenwege
der Papilla Vateri unter Durchleuchtungskontrolle Kontrastmittel zur Darstellung des Gallengangsystems eingespritzt. Die ERCP stellt den Goldstandard in der direkten Darstellung der Gallenwege dar, wenngleich die MRCP mittlerweise in vielen Fragestellungen eine ähnlich gute diagnostische Treffsicherheit aufweist. Vorteile der ERCP liegen in der gleichzeitigen Möglichkeit einer therapeutischen Intervention, wie einer Papillotomie, einer Steinextraktion oder einer Stenteinbringung. Auch besteht die Möglichkeit einer Biopsieentnahme zur histologischen Sicherung der Diagnose, bei speziellen Fragestellungen kann eine ergänzende Endosonographie oder Cholangioskopie erfolgen. > Wegen des Risikos einer Pankreatitis, einer septischen Cholangitis oder anderer Komplikationen (0,5–2% der Fälle) wird die ERCP v. a. dann angewendet, wenn gleichzeitig eine therapeutische Intervention durchgeführt werden soll.
Die perkutane transluminale Cholangiographie (PTC) wird meist zur Abklärung einer intra- oder extrahepatischen Cholestase dann eingesetzt, wenn eine ERCP aus technischen Gründen nicht durchführbar ist. Hierbei erfolgt nach Leberpunktion in der rechten Axillarlinie unter Durchleuchtungskontrolle die Sondierung eines Gallengangs in Seldingertechnik. Neben der direkten Gallengangsdarstellung können therapeutische Eingriffe vorgenommen werden, wie die Einbringung einer externen Gallenableitung (PTCD, perkutane transhepatische Gallenwegsdrainage) oder eines Stents. Mögliche Komplikationen beinhalten einen Pneumothorax, eine septische Cholangitis, eine biliäre Peritonitis, intraperitoneale und intrahepatische Blutungen sowie die Ausbildung biliovenöser Fisteln.
Computertomographie Die CT bzw. Mehrschicht-Spiral-CT (MSCT) ist v. a. für die Diagnose und das Staging von Tumoren des Gallenwegssystems von Bedeutung, kommt jedoch auch dann häufig zum Einsatz, wenn mögliche Komplikationen von entzündlichen Veränderungen (z. B. chologene Abszesse) oder unklare sonographische Befunde weiter abgeklärt werden sollen. Die Untersuchung des Gallensystems erfolgt in der Regel im Rahmen einer Oberbauchuntersuchung. Zur Beurteilung der intrahepatischen Gallenwege ist die portalvenöse Kontrastmittelphase in der Regel aufgrund des höchsten Kontrasts zwischen dem Leberparenchym und den Gallenwegen am besten geeignet. Im Rahmen des Tumorstagings ist ein biphasisches Protokoll mit arterieller und portalvenöser Phase zu empfehlen, da Gallenwegstumoren sowohl hypo- als auch hypervaskularisiert sein können. Die CT-Cholangiographie nach Applikation gallengängiger Kontrastmittel hat sich in der klinischen Routine bisher nicht durchgesetzt. Hierbei werden zwar hypodense intraluminale Konkremente in Form von Kontrastmittelaussparungen besser detektiert, die allergische Komplikationsrate ist bei den gallengängigen iodhaltigen Kontrastmitteln jedoch relativ hoch.
MRT/MRCP Die MRT nimmt insbesondere seit der Einführung der MRCP einen hohen Stellenwert in der Gallenwegsdiagnostik ein. Die
MRCP hat sich bei rein diagnostischen Fragestellungen gegenüber der ERCP in vielen Fällen als äquivalent erwiesen und bietet zugleich den Vorteil der Nichtinvasivität. Sie stellt außerdem in Fällen, in denen eine ERCP kontraindiziert ist oder aus technischen Gründen nicht durchgeführt werden kann (z. B. bei postoperativem Zustand oder anatomischen Varianten, bei denen eine Sondierung der Papille nicht möglich ist) eine gute alternative Untersuchungsmethode dar. Auch ermöglicht die MRCP die Darstellung der proximal eines Abflusshindernisses (z. B. impaktiertes Konkrement, hochgradige Tumorstenose) gelegenen Gangabschnitte, was mit der ERCP nicht immer gelingt. Hinzu kommt, dass die MRCP im selben Untersuchungsgang mit T1w- und T2w-Schnittbildern und ggf. mit einer Kontrastmittel-Dynamik oder einer MRA kombiniert werden kann; so steht ein komplettes Untersuchungsverfahren zur Abklärung der Gallengänge und auch extraduktaler Pathologien zur Verfügung. Die Technik der MRCP basiert auf der Anwendung stark T2gewichteter Sequenzen mit langen Echozeiten (TE >500 ms). Somit kommen lediglich (annähernd) statische Flüssigkeiten aufgrund ihrer langen T2-Relaxationszeit signalreich zur Darstellung, während alle anderen Gewebe fast kein Signal mehr abgeben. Um eine hohe räumliche Auflösung bei gleichzeitig kurzen Akquisitionszeiten zu ermöglichen, werden v. a. Multiechosequenzen eingesetzt. Hierbei werden nach einem 90°Anregungsimpuls durch refokussierende 180°-Impulse Multiechozüge mit Echozuglängen bis zu 256 Echos erzeugt. Jedes Echo füllt dabei eine Zeile des k-Raums aus. Akronyme dieser schnellen Spinechosequenzen heißen TSE (turbo spin-echo), FSE (fast spin-echo) oder RARE (rapid acquisition with relaxation enhancement). Mit zusätzlichem Einsatz der Half-Fourier-Technik gelingt es durch Ausnutzung der Symmetrie des k-Raums nur noch etwas mehr als die Hälfte der primären Bilddaten zu akquirieren und den Rest der notwendigen Daten aus den Vorhandenen mithilfe der Half-Fourier-Transformation zu errechnen. Diese Sequenz ist z. B. unter dem Akronym HASTE (half-Fourier acquisition single-shot turbo spin-echo) bekannt. Die genannten Sequenzen werden generell in 2 verschiedenen Varianten eingesetzt, nämlich in den: 4 Projektionsverfahren (»Einzelschichtsequenz«) und den 4 Mehrschichtverfahren. Beim Projektionsverfahren wird ein einzelnes dickes Schichtvolumen mit einer Schichtdicke von wahlweise 30–70 mm innerhalb von wenigen Sekunden in Atemanhalt akquiriert. Somit entsteht ein Projektionsbild des gesamten Gallen- und Pankreasgangsystems, das nicht nachverarbeitet werden muss. Die Akquisition der Projektionen erfolgt gekippt koronar in unterschiedlichen Winkeln. Wegen der sehr kurzen Akquisitionszeit eignet sich die Sequenz auch für dynamische Untersuchungen wie die sekretinstimulierte Pankreasgang- oder Papillendarstellung. Beim Mehrschichtverfahren finden 2D- und 3D-FSE-Sequenzen Anwendung, welche in Atemanhaltetechnik oder mittels Atemtriggerung akquiriert werden. Sie ermöglichen die überlagerungsfreie Darstellung einzelner Gangabschnitte und damit die sichere Abbildung auch kleiner intraluminaler Fül-
831 25.3 · Bildgebende Normalbefunde
lungsdefekte sowie die Beurteilung von Strikturen. Die Rekonstruktion dreidimensionaler Projektionen aus den Datensätzen erfolgt mithilfe der Maximum-Intensity-Projection (MIP) oder der Volume-Rendering-Methode. Zur Minimierung von Flüssigkeitsüberlagerungen und Bewegungsartefakten durch Magendarm-Peristaltik sollte die Untersuchung am nüchternen Patienten durchgeführt werden. Durch die orale Gabe von Eisenoxiden (z. B. 200 ml Lumirem 10 min vor Untersuchungsbeginn) kann das Flüssigkeitssignal des Darms so weit abgesenkt werden, dass Überlagerungen mit dem Signal der Gallengänge bzw. des Pankreasgangs vermieden werden. Die Verwendung negativer oraler Kontrastmittel wird allerdings kontrovers diskutiert. Insbesondere Prozesse im Bereich der Papille sind ohne negative orale Kontrastierung manchmal besser vom Darmlumen abzugrenzen, wenn der Darminhalt signalreich zur Darstellung kommt. Insbesondere bei Patienten mit biliodigestiver Anastomose empfiehlt sich sogar eine orale Gabe von Wasser, um die Anastomosenregion besser darzustellen. Um Bewegungsartefakte durch die Darmperistaltik möglichst gering zu halten, sollte unmittelbar vor den eigentlichen MRCP-Sequenzen ein Spasmolytikum (40 mg Buscopan i. v., bei Kontraindikationen 1 mg Glukagon i. v.) verabreicht werden. Ein neueres Untersuchungsverfahren stellt die MRCP mit gallengängigen, die T1-Relaxationszeit verkürzenden Kontrastmitteln (z. B. Primovist, Teslascan, Multihance) dar. Typischer-
weise wird hierbei etwa 15–30 min nach Kontrastmittelgabe mit der Akquisition hochauflösender 3D-Gradientenechosequenzen begonnen.
25.3
Bildgebende Normalbefunde
Sonographische Normalbefunde Gallengänge Die intrahepatischen Gallengänge sind in der Regel hilusnah identifizierbar, in der Peripherie jedoch, sofern keine Stauung vorliegt, meist nicht erkennbar. Als Leitstrukturen dienen die gut abgrenzbaren Äste der Pfortader. Die Hepatikusgabel ist bei normalen Druckverhältnissen sonographisch allenfalls mühsam darstellbar. Auch der Mündungsbereich des Ductus cysticus ist sonographisch nur ausnahmsweise identifizierbar, weshalb die exakte Grenze zwischen Ductus hepaticus communis und Ductus choledochus häufig nicht festgelegt werden kann. Daher werden diese beiden Gangabschnitte meist unter dem Begriff Ductus hepatocholedochus (DHC) zusammengefasst. Der präpankreatische Anteil des DHC ist sonographisch gut darstellbar als ventral der Pfortader gelegene, schlanke Gangstruktur. Ein Durchmesser bis ca. 6 mm gilt als normal, wobei mit höherem Alter eine Zunahme des Durchmessers zu beobachten ist (als ungefähre Faustregel gilt: bis 7 mm ab dem 70. Lebensjahr, bis 8 mm ab dem 80. Lebensjahr). Bei Zustand nach Cholezystektomie gilt ein Durchmesser bis 9 mm noch als normal. Der intrapankreatische Abschnitt des DHC ist durch den Druck des umgebenden Pankreasparenchyms nicht immer nachweisbar (Übersicht).
Normale Sonomorphologie der Gallengänge 4 4 4 4
Hilusnahe Äste eben nachweisbar Ductus hepaticus dexter/sinister: 1–2 mm Hepaticusgabel kaum bis nicht nachweisbar Ductus hepatocholedochus (DHC): – 3–6 mm (in hohem Alter bzw. bei Zustand nach Cholezystektomie bis 9 mm) – präpankreatisch schlank bis leicht ektatisch – intrapankreatisch kaum bis nicht nachweisbar
Gallenblase Die Größe der Gallenblase ist sehr variabel. Eine Längenausdehnung von 9–11 cm und ein Querdurchmesser von bis zu 4 cm gelten als normal. Die normal gefüllte Gallenblase zeigt, im Gegensatz zum Gallenblasenhydrops mit Prallfüllung, eine schlaff gefüllte Form. Auch die Form der Gallenblase zeigt eine große Variationsbreite, von rund über birnenförmig bis hin zu länglich oder geknickt. Als »phrygische Mütze« wird eine im Fundus abgeknickte Gallenblase bezeichnet. Die Gallenblasenwand stellt sich im nüchternen Zustand meist als echoreiche Grenzlamelle dar, postprandial kann eine Dreischichtung mit echoreicher Innen- und Außenschicht und echoarmer Mittelschicht vorliegen. Die Wanddicke sollte an der dem Leberhinterrand anliegenden ventralen Gallenblasenwand ausgemessen werden, da die Abgrenzung der dorsalen Wand vom Magen oder Duodenum ungenau sein kann. Die sonographische Wanddicke der nichtkontrahierten Wand beträgt bis zu 4 mm (Übersicht). Der normale Gallenblaseninhalt zeigt ein fast echofreies Lumen, durch Artefakte hervorgerufene Binnenechos müssen von pathologischen Gallenblaseninhalten (s. u. Übersicht: Ursachen für intraduktale Füllungsdefekte in der MRCP) differenziert werden. Nach einer Reizmahlzeit sollte sich das Volumen der Gallenblase um mindestens 30% reduzieren.
Normale Sonomorphologie der Gallenblase 4 Größe: nüchtern bis 11 cm Länge und 4 cm Breite 4 Variable Form: rund, oval, birnenförmig, geknickt (»phrygische Mütze«) 4 Wand: nüchtern 2–4 mm Dicke, einschichtige Grenzlamelle; postprandial dreischichtig 4 Echofreies Lumen
Normalbefunde in der Computertomographie/ Magnetresonanztomographie Computertomographie Die intrahepatischen Gallengänge stellen sich bei normaler Weite in der CT überwiegend nicht dar, gelegentlich sind sie abschnittsweise als kleinste rundliche oder tubuläre hypodense Strukturen in unmittelbarer Nachbarschaft der Pfortaderäste erkennbar. Für die hilusnahen intrahepatischen Gallengänge gilt ein Durchmesser bis 2 mm als normal. Die Mündung des Ductus cysticus in den Ductus hepaticus communis ist auch in der CT nicht immer sicher identifizierbar, für den DHC gelten bezüglich
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832
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Kapitel 25 · Gallenblase und Gallenwege
seines Durchmessers analog zur Sonographie die oben gemachten Angaben. Der DHC weist präpapillär zur Papilla Vateri hin eine konische Verjüngung auf. Neben dem Gangkaliber sollten auch die Gallengangswände betrachtet werden. Die normale Wanddicke der extrahepatischen Gallengänge liegt bei etwa 1 mm. Nach Kontrastmittelgabe zeigt sich ein variables Enhancement der Wände, welches in der Mehrzahl der Fälle dem Enhancement des Pankreasparenchyms ähnelt. Die unauffällige Gallenblasenwand stellt sich computertomographisch in der Regel mit einer Dicke von 1–3 mm dar und zeigt nach Kontrastmittelgabe ein Enhancement. Die Gallenflüssigkeit in der Gallenblase hat in der CT normalerweise eine Dichte von 0–20 HE, höhere Dichtewerte sollten an Gallenblasensludge, eine eitrige Infektion oder hämorrhagische Veränderungen denken lassen.
Magnetresonanztomographie Für die Darstellung der Gallengänge in der MRT gelten, in Abhängigkeit von der verwendeten Sequenz und Auflösung, ähnliche Angaben wie oben genannt für die CT. Beim nicht nüchternen Patienten ist die Gallenflüssigkeit in der Gallenblase aufgrund des hohen Wassergehalts in der Regel in der T1-Wichtung hypointens und in der T2-Wichtung hyperintens im Vergleich zur Signalintensität des Lebergewebes. Eingedickte Galle in der Gallenblase beim nüchternen Patienten kann aufgrund des verminderten Wassergehalts in der T1-Wichtung hyperintens relativ zur Signalintensität des Leberparenchyms sein, auch Schichtungsphänomene mit signalarmer eingedickter Galle am Grund und darüber liegender frischerer, signalreicherer Galle sind häufig zu beobachten.
Normalbefunde und »Pitfalls« in der MRCP Ein normales MR-Cholangiogramm zeigt zarte intrahepatische Gallengänge, die sich harmonisch verjüngen und baumartig in die Peripherie verzweigen. Nichtdilatierte intrahepatische Gallenwege kommen bis in den Subsegmentbereich zur Darstellung, die in der Leberperipherie gelegenen Gallenwege werden mit der MRCP normalerweise nicht dargestellt. Der Ductus cysticus weist mehrere Windungen auf und ähnelt abschnittsweise einer Spirale oder einem Korkenzieher. Der Ductus choledochus ist schlank und glatt begrenzt und zeigt distal eine konische Verjüngung. Der intrapapilläre Abschnitt des Ductus choledochus zeigt bei wiederholten Aufnahmen (dynamische MRCP) eine variable Konfiguration, d. h. der intrapapilläre Gangabschnitt ist manchmal sichtbar und manchmal nicht sichtbar. Die Kontraktion des Sphinkter Oddi, die physiologischerweise mit einer Frequenz von ca. 4 Kontraktionen in der Minute auftritt, führt zu einer passageren Vorwölbung des Sphinktermuskels in den distalen Ductus choledochus. Wie bei allen anderen MR-Techniken gilt es auch bei der MRCP, die Eigenheiten und Limitationen der angewandten Sequenzen zu berücksichtigen und sich über mögliche Artefakte und typische »Pitfalls« bewusst zu sein, um Fehlinterpretationen zu vermeiden.
Pulssequenzabhängige und rekonstruktionsbedingte Artefakte und Pitfalls Bei den mit der Half-Fourier-Technik akquirierten Sequenzen wie der HASTE-Sequenz werden aufgrund der relativ kurzen Echozeiten nicht nur die (annähernd) statischen Flüssigkeiten in der Gallengängen abgebildet, sondern gelegentlich auch Gefäße mit niedrigen Flussgeschwindigkeiten (Pfortader, Lebervenen etc.). Mit der RARE-Sequenz hingegen, die sehr lange Echozeiten verwendet, bilden sich die Blutgefäße in der Regel nicht ab. Allerdings kann mit dieser Technik auch die Gallengangsdarstellung unterdrückt werden, wenn der Gang mit eingedickter oder hämorrhagischer Galle gefüllt ist. ! Gelegentlich sind im Ductus hepatocholedochus, insbesondere in der Nähe der Einmündung des Ductus cysticus, Signalauslöschungen im Sinne von Flussartefakten zu beobachten. Diese dürfen nicht mit intraduktalen Konkrementen verwechselt werden.
Sowohl die aus einem Mehrschichtdatensatz gewonnen MIP-Rekonstruktionen als auch die Einzelschichtsequenzen in Dickschichttechnik bergen die Gefahr von Partialvolumeneffekten. Auf diese Weise können kleine Füllungsdefekte (z. B. durch Konkremente) maskiert werden und es besteht die Gefahr, dass das Ausmaß einer Stenose bzw. Striktur überschätzt wird. Zudem können Flüssigkeiten im Magen, Duodenum oder Ureter oder flüssigkeitsgefüllte Läsionen wie Leberzysten oder Duodenaldivertikel aufgrund der engen anatomischen Nachbarschaft Strukturen wie das Pankreas überlagern oder zystische Läsionen des pankreatikobiliären Trakts vortäuschen. Eine Überlagerung von Ductus cysticus und Ductus choledochus bei abschnittsweise parallelem Verlauf darf nicht mit einer Dilatation des Ductus choledochus verwechselt werden. Auch Atemartefakte stellen insbesondere in den MIP-Rekonstruktionen ein Problem dar und können den fälschlichen Eindruck von Unterbrechungen, Stenosen, Dilatationen oder Duplikaturen der Gallengänge bzw. des Pankreasgangs erwecken. ! Um Fehlinterpretationen zu vermeiden, sollte eine Befundung der MIP-Rekonstruktionen und der Einzelschichtsequenzen immer auf der Basis einer sorgfältigen Betrachtung der Quellbilder bzw. konventioneller axialer Sequenzen erfolgen.
Suszeptibilitätsartefakte Wenngleich die üblichen MRCP-Sequenzen im Vergleich zu anderen MR-Techniken eine relativ geringe Anfälligkeit für Suszeptibilitätsartefakte aufweisen, so muss die Möglichkeit dieser Artefakte dennoch berücksichtigt werden. Metallische Implantate wie OP-Clips, endovaskuläre Coils oder Stents können zu Signalauslöschungen führen und eine Gangstenose oder -obstruktion vortäuschen. Auch Luft im Magen oder Duodenum kann zu Suszeptibilitätsartefakten führen.
Vortäuschung einer Gallengangspathologie durch normale anatomische Strukturen Sich überlagernde Flusssignale angrenzender Arterien können eine Obstruktion bzw. einen Füllungsdefekt der Gallengänge
833 25.4 · Cholestase
a
b
. Abb. 25.3a, b. Pseudoobstruktion des Ductus hepaticus communis. a MRCP. b koronare T2w-HASTE. In der MRCP scheint eine kurzstreckige Obstruktion (Pfeil) des Ductus hepaticus communis vorzuliegen, es fehlt jedoch eine prästenotische Dilatation der Gallenwege. In den korrelierenden
Schnittbildern ist das Flusssignal in dem unmittelbar unterkreuzenden Ramus dexter der A. hepatica propria (offener Pfeil) als Ursache für die Signalauslöschung in der MRCP (Pseudoobstruktion) zu identifizieren
vortäuschen. Am häufigsten löst der unmittelbar unterkreuzende Ramus dexter der A. hepatica propria eine Pseudoobstruktion des Ductus hepaticus communis aus (. Abb. 25.3), seltener erzeugt er eine Pseudoobstruktion des Ductus hepaticus sinister. Der Ductus choledochus kann in seinem mittleren Abschnitt durch die rechts anteroventral anliegende A. gastroduodenalis komprimiert wirken. Eine Aufklärung liefern die Quellbilder, T2-gewichtete Aufnahmen oder eine MRA. Die physiologische Kontraktion des Sphinkter Oddi kann durch die retrograde Vorwölbung des Sphinktermuskels in den distalen Ductus choledochus zu einer stumpfen oder konkaven Konfiguration des distalen Gallengangs führen und einen impaktierten Stein (Pseudokalkuluszeichen) oder eine Striktur vortäuschen. Wird ein Füllungsdefekt oder eine Striktur in der periampullären Region vermutet, sollten dynamische Aufnahmen angefertigt werden, um einen durch die physiologische Kontraktion vorgetäuschten pathologischen Befund auszuschließen.
25.4
Vortäuschung einer Gallengangspathologie durch vorausgegangene Interventionen Nach Instrumentation oder operativen Eingriffen an den Gallengängen kann es zu einer Aerobilie kommen, die nicht mit intraduktalen Konkrementen verwechselt werden darf (. Abb. 25.4). Nach Einlage einer PTCD können durch die externe Galleableitung und Dekompression die Gallengänge kollabieren und somit kann eine Darstellung des Ductus choledochus, die ansonsten fast immer mit der MRCP gelingt, ausbleiben. Auch die genaue Lokalisation und Ausdehnung einer Obstruktion kann auf diese Weise falsch eingeschätzt werden. Bei Zustand nach Papillotomie ist die Papillenregion häufig bizarr konfiguriert oder unregelmäßig erweitert, ohne dass eine relevante Pathologie der Papille vorliegt.
Cholestase
Definition, Ätiologie, Klinik Als Cholestase bezeichnet man eine Störung des Galleabflusses mit Anstieg der Konzentration gallepflichtiger Substanzen im Blut, wobei zwischen der intrahepatischen Cholestase in Folge einer Störung der Gallesekretion in der Leber (z. B. bei Virushepatitis, Leberzirrhose etc.) und der extrahepatischen Cholestase in Folge eines mechanischen Abflusshindernisses in den großen ableitenden Gallenwegen (Differenzialdiagnosen: Übersicht) unterschieden wird. Leitsymptom ist der Ikterus, der ab einer Erhöhung der Bilirubinkonzentration im Serum >2 mg/dl auftritt.
Ursachen einer obstruktiven Cholestase 4 Intraduktale Konkremente 4 Benigne Strikturen der Gallengänge: – Posttraumatisch/iatrogen/postoperativ – Pankreatitis – Cholangitis – Benigne Tumoren 4 Maligne Strukturen der Gallengänge: – Pankreaskopfkarzinom – Papillenkarzinom/Duodenalkarzinom – Gallengangskarzinom – Lebermetastasen/HCC/Lymphadenopathie 4 Missbildungen: – Gallengangssepten – Choledochuszysten 4 Parasiten (z. B. Ascaris, Clonorchis) 4 Funktionell
25
834
Kapitel 25 · Gallenblase und Gallenwege
25
b
a
. Abb. 25.4a–c. Aerobilie nach Stentimplantation im Ductus choledochus. a MRCP. b und c axiale T2w-HASTE. In der MRCP Darstellung eines vermeintlichen Konkrements (Signalauslöschung; Pfeil) im Ductus hepaticus communis. In den korrelierenden Schnittbildern erweist sich bei im Ductus choledochus einliegendem Stent (Pfeilspitzen) eine kleine Luftsichel (offener Pfeil) als ursächlich für das in der MRCP erkennbare »Pseudokonkrement«. Nachweis von reellen Konkrementen in der Gallenblase
Bildgebung Führendes Zeichen einer extrahepatischen Cholestase in der bildgebenden Diagnostik ist die Gallengangsdilatation. Sonographisch kommt es durch den parallelen Verlauf der Pfortaderäste und der dilatierten intrahepatischen Gallengänge zum so genannten »Doppelflintenphänomen«. Eine Weite des Ductus hepatocholedochus >9 mm ist in der Regel pathologisch und weist auf einen Stau hin. Das Gangsystem distal der Obstruktion ist normal weit. In der Schnittbilddiagnostik stellen sich die dilatierten intrahepatischen Gallengänge als flüssigkeitsäquivalente, sich verzweigende, rundliche oder tubuläre Strukturen in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Pfortaderästen dar. Die Aufgabe der Bildgebung besteht neben der Dokumentation einer Dilatation des Gallengangssystems v. a. in der Identifizierung der Ursache für eine mechanische Obstruktion. Die Konfiguration eines Gangabbruchs kann einen Hinweis auf die zugrunde liegende Ursache geben, wenngleich eine sichere
c
Differenzierung zwischen benignen und malignen Obstruktionen mit diesem Kriterium nicht immer möglich ist. Ein abrupter Gangabbruch spricht eher für das Vorliegen eines malignen Prozesses, häufig anzutreffende Tumoren sind dabei das Pankreaskopfkarzinom, das Papillenkarzinom und das distale Gallengangskarzinom. Auch in Fällen, in denen keine offensichtliche Raumforderung abgrenzbar ist, sollte ein plötzlicher Gangabbruch bzw. eine abrupte Kaliberschwankung an einen malignen Tumor denken lassen. Eine glatte Kaliberverjüngung oder konische Konfiguration des obstruierten Gallengangsabschnitts spricht eher für eine benigne Ursache wie eine entzündlich Striktur oder eine Pankreatitis. Impaktierte intraduktale Konkremente stellen sich als verkalkte, weichteiloder fettäquivalente rundliche Strukturen dar, die in transversal angeschnittenen Gallengängen von einem halbmondförmigen Gallenflüssigkeitssaum umgeben sein können (. Abb. 25.5).
835 25.5 · Missbildungen des Gallenwegssystems
Biliäre Mikrohamartome (Von-Meyenburg-Komplexe) Definition, Klinik Die seltenen biliären Mikrohamartome (Synonym: von-Meyenburg-Komplexe) manifestieren sich in Form multipler kleiner, zystischer Leberläsionen. Meist handelt es sich um einen radiologischen Zufallsbefund, da die Patienten in der Regel asymptomatisch sind. Pathogenetisch liegt eine gestörter Umbau bzw. eine Persistenz der Duktalplatte im Bereich der kleinen, interlobulären Gallengänge zugrunde.
a
Bildgebung
b . Abb. 25.5a, b. Konfiguration der Gallengangsobstruktion als Hinweis auf die zugrunde liegende Ursache. a Morphologie im Längsschnitt. b Korrespondierende transversale Schichten
25.5
Missbildungen des Gallenwegssystems
25.5.1
Missbildungen der intrahepatischen Gallengänge
In der embryologischen Entwicklung des intrahepatischen Gallengangssystems bildet sich zunächst um die Portalvene und das umgebende Mesenchym eine schmale Leberzellplatte, aus der sich als Vorläufer der Gallengänge Epithelbläschen entwickeln. Die hepatozellulären Bläschen wandeln sich zu Duktulusepithelien um und anastomosieren zu einem geschlossenen Netz um das primitive Portalfeld, es entsteht die so genannte Duktalplatte. Im weiteren Verlauf bildet sich dieses duktuläre Netzsystem zurück und wandelt sich zum definitiven portalen Gallengang mit den einmündenden terminalen Duktuli um. Die Umwandlung der Duktalplatte beginnt im Leberhilus und schreitet von dort zur Leberperipherie fort. Eine Störung dieses Umbauvorgangs bzw. eine Persistenz der Duktalplatte kann zu unterschiedlichen Zeitpunkten in der Entwicklung vorkommen und dementsprechend unterschiedliche Abschnitte des Gallengangsystems betreffen, angefangen von den großen Gängen über Segmentäste bis hin zu den kleinen interlobulären Gängen und Duktuli.
Radiologisch zeigen sich multiple, kleine intrahepatische Zysten. Charakteristisch sind die einheitliche, kleine Größe der Läsionen (bis maximal 15 mm) sowie die zufällige Verteilung über beide Leberlappen. Die Läsionen weisen keine Kommunikation mit den sich unauffällig darstellenden Gallenwegen auf. In der CT bzw. MRT stellen sich die Läsionen ähnlich den einfachen Leberzysten als hypodense bzw. in der T1-Wichtung als hypointense und in der T2-Wichtung als hyperintense Läsionen dar. Nach Kontrastmittelgabe kann evtl. ein schmales, randständiges Enhancement beobachtet werden, welches jedoch wohl weniger in der Läsion selbst stattfindet, sondern vermutlich dem komprimierten angrenzenden Lebergewebe entspricht. Eine ergänzende MRCP kann ggf. die fehlende direkte Verbindung zwischen den zystischen Läsionen und den Gallengängen bestätigen (. Abb. 25.6). Differenzialdiagnostisch sind v. a. einfache Leberzysten, die autosomal-dominant hereditäre Zystenleber sowie (insbesondere bei Patienten mit bekannten Neoplasien) zystische Metastasen abzugrenzen.
Morbus Caroli und Caroli-Syndrom Definition, Ätiologie, Pathogenese Beim Morbus Caroli handelt es sich um eine seltene, autosomal rezessiv erbliche Erkrankung, die durch das Vorliegen sakkulärer Dilatationen der großen intrahepatischen Gallengänge charakterisiert ist. Weitere Kennzeichen des von Caroli erstmals 1958 beschriebenen Krankheitsbildes sind das häufige Vorkommen von intraduktalen Konkrementen und die Neigung zu aszendierenden Cholangitiden und Leberabszessen. Fehlen Zeichen einer Leberzirrhose oder einer portalen Hypertension, so spricht man von der eigentlichen bzw. »einfachen« Form des Morbus Caroli. Beim so genannten Caroli-Syndrom liegt neben dem eigentlichen Morbus Caroli gleichzeitig eine kongenitale hepatische Fibrose vor, welche häufig in einer portalen Hypertension und Zirrhose mündet. Der Morbus Caroli bzw. das Caroli-Syndrom zeigen außerdem eine häufige Assoziation zu zystischen Nierenerkrankungen, z. B. den Markschwammnieren und der autosomal-rezessiven polyzystischen Nephropathie. Pathogenetisch liegt beim Morbus Caroli eine Duktalplattenpersistenz während der Entwicklung der großen intrahepatischen Gallengänge zugrunde, beim CaroliSyndrom liegen zusätzlich Malformationen der kleinen interlobulären Gallengänge vor, die zur Entwicklung einer Fibrose führen. Der Morbus Caroli betrifft meist nur einen Leberlappen oder einzelne Segmente, kann aber auch die ganze Leber involvieren.
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Kapitel 25 · Gallenblase und Gallenwege
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a
. Abb. 25.7. Morbus Caroli. MRCP. Darstellung multipler intrahepatischer zystischer Läsionen unterschiedlicher Größe, die mit den Gallenwegen kommunizieren
b . Abb. 25.6a, b. Biliäre Mikrohamartome. a Koronare T2w HASTE. b MRCP. Darstellung multipler intrahepatischer zystischer Läsionen von wenigen Millimetern Größe. Die MRCP weist keine Kommunikation der Zysten mit den Gallenwegen nach
Klinik Die Patienten werden häufig in der Jugend oder dem frühen Erwachsenenalter mit Oberbauchschmerzen, einem Ikterus und Fieber in Folge einer Cholestase, der intraduktalen Konkrementbildung sowie der daraus resultierenden entzündlichen Komplikationen symptomatisch. Das Caroli-Syndrom manifestiert sich hingegen meist schon im Kindesalter, wobei v. a. die portale Hypertension mit ihrem Komplikationen im Vordergrund steht.
Bildgebung Sonographisch finden sich sakkulär-zystische Dilatationen der größeren intrahepatischen Gallengänge, welche in einem einzelnen Lebersegment, Leberlappen oder auch diffus in der gesamten Leber gelegen sein können. Die Aussackungen sind manchmal mit echogenem Material (Sludge, Konkrementen) gefüllt.
Oft wölben sich auch echoreiche bulbäre Formationen in das Lumen der Gallengangsaussackungen hinein oder echoreiche Septen durchkreuzen teilweise oder vollständig das dilatierte Lumen. Dopplersonographisch lässt sich innerhalb dieser bulbären Protrusionen oder Septen häufig ein arterielles und venöses Flusssignal nachweisen. Diese Befunde korrelieren mit dem histologischen Erscheinungsbild bzw. der Pathogenese der Läsionen. Die ursprünglich um die Pfortader- bzw. Leberarterienäste angelegten Duktalplatten persistieren und umkreisen nun in Form sakkulärer Gallengangsdilatationen die fibrovaskulären Gefäßbündel, welche sich bildgebend als intraluminale Protrusionen oder Septen darstellen. Ähnliche Befunde werden mit der CT und MRT beobachtet. Es finden sich multiple intrahepatische zystische Läsionen, die dem Verlauf der Pfortaderäste bzw. Gallenwege folgen. Teilweise gelingt es, die direkte Verbindung zwischen den Gallenwegen und den zystischen Läsionen nachzuweisen. Die sakkulären Dilatationen der Gallenwege können auch zu einem perlschnurartigen Bild führen. Analog zur Sonographie zeigen sich häufig intraluminale Vorwölbungen oder Septen. Wenn ein Pfortaderast vollständig von einem dilatierten Gallengang umgeben ist, so zeigt sich im transversalen Anschnitt das »central dot sign«, d. h. ein sich in der portalvenösen Phase stark kontrastierender Pfortaderast liegt punktförmig im Zentrum des dilatierten Gallengangs. Die cholangiographischen Verfahren wie die ERCP, PTC oder MRCP weisen eindeutig die direkten Verbindungen der sakkulär-zystischen Läsionen mit den Gallengängen nach (. Abb. 25.7).
837 25.5 · Missbildungen des Gallenwegssystems
Daneben zeigen sich oftmals Füllungsdefekte durch intraduktale Konkremente. Gelegentlich finden sich auch Strikturen der Gallengänge, welche wohl z. T. narbigen Veränderungen bei rezidivierenden Cholangitiden und Steinabgängen entsprechen. Die extrahepatischen Gallengänge sind oft ektatisch, wobei hier eher glatte, fusiforme Dilatationen anzutreffen sind. Die Übersicht gibt eine zusammenfassende Übersicht über die radiologischen Befunde beim Morbus Caroli.
Radiologische Befunde bei Morbus Caroli 4 Dilatationen der großen intrahepatischen Gallengänge: – segmental, lobär oder diffus – sakkulär (!), fusiform oder zystisch – bis zu 5 cm im Durchmesser – enthalten häufig Konkremente oder Sludge 4 »central dot sign« (pathognomonisch!), intraluminale Protrusionen und Septen 4 Ektasien der extrahepatischen Gallengänge (glatt, fusiform) 4 Häufige Assoziation zu zystischen Nierenerkrankungen (z. B. Markschwammniere, polyzystische Nephropathie) 4 Zeichen der Cholangitis und Leberabszesse als Komplikationen des Morbus Caroli 4 Zeichen der portalen Hypertension/Leberzirrhose beim Caroli-Syndrom (Aszites, Splenomegalie, Varizen)
Differenzialdiagnosen des Morbus Caroli umfassen dysontogenetische Leberzysten, Echinokokkuszysten, segmental-obstruktive Stauungen infolge entzündlicher, tumoröser oder konkrementbedingter Obstruktionen und primär oder sekundär sklerosierende Cholangitiden.
Komplikationen, Therapie Zu den Komplikationen des Morbus Caroli zählen rezidivierende Cholangitiden und Leberabszesse mit der Gefahr einer Septikämie. Beim Caroli-Syndrom stehen die mögliche portale Hypertension und Entwicklung einer Leberzirrhose mit ihren Komplikationen wie Varizenblutungen im Vordergrund. > Beim Morbus Caroli besteht außerdem ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Gallengangskarzinoms, welches in etwa 7% der Fälle auftritt. Hierbei ist v. a. die MRT in Verbindung mit der MRCP diagnostisch wertvoll, da sowohl intra- als auch extraluminale Tumoren nachgewiesen werden können.
Die Therapie des Morbus Caroli besteht v. a. in der Behandlung der Komplikationen wie der Cholelithiasis (Ursodeoxycholsäure, ggf. endoskopische Steinextraktion) und der rezidivierenden Cholangitiden (Antibiose). Chirurgische Maßnahmen werden kontrovers diskutiert. Bei Beschränkung der Erkrankung auf ein Segment oder einen Leberlappen kann der Patient von einer Leberteilresektion profitieren, auch eine Lebertransplantation kann therapeutisch infrage kommen.
25.5.2
Missbildungen der extrahepatischen Gallengänge
Atresie der Gallengänge Definition, Epidemiologie Bei der Gallengangsatresie handelt es sich um einen angeborenen oder perinatal erworbenen, progressiv obliterierenden Verschluss der extrahepatischen und/oder auch der intrahepatischen Gallengänge. 75% aller Fälle von Verschlussikterus bei Säuglingen haben als Ursache eine Atresie der Gallengänge, die Inzidenz einer Gallengangsatresie liegt bei ca. 1:15 000. Es existieren zahllose Typen je nach Sitz und Ausdehnung der Atresie, bei einem kleinen Teil der Patienten finden sich zusätzlich Anomalien z. B. des Darms, der Milz oder des Herzens.
Ätiologie, Klinik Ätiologisch werden konnatale Infektionen und genetische Faktoren diskutiert. An klinischen Symptomen entwickeln die Neugeborenen einen progredienten Ikterus, acholische Stühle und eine hämorrhagische Diathese.
Bildgebung Als bildgebende nichtinvasive Verfahren stehen v. a. die Sonographie und die hepatobiliäre Funktionsszintigraphie zur Verfügung, auch die MRCP hat sich in einigen Studien als hilfreiche Untersuchungsmethode erwiesen. Letztlich wird die Diagnose jedoch meist intraoperativ mittels einer direkten Cholangiographie gesichert.
Therapie Therapeutisch kann bei einem distal atretischen Ductus choledochus eine Anastomosierung mit dem Duodenum bzw. einer ausgeschalteten Jejunumschlinge vorgenommen werden. Bei Atresie aller extrahepatischen Gallenwege erfolgt eine Hepatoporto-Jejunostomie mit ausgeschalter Roux-Schlinge als Gallengangsersatz (Operation nach Kasai). Da die intrahepatischen kleinen Gallengänge jedoch meist vom Krankheitsprozess mitbetroffen sind, entwickeln die meisten Patienten noch im Kindesalter eine Leberzirrhose, sodass eine Lebertransplantation als einzige Option verbleibt.
Choledochuszysten Definition, Epidemiologie Kongenitale Dilatationen der Gallengänge gehören mit einer Inzidenz von 1:200 000 zu den seltenen Erkrankungen des Gallenwegsystems, die Choledochuszyste ist hierbei die am häufigsten anzutreffende Variante. Daneben existieren zahlreiche weitere Typen von extrahepatischen Gallengangsdilatationen, z. T. auch in Kombination mit Dilatationen der intrahepatischen Gallenwege. Außerdem wurden diverse Kombinationen von Choledochuszysten mit Gallengangsatresien beobachtet. Das weibliche Geschlecht ist 3–4 mal häufiger betroffen als das männliche. Eine Einteilung der Gallengangszysten liefert die Klassifikation nach Todani (. Abb. 25.8). Hierbei werden 4 Haupttypen unterschieden. 4 Typ I entspricht der eigentlichen Choledochuszyste und stellt mit 80–90% der Fälle den weitaus häufigsten Typ der Gallengangszysten dar.
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Kapitel 25 · Gallenblase und Gallenwege
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. Abb. 25.8. Klassifikation der Gallengangszysten nach Todani. Typ I = Choledochuszyste (IA, zystische Dilatation; IB, segmentale/fokale Dilatation des distalen Ductus choledochus; IC, fusiforme Dilatation des Ductus hepatocholedochus) Typ II = Divertikel des Ductus choledochus Typ III = Choledochozele Typ IV = multiple Zysten (IVA, intra- und extrahepatische Zysten; IVB, multiple extrahepatische Zysten) Typ V = Morbus Caroli
4 Der seltene Typ II entspricht einem echten Divertikel des Ductus choledochus. 4 Beim ebenfalls seltenen Typ III handelt es sich um eine Choledochozele, d. h. eine zystische Dilatation des distalen intramuralen Abschnitts des Ductus choledochus mit Herniation in das Duodenum. 4 Typ IV macht etwa 10% der Gallengangszysten aus, wobei zwischen Typ IVA bei Nachweis multipler intra- und extrahepatischer Zysten (. Abb. 25.9) und Typ IVB bei Nachweis multipler extrahepatischer Zysten unterschieden wird. 4 Beim Typ V liegen multiple intrahepatische Gallengangsdilatationen vor, er entspricht dem Morbus Caroli (s. o.).
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c
Ätiologie, Klinik Die Ätiologie der Erkrankung ist umstritten. Diskutiert werden eine Malformation der Duktalplatte der extrahepatischen Gallengänge und eine angeborene Hypoplasie der fibromuskulären Wandbestandteile mit konsekutiver Dilatation des Gangs unter dem Druck der Gallenflüssigkeit. Eine weitere Theorie stellt einen Zusammenhang mit den bei Choledochuszysten häufig vorzufindenden Verbindungsanomalien von Ductus choledochus und Ductus pancreaticus her. Bei dieser Anomalie liegt die Verbindung der Gänge weit extramural oberhalb des Sphinktermuskels unter Bildung eines langen gemeinsamen Gangs (»common channel«). Diese anatomische Variante prädisponiert zu einem Reflux von Pankreassekret in den Gallengang, wobei die Pankreasenzyme zu entzündlichen Veränderungen der Gallenwegswand mit konsekutiver Wandschwäche und Dilatation führen sollen. Klinische Symptome treten häufig bereits vor dem 10. Lebensjahr auf, typischerweise in Form von rezidivierendem Ikterus, abdominellen Schmerzen und einem palpablen Tumor im rechten Oberbauch. Hingegen handelt es sich bei Erwachsenen meist um einen asymptomatischen Zufallsbefund.
. Abb. 25.9a–c. Gallengangszysten vom Typ IVa nach Todani. T2w-TSESequenz, von kranial nach kaudal (a–c). Multiple intrahepatische sacciforme und fusiforme Gallengangszysten (mit großem Konkrement; Pfeile) sowie fusiforme Dilatation des Ductus choledochus (mit Aerobilie, offener Pfeil)
Bildgebung In der Sonographie sollte die Darstellung einer von der Gallenblase separaten, zystischen Läsion in der Leberpforte die Diagnose einer Choledochuszyste vermuten lassen. Die Identifikation der Verbindung zwischen der Zyste und dem Gallengang bestätigt die Diagnose. Nicht selten sind intraduktale Konkremente erkennbar. Computertomographisch stellt sich die Choledochuszyste als eine in der Leberpforte gelegene, glatt begrenzte, flüssigkeitsgefüllte Läsion dar. Für den Nachweis der direkten Verbindung zum Ductus choledochus sind multiplanare Rekonstruktionen (insbesondere in koronarer Schichtung) hilfreich. Die intrahepa-
839 25.6 · Cholelithiasis
tischen Gallenwege sind manchmal durch kompressions- oder konkrementbedingte Stenosen dilatiert, distal der Zyste ist das Gallengangskaliber normal. Ein Divertikel des Ductus choledochus hängt dem normal weiten Gallengang als zystische Formation an und muss von einer Doppelanlage der Gallenblase unterschieden werden. Bei der Choledochozele stellt sich eine zystische Formation am Übergang des Ductus choledochus ins Duodenum dar, die sich in die Wand des Duodenums vorwölbt und keine Füllung mit oralem Kontrastmittel aufweist. Die MRT erlaubt durch eine ergänzende MRCP eine genaue Darstellung der Ausdehnung der Zyste und ihrer Verbindung zum Gallengang und kann evtl. vorliegende Verbindungsanomalien zwischen Ductus choledochus und Ductus pancreaticus aufdecken. Die höchste Genauigkeit in der Darstellung der Zystenausdehnung und von möglichen pankreatiko-biliären Mündungsanomalien weisen die direkten cholangiographischen Verfahren (ERCP, PTC) auf. Differenzialdiagnostisch müssen v. a. von anderen Organen ausgehende Zysten, wie mesenteriale oder omentale Zysten, Leber-, Pankreas- und Pankreaskopfpseudozysten sowie Duodenaldivertikel abgegrenzt werden.
Komplikationen, Therapie Häufige Komplikationen der Gallengangszysten sind die Bildung von Pigmentsteinen, rezidivierende aszendierende Cholangitiden bis hin zur Abszessbildung, die Entwicklung von Gallengangsstrikturen und Pankreatitiden. Eine seltene Komplikation ist die spontane Zystenruptur mit galliger Peritonitis. > Gallengangszysten bergen mit Ausnahme der Choledochozele ein erhöhtes Risiko für die Entstehung von Gallengangskarzinomen (sowohl der intra- als auch der extrahepatischen Gallenwege, sowohl intra- als auch extrazystisch) und Gallenblasenkarzinomen. Die Häufigkeitsangaben in der Literatur schwanken zwischen 3–40% der Fälle. Therapeutisch ist bei Gallenwegszysten der extrahepatischen Gallenwege eine radikale Zystenresektion mit biliodigestiver Anastomose anzustreben, um einer karzinomatösen Entartung vorzubeugen. Der chirurgische Ansatz bei einer Choledochozele kann die Zelenexzision und Reinsertion der beiden Gänge in der Duodenalwand sein.
25.6
Cholelithiasis
Die Cholelithiasis ist die häufigste Erkrankung der Gallenblase und der Gallengänge. In den westlichen Industrieländern entwickeln ca. 10–15% der Erwachsenen Gallensteine. Frauen sind mehr als doppelt so häufig betroffen wie Männer, mit zunehmendem Alter (insbesondere ab dem 40. Lebensjahr) steigt die Inzidenz. Zu den Risikofaktoren zählen außerdem eine cholesterinreiche Ernährung, Adipositas, Gravidität, Diabetes mellitus und eine genetische Disposition. Etwa 70% aller Gallensteine sind gemischte Cholesterinsteine, 10% sind reine Cholesterinsteine und weitere 20% sind Pigmentsteine (Bilirubin). Die Pig-
mentsteine sind häufig mit hämolytischen Erkrankungen, alkoholtoxischer Leberzirrhose und Gallenwegsinfektionen durch koliforme Bakterien vergesellschaftet.
Blande Cholelithiasis Klinik Ca. 70% der Gallensteinträger bleiben asymptomatisch, sodass es sich bei der Cholelithiasis in der Mehrzahl der Fälle um einen radiologischen Zufallsbefund handelt. Bei der unkomplizierten Cholelithiasis kann es gelegentlich zu unspezifischen Symptomen wie leichten Oberbauchschmerzen (insbesondere nach fettreichen Speisen) kommen. Wenn (meist kleine) Steine im Gallenblasenhals oder im Ductus cysticus stecken bleiben bzw. letzteren passieren, kann die typische Symptomatik einer Gallenkolik auftreten. Die Kolikschmerzen dauern in der Regel mindestens 15 min bis zu maximal 5 h an, sind von krampfartigem Charakter, lokalisieren sich in das Epigastrium oder den rechten Oberbauch mit möglicher Ausstrahlung in die rechte Schulter oder den Rücken und sind häufig von Übelkeit und Erbrechen begleitet.
Bildgebung In konventionellen Abdomenübersichtsaufnahmen können verkalkte Konkremente gut nachgewiesen werden (Differenzialdiagnosen für Verkalkungen in Projektion auf die Gallenblase, . Tab. 25.1), allerdings sind nur etwa 20% der Gallensteine verkalkt bzw. schattengebend. Die große Mehrzahl der Konkremente entgeht somit dem Nachweis, sodass sich dementsprechend insgesamt eine geringe Sensitivität dieser Methode für den Nachweis einer Cholelithiasis ergibt. Die Sonographie ist Methode der Wahl zur Diagnostik einer Cholelithiasis. Unabhängig von der Konkrementzusammensetzung weist sie bei der Cholezystolithiasis eine Sensitivität von >90% auf. Die Steine stellen sich echoreich dar, haben einen je nach Größe mehr oder weniger ausgeprägten Schallschatten und zeichnen sich durch Beweglichkeit bei Lageänderung aus. In Rückenlage des Patienten liegen die Steine häufig im Infundibulum der Gallenblase, während in Linksseitenlage die Steine eher im Fundus- und Korpusbereich aufzufinden sind. Reine Cholesterinsteine und Mikrolithen können in der Gallenflüssigkeit schweben. Steine mit hohem Cholesterinanteil haben eine homogene, feinkristalline Binnenstruktur, während ein hoher Kalkgehalt zu einem harten, schaligen Oberflächenreflex mit inhomogenem Binnenmuster führt. Ein sicherer Rückschluss vom sonographischen Bild auf die Steinzusammensetzung ist jedoch nicht möglich. Als Gallenblasengries bezeichnet man eine Ansammlung griesartiger, kleinster Gallensteine. Davon abzugrenzen ist der Gallenblasensludge, bei dem es sich um eingedickte Galle handelt, wie sie schon nach wenigen Tagen Nahrungskarenz (z. B. bei parenteraler Ernährung) vorzufinden ist (Übersicht). Der sonographische Nachweis einer Choledocholithiasis ist stark von der Größe der Konkremente abhängig, zudem bleiben Teile des Ductus choledochus häufig hinter der luftgefüllten Pars descendens duodeni verborgen. Die in der Literatur angegebenen Zahlen für die Sensitivität der Sonographie in der Diagnose einer Choledocholithiasis variieren erheblich und liegen zwischen 22–90%. Insbesondere für Konkremente <1 cm ist jedoch mit Sensitivitäten <30% zu rechnen.
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25
Kapitel 25 · Gallenblase und Gallenwege
Sonographische Kriterien pathologischer Gallenblaseninhalte 4 Gallenblasensteine: – Schallreflex: – Kalksteine: schaliger Oberflächenreflex – Reine Cholesterinsteine: homogen – Dorsaler Schallschatten – Mobilität 4 Gallenblasengries: – Inhomogenes, echodichtes Sediment – Schattengebende Anteile – Mobilität 4 Gallenblasensludge: – Echodichtes Sediment – Spiegelbildung – Mobilität
a
Computertomographisch werden Gallensteine mit einer Sensi-
tivität von ca. 80% in der Gallenblase und von ca. 65–80% im Gallengang diagnostiziert. Verkalkte Konkremente stellen sich hyperdens gegenüber der umgebenden Gallenflüssigkeit dar, reine Cholesterinsteine hingegen hypodens. Ein Teil der Steine ist aufgrund einer Mischzusammensetzung idodens zur Gallenflüssigkeit und entgeht daher dem Nachweis. Die native CT kann insbesondere bezüglich der Diagnostik einer Choledocholithiasis der CT nach i.v.-Kontrastmittelgabe überlegen sein. Während Konkremente mit einer oberflächlichen Verkalkungsschale und hypodensem bzw. galleisodensem Zentrum in der nativen CT anhand des hyperdensen Verkalkungsringes gut erkennbar sind, kann dieser Verkalkungsring nach Kontrastmittel-Applikation fälschlicherweise mit einem Enhancement der umgebenden Gallengangswand verwechselt werden. Die CT-Cholangiographie nach Applikation eines gallegängigen Kontrastmittels wird heute nur noch selten zur Diagnose einer Cholelithiasis angewendet, zumal mit der MRC ein weiteres nichtinvasives und zugleich sensitiveres Verfahren ohne die Notwendigkeit einer Kontrastmittel-Applikation zur Verfügung steht. Die MRCP ist die nichtinvasive Methode der Wahl zur Diagnose bzw. zum Ausschluss einer Choledocholithiasis. Für den Nachweis von Gallengangskonkrementen zeigen sich Sensitivitäten von 87–97% und Spezifitäten von 88–100%. Insbesondere auch der Nachweis intrahepatischer Konkremente, der mit den übrigen Untersuchungsmethoden häufig Schwierigkeiten bereitet, gelingt mit dieser Technik sehr gut. Die Steine stellen sich indirekt als hypointense Füllungsdefekte in der hyperintensen Gallenflüssigkeit dar (. Abb. 2.10). ! Füllungsdefekte infolge einer Aerobilie dürfen bei der MRCP nicht mit intraduktalen Konkrementen verwechselt werden. Gasbläschen steigen in Rückenlage des Patienten in die ventralen Leberabschnitte auf, d. h. sie finden sich v. a. in den Gallengängen des linken Leberlappens, während Konkremente auch in den abschüssigen Leberpartien zu finden sind. In axialen oder sa6
b . Abb. 25.10a, b. Choledocholithiasis. a MRCP. b axiale HASTE. Die Patientin erlitt rezidivierende Gallenkoliken. Darstellung eines präpapillär im Ductus choledochus gelegenen Konkrements in Form eines rundlichen Füllungdefekts (Pfeil). Cholezystolithiasis. Freie Flüssigkeit im Gallenblasenbett (Pfeilspitzen) als Ausdruck der entzündlichen Begleitveränderungen der Gallenblase
gittalen Aufnahmen sind Luft-Flüssigkeitsspiegel als Zeichen einer Aerobilie am besten erkennbar. Weitere Ursachen für (z. T. vermeintliche) intraduktale Füllungsdefekte in der MRCP zeigt die Übersicht.
Ursachen für intraduktale Füllungsdefekte in der MRCP 4 4 4 4 4
Konkremente Gasbläschen/Aerobilie Blutkoagel Tumoren Flusssignal angrenzender Arterien (v. a. Unterkreuzung des Ductus hepaticus communis durch die rechte Leberarterie) 4 Intraduktale Flussartefakte (am häufigsten im Ductus hepatocholedochus nahe der Cysticuseinmündung)
841 25.7 · Entzündliche Erkrankungen des Gallenwegssystems
Wenn ein unmittelbar präpapillär impaktierter Stein aufgrund der normalerweise vorliegenden konischen Verjüngung des distalen Ductus choledochus nicht von Gallenflüssigkeit umgeben ist, kann er auf MRCP-Bildern dem Nachweis entgehen. Umgekehrt kann eine prominente Papille oder ein sich physiologischerweise kontrahierender Sphinkter Oddi sich in den distalen Ductus choledochus vorwölben und zu einer stumpfen oder konkaven Konfiguration desselbigen führen, wodurch ein impaktierter Stein vorgetäuscht werden kann. Ergänzende konventionelle axiale Bilder bzw. ggf. dynamische Aufnahmen tragen hier zur Klärung bei. Transversale MRT-Serien erlauben eine genaue anatomische Lokalisation der Konkremente und decken Begleitreaktionen wie Ödeme und Entzündungen auf. In der T1-Wichtung haben die Steine eine variable Signalintensität. In T2-gewichteten Aufnahmen stellen sie sich meist homogen signalarm oder in der Peripherie signalarm mit einem signalreichen Zentrum dar und lassen sich so gut von der relativ signalreicheren Gallenflüssigkeit abgrenzen. Die Indikation für eine ERCP besteht heute v. a. in der Steinextraktion vor oder nach laparoskopischer Cholezystektomie und aufgrund der Invasivität des Verfahrens nur in seltenen Fällen in der Diagnostik der Cholelithiasis. Ein Steinnachweis gelingt hierbei mit einer Sensitivität von 95–100%. Differenzialdiagnostisch müssen von einer Cholezystolithiasis v. a. benigne und maligne Tumoren der Gallenblase und von einer Choledocholithiasis entzündliche und tumoröse Obstruktionen der Gallenwege abgegrenzt werden. Als schwerwiegende Komplikation einer Cholelithiasis kann es infolge einer Gallenwegsobstruktion zu einer Cholezystitis oder Cholangitis kommen. Die blande, asymptomatische Cholelithiasis bedarf keiner Therapie.
Gallenblasenhydrops Definition, Ätiologie Beim Gallenblasenhydrops liegt eine exzessiv flüssigkeitsgefüllte Gallenblase bei einer Abflussbehinderung im Ductus cysticus oder Ductus choledochus vor, ursächlich für die Obstruktion ist häufig ein Gallensteinleiden. Dabei kann ein Verschluss des Ductus cysticus durch den impaktierten Stein selbst oder durch ein okkludierendes Ödem nach Steinpassage bedingt sein. Andere Ursachen für die Okklusion können v. a. benigne oder maligne Tumoren des Gallenwegssystems oder extrabiliäre, komprimierende Raumforderungen sein. Der Gallenblasenhydrops kann klinisch asymptomatisch sein, kann aber auch durch die prallelastische Vergrößerung des Organs zu Schmerzen und Druckempfindlichkeit im rechten Oberbauch führen.
Bildgebung In den bildgebenden Verfahren zeigt sich ein prall gefülltes, vergrößertes Organ, welches in der Frühform keine Wandverdickung aufweist. Häufig findet sich auch echoreicher bzw. hyperdenser Gallenblasensludge. In den direkten cholangiographischen Verfahren kann ein negatives Cholezystogramm beobachtet werden. Differenzialdiagnosen sind die funktionell große (atone) Gallenblase, das Gallenblasenempyem und das Gallenblasenkarzinom.
Mirizzi-Syndrom Definition, Ätiologie Das Mirizzi-Syndrom ist eine seltene Erkrankung, der Befund wird in etwa 1–3% der sich einer Cholezystektomie unterziehenden Patienten diagnostiziert. Charakteristischerweise liegt ein Verschlussikterus vor, wobei ein im Ductus cysticus oder im Gallenblaseninfundibulum impaktiertes Konkrement zu einer Kompression oder narbigen Stenose im benachbarten Ductus hepaticus communis und/oder Ductus choledochus geführt hat. Auch die Impaktation eines Konkrements im Cysticusstumpf nach Cholezystektomie mit konsekutiver Verlegung des Ductus hepatocholedochus wird zum Komplex des Mirizzi-Syndroms gerechnet.
Klinik Meist ist die klinische Symptomatik eher mild ausgeprägt (schmerzloser Ikterus), ähnlich wie bei malignen Erkrankungen der Gallenwege bzw. bei einem Pankreaskopfkarzinom. Kommt es zu einer Cholezystitis bzw. Cholangitis, treten entsprechende Symptome und Befunde auf. Auch die Ausbildung einer cholezystobiliären Fistel kann vorkommen, wenn das inkrustierte Konkrement aus dem Ductus cysticus in den benachbart verlaufenden Ductus choledochus einbricht.
Bildgebung Bildgebende Befunde umfassen den Konkrementnachweis im Ductus cysticus, eine je nach partieller oder vollständiger Obstruktion mehr oder weniger ausgeprägte Dilatation der intraund extrahepatischen Gallenwege sowie evtl. begleitende entzündliche Veränderungen der Gallenblase und -gänge.
Therapie Therapie der Wahl beim Mirizzi-Syndrom ist die Cholezystektomie.
25.7
Entzündliche Erkrankungen des Gallenwegssystems
Infektionen stellen nach dem blanden Gallensteinleiden die zweithäufigste Form von Erkrankungen des Gallensystems dar. In der Mehrzahl der Fälle kommt es dabei infolge einer Stase der Gallenflüssigkeit bei einer steinbedingten Obstruktion der Gallenwege zu einer sekundären Infektion.
25.7.1
Cholezystitis
Akute Cholezystitis Epidemiologie, Ätiologie Eine akute Cholezystitis entsteht in 90% der Fälle infolge einer temporären Verlegung des Ductus cysticus oder des Gallenblaseninfundibulums durch ein Konkrement. Die mechanische Irritation der Gallenblasenwand und die gleichzeitige chemische Schädigung durch aufgestaute Gallensäuren erleichtern die sekundäre Keiminvasion, häufige Erreger sind hierbei E. coli, Streptokokken, Klebsiellen und Proteusarten. Akalkulöse Cholezystitiden sind selten und werden z. B. bei Intensivpatienten un-
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25
Kapitel 25 · Gallenblase und Gallenwege
ter parenteraler Ernährung oder bei Salmonelleninfektionen gefunden, auch Mikrozirkulationsstörungen (bei Traumen, Schocksituationen) können eine sekundäre Infektion der Gallenblase hervorbringen.
Klinik Klinisch gehen der akuten Cholezystitis meist Koliken voraus. Daraus entwickelt sich ein Dauerschmerz im Epigastrium bzw. rechten Oberbauch, begleitet von Übelkeit und Erbrechen. Zusätzlich bestehen Fieber sowie evtl. ein Sklerenikterus und eine reflektorische Darmparalyse.
Diagnose, Bildgebung Typisch ist das (sonographische) Murphy-Zeichen, das in einem schmerzbedingten Stoppen der tiefen Inspiration besteht, nachdem der Untersucher in Exspiration die palpierende Hand (bzw. den Schallkopf) in die Gallenblasenregion gedrückt hat. In der
Laboruntersuchung liegen meist erhöhte Entzündungsparameter, eine erhöhte alkalische Phosphatase und eine Hyperbilirubinämie vor. Bildgebung. Die Sonographie ist das bildgebende Untersuchungsverfahren ersten Ranges (Übersicht). Typischerweise findet sich bei einer akuten Cholezystitis eine verdickte Gallenblasenwand mit verschieden echodichten Schichten (. Abb. 25.11a). Evtl. lässt sich ein verschließendes Konkrement identifizieren. Als Ausdruck der Pericholezystitis findet sich häufig Flüssigkeit im Gallenblasenbett. Die Sensitivität der Sonographie für die Diagnose einer akuten Cholezystitis schwankt in der Literatur zwischen 60–93%, ähnliches gilt für die Spezifität. Letzteres ist damit zu erklären, dass ein Teil der oben genannten sonographischen Befunde auch bei extrabiliären Erkrankungen wie akuter Hepatitis, dekompensierter Leberzirrhose, akuter Pankreatitis oder Herzinsuffizienz zu beobachten ist.
b
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. Abb. 25.11a–c. Akute Cholezystitis. Bildgebung bei verschiedenen Patienten. a Sonographie. Verdickte Gallenblasenwandung mit Mehrschichtung (zwischen einer äußeren und inneren echodichten Schicht liegt eine echoarme Schicht; Pfeile). b, c CT, koronare MPR. Die deutlich kontrastierte Gallenblasenwand ist von freier Flüssigkeit umgeben (Pfeilspitzen). Cholezystolithiasis (offener Pfeil). Auslöser für die akute Cholezystitis war ein Konkrement (Pfeil) im Ductus cysticus
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843 25.7 · Entzündliche Erkrankungen des Gallenwegssystems
Häufige sonographische Befunde bei der akuten Cholezystitis
Extrabiliäre Erkrankungen mit diffuser Gallenblasenwandverdickung
4 4 4 4 4 4 4
4 4 4 4 4 4
Sonographisches Murphy-Zeichen Cholezystolithiasis (Obstruktion des Ductus cysticus) Ungleichmäßige Wandverdickung (>3 mm) Echoarme Wand, Mehrschichtung der Wand Echoarmer perivesikaler Flüssigkeitssaum Vergrößerung der Gallenblase (>4 cm Durchmesser) Hypervaskularisation der Gallenblasenwand im Farbduplexsonogramm
Rechtsherzinsuffizienz Leberzirrhose Akute Hepatitis Ausgeprägte Malabsorption Schwere Niereninsuffizienz Akute/chronische Pankreatitis
Komplikationen Computertomographisch ist das führende Zeichen ebenfalls
eine Verdickung der Gallenblasenwand, zusätzlich zeigt sich ein deutliches Kontrastmittel-Enhancement der Wand sowie mitunter eine Mehrschichtung (eine innere, Kontrastmittel aufnehmende Schicht und eine äußere hypodense, dem serösen Ödem entsprechende Schicht). Flüssigkeit im Gallenblasenbett und freie Flüssigkeit sind gut erkennbar (. Abb. 25.11b). Die Dichte der intravesikalen Galle ist meist über 25 HE erhöht (Differenzialdiagnosen: Übersicht). In Abhängigkeit von der Konkrementbeschaffenheit lässt sich evtl. auch der auslösende Stein nachweisen. Pericholezystitische Abszedierungen in Form hypodenser abgekapselter Zonen mit randständiger Kontrastierung in der Umgebung der Gallenblase sowie sonstige etwaige Komplikationen (s. u.) sind mit der CT gut aufdeckbar.
Ursachen für eine erhöhte Dichte (> 20 HE) des Gallenblaseninhalts 4 Sludge (z. B. durch längeres Fasten, parenteraler Ernährung, Intensivpatienten) 4 Cholezystitis/Gallenblasenempyem 4 Blutkoagel bei Hämobilie 4 Hepatobiliäre Ausscheidung nach i.v. Kontrastmittelgabe (1–2 Tage nach Injektion, v. a. bei eingeschränkter Nierenfunktion) 4 Gallenblasentumoren
In der MRT finden sich zur CT analoge Befunde, die MRT bietet allerdings gegenüber der Sonographie und der CT keinen Vorteil in der Diagnose einer akuten Cholezystitis und ihrer Komplikationen. Gegebenenfalls kann bei einer akuten Cholezystitis die Frage nach einer Choledocholithiasis mithilfe einer MRCP abgeklärt werden. Differenzialdiagnosen der akuten Cholezystitis umfassen v. a. die chronische Cholezystitis, das Gallenblasenkarzinom, die diffuse Form der Adenomyomatose sowie zahlreiche extrabiliäre Erkrankungen, die mit einer diffusen Verdickung der Gallenblasenwand einhergehen können (Übersicht), wobei letztere in der Regel kein bzw. in Relation zur akuten Cholezystitis nur ein geringes Enhancement der verdickten Gallenblasenwand aufweisen.
Zu den Komplikationen der akuten Cholezystitis zählen die emphysematöse Cholezystitis, die gangränöse Cholezystitis, eine Gallenblasenperforation, der Gallensteinileus, das Gallenblasenempyem (s. u.) sowie Abszessbildungen und eine Peritonitis.
Therapie Therapie der Wahl ist die Cholezystektomie. Dabei ist eine schnelle Diagnosestellung anzustreben mit frühem operativem Eingriff, da hierbei die Letalität geringer ist als bei antibiotischer Therapie und späterer Cholezystektomie. Insbesondere für die nachstehend aufgeführten komplizierten Formen einer akuten Cholezystitis besteht eine absolute Operationsindikation aufgrund der Perforationsgefahr.
Emphysematöse Cholezystitis Die akute emphysematöse Cholezystitis wird durch eine Infektion mit Clostridium perfringens hervorgerufen und ist durch eine schlechte Prognose gekennzeichnet. Betroffen sind meist abwehrgeschwächte Patienten (z. B. Diabetiker). Bildgebung. In konventionellen Abdomenübersichtsaufnahmen zeigen sich durch die intramuralen Lufteinschlüsse linienförmige Aufhellungen in der Gallenblasenwand, Luft-Flüssigkeits-Spiegel in der Gallenblase selbst sowie evtl. eine Aerobilie. Die Sonographie erinnert an das Bild eines »sunburst«. Als Korrelat einer intramuralen Gasansammlung findet sich anstelle der nicht mehr abgrenzbaren Gallenblasenwand ein bogenförmiges Reflexband aus intensiven Echos mit Kometenschweifartefakten (starke, parallele Wiederholungsechos verschmelzen hinter den Lufteinschlüssen zu einem kometenschweifartigen Bild). Eine evtl. intrahepatische Aerobilie stellt sich ebenfalls anhand von multiplen Komentenschweifartefakten (»Sternenhimmel«) dar. Im Zweifelsfall ist die CT sehr hilfreich, da sie einen äußerst sensitiven und spezifischen Nachweis der intramuralen Lufteinschlüsse ermöglicht (. Abb. 25.12).
Gangränöse Cholezystitis Bei der gangränösen Cholezystitis besteht durch die Nekrosen der Gallenblasenwand eine ausgedehnte Umgebungsreaktion mit deutlichen pericholezystischen Flüssigkeitsansammlungen, evtl. bildet sich ein pericholezystischer Abszess aus. Bildgebung. In der CT können eine besonders ausgeprägte Wandverdickung mit irregulärer Wandung, eine deutliche Vergrößerung des Organs, intramurale und intraluminale Gasein-
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Kapitel 25 · Gallenblase und Gallenwege
Bildgebung. Die konventionelle Abdomenübersicht zeigt typi-
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scherweise ein positives Aerogramm der Gallenwege, einen Steinschatten außerhalb der Gallenblase und Zeichen des Dünndarmileus (Riegler-Trias). Mit der CT können zusätzlich die entzündlichen Veränderungen in der Gallenblasenregion bzw. evtl. die biliodigestive Fistel nachgewiesen werden.
Ursachen einer Aerobilie
. Abb. 25.12. Emphysematöse Cholezystitis. Neben intramuralen Gaseinschlüssen (Pfeile) in der Gallenblasenwand zeigt die CT einen Luft-Flüssigkeitsspiegel in der Gallenblase sowie eine intrahepatische Aerobilie
schlüsse sowie das vollständige oder abschnittsweise Fehlen einer Kontrastmittel-Aufnahme der Wand oder gar die abschnittsweise fehlende Darstellung der Wand auf einen gangränösen Verlauf hinweisen.
Gallenblasenempyem Das Gallenblasenempyem ist eine bakterielle Infektion des Gallenblaseninhalts und entsteht in der Regel auf dem Boden eines Gallenblasenhydrops bzw. einer akuten oder chronischen Cholezystitis. Bildgebung. Bildgebend kommt eine deutlich vergrößerte Gallenblase zur Darstellung, die Gallenblasenwand kann in Abhängigkeit von der Grunderkrankung verdickt, mehrschichtig, Kontrastmittel anreichernd oder normal sein. Sonographisch weist der Eiter in der Gallenblase ein echoreiches Muster auf, dabei können auch Schichtungsphänomene des Gallenblaseninhalts gesehen werden. In der CT kann die Dichtemessung des Gallenblaseninhalts in einzelnen Fällen durch die nachweisbare Hyperdensität hinweisgebend sein, auch lässt sich gelegentlich ein Schichtungsphänomen nachweisen. Differenzialdiagnostisch muss v. a. ein blander Gallenblasenhydrops abgegrenzt werden, allerdings ist mittels bildgebender Verfahren allein und ohne Berücksichtigung der Klinik eine Unterscheidung häufig nicht sicher möglich.
4 Weitstellung des Sphinkter Oddi (alte Patienten) 4 Angeborenes Fehlen des Sphinkter Oddi (selten) 4 Iatrogen: – Nach ERCP/PTC (D) – Nach Papillotomie – Nach Stenting des Ductus choledochus – Nach biliodigestiver Anastomose (Choledochojejunostomie etc.) 4 Biliodigestive Fistel infolge: – Gallensteinperforation – Ulkusperforation – Gallenblasenkarzinom 4 Cholangitis/Cholezystitis
Chronische Cholezystitis Definition, Ätiologie, Klinik Auch bei der chronischen Cholezystitis liegt in den meisten Fällen eine ähnliche Ätiologie wie bei der akuten Cholezystitis, d. h. ein Gallensteinleiden, zugrunde. Das Endstadium des chronischen Entzündungsprozesses ist die funktionslose Schrumpfgallenblase. Klinisch wird zwischen einem asymptomatischen und symptomatischen Stadium unterschieden. Angegeben werden dumpfe kontinuierliche oder intervallartige rechtsseitige Oberbauchschmerzen, oft finden sich auch nur uncharakteristische dyspeptische Beschwerden.
Bildgebung Sonographisch zeigt sich eine echoreiche Verdickung der Gallenblasenwand, wobei das Ausmaß der Wandverdickung von einer nur gering verbreiterten Wand bis hin zu einer ausgeprägten schwieligen Verdickung reicht. Evtl. zusätzliche akut entzündliche Läsionen der Schleimhaut stellen sich in Form echoarmer Veränderungen der Wand dar. Im Gegensatz zur akuten Cholezystitis ist bei der chronischen Form die Gallenblase häufig in ihrem Lumen geschrumpft (Übersicht).
Gallensteinileus Bei einer Cholezystitis kann es zu Adhäsionen der Gallenblase an benachbarte Darmabschnitte (meist das Duodenum) kommen. Durch einen fortschreitenden Entzündungsprozess mit Arrosion der Gallenblasenwand kann eine biliodigestive Fistel entstehen, welche mit einer Aerobilie einhergeht (Ursachen einer Aerobilie: Übersicht) und schließlich die Abwanderung eines Konkrements aus der Gallenblase in das Intestinum ermöglicht. Das mit der Peristaltik transportierte Konkrement kann sich im Darmlumen einklemmen und einen mechanischen Ileus auslösen. Prädilektionsstelle hierfür ist das mittlere oder terminale Ileum (BauhinKlappe).
Häufige sonographische Befunde bei der chronischen Cholezystitis 4 4 4 4 4
Cholezystolithiasis Wandverdickung Inhomogene, echoreiche Wandung Normale Größe oder Schrumpfgallenblase Fehlende Kontraktilität
845 25.7 · Entzündliche Erkrankungen des Gallenwegssystems
. Abb. 25.13. Chronische Cholezystitis, CT. Narbige Einziehungen (offene Pfeile) der verdickten Gallenblasenwand. Der Ductus cysticus ist deutlich dilatiert (Pfeilspitze). Stent im dilatierten Ductus choledochus (Pfeil)
Computertomographisch stellt sich meist eine kleine Gallenblase mit verdickter Wand und vermehrtem Kontrastmittel-Enhancement der Wandung dar (. Abb. 25.13). Durch die chronisch entzündliche Umgebungsreaktion kann es zu streifigen Verdichtungen des benachbarten Fettgewebes kommen. Eine sehr kleine Schrumpfgallenblase kann sich dem Nachweis entziehen. Analoge Befunde finden sich in der MRT. > Die wichtigsten Differenzialdiagnosen der chronischen Cholezystitis stellen die akute Cholezystitis und das Gallenblasenkarzinom dar. Die Differenzierung eines Gallenblasenkarzinoms ist meist nur anhand indirekter Kriterien (Infiltration, Lymphknoten, etc.) möglich. Aufgrund der auch unspezifischen klinischen Symptomatik wird die Diagnose häufig erst histopathologisch am Resektionspräparat gestellt. Therapie
Therapeutisch ist auch bei der chronischen Cholezystitis die Cholezystektomie anzustreben.
. Abb. 25.14. Xanthogranulomatöse Cholezystitis. Ausgeprägte, pseudotumoröse Verdickung der Gallenblasenwand mit kleinen intramuralen hypodensen Einschlüssen (Pfeilspitzen)
wand. Die intramural eingelagerte Galle bzw. die Cholesterinkristalle lösen eine entzündliche Umgebungsreaktion in Form xanthogranulomatöser Knötchen aus. Bildgebung Sonographisch zeigt sich eine z. T. sehr ausgeprägte (meist
>1 cm), meist diffuse, pseudotumoröse Wandverdickung mit Aufhebung der üblichen Wandschichtung. Häufig finden sich innerhalb der verbreiterten Wand kleine, echoarme Noduli. Analog hierzu zeigen sich auch in der CT innerhalb der Kontrastmittel aufnehmenden, verdickten Wand häufig hypodense Areale in diffuser oder fokaler Anordnung (. Abb. 25.14). In T1-gewichteten MR-Sequenzen haben diese intramuralen Läsionen ein hypointenses Signal, in T2-gewichteten Sequenzen ein gering bis stark hyperintenses Signal. Hierbei entsprechen die in der T2-Wichtung stark hyperintensen und nach Kontrastmittelgabe nicht anreichernden intramuralen Läsionen eher kleinen Mikroabszessen, während die in der T2-Wichtung nur gering hyperintensen und nach Kontrastmittelgabe deutlich anreichernden Läsionen eher den eigentlichen Xanthogranulomen zuzuordnen sind.
Xanthogranulomatöse Cholezystitis Definition, Ätiologie
Porzellangallenblase
Die xanthogranulomatöse Cholezystitis stellt eine relativ seltene Sonderform der chronischen Cholezystitis dar (ca. 1–2% aller Fälle von Cholezystitis), die histologisch durch granulomatöse Entzündungsreaktionen, xanthomähnliche Schaumzellen und Fibrose gekennzeichnet ist. Ursächlich scheint es hierbei infolge chronisch-entzündlicher Wandveränderungen zur Ausbildung intramuraler Mikroabszesse und Rupturen der RokitanskyAschoff-Krypten (= Einsenkungen der Mucosa der Gallenblase, die teilweise bis in die Tunica muscularis reichen) zu kommen mit konsekutiver Einlagerung von Galle in die Gallenblasen-
Infolge einer chronischen Cholezystitis kommt es hierbei zu einer diffusen oder multifokalen Kalzifizierung der Gallenblasenwand, der Name leitet sich von dem bläulich-weißen, porzellanartigen makroskopischen Erscheinungsbild ab. Bildgebung
Die Diagnose kann anhand der schaligen Wandverkalkungen mit der konventionellen Abdomenübersichtsaufnahme sichergestellt werden (Differenzialdiagnosen: . Tab. 25.1). Sonographisch zeigt sich ein mehr oder weniger ausgeprägter Schallschatten jen-
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846
25
Kapitel 25 · Gallenblase und Gallenwege
. Tab. 25.1. Differenzialdiagnose von Verkalkungen der Gallenblase in der Abdomenübersicht
Form der Verkalkung
Ursache
Kommentar
Solitäre/multiple Steinschatten (randverkalkt/geschichtet)
Cholezystolithiasis
Ca. 20% der Gallensteine sind schattengebend
(Schalige) Wandverkalkungen
Porzellangallenblase
Erhöhtes Gallenblasenkarzinomrisiko
Homogene Verschattung
Kalkmilchgalle
Hohe Konzentration von Kalziumkarbonat in der Galle infolge chronischer Cholezystitis und Obstruktion des Ductus cysticus
Punktierte/feingranuläre Wandverkalkung
Adenomyomatose, muzinöses Adenokarzinom der Gallenblase
Seltener Befund
seits der gesamten Gallenblase bei echoreicher Gallenblasenwand, bei ausgeprägten diffusen Verkalkungen ist die Wand nicht durchschallbar. Computertomographisch sind bereits kleine Kalkeinlagerungen und schalige Inkrustationen, die in eine Porzellangallenblase übergehen können, früh erkennbar und müssen gegen Konkremente abgegrenzt werden. Therapie
Therapie der Wahl ist auch bei asymptomatischen Patienten die Cholezystektomie, da ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Gallenblasenkarzinoms (>25% der Fälle) besteht.
25.7.2
Cholangitis
Akute (aszendierende) Cholangitis Definition, Ätiologie, Klinik Bei der akuten (aszendierenden) Cholangitis handelt es sich um eine durch sekundäre bakterielle Keiminvasion bedingte Infektion der Gallengänge, welche üblicherweise in Folge einer Stase der Gallenflüssigkeit bei einer Gallenwegsobstruktion auftritt. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle liegen als Erreger gramnegative Darmbakterien (E. coli, Klebsiellen, Enterokokken) zugrunde. Choledocholithiasis, Gallengangsstrikturen und Papillenstenosen sind dabei die häufigsten Ursachen der Obstruktion. Die Symptome bestehen klassischerweise aus einem Ikterus, Schmerzen im rechten Oberbauch sowie Fieber mit Schüttelfrost (so genannte Charcot-Trias).
. Abb. 25.15. Akute Cholangitis. Fettgesättigte T2w-TSE-Sequenz. Am 5. postoperativen Tag nach Lebertransplantation zeigt sich bei steigenden Infektparametern ein ödematöser Saum um die nicht wesentlich dilatierten Gallengänge in Form eines hyperintensen Bandes entlang der Portalvenen
gisch häufig nicht möglich. Auch korreliert das Ausmaß der Cholestase nicht unbedingt mit der Schwere der Cholangitis. Die Aufgabe der Bildgebung besteht v. a. darin, die zugrunde liegende Ursache für die Gallenwegsobstruktion zu ermitteln.
Bildgebung Konventionelle Abdomenübersichtsaufnahmen können ggf. auf eine Cholelithiasis hinweisen und im Fall Gas bildender Erreger eine Aerobilie darstellen. Sonographisch sind die Dilatationen der Gallengänge und die Höhe der Obstruktion gut nachweisbar, bei Verschluss durch ein Konkrement ist dieses meist erfassbar. Computertomographisch kann sich in der arteriellen Kontrastmittelphase ein fleckiges, inhomogenes Enhancement des Parenchyms um die dilatierten Gallengänge als hyperämische Reaktion auf die murale Entzündung darstellen. Bei einer pyogenen Cholangitis ist die eitrige Gallenflüssigkeit evtl. leicht hyperdens. Auch bei der MRT kann analog zur CT nach Kontrastmittelgabe ein fleckiges Enhancement des Leberparenchyms im Bereich der betroffenen Gallengänge auftreten. T2-gewichtete Sequenzen können ein entzündliches Umgebungsödem entlang der Gallenwege aufzeigen (. Abb. 25.15). Auch hierbei liegt die Hauptaufgabe der Untersuchung jedoch in der Ermittlung der Ursache für die Gallenwegsobstruktion.
Komplikationen Als Komplikation einer aszendierenden Cholangitis können Leberabszesse auftreten, bei längerem Verlauf kann sich eine sekundär sklerosierende Cholangitis entwickeln. Gefürchtet ist der Übergang in eine septische Verlaufsform mit Multiorganversagen.
Therapie > Die Diagnose einer aszendierenden Cholangitis wird in erster Linie klinisch gestellt. Eine Unterscheidung zwischen einem aufgestauten Gallengangssystem ohne Entzündung und einer Cholangitis ist radiolo6
Therapeutisch steht neben der antibiotischen Behandlung die primäre Entlastung des Gallenwegssystems (endoskopische Papillotomie, Steinextraktion, Stentimplantation, etc.) im Vordergrund, weshalb der ERCP als diagnostisches Verfahren mit der gleichzeitigen Möglichkeit einer therapeutischen Intervention
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große Bedeutung zukommt. Ist eine ERCP aus technischen Gründen nicht durchführbar (z. B. Billroth-II-Magen), ist eine PTCD oder eine operative Revision notwendig.
Primär sklerosierende Cholangitis (PSC) Definition, Ätiologie Die primär sklerosierende Cholangitis ist eine abakterielle und fibrosierende Entzündung der Gallenwege mit chronisch-progressivem Verlauf. Es handelt sich um eine seltene Erkrankung, die Männer doppelt so häufig wie Frauen befällt, der Altersgipfel liegt bei 25–40 Jahren. Die Ätiologie der PSC ist nicht vollständig geklärt, ein autoimmuner Prozess wird jedoch angenommen. Dafür spricht auch die mögliche Assoziation der PSC mit anderen Autoimmunerkrankungen, wie der retroperitonealen Fibrose (Morbus Ormond), mediastinalen Fibrose, Riedel-Thyreoiditis oder dem Sjögren-Syndrom. Eine häufige Assoziation zu chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen ist nachgewiesen, in etwa 70% der Fälle von PSC liegt gleichzeitig eine Colitis ulcerosa vor, weitaus seltener besteht gleichzeitig ein Morbus Crohn.
Klinik, Diagnose Klinische Symptome treten vorwiegend nur in Fällen der akuten Exazerbation mit Gallengangsverschlüssen auf und werden von der bestehenden Cholestase und evtl. Komplikationen wie einer bakteriellen Cholangitis geprägt. Laborchemisch werden in ca. 70% der Fälle antineutrophile cytoplasmatische Antikörper (pANCA) nachgewiesen. Der fehlende Nachweis antimitochondrialer Autoantikörper (AMA) erlaubt die Abgrenzung von einer primär biliären Zirrhose.
Bildgebung Sonographisch finden sich segmentale unscharfe Verdickungen der Gallengangswände, die zu einer Verlegung des Lumens führen können, im Wechsel mit dilatierten und ektatischen Gangveränderungen, evtl. mit intraduktalen Sludgeformationen. Insbesondere Wandverdickungen bzw. Stenosen des Ductus choledochus können sonographisch gut erfasst werden. Auch computertomographisch lassen sich alternierend segmentale tubuläre oder fusiforme Dilatationen und Strikturen der Gallengänge mit diffuser oder segmentaler Anordnung im Leberparenchym nachweisen. Das Enhancement der Gallengangswände ist von der Floridität des Krankheitsprozesses abhängig, Umgebungsreaktionen sind meist nicht erkennbar. In ca. ein Drittel der Fälle kann eine begleitende hiläre Lymphadenopathie nachgewiesen werden. In fortgeschrittenen Stadien finden sich Hinweise auf zirrhotische Umbauvorgänge mit segmentalen oder lobären Atrophien und Hypertrophien und Zeichen der portalen Hypertension.
Typische cholangiographische Befunde der PSC 4 Perlschnurartiges« Muster durch: – Strikturen der Gallengänge: – anulär, schmal (1–2 mm) – diffus intra- und/oder extrahepatisch verteilt 6
4 4
4 4
– Segmentale Dilatationen: – disproportional zum Ausmaß der distal gelegenen Striktur – tubulär, fusiform oder sakkulär Webs und Divertikel »Pruned tree« durch: – Gangabbrüche – Rarefizierung/Obliteration der peripheren Gänge – stumpfwinklige Aufweitung der Gallengangsgabelungen Cholelithiasis (ca. 30%) Zeichen einer chronischen Cholezystitis (ca. 15%)
Die MRT zeigt darüber hinaus oftmals periportal ein intermediäres Signal in der T1-Wichtung und ein erhöhtes Signal in der T2-Wichtung. Das hierbei zum Ausdruck kommende periportale Ödem ist jedoch nicht spezifisch für die PSC, sondern findet sich auch bei Cholangitiden anderer Genese. Gleiches gilt für ein mögliches periportales Enhancement nach Kontrastmittelgabe. Die MRCP liefert durch die direkte Abbildung der Gallengänge den größten Informationsgewinn (Übersicht, . Abb. 25.16 und . Abb. 25.17). Im frühen Erkrankungsstadium zeigen sich häufig nur Irregularitäten der Gallengänge oder schmale, ringförmige Strikturen bei fehlender oder nur geringer prästenotischer Dilatation. Die Hepatikusgabel ist dabei eine bevorzugte Lokalisation für Strikturen. Mit Fortschreiten des fibrosierenden Prozesses entwickelt sich das typische »perlschnurartige« Muster mit einer Aufeinanderfolge von Strikturen und prästenotischen Dilatationen. Häufig sind die vorgeschalteten Segmente im Verhältnis zur Schwere der Strikturen nur geringfügig dilatiert, was auf den ausgedehnten Fibrosierungsprozess zurückzuführen ist. Gangrarefizierungen und Obliterationen der peripheren Gänge ergeben das Bild eines »pruned tree«. Im Verlauf der Erkrankung kommt es zu einer zunehmenden Aufweitung der Gallengangsgabelungen, sodass sich die normalerweise spitzen Winkel zwischen den zentralen und peripheren Gängen in stumpfe Winkel umwandeln. In etwa einem Drittel der Fälle lassen sich intra- und/oder extrahepatische Konkremente nachweisen. Gelegentlich werden Webs (1–2 mm dicke Vorwölbungen in das Lumen, die nur einen Teil der Zirkumferenz betreffen) oder Divertikel beobachtet. Die Sensitivität und Spezifität der MRCP für die Diagnose einer PSC umfasst 83–97% und 64–98% in Studien, in denen die ERCP als Referenzstandard zur Anwendung kam. Die ERCP gilt zwar weiterhin als Goldstandard in der Diagnosik der PSC, allerdings wurde insbesondere bei Patienten mit fortgeschrittener PSC ein erhöhtes Komplikationsrisiko der ERCP beobachtet. Dieses besteht in einer Zunahme der Cholestase nach ERCP und in der Gefahr einer Einschleppung von Bakterien mit der Folge einer Cholangitis, sodass zunehmend v. a. bei Verlaufskontrollen ein nichtinvasives Verfahren mittels MRCP angestrebt wird. Differenzialdiagnosen. Eine Reihe von chronischen Infektionen
der Gallenwege sowie eine ischämische Cholangitis können zu
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Kapitel 25 · Gallenblase und Gallenwege
25
a . Abb. 25.17. Primär sklerosierende Cholangitis. MRCP. Nachweis von multiplen Stenosen (exemplarisch durch Pfeilspitzen anmarkiert) der überwiegend mäßig dilatierten Gallenwege. Zum Teil münden die Subsegmentäste im rechten Winkel in die Segmentäste ein. Abschnittsweise angedeutetes »Perlschnurmuster« (offener Pfeil). NB: dilatierter Zystikusstumpf bei Zustand nach Cholezystektomie
b . Abb. 25.16a, b. Primär sklerosierende Cholangitis. a MRCP; b axiale T1w-GRE-Sequenz. Die MRCP zeigt multiple segmentale oder annuläre Stenosen bzw. Abbrüche der intra- und extrahepatischen Gallenwege (Pfeilspitzen) mit variabel ausgeprägter prästenotischer Dilatation. Die aneinander gereihten divertikelartigen Dilatationen ergeben ein »perlschnurartiges Bild« (offene Pfeile). Die Schnittbildserie dokumentiert eine fortgeschrittene Leberzirrhose mit Hypertrophie des Lobus caudatus und knotigem Umbau des Leberparenchyms
einer sekundären sklerosierenden Entzündung der Gallenwege führen und somit dem radiologischen Befund einer PSC ähneln: 4 Primär sklerosierende Cholangitis 4 Sekundär sklerosierende Cholangitis als Folge einer: 5 aszendierenden Cholangitis 5 asiatischen Cholangiohepatitis/parasitären Cholangitis 5 AIDS-assoziierten Cholangitis 5 ischämischen Cholangitis (iatrogen/chemotherapieinduziert/nach LTX) 4 Leberzirrhose 4 Gallengangskarzinom > Eine besondere Schwierigkeit stellt die Abgrenzung einer PSC von einem Gallengangskarzinom dar, zumal ca. 10% der Patienten mit einer PSC im Verlauf ein Gallengangskarzinom entwickeln.
In der MRCP können nur indirekte Zeichen wie eine irreguläre Berandung hochgradiger Stenosen oder polypoide wandständige Lumenaussparungen >1 cm auf Malignität hinweisen. Die Schnittbilddiagnostik kann durch die Demonstration einer Infiltration in umgebende Leitstrukturen den Verdacht auf ein Gallengangskarzinom erhärten. Zur weiteren Klärung sollte jedoch eine histologische Untersuchung erfolgen, wobei in diesem Zusammenhang allerdings auch die Bürstenzytologie nur eine eingeschränkte Sensitivität und Spezifität in der Diagnose eines Gallengangskarzinoms aufweist.
Prognose, Therapie Die Prognose der PSC unsicher, d. h. sie kann in wechselnd starken Schüben verlaufen und allmählich in eine Leberzirrhose übergehen. Die Therapie der PSC besteht in der Gabe von Ursodesoxycholsäure und der endoskopischen Ballondilatation dominanter Gallengangsstrikturen. Eine Lebertransplantation stellt derzeit den einzig kurativen Therapieansatz dar.
Seltene Formen von Cholangitiden Asiatische Cholangiohepatitis Definition, Epidemiologie, Ätiologie, Klinik
Die asiatische Cholangiohepatitis (Synonyme: orientalische Cholangiohepatitis, rezidivierende pyogene Cholangitis, Hepatolithiasis) ist eine chronisch rezidivierende Entzündung der Gallenwege, die durch die Entwicklung multipler Gangstrikturen und die Neigung zur Ausbildung intraduktaler Pigmentsteine in den intra- und extrahepatischen Gallengängen charakterisiert ist. Sie stellt in Endemiegebieten wie Süd- und Südostasien eine häufige Erkrankung dar, wird in Europa hingegen nur sehr selten beobachtet. Ätiologisch wird neben Mangelernährung auch eine chronisch parasitäre Infektion der Gallengänge als ursächlicher Faktor diskutiert. Durch die Ausbildung von Strikturen und intraduktalen Pigmentsteinen und die dadurch bedingte Cholesta-
849 25.7 · Entzündliche Erkrankungen des Gallenwegssystems
se kommt es zur Besiedelung der Gallenwege mit koliformen Bakterien. Dies verursacht rezidivierende Attacken von abdominellen Schmerzen, Fieber und Ikterus. Bildgebung
Im längeren Verlauf der Erkrankung finden sich typische radiologische Befunde einer Cholangitis. Sonographisch sind die Dilatationen der Gallengänge und auch insbesondere die intraduktalen Pigmentsteine gut erfassbar. Computertomographisch können neben dilatierten, mit Konkrementen und Eiter gefüllten und von Strikturen abrupt unterbrochenen Gallengängen auch evtl. vorhandene fettige Degenerationen und Atrophien des Leberparenchyms, Leberabszesse und Biliome nachgewiesen werden. Die in 80% der Fälle vorliegenden Pigmentsteine stellen sich im Vergleich zu den gewöhnlichen Cholesterinsteinen in der Regel hyperdenser dar, eine sichere Differenzierung ist jedoch nicht möglich. Mit der MRCP werden die multifokalen Strikturen und Dilatationen der Gallengänge, die intraduktalen Konkremente sowie eine mögliche Gallengangsrarefizierung gut dokumentiert. Die extrahepatischen Gallengänge sind in >85% der Fälle dilatiert, Strikturen finden sich hier jedoch fast ausschließlich im Papillenbereich und entstehen dort durch wiederholte Steinabhänge mit konsekutiver Fibrosierung.
AIDS-assoziierte Cholangitis Die AIDS-assoziierte Cholangitis stellt eine chronische Infektion der Gallenwege mit opportunistischen Erregern dar. Unter antiretroviraler Therapie tritt diese Erkrankung nur sehr selten auf. Typische Erreger sind Cryptosporidium oder das Zytomegalievirus. Bildgebung. Das Spektrum der bildgebenden Befunde beinhal-
tet typische cholangitische Veränderungen der intrahepatischen Gallenwege wie multifokale Strikturen, Dilatationen und Rarefizierung der Gangstrukturen. Aufgrund einer Papillitis kann eine distale Striktur mit vorgeschalteter Dilatation des Ductus choledochus vorliegen.
Chemotherapieinduzierte Cholangitis Die chemotherapieinduzierte Cholangitis wird als Folge einer lokoregionären Chemotherapie der Leber über arterielle Portsysteme beobachtet. Die in der Literatur beschriebenen Fälle beziehen sich v. a. auf die Therapie mit Floxuridine. Ätiologisch werden sowohl die direkte toxische Wirkung der Chemotherapeutika, welche einen entzündlich-fibrosierenden Prozess um die Portalfelder auslöst, als auch ischämische Prozesse durch Thrombosierungen der intrahepatischen Arterienäste diskutiert. Die cholangitischen Veränderungen treten meist wenige Monate nach der Therapie auf.
Verlauf, Komplikationen
Bildgebung. Die Befunde der Schnittbildgebung reichen von
Zu den akuten Komplikationen der Erkrankung zählen Leberabszesse und eine Sepsis, langfristig kann sich eine Leberzirrhose entwickeln. Außerdem besteht ein erhöhtes Risiko für das Auftreten eines Gallengangskarzinoms (ca. 5% der Fälle).
periduktalen Ödemen, Kontrastmittel-Anreicherungen der Gallengänge und des angrenzenden Leberparenchyms und Verdickung der Gallengangswände bis hin zu Strikturen der Gallengänge und einem PSC-ähnlichen Bild.
Parasitäre Cholangitis
Ischämische Cholangitis nach Lebertransplantation
Eine Reihe von Parasiten wurde als Auslöser einer Infektion des Gallenwegssystems beobachtet. Die Clonorchis sinensis (chinesischer Leberegel) ist in Südostasien endemisch, Ascaris lumbricoides (Spulwurm) und Fasciola hepatica (großer Leberegel) finden sich weltweit und sind v. a. in Entwicklungsländern verbreitet. Eine Infektion erfolgt durch den Verzehr von mit Eiern bzw. Larven kontaminierten Nahrungsmitteln. Die Parasiten wandern über den Darm in die Gallengänge ein und entwickeln sich dort zu erwachsenen Würmern. Diese verursachen mechanische Obstruktionen und inflammatorische Prozesse im Bereich der Gallengangswände und dem periduktalen Gewebe. Meist handelt es sich um chronische Infektionen, die überwiegend asymptomatisch verlaufen und nur zeitweise durch eine cholangitische Symptomatik auffallen. Radiologisch finden sich Veränderungen, die einer eitrigen Cholangitis ähneln sowie häufig auch intraduktale Konkremente und Gallengangsstrikturen. Die Echinokokkose kann als Echinococcus cysticus (Hundebandwurm) oder alveolaris (Fuchsbandwurm) auftreten. Bei einem Leberbefall können die intrahepatischen Zysten den Gallengang durch Druck von außen komprimieren oder durch die »Geburt« von Hydatiden in den Gallengang zu einer Obstruktion führen.
Gallengangskomplikationen, insbesondere Strikturen der Gallengänge und Gallelecks, zählen zu den häufigen Komplikationen nach einer Lebertransplantation. Zu unterscheiden sind Anastomosenstenosen von andersweitig lokalisierten Strikturen, denen eine Vielzahl von Ursachen zugrunde liegen kann. Hierzu zählt neben einer bakteriellen oder viralen Cholangitis, einer Abstoßungsreaktion oder einem Rezidiv der Grunderkrankung v. a. eine Thrombose der A. hepatica, welche mit einer Inzidenz von 2–8% in den ersten Wochen nach Transplantation auftritt. Aufgrund des Fehlens der arteriellen Kollateralversorgung in der Transplantatleber kann eine Stenose oder ein Verschluss der Leberarterie zu einer schwerwiegenden Ischämie der Gallenwege mit den oben bereits mehrfach geschilderten Zeichen einer Cholangitis sowie Nekrosen und daraus folgenden Leckagen der Gallengänge führen (. Abb. 25.18).
25.7.3
Papillitis stenosans
Definition, Ätiologie, Epidemiologie Unter einer Papillitis stenosans versteht man eine unspezifische Entzündungsreaktion im Bereich der Papille, die eine Stenosierung des Papillenostiums verursacht und dadurch bei zunehmender Obstruktion zu einem Aufstau des biliopankreatischen Gangsystems führt. Im gallenchirurgischen Patientengut kommt
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Kapitel 25 · Gallenblase und Gallenwege
eine Papillitis stenosans mit einer Häufigkeit bis zu 28% vor. Zu den Ursachen für die Entstehung entzündlicher Papillenstenosen gehören peripapilläre Entzündungen bzw. Ulzerationen des Duodenums, rezidivierende Steinabgänge, iatrogene Mani pulationen (Papillotomie, Papillenbougierung) sowie rezidivierende Schübe einer akuten Pankreatitis und die chronische Pankreatitis. Unter histologischen Gesichtspunkten stellt die Papillitis stenosans einen Sammelbegriff heterogener Entzündungsreaktionen der Papillenschleimhaut dar, die zu einer Ausbildung von Narbengewebe (Papillensklerose) führen oder mit einer Hyperplasie der Schleimhautdrüsen einhergehen können.
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Klinik
a
Klinische Symptome sind rezidivierende rechtsseitige Oberbauchschmerzen mit Übelkeit und Erbrechen sowie in ausgeprägten Fällen chronisch obstruktive Pankreatitiden oder Cholangitiden.
Bildgebung
b
Von den radiologischen Verfahren eignet sich die MRCP am besten zur Darstellung einer Papillenstenose. Vor allem sekretinstimulierte oder mit gallengängigen Kontrastmitteln verstärkte dynamische Sequenzen erleichtern die Beurteilung der Papillenregion (. Abb. 25.19). Bei Vorliegen einer relevanten Papillenstenose stellen sich hierbei die intrasphinktären Anteile des Pankreas- bzw. Gallengangs nicht regelhaft dar. Der Durchmesser des Pankreasgangs kann dabei durch vorübergehenden Sekretstau deutlich zunehmen. Allerdings ist auch mittels der MRCP in Kombination mit der konventionellen MRT eine Differenzierung zwischen entzündlich bedingten, neoplastischen und funktionellen Stenosen der Papille in der Regel nicht mit ausreichender Sicherheit möglich. Diagnostische Methode der Wahl ist hier die ERCP mit direkter endoskopischer Darstellung der Papille sowie den zusätzlichen Möglichkeiten der Sphinkterdruckmessung, der Endosonographie sowie der Biopsie.
Therapie Therapie der benignen Papillenstenose oder der Sphinkterdysfunktion ist die endoskopische Papillotomie.
25.8
Tumoren der Gallenblase und der Gallenwege
25.8.1
Tumorähnliche Läsionen und Tumoren der Gallenblase
c . Abb. 25.18a–c. Ischämische Cholangitis nach Lebertransplantation. a Die Angiographie zeigt eine hochgradige Anastomosenstenose (Pfeil) der Leberarterie. b, c Wenige Wochen nach Transplantation trat bei dem Patienten eine Cholangitis auf. Die CT zeigt einen segmentalen Galleaufstau, eine deutliche Kontrastierung der Wand des Ductus hepaticus communis mit umgebendem Ödem (Pfeilspitze) sowie ein infiziertes Biliom mit Gaseinschlüssen (offener Pfeil)
Echte benigne Tumoren der Gallenblase, z. B. Adenome oder Papillome, sind relativ selten. Häufiger anzutreffen sind tumorähnliche Läsionen wie Cholesterolpolypen oder die so genannten »Cholezystosen«.
851 25.8 · Tumoren der Gallenblase und der Gallenwege
a . Abb. 25.19a, b. Papillensklerose. MRCP (3D-GRE-Sequenz, MIP) mit gallengängigem Kontrastmittel (Primovist). a 15 min und b 30 min nach KM-Injektion. Bei der Patientin war in der Vorgeschichte bereits eine Papillotomie vorgenommen worden; in der Folge ist eine narbige Papillenstenose
Das Gallenblasenkarzinom ist der weitaus häufigste Vertreter von malignen Tumoren der Gallenblase. Sehr selten sind Sarkome unterschiedlicher Gewebsarten oder metastatische Absiedlungen in der Gallenblasenwand (entstammen am häufigsten einem Melanom).
Cholezystosen Nach Jutras et al. werden die Cholesteatose, die Adenomyomatose sowie die Hyalinokalzinose (= Porzellangallenblase) zu den so genannten »Cholezystosen« gerechnet. Hierbei handelt es sich um nichttumoröse Erkrankungen der Gallenblasenwand, die durch eine überschießende Bindegewebsreaktion infolge von Cholesterin- und Lipidablagerungen in der Gallenblasenwand gekennzeichnet sind.
b entstanden. Auffällig ist der auch nach 30 min nahezu fehlende Übertritt des kontrastierten Gallesekrets in das Duodenum mit einem konsekutiven Galleaufstau. Der Ductus choledochus zeigt unmittelbar präpapillär eine verplumpte, glatt begrenzte Konfiguration
Ursachen für Kometenschweif-Artefakte in der Gallenblase 4 Intramurale Cholesterinstippchen: Cholesteatose 4 Intramuraler Sludge, Cholesterin oder Konkremente in Rokitansky-Aschoff-Krypten: Adenomyomatose 4 Intramurale/intraluminale Gaseinschlüsse: emphysematöse Cholezystitis 4 Intraluminale, im Lumen aufschwimmende kleine Konkremente: Mikrolithen 4 Intraluminale, zur ventralen Wand aufsteigende Lufteinschlüsse: Aerozystie
Adenomyomatose Cholesteatose Der Cholesteatose (Synonym: Stippchengallenblase, Erdbeergallenblase, Cholesterose) liegt histologisch eine pathologisch vermehrte Resorption von Lipiden (v. a. Cholesterin) zugrunde, welche in Histiozyten der Gallenblasenschleimhaut gespeichert werden. Die nesterförmigen Ansammlungen der lipidspeichernden Histiozyten (Schaumzellen) führen zur Ausbildung stecknadelkopfgroßer Stippchen in der Gallenblasenwand. In der Regel handelt es sich um einen asymptomatischen Zufallsbefund.
Definition, Epidemiologie Bei der Adenomyomatose (Synonyme: Cholecystitis cystica,
Bildgebung. Sonographisch stellen sich klassischerweise in-
Cholecystitis glandularis proliferans, intramurale Divertikulose) handelt es sich um eine Form der hyperplastischen Cholezystose, die mit einer fokalen oder diffusen Verdickung der Gallenblasenwand einhergeht. Die Erkrankung wird in bis zu 10–20% der Cholezystektomiepräparate nachgewiesen. Drei Varianten der Adenomyomatose werden unterschieden: 4 die lokalisierte Form (Synonym: Adenomyom) 4 die segmentale Form 4 die diffuse Form
tramural gelegene, echoreiche, »stippchenartige« Reflexe mit Komentenschweif-Artefakten (Differenzialdiagnosen: Übersicht) dar. Die Gallenblasenwand selbst ist nicht oder nur kaum verdickt.
Das Adenomyom ist die häufigste Variante, es ist meist im Fundus der Gallenblase lokalisiert. Die segmentale Form ist durch eine annuläre Verdickung der Gallenblase charakterisiert, die
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852
Kapitel 25 · Gallenblase und Gallenwege
25
a
b
. Abb. 25.20a, b. Adenomyomatose der Gallenblase. a T2w-TSE-Sequenz mit Fettsättigung und b MRCP. Lokalisierte Form (Adenomyom) im
Gallenblasenfundus mit »perlschnurartiger« Aufreihung der erweiterten Rokitansky-Aschoff-Krypten (Pfeile)
typischerweise im Corpus anzutreffen ist und somit eine sanduhrartige Konfiguration der Gallenblase erzeugt. Die diffuse Form führt zu einer diffusen Verdickung der Gallenblasenwand. Histologisch liegen eine epitheliale Hyperplasie und eine Hypertrophie der glatten Muskelzellen mit erweiterten RokitanskyAschoff-Krypten vor, die intramural divertikelartige Ausstülpungen von wenigen Millimetern (ca. 2–8 mm) Durchmesser bilden. Die Erkrankung ist häufig symptomlos.
men als multiple, T2w-hyperintense, zystische Strukturen innerhalb der verdickten Gallenblasenwand zur Darstellung. Hierdurch ergibt sich in der MRCP ein perlschnurartiges Bild (»pearl necklace sign«). Wichtigste Differenzialdiagnose der Adenomyomatose stellt das Gallenblasenkarzinom dar. Insbesondere die lokalisierte Form, das Adenomyom, ist schwer von einem malignen Tumor abzugrenzen.
Bildgebung
Bei länger bestehender Adenomyomatose kann es zu Kalkablagerungen in den mit Sludge oder Cholesterin gefüllten Rokitansky-Aschoff-Krypten bzw. intramuralen Divertikeln kommen. Somit kann in sehr seltenen Fällen in der Abdomenübersichtsaufnahme eine feingranuläre Verkalkung in Projektion auf die Gallenblase beobachtet werden. Sonographisch ist eine fokale oder diffuse Verdickung der Gallenblasenwand erkennbar. Die intramuralen Divertikel kommen als echoarme (gallehaltig) oder echoreiche (gefüllt mit Sludge, Cholesterin oder Steinen) Veränderungen innerhalb der verdickten Wand zur Darstellung. Charakteristisch sind Kometenschweif-Artefakte, die sich hinter den echoreichen intramuralen Einschlüssen ausbreiten. In der CT lassen sich ebenfalls fokale oder diffuse, irregulär begrenzte Wandverdickungen nachweisen. Gelegentlich können auch größere intramurale Einschlüsse von Galle oder Pigmentsteinen als rundliche hypodense Veränderungen innerhalb der verdickten Wand zur Darstellung kommen, in der Regel sind die erweiterten Rokitansky-Aschoff-Krypten jedoch ohne cholezystographische Kontrastmittel kaum erkennbar. Hingegen sind v. a. stark T2-gewichtete MRT-Sequenzen bzw. die MRCP gut geeignet für den Nachweis der Rokitansky-Aschoff-Krypten (. Abb. 25.20). Die intramuralen, gallegefüllten Divertikel kom-
> Bei Patienten mit Adenomyomatose wurde eine erhöhte Prävalenz von Gallenblasenkarzinomen beobachtet. Dies wird jedoch weniger auf die Adenomyomatose selbst, sondern vielmehr auf die häufig koexistenten Gallensteine und damit verbundenen chronisch-entzündlichen Veränderungen zurückgeführt. Aufgrund dieses erhöhten Karzinomrisikos sowie aufgrund der oftmals letztlich nicht sicher gelingenden Differenzierung zwischen einer Adenomyomatose und einem Gallenblasenkarzinom wird von vielen Autoren auch in asymptomatischen Fällen eine Cholezystektomie empfohlen.
Polypoide Läsionen der Gallenblasenwand Polypoide Läsionen der Gallenblase werden meist sonogra-
phisch diagnostiziert und stellen häufig Zufallsbefunde dar (. Tab. 25.2). Differenzialdiagnostisch kommt eine Vielzahl benigner und maligner Entitäten infrage. So können beispielsweise tumorähnliche Läsionen wie Cholesterolpolypen, entzündliche Polypen oder Heterotopien, epitheliale benigne Tumoren wie Adenome und Papillome aber auch maligne Tumoren wie Karzinome, Karzinoide, Lymphome und Metastasen sich als polypoide Raumforderungen der Gallenblasenwand manifestieren. Dennoch sind mehr als zwei Drittel der diagnostizierten Gallenblasenpolypen benigne.
853 25.8 · Tumoren der Gallenblase und der Gallenwege
. Tab. 25.2. Sonographische Differenzialdiagnose – Häufige polypoide Läsionen der Gallenblasenwand
Cholesterolpolyp
Papillom
Adenom
Karzinom
Größe
Meist <6 mm
Meist >6 mm
Häufig >1 cm
Meist >1 cm
Form
Rundlich oder halbkugelig
Häufig gestielt mit gelappter Oberfläche
Breitbasig oder gestielt
Irregulär polypös
Echogenität
Echoreich
Mäßig echogen
Mäßig echogen
Inhomogen, echoarm
Gallenblasenwand
Unauffällig
Unauffällig
Unauffällig
Verdickt, infiltriert
Anzahl
Oft multipel
Einzeln
Einzeln
Einzeln
> Die klinische Strategie bei Gallenblasenpolypen basiert darauf, dass für Läsionen >1 cm und Patienten mit einem Alter von >60 Jahren ein erhöhtes Risiko für Malignität beobachtet wurde. Die Häufigkeitsangaben in der Literatur für Malignität von Polypen >1 cm liegen bei 37–88%. Daher wird für symptomatische Patienten (. Abb. 25.21) und für Polypen >1 cm die Cholezystektomie empfohlen. Kleinere Polypen bedürfen der sonographischen Verlaufskontrolle.
Cholesterolpolypen Epidemiologie, Pathogenese
Cholesterolpolypen stellen die häufigsten polypoiden Läsionen der Gallenblasenwand dar. Die Mehrheit der Patienten ist weiblich und >40 Jahre alt. Histologisch bestehen die Läsionen aus Aggregaten lipidgefüllter Histiozyten und sind von normalem Gallenblasenepithel überzogen. Die meisten Läsionen sind kleiner als 6 mm, obwohl gelegentlich auch von Läsionen mit einem Durchmesser von bis zu 20 mm berichtet wurde. Die Cholesterolpolypen treten häufig multipel auf.
a
Bildgebung
Sonographisch stellen sich Cholesterolpolypen als rundliche oder halbkugelige, wenige Millimeter große, der Gallenblasenwand aufsitzende echoreiche Läsionen dar, gelegentlich sind sie knapp gestielt. Ein dorsaler Schallschatten fehlt, dennoch kann eine Unterscheidung zwischen nicht schattengebenden Konkrementen und Cholesterolpolypen schwierig sein. Größere Cholesterolpolypen (>5 mm) sind generell weniger echoreich als die meist stark echoreichen kleineren Läsionen. Die angrenzende Gallenblasenwand stellt sich unauffällig dar. Auch in der CT sind Cholesterolpolypen gelegentlich als Kontrastmittel aufnehmende, polypoide Vorwölbungen in das Gallenblasenlumen erkennbar. > Cholesterolpolypen haben keine klinische Bedeutung, müssen aber von Adenomen und Karzinomen differenzialdiagnostisch abgegrenzt werden.
Adenome Epidemiologie, Pathogenese
Adenome der Gallenblasenwand werden in ca. 0,5% der Cholezystektomiepräparate gefunden. Frauen sind etwa doppelt so häufig betroffen als Männer. Bei der familiären adenomatösen
b . Abb. 25.21a, b. Fokale polypöse Schleimhauthyperplasie bei chronischer Cholezystitis. a Sonographie. b CT. Diffuse Verdickung der Gallenblasenwand als Korrelat einer chronischen Cholezystitis. Im Fundus der Gallenblase Nachweis von z. T. konfluierenden Polypen (einige der Polypen durch Pfeile anmarkiert)
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Kapitel 25 · Gallenblase und Gallenwege
Polypose und dem Peutz-Jeghers Syndrom wurde ein gehäuftes Vorkommen von Adenomen der Gallenblase und der Gallenwege beobachtet. Gallenblasenadenome sind in der Regel asymptomatisch und stellen somit meist einen radiologischen Zufallsbefund dar. Histologisch wird zwischen tubulären (häufigste Form), villösen (= papillären) und tubulovillösen Adenomen unterschieden. Aufgrund der Adenom-Karzinom-Sequenz stellen Adenome echte Präkanzerosen dar.
Lymphadenopathie kann eine Gallengangsobstruktion im Bereich der Leberpforte oder eine Obstruktion des D. choledochus im Bereich des Pankreaskopfs verursachen. Eine hämatogene Metastasierung ist seltener anzutreffen.
Bildgebung
Bildgebung
Sonographisch kommen Adenome typischerweise als glatt begrenzte, wandständige, polypoide Raumforderungen von mittlerer Echogenität zur Darstellung. Gelegentlich weisen sie auch eine gelappte oder blumenkohlähnliche Kontur auf. Sie können als sessile Adenome breitbasig der Gallenblasenwand aufliegen oder auf einem gut abgegrenzten Stiel aufsitzen. Konkremente der Gallenblase sind ein häufiger begleitender Befund. In der kontrastverstärkten CT stellen sich die Adenome als intraluminale polypoide Läsionen dar, deren Dichte eher iso- bis hypodens in Relation zum angrenzenden Lebergewebe ist. Differenzialdiagnostisch wichtig ist v. a. die Abgrenzung gegenüber Karzinomen. Veränderungen der angrenzenden Gallenblasenwand wie fokale Wandverdickungen sollten den Verdacht auf Malignität wecken. Aufgrund der Gefahr einer malignen Transformation ist eine Cholezystektomie indiziert.
Sonographisch stellen sich kleine Gallenblasenkarzinome häufig als sich in das Lumen vorwölbende Raumforderungen dar und ähneln damit Polypen. Eine Zerstörung der normalen Wandarchitektur sollte hierbei den dringenden Verdacht auf Malignität wecken. Manchmal kommen die Tumoren auch in Form einer flächigen, irregulären Wandverdickung zur Darstellung. Im fortgeschrittenen Stadium füllen die Tumormassen das Lumen der Gallenblase teilweise oder vollständig aus. Die Abgrenzbarkeit der meist echoarmen Infiltrate zum Leberparenchym hin kann sehr unscharf sein, bei breitflächigem Tumoreinbruch in die Leber kann die Gallenblase selbst kaum noch abgrenzbar sein. Analog zur Sonographie stellen sich auch in der CT 3 morphologische Grundmuster des Gallenblasenkarzinoms dar: 4 eine die Gallenblase partiell oder vollständig einnehmende Raumforderung (. Abb. 25.22) 4 eine fokale oder asymmetrisch generalisierte Verdickung der Gallenblasenwand 4 eine kleine, sich nach intraluminal vorwölbende Raumforderung (. Abb. 25.23)
Gallenblasenkarzinom Epidemiologie, Ätiologie Das Gallenblasenkarzinom ist der häufigste maligne Tumor des biliären Systems und der fünfthäufigste Tumor des Gastrointestinaltrakts. Die Inzidenz liegt in Europa bei ca. 2,5–4 Personen pro 100 000 Einwohner. In 1–3% der Cholezystektomiepräparate wird als Zufallsbefund ein okkultes Gallenblasenkarzinom diagnostiziert. Der Altersgipfel liegt in der 6.–7. Dekade, Frauen sind mehr als doppelt so häufig betroffen als Männer. Etwa die Hälfte der Patienten leidet in der Vorgeschichte an einer chronischen Cholezystitis. Weitere Risikofaktoren für die Entwicklung eines Gallenblasenkarzinoms sind die Porzellangallenblase (Inzidenz >25%), entzündliche Darmerkrankungen, die familiäre Polyposis coli, das Peutz-Jeghers-Syndrom und Gallenblasenpolypen mit einer Größe >0,5 cm. Gallenblasenkonkremente sind in 75–90% der Fälle vorhanden, umgekehrt entwickeln jedoch weniger als 1% der Steinträger auch ein Gallenblasenkarzinom. Insbesondere bei großen Konkrementen (>3 cm) steigt das relative Risiko für die Entwicklung eines Gallenblasenkarzinoms deutlich an.
Pathogenese Histologisch handelt es sich in 80–90% der Fälle um ein Adenokarzinom. Die häufigste Lokalisation ist im Bereich des Gallenblasenfundus. Die lokale Tumorausbreitung folgt häufig den perineuralen Lymphscheiden, was ein rasches Erreichen der Serosaoberfläche bedeutet. In mehr als der Hälfte der Fälle von Gallenblasenkarzinomen liegt eine Infiltration der Leber vor. Auch der Magen, das Duodenum und die rechte Kolonflexur können infiltriert sein. Ebenso findet sich in mehr als der Hälfte der Fälle eine regionale lymphatische Metastasierung. Die
Klinik Die klinische Symptomatik ähnelt häufig der einer symptomatischen Cholelithiasis oder einer chronischen Cholezystitis.
Am häufigsten findet sich die erstgenannte Variante, wobei der Tumor meist das angrenzende Fettgewebe und die Leber infiltriert. Aufgrund zentral nekrotischer Areale stellt sich oft ein inhomogenes Kontrastmittel-Enhancement dar. Nicht selten finden sich Verkalkungen innerhalb des Tumors, die eingemauerten Gallensteinen entsprechen. Bei muzinösen Adenokarzinomen können feine granuläre bzw. punktförmige Verkalkungen nachweisbar sein. Die CT dient v. a. dem Tumorstaging, insbesondere der Frage nach einer Organüberschreitung und einer lymphatischen Metastasierung. Die genauen Kriterien für Inoperabilität des Tumors variieren in der Literatur. Generell gelten Fernmetastasen, Lymphknotenmetastasen, eine ausgedehnte Infiltration der Nachbarorgane (mehrere Lebersegmente in beiden Leberlappen, Kolon, Duodenum, Pankreas) sowie Gefäß- und Gallengangsinfiltrationen (A. hepatica propria, V. porta, simultane Infiltration von Gefäßund/oder Gallengangshauptstämmen beider Leberlappen) als Kriterien für Irresektabilität. Die Treffsicherheit der Spiral-CT in der Bestimmung der Resektabilität liegt bei etwa 85%. In der MRT stellen sich die Tumoren in T1-gewichteten Sequenzen signalarm und in T2-gewichteten Sequenzen mäßig signalreich dar. Eine Infiltration des Lebergewebes ist am besten auf T2-gewichteten Sequenzen und mittels Kontrastmitteldynamik erkennbar, während eine Tumorausbreitung in die Leberpforte, das Ligamentum hepatoduodenale oder das Pankreas am besten auf fettsupprimierten T1-gewichteten Sequenzen vor und nach Kontrastmittelgabe zur Darstellung kommt.
855 25.8 · Tumoren der Gallenblase und der Gallenwege
a a
b . Abb. 25.22a, b. Irresektables Gallenblasenkarzinom. a, b Der von der Gallenblasenwand ausgehende Tumor verlegt partiell das Gallenblasenlumen, infiltriert das Leberparenchym der angrenzenden Segmente (Pfeilspitzen) und ist in die Leberpforte vorgewachsen. Die Pfortader (Stern) und die A. hepatica (offener Pfeil) werden vom Tumor bzw. von mit dem Tumor verbackenen Lymphknotenmetastasen ummauert
Differenzialdiagnostische Probleme können sich sowohl bei der Abgrenzung entzündlicher Erkrankungen, benigner Tumoren und der Adenomyomatose ergeben, als auch bei der Frage, ob es sich um einen primären Gallenblasentumor mit Infiltration angrenzender Organe oder um eine Tumorinfiltration der Gallenblase durch einen beispielsweise von der Leber ausgehenden Tumor handelt (. Tab. 25.3).
Prognose, Therapie Die Prognose des Gallenblasenkarzinoms ist insgesamt schlecht, die 5-Jahres-Überlebensrate liegt <12%. Meist erfolgt die Diagnosestellung erst bei fortgeschrittener Erkrankung, sodass nur etwa bei 10–30% der Patienten Resektabilität gegeben ist. Therapie der Wahl ist die Cholezystektomie inclusive Lebersegmentresektion (Segmenten IV und V) und simultaner Lymphadenektomie der lokoregionären Lymphabflußstationen, bei kleinem Primärtumor (bis Stadium T1a) kann eine alleinige Cholezystektomie ausreichend sein.
b . Abb. 25.23a, b. Metastasiertes Gallenblasenkarzinom. a, b Als Tumorkorrelat zeigt sich eine sich exophytisch in das Gallenblasenlumen (Stern) vorwölbende Raumforderung (Pfeil) im Fundusbereich. Der Tumor hat bereits große Lebermetastasen (Pfeilspitzen) gesetzt
. Tab. 25.3. Differenzialdiagnosen des Gallenblasenkarzinoms
Differenzialdiagnose
Kommentar
Akute/chronische Cholezystitis
Meist generalisierte Wandverdickung <10 mm
Xanthogranulomatöse Cholezystitis
Meist diffuse Wandverdickung >10 mm, intramurale Mikroabszesse und Xanthogranulome
Benigne Polypen
Cholesterolpolypen, Adenome, Papillome etc.
Adenomyomatose der Gallenblase
Fokal/segmental/diffus, intramurale Divertikulose
Metastatischer Befall
Bei Melanom, Lymphom, Leukämie
Tumorinfiltration aus angrenzenden Organen
Leber, Pankreas, Duodenum
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Kapitel 25 · Gallenblase und Gallenwege
25.8.2
Tumoren der Gallengänge
Benigne Tumoren der Gallengänge Gutartige Gallengangstumoren sind sehr selten. Das Spektrum der Tumorentitäten umfasst u. a. Papillome, Adenome, Zystadenome, Fibrome, Neurinome, Leiomyome, Hämangiome, Lymphangiome etc. Meist werden die Tumoren zufällig und ohne klinische Symptomatik entdeckt. Gelegentlich verursachen die Tumoren einen Ikterus oder eine Hämobilie. Da die bildgebenden Befunde häufig unspezifisch sind und ein sicherer Ausschluss von Malignität meist nicht möglich ist, ist eine histologische Abklärung anzustreben.
Adenome der Gallengänge Adenome der Gallengänge sind weitaus seltener als Adenome der Gallenblase. Die häufigsten Lokalisationen für Gallengangsadenome sind in absteigender Reihenfolge der Ductus choledochus, Ductus hepaticus communis, Ductus cysticus und die intrahepatischen Gallengänge. Bildgebung. Sonographisch imponieren die Läsionen als intra-
luminale, nicht schattengebende Raumforderungen, deren Echogenität der des Lebergewebes ähnelt. Proximal der Läsion kann eine Gallengangsdilatation vorliegen. In cholangiographischen Verfahren stellen sich die Tumoren als polypoide Füllungsdefekte dar, die im Falle tubulärer Adenome eher glatt und lobuliert erscheinen, während papilläre Adenome eher eine blumenkohlähnliche Kontur zeigen. Differenzialdiagnostisch abzugrenzen ist v. a. das Adenokarzinom des Gallengangs, wobei das Adenom hierfür als Präkanzerose gilt.
Biliäre Papillomatose Die biliäre Papillomatose ist durch multipel und rezidivierend auftretende papilläre Adenome des Galletrakts gekennzeichnet. In der Mehrzahl der Fälle sind die extrahepatischen Gallengänge involviert, jedoch können auch alle anderen Abschnitte des Gallenwegssystems betroffen sein. Die Patienten werden meist mit Symptomen einer Cholestase auffällig, die Cholangitis ist eine häüfige Komplikation. Bildgebung. Es findet sich oftmals eine Dilatation der extra-
und/oder intrahepatischen Gallenwege. Neben multiplen, irregulär begrenzten, polypoiden intraduktalen Läsionen können auch Zeichen einer Cholangitis bzw. in deren Folge narbige Strikturen nachweisbar sein. Die komplette Resektion der Läsionen ist oftmals schwierig, häufig werden lokale Rezidive beobachtet. Die biliäre Papillomatose weist ein höheres Potenzial für eine maligne Entartung auf als ein solitäres Adenom.
Bildgebung. Sonographisch imponieren die Tumoren als multi-
lokuläre, septierte, zystische Läsionen mit dorsaler Schallverstärkung. Der Zysteninhalt kann echofrei oder aufgrund seiner Zusammensetzung auch echogen sein. Echoreiche wandständige Knoten und papilläre Vorwölbungen sind möglich. Auch in der CT können die Zysteninhalte eine unterschiedliche Dichte aufweisen. Mögliche Verkalkungen der Septen oder Zystenwände sind CT-morphologisch besonders gut erkennbar. Die Septen zeigen in der Regel ein mäßiges Kontrastmittel-Enhancement, ebenso evtl. vorliegende noduläre oder papilläre wandständige Läsionen. In der MRT weisen ein niedriges Signal in der T1-Wichtung und ein hohes Signal in der T2-Wichtung eher auf einen serösen Zysteninhalt hin, während muzinöse Inhalte eher mit hohem Signal in der T1-Wichtung und niedrigem Signal in der T2-Wichtung zur Darstellung kommen. In der ERCP zeigen sich gelegentlich eine Kommunikation des Zystadenoms mit dem Gallenwegssystem oder eine intraduktale Tumorkomponente. ! Das biläre Zystadenom birgt die Gefahr einer Entartung in ein biliäres Zystadenokarzinom, wobei eine sichere Unterscheidung beider Entitäten bildgebend nicht möglich ist. Weichteilanteile und irreguläre Wandverdickungen können Hinweise auf Malignität sein. Differenzialdiagnostisch müssen in erster Linie Echinokokkus-
zysten, zystische Lebermetastasen, Leberabszesse und das mesenchymale Hamartom abgegrenzt werden. Zur Klärung ist eine Zystenpunktion indiziert, die Differenzierung zwischen Zystadenom und -adenokarzinom ist jedoch nur nach chirurgischer Resektion möglich.
Gallengangskarzinom Epidemiologie, Ätiologie Das Gallengangskarzinom ist ein seltener Tumor, es macht ca. 1% aller malignen Tumoren aus. Seine Inzidenz liegt in Europa bei ca. 1–2 Fällen pro 100 000 Einwohner. Der Tumor manifestiert sich meist zwischen der 5. und 8. Lebensdekade und zeigt eine geringe Bevorzugung des männlichen Geschlechts. Als prädisponierend für die Entwicklung eines Gallengangskarzinoms gelten: 4 eine länger als 10 Jahre andauernde Colitis ulcerosa 4 die PSC 4 Choledochuszysten 4 Morbus Caroli 4 die familiäre Polyposis coli 4 chronische virale Hepatitiden bzw. eine Leberzirrhose 4 parasitäre Erkrankungen der Gallenwege (z. B. Clonorchis sinensis, Opisthorchis viverrini) 4 eine Hepatolithiasis 4 chemische Noxen wie Nitrosamine oder das früher verwendete Kontrastmittel Thorotrast
Biliäres Zystadenom Das seltene biliäre Zystadenom tritt vorwiegend intrahepatisch auf (>80% der Fälle), seltener findet es sich in den extrahepatischen Gallenwegen. Betroffen sind v. a. Frauen mittleren Alters. Die Größe der Tumoren variiert von kleinen Läsionen bis hin zu sehr ausgedehnten Raumforderungen (1–40 cm).
Solitäre Adenome und eine biliäre Papillomatose werden als Präkanzerosen angesehen.
Pathologie Histologisch handelt es sich in >95% der Fälle um ein Adenokarzinom. Ca. 60–70% der Gallengangskarzinome gehen von der
857 25.8 · Tumoren der Gallenblase und der Gallenwege
Hepaticusgabel aus (Klatskin-Tumoren) und etwa 20–30% entspringen dem Ductus choledochus. Karzinome des Ductus cysticus sind sehr selten. 5–10% der Tumoren sind periphere Gallengangskarzinome, die von den intrahepatischen Gallengängen oder dem Leberparenchym ausgehen. Bezüglich der Diagnostik der intrahepatischen Cholangiokarzinome sei auf 7 Kap. 24 verwiesen. Die Ausbreitung der Gallengangskarzinome erfolgt häufig per continuitatem durch intraduktales und transmurales Wachstum in Leber, Pfortader, Pankreaskopf und Duodenum. In >30% der Fälle findet sich eine regionäre lymphatische Metastasierung, die entlang des Ductus choledochus und der Gefäße stattfindet. Hämatogene Metastasen in Leber, Lunge oder Peritoneum sind selten und finden sich in weniger als 10% der Fälle bei der initialen Diagnosestellung.
Klinik Der schmerzlose Ikterus ist das häufigste Initialsymptom, meist besteht eine ausgeprägte Cholestase ohne Cholangitis. Bei distalem Sitz des Tumors kann evtl. zusätzlich eine vergrößerte, schmerzlos tastbare Gallenblase beobachtet werden (Courvoisier-Zeichen).
a
Klassifikation Neben der TNM-Klassifikation kommen für das extrahepatische Gallenwegskarzinom zwei weitere Klassifikationen zum Einsatz, die v. a. zur Planung der chirurgisch-therapeutischen Vorgehensweise von Bedeutung sind. Zum einen differenziert man nach der Höhe der Tumorlokalisation zwischen Karzinomen der Hepatikusgabel (Leberhilus- bzw. Klatskin-Tumoren), Karzinomen des mittleren Choledochusdrittels (. Abb. 25.24) und Karzinomen des distalen Choledochusdrittels. Zum anderen werden die Klatskin-Tumoren weiter nach einer modifizierten Klassifikation von Bismuth eingeteilt (. Abb. 25.25 und . Tab. 25.4).
Bildgebung Sonographie. Sonographisch kann die Höhe der Tumorobstruk-
tion anhand der vorgeschalteten prästenotischen Dilatation in der Regel gut abgeschätzt werden. Allerdings ist der Tumor selbst nicht immer abgrenzbar. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Tumoren sich überwiegend isoechogen im Vergleich zum Leberparenchym darstellen, echoreiche oder echoarme Tumoren finden sich seltener. Einen indirekten Hinweis auf einen Klatskin-Tumor kann dann die fehlende Darstellbarkeit des Konfluens von rechtem und linkem Ductus hepaticus liefern. Das periduktale Tumorwachstum kommt häufig in Form nodulärer oder irregulärer Wandverdickungen der Gallengänge zum Ausdruck. Gelegentlich können die Tumorgrenzen intraduktal als »Schultern« erkannt werden. Mitunter zeigt sich bei konzentrisch wachsenden Tumoren eine echoreiche zentrale Linie, die den inneren Tumorrändern der infiltrierten Gallengangswände zuzuordnen ist (»middle echo sign«). Sehr selten finden sich polypoide intraluminale Wachstumsformen. Die kontrastverstärkte Sonographie (Levovist) zeigte in Studien im Vergleich zur nativen Sonographie eine deutliche Steigerung der Sensitivität für die Detektion hilärer Gallengangskarzinome. Die häufig nativ isoechogenen Tumoren stellen sich hierbei in der Spätphase echoarm im Vergleich zum angren-
b . Abb. 25.24a, b. Gallengangskarzinom. a MRCP. b koronare T2wHASTE. Die MRCP zeigt eine Röhrenstenose (Pfeil) im mittleren Ductus hepatocholedochus. Auf dem korrespondierenden Schnittbild zeigt sich eine konzentrisch das Gallengangslumen stenosierende hypointense Raumforderung (Pfeil)
zenden Leberparenchym dar. Beim vermuteten Gallengangskarzinom sollte auch auf vergrößerte Lymphknoten im Leberhilus sowie auf eine mögliche Pfortaderthrombose geachtet werden. CT. Die Morphologie der Tumoren ist v. a. von ihrer Lokalisation abhängig. Tumoren der großen bzw. zentralen Gallengänge werden aufgrund ihrer kritischen Lokalisation meist frühzeitig symptomatisch. Somit sind sie zum Zeitpunkt der Diagnosestellung häufig sehr klein, sodass der direkte Tumornachweis auch
25
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Kapitel 25 · Gallenblase und Gallenwege
. Tab. 25.4. Klassifikation der hilusnahen Gallengangskarzinome nach Bismuth
Typ
Beschreibung
Therapie
I
Tumor des proximalen Ductus hepaticus communis (die Hepatikusgabel wird nicht erreicht)
Resektion des extrahepatischen Gallengangs inkl. der Hepatikusgabel, biliodigestive Anastomose und Lymphadenektomie
II
Tumorausdehnung bis in die Hepatikusgabel (die sekundäre Gangaufzweigung ist beidseits nicht betroffen)
Resektion wie bei Typ I; zusätzlich sollte der Lobus caudatus mitentfernt werden, da dessen Gallengänge direkt in den rechten und linken Ductus hepaticus bzw. die Hepaticusgabel einmünden.
III
Tumorausdehnung bis an die rechte (Typ IIIa) oder linke (Typ IIIb) sekundäre Gangaufzweigung
Zusätzlich Hemihepatektomie unter Mitnahme des Lobus caudatus
IV
Tumorausdehnung bis an die sekundären Gangaufzweigungen beidseits
Kurative Resektion nicht möglich. Evtl. Lebertransplantation in ausgewählten Fällen. Palliative Maßnahmen: 5 Transtumorale Drainage möglichst beider Leberhälften 5 Bei intraoperativer Diagnosestellung: palliative Resektion mit biliodigestiver Anastomose, ggf. mit additiver Radiatio
. Abb. 25.25. Klassifikation der hilusnahen Gallengangskarzinome nach Bismuth
mittels CT nicht immer gelingt. Hingegen verursachen Tumoren, die von den peripheren, kleinen Gallengängen ausgehen, in der Regel erst relativ spät Cholestasesymptome, weshalb periphere intrahepatische Cholangiokarzinome zum Zeitpunkt der Diagnosestellung meist eine erhebliche Größe aufweisen. Je nach Sitz des Tumors zeigt sich eine generelle, lobäre oder segmentale Stauung der Gallengänge, wobei auch eine lobäre Leberatrophie vorliegen kann. Bei den Klatskin-Tumoren findet sich am häufigsten ein infiltrativer Wachstumstyp, der CT-morphologisch in Form von unscharf begrenzten Raumforderungen der Leberpforte und fokalen, stenosierenden Verdickungen der Gallengangswände zum Ausdruck kommt. Weniger häufig sind exophytisch wachsende hiläre Gallengangskarzinome, die sich ähnlich den peripheren intrahepatischen Cholangiokarzinomen meist als relativ gut abgegrenzte, noduläre Raumforderungen darstellen. Noch seltener sind intraluminale, polypoide Wachstumsformen. Die Klatskin-Tumoren weisen kein einheitliches Kontrastmittelverhalten auf. Die Mehrzahl der Tumoren ist aufgrund der fibrösen Stroma hypovaskularisiert im Vergleich zum angren-
zenden Lebergewebe und weist eine heterogene KontrastmittelAufnahme auf, welche ihr Maximum in Spätaufnahmen erreicht. Auch ein periduktales Enhancement ist häufig zu beobachten. Nur ein sehr kleiner Teil der Tumoren kommt hypervaskularisiert zur Darstellung. Allerdings ist eine frühe KontrastmittelAnreicherung selten so diffus und homogen konfiguriert, wie sie bei anderen hypervaskularisierten Leberläsionen beobachtet werden kann. Ein frühes randständiges Enhancement mit spätem persistierenden Enhancement der zentralen Anteile der Läsion, wie es sich typischerweise bei peripheren intrahepatischen Cholangiokarzinomen findet, ist bei den Klatskin-Tumoren nur selten der Fall. Auch bei den im mittleren oder distalen Drittel des Ductus hepatocholedochus lokalisierten Gallengangskarzinomen findet sich am häufigsten ein infiltrativer Wachstumstyp. Es zeigt sich dann eine mehr oder weniger Kontrastmittel aufnehmende Gallengangswandverdickung bzw. periduktale Raumforderung, die zu einem abrupten Abbruch des proximal dilatierten Gallengangs führt. Die seltener anzutreffenden polypoid wachsenden Tumoren stellen sich als intraduktale, polypöse Raumforderungen mit meist fehlender Kontrastmittel-Aufnahme dar. Die Indikation der CT beim Gallengangskarzinom besteht v. a. im Tumorstaging bzw. in der Bestimmung der Resektabilität. Eine Infiltration der Pfortader stellt die häufigste Kontraindikation für eine Resektion dar, wenngleich in manchen Zentren eine en-blocResektion mit anschließender Gefäßrekonstruktion durchgeführt wird. Irresektabilität ist außerdem gegeben bei einer Infiltration der A. hepatica propria, bei einer Tumorausdehnung bis zu den sekundären Gallengangsaufzweigungen beider Leberlappen (Bismuth IV), bei einer Tumorinfiltration des kontralateralen Pfortaderasts bei unilateralem Gallengangsbefall sowie bei einer Fernmetastasierung. Insbesondere die Frage nach einer Gefäßinfiltration ist nicht immer sicher zu beantworten. Die Angaben in der Literatur für die Treffsicherheit der CT in der Bestimmung der Tumorresektabilität von Gallengangskarzinomen liegen bei 60–86%. MRT. In der MRT stellen sich die Gallengangskarzinome typischerweise auf T1-gewichteten Sequenzen hypointens und auf
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pankreatektomie (OP nach Whipple) dar, bei Karzinomen des mittleren Drittels erfolgt die Gangresektion mit biliodigestiver Anastomose. Klatskin-Tumoren erfordern entsprechend ihrer Ausbreitung eventuell zusätzlich eine zentrale Leberresektion oder eine Hemihepatektomie (. Tab. 25.4).
Seltene maligne Tumoren der Gallengänge Das Gallengangskarzinom stellt den weitaus häufigsten malignen Tumor der insgesamt seltenen Gallengangstumoren dar. Andere maligne Tumoren der Gallengänge, z. B. Lymphome, Karzinoide oder Metastasen sind Raritäten und ähneln bildgebend häufig einem Gallengangskarzinom. Das embryonale Rhabdomyosarkom der Gallenwege ist ein seltener kindlicher Tumor, der meist vom Ductus hepaticus communis ausgeht und intraluminal entlang der Gallenwege in die Leber vorwächst.
Papillenadenom/-karzinom Definition, Epidemiologie, Ätiologie . Abb. 25.26. Inoperabler Klatskin-Tumor. MRCP. Bei intrahepatisch massiv dilatierten Gallenwegen (in beiden Leberlappen) Nachweis von abrupten Gangabbrüchen des Ductus hepaticus dexter und sinister (offene Pfeile). Aufgrund des weit in die Hauptgänge reichenden Tumors (Bismuth IV) liegt Inoperabilität vor. Distal des Tumors kommt ein schlanker Ductus choledochus (Pfeil) zur Darstellung. Entlang des Ductus pancreaticus (Pfeilspitzen) finden sich einige kleine Zysten
T2-gewichteten Sequenzen inhomogen hyperintens in Relation zum Leberparenchym dar. Bezüglich des Kontrastmittelverhaltens der Tumoren in dynamischen Sequenzen gelten die oben zur CT angeführten Aussagen. Auch die Verwendung superparamagnetischer Kontrastmittel kann hilfreich für die Detektion und Beurteilung der Ausdehnung von hilären Gallengangskarzinomen sein. Nach Gabe superparamagnetischer Kontrastmittel zeigen die Tumoren bei fehlendem RES in T2-/T2*-gewichteten Aufnahmen keine Signalminderung. MRCP/ERCP. Mit einer zusätzlichen MRCP lassen sich die tumorbedingten irregulären Stenosen der Gallengänge und ihre prästenotischen Dilatationen sowie etwaige intraluminale polypoide Tumorformen besonders gut darstellen (. Abb. 25.26). Die Genauigkeit der MRCP in der Bestimmung der Höhe und Ausdehnung der Gallengangsobstruktion ist vergleichbar mit der der ERCP. Mit der MRCP werden auch subtotal stenosierte, drainagebedürtige Segmentäste dargestellt, welche einer endoskopisch geführten Darstellung entgehen können. Eine ERCP sollte daher in erster Linie zu therapeutischen Zwecken, z. B. einer Stentimplantation, durchgeführt werden.
Prognose, Therapie Die Prognose des Cholangiokarzinoms ist ungünstig, die 5-Jahres-Überlebensrate liegt insgesamt <5%. Eine kurative Tumorresektion ist selten möglich, insbesondere bei den Klatskin-Tumoren liegt aufgrund einer Infiltration der Gefäße der Leberpforte häufig Inoperabilität vor. Das Resektionsausmaß richtet sich nach der Tumorlokalisation. Den kurativen Radikaleingriff für Tumoren des distalen Choledochusdrittels stellt die Choledochusresektion mit Erweiterung durch eine partielle Duodeno-
Bei den sehr seltenen benignen Papillentumoren handelt es sich meist um Adenome. Das Papillenkarzinom macht ca. 4% aller periampullären Tumoren aus und tritt gehäuft in der 6.–7. Lebensdekade auf, Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen. Bei familiärer adenomatöser Polypose (FAP) ist die Papillenregion nach dem Kolorektum der zweithäufigste Manifestationsort eines Karzinoms, aber auch Patienten mit einer Colitis ulcerosa zeigen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Papillenkarzinoms. Papillenadenome gelten als Präkanzerosen, denn Papillenkarzinome entstehen häufig über den Weg einer Adenom-Karzinom-Sequenz.
Pathologie Da das Papillenkarzinom häufig frühzeitig mit klinischen Zeichen in Form einer intermittierenden Verschlussymptomatik auf sich aufmerksam macht, sind die Tumoren zum Zeitpunkt der Diagnosestellung meist klein (<3 cm). Papillenkarzinome können die Duodenalwand oder das Pankreasparenchym infiltrieren und regionale Lymphknotenmetastasen setzen. Eine Infiltration der großen peripankreatischen Gefäße oder eine Fernmetastasierung sind hingegen (zunächst) selten.
Bildgebung Die bildgebenden Diagnoseverfahren zeigen häufig indirekte Tumorzeichen im Sinne von Dilatationen des biliären und pankreatischen Gangsystems, der Tumor selbst ist hingegen nicht immer nachweisbar. Liegt eine sich in das Duodenum vorwölbende Raumforderung vor, so ist diese meist am besten in der koronaren Schichtführung abgrenzbar (. Abb. 25.27 und . Abb. 25.28). Papillenkarzinome sind in der Regel hypovaskularisiert und ähneln häufig von der Morphologie her einem Pankreaskopfkarzinom (7 Kap. 26). Die MRCP zeigt eine Dilatation des Gallengangs (und/oder des Pankreasgangs) mit in der Regel stumpfer oder irregulärer Konfiguration des distalen Gangendes. In dynamischen Sequenzen ist die morphologische Variabilität des präbzw. intrapapillären Gallengangs aufgehoben. Differenzialdiagnosen stellen v. a. die übrigen periampullären Karzinome (s. u.) und entzündliche bzw. narbige Papillenstenosen dar. Die histologische Sicherung der Dignität bzw. Ma-
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Kapitel 25 · Gallenblase und Gallenwege
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a . Abb. 25.27a, b. Papillenadenom. a MRCP. b koronare T2w-HASTE. Die MRCP zeigt eine Dilatation des Ductus hepatocholedochus und des Ductus pancreaticus (»double-duct-sign«), in der Papillenregion kommt es abrupt
b zu stumpfen Gangabbrüchen (offener Pfeil). Die koronare T2w-Serie zeigt eine relativ glatt begrenzte, noduläre Raumforderung der Papilla duodeni major (Pfeil)
nopankreatektomie. Die 5-Jahres-Überlebensrate der Patienten mit Papillenkarzinomen liegt bei etwa 40%.
Periampulläre Karzinome
. Abb. 25.28. Tubulo-villöses Adenom der Papille. Die koronare T2wHASTE zeigt eine große, von der Papille (Pfeil) aus sich exophytisch in das Duodenallumen vorwölbende Raumforderung mit »blumenkohlähnlicher« Konfiguration
Zu den »periampullären Karzinomen« werden neben dem Karzinom der Papilla duodeni major auch papillennahe Karzinome des distalen Ductus choledochus, des Pankreaskopfs und des Duodenums gerechnet. All diese Tumorentitäten weisen große Ähnlichkeiten auf bezüglich der klinischen Symptomatik, der anatomischen Lokalisation, der Histologie (Adenokarzinome), der bildgebenden Befunde und auch hinsichtlich der üblichen Behandlungsstrategien. Hingegen unterscheiden sich die verschiedenen Entitäten deutlich bezüglich ihrer Metastasierungstendenz bzw. ihrer Langzeitüberlebensraten, weshalb unterschiedliche TNM-Klassifikationsschemata zur Anwendung kommen. Die beste Prognose haben periampulläre Duodenalkarzinome und Papillenkarzinome. Eine vergleichsweise mittelmäßige Prognose weisen die distalen Gallengangskarzinome auf, während die periampullären Pankreaskarzinome die schlechteste Prognose haben.
25.9
lignität kann ein erhebliches Problem darstellen. Erfahrungsgemäß muss in etwa 50% der bioptisch diagnostizierten Papillenadenome bereits mit einem infiltrierenden Karzinomwachstum in der Nachbarschaft gerechnet werden.
Therapie Papillenadenome können häufig endoskopisch reseziert werden. Therapie der Wahl bei den Papillenkarzinomen ist – sofern eine Resektabilität des Tumors anzunehmen ist – die partielle Duode-
Traumen und postoperative Befunde des Gallenwegssystems
Verletzungen des Gallenwegssystems im Rahmen eines stumpfen Bauchtraumas sind insgesamt sehr selten und werden meist in Kombination mit Verletzungen anderer Organe (v. a. Leber, Milz und Duodenum) vorgefunden. Die Gallenblase ist hierbei am häufigsten betroffen, gefolgt vom Ductus choledochus. Verletzungen der intrahepatischen Gallengänge werden nur bei schweren Leberparenchymverletzungen vorgefunden. In der
861 25.9 · Traumen und postoperative Befunde des Gallenwegssystems
Akutsituation kann eine Gallenblasenverletzung mit einer Durchtrennung der A. cystica assoziiert sein, was zu erheblichen Blutverlusten führen kann. Spätkomplikationen von Gallenwegsverletzungen, wie eine Sepsis, können auf eine biliäre Leckage zurückzuführen sein. Eine Leckage des Gallenwegssystems mit Austritt der Galle in das Peritoneum bleibt dabei vorerst in der Regel symptomlos, erst eine sekundäre Infektion der Biliome macht durch die entzündliche Symptomatik auf sich aufmerksam. Auch infolge einer Reihe von operativen Eingriffen am Gallenwegssystem können Verletzungen der Gallengänge auftreten. Die Rate der Komplikationen ist nach laparoskopischer Cholezystektomie höher als nach offener Cholezystektomie. Gallelecks nach Cholezystektomie entspringen meist dem Zystikusstumpf. Verletzungen oder fälschliche Ligaturen der Gallengänge resultieren hierbei z. B. infolge einer Verwechslung des Ductus hepaticus communis mit dem Ductus cysticus. Diese Verletzungen sind häufig mit Verletzungen der rechten Leberarterie assoziiert. Eine weitere Verwechslungsmöglichkeit mit dem Ductus cysticus stellt ein aberranter, zystikusnah mündender rechtsposteriorer Segmentast dar. Nach Lebertransplantation treten in bis zu 20% der Fälle Komplikationen am Gallenwegssystem auf. Der Zeitpunkt des Auftretens variiert hierbei vom ersten postoperativen Tag bis zu mehreren Jahren nach Transplantation, wobei die meisten Komplikationen innerhalb weniger Wochen auftreten. Das Spektrum der Komplikationen umfasst Stenosen und Infektionen der Gallengänge, Leckagen sowie Biliome und Abszesse (. Abb. 25.18).
Bildgebung Die Sonographie spielt bei der intialen Diagnostik von Gallenwegsverletzungen eine untergeordnete Rolle, wird aber häufig zur Verlaufsbeurteilung von konservativ behandelten intra- oder perihepatischen Biliomen eingesetzt. Frische Biliome sind hierbei weitgehend echofrei, ältere Biliome können auch echogene Areale aufweisen. Die computertomographischen Befunde bei Verletzungen des Gallenwegssystems sind häufig unspezifisch (Übersicht). Für die Diagnose und Therapie von Verletzungen der Gallengänge spielt die ERCP die wichtigste Rolle. Sie zeigt die exakte Lokalisation von Perforationen oder Rupturen auf und erlaubt ggf. eine sofortige Therapie z. B. mittels Stentimplantation. Eine neuere, nichtinvasive Methode für den Nachweis einer Galleleckage kann die mit hepatobiliären Kontrastmitteln (z. B. Primovist, Teslascan) durchgeführte MRCP darstellen.
Bildgebende Befunde bei Verletzungen des Gallenwegsystems Hinweise auf eine Gallenblasenverletzung: 4 Kollabierte Gallenblase (trotz nüchternem Patienten) 4 Unscharf begrenzte oder verdickte Gallenblasenwand 4 Flüssigkeit im Gallenblasenbett 4 Dichteanhebung der intraluminalen Gallenflüssigkeit (Hämobilie!) 4 Freie intraperitoneale Flüssigkeit 4 Bei stumpfem Bauchtrauma außerdem: – Abriss der Gallenblase evtl. in Kombination mit Durchtrennung der A. cystica (Kontrastmittel-Extravasat) – Verletzungen angrenzender Organe (Leber, Milz, Duodenum, Rippen) Hinweise auf Gallengangsverletzungen: 4 Fokale peri- oder subhepatische Flüssigkeitsansammlungen 4 Aszites 4 Intrahepatische Flüssigkeitsansammlungen (Biliome) 4 Bei stumpfem Bauchtrauma außerdem: – Leberrupturen sowie Verletzungen des Duodenums und der Milz
Literatur Brancatelli G, Federle MP, Vilgrain V, Vullierme MP, Marin D, Lagalla R. Fibrocystic liver disease: CT and MR imaging findings. Radiographics 2005;25:659-670 Helmberger H, Kammer B. Entzündliche Erkrankungen der Gallenblase und der Gallenwege. I. Bildgebende Verfahren – Cholelithiasis – Entzündungen der Gallenblase. Radiologe 2005;45:479-492 Irie H, Honda H, Kuroiwa T, Yoshimitsu K, Aibe H, Shinozaki K, Masuda K. Pitfalls in MR cholangiopancreatographic interpretation. Radiographics 2001;21:23-37 Kalra N, Suri S, Gupta R, Natarajan SK, Khandelwal N, Wig JD, Joshi K. MDCT in the Staging of Gallbladder Carcinoma. AJR 2006;186:758-762 Kapoor V, Baron RL, Peterson MS. Bile leaks after surgery. AJR 2004;182:451458 Levy AD, Murakata LA, Abbott RM, Rohrmann CA Jr. From the archives of the AFIP. Benign tumors and tumorlike lesions of the gallbladder and extrahepatic bile ducts: radiologic-pathologic correlation. Radiographics 2002;22:387-413 Silva AC, Friese JL, Hara AK, Liu PT. MR cholangiopancreatography: improved ductal distension with intravenous morphine administration. Radiographics 2004;24:677-687 Vitellas KM, Keogan MT, Freed KS, et al. Radiologic manifestations of sclerosing cholangitis with emphasis on MR cholangiopancreatography. Radiographics 2000;20:959-975 Zech CJ, Schoenberg SO, Reiser M, Helmberger T. Cross-sectional imaging of biliary tumors: current clinical status and future development. Eur Radiol 2004;14:1174-1187
25
26 26 Pankreas M. Brügel
26.1
Normale Anatomie und Varianten
– 864
26.2
Untersuchungstechniken
26.3
Bildgebende Normalbefunde
26.4
Kongenitale Fehlbildungen des Pankreas
26.5
Pankreatitis
26.6
Zystische (nichtneoplastische) Pankreasläsionen
26.6.1 26.6.2
Kongenitale Zysten – 878 Pankreaspseudozysten – 879
26.7
Pankreasneoplasien
26.7.1 26.7.2
Zystische Pankreasneoplasien – 881 Solide Pankreasneoplasien – 885
26.8
Diffuse (metabolische) Pankreasveränderungen
26.9
Trauma und postoperative Veränderungen des Pankreas
– 867 – 868 – 870
– 872 – 878
– 880
– 894 – 896
26
864
Kapitel 26 · Pankreas
26.1
Normale Anatomie und Varianten
Das exokrine Pankreasparenchym produziert unter vagaler und endokriner Steuerung täglich etwa 1 l Pankreassekret zur Aufbereitung des Nahrungsbreis im Dünndarm. Die diffus innerhalb des exokrinen Parenchyms verteilten Langerhans-Inseln bilden das endokrine Organ. Die Mehrheit der Inselpopulation wird durch die Insulin produzierenden B-Zellen gestellt, während AZellen Glucagon und D-Zellen Gastrin und Somatostatin bilden. Das Pankreas liegt auf Höhe der Wirbelkörper LWK 1–3 im vorderen pararenalen Raum des Retroperitoneums. Der vordere pararenale Raum wird ventral durch das parietale Peritoneum, lateral durch die Fascia lateroconalis und dorsal durch die Fascia renalis anterior (Gerota-Faszie) begrenzt und enthält neben dem Pankreas die peripankreatischen Gefäße, das Duodenum und das Colon ascendens und descendens (. Abb. 26.1). Das Pankreas wird in Pankreaskopf, -körper und -schwanz unterteilt, wobei die angrenzenden großen Gefäße zur Definition dieser anatomischen Unterbezirke dienen. Der Pankreaskopf wird größtenteils vom duodenalen C umschlossen und liegt rechts vom linken Rand der V. mesenterica superior (das Pankreasknie ist hierbei der unmittelbar vor der V. mesenterica superior gelegene Bereich). Der Processus uncinatus bildet eine »hakenförmige« Fortsetzung des Pankreaskopfs nach kaudal und links. Der Pankreaskörper reicht vom linken Rand der V. mesenterica superior bis zum linken Rand der Aorta. Der Pankreasschwanz liegt links vom linken Rand der Aorta. Der Pankreasschwanz zieht nach laterokranial auf den Milzhilus zu. Das Ende des Pankreasschwanzes liegt im Ligamentum splenorenale und damit intraperitoneal, wodurch ein möglicher Ausbreitungsweg einer Erkrankung des Pankreas (z. B. Exsudate einer Pankreatitis) in den intraperitonealen Raum gegeben ist. Da das parietale Peritoneum eine relativ schwache Barriere darstellt, können sich vom Pankreas ausgehende Krankheitsprozesse aber auch auf diesem direkten Weg nach intraperitoneal bzw. in die Bursa omentalis ausbreiten. Des Weiteren ist eine subperitoneale Ausbreitung in die kaudal des Pankreas verlaufende Wurzel des Mesocolon transversum oder in die Mesenterialwurzel möglich (. Abb. 26.2a und . Abb. 26.3). Im Rahmen einer Pankreatitis treten Flüssigkeitsexsudate nicht selten in Spalträume der z. T. inkomplett fusionierten Schichten der retroperitonealen Faszien ein und breiten sich somit innerhalb der variabel miteinander kommunizierenden Faszien aus (. Abb. 26.2b und . Abb. 26.3). > Dieser Vorgang erklärt, weshalb eine Ausbreitung entzündlicher Pankreasexsudate beispielsweise bis in den M. iliopsoas fortschreiten kann oder bis in die Fascia transversalis, wobei letzteres den Ausgangspunkt für das Grey-Turner-Zeichen bilden kann (blaurote Hautverfärbungen in der linken Flanke, tritt bei etwa 3% der Patienten mit akuter Pankreatitis auf).
Die Anatomie der Pankreasausführungsgänge unterliegt einer hohen Variabilität, was auf die embryologische Entwicklung aus einer ventralen und einer dorsalen Pankreasanlage zurückzuführen ist (7 Kap. 26.4). Der Pankreashauptgang (Ductus pancreaticus major) verläuft zentral im Pankreasschwanz und -körper und
. Abb. 26.1. Retroperitoneale Faszienräume. Das Pankreas liegt im vorderen pararenalen Raum, der ventral durch das parietale Peritoneum, dorsal durch die Fascia renalis anterior und lateral durch die Fascia lateroconalis begrenzt wird. 1= vorderer pararenaler Raum; 2= perirenaler Raum; 3= hinterer pararenaler Raum; 4= properitoneales Fettgewebe; 5= parietales Peritoneum; 6= Fascia lateroconalis; 7= Fascia renalis anterior; 8= Fascia renalis posterior; 9= Fascia transversalis
wird über 20–30 Seitenäste gespeist, welche in der Regel im rechten Winkel einmünden. Er setzt sich im Pankreaskopf als Ductus Wirsungianus nach distal fort und mündet in der Mehrzahl der Fälle gemeinsam mit dem Ductus choledochus in die Papilla duodeni major (Mündungsvarianten 7 Kap. 25). In etwa 60% der Fälle drainiert ein aus dem Pankreashauptgang im Pankreasknie abgehender akzessorischer Gang (Ductus pancreaticus minor, Synonym: Ductus Santorini) über die Papilla duodeni minor, die 1–2 cm oberhalb der Papilla duodeni major lokalisiert ist (. Abb. 26.4 und . Abb. 26.5). In etwa 30% der Fälle ist der Ductus Santorini obliteriert, sodass eine Drainage des Ductus pancreaticus major alleinig über den Ductus Wirsungianus erfolgt (. Abb. 26.4b). Mit einer Häufigkeit von etwa 5–10% liegt ein Pancreas divisum vor (. Abb. 26.4c; 7 Kap.26.4), mit ähnlicher Häufigkeit findet sich eine so genannte »Ansa pancreatica« (. Abb. 26.4d). Letztere stellt eine nach kaudal gewundene Schleife dar und entwickelt sich vermutlich aus einem inferioren Ast der ventralen Ganganlage, die mit dem distalen Anteil des Ductus Santorini kommuniziert. Neben den genannten Hauptvarianten der Pankreasganganatomie existieren außerdem zahlreiche weitere, seltenere Gangvarianten (Beispiel: . Abb. 26.6). Das Pankreas weist eine enge Lagebeziehung zum portalvenösen Gefäßsystem auf. Die V. lienalis verläuft in einer Parenchymrinne entlang der Rückseite des Pankreaskopfs und -schwanzes. Die rechtsseitig parallel zur A. mesenterica superior verlaufende V. mesenterica superior wird semizirkulär vom Pankreaskopf bzw. dem Processus uncinatus umschlossen. Die Vereinigung der V. lienalis und der V. mesenterica superior (»venöser Konfluens«) liegt unmittelbar dorsal der kranialen Anteile des Pankreaskopfs bzw. Pankreasknies und setzt sich nach kranial und lateral in Form der V. portae in Richtung der Leberpforte fort. Der Truncus coeliacus und seine Aufzweigungen sowie die
865 26.1 · Normale Anatomie und Varianten
a
a
b
b . Abb. 26.2a, b. Mögliche Ausbreitungswege von Erkrankungen des Pankreas. Erkrankungen des Pankreas können sich ausbreiten in a (1) die Bursa omentalis, (2) das Mesocolon transversum, (3) die Mesenterialwurzel, (4) den pararenalen Raum, b die retroperitonealen Faszienräume: laterokonaler Spalt (1), vorderer interfaszialer Spalt (2), hinterer interfaszialer Spalt (3)
A. mesenterica superior liegen am Oberrand bzw. Unterrand des Pankreasknies und werden durch eine Fettlamelle vom Pankreasparenchym separiert. Die dorsokranial des Pankreaskörpers und -schwanzes verlaufende A. lienalis weist häufig eine starke Schlängelung auf. Die arterielle Versorgung des Pankreas stammt vom Truncus coeliacus und der A. mesenterica superior. Die aus der A. hepatica communis abgehende A. gastroduodenalis läuft entlang des anterolateralen Randes des Pankreaskopfs nach kaudal und
c . Abb. 26.3a–c. Ausbreitungswege von Exsudaten bei akuter Pankreatitis. Die Exsudate umgeben das Pankreas im vorderen pararenalen Raum (Pfeil: Gerota-Faszie), sind in die Bursa omentalis (Stern) und diffus in das Mesenterium eingedrungen und reichen bis in das Becken
26
866
Kapitel 26 · Pankreas
26
a
b
. Abb. 26.5. Pankreasganganatomie. MRCP. Der Ductus pancreaticus major setzt sich im Pankreaskopf als Ductus Wirsungianus (Pfeil) nach distal fort und mündet gemeinsam mit dem Ductus choledochus (Pfeilspitze) in der Papilla duodeni major. Der in diesem Fall kräftige Ductus Santorini (offener Pfeil) geht aus dem Ductus pancreaticus major im Pankreasknie ab, überkreuzt ventral den Ductus choledochus und mündet in der weiter kranial gelegenen Papilla duodeni minor
c
d . Abb. 26.4a–d. Hauptvarianten der Pankreasganganatomie. a Drainage durch die kommunizierenden Ductus Wirsungianus und Ductus Santorini. b Alleinige Drainage durch den Ductus Wirsungianus bei obliteriertem Ductus Santorini. c Pancreas divisum (fehlende Fusion der dorsalen und ventralen Ganganlage). d Ansa pancreatica (Kommunikation von Ductus Wirsungianus und distalem Ductus Santorini über einen nach kaudal gewundenen Gang; in ca. zwei Drittel der Fälle ist die Papilla duodeni minor hierbei verschlossen)
. Abb. 26.6. Variante der Pankreasganganatomie, MRCP. Zufallsbefund bei einem Patienten mit polyzystischer Nephropathie. Die dorsale Pankreasanlage drainiert über den Ductus Santorini (überkreuzt den Ductus choledochus) in die Minorpapille (weißer Pfeil). Die ventrale Pankreasanlage wird über eine Gangschlaufe drainiert, die sowohl in die Minorpapille als auch in die Majorpapille (schwarzer Pfeil) mündet
gibt die A. pancreaticoduodenalis superior ab. Aus der A. mesenterica superior entspringt die A. pancreaticoduodenalis inferior. Die Äste der beiden pancreaticoduodenalen Arterien anastomosieren in einer ventralen und dorsalen Arkade entlang des Pankreaskopfs. Pankreaskörper und -schwanz werden über die aus
der A. lienalis entspringenden A. pancreatica dorsalis und A. pancreatica magna versorgt. Der venöse Abfluss des Pankreaskopfs erfolgt über die anterioren und posterioren Äste der Vv. pancreaticoduodenales superior et inferior in die V. mesenterica superior bzw. direkt in
867 26.2 · Untersuchungstechniken
die V. portae. Der venöse Abstrom des Pankreaskörpers und -schwanzes läuft über zahlreiche kleine Venen, die in die V. lienalis münden. Der Lymphabfluss des Pankreaskopfs erfolgt hauptsächlich über anteriore und posteriore pankreatikoduodenale Lymphknoten, ein Teil des Lymphabflusses aus dem oberen Anteil des Pankreaskopfs wird entlang des Ligamentum hepatoduodenale in Richtung Leberpforte geleitet. Allerdings münden einige Lymphgefäße des Pankreaskopfs auch direkt in die inferioren und paraaortalen Lymphknoten, was u. a. zu den sehr häufig anzutreffenden Tumorrezidiven nach partieller Pankreatikoduodenektomie beiträgt. Der Lymphabfluss aus dem Pankreaskörper und -schwanz entleert sich vorwiegend in die superioren und inferioren Lymphknoten am Ober- und Unterrand des Organs, in paraaortale Lymphknoten und in Lymphknoten am Hilus der Milz. Die Innervation des Pankreas erfolgt sympathisch vom Plexus coeliacus aus über die linken Nn. splanchnici und parasympathisch über den rechten N. vagus. Eine Blockade der afferenten Nervenfasern (Plexusblockade) zur Schmerztherapie beim Pankreaskarzinom oder der chronischen Pankreatitis kann CT-gesteuert erfolgen.
26.2
Untersuchungstechniken
Konventionelle Röntgendiagnostik Die Abdomenübersichtsaufnahme kommt bei akuten abdominellen Beschwerden häufig als erstes bildgebendes Verfahren zum Einsatz. Neben dem Nachweis von Parenchymverkalkungen des Pankreas (als mögliches Zeichen einer chronischen Pankreatitis) können evtl. verkalkte Gallenwegskonkremente im Zusammenhang mit einer biliären Pankreatitis oder ein (paralytischer) Ileus als Begleitphänomen bei Pankreaserkrankungen aufgedeckt werden.
Sonographie Die Beurteilbarkeit des Pankreas in der transabdominellen Sonographie ist stark abhängig von der Patientenkonstitution und dem Füllungszustand von Magen und Colon transversum. Insbesondere der Pankreasschwanz ist häufig über den ventralen Zugang durch Darmgasüberlagerung erschwert einsehbar. Gegebenenfalls können eine Auffüllung des Magens und Duodenums mit 0,5 l Leitungswasser, unterschiedliche Lagerungen und Atemphasen (In-/Exspiration, Valsalva-Manöver) des Patienten abhelfen; der distale Anteil des Pankreasschwanzes ist außerdem häufig im Milzhilus von der hinteren Axillarlinie aus translienal darstellbar.
EUS/ERCP Der endoskopische Ultraschall (EUS) zeigt sich in vielerlei Hinsicht der perkutanen Sonographie überlegen, insbesondere bei Verdacht auf ein (periampulläres) Malignom und für die präoperative Lokalisationsdiagnostik von neuroendokrinen Tumoren kommt dem EUS eine große Bedeutung zu. Aufgrund ihrer hohen räumlichen Auflösung stellt die endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP, 7 Kap. 25.2) das genaueste Verfahren für die detaillierte Darstellung des Pankreasgangsystems dar. Sie kommt nicht nur in der Detektion und Beurteilung des Schweregrads unterschiedlicher
Pathologien des Pankreas (z. B. chronische Pankreatitis, konkrementbedingte oder tumoröse Gangobstruktionen, kongenitale Fehlbildungen) zum Einsatz, sondern bietet auch die Möglichkeit therapeutischer Interventionen (Papillotomie, Steinextraktion, Stenting etc.).
Computertomographie Die CT wird v. a. für die Detektion und das Staging von Pankreastumoren eingesetzt, zur Abklärung des Ausmaßes und von Komplikationen der akuten und chronischen Pankreatitis sowie in der Traumadiagnostik. Das Untersuchungsprotokoll sollte dementsprechend der Indikation bzw. Fragestellung angepasst werden. Für eine aussagefähige Pankreasdiagnostik ist eine suffiziente orale Kontrastierung des Gastrointestinaltrakts anzustreben. Negative orale Kontrastmittel (z. B. Wasser) ermöglichen eine gute Abgrenzbarkeit des Duodenums vom Pankreaskopf, was insbesondere für die Tumordiagnostik wichtig ist. Mit positiven oralen Kontrastmitteln (iod- oder bariumhaltige Kontrastmittel) wird die Differenzierung von peripankreatischen Flüssigkeitsansammlungen, Pseudozysten, Abszessen oder peritonealen Tumorabsiedelungen vom kontrastierten Darmlumen erleichtert, allerdings ist die Abgrenzung des kontrastierten Duodenums vom hyperdensen Pankreaskopf oftmals erschwert. Aus diesem Grund bevorzugen viele Untersucher eine zweizeitige orale Kontrastmittelgabe. Hierzu trinkt der Patient während einer Stunde vor Untersuchungsbeginn etwa 1 l eines positiven Kontrastmittels und unmittelbar vor Untersuchungsbeginn ca. einen 0,5 l Wasser. Bei fehlenden Kontraindikationen erfolgt zur Distension der Darmschlingen die i.v.-Injektion von 40 mg Buthylscopolamin oder alternativ 1 mg Glukagon. Die kurzen Scanzeiten bei der Mehrschicht-Spiral-CT (MSCT) erlauben die Untersuchung des Pankreas in definierten Perfusionsphasen nach i.v.-Kontrastmittel-Applikation. Unterschieden werden die arterielle Phase, die Pankreasparenchymphase und die portalvenöse Phase. Die arterielle Phase beginnt ca. 15–25 s nach Beginn der Kontrastmittel-Applikation und liefert eine optimale Kontrastierung der arteriellen peripankreatischen Gefäße. Laut einiger Studien ist diese Phase gelegentlich die einzige, welche hypervaskularisierte neuroendokrine Pankreastumoren vom noch weitgehend unkontrastierten Pankreasparenchym abgrenzen lässt. Während der Pankreasparenchymphase, die etwa 35–45 s nach Beginn der Kontrastmittelapplikation stattfindet, zeigt das normale Pankreasparenchym in der Regel die im zeitlichen Verlauf höchste Kontrastmittelanreicherung. Das weniger stark anreichernde Tumorgewebe im Falle von hypovaskularisierten Adenokarzinomen oder von Parenchymnekrosen im Zuge einer Pankreatitis ist dann gut als hypodense Läsionen vom umgebenden Parenchym abgrenzbar. Zugleich ist weiterhin eine relativ hohe Kontrastmittel-Konzentration in den Arterien gewährleistet. Während der portalvenösen Kontrastmittelphase, die etwa nach einer Verzögerungszeit von ca. 70 s nach Beginn der Kontrastmittel-Applikation eintritt, kommen die peripankreatischen Venen kontrastreich zur Darstellung, was etwaige Pathologien im Pfortadersystem aufdeckt (z. B. tumoröse Gefäßstenosen oder -okklusionen, Thrombosen). Aber auch für den Nachweis von Lebermetastasen eines Pankreaskarzinoms ist die portalvenöse Phase erforderlich.
26
868
Kapitel 26 · Pankreas
. Tab. 26.1. Empfohlene Perfusionsphasen in Abhängigkeit von der klinischen Fragestellung
26
Indikation
Perfusionsphase
Scanvolumen
Pankreaskarzinom
Pankreasparenchymphase Portalvenöse Phase
Pankreas Oberbauch (ggf. auch Becken)
Inselzelltumor
Arterielle Phase Portalvenöse Phase
Pankreas (ggf. auch Leber) Oberbauch
Akute Pankreatitis
Pankreasparenchymphase
Oberbauch (ggf. auch Becken)
Chronische Pankreatitis
Pankreasparenchymphase oder portalvenöse Phase
Pankreas (ggf. auch Oberbauch und Becken)
Trauma
Pankreasparenchymphase oder portalvenöse Phase
Oberbauch und Becken
Für die meisten Fragestellungen empfiehlt sich die Durchführung einer biphasischen CT (. Tab. 26.1). Bei der Wahl der applizierten Kontrastmittelmenge, der Injektionsgeschwindigkeit und der Scanverzögerung bei den einzelnen Kontrastierungsphasen sind die technischen Gegebenheiten des CT-Geräts ausschlaggebend. Gängig sind Kontrastmittelmengen von ca. 120–150 ml bei einer Konzentration von 300 mg Iod/ml und Injektionsgeschwindigkeiten von 4–5 ml/s. Auch die Scanparameter hängen stark von den technischen Möglichkeiten des CT-Scanners ab. Für die arterielle Phase bzw. die Pankreasparenchymphase ist eine enge Schichtkollimation anzustreben (zwischen 0,5 mm und 1,25 mm), für die portalvenöse Phase, in der zumindest zusätzlich die Leber vollständig abgebildet werden sollte, ist ggf. eine breitere Kollimierung (etwa zwischen 1 mm und 2,5 mm) ausreichend. Für die Beurteilung des Pankreasparenchyms empfehlen sich rekonstruierte Schichtdicken von 3 mm. Aus MSCT-Datensätzen können ggf. Reformationen (z. B. koronare MPRs, gekrümmt planare Reformationen oder MIPs) zur besseren Veranschaulichung der Befunde erstellt werden.
MRT/MRCP Die MRT kommt häufig zur weiteren Abklärung von »Problemfällen« der CT zum Einsatz, insbesondere zur Detektion und Charakterisierung kleiner Tumoren. Die Verabreichung oraler Kontrastmittel ist nicht unbedingt erforderlich, ggf. kann Wasser oder eisenhaltiges Kontrastmittel (hypointens in allen Sequenzen) verwendet werden. Ein Standardprotokoll sollte T1-gewichtete GRE-Sequenzen mit Fettsättigung, T2-gewichtete Sequenzen ohne Fettsättigung (TSE-Sequenzen oder »single-shot« TSE Sequenzen) und T2-gewichtete Sequenzen mit Fettsättigung umfassen. Die Verwendung von Atemanhaltesequenzen (in Kombination mit parallelen Bildgebungstechniken) erlaubt in der Regel eine schnelle und relativ robuste Datenakquisition. Für die dynamische kontrastverstärkte Untersuchung des Pankreas kommen 3D-GRESequenzen mit Fettsättigung zum Einsatz. Die Qualität dieser Sequenzen ist in der Regel so gut, dass auf eine dedizierte MRAngiographie meist verzichtet werden kann.
Neben Gadoliniumchelaten kann auch Mangafodipir (Teslascan) in der Pankreasdiagnostik zum Einsatz kommen. Obwohl letzteres eigentlich als leberspezifisches Kontrastmittel entwickelt wurde, wird es auch im Pankreasparenchym aufgenommen und führt zu einer deutlichen Signalerhöhung des Parenchyms in T1-gewichteten Sequenzen, wodurch sich beispielsweise Tumoren als hypointense Läsionen abgrenzen lassen. Mit der MRCP steht eine nichtinvasive Alternative zur ERCP für die Beurteilung des Pankreasgangsystems zur Verfügung (7 Kap. 25.2). Der Pankreashauptgang lässt sich mittels MRCP in bis zu 97% der Fälle in der Pankreaskopfregion und in bis zu 83% der Fälle innerhalb des Pankreasschwanzes darstellen. Eine verfeinerte Untersuchungsmethode ist die sekretinstimulierte dynamische Untersuchung des Pankreasgangsystems. Intravenös appliziertes Sekretin stimuliert die exokrine Sekretion von Bikarbonat und Flüssigkeit und führt so über eine vermehrte Füllung des Pankreasgangs zu einer verbesserten Darstellbarkeit in der MRCP. Auch die exokrine Pankreassekretionsleistung kann somit MR-tomographisch abgeschätzt werden.
26.3
Bildgebende Normalbefunde
Sonographische Normalbefunde Als Leitstrukturen dienen im epigastrischen Querschnitt für die Darstellung des Pankreaskopfs v. a. die von ihm semizirkulär umschlossene V. mesenterica superior und für die Darstellung des Pankreaskörper- und schwanzes die dorsal angrenzende V. lienalis. Die Größe des Pankreas zeigt individuell große Unterschiede, als ungefähre Normwerte gelten ein Durchmesser von bis zu 3 cm im Pankreaskopf und bis zu 2,5 cm im Korpus- und Kaudabereich. Auch die Form des Organs variiert; meist liegt eine harmonische Verjüngung vom Kopf zum Schwanz hin vor, manchmal imponiert das Pankreas aber auch »hantelförmig« (schmale Korpusregion bei prominentem Kopf und Schwanz). Die Echogenität des Pankreasparenchyms ist u. a. abhängig vom Lebensalter, in jeden Fall sollte eine homogene Echostruktur vorliegen. Bei jungen Patienten ist das Parenchym meist annähernd isoechogen zur Leber, in höherem Alter kommt es aufgrund vermehrter Atrophie und Fetteinlagerungen zu einer erhöhten Echogenität (. Abb. 26.7). Der Ductus pancreaticus ist bei guten Untersuchungsbedingungen v. a. im Korpusbereich erkennbar und sollte typischerweise nicht dicker als 2–3 mm sein. Die Pankreasläppchen liegen dem umgebenden Fettgewebe ohne geschlossene Kapsel an, was die unscharfe Begrenzung des Organs im sonographischen Bild erklärt.
Normalbefunde in der Computertomographie/ Magnetresonanztomographie Das normale Pankreasparenchym zeigt in der CT native Dichtewerte von ca. 30–60 HE (nach Kontrastmittel-Applikation steigen die Werte auf ca. 120 HE an). Die im Alter physiologischerweise auftretende fettige Degeneration führt zu einem Absinken der Parenchymdichtewerte. Je nach Ausprägung der fettigen Atrophie weisen Parenchym bzw. Organkontur eine mehr oder weniger lobulierte Konfiguration auf.
869 26.3 · Bildgebende Normalbefunde
a
b
a
. Abb. 26.7a, b. Varianten der Echogenität des Pankreasparenchyms. a Echoarmes Pankreasparenchym bei einem jungen Patienten. b Echoreiches Pankreasparenchym (Pankreaslipomatose) bei einem älteren Patienten (Stern: V. lienalis)
Der Ductus pancreaticus hat papillennah einen physiologischen Durchmesser von 3–5 mm und verjüngt sich nach distal hin auf <3 mm. > Ein Durchmesser des Ductus pancreaticus von >4–5 mm gilt als pathologisch.
Wandverkalkungen der A. lienalis sind ein häufig anzutreffender Befund und dürfen nicht mit Verkalkungen des Pankreasparenchyms verwechselt werden. Während die A. mesenterica superior vom Pankreasparenchym regelmäßig durch eine umgebende Fettlamelle separiert ist, liegt die Pfortader im Bereich des Pankreasknies unmittelbar dem Parenchym an. Die Ausprägungen von Fettlamellen zwischen der V. mesenterica superior bzw. der V. lienalis und dem Parenchym sind variabel. In der MRT ist das normale Pankreas im Vergleich zur Leber etwa isointens auf T1-gewichteten GRE-Sequenzen und T2-gewichteten TSE-Sequenzen. Insgesamt variiert auch hier die Signalintensität des Parenchyms in Abhängigkeit vom Alter des Patienten bzw. dem Grad der fettigen Atrophie. Nach GadoliniumApplikation kommt es, wie oben für die CT beschrieben, zu einem deutlichen Signalanstieg, der relativ schnell wieder abklingt.
b . Abb. 26.8a, b. Sekretinstimulierte MRCP. a Vor Sekretingabe: Der Ductus pancreaticus major (Pfeilspitze) imponiert aufgrund der mangelnden Füllung im Schwanzbereich irregulär konfiguriert. b Nach Sekretingabe: Der Ductus pancreaticus major (Pfeilspitze) zeigt nun bei stärkerem Kaliber eine glatte Begrenzung (Normalbefund)
Der Ductus pancreaticus major ist in der MRCP insbesondere im Schwanzbereich aufgrund seines geringen Kalibers manchmal nicht darstellbar. Auch ein offener Ductus Santorini ist in der MRCP aufgrund mangelnder Füllung meist nicht nachweisbar. ! Bei nüchternem Patienten kann aufgrund verminderter Sekretion von Pankreassekret der Ductus pancreaticus major kollabieren und eine Stenose vortäuschen. Eine weitere »Pseudostenose« findet sich gelegentlich an der ehemaligen Fusionsstelle von ventraler und dorsaler Ganganlage im Übergangsbereich zwischen Kopf und Körper.
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870
Kapitel 26 · Pankreas
Die Verabreichung von Sekretin kann in solchen Fällen hilfreich sein. Hierdurch kann der Durchmesser des Pankreasgangs kurzfristig deutlich (auf bis zu 4 mm) zunehmen (. Abb. 26.8).
26
> Die Seitenäste sind in der MRCP normalerweise nicht darstellbar. Sind Seitenäste erkennbar, so ist von einem pathologischen Befund (z. B. (post-)entzündliche oder tumoröse Gangobstruktion) auszugehen.
26.4
Kongenitale Fehlbildungen des Pankreas
Embryologie Das Pankreas entwickelt sich aus 2 separaten Anlagen, die in der 4. Entwicklungswoche aus dem Darmrohr als divertikelartige Ausstülpungen hervorgehen und zunächst jeweils einen eigenständigen, in das Duodenum mündenden Ausführungsgang besitzen (. Abb. 26.9). Im weiteren Verlauf rotiert die ventrale Anlage im Uhrzeigersinn um das Duodenum nach dorsal, um in der 7. Entwicklungswoche mit der dorsalen Anlage zu verschmelzen. Die ventrale Anlage bildet damit überwiegend die dorsalen Anteile des Pankreaskopfs aus, während die dorsale Anlage die ventralen Anteile des Pankreaskopfs sowie das übrige Pankreas stellt. Zusätzlich kommt es auch zu einer Anastomosierung der Ausführungsgänge der beiden Anlagen, sodass letztlich der distale Anteil des von der dorsalen Anlage ausgehenden Ductus pancreaticus major vom Ausführungsgang der ventralen Anlage gebildet wird und als Ductus Wirsungianus (zusammen mit dem Ductus choledochus) in der Papilla duodeni major mündet. Der ursprüngliche distale Anteil des Ausführungsgangs der dorsalen Anlage mündet nach der Fusion der Anlagen als Ductus Santorini in der Papilla duodeni minor bzw. bildet sich in etwa einem Drittel der Fälle zurück. Entwicklungsanomalien des Pankreas sind auf die embryonale Organentstehung zurückzuführen und sind durch eine Malfusion (Pancreas divisum) oder eine Malrotation (Pancreas anulare) der beiden Anlagen bedingt.
Pancreas divisum Pathogenese
. Abb. 26.9a–c. Embryologische Entwicklung des Pankreas. a Ventrale und dorsale Pankreasanlage entwickeln sich aus Knospen des Vorderdarms. b Die ventrale Anlage rotiert im Uhrzeigersinn um das Duodenum nach dorsal. c Verschmelzung der ventralen und dorsalen Pankreasanlagen und ihrer Gangsysteme
Beim Pancreas divisum bleibt während der embryologischen Entwicklung die Fusion der dorsalen und ventralen Pankreasganganlage aus. Der Ductus Santorini drainiert demzufolge das dorsale Pankreas und damit den Großteil des Organs (Corpus, Cauda und superior-anteriorer Teil des Caput) über die Papilla duodeni minor, während ein in der Regel kurzer, kaliberschwacher Ductus Wirsungianus die ventrale Pankreasanlage (posterior-inferiorer Anteil des Caput und Processus uncinatus) drainiert und gemeinsam mit dem Ductus choledochus in der Papilla duodeni major mündet (. Abb. 26.6c).
Epidemiologie, Klinik Diese Anomalie findet sich bei etwa 5–10% der Bevölkerung. Sie ist klinisch von Bedeutung, da sie häufiger mit einer akuten oder chronischen Pankreatitis assoziiert ist. Ursächlich hierfür kann
871 26.4 · Kongenitale Fehlbildungen des Pankreas
Therapie Therapie der Wahl bei Nachweis einer Papillenstenose ist eine endoskopische Sphinkterotomie, Sphinkteroplastik oder Stenteinlage zur Beseitigung der Pankreasgangobstruktion.
Pancreas anulare Pathogenese, Epidemiologie Beim Pancreas anulare bildet das Pankreas einen Gewebsring, der das Duodenum komplett oder inkomplett umschließt. Meist ist ein Ringteil in Verbindung mit einer regelrechten Körper- und Schwanzregion ausgebildet, die Breite des Drüsenrings schwankt zwischen wenigen Millimentern und mehreren Zentimetern. Die Häufigkeit dieser Fehlbildung liegt bei <0,1%.
Ätiologie, Klinik
. Abb. 26.10. Pancreas divisum mit rezidivierenden Pankreatitiden, MRCP. Der dorsale Pankreasgang drainiert die dorsale Pankreasanlage über die Papilla duodeni minor (Pfeil) und überkreuzt dabei den distalen Ductus choledochus, der in der Papilla duodeni major (offener Pfeil) mündet. Die Kontur des Pankreasgangs weist in Folge rezidivierender Pankreatitiden diskrete Unregelmäßigkeiten auf
eine relative Stenose bzw. Dysfunktion der Papilla duodeni minor sein, weshalb die Pankreatitis sich auf die dorsale Pankreasanlage beschränken kann. > Insbesondere bei jungen Patienten mit einer ätiologisch unklaren Pankreatitis sollte nach einem Pancreas divisum gesucht werden!
Ursächlich dürfte eine Rotationsstörung der ventralen Pankreasanlage während der embryonalen Entwicklung sein. Manchmal verursacht diese Anomalie eine Duodenalstenose, welche bereits in der Neonatalzeit symptomatisch wird; Leitsymptom ist hierbei das Erbrechen. Bei mehr als der Hälfte der Fälle wird das Pancreas anulare jedoch erst im Erwachsenenalter klinisch apparent, wobei die Symptomatik durch Entzündungen im pankreatischen Ring oder durch gastroduodenale Ulzerationen ausgelöst wird. > Beim Säugling kann das »double bubble sign« (Luftansammlung im Magen und im Bulbus duodeni) in der Abdomenleeraufnahme bereits eine Duodenalstenose (DD Duodenalatresie) vermuten lassen. Beim Erwachsenen erbringt die Magen-Darm-Passage den Nachweis einer Duodenalstenose. Das Duodenallumen wird hierbei meist exzentrisch eingeengt, wobei die Kontur des eingeengten Abschnitts glatt ist und die Schleimhautfalten in Höhe der Enge evtl. schmaler oder verstrichen, jedoch regelmäßig abgrenzbar sind.
Bildgebung Mittels dünnschichtiger CT kann das getrennte Gangsystem evtl. erkennbar werden, hierbei sind v. a. koronar orientierte multiplanare Rekonstruktionen hilfreich. In seltenen Fällen sind die getrennten Anlagen anhand einer separierenden Fettlamelle identifizierbar. Eine Vergrößerung des Pankreaskopfs im kraniokaudalen oder anterior-posterioren Durchmesser kann vorliegen und gelegentlich eine Raumforderung imitieren. Zur Diagnosestellung mittels MRT ist v. a. die MRCP hilfreich. > Ein wichtiger Hinweis auf ein Pancreas divisum ist in der MRCP die ventrale Überkreuzung des distalen oder mittleren Ductus choledochus durch den dorsalen Pankreasgang. Dieser Pankreasgang endet wenige Zentimeter oberhalb der Papilla duodeni major (die durch die Einmündung des Ductus choledochus identifizierbar ist) in der Papilla duodeni minor. Der kurze, kleinlumige Ast der ventralen Pankreasganganlage ist oft nicht darstellbar (. Abb. 26.10). Zur Diagnostik einer Stenose der Papilla duodeni minor ist eine Sekretinstimulation hilfreich.
Bildgebung Die CT-morphologische Darstellung eines Pancreas anulare ist nur dann möglich, wenn ein ausreichend dicker Parenchymring vorhanden ist, der sich von der Wand der Pars descendens duodeni abgrenzen lässt. Ein lediglich aus Bindegewebe bestehender Anulus ist nicht erkennbar. Mittels ERCP, evtl. auch MRCP, lässt sich ggf. ein aberranter, das Duodenum umkreisender Gallengang darstellen. Differenzialdiagnosen sind das tief sitzende Ulcus duodeni, narbige Strikturen, die chronische Pankreatitis mit Einengung des Duodenallumens, Tumoren des Duodenums und des Pankreaskopfs sowie der Morbus Crohn des Duodenums.
Therapie Therapie der Wahl bei einer symptomatischen Duodenalstenose ist die Operation, z. B. in Form einer Duodenojejunostomie mit Roux-Y-Schlinge.
Andere kongenitale Fehlbildungen Agenesie und Hypoplasie des Pankreas Eine Agenesie (vollständiges Fehlen der Organanlage) des Pankreas ist selten und kommt meist nur bei nicht lebensfähigen Feten
26
872
Kapitel 26 · Pankreas
26
a
b
. Abb. 26.11a, b. Hypoplasie der dorsalen Pankreasanlage. Konsekutive axiale CT-Schichten (arterielle KM-Phase) zeigen einen prominenten Pankreaskopf (Pfeile) bei fehlendem Pankreasschwanz (»congenitally short pancreas«). Zusätzlich liegen weitere anatomische Anomalien vor: Polysple-
nie (2 Milzen, Pfeilspitzen), eine Malrotation des Duodenums sowie eine dilatierte V. azygos. Der Verlauf des Duodenums zunächst medial des Pankreaskopfs (a) und anschließend dorsal des Pankreaskopfs nach rechts (b) ist durch das intraluminale KM (offene Pfeile) markiert
zusammen mit multiplen Organfehlbildungen vor. Auch eine Aplasie oder Hypoplasie der dorsalen Pankreasanlage ist extrem selten und tritt oftmals in Kombination mit weiteren Anomalien (z. B. Polysplenie, gastrointestinale Malrotation etc.) auf. Allerdings leiden die Patienten in den meisten Fällen, in denen eine isolierte Aplasie der dorsalen Pankreasanlage vorliegt, an einem Diabetes mellitus, da normalerweise der Großteil der Inselzellen im Pankreasschwanz lokalisiert ist.
26.5
Bildgebung. Radiologisch findet sich bei der Aplasie/Hypoplasie
der dorsalen Pankreasanlage ein normal dargestellter oder kugeliger Pankreaskopf bei gleichzeitigem Fehlen von Pankreaskörper und -schwanz (. Abb. 26.11).
Ektopes Pankreasgewebe Ektopes Pankreasgewebe, d. h. Pankreasgewebe außerhalb der
normalen Organbegrenzung des Pankreas, kann fast überall im Gastrointestinaltrakt vorkommen. Am häufigsten wird es submukös im Magen (Antrumbereich) und Duodenum (in Höhe der Papille) gefunden (meist als Zufallsbefund in der Endoskopie), seltener im übrigen Dünndarm oder innerhalb eines Meckel-Divertikels, sehr selten auch in der Leber oder Gallenblase. Wahrscheinlich werden im Verlauf der embryonalen Entwicklung Fragmente in den primitiven Geweben des Magens und Duodenums implantiert. Die Häufigkeit dieser Fehlbildung wird in Autopsieserien mit <1% bis >10% angegeben. Die Heterotopien können Ausgangspunkt für eine ektope Pankreatitis, exo- oder endokrine Tumoren sowie gastrointestinale Blutungen sein. Große Läsionen können eine Verlegung des Pylorus oder Darmlumens hervorrufen.
Pankreatitis
In Abhängigkeit vom Verlauf und Schweregrad der Entzündungs- und Vernarbungsprozesse wird die Pankreatitis in verschiedene Formen klassifiziert, welche sich in Bezug auf die Ätiologie, Prognose und den therapeutischen Konsequenzen voneinander unterscheiden.
Akute Pankreatitis Definition, Ätiologie, Pathologie Die akute Pankreatitis ist ein akut entzündlicher Prozess des Pankreas, der verschiedene Auslöser haben kann. Die weitaus häufigsten Ursachen sind Alkoholabusus und Choledocholithiasis (biliäre Pankreatitis). Weitere seltene Ursachen sind u. a. Hyperlipidämien, Hyperkalzämie/primärer Hyperparathyreoidismus, Bauchtraumen, Pankreasgangobstruktionen infolge eines Tumors oder eines Pankreas divisum, Medikamente (z. B. Steroide), Virusinfektionen (z. B. Begleitpankreatitis bei Mumps, CMV etc.) sowie therapeutische Interventionen (ERCP, Embolisation eines HCC). Des Weiteren gibt es eine hereditäre und eine idiopathische Form. > Die akute Pankreatitis nimmt in ca. 80% der Fälle einen milden Verlauf in Form einer ödematösen (interstitiellen) Pankreatitis. In etwa 20% der Fälle liegt hingegen eine schwere Verlaufsform vor, eine nekrotisierende Pankreatitis.
Histologisch kommt es bei der schweren Verlaufsform zusätzlich zu den lipolytischen Nekrosen des peripankreatischen Fettgewebes über eine Proteasenaktivierung zu Nekrosen des Pankreasparenchyms und der Pankreasgefäße, sodass die anfänglich seröse Entzündungsreaktion hämorrhagisch wird.
Bildgebung. In der Magen-Darm-Passage und der endosko-
pischen Betrachtung imponiert das ektope Pankreasgewebe meist als breitbasige, 1–2 cm große Vorwölbung des Magens oder Duodenums, deren glatte Oberfläche eine submuköse Lage annehmen lässt.
Klinik Klinisch zeigen sich bei der akuten Pankreatitis typischerweise akut einsetzende, heftige Abdominalschmerzen, die nach allen Seiten ausstrahlen können oder auch gürtelförmig um den Ober-
26
873 26.5 · Pankreatitis
bauch ziehen. Weitere Symptome sind u. a. Übelkeit, Erbrechen, Meteorismus, Darmparesen, Fieber, Aszites, Schockzeichen, EKG-Veränderungen und Ikterus. Die sehr selten erkennbaren bläulichen Flecken periumbilikal (»Cullen-Zeichen«) oder im Flankenbereich (»Grey-Turner-Zeichen«) sind prognostisch ungünstig. Im klassischen Fall ist die Aktivität der Amylase oder Lipase im Serum stark erhöht. Allerdings korreliert die Schwere der Pankreatitis nicht immer mit der Höhe der Serumenzyme.
dings die relativ hohe Interobserver-Variabilität bei der semiquantitativen Evaluation der Parenchymnekrosen.
Klassifikation und Bildgebung
Sonographie. Die Sonographie ist bei der Abklärung einer aku-
Eine Beurteilung des Schweregrades (mild oder schwer) der akuten Pankreatitis und somit eine Einschätzung der Prognose kann anhand unterschiedlicher Klassifikationen vorgenommen werden. Klinisch bewährt haben sich Score-Systeme, z. B. der Ranson-Score, Glasgow-Score, der Imrie-Score oder der APACHE2-Score, welche u. a. auf verschiedenen klinischen und laborchemischen Parametern beruhen. Nach der Atlanta-Klassifikation von 1992 liegt eine schwere akute Pankreatitis vor, wenn 3 oder mehr Ranson- oder 8 oder mehr APACHE-II-Kriterien erfüllt sind. Aber auch radiologische Kriterien werden in der AtlantaKlassifikation erfasst, wobei Parenchymnekrosen, akute Pseudozysten und Abszesse der schweren Verlaufsform der akuten Pankreatitis zugeordnet werden (. Tab. 26.2). Radiologisch hat sich allerdings die Klassifikation nach Balthazar weitgehend durchgesetzt. Der »CT severity index« nach Balthazar beurteilt zum einen das Ausmaß der intra- und peripankreatischen entzündlichen Prozesse und berücksichtigt andererseits das Ausmaß von etwaigen Parenchymnekrosen (. Tab. 26.3). Anhand des Score-Systems kann maximal eine Summe von 10 Punkten erreicht werden. Der »CT severity index« korreliert mit der Letalität. Während bei Patienten mit einem Index von 0–3 Punkten die Letalität bei etwa 3% liegt, steigt bei einem Index von 7–10 Punkten die Letalität auf 17% an. Ein Nachweil des »CT severity index« ist aller-
ten Pankreatitis häufig aufgrund der vorliegenden Blähung der Darmschlingen erschwert. Das Pankreas zeichnet sich sonographisch durch eine diffuse Größenzunahme sowie durch eine echoarm verwaschene Struktur aus. Peripankreatische Fettgewebsnekrosen können als echoreiche bandförmige Areale zur Darstellung kommen. Bei nekrotisierender Pankreatitis können sowohl echoreiche (peripankreatische Fettgewebsnekrosen) wie auch echoarme Areale (Parenchymnekrosen, Flüssigkeitsansammlungen) peri- bzw. intrapankreatisch vorliegen. Begleitend treten oftmals Aszites und ein Pleuraerguss auf. Der Stellenwert der Sonographie liegt insbesondere im Nachweis bzw. Ausschluss einer biliären Genese. Neben einem direkten Steinnachweis im Ductus choledochus können ein dilatierter Gallengang ohne Steinnachweis und eine stein- oder sludgegefüllte Gallenblase indirekte Hinweise geben.
. Tab. 26.2. Atlanta-Klassifikation der akuten Pankreatitis
Begriff
Definition
Milde akute Pankreatitis
Geringe Organdysfunktion mit Ansprechen auf Flüssigkeitssubstitution
Schwere akute Pankreatitis
Einer der folgenden Punkte: 5 Lokale Komplikationen (Pankreasnekrose, Pseudozyste, Abszess) 5 Organversagen 5 ≥3 Ranson-Kriterien 5 ≥8 APACHE-II-Kriterien
Akute Flüssigkeitsansammlung
Flüssigkeitsansammlung ohne umgebende Wandung
Pankreasnekrose
Nicht durchblutetes Pankreasparenchym (<50 HE in der kontrastverstärkten CT)
Akute Pseudozyste
Umschriebene Flüssigkeitsansammlung mit umgebender Wand, entsteht frühestens nach 4 Wochen
Pankreasabszess
Eiteransammlung mit umgebender Wand
Konventionelles Röntgen. In der Abdomenübersichtsaufnahme sollte nach Pankreasverkalkungen als Hinweis auf eine vor-
bestehende chronische Pankreatitis gefahndet werden sowie nach röntgendichten Gallensteinen. Nicht selten finden sich Zeichen eines (paralytischen) Ileus mit dilatierten Darmschlingen im linken Ober- oder Mittelbauch.
. Tab. 26.3. »CT-severity index« der akuten Pankreatitis nach Balthazar Beurteilung der entzündlichen Prozesse Grad A
Normales Pankreas
0
Grad B
Diffuse oder fokale Parenchymschwellung, geringe Heterogenitäten des Parenchyms, Konturunregelmäßigkeiten
1
Grad C
Parenchymveränderungen wie bei Grad B mit Infiltrationen des peripankreatischen Fettgewebes
2
Grad D
Wie Grad C mit stärkeren entzündlichen Veränderungen des peripankreatischen Fettgewebes, jedoch nicht mehr als eine Flüssigkeitsformation
3
Grad E
2 oder mehr Flüssigkeitsformationen und/ oder Gas intraparenchymatös/peripankreatisch
4
Beurteilung der Parenchymnekrosen Keine (regelrechtes Enhancement)
0
<30% des Pankreasparenchyms
2
30–50% des Pankreasparenchyms
4
>50% des Pankreasparenchyms
6
CT-severity-index
Summe max. 10
874
Kapitel 26 · Pankreas
führen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die CT in bis zu 30% der Patienten mit einer klinisch und laborchemisch gesicherten Pankreatitis einen unauffälligen Befund des Pankreas zeigt.
26
. Abb. 26.12. Milde (ödematöse) akute Pankreatitis. Diffuse Schwellung des Pankreas und unscharfe Organgrenzen mit Imbibierung des peripankreatischen Fettgewebes
Computertomographie. Die CT ist zwar nach den deutschen
Leitlinien nicht für die Diagnosestellung einer akuten Pankreatitis erforderlich, die frühzeitige Durchführung einer CT ist jedoch zu empfehlen, wenn: 4 Zweifel hinsichtlich der klinischen Diagnose bestehen, 4 klinische Zeichen einer schweren (nekrotisierenden) Verlaufsform vorliegen, 4 innerhalb von 72 h nach Beginn der konservativen Therapie keine Besserung auftritt oder 4 eine plötzliche Verschlechterung des klinischen Zustandes des Patienten Komplikationen vermuten lässt. > Etwaige Parenchymnekrosen entwickeln sich zwar oftmals während der ersten 24 h nach Beginn der Symptomatik, spätestens jedoch innerhalb von 72 h. Vorzugsweise ist daher die initiale CT frühestens 2–3 Tage nach Einsetzen der Symptomatik durchzu6
a . Abb. 26.13a, b. Akute nekrotisierende Pankreatitis. a, b Die CT (Pankreasparenchymphase) zeigt ausgedehnte peripankreatische Flüssig-
Die CT-morphologischen Veränderungen der milden akuten Pankreatitis (. Abb. 26.12) beinhalten Parenchymverschwellungen mit Auftreibung des Organs bzw. der betroffenen Organabschnitte, eine verstrichene Organbegrenzung sowie leichte Inhomogenitäten in der Parenchymkontrastierung, jedoch ohne eindeutige Perfusiondefekte (Nekrosen). Peripankreatische Flüssigkeitsexsudate haben keine Wandung und weisen in der Regel Dichtewerte <15 HE auf. Peripankreatische Fettgewebsnekrosen bieten ein ähnliches Bild, sind jedoch in der Regel unschärfer begrenzt und erreichen meist Dichtewerte >25 HE. Die CT dokumentiert am besten die Ausdehnung von Exsudatstraßen, welche sich typischerweise zunächst im anterioren pararenalen Raum (bevorzugt auf der linksseitigen Gerota-Faszie) befinden, sich jedoch häufig auch in die Mesenterialwurzel und die Bursa omentalis fortsetzen. Eine Ausbreitung bis in das Mediastinum oder auch bis in das kleine Becken ist möglich (7 Kap. 26.1). Bei der schweren (nekrotisierenden Pankreatitis) ist das Pankreas deutlich aufgetrieben, inhomogen und unscharf begrenzt. Parenchymnekrosen kommen als Perfusionsdefekte (<50 HE) zur Darstellung (. Abb. 26.13), während hämorrhagische Areale mit einer erhöhten Dichte (>60 HE) einhergehen können. Magnetresonanztomographie. Die MRT spielt in der Diagnostik und Verlaufsbeobachtung der akuten Pankreatitis nur eine untergeordnete Rolle. Die akute Pankreatitis zeigt eine ödematöse Parenchymschwellung, welche am besten mit T1-gewichteten GRE und T2-gewichteten TSE-Sequenzen erfasst wird. Ödematöse Veränderungen und Flüssigkeitsansammlungen des peripankreatischen Fettgewebes kommen am deutlichsten in T2-gewichteten fettgesättigten Sequenzen zur Darstellung. Für den Nachweis von Parenchymnekrosen ist eine Kontrastmittelapplikation (Gadolinium) erforderlich. Eine zusätzliche MRCP sollte inbesondere bei
b keitsexsudate und große Parenchymnekrosen (Perfusionsdefekte; Pfeile) im Pankreaskörper und -schwanz
875 26.5 · Pankreatitis
Verdacht auf eine biliäre Pankreatitis durchgeführt werden. Eine kontrastverstärkte MR-Angiographie kann für die Abklärung möglicher vaskulärer Komplikationen ergänzt werden. In der Akutdiagnostik der akuten Pankreatitis hat die ERCP nur einen begrenzten Stellenwert, sie wird hier v. a. therapeutisch bei biliärer Pankreatitis durchgeführt (endoskopische Papillotomie und Steinextraktion). Bei fehlenden Hinweisen auf eine biliäre Genese ist eine ERCP in der Frühphase nicht indiziert. Nach Abklingen der akuten Pankreatitis sollte im Intervall bei unklarer Genese eine ERCP unter der Frage nach einer bisher nicht diagnostizierten biliären Ursache und zum Ausschluss eines Malignoms erfolgen.
Bildgebung und Komplikationen Die gefährlichste Frühkomplikation der akuten nekrotisierenden Pankreatitis ist eine Sepsis mit Multiorganversagen, welche eine Letalität von bis zu 50% aufweist. Die Bildgebung, insbesondere die CT, spielt v. a. in der Beurteilung lokaler Komplikationen eine wichtige Rolle. Sekundäre bakterielle Infektionen von Parenchymnekrosen treten am häufigsten in der 2. Phase der Erkrankung (2.–3. Woche) auf. Hinweis auf eine Superinfektion kann das Auftreten von Gasbläschen innerhalb eines Nekroseareals sein. Fehlen Gaseinschlüsse, so ist eine Differenzierung zwischen steriler und infizierter Nekrose bildgebend oftmals nicht möglich. Hier kann bei dringendem klinischem Verdacht auf eine Superinfektion eine sonographisch oder CT-gesteuerte Feinnadelaspiration zur Differenzierung zwischen steriler und infizierter Nekrose durchgeführt werden. Pseudozysten bilden sich in der Regel frühestens 4 Wochen nach einer akuten Pankreatitis aus (7 Kap. 25). Pankreasabszesse resultieren häufig aus einer Superinfektion einer Pseudozyste und gehören zu den späteren Komplikationen (in der Regel ab der 5. Woche), hinweisend kann eine vermehrte Kontrastierung der »Zystenwand« sein. Pankreasabszesse werden, wenn möglich, mittels einer transkutanen Drainage therapiert. Zu den vaskulären Komplikationen zählen Hämorrhagien infolge einer Arrosion kleiner Pankreasgefäße sowie die Entwicklung von Pseudoaneurysmen der großen Arterien (A. hepatica, lienalis und gastroduodenalis). Auch thrombotische Verschlüsse des portalvenösen Systems (insbesondere der V. lienalis) können auftreten, wobei neben dem direkten Nachweis von thrombotischem Material in Form von intraluminalen Füllungsdefekten auch die Entwicklung von peripankreatischen Kollateralen sowie Organinfarkte (v. a. in der Milz) hinweisgebend sind.
Therapie Konservative therapeutische Maßnahmen beinhalten eine intensivmedizinische Überwachung des Patienten, Nahrungskarenz, parenterale Volumen- und Elektrolytsubstitution und Analgetika. Die chirurgische Therapie kommt bei Versagen konservativer Maßnahmen und bei infizierten Nekrosen zum Einsatz und beruht auf der Nekrosektomie in Kombination mit Lavageverfahren. Bei der biliären Pankreatitis ist die Indikation zur dringlichen ERCP (innerhalb von 24 h) bei Vorliegen einer biliären Obstruktion gegeben. Außerdem sollte bei biliärer Genese die
Indikation zur Cholezystektomie im freien Intervall gestellt werden, um erneute Pankreatitiden zu vermeiden.
Chronische Pankreatitis Definition, Ätiologie, Pathologie Die chronische Pankreatitis ist eine rezidivierende oder persistierende Erkrankung, bei der die morphologischen Gewebsveränderungen irreversibel sind und im Spätstadium zu einer exokrinen (und manchmal auch endokrinen) Insuffienz des Pankreas führen. Die bei weitem häufigste Ursache für eine chronische Pankreatitis ist der Alkoholismus (ca. 80% der Fälle). Seltene Ursachen sind u. a. das Vorliegen von Gangobstruktionen, Hyperparathyreoidismus und Hyperlipidämie. In etwa 20% der Fälle findet sich keine erkennbare Ursache (»idiopathische« Form). Eine akute Pankreatitis geht nur sehr selten in eine chronische Pankreatitis über. Histologisch zeigt sich bei der chronischen Pankreatitis ein postinflammatorischer Fibrosierungsprozess, welcher das Pankreasparenchym diffus oder fokal erfasst und im Verlauf die Azini zerstört. Durch die fibrotischen Veränderungen entstehen intrapankreatische Sekretabflussstörungen mit Gangdilatationen und Speichelsteinen.
Klinik Klinisches Leitsymptom ist der rezidivierende Schmerz, der nicht kolikartig ist und Stunden bis Tage andauern kann. Insbesondere nach fettigen Speisen treten dyspeptische Beschwerden, Übelkeit und Erbrechen auf. Symptome einer Maldigestion treten erst auf, wenn die exokrine Pankreasfunktion stark vermindert ist.
Klassifikation und Bildgebung Die chronische Pankreatitis wird entsprechend der CambridgeKlassifikation von 1983 kategorisiert, die auf den Befunden der ERCP basiert. In Abhängigkeit des Ausmaßes der Veränderungen im Pankreasgangsystem werden fünf Stadien unterschieden (. Tab. 26.4). Klinische und morphologische Gesichtspunkte wurden in der Einteilung der chronischen Pankreatitis nach der Marseiller Klassifikation von 1984 verwendet. Sonographie. Im Frühstadium der chronischen Pankreatitis sind in der Sonographie häufig keine morphologischen Befunde zu erheben oder es liegen diskrete Veränderungen in Form von Konturungelmäßigkeiten, Gangwellungen und/oder eine verminderte Echogenität des Parenchyms vor. Im späteren Verlauf besteht infolge der Fibrose eine erhöhte Echogenität des Parenchyms mit grober Textur (Differenzialdiagnosen . Tab. 26.5). Verkalkungen oder Gangsteine führen zu harten Reflexen mit dorsalem Schallschatten. Weitere Befunde sind Mikro- und Makrozysten sowie Duktektasien. Im Endstadium liegt eine Atrophie mit schwer abzugrenzendem Organ vor. Computertomographie. Die CT zeigt in etwa 10% der Patienten
mit klinisch diagnostizierter chronischer Pankreatitis einen unauffälligen Befund. CT-morphologische Veränderungen umfassen fokale oder sehr selten diffuse Vergrößerungen des Organs, weitaus häufiger und v. a. in der Spätphase der Erkrankung liegt jedoch eine Atrophie vor. Weitere häufige Befunde bei chro-
26
876
Kapitel 26 · Pankreas
. Tab. 26.4. Cambridge-Klassifikation der chronischen Pankreatitis (ERCP-Befunde)
26
Stadium
Kategorie
Ductus pancreaticus major
Pathologische Seitenäste
Weitere Zeichen
0
normal
normal
keine
keine
I
fragwürdig
normal
<3
keine
II
mild
normal
≥3
keine
III
mäßiggradig
pathologisch
≥3
keine
IV
schwer
pathologisch
≥3
Mindestens eines der nachfolgenden Zeichen: 5 Zyste >10 mm 5 Intraduktale Füllungsdefekte 5 Calculi/Pankreaskalzifikationen 5 Gangobstruktion (Striktur) 5 Schwere Gangerweiterung oder -unregelmäßigkeit
nischer Pankreatitis sind Dilatation des Ductus pancreaticus major >4 mm, Kalzifikationen und Pseudozysten. Auch peripankreatische Flüssigkeitsansammlungen, Gallengangsdilatationen, Infiltrationen des peripankreatischen Fettgewebes und Verdickungen der pararenalen Faszien können auftreten. > Insbesondere bei der alkoholinduzierten Form sind im späten Verlauf häufig Kalzifikationen zu beobachten (. Abb. 26.14; Differenzialdiagnosen der Pankreasverkalkungen: Übersicht). Multiplanare Rekonstruktionen können hilfreich sein, um zwischen Parenchymkalzifikationen und intraduktalen Konkrementen zu unterscheiden.
. Tab. 26.5. Sonographische Differenzialdiagnose erhöhter/verminderter Echogenität des Pankreasparenchyms
Diffus echoarme Struktur
Diffus echoreiche Struktur
5 5 5 5
5 5 5 5
Jugendlicher Pankreas Akute Pankreatitis Autoimmunpankreatitis Diffus wachsendes Karzinom
Senile Atrophie Pankreaslipomatose Chronische Pankreatitis Pankreasfibrose bei CF oder Hämochromatose
Differenzialdiagnose der Pankreasverkalkungen 4 Chronische Pankreatitis, insbesondere (. Abb. 26.14): – Alkoholinduzierte Pankreatitis (disseminierte Verkalkungen) – Biliäre Pankreatitis (disseminierte Verkalkungen) – Hereditäre Pankreatitis (rundliche, relativ große Verkalkungen, die bereits im Kindesalter entstehen) – Idiopathische Pankreatitis – Kwashiorkor (Proteinmangelernährung; chronische Pankreatitis im frühen Kindesalter) – Wandverkalkungen von Pseudozysten 4 Tumoren, insbesondere: – Mikrozystisches Adenom (»sunburst«: sternförmig) – Muzinös-zystische Neoplasien – Inselzelltumoren – Selten: solid-pseudopapilläre Neoplasien, kavernöses Lymphangiom (Phlebolithen), Adenokarzinome, Metastasen 4 Hyperparathyreoidismus (in etwa 10% der Fälle tritt eine chronische Pankreatitis auf ) 4 Zystische Fibrose (feingranuläre Verkalkungen in fortgeschrittenen Stadien) 4 Hämatom (solitäre Verkalkung) 4 Verkalkungen der A. lienalis sollten nicht mit Parenchymverkalkungen verwechselt werden!
. Abb. 26.14. Akuter Schub einer chronischen Pankreatitis, CT. Die CT zeigt bei Atrophie des Pankreaskörpers- und schwanzes multiple Verkalkungen im inhomogen kontrastierten Pankreaskopf. Fettgewebsnekrosen und Exsudationen kommen als streifige Injektionen des peripankreatischen Fettgewebes zur Darstellung, die Gerota-Faszie (Pfeilspitze) ist verdickt
Magnetresonanztomographie. In der MRT ist die Signalintensität des Pankreasparenchyms in Folge des fibrotischen Umbaus sowohl in nativen T1-gewichteten Sequenzen als auch nach Kontrastmittel-Applikation von Gadoliniumchelaten herabgesetzt. Das Parenchym-Enhancement ist häufig inhomogen. Verkal-
877 26.5 · Pankreatitis
. Abb. 26.15), ist eine bildgebende Differenzierung von chronischer Pankreatitis und Adenokarzinom schwierig bis unmöglich. Dies betrifft sowohl die CT als auch die MRT (inklusive kontrastverstärkter MRT mit Gadolinium-Chelaten oder MnDPDP). Hilfreich kann das so genannte »duct penetrating sign« sein, welches insbesondere mittels MRCP gut erfasst werden kann.
> Das »duct penetrating sign« bedeutet, dass der Ductus pancreaticus oder dilatierte Seitenäste einen entzündlichen Pseudotumor durchqueren, während es beim Adenokarzinom innerhalb des Tumorareals zu einer Gangstenose bzw. einem abrupten Gangabbruch kommt.
a
Allerdings bleiben nicht wenige Fälle trotz Ausschöpfung der bildgebenden Methoden (inkl. Verlaufsuntersuchungen) und auch nach Entnahme von Biopsien offen, sodass letztlich eine diagnostische Laparatomie und ggf. Resektion zur endgültigen Diagnosestellung notwendig ist.
Komplikationen Zu den häufig auftretenden Komplikationen der chronischen Pankreatitis (. Abb. 26.16) zählen Gallengangsobstruktionen, gastrointestinale Obstruktionen durch Pseudozysten, Entzündungen der Gallenwege, Pankreasabszesse sowie vaskuläre Komplikationen in Form von venösen Thrombosen (Milzvenenthrombose) oder arteriellen Pseudoaneurysmen. Zudem besteht ein erhöhtes Risiko für die Entstehung eines Adenokarzinoms, was z. T. auch auf das Vorliegen derselben Risikofaktoren (Alkoholund Nikotinabusus) für beide Erkrankungen zurückgeführt wird. Insbesondere die hereditäre chronische Pankreatitis geht mit einem erhöhten Karzinomrisiko einher. b
Therapie . Abb. 26.15a, b. Pseudotumor des Pankreaskopfs bei schwerer chronischer Pankreatitis. Axiale CT-Serie (Pankreasparenchymphase). Der Pankreasgang ist dilatiert und irregulär konfiguriert (Pfeil). Der Pankreaskopf ist aufgetrieben, inhomogen kontrastiert und unscharf begrenzt zum umgebenden Fettgewebe (Pfeilspitzen), sodass differenzialdiagnostisch neben einer chronischen Pankreatitis ein Tumor in Betracht gezogen werden muss. Leberzirrhose und Splenomegalie
kungen äußern sich in Form von Signalauslöschungen in allen Sequenzen. Mittels MRCP können Dilatationen des Pankreasgangs mit hoher Sicherheit nachgewiesen werden. Füllungsdefekte (Konkremente) und Strikturen des Pankreasgangs sowie Dilatationen der Seitenäste sind je nach der Höhe der räumlichen Auflösung mehr oder weniger sensitiv nachweisbar. > Der dilatierte Ductus pancreaticus zeigt bei der chronischen Pankreatitis meist eine irreguläre Kontur und ggf. (post-)entzündliche Strikturen. Eine erhebliche Gangdilatation ohne Konturunregelmäßigkeiten ist für die chronische Pankreatitis untypisch und sollte an einen Tumor denken lassen! Differenzialdiagnosen. Die wichtigste Differenzialdiagnose stellt
das Adenokarzinom dar. Insbesondere wenn entzündliche Prozesse lokal raumfordernd wirken (»entzündlicher Pseudotumor«,
Bei den therapeutischen Allgemeinmaßnahmen steht Alkoholabstinzenz an erster Stelle. Die Therapie entzündlicher Schübe erfolgt wie bei einer akuten Pankreatitis, die exkretorische Pankreasinsuffizienz wird durch Enzymsubstitution behandelt. Endoskopische Verfahren umfassen die Stenteinbringung bei Pankreasgangstenosen und die Bergung von Gangkonkrementen. Operative Maßnahmen kommen insbesondere zur Beseitigung von Komplikationen zum Einsatz, eine weitere wichtige Indikation sind Dauerschmerzen.
Sonderformen der chronischen Pankreatitis Bei der Schwanzpankreatitis beschränkt sich der Entzündungsprozess auf die Pankreasschwanzregion, was häufig nach traumatischen oder chirurgisch bedingten Schäden des Pankreasparenchyms oder nach abgelaufender akuter Pankreatitis der Fall sein kann. Die Rinnenpankreatitis (»Groove-Pankreatitis«) ist morphologisch durch eine segmentale Vernarbung des dorsokranialen Pankreaskopfes im Bereich der anatomischen »Rinne« zwischen Pankreaskopf, Ductus choledochus und Duodenum charakterisiert und spart das Pankreasparenchym weitgehend aus. Pathogenetisch entspricht die Rinnenpankreatitis vermutlich einer abgelaufenen Pankreatitis in heterotopem Pankreasgewebe in der Duodenalwand. Der Vernarbungsprozess verursacht häufig Duodenal- und Choleduchusstenosen.
26
878
Kapitel 26 · Pankreas
Autoimmunpankreatitis Diese seltene Form der Pankreatitis geht mit lymphoplasmozytären Infiltrationen des Pankreas einher. Im Gegensatz zur chronischen Pankreatitis sind die Veränderungen unter Steroidtherapie jedoch reversibel. Die CT bzw. MRT zeigt eine fokale oder diffuse Parenchymschwellung, welche einen malignen Tumor imitieren kann. Die diffuse Form kann mit einer langstreckigen Engstellung des Ductus pancreaticus einhergehen, welche mit der MRCP oder ERCP nachgewiesen werden kann (»duct vanishing sign«).
26
26.6
a
Zystische (nichtneoplastische) Pankreasläsionen
Kongenitale Pankreaszysten sind meist multipel und fast immer mit einer angeborenen Erkrankung assoziiert, die auch bzw. primär andere Organsysteme involviert. Hierzu zählen die adulte polyzystische Nephropathie und das Von-Hippel-Lindau-Syndrom. Solitäre kongenitale Zysten kommen im Pankreas im Gegensatz zu den übrigen parenchymatösen Oberbauchorganen nur sehr selten vor. Die kleinen (<1 cm) und häufig multiplen Retentionszysten gehen in der Regel aus einer Obstruktion und daraus folgenden Auftreibung eines Pankreasgangseitenasts hervor, dementspechend wird ihre Wandung durch Gangepithel ausgekleidet. Sie werden oft im Rahmen einer chronischen Pankreatitis beobachtet. Die nicht von Epithel ausgekleideten Pseudozysten treten oft im Rahmen einer Pankreatitis auf. > Einige sehr seltene Infektionen des Pankreas (u. a. Pilzinfektionen, Tbc und parasitäre Infektionen) können ein zystisches Erscheinungsbild haben. In diesen Fällen ist die Kenntnis der Anamnese des Patienten für die Diagnosestellung essenziell.
b . Abb. 26.16a, b. Chronische Pankreatitis – Komplikationen. a Axiale T2w-HASTE. b MRCP. In der Pankreaskopf- und -korpusregion stellen sich multiple, z. T. sehr große Pseudozysten dar (Pfeile). Der distale Ductus choledochus weist eine hochgradige Stenose auf und ist in der MRCP nicht mehr abgrenzbar; prästenotisch zeigt sich eine ausgeprägte Dilatation mit konischer Verjüngung zur Stenose hin (Pfeilspitzen). Der Pankreasgang (offene Pfeile) ist erheblich dilatiert und weist multiple Füllungsdefekte (Konkremente) und Strikturen auf, das Pankreasparenchym ist atrophiert
In der CT bzw. MRT zeigt sich zwischen Duodenalwand und Pankreaskopf eine hypovaskularisierte Raumforderung bei weitgehend unauffälligem Restpankreas, welche fälschlicherweise als Tumor fehlgedeutet werden kann. Eine zuverlässige Differenzierung gelingt meist nur durch eine endosonographische Biopsie. Die obstruktive chronische Pankreatitis geht auf eine Verlegung des Ductus pancreaticus major (z. B. durch eine Pseudozyste, einen Tumor oder eine Narbe) zurück. Proximal des Verschlusses kommt es zu einer Dilatation des Gangsystems, einer diffusen Parenchymatrophie und zu einer periduktalen Fibrose. Eine Speichelsteinbildung tritt praktisch nie auf. Im Gegensatz zu den übrigen Formen der chronischen Pankreatitis kann nach früher Beseitigung des Sekretabflusshindernisses eine morphologische und funktionelle Erholung des Pankreas einsetzen.
26.6.1
Kongenitale Zysten
Polyzystische Nephropathie adulter Typ Es handelt sich um eine autosomal dominant vererbte Nierenfehlbildung mit vorwiegend doppelseitiger polyzstischer Nephropathie (7 Kap. 31.1, Nieren). Extrarenale Zysten kommen hierbei am häufigsten in der Leber vor (in ca. 50% der Fälle), seltener sind auch das Pankreas (in ca. 5–10% der Fälle), die Milz oder andere Organe betroffen. Die Zysten werden von einem kubischen Epithel ausgekleidet. Bildgebung. Bildgebend zeigen sich dünnwandige Zysten mit
einem Durchmesser von wenigen Millimetern bis hin zu mehreren Zentimetern, wobei die Pankreasbeteiligung in der Regel weniger ausgeprägt ist als die Manifestationen in Nieren und Leber (. Abb. 26.17).
Von-Hippel-Lindau Syndrom Diese seltene, autosomal dominant vererbte Phakomatose zeigt folgende Hauptmanifestationen (7 Kap. 9): Hämangioblastome im Kleinhirn und anderen ZNS-Regionen (so genannte LindauTumoren), eine ein- oder beidseitige Angiomatose in der Retina, hellzellige Nierenkarzinome, Phäochromozytome sowie polyzys-
879 26.6 · Zystische (nichtneoplastische) Pankreasläsionen
. Abb. 26.17. Pankreaszysten bei polyzystischer Nephropathie. Koronare T2w-HASTE. Neben den Zystennieren (bei denen die einzelnen Zysten teilweise signalarme Sedimente aufweisen) zeigen sich auch vereinzelte Leberzysten sowie Pankreaszysten (Pfeil)
. Abb. 26.18. Pankreaspseudozyste. Die CT zeigt eine große Pankreaspseudozyste in der Pankreaskopfregion mit hyperdensen (eingebluteten) Arealen und einer dünnen, glatt begrenzten Wandung. Die Zyste spannt das mit positivem oralen KM markierte Duodenum (Pfeil) weit aus
tische Organe (Leber, Pankreas, Nieren). Pankreaszysten liegen laut Autopsiestudien in bis zu 70% der Fälle vor.
grund inflammatorischer Reaktionen wird die Flüssigkeit im Laufe mehrerer Wochen abgekapselt. Ihre Wandung besteht aus Granulations- und Narbengewebe, ist jedoch im Gegensatz zu den echten Zysten und den meisten zystischen Neoplasien nicht von Epithel ausgekleidet.
> Dysontogenetische Zysten des Pankreas sind sehr selten, sodass beim Nachweis von Zysten (insbesondere bei jungen Patienten) an ein von Hippel-Lindau Syndrom gedacht werden sollte. Bei einigen Patienten sind Pankreasläsionen die zunächst erste oder einzige Manifestation dieser Phakomatose.
Die Größe der Zysten variiert hierbei zwischen wenigen Millimetern bis hin zu mehreren Zentimetern, das Ausmaß der Zysten reicht von einzelnen Läsionen bis zu polyzystischer Transformation des gesamten Organs. Auch andere Pankreasläsionen, insbesondere seröse Zystadenome und Inselzelltumoren, seltener Angiome, Hämangioblastome und Karzinome wurden beobachtet.
Solitäre kongenitale Zysten Echte solitäre Zysten sind selten und werden am häufigsten bei Kindern diagnostiziert. Sie resultieren aus Anomalien in der Pankreasgangentwicklung, zeigen eine epitheliale Auskleidung und enthalten seröse Flüssigkeit. Die Zysten variieren zwischen wenigen Millimetern und mehreren Zentimetern im Durchmesser und können uni- oder multilokulär konfiguriert sein.
26.6.2
Pankreaspseudozysten
Definition, Ätiologie, Pathologie Die Pseudozyste ist die häufigste zystische Läsion des Pankreas. Pseudozysten entstehen aus Exsudaten oder autodigestiven Nekrosen des Pankreasparenchyms, die das Substrat einer oft alkoholbedingten, gelegentlich auch biliären oder traumatischen Pankreatitis sind. Die Pseudozysten enthalten seröse oder hämorrhagische Flüssigkeit, manchmal auch nekrotische Gewebssequester. Auf-
Klinik Große Zysten können klinisch durch eine tastbare Resistenz im Oberbauch, epigastrische Schmerzen und durch eine Verdrängung oder Stenosierung des Duodenums symptomatisch werden.
Bildgebung Sonographie. Sonographisch sind Pseudozysten selten komplett
echofrei. Häufiger finden sich Binnenechos in Folge von Blutkoageln und Detritus. Auch Septierungen sind möglich. Begleitend zeigen sich häufig Zeichen einer akuten oder chronischen Pankreatitis. Sonographische Differenzialdiagnosen sind in der Übersicht aufgelistet. Computertomographie. In der CT bieten Pseudozysten ein sehr variables Bild. Die Größe reicht von Mikrozysten (<1 cm) zu sehr ausgedehnten, raumfordernden Läsionen. Pseudozysten können komplett intrapankreatisch lokalisiert sein. Häufiger findet sich jedoch eine extrapankreatische Lage, wobei bei fehlendem Kontakt zum Pankreas die diagnostische Zuordnung erschwert wird. Häufig ist der Zysteninhalt wässrig (0–15 HE); hämorrhagisches und nekrotisches Material führt jedoch zu einem Dichteanstieg (. Abb. 26.18). Die Zystenwandung kann sehr dünn sein oder eine Dicke von mehreren Millimetern erreichen. Meist liegt ein mehr oder minder ausgeprägtes Enhancement der Wandung vor. Länger bestehende Pseudozysten können Wandverkalkungen entwickeln. > Sehr hohe Dichtewerte (>25 HE) des Zysteninhalts können auf eine Einblutung oder eine Superinfektion hinweisen, letztlich ist aber eine Superinfektion mittels 6
26
880
26
Kapitel 26 · Pankreas
alleiniger Bildgebung nicht zu beweisen. Auch kleine Gaseinschlüsse können im Rahmen einer Superinfektion entstehen; manchmal erklären sich die Lufteinschlüsse jedoch durch eine Fistel zwischen der Pseudozyste und dem Darmlumen. Magnetresonanztomographie. In der MRT ist der Zysteninhalt in der T1-Wichtung typischerweise hypointens und in der T2Wichtung hyperintens, nekrotisches Material oder Blutabbauprodukte können jedoch zu Signalveränderungen führen. Die Zystenwand ist in den nativen Sequenzen signalarm, nach Kontrastmittel-Applikation zeigt sich ein variables Enhancement. Die MRCP weist manchmal Verbindungen zwischen Ductus pancreaticus und Pseudozyste nach. Differenzialdiagnosen. Die differenzialdiagnostische Abgren-
zung einer zystischen Neoplasie, insbesondere eines intraduktalpapillär-muzinösen Tumors (IPMT, s. unten) oder einer muzinös-zystischen Neoplasie ist schwierig bis unmöglich, sofern keine bekannte Pankreatitis in der Anamnese bzw. mittels vorausgegangener Bildgebung gesichert ist. Der Amylasespiegel in der Flüssigkeit von Pseudozysten (Feinnadelaspiration) ist fast immer höher als der in der Flüssigkeit von zystischen Neoplasien, allerdings wurden auch bei zystischen Neoplasien hohe Amylasespiegel berichtet. Auch eine Abgrenzung der Pseudozysten von den »echten« Zysten kann Schwierigkeiten bereiten.
Sonographische Differenzialdiagnose echofreier Läsionen des Pankreas 4 Kongenitale Zyste – Echofrei – Rund – Dorsale Schallverstärkung – Häufig in Kombination mit Leber- und Nierenzysten 4 Retentionszyste – Echofrei – Rund oder polygonal – <1 cm – Häufig Zeichen einer chronischen Pankreatitis 4 Pseudozyste – Echofrei/heterogen – Rundlich – Echogene Wand – Häufig Zeichen einer Pankreatitis 4 Nekrose – Echofrei/echoarm – Polyzyklisch oder bandförmig – Ohne Randsaum – Häufig peripankreatische Flüssigkeitsansammlungen, Aszites 4 Gefäßquerschnitte, Aneurysmen – Mittels Farbdoppler zu verifizieren 4 Querschnitte segmentaler Gangdilatationen
. Abb. 26.19. Magenausgangsstenose bei Pankreaspseudozysten. Die im Pankreaskopf gelegenen Pseudozysten (Pfeile) führen zu einer Magenausgangsstenose mit massiv dilatiertem Magen
Komplikationen Mögliche Komplikation stellen Einblutungen in die Zyste und sekundäre Infektionen des Zysteninhalts dar. Lebensbedrohlich sind Arrosionsblutungen aus der A. lienalis, gastroduodenalis oder gastroepiploica. Durch Kompression des Ductus choledochus kann es zu einem Verschlussikterus kommen, auch können durch die raumfordernde Wirkung Stenosen des oberen Magendarmtrakts auftreten (. Abb. 26.19). Eine Zystenruptur kann eine Peritonitis zur Folge haben. > Die spontane Heilung von Pankreaspseudozysten ist durchaus möglich, viele Pseudozysten werden innerhalb von 4–6 Wochen resorbiert. Nach 6–8 Wochen ist eine spontane Rückbildung in der Regel jedoch nicht mehr zu erwarten.
Therapie Asymptomatische Pseudozysten müssen im weiteren Verlauf nicht behandelt werden. Symptomatische Pseudozysten sollten interventionell therapiert werden (sonographisch oder computertomographisch gesteuerte transkutane Drainagenanlage; Gastrozystostomie). Operative Verfahren (z. B. Zystojejunostomie) sollten frühestens 6 Wochen nach Abklingen der akuten Pankreatitis zum Einsatz kommen, da erst dann die Zystenwand für eine Anastomosennaht stabil genug ist.
26.7
Pankreasneoplasien
Neben den im folgenden Kapitel näher erläuterten zystischen und soliden Pankreasneoplasien existieren eine Vielzahl weiterer seltener Tumoren des Pankreas, von denen in der Literatur häufig nur eine geringe Zahl von Fällen beschrieben wurde und die bildgebend zumeist nicht präzise charakterisiert werden können. Diesbezüglich sei auf die Spezialliteratur verwiesen.
881 26.7 · Pankreasneoplasien
. Tab. 26.6. Zystische epitheliale Pankreasneoplasien
Neoplasie
Altersgipfel
m:w
Bevorzugte Lokalisation
Typische radiologische Befunde
Dignität
Intraduktal-papillärmuzinöser Tumor (IPMT)
Höheres Alter
m>w
Ursprung im Ductus Wirsungianus oder in Seitenästen
Zystenkonglomerat, das mit dem Gangsystem kommuniziert; häufig Dilatationen der Pankreasgänge inkl. Aufweitung der Papille; fokale bzw. noduläre Wandverdickungen möglich.
Niedrigmaligne
Muzinös-zystische Neoplasien (Muzinöses Zystadenom/ -adenokarzinom)
Mittleres Alter
w>>m
Pankreas-korpus und -schwanz
Gut begrenzter, großer Tumor; uni- oder multilokulär zystisch; Makrozysten (häufig >2 cm); oft verdickte Septen; (periphere) Verkalkungen in ca. 15%.
Hohes Potenzial für maligne Entartung
Mikrozystisches Adenom (Seröses Zystadenom)
Höheres Alter
w>m
Pankreaskopf und -korpus
Lobulierter, gut begrenzter, großer Tumor; multiple Mikrozysten (überwiegend <2 cm); evtl. zentrale Narbe nachweisbar; (zentrale) Verkalkungen in ca. 30%.
Benigne
Solid-pseudopapilläre Neoplasie
Junges Alter
w>>m
Pankreasschwanz
Gut begrenzter, großer Tumor; solide und zystische Anteile; Verkalkungen möglich.
Niedrigmaligne
26.7.1
Zystische Pankreasneoplasien
Durch die zunehmende Resektionsquote haben sich in den letzten Jahrzehnten die Kenntnisse über die insgesamt seltenen zystischen Pankreasneoplasien enorm erweitert. Pathologische Klassifikationsschemata wurden überarbeitet und zahlreiche neue Tumorentitäten wurden beschrieben. Im Folgenden sollen die vergleichsweise häufigeren Tumorentitäten genauer ausgeführt werden, eine zusammenfassende Übersicht hierüber gibt . Tab. 26.6. Darüber hinaus existieren zahlreiche weitere epitheliale und nichtepithelale zystische Tumorentitäten, über die in der Literatur bisher meist nur in Form von Fallvorstellungen oder Studien mit geringer Fallzahl berichtet wurde. > Eine wichtige Aufgabe der radiologischen Diagnostik besteht v. a. darin, echte zystische Tumoren von tumorähnlichen Läsionen, z. B. den Pankreaspseudozysten, zu unterscheiden, da sich die Behandlungsstrategien für diese beiden Gruppen deutlich unterscheiden.
Innerhalb der Gruppe der echten zystischen Neoplasien besteht hingegen ein sehr ähnliches Behandlungskonzept. Es ist allgemein anerkannt, dass zystische Pankreastumoren eine Operationsindikation darstellen. Dies beruht auf der Erkenntnis, dass sich in den meisten Fällen der histologische Tumortyp und die Dignität erst durch die definitive Histologie bestimmen lassen. Weder bildgebende Verfahren noch die Untersuchung des Zysteninhalts noch der intraoperative Schnellschnitt bieten eine ausreichende Sensitivität und Spezifität für die Artdiagnose und die Festlegung der Dignität. Das notwendige Ausmaß der Radikalität der Resektion wird jedoch für die einzelnen Tumorentitäten z. T. kontrovers diskutiert.
ren zunehmend an Bedeutung gewonnen. In früherer Literatur wurden diese Tumoren auch als intraduktal Muzin hypersezernierende Neoplasien oder duktektatische muzinöse Zystadenome/-adenokarzinome beschrieben. Die IPMT machen etwa 1–3% aller exokrinen Pankreastumoren aus. Sie werden v. a. bei Patienten in der 6.–7. Lebensdekade vorgefunden, die Geschlechtsverteilung ist nicht wegweisend. Histologisch sind die Tumoren durch intraduktale papilläre Proliferationen muzinproduzierender Zellen charakterisiert. In vielen IPMT sezernieren diese Zellen einen zähglasigen Schleim, der zu zystischen Dilatationen der Pankreasgänge mit Durchmessern von 2–4 cm führt. Die zytologischen Atypien in den Proliferationen reichen von minimalen bis schweren Veränderungen, sodass die IPMT in Adenome, Borderline-Tumoren sowie Karzinome ohne und mit invasiver Komponente unterteilt werden. Häufig entspringt der Tumor dem Pankreashauptgang (»main duct type«), aber auch ein Ursprung in den Seitenästen (»branch duct type«) sowie kombinierte Formen sind möglich.
Klinik Die klinische Symptomatik ähnelt nicht selten der einer chronischen Pankreatitis.
Bildgebung
Intraduktal-papillär-muzinöse Neoplasien Definition, Epidemiologie, Pathologie
In der Bildgebung beinhaltet das klassische Erscheinungsbild beim »main duct type« eine diffuse, mitunter multizystisch imponierende Dilatation des Pankreasgangs mit ektatischen Seitenästen und einer Ausbauchung der Papille. Beim »branch duct type« findet sich typischerweise mit bevorzugter Lokalisation im Processus uncinatus eine uni- oder multilokuläre zystische Raumforderung, die mit dem normal weiten oder dilatierten Pankreasgang kommuniziert. In seltenen Fällen kann es bei einem (malignen) IPMT zur Obstruktion des Ductus choledochus kommen, wodurch ein »double duct sign« auftritt.
Die intraduktal-papillär-muzinösen Tumoren (IPMT bzw. IPMN) des Pankreas haben mit der Einführung neuerer Klassifikationen der zystischen Pankreasneoplasien in den letzten Jah-
> Die IPMT werden am besten mit einer Kombination aus MRT und MRCP erfasst.
26
882
Kapitel 26 · Pankreas
26
a
b
c
d
. Abb. 26.20a–d. Intraduktaler papillärer muzinöser Tumor (IPMT), »main duct type«. a, b T2w-HASTE. c Kontrastverstärkte, fettgesättigte T1w-GRE-Sequenz. d MRCP. Erhebliche Dilatation des gesamten Pankreas-
gangs mit zystischen Aussackungen (Pfeile) im Pankreasschwanz. Nach Gadolinium-Applikation zeigt sich ein mäßiges Enhancement der Tumorwände (offene Pfeile)
Die zystischen Raumforderungen sind meist heterogen signalarm in der T1-Wichtung, gelegentlich zeigen sich auch kleine papilläre Tumorknoten mit intermediärem Signal. In der T2Wichtung stellt sich der Zysteninhalt bzw. der dilatierte Pankreasgang stark hyperintens dar. Die MRCP festigt die Diagnose durch den Nachweis der Kommunikation des Tumors mit dem (dilatierten) Gangsystem (. Abb. 26.20). Nach Kontrastmittelgabe kann es zu einem Enhancement der Tumorwände und, insofern vorhanden, der muralen Noduli, kommen. Die Wahrscheinlichkeit eines malignen Tumors steigt mit der Tumorgröße, einem kombinierten Ursprung des Tumors, mit zunehmendem Gangdurchmesser und mit dem Auftreten fokaler Wandverdickungen. Zur Diagnosesicherung kann auch die ERCP beitragen. Hierbei führen eingedickte Muzinpfropfen und Tumorknoten zu Füllungsdefekten innerhalb der dilatierten Gänge. Vor allem reichliche Abgänge von muzinösem Sekret aus einer aufgeweiteten Papille weisen auf die Diagnose eines IMPT hin. Eventuelle murale Noduli sind gut mit der Endosonographie darstellbar.
Die differenzialdiagnostische Abgrenzung eines IPMT von einer chronischen Pankreatitis kann sowohl bildgebend als auch klinisch problematisch sein. Gangstrikturen und Kalzifikationen des Pankreasparenchyms können hier auf einen chronisch-entzündlichen Prozess hinweisen. Das Adenokarzinom des Pankreaskopfs zeigt typischerweise einen abrupten Abbruch des dilatierten Pankreasgangs, während die IPMT typischerweise eine Gangdilatation aufweisen, die sich bis in eine Ausbauchung der Papille fortsetzt. Insbesondere der »branch duct type« der IPMT kann einem muzinösen Zystadenom/-adenokarzinom ähneln, wobei letztere Entitäten in der Regel keine Kommunikation mit dem Gangsystem aufweisen.
Therapie Therapeutisch ist eine radikale Resektion mit Lymphadenektomie anzustreben. Mit einer 5-Jahres Überlebensrate von etwa 80–100% bei den nichtinvasiven Tumoren und von >40% bei den invasiven Tumoren ist die Prognose der IPMT relativ gut.
883 26.7 · Pankreasneoplasien
tige Anteile aufweisen. Letztere Veränderungen können zwar hinweisend für Malignität sein, generell besteht jedoch keine sichere Korrelation zwischen der Dicke der Septen und einer malignen Entartung. > Eine sichere Differenzierung zwischen Zystadenomen und Zystadenokarzinomen ist bildgebend nicht möglich.
Die MRT zeigt je nach Proteingehalt der Zysteninhalte ein variables, heterogenes Signal in T1-gewichteten Sequenzen und ein hohes Signal in T2-gewichteten Sequenzen und erlaubt eine genaue Darstellung der Morphologie der Zystenwandungen und Septen. Differenzialdiagnostisch müssen v. a. die eine andere therapeutische Strategie erfordernden Pseudozysten und mikrozystische Adenome in Betracht gezogen werden. . Abb. 26.21. Muzinös-zystische Neoplasie (makrozystisches Adenom). Die CT (portalvenöse Phase) zeigt eine unilokuläre zystische Raumforderung im Übergangsbereich vom Pankreaskörper zum -schwanz. Die dünne Wandung des Tumors zeigt ein mäßiges Enhancement, der Inhalt ist weichteiläquivalent. Histologisch zeigte sich bereits ein Borderline-Tumor
Muzinös-zystische Neoplasien Definition, Epidemiologie, Pathologie Muzinös-zystische Neoplasien (MZN) treten vorwiegend bei Frauen in der 4.–6. Lebensdekade auf. Histologisch sind die Tumoren aus uni- oder multilokulären großen Zysten (häufig >2 cm) aufgebaut, die durch muzinbildenes Zylinderepithel ausgekleidet sind und in ein zellreiches, ovarartiges Stroma eingebettet sind. Die Tumoren haben im Gegensatz zu den IPMN keine Verbindung zum Pankreasgangsystem. MZN, deren Epithel nur minimale Atypien aufweist, werden als Adenome (Synonyme: muzinöses Zystadenom, makrozystisches Adenom) klassifiziert, während MZN mit mäßigen bzw. schweren Epithelatypien als Borderline-Tumoren bzw. Karzinome (Synonyme: muzinöses Zystadenokarzinom, makrozystisches Adenokarzinom) eingeordnet werden. Mehr als 90% der oftmals sehr großen Tumoren liegen im Korpus-Schwanz-Bereich des Pankreas.
Klinik Die Patienten klagen häufig über Bauchschmerzen oder präsentieren sich mit einem palpablen Tumor.
Bildgebung Die Sonographie bzw. die CT zeigt einen uni- oder multilokulären zystischen Tumor, der insgesamt erhebliche Ausmaße (>10 cm) annehmen kann, wobei der Durchmesser der einzelnen Zysten häufig >2–5 cm beträgt (. Abb. 26.21). Manchmal finden sich kleine Tochterzysten an der Innenfläche einer großen Zyste. Der Zysteninhalt kann CT-morphologisch wasser- oder weichteiläquivalente Dichtewerte aufweisen. Die Septen bzw. Wandungen zeigen meist ein inhomogenes Kontrastmittel-Enhancement. Verkalkungen der Septen kommen eher selten vor. Die Zystenwände und Septen können dünnwandig und glatt begrenzt sein, können aber auch irregulär verdickt sein und kno-
Therapie Muzinöse Zystadenome haben ein hohes Potenzial für eine maligne Entartung zum Zystadenokarzinom. Therapie der Wahl ist daher eine radikale Resektion mit Lymphadenektomie. Im Gegensatz zu den soliden Pankreaskarzinomen haben die muzinösen Zystadenokarzinome allerdings eine bessere Prognose, sie wachsen langsamer und metastasieren vergleichsweise spät.
Serös-zystische Neoplasien Der bekannteste Vertreter der Gruppe der serös-zystischen Tumoren des Pankreas ist das mikrozystische Adenom, welches in der Literatur auch als seröses Zystadenom angeführt wird. Eine weniger häufige Variante stellt das seröse oligozystische (makrozystische) Adenom dar. Im Rahmen des von-Hippel-LindauSyndroms kann eine Pankreasbeteiligung in Form serös-zystischer Adenome vorliegen. Das seröse Zystadenokarzinom ist extrem selten, bislang wurden nur sehr wenige Fälle in der Literatur beschrieben.
Mikrozystisches Adenom (Seröses Zystadenom) Das seröse mikrozystische Adenom (Synonym: seröses Zystadenom) macht etwa 1–2% aller Pankreasneoplasien aus und tritt bevorzugt bei Frauen in höherem Lebensalter auf. Histologisch besteht der benigne Tumor aus multiplen kleinen Zysten (überwiegend <2 cm), die durch kubische Epithelzellen mit glykogenreichem Zytoplasma ausgekleidet sind. Das fibröse Stroma bildet eine charakteristische sternförmige zentrale Narbe aus, die Verkalkungen enthalten kann. In der Regel liegt ein gut begrenzter, großer Tumor (häufig >5 cm) vor. Bevorzugte Lokalisation ist der Pankreaskopf. Häufig handelt es sich um einen asymptomatischen Zufallsbefund, bei Sitz des Tumors im Pankreaskopf kann als Komplikation eine Obstruktionspankreatitis oder ein Verschlussikterus auftreten. Bildgebung. Sonographisch zeigt sich ein feinzystischer Tumor mit echoarmen Arealen. Bei Vorliegen von sehr kleinen, schwammartigen Zysten kann die Läsion allerdings auch relativ echodicht erscheinen und von einem soliden Tumor kaum zu unterscheiden sein. Eine zentrale Narbe, sofern bildgebend nachweisbar, stellt sich echoreich dar.
26
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Kapitel 26 · Pankreas
26
a
. Abb. 26.22. Mikrozystisches Adenom (seröses Zystadenom). Koronare MPR der portalvenösen Phase. Nachweis eines großen, relativ gut begrenzten Tumors im Pankreaskörper und –schwanz. Die multiplen Mikrozysten ergeben ein honigwabenartiges Muster (Pfeil: zentrale Verkalkung)
Die CT zeigt typischerweise einen lobulierten, aus multiplen, 1–20 mm großen Zysten aufgebauten Tumor mit mäßig bis deutlich kontrastmittelanreichernden Septen bzw. Zystenwänden. Insgesamt ergibt sich meist ein honigwabenartiges Muster (. Abb. 26.22). Wenn die Zysten unter der Auflösungsgrenze liegen, kann die Läsion allerdings auch einen eher soliden Eindruck erwecken. In etwa einem Drittel der Fälle zeigen sich sternförmige Verkalkungen (»sunburst«) innerhalb einer zentralen fibrösen Narbe. Analog zeigt sich in der MRT ein in der T2-Wichtung hyperintenser und in der T1-Wichtung hypointenser multizystischer Tumor (. Abb. 26.23), wobei infolge von Einblutungen auch eine gewisse Signalanhebung des Zysteninhalts in der T1-Wichtung beobachtet werden kann. Eine evtl. erkennbare zentrale Narbe kommt hypointens in der T2-Wichtung zur Darstellung. Eine Kommunikation mit dem Pankreasgangsystem liegt nicht vor (. Abb. 26.23). Nach Kontrastmittelgabe kommt es in der Regel zu einer Anreicherung der stark vaskularisierten Zystenwände und der zentralen Narbe. Der Tumor zeigt keine Zeichen einer lokalen Invasivität. > Das mikrozystische Adenom ist ein benigner Tumor, der kein Potenzial zu einer malignen Entartung aufweist. Therapie. Bei sicheren morphologischen Zeichen für ein seröses Zystadenom sollten daher organsparende Resektionsverfahren angewendet werden, bei älteren asymptomatischen Patienten ist auch ein Zuwarten gerechtfertigt.
Seröses oligozystisches Adenom Das seröse oligozystische Adenom ist im Gegensatz zum serösen mikrozystischen Adenom aus wenigen, relativ großen Zys-
b . Abb. 26.23a, b. Mikrozystisches Adenom (seröses Zystadenom). a axiale T2-w TSE-Sequenz. b MRCP. Es zeigt sich ein aus mehreren Mikrozysten (Pfeile) aufgebauter Tumor im Pankreaskopf. Die MRCP zeigt keine Kommunikation des Tumors mit dem Pankreasgang
ten aufgebaut und wurde deshalb in der Literatur auch als makrozystisches seröses Zystadenom beschrieben. Bildgebend zeigt sich typischerweise ein unilokulärer oder aus wenigen Zysten aufgebauter, insgesamt eher kleinerer (<5 cm) Tumor mit dünner Zystenwandung. Eine sichere radiologische Differenzierung dieses Tumors von einem muzinösen Zystadenom/Zystadenokarzinom ist in der Regel nicht möglich.
Von-Hippel-Lindau-assoziiertes zystisches Adenom Im Rahmen eines von-Hippel-Lindau-Syndroms kann eine Beteiligung des Pankreas vorkommen. Hierbei finden sich oft multiple serös-zystische Adenome, die diffus im Pankreas verteilt sind und im fortgeschrittenen Stadium das Pankreas fast komplett zystisch umbauen können.
Solid-pseudopapilläre Neoplasien Definition, Epidemiologie, Pathologie Die solid-pseudopapillären Neoplasien (Synonyme: solider und papillärer Epitheltumor, papilläre epitheliale Neoplasie, papilläre zystische Neoplasie) machen etwa 1% aller Pankreasneoplasien aus und kommen fast ausschließlich bei jungen Frauen vor. Histologisch zeigen die als niedrigmaligne geltenden Tumo-
885 26.7 · Pankreasneoplasien
ren solide und pseudopapilläre Gewebsanteile, die von gefäßführenden hyalinen Stromasträngen getragen werden und von Hämorrhagien durchsetzt sind. Aufgrund ihrer meist pseudozystischen Umwandlung werden sie unter den zystischen Tumoren aufgeführt. Bevorzugte Lokalisation ist der Pankreasschwanz.
. Tab. 26.7. TNM-Klassifikation des exokrinen Pankreaskarzinoms (nach UICC) T T0
Kein Anhalt für Primärtumor
Bildgebung
Tis
Carcinoma in situ
Sonographisch und CT-morphologisch zeigt sich eine meist
T1
Tumor begrenzt auf Pankreas, Tumordurchmesser ≤2 cm in größter Ausdehnung
T2
Tumor begrenzt auf Pankreas, Tumordurchmesser >2 cm in größter Ausdehnung
T3
Tumor breitet sich jenseits des Pankreas aus, jedoch ohne Infiltration des Truncus coeliacus oder der A. mesenterica superior
T4
Tumor infiltriert Truncus coeliacus oder A. mesenterica superior
große Raumforderung, die sich aus zystisch degenerativen, nekrotischen und soliden Anteilen unterschiedlicher Ausprägung zusammensetzen kann. Die Zysten sind häufig relativ dickwandig. Die Zysteninhalte können sich in der CT aufgrund von Hämorrhagien dichteangehoben darstellen. Nach Kontrastmittelgabe findet sich meist ein mäßiges Enhancement der soliden Anteile. Periphere oder zentrale stippchenartige Verkalkungen sind möglich. In der MRT zeigen die Tumoren in der T1-Wichtung eine variable Signalintensität, wobei signalreiche Areale häufig auf Hämorrhagien zurückzuführen sind. In der T2-Wichtung haben die Läsionen ein heterogenes Signal mit hyperintenser Darstellung der zystischen Komponenten. Differenzialdiagnostisch schwierig abzugrenzen ist v. a. das muzinöse Zystadenom/-adenokarzinom.
N N0
Keine regionären Lymphknotenmetastasen
N1
Regionäre Lymphknotenmetastasen
M M0
Keine Fernmetastasen
M1
Fernmetastasen
Therapie Etwa 90% der Patienten werden durch eine komplette Resektion des Tumors geheilt. Eine Metastasierung ist auch bei Tumoren von erheblicher Größe selten.
. Tab. 26.8. Stadieneinteilung des exokrinen Pankreaskarzinoms (nach UICC) Stadium 0
Tis
N0
M0
Stadium IA Stadium IB
T1 T2
N0 N0
M0 M0
Adenokarzinome Definition, Epidemiologie, Ätiologie
Stadium IIA Stadium IIB
T3 T1–T3
N0 N1
M0 M0
Das Pankreaskarzinom ist in Deutschland nach dem Kolon- und dem Magenkarzinom der dritthäufigste Tumor des Verdauungstrakts, die Inzidenz liegt bei etwa 10:100 000 Einwohnern jährlich. Der Häufigkeitsgipfel der Erkrankung liegt im 6.–8. Lebensjahrzent, wobei Männer etwas häufiger betroffen sind. Die Ätiologie des Pankreaskarzinoms ist bisher nicht vollständig geklärt. Als prädisponierende Risikofaktoren gelten u. a. das Zigarettenrauchen, ein hoher Fleisch- und Fettkonsum, spezielle Noxen (z. B. Benzolderivate) und eine chronische Pankreatitis. Auch eine familiäre Häufung des Tumors ist bekannt.
Stadium III
T4
jedes N
M0
Stadium IV
jedes T
jedes N
M1
26.7.2
Solide Pankreasneoplasien
Pathologie, Klassifikation Das duktale Adenokarzinom ist der weitaus häufigste Tumor des Pankreas und macht etwa 80% aller malignen Pankreastumoren aus. Histologisch besteht das duktale Adenokarzinom aus gangähnlichen Strukturen mit neoplastischen Drüsen. Der Tumor ist in der Regel schleimbildend. Charakteristisch sind die intensive desmoplastische Stromareaktion sowie die Invasion der Nervenscheiden. Etwa 70% der Tumoren sind im Pankreaskopf lokalisiert, etwa 25% liegen im Pankreaskörper und 5% im Pankreasschwanz. Die TNM-Klassifikation und die Stadiengruppierung (. Tab. 26.7, . Tab. 26.8) des exokrinen Pankreaskarzinoms er-
folgt nach der UICC, wobei in den letzten Jahren mehrfach eine Modifikation der Klassifikation erfolgte.
Klinik Während Karzinome im Bereich des Pankreaskopfs relativ frühzeitig zu einem Verschlussikterus führen, werden Korpus- oder Kaudakarzinome meist erst in fortgeschrittenen Tumorstadien symptomatisch. Die klinische Symptomatik ähnelt häufig der der chronischen Pankreatitis.
Diagnose, Therapie Der Tumormarker CA 19-9 zeigt in bis zu 90% der Fälle einer Erhöhung, ermöglicht jedoch keine aussagekräftige Frühdiagnose. Bis heute gibt es keine medikamentöse Therapie, die einen wesentlichen Einfluss auf das Langzeitüberleben von Pankreaskarzinompatienten hat, sodass eine kurative Resektion die einzige potenzielle Option auf eine Heilung oder zumindest
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Kapitel 26 · Pankreas
wesentliche Verlängerung der Überlebenszeit der Patienten darstellt.
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> Zum Zeitpunkt der initialen Diagnosestellung eines Pankreaskarzinoms liegt in >90% der Fälle ein fortgeschrittenes Tumorstadium vor, sodass bei nur etwa 10–20% der Patienten eine Tumorresektion in kurativer Intention vorgenommen werden kann. Eine wichtige Aufgabe der radiologischen Diagnostik besteht neben der Tumordetektion darin, die Resektabilität bzw. Irresektabilität eines Tumors zu ermitteln und damit Patienten mit potenziell resektablen Tumoren rechtzeitig zu identifizieren und Patienten mit inoperablen Tumoren vor einer unnötigen Laparotomie zu bewahren.
Unter welchen konkreten Voraussetzungen eine Tumorresektion indiziert ist, wird in vielerlei Hinsicht kontrovers diskutiert. Weitgehende Einigkeit besteht jedoch darüber, dass lokoregionäre Lymphknotenmetastasen keine Kontraindikation zur Operation darstellen. Fernmetastasen machen einen Tumor inoperabel und sind vorwiegend in der Leber und in Form einer Peritonealkarzinose, seltener in der Lunge vorzufinden. Liegt eine Infiltration der Pfortader vor, gibt es bereits Kontroversen zur chirurgischen Therapie, insbesondere ob eine Resektion gerechtfertigt ist, da auch nach erfolgreicher Resektion des infiltrierten Gefäßabschnitts eine sehr ungünstige Prognose für das Langzeitüberleben besteht. Eine tumoröse Infiltration der großen peripankreatischen Arterien (Truncus coeliacus, Leberarterie, A. mesenterica superior) stellt für die meisten Chirurgen eine Kontraindikation für eine Operation dar. Eine Infiltration der Milzgefäße bei einem Pankreasschwanzkarzinom ist insofern irrelevant, als dass bei der Pankreaslinksresektion ohnehin eine Splenektomie vorgenommen wird.
das »double duct sign« weisen auf das Vorliegen eines Pankreaskarzinoms hin, wobei sich auch mittels ERCP, ähnlich wie bei den meisten anderen bildgebenden Verfahren, die Differenzierung zwischen einem Tumor und entzündlichen Veränderungen im Rahmen einer chronischen Pankreatitis schwierig gestaltet. Computertomographie. Unter Verwendung der MehrschichtSpiral-CT werden Tumordetektionsraten von 86–100% beschrie-
ben, der Nachweis einer Irresektabilität des Tumors gelingt mit Sensitivitäten von 85–96% und Spezifitäten von 85–89%. Die relativ niedrigen Treffsicherheiten von 38–79% im Nachweis lokoregionärer Lymphknotenmetastasen in der CT dürften v. a. auf die häufig fehlende Vergrößerung von bereits metastatisch befallenen Lymphknoten zurückzuführen sein. Lebermetastasen werden mit der CT trotz ihrer oftmals geringen Größe von wenigen Millimetern mit einer Treffsicherheit von >80% nachgewiesen, wohingegen sich der Nachweis einer Peritonealkarzinose schwierig gestaltet. Die bezüglich der Diagnose einer Gefäßinfiltration in der Literatur angegebenen Sensitivitäten und Spezifitäten variieren sehr deutlich mit Werten um 46–84% und 78–99%. Beim duktalen Adenokarzinom handelt es sich, im Gegensatz zu den meist stark vaskularisierten endokrinen Pankreastumoren, fast ausschließlich um einen hypovaskularisierten Tumor. Dieser demarkiert sich nach i.v.-Kontrastmittel-Applikation in der Regel hypodens gegenüber dem normalen, stark vaskularisierten Pankreasparenchym. In etwa 10% der Fälle ist der Tumor allerdings isodens zum umgebenden Pankreasparenchym und daher schwer zu detektieren. Hier können indirekte Zeichen wie Konturveränderungen des Organs und Gangdilatationen bzw. -abbrüche zur Diagnose führen (Übersicht) (. Abb. 26.24). Eine unscharfe Organkontur und streifige Verdichtungen des peripankreatischen Fettgewebes können sowohl durch eine organüberschreitende Tumorinfiltration als auch durch eine entzündliche Begleitpankreatitis bedingt sein.
Bildgebung Sonographie. Die transabdominelle Sonographie stellt häufig
den ersten Schritt in der Diagnostik von Pankreaskarzinomen dar. Der Nachweis eines Pankreaskarzinoms gelingt laut Literaturangaben mit einer Sensitivität von 65–90%. Sonomorphologisch ist das Pankreaskarzinom wie die meisten malignen Tumoren echoarm. Da die Echostruktur des Pankreas jedoch altersabhängig echoarm bis echoreich sein kann, grenzen sich die Tumoren sowohl echoarm innerhalb eines echoreichen Pankreas oder auch echogleich in einem relativ echoarmen Pankreas ab. In letzterem Fall sind v. a. Konturvorwölbungen des Organs oder ein Pankreasgangabbruch hinweisgebend. Für das Staging des Pankreaskarzinoms ist die transabdominelle Sonographie nur eingeschränkt geeignet. Die Endosonographie (EUS) hat sich insbesondere bezüglich des Nachweises kleinerer Tumoren als sehr effektives Verfahren herausgestellt. Ein Vorteil besteht auch in der Möglichkeit der endosonographisch gesteuerten Nadelbiopsie, welche in geübter Hand eine Sensitivität und Spezifität von 74–95% bzw. 100% für den Karzinomnachweis hat. ERCP. Die ERCP erreicht eine Sensitivität und Spezifität für die Tumordetektion von >90%. Gangabbrüche und Stenosen sowie
Bildgebende Morphologie des duktalen Adenokarzinoms des Pankreas 4 Direkter Tumorhinweis: – Hypovaskularisierte Raumforderung 4 Indirekte Zeichen: – Fokale Verplumpung bzw. umschriebene Konturvorwölbung des Organs – Gestörte Lobulierung des Parenchyms – Atrophie der dem Tumor vorgeschalteten Organabschnitte – Dilatation des Ductus pancreaticus mit abruptem Gangabbruch – Dilatation des Ductus choledochus (evtl. Cholestase bis in die intrahepatischen Gallenwege) mit abruptem Gangabbruch im Pankreaskopf
Für die Diagnostik von Gefäßinfiltrationen sind in zahlreichen Studien unterschiedliche CT-Kriterien getestet worden. Durchgesetzt hat sich insbesondere die Klassifikation nach Lu von 1997, bei welcher der Grad der tumorösen Ummauerung eines
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. Tab. 26.9. Kriterium der Gefäßummauerung zur Beurteilung einer Gefäßinfiltration
Grad der Gefäßummauerung
Prognose für eine Gefäßinfiltration
Kein Kontakt zwischen Tumor und Gefäß
Höchstwahrscheinlich keine Infiltration
< 90° der Gefäßzirkumferenz
Sehr wahrscheinlich keine Infiltration
90–180° der Gefäßzirkumferenz
Fraglich
180–270° der Gefäßzirkumferenz
Infiltration sehr wahrscheinlich
> 270° der Gefäßzirkumferenz
Infiltration höchstwahrscheinlich
a
b . Abb. 26.24a, b. Adenokarzinom des Pankreaskopfs. a, b Die CT (portalvenöse KM-Phase, von kranial nach kaudal) zeigt eine Dilatation des Ductus choledochus (offener Pfeil) mit intrahepatischer Cholestase und eine Dilatation des Ductus pancreaticus major (Pfeilspitzen) mit Atrophie des Pankreaskörpers und -schwanzes. Der Tumor im Processus uncinatus (Pfeil) bedingt einen abrupten Abbruch beider Gangsysteme
a . Abb. 26.25a, b. Pankreaskorpuskarzinom mit Infiltration der V. mesenterica superior. a Axiale und b koronare MPR der portalvenösen
Gefäßes als Kriterium für den Ausschluss bzw. Nachweis einer Gefäßinfiltration dient (. Tab. 26.9). Eine Gefäßummauerung von >180° wertete Lu als Zeichen für eine Infiltration und erzielte damit eine Sensitivität von 84% bei einer Spezifität von 98%, wobei sich in darauf folgenden Studien diese relativ hohe Treffsicherheit trotz verbesserter CT-Techniken nicht immer verifizieren ließ. Tumorthromben und Gefäßverschlüsse im Tumorareal sind als sehr zuverlässige Zeichen einer Infiltration zu werten. Das »tear drop sign«, eine tränenförmige Entrundung der V. mesenterica superior, soll mit hoher Treffgenauigkeit eine Infiltration selbiger anzeigen. Eine Oliteration der ein Gefäß umgebenden Fettlamelle sowie Gefäßstenosen (. Abb. 26.25) können weitere Zeichen einer Infiltration sein. Allerdings können die nicht selten den Tumor begleitenden entzündlich-fibrotischen Veränderungen sowie auch die direkte raumfordernde Wirkung des Tumors einen Verlust der perivaskulären Fettlamelle bzw. eine Kompression des Gefäßlumens bedingen, ohne dass tatsächlich eine Infiltration der Gefäßwand vorliegt.
b Phase. Der hypovaskularisierte Tumor (offener Pfeil) infiltriert die V. mesenterica superior, die filiform stenosiert ist (Pfeil)
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Kapitel 26 · Pankreas
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Alternativ kann als Kontrastmittel auch Mangafodipir (Teslascan) für die Tumordetektion verwendet werden. Nach Gabe von Mangafodipir kommt es zu einer deutlichen Signalintensitätszunahme des Pankreasparenchyms in T1-gewichteten Sequenzen, wohingegen der Tumor das Kontrastmittel kaum bis gar nicht aufnimmt. Seit der Einführung der MSCT wird diese vielerorts als effektivste Methode für die Detektion und ein umfassendes Staging des Pankreaskarzinoms angesehen. Die MRT wird derzeit v. a. bei unklarem CT-Befund oder zur Charakterisierung von zystischen Läsionen eingesetzt. Differenzialdiagnostisch muss v. a. die chronische Pankreatitis (7 Kap. 26.5.2) von einem Pankreaskarzinom abgegrenzt werden. Sowohl für die CT als auch für die MRT (sowohl mit Mangafodipir- als auch mit Gadoliniumkontrastverstärkung) stellt dies nicht selten ein schwerwiegendes Problem dar, sodass bei zweifelhaftem Befund eine histologische Abklärung anzustreben ist. Aufgrund von intratumoralen Nekrosen oder zystischen Gangdilatationen kann der Tumor gelegentlich als zystische Läsion imponieren, auch histologische Sonderformen wie z. B. das muzinöse Adenokarzinom (. Abb. 26.28) sind mitunter schwierig von anderen zystischen Pankreasneoplasien zu differenzieren.
Prognose, Therapie
b . Abb. 26.26a, b. Adenokarzinom im Pankreasschwanz. a Axiale T2wHASTE. b MRCP. Nachweis eines T2w-hyperintensen Tumors im Pankreasschwanz (Pfeil). Die MRCP zeigt den tumorbedingten Gangabbruch mit proximaler Gangdilatation (offener Pfeil) und einen normalen Pankreasgang distal des Tumors (Pfeilspitzen)
Die Prognose des Pankreaskarzinoms ist mit einer 5-JahresÜberlebensrate von <5% extrem schlecht. Liegt nach den Befunden der Stagingdiagnostik ein resektabler Tumor vor, so ist der derzeitige Therapiestandard die partielle Pankreatikoduodenektomie bei Pankreaskopftumoren und die Linksresektion mit Splenektomie bei Lokalisation des Tumors im Pankreaskorpus oder –schwanz (7 Kap. 26.8.2). Insgesamt liegen die 5-Jahresüberlebens-Raten nach Resektion eines Pankreaskopfkarzinoms bei ca. 15–25%, wobei nach R0-Resektion immerhin Werte von bis zu 35% angegeben werden. Die häufigsten Gründe für ein Therapieversagen liegen in der Entwicklung eines lokoregionären Tumorrezidivs und im Auftreten von Lebermetastasen.
Azinuszellkarzinom Magnetresonanztomographie. Die MRT erzielt unter Verwen-
dung gadoliniumhaltiger Kontrastmittel mit der CT vergleichbare Ergebnisse bezüglich der Detektion von Pankreasneoplasien und der Abklärung ihrer Operabilität. Für die Tumordetektion sollten neben T2-gewichteten TSE Sequenzen (der Tumor stellt sich meist gering hyperintens dar) stets auch T1-gewichtete fettgesättigte GRE-Sequenzen akquiriert werden, da diese bereits nativ einen hohen Tumor-Parenchym-Kontrast (der Tumor stellt sich hypointens dar) aufweisen. Allerdings kann eine begleitende Atrophie des Pankreas die Signalintensität des Parenchyms herabsetzen und somit den Tumor-Parenchym-Kontrast mindern. Nach Gadolinium-Applikation sollten dynamische T1-gewichtete Sequenzen, am besten 3D-GRE Sequenzen mit Fettsättigung durchgeführt werden, in denen der Tumor hypointens zur Darstellung kommt. Eine ergänzende MRCP zeigt die Morphologie von Ductus choledochus und Ductus pancreaticus (. Abb. 26.26). Für die Beurteilung der peripankreatischen Gefäße kann eine ergänzende MR-Angiographie zum Einsatz kommen (. Abb. 26.27).
Das seltene Azinuszellkarzinom stellt etwa 1% aller Pankreaskarzinome, häuft sich in der 5.–7. Lebensdekade und geht von den Drüsenazini aus. Gelegentlich kommt es bei sekretorisch aktiven Azinuszellkarzinomen zu einem Lipaseübertritt ins Blut, was mit einer disseminierten Pannikulitis, Polyarthropathie und Bluteosinophilie einhergeht. Bildgebend stellen sich Azinuszellkarzinome als exophytische, ovaläre oder rundliche, relativ gut begrenzte Tumoren dar. Sie zeigen nur ein geringes Enhancement und stellen sich somit im Vergleich zum Pankreasparenchym hypovaskularisiert dar. Kleine Tumoren sind relativ homogen solide, größere Tumoren enthalten häufig zystische Nekrosen und können Verkalkungen aufweisen. Die Azinuszellkarzinome metastasieren erst sehr spät, somit ist ihre Prognose relativ gut.
Inselzelltumoren Definition, Pathologie, Ätiologie Die Inselzelltumoren zählen zu den Tumoren des »diffusen neuroendokrinen Systems« (auch APUD-System genannt) und sind
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b . Abb. 26.27a–c. Irresektables Pankreaskopfkarzinom. a Koronare T2w-HASTE. b MRCP. c MR-Angiographie, venöse Phase. Darstellung eines großen t2w-hyperintensen Tumors (Pfeil) im Pankreaskopf. Die MRCP zeigt das typische »double-duct-sign« mit abruptem Abbruch (Pfeil) der beiden Gänge. Die venöse MR-Angiographie dokumentiert einen Tumoreinbruch (Pfeil) in den venösen Konfluens (weiße Pfeilspitze: V. portae; schwarze Pfeilspitze: V. lienalis)
tumoren generell nicht eine bevorzugte Lokalisation im Pankreaskopf, sondern sind relativ gleichmäßig verteilt. Die endokrinen Pankreastumoren können sowohl sporadisch als Einzeltumoren auftreten, als auch autosomal dominant vererbt werden im Rahmen der multiplen endokrinen Neoplasie Typ I (MEN I), sog. Wermer-Syndrom. Bei der MEN I liegen in variabler Kombination folgende Tumoren vor (in absteigender Häufigkeit): Hyperplasien oder Adenome der Nebenschilddrüse (primärer Hyperparathyreoidismus), Inselzelltumoren (v. a. Gastrinome und Insulinome), Hypophysenadenome (v. a. Prolaktinom und STH-om), seltener Tumoren der Lunge, des Thymus und der Haut (z. B. Lipome). Auch das autosomal-dominant vererbte von-Hippel-Lindau Syndrom ist (neben Hämangioblastomen des ZNS, Retinaangiomen und Nierentumoren etc.) mit einem vermehrten Auftreten von Inselzelltumoren assoziiert (. Abb. 26.29).
Klinik c
mit einer Inzidenz von 5:1 000 000 Einwohnern pro Jahr sehr selten. Der Großteil der Inselzelltumoren entsteht im Pankreas. Inselzelltumoren sind überwiegend benigne (ca. 90%) und endokrin aktiv (ca. 75%). Die Tumoren werden nach dem Hormon benannt, das die neoplastischen proliferierenden Zellen vorwiegend produzieren. Am häufigsten liegen Insulinome vor, gefolgt von Gastrinomen und endokrin inaktiven (nichtfunktionellen) Tumoren; andere hormonproduzierende Tumoren sind Raritäten. Im Gegensatz zu den Adenokarzinomen zeigen Inselzell-
Endokrin aktive Inselzelltumoren werden meist früh symptomatisch und weisen daher bei Diagnosestellung eher eine geringe Größe (<2 cm) auf. Endokrin inaktive Inselzelltumoren werden oft erst aufgrund ihrer raumfordernden Wirkung oder durch Metastasen klinisch manifest und sind deshalb bei Diagnosestellung meist relativ groß.
Bildgebung, Diagnostik Sonographisch treten endokrine Pankreastumoren als rundliche, echoarme, relativ glatt begrenzte Raumforderungen in Erscheinung. Für kleine Tumoren ist die Sensitivität der transabdominellen Sonographie jedoch stark eingeschränkt, die Endoso-
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Kapitel 26 · Pankreas
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a
. Abb. 26.29. Nichtfunktioneller neuroendokriner Tumor des Pankreaskopfs bei von-Hippel-Lindau Syndrom. Die CT (Pankreasparenchymphase) zeigt einen großen hypervaskularisierten Tumor im Pankreaskopf (offener Pfeil), der zu einer präobstruktiven Dilatation des Ductus choledochus (weiße Pfeilspitze) und des Ductus pancreaticus (schwarze Pfeilspitze) geführt hat. Im Rahmen des von-Hippel-Lindau-Syndroms traten bei der Patientin auch Phäochromozytome an den Nebennieren auf (kleinknotige hypervaskularisierte Läsion der linken Nebenniere, Pfeil)
b . Abb. 26.28a, b. Muzinöses Adenokarzinom (Gallertkarzinom) des Pankreaskopfs. a In der CT (Pankreasparenchymphase) Nachweis eines stark hypodensen Tumors im Pankreaskopf (Pfeile) bei liegendem Choledochusstent (offener Pfeil). b In der koronaren T2w-HASTE-Sequenz hat der Tumor (Pfeil) ein auffallend hyperintenses Signal, welches nicht dem üblichen Bild eines duktalen Adenokarzinoms entspricht
nographie ist hier (zumindest bei im Pankreaskopf gelegenen Tumoren) weitaus überlegen. Für die Detektion von Inselzelltumoren mit der MSCT wird eine Sensitivität von 64–82% angegeben. > Die meisten Inselzelltumoren zeigen in der arteriellen Kontrastierungsphase ein starkes Enhancement, sodass sie sich kontrastreich vom umgebenden Pankreasparenchym abgrenzen. In der Pankreasparenchymphase und der venösen Phase bleiben die Läsionen zwar meist hyperdens, die Abgrenzung vom dann stark kontrastierten normalen Parenchym ist jedoch oftmals erschwert.
Kleinere Tumoren zeigen meist ein komplettes Enhancement, bei größeren Tumoren sind die Anreicherungen oft inhomogen oder auch ringfömig. Verkalkungen treten in etwa 20–25% der Inselzelltumoren auf, zystische Degenerationen bzw. Tumornekrosen sind hingegen auch bei größeren Tumoren relativ selten.
Eine Differenzierung zwischen benignen und malignen Inselzelltumoren ist bildgebend kaum möglich. Lediglich wenn Zeichen eines lokal infiltrativen Wachstums oder eine Metastasierung vorliegen, kann auf Malignität geschlossen werden. Da Metastasen in der Leber und den regionalen Lymphknoten ähnlich stark vaskularisiert sind wie der Primarius, sollte der gesamte Oberbauch in der arteriellen Kontrastmittelphase gescannt werden. Für den Nachweis neuroendokriner Tumoren des Pankreas mit der MRT wurden in der Literatur Sensitivitäten von 75–100% beschrieben. Fettgesättigte T2-gewichtete TSE-Sequenzen und dynamische kontrastverstärkte T1-gewichtete 3D-GRE-Sequenzen mit Fettsättigung sind besonders zur Tumordarstellung geeignet. Die Tumoren sind in der Regel in der nativen T1-Wichtung hypointens, in der T2-Wichtung meist hyperintens und weisen wie oben beschrieben ein frühes, starkes Enhancement auf. Potenzielle Lebermetastasen zeigen eine vergleichbare Signalcharakteristik. Bei negativer Bildgebung und dringendem Verdacht auf einen endokrinen Pankreastumor kann auch eine sequenzielle Blutabnahme aus dem portalvenösen System (transhepatic portal venous sampling, TPVS) oder eine selektive arterielle Stimulation mit sequenzieller Blutabnahme aus der Lebervene (ASVS, arterial stimulation and hepatic venous sampling) zur Diagnostik der Tumorlokalisation dienen. Bei der TPVS wird zur Blutentnahme perkutan transhepatisch ein Katheter in das Portalvenensystem eingebracht. Es folgt eine fraktionierte Blutentnahme aus der V. portae, der V. lienalis, den Vv. mesenterica inferior und superior und soweit möglich auch aus den Venen des Pankreas. In der Vene, die den Tumor drainiert, ist eine Erhöhung der Hormonkonzentration festzustellen, sodass auf die Tumorlokalisation in unterschiedlichen Abschnitten des Pankreas rückgeschlossen werden kann. Bei der ASVS werden angiographisch selektiv die A. mesenterica superior, A. gastroduodenalis und die A. lienalis sowie
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. Abb. 26.30a, b. Insulinom. Die CT zeigt in der arteriellen Kontrastmittelphase (a) einen kleinen, homogen hypervaskularisierten Tumor im Pan-
kreaskopf (Pfeil). In der portalvenösen Phase (b) ist die Läsion kaum mehr vom umgebenden Pankreasparenchym abzugrenzen
(wegen möglicher Lebermetastasen) die A. hepatica katheterisiert und ein die Hormonausschüttung stimulierendes Agens (z. B. Kalzium beim Insulinom, Sekretin beim Gastrinom) injiziert. Dies führt, falls der Tumor im Versorgungsgebiet der Arterie liegt, zu einer Hormonausschüttung, die in den aus der Lebervene gesammelten Blutproben nachgewiesen werden kann. Eine wichtige Rolle sowohl in der Detektion als auch im Staging der neuroendokrinen Tumoren spielt als nuklearmedizinisches Verfahren die Somatostatinrezeptor-Szintigraphie (Octreotidszintigraphie). Die Sensitivität zum Nachweis von neuroendokrinen Tumoren wird mit 81–88% angegeben, wobei sich jedoch für die einzelnen histologischen Subtypen deutliche Unterschiede ergeben. Differenzialdiagnostisch ist bei den stark anreichernden Inselzelltumoren unter anderem eine hypervaskularisierte Pankreasmetastase zu erwägen. Insbesondere die endokrin inaktiven Inselzelltumoren zeigen manchmal nur ein geringes Enhancement bzw. sind in etwa 10% der Fälle hypovaskularisiert. Dann wird die differenzialdiagnostische Abgrenzung von einem Adenokarzinom schwierig. Während Verkalkungen bei <2% der Adenokarzinome vorkommen, finden sie sich bei etwa 20% der neuroendokrinen Pankreastumoren.
Therapie Operative Therapieverfahren sind die Tumorenukleation oder -resektion, ggf. auch eine Pankreasteilresektion. Bei kompletter Resektion kann häufig eine definitive Heilung erreicht werden.
Histologische Subtypen der Inselzelltumoren Im Folgenden werden die histologischen Subtypen der Inselzelltumoren einzeln erläutert. Eine Übersicht gibt . Tab. 26.10.
Insulinom Das Insulinom ist der häufigste endokrin aktive Tumor des Pankreas. Betroffen sind alle Altersklassen ohne Geschlechtsbevorzugung. Das Insulinom ist in 4% der Fälle mit der MEN I vergesellschaftet. Klinisches Leitsymptom ist die Whipple-Trias mit Spontanhypoglykämie nach Fasten, hypoglykämischen Symptomen (Heißhunger, Schwitzen, Tachykardie etc.) und Besserung der Symptome nach i.v.-Glukosegabe. Die meisten Insulinome sind klein (<2 cm), stark hypervaskularisiert und liegen nahezu vollständig innerhalb des Pankreasparenchyms (. Abb. 26.30) bzw. führen nur zu geringen Konturvorwölbungen. Insulinome sind überwiegend solitär, nur in
. Tab. 26.10. Inselzelltumoren
Typ
Häufigkeit
Bildgebung
Malignität
Insulinom
ca. 60–75%
Stark hypervaskularisiert Meist sehr klein (<2 cm)
Selten (5–10%)
Gastrinom
ca. 20%?
Stark hypervaskularisiert Meist relativ klein (3–4 cm) Häufig multipel Häufig Lebermetastasen
Häufig (50–90%)
Nichtfunktionelle Tumoren
ca. 15–20%
VIPom, Glukagonom, Somatostatinom
Selten
Meist hypervaskularisiert (nichtfunktionelle Tumoren in 10% hypovaskularisiert) Meist relativ groß (>5 cm) Große Tumoren können gelegentlich Nekrosen und zystische Veränderungen aufweisen
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. Abb. 26.31a–c. Nichtfunktioneller neuroendokriner Pankreastumor. a Koronare T2w-HASTE. b Axiale gadoliniumverstärkte T1w-GRE-Sequenz mit Fettsättigung. c MRA, venöse Phase. Die Schnittbilder zeigen einen sehr großen, relativ gut begrenzten, in der T2-Wichtung gering signalangehobenen Tumor im Bereich des Pankreaskopfs mit randständig betontem, inhomogenem Kontrastmittel-Enhancement. Bemerkenswert sind die trotz der erheblichen Größe des Tumors nahezu fehlende Cholestase sowie die Unversehrtheit der peripankreatischen Gefäße, die durch den Tumor lediglich verlagert und ausgespannt, jedoch nicht infiltriert werden. Das insgesamt eher expansive Wachstumsmuster spricht gegen ein Adenokarzinom
etwa 10% der Fälle finden sich multiple Tumoren. Mehr als 90% der Insulinome sind benigne. Maligne Tumoren sind tendenziell größer als benigne.
Gastrinom Das Gastrinom ist der zweithäufigste endokrin aktive Tumor des Pankreas. In etwa 20% der Fälle liegt eine MEN I vor. Gastrinome liegen bevorzugt in der Umgebung des Pankreaskopfs, d. h. im Pankreaskopf selbst oder extrapankreatisch im angrenzenden Duodenum oder Magen. Multiple Tumoren sind häufig. Klinisches Leitsymptom ist das Zollinger-Ellison-Syndrom mit Magenhyperazidität, multiplen Ulzera des oberen Gastrointestinaltrakts und Diarrhoe. Die meisten Gastrinome sind klein (3–4 cm) und deutlich hypervaskularisiert. Das Gastrinom ist allerdings in 60–90% der Fälle maligne und hat zum Zeitpunkt der Diagnose meist schon in die Leber metastasiert.
c
VIPom, Glukagonom und Somatostatinom Dies sind seltene endokrin aktive Inselzelltumoren. Das VIPom produziert ein vasoaktives, intestinales Polypeptid (VIP) und ruft klinisch das so genannte Verner-Morrison-Syndrom hervor mit wässrigen Diarrhoen, Hypokaliämie und Achlorhydrie (pankreatisches Cholerasyndrom). Glukagonome führen zu einem Diabetes mellitus und einem migratorischen nekrotisierenden Exanthem. Das Somatostatinom kann mit Steatorrhoen, einem milden Diabetes mellitus und mit einer Cholelithiasis einhergehen. Aufgrund der häufig unspezifischen Symptome der genannten Tumoren und der damit verzögerten Diagnose sind diese oftmals relativ groß (>5 cm). Malignität liegt in 50– 90% der Fälle vor.
Nichtfunktionelle Tumoren Die nichtfunktionellen Tumoren bilden die dritthäufigste Gruppe der endokrinen Pankreastumoren. Viele dieser Tumoren pro-
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a
. Abb. 26.32. Pankreasmanifestation eines Non-Hodgkin-Lymphoms, CT. Die CT zeigt eine inhomogen hypodense Raumforderung im Pankreaskopf, die zu einer prästenotischen Dilatation des Ductus pancreaticus (Pfeilspitze) und zu einer Kompression des distalen Ductus choledochus mit konsekutivem Gallenblasenhydrops geführt hat. Im Mesenterium finden sich zahlreiche Lymphknoten
duzieren ein pankreatisches Polypeptid (PPome), welches jedoch keine hormonelle Symptomatik hervorruft. Aufgrund der fehlenden Klinik sind die Tumoren bei Diagnosestellung häufig relativ groß (5–10 cm), Tumoren >10 cm sind keine Seltenheit (. Abb. 26.31). Größere endokrin inaktive Tumoren neigen zu Nekrosen und Hämorrhaghien, sodass sie mit inhomogener Dichte und zentralen Hypodensitäten zur Darstellung kommen können und somit schwieriger von einem Adenokarzinom zu differenzieren sind. In mehr als 60% der Fälle sind die Tumoren maligne, zum Zeitpunkt der Diagnosestellung liegen oftmals schon Metastasen vor.
b . Abb. 26.33a, b. Pankreasmetastasen eines Hypernephroms. a Koronare T2w-HASTE. b Kontrastverstärkte VIBE-Sequenz, arterielle Phase. Nachweis von mehreren arteriell hypervaskularisierten und in der T2-Wichtung mäßig hyperintensen Metastasen (Pfeile) im Pankreas bei kleinem Hypernephrom in der linken Niere (Pfeilspitze). Zusätzlich Nierenzyste (offener Pfeil). Bereits Zustand nach Tumornephrektomie rechts
Metastasen Lymphome
Pankreasmetastasen sind bei fortgeschrittenem Tumorleiden
Primäre Lymphome des Pankreas sind selten. Eine sekundäre Mitbeteiligung des Pankreas soll in bis zu 30% der Fälle bei NonHodgkin-Lymphomen zu beobachten sein.
nicht so selten wie früher angenommen, in Autopsiestudien zeigte sich eine Prävalenz von 1–3%. Allerdings ist ein solitärer metatastatischer Befall des Pankreas die Ausnahme. Die häufigsten zugrunde liegenden Primärtumoren sind Karzinome der Mamma, Lunge, Niere (. Abb. 26.33), des Gastrointestinaltrakts sowie das Melanom. Aufgrund der engen Nachbarschaftsbeziehungen kann auch eine direkte Tumorinvasion ausgehend von angrenzenden Organen (z. B. Magen, Kolon) vorliegen.
Bildgebung. Primäre Lymphome sind zum Zeitpunkt der Diagnosestellung meist relativ groß (>4 cm). Eine sehr unscharfe Begrenzung des hypovaskularisierten Tumors mit streifigen Infiltrationen in das peripankreatische Fettgewebe ist typisch, nicht selten finden sich zentrale Nekrosen. Der Tumor ähnelt somit einem Adenokarzinom, jedoch anstatt in die angrenzenden Strukturen (Organe und Gefäße) einzubrechen, zeigen Lymphome eher ein verdrängendes Wachstum mit Verlagerung der Gefäße. Bei sekundären Lymphommanifestationen im Pankreas (. Abb. 26.32) zeigen sich typischerweise bereits sehr ausgeprägte extrapankreatische abdominelle Tumormassen (retroperitoneale oder mesenteriale Lymphadenopathie, Läsionen in Milz, Leber und Nieren).
Bildgebung. In Abhängigkeit von dem zugrunde liegenden Primarius können Pankreasmetastasen hyper- oder hypovaskularisiert sein. Größere Läsionen zeigen meist zentrale Nekrosen. Die Differenzierung einer hypovaskularisierten Metastase von einem primären Adenokarzinom ist bei unbekanntem Primarius bzw. fehlendem Hinweis auf sonstige Metastasen schwierig, generell scheinen Metastasen aber eine geringere Tendenz zur Infiltration des peripankreatischen Fettgewebes, der Gangsysteme und der peripankreatischen Gefäße zu haben.
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Kapitel 26 · Pankreas
26.8
Diffuse (metabolische) Pankreasveränderungen
Zystische Fibrose (Mukoviszidose) Definition, Epidemiologie, Ätiologie Die auch als Mukoviszidose bezeichnete zystische Fibrose (CF) ist eine autosomal rezessive Erbkrankheit, bei der die Epithelzellmembranen defekte Chloridkanäle aufweisen. Mit einer Inzidenz des homozygot manifesten Erbleidens von ca. 1:2500 pro Jahr ist sie die häufigste angeborene Stoffwechselerkrankung hellhäutiger Menschen. Das CF-Gen liegt auf dem langen Arm von Chromosom 7 und kodiert für CFTR (cystische-FibroseTransmembran-Regulatorprotein). Dieses Membranprotein beinhaltet defekte Chloridkanäle, welche in allen exokrinen Drüsen (im Bronchialsystem, Pankreas, Dünndarm, Gallenwegen, Gonaden, Schweißdrüsen etc.) die Bildung zähflüssiger Schleimsekrete bewirken.
Pathogenese, Klinik Im Pankreas verursacht die Mukostase mit retinierten Verdauungsenzymen bereits im Säuglingsalter eine Ektasie der Drüsenazini, Atrophie der Azinusepithelien sowie eine fortschreitende Fibrose des Drüseninterstitiums. In der Folge kommt es in unterschiedlicher Ausprägung zur Bildung narbig ummantelter Retentionszysten, fettiger Degenerationen des Parenchyms und einer Atrophie des Organs. Die in etwa 90% der Fälle resultierende exokrine Pankreasinsuffizienz führt zu chronischen Durchfällen, einem Maldigestionssyndrom und Untergewicht. Die Langerhans-Zellen werden initial von den fibrotischen Umbauvorgängen ausgespart, mit zunehmendem Lebensalter steigt dann allerdings die Prävalenz der endokrinen Pankreasinsuffizienz.
Bildgebung Bildgebend findet sich bei der zystischen Fibrose am häufigsten eine vollständige Verfettung des Pankreas, bei gleichzeitiger Organvergrößerung spricht man auch von einer »lipomatösen Pseudohypertrophie«. Aber auch eine diffuse Atrophie des Organs sowie Mischformen sind häufig anzutreffen (Übersicht). Sonographisch führen die Fettablagerungen und die fibrotischen Veränderungen zu einer erhöhten Echogenität. Organvergrößerungen als auch -verkleinerungen sind zu beobachten. Nicht selten finden sich zusätzlich kleinzystische Veränderungen. CT-morphologisch zeigt sich ein inhomogenes Parenchym bei einem Nebeneinander von Fibrosen und fettiger Degeneration, wobei letztere zu entsprechenden Dichteminderungen des Parenchyms führt. Bei komplett durch Fett ersetztem Organ ist dieses kaum mehr vom retroperitonealen Fettgewebe abzugrenzen (. Abb. 26.34). Parenchymverkalkungen finden sich bei etwa 8% der Patienten, wobei das Spektrum von kleinen, punktförmigen über granulären bis hin zu konfluierenden Verkalkungen reicht. In T1-gewichteten MRT-Sequenzen kommt das Fettgewebe sehr signalreich zur Darstellung, zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung kann ggf. eine Verifizierung mittels fettgesättigter Sequenzen erfolgen. Etwaige fibrotische Veränderungen stellen
. Abb. 26.34. Zystische Fibrose. Bei der 22-jährigen Patientin ist das Pankreas nahezu komplett durch Fettgewebe ersetzt; der Pankreasschwanz ist nicht mehr vom umgebenden Fettgewebe abzugrenzen (Pfeile), lediglich im Pankreaskopf deutet sich noch residuelles Parenchym an. Bei der Patientin lag außerdem ein intrahepatisches cholangiozelluläres Karzinom vor (Stent im Ductus choledochus)
sich sowohl in der T1- als auch in der T2-Wichtung signalarm dar. Mikrozysten (typischerweise 1–3 mm), die sich vornehmlich auf dem Boden einer Gangobstruktion durch eingedicktes Sekret ausbilden, sind häufig anzutreffen. Makrozysten (>1 cm) kommen weniger häufig vor.
Spektrum der bildgebenden Pankreasbefunde bei zystischer Fibrose Die Befundmuster lassen sich in 3 große Gruppen einteilen: 1. Diffuse Pankreasverfettung (>50% der Patienten), häufig mit Organvergrößerung (»lipomatöse Pseudohypertrophie) 2. Kleines, atrophes Pankreas mit partieller Verfettung 3. Diffus atrophes, kleines Pankreas ohne Verfettung Weitere Befunde sind: 4 Gelegentlich Parenchymverkalkungen 4 Häufig Mikrozysten 4 Gelegentlich Makrozysten (>1 cm) 4 Seltene Form: multiple Makrozysten unterschiedlicher Größe (»pancreatic cystosis«)
Ein im englischen Sprachgebrauch als »pancreatic cystosis« beschriebenes, seltenes Befundmuster beinhaltet das Auftreten multipler Makrozysten unterschiedlicher Größe, die das Organ partiell oder vollständig und in uni- oder multilokulärer Form durchsetzen können. Differenzialdiagnostisch ist dieser Befund insbesondere von zystischen Pankreasneoplasien abzugrenzen.
895 26.8 · Diffuse (metabolische) Pankreasveränderungen
> Im Frühstadium der primären Hämochromatose beschränken sich die Eisenablagerungen auf die Leber. Der Nachweis von Eisenablagerungen im Pankreas korreliert häufig bereits mit einem zirrhotischen Leberumbau.
Bildgebung Sonomorphologisch zeigt sich in fortgeschrittenen Stadien
. Abb. 26.35. Primäre Hämochromatose. T2w-GRE-Sequenz. Ausgeprägte Signalabsenkung des Leberparenchyms, zusätzlich zirrhotischer Umbau. Das Pankreas zeigt ebenfalls massive Signalabsenkungen bei atrophiertem Parenchym (Pfeile). Die fokalen Eisenablagerungen in der Milz (»Gamna Gandy Bodies«) sind erst im späten Verlauf der Erkrankung aufgetreten und sind eigentlich nicht typisch für die primäre Form der Hämochromatose; möglicherweise sind sie sekundär entstanden, z. B. infolge einer portalen Hypertension
Therapie Zwar stellen bei der zystischen Fibrose die pulmonalen Pathologien die führende Ursache für die Morbidität und Mortalität der Patienten dar, doch in Folge der verbesserten Therapien und somit höheren Lebenserwartung der Patienten rücken auch die Manifestationen an anderen Organen zunehmend in den Vordergrund. Die Therapie der exokrinen Pankreasinsuffizienz beinhaltet die Verabreichung hochkalorischer Kost und eine Pankreasenzymsubstitution.
Hämochromatose Definition, Epidemiologie, Ätiologie, Klinik Bei der primären (heriditären) Hämochromatose handelt es sich um eine seltene, autosomal rezessiv vererbte Eisenspeicherkrankheit, von der Männer wesentlich häufiger betroffen sind als Frauen. Ursächlich ist eine erhöhte, unregulierte Eisenaufnahme der Mukosazellen des Dünndarms und in der Folge eine progrediente Eisenakkumulation in Leber, Herz, Pankreas, endokrinen Organen, Haut sowie Gelenken.
Klinik, Pathologie Klinisch manifeste Symptome (Leberzirrhose, Diabetes mellitus, Arthralgien etc.) treten meist erst zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr auf. Im Pankreas findet man eine progrediente Parenchymfibrose mit Hämosiderinablagerungen in Interstitium, Drüsenazini und Langerhans-Inseln, makroskopisch ist das Pankreas rostbraun und verhärtet (»Rost-Pankreaszirrhose«). Der in etwa 70% der Fälle resultierende Diabetes mellitus wird aufgrund der häufig zugleich vorliegenden dunklen Hautpigmentierung (Melanin) auch als »Bronzediabetes« bezeichnet.
eine Echogenitätszunahme des Pankreasparenchyms bei verkleinertem Organ. In der (nativen) CT findet sich eine Erhöhung der Dichtewerte des Pankreasparenchyms (>70 HE) bei gleichzeitig erhöhter Dichte der Leber (bis zu 130 HE, »weiße Leber«). In der MRT kommt es im Laufe der Erkrankung in T2-gewichteten Sequenzen zu einer Signalabsenkung in Leber und Pankreas, wohingegen die Milz weiterhin ein unauffälliges Signalverhalten aufweist. T2*-gewichtete Sequenzen sind für den Eisennachweis besonders sensitiv (. Abb. 26.35). Differenzialdiagnostisch sind v. a. diverse sekundäre Formen der Hämochromatose (auch als Hämosiderosen bezeichnet) abzugrenzen. Ursächlich sind bei den sekundären Formen der Eisenspeicherkrankheiten u. a. chronische Hämolysen (z. B. bei der Sphärozytose, Thalassämie, Sichelzellanämie), multiple Bluttransfusionen und die Leberzirrhose. Während sich bei der klassischen Form der primären Hämochromatose das Eisen in Parenchymzellen ablagert, wird bei den sekundären Formen bzw. Hämosiderosen das Eisen in erster Linie im retikuloendothelialen System (RES) akkumuliert. Typischerweise ist daher bei der primären Hämochromatose die Milz frei von Eisenablagerungen, während bei sekundären Formen Eisenablagerungen in Leber und Milz (RES) nachweisbar sind, das Pankreas jedoch nicht bzw. erst sehr spät betroffen ist (wenn die Kapazität des RES erschöpft ist).
Therapie Die wirksamste Therapie der primären Hämochromatose besteht in Aderlässen oder der Erythroapherese, wobei der Zeitpunkt des Beginns der Therapie einen entscheidenden Einfluss auf die Prognose der Erkrankung hat. Bei einem Therapiebeginn vor Manifestation einer Leberzirrhose und eines Diabetes mellitus ist von einer normalen Lebenserwartung auszugehen. Sekundäre Formen der Siderosen werden mit Chelatbildnern (Deferoxamin) therapiert.
Lipomatose Definition, Klinik Die Pankreaslipomatose entspricht im weistesten Sinne einer Stoffwechselstörung, die sich in Form einer interstitiellen Fettgewebsvermehrung mit (»lipomatöse Atrophie«) oder häufiger ohne (»lipomatöse Pseudatrophie«) begleitendem Schwund des exokrinen Parenchyms manifestiert, die Langerhans-Inseln sind in der Regel nicht betroffen. Pathogenetisch besteht am häufigsten ein Zusammenhang mit der Adipositas oder der Organalterung (Übersicht). Klinisch zeigen sich meist keine exo- oder endokrinen Funktionsausfälle.
Bildgebung In der Bildgebung stellt sich das Parenchym lobuliert dar und die Organkontur ist bei meist reduziertem Volumen erhalten. Sono-
26
896
Kapitel 26 · Pankreas
. Tab. 26.11. Schweregrade des Pankreastraumas (AAST, American Association for the Surgery of Trauma)
26
Grad
Typ
Verletzungsmuster
I
Hämatom
Geringe Kontusion ohne Gangbeteiligung
Lazeration
Oberflächlicher Organeinriss ohne Gangbeteiligung
Hämatom
Höhergradige Kontusion ohne Gangbeteiligung oder Gewebeverlust
Lazeration
Tiefe Rissverletzung ohne Gangbeteiligung oder Gewebeverlust
III
Lazeration
Distale Organruptur oder Parenchymdestruktion mit Gangbeteiligung
IV
Lazeration
Proximale Organruptur oder Parenchymdestruktion mit Beteiligung der Ampulla Vateri
V
Lazeration
Massive Pankreaskopfdestruktion
II
a
Kongenitale Pankreaslipomatosen (mit exokriner Pankreasinsuffizienz)
b . Abb. 26.36a, b. Pankreasruptur nach stumpfem Bauchtrauma. Nachweis einer Ruptur des Pankreas im Pankreasknie mit deutlicher Dehiszenz und angrenzender freier Luft (Pfeile) sowie weiterer Lazerationen im Pankreaskopf und -körper. Das Mesenterium ist diffus verdichtet
graphisch zeigt sich (im Vergleich zur Leber) eine intensive, gleichmäßige Echogenitätszunahme (. Abb. 26.7). Die Fetteinlagerungen führen zur Dichteabnahme des Parenchyms in der CT, die einzelnen Drüsenläppchen imponieren durch das eingewachsene Fettgewebe wie »auseinander gedrängt«. In der MRT weisen insbesondere die T1-gewichteten Sequenzen die erhöhte Signalintensität der Fetteinlagerungen nach (ggf. Verifizierung mittels fettgesättigter Sequenzen).
Differenzialdiagnosen/Ätiologie der Pankreaslipomatose 4 4 4 4
Adipositas, Hyperlipidämie, Diabetes mellitus Typ II Senile Atrophie Endstadium der chronischen Pankreatitis (7 Kap. 26.5) Verschluss des Ductus pancreaticus mit in der Folge fettiger Atrophie des gestauten Areals 4 Steroide (Kortisontherapie, Morbus Cushing) 4 Zystische Fibrose (7 Kap. 26.8, s. oben) 4 Shwachman-Diamond-Syndrom und Johanson-Blizzard Syndrom
Nach der zystischen Fibrose (s. oben) stellt das ShwachmanDiamond Syndrom die zweithäufigste Ursache für eine exokrine Pankreasinsuffizienz bei Kindern dar. Bei dieser sehr seltenen, kongenitalen Erkrankung kommt es neben einer diffusen Pankreaslipomatose auch zu Veränderungen des Knochenmarks (Granulozytopenie) und des Skeletts (Kleinwuchs); im Gegensatz zur CF ist der »Schweißtest« jedoch nicht pathologisch. Beim seltenen Johanson-Blizzard Syndrom geht die ausgeprägte Pankreaslipomatose mit einer exokrinen und endokrinen Insuffizienz einher; daneben liegen eine kongenitale Aplasie der Nasenflügel, Taubheit, Hypothyreose, Kleinwuchs und ein schweres Malabsorptionssyndrom vor.
26.9
Trauma und postoperative Veränderungen des Pankreas
Pankreastrauma Definition, Klassifikation Bei den insgesamt seltenen traumatischen Verletzungen des Pankreas überwiegen in Europa stumpfe Traumen, v. a. Dezelerationstraumen bei Verkehrsunfällen (Lenkradanprall; Motorradunfälle; bei Kindern insbesondere Fahrradlenkerverletzungen) gegenüber penetrierenden Verletzungen (Schuss- oder Stichverletzung). > Bei stumpfen Pankreastraumen ist am häufigsten der Korpusbereich (Kompression des Pankreas gegen die Wirbelsäule) betroffen (. Abb. 26.36). In etwa 70% der Fälle liegen Verletzungen weiterer abdomineller Organe vor (insbesondere Milz, Leber und Duodenum), nach denen sorgfältig gefahndet werden muss!
Die Einteilung der Schweregrade des Pankreastraumas nach der AAST (. Tab. 26.11) unterscheidet Kontusionen und Rissverlet-
897 26.9 · Trauma und postoperative Veränderungen des Pankreas
zungen ohne Beteiligung des Ductus pancreaticus (Grad I und II; ca. 70% der Fälle) bis hin zu Organrupturen und Parenchymdestruktionen mit Gangbeteiligung (Grad III–V).
Klinik Klinisch entsprechen die Symptome häufig denen einer akuten Pankreatitis oder einer Peritonitis, oft jedoch erst nach einem symptomfreien Intervall. Die Serumamylase ist in der Primärdiagnostik als Indikator nicht geeignet, da sie nicht mit der Verletzungsschwere korreliert.
Bildgebung Die Sonographie hat bei retroperitonealen Verletzungen eine eingeschränkte Sensitivität. Frische Hämatome entsprechen echodichten Veränderungen, die auf das Organ beschränkt sein können oder die Organgrenzen überschreiten. Erst im Verlauf wird das Hämatom dann echoarm oder echofrei. Nach intraperitoneal durchgebrochene Blutungen zeigen sich insbesondere als freie Flüssigkeit im Douglas-Raum, im Morrison-Pouch (zwischen Leber und rechter Niere) sowie perisplenisch. In der CT können ödematöse Parenchymschwellungen, Konturveränderungen des Organs, Injektionen des peripankreatischen Fettgewebes sowie peripankreatische Flüssigkeitsansammlungen auf eine Pankreasverletzung hinweisen. Traumatische Parenchymdefekte wie Kontusionen oder Lazerationen grenzen sich nach Kontrastmittelgabe in der Regel hypodens vom umgebenden vitalen Pankreasgewebe ab (. Abb. 26.36). Indirekte, aber z. T. unspezifische Zeichen sind Flüssigkeitsansammlungen um die A. mesenterica superior, das Colon transversum, in der Bursa omentalis, zwischen Pankreas und V. lienalis sowie auch auf der Gerota-Faszie (Übersicht). Die CT-Befunde bei einer traumatischen Pankreatitis entsprechen denen einer atraumatischen Pankreatitis (7 Kap. 26.5). In früheren Studien erzielte die CT unter Verwendung sequenzieller oder Einzeilen-SpiralTechniken lediglich mäßige Senstivitäten in der Diagnostik von Pankreastraumen und unterschätzte häufig das Ausmaß der Verletzungen. Neuere Ergebnisse mit MSCT-Techniken bleiben abzuwarten.
Bildgebende Befunde bei stumpfem Pankreastrauma Direkte Zeichen: 4 Parenchymverschwellung, Veränderung der Organkontur, Organvergrößerung 4 Lazeration (fokale, lineare Dichteminderung) 4 Organsequestrationen 4 Inhomogenes Enhancement Indirekte Zeichen: 4 Injektionen des peripankreatischen Fettgewebes 4 Peripankreatische Flüssigkeitsansammlungen (evtl. Kommunikation mit Parenchymeinrissen) 4 Flüssigkeit zwischen Parenchym und V. lienalis 4 (hyperdense) Blutungen 4 Verdickung der linksseitigen Gerota-Faszie 6
4 Verletzungen anderer abdomineller Organe (v. a. Milz, Leber, Duodenum) Komplikationen: 4 Pankreasfisteln 4 Intraabdominelle Abszesse 4 Pankreatitis 4 Pseudozysten
> Das therapeutische Vorgehen richtet sich v. a. danach, ob eine Pankreasgangruptur vorliegt. CT-morphologisch sind Gangverletzungen nicht immer direkt darstellbar; Parenchymverletzungen bzw. –einrisse, die mehr als 50% des Organquerdurchmessers erfassen, sind dringend verdächtig für eine Gangverletzung. Die exakte Abklärung des Pankreasgangs sollte nach Möglichkeit mittels MRCP bzw. ERCP erfolgen.
Zur Beurteilung des Pankreasparenchyms mittels MRT eignen sich insbesondere fettgesättigte T1- und T2-gewichtete Sequenzen. Die MRCP erlaubt die direkte Darstellung einer Diskontinuität des Gangs sowie auch den Nachweis angrenzender, evtl. mit der Gangruptur kommunizierender Flüssigkeitsformationen. Im Gegensatz zur ERCP werden mittels MRCP auch die peripher der Gangruptur gelegenen Gangabschnitte dargestellt. Die ERCP ist die sensitivste Methode zum Nachweis von Gangrupturen und bietet den Vorteil einer möglichen therapeutischen Intervention (Stentimplantation). Pankreaskontusionen und Parenchymeinrisse ohne Gangbeteiligung (Grad I oder II) können meist konservativ bzw. mit einer externen Drainage therapiert werden. Bei Instabilität des Patienten werden auch Verletzungen mit Beteiligung des Pankreasgangs (Grad III–V) zunächst mit einer externen Drainage versorgt. Liegt eine distale Gangruptur bei stabilem Patienten vor, so erfolgt in der Regel eine Linksresektion. Ist die Gangruptur im Kopfbereich gelegen, so ist je nach Verletzungsausmaß abzuwägen zwischen einer externen Drainage und einer partiellen Duodenopankreatektomie, wobei letztere v. a. bei Mehrfachverletzten ein hohes Risiko birgt. Zu den insgesamt relativ häufig anzutreffenden Komplikationen nach Pankreastrauma zählen v. a. Pankreasfisteln und intraabdominelle Abszesse (insbesondere nach Verletzungen des Ductus pancreaticus) sowie Blutungen, (akut nekrotisierende) Pankreatitis und Pankreaspseudozysten.
Pankreasresektion Die verschiedenen Operationsverfahren beinhalten eine partielle oder komplette Resektion des Pankreas und gehen mit der Notwendigkeit (partieller oder kompletter) Resektion weiterer Organe sowie diverser Organanastomosierungen einher. Die partielle Duodenopankreatektomie nach KauschWhipple stellt bis heute die chirurgische Standardtherapie beim Pankreaskopfkarzinom bzw. den periampullären Karzinomen dar. Die klassische »Whipple-OP« besteht aus einer en-bloc-Resektion des distalen Ductus choledochus (inkl. der Gallenblase), des Pankreaskopfs, des distalen Magens, des Duodenums (mit
26
898
Kapitel 26 · Pankreas
26
. Abb. 26.38. Lokalrezidiv eines Pankreaskopfkarzinoms bei Zustand nach Whipple-OP. Die CT zeigt eine Weichgewebsvermehrung zwischen Aorta und venösem Konfluens, welche die A. mesenterica superior zirkulär ummauert und spikuläre Ausläufers ins angrenzende Fettgewebe aufweist. In dieser Region treten besonders häufig Rezidive auf. Nebenbefund: Nierenzyste links
einem kurzen Segment des proximalen Jejunums) sowie einer regionären Lymphadenektomie. Die Rekonstruktion erfolgt durch eine Pankreatikojejunostomie oder eine Pankreatikogastrostomie zusammen mit einer biliodigestiven Anastomose und einer Gastrojejunostomie in Kombination mit einer Braun-Fußpunktanastomose (. Abb. 26.37a, b). Eine Variante dieses Verfahrens stellt die pyloruserhaltende partielle Duodenopankreatektomie nach Traverso dar, bei der die Magenteilresektion entfällt (. Abb. 26.37c). Bei Karzinomen der linken Pankreashälfte ist eine Pankreaslinksresektion mit Splenektomie indiziert. Die totale Pankreatektomie beinhaltet meist die Entfernung des Duodenums, der Milz, der Gallenblase und des distalen Ductus choleduchus und birgt den Nachteil eines schwer einstellbaren Diabetes mellitus.
Bildgebung
. Abb. 26.37a–c. Partielle Duodenopankreatektomie: Rekonstruktionsmöglichkeiten. a OP nach Whipple mit Hepatikojejunostomie (1), Pankreatikojejunostomie (2), Gastrojejunostomie (4) und Braun’scher Fußpunktanastomose (5). b OP nach Whipple mit Pankreatikogastrostomie (3). c Pyloruserhaltende OP nach Traverso mit Duodenojejunostomie (6)
Mit der Sonographie können postoperative Flüssigkeitsverhalte gut erfasst und engmaschig verfolgt werden. In der Tumornachsorge liefert diese Methode für die Beurteilung von Lokalrezidiven und Lymphknotenmetastasen nur eine eingeschränkte Sensitivität. Wenn ein Lokalrezidiv erkennbar ist, dann stellt es sich meist als echoarme, inhomogene Raumforderung im ehemaligen Pankreasbett dar. Mittels CT können die einzelnen Anastomosen bei Zustand nach Whipple-OP in der Regel zuverlässig identifiziert werden. Die Pankreatikojejunostomie liegt ventral der Einmündung der V. lienalis in die Pfortader, wobei das Restpankreas im Verlauf nicht selten atroph wird. Die Gastrojejunostomie kommt üblicherweise rechtsseitig des Restmagens zur Darstellung. Insbesondere der für eine biliodigestive Anastomose verwendete Darmabschnitt wird von oral verabreichten Kontrastmitteln in der Regel nicht erreicht, sodass im Bereich der Leberpforte häufig unkontrastierte bzw. kollabierte Darmschlingen zur Darstellung kommen. Bei Zustand nach Pankreaslinksresektion zeigt die CT in der Regel ein in Form und Lage erhaltenes Restpankreas.
899 26.9 · Trauma und postoperative Veränderungen des Pankreas
Zu den peri- bzw. postoperativen Komplikationen zählen Flüssigkeitsansammlungen, die auf Serome, Hämatome, Abszesse, Biliome, Pankreasfisteln oder Pseudozysten zurückzuführen sind. Anastomoseninsuffizienzen gehen häufig mit einer Pankreatitis einher. Eine Enge der biliodigestiven Anastomose führt zu Cholestase. Die relativ seltenen vaskulären Komplikationen umfassen Verletzungen der Leberarterie, Pfortaderthrombosen sowie Aneurysmen und Blutungen. In der Tumornachsorge sind weichteildichte Formationen im ehemaligen Pankreasbett, insbesondere in der Region zwischen Aorta und A./V. mesenterica superior, dringend rezidivverdächtig (. Abb. 26.38). Allerdings dürfen prolabierte bzw. kollabierte Dünndarmschlingen (insbesondere im Bereich der Leberpforte) nicht mit Tumorgewebe verwechselt werden. Streifige Infiltrationen des Fettgewebes im OP-Gebiet sowie manschettenförmige Verdichtungen um die großen peripankreatischen Gefäße sind ebenfalls dringend tumorsuspekt. Allerdings ist hier differenzialdiagnostisch auch an narbig-fibrotische, (post-)entzündliche bzw. postradiogene Veränderungen zu denken. Auch die Differenzierung einer reaktiven versus einer tumorösen Lymphadenopathie gelingt nicht immer. Insbesondere in der frühen postoperativen Phase ist häufig eine reaktive Lymphadenopathie anzutreffen, die sich im weiteren Verlauf bei fehlendem Rezidiv jedoch eher zurückbilden sollte. Indikationen für die MRT-Untersuchung des Restpankreas bestehen in der Tumornachsorge und insbesondere in der Untersuchung der Gallenwege und des Pankreasgangs mittels MRCP,
a
c
da je nach Operationsverfahren eine ERCP nicht durchführbar ist. ! Zu beachten ist, dass sowohl chirurgische Clips als auch eine häufig anzutreffende Aerobilie zu fokalen Artefakten bzw. Signalauslöschungen führen können.
Pankreastransplantation Pankreastransplantation werden am häufigsten in Verbindung mit Nierentransplantationen bei Patienten mit Niereninsuffienz und Diabetes mellitus Typ I vorgenommen (. Abb. 26.39). Typischerweise erfolgt die Transplantation des gesamten Organs mit anhängender Duodenalmanschette. Zur Ableitung des exokrinen Pankreassekrets wird heute vielerorts die enterale Drainage (in Form einer Anastomose zwischem dem Spenderduodenalsegment und einer Dünndarmschlinge des Empfängers) gegenüber einer Blasendrainage (Ausleitung des Sekrets über die Harnblase) vorgezogen. Der Anschluss der Pankreasgefäße erfolgt in der Regel an die Beckengefäße kontralateral zum Nierentransplantat. Die Transplantatpankreatitis lässt sich in 2 Formen unterteilen: 4 eine Frühform, welche nahezu regelhaft als Ausdruck der ischämischen Schädigung des Transplantats auftritt, 4 eine Spätform, deren Ursachen in einer Abstoßungsreaktion, einer Abflussbehinderung oder einer Cytomegalie-Virus-Infektion liegen kann.
b
. Abb. 26.39a–c. Pankreastransplantat. a, b Axiale T2w-TSE-Sequenz mit Fettsättigung. Unauffällige Darstellung des Pankreastransplantats (Pfeile), Nierentransplantat in der linken Fossa iliaca. Der Pankreasschwanz verläuft zwischen dem rechten Ovar (offener Pfeil) und dem Uterus. Die kleine Menge freier Flüssigkeit im Douglas-Raum ist bei der jungen Patientin physiologisch. c CT, 6 Monate später (ähnliche Schichtposition wie bei a): Transplantatpankreatitis. Der Pankreaskörper (Pfeile) ist nun deutlich aufgetrieben und von Exsudaten umgeben
26
900
Kapitel 26 · Pankreas
26
a
b
. Abb. 26.40a, b. Pfortaderthrombose bei Zustand nach Pankreastransplantation. Axiale kontrastverstärkte 3D-GRE-Sequenzen, venöse Phasen. Die Pfortader (Pfeile) des Pankreastransplantats (Pfeilspitzen) ist bei
diesem Patienten an die linke V. iliaca communis angeschlossen. In der Pfortader Nachweis eines umspülten Thrombus (offener Pfeil). Nierentransplantat in der linken Fossa iliaca mit Minderperfusion des Cortex
Bildgebung
kontrastverstärkte Sequenzen. Die anastomosierenden Gefäße und etwaige Komplikationen (Thrombosen, Anastomosenstenosen, Pseudoaneurysmen etc.) können mittels MR-Angiographie abgeklärt werden (. Abb. 26.40).
Die CT kommt in erster Linie für die Darstellung von (postoperativen) Flüssigkeitsansammlungen (Serome, Hämatome, Pankreasfisteln, Abszesse) in der Region des Transplantats zur Anwendung. Daher ist eine gute orale Kontrastierung der angrenzenden Darmschlingen zwecks besserer Übersicht erforderlich. Auch eine Transplantatpankreatitis (. Abb. 26.39c) kann mittels CT diagnostiziert werden, es gelten die für eine Pankreatitis bekannten Kriterien (7 Kap. 26.5). Die CT-morphologischen Veränderungen bei einer Transplantatabstoßung reichen von einem unauffällig imponierenden Parenchym über ödematöse Parenchymverschwellungen bis hin zu inhomogener Kontrastierung. Auch die MRT eignet sich gut zur Darstellung von Flüssigkeitsverhalten in der Region des Transplantats. Eine Verschwellung bzw. eine Größenzunahme des Transplantats im Verlauf kann auf eine akute Abstoßungsreaktion oder eine Pankreatitis hinweisen, während eine Größenabnahme des Transplantats auf eine chronische Abstoßung deuten kann. Ein möglicher Aufstau des exokrinen Sekrets (z. B. bei einer Anastomosenenge) ist mittels MRT gut darstellbar. Transplantatnekrosen kommen in Form einer unscharfen Organkonturierung bzw. -lobulierung, Signalanhebungen in der T2-Wichtung sowie verminderter und verspäteter Parenchymkontrastierung zur Darstellung. Zur Beurteilung der Transplantatvaskularisation dienen dynamische
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27 27 Milz E.J. Rummeny, M. Eiber
27.1
Anatomie und entwicklungsbedingte Besonderheiten
27.2
Bildgebung
27.2.1 27.2.2
Indikationen zur Darstellung der Milz Bildgebende Verfahren – 903
27.3
Trauma
27.4
Fokale Milzläsionen
27.4.1 27.4.2
Milzzysten – 905 Tumoren der Milz – 905
27.5
Infektiöse Erkrankungen
– 909
27.6
Vaskuläre Erkrankungen
– 910
27.7
Weitere Erkrankungen der Milz
– 903 – 903
– 904 – 904
– 911
– 902
902
27
Kapitel 27 · Milz
Die Milz ist das größte lymphatische Organ des menschlichen Körpers. Beim Gesunden hat sie die Aufgabe einer Speicherfunktion, um die Blutzellenkonzentration konstant aufrechtzuerhalten. Bei einer Fehlfunktion der Milz können Gerinnungsstörungen auftreten, die an einer generellen Blutungsneigung mit Einblutungen und Blutergüssen nach Bagatelltraumen oder anhaltenden Blutungen z. B. nach kleineren chirurgischen Eingriffen zu erkennen sind. Während primäre Erkrankungen dieses Organs eher selten sind, können kongenitale Veränderungen, Verletzungen und systemische Erkrankungen zu diffusen oder fokalen Veränderungen führen. Eine Vergrößerung der Milz kann verschiedene auslösende Faktoren haben, z. B. Störungen des körpereigenen Abwehrsystems oder entzündliche bzw. onkologische Erkankungen. Bei einer ausgeprägten Milzvergrößerung empfindet der Patient ein Druckgefühl und Schmerzen im linken Oberbauch, die teilweise auch in die Schulter ausstrahlen können.
27.1
Anatomie und entwicklungsbedingte Besonderheiten
a
Die Milz liegt im linken oberen Quadranten des Bauchraums, direkt unter dem Zwerchfell und dem Rippenbogen. Sie grenzt medial und dorsal an die linke Niere und Nebenniere sowie an den Pankreasschwanz an. Medial und ventral wird sie vom Magen überlagert und kaudal reicht sie bis an die linke Kolonflexur. > Die Größe der gesunden Milz beim Erwachsenen wird mit 4–5 × 7–8 × 11–12 cm (Dicke × Breite × Länge) angegeben.
Die normale Milz besteht aus der roten und weißen Pulpa. Während die rote Pulpa den stark vaskularisierten Anteil des Milzgewebes darstellt, besteht die weiße Pulpa aus lymphatischem Gewebe und kann somit Ausgangspunkt lymphatischer Erkrankungen und Tumoren sein. Die unterschiedliche Weite der Sinusoide in der roten Pulpa führt in der arteriellen Kontrastmittelphase bei der CT und MRT zum so genannten »Tigerfellmuster« (. Abb. 27.1). Erst wenn die rote und weiße Pulpa gleichmäßig von Kontrastmittel durchströmt werden, erscheint die Milz nach Kontrastmittelgabe homogen. Entwicklungsfehler der Milz, wie die Asplenie, sind häufig mit anderen komplexen Fehlern (z. B. Situs inversus, Herzvitien) verbunden. Auch die Polysplenie kann mit anderen kongenitalen Fehlern einhergehen oder durch Implantation von Milzgewebe im Mesenterium nach Milzruptur entstehen. Bei der funktionellen Asplenie ist das Organ zwar anatomisch vorhanden, jedoch ist die Funktion der Milz wahrscheinlich durch eine Beschädigung des retikuloendothelialen Systems (RES) deutlich gestört. So findet sich keine Speicherung von superparamagnetischem Kontrastmittel oder radioaktiven, nuklearmedizinschen Tracern. Erstmals wurde die funktionelle Asplenie schon vor vielen Jahren durch den Nachweis einer fehlenden Anreicherung von Tc-Schwefelkolloidpartikeln bei anatomisch normaler Milz nachgewiesen. Nebenmilzen finden sich etwa in 10% bei der Normalbevölkerung und können einzeln oder auch multipel auftreten. Sie
b . Abb. 27.1a, b. KM-verstärkte CT, Normalbefund der Milz. a In der arteriellen Phase findet sich ein inhomogenes Anreicherungsmusters der Milz (so genanntes »Tigerfellmuster«); b in der Equilibriumphase ist das Organ hingegen homogen kontrastiert
treten insbesondere entlang der Gefäße im Milzhilus auf, sodass sie häufig auch bis an den Pakreasschwanz heranreichen können. In der Regel entstehen sie als Folge einer Fusionsstörung und können mit vergrößerten Lymphknoten oder bei entsprechender Lage mit einem Pankreasschwanztumor verwechselt werden. Der Durchmesser einer Nebenmilz kann 1–10 cm betragen. Nebenmilzen enthalten normales Milzgewebe, sodass sie bei allen Verfahren die gleichen Signalwerte aufweisen, wie das Organ selbst (. Abb. 27.2).
903 27.2 · Bildgebung
a
. Abb. 27.2. Nebenmilz, CT. Kontrastmittelverstärkte CT mit Nachweis einer kleinen Nebenmilz oberhalb des Milzhilus angrenzend an den Pankreasschwanz, die Morphologie und das KM-Verhalten entsprechen dem der Milz
27.2
Bildgebung
27.2.1
Indikationen zur Darstellung der Milz
Bei den meisten primären Indikationen zur Darstellung der Milz ist die Sonographie die wichtigste bildgebende Modalität. Außer bei Traumata kommt die CT neben der MRT auch für die artdiagnostische Einordnung von sonographisch unklaren Befunden zum Einsatz. Als Einsatzgebiet für die MRT wird zudem noch die Abklärung spezieller Probleme angesehen, z. B. im Rahmen von Speichererkrankungen. Die Indikation zur Bildgebung der Milz kann sich bei folgenden Fragestellungen ergeben: 4 Bestimmung der Größe, Form und Lage (auch unter Therapie) 4 Stumpfe und spitze Bauchtraumen 4 Strukturveränderungen, z. B. im Rahmen von Speichererkrankungen, Entzündungen und Systemerkrankungen 4 Nachweis fokaler Läsionen: Metastasen, Milztumoren, entzündliche Läsionen 4 Residuen bei Zustand nach Splenektomie
27.2.2
Bildgebende Verfahren
Sonographie Die Sonographie der Milz erfolgt mit 3,5–5 MHz-Schallköpfen, bevorzugt in Rechtsseitenlage und tiefer Inspiration. Dabei tritt die Milz meist unter dem Rippenbogen hervor und lässt sich auch in den kranialen Anteilen einsehen. Sonographisch zeigt die normale Milz eine homogene Echostruktur und kommt im Vergleich zu den umgebenden Darmstrukturen meist hypoechogen (echoarm) zur Darstellung (. Abb. 27.3).
Computertomographie Die CT kann nativ sowie in den meisten Fällen nach i.v.Kontrastmittelgabe erfolgen, wodurch die Erkennbarkeit fokaler
b . Abb. 27.3a, b. Sonographie der Milz. a Normale Milz mit homogener Echostruktur, der eingezeichnete Längsdurchmesser beträgt 11,5 cm. b Splenomegalie bei Mononukleose
Läsionen deutlich verbessert wird. Eine native CT Untersuchung der Milz ist lediglich bei Verdacht auf eine Blutung oder Verkalkungen sinnvoll. Die normalen Dichtewerte der Milz im CT betragen 40–50 HE und liegen somit etwas niedriger als die für die Leber. > Da die Kontrastmittel-Anreicherung in der frühen Phase aufgrund der oben erwähnten Verhältnisse sehr inhomogen ist, sollte die Beurteilung der Milz immer in der Parenchymphase erfolgen. Dies ist bei Untersuchungen in der arteriellen Phase, wie sie bei der CTDiagnostik des Pankreas oder bei Verdacht auf hypervaskuläre Metastasen in der Leber durchgeführt werden, zu beachten.
Nuklearmedizinische Untersuchungen Nuklearmedizinische Untersuchungen werden mit 99mTc-markierten Tracern, z. B. Kolloidpartikeln oder hitzealterierten Erythrozyten als SPECT-Untersuchungen sowie heute teilweise auch mit 18F-FDG im Rahmen von PET und PET-CT-Untersuchungen durchgeführt. Primäre Indikationen für PET und PETCT-Untersuchungen sind zwar eher selten, jedoch ist die Milz bei
27
904
Kapitel 27 · Milz
jeder Untersuchung mit abgebildet, sodass immer auf entsprechende Befunde geachtet werden muss.
Magnetresonanztomographie
27
Die MRT der Milz erfolgt mit T1w-Gradienten-Echo-Sequenzen in axialer und koronarer Schnittebene, wobei evtl., wie für die übrigen parenchymatösen Oberbauchorgane, Gadolinium-haltige Kontrastmittel zum Einsatz kommen können. T2w-Sequenzen werden in der Regel mit mittlerer und starker T2-Wichtung durchgeführt. Zusätzlich können hierbei zur Detektion kleiner Läsionen superparamagnetische, eisenhaltige Kontrastmittel eingesetzt werden. Dabei erkennt man nach i.v.-Injektion von superparamagnetischen Kontrastmitteln (z. B. Endorem) aufgrund des hohen RES-Gehalts der Milz, eine Aufnahme der Substanz, die zu einer deutlichen Signalreduktion sowohl auf T1w- als auch auf T2w-Aufnahmen führt. Prinzipiell werden für die Milzdiagnostik im Wesentlichen die gleichen Pulssequenzen wie in der Leberdiagnostik angewandt. Beim Vergleich der nativen Signalintensitäten fällt auf, dass in T1w-Aufnahmen die Milz im Vergleich zur Leber etwas hypointenser ist, während sie im T2w-Bild leicht hyperintens erscheint. > Als bildgebende Verfahren werden primär die Sonographie und die CT eingesetzt. Zur speziellen Diagnostik und bei besonderen Fragestellungen können auch die MRT (T1w- und T2w-Sequenzen, evtl. superparamagnetische Kontrastmittel) und nuklearmedizinische Verfahren, wie SPECT und PET sowie PET/CT, eingesetzt werden. Die inhomogene Kontrastmittel-Anreicherung in der arteriellen Phase ist insbesondere in der CT und MRT zu beachten. Daher sollte die Beurteilung der Aufnahmen in der Equilibriumphase erfolgen.
27.3
. Abb. 27.4. Milzruptur, CT. Kontrastmittelverstärkte CT des Abdomens. Nachweis einer Milzruptur mit ausgedehntem Hämatom und intraperitonealer Blutansammlung
verstärkte CT des Abdomens zum Nachweis einer intraperitonealen Blutung, des Milzeinrisses bzw. der Blutungsquelle eingesetzt (. Abb. 27.4). Bleibt die Kapsel erhalten, erkennt man oft eine sichelförmige Flüssigkeitsansammlung darunter. Sonographisch stellt sich das Milzhämatom als echoarmes bzw. als echofreies Areal mit unterschiedlicher Konfiguration dar. Kleine subkapsuläre Hämatome im kranialen, subdiaphragmalen Bereich können leicht übersehen werden. In der CT kommen Milzhämatome im akuten Stadium hypodens zur Darstellung. Ältere Hämatome können auch isodens abgebildet werden und zeigen nach Kontrastmittelgabe keine Anreicherung. Die MRT und andere Untersuchungsverfahren kommen aufgrund der längeren Untersuchungszeiten und der insgesamt aufwendigeren Untersuchungsvorgänge bei der traumatischen Milzverletzung nicht zum Einsatz.
Trauma
Definition, Ätiologie Die traumatische Milzruptur tritt meistens nach einem stumpfen Bauchtrauma auf, kann jedoch auch nach einer spitzen, penetrierenden Verletzung vorkommen. Dabei kann insbesondere nach einem stumpfen Bauchtrauma eine Ruptur des Milzparenchyms entstehen, die entweder mit oder ohne eine Kapselruptur einhergehen kann. Selten kommen Verletzungen der Milz bei extremer Splenomegalie, z. B. im Rahmen von Systemerkrankungen oder bei Infektionen vor. Klinsch treten oft aufgrund einer Phrenikusreizung Schmerzen im Bereich der linken Schulter auf. Rupturiert die Kapsel erst eine Stunde oder gar Tage nach dem Riss des Milzgewebes, spricht man von einer »zweizeitigen Milzruptur« im Gegensatz zur »einzeitigen Ruptur« direkt nach dem Trauma.
Bildgebung Bei Verdacht auf Milzruptur im Rahmen eines Unfalls werden primär die Sonographie sowie oft auch die kontrastmittel-
> Verfahren der Wahl bei Trauma sind Sonographie oder CT. Der Nachweis einer Blutung, ihrer Ausbreitung und der Ausdehnung des Milzrisses sind von großer Bedeutung für die weitere Behandlung des Patienten.
27.4
Fokale Milzläsionen
Differenzialdiagnosen fokaler Milzläsionen 4 Einfache bzw. infektiöse Zyste 4 Benigne Tumoren: Hämangiom, Lymphangiom, Hamartom 4 Primäre Tumoren: Lymphome, Angiosarkome 4 Sekundäre maligne Tumoren: Metastasen, z. B. beim Melanom, Bronchialkarzinom und anderen Tumoren 4 Abszess (z. B. posttraumatisch) sowie andere entzündliche Läsionen, z. B. bei Sarkoidose und Candidabefall
905 27.4 · Fokale Milzläsionen
27.4.1
Milzzysten
Definition, Epidemiologie, Ätiologie Milzzysten sind eher selten; lokalisiert sind sie häufig im unteren Polbereich und subkapsulär. Etwa ein Viertel der Zysten sind angeboren, während der Rest als erworbene Zysten betrachtet werden muss. Hierbei kann es sich um Folgen nach einem Trauma oder Infektionen handeln. Selten können sekundäre Pseudozysten in der Milz aufgrund einer fortgeleiteten Pankreatitis entstehen. Bei diesen Zysten erkennt man häufiger Wandverkalkungen (etwa in 30–50% der Fälle).
Bildgebung Milzzysten kommen in der Regel als scharf begrenzte Läsionen mit wasserähnlicher Dichte zur Darstellung. Sonographisch kommen Zysten echoarm mit dorsaler Schallverstärkung zur Darstellung. Computertomographisch sind Zysten wasserisodens (<20 HE) und zeigen meistens eine dünne Wand, die histologisch mit Epithel ausgekleidet ist. Eine vermehrte Vasularisation des Randbereichs oder eine Kontrastmittel-Aufnahme sind nicht nachzuweisen. Durch Einblutungen kann der Proteingehalt in der Zyste erhöht sein, sodass diese etwas hyperdens erscheinen können. Bei traumatisch bedingten Zysten finden sich später oft randständige Wandverkalkungen. Parasitäre Zysten (z. B. Echinokokkus u. a.) weisen oft Septen und Wandverkalkungen auf. Im MR-Bild weisen Zysten auf T1w-Bildern ein hypointenses und auf T2w-Aufnahmen ein deutlich hyperintenses Signal auf. Abhängig vom Proteingehalt kann die Signalintensität jedoch deutlich variieren (. Abb. 27.5). Septen kommen innerhalb von Zysten als hypointense strang- oder netzartige Strukturen zur Darstellung. Bei den nuklearmedizinischen Untersuchungen zeigen sich Zysten als gut abgegrenzte »kalte Läsionen«.
27.4.2
a
Tumoren der Milz b
Benigne Tumoren Benigne Tumoren der Milz umfassen das Hämangiom als häufigsten Tumor, das Hamartom sowie das Lymphangiom. Im Gegensatz dazu kommen Myxome, Chondrome, Fibrome und Desmoide nur sehr selten vor, sodass ihre Diagnose häufig erst histologisch nach einer entsprechenden Operation gestellt wird.
Hämangiom
. Abb. 27.5a, b. Milzzyste. a T1w-Aufnahme nach Gadolinium DTPAGabe: Hier zeigt sich eine leicht lobulierte hypointense Formation ohne KMAufnahme. b T2w-koronare Aufnahme: glatte Begrenzung und stark T2whyperintense Darstellung der Läsion aufgrund des hohen Flüssigkeitsgehalts analog zum mit abgebildeten Liquor
Definition, Pathogenese
Bildgebung Sonographisch ist das Hämangiom hyperechogen und weist ein
Hämangiome sind Tumoren der Blutgefäße, die in 75% der Fälle schon bei Geburt vorhanden sind. Milzhämangiome treten in der Regel solitär auf und können eine Größe von wenigen Millimetern bis einigen Zentimetern erreichen. Deshalb ist eine isolierte Milzhämangiomatose eine Rarität. Histologisch gehen die Tumoren von den Sinusepithelien meist vom kavernösen Typ, seltener vom kapillären Typ aus. Da die meisten Hämangiome der Milz symptomlos sind und normalerweise langsam wachsen, ist eine Therapie in der Regel nicht notwendig. Ausnahme sind große Hämangiome, bei denen es in 25% zu einer spontanen Ruptur kommen kann.
ähnliches Erscheinungsbild wie das Hämangiom der Leber auf. Häufig werden diese Läsionen nur zufällig im Rahmen einer Untersuchung entdeckt. Das Hämangiom ist glatt begrenzt, Narben oder zentrale Verkalkungen finden sich nur selten. Im nativen CT-Bild kommt das Hämangiom hypodens oder seltener auch isodens zur Darstellung. Nach Kontrastmittelgabe zeigt sich normalerweise eine periphere Kontrastmittel-Aufnahme, sowohl in der CT als auch in der MRT (. Abb. 27.6). MR-tomographisch weist das Milzhämangiom eine mit zunehmender T2-Wichtung ansteigende Hyperintensität auf und läuft nach i.v.-Gabe eines Perfusionskontrastmittels, wie
27
906
Kapitel 27 · Milz
a
27
b . Abb. 27.6. Hämangiom. Arterielle Phase eines CT mit Nachweis einer nodulären, ringförmigen Anreicherung im mittleren Anteil der Milz entsprechend dem typischem Anreicherungsmuster für ein Hämangiom
Gd-DTPA von peripher zu (. Abb. 27.7). Nuklearmedische Scans mit markierten Erythrozyten werden nur noch selten bei besonders schwer zu diagnostizierenden Hämangiomen (atypische, vernarbte Hämangiome) eingesetzt. Durch die Aufnahme der markierten Erythrozyten kommt die Läsion als speichernder (»heißer«) Herd zur Darstellung.
Hamartom Definition, Pathogenese
Hamartome (Splenome oder noduläre Hyperplasie der Milz) gelten als kongenitale tumorartige Neubildung. Sie treten meist solitär auf und werden in der Regel als Zufallsbefund diagnostiziert. Pathologisch findet sich in Hamartomen normales Milzgewebe. Die Größe der Läsionen reicht von wenigen Zentimetern bis hin zu großen, die Nachbarorgane verdrängenden Formationen.
c
Bildgebung
Das Hamartom der Milz ist ein hypervaskularisierter Tumor, der nach Kontrastmittelgabe eine starke Kontrastmittel-Aufnahme meistens von zentral her zeigt. Zusätzlich kann insbesondere der Nachweis von Fett (insbesondere in der MRT) oder Verkalkungen (vorzugsweise bei der CT) bei diesem insgesamt sehr seltenen Tumor der Milz wegweisend sein (. Abb. 27.8).
Lymphangiome Definition, Pathogenese
Lymphangiome der Milz sind selten, wobei sie in einem Teil der Fälle im Rahmen einer Lymphangiomatose, welche auch andere Organe, wie Leber, Mediastinum oder die Haut befällt, auftreten können. Lymphangiome stellen sich histopathologisch als missgebildete und unzureichend ableitende lymphatische Bahnen dar, in denen konsekutiv kleine Verkalkungen gefunden werden. Weil sie in der Regel symptomlos bleiben, ist eine chirurgische Therapie durch Splenektomie nur in Fällen notwendig, bei denen
. Abb. 27.7a–c. Milzhämangiom eines Patienten in CT und MRT. a In der späten KM-Phase im CT zeigt sich eine homogene Anreicherung in der Läsion. b Ein ähnliches homogenes Enhancement findet sich nach Gadolinium-DTPA-Gabe in einer T1w-fettsuprimierten Sequenz. c In der T2w-Aufnahme findet sich ein mäßig hyperintenses Signal, deutlich geringer als bei Milzzysten (. Abb. 27.5)
907 27.4 · Fokale Milzläsionen
durch die sekundäre Splenomegalie starke Unterbauchschmerzen sowie eine Verdrängung der Nachbarorgane auftreten kann. Bildgebung
Lymphangiome der Milz befinden sich meistens subkapsulär und erscheinen als multizystische Strukturen. Bei der Sonographie kommen sie daher oft als konfluierende zystische Formationen zur Darstellung. Sie erscheinen hypodens in der CT und weisen keine wesentliche Kontrastmittel-Aufnahme auf. Im MRT-Bild ergibt sich ebenfalls der Nachweis von konfluierenden Zysten mit hypointenser Signalgebung auf T1w-Aufnahmen und deutlich hyperintensem Signal im T2w-Bild. a
> Die wichtigsten benignen Tumoren sind Hämangiome, Lymphangiome und Hamartome. Sie weisen z. T. charakteristische Merkmale auf, sodass sie nach der bildgebenden Diagnostik gut zu differenzieren sind.
Maligne Tumoren Lymphome Definition, Epidemiologie
b
Der häufigste maligne Tumor der Milz ist das Lymphom. Beim Morbus Hodgkin lassen sich Milzläsionen in ca. 20–30% nachweisen, während sie beim Non-Hondgkin-Lymphom mit einer Frequenz von 30–40% vorkommen. Nur in etwa 1% treten primäre Lymphome der Milz auf. Da der Milzbefall beim Lymphom in etwa drei Viertel der Fälle diffus vorliegt, lassen sich fokale Läsionen oft nicht nachweisen. Häufig ist das Organ nur insgesamt vergrößert.
Differenzialdiagnostik der Splenomegalie 4 4 4 4
Tumoren: Lymphom, Leukämie Infektionen: Mononukleose, Aids Vaskulär: portale Hypertension Stoffwechselerkrankungen: z. B. Morbus Gaucher
Bildgebung
c . Abb. 27.8a–c. Milzhamartome (mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Thomas Vogl). a In der nativen Aufnahme einer KM-Dynamik (T1w mit Fettunterdrückung) erscheint die Milz relativ hypointens als Zeichen der Fetteinlagerungen. b In der arteriellen KM-Phase nach i.v.-Injektion von Gadolinium-DTPA zeigen die Milzharmartone eine deutliche KM-Aufnahme. c In der Spätphase erkennt man mit zunehmendem Zeitintervall eine Angleichung des Signals zwischen den Läsionen und dem normalen Milzgewebe
Beim diffusen Milzbefall kommt das Organ häufig sowohl nativ als auch nach Kontrastmittelgabe inhomogen zur Darstellung. Auch im MR erkennt man oft eine inhomogene Struktur, wobei die Milz im T2w-Bild häufig hypointens zur Darstellung kommt. Nach Gabe von superparamagnetischem Kontrastmittel ist eine signifikante Aufnahme nicht zu erkennen. Bei kleinnodulärem Befall (<1 cm) erkennt man oft kleinknotige Aussparungen des Kontrastmittels, sodass in der CT hypodense bzw. im T1w-MR-Bild hypointense Knoten zur Darstellung kommen, die oft unscharf begrenzt sind. Die Ausbreitung des kleinknotigen Befalls wird sonographisch häufig unterschätzt; sie ist jedoch für die Stadieneinteilung und damit auch für das therapeutische Vorgehen durchaus relevant. Größere Läsionen (>1 cm) sind auch sonographisch als echoarme Areale erkennbar. Die Durchmesser der Läsionen sind in Regel beim Hodgkin-Lymphom meistens kleiner und können beim Non-Hodgkin-Lymphom 3 cm und mehr betragen. Häufig wird die CT-Diagnostik auch im Rahmen des Lymphknotenstagings eingesetzt.
27
908
Kapitel 27 · Milz
seltensten Fällen das führende Symptom. Auch die Therapie der unterschiedlichen Typen der Lymphome orientiert sich weniger an der Vergrößerung der Milz als nach dem insgesamt vorliegenden Erkrankungsstadium, wobei ein Organbefall der Milz in der Regel als Stadium IV nach Ann-Arbor gewertet wird.
27
Primäre maligne Milztumoren
a
Primäre maligne Milztumoren sind sehr selten, wobei hier am häufigsten das Angiosarkom zu finden ist, das neben der denovo-Entstehung auch durch die Aufnahme von Thorotrast, Arsen und Vinylchlorid entstehen kann. Bei diesem lassen sich hypervaskularisierte Herde mit allen Schnittbildverfahren sowie auch mit der Angiographie nachweisen. In der Regel können derartige Herde bei der ersten Diagnostik auch in der Leber nachgewiesen werden. Ein weiterer seltener Tumor ist das Hämangioendotheliom, das oft als solide Raumforderung mit nekrotischen Arealen in der CT sowie der MRT zur Darstellung kommt. Bei beiden Tumoren kann es durch eine Ruptur der Milz zu ausgeprägten Blutungen im Sinne eines Hämoperitoneums kommen.
Metastasen Pathologie
Eine Metastasierung in die Milz findet sich häufig erst bei fortgeschrittener Tumorerkrankung. Der relativ späte Befall der Milz wird auf lokale immunologische Mechanismen zurückgeführt. Milzmetatstasen treten insbesondere bei Mammakarzinomen, Melanomen und Bronchialkarzinomen auf. Seltener finden sie sich auch bei Ovarial-, Magen-, Kolon- und Prostatakarzinomen. Dabei weisen die Metastasen in der Milz häufig eine ähnliche Struktur auf wie die in anderen Weichteilorganen vorkommenden Metastasen, z. B. in Leber oder Lunge. b . Abb. 27.9a, b. Non-Hodgkin-Lymphom. a KM-verstärkte CT mit Nachweis grobknotiger Läsionen im Bereich der Milz bei einem Patienten mit Non-Hodgkin Lymphom. b 18F-FDG PET-CT mit Nachweis einer deutlichen Stoffwechselsteigerung, die konfluierend in der gesamten Milz zu finden ist. Zusätzlich inhomogene Anreichung in der Leber (ohne diagnostische Bedeutung)
Auch die PET und PET-CT Diagnostik wird heute zunehmend zur Bestimmung der Ausbreitung sowie zur Einsätzung eines Therapieerfolgs eingesetzt. Aufgrund der geringeren Auflösung ist sie bei der Diagnostik des Milzbefalls der CT- und MRT-Diagnostik in der Abgrenzung einzelner Herde noch unterlegen (. Abb. 27.9). Symptomatik, Therapie
Die klinische Symptomatik bei Lymphombefall der Milz wird weniger durch den lokalen Befund als durch die Erkrankung selbst bestimmt. Dementsprechend reicht das Spektrum von symptomlosen Fällen (meist im Initialstadium), über die typischen Lymphknotenschwellungen bis hin zu der typischen B-Symptomatik bzw. sekundären Symptomen durch den Knochenmarkbefall. Eine Splenomegalie führt dabei manchmal zu unspezifischen Druckgefühl im Oberbauch, ist jedoch in den
Bildgebung
Sonographisch erscheinen Metastasen hypoechogen bzw. echoarm. Typische Muster wie periphere Ringstrukturen mit erhöhter Kontrastmittel-Aufnahme und nekrotischen Zentren lassen sich ebenfalls in einigen Fällen mit allen Schnittbildverfahren nachweisen. Hypervaskuläre Metastasen weisen schon in der arteriellen Phase eine Kontrastmittel-Anreicherung auf. Beim Melanom können Metastasen in einigen Fällen im T1w-Bild aufgrund des Melaningehalts hyperintens erscheinen. In den meisten Fällen stellen sie sich aber auch hypointens im T1w-Bild dar. Auch mithilfe moderner nuklearmedizinischer Verfahren können Milzmetastasen nachgewiesen werden und fallen manchmal bei einer PET oder PET-CT-Untersuchung als 18F-FDGspeichernde Herde auf (. Abb. 27.10). Da ein metastatischer Milzbefall oft erst im Spätstadium stattfindet, ist die bildgebende Diagnostik und Einordnung oft eher von nachgeordneter Relevanz (. Abb. 27.11). > Ein Lymphombefall der Milz ist häufig diffus. Größere (>1 cm) Herde finden sich v. a. beim Non-Hodgkin-Lymphom. Andere primäre maligne Tumoren sind sehr selten. Milzmetastasen treten oft erst im Spätstadium einer metastasierenden Grunderkrankung auf.
909 27.5 · Infektiöse Erkrankungen
a
a
b
b
. Abb. 27.10a, b. Milz- und Lebermetastase. a Nach i.v.-Gabe von Gadolinium-DTPA zeigt sich in der T1w jeweils eine relativ hypointense Metastase in Leber und Milz mit schwachem zentralem Enhancement. b In der 18F-FDG PET/CT findet sich ein deutlicher Tracer-Uptake in der Lebermetastase bei deutlicher geringerer Speicherung in der Milz
27.5
. Abb. 27.11a, b. Kolonkarzinom, fortgeschrittene Metastasierung, KM-verstärkte CT. a In der arteriellen KM-Phase typische inhomogene Darstellung der Milz, zusätzliche Metastasen sind hier nicht sicher abgrenzbar. Am Rand der großen Raumforderung in der Leber finden sich hyperdense Formationen am Leberrand bei vorheriger partieller Leberresektion. b Im Gegensatz zur arteriellen Phase demarkiert sich in der Equilibriumphase eine kleine randständige Metastase am unteren Milzpol
Infektiöse Erkrankungen
Milzabszesse finden sich vorzugsweise bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem, z. B. nach einer Chemotherapie. Beim Immunkompetenten lassen sich Abszesse nach direkten bakteriellen Infektionen sowie bei Tuberkulose, nach Echinokokkus-Infekten, nach Zytomegalie und Varizellen nachweisen.
Infektiös bedingte Abszesse können vorkommen bei 4 Pankreatitis 4 Perinephritischen oder subdiaphragmalen Abszessen durch direkte Fortleitung 4 Metastatisch bei Septikämie oder Sepsis 4 Traumatisch oder postembolisch als Superinfektion 4 Immundefekten 4 Infektionserkrankungen, z. B. Echinokokkus, Tbc, Varizellen, usw.
Dabei finden sich bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem oft Infektionen durch Erreger wie Candida albicans, Pneumocystis carinii und Kryptokokken.
Bildgebung Bakterielle Abszesse können mit allen bildgebenden Verfahren schon ab einem Durchmesser von wenigen Millimetern erkannt werden. Dabei weisen die Abszesse oft ein typisches Muster auf und sind bei der Pilzinfektion oft sehr klein und hypointens. Beim Befall der Milz mit Echinococcus granulosus erkennt man ähnliche Veränderungen in der Schnittbilddiagnostik wie bei entsprechenden Zysten in der Leber. Bei diesen Zysten sind oft Verkalkungen, die in der CT und auch in der Sonographie gut abgegrenzt werden können, erkennbar. Die MRT bietet insbesondere im T2w-Bild oft den Nachweis der Septen, die wertvolle diagnostische Hinweise liefern können.
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Kapitel 27 · Milz
27.6
Vaskuläre Erkrankungen
Milzinfarkt Definition, Ätiologie, Klinik
27
Milzinfarkte sind meistens embolisch oder thrombembolisch bedingt und treten oft bei Vorhofflimmern oder im Rahmen einer Endokarditis mit linksventrikulärer Thrombusbildung auf. Weitere Ursachen sind die hämolytische Anämie oder der systemische Lupus erythematodes, daneben sind auch venöse Infarkte bei Thrombosen in den Milzsinosoiden möglich. Während kleine Infarzierungen oft symptomlos ablaufen, gehen größere Infarkte oft mit ausgeprägten abdominellen Schmerzen und Fieber einher.
Bildgebung Milzinfarkte erscheinen im Frühstadium (<5 Tage) sonographisch inhomogen echoarm, das Infarktareal ist dann oft nicht sehr deutlich abzugrenzen. In der CT erscheinen sie als hypodense partiell inhomogene Areale und kommen in der MRT hypointens auf T1w-Aufnahmen zur Darstellung. Sie sind meistens subkapsulär gelegen und haben eine dreieckige, seltener rundliche oder lineare Form. Einblutungen in der akuten Phase können hyperdens in der CT bzw. hyperintens im T1w-Bild imponieren. Im Langzeitverlauf kann aus dem Infarktareal eine Pseudozyste entstehen oder es können sekundäre Verkalkungen auftreten (. Abb. 27.12). Durch Schrumpfung des Infarktareals erkennt man im späteren Stadium eine Einziehung der Milzoberfläche. Kleinere Milzinfarkte können der sonographischen Diagnostik entgehen, sind jedoch computertomographisch und auch MRtomographisch relativ gut nachweisbar. Eine Aufnahme von Kontrastmittel zeigt sich insbesondere im späteren Stadium nicht mehr.
Milzvenenthrombose Die Thrombose der Milzvene kommt häufig im Rahmen einer Pankreatitis vor. Auch Tumoren des Pankreasschwanzes sowie andere retroperitoneale Neoplasien und Traumata können zu einer Milzvenenthrombose führen.
. Abb. 27.12. Zustand nach Milzinfarkt mit Nachweis von Verkalkungen im oberen Polbereich der Milz
. Abb. 27.13. Portale Hypertension bei Leberzirrhose, Gamna-GandyBodies. In der Equilibriumphase einer T1-GRE-Sequenz zeigen die Areale ein deutlich hypointenses Verhalten aufgrund der Suszeptibilitätsartefakte der Eisenspeicherung. Grobknotige Veränderungen in der mit abgebildeten Leber
Bildgebung. Sowohl die Doppler-Sonographie als auch die kon-
trastverstärkte CT oder MRT können die Thrombose im Verlauf der Milzvene nachweisen, sodass heute nur noch selten die Angiographie zum Nachweis der Milzvenenthrombose eingesetzt werden muss.
bereits kleinste Aneurysmata detektiert werden, wobei aufgrund der physiologischen Schlängelung der Milz Teilanschnitte nicht zur Verwechslung führen dürfen.
Portale Hypertension Milzarterienaneurysma Das traumatisch bedingte Aneurysma spurium kann bei einem entsprechenden Trauma (s.oben) durch einwirkende Scherkräfte (Gurtverletzung) entstehen. Dies muss von angeborenen Aneurysmata der Milzarterie, die oft zusammen mit Aneurysmata an anderen Arterien (Truncus coeliacus, Leberarterien) vorkommen, unterschieden werden. Bildgebung. Je nach Größe stellen sich Milzarterienaneurysmata bereits in der Sonographie als pulsierende Aussackungen der A. lienalis dar. Im Gegensatz dazu können mittels CT oder MRT
Zu Definition, Ätiologie etc. 7 Kap. 24.4. Bildgebung. Bei einer portalen Hypertension kann es bedingt durch den erhöhten lokalen Druck zu trabekulären und perifolikulären Einblutungen kommen. Diese Einblutungen lassen sich in der CT aufgrund des hohen Eisengehalts als kleinnoduläre Areale nachweisen. Im MRT-Bild erscheinen diese so genannte Gamna-Gandy-Körperchen insbesondere bei Anwendung von T1w-Gradienten-Echo-Sequenzen sowie auch im T2w-Bild aufgrund ihrer Suszeptibilität als unterschiedlich große signalarme Herde (. Abb. 27.13).
911 27.7 · Weitere Erkrankungen der Milz
erkennt man ebenfalls aufgrund der hohen Eisenablagerung ein deutlich vermindertes Signal sowohl auf dem T1w- als auch T2w-Bild (. Abb. 27.14).
Sichelzellenanämie
. Abb. 27.14. Hämosiderose. MRT-Aufnahme bei transfusionsbedingter Hämosiderose. Beachte die deutliche Signalabsenkung in Leber und Milz in der T1-flash
27.7
Weitere Erkrankungen der Milz
Hämochromatose Bei der primären Hämatochromatose, die vorwiegend bedingt ist durch eine erhöhte Eisenabsorption, lassen sich in verschiedenen Organen, wie der Leber, dem Pankreas, dem Herzen usw., vermehrte Eisenablagerungen nachweisen. Die Milz ist hierbei häufig ausgespart. Sie weist deshalb mit allen bildgebenden Verfahren, insbesondere mit der MRT, normale Signalintensitäten im T1w- und T2w-Bild auf. Bei der sekundären Hämochromatose mit Hämosiderose, die häufig nach mehrfachen Bluttransfusionen auftritt, kommt es zu einer erhöhten Eisenablagerung im retikuloendothelialen Gewebe, sodass hierbei auch die Milz beteiligt ist. Daher erscheinen sowohl die Leber als auch die Milz bei entsprechend hoher Eisenablagerung im CT-Bild sehr hyperdens. Auf MR-Aufnahmen
Bei der Sichelzellenanämie ist oft eine deutlich vergrößerte Milz mit allen bildgebenden Verfahren zu erkennen. Bei schweren Formen kann es zu einem kompletten Funktionsverlust der Milz kommen. Bei der relativen Organvergrößerung lassen sich häufig multiple Infarktareale nachweisen. Die Hämosiderose mit entsprechenden Eisenablagerungen im Bereich des RES ist ebenfalls eine häufige Komplikation der heterozygoten Form der Sichelzellanämie im Erwachsenenalter. In diesem Stadium lassen sich die bildgebend Eisenablagerungen wie bei der sekundären Hämochromatose finden. > Zusammenfassung 4 Die Milz lässt sich mit allen bildgebenden Techniken darstellen. 4 Bei diffuser Vergrößerung kommt die Milz oft inhomogen zur Darstellung. Die einzelne Gense der Milzerkrankung lassen sich dann nur bei Betrachtung des gesamten klinischen Bildes vermuten. 4 Bei der akuten Abklärung nach Trauma sind der Sonographie und der CT eindeutig der Vorzug zu geben, da diese Verfahren im Vergleich zur MRT deutlich weniger zeitaufwendig sind. 4 Die MRT erlaubt im Vergleich zur CT und Sonographie häufig eine etwas bessere Artdiagnose von fokalen Läsionen. Für die Detektion kleiner Herde können zusätzlich auch superparamagnetische, eisenhaltige Kontrastmittel eingesetzt werden. Insbesondere bei Speicherkrankheiten mit Ablagerungen von Eisen ist die MRT aufgrund der empfindlichen Signalveränderungen von besonderer Bedeutung.
27
28 28 Radiologische Diagnostik des Schluckakts und des Ösophagus P. Hellerhoff, A. Wuttge-Hannig, C. Hannig
28.1
Physiologie des Schluckakts
– 914
28.2
Radiologische Untersuchungstechnik
28.3
Fehlbildungen
28.4
Traumatische Veränderungen/Fremdkörper
28.5
Entzündliche Erkrankungen
28.6
Motilitätsstörungen des Pharynx und Ösophagus
28.7
Divertikel des Pharynx und des Ösophagus
28.8
Tumoren
28.8.1 28.8.2
Benigne Tumoren des Ösophagus – 940 Maligne Tumoren des Ösophagus – 947
– 915
– 917 – 922
– 924
– 940
– 937
– 931
28
914
Kapitel 28 · Radiologische Diagnostik des Schluckakts und des Ösophagus
28.1
Physiologie des Schluckakts
Der gesunde Erwachsene schluckt im Laufe eines Tages zwischen 580 und 2400 Mal. Der Schluckakt lässt sich in 3 Phasen differenzieren, die einer individuellen zentral-nervösen bzw. reflexgesteuerten Kontrolle unterliegen: Die orale, die pharyngeale und die ösophageale Phase. Die orale Phase unterliegt einer willkürlichen Steuerung, die weiteren Phasen laufen nach ihrer Triggerung reflektorisch ab.
Die orale Phase Die orale Phase lässt sich in die präparatorische Phase mit Zerkleinerung und Einspeichelung der Nahrung und die orale Entleerungsphase unterteilen. Letztere beginnt mit dem Aufladen des geformten Bolus auf die Zungenspitze, wo er durch eine Rollbewegung der Zunge gegen den harten Gaumen gepresst und so zum Oropharynx transportiert wird. Die oralen Bewegungsmuster zur Vorbereitung der Speisen für den Schluckvorgang sind sowohl individuell als auch abhängig von der physikalischen Nahrungszusammensetzung sehr variabel.
Reflextriggerung Beim neurologisch ausgereiften Individuum wird im Gegensatz zum Säugling der Beginn des pharyngealen Schluckakts willkürlich initiiert. Die Zunge transportiert den Bolus zu den Triggerarealen. Die Reflextriggerung erfolgt als Summation von 4 Typen von Rezeptoren, den thermischen, taktilen, gustatorischen und denen für ölige Konsistenzen. Bei Erreichen einer kritischen Schwelle wird der Reflex ausgelöst. Zum primären Triggerareal gehören beim Erwachsenen die Gaumenbögen, die Uvula und die Pharynxhinterwand. Das sekundäre Triggerareal liegt in den Valleculae. Das tertiäre Triggerareal liegt in den Recessus piriformes. Es ist als Hilfsareal bei gestörter Schluckreflex-Triggerung anzusehen. Wenn bei Insuffizienz der primären und sekundären Areale der Schluckreflex erst hier ausgelöst wird, besteht wegen der tiefen Lage eine deutliche Aspirationsgefährdung. Ein quaternäres Areal liegt im Aditus laryngis. Auffällig ist in dieser Region ein Fehlen der Rezeptoren für ölige Konsistenzen. Beim Säugling erfolgt die Reflextriggerung physiologisch im sekundären Triggerareal in den Valleculae. Dies ist möglich, da die Anatomie des Säuglings mit geringem Abstand zwischen Mundhöhle und Valleculae die Bildung einer »abgeschlossene Kammer« erlaubt, welche den Bolus zwischen dem weichen Gaumen (Velum) und der Epiglottisspitze aufnehmen kann. Der Säugling füllt diesen Raum durch 2- bis 3-maliges Saugen auf, erst dann wird der Schluckreflex getriggert. Während der Auffüllphase kann der Säugling noch weiter atmen. Beim Erwachsenen nimmt durch das Größenwachstum der Abstand zwischen dem Velum und den Valleculae zu, sodass die oben beschriebene Kammer nach dorsal nicht mehr abgeschlossen werden kann. Daher ist eine Schlucktriggerung im Bereich der Valleculae nicht mehr ausreichend. Sie geht auf die primären Triggerareale über.
> Die enge Verknüpfung von Saugvorgang und Schluckreflex besteht jedoch auch nach der Kindheit fort. Im Erwachsenensalter kann dieses Bewegungsmuster in der Rehabilitation von Bedeutung sein, um eine alternative Schluckinitiation zu ermöglichen.
Die pharyngeale Phase Der Ablauf der pharyngealen Phase wird durch kortikale Schluckzentren u. a. im frontoparietalen Operculum und bulbären Schluckzentren in der Formatio reticularis koordiniert. Die jeweils paarig angelegten Schluckzentren (auch »central pattern generator«, CPG) dorsomedial in der Nähe des Nucleus tractus solitarii und ventrolateral in der Nähe des Nucleus ambiguus steuern nach Triggerung die verschiedenen Hirnnervenkerne (V, VII, IX, X, XII) mit einem geeigneten Muster für die Innervierung der beteiligten Schluckmuskeln an. Dabei wird das Atemzentrum während der Aktivität des Schluckzentrums (»Schluck-Apnoe«) und umgekehrt das Schluckzentrum während der Respiration inhibiert. Der reflexgetriggerte Schluckakt beginnt mit der dorsalen, pharyngealen peristaltischen Welle, d. h. der Vorwölbung der Pharynxhinterwand (Passavant-Wulst), und dem Anheben des weichen Gaumens gegen diesen Wulst. Hierdurch wird ein dichter Abschluss nach oben gegen eine nasale Penetration gebildet. Gleichzeitig konvergieren die zentralen Anteile das M. constrictor pharyngis superior nach medial und nach ventral. Eine Ventrokranial-Bewegung von Hyoid und Larynx unterstützt die Erweiterung des Pharynxraums und den Eintritt des Bolus in den Hypopharynx und bringt gleichzeitig die Epiglottis und den Aditus laryngis in die »Abdeckung« des Zungengrundes. Zudem erfolgt ein Schluss der Glottis (Stimmbänder und Taschenfalten) durch die intrinsische Larynxmuskulatur als weiterer Aspirationsschutz. Während der sequenziellen Kontraktion der Pharynxkonstriktoren führt der Zungengrund eine Dorsokaudal-Bewegung im Sinne eines Zungengrund-Stempelmechanismus aus. Die pharyngeale Bolusgeschwindigkeit erreicht 70 cm/s. Der Bolus passiert den Pharynx zum größten Teil entlang der aryepiglottischen Membran beidseits der Epiglottisspitze durch den rechten und linken Recessus piriformis. Erst bei größerem Bolusvolumen wird auch die Epiglottisspitze mit überspült. Der Epiglottisumschlag erfolgt teils muskulär, teils passiv durch den Bolusdruck. Eine Variabilität in Abhängigkeit von der Bolusgröße ist daher nicht überraschend. > Ob ein fehlender Epiglottisumschlag beim älteren Menschen ohne Symptome schon eine Pathologie darstellt, ist diskutabel.
Nach der pharyngealen Phase des Schluckakts senken sich mit dem Larynx auch die Recessus piriformes wieder neben den oberen Ösophagussphinkter. Sie sind so in der Lage von der Schleimhaut nachlaufenden Speichel oder Bolusreste aufzunehmen, ohne dass es sofort zu einem Überlaufen über das Aryhöckermassiv in den Larynx mit Aspiration kommt.
915 28.2 · Radiologische Untersuchungstechnik
Der obere Ösophagussphinkter Der obere Ösophagussphinkter wird im Wesentlichen durch den tonischen M. cricopharyngeus gebildet. Manometrisch zeigt die Hochdruckzone des Sphinkters jedoch eine axiale Ausdehnung von bis zu 3,5 cm. Die funktionelle Definition des Spinkters entspricht somit nicht einer klar anatomisch präparierbaren Struktur. > Dies ist auch bedeutsam bei postoperativen Situationen mit Veränderungen am ursprünglichen Sphinkter, bei denen sich in anderen anatomischen Höhen je nach Situation neue, sphinkterisch wirksame Einheiten ausbilden können.
Der schluckreflektorische Tonusabfall des M. cricopharyngeus erfolgt 0,5–1 s vor dem Eintreffen des Bolus. Die Öffnung des Sphinkters erfolgt einerseits durch den pharyngealen Druck, andererseits durch die von der suprahyoidalen und submentalen Muskulatur bewerkstelligte Ventrokranial-Bewegung des Ringknorpels, an dem der M. cricopharyngeus inseriert. Eine exakte zeitliche Koordination von Tonusabfall einerseits und den beschriebenen Mechanismen ist für eine suffiziente Öffnung essenziell. Nach der Boluspassage folgt eine Kontraktion des Sphinkters mit überschießenden Druckwerten. Störungen der zeitlichen Koordination (verspätete Öffnung, vorzeitiger Schluss) oder eine inkomplette Öffnung können zu erheblichen dysphagischen Beschwerden führen und auch die Druckverhältnisse im Pharynx stark verändern.
Die ösophageale Phase Im Normalfall erfolgt der Transport eines Speisebolus durch eine von einem Schluckreflex getriggerte primäre Peristaltik, welche sich kontinuierlich mit einer Geschwindigkeit von 2–4 cm aboralwärts bis zur Ampulla epiphrenica ausbreitet. Sekundäre peristaltische Wellen werden durch einen lokalen Reiz, z. B. durch liegen gebliebene Nahrungsreste oder einen Reflux aus dem Magen ausgelöst. Diese so genannte Reinigungsperistaltik entsteht normalerweise oral der Reizstelle. Als tertiäre Kontraktionen werden nicht propulsive, segmentale Kontraktionen definiert, die simultan in verschiedenen Höhen der tubulären Speiseröhre auftreten. Man findet sie gehäuft im distalen glattmuskulären Bereich des Ösophagus, v. a. bei peripheren Neuropathien und im höheren Lebensalter beim so genannten »Presby-Ösophagus«.
Der untere Ösophagussphinkter Während der obere Ösophagussphinkter anatomisch im Wesentlichen durch eine definierte muskuläre Einheit, nämlich den M. cricopharyngeus, gebildet wird, findet sich für den unteren Sphinkter, die Cardia, keine entsprechende anatomische Sturktur. Er wird manometrisch definiert als Hochdruckzone im Bereich der ösophagogastrischen Übergangsregion, welche zwischen 2 und 4 cm Länge misst. Dies korrespondiert anatomisch mit dem unteren Abschluss der Ampulla epiphrenica und v. a. dem infradiaphragmalen Verlauf der Speiseröhre.
> Die Ampulla epiphrenica ist eine zwiebelförmige Erweiterung des letzten Anteils des tubulären Ösophagus unmittelbar vor der Cardia, die bei geschlossener Cardia und oberhalb davon kontrahiertem Ösophagus noch Bolusanteile retiniert. Ihre Existenz ist physiologisch und sollte nicht mit einer Hiatushernie verwechselt werden (7 Kap. 28.5, Hernien).
Für eine suffiziente Funktion des unteren Sphinkters sind ein langer infradiaphragmaler Verlauf und ein spitzer Winkel zwischen dem Ösophagus und dem Fundus (His-Winkel) günstig. Negativen Einfluss auf die Sphinkterfunktion haben ein erhöhter intraabdomineller Druck sowie Speisenoxen (Koffein, Teein, Nikotin, Alkohol, Schokolade) durch Reduktion des Ruhedrucks.
28.2
Radiologische Untersuchungstechnik
Die im vorangegangenen Kapitel beschriebenen Zusammenhänge zeigen, dass es bei der radiologischen Diagnostik des Schluckakts nicht allein um die Darstellung morphologischer Verhältnisse gehen kann. Eine zeitliche Aufzeichnung der Funktionsabläufe ist unverzichtbar. Hierzu können je nach Möglichkeiten des zur Verfügung stehenden Durchleuchtungsgeräts verschiedene Wege gegangen werden. Andere Bildgebungsverfahren wie die Sonographie und die MRT spielen für die dynamische Untersuchung aktuell noch eine untergeordnete Rolle.
Durchleuchtungssysteme Videodokumentation Das Videosignal des Bildverstärkers wird auf herkömmlichen Videokassetten aufgezeichnet. Es wird eine Bildfrequenz von 25 Bildern/s erreicht. Auch wenn in der Regel wegen Synchronisationsproblemen mit dem Videorekorder auf eine gepulste Durchleuchtung verzichtet werden muss, ist die Strahlenbelastung bei Verzicht auf DSI-Aufnahmen gering. Dies wird mit einer schlechteren Bildqualität erkauft, die jedoch bei der reinen Funktionsanalyse nicht im Vordergrund steht. Ein wichtiger Nachteil ist die Tatsache, dass die Untersuchung in der Regel nicht in ein PACS eingespeist werden kann und somit sowohl die Archivierung wie auch die Kommunikation der Bilddaten zum Zuweiser problematisch ist.
DSI-Serien Die Technik des »digital spot imaging« erlaubt je nach Gerät Bildserien mit bis zu 8, bei spezieller Ausstattung bis zu 30 Bildern/s. Für viele Fragestellungen ist eine Bildfrequenz von 4 Bildern/s ausreichend. Die gute Bildqualität wird hier mit einer im Vergleich zur Videodokumentation deutlich erhöhten Strahlenbelastung erkauft. Eine Übernahme der Serien in PAC-Systeme ist abhängig vom Gerät, in der Regel jedoch unproblematisch.
Digitale Dokumentation gepulster Durchleuchtungsserien Moderne Durchleuchtungs- und Multifunktionsgeräte ggf. mit Flachdetektor erlauben eine digitale Speicherung gepulster Durchleuchtungsserien mit bis zu 30 Bildern/s (dynamisches
28
916
Kapitel 28 · Radiologische Diagnostik des Schluckakts und des Ösophagus
Fluorograbbing). Die Bildqualität ist dabei in der Regel besser als bei der Videodokumentation und für die meisten Fragestellungen in der Funktionsdiagnostik sehr gut geeignet. Die Möglichkeit der PACS-Archivierung ist gegeben und findet nur durch die großen Datenmengen bei sehr langen Durchleuchtungsserien eine Einschränkung.
Kontrastmittel
28
Die Art, Konsistenz und die Größe des Kontrastmittel-Bolus werden auf das Beschwerdebild des Patienten gemäß der Anamnese abgestimmt. Damit soll bei einer ausreichenden Testbelastung des Patienten eine gefährliche Impaktation oder Aspiration vermieden werden.
Bariumsulfat-Suspensionen Bariumsulfat ist eine eigentlich sehr toxische Substanz, die jedoch aufgrund ihrer äußerst geringen Löslichkeit nicht resorbiert wird. Die Anwendung als Röntgenkontrastmittel erfolgt in Form von Suspensionen. Vorteile sind neben dem geringen Preis gegenüber iodhaltigen, wasserlöslichen Kontrastmitteln die hohe Dichte und v. a. der sehr gute Schleimhautbeschlag für Doppelkontrastuntersuchungen. Gefürchtete Komplikation ist der Übertritt von Bariumsulfat in das Peritoneum bei Perforation von Hohlorganen. Der durch die nicht resorbierbaren Kontrastmittel-Partikel ausgelöste Fremdkörperreiz kann zu chronischen Fibrosierungen bzw. zu einer Bariumperitonitis mit einer Letalität von 35–50% führen. > Ein Übertritt nach mediastinal wird von einigen Autoren als weniger kritisch gesehen, sodass für eine Untersuchung zum Leckage-Ausschluss am Ösophagus wegen einer höheren Sensitivität von diesen Autoren Bariumempfohlen wird. Auch wenn das so diskutiert werden kann, spricht gegen diese Verwendung jedoch die Möglichkeit einer anderen, nicht vorhergesehenen Verteilung des Kontrastmittels mit potenziell dramatischen Folgen und das Verbleiben des Bariums im Mediastinum, was Folgeuntersuchungen deutlich erschweren kann.
Eine Aspiration von kleinen, nicht okklusiv wirksamen Mengen scheint hingegen bei suffizienter Reinigungsfunktion des tracheobronchialen Flimmerepithels (Nichtraucher) unkritisch zu sein. Bei größeren aspirierten Mengen kann jedoch je nach Allgemeinzustand des Patienten eine bronchoskopische Absaugung erforderlich werden. > Da Bariumsulfat nicht resorbiert wird, darf es als Kontrastmittel nur verwendet werden, wenn sichergestellt ist, dass es wieder herauskommt!
Wasserlösliche iodhaltige Kontrastmittel Im Gegensatz zur Bariumsulfat-Suspension handelt es sich bei den iodhaltigen Kontrastmitteln um Lösungen, die vom Körper resorbiert und so letztlich auch renal ausgeschieden werden können. Die Größe des gastrointestinal resorbierten Anteils liegt bei normaler Passage bei wenigen Prozent, kann jedoch bei längerer Stase (z. B. beim Ileus) deutlich ansteigen, was zu einer sicht-
baren Kontrastierung der ableitenden Harnwege und der Blase führen kann. Eine klinische bedeutsame allergische Reaktion ist bei oraler Gabe eine Rarität, man beobachtet jedoch nicht selten (bis 15%) eine transiente, klinisch inapparente Eosinophilie im peripheren Blut. > Eine transiente Eosinophilie ist nach oraler Gabe iodhaltiger Kontrastmittel keine Seltenheit. Unnötige Schritte zur Abklärung dieser Eosinophilie können in vielen Fällen vermieden werden. Hyperosmolare iodhaltige Kontrastmittel
Im Vergleich zum Plasma ist die Osmolarität von Kontrastmitteln dieser Gruppe (z. B. Megluminamidotrizoat, Gastrografin, Schering, oder Megluminioxitalamat, Telebrix-Gastro, Byk Gulden) ca. 5- bis 7-fach höher. Aufgrund der geringen Viskosität dringen die Substanzen bei Aspiration schnell bis in den Alveolarraum vor. Hier kann ein massiver alveolärer und interstitieller Flüssigkeitseinstrom zum Lungenödem führen. Eine chemotoxisch induzierte Histaminfreisetzung aus Mastzellen kann zusätzlich das Auftreten von Bronchospasmen begünstigen. ! Bei Aspirationsgefahr oder Verdacht auf eine Fistel zum Tracheobronchialsystem ist die orale Gabe von hyperosmolaren iodhaltigen Kontrastmitteln kontraindiziert. Isoosmolare iodhaltige Kontrastmittel
Mit einer Osmolarität, die der von Blutplasma entspricht, entfallen die oben geschilderten Probleme für Iotrolan (Isovist, Schering), welches wegen dieser Eigenschaft auch für Myelographien die erste Wahl ist. Bezüglich der Kontrasteigenschaften ergibt sich bei gleichem Iodgehalt kein Unterschied. Die Viskosität ist deutlich höher als bei den hyperosmolaren Substanzen. Gegen einen breiten Einsatz spricht ein höherer Preis.
Spezielle Kontrastmittel-Darreichungen Bei der differenzierten Untersuchung einer Dysphagie ist die Gabe von Kontrastmitteln unterschiedlicher Konsistenzen indiziert. Das Andicken des flüssigen Kontrastmittels kann mit quellenden Mitteln (»Quick & Dick«, Pfrimmer, »Resource Thicken up« Novartis) erfolgen oder es können zu testende Nahrungsformen (z. B. Brot) mit Kontrastmittel getränkt werden. Für die Diagnostik des diffusen Ösophagusspasmus, der Festkörperdysphagie und speziell zur Detektion geringgradiger Stenosen (z. B. Schatzki-Ringe) werden Barium-Gelatine-Kugeln mit einem Durchmesser von 1,4 cm verwendet (. Abb. 28.1). Bei einer Impaktation in der Stenose kommt es durch die Körperwärme nach einigen Minuten zur Auflösung der Kugel. Eine Anwendung bei Aspirationsgefahr ist nicht indiziert.
Praktische Anwendung und Standardprojektionen beim Pharyngo-Ösophagogramm Der normale Untersuchungsmodus besteht aus folgenden Einstellungen, wobei der Schluckakt von der Vorbereitungsphase im Mund bis zur vollständigen Wiederentfaltung des Pharynx do-
917 28.3 · Fehlbildungen
und evtl. eine streng seitliche Projektion durchgeführt werden sollten. Auch hier wird die Untersuchung vom oberen Ösophagussphinkter bis zur Cardia dokumentiert. Die Peristaltik des tubulären Ösophagus wird in Rückenlage und in RAO-Bauchlage dokumentiert, da so der störende Einfluss der Schwerkraft aufgehoben wird. Der Patient wird instruiert, nur einmal zu schlucken, um eine so genannte »deglutitive Inhibition«, d. h. einen Abbruch der peristaltischen Welle im tubulären Ösophagus durch die Auslösung eines erneuten Schluckakts zu vermeiden. Zur optimalen Darstellung der Ösophagusschleimhaut kann nachfolgend Glucagon oder Butylscopolamin injiziert werden und, falls noch nicht im funktionellen Teil erfolgt, ein Gasbildner verabreicht werden. Dieser für die morphologische Darstellung des Ösophagus nötige Untersuchungsabschnitt erfolgt vorwiegend im Stehen. > Diese Standarduntersuchungstechnik ist in Abhängigkeit vom Beschwerdebild und dem Allgemeinzustand des Patienten (z. B. Aspiration, Immobilität etc.) zu modifizieren.
. Abb. 28.1. Temporäre Impaktation einer Barium-Gelatine-Kugel an einer narbigen Stenose: Die Kugel verlegt das Lumen vor der Stenose und es kommt zum Aufstau des mitgetrunkenen, flüssigen KM. Um die Kugel gegen das flüssige KM besser abgrenzbar zu machen, wird dieses verdünnt gegeben. Wenn die Kugel wegen ihrer Größe nicht als Ganzes geschluckt werden kann, kann sie in 2 Hälften geteilt werden
kumentiert wird. Die Ösophaguspassage wird vom oberen Sphinkter bis zur kompletten Passage des Bolus über die Cardia verfolgt. Im Stehen werden bei streng seitlichem Strahlengang 2– 3 Schlucksequenzen dokumentiert: Es wird auf die Mundhöhle, den Naso- und Oropharynx zentriert. Beurteilt werden sollte sowohl die orale Bolusformung und Kontrolle zwischen hartem und weichen Gaumen und der Zunge als auch der Beginn des reflexgesteuerten Schluckakts mit der Anhebung des Velum palatini. Beim zweiten Schluck wird auf den orohypopharyngealen Übergang zentriert, sodass die dorsale pharyngeale peristaltische Welle vom Passavant-Wulst bis zum oberen Ösophagussphinkter nachverfolgt werden kann. Anschließend wird auf die Region des pharyngo-ösophagealen Übergangs zentriert, um eine Dysfunktion des oberen Ösophagussphinkters erkennen zu können. Diese Sequenz wird in lateralem und bei Patienten mit kurzem Hals im schrägen Strahlengang (»Fechter«-Stellung) aufgezeichnet, um die Überlagerung durch die Schultern zu vermeiden. Dokumentation des Schluckakts im postero-anterioren Strahlgang: Die Mandibula-Unterkante wird zur besseren Einsicht des Pharynx mit dem Os occipitale zur Deckung gebracht. In beiden Ebenen wird der Schluckakt von der Vorbereitungsphase im Mund bis zur kompletten Wiederentfaltung der pharyngealen Recessus aufgezeichnet. Der Ösophagus wird zunächst im Stehen auf funktionelle Störungen untersucht, wobei in der Regel eine p.a., LAO-, RAO-
28.3
Fehlbildungen
Lippen-Kiefer-Gaumenspalten Spaltmissbildungen dieser Gruppe sind keine ösophageale Pathologie und sollen in diesem Kapitel daher nur kurz in Bezug auf die an die Schluckuntersuchung gerichtete Fragestellung behandelt werden. Bei hypoplastischen Missbildungen des harten und v. a. des weichen Gaumens (Velum) kommt es zur Insuffizienz des »velopharyngealen Abschlusses«. Das heißt, beim schluckreflektorisch gesteuerten Anpressen des Velums an die Pharynxhinterwand verbleibt eine Restöffnung, durch die Bolusanteile in den Nasopharynx penetrieren können (. Abb. 28.2).
Bildgebung Hauptaufgabe der Schluckuntersuchung ist die Detektion und Quantifizierung dieser velopharyngealen Insuffizienz, ggf. auch die Dokumenation einer Asymmetrie. Dargestellt wird die Hypoplasie und ggf. die Hypokinesie des Velums. Auch eine in unterschiedlichem Maß vorkommende kompensatorisch vermehrte Vorwölbung der Pharynxhinterwand (Passavant-Wulst) muss dokumentiert werden. Der velopharyngeale Abschluss spielt sowohl beim Schlucken wie auch beim Sprechen eine Rolle. Da die Innervation dieser Bewegungsmuster unterschiedlich erfolgt, müssen Schlucken und Phonation getrennt untersucht werden. Für die Phonation eignen sich zu sprechende Testwörter mit Explosionslauten (»P«, »T«, »K«) wie »Kuckuck« oder »Papagei«, während bei Vergleichswörtern mit Nasallauten (»M«, »N«) wie »Marmelade« die velopharyngeale Öffnung physiologisch ist. Für die optimierte Darstellung der Velummorphologie und -funktion kann eine Kontrastierung von dessen nasaler
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Kapitel 28 · Radiologische Diagnostik des Schluckakts und des Ösophagus
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a . Abb. 28.2a, b. Lippen-Kiefer-Gaumenspalte. a Das Velum ist verkürzt und hypomotil, der Abstand zur Pharynxhinterwand weit. b Während des
Oberfläche über die Nase hilfreich sein. Andererseits erschwert schon vorhandenes Kontrastmittel im Nasopharynx die sichere Detektion einer nasalen Penetration. Eine Darstellung des velopharyngealen Abschlusses ist in verschiedenen Ebenen mit der MRT ohne Röntgenbelastung möglich, jedoch noch keine Routine.
Ösophagusatresie Definition, Epidemiologie Die verschiedenen Typen der Ösophagusatresie werden nach Vogt in Abhängigkeit vom Vorhandensein und der Lokalisation einer ösophagotrachealen Fistel eingeteilt. Der mit über 85% häufigste Typ IIIb zeigt dabei einen oberen Blindsack des Ösophagus und einen fistulären Anschluss des unteren Ösophagusanteils zur Trachea (. Abb. 28.3). Mit ca. 1 Fall auf 3000–4000 Neugeborene ist die Ösophagusatresie keine seltene Krankheit. Sie entsteht durch eine unvollständige Separation der trachealen Knospe vom embryonalen Vorderdarm nach dem 26. Schwangerschaftstag, wobei ursächlich Virusinfektionen in der Frühschwangerschaft ebenso wie Spontanmutationen diskutiert werden. Während die Sterblichkeit früher bei nahezu 100% lag, konnte sie durch medizinische Verbesserungen auf 10% abgesenkt werden. Die Prognose wird von zusätzlichen, v. a. kardialen Fehlbildungen mitbestimmt, die in 25–55% der Fälle auftreten. Alle so genannten VATER- oder VACTERL-Assoziationen gemeinsam treten in bis zu 10% der Fälle auf. Je nach Vorhandensein und Typ einer Fistel sind die assoziierten Fehlbildungen unterschiedlich häufig.
b Schluckens kommt es bei insuffizientem velopharyngealem Abschluss zur nasalen Penetration von Kontrastmittel
VATER- oder VACTERL-Assoziationen 4 4 4 4 4 4
Vertebra – Fehlbildungen der Wirbelsäule Analatresie Cardial – Herzfehler Tracheo-Esophageal - Ösophagusatresie Renal – Fehlbildungen der Nieren Limbs – Fehlbildungen der Extremitäten
Die Situation wird häufig durch Frühgeburtlichkeit mit niedrigem Geburtsgewicht weiter erschwert.
Bildgebung In ca. 25% der Fälle lässt sich die Diagnose schon im pränatalen Ultraschall stellen, wobei ein Hydramnion richtungsweisend ist, bedingt durch das Unvermögen des Kindes, Fruchtwasser zu schlucken. Auch ein sehr kleiner oder nicht nachweisbarer Magen kann hinweisend sein. Die Röntgenübersichtsaufnahme des Thorax und Abdomens zeigt je nach Fistelsituation die Luftleere des Verdauungskanals oder auch einen geblähten Magen (z. B. auch bei Vogt IIIb) (. Abb. 28.4). Weiter lässt sich eine aufgerollte Magensonde oder gegebenes Kontrastmittel (falls wirklich notwendig, nur isoosmolares Kontrastmittel verwenden!) nur im oberen Blindsack nachweisen. Durch die fistelbedingten Aspirationen zeigen sich konsekutiv pulmonale Infiltrate. Nach korrigierenden Operationen sind Schluckstörungen auch im Erwachsenenalter noch sehr häufig. Diese sind teils
919 28.3 · Fehlbildungen
. Abb. 28.3. Typen der Ösophagusatresie nach Vogt
a
b
. Abb. 28.4a, b. Ösophagusatresie. a Nach KM-Gabe zeigt sich der obere Blindsack des Ösophagus nur bis ca. Manubriumhöhe. Deutliche Luftblähung von Magen und Darm weisen auf die Fistel von der Trachea zum unteren Anteil des Ösophagus hin (Vogt IIIb).
b Typisches Bild der umgeschlagenen Magensonde im oberen Blindsack nach frustranem Versuch der Magensondierung bei einem anderen Patienten. (Die Aufnahmen wurden freundlicherweise von Prof. Hahn, Kinderklinik Schwabing zur Verfügung gestellt.)
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Kapitel 28 · Radiologische Diagnostik des Schluckakts und des Ösophagus
durch postoperativ auftretende Strikturen bedingt, teils durch eine nicht regelhaft ausgebildete bzw. durch die Anastomose unterbrochene primäre und sekundäre Peristaltik.
Webs, Stenosen
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Kongenitale tubuläre Stenosen oder Membranstenosen, die so genannten Webs, werden als »forme fruste« einer Ösophagusatresie angesehen. Verschiedene Kombinationen mit anderen ösophagotrachealen Fehlbildungen sind beschrieben, so auch tracheo-ösophageale Fisteln. Bildgebung. Die aus Mukosa und Stroma bestehenden, sichelförmigen bis zirkulären Membranen zeigen sich in der Schluckuntersuchung als lineare, orthogonal in das Lumen ragende Kontrastmittel-Aussparungen unterschiedlicher Ausdehnung (s. unten). Auch ein kompletter Lumenverschluss im Sinne eines Diaphragmas kommt vor.
Ösophageale Duplikaturen Definition, Epidemiologie Zystische oder tubuläre ösophageale Duplikationen finden sich typischerweise im hinteren Mediastinum mit Ausdehnung entweder nach links oder rechts gegen die parietale Pleura. Sie kommen als simple Epithelzysten oder als echte Duplikaturen mit Submukosa und Muskularis vor. Meist liegen sie neben dem unteren Anteil des Ösophagus zu dem nur in ca. 10% der Fälle eine Verbindung besteht. Die tatsächliche Inzidenz ist bei einer unbekannten Zahl asymptomatischer Patienten unklar; sie wurde auf ca. 1:8200 geschätzt, wobei männliche Individuen doppelt so häufig betroffen sind.
Klinik Eine Assoziation mit anderen Fehlbildungen kommt vor. Bei der Suche nach solchen sollte besonderes Augenmerk auf mögliche Anomalien der Wirbelsäule, des Zwerchfells und des übrigen Gastrointestinaltrakts gelegt werden. Eine maligne Entartung in der Duplikatur ist zwar sehr selten, wurde aber beschrieben. Symptomatisch werden die Patienten mit einer Dysphagie, thorakalen Schmerzen oder durch respiratorische Beeinträchtigung bedingt durch Atemwegskompressionen durch die Raumforderung. Auch Infektionen der zystischen Duplikatur mit entsprechenden Allgemeinsymptomen kommen vor. In anderen Fällen wird die Diagnose als Zufallsbefund mit einer mediastinal randbildenden, thorakalen Raumforderung in der Thoraxaufnahme oder als zystische Formation im Ultraschall gestellt.
chendem Erscheinungsbild auch ein gut demarkiertes Empyem zu berücksichtigen.
Bronchogene Zysten Ätiologie, Lokalisation, Klinik Die bronchogenen Zysten werden hier aufgeführt, einerseits, da sie wie die vorbeschriebenen Fehlbildungen des Ösophagus durch Störungen der Entwicklung des primitiven Vorderdarms entstehen, andererseits, weil bei erwachsenen Patienten thorakale Schmerzen und Dysphagie häufige Symptome sind. Häufigste Lokalisation ist der Bereich um die Carina (. Abb. 28.5). Passend dazu werden Kinder und Säuglinge mit respiratorischen Problemen durch die Kompression von Trachea oder Bronchien auffällig, entweder direkt in Form von akuter Dyspnoe oder sekundär durch das Auftreten von rezidivierenden Infekten in minderbelüfteten oder emphysematischen Veränderungen in überblähten Lungenarealen. Eine Abgrenzung zum Swyer-James-Syndrom ist durch die Darstellung der Zyste und ihre Lagebeziehung zu den Atemwegen möglich. Auch eine Infektion der Zyste selbst kann zu einer Symptomatik führen. Eine Kommunikation mit den Atemwegen ist bei mediastinaler Lage nicht häufig. Bei intrapulmonaler Lage (15%) sind die basalen Lungenanteile bevorzugt. Hier findet sich häufiger eine Kommunikation mit dem Bronchialsystem, sodass die Zysten häufig luftgefüllt sind. Beschrieben wurden auch Zysten in der Wand des Ösophagus. Andere Lokalisationen extrathorakal, auch abdominal sind selten. Die Entwicklung von Malignomen (Adenokarzinome, Rhabdomyosarkome) in der Läsion wurde beschrieben. > Über die Hälfte der Fälle mit bronchogenen Zysten wird erst nach dem 15. Lebensjahr diagnostiziert. Bei den häufigen asymptomatischen Fällen tritt die Fehlbildung als Zufallsbefund in der Thoraxübersichtsaufnahme oder anderen bildgebenden Verfahren auf.
Bildgebung In der CT zur präoperativen Planung zeigt sich typischerweise eine scharf begrenzte, rundliche, primär dünnwandige, zystische Raumforderung in der Region um die Carina. Nach Infektion oder Einblutung der Zyste kann das Bild eines soliden Tumors vorgetäuscht werden oder es kommt zu einer Spiegelbildung insbesondere bei Anschluss an die Atemwege. Verkalkungen kommen ebenfalls vor. In der MRT zeigt sich der Zysteninhalt auf T2w-Bildern typischerweise signalreich, während das Erscheinungsbild auf T1-gewichteten Serien mit dem Proteingehalt schwankt (. Abb. 28.6).
Bildgebung In der Schluckuntersuchung zeigt sich oft nur eine Verlagerung und Impression des unteren Ösophagus. Zur exakten Darstellung der zystischen Natur der Raumforderung und der anatomischen Lagebeziehung ist für die präoperative Planung eine CT indiziert. Gleichzeitig können die mitdargestellten anderen Organstrukturen und insbesondere auch die Wirbelsäule auf begleitende Fehlbildungen untersucht werden. Differenzialdiagnostisch sind u. a. bronchogene Zysten, neoplastische mediastinale Raumforderungen und bei entspre-
Kongenitaler Barrett-Ösophagus/CELLO Definition, Pathologie Der embryonale Ösophagus ist mit Zylinderepithel ausgekleidet, welches ab der 17. Woche von der Mitte beginnend und nach oben und unten fortschreitend durch Plattenepithel ersetzt wird. Die primäre, fortbestehende oder sekundäre Auskleidung des unteren Ösophagus mit Zylinderepithel wird mit dem Begriff »columnar epithelial lined lower esophagus« (CELLO oder CLE) oder nach dem Erstbeschreiber mit dem Eigennamen Barrett-Ösopha-
921 28.3 · Fehlbildungen
a
. Abb. 28.5. Bronchogene Zyste in der seitlichen Thoraxaufnahme: Mediastinale Raumforderung auf Carina-Höhe
gus beschrieben. Neben dem Vorkommen im unteren Ösophagus finden sich bei der primären Form Inseln von Zylinderepithel auch an anderen Lokalisationen, vornehmlich im zervikalen Ösophagus (HGM, heterotope gastrale Mukosa). Seltene, aber schwerwiegende Komplikation ist die maligne Entartung.
Klinik Symptome sind Dysphagie, Odonophagie oder Symptome auf der Basis morphologischer Veränderungen. 4 HGM I : Asymptomatisch 4 HGM II: Symptomatisch (Dysphagie/Odynophagie) ohne morphologische Veränderungen 4 HGM III: Symptomatisch mit morphologischen Veränderungen (Webs, Strikturen, Ulzera, Fisteln) 4 HGM IV: Intraepitheliale Neoplasie/Dysplasie 4 HGM V: Invasives Adenokarzinom > Der heute weitgehend verlassene Begriff des Brachyösophagus bzw. Endobrachyösophagus ging von einem insuffizienten Längenwachstum des Ösophagus mit entsprechender Verlagerung des Magens in den Thorax aus. Wegen des fehlenden Serosaüberzugs und der ösophagealen Blutversorgung besteht jedoch inzwischen Übereinstimmung, dass es sich nicht um verlagerte Magenanteile, sondern um originären Ösophagus handelt.
Diagnose, Bildgebung Die primäre Diagnostik ist hier in erster Linie der Endoskopie vorbehalten. Die Radiologie findet ihren Platz bei der Qualifizierung von Funktions- oder Passagestörungen und ggf. beim Staging eines malignen Tumors.
b . Abb. 28.6a, b. Bronchogene Zyste im linken Unterlappen: Bei intermediärem Signal abhängig vom Proteingehalt in der T1-gewichteten Aufnahme (a) findet sich eine hohe Signalintensität in der T2-Wichtung (b). Hier lässt sich auch die Septierung besser erkennen. Die Wand und die Septen können KM aufnehmen und sind nach abgelaufenen Infektionen verdickt. Bei intrapulmonaler Lage zeigt sich häufiger Luft in der Zyste
Vaskuläre Ringe, aberrierende Gefäße Definition, Pathogenese, Klinik Bei inkompletter Rückbildung der embryonalen Aortenbögen kann es zu einer ringförmigen Umscheidung des Ösophagus und der Trachea kommen. Während Neugeborene meist durch die tracheale Kompression mit akuter Dyspnoe auffällig werden, stehen bei späterer Manifestation nach dem 2. Lebensjahr meist dysphagische Probleme durch die ösophageale Kompression im Vordergrund. Eine aus dem linken Anteil des Aortenbogens entspringende und den Ösophagus dorsal kreuzende rechte A. subclavia wird als A. lusoria bezeichnet (. Abb. 28.7). Eine hierdurch bedingte
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Kapitel 28 · Radiologische Diagnostik des Schluckakts und des Ösophagus
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. Abb. 28.7a, b. A. lusoria. Bandförmige KM-Aussparung bei Impression des Ösophagus durch die dorsal nach rechts ascendierende A. lusoria; a p. a.-Projektion, b Schrägprojektion
. Abb. 28.8. Ösophagusperforation bei Endoskopie, Röntgen-Thorax. Doppellinie am Aortenbogen und linken Herzrand als Zeichen des Mediastinalemphysems
Dysphagie ist sehr ungewöhnlich und in der Regel nur bei zusätzlichen Anomalien vorkommend.
vom Zeitpunkt der Diagnosestellung und des Therapiebeginns noch bei bis zu 50% Mortalität und verschlechtert sich bei verzögerter Diagnose und Therapie. Die iatrogen durch eine Endoskopie verursachten Perforationen (1 auf 1000 Ösophagoskopien) finden sich häufiger im zervikalen Ösophagus und zwar an dessen Hinterwand (. Abb. 28.8). Allgemein ist die Prognose der zervikalen Perforationen besser als die der thorakalen, wobei bei den instrumentell verursachten Perforationen die Mortalität <15% liegt. Dies kann auch durch den häufig schon während des Eingriffs gestellten Verdacht auf eine iatrogene Läsion erklärt werden. Andere Ursachen bzw. Konstellationen, bei denen Perforation bzw. Rupturen auftreten, sind Tumoren (auch unter Therapie), Achalasie und Impaktationen von Fremdkörpern oder eines Speisebolus, Ingestion von Chemikalien (Laugen gefährlicher als Säuren) sowie intrathorakale Anastomosen nach Ösophaguschirurgie. Rupturen beim Thoraxtrauma von außen sind selten, kommen jedoch vor.
Bildgebung Im Ösophagus-Breischluck erkennt man eine meist etwas schräg verlaufende bandartige Impression. Seltener ist eine linke A. subclavia, die rechts aus dem Aortenbogen oder dem Truncus brachiocephalicus entspringt.
28.4
Traumatische Veränderungen/ Fremdkörper
Ösophagusperforation / -ruptur Definition, Ätiologie, Pathogenese Im Gegensatz zur Ösophagusperforation, die in mehr als 75% der Fälle im Zusammenhang mit einer medizinischen Prozedur (Endoskopie, Legen eine Sonde, Bougierung oder Ballondilatation) steht, handelt es sich bei der Ösophagusruptur (Boerhaave-Syndrom) um ein »spontanes« Ereignis. Häufig geht hier intensives Erbrechen z. B. nach Alkoholabusus voraus. Pathophysiologisch ist für die Ruptur des Ösophagus im Gegensatz zum anderen Gastrointestinaltrakt das Fehlen der Serosa mitverantwortlich, sodass schon ein geringerer intraluminaler Druck zum Entstehen der meist längs gerichteten Einrisse führen kann. Mehr als 90% der Rupturen finden sich im unteren Drittel des Ösophagus, meist nach links posterolateral. Bedingt durch die Gefahr einer Mediastinitis liegt die Prognose in Abhängigkeit
Diagnose, Bildgebung Diagnostisch ist in erster Linie die Klinik mit dem anamnestisch begründeten Verdacht führend. In der Thoraxübersichtsaufnahme zeigen sich bisweilen ein Mediastialemphysem oder/und ein zervikales Weichteilemphysem. Die direkte Darstellung eines Kontrastmittel-Austritts kann in Abhängigkeit vom Allgemeinzustand des Patienten in der Ösophagographie oder in der CT erfolgen (. Abb. 28.9). Bei möglicher Fistelbildung zum Tracheobronchialsystem (z. B. bei einer Tumorsituation) muss isoosmolares wasser-
923 28.4 · Traumatische Veränderungen/Fremdkörper
lösliches Kontrastmittel verwendet werden. Je nach Situation kann eine Applikation per Sonde erforderlich sein. Auch ohne den Nachweis eines Kontrastmittel-Austritts ist die CT durch die hohe Sensitivität für den Nachweis paraösophagealer Luft oder Flüssigkeit oft in der Lage, den Verdacht auf eine Perforation zu erhärten. > Die Verwendung von Barium für den Perforationsnachweis in der Schluckuntersuchung wird diskutiert, da eine höhere Sensitivität vorzuliegen scheint. Die möglichen Risiken z. B. durch eine unvorhergesehene Verteilung des Kontrastmittels sind jedoch im Einzelfall schwer kalkulierbar. Wichtiger erscheint bei der Untersuchungsdurchführung die Darstellung sowohl in Rücken- wie auch in Seiten- und Bauchlage, um auf diese Art einen Kontrastmittel-Austritt zu provozieren
Das Mallory-Weiss-Syndrom wird durch eine Ruptur des submukösen Venenplexus z. B. nach intensivem Würgen verursacht. Es findet sich ein Längsriss der Mukosa oder Mukosa und Submukosa im gastroösophagealen Übergang in 85% der Fälle kleinkurvaturseitig.
Fisteln zum Tracheobronchialsystem Epidemiologie, Pathogenese Ösphageale Fisteln zur Trachea oder zum Bronchialsystem treten bei 5–15% maligner Ösophagusneoplasien (. Abb. 28.10) und bei bis zu 1% der bronchialen Karzinome auf. Wegen der weitreichenden Konsequenzen chronischer Aspirationen, die selbst beim Schlucken des Speichels auftreten, ist eine sichere Detektion und Darstellung für die therapeutische Planung, z. B. einer palliativen Stentimplantation wichtig. . Abb. 28.9. Ösophagusperforation im Rahmen einer Endoskopie bei einem Patienten mit radiotherapiertem, zervikalem Ösophaguskarzinom: Typische lambdaförmige Aufzweigung des KM-Flusses in das Ösophaguslumen und die paraluminale Perforationshöhle
Bildgebung Bei der Schluckuntersuchung findet sich im Gegensatz zur Aspiration durch pharyngeale Fehlfunktion bei Fisteln ein anderer
. Abb. 28.10a, b. Ösophagotracheale Fistel bei Ösophaguskarzinom. Die Trachea und die Hauptbronchien sind schon vom ersten Schluck mit KM benetzt. Man erkennt die lambdaförmige Aufteilung des KM-Bolus im durch den Tumor destruierten Ösophagus und das Eindringen der Flüssigkeit in die Trachea und den linken Hauptbronchus durch die Fistel
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Kapitel 28 · Radiologische Diagnostik des Schluckakts und des Ösophagus
. Abb. 28.11a, b. Impaktierter Fremdkörper: Quer im zervikalen Ösophagus eingespießte Fischgräte. a Prallfüllung: Man erkennt eine zipflige Ausziehung des Ösophagus zu beiden Seiten. b Postdeglutitiv: Der Fremdkörper ist nur noch durch kleine KM-Reste um die Gräte und die Veränderung der ösophagealen Kontur erkennbar. Beachte die Höhenverschiebung während des Schluckakts!
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zeitlicher Ablauf zwischen Schluck und durch die Aspiration ausgelöstem Hustenreiz. Während bei der Aspiration in der pharyngealen Etage der Hustenreflex (sofern intakt) während oder unmittelbar im Anschluss an den pharyngealen Schluckablauf ausgelöst wird, findet sich bei einer Fistel zum Tracheobronchialsystem je nach Höhe eine typische Verzögerung. So kann schon nach der ersten Projektion bei Ausschluss einer pharyngealen Aspiration und verzögert ausgelöstem, aber mit dem Schluckakt assoziiertem Hustenreflex der Verdacht auf eine Fistel gestellt werden (. Abb. 28.10). Die folgenden Projektionen können dann gezielt auf diese Fragestellung optimiert werden. > Ein verzögerter, schluckassoziierter Hustenreflex ist bei Ausschluss einer Aspiration aus der pharyngealen Etage immer verdächtig für eine ösophago-respiratorische Fistel.
Bisweilen kann feste Nahrung problemlos geschluckt werden, während Flüssigkeiten leichter durch die Fistel dringen und zur Symptomatik führen. Bei Aspiration größerer Mengen Kontrastmittel ist ein Bronchogramm nachweisbar. Im Zweifel muss nach diesem gefahndet werden. Die Untersuchung muss mit isoosmolarem Kontrastmittel durchgeführt werden.
Fremdkörper-/Bolusimpaktationen Klinik Bei dem Verdacht auf eine Bolusimpaktation ist in vielen Fällen die Anamnese aufschlussreich. Bei Fleischimpaktationen ist nicht selten gleichzeitiger Alkoholgenuss vorhanden oder es wird von einem Problem mit den Zähnen berichtet, sodass der Bolus nicht ausreichend zerkleinert wurde. Bei wiederholten Impaktationen ist die Ursachensuche (Strikturen, Webs, andere Passagehindernisse) unerlässlich.
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Bildgebung Ein Großteil von (fraglich) geschluckten Fremdkörpern ist nicht röntgendicht und daher auf der nativen Röntgenaufnahme nicht direkt nachweisbar. Kontrastmittel-Aussparungen können den umspülten Fremdkörper zeigen, oft ist jedoch nur eine leichte Fluss- oder Konturunregelmäßigkeit oder Veränderungen der peristaltischen Welle zu erkennen (. Abb. 28.11). Bei einer Einspießung (. Abb. 28.11) pharyngeal oder im Bereich des oberen Ösophagussphinkters kann eine prävertebrale Weichteilschwellung ein indirekter Hinweis sein (Gefahr des retropharyngealen Abszesses → CT). Als Grenzwerte für die normale Dicke des prävertebralen Weichteilschattens werden pharyngeal 3–7 mm und retrolaryngeal 20–22 mm angegeben. Bei einer totalen oder subtotalen Verlegung des Ösophagus (z. B. impaktiertes Fleischstück) staut sich die KontrastmittelSäule über dem impaktierten Bolus (Cave: Aspirationsgefahr bei Regurgitation!). Oft zeigt sich ein unregelmäßiges Kuppelphänomen des Kontrastmittels über dem Bolus (. Abb. 28.12). > Eine Nachuntersuchung mit Barium im Intervall ist angezeigt, da nicht selten eine präexistente Pathologie als Ursache für eine Impaktation gefunden wird, so z. B. pharyngoösophageale Motilitätsstörungen, eine ösophageale Striktur oder ein Schatzkiring bei einer Hiatushernie.
28.5
Entzündliche Erkrankungen
Infektiöse Ösophagitiden Infektiöse Ösophagitiden sind selten und betreffen häufig immungeschwächte Personen. Bei HIV-Patienten kann eine Ösophagitis die erste klinisch apparente, opportunistische Infektion sein.
925 28.5 · Entzündliche Erkrankungen
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. Abb. 28.12. Bolusimpaktation mit kompletter Verlegung des Lumens und Kuppelphänomen. Der Pfeil bezeichnet den oberen Ösophagussphinkter
. Abb. 28.13a, b. Candida-Ösophagitis. Irreguläre Lumenkontur mit Nischenbildung. Durch die entzündlichen Plaques ergibt sich eine Induration des Ösophagus, die sich in einer Einschränkung bis Aufhebung der peristaltischen Verformung in dem betroffenen Abschnitt zeigt
Virale Ösophagitiden
Intramurale Pseudodivertikulose
Bei immungeschwächten Patienten (z. B. HIV) ist einen Herpessimplex-Ösophagitis eine häufige Komplikation, sie kommt jedoch auch beim immunkompetenten Patienten vor. Klinisch stehen oberflächliche Ulzerationen im distalen Ösophagus mit Odynophagie und retrosternalen Schmerzen im Vordergrund. Diese stellen sich auch radiologisch als Lumenirregularitäten und meist diskrete Ulkusnischen dar. Beim immunkompetenten Patienten ist die Erkrankung oft selbstlimitierend, mukosale Blutungen (Mallory-Weiss-Syndrom) und selten Perforationen wurden jedoch beschrieben. Die Diagnose muss durch endoskopische Probeentnahme gesichert werden. Es gibt Hinweise darauf, dass humane Papillomaviren bei der Entstehung von Plattenepithelkarzinomen des Ösophagus eine Rolle spielen könnten. Andere Virus-Ösophagitiden, z. B. durch das Zytomegalie-Virus, sind beschrieben.
Bei diesem seltenen Krankheitsbild finden sich multiple, kleine, kolbenförmige Ausbuchtungen in die ösophageale Wand, die erweiterten exkretorischen Gängen der ösophagealen Mukosadrüsen entsprechen (. Abb. 28.14). Es handelt sich nicht um echte Divertikel. Bisweilen zeigen sich die gefüllten Gänge auch als punktförmige Kontrastmittel-Flecken, die scheinbar keine Verbindung zum ösophagealen Lumen haben. Aufgrund der intramuralen Entzündung findet sich nicht selten eine Wandverdickung in der CT, die differenzialdiagnostisch gegen Neoplasien abzugrenzen ist. Klinisch zeigt sich meist eine Dysphagie aufgrund einer Stenosierung oder der Ausbildung von Strikturen. Obere gastrointestinale Blutungen (Mallory-Weiss-Syndrom) sind selten. Bisweilen ist eine Pseudodivertikulose auch ein Zufallsbefund bei einem diesbezüglich symptomlosen Patienten. Es besteht eine Assoziation mit gastroösophagealer Refluxerkrankung, Motilitätsstörungen des Ösophagus, einer Candidiasis, Diabetes, Alkoholismus und anderen Erkrankungen mit Beeinträchtigung des Immunsystems.
Candidiasis des Ösophagus Candida albicans ist als ubiquitärer Keim auch im normalen Ösphagus in ca. 25% der Fälle zu finden. Die Entwicklung einer invasiven Candida-Ösophagitis ist in der Regel an die Existenz einer Komorbidität, am häufigsten eine gastro-ösophageale Refluxerkrankung oder einen Diabetes mellitus gebunden. Auch eine Immunschwäche kann pathogenetisch zugrunde liegen.Bei transmuraler Infektion kann es zur Perforation kommen. Radiologisch kann sich in leichteren Fällen gelegentlich nur eine intramurale Pseudodivertikulose zeigen (. Abb. 28.13).
> In der Ösophagographie mit Barium kann die Sensitivität für die Darstellung der erweiterten Gänge durch eine Untersuchung im Liegen und die Gabe von Butylscopolamin verbessert werden. Wegen der geringen Größe der Drüsenöffnungen ist die Verwendung von dünnflüssigeren Applikationen den High-density-Barium-Suspensionen vorzuziehen.
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Kapitel 28 · Radiologische Diagnostik des Schluckakts und des Ösophagus
Die Untersuchung mit Barium im Doppelkontrast sollte im Stehen, überdrehter Rechtsseitenlage und Rückenlage, evtl. Bauchlage durchgeführt werden. Die liegenden Positionen sind für die Beurteilung von möglichen Störungen der Peristaltik und der ösophagealen Reinigungsfunktion notwendig. Motilitätsstörungen sind häufig und müssen dokumentiert werden, da sie unter Umständen eine Kontraindikation zur Fundoplikatio darstellen. Neben hypomotilen können andere Veränderungen der ösophagealen Motilität beobachtet werden. So finden sich vermehrt tertiäre Kontraktionen oder eine Betonung der transversen Falten (so genannter »feline esophagus«) in der Umgebung anderer refluxbedingter Sekundärveränderungen (. Abb. 28.15).
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> Glucagon oder Butylscopolamin zur optimierten Doppelkontrastdarstellung der morphologischen Veränderungen dürfen erst nach der Beurteilung der funktionellen Veränderungen gegeben werden.
. Abb. 28.14. Pseudodivertikulose bei unklarer Dysphagie. Multiple, kleine Lumenausbuchtungen
Gastroösophagealer Reflux/Refluxösophagitis Definition, Klinik Ein gastroösophagealer Reflux (gastroesophageal reflux disease, GERD) ist die häufigste Ursache für eine Ösophagitis. Das wohl bekannteste Symptom ist das Sodbrennen. Andere häufige Symptome sind ein Globus-pharyngis-Gefühl, retrosternale, brennende Schmerzen, Heiserkeit und dysphagische Beschwerden.
Bildgebung Die Barium-Schluckuntersuchung hat für die Detektion eines Säurerefluxes aus dem Magen nur eine unbefriedigende Sensitivität, sodass hier die Langzeit-pH-Metrie in Kombination mit der intraluminalen Impedanz-Messung überlegen ist. Bei der Darstellung von refluxbedingten, teils subtilen Schleimhautveränderungen ist die Endoskopie mit der Möglichkeit der Probeentnahme diagnostisches Mittel der Wahl. Aufgabe der radiologischen Schluckuntersuchung ist dagegen die Erkennung und Darstellung von typischen assoziierten oder sekundären Veränderungen wie Öffnungsstörungen des oberen Sphinkters, Motilitätsstörungen des tubulären Ösophagus oder von morphologischen Veränderungen wie Membranstenosen (Webs), peptischen Strikturen oder Hiatushernien ggf. mit einem Schatzki-Ring. Die Doppelkontrastuntersuchung hat daneben das Potenzial einer besseren Darstellung der topographischen Ausdehnung von ulzerativen Schleimhautveränderungen oder Strikturen. Bei der Detektion relativ milder Strikturen kann die Schluckuntersuchung der Endoskopie auch überlegen sein.
Aufwendige Provokationsmanöver wie Kopftieflage und unphysiologische Bauchpresse sind wegen der Produktion von vielen falsch positiven Befunden abzulehnen. Insbesondere kleine axiale Hiatushernien können durch ein in gewissen Grenzen physiologisches Hochtreten des juxtakardialen Magenabschnitts vorgetäuscht werden. Dies kommt bei Erbrechen, Nausea und Aufstoßen vor und kann bei unphysiologischen Provokationen ebenfalls auftreten, ohne dass es als Pathologie gewertet werden darf. Eine Fehlinterpretation der Ampulla epiphrenica des Ösophagus als Hiatushernie muss ebenfalls vermieden werden (. Abb. 28.16). Eine kurze Durchleuchtung des Magens kann eine Magenentleerungsstörung oder Gastroparese als möglichen pathogenetischen Faktor aufdecken. Die Miterfassung des pharyngealen Schluckakts zumindest im seitlichen Strahlengang gehört ebenfalls immer mit zum Untersuchungsgang. Typischer Befund bei einer Refluxerkrankung ist hier eine Prominenz des pharyngoösophagealen Segments (PE-Segment) (. Abb. 28.17). Nicht selten lässt sich ein Zenker-Divertikel bzw. -Pouch finden. Die Assoziation mit einer Refluxerkrankung lässt sich erklären, wenn man den oberen Sphinkter als weitere Refluxbarriere nach hypopharyngeal zum Aspirationsschutz begreift. Bei saurem Ösophagusinhalt kommt es zu einer Veränderung des Tonus bzw. der Relaxationssteuerung des M. cricopharyngeus mit häufigerem Auftreten von intraluminalen Druckspitzen oberhalb des Sphinkters und der Ausbildung eines Divertikels wie im Abschnitt über das Zenker-Divertikel beschrieben. Als weitere Sekundärveränderung können Membranstenosen (Webs) meist zervikal und ventral auftreten. Sie zeigen sich in der seitlichen Projektion als lineare, meist von ventral in das Lumen ragende Kontrastmittel-Aussparungen und in der a.p.Projektion als meist diskrete, quere Einschnürungslinien. Sie können erhebliche dysphagische Beschwerden verursachen und sind endoskopisch meist gut zu behandeln. Webs im unteren tubulären Ösophagus sind seltener. Ein Schatzki-Ring ist einem Web vergleichbar mit mukosalen und submukösen Bestandteilen, jedoch mit besonderer, genau definierter Lokalisation (. Abb. 28.18). Er findet sich exakt am Epithelübergang des Ösophagus zum Magen. Im klassischen Fall besteht die kraniale Oberfläche aus Plattenepithel, während die kaudale Zylinderepithel aufweist. Sekundäre Ver-
927 28.5 · Entzündliche Erkrankungen
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. Abb. 28.15a–c. Gastroösophagealer Reflux. a Während der peristaltischen Welle fällt eine Betonung der transversalen Falten auf. b An gleicher Stelle lässt sich eine Striktur nachweisen, an der es zur Impaktation einer
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. Abb. 28.16a–c. Ampulla epiphrenica versus Hiatushernie. a Die physiologische epiphrenische Ampulle läuft spitz in den Ösophagus aus (Zwiebelform) und ist zum Magen hin durch die geschlossene Cardia abgegrenzt. Ein intraösophagealer Reflux aus der Ampulle in den tubulären Ösophagus ist häufig zu beobachten und ebenfalls nicht pathologisch zu werten. b Die
c (zerteilten) Barium-Gelatine-Kugel kommt. c Der ösophagogastrale Übergang zeigt eine mittelgroße axiale Hiatushernie mit lang anhaltendem Klaffen der Cardia
c Hernie ist durch die Cardia zum Ösophagus stumpf abgegrenzt und zum Magen hin offen. c Im nächsten Bild der Serie zeigt sich die Kardiakontraktion noch deutlicher. Dennoch ist in diesem Fall ein hernio-ösophagealer Reflux nachweisbar, der die Kardiainsuffizienz anzeigt. Man erkennt auch die direkte Fortsetzung von Magenfalten in die Hernie
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Kapitel 28 · Radiologische Diagnostik des Schluckakts und des Ösophagus
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. Abb. 28.17a, b. Prominentes PE-Segment bei GERD. a Deutliche Betonung der cricopharyngealen Kontraktion am Ende der Schluckphase. Der letzte Bolusanteil wird abgeschnitten. b Bei einem anderen Patienten zeigte sich eine Öffnungsstörung des oberen Sphinkters (Pfeil) während der gesamten Schluckphase. Die Kombination mit einem gleichzeitig bestehenden zervikalen ventralen Web (kleiner Pfeil) auf gleicher Höhe führte zu einer hochgradigen Enge mit massiver Dysphagie. Beachte das Jet-Phänomen. Zur Differenzierung eines Webs gegen eine physiologische retrocricoidale Schleimhautaufschiebung siehe . Abb. 28.24
narbungen und Indurationen kommen vor. Schatzkiringe sind wie Webs größenabhängige Passagehindernisse v. a. für Festkörperboli. Impaktationen sind nicht selten (»steak house syndrome«). Als Grenzwert für das Auftreten von Symptomen werden 20 mm Binnendurchmesser angegeben. Schatzki berichtete, dass ab einer Lumeneinengung auf 13 mm regelmäßig dysphagische Beschwerden bei festen Speisen auftreten. Die Darstellung gelingt meist in der überdrehten Rechtsseitenlage oder Bauchlage. Eine gleichzeitig bestehende Hiatushernie ist der Regelfall. Die so genannten inflammatorischen ösophagogastralen Polypen entsprechen dem verdickten oberen Ende von Schleimhautfalten des Magens, die sich nach ösophageal bzw. in eine assoziierte Hernie fortsetzen. Sie bestehen aus inflammatorischem Granulations- und Bindegewebe und sind als Folge der floriden Ösophagitis anzusehen. Der refluxassoziierte Barrett-Ösophagus zeichnet sich durch eine Schleimhautmetaplasie des distalen Ösophagus im Sinne eines Ersatzes des originären Plattenepithels durch intestinales Zylinderepithel aus. Für das Auftreten des refluxbedingten Barrett-Ösphagus gilt die so genannte 10er-Regel, wonach ca. 10% der hauptsächlich männlichen Patienten mit einer Refluxösophagitis einer Barrett-Ösophagus entwickeln und wiederum ca. 10% von diesen in der Folge ein Adenokarzinom.
. Abb. 28.18. Schatzkiring bei kleiner Hiatushernie: Zirkuläre, lineare KM-Aussparung an der Grenze der (zwiebelförmigen) Ampulla epiphrenica zu der kleinen, axialen Hiatushernie
> Andere Lokalisationen für Epithelinseln mit gastraler Ausdifferenzierung finden sich v. a. zervikal, sind jedoch als embryonale Fehlbildung anzusehen (7 Kap. 28.3, Fehlbildungen).
Hiatushernien Epidemiologie, Pathogenese, Ätiologie Da ein sehr großer Teil der Hiatushernien im Zusammenhang mit einer Refluxerkrankung auffällig wird, ist eine Beschreibung an dieser Stelle angebracht. Hiatushernien treten jedoch auch als angeborene Fehlentwicklungen auf, wobei auch im Kindesalter die paraösophagealen Hernien seltener sind als die axialen. Der Durchtritt des Ösophagus durch das Diaphragma am Hiatus oesophagei ist der normale Ort des unteren Ösophagussphinkters, der Cardia. Bei einer Erhöhung des intraabdominellen Drucks erfolgt physiologisch gleichzeitig eine Verengung des Hiatus, die ein Durchtreten von Magenanteilen nach thorakal verhindert. Zusätzlich besteht eine anatomische Fixierung der Cardia im Hiatus in Form des phreniko-ösophagealen Ligaments. Beim Versagen der Abschlussmechanismen kann es zu unterschiedlichen Formen hiataler Hernien kommen. Risikofaktoren sind Übergewicht, Rauchen, Schwangerschaften, chronischer Husten und andere mit chronischer Erhöhung des intraabdominellen Drucks verbundene Konstellationen. Große Hernien werden oft schon als Zufallsbefund in der Thoraxübersichtsaufnahme diagnostiziert.
929 28.5 · Entzündliche Erkrankungen
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. Abb. 28.19a–c. Beispiele für axiale Hiatushernien: Die supradiaphragmale Lage der Cardia lässt sich bei Blähung des Lumens im Doppelkontrast gut erkennen
Einteilung Es werden 4 Typen von Hiatushernien unterschieden. Typ 1: Axiale Hiatushernie – »sliding hernia«. Mit zunehmendem Alter kommt es zu einer Auflockerung des Bindegewebes des Hiatus und des phreniko-ösophagealen Bandes (. Abb. 28.19). Die Cardia gleitet (entlang der Achse des Ösophagus: axial) durch den Hiatus nach kranial, wodurch die Synergie der Kontraktion des unteren Ösophagussphinkters und der ihn normalerweise umgebenden Zwerchfellschlinge aufgehoben ist. Der Befund ist häufig mit einer Refluxerkrankung assoziiert, jedoch darf ein akzidentelles Hochtreten der Cardia beim asymptomatischen Patienten nicht als Beweis für eine solche überbewertet werden.
geben zusätzlich zu einer vorbestehenden paraösophagealen Hernie kommt, tritt die Cardia in den Thorax über. Großskurvaturseitig wölbt sich jedoch noch ein großer Fundusanteil neben dem distalen Ösophagus über das Niveau der Cardia nach kranial.
Typ 2: Paraösophageale Hiatushernie – »rolling hernia«. Bei der selteneren paraösophagealen Hernie tritt der Magenfundus
neben dem Ösophagus nach thorakal über (. Abb. 28.20). Dabei kann in seltenen Fällen sogar eine Gewebsbrücke zwischen dem originären Hiatus oesophagei und der Bruchlücke bestehen. Die Cardia wird durch das Lig. phreniko-ösophagei an ihrem Platz subphrenisch gehalten. Viele dieser Hernien sind asymptomatisch. Eine klare Assoziation zu einer Refluxerkrankung besteht nicht. Es besteht jedoch eine erhöhte Gefahr einer Inkarzeration, zumal oft große Anteile des Magens durch eine relativ kleine Bruchlücke hernieren. Zusätzlich tritt dann wegen der Fixierung der Cardia eine Rotation der Magenachse, im Extremfall in Form eines so genannten »upside-down-stomach« auf (. Abb. 28.21). Typ 3: Gemischte Hiatushernie. Wenn es zum asymmetrischen
Nachgeben des phrenikoösophagealen Bandes oder zum Nach-
. Abb. 28.20. Paraösophageale Hiatushernie: Die Cardia befindet sich im Niveau des Zwerchfells (Pfeilspitze). Ein großer Fundusanteil wölbt sich neben dem Ösophagus nach thorakal
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Kapitel 28 · Radiologische Diagnostik des Schluckakts und des Ösophagus
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. Abb. 28.21. Upside-down-stomach als Extremform einer paraösophagealen Hiatushernie: Während die Cardia weitgehend an ihrem Platz verblieben ist, hat der Magen eine Rotation um diesen Fixpunkt vollzogen
. Abb. 28.22. Gemischte Hiatushernie: Großkurvaturseitig wölbt sich der Magenfundus dem Ösophagus nach kranial. Die Cardia (Pfeilspitze) liegt deutlich über dem Zwerchfelldurchtritt (kleine Pfeile). Nach der Kardiapassage fällt das KM wasserfallartig in das Lumen des Magens
Zur Differenzierung gegen einen axiale und eine paraösophageale Hernie muss die Lage der Cardia identifiziert werden. Dies gelingt oft im Stehen am besten, da man bei nach thorakal dislozierter Cardia den Übertritt des Kontrastmittels in das größere Lumen des Magens ohne peristaltische Führung wasserfallartig beobachten kann (. Abb. 28.22). Die paraösophageale Hernie bleibt im Stehen zunächst unkontrastiert.
Bildgebung. Die akute Strahlen-Ösophagitis ist in der Regel
Typ 4: Komplexe Hiatushernie. Wenn der Hiatus so stark erweitert ist, dass nicht nur Magenanteile, sondern auch andere abdominelle Strukturen wie Colon transversum, Netz oder Dünndarm nach thorakal hernieren, spricht man von einer komplexen Hiatushernie. > Bei sehr ausgeprägten Befunden kann eine Unterscheidung von einer Relaxatio diaphragmatica schwierig sein und den Einsatz der CT und der Durchleuchtung mit Schnupftest erfordern. Bei einer Zwerchfellparese zeigt sich im Schnupftest eine paradoxe Bewegung der paretischen Zwerchfellseite, also nach oben.
Nichtinfektiöse andere Ösophagitiden Strahleninduzierte Ösophagitis Die so genannte TD 5/5, also die Toleranzdosis, bei der 5% der behandelten Patienten in 5 Jahren schwere postösophagitische Folgeschäden entwickeln, liegt in Abhängigkeit von dem bestrahlten Anteil des Ösophagus zwischen 55 und 60 Gy. Geringere Dosen führen zu akuten, aber ohne Folgeschäden ausheilenden Ösophagitiden.
keine radiologische Diagnose. Wenn sie gelegentlich zur Schluckuntersuchung kommt, findet sich das Bild einer aktiven Ösophagitis mit granularen Veränderungen der Lumenkontur, teils mit kleineren Ulzerationen, die relativ abrupt an den Grenzen des Bestrahlungsfeldes enden. Die strahleninduzierten Spätfolgen zeigen sich häufig als längerstreckige, glatt begrenzte, flach sich verjüngende Strikturen im Bereich des ehemaligen Bestrahlungsfeldes. Oral und im Pharynx zeigen sich als Bestrahlungsfolgen u. a. eine Xerostomie mit einem besonders »guten«, lang anhaltenden Schleimhautbeschlag in der Bariumuntersuchung (. Abb. 28.23). Weiter finden sich eine Abflachung der Valleculae und eine Verplumpung der Epiglottis. Eine Induration und Atrophie der pharyngealen Muskulatur führt zu schlechterer Boluskontrolle, häufig mit Aspirationen. Im zervikalen Ösophagus finden sich nach Bestrahlungen in diesem Bereich nicht selten wie beim gastro-ösophagealen Reflux zirkuläre oder häufiger ventrale semilunäre Membranstenosen, die so genannten Webs (. Abb. 28.24).
Kaustische Ösophagitis Ingestionen von Säuren oder Laugen kommen in der Kindheit meist akzidentell, im Erwachsenenalter häufiger auch in suizidaler Absicht vor. In Einzelfällen besteht ein krimineller Hintergrund. Wegen der unterschiedlichen Art der Schädigung, die bei Säuren zu einer koagulierenden Nekrose und bei Laugen zu einer Kolliquationsnekrose mit tieferer Zerstörung der Wandschichten führt, führen Laugeningestionen eher zu Perforationen.
931 28.6 · Motilitätsstörungen des Pharynx und Ösophagus
a
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. Abb. 28.23a, b. Xerostomie nach Bestrahlung. Es fällt ein lang anhaltender Schleimhautbeschlag des KM auf, welches langsam tropfenförmig
vom Velum nachläuft (Pfeilspitze). Das Pharynxlumen ist weit, die Epiglottis verplumpt, die Valleculae (kleine Pfeile) sind abgeflacht
Bildgebung. Bei der radiologischen Akutdiagnostik zeigt die CT auch ohne den direkten Nachweis von austretendem Kontrastmittel durch die Darstellung von paraluminaler Luft eine hohe Sensitivität für eine Perforation. Die Darstellung der Lokalisation und Morphologie einer Perforation gelingt meist besser in der Ösophagographie. Je nach Zustand des Patienten muss dabei das Kontrastmittel ggf. über eine Sonde gegeben werden. Wenn die Akutbehandlung nicht eine Ösophagektomie erfordert, können sich in der Folge wie nach allen schweren Ösophagitiden narbige Stenosen und Strikturen im Ösophagus bilden (. Abb. 28.25). Diese werden bisweilen erst nach mehreren Jahrzehnten durch dysphagische Beschwerden oder Impaktationen symptomatisch.
krankung identifizieren, die die Motilitätsstörung als eines ihrer Symptome verursacht. So findet sich in seltenen Fällen auch als paraneoplastische Erscheinung eine Achalasie, ein diffuser Spasmus oder eine andere Motilitätsstörung. Die Begriffe »nicht spezifische ösophageale Motilitätsstörung« (NEMD) und »Presbyösophagus« lassen sich nicht eindeutig als primär oder sekundär klassifizieren.
Morbus Crohn Obwohl sich der Morbus Crohn im Gegensatz zur Colitis ulcerosa im gesamten Gastrointestinaltrakt vom Mund bis zum Anus manifestieren kann, ist er im Vergleich zur typischen Lokalisation am terminalen Ileum im Ösophagus eine Rarität. Klinisch problematisch ist auch am Ösophagus die Neigung zur Fistelbildung sowie des Entwicklung von narbigen Strikturen.
28.6
Motilitätsstörungen des Pharynx und Ösophagus
Motilitätsstörungen des Pharynx und Ösophagus können primär auftreten, d. h. ohne eine erkennbare, zugrunde liegende, andere Erkrankung, oder sekundär. In zweiten Fall lässt sich eine Er-
Primäre Motilitätsstörungen Achalasie Definition, Ätiologie, Klinik
Die Achalasie des unteren Ösophagussphinkters ist manometrisch definiert durch eine fehlende oder unzureichende schluckreflektorische Erschlaffung des Sphinkters. Bei der primären Achalasie lässt sich histopathologisch eine Degeneration des Plexus myentericus Auerbach begleitet von einem Mangel inhibitorisch wirksamem NO (Stickoxid) nachweisen. Ursächlich werden autoimmunologische Mechanismen angenommen, wobei die Rolle bestimmter HLA-Konstellationen und antineuraler Antikörper noch nicht letztlich geklärt ist. Bei der hypo- bzw. amotilen Form steht symptomatisch meist eine Dysphagie im Vordergrund während bei der hypermotilen Form oft auch retrosternaler Druck bzw. Schmerzen auftreten. Bildgebung
Radiologisch wird die hypo- und amotile Form der Achalasie nach Brombart in 3 Stadien eingeteilt: 4 Stadium 1: Es zeigt sich eine geringgradige, gleichmäßige Erweiterung des Ösophaguslumens auf weniger als 4 cm bei
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Kapitel 28 · Radiologische Diagnostik des Schluckakts und des Ösophagus
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. Abb. 28.24a–d. Web des zervikalen Ösophagus. Die nach Bestrahlung aufgetretene Membranstenose konnte als Ursache für die bestehende Dysphagie identifiziert werden. a, b In der p.a.-Projektion zeigt sich der Befund als diskrete, quere Linie, die der Höhenverschiebung des Ösophagus während des Schluckakts folgt. c In der seitlichen Projektion erkennt man bei
eng gestelltem Kardiasegment. Die Magenblase ist oftmals noch erhalten (. Abb. 28.26). 4 Stadium 2: Das Lumen des Ösophagus ist auf 4 cm oder mehr erweitert. Das cardiale Segment ist oft längerstreckig enggestellt und zeigt eine Sektglasform (im engl. Sprachgebrauch bird-beak = Vogelschnabel). Die Magenblase fehlt meist (. Abb. 28.27). 4 Stadium 3: Es findet sich eine massive Erweiterung des ösophagealen Lumens mit kinking- oder siphonartiger Ver-
dieser höhergradigen Stenose Luft unterhalb des Webs im Sinne eines JetPhänomens. d Eine unregelmäßige, flache, teils traubenförmige KM-Aussparung retrocricoidal (anderer Patient!) entspricht einer kleinen, physiologischen Mukosaaufschiebung während des Schluckens und darf nicht als Web fehlgedeutet werden
biegung der Achse v. a. epiphrenisch, meist nach rechts (links ist das Herz). Die Magenblase fehlt regelhaft (. Abb. 28.28). Das Fehlen der Magenblase erklärt sich durch die zunehmend gestörte, bei höheren Stadien fehlende aktive Transportfunktion des tubulären Ösophagus. Physiologisch mitgeschluckte Luft steigt bei der längeren Verweildauer im Ösophagus nach oben und gelangt nicht in den Magen.
933 28.6 · Motilitätsstörungen des Pharynx und Ösophagus
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. Abb. 28.25a, b. Striktur nach kaustischer Ösophagitis. a Nach Säureverätzung in der Kindheit finden sich in mehreren Etagen unterschiedlich stark ausgebildete, teils längerstreckige, glattwandige Stenosen. b Bei dem ca. 70-jährigen Patienten kam es in den letzten Jahren rezidivierend zu Bolusimpaktationen mit komplettem Passagestopp. Beachte das Kuppelphänomen über dem impaktierten Bolus (Pfeil)
. Abb. 28.26. Achalasie Stadium 1: Nur geringe Erweiterung des Lumens. Der zweite Schluck des KM zieht tropfenförmig durch den im Ösophagus stehenden Succus
In den höheren Stadien bildet Speisesuccus im Ösophagus einen Spiegel, dessen Höhe als Supportlevel bezeichnet wird (. Abb. 28.28). Die Höhe der Succussäule korreliert mit dem für die passive Öffnung des unteren Sphinkters nötigen hydrostatischen Druck. Daher kann sie zusätzlich als ein Parameter zur Quantifizierung der Achalasie v. a. auch in der Verlaufs- bzw. Therapiekontrolle herangezogen werden. > Bei der Achalasie kann der dilatierte Ösophagus randbildend für das Mediastinum in der Thorax-Übersichtsaufnahme werden. Eine Fehlinterpretation (z. B. Lymphom) kann vermieden werden, wenn ein Spiegel nachweisbar ist.
Eine maligne Entartung bei einer lang bestehenden Achalasie in Form eines Plattenepithelkarzinoms kommt vor. Die seltenere hypermotile Form der Achalasie zeichnet sich im Gegensatz zur hypo- bzw. amotilen Form durch eine vermehrte, allerdings tertiäre, nicht propulsive Peristaltik aus (. Abb. 28.29). Etagenartige oder segmentale, durchschnürende bis spastische Kontraktionen sind einerseits für die häufiger auftretende Schmerzsymptomatik verantwortlich. Sie können andererseits zur Ausbildung epiphrenischer Pulsationsdivertikel zwischen den spastischen Segmenten führen. Das Bild der hypermotilen Achalasie ähnelt dem des diffusen Ösophagusspasmus und unterscheidet sich von diesem im Wesentlichen durch die ein-
. Abb. 28.27. Achalasie Stadium 2 nach endoskopischer Injektion von Botulinustoxin: Die Passage durch die Cardia ist durch die Injektion verbessert. Dennoch gut erkennbarer Supportlevel. Die Achse des Ösophagus ist noch weitgehend gerade. Das Vorhandensein der Magenblase ist unmittelbar nach Endoskopie nicht diagnostisch verwertbar
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Kapitel 28 · Radiologische Diagnostik des Schluckakts und des Ösophagus
deutige Dysfunktion des unteren Ösophagussphinkters bei der Achalasie.
Diffuser Ösophagusspasmus/BarsonyTeschendorf-Syndrom Definition, Klinik
Radiologisch wie manometrisch ist diese Motilitätsstörung durch repetitive, oft anfallsartig auftretende, segmentale, nicht propulsive Kontraktionen des glattmuskulären Ösophagus gekennzeichnet. Die dabei auftretende Schmerzsymptomatik wird auch als Non-Cardiac-Chest-Pain bezeichnet und ist ursächlich wohl auf eine Ischämie im Bereich der spastischen Muskelzellareale zurückzuführen. Neben den intermittierenden retrosternalen Beschwerden, die nicht sicher von pektanginösen Beschwerden zu unterscheiden sind, besteht häufig eine Dysphagie.
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Bildgebung
. Abb. 28.28. Achalasie in der Thoraxübersicht: Der bis zervikal erweiterte Ösophagus bildet die rechte Mediastinalkontur. In Projektion auf das Manubrium sterni lässt sich der Spiegel der Succussäule erkennen
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Erfasst man während der Röntgenuntersuchung eine Episode perlschnurartiger oder korkenzieherförmiger Kontraktionen, die mit den oben genannten Beschwerden einhergehen, so ist ein diffuser Ösophagusspasmus als Ursache sehr wahrscheinlich. Die spastischen segmentalen Kontraktionen können zum Berühren der Ösophaguswände führen. Die dazwischen liegenden weiten Ösophagusabschnitte können wie Divertikel impo-
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. Abb. 28.29a–c. Hypermotile Achalasie: Neben der Öffnungsstörung der Cardia zeigen sich segmentale, nicht propulsive Kontraktionen. Beachte den schnellen Wechsel des Erscheinungsbildes in der Serie
935 28.6 · Motilitätsstörungen des Pharynx und Ösophagus
. Abb. 28.31. Zervikale Achalasie. Die Schluckuntersuchung zeigt eine deutliche Dilatation des Pharynxlumens und Retention vom KM im Hypopharynx
Sekundäre Motilitätsstörungen Zervikale Achalasie/Cricopharyngeale Achalasie . Abb. 28.30. Diffuser Ösophagusspasmus. Segmentale, tief durchschnürende Kontraktionen mit dazwischen liegenden Barsony-Pseudodivertikeln (Peile). Zusätzlich großes epiphrenisches, echtes Divertikel (Stern)
nieren. Der Begriff »Barsony-Divertikel« wird hierfür verwendet, obwohl es sich im radiologischen Sinn nicht um echte Divertikel handelt und besser Barsony-Pseudodivertikel heißen sollte (. Abb. 28.30). Es kommen zusätzlich echte Pulsionsdivertikel v. a. epiphrenisch vor. Da sich der Ösophagus infolge der massiven Kontraktionen verkürzt, sieht man häufig eine Hiatusgleithernie. > Wegen des nur anfallsartig auftretenden Bildes erbringt die Untersuchung im Intervall häufig einen unauffälligen Befund. Bisweilen gelingt eine Provokation mit angesäuertem Kontrastmittel oder einem relativ großen Festkörperbolus (Barium-Gelatine-Kugel). Hierbei kann es zur Bolusimpaktation kommen.
Eine Sonderform des diffusen Spasmus ist der (fixierte) Korkenzieher-Ösophagus, welcher auf einer spiraligen, langstreckigen Kontraktion beruht. Endoskopisch ist bei diesem Krankheitsbild ein wendeltreppenartiger Verlauf der Speiseröhre zu beobachten.
Nussknacker-Ösophagus Auch diese Entität zeichnet sich durch eine Symptomatik mit Schmerzen im Sinne von Non-Cardiac-Chest-Pain aus. Es zeigt sich im Gegensatz zum diffusen Spasmus eine normal ablaufende Peristaltikwelle mit jedoch manometrisch deutlich erhöhten Druckamplituden. Radiologisch ist das Bild daher schwer zu fassen.
Definition, Ätiologie
Bei der zervikalen oder auch cricopharyngealen Achalasie handelt es sich um eine Störung der schluckreflektorischen Erschlaffung des oberen Ösophagussphinkters. Bei der primären Form ist der M. cricopharyngeus direkt geschädigt. Dies findet sich bei verschiedenen Myositisformen, Muskeldystrophien, Hypothyreoidismus und idiopathisch. Häufiger liegt eine sekundäre Form mit neurologischer Ursache vor. Meist handelt es sich hierbei um Infarkte in der Medulla oblongata im Sinne eines Wallenbergsyndroms oder um höhere Läsionen mit Schädigung der kortikalen Schluckzentren z. B. im Rahmen eines Media-Infarkts. Seltener liegt eine Diphtherieoder Polioinfektion oder eine amyotrophe Lateralsklerose zugrunde. > Eine Dysfunktion des oberen Ösophagussphinkters mit Öffnungsstörung findet sich auch häufig bei der gastro-ösophagealen Refluxerkrankung, wenn auch das Vollbild der zervikalen Achalasie hier selten ist. Bildgebung
Analog zur Achalasie des unteren Ösophagussphinkters führt die gestörte oder fehlende Öffnung des oberen Sphinkters zu einer Erweiterung des davor liegenden Lumens mit teils erheblichen Retentionen im erweiterten Hypopharynx (. Abb. 28.31). Bei länger bestehendem Krankheitsbild oder auch primär durch gleichzeitige Schädigung der entsprechenden Afferenzen kommt es zu Funktionseinbußen der pharyngealen Peristaltik mit nur noch passivem Lumen. In der Folge sind Aspirationen in Abhängigkeit von anderen zusätzlich bestehenden Funktionsstörungen des Schluckablaufs nicht ungewöhnlich, im Vergleich zu der Menge des retinierten Materials jedoch häufig überraschend geringgradig.
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Kapitel 28 · Radiologische Diagnostik des Schluckakts und des Ösophagus
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. Abb. 28.32. Pseudoachalasie bei einem Plattenepithelkarzinom des distalen Ösophagus. Beachte die unregelmäßige Kontur des stenosierten Bereichs als Hinweis auf ein Malignom
Chagas-Krankheit Die Chagas-Krankheit ist eine in Mittel- und Südamerika vorkommende, durch Raubwanzen übertragene Trypanosoma cruzi-Infektion. Besonders gefährdet sind Säuglinge und Kleinkinder. Neben zerebralem und myokardialen Befall, der meist prognoseentscheidend ist, kommt es am Gastroinstestinaltrakt häufig zum Befall von Ösophagus und Colon. Die Infektion führt zu einer Schädigung der versorgenden Nerven mit folgender Störung der propulsiven Peristaltik einerseits und der aktiven Öffnung der Sphinkteren andererseits. Am Ösophagus findet sich daher ein Bild wie bei einer hypo- oder amotilen Achalasie, am Dickdarm kann sich ein Megakolon ausbilden.
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. Abb. 28.33a, b. Ösophagusbefall bei Sklerodermie. a Im oberen Anteil des Ösophagus mit quergestreifter Muskulatur zeigt sich noch eine normale peristaltische Durchschnürung (kleine Pfeile). Ab dem Aortenbogen verebbt die Peristaltikwelle. Der Ösophagus ist weitgestellt und luftgefüllt. b Das KM läuft passiv, tropfenförmig durch das aperistaltische Rohr. Die Cardia klafft (Pfeil)
Kollagenosen Bei zahlreichen Kollagenosen kann eine gastrointestinale Beteiligung auftreten. Der Ösophagus ist am häufigsten bei der Sklerodermie, dem Sharp-Syndrom (Mischkollagenose oder »mixed connective tissue disease«), der Dermatomyositis und der Polymyositis betroffen.
Pseudoachalasie
Bildgebung. Bei der Sklerodermie findet sich typischerweise nur
Der Begriff der Pseudoachalasie bezeichnet nicht ein einheitliches Krankheitsbild, sondern beschreibt eine achalasieähnliche Erweiterung des Ösophagus bedingt durch eine distale Stenose, die nicht auf einer Öffnungsstörung der Cardia beruht. Ursächlich sind intraluminal stenosierende oder von außen komprimierende Tumoren, am häufigsten ein Adenokarzinom des ösophagogastralen Übergangs (AEG) (. Abb. 28.32). Andere Stenosen, z. B. peptische, radiogene oder kaustische Strikturen (s. oben), können ebenfalls zum Bild der Pseudoachalasie führen. Zur Differenzierung gegen die idiopathische Achalasie kann die Inhalation von Amylnitrit versucht werden, die bei der Pseudoachalasie keinen Effekt auf den stenotischen ösophagogastralen Übergang hat. In der Regel ist die Endoskopie jedoch unerlässlich.
ein Befall der glatten Muskulatur des Ösophagus, also der unteren Anteile desselben. Das radiologische Bild erkärt sich aus diesem Befallsmuster: Die peristaltische Welle beginnt normal im zervikalen Ösophagus, überschreitet jedoch nicht den Aortenbogen. Der Ösophagus zeigt sich ab hier weitgestellt, oft luftgefüllt und weitgehend aperistaltisch (. Abb. 28.33). Brombart prägte den Begriff »Glasrohr-Ösophagus«. Die Cardia klafft und nicht selten findet sich eine Hiatushernie. Ein gastroösophagealer Reflux verursacht Sekundärveränderungen wie Ösophagitis, Strikturen oder einen Barrett-Ösophagus mit potenzieller maligner Entartung.
937 28.7 · Divertikel des Pharynx und des Ösophagus
> Bei der Myasthenia gravis findet sich durch die autoimmunologische Blockade des Acetylcholinrezeptors an der motorischen Endplatte an der quergestreiften Muskulatur ein gegensätzliches Bild der Peristaltik: Während der obere Ösophagus aperistaltisch passiven Bolustransport zeigt, setzt ab dem Aortenbogen die Peristaltikwelle der glatten Muskulatur ein und läuft normal nach kaudal bis zum Magen (Untersuchung im Liegen!).
Presby-Ösophagus Altersbedingte Veränderungen der ösophagealen Funktion finden sich meist am oberen Sphinkter und dem tubulären Anteil, während der untere Sphinkter weniger betroffen zu sein scheint. Insbesondere eine Einschränkung der ösophagealen Reinigungsfunktion durch Reduzierung der propulsiven Peristaltik bei gleichzeitig vermehrter tertiärer Peristaltik ist pathogenetisch relevant. Bei einer Refluxerkrankung sind die Folgeveränderungen des Refluxes mit Ösophagitis, möglicher Ausbildung eines Barrett-Ösophagus und von Strikturen häufiger und schwerwiegender. Pathogenetisch wird eine Summation von multiplen, im Alter sich häufenden Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus, Polyneuropathie, Reduktion der kortikobulbären Afferenzen und viele andere mit multiplen Einzelwirkungen auf den Ösophagus gegen altersbedingte Veränderungen primär am Ösophagus selbst diskutiert. In den meisten Fällen dürfte den Motilitätsstörungen eine Kombination von primär ösophagealen und sekundären Veränderungen zugrunde liegen.
wand zugrunde liegt. Die intramurale Pseudodivertikulose wird im Abschnitt über die entzündlichen Erkrankungen des Ösophagus abgehandelt. > Die Verwendung des Begriffs Pseudodivertikel in der Pathologie bezieht sich auf Divertikel, bei denen nicht alle Wandschichten inklusive der muskulären das Divertikel ausmachen, sondern es zu einer Hernierung von Mukosa und Submukosa durch die Muskularis kommt. Sie ist gegen die oben beschriebene radiologische Verwendung abzugrenzen.
Laterale Pouches und Divertikel des Pharynx Definition, Pathogenese
Laterale Pharynxpouches und -divertikel findet man häufig bei Patienten mit Dysphagie und/oder Globus pharyngis, aber mit zunehmendem Alter auch oft bei asymptomatischen Patienten als Zufallsbefund. Das Auftreten größerer Pouches scheint bei Blasinstrumentenspielern gehäuft zu sein. Beidseitige Pouches sind häufiger als unilaterale. Die typische Prädilektionsstelle für ein Nachgeben der Membrana thyrohyoidea, also der ventrolateralen Begrenzung des Oropharynx, ist die Eintrittsstelle der A. und V. laryngea superior sowie des Ramus internus des N. laryngeus superior. Seltener findet sich auch eine Lokalisation in der Tonsillenloge, z. B. nach Tonsillektomie. Bei anatomisch präformierter Schwäche und chronischer intraluminaler Drucksteigerung oder gelegentlich posttraumatisch nach Einspießung eines Fremdkörpers kommt es zu einer lokalen Vorwölbung nach außen.
Nichtspezifische ösophageale Motilitätsstörungen
Bildgebung
Unter diesem Begriff der »nonspecific esophageal motility disorder« (NEMD) werden Störungen der ösophagealen Peristaltik zusammengefasst, die sich anders nicht einordnen lassen. Das Spektrum der Symptomatik reicht dementsprechend von dysphagischen Beschwerden und retrosternalen Schmerzen bis zu symptomfreien Patienten. Die radiologische Untersuchung spiegelt die variablen manometrischen Befunde wider.
Die p.a.-Projektion zeigt die Lumenausstülpungen am besten. Sie können transient, nur während der durch den Schluckvorgang aufgebauten Druckwelle bestehen (Pouch) oder im Intervall verbleiben (Divertikel) und Kontrastmittel retinieren. Ein postdeglutitives Nachlaufen aus dem Pouch oder Divertikel in das Pharynxlumen mit Aspirationsgefahr kommt vor. Oft gelingt eine Darstellung im Doppelkontrast mithilfe des modifizierten Valsalva-Manövers mit zugehaltener Nase (. Abb. 28.34).
28.7
Divertikel des Pharynx und des Ösophagus
Zenker-Divertikel und -Pouches Definition, Pathogenese
Pouches und Divertikel des Pharynx und des pharyngo-ösophagealen Übergangs Im angloamerikanischen Sprachgebrauch wird meist nicht zwischen »pouch« und »diverticulum« unterschieden. Dagegen verwenden die Autoren den Begriff Pouch nur für transiente, während der beim Schluckakt auftretenden Druckerhöhung sichtbare Ausstülpungen, die im Intervall verstreichen und somit auch meist der endoskopischen Untersuchung entgehen. Im Gegensatz dazu ist ein Divertikel ein permanenter Befund, dessen Größe zwar mit dem Füllungsgrad schwanken kann, der aber in allen Schluckphasen und auch im Intervall nachweisbar ist. Der Begriff Pseudodivertikel bezeichnet radiologische Befunde, die einem Divertikel ähnlich sind, denen jedoch nicht eine tatsächliche Ausstülpung der Pharynx- oder Ösophagus-
Das Zenker-Divertikel ist eine Ausstülpung des Pharynxlumens nach dorsal unmittelbar über dem oberen Ösophagussphinkter. Die Prädilektionsstelle ist eine muskuläre Schwachstelle, die sich aus dem Übergang von den sich schräg kreuzenden Fasern des unteren Pharynxkonstriktors zu dem quer verlaufenden M. cricopharyngeus ergibt. Die anatomischen Verhältnisse sind variabel, sodass nicht bei jedem Individuum diese dreieckige Muskellücke, das so genannte Killian-Dreieck in gleicher Weise nachweisbar ist. > Das Zenker-Divertikel wird immer wieder irrtümlich als Ösophagusdivertikel eingeordnet. Das Divertikel entwickelt sich jedoch definitionsgemäß über dem oberen Ösophagusspinkter und ist daher ein Pharynxdivertikel.
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Kapitel 28 · Radiologische Diagnostik des Schluckakts und des Ösophagus
geales Fremdkörpergefühl (Globus pharyngis) bestimmt. Bei den Stadien 3 und 4 können diese Symptome interessanterweise geringer sein oder sogar ganz fehlen. Dafür kommen durch die Retention im Divertikel bedingte Symptome wie Halitosis, Regurgitationen von unverdauten Speiseresten und durch rezidivierende Aspirationen bedingte Symptome wie Heiserkeit oder pulmonale Infekte gehäuft vor. ! Da auch Tabletten für längere Zeit in einem großen Zenker-Divertikel retiniert werden können, ist bei Patienten mit bekanntem Divertikel die Resorption oral gegebener Medikamente unter Umständen stark verzögert und schwer planbar.
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Eine maligne Entartung in einem Divertikel ist selten. Dennoch sollte jede Unregelmäßigkeit der Lumenkontur eines Divertikels in der Kontrastdarstellung die Abklärung eines möglichen inflammatorischen oder neoplastischen Geschehens im Divertikel nach sich ziehen. Bildgebung
. Abb. 28.34. Hypopharyngeale Pouches und oropharyngeales Divertikel. Im modifizierten Valsalva-Manöver zeigen sich die hypopharyngealen Ausstülpungen unterhalb der Epiglottis, die im Intervall wieder verstreichen. Links geht vom Boden der Vallecula ein echtes Divertikel mit KM-Retention aus (Pfeile). Der Patient hatte nur geringe Globusbeschwerden
Über den funktionellen pathogenetischen Mechanismus, der letztlich zur Ausbildung eines Divertikels an dieser anatomischen Schwachstelle führt, wird noch kontrovers diskutiert. Viele Beobacht ungen lassen jedoch den Schluss auf eine zugrunde liegende, repetitive, lokale intraluminale Drucksteigerung zu. Damit ist das Zenker-Divertikel als klassisches Pulsionsdivertikel anzusehen. Die pathologische Drucksteigerung resultiert aus einer zeitlichen Fehlkoordination der nach unten durchschnürenden Pharynxperistaltik und der Öffnungsphase des oberen Ösophagussphinkters. Es kommt zur Konstriktion von Bolusanteilen zwischen der von kranial drückenden Peristaltikwelle und dem schon oder noch, partiell oder ganz geschlossenen oberen Ösophagussphinkter. Dabei kann entweder eine verspätete oder inkomplette Öffnung oder – am häufigsten – ein vorzeitiger Schluss des Sphinkters beobachtet werden. Ein weitergehender pathogenetischer Zusammenhang kann bei einer hohen Koinzidenz mit einer gastroösophagealen Refluxerkrankung angenommen werden: Vermutlich ist die inkomplette oder verkürzte schuckreflektorische Erschlaffung des Sphinkters als eine zusätzliche Aspirationsbarriere bei saurem Ösophagusinhalt anzusehen. Epidemiologie, Klinik
Das Zenker-Divertikel ist eine Erkrankung des älteren Menschen. Divertikel der Stadien 3 und 4 bei Patienten <40 Jahre sind selten. Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen. Die Symptomatik bei den transienten Pouches (Stadium 1 und 2) wird häufig durch dysphagische Beschwerden oder ein pharyn-
Eine radiologische Einteilung in 4 Stadien wurde von Brombart eingeführt (. Abb. 28.35, . Abb. 28.36). Die Stadien 1 und 2 sind also transiente Lumenausbuchtungen und sollten daher nicht als Divertikel, sondern besser als Zenker-Pouches bezeichnet werden. Die manchmal verwendete Bezeichnung »Pseudo-Zenker-Divertikel« für diese Stadien geht von der Überlegung aus, dass es sich nicht um echte Ausstülpungen über die normale dorsale Pharynxhinterwand hinaus handelt, sondern dass vielmehr nur eine indirekte Darstellung der sich komprimierenden Muskelwülste des Pharynxkonstriktors und des oberen Sphinkters mit dazwischen gefangenem Kontrastmittel vorliegt. Nach der Verwendung des Begriffs Pseudodivertikel in der Pathologie, die sich auf die hernierten Wandschichten (nur Mukosa und Submukosa) bezieht, sind die Zenker-Divertikel der höheren Stadien Pseudodivertikel. Therapie, Verlaufsbeobachtung
Die radiologische Untersuchung des Zenker-Divertikels nach operativer Therapie wird in der Regel bei persistierenden Beschwerden bzw. dem Verdacht auf ein Rezidiv angefordert (. Abb. 28.37). Wichtig für die richtige Beurteilung der Situation ist die Kenntnis des angewandten operativen Verfahrens. Das Spektrum reicht hier von der Invagination des Divertikels in das Lumen (weitgehend verlassen) über die offene Abtragung des Divertikels und die endoskopische »Schwellenspaltung« des Divertikels, also der Erweiterung des Divertikeleingangs mit gleichzeitiger Myotomie des M. cricopharyngeus, bis zur Divertikulopexie, bei der das Divertikel nicht abgetragen wird, sondern nach kranial umgeschlagen wird, sodass die Entleerung des Divertikels durch die Schwerkraft begünstigt wird. Ein fehlender Therapieerfolg oder ein Rezidiv beruht oftmals auf einer insuffizienten Therapie des zugrunde liegenden pathogenetischen Mechanismus, also der Öffnungsstörung des oberen Ösophagusspinkters. Bei unzureichender Myotomie des M. cricopharyngeus entstehen erneut Druckspitzen, die zur Symptomatik oder zum Rezidivdivertikel führen.
939 28.7 · Divertikel des Pharynx und des Ösophagus
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. Abb. 28.35a–d. Zenker-Divertikel – Stadieneinteilung nach Brombart (seitlicher Strahlengang). a Stadium 1: Es findet sich eine kleine, dreieckige Vorwölbung der dorsalen Pharynxwand über dem kontrahierenden oberen Ösophagussphinkter. Der Befund ist nur in der letzten Phase des Schluckaktes zu erkennen und verstreicht im Intervall. In der p.a.-Projektion zeigt er sich als kleiner Fleck oder horizontale Linie über dem Sphinkter. b Stadium 2: Das Divertikel ist keulenförmig. Seine Achse ist weitgehend orthogonal zur Ösophagusachse oder etwas nach kaudal geneigt. Die Konstriktion von Bolusanteilen zwischen dem unteren Pharynxkonstriktor und dem M. cricopharyngeus ist in diesem Stadium oft am besten zu demonstrieren (Pfeile). Auch
das Stadium 2 ist nur transient nachweisbar. Es verstreicht während der Boluspassage. c Stadium 3: Das Divertikel ist ovalär und permanent nachweisbar. Seine Achse ist deutlich nach kaudal gerichtet. Die meisten Divertikel im Stadium 3 messen mehr als 10 mm, komprimieren den Ösophagus jedoch nicht. Regurgitationen in den Hypopharynx kommen vor. d Stadium 4: Das Divertikel komprimiert durch seine Größe den Ösophagus. Es kann tief nach zervikal zwischen HWS und Ösophagus eintauchen und massive Retentionen enthalten. Eine Regurgitation aus dem Divertikel nach pharyngeal mit der Gefahr einer Aspiration ist häufig (kleine Pfeile). Wenn eine Abweichung nach lateral vorliegt, so findet man diese meist nach links
> Nach Eingriffen am oberen Ösophagussphinkter beobachtet man nicht selten aberrante, teils segmentale, sphinkteroide Kontraktionsmuster der Muskulatur des pharyngoösophagealen Übergangs. Diese können in der Folge zu Pouches und Divertikeln an atypischen Lokalisationen führen.
Divertikel des tubulären und epiphrenischen Ösophagus Divertikel des mittleren Ösophagus
Killian-Jamieson-Divertikel und zervikale ösophageale Pouches Das Killian-Jamieson-Divertikel und ösophageale Pouches unterhalb des oberen Ösophagussphinkters entstehen wie das Zenker-Divertikel bei durch muskuläre Dyskoordination hervorgerufenen, intraluminalen Druckspitzen während des Schluckakts. Typische Lokalisationen sind die anatomischen Schwachstellen unmittelbar unter dem M. cricopharyngeus ventrolateral am Ösophagus und nach dorsal das so genannte Laimer-Dreieck (. Abb. 28.38). Im Gegensatz zum Zenker-Divertikel sind Kilian-JamiesonDivertikel eher selten. Der Divertikelhals entspringt in der so genannten Killian-Jamieson-Schwachstelle ventrolateral unter dem Sphinkter, meist nach links orientiert (. Abb. 28.39). Die Divertikel erreichen in der Regel nicht die Größe wie ein ZenkerDivertikel. Komplikationen durch Retentionen oder andere Symptome sind ungewöhnlich, können jedoch in Form von Fremdkörpergefühl auftreten. Ein gleichzeitiges Vorkommen mit einem Zenker-Divertikel ist dagegen häufiger beobachtet worden.
Über die Ätiologie der Divertikel des mittleren tubulären Ösophagus bestehen verschiedene Ansichten. Während man früher davon ausging, das es sich ausnahmslos um so genannte Traktionsdivertikel handelt, da hier keine benachbarten muskulären Etagenkontraktionen mit dazwischen auftretenden Druckspitzen beobachtet wurden, zeigten weitere manometrische Beobachtungen, dass auch hier wie bei den epiphrenischen Divertikeln ein diffuser Spasmus oder nichtspezifische Motilitätsstörungen zugrunde liegen können. Auch das radiologische Erscheinungsbild mit rundlicher Konfiguration, weitem Hals und pulsatiler Veränderung während der Boluspassage zeigt in den meisten Fällen eher auf eine Pulsionsgenese (. Abb. 28.40). Für die Traktionsdivertikel werden pathogenetisch sowohl vernarbende mediastinale Prozesse (z. B. schrumpfende Lymphknoten nach Tbc) die an der Ösophaguswand adhärent sind, wie auch embryonal persistierende Gewebsbrücken mit daraus resultierendem Zug nach außen diskutiert. Im letzteren Fall wäre somit eine Klassifizierung neben den Ösophagusduplikaturen und angeborenen ösophagotrachealen Fisteln richtig. Die seltenen, meist kleinen Traktionsdivertikel zeigen sich typischerweise als Konsequenz ihres Entstehungsmechanismus spitz zulaufend bis dreieckig ohne Hals (. Abb. 28.41). Eine sichere radiologische Einordnung ist nicht immer möglich. Die Entwicklung eines größeren Pulsionsdivertikels auf der Basis eines Traktionsdivertikels als locus minoris resistentia erscheint denkbar.
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Kapitel 28 · Radiologische Diagnostik des Schluckakts und des Ösophagus
. Abb. 28.36a–c. Großes Zenker-Divertikel Stadium 4 nach Brombart: a Das gefüllte Divertikel taucht tief hinter dem Ösophagus in die obere Thoraxapertur ein und ist in der streng seitlichen Einstellung des Pharynx eben noch durch die Schultern verdeckt erkennbar. b Die schräge Projektion (Fechterstellung) zeigt die erhebliche Retention im Divertikel. Der Ösophagus ist komprimiert und nach ventral verlagert. c In der CT sieht man die Schichtung von Barium, Speisesuccus und Luft in dem Divertikel hinter dem Ösophagus
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Epiphrenische Divertikel
Intramurale Pseudodivertikulose des Ösophagus
Divertikel des Ösophagus treten epiphrenisch in der Regel bei einer Motilitätsstörung der Cardia oder des unteren tubulären Ösophagus wie dem diffusen Ösophagusspasmus oder der hypermotilen Achalasie auf (. Abb. 28.42). Sie sind somit als Pulsionsdivertikel anzusehen. Sie können eine beträchtliche Größe mit entsprechender Retention erreichen und weisen (wie die hypomotile Achalasie Stadium 3) häufiger nach rechts.
Die Bezeichnung intramurale Pseudodivertikulose zeigt an, dass es sich bei diesem seltenen Krankheitsbild nicht um echte Divertikel handelt. Gemeint sind hier nicht die großen Pseudodivertikel, wie sie bei den hypermotilen und spastischen Motilitätsstörungen auftreten, sondern kleine, intramurale Ausbuchtungen. Das Krankheitsbild wird im Abschnitt über die entzündlichen Erkrankungen des Ösophagus ausführlicher abgehandelt.
Bildgebung. Beim Zufallsbefund einer rundlichen Raumforderung rechts basal in der Thoraxübersicht (evtl. mit Spiegelbildung) müssen sie differenzialdiagnostisch berücksichtigt werden. Die Identifizierung und insbesondere die Abgrenzung gegen eine Hiatushernie gelingen in der Schluckuntersuchung. Gleichzeitig kann meist die zugrunde liegende Motilitätsstörung diagnostiziert werden. Im Gegensatz zu den Barsony-Pseudodivertikeln ist ein echtes Divertikel konstant und hat meist einen Divertikelhals.
28.8
Tumoren
28.8.1
Benigne Tumoren des Ösophagus
Von allen Tumoren des Ösophagus sind nur ca. 2% benigne. Wegen der geringen absoluten Zahl der Fälle schwanken die relativen Häu-
941 28.8 · Tumoren
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. Abb. 28.37a–c. Rezidiv-Zenker-Divertikel. a Man erkennt gut die weiterhin insuffiziente Öffnung des oberen Ösophagussphinkters (Pfeile). b Das Divertikel stellt sich in der p.a.-Projektion als nach kaudal scharf be-
grenzter KM-Fleck dar (Stadium 3 nach Brombart). c Nach chirurgischem Eingriff aberrante muskuläre Kontraktionen des zervikalen Ösophagus mit Ausbildung von atypischen lateralen Pouches (kleine Pfeile)
figkeitsangaben der einzelnen Entitäten deutlich. Insgesamt sind benigne Ösophagustumoren bei Männern häufiger als bei Frauen.
Die CT zeigt sich solide Raumforderung unmittelbar am Ösophaguslumen. Reformatierungen in verschiedenen Ebenen zur Darstellung der rundlichen Form sind hilfreich. Die ösophageale Leiomyomatose ist ein sehr seltenes, teils sporadisch, teils hereditär auftretendes Krankheitsbild. Es besteht eine Assoziation mit dem Alport-Syndrom. Die Leiomyomatose ist gekennzeichnet durch eine zirkuläre Hypertrophie der distalen ösophagealen Muskulatur. Es resultieren, oft schon in der Kindheit, lang anhaltende Schluckbeschwerden. Die Schluckuntersuchung zeigt eine sehr unregelmäßige distale Peristaltik mit Kaliberschwankungen und einen dilatierten, oberen Ösophagus (quergestreifte Muskulatur). Die CT zeigt die bis mehrere Zentimeter messende, zirkuläre Wandverdickung mit nach außen glatter Begrenzung.
Leiomyome Epidemiologie, Klinik Leiomyome machen gut die Hälfte aller benignen Ösophagustumore aus. Sie bleiben in mehr als 50% der Fälle asymptomatisch. Unspezifische Thoraxschmerzen und Dysphagie über einen längeren Zeitraum sind die häufigsten klinischen Manifestationen. Fast alle Leiomyome sind intramural lokalisiert und sie treten im distalen Ösophagus häufiger auf als im proximalen. Oberhalb des Aortenbogens ist ein Auftreten wegen der hier vorherrschenden quergestreiften Muskulatur des Ösophagus ungewöhnlich.
Bildgebung Das Bild in der Schluckuntersuchung ist durch eine einseitige, rundliche, submuköse und daher glatt begrenzte KontrastmittelAussparung gekennzeichnet. Ein stumpfer Winkel zur angrenzenden normalen Ösophaguswand ist Zeichen der intramuralen Lage (. Abb. 28.43). > Im Gegensatz dazu zeigt eine paraösophageale Raumforderung mit Impression und Verlagerung der Speiseröhre nur einen sehr flachen Winkel oder einen gewölbten Verlauf der Lumenkontur.
Riesenpolypen/Fibrovaskuläre Polypen Pathologie, Epidemiologie Intraluminale Polypen des Ösophagus zeigen in unterschiedlichen Anteilen die Histologie eines Lipoms, Fibroms, Myxoms und selten eines gut differenzierten Liposarkoms. Meist werden sie als fibrovaskuläre Polypen oder unabhängig von der individuellen Histologie als Riesenpolypen des Ösophagus subsummiert. Die Häufigkeitsangaben schwanken von »extrem selten« bis zu »zweithäufigster benigner Ösophagustumor«. Die Polypen haben ihren Ursprung fast immer im zervikalen Ösophagus und hängen weit nach kaudal teils bis in den ösopha-
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Kapitel 28 · Radiologische Diagnostik des Schluckakts und des Ösophagus
. Abb. 28.38a–d. Zervikaler Ösophaguspouch. Zwischen dem geschlossenen oberen Ösophagussphinkter (Pfeil) und der peristaltischen Welle des Ösophagus wird nach dorsal ein Pouch im Laimer-Dreieck abgeschnürt
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. Abb. 28.39a–d. Killian-Jamieson-Divertikel. Man erkennt in der Sequenz die zunehmende Füllung des Divertikels und die eindeutige Orien-
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tierung nach ventral, wodurch die Abgrenzung zum Zenker-Divertikel problemlos ist. Entscheidend ist jedoch die Lokalisation unter dem Sphinkter
943 28.8 · Tumoren
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. Abb. 28.40. Pulsionsdivertikel des mittleren Ösophagus. Rundliche Kontur des großen Divertikels mit weitem Hals. Bei Untersuchung in schräger Seitenlage zeigt sich eine Spiegelbildung des retinierten KM
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. Abb. 28.41a, b. Traktionsdivertikel des mittleren Ösophagus: Etwas unter dem Niveau der Carina mehrere, zipflige Ausziehungen unilateral zu einer Seite (kleine Pfeile), die sich während der Boluspassage nicht wesentlich verändern. Oberhalb davon weiteres, jedoch rundliches Divertikel mit angedeutetem Divertikelhals, bei gleichzeitig bestehender nicht spezifischer Motilitätsstörung Pulsionsdivertikel auf dem Boden eines kleineren Traktionsdivertikels
gogastralen Übergang hinein. Sie sind in der Regel von intakter Mukosa überzogen, was trotz der Größe zum Übersehen der Läsion in der Endoskopie führen kann.
Klinik Klinisch treten die Patienten mit dysphagischen Beschwerden in Erscheinung. Eine potenziell gefährliche Komplikation ist die Regurgitation des gestielten Polypen nach pharyngeal mit der Möglichkeit einer Verlegung der Atemwege. Es sind Fälle beschrieben, bei denen der lange, regurgitierte Polyp aus dem Mund hing.
Bildgebung Das radiologische Bild zeigt einen langen, keulenförmigen, umspülten, intraluminalen Tumor mit glatter, etwas lobulierter Kontur (. Abb. 28.44, . Abb. 28.45). Bei einem sehr voluminösen Tumor kann der erweiterte Ösophagus in der Thoraxübersicht konturbildend werden. Bei eindeutigem Fettgehalt ist dieser in der CT oder MRT nachweisbar und kann so zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung gegen andere Tumoren hilfreich sein.
Papillome Die typischerweise solitären, zwischen 0,5 und 2 cm großen Papillome des Ösophagus sind meist asymptomatisch. Dysphagie kommt vor. Für die Pathogenese werden humane Papillomaviren verantwortlich gemacht. Beim Auftreten im unteren Ösophagus wird ein Zusammenhang mit einer Refluxerkrankung diskutiert. Multiples Auftreten im Sinne einer ösophagealen Papillomatose ist selten.
. Abb. 28.42. Epiphrenisches Divertikel bei hypermotiler Achalasie: Knapp über dem eng gestellten Kardiasegment hat sich ein großes Pulsionsdivertikel gebildet
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Kapitel 28 · Radiologische Diagnostik des Schluckakts und des Ösophagus
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. Abb. 28.43a–c. Leiomyome des Ösophagus. a Es zeigt sich eine glatte Begrenzung der in das Lumen ragenden Raumforderung. b Die Pfeilspitzen weisen auf die peristaltische Kontraktion. Der Winkel zur angrenzenden Lu-
c menkontur ist stumpf. c In der CT kann die rundliche Konfiguration des Tumors oft erst in sagittalen oder koronaren Reformatierungen dargestellt werden
Bildgebung Die radiologische Darstellung gelingt meist nur in der Doppelkontrastuntersuchung. Sie zeigen eine polypös in das Lumen ragende kleine Kontrastmittel-Aussparung mit granularer, »warzenartiger« Oberfläche. Die Abgrenzung gegen ein Carcinoma verrucosum, eine atypische Form des Plattenepithelkarzinoms, kann auch in der Histologie schwierig sein.
Neurofibrome Neurofibrome des Ösophagus treten im Rahmen einer Neurofibromatose Typ 1 auf. Das radiologische Erscheinungsbild entspricht weitgehend dem eines Leiomyoms (. Abb. 28.46). Diagnostisch hinweisend ist ein multiples Auftreten an anderen Lokalisationen v. a. auch vertebral mit Ausbildung einer Skoliose und andere Manifestationen einer Neurofibromatose wie Caféau-lait-Flecken, Sommersprossen in Achseln oder Leisten, Optikusgliome oder Lisch-Knötchen der Iris.
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. Abb. 28.44a, b. Fibrovaskulärer Polyp in der Schluckuntersuchung. a Der intraluminale Tumor dehnt sich nahezu über die ganze Länge des Ösophagus aus. Die Pfeile bezeichnen den Stiel in der Region des M. cricopharyngeus und das untere Ende knapp über der Cardia. b Als Reaktion auf den chronischen Fremdkörperreiz lassen sich zirkuläre oder spiralige Kontraktionen des Ösophagus beobachten
Lipome Definition Die intramuralen Lipome sind von den polypös nach intraluminal wachsenden fibrovaskulären Polypen abzugrenzen, die ebenfalls lipomatöse Anteile enthalten können und deswegen früher u. a. als Lipome klassifiziert wurden. Ebenfalls muss die ösophageale Lipomatose, ein noch wenig erforschtes Krankheitsbild, abgegrenzt werden. Sie kommt
945 28.8 · Tumoren
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. Abb. 28.45a–d. Fibrovaskulärer Polyp in der CT und Endosonographie. a Der Tumor ist in diesem Fall nahezu zirkulär von Luft umgeben, was seine intraluminale Lage erkennen lässt. b Hypodense Areale zeigen einen hohen Fettgehalt an. c In der multiplanaren Rekonstruktion lässt sich die
Längenausdehnung veranschaulichen. d Bei der Endoskopie und Endosonographie wird der echoreiche, fetthaltige, weiche Tumor halbmondförmig an die ösophageale Wand gedrückt, was zu einer Fehlinterpretation der tatsächlichen Lage des Tumors führen kann
bevorzugt im proximalen Ösophagus im Bereich der quergestreiften Muskulatur vor und scheint mit einer Steroidanwendung assoziiert zu sein. Die Erkrankung zeigt in der CT eine typische ringförmige Schicht in der Ösophaguswand mit fettgleichen Dichtewerten, während Lipome eine exzentrische, noduläre Formation bilden.
der CT mit negativen Dichtewerten gelingt die Abgrenzung zur wichtigsten Differenzialdiagnose dem Leiomyom. Im Zweifel kann auch der endoskopische Ultraschall hilfreich sein.
Bildgebung Die intramuralen Lipome sind sehr selten und, wenn <2 cm, meist symptomlos. Das Vorkommen mehrerer Lipome ist selten. Bei intakter Mukosa zeigen sie in der Schluckuntersuchung ein Bild ähnlich einem Leiomyom. Über den Nachweis von Fett in
Granularzelltumoren Definition, Pathogenese, Klinik Die seltenen, meist benignen Granularzelltumore (AbrikossoffTumore) haben ihre Hauptlokalisationen kutan, subkutan oder lingual. Der Gastrointestinaltrakt ohne die Zunge ist nur in ca. 10% der Fälle betroffen, hier jedoch am häufigsten der Ösophagus. Der Tumor macht 0,5–5% der benignen Ösophagustumoren aus. Histologisch besteht über die Einordnung noch keine ein-
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Kapitel 28 · Radiologische Diagnostik des Schluckakts und des Ösophagus
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. Abb. 28.46a, b. Neurofibrom des Ösophagus. a Das Erscheinungsbild in der Schluckuntersuchung gleicht dem eines Leiomyoms. b Auch in der CT zeigt sich ein entsprechendes Bild mit solider Raumforderung (kleine
Pfeile) neben dem Ösophaguslumen. Beachte das mitabgebildete, subkutane Neurofibrom links an der Thoraxwand (Pfeilspitzen)
heitliche Meinung, man geht von einem neuroektodermalen Ursprung aus, am ehesten von Schwann-Zellen. Im Ösophagus findet sich der Tumor am häufigsten im distalen Abschnitt. Multiples Auftreten ist möglich. Eine maligne Form ist sehr selten und histomorphologisch schwer von den benignen Tumoren zu differenzieren. Ab einer Größe von 4 cm werden die infiltrativen, malignen Formen häufiger. Klinisch treten unspezifische Symptome, in ca. einem Drittel der Fälle Dysphagie auf.
Hämangiome Definition, Epidemiologie Hämangiome, meist kavernös, machen <3% der benignen Ösophagustumoren aus. Viele sind klein und asymptomatisch. Größere Hämangiome können jedoch zu Dysphagie und zu schweren gastrointestinalen Blutungen führen. In der Schluckuntersuchung zeigt sich ein lobulierter, in das Lumen reichender Füllungsdefekt.
Bildgebung Bildgebung Das radiologische Erscheinungsbild ist abhängig von der Größe des Tumors und von der Frage, ob der Tumor die darüberliegende Mukosa noch intakt lässt oder nicht. Ein malignomähnliches Bild kann vorkommen (. Abb. 28.47).
In T2-gewichteten MRT-Serien zeigen sich die Hämangiome deutlich hyperintens. Pathognomonisch ist das endoskopische Bild mit bläulichen, ektatischen Gefäßstrukturen, die nur noch gegen Ösophagusvarizen abgegrenzt werden müssen.
. Abb. 28.47. Granularzelltumor im distalen Ösophagus. Rundliche, glatt begrenzte KM-Aussparung. Der Tumor kann zu ulzerativen Veränderungen der Mukosa führen und ist dann radiomorphologisch von einem Malignom nicht zu differenzieren
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947 28.8 · Tumoren
Hamartome Definition, Pathologie Polypöse Hamartome des Ösophagus treten v. a. beim Cowdenund beim Peutz-Jeghers-Syndrom auf. Meist sind bei diesen Tumor-Syndromen, zu denen auch das Bannayan-Riley-RuvalcabaSyndrom und das Proteus-Syndrom gehören, jedoch andere Lokalisationen des Magendarmtrakts stärker betroffen. Die Syndrome treten bei Mutationen am PTEN-Gen auf, welches als Tumor-Suppressor-Gen gilt. PTEN-Mutationen wurden bei multiplen Neoplasien des Menschen nachgewiesen.
Bildgebung Die Hamartome können gestielt und von fibrovaskuären Polypen nicht zu unterscheiden sein. Charakteristisch für das CowdenSyndrom ist eine Glykogen-Akanthose des Ösophagus, auch wenn keine Hamartome zu finden sind. Diese zeigt sich mit multiplen flachen Plaques, die im Doppelkontrast den Veränderungen bei einer Candida-Ösophagitis ähneln.
28.8.2
Maligne Tumoren des Ösophagus
Plattenepithelkarzinome und Adenokarzinome Definition, Epidemiologie Die beiden häufigsten malignen Tumoren des Ösophagus sind das Plattenepithelkarzinom und das Adenokarzinom. Während die Inzidenz des Plattenepithelkarzinoms in den letzten Jahren leicht rückläufig war, ist die Häufigkeit des Adenokarzinoms rasant angestiegen. Beide Karzinomtypen treten deutlich häufiger bei Männern als bei Frauen auf. Allen anderen malignen Tumoren des Ösophagus sind seltene Entitäten. Für das Plattenepithelkarzinom des Ösophagus besteht eine enge Korrelation zu Noxen wie Alkohol und Nikotin. Der typische Patient ist eher untergewichtig oder gar kachektisch. Bei bis zu 30% der Patienten besteht als Begleiterkrankung eine alkoholinduzierte Leberzirrhose. Die Tumoren zeigen meist ein diffuses Wachstumsverhalten (. Abb. 28.48, . Abb. 28.49). Dagegen steht das Adenokarzinom, bei dem eine enge Korrelation mit einer gastroösophagealen Refluxerkrankung besteht. Da der Tumor auf dem Boden eines Barrettösophagus entsteht, ist die Lokalisation der distale Ösophagus bzw. der ösophagogastrale Übergang (. Abb. 28.50). Der typische Patient fällt durch einen erhöhten Körpermasseindex und eine pathologische Schulter-/Hüftumfangsrelation als Ausdruck einer abdominellen Adipositas auf. Bei einem Drittel der Patienten finden sich kardiovaskuläre Risikofaktoren.
Diagnose, Bildgebung, Therapie Die Diagnose wird in der Regel endoskopisch gestellt und durch gleichzeitige Gewebeentnahme histologisch gesichert. Die Ausdehnung des Tumors und seine anatomische Lagebeziehung kann in einer Schluckuntersuchung, in vielen Fällen aber gleich gut oder besser in der Multislice-CT mit multiplanaren Rekonstruktionen erfasst werden. Bisweilen ist jedoch eine gleichzeitig vorliegende Hiatushernie schwierig vom Tumor abzugrenzen. In diesen Fällen ist in der Regel die Schluckuntersuchung besser zur Darstellung der Lagebeziehungen geeignet.
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. Abb. 28.48a, b. Plattenepithelkarzinom des mittleren Ösophagus. Der Tumor zeigt ein deutlich destruktives Wachstumsverhalten. Man erkennt gut die Begrenzung nach kranial und kaudal und die Lagebeziehung zur Trachea
. Abb. 28.49. Suprabifurkales Plattenepithelkarzinom, CT. Zirkuläre Wandverdickung mit randständig betonter KM-Aufnahme. Breiter Kontakt zur Trachealhinterwand. Rechts paratumoraler Lymphknoten
Die weitere Diagnostik orientiert sich an der Frage, ob eine R0-Resektion des Tumor voraussichtlich möglich sein wird oder nicht. Beim Staging, also der Einordnung in TNM-Kategorien liefern der endoskopische Ultraschall und/oder die CT die T-Kategorie. Je nach Lage des Tumors sind weitere Untersuchungen wie eine Bronchoskopie zum Ausschluss einer trachealen Infiltration nötig. Die N-Kategorie ist, solange es sich um lokoregionäre Lymphknoten handelt, von untergeordneter Bedeutung, da nicht therapieentscheidend. Elementar ist dagegen die Erfassung von Fernmetastasen, da eine aufwendige und risikoreiche chirurgische Therapie im Falle einer M1-Situation ausscheidet.
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Kapitel 28 · Radiologische Diagnostik des Schluckakts und des Ösophagus
dürfen in der postoperativen Phase häufig der radiologischen Kontrolle und Intervention. Hierbei ist die Identifikation einer Leckage und ihre Lokalisation Aufgabe der Durchleuchtungsuntersuchung. Die CT stellt mediastinale Flüssigkeitsverhalte, Abszedierungen oder pleurale Empyeme dar. Gleichzeitig ergibt sich für den Radiologen die Aufgabe ggf. eine Drainage unter CTKontrolle zu platzieren.
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Gastrointestinale Stromatumoren/GIST Definition, Pathogenese, Klinik
. Abb. 28.50. Adenokarzinom des ösophagogastralen Übergangs. Polypös in das Lumen einwachsende Tumorformation. Die Haupttumormasse befindet sich kranial der Cardia. Eine sichere Unterscheidung zum Plattenepithelkarzinom ist bei dieser Lage anhand radiologischer Kriterien nicht möglich
Das weitere Managment entscheidet sich am Tumorstadium und an der Frage, ob der Tumor einen Bezug zum Tracheobronchialsystem hat oder infrabifurkal auf den distalen Ösophagus beschränkt ist. Während die frühen Tumorstadien (T1, T2) ohne Bezug zum Tracheobronchialsystem primär reseziert werden, hat sich eine neoadjuvante Chemotherapie (Adenokarzinome) oder Radiochemotherapie (Plattenepithelkarzinom) für die höheren Tumorstadien und die T2-Plattenepithelkarzinome mit Bezug zum Tracheobronchialsystem etabliert. Die Prognose ist entscheidend davon abhängig, ob der Tumor auf die neoadjuvante Therapie anspricht (Responder) oder nicht (Non-Responder). Hierzu wird die Tumorgröße in der CT oder besser in Kombination mit der Positronenemissionstomographie als PET-CT die Tumoraktivität nach 2 Wochen reevaluiert (. Abb. 28.51). Je nach Ergebnis und Tumorentität wird der Patient dann der Resektion, einer Resektion nach Komplettierung der neoadjuvanten Therapie oder einer definitiven Radiochemotherapie zugeführt. Die subtotale Ösophagektomie mit gleichzeitiger oder sekundärer Rekonstruktion mittels Magenhochzug, Jejunum- oder Koloninterposition ist auch in der Hand erfahrener Spezialisten ein komplexes, risikoreiches Verfahren. Komplikationen wie Naht- bzw. Anastomoseninsuffizienzen sind nicht selten und be-
Gastrointestinale Stromatumoren wurden früher meist als Leiomyome, Leiomyoblastome oder Leiomyosarkome oder als Schwannome diagnostiziert. 1998 erfolgte die Abgrenzung als eigene Sarkomentität mit der charakteristischen Expression des KIT-Onkoproteins CD117 und des Antigens CD34 (70%). Diese Differenzierung hat insofern Konsequenzen, als dass mit dem Einsatz des Thyrosinkinase-Inhibitors ST571 (Imatinib) eine spezifische Therapie für die malignen Formen zur Verfügung steht, wohingegen andere Chemotherapien und die Strahlentherapie nur unbefriedigende Ansprechraten zeigen. Die Frage nach der Dignität ist nicht endgültig geklärt, da histomorphologisch benigne GIST-Mutationen zeigen, die auf ein malignes Potenzial hindeuten. Die typischen Manifestationen sind der Magen und der Dünndarm. Ca. 5% der GIST finden sich im Ösophagus. Meist handelt es sich um solitäre Tumoren. Ein Auftreten vor dem 40. Lebensjahr ist selten. Klinisch fallen die Patienten mit einer Dysphagie auf, oder der Tumor wird zufällig entdeckt. Bei den malignen GIST treten Fernmetastasen, die in ca. der Hälfte der Fälle bei Diagnose gefunden wurden, meist ohne Befall der lokoregionären Lymphknoten auf. Allgemein sind Lymphknotenfiliae sowie pulmonale und ossäre Metastasen selten.
Bildgebung Die Doppelkontrastuntersuchung zeigt in der Regel einen glatten, submukösen Tumor. Ab einer Größe von ca. 2 cm finden sich jedoch gehäuft Ulzerationen und zwar auch bei (noch?) benignen Formen. Große Tumoren zeigen in der CT zentrale Nekrosen. Am Ösophagus ist die wichtigste Differenzialdiagnose das echte Leiomyom.
Lymphome Primäre Lymphome des Ösophagus sind sehr selten. Eine sekundäre Beteiligung des Ösophagus durch Ausbreitung eines gastralen oder mediastinalen Lymphoms kommt vor, jedoch ist die Häufigkeit immer noch <1% aller gastrointestinalen Lymphome. Zur Identifikation primär gastrointestinaler Lymphome werden die so genannten Dawson-Kriterien in unterschiedlichen Modifikationen herangezogen (Übersicht).
949 28.8 · Tumoren
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. Abb. 28.51a–d. Adenokarzinom des Ösophagus kranial einer axialen Hiatushernie. a In der koronaren Reformatierung bei negativer Kontrastierung des Lumens mit Wasser lässt sich die Tumorausdehnung gut erkennen. b Die Positronenemissionstomographie zeigt eine deutliche Aktivi-
tät des Tumors. Nach neoadjuvanter Behandlung zeigt sich sowohl eine Reduktion der morphologischen Ausdehnung in der CT (c) wie auch der Aktivität des Tumors in der PET (d). Der Patient kann als Responder eingestuft werden
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Kapitel 28 · Radiologische Diagnostik des Schluckakts und des Ösophagus
Melanome Dawson-Kriterien zur Identifizierung primär gastrointestinaler Lymphome
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4 Erkrankung vorherrschend im Gastrointestinaltrakt lokalisiert ohne Generalisierung innerhalb von 3 Monaten nach Erstdiagnose 4 Keine tastbaren oberflächlichen Lymphknoten 4 Kein radiologischer Hinweis auf mediastinale Lymphadenopathie 4 Peripherer Blutausstrich und Knochenmarkaspiration ohne pathologische Zellen 4 Keine Leber- oder Milzbeteiligung, es sei denn durch direkte Infiltration der GI-Manifestation
Das primäre maligne Melanom des Ösophagus ist eine Rarität. In der Schluckuntersuchung und in der CT zeigen sich große, polypoide, intraluminale Massen, die umspült werden und den Ösophagus aufweiten, ohne dass sich eine Obstruktion mit prästenotischer Dilatation erkennen lässt. In der Endoskopie imponiert je nach Melaningehalt eine dunkle Farbe. Die Prognose ist schlecht.
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Magen und Darm (Dünndarm, Dickdarm und Rektum) J. Stollfuss, P. Hellerhoff
29.1
Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechniken und spezielle Bildbefunde – 952
29.1.1 29.1.2 29.1.3 29.1.4 29.1.5 29.1.6 29.1.7 29.1.8 29.1.9 29.1.10
Normale Topographie des Magens – 952 Untersuchungstechniken – Magen – 952 Normale Topographie des Duodenums – 953 Untersuchungstechik – Duodenum – 954 Normale Topographie des Dünndarms – 955 Untersuchungstechniken – Dünndarm – 955 Normale Topographie des Colon – 956 Untersuchungstechnik – Colon – 957 Normale Topographie des Rektums – 958 Untersuchungstechnik – Rektum – 958
29.2
Entzündliche Erkrankungen
29.3
Kongenitale Fehlbildungen und Divertikel
29.4
Benigne epitheliale Neoplasien und familiäre Polyposis
29.5
Benigne Tumoren
– 979
29.6
Maligne Tumoren
– 980
29.7
Traumatische Veränderungen
29.8
Sonstige gastrointestinale Erkrankungen
– 959 – 977
– 987 – 988
– 978
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952
Kapitel 29 · Magen und Darm (Dünndarm, Dickdarm und Rektum)
29.1
Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechniken und spezielle Bildbefunde
29.1.1
Normale Topographie des Magens
Die Lage des Magens unter der Zwerchfellkuppel im linken Oberbauch ist physiologischerweise relativ konstant. Im Gegensatz dazu ist die Form des Magens großen funktionellen Schwankungen unterworfen, wodurch die Definition eines Normbefundes erschwert wird. Das typische Erscheinungsbild wird entscheidend durch den Tonus bestimmt, wobei Korpustyp, Nachbarschaftsbeziehungen, Füllungszustand des Darms und auch die Körperposition eine Rolle spielen. Die Nomenklatur der einzelnen Magenabschnitte war lange Zeit unterschiedlich. Am gebräuchlichsten ist wohl die Einteilung nach der Nomina anatomica, die einen Fundus ventriculi, Corpus ventriculi, eine Pars pylorica, einen Pyloruskanal sowie das Ostium cardiacum unterscheidet. Hinzu kommt der eigentliche Pylorus, beschrieben wird auch die Incisura angularis, die auch als Funduswinkel bezeichnet wird. Der Ruhetonus des Magens ist eine spezifische Eigenschaft der Muskulatur und grundsätzlich innervationsunabhängig, aber dem regulativen Einfluss des autonomen Nervensystems unterworfen. Der Parasympathikus steigert, während der Sympathikus den Tonus mindert; der Pylorussphinkter-Tonus ändert sich gegensinnig. Unter Peristaltik versteht man die Kontraktionsund Dilatationsänderung der Magenmuskulatur. Die Peristaltik wandert als ringförmige Kontraktion der Magenmuskulatur von Cardia in Richtung Pylorus. Die Amplitude der Peristaltikwelle ist vom Dehnungsreiz abhängig. Die Entleerungsmotorik im Canalis pyloricus ist ein komplizierter Ablauf einzelner Kontraktionen und mit der Korpusperistaltik nicht gleichzusetzen.
29.1.2
Untersuchungstechniken – Magen
Konventionelle Untersuchung des Magens - Doppelkontrastuntersuchung Für die Untersuchung des Magens stehen unterschiedliche Techniken zur Verfügung, die entsprechend der klinischen Fragestellung eingesetzt werden. Die klassische Doppelkontrastuntersuchung des Magens hat durch den zunehmenden Einsatz der Endoskopie weitgehend an Bedeutung verloren. Entsprechend den veränderten klinischen Fragestellungen werden heute viele konventionelle Röntgenuntersuchungen an großen Kliniken in Monokontrasttechnik durchgeführt. Grundsätzlich muss ein Patient zur Röntgenuntersuchung des Magens nüchtern sein. Als Kontrastmittel werden wässrige, nicht sedimentierende und säurebeständige Bariumsulfat-Präparate mit niedriger Viskosität verwendet. Neben diesen wasserunlöslichen anorganischen Präparaten stehen wasserlösliche iodhaltige Kontrastmittel zur Verfügung. Wegen der geringeren Fließfähigkeit und höheren Viskosität sind allerdings Doppelkontrast-Aufnahmen hiermit nicht mit guter Qualität möglich.
! Hyperosmolare wasserlösliche Kontrastmittel müssen bei Kleinkindern und insbesondere bei Säuglingen für den diagnostischen Einsatz annäherend auf blutisoosmolare Verdünnung gebracht werden, um eine Entgleisung des Elektrolythaushalts zu vermeiden. Hier sollten alternativ iso-osmolare iodhaltige Kontrastmittel zum Einsatz kommen.
Bei einer Röntgenuntersuchung sollte mit der derzeit üblichen Kontrastmahlzeit mit ca. 250 ml Bariumsulfat-Suspension der Magen nach 2 h entleert sein. Ist er nach 4 h noch nicht frei von Breiresten, sollte nach der Ursache einer Entleerungsverzögerung gesucht werden. Auch bei nüchternen Patienten kann eine vermehrte Schleimabsonderung bei zahlreichen krankhaften Zuständen vorkommen und den Beschlag mit der Bariumsuspension vermindern. Die Entleerung des Sekrets kann evtl. durch die Gabe von Paspertin beschleunigt und der Schleimhautbeschlag verbessert werden. Luft oder Kohlendioxidgas kann als negatives Kontrastmittel bei der Doppelkontrastmethode verwendet werden. Wie jede konventionelle Kontrastuntersuchung sollte auch die Untersuchung des Magens zunächst mit einem speicherbaren Durchleuchtungsbild oder einer Leeraufnahme beginnen. Hierbei können bereits Form und Größe der Magenblase sowie abnorme Luftansammlungen im Abdomen erfasst werden. Wird ein hochstehender Flüssigkeitsspiegel im Magen sichtbar, sollte vor der Kontrastuntersuchung das Absaugen über eine Sonde erwogen werden. Anschließend an diese orientierende Untersuchung im Stehen kann die eigentliche KontrastmittelUntersuchung des Magens beginnen, die im Falle der Doppelkontrast-Untersuchung im Liegen oder Halbliegen durchgeführt wird. Entweder einzeln oder nacheinander können Reliefdarstellung, Prallfüllung oder Doppelkontrast-Darstellung erfolgen. Der genaue Untersuchungsgang soll aus oben genannten Gründen nicht mehr detailliert beschrieben werden. > Jede konventionelle Kontrastuntersuchung sollte mit einem speicherbaren Durchleuchtungsbild oder einer Leeraufnahme beginnen.
Computertomographie des Magens Für viele Jahre waren die Kontrastuntersuchungen mit Barium und die Endoskopie die einzigen wirklich diagnostischen Methoden für die Untersuchung des Gastrointestinaltrakts. In den letzten 20 Jahren hat die CT erheblich an Bedeutung gewonnen. Die wesentlichen Limitationen der Barium-Kontrastuntersuchungen und auch Endoskopie liegen in einer Beschränkung der Diagnostik auf die Schleimhautoberfläche bzw. die Kontur des Darmlumens. In der CT, wenngleich sie ebenfalls in der Lage ist, das Lumen des Darms oder des Magens zu evaluieren, besteht der Hauptvorteil in der Darstellbarkeit der umliegenden Strukturen sowie der Darmwand selbst. Durch die erheblich bessere Erfassung extraluminaler Prozesse ist die CT v. a. für das initiale Staging von gastrointestinalen Tumoren und zum Therapiemonitoring geeignet. Im Vergleich zur Endoskopie oder den rein luminalen bildgebenden Verfahren kann sie zu einem früheren Zeitpunkt extraluminale Rezi-
953 29.1 · Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechniken und spezielle Bildbefunde
dive nach Operation erfassen und außerdem mögliche Gründe für eine Organverdrängung oder Impression von außen erfassen. Die CT ist außerdem eine sinnvolle Methode zur Detektion und Charakterisierung von Obstruktionen, Perforationen oder posttraumatischen Zuständen. Weil die mesenterialen Gefäße darstellbar sind, ist die CT außerdem effektiv zur Untersuchung von Blutungen oder ischämischen Zuständen des Magens oder Darms. Im Falle einer Tumorerkrankung kann die CT die Infiltration in umliegende Organe erfassen, den nodalen Status festlegen und Fernmetastasen detektieren. Für die gastrointestinalen Tumoren ist eine exakte Einteilung des T-Stadiums allerdings in der CT oftmals nicht möglich, weil einzelne Schichten der Darmwand in der Regel nicht zu differenzieren sind. Im Hinblick auf den limitierten Weichteilkontrast ist häufig nicht zwischen den lokalen Stadien T1, T2 oder T3 sicher zu unterscheiden. Ein nicht distendierter Magen ist in der CT schlecht oder gar nicht zu beurteilen. > Auch in der CT ist eine ausreichende Distension des Magenlumens essenziell.
Die meisten Patienten, bei denen ein abdominelles CT durchgeführt wird, erhalten vor der Untersuchung mehrere hundert ml von verdünntem positivem Kontrastmittel (in der Regel 30 ml Kontrastmittel auf 1000 ml Wasser). Kurz vor der Untersuchung können zusätzlich 200–300 ml verdünntes Kontrastmittel gegeben werden. Von einigen Autoren wird die Verwendung von negativem Kontrastmittel (z. B. Wasser) propagiert. Hierdurch soll eine mögliche umschriebene Kontrastmittel-Aufnahme der Magenwand als Tumorkorrelat leichter erkennbar werden. Zu beachten ist jedoch, dass je nach Magenentleerungsgeschwindigkeit das Nachtrinken von Wasser bei vorher verabreichtem positivem Kontrastmittel zu einer magenwandisodensen Mischung führen kann und damit die Magenwand schlechter beurteilbar wird. ! Die Geschwindigkeit der Magenentleerung ist individuell sehr unterschiedlich und es ist empfehlenswert – da Nahrungsreste einen Tumor simulieren können – die Patienten in nüchternem Zustand zu untersuchen.
Eines der größten diagnostischen Probleme ist die schwierige Differenzierbarkeit zwischen einer pathologischen Wandverdickung und einem Areal inkompletter Distension. In einem
gut distendierten Magen überschreitet die Wanddicke selten 5 mm. Evtl. kann die zusätzlich Gabe von Methylscopolamin sinnvoll sein (bei entsprechenden Kontraindikationen evtl. Gabe von Glukagon). Die Magenwand kann bei tangentialer Erfassung in einer axialen CT einen verdickten Eindruck machen. Dies ist häufig bei Teilen der kleinen Kurvatur bzw. im Bereich des Antrums oder Cardia der Fall. Die normale gastrale Wand kann hier auf axialen Schichtserien bis 12 oder 15 mm dick erscheinen. In der Regel werden auch kontrastgestützte Computertomogramme in einer portal-venösen Phase angefertigt werden, sofern das Ziel auch der Nachweis oder Ausschluss einer Umgebungsinfiltration oder Metastasen ist. Moderne Scanner ermöglichen zusätzlich Reformationen (in der Regel in koronarer Orientierung) in hoher Qualität, wobei für den Magen eine Dicke von 3–5 mm wohl als ausreichend gelten kann. Von einigen Autoren wird zusätzlich
eine arterielle Kontrastphase propagiert, in der eine umschriebene Kontrastmittel-Aufnahme im Bereich der Magenwand besser zu sehen sein soll. Für die Untersuchung des postoperativen Magens gelten im Wesentlichen die gleichen Gesichtspunkte wie für den nicht operierten Magen. Im Falle einer Billroth-II-Operation kann die Anatomie im Bereich der Anastomose bei nicht hinreichender Füllung schwierig zu erfassen sein. Insbesondere ist zu bedenken, dass die afferenten Darmanteile (ausgeschaltete Duodenalschlinge) in der Regel nicht kontrastiert sind und eine Raumforderung vortäuschen können. Die i.v.-Kontrastmittelgabe ist notwendig, um die vaskuläre Umgebung des Magens zu untersuchen, speziell auch die gefäßführenden ligamentären Strukturen. Die meisten Krankheitsprozesse, die vom Magen selbst ausgehen, haben nur eine geringe Tendenz peritoneale Kompartimente zu überspringen, es findet eher eine Fortleitung entlang der ligamentären Verbindungen statt. In dieser Weise wird ein Tumor, der im Bereich der kleinen Kurvatur seinen Ursprung hat, selten den linken Leberlappen infiltrieren und eher ein Wachstum entlang des gastrohepatischen Ligaments in den Leberhilus zeigen.
29.1.3
Normale Topographie des Duodenums
Das Duodenum ist der erste etwa 25 cm lange Anteil des Dünndarms und hat eine C-Form, die das Pankreas umschließt. Es besteht aus 3 Teilen. Der erste einschließlich des Bulbus verläuft bogig etwas nach oben und nach rechts oberhalb des 3. Lendenwirbelkörpers. Der zweite Anteil deszendiert rechts neben der Wirbelsäule bis zum unteren Duodenalknie, welches in der Regel auf Höhe von LWK 3/4 liegt. An der Innenseite, gewöhnlich am Übergang von der mittleren zur unteren Hälfte, befindet sich die Papilla duodeni major, die den Ductus choledochus und den Ductus pancreaticus aufnimmt. Ein akzessorischer Pankreasgang (Santorini) kann als anatomische Variante weiter oral einmünden, ist aber konventionell radiographisch in der Regel nicht erkennbar. Die Pars horizontalis duodeni verläuft vor der Wirbelsäule leicht nach links aufwärts bis zum Treitz-Band (Flexura duodenijejunalis). Entlang der medialen Kontur des deszendierenden Duodenums findet sich eine Lumenausweitung, die als Promontorium bezeichnet wird. Hier mündet gewöhnlich die Papille. Die Papille sollte normalerweise einen Durchmesser von höchstens 1,5 cm aufweisen. Das Duodenum ist mit Ausnahme des Bulbus sekundär retroperitoneal gelegen. Das Schleimhautrelief des Bulbus duodeni ist gewöhnlich longitudinal. Im zweiten Teil des Duodenums findet sich eine zirkuläre flache Schleimhautfaltung. Der dritte Anteil ist hingegen durch ein gefiedertes tiefes Schleimhautmuster erkennbar. Bei einer Lebervergrößerung kann der Bulbus unterhalb der Oberkante von LWK 3 liegen und nach links über die Mittellinie gedrängt werden. Normalerweise liegt der Bulbus duodeni in der Projektionsradiographie bei oder knapp unterhalb der 12. Rippe, rechts der Mittellinie und oberhalb der Oberkante von LWK 3. Dorsal hat der Bulbus die Lagebeziehung zum Ductus choledochus und
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Kapitel 29 · Magen und Darm (Dünndarm, Dickdarm und Rektum)
zur A. hepatica sowie gastroduodenalis und zur Pfortader. Eine Erweiterung des Ductus choledochus kann daher das Duodenum imprimieren. Der deszendierende Schenkel des Duodenums wird ventral von Colon transversum und dessen Mesenterium berührt. Hinter dem deszendierenden Duodenum liegen das rechte Nierenbecken sowie der Nierenstiel. Links befindet sich der Pankreaskopf. Im Bereich der unteren Flexur wird das Duodenum ventral von der A. und V. mesenterica superior gekreuzt. In der CT ist der Bulbus duodeni in der Regel posterior oder postero-lateral des Magenantrums erkennbar. Die A. hepatica, der Hauptgallengang sowie die V. porta verlaufen hinter dem Bulbus duodeni im hepato-duodenalen Ligament. Der postbulbäre Anteil des Duodenums verläuft nach hinten in das Retroperitoneum. Weiter kaudal kann man die Äste der pankreatikoduodenalen Arterie und Vene erkennen, die den Pankreaskopf umgeben. Krankheitsprozesse, die ihren Verlauf entlang des hepatoduodenalen Ligaments nehmen, wie das Gallenblasenkarzinom, können entlang der Gefäße Richtung Duodenum vorwachsen und hier die Fettstreifen zwischen Duodenum und Pankreaskopf aufheben. Unmittelbar kaudal des Magenantrums liegen das Duodenum und der Pankreaskopf genau hinter der A. colica media, die in der Wurzel des Mesocolon transversum verläuft. Prozesse, die ihren Ursprung im Bereich des Magens oder Pankreas haben, können entlang dieser Route das Querkolon erreichen. Unmittelbar unterhalb des Pankreaskopfs verläuft das Duodenum nahezu horizontal von rechts nach links zwischen der superioren Mesenterialvene sowie der V. cava inferior und Aorta dorsal. Genau links von der A. mesenterica superior verläuft das Duodenum ein wenig nach ventral und verlässt hier im Bereich des Treitz-Bandes das Retroperitoneum.
29.1.4
Untersuchungstechik – Duodenum
. Abb. 29.1. Hypotone Duodenographie mit Darstellung im Doppelkontrast in fast seitlicher Projektion
Abschnitt liegen soll, wird zur Tonusminderung Methylscopolamin verabreicht. Alternativ kann auch Glukagon zum Einsatz kommen. Nach Eintritt der gewünschten Hypotonie werden über eine Sonde 20 ml unverdünnte koloidale Bariumsuspension (Mikropac) sowie zur Erzielung eines Doppelkontrasts 200–300 ml Luft langsam injiziert. Anschließend werden Aufnahmen in Rücken-, Bauch- und Seitenlage sowie in Schräglage und im Stehen angefertigt. Der Tonusverlust hält nur etwa für 10 min an. Trotz der meist hervorragenden Bildqualität ist die hypotone Duodenographie für die Diagnostik von Pankreasveränderungen zugunsten der Schnittbildverfahren verlassen worden.
Konventionelle Untersuchung des Duodenums – Hypotone Duodenographie
Computertomographie des Duodenums
Neben der Endoskopie kann für die Diagnostik von Duodenalerkrankungen eine Magen-Darm-Passage mit Bariumsuspension durchgeführt werden (bei Verdacht auf Perforation entsprechend mit einem wasserlöslichen Kontrastmittel). Durch Rechtsseitenlage des Patienten wird zunächst eine Prallfüllung des Hohlorgans erreicht. Speziell der Bulbus duodeni sollte unter Kompression und Seitenaufnahmetechnik untersucht werden. Die duodenale Schleimhaut des Bulbus sollte immer mit der Doppelkontrastmethode dargestellt werden. Diese wird in leicht aufgestellter Position und Links-Schräglagerung des Patienten erzielt, wobei Luft aus dem Magen in das Duodenum eintreten kann. Die hypotone Duodenographie erlaubt die selektive Darstellung dieses Darmabschnitts ohne Peristaltik und in Weitstellung (. Abb. 29.1). Diese Untersuchung ist sowohl bei intraduodenalen Erkrankungen wie Tumoren, Ulzera und Vergrößerung der Papilla als auch bei paraduodenalen Erkrankungen geeignet. Nach Einführung einer Duodenalsonde, deren Spitze im oberen
Eine gute Kontrastierung und Distension des gesamten Dünndarms, besonders aber auch des Duodenums zu erhalten, ist für die computertomographische Untersuchung nicht einfach. Für die meisten Patienten reicht eine orale Kontrastierung mit etwa 600 ml verdünnter Kontrastmittellösung, die 60–90 min vor der Untersuchung beginnt, für eine Kontrastierung großer Teile des Jejunums und Ileums aus. Der Magen und das Duodenum sowie die proximalen Jejunalabschnitte sind am besten zu kontrastieren durch eine Gabe von weiteren 300 ml Kontrastlösung, die unmittelbar vor der Untersuchung appliziert wird. Nicht immer ergibt dies zufrieden stellende Ergebnisse, weil die Magenentleerung sehr variabel ist und die Darmmotilität bei schwerkranken Patienten reduziert sein kann. Prinzipiell besteht die Möglichkeit, das Duodenum ähnlich wie für die konventionelle Untersuchung mittels einer Duodenalsonde zu kontrastieren. Diese aufwendige und für den Patienten nicht sehr angenehme Untersuchung wird jedoch wohl speziellen Fragestellungen vorbehalten bleiben.
955 29.1 · Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechniken und spezielle Bildbefunde
29.1.5
Normale Topographie des Dünndarms
Der am Mesenterium befestigte Dünndarm reicht entsprechend der Radix mesenterii von der Flexura duodeno-jejunalis (2. LWK links) bis zur Valvula iliocoecalis über der rechten Beckenschaufel. Er hat in vivo eine Länge von 3–5 m und ist postmortem durch Tonusverlust wesentlich länger. Zwei Fünftel des Dünndarms werden zum Jejunum, drei Fünftel zum Ileum gerechnet. Wie bei allen Darmabschnitten unterscheidet man eine Tunica serosa, eine Tela subserosa, eine Tunica muscularis mit äußerer Längs- und innerer Ringmuskelschicht, eine Tela submucosa sowie eine Mucosa. Zum autonomen Nervensystem des Dünndarms gehören der Plexus mesentericus (Auerbach) sowie der Plexus submucosus (Meißner). Die Krypten und Kerckring-Falten führen zu einer für den Dünndarm charakteristischen erheblichen Vergrößerung der resorbierenden Schleimhautoberfläche. Die Kerckring-Falten sind bis zu 8 mm hoch und nehmen vom Jejunum zum Ileum stetig an Höhe ab. Die Gefäßversorgung erfolgt durch die A. mesenterica superior mit arkadenförmig ausgebildeten Aa. jejunales et ilii. Die A. ileocolica versorgt als Endast den iliozäkalen Winkel. Am Hauptstamm der A. mesenterica superior geht die A. colica dextra und A. colica media ab. Die A. colica media anastomosiert mit der A. colica sinister aus der A. mesenterica inferior. Ein Verschluss der A. mesenterica superior kann diese Anastomose als so genannte Riolan-Anastomose verstärkt ausgebildet sein. Der venöse Abfluss erfolgt über die V. mesenterica superior in die Pfortader. Die Dicke der Dünndarmschlingen ist in der KontrastmittelUntersuchung durch die physiologische Änderung des Tonus sehr variabel. Die Jejunalschlingen sind normalerweise etwas breiter als die Ileumschlingen. Im Ileum bestehen größere lokale Tonusschwankungen. Hier wechseln spindelförmig gefüllte Stellen mit stärker kontrahierten Abschnitten. Das Fischgrätenmuster des Jejunums in der Kontrastuntersuchung geht entsprechend der Abnahme der Kerckring-Falten im Ileum nach zökal zunehmend verloren. Die Einmündung des Dünndarms an der Bauhin-Klappe am Caecum ist sehr variabel. Am häufigsten ist die Einmündung von medial oder dorsal.
29.1.6
Untersuchungstechniken – Dünndarm
Konventionelle Untersuchung des Dünndarms Enteroklysma Auch die konventionelle Diagnostik des Dünndarms sollte immer mit einer Übersichtsaufnahme beginnen, auf der die Weite und Gasgehalt des Dünndarms sowie Flüssigkeitsansammlungen bzw. Spiegelbildungen beurteilt werden können. Zusätzlich müssen die Zwerchfellhälften zum Nachweis subphrenischer Luftsichel mit abgebildet sein. Als Kontrastmittel wird in der Regel Bariumsulfat (200–250 ml) verwendet. Wasserlösliche iodierte Kontrastmittel kommen bei speziellen Fragestellungen bzw. bei Verdacht auf eine Perforation im Magendarmtrakt infrage. Bei der kompletten Passage ist die Ileozäkalklappe in der Regel in 1–4 h erreicht. Die Passagezeit kann bei banaler Enteritis, bei
Hyperthyreose oder neuroendokrinen Erkrankungen, letztlich aber auch nur funktionell beschleunigt sein. Postoperativer Status oder schlechter Allgemeinzustand können die Passagezeit erheblich verlangsamen. Bei der Intubationsmethode nach Sellink wird der Magen umgangen und mittels einer jenseits des Treitz-Bandes platzierten Duodenalsonde das Kontrastmittel direkt in den Dünndarm appliziert. In der Regel werden hierzu 150–200 ml Barium oder je nach Fragestellung auch ein iodhaltiges Kontrastmittel verwendet. Bei der Darstellung im Doppelkontrast wird heute in der Regel Methylzellulose Verwendung finden. Die ursprünglich nach Sellink beschriebene Methode beinhaltet die Gabe von Luft als negatives Kontrastmittel. Die Schwierigkeit der Untersuchung liegt darin, mit dem Kontrastmittelbolus bzw. der Luft etwa zeitgleich am Zäkalpol anzukommen. Evtl. kann dann die Gabe von Methylscopolamin den raschen weiteren Übertritt ins Colon verlangsamen. Während der Passage werden routinemäßig etwa 5 Übersichtsaufnahmen angefertigt, bei Vorliegen von pathologischen Befunden ggf. auch mehr. Die Darstellung des terminalen Ileums kann mit einer Aufnahme in Vergrößerung in einer rechts angehobene (RPO) Projektion (10–20°) optimiert werden, auch wenn bereits Kontrastmittel übergetreten ist. Eine Kompressionsaufnahme kann hilfreich sein, um Überlagerungen mehrerer Darmschlingen zu vermindern.
Computertomographie des Dünndarms Die Besonderheiten der Darstellung des Dünndarms in der CT in der routinemäßigen transversalen Schichtführung wurden bereits im Abschnitt Duodenum beschrieben. Auch in der CT hat das Jejunum ein gefiedertes Erscheinungsbild. Weder die Wand- noch die Jejunalfalten messen normalerweise mehr als 3 mm Dicke, wobei diese Messungen eine adäquate Distention des entsprechenden Darmabschnitts zur Voraussetzung haben. Die ileokolische Klappe ist bei vielen Patienten durch einen prominenten Fettring gut erkennbar. Das normale mesenteriale Fett hat dieselbe Dichte wie das übrige Körperfett. Man kann ohne Schwierigkeiten die mesenterialen Aufzweigungen der Gefäße verfolgen. Mesenteriale LK <5 mm Größe sind oftmals schwierig zu erkennen. In der Regel gibt es jedoch im Bereich des Mesenteriums keine Strukturen, die eine Größe von 4 mm wesentlich überschreiten. Mit zunehmender Verbreiterung der Multislice-CT-Technik sind als Alternative zur konventionellen Untersuchung Kontrastdarstellungen des Dünndarms mit den entsprechend hilfreichen Rekonstruktionen in koronarer oder sagittaler Schichtführung möglich. Nach Lage der Literatur sind wohl noch keine einheitlichen Standardprotokolle in die Routine eingeführt worden. Von einigen Autoren wird die alleinige Verwendung von negativem Kontrastmittel propagiert. Methylzellulose wird dann über eine Duodenalsonde instilliert. Diese Technik wird hauptsächlich bei entzündlichen Erkrankungen des Dünndarms verwendet. Die CT ist auch zur Diagnostik von Ileus oder Obstruktionszuständen mit nativer Kontrastierung des Darms durch Wasser sehr gut geeignet.
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Kapitel 29 · Magen und Darm (Dünndarm, Dickdarm und Rektum)
Magnetresonanztomographie des Dünndarms (MR-Enteroklysma)
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Bislang hat sich der Dünndarm weitgehend der Eroberung durch die Endoskopie widersetzt und sich so einer direkten Visualisierung von Krankheitsprozessen entzogen. Die Limitationen der konventionellen radiographischen Untersuchung des Dünndarms sind zudem hinlänglich bekannt und es zeichnet sich keine einheitliche Meinung ab, welcher der vielen Modifikationen des Enteroklysmas bei der primären Diagnostik von Erkrankungen des Dünndarms eingesetzt werden sollen. Zu diesem Dilemma gehört auch die Wahl zwischen einer rein oralen Gabe des Kontrastmittels, die vom Patienten gut toleriert wird, oder der Kontrastmittelgabe über eine Sonde, die sicher für den Patienten belastender und im Allgemeinen aufwendiger ist. Schnittbildverfahren haben den Vorteil, nicht nur das Darmlumen, sondern auch die Umgebungsstrukturen des Darms darstellen zu können. Im Vergleich zur CT hat die MRT zusätzlich den Vorteil einer primär koronaren Akquisition von Bildern ohne ionisierende Strahlung. Bei allen Verfahren bleibt die adäquate Distension des Dünndarms ein kritischer Punkt. In dieser Hinsicht einheitliche Akquisitionsprotokolle für die MRT zeichnen sich in der Literatur nicht ab. Prinzipiell kann man zwischen einer »dark lumen«- oder »bright lumen«-Technik unterscheiden. Es werden entsprechend entweder multiplanare T1- oder T2-gewichtete Aufnahmen akquiriert (. Abb. 29.2). Einige Autoren propagieren zusätzlich die Gabe von intraluminalem Ferrestin und i.v.-Kontrastierung mit GadoliniumDTPA. Die so genannte MR-Fluoroskopie (single shot breathold T2-FSE-Sequenzen) ermöglich als quasi Realtime-Verfahren die Beobachtung der gesamten Passage und damit auch eine notwendige Variation der Geschwindigkeit der Kontrastmittelgabe in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit der Passage bzw. Peristaltik. In der Regel wird ähnlich wie beim konventionellen Enteroklysma Methylzellulose als Kontrastmittel verwendet und Schichtserien in axialer und koronarer Orientierung aufgenommen. Je nach Peristaltik sind Flussgeschwindigkeiten von 50– 150 ml/min notwendig. Eine Gesamtmenge mit 1,5 l Methylzellulose ist in der Regel für eine gute Distension des Dünndarms ausreichend. Die Wertigkeit einer zusätzlichen Gabe von hypotonen Medikamenten (Glukagon oder Methylscopolamin) wird in der Literatur nicht einheitlich gesehen. > Das MR-Enteroklysma wird seit Ende der 1990er Jahre propagiert, die Anzahl der Publikationen seit dieser Zeit hält sich jedoch in Grenzen und man hat den Eindruck, dass diese Technik nicht oder noch nicht in die klinische Routine implementiert ist. Sicher spielen hierbei Aufwand und Kosten, aber auch eine nicht immer zufrieden stellende Bildqualität eine Rolle.
29.1.7
Normale Topographie des Colon
Für die richtige Deutung der Röntgenbefunde des Dickdarms ist die Kenntnis der Topographie und ihrer normalen Varianten von außerordentlicher Wichtigkeit. Das Caecum als Anfangsteil des Dickdarms liegt intraperitoneal und ist normalerweise an der
. Abb. 29.2. MRT-Sellink in »dark lumen«-Technik nach Applikation von Gadolinium
seitlichen und rückwärtigen Bauchwand rechts fixiert. Die Appendix entsteht als Ausstülpung der Nabelschleife, wobei ihre Länge außerordentlichen Schwankungen unterworfen ist; sie kann zwischen 5 cm und 15 cm betragen. Ebenso unterschiedlich ist auch ihr Durchmesser. In der Mehrzahl der Fälle findet sich der Wurmfortsatz unterhalb des Caecum nach medial verlaufend, wobei auch retrozäkale Positionen nach dorsal oben sowie eine Lage im kleinen Becken vorkommen. Das Colon ascendens ist normalerweise retroperitoneal fixiert und weist außerordentlich selten Anomalien auf. Die rechte Kolonflexur liegt in unmittelbarer Nachbarschaft der rechten Niere sowie der Gallenblase. Große Variationen finden sich hingegen der Form und der Lage des intraperitoneal gelegenen Colon transversum. Während sich bei Kindern ein hochgelegenes, meist horizontal verlaufendes Querkolon nachweisen lässt, steht derselbe Darmabschnitt im Alter vielfach tief und kann bis in das Becken hineinhängen. Die linke Flexur liegt normalerweise höher als die rechte. Der deszendierende Teil des Colon ist wie der aszendierende retroperitoneal fixiert. Vielfach ergeben sich große Variationen der Länge und damit auch Lokalisation des Colon descendens und noch mehr des nachfolgenden Sigmas. > Bedeutung gewinnt diese Tatsache beim Bild des akuten Abdomens, hinter dem sich auch ein Volvulus oder auch eine innere Hernie durch abnorm bewegliche Darmschlingen verstecken kann.
Der letzte Teil des Dickdarms ist das Rektum, welches bis auf das obere Drittel extra- bzw. subperitoneal gelegen ist, und etwa 15 cm Länge aufweist. Es lässt sich anatomisch unterteilen in den Analkanal, die Ampulla recti sowie das obere Rektumdrittel, wobei diese Unterteilung nicht ganz der klinisch üblichen Einteilung in drei gleich lange Drittel entspricht.
957 29.1 · Normale Topographie, spezielle Untersuchungstechniken und spezielle Bildbefunde
29.1.8
Untersuchungstechnik – Colon
Konventionelle Röntgenuntersuchung des Dickdarms > Es soll noch einmal betont werden, dass auch diese Röntgenuntersuchung mit einem Übersichtsbild beginnen sollte.
Bei Verdacht auf Perforation oder Ileus ist ein wasserlösliches Kontrastmittel zu verwenden. Die orale Kontrastmahlzeit kann bei Verdacht auf funktionelle Störung wie Obstipation oder Diarrhoe durchgeführt werden, da sie den physiologischen Verdauungsvorgang am ehesten entspricht. Bei oraler Kontrastmittelgabe beginnt die Dickdarmfüllung normalerweise nach 2–6 h. Das Rektum ist ca. nach 18–20 h erreicht. Bisweilen lassen sich Kontrastmittelreste über mehrere Tage im Dickdarm nachweisen. Mehr Information liefert der retrograde Kontrasteinlauf. Dieser erfordert wie die Endoskopie eine sorgfältige Reinigung des Colon von Stuhlresten und lässt sich relativ rasch und einfach durchführen. Größere pathologische Prozesse wie Stenosen, Raumforderung, Divertikel oder Impressionen von außen sind leicht zu erkennen. Die für eine Früherkennung von Tumoren notwendige Doppelkontrastmethode ist wohl größtenteils von der Endoskopie verdrängt worden. Für die Doppelkontrastmethode kann ein Ballonkatheter zur besseren Abdichtung verwendet werden – letzterer ist jedoch nicht unumstritten. Ein Ballonkatheter kann bei der Suche nach Fisteln zu falsch negativen Ergebissen führen. Bei einem Rektumtumor besteht prinzipiell die Gefahr einer Perforation durch einen Katheter. Es ist daher immer eine digitale manuelle Untersuchung geboten. Als Kontrastmittel wird Barium und Luft verwendet. Bei der Doppelkontrastmethode genügt die Füllung bis zur linken Flexur. Durch die nachfolgende Luftinsufflation und durch Kippen des Tischs oder Drehen des Patienten gelingt es, das gesamte Colon mit einem gleichmäßigen Beschlag zu erreichen. Ein Überlaufen ins terminale Ileum muss wegen störender Überlagerungen vermieden werden.
Computertomographie des Dickdarms Für die CT-Diagnostik ist in der Regel die orale Gabe von Kontrastmittel für eine komplette Füllung des Colon nicht ausreichend und kann durch eine retrograde Füllung ergänzt werden. Je nach Fragestellung werden zwischen 100 ml und, wenn tolerabel, bis 500 ml Kontrastmittelflüssigkeit zusätzlich appliziert. Das aszendierende und deszendierende Colon hat in der CT eine typische Lokalisation im Bereich der parakolischen Rinnen und ist daher relativ leicht zu identifizieren. Diese Teile sind teilweise von extraperitonealem Fett im Bereich des anterioren pararenalen Raums umgeben. Das Colon transversum liegt wie erwähnt intraperitoneal und ist durch seine Haustrierung vom umgebenden Dünndarm zu differenzieren. Die Wanddicke des Colon beträgt normalerweise zwischen 3 mm und 5 mm und ist gut in einer konventionellen CT beurteilbar. Die moderne Multidedektor-CT ermöglicht zusätzlich eine übersichtliche Darstellung des gesamten Kolonrahmens in einer koronaren Reformation.
Bei der virtuellen Koloskopie werden in der Regel nach ausreichender Luftinsufflation und vorhergehender Darmreinigung Aufnahmen in Bauch- und Rückenlage angefertigt, um alle Teile des Dickdarms auch bei kleinen Spiegelbildungen ausreichend beurteilen zu können. Für diese Technik sind allerdings dünne Schichten und entsprechend gute Reformationen Voraussetzung. Die Methode der virtuellen Koloskopie wird in letzter Zeit zur Detektion von kolorektalen Tumoren bzw. auch zum Screening propagiert. Einschränkend muss jedoch bemerkt werden, dass die Sensitivität der virtuellen Koloskopie nach Lage der Literatur für Läsionen <5 mm begrenzt ist. Die erforderliche Darmreinigung ist ebenso aufwendig wie für die Endoskopie, die bei Nachweis einer Pathologie zusätzlich erforderlich wird. Ohne entsprechende Darmreinigung sind kleine intraluminale Prozesse in einer konventionellen CT nicht mit großer Zuverlässigkeit erkennbar. Meist ist das gesamte Colon mit einer Mischung aus Luft, Stuhlresten und Kontrastmittel gefüllt. An die Beurteilung des Colon sollte sich die Betrachtung der Mesenterialwurzel und ihrer Gefäßaufzweigungen anschließen.
Magnetresonanztomographie des Dickdarms (Virtuelle Kolonoskopie) Wie die virtuelle CT-gestützte Kolographie ist auch die MR-Kolonoskopie eine im Vergleich zur Endoskopie und konventionellen Doppelkontrastmethode vergleichsweise neue Methode, deren Entwicklung wohl erst am Anfang steht. Der diagnostische Fokus liegt hauptsächlich auf der Detektion von Tumoren und Polypen als möglichen Präkursoren des kolorektalen Karzinoms und weniger in der Diagnostik von entzündlichen Darmerkrankungen. Das Verfahren zeigt viel versprechende Ergebnisse für die Detektion von Polypen mit einem Durchmesser von >1 cm bei symptomatischen Patienten. Die Akquisitionsprotokolle für die MR-Kolonoskopie sind immer noch in Entwicklung. Prinzipiell wird eine große Zahl von Primärbildern in der Regel in axialer Orientierung generiert, die sehr sorgfältig nach Füllungsdefekten oder Kontrastmittel aufnehmenden Läsionen untersucht werden müssen. Ein wichtiger Post-processing-Schritt sind die multiplanaren Reformationen, die es dem Untersucher erlauben, potenzielle Läsionen in unterschiedlichen Orientierungen zu betrachten. Im Falle der virtuellen Endoskopie werden Volumen-Rendering-Techniken benutzt, um Bilder des Kolonlumens zu produzieren. CT und MRT haben aufgrund ihrer multiplanaren Fähigkeiten, der Möglichkeit einer ante- und retrograden Betrachtung und einer potenziellen Unterscheidbarkeit von Stuhlresten und wahren Läsionen Vorteile gegenüber der konventionellen Doppelkontrastuntersuchung und in geringerem Maße auch gegenüber der Endoskopie. Die MR-Untersuchung ist im Vergleich zur CT-gestützten Kolographie zusätzlich attraktiv, weil sie ohne ionisierende Strahlung auskommt. Nachdem für viele Patienten die vorher durchzuführende Darmreinigung den unangenehmsten Teil einer Kolonuntersuchung darstellt, wurden Verfahren entwickelt, die durch eine Färbung des Stuhls extensive Darmreinigungen überflüssig machen sollen (fecal tagging). Initiale Untersuchungen verwendeten »breathhold«-3DGradientenechosequenzen, die das gesamte kontrastgefüllte Co-
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Kapitel 29 · Magen und Darm (Dünndarm, Dickdarm und Rektum)
lon in koronarer Schichtführung abgebildet haben. Als luminale Kontrastmittel sind sowohl die Verwendung von Luft als auch Kohlendioxid beschrieben worden. Die meisten Untersuchungen wurden jedoch mit flüssigem Kontrastmittel durchgeführt. Prinzipiell sind »bright lumen« und »dark lumen«-Techniken möglich. Beide erfordern eine vorhergehende Reinigung des Darms ähnlich wie die konventionelle Endoskopie. In der Regel wird für die »bright lumen«-Technik ein Wasser-Gadoliniumgemisch mit mindestens 10 mmol/l Gadolinium (entsprechend 40 ml einer 0,5 mikromolaren Gadoliniumlösung auf 2 l Wasser) verwendet. Weil keine ionisierende Strahlung appliziert wird, können schnelle Sequenzen zum Einsatz kommen, die eine Beobachtung der Füllung des Colon nahezu in Echtzeit erlauben. Im Falle dieser Wasser-Gadolinium-Kontrastierung werden T1-gewichtete Gradientenechosequenzen verwendet. Durch die helle Kontrastierung des Lumens erscheinen Polypen als Füllungsdefekte. Zweidimensionale Half-Fourier-Single-Shot-Turbospinechosequenzen (HASTE) können angeschlossen werden, um die Kolonwand zu beurteilen. Die Techniken mit dunklem Lumen basieren auf Wasser mit Kontrastmittel; zusätzlich wird zur Darstellung der Wand i.v.Gadolinium verwendet. Die Füllung des Colon kann mit T2-gewichteten Sequenzen beobachtet werden. Nach kompletter Füllung wird dann eine T1-gewichtete Gradientenechosequenz angeschlossen, nach Applikation von i.v.-Kontrastmittel. Weil das Lumen dunkel ist, kann man Kontrastmittel aufnehmende entzündliche Prozesse oder Polypen anhand ihres KontrastmittelEnhancements darstellen. Eine Kombination von 3D-T1-gewichteten Gradientenechosequenzen und einer Balanced-FFE ermöglicht die Darstellung in einer hellen und dunklen Lumentechnik in einem Protokoll. Da viele Patienten die vorhergehende Reinigung des Colon als unangenehm empfinden, sind Techniken attraktiv, die auf eine vorhergehende Reinigung verzichten. Hierbei wird der Stuhl mit Kontrastmittel gefärbt (fecal-tagging). Neben der relativ kostspieligen Methode mit oral applizierten Gadolinium-DTPA sind auch Methoden mit Bariumsulfatlösung beschrieben worden. Die Applikation beginnt 36 h vor der MR-Kolonographie. Bei letztgenanntem Kontrastmittel erscheint das Lumen dunkel und es wird eine kontrastgestützte 3D-T1-Gradientenechosequenz zur Anwendung kommen. > Wie oben beschrieben sind verschiedene Post-Processing-Methoden verfügbar. Es sollte jedoch bedacht werden, dass letztlich die Primärbilder die beste Qualität haben und daher immer sorgfältig zu betrachten sind.
29.1.9
Normale Topographie des Rektums
Der größte Teil des Rektums liegt extra- bzw. subperitoneal. Nur der obere Teil ist ventral von einer Duplikatur des Peritoneums überzogen. Der übrige Teil ist in einen nach unten trichterförmigen Bindegewebsraum eingebettet, der von einer Faszie umgeben ist, welche einen perirektalen Raum von den übrigen vasonodalen und pelvirektalen Räumen zu beiden Seiten abtrennt. Diese Faszie heißt im englischen Sprachgebrauch »mesorektale«
Faszie, das entsprechende Kompartiment mesorektaler Raum. Die Begriffe finden in der Terminologica Anatomica keine Entsprechung, ihre Verwendung ist dennoch zum Verständnis der Literatur erforderlich. Nach dorsal grenzt sie an die präsakrale (parietale) Faszie, die auch als Waldeyer-Faszie bezeichnet wird. Nach kaudal ab dem Segment Sakral 4 kondensieren beide Faszien zum retrosakralen Ligament. In der ventralen Zirkumferenz wird die mesorektale Faszie durch die Denonviellier-Faszie fortgesetzt, die bei männlichen Patienten die Samenbläschen und distal die Prostata vom mesorektalen Kompartiment trennt. Bei Frauen ist diese Faszie weniger offensichtlich. Der hauptsächlich aus Fettgewebe bestehende mesorektale Raum wird vom lymphatischen System durchdrungen, enthält aber keine Lymphknoten.
29.1.10
Untersuchungstechnik – Rektum
Konventionelle Röntgenuntersuchung des Rektum Neben speziellen Fragestellungen, wie die Darstellung von Fisteln und entzündlichen Erkrankungen sowie der Defäkographie, steht diagnostisch im Bereich des Rektums wohl die Detektion und Festlegung der Ausbreitung des Rektumkarzinoms im Vordergrund. Im Hinblick auf die konventionellen Untersuchungstechniken sei im Wesentlichen auf die Ausführungen zur Untersuchung des Colon verwiesen. Zu beachten ist sicherlich, dass bei Verwendung von Sonden mit Ballon eine evtl. Pathologie, z. B. Fistel, verdeckt wird und nicht zur Darstellung kommen kann. Auf die Perforationsgefahr durch die Einbringung eines Darmrohrs wurde bereits hingewiesen. Bei tief sitzenden Prozessen ist evtl. die Verwendung eines weichen Blasenkatheters anzuraten. Die konventionelle Untersuchung des Rektums im Hinblick auf eine Tumorerkrankung spielt im Vergleich zur Rektoskopie und den Schnittbildverfahren keine größere Rolle.
Computertomographie des Rektums Die CT hat den Vorteil eines großen Gesichtsfeldes und ermöglicht zudem eine »Ganzkörperuntersuchung« in gleicher Sitzung. Zurückliegende Untersuchungen zur konventionellen CT berichteten über eine große Genauigkeit zur Festlegung des T-Stadiums beim Rektumkarzinom, obgleich eine Unterscheidung der Wandschichten des Rektums wegen der kaum vorhandenen Dichteunterschiede wie auch im Bereich der übrigen Abschnitte des Magendarmtrakts kaum möglich ist.
Magnetresonanztomographie des Rektums Mit der Einführung der MRT stand erstmalig ein Verfahren zur Verfügung, welches ohne Verwendung ionisierender Strahlen eine multiplanare Bildgebung des Rektums mit einem hohen Weichteilkontrast ermöglichte. Bereits Mitte der 1980er Jahre gab es erste Berichte zum Staging des Rektumkarzinoms. Mit der Einführung von endorektalen Spulen konnte die lokale Auflösung erheblich verbessert werden und eine Differenzierung der Wandschichten des Rektums wurde möglich. Ähnlich wie bei der Ultraschalluntersuchung gelingt die Visualisierung der Wandschichten des Rektums mit dieser Technik sehr gut, zur Peripherie hin kommt es jedoch zu einem relativ raschen Signalabfall.
959 29.2 · Entzündliche Erkrankungen
Nachbarorgane und die übrigen Beckenstrukturen sind daher kaum adäquat zu beurteilen. Die unter Umständen schwierige oder unmögliche Positionierung der endorektalen Spule bei stenosierenden Tumoren ist ein weiterer Nachteil dieser Technik. Neuere Untersuchungen mit der MRT werden in Regel mittels Phased-array-Technik durchgeführt. Die Limitationen der MRT zeigen sich auch unter Anwendung neuester Technik noch immer in der Detektion einer frühen Wandüberschreitung und auch in der schwierigen Unterscheidbarkeit zwischen vitalem Tumorgewebe und fibrotischen Veränderungen, welches letztlich zu einer potenziellen Überschätzung der Infiltrationstiefe führt. Die letztgenannte Problematik ist aus theoretischer Sicht auch bei der Festlegung des Abstandes zur mesorektalen Faszie gegeben. In der Regel wird das Rektum in sagittaler und nach der Tumorachse gekippt axialer Schichtführung untersucht. Bei tief sitzenden Tumoren kann zusätzlich eine Abbildung in koronarer Schichtführung sinnvoll sein. In den meisten Untersuchungen werden recht unterschiedliche Sequenzprotokolle verwendet. Die Frage nach der Notwendigkeit einer Untersuchung mit i.v.-Kontrast wird kontrovers diskutiert. In letzter Zeit werden hochauflösende T2-gewichtete Bilder als für die Festlegung der Tumorausdehnung entscheidend und ausreichend propagiert. In manchen Untersuchungen wird das Rektumlumen mit Ultraschallgel distendiert und auch ein Spasmolytikum verabreicht. Eine vorhergehende Darmreinigung mittels Klistier ist ratsam.
29.2
Entzündliche Erkrankungen
Gastritis Definition, Klinik, Diagnose Der Gastritis liegt eine Entzündung der Magenschleimhaut zugrunde, die durch verschiedene Krankheitsbilder verursacht werden kann. Entsprechend der Ätiologie differiert auch das klinische und histologische Erscheinungbild. Der Diagnose Gastritis liegt im Allgemeinen ein histologischer Untersuchungsbefund zugrunde. Aus der Sicht des klinischen Befundes kann man eine akut oder chronisch verlaufende Gastritis unterscheiden. Die Symptome wie Druck und Völlegefühl, Appetitlosigkeit oder Übelkeit sind unspezifisch und umgekehrt finden sich auch bei beschwerdefreien Patienten histologische Veränderungen einer chronischen Gastritis.
Bildgebung Die Diagnose der akuten Gastritis wird im Allgemeinen klinisch gestellt und erfordert selten eine Röntgenuntersuchung. Ebenso wenig allerdings wie aus klinischen Symptomen kann die Diagnose einer Gastritis mit letzter Sicherheit aus einer Röntgenuntersuchung gestellt werden. Abgesehen hiervon hat auch hier die Endoskopie die radiographischen Verfahren weitgehend abgelöst. Einzelne Röntgenzeichen besitzen eine recht gute Übereinstimmung mit histologischen Ergebnissen. Im Allgemeinen ist die Doppelkontrastuntersuchung mit Barium als radiographisches Verfahren für die Erfassung von Veränderungen auf Schleimhaut wohl am besten geeignet. Entzündliche Prozesse können außerdem eine diffuse oder fokale Verdickung der Magenwand verur-
sachen, die in der CT erfasst werden kann. Im Allgemeinen führt die Gastritis radiographisch zu mehr oder minder tiefen Ulzerationen und Verdickungen der Magenfalten sowie möglicherweise auch zu einer mangelnden Distendierbarkeit. Der häufigste Typ einer erosiven oder hämorrhagischen Gastritis ist im Bereich des Antrums lokalisiert. Man erkennt in der konventionellen Doppel-Kontrastuntersuchung Erosionen mit einem kleinen Kontrastmitteldepot und einem transparenten Halo oder Randsaum; außerdem eine Verdickung der Falten. Eine Verdickung der Magenfalten kann auch in der CT-Untersuchung gut nachgewiesen werden. Diese ist jedoch nicht spezifisch für die Gastritis und kann auch kann beim Zollinger-Ellison-Syndrom oder auch beim Riesenfaltenmagen (Morbus Ménétrier) sehr eindrucksvoll sein. Histologisch sind die erosiven Gastritiden durch eine oberflächliche akute Entzündungsreaktion mit fokalen Nekrosen der Mucosa gekennzeichnet, während die durch Heliobacter pylori hervorgerufene Gastritis lymphoide Infiltrationen und Plasmazellnester aufweist. Radiographische Unterscheidungskriterien gibt es jedoch hierfür nicht. Die durch Helicobacter pylori hervorgerufene Gastritis ist ebenfalls hauptsächlich im Antrum oder Corpus lokalisiert, seltener im Bereich des Fundus. Typisch sind vergrößerte Ariae gastricae (>3 mm). Die durch Heliobacter pylori hervorgerufene Gastritis kann eine deutliche Magenwandverdickung erzeugen, die unter Umständen schwierig von einem Tumor zu unterscheiden ist. Im Vergleich zum Tumor fehlen jedoch die begleitende Lymphadenopathie und die Obliteration der umliegenden Fettschichten. Sowohl in der konventionellen Röntgenuntersuchung als auch in der CT müssen entzündliche Veränderungen vom Magenkarzinom oder Lymphom abgegrenzt werden. In der CT ist es generell ratsam, die einzelnen Wandschichten des Magens eingehend zu betrachten. Bei einer inflammatorischen Wandverdickung kommt es häufig zu einem recht deutlichen Kontrastmittel-Enhancement der Mucosa, die dann gut von den darunter liegenden submukösen Schichten mit niedrigerer Dichte unterscheidbar ist. Dieses Erscheinungsbild, das auch als »target« oder »halo sign« bezeichnet wird, findet sich praktisch nie bei einer neoplastischen Wandverdickung wie sie diffus durch ein Lymphom oder eine Linitis plastica hervorgerufen werden kann. Die Darmwand oder Magenwand hat bei neoplastischen Veränderungen in der Regel eine mehr homogene Dichte. Sofern die CT primär zur Darstellung der Magenwand durchgeführt wird, ist es ratsam, statt der üblichen radioopaken Kontrastmittel negative Kontrastmittel wie Wasser oder Methylzellulose zu verwenden. Als Sonderform einer phlegmonösen Gastritis sei die emphysematöse Gastritis erwähnt. Diese hat eine hohe Letalität und kann z. B. durch E. coli oder Streptococcus species hervorgerufen werden. Die emphysematöse Gastritis kann in der CT zu einem eindrucksvollen Bild mit intramuralen Luftansammlungen führen. Die Erkrankung kommt bei älteren Patienten und bei Diabetikern vor. In der Regel bereitet die Abgrenzung zur Pneumatosis interstinalis im Hinblick auf die dabei fehlenden Magenwandveränderungen keine Schwierigkeiten. Alle akuten Verlaufsformen können im Wesentlichen auch in eine chronische atrophische Gastritis münden bei der die Differenzierung der Mucosa und auch der Magenfalten nach und
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nach verschwinden und ein glatter strukturloser Aspekt mit mangelnder Distendierbarkeit entsteht. Auch die Entwicklung einer intestinalen Metaplasie ist im Verlauf möglich.
Therapie
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Die Therapie der Gastritis umfasst neben der Vermeidung potenziell auslösender Noxen wie Alkolhol, Nikotin, Steroide oder nichtsteroidale Antirheumatika auch die Behandlung des Heliobacter pylori. Die Eradikationstherapie von H. pylori besteht in der Regel aus der Kombination eines Protonenpumpenhemmers mit 2 Antibiotika, da antibiotische Monotherapien keinen ausreichenden Erfolg zeigen. Bei einer Triple-Therapie werden die Antibiotika Amoxicillin oder Metronidazol mit Clarithromycin und einem Protonenpumpenhemmer kombiniert und über 7 Tage lang eingenommen (morgens und abends je 3 Kapseln). Die Therapie ist in >95% der Fälle erfolgreich.
Ulcus ventriculi Definition, Klinik, Diagnose Das peptische Ulcus ist definiert als ein oberflächlicher Mukosadefekt des Magens. Pathologisch anatomisch ist dieser Defekt mit Granulationsgewebe ausgekleidet und kann unterschiedlich tiefe Schichten des Magens erfassen. Klinisch kann es asymptomatisch sein oder sich durch brennend stechende epigastrische Schmerzen bemerkbar machen, die mehr als 2 h nach der Nahrungsaufnahme auftreten und typischerweise nicht durch Essen oder Antacida gebessert werden können. Auch nächtlicher Schmerz und Gewichtsverlust können die Folge sein. Blutung, Perforation und Obstruktion gehören zu den wichtigsten Komplikationen. Die meisten Patienten mit einem Ulcus sind älter als 40 Jahre. Die Diagnose wird heute im Allgemeinen durch die Endoskopie gestellt.
Bildgebung Die konventionelle Röntgendiagnostik des Ulcus erfolgt inzwischen nur selten mithilfe der Doppenkontrastuntersuchung. Radiographisch sind bei der Ulkusdiagnostik direkte und indirekte Zeichen zu unterscheiden. Zu den direkten Zeichen gehört der Nachweis des Wanddefekts mit seinem typischen Erscheinungsbild, während Formveränderungen und Funktionsstörungen des Magens als indirekte Ulkuszeichen aufzufassen sind. > Prinzipiell ist es erstrebenswert, ein Magengeschwür in 2 Ebenen (Profil und Aufsicht) darzustellen (. Abb. 29.3). Grundsätzlich erscheint ein Magengeschwür röntgenologisch im Profil als Nische und in der Aufsicht als Kontrastfleck auf den konzentrischen Magenschleimhautfalten.
Am Geschwürrand ist in der Profildarstellung oftmals ein flacher Aufhellungssaum erkennbar, der als Hamptonlinie bezeichnet wird. Hierbei handelt es sich um eine dünne scharf abgegrenzte Aufhellungslinie, welche die gesamte Basis des Ulkus durchlaufen kann und etwa 1 mm breit ist. Radiologisch anatomisch handelt es sich um einen Schleimhautrand, der über den Ulkusgrund überhängt. Ein weiteres wichtiges Röntgenzeichen ist der Ulkuskragen. In den meisten Fällen entspricht dieser Kraterrand einer entzündlichen Schwellung der Submucosa mit entzündlichem Ex-
. Abb. 29.3. Ulcus ventriculi. Typisches Bild eines Ulcus an der kleinen Kurvatur des Magens im Profil und Prallfüllung (dicker weißer Pfeil). Es ist ein mäßig ausgeprägter Ulkuswall (dünner weißer Pfeil), jedoch keine Hamptonlinie erkennbar
sudat unterschiedlichen Ausmaßes. Der entstehende Ulkushals kann kürzer oder länger sein als die Ulkusbreite. Die entstehende Aufhellung ist jedoch immer relativ breit und sollte nicht mit der Hamptonlinie verwechselt werden. Beim gutartigen Ulcus ist der Ulkuswall glatt und scharf begrenzt und das Ulcus liegt im Zentrum dieses Walls. Die Unterscheidung zu einem bösartigen Prozess ist nicht immer einfach. Bei einen bösartigen Ulcus liegt dieses oftmals im Profilbild innerhalb des Magenlumens. Die Ulzeration ist außerdem oftmals exzentrisch im Karzinom lokalisiert und unregelmäßig begrenzt. Meist ist das maligne Ulkus flach und die Basis breiter als seine Tiefe. Der Ulkusgrund kann polypös und knotig verändert sein und eine Hamptonlinie ist hier nicht nachweisbar. Das Ulcus ventriculi sitzt bevorzugt im Bereich der kleinen Kurvatur v. a. im mittleren und distalen Bereich, seltener sind auch andere Lokalisationen möglich. Als Komplikationen sind hier eine Penetration in Nachbarorgane, v. a. Pankreas, oder auch die Perforation möglich. Außerdem kann es zu Arrosionsblutungen kommen. Von der Größe der Ulkusnische, v. a. von seiner Tiefe, ist nicht mit Sicherheit auf drohende Perforation zu schließen. Falls klinisch der Verdacht auf eine Perforation oder Malignität besteht, kann sinnvoll die CT eingesetzt werden. Selbst kleinere Mengen freien Kontrastmittels oder extraluminaler Luft können leicht erkannt werden, die Stelle der Perforation ist in der Regel jedoch kaum sichtbar.
Therapie Ätiologisch ist das benigne Ulcus häufig mit einer Infektion mit Heliobacter pylori vergesellschaftet. In diesem Fall wird eine Eradikation bzw. Behandlung in der Regel mit mehreren Antibiotika durchgeführt wie bei der Therapie der Gastritis bereits beschrie-
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ben (Amoxicillin, Metronidazol). Im Übrigen kommen Protonenblocker und H2-Rezeptorantagonisten zum Einsatz. Das Ulkus sollte nach 6–8 Wochen medikamentöser Behandlung abgeheilt sein, ist dies nicht der Fall, muss Malignität in Erwägung gezogen werden.
Ulcus duodeni Definition, Epidemiologie Ähnlich wie das Ulcus ventriculi ist das Ulcus duodeni definiert als Schleimhauterosion unterschiedlicher Tiefe. Das Ulcus duodeni ist die häufigste Erkrankung des oberen Gastrointestinaltrakts. Es ist 2- bis 3-mal häufiger als das Ulcus ventriculi und kommt bei Männern ca. 3-mal häufiger vor als bei Frauen. In etwa 95% liegt es 3 cm aboral des Pylorus im Bulbus duodeni, meist an der vorderen oder hinteren Wand. Postbulbäre Ulcera sind selten und neigen zu Blutungen.
Pathogenese, Ätiologie Pathologisch anatomisch entspricht das Ulcus einem Wanddefekt, der mikroskopisch unterschiedlichen Schichten zugeteilt werden kann. Am Boden findet sich oftmals nekrotisches Material, daneben Entzündungszellen und am Rand gefäßreiches Granulationsgewebe sowie auch Narbengewebe. Abgeheilte Ulcera vernarben und verziehen den Bulbus durch Kontraktion. Die meisten Ulcera im Duodenum sind peptischer Genese. Stress und schwere Erkrankungen können die Ulkusentstehung fördern, ebenso die Gabe von Steroiden und nichtsteroidalen Antirheumatika. Insbesondere kortisoninduzierte Ulcera verlaufen klinisch oft blande, wenngleich sie zu Penetration und Perforation neigen.
Zu einer der wesentlichen klinischen Differenzialdiagnose zählt die Duodenitis, definiert als Entzündung ohne eindeutige Ulzeration. Bei Lokalisation distal der Papilla vateri ist auch ein Duodenalkarzinom in Erwägung zu ziehen. Auch Duodenaldivertikel liegen meistens postbulbär an medialen Rand des deszendierenden Teils des Duodenums zum Pankreas hin gerichtet, bevorzugt in der Region der Papille. Hier besteht eine glatt berandete Ausbuchtung ohne Entzündungsreaktion (7 Kap. 29.3). Die CT spielt bei der Ulkusdiagnostik keine wesentliche Rolle, es sei denn, es werden Komplikationen wie Penetration und Perforation vermutet.
Therapie Therapeutisch kommen in der Regel Protonenpumpeninhibitoren und H2-Rezeptorantagonisten zum Einsatz, beim positiven Test auf Helicobacter pylori entsprechend die Eradikation. In der Regel verschwindet die Ulkusnische nach konservativer Behandlung. Es bleiben aber oft narbige Deformitäten des Bulbus bestehen; sind diese ausgedehnt oder besteht eine Perforation, wird in der Regel eine operative Behandlung angestrebt.
Morbus Crohn (Colitis granulomatosa) Definition, Epidemiologie, Pathogenese Die Ileitis terminalis ist definiert als eine rezidivierende granulomatöse Entzündung des Magendarmtrakts. Die ursprüngliche Beschreibung einer regionalen Ileitis stammt aus dem Jahre 1932 von Crohn und Mitarbeitern. Der Häufigkeitsgipfel der Erkrankung liegt zwischen dem 10. und 40. Lebensjahr.
Klinik
Klinisch besteht ein brennender, stechender Schmerz im Epigastrium im Vordergrund, der ca. 2–4 h nach den Mahlzeiten auftritt. Typischerweise ist eine Besserung durch Antacida oder Essen möglich, entsprechend kann es eher zu einer Gewichtszunahme kommen.
Zu den Symptomen im Allgemeinen zählen Durchfall, Bauchschmerzen, Teerstuhl sowie Gewichtsverlust und Fieber. Auch Symptome einer Malabsorption sowie mit Fisteln assoziierte Symptome kommen vor. Die definitive Diagnose wird im Allgemeinen durch eine Mukosabiopsie gestellt. Bei akuten Exazerbationen treten auch Abszessbildungen und Fieber auf. Oftmals kann im Unterbauch rechts ein Konglomerattumor getastet werden.
Diagnose/Bildgebung
Pathogenese, Bildgebung
Die Diagnose stützt sich ansonsten heutzutage im Wesentlichen auf die Endoskopie. Wie bei allen endoskopisch erreichbaren Abschnitten des Magendarmtrakts hat auch hier die Röntgenuntersuchung an Bedeutung verloren. Als wesentliche zusätzliche diagnostische Tests werden die Serologie oder der Atemtest auf Helicobacter pylori durchgeführt. Beste bildgebende Methode ist die konventionelle Doppelkontrastuntersuchung mit Barium. Radiographisch stellt sich das Duodenalulkus tangential als Nische dar und kann begleitet sein durch narbeninduzierte Einziehung und Verkürzung der Bulbusstruktur. Pseudodivertikelartige Ausbuchtungen kommen vor (Hart-Tasche). Bei frischen Ulcera besteht ein hoher ödematöser Randwall, der später abflacht. Das chronische Ulcus ist flach und hat nach zentral einstrahlende Schleimhautfalten. Das gleichzeitige Vorkommen eines Ulcus in Vorder- und Hinterwand wird als »kissing ulcers« bezeichnet. Wie beim Ulcus ventriculi gehören auch hier Blutungen, Perforation und Obstruktion sowie Fistelungen zu den wesentlichen Komplikationen.
Entgegen der ursprünglichen Annahme einer auf das terminale Ileum beschränkten Erkrankung weiß man heute, dass prinzipiell alle Abschnitte des Gastrointestinaltrakts betroffen sein können. Pathologisch anatomisch handelt es sich um eine schubweise verlaufende Entzündung mit einer granulomatösen Gewebsreaktion und einem hochgradigen Ödem, das alle Wandschichten betrifft. In der Schleimhaut kommt es zu tief greifenden Ulzerationen, welche zusammen mit den dazwischen liegenden ödematösen Zonen zu einem pflastersteinartigen Relief (cobblestone-pattern) führen. Neben der Endoskopie kommen für die Diagnostik des Morbus Crohn auch heute noch hauptsächlich konventionell radiographische Verfahren zum Einsatz. Die typischen Veränderungen der Schleimhautoberfläche sind hierbei eindrucksvoll erkennbar (. Abb. 29.4). Im weiteren Verlauf der Erkrankung kommt es zum Mitbefall der mesenterialen Lymphknoten und Lymphgefäße. Typisch ist die segmentale Anordnung der Erkrankung (skip-lesions) mit zwischengeschalteten normalen Wandabschnitten. Die betrof-
Klinik
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. Abb. 29.4. Morbus Crohn. Typisches Plastersteinrelief bei Morbus Crohn mit Befall des Colon transversum (schwarze Pfeile). Darstellung im Monokontrast mit wasserlöslichem KM
. Abb. 29.6. Morbus Crohn. Aufgespannte Ileumschlinge (Omega-Zeichen) durch verdicktes Mesenterium bei Befall mit Morbus Crohn (schwarze Pfeile). Konventionelle Röntgenaufnahme mit Barium teilweise im Doppelkontrast
befallen. Manifestationen im Bereich des Jejunum machen etwa 10% aus. Zu den seltenen Manifestationen gehören der Befall des Ösophagus, des Magens oder Duodenums (. Abb. 29.5). > Tief greifende Ulzerationen führen beim Morbus Crohn zusammen mit den dazwischen liegenden ödematösen Zonen zu einem pflastersteinartigen Relief (cobblestone-Pattern) in segmentaler Anordnung (skip lesions).
. Abb. 29.5. MorbusCrohn mit hochgradiger Stenose in der Pars horizontalis duodeni (schwarzer Pfeil) und der Folge einer prä-stenotischen Dilatation des Lumens (weißer Pfeil). Darstellung im Doppelkontrast und Hypotonie (hypotone Duodenographie)
fenen Schlingen zeigen eine deutliche Wandverdickung und sind starr und evtl. auch etwas verkürzt. Der Wandbefall ist im Allgemeinen asymmetrisch mit Ulzerationen vorwiegend im mesenterialen Ansatz. Diese können Ausgangspunkte für die für Morbus Crohn typischen Fisteln und Abszesse sein. In etwa der Hälfte der Fälle ist das terminale Ileum alleine erkrankt, bei über 80% ist das terminale Ileum zumindest beteiligt. In etwa 30% der Fälle ist der Dickdarm allein oder in Kombination mit dem terminalen Ileum
Bei der konventionellen Dünndarmpassage kann man zwischen stenotischen und nichtstenotischen Darmveränderungen unterscheiden. In nichtstenotischen Abschnitten führt das muköse und submuköse Ödem zu einer Wandverdickung und Schleimhautschwellung mit der Folge einer Elastizitätsminderung. Das Lumen wird spastisch eingeengt (string-sign). Der Begriff »string sign« wird allerdings auch für irreversible Stenosen bei Morbus Crohn verwendet. In nichtstenotischen Darmabschnitten ist das Pflastersteinmuster typisch. Ausgeprägte Ulzerationen können Nischen und Taschen, so genannte Pseudodivertikel bilden. Die ulzerösen Veränderungen finden sich meist asymmetrisch am mesenterialen Ansatz und führen dazu, dass dieser starr und verkürzt wirkt. Die betroffenen Darmschlingen wirken oft ausgespannt (Omega-Zeichen) (. Abb. 29.6). Stenotischen Darmabschnitten liegt pathomorphologisch eine Fibrose und Fibrosklerose der Darmwand zugrunde. Das befallene Darmstück erscheint starr wie ein Rohr mit irreversiblem Strukturverlust. Eine prästenotische Dilatation kann vorliegen. Fuchsbauähnliche Fistelung, die charakteristische Komplikation bei Morbus Crohn, sind unter Umständen direkt in der Dünndarmpassage nachweisbar. Zu den bildmorphologischen Differenzialdiagnosen bei Befall des terminalen Ileums gehört die Colitis ulcerosa. Hier
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. Abb. 29.7. Morbus Crohn, CT. CT mit oraler und intravenöser Kontrastierung. Morbus Crohn mit Befall des terminalen Ileums (schwarzer Pfeil) und Caecum (weißer Pfeil), Verdichtung des Mesenterium und Fistelstraße mit etwas freier Luft (kurzer weißer Pfeil)
kommt es in der Regel nicht zu Strikturen und Ulzerationen. Die röntgenologischen und pathologischen Veränderungen sind zudem relativ diskret. Außerdem liegt meist ein kontinuierlicher Befall der angrenzenden Kolonabschnitte vor. Zu den schwierigen Differenzialdiagnosen gehören der Befall mit einer Sarkoidose oder Amyloidose. Weitere differenzialdiagnostische Erwägungen betreffen eine Tuberkulose, Strahlenenteritis, Ischämie oder Befall mit Yersinien. Prinzipiell muss auch ein Lymphombefall des Darms abgegrenzt werden. In einer konventionellen CT-Untersuchung zeigen sich betroffene Darmabschnitte mit einer zirkumferenziellen Wandverdickung sowie eine Injektion des mesenterialen Fettgewebes, welches vergrößerte Lymphknoten enthalten kann (. Abb. 29.7). Im Falle einer Perforation ist diese meist umschrieben und führt zu einer lokalen mesenterialen Phlegmone und manchmal auch zu einer Abszedierung zwischen den Darmschlingen. Gas innerhalb einer Flüssigkeitsansammlung bzw. ein Kontrastmittel-Austritt ist suggestiv für das Vorliegen einer Perforation. Gelegentlich können auch Fisteln entlang des Mesenteriums oder in Richtung Bauchdecke gefunden werden. Differenzialdiagnostisch betrachtet kann die akute Appendizitis ebenfalls zu einer inflammatorischen Wandverdickung des distalen Ileums führen, wobei nicht immer eine Abszedierung vorhanden ist. Diese kann in der konventionellen CT schwierig von einer granulomatösen Ileitis zu unterscheiden sein. Ebenso ist die infektiöse Enterokolitis z. B. durch Yersinien in der CT nahezu nicht von einem Morbus Crohn zu unterscheiden. Zu einer mehr oder minder unspezifischen Wandverdickung können auch andere Infektionen führen, die in den »AIDS related complex« gehören, z. B. die Infektion mit Mycobacterium avium intercellulare, CMV oder Kryptosporidien. Mit der Einführung der Multi-Slice-CT und den technischen Fortschritten der MRT ist auch die Untersuchung des Darmlumens nach adäquater Distension, z. B. mit Methylzellulose möglich. Auf diese Weise können effektiv Engstellungen und Strikturen bzw. prästenotische Dilatation beim Morbus Crohn darge-
. Abb. 29.8. Morbus Crohn, MRT. MRT des Abdomens (T1w nach Gabe von Gadolinium) in koronarer Schichtführung. Es zeigt sich ein ca. 8 cm langes, deutlich KM aufnehmendes und stenosiertes Teilstück des Ileums als Korrelat eines segmentalen Befalls bei Morbus Crohn (weißer Pfeil). Zu erkennen ist auch eine prästenostische Dilatation (schwarzer Pfeil)
stellt werden und gleichzeitig mögliche Komplikationen wie Perforation und Fistelbildung erfasst werden (. Abb. 29.8). Die Beurteilbarkeit der Schleimhautveränderung in ihrer Gestalt wird jedoch etwas hinter der konventionellen Doppelkontrastuntersuchung zurückbleiben. Die MRT ist besonders attraktiv bei jüngeren Patienten, weil sie ohne ionisierende Strahlung auskommt. Als wesentliche Kriterien für die Schnittbildverfahren können eine Verdickung der Dünndarmwand sowie eine mesenteriale Fettproliferation und deutliche Hyperämie genannt werden, die suggestiv für das Vorliegen eines Morbus Crohn sind.
Therapie Die Behandlung besteht zum einen in einer konventionellen medikamentösen Therapie mit Steroiden, Azathioprin oder Metronidazol sowie neuerdings auch der Gabe von Antikörpern. Im Betracht kommt bei Komplikationen oder Rezidiv zudem eine chirurgische Resektion der betroffenen Darmabschnitte. Aber auch nach chirurgischer Entfernung sind Rezidive mit 30–50% der Fälle relativ häufig. In der Regel sind diese proximal der Anastomose lokalisiert.
Einheimische Sprue Definition, Ätiologie, Pathogenese Die einheimische (nichttropische) Sprue oder glutensensitive Enteropathie (beim Kind: Zöliakie) ist pathomorphologisch durch eine Schädigung der Dünndarmschleimhaut unter Glutenbelastung gekennzeichnet. Diese Schädigung betrifft vorwiegend den proximalen Dünndarm durch Polypeptid Gliadin, einem Bestandteil des Glutens. Es kommt zu einer entzündlichen
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und atrophischen Veränderung der Epithelzellen mit weitgehendem Verlust des Bürstensaums (Kahlschlag der Zotten) mit der Folge einer Verkleinerung der zur Absorption zur Verfügung stehenden Oberfläche. Betroffen sind in der Regel Kinder mit einem Alter um die 2 Jahre. Es gibt einen zweiten Häufigkeitsgipfel in der 3. oder 4. Lebensdekade. Männer und Frauen sind etwa gleich häufig betroffen.
Klinik
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Bei Patienten mit dem Vollbild einer gluteninduziertem Sprue kommt es zu Durchfall, kolikartigen Schmerzen, Flatulenz sowie einer sekundären Malabsorption sowie Vitaminmangelerscheinungen (z. B. durch Mangel an Folsäure). Zu weiteren Merkmalen gehören eine familiäre Häufung wahrscheinlich auf der Basis einer genetischen Disposition, sowie Steatorrhoe und Gewichtsverlust.
Diagnose Die Diagnose wird in der Regel etabliert durch Biopsie der Jejunalmukosa. Die Behandlung durch glutenfreie Kost führt in der Regel innerhalb von Wochen zur Besserung der Beschwerden und ist somit gleichzeitig ein wichtiges differenzialdiagnostisches Kriterium.
Bildgebung Bildgebende Verfahren spielen zur Etablierung der Diagnose in der Regel keine große Rolle. Radiographisch finden sich auf Nativaufnahmen oftmals gasgefüllte Dünndarmschlingen; insbesondere sind die Jejunalschlingen betroffen. Bei der Dünndarmpassage mit Kontrastmittel sind meist die proximalen Dünndarmschlingen dilatiert; beim Auftreten entzündlicher Schübe kommt es zu hochgradigen Schleimhautschwellung und Verplumpung. Typisch sind abschnittsweise sackartige konturlose Dünndarmschlingen, unterbrochen von einzelnen Segmentationen des Kontrastmittelbandes. Es kommt zu einer Verminderung der jejunalen Falten und zu einer Vermehrung der iliakalen Falten. Das Jejunum hat ein ileales Erscheinungsbild. Häufig sind allgemeine Befunde wie bei Enteritis, wie mangelnde Haftung des Kontrastmittels an der Darmwand, klecksige Füllung, Schneeflockenphänomen und schummerige Kontrastierung. Charakteristisch ist außerdem eine Passageverlangsamung bei weitgehend fehlender Dünndarmperistaltik. Die Passage kann aber auch normal oder verkürzt sein. Wie für die meisten Formen des Malabsorptionssyndroms gilt, dass die endgültige Artdiagnose interdisziplinär gefunden werden muss (Labor-, Biopsie- und Röntgenuntersuchung). > Charakteristisch ist ein ileales Erscheinungsbild des Jejunums; plumpe Schlingen ohne Schleimhautzeichnung (Moulagenzeichen).
Die wichtigste Differenzialdiagnose zur einheimischen Sprue ist der Morbus Whipple. Radiographisch ist eine Unterscheidung kaum möglich. Die charakteristischen Röntgenzeichen verschwinden bei der Sprue nach Glutenkarenz, bei Morbus Whipple auf die Antibiotikatherapie. Bei der Mukoviszidose findet man
einen vergrößerten Abstand der Schleimhautfalten. Veränderungen des Schleimhautreliefs bei Entzündungen, z. B. mit Mycobacterium tuberculosis/avium intercellulare, Zytomegalie oder Cryptosporidien müssen abgegrenzt werden. Eine Ischämie z. B. durch Thrombosierung der A. mesenterica superior kann ebenfalls zu einer segmentalen Wandverdickung und Faltenverlust des Dünndarms führen. Die CT spielt bei dieser Erkrankung eine nur untergeordnete Rolle. Man findet distendierte, mit flüssigkeitsgefüllte Dünndarmschlingen sowie eine Verdickung der Mucosa. Es kann zu temporärer Intusseption und klassischen Targetläsionen kommen. Auch eine mesenteriale Lymphadenopathie kann vorhanden sein. Infektionen des Darms, der Morbus Whipple oder auch eine Graft-versus-host-Erkrankung können zu ähnlichen computertomographischen Bildern führen.
Therapie Die nichttropische Zöliakie wird mit einer lebenslangen glutenfreien Diät behandelt. Die Therapie der tropischen Form besteht aus der Gabe von Breitspektrum-Antibiotika.
Morbus Whipple Definition, Ätiologie, Epidemiologie Die Whipple-Krankheit oder intestinale Lipodystrophie ist eine seltene chronische, systemische Erkrankung wahrscheinlich auf der Basis einer bakteriellen Infektion, die zu chronischen Durchfällen und Malabsorption führt. Sie ist morphologisch gekennzeichnet durch Makrophagen, die große Mengen an zytoplasmatischen Granula mit PAS-positiver Färbung enthalten, wobei Spezifität erst aus der weitgehenden Verdrängung anderer zellulärer Elemente der Lamina propria erwächst. Es kommt zu einer eindrucksvollen Verdickung der Darmwände sowie zu verdickten, irregulären Mukosafalten. Die Ätiologie ist nach wie vor nicht vollständig geklärt. Die Erkrankung wird wahrscheinlich durch gram-positive Bakterien hervorgerufen. Dafür spricht das gute Ansprechen des Morbus Whipple auf Antibiotika. Männer sind häufiger betroffen als Frauen (~10:1, Alter zwischen 40 und 50 Jahren).
Klinik Die Erkrankung ist klinisch gekennzeichnet durch unstillbare wässrige durch Fälle, Aszites, Gewichtsabnahme, Ödeme sowie diffuse Leibschmerzen. Gelegentlich ist der Morbus Whipple kombiniert mit Arthritiden, insbesondere mit Veränderungen im Bereich der Ileosakralgelenke (mögliche Assoziation mit HLA-B 27). > Morbus Whipple wird wahrscheinlich durch Tropheryma whippelii, einem gram-positiven Actinomyceten, hervorgerufen und spricht auf Antibiotikagabe an.
Bildgebung Radiographisch können in der Abdomenübersichtsaufnahme im Stehen kleine Dünndarmspiegel beobachtet werden. Die Dünndarmpassage mit Kontrastmittel zeigt, insbesondere im oberen und mittleren Abschnitt des Jejunums, weitgestellte Schlingen, gelegentlich von kurzstreckig engen Stellen unter-
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brochen. Der beste diagnostische Hinweis ist der Aspekt einer Verdickung der proximalen Dünndarmschlingen, v. a. des Jejunums und des ileo-jejunalen Übergangs. In einigen Fällen kann die Dünndarmpassage vollkommen normal sein. Die Schleimhautfalten des Jejunums sind vergröbert und irregulär angeordnet. Barium neigt wegen der Hypersekretion zum Ausflocken. Es kann zusätzlich eine Verdickung des Mesenteriums vorliegen und zu einer Separation der Darmschlingen führen. Auch der distale Dünndarm kann bei schweren Fällen involviert sein. > Der beste diagnostische Hinweis ist der Aspekt einer Verdickung der proximalen Dünndarmschlingen, v. a. das Jejunum und den ileojejunalen Übergang betreffend.
Zu den wichtigen Differenzialdiagnosen gehören opportunistische Infektionen wie sie bei AIDS vorkommen (hervorgerufen durch Kryptosporidien, Mycobacterium avium intracellulare oder bei Gliadiasis). Auch die Sprue zählt wie die Amyloidose zu den möglichen Differenzialdiagnosen. In der CT sind mesenteriale Lymphknoten mit geringer Dichte (nahezu fett-äquivalente HE) charakteristisch. In der CT kann man verdickte proximale Dünndarmschlingen beobachten, kombiniert mit einem Ödem der Submucosa infolge einer Hypoalbuminämie. Aszites und Splenomegalie können vorhanden sein.
Therapie Die Therapie besteht in einer oftmals kurativen Antibiose, die für längere Zeit gegeben wird (ein oder mehrere Jahre). Als Therapie der ersten Wahl wird aktuell die Gabe eines liquorgängigen Breitspektrumantibiotikums (z. B. Ceftriaxon) über 2 Wochen empfohlen. Daran sollte eine Erhaltungstherapie bzw. Rezidivprophylaxe mit Cotrimoxazol (1. Wahl) oder Tetracyclin über Monate bis hin zu 2 Jahren angeschlossen werden. Zusätzlich sollte eine angemessene Substitution von Elektrolyten, Vitaminen und Spurenelementen erfolgen. Der Therapieerfolg kann durch Kontrollendoskopien überwacht werden.
Infektiöse Enteritis Definition, Ätiologie Die Ursachen der infektiösen Enteritis sind mannigfaltig. Eine große Zahl von spezifischen/opportunistischen und auch unspezifischen Erregern kommt als Ursache in Betracht. Gelegentlich lösen nicht die Erreger selbst, sondern deren Toxine die Erkrankung aus. Der Dünndarm kann entweder als einziges Organ erkranken oder bei anderen, generalisierten, bakteriellen oder virusbedingten Infektionen beteiligt sein. Zu den wichtigsten Erkrankungen zählen die Salmonellose, die Staphylokokkenenteritis, die Darmtuberkulose, Infektionen mit Shigellen oder die Amöbenruhr, die Virusenteritis sowie Pilzinfektionen.
Klinik Die klinischen Symptome der unspezifischen Enteritis in der akuten Form sind Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, geblähtes Abdomen, kolikartige Schmerzen, oder bei chronischen Formen Malabsorption mit Störung des Elektrolythaushalts.
Bildgebung Spezifische radiographische Kriterien für die Erkrankung gibt es nicht. In der Nativuntersuchung sind gelegentlich viele kleine, über weite Strecken verteilte Gasblasen und auch kleine Spiegel zu beobachten. Normalerweise lässt sich beim Erwachsenen im Dünndarm kein Gas nachweisen. Bei der Dünndarmpassage mit Kontrastmittel sind besonders die klecksige und unregelmäßige Verteilung des Kontrastmittels bei erhöhtem Sekret- und Gasgehalt kennzeichnend, außerdem Tonusschwankungen und eine unregelmäßige Segmentation. Die Schleimhautfalten sind verbreitert und vergröbert; in extremen Fällen ist ein eigentliches Schleimhautrelief nicht mehr nachweisbar. Die vermehrte Sekretansammlung führt zu einer verminderten Haftung des Kontrastmittels an der Schleimhautoberfläche (»Schummerung«). Man kann ein Nebeneinander von weiten und kontrahierten Schlingen beobachten. Eine Verstärkung der Peristaltik mit beschleunigter Dünndarmpassage besteht in den meisten Fällen. > Es gibt keine spezifischen radiographischen Kriterien für eine Enteritis. Viele kleine Spiegel können bei einer akuten Enteritis in der Abdomenübersichtsaufnahme beobachtet werden.
Wegen des unspezifischen Erscheinungsbildes muss differenzialdiagnostisch eine große Zahl anderer Erkrankungen mit ähnlicher oder gleicher Symptomatik einbezogen werden. Nahezu das gleiche Bild während der Kontrastpassage findet man bei der intestinalen Allergie und bei der großen und ätiologisch uneinheitlichen Gruppe der Malabsorptionssyndrome. Auch hier bestehen Schleimhautfaltenverbreiterung, Änderung des Sekretgehalts und Änderung der Weite der Dünndarmschlingen und deren Motilität. In der frühen Phase einer Enteritis kann die CT unauffällig sein. Im Allgemeinen beginnt die Infektion in der Mucosa und Submucosa und produziert eine Mukosaveränderung und kleine Ulzerationen im Frühstadium. Bei weiterer Progression der Erkrankung und schwerwiegender Entzündung produziert das resultierende Ödem eine Wandverdickung, die auch computertomographisch nachgewiesen werden kann. Die Wandverdickung bei entzündlichen Darmerkrankungen variiert zwischen 4 und 15 mm Dicke. Die begleitenden mesenterialen Lymphknoten haben in der Regel eine Größe von <2 cm. Im Gegensatz zu neoplastischen Prozessen zeigt die CT im Falle einer Entzündung oftmals eine erhaltene Schichtung der Wand mit Mucosa, Submucosa und Muscularis. Die wenig dichte Submucosa wird von der etwas dichteren Mucosa und Muscularis quasi eingerahmt – eine Gestalt, die so gut wie nie bei einem neoplastischen Prozess nachweisbar ist.
Therapie Da eine Behandlung in Form der Beseitigung der Ursache zumeist nicht möglich ist, beschränkt sich die Therapie in der Regel auf symptomatische Maßnahmen. Diese bestehen in erster Linie in dem Ersatz der Flüssigkeits- und Salzverluste, die durch das Erbrechen und den Durchfall entstehen. Eine spezifische antibiotische Therapie ist nur in Ausnahmefällen bei bestimmten Erregern sinnvoll.
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Kapitel 29 · Magen und Darm (Dünndarm, Dickdarm und Rektum)
Infektiöse Kolitis Definition, Ätiologie Die infektiöse Kolitis ist definiert als Entzündung des Colon durch Bakterien, Viren, Parasiten oder Pilze. Häufige bakterielle Organismen umfassen Salmonellen, Shigellen, Campylobacter, Yersinia, Staphylokokken, E. coli, Mycobacterium tuberculosis, Actinomyces und Clamydia trachomatis. Häufige virale Organismen sind CMV, Norwalkvirus sowie Rotaviren und Herpesviren. Die häufigsten Pilze sind Histoplasma und Mucor. Das pathologische Bild variiert je nach Ätiologie.
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Klinik Die häufigsten Symptome sind akute wässrige oder auch blutige Durchfälle, krampfartige abdominelle Schmerzen sowie Druckempfindlichkeit. Hinzutreten können Fieber, Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen sowie Gewichtsverlust. Es können Anämie und Hautausschläge auftreten. Arthritiden, Pneumonitis, periphere Neuropathie und Mikroangiopathie können den Verlauf komplizieren.
Diagnose, Bildgebung Die Diagnostik basiert sicherlich zu einem wesentlichen Maße auf Stuhlkulturen, endoskopisch gesteuerten Biopsien oder auch serologischen Untersuchungen. Die Bildgebung bietet ein wenig spezifisches Spektrum an möglichen Befunden. Der Kontrasteinlauf zeigt ein mehr oder weniger spastisch kontrahiertes Colon, das sich jedoch mit Kontrastmittel oder Luft auf seine normale Weite ausdehnen lässt. Es kommt zu einem Verlust des Schleimhautreliefs und der Haustrierung sowie möglicherweise zu einer feinen Kräuselung der Schleimhaut oder granulärem Muster. Dieses Muster kann an eine Colitis ulcerosa erinnern. Je nach der Ätiologie der Kolitis können Ulzerationen oder Fisteln hinzutreten. Unterschiedliche Erreger haben ein wenig unterschiedliche Prädilektionsstellen im Bereich des Colon. So ist bei Typhus v. a. das rechte Colon und Caecum betroffen, während Shigella vornehmlich das linke Colon betrifft. Tbc betrifft v. a. das rechte und proximaler Colon transversum. Es kann zu einer extremen Wandverdickung kommen sowie zu »apfelbutzenartigen« Kolonstrikturen, die von einem Karzinom kaum zu unterscheiden sind. Infektionen mit CMV betreffen häufig das Caecum und proximale Colon und expandieren in das terminale Ileum. > Das radiographische oder computertomographische Bild bei Enteritiden ist wenig spezifisch für die unterschiedlichen Entitäten oder Erreger.
Entzündungen des Colon manifestieren sich in der CT durch eine Vielzahl von Befunden. Verdickung (. Abb. 29.9), Dichteminderung (Ödeme) sowie Kontrastmittel-Enhancement der Mucosa und Serosa sowie Aszites unterschiedlicher Ausprägung sind generelle Merkmale einer Entzündung des Colon. Mögliche Kriterien zur Differenzierung unterschiedlicher Kolitisformen im CT umfassen u. a. die Ausprägung der Wandverdickung, das Vorhandensein von Fisteln oder Abszessen sowie die bereist erwähnte anatomische Verteilung der Befunde im Bereich des Dünndarms und der unterschiedlichen Kolonabschnitte.
. Abb. 29.9. Enteritis. CT des Abdomens mit oraler und i.v.-Kontrastierung bei einem Patienten mit Enteritis. Es zeigt sich eine Kontrastmittel aufnehmende und etwas verdickte Kolonwand (langer weißer Pfeil) sowie etwas Flüssigkeit entlang der parakolischen Rinne auf beiden Seiten (kurze weiße Pfeile)
Neben den infektiösen Ursachen muss als Differenzialdiagnose auch die Colitis ulcerosa abgegrenzt werden. Diese umfasst in nahezu allen Fällen auch das Rektum und breitet sich in der Regel kontinuierlich retrograd über unterschiedliche große Kolonanteile aus. Die CT zeigt hier eine eher moderate konzentrische Wandverdickung mit typischerweise etwa 4–10 mm starken Kolonwänden. Fisteln und parakolische Abszesse sind bei der Colitis ulcerosa sehr selten. Eine weitere Differenzialdiagnose zu den entzündlichen Kolitiden ist der Morbus Crohn (s. oben). Auch hier können das gesamte Colon und der distale Dünndarm betroffen seien. Die am häufigsten veränderten Anteile sind das terminale Ileum sowie das rechte Colon und Rektum. Betroffene Anteile sind oftmals unterbrochen von normalen Segmenten, den so genannten »skip areas«. Die Kolonwand imponiert häufig noch etwas dicker als bei der Colitis ulcerosa (um die 11 mm). Die unterschiedlichen Wandschichten des Colon haben in der CT häufig ähnliche Dichtewerte, sodass die gesamte Kolonwand ein uniformes, homogenes Aussehen bekommt. Eine weitere mögliche Differenzialdiagnose zu den entzündlichen Kolitiden stellt die pseudomembranöse Kolitis, die im folgenden Abschnitt dargestellt wird.
Therapie Infektionen durch unspezifische bakterielle Organismen sind in der Regel selbstlimitierend und dauern selten länger als 1–2 Wochen. Bei einer Dauer von >4 Wochen oder spezifischer Anamnese sollte eine weitere Abklärung mittels Endoskopie und entsprechenden Stuhluntersuchungen erfolgen. Die übrige Therapie richtet sich nach den nachgewiesenen Keimen oder der jeweiligen Genese.
Pseudomembranöse Kolitis Definition, Ätiologie, Pathologie Die pseudomembranöse Kolitis ist eine akute entzündliche Veränderung des Colon, die durch ein Toxin des Clostridium diffi-
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cile hervorgerufen wird. Es handelt sich in der Regel um einen pankolitischen Prozess, aber auch eine Begrenzung auf das rechte Colon kommt vor. Das Rektum und das Sigmoid sind in 80–90% der Fälle betroffen. Morphologisch findet man plaqueartige Adhäsionen mit fibrinopurulenten Nekrosen auf einer geschädigten Kolonschleimhaut sowie eine ödematöse Veränderung der Submucosa. Die pseudomembranöse Kolitis ist assoziiert mit einer Gabe von Clindamycin (seltener Ampicillin, Tetracycline oder Erythromycin). Clindamycin verursacht bei 20% der Patienten Durchfälle sowie bei 10% der Patienten eine pseudomembranöse Kolitis. Die Erkrankung kommt v. a. bei älteren Patienten vor.
Komplikationen, Klinik Die Komplikationen umfassen Kolonperforation und auch Todesfälle sind beschrieben. Die klassischen Symptome umfassen wässrige Durchfälle sowie ein akutes Abdomen mit Fieber, abdominelle Schmerzen, Dehydratation sowie Leukozytose und Aszites.
Diagnose, Bildgebung Die Diagnose basiert auf dem Nachweis von Clostridium-difficile-Toxin im Stuhl sowie der Koloskopie. Hier werden makroskopisch schleimhautadhärente, gelbliche, 2–10 mm große Plaques gefunden. Radiographisch wird häufig das Bild eines Kolon- und auch Dünndarmileus gefunden. Das Colon ist gasgefüllt und distendiert. Es kommt zu einer eindrucksvollen nodulären Verdickung der Haustren (. Abb. 29.10). Die Veränderungen sind besonders prominent im Bereich des Colon transversum. In fulminanten Fällen kann ein toxisches Megakolon oder Pneumoperitoneum resultieren. Die retrograde Darstellung mittels Kolonkontrasteinlauf hat nur eine eingeschränkte Rolle bei der Diagnose der pseudomembranösen Kolitis. In schweren Fällen ist sie wegen Perforationsgefahr kontraindiziert. Computertomographisch findet man wie bereits im letzten Abschnitt beschrieben eine oft eindrucksvolle Wandverdickung. Letztere kann so erheblich sein, dass sie das Lumen beinahe einengt (. Abb. 29.11). Eine Retention des Kontrastmittels in den Faltentälern kann an das Aussehen eines Akkordeon erinnern (»accordion sign«). Es kommt außerdem zu Target-Zeichen und einem intensiven Kontrastmittel-Enhancement der Mucosa. Die Submucosa ist verdickt und durch das resultierende Ödem hyodens. Die Umgebungsreaktion ist er in der Regel gering ausgeprägt. Es kommt zu keiner eindrucksvollen perikolischen Entzündung wie bei manchen anderen Kolitiden. In manchen Fällen kann es zu einer Pneumatosis coli kommen sowie zu Aszites in schweren Fällen, ein Zeichen, das ebenfalls für andere inflammatorische Kolonprozesse ungewöhnlich ist.
Therapie Die Therapie besteht aus der Unterbrechung der Antibiose in leichten Fällen sowie in der Gabe von Metronidazol oder Vancomycin oral in schweren Fällen. Bei fulminantem Verlauf oder toxischen Megakolon kann eine Kolektomie erforderlich werden. > Die pseudomembranöse Kolitis ist in der Regel eine Pankolitis. In der CT kann man eine eindrucksvolle noduläre Verdickung der Haustren mit Retention des Kontrastmittel in den Faltentälern (»accordion sign«) nachweisen.
. Abb. 29.10. Pseudomembranöse Kolitis. Konventionelles Röntgenbild des Abdomens nach Kontrasteinlauf mit einem wasserlöslichen KM bei einem Patienten mit pseudomembranöser Kolitis nach Hemikolektomie rechts. Es zeigt sich eine erhebliche plumpe Verdickung der Haustren (weißer Pfeil) sowie ein unregelmäßiges Schleimhautrelief
. Abb. 29.11. Pseudomembranöse Kolitis. CT des Abdomens mit oraler und i.v.-Kontrastierung bei einem Patienten mit pseudomembranöser Kolitis nach Hemikolektomomie rechts. Es zeigt sich korrespondierend zum konventionellen Bild (. Abb. 29.10) eine erhebliche Verdickung der Wand des Colon descendens (weißer Pfeil) mit KM-Retention in den Falten
Colitis ulcerosa Definition, Ätiologie, Pathologie Die Colitis ulcerosa ist definiert als eine chronische, idiopathische diffuse entzündliche Veränderung des Darms, die v. a. die kolorektale Mucosa und Submucosa betrifft. Die Ätiologie der Colitis ulcerosa ist nicht eindeutig geklärt. Als auslösende Faktoren werden Autoimmunerkrankungen, zellschädigende Enzyme, genetische und auch neuropsychogene Ursachen diskutiert. Die Inzidenz beträgt etwa 2–10 Fälle pro 100.000 Einwohner. Es besteht eine Assoziation mit der primär sklerosierenden Cholangitis sowie mit der ankylosierende Spondylitis und der rheumatoiden Arthritis. Auch Veränderungen im Bereich der
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Kapitel 29 · Magen und Darm (Dünndarm, Dickdarm und Rektum)
Lunge (Bronchiolitiden) können subklinisch assoziiert sein. Im Hinblick auf den Verlauf werden chronisch rezidivierende, chronisch kontinuierliche und akut fulminante Formen mit toxischem Megakolon unterschieden. In etwa 40% der Fälle liegt eine Pankolitis vor; in etwa 10% der Fälle auch eine Beteiligung des terminalen Ileums. Das pathologisch-anatomische Substrat der Colitis ulcerosa ist zunächst ein Ödem, das zur einer Verdickung der Mucosa und Submucosa führt. Mikroskopisch finden sich massenhaft Plasmazellen. Kennzeichnend sind weiterhin die Abszesse der Lieberkühn-Krypten, die entweder ins Lumen perforieren oder sich submukös ausbreiten.
Klinik Klinisch stehen rezidivierende Diarrhoen, Darmblutungen sowie Koliken im Vordergrund. Der Verlauf der Colitis ulcerosa ist nicht vorhersagbar. Häufig ist der Beginn schleichend, es gibt aber auch akute Phasen und schwere Verläufe.
Bildgebung Bei der Darstellung des Schleimhautreliefs im Kolonkontrasteinlauf lässt sich die ödematöse Schwellung auch radiographisch nachweisen. Radiographische Frühsymptome der Colitis ulcerosa sind zarte unregelmäßige Spikulae an den Kolonrandkonturen; die Haustren erscheinen abgeflacht, die Schleimhaut zeigt eine feingranulierte Zeichnung. Die Ulzerationen lassen die Konturen bei der Prallfüllung ausgefranst erscheinen; im Doppelkontrast imponieren Kontrastmittelflecken. Breiten sich die Ulzerationen aus, so unterminieren sie die Schleimhaut völlig. Durch erhaltene Schleimhautinseln bzw. Granulationsgewebe, deren Durchmesser von einigen Millimetern bis zu mehreren Zentimetern variieren kann, entsteht das Bild einer Pseudopolyposis. Die Muscularis mucosae wird völlig zerstört, sodass ein eigentliches Schleimhautrelief nicht mehr nachweisbar ist. Bei chronischem Verlauf kommt es zu einer Bindegewebsvermehrung, Schrumpfung der befallenen Abschnitte und zu einem Verlust der Haustrierung (. Abb. 29.12). Im Endstadium liegt ein starres, dünnwandiges, enges Rohr vor. > Wichtige radiographische Kennzeichen der Colitis ulcerosa sind eine kontinuierliche, oft vom Rektum ausgehende Kolitis mit Verlust der Haustrierung, luminaler Einengung sowie oberflächlichen Ulzerationen. Im chronischen Stadium liegt eine starres, dünnwandiges Rohr vor (»lead pipe«).
. Abb. 29.12. Colitis ulcerosa. Konventionelles Röntgenbild des Abdomens nach Kolonkontrasteinlauf mit einem wasserlöslichen Kontrastmittel bei einem Patienten Colitis ulcerosa. Es zeigt sich ein weitgehender Verlaust der Haustren (weiße Pfeile) sowie ein unregelmäßiges Schleimhautrelief
Komplikationen sind neben der Perforation Abszesse, Fisteln,
. Abb. 29.13. Colitis ulcerosa. CT des Abdomens i.v.-Kontrastierung bei einem Patienten mit Colitis ulcerosa und Befall von Rektum und Colon sigmoideum. Es zeigt sich eine Verdickung der Wand des Colon sigmoideum, die 3 abgrenzbare Schichten aufweist (Mucosa, Submucosa, Muscularis propria). Die Submucosa ist ödematös verändert und dadurch als dunkles Band zwischen Mucosa und Muscularis gut zu erkennen (target-sign; weiße Pfeile)
Restriktionen sowie die maligne Entartung (szirrhöse Karzinome). Nach 10-jähriger Krankheitsdauer liegt ihr Prozentsatz zwischen 25 und 36%. Etwa ein Viertel der Erkrankten können zusätzlich an einer seronegativen monoartikulären Spondylarthritis leiden. Bis zu 10% der Patienten können einen Morbus Bechterew entwickeln. In der CT sieht man eine diffuse und symmetrische Wandverdickung des Colon von in der Regel < 10 mm Dicke sowie Einengungen. Diese sind sowohl in subakuten wie auch chronischen Verlaufsformen der Colitis ulcerosa nachweisbar. Nach Gabe von Kontrastmittel kann es zu einem Halozeichen kommen: einem
ringförmigen Enhancement der Mucosa. Durch das Ödem der Submucosa findet sich in der Mitte der Wand ein nicht Kontrastmittel aufnehmender Ring oder Streifen (je nach Schnittführung) (. Abb. 29.13). Eine wesentliche Differenzialdiagnose ist die Colitis granulomatosa (Morbus Crohn). Hier ist wie in vorausgegangenen Kapiteln erwähnt ein segmentaler und nicht ein kontinuierlicher Befall typisch. In späten Phasen kann die Erkrankung jedoch kaum von einer Colitis ulcerosa unterschieden werden wenn es
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Klinik . Tab. 29.1. Klinische und radiographische Aspekte
Zu den Symptomen gehören periumbilikale Schmerzen, die in den rechten Unterbauch ausstrahlen, sowie eine peritoneale Irritation mit schmerzhaften McBurney-Punkt. Atypische Beschwerden kommen jedoch in etwa einem Drittel der Patienten vor. Hierzu können Anorexie, Erbrechen, Übelkeit, Durchfälle sowie möglicherweise Fieber gehören. Es gibt keine Altersprädilektion.
Colitis ulcerosa
Colitis granulomatosa (Morbus Crohn)
Kontinuierlicher Befall
Segmentales Muster
Rektum fast immer betroffen (>90%)
Rektum seltener beteiligt (~30%)
Selten Fisteln oder Fissuren
Fisteln oder Fissuren häufig
Diagnose, Bildgebung
Malabsorption selten
Malabsorption häufig
Selten tastbare Resistenzen
Tastbare Resistenzen häufig
Nach OP Heilung
Rezidive nach OP nicht selten
Toxisches Megakolon möglich (~2%)
Toxisches Megakolon extrem selten
Die Diagnose kann in der Regel klinisch gestellt werden. Eine Leukozytose kann, muss aber nicht vorliegen. Der Verdacht auf eine akute Appendizitis ist im Allgemeinen keine Indikation für eine Röntgen-Untersuchung. Bei vielen Patienten hat die Appendizitis ein typisches Erscheinungsbild und ein effektives Management ist auch ohne die Durchführung bildgebender Verfahren möglich. Bei einigen Patienten allerdings ist das klinische Erscheinungsbild atypisch und wenig verlässlich. Dies gilt z. B. für Patienten mit atypischer Lage der Appendix (z. B. subhepatisch oder in anderen ungewöhnlichen Lokalisationen). Dies gilt auch für Patienten, die eine Therapie mit Steroiden erhalten, welche die Entzündungsreaktion auf die appendikale Obstruktion oder Perforation herabsetzen und den Verlauf larvieren. In diesen Fällen spielt insbesondere die CT eine wichtige Rolle zur Abklärung und Etablierung der Diagnose einer Appendizitis sowie zur Festlegung deren Schweregrades. Wenig spezifische Symptome sind auch bei kleinen Kindern häufig. In diesen Fällen wird in der Regel eine Ultraschalluntersuchung eingesetzt. Auch bei schlanken jungen Erwachsenen sowie Schwangeren ist sicherlich die Ultraschalluntersuchung die Methode der ersten Wahl, um eine unnötige Strahlenexposition zu vermeiden. Eine nicht komprimierbare Appendix von >7 mm Dicke hat sonographisch einen relativ hohen Vorhersagewert für das Vorliegen einer Appendizitis. Appendikolithen verursachen in der Regel eine sichtbare Schallauslöschung. Umschriebene Flüssigkeitsansammlungen können hinweisend sein auf eine phlegmonöse Entzündung oder auch Abzedierung. In der Abdomenübersichtsaufnahme im Stehen zeigt sich bisweilen ein lokalisierter Ileus im Zökalbereich. Die Psoasrandkontur kann verstrichen sein. Eine Entzündung des Meckel-Divertikels kann eine akute Appendizitis vortäuschen. Ein Appendikolith kann in 5–10% der Patienten radiographisch nachgewiesen werden. Der Kolonkontrasteinlauf wird in der Regel wohl nicht eingesetzt. Hier kann eine fehlende Füllung der Appendix auffallen, diese kommt allerdings auch ohne Appedizitis vor. Auch nachgewiesen werden kann eine fokale Wandverdickung im Bereich des Caecum. Sind die Ergebnisse der Ultraschalluntersuchung und die Klinik inkonklusiv, so ist die CT die nächste sinnvolle Methode. Diese kann auch bei älteren Patienten sinnvoll sein, bei subakuten Beschwerden oder zum Ausschluss einer Raumforderung oder eines Tumors im Bereich des Zäkalpols. Die kontrastgestützte CT ist insbesondere sinnvoll bei Verdacht auf eine Perforation zur Planung einer perkutanen Drainage. Computertomographisch kann die akute Appendizitis auch eine Verdickung des distalen Ileums hervorrufen, auch wenn kein Abszess vorhanden ist. Auf diese Weise kann das Bild einer Ileokolitis, wie sie z. B. durch
zu einem Haustrenverlust gekommen ist. Die Wandverdickung in der CT ist im Falle der Colitis granulomatosa in der Regel deutlicher ausgeprägt (1–2 cm). Es bestehen zudem in der Regel vergrößerte mesenteriale Lymphknoten. Auch die klinischen Aspekte der Colitis ulcerosa und des Morbus Crohn sind unterschiedlich (. Tab. 29.1). Als weitere Differenzialdiagnose ist die pseudomembranöse Kolitis zu nennen. Auch die ischämische Kolitis die sich in der Regel an die Versorgungsgebiete der Gefäße hält ist eine mögliche Differenzialdiagnose. In der CT kann man eine Dilatation der Darmwand sowie möglicherweise Gasansammlungen der Darmwand oder in portalvenösen Gefäßen erkennen. Auch die Divertikulitis ist abzugrenzen. Es bestehen in der Regel eine Injektion des mesenterialen Fettgewebes sowie mögliche freie Flüssigkeitsansammlungen oder Zeichen einer Perforation oder Abszessbildung.
Therapie Die Therapie der Colitis ulcerosa besteht aus der Gabe von Sulfasalzin, Azathioprin, Steroiden, Methotrexat oder LTB4-Inhibitoren. Falls notwendig wird als chirurgische Therapie eine totale Proktokolektomie mit Anlage eines Ileumpouches durchgeführt.
Appendizitis Definition, Ätiologie, Epidemiologie Die Appendizitis wird in der Regel durch eine luminale Obstruktion und folgender Infektion hervorgerufen. Oftmals ist die Spitze der Appendix als erstes beteiligt. Durch eine Obstruktion kann sich das Lumen mit Eiter anfüllen. Eine Obstruktion erfolgt z. B. durch einen Appendikozele oder hypertrophierte Payer-Plaques. Etwa 7% aller Individuen in westlichen Ländern entwickeln im Laufe ihres Lebens eine Appendizitis. Es kommt zu Leukozyteninfiltrationen oder Mukosa-Ulzerationen und später dann auch zu Nekrose oder Gangrän. Im Falle einer Perforation kann sich ein perityphlitischer Abszess oder auch eine Abszedierungen im Bereich des Mesenteriums oder Omentum entwickeln.
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Kapitel 29 · Magen und Darm (Dünndarm, Dickdarm und Rektum)
29 . Abb. 29.14. Appendizitis. CT des Abdomens mit oraler und i.v. Kontrastierung bei einem Patienten mit akuter Appendizitis. Es zeigt sich eine deutlich wandverdickte und KM-aufnehmende Appendix (weißer Pfeil), außerdem vergrößerte mesenteriale Lymphknoten (kurzer schwarzer Pfeil) sowie etwas Flüssigkeit im Bereich der parakolischen Rinne (langer schwarzer Pfeil). Für eine Perforation ergeben sich bei fehlender freier Luft oder Abszedierung keine hinreichenden Kriterien
Yersinia enterocolica hervorgerufen wird, vorgetäuscht werden. Auch eine zökale Divertikulitis gehört zu den möglichen Differenzialdiagnosen, ebenso wie ein kolorektaler Tumor des Zökums und auch ein Appendixtumor. Der isolierte Befall der Appendix durch einen Morbus Crohn ist eine Rarität. ! Es ist wichtig, bei Patienten mit abdominellen Schmerzen ohne vorhergehende Appendektomie die Region der Appendix in der CT eingehend zu betrachten (. Abb. 29.14).
Die normale Appendix hat eine Wanddicke von 3 mm oder weniger und einen Durchmesser von 6 mm oder weniger. Das Lumen der Appendix ist für gewöhnlich leer, obgleich minimale Mengen an Gas oder Kontrastmittel enthalten sein können. Eine normal konfigurierte Appendix ohne Flüssigkeit im Lumen und normales periappendikales Fett sowie das Fehlen von Kalzifikationen weisen darauf hin, dass die Appendix nicht entzündet ist und nach anderen Gründen für die abdominelle Schmerzen des Patienten gefahndet werden muss.
Therapie Die Therapie der Wahl bei der Appendizitis ist in der Regel die operative Entfernung. Im Falle einer ausgedehnten Abszedierung kann zuvor eine perkutane Drainage sinnvoll sein.
Divertikulitis Definition, Ätiologie Weitaus am häufigsten finden sich im Bereich des Colon falsche und erworbene, so genannte Pseudodivertikel, die letztlich einen Schleimhautprolaps durch die Muscularis darstellen und sich entlang der perivaskulären Durchtrittsstellen entwickeln. Echte Traktionsdivertikel des Colon mit Ausstülpung aller Wandschichten sind hingegen selten. Pseudodivertikel können einzeln oder multiple im ganzen Colon auftreten; die häufigste Lokalisation ist das Sigma. Ätiologisch scheint eine Bindegewebsschwäche im Vordergrund zu stehen – sie werden mit zunehmendem
. Abb. 29.15. Kolondivertikel. Konventionelles Röntgenbild des Abdomens nach Kontrasteinlauf mit Barium und Luft (Doppelkontrast) bei einem Patienten mit multiplen blanden Divertikeln im Bereich der linken Kolonflexur und des Colon descendens
Alter häufiger. Über 50% aller Individuen haben nach dem 80. Lebensjahr Divertikel.
Klinik Dickdarmdivertikel müssen keineswegs mit klinischen Symptomen verbunden sein. Sie können jedoch durch Kotimpaktation und nachfolgender Entzündung zu einer Divertikulitis und Perforation oder lokaler Abzessbildung bzw. Peritonitis führen. Bei akutem Verlauf kann ein plötzlich auftretender Schmerz über dem betroffenen Darmabschnitt am häufigsten im linken Unterbauch bestehen, gelegentlich mit Ausstrahlung in den Rücken.
Diagnose, Bildgebung Die Diagnose stützt sich neben der Endoskopie im Wesentlichen auf den Kolonkontrasteinlauf, der im Falle einer vermuteten Entzündung in der Regel mit wasserlöslichem, iodhaltigem Kontrastmittel durchgeführt wird. Das radiographische Bild der Divertikulose im Kolonkontrasteinlauf ist eindeutig. Die unterschiedlich großen rundlichen Anhangsgebilde, die durch einen schmalen Hals mit dem Darmlumen verbunden sind, stellen sich als kontrastmittelgefüllte Flecken dar, sofern sie nicht mit Kot gefüllt sind (. Abb. 29.15). Bisweilen werden Stuhlreste von Kontrastmittel umflossen, dann entstehen becher- oder ringähnliche Bilder. Das Kontrastmittel kann über Tage, oder sogar Wochen in den Divertikeln nachgewiesen werden, v. a. wenn Barium Verwendung findet. Durch chronische Retentionen und hierdurch verursachte Reizzustände kommt es zu einer entzündlichen Veränderung der betroffenen Darmabschnitte. Die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit der Entwicklung einer Divertikulitis aus einer Divertikulose ist mit etwa 20% anzunehmen. Radiographisch ist die Diver-
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. Abb. 29.16. Divertikulitis. Konventionelles Röntgenbild des Abdomens nach Kontrasteinlauf mit einem wasserlöslichen KM. Man erkennt eine etwas unregelmäßig begrenzte Einengung des Lumens im mittleren Abschnitt des Colon descendens v. a. im seitlichen Aspekt (schwarzer Pfeil) durch eine Divertikulitis. Das Divertikel selbst ist nicht zu erkennen. Für eine Perforation ergeben sich keine Hinweise. Zum Ausschluss eines Tumors oder Abszesses wurde eine CT angefertigt (. Abb. 29.17)
. Abb. 29.17. Divertikulitis. Koronare Reformation einer CT des Abdomens mit oraler und i.v.-Kontrastierung bei einem Patienten mit Divertikulitis. Deutliche Wandverdickung im mittleren Abschnitt des Colon descendens auf einer Strecke von etwa 5 cm (weißer Pfeil) sowie einige kleine Lymphknoten im Mesenterium (schwarzer Pfeil). Für eine Perforation oder Abzedierung ergeben sich keine Kriterien
tikulitis gekennzeichnet durch eine Schleimhautschwellung und der dadurch verursachten Engstellung des Divertikelhalses, der völlig verschlossen oder deformiert werden kann (. Abb. 29.16). Die chronisch rezidivierende Divertikulitis mit Spiegelbildung, Stenosen oder Füllungsdefekten sowie Umgebungsreaktionen Form eines »Konglomerattumors« bereitet radiographisch oft differenzialdiagnostische Schwierigkeiten. Der Befund kann unter Umständen schwierig von einem malignen Tumor unterscheidbar sein. Die CT ist ebenfalls eine etabierte Methode zum Nachweis einer Divertikultis und Ihrer möglichen Komplikationen. Computertomographisch besteht bei einer Divertikulose bisweilen eine mäßige Wandverdickung zwischen 4 und 15 mm Dicke. Man erkennt ähnlich wie in der konventionellen Darstellung multiple mit Kontrast oder Luft gefüllte Aussackungen. In der Regel ist ein längeres Teilstück (>10 cm) des Colon bzw. des Sigma involviert. Im Falle einer Divertikulits wird die Wandverdickung in der Regel deutlicher(. Abb. 29.17). Mikroperforationen in die tieferen Wandschichten können zu Spiklulaebildung und Deformationen führen. Perforation mit lokaler Peritonitis und Ileus, Fisteln sowie Abszesse in der Nachbarschaft sind möglich und in der CT gut zu erkennen (. Abb. 29.18). Meist jedoch handelt es sich um gedeckte Perforationen, sodass der Nachweis von freier Luft oder einer globalen Peritonitis selten ist. Auch in der CT ist das Kolonkarzinom eine wesentliche Differenzialdiagnose zur Divertikulitis. Meist ist beim kolorektalen Tumor ein kleineres Segment (<10 cm) involviert, die Wandverdickung ist oftmals exzentrisch. Die Wandverdickung beträgt
beim kolorektalen Tumor oftmals >2 cm. Mesenteriale Lymphknotenvergrößerungen oder Fernmetastasen können in der CT nachgewiesen werden und sind als sekundäre Malignitätskriterien aufzufassen.
Therapie Die Divertikulitis wird in der Regel zunächst konservativ mit Antibiotika sowie Flüssigkeitssubstitution und Bettruhe therapiert. In der Regel werden parakolische Abszesse mit einer
. Abb. 29.18. Divertikulitis und Abszess. CT des Beckens mit oraler und i.v.-Kontrastierung bei einem Patienten mit Sigmadivertikulitis und Abszessbildung. Deutliche langstreckige Wandverdickung Colon sigmoideum (weißer Pfeil) sowie nach rechts angrenzend eine ca. 4 cm große Abszessformation mit kleinen Lufteinschlüssen (schwarzer Pfeil)
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Kapitel 29 · Magen und Darm (Dünndarm, Dickdarm und Rektum)
29 . Abb. 29.19. Abszess-Drainage. CT des Beckens im Rahmen einer CTFluoroskopie mit reduzierter Dosis (50 mAs). Von ventral in die bekannte Abszessformation (. Abb. 29.18) eingelegte 10 French-Pigtaildrainage. Die Flüssigkeit wurde bereits vollständig abgezogen (schwarzer Pfeil)
perkutanen Drainage entlastet, sodass eine Operation zunächst entbehrlich sein kann (. Abb. 29.19). Bei rezidivierender Problematik kann die Resektion des betroffenen Segments sinnvoll sein. > Wichtige Kriterien einer Divertikulitis sind das Vorliegen einer Wandverdickung, perikolische Infiltrationen des Fettgewebes sowie die Affektion eines längeren Kolonsegments in Abwesenheit von tumorsuspekten Lymphknoten oder suspekten Herdbefunden an anderer Stelle.
Ischämische Kolitis und Enteritis Definition, Ätiologie Man unterscheidet prinzipiell die nichtokklusive intestinale Ischämie (non-occlusive mesenterial ischemia = NOMI) bei vermindertem Auswurfvolumen des Herzens oder bei alleiniger reflektorischer Gefäßkonstriktion von den okklusiven Formen, die durch Lumeneinengung bzw. Atherosklerose oder thromboembolische Ereignisse hervorgerufen werden. Die ischämische Kolitis resultiert häufig aus einer arteriellen Insuffizienz aufgrund von Atherosklerose, Hypotension oder Arrhythmien. Aber auch akute Ereignisse wie kardiogener Schock oder septische Schock kommen als Ursachen in Betracht. Die Ischämie beschränkt sich im Bereich des Colon in der Regel auf bestimmte Segmente und respektiert die jeweiligen Grenzzone zwischen den Gefäßversorgungsgebieten, z. B. im Bereich der linken Flexur zwischen der A. mesenterica superior und inferior. Entsprechend betrifft die Ischämie am häufigsten das Colon descendens sowie den rekto-sigmoidalen Übergang. Das akute Krankheitsbild entwickelt sich in der Regel bei älteren Patienten (>50 Jahre). Der akuten Ischämie des Dünndarms liegt in der oftmals ein thromboembolisches Ereignis zugrunde. Venöse Obstruktionen kommen als seltenere Ursache in Betracht. Die hämodymisch bedingte Perfusionverschlechterung ist zwar ebenfalls als Ursache möglich, ist jedoch bei der ischämischen Kolitis vergleichsweise häufiger.
. Abb. 29.20. Ischämie. CT des Abdomens nach oraler und i.v.-Kontrastierung bei einem Patienten mit Ischämie des Dünndarms. Es zeigt sich eine ausgeprägte Luftansammlung im intrahepatischen Pfortadersystem in den Segmenten 2, 4a, 7 und 8 (weiße Pfeile)
> Die ischämische Kolitis resultiert in der Regel aus einer (auch chronischen) arteriellen Insuffizienz, die ischämische Enteritis hat oftmals akute thromboembolische Ursachen.
Klinik Die Symptomatik der akuten ischämischen Enteritis unfasst die Trias plötzliche akute Schmerzen, Fieber und Erbrechen. Die chronische Ischämie ist durch eine Angina abdominalis mit postprandialen Schmerzen gekennzeichnet, die sich 1–2 h nach Nahrungsaufnahme wieder bessern. Überkeit, Durchfälle und Erbrechen können ebenfalls vorkommen. Bei der ischämischen Kolitis bestehen z. T. blutige Durchfälle, mäßige bis starke abdominelle Schmerzen sowie zusätzlich mögliche Blutabgänge aus dem Rektum.
Bildgebung In der Abdomenübersichtsaufnahme bei der ischämischen Kolitis ist oftmals unspezifisch, das Colon kann in schweren Fällen manchmal dilatiert und mit Gas gefüllt sein; die Wand ist dann eher ausgespannt und dünn. Die native Übersichtsaufnahme bei der ischämische Enteriris kann das Bild eines Ileus zeigen mit einer Verdickung der Wände. Der Kolonkontrasteinlauf kommt bei der ischämischen Colitis eher in chronischen Fällen in Betracht und zeigt in seriellen Untersuchungen ein immer wieder verändertes Bild mit glatten, runden und kleinen Füllungsdefekten die über einige Tage persistieren und dann wieder verschwinden können (»thumbprinting«). Die CT mit i.v.-Kontrastmittel inkl. Rekonstruktion der mesenterialen Gefäße ist das bildgebende Verfahren der ersten Wahl bei Verdacht auf eine akute Ischämie des Dünndarms. In milden oder mäßig ausgeprägten Fällen sieht man in der CT ein Areal mit segmentaler Wandverdickung; manchmal ist diese er-
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a . Abb. 29.21a, b. Ischämie. CT des Abdomens nach oraler und i.v. Kontrastierung bei einem Patienten mit Ischämie des Dünndarms. Es zeigen
b sich Luftblasen in den Wänden mehrerer Dünndarmschlingen (lange schwarze Pfeile) sowie in den mesenterialen Venen (kurze schwarze Pfeile)
heblich genug, um zu einer Lumeneinengung zu führen. In schwereren, nicht zwingend jedoch gleichzeitig irreversiblen Fällen kann die Ischämie zur punktuellen Gasansammlung in der Darmwand führen (. Abb. 29.20). Diese Gasansammlung kann sich in die Mesenterialvenen und portalen Venen fortsetzen und ist ein recht spezifisches diagnostisches Kriterium für eine Ischämie des Darms (. Abb. 29.21). > Die wichtigsten Zeichen beim Kolonkontrasteinlauf sind durch Submukosaödem und Blutungen bedingte glatt berandete, randständige Füllungsdefekte sowie eine Verdickung der Haustren (»thumb-printing«).
Bei Patienten mit Ischämie des rechten Colon kommt es manchmal zu einer Thrombosierung der V. mesenterica superior. Eine Thrombophlebitis der superioren oder inferioren mesenterialen Venen z. B. nach Operationen kann manchmal zu einer ischämischen Kolitis auf der Basis einer venösen Okklusion führen. In der CT ist die thrombosierte Vene dilatiert und enthält einen nicht Kontrastmittel aufnehmenden bzw. mit Kontrastmittel umspülten Thrombus. Das umgebende Fettgewebe ist in der Regel ödematös injiziert (. Abb. 29.22). Eine der wesentlichen Differenzialdiagnosen der systemischen Kolitis ist die pseudomembranöse Kolitis. Diese kann in einer Monokontrastuntersuchung schwierig zu unterscheiden sein. Wie erwähnt ist das Akkordeon-Zeichen pathognomonisch für die pseudomembranöse Kolitis. Als weitere Differenzialdiagnose ist die Colitis ulcerosa zu nennen. Diese zeigt im Unterschied zur ischämischen Kolitis einen kontinuierlichen Befall mit Pseudopolypen und Mikroabszessen, welcher sich nicht an die Gefäßversorgungsgebiete hält. In der Regel ist bei der Colitis ulcerosa das Rektum mitbetroffen und die Darmwand enthält keine Gasansammlungen. Die Abgrenzung zum Kolonkarzinom ist in der Regel weniger schwierig. Bei der Ischämie des Dünndarms ist auch der Morbus Crohn mit seinen typischen pflastersteinartigen Schleimhautveränderungen und seiner segmentalen Distribution abzugrenzen. Auch
. Abb. 29.22. Ischämische Kolitis nach venösem Thrombus. CT des Abdomens mit oraler und i.v.-Kontrastierung bei einem Patienten nach Sigmaresektion. Umspülter Thrombus in der V. mesenterica superior mit einer Verdichtung des angrenzenden Fettgewebes (weißer Pfeil)
der »Schockdarm« mit Ischämie und Reperfusion kommt als Differenzialdiagnose in Betracht.
Therapie Therapeutisch kommt insbesondere beim nichtokklusiven Typ eine konservative medikamentöse Behandlung in Betracht. Im Gegensatz zur Ischämie des Dünndarms, die in der Regel katastrophale Folgen hat, kann die isolierte Kolonischämie oftmals durch eine konservative Therapie behandelt werden. Das Colon kann in diesem Falle wieder ein normales Aussehen zurückerhalten oder narbig abheilen. Strikturen sind in der Folge möglich. Bei Patienten mit schwerer ischämischer Kolitis ist unter Umständen eine Resektion erforderlich, um ein weiteres Fortschreiten der Infarzierung mit Nekrose oder Perforation zu verhin-
29
974
Kapitel 29 · Magen und Darm (Dünndarm, Dickdarm und Rektum)
. Tab. 29.2. Ungefähre Projektionsareale/Dermatome bei abdominellen Prozessen
29
Organ
Dermatom
Ösophagus
Brust bis Xiphoid
Zwerchfell
Hals bis Deltoideusregion
Oberbauchorgane
Xiphoid bis Epigastrium
Gallenblase
Linke Schulterblattregion
Dünndarm und rechtes Colon
Periumbilikal
Linkes Colon und Sigma
Unterbauch und linker Unterbauch
dern. Eine Nekrose der minderdurchbluteten Darmabschnitte mit nachfolgender Peritonitis tritt unter Umständen sehr rasch ein und die primäre Mortalität ist diesen Fällen entsprechend hoch. Bei einer transmuralen Infarzierung ist eine chirurgische Resektion in der Regel erforderlich.
Hohlorganperforation mit akutem Abdomen Definition, Ätiologie, Klinik Die Abklärung des akuten Abdomens verlangt im Hinblick auf eine mögliche operative Intervention eine genaue Anamneseerhebung sowie Differenzierung und Lokalisation des Schmerzes, um so durch eine weitere gezielte Diagnostik den pathologischen Prozess möglichst genau zu lokalisieren. Neben der Vorgeschichte (z. B. Ulkusanamnese, bekannte Gallensteine oder vorausgegangene Operationen) sind die Schnelligkeit der Entwicklung des Schmerzes sowie eine Ortsbestimmung von Bedeutung. Je nach Art der Gewebsschädigung (Entzündung, Reizung, Perforation etc.) kann ein viszeraler oder somatischer Schmerz ausgelöst werden (. Tab. 29.2). Gleichzeitig muss man jedoch in Betracht ziehen, dass sich auch extraabdominelle Prozesse in den abdominellen Bereich projizieren können: z. B. pektanginöse Beschwerden, Herzinfarkt, Pneumonie, Herpes Zoster – um nur einige zu nennen.
Bildgebung Die Röntgendiagnostik basiert in der Regel zunächst auf einer Abdomennativaufnahme sowie einer Thoraxübersichtsaufnahme. Aufnahmen im Stehen bei horizontalem Strahlengang sollen freie Luft im Bauchraum sowie Spiegelbildungen inner- und außerhalb des Darms erfassen. Freie Luft zwischen Leber und Brustwand lässt sich in der seitlichen Aufnahme im Liegen (LSL) selbst in kleinen Mengen (ab 1 ml) sensitiv nachweisen, sofern der Patient vor der Aufnahme für 10–20 min auf der linken Seite gelagert wird. Gas im Bereich der rechten Flanke in Höhe des Beckenkamms ist in der Regel nur dann nachweisbar, wenn viel Luft aus dem Darm ausgetreten ist oder die Perforation im unteren Darmabschnitt liegt (. Abb. 29.23). Die CT ist ohne Zweifel die sensitivste Methode zum Nachweis von freier Luft. Sie wird oftmals auch durchgeführt, wenn freie Luft radiographisch bereits nachgewiesen ist, um den Ort der Perforation z. B. anhand der Gasverteilung oder weiterer Pa-
. Abb. 29.23. Perforation. Konventionelle Röntgenaufnahme des Abdomens in Linksseitenlage (LSL). Erhebliche Mengen an freier Luft (weiße Pfeile) zwischen Leber (L), Zwerchfell (Z) und Thoraxwand sowie weiter unterhalb im Bereich der rechten Flanke. Freie abdominelle Flüssigkeit mit Spiegelbildung (schwarzer Pfeil)
thologie (z. B. Sigmadivertikulitis) besser einzugrenzen. Die eigentliche Perforationsstelle ist auch in der CT oftmals nicht direkt darstellbar (. Abb. 29.24). Differenzialdiagnosen: Das symptomatische Pneumoperitoneum mit Abwehrspannung der Bauchdecke signalisiert eigentlich immer die Perforation eines Hohlorgans. Als Differenzialdiagnose zur freien Luft im Abdomen nach Perforation darf das asymptomatische Pneumoperitoneum ohne Bauchdeckenreaktion nicht außer Betracht gelassen werden. Hierzu gehört auch das Pneumoperitoneums nach Operationen, Laparoskopie oder Koloskopie (Anamnese!). Im Hinblick auf spezifische Ursachen ist die Perforation eine gefürchtete und akut lebensbedrohliche Komplikation des Ulkusleidens, sicherlich der häufigste Grund für (nicht iatrogene) freie Luft im Abdomen überhaupt (90%). Richtungsweisend sind neben der Magenanamnese zunehmende Schmerzen im Oberbauch oder Rücken mit verminderter oder verstärkter Peristaltik. Das Ulcus ist selten direkt nachweisbar. Übersichtsradiographisch ist das Bild zu Beginn wenig spezifisch: wenig Luft im Darm mit uncharakteristischer Verteilung, gewöhnlich ohne Spiegelbildung. Später verstärkt sich das radiographische Bild in Form einer Gasbildung im Dünn- und Dickdarm mit beginnender Spiegelbildung im Sinne eines reflektorischen Ileus. Das Ausmaß an freier Luft in der Abdomenübersicht ist allerdings sehr variabel, gewöhnlich finden sich lediglich kleinere Mengen. Die meisten Perforationen sind zur kleinen Kurvatur hin gerichtet. In etwa 20% der Fälle liegt eine gedeckte oder stumme Perforation vor, wenn sich die Perforationsstelle wieder verschlossen hat, z. B. durch Schleim oder Mageninhalt. In diesen Fällen wird sich kein Ileusbild oder eine Peritonitis entwickeln. Eine retroperitoneale duodenale Perforation mit Luft im retroperitonealen Raum ist ebenfalls möglich. In diesen Fällen kann die Abdomenübersichtsaufnahme Luft entlang des Psoasrandes in der Regel auf der rechten Seite zeigen. Auch Luft
975 29.2 · Entzündliche Erkrankungen
trischer Schmerz, Nausea und Erbrechen, rechtsseitiger iliakaler Schmerz und Fieber sind in dieser Reihenfolge fast immer konstant. Auch die lokale Druckempfindlichkeit im Bereich des McBurney-Punkts ist sowie der »Loslassschmerz« sind richtungsweisend. Gerade in unklaren Fällen hat die CT mehr und mehr die sonst routinemäßige Abdomenübersichtsaufnahme abgelöst. Hier lässt sich freie intraabdominelle Luft sowie die genaue Verteilung in den einzelnen Kompartimenten oder Bereichen sehr leicht nachweisen. Im Falle der Appendizitis können typische Befunde am Appendix selbst sowie eine mögliche lokale Abszessbildung die Diagnose erleichtern.
Therapie Die Therapie erfolgt bei Perforation eines Hohlorgans in der Regel operativ, bei gedeckter Perforation mit Abszessbildung kann eine perkutane Drainage zur Behandlung der akuten Symptomatik sinnvoll sein. . Abb. 29.24. Perforation. CT des Abdomens mit oraler und i.v.-Kontrastierung bei einem Patienten mit freier Luft unter der Bauchdecke (weiße Pfeile). Es lag operativ eine Ulkusperforation des Magens vor, die bildmorphologisch nicht erkennbar war. Es zeigt sich dichteangehobene Flüssigkeit im Bereich der rechten Flanke angrenzend an den Magen und die parakolische Rinne, die einen KM-Austritt nahe legt (schwarzer Pfeil)
im perirenalen Raum kann unter Umständen nachgewiesen werden. In einigen Fällen begleitet die Luft das Mesocolon transversum. Eine weitere Ursache für eine Perforation ist die perforierte Divertikulitis. Diese führt jedoch häufig zu einer gedeckten Perforation mit der perikolischen Abszedierung. Gegenüber der Divertikelperforation oder Perforation bei Divertikulitis ist eine Karzinomperforation auszuschließen. Beim Magenkarzinom hingegen werden relativ selten Perforationen beobachtet. Auch die Colitis ulcerosa kann in seltenen Fällen zu einer Perforation führen. Wenn keine akuten Krankheitserscheinungen bestehen und kein Trauma vorausgegangen ist, muss das Platzen einer Zyste bei der Pneumatosis cystoides intestinalis in Erwägung gezogen werden. Die Ätiologie ist nicht letztlich gesichert; am ehesten wird der Zusammenhang mit einer Stenose oder Ulzeration im Magendarmtrakt diskutiert: Das Gas kann die Mucosa durchdringen und sich in der Submucosa und Subserosa oder in den Lymphbahnen ansammeln, wobei sich Blasen verschiedener Größe entwickeln, die perforieren und ein Pneumoperitoneum bewirken können. Auffällig ist dabei die erwähnte äußerst geringe klinische Symptomatik. Die Abdomenübersicht zeigt zwischen den Darmschlingen oder unterhalb der Leber Gasansammlungen, die keine Beziehung zu Magen oder Darm haben und bei Lagewechsel ihre Stellung oftmals nicht ändern. Die Pneumatose befällt am häufigsten die Ileozökalregion. Sitzen die Veränderungen am Sigma, können die Bläschen als Vorwölbungen rektoskopisch erfasst werden. Wegen des Gasaustritts kann die Differenzialdiagnose gegenüber einer Ulkusperforation schwierig sein. Die Appendizitis ist mit 30% der Fälle die häufigste Ursache des akuten Abdomens und kann ebenfalls zur Perforation führen. In der Regel lässt sich die Diagnose klinisch stellen: epigas-
Abdomineller Abszess Pathogenese Im vorausgegangenen Kapitel wurde bereits die mögliche Entwicklung eines Abszesses nach gedeckter Perforation einer Appendizitis und der Divertikulitis beschrieben. Nicht selten jedoch entstehen Abszesse als Komplikation eines operativen Eingriffs in allen möglichen abdominellen Lokalisationen.
Bildgebung Die CT ist aber ohne Zweifel das bildgebende Verfahren der ersten Wahl für den Nachweis abdomineller Abszesse und auch für die Steuerung der perkutanen Drainage. Die Entwicklung der CT-Fluoroskopie hat in den letzten Jahren das Risiko von Komplikationen deutlich vermindert und die Eingriffe auch in schwierigen Lokalisationen weitaus schneller gemacht. Die CT ermöglicht eine detaillierte dreidimensionale Abbildung des Abszesses sowie der umliegenden Strukturen und ermöglicht eine präzise Planung der perkutanen Punktion und Aspiration sowie der Einlage einer Drainage. Sie kann ferner die korrekte Lage der Drainage dokumentieren und evtl. Komplikationen ausschließen. Differenzialdiagnose: Die Abgrenzung zu nichtinfizierter freier Flüssigkeit bzw. zu Aszites ist nicht immer einfach. In der Regel weist ein Weichteilabszess jedoch einen mehr oder minder großen Granulationssaum in Form eines Randwalls auf und verläuft nicht frei zwischen den Darmschlingen. Das Vorhandensein von Luftbläschen innerhalb der Flüssigkeitsansammlung ist ein Hinweis mit hoher Spezifität für das Vorliegen eines abdominellen Verhalts.
Therapie Im Falle sehr oberflächlich gelegener Flüssigkeitsansammlungen kann unter Umständen eine ultraschallgestützte Drainage erfolgen. Wegen der fehlenden Strahlenbelastung ist die Ultraschalluntersuchung vorzuziehen, wann immer ein sicherer Zugangsweg sonomorphologisch eindeutig darstellbar ist. Der Ultraschall ist besonders attraktiv, wenn ionisierende Strahlen nicht zum Einsatz kommen können, z. B. im Falle einer Schwangerschaft. Der Ultraschall ist limitiert durch Überlagerung mit
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976
29
Kapitel 29 · Magen und Darm (Dünndarm, Dickdarm und Rektum)
Darmgas, knöchernen Strukturen oder frischen Operationswunden. Die CT stellt insbesondere dann die primäre Methode zur Planung und Durchführung einer perkutanen Abszessdrainage dar, wenn kleine Flüssigkeitsansammlungen von umliegenden Darmschlingen, Gefäßen oder anderen kritischen Strukturen umgeben sind. So haben die Indikationen für eine perkutane Drainage in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Zu einem Teil ist dies erklärbar durch Fortschritte im Bereich der CT und der Bildqualität selbst, z. T. aber auch durch Fortschritte im Bereich der interventionellen Techniken und des zur Verfügung stehenden Instrumentariums. Während früher überwiegend stabile Patienten mit einfach zugänglichen und unkomplizierten Flüssigkeitsansammlungen als geeignet für eine perkutane Abszessdrainage erachtet wurden, zeigt sich in letzter Zeit die Tendenz, auch multiple, komplizierte Abszessdrainagen bei Patienten in schlechtem Allgemeinzustand durchzuführen. Diese erweiterten Applikationen der perkutanen Drainage sind besonders dann hilfreich, wenn die Patienten ein hohes Risiko für eine erneute operative Revision tragen. In diesen Fällen kann durch die CT-gesteuerte Drainage der Zustand des Patienten derart verbessert werden, dass, sofern notwendig, eine definitive chirurgische Therapie im Intervall erfolgen kann. Als einzige absolute Kontraindikation für eine perkutane, CT-gesteuerte Abszessdrainage ist das Fehlen eines sicheren Zugangswegs zu erachten. Sofern eine CT-Fluoroskopie zur Verfügung steht, ist dies im Bauchraum nur selten ein Problem (. Abb. 29.25). Natürlich muss der Gerinnungsstatus mit in die Überlegungen einbezogen werden. Durchführung der Drainage. Vor jedem Eingriff sollte eine
a
b
komplette diagnostische CT-Untersuchung erfolgen. Im Allgemeinen wird der kürzeste und direkte Zugangsweg zur Flüssigkeitsansammlung gewählt. In jedem Falle müssen Darmschlingen, größere Gefäße oder der Pleuraspalt vermieden werden. In einigen Fällen erfordert dies einen angulierten Zugangsweg. Im Allgemeinen kann eine diagnostische Aspiration mit einer 20oder 22-Gauge-Aspirationsnadel versucht werden, v. a. wenn die Flüssigkeitsansammlungen in einer schwierigen Lokalisation gelegen sind und normale anatomische Strukturen durchquert werden müssen, z. B. die Leber. ! Auch wenn die Komplikationsraten einer Punktion mit einer dünnen Nadel niedrig sind, sollte eine Passage durch den Darm, insbesondere den Dickdarm, vermieden werden, um eine Kontamination einer potenziell sterilen Flüssigkeitsansammlung zu vermeiden.
Die Aspiration putriden Materials durch eine 22-Gauge-Nadel kann schwierig sein. Wenn keine Flüssigkeit aspiriert werden kann, muss unter Umständen auf eine größere Nadel (18 Gauge) zurückgegriffen werden. Ist das aspirierte Material offensichtlich purulent, kann die Einlage einer Drainage erwogen werden. In der Regel werden hierfür Pigtailkatheter verwendet, deren Lumen an die Konsistenz und die Menge der zu drainierenden Flüssigkeit angepasst werden sollte. In der Regel liegen die größten zwischen 8 und maximal 14 French. Pigtailkatheter sind einfachlumige Katheter mit einer aufgerollten Spitze, die eine stabile
c . Abb. 29.25a–c. Abszessdrainage. CT des Abdomens mit oraler und i.v.Kontrastierung bei einem Patienten nach transhiatal erweiteter Gastrektomie. Platzierung einer Pigtaildrainage in Seldinger-Technik: a Flüssigkeitsansammlung in der Leberpforte bzw. oberhalb des Truncus coeliacus (weißer Pfeil). b Zugang von ventral zwischen linkem und rechtem Leberlappen mit einer 17,5 Gauge Hohlnadel mit Trokar (weißer Pfeil). Hierdurch Einlage eines 35’’ Inch Drahts (schwarzer Pfeil). c Über den eingelegten Draht erfolgte die Platzierung einer 10-French-Pigtaildrainage in Seldinger-Technik (schwarze Pfeile)
977 29.3 · Kongenitale Fehlbildungen und Divertikel
Lage innerhalb des Abszesses ermöglicht und die relativ atraumatisch zu applizieren sind. Die Seitenlöcher sind an der inneren Kurvatur des gewundenen Katheterteils angeordnet, um die Wahrscheinlichkeit einer Okklusion zu minimieren. Bei sehr dickflüssigen Ansammlungen kann die Einlage eines doppellumigen Katheters erwogen werden. Die Platzierung der Drainage ist sowohl in Trokar- wie auch in Seldinger-Technik möglich. Im Falle der Seldinger-Technik wird eine Führungskanüle in die Flüssigkeitsansammlung platziert, in der Regel entlang des vorher mit der Aspiration betäubten Wegs. Nicht alle Drainagen sind wirklich guide-wire geeignet. Die Einlage der Drainage erfolgt dann über einen Führungsdraht, nachdem zuvor die Führungskanüle entfernt wurde. Der Draht wird in der Regel erst entfernt, wenn die korrekte Position des Katheters dokumentiert ist. Die meisten Abszesse sind mit 3–10 Tagen Drainage hinreichend behandelt, sofern keine Kommunikation mit Darmlumen oder Gallengängen existiert. Eventuell sollte eine nochmalige CT-Untersuchung erwogen werden, um eine komplette Drainage zu dokumentieren, bevor der Katheter endgültig entfernt wird. > Im kleinen Becken nach Rektumresektion oder Amputation kann die perkutane Drainage eine Höhle hinterlassen, die wegen des Fehlens von gut durchblutetem Weichgewebe nur sehr langsam zugranuliert. Transrektale Techniken sind hier zu diskutieren.
Bei regelrechter Durchführung der perkutanen Drainage mit möglichst minimaler Manipulation ist die Komplikationsrate gering bei einer Erfolgsrate zwischen 80 und 90%. Komplikationen werden insgesamt mit einer Wahrscheinlichkeit zwischen 5 und 15%; schwerwiegende Komplikationen in <5% der Fälle beschrieben. Geringe Komplikationen schließen kleinere Blutungen, Hautinfektionen oder Weichteilinfekte, transiente Bakteriämie und Pneumothorax ein. Größere Komplikationen beinhalten schwere Blutungen, Sepsis sowie Darmperforation. Bei sachgerechter Handhabung ist die tatsächliche Rate ernster Komplikationen wohl weit geringer als 1%.
29.3
Kongenitale Fehlbildungen und Divertikel
Duplikaturen Definition, Pathogenese, Bildgebung Fehlbildungen im Bereich des Gastrointestinaltrakts sind insgesamt nicht sehr häufig. Im Bereich des Magens sind einige Fälle von Doppelanlagen oder Mikrogastrie in der Literatur beschrieben. Eine Atresie oder ein partieller Verschluss des Magens oder Pylorus kommt in <1% der angeborenen Verschlüsse des Verdauungstrakts vor. Duplikaturen sind Fehlbildungen im Bereich des Verdauungstrakts, die etwa zu 7% den Magen betreffen. Sie liegen häufig im Bereich der großen Kurvatur. In der Regel liegt keine Kommunikation mit dem wahren Magenlumen vor. Die Duplikaturen sind mit einer sezernierenden Schleimhautschicht ausgekleidet und haben eine Größe zwischen 3 und 12 cm. Einige Duplikaturen können auch Pankreasgewebe enthalten. Duplikaturen des
. Abb. 29.26. Magenduplikatur. Kontrastgestützte T1w-MR-Sequenz des Abdomens. Es findet sich eine operativ (durch wedge resection) bestätigte Duplikatur (D) des Magens (M) an der kleinen Kurvatur mit einem glatt berandeten raumfordernden Aspekt (weiße Pfeile) und nahezu flüssigkeitsisointensem Signalverhalten ohne objektivierbare KM-Aufnahme
Dünndarms sind insgesamt häufiger und kommen v. a. im Bereich des Ileums vor. Sie liegen immer auf der Seite des mesenterialen Ansatzes. Sie enthalten glatte Muskelzellen im Bereich der Wandungen und sind mit gastrointestinalem Epithel ausgekleidet, das typisch ist für den Organabschnitt, aus dem sie entspringen. Die Wandungen können bis 1 cm dick sein. Die Form variiert erheblich. Man unterscheidet lange tubuläre Gebilde, die den Eindruck einer Darmdoppelung vermitteln, von ovalen bis prallelastischen runden Formen. Etwa 25% der Dünndarmduplikaturen enthalten ektope Magenmukosa und können peptische Ulzerationen, abdominelle Schmerzen und gastrointestinale Blutungen verursachen. Duplikaturen im Bereich des Colon kommen ebenfalls vor und liegen v. a. im Bereich des Caecum. Sie kommen außerdem als »leading point« für ileokolische Invaginationen infrage. Im Übrigen sind Duplikaturen als anlagebedingte Veränderungen nur selten Ursache für Beschwerden und werden oftmals zufällig und in der Regel auf Schnittbildern oder sonographisch entdeckt.
Bildgebung In der konventionellen Kontrastuntersuchung stellen sich Magenwandduplikaturen als Tumoren unterschiedlicher Größe und Lokalisation dar. Im Falle multipler Veränderungen ist eine postentzündliche Genese wahrscheinlicher als eine kongenitale. Radiographisch breiten sie sich intra- und auch extramural aus und zeigen in der Regel eine bogige oder polyzyklische, glatte Begrenzung. In Abhängigkeit von der Größe kann die darüber liegende Schleimhaut verstrichen sein. Computertomographisch findet sich eine mit wässrigen Dichtewerten versehene Raumforderung, die oftmals schwierig von der eigentlichen Magenwand zu differenzieren ist. Eine Ultraschalluntersuchung oder auch eine MRT kann die zystische Natur der Raumforderung dokumentieren (. Abb. 29.26). In seltenen Fällen können an der kleinen Kurvatur gelegene Duplikaturen sich in das hintere Mediastinum oder zum Hiatus ösophagei erstrecken.
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Kapitel 29 · Magen und Darm (Dünndarm, Dickdarm und Rektum)
Bildgebung
29
. Abb. 29.27. Duodenaldivertikel. Konventionelle Röntgenaufnahme nach oraler Gabe von Bariumsulfat. Es kommt nahe des Duodenalknies ein nach medial gerichtetes Duodenaldivertikel (D) mit einem relativ schmalen Divertikelhals (schwarze Pfeile) zur Darstellung. B: Bulbus duodeni
Divertikel sind in der Regel im Bereich des Magens oder Duodenums mittels konventioneller Kontrastuntersuchungen gut fassbar (. Abb. 29.27). Der radiographische Nachweis eines Meckel Divertikels hingegen ist auch bei gezielter Untersuchung schwierig; häufig gelingt der Nachweis nur als Zufallsbefund. Es wird auch nur selten im Rahmen einer CT gefunden. Nachdem das Divertikel Magenschleimhaut enthalten kann, kommt als bildgebendes Verfahren evetuell auch eine Szintigraphie mit Tc99m Pertechnetat infrage. Die Diagnose wird jedoch in der Regel klinisch gestellt. Der Divertikelspitze zum Nabel hin kann als Rest des Ductus omphaloentericus als fibröser Strang bestehen bleiben, der durch Strangulation unter Umständen zum Ileus führt. Bleibt der Ductus insgesamt offen, ist eine umbiliko-intestinale Fistel die Folge. Bleibt nur ein Teil des Gangs offen, kommt es zur Zystenbildung. Eine Invagination des Divertikels mit Blutungen und Ileus ist möglich.
29.4
Divertikel Definition, Pathogenese Gastrale Divertikel sind häufiger als Ösophagusdivertikel und
entspringen charakteristischerweise von den hinteren Anteilen der Kardia oder des Fundus. Etwa 80% liegen im Bereich der proximalen Magenabschnitte. Sie liegen computertomographisch häufig postero-medial des Magens in der Nähe der linken Nebenniere. Wenn sie nicht mit Kontrastmittel gefüllt sind, können sie unter Umständen mit retroperitonealen oder Nebennierenraumforderungen verwechselt werden. Duodenaldivertikel sind häufiger als gastrale Divertikel und in der Regel von keiner klinischen Relevanz. Sie entspringen häufig von der Pars descendens oder horizontalis duodeni und liegen in der Regel zwischen Duodenum und Pankreaskopf. Das Meckel-Divertikel ist die häufigste Anomalie des Magendarmtrakts. Es handelt sich entwicklungsgeschichtlich um einen Rest des Ductus omphaloentericus (Vitellini). Im Sektionsgut wird es bei Erwachsenen in ungefähr 2% und bei Neugeborenen in 4% der Fälle gefunden. Das Divertikel, das normalerweise in der 7. embryonalen Woche obliteriert, kann sich offenbar auch noch postnatal zurückbilden. Es kann heterotope Magenschleimhaut enthalten, was zu Ulzerationen mit Blutungen führen kann. Auch ektopes Pankreasgewebe kommt vor. MeckelDivertikel verursachen allerdings nur in 15–30% der Fälle klinische Beschwerden. Echte Divertikel am Dünndarm mit Ausstülpung aller Wandschichten sind sehr selten. Divertikel am Dünndarm sind meist Pseudodivertikel und manifestieren sich in höherem Alter. Genetisch wird eine mangelhafte Entwicklung der Muscularis am mesenterialen Ansatz angenommen. Im Bereich der perivaskulären Räume, seitlich am mesenterialen Ansatz, besteht der Locus minoris resistentiae, der zum Schleimhautprolaps führt. Die Divertikel sind in der Regel weniger als erbsgroß und treten multipel auf. Klinische Erscheinungen sind außerordentlich selten.
Benigne epitheliale Neoplasien und familiäre Polyposis
Polypen des gastrointestinalen Trakts sind gutartige epitheliale Neoplasien. Histologisch werden hyperplastische Polypen, die zu den echten Tumoren gehören, von adenomatösen Polypen und Harmatomen unterschieden. Bei stärkerer astartiger Verzweigung des Polypenstromas wird von einem Papillom gesprochen. Das villöse Adenom, eine Variante des Papilloms, sitzt breitbasig auf und weist zottenförmig gewucherte Drüsen auf. Im Bereich des Magens erscheinen Polypen häufig multipel. Die diffuse Polypose kann den gesamten Magen oder aber auch nur die antropylorische Region erfassen. Von der Polyposis selbst ist streng die polypoide Formationen der Magenschleimhaut bei Morbus Ménétrier zu unterscheiden (Gastropathia hypertrophica gigantea). Eine familiäre Häufung der Magenpolyposis ist nicht gesichert. Bei der Polyposis mehrerer Darmabschnitte ist an hereditäre Erkrankungen zu denken. Der Magen kann bei der familiären intestinalen Polyposis mitbetroffen sein. Ebenfalls finden sich Magenpolypen beim Gardner-Syndrom und PeutzJeghers-Syndrom, wobei es sich bei letzterem histologisch um Harmatome handelt. Der Polyp des Magens und auch das Karzinom entstehen bevorzugt auf dem Boden einer chronisch atrophischen Gastritis, besonders bei perniziöser Anämie. Polypen des Dünndarms kommen hauptsächlich in Zusammenhang mit einer generalisierten intestinalen Polyposis vor.
Syndrome mit dem Hauptmerkmal gastrointestinale Polypen Polypen werden z. T. dominant vererbt und können maligne entarten. Hierzu gehören: 4 die Adenomatosis coli (familiärer Polyposis) und 4 Varianten der Adenomatosis coli: 5 Gardner-Syndrom 5 Turcot-Syndrom 5 Zanca-Syndrom 5 Wermer-Syndrom
979 29.5 · Benigne Tumoren
Hinzu gehören auch die juvenile Polyposis, das Peutz-JeghersSyndrom sowie das Cronkhite-Canada-Syndrom. Die familiäre Polyposis coli ist ein autosomal dominant vererbtes Leiden, bei der die gesamte Dickdarmschleimhaut beetartig mit Polypen ausgekleidet ist. Die maligne Entartung der adenomatösen Polypen ist nahezu obligat. Bis zum 30. Lebensjahr soll die Hälfte der Patienten an einem Malignom erkrankt sein. Die Diagnose muss deshalb bei den entsprechenden Symptomen wie blutigen Durchfällen, Schleimabgang und Tenesmen, früh und exakt gestellt werden, um einen rechtzeitigen operativen Eingriff zu ermöglichen. Auch die gesamte Verwandtschaft ist in die Untersuchungen einzubeziehen. Als Varianten der familiären Polyposis werden das Gardner-, Turcot- und Zanca-Syndrom betrachtet. Charakteristisch für das Gardner-Syndrom sind zusätzliche Hautveränderungen wie Fibrome, Lipome, Osteome und Desmoidtumoren. Auch Malignome (Fibrosarkome, Harnblasen-, Schilddrüsen- und NN-Karzinome) lassen sich finden. Ebenso finden sich meist vereinzelt Polypen in Magen, Duodenum und Jejunum. Das seltene Turcot-Syndrom stellt eine Kombination der familiären Polyposis mit Hirntumoren dar. Beim Zanca-Syndrom finden sich zusätzlich multiple kartilaginäre Exostosen und eine MEN. Die juvenile Polposis coli ist hingegen ein gutartiges Krankheitsbild bei Kindern. Mit zunehmendem Alter bilden sich die Polypen zurück. Das Leiden kann mit Missbildungen und Stoffwechselstörungen kombiniert sein. Schlechter dagegen ist die Prognose der generalisierten juvenilen Polyposis, bei der Magen, Dünn- und Dickdarm befallen sind. Das dominant vererbte Krankheitsbild ist gekennzeichnet durch ausgeprägte Ernährungstörungen im Sinne einer Malabsorption. Das Peutz-JeghersSyndrom weist ebenfalls multiple Polypen im gesamten Gastrointestinaltrakt auf. Zusätzlich finden sich bei diesem dominant vererbten Krankheitsbild Melaninpigmentflecken um den Mund sowie an den Unterarmen und Fingern. Durch die Polypen kommt es häufig zu Invaginationserscheinungen und Blutungen. Zudem liegt oft eine chronische Eisenmangelanämie vor. Eine maligne Entartung dieser harmatösen Polypen scheint seltener. Eine nichterbliche diffuse Polyposis liegt beim CronkhiteCanada-Syndrom vor, das 1955 erstmals von den Autoren beschrieben wurde. Der gesamte Gastrointestinaltrakt ist mit glasigen Polypen bedeckt. Massive Durchfälle bedingen einen erheblichen Eiweiß- und Elektrolytverlust, der sich klinisch meist nicht beheben lässt. Die Letalität ist hoch.
. Abb. 29.28. Familiäre Polyposis intestinalis. Darstellung des Dünndarms im Doppelkontrast nach Gabe von Barium und Luft. Multiple überwiegend kleinere Polypen kommen zur Darstellung (schwarze Pfeile) bei dieser Patientin mit familiärer Polyposis
Grundsätzlich gilt, dass jeder Magenpolyp endoskopisch abgeklärt werden sollte, um eine Malignität auszuschließen, Polypen >1 cm Größe werden in der Regel entfernt. Villöse Adenome kommen im Bereich des gesamten gastrointestinalen Trakts vor. Es handelt sich um echte Neoplasien. Villöse Adenome haben das höchste Risiko für eine maligne Entartung. Villöse Adenome im Bereich des Magens und Duodenums haben ein höheres Entartungsrisiko als entsprechende Läsionen im Bereich des Colon. Bei einer Größe von >4 cm sind 80% der villösen Adenome des Magens potenziell maligne, gegenüber 30–60% im Duodenum und nur 45% der Fälle im Colon. Für Polypen des Dünndarms gelten im Wesentlichen die gleichen radiographischen Kriterien wie beim Nachweis gastraler Polypen. Solitäre Polypen im Bereich des sonstigen Dünndarms sind allerdings selten. Multiple Polypen des Dünndarms stehen meist im Zusammenhang mit einer familiären Polyposis (. Abb. 29.28). Polypen im Bereich des Dickdarms sind hingegen häufiger. In den meisten Fällen lassen sich bei sorgfältiger Untersuchung mehrere Polypen nachweisen; bisweilen besteht eine entsprechende Familienanamnese. Dennoch spricht man von einer familiären Polyposis nur bei den Krankheitsbildern, bei denen die Darmschleimhaut von Polypen völlig übersät ist (. Abb. 29.29).
Bildgebung Radiographisch imponieren Polypen als scharf und glatt begrenzte Füllungsdefekte mit intraluminaler Wachstumstendenz. Sie sind rund, oval, breitbasig aufsitzend oder gestielt. Sie können wenige Millimeter bis einige Zentimeter groß sein. Bei einer Größe von >2 cm ist an Malignität zu denken (50% der Polypen >2 cm). Die wichtigste differenzialdiagnostische Erwägung betrifft das polypös wachsende Karzinom. Auch gastrale Metastasen und ein Lymphom kommen als Differenzialdiagnose in Betracht, hier z. B. das MALT-Lymphom (Mucosa-associated lymphoid tissue). Auch an gastrale Stromatumoren wie das Leiomyom ist zu denken. Computertomographisch sind Polypen zu erkennen, die größer als 1–2 cm sind.
Therapie Polypen werden in der Regel chirurgisch oder endoskopisch entfernt. Bei Polyposisformen mit hohem Entartungsrisiko im Bereich des Dickdarms wird oftmals eine prophylaktische Kolektomie in einem Alter von etwa 20 Jahren durchgeführt.
29.5
Benigne Tumoren
Definition, Ätiologie, Pathologie Benige, oftmals intramurale Tumoren des Gastrointestinaltrakts sind häufig nichtepithelialer Genese und gehören in die Rubrik
29
980
Kapitel 29 · Magen und Darm (Dünndarm, Dickdarm und Rektum)
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. Abb. 29.29. Familiäre Adenomatosis coli. Konventionelles Röntgenbild einer Kontrastpassage teilweise im Doppelkontrast. Die abgebildeten Teile des Colon sind mit multiplen, überwiegend kleinen Polypen übersät (schwarze Pfeile)
. Abb. 29.30. Magenlipom. CT des Abdomens mit oraler und i.v.-Kontrastierung bei einem Patienten mit einem ca. 3×4 cm großen Lipom, welches sich nahe dem Pylorus in das Magenlumen (M) vorwölbt (weiße Pfeile). Die Raumforderung hat homogen fett-äquivalente negative Dichtewerte
der gastrointestinalen Stromazelltumoren (GIST). Sie können eine oder mehrerer Elemente der Magen oder Darmwand enthalten. Oftmals sind Immunhistochemie oder elektronenmikroskopische Untersuchungen nötig, um spezifische Elemente der Muskelzellen (Leiomyom der Leiomyosarkom) oder auch neuroendokrine Elemente (Paragangliome, Neurofibrome oder Gastrinome) zu differenzieren. Seit einigen Jahren ist bekannt, dass bei diesen Weichgewebstumoren sehr häufig eine besondere Veränderung am Erbmaterial der Tumorzellen auftritt. Es handelt sich dabei um eine Veränderung (Mutation) an einem Gen mit dem Namen c-kit mit der Folge einer vermehrten Produktion eines Enzyms, welches das Tumorwachstum begünstigt. Auf der Basis histologischer Untersuchungen ist es schwierig zu unterscheiden, ob ein Stromazellltumor maligne oder benige ist, in der Regel wird hierzu die Anzahl der Mitosen pro Gesichtsfeld herangezogen (≥5 Mitosen = wahrscheinlich maligne). 70% aller GIST-Tumoren liegen im Magen und etwa drei Viertel davon sind benigne. GIST-Tumoren haben oftmals einen extramuralen bzw. extragastralen Wachstumsschwerpunkt und können sich in die Bauchhöhle auszubreiten. Die meisten Patienten haben keine Symptome und sind älter als 45 Jahre. Lipome des gastrointestinalen Trakts kommen gelegentlich vor (. Abb. 29.30). Hämangiome und Lymphangiome im Bereich des Verdauungstrakts sind äußerst selten.
zieller extraluminaler Anteil vorhanden ist. Stromazelltumor sind computertomographisch gut abbildbar, sofern sie >2 cm groß sind. Sie zeigen typischerweise eine gleichförmige Dichteverteilung ähnlich der Muscularis propria, ihr Erscheinungsbild allerdings ist sehr variabel. Die Expansion kann sowohl in den Magen hinein als auch nach extramural reichend. Die CT wird häufig vor chirurgischer Entfernung eingesetzt, um die Lagebeziehung zu den umliegenden Organen festzulegen. Zentrale Areale mit Blutungen oder Nekrosen sowie zystische Formationen kommen vor (. Abb. 29.31). Die wesentlichen Differenzialdiagnosen umfassen das Magenkarzinom, gastrale Metastasen oder ein Magenlymphom.
Therapie Etwa die Hälfte der gastrointestinalen Stromatumoren (GIST) ist bei Diagnosestellung lokal, d. h. auf einen Abschnitt des Verdauungstrakts begrenzt und somit einer Operation zugänglich. Die Prognose des GIST-Tumors ist nach Entfernung gut, sofern die Größe nicht >5 cm lag oder es zu einem Rezidiv kommt. Klassische Zytostatika, die bei anderen Weichgewebstumoren (Sarkomen) eine gute Wirksamkeit aufweisen, sind bei gastrointestinalen Stromatumoren (GIST) kaum wirksam. Gegeben werden kann das Medikament Imatinib, welches das tumorpermissive Enzym c-KIT hemmt und so das Wachstum des Tumors bremst.
Bildgebung Radiographisch ist die Artdiagnose der gutartigen Magen oder Darmtumoren nicht möglich. Die Tumoren unterschiedlicher Größe erscheinen radiographisch als Füllungsdefekt und können Ulzerationen aufweisen. Die Ulzerationen können so tiefreichend sein, dass divertikelähnliche Veränderungen im Röntgenbild sichtbar werden. Die radiographisch nachgewiesene Größe ist oftmals geringer als die wirkliche, da fast immer ein substan-
29.6
Maligne Tumoren
Magenkarzinom Definition, Ätiologie, Epidemiologie Das Adenokarzinom des Magens ist ein primär maligner Tumor der Mucosa. Als epitheliale Neoplasie entwickelt er sich häufig auf dem Boden einer intestinalen Metaplasie bei Patienten mit
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. Abb. 29.31. GIST-Tumor. CT des Abdomens mit oraler und i.v.-Kontrastierung bei einer Patientin mit ausgedehntem GIST-Tumor mit Schwerpunkt im Bereich der kleinen Kurvatur des Magens (weiße Pfeile). Die Magenwand zeigt eine Perforation mit KM-Übertritt in den Tumor (schwarze Pfeile)
. Abb. 29.32. Magenkarzinom. CT des Abdomens mit oraler und i.v.Kontrastierung bei einem Patienten mit ausgedehntem Magenkarzinom des Magenkorpus (lange weiße Pfeile) sowie einer Lymphkotenmetastase nahe dem Milzhilus (kurzer weißer Pfeil)
atrophischer Gastritis, häufig hervorgerufen durch Infektionen mit Helicobacter pylori. Zu weiteren Risikofaktoren gehören die perniziöse Anämie, ein Zustand nach partieller Gastrektomie (Billroth II), Rauchen sowie nitrat- oder nitritreiche Ernährung. Das Magenkarzinom ist nach dem Pankreaskarzinom und dem kolorektalen Karzinom der dritthäufigste gastrointestinale maligne Tumor. Es gibt die Tendenz einer zunehmenden Häufigkeit v. a. von Tumoren im Bereich des gastroösophagealen Übergangs und distalen Ösophagus. Histologisch unterscheidet man gut differenzierte Adenokarzinome und Siegelringzelltumoren sowie muzinöse und papilläre Subtypen. Der Tumor tritt im mittleren und höheren Lebensalter auf, Männer sind doppelt so häufig betroffen wie Frauen. Unabhängig von seiner Lokalisation und der Art der Therapie bleibt die Prognose schlecht. Die meisten Patienten haben zum Zeitpunkt der Präsentation bereits einen fortgeschrittenen Tumor und sind folglich primär keine Kandidaten für eine kurative Resektion. Neoadjuvante Therapiekonzepte können in einigen Fällen die Resektabilität verbessern.
Das ulzerierende Karzinom mit wallartigen Rändern und teils diffuser Ausbreitung ist wohl die häufigste Form, gefolgt von diffusen, beetartig infiltrierenden Tumortypen. Die Randkontur ist hier flächenhaft verändert, die Dehnbarkeit ist aufgehoben. Es kann zu einer mehr oder minder großen Schrumpfungskomponente mit Verkleinerung des Magens kommen. Eine besondere Form des infiltrierend wachsenden Karzinoms ist das szirrhöse Karzinom. Die so genannte Linitis plastica ist als Variante des Magenszirrhus zu betrachten; sie erscheint als eine gleichförmige Verdickung der gesamten Magenwand. Die Wand ist dann typischerweise zwischen 10 und 15 mm dick und nimmt in der Regel i.v.-Kontrastmittel auf. Die meisten Magenkarzinome, die in der CT gesehen werden, sind bereits durch andere diagnostische Verfahren gesichert. Ein Teil der Magenkarzinome tritt allerdings durch nichtgastrale Symptome wie Gelbsucht. Gewichtsverlust oder Leistungsknick in Erscheinung und kann daher primär in der CT gesehen werden. Wie bei jeder radiologischen Untersuchung im Bereich des Gastrointestinaltrakts hängt auch die Sensitivität der CT für die Detektion gastraler Tumoren erheblich vom Ausmaß der Magendistension und Kontrastierung zum Zeitpunkt der Untersuchung ab. Der gut distendierte Magen zeigt in der Regel reguläre, etwas dichtegeminderte Falten oder überhaupt keine Falten. Die Magenwand ist normalerweise zwischen 3 und 10 mm dick. Ein umschriebenes Areal von Wandverdickung oder eine Veränderung des normalen Faltenreliefs sind generelle Zeichen eines gastralen Neoplasmas (. Abb. 29.32). Die Kenntnis der möglichen Ausbreitungswege des Magenkarzinoms ist für ein akkurates Staging von Bedeutung. Das Magenkarzinom zeigt zum einen eine hämatogene Ausbreitung in Lunge und Leber, zum anderen eine direkte Expansion entlang der ligamentären Anbindungen, so z. B. entlang des gastrohepatischen Ligaments in die Leberpforte, entlang des gastrokolischen Ligaments oder weniger häufig entlang des Mesocolon transver-
Bildgebung Die konventionelle Röntgenuntersuchung hat mit der Entwicklung der Endoskopie weitgehend an Bedeutung verloren. Die im Zusammenhang mit der Doppelkontrastuntersuchung des Magens entwickelten Klassifikationen wie die BorrmannKlassifikation beim fortgeschrittenen Magenkarzinom sind kaum noch gebräuchlich. Zu den allgemeinen, so genannten klassischen radiographischen Zeichen des Magenkarzinoms gehören: 4 Füllungsdefekt 4 Wandstarre 4 Schleimhautfaltenabbruch 4 Ulzerationen
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sum. Auch eine Ausweitung in Richtung Milz über das gastrosplenische Ligament ist möglich. Insgesamt ist die CT wenig sensitiv für eine lokale Beteiligung angrenzender Organe oder regionaler Lymphknoten. Daraus folgt eine ebenfalls nur mäßige Genauigkeit zur Vorhersage der Resektabilität. Aus diesen Gründen wird die CT in der Regel v. a. zum Ausschluss von Fernmetastasen in Lunge, Leber oder Knochen durchgeführt. Ihr Einsatz für die Erfassung des Lokalbefundes ist nicht unumstritten. In der Regel kommt es zu einer regionalen Lymphknotenmetastasierung im Bereich der kleinen Kurvatur oder amTruncus coeliacus sowie zu einer diffusen intraperitonealen Ausbreitung. Eine peritoneale Karzinose ist besonders bei szirrhösen Karzinomen des Magens sehr häufig. Trotz einer weitreichenden Ausbreitung ist sie in der CT unter Umständen schwierig zu erkennen oder wenig eindrucksvoll. Eine Verdickung oder ein Kontrastmittel-Enhancement der peritonealem Überzüge im Bereich des Colon oder Dünndarms kann ein Hinweis auf eine peritoneale Aussaat sein, sofern keine eindeutigen peritonealen Tumorknoten oder Aszites vorhanden sind (. Abb. 29.33). Die MRT spielt für das Staging des Magenkarzinoms keine größere Rolle.
. Abb. 29.33. Magenkarzinom und Peritonealkarzinose. CT des Abdomens mit oraler und i.v.-Kontrastierung bei einem Patienten mit Magenkarzinom und Peritonealkarzinose. Neben dem deutlichen auch perihepatischen Aszites (A) erkennt man eine KM-aufnehmende Verdickung des Peritoneums als Ausdruck der Peritonealkarzinose (weiße Pfeile) sowie einen größeren Tumorknoten unter der ventralen Bauchdecke (schwarzer Pfeil)
Therapie Die Therapie besteht in der Regel aus einer Teil- oder Komplettresektion oder aus einer transhiatal erweiterten Gastrektomie im Falle eines Tumors am gastroösophagealen Übergang. Zum Einsatz kommen außerdem adjuvante oder neoadjuvanter Chemotherapie-Konzepte.
Gastrales Lymphom Definition, Pathogenese Gastrointestinale Lymphome kommen am häufigsten im Bereich des Magens vor. Sie entwickeln sich in der Lamina submucosa und lassen die Muscularis und Schleimhautoberfläche lange intakt. In der Regel handelt es sich um Non-Hodgkin-Lymphome vom diffus großzelligen oder histiozytären Typ; auch MALTLymphome kommen vor. Eine Obstruktion des Lumens ist verglichen mit dem Magenkarzinom seltener.
Bildgebung Radiographisch findet sich eine Verdickung der Schleimhautfalten bis zu großen Wulstungen (. Abb. 29.34). Die Wandelastizität und Peristaltik bleiben weitgehend erhalten. Computertomographisch ist eine diffuse oder umschriebene Wandverdickung mit verstrichenen Falten hinweisend auf ein gastrales Lymphom. Es findet sich, wenn überhaupt, ein nur geringes Enhancement nach Gabe von i.v.-Kontrastmittel. Die Mehrzahl der Patienten hat zusätzlich eine lokoregionäre Lymphadenopathie. Einige Patienten haben eine begleitende retroperitoneale Lymphadenopathie.
Therapie Therapeutisch kommt prinzipiell eine Chemotherapie allein oder in Kombination mit der operativen Entfernung des Magens in Betracht. Die Magenwandverdickung ist in der Regel unter Chemotherapie rückläufig. Es können computertomographisch persistierende nicht distendierbare Areale des Magens in ehe-
. Abb. 29.34. Magenlymphom. CT des Abdomens mit oraler und i.v.Kontrastierung bei einem Patienten mit Lymphom des Magens erkennbar an einer großkurvaturseitigen Verdickung der Magenwand (weißer Pfeil). Es bestehen zusätzlich größere Tumormassen in der kleinen Kurvatur (schwarze Pfeile) sowie eine hepatischer Befall (H), perihepatischer Aszites (A) und eine Splenomegalie (S)
mals betroffenen Bereichen oder auch eine vollständige Restitution beobachtet werden.
Gastrales Sarkom Sarkome des Magens gehören zu den selten Magentumoren. Die Häufigkeit wird mit 1–5% aller Magentumoren angegeben. Es kann prinzipiell jede Form von Sarkom vorkommen. Stromazellsarkome haben in der Regel ihren Ausgang von glatten Muskelzellen (Leiomyosarkome). Bildgebung. Während die meisten anderen Sarkome radiogra-
phisch schwierig voneinander unterscheidbar sind, kann das
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Leiomyosarkom Kalzifikationen beinhalten, die auch übersichtsradiographisch erkennbar sind. In der CT können neben den Kalzifikationen auch irreguläre Areale mit geringen Dichtewerten bzw. Nekrosen vorliegen. Ulzerationen bei gastralen Sarkomen kommen vor oder auch Exkavationen, die mit dem gastralen Lumen kommunizieren. Eine direkte Infiltration umliegender Organe sowie Lebermetastasen können gelegentlich beobachtet werden.
Gastrale Metastasen Eine hämatogene Metastasierung in den Magen ist insgesamt nicht sehr häufig. Es kommen in erster Linie das Melanom, Mammakarzinom, bronchiale Karzinome, aber auch eine Reihe anderer Tumoren in Betracht. Es finden sich runde submuköse Knoten, die nur bei gut distendiertem Magen zu erkennen sind. Bis zu 5% der Patientinnen mit Mammakarzinom entwickeln Metastasen im Bereich des Magens. Diese bieten häufig das Bild einer Linitis plastica.
Maligne Dünndarmtumoren Tumoren des Dünndarms umfassen Adenokarzinome, Karzinoide, Leiomyosarkome, Lymphome und selten auch metastatische Absiedlungen. Dünndarmtumoren sind insgesamt selten. Die Angaben in der Literatur über die Häufigkeit schwanken auch, weil ein großer Teil der benignen Neoplasien zeitlebens asymptomatisch bleibt. Auf den Dünndarm entfallen wohl kaum mehr als 1% aller bösartigen Tumoren des Gastrointestinaltrakts. Bildgebung. Die radiographische Diagnose von Dünndarmtu-
moren ist schwierig. Konventionelle Methoden zeigen eine hohe Quote falsch negativer Befunde.
Karzinoide Definition, Pathologie, Klinik Karzinoide gehören zu den häufigsten primären Neubildungen im Bereich des Dünndarms. Dieser Tumor entsteht aus den enterochromaffinen Zellen im Bereich der Submucosa, vornehmlich im distalen Ileum (. Abb. 29.35). Der Tumor ist potenziell in der Lage, vasoaktive Amine zu produzieren, die typische Symptome wie Flush, Kopfschmerzen und Durchfälle sowie Erbrechen hervorrufen. Symptome sind in der Regel an die Zirkulation von sekretorischen Faktoren wie Serotonin, Histamin, Dopamin sowie vasoaktives intestinales Peptid gebunden und treten im Allgemeinen erst nach einer hepatischen Metastasierung auf. Eine Obstruktion und gastrointestinale Blutungen können als lokale Komplikationen auftreten.
Bildgebung Das Karzinoid ist ein langsam wachsender Tumor. Obgleich Tumoren mit einem Durchmesser von >5 cm gelegentlich vorkommen, ist das Karzinoid oftmals klein genug, auch der Erfassung mittels CT zu entgehen. Kleinere Tumoren sind in der Regel nur bei optimaler Konstrastierung des betreffenden Darmabschnitts nachweisbar. Multiple Dünndarmkarzinoide kommen in etwa einem Viertel der Fälle vor. 85% aller Karzinoide entstehen im Bereich des Gastrointestinaltrakts, 50% hiervon im Bereich der Appendix.
. Abb. 29.35. Karzinoid. Konventionelle Kontrastuntersuchung des Dünndarms mit einem Füllungsdefekt im Bereich des Ileums als Korrelat für ein gesichertes Karzinoid (schwarze Pfeile) etwa 4–5 cm oral der Einmündung des terminalen Ileums (T)
90% der Karzinoide des Dünndarms sind im distalen Ileum lokalisiert. Die Tendenz zur Metastasierung ist abhängig vom Sitz des Primärtumors. Mit einer Metastasierung ist in etwa der Hälfte der Fälle zu rechnen, hier ist neben den mesenterialen Lymphknoten die Leber betroffen. Radiographisch können Verkalkungen v. a. in den mesenterialen Absiedlungen vorkommen. Bei ausgedehnter Lymphadenopathie paraaortal oder parakaval kann der Eindruck eines Lymphoms entstehen. Im nativen Übersichtsbild sind gelegentlich ovale oder runde Kalzifikationen zu erkennen, die sich wegen ihrer regelmäßigen Begrenzung von postspezifischen Veränderungen unterscheiden lassen. Bei der Dünndarmpassage kann der intraluminale Primärtumor als Füllungsdefekt mit Schrumpfung des Darms und Wandstarre nachgewiesen werden. Die CT zeigt einen submukösen, solitären oder multifokalen Tumor mit in der Regel relativ scharfer Begrenzung. Eine mesenteriale Tumorextension ist in der Regel vorhanden. Eine CT-Angiographie kann sinnvoll sein, um die Lagebeziehung zu den großen Gefäßen zu zeigen. Metastatische Absiedlungen im Bereich der Leber sind in der Regel in der spätarteriellen Phase hypervaskularisiert und sind sowohl angiographisch wie auch computertomographisch nachweisbar. Die CT sollte daher Aufnahmen in spätarterieller und portalvenöser Phase umfassen. Die Läsionen können in der portalvenösen Phase iso- oder auch hypodens erscheinen. MR-tomographisch handelt es sich um einen in der T1 Wichtung Muskel-isointensen und in der T2-Wichtung hyperintensen Tumor mit homogenem Kontrastmittel-Enhancement. Die Lebermetastasen zeigen in der arteriellen Phase in der Regel ein homogenes Kontrastmittel-Enhancement. Es kann auch ein ringförmiges Enhancement mit einer Auffüllung in den späten Bildern gefunden werden. Zu den Differenzialdiagnosen gehören Metastasen des Dünndarms sowie ein Lymphombefall. Auch ein Dermoidtumor ist auszuschließen.
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Therapie Die Behandlung besteht in einer chirurgischen Resektion. Etabliert ist auch eine Therapie mit Octreotiden (Somatostatinrezeptoranaloga). Diese werden auch bei konventionellen szintigraphischen Verfahren (In111-Octreotid) oder bei der PET (Ga67Octreotid) diagnostisch verwendet.
Adenokarzinome des Dünndarms Epidemiologie, Pathogenese, Klinik
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Adenokarzinome des Dünndarms kommen vorwiegend im Duodenum und Jejunum, selten im Ileum vor. Der Häufigkeitsgipfel liegt zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr. Man unterscheidet morphologisch polypös-papilläre von ulzerierenden sowie schleimbildenden Formen. Die klinischen Symptome treten spät auf und sind uncharakteristisch: Inappetenz, Übelkeit, Anämie, Gewichtsverlust sowie unklare abdominelle Schmerzen können vorkommen. Komplikationen sind gastrointestinale Blutungen und Obstruktion.
Bildgebung Je nach Morphologie können bei der Magen-Darm-Passage Defekte im Schleimhautrelief, Engstellungen des Lumens, evtl. mit prästenotischer Dilatation sowie ulkusähnliche Füllungsdefekte im Vordergrund stehen. Eine gute Beurteilung der Tumorausdehnung ergibt sich bei der Doppelkontrastmethode nach Sellink. Differenzialdiagnostisch ist das Karzinom nicht immer sicher von anderen malignen Tumoren abgrenzbar. Hinweise können die Lokalisation im Duodenum und Jejunum und das Alter geben. Da der Ausgangspunkt des Tumors die Mucosa ist, wird man häufiger Schleimhautdefekte und eine intraluminale Ausdehnung als beim Sarkom finden. Zu den weiteren Differenzialdiagnosen gehört der Morbus Crohn. Eine regionale Lymphknotenvergrößerung kann nachgewiesen werden, eine distante Metastasierung ist allerdings zum Zeitpunkt der initialen Präsentation wiederum ungewöhnlich.
Leiomyosarkom des Dünndarms Leiomyosarkome gehören zu den häufigsten mesodermalen malignen Neoplasien, die den Dünndarm betreffen können. Der Tumor hat die Tendenz, sich von der Submucosa radial vom Lumen weg zu entwickeln und sich über das Mesenterium oder den peritonealen Raum hinaus auszudehnen. Hämatogene Metastasen finden sich in der Regel in der Leber, sie sind charakteristischerweise von zystischer Gestalt. Leiomyosarkome können unter Umständen eine beträchtliche Größe erreichen, ohne Symptome zu produzieren. Bildgebung. Sie sind als umschriebene Raumforderung oftmals von ovaler Gestalt. Gelegentlich können sie Kalzifikationen aufweisen. In der MRT haben sie ein muskelähnliches Erscheinungsbild.
Dünndarmmetastasen Metastasen des Dünndarms sind wahrscheinlich häufiger als sie bildmorphologisch erfasst werden. Sie kommen v. a. beim Bronchialkarzinom oder malignem Melanom vor und erscheinen als
fokale rundliche Raumforderungen, die sich in das Lumen vorwölben. Mit weiterem Wachstum können sie eine exophytische oder anuläre Gestalt annehmen.
Kolon- und Rektumkarzinom Epidemiologie, Pathogenese Das kolorektale Karzinom ist in den westlichen Industrieländern weit verbreitet und stellt bei Frauen die zweithäufigste und bei Männern die dritthäufigste maligne Neoplasie dar. Der Altersgipfel findet sich zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr, wobei Frauen und Männer etwa gleich häufig betroffen sind. Viele kolorektale Tumoren entwickeln sich auf dem Boden von Polypen, was die Wichtigkeit der sekundären Prävention unterstreicht. Wegen der relativ späten Entwicklung von Symptomen zeigen die meisten Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose einen wandüberschreitenden Tumor. Etwa 25% der Patienten haben bereits initial ein metastasiertes Tumorleiden. Die Hauptlokalisation des Tumors ist mit etwa 40% das Rektum; Sigmoid und Caecum sind die nächst häufigen Lokalisationen. Die Neigung zum Lokalrezidiv scheint im Colon von proximal nach distal zuzunehmen. Histologisch handelt es sich in der Regel um ein Adenokarzinom (90–95%).
Prognose, Klassifikation Die relative 5-Jahres-Überlebensrate hat sich in den letzten Jahrzehnten kaum verändert und liegt im Mittel bei 50%. Je nach Stadium schwankt die Überlebensrate erheblich zwischen 90% bei einem Tumor, der auf die Mucosa beschränkt bleibt (Dukes A) und nur 10% bei einem wandüberschreitenden Karzinom mit Fernmetastasen (Dukes D). Entscheidend für die Prognose der Patienten ist neben dem Fehlen einer Fernmetastasierung insbesondere eine komplette chirurgische Entfernung des Tumors. Die Wahrscheinlichkeit für eine R0-Resektion und damit auch eines Lokalrezidivs korreliert wiederum mit dem Vorhandensein bzw. der Ausdehnung der Wandüberschreitung. Entsprechend hat der lokale Ausbreitungsstatus als wichtiges Kriterium in die gebräuchliche Staging-Klassifikation sowohl nach Dukes als auch in das TNM-System Eingang gefunden. Es gibt inzwischen zahlreiche Varianten dieser Klassifikationen, die als wesentliche weitere Kriterien den Lymphknotenstatus, die Infiltration umliegender Organe und eine Fernmetastasierung beinhalten (. Tab. 29.3, . Tab. 29.4).
Bildgebung Die initiale Detektion des kolorektalen Karzinoms ist eine Domäne der endoskopischen Verfahren und hat die konventionelle Doppelkontrastuntersuchung mit Barium in westlichen Ländern zum großen Teil abgelöst. Seit einiger Zeit finden endoskopisch gestützte Ultraschalluntersuchungen für die Festlegung der lokalen Tumorausbreitung v. a. beim Rektumkarzinom Verwendung. Die normale Rektumwand ist etwa 2–3 mm dick und sonographisch sind in der Regel mindestens 5 Wandschichten differenzierbar. Karzinome sind sonographisch in der Regel echoarm. Im Falle einer Infiltration der Muscularis propria ist eine Ausdehnung der echoarmen Läsion in das echoreiche perirektale Fettgewebe mit und ohne peritumorale Lymphknoten charakteristisch. Eine Überschätzung der Tumorausbreitung in das peri-
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. Tab. 29.3. Staging des Kolonkarzinoms
Modifiziertes Stadium
Tumorausbreitung
Carcinoma in situ
Tumor überschreitet nicht die Muscularis mucosae
Stadium A
Tumor infiltriert die Submucosa
Stadium B 1
Tumor infiltriert die Muscularis propria, ohne sie zu überschreiten
Stadium B 2
Tumor infiltriert der Serosa oder das perikolische Fettgewebes; keine Lymphknotenmetastasen
Stadium C
Regionale Lymphknotenmetastasen vorhanden
Stadium D
Fernmetastasen
modifiziert nach Dukes 1932
. Tab. 29.4. Staging des Rektumkarzinoms
AstlerColler
TNM
Tumorausbreitung
Stadium A
T1 N0 M0
Tumor ist auf die Mucosa und Submucosa begrenzt, keine Lymphknotenmetastasen
Stadium B 1
T2 N0 M0
Tumor erreicht die Muscularis propria,ohne sie zu überschreiten, keine Lymphknotenmetastasen
Stadium B 2
T3 N0 M0
Infiltration des perirektalen Fettgewebes, keine Lymphknotenmetastasen
Stadium C 1
T2 N1 M0
Tumor auf die Rektumwand begrenzt, Lymphknotenmetastasen vorhanden
Stadium C 2
T3 N1 M0
Infiltration des perirektalen Fettgewebes, Lymphknotenmetastasen vorhanden
Stadium D
M1
Fernmetastasen
Modifiziert nach Dukes 1932; Astler-Coller 1954, Manual for Staging of Cancer 1987
rektale Fettgewebe kann ähnlich wie bei den anderen bildgebenden Verfahren durch eine peritumorale Fibrose bzw. durch desmoplastische Reaktionen verursacht sein. Die Genauigkeit des EUS ist wahrscheinlich bei kleinen Tumoren der CT und MRT überlegen. Die Nachteile sind eine höhere Untersucherabhängigkeit, die nur mäßige Beurteilbarkeit der umliegenden Strukturen und möglicher befallener Lymphknoten sowie Probleme bei stenosierenden Tumoren. Die CT hat eine wichtige Rolle beim Staging kolorektaler Tumoren. Sie dient in erster Linie der Erfassung der extraluminalen Tumorausbreitung sowie dem Ausschluss von Fernmetastasen v. a. in Leber oder Lunge und weniger der Erfassung der Ausbreitung innerhalb der Darmwand. Neuere Methoden wie die virtuelle Endoskopie nach entsprechender Reinigung des Darms, in-
. Abb. 29.36. Kolonkarzinom. Konventionelles Bild eines KM-Einlaufs mit einem wasserlöslichen KM in Monokontrasttechnik. Es zeigt eine »apfelbutzen«-artige Kontrastaussparung bzw. hochgradige Einengung des Lumens auf einer Strecke von etwa 7 cm mit dem typischen Aspekt eines Karzinoms im Colon descendens (weiße Pfeile)
traluminaler und i.v.-Kontrastierung sowie dünnen Schichtserien mit entsprechenden Nachbearbeitungen stellen möglicherweise eine Alternative zur etablierten Koloskopie als Screeningmethode dar. Die Sensitivität für Läsionen von <1 cm Größe ist allerdings bislang eingeschränkt. Mit Entwicklung der Multislice-Technik hat auch die CT als morphologisches Verfahren das Potenzial für eine exakte Festlegung der Tumorausdehnung. Kolorektale Tumoren stellen sich in der Regel als zirkuläre oder exzentrische Verdickung der Darmwand dar, die auch konventionell radiographisch gut erfassbar ist (. Abb. 29.36, . Abb. 29.37). Lokale Lymphknotenvergrößerungen oder eine Infiltration des parakolischen Fetts können vorhanden sein. Ein ähnliches Aussehen kann jedoch unter Umständen auch bei entzündlichen Veränderungen, z. B. bei einer Divertikulitis oder Appendizitis einen Tumor vortäuschen. Ein einzelnes Kriterium zur Differenzierung von Tumor und Entzündung im Bereich des Colon gibt es nicht. Beim Kolonkontrasteinlauf kann die Gabe von Methylscopolamin sinnvoll sein, um eine fixierte Tumorstenose von einer entzündlichen, nur teilfixierten Stenose zu unterscheiden. In wieweit beim Rektumkarzinom zur Therapieplanung die lokale Ausbreitung des Tumors besser mittels MRT festgelegt wird, ist eine Frage, die im Vergleich mit der modernen Multislice-CT noch nicht abschließend geklärt ist. Mit der Einführung der MRT stand erstmalig ein Verfahren zur Verfügung, welches ohne Verwendung ionisierender Strahlen eine multiplanare Bildgebung mit einem hohen Weichteilkontrast ermöglichte. Für das Staging des Kolonkarzinoms spielt die MRT wohl bislang keine größere Rolle; in letzter Zeit besteht Interesse an der virtuellen Koloskopie als alternatives Sceeningverfahren. Es gelten hierfür im Wesentlichen dieselben Limitationen wie für die virtuellen Darstellungen mittels CT.
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Kapitel 29 · Magen und Darm (Dünndarm, Dickdarm und Rektum)
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. Abb. 29.37. Kolonkarzinom. Im Rahmen einer virtuellen Kolonoskopie angefertigte CT in Rückenlage nach i.v.-Kontrastierung und retrograder Gabe von Luft über ein Darmrohr. Man erkennt einen etwas exzentrisch gelegenen Tumor des Colon sigmoideum mit einer Wandverdickung von etwa 6 mm und mäßiger Einengung des Lumens
. Abb. 29.38. Rektumkarzinom. T2w-gewichtete MR-Sequenz des Beckens in transversaler Schichtführung bei einem Patienten mit Rektumkarzinom im mittleren Rektumdrittel. Man erkennt einen linksexzentrischen Tumor, der die Rektumwand mit hoher Wahrscheinlichkeit in das mesorektale Fettgewebe überschreitet (T3-Tumor, weiße Pfeile). In der rechten Zirkumferenz ist die äußere Muscularis propria erhalten und als dunkleres Band abgrenzbar (langer schwarzer Pfeil). Es finden sich zudem kleinere Tumorabsiedlungen im mesorektalen Fettgewebe (kurze schwarze Pfeile)
. Abb. 29.39. Rektumkarzinom. T2w-gewichtete MR-Sequenz des Beckens in transversaler Schichtführung bei einem Patienten mit Rektumkarzinom am Übergang vom mittleren zum unteren Rektumdrittel (R: Rektumlumen, P: Prostata). Die mesorektale Faszie als potenzielle Resektionsgrenze bei der totalen mesorektalen Exzision (TME) ist als dünne dunkle Linie abgrenzbar (weiße Pfeile). Man erkennt einen Tumor an der rechten Zirkumferenz des Rektums, der die Wand in das mesorektale Fettgewebe überschreitet (Stadium T3) (lange schwarze Pfeile). Zusätzlich und ohne Kontinuität zum Primärtumor finden sich multiple Tumorknoten, die das Niveau der mesorektalen Faszie erreichen, teilweise auch überschreiten (kurze schwarze Pfeile). Das Risiko für einen positiven Resektionsrand ist daher erhöht
Es werden in der Regel auch sagittale T2w-Schnittbilder als zweite Ebene akquiriert. Für einen Vorteil von kontrastgestützten Bildern gegenüber dünnen T2-gewichteten Bildern gibt es keine eindeutigen Belege. Im Hinblick auf das Rektumkarzinom haben neuere Untersuchungen eine gute Korrelation zwischen der Wahrscheinlichkeit von tumorfreien Resektionsrändern und dem Abstand des Tumors zur mesorektalen Faszie mithilfe dünner T2w-Schichtserien gezeigt. Letztere ist bei der kontinenzerhaltenden totalen mesorektalen Exzision (TME) die anzustrebende Grenze des Resektionskompartiments. Ein tumorbefallener Resektionsrand resultiert in einer schlechteren Prognose und lässt sich mittels MRT mit guter Wahrscheinlichkeit vorhersagen (. Abb. 29.39).
Therapie Die MRT des Rektums wird heute mittels Phased-arraySpulen oder endorektalen Spulen durchgeführt. Dünne (3 mm) T2w-Bilder werden in der Regel zur Erfassung der Tumorausbreitung herangezogen und senkrecht auf der z-Achse des Tumors geplant. Eine möglichst gute Auflösung ist anzustreben, um die Ausbreitung des Tumors festzulegen, da die innere Muscularis propria eine nahezu identische Signalintensität in der T2w aufweist. Die äußere längsverlaufende Muscularis hat in der Regel im Vergleich zum Tumor ein etwas geringeres Signal (. Abb. 29.38).
Ist nach klinischem Staging (rektal-digitale Untersuchung, Rektoskopie, Endosonographie und Becken-CT oder Becken-MRT) ein T3- oder T4-Tumor nachgewiesen oder besteht der Verdacht auf Lymphknotenmetastasen bei beliebigem Tumorstadium (c M0), wird der Patient zu einer neoadjuvanten Radiochemotherapie überwiesen. Es stehen als operative Verfahren prinzipiell die lokale Vollwandexzision, die kontinzenerhaltende anteriore Rektumresektion und die abdomino-perineale Rektumamputation (Miles-Operation) zur Verfügung. Die Entscheidung zum Kotinenzerhalt kann oftmals erst intraoperativ getroffen werden, die onkologische Radikalität ist vorrangig.
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Traumatische Veränderungen
Mesenteriales Trauma Definition, Epidemiologie Die traumatische Verletzung des Mesenteriums ist häufig mit einer Darmverletzung assoziiert; Verletzungen des Dünndarms sind hierbei 5-mal häufiger als eine Verletzung des Dickdarms. Die Diagnose wird in der Regel computertomographisch gestellt.
Bildgebung Die besten diagnostischen Hinweise umfassen eine mesenteriale Einblutung, eine fokale Verdickung der Darmwand sowie freie abdominelle Flüssigkeit. Besteht der Verdacht auf eine abdominelle Blutung, ist eine spätarterielle CT-Phase anzuraten, bei der ein Kontrastmittel-Austritt ins Mesenterium direkt nachgewiesen werden kann. Bei einer zusätzlichen Verletzung des Darms können außerdem freie abdominelle Luft nachgewiesen werden. Bei einem traumatischen Abriss der Mesenterialwurzel verursacht die Unterbrechung der Gefäßversorgung relativ rasch ein Hämoperitoneums sowie eine Nekrose der abhängigen Darmabschnitte.
Therapie In der Regel besteht die Therapie aus einer chirurgischen Sanierung, insbesondere dann, wenn eine aktive Blutung besteht. Eine konservative Therapie kommt bei einem isolierten mesenterialen Hämatom ohne Perforation der Darmwand in Betracht.
Zwerchfellruptur Ätiologie Unterschiedliche Mechanismen können zu einer traumatischen Zwerchfellruptur führen. Hierzu gehören abdominaler Überdruck, Rissbildungen des Zwerchfells im Bereich von Rippenfrakturen oder Aufspießung des Zwerchfells durch einen Rippenstumpf. Klinischer Hinweis für eine mögliche Ruptur ist stets die Atemnot. Häufig liegen thorako-abdominale Kombinationsverletzungen vor. Zu 90% ist das linke Zwerchfell betroffen. Je größer der Riss, umso schneller können abdominelle Organe in den Thoraxraum eintreten, Herz und Mediastinum können nach rechts verlagert sein. Ist der Magen in den Thorax übergetreten, kann die Formixkontur als Zwerchfellhochstand fehlgedeutet werden.
Bildgebung Konventionell-radiographisch lässt sich die Diagnose durch Kontrastmittelgabe sichern. In der Regel wird aber wohl eine CT bei schwerer traumatisierten Patienten zur Anwendung kommen. Eine Hernierung von Dünndarm durch die Zwerchfelllücke ergibt ein netzartiges Muster in der Übersichtsaufnahme; Dickdarmanteile lassen sich mithilfe eines Kontrasteinlaufs nachweisen. In der CT lassen sich die entsprechenden Darmanteile in der Regel leicht differenzieren. Schwierigkeiten hinsichtlich der korrekten Diagnose können auftreten, wenn die Rupturstelle nicht eindeutig dargestellt werden kann oder wenn prolabierte Viszera oder Hohlorgane gleichzeitig rupturiert sind. Die mit der modernen Multislice-CT möglichen koronaren und sa-
. Abb. 29.40. Zwerchfellruptur. Koronare Reformation einer CT nach oraler und i.v.-Kontrastierung. Es findet sich nach länger zurückliegendem Trauma eine Ruptur bzw. Lücke im linken Zwerchfell (schwarze Pfeile) mit der Folge eines Enterothorax. Der Magen (M), die linke Kolonflexur (K) sowie Teile des Pankreas (P) sind nach intrathorakal disloziert. Die Milz hingegen ist infradiaphragmal verblieben
gittalen Reformationen können eine wichtige Hilfe bieten und die Darstellung der Zwerchfelllücke oder des Einrisses erleichtern (. Abb. 29.40). Der innerhalb kurzer Zeit auftretende reaktive Pleurarerguss kann konventionell-radiographisch die Differenzierung prolabierter Organe erschweren. In der CT kann direkt die Diskontinuität des Diaphragmas nachgewiesen werden. Die MRT ist ebenfalls sehr genau zur Erfassung von Zwerchfelllücken, sie ist jedoch bei frisch traumatisierten Patienten nur eingeschränkt anwendbar. Zu differenzieren ist eine vorbestehende Zwerchfelllücke (kongenitales Foramen Bochdalek mit fehlender Okklusion der pleuroperikardialen Membran in der 9. Gestationswoche oder ein kongenitales Foramen Morgagni durch einen anteromedialen parasternalen Defekt des Diaphragmas) oder ein hypoplastisches Diaphragma. Eine vorbestehende diaphragmale Paralyse kann v. a. übersichtsradiographisch eine Ruptur vortäuschen.
Therapie Die Therapie besteht aus einer operativen Reposition und Übernähung des Diaphragmas. Eine verspätete Diagnose oder operative Korrektur ist mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität assoziiert, sofern eine viszerale Herniation und Strangulation vorliegen.
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Kapitel 29 · Magen und Darm (Dünndarm, Dickdarm und Rektum)
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a
b
. Abb. 29.41a, b. Dünndarmileus. a Konventionelle Abdomenübersicht im Stehen. Mehrere stehende Dünndarmschlingen mit Spiegelbildung im Oberbauch sowie weitere kleinere Spiegel über das gesamte Abdomen verteilt; ein wenig Luft sowie Stuhl im Colon ascendens. Bild eines wahrscheinlich mechanischen Ileus. b Koronare Reformation einer CT nach oraler und i.v.-Kontrastierung. Es finden sich überwiegend distendierte und mit Flüssigkeit gefüllte Dünndarmschlingen im gesamten Abdomen (weiße Pfeile).
Es zeigen sich allerdings im Bereich des rechten Unterbauchs nahe dem terminalen Ileum auch kollabierte/normale Dünndarmanteile (kurzer schwarzer Pfeil). Der wahrscheinliche Kalibersprung (langer schwarzer Pfeil) ist letztlich nur unter Betrachtung aller Schichten erkennbar und zu Operationsplanung auf den rechten Unterbauch festzulegen (schwarzer Pfeil). Operativ bestand eine Bride nach Appendektomie
Sonstige gastrointestinale Erkrankungen
Krankenhauseinweisung unter der Diagnose eines akuten Abdomens. Der Dünndarmileus mit oft akutem Verlauf ist letztlich 4- bis 5-mal so häufig wie ein Dickdarmileus mit eher subakutem oder chronischem Verlauf.
29.8
Ileus Ätiologie, Pathogenese, Klinik Die pathologische Luftansammlung im Darm ist gebunden an das Schlucken von Luft und an das Vorhandensein einer Passagestörung. Hierbei kommen mechanische Obstruktion oder Verschluss oder eine fehlende Peristaltik im Rahmen einer lokalen oder allgemeinen Darmatonie in Betracht. Wenn der Transport der gastrointestinalen Flüssigkeit zum Ileum oder Colon ascendens als Hauptresorptionszonen des Darms verlangsamt oder verhindert wird, resultiert zwangsläufig eine Ansammlung von Flüssigkeit im Darm. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Erscheinungsformen variieren die Symptome von mäßigen Bauchschmerzen über Erbrechen, Obstipation, Fieber bis zum überblähten Abdomen mit oder ohne Abwehrspannung. Beim mechanischen Ileus ist hinsichtlich der Genese und auch Prognose der Ileus durch eine Strangulation (closed-loop Obstruktion) zu unterscheiden. Hier besteht nicht nur einen Passagestopp, sondern die Darmschlinge ist an beiden Enden verlegt, wobei die Mesenterialgefäße mitbetroffen und eine Verminderung der Blutzufuhr die Folge sein können. Der mechanische Ileus ist häufig die Folge von Verwachsungen (Briden, Adhäsionen) nach operativen Eingriffen im Bauchraum oder tritt in der Folge einer Hernie auf (bis zu 80%); letztlich seltener durch einen okkludierenden Tumor. Der Ileus ist eine häufige Ursache für die
Bildgebung Das Resultat der Gas- und Flüssigkeitsansammlung beim Ileus ist die Spiegelbildung, die im Allgemeinen nach 3–6 h radiographisch nachgewiesen werden kann. In der Regel tritt die pathologische Gasansammlung vor der Flüssigkeitsansammlung in Erscheinung, da letztere durch die Gasansammlung stimuliert werden kann. Diese zeitliche Differenz ist beim paralytischen Ileus oft eindrucksvoller als bei mechanischen, weil hier eine frühzeitige Steigerung der Sekretion durch Tonuserhöhung der Darmwand auftreten kann. Neben dem klassischen Abdomenübersichtsbild im Stehen und/oder Linksseitenlage kommt zur Differenzierung der möglichen Ursachen v. a. die CT zum Einsatz. Nicht selten kann unter Einbeziehung von qualitativ guten koronaren oder sagittalen Reformationen der Ort eines Kalibersprungs festgelegt werden, ohne dass in der Regel die Bride selbst nachweisbar ist (. Abb. 29.41). Im Allgemeinen ist eine Dilatation von Dünndarmschlingen >2,5 cm als obstruktiv zu bezeichnen. Es besteht keine generelle Indikation zur oralen Kontrastmittelgabe. Nicht selten zeigt sich ein Ileusbild in der Folge anderer Erkrankungen des Bauchraums. Der reflektorische oder paraly-
989 29.8 · Sonstige gastrointestinale Erkrankungen
tische Ileus stellt letztendlich den größten Anteil aller Ileusfälle.
Man findet Spiegelbildungen im terminalen Ileum bei der Appendizitis ebenso wie bei der Pankreatitis. Bei Letzterer sagt jedoch das Fehlen von Spiegeln nichts über die Schwere der Ileussituation aus, da eine ausgeprägte Sekretion als Voraussetzung für manifeste Spiegel bei der Pankreatitis fehlen kann. Differenzialdiagnostisch kommen diffuse Spiegelbildungen auch bei diabetischer Azidose oder in der Folge eines Herzinfarkts, bei retroperitonealen Prozessen sowie im Rahmen einer Gastroenteritis vor. Die Enterokolitis verursacht klassischerweise über das gesamte Abdomen verteilte kleinere Spiegel. Nicht selten ist der paralytische lleus Folge einer Peritonealkarzinose.
Therapie Die Therapie besteht aus der Nahrungskarenz, i.v.-Flüssigkeitsgabe sowie entlastender Magensonde. Eine inkomplette Obstruktion kann konservativ behandelt werden, während eine komplette oder akute Obstruktion in der Regel eine sofortige operative Intervention erfordert. Eine verzögerte Operation ist mit einer erhöhten Mortalitätsrate vergesellschaftet. Eine nicht behandelte Strangulation verläuft fast immer letal. > Man muss sich jedoch darüber im Klaren sein, dass eine Unterscheidung zwischen einer partiellen oder kompletten Obstruktion auf der Basis von Bildgebung allein oftmals schwierig ist. Ist das Geschehen nicht akut, kann eine MDP mit wasserlöslichem Kontrastmittel zur Differenzierung versucht werden.
. Abb. 29.42. Invagination. Kolonkontrasteinlauf mit einem wasserlöslichen KM bei einem Patienten nach Pankreaslinksresektion. Es findet sich ein großer Invaginatskopf (schwarze Pfeile) über die rechte Kolonflexur hinaus bis in das Colon transversum. Aspekt einer ausgedehnten Ileokolischen Invagination
Invagination Epidemiologie, Ätiologie Die Invagination ist bis zum 3. Lebensjahr die häufigste Ursache eines Darmverschlusses (75% Kinder bis 2 Jahre, 25% ältere Kinder und Erwachsene). Die Ätiologie ist nicht völlig geklärt. Man nimmt an, dass der Invagination ein lokaler Reiz und ein lokaler Spasmus der Darmwand vorausgehen. Die häufigste Form ist die ileozökale Invagination, die sich wegen der sofort einsetzenden Zirkulationsstörung rasch zum Vollbild des Invaginationsileus entwickeln kann. Die spontane Reposition ist hier selten. Einige Formen kommen v. a. beim älteren Kind vor. Rezidivierende Fälle sind mechanisch bedingt durch Polypen, Meckel-Divertikel oder vergrößerte Lymphknoten – haben also einen »leading point«. Beim Erwachsenen hat die Invagination in der Regel eine spezifische Ursache, davon sind 30% durch benigne und 20% durch maligne Tumoren verursacht. Gelegentlich kommt die Invagination auch ohne »leading point« vor und ist dann in der Regel vorübergehend und asymptomatisch.
Bildgebung Beim Kolonkontrasteinlauf schiebt sich das Kontrastmittel zwischen Darm und der Invaginalwand. Es kommt eine Art Röhrenmuster zustande, sofern der Darm in Längsrichtung abgebildet ist (. Abb. 29.42 und . Abb. 29.43). Bei orthogonaler Aufsicht, wie sie besonders bei der ileokolischen Invagination vorkommt, entsteht das Bild einer »Kokarde«. Im Ultraschallbild ist das so genannte »pseudokidney sign« typisch. Das Abdomenübersichtsbild kann einen luftleeren rechten Unterbauch zeigen.
. Abb. 29.43. Invagination. CT nach oraler und i.v.-Kontrastierung. Korrespondierend zum konventionellen Röntgenbild findet sich ein Invaginatskopf, der sich in das Colon transversum vorschiebt (schwarze Pfeile) und das Mesenterium mit einstülpt (weiße Pfeile). Als möglicher »leading point« fand sich nach der Operation ein Karzinom des Colon ascendens
> Eine Reposition der Invagination kann bei Kindern mittels Kolonkontrasteinlauf und geblocktem Blasenkatheter oder evtl. auch sonographisch versucht werden. Teilweise wird auch die Reposition mit Luft empfohlen. Die wesentliche Komplikation der Invagination ist die Perforation. Eine bereits bestehende Perforation ist natürlich eine absolute Kontraindikation zur Durchführung dieser (therapeutischen) Untersuchung.
Die gastroduodenale Invagination wird beinahe immer durch einen gestielten benignen Tumor verursacht, der durch den Pylorus tritt und sich in das Duodenum stülpt. Dringt der Tumor weiter vor, wird der postpylorische Teil des Duodenums in die
29
990
Kapitel 29 · Magen und Darm (Dünndarm, Dickdarm und Rektum)
29
. Abb. 29.44. Volvulus. Abdomenübersichtsaufname im Stehen. Es zeigt sich eine abnorm konfigurierte und geblähte Dickdarmschlinge links paramedian im Mittelbauch mit basal angedeuteter Spiegelbildung (weiße Pfeile). Links oberhalb ist die mit Stuhl gefüllte linke Flexur erkennbar. Der übrige Dickdarm ist kaum mit Gas gefüllt. Im Hinblick auf die Konfiguration mit einem »Rabenschnabel«, der medial liegt (schwarzer Pfeil), besteht der Aspekt eines Volvulus des Colon ascendens und Caecum
Pars descendens duodeni eingestülpt. Das klinische Bild erinnert dann an eine hohe Obstruktion; die orale Kontrastmittelgabe führt jedoch rasch zur Diagnose. Computertomographisch zeigt sich das kollabierte Invaginat von einem Ring mesenterialen Fettgewebes umgeben, welches innerhalb des kontrastierten Lumens des distal gelegenen Darmabschnitts zur Darstellung kommt. In der Aufsicht entsteht das Bild eines Target-Zeichens. Ein Tumor kann oftmals als diskrete, intraluminale Weichteilmasse im Bereich des »leading point« gesehen werden, sodass dieser von mesenterialen Fett umgeben ist. ! Die Desinvagination mittels Kolonkontrasteinlauf birgt die Gefahr der Perforation. Deshalb gilt die »Dreierregel«: Maximal 3 Versuche über 3 min und Flüssigkeitsbeutel in maximal 1 m Höhe über Kind (3 feet).
Volvulus Ätiologie, Pathogenese Prinzipiell entsteht ein Volvulus des Darms durch eine Drehung um die mesenteriale oder intestinale Achse. Die Folge kann eine mechanische Obstruktion unter dem klinischen Bild eines Volvulus sein. Eine spontane Reduktion ist in diesem Stadium nicht mehr möglich, ist jedoch beim Sigmavolvulus durch einen Kontrasteinlauf im Bauch- und Kopf-Tieflage möglich. Ein Volvulus kann jeden Teil des Magendarmtrakts betreffen, nur ausnahmsweise jedoch den Magen. Am häufigsten ist das Colon betroffen und hier bevorzugt das Sigma und Colon ascendens. Dem Dünndarmvolvulus in der Neugeborenenperiode liegt meist eine Malrotation zugrunde.
. Abb. 29.45. Volvulus, Caecum. Koronare Reformation einer CT nach oraler und i.v.-Kontrastierung. Zur . Abb. 29.44 korrespondierende koronares Bild, welches das um die eigene Achse gedrehte Mesenterium zeigt (schwarzer Pfeil), sowie das nach rechts umgeschlagene Colon ascendens und das terminale Ileum (weißer Pfeil)
Bildgebung Oftmals finden sich auf der Abdomenübersichtsaufnahme die Zeichen der hohen Duodenalobstruktion mit Magen und Duodenalblähung (double-bubble-sign). In etwa 15% der Fälle besteht eine so genannte tiefe Pseudoobstruktion mit Meteorismus und Spiegelbildung im oberen Dünndarm. 20% aller Volvulusfälle betreffen Caecum und Colon ascendens; am häufigsten treten sie zwischen dem 2. und 4. Lebensjahrzehnt auf. Die Veränderungen beruhen auf einer pathologischen Rotation, die gleichzeitig mit einer Abscherung an der Drehstelle verbunden ist (. Abb. 29.44, . Abb. 29.45). Caecum und Ileum können auch durch ein gemeinsames Mesenterium verbunden sein, wodurch es zu einer abnormen Beweglichkeit des Caecum kommt. Radiologisch kann das im Uhrzeigersinn gedrehte und geblähte Caecum überall im Abdomen, meist aber im linken Oberbauch zu liegen kommen. Gewöhnlich besteht ein großer Spiegel bei der Aufnahme im Stehen. Das aboral gelegene Colon zeigte wenig oder gar kein Gas. Am häufigsten ist das Colon sigmoideum von einem Volvulus betroffen. Er kommt am häufigsten im höheren Alter vor. Ein langes Sigma prädisponiert naturgemäß zu Abweichungen und Drehungen. Die stark geblähte Sigmaschlinge zeigt keine Haustrierung und kann über das Becken hinaus bis zum Zwerchfell reichen. Der Kolonkontrasteinlauf führt in der Regel zur Diagnose; er muss jedoch mit großer Vorsicht durchgeführt werden, weil bei fortgeschrittenem Zustand eine Wandnekrose mit der Folge einer Perforation auftreten kann. Bei der KontrastmittelFüllung zeigt das vogelschnabelartig zulaufende Ende auf die Invaginationsstelle (. Abb. 29.46a, b).
991 29.8 · Sonstige gastrointestinale Erkrankungen
a
b
. Abb. 29.46a, b. Sigmavolvulus. a Konventionelle Abdomenübersichtsaufnahme im Stehen. Omegaförmig geblähte Dickdarmschinge, die am ehesten dem Sigma zuzuordnen ist (weiße Pfeile). Aspekt eines Sigmavolvu-
lus ohne »Rabenschnabelkonfiguration« im konventionellen Bild. b Nach Kolonkonstrasteinlauf zeigt sich die Torsionsstelle in der koronaren Reformation als spitz zulaufende Figur (weißer Pfeil)
Therapie
Instillation des Kontrastmittels versucht werden, eine Reposition der Schlinge zu erreichen. Gelingt dies nicht, muss eine Rückverlagerung sigmoidoskopisch oder operativ durchgeführt werden.
Gelangt etwas Kontrastmittel durch die Stenose hindurch und wird die Rotation auf nicht mehr als 360° geschätzt, kann durch vorsichtige Palpation und häufigen Lagewechsel während der
29
VIII
Urogenitaltrakt 30
Nebenniere
– 995
E. J. Rummeny, K. Holzapfel
31
Nieren, Harnwege und Harnblase
– 1005
A. Beer, E. J. Rummeny
32
Prostata, Hoden und Nebenhoden
– 1049
A. Wetter, Th. Vogl
33
Diagnostik der inneren weiblichen Genitalorgane S. Zangos, F. Marquart
– 1061
30 30 Nebenniere E. J. Rummeny, K. Holzapfel
30.1
Allgemeines
– 996
30.2
Anatomie
30.3
Bildgebende Verfahren
30.4
Erkrankungen der Nebenniere
30.4.1 30.4.2 30.4.3
Benigne Läsionen und Erkrankungen der Nebenniere Endokrine Erkrankungen – 998 Maligne Tumoren der Nebenniere – 1001
– 996 – 996 – 997 – 997
30
996
Kapitel 30 · Nebenniere
30.1
Allgemeines
Die Nebenniere (Glandula suprarenalis, Glandula adrenalis) ist ein paarig angelegtes Organ. Ihre Aufgabe liegt nicht nur beim Menschen, sondern auch bei anderen Säugertieren, Reptilien und Vögeln darin, lebenswichtige Hormone zu produzieren. Dabei ist sie z. T. eingebunden in Regelkreise, die die Hormonsekretion steuern. Erkrankungen der Nebenniere basieren auf einer Störung des Regelkreises, der Bildung von autonomen Arealen, die unabhängig von der Regelkreis-Steuerung Hormone produzieren, sowie auf Zell- und Gewebeproliferation, die zur Tumorbildung führen.
> Die Nebennierenrinde unterteilt sich in 3 Zonen: 4 Die äußere Zone (Zona glomerulosa) produziert Aldosteron. 4 Die mittlere Zone (Zona fasciculata) produziert Glukokortikoide. 4 Die innere Zone (Zone reticularis) produziert Androgene.
Das Nebennierenmark besteht aus 2 Zonen, die ursprünglich aus der Nebennierenleiste stammen und sich differenzieren in chromaffine Zellen, die Epinephrine produzieren, und autonome Ganglienzellen.
30.3 30.2
Bildgebende Verfahren
Anatomie Sonographie
Die normalen Nebennieren liegen anteromedial und kranial der oberen Nierenpole innerhalb der pararenalen Faszie. Während die rechte Nebenniere dorsal der V. cava inferior zu finden ist und V-förmig imponiert, befindet sich die linke Nebenniere posterolateral der Aorta und hat die Form eines Y (. Abb. 30.1). Die Länge der Schenkel der Nebennieren betragen ca. 2–3 cm und die Dicke dieser Schenkel sollte 6–8 mm nicht überschreiten. In kraniokaudaler Ausrichtung variiert die Größe zwischen 4 und 5 cm. Das Gewicht der normalen Nebenniere beträgt 5–15 g. Wie oben bereits angedeutet, liegt sie zusammen mit der Niere im pararenalen Fettgewebe (Capsula adiposa) und wird von der Nierenfaszie umgeben. Die Kenntnis der aufgeführten Maße ist für die Diagnostik und Beurteilung der Nebenniere sowie auch der Außenkonturen maßgeblich. Pathologisch-anatomisch lässt sich das Nebennierenmark von der Nebennierenrinde trennen.
a
Im Kindesalter sind die Nebennieren relativ groß und mittels Sonographie beidseits gut erkennbar. Im Erwachsenenalter kann die sonographische Darstellung u. a. auch wegen Darmgasüberlagerung erschwert sein, sodass Raumforderungen oft erst ab einer Größe von >2 cm erkennbar werden.
Computertomographie Die CT ist das bildgebende Verfahren der Wahl, da sie eine hochauflösende Darstellung der Nebennieren erlaubt und darüber hinaus auch zur Punktion unklarer Prozesse eingesetzt werden kann. Die Untersuchung der Nebennieren selbst erfolgt in Dünnschichttechnik (0,5–1,25 mm). Diese enge Kollimation dient auch als Grundlage für multiplanare Rekonstruktionen. Dickere Schichten können bei bekannten und größeren Nebennierenprozessen durchgeführt werden, bei denen größere Volumina erwartet werden. Bei Verdacht auf ein Phäochromozytom muss zur Lokalisationsdiagnostik oft das gesamte Retroperitoneum mindestens bis zur Aortenbifurkation mituntersucht werden.
b
. Abb. 30.1a, b. Nebenniere, Normalbefund. Unauffällige Darstellung beider Nebennieren im CT (portalvenöse KM-Phase). Typische V-Konfiguration der rechten (a) und Y-Konfiguration der linken (b) Nebenniere
997 30.4 · Erkrankungen der Nebenniere
Eine spezielle Vorbereitung zur CT-Untersuchung ist nur notwendig, wenn ein »aktives« Phäochromozytom bekannt ist oder vermutet wird. In diesen Fällen sollte vor der Kontrastmittel-Injektion eine Blockade der alpha- und beta-adrenergen Rezeptoren erfolgen, um das Auslösen einer hypertensiven Krise zu vermeiden. Neuere Studien konnten allerdings zeigen, dass bei Einsatz nichtionischer Kontrastmittel hypertensive Krisen nicht mehr oder nur noch sehr selten vorkommen.
Magnetresonanztomographie Die MRT kommt zum Einsatz, um Nebennierenläsionen zu charakterisieren und extraadrenale Phäochromozytome zu lokalisieren. Sie wird zudem häufig bei der Planung einer Operation oder insbesondere bei Patienten mit einer bekannten Allergie gegen Röntgenkontrastmittel oder sonstigen kontrastmittelbedingten Reaktionen eingesetzt. Die MRT erfolgt mit der Body-array-Spule mit einer hochauflösenden Technik und einer Schichtdicke von <5 mm. Es kommen immer T1-gewichtete und T2-gewichtete Pulssequenzen zum Einsatz, die heute in der Regel als GradientenechoSequenz und/oder als Turbospinecho-Sequenz durchgeführt werden. Als Spezialsequenzen werden zur Charakterisierung von Nebennierenraumforderungen die so genannten »in-Phase« (iP)und »out-of-Phase« (oop)-MR-Aufnahmen mit so genannten Chemical shift-sensitiven Sequenzen angefertigt. Hierbei sind die Phasen für Wasser und Fett idealerweise um 180° zueinander versetzt. Auch Sequenzen mit spektraler Fettsättigung und dynamische kontrastmittelunterstützte T1w-Sequenzen werden zur weiteren Abklärung durchgeführt.
Nuklearmedizinische Verfahren Unter den nuklearmedizinischen Verfahren kommen der MIBGSzintigraphie beim Phäochromozytom und selten auch der PET und PET-CT in der Diagnostik und bei Verdacht auf maligne Tumoren eine gewisse Bedeutung zu. Bei der MIBG-Szintigraphie wird das 123I-markierte Metaidobenzylguanidin, ein Noradrenalin-Analogon eingesetzt. Bei der PET- und PET-CT-Untersuchung wird überwiegend mit dem Tracer 18F-FDG und seltener mit anderen Tracern, z. B. 18F-DOPA gearbeitet. Insgesamt wird diese Diagnostik aufgrund des hohen zeitlichen Aufwands für Personal und Patienten sowie der hohen Kosten nur in ausgewählten Fällen eingesetzt.
30.4
Erkrankungen der Nebenniere
30.4.1
Benigne Läsionen und Erkrankungen der Nebenniere
Nebennierenzysten Epidemiologie, Pathogenese, Klinik Zysten der Nebenniere sind sehr selten. In der Regel sind sie lymphangiomatöser Herkunft, von der Ausdehnung eher klein und asymptomatisch. In 7% können jedoch auch parasitäre Zysten vorhanden sein.
Bildgebung Zysten zeigen das gewöhnliche Verhalten bei der Bildgebung mit einer dorsalen Schallverstärkung im Sonogramm sowie einer deutlichen hypodensen Darstellung in der CT. Die Dichtewerte entsprechen wässeriger Flüssigkeit, Wandverkalkungen können vorkommen. In der MRT-Diagnostik haben unkomplizierte Zysten eine deutlich hypointense Signalgebung auf T1-gewichteten und eine deutlich hyperintense Signalgebung auf T2-gewichteten Bildern. Somit ist die Abgrenzung und Diagnose einer einfachen Zyste der Nebenniere eher trivial (. Abb. 30.2).
Therapie Sollten allerdings komplizierte Zysten vorliegen, die eine verdickte Wand mit deutlicher Kontrastmittel-Aufnahme oder interne Septierungen aufweisen, kann ein prämalignes oder gar schon malignes Geschehen nicht ausgeschlossen werden. In diesem Fall sollten auch komplizierte Nebennierenzysten entfernt werden.
Myelolipom Definition, Pathologie Das Myelolipom ist ein benigner, nicht hormonaktiver Nebennierentumor, der häufig asymptomatisch bleibt und deswegen bei Schnittbilduntersuchungen meisten zufällig diagnostiziert wird. Pathologisch handelt es sich meistens um einseitige, gut umschriebene Raumforderungen, die aus unterschiedlichen Anteilen an freiem Fettgewebe und hämatopoetischen Materialen bestehen.
Bildgebung Entsprechend ihrem Aufbau erscheinen sie in der CT-Diagnostik je nach Fettgehalt überwiegend hypodens (–30 bis –60 HU). In der MRT lässt sich der Fettanteil hyperintens auf T1-gewichteten Bildern darstellen. Je nach Gehalt von blutbildenden Anteilen kann die Differenzierung zu einer hämorrhagischen Zyste schwierig werden. In derartigen Fällen finden sich dann entsprechend dem Blutgehalt hyperintense Strukturen im T1-gewichteten Bild und hypointense Veränderungen im T2-gewichteten Bild (Hämosiderinablagerungen). In der Regel gelingt die Diagnose bei fetthaltigen Läsionen durch Einsatz von fettsupprimierenden oder Chemical-Shift-Sequenzen, die im Vergleich zu den normalen Sequenzen einen deutlichen Signalintensitätsverlust zeigen. Differenzialdiagnostisch müssen retroperitoneale Lipome, Liposarkome oder das Teratom abgegrenzt werden. Zudem kann die Unterscheidung von einem Angiomyolipom der Niere gelegentlich Probleme bereiten.
Therapie Da es sich beim Myelolipom um eine benigne Raumforderung ohne Entartungstendenz handelt, ist eine Therapie in der Regel nicht nötig.
Inzidentalome Definition, Epidemiologie, Pathogenese Unter dem Begriff »Inzidentalom« versteht man eine im Rahmen der Bildgebung zufällig entdeckte, nicht symptomatische Raum-
30
998
Kapitel 30 · Nebenniere
forderung der Nebenniere. Meist handelt es sich hierbei um kleine (<2 cm), nicht hormonaktive Adenome, die in 2–8% der Autopsien zu finden sind. Die Inzidenz ist bei Diabetikern mit ca. 16% und bei Hypertonikern mit etwa 12% etwas erhöht. Aufgrund des relativ häufigen pathologischen Nachweises ist es erklärbar, dass diese Adenome, die im Allgemeinen inaktiv sind oder nicht nachweisbare Hormonvorstufen produzieren, klinisch als eher nicht relevant angesehen werden. Dies kann jedoch beim onkologischen Patienten schwierig sein, da hier nur der Verlauf entscheiden kann.
Bildgebung
30
a
Inzidentalome fallen häufig als Zufallsbefunde bei der sonographischen oder computertomographischen Untersuchung des Abdomens auf. Oft weisen auch diese Läsionen einen deutlichen Fettgehalt auf, sodass sie in der nativen CT hypodens sind und auch die oben erwähnten MRT-Sequenzen zur weiteren Differenzierung herangezogen werden können (. Abb. 30.3).
Therapie Bei zufällig entdeckten, hormoninaktiven Adenomen (so genannten Inzidentalomen) der Nebenniere ist in der Regel keine Therapie nötig.
30.4.2
Endokrine Erkrankungen
Conn-Syndrom b
Beim Conn-Syndrom liegt eine Überproduktion von Aldosteron vor, die eine hypokaliämische Hypertonie bedingt. In ca. 70% liegt bei dieser Erkrankung ein einseitiges Nebennieren-Adenom vor, in 30% kann eine bilaterale idiopathische Nebennierenrindenhyperplasie zugrunde liegen.
Diagnose/Bildgebung CT-morphologisch kommen die Adenome häufig als <2 cm große, gering hypodens erscheinende Raumforderungen zur Darstellung. Bei der kortikalen Hyperplasie ist der Nachweis mit bildgebenden Verfahren oft schwierig, gelingt aber ebenfalls am besten mit der CT. Diagnostisch entscheidend ist allerdings der Nachweis von erhöhten Hormonwerten bei der selektiven Nierenvenenblutentnahme. c . Abb. 30.2a–c. Nebennierenzyste. Darstellung einer ausgedehnten Raumforderung im Bereich der linken Nebenniere. a Im CT erscheint die Läsion homogen hypodens, b hypointens auf fettsupprimierten, T1w-Bildern nach KM-Gabe. c Auf T2w-Bildern stellt sie sich deutlich hyperintens im Sinne einer Zyste dar. Nach KM-Gabe zeigt die zarte Wand weder im CT noch im MRT eine Aufnahme. Im CT Nachweis einer umschriebenen, wandständigen Verkalkung (Pfeil, a)
Morbus Addison Demgegenüber wird eine Unterfunktion der Nebennierenrinde als Hypoaldosteronismus bezeichnet, wie er bei Morbus Addison oder auch im Rahmen eines adrenogenitalen Syndroms gefunden werden kann. Zugrunde liegen hier entweder eine Zerstörung und damit eine Unterfunktion der Nebennierenrinde (primäre NNR-Insuffizienz) oder eine Unterfunktion der Hypophyse (sekundäre oder tertiäre NNR-Insuffizienz). Dabei ist die Nebenniere bei der primären Isuffizienz meistens durch Entzündungen (autoimmunologische Ursache), Einblutungen, Tumoren, Amyloidose usw. zerstört. Bei hypophysär bedingter Insuffizienz lässt sich oft eine hypophysäre Raumforderung als Ursache finden.
999 30.4 · Erkrankungen der Nebenniere
a
b
c
. Abb. 30.3a–c. Inzidentalom (hier: Adenom). Zufällig entdeckte Raumforderung im Bereich der linken Nebenniere im Sinne eines Inzidentaloms. a Die Läsion zeigt im Nativ-CT niedrige Dichtewerte. b, c Sicherung der Verdachtsdiagnose eines Adenoms mittels der T1-gewichteten »in-phase« und
»out of-phase«-Gradientenechosequenz. Der deutliche Signalabfall weist auf das gleichzeitige Vorkommen von Fett und Wasser innerhalb eines Voxels hin (chemical shift)
Klinik, Diagnose und Therapie
of-phase«-Aufnahmen deutliche Signalabfälle nachweisen. Diese Signalintensitätsreduktion z. B. zwischen den »in-phase-« und »out-of-phase«-Bildern gilt als sicherer Nachweis für den Fettgehalt eines Adenoms. Deshalb wird diese MRT-Sequenz auch eingesetzt, um fetthaltige, in der Regel benigne Raumforderungen von weniger fetthaltigen, oft malignen Raumforderungen zu unterscheiden (. Abb. 30.4).
Der klinische Verlauf ist selten akut (Addison-Krise), sondern meistens chronisch mit Symptomen wie Müdigkeit und Abgeschlagenheit sowie Anorexie u. a. Unter dieser Erkrankung litt z. B. der junge John F. Kennedy, der lebenslang eine entsprechende kortisonhaltige Substitutionstherapie durchführen musste. Zur Diagnostik einer Nebenniereninsuffizienz können bildgebende Verfahren nur wenig beitragen. Lediglich bei der durch eine Einblutung in die Nebenniere entstandenen Insuffizienz, z. B. bei postnataler Blutung, beim Schock oder bei einer Septikämie lassen sich vergrößerte und hypodens erscheinende Nebennieren im CT erkennen. > Mögliche Ursachen für eine Einblutung der Nebennieren sind: 4 Neonataler Stress 4 Zugrunde liegender Tumor der Nebenniere 4 Hämorrhagische Diathese oder Koagulopathie
Cushing-Syndrom Ätiologie, Pathogenese, Klinik Das Cushing-Syndrom beruht auf einer adrenalen Überproduktion von ACTH. In ca. 70% findet sich eine hypophysär bedingte ACTH-Überproduktion mit einer adrenalen Hyperplasie. Seltener finden sich als Ursache eine Überproduktion von Kortikoiden in der Nebenniere selbst oder auch extraadrenal (ca. 10– 15%). Folge dieser Überproduktion sind erhöhte Blutzuckerspiegel, Stammfettsucht sowie Haut-, Knochen- und Muskelveränderungen (. Tab. 30.1).
Bildgebung Ein Cushing-Syndrom verursachende Adenome sind meist 2– 5 cm groß und kommen in der CT als rundliche oder ovaläre, nativ leicht hypodens erscheinende Raumforderungen mit geringer Kontrastmittel-Aufnahme zur Darstellung. Wegen ihres Fettgehalts lassen sich in der MRT auf fettgesättigten oder »out-
Differenzialdiagnosen bei Verdacht auf Nebennierenadenom 4 Metastasen und Lymphom 4 Nebennierenkarzinom 4 Phäochromozytom
Therapie, Prognose Eine Therapie ist bei allen Patienten mit einem Cushing-Syndrom indiziert. Ziel ist die Normalisierung der Kortisolproduktion, z. B. durch die Entferung des Tumors der Nebenniere oder weitaus häufiger der Hypophyse. In schwerwiegenden Fällen oder bei Rezidiven erfolgt eine medikamentöse Hemmung der Steroidsynthese.
Phäochromozytom Definition, Pathogenese Beim Phäochromozytom, auch adrenomedulläre Überfunktion genannt, handelt es sich um Tumoren, die aus den chromaffinen Zellen des Nebennierenmarks entstehen und eine neuroendokrine Funktion aufweisen. Derartige Tumoren können gelegentlich extraadrenal im gesunden Grenzstrang entstehen und werden dann auch als Paragangliome bezeichnet. 90% der Phäochromozytome finden sich im Nebennierenmark, während 10% von extraadrenalen sympathischen Grenzstrangzellen ausgehen. Von diesen extraadrenalen Phäochromozytomen finden sich die meisten infradiaphragmal, nur 3% sind supradiaphragmal lokalisiert.
30
1000
Kapitel 30 · Nebenniere
30 a
b . Abb. 30.4a–c. Nebennierenadenom. Rundliche, glatt begrenzte Raumforderung der linken Nebenniere. Diese zeigt auf den T1w-Gradientenechobildern einen deutlichen Signalabfall zwischen »in-phase«- (a) und »out of-phase«-Bildern (b) als Hinweis auf in der Läsion befindliche Fettanteile. c Die Läsion ist deutlich hypodens im CT mit teils negativen HE-Werten infolge des Fettgehalts
Bildgebung
c
> 10%-Regel bei Phäochromozytomen: 4 In 10% der Fälle bilaterales Vorkommen. 4 10% zeigen eine extraadrenale Lokalisation. 4 In 10% der Fälle handelt es sich um eine maligne Raumforderung.
Klinik, Diagnose Das klinische Bild ist geprägt durch die permanente oder schubweise Belastung des Organismus mit Katecholaminen. Durch die Überproduktion von Adrenalin und Noradrenalin wird eine Hypertonie induziert, die sich häufig in krisenartigen Blutdruckanstiegen äußert. Darüber hinaus kommt es zu Angstzuständen und erhöhter Körpertemperatur aufgrund eines erhöhten Grundumsatzes. Oft handelt es sich um relativ junge Patienten. Die deutlich erhöhte Katecholamin-Ausscheidung im 24 h-Urin ist diagnostisch wegweisend. > Bekannt ist das Auftreten von Phäochromozytomen auch im Rahmen bestimmter Syndrome: 4 MEN-Syndrom (multiple endokrine Neoplasien) 4 Neurofibromatose 4 von-Hippel-Lindau-Syndrom
Die Bildgebung dient vorwiegend der Lokalisation und Operationsvorbereitung. Die Diagnose erfolgt, wie oben schon erwähnt, klinisch und labordiagnostisch (24 h-Urin). In der CT kommen in der Regel Nebennierentumoren mit Durchmessern von >2 cm zur Darstellung. Die Tumoren können, wie erwähnt, auch extraadrenal im Retroperitoneum lokalisiert sein. Kleinere Tumoren stellen sich in der Regel relativ homogen dar, während große Tumoren zwar häufig gut abgegrenzt sind, rund oder ovalär begrenzt erscheinen, jedoch zentral oft Nekrosen und Einblutungen aufweisen. Nach Kontrastmittelgabe zeigen Phäochromozytome eine starke Kontrastmittel-Anreicherung, was sie z. B. von Adenomen deutlich unterscheidet. In der MRT kommen Phäochromozytome im T2-gewichteten Bild deutlich hyperintens zur Darstellung, wobei große Tumoren auch inhomogene nekrotische und zystische sowie blutige Areale mit entsprechenden Signalintensitäten auf T1- und T2-gewichteten Bildern aufweisen. Die Chemical-Shift-Bildgebung zeigt im »out-of-phase«-Bild keinen Signalverlust im Vergleich zum »inphase«-Bild. Wie bei der CT erkennt man auch auf T1-gewichten MRT-Aufnahmen (z. B. T1w-GE-Bildern) eine starke Kontrastmittel-Aufnahme (. Abb. 30.5). Phäochromozytome können sich in 10% der Fälle als metastasierende Malignome manifestieren. Bei der Metastasensuche sowie der Lokalisation extraadrenaler Phäochromozytome (Paragangliome) kommt neben der MRT und auch der MIBG-Szintigraphie eine große Bedeutung zu. Die Sensitivität der CT und MRT im Nachweis eines Phäochromozytoms in der Nebenniere beträgt 80–95%. Die Spezifität der MRT ist ebenfalls sehr hoch. Bei extraadrenaler Lokalisation beträgt die Sensitivität ca. 85% und entspricht damit der Sensitivität des MIBG-Szintigramms, die etwa bei 90% liegt. Die Spezifität der Szintigraphie ist mit ca. 99% deutlich höher einzustufen.
1001 30.4 · Erkrankungen der Nebenniere
. Tab. 30.1. Hormonaktive Läsionen der Nebenniere
Name
Ursprung
Hormon
Klinik
Bildgebung
Conn-Syndrom
Nebennierenrinde (Zona glomerulosa)
Aldosteron
Hypertension Hypokaliämie
CT/MRT meist unauffällig
Cushing-Syndrom, ACTH-abhängig
Hypophyse, paraneoplastisch
Kortisol
Stammfettsucht Muskelschwäche Hypertension Diabetes mellitus
CT/MRT meist unauffällig
Cushing-Syndrom, ACTH-unabhängig
Nebennierenrinde (Zona fasciculata)
Kortisol
Phäochromozytom
Nebennierenmark
Katecholamine
Auch die PET-CT findet in den letzten Jahren vermehrt Einsatz in der Phäochromozytom-Diagnostik unter Verwendung von 18F-FDG als Tracer. Im Vergleich zum MIBG-Szintigramm scheint das 18F-FDG-PET eine niedrigere Spezifität bei jedoch deutlich höherer Sensitivität zu zeigen, wenngleich diesbezüglich Studien an größeren Patientenkollektiven noch ausstehen.
Therapie, Prognose Die frühzeitige Diagnose des Phäochromozytoms ist wichtig, um die Erkrankung möglichst bald durch Resektion des Tumors zu heilen und die Katecholaminsekretion zu normalisieren. So können die kardiovaskulären Komplikationen vermindert werden. Bei malignen Phäochromozytomen wird oft auch noch eine zusätzliche medikamentöse Therapie mit alpha- und beta-Blockern durchgeführt. Beim metastsiereten Phäochromozytom kommen auch Therapien mit Radionukliden (131J-MIBG) und/ oder Zytostatika zum Einsatz.
30.4.3
Maligne Tumoren der Nebenniere
Nebennierenkarzinom Definition, Lokalisation, Pathogenese Das Nebennierenkarzinom ist vorwiegend unilateral lokalisiert (bilaterales Vorkommen in nur 10% der Fälle). Falls diese Tumoren hormonaktiv sind, weisen sie bei Erstdiagnostik oft Durchmesser von 2–5 cm auf, während hormoninaktive Tumoren bei der Diagnosestellung oft bis zu 10 cm groß sind.
Bildgebung Im CT finden sich meist aber invasiv wachsende Tumoren, die zentral nekrotische Areale aufweisen und eine inhomogene Kontrastmittel-Aufnahme zeigen (. Abb. 30.6). Kalzifikationen und Einblutungen sind oft zu finden. Nebennierenkarzinome metastasieren bevorzugt in regionäre Lymphknoten sowie pulmonal. In der MRT zeigen die Tumoren eine inhomogene Signalintensität. Ihr invasiver Charakter, z. B. ein Einwachsen in die V. cava inferior oder das Nierenparenchym lassen sich MR-tomographisch gut abgrenzen.
CT: oft hypodens (<10 HE) MRT: SI↓ in-/opposed phase Hypertension Schweißausbrüche Angstzustände
CT/MRT: KM-Aufnahme MRT: T2 hyperintens
Während die Sonographie und die Angiographie in der Diagnostik keine große Bedeutung haben, kommt der FDG-PET(-CT) insbesondere bei der Ausbreitungsdiagnostik eine gewisse Bedeutung zu.
Therapie, Prognose Die Prognose des Nebennierenkarzinoms, das in der Regel erst in lokal fortgeschrittenen bzw. metastasierten Stadien diagnostiziert wird, ist als schlecht einzustufen. Bei lokal begrenztem Wachstum wird die chirurgische Resektion des Tumors im Sinne einer Adrenalektomie mit lokoregionärer Lymphadenektomie durchgeführt. Bei fortgeschrittenen Tumoren stehen einerseits die Bestrahlung des Tumors, andererseits die systemische Chemotherapie (z. B. Mitotane) zur Verfügung.
Nebennierenmetastasen Definition, Pathogenese Nebennierenmetastasen finden sich insbesondere beim Bronchialkarzinom, bei Mamma-, Nierenkarzinomen und Lymphomen sowie auch bei den Tumoren des oberen Gastrointestinaltrakts. Metastasen können einseitig vorkommen, finden sich aber in etwa 40–50% der Fälle beidseitig.
Bildgebung In der Bildgebung kommen Nebennierenmetastasen je nach Größe homogen (<2 cm) oder inhomogen (>3 cm) zur Darstellung, da nekrotische Veränderungen und Einblutungen bei großen Metastasen häufig sind. Seltener finden sich Verkalkungen, insbesondere bei schleimbildenden Tumoren. Im CT zeigen Metastasen ein invasives Wachstum und können hypo- oder hypervaskulär erscheinen. Häufig ist ein ringförmiges Kontrastmittel-Enhancement erkennbar, das ein progredientes »Wash-out«-Zeichen zeigt. Auch sonographisch lassen sich Metastasen als Raumforderungen mit inhomogener Echogenität nachweisen. Im MRT kommen kleine Metastasen oft homogen hypointens auf T1-gewichteten Bildern und hyperintens auf T2-gewichteten Bildern zur Darstellung. Bei großen Herden mit regressiven Veränderungen erkennt man jedoch auch ein entsprechend in-
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1002
30
Kapitel 30 · Nebenniere
a
a
b
b
c . Abb. 30.5a–c. Phäochromozytom bei einer Patientin mit MEN-2-Syndrom. a Rundliche, glatt begrenzte Raumforderung im Bereich der linken Nebenniere, deutlich hyperintens mit umschriebener, beginnender Einschmelzung auf T2w-Bildern ohne Fettsuppression. b Auf den fettunterdrückten T1w-Bildern nach KM-Gabe zeigt sich eine kräftige, inhomogene Aufnahme. c Ausgeprägte Tracer-Einlagerung in der MIBG-Szintigraphie
c . Abb. 30.6a–c. Nebennierenkarzinom. Ausgedehnte, infiltrativ wachsende, von der rechten Nebenniere ausgehende Raumforderung. Inhomogenes Signalverhalten auf den T2w-Bildern (a, c) sowie auf den fettunterdrückten T1w-Aufnahmen nach KM-Gabe (b). Per continuitatem Infiltration der Leber und des rechten Zwerchfellschenkels
1003 30.4 · Erkrankungen der Nebenniere
a
b
. Abb. 30.7a, b. Nebennierenmetastase. a In der Staging-Untersuchung (PET-CT) eines Patienten mit Bronchialkarzinom zeigt sich eine rundliche Raumforderung der rechten Nebenniere. b Diese zeigt eine deutlich ver-
mehrte Tracer-Einlagerung, typisch für eine Nebennierenmetastase, die durch eine deutliche Größenprogredienz im Verlauf gesichert wurde
homogenes, buntes Bild mit nekrotischen und eingebluteten Arealen. Die FDG-PET und -PET-CT wird zunehmend häufiger für die Ausbreitungsdiagnostik, insbesondere beim Bronchialkarzinom und beim malignen Melanom eingesetzt (. Abb. 30.7). Metastasen zeigen dabei eine deutlich erhöhte Tracer-Aufnahme. Diese wird jedoch gelegentlich auch bei Nebennierenadenomen beobachtet, was zu falsch-positiven Befunden führen kann.
Bildgebung
Neuroblastom Definition, Epidemiologie, Pathogenese und Klinik Das Neuroblastom entsteht vorwiegend im 2. und 3. Lebensjahr und ist der häufigste abdominelle Tumor im Kindesalter. Dieser Tumor ist zu etwa 35% in der Nebennierenregion lokalisiert und statistisch häufiger als der Wilms-Tumor oder die Leukämie beim Kind. Histopathologisch können die Tumoren vollständig entdifferenziert sein und klinisch Zeichen einer Nebennierenmarküberfunktion aufweisen. Klinisch manifestiert sich das Neuroblastom meist unspezifisch durch Müdigkeit, Appetitlosigkeit oder subfebrile Temperaturen. Gelegentlich fallen ein aufgetriebenes Abdomen oder gar ein palpabler Bauchtumor auf.
Bei der Lokalisations- und Ausbreitungsdiagnostik ist die MRT den anderen bildgebenden Verfahren einschließlich der CT überlegen. Aufgrund ihrer Größe sind die Tumoren oft histologisch inhomogen und weisen somit auch auf T1- oder T2-gewichteten Aufnahmen unterschiedliche Signalintensitäten auf. Die Kontrastmittel-Aufnahme ist meist inhomogen. Darstellungen des Tumors mittels MRT in mehreren Ebenen zeigen oft erst die genaue Ausdehnung des Tumors und mögliche Ausläufer in den Spinalkanal oder auch die Metastasen in Wirbelkörpern. Durch Einblutungen in die Tumoren kann insbesondere bei Kleinkindern die Differenzialdiagnostik gegenüber einer postpartalen Einblutung in die Nebenniere deutlich erschwert sein.
Therapie, Prognose Die Prognose des Neuroblastoms ist äußerst variabal und reicht von Spontanregression bis zu hochmalignen Verläufen mit ausgedehnter Metastasierung und schnellem Tumorwachstum. Therapeutisch kommen meist multimodale Therapieansätze bestehend aus chirurgischer Resektion, Chemotherapie, Bestrahlung sowie immuntherapeutischen Ansätzen zum Einsatz.
30
31 31
Nieren, Harnwege und Harnblase A. Beer, E. J. Rummeny
31.1
Nieren und Harnwege
31.1.1 31.1.2 31.1.3 31.1.4 31.1.5 31.1.6 31.1.7 31.1.8 31.1.9 31.1.10
Spezielle Untersuchungstechnik, normale Topographie und spezifische Bildbefunde – 1006 Entwicklungsstörungen und Missbildungen – 1011 Benigne Tumoren – 1012 Maligne Tumoren des Nierenparenchyms – 1017 Maligne Tumoren des Nierenbeckens – 1024 Sekundäre Nierentumoren – 1025 Entzündliche Erkrankungen – 1026 Nephrokalzinose und Nephrolithiasis – 1030 Der Ureter – 1033 Trauma – 1039
31.2
Harnblase
31.2.1
Spezielle Untersuchungstechnik, normale Topographie und spezifische Bildbefunde – 1040 Entwicklungsstörungen und Missbildungen – 1042 Gutartige Blasenveränderungen – 1042 Bösartige Tumoren der Blase – 1044 Blasensteine – 1048
31.2.2 31.2.3 31.2.4 31.2.5
– 1006
– 1040
1006
Kapitel 31 · Nieren, Harnwege und Harnblase
31.1
Nieren und Harnwege
31.1.1
Spezielle Untersuchungstechnik, normale Topographie und spezifische Bildbefunde
Ausscheidungsurographie Untersuchungstechnik Die Bedeutung der Ausscheidungsurographie hat zwar durch die zunehmende Anwendung der Sonographie, der CT sowie der CT- und MR-Urographie stark an Bedeutung verloren. Dennoch ist die Ausscheidungsurographie eine gute Übersichtsmethode zur Beurteilung des gesamten Harntrakts und liefert eine semiquantitative Abschätzung der Nierenfunktion.
31
Vorbereitung. Die Patientenvorbereitung umfasst orale Laxanzien zur Darmeinigung, zudem sollte der Patient nüchtern sein. Hierdurch werden Überlagerungen durch Darmgas reduziert. Kontraindikationen gegenüber i.v. applizierten iodhaltigen Kontrastmitteln müssen überprüft werden. Die genaue Untersuchungstechnik variiert von Klinik zu Klinik. Einige Grundsätze zum Untersuchungsablauf sind jedoch allgemeingültig: es erfolgt zunächst die Anfertigung einer Leeraufnahme, die ein Gebiet vom Oberpol der Nieren bis zur Symphyse umfassen sollte. Vor der Aufnahme sollte der Patient die Blase entleeren. Beurteilung ohne Kontrastmittel. Vor der Kontrastmittelinfusion muss die Leeraufnahme vom Radiologen bezüglich Kalzifikationen überprüft werden, da diese nach Kontrastmittelgabe mas-
kiert werden können. Wenn nötig, sollten Zusatzaufnahmen oder Tomographien angeordnet werden, um Verkalkungen anatomisch zuordnen zu können, bzw. von Artefakten zu unterscheiden. Viele Verkalkungen außerhalb des Urogenitaltrakts sind auf Leeraufnahmen zu erkennen, u. a. Gallensteine, Pankreas-, Prostata- oder Samenblasenverkalkungen sowie Phlebolithen. Letztere können aufgrund ihrer bevorzugten Lage im kleinen Becken bei Überlagerung des Ureterenverlaufs unter Umständen schwer von Harnleiterkonkrementen zu differenzieren sein. Zusätzlich sollten abnormale Weichteilschatten erkannt werden. Der Nierenschatten kann vergrößert oder verlagert sein, die Kontur kann verändert sein, große Tumoren sind als Vorwölbungen schon auf der Leeraufnahme zu erkennen. Luft in Projektion auf das Hohlsystem kann hinweisend auf eine Infektion oder vorangegangene Katheterisierung sein. Auch ossäre Auffälligkeiten können in Zusammenhang mit Nieren und Harnwegen stehen. Wirbelsäulenfehlbildungen können in Zusammenhang mit neurogenen Blasenentleerungsstörungen stehen, osteoblastische Metastasen können durch ein Prostatakarzinom bedingt sein, osteolytische Metastasen durch ein Nierenzellkarzinom. Kontrastmittelgabe. Dann erfolgt die Infusion des Kontrastmittels, z. B. 100 ml mit einem Iodgehalt von 300 mg/ml. Die Dichte des Nierenparenchyms ist ca. 30–60 s nach Infusion am höchsten, jedoch werden Frühaufnahmen zu diesem Zeitpunkt aufgrund der besseren Beurteilbarkeit des Parenchyms im Ultraschall und in der Schnittbildgebung heutzutage nur mehr selten durchgeführt.
Standard sind jedoch mindestens 2 Aufnahmen zwischen 5 und 15 min nach Kontrastmittelinfusion. Sollten die proximalen und mittleren Harnleiterabschnitte bzw. das Nierenbecken nicht gut sichtbar sein, dann können Zusatzaufnahmen mit Kompression durchgeführt werden. Hierzu werden Kompressionsgürtel auf Höhe der Spina iliaca anterior superior angelegt, um die distalen Ureterabschnitte zu komprimieren. Sollten einzelne Harnleiterabschnitte bei insgesamt nicht gestauten Harnwegen nicht kontrastiert sein, z. B. aufgrund von peristaltischen Wellen, so können auch Zielaufnahmen dieser Abschnitte unter Durchleuchtungskontrolle angefertigt werden. Sind distale Harnleiterabschnitte durch eine kontrastierte Blase überlagert, so werden Postmiktionsaufnahmen angefertigt. Hier kann auch eine Abschätzung der Restharnmenge erfolgen. > Besteht eine Ureterobstruktion mit verzögerter Kontrastierung, werden Spätaufnahmen angefertigt, z. B. in Intervallen von 1, 3, 6 und 12 h, bis die Höhe der Obstruktion dargestellt ist.
Normalbefund Bei einem Normalbefund befinden sich die Nierenhili auf Höhe des LWK 2 oder 3. Die Nieren liegen dabei mit der Längsachse parallel zur Aussenbegrenzung des Psoasschattens. Die linke Niere stellt sich ca. 0,5 cm länger dar als die rechte. Die durchschnittliche Länge umfasst 3–4 Wirbelkörper, wobei eine große Varianz besteht. Die Ränder sollen sich komplett durchgängig und scharf konturiert darstellen. Normvarianten sind eine persistierende fetale Lobulierung sowie ein Milzbuckel an der Aussenseite der linken Niere. Die Nierenkelche sollten nicht verplumpt oder verlagert sein. Die Form und Lage des Nierenbeckens unterliegt einer großen Variationsbreite. Es kann extrarenal gelegen sein und vergrößert erscheinen, die Kelche sind diesem Fall jedoch normal konfiguriert und es liegt keine Dilatation des Ureters vor. So kann das extrarenale Nierenbecken meist problemlos von einer Harnstauung differenziert werden. Die Ureteren beginnen ca. auf Höhe des 2. LWK und verlaufen zunächst lateral der Processi transversi der oberen LWK, im mittleren Abschnitt verlaufen sie meist vor den Processi transversi. Auf Höhe der Überkreuzung der Iliakalgefäße befinden sich die Ureteren am weitesten ventral. Im weiteren Verlauf ziehen sie zunächst nach posterolateral, um dann wieder nach medioventral zu ziehend, bevor sie schließlich am Trigonum in die Blase einmünden. Peristaltische Wellen durchlaufen den Ureter ca. 6-mal pro Minute, daher stellt sich der Ureter auf einer einzelnen Projektion selten durchgehend gefüllt und distendiert dar. An verschiedenen Stellen im Ureterenverlauf kann es zu physiologischen Pseudoobstruktionen oder Strikturen kommen: am Übergang zum distalen Drittel an der Überkreuzung der Iliakalgefäße, an der Kreuzung der Ovarialvene und am Nierenbeckenabgang, hier bedingt durch Falten, die gehäuft bei Kindern und Jugendlichen zu beobachten sind. Die Blase stellt sich normalerweise bei Prallfüllung glatt konturiert dar, jede Kontrastmittel-Ausspaarung im Lumen sollte als pathologisch gewertet werden. Die Blase kann jedoch von kranial durch den Uterus oder aufliegende Darmschlingen bogig pe-
1007 31.1 · Nieren und Harnwege
lottiert werden. Das Schleimhautrelief kann besser in der Postmiktionsaufnahme beurteilt werden.
Retrograde Pyelographie Untersuchungstechnik Für die retrograde Darstellung der Ureteren und des Nierenbeckens werden die Ostien zystoskopisch sondiert und anschließend die Ureteren mit Kontrastmittel gefüllt. Dies geschieht am besten unter Durchleuchtungskontrolle, so kann der Grad der Kontrastierung und Distension gesteuert werden. Bei zu starker Kontrastierung können kleine Befunde maskiert (»überspritzt«) werden. Vorteilhaft ist, dass die ableitenden Harnwege auch bei fehlender endogener Kontrastmittel-Ausscheidung bei eingeschränkter Nierenfunktion oder Harnstau dargestellt werden können. Aufgrund der hohen örtlichen Auflösung sind z. T. diskrete Schleimhautbefunde besser darstellbar als mit der MR- oder CT-Urographie, zudem kann eine seitengetrennte Zytologie entnommen werden. Nachteilig ist die Invasivität des Verfahrens.
Urethrographie Für die retrograde Darstellung der männlichen Urethra muss die distale Harnröhre verschlossen werden, z. B. durch vorsichtiges Füllen eines 12–14 F Foley-Katheters mit 1–2 ml Flüssigkeit, der bis knapp hinter dem Ballonende eingeführt wurde. Dann wird der Katheter unter Durchleuchtungskontrolle mit Kontrastmittel angespritzt, bis Kontrastmittel über die hintere Urethra in die Blase übertritt. Allerdings distendiert sich die hintere Urethra nicht komplett bei retrograder Füllung, hier muss ergänzend die Ausscheidungsurethrographie erfolgen. Bei Frauen muss gelegentlich Kontrastmittel direkt in die Urethra injiziert werden, z. B. bei der Abklärung von Fisteln oder Divertikeln, die sich nicht notwendigerweise bei der Ausscheidungsurethrographie füllen müssen. Hierfür wird ein Doppelballonkatheter verwendet, dessen distaler Ballon den Meatus internus verschließt und der proximale Ballon den Meatus externus. Dann wird Kontrastmittel injiziert, wobei sich Fistel oder Divertikel füllen, die von der Urethra ausgehen.
Sonographie Der Ultraschall ist als kostengünstige, nichtinvasive Methode ohne Strahlenexposition die Methode der ersten Wahl zur Untersuchung der Nieren. Mittels der Sonographie können Lage, Größe und Form der Nieren bestimmt werden. Zysten lassen sich sehr gut von soliden Raumforderungen unterscheiden. Auch Steine können entdeckt werden und eine Harnstauung graduiert werden. Verwendet wird wie zur Abdomensonographie ein 3,5 MHz-Schallkopf, bei schlanken Patienten evtl. auch ein 5 MHz-Schallkopf. Die Untersuchung wird in Rückenlage oder für die linke Niere Schrägseitenlage in Inspiration durchgeführt. Der Schallkopf wird seitlich am Patienten aufgesetzt, die rechte Niere ist teils auch von ventral gut einsehbar, indem man die Leber als Schallfenster benutzt. Mit der Doppler-Sonographie lassen sich die Perfusion darstellen und der Blutfluss quantifizieren. Nützlich ist die Technik v. a. zur Evaluation von Transplantatnieren, zur Charakterisierung von Raumforderungen und zur Beurteilung von Nierenarterienstenosen (. Abb. 31.1).
. Abb. 31.1. Kortikales Nierenzellkarzinom, Sonographie, über die Nierenkontur hinauswachsender, solider Tumor
Auch die Blase ist sonographisch gut beurteilbar. Der Patient sollte für die Untersuchung mit gut gefüllter Blase erscheinen. Der Schallkopf wird suprapubisch aufgesetzt. Blasensteine, Divertikel und Tumoren können erkannt werden. Das Blasenvolumen kann mit der Formel 0,7 × (Länge × Höhe × Breite) abgeschätzt werden. Nach Miktion kann die Restharnmenge bestimmt werden.
Computertomographie Die CT ist die Methode der Wahl bei vielen Fragestellungen, so z. B. zur Beurteilung von Raumforderungen der Niere, die nicht allein mit der Sonographie abzuklären sind. Sie wird in zunehmendem Maß auch primär anstelle der Ausscheidungsurographie zur Abklärung von Steinleiden und Abflusstörungen eingesetzt (»CT-Urographie«). Das Untersuchungsprotokoll variiert stark je nach Fragestellung. Immer sollte bei der Spiral-CT, bzw. bei der Mehrschichtspiral-CT, die niedrigste mögliche Schichtdicke, bzw. Detektorkonfiguration, gewählt werden (z. B. 4×1 mm, 16×0,75 mm). Die rekonstruierte Schichtdicke sollte bei 3–5 mm liegen, optimalerweise mit Rekonstruktionen schräg-koronar parallel zu den Nieren gewinkelt. Zur Patientenvorbereitung genügt meist eine negative orale Darm-Kontrastierung mit Wasser (1–2 l über 1 h vor der Untersuchung). ! Bei der Abklärung der Nephrolithiasis ist positives orales Kontrastmittel kontraindiziert.
Die negative Kontrastierung erleichtert auch die Nachverarbeitung der Datensätze als MIP (Maximum intensity projection) oder VRT (volume rendering technique), da kein hyperdenser Darm segmentiert und entfernt werden muss. Bei der Abklärung von Steinleiden und unklaren Raumforderungen der Niere ist eine Nativserie vor der Kontrastmittelserie obligat. Nur so kann sicher eine Kontrastmittel-Aufnahme in primär schon hyperdensen Raumforderungen bestimmt werden. Zu beachten ist auch, dass exakt die gleichen Parameter (Röhrenstrom, Röhrenspannung) in der Nativ- und Kontrastmittelserie verwendet werden. Ansonsten kann die Bestimmung der Hounsfield-Einheiten (HE) durch verändertes Bildrauschen verfälscht werden. Als Grenzwert für eine sichere Kontrastmittel-
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1008
31
Kapitel 31 · Nieren, Harnwege und Harnblase
aufnahme gilt eine Zunahme um 10 HE. Zudem können Fettanteile mit negativen HE-Werten, z. B. in Angiomyolipomen, besser nativ abgegrenzt werden, da diese Tumoren auch Kontrastmittel aufnehmen. Nach Kontrastmittelgabe (ca. 150 ml iodhaltiges KM i.v., 300 mg/ml Iodgehalt) muss zumindest eine Serie ca. 70 s p.i. durchgeführt werden (Parenchymphase). Eine zusätzliche arterielle Phase bzw. CT-Angiographie trägt zwar nur selten zur differenzialdiagnostischen Eingrenzung unklarer Raumforderungen bei, kann jedoch bei der anatomischen Abgrenzung kleiner kortikaler Läsionen helfen (. Abb. 31.2). Zudem kann sie bei der Planung von Nierenteilresektionen hilfreich sein, indem sie Auskunft über aberrante Gefäße gibt. Auch sind die Nierenvenen in dieser Phase aufgrund der guten Perfusion der Nieren meist stärker kontrastiert als in der Parenchymphase, dadurch sind Tumorthromben manchmal besser abgrenzbar. Je nach Fragestellung können zusätzliche Aufnahmen in der venösen Phase (ca. 120–140 s p.i.) notwendig werden. Die venöse Phase hilft bei der Beurteilung der Ausdehnung von Tumorthromben in der V. cava inferior, da diese in der Parenchymphase häufig noch inhomogen kontrastiert ist. Da ein Tumoreinbruch in die V. cava nicht immer primär schon bekannt ist, sollte der zuständige Radiologe während der Untersuchung von Patienten mit unklaren Nierenraumforderungen anwesend sein, um bei einem in der Parenchymphase unklarem Befund in der V. cava inferior im Anschluss die venöse Phase durchführen zu lassen. Die CT-Urographie (oder Ausscheidungsphase) wird immer dann durchgeführt, wenn es um eine detaillierte Beurteilung des Hohlsystems geht, z. B. bei: 4 Fehlbildungen 4 Frage nach Ureterkompression/Verlagerung 4 Tumoren des Hohlsystems, etc. Die Techniken variieren zurzeit noch sehr, ein abschließendes Urteil zur optimalen Vorgehensweise ist noch nicht möglich. Es sollen im Folgenden die am häufigsten eingesetzten Protokolle beschrieben werden. Bei der »Split-Bolus«-Technik wird nach der Nativserie ca. 30 ml Kontrastmittel infundiert und nach ca. 4 min eine Testschicht (mit reduzierter Dosis) über Nierenbecken und/oder distalen Ureter durchgeführt (je nach geplantem Scanbereich: nur Nieren oder kompletter Harntrakt). Bei ausreichender Kontrastierung wird dann die übliche Menge Kontrastmittel infundiert und die Parenchymserie durchgeführt. Der Vorteil ist, dass man in einem Scan sowohl die ableitenden Harnwege als auch das Parenchym optimal kontrastiert hat. Man erspart sich also eine separate Ausscheidungsphase, was erheblich zur Dosisreduktion beiträgt (. Abb. 31.3). Die Technik ist allerdings aus folgenden Gründen umstritten: zu einen ist nicht sicher auszuschließen, dass sich stark kontrastierte sehr kleine Urothelkarzinome schlechter gegenüber dem positiv kontrastierten Lumen abgrenzen. Zum anderen ist es möglich, dass hypervaskularisierte Metastasen/Läsionen in der Leber durch den vorangegangenen Bolus gerade so stark kontrastiert sind, dass sie sich in der Parenchymphase nicht mehr von der Umgebung abgrenzen. Beide Fragestellungen wurden allerdings noch nicht systematisch untersucht.
a
b . Abb. 31.2a, b. Kortikales Nierenzellkarzinom der Niere. a In der Computertomografie in der arteriellen Phase ist der Tumor besser gegenüber der Umgebung abgrenzbar als in der Parenchymphase (b)
Häufiger wird eine separate Ausscheidungsphase durchgeführt. Optimalerweise werden Testschichten ca. 4 min nach der Parenchymphase über den distalen Ureteren durchgeführt. Bei ausreichender Kontrastierung wird der Scan gestartet, ansonsten alle weitere 2–4 min Testscans bis zur optimalen Ureterenkontrastierung durchgeführt. Zur verbesserten Distension der Ureteren kann ein niedrig dosiertes Diuretikum bei fehlenden Kontraindikationen (Steinkolik!) verabreicht werden (10 mg Furosemid i.v. vor Kontrastmittelgabe). Das Kontrastmittel im Urin ist dann stärker verdünnt im Vergleich zur Untersuchung ohne Di-
1009 31.1 · Nieren und Harnwege
a
b
. Abb. 31.3a, b. CT-Urographie bei Nierenzellkarzinom am Unterpol rechts mit Split-Bolus-Technik. a Normalbefund des Hohlsystems in der MIP; b in der gekrümmt-planaren Rekonstruktion entlang der Ureteren ebenfalls kei-
ne Auffälligkeiten der ableitenden Harnwege; das Nierenzellkarzinom infiltriert die untere Kelchgruppe nicht. Die Split-Bolus-Technik ermöglicht gleichzeitig eine optimale Beurteilung des Parenchyms und des Hohlsystems
uretikum. Die Bildrekonstruktion erfolgt meist als MIP oder AIP (averaged intensity projection). Die AIP erlaubt einen ähnlichen Bildeindruck wie ein AUG. Die Analyse der Einzelschichten axial und in multiplanaren Rekonstruktionen (MPR) bleibt aber Basis der Bildinterpretation.
tion. Immer sollte der zuständige Radiologe vor Ort die ersten Sequenzen kontrollieren und entscheiden, welche Zusatzsequenzen/-ebenen notwendig sind. Besonders ist bei unklaren Raumforderungen der Niere auf Nebenbefunde zu achten (Metastasen Wirbelsäule, Tumorzapfen in der V. cava inferior, Nebennierenvergrößerung). Die Ausdehnung eines Cavazapfens kann hervorragend mit flusssensitiven Gardientenechosequenzen oder sagittalen T2-gewichteten Sequenzen erfasst werden (. Abb. 31.4). Nebennierenraumforderungen können mit zusätzlichen in- und opposed-phase Sequenzen abgeklärt werden (Kap. 30: Nebennieren). Die MR-Urographie erlaubt ähnlich wie die CT-Urographie eine detaillierte dreidimensionale Beurteilung der ableitenden Harnwege. Auch hier existieren unterschiedliche Protokolle. Es können MR-Urogramme auf der Basis stark flüssigkeitsgewichteter T2-Sequenzen durchgeführt werden, die eine statische Aussage über das Hohlsystem liefern. Vorteil gegenüber der CT-Urographie und dem AUG ist die Unabhängigkeit von der Nierenfunktion und die hervorragende Abbildung gestauter Harnwege, sodass die Stenosehöhe sehr gut beurteilt werden kann. T1-gewichtete MR-Urographien nach Gabe von paramagnetischem Kontrastmittel (z. B. Gadolinium-DTPA) mit schnellen Gradientenechosequenzen erlauben eine bessere örtliche Auflösung und können beliebig oft wiederholt werden, bis eine optimale Kontrastierung aller Abschnitte erreicht ist, was in der CT
Magnetresonanztomographie Die MRT (MRT) gewinnt zunehmend an Bedeutung für die Untersuchung der Nieren und ableitenden Harnwege. Aufgrund der gerätetechnisch bedingten Unterschiede sowie der Vielzahl an Untersuchungsprotokollen sollen hier nur die Grundsätze eines geeigneten Untersuchungsprotokolles erläutert werden. Eine spezielle Patientenvorbereitung ist nicht notwendig. Es sollten dezidierte Oberflächenspulen verwendet werden. Die Schichtdicke sollte 6 mm nicht überschreiten. Am Anfang wird eine T2-gewichtete Spin-Echo (SE)/Turbo-Spinechosequenz (TSE) in axialer Schichtung durchgeführt, ergänzend auch koronar oder schnelle Single-shot-Sequenzen (HASTE) koronar. Dann erfolgt eine T1-gewichtete axiale Serie (SE/TSE) vor und nach Kontrastmittelgabe; vor Kontrastmittelgabe mit und ohne Fettsättigung, um fetthaltige Tumoren (z. B. Angiomyolipome) abgrenzen zu können. Zusätzlich können schnelle Gradientenechosequenzen als Kontrastmittel-Dynamik durchgeführt werden (axial oder koronar) oder eine MR-Angiographie, z. B. bei Abklärung potenzieller Nierenspender oder vor Nierenteilresek-
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Kapitel 31 · Nieren, Harnwege und Harnblase
a
b
c
d . Abb. 31.4a–d. Großes Nierenzellkarzinom der rechten Niere mit Kavazapfen. a, b In der CT stellt sich der Tumor hypervaskularisiert dar (a, Pfeil), die V. cava inferior ist aufgetrieben und komplett von dem ebenfalls hypervaskularisiertem Thrombus ausgefüllt (b, Pfeil). c Besser ist die Ausdehnung
des Thrombus in der MRT abgrenzbar (Pfeilspitzen), der Thrombus stellt sich in den T2-gewichteten Sequenzen hyperintens dar, das durchströmte Lumen der V. cava inferior ist signalfrei. d In der Kavographie erkennt man die gesamte Ausdehnung des Thrombus
1011 31.1 · Nieren und Harnwege
a
b
. Abb. 31.5a, b. MR-Urographie, Normalbefund. a Kontrastverstärkte T1-gewichtete MR-Urographie; b T2-gewichtete MR-Urographie
aufgrund der Strahlenbelastung nicht möglich ist. Dadurch ist auch eine semiquantitative Aussage über die Nierenfunktion möglich, ähnlich wie beim AUG. Obligat ist die Verwendung niedrig dosierter Diuretika vor Kontrastmittelgabe (Furosemid 10 mg i.v.), weil das Kontrastmittel ansonsten in Nierenbecken und Blase in den dorsalen Anteilen so stark konzentriert wird, das es zu Signalauslöschungen kommt. Zudem wird der Harntrakt besser distendiert. Nachteilig ist bei der MR-Urographie im Vergleich zur CT-Urographie die eingeschränkte Beurteilbarkeit der Umgebung (Frage Tumorstenose, Lymphknoten, Entzündung etc.) (. Abb. 31.5).
Angiographie Die Angiographie wird zunehmend seltener bei der Abklärung von Nierenläsionen angewandt. Häufig wird sie bei der Evaluation von Nierenarterienstenosen in Interventionsbereitschaft (Angioplastie mit/ohne Stenteinlage) durchgeführt. Zusätzliche minimal-invasive Eingriffe sind Embolisation von Gefäßen, z. B. im Rahmen der Tumorchirurgie oder posttraumatisch. Kleine intraparenchmyale Gefäßanomalien, z. B. bei Arteritiden können allerdings weiterhin am besten mit der Angiographie abgeklärt werden. Technisch erfolgt die Angiographie mittels digitaler Subtraktionsangiographie (DSA). Der arterielle Zugang erfolgt bevorzugt über die A. femoralis communis mit 4 F-Instrumentarium bei rein diagnostischen Untersuchungen, ggf. entsprechend größerem Instrumentarium im Rahmen von Interventionen. Zunächst wird mit einem Pigtailkatheter eine Aortographie in a. p.Projektion auf Höhe des Abgangs der Nierenarterien durchge-
führt, um aberrierende Gefäße zu erkennen. Dann werden die Nierenarterien selektiv sondiert und dargestellt, z. B. mit Cobrakatheter. Es empfiehlt sich eine leicht schräge Projektion. Falls notwenig, müssen tumorversorgende Gefäße hochselektiv mittels Koaxialkatheter sondiert werden (. Abb. 31.6).
31.1.2
Entwicklungsstörungen und Missbildungen
Niere Eine Nierenagenesie ist als fehlende Organanlage definiert. Bei einer Aplasie ist die Niere zwar angelegt, aber unterentwickelt und funktionslos. Hypoplastische Nieren sind dagegen funktionsfähig, erreichen aber nicht die normale Größe. Allerdings kann eine Schrumpfniere durch z. B. chronische Entzündungen gleich aussehen. Normvarianten ohne Krankheitswert sind eine persistierende fetale Lappung der Nieren und ein Milzbuckel. Als Folge embryonaler Entwicklungsstörungen können inkomplette oder komplette Doppelnieren mit einem Ureter fissus (ein Ureterostium in der Harnblase) oder einem Ureter duplex (2 Ostien) entstehen. Hufeisennieren weisen eine bindegewebige oder parenchymatöse Verschmelzung der unteren Pole beider Nieren auf. Hierdurch ändert sich die Längsachse beider Nieren, die in diesen Fällen nach kaudal konvergieren (. Abb. 31.7). Dystope Nieren werden am häufigsten im Becken gefunden. Bei gekreuzten Dystopien liegt die Niere auf der Gegenseite ihres Ostiums.
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Kapitel 31 · Nieren, Harnwege und Harnblase
Ureter Aplasien oder Agenesien der Ureteren sind an einem fehlenden Blasenostium erkennbar. Bei einer Entwicklungsstörung der V. cava inferior kann der Ureter retrokaval verlaufen, was eine Kompression verursachen kann. Bei einer Ureterozele handelt es sich um eine Missbildung des Ureters, die häufig mit anderen Missbildungen vergesellschaftet ist. Ihre Wand besteht innen aus Harnleiterschleimhaut und außen aus Blasenschleimhaut. Dazwischen findet sich Bindegewebe und Muskulatur. Deshalb ist in der Ausscheidungsurographie die Auftreibung des distalen Ureters durch eine schmale Aufhellungszone von der kontrastmittelgefüllten Harnblase abgegrenzt (. Abb. 31.8).
31
31.1.3
Benigne Tumoren
Nierenzysten Nierenzysten sind die häufigsten Veränderungen, die bei Nierenuntersuchungen gefunden werden. Gerade durch die Sonographie werden Zysten in zunehmendem Maße diagnostiziert. Meist sind sie durch die Ultraschalluntersuchung alleine ausreichend zu differenzieren. Bei komplexen Zysten müssen jedoch ergänzende Untersuchungen durchgeführt werden.
Kortikale Zysten Definition, Epidemiologie . Abb. 31.6. Nierenzellkarzinom am Oberpol der linken Niere in der DSA: kortikaler Parenchymdefekt, Vorwölbung der Raumforderung über die Nierenkontur hinaus, Neovaskularisation, Tumorblush und Gefäßseen im Tumor
a . Abb. 31.7a, b. Hufeisenniere, MRT. a Man erkennt die vor der Wirbelsäule verschmolzenen unteren Nierenpole in der T2-gewichteten Sequenz.
Sie sind die häufigste Nierenläsion überhaupt. Während sie bei Kindern und jungen Erwachsenen selten auftreten, nehmen sie im Alter an Häufigkeit zu. Es wird geschätzt, dass bei bis zu 50% der über 50-Jährigen in Ultraschall- oder CT-/MRT-Untersuchungen
b b Schräg-seitliche Ansicht der MR-Urographie mit dem dilatierten Hohlsystem mit atypisch nach ventral abgehendem Ureter
1013 31.1 · Nieren und Harnwege
Die Klassifikation nach Bosniak hat sich hierbei bewährt und orientiert sich an klinisch relevanten Fragestellungen. Primär wurde sie für die CT eingeführt, kann aber auch auf die MRT übertragen werden. Die Kategorie II F (für follow-up) wurde nachträglich eingefügt, da sich bis zu 10% der Typ-II-Läsionen doch im längerfristigen Verlauf als Nierenzellkarzinome herausstellten. Diese Kategorie ist am unschärfsten definiert und am meisten von der Interpretation des Radiologen abhängig. Sie ist aber bei der zunehmenden Anzahl an durch Sonographie und Schnittbildgebung zufällig entdeckten zystischen Läsionen hilfreich, da einerseits übermäßig häufige falsch positive operative Befunde vermieden werden, aber durch die Verlaufskontrollen nach 6 Monaten (um schnell wachsende Tumoren zu erkennen) und dann nach 12 Monaten (um die Mehrzahl langsam wachsender Tumore zu erkennen) maligne Befunde ohne wesentliche Verschlechterung der Prognose aufgedeckt werden.
Bosniak Klassifikation zystischer Nierenläsionen . Abb. 31.8. Ureterozele rechts mit typischem »Schlangenkopfzeichen«. (Mit freundlicher Genehmigung von PD Dr. K.Wörtler)
Nierenzysten zu finden sind. Daher wird angenommen, dass es sich um erworbene Läsionen handelt, wohl durch verlegte Tubuli. Bildgebung Im Ultraschall sind blande Zysten echofrei mit dorsaler Schallver-
stärkung und scharf begrenzt. Sehr feine Septierungen können teilweise besser als mit der Schnittbildgebung zu erkennen sein. Im AUG können große kortikale Zysten als transparente Region und glatt begrenzter Defekt im Parenchym zu erkennen sein, sind aber heutzutage meist schon aus der Sonographie bekannt. In der CT werden zystische Veränderungen als häufiger Zufallsbefund im Rahmen abdomineller Untersuchungen aus nichturologischen Indikationen gefunden, z. B. beim Tumorstaging. Meist steht dann keine Nativserie zur Verfügung, sondern nur die Parenchymphase. Blande Zysten erfüllen folgende Kriterien: runde, scharf konturierte Läsion mit homogenem Inhalt. Die Dichte des Inhalts muss <15 HE betragen, es sollen keine Septierungen vorhanden sein. Steht eine Nativserie zum Vergleich zur Verfügung, darf keine Kontrastmittel-Anreicherung nachweisbar sein (Dichteunterschied <10 HU). Die Wand ist so dünn, das sie mit der CT nicht abgrenzbar sein darf, bei kortikalen Zysten findet man manchmal eine Ausziehung des Parenchyms am Übergang zur Nierenrinde, die nicht mit einer Wandverdickung verwechselt werden sollte. In der MRT stellen sich blande Zysten ebenfalls rund, scharf begrenzt und homogen dar. Aufgrund des wasserdichten Inhaltes sind sie in T1-gewichteten Sequenzen hypointens und in T2-gewichteten Sequenzen stark hyperintens (wie Liquor, Galle). Wie in der CT nehmen blande Zysten kein Kontrastmittel auf.
Komplizierte Zysten Klassifikation, Bildgebung
Alle zystischen Veränderungen müssen als komplex bezeichnet werden, wenn diese nicht die oben genannten Kriterien für blande Zysten erfüllen.
4 Typ I: blande Zyste ohne atypische Eigenschaften, keine weitere Diagnostik nötig 4 Typ II: vereinzelte feine Verkalkungen, dünne Septierungen bis 1 mm Dicke, homogen dichter Inhalt ohne Kontrastmittel-Aufnahme; alle Typ-II-Läsionen müssen <3 cm sein; Kategorie II F umfasst Läsionen mit vermehrten dünnen Septen oder Verkalkungen, die nach 6 und dann nach 12 Monaten kontrolliert werden sollten (F für »follow-up«) 4 Typ III: dicke Verkalkungen, Septen mit einer Dicke >1 mm, irreguläre Septen, alle hyperdensen oder septierten Läsionen >3 cm, jede Kontrastmittelaufnahme in einer Septe oder in der Zystenwand: Malignität nicht auszuschließen, operative Freilegung erforderlich 4 Typ IV: solide Kontrastmittel aufnehmende Anteile, sehr wahrscheinlich maligne, Nephrektomie/Nierenteilresektion erforderlich
Septierungen sind am besten in der Sonographie und in der
MRT in T2-gewichteten Sequenzen zu erkennen. In Einzelfällen kann dies zu einer anderen Einstufung in der Bosniak-Klassifikation im Vergleich zur CT führen. Verkalkungen dagegen sind am besten in der CT zu erkennen. Zysten mit nicht wasserklarem Inhalt sind meist eingeblutet oder haben proteinreichen Inhalt (. Abb. 31.9). Dadurch erscheinen sie hyperdens im CT (bis 90 HU) und T1w hyperintens in der MRT, mit variablem T2-Signal, je nach Zusammensetzung des Inhalts. Jede Inhomogenität oder eine Größe >3 cm sind allerdings malignomverdächtig, da auch ohne Kontrastmittel-Aufnahme an den Rändern kleine Anteile eines Nierenzellkarzinomes sitzen können, das zu Einblutungen geführt hat (. Abb. 31.10). ! Vorsicht bei der Diagnose eingeblutete Zyste: Nierenzellkarzinome können Einblutungen verursachen und hämorrhagische Zysten imitieren! Komplexe Zysten sind daher bei jeder Inhomogenität und bei einer Größe>3 cm auch ohne Inhomogenitäten oder Kontrastmittel-Aufnahme als Bosniak Typ III einzustufen und damit weiter abklärungsbedürftig!
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Kapitel 31 · Nieren, Harnwege und Harnblase
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a
b
. Abb. 31.9a, b. Nierenzyste. Kleine hyperdense Zyste am Oberpol in der CT: Größe <3 cm, homogener Inhalt nativ (a) und keine KM-Aufnahme (b), daher Bosniak Typ 2
c
a
b
. Abb. 31.10a–c. Glatt begrenzter Nierentumor am Oberpol. a In der Computertomografie nativ Inhomogenitäten, Größe >3 cm; b aber keine messbare KM-Aufnahme. c In der MRT kommen in der T2-gewichteten Se-
quenz die Signalinhomogenitäten besser zur Darstellung, auch hier war keine Kontrastmittel-Aufnahme messbar; dennoch aufgrund der Größe und Inhomogenität Bosniak Typ 3; die Histologie ergab ein Nierenzellkarzinom
1015 31.1 · Nieren und Harnwege
Zystische Läsionen mit soliden, Kontrastmittel aufnehmenden Anteilen sind schließlich mit hoher Wahrscheinlichkeit maligne und werden als Bosniak Typ IV klassifiziert. Diese Läsionen erfordern die Nephrektomie oder Nierenteilresektion.
Extraparenchymale Zysten Hierzu gehören parapelvine Zysten im Bereich des Nierenbeckens und perirenale Zysten direkt unterhalb der Nierenkapsel. Parapelvine Zysten können mit gestauten Kelchgruppen verwechselt werden. Die CT in der Ausscheidungsphase oder in »Split-Bolus-Technik« zeigt dann eindeutig schmale kontrastierte Kelchgruppen benachbart von flüssigkeitsisodensen glatt begrenzten Zysten. Perirenale Zysten sind keine echten Zysten, sondern entsprechen abgekapselter Flüssigkeit, wahrscheinlich ausgetretenem Urin nach einem Trauma.
Adenom Diese benignen Tumoren sind bildgebend nicht von Adenokarzinomen zu unterscheiden, auch histologisch kann die Differenzialdiagnose schwierig sein. Die meisten Adenome werden bei der Autopsie gefunden, wenn diese intraoperativ gefunden werden, kann aufgrund der schwierigen Abgrenzung zu bösartigen Befunden eine Verlaufskontrolle und die Suche nach Metastasen sinnvoll sein.
Onkozytom Definition, Epidemiologie Ein Onkozyt ist eine große epitheliale Zelle mit granulärem eosinophilem Zytoplasma. Diese Zellen werden mit zunehmendem Alter in einer Reihe von Organen gefunden, z. B. in den Speicheldrüsen, in der Schilddrüse, in der Pankreas und in den Nieren. Hier gehen sie vom den distalen Tubuli oder Sammelgängen aus. Onkozytome treten bevorzugt bei Männern und in der 7. Lebensdekade auf und machen ca. 5% aller Nierentumoren aus.
a
Bildgebung Bei Diagnosestellung sind Onkozytome durchschnittlich 7 cm groß. In der Bildgebung sind diese Tumoren scharf gegenüber der Umgebung begrenzt und zeigen keine Nekrosen oder Einblutungen. Sie sind gut vaskularisiert und können eine »radspeichenartige« Anordnung der Gefäße zeigen. Als typisch, aber nicht notwendigerweise vorhanden, gilt eine zentrale Narbe. Leider können alle diese Eigenschaften auch bei bösartigen Tumoren zu finden sein. Daher kann bildgebend immer nur der Verdacht auf ein Onkozytom geäußert werden, zwingend ist eine histologische Abklärung erforderlich. Allerdings kann der Hinweis auf ein mögliches Onkozytom hilfreich zur Planung der OP sein (ggf. zunächst nur Freilegung und Biopsieentnahme/Nierenteilresektion). In der CT imponieren diese Tumoren solide, scharf begrenzt und zeigen eine Kontrastmittel-Aufnahme. Eine zentrale Narbe ist hypodens abgrenzbar, allerdings nicht flüssigkeitsisodens. Dies würde auf eine Nekrose hinweisen, was wiederum typisch für einen bösartigen Befund wäre. In der MRT sind diese Tumoren ebenfalls solide, in T1w hypointens und in T2w hyperintens. Nach Kontrastmittelgabe findet sich eine Kontrastmittel-Aufnahme (. Abb. 31.11).
b . Abb. 31.11a, b. Onkozytom am Oberpol der rechten Niere. a In der CT solide Raumforderung mit radspeichenartiger KM-Aufnahme; b ähnliches Bild in der DSA
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Kapitel 31 · Nieren, Harnwege und Harnblase
! Onkozytome können bildgebend nur vermutet werden! Zwingend ist die operative Freilegung und histologische Sicherung zur Abgrenzung gegenüber dem Nierenzellkarzinom erforderlich!
Nephroblastomatose Definition, Pathogenese
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Der Nephroblastomatose liegt eine komplexe Störung der Nephrogenese mit Persistieren von metanephrischem Blastem im Säuglings- oder Kindesalter zugrunde. Es besteht die Tendenz zum tumorösem Wachstum mit Verdrängung von Nierengewebe bis zur Ausbildung einer Niereninsuffizienz. Eine sekundäre Transformation zu einem Wilms-Tumor ist nicht selten, daher spricht man von einer Präkanzerose. Deshalb werden einige der jungen Patienten chemotherapeutisch behandelt, hierunter kommt es meist zu einer Größenreduktion. Dennoch sind kurzfristige Verlaufskontrollen angezeigt, um die Transformation in einen Wilms-Tumor rechtzeitig zu entdecken.
a
Bildgebung Sonographisch imponieren die Läsionen meist echoarm, können aber auch echoreich erscheinen. In der CT zeigen sich kortikal gelegene hypodense Läsionen, in der MRT sind diese meist hypointens in T1w und meist gering hyperintens in T2w.
Mesoblastisches Nephrom Definition, Bildgebung Ein gutartiger Tumor, der sich meist bei oder kurz nach der Geburt manifestiert. In der Sonographie zeigt sich der Tumor isoechogen zur Niere, ausgedehnte echoarme Anteile deuten auf Nekrosen und eine Entdifferenzierung hin. In der CT zeigt sich der Tumor als solide intrarenale Raumforderung mit Kontrastmittel-Aufnahme. Der Tumor ist meist bei Diagnosestellung sehr groß (>6 cm Durchmesser) und kann die gesamte Niere durchsetzen. Die operative Entfernung oder Nephrektomie ist die Therapie der Wahl.
b . Abb. 31.12a, b. Typisches kortikales Angiomyolipom. a In der Sonographie zeigt sich ein homogen echoreicher Tumor; b in der CT nach KMGabe finden sich anreichernde Anteilen und Anteile mit negativen HE-Werten (Fett)
vor. Die Angiomyolipome bei der tuberösen Sklerose sind im Vergleich zur sporadischen Form meist größer, häufig bilateral und treten in jüngerem Alter bei Männern und Frauen gleichermaßen auf.
Bildgebung
Angiomyolipom Definition, Epidemiologie Angiomyolipome sind hamartomatöse Mischtumoren, die sich aus Fettgewebe, Gefäßen und Muskelgewebe zusammensetzen. Frauen sind bevorzugt betroffen, die Diagnosestellung erfolgt durchschnittlich um das 40. Lebensjahr. Die Tumoren sind meist asymptomatisch, können allerdings bei Einblutung Beschwerden verursachen, insbesondere bei großen Tumoren. Wenn der Fettanteil zu klein ist, um bildgebend erfasst zu werden, ist der Tumor nicht von einem Nierenzellkarzinom zu differenzieren. Es besteht eine gehäuftes Auftreten von Angiomyolipomen in Zusammenhang mit der tuberösen Sklerose. Diese autosomal dominant vererbliche Krankheit geht mit Epilepsie, geistiger Retardation, einem Adenoma sebaceum und verschiedenen Hamartomen einher, z. B. zerebral. In den Nieren findet man neben Angiomyolipomen gehäuft Zysten. Obwohl die tuberöse Sklerose in 80% mit Angiomyolipomen einhergeht, liegt in weniger als 40% der Patienten mit Angiomyolipomen eine tuberöse Sklerose
Im Ultraschall ist das typische Erscheinungsbild aufgrund des Fettgehalts das eines echoreichen soliden Tumors. Bei geringem Fettgehalt wird das Echobild aber zunehmend inhomogen, zudem kann das Nierenzellkarzinom auch ein echoreiches Muster zeigen. Daher sollte beim geringsten Zweifel in der Sonographie eine weitere bildgebende Abklärung erfolgen. In der CT erscheinen die Fettanteile hypodens mit negativen HE-Werten. Wichtig ist, dass eine Nativserie in dünner Schichtung mit ausreichendem Weichteilkontrast durchgeführt wird, da kleine Fettanteile in der Parenchymphase aufgrund der Kontrastmittel-Aufnahme des Tumors schlechter abgrenzbar werden. Auch die MRT kann Fett sehr empfindlich nachweisen. Wichtig ist, dass vor Kontrastmittelgabe T1w-Sequenzen mit und ohne Fettsättigung durchgeführt werden. Zudem sollte die Schichtdicke 5 mm nicht überschreiten. Bei sehr kleinen Befunden ist die CT heutzutage der MRT im Nachweis von Fett noch überlegen, mit fortschreitender Verbesserung der MRT-Technik werden sich aber beide Methoden in ihrer Empfindlichkeit angleichen (. Abb. 31.12).
1017 31.1 · Nieren und Harnwege
a
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. Abb. 31.13a–c. Riesiges Angiomyolipom der rechten Niere. a Koronare Reformation der CT in der arteriellen Phase mit riesigem, überwiegend fetthaltigem Tumor mit einzelnen kontrastierten Arealen und Aneurysma
(Pfeil). b Diese stellen sich ebenso in der DSA vor Intervention dar. c Erfolgreiche Coil-Embolisation des Aneurysmas, Verschluss der diffus hypervaskularisierten Areale mit Histoacrylkleber
In der Angiographie stellt sich ein Angiomyolipom mit erweiterten, geschwungen verlaufenden Gefäßen dar. Die Angiographie kann zur Darstellung der Gefäßversorgung vor Tumorresektion notwendig werden. Zudem können große Tumoren mit Embolisation minimal-invasiv behandelt werden (. Abb. 31.13).
Lipom
Differenzialdiagnose. Der Nachweis von Fett in einem Tumor in der Bildgebung spricht mit hoher Wahrscheinlichkeit für ein Angiomyolipom. Es sind zwar auch bei Wilmstumoren, Onkozytomen und selbst bei Nierenzellkarzinomen in Einzelfällen Fettanteile beschrieben worden, dies sind jedoch Raritäten. Bei Nierenzellkarzinomen handelt es sich dabei entweder um einen großen Tumor, der perinephrisches Fett umschließt, oder um Fettnekrosen. Dann sind aber benachbart meist Kalzifikationen nachweisbar, während ein Angiomyolipom nie kalzifiziert (. Abb. 31.14). Liposarkome können bildgebend ebenfalls nicht sicher von einem Angiomyolipom unterschieden werden, sind aber ebenfalls Raritäten. Umgekehrt schließt der fehlende Fettnachweis ein Angiomyolipom nicht aus, in diesem Fall muss aber eine histologische Sicherung erfolgen
Ein Lipom ist ein seltener Befund, wenn dann meist klein, selten symptomatisch und betrifft überwiegend Frauen in mittlerem Alter. Sie sind typisch homogen echoreich in der Sonografie und homogen hypodens mit negativen HE-Werten in der CT. Allerdings sind sie dann von kleinen Angiomyolipomen nicht sicher zu differenzieren (. Abb. 31.15).
Hämangiom Hämangiome sind seltene renale Tumoren die in kapilläre und kavernöse Formen unterteilt werden. Gewöhnlich sind sie klein, können aber bis zu 5 cm groß werden. Sie sind bevorzugt an den Spitzen der Markpyramiden lokalisiert und können eine seltene Ursache einer Hämaturie sein. Sie sind häufig zu klein, um mit der CT oder Sonographie sicher erfasst zu werden. In der Angiographie können sich Gefäßknäuel mit AV-Shunts darstellen, die nicht auf Vasokonstriktoren reagieren. Gleichzeitig ist auch eine Embolisation auf diesem Weg möglich.
31.1.4 > Fett in einem soliden Nierentumor spricht mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit für ein Angiomyolipom, in der Regel ist keine histologische Sicherung erforderlich. Ausnahmen sind Fettanteile mit benachbarten Verkalkungen, hier muss der Verdacht auf ein Nierenzellkarzinom mit Fettnekrosen geäußert werden, weil ein Angiomyolipom nie verkalkt.
Maligne Tumoren des Nierenparenchyms
Nierenzellkarzinom Definition, Epidemiologie Das Nierenzellkarzinom ist ein Adenokarzinom, das von den Tubuluszellen ausgeht. Die vielen in der Vergangenheit gebräuchlichen Synonyme wie Hypernephrom oder Grawitz-Tumor sollten nicht mehr verwendet werden.
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Kapitel 31 · Nieren, Harnwege und Harnblase
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. Abb. 31.14. Nierenzellkarzinom mit Fettnekrosen: großer solider Tumor mit randständig fettigen Anteilen, jedoch benachbart von Kalzifikationen, daher Fettnekrosen entsprechend, kein Angiomyolipom!
a
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. Abb. 31.15a, b. Lipom im Nierenbeckenkelchsystem. a Tumor mit negativen HE-Werten nativ; b ohne Anreicherung nach KM-Gabe, umspült von ausgeschiedenem KM im Nierenbeckenkelchsystem
1019 31.1 · Nieren und Harnwege
. Abb. 31.16. Langsam wachsendes Nierenzellkarzinom. Aufgrund fehlender Voraufnahmen und fehlender Nativuntersuchung jahrelang als hyperdense Zyste fehldiagnostiziertes Nierenzellkarzinom. Deshalb auch ho-
mogene hyperdense Läsionen ohne Nativaufnahme und Messung der KMDynamik nicht voreilig als eingeblutete/proteinreiche Zyste klassifizieren
Das Nierenzellkarzinom betrifft Männer doppelt so häufig wie Frauen und hat seinen Altersgipfel in der 6. Lebensdekade. Als gesicherter Risikofaktor gilt Tabakkonsum. Patienten mit HippelLindau-Syndrom entwickeln häufig bilaterale, multiple kleine Nierenzellkarzinome. Ebenso gibt es das familiär gehäufte Auftreten von Nierenzellkarzinomen unabhängig vom Hippel-Lindau-Syndrom. Gehäuft treten Nierenzellkarzinome auch bei Hämodialysepatienten auf, wobei diese ab ca. 3 Jahren nach Beginn der Dialyse zu beobachten sind. Insgesamt beträgt die Inzidenz ca. 7%. Parallel kommt es bei diesen Patienten zur zunehmenden Zystenbildung, teils mit Einblutungen und Verkalkungen in den Nieren, sodass die Diagnose eines Malignoms sehr schwierig werden kann.
Der spontane Verlauf ist schwierig vorherzusagen und sehr variabel. Obschon die meisten Nierenzellkarzinome langsam wachsen, gibt es aggressiv und schnell wachsende Verlaufsformen. Andererseits können Patienten jahrelang beschwerdefrei mit unbehandelten Tumoren leben (. Abb. 31.16). Metastasen wurden nach einer Latenz bis zu 30 Jahren nach Nephrektomie beschrieben. Ebenso sind Spontanremissionen sowohl des Primärtumors, als auch der Metastasen beschrieben, weshalb große Hoffnungen in die Immuntherapie gesetzt werden.
Klinik Klinisch ist die klassische Symptomtrias Hämaturie, Flankenschmerz und palpabler Tumor nur mehr selten anzutreffen. Häufig ist eine alleinige Hämaturie erstes Symptom oder unspezifische B-Symptome, in zunehmendem Maß werden jedoch auch durch den Einsatz der Sonographie und CT sowie der MRT symptomlose kleinere Tumoren als Zufallsbefunde diagnostiziert. Weniger häufig manifestiert sich der Tumor durch eine ipsilaterale Varikozele oder paraneoplastische Hormonbildung. Hierbei kann es sich um Renin, Erythropoietin, Parathormon, Prolaktin, Gonadotropin oder ACTH handeln.
Bildgebung Bildgebend wird der Verdacht auf das Vorliegen eines Nierenzellkarzinomes heutzutage häufig durch die Sonographie geäußert. Nierenzellkarzinome stellen sich dabei meist als solide Raumforderung mit unscharfer Begrenzung und mit variabler Echogenität dar. Sie können isoechogen und dann schwer von der Umgebung abgrenzbar sein. Echoarme Tumore dürfen nicht mit Zysten verwechselt werden, ihnen fehlt auch die dorsale Schallverstärkung. Selten kann ein Nierenzellkarzinom komplett zystisch sein, allerdings finden sich auch hier meistens Septierungen, Inhomogenitäten oder Wandverdickungen. Zystische Anteile finden sich dagegen häufig und entsprechen Nekrosezonen. Nierenzellkarzinome können auch echoreich zur Darstel-
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Kapitel 31 · Nieren, Harnwege und Harnblase
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. Abb. 31.17a, b. Großes Nierenzellkarzinom am Unterpol links. a In der Ausscheidungsurographie erkennt man einen großen Weichteilschatten, der sich vom Unterpol der linken Niere bis in das Becken erstreckt (Pfei-
le) und den Ureter nach medial verlagert, zusätzlich Kompression und Deformierung der unteren Kelchgruppen. b In der CT erkennt man den großen, inhomogen, KM aufnehmenden Tumor
lung kommen, dies wird besonders bei kleinen Tumoren zum Problem, da die Differenzialdiagnose zu einem Angiomyolipom dann schwierig ist. In der Doppler-Sonographie ist der Tumor gut vaskularisiert. Die Ausscheidungsurographie wird in zunehmendem Maße durch die CT oder MRT ersetzt. Jedoch können größere Raumforderungen als Zufallsbefund erkennbar werden: hinweisend ist ein Weichteilschatten, der sich über die Nierenkontur vorwölbt und unscharf zum Parenchym begrenzt ist. Zudem kann das Kelchsystem deformiert sein. Verkalkungen sind meist grobschollig und zentral gelegen, während Zysten zu feinen, randständigen Verkalkungen neigen. Liegt schon ein Thrombus in der Nierenvene vor, kann es zu einem persistierenden Nephrogramm mit seitendifferenter Anreicherung und verzögerter Ausscheidung der betroffenen Seite kommen (. Abb. 31.17). Methode der ersten Wahl zur Abklärung unklarer Nierenläsionen ist die CT. Die MRT ist sicher schon heute als gleichwertig zu betrachten und wird aufgrund der technischen Fortschritte an Bedeutung zunehmen, ist aber aufgrund Kosten und Verfügbarkeit noch nicht Methode der ersten Wahl. Die CT kann solide Tumoren mit hoher Sensitivität entdecken und einfache Zysten mit hoher Genauigkeit von malignen Prozessen differenzieren. Die Spezifität bei der Differenzierung solider Prozesse ist allerdings gering, sodass solide Läsionen, die kein Fett enthalten, bis zum Beweis des Gegenteils als Nierenzellkarzinom angesehen werden müssen. Nativ stellen sich Nierenzellkarzinome meist isodens zum Parenchym dar, können bei Nekrosen auch hypodens erscheinen oder bei Einblutungen bzw. Kalzifikationen auch hyperdens. Kleinere Läsionen können nativ dem Nachweis entgehen. Nach Kontrastmittelgabe ist die Anreicherung meist intensiv und inhomogen. Zystische Nierenzellkarzinome können auch
nur im Randbereich oder in Tumorknoten anreichern (Bosniak Typ IV Läsionen, Kap. 31.1.3, Benigne Tumoren). Es gibt allerdings auch nur schwach und homogen anreichernde Tumore, besonders das papilläre Nierenzellkarzinom (. Abb. 31.18). Verkalkungen können auftreten und sind dann meist grobschollig und zentral gelegen (. Abb. 31.19). Eine unscharfe Be-
. Abb. 31.18. Papilläres Nierenzellkarzinom. Homogener solider Tumor am Oberpol der Niere mit betont randständiger KM-Aufnahme
1021 31.1 · Nieren und Harnwege
. Abb. 31.19. Nierenzellkarzinom am Oberpol der rechten Niere mit grobscholligen Verkalkungen. Nebenbefundlich multiple Leberzysten
grenzung zum Parenchym ist zwar hinweisend auf einen malignen Tumor, das Nierenzellkarzinom kann jedoch auch relativ scharf abgegrenzt zum Parenchym sein. Wenn nur ein kontrastverstärkter Scan vorliegt, z. B. im Rahmen einer Routine-Untersuchung des Abdomens, dann kann nur bei zystischen Läsionen mit wasserdichtem Inhalt (Bosniak Typ I) von einer Zyste gesprochen werden. Ist der Inhalt hyperdens, so kann auch bei kleinen, homogenen und scharf begrenzten Prozessen ein kleiner maligner Tumor von einer primär hyperdensen Zyste nicht sicher differenziert werden! Daher sollte in diesem Fall entweder eine ergänzende dezidierte CT der Nieren mit Nativserie oder eine MRT durchgeführt werden. Nur bei homogenen, hyperdensen Herdbefunden <3 cm und ohne Kontrastmittel-Aufnahme darf dann von einer proteinreichen/eingebluteten Zyste (Bosniak Typ II) gesprochen werden. In der MRT ist das Erscheinungsbild des Nierenzellkarzinoms stark von seiner Zusammensetzung abhängig. Meist ist der Tumor in T1- und T2-gewichteten Sequenzen nativ isointens zum
Parenchym und nimmt nach Kontrastmittelgabe wie in der CT intensiv und inhomogen Kontrastmittel auf. Nekrosezonen sind in der T1-Wichtung hypointens, in der T2-Wichtung hyperintens, eingeblutete Areal können je nach Zusammensetzung der Abbauprodukte in der T1-Wichtung und T2-Wichtung hyperintens erscheinen (Methämoglobin), oder mit zunehmendem Alter in beiden Wichtungen stark hypointens werden (»schwarzer« Hämosiderinsaum!). Einblutungen verschiedenen Alters sprechen für das Vorliegen eines Nierenzellkarzinoms, auch ohne Kontrastmittel-Aufnahme (Bosniak Typ III Läsion) und erfordern die histologische Abklärung. Fettanteile sprechen gegen einen malignen Tumor und für ein Angiomyolipom. Sie sind sowohl in der T1-Wichtung als auch in der T2-Wichtung hyperintens und werden in fettsupprimierten Sequenzen hypointens. Wie in der CT sind aber ansonsten alle anderen soliden Läsionen als malignomverdächtig bis zum Beweis des Gegenteils zu werten. Die MRT kann insbesondere bei der Beurteilung der Ausdehnung eines Tumoreinbruchs in die Nierenvene und V. cava
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Kapitel 31 · Nieren, Harnwege und Harnblase
Staging
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. Abb. 31.20. Nierenzellkarzinom am Unterpol der linken Niere mit Nierenveneninfiltration und Kavathrombus. In der KM-verstärkten koronaren T1-gewichteten Sequenz erkennt man den inhomogen kontrastierten Tumor (Pfeil) sowie den Einbruch in die Nierenvene und die Ausbreitung des Tumorthrombus bis in den hepatischen Anteil der V. cava inferior (Pfeilspitze: oberes Thrombusende)
inferior nützlich sein oder bei Patienten mit Kontraindikationen gegen iodhaltige Kontrastmittel (. Abb. 31.20). Die Angiographie wird nicht mehr zur Primärdiagnose oder zum Staging eingesetzt. Sie kann jedoch zur Bestimmung der Gefäßversorgung vor Nierenteilresektion nützlich sein bzw. für die präoperative Embolisation von gut vaskularisierten Tumoren. Charakteristische Befunde sind Kaliberunregelmäßigkeiten der Tumorgefäße mit »Encasement«, arteriovenöse Shuntbildung und intensive Tumoranfärbung.
Die 2 gebräuchlichsten Staging-Klassifikationen sind die von Robson et al. 1969 beschriebene Klassifikation und die TNMKlassifikation (. Tab. 31.1). Die 5- und 10-Jahres-Überlebensraten betragen für das das Robson-Stadium I, wenn der Tumor also auf die Niere begrenzt ist, 67%, bzw. 56%. Wenn der Tumor die Gerota-Faszie überschritten hat (Stadium II), sinkt die Rate auf 51% bzw. 28%. Im Stadium III betragen die 5- und 10-Jahres-Überlebensraten dann 34% und 20%, wobei die Prognose bei Vorliegen eines Tumorthrombus (IIIA) besser ist als für das Vorliegen von Lymphknotenmetastasen (IIIB, C). Bei Infiltration von Nachbarorganen oder dem Vorliegen von Fernmetastasen sinkt dann die 5- und 10-Jahres-Überlebensrate auf 14% und 3% (Stadium IV), wobei Patienten mit einer solitären Metastase eine bessere Prognose haben. Für das Staging reicht meist die CT des Abdomens aus, kombiniert mit einer Thoraxübersichtsaufnahme oder einer CT des Thorax zur Abklärung bezüglich Lungenmetastasen. Bei Knochenschmerzen oder erhöhten Werten der alkalischen Phosphatase wird zur Abklärung bezüglich ossärer Filiae eine Knochenszintigraphie angefertigt. In der CT kann sehr gut die Lagebeziehung des Tumors zur Umgebung abgegrenzt werden (Infiltration in das Nierenbeckenkelchsystem, Veneninfiltration). Schwierigkeiten kann die genaue Beurteilung eines Durchbruchs durch die Nierenkapsel machen, die aber keine Relevanz bezüglich des operativen Vorgehens hat. Auch ist die Sensitivität bezüglich der Beurteilung des Lymphknotenstatus eingeschränkt. Gut beurteilbar ist dagegen eine Beteiligung der Nebennieren. Bei unklaren kontrastmittelaufnehmenden Vergrößerungen der Nebennieren in der Parenchymphase kann mittels einer Spätphase nach 10 min das Auswaschverhalten der Läsion bestimmt werden. Nimmt die Dichte über 50% ab, so liegt mit hoher Genauigkeit ein Adenom vor, ansonsten ein maligner Tumor (Metastase, nebenniereneigener Tumor). Da die ipsilaterale Nebenniere meist mit der betroffenen Niere entfernt wird, ist dies v. a. für die gegenseitige Nebenniere, oder im Falle einer Nieren-
. Tab. 31.1. Robson- und TNM-Klassifikation des Nierenzellkarzinoms
Robson
TNM (1997)
Beschreibung
I
T1, N0, M0
Tumor <2 cm (Robson)/ <7 cm (TNM), auf Niere begrenzt
T2, N0, M0
Tumor >2 cm (Robson)/ >7 cm (TNM), auf Niere begrenzt
II
T3a, N0, M0
Tumor infiltriert Nebenniere oder perirenales Fett, nicht aber über Gerotafasszie hinaus
III
T3b, N0, M0
Tumoreinbruch in Nierenvene oder V. cava inferior unterhalb des Zwerchfells
T3c, N0, M0
Tumoreinbruch in V. cava inferior oberhalb des Zwerchfells
T4, N0, M0
Tumorausbreitung über die Gerota-Faszie hinaus (Robson: ohne Beteiligung von Nachbarorganen)
IIIb
T1–3a, N1–2, M0
Metastasen in regionären Lymphknoten, keine Fernmetastasen
IIIc
T3b–4, N1–2, M0
Veneninvasion plus Lymphknotenmetastasen
IVa
T4, N1–2, M0
Infiltration in Nachbarorgane
IVb
T1–4, N1–2, M1
Fernmetastasen
1023 31.1 · Nieren und Harnwege
. Abb. 31.21. Wilms-Tumor bei schwangerer Patientin am Unterpol der rechten Niere mit überwiegend glatter Begrenzung und Inhomogenitäten in der T2-gewichteten Sequenz
teilresektion von Interesse. In Zweifelsfällen ist hier die MRT mit in- und opposed-phase Sequenzen hilfreich (7 Kap. 30: Nebennieren), ebenso bei der Beurteilung der Ausbreitung eines Cavazapfens.
Wilms-Tumor Definition, Epidemiologie Der Wilms-Tumor (Nephroblastom) wird meist bei Kleinkindern angetroffen, in 75% bei Kindern <5 Jahren und in 50% <2 Jahren. Es besteht keine Geschlechtspräferenz, es sind jedoch einige Fehlbildungssyndrome mit dem gehäuften Auftreten von Wilms-Tumoren assoziiert. So entwickeln ca. 30% der Kinder mit einer sporadischen Aniridie einen Wilms-Tumor. Diese treten dann gehäuft bilateral auf. Auch das Beckwith-Wiedemann Syndrom ist mit dem Wilms-Tumor assoziiert, es umfasst eine Makroglossie, Omphalozele und Viszeromegalie. Zudem sind die Hemihypertrophie, Mikrozephalie, die Hufeisenniere und andere Fehlbildungen mit dem Wilms-Tumor assoziiert.
. Tab. 31.2. Stadieneinteilung des Wilms-Tumors
Stadium
Ausdehnung
I
Tumor begrenzt auf die Niere
II
Tumorausdehnung über Niere hinaus, aber komplette Resektion möglich
III
Residualtumor im Abdomen
IV
Hämatogene Metastasen (Lunge, Leber, Knochen, Gehirn)
V
Beidseitige Nierenbeteiligung
Nierenvenen und eine Lebermetastasierung sehr gut beurteilt werden (. Tab. 31.2). Am häufigsten metastasiert der Tumor in Lunge und Leber. In 5% tritt der Tumor in beiden Nieren auf, gehäuft bei der Nephroblastomatose und angeborenen Fehlbildungen (. Abb. 31.21).
Bildgebung Der Wilms-Tumor ist ein Mischtumor, der deshalb in seltenen Fällen auch Fett enthalten kann, was die Differenzialdiagnose zu einem Angiomyolipom schwierig machen kann. Meist besitzt der Tumor eine Pseudokapsel, die ihn von der Niere abgrenzt. Die Tumoren sind bei Diagnosestellung meist schon sehr groß (durchschnittlich 12 cm) und komprimieren die Restniere. Da die Tumoren vom Kortex ausgehen, neigen sie zu exophytischem und verdrängendem Wachstum. Im Ultraschall imponiert der Tumor als solide Masse, teils kann die Pseudokapsel erkennbar sein. Das Echomuster ist meist echoarm, kann aber auch echoreiche Areale beinhalten, Verkalkungen können als Echoreflexe mit Schallschatten vorhanden sein. Im Ultraschall kann auch gut die Beteiligung der V. cava inferior beurteilt werden. In der CT ist der Tumor meist inhomogen und hypovaskularisiert. In der MRT kann die Beteiligung der
Sarkome Selten findet man bei älteren Patienten Osteosarkome der Nieren, häufig durch Metaplasie eines Fibrosarkoms. Erkennbar ist der Tumor an der Knochenneubildung, differenzialdiagnostisch ist an Metastasen eines Osteosarkoms zu denken, diese treten jedoch gehäuft bei Jugendlichen auf. Leiomyome und Leiomyosarkome können von den Gefäßwänden ausgehen oder von verstreuten Muskelzellen der Kapsel. Die Leiomyosarkome sind bei Diagnosestellung meist schon sehr groß und lokal invasiv wachsend, neigen zur Fernmetastasierung und haben eine schlechte Prognose. Auch ein malignes fibröses Histiozytom kann selten primär in den Nieren entstehen. Auch hier sind die Tumoren bei Diagnosestellung meist sehr groß, Metastasen in Lunge, Leber und Knochen sind häufig, die Prognose ist schlecht.
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Kapitel 31 · Nieren, Harnwege und Harnblase
31.1.5
Maligne Tumoren des Nierenbeckens
Die meisten Tumoren, die vom Nierenbecken ausgehen, sind maligne. Hiervon sind wiederum die meisten Übergangszellkarzinome, weniger häufig treten Plattenepithelkarzinome, Adenokarzinome oder undifferenzierte Karzinome auf. Von den gutartigen Tumoren findet man in 50% Papillome, ansonsten Angiome, Fibrome, Myome oder Polypen.
Übergangszellkarzinom Epidemiologie, Ätiologie, Pathogenese
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Insgesamt machen die Tumoren des Nierenbeckens 10% aller Nierentumoren aus. Männer sind doppelt so häufig betroffen wie Frauen, der Altersgipfel liegt in der 7. Lebensdekade. Als Risikofaktoren gelten erhöhter Phenacetinkonsum, dessen Metabolit Aminophenol karzinogen wirkt. Genauso wirkt Acrolein, ein Abbauprodukt des Cyclophosphamid, das renal ausgeschieden wird, karzinogen. Infektionen mit Schistosoma haematobium sind ein Risikofaktor für die Entstehung von Plattenepithelkarzinomen, allerdings erreichen die Erreger selten das Nierenbecken. In Patienten mit einer Balkannephropathie ist die Inzidenz von Nierenbeckenkarzinomen ebenfalls erhöht. Das Wachstum ist entweder flach oder papillär. Papilläre Karzinome sind häufiger und haben eine relativ gutartigen Verlauf, während flach wachsende Tumore häufig entdifferenzierter sind, und zu lymphogener und hämatogener Metastasierung, sowie Umgebungsinfiltration neigen. In 30% kommen die Übergangszellkarzinome des Nierenbeckens multizentrisch vor, in der Blase sogar noch häufiger.
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Klinik Das häufigste Symptom ist die Hämaturie, Flankenschmerzen oder ein palpabler Tumor sind selten. Es kann zu einer Obstruktion der Harnwege mit durch den Tumor selbst, oder abgelöste Tumoranteile bzw. Blutkoagel kommen.
Bildgebung In der Ausscheidungsurographie stellen sich die Übergangszellkarzinome bei papillärem Wachstum als Füllungsdefekt dar, flach wachsende Tumoren sind schwer zu erkennen. Es kann zu einem Aufstau sämtlicher Kelchgruppen kommen, wenn der Tumor im Nierenbecken oder im Ureter sitzt. Liegt der Tumor weiter peripher, können auch nur einzelne Kelchgruppen aufgestaut oder komplett »amputiert« sein, ein charakteristisches Zeichen dieses Tumors. Differenzialdiagnostisch müssen Füllungsdefekte von Kompressionen von außen abgegrenzt werden, z. B. durch Gefäßkreuzungen. Füllungsdefekte durch nicht-röntgendichte Steine (z. B. Uratsteine) können durch die CT einfach abgeklärt werden, da hier nahezu alle Konkremente dichter als Weichteile sind (. Abb. 31.22). Der Ultraschall wird nur selten zur weiteren Abklärung von Nierenbeckentumoren genutzt, aber Steine können durch ihr echoreiches Muster mit dorsalem Schallschatten einfach von intraluminalen Tumoren differenziert werden. In der CT stellt sich das Übergangszellkarzinom des Nierenbeckens nativ meist dichter als Wasser dar, aber weniger dicht als das Parenchym (5–30 HE). Blutkoagel sind bei frischerer Blu-
b . Abb. 31.22. Nierenbeckenkarzinom rechts. a Im AUG erkennt man den röntgennegativen Füllungsdefekt, nur geringe Dilatation des Nierenbeckenkelchsystems. b In der CT (Split-Bolus-Technik) erkennt man den weichteildichten Tumor umspült von ausgeschiedenem KM im Nierenbekkenkelchsystem
tung dichter (50–75 HE), Konkremente sind deutlich dichter (>100 HE). Nach Kontrastmittelgabe reichern die Tumoren Kontrastmittel an, jedoch deutlich weniger als das Parenchym. Kleine flach wachsende Tumoren sind schwer erkennbar, diese können manchmal in CT-Urographie als kleine Wandunregelmäßigkeiten besser abgrenzbar sein, allerdings ist hierbei darauf zu achten, das ein entsprechend »weites Fenster« und multiplanare Rekonstruktionen in dünner Schichtung zur Befundung verwendet werden. Wenn die Tumoren sehr groß werden, sind sie
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1025 31.1 · Nieren und Harnwege
b
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. Abb. 31.23a–c. Nierenzellkarzinom links am Unterpol mit Einbruch in das Nierenbeckenkelchsystem. a Im AUG erkennt man die Verlagerung und Infiltration der unteren Kelchgruppe durch einen Weichteilprozess sowie den röntgennegativen Füllungsdefekt zentral im Nierenbeckenkelchsystem (Pfeil). b, c Im CT ist der Tumor am Unterpol dorsal zu erkennen (c), der die Nierenkontur destruiert und in das Nierenbeckenkelchsystem einbricht (b)
c
manchmal schwer von einem Nierenzellkarzinom zu differenzieren. Übergangszellkarzinome wachsen aber von zentral und die Nierenform und -kontur ist selbst bei Einbruch in das Parenchym meist erhalten. Die CT ist hilfreich im Rahmen des präoperativen Stagings. Sie kann die lokale Ausdehnung des Tumors und den Lymphknotenstatus bestimmen. Die Übergangszellkarzinome neigen zu multifokalem Auftreten, daher muss immer der gesamte Harntrakt nach Zweittumoren abgesucht werden. In der MRT stellt sich der Tumor ähnlich wie in der CT mit mäßiger Kontrastmittel-Aufnahme dar. In der MR-Urografie sind wie in der Ausscheidungsurographie oder CT-Urografie wandständige Füllungsdefekte oder amputierte Kelchgruppen hinweisend auf ein Übergangszellkarzinom. Die CT ist zum Staging aber meist ausreichend.
Plattenepithelkarzinom
Therapie
Lymphom Epidemiologie, Pathogenese, Klinik
Aufgrund des z. T. multifokalen Wachstums besteht die Therapie in einer Nephroureterektomie unter Mitnahme einer Blasenmanschette.
Plattenepithelkarzinome des Nierenbeckens sind mit 0,5–8% selten und entstehen meist im Zusammenhang mit chronischen Irritationen, so bei Steinträgern, chronischen Infektionen oder Patienten mit einer Schistosomiasisinfektion. Meistens sind sie flach und neigen zur Ulzeration. Multifokales Wachstum ist seltener als beim Übergangszellkarzinom, jedoch infiltriert das Plattenepithelkarzinom häufig schon in die Umgebung. Hinweisend auf ein Plattenepithelkarzinom kann das gleichzeitige Vorliegen eines Konkrements sein. Ansonsten sind diese Tumoren schwer von ausgedehnten Übergangszellkarzinomen oder einer xanthogranulömatösen Pyelonephritis zu differenzieren.
31.1.6
Sekundäre Nierentumoren
Die Nieren enthalten selbst kein lymphatisches Gewebe, können aber sekundär im Rahmen einer Lymphomerkrankung betroffen werden. Ein Befall der Nieren tritt beim Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) häufiger auf (5,8%), als bei Morbus Hodgkin und
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Kapitel 31 · Nieren, Harnwege und Harnblase
. Abb. 31.24. Lymphombefall beider Nieren in der CT. Homogene, runde, glatt begrenzte multiple Raumforderungen beider Nieren
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meist bilateral. Ebenso tritt ein Befall der Nieren gehäuft bei bestimmten Subtypen des NHL auf, so beim Burkitt-Lymphom, und bei Immunsuppression (nach Nierentransplantation, bei HIV-Infektion). Meist ist der Befall der Nieren klinisch stumm und tritt erst spät im Krankheitsverlauf auf.
Bildgebung Bildgebend stellt sich ein Lymphombefall der Nieren variabel dar: In 50% findet man multiple Raumforderungen in beiden Nieren. Aber auch eine einzelne Läsion oder ein diffuser Befall sind möglich. Auch ein Befall per continuitatem durch umgebende Lymphommassen ist möglich. In der Ausscheidungsurographie kann sich ein Lymphombefall durch eine umschriebene Raumforderung oder eine diffuse Vergrößerung der Nieren zu erkennen geben. Vergrößerte Lymphknoten können zu einer Lateralisierung des proximalen Ureters führen (der lateral der paraaortalen Lymphknotenstationen verläuft) oder zu einer Medialisierung des distalen Ureters (der medial der Lymphknotenstationen der Iliaca-externa-Gruppe verläuft). Im Ultraschall sind Lymphommassen meist homogen echoarm, jedoch im Unterschied zu Zysten ohne deutliche dorsale Schallverstärkung. Meist fällt ein Befall der Nieren jedoch im Rahmen des Stagings in der CT auf. Die Läsionen sind danei im Vergleich zum Parenchym hypovaskularisiert, entweder als ein einzelner oder mehrere kortikal sitzende Tumorknoten, oder als diffuser Befall (. Abb. 31.24).
. Abb. 31.25. Kortikale Nierenmetastase eines malignen Melanoms. Homogene, gering Kontrastmittel-aufnehmende Läsion, bildgebend nicht sicher von einem z. B. papillären Nierenzellkarzinom zu differenzieren
multiple Metastasen bei einem diffus metastasierten Tumorleiden auftreten, ist die Diagnose einer renalen Metastasierung wahrscheinlich. Allerdings können z. B. beim Kolonkarzinom auch große singuläre Raumforderungen auftreten, diese sind dann bildgebend nicht von einem Nierenzellkarzinom zu differenzieren. Allerdings brechen Metastasen nur selten in die Venen ein, dies kann zur Differenzialdiagnose beitragen.
31.1.7
Entzündliche Erkrankungen
Leukämie Meist liegt eine diffuse Infiltration beider Nieren durch leukämische Zellen vor. In der Bildgebung sind dann beide Nieren symmetrisch vergrößert, häufig kommt es zur Hämaturie, sodass das Nierenbecken dichteangehoben ist oder Blutkoagel auftreten. Auch eine Uratnephropathie kann auftreten.
Metastasen Nierenmetastasen treten am häufigsten beim Bronchialkarzinom auf, gefolgt vom Mammakarzinom, Kolonkarzinom und Melanom. Sie treten zu gleichen Teilen bilateral oder unilateral auf (. Abb. 31.25). Im Ultraschall sind sie meist echoarm. In der CT sind sie vaskularisiert, aber meist hypodenser als das Parenchym. Wenn
Entzündungen des Harntraktes gehören zu den häufigsten Infektionen des Menschen überhaupt. Bei typischer Klinik erfordern sie nur selten eine weitergehende bildgebende Abklärung. Man unterscheidet Glomerulonephritiden mit autoimmuner Genese von interstitiellen Nephritiden. Diese werden wiederum in infektiöse und nichtinfektiöse interstitielle Nephritiden unterteilt. Infektionen werden meist von Bakterien verursacht (Pyelonephritis).
Bakterielle Infektionen Meist sind aufsteigende Infektionen gram-negativer Bakterien für die Infektion der Nieren verantwortlich, unter 50 Jahren sind Frauen aufgrund der kurzen Harnröhre prädisponiert, über 50 Jahren aufgrund der benignen Prostatahypertrophie und Bla-
1027 31.1 · Nieren und Harnwege
ist. Die klinische Symptomatik hilft bei der Abgrenzung zu einem hypovaskularisiertem Nierenzellkarzinom. Eine Injektion des perinephrischen Fettgewebes kann auch beobachtet werden. Als Spätfolge kann es zu narbigen kortikalen Defekten oder Einziehungen kommen.
Abszess Heutzutage entstehen Abszesse meist durch Verschmelzung multipler kleiner Abszedierungen im Rahmen einer Pyelonephritis durch gram-negative Erreger. Prädisponierende Faktoren wie Diabetes mellitus, i.v.-Drogenkonsum, vesikoureteraler Reflux oder Konkremente liegen meist vor. Bildgebung Im Ultraschall ist ein Abszess echoarm meist mit inhomogenen
. Abb. 31.26. Pyelonephritis links mit phlegmonöser Umwandlung subkapsulär. Flaue Minderkontrastierung des Parenchyms links, Nierenkontur erhalten. Lateral hypodense Areale subkapsulär als Zeichen der Phlegmone
senentleerungsstörungen eher Männer. Weitere Risikofaktoren sind ein Reflux, Konkremente, Immunschwäche, Schwangerschaft und Diabetes mellitus. Bildgebend kann die Beteiligung der Nieren diffus oder fokal sein mit kleinen hypodensen Einschmelzungen in der CT, mit oder ohne Vergrößerung der Nieren und kann bis zur Ausbildung eines Abszesses reichen. Die Bildgebung wird selten zur Primärdiagnose beitragen, ist aber wertvoll zur Abklärung von Komplikationen und von prädisponierenden Faktoren für eine Entzündung (Konkremente, Anomalien,…).
Akute Pyelonephritis Sie ist die häufigste bakterielle Infektion des Harntrakts und bildet sich unter entsprechender Therapie innerhalb von 48–72 h wieder zurück. Daher sind Ultraschall und Ausscheidungsurographie in 75% unauffällig.
Binnenechos und schwächerer dorsaler Schallverstärkung als eine blande Zyste. In der CT liegen die Dichtwerte nur gering über der Dichte von Wasser (10–20 HE), dadurch sind Abszesse auch nativ schon hypodens zum Parenchym abgrenzbar. Eine Kontrastmittel-Aufnahme findet sich nur peripher, je chronischer das Geschehen ist, umso dicker wird im Allgemeinen die Abszessmembran. Dadurch kann das Bild eines zystischen Nierenzellkarzinoms imitiert werden. Typische Klinik und/oder Keimgewinnung aus der Läsion helfen dann bei der Differenzialdiagnose. Therapie
Die perkutane Drainage ist die Therapie der Wahl eines Nierenabszesses. Sie kann unter Ultraschallkontrolle oder CT-gesteuert eingebracht werden (. Abb. 31.27). Als Komplikationen sind die Exazerbation einer Urosepsis und die Blutung zu nennen.
Pyonephrose Die Pyonephrose ist die Entzündung des obstruierten Nierenbeckenkelchsystems und stellt einen urologischen Notfall dar. Die Hauptursache sind Konkremente, aber auch Metastasen, postoperative Strikturen oder eine retroperitoneale Fibrose können als Ursache infrage kommen.
Bildgebung
Bildgebung In der Ausscheidungsurographie stellen sich auf den Leerauf-
In 25% können sich in der Ausscheidungsurographie folgende Befunde zeigen: eine diffuse Vergrößerung der betroffenen Niere als Folge eines Ödems; eine verzögerte Kontrastmittel-Ausscheidung; eine Minderanreicherung der betroffenen Niere mit dann persistierendem Nephrogramm. In der Sonographie kann die Niere vergrößert sein, mit aufgehobener Mark-Rinden-Differenzierung verringerter Vaskularisierung im betroffenen Areal. Phlegmonöse echoarme Zonen sind teils schwierig von Abszessen zu differenzieren, hier hilft die CT weiter. In der CT kann die betroffene Niere ebenfalls vergrößert sein. Nach Kontrastmittelgabe fallen streifige minderkontrastierte Zonen auf, die charakteristisch für ein entzündliches Geschehen sind (. Abb. 31.26). Selten kann es auch zur Ausbildung einer umschriebenen rundlichen Hypodensität kommen, die nativ aber im Unterschied zu einem Abszess isodens zum Parenchym
nahmen in bis zu 50% Konkremente als Ursache dar, die betroffene Niere weist meist eine deutlich verzögerte KontrastmittelAusscheidung auf oder stellt sich gar nicht dar. Die Sonographie erlaubt meist die Diagnose einer Pyonephrose. Es findet sich zum einen eine Hydronephrose, jedoch mit Binnenechos und schwächerer dorsaler Schallverstärkung als bei reiner Flüssigkeit. Evtl. kann eine Spiegelbildung von Urin auf Eiter abgrenzbar sein. In der CT findet sich ebenfalls ein dilatiertes Hohlsystem und meist kann die Ursache und Höhe der Obstruktion bestimmt werden. Wenn sich Kontrastmittel im Urin oberhalb von Zellschutt und Eiter absetzt und einen Spiegel bildet, ist dies ein sicheres Zeichen für eine Pyonephrose. Die definitive Diagnose erfolgt durch Aspiration von Urin/Eiter unter radiologischer Kontrolle, meist in Kombination mit der perkutanen Anlage einer Nierenfistel.
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Kapitel 31 · Nieren, Harnwege und Harnblase
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a . Abb. 31.28. Emphysematöse Pyelonephritis im CT. Auftreibung der linken Niere mit diffuser Minderkontrastierung und lateral phlegmonösen Anteilen sowie ausgedehnten Lufteinschlüssen medialseitig. (Mit freundlicher Genehmigung von PD Dr. K. Wörtler)
Bezüglich der Nomenklatur werden folgende Formen unterschieden: 4 die emphysematöse Pyelonephritis (EPN) mit Luft sowohl in den Harnwegen als auch im Parenchym (. Abb. 31.28) 4 die emphysematöse Pyelitis: noch keine Luft im Parenchym, sondern nur in der Wand des Nierenbeckenkelchsystems.
b . Abb. 31.27a, b. Sehr großer Nierenabszess rechts. a Einlage einer Pigtaildrainage in Bauchlage in der CT. b In der Kontrolluntersuchung nur noch kleiner Verhalt dorsalseitig der rechten Niere mit kontrastierter dünner Membran und einzelnen Lufteinschlüssen nach Drainagenanlage; Spitze der Drainage ventral hiervon; das Parenchym angrenzend an den Abszess ist flau minderkontrastiert als Zeichen der residuellen Infektion
Infektionen mit Gasbildung Luft in den Nieren oder Harnwegen kann verschieden Ursachen haben. Häufig liegt eine iatrogene Ursache vor (Katheterisierung, radiologische Untersuchungen), es kann ein Trauma vorliegen, eine Fistel zum Darmtrakt oder eine Infektion. In letzterem Fall liegt meist eine Infektion mit gram-negativen Erregern vor (meist E. coli) und tritt am häufigsten bei Diabetikern auf. Jedoch können Infektionen mit Gasbildung auch bei Nicht-Diabetikern auftreten.
Diese Unterscheidung ist von klinischer Relevanz, da die Prognose bei der EPN sehr schlecht ist (Mortalität 60%!); wenn Gas außerhalb der Niere nachweisbar ist, steigt die Mortalität sogar auf 80%, während sie bei der emphysematösen Pyelitis bei ca. 20% liegt. Durch eine Nephrektomie kann die Mortalität bei der EPN auf ca. 30–50% gesenkt werden. Zusätzlich wird die EPN von manchen Autoren (Wan et al. 1996) noch in die diffuse Form (Typ 1) und in eine umschriebene Form (Typ 2) unterteilt. Bei letztere liegt häufig ein umschriebener Abszess mit Lufteinschlüssen vor, diese Form hat eine wesentlich bessere Prognose als die diffuse Form.
Xanthogranulomatöse Pyelonephritis Pathogenese, Klinik, Epidemiologie
Die xanthogranulomatöse Pyelonephritis ist insgesamt selten. Histologisch ist sie durch das Vorliegen lipidhaltiger Makrophagen (Schaumzellen) charakterisiert, neben anderen Entzündungszellen (Leukozyten, Histiozyten,…). Klinisch sind die Beschwerden unspezifisch und in der Regel subakut (Fieber, Flankeschmerzen, Krankheitsgefühl) und bestehen meist schon über mehrere Monate. Frauen sind 4-mal so häufig betroffen wie Männer, in 10% liegt ein Diabetes vor.
1029 31.1 · Nieren und Harnwege
Bildgebung
Die klassische Trias der bildgebenden Befunde ist ein Ausgussstein, eine stark verminderte Ausscheidung und Funktion der betroffenen Niere und eine unscharf begrenzte Raumforderung (. Abb. 31.29). Wahrscheinlich stellt die xanthogranulomatöse Pyelonephritis eine ungewöhnliche Reaktion auf ein Abflusshindernis in Kombination mit einer Entzündungsreaktion dar. Obschon in 75% ein Konkrement das Abflusshindernis darstellt, kann auch eine Nierenbeckenabgangsstenose oder ein Tumor ursächlich sein. Die Therapie der Wahl ist die partielle oder komplette Nephrektomie.
Xanthogranulomatöse Pyelonephritis 4 Charakteristische Schaumzellen histologisch 4 Obstruktion der ableitenden Harnwege, häufig Ausgussstein; immer einseitig! 4 Deutlich eingeschränkte Nierenfunktion 4 Bevorzugt Frauen betroffen
Es werden 2 Unterformen der xanthogranulomatösen Pyelonephritis unterschieden: die häufigere diffuse Form (85%) und die seltenere lokalisierte Form. Letztere kann manchmal schwer von einem malignen Tumor zu differenzieren sein, bei beiden Formen kommt es jedoch zu einer ausgeprägten perinephrisches Entzündungsreaktion. In der Ausscheidungsurographie erkennt man häufig auf den Leeraufnahmen ein Konkrement als Abflusshindernis, nach Kontrastmittelgabe ist die Funktion der betroffenen Seite eingeschränkt und es liegt meist eine Hydronephrose vor. Die Kelchgruppen können deformiert und irregulär konfiguriert sein. In der Sonographie ist ebenfalls häufig ein Konkrement als Abflusshinderniss abgrenzbar, sowie eine Hydronephrose mit irregulären Binnenechos im Nierenbeckenkelchsystem. Das betroffene Parenchym ist echoarm, die Befunde können allerdings manchmal von einer Pyonephrose oder Pyelonephritis schwer zu differenzieren sein. Hier hilft die CT weiter. Obwohl es keine spezifischen Befunde gibt, kann doch meist die Verdachtsdiagnose einer xanthogranulomatösen Pyelonephritis geäußert werden. Hinweisend sind Konkremente als Abflusshindernis bis hin zum Ausgussstein. Die Niere ist vergrößert, aber die Kontur und Form erhalten. Aufgestaute Kelche finden sich häufig, ebenso entzündliche Formationen und Abszesse, die auf die Nierenkapsel und den perinephrischen Raum übergreifen können, bis hin zur Infiltration in Nachbarorgane. Der Eiter im Nierenbeckenkelchsystem kann niedrige und negative HE-Werte zeigen (-15–10 HE), muss aber nicht. Die angrenzenden Parenchymbezirke um gestaute Kelchgruppen oder Abszessformationen sind hypervaskularisiert und nehmen deutlich Kontrastmittel auf. Die seltenere lokalisierte Form kann bildgebend nicht von einem Nierenzellkarzinom zu unterscheiden sein, wenn die Läsion überwiegend solide ist. Da die Therapie der Wahl aber in beiden Fällen die Operation darstellt, ist dies von untergeordneter klinischer Relevanz.
. Abb. 31.29. Ausgeprägte xanthogranulomatöse Pyelonephritis rechts mit typischem Ausgussstein, Hydronephrose und Ausdehnung der Entzündung in das perinephrische Gewebe, in diesem Fall sogar mit Infiltration der Leber. (Mit freundlicher Genhemigung von PD Dr. K. Wörtler)
Malakoplakie Die Malakoplakie ist eine seltene granulomatöse Entzündung mit charakteristischen Histiozyten (von Hansemann Zellen). Sie tritt in Frauen 4-mal häufiger auf und meist in Zusammenhang mit E. coli-Infektionen. Die Malakoplakie kann unifokal oder multifokal auftreten, in 50% bilateral. In der Bildgebung ist die Niere oft vergrößert, die Funktion eingeschränkt. Multiple hypodense Raumforderungen oder eine einzelne Raumforderung finden sich in der CT. Das Bild ist uncharakteristisch, die Diagnose wird meist erst operativ gestellt.
Chronische Pyelonephritis Der Begriff ist etwas irreführend, denn gemeint sind Residuen abgelaufener Entzündungen mit charakteristischen Veränderungen am Parenchym und Kelchsystem. Die Entzündungen können sowohl lange zurückliegen und sind dann häufig auf einen Reflux von Urin bis in das Nierenbeckenkelchsystem in der Kindheit zurückzuführen, man sieht diese Veränderungen aber auch als Folge von Entzündungen im Erwachsenenalter. Bildgebend charakteristisch sind ein oder mehrere Areale mit ausgedünntem Parenchym über einer Kelchgruppe, die erweitert ist und bis zum Kortex reicht. Teils ist kein Parenchym mehr abgrenzbar, sodass das erweiterte Kelchsystem bis direkt zur Nierenoberfläche ausgezogen ist.
Tuberkulose Pathogenese, Klinik
Die Nierentuberkulose entsteht durch hämatogene Streuung des Erregers Mykobakterium tuberkulosis und kann deshalb beide Nieren betreffen, in 75% sind jedoch Tuberkulome nur in einer Niere zu finden. Die Erreger sitzen in der kortikomedullären Übergangszone und können von dort aus in das Nierenbeckenkelchsystem einbrechen. Die Klinik ist wenig charakteristisch
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Kapitel 31 · Nieren, Harnwege und Harnblase
planaren Rekonstruktionen abgrenzbar. In der MRT sind Verkalkungen meist in allen Sequenzen hypointens, wie in der CT können Narben und Verplumpungen einzelner Kelchgruppen bei Infundibulumstenosen gut abgegrenzt werden.
Seltene Infektionen der Nieren
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. Abb. 31.30. Nieren-TBC im AUG. Ausgeprägte Verkalkungen und Verplumpung der Kelche im Mittel- und Untergeschoß der rechten Niere, bei nicht gestautem Nierenbecken
und milde ausgeprägt, typisch ist eine sterile Leukozyturie (fehlender Keimnachweis auf konventionellen Kulturmedien). Nur 10% der Patienten haben eine aktive Tuberkulose an anderer Stelle, in 50% finden sich aber radiographisch Zeichen einer abgelaufenen Tuberkulose. Bildgebung
In der Ausscheidungsurographie sind auf der Leeraufnahme häufig Zeichen einer Tuberkulose außerhalb der Nieren zu finden: ossäre Beteiligung der Wirbelsäule oder im Becken, oder verkalkte abdominelle Lymphknoten. An den Nieren finden sich in 30–50% Verkalkungen, entweder amorphe granuläre verkalkte Areale in Granulomen oder dichte punktförmige Verkalkungen in ausgeheilten Tuberkulomen. In 20% finden sich Parenchymnarben, entweder fokal oder diffus verteilt mit konsekutiver Ausziehung der darunter liegenden Kelche. Charakteristisch sind Veränderungen an Papillen und am Nierenbeckenkelchsystem: häufig treten Papillennekrosen auf und Infundibulumstenosen mit konsekutiver Verplumpung und Erweiterung der betroffenen Kelchgruppen. Stenosen können auch die Ureteren betreffen. Die Nierenfunktion ist dann meist schon eingeschränkt und es liegen ausgeprägte Verkalkungen vor (. Abb. 31.30). Die Veränderungen können in der Sonographie gut erkannt werden, kennzeichnend sind die plumpen Kelche ohne Erweiterung des Nierenbeckens. In der CT sind die Verkalkungen, Narben und plumpen Kelche ebenfalls gut erkennbar, die Infundibulumstenosen sind besser in der CT-Urographie mit dreidimensionalen oder multi-
Pilzinfektionen sind hauptsächlich durch Candidaspezies verursacht. Radiologische Zeichen sind Papillennekrosen, disseminierte Abszesse im Parenchym in der CT und eingeschränkte Nierenfunktion. Charakteristisch sind Myzetome von 1–4 cm Größe im Nierenbeckenkelchsystem, Ureter und Blase. Diese sind am besten in der CT erkennbar, aber auch als echoreiche Formationen ohne Schallschatten in der Sonographie und als Füllungsdefekte in der Ausscheidungsurographie. Bei der Aktinomykose handelt es sich um eine bakterielle Infektion, die sich meist über Fisteln aus dem Gastrointestinaltrakt in die Nieren ausbreitet und Zeichen einer Pyelonephritis zeigt mit Hydronephrose und granulomatösen Abszessen. Echinokokkuszysten sind bei Diagnosestellung meist sehr groß (nicht selten 8 cm und mehr) und stellen sich als glatt begrenzte zystische Raumforderungen dar. Typisch sind multiple Tochterzysten und Septierungen, die aber in der Schnittbildgebung kein Kontrastmittel aufnehmen. Dies hilft bei der Abgrenzung zum zystischen Nierenzellkarzinom (. Abb. 31.31). In der Sonographie können Tochterzysten erkennbar sein. Charakteristisch ist das »falling snowflake«-Zeichen bei Umlagerung des Patienten durch Debris in der Zyste.
31.1.8
Nephrokalzinose und Nephrolithiasis
Nephrokalzinose Definition, Ätiologie Als Nephrokalzinose bezeichnet man Verkalkungen im Parenchym, während die Nephrolithiasis Verkalkungen in den ableitenden Harnwegen bezeichnet. Der kortikalen Nephrokalzinose liegen meist eine chronische Glomerulonephritis, akute kortikale Nekrosen oder eine Oxalose zugrunde. Die medulläre Nephrokalzinose hat als Ursache häufig eine renal tubuläre Azidose Typ 1, Hyperkalzämien verschiedenster Ursachen oder es liegt eine Markschwammniere vor. Während die kortikale und medulläre Nephrokalzinose meist beide Seiten betreffen, kann die Markschwammniere auch einseitig vorkommen bzw. nur Segmente einer Niere betreffen. Ursächlich ist eine Erweiterung der Sammelrohre mit Bildung von Konkrementen. Diese sind typischerweise linear konfiguriert.
Bildgebung Bei den medullären Nephrokalzinosen finden sich in der Sonographie typische echoreiche Markpyramiden, teils können als Komplikation auch umschriebene Konkremente nachweisbar sein. Ebenso stellen sich in der CT nativ sehr gut die diffusen Verkalkungen in den Markpyramiden dar (. Abb. 31.32).
Nephrolithiasis Die meisten Harnsteine setzten sich aus verschiedenen Mineralien zusammen. Radiologisch wird zwischen schattengebenden
1031 31.1 · Nieren und Harnwege
b
a
. Abb. 31.31a–c. Echinokokkusbefall der linken Niere in der MRT. a Große septierte zystische Raumforderung im Mittel- und Obergeschoß der Niere in der T2-Wichtung, Nierenkontur erhalten, kleine »Tochterzysten«. b, c In der T1-Wichtung vor und nach KM-Gabe keine KM-Aufnahme in den Septen oder am Zystenrand
(röntgendichten) und nicht-schattengebenden (röntgennegativen) Konkrementen unterschieden. Diese Einteilung bezieht sich auf das konventionelle Röntgen, in der CT sind die meisten Steine dichter als Weichgewebe. > Röntgendicht sind Oxalat-, Phosphat- und Zystinsteine, röntgennegativ sind Urat-, Xanthin-, Matrix-, Struvitund Indinavirsteine.
In der Ausscheidungsurographie sind 90% der Steine auf den Leeraufnahmen erkennbar, daher wird diese noch bei der Abklärung von Koliken angewandt, aber zunehmend durch die native CT ersetzt. Auf der Leeraufnahme können kleine Steine aufgrund von Überlagerungen durch Darmgas schwer erkennbar sein. Verschiedene Strukturen wiederum können Konkremente vortäuschen, z. B. Processi transversi, Verkalkungen anderer Genese im Abdomen (Lymphknoten) und v. a. Phlebolithen im kleinen Becken. Dann ist es wichtig, den Ureterenverlauf in der Ausscheidungsurographie genau bis zum fraglichen Konkrement zu verfolgen. Aufgrund der oftmals vorliegenden Harnstauung können verzögerte Aufnahmen notwendig werden. Teils kann es zur Extravasation von kontrastiertem Urin aus einer oder mehrerer Kelchgruppen kommen (. Abb. 31.33). Auch in der Sonographie sind Steine zu erkennen. Sie stellen sich echoreich mit dorsalem Schallschatten dar. Bei guten Unter-
c
suchungsbedingungen sind Konkremente um 5 mm noch erkennbar. Auch eine begleitende Stauung ist gut abgrenzbar (. Abb. 31.34). Methode der Wahl ist aber zunehmend die native CT. Auch »röntgennegative« Konkremente sind hier dichter als Weichgewebe, mit der Ausnahme des Indinavirsteins (antiretrovirales Therapeutikum bei HIV). Selten können Matrixsteine in der CT isodens zur Umgebung sein (. Abb. 31.35). Die dichtesten Konkremente sind Kalziumoxalatsteine mit HE-Werten von 800–1000, die am wenigsten dichten Steine sind Uratsteine mit HE-Werten von 150–500 HE. Wichtig ist auch, auf sekundäre Zeichen einer Nephrolithiasis zu achten: das perinephrische Fett kann ödematös injiziert sein (»stranding«), wobei hier auch auf eine Seitendifferenz zu achten ist. Um den Ureter kann es ebenfalls zu ödematösen Veränderungen kommen. Weitere indirekte Zeichen sind eine vergrößerte Niere und eine Harnstauung. Aber auch in der CT können Phlebolithen Probleme bereiten, wenn sie benachbart zum Ureterenverlauf liegen. Differenzialdiagnostisch spricht ein Weichgewebssaum um eine Verkalkung für eine Nephrolithiasis, der Saum entspricht dem ödematösen Ureter (»rim-sign«). Umgekehrt spricht ein lineare Weichgewebsverdichtung, die auf eine Verkalkung zuzieht, für einen Phlebolithen (»Kometenschweifzeichen«), die Verdichtung soll einer Vene entsprechen. Im Zweifelsfall kann zusätzlich
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1032
Kapitel 31 · Nieren, Harnwege und Harnblase
a
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b
c
. Abb. 31.32a–c. Medulläre Nephrokalzinose beidseits bei renal tubulärer Azidose. a Im AUG diffuse Verkalkungen der Markpyramiden beidseits, das Nierenbeckenkelchsystem stellt sich regelrecht dar. b Im Ultraschall echoreiche Markpyramiden mit Schallschatten, c korrespondierend ausgeprägte Verkalkungen beidseits in den Markpyramiden in der CT. (Mit freundlicher Genehmigung von PD Dr. K. Wörtler)
a
b
. Abb. 31.33a–c. Röntgendichtes Konkrement im proximalen Ureter links im AUG. a Auf der Leeraufnahme ist das Konkrement knapp unterhalb des Processus transversus des LWK 3 abgrenzbar, Phlebolithen im kleinen Becken. b 10 min nach KM-Gabe regelrechte Ausscheidung rechts, links
c
erstgradige Harnstauung und verzögerte Ausscheidung; c nach 20 min dann KM im proximalen Ureter und Abbruch der KM-Säule genau auf Höhe des Konkrements
1033 31.1 · Nieren und Harnwege
eine CT-Urographie zur Bestimmung des Ureterenverlaufs durchgeführt werden.
31.1.9
. Abb. 31.34. Zwei Konkremente im Nierenbeckenkelchsystem in der Sonographie. Helle echoreiche Reflexe mit dorsaler Schallauslöschung
Der Ureter
Der Ureter ist ein dünner Muskelschlauch, der Urin vom Nierenbeckenkelchsystem zur Blase transportiert. Der Ureter sorgt für einen niedrigen Druck im Nierenbecken, was wichtig für eine normale Nierenfunktion ist. Ein Schrittmacher im Nierenbecken steuert die propulsiven Kontraktionen des Ureters, wobei die Frequenz der Kontraktionen von der Diurese abhängig ist. Bei maximaler Diurese steigt die Anzahl der Kontraktionen, teils kann der gesamte Ureter kontinuierlich mit Urin gefüllt sein ohne kontrahierte Abschnitte. Über das Ostium
a
b
c
. Abb. 31.35a–c. Großer Matrixstein im Nierenbeckenkelchsystem. a In der T2-Wichtung in der MRT links dilatiertes Nierenbecken, ausgefüllt von einer überwiegend hypointensen Formation, geringer auch rechts ähnliche Veränderungen abgrenzbar. b In der retrograden Pyelographie ist die
Raumforderung röntgennegativ, umspült von Kontrastmittel erkennbar, c in der nativen CT isodens zum Parenchym. Die Histologie ergab einen Matrixstein mit Infektion des Nierenbeckenkelchsystems
31
1034
Kapitel 31 · Nieren, Harnwege und Harnblase
kann normalerweise kein Urin aus der Blase in den Ureter zurückfließen, sodass der Urintransport nur in einer Richtung gewährleistet ist.
Akute Ureterobstruktion Pathogenese
31
Eine akute Verlegung der Harnwege führt proximal zu einer Erhöhung des Drucks im Hohlsystem. Zudem sinken die Perfusion und glomeruläre Filtrationsrate. Das Ausmaß dieser Veränderungen hängt von vielen Faktoren ab: Grad und Dauer der Stenosierung, Vorschädigungen der Niere und Ruptur von Kelchen. Es kommt zu einer Verringerung der Peristaltik und zu einer mäßigen Dilatation proximal der Stenose. Eine deutliche Dilatation findet sich nur bei länger dauernden Obstruktionen und spricht gegen ein akutes Geschehen. Eine Fornixruptur verhindert eine zu starke Druckerhöhung im Hohlsystem, Urin tritt dann am Nierenbecken aus und kann sich retroperitoneal ausbreiten, wird aber meist effektiv über Venen und Lymphwege resorbiert. Selten kann es auch zur Ausbildung eines Urinoms kommen. Als Ursachen einer akuten Obstruktion finden sich am häufigsten Konkremente, bevorzugt auf Höhe des Ureterenabgangs oder auf Höhe des Ostium. Blutkoagel und Myzetome können auch akute Obstruktionen verursachen.
Graduierung der Harnstauung 4 Grad I: Geringe Dilatation der Kelche, Papillenimpression durchgängig erhalten. 4 Grad 2: Kelcherweiterung mit Abflachung der Papillenimpression. 4 Grad 3: Dilatiertes Nierenbeckenkelchsystem mit aufgehobener Papillenimpression und abgerundeten Nierenkelchen, Parenchymatrophie möglich, aber nicht obligat 4 Grad 4: Extrem aufgeweitetes Nierenbeckenkelchsystem mit deutlicher Parenchymatrophie
Bildgebung Die Sonographie wird bildgebend als erste Modalität bei Verdacht auf eine akute Obstruktion der Harnwege eingesetzt. Als Zeichen der akuten Dilatation finden sich plumpe, abgerundete echoarme Kelchgruppen. Allerdings besteht hier eine große Überlappung zu Normalbefunden oder Normvarianten, so dass es zu falsch positiven Befinden kommen kann. Da eine akute Obstruktion wie erwähnt nur zu einer mäßigen Dilatation führt, kann es auch zu falsch negativen Befunden kommen. Der proximale Anteil des Ureters stellt sich in der Sonographie normalerweise nicht oder nur sehr schmal dar, eine Erweiterung ist Hinweis auf eine Obstruktion. Im mittleren Anteil ist der Ureter zwar meist nicht zu verfolgen, aber bei gefüllter Blase können transvesikal wieder die distalen Anteile eingesehen und bezüglich einer Dilatation beurteilt werden. Im Farbdoppler kann man am Ostium normalerweise in regelmäßigen Abständen Urinjets nachweisen; fehlen diese, ist dies ein zusätzlicher Hinweis auf eine ausgeprägte Obstruktion. Zusätzlich können mittels der farbkodierten Duplexsonographie
. Abb. 31.36. Akute Harnstauung. Ruptur des Nierenbeckenkelchsystems als Folge einer akuten Harnstauung durch eine Konkrement im Harnleiter: in der Spätphase im CT entzündliche Injektion des Fettgewebes um das Nierenbeckenkelchsystem ventral, KM-Austritt vor der mittleren Kelchgruppe als Folge der Ruptur (Pfeil)
die Perfusion und RI-Werte (resistive indices) bestimmt werden. Eine verringerte Perfusion und erhöhte RI-Werte sind zwar an sich unspezifisch, können aber zusammen mit anderen Befunden im Rahmen einer akuten Obstruktion auftreten. In der Ausscheidungsurographie bei einer akuten Stenose der Harnwege nur eine geringe Dilatation des Ureters oder Nierenbeckenkelchsystem abgrenzbar. Indirekte Zeichen sind aber eine verzögerte Kontrastierung und evtl. Vergrößerung der betroffenen Niere und ein verzögertes Nephrogramm auf Spätaufnahmen, das bis zu 24 h nach Kontrastmittelgabe noch nachweisbar sein kann. Die Kontrastierung der Harnwege ist verzögert und schwächer als auf der Gegenseite, Spätaufnahmen sollten so lange fortgeführt werden, bis die Höhe der Obstruktion dargestellt ist oder bis keine Kontrastmittel-Ausscheidung mehr erkennbar ist. Kann die Höhe der Obstruktion nicht dargestellt werden, hilft eine retrograde Pyelographie weiter. In der CT sind die Veränderungen ähnlich wie in der Ausscheidungsurographie: zunächst nur geringe Dilatation der Harnwege, eine in der Parenchymphase verzögerte Kontrastierung der betroffenen Seite mit dann später verstärkter Kontrastierung im Seitenvergleich durch die verzögerte KontrastmittelAusscheidung (verzögertes Nephrogramm). Eine Fornixruptur ist am Kontrastmittel-Austritt in der Spätphase zu erkennen (. Abb. 31.36). Die MRT wird bei akuter Symptomatik nur selten eingesetzt, zeigt aber ähnliche Veränderungen wie in der CT aufgrund des gleichen Ausscheidungsmechanismus von Gd-DTPA.
Chronische Ureterobstruktion Pathogenese Eine lang andauernde komplette Obstruktion führt zu einer verringerten Perfusion und glomerulären Filtration der betroffenen Niere und einer zunehmenden Parenchymatrophie. Eine subto-
1035 31.1 · Nieren und Harnwege
b
a
c
. Abb. 31.37a–c. Chronische Harnstauung links bei Lokalrezidiv eine Rektumkarzinoms im kleinen Becken. a Im AUG 60 min p.i. Harnstauung Grad 2–3, verzögerte KM-Ausscheidung, Abbruch der KM-Säule kurz vor dem Ostium im kleinen Becken (Pfeil). b In der PET/CT mit 18F-FDG erkennt
man im CT den kontrastierten Tumor zwischen Ostium und Sakrum, der den Ureter stenosiert. c Die kräftige Speicherung in der PET spricht zusammen mit der KM-Aufnahme im CT für ein Lokalrezdiv und gegen narbige Veränderungen
tale Obstruktion führt eher zu einer medullären Atrophie, die Nierenrinde kann lange erhalten bleiben. Der Grad der Dilatation der Harnwege hängt ebenso vom Grad der Obstruktion ab: am ausgeprägtesten ist die Dilatation bei hochgradiger inkompletter Stenosierung, da hier die Druckerhöhung am größten ist. Weniger ausgeprägte Erweiterungen finden sich bei geringgradiger und kompletter Stenosierung (. Abb. 31.37).
gert. Daher ist oft eine retrograde Pyelographie notwendig. In der Computertomografie erkennt man das stark erweiterte Hohlsystem, die Parenchymatrophie, es findet sich kein verzögertes Nephrogramm. Die Kontrastmittel-Ausscheidung ist verzögert, es kommt zur Spiegelbildung im erweiterten Nierenbeckenkelchsystem.
Bildgebung
Idiopathisch erweiterter Ureter Bildgebung
In der Sonographie ist die Dilatation des Nierenbeckenkelchsystems sehr gut erkennbar. Fehlerquellen können parapelvine Zysten oder ausgedehnte kortikale Zysten sein oder ein extrarenales Nierenbecken. In der Ausscheidungsurographie sieht man im Gegensatz zur akuten Stenose kein verzögertes Nephrogramm, es liegt eine Minderperfusion und Parenchymatrophie unterschiedlichen Ausmaßes vor. Die Kontrastmittel-Ausscheidung ist stark verzö-
Durch die Peristaltik des Ureters können einzelne Abschnitte physiologischerweise bis auf 8 mm erweitert sein, während andere Abschnitte komplett kollabiert sind. Besonders häufig sieht man im mittleren Ureterdrittel oberhalb der Kreuzung der Iliakalgefäße dieses Phänomen, das nicht mit einer Stauung bei Obstruktion verwechselt werden darf. Im Zweifelsfall hilft eine zusätzliche Spätaufnahme oder eine gezielte Durchleuchtung weiter.
31
1036
Kapitel 31 · Nieren, Harnwege und Harnblase
Selten findet man einen angeborenen primären Megaureter. Es handelt sich wahrscheinlich um eine funktionelle Störung
31
des distalen Ureters ohne normale Peristaltik und konsekutiver Erweiterung der proximalen Abschnitte. Typisch ist eine »schnabelförmige« Konfigurierung des distalen Ureters vor der Einmündung in die Blase. In zwei Drittel der Fälle ist nur eine Seite betroffen, die Störung ist meist asymptomatisch und fällt bei Untersuchungen aus anderen Indikationen als Zufallsbefund auf. Die Graduierung erfolgt nach der Beteiligung des proximalen Ureters und dem Grad der Erweiterung des Nierenbeckenkelchsystems (7 Übersicht). Eine Megakalikose ist eine angeborene Erweiterung des Nierenbeckenkelchsystems mit zahlenmäßig vermehrten Kelchgruppen bei normal weitem Ureter und normaler Nierenfunktion. Differenzialdiagnostisch kann durch die vermehrte Anzahl an Kelchgruppen sowie durch die normale Nierenfunktion ein Abflusshindernis als Ursache der Dilatation ausgeschlossen werden, da bei einer durch eine chronische Obstruktion verursachten Dilatation des Nierenbeckenkelchsystem die Nierenfunktion immer reduziert ist. In Zweifelsfällen hilft hier die Nierenfunktionsszintigraphie mit MAG3 weiter, die eine normale Nierenfunktion zeigt. Es kann zu einer Spiegelbildung des ausgeschiedenen Kontrastmittels/Tracers kommen, die aber nicht durch eine verzögerte Ausscheidung bedingt ist, sondern nur durch die große Kapazität des Nierenbeckenkelchsystems (. Abb. 31.38). Gradeinteilung des primären Megaureters 4 Grad I: Nur distales Ureterdrittel betroffen 4 Grad II: Auch proximaler Ureter betroffen, keine oder nur geringe Kelcherweiterung 4 Grad III: Ganzer Ureter betroffen, mittelgradige bis deutliche Erweiterung des Nierenbeckenkelchsystems
Vesikoureteraler Reflux Pathogenese, Ätiologie Da der intramurale Harnleiter langstreckig schräg durch die Muskulatur der Blasenwand zieht und dann in einem Winkel noch ein kurzes Stück submukös verläuft, bevor er in das Ostium mündet, ergibt sich beim Gesunden eine Ventilfunktion, die den Rückfluss von Urin verhindert. Da bei Neugeborenen die Blasenwand dünn und damit der intramurale Ureterverlauf kurz ist, ist hier häufig ein Reflux zu beobachten, der sich aber mit dem Wachstum zurückbildet. Ein primärer vesikoureteraler Reflux ist angeboren und tritt familiär gehäuft auf. Sekundär kann ein vesikoureteraler Reflux durch Divertikel, Tumore, entzündliche Prozesse oder durch Miktionsstörungen mit erhöhtem intravesikalem Druck bedingt sein (gehäuft bei Urethraklappen im Kindesalter). Ein Reflux geht im Kindesalter oft mit Infektionen des Harntrakts einher, sodass bei Harnwegsinfektionen bei Kleinkindern sowie bei Jungen auf einen Reflux hin untersucht werden sollte. Bei Mädchen über 2 Jahren sind Harnwegsinfektionen häufig, sodass hier die Empfehlungen unterschiedlich sind, auf jeden Fall sollte bei wiederholten schweren Infektionen ein Reflux aus-
. Abb. 31.38. Megakalikose. Die vermehrte Anzahl der Kelche hilft bei der Differenzialdiagnose gegenüber einer chronischen Stauung. (Mit freundlicher Genehmigung von PD Dr. K. Wörtler)
geschlossen werden. Bei Erwachsenen dagegen ist ein Reflux nur mehr selten anzutreffen.
Bildgebung Die Untersuchung erfolgt entweder mittels Miktionszystoureterographie unter Durchleuchtung oder auch als Szintigrafie. Letztere Methode hat die niedrigste Strahlenbelastung und höchste Sensitivität, kann allerdings häufige begleitende anatomische Anomalien nicht aufdecken. Wichtig ist bei beiden Methoden, dass Aufnahmen während der Blasenfüllung über einen Katheter durchgeführt werden, um einen Niederdruck-Reflux erkennen zu können. Tritt der Reflux erst bei der Miktion auf, liegt ein Hochdruck-Reflux vor. Die Einteilung erfolgt nach dem System des »International Reflux Study Committee« von 1985 (. Tab. 31.3).
1037 31.1 · Nieren und Harnwege
. Tab. 31.3. Schweregradeinteilung des vesikoureteralen Refluxes
Grad
Beschreibung
I
Reflux nur in den Ureter
II
Der Reflux erreicht das Nierenbeckenkelchsystem, keine Stauung
III
Leichte Dilatation des Nierenbeckens
IV
Mäßige Dilatation des Nierenbeckens, Verplumpung der Fornices, Papillenimpression erhalten
V
Starke Dilatation des Nierenbeckens, Papillenimpression verstrichen; Ureter stark dilatiert mit Kinking
. Tab. 31.4. Stadieneinteilung des Ureterkarzinoms
Stadium
Beschreibung
I
Tumor auf das Urothel beschränkt
II
Muskelinfiltration
III
Infiltration in das periureterale Gewebe
IV
Fernmetastasen
Primäre Tumoren des Ureters Pathogenese, Epidemiologie Tumoren des Ureters können sowohl primär aus den Wandschichten entstehen als auch sekundär durch Streuung oder häufiger durch Einwachsen von außen. Die Mehrzahl der Tumoren des Ureters ist maligne. Primäre Tumoren sind mit 1% der Neubildungen des Harntrakts selten. Sie entstehen meist ausgehend vom Epithel und betreffen Männer häufiger als Frauen. Der Altersgipfel liegt zwischen 50 und 80 Jahren. Die Patienten stellen sich häufig mit einer Hämaturie vor, aber in 40% findet sich schon eine starke Nierenfunktionseinschränkung durch den Harnstau zum Zeitpunkt der Diagnose. 75% der primären Tumoren gehen vom Epithel aus, am häufigsten sind Übergangszellkarzinome zu finden. Sie können papillär wachsen (80%) und neigen dann zu multizentrischem Auftreten oder sie können flach wachsen. 40% der papillären Tumoren und die Mehrzahl der nichtpapillären Tumoren wachsen invasiv und metastasieren regionär in Lymphknoten, sowie bevorzugt in Leber, Lunge und Knochen. Ein Übergangszellkarzinom der Blase findet sich in 25% und in 70% findet sich ein multilokulärer Befall, sodass bei resektablen Tumoren eine Nephroureterektomie durchgeführt wird. Die Stadieneinteilung hat prognostische Relevanz (. Tab. 31.4).
oftmals auch auf Höhe und knapp unterhalb eines Tumors dilatiert, und hat dann unterhalb des Tumors eine »sektglasförmige« Konfiguration. Dies kommt durch das Wachstum des Tumors mit konsekutiver Dehnung des Ureters zustande und kann zur Unterscheidung gegenüber benignen Stenoseursachen helfen (. Abb. 31.39). In der CT und MRT können Tumoren sehr gut von benignen Stenoseursachen abgegrenzt werden, ebenso hilft die Schnittbildgebung bei der Beurteilung einer Umgebungsinfiltration und der Fernmetastasierung. Übergangszellkarzinome stellen sich weichteildicht mit Kontrastmittel-Aufnahme dar, ebenso ist die Dilatation des Harntrakts sehr gut zu beurteilen. Eine CT-Urographie hilft kleine Tumoren zu erkennen, dabei sollten die primären axialen Bilder und multiplanare Rekonstruktionen mit ausreichend weitem Fenster analysiert werden, da kleine Befunde in dreidimensionalen Darstellungen verdeckt werden können. Vorteil der MR-Urographie ist, dass in der T2-Wichtung auch bei eingeschränkter Nierenfunktion mit stark verzögerter Kontrastmittel-Ausscheidung das dilatierte Hohlsystem und die Höhe der Stenose beurteilt werden können. Weitere Malignome. Neben Übergangszellkarzinomen können sich selten auch Plattenepithelkarzinome des Ureters finden (10%), die allerdings die bösartigsten epithelialen Tumoren darstellen. Noch seltener finden sich Adenokarzinome. Die Plattenepithelkarzinome wachsen seltener polypoid und häufiger solitär. Chronische Infektionen des Harntraktes (z. B. Schistosomiasis) sind prädisponierend. Benigne primäre Tumoren. Gutartige Tumoren des Ureters fin-
den sich in 20%. Die meisten sind Papillome, die von einigen Pathologen als niedriggradige Malignome klassifiziert werden. Sie wachsen solitär und gestielt. An nichtepithelialen Tumoren ist der fibroepitheliale Tumor der häufigste. Auch er wächst gestielt und kann mehrere Zentimeter lang werden. Vom seltener gestielt wachsenden Übergangszellkarzinom ist er durch die Lage zudifferenzieren, da er häufig im proximalen Ureterdrittel auftritt. Zudem findet man in meist bei jungen Patienten (20–40 Jahre alt). Noch seltener sind Leiomyosarkome, Hämangiosarkome oder Melanome.
Sekundäre Tumoren des Ureters Die sekundäre Beteiligung des Ureters ist viel häufiger als primäre Uretertumoren. Meist sind Primärtumoren aus benachbarten Organen verantwortlich, am häufigsten von der Blase, Prostata oder gynäkologischen Tumoren des Beckens ausgehend. Ebenso können benachbarte Lymphommassen den Ureter ummauern oder verlagern. Viel seltener finden sich hämatogene Metastasen im Ureter, noch am häufigsten von Melanomen oder Nierenzellkarzinomen.
Bildgebung
Entzündliche Läsionen Leukoplakie
Bildgebend ist in der Ausscheidungsurographie meist ein dilatierter Ureter mit Abbruch auf Höhe der Raumforderung zu erkennen. Die Begrenzung proximal ist irregulär. Im Unterschied zu benignen Stenosen durch Steine oder Koagel, ist der Ureter
Die Leukoplakie ist eine Plattenepithelmetaplasie des Urothels, meist aufgrund chronischer Entzündungen. Sie betrifft den proximalen Ureter und fast immer auch das Nierenbeckenkelchsystem. Bildgebend finden sich wandständige irreguläre Füllungs-
31
1038
Kapitel 31 · Nieren, Harnwege und Harnblase
31
b
a
defekte meist im proximalen Ureter und Nierenbeckenkelchsystem, die nicht sicher von einem multifokalen Übergangszellkarzinom zu differenzieren sind.
. Abb. 31.39a, b. Distaler Harnleitertumor links. a Im AUG ist ein langstreckiger, irregulär konfigurierter Füllungsdefekt abgrenzbar (Pfeile). b In der CT erkennt man einen zirkulär wachsenden, KM aufnehmenden Tumor, histologisch Übergangszellkarzinom des Ureters
und erlaubt meist die Diagnose, Malignome sind selten derart disseminiert und glatt begrenzt.
Schistosomiasis Malakoplakie Die Malakoplakie ist eine seltene Entzündungsreaktion, die in Zusammenhang mit chronischen Harnwegsinfekten steht, meist E. coli (s. oben). Die meisten Patienten sind Frauen mittleren Alters, betroffen sind am häufigsten die Blase, gefolgt von Ureter, Nierenbeckenkelchsystem und Urethra. Die Läsionen sind bildgebend als flache Füllungsdefekte erkennbar, die meist im distalen Ureter auftreten, aber auch langstreckig den gesamten Ureter betreffen können. Wenn die Läsionen verschmelzen, kann es zu einem »pflastersteinartigen« Schleimhautrelief kommen. Differenzialdiagnostisch kann die Ureteritis cystica ähnliche Veränderungen machen, letztere sind aber meist rundlicher konfiguriert. Malignome sind selten so disseminiert wie die Veränderungen der Malakoplakie.
Ureteritis cystica Dieses Krankheitsbild wird durch multiple flüssigkeitsgefüllte subepitheliale Zysten in der Ureterwand verursacht, häufig in Zusammenhang mit chronischen Harnwegsinfekten. Es kann ein- oder beidseitig auftreten. Die Veränderungen verursachen keine Stenose. Bildgebend sind multiple wandständige rundliche Vorwölbungen mit glatter Oberfläche typisch, die aufgrund der Flüssigkeitsfüllung röntgennegativ sind. Das Bild ist charakteristisch
Diese Infektion mit Schistosoma haematobium betrifft zwar meist die Blase, in bis zu 30% jedoch auch den Ureter. Der Befall ist dann häufiger distal, kann aber selten bis zum Nierenbeckenkelchsystem reichen. Die Patienten sind typischerweise männlich, unter 30 Jahre alt und kommen aus Regionen, in denen der Erreger endemisch vorkommt (einige Länder Afrikas, Mittlerer Osten, Indien...). Bildgebend finden sich Stenosen des Ureters, Verdickungen und charakteristischerweise Verkalkungen in bis zu 75%. Der Befall ist meist beidseitig vorhanden. Begleitend kann eine Ureteritis cystica auftreten.
Tuberkulose Die Beteiligung des Ureters erfolgt im Rahmen eines Nierenbefalls mit Mykobakterium tuberkulosis. Charakteristisch sind Ulzerationen, Fibrosierungen und Strikturen sowie Verkalkungen. Typisch in der Bildgebung ist das Auftreten hintereinander geschalteter Stenosen und Dilatationen. Zusätzlich kann der Ureter verkürzt sein durch periureterale Fibrosierungen. Verkalkungen sind seltener als bei der Schistosomiasis, der Befall bei der Tuberkulose ist auch häufiger einseitig.
1039 31.1 · Nieren und Harnwege
. Tab. 31.5. Schweregradeinteilung der stumpfen Nierenverletzungen
Grad
Beschreibung
I
Kleine intrarenale oder subkapsuläre Kontusionen oder Hämatome
II
Tiefe kortikale Lazerationen mit/ohne Beteiligung des Nierenbeckenkelchsystems
III
Mehrere tiefe Lazerationen, zerschmetterte Niere, vaskuläre Schäden am Hilus
IV
Abriss des Ureters am Nierenbeckenabgang
a
Retroperitoneale Fibrose Bei der retroperitonealen Fibrose (Morbus Ormond) kommt es zu einer Proliferation von fibrotischem Gewebe im Retroperitonealraum. Diese kann primär als Autoimmunprozess auftreten oder sekundär als Folge von Medikamenten (Methysergid), posttraumatisch, bei Gefäßaneurysmen oder radiogen. In der Ausscheidungsurographie gilt eine Medialverlagerung der Ureteren mit Stenosen als klassisch, meist ist der Verlauf des Ureters aber normal. Betroffen kann jeder Abschnitt sein, meist jedoch der mittlere Abschnitt. Die CT kann auch die extraluminale Weichteilkomponente zeigen. Eine Kontrastmittel-Aufnahme gilt als Hinweis auf einen aktiven entzündlichen Prozess.
31.1.10
b
Trauma
Nierenverletzungen Traumatische Nierenverletzungen werden heute meist schon in erster Linie mit der CT abgeklärt, insbesondere, wenn es sich um Verletzungen im Rahmen eines Polytraumas handelt. Eine Sonographie kann noch im Schockraum während der Erstversorgung durchgeführt werden und kann freie Flüssigkeit, sowie einen Harnstau oder schwere Verletzungen der Niere abgrenzen. Häufig sind jedoch die Untersuchungsbedingungen suboptimal und der Patient wird, sofern er kreislaufstabil ist, in den meisten Abteilungen zur CT gebracht (. Abb. 31.41). Die Niere kann in der Parenchymphase sehr gut bezüglich der Perfusion und hinsichtlich von Verletzungen beurteilt werden. Eine zusätzliche Ausscheidungsphase hilft bei der Abklärung von Verletzungen der ableitenden Harnwege. Besteht der Verdacht auf eine Blasenverletzung, so sollte die Blase mit ca. 200 ml verdünntem Kontrastmittel über den Katheter gefüllt werden und ein erneuter Scan des Beckens erfolgen. Die Einteilung der Nierenschädigung erfolgt je nach Schweregrad (. Tab. 31.5). Die Angiographie wird nur mehr selten eingesetzt, wenn dann meist in Interventionsbereitschaft, um Blutungsquellen embolisieren zu können und die Niere so zu erhalten (. Abb. 31.40).
Uretertrauma Sie sind meist Folge penetrierender Traumen, so durch Schussoder Stichverletzungen. Aufgrund der meist schweren Begleit-
c
. Abb. 31.40a–c. Kapselblutung der linken Niere nach Nephrostomie. a Nativ erkennt man das Hämatom mit Spiegelbildung zwischen älteren (hypodensen) und frischen (hyperdensen) Blutanteilen. b In der arteriellen Phase erkennt man dann zusätzlich den KM-Austritt als Zeichen der aktiven Blutung; c in der Parenchymphase nimmt der KM-Austritt weiter zu und das KM sedimentiert genau an der Grenzfläche von frischeren und älteren Blutanteilen
31
1040
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Kapitel 31 · Nieren, Harnwege und Harnblase
. Abb. 31.41. Nierentrauma Grad I mit schmalem subkapsulärem Hämatom. In der Nativ-CT ist das Hämatom hyperdens gegenüber dem Parenchym abgrenzbar, in der Parenchymphase dann hypodens
verletzungen wird in der Regel eine Computertomografie durchgeführt. Diese muss bei Verdacht auf eine Ureterverletzung mit einer zusätzlichen Spätphase durchgeführt werden, um Austreten von Kontrastmittel erkennen zu können. Auch iatrogen kann es zu Ureterenverletzungen kommen, am häufigsten bei Operationen im gynäkologischen Bereich, aber auch bei minimal-invasiven urologischen Eingriffen, wie der Ureterorenoskopie.
Sonographie Die Sonographie ist eine kostengünstige und einfach durchzuführende Technik zur primären Beurteilung der Harnblase. Ebenso kann die Restharnmenge abgeschätzt werden. Blasensteine, sowie Tumoren der Blasenwand können bei ausreichender Distension der Blase erkannt werden, wobei die Beurteilung wandüberschreitenden Wachstums noch schwierig ist und meist weitergehend mittels Schnittbildgebung abgeklärt wird.
Computertomographie 31.2
Harnblase A. Beer, E. Rummeny
31.2.1
Spezielle Untersuchungstechnik, normale Topographie und spezifische Bildbefunde
Zystographie Für die Zystographie wird ein Foley-Katheter in die Blase eingeführt und die Blase mit ca. 300–400 ml Kontrastmittel distendiert. Je nach Fragestellung sollte z. B. bei der Abklärung von Füllungsdefekten verdünntes Kontrastmittel verwendet werden, damit diskrete Befunde nicht maskiert werden. Nach Füllung werden Aufnahmen a.p., seitlich und schräg seitlich durchgeführt. Postmiktionsaufnahmen sollten immer bei der Frage nach einem Kontrastmittel-Austritt durchgeführt werden, da kleine extraluminale Kontrastmittel-Anteile durch eine gefüllte Blase verdeckt werden können. Die Ausscheidungszystourethrographie wird bei der Abklärung eines vesikoureteralen Refluxes durchgeführt. Hierbei wird die Blase zunächst über einen Foley-Katheter gefüllt, anschließend wird der Patient aufgefordert, die Blase zu entleeren. Die Miktionsaufnahmen können als Videofluoroskopie auf VHSBand dokumentiert werden und sollten bei Frauen a.p., bei Männern 45° gekippt zur besseren Beurteilung der Urethra durchgeführt werden. Bei einem Reflux muss dieser mit Zielaufnahmen bis zur höchsten Stelle dokumentiert werden.
Die CT wird hauptsächlich zum Staging von Blasentumoren eingesetzt, wenn der Verdacht auf ein fortgeschrittenes Tumorstadium mit wandüberschreitendem Wachstum und/oder Fernmetastasen besteht. Einzelne Wandschichten können mit der CT nicht differenziert werden. Eine weitere Indikation ist die Abklärung von Blaseninfiltrationen durch extern wachsende Tumoren und Blasenfisteln. Ansonsten sind Befunde an der Blase in der CT häufig Zufallsbefunde bei der Untersuchung aus primär anderen Indikationen. Bei der Untersuchung von Wandveränderungen der Blase sollte der Patient die Blase nicht komplett entleert haben, da kleinere Tumore nicht von der kollabierten Wand zu trennen sind. Wenn der Patient primär schon mit Blasenkatheter zur Untersuchung kommt, sollte dieser rechtzeitig vor der Untersuchung abgeklemmt werden. Eine rektale Kontrastierung ist bei der Abklärung von großen Blasentumoren hilfreich zur Abgrenzung einer Rektuminfiltration. Bei akuten Traumafragestellungen sollte die Blase über den liegenden Blasenkatheter mit mindestens 100 ml verdünntem Kontrastmittel (z. B. Ultravist 300 1:10 mit NaCl verdünnt) distendiert werden, um eine Blasenruptur erkennen zu können. Da die meisten Blasenkarzinome frühzeitig und intensiv Kontrastmittel anreichern, ist theoretisch eine arterielle Phase am sensitivsten zur Entdeckung von Blasentumoren. Da aber meistens große bioptisch gesicherte maligne Tumoren mittels CT weiter abgeklärt werden und das Staging bezüglich Fernmetastasen und Lymphknotenbeteiligung im Vordergrund steht, ist ein Scan in der portalvenösen Phase von Abdomen und Becken
1041 31.2 · Harnblase
meist ausreichend. Nativscans sind meist nur bei der Steinsuche notwendig. Eine zusätzliche CT-Urographie ist hilfreich zur Beurteilung des oberen Harntrakts, da häufig Zweittumoren in diesem Bereich auftreten. In der Blase kommt es dabei zur Spiegelbildung durch Sedimentation des Kontrastmittels, das schwerer als Urin ist. Falls eine homogene Kontrastierung des Lumens gewünscht wird, z. B. für spätere virtuelle endoluminale Rekonstruktionen (7 Kap. »Virtuelle Zystoskopie«), muss der Patient vor dem Scan umgelagert, bzw. um die eigene Achse gedreht werden, um eine gute Durchmischung von Urin und Kontrastmittel zu erreichen. Die CT-Urographie oder ein Scan in der Ausscheidungsphase über die Blase sind auch hilfreich bei der Abklärung von Traumen und/oder Fisteln, da erst hier ein Kontrastmittel-Austritt erkannt werden kann. Bei der Nachverarbeitung sollten neben den axialen Schichten routinemäßig multiplanare Rekonstruktionen in sagittaler und koronarer Reformatierung (z. B. in 3 mm Schichtdicke) analysiert werden, um die auf den axialen Schichten tangenzial getroffenen Wandabschnitte (Blasendach, -boden) besser beurteilen zu können. Auch die Lagebeziehungen zu aufliegenden Dünndarmschlingen sowie Rektum und Uterus wird hier oftmals deutlicher.
Magnetresonanztomographie Die MRT wird selten primär zur Abklärungen von Pathologien der Blase eingesetzt. Auch wenn mit geeigneten Protokollen Tumoren ab 5 mm gut erkannt werden können und auch die Wandschichten besser als in der CT zu differenzieren sind, gibt es noch keine gesicherten Daten zum Einsatz der MRT bei primären Staging des Blasenkarzinoms. Große Hoffnungen werden jedoch in den Einsatz von ultrakleinen superparamagnetischen Kontrastmitteln (USPIOs) gesetzt. Diese werden nach i.v.-Applikation spezifisch von Makrophagen in normalen Lymphknoten aufgenommen, was durch T2*-Effekte zu einer Signalabsenkung führt, während durch maligne Zellen befallene Lymphknoten ihr ursprüngliches helles Signal behalten. Dadurch können selbst maligne Lymphknoten <1 cm Größe erkannt werden. Beim Lymphknotenstaging des Prostatakarzinoms ist diese Technik bereits erfolgreich zur Anwendung gekommen. Zur Untersuchung der Blase in der MRT sollte wie in der CT die Blase gefüllt sein, optimalerweise nicht komplett, da es sonst bei längeren Untersuchungen aufgrund des Harndrangs zu Bewegungsartefakten kommen kann bzw. die Untersuchung unterbrochen werden muss. Eine Blasenentleerung ca. 2 h vor dem MRT-Termin sollte ausreichend sein. Geht es um Lagebeziehungen zum Rektum bzw. Fistelverbindungen, empfiehlt sich eine rektale Füllung mit verdünntem Gd-DTPA. Um Artefakte durch Darmbewegung einzuschränken, kann Buscopan oder Glukagon appliziert werden. Es sollten Phased-array-Oberflächenspulen zur Anwendung kommen ggf. kann zur Beurteilung der Blasenhinterwand eine endorektale Spule von Vorteil sein. Eine Schichtdicke von 5 mm sollte nicht überschritten werden, optimalerweise sollte eine Schichtdicke von 4 mm gewählt werden. Obligat sind T2-gewichtete Spinecho-Sequenzen bzw. Turbospinecho-Sequenzen und T1-gewichtete Spinecho-Se-
quenzen vor und nach Kontrastmittelgabe in axialer Schichtung sowie mindestens eine weitere Ebene, je nach Befund und Fragestellung. Das Field of View (FoV) sollte der Blase angepasst werden (ca. 150 × 200 mm), wobei immer zusätzlich eine Übersichtssequenz mit großem FoV zur Beurteilung des Beckens inklusive Lymphknotenstationen durchgeführt werden muss. Da Blasentumoren früher als die umgebende Wand anreichern, haben sich zusätzliche dynamische T1-gewichtete Sequenzen frühzeitig nach Kontrastmittelgabe bewährt. Die einzelnen Schichten der Harnblasenwand können im Unterschied zur CT mit der MRT differenziert werden: auf T2gewichteten Sequenzen ist die innere Schicht, die Mucosa, signalarm und grenzt sich gut gegenüber dem signalreichen Urin ab. Die Submucosa ist signalreich mit hohem bis intermediärem Signal, während die äußere Muscularis wiederum signalarm zur Darstellung kommt. In T1-gewichteten Sequenzen zeigt die gesamte Wand ein intermediäres Signal, nach Kontrastmittelgabe reichert die Submucosa stärker als die Mucosa und Muscularis an, so ist manchmal eine weitere Differenzierung der Wandschichten möglich. Zur Beurteilung der Umgebungsinfiltration können einmal die T2-gewichteten Sequenzen herangezogen werden, da sich Tumoranteile hypointens gegenüber dem signalreichen perivesikalen Fett abgrenzen. Zum anderen sind kontrastverstärkte T1-gewichtete Sequenzen mit Fettsättigung hilfreich, oder es sollten native von kontrastverstärkten Sequenzen subtrahiert werden, da das signalreiche Fettgewebe kontrastierte Tumoranteile verdecken kann.
Virtuelle Zystoskopie Die virtuelle Zystoskopie erlaubt eine endoluminale Ansicht der Blase, ähnlich der konventionellen Zystoskopie. Sie kann die konventionelle Zystoskopie zwar nicht ersetzen, liefert aber in zystoskopisch schwer zugänglichen Bereichen (z. B. Divertikeln) wertvolle Zusatzinformationen (. Abb. 31.42). Vorraussetzung ist die Akquisition dreidimensionaler isotroper Datensätze in hoher Auflösung mit ausreichend hohem Kontrast von Blasenwand zu Blasenlumen. Dies kann sowohl mit der MRT als auch mit der CT erreicht werden. In der CT ist eine gängige Technik die Distension der Blase über einen Katheter mit Luft bzw. CO2. Dann erfolgt ein Scan mit ausreichend dünner Kollimation mit oder ohne i.v. appliziertes Kontrastmittel. Hierbei wird ein sehr hoher Kontrast zwischen Lumen und Wand erzielt, sodass ggf. auch ein Scan mit reduzierter Dosis durchgeführt werden kann. Ein Problem können Spiegelbildungen durch Resturin am Blasenboden sein, hier müssen dann die Einzelschichten beurteilt werden, ggf. kann ein zweiter Scan mit reduzierter Dosis in Bauchlage durchgeführt werden. In der MRT kann sowohl eine Distension der Blase mit Luft oder mit Kontrastmittel über einen Blasenkatheter durchgeführt werden. Meist kommen dann dünne T1-gewichtete 3D-Gradientenecho-Sequenzen zum Einsatz. Alternativ können stark T2gewichtete Sequenzen in ausreichend dünner Schichtung durchgeführt werden, die den intrinsischen hohen Kontrast von Urin zur Umgebung ausnutzen, hier kann dann auf einen Blasenkatheter verzichtet werden. Die meisten Firmen bieten heutzutage einfach zu bedienende Software zur dreidimensionalen Rekonstruktion an, sodass der
31
1042
Kapitel 31 · Nieren, Harnwege und Harnblase
31
a
b
. Abb. 31.42a, b. Großes Blasendivertikel. a In der MR-Urographie erkennt man das große, dorsal gelegene Blasendivertikel (Pfeil); b in der virtu-
ellen Zystoskopie kann man sehr gut die Lagebeziehung des Ostiums (Pfeilspitze) zum Eingang des Divertikels (Pfeil) abgrenzen
Zeitaufwand zur Erstellung eines dreidimensionalen Datensatzes in den meisten Fällen auf ca. 15 min begrenzt werden kann.
urachale Sinus mit Verbindung zum Nabel möglich, vesikourachale Divertikel oder Urachuszysten ohne Verbindung nach außen oder zur Blase. In einem verbliebenen Urachusanteil können sich Adenokarzinome entwickeln (. Abb. 31.43).
31.2.2
Entwicklungsstörungen und Missbildungen Bildgebung. Blande Urachuszysten sind in der CT und MRT
Blasenfehlbildungen Die Blasenekstrophie ist die häufigste angeborene Blasenmissbildung. Aufgrund einer Fehlbildung der unteren abdominellen Wandschichten ist die Blasenwand offen und die Mucosa der Blasenwand geht in die Haut über. Assoziiert sind Epispadie und ossäre Fehlbildungen, wobei die Distension der Symphyse mit dem Schweregrad des Epispadie-Ekstrophie-Komplexes korreliert. Während früher die Standardtherapie in der Blasenexzision und Ureterosigmoideostomie bestand, wird heutzutage häufig der Defekt geschlossen und die Blase angehoben. Blasenduplikaturen können komplett sein, mit 2 Urethraabgängen, oder inkomplett, wenn nur eine drainierende Urethra vorhanden ist. Eine Agenesie der Blase ist nicht mit dem Leben vereinbar. Ein angeborenes Blasendivertikel (so genanntes Hutch-Divertikel) liegt eng benachbart zum Ureterostium, meist knapp darüber und lateralseitig. Es handelt sich im Gegensatz zu erworbenen Pseudodivertikeln um Ausstülpungen der gesamten Blasenwand. Häufig ist ein vesikoureteraler Reflux assoziiert.
flüssigkeitsdicht und können randständig schmale Verkalkungen zeigen. Solide Anteil deuten auf einen Tumor hin, eine Injektion der Umgebung kann sowohl auf eine Entzündung, als auch auf eine Tumorinfiltration zurückzuführen sein, hier hilft die Klinik des Patienten weiter.
31.2.3
Gutartige Blasenveränderungen
Füllungsdefekte Füllungsdefekte sind im Lumen gelegene von Urin umspülte Fremdkörper. Am häufigsten findet man Blutkoagel, die in der Sonographie echoreich erscheinen, während Tumor eher echoärmer wie Weichgewebe imponieren. In der CT finden sich typischerweise Dichtewerte um 60–80 HE. Auch Schamhaare, die bei einer Katheterisierung eingebracht wurden, können verkalken und dann in der Ausscheidungsurographie oder CT erkennbar werden. Teils finden sich auch abgelöste Katheterspitzen oder vom Patienten selbst eingebrachte Fremdkörper, häufig in autoerotischer Absicht.
Urachusfehlbildungen Der Urachus ist ein dreischichtig aufgebauter tubulärer Gang, der zwischen Peritoneum und Fascia transversalis das Blasendach mit dem Nabel verbindet. Normalerweise obliteriert der Urachus komplett. Fehlbildungen können zu einer offenen Verbindung von Blase und Nabel führen, Jungen sind 3-mal häufiger als Mädchen betroffen. Ebenso sind bei inkompletter Obliteration
Infektionen Fast alle akuten Blaseninfektionen können zu einem bullösem Ödem der Blasenwand führen, das dann als noduläre irreguläre Wandkontur in der Bildgebung sichtbar werden kann. Chronische Infektionen können zu einer Fibrose und Kontraktion der Blasenwand führen.
1043 31.2 · Harnblase
Emphysematöse Zystitis Diese seltene Entzündung wird fast nur in Diabetikern oder immunkompromittierten Patienten gefunden. Der häufigste Erreger ist wiederum E. coli. Die Gasansammlungen finden sich in der Blasenwand. Das Gas kann sich bis in die Ureteren ausdehnen.
Schistosomiasis Die Schistosomiasis ist eine der häufigsten parasitären Infektionen weltweit. Besonders prävalent ist sie in der Gegend des Nils in Ägypten. Sie erreichen über den hämorrhoidalen Venenplexus die Blasenwand und legen dort ihre Eier ab, die entweder ausgeschieden werden oder in der Blasenwand verbleiben, wo sie schwere granulomatöse Entzündungsreaktionen hervorrufen. Diese verursachen typische Wandverkalkungen in der CT. Es können durch lokale Ansammlungen von Eiern auch Bilharziome entstehen, die verkalken können.
a
Ursachen von Blasenwandverkalkungen 4 4 4 4 4 4
Schistosomiasis Tuberkulose Strahlenzystitis Cytoxan-Zystitis Amyloidose Tumoren
Candidiasis Die Candidiasis der Blase tritt meist bei schlecht eingestellten Diabetikern auf und führt durch die Fermentation von Zuckern zur Luftbildung im Blasenlumen. Manchmal kann es auch zur Bildung von Fungusbällen kommen.
Entzündliche Wandveränderungen Strahlenzystitis
b . Abb. 31.43a, b. Urachuskarzinom. In der CT (Spätphase) erkennt man den Tumor am Blasendach, der sich dann nach kranioventral in Richtung Nabel entwickelt
Man findet in der akuten Phase ein Wandödem und oft eine Hämorrhagie. Meist ist dieses Stadium selbstlimitierend. Im chronischen Stadium kann es aber zu Ulzerationen der Schleimhaut, Fibrosierungen und einer Schrumpfblase kommen. Selten kann es auch zu Wandverkalkungen kommen. In der Zystographie und Ausscheidungsurographie kann man die unspezifischen Wandveränderungen erkennen. Bei unstillbaren Blutungen kann die Embolisation als interventionell-radiologische Maßnahme hilfreich sein.
Cyclophosphamid Zystitis Akute Bakterielle Zystitis Wenn mehr als 100 000 Keime pro ml Urin gefunden werden, liegt eine akute Zystitis vor. Der Haupterreger ist E. coli und wandert meist über die Urethra ein. Dagegen ist die seltene Tuberkulose meist über den Ureter in die Blase deszendiert. Bildgebung. Die Ausscheidungsurographie ist meist unauffällig. In schweren Fällen kann es zu einem pflastersteinartigem Wandrelief kommen durch ausgeprägte ödematöse Veränderungen.
In bis zu 40% der Patienten, die mit Cyclophosphamid im Rahmen einer Chemotherapie behandelt werden, kommt es zu einer akuten hämorrhagischen Zystitis. Es kann auch zu chronischen Entzündungen mit Entwicklung einer Schrumpfblase kommen. Als Spätfolge ist eine erhöhte Inzidenz von Blasenkarzinomen bekannt.
Eosinophile Zystitis Die eosinophile Zystitis tritt häufiger bei Frauen auf und steht in Zusammenhang mit schweren allergischen Erkrankungen. Die
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Kapitel 31 · Nieren, Harnwege und Harnblase
Mukosa und Submukosa ulzeriert, ist ödematös verändert und hämorrhagisch. Die Erkrankung spricht gut auf Steroide an.
Interstitielle Zystitis Die interstitielle Zystitis tritt nur bei Frauen auf, meist nach der Menopause. Die Mukosa ist hämorrhagisch und die Infiltration der Blasenwand mit chronischen Entzündungszellen resultiert in einer Fibrose und sehr kleinen Blase. Die Ätiologie ist unbekannt.
Malakoplakie
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Diese Erkrankung unklarer Ätiologie ist assoziiert mit LungenTBC, chronischer Osteomyelitis oder malignen Erkrankungen. Histologisch sind Michaelis-Gutmann Körperchen charakteristisch, die wohl phagozytierten Bakterien entsprechen. Bildgebend findet man bevorzugt am Blasenboden rundliche Füllungsdefekte, die gelegentlich einen mutlifokales Tumorwachstum imitieren können und dann biopsiert werden müssen.
Fisteln Fistelverbindungen können zwischen Blase und Darm entstehen, oder zwischen Blase und Vagina. Fisteln zum Darm können manchmal schwer zu diagnostizieren sein, außer die Verbindung ist sehr breit.
Veränderungen (Hämatome, Lymphozelen) können zu einer Impression der Blase führen. In der Ausscheidungsurographie ist die Blase ist dann pelottiert und verdrängt, meist asymmetrisch. Die Ursache der Verlagerung und eine mögliche Infiltration der Blase kann dann besser mit der Schnittbildgebung untersucht werden. Eine Sonderform ist die zirkuläre Kompression der Blase, die zu einer »tränentropfenartigen« Konfiguration der Blase führt. Diese Bild kann als Normvariante bei jungen Männern durch eine Iliopsoashypertrophie bei schmalem Becken auftreten, aber auch posttraumatisch durch ein Hämatom sowie auch durch Urinoms oder Abszesse. Eine weitere Ursache kann die pelvine Lipomatose sein. Ursächlich liegt eine Proliferation von Fettzellen ohne Kapselbildung vor, bevorzugt bei Männern mittleren Alters. Eine Ursache ist nicht bekannt. In der Sonographie stellt sich die Blase deformiert und umgeben von echoreichem Fett dar. In der Ausscheidungsurographie nimmt die Blase durch die symmetrische bilaterale Kompression die klassische Tränentropfenkonfiguration an. Die Diagnose kann leicht mit der Schnittbildgebung gestellt werden, die CT zeigt hypodenses Fettgewebe um die Blase, die MRT fettisointense Gewebe, ein Tumor kann so als Ursache ausgeschlossen werden (. Abb. 31.44).
Gutartige Tumoren Enterovesikale und kolovesikale Fisteln Pathogenese
Diese Fisteln führen klassischerweise zu einer Pneumaturie oder Stuhlausscheidung über den Urin. Wenn die Verbindung klein ist, kann es auch nur zu chronischen Blaseninfektionen kommen. Die häufigste Ursache für eine Dünndarm-Blasenfistel ist der Morbus Crohn. Im Bereich des Kolons ist der rektosigmoidale Bereich am häufigsten betroffen, wobei meist eine Divertikulitis ursächlich ist, aber auch ein Kolonkarzinom oder iatrogene Ursachen, z. B. postoperative Folgezustände. Bildgebung
In der Ausscheidungsurographie erkennt man den Fistelgang nur selten, weil die Blase nicht distendiert wird. Aber selbst in der Zystographie mit Distension sind die Fistelgänge nur in ca. 50% nachweisbar, noch seltener im Enteroklysma. Auch zystoskopisch ist häufig nur eine umschrieben entzündlich veränderte Region nachweisbar. In diesen Fällen ist bei klinischem Verdacht auf das Vorliegen einer Fistel die Schnittbildgebung hilfreich. Obwohl auch hier eine direkte Verbindung nur in ca. 50% nachgewiesen werden kann, so ist eine umschrieben verdickte Blasenwand, die Kontakt zu einer Dünn- oder Dickdarmschlinge zeigt, die selbst entzündlich verändert ist, ein starkes Indiz für das Vorliegen einer Fistel. In der CT sind multiplanare Rekonstruktionen hilfreich, in der MRT T1-gewichtete Sequenzen nach Kontrastmittelgabe mit Fettsättigung.
Gutartige Blasentumoren sind insgesamt selten und machen nur 1% aller Blasenneoplasien aus. Die Diagnose wird selten radiologisch gestellt, meist durch die Cystoskopie mit Biopsie. Leiomyome sind die häufigsten gutartigen Tumoren, sie treten meist bei Frauen zwischen 30–50 Jahren auf. Die Tumoren können sowohl nach intraluminal wachsen als auch nach extraluminal. Sie sind glatt begrenzt und homogen, dies kann zur Unterscheidung zum Übergangszellkarzinom der Blase dienen, wobei kleine Tumoren ebenfalls glatt begrenzt sein können. Ein v. a. nach extraluminal gerichtetes Wachstum findet sich dagegen bei malignen Tumoren selten. Phäochromozytome können auch in der Blase zu finden sein, sie sind in der Doppler-Sonographie sehr gut vaskularisiert und in der MRT in T2-gewichteten Sequenzen hyperintens, was zur Unterscheidung zu anderen Tumoren dienen kann. Selten kann sich auch eine Endometriose in der Blasenwand manifestieren. Hilfreich zur Differenzialdiagnose sind dann zyklusabhängige Beschwerden der Patientinnen.
31.2.4
Bösartige Tumoren der Blase
Bösartige Tumoren der Blase sind häufig und meist Übergangszellkarzinome (90%). 4–8% sind Plattenepithelkarzinome, der Rest Adenokarzinome, Karzinosarkome und sekundäre Tumoren der Blase.
Verlagerung und Impressionen der Blase Alle raumfordernden Prozesse im Becken können zu einer entsprechenden Impression oder Verlagerung der Blase führen. Dies können Tumoren der benachbarten Organe sein (Kolon, Prostata, Uterus, Ovar etc.), große Lymphommassen oder auch Iliakalarterienaneurysmen. Auch entzündliche Prozesse, postoperative
Übergangszellkarzinom Ätiologie, Pathogenese Es gibt einige bekannte Karzinogene, die mit dem Übergangszellkarzinom der Blase in Zusammenhang stehen, z. B. aromatische Amine, Nitrosamine und Aldehyde, die häufig in der Textilin-
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a
b
c
d
. Abb. 31.44a–d. Lipomatosis pelvis. a In der Ausscheidungsurographie erkennt man die massive Harnstauung beidseits, sowie die nach kranial verlagerte Blase, die im kleinen Becken symmetrisch komprimiert ist. b In der
MR-Urographie erkennt man die tränentropfenartige Blasenkonfiguration noch besser; c, d in der CT ist um die Blase nur vermehrtes Fettgewebe zu erkennen, keine andere Ursache der Kompression abgrenzbar
dustrie und chemischen Industrie verwendet werden. Die Latenzzeit bis zur Entstehung eines Karzinoms ist lang und liegt bei 15–40 Jahren. Auch Rauchen ist ein bekannter Risikofaktor, zudem eine Behandlung mit Cyclophosphamid, aufgrund der Ausscheidung von Acrolein über den Urin. Die Patienten stellen sich meist mit einer Hämaturie vor. Ein Übergangszellkarzinom kann im gesamten Harntrakt vorkommen, ein multilokuläres Auftreten ist häufig (. Abb. 31.45). Ein Befall der pelvinen Lymphknoten ist häufig, die hämatogene Metastasierung erfolgt in die Lunge oder Leber. Es kann
selten auch zu osteolytischen Knochenmetastasen kommen. Ca. 70% der neu diagnostizierten Übergangszellkarzinome sind oberflächlich, in 25% liegt eine Muskelinvasion vor, die restlichen 5% haben schon metastasiert.
Therapie Kurativ werden Tumoren der Stadien T1 und T2 durch lokale Resektion behandelt, ab einer Infiltration der tiefen Muskelschichten (T3a) erfolgt die partielle oder komplette Zystektomie. Bei fortgeschrittenen Stadien (T4) erfolgt die palliative Be-
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Kapitel 31 · Nieren, Harnwege und Harnblase
31 a . Abb. 31.45a, b. Multilokuläres Übergangszellenkarzinom der Blase in der MRT. a In der axialen T2-Wichtung erkennt man 2 kleine polypoid wachsende Tumoren an der Blasenseitenwand rechts und links als gegenüber dem Urin hypointense Läsionen, aber hyperintens im Vergleich zur Blasenwand. b In der sagittalen fettunterdrückten, KM-verstärkten T1-Wich-
handlung durch Strahlentherapie und/oder Chemotherapie. Im Rahmen einer OP werden die Lymphknoten der Obturatoriusgruppe, sowie die Iliaca interna- und externa Lymphknoten entfernt. Die Aufgabe der Bildgebung besteht also v. a. in der Identifizierung von suspekten Lymphknoten außerhalb dieser Gebiete.
Bildgebung, T-Staging In der Ausscheidungsurographie sind Blasentumoren meist Zufallsbefunde und als Aussparungen der mit Kontrastmittel gefüllten Blase zu erkennen. Wertvoll ist diese Technik weiterhin zur Abklärung des oberen Harntrakts, da Zweitkarzinome häufig sind, ebenso können Komplikationen, wie eine Harnstauung, abgeklärt werden. Allerdings wird zunehmend häufiger die CTUrographie für diese Fragestellungen angewandt. Für das T-Staging wird die Schnittbildgebung meist nur für die Beurteilung des extraluminalen Wachstums sowie von Fernmetastasen verwendet. Da die konventionelle Zystoskopie mit transurethraler Resektion (TUR) zur Histologiegwinnung obligat ist, kommen die Patienten meist erst nach der Probenentnahme zur Schnittbildgebung. Dadurch ergeben sich zusätzlich Probleme in der Differenzierung von postinterventionellen Veränderungen, die im perivesikalen Fett zu Verdichtungen führen, von einer Invasion des Fettgewebes durch den Tumor. Die TNMKlassifikation sowie die Klassifikation nach Jewett-Strong-Marshall sind in . Tab. 31.6 zusammengefasst. In der CT sind einzelne Wandschichten nicht zu unterscheiden, nur eine perivesikale Infiltration kann vermutet werden (T3), wobei hier wiederum reaktive Veränderungen die Beurteilung erschweren können. Gut ist dagegen die Infiltration der
b tung sieht man zusätzlich noch einen weiteren kleinen Tumor an der oberen Blasenvorderwand sowie einen großen Tumor am Blasenboden. Das sedimentierte KM in der Blase führt zu einer Spiegelbildung mit hyperintensem Signal an der Grenzfläche (Pfeilspitze), und dann aufgrund ansteigender Konzentration zur Signalauslöschung in den abhängigen Lagen
. Tab. 31.6. Staging der Blasenkarzinome
TNM
Beschreibung
Ta
Nichtinvasiv papillär
Tis
Carcinoma in situ (»flat tumour«)
T1
Tumor infitriert subepitheliales Bindegewebe
T2 T2a T2b
Tumor infiltriert die Muskulatur Innere Hälfte Äußere Hälfte
T3 T3a T3b
Tumor infiltriert perivesikales Fettgewebe Mikroskopisch Makroskopisch (extravesikaler Tumor)
T4 T4a T4b
Tumor infiltriert Prostata, Uterus, Vagina, Beckenwand oder Bauchdecke Prostata, Uterus, Vagina Beckenwand, Bauchdecke
TNM-Klassifikation der Blasentumoren UICC 2002 Tumor infiltriert die Becken- oder Bauchwand
Umgebung (T4) beurteilbar. Vorteilhaft ist, dass in einer Untersuchung auch Leber, Lunge und Knochen zur Abklärung einer Fernmetastasierung bei fortgeschrittenen Tumorstadien beurteilt werden können. Nach Zystektomie ist die CT hilfreich im follow-up der Patienten, da ca. ein Drittel der Rezidive lokal entstehen, zu zwei Drittel liegen Lymphknotenrezidive vor. Zudem können Komplikationen, wie Harnstauung, Urinome, Serome,
1047 31.2 · Harnblase
Lymphozelen gut erfasst werden. Wichtig ist, dass eine Spätphase mit Füllung der Ersatzblase abgewartet wird. Die MRT ist für die Frage des lokalen Stagings der CT überlegen. Eine Unterbrechung der deutlich hypointensen Blasenwand durch den signalreicheren Tumor in der T2-Wichtung gilt als Zeichen einer Infiltration der Blasenwand (T2), eine Verdichtung des perivesikalen Fettgewebes als Zeichen eines wandüberschreitenden Wachstums (T3). Die Sensitivität der MRT liegt hier bei ca. 90%, die Spezifität bei ca. 85%. Jedoch ist eine Unterscheidung zwischen den Stadien T2 und T3a nicht möglich, ebenso kommen die meisten Patienten erst nach der Biopsieentnahme zur Untersuchung, was die Genauigkeit aufgrund von reaktiven Veränderungen weiter einschränkt. Da die meisten Blasentumoren frühzeitig und intensiv Kontrastmittel aufnehmen, sind zusätzliche dynamische gadoliniumverstärkte Sequenzen sinnvoll. Ggf. ist hier auch eine Differenzierung gegenüber narbigen/reaktiven Veränderungen möglich, die später anreichern sollen, dies muss aber noch evaluiert werden. In diffusionsgewichteten Sequenzen (DWI) zeigen die Tumoren eine gestörte Diffusion und einen niedrigeren scheinbaren Diffusionskoeffizienten (ADC) im Vergleich zur Blasenwand und den umgebenden Organen. In wieweit sich dadurch eine Verbesserung des lokalen Stagings ergibt, bleibt abzuwarten. Eine Infiltration der direkten Umgebung ist in der MRT ebenso besser als in der CT beurteilbar. Hilfreich sind zur Beurteilung der Infiltration in die Vagina oder das Rektum sagittale Sequenzen in T2-Wichtung sowie nach Kontrastmittelgabe mit Fettunterdrückung. Eine Infiltration in die Samenbläschen lässt sich mit einer T2-Wichtung sehr gut beurteilen, da das normal sehr hyperintense Signal in den Samenbläschen im Falle einer Infiltration durch hypointenses Gewebe ersetzt wird. Die virtuelle Zystoskopie mittels CT oder MRT zeigte in verschiedenen kleineren Studien eine sehr gute Sensitivität für Tumoren ab 5 mm. Jedoch sind Blasentumoren häufig deutlich kleiner, oder zeigen ein oberflächliches Wachstum, das in der virtuellen Zystoskopie gar nicht erkannt werden kann. Auch Farbveränderungen der Mukosa sind nicht erkennbar. Daher ist die virtuelle Zystoskopie zum jetzigen Zeitpunkt nur eine ergänzende Untersuchung zur besseren anatomischen Orientierung und Visualisierung von Befunden oder bei Patienten mit Blasendivertikeln, die einer konventionellen Zystoskopie häufig nicht zugänglich sind.
Bildgebung, N-Staging Das N-Staging ist von großer klinischer und prognostischer Bedeutung, weil die 5-Jahres-Überlebensrate für Patienten mit invasiv wachsenden Tumoren bei Befall der Lymphknoten von 28% auf 11% abfällt. Leider gibt es in der konventionellen Schnittbildgebung nur die Größe als Kriterium für einen metastatischen Lymphknotenbefall. Als Grenzwert gilt ein Durchmesser von 8 mm bei runden Lymphknoten, von 10 mm (kurze Achse) bei ovalen Lymphknoten, hier kann eine Genauigkeit bis zu 90% erreicht werden. Da die Obturatoriusgruppe, sowie die Iliaca interna- und externaGruppe operativ exploriert werden, ist für den Chirurgen v. a. das Vorliegen suspekter Lymphknoten außerhalb dieser Regionen interessant, also z. B. paraaortal! Zudem sollten auch An-
sammlungen multipler Lymphknoten, auch wenn die einzelnen Lymphknoten nicht vergrößert sind, zumindest als suspekt beschrieben werden. Große Hoffnungen werden neue Verfahren zum Lymphknoten-Staging gesetzt: einmal mittels ultrakleiner superparamagnetischer Eisenoxidpartikel (USPIOs), die zu einer Signalabsenkung in normalen Lymphknoten führen, während metastatisch befallene Bereiche hyperintens bleiben. Auch metastatisch befallene Lymphknoten <5 mm sollen hier noch erkannt werden können. Sollte diese Technik entsprechend gute Ergebnisse auch beim Blasenkarzinom zeigen, dann könnte die MRT zur primären Abklärung von Blasentumoren an Bedeutung gewinnen. Eine weitere neue Technik ist die nuklearmedizinische Abklärung mittels PET (Positronenemissionstomographie) mit dem Radiotracer 11Cholin, der sich in befallenen Lymphknoten und im Primärtumor verstärkt anreichert, aber nicht oder nur gering renal eliminiert wird. Besonders viel versprechend erscheint die Kombination mit der CT als PET/CT, die dann eine Beurteilung der lokalen Ausdehnung, des Lymphknotenbefalls sowie der Fernmetastasierung in einer Untersuchung erlaubt. Allerdings dürfte diese Technik aufgrund der begrenzten Ortsauflösung der PET für Lymphknoten <8 mm der MRT mit USPIOs unterlegen sein, vergleichende Studien liegen jedoch nicht vor.
Bildgebung, M-Staging Das M-Staging sollte die Leber und Lunge als häufigste Orte der hämatogenen Metastasierung umfassen, in erster Linie kommt die CT zur Anwendung. Bezüglich der ossären Metastasierung kann bei symptomatischen Patienten die Skelettszintigraphie durchgeführt werden, allerdings wird sich hier wahrscheinlich zunehmend die Ganzkörperbildgebung mittels MRT durchsetzen.
Seltene andere Tumoren der Harnblase Karzinosarkome Karzinomatöse Blasentumoren sind seltene Malignome, häufig sind Männer im 7. Lebensjahrzent betroffen. Diese Tumoren sind bei Diagnosestellung häufig schon sehr groß und können Verkalkungen aufweisen, was beim Übergangszellkarzinom selten vorkommt. Die Prognose ist aufgrund der hohen Malignität der Tumoren schlecht.
Plattenepithelkarzinome Die meisten Patienten mit Plattenepithelkarzinomen der Blase haben in ihrer Anamnese chronische Blaseninfektionen, Blasensteine oder beides. Ebenso haben Patienten mit einer Schistosomiasis ein erhöhtes Risikos für Plattenepithelkarzinome. In Divertikeln entstehen häufiger Plattenepithelkarzinome als im wahren Blasenlumen, evtl. aufgrund der längeren Stase von Urin im Divertikel. Plattenepithelkarzinome treten in 25% multifokal auf und wachsen aggressiv und invasiv. Die Prognose ist mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von 10% sehr schlecht. Bildgebend können diese Tumoren nicht von anderen Raumforderungen der Blase unterschieden werden.
Adenokarzinome Dieser Tumor tritt meist in Zusammenhang mit metaplastischen Veränderungen bei einer Blasenekstrophie auf, bei Patienten mit
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1048
Kapitel 31 · Nieren, Harnwege und Harnblase
einer Zystitis cystica durch maligne Transformation oder am Blasendach als Folge versprengter Urachusreste. Adenokarzinome können aber isoliert auftreten, bildgebend sind sie nicht von anderen Malignomen der Blase zu differenzieren.
Mesenchymale Malignome der Blase
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Am häufigsten findet man Leiomyosarkome und Rhabdomyosarkome. Leiomyosarkome betreffen meist ältere Erwachsene, sind bei Diagnosestellung oft schon sehr große und neigen zur Ulzeration. Rhabdomyosarkome haben einen biphasischen Altersgipfel: einmal in den ersten Lebensjahren, und dann wieder beim älteren Erwachsenen. Diese Tumoren wachsen polylobuliert und können oft die ganze Blase ausfüllen (charakteristisches traubenartiges Bild der polylubulierten, glatt begrenzten Tumorausläufer), daher auch die Bezeichnung Botroyoides-Tumor.
Lymphome Auch ein Lymphombefall kann sich primär in der Blase manifestieren, meistens am Blasenboden. Allerdings gibt es keine bildgebenden Kriterien, die eine Differenzierung zu anderen Malignomen der Blase ermöglichen.
. Abb. 31.46. Blasenstein. Auf der Leeraufnahme erkennt man in Projektion auf die Blase rechtsseitig ein röntgendichtes Konkrement mit sehr dichtem sternförmigen Kern und einer etwas weniger röntgendichten glatt begrenzten äußeren Umhüllung. (Mit freundlicher Genehmigung von PD Dr. K. Wörtler)
Sekundäre Tumoren der Blase
Bildgebung. Im Ausscheidungsurogramm sind Blasensteine wie
Fernmetastasen in die Blase sind mit 1% aller Malignoms der Blase selten, auch bei metastasierten Patienten treten sie in nur 3–4% der Fälle auf. Am häufigsten findet man noch eine Fernmetastasierung in die Blase beim Malignen Melanom, dann meist multifokal. Daneben können u. a. auch Karzinome des Magens, Pankreas, Kolons, der Mamma und Lunge in die Blase metastasieren. Häufig dagegen wachsen Tumoren der Nachbarorgane direkt in die Blase ein, so Karzinome der Prostata, des Kolons, oder der Cervix.
die Steine des oberen Harntrakts je nach Zusammensetzung röngtendicht (. Abb. 31.46), oder röntgennegativ, dann zeigen sie sich erst als Füllungsdefekte in der Spätphase. Blasensteine können entweder homogen und glatt begrenzt sein, oder eine lobulierte Oberfläche haben. Ebenso können sie sternförmig konfiguriert sein und sich aus unterschiedlich röntgendichten Schichten zusammensetzen. Am besten sind sie in der CT erkennbar, hier sind nahezu alle Steine dichter als Weichgewebe und auf nativen Serien gut erkennbar.
Literatur 31.2.5
Blasensteine
Blasensteine treten gehäuft bei Männern auf und sind in 70% mit Blasenentleerungsstörungen assoziiert, z. B. bei der benignen Prostatahypertrophie. Meist sind es Kalziumoxalat oder -phosphatsteine. Die übrigen Steine sind Struvitsteine, Uratsteine und Zystinsteine. Konkremente aus dem oberen Harntrakt passieren die Blase problemlos, außer es liegt eine Blasenentleerungsstörung vor, dann können sie in der Blase wachsen und eine beträchtliche Größe annehmen.
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32 32 Prostata, Hoden und Nebenhoden A. Wetter, Th. Vogl
32.1
Prostata
– 1050
32.1.1 32.1.2 32.1.3
Anatomie, Physiologie und Pathologie – 1050 Spezielle Untersuchungstechniken – 1050 Krankheitsbilder – 1052
32.2
Hoden und Nebenhoden
32.2.1 32.2.2 32.2.3
Anatomie – 1057 Spezielle Untersuchungstechniken – 1057 Erkrankungen des Hodens – 1058
– 1057
1050
Kapitel 32 · Prostata, Hoden und Nebenhoden
32.1
Prostata
32.1.1
Anatomie, Physiologie und Pathologie
Anatomische und physiologische Grundlagen
32
Die Prostata ist eine exokrine Drüse und besteht aus etwa 30–50 tubulo-alveolären Einzeldrüsen, die ein schwach alkalisches Sekret bilden. Ventral wird die Prostata durch die Symphyse begrenzt, dorsal durch das Rektum. Zwischen Symphyse und Prostata liegt der Plexus venosus prostaticus. Eine Verbindung zwischen Symphyse und Prostatakapsel bildet das Ligamentum puboprostaticum. Die seitlichen Begrenzungen bilden die Mm. puborectalis, obturator internus und levator ani. Kranial grenzt die Prostata unmittelbar an die Harnblase, die kaudale Begrenzung bildet das Diaphragma urogenitale. Durch die unmittelbare Lagebeziehung zum Rektum ist die Prostata einer digitorektalen Untersuchung zugänglich. Die beiden hauptsächlich verwendeten bildgebenden Verfahren, der transrektale Ultraschall sowie die endorektale Kernspintomographie, nutzen diese enge Lagebeziehung zu einer hochaufgelösten Darstellung der Prostata. Dorsokranial der Prostata befindet sich die Glandula seminalis, deren Ausführungsgang, der Ductus ejaculatorius, am Unterrand des Utriculus prostaticus in die intraprostatische Harnröhre mündet. Basierend auf regional unterschiedlichen Drüsenformationen kann die Prostata in 3 Zonen eingeteilt werden: 4 die zentrale Zone 4 die Übergangszone 4 die periphere Zone Diese Einteilung hat eine pathologische Relevanz, da Prostatakarzinome überwiegend in der peripheren Zone auftreten, die Übergangszone hingegen der Ursprung für die benigne Prostatahyperplasie darstellt. Auch für die Bildgebung spielt diese Einteilung eine Rolle. In stark T2-gewichteten Sequenzen, die typischerweise bei der MR-Bildgebung der Prostata verwendet werden, erscheint die periphere Zone im Gegensatz zur zentralen Zone hyperintens (. Abb. 32.1).
Epidemiologische, klinische und pathologische Grundlagen Erkrankungen der Prostata betreffen überwiegend den älteren Mann. Am häufigsten tritt hierbei die benigne Prostatahyperplasie in Erscheinung, die auf einer Proliferation der Übergangszone beruht und aufgrund der urethralen Obstruktion mit Dysurie, Nykturie und evtl. auch sexuellen Störungen einhergeht. Die Inzidenz des Prostatakarzinoms ist den letzten Jahren und Jahrzehnten angestiegen. Dieser Anstieg der Inzidenz wird teilweise auf die immer größere Verfügbarkeit des PSA-Tests zurückgeführt, der bei Überschreitung eines Grenzwerts in der Regel die Prostatabiopsie nach sich zieht. Die Prävalenz des Prostatakarzinoms wird in Europa mit etwa 15% angegeben. Die therapeutischen Empfehlungen beim gesicherten Prostatakarzinom unterscheiden sich je nach Stadium des Tumors: Bei lokalisierten Prostatakarzinomen wird als Therapie die radikale Prostatektomie, alternativ auch die Strahlentherapie, empfohlen.
Entstehungsort der Prostatakarzinome ist überwiegend die periphere Zone. Das Adenokarzinom wächst lokal infiltrierend, eine Metastasierung erfolgt spät in die lokoregionären Lymphknoten oder hämatogen-ossär bevorzugt in das Achsenskelett. Die lokale Stadieneinteilung des Prostatakarzinoms stellt sich nach der aktuellen TNM-Klassifikation wie in der Übersicht gezeigt dar.
TNM-Klassifikation des Prostatakarzinoms 4 T1: Klinisch und mit bildgebenden Verfahren nicht erkennbarer Tumor – T1a: zufälliger histologischer Befund in 5% oder weniger des resezierten Gewebes – T1b: zufälliger histologischer Befund in mehr als 5% des resezierten Gewebes – T1c: Tumor durch Nadelbiopsie diagnostiziert. 4 T2: Tumor ist auf die Prostata begrenzt. – T2a: Tumor befällt die Hälfte eines Lappens oder weniger. – T2b: Tumor befällt mehr als die Hälfte eines Lappens – T2c: Tumor in beiden Lappen 4 T3: Tumor durchbricht die Prostatakapsel. – T3a: einseitige oder beidseitige extrakapsuläre Ausbreitung – T3b: Infiltration der Samenblasen 4 T4: Tumor ist fixiert oder infiltriert andere benachbarte Strukturen als die Samenblasen.
32.1.2
Spezielle Untersuchungstechniken
Wie bereits erwähnt, eignet sich aufgrund der anatomischen Lage der Prostata ein transrektaler Zugang zur Bildgebung mit entsprechenden Ultraschallsonden bzw. Endorektalspulen. Der transrektale Ultraschall der Prostata ist eine Domäne der Urologie. Aufgrund der relativ einfachen Handhabung sowie Verfügbarkeit findet er breite Anwendung bei niedergelassenen Urologen und in urologischen Kliniken. Insbesondere kommt er zur ultraschallgesteuerten Prostatabiopsie zum Einsatz. Ein Nachteil des klassischen B-mode-Ultraschalls der Prostata ist seine geringe Sensitivität und Spezifität bei der Detektion von Prostatakarzinomen, die in einigen Studien nicht über diejenige der digito-rektalen Untersuchung hinausging. Allerdings gibt es neue Entwicklungen in der Ultraschalltechnologie, z. B. den PowerDoppler-Ultraschall oder auch ultraschallspezifische Kontrastmittel, die eine Verbesserung von Sensitivität und Spezifität versprechen. Zur weiteren Information sei auf Lehrbücher der Urologie verwiesen. Die Kernspintomographie der Prostata wird heute meist unter Verwendung einer Endorektalspule durchgeführt, die in das Rektum eingeführt wird. Zur Fixierung der Spule kann Luft über eine Spritze insuffliert werden. Aufgrund der unmittelbaren Nähe der Empfangsspule zum Untersuchungsobjekt ergibt sich ein ausgezeichnetes Signal-zu-Rausch-Verhältnis. Allerdings nimmt das Signal mit größer werdendem Abstand zur Spule ab, sodass die
1051 32.1 · Prostata
a
b . Abb. 32.1a–c. Prostata eines gesunden Mannes. T2-gewichtete Darstellung in axialer (a), koronarer (b) und sagittaler (c) Schichtorientierung zur Verdeutlichung der anatomischen Strukturen
ventralen Anteile der Prostata und die übrigen Beckenstrukturen oft nur unzureichend abgebildet werden. Durch die Kombination der Endorektalspule mit einer CP (circular polarized) Phasedarray-Spule können die gesamte Prostata und das kleine Becken mit ausreichendem Signal dargestellt werden. Zur MR-tomographischen Bildgebung der Prostata werden normalerweise stark T2-gewichtete Fast-spin-echo-(FSE-)Sequenzen in axialer, koronarer und sagittaler Schichtführung verwendet. Im T2-gewichteten Bild stellt sich die periphere Zone hyperintens, die zentrale Zone hypointens dar. Ein Standard-Sequenzprotokoll wird meistens durch eine T1-gewichtete Sequenz ergänzt, um mögliche Blutungsresiduen nach stattgehabter Biopsie zu erkennen. Zur Darstellung der Strukturen des Beckens eignen sich beispielsweise kombinierte T2-gewichtete/protonengewichete Sequenzen. Ein Standard-Sequenzprotokoll zeigt . Tab. 32.1.
c
. Tab. 32.1. Standard-Sequenzprotokoll zur Darstellung der Strukturen des männlichen Beckens
Sequenz
TR
TE
Schichtdicke
FoV
Matrix
T2 FSE axial
4400 ms
109 ms
3 mm
180 mm
205 × 256
T2 FSE koronar
4160 ms
106 ms
3 mm
200 mm
205 × 256
T2 FSE sagittal
4290 ms
109 ms
4 mm
200 mm
205 × 256
T1 SE axial
400 ms
14 ms
3 mm
180 mm
205 × 256
PD/T2 axial Becken
5260 ms
11 ms und 86 ms
5 mm
370 mm
215 × 512
32
1052
Kapitel 32 · Prostata, Hoden und Nebenhoden
32.1.3
Krankheitsbilder
Prostatakarzinom Pathogenese, Klinik Das Prostatakarzinom ist ein Adenokarzinom und entsteht üblicherweise in der peripheren Zone der Drüse. Es wird üblicherweise erst in späten Stadien symptomatisch, dann häufig durch lokale Folgen der Tumorinvasion im Sinne einer Blasenentleerungsstörung, Inkontinenz oder Impotenz.
Kernspintomographie des Prostatakarzinoms
32
Die Kernspintomographie des Prostatakarzinoms hat ihre Anfänge Mitte der 1980er Jahre. Zunächst wurden Spinecho-Sequenzen verwendet, bevor man später zu den heute gebräuchlichen Fast-Spin-echo-Sequenzen übergegangen ist, die eine schnellere Bildakquisition ermöglichen. Da zunächst die Bildgebung unter Verwendung einer Körperspule durchgeführt wurde, waren die Ergebnisse aufgrund der nur mäßigen Ortsauflösung entsprechend schlecht. Mit der Einführung von Endorektalspulen konnten jedoch das Signal-zu-Rausch-Verhältnis und somit die Abbildungsqualität entscheidend verbessert werden. Heute ist es üblich, eine Kombination aus einer Endorektalspule sowie einer CP-phased-array-Spule zu verwenden, um ein gleichmäßig hohes Signal zu erhalten und um die benachbarten Strukturen im Becken zu beurteilen. Die periphere Zone, die ja meistens den Ursprung des Prostatakarzinoms bildet, stellt sich im T2-gewichteten Bild hyperintens dar (. Abb. 32.1). Frühe Arbeiten zur Kernspintomographie des Prostatakarzinoms haben gezeigt, dass sich die überwiegende Anzahl der Prostatakarzinome im Vergleich zur peripheren Zone hypointens darstellt und diese somit identifiziert werden kön-
a . Abb. 32.3a, b. Ausgeprägte Prostatahyperplasie. a Durch die Proliferation der Transitionszone kommt es zu einer Volumenzunahme der gesamten Prostata. Die periphere Zone ist in diesem Beispiel nur noch als schmaler Saum abgrenzbar. Das Prostataparenchym weist knotige Bindege-
. Abb. 32.2. Prostatakarzinom, ungewöhnliche zentrale Lokalisation (Pfeile). Histologische Verifizierung durch MR-gesteuerte Biopsie
nen. Allerdings gibt es Prostatakarzinome, die sich isointens oder auch hyperintens zur peripheren Zone abbilden sowie zentral lokalisierte Prostatakarzinome (. Abb. 32.2, . Abb. 32.5). Die kernspintomographische Bildgebung beim Prostatakarzinom wird dadurch erschwert, dass auch andere Krankheitsentitäten, wie die benigne Prostatahyperplasie (. Abb. 32.3) oder die chronische Prostatitis, hypointense Läsionen in der peri-
b websproliferationen auf, die hypointens zur Darstellung kommen. Hyperintense Anteile durch glanduläre Proliferation. b Sagittale Schichtführung. Das Blasendach wird angehoben (Pfeil)
1053 32.1 · Prostata
. Abb. 32.4. T3b-Prostatakarzinom. Der Tumor infiltriert die Samenblasen (Pfeil)
a
. Abb. 32.5. Stanzbioptisch gesichertes T2c-Prostatakarzinom. Bilaterale hypointense Läsionen in der peripheren Zone
b
. Abb. 32.6a, b. Bilaterales Prostatakarzinom, histopathologisches Stadium T3a mit Kapseldurchbruch links. a Hypointense Läsionen beidseits
(Pfeile), ausgeprägte Tumorformation links mit Kapseldurchbruch. Koronare Schichtführung. b Axiale Schichtführung
pheren Zone verursachen können und somit ein Karzinom vortäuschen können. Ähnlich problematisch ist die Klärung der Frage, ob ein bioptisch gesichertes Prostatakarzinom die Kapsel durchbrochen hat oder nicht (. Abb. 32.6). Es gibt mehrere Arbeitsgruppen, die unterschiedliche bildgebende Kriterien für einen Kapseldurchbruch analysiert haben. Als stärkstes Kriterium hat sich bei diesen Analysen die Obliteration des rekto-prostatischen Winkels herausgestellt. Als weitere Kriterien gelten die
Asymmetrie des neurovaskulären Bündels und eine irreguläre Kapselverdickung. Als hauptsächliche Indikation für die Durchführung eines Prostata-MRTs mit endorektaler Spule gilt das präoperative lokale Staging und damit die prognostisch wichtige Unterscheidung zwischen einem T2- und T3-Prostatakarzinom. Eine weitere Indikation stellt die Abklärung eines ansteigenden PSA-Werts bei negativen Prostatabiopsien dar.
32
1054
Kapitel 32 · Prostata, Hoden und Nebenhoden
Problematisch sind postbioptische Veränderungen der Prostata, die häufig zu sehen sind. Patienten mit ansteigendem PSA-Wert werden in der Regel zunächst urologisch gesehen und in der Folge ultraschallgesteuert biopsiert. Als Folge können postbioptische Einblutungen vorliegen, die zu einer Überschätzung der Tumorgröße und zur Fehldiagnose eines Kapseldurchbruchs führen können. ! Eine Kernspintomographie der Prostata sollte daher am besten 5–6 Wochen nach der Biopsie erfolgen.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Ergänzung des Sequenzprotokolls um eine T1-gewichtete Sequenz (. Abb. 32.7, . Abb. 32.8). Die Prostata kann zahlreiche iatrogene Veränderungen aufweisen, z. B. nach transurethraler Prostataresektion, Kryotherapie und Hormon- und Strahlentherapie (. Abb. 32.9, . Abb. 32.10). Diese müssen bei der Bildinterpretation berücksichtigt werden. Das Spektrum der Veränderungen ist dabei vielfältig, es seien hier Einblutungen, Volumenminderungen, zystische Veränderungen, Fibrosen und Kapselverdickungen genannt, die eine suffiziente Beurteilung der Prostata unmöglich machen können. Dies verdeutlicht die Wichtigkeit einer sorgfältigen Anamnese vor der Untersuchung, die Angaben über frühere Behandlungen ebenso einschließen muss wie den aktuellen PSA-Wert und Ergebnisse früherer Biopsien. 1H-MR-Spektroskopie
des Prostatakarzinoms
. Abb. 32.7. Homogen hypointense Darstellung der Prostata im T1-gewichteten Bild ohne Nachweis postbioptischer Einblutungen
Die Protonen-MR-Spektroskopie ist ein Verfahren zur nichtinvasiven Beurteilung des Prostatastoffwechsels. Die physikalischen Grundlagen der Spektroskopie sowie die technischen Grundlagen ihrer Anwendung sind sehr komplex, sodass für weiterführende Informationen bezüglich Technik und Grundlagen auf die weitergehende Literatur im Anschluss an dieses Kapitel verwiesen wird. Das Prinzip der 1H-MR-Spektroskopie beruht darauf, dass die Resonanzfrequenzen von Wasserstoffatomen sich je nach Biomolekül, in das sie eingebaut sind, unterscheiden. Durch diese so genannte »chemische Verschiebung« ist es möglich, unterschiedliche Moleküle zu detektieren. Die für die 1H-MR-Spektroskopie der Prostata wichtigen Stoffwechselmoleküle sind Cholin und Citrat. Citrat wird in den Drüsen der Prostata produziert, Cholin findet sich als Bestandteil von Zellmembranen. Untersuchungen zur MR-Spektroskopie der Prostata konnten zeigen, dass es in tumorös veränderten Arealen zu einem Abfall des Ci-
. Abb. 32.8. Nachweis postbioptischer Einblutungen links (Pfeile)
. Abb. 32.9. Volumenminderung der Prostata unter Hormontherapie
32
1055 32.1 · Prostata
. Abb. 32.10. Zustand nach Prostatektomie. Leere Prostataloge, unauffällige Anastomosenregion (Pfeile)
trats bei gleichzeitigem Anstieg des Cholins kommt. Um die Metabolitenlevel quantitativ zu beurteilen, wird in der Regel das Verhältnis von (Cholin+Kreatin)/Citrat verwendet. Dadurch wird der Tatsache Rechnung getragen, dass aufgrund des B1-Profils der Empfangsspule (= Endorektalspule) die entfernteren Areale der Prostata weniger Signal liefern. Das Kreatin ist ubiquitär in der Prostata detektierbar und unterscheidet sich in seinen Konzentrationen innerhalb der unterschiedlichen Prostataregionen nicht signifikant. Aufgrund einer oft beobachteten Überlappung der Cholin- und Kreatinresonanzen werden zur Vereinfachung der Quantifizierung beide Peaks in das Verhältnis mit eingebracht. Zur Spektroskopie der Prostata stehen prinzipiell 2 Verfahren zur Verfügung: 4 die Single-Voxel-Spektroskopie (SVS) 4 die mehrdimensionale Multi-Voxel-Spektroskopie, auch MR-Spectroscopic imaging (MRSI) genannt
. Abb. 32.11. Dreidimensionale 1H-MR-Spektroskopie der Prostata. Links ist das zum ausgewählten Voxel (blau) gehörende Spektrum aufgetragen. Hoher Cholin-Peak und erniedrigtes Citrat bei bioptisch gesichertem
Heute wird fast ausschließlich das MRSI verwendet, da hiermit ein größeres Prostataareal, bzw. die ganze Prostata, untersucht werden kann und eine bessere räumliche Zuordnung von pathologischen Metabolitenkonzentrationen gelingt. Die praktische Durchführung der Prostata-Spektroskopie gestaltet sich aufgrund des technischen Fortschritts relativ einfach, da quasi automatisierte Applikationen vorliegen, die eine 3-dimensionale 1H-MR-Spektroskopie der Prostata in Kombination mit der Bildgebung in relativ kurzer Untersuchungszeit ermöglichen. Nach einer Sequenzabfolge zur Bildgebung (. Tab. 32.1) werden die T2-gewichteten Sequenzen in allen 3 Raumebenen eingeladen (. Abb. 32.11). Nun kann das Volume-of-interest (VOI) zuzüglich Sättigern, die störende Umgebungssignale unterdrücken, exakt platziert werden. Vor der eigentlichen Messung müssen lokale Magnetfeldinhomogenitäten durch Zuschaltung zusätzlicher Gradientenfelder ausgeglichen werden. Dieser Prozess, Shimming genannt, kann semiautomatisch oder automatisch durchgeführt werden. Nach der Datenerfassung wird das gemessene Signal mittels einer Fourier-Analyse in die Einzelfrequenzen aufgeteilt; diese werden nach weiterer Nachverarbeitung (Phasenkorrektur, BaselineKorrektur) in einem Diagramm als parts-per-million (ppm) dargestellt. Einen Bezug zur Konzentration des detektierten Metaboliten bildet die Fläche unter der Kurve. Untersuchungen an Patienten mit Prostatakarzinom haben gezeigt, dass signifikante Unterschiede des (Cholin+Kreatin)/Citrat-Verhältnisses zwischen normalem Prostatagewebe und karzinomatös verändertem Prostatagewebe bestehen (. Abb. 32.12). Als tumorsuspekt gelten Areale, die eine um mindestens 2 Standardabweichungen höhere (Cholin+Kreatin)/Citrat-Ratio besitzen als die normale periphere Zone. > Durch die Spektroskopie kann die diagnostische Aussagefähigkeit der endorektalen MRT gesteigert werden. Das gilt insbesondere für weniger erfahrene Un6
Prostatakarzinom links. Die Prostata ist in axialer, koronarer und sagittaler Ebene dargestellt, das Volume-of-interest (weiß) ist eng um die Prostata platziert
32
1056
Kapitel 32 · Prostata, Hoden und Nebenhoden
a
32
b . Abb. 32.12a, b. Spektroskopie der Prostata. a Spektrum aus der normalen peripheren Zone. Man erkennt einen hohen Citrat-Peak (Cit) sowie einen niedrigen, kombinierten Peak aus Cholin (Cho) und Kreatin (Crea). I
tersucher. Bei Patienten, die ansteigende PSA-Werte zeigen, die Prostatabiopsie bisher jedoch negativ war, ist die 1H-MR-Spektroskopie eine wertvolle Ergänzung zur alleinigen Bildgebung. Allerdings gestaltet sich die Auswertung der vielen Spektren oft schwierig und zeitaufwendig, sodass eine Integration in den klinischen Alltag nicht unproblematisch ist
Therapie Die Therapie des Prostatakarzinoms ist stark abhängig vom jeweiligen Tumorstadium. Beim lokal begrenzten Prostatakarzinom stellen die radikale Prostatektomie, perkutane Strahlentherapie und Brachytherapie primäre Therapieoptionen dar.
Benigne Prostatahyperplasie Pathogenese, Klinik Die benigne Prostatahyperplasie ist eine häufige Erkrankung älterer Männer. Es kommt zu einer Hyperplasie der paraurethra-
steht für Integral. b Spektrum aus einem Tumor in der peripheren Zone. Anders als im gesunden Spektrum zeigt sich ein hoher Cholin-Peak (Cho) sowie ein erniedrigter Citrat-Peak (Cit)
len Drüsen. Der Krankheitswert resultiert aus den Folgen der Prostatavergrößerung, die unter dem angelsächsischen Begriff der »lower urinary tract symptoms« (LUTS) zusammengefasst werden. Dazu gehören Dysurie, Nykturie und häufiger Harndrang.
Bildgebung Das alleinige Vorliegen einer Prostatahyperplasie stellt keine Indikation zur endorektalen MRT dar, da der transrektale Ultraschall ausreichende Informationen über Anatomie, Größe und Volumen der Prostata liefern kann. Problematisch sind allerdings diejenigen Patienten, die eine mäßige Erhöhung des PSA-Werts aufweisen (bis 10 ng/ml). Diese kann auch im Rahmen der Prostatahyperplasie auftreten und muss nicht unbedingt auf ein Prostatakarzinom hinweisen. Insbesondere nach negativer Stanzbiopsie kann in diesen Fällen eine endorektale MRT indiziert sein, am besten kombiniert mit der 1H-MR-Spektroskopie, um eine möglichst große diagnostische Sicherheit zu gewährleisten.
1057 32.2 · Hoden und Nebenhoden
Therapie Medikamentös können 5-α-Reduktase-Inhibitoren eingesetzt werden, die eine Umwandlung von Testosteron zu Dihydrotestosteron verhindern und damit die Größe der hyperplastischen Drüsen verringern können. Als operative Maßnahme steht die transurethrale Resektion der Prostata (TURP) zur Verfügung.
dig-Zwischenzellen. Umgeben wird der Hoden von der Tunica albuginea und der Tunica vaginalis mit einem viszeralen und einem parietalen Blatt. Die Nebenhoden (Epididymis) umgeben den Hoden posterolateral. Sie bestehen aus Caput, Corpus und Cauda und enthalten im Caput etwa 8 Ductuli efferentes, die sich zum Ductus epididymis vereinigen und in den Ductus deferens übergehen.
Chronische Prostatitis Pathogenese, Klinik Die chronische Prostatitis kann sich sich mit niedriggradigem Damm- oder suprapubischem Schmerz äußern. Als Ursache werden chronisch bakterielle Infekte, aber auch autoimmun modulierte Prozesse angenommen.
Bildgebung Die chronische Prostatitis kann ähnlich wie das Prostatakarzinom hypoechogene Befunde im transrektalen Ultraschall verursachen. Damit kann die Unterscheidung zu einem Prostatakarzinom, insbesondere bei erhöhtem PSA-Wert, schwierig sein. Allerdings gestaltet sich die Unterscheidung von chronischer Prostatitis zu Karzinom auch in der endorektalen MRT schwierig, da die chronische Prostatitis ebenfalls hypointense Läsionen in der peripheren Zone verursacht. Bisher liegen keine allgemeingültigen MR-Kriterien vor, die eine sichere Unterscheidung hypointenser Läsionen entzündlicher Genese von tumorösen Läsionen gewährleisten.
Therapie Falls ein Keim isoliert werden kann, antibiotische Therapie gemäß Antibiogramm. Ggf. Antiphlogistika.
Literatur Kurhanewicz J, Vigneron DB, Hricak H, Narayan P, Carroll P, Nelson SJ. Three-dimensional H-1 MR spectroscopic imaging of the in situ human prostate with high (0.24 – 0,7 cm3) spatial resolution. Radiology 1996;198:795-805 Levi F, Lucchini F, Negri E, Boyle P, La Vecchia C. Leveling of prostate cancer mortality in Western Europe. Prostate. 2004 Jun 15;60(1):46-52 Yu KK, Hricak H, Alagappan R, Chernoff DM, Bacchetti P, Zaloudek CJ. Detection of extracapsular extension of prostate carcinoma with endorectal and phased-array coil imaging: multivariate feature analysis. Radiology 1997;202:697-702 Outwater EK, Petersen RO, Siegelman ES, Gomella LG, Chernesky CE, Mitchell DG. Prostate carcinoma: asessement of diagnostic criteria for capsular penetration on endorectal coil images. Radiology 1994;193:333-339 Wetter A, Hubner F, Lehnert T et al. Three-dimensional (1)H-magnetic resonance spectroscopy of the prostate in clinical practice: technique and results in patients with elevated prostate-specific antigen and negative or no previous prostate biopsies. Eur Radiol 2005;15:645-652
32.2
Hoden und Nebenhoden
32.2.1
Anatomie
Die Hoden (Testes) entstehen in der Genitalleiste der hinteren Bauchwand und wandern während der Fetalentwicklung in den Hodensack, wo sie als paarige männliche Keimdrüse im Erwachsenenalter ein Gewicht zwischen 25 und 30 g erreichen. Das Parenchym des Hodens besteht aus etwa 250 durch Bindegewebssepten getrennte Kompartimente, in denen sich die Tubuli seminiferi befinden. Im Stroma innerhalb der Septen liegen die Ley-
32.2.2
Spezielle Untersuchungstechniken
Prinzipielles zur Bildgebung des Hodens Augrund ihrer Lage und ihrer geringen Größe ist der Ultraschall hervorragend zur Identifizierung von Pathologien des Hodens geeignet (. Abb. 32.14). Mit dem Ultraschall können nicht nur strukturelle, sondern auch funktionelle Untersuchungen durchgeführt werden, z. B. die Beurteilung der Blutversorgung bei der akuten Hodentorsion durch die farbkodierte Dopplersonographie. Indikationen für eine Kernspintomographie ergeben sich daher selten, denn bei Notfällen, z B. einer akuten Epididymitis oder einer Hodentorsion, würde die Kernspintomographie zu lange dauern. Andererseits kann die Kernspintomographie wertvolle ergänzende Hinweise liefern, wenn es sich um sehr große Raumforderungen oder unklare zystische Neubildungen des Hodens handelt, die präoperativ oder präbioptisch weiter abgeklärt werden sollen (. Abb. 32.13). In der Kernspintomographie stellt sich das Hodenparenchym hyperintens in T2-gewichteten Sequenzen und hypointens in T1gewichteten Sequenzen dar. Die bindegewebige Tunica albuginea wird in allen Wichtungen hypointens abgebildet. Zur Anwendung kommen in der Regel T2-gewichtete Fast-spin-echo-Sequenzen und T1-gewichtete Spin-echo-Sequenzen unter Verwendung einer Oberflächenspule.
. Abb. 32.13. Skrotale Raumforderung. Präoperative Kernspintomographie (koronare T1-gewichtete Sequenz nach Gabe eines paramagnetischen KM) einer linksseitigen skrotalen Raumforderung. Die Raumforderung umfasst das gesamte linke Skrotalfach. Mischbild aus hypointensen nekrotischen Arealen und hyperintensen vitalen Tumorarealen. Rechts unauffälliger Hoden (Pfeil). Die histologische Aufarbeitung ergab ein paratestikuläres Rhabdomyosarkom. (Bild freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Priv. Doz. Dr. med. J.P. Schenk, Sektion Pädiatrische Radiologie, Universitätsklinik Heidelberg)
32
1058
Kapitel 32 · Prostata, Hoden und Nebenhoden
a
32
. Abb. 32.14. Vergrößerter Hoden. Sonographische Darstellung eines vergrößerten linken Hodens (Pfeil), der im Rahmen einer akuten lymphatischen Leukämie mitbeteiligt ist. (Bild freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Priv. Doz. Dr. med. J.P. Schenk, Sektion Pädiatrische Radiologie, Universitätsklinik Heidelberg)
Die CT mit Kontrastmittel wird zum Staging von malignen Hodentumoren eingesetzt, welche hauptsächlich in die prä- und paraaortalen und mediastinalen Lymphknoten sowie in die Lunge metastasieren. Alternativ sollte bei den oft jungen Patienten eine abdominelle MRT in Erwägung gezogen werden, sodass bei häufigen Untersuchungsintervallen eine Verringerung der Strahlenexposition erreicht wird. > Die primäre sonographische Bildgebung bei erwachsenen Patienten erfolgt in der Regel durch den Urologen. Kinder und Jugendliche mit Hodenerkrankungen werden häufig zunächst von Kinderärzten und pädiatrischen Radiologen gesehen.
32.2.3
Erkrankungen des Hodens
b . Abb. 32.15a, b. Farbkodierte Dopplersonographie einer akuten Hodentorsion. a Präoperativ ist dopplersonographisch keine Durchblutung mehr nachweisbar. b Nach Detorquierung und Orchidopexie regelrechte Flussignale in der postoperativen Kontrolluntersuchung. (Bilder freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Priv. Doz. Dr. med. J.P. Schenk, Sektion Pädiatrische Radiologie, Universitätsklinik Heidelberg)
Hodentorsion Pathogenese, Klinik Die Hodentorsion ist ein akuter Notfall, der sich mit starken Schmerzen im Skrotum sowie dumpfen abdominellen Schmerzen äußert. Der Häufigkeitsgipfel liegt im Kleinkindesalter sowie in der Pubertät. Durch die Torsion des Samenstrangs kommt es zu einer starken Verminderung oder zu einem Verlust der Durchblutung, die bei Nicht-Behandlung eine Nekrose des Hodens nach sich zieht. Das therapeutische Zeitfenster beträgt 6 h.
Epididymitis Pathogenese, Klinik Die Entzündung der Nebenhoden entsteht häufig sekundär nach einer Urethritis oder Prostatitis. Die Epididymitis hat meistens ein hochakutes Erscheinungsbild und kann klinisch schwierig von einer Hodentorsion zu unterscheiden sein. Die betroffene Seite ist geschwollen und sehr empfindlich, die Skrotalhaut ist überwärmt und gerötet.
Bildgebung Diagnostisch steht an erster Stelle Untersuchung mit dem Farbdoppler, die klassischerweise einen verminderten oder aufgehobenen Blutfluss zentral im Hoden nachweist (. Abb. 32.15).
Therapie Notfalloperation zur Detorquierung des Samenstrangs.
Bildgebung Sonographisch zeigt sich ein ödematös vergrößerter und im Vergleich zur Gegenseite echoärmerer Nebenhoden, im Farbdoppler ist der Blutfluss häufig erhöht.
1059 32.2 · Hoden und Nebenhoden
. Abb. 32.16. Bauchhoden. Sonographische Darstellung eines 9,6 mm großen Bauchhodens (Pfeil), der sich intraabdominal nahe des inneren Leistenrings befindet. (Bild freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Priv. Doz. Dr. med. J.P. Schenk, Sektion Pädiatrische Radiologie, Universitätsklinik Heidelberg)
. Abb. 32.17. Hydrozele, sonographische Darstellung. Um Hoden und Nebenhoden befindet sich seröse Flüssigkeit (Pfeile) als Folge eines offenen Processus vaginalis. (Bild freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Priv. Doz. Dr. med. J.P. Schenk, Sektion Pädiatrische Radiologie, Universitätsklinik Heidelberg)
Therapie
Maligne Hodentumoren Definition, Pathogenese
Behandlung mit einem Breitspektrum-Antibiotikum, oder gemäß Antibiogramm bei Keimisolation.
Bei einem Maldescensus testis befindet sich der Hoden bei der Geburt nicht im Hodensack, sondern liegt an einem bestimmten Punkt seines physiologischen Deszensus. Am häufigsten befindet er sich im Leistenkanal, jedoch sind auch hochskrotale und intraabdominelle Positionen möglich (. Abb. 32.16).
Die malignen Hodentumoren sind bei Patienten zwischen 25 und 35 Jahren die häufigsten malignen soliden Tumoren. Insbesondere nicht deszendierte Hoden bergen eine große Gefahr einer malignen Entartung. Zu 90% sind die malignen Hodentumoren Seminome. Teratome bilden die Hauptgruppe der nicht seminomatösen Keimzelltumoren. Maligne Tumoren, die nicht von den Keimzellen ausgehen, sind z. B. Leydig-Zelltumoren. Im Rahmen von Lymphomerkrankungen kann der Hoden mitbeteiligt sein (. Abb. 32.14).
Bildgebung
Bildgebung
Aufgrund des deutlich erhöhten Entartungsrisikos muss der maldeszendierte Hoden aufgesucht werden. Zur Hodensuche eignet sich der Ultraschall, womit die Leistenregion und der Verlauf des Leistenkanals abgesucht werden kann. Eine bessere Sensitivität, insbesondere auch für intraabdominell gelegene Hoden, hat die Kernspintomographie. Dabei zeigen die Hoden eine in der T2-Gewichtung hohe Signalintensität. Mit zunehmender Atrophie nimmt die Signalintensität auf T2-gewichteten Bildern ab. Ein Auffinden des Hodens kann dann schwierig sein und erfordert unter Umständen eine chirurgische Exploration.
Im Ultraschall stellen sich maligne Hodentumoren gewöhnlich als zur Umgebung hypoechogene Raumforderungen dar, die oft irregulär begrenzt sind und manchmal ein inhomogenes Binnenecho aufweisen. Kernspintomographisch sind maligne Hodentumoren in T2-Gewichtung meistens hypointens zum normalen Hodenparenchym abgebildet. Nach KontrastmittelApplikation kommt es zu einem in der Regel inhomogenen Enhancement. Zum Staging werden aufgrund der bereits erwähnten Metastasierungswege in der Regel eine CT des Abdomens sowie ein Röntgen-Thorax in 2 Ebenen durchgeführt. Bei malignomsuspekten Rundherden bzw. verbreitertem Mediastinum oder Hilus wird eine kontrastmittelunterstützte CT des Thorax angeschlossen.
Maldescensus testis Definition, Pathogenese
Hydrozele Definition, Pathogenese, Therapie Eine Hydrozele besteht aus einer abnormen Flüssigkeitsansammlung innerhalb des viszeralen und parietalen Blatts der Tunica vaginalis. Bei Kindern und Neugeborenen entsteht die Hydrozele infolge eines offenen Processus vaginalis (. Abb. 32.17). Eine spontane Rückbildung ist möglich, andernfalls muss der offene Processus vaginalis operativ verschlossen werden. Eine sekundäre Hydrozele kann als Reaktion auf eine Entzündung oder einen Tumor entstehen.
Therapie Die Therapie der Hodentumoren ist abhängig von Art, Differenzierung und Stadium und sehr komplex. Daher sei hier auf die EBM-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Hodentumoren verwiesen.
32
1060
Kapitel 32 · Prostata, Hoden und Nebenhoden
Hodentrauma Definition, Pathogenese Durch ein Trauma des Hodens kann es bei intakter Tunica albuginea zu einem Hämatom des Hodens kommen, welches sich im Ultraschall echoarm zum übrigen Parenchym darstellt. Bei Verletzung der Tunica albuginea kann eine Hämatozele entstehen, d. h. ein Austritt des Bluts zwischen viszerales und parietales Blatt der Tunica vaginalis.
32
Bildgebung Häufig sieht man im Ultraschall indirekte Traumazeichen wie ein Ödem des Hodens und eine Verdickung der Tunica albuginea. Mit der Kernspintomographie gelingt der Nachweis unterschiedlich alter Blutabbauprodukte.
33 33 Diagnostik der inneren weiblichen Genitalorgane S. Zangos, F. Marquart
33.1
Uterus und Cervix
– 1062
33.1.1 33.1.2 33.1.3 33.1.4 33.1.5 33.1.6
Normale Topographie – 1062 Radiologische Untersuchungstechniken der inneren weiblichen Genitalorgane Kongenitale Anomalien – 1064 Störungen der Geschlechtsdifferenzierung – 1065 Benigne Erkrankungen des Uterus – 1065 Maligne Erkrankungen des Uterus – 1069
33.2
Ovarien und Adnexe
33.2.1 33.2.2 33.2.3 33.2.4 33.2.5
Anatomie – 1074 Spezielle Untersuchungstechniken – 1074 Benigne Erkrankungen der Ovarien – 1075 Infektionen der Adnexe (Pelvic inflammatory disease (PID)) Maligne Erkrankungen der Ovarien – 1080
33.3
Vulva und Vagina
33.3.1 33.3.2 33.3.3 33.3.4
Anatomie – 1082 Fehlbildungen – 1082 Infektionen der Vagina (Kolpitis) Tumoren – 1083
33.4
Bildgebung in der Geburtshilfe
33.4.1 33.4.2
Pelvimetrie – 1085 Kontrastmittelapplikation in der Schwangerschaft und Stillperiode
– 1085
33.5
Interventionelle Therapieverfahren am weiblichen Becken
– 1086
33.5.1
Uterusarterienembolisation (UAE)
– 1074
– 1078
– 1082
– 1083
– 1084
– 1086
– 1062
33
1062
Kapitel 33 · Diagnostik der inneren weiblichen Genitalorgane
33.1
Uterus und Cervix
33.1.1
Normale Topographie
Der Uterus ist ein aus glatter Muskulatur bestehendes Organ, welches im kleinen Becken zwischen der ventralen Blase und dem dorsal gelegenen Rektosigmoid liegt (. Abb. 33.1). Die oberen zwei Drittel werden dem Corpus uteri und das untere Drittel der Cervix uteri zugeordnet. Der oberhalb der Tubenmündungen gelegene Teil des Corpus wird als Fundus uteri bezeichnet. Das Cavum uteri wird vom Corpus umschlossen. Die Portio-FundusLänge beträgt bei geschlechtsreifen Frauen 7–9 cm. Das Corpus ist normalerweise gegen die Cervix nach vorne abgeknickt, was als Anteflexio uteri bezeichnet wird. Form, Größe und Lage sind jedoch variabel und werden durch das Lebensalter, Hormonstatus sowie durch Pathologien beeinflusst. Histologisch besteht der Uterus aus einer inneren Mucosa (Endometrium), einer mittleren Muskelschicht (Myometrium) und einer äußeren Serosa (Perimetrium). In sagittalen T2-gewichteten Sequenzen können bei Frauen im gebärfähigen Alter 3 Schichten des Uterus unterteilt werden. Man findet zentral einen Streifen hoher Signalintensität, der dem Endometrium entspricht. Die Dicke des endometrialen Streifens ist abhängig vom Menstruationszyklus bzw. Hormonstatus; die Distanz der äußeren Grenzen auf sagittalen Bildern erscheint wie folgt: 4 Proliferationsphase: bis 11 mm 4 Sekretionsphase: bis 16 mm 4 Postmenopausal: 4–8 mm (unter Hormonersatztherapie jedoch ist eine Breite bis 12 mm möglich)
a . Abb. 33.1a, b. Schematische Darstellung der Anteile des Uterus: Corpus (rosa) mit Fundus (orange) und Cervix (blau). a Das Cavum (gelb) wird vom Corpus umschlossen. b Dokumentation einer regelhaften Dreischich-
Anschließend zeigt sich ein Band niedriger Signalintensität, das als Übergangszone (Junctional zone, JZ) beschrieben wird. Histologisch handelt es sich hierbei um die innerste Schicht des Myometriums. Die äußere Schicht des Myometriums präsentiert sich demgegenüber mit einer intermediären Signalintensität. Seitlich vom Uterus findet sich eine fetthaltige Bindegewebsschicht, das Parametrium, in dem Gefäße und Nerven an den Uterus herantreten. Dieses Bindegewebe stellt eine Verbindung nach lateral zur Beckenwand her. Die Tuba uterina bildet hierbei die obere Begrenzung und das Lig. cardinale die untere Begrenzung des Parametriums. Hierbei zieht das Lig. cardinale von der Cervix und oberen Vagina nach lateral zum M. obturatorius internus. Andere Bandzüge ziehen nach ventral und dorsal und werden nach ihrem Ansatz, z. B. Lig. rectouterinum benannt. Alle diese Bänder fixieren den Uterus im Becken. Das vom Uterus-Tuben-Winkel durch den inneren Leistenring zu den Labia majora ziehende Lig. teres uteri (Lig. rotundum) hat keine Haltefunktion. Die Gefäße des Uterus (A. uterina/ Plexus venosus uterinus) ziehen von der A./V. iliaca interna zum Unterrand des Lig. latum und bilden dann den ureterovaginalen Gefäßplexus.
33.1.2
Radiologische Untersuchungstechniken der inneren weiblichen Genitalorgane
In der bildgebenden Diagnostik von Erkrankungen der Gynäkologie und Geburtshilfe wird bei den meisten Patientinnen eine Ultraschall-Untersuchung (US) als erstes Verfahren eingesetzt. Zusätzlich werden Schnittbildverfahren wie die MRT und die CT
b tung des Corpus uteri sowie der anatomischen Lagebeziehung des Uterus. Der zentrale hyperintense Streifen stellt das Endometrium dar
1063 33.1 · Uterus und Cervix
für die weitere Diagnostik verwendet. Die Bedeutung dieser Verfahren bei der Diagnostik der einzelnen Erkrankungen ist unterschiedlich und wird in den entsprechenden Abschnitten aufgeführt.
Sonographie (US) Die US-Untersuchung wird in Regel als B-Bild-Technik transabdominal und transvaginal durchgeführt. Diese Untersuchungen werden in Deutschland überwiegend von Gynäkologen durchgeführt. Der transvaginale US ist wegen der deutlich besseren Auflösung durch die Verwendung hoher Ultraschallfrequenzen von 5–10 Mhz bei fraglichen Pathologien der inneren Genitalen dem transabdominellen US vorzuziehen. Jedoch ist der transvaginale US aufgrund des beschränkten Untersuchungsvolumens beim Nachweis von extrapelvinen Pathologien sehr eingeschränkt. Zusätzlich können die Farbduplexsonographie und zunehmend auch 3-D-Verfahren in Abhängigkeit von der Fragestellung zur Anwendung kommen.
a
Indikationen für eine Ultraschalluntersuchung 4 4 4 4 4 4 4
Tumoren Benigne Ovarialveränderungen Extrauteringravidität Monitoring unter Hormontherapie Entzündliche Veränderungen (z. B. Tuboovarialabszess) Schwangerschaftsscreening, Pränataldiagnostik Trophoblastenerkrankungen (z. B. Blasenmole/Chorionkarzinom)
Hysterosalpingographie (HSG) Bei der HSG erfolgt die Darstellung des Cavum uteri und der Tuben postmenstruell (6.–12. Tag im Menstruationszyklus) (. Abb. 33.2). Hierfür wird ein Schultz-Besteck (Zervikalkanalsonde mit Haltevorrichtung für Klemmen zur Arretierung der Portio) oder ein spezieller Katheter in den Zervikalkanal eingeführt. Anschließend wird unter Durchleuchtungskontrolle ein wasserlösliches Kontrastmittel injiziert, bis ein intraperitonealer Kontrastmittel-Austritt nachweisbar ist. Das Cavum stellt sich hierbei als dreiecksförmige, kontrastmittelgefüllte Höhle dar. Da nur die mit dem Cavum kommunizierenden Strukturen mit Kontrastmittel gefüllt werden, kann hierdurch die diagnostische Aussagekraft insbesondere bei kongenitalen Anomalien eingeschränkt sein.
Indikationen für eine HSG 4 Primäre/sekundäre Sterilität (Tubendurchgängigkeit) 4 Darstellung von Uterusanomalien 4 (Darstellung von Tumoren/entzündlichen Veränderungen)
Die Darstellung des Uteruskavums kann heute aber auch mittels US (Hysterosonographie) oder MR-Hysterosalpingographie durchgeführt werden.
b . Abb. 33.2a, b. Hysterosalpingographie (HSG). a Normalbefund des Uteruskavums. Die Tuben kommen beidseits durchgängig zur Darstellung, sodass das KM problemlos in den Peritonealraum (Pfeil) übertritt. b Regelhaft konfigurierter Uterus, jedoch kommen nach Tubenligatur nur die proximalen Tubenanteile zur Darstellung (Pfeil)
Computertomographie Die CT ist aufgrund des geringen Weichteilkontrasts des Uterus nur eingeschränkt zur Tumorlokalisation geeignet. Dennoch wird die CT häufig zur Stadieneinteilung von fortgeschrittenen Uterus- und Ovarialtumoren mit extrauteriner Tumorausdehnung eingesetzt. Neben der axialen Schichtorientierung können heute durch die Multidetektoren-Technik auch multiplanare Rekonstruktionen gewonnen werden, die bei der Diagnostik hilfreich sein können. Eine gute Darmkontrastierung kann die CTUntersuchung des weiblichen Beckens erleichtern.
33
1064
Kapitel 33 · Diagnostik der inneren weiblichen Genitalorgane
Indikationen für eine CT 4 4 4 4 4
33
Lokales Staging und Verlaufskontrolle Lymphknotenbefall Sonographisch unklare Befunde Differenzierung von zystischen und soliden Tumoren Beurteilung des Vaskularisationsgrades
. Tab. 33.1. Klassifikation der Fehlbildungen und empfohlene Untersuchungstechniken
Klasse
Anomalie
Bildgebung
1
Partielle Agenesie/ Hypolplasie
US/MRT
2
Uterus unicornis
MRT/Hysterosalpingographie
Magnetresonanztomographie
3
Uterus didelphys
US/MRT/Hysterosalpingographie
Mit der MRT steht ein bildgebendes Verfahren mit hohem Weichteilkontrast und fehlender Strahlenbelastung zur Verfügung. Die Verwendung von Oberflächenspulen erlaubt eine hohe örtliche Auflösung. Die Verwendung von Vorsättigern im Bereich des Fetts der Bauchwand verbessert die Bildqualität, da hierdurch die Artefakte des kutanen Fetts reduziert werden. Zur Darstellung des Uterus werden T1- und T2-gewichtete Sequenzen verwendet. Insbesondere hochauflösende T2-gewichtete Spinecho (SE)-Sequenzen eignen sich zur Differenzierung der Uterusschichten und zur Abgrenzung der Tumoren von physiologischen Strukturen. Neben der axialen Schichtführung sollten auch ergänzende sagittale und koronare Sequenzen eingesetzt werden. Eine koronare Orientierung entlang der Uterusachse ist nur bei der Darstellung von Uterusanomalien notwendig. Kontrastmittelverstärkte T1-gewichtete Sequenzen erlauben eine Beurteilung der myometralen Tumorinfiltration.
4
Uterus bicornis
US/MRT/Hysterosalpingographie
5
Uterus septus
US/MRT/Hysterosalpingographie
folgt in der Kindheit und Pubertät sonographisch und kann bei Bedarf durch eine MRT-Untersuchungen ergänzt werden (. Tab. 33.1).
Klassifikation Für die Einteilung der Fehlbildungen kann die Klassifikation der American Fertility Society (AFS) verwendet werden (. Abb. 33.3). Diese Klassifikation wird kontrovers beurteilt, da es viele unterschiedliche Ausprägungen der Fehlbildungen gibt und in einigen Fällen eine sichere Einteilung nicht möglich ist.
Agenesie/Hypoplasie Indikationen für eine MRT 4 Staging des histologisch gesicherten Cervix- oder Endometriumkarzinoms 4 Strahlentherapieplanung und Verlaufskontrolle nach Radiatio 4 Unklare postoperative Befunde (DD: Narbe/Rezidiv) 4 Sonographisch unklare pelvine Befunde (DD: Adnex/Uterus) 4 Abklärung unklarer Uterusvergrößerungen (DD: Adenomyosis/Myom) 4 Präoperative Abklärung vor Myomektomie 4 Uterusfehlbildungen 4 Beckenmessung
33.1.3
Kongenitale Anomalien
Definition Während der Embryogenese vereinigen sich die paarigen Müller-Gänge in der Mittellinie, um den Uteruskörper, die Cervix und den oberen Anteil der Vagina zu bilden. Eine Störung dieses Prozesses kann zu verschiedenen Variationen der Fehlbildungen führen.
Bildgebung Die Uterusanomalien können mittels CT nicht nachgewiesen werden. Für die Diagnostik eignen sich die Hysterosalpingographie, die Sonographie und die MRT. Die Primärdiagnostik er-
Eine komplette Agenesie ist aufgrund des Fehlens der Nieren nicht mit dem Leben vereinbar. Eine partielle Agenesie zeigt sich mit einem Uterus unicornis und einer unilateralen Niere. Bei der Hypoplasie zeigt sich ein verkleinerter Uterus mit einem maximalen bikornualen Durchmeser von 2 cm.
Uterus unicornis Diese Fehlbildung ist mit einer geringgradigen reproduktiven Dysfunktion assoziiert. Bildmorphologisch ist der Uterus unicornis durch den Nachweis eines Uterushorns mit einer Tube charakterisiert. Gelegentlich gelingt der Nachweis eines rudimentären Horns auf der Gegenseite. Mittels Hysterosalpingographie zeigt sich das Fehlen eines Uterushorns. In der MRT stellt sich der normal entwickelte Uterusanteil als bananenförmige Struktur mit normalem Myometrium dar. Die körperliche Untersuchung und der US erlauben keine sichere Diagnose.
Uterus didelphys Der Uterus didelphys resultiert aus einer fehlenden Fusion der Müller-Gänge einschließlich der Cervix. Die Reproduktionsraten sind gleich denen der Patientinnen mit Uterus unicornis. Er ist morphologisch durch eine Doppelanlage des Uterus mit jeweils einem Horn gekennzeichnet und kann mit oder ohne Septum im kranialen Anteil der Vagina einhergehen. Die Ultrasonographie weist die separaten Uterusanteile nach. Bei der Hysterosalpingographie muss eine Sondierung beider Zervixostien mit Kontrastmitteldarstellung erfolgen. Die MRT erlaubt eine genaue Darstellung der Uterusmorphologie mit Nachweis der fehlenden Fusion.
1065 33.1 · Uterus und Cervix
a
b
c
d
. Abb. 33.3a–d. Schematische Darstellung der wichtigsten kongenitalen Uterusanomalien. a Uterus unicornis, b Uterus didelphys, c Uterus bicornis, d Uterus septus
Uterus bicornis Beim Uterus bicornis kommt es zu einer unterschiedlich ausgeprägten Fusion der beiden Uterushörner. Mittels Ultraschall lassen sich 2 Cava uteri und je nach Ausprägung eine normale (unicollis) oder geteilte (bicollis) Cervix nachweisen. Die gleichen Ergebnisse lassen sich mittels Hysterosalpingographie und MRT darstellen. In der MRT lässt sich zwischen den beiden Cava uteri Weichteilgewebe mit der Signalintensität des Myometriums nachweisen.
Uterus septus Der Uterus septus entsteht durch eine vollständige Fusion der Müller-Gänge mit unvollständiger Resorption des mittleren Septums, welches zu einer variierenden Länge und Form des Septums führt. In der MRT kommt das Septum in den T1- und T2gewichteten Sequenzen signalarm zur Darstellung (. Abb. 33.4). Der Uterus ist dabei in Form und Größe unauffällig. Die Diagnose kann auch mittels Ultraschall oder Hysterosalpingographie gestellt werden. Nachteil der Hysterosalpingographie ist hierbei, dass eine Beurteilung der Außenkontur und hiermit eine Unterscheidung zwischen Uterus bicornis und Uterus septus nicht möglich ist.
33.1.4
Störungen der Geschlechtsdifferenzierung
Der Einsatz der bildgebenden Verfahren erfolgt hier zum Nachweis des Vorhandenseins von Uterus, Vagina, Ovarien, Testis, Prostata oder Penis. Dies gelingt am einfachsten mittels MRT-Sequenzen in multiplanarer Schichtorientierung (. Abb. 33.5).
33.1.5
Benigne Erkrankungen des Uterus
Leiomyome Definition, Epidemiologie, Pathogenese Leiomyome sind die häufigsten benignen Tumoren des Uterus mit einem Vorkommen bei 20–40% aller Frauen im gebärfähigen Alter und bestehen aus glatten Muskelzellen mit einem unterschiedlichen Gehalt an Bindegewebe. Das Wachstum der Myome ist hormanabhängig. Häufig kommt es postmenopausal zu einem Sistieren des Wachstums bzw. einer Rückbildung der Myome. Leiomyome können submukös, intramural, subserös oder intraligamentär vorkommen (. Abb. 33.6). In Abhängigkeit von der Größe und Lokalisation können sie dann symptomatisch werden. Die intramurale Lage ist die häufigste. In einigen Fällen kann es auch ohne Therapie zu degenerativen Veränderungen im Sinne einer hyalinen, myxoiden oder fettigen Degeneration sowie zu Nekrosen kommen.
Klinik Hauptsymptome eines Uterus myomatosus sind Blutungsstörungen wie Hypermenorrhoen und Menorrhagien, die oft in einer konsekutiven Anämie resultieren. Insbesondere submuköse Läsionen können Metrorrhagien hervorrufen und Grund für eine Infertilität sein. Als weitere Symptome können Dysmenorrhoe, abdominelle Schmerzen, Miktions- und Defäkationsbeschwerden sowie gelegentlich eine Bauchumfangszunahme beobachtet werden. Subseröse Myome sind dagegen häufig asymptomatisch.
33
1066
Kapitel 33 · Diagnostik der inneren weiblichen Genitalorgane
a
33
b
. Abb. 33.4a, b. MRT eines Uterus subseptus mit Nachweis einer teilweisen Resorption des Septums in koronarer (a) und transversaler Schichtorientierung (b). Das Septum kommt hypointens zur Darstellung
. Abb. 33.5. Hermaphrodismus. Darstellung von männlichen (Penis, Pfeilspitze) und weiblichen Geschlechtsorganen (Uterus, Pfeil, und Vagina) bei Vorliegen von Hermaphrodismus in der MRT
. Abb. 33.6. Darstellung der verschiedenen Lokalisationen der Uterusmyome (rosa: subserös; orange: intramural; grün: submukös). In einzelnen Fällen kann eine sichere Beurteilung der Lokalisation erschwert sein
Bildgebung
sind eine Vergrößerung und Verformung des Uterus. Erst durch sekundäre Veränderungen, wie Nekrosen oder fettige Degenerationen, kommen sie hypodens zur Darstellung. Die grobscholligen Verkalkungen sind ein charakteristisches Kriterium der Myome (. Abb. 33.7) in der CT. Größe und Lokalisation der Leiomyome lassen sich zuverlässig durch die MRT identifizieren. Ohne Degeneration zeigen sie im T1gewichteten Bild eine mittlere Signalintensität, sodass eine Abgrenzung zum Myometrium nicht möglich ist. Im T2-gewichteten Bild kommen die Myome mit niedrigerer Signalintensität zur Darstel-
Liegen Verkalkungen der Myome vor, können diese schon auf nativen Röntgenaufnahmen nachgewiesen werden. In der Regel werden Myome jedoch primär mittels Ultraschall diagnostiziert. Sie kommen hierbei typischerweise als solide gut abgrenzbare echoarme Läsionen zur Darstellung. Bei Kalzifikationen zeigt sich ein starkes Echo mit dorsaler Schallauslöschung. Eine CT-Indikation für die Diagnostik von Myomen besteht nicht. Dennoch sind sie hier häufige Zufallsbefunde und erscheinen isodens zum angrenzenden Myometrium. Indirekte Zeichen
1067 33.1 · Uterus und Cervix
matischen Myome angesehen werden, findet die Uterus-Arterien-Embolisation (UAE) als neue radiologische minimal invasive, organerhaltende Therapie immer häufiger Anwendung. Hierbei erfolgt ein Verschluss der myomversorgenden Gefäße unter Schonung der myometralen Blutversorgung (7 Kap. 33.5).
Adenomyose Definition, Pathogenese Die Adenomyose des Uterus ist eine häufige gynäkologische Erkrankung unklarer Ätiologie. Es kommt zu einem Einwachsen von Endometriumdrüsen in das Myometrium, was zu einer zellulären Reaktion einschließlich einer Hypertrophie der anliegenden glatten Muskelzellen führt. Man kann eine fokale und eine diffuse Form der Adenomyose unterscheiden.
Klinik . Abb. 33.7. Darstellung der verschiedenen Erscheinungsformen der Myome in der CT. Es finden sich Myome mit homogener Binnenstruktur (Pfeil), Myome mit inhomogener Binnenstruktur als Zeichen der Degeneration (Pfeilspitze) und Myome mit Verkalkungen
Klinisch findet sich ein weicher vergrößerter Uterus sowie Menorrhagien, Dysmenorrhoen oder Metrorrhagien. Die klinischen Symptome verstärken sich im späten gebährfähigen Alter. Ein weiteres Leitsymptom ist der unerfüllte Kinderwunsch.
Bildgebung lung. Myome sind häufig von einer Pseudokapsel aus komprimiertem Nachbargewebe umgeben. In Abhängigkeit von den degenerativen Veränderungen des Myoms zeigt dieses im T1-gewichteten Bild eine mittlere bis hohe Signalintensität und in der T2-gewichteten Sequenz eine hyperintense Signalintensität (. Abb. 33.8). Die Verwendung der MRT kann darüber hinaus die Unterscheidung zwischen einer vom Adnexbereich ausgehenden Raumforderung und einem gestielten Myom erleichtern.
Therapie Während heute noch von gynäkologischer Seite die Hysterektomie oder Myomenukleation als Standardtherapien der sympto-
a
In der Sonographie findet sich bei Vorliegen der Adenomyose eine Vergrößerung des Uterus. Zusätzlich findet sich ein heterogenes Echo des Myometriums, welches jedoch unspezifisch ist. Während US und CT für die Diagnose der Adenomyose nicht geeignet sind, stellt die MRT die diagnostische Methode der Wahl dar. In der MRT stellt die Breite der Übergangszone (JZ) in den T2-gewichteten Sequenzen ein wichtiges Kriterium bei der Diagnostik der Adenomyose dar. Derzeit wird eine Verbreiterung der Übergangszone auf >11 mm als Kriterium für die Diagnosestellung der Adenomyose gewertet (. Abb. 33.9). Demgegenüber kann bei einer maximalen Verbreiterung der Übergangzone bis 8 mm die Adenomyose ausgeschlossen werden.
b
. Abb. 33.8a, b. Degeneriertes Hinterwandmyom. a Dieses kommt in einer sagittalen T2-gewichteten Sequenz hypointens mit scharfer Abgrenzung zum Myometrium (Pfeilspitze) zur Darstellung. Ebenfalls lassen sich
mehrere Ovula Nabothi (Pfeil) im Bereich der Cervix nachweisen. b In der T1-gewichteten Sequenz kommt das Myom hyperintens gegenüber dem Myometrium zur Abbildung
33
1068
33
Kapitel 33 · Diagnostik der inneren weiblichen Genitalorgane
a
b
. Abb. 33.9a, b. Adenomyose. a Mittsagittale T2-gewichtete Aufnahme des Uterus. Verbreiterung der Übergangszone (Pfeil) im Bereich der Uterusvorderwand als Zeichen der fokalen Adenomyose. Nebenbefundlich findet
sich eine Gartner-Zyste am vorderen Introitus vaginae (Pfeilspitze). b Generalisierte Verbreiterung der ÜZ mit minimalem Saum des normalen Myometriums (Pfeil) als Zeichen einer diffusen Adenomyose
. Tab. 33.2. Bildmorphologische Kriterien zur Diagnosestellung der Adenomyose sowie der Myome als wichtigste Differenzialdiagnose in der MRT
Adenomyose
Leiomyome
Vorkommen
Diffus/Fokal
Submukös, intramural, subserös
T2-Signalverhalten
Niedrige SI der JZ (>11 mm)
Niedrige homogene SI der nicht degenerierten Myome Variable SI der degenerativen Myome
Begrenzung zum Myometrium
Schlechte Abgrenzung Relatives Fehlen eines Masseneffekts
Gute Abgrenzung
Form
Elliptisch
Rundlich
Zusätzliche Zeichen
Myometriale Herde hoher SI (Ektopisches Endometrium) Linienförmige Streifen mit hoher SI
Therapie
Hysterektomie
Hormone, Myomektomie, Hysterektomie, UAE
Weitere Kriterien sind lokalisierte fokale Herde hoher Signalintensität in Arealen mit niedriger Signalintensität, welche ektopem Endometrium, zystisch dilatierten endometrialen Drüsen und/oder hämorrhagischen Flüssigkeiten entsprechen. Leiomyome sind eine wichtige Differenzialdiagnose der Adenomyose. Die Unterscheidungsmerkmale sind in der . Tab. 33.2 aufgeführt.
te, flüssigkeitsäquivalente Strukturen mit hoher Signalintensität in den T2-gewichteten und niedriger Signalintensität in den T1-gewichteten Sequenzen zur Abbildung (. Abb. 33.8).
Ovula Nabothi Definition Bei Ovula Nabothi handelt es sich um benigne, asymptomatische Retentionszysten der endozervikalen Drüsen, die in der Regel keiner Therapie bedürfen.
Bildgebung Im Ultraschall stellen sie sich als scharf begrenzte echoarme Strukturen dar. In der MRT kommen sie als runde, glatt begrenz-
Endometriumhyperplasie/-polypen Definition Die Endometriumhyperplasie entsteht durch eine exzessive Proliferation der endometrialen Drüsen. Dabei unterscheidet man die glandulär-zystische von der adenomatösen Hyperplasie. Beide Formen können mit oder ohne Zellatypien auftreten, wobei die atypische adenomatöse Hyperplasie als Präkanzerose gilt. Bei den Endometriumpolypen handelt es sich um eine polypoide fokale Endometriumhyperplasie.
1069 33.1 · Uterus und Cervix
Klinik Bei Endometriumhyperplasie oder -polypen kommt es typischerweise zu Menorrhagien. Sie können ein Grund für eine postmenopausale Blutung sein, können aber auch asymptomatisch auftreten, so dass die Diagnose dann häufig nur zufällig gestellt wird.
Bildgebung Bildmorphologisch findet sich bei der Hyperplasie eine diffuse homogene Verbreiterung des Endometriums. Die Diagnose kann mittels Ultraschall oder MRT erfolgen. Bei postmenopausalen Frauen ohne Hormonersatztherapie wird eine Verbreiterung des Myometriums auf >8 mm als Zeichen der Hyperplasie gewertet. Bei Frauen mit Hormonersatztherapie ist erst eine Verbreiterung des Endometriums auf >12 mm verdächtig. Für prämenopausale Frauen liegen keine sicheren Daten vor. Hier gilt eine Verbreiterung des Endometriums auf >8 mm während der Proliferationsphase und auf >16 mm während der Sekretionsphase als abnormal (7 Kap. 33.1.1).
Falle einer Pyometra ist der Uterus kugelig vergrößert und schmerzhaft.
Bildgebung In der CT kommt der Uterus inhomogen und mit unscharfen Grenzen zum Cavum uteri zur Darstellung. Bei einer i.v.-Kontrastmittelapplikation zeigt sich die Endomyometritis postpartal hypointens zum hypervaskularisierten Uterus. Bei Vorliegen einer Pyometra findet man zusätzlich eine hypointense intrakavale Flüssigkeitsretention. ! Bei älteren Frauen ist die Pyometra verdächtig auf das Vorliegen eines Korpuskarzinoms.
33.1.6
Maligne Erkrankungen des Uterus
Zervixkarzinom Definition
> In einigen Fällen kann die Differenzierung von Polypen gegenüber dem Endometrium schwierig sein, insbesondere bei gleichzeitigem Vorliegen einer Hyperplasie. In diesen Fällen kann die Sonographie durch die Injektion einer Kochsalzlösung ins Cavum uteri erleichtert werden. Während einer Hysterosalpingographie stellt sich der Polyp als Füllungsdefekt mit fokaler Verbindung zum Myometrium dar.
Das Zervixkarzinom ist der zweithäufigste maligne Tumor der Frauen. Als Ursachen für eine Erkrankung werden eine Infektion mit dem Humanpathogenen Papilloma-Virus (HPV) oder Nikotinabusus angesehen. Eine Sicherung der Diagnose erfolgt mittels zytologischen Abstrich (Papanicolaou) und anschließender Biopsie oder Kürettage. Hierbei findet sich bei mehr als 80% ein Plattenepithelkarzinom.
In der MRT kommen die Endometriumpolypen isointens zum Endometrium zur Abbildung, sodass eine Abgrenzung der Polypen schwierig sein kann. Durch die zusätzliche Applikation von i.v.-Kontrastmittel kann die Detektion der Polypen verbessert werden.
Klinisch zeigt sich das fortgeschrittene Zervixkarzinom durch abnormale Blutungen, während das Frühstadium meist asymptomatisch ist. Durch zytologische Voruntersuchungen wird das Zervixkarzinom jedoch heute häufig schon in einem Frühstadium, der zervikalen intraepithelialen Neoplasie (CIN) diagnostiziert. Der Tumor breitet sich per continuitatem in das kleine Becken und die Vagina sowie lymphogen in die Lymphknotenetagen aus. Eine hämatogene Metastasierung tritt selten auf. Aufgrund der direkten Zugänglichkeit der Cervix bei der klinischen Untersuchung ist die Rolle der Radiologie bei der Frühdiagnostik gering.
! Eine sichere Unterscheidung von malignen und benignen Formen kann mittels der radiologischen Bildgebung nicht sicher erfolgen und muss klinisch durch eine Hysteroskopie und fraktionierte Abrasio erfolgen.
Endometritis/Endomyometritis/Pyometra Definition, Pathogenese Bei der Endomyometritis zeigen sich entzündliche Veränderungen bis zu kleinen Abszessen in der Uteruswand. Ursächlich handelt es sich um eine aufsteigende Infektion der Cervix uteri. Sie tritt hauptsächlich bei geschlechtsreifen Frauen auf, kann aber auch postpartal oder nach diagnostischen bzw. operativen Eingriffen entstehen.
Klinik Eine Endometritis kann symptomlos als Durchgangsphase zwischen der symptomarmen Zervizitis und der symptomatischen Adnexitis ablaufen. Als Symptome einer Endomyometritis können Blutungsstörungen wie Menometrorrhagien, allgemeine Infektzeichen wie erhöhte Temperaturen, Entzündungswerte und Unterbauchschmerzen auftreten. Bei der Endomyometritis puerperalis zeigt sich zusätzlich eine verzögerte uterine Rückbildung mit Druckschmerz und verstärktem Wochenfluss. Im
Klinik
Diagnose, Bildgebung Die Sonographie und die Palpation in Narkose stellen die Basisuntersuchung für die Festlegung der Tumorausdehnung dar. In der US-Untersuchung stellt sich das Zervixkarzinom echoarm dar. Mittels der Schnittbildtechnik kann dann in der Regel eine sichere Beurteilung der lokalen Tumorausdehnung und des Lymphknotenstatus erfolgen. Die MRT ist hierbei der CT überlegen. In der CT ist der Tumor nur indirekt als Ausbuchtung nachweisbar. Bei einer Organüberschreitung zeigt sich eine Unschärfe der äußeren Organstruktur aufgrund der Infiltration (. Abb. 33.10). In der MRT erkennt man in den T2-gewichteten Sequenzen einen Tumor mit hoher Signalintensität, welcher gut vom normalen Zervixstroma abgrenzbar ist (. Abb. 33.11). Zeigt sich eine Unterbrechung des normalerweise zirkumferenten hypointensen Zervixstromas durch den Tumor, ist von einer Infiltration der Parametrien auszugehen. Demgegenüber zeigen die Zervix-
33
1070
Kapitel 33 · Diagnostik der inneren weiblichen Genitalorgane
a
b
. Abb. 33.10a, b. Zervixkarzinom. a CT-Untersuchung eines ausgedehnten Zervixkarzinoms mit Nachweis einer Peritonealkarzinose und Aszites. Zur Behandlung der Kompression der Ureteren erfolgte die Einlage von
Doppel-J-Kathetern beidseits (Pfeile). b Zusätzlich finden sich ausgedehnte paraaortale Lymphome (Pfeile)
33
a
b
. Abb. 33.11a, b. Zervixkarzinom ohne Infiltration der Parametrien (Pfeil). a T2-gewichtete sagittale Sequenz, b KM-verstärkte T1-gewichtete
Sequenz in transversaler Schichtorientierung (mit freundlicher Genehmigung von Frau Dr. K. Engelmann)
karzinome eine niedrige bis mittlere Signalintensität in den T1gewichteten Bildern.
! Durch eine entzündliche oder ödematöse Umgebungsreaktion kann der Befall der Parametrien überschätzt werden.
Indikationen für eine CT/MRT beim Zervixkarzinom 4 Bestimmung der Infiltration von Vagina, Parametrien sowie umgebenden Organen 4 Abschätzung der Operabilität 4 Bestrahlungsplanung
Klassifikation Für die Stadieneinteilung und zur Beurteilung der Prognose des Zervixkarzinoms wird die FIGO-Klassifikation herangezogen (. Abb. 33.13).
Korpuskarzinom (Endometriumkarzinom) Definition, Epidemiologie Das Endometriumkarzinom ist das häufigste gynäkologische Malignom. Hauptsächlich tritt es bei postmenopausalen Frauen auf. Nur 5% der betroffenen Frauen sind im Alter <40 Jahren. Die Diagnosesicherung erfolgt mittels fraktionierter Kürretage. Hierbei findet sich in 90–95% ein Adenokarzinom und in den übrigen Fällen ein Sarkom. Die Prognose wird neben dem histologischen Malignitätsgrad von der myometralen Infiltrationstiefe sowie dem Lymphknotenstatus bestimmt. Die Operabilität ist hierbei von der Infiltration der Parametrien abhängig.
1071 33.1 · Uterus und Cervix
a . Abb. 33.12a, b. Ausgedehntes Zervixkarzinom (Pfeil) mit Infiltration der Harnblasenwand und des oberen Vaginaldrittels in T2-gewichteten Se-
b quenzen (a) und KM-verstärkten T1-gewichteten Sequenzen (b). Nebenbefundlich findet sich ein Uterusmyom in der Hinterwand (Pfeilspitze, a)
Klinik Klinisch fallen die Patientinnen durch eine postmenopausale Blutung auf.
Bildgebung Sonographisch kommen Endometriumkarzinome als irregulär konfigurierte, echogene Raumforderung zur Darstellung. Eine Beurteilung der Organüberschreitung kann sonographisch nur eingeschränkt erfolgen. Hier ist die MRT der Sonographie überlegen. Da eine Unterscheidung von Endometrium und Myometrium mittels CT nicht möglich ist, eignet sich die CT nicht für die Diagnostik der frühen Stadien des Korpuskarzinoms. Bei einer Organüberschreitung finden sich eine Auftreibung des Uterus sowie eine Infiltration der Parametrien. Dagegen eignet sich die MRT auch zur Beurteilung der Frühstadien. Das Karzinom stellt sich hierbei in den T1- und T2-gewichteten Sequenzen isointens zum normalen Endometrium dar (. Abb. 33.14). Durch die zusätzliche i.v.-Applikation von paramagnetischen Kontrastmitteln lässt sich der Tumor besser abgrenzen und kommt hypointens zum normalen Endometrium zur Darstellung. Frühe Zeichen des Endometriumkarzinoms in der MRT sind eine lokalisierte, polypoide oder diffuse Verbreiterung des Endometriums. Als Verbreiterung des Endometriums wird eine Breite von >16 mm bei geschlechtsreifen Frauen oder von >8 mm bei postmenopausalen Frauen angesehen. Die Infiltration des Myometriums kann auf den T2-gewichteten Sequenzen durch die Unterbrechung der »Junctional Zone« nachgewiesen werden. Der Nachweis der Tumorausdehnung auf die Cervix lässt sich mittels sagittaler Aufnahmen erbringen. Hierbei findet sich ein signalintensiver Tumor im signalarmen Stroma der Cervix.
Indikationen für eine CT/ MRT beim Endometriumkarzinom 4 Bestimmung der endo-/ myometralen Infiltration (nur MRT) 4 Beurteilung der extrauterinen Tumorausbreitung 4 Abschätzung der Operabilität 4 Bestrahlungsplanung
Klassifikation Die Stadieneinteilung des Endometriumkarzinoms erfolgt auch nach der FIGO-Klassifikation (. Abb. 33.15).
Therapie Die operative Behandlung des Endometriumkarzinoms ohne vorausgegangene Strahlen- oder Chemotherapie stellt heute die Therapie der Wahl dar. Bei ca. 90% der Patientinnen liegt eine Operabilität vor. Zusätzlich spielt die postoperative Brachytherapie (Afterloading) oder die Kombination aus Brachytherapie und perkutaner Radiatio eine große Rolle bei der Behandlung.
Leiomyosarkom Definition, Epidemiologie Leiomyosarkome sind seltene Tumoren und treten in der Regel bei älteren Frauen auf, können aber auch bei jüngeren Frauen auftreten. Sie entstehen aus dem Myometrium oder der glatten Muskulatur der myometrialen Gefäße. Die Metastasierung erfolgt hämatogen.
Klinik Die klinischen Symptome können in Abhängigkeit von der Lokalisation oder Größe des Tumors variieren. Hierbei stellt die
33
1072
Kapitel 33 · Diagnostik der inneren weiblichen Genitalorgane
33
. Abb. 33.13. Einteilung der verschiedenen Stadien des Zervixkarzinoms mittels T2-gewichteter Sequenzen (T: Tumor; O: Muskulus obturatorius; U: Uretra; V: Vagina; R: Rektum) sowie Therapie der verschiedenen Stadien
abnorme vaginale Blutung mit Schmerzen ein Leitsymptom dar.
zum Zeitpunkt der Diagnosestellung Fernmetastasen insbesondere in der Leber oder Lunge. Das Staging des Leiomyosarkoms erfolgt hierbei mittels CT.
Bildgebung Ein Ausschluss eines Leiomyosarkoms muss bei einem postmenopausalen Wachstum von Leiomyomen erfolgen. Bildmorphologsich findet man eine heterogen intramurale Läsion mit hämorrhagischen und nekrotischen Anteilen. Häufig finden sich
Therapie Bei der Therapie der Sarkome stehen operative Verfahren im Vordergrund. Die Rolle der Chemo- und Strahlentherapie bei der Behandlung der Sarkome wird derzeit kontrovers eingestuft.
1073 33.1 · Uterus und Cervix
a
b . Abb. 33.14a, b. Darstellung eines auf das Cavum uteri begrenzten Endometriumkarzinoms (Pfeilspitzen). a T2-gewichtete Sequenzen, b KM-verstärkte T1-gewichtete Sequenzen. Nebenbefundlich findet sich eine große zystische Veränderung des linken Ovars (Pfeil), die benigne Zeichen aufweist. Hierbei handelt es sich um ein Zystadenom
Schwangerschaftsbedingte Trophoblasterkrankung/Tumoren (Gestational trophoblastic disease, GTD) Definition Bei den Trophoblastenerkrankungen kommt es zu einer abnormalen Proliferation des schwangerschafts-assoziierten trophoblastischen Gewebes mit malignem Potenzial. Zur Gruppe der malignen Trophoblastenerkrankungen zählen die komplette (ohne fetale Teile) und partielle Blasenmole (mit fetalen Anteilen), die invasive Blasenmole sowie das Chorionkarzinom. Das
. Abb. 33.15. FIGO-Klassifikation zur Stadieneinteilung des Endometriumkarzinoms
33
1074
Kapitel 33 · Diagnostik der inneren weiblichen Genitalorgane
Chorionkarzinom entsteht auf der Basis der Blasenmole. Das Entartungsrisko liegt hier bei 2–8%. Hierbei handelt es sich um ein ausgesprochen malignes Geschehen mit früher Metastastierung insbesondere in die Lunge.
Klinik Klinisch finden sich abnormale Blutungen im ersten Trimenon, fehlende fetale Herztätigkeit oder ein fürs Gestationsalter viel zu großer Uterus. Ebenfalls kann es zur Hyperemesis gravidarum oder einer schweren Präeklamsie vor der 24. Schwangerschaftswoche kommen. Laborchemisch findet sich ein über dem für das Schwangerschaftsstadium typischer β-HCG-Wert (humanes Choriongonadotropin) in Blut und Urin.
Diagnose, Bildgebung
33
Da sich der β-HCG-Wert zur Diagnostik und Verlaufskontrolle eignet, spielt die Bildgebung eine untergeordnete Rolle. In der Regel wird der transvaginale Ultraschall zur Diagnostik eingesetzt. Hierbei findet sich charakteristischerweise während des zweiten Trimesters ein vergrößerter Uterus mit hydrophischen Veränderungen der molaren Zotten, welche als 3– 10 mm große echoarme Strukturen imponieren (»Schneegestöber«). Diese zystischen Veränderungen zeigen sich nicht im ersten Trimenon und das molare Gewebe zeigt ein homogenes echogenes Bild. Unter dem Einfluss des β-HCG entwickeln sich bei 25% der Patientinnen in den Ovarien Theka-Lutein-Zysten, die im Ultraschall als multiple, multilokuläre Zysten mit Vergrößerung beider Ovarien zur Darstellung kommen. Ursachen für die Entstehung von Theka-Lutein-Zysten sind: 4 Erhöhte β-HCG-Werte 4 Medikation im Rahmen der Infertilitätstherapie (fertility drugs) 4 Gestational trophoblastic disease (GTD) 4 Mehrere Schwangerschaften 4 Hydrops fetalis > Sollte 3–4 Monate nach Hysterektomie keine Rückbildung der Theka-Lutein-Zysten zu dokumentieren sein, muss von einem metastatischen Geschehen ausgehen. CT und MRT können zur Bestimmung der lokalen Invasion und
Metastasierung herangezogen werden, wobei die MRT aufgrund der Darstellbarkeit der zonalen Anatomie eine bessere Beurteilung der uterinen Infiltration erlaubt. CT-morphologisch findet sich ein aufgetriebener Uterus mit einem hypodensen Tumor gegenüber dem Myometrium. Nach Kontrastmittelapplikation zeigt sich eine gefäßäquivalente Kontrastmittelanreicherung in den trophoblastischen Strukturen. Die verschiedenen Formen können jedoch bildmorphologisch nicht unterschieden werden. Differenzialdiagnostisch kommen v. a. die in der Übersicht aufgeführten Erkrankungen in Betracht.
Die wichtigsten Differenzialdiagnosen eines vergrößerten Uterus 4 Myome (25–50% der Frauen, häufig multipel, können verkalken) 4 Schwangerschaft 4 Obstruktion (Zervikalstenose, Zervixkarzinom, Polypen) 4 Endometriumkarzinom 4 Adenomyose 4 Endometriale Hyperplasie 4 Endometriale Polypen 4 Gestational trophoblastic disease (GTD) 4 Pyometra 4 Uterussarkom
33.2
Ovarien und Adnexe
33.2.1
Anatomie
Zu den Adnexen werden neben dem Ovar, die Tube, die Ligamente sowie die Nerven und Gefäße gezählt. Das Ovar hat bei der geschlechtsreifen Frau eine Größe von 4×2×1 cm. Es liegt ventral des Ureters und lateral des Uterus im kleinen Becken mit einer eigenen Bauchfellduplikatur (Mesovarium) an der Dorsalseite des Lig. latum uteri. Bei den Ovarien unterscheidet man eine Rindenschicht (Cortex ovarii) und eine Markzone (Medulla ovarii). Im peripheren Bereich befinden sich die Follikel und Eizellen in verschiedenen Stadien der Reifung sowie die Corpora lutea. Der dominante Follikel kann während der Follikelphase bis zu 2,5 cm erreichen. Die Tuba uterina ist ein 10–18 cm langer muskulöser Schlauch mit einer freien Öffnung in die Bauchhöhle. Es lassen sich der proximale Abschnitt, Pars uterina tubae, der daran anschließende Anteil, Isthmus tubae uterina sowie die Ampulla tubae uterinae unterscheiden. Die Ovarien werden über die aus der Aorta entspringende A. ovarica mit arteriellem Blut versorgt. Es kann in Einzelfällen aber auch eine Blutversorgung über utero-ovarielle Anastomosen von der A. uterina vorliegen. Die V. ovarica kann mittels Bildgebung, insbesondere postpartal, lateral des Ureters gefunden werden. Auf der linken Seite mündet die V. ovarica direkt in die linke V. renalis, während die rechte direkt in die V. cava inferior abgeleitet wird.
33.2.2
Spezielle Untersuchungstechniken
Zum Nachweis von physiologischen oder pathologischen Veränderungen der Ovarien hat sich die Sonographie als Untersuchungsmethode der Wahl etabliert. Die Ovarien zeigen sich hierbei echoarm mit soliden und verschieden großen zystischen Anteilen. Die Tuben lassen sich im Normalfall im Ultraschall nicht darstellen. In der Computertomographie ist die Abgrenzung der Tuben und Ovarien aufgrund des geringen Weichteilkontrasts gegenüber den anderen Beckenorganen schwierig, sodass eine Darstellung
1075 33.2 · Ovarien und Adnexe
häufig nicht gelingt. Nach Kontrastmittelgabe können die Ovarien anhand der dann abgrenzbaren Folikel besser identifiziert werden. In der MRT lassen sich die Ovarien am besten auf den transversalen und koronaren Sequenzen abgrenzen. Bei der geschlechtsreifen Frau stellen sich das ovarielle Stroma in T1-gewichteten Sequenzen weichteiläquivalent dar, während die Zysten dunkel sind. Demgegenüber zeigen die Zysten in den T2gewichteten Sequenzen ein annähernd flüssigkeitsäquivalentes Verhalten. Die normalen Tuben lassen sich auch in der MRT nicht abgrenzen.
Bildgebung bei Tumoren
. Tab. 33.3. Diagnostischer Algorithmus bei zystischen Läsionen des Ovars
Größe der Zyste
Vorgehen
<3 cm
Bei prämenopausalen Frauen keine Kontrolle notwendig
3–4 cm
Sechswöchige Kontrolle bei prämenopausalen Frauen Weitere Diagnostik (TM-Marker, CT, MRT) bei postmenopausalen Frauen
>4 cm
Malignom möglich – weitere Diagnostik notwendig
Adnextumoren stammen häufig von den Ovarien ab und nur
selten von den Tuben. Die Artdiagnose von ovariellen Raumforderungen ist mit allen bildgebenden Verfahren schwierig und umfasst ein weites Spektrum von benignen über semimalignen bis hinzu malignen Prozessen. Folgende Fragestellung müssen mittels der Bildgebung beantwortet werden: 4 Liegt eine Beckenraumforderung vor? 4 Größe der Läsion? 4 Handelt es sich um eine einfache Zyste, eine atypische Zyste oder eine hauptsächlich solide Läsion? 4 Finden sich weitere Zeichen, z. B. Aszites, Lympadenopathie, Hydronephrose oder Leberläsionen? Die Sonographie eignet sich als primäre bildgebende Methode dieser ovariellen Pathologien. Die MRT erlaubt jedoch aufgrund des hohen Weichteilkontrasts eine gute Gewebedifferenzierung und wird darum häufig zur weiteren Abklärung herangezogen. Demgegenüber bietet insbesondere die Multidetektor-CT eine höhere örtliche Auflösung und ist damit etwas besser für die Abgrenzung des Tumors geeignet. Als grobe Orientierungshilfe kann man zwischen überwiegend zystischen und soliden Adnextumoren unterscheiden, um hier die Differenzialdiagnosen zu stellen (Übersichten). Bei typischen zystischen Veränderungen der Ovarien ohne solide Anteile empfiehlt sich folgendes diagnostisches Vorgehen (. Tab. 33.3). Differenzialdiagnosen der hauptsächlich zystischen Läsionen der Adnexe 4 Funktionelle Zysten (Follikel- und Corpus-luteum-Zysten) 4 Tuboovarialabszess 4 Zystisches Teratom 4 Zystadenom > Zystadenokarzinom 4 Ektope Schwangerschaft 4 Endometriome 4 Hydrosalpinx 4 Paraovarielle Zyste 4 Theka-Lutein Zyste 4 Metastasen 4 Peritoneale Pseudozysten
Differenzialdiagnosen der hauptsächlich soliden Läsionen der Adnexe 4 Epithelialer Tumor: 90% der ovariellen Malignome – Zystadenokarzinom: serös > endometrial > muzinös > klarzellig 4 Stromatumor: <3% der ovariellen Malignome – Dermoid – Dysgerminom: junge Frauen – Endodermalsinustumor: Kinder und junge Frauen – Unreifes Teratom: maligne 4 Subseröses Myom – Lig. latum 4 Endometriose 4 Metastase (Krukenberg-Tumor) 4 Ovarialtorsion 4 Nichtgynäkologische Ursache - Hämatom, Tumor 4 Sarkom/Fibrosarkom
33.2.3
Benigne Erkrankungen der Ovarien
Ovarialzysten (Follikel- und Corpus-luteum-Zysten) Definition Die Ovarialzysten stellen mit 65% die größte Gruppe der ovariellen Raumforderungen dar. Diese benignen Läsionen bilden sich meist spontan zurück.
Klinik Klinisch fallen diese Zysten in der Regel nicht auf. Die Diagnose wird häufig nur als Zufallsbefund gestellt. Meist bilden sie sich spontan zurück, können aber auch rupturieren und eine Blutung in den Bauchraum mit akuten Schmerzen verursachen. Sehr große Zysten können außerdem zu einer Stieldrehung führen, die ebenfalls akute Schmerzen verursacht und einer schnellen Therapie bedarf.
Bildgebung Im Ultraschall kann das Bild der Follikelzyste aufgrund einer Einblutungen sehr variieren. Das Bild kann hierbei von einer einfachen Zyste mit dünner Wand bis hin zu einer inhomogenen, unscharf begrenzten Läsion reichen.
33
1076
Kapitel 33 · Diagnostik der inneren weiblichen Genitalorgane
Ähnliche Befunde können auch in der CT und MRT erhoben werden. Hierbei kann die Follikelzyste in der CT hypodens zur Darstellung kommen. In der MRT ist die Signalintensität der normalen Zyste in den T1 gewichteten Sequenzen hypointens, während sie in den T2-gewichteten Sequenzen sehr hoch ist. > Die Unterscheidung der Endometriose als wichtigste Differenzialdiagnose kann bildmorphologisch im Einzelfall schwierig sein und nur mithilfe der klinischen Symptomatik und dem Verlauf gestellt werden.
Endometriose Definition Als Endometriose wird die Versprengung von funktionellem Endometriumgewebe außerhalb des Cavums bezeichnet. Die häufigste extrauterine Lokalisation stellen die Ovarien sowie die umgebenden peritonealen Strukturen dar. In seltenen Fällen können Endometrioseherde auch im Bereich der Bauchwand, des Urintrakts oder gar der Lunge gefunden werden.
33
a
Klinik Die Endometriose tritt bei Frauen im gebärfähigen Alter auf und kann zu Dysmenorrhagien, Schmerzen, Dyspareunie, irregulären Blutungen oder Infertilität führen. Die klinischen Symptome stehen hierbei nicht in Zusammenhang mit dem Ausmaß der Erkrankung. Die ektope Schleimhaut der Endometrioseherde ist hormonabhängig und beteiligt sich an den normalen Zyklusvorgängen. Die Ruptur einer ovariellen Endometriosezyste kann ein akutes Abdomen verursachen.
Bildgebung Endometriose kann in 2 Formen auftreten: entweder als solide eher kleine Implantate oder als Zysten, welche sehr groß werden können. Beide Formen können nebeneinander und multipel auftreten. Die Diagnose wird in der Regel anhand der Endometriosezysten gestellt, da die kleinen Herde bildmorphologisch nicht darzustellen sind. Aufgrund der Hormonwirkung können die Zysten über die Zeit wachsen und hämorrhagische Reste enthalten, umgeben von fibrotischem Gewebe. Diese Läsionen werden auch als Endometriome oder »Schokoladenzysten« bezeichnet. Dieser Name beruht auf der eingedickten dunkelfarbigen Beschaffenheit des Zysteninhalts. ! Die Diagnose der Endometriose ist mittels Bildgebung schwierig zu stellen. Eine sichere Diagnosestellung erfolgt mittels Laparoskopie mit Inspektion des Beckens und ggf. einer Biopsie.
In der Sonographie stellen sich die Endometriome mit einer verdickten Wand und diffuser mittlerer Echogenität dar. In der CT kommen die Einblutungen der Zysten hyperdens zur Darstellung. In der MRT zeigen die Endometrioseherde auf den T1- und T2-gewichteten Bildern ein dem Endometrium vergleichbares zyklisches Verhalten. In Abhängigkeit vom Alter der Einblutung kann ein unterschiedliches Signalverhalten der Zysten beobachtet werden. Hierbei können die Zysten in den T1- und T2-gewichteten Sequenzen ein hyperintenses oder hypointenses Signalverhalten
b . Abb. 33.16a, b. Endometriose des rechten Ovars (Pfeil). a Signalreiche Läsion in der T1-gewichteten SE-Sequenz. b In der T2-gewichteten TSE-Sequenz findet sich eine Dreischichtung der verschiedenen Blutabbauprodukte
zeigen. Des Weiteren können sie aber auch eine hohe Signalintensität in den T1-gewichteten Sequenzen und niedrige Signalintensität in den T2-gewichteten Sequenzen aufweisen (. Abb. 13.17).
Ovarialtorsion Definition Eine Stieldrehung der Ovarien ist in jedem Alter möglich. Insbesondere Adnextumoren, z. B. ovarielle Neoplasien oder Zysten, können leicht zu einer Torsion führen. Aufgrund der relativen Mobilität der Ovarien kann es zu einer Rotation der Ovarien um die haltenden Bänder kommen, was zu einer venösen und arteriellen Abflussbehinderung führt.
Klinik Durch die Unterbindung des Blutflusses kommt es zu akut einsetzenden einseitigen Unterbauchschmerzen, die mit Übelkeit und Erbrechen sowie Zeichen eines akuten Abdomens einhergehen können. Ebenfalls kann eine tastbare Raumforderung der Adnexe vorliegen.
1077 33.2 · Ovarien und Adnexe
a
b
. Abb. 33.17a, b. Teratom des linken Ovars (Pfeil). a Mittels der CT-Untersuchung lassen sich die verschiedenen Bestandteile gut abgrenzen. b Im Operationspräparat zeigt sich der Haarbalg als typischer Bestandteil eines Dermoids
Bildgebung Da durch eine operative Versorgung irreversible Schäden vermieden werden können, ist eine schnelle Diagnosestellung mit Abgrenzung der möglichen Differenzialdiagnosen wie z. B. PID, rupturierte funktionelle hämorrhagische Zyste oder Appendizitis essenziell. Sonographisch zeigen sich multiple 8–10 mm große Zysten in einem vergrößerten Ovar, welche insbesondere bei einem Vergleich mit der gesunden Gegenseite auffallen. Dopplersonographisch findet sich ein reduzierter arterieller und venöser Blutfluss. Jedoch muss hierbei beachtet werden, dass die Darstellung des Blutflusses mittels US häufig auch bei Normalpatientinnen schwierig ist. Auf CT- oder MRT-Bildern zeigt sich ein geschlängelter oder schnabelförmiger Vorsprung auf der Spitze der Torsion. Zusätzlich kann sich ein ödematöser Stiel mit gefüllten, geraden Gefäßen um das Ovar wickeln. Nach i.v.-Kontrastmittelgabe findet sich eine fehlende oder sehr inhomogene Kontrastierung des Ovars.
Polyzystische Ovarien (PCO/Stein-Leventhal Syndrom) Definition Polyzystische Ovarien können in 5–15% aller Frauen im reproduktiven Alter gefunden werden. Ursache ist ein Fehlen der normalen zyklischen Veränderungen des follikelstimulierenden (FSH) sowie des luteinstimmulierenden Hormons (LH), welches zu chronisch stimulierten, nicht rupturierten Follikeln führt.
perlschnurartig in der Peripherie des vergrößerten Ovars liegen. Diese typischen Zeichen findet man mit allen bildgebenden Verfahren. Die Sonographie ist hierbei die Untersuchungstechnik der Wahl. In der Sonographie imponieren die Zysten echoarm. Obwohl sich die kleinen Zysten auch in der CT darstellen lassen, spielt die CT keine Rolle in der primären Diagnostik der PCO. MR-Tomographisch zeigen die multiplen kleinen in der Peripherie der Ovarien gelegen Zysten ein für Zysten typisches Signalverhalten. Sie kommen in den T1-gewichteten Sequenzen hypointens und in den T2-gewichteten Sequenzen hyperintens zur Abbildung.
Dermoid/reifes Teratom Definition Ovarielle Teratome stellen mit 20% die häufigste ovarielle Neoplasie dar. In der Regel handelt es sich um benigne Keimzelltumoren. Eine maligne Transformation kann in 1–3% beobachtet werden, so dass eine selektive Resektion durchgeführt werden sollte. In bis zu 20% können die Dermoide bilateral auftreten.
Klinik Häufig sind die Dermoide asymptomatisch und werden bei gynäkologischen Untersuchungen bei jungen Frauen als Zufallsbefund entdeckt. Aufgrund des Masseneffekts oder einer Torsion können große Teratome jedoch symptomatisch werden. Es kann aber auch zu Infektionen oder zu traumatischen oder spontanen Rupturen kommen.
Klinik Diese Erkrankung zeigt ein weites Spektrum von klinischen Symptomen auf. Hierbei kann eine primäre oder sekundäre Oligo- oder Amenorrhoe, eine Sterilität oder Hirsutismus auftreten.
Bildgebung Klassischerweise findet man vergrößerte Ovarien mit multiplen, kleinen Follikeln. Hierbei sind mehr als 10 Follikel mit einem maximalen Durchmesser von 2–8 mm abzugrenzen, welche
Bildgebung Dermoide setzen sich aus unterschiedlichen Anteilen ekto-, meso- und endodermalen Gewebes zusammen. Sie können daher Knochenbestandteile, Zähne, Fett, Haar, Talg und neurales Gewebe enthalten. Hieraus entstehen zystische Tumoren, die hauptsächlich Fett und einen von der Zystenwand ausgehenden soliden Anteil, dem so genannten Rokitansky-Knoten, bestehen. Diese Bestandteile bestimmen auch das bildmorphologische Verhalten dieser Tumoren.
33
1078
Kapitel 33 · Diagnostik der inneren weiblichen Genitalorgane
Die soliden Anteile können häufig sogar auf konventionellen Röntgenaufnahmen abgegrenzt werden. Im Ultraschall findet sich eine zystische Läsion mit echogenen Anteilen, die dem Talg- und Haargewebe entsprechen. Eine dorsale Schallauslöschung kann durch kalzifizierte Strukturen wie zum Beispiel Knochen und Zähne verursacht werden. Jedoch sind MRT und CT der Sonographie in der Diagnostik der Teratome überlegen, da die sonographischen Zeichen unspezifisch sind. In der CT lassen sich die verschiedene Bestandteile der Teratome gut abgrenzen (. Abb. 33.18). Hier ist eine Analyse der Bestandteile mittels Dichtemessung unerlässlich. ! Der intratumorale Fettnachweis ist für die Diagnosestellung der Teratome richtungsweisend.
33
In der MRT findet sich eine Raumforderung mit hoher fettäquivalenter Signalintensität in den T1- und T2-gewichteten Sequenzen (. Abb. 33.19). Durch die Verwendung von fettsupprimierten Sequenzen gelingt die Abgrenzung des Fettgewebes von Einblutungen. Ebenfalls zeigen sich intratumoral Regionen mit niedriger Signalintensität, die Verkalkungen und Zähnen entsprechen.
33.2.4
a
Infektionen der Adnexe (Pelvic inflammatory disease (PID))
Definition Die Adnexitis (Pelvic inflammatory disease, PID) umfasst ein weites Spektrum von Infektionserkrankungen des unteren weiblichen Genitaltrakts. Die Infektion erfolgt aszendierend über die Cervix und den Uterus auf die Tuben (Salpingitis) mit anschließender Ausbreitung auf die Ovarien und Parametrien. Die häufigsten Erreger sind Neisseria gonorrhoeae und Chlamydia trachomatis, die über Geschlechtsverkehr übertragen werden. Demgegenüber führen intrauterine Pessare (IUP) häufig zu einer Infektion mit Actinomyces isrealii.
Klinik Bei den Patientinnen finden sich klinisch Unterbauchschmerzen, Fieber und eine Leukozytose. Bei der gynäkologischen Untersuchung zeigt sich typischerweise ein Portioschiebeschmerz.
Bildgebung Da die meisten Patientinnen im gebärfähigen Alter sind wird die Diagnose am häufigsten mittels Ultraschall gestellt. Eine Vielzahl von bildmorphologischen Zeichen spricht für das Vorliegen der PID. Der entzündete Uterus kann vergrößert und schlecht abgrenzbar erscheinen. Bei der entzündlichen Endometritis findet sich auch eine exzessive intrakavale Flüssigkeitsretention. Bei einer milden Salpingitis ist die Ultrasschalluntersuchung häufig unauffällig. Nach Kontrastmittelgabe kann in der CT und MRT bei einer milden Salpingitis eine vermehrte Anreicherung beobachtet werden. Erst bei einer Hydrosalpinx lassen sich die Tuben dilatiert darstellen. Bei Vorliegen eines Tuboovarialabszesses kommen die Ovarien vergrößert und mit zystischen Anteilen zur Darstellung.
b . Abb. 33.18a, b. Dermoid im Bereich des linken Ovars (Pfeil). a Transversale T1-gewichtete SE-Aufnahmen; b sagittale T2-gewichtete TSE-Aufnahmen. Es zeigt sich ein glatt begrenzter Tumor mit signalarmen Dermoidzapfen und verschiedenen Fett-Flüssigkeits-Anteilen
Hydrosalpinx Definition Aufgrund einer Okklusion der fibrösen Enden der Tuben kommt es zu einer Dilatation der Tuben, die dann mit serösem Sekret gefüllt sind. Eine Hämato- oder Pyosalpinx liegt bei einer Einblutung oder einer eitrigen Infektion vor. Die Hämatosalpinx ist häufig mit einer Tubargravidität assoziiert.
Bildgebung Sonographisch erkennt man die Hydrosalpinx als echofreie oder
echoarme Dilatation der Tuben, wobei die Abgrenzung der Tuben von Darmschlingen schwierig sein kann. Hier kann der Nachweis einer fehlenden Peristaltik wegweisend sein. Aber auch zystische ovarielle Prozesse können das Vorliegen einer Hydro-
1079 33.2 · Ovarien und Adnexe
. Abb. 33.19. Hydrosalpinx. CT-Untersuchung einer Patientin zeigt tubuläre Strukturen im Bereich des kleinen Beckens (Pfeil). Operativ zeigte sich eine Hydrosalpinx linksseitig
salpinx vortäuschen. Stellt man die Hydrosalpinx im Querschnitt dar, zeigen die Tuben ein zahnradartiges Bild (»Zahnrad«-Zeichen). Eine Verbreiterung der Tubenwand auf >3 mm findet man bei 3% der chronischen Prozesse. In der CT (. Abb. 33.19) erkennt man hypodense abgekapselte Sekretansammlungen mit einer Kontrastmittel-Anreicherung der Abszessmembran. In der MRT stellt sich die Hydrosalpinx als tubuläre Struktur dar. Sie zeigt eine hypointensen Signalintensität in den T1-gewichteten Sequenzen und eine hyperintense Signalintensität in den T2-gewichteten Sequenzen. Eine starke Kontrastmittelanreicherung der Tuben spricht für das Vorliegen einer Pyosalpinx im Rahmen eines entzündlichen Geschehens. Zeigt der Tubeninhalt jedoch in der T1-gewichteten Sequenz ein hyperintenses Signal, ist vom Vorliegen einer Hämatosalpinx auszugehen. Die Abgrenzung von anliegenden Darmabschnitten kann durch die Kontrastierung der Darmabschnitte mit einem Kontrastmittel erleichtert werden.
und die normale Morphologie der Ovarien ist aufgehoben, wobei sich häufig zystische Anteile finden. Der Einsatz von CT und MRT ist nur bei atypischen Verläufen nötig. Hierbei findet sich computertomographisch eine Vergrößerung der Ovarien mit hypodensen fokalen Veränderungen. Ebenfalls zeigen sich häufig Verdickungen der Wände des Ovars, eine Septierungen oder eine Inhibierung des umgebenden Fettgewebes. Als weitere Zeichen des Abszesses können auch Lufteinschlüsse und eine Adenopathie beobachtet werden. Es zeigt sich eine verstärkte Kontrastmittelanreicherung in der Abszesswand, während im Abszessinhalt keine Anreicherung zu beobachten ist. Ein ähnliches Bild findet sich auch in der MRT mit Nachweis einer Flüssigkeitsansammlung im Adnexbereich mit einer verdickten, unregelmäßigen Wand und einer vermehrten Kontrastmittel-Aufnahme. Nativ ist das Signalverhalten der Flüssigkeiten hierbei abhängig von den Bestandteilen.
Septische postpartale Ovarialvenenthrombose (SPOVT) Definition Die postpartale septische Ovarialvenenthrombose tritt selten auf. Durch die Stase in den Ovarialvenen kann nach der Geburt aufgrund des plötzlichen Abfalls der Flussgeschwindigkeit eine SPOVT entstehen. Nach Sectio caesarea tritt sie bei 1–2% der Wöchnerinnen auf, während die Rate bei vaginaler Geburt deutlich niedriger liegt. Die Thrombose findet man dabei häufiger auf der rechten als auf der linken Seite.
Klinik Die SPOVT tritt in der Regel in den ersten 10 Tagen nach der Geburt auf. Klinisch zeigt sich häufig eine Trias mit Schmerzen im Unterbauch oder der Flanke, zusätzlich unklares oder refraktäres Fieber und eine schmerzhafte Raumforderung. Klinisch ist hier die Differenzierung gegenüber der Endomyometritis, Appendizitis, der Pyelonephritis, dem Tuboovarialabszess oder der Ovarialtorsion schwierig.
Bildgebung
Tuboovarialabszess Definition Durch ein Austreten der Keime über das Tubenostium in die Bauchhöhle kann es bei bis zu 1% der Frauen mit akuter Salpingitis zu einem Tuboovarialabszess kommen.
Klinik Patientinnen mit einem Tuboovarialabszess präsentieren sich mit einem akuten Krankheitsbild mit hohem Fieber, Schmerzen im Unterbauch, deutlicher Druckempfindlichkeit der Adnexe, Übelkeit und Erbrechen. Klinisch und radiologisch kann die Differenzierung des Tuboovarialabszesses von der Ovarialtorsion, der Divertikulitis, der Appendizitis oder anderen pelvinen Abszessen schwierig sein.
Bildgebung Primär wird die Sonographie für die Dokumentation eines Tuboovarialabszesses eingesetzt. Die Ovarien sind meist vergrößert
Sicheres Zeichen der SPOVT ist der Nachweis einer vergrößerten, tubulären, retroperitoneal gelegenen Läsion, die sich vom Becken bis infrarenal zur V. cava inferior erstrecken kann. Der Ultraschall wird primär für die Diagnostik eingesetzt. Hierbei sieht man ein echogenes intraluminales Gerinnsel, welches in der Duplexsonographie zu einem reduzierten oder fehlenden Fluss führt. Bei Darmgasüberlagerungen oder schlechter Darstellbarkeit dieser Region werden die CT und MRT eingesetzt. In der nativen CT sieht man einen hyper- oder isointensen Thrombus im Vergleich zur Venenwand. Nach Kontrastmittelgabe zeigt sich eine erweiterte Ovarialvene mit Kontrastmittelanreicherung der Wand und intraluminaler Kontrastmittelaussparung durch den Thrombus (. Abb. 33.20). In der MRT finden sich nach Kontrastmittel dieselben Zeichen. Zusätzlich kann durch Verwendung von flusssensitiven Sequenzen ein fehlendes Flusssignal nachgewiesen werden.
33
1080
Kapitel 33 · Diagnostik der inneren weiblichen Genitalorgane
. Tab. 33.4. Histologische Typen und Auftreten von Ovarialkarzinomen
a
Histologische Typen
Auftreten
Epitheliale Tumoren
90%
Keimzelltumoren
3%
Keimstrangtumoren
3%
Sekundär oder metastatisch
4%
Gonadoblastom
Selten
nehmender Bauchumfang aufgrund von Aszites auf. In seltenen Fällen kann es zu akuten Schmerzen aufgrund einer ovariellen Torsion oder einer Ruptur kommen. Der Tumormarker CA 125 wird in erster Linie von serösen Ovarialkarzinomen gebildetet und ist bei mehr als 80% der Patientinnen mit fortgeschrittenen Ovarialtumoren erhöht. Ein weiterer Tumormarker ist das CA 19-9, das insbesondere beim muzinösen Ovarialkarzinom eine höhere Treffsicherheit aufweist.
33
Diagnose, Bildgebung
b . Abb. 33.20a, b. Ovarialvenenthrombose. Darstellung einer KM-Aussparung im Bereich der A. ovarica rechtszeitig bei vorliegender Ovarialvenenthrombose (Pfeil) 9 Tage post partum in koronarer (a) und transversaler Schichtführung (b)
33.2.5
Maligne Erkrankungen der Ovarien
Ovarialkarzinom Definition, Epidemiologie, Ätiologie Obwohl das Ovarialkarzinom nur das fünfthäufigste Karzinom der Frau ist, geht es mit der höchsten Letalität bei den Frauen einher, da die Tumoren zum Diagnosezeitpunkt häufig fortgeschritten oder disseminiert sind. Knapp 20% aller Ovarialtumore sind primär maligne. Der Altersgipfel dieser Erkrankung liegt bei 60 Jahren. Neben dem zunehmenden Alter sind die genetische Prädisposition und hormonelle Interaktionen die Hauptrisikofaktoren für die Entwicklung eines Ovarialkarzinoms. In Abhängigkeit vom Ursprungsgewebe kann man 4 beherrschende histopathologische Typen des Ovarialkarzinoms unterscheiden (. Tab. 33.4).
Klinik Viele Patienten sind zum Diagnosezeitpunkt asymptomatisch oder weisen unspezifische Symptome, wie Unterbauchbeschwerden, Völlegefühl oder unregelmäßige Blutungen auf. Im fortgeschrittenen Stadium treten abdominelle Schmerzen und ein zu-
Bei den Ovarialkarzinomen sind die gynäkologische Untersuchung und die transvaginale Sonographie Stützen der Primärdiagnostik. Die Aufgabe der bildgebenden Verfahren liegt daher insbesondere im Nachweis der geweblichen Beschaffenheit der Tumoren, der Stadieneinteilung und des Follow-ups. Die epithelialen Ovarialtumoren metastasieren hauptsächlich intraperitoneal und lymphogen. Die Schnittbildgebung wird häufig zum präoperativen Staging eingesetzt, da durch CT und MRT auch die extrapelvinen Manifestationen des Ovarialkarzinoms diagnostiziert werden können. Aufgrund der großen Variabilität des Erscheinungsbildes der Ovarialkarzinome in Abhängigkeit von der histologischen Beschaffenheit ist eine sichere bildmorphologische Diagnosestellung nicht möglich. Zur besseren Beurteilung sind jedoch verschiedene Zeichen einer malignen Raumforderung der Ovarien beschrieben worden (. Tab. 33.5). Die kontrastmittelunterstützte CT- oder MRT-Untersuchung erlaubt in erster Linie eine Differenzierung zwischen echten soliden Neoplasien und »Pseudoproliferationen«, z. B. Endometrioseherden, Einblutungen oder Teratomen. In der CT findet man häufig unilaterale oder bilaterale Adnexraumforderungen mit inhomogenem Kontrastmittelverhalten und den vorbeschriebenen Zeichen. Die Kontrastmittelgabe ist bei der Detektion von subkapsulären Lebermetastasen oder anderen Fernmetastasen hilfreich. Der Nachweis einer Peritonealkarzinose erfolgt anhand kleinknotiger, Kontrastmittel aufnehmender Auftreibungen. Häufig findet sich in diesem Stadium Aszites. In frühen Stadien kann der Nachweis einer peritonealen Metastasierung schwierig sein, wenn diese <5 mm messen. In der MRT stellen sich zystische Tumoranteile in den T1gewichteten Sequenzen mit einer niedrigen Signalintensität dar, während sie in den T2-gewichteten Sequenzen stark hyperintens erscheinen. Solide Anteile weisen dagegen in der T1-gewichten
1081 33.2 · Ovarien und Adnexe
a
b
. Abb. 33.21a, b. Ovarialtumor. Darstellung einer großen soliden Raumforderung des linken Ovars (Pfeile); a KM-verstärkte T1-gewichtete FS SE-Se-
. Tab. 33.5. Allgemeine Kriterien zur Differenzierung benigner und maligner Ovarialprozesse
quenzen, b sagittale T2-gewichtete TSE-Sequenzen. Hierbei handelt es sich um ein Germinom
Aufnahme eine niedrige bis mittlere Signalintensität sowie eine mäßige Hyperintensität auf. Bei Einblutungen oder einem vermehrten Proteingehalt finden sich in den T1-gewichteten Sequenzen hyperintense Herde. Für die Diagnostik eines Lokalrezidivs eignet sich die kontrastmittelverstärkte CT mit multiplanarer Nachverarbeitung aufgrund des großen Untersuchungsbereichs. Die Stadieneinteilung der Ovarialkarzinome erfolgt ebenfalls nach der FIGO-Klassifikation (. Tab. 33.6).
Zeichen
Benigner Tumor
Maligner Tumor
Bestandteile
Zystisch
Große solide weichteildichte RF mit Nekrose
Wanddicke
Dünn (<3 mm)
Verdickt
Innere Strukturen
Fehlend
Papilläre Anteile
Lokalisation
Einseitig
Beidseitig
Aszites
Kein
Häufig ventral des Uterus
KM-Verhalten
Fehlende KMAufnahme
Inhomogene KMAufnahme
Metastasen Definition
Andere
Niedriges Alter (<30 Jahre)
Peritoneale Metastasen Beckenwandinfiltration Lymphadenopathie
Ungefähr 5% aller ovariellen Neoplasien sind Metastasten von Primärtumoren des Gastrointestinaltrakts, der Mamma, des lymphatischen Systems oder der Beckenorgane. Hierbei sind
! Metastasen an der Leberkapsel entsprechen Stadium III, während Leberparenchymmetastasen als Stadium IV gewertet werden (. Abb. 33.22).
. Tab. 33.6. Stadieneinteilung des Ovarialkarzinoms
FIGO
Beschreibung
Therapie
I
Karzinom auf Ovarien begrenzt IA: TM auf ein Ovar begrenzt/Kapsel intakt/ kein TM auf der Oberfläche des Ovars IB: TM auf beide Ovarien begrenzt/Kapsel intakt/ kein TM auf der Oberfläche des Ovars IC: Kapselruptur, TM an Ovaroberfläche, maligne Zellen in Aszites
Abdominale Hysterektomie/ Adnexektomie/ Appendektomie Ggf. pelvine /paraaortale LNE und Chemotherapie
II A/ IIB
TM ein- oder beidseitig und Tumorausbreitung im Becken IIA: Uterus- und/oder Tubenbeteiligung/ keine maligne Zellen in Aszites IIB: Ausbreitung auf andere Beckengewebe/ keine maligne Zellen in Aszites IIC: Ausbreitung im Becken und maligne Zellen in Aszites
Abdominale Hysterektomie/ Adnexektomie/ Apendektomie Ggf. pelvine /paraaortale LNE und Chemotherapie
III
TM ein- oder beidseitig und Tumorausbreitung über Beckengrenzen IIIA: mikroskopische Peritonealmetastasen außerhalb des Beckens IIIB: makroskopische Peritonealmetastasen ≤2cm außerhalb des Beckens IIIC: Peritonealmetastasen >2 cm außerhalb des Beckens und /oder LK-Metastasen
Abdominale Hysterektomie/ Adnexektomie/ Appendektomie Ggf. pelvine/paraaortale LNE und Chemotherapie Ggf. Darmresektion/Milzexstirpation/ Pankreasexstirpation/ Deperitonealisierung
IV
Fernmetastasen (ausschließlich Peritonealmetastasen)
Palliative OP und Chemotherapie
33
1082
Kapitel 33 · Diagnostik der inneren weiblichen Genitalorgane
a
b
. Abb. 33.22a, b. Nachweis von multiplen zystischen Metastasen (Pfeil) bei einer Patientin mit Ovarialkarzinom. a Darstellung mittels T2-gewichteten TSE-Sequenzen; b KM-verstärkte T1-gewichtete SE-Sequenzen
33
etwa 10% der bilateralen Ovarialtumoren Metastasen. Eine Sonderform stellt der Krukenberg-Tumor dar, bei dem es sich um ein in die Eierstöcke metastasiertes Adenokarzinom des Magens handelt.
Klinik Die klinische Symptomatik gleicht häufig der des primären Ovarialkarzinoms.
Klinik Symptome und Therapie sind vom Vorhandensein oder dem Fehlen der Cervix und funktionellem Endometrium abhängig. Die Symptome bei vorhandenem funktionellem Endometrium werden durch eine Hämatometra direkt nach der Menarche verursacht. Bei fehlendem funktionellem Endometrium fallen die Patientinnen durch eine primäre Amenorrhoe auf. Weitere kongenitale Anomalien anderer Organe sind häufig zu finden.
Bildgebung Metastasen können sowohl zystisch als auch solide imponieren und lassen sich bildmorphologisch häufig nur schwer vom Ovarialkarzinom abgrenzen. Die Bildmorphologie wird auch hier wie beim Ovarialkarzinom von den Anteilen der Metastase bestimmt. Der Krukenberg-Tumor erreicht häufig eine Größe von >8 cm Durchmesser.
33.3
Vulva und Vagina
33.3.1
Anatomie
Die Vagina ist ein etwa 6–8 cm langes und 2–3 cm breites muskulär-bindegewebiges Hohlorgan. Zwischen der Vagina und den Nachbarorganen bestehen sehr feste Verbindungen durch das umgebende Bindegewebe, dem Parakolpium. In der CT stellt sich die Vagina als eine weichteildichte, querovale Struktur ventral des Rektums dar. Eine Abgrenzung des vorderen und hinteren Scheidengewölbes ist jedoch ohne Tamponmarkierung meistens nicht möglich.
33.3.2
Fehlbildungen
Vaginale Agenesie (Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom) Definition Die vaginale Agenesie ist eine seltene kongenitale Anomalie sein, welche partiell oder komplett sein kann.
Bildgebung Zur Diagnosefindung eignet sich insbesondere die MRT. Hiermit können leicht das Fehlen der Vagina oder vorhandene rudimentäre Anteile, das Fehlen oder Vorhandensein der Cervix sowie eine Hämatometra als typische Zeichen dokumentiert werden.
Angeborene Vaginalzysten Definition Die angeborenen vaginalen Zysten entstehen aus dem WolfGang (Gartner-Zysten) oder aus dem Müller-Gang (Müller-Zysten). Sie enthalten eine wässrige geruchlose Flüssigkeit. Die angeborenen Vaginalzysten treten insgesamt selten auf. Während man die häufiger auftretenden Gartner-Zysten am vorderen Introitus vaginae findet, sind die Müller-Zysten im unteren Vaginaldrittel in Höhe des Hymenalsaums lokalisiert.
Klinik Da die Zysten fast immer symptomlos sind, werden sie häufig als Zufallsbefund entdeckt. Die Therapie besteht in einer Exzision der Zysten.
Bildgebung Die Bildgebung spielt bei der Diagnose der angeborenen Zysten keine wichtige Rolle und die Befunde werden meist als Zufallsbefunde diagnostiziert. In der MRT stellen sich die Zysten hypointens in den T1-gewichteten Sequenzen und hyperintens in den T2-gewichteten Sequenzen dar (. Abb. 33.9).
1083 33.3 · Vulva und Vagina
. Tab. 33.7. Stadieneinteilung und Therapie des Vaginalkarzinoms
FIGO
Tumorausdehnung
Therapie
0
Carcinoma in situ
Lokale Exzision/CO2-Laser
I
Tumor auf Vagina begrenzt 5 obere zwei Drittel der Vagina
5 Radikale Hysterektomie mit Teilkolpektomie mit Parametrien und pelviner LNE 5 Radikale Kolpovulvektomie 5 ggf. inguinofemorale LNE
II
Tumor infiltriert paravaginales Gewebe 5 IIA: Parametrien frei 5 IIB: Parametrien befallen
Radiotherapie
III
Tumor erreicht Beckenwand
Radiotherapie
IV
5 IVA: Tumor infiltriert Mukosa der Blase und/oder des Rektums 5 IVB: Fernmetastasen
5 Radiotherapie 5 ggf. Exenteration
33.3.3
Infektionen der Vagina (Kolpitis)
Infiltration der umgebenden Strukturen Unterleibschmerzen oder eine Blasen-Darm-Symptomatik.
Definition Die Kolpitis entsteht durch den Ersatz der physiologischen Döderlein-Flora durch hohe Konzentrationen von anaeroben Bakterien, Haemophilus vaginalis oder Mycoplasma hominis.
Klinik Die klinischen Symptome sind vaginaler, z. T. übelriechender Ausfluss, vulvärer Juckreiz und Irritationen.
Diagnose, Bildgebung Die Kolpitis ist eine klinische Diagnose, die über eine vaginale Untersuchung mit Nativpräparatmikroskopie und mikrobiologischem Abstrich gestellt wird. Aus diesem Grund spielen bildgebende Verfahren keine Rolle bei der Diagnostik der Kolpitis. Dennoch lassen sich die entzündlichen Veränderungen der Vagina nach Kontrastmittelapplikation auf T1-gewichteten Sequenzen durch eine starke Kontrastmittel-Anreicherung insbesondere in der Schleimhaut dokumentieren.
33.3.4
Tumoren
Vaginalkarzinom Definition, Pathogenese Vaginalkarzinome gehören zu den seltensten gynäkologischen Malignomen. Die Ätiologie des Vaginalkarzinoms ist bisher unbekannt. Es handelt sich meistens um Plattenepithelkarzinome, gefolgt von Melanomen, Sarkomen und klarzelligen Adenokarzinomen. Die meisten Karzinome sind im oberen Drittel der hinteren Vaginalwand lokalisiert.
Bildgebung Die Stadieneinteilung erfolgt in der Regel klinisch im Rahmen einer Narkoseuntersuchung, bei der dann auch Biopsien entnommen werden können. Zum Staging werden häufig Schnittbildverfahren eingesetzt, um Informationen über einen Tumorbefall der umgebenden Organe oder der Lymphknoten zu gewinnen. Aufgrund des guten Weichteilkontrasts eignet sich hierbei insbesondere die MRT zur Beurteilung der Ausbreitung des Vaginalkarzinoms. Auf T2-gewichteten Sequenzen stellt sich das Vaginalkarzinom als infiltrierende Läsion mit hoher Signalintensität dar und lässt sich gut von der signalarmen Muskularis der Vagina abgrenzen. Nach Kontrastmittel-Applikation findet sich in den T1-gewichteten Sequenzen eine starke Kontrastmittel-Anreicherung. In Randbereich der Tumoren treten häufig entzündliche Reaktionen auf, sodass hier eine Abgrenzung der Tumoren erschwert sein kann. ! Bei gleichzeitigem Befall der Cervix und der Vagina ist eine Differenzierung eines von der Cervix oder der Vagina ausgehenden Tumors schwierig.
Die Stadieneinteilung des Vaginalkarzinoms erfolgt mit der FIGO-Klassifikation (. Tab. 33.7).
Vulvakarzinom Definition, Epidemiologie Das Vulvakarzinom ist eine seltene Erkrankung, die meist im Alter über 60 Jahre auftritt. Histologisch handelt es sich in 90% der Vulvakarzinome um Plattenepithelkarzinome. Seltener treten Melanome, undifferenzierte Karzinome, Sarkome, Basalzellkarzinome und Karzinome der Bartholini-Drüsen auf.
Klinik Im frühen Stadium sind Vaginalkarzinome symptomlos. Zur Früherkennung eignet sich die Exfoliativzytologie mit Papanicolaou-Färbung. Später findet man Fluor und vaginale Blutungen. Im fortgeschrittenen Stadium findet man häufig aufgrund einer
Klinik Bei der Hälfte der Patientinnen treten keine Symptome auf. Ansonsten können unspezifische Symptome wie Pruritus vulvae, Missempfindungen, Brennen oder Nässen auftreten.
33
1084
Kapitel 33 · Diagnostik der inneren weiblichen Genitalorgane
a
b
. Abb. 33.23a–c. Karzinom der Bartholin-Drüsen. Native (a) und KMverstärkte (b) T1-gewichtete TSE-Sequenzen eines histologisch gesicherten Karzinoms der Bartholin-Drüsen (Pfeil) rechtseitig. c In der koronaren
33
c Schnittführung dokumentiert sich die Ausdehnung des Tumors ins umgebende Weichteilgewebe
. Tab. 33.8. Stadieneinteilung des Vulvakarzinoms
FIGO
Tumorausdehnung
Therapie
0
Carcinoma in situ
Lokale Exzision
I
Tumordurchmesser kleiner ≤2 cm, auf Vulva und/oder Perineum beschränkt IA: Stromainvasion ≤1 mm IB: Stromainvasion >1 mm Lokale Exzision Radikale Exision + ipsilaterale LK
II
Tumordurchmesser kleiner >2 cm, auf Vulva und/oder Perineum beschränkt
Radikale Exision + ipsilaterale LK
III
Befall der unteren Urethra und/ oder Vagina und/oder Anus und/oder einseitiger Befall der LK
Radikale Vulvektomie
IV
IVA: Befall der oberen Urethra und/ oder Blase/ Rektum und/oder Beckenwand und/ oder beidseitiger Befall der LK IVB: Fernmetastasen und/oder pelvine LK
Radiotherapie
Diagnose, Bildgebung Da Vulvakarzinome klinisch meist erst sehr spät auffällig werden, wird die Diagnose häufig erst in einem fortgeschrittenen Stadium gestellt. Die Diagnose erfolgt hierbei in der Regel durch Biopsien der verdächtigen Areale. Die Prognose des Vulvakarzinoms wird entscheidend vom Lymphknotenbefall bestimmt. Aus diesem Grund erfolgt die Beurteilung eines Befalls der pelvinen und/oder paraaortalen Lymphknoten mittels CT- oder MRT-Untersuchung. Karzinome der hinteren Vulva metastasieren hauptsächlich in die inguinalen und externen iliakalen Lymphknoten. Demgegenüber metastasieren Karzinome der vorderen Vulva hauptsächlich in die vesikalen, obturatorischen sowie tiefen inguinalen und iliakalen Lymphknoten. Mittels MRT kann zusätzlich auch eine Beurteilung der Tumorinfiltration erfolgen. Hierbei zeigt sich nach Kontrastmittelapplikation eine verstärkte Anreicherung (. Abb. 33.23). Die Stadieneinteilung des Vulvakarzinoms erfolgt mit der FIGO-Klassifikation (. Tab. 33.8).
33.4
Bildgebung in der Geburtshilfe
In der Geburtshilfe ist die Sonographie die Methode der Wahl zur Überwachung der Schwangerschaft. Hierbei wird in der frühen Schwangerschaft die transvaginale Sonographie aufgrund der besseren Auflösung eingesetzt. Im 2. und 3. Trimenon erfolgt die Untersuchung dann mittels transabdominalen US. ! Während der B-Mode-Ultraschall heute als unbedenklich eingestuft wird, sollte die Verwendung der Duplexund der Farb-Doppler-Sonographie nur eingeschränkt erfolgen und auf ein Minimum reduziert werden.
In der Frühschwangerschaft dient die Ultraschalluntersuchung insbesondere zur Beurteilung der Anzahl der Embryonen sowie der Implantation, des Alters und der Vitalität des Embryos. Als erstes kann der Gestationssack frühestens nach 14 Tagen als irregulär konfiguriertes Areal im Endometrium nachgewiesen werden. Die Plazenta lässt sich ab der 12. Schwangerschaftswoche darstellen.
1085 33.4 · Bildgebung in der Geburtshilfe
. Tab. 33.9. Messung der Beckenmaße sowie die Normalwerte
Beckenmaße
Schichorientierung für Messung
Messung
Normalwerte
Conjugata vera anatomica
Sagittal
Promotorium bis Symphysenoberrand
11,5
Conjugata vera obstetrica
Sagittal
Promotorium bis zum dorsalen Vorsprung der Symphyse
10,6–11,0 cm
Diameter transversalis (querer Durchmesser-Beckeneingang)
Oblique
Größter Abstand zwischen den Lineae terminales
13,0–13,5 cm
Interspinaler Abstand (querer Durchmesser-Beckenenge)
Transversal (in Höhe der Foveae capitis femoris)
Kleinster Abstand zwischen den Spinae ischiadicae
10,5 cm
Intertubarer Abstand (querer Durchmesser-Beckenausgang)
Transversal
Weitester Abstand zwischen den Tubera ischiadica
11 cm
Beckenausgang
Sagittal
Übergang Os sacrum/ Os coccygis bis Symphysenunterrand
11,3–11,8 cm
Die Indikation zur Durchführung der Computertomographie in der Geburtshilfe ist aufgrund der Strahlenbelastung eher zurückhaltend zu stellen. Sollte eine CT-Untersuchung in der Frühschwangerschaft erfolgen, so muss eine Dosisabschätzung erfolgen. Als Schnittbildverfahren während einer bestehenden Schwangerschaft eignet sich aufgrund der fehlenden Strahlenbelastung insbesondere die MRT. Zur Beurteilung des Uterus und der fetalen Anatomie werden T1- und T2-gewichtete Sequenzen verwendet. Aufgrund von Bewegungen des Feten kann es zu Artefakten kommen, sodass eine Beurteilung der fetalen Anatomie stark eingeschränkt sein kann. ! Da nur ein langsamer Wärmeaustausch zwischen Fruchtwasser und Umgebung stattfindet, sollte auf die Verwendung von Sequenzen mit hoher Energiezufuhr verzichtet werden, da sie zu einer Erwärmung des Fruchtwassers führen können.
33.4.1
Pelvimetrie
Bei der Pelvimetrie erfolgt die Messung der Beckenmaße. Anhand der ermittelten Werte erfolgt dann die Beurteilung des zu wählenden Geburtmodus.
Indikationen für eine Pelvimetrie 4 Beckenendlage 4 Verdacht auf cephalo-pelvines Missverhältnis 4 Beckendeformation der Mutter
Eine geburtshilfliche Pelvimetrie mittels konventioneller Röntgenaufnahmen oder CT ist heute nicht mehr indiziert, sodass die Messung der Beckenmaße nur noch mittels MRT erfolgen
sollte (. Tab. 33.9). Für die MRT-Pelvimetrie werden sagittale und transversale T1-gewichtete Gradientenecho-Sequenzen (. Abb. 33.25) verwendet, welche eine kurze Messzeit sowie eine geringe Energiezufuhr haben.
33.4.2
Kontrastmittelapplikation in der Schwangerschaft und Stillperiode
Während der Schwangerschaft ist die Unbedenklichkeit der Verwendung von Röntgenkontrastmitteln bislang nicht erwiesen. Da jedoch während der Schwangerschaft auch eine Strahlenbelastung vermieden werden soll, muss bei jeder durchgeführten Röntgenuntersuchung unabhängig von der Kontrastmittelgabe das evtl. Risiko für Mutter und Kind abgewogen werden. Tierexperimentelle Studien zeigten keinen transplazentaren Übertritt von jodiertem Kontrastmittel. Es wurden hierbei weder im fetalen Plasma noch in der Amnionflüssigkeit Kontrastmittel nachgewiesen. Demgegenüber wurde im Tierversuch ein Übertritt von Gadolinium-haltigen Kontrastmitteln durch die Plazenta beobachtet. Das Kontrastmittel wird dann vom Feten über den Urin in die Amnionflüssigkeit ausgeschieden und dann wieder vom Feten geschluckt. Es wurde jedoch bisher keine embryotoxische oder teratogene Wirkungen beobachtet. ! Aufgrund fehlender Datenlage sollte derzeit eine Kontrastmittel-Applikation während der Schwangerschaft vermieden werden.
Nierengängige Kontrastmittel treten nur in einem sehr geringen Umfang in die Muttermilch über. Da sie enteral jedoch kaum resorbiert werden, ist keine Belastung des Säuglings zu erwarten. Selbst bei Applikation oraler Gallenkontrastmittel ist nur eine geringe Aufnahme durch den Säugling zu beobachten. Dennoch empfehlen die meisten Autoren, die Muttermilch für 2–3 Tage nach Kontrastmittel-Applikation zu verwerfen.
33
1086
Kapitel 33 · Diagnostik der inneren weiblichen Genitalorgane
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33
. Abb. 33.24a–d. Messung der wichtigsten Beckenmaße mittels MRT. a Conjugata vera anatomica (a), Conjugata vera obstetrica (v), Beckenaus-
33.5
33.5.1
gang (b); b Diameter transversalis; c Interspinaler Abstand in Höhe der Foveae capitis femoris (Pfeilspitze); d intertubarer Abstand
Interventionelle Therapieverfahren am weiblichen Becken
lungstechniken der Uterusarterienembolisation (UAE) vorgestellt werden.
Th. Vogl
Ein- und Ausschlusskriterien
Uterusarterienembolisation (UAE)
In den USA hat das American College of Obstetrics and Gynecology (ACOG) die Myomembolisation unter dem Vorbehalt fehlender Langzeitergebnisse als eine effektive Therapieoption bei symptomatischem Uterus myomatosus bei niedriger Rate an Komplikationen eingestuft (Spies et al. 2002). Im deutschsprachigen Raum wird die transarterielle Embolisation von Uterusmyomen hingegen kontrovers gesehen, insbesondere von gynäkologischer Seite werden Effektivität und Sicherheit des Verfahrens in Zweifel gestellt (Pelage et al. 2001). Im Folgenden sollen die Indikationen, Kontraindikationen, Ergebnisse und Behand-
Indikationskriterien sind ein symptomatischer Uterus myomatosus mit Blutungs- und/oder Druckbeschwerden. Die UAE stellt sich als eine Therapieoption bei multiplen Myomen, großen Myomen, Patienten mit eingeschränkter Operabilität und mehrfachen Voroperationen im Bauchraum dar (Kröncke et al. 2006). Die Myomzahl und Myomgröße spielen keine Rolle bei den Therapieerfolgen der UAE (Kröncke et al. 2006).
Technik Die dreidimensionale digitale Rotationsangiographie (3-DRDSA) wird v. a. für die Darstellung der komplexen Anatomie von intrakraniellen Aneurysmen und für die exakte Graduierung exzentrischer Stenosen der Arteria carotis interna verwendet
1087 33.5 · Interventionelle Therapieverfahren am weiblichen Becken
(Radeleff et al. 2007). Die 3-D-RDSA erleichtert die Sondierung der A. uterina, v. a. bei Patientinnen mit komplexer Beckengefäßanatomie, und erhöhte das Potenzial zur Reduktion der Strahlendosis und der applizierten Kontrastmittelmenge in der transarteriellen Embolisationstherapie bei symptomatischen Uterusmyomen (Elgersma et al. 2000). Die Embolisationsbehandlung wird in Lokalanästhesie und im Bedarfsfall unter leichter Sedierung i.v. durchgeführt. Es erfolgt in der Regel eine i.v. periinterventionelle Antibiose (Bucek et al. 2004). Eine periphere Sondierung der A. uterina mit dem 4 F-Selektivkatheter ist nur dann sinnvoll, wenn die Pars 1 der A. uterina großkalibrig (>2,5 mm) und gerade verläuft. Ansonsten birgt das Vorschieben des Katheters bis zum Zielpunkt eine Spasmusgefahr, dies wäre kontraproduktiv zu dem flussgesteuerten Embolisationskonzept. In jedem Fall sollte eine Katheterposition zur Embolisation jenseits des Abgangs größerer zervikovaginaler Äste angestrebt werden, was neben der verwendeten Partikelgröße einer der Hauptgründe für die postinterventionell auftretenden chronischen Beschwerden sein kann (Pelage et al. 2001). Eine Embolisatverschleppung kann in der A. uterina retrograd bei forcierter und/oder übermäßiger Embolisation entstehen. Eine retrograde Verschleppung birgt die Gefahr von Ischämien im Internastrombereich, d. h. v. a. für Rektum, Harnblase, Damm und Glutealregion. Allerdings ist eine Verschleppung, bei der Verwendung der Embospheren, kaum zu erwarten, da das Material nicht verklumpt, sedimentiert und sich als adäquat steuerbar erweist (Kröncke et al. 2005). Als Endpunkt der flussgesteuerten Partikelembolisation gilt, wenn ein Embolisatbolus sich für 5 Herzzyklen langsam und eindeutig unter gepulster Durchleuchtung bis in die distalen Äste der A. uterina bewegt (Spies, Spector et al. 2002). Aufgrund der bilateralen Gefäßversorgung des Uterus über die im Bereich der A. arcuatae miteinander kommunizierenden A. uterinae ist eine unilaterale Embolisation mit einer hohen Versagerquote behaftet (Richter et al. 2004). Aus diesem Grunde wird regelhaft die bilaterale Embolisation in einer Sitzung angestrebt. Die zweizeitige Embolisation führt möglicherweise zu einer geringeren Intensität der postinterventionell auftretenden Schmerzen (Wanke u. Ewen 2006). Neben seltenen anatomischen Varianten wird in der Literatur als relevante Schwierigkeit bei der Katheterisierung ein Spasmus der A. uterina angegeben (Pelage et al. 2000). Der therapeutische Erfolg der Myomembolisation beruht auf der Devaskularisation der Myomknoten mit nachfolgender hyaliner Degeneration, Involution des infarzierten Gewebes und Rückbildung (Vogl et al. 2003) (. Abb. 33.25). Zur Beurteilung der Devaskularisation des dominanten Myoms erfolgt regelmäßig eine MRT-Untersuchung innerhalb des 1. Monats nach der Embolisation. Zur Beurteilung des weiteren morphologischen Verlaufs (Schrumpfung oder Abort des dominanten Myoms) werden analog zur Pilotstudie weitere MRT-Untersuchungen im dreimonatigen Abstand bis genau 1 Jahr nach der Embolisation durchgeführt (Morakkabati-Spitz et al. 2005).
Ergebnisse Der technische Erfolg, d. h. das erfolgreiche Einbringen des Embolisationsmaterials bis zum definierten angiographischen End-
punkt wird in der Literatur inzwischen mit 95–100% angegeben (Pelage et al. 2000), eine Verbesserung der myombedingten Beschwerdesymptomatik wird mit 77–93% angegeben (Richter et al. 2004). Bei 97,5% der Patientinnen wurden erfolgreich die A. uterinae embolisiert. Der Vergleich der Gruppen zeigt für die am längsten nach beobachteten Patientinnen (13–25 Monate) den höchsten Volumenrückgang von Uterus und Markermyom mit im Median 48% respektive 74% (Bucek et al. 2004). Partikuläre Substanzen sind nach dem heutigen Stand der Literatur das Embolisat der Wahl für die Myomembolisation (Vogl et al. 2003). Sowohl Gelatineschwammpartikel als auch nichtsphärische PVA-Partikel lassen sich schlechter applizieren und ermöglichen keine flussgesteuerte Embolisation unter Erhalt eines antegraden Blutflusses in der A. uterina. Idealerweise sollte die Verschlussebene auf Höhe des peritumoralen Gefäßplexus der Leiomyome liegen (Kröncke et al. 2004). Eine zu proximale Embolisation erhöht theoretisch das Risiko einer fortbestehenden Perfusion der Leiomyome über Kollateralen. Eine zu distale Embolisation erhöht das Risiko einer Infarzierung des Uterus. In Bezug auf die in den meisten Studien als Embolisat verwendeten nichtkalibrierten PVA-Partikel konnte in der Literatur gezeigt werden, dass aufgrund der irregulären Form der Partikel Gefäße stark unterschiedlichen Durchmessers okkludiert werden und daher die Größe der Partikel keine Aussage über den späteren Verschlusspunkt im Gefäßbett erlauben (Vogl et al. 2003). Die kalibrierten Trisacryl-Mikrosphären weisen Vorteile gegenüber den konventionellen PVA-Partikeln auf, da eine kontrollierte Embolisation mit Verschluss auf definierter Ebene möglich ist. Die Verwendung von kalibrierten Mikrosphären erlaubt einen anderen angiographischen Endpunkt der Embolisation mit Devaskularisation der Myome, unter Erhalt eines antegraden Flusses in der A. uterina statt der traditionellen Embolisation bis zur Stase in der A. uterina. Während die Verkleinerung der Myome bzw. des Uterus nach der Myomembolisation nach etwa 2–3 Monaten beginnt und etwa bis 1 Jahr nach dem Eingriff dauern kann (. Abb. 33.26), wird der Einfluss auf die Blutungsstärke früher deutlich. Bei Patientinnen mit Uterus myomatosus reicht die beobachtete Besserung der Beschwerden in den verschiedenen Publikationen zwischen 61 und 96% (Pelage 2003, Siskin et al. 2000, Pelage, Le Dref et al. 2003). Dabei bewerten die meisten Publikationen die UAE als komplikationsarme, Erfolg versprechende Behandlung, die geeignet ist, Risiken und Komplikationen durch die operative Behandlung zu vermeiden. Bei einer Studie fand sich eine 100%ige Verbesserung der Symptomatik der Patientinnen, bei 85% zeigte sich sogar eine vollständige Normalisierung der Mensesblutungen (Kröncke et al. 2004). Bei einer anderen Studie lag die Verbesserung der Symptomatik bei 96,67% mit einem Nachsorgeintervall von 13–25 Monaten (Bucek et al. 2004). Eine initial inkomplette Devaskularisation hat jedoch eindeutig Auswirkungen auf das weitere klinische Ergebnis. Postinterventionell, bei einem nur inkomplett devaskularisiertem Myom, hat sich zwar nicht unmittelbar das klinische Resultat verschlechtert, jedoch kann ein Wachstum des inkomplett infarzierten Myoms wieder zu zunehmenden Symptomen führen (Bai et al. 2002).
33
1088
Kapitel 33 · Diagnostik der inneren weiblichen Genitalorgane
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. Abb. 33.25a–d. Embolisation von Myomen. a 40-jährige Patientin mit Beckenschmerzen und Hypermenorrhoe bei 2 Uterusmyomen. T2-gewichtete sagittale Aufnahme vor Embolisation mit Nachweis eines großen intramuralen Hinterwandmyoms. b (DSA) Embolisation der linken A. uterina mit Polyvinylalkohol (Beads) zeigt ein gut hypervaskularisiertes Leiomyom mit
kräftigem peri- und intratumoralen Gefäßplexus. c Nach Embolisation: Deutliche Devaskularisation der Myomknoten. d 15 Monate nach Embolisationsbehandlung zeigt die T2-gewichtete sagittale Aufnahme eine deutliche Größenreduktion der Myome
Die Beurteilung des klinischen Erfolgs einer Myomembolisation muss anhand der anhaltenden Besserung der initialen Symptome erfolgen (Kröncke et al. 2005, Pelage et al. 2000). Die Verbesserung der Miktionsbeschwerden liegt bei 60% der Patientinnen; bei einer anderen Studie, lag eine Verbesserung der Miktionsfrequenz bei 82,4% der Patientinnen (Bucek et al. 2004). Die nachgewiesene hohe Therapiezufriedenheit der Patientinnen ist sicherlich das Ergebnis der erfolgreichen Behandlung der beiden im Vordergrund stehenden klinischen Symptome Hypermenorrhoe und Dysmenorrhoe ohne Therapieversagen im Langzeitverlauf. Die angegebene Therapiezufriedenheit lag während der dreijährigen Beobachtung durchgängig bei allen Patien-
tinnen bei sehr oder extrem zufrieden und alle Patientinnen bejahten die Frage, ob sie diese Intervention weiterempfehlen würden. Diese hohe Akzeptanz der Methode bei den Patientinnen und die Therapiezufriedenheit finden sich in 98,6% der Patientinnen (Bucek et al. 2004).
Komplikationen Die schwerwiegendste Komplikation stellt die sekundäre Infektion des Myoms oder der Gebärmutter, evtl. mit Entwicklung einer Sepsis dar (Richter et al. 2004). Da es sich um eine benigne Erkrankung handelt, gilt es umso mehr schwerwiegende Komplikationen zu vermeiden. Insbesondere müssen die bei 1–2% der Patientinnen
1089 33.5 · Interventionelle Therapieverfahren am weiblichen Becken
nach Myomembolisation auftretenden Infektionen der embolisierten Myome rechtzeitig erkannt werden (Hutchins 1999), um die Entwicklung einer allgemeinen Sepsis zu vermeiden. Diese kann in Einzelfällen zur septischen Hysterektomie oder auch zum Tode führen. Solche Superinfektionen sind in der ersten, aber auch in späteren Postembolisationsphase möglich und können bis zu 6 Monaten nach Therapie auftreten (Hutchins 1999). Ein postinterventionell nur inkomplett devaskularisiertes Myom verschlechtert zwar nicht unmittelbar das klinische Resultat, jedoch kann ein Wachstum des inkomplett infarzierten Myoms wieder zu zunehmenden Symptomen führen (Bai et al. 2002). Aufgrund eines klinischen Versagens, kann in der Regel eine erfolgreiche Zweitembolisation durchgeführt werden (Bucek et al. 2004). Es fand sich ein signifikant höheres Risiko für ein klinisches Langzeitversagen bei den Patientinnen, die keine klinische Besserung nach 12 Monaten nach Embolisation aufgewiesen hatten und bei Patientinnen mit einem Ausgangsvolumen des dominanten Myoms oberhalb des Medians (MorakkabatiSpitz et al. 2005).
Indikationen und Kontraindikationen der UAE Indikationen: 4 Symptomatisches Myom 4 Multiple Myome 4 Große Myome 4 Eingeschränkte Operabilität 4 Mehrfache Voroperationen im Bauchraum Absolute Kontraindikationen: 4 Schwangerschaft 4 Floride Infektion 4 Verdacht auf Malignität 4 Postmenopause Relative Kontraindikationen: 4 Kinderwunsch 4 Niereninsuffizienz 4 Kontrastmittel-Unverträglichkeit 4 Manifeste Hyperthyreose 4 GnRH-Vorbehandlung in den vorausgegangenen 3 Monaten Die gestielte subseröse Myome und submuköse Myome Typ 0 und 1 nach ESGE zeigen derzeit limitierte Therapieergebnisse.
Literatur Spies JB, Roth AR, Jha RC et al. Leiomyomata treated with uterine artery. Embolization: factors associated with successful symptom and imaging outcome. Radiology 2002;222:45-52 Pelage JP, Walker WJ, Le-Dref O. et al. Treatent of uterine fibroids. Lancet 2001;12(357):1530-1534 Kröncke TJ, David M., Ricke J. et al. Uterusarterien-Embolisation zur Myombehandlung. Ergebnisse eines radiologisch. Gynäkologischen Expertentreffen. Fortschr Röntgenstr 2006;178:453-454
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33
IX
Knochen und Gelenke 34
Allgemeine Traumatologie
– 1093
S. Schmidt, H.-P. Engels
35
Spezielle Traumatologie
– 1099
H.-P. Engels
36
Entzündliche Erkrankungen des Knochens
– 1131
S. Waldt, K. Holzapfel
37
Primäre und sekundäre Knochentumoren
– 1141
S. Waldt
38
Tumorähnliche Knochenläsionen (Tumor-like lesions) S. Waldt
39
Systemische Skeletterkrankungen S. Waldt, D. Müller, T. Link
40
Erkrankungen der Gelenke S. Waldt, M. Eiber
– 1221
– 1179
– 1171
34 34 Allgemeine Traumatologie S. Schmidt, H.-P. Engels
34.1
Grundlagen der Frakturlehre
– 1094
34.2
Häufige Frakturen im Kindesalter
34.3
Grundlagen der Knochen- und Frakturheilung
34.3.1 34.3.2
Primäre und sekundäre Knochenbruchheilung – 1096 Komplikationen im Rahmen der Frakturheilung – 1097
– 1095 – 1096
1094
Kapitel 34 · Allgemeine Traumatologie
34.1
Grundlagen der Frakturlehre
Wird die Belastungsgrenze eines Knochens überschritten, kann es zu einer Fraktur kommen. > Eine Fraktur ist definiert als eine Kontinuitätsunterbrechung des Knochens in zwei oder mehrere Frakturfragmente, welche durch einen Bruchspalt voneinander getrennt sind.
Insgesamt können 4 Frakturmechanismen unterschieden werden: 4 Direkte Fraktur 4 Indirekte Fraktur 4 Pathologische oder Spontanfraktur 4 Ermüdungsfraktur
34
4 Notwendige Zusatzdiagnostik in Form von Ziel-/Spezialaufnahmen oder Schnittbildgebung (CT/MRT)
AO-Klassifikation (Internationale einheitliche Klassifikation von Frakturen) Die AO-Klassifikation der Arbeitsgruppe für Osteosynthese (1958 in der Schweiz gegründet) hat das Ziel, eine weltweite allgemeingültige Beschreibung von Fakturen am menschlichen Skelett zu liefern. Die AO-Klassifikation besteht primär aus Zahlen und Buchstaben zur Beschreibung eines Knochenbruches. Die Codierung setzt sich aus folgenden Kriterien zusammen (. Abb. 34.1): 4 Nummerierung der Körperregion (1–9) 4 Positionierung innerhalb der Region (1–3)
Eine direkte Fraktur wird im Allgemeinen durch eine adäquate, äußere Krafteinwirkung verursacht. Die indirekte Fraktur wird z. B. durch eine abnorme Drehung oder Hebelkraft verursacht, welche Zug- und Druckspannung am Knochen erzeugt. Eine pathologische Fraktur (Spontanfraktur) entsteht in einem krankhaft veränderten Knochen ohne vorliegendes adäquates Trauma. Die Ermüdungsfraktur ist Folge eines Missverhältnisses zwischen Belastung und Anpassungsfähigkeit des Knochens. Letztlich sind das Ausmaß und die Art der Fraktur abhängig vom Umfang der einwirkenden Kraft und von der Beschaffenheit und mechanischen Belastbarkeit des Knochens. > Unter einer Luxation versteht man die Aufhebung der natürlichen Kontinuität der miteinander artikulierenden, knorpeltragenden Gelenkanteile, ausgelöst durch eine abnorme Bänderdehnung oder eine ligamentäre Schädigung, in Form einer Zerreißung.
Besteht durch die klinische Untersuchung der Verdacht einer Fraktur oder Luxation, ist eine nachfolgende röntgenologische Bildgebung, in Form einer initialen, konventionellen Röntgenuntersuchung und – je nach Komplexizität der Fraktur – eine additive Computertomographie mit der Möglichkeit einer 3DRekonstruktion indiziert.
Grundlagen der Diagnostik von Fakturen und Luxationen Bei der radiologischen Diagnostik und Befunderhebung von Frakturen und Luxationen sind folgende Fragestellungen zu beachten: 4 Kodierung der Fraktur nach der Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthese (AO) 4 Art der Fraktur- bzw. Bruchform 4 Fragmentlokalisation mit unterschiedlichen Dislokationsmöglichkeiten 4 Achsenfehlstellung 4 Gelenkbeteiligung (intraartikuläre Fraktur); begleitende Zweitfraktur oder Luxation 4 Vorliegende Weichteilzeichen als indirektes Zeichen einer Fraktur 4 Frakturen des Kindesalters mit Besonderheiten im Wachstumsalter
. Abb. 34.1. AO-Klassifikation. Beispiel: 22A1: einfache diaphysäre Fraktur des Unterarms (Radius/Ulna), z. B. eine einfache Radius-/Ulnaschaftfraktur, keine Dislokation
1095 34.2 · Häufige Frakturen im Kindesalter
4 Bewertung der Fraktur nach Komplexität und Prognose (Buchstaben A–C) 4 Bewertung der Schwere innerhalb dieser Vorgaben (1–3)
Art der Fraktur-/Bruchform Die Fraktur-/Buchform wird durch den Umfang der direkten oder indirekten Gewalteinwirkung und die mechanische Belastbarkeit und Festigkeit des Knochens bestimmt. Die folgende Übersicht zeigt die häufigsten und wichtigsten Frakturformen (. Abb. 34.2).
Frakturfragment-/Dislokationsstellungen Durch die primäre direkte oder indirekte Gewalteinwirkung, muskulären bzw. ligamentären Zug und Fehlbelastung werden folgende Dislokationsstellungen der Frakturfragmente bzw. Achsenfehlstellungen unterschieden(. Abb. 34.3).
Die Epiphyse ist für die Größe des jeweiligen Gelenks maßgeblich. Dieses Zusammenspiel kann bei einer Fraktur im Kindesalter ohne eine operative Behandlung, im Rahmen einer konservativen Behandlung zu einer Spontankorrektur führen. Zu den wichtigsten Frakturen im Kindesalter gehören: 4 Wulst- oder »Torus«-Fraktur 4 Grünholzfraktur 4 »Toddlers« fracture 4 Epiphysenfugenverletzung
Wulstfrakturen Eine Wulstfraktur entsteht durch eine Stauchung im Bereich der Metaphyse. Die Kortikalis ist in diesem Bereich sichtbar vorgewölbt, auf der gegenüber liegenden Seite sind die Veränderungen nicht sichtbar oder äußerst diskret. Das Periost ist immer erhalten.
Grünholzfrakturen
Beim kindlichen Skelett wird das Längenwachstum durch die Epiphysenfugen bestimmt. Die Dicke des diaphysären Knochens wird durch das Endost und das Periost beeinflusst.
Bei dieser Fraktur werden die Belastungsgrenze und die Biegefestigkeit des Knochens an der Zugseite überschritten. Es kommt zu einer einseitigen Fraktur der Kortikalis und des Periosts. Die Kontinuitätsunterbrechung ist jedoch nicht vollständig, die Kortikalis einschließlich des Periostschlauchs sind auf der gegenüber liegenden Seite intakt.
. Abb. 34.2. Frakturformen nach Rifferscheid. a Fissur, b Querfraktur, c Schrägfraktur, d Impressionsfraktur, e Schrägfraktur mit Biegungskeil, f Spiralfraktur, g Trümmerfraktur, h Stückfraktur, i Y-förmige Fraktur, j T-förmige
Fraktur, k Abbruchfraktur, l Meißelfraktur, m Stauchungsfraktur, n Abrissfraktur (Avulsionsfraktur). (Aus: Thelen M, Ritter G, Bücheler E. Radiologische Diagnostik der Verletzung von Knochen und Gelenken
34.2
Häufige Frakturen im Kindesalter
34
1096
Kapitel 34 · Allgemeine Traumatologie
. Tab. 34.1. Epiphysenverletzungen nach Aitken und Salter/Harris
Aitken
Sakte/ Harris
Verletzungsmuster
I
Epiphysenlösung ohne knöcherne Beteiligung
I
II
Partielle Lyse der Epiphyse mit metaphysärem Fragment
II
III
Epiphysäres Fragment, das bis zur Wachstumsfuge reicht, mit Beteiligung der Epiphysenfuge
III
IV
Epimetaphysäres Fragment mit Überqueren der Wachstumsfuge
V
Partielle Stauchung der Wachstumsfuge (Crush) Cave: Gefahr des vorzeitigen, partiellen Verschlusses
»Toddlers«-fracture Schräg oder spiralig verlaufende Frakturlinie ohne Dislokation der Frakturfragmente. Am häufigsten im Bereich der Tibia. Gehäuft bei Kleinkindern, welche gerade Gehen gelernt haben.
34
Verletzungen der Epiphyse und der Wachstumsfuge Die Epiphysenfugenverletzungen werden nach Aitken sowie Salter und Harris eingeteilt (. Tab. 34.1, . Abb. 34.4).
. Abb. 34.3. Dislokationsstellungen der Frakturfragmente bzw. Achsenfehlstellungen. a Dislocatio ad latus: Verschiebung der Fragmente in seitlicher Richtung. b Dislocatio ad longitudinem cum contractione: Verschiebung der Fragmente in Längsrichtung mit Verkürzung. c Dislocatio ad longitudinem cum distractione: Verschiebung der Fragmente in Längsrichtung mit Verlängerung. d Dislocatio ad axim: Verschiebung der Fragmente mit Achsenknick. e Dislocatio ad peripheriam: Verschiebung der Fragmente mit Drehfehler. f Dislocatio ad implantatione: Verschiebung und Ineinanderstauchung der Fragmente. (Aus: Thelen M, Ritter G, Bücheler E. Radiologische Diagnostik der Verletzung von Knochen und Gelenken)
34.3
Grundlagen der Knochenund Frakturheilung
34.3.1
Primäre und sekundäre Knochenbruchheilung
Unter Heilung des Knochens versteht man die Wiederherstellung der knöchernen Stabilität und der Belastbarkeit des Knochens. Die Frakturheilung ist definiert als die Vereinigung der Bruchenden mit einer knöchernen Konsolidierung der Frakturfragmente. Prinzipiell wird zwischen einer primären und sekundären Knochenbruchheilung unterschieden.
. Abb. 34.4. Epiphysenverletzungen nach Aitken und Salter/Harris. (Aus: Bohndorf H, Imhof H. Radiologische Diagnostik der Knochen und Gelenke)
1097 34.3 · Grundlagen der Knochen- und Frakturheilung
Primäre Knochenbruchheilung Bei der primären (direkten) Knochenbruchheilung wachsen die aktivierten »Haver-Osteone« direkt von der einen Kortikalis in die andere. Voraussetzung dafür ist, dass die Fraktur über einen ausreichend langen Zeitraum anatomisch stabil ist. Nekrotische Knochenteile werden gleichzeitig von Osteoklasten aufgelöst. Die primäre Frakturheilung ist charakterisiert durch das Fehlen einer endostalen oder periostalen Kallusbildung, einer fehlenden Knochenresorption und einer direkten Knochenneubildung ohne den Schritt über ein Zwischengewebe. Die primäre Knochenbruchheilung kann in 2 unterschiedlichen Formen als so genannte Kontaktheilung oder Spaltheilung erfolgen: 4 Bei der Kontaktheilung beträgt der Frakturspalt nur wenige Mikrometer und durch einen bewegungsfreien Kontakt der beiden Frakturenden kommt es zur Bildung von stabilem Lamellenknochen. 4 Entstehen bei ebenfalls stabilen Bedingungen geringfügige Spalträume, kommt es zur Spaltheilung. Osteoblasten bilden zunächst Geflechtknochen, der später in stabileren axial ausgerichteten Lamellenknochen umgewandelt wird.
Sekundäre Knochenbruchheilung Unter sekundärer (indirekter) Knochenbruchheilung versteht man die Knochenheilung über Kallusformationen. Diese ist typisch für die konservative Frakturbehandlung oder die Heilung ohne mechanische Ruhigstellung und stellt die häufigere Form der Knochenbruchheilung dar. Die Fraktur heilt sekundär (indirekt) über die Phasen Hämatom, Granulations-, Bindegewebe, Knorpel, Geflecht- und Lamellenknochen ab. Phase 1 (1.–6. Tag): Im Frakturspalt entsteht zunächst ein Hämatom und ein Ödem, begleitet von entzündlichen Reaktionen in der unmittelbaren Umgebung der Fraktur. In der Phase 2 (6.–12. Tag) beginnen die Organisation und der Abbau des Blutkoagels. Aus den eröffneten Markräumen und vom Periost wächst Granulationsgewebe ein. Es kommt zur Invasion von Makrophagen, Fibroblasten, Osteoklasten und Osteoblasten. Das Hämatom wird zunehmend resorbiert und neue Knochensubstanz aufgebaut. Die 3. Phase (12.–21. Tag) ist charakterisiert durch die Bildung von Osteoidgewebe, welches in unregelmäßig angeordneten Geflechtknochen (Kallus) übergeht. Innerhalb der 4. Phase erfolgt die zunehmende Mineralisierung des osteoiden Gewebes. Knöcherner Kallus entsteht sowohl an der Perioststelle als auch an den Bruchenden innerhalb des Bruchspalts. Das Kallusgewebe des Bruchspalts ist ein Übergangsgewebe, das unter ausreichender Stabilität der Fraktur in lamellären Knochen umgebaut wird. Die knöcherne Konsolidierung einer Fraktur ist primär immer klinisch zu beurteilen, die röntgenologischen Zeichen »hinken hinterher«.
Zeichen einer knöchernen Konsolidierung 4 Klinische Zeichen: – Stabilität im Rahmen der klinischen Untersuchung – Schmerzfreiheit – Belastbarkeit 4 Radiologische Zeichen: – Kontinuierliche Überbrückung der Fraktur, kein Frakturspalt mehr nachweisbar. – Homogene Dichte des Frakturkallus. – Die Dichte des Frakturkallus ist vergleichbar mit der Dichte der Kortikalis. – Diese Zeichen müssen in 2 Ebenen reproduzierbar sein.
34.3.2
Komplikationen im Rahmen der Frakturheilung
Morbus Sudeck (Sudeck-Dystrophie) Definition, Pathogenese Unter Morbus Sudeck, auch Sudeck-Dystrophie genannt, versteht man eine neurovaskulär bedingte Durchblutungs- und Stoffwechselstörung am Knochen und im Bereich der Weichteile mit Entzündungscharakter von bislang nicht eindeutig geklärter Ätiologie. Zumeist liegt in der Krankengeschichte ein adäquates Trauma oder eine entsprechende Verletzung der betroffenen Extremität vor, welche zu einer Nervenirritation führt. Eine Fraktur ist hierbei nicht obligat. Auch entzündliche Prozesse oder eine psychische Labilität, wie eine Depression und Somatisierungszustände, können als Ursache fungieren.
Klinik, Bildgebung Typisch ist das Auftreten eines Symptomkomplexes mit folgenden Befunden: 4 Initiale (Weichteil-) Schwellung der betroffenen Extremität 4 Nächtlicher Ruhe- und Bewegungsschmerz 4 Temperaturregulationsstörung 4 Progrediente Bewegungseinschränkung Der klinische Verlauf des Morbus Sudeck ist charakterisiert durch 3 Stadien, wobei das Stadium I und II prinzipiell noch reversibel sind. Das Stadium III gilt als irreversibel. Aus diesem Grund sind eine Früherkennung und eine rasch einsetzende Therapie des Morbus Sudeck für die weitere Prognose des Patienten und zur Vermeidung einer Invalidität und Chronizität der Erkrankung entscheidend. Das Stadium I ist gekennzeichnet durch eine entzündlich imponierende, ödematöse Weichteilschwellung, mit teils bläulich livider und schwitzender Haut der betroffenen Extremität. Das Wachstum von Haaren und Nägeln ist deutlich gesteigert, zusätzlich tritt ein Bewegungsschmerz und initial auch ein charakteristischer Ruheschmerz auf. Konventionell-radiographisch können in der Anfangsphase noch keine Skelettveränderungen nachgewiesen werden. Lediglich ein prominenter Weichteilschatten kann auffallen.
34
1098
Kapitel 34 · Allgemeine Traumatologie
Das Stadium II setzt sich fort mit zunehmenden, trophischen Störungen der Haut, des angrenzenden Weichteilgewebes bis hin zur beginnenden Atrophie der Muskulatur. Die anfänglichen nächtlichen Ruhe- und Bewegungsschmerzen sind rückläufig. Im konventionellen Röntgenbild zeigt sich eine zunehmende, gelenknahe, fleckige Demineralisierung des Knochens. Nahezu zwingend sollte, zur Abgrenzung von möglichen Differenzialdiagnosen, ein Seitenvergleich durchgeführt werden. Das Stadium III endet mit der Schrumpfung der Weichteile und der gänzlichen Atrophie der Muskulatur sowie der progredienten Einsteifung des erkrankten Gelenks. Konventionell-radiographisch zeigt sich eine diffuse Osteoporose mit Verschmälerung der Kortikalis und Rarefizierung der Spongiosa. Ohne entsprechende Therapiemaßnahmen, in Form von primärer Ruhigstellung und medikamentöser Therapie, setzt sich die Demineralisierung des Knochens bis zum Erreichen eines Glasknochens fort.
Kompartment-Syndrom Definition, Pathogenese
34
Beim Kompartment-Syndrom kommt es zu einer Beeinträchtigung der neuromuskulären Funktion mit möglichen Folgen einer ischämischen Muskelnekrose und einer narbigen Muskelkontraktur, aufgrund eines erhöhten Gewebedrucks innerhalb einer intakten Muskelloge. Die Muskellogenkompression führt zu einem verminderten arteriellen und venösen Blutfluss, woraus eine Erhöhung der Kapillarpermeabilität mit Verstärkung der Ödembildung resultiert. Für die Entstehung eines Kompartment-Syndroms, die in etwa 80% die obere oder untere Extremität (z. B. Tibialis-anterior-Loge) betrifft, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: 4 Insgesamt erhaltene, intakte Muskelloge 4 Arterielle und venöse Abflussbehinderung mit progredienter Druckerhöhung 4 Verminderung der kapillaren Muskeldurchblutung 4 Erhöhung der Kapillarpermeabilität 4 Beeinträchtigung der neuromuskulären Funktion durch Ischämie von Muskeln und Gefäßen, mit möglichen Folgen einer irreversiblen Gewebeschädigung (narbige Muskelkontraktur)
Klinik Das klinische Bild ist gekennzeichnet durch eine zunehmende Muskelverhärtung, Spannungsgefühl und Weichteilschwellung. Hinzu kommen oftmals brennende prätibiale Schmerzen und sensomotorische Defizite, wie Sensibilitätsstörungen zwischen der 1. und 2. Zehe, Zehen- und Fußheberschwäche bis hin zum so genannten »Stepperfuß«, bei erhaltenen peripheren Pulsen. Wichtige Differenzialdiagnosen eines Kompartment-Syndroms sind: 4 Phlebothrombose 4 Phlegmasia coerulea dolens 4 Thrombophlebitis
Therapie Die Therapie eines manifesten Kompartment-Syndroms umfasst eine unverzügliche Behandlung in Form einer sofortigen Druckentlastung der Muskulatur, mittels einer Faszienspaltung. Eine Hochlagerung muss vermieden werden, um den arterio-venösen Druckgradienten nicht zu erniedrigen. Eine fehlende oder zu spät einsetzende Therapie mündet in einer ischämischen Muskelkontraktur.
Störungen der Frakturheilung Verzögerte Heilung (»delayed union«) versus Pseudarthrose Auslöser für eine gestörte Frakturheilung ist in erster Linie eine unzureichende Stabilität der Fraktur, mit schlechter Adaptation der einzelnen Frakturfragmente, bei konservativer wie auch operativer Versorgung eines knöchernen Traumas. Aber auch eine schlechte Durchblutung, Infektionen, Tumorerkrankungen und ausgedehnte Gewebstraumatisierungen können zu einer Beeinträchtigung der Frakturheilung führen. Prinzipiell gilt es jedoch, eine gestörte Knochenbruchheilung von einer Pseudarthrose zu unterscheiden. Das Überschreiten der durchschnittlichen Zeit der Frakturheilung bis auf etwa das Doppelte der charakteristischen Zeitspanne wird als gestörte Knochenbruchheilung bezeichnet. Eine Pseudarthrose liegt bei einer Zeitspanne von etwa 6– 8 Monaten vor, wenn weiterhin nur eine fibröse Verbindung zwischen den Frakturenden besteht und insofern klinisch als auch radiographisch keine knöcherne Konsolidierung besteht. Zu differenzieren ist hierbei die hypertrophe von der atrophen Pseudarthrose: 4 Bei der hypertrophen Pseudarthrose, die bis zu 90% aller Pseudarthrosen ausmacht, führt eine stetig anhaltende, mechanische Unruhe oder zu früh einsetzende Belastung zu einer ausbleibenden knöchernen Konsolidierung des Knochens. Eine Störung der Osteogenese in der chrondalen Phase und auch eine Zerstörung des Blastems sind als Ursachen hierbei zu definieren. Bei gut vaskularisierten Frakturenden manifestiert sich dies radiographisch in Form einer so genannten »Elephantenfußpseudarthrose« mit überschüssiger Kallusbildung, bei einer instabilen Plattenosteosynthese auch als »Pferdefußpseudarthrose« bezeichnet. 4 Besteht neben der Instabilität eine zusätzliche Durchblutungsstörung der Frakturenden mit teils nekrotischen Anteilen, kommt es zu einer atrophen Pseudarthrose. Typisch hierfür ist die fehlende Kallusbildung innerhalb des Frakturspalts. Im Frakturspalt befindet sich allenfalls gefäßloser Faserknorpel. Bei bestehenden Infektionen kann es zu einer Infektpseudarthrose kommen, welche eine Kombination einer atrophen Pseudarthrose mit einem gleichzeitigen Infekt darstellt.
35 35
Spezielle Traumatologie H.-P. Engels
35.1.1 35.1.2 35.1.3 35.1.4 35.1.5 35.1.6 35.1.7 35.1.8 35.1.9 35.1.10 35.1.11 35.1.12 35.1.13 35.1.14
Verletzungen des Schädels – 1100 Verletzungen des Gesichtsschädels – 1101 Unterkieferfrakturen – 1102 Verletzungen der Wirbelsäule – 1103 Verletzungen des Schultergürtels – 1107 Verletzungen des Ellenbogengelenks – 1109 Unterarmschaftfrakturen – 1112 Verletzungen des Handgelenks und der Hand – 1113 Verletzungen des Beckens – 1116 Verletzungen des Hüftgelenks – 1118 Verletzungen des Kniegelenks – 1122 Frakturen des Unterschenkels – 1124 Frakturen des distalen Unterschenkel und Sprunggelenks Verletzungen des Fußes – 1126
– 1124
1100
Kapitel 35 · Spezielle Traumatologie
Im Kapitel »spezielle Traumatologie« werden v. a. Frakturklassifikationen beschrieben, die aufgrund ihrer klinischen Bedeutung neben der AO-Klassifikation bestehen. Die Darstellung der gesamten AO-Klassifikation jeder einzelnen Fraktur, Angaben zur klinischen Untersuchung und insbesondere Beschreibungen der konservativen bzw. operativen Therapie würden den Rahmen dieses Buchs sprengen. So wird hierzu auch auf die unfallchirurgische und orthopädische Literatur verwiesen.
35.1.1
Verletzungen des Schädels
Verletzungen des knöchernen Schädels sind oftmals mit Verletzungen der intrazerebralen Strukturen kombiniert (Schädelhirntrauma = SHT), wobei natürlich die intrazerebralen Verletzungen prognostisch führend sind. Bei adäquatem Schädelhirntrauma und/oder Hochrasanztrauma ist die zerebrale CT (CCT) heute Methode der Wahl. Konventionelle Röntgenaufnahmen sind bei SHT mit Bewusstlosigkeit, bei neurologischen Symptomen oder bei schweren, äußeren Weichteilverletzungen obsolet. Zur Diagnostik von Schädelhirntrauma, intrakraniellen Verletzungen und Blutungen 7 Kap. 9.
35
Indikationen für bildgebende Verfahren 4 Indikationen für eine CT: – Initialdiagnostik bei: a) Schädelhirntrauma (zur Beurteilung der intracerebralen Strukturen, des Schädelskeletts und möglicher Blutungen) b) Schädelbasisfrakturen (mit multiplanaren Rekonstruktionen) c) Impressionsfrakturen der Schädelkalotte – Verlaufskontrollen von intrazerebralen Blutungen 4 Indikationen für eine MRT: – Sekundärdiagnostik bei Schädelhirntrauma (zur Beurteilung der intracerebralen Strukturen bzw. des Myelons) – Folgeerkrankungen eines Schädelhirntraumas (z. B. Meningitis, Abszesse)
Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen: 4 Liquorrhoe 4 Herniation von Hirngewebe in den Frakturspalt 4 Pneumozephalus 4 Infektion (Meningitis) ! Pitfalls sind bedingt durch normale und variante Knochenstrukturen (z. B. Gefäße, Suturen): Frakturlinien sind jedoch schärfer begrenzt, überschneiden Gefäße. Suturen und zeigen keinen sklerotischen Randsaum auf. Epidurale Hämatome treten häufig bei Frakturen auf, die die A. meningea media kreuzen.
Frakturen der Schädelbasis Schädelbasisfrakturen betreffen häufig das Orbitadach und das Felsenbein. Auch fortgeleitete Kalottenfrakturen werden beobachtet. Der Frakturverlauf ist von der Richtung der Gewalteinwirkung abhängig. Der Verdacht auf eine Schädelbasisfraktur sollte immer in der CCT abgeklärt werden. Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen (je nach Frakturlokalisation) sind: 4 Nervenverletzungen (z. B. N. opticus, N. occulomotorius, N. facialis) 4 Schallleitungsschwerhörigkeit oder sensoneurale Schwerhörigkeit 4 Optikus-/Chiasmaläsion 4 Liquorfistel/Liquorrhoe (meist an der Lamina cribrosa) 4 Intrakranielle Infektionen (Meningitis, Enzephalitis, Abszesse) 4 Carotisverletzung/Carotisaneurysma (Indikation zur CTAngiographie!) 4 Carotis-Sinus-cavernosus-Fistel (klinisch ggf. pulsierender Exophthalmus) 4 Hypophysenverletzung 4 Hirnstammverletzung
Frakturen der vorderen Schädelbasis In der Frontobasis sind kompakter Knochen und dünne Knochenlamellen direkt benachbart. So zeigen Frakturen der vorderen Schädelbasis oft ungewöhnliche Frakturverläufe. Klassifikation. Eine gebräuchliche Einteilung erfolgt nach Escher
Frakturen der Schädelkalotte Frakturen der Schädelkalotte werden nicht nach der AO-Klassifikation unterteilt. Es lassen sich nach Art und Schwere des Traumas 3 Typen unterscheiden: 4 Lineare Frakturen (Fissuren oder klaffende Frakturen): ca. 80% aller Kalottenfrakturen; vorwiegend temporoparietal, okzipital und frontal. 4 Splitter- oder Stückfrakturen (»mosaic fracture« oder »eggshell fracture«) treten als Folge schwerer Gewalteinwirkung auf. Zur genauen Fragmentdislokation muss eine CCT durchgeführt werden. 4 Impressions- oder Lochfrakturen sind meist durch Aufprall penetrierender Gegenstände verursacht (z. B. Schussverletzung). Hier ist die CCT auch zum Nachweis von intrakraniellem Fremdmaterial notwendig.
(. Tab. 35.1).
Frakturen der mittleren Schädelbasis Die Frakturen der mittleren Schädelbasis können ohne wesentliche Symptome auftreten. Eine Sonderform der Frakturen der mittleren Schädelbasis stellt die Impressionsfraktur des Kieferköpfchens dar, häufig nach einem direkten Trauma auf die Kinnspitze (z. B.Sturz). Klassifikation. Die Einteilung der Frakturen der mittleren Schä-
delbasis erfolgt deskriptiv.
Frakturen der Otobasis (latero-basal) Zu den Frakturen der Otobasis zählen die Felsenbeinlängs- und -querfraktur sowie gemischte Frakturen.
1101 35 · Spezielle Traumatologie
. Tab. 35.1. Klassifikation der Frakturen der vorderen Schädelbasis nach Escher
Typ
Definition
Typ I
Durch Gewalteinwirkung auf das obere Stirnbein entsteht eine Impressionsfraktur des Stirnbeins mit Trümmerfraktur der Vorder- und Hinterwand der Stirnhöhle sowie des Siebbeindachs.
Typ II
Durch Gewalteinwirkung auf Stirnhöhle und Nasenbeinwurzel entsteht eine Impressionsfraktur von Stirnhöhle und Siebbeinzellen.
Typ III
Gewalteinwirkungen auf das zentrale Mittelgesicht führen zu Querfrakturen in diesem Bereich (Einteilung der Mittelgesichtsfrakturen nach Le-Fort I–III).
Typ IV
Durch seitliche Gewalteinwirkung entsteht die laterofrontale Fraktur. Die Frakturlinie verläuft von lateral über das Dach der Augenhöhle zur Stirnhöhle.
Klassifikation. Die Felsenbeinlängsfraktur (ca. 70–80%) verläuft entlang der Längsachse der Felsenbeinpyramide. Sie beginnt im Bereich des Mastoids unter Einbeziehung des äußeren Gehörgangs, des Tegmen tympani (Dach des Mittelohrraums) und der Fossa temporomandibularis. Weiter verläuft sie in Richtung der Felsenbeinspitze, um in den Carotiskanal, das Foramen lacerum, das Foramen spinosum oder in den Canalis musculotubarius einzustrahlen. Alternativ kann sie weiter nach vorn zur Kante des Felsenbeins verlaufen. Die Gegend des Ganglion geniculi ist oft mit betroffen. Die Felsenbeinquerfraktur (ca. 20%) verläuft senkrecht zur Felsenbeinlängsachse. Sie läuft durch die Kuppe der Fossa jugularis, das Innenohr und die obere Pyramidenkante und kann dadurch zu Läsionen der Cochlea und des Vestibulums führten. Bei Felsenbeinquerfrakturen können Fazialisparesen mit einer Häufigkeit von ca. 50% auftreten. Bei Längsfrakturen beträgt die Häufigkeit von Fazialisparesen 15–25%. Letztlich können sich bei entsprechendem Trauma auch Mischformen der Felsenbeinlängs- und -querfraktur zeigen.
Frakturen der hinteren Schädelbasis Primäre Frakturen der hinteren Schädelbasis sind oft mit einer bereits primär tödlichen Verletzung des Hirnstamms vergesellschaftet und werden somit in der Klinik relativ selten beobachtet.
35.1.2
Verletzungen des Gesichtsschädels
Verletzungen des Gesichtsschädels treten zumeist als Folge von Verkehrsunfällen (ca. 70%) und Rohheitsdelikten (ca. 25%), seltener bei Stürzen auf das Gesicht (ca. 4%) auf. Klassifikation. Die Gesichtsschädelfrakturen werden unterteilt in 4 Mittelgesichtsfrakturen 4 Orbitafrakturen 4 Unterkieferfrakturen
> Mittelgesichts- und Orbitafrakturen, ggf. auch Fremdkörpersuche, stellen eine CT-Indikation dar, wobei dünne Schichten (1–2 mm) als triplanare Rekonstruktionen (axial, koronar und sagittal) angefertigt werden sollten.
Mittelgesichtsfrakturen Klassifikation. Da keine exakte AO-Klassifikation existiert, besteht weiter die Untergliederung in infrazygomatikale, zentrale, zentro-laterale und laterale Mittelgesichtsfrakturen. Zusätzlich existiert die Einteilung nach Le-Fort (transfaziale Frakturen) und nach Wassmund (. Abb. 35.1). Transfaziale Frakturen sind durch eine Instabilität und Beteiligung der Processus pterygoidei charakterisiert und müssen chirurgisch versorgt werden. Die Einteilung der Mittelgesichtsfrakturen erfolgt in: 4 Infrazygomatikale Mittelgesichtsfrakturen: 5 Sagittalfraktur 5 Alveolarsatzfraktur (5% aller Mittelgesichtsfrakturen) 5 LeFort-I-Fraktur: »flottierender Gaumen«; hierbei wird der Processus alveolaris vom Rest der Maxilla separiert; zusätzlich Fraktur aller Wände des Sinus maxillaris im kaudalen Anteil. 4 Zentrale Mittelgesichtsfrakturen: 5 Nasenbeinfraktur 5 Fraktur des Processus frontalis maxillae 5 Fraktur Wassmund I 5 LeFort-II-Fraktur ( Wassmund II): zeltförmige Fraktur mit Abtrennung des zentralen Mittelgesichts 4 Zentro-laterale Mittelgesichtsfrakturen:
5 Fraktur Wassmund II 5 LeFort-III-Fraktur ( Wassmund IV): Trennung von Gesichts- und Hirnschädel.
4 Laterale Mittelgesichtsfrakturen:
5 Isolierte Jochbogenfraktur (ca. 10% aller Mittelgesichtsfrakturen) 5 Isolierte Orbitabodenfraktur und/oder Margo infraorbitalis 5 »tripod fracture« (ca. 40% aller Mittelgesichtsfrakturen): – Aussprengung oder Fraktur des Jochbogens – Fraktur des lateralen Orbitapfeilers und der lateralen Orbitawand – Fraktur der posterolateralen Wand des Sinus maxillaris, meist auch der anterioren Wand des Sinus maxillaris und des Orbitabodens.
4 Kraniofasziale Trümmerfraktur 4 Panfasziale Trümmerfraktur
Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen: 4 Schädelhirntrauma (20–60%) 4 Verletzungen des Achsenskeletts (ca. 10%) 4 Sensibilitätsstörung (v.a. N. infraorbitalis) 4 Sehstörungen posttraumatisch 4 Okklusionsstörungen bei nicht oder unzureichender Reposition der Fraktur 4 Verletzung des Ductus nasolacrimalis 4 Kosmetische Entstellung 4 Infektion (Meningitis) 4 Posttraumatische Mukozelen der Nasennebenhöhlen
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1102
Kapitel 35 · Spezielle Traumatologie
dünnsten Orbitawände (Orbitaboden, mediale Orbitawand) in den Sinus maxillaris bzw. ethmoidalis führt. Als »blow-in-fracture« werden Orbitawandfrakturen bezeichnet, in denen ein Fragment in den Orbitatrichter verlagert wird.
Übersichtsradiographischer Hinweis für eine Orbitafraktur 4 Verschattung/Spiegelbildung im Sinus maxillaris 4 Absenkung des Orbitabodens 4 »Hängender Tropfen« am Kieferhöhlendach (bei Orbitabodenfrakturen) 4 Orbitaemphysem 4 Sprengung der Sutura frontozygomatica (»tripod fracture«)
Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen: 4 Doppelbilder durch Motilitätstörungen (Schädigung der äußeren Augenmuskeln) oder durch Bulbusverlagerung (traumatischer Exophthalmus) 4 Rhinoliquorrhoe 35.1.3
35
Unterkieferfrakturen
Unterkieferfrakturen können isoliert, als Mehrfachfrakturen (ca. 50–60%) oder in Kombination mit Mittelgesichtsfrakturen auftreten. Definitionsgemäß sind Frakturen, deren Bruchspalt durch eine zahntragende Alveole geht, als offene Frakturen anzusehen. Häufigste Traumaursache ist ein Verkehrsunfall, gefolgt von Rohheitsdelikten und Sportunfällen. Über 60% der Patienten sind junge Männer. Übersichtsradiographischer Hinweis für eine Fraktur 4 Okklusionsstörungen 4 Zahndislokation 4 Vergrößerungszeichen (»magnification sign«): bei Unterkiefer-Dreifachfrakturen ist der Unterkieferbogen zu weit und passt nicht zu dem Oberkieferzahnbogen
. Abb. 35.1. Frakturen des Gesichtsschädels nach Le-Fort und Wassmund. a Le-Fort-I-Fraktur (infrazygomatikale Mittelgesichtsfraktur); b und c zentrale Mittelgesichtsfrakturen: b Wassmund-I-Fraktur; c Le-FortII-Fraktur Wassmund II-Fraktur; d und e zentrolaterale Mittelgesichtsfrakturen: d Wassmund-III-Fraktur; e Le-Fort-III-Fraktur Wassmund-IVFraktur; f »tripod fracture« (laterale Mittelgesichtsfraktur)
Orbitafrakturen Klassifikation. 50% aller Orbitafrakturen liegen im Rahmen einer »tripod fracture« vor. Als Sonderformen gelten die Orbitabodenfrakturen, die »blow out«- und »blow in«-Frakturen. Isolierte »blow-out-fractures« sind mit ca. 10% selten. Als »blow-out-fracture« werden Frakturen bezeichnet, bei denen eine plötzliche Druckerhöhung im Orbitatrichter (z. B. durch Faustschlag, Ball auf das Auge) zu einer Dislokation der
Klassifikation. Die Unterkieferfrakturen werden meist nach ana-
tomischen Gesichtspunkten unterteilt (. Abb. 35.2): 4 Frakturen des Corpus mandibulae einschließlich des Processus alveolaris (Frakturen innerhalb der Zahnreihe oder hinter dem letzten vorhandenen Zahn) (ca. 30–40%) 4 Frakturen des Angulus mandibulae (ca. 25–30%) 4 Frakturen des Ramus ascendens (ca. 3–9%) 4 Frakturen des Processus muscularis (ca. 1–2%) 4 Frakturen des Processus condylaris (ca. 15%) Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen: 4 Frakturbeteiligung des Mittelgesichts/Neurokraniums 4 Osteomyelitis 4 Pseudarthrose 4 Okklusionsstörungen
1103 35 · Spezielle Traumatologie
. Abb. 35.2. Frakturen des Unterkiefers
! Pitfalls: 4 Im Bereich des Kieferwinkels durch den Luftspalt des Pharynx (OPG, seitl. Schädel) 4 Durch Kalzifikationen des Lig. stylohyoideum 4 Durch die Wachstumsfuge der Unterkiefersymphyse (im 1. und 2. Lebensjahr) 4 Im Kinnbereich durch die Aufhellungslinie eines horizontal verlaufenden Zwischenwirbelraums (so kann eine Alveolarfortsatzfraktur vorgetäuscht werden)
35.1.4
Verletzungen der Wirbelsäule
Die Verletzungen der Wirbelsäule können auf jedem Niveau auftreten. Aufgrund der unterschiedlichen Beweglichkeit einzelner Wirbelsäulenabschnitte treten Wirbelsäulenverletzungen jedoch v. a. in der oberen HWS (HWK 1–HWK 2) und in den Übergangsregionen zwischen stark beweglichen und relativ starren Wirbelsäulenabschnitten (HWK 5–7/BWK 1, thorakolumbaler Übergang, d. h. BWK 12–LWK 2) auf. Verschiedene Unfallmechanismen führen zur Krafteinwirkung auf Bewegungssegmente durch folgende Mechanismen: 4 Kompression 4 Hyperflexion 4 Hyperextension 4 Rotation 4 Translation 4 Distraktion Meistens liegt eine Kombination dieser Verletzungsmechanismen vor. In Abhängigkeit von der Schwere des Traumas können Weichteilverletzungen, ligamentäre und/oder ossäre Läsionen auftreten. Klassifikation. Gebräuchlich ist die Einteilung nach Unfallme-
chanismen.
Bei starken Flexionstraumata kann es neben ossären Läsionen zu einer Zerreißung des dorsalen Ligamentkomplexes (supra- und intraspinale Ligamente, hinteres Längsband, Ligg. flava, der Wirbelbogengelenkkapseln, ggf. auch dorsaler Anteil des Anulus fibrosus) kommen. Zu den Flexionsfrakturen zählen: 4 Kompressionsfrakturen (Keilwirbelbildung) ohne Beteiligung der Wirbelkörper-Hinterkante (stabil). 4 Berstungsfrakturen: Hierbei kommt es zu einer Höhenminderung der Wirbelkörper-Vorderkante verbunden mit einer Berstung der Wirbelkörper-Hinterkante. Je nach Dislokation der Hinterkantenfragmente in den Spinalkanal kommt es zur neurologischen Symptomatik. 4 Schipper-Fraktur (Kohleschaufler-Fraktur): Hier handelt es sich um eine stabile Avulsionsfraktur der Dornfortsätze (v. a. HWK 6, HWK 7 oder BWK 1). 4 Tränentropfen-Fraktur (»flexion tear drop fracture«; . Abb. 35.3): Ein Riss des vorderen Längsbandes führt zu einer Avulsionsfraktur eines tränenförmigen Fragments an der anterioren Wirbelkörper-Bodenplatte mit Dislokation des Wirbelkörpers nach dorsal. Die Fraktur tritt v. a. in der unteren HWS auf (ca. 70% bei HWK 5). Sie ist zumeist völlig instabil und führt unbehandelt häufig zum Querschnitt (ca. 80%). 4 Chance-Fraktur (»seat belt injuries«) als Folge axialen Zugs bei Flexion um eine Drehachse ventral des Lig. longitudinale anterius (. Abb. 35.3). 4 Anteriore (Sub-)Luxation: Eine Ruptur des posterioren Bandkomplexes führt zur Ventralkippung und geringen Antelisthese eines WK sowie zur Dehiszenz der Dornfortsätze (»fanning«). 4 Bilaterale Facettengelenkluxation (Blockade): Hierbei handelt es sich um eine discoligamentäre Verletzung, wobei der dorsale Ligamentkomplexes, der Discus und das vordere Längsband betroffen sind. Dies ist mit einer Facettengelenksluxation vergesellschaftet. Sie ist somit instabil. Zu den Extensionsfrakturen zählen die 4 Anteriore Avulsionsfraktur (»extension tear drop fracture«): Ein Zug am vorderen Längsbad führt zu einem tränenförmigen Fragment der anterior-inferioren oder anterior-superioren WK-Kante. Meist obere HWS betroffen (HWK 2). 4 Posteriore (Sub-)Luxation: Hierbei zeigt sich eine Ruptur des vorderen und hinteren Längsbandes, eine Ruptur des Discus oder eine Abrissfraktur der benachbarten WirbelkörperGrundplatte. Dies führt zu einer Instabilität, die übersichtsradiographisch beim liegenden Patienten nicht eindeutig sichtbar sein muss! 4 Traumatische Spondylolyse des HWK 2 (»hangman’s fracture«, Erhängungsfraktur): s. u. Zu den Rotationsfrakturen zählt die: 4 Unilaterale Facettengelenkblockade: Diese Verletzung tritt bei gleichzeitiger Rotation und Hyperflexion auf und ist mit einer Ruptur des hinteren ligamentären Komplexes und des Anulus fibrosus verknüpft. Häufig treten begleitend Frakturen der Gelenkfortsätze auf.
35
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Kapitel 35 · Spezielle Traumatologie
. Abb. 35.3. Chance-Fraktur (a) und »flexion tear drop fracture« (b)
a
35
b
Die durch Translation bedingten Frakturen treten bei schräg oder horizontal einwirkenden Kräften auf, zeigen meist komplexe Frakturverläufe und betreffen meist den thorakolumbalen Übergang. Neben der Unterscheidung nach der Art der Krafteinwirkung können die thorakolumbalen Wirbelsäulenfrakturen nach der AO-Klassifizierung eingeteilt werden. Diese basiert auf den 3 wichtigsten bei einem Unfall typischerweise auftretenden Krafteinwirkungen (. Abb. 35.4): 4 Typ-A-Verletzung: Druckkräfte führen zu Kompressionsund Berstungsfrakturen 4 Typ-B-Verletzung: Zugkräfte führen zu transversale Zerreißungen 4 Typ-C-Verletzung: axiale Torsionen führen zu Rotationsverletzungen Zur Beurteilung der posttraumatischen Reststabilität wird bis heute in der Wirbelsäulen-Traumatologie für die thoracolumbale Wirbelsäule das 3-Säulen-Konzept von Denis verwendet (. Abb. 35.5). So wird die Wirbelsäule in eine vordere, mittlere und hintere osteoligamentäre Säule unterteilt:
a
b
4 Die vordere Säule besteht aus den ventralen zwei Dritteln von Wirbelkörper und Discus sowie dem Lig. longitudinale anterius. 4 Die mittlere Säule setzt sich aus dem dorsalen Wirbelkörper/Bandscheiben-Drittel und dem Lig. longitudinale posterius sowie den Bogenwurzeln zusammen. 4 Die Wirbelbögen mit den Zwischenwirbelgelenken sowie die dorsalen Bandstrukturen (Ligg. intraspinalia, supraspinalia und flava) bilden die dorsale Säule. McAfee et al. haben die Denis-Klassifikation leicht modifiziert. Hier steht die Analyse der mittleren Säule in der CT im Mittelpunkt. Es werden 6 Gruppen unterschieden: 4 Einfache Keilfraktur mit Verletzung der vorderen Säule 4 Stabile Berstungsfraktur mit Verletzung der vorderen und mittleren Säule durch axiale Krafteinwirkung 4 Instabile Berstungsfraktur mit zusätzlicher Verletzung der hinteren Säule 4 Chance-Fraktur (s. o.) 4 Flexions-Distraktions-Fraktur bei Flexion um eine Drehachse dorsal des Lig. longitudinale anterius. Hierbei kommt es
c
. Abb. 35.4. Krafteinwirkungen auf die Wirbelsäule. a Typ-A-Verletzung: Kompressionsverletzung b Typ-B-Verletzung: Flexions-Distraktionsverletzung c Typ-C-Verletzung: Rotationsverletzung
1105 35 · Spezielle Traumatologie
5 auf Höhe HWK 2 max. 2 mm 5 auf Höhe HWK 3/4 max. 5 mm 5 auf Höhe HWK 6 max. 22 mm Instabilitätskriterien für die HWS/obere BWS: 4 Wirbelkörper-Kompression >50% oder Erweiterung des Zwischenwirbelraums 4 >11° Angulierung zwischen zwei benachbarten Wirbeln 4 Horizontale Verschiebung zwischen zwei benachbarten Wirbeln >3,5 mm 4 Dehiszenz der Dornfortsätze (»fanning«) 4 >50% Abgleiten der Gelenkfläche (»Zeichen der nackten Gelenkfacette«)
. Abb. 35.5. 3-Säulen-Konzept nach Denis, a ventrale Säule; b mittlere Säule; c hintere Säule
ventral der Drehachse, an der vorderen Säule zu Kompressionsverletzungen, an der mittleren und hinteren Säule zu Distraktionsverletzungen. 4 Translationsverletzung bei horizontaler Krafteinwirkung mit seitlicher Verschiebung von Wirbelsäulenanteilen aus der Wirbelsäulenachse. > Sowohl bei der Klassifikation nach Denis als auch nach McAfee hängt die Stabilität der Wirbelsäule von der Integrität der mittleren Säule ab.
Instabilitätskriterien für die untere BWS/LWS: 4 Beteiligung der Wirbelkörperhinterkante (mittlere Säule), wobei die Höhendifferenz zwischen Wirbelkörpervorder- und -hinterkante maximal 2 mm beträgt. 4 Posttraumatische Kyphosierung >30° 4 Instabilität des knöchernen Thorax (z. B. Sternum-, Rippen-Serienfraktur, kostovertebrale Dislokation)
Begleitverletzungen/Komplikationen: Begleitende Schädigungen des Rückenmarks treten in ca. 10–15% der Fälle auf. Hier sind die untere HWS (ca. 40%), die mittlere BWS (ca. 10%) und der thoracolumbale Übergang (ca. 5%) mit absteigender Häufigkeit betroffen.
Klassifikation. Die AO-Klassifikation weicht bei der HWS von
der Einteilung der übrigen Wirbelsäulenabschnitte ab und sieht eine segmentale Unterscheidung vor. Wegen der grundsätzlich anderen anatomischen Form des Atlas und Axis werden diese nochmals gesondert klassifiziert.
Atlanto-okziptale Dislokation Bei der atlanto-okzipitalen Dislokation kommt es durch ein extremes Hyperextensionstrauma zu einer Zerreißung der sehr kräftigen atlanto-okzipitalen Bänder. So sind die Okzipitalkondylen gegen die Atlasbögen (meist nach ventral) verschoben und die Distanz zwischen Schädelbasis und dorsalen Atlasbögen vergrößert. Diese Verletzung ist sehr selten und fast immer letal. Auf Übersichtsradiographien können hier die Messmethoden nach Powers und Lee (. Abb. 35.6) hilfreich sein, die jedoch aufgrund der genaueren und oft schon initial angefertigten CTDiagnostik in den Hintergrund gerückt sind.
Atlanto-axiale Subluxation und Dislokation Hier zeigt sich ein Malalignment zwischen Atlas und Axis mit Dislokation des Atlas nach ventral. In der Regel geht diese Verletzung mit einer Densfraktur einher. Bei fehlender Densfraktur kann es sich um eine pathologisch Veränderung des Lig. transversum infolge Trauma, Entzündung (z. B. rheumatoide Arthritis) oder kongenitaler Anomalie handeln.
Halswirbelsäule
> Der Abstand zwischen dorsaler Kante des vorderen Atlasbogens und der Densvorderkante darf beim Erwachsenen 2,5–3 mm und beim Kind 3–4 mm nicht überschreiten.
Ca. 65% aller Wirbelsäulenverletzungen liegen im Bereich der HWS. Übersichtsradiographisch ist bei der HWS zu achten
Rotatorische atlanto-axiale Dislokation
auf:
4 Homogener und nicht unterbrochener Verlauf des Alignements der Wirbelkörpervorder- und -hinterkanten sowie der spinolaminären Linie. 4 Interlaminare Distanz (Abweichung zwischen 2 Segmenten <2 mm; im Segment C2/3 kann sie etwas größer sein). 4 Korrekte Stellung aller Facettengelenke. 4 Prävertebraler Weichteilschatten beim Erwachsenen:
Bei der rotatorischen atlanto-axialen Dislokation kann es aufgrund forcierter Drehbewegungen des Kopfs zu einer Ruptur des Kapselapparats eines oder auch beider lateralen, atlanto-axialen Gelenke (mit oder ohne ossären Ausriss) kommen. Dies führt zu einer reversiblen oder fixierten, uni- oder bilateralen Dislokation der Massae laterales atlantis. Klinisch zeigt sich das Bild eines traumatischen Schiefhalses. Der Kopf ist zur Seite geneigt und zur Gegenschulter gedreht.
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Kapitel 35 · Spezielle Traumatologie
a
a
b b . Abb. 35.6a, b. Messmethoden nach Powers-Lee zum Ausschluss der atlanto-okzipitalen Dislokation. a Messmethode nach Powers: BC:OA ≤1; b Messmethode nach Lee: A-A’ tangiert spinolaminären Punkt HWK 1; D-D’ tangiert oder schneidet den Dens max. 5 mm
. Abb. 35.7. Jefferson-Fraktur
Frakturen des Atlasbogens
4 Typ III: Densbasisfraktur, häufig mit Beteiligung der atlantoaxialen Gelenkflächen (90% nach ventral disloziert)
35 Singuläre Frakturen des vorderen Atlasbogens sind selten und treten meist bei Extensionstraumen auf. Meist handelt es sich um stabile Transversalfrakturen. Frakturen des hinteren Atlasbogens sind typische Extensionsverletzungen. Aufgrund der ausgedehnten ligamentären Verbindungen sind Fragmentdislokationen sehr selten und nur gering ausgeprägt.
Kombinierte Atlasbogenfraktur (»Jefferson-Fraktur«) Die Jefferson-Fraktur (. Abb. 35.7) tritt bei massiver axialer Gewalteinwirkung bei aufrechter Kopfhaltung auf (Verkehrs- oder Badeunfälle). Hierbei kommt es zu einer beidseitigen, symmetrischen Fraktur des vorderen und hinteren Atlasbogens, verbunden mit einer Ruptur des Lig. transversum atlantis. Eine Dislokation der Massae laterales ist gleichzeitig Zeichen einer Instabilität. Bei einer übersichtsradiologisch sichtbaren, lateralen atlanto-dentalen Distanz von über 5 mm ist von einer Ruptur des Lig. transversum auszugehen.
Frakturen des Processus odontoideus (Densfraktur) Densfrakturen können Folge von Hyerflexions- und seltener auch von Hyperextensionstraumata sein. Sie machen ca.12% aller HWS-Frakturen aus. Klassifikation. Die Densfrakturen werden üblicherweise nach Anderson und D’Alonzo eingeteilt:
4 Typ I: stabile Avulsionsfraktur der Densspitze durch Avulsion der Ligg. alaria (sehr selten, häufiger nach ventral als nach dorsal disloziert) 4 Typ II: instabile Denshalsfraktur (Isthmusfraktur)
Da die Typ-I-Fraktur eine Rarität ist, wird häufig nur noch von einer oberen (entspricht Typ-II-Fraktur) und einer unteren (entspricht Typ-III-Fraktur) Densfraktur gesprochen. Bei konservativer Therapie können Pseudarthroseraten in 20–80% der Fälle (v.a. bei Typ-II-Frakturen) auftreten. ! Eine fehlende Fusion des Os terminale des Dens kann eine Typ-I-Fraktur, eine fehlende Fusion von Dens (Os odontoideum) und Axis eine Typ-II-Fraktur vortäuschen.
Traumatische Spondylolyse des HWK 2 (»hangman’s fracture«, Erhängungsfraktur) Bei der »hangman’s fracture« handelt es sich um eine beidseitige Bogenwurzelfraktur des Axis im Isthmusbereich als Folge eines Hyperextensionstraumas. Klassifikation. Je nach Beteiligung des diskoligamentären Komplexes HWK 2/3 werden 3 Schweregrade nach Effendi unterschieden: 4 I: ohne oder mit geringer Dislokation (Listhese HWK 2 gegenüber HWK 3 <3 mm nach vorne, Bandscheibe intakt) 4 II: mit mäßiger Dislokation (Listhese >3 mm, Angulation HWK 2/3 >15°); instabil! 4 III: mit massiver Dislokation in Flexion (ausgeprägte Antelisthese und Luxationsfehlstellung der Intervertebralgelenke HWK 2/3); äußerst instabil!
1107 35 · Spezielle Traumatologie
HWK 2/3-Dislokation HWK 2/3-Dislokationen können bei Extensions- oder Flexionstraumata auftreten. Sie sind Ausdruck der Instabilität aufgrund der Zerreißung des jeweils betroffenen Bandapparats mit oder ohne begleitende Fraktur.
35.1.5
Verletzungen des Schultergürtels
Claviculafrakturen Epidemiologie, Pathogenese Claviculafrakturen nehmen 5–15% aller Frakturen ein. Ca. 80% der Claviculafrakturen treten aufgrund eines indirekten Traumas (z. B. Sturz auf die Schulter oder den gestreckten Arm) auf, nur ca. 20% haben ein direktes Trauma als Ursache. Aufgrund der Geometrie und Rigidität gegenüber Flexion und Torsion ist das mittlere Claviculadrittel in ca. 80% betroffen, das acromiale in ca. 15% und das sternale Drittel in ca. 5% der Fälle. Klassifikation. Nach Neer werden bei der lateralen Claviculafraktur 2 Typen unterschieden: 4 Typ I: Fraktur lateral der korako-klavikulären Bänder und damit stabil 4 Typ II: mediales Fragment nicht mehr durch die korako-klavikulären Bänder stabilisiert, damit Dislokation und Gefahr der Pseudarthrose
Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen: 4 Bei Hochrasanztraumen: Thoraxtrauma (Rippenfraktur, Hämato-/Pneumothorax) 4 Neurovaskuläre Begleitverletzungen (Plexus brachialis, A. subclavia) 4 Neurovaskuläre Kompression durch überschießende Kallusbildung oder sekundäre Fragmentdislokation 4 Pseudarthrosenbildung
Verletzungen des Acromioclaviculargelenks
Claviculaende nach kranial, seltener nach dorsal luxiert. Die acromioclavicularen Luxationen entstehen meistens durch ein direktes Trauma (z. B. starker Stoß auf das Acromion), nur selten durch ein indirektes Trauma (z. B. Sturz auf das gebeugte Ellenbogengelenk). Leichte Traumata führen zu einer Kapselruptur. Mit zunehmendem Schweregrad des Traumas kommt es zu einer Läsion/Ruptur des Lig. acromioclaviculare und schließlich zur Ruptur des Lig. coracoclaviculare (Pars coronoidea und Pars trapezoidea). Ein typisches klinisches Zeichen ist das »KlaviertastenPhänomen«, hierbei handelt es sich um eine vermehrte federnde Beweglichkeit der distalen Clavicula gegenüber dem Acromion. Klassifikation. In der Klassifikation nach Tossy werden die Verletzungen in 3, nach Rockwood in 6 Schweregrade unterteilt (. Abb. 35.8, . Tab. 35.2). > Ggf. Panoramaaufnahme zum Seitenvergleich mit Gewichten (nach Ausschluss einer Claviculafraktur!). Tossy-1-Verletzungen sind oft übersichtsradiographisch stumm.
Scapulafrakturen Frakturen der Scapula sind sehr selten (ca. 1% aller Frakturen) und entstehen zumeist durch direkte Gewalteinwirkung eines Hochrasanztraumas. Klassifikation. Scapulafrakturen sind in der AO-Klassifikation
nicht berücksichtigt. Sie können anhand der Anatomie eingeteilt werden in: 4 Korpusfrakturen 4 Randfrakturen 4 Coracoidfrakturen 4 Acromionfrakturen 4 Collumfrakturen 4 Glenoidfrakturen
Ca. 12% aller Luxationen im Schulterbereich betreffen das Acromioclaviculargelenk (AC-Gelenk), hierbei wird das laterale
. Tab. 35.2. Klassifikation der Acromioclaviculargelenksverletzungen nach Tossy und Rockwood
Tossy
Rockwood
Ligamentruptur
Dislokation der Clavicula
AC-Gelenkspaltweite
Coraco-claviculäre Distanz
I
I
Kapselruptur
Keine
0,3–0,8 mm (normal)
10–13 mm (normal)
II
II
Kapselruptur + Lig. acromioclaviculare
Subluxation
10–15 mm
+25–50%
III
III
Kapselruptur + Lig. acromioclaviculare + Lig. coracoclaviculare
Cranial
>15 mm
> +50–200%
III
IV
Kapselruptur + Lig. acromioclaviculare + Lig. coracoclaviculare
In oder durch den M. trapezius
Variabel
Variabel
III
V
Kapselruptur + Lig. acromioclaviculare + Lig. coracoclaviculare
Extreme Vertikalverlagerung
Extrem verbreitert
>200%
III
VI
Kapselruptur + Lig. acromioclaviculare + Lig. coracoclaviculare
Nach caudal (subacromial oder subcoracoidal)
Verbreitert
Inverse Verhältnisse
35
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Kapitel 35 · Spezielle Traumatologie
35
. Abb. 35.8. Verletzungen des AC-Gelenks nach Rockwood
Des Weiteren existiert eine Klassifikation nach Ada und Miller (. Abb. 35.9): 4 I A: Acromion 4 I B: Spina 4 I C: Coracoid 4 II A–C: Collum 5 II A: vertikal, nur Collum 5 II B: vertikal, durch Spina verlaufend 5 II C: horizontal verlaufend 4 III: Glenoid 4 IV: Corpus Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen sind: 4 Verletzung des Plexus brachialis 4 Verletzung der A. und V. subclavia 4 Verletzung des N. suprascapularis 4 Rotatorenmanschettenverletzungen 4 Schulterluxation
Schulterluxationen Die Schulter ist das am häufigsten von Luxationen betroffene Gelenk (>50%). Schulterluxationen treten v. a. bei jungen Er-
wachsenen auf. Meist führen hierzu indirekte Gewalteinwirkungen, die auf den Arm einwirken. Klassifikation. Die Schulterluxationen werden nach der Luxationsrichtung eingeteilt: 4 Anteriore Luxation (ca. 95%)
5 5 5 5
Luxatio subcoracoidea Luxatio subglenoidalis Luxatio subclavicularis Luxatio interthoracica
4 Posteriore Luxation (ca. 2–4%)
5 Luxatio subacromialis 5 Luxatio infraspinata 5 Luxatio subglenoidalis 4 Superiore Luxationen (sehr selten) 5 Luxatio supracoroidea 4 Inferiore Luxationen (sehr selten) 5 Luxatio axillaris erecta 5 Luxatio axillaris horizontalis
1109 35 · Spezielle Traumatologie
Klassifikation. Neben der AO-Klassifikation ist die Einteilung nach Neer die gebräuchlichste. Neer unterteilt den proximalen
Humerus in 4 anatomische Segmente: 4 Humeruskopf (artikuläres Segment) 4 Humerusschaft (Humerusmetaphyse) 4 Tuberculum minus 4 Tuberculum maius Für die Frakturklassifikation nach Neer (. Abb. 35.10) werden nur die dislozierten Hauptfragmente gezählt, unabhängig von der Anzahl der Frakturlinien. Ein Fragment gilt als disloziert, wenn eine Verschiebung >1 cm oder ein Abkippen von >45° beobachtet wird. Liegt keine Dislokation vor, handelt es sich um eine onepart-fracture (ca. 80% der proximalen Humerusfrakturen).
. Abb. 35.9. Scapulafrakturen nach Ada und Miller (Erklärung im Text)
Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen: 4 Ruptur/Thrombose der A. axillaris (ca. 5% bei 4-part-fractures) 4 Verletzung der Aa. circumflexae ant. und post. (→ avaskuläre Humeruskopfnekrose!) 4 Schädigung des Plexus brachialis (v. a. posteriorer Ast) mit entsprechenden sensomotorischen Ausfällen 4 Verletzung des N. axillaris mit Parese des M. deltoideus und sensiblen Ausfällen (bei komplexen Frakturen bis zu 30%) 4 Rotatorenmanschettenverletzung
Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen:
Humerusschaftfrakturen Bei vorderen Luxationen: 4 Hill-Sachs-Läsion (Humeruskopfimpression) im dorsolateralen Rand des Humeruskopfs 4 Bankart-Läsion (Abriss des vorderen Labrum-Kapsel-Komplexes in variabler Ausdehnung), evtl. auch als ossärer Ausriss bzw. als vordere Pfannenrandfraktur 4 Fraktur des Tuberculum majus 4 Rotatorenmanschettenverletzung (v. a. bei über 40-Jährigen) 4 Axillarisläsion 4 Partielle Plexusläsion Bei hinteren Luxationen: 4 Reverse Hill-Sachs-Läsion im vorderen Humeruskopfbereich (»trough-line-Zeichen«) 4 Bankart-Läsion im hinteren Pfannenrandbereich
Humerusschaftfrakturen treten bei direkter Krafteinwirkung (z. B. Arbeits- und Verkehrsunfälle) oder bei indirekter Krafteinwirkung (z. B. Sturz auf den Arm) auf. Auch eine forcierte Rotation des gesamten Arms kann zu einer Humerusschaftfraktur führen. Klassifikation. Die Einteilung erfolgt nach der AO-Klassifikation.
Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen: 4 N. radialis-Verletzungen, insbesondere bei Frakturen des mittleren Humerusschaftdrittels (bis ca. 18%) 4 Verletzungen der A. brachialis 4 Begleitverletzung des Unterarms oder der Schulter in ca. 25% 4 Pseudarthrose 35.1.6
Verletzungen des Ellenbogengelenks
Bei einer Luxatio erecta: 4 Fraktur des Tuberculum majus mit 4 Abriss des Labrum-Kapsel-Komplexes 4 Rotatorenmanschettenruptur (v. a. bei über 40-Jährigen)
Zu den Verletzungen des Ellenbogens werden distale Humerusfrakturen, Ellenbogenluxationen und Frakturen des proximalen Unterarms gezählt.
Proximale Humerusfrakturen
Distale Humerusfrakturen
Zu den proximalen Humerusfrakturen zählen Frakturen des Humeruskopfs, des Tuberculum minus, des Tuberculum majus sowie Frakturen des Collum chirurgicum. Proximale Humerusfrakturen machen ca. 4–5% aller Frakturen aus. Im jüngeren Alter sind proximale Humerusfrakturen meist durch ein schweres direktes Trauma (z. B. Verkehrs-, Sport-, Reitunfall), bei älteren Menschen durch Sturz auf die Schulter oder den ausgestreckten Arm bedingt. Selten können diese Frakturen auch bei GrandMal-Anfällen oder bei Elektroschocks auftreten.
Zu den distalen Humerusfrakturen zählen extraartikuläre und intraartikuläre Frakturen. Die epi- und suprakondylären Frakturen liegen extraartikulär, die monokondylären und die interkondylären Frakturen sowie die Capitulum humeri-Fraktur liegen intraartikulär. Insgesamt machen die distalen Humerusfraktur ca. 2–3% aller Frakturen aus. Suprakondyläre Frakturen treten meist bei einem Sturz auf den Vorderarm bei Ellenbogenflexion mit nach dorsal gerichteter Krafteinwirkung auf, intraartikuläre Frakturen und Trümmerfrakturen meist durch direkte
35
1110
Kapitel 35 · Spezielle Traumatologie
35
. Abb. 35.10. Frakturen des proximalen Humerus nach Neer
1111 35 · Spezielle Traumatologie
Gewalteinwirkung oder indirekte Stauchung (z. B. Sturz auf den ausgestreckten Arm). Klassifikation. Die Einteilung der distalen Humerusfrakturen erfolgt anatomisch orientiert nach den AO-Kriterien wie folgt. 4 A: extraartikuläre Frakturen 4 B: intraartikuläre monokondyläre Frakturen 4 C: intraartikuläre bikondyläre Frakturen
Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen: 4 Neurovaskuläre Begleitverletzung (N. ulnaris, N. radialis medianus, A. brachialis) 4 Ossäre und ligamentäre Begleitverletzung des Ellenbogens 4 Fragmentnekrose bzw. Resorption
Ellenbogenluxationen Nach der Luxation des Schultergelenks (s. o.) und der Fingergelenke folgt der Ellenbogen beim Erwachsenen als dritthäufigster Ort für Luxationen (ca. 20% aller Luxationen). Stürze auf den gestreckten Arm führten zumeist zu Hyperextensionmechanismen, die dann für Luxationen auslösend sind. Isolierte Radiusköpfchenluxationen sind eher selten. Man findet diese bei Kindern bis zum 5. Lebensjahr. Sie treten meist durch ein direktes Zugtrauma am gestreckten Unterarm (»pulled elbow«) auf, z. B. um das stürzende Kind zu halten (»nursemaid-elbow« oder Chassaignac-Verletzung). Aufgrund der lockeren Anheftung des Lig. anulare im Kindesalter führt ein derartiges Trauma zu einer Einklemmung des Lig. anulare zwischen Radiuskopf und Capitulum. Klassifikation. Da keine AO-Klassifikation existiert, werden die
Ellenbogenluxationen deskriptiv unterteilt. Die häufigste Luxation ist die komplette Luxation der Ulna und des Radius nach dorsolateral (ca. 90%). Eine Sonderstellung besitzt die Monteggia-Fraktur (s. unten). Hierbei handelt es sich um eine Luxationsfraktur mit Radiusköpfchenluxation in Kombination mit einer Ulnaschaftfraktur. Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen sind: 4 Verletzung des N. ulnaris und/oder N. medianus 4 Verletzung der A. brachialis
a
b
4 Verletzung des M. brachialis und/oder ansatznahe Ruptur der distalen Bizepssehne 4 Ruptur der Kollateralbänder bzw. der Gelenkkapsel mit möglicher konsekutiver, persistierender Gelenksinstabilität 4 Weichteilverkalkungen/Myositis ossificans (v. a. beugeseitig)
Proximale Unterarmfrakturen Proximale Ulnafrakturen (Olecranon- und Koronoidfrakturen) Olecranonfrakturen (. Abb. 35.11) sind beim Erwachsenen nach den Radiusfrakturen die zweithäufigste Ellenbogenverletzung (ca. 20%, bei >60-Jährigen sogar ca. 30% aller Ellenbogenverletzungen). Sie entstehen zumeist durch einen direkten Sturz auf das Olecranon bzw. durch Sturz auf die gestreckte Hand bei flektiertem Ellenbogen. Klassifikation. Eine AO-Klassifikation existiert für die proxima-
len Ulnafrakturen nicht. Sie können unterteilt werden in: 4 Olecranonfrakturen ohne Gelenkbeteiligung 4 Olecranonquer-/schrägfrakturen 4 Abriss des Processus coronoideus: 5 Typ 1: Spitzenabrisse 5 Typ 2: Frakturbeteiligung <50% des Processus coronoideus 5 Typ 3: Frakturbeteiligung >50% des Processus coronoideus Begleitverletzungen/Komplikationen:
4 Begleitende Radiusköpfchenluxation (Monteggia-Fraktur, s. o.) 4 Verletzung des N. ulnaris 4 Sekundärarthrose bei Gelenkflächeninkongruenz (diese dürfen nicht >1 mm betragen)
Proximale Radiusfrakturen Frakturen des proximalen Radius (. Abb. 35.12) mit oder ohne Beteiligung der radialen Gelenkfläche des proximalen Radioulnargelenks bzw. der radialen Gelenkfläche des Humeroradialgelenks sind mit ca. 50% die häufigsten Ellenbogenverletzungen des Erwachsenen. Zumeist treten sie bei einem indirekten Trauma (z. B. Sturz auf den ausgestreckten Arm) durch Kompression des Radiusköpfchens am Capitulum humeri auf.
c
. Abb. 35.11a–c. Olecranonfrakturen. a Fraktur ohne Gelenkbeteiligung, b Frakturen mit Gelenkbeteiligung, c Abrissfraktur des Processus coronoideus (Typ 1–3)
35
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Kapitel 35 · Spezielle Traumatologie
Klassifikation. Proximale Radiusfrakturen können nach der AOKlassifikation eingeteilt werden. Zusätzlich werden sie jedoch auch oft vereinfacht unterteilt in: 4 Radiushalsfrakturen 4 Radiusköpfchenfrakturen 5 Meißelfraktur 5 Impressionsfraktur 5 Trümmerfraktur
nur eines Unterarmknochens sind meist mit der Luxation/Subluxation des anderen Unterarmknochens assoziiert. Zumeist treten Unterarmschaftfrakturen durch direkte Krafteinwirkung (z. B. Verkehrsunfall), seltener durch indirekte Kräfte (z. B. Sturz aus großer Höhe) auf die ausgestreckte Hand auf.
! Ca. 50% der Radiusköpfchenfrakturen sind nicht disloziert und somit übersichtsradiographisch nur schwer erkennbar. Positive Fettpolsterzeichen als Zeichen eines Gelenkergusses sind höchstgradig verdächtig für das Vorliegen einer Radiusköpfchenfraktur und als indirektes Frakturzeichen zu werten.
sätzlich existieren einige Sonderformen (Monteggia-, Galeazzi-, Essex-Lopresti-Fraktur).
35.1.7
Klassifikation, Komplikationen Klassifikation. Die Einteilung erfolgt nach AO-Kriterien. Zu-
Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen: 4 Verletzung des Gefäß-Nerven-Bündel (N. ulnaris, N. medianus, N. radialis) 4 Kompartment-Syndrom 4 Synostosenbildung (insbesondere bei proximalen Schaftfrakturen)
Unterarmschaftfrakturen
Epidemiologie, Pathogenese Isolierte Frakturen der Ulna kommen in ca. 15% der Fälle, des Radius in ca. 10% der Fälle vor. In ca. 75% der Fälle liegt eine Kombinationsverletzung von Ulna und Radius vor. Frakturen
35
Monteggia-Fraktur (»Parier-Fraktur« oder »nightstick fracture«): Definition, Pathogenese Bei der Monteggia-Fraktur handelt es sich um eine isolierte Ulnaschaft- oder Olecranonfraktur in Kombination mit einer Radiusköpfchenluxation. Dieser Frakturtyp entsteht meist durch ein direktes Trauma auf die Ulnakante oder ein indirektes Trauma (z. B. Sturz auf den ausgestreckten Arm in Unterarmpronationsstellung).
Klassifikation
b
a
c
Monteggia-Frakturen können auch nach Brado in 4 Typen unterteilt werden: 4 Typ 1: Fraktur der proximalen Ulna, vordere Dislokation des Radiusköpfchens (ca. 65%) 4 Typ 2: Fraktur der proximalen Ulna, hintere Dislokation des Radiusköpfchens (ca. 18%) 4 Typ 3: Ulnafraktur nahe am Processus coronoideus, laterale Dislokation des Radiusköpfchens (ca.16%) 4 Typ 4: Fraktur der proximalen Ulna und des Radius mit Radiusköpfchenluxation
Galeazzi-Fraktur (»reversed Monteggia«-Fraktur) Diese Fraktur entspricht einer isolierten Fraktur des distalen Radiusdrittels kombiniert mit einer Ulnarsubluxation bzw. -luxation im distalen Radioulnargelenk. Einen direktes Trauma auf den Radius oder der Fall auf den ausgestreckten Arm in maximaler Pronation können zur Galeazzi-Fraktur führen.
Essex-Lopresti-Fraktur
d
. Abb. 35.12a–d. Radiusköpfchenfrakturen. a Nicht dislozierte Radiusfraktur; b Meißelfraktur; c eingestauchte Radiushalsfraktur ohne Gelenkflächenbeteiligung; d positives Fettpolsterzeichen (offener Pfeil) bei Radiushalsfraktur (ausgefüllter Pfeil)
Bei der Essex-Lopresti-Fraktur ist eine Radiusköpfchen(trümmer-) Fraktur mit Einstauchung des Radiushalses und konsekutiver Dislokation (Subluxation) des distalen Radioulnargelenks vergesellschaftet. Zusätzlich ist die Membrana interossea eingerissen.
1113 35 · Spezielle Traumatologie
35.1.8
Verletzungen des Handgelenks und der Hand 4
Zu den Verletzungen des Handgelenks zählen die Frakturen des distalen Unterarms (Radius und Ulna) sowie die Frakturen der Handwurzelknochen.
4
Frakturen des distalen Unterarms Da isolierte, epiphysäre Frakturen der Ulna sehr selten sind, handelt es sich bei den Frakturen des distalen Unterarms um distale Radiusfrakturen mit oder ohne Beteiligung der Ulna. Bezüglich der Häufigkeit der distalen Radiusfrakturen existieren 2 Altersgipfel, der erste bei 6–10 Jahren, der zweite bei 60–69 Jahren. Ca. 50% dieser Frakturen sind von einer Abrissfraktur des Processus styloideus ulnae begleitet. Zumeist liegt ein Sturz oder Schlag auf die Hand als Traumaursache zugrunde.
4
4 4 4
5 Typ III: juxtaartikulär, monofragmentär, mit karpaler Subluxation Barton-Fraktur: dorsaler monofragmentärer, interartikulärer Kantenabbruch mit koronarem Frakturverlauf und Dislokation des Carpus nach dorsal bei einem Hyperextensionstrauma Reverse Barton-Fraktur: volarer Kantenabbruch mit koronarem Frakturverlauf und Dislokation des Carpus nach volar bei einem Hyperflexionstrauma Hutchinson-Fraktur (= Chauffeur-Fraktur): meist monofragmentäre, intraartikuläre Fraktur des Processus styloideus radii durch axiale Kompression mit sagittalem Frakturverlauf Reverse Hutchinson-Fraktur: Abbruch der ulnaren Kante der Radiusgelenkfläche »punch fracture«: umschriebene Impressionsfraktur der Fovea lunata der Radiusgelenkfläche durch axiale Stauchung Galeazzi-Luxationsfraktur (s. Sonderformen der Unterarmschaftfrakturen)
Klassifikation. Die Einteilung erfolgt nach AO-Kriterien, wobei
extraartikuläre Frakturen als Typ A-Frakturen, partielle Gelenkfrakturen als Typ B- und vollständig artikuläre Frakturen als Typ C-Frakturen bezeichnet werden. Als weitere gebräuchliche Klassifikation der distalen Unterarmfrakturen existiert die nach Frykman. Hierbei handelt es sich um eine eher anatomisch deskriptive Klassifikation (. Tab. 35.3). Einige Frakturen werden auch heute noch mit Eigennamen betitelt: 4 Colles-Fraktur: intra- oder extraartikuläre, metaphysäre Radiusfraktur mit Abkippung der Gelenkfläche nach dorsal durch ein Hyperextensionstrauma; häufig mit Processus styloideus ulnae-Abriss 4 Smith-Fraktur: intra- oder extraartikuläre, metaphysäre Radiusfraktur mit Abkippung der Gelenkfläche nach palmar durch ein Hyperflexionstrauma (»reverse-colles-fracture«); 5 Typ I nach Thomas: extraartikulär 5 Typ II: intraartikulär, monofragmentär, koronare Frakturlinie (= Barton-Fraktur)
. Tab. 35.3. Klassifikation der distalen Unterarmfrakturen nach Frykman
Typ
Mit distaler Ulnafraktur *
Typ I
extraartikulär
nein
Typ II
extraartikulär
ja
Typ III
intraartikulär (radiokarpal)
nein
Typ IV
intraartikulär (radiokarpal)
ja
Typ V
intraartikulär (radioulnar)
nein
Typ VI
intraartikulär (radioulnar)
ja
Typ VII
intraartikulär (radiokarpal + radioulnar)
nein
Typ VIII
intraartikulär (radiokarpal + radioulnar)
ja
*
wird in der AO-Klassifikation nicht berücksichtigt
Instabilitätszeichen bei distalen Radiusfrakturen Sichere Instabilitätszeichen 4 Abrissfraktur des Processus styloideus ulnae (= ulnare Desinsertion) 4 Radioulnare (Sub-)Luxation, Fraktur im distalen Radioulnargelenk (= radioulnare Separation) 4 Metaphysäre Trümmerzone 4 Abscher- oder Luxationsfraktur Unsichere Instabilitätszeichen 4 Verkürzung des Radius >3 mm 4 Dorsale Abkippung des distalen Radiusfragments >20° (Colles-Fraktur, s. o.)
Begleitverletzungen/Komplikationen:
4 Verletzung des Kapsel-Bandapparats 4 Zerreißung des Discus articularis 4 Einklemmung des N. medianus im Karpaltunnel
Scaphoidfrakturen Da Scaphoidfrakturen bei weitem die häufigsten Frakturen der Handwurzelknochen (ca. 70%) ausmachen, sollen diese hier getrennt beschrieben werden. Scaphoidfrakturen entstehen meist bei Stürzen auf die Hand in Dorsalflexion. Klassifikation. Zumeist werden die Klassifikationen nach Russe oder nach Schernberg und Elzein verwendet. Russe unterscheidet den extraartikulären Tuberculumabriss von den intraartikulären Frakturen (. Abb. 35.13). Diese werden nach ihrem Frakturverlauf in Querfrakturen (ca. 60%), horizontal schrägen Frakturen (ca. 35%) und den vertikal schrägen Frakturen (ca. 3%) unterschieden. Die Einteilung nach Schernberg und Elzein charakterisiert indirekt die Blutversorgung der Fragmente. Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen: 4 Kombination mit einer perilunären Luxation (de-QuervainLuxation)
35
1114
Kapitel 35 · Spezielle Traumatologie
Übersichtsradiographische Zeichen für eine scapholunäre Dissoziation
. Abb. 35.13. Scaphoidfrakturen nach Russe
4 Terry-Thomas-Zeichen: Verbreiterung des SL-Gelenkspalts (2–4 mm Verdacht auf SL-Bandruptur, >4 mm beweisend für eine Bandruptur) 4 Ringzeichen: orthograde Projektion des distalen Scaphoids
Bei den Luxationsfrakturen handelt es sich um eine Kombination einer perilunären Luxation mit einer Os scaphoideum-, Os triquetrum- und/oder Processus styloideus ulnae-Fraktur (. Abb. 35.15). Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen: 4 Begleitende karpale Bandrupturen (z. B. SL-Band, LT-Band) 4 Begleitende Scaphoidfraktur (s. o.) oder Frakturen anderer Handwurzelknochen 4 Verletzungen des N. medianus . Abb. 35.14. Scaphoidfrakturen nach Schernberg und Elzein
4 Pseudarthrose (bis ca. 50% bei konservativer Therapie) 4 Osteonekrose (meist des proximalen Fragments)
35
Frakturen der übrigen Handwurzelknochen Die übrigen Handwurzelknochen sind wesentlich seltener frakturiert als das Scaphoid. Hier ist das Os triquetrum mit ca. 14% und das Os trapezium mit ca. 2% noch am häufigsten betroffen. Die Frakturen der übrigen Handwurzelknochen machen <2% der Fälle aus. Klassifikation. Die Frakturen der übrigen Handwurzelknochen
werden nach der OTA-Klassifikation (AO-analog) eingeteilt.
Luxationen und Luxationsfrakturen des Handgelenks Luxationen und Luxationsfrakturen des Handgelenks sind selten und treten zumeist bei einem Sturz auf die dorsal flektierte Hand auf. Klassifikation. Grundsätzlich sind Lunatumluxationen von peri-
lunären Luxationen zu differenzieren: 4 Bei der Lunatumluxation verbleibt das Os lunatum in Verbindung mit dem distalen Carpus und luxiert gegenüber dem Radius. 4 Bei perilunären Luxationen verbleibt die Bandverbindung zwischen Os lunatum und Radius/Ulna zumindest teilweise bestehen, wobei das Os capitatum mit dem übrigen Handskelett dorsal oder palmar am Os lunatum vorbeigleitet.
Instabilität des Handgelenks und der Handwurzel Instabilitäten des Handgelenks können posttraumatisch (z. B. nach stattgehabten Bandverletzungen, in Fehlstellung verheilten distalen Radiusfrakturen) oder auch entzündlicher Genese sein. Klassifikation. Instabilitäten des Handgelenks werden unterteilt in: 4 Dorsale Flexionsinstabilität (DISI = dorsi-flexed intercalated segment instability): das Os lunatum ist mit seiner konkaven, distalen Gelenkfläche über 15° nach dorsal verkippt. 4 Volare oder palmare Flexionsstabilität (VISI = PISI = volar/palmar-flexed intercalated segment instability): das Os lunatum ist mit seiner konkaven, distalen Gelenkfläche >15° nach palmar verkippt. 4 Dorsale oder palmare Subluxation: Es liegt eine Verschiebung der gesamten Handwurzel nach dorsal oder palmar gegenüber dem distalen Radius vor 4 Ulnare Translokation: Das Os lunatum steht auch in der Ulnaduktion mit weniger als der halben, proximalen Gelenkfläche mit der radialen Gelenkfläche in Kontakt.
Mögliche Begleitverletzung/Komplikation ist eine Sekundärarthrose.
Verletzung der Mittelhand und Phalangen Frakturen und Luxationen des ersten Strahls Verletzungen des ersten Strahls sind relativ häufig und entstehen meist durch axiale Stauchungsverletzungen oder forcierte Abduktion. Klassifikation. Die Einteilung der Frakturen erfolgt deskriptiv.
Eine Minimalform der Handwurzelluxationen ist die scapholunäre Dissoziation. Zugrunde liegt eine Ruptur des SL-Bandes, das normalerweise eine Rotation der beiden Knochen gegeneinander verhindert. Nach Ruptur des SL-Bandes kommt es zu einem erweiterten SL-Gelenkspalt und zu einem Abkippen des Os lunatum nach dorsal.
Eine besondere Stellung nehmen die Frakturen der Metakarpale-I-Basis ein. Hier sind die typischen intraartikulären Frakturen (Bennett- und Rolando-Fraktur) von der extraartikulären Winterstein-Fraktur zu unterscheiden (. Abb. 35.17). Eine weitere typische Verletzung des ersten Strahls ist die Läsion der ulnarseitigen Kollateralbänder (»Skidaumen«).
35
1115 35 · Spezielle Traumatologie
a
c
b
d
. Abb. 35.15a–e. Perilunäre Luxation, Luxationsfrakturen und Lunatumluxation. a Perilunäre Luxation, b Lunatumluxation, c perilunäre Luxation mit Scaphoidfraktur, d perilunäre Luxation mit Scaphoidfraktur und an-
a
b
c
e
derer Handwurzelfraktur, e perilunäre Luxation mit einer Handwurzelfraktur (außer Os scaphoideum)
d
e
. Abb. 35.16a–e. Instabilitäten des Handgelenks. a Normalbefund, b DISI, c VISI/PISI, d dorsale Karpalsubluxation, e ventrale Karpalsubluxation
Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen sind: 4 Reflexdystrophie 4 Pseudarthrose 4 Arthrose
Frakturen und Luxationen der übrigen Mittelhand und Finger Bei den Frakturen der übrigen Mittelhandknochen liegen die Frakturen des Os metacarpale-IV und V an der Spitze. Meist liegen direkte Traumata (Schlag, Quetschung) vor. Luxationen sind hier eher selten.
Klassifikation. Die Fraktureinteilung erfolgt deskriptiv in Schaft-,
Basis- und Köpfchenfrakturen. Bei Sehnenrupturen mit oder ohne ossäre Beteiligung sind folgende Fehlstellungen zu unterscheiden: 4 Schwanenhalsdeformität: Beugung im DIP und Überstreckung im PIP bei ligamentärer/osteoligamentärer Läsion der Strecksehne an der Endgliedbasis. 4 Knopflochdeformität: Beugung im PIP und Streckung im DIP bei ligamentärer/osteoligamentärer Läsion der Strecksehne am PIP.
1116
Kapitel 35 · Spezielle Traumatologie
a
b
c
. Abb. 35.17a–c. Frakturen des ersten Strahls. a Bennet-Fraktur, b Rolando-Fraktur, c Winterstein-Fraktur
35.1.9
Verletzungen des Beckens
Verletzungen des Beckens können als Beckenrandfrakturen, als Beckenringverletzungen oder als isolierte Frakturen des Os sacrum/coccygis vorliegen.
35
Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen: 4 Blutungen aus Arterien, venösen Plexus oder der Spongiosa (meist massiver Blutverlust, da keine geschlossenen Kompartimente existieren, die zu einer Tamponade führen würden) 4 Muskeleinblutungen 4 Organverletzungen: Harnblase, Harnröhre, Rektum 4 Zwerchfellrupturen (durch intraabdominelle Drückerhöhung) 4 Dünndarmexenterationen (durch Verletzung des Diaphragma pelvis) 4 Neurologische Ausfälle
zungen einher. In ca. 60% der Fälle treten sie bei Verkehrsunfällen, in weiteren ca. 30% bei Stürzen aus großer Höhe und in ca. 10% bei direkten Quetschungen unter schweren Lasten oder bei Verschüttungen auf. Klassifikation. Je nach der Beteiligung der dorsalen Beckenringanteile werden in der Klassifikation von Pennal und Tile folgende
Verletzungen des Beckenrings
Verletzungstypen unterschieden, die mit der Stabilität des Beckenrings korrelieren: 4 Typ A-Verletzungen (ca. 45%; stabiler Beckenring): Hierzu zählen alle stabilen Beckenfrakturen wie Beckenrandfrakturen (s. o.) und isolierte Verletzungen des vorderen Beckenrings (z. B. isolierte Frakturen des Schambeinastes). Der sakroiliakale Bandapparat ist intakt. 4 Typ-B-Verletzungen (ca. 15%) Diese weisen eine partielle Verletzung des ventralen Anteils des sakroiliakalen Bandapparats auf und sind somit rotationsinstabil. Aufgrund des noch teilweise intakten, dorsalen Anteils des sakroiliakalen Bandapparats ist eine Reststabilität noch gegeben, eine Translation ist nicht möglich. Es werden Typ-B1-und Typ-B2-Verletzungen unterschieden: 5 Die B1-Verletzungen entstehen durch eine sagittale/a.p.Kompression (open-book-Verletzung) und zeigen eine Außenrotation der Beckenhälfte(n). 5 Die Typ-B2-Verletzungen treten bei einer lateralen Kompression auf und führen zu einer Innenrotation der betroffenen Beckenhälfte(n). 4 Typ-C-Verletzungen (ca. 10%): Diese zeigen eine ausgedehnte Verletzung des hinteren Beckenrings mit Ruptur des ventralen und dorsalen Anteils des sakroiliakalen Bandapparats und sind multidirektional instabil (Rotations- und Translationsinstabilität).
Bei Beckenringverletzungen kommt es zu einer Kombinationsverletzung, wobei die Ringstruktur aus den beiden Beckenhälften und dem Os sacrum unterbrochen wird. Neben Frakturen können hierzu auch Rupturen der Symphyse oder der Iliosacralgelenke beitragen. Beckenringfrakturen machen ca. 3–8% aller Skelettverletzungen aus. In der Regel gehen sie mit schweren Begleitverlet-
Eine weitere Klassifikation nach Young und Burgess orientiert sich an der Richtung der Gewalteinwirkung (. Abb. 35.18): 4 Laterale Kompressionsfrakturen (LCI-III) (ca. 50%) 4 Sagittale Kompressionsfrakturen (APCI-III) (ca. 25%) 4 Vertikale Scherfrakturen (VS) (ca. 5%) 4 Kombinationsfrakturen (ca. 20%)
Frakturen des Beckenrandes Beckenrandfrakturen sind mit ca. 1% aller Frakturen selten. Zu den Beckenrandfrakturen zählen: 4 Abrissfrakturen der Spina iliaca anterior superior bzw. inferior, der Crista iliaca oder des Tuber ossis ischii (Avulsionsfrakturen) 4 Frakturen durch direkte Gewalteinwirkung auf die Beckenschaufel oder das Schambein, bei denen der hintere Beckenring intakt ist. 4 Frakturen des extrapelvinen Os sacrum oder Os coccygis Beckenrandfrakturen sind definitionsgemäß stabile Frakturen.
1117 35 · Spezielle Traumatologie
. Abb. 35.18. Becken-Frakturen nach Young-Burgess. LC: Laterale Kompressionsfrakturen. APC: Anterior-posteriore = sagittale Kompressionsfrakturen. VS: Vertikale Scherfrakturen
Laterale Kompressionsfrakturen zeigen horizontale Frakturen oder Stauchungsfrakturen der Schambeinäste (100%) und Stauchungs- oder Impressionsfrakturen des Os sacrum (90%). Eine Beteiligung der Darmbeinschaufel oder des Acetabulum liegt in ca. 20% der Fälle vor. Sagittale Kompressionsfrakturen sind durch vertikale Schambeinastfrakturen gekennzeichnet. Vertikale Scherfrakturen sind generell instabil (Typ-C-Verletzungen) und sind gekennzeichnet durch die mehr oder weniger ausgeprägte Kranialverlagerung von großen Teilen einer Beckenhälfte bei vertikal ausgerichteten Frakturlinien ein- oder beidseits. Diese Verletzungen gehen häufig mit Calcaneus- oder Wirbelsäulenfrakturen einher. Zusätzlich werden einige Beckenfrakturen mit Eigennamen belegt (. Abb. 35.19). > Bei Frakturen des Ramus superior und inferior ossis pubis ist eine Beteiligung des dorsalen Anteils des Beckenrings sehr wahrscheinlich und somit immer auszu6
schließen. Aufgrund der relativ niedrigen Sensitivität der Übersichtsaufnahme für Sakrumfrakturen (ca. 50%) und der ISG-Verletzungen (ca. 33%) ist die Indikation zur CT großzügig zu stellen.
Frakturen des Os sacrum/coccygis Frakturen des Os sacrum kommen zumeist im Rahmen von Beckenringverletzungen vor. Isolierte Os sacrum/coccygisFrakturen treten v. a. bei einem direkten axialen Trauma auf und sind mit einer Häufigkeit von ca. 3–5% aller Sakrumfrakturen eher selten. Klassifikation. Es existiert keine AO-Klassifikation für die isolierten Os sacrum/coccygis-Frakturen. Sakrumfrakturen können nach Denis entsprechend ihrem Frakturverlauf in 3 Typen unterteilt werden (. Abb. 35.20). Für diese Klassifikation ist die am weitesten zentral gelegene Frakturlinie ausschlaggebend. 4 Typ I: Alafrakturen lateral der intakten Sakralforamina (keine begleitende Neurologie)
35
1118
Kapitel 35 · Spezielle Traumatologie
. Abb. 35.20. Sakrumfrakturen nach Denis (Beschreibung im Text)
35.1.10
Verletzungen des Hüftgelenks
Zu den Verletzungen des Hüftgelenks werden die Frakturen des Acetabulum, die Hüftgelenksluxationen und die Frakturen des proximalen Femurs gezählt.
35
Indikationen für eine CT 4 4 4 4
Acetabulumfrakturen Hüftkopffrakturen evtl. Hüftluxationen Frage nach Beteiligung des vorderen und hinteren Beckenrings
Acetabulumfrakturen Acetabulumfrakturen entstehen zumeist durch schwere Traumata, häufig bei Verkehrsunfällen. Die Frakturform ist von der Stellung des Hüftkopfs zum Zeitpunkt des Traumas abhängig.
. Abb. 35.19. Spezielle Beckenfrakturen
4 Typ II: Transforaminale Fraktur (häufig mit beleitender Neurologie) 4 Typ III: Zentrale Frakturen, die den Sakralkanal betreffen (häufig mit beleitender Neurologie) sowie Querfrakturen > Eine Sonderform ist die isolierte Querfraktur des Os sacrum. Sie wird aufgrund ihres Verletzungsmusters auch »suicidal jumper’s fracture« genannt. Bei Querfrakturen treten in über 50% der Fälle neurologische Ausfälle auf.
Klassifikation. Neben der AO-Klassifikation können die Acetabulumfrakturen nach Judet und Letournel klassifiziert werden. Einfache Frakturtypen: 4 Fraktur des dorsalen Pfannenrandes, z. B. bei einem Knie-
anpralltrauma bei flektiertem Kniegelenk (»dash-board-injury«); häufig mit weiteren Verletzungen (z. B. Patellafraktur, Kniebinnentrauma, Hüftluxation nach dorsocranial, Hüftkopffraktur, Läsion des N. ischiadicus) vergesellschaftet. 4 Fraktur des dorsalen Pfeilers, Abriss der gesamten ilioischiadischen Säule; das Foramen obturatorium ist aufgebrochen. Der Hüftkopf ist nach medial und dorsal disloziert. 4 Fraktur des ventralen Pfannenrandes. Gegenstück zur Fraktur des dorsalen Pfannenrandes. Häufig besteht eine anteriore Dislokation des Hüftkopfs. Das Pfannendach ist intakt. 4 Fraktur des ventralen Pfeilers. Hierbei ist die ilio-pubische Säule frakturiert.
1119 35 · Spezielle Traumatologie
4 Querfraktur des Pfannenbodens. Quere Durchtrennung
der Pfanne in ein kraniales, iliakales und ein kaudales ischiopubisches Fragment. Kombinierte Frakturtypen: 4 4 4 4
4 Hüftkopffraktur (ca. 5%) 4 Posttraumatische habituelle Hüftgelenksluxationen (selten); vornehmlich im Kindesalter
Dorsale Pfeilerfraktur mit dorsaler Pfannenrandfraktur Querfraktur und dorsaler Pfannenrandfraktur Fraktur beider Pfeiler T-Frakturen: Kombination aus einer Querfraktur und einer
Entscheidend für das Auftreten dieser Komplikationen sind der Zeitpunkt und die Vollständigkeit der Reposition. Somit sollte die Reposition so früh und so vollständig wie möglich erfolgen.
vertikalen Spaltung des iliopubischen Fragments bis ins Foramen obturatorium
Frakturen des proximalen Femurs
4 Ventrale Pfeilerfraktur mit dorsaler Querfraktur
Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen: 4 Läsion des N. ischiadicus, N. femoralis, N. glutaeus superior oder N. cutaneus femoris lateralis 4 Thrombembolische Komplikationen 4 Hüftkopfnekrose (bis zu 50%) 4 Posttraumatische Coxarthrose bei posttherapeutisch persistierender Stufenbildung oder Gelenkflächeninkongruenz
Hüftgelenksluxationen Bei Hüftgelenksluxation bedarf es v. a. wegen der Begleitverletzungen erhöhter diagnostischer Aufmerksamkeit. Hüftluxationen machen ca. 5% aller Luxationen aus. Sie können bei erheblicher Krafteinwirkung, z. B. bei Verkehrsunfällen (»dash-board«-Verletzung), auftreten. Die Luxationsrichtung ist von der Stellung des Hüftgelenks zum Zeitpunkt des Traumas abhängig. Klassifikation. Da keine AO-Klassifikation existiert, werden die Hüftgelenksluxationen nach Böhler wie in . Tab. 35.4 gezeigt unterteilt. Weitere seltene Luxationen sind die Luxatio perinealis, Luxatio scrotalis, Luxatio erecta, Luxatio supracotyloidea und Luxatio infracotyloidea.
Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen: 4 Acetabulumfrakturen (z. B. Pfannenrandfraktur) 4 Hüftkopfnekrose, die bis zu 1,5 Jahren nach dem Trauma, selten auch noch später, auftreten kann. 4 Ischiadicusläsionen (bei ca. 10–20% der hinteren Hüftgelenksluxationen); zu meist reversibel
Die Frakturen des proximalen Femurs sind neben den Radiusfrakturen und der subkapitalen Humerusfraktur die häufigsten Knochenverletzungen des älteren Menschen. Seltenere Ursachen sind Stressfrakturen bei Athleten und pathologische Frakturen. Zu den Frakturen des proximalen Femurs zählen:
4 4 4 4
Femurkopffraktur Schenkelhalsfraktur (medial und lateral) Pertrochantäre Fraktur Subtrochantäre Fraktur
Grundsätzlich sind intraartikuläre (Femurkopffraktur; subkapitale, mediale und laterale Schenkelhalsfraktur) und extraartikuläre Frakturen (pertrochantäre Schenkelhalsfraktur und subtrochantäre Fraktur) wegen des unterschiedlichen Komplikationsrisikos zu unterscheiden.
Femurkopffraktur Femurkopffrakturen treten selten auf. Sie sind meist mit einer hinteren Luxation (ca. 90%), selten auch mit einer vorderen (ca. 10%) assoziiert. Bei ca. 4–17% der hinteren Luxationen können in der CT kortikale Impressionsfrakturen am ventralen Hüftkopf nachgewiesen werden, entsprechend einer Hill-Sachs-Läsion des Humeruskopfes bei nach Schulterluxationen. In ca. 86% der Fälle sind sie mit einer posterioren Acetabulumfraktur vergesellschaftet. Typisches Trauma ist wiederum die »dash-board«-Verletzung. Klassifikation. Die Femurkopffrakturen werden nach AO-Kriterien oder nach Pipkin klassifiziert (. Abb. 35.21, . Tab. 35.5).
Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen sind: 4 N. ischiadicus-Paresen werden bei ca. 10–15% beobachtet. Eine Restitutio innerhalb von 6–8 Monaten tritt in ca. 60– 70% der Fälle auf.
. Tab. 35.4. Einteilung der Hüftgelenksluxationen nach Böhler
Luxationstyp
Richtung
Häufigkeit
Klinische und radiologische Charakteristika
Luxatio iliaca
dorsokranial
57%
Bein in leichter Adduktion, leichter Flexion, leichter Innenrotation mit relativer Beinverkürzung Rö.: Hüftkopf projiziert sich hinter die Pfanne
Luxatio ischiadica
dorsokaudal
18%
Bein in starker Adduktion, starker Flexion, starker Innenrotation Rö.: Hüftkopf projiziert sich auf das Os ischiadicum
Luxatio obturatoria
ventrokaudal
20%
Bein in starker Abduktion, Flexion, Außenrotation Rö.: Hüftkopf projiziert sich auf das Foramen obturatorium
Luxatio pubica
ventrokranial
5%
Bein in leichter Abduktion, leichter Extension, starker Außenrotation; der Hüftkopf ist in der Leistenbeuge zu tasten Rö.: Hüftkopf liegt vor dem Ramus pubis superior
35
1120
Kapitel 35 · Spezielle Traumatologie
. Tab. 35.5. Klassifikation der Femurkopffrakturen nach Pipkin
Typ
Häufigkeit
Definition
I
22–25%
Absprengung eines kleinen Kopffragments kaudal der Fovea (außerhalb der Belastungszone)
II
30–42%
Absprengung eines großen Kopffragments kranial der Fovea (innerhalb der Belastungszone)
III
15–21%
Kombination aus Typ I oder II mit medialer Schenkelhalsfraktur
IV
21–23%
Kombination aus Typ I oder II mit Fraktur des posterioren Acetabulumrandes
4 Hüftkopfnekrosen (ca. 6–40%) treten gehäuft bei Pipkin-III-, seltener bei Pipkin-I- und II-Frakturen auf. 4 Die wichtigste Spätkomplikation ist die Sekundärarthrose (ca. 10–30%).
Schenkelhalsfrakturen
35
Schenkelhalsfrakturen betreffen vorwiegend ältere Menschen, Frauen etwa 3-mal häufiger als Männer. Hauptursache für Schenkelhalsfrakturen sind neben einer verminderten Knochenfestigkeit bei Osteoporose eine zunehmende Fallneigung und die verminderte Fähigkeit, einen Sturz abzufangen. Bei jüngeren Menschen gehen Unfalltraumata eher mit pertrochantären Frakturen einher. Bei Verkehrsunfällen mit Oberschenkelfrakturen kommen begleitende Schenkelhalsfrakturen in 2–5% der Fälle vor. Mediale Schenkelhalsfrakturen liegen intraartikulär. Klassifikation. In der AO-Klassifikation werden die medialen, intrakapsulären Frakturen (B1, B3) von den lateralen, teils extrakapsulären Schenkelhalsfrakturen (B2) unterschieden. Des Weiteren existiert eine Einteilung nach Pauwels oder nach Garden (. Abb. 35.22). 4 Bei der Pauwels-Einteilung wird der Winkel zwischen dem Frakturspalt und einer horizontalen Linie (in der a.p.-Aufnahme) bestimmt und so die Instabilität der Fraktur berücksichtigt. Je größer dieser Winkel ist, umso größer ist das Risiko eines Abrutschens des Hüftkopfs und somit die Gefahr einer Pseudarthrose oder Hüftkopfnekrose. 4 Die Garden-Einteilung beschreibt die Dislokation des Hüftkopfs in der a.p.-Aufnahme und berücksichtig insbesondere das Risiko einer Verletzung der lateralen Epiphysengefäße und somit die Nekrosegefährdung. Hierbei ist auf eine Röntgen-Aufnahme in Innenrotation zu achten!
Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen: 4 Hüftkopfnekrose (15–30%) 5 aufgrund einer möglichen Unterbrechung der Gefäßversorgung über die A. circumflexa femoris lateralis und medialis (je weiter medial der Frakturspalt, desto höher ist das Risiko) 5 aufgrund einer Gefährdung der Blutversorgung durch ein intraartikuläres Frakturhämatom
. Abb. 35.21. Femurkopffrakturen nach Pipkin (Typen in . Tab. 35.5)
4 Pseudarthrose 4 Früharthrose: Hierzu sind ein sekundäres Abrutschen des Hüftkopffragments in Varusfehlstellung, eine Rotationsfehlstellung oder eine zu starke Verkürzung des Schenkelhalses prädisponierend.
Pertrochantäre Frakturen Bei pertrochantären Frakturen handelt es sich um Frakturen distal der Linea intertrochanterica und proximal einer imaginären Linie auf Höhe des Trochanter minor quer zur Femurlängsachse. Pertrochantäre Frakturen sind mit ca. 40% gleich häufig wie Schenkelhalsfrakturen. Bei den pertrochantären Frakturen ist die Blutversorgung des Femurkopfs nicht betroffen.
1121 35 · Spezielle Traumatologie
b
. Abb. 35.22a, b. Schenkelhalsfrakturen nach Pauwels (a) und nach Garden (b)
a
. Tab. 35.6. Klassifikation der pertrochantären Frakturen nach AO-Kriterien
Typ
Definition/Einteilungskriterien
A1
Pertrochantäre 2-Fragmentfraktur (Frakturlinie beginnt lateral an irgendeiner Stelle des Trochanter major und endet medial proximal oder distal des Trochanter minor); stabil
A2
Pertrochantäre Mehrfragmentfrakturen (Frakturlinie beginnt auch am Trochanter major, die mediale Kortikalis ist jedoch an 2 Stellen unterbrochen); instabil
A3
Intertrochantäre Frakturen (Frakturlinie beginnt distal des Trochanter major und verläuft zwischen beiden Trochanteren); instabil
Klassifikation. Die pertrochantären Frakturen werden nach der
AO-Klassifikation eingeteilt, die vorwiegend morphologische Gesichtspunkte berücksichtigt (. Tab. 35.6).
Als weitere Klassifikation existiert die Einteilung nach Evans (. Tab. 35.7, . Abb. 35.23). Die »reversed oblique fractures« nach Evans werden nach AO-Kriterien zu den instabilen A3-Frakturen gerechnet.
Subtrochantäre Frakturen/Femurschaft-Frakturen Die Subtrochantärregion reicht beim Erwachsenen vom Trochanter minor etwa 5 cm nach distal. Subtrochantäre Frakturen machen etwa 5–7% der proximalen Femurfrakturen aus und treten vornehmlich im höheren Lebensalter auf. Femurschaft-Frakturen hingegen sind meist Folge starker Gewalteinwirkung (Verkehrs-/Arbeitsunfälle) bei jungen Patienten. Der Altersgipfel liegt in der Gruppe der <25-Jährigen. Klassifikation. Die Einteilung erfolgt nach AO-Kriterien.
Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen: 4 Die wichtigste Komplikation ist die Medialisierung des Femurschaftes bei instabilen subtrochantären Frakturen durch die distal der Fraktur ansetzenden Adduktoren. 4 Beinverkürzung oder Rotationsfehlstellung
35
1122
Kapitel 35 · Spezielle Traumatologie
. Tab. 35.7. Klassifikation der pertrochantären Frakturen nach Evans
Typ
Definition/Einteilungskriterien
I
Zweifragmentär, nicht disloziert, stabil
II
Disloziert, kleines Trochanter minor-Fragment, aber intakter medialer Kortex, nach Reposition stabil
III
Disloziert, posteromediale Trümmerzone, nach Reposition stabil
IV
Trümmerfraktur mit zusätzlichem Trochanter major-Fragment, nach Reposition keine mediale Abstützung, instabil
V
Fraktur verläuft von proximal medial nach distal lateral (»reversed oblique fractures«)
4 Kniebinnenverletzungen 4 Verletzung des N. ischiadicus 4 Arterielle Verletzungen (ca. 2%)
35.1.11
35
Verletzungen des Kniegelenks
Zu den Verletzungen des Kniegelenks werden Frakturen (distaler Femur, Patella, proximaler Unterschenkel) und Band-/Meniskusverletzungen (7 Kap. 40) gezählt. Bis auf Avulsionsfrakturen ist bei Frakturen im Bereich des Kniegelenks immer starke Gewalteinwirkung vorausgesetzt. Intraartikuläre Frakturen sind bei älteren Erwachsenen relativ häufiger. Bei Kindern sind sie selten, eine entsprechende Gewalteinwirkung führt hier zumeist zu Epiphysenverletzungen. Hierbei ist der Femur häufiger betroffen als die Tibia.
Indikationen für eine CT bzw. MRT 4 Indikation für eine CT: – Tibiakopf-/plateaufrakturen 4 Indikationen für eine MRT: – Meniskusverletzungen – Kreuz- und Kollateralbandverletzungen – (Osteo)chondrale Verletzungen
Distale Femurfrakturen Distale Femurfrakturen gehen immer mit einer erheblichen Gewalteinwirkung einher und machen ca. 3–7% aller Femurfrakturen aus. Bikondyläre Frakturen treten bei einer axialen Stauchung des gestreckten Kniegelenks auf. Bei gleichzeitigen Ab- oder Adduktionskräften kommen monokondylären Frakturen vor. Klassifikation. Es werden suprakondyläre Frakturen und Kondy-
lenfrakturen unterschieden. Die Klassifikation entspricht den AO-Kriterien: 4 Die suprakondyläre Frakturen sind zumeist extraartikulär und nur selten mit einer Beteiligung des Recessus suprapatellaris vergesellschaftet. 4 Kondylenfrakturen können beide oder nur einen Femurkondylus betreffen. 4 Die koronale, posteriore Kondylenfraktur (»Hoffa-Fraktur«) tritt medialseitig häufiger auf als lateral.
Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen: 4 Verletzung der A. poplitea (ca. 10%) 4 Nervenverletzungen 4 Fettembolien 4 Thrombosen 4 Pseudarthrosen 4 Sekundärarthrosen oder Fehlstellungen
Patellafrakturen Bei Patellafrakturen existieren zwei unterschiedliche Traumaformen. Osteochondrale Abscherfrakturen bei Patellaluxationen oder Frakturen durch direkte Gewalteinwirkung auf das flektierte Kniegelenk (z. B. Autounfälle mit dash-board-Verletzung). Klassifikation. Patellafrakturen können in Querfrakturen (ca.
60%), Stern- bzw. Trümmerfrakturen (ca. 25%) und Längsfrakturen (ca. 15%) unterteilt werden. ! Differenzialdiagnostisch ist die Patella bi-(multi-)partita abzugrenzen. Als Faustregel kann gelten, dass akzessorische Knochenkerne zumeist im oberen, lateralen Quadranten und häufig bilateral vorkommen, rundliche Konturen und eine verdickte Kortikalis aufzeigen und, im Gegensatz zur Fraktur, kein einheitliches Ganzes bilden. An der retropatellaren Gelenkfläche der Patella kann eine so genannte Haglund-Delle abgrenzbar sein, die keinen pathologischen Wert besitzt.
Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen: 4 Ischämische Nekrose des proximalen Fragments 4 Pseudarthrosen 4 Sekundäre Dislokationen(selten) 4 Sekundärarthrose 4 Bei starken, persistierenden Schmerzen ist evtl. eine Patellektomie erforderlich.
Proximale Unterschenkelfrakturen Zu den Frakturen des proximalen Unterschenkels zählen die Tibiakopf-/plateau-Frakturen sowie die proximalen Fibulafrakturen.
Tibiakopffrakturen Tibiakopffrakturen kommen zumeist durch indirekte Gewalteinwirkung zustande. Der laterale Anteil des Tibiaplateaus ist mit
1123 35 · Spezielle Traumatologie
. Tab. 35.8. Klassifikation der Luxationsfrakturen des Tibiakopfes nach Moore
Typ
Definition
I
Spaltfraktur (split)
II
Fraktur des gesamten Kondylus (entire condyle)
III
Randabriss (rim avulsion)
IV
Randimpression (rim impression)
V
4-part-fracture
etwa 70–80% betroffen. Damit assoziierte Außenmeniskusverletzungen werden in bis zu 50% gesehen. Eine Fraktur des medialen Anteils oder eine bikondyläre Fraktur ist mit etwa 5–10% bzw. 10–15% eher selten. Klassifikation. Grundsätzlich werden mono- und bikondyläre
sowie intra- und extraartikuläre (rein metaphysäre) Frakturen unterschieden. Klinisch ist bei den intraartikulären Frakturen eine Unterscheidung zwischen Plateau- und Luxationsfraktur sinnvoll. 4 Plateau-Frakturen: 5 gehen selten mit einer Bandläsion einher, 5 werden in Anlehnung an die AO-Einteilung klassifiziert (Spaltfraktur, Impressionsfraktur, Kombination aus Spaltund Impressionsfraktur, y-/T-Fraktur). 4 Luxationsfrakturen: 5 gehen in einem hohen Prozentsatz mit Bandläsionen oder neurovaskuläre Begleitverletzungen einher; 5 werden nach Moore in 5 Typen eingeteilt (. Tab. 35.8, . Abb. 35.24). ! Im konventionellen Röntgen werden wegen der Neigung des Tibiaplateaus ventrale Impressionsfrakturen leicht unter-, dorsale leicht überschätzt.
Als Segond-Fraktur (»laterales Kapselzeichen«) wird der ossäre Ausriss des mittleren Drittels des lateralen Kapsel-Band-Apparats mit komplexer Instabilität bezeichnet. Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen: 4 Verletzung der A. tibialis anterior bei starker Fragmentdislokation oder Luxation 4 Meniskusläsion oder Bänderverletzung 4 Läsion des N. peronaeus bei Varisationstrauma und Luxationsfrakturen 4 Sekundärarthrose aufgrund einer Achsenfehlstellung oder Gelenkflächeninkongruenz bzw. eines Knorpelschadens
Proximale Fibulafrakturen . Abb. 35.23. Pertrochantäre Frakturen nach Evans (Typen . Tab. 35.7)
Proximale Fibulafrakturen können bei einem direkten Trauma oder als knöcherner Ausriss des lateralen Seitenbandes oder des M. biceps femoris auftreten. Frakturen des Fibulahalses sind meist Folge von Außenrotationsverletzungen des OSG.
35
1124
Kapitel 35 · Spezielle Traumatologie
. Abb. 35.24. Luxationsfrakturen des Tibiakopfs nach Moore (Typen . Tab. 35.8)
Kniegelenksluxationen
35
Kniegelenksluxationen sind sehr selten. Die weitaus häufigeren Patellaluxationen können traumatisch oder habituell auftreten. Klassifikation. Kniegelenksluxationen werden nach der Luxationsrichtung beschrieben. Die Tibia kann in alle Richtungen dislozieren. Am häufigsten erfolgt eine Dislokation nach ventral und lateral bei Überstreckung des Kniegelenks (z. B. Sportunfälle). Gewalteinwirkung auf den proximalen Tibiaanteil bei flektiertem Kniegelenk kann zu einer hinteren Luxation führen (z. B. Autounfälle mit dash-board-Verletzung). Die hintere Luxation ist meist mit einer Patellafraktur oder Verletzung der Patellarsehne vergesellschaftet. Die Patella luxiert fast ausschließlich nach lateral.
Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen: 4 Offene Luxationen (ca. 50%) 4 Kreuzbandrupturen (während die Kollateralbänder gewöhnlich intakt bleiben) 4 Gefäßverletzungen (ca. 30%) 4 Verletzung des N. peronaeus (ca. 25%) 4 Verletzung des N. tibialis (selten) 4 Begleitfrakturen (selten)
35.1.12
Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen: 4 Gefäßverletzung (selten) 4 Tiefe Beinvenenthrombose 4 Weichteilverletzung (Cave: Kompartment-Syndrom) 4 Infektion (>20% bei 3-gradig offenen Frakturen)) 4 Pseudarthrose (1–2%)
Fibulaschaftfrakturen Fibulafrakturen können als Folge direkter Anpralltraumata (zumeist Sportverletzungen) oder indirekt im Zusammenhang mit Außenrotationsverletzungen des OSG (»Maisoneuve-Frakturen«, Weber-C-Frakturen) oder im Zusammenhang mit einer Tibiaplateau-Fraktur entstehen. Da die Fibula keine lasttragende Funktion besitzt, werden isolierte Fibulafrakturen nur symptomatisch therapiert.
35.1.13
Frakturen des distalen Unterschenkel und Sprunggelenks
Frakturen des distalen Unterschenkels Distale Tibiafrakturen sind metaphysäre Frakturen, die die distalen 4 cm der Tibia oberhalb des OSG betreffen. Sie sind meist mit Fibulafrakturen vergesellschaftet, können rein extraartikulär liegen oder die Gelenksfläche des OSG mit einbeziehen.
Frakturen des Unterschenkels Pilon-tibiale Frakturen
Tibiaschaftfrakturen Tibiaschaftfrakturen können durch indirekte (Torsionstrauma, z. B. Skiunfall) oder direkte (Biegungs- und Schermechanismen) Krafteinwirkung hervorgerufen werden. Zusätzlich ist die Tibia ein Prädilektionsort für Stressfrakturen, zumeist in der proximalen oder mittleren Diaphyse. Klassifikation. Die Klassifikation erfolgt nach AO-Einteilung.
Pilon-tibiale-Frakturen (franz: pilon = distales Tibiaende) sind Verletzungen der distalen Tibiametaphyse mit Beteiligung der lasttragenden Tibiagelenkfläche, wobei der Malleolus medialis nicht dazugerechnet wird. Sie können auch in Kombination mit Frakturen der distalen Fibula auftreten. Pilon-tibiale Frakturen machen ca. 1–5% aller Tibiafrakturen aus. Dabei handelt es sich in ca. 20% um offene Frakturen. Traumaursache ist, im Gegensatz zu den Sprunggelenksfrak-
1125 35 · Spezielle Traumatologie
. Abb. 35.25. Pilon-tibiale-Frakturen nach Rüedi und Allgöwer
turen, meist ein axiales Stauchungstrauma (z. B. Sprung/Sturz aus großer Höhe). Klassifikation. Nach der AO-Klassifizierung handelt es sich bei
Pilon-tibiale-Frakturen um B- oder C-Frakturen. Der Schweregrad wird nicht nur nach der Frakturlokation, sondern auch nach dem Frakturtyp kodiert. Eine heute weniger gebräuchliche Klassifikation ist die Einteilung nach Rüedi und Allgöwer (. Abb. 35.25).
Sprunggelenksfrakturen Sprunggelenks- oder Malleolarfrakturen entstehen zu meist durch ein Distorsionstrauma (Subluxation/Luxation). Malleolar-
frakturen sind nach den distalen Radiusfrakturen die zweithäufigsten Frakturen überhaupt. Sie können isoliert die Fibula betreffen oder auch in Kombination mit dem Malleolus medialis, der dorsalen Tibiagelenkkante (Volkmann-Dreieck) oder der ventrolateralen Kante (Tubercule de Tillaux-Chaput) auftreten. Klassifikation. Die Klassifikation nach Lauge-Hansen orientiert
sich am Unfallmechanismus (. Abb. 35.26) und wurde an Leichenexperimenten entwickelt. Der erste Teil der Bezeichnung gibt die Stellung des Fußes an (Supination oder Pronation), der zweite Teil die Richtung der Krafteinwirkung (Eversion, Ab-/Adduktion): 4 Supinations-Eversions-Frakturen: 70% 4 Supinations-Adduktions-Frakturen: 15%
35
1126
Kapitel 35 · Spezielle Traumatologie
(Schräg- oder Spiralfraktur) auf Höhe der Syndesmose bzw. distal des tibio-talaren Gelenkspalts. Die Syndesmose ist meist mit verletzt. Membrana interossea in der Regel intakt. Mögliche Begleitverletzung: Abriss des Volkmann-Dreiecks/Tubercule de Chaput. 4 C-Frakturen (48%): Sprunggelenksfraktur mit Fibulafraktur
(Quer- oder Schrägfraktur mit/ohne Biegungskeil) kranial der Syndesmose bzw. distal des tibio-talaren Gelenkspalts. Die Syndesmose ist immer rupturiert. Die Membrana interossea kann bis in Höhe der Fibulafraktur zerreißen. Mögliche Begleitverletzung: Abriss des Volkmann-Dreiecks/Tubercule de Chaput. Bimalleoläre Frakturen sind kombinierte Frakturen des Malleolus medialis und lateralis. Bei trimalleolären Frakturen ist zusätzlich das VolkmannDreieck (posterolaterale Tibiakante) abgeschert. Es kann hierbei auch zu Bänderläsionen des Deltabandes kommen. > Die typischen Verletzungsorte in der Reihenfolge abnehmender Häufigkeit: Malleolus lateralis – laterale Ligamente – mediale Ligamente – Malleolus medialis – Syndesmose.
Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen: 4 Fehlstellung 4 Arthrose (30%) 4 Pseudarthrose 4 Infektion 4 Sudeck-Syndrom 4 Chondromatose 4 Peronealsehnenruptur/-dislokation 4 Sinus-tarsi-Syndrom
35
Sonderformen der Sprunggelenksfrakturen Maisoneuve-Fraktur Dei Maisoneuve-Fraktur ist eine Sonderform der Weber-C-Fraktur mit proximaler Fibulafraktur und Ruptur der Syndesmose und Zerreißung der Membrana interossea.
Tilleaux-Fraktur . Abb. 35.26. Malleolarfrakturen nach Lauge-Hansen. a SupinationsAdduktions-Verletzung, b Supinations-Außenrotations-Verletzung, c Pronations-Außenrotations-Verletzung, d Pronations-Adduktions-Verletzung, e und f Pronations-Dorsalflexions-Verletzung
4 Pronations-Eversions-Frakturen: 9% 4 Pronations-Abduktions-Frakturen: 6% Die häufiger verwandte Klassifizierung nach Danis und Weber hingegen ist pathologisch-anatomisch orientiert: 4 A-Frakturen (18%): Sprunggelenksfrakturenfraktur mit Fibulafraktur (Bänderläsion, Abrissfraktur der Malleolarspitze oder einer Querfraktur) distal der Syndesmose bzw. distal des tibiotalaren Gelenkspalts. Die Syndesmose ist immer intakt. 4 B-Frakturen (34%): Sprunggelenksfraktur mit Fibulafraktur
Die Tilleaux-Fraktur ist eine Abrißfraktur des Tuberculum anterius der Tibia (Ansatz des Lig. tibiofibulare anterior inferior) bei Außenrotationstraumata.
Wagstaffe-Fraktur Die Wagstaffe-Fraktur entspricht einem ossären, vorderen Syndesmosenausriß an der Fibula.
35.1.14
Verletzungen des Fußes
Die häufigsten Frakturen des Fußes treten an den Phalangen, den Metatarsalia und am Calcaneus auf. Frakturen des Talus und der übrigen Tarsalia sind selten. Frakturen können mit Luxationen im unteren Sprunggelenk, im Chopart- bzw. im Lisfranc-Gelenk vergesellschaftet sein.
1127 35 · Spezielle Traumatologie
Calcaneusfrakturen Calcaneusfrakturen nehmen ca. 60% aller Fußfrakturen ein, Männer sind häufiger als Frauen betroffen. Ca. zwei Drittel der Calcaneusfrakturen liegen intraartikulär und ca. 15% bilateral vor. Calcaneusfrakturen entstehen zumeist durch direkte Krafteinwirkung, z. B. als Folge einer Stauchung bei einem Sturz aus großer Höhe auf die Ferse oder bei einem Autounfall. Klassifikation. Eine Sonderform ist die Entenschnabelfraktur, diese entspricht einer Avulsionsfraktur aufgrund von Zugkräften über die Achillessehne. Bei axialer Krafteinwirkung wird der Processus lateralis tali, der über dem Zentrum des Calcaneus liegt, in diesen eingetrieben. So entsteht eine primäre, vertikal verlaufende Frakturlinie, die den Calcaneus in ein anteriomediales Fragment mit Sustentakulum und ein posterolaterales Fragment teilt. Häufig ist am sustentakulären Fragment der Processus anterius abgebrochen. Bei noch verbleibender Krafteinwirkung entstehen sekundäre Frakturen, deren Verlauf von der Flexionsstellung des Fußes zum Traumazeitpunkt abhängt. Bei einer Dorsalflexion des Fußes führt dies zu einer Joint-depression-Fraktur mit einer horizontal verlaufenden, den Tuber spaltenden Fraktur. Bei einer Plantarflexion des Fußes entsteht eine Tonguetype-Fraktur, bei der die Sekundärfraktur dorsal des Gelenks bogenförmig ansteigt und das gelenkflächentragende Fragment abtrennt. Traditionelle Klassifikationen sind nach Essex-Lopresti und nach Regazzoni (. Abb. 35.27): 4 Beteiligung Subtalargelenk (Typ I: ohne Beteiligung; Typ II: mit Beteiligung) 4 »Tongue-type-Fraktur« (Rotation der hinteren Gelenkfacette) 4 »Joint-depression-Fraktur« (Impression der hinteren Gelenkfacette) 4 Trümmerfraktur 4 Sustentaculumfraktur
Eine neuere Einteilung der intraartikulären Calcaneusfrakturen basierend auf der CT erfolgt nach Sanders und Gregory (. Tab. 35.9). Für diese Einteilung werden CT-Bildrekonstruktionen parallel und senkrecht zur posterioren Gelenkfacette benötigt.
Übersichtsradiographischer Hinweis für eine Fraktur 4 Klassisch: Abflachung des Böhler-Gelenkwinkels in der Seitaufnahme (Norm: 30–40°) 4 Verbreiterung des Calcaneus in der axialen Aufnahme (Norm: 30–35 mm) 4 Die laterale Begrenzung des Calcaneus überragt die Spitze des Malleolus lateralis in der a.p.-Aufnahme des OSG.
. Abb. 35.27a, b. Calcaneusfrakturen nach Essex-Lopresti. a Tonguetype-Fraktur: Sekundärfraktur verläuft horizontal; b Joint-depression-Fraktur: Sekundärfraktur verläuft bogenförmig hinter der posterioren Facette
. Tab. 35.9. Klassifikation der Calcaneusfrakturen nach Sanders und Gregory
Typ
Definition
I
Nicht dislozierte, intraartikuläre Frakturen, ungeachtet der Fragmentanzahl
II
2-Fragment-Frakturen der posterioren Facette (Subtypen: A, B, C nach Lokalisation der Frakturlinie)
III
3-Fragment- Frakturen der posterioren Facette mit Impression des mittleren Fragments (Subtypen: AB, AC, BC, nach Lokalisation der 2 Frakturlinien)
IV
4-Fragment-Frakturen oder Trümmerfrakturen der posterioren Facette
4 Kompressionsfrakturen der thorakolumbalen Wirbelsäule in ca. 10–20% 4 Erhebliche Weichteilverletzungen 4 Wundheilungsstötungen in ca. 5–10% 4 Funktionelle Probleme bei Verkürzung oder Achsenfehlstellung 4 Mechanische Behinderung der Peronealsehnen (so genanntes Impingement) 4 Anstoßen eines lateralen Calcaneusbuckels an der Fibulaspitze (so genanntes Abutment)
Talusfrakturen Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen: 4 Beteiligung des USG in ca. 66% 4 10% der Calcaneusfrakturen sind bilateral 4 Beteiligung des Calcanocuboidalgelenkes in ca. 50%
Talusfrakturen sind mit ca. 3% aller Fußfrakturen und ca. 0,3% aller Frakturen eher selten. In der Mehrzahl der Fälle ist der Talushals (ca. 50%) betroffen, gefolgt vom Taluskörper (ca. 22%), dem Processus posterior bzw. lateralis (ca. 17%) und dem Taluskopf (ca. 5%). Talusfrakturen treten nur bei starker Gewalteinwirkung auf.
35
1128
Kapitel 35 · Spezielle Traumatologie
. Tab. 35.10. Einteilung der Talusfrakturen nach Hawkins
Typ
Häufigkeit
Beschreibung nach Hawkins
I
20%
Vertikale Talushalsfraktur ohne Dislokation
II
42%
Vertikale Fraktur mit Dislokation oder Subluxation im Subtalargelenk, aber keine Dislokation zwischen Tibia und Talus
III
34%
Vertikale Fraktur mit Dislokation des Taluskörpers von der Tibia und vom Calcaneus
IV
4%
Vertikale Fraktur mit Dislokation des Taluskörpers von der Tibia und vom Calcaneus sowie Dislokation oder Subluxation des Taluskopfs vom Os naviculare
. Tab. 35.11. Einteilung der Talusfrakturen nach Marti und Weber
35
Typ
Häufigkeit
Beschreibung nach Marti und Weber
I
15%
Avulsions- und Flakefrakturen des Talus
II
37%
Undislozierte Hals- und Korpusfrakturen (=Hawkins-Typ I)
III
25%
Talushals- oder -korpusfrakturen mit Dislokation im USG und/oder OSG sowie Taluskörperfrakturen mit Dislokation größerer Fragmente
IV
20%
Luxationsfrakturen und Trümmerfrakturen des Taluskörpers
. Tab. 35.12. Einteilung der Flake-Frakturen nach Berndt und Harty . Abb. 35.28a–d. Calcaneusfrakturen nach Sanders und Gregory in der CT. Die Pfeile zeigen die die Traumarichtung der axialen Stauchung auf. a Typ I; b Typ II; c Typ III; d Typ IV (. Tab. 35.9)
Die Krafteinwirkung erfolgt meist bei dorsalflektiertem Fuß vertikal auf den Taluskörper/-hals, z. B. bei axialer Stauchung bei Sturz aus großer Höhe oder Bremsvorgang bei Autounfällen. Eine Sonderform besitzt die Flake-Fraktur der Trochlea tali dar. Hierbei handelt es sich um eine osteochondrale Fraktur der Talusrolle als Folge einer Luxation des oberen Sprunggelenks mit Impaktation der Talusrolle in der Malleolengabel. Die Häufigkeit der Flake-Fraktur bei Sprunggelenksdistorsionen liegt bei ca. 7%. Flake-Frakturen können medial und lateral auftreten, wobei die medialen Flake-Frakturen mehr dorsal, die lateralen mehr ventral gelegen sind. Klassifikation. Die Einteilung der Talusfrakturen erfolgt nach Hawkins (. Tab. 35.10). Marti und Weber haben diese Klassifikation leicht modifiziert.
Hierbei werden neben den zentralen Frakturen auch periphere Flake- und Avulsionsverletzungen berücksichtigt (. Tab. 35.11).
Typ
Häufigkeit
Beschreibung
I
5%
Subchondrale Impression ohne Frakturlinie
II
25%
Partiell abgelöstes osteochondrales Fragment
III
35%
Osteochondrales Fragment ohne Dislokation
IV
35%
Dislokation des osteochondralen Fragments
Flake-Frakturen können auch nach Berndt und Harty klassifiziert werden (. Tab. 35.12). Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen: 4 Offene Verletzungen ca. 20% 4 Malleolarfrakturen ca. 15% 4 Calcaneusfrakturen ca. 10% 4 Sonstige Fußwurzelfrakturen ca. 7% 4 Mittelfußfrakturen ca. 7% 4 Unterschenkelfrakturen ca. 7% 4 Pseudarthrose 4 Arthrose, v. a. im Subtalargelenk 4 Osteonekrose
1129 35 · Spezielle Traumatologie
! Durch akzessorische Knochenkerne sind Täuschungsmöglichkeiten gegeben, insbesondere an Stellen häufiger Avulsionsfrakturen (insbesondere Ossa supranaviculare, supratalare, trigonum).
Frakturen der übrigen Fußwurzelknochen Die Fußwurzelfrakturen entstehen durch erhebliche direkte/indirekte Gewalteinwirkung oder als Avulsionsfrakturen. Insgesamt sind diese Frakturen selten und entstehen zumeist im Rahmen einer Luxation im Chopart- oder Lisfranc-Gelenk. Klassifikation. Für die Fußwurzelknochen existieren keine eigenen Fraktur-Klassifikationen, da isolierte Frakturen selten und die Variabilität jedoch groß ist. Typische Läsionen am Os naviculare sind Korpusfrakturen, die Avulsion an der Tuberositas durch Zug an der Tibialis posterior-Sehne bei Pronationstraumata oder der ossäre Kapsel-BandAusriss (Lig. talo-naviculare oder der Gelenkkapsel). Die häufigste Fraktur des Os cuboideum kommt bei einem Eversionstrauma vor und entspricht einer Impressionsfraktur (Infraktion), die durch eine Einklemmung des Os cuboideum zwischen dem Calcaneus und den Metatarsalbasen IV und V (»Nussknackerfraktur«) entsteht.
Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen sind: 4 Posttraumatische Arthrose 4 Abrissfrakturen am Os naviculare können zu einer Subluxationsstellung im Chopart-Gelenk mit erschwerter Konsolidierung und Pseudarthrosenbildung führen. ! Pitfalls entstehen durch akzessorische Knochenkerne (insbesondere Ossa supranaviculare, supratalare, tibiale externum, perineum, Vesalianum, naviculare bipartitum).
Luxationen im unteren Sprunggelenk Luxationen im unteren Sprunggelenk sind eher selten. Ursache ist zumeist ein Supinations- oder Pronationstrauma. Klassifikation. Grundsätzlich sind mit zunehmender Gewalteinwirkung 3 Formen zu unterscheiden: 4 Luxatio pedis sub talo (relativ häufig): simultane Luxation im Subtalar- und Talonaviculargelenk. Je nach Luxationsrichtung unterscheidet man eine mediale, laterale, vordere und hintere Luxation. 4 Luxatio pedis cum talo (seltener): häufig mit einer Malleolarfraktur vergesellschaftet. 4 Komplette Talusluxation (sehr selten)
Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen: 4 Frühkomplikation betreffen Haut, Nerven und Gefäße in der Umgebung 4 Spätkomplikationen: 5 Arthrose 5 Avaskuläre Talusnekrose (Talusluxationen gehen oftmals mit einer Ruptur der versorgenden Gefäße einher.)
Luxationen im Chopart-Gelenk Das Chopart-Gelenk befindet sich zwischen Rückfuß und Fußwurzelknochen. Luxationen in diesem Gelenk sind selten und meist Folge von Hochrasanztraumata. Aufgrund der kräftigen Bandverbindungen sind sie zumeist mit knöchernen Bandläsionen oder Calcaneusfrakturen vergesellschaftet. Klassifikation. Es existiert keine spezifische Klassifikation. Die
Dislokation erfolgt häufiger nach medial als nach lateral. Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen: 4 Frühkomplikation: 5 Weichteilnekrosen 5 Kompartment-Syndrom nach schwerem Trauma 4 Spätkomplikation: 5 Bewegungseinschränkung 5 Belastungsschmerzen bei Aufhebung des Fußlängs- und Quergewölbes.
Verletzungen im Lisfranc-Gelenk Das Lisfranc-Gelenk liegt zwischen Fußwurzel und Mittelfuß. Bei Verletzungen dieses Gelenks liegt zumeist ein direktes Trauma als Ursache vor, häufig im Zusammenhang mit Autounfällen (z. B. »Bremsfußverletztung«). Bei ca. 30% der Lisfranc-Luxationen handelt es sich um offene Verletzungen. Je nach einwirkender Kraft sind bei der Luxation im LisfrancGelenk nur einzelne oder auch mehrere Metatarsalia disloziert. Die Luxationen im Mittel- und Vorfußbereich sind meist mit Frakturen der angrenzenden Knochen (insbesondere Metatarsalia-Basen, hier v. a. MT-II) kombiniert. Auch eine Impressionsoder Abscherfraktur des Os cuboideum ist eine häufige Begleitverletzung. Klassifikation. Lisfranc-Luxationen werden in 3 Grundformen eingeteilt: 4 Isolierte Luxation des Metatarsale I bzw. der Metatarsalia I und II nach medio-dorsal (häufigste Form) 4 Homolaterale Luxation aller Metatarsalia nach latero-dorsal, seltener nach dorsomedial 4 Divergierende Luxation des Metatarsale I (und II) nach medial und der Metatarsalia II (III) bis V nach lateral.
Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen: Nicht exakte Reposition und weiter bestehende Fehlstellung des Fußgewölbes können zur Früharthrose und zu anhaltender Beschwerdesymptomatik führen.
Frakturen der Mittel- und Vorfußknochen Die häufigsten Verletzungen des Fußes sind die Frakturen des Mittel- und Vorfußbereichs, zumeist durch ein direktes Trauma (z. B. herabfallende Gegenstände, Anpralltrama). Stress- oder Ermüdungsfrakturen betreffen v. a. das Metatarsale II, selten auch das Metatarsale III. Klassifikation. Bei den Frakturen der Metatarsalia werden dia-
physäre, subkapitale und basisnahe unterschieden. Bei den Zehenfrakturen treten Längs-, Quer- oder Schrägfrakturen mit und ohne Gelenkbeteiligung auf.
35
1130
Kapitel 35 · Spezielle Traumatologie
. Abb. 35.29a, b. Metatarsale V-Frakturen. a Jones-Fraktur im engeren Sinn, b Avulsionsfraktur des Os metatarsale V durch Zug an der kurzen Peronaeussehne
a
b
35 Eine Sonderstellung hat die basisnahe Fraktur des Os metatarsale V. Sie entspricht einer Avulsionsfraktur der Tuberositas durch Zugwirkung an der Sehne des M. peronaeus brevis, eines lateralen Zügels der Plantaraponeurose und des Lig. plantare longum aufgrund eines Supinationstraumas. Davon zu unterscheiden ist die akute Jones-Fraktur, eine proximale Schaftfraktur des Metatarsale V, die meist Folge eines direkten Traumas ist (. Abb. 35.29).
Mögliche Begleitverletzungen/Komplikationen (v. a. bei Frakturen der Metatarsalia): 4 Sudeck-Dystrophie 4 Pseudarthrosenbildung 4 Schmerzhafte Änderungen der Fußgewölbestatik
36 36 Entzündliche Erkrankungen des Knochens S. Waldt, K. Holzapfel
36.1
Osteomyelitis
– 1132
36.1.1 36.1.2
Akute hämatogene Osteomyelitis der Röhrenknochen Chronische hämatogene Osteomyelitis – 1133
36.2
Ostitis deformans Paget
– 1137
– 1132
1132
Kapitel 36 · Entzündliche Erkrankungen des Knochens
36.1
Osteomyelitis
36.1.1
Akute hämatogene Osteomyelitis der Röhrenknochen
S. Waldt Epidemiologie, Ätiologie Definition Infektionen des Markraums und des angrenzenden Knochens werden als Osteomyelitis bezeichnet. Nach der Eintrittspforte der Erreger wird zwischen hämatogener, exogener (posttraumatischer und/oder postoperativer) und sekundärer (per continuitatem vom umgebenden Weichteilmantel ausgehender) Osteomyelitis unterschieden.
Ätiologie Während die hämatogene Osteomyelitis vom Markraum des Knochens ausgeht, können die exogene und die sekundäre Osteomyelitis auch ohne Beteiligung des Markraums als Osteitis ablaufen. Typische Erreger von Osteomyelitiden sind: 4 Staphylococcus aureus ist Haupterreger (80–90% der Fälle); bei chronischen Osteomyelitiden kommen häufig auch gram negative Erreger (Pseudomonas aeruginosa, Enterobacter, Escherichia coli) in Betracht. 4 Streptococcus B und Pneumokokken bei Neugeborenen 4 Pseudomonas aeruginosa bei Drogenabhängigen
36
Der Verlauf einer Osteomyelitis wird sowohl durch die Erreger als auch durch die Abwehrlage des Wirtsorganismus bestimmt.
a
b
. Abb. 36.1a–c. Säuglingsosteomyelitis. a Im konventionellen Röntgenbild kommt eine umschriebene, rein epiphysär gelegene Osteolyse des lateralen Femurepikondylus zur Abbildung. b, c Die koronaren T1w-MRT-Aufnahmen vor (b) und nach (c) Gd-Applikation zeigen eine umschriebene Lä-
Die akute hämatogene Osteomyelitis der langen Röhrenknochen tritt vorwiegend im Kindes- und selten im Erwachsenenalter auf. Während bei Kindern das rote Knochenmark im Bereich der Metaphysen aufgrund der starken Vaskularisation eine Prädilektionsstelle für die Entstehung einer Osteomyelitis ist, finden sich bei Erwachsenen lediglich im Achsenskelett Reste blutbildenden Knochenmarks, sodass es eher zu Osteomyelitiden in diesen Anteilen des Skelettsystems (Spondylitis/Spondylodiszitis) kommt (Kap. 10.7). Abhängig vom Lebensalter werden folgende Formen unterschieden: 4 die Säuglingsosteomyelitis 4 die juvenile hämatogene Osteomyelitis 4 die Osteomyelitis im Erwachsenenalter
Klinik, Verlauf Bei der meist akut verlaufenden Säuglingsosteomyelitis, die klinisch durch hohes Fieber, Schwellung, lokalen Druckschmerz und Überwärmung der betroffenen Extremität gekennzeichnet ist, besteht die Gefahr einer Ausbreitung der Infektion auf die Epiphyse über die offenen metaepiphysären Gefäße (. Abb. 36.1), wodurch es zu schwerwiegenden Komplikationen wie einem Gelenkempyem, Destruktion des Epiphysenknorpels und resultierenden Gelenkdeformitäten kommen kann. Auch bei der juvenilen hämatogenen Osteomyelitis beginnt die Erkrankung aufgrund der erweiterten, dilatierten Bluträume, die zu einer Verlangsamung des Blutflusses führen, typischerweise in den Metaphysen der langen Röhrenknochen. Da
c sion, die einem subakuten entzündlichen Prozess entspricht. Bis ca. zum 2. Lebensjahr ist eine Ausbreitung entzündlicher Prozesse in die Epiphyse über offene metaphysäre Gefäße möglich
1133 36.1 · Osteomyelitis
die metaepihysären Gefäße ab dem 2. Lebensjahr verschlossen sind, ist eine Ausdehnung des entzündlichen Geschehens auf die Epiphyse in der Kindheit nicht mehr möglich. Erst nach Abschluss der Skelettreife reichen die Gefäße wieder bis an den subchondralen Knochen heran und ein Übergreifen auf das Gelenk wird bei der Osteomyelitis im Erwachsenenalter wieder wahrscheinlicher. Im Erwachsenenalter sind Prädilektionsstellen der insgesamt seltenen Osteomyelitis (neben den Wirbelkörpern) platte Knochen und die Diaphysen der langen Röhrenknochen.
Bildgebung Folgende im Verlauf einer akuten Osteomyelitis auftretende Röntgenbefunde sind charakteristisch: 4 Frühzeichen (in den ersten Tagen): Weichteilzeichen mit Verschwinden der Fettlinien aufgrund von ödematösen Veränderungen. 4 Ossäre Veränderungen:
5 Die ossären und periostalen Veränderungen treten bei Kindern typischerweise etwas früher als bei Erwachsenen auf. 5 (>10 Tage) zunächst Strukturauflockerungen in der Spongiosa und lineare Transparenzvermehrungen in der Kortikalis durch Erweiterung der Havers-Kanäle; lamelläre Periostreaktionen sind charakteristisch. 5 Im Verlauf können mottenfraßartige Destruktionen oder größere geographische Osteolysen auftreten. 5 Nachweis von Sequestern (= avitales Knochenmaterial, das von gesundem Knochen umgeben ist und radiologisch dichter als der angrenzende Knochen imponiert). 4 Das reparative Stadium ist durch periostale und endostale Knochenneubildungen charakterisiert, sodass eine Auftreibung des Knochens, größere Osteosklerosen und Randsklerose einer vorbestehenden Osteolyse auftreten können. Es kann eine komplette Ausheilung erfolgen; die reparativen Vorgänge können jedoch auch fließend in eine chronische Osteomyelitis übergehen. > Die wichtigste Differenzialdiagnose der Osteomyelitis im Kindes- und Jugendalter ist das Ewing-Sarkom.
Da es für den Verlauf einer Osteomyelitis ausschlaggebend ist, dass eine Therapie frühzeitig, am besten schon vor Nachweis ossärer Veränderungen begonnen wird, sollte bei entsprechender klinischer Symptomatik und röntgen-negativem Befund die Diagnose mit weiterführenden bildgebenden Verfahren gestellt werden. Im Säuglings- und Kleinkindesalter wird primär die Sonographie als weiterführendes Verfahren eingesetzt; Schwellungen, periossäres Ödem, periostale Reaktionen und Abszessformationen können in einsehbaren Körperabschnitten zuverlässig diagnostiziert werden. Als sensitivste weiterführende Verfahren ab dem Kindesalter sind die MRT und szintigraphische Verfahren (Mehrphasenszintigraphie mit 99m Tc-markierten Diphosphonaten und Leukozytenszintigraphie) anzusehen. Bei der Mehrphasenszin-
tigraphie mit knochenaffinen Tracern sind Anreicherungen in
allen 3 Phasen (arterielle, Blutpool- und statische Phase) der typische Befund einer akuten Osteomyelitis. Mit der Leukozytenszintigraphie wird im Vergleich zur Mehrphasenszintigraphie die Spezifität, aber nicht die Sensitivität erhöht; in vitro-Markierung von körpereigenen Leukozyten mit 111In-Verbindungen oder 99mTc-Hexamethylpropylen (HMPAO) oder in vivo-Markierung von Leukozyten mit 99mTc oder 123J-markierten Antikörpern führt zur Anreicherungen im entzündlich veränderten Gewebe; vorteilhaft bei chronischen Osteomyelitiden, da dann die Dreiphasenszintigraphie aufgrund fehlender Anreicherungen in der frühen Phase schwieriger zu bewerten ist. MRT: die entzündlichen Infiltrate im Markraum des Knochens sind signalarm auf T1w-Aufnahmen und signalreich auf STIR- oder fettsupprimierten T2w-TSE-Aufnahmen (. Abb. 36.2), nach Kontrastmittelgabe finden sich kräftige Anreicherungen. Durch Kontrastmittelgabe können aufgrund der fehlenden Anreicherungen Sequester und kleinere Abszessformationen sensitiv nachgewiesen werden. > Als Faustregel gilt, dass mindestens muskeläquivalente Signalabsenkungen (T1w-MRT-Aufnahmen) im Knochenmarkraum auf zelluläre Infiltrate (Knochenmarkersatz) hinweisen. Das heißt, dass bei einem bekannten Weichteilinfekt muskeläquivalente Signalabsenkungen im angrenzenden Knochen dringend suspekt auf eine Osteomyelitis sind, während geringere Sinqalveränderungen, die beispielsweise nur auf STIRoder T2wAufnahmen abgrenzbar sind (ohne eindeutiges oder nur schwaches Korrelat auf T1w-Bildern) eher für ein reaktives Knochenmarködem sprechen.
Therapie Zur Therapie der Osteomyelitis ist eine möglichst rasche i.v.-Antibiotikagabe indiziert. Diese ist bereits auch beim bloßen begründeten Verdacht angezeigt, da eine weitere hämatogene Ausbreitung (Sepsis) zu befürchten ist. Die betroffene Extremität wird zusätzlich ruhig gestellt. In fortgeschrittenen Fällen, wenn z. B. im Kindesalter die Wachstumsfuge betroffen ist, können rekonstruktive Maßnahmen erforderlich werden.
36.1.2
Chronische hämatogene Osteomyelitis
Zwischen dem Reparationsstadium und dem chronischen Stadium einer Osteomyelitis bestehen fließende Übergänge. Aufgrund unzureichender Therapie oder herabgesetzter Immunität kann jede akute, hämatogen entstandene (endogene) Osteomyelitis nach Monaten oder Jahren in eine chronische Osteomyelitis übergehen, was allerdings fast ausschließlich bei Erkrankungen des Erwachsenenalters zu beobachten ist. Es ist jedoch auch ein primär chronischer Verlauf der Erkrankung (ca. 6% der hämatogen-endogenen Osteomyelitiden) möglich. Bei den betroffenen Patienten verläuft der Erkrankungsbeginn klinisch inapparent und tritt erst im chronischen Stadium in Erscheinung. Hauptvertreter dieser Erkrankungsgruppe ist der Brodie-Abszess.
36
1134
Kapitel 36 · Entzündliche Erkrankungen des Knochens
. Abb. 36.2a, b. Akute Osteomyelitis. a Koronare PD-w-fs; b T1w-MRT-Aufnahme. Die Aufnahmen zeigen eine ausgedehnte Infektion des Markraums des distalen Femurs mit Durchbruch in die Weichteile. Im angrenzenden Weichteilgewebe sind Abszessformationen und entzündliche Begleitreaktionen abgrenzbar
36 a
Brodie-Abszess Definition, Pathogenese Beim Brodie-Abszess handelt es sich um eine primär chronische, hämatogen entstandene Osteomyelitis, die auf wenig virulente Keime und/oder eine gute Abwehrlage des Wirtsorganismus zurückzuführen ist. Kennzeichnend ist eine intraossäre Abszessformation, die von einem erheblichen Sklerosierungsareal umgeben wird.
Epidemiologie, Klinik Brodie-Abzesse treten typischerweise bei jüngeren Patienten auf. Der Altersgipfel liegt im 2. Lebensjahrzehnt. Die klinischen Beschwerden sind sehr gering. Häufig besteht ein langer inapparenter Verlauf. Die häufigsten Manifestationsorte sind die metaphysären Anteile von Femur und Tibia.
Bildgebung Radiologisch sind folgende Befunde charakteristisch: Röntgen-Aufnahmen. Metaphysär gelegene rundliche oder ovaläre Osteolyse (Durchmesser 1–5 cm), die von einer ausgeprägten Sklerosezone im angrenzenden Knochen umgeben ist (. Abb. 36.3). MRT. Der liquide Anteil des Abszesses kommt auf T1w-Aufnahmen signalarm, auf STIR- und T2w-Aufnahmen sehr signalreich zur Darstellung; typisch ist ein Wall aus Granulations-
b
gewebe, welcher die Formation zum angrenzenden Knochen abgrenzt, dieser zeigt kräftige Anreicherungen nach Kontrastmittel-Applikation. Charakteristisch ist, dass dieser Wall auf nativen T1w-Bildern etwas signalreicher als der liquide Anteil zur Darstellung kommt (. Abb. 36.4); der eigentliche sklerotische Randsaum kommt als signalarme Linie zur Darstellung, das Sklerosierungsareal im angrenzenden spongiösen Knochen kann unterschiedliche Signalintensitäten aufweisen, je nach Ausprägung des perifokalen Ödems und der Sklerosierungen.
Chronisch rekurrierende multifokale Osteomyelitis (CRMO) Definition, Pathogenese Bei der CRMO handelt es sich um eine chronische Osteomyelitis des Kindes- und Jugendalters, die durch einen sehr langwierigen Krankheitsverlauf und durch syn- oder metachron auftretende osteomyelitische Herde ohne Erregernachweis gekennzeichnet ist. Histologisch werden 3 Phasen der CRMO unterschieden, wobei in keiner der Phasen ein auslösender Erreger nachweisbar ist, was zur Annahme geführt hat, dass die Erkrankung eher in den »reaktiven« rheumatologischen Formenkreis einzuordnen ist. Während sich im frühen Stadium überwiegend granulozytäre Infiltrate finden, geht die Erkrankung dann in eine lymphoplasmazelluläre Intermediärphase über und mündet schließlich in
1135 36.1 · Osteomyelitis
einer Ausheilungsphase, in der charakteristischerweise starke Sklerosierungen nachweisbar sind.
Epidemiologie, Klinik Von der CRMO sind Mädchen deutlich häufiger als Jungen betroffen und es besteht eine eindeutige Assoziation mit der Pustulosis palmoplantaris, die bei bis zu 60% der Patienten gleichzeitig auftritt. Typische Lokalisationen der entzündlichen Herde sind die Metaphysen der langen Röhrenknochen (insbesondere Femora, . Abb. 36.5), Wirbelkörper (v. a. im thorakolumbalen Bereich) und die Clavicula.
Bildgebung Das radiologische Erscheinungsbild der Herde ist variabel. Im Frühstadium sind die Herde bei röntgen-negativem Befund bereits im MRT nachweisbar. Umschriebene metaphysär lokalisierte Signalveränderungen mit Hypointensität auf T1w-Aufnahmen und Hyperintensität auf T2w-Aufnahmen sind der typische Befund. Im Verlauf der Erkrankung kann es zu ausgeprägten Sklerosierungen der betroffenen Skelettanteile kommen, die gegenüber osteolytischen Veränderungen überwiegen, die teilweise in initialen Stadien beobachtet werden.
Plasmazellenosteomyelitis Definition, Pathogenese
. Abb. 36.3. Brodie-Abszess. Die Röntgenaufnahme im a. p.-Strahlengang zeigt assoziiert zur Wachstumsfuge eine randsklerosierte, ovalär längliche Osteolyse (Lodwick 1a) in der distalen Tibiametaphyse. Angrenzend Nachweis einer ausgedehnten Sklerosezone im Markraum der distalen Tibia
a
b
. Abb. 36.4a–c. Brodie-Abszess. Radiologische Befunde. a Im konventionellen Röntgenbild Nachweis einer metaphysären, an die Wachstumsfuge heranreichenden Osteolyse. b, c Auf den koronaren MRT-Aufnahmen (b T1-w vor und c nach Gd-Applikation) grenzt ein breiter Wall aus Granula-
Bei der Plasmazellenosteomyelitis handelt es sich um eine endogene, subakute bis chronische Osteomyelitis, die vorwiegend den kortikalen Knochen und das Periost betrifft. Charakteristisch sind ausgeprägte Plasmazellinfiltrationen des Knochens angrenzend an umschriebene, gut demarkierte Osteolysen, die proteinreiche Flüssigkeit enthalten. Wie bei der CRMO lässt sich auch bei der Plasmazellenosteomyelitis kein Erreger nachweisen. Die Erkrankung wurde lange
c tionsgewebe an das liquide Zentrum des Abszesses. Auf der nativen T1wMRT-Aufnahme ist dieser Randsaum charakteristischerweise etwas signalreicher als das Zentrum (»Penumbra-Zeichen«)
36
1136
Kapitel 36 · Entzündliche Erkrankungen des Knochens
a
36
b
. Abb. 36.5a, b. Chronisch rekurrierende multifokale Osteomyelitis (CRMO). 7-jähriges Mädchen. a Koronare STIR-Aufnahmen, b T1w-Aufnahmen. Im Ganzkörper-MRT, das bei Verdacht auf eine »Low-grade«-Entzündung (intermittierende Schmerzen linkes Kniegelenk und gering erhöhte
Laborparameter) angefertigt wurde, zeigen sich auf den koronaren STIRund T1w-Aufnahmen des Oberschenkels metaphysäre Herde in den distalen Femurmetaphysen beidseits
Zeit aufgrund des charakteristischen histologischen Befundes mit ausgeprägten Plasmazellinfiltraten als eigenständiges Krankheitsbild betrachtet. Neuerdings wird die Erkrankung aber vielerorts als Unterform bzw. lymphoplasmazelluläres Stadium der CRMO angesehen.
Chronisch-sklerosierende Osteomyelitis Garré Definition, Pathogenese
Epidemiologie, Klinik Die Plasmazellenosteomyelitis tritt vorwiegend bei Kindern und Jugendlichen auf, wird allerdings auch bei älteren Patienten angetroffen. Die Klinik ist sehr gering ausgeprägt, Allgemeinsymptome wie Fieber und Laborveränderungen fehlen, lokale Schmerzen sind der führende Befund.
Bildgebung Hauptmanifestationsorte sind die metadiaphysären Anteile der langen Röhrenknochen der oberen und unteren Extremität. An den flachen Knochen treten entzündliche Herde in der Schädelkalotte, der Maxilla und im Os ischiadicum auf. Radiologisch finden sich um exzentrisch gelegene ovaläre oder polygonale Aufhellungen sklerosierende Veränderungen mit z. T. ausgeprägten periostalen Begleitreaktionen (Periostschalen oder periostalen Knochenappositionen).
Die primär chronisch verlaufenden Osteomyelitiden, bei denen es im Verlauf zu ausgeprägten Sklerosierungen und Volumenvermehrungen der betroffenen Knochen (ohne relevante Destruktionen, Fistelungen und Abszedierungen) kommt, wurden früher als chronisch-sklerosierende Osteomyelitiden Garré klassifiziert. Prädilektionsstellen von chronisch sklerosierenden Entzündungen, die vorwiegend im Kindes- und Jugendalter auftreten, sind der Gesichtsschädel, Clavicula sowie die Metaphysen der langen Röhrenknochen. Gehäuft treten chronisch sklerosierende Osteomyelitiden im Anschluss an eine Streptokokkensepsis auf, wohl aufgrund der geringen Virulenz der als Erreger angesehenen Streptokokken. > Da in der von Garré eingeführten Definition der chronisch sklerosierenden Osteomyelitis neuere histologische Gesichtspunkte nicht berücksichtigt werden, wird diese als veraltet angesehen. Heutzutage werden Fälle, die sich makropathologisch als chronisch sklerosierende Osteomyelitis präsentieren, als CRMO oder unspezifische chronisch hämatogene Osteomyelitis klassifiziert.
1137 36.2 · Ostitis deformans Paget
36.2
Ostitis deformans Paget K. Holzapfel, S. Waldt
4 3. Späte pathologische Phase (korreliert mit dem sklero-
tischen radiologischen Stadium): Die osteoklastische Aktivität nimmt allmählich ab, die Aktivität der Osteoblasten bleibt zunächst erhalten und klingt schließlich ebenfalls ab.
Definition, Ätiologie Synonym: Morbus Paget des Knochens. Bei der Ostitis defor-
mans Paget handelt es sich um eine ätiologisch ungeklärte, regelhaft in 3 Phasen ablaufende Störung des Knochenstoffwechsels, die im Verlauf gelegentlich zu schweren Deformierungen der befallenen Knochen führt. Die Erkrankung kann mono-, oligooder polyostotisch verlaufen.
Epidemiologie Angaben über Inzidenz und Prävalenz der Ostitis deformans sind nur schwer zu machen, da die Patienten meistens asymptomatisch sind und die Krankheit häufig nur zufällig entdeckt wird. Die Häufigkeit des Morbus Paget nimmt mit dem Alter zu, eine Manifestation vor dem 40. Lebensjahr ist höchst selten. Bei Mitteleuropäern liegt die Prävalenz bei den >40-Jährigen bei 3–4% und erreicht im 9. Lebensjahrzehnt >10%. Männer sind deutlich häufiger betroffen als Frauen, das Geschlechtsverhältnis beträgt 1,5–2:1. Die Krankheit tritt familiär gehäuft auf und zeigt die höchste Prävalenz in Großbritannien.
Pathogenese Das zunächst als entzündlicher Prozess beschriebene Krankheitsbild (Sir James Paget 1877) galt bis Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts als eine Form von Dysplasie, jedoch wurden auch neoplastische, vaskuläre, endokrine und traumatische Faktoren diskutiert. In neueren Untersuchungen konnten in Osteoklasten betroffener Knochen Antigene des Masernvirus bzw. des Respiratory Syncytial Virus (RSV), zweier Paramyxoviren, entdeckt werden, sodass man die Ostitis deformans gegenwärtig als »Slow virus«-Erkrankung einordnet. Die Ostitis deformans läuft typischerweise in 3 pathologischen Phasen ab, die mit den radiologischen Stadien der Erkrankung korrelieren. 4 1. Frühe pathologische Phase (korreliert mit dem lytischen radiologischen Stadium): Die fokal von Paramyxoviren infizierten Osteoklasten werden zunächst maximal stimuliert und führen zum Abbau von Knochensubstanz. Es kommt zur osteoklastären Hyperplasie und zur vermehrten Bildung von Howship-Lakunen. Der Knochenabbau beginnt in langen Röhrenknochen epi-/metaphysär und weitet sich keil-/flammenförmig auf die Diaphyse aus. 4 2. Mittlere pathologische Phase (korreliert mit dem kombinierten radiologischen Stadium): Als Antwort auf den Knochenverlust erfolgt eine gesteigerte Aktivierung von Osteound Fibroblasten und eine Erhöhung der regionalen ossären Perfusion. Dies führt zu einem Nebeneinander von Knochenab- und -aufbau (Mosaikmuster), also zum überstürzten Knochenumbau mit Ersatz des reifen Lamellenknochens durch unreifen, primitiven Geflechtknochen. Da dieser mechanisch-funktionell minderwertig ist, kommt es zur kompensatorischen Verdickung der Knochentrabekel und der Kompakta, zur Volumenzunahme der befallenen Knochen sowie zu deren Deformierung.
Grundsätzlich können alle Teile des Skeletts betroffen sein, Prädilektionsstellen in abnehmender Häufigkeit sind: 4 Becken/Os sacrum 4 Femur und Tibia 4 Schädel 4 Wirbelsäule 4 Humerus 4 Sternum 4 Clavicula Obwohl der Neubefall eines Knochens prinzipiell jederzeit möglich ist, ändert sich das Befallsmuster nach Diagnosestellung in der Regel nicht mehr. Gelenke bilden meist eine Barriere für den Morbus Paget und werden nicht überschritten.
Klinik, Laborparameter Typisch ist die Erhöhung der Aktivität der alkalischen Phosphatase (AP) im Serum, die mit dem Ausmaß und der Aktivität der Krankheit korreliert. Die ebenfalls messbare, erhöhte Ausscheidung von Hydroxyprolin im Urin spiegelt den gesteigerten Kollagenstoffwechsel wider. Serumkalzium- und -phosphatspiegel liegen in der Regel im Normbereich. Das Allgemeinbefinden der Patienten ist in der Regel nicht wesentlich beeinträchtigt, Fieber oder erhöhte Entzündungsparameter sind nicht nachweisbar. Sehr selten kann es, als Folge der vermehrten Perfusion befallener Knochen, zu einer Steigerung des Herzminutenvolumens mit entsprechenden Komplikationen kommen. Bei mindestens 90% der Patienten verläuft die Erkrankung in der Initialphase asymptomatisch. Ein dumpfer Schmerz, eine Knochendeformität oder eine pathologische Fraktur können zur Konsultation eines Arztes führen. Als Ursache des Schmerzes kommt einerseits eine intraossäre Drucksteigerung als Folge der erhöhten Durchblutung, andererseits, bei Befall gelenknaher Knochenanteile, eine Paget-Arthropathie infrage. Selten ist die Haut über dem befallenen Knochen infolge der regionalen Hyperperfusion gerötet und überwärmt. Durch die Volumenzunahme im Bereich des Schädels kann es zur Kompression von Hirnnerven und in der Folge etwa zu Erblindung oder Hörverlust kommen. Ist die Maxilla betroffen, können paranasale Knochenwülste zu einer Facies leontina (Löwengesicht) führen. Gefährlich ist der Befall der Schädelbasis, der neben Hirnnervenausfällen eine basiläre Impression mit konsekutiver Kompression des Hirnstamms bzw. einen Hydrozephalus verursachen kann. Bei einer Ostitis deformans der Wirbelsäule ist die Einengung des Spinalkanals bzw. der Foramina intervertebralia mit entsprechender neurologischer Symptomatik eine bekannte Komplikation. Im Bereich der Hüfte kann es zu einer Protrusio acetabuli oder zur Ausbildung einer Coxa vara (Hirtenstabdeformität des proximalen Femurs) kommen. Der Begriff Paget-Koxopathie beschreibt die aus einem Befall des Hüftgelenks resultierende
36
1138
Kapitel 36 · Entzündliche Erkrankungen des Knochens
Bewegungseinschränkung sowie die assoziierte klinische Symptomatik mit dem Belastungsschmerz als führendem Symptom. Grundsätzlich prädisponiert der Befall gelenknaher Knochen durch den Morbus Paget zu degenerativen Veränderungen. Zudem werden Femur und Tibia infolge der Belastung gelegentlich deutlich nach ventral verbogen, es resultiert die typische Säbelscheidendeformität. Stressfrakturen können im Bereich der maximalen Konvexität auftreten, in den meisten Fällen heilen sie spontan aus.
Komplikationen Neben den oben genannten klinischen Symptomen ist die maligne Entartung eine gefürchtete Komplikation. Meist handelt es sich bei den entstehenden Tumoren um gering differenzierte Osteosarkome, Fibrosarkome bzw. maligne fibröse Histiozytome. > Bei etwa 1% aller Patienten mit Morbus Paget kommt es zur Ausbildung eines so genannten Paget-Sarkoms, also zur malignen Entartung (Übersicht). Betroffen sind in der Regel ältere Patienten (jenseits des 60. Lebensjahrs), bei denen seit vielen Jahren eine ausgeprägte, meist polyostotische Ostitis deformans besteht. Hinweise auf eine maligne Entartung sind:
36
4 Neu oder verstärkt auftretende Schmerzen mit oder ohne Begleitschwellung 4 Ein klinisch bzw. radiologisch nachweisbarer Weichteiltumor 4 Eine pathologische Fraktur 4 Akute neurologische Symptome bei Patienten mit Wirbelsäulen- oder Schädelbefall 4 Das Auftreten »kalter« Herde in der Skelettszintigraphie (s. u.) 4 Der Ersatz des Fettmarks mit Signalverlust in T1 w MRTBildern (s. u.) 4 Rasche Veränderung des Röntgenmorphologie mit Bildung von ausgedehnten Osteolysen Eine seltene Komplikation ist die Ausbildung von Riesenzelltumoren, die insbesondere im Schädel- und Kieferbereich, gelegentlich auch in Becken, Wirbelsäule und langen Röhrenknochen auftreten. Trotz der deutlich erhöhten Durchblutung scheint eine Metastasierung in von einer Ostitis deformans betroffene Skelettareale selten zu sein. Bei massivem Markraumbefall im Rahmen eines polyostotischen Morbus Paget kann es selten zur extramedullären Blutbildung in einer paraspinalen Raumforderung kommen.
. Abb. 36.6. Lytisches/gemischtförmiges Stadium Morbus Paget. In den konventionellen Röntgenaufnahmen des Unterschenkels im a. p.- und lateralen Strahlengang kommt an der distalen Tibia eine scharf demarkierte Osteolysen ohne Randsklerosen zur Darstellung. Diese breitet sich typischerweise keil- bzw. flammenförmig von epi-/metaphysär nach diaphysär aus (lytisches Stadium). Im proximalen Anteil des Femurs zeigen sich bereits ein strähniger Umbau der Kortikalis, eine Vergröberung der Trabekelstruktur und eine Auftreibung des Knochens. Hier ist die Erkrankung schon etwas weiter fortgeschritten (gemischtförmiges Stadium)
imponiert. Der Knochen nimmt an Volumen zu, die Grenze zwischen Kompakta und Markraum wird undeutlicher. 4 3. Sklerotisches Stadium: In diesem Stadium erscheint der meist bereits vergrößerte bzw. deformierte Knochen fleckig, strähnig oder homogen sklerotisch. Sowohl bei mono- als auch bei polyostotischem Verlauf lassen sich die einzelnen Stadien häufig gleichzeitig in unterschiedlichen oder sogar einem einzigen Knochen erkennen (. Abb. 36.6).
Bildgebung Allgemeine radiologische Merkmale. In der Diagnostik des
Morbus Paget spielen konventionelle Röntgenaufnahmen unverändert eine zentrale Rolle. Es lassen sich 3 Stadien unterscheiden: 4 1. Lytisches Stadium: Zentraler Befund ist eine umschriebene, gut abgrenzbare Osteolyse ohne Randsklerose, die sich in den langen Röhrenknochen keil- bzw. flammenförmig von epi-/metaphysär nach diaphysär ausbreitet. 4 2. Kombiniertes Stadium: Die Neubildung von Knochen und Osteolysen lässt sich gleichzeitig beobachten. Die Trabekel erscheinen verdickt, ebenso kommt es zur Verdickung der strähnig erscheinenden Kompakta, die bisweilen aufgeblättert
Charakteristische Röntgenzeichen der Ostitis deformans 4 Keil-/flammenförmig von epi-/metaphysär nach diaphysär fortschreitende Osteolyse 4 Vergröberung des Trabekelmusters 4 Verdickung der Kompakta 4 Verwischung der Grenze zwischen Markraum und Kompakta 4 Volumenzunahme und Deformierung des Knochens
1139 36.2 · Ostitis deformans Paget
Stressfrakturen sind gelegentlich an der Konvexität verformter Knochen zu sehen und müssen von Looser-Umbauzonen (s. Osteomalazie) abgegrenzt werden. CT und MRT spielen bei der Diagnostik des Morbus Paget eine eher untergeordnete Rolle. Eine Bedeutung erhalten sie jedoch, wenn es gilt, bei einer Untersuchung aus anderer Indikation eine Ostitis deformans zu erkennen, oder wenn eine sarkomatöse Entartung ausgeschlossen werden soll. Auch in anatomisch unübersichtlichen Arealen (Schädelbasis, Wirbelsäule etc.) bieten sie Vorteile. In der CT sieht man im lytischen Stadium eine erhebliche Demineralisation des Knochens, im Unterschied zu Metastasen ist die Knochenmatrix noch erhalten. Eine Verdickung der Kompakta, eine grobe Trabekelzeichnung sowie eine Volumenzunahme des Knochens lassen sich im Verlauf deutlich darstellen. Wichtig zum Ausschluss einer sarkomatösen Entartung ist der Nachweis von Fettgewebe im Knochenmark der befallenen oder diesen unmittelbar benachbarten Gebieten, der für einen benignen Prozess spricht. Auch in der MRT lässt sich das typische Fettsignal (hyperintens in T1- und T2w-Bildern) meist gut vom Ersatz des Fettmarks (hypointens in T1w-Bildern) bei malignen Prozessen unterscheiden. Lediglich im Initialstadium der Erkrankung kann das neu entstehende, fibrovaskuläre Gewebe zu einer niedrigen Signalintensität in T1w-Bildern bei hoher Intensität in T2w-Bildern führen, eine Konstellation, die auch bei malignen Prozessen zu finden ist und eine weitere Abklärung (konventionelle Aufnahme, CT) erfordert. Die Skelettszinitigraphie mit 99mTechnetium-markierten Bisphosphonaten stellt die Herde einer Ostitis deformans mit hoher Sensitivität als großflächige, homogene Mehrspeicherung dar und eignet sich zur Detektion übersichtsradiographisch noch nicht auffälliger Läsionen bzw. als Screeningverfahren, z. B. bei ungeklärter Erhöhung der AP bei älteren Patienten. Im Spätstadium der Erkrankung nimmt die Tracereinlagerung homogen ab. »Kalte« Areale innerhalb stark speichernder Gebiete sind hochverdächtig auf eine sarkomatöse Entartung bzw. eine Metastasierung in einen Paget-Knochen. Spezielle radiologische Merkmale. Dazu gehören: Schädel: Einzelne oder mehrere, meist rundliche Osteoly-
sen ohne Randsklerose sind im Frühstadium zu sehen, ein Befund, der Osteoporosis circumscripta genannt wird. Die Randbegrenzung kann bogig, wellig oder gezackt imponieren, ein Überschreiten der Suturen ist möglich. Im weiteren Verlauf beginnt die Sklerosierung meist im Bereich der Tabula interna, später sind auch Diploe und Tabula externa betroffen. Die Schädelkalotte erhält durch die fleckigen Sklerosierungen im gemischten Stadium ein watteähnliches Aussehen. Die fortschreitende Sklerose führt schließlich dazu, dass die Dreischichtung der Kalotte nicht mehr erkennbar ist. Eine basiläre Impression ist bei Befall der Okzipitalregion häufig zu beobachten. Wirbelsäule: Betroffen sind bevorzugt Brust- und Lendenwirbelsäule, ein mono-, oligo- oder multisegmentales Befallsmuster ist möglich. Nach einer diskreten Sinterung in der lytischen Phase kommt es zu einer Zunahme des Quer- und Tie-
. Abb. 36.7. Fortgeschrittener Morbus Paget des Beckenskeletts (Übergang gemischtförmiges/sklerotisches Stadium). Die koronare CT-Rekonstruktion zeigt einen einseitigen Befall des Beckenskeletts links. Nachweisbar ist eine deutliche Volumenzunahme der betroffenen Beckenanteile mit Vergröberung der Trabekelstruktur und Verdickung des kompakten Knochens. Es besteht eine Paget-Koxopathie mit Protrusio acetabuli und konzentrischer Gelenkspaltverschmälerung
fendurchmessers der Wirbelkörper und durch die vermehrte Sklerose der Kompakta zur Ausbildung des typischen Rahmenwirbels. Wirbelkörpervorder- und -hinterkante können sich konvex darstellen. Die Vergröberung, insbesondere der vertikal verlaufenden Trabekel, erinnert an einen Hämangiomwirbel, bei dem die Rahmenstruktur und die Volumenzunahme jedoch nicht zu beobachten sind. Auch die Wirbelanhangsgebilde sind von den Umbauvorgängen betroffen, auf die mögliche Einengung der Neuroforamina und des Spinalkanals sowie die hierdurch verursachte neurologische Symptomatik wurde bereits hingewiesen. Ausgeprägte Frakturen sind bei Paget-Wirbeln ein seltenes Ereignis. Becken/Os sacrum: Neben den bereits erwähnten allgemeinen radiologischen Merkmalen der Ostitis deformans ist im Becken eine Verdickung der Linea iliopectinea ein frühes und typisches Röntgenzeichen. Besonders häufig sind die Massae laterales des Os sacrum sowie die dorsalen Abschnitte der Beckenschaufeln betroffen. Die Iliosakralgelenke werden – sofern nicht verknöchert – nicht überschritten. Sehr häufig findet sich ein asymmetrischer Befall des Beckenskeletts. Nicht selten ist nur eine Seite betroffen, was dann als differenzialdiagnostisches Kriterium gegenüber einen diffusen osteoblastischen Metastasierung verwendet werden kann (. Abb. 36.7). Bei Befall des Acetabulums kann es zur Protrusio acetabuli mit Ausbildung einer Paget-Koxopathie mit zentraler oder konzentrischer Gelenkspaltverschmälerung kommen. Die Paget-Koxopathie ist von einer gewöhnlichen Koxarthrose, bei der belastungsbedingt insbesondere der superiore Gelenkspalt abnimmt, oft nur schwer abzugrenzen. Lange Röhrenknochen: In der lytischen Phase sieht man die charakteristische, sich von epi-/metaphysär nach diaphysär ausbreitende, keil- bzw. flammenförmige Osteolyse. Später sind die
36
1140
Kapitel 36 · Entzündliche Erkrankungen des Knochens
. Tab. 36.1. Differenzialdiagnosen der Ostitis deformans Paget
Lokalisation
Differenzialdiagnose
Unterscheidungsmerkmal
Allgemein
Osteoradiodystrophie
Anamnese Keine Volumenzunahme Keine deutliche Mehranreicherung (szintigraphisch)
Pagetoider, posttraumatischer Knochenumbau (?)
Traumaanamnese, Alter der Patienten Rein osteolytisch (kein Mosaik)
Hereditäre Hyperphosphatasie (»juveniler Morbus Paget«)
Befall des gesamten Skeletts Alter des Patienten Histologisch kein Mosaikmuster
Fibröse Dysplasie
Präsentationsalter (meist <40 Jahre) Kein Überschreiten der Schädelnähte AP im Normbereich Schärfere Konturierung der veränderten Knochenabschnitte Mattglasaspekt des Bindegewebsknochens
Metastasen bzw. Multiples Myelom
Komplette Destruktion des Knochens
Hämangiomwirbel
Keine Volumenzunahme Fehlende Rahmenstruktur
Elfenbeinwirbel (z. B. bei Morbus Hodgkin oder NHL)
Keine Volumenzunahme
Metastasen (v. a. Mamma- bzw. Prostatakarzinom)
Keine strähnige Knochenstruktur Keine großflächig homogene Mehranreicherung in der Skelettszintigraphie Keine Verdickung der Linea ileopectinea
Ostitis condensans ilii
Homogenere Dichte der Knochenstruktur
Schädel
Wirbelsäule
Becken/Os sacrum
36 Lange Röhrenknochen
Keine echte Differenzialdiagnose
typischen Merkmale der Ostitis deformans im Sinne einer Verdickung der Kompakta und einer Vergröberung der Trabekelstruktur meist gut abgrenzbar. Besonders typisch ist die konsekutive Verbiegung der vergrößerten Knochen, die zur Hirtenstabdeformität des Femurs und zur Säbelscheidentibia führt. Stressfrakturen können am Ort der maximalen Konvexität der Krümmung entstehen (banana fractures). In der CT hat die verdickte, aufgefaserte Kompakta häufig einen Spongiosa-ähnlichen Aspekt.
Differenzialdiagnose . Tab. 36.1 zeigt die allgemeinen und speziellen Differenzialdiag-
nosen der Ostitis deformans Paget.
Therapie Bei der Behandlung der Ostitis deformans steht die medikamentöse Therapie mit Kalzitonin und Bisphosphonaten im Vordergrund. Beide können die Schmerzsymptomatik lindern, den Progress der Erkrankung verzögern bzw. aufhalten und so mögliche Komplikationen verhindern. Indikator für ein Ansprechen der Therapie ist neben einer Abnahme der Beschwerden auch eine Normalisierung der Serumaktivität der AP. Eine Normalisierung der Architektur eines betroffenen Knochens ist jedoch nicht zu erwarten. Bei erheblichen Deformierungen der befallenen Knochen oder bereits eingetretenen Komplikationen kann eine chirurgische Intervention, etwa in Form einer Laminektomie oder eines prothetischen Knochen- bzw. Gelenkersatzes, nötig werden.
37 37 Primäre und sekundäre Knochentumoren S. Waldt
37.1
Grundlagen der Diagnostik
– 1142
37.2
Knochenbildende Tumoren
– 1145
37.2.1 37.2.2
Benigne knochenbildende Tumoren – 1145 Maligne knochenbildende Tumoren – 1148
37.3
Knorpelbildende Tumoren
37.3.1 37.3.2
Benigne knorpelbildende Tumoren – 1150 Maligne knorpelbildende Tumoren – 1155
37.4
Bindegewebige und histiozytäre Tumoren – 1158
37.4.1 37.4.2 37.4.3
Benigne bindegewebige und histiozytäre Tumoren – 1158 Semimaligne bindegewebige und histiozytäre Tumoren – 1159 Maligne bindegewebige oder histiozytäre Tumoren – 1160
37.5
Myelogene Tumoren
37.5.1 37.5.2
Benigne myelogene Tumoren – 1161 Maligne myelogene Tumoren – 1161
37.6
Vaskuläre Tumoren
37.6.1 37.6.2
Benigne vaskuläre Tumoren – 1165 Maligne vaskuläre Tumoren – 1166
37.7
Andere Knochentumoren
37.8
Skelettmetastasen
– 1150
– 1161
– 1165
– 1167
– 1167
1142
Kapitel 37 · Primäre und sekundäre Knochentumoren
37.1
Grundlagen der Diagnostik
Knochentumoren und tumorähnliche Veränderungen des Knochens werden nach histogenetischen Kriterien klassifiziert (. Tab. 37.1). Innerhalb der einzelnen Gruppen werden benigne, maligne und semimaligne Tumoren unterschieden. Die primär malignen Knochentumoren sind mit einem Anteil von ca. 1% aller malignen Tumoren insgesamt sehr selten. Von den primär malignen Tumoren müssen die sehr viel häufigeren sekundären Knochentumoren (Metastasen) und die durch sekundäre Malignisierung entstehenden Tumoren (z. B. Osteosarkom bei vorbestehendem Morbus Paget, 7 Kap. 36) abgegrenzt werden. Das konventionelle Röntgen in 2 Ebenen stellt den ersten und wichtigsten Schritt bei der bildgebenden Abklärung ossärer Läsionen dar. Auch nach Biopsie einer Läsion sollten Histo- und Radiomorphologie des Tumors bei der definitiven Diagnosestellung zusammen berücksichtigt werden. Folgende röntgenmorphologischen Kriterien können zusammen mit dem Alter und Geschlecht des Patienten diagnostisch richtungweisend sein: 4 Muster der Knochendestruktion 4 Verkalkung und Verknöcherung der Tumormatrix 4 Periostreaktionen, Form 4 Größe und Lokalisation der Knochentumoren
Muster der Knochendestruktion Das Knochendestruktionsmuster eines Tumors lässt Rückschlüsse auf die Wachstumsgeschwindigkeit bzw. Aggressivität der Lä-
37
sion zu. Es werden 3 verschiedene Destruktionstypen unterschieden: 4 Geographische Destruktion (langsames Tumorwachstum):
es zeigt sich eine gut demarkierte Osteolyse mit schmaler Transitionszone (Übergang intakter Knochen/Osteolyse), die Wachstumsgeschwindigkeit kann so gering sein, dass der intakte Knochen als Demarkation eine Randsklerose ausbildet. 4 Mottenfraßähnliche Destruktion (mittlere Wachstumsgeschwindigkeit): es zeigen sich im kortikalen und/oder spon-
giösen Knochen unterschiedlich große Osteolysen, die konfluieren und zur kompletten Destruktion des kortikalen Knochens führen können. 4 Permeative Destruktion (hohe Wachstumsgeschwindigkeit): tritt ausschließlich im kortikalen Knochen auf; es fin-
den sich sehr zahlreiche kleinste, uniforme Osteolysen, die durch einen Knochenabbau über das Haver-System hervorgerufen werden. Knochentumoren können aufgrund ihres Destruktionsmusters nach Lodwick klassifiziert werden (. Abb. 37.1, . Tab. 37.2). Bei der Interpretation muss beachtet werden, dass die Einteilung im Wesentlichen Rückschlüsse auf die biologische Aktivität (Wachstumsgeschwindigkeit) der Tumoren und nicht auf die Dignität der Läsionen zulässt. Dennoch gilt, dass Tumoren mit dem Destruktionstyp Grad 1A und 1B im Allgemeinen benigne sind. Osteolysen-Typ 1C kommt vorwiegend bei lokal aggressiven, be-
. Tab. 37.1. Histologische Klassifikation von Knochentumoren (nach Freyschmidt J. Diagnosische Radiologie, Band Knochentumoren 2003)
Ursprung
Maligner Tumor
Benigner Tumor
Tumorähnliche Läsion
Knochenbildende Zellen
Osteosarkom Paraossales Osteosarkom
Osteoidosteom Osteoblastom Osteom
Fibröse Dysplasie
Knorpelbildende Zellen
Chondrosarkom
Enchondrom Osteochondrom Chondroblastom Chondromyxoidfibrom (CMF)
Bindegewebsbildende Zellen
Fibrosarkom Malignes fibröses Histiozytom (MFH)
Benignes fibröses Histiozytom Desmoplastisches Fibrom Hämangiom
Nicht-ossifizierendes Knochenfibrom (NOF)
Endothelzellen
Hämangioendotheliom Hämangioendothelsarkom Lymphangiosarkom Hämangioperizytom
Lymphangiom
Aneurysmatische Knochenzyste (AKZ)
Knochenmark Hämatopoetische Zellen
Ewing-Sarkom (Multiples) Myelom (Plasmozytom) Non-Hodgkin-Lymphom Hodgkin-Lymphom Leukämie
Eosinophiles Granulom (Langerhans-Zell-Histiozytose)
1143 37.1 · Grundlagen der Diagnostik
. Abb. 37.1. Destruktionsmuster von Knochentumoren
nignen oder malignen Tumoren vor. Die Destruktionstypen II und III werden in der Mehrzahl der Fälle bei malignen Tumoren angetroffen.
Lokalisation von Knochentumoren Die Lokalisation einer ossären Läsion ist ein wichtiges Kriterium bei der differenzialdiagnostischen Eingrenzung. Neben der Lokalisation im Skelettsystem muss die Lage im tumortragenden Knochen beurteilt werden. In den langen Röhrenknochen sollte die Lage der Läsion in longitudinaler Ausrichtung und in axialer Ebene berücksichtigt werden: 4 longitudinal: epi-, meta-, und diaphysär 4 axial: zentral, exzentrisch, kortikal, paraossal/juxtakortikal, extraossär Viele Tumoren bevorzugen bestimmte Skelettanteile sowie Knochenabschnitte. Eine Übersicht primärer Knochentumoren mit typischer Lokalisation in den langen Röhrenknochen gibt (. Abb. 37.2).
Verkalkung und Verknöcherung der Tumormatrix Die von vielen Knochentumoren gebildete interzelluläre Grund-
substanz, die als Matrix bezeichnet wird, kann je nach Tumorart aus Osteoid, Knorpel, Myxoid oder Kollagen bestehen. Mineralisationen der Matrix werden als Tumormatrixverkalkung/-verknöcherung bezeichnet. Das charakteristische radiologische Erscheinungsbild der Matrixverkalkungen (Verkalkungsmuster) von knochen- und knorpelbildenden Tumoren lässt Rückschlüsse auf die Tumorentität zu und ermöglicht dadurch häufig eine differenzialdiagnostische Eingrenzung (. Abb. 37.3): 4 Knochenbildende Tumoren: radiologisch imponiert die Osteoidmineralisation der tumoralen Knochenneubildung als mehr oder weniger homogene Dichteanhebung, die in Abhängigkeit vom Ausmaß der Mineralisation mattglasartig, solide, wolkig oder elfenbeinartig imponiert. 4 Knorpelbildende Tumoren: Kalzifikationen der chondrogenen Matrix kommen radiologisch stippchenförmig, flockenartig oder in späteren Stadien im Rahmen der enchondralen Ossifikation ring- und bogenförmig zur Darstellung; amorphe Verkalkungen sind eher verdächtig auf ein Malignom.
. Tab. 37.2. Destruktionsmuster von Knochentumoren (nach Lodwick, 1980; Freyschmidt, 1988)
Röntgenmuster
IA
IB
IC
II
III
Destruktionsmuster
Immer geographisch
Immer geographisch
Immer geographisch
Immer geographisch
Mottenfraßartig und/oder permeativ ohne geographische Komponente
Begrenzung
Regelmäßig Lobuliert Multizentrisch (aber immer scharf )
Regelmäßig Lobuliert Multizentrisch Unregel-mäßig/ unscharf
Regelmäßig Lobuliert Multizentrisch Unregelmäßig/unscharf (nicht mottenfraßartig oder permeativ)
Kompaktapenetration
Nicht oder partiell
Nicht oder partiell
Immer vollständige Penetration
Definitionsgemäß total
Definitionsgemäß total
Sklerosesaum
Immer
Möglich
Möglich
Möglich, aber ungewöhnlich
Möglich, aber ungewöhnlich
Expansion der Kortikalis (Neo- oder Pseudo-kortikales)
Möglich, aber nur 1 cm oder weniger
>1 cm bei vorhandenem Sklerosesaum
Möglich
Möglich, aber ungewöhnlich
Möglich, aber ungewöhnlich
37
1144
Kapitel 37 · Primäre und sekundäre Knochentumoren
. Abb. 37.2a,b. Typische Lokalisationen einiger Knochentumoren in den langen Röhrenknochen am a unreifen und b reifen Skelett
37
. Abb. 37.3a–f. Matrix-Ossifikationsmuster. a–c Ossifikationsmuster von Tumorosteoid (knochenbildende Tumoren): a solide, b wolkig, c elfenbeinartig. d–f Ossifikationsmuster bei knorpelbildenden Tumoren: d stippchenförmig. e flockenförmig. f ring- und bogenförmig
Periostreaktionen bei Knochentumoren Die durch einen Knochentumor oder eine tumorähnliche Veränderung induzierte Periostreaktion ist, ähnlich wie das ossäre Destruktionsmuster, ein Indikator für die biologische Aktivität der Läsion. Radiologisch werden diese periostalen Veränderungen allerdings erst nachvollziehbar, wenn sie kalzifizieren, was altersabhängig nach einer Zeitspanne von 10 Tagen bis 3 Wochen zu erwarten ist. Die Periostreaktionen können wie in der Übersicht gezeigt klassifiziert werden (. Abb. 37.4).
. Abb. 37.4. Synopsis der unterschiedlichen Periostreaktionen
1145 37.2 · Knochenbildende Tumoren
Klassifikation von Periostreaktionen 4 Typ 1: Kontinuierliche Periostreaktion mit Kortikalisdestruktion: a) Schale (Pseudokortikalis) b) Lobulierte Schale c) Trabekulierte, seifenblasenartige Schale Endostaler Knochenabbau wird bei Typ 1a–1c durch eine periostale Knochenneubildung mit Ausbildung einer Periostschale (Neokortikalis) beantwortet; 1a und 1b meist benigne, Typ 1 c auch bei semimalignen und malignen Tumoren (z. B. Chondrosarkom, Plasmozytom) 4 Typ 2: Kontinuierliche Periostreaktion mit erhaltener Kortikalis: a) Solide b) Einfach lamellär c) Lamellenartig (zwiebelschalenartig, »onion skin«) d) Parallele Spikulae (»hair on end«) Die bildgebend intakte Kortikalis schließt beim Typ 2 eine mikroskopisch nachweisbare Penetration nicht aus; Typ 2a imponiert als umschriebene Verdickung der Kortikalis v. a. bei chronischen Läsionen (z. B. chronische Osteomyelitis, Osteoidosteom); Typ 2b überwiegend bei Osteomyelitis, aber auch Knochentumoren (z. B. eosinophiles Granulom); dem Typ 2c liegt ein benigner oder maligner aggressiver Prozess zugrunde (z. B. akute Osteomyelitis, Ewing-Sarkom, Osteosarkom); Typ 2d ist immer hoch aggressiv. 4 Typ 3: Unterbrochene Periostreaktionen: a) Keilförmig (solide) b) Codman-Dreieck (nicht solide) c) Unterbrochen lamellär d) Unterbrochen spikulär Die Durchbrechung des Periostes deutet bei Typ 3a– 3c auf hohe Aggressivität und Malignität hin; Codman-Dreiecke sind typisch bei Ewing- und Osteosarkomen; Typ 3d ist Ausdruck eines größeren extraossären Tumoranteils. 4 Typ 4: Komplexe Periostreaktionen a) Divergierende Spikulae (»sun burst«) b) Kombinierte Reaktionen Typ 4a und 4b treten bei hochmalignen Knochentumoren mit extraossären Tumoranteilen auf.
. Abb. 37.5. Osteom des Sinus frontalis. Im Röntgenbild lässt sich in Projektion auf den Sinus frontalis rechts eine lobulierte homogen sklerosierte Raumforderung abgrenzen
Osteome können in jedem Alter diagnostiziert werden, wobei eine Häufung im 4. und 5. Lebensjahrzehnt vorliegt. Prädilektionsstellen sind die Nasennebenhöhlen, insbesondere Stirnhöhle und Siebbeinzellen sind in ca. 75% der Fälle betroffen (. Abb. 37.5). Des Weiteren treten die der Kortikalis aufsitzenden Tumoren auch an der Oberfläche der Tabula externa der Schädelkalotte und an der Mandibula auf. Von der als klassisches Osteom bezeichneten Form unterscheidet man das seltene, an den langen Röhrenknochen auftretende juxtakortikale Osteom und das medulläre Osteom (Synonym: Enostom, Kompaktainsel), das häufig im Beckenskelett, im proximalen Femurs, in den Rippen und in Wirbelkörpern nachgewiesen werden kann.
Pathogenese, Klinik
37.2
Knochenbildende Tumoren
In den meisten Fällen handelt es sich bei den Osteomen um radiologische Zufallsbefunde. Gelegentlich können Osteome der Nasennebenhöhlen durch Verlegung der Ausführungsgänge Sinusitiden oder Mukozelen hervorrufen, noch seltener ist ein Einbruch nach intraorbital durch paranasale Osteome. Der Nachweis multipler Osteome sollte an das autosomal dominant erbliche Gardner-Syndrom denken lassen. Neben den Knochenveränderungen kennzeichnen eine adenomatöse Polypose und multiple benigne Weichteiltumoren dieses Syndrom. Die Knochentumoren können dem Auftreten der intestinalen, zur malignen Entartung neigenden Polypose vorangehen.
37.2.1
Benigne knochenbildende Tumoren
Bildgebung
Osteom Definition, Epidemiologie, Lokalisation Osteome sind gutartige, sehr langsam wachsende Knochentumoren, die aus hochdifferenziertem, reifem Knochengewebe mit vorwiegend lamellärer Struktur bestehen.
Die Osteome stellen sich auf konventionellen Aufnahmen üblicherweise als homogen dichte und scharf begrenzte Sklerosierungen dar (. Abb. 37.5), die der Kortikalis des betroffenen Knochens anhaften. Medulläre Osteome (Kompaktainseln) sind meist nur wenige mm groß und präsentieren sich als scharf begrenzte rundliche Skleroseareale (. Abb. 37.6). Gelegentlich
37
1146
Kapitel 37 · Primäre und sekundäre Knochentumoren
ren, das multiple Myelom nicht eingerechnet). Die meisten Osteoidosteome treten unter deutlicher Bevorzugung des männlichen Geschlechts bei Patienten in der Altersgruppe von 10– 35 Jahren auf.
Pathologie, Lokalisation Histologisch besteht der Nidus, welcher den eigentlichen Tumor darstellt, aus einem stark vaskularisierten Stroma mit Osteoid und Knochen unterschiedlicher Reifegrade. Der Nidus kann mehr oder weniger ausgeprägte Kalzifikationen aufweisen. Der Sklerosesaum repräsentiert die Reaktion des umgebenden Knochens auf den Tumor. Osteoidosteome können prinzipiell in allen Knochen auftreten, am häufigsten betroffen sind allerdings die diaphysären Anteile der langen Röhrenknochen (insbesondere Femur und Tibia), seltener sind Hand- und Fußwurzelknochen oder die Wirbelkörper betroffen. Ein meta- oder epihysäres, para- oder intraartikuläres Auftreten ist möglich. Abhängig von der Lokalisation im Knochen kann eine Läsion als subperiostal, kortikal, enostal und medullär klassifiziert werden.
Klinik
37
. Abb. 37.6. Kompaktainsel der distalen Tibia. Die Aufnahme im a.p.Strahlengang zeigt eine metaphysär gelegene, scharf demarkierte und homogen sklerosierte Läsion mit kleinen Randspiculae, die sich in den angrenzenden Knochen ausdehnen
dehnen sich radiär angeordnete Randspiculae in den angrenzenden Knochen aus. Um insbesondere bei Osteomen der Nasennebenhöhlen eine exakte anatomische Darstellung zu erreichen, können konventionelle Aufnahmen durch eine CT ergänzt werden. Die Osteome weisen in der CT nahezu der Kortikalis identische Dichtewerte auf. Szintigraphisch können klassische Osteome eine schwache Traceraufnahme zeigen, während Kompaktainseln szintigraphisch fast immer stumm sind und dadurch von osteoblastischen Skelettmetastasen abgegrenzt werden können.
Therapie Osteome gelten als harmlose Zufallsbefunde. Sie bedürfen nur einer Therapie, wenn sekundäre Symptome hervorgerufen werden (z. B. Verlegung eines Ausführungsgangs der Nasennebenhöhlen).
Osteoidosteom Definition, Epidemiologie Das Osteoidosteom ist eine benigne osteoblastische Läsion unklarer Ätiologie, die aus einem zentralen, stark vaskularisierten Nidus und einem umgebenden Skleroseareal besteht. Bei dem Osteoidosteom handelt es sich um einen relativ häufigen Knochentumor (ca. 4% aller primären Knochentumo-
Leitsymptom sind Schmerzen, die typischerweise nachts zunehmen und auf Gabe von Salicylaten ein charakteristisches Ansprechen zeigen. Lokale Schwellungen und Muskelatrophie können weitere Symptome sein. Ein in der Wirbelsäule gelegenes Osteoidosteom kann zu einem Schiefhals und zu einer schmerzbedingten Skoliose führen. Nur in sehr seltenen Fällen bleiben Osteoidosteome asymptomatisch.
Bildgebung Der Nidus der diaphysär gelegenen Osteoidosteome stellt sich auf konventionellen Aufnahmen typischerweise als umschriebene, wenige Millimeter bis 1,5 cm große Osteolyse in einem stark sklerosierten Knochenareal dar. Bei subperiostaler Lage des Tumors lässt sich häufig aufgrund ausgedehnter periostaler Knochenappositionen eine längerstreckige Verdickung des Knochens nachweisen (. Abb. 37.7). Der Nidus weist in mehr als der Hälfte der Fälle mehr oder weniger ausgeprägte Verkalkungen auf. Im Tarsus, Karpus und in den Epiphysen lokalisierte medulläre Läsionen weisen meist kein umgebendes Sklerosierungsareal auf und stellen sich lediglich als partiell verkalkte Osteolyse dar. Osteoidosteome der Wirbelsäule sind typischerweise in den dorsalen Wirbelkörperelementen lokalisiert und treten hier als umschriebene Sklerosen an der Konkavseite eines skoliotischen Wirbelsäulenabschnitts in Erscheinung. Die CT hat sich als Verfahren der Wahl zur Darstellung des im konventionellen Bild häufig nicht nachweisbaren Nidus etabliert. ! Bei der Detektion des auf konventionellen Bildern häufig nicht nachweisbaren Nidus hat sich die CT als Verfahren der Wahl etabliert.
Als wichtigste Differenzialdiagnosen des Osteoidosteoms der langen Röhrenknochen können die Stressreaktion bzw. die Stressfraktur und die chronische Osteomyelitis angesehen werden. In anderen Lokalisationen kommen auch noch weitere Dif-
1147 37.2 · Knochenbildende Tumoren
a . Abb. 37.7a,b. Subperiostales Osteoidosteom des Tibiaschafts. a Axiale CT-Aufnahme; b Koronare Rekonstruktion. Die Aufnahmen zeigen eine dem Nidus entsprechende umschriebene Osteolysezone. Angrenzend findet sich eine ausgeprägte reaktive Verdickung der Kortikalis (periostale Knochenapposition)
ferenzialdiagnosen in Betracht. Im Bereich der Wirbelsäule können auch maligne Knochentumoren als umschriebene Osteosklerosen in Erscheinung treten. In Fällen, in denen eine eindeutige Differenzierung zwischen einem Osteoidosteom und einem Brodie-Abszess anhand morphologischer Kriterien nicht möglich ist, kann eine dynamische CT in Ergänzung durchgeführt werden. Der stark vaskularisierte Nidus des Osteoidosteoms zeigt eine parallel zur angrenzenden Arterie verlaufende Perfusionskurve mit schnellem An- und Abfluten des Kontrastmittels, während in der Abszessregion allenfalls eine langsame Anflutung des Kontrastmittels nachweisbar ist.
Therapie Die Therapie des Osteoidosteoms besteht in einer kompletten Resektion des Nidus. Alternativ kann der Nidus mittels Hochfrequenzablation nach CT-gesteuerter Nadelplatzierung devitalisiert werden. Wird der Nidus nur inkomplett devitalisiert oder entfernt, ist das Auftreten eines Rezidivs unumgänglich und die Beschwerden des Patienten treten nach kurzer Beschwerdefreiheit erneut auf. > Osteoidosteome können z. T. (in Abhängigkeit von der Lokalisation des Tumors) interventionell minimal-invasiv mittels CT-gesteuerter Hochfrequenzablation therapiert werden.
Osteoblastom Definition Synonym: Riesen-Osteoid-Osteom (giant osteoid osteoma). Das Osteoblastom ist eine sehr seltene, benigne osteoblastische Läsion, die aus einem gut vaskularisiertem Stroma mit einer Vielzahl von Osteoblasten, Osteoid und unreifen Knochentrabekeln besteht.
b
! Das Osteoblastom unterscheidet sich lediglich aufgrund seiner Größe vom Osteoidosteom. Weist der Nidus eine Größe von <1,5 cm auf, bezeichnet man den Tumor als Osteoidosteom, bei einer Größe >1,5 cm als Osteoblastom.
Epidemiologie, Lokalisation Wie auch die Osteoidosteome treten Osteoblastome unter Bevorzugung des männlichen Geschlechts vorwiegend bei jüngeren Patienten mit einem Altergipfel im 2. und 3. Lebensjahrzehnt auf; die aggressive Variante tritt meist bei etwas älteren Patienten auf. Am häufigsten (in 30–40% der Fälle) sind die Osteoblastome in der Wirbelsäule lokalisiert, dabei sind Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule mit etwa gleicher Häufigkeit betroffen und die Tumoren sind fast ausschließlich in den hinteren Wirbelkörperelementen lokalisiert. Weitere Prädilektionsstellen sind das Sakrum und die langen Röhrenknochen der oberen und unteren Extremität. Bei Befall der langen Röhrenknochen befinden sich die Tumoren typischerweise in dia- oder metaphysärer Lage, ein
37
1148
Kapitel 37 · Primäre und sekundäre Knochentumoren
37.2.2
Klinik
Das Osteosarkom ist ein primärer maligner Knochentumor, der dadurch charakterisiert ist, dass in einem sarkomatösen Stroma Tumorzellen (Osteoblasten) Osteoid und unreifen Knochen bilden. Das Osteosarkom ist nach dem Plasmozytom der zweithäufigste primäre maligne Tumor des Skelettsystems. Dennoch stellt der Tumor mit einer Neuerkrankungsrate von 2–3 Tumoren pro 1 Mio Einwohner/Jahr eine seltene Erkrankung dar. Beim Osteosarkom handelt es sich um einen typischen Tumor des Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit einem Altersgipfel im 2. Lebensjahrzehnt. In der Mandibula treten Osteosarkome etwas später auf. Männer erkranken insgesamt häufiger als Frauen. Die Osteosarkome stellen ca. 20% der primären malignen Knochentumoren. Sekundäre Osteosarkome können in einem Morbus Paget und nach Bestrahlung auftreten, in Einzelfällen wurde auch eine sekundäre Entartung von vorbestehenden benignen Tumoren wie der fibrösen Dysplasie oder einer aneurysmatische Knochenzyste beschrieben.
Die Schmerzsymptomatik ist im Vergleich zu den Osteoidosteomen weniger dramatisch und durch einen umschriebenen, zumeist dumpfen Schmerz charakterisiert, der seltener auf Salicylate anspricht. Einige Patienten sind asymptomatisch und der Tumor wird als Zufallsbefund diagnostiziert, in anderen Fällen stehen lokale Schwellungen, Funktionseinschränkungen, neurologische Symptome oder eine skoliotische Fehlhaltung im Vordergrund.
Bildgebung Das radiologische Erscheinungsbild der Osteoblastome variiert sehr stark. An der Wirbelsäule imponiert der Tumor häufig als expansiv wachsende osteolytische Läsion, die meist zumindest teilweise von einer verknöcherten Periostlamelle (Periostschale) umgeben ist. Matrixverkalkungen, z. T. auch Verknöcherungen, sind ausgedehnt vorhanden. An den langen Röhrenknochen stellt sich der Tumor meist als gut demarkierte, expansive Osteolyse dar mit variabel vorhandener Randsklerose und Periostreaktion. Matrixverkalkungen oder -verknöcherungen sind in ca. zwei Drittel der Fälle vorhanden.
37
Maligne knochenbildende Tumoren
epiphysäres Auftreten ist extrem selten. Als seltenere Lokalisationen gelten der Schädel, Maxilla, Mandibula, Hand- und Fußknochen.
> Osteoblastome der langen Röhrenknochen stellen sich typischerweise als partiell kalzifizierte oder ossifizierte Osteolysen mit variabler Randsklerose dar. An der Wirbelsäule imponieren die Osteoblastome als expansive meist kalzifizierte oder ossifizierte osteolytische Läsionen, die zumindest teilweise von einer Periostschale umgeben sind.
Aufgrund der erschwerten Beurteilbarkeit der hinteren Wirbelkörperelemente auf konventionellen Aufnahmen liefert die CT wichtige Hinweise bei der Charakterisierung von Wirbelkörpertumoren. Matrixverkalkungen und -verknöcherungen wie auch die verknöcherte Periostlamelle von Osteoblastomen in dieser Lokalisation können zuverlässig dargestellt werden. Zur Beurteilung einer evtl. vorhandenen Weichteilbeteiligung, die bei der aggressiven Variante wahrscheinlicher ist als bei der konventionellen Tumorform, ist die MRT am besten geeignet. An der Wirbelsäule sind die wichtigsten Differenzialdiagnosen die aneurysmatische Knochenzyste, das Osteoidosteom und der Riesenzelltumor. > Die differenzialdiagnostische Abgrenzung aggressiver Osteoblastome gegenüber dem Osteosarkom kann radiologisch und histologisch sehr schwierig sein.
Therapie Um das Aufreten von Rezidivtumoren zu vermeiden, gilt die Resektion im Gesunden als Standardtherapie des Osteoblastoms.
Osteosarkom Definition, Epidemiologie
Pathogenese, Lokalisation Der Tumor entwickelt sich bevorzugt in den Metaphysen der langen Röhrenknochen, welche die stärkste Wachstumstendenz aufweisen, wobei am häufigsten der distale Femur, die proximale Tibia und der proximale Humerus betroffen sind. Etwa drei Viertel der Tumoren treten in der Umgebung des Kniegelenks auf. Seltenere Lokalisationen stellen Becken, Schädel, Wirbelsäule, Thoraxskelett und die distalen Anteile der oberen Extremität dar.
Klinik Klinisch bestehen häufig Schmerzen, eine lokale Schwellung und Überwärmung. In 80–90% der Fälle muss bei Diagnosestellung bereits mit dem Bestehen okkulter Metastasen gerechnet werden. Die Metastasierung betrifft in ca. 80% die Lunge. Zu beachten ist, dass auch die Lungenmetastasen mineraliseren können, sodass Verkalkungen intrapulmonaler Herde bei diesen Patienten kein Hinweis auf Benignität sind.
Bildgebung Die Osteosarkome werden in mehrere Subtypen unterteilt (. Tab. 37.3). Der histologische Subtyp und das Ausmaß der tumoralen Knochenneubildung bestimmen das radiologische Erscheinungsbild. Konventionelles Osteosarkom
Das konventionelle Osteosarkom (Synonyma: medulläres Osteosarkom, zentrales Osteosarkom, klassisches Osteosarkom) ist mit Abstand (ca. 90%) der häufigste Subtyp und zeigt in den meisten Fällen ein Mischbild aus osteolytischen und osteosklerotischen Veränderungen mit Destruktion der Kortikalis, aggressiven Periostveränderungen und extraossärem Tumoranteil (. Abb. 37.8). Rein osteolytische oder osteoblastische Tumorfor-
1149 37.2 · Knochenbildende Tumoren
. Tab. 37.3. Subtypen des Osteosarkoms (aus: Mulder et al. Radiologic atlas of bone tumors. Amsterdam: Elsevier 1993)
Lokalisation
Subtyp
Häufigkeit
Intraossär
Konventionelles Osteosarkom Teleangiektatisches Osteosarkom Kleinzelliges Osteosarkom Osteoblastomähnliches Osteosarkom Niedrig malignes Osteosarkom
ca. 90% ca. 5% <1%
Oberflächlich
Parossales Osteosarkom Periostales Osteosarkom Hoch malignes Oberflächensarkom
ca. 5% ca. 1%
Extraossär
Extraossäres Osteosarkom
<1%
men sind seltener. Die Periostveränderungen sind meist unterbrochen lamellär. Codman-Dreiecke und spikuläre Komponenten (»sunburst-Typ«) gelten als typische Periostreaktionen. Die CT eignet sich in besonderem Maße die mineralisierte Tumormatrix und die Penetration der Kortikalis darzustellen. Die MRT jedoch stellt das bildgebende Verfahren der Wahl bei der Bestimmung der medullären und extraossären Tumorausdehnung dar. Nichtmineralisierte Tumoranteile weisen auf T1wBildern eine geringe bis intermediäre Signalintensität auf, bei korrespondierend hoher Signalintensität auf T2w-Bildern. Osteoblastische Tumoranteile zeigen auf allen Sequenzen eine sehr niedrige Signalintensität. Der Bezug des Tumors zu den benachbarten neurovaskulären Strukturen kann am besten auf axialen
a
b
. Abb. 37.8a–c. Konventionelles Osteosarkom. Radiologische Befunde. a Die konventionelle Röntgenaufnahme zeigt eine metaphysär gelegene Läsion, die neben osteolytischen Anteilen mit mottenfraßartigem Destruktionsmuster auch osteosklerotische Anteile aufweist. Medialseitig ist die Kortikalis komplett destruiert. Es zeigen sich hier komplexe Periostreak-
Bildern beurteilt werden. Die angrenzenden Nerven können am besten auf T2w-TSE-Aufnahmen beurteilt werden, die Gefäße auf T2w-TSE- oder T1w-SE-Aufnahmen nach KontrastmittelApplikation. Insgesamt ist eine Infiltration der Gefäß-/Nervenscheide beim Osteosarkom sehr selten. Auch »skip-lesions« (medulläre Metastasen im tumortragenden oder benachbarten Knochen) können zuverlässig mittels Kernspintomographie detektiert werden. Zum Ausschluss von »skip-lesions« sollten der tumortragende Knochen präoperativ immer komplett dargestellt werden, wobei T1w- und STIR-Aufnahmen in einer Ebene in der Regel ausreichend sind. Szintigraphisch reichern die Osteosarkome aufgrund ihrer Gefäßdichte und Fähigkeit zur Knochenneubildung osteotrope Radiopharmazeutika massiv an. Bei gemischt osteoblastisch-osteolytischen Osteosarkomen ist in den meisten Fällen bildgebend eine eindeutige Artdiagnose möglich. Bei osteolytischen Osteosarkomen ist die differenzialdiagnostische Einordnung etwas schwieriger. Die Tumoren müssen von einem Chondrosarkom, Ewing-Sarkom und insbesondere bei älteren Patienten von Knochenmetastasen abgegrenzt werden. Teleangiektatisches Osteosarkom
Dieser Tumor ist ein sehr aggressiver und seltener Subtyp des Osteosarkoms, der die Metaphysen der langen Röhrenknochen bevorzugt. Charakteristisch sind blutgefüllte Hohlräume, die durch Septen mit wenigen soliden Arealen unterteilt werden. Das typische radiologische Erscheinungsbild des Tumors ist eine aggressive Osteolyse ohne relevante Matrixmineralisation zentral im Knochen. Im konventionellen Bild kann der Tumor
c tionen mit Codman-Dreieck und divergierenden Spikulae (»sun burst«). b, c Die korrespondierenden T1w-MRT-Aufnahme vor (b) und nach (c) GdApplikation zeigen einen ausgedehnten extrakompartimentellen Tumoranteil. Die signalarme Linie stellt das durch den Tumor abgehobene Periost dar
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Kapitel 37 · Primäre und sekundäre Knochentumoren
oft nicht von einer aneurysmatischen Knochenzyste, einem Riesenzelltumor oder einem Angiosarkom differenziert werden. Kernspintomographisch zeigen sich im Tumor multiple, mit Flüssigkeit gefüllte Hohlräume, die Flüssigkeits-FlüssigkeitsSpiegel aus Blut und seröser Flüssigkeit aufweisen können. Hämorrhagische Komponenten weisen dabei sowohl auf T1- als auch auf T2w-Bildern eine relativ hohe Signalintensität auf. Daneben werden solide Tumoranteile angetroffen, die ein kräftiges Kontrastmittel-Enhancement zeigen. Die Differenzialdiagnose zur aneurysmatischen Knochenzyste ist besonders wichtig, da das teleangiektatische Osteosarkom auch histologisch Ähnlichkeiten mit dieser zeigen kann. ! Die differenzialdiagnostische Abgrenzung des teleangiektatischen Osteosarkoms gegenüber der aneurysmatischen Knochenzyste ist besonders wichtig, da beide Tumorentitäten auch histologisch Ähnlichkeiten aufweisen.
Enchondrom Definition Das Enchondrom ist ein benigner intramedullär gelegener Knorpeltumor, der aus einer lobulierten, aus hyalinem Knorpel bestehenden Grundsubstanz mit eingestreuten Chondrozyten und umgebendem fibrovaskulärem Stroma zusammengesetzt ist.
Epidemiologie, Lokalisation Enchondrome treten in allen Altersgruppen auf und werden meist im 3. und 4. Lebensjahrzehnt entdeckt. Männer und Frauen sind etwa gleich häufig betroffen. Das Enchondrom ist der häufigste Tumor des Handskeletts, wobei die Phalangen und die Metakarpalia am häufigsten betroffen sind. Die kurzen Röhrenknochen des Fußskeletts sind seltener befallen. Etwa ein Viertel aller Enchondrome ist in den langen Röhrenknochen lokalisiert, wobei Femur, Humerus und Tibia die häufigsten Lokalisationen darstellen. Während Enchondrome der kurzen Röhrenknochen
Parossales Osteosarkom
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Dieser Tumor tritt später als das konventionelle Osteosarkom auf, typischerweise im 3. und 4. Lebensjahrzehnt und hat einen geringeren Malignitätsgrad. Der Tumor bevorzugt die Dorsalseite der distalen Femurmetaphyse und imponiert als juxtakortikal gelegene Raumforderung, die nahezu komplett ossifiziert ist (ca. 90% der Fälle) oder nur einzelne verknöchernde Areale aufweist. In vielen Fällen ist die Ossifikation in den zentralen, knochennahen Tumoranteilen ausgeprägter als in der Peripherie. Der Tumor, der von der äußeren Kompaktaoberfläche ausgeht, kann Kontakt zur Kortikalis aufweisen oder durch einen schmalen Aufhellungssaum von ihr getrennt sein. Differenzialdiagnostisch kann eine Abgrenzung von heterotopen Weichteilverkalkungen bzw. zur Myositis ossificans schwierig sein.
Therapie Die Prognose des Osteosarkoms konnte durch Einführung eines multimodalen Therapiekonzepts deutlich verbessert werden. Die Therapie umfasst prä- und postoperative Chemotherapie nach dem so genannten COSS-Protokoll (COSS: Cooperative Osteosarcoma Study Group) und die Tumorresektion mit Resektionsrändern weit im Gesunden.
37.3
Knorpelbildende Tumoren
37.3.1
Benigne knorpelbildende Tumoren
Chondrom Chondrome sind benigne knorpelbildende Tumoren, die auf dem Boden versprengter Knorpelkeime entstehen. Ist der Tumor medullär gelegen, spricht man von einem Enchondrom, bei Sitz an der Knochenoberfläche von einem periostalen oder juxtakortikalen Chondrom. Multiple Chondrome treten beim Morbus Ollier (Enchondromatose) und beim Mafucci-Syndrom auf.
. Abb. 37.9. Enchondrom des Os metatarsale 5. Die Röntgenaufnahme des Handskeletts im d.p.-Strahlengang zeigt einen ausgedehnten, den Knochen auftreibenden, rein osteolytischen Tumor, der nahezu den gesamten 5. Metatarsalknochen betrifft. Der Tumor weist multiple chondrogene Matrixverkalkungen auf. Die Kortikalis ist an mehreren Stellen von endostal arrodiert (Lodwick 1b)
1151 37.3 · Knorpelbildende Tumoren
typischerweise diaphysär lokalisiert sind, finden sich die Enchondrome der langen Röhrenknochen in metaphysärer Lage. Eine Ausdehnung nach epiphysär ist in seltenen Fällen möglich, eine rein epiphysäre Lage hingegen ist eine Rarität.
Klinik Klinisch sind Enchondrome fast immer asymptomatisch und die Tumoren werden in der Regel als Zufallsbefund bei einer Röntgenuntersuchung entdeckt. Das Auftreten von Schmerzen kann der Hinweis auf eine Infraktion der ausgedünnten Kortikalis bzw. auf eine pathologische Fraktur sein oder auf die, zwar äußerst selten auftretende, Entartung in ein niedrig malignes Chondrosarkom.
Bildgebung Im konventionellen Bild stellen sich Enchondrome in den verschiedenen Skelettregionen unterschiedlich dar. Enchondrome der kurzen Röhrenknochen sind aufgrund der folgenden, typischen Röntgenmorphologie meist sicher zu diagnostizieren (. Abb. 37.9): 4 Nachweis einer gut demarkierten, geographischen Osteolyse mit lobulierten Umrandung. 4 Häufig Auftreibung des Knochens mit wellenförmiger Ausdünnung der Kortikalis (»scalloping«). 4 Selten Nachweis von Tumormatrixverkalkungen. Die Enchondrome der langen Röhrenknochen zeigen folgende charakteristischen Röntgenbefunde (. Abb. 37.10): 4 Zentral oder exzentrisch, metaphysär gelegene Osteolyse mit endostaler Arrosion (Ausdünnung) der Kortikalis.
a
b
. Abb. 37.10a–c. Enchondrom des distalen Femurs. Radiologische Befunde. a Die Röntgenaufnahme im a.p.-Strahlengang zeigt eine zentral metaphysär gelegene Läsion, die ausgedehnte ring- und bogenförmige Verkalkungen der Tumormatrix aufweist. b, c Die koronaren T1w-MRT-Aufnahmen
4 Chondrogene Matrixverkalkungen: meist multiple punktoder ringförmige Verkalkungsformationen. 4 Fehlender Nachweis von Periostreaktionen. Die Enchondrome der langen Röhrenknochen können aufgrund der Matrixverkalkungen im konventionellen Bild Knocheninfarkten ähneln. Im Gegensatz zum Enchondrom weist der Knocheninfarkt jedoch in der Regel eine scharf demarkierte Sklerosezone auf, die ihn zum normalen Markraum abgrenzt. Mittels CT können die chondrogenen Matrixverkalkungen besser als im konventionellen Röntgenbild dargestellt werden. Des Weiteren kann die CT hilfreich sein in Fällen, bei denen die Differenzierung zwischen einem Enchondrom und einem zentralen Chondrosarkom schwierig ist. Folgende Kriterien, von denen die letzten 3 computertomographisch am besten beurteilt werden können, sprechen für das Vorliegen eines zentralen Chondrosarkoms der langen Röhrenknochen und gegen ein einfaches Enchondrom: 4 Größe der Läsion >5–6 cm. 4 Epiphysäre Lage des Tumors. 4 Endostale Arosionen der Kortikalis um mehr als zwei Drittel oder Kortikalispenetration. 4 Auftreibung des tumortragenden Knochens mit kortikaler Verdickung und Periostreaktionen. Die Vorteile der MRT liegen in der charakteristischen Darstellung der chondrogenen Matrix. Gut differenzierte chondrogene Tumoren zeigen typischerweise einen lobulären Aufbau, eine sehr hohe Signalintensität auf dem T2w-Aufnahmen und eine geringe Signalintensität auf nativen T1w-Aufnahmen. Nach Kontrast-
c vor (b) und nach (c) KM-Applikation zeigen den lobulären Aufbau des Tumors. Die ring- und bogenförmigen Anreicherungen nach KM-Applikation sind sehr charakteristisch für einen hochdifferenzierten chondrogenen Tumor
37
1152
Kapitel 37 · Primäre und sekundäre Knochentumoren
b
a
37
. Abb. 37.11a, b. Periostales Chondrom des Os metatarsale 5. a Das konventionelle Röntgenbild zeigt eine schüsselförmige Druckarrosion des lateralen Os metatarsale 5 durch den subperiostalen Tumor. In der Tumormatrix sind einzelne Verkalkungen abgrenzbar. b Auf der axialen KM-verstärkten T1w-fs-MRT-Aufnahme zeigt der Tumor einen lobulären Aufbau und weist, für eine chondrogene Läsion charakteristisch, ring- und bogenförmige KM-Anreicherungen auf
mittelgabe ist ein »ring- und bogenförmiges« Enhancement sehr charakteristisch, das Anreicherungen im fibrovaskulären Stroma entspricht, welches die Knorpelläppchen umgibt. Außerdem kann mittels MRT sehr zuverlässig eine extraossäre Tumorkomponente ausgeschlossen werden.
»überhängenden« Knochenrändern im Randbereich (. Abb. 37.11). Chondrogene Verkalkungen der Tumormatrix sind in ca.
Therapie
Enchondromatose Definition, Epidemiologie
Liegen bildgebend keine Hinweise auf Malignität vor und besteht keine Wachsumstendenz des Enchondroms, ist aufgrund des geringen Entartungsrisikos keine Therapie erforderlich. Entschließt man sich zur Resektion des Tumors, weil ein niedriggradiges Chondrosarkom nicht ausgeschlossen werden kann, ist es wichtig die Läsion komplett zu resezieren, da Rezidivtumoren unter Umständen aggressiver wachsen als der Primärtumor.
Periostales Chondrom Definition, Lokalalisation, Epidemiologie, Klinik Synonym: juxtakortikales Chondrom. Bei dem periostalen Chondrom handelt es sich um einen benignen, unter dem Periost wachsenden Knorpeltumor, der am häufigsten im Bereich der Metaphysen von Humerus, Femur und der kurzen Röhrenknochen der Hand auftritt. Insgesamt sind die periostalen Chondrome sehr viel seltener als die Enchondrome und machen nur ca. 5% aller benignen Knochentumoren aus. Die Tumoren kommen sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen vor mit einer Häufung im 2. und 3. Lebensjahrzehnt. Klinisch fällt der Befund meist durch eine lokale Schwellung ohne relevante Schmerzsymptomatik auf.
50% der Fälle vorhanden. Wichtigste Differenzialdiagnose des Tumors ist das in der Regel in höherem Alter auftretende periostale (juxtakortikale) Chondrosarkom.
Unter einer Enchondromatose versteht man das Auftreten von multiplen Enchondromen im Skelett. Sind die Enchondrome überwiegend oder ausschließlich einseitig vorhanden, wird die Erkrankung als Morbus Ollier bezeichnet. Bei der Enchondromatose handelt es sich um eine sporadisch auftretende Erkrankung ohne erbliche oder familiäre Neigung, die zumeist bereits im 1. Lebensjahrzehnt manifest wird. Die Enchondrome treten bevorzugt im Femur, Tibia, und Os ilium auf, gefolgt von den kurzen Röhrenknochen von Hand und Fuß. Durch eine Störung des Längenwachstums der betroffenen Knochen kann es zu einer Verkürzung der Extremitäten mit z. T. grotesken Deformierungen der betroffenen Knochen kommen. Das Mafucci-Syndrom ist ebenfalls eine kongenitale nichthereditäre Erkrankung, die durch eine Enchondromatose sowie eine Hämangiomatose charakterisiert ist. Gefürchtete Komplikation der Enchondromatose ist die Entartung eines Enchondroms in ein Chondrosarkom. Die Wahrscheinlichkeit für eine sekundäre Malignisierung wird für beide Erkrankungen mit 20–40% angegeben.
Bildgebung Bildgebung Das radiologische Bild ist relativ charakteristisch. Durch das subperiostale Wachstum arrodiert der Tumor die darunter liegende Kortikalis untertassenförmig und es kommt zur Ausbildung von
Die Röntgenmorphologie und auch die Differenzierungskriterien zwischen einem Enchondrom und einem zentral (Low-grade-) Chondrosarkom, entsprechen denen der solitären Enchondrome (s. oben).
1153 37.3 · Knorpelbildende Tumoren
Therapie Die Therapie der Enchondromatose ist problematisch, da aufgrund der Anzahl der Läsionen nicht alle Tumoren reseziert werden können. Das Auftreten von Schmerzen sollte immer an eine sekundäre Malignisierung denken lassen. Das Verfahren der Wahl zur Beurteilung des Ausmaßes der kortikalen Arrosionen bzw. der kortikalen Penetration stellt die CT dar.
Osteochondrom Definition, Epidemiologie Synonyma: kartilaginäre Exostose, Ekchondrom.
Das Osteochondrom ist ein von einer Knorpelkappe bedeckter ossärer Vorsprung, dessen Spongiosa und Kortikalis kontinuierlich aus dem tumortragenden Knochen hervorgehen. Das Osteochondrom ist die häufigste benigne Läsion des Knochens, die meist bei Kindern oder Jugendlichen als schmerzlose Raumforderung diagnostiziert wird. Das Wachstum der Läsionen sistiert in der Regel mit der Pubertät. Osteochondrome können in der Nähe von Wachstumsfugen aller Knochen mit enchondraler Ossifikation auftreten. Meist treten die Läsionen jedoch in metaphysärer Lage an den langen Röhrenknochen auf, bevorzugt an Femur, Tibia und Humerus. Hand- und Fußskelett, Becken, Wirbelsäule und Scapula sind seltener Sitz von Osteochondromen.
Bildgebung Die Ostechondrome zeigen radiologisch ein charakteristisches Erscheinungsbild. Man findet gestielte oder breitbasige Exostosen mit regelrechter Spongiosa- und Kortikalisstruktur, die der metaphysären Knochenoberfläche aufsitzen und entsprechend ihrer Wachstumsrichtung mit ihrer Spitze diaphysenwärts zeigen (. Abb. 37.12). Die Knorpelkappe findet sich auf der vom tumortragenden Knochen abgewandten Seite des Stiels und kann durch Verkalkungen im konventionellen Bild partiell abgrenzbar werden. Das wichtigste Differenzierungskriterium zu anderen juxtakortikalen Läsionen ist die Kontinuität zwischen Markraum des betroffenen Knochens und dem Markraum der Exostose, welche am besten mittels MRT dargestellt werden kann. Eine weitere wichtige Indikation zur MRT ist, die Dicke der Knorpelkappe des Tumors zu bestimmen. > Eine Dicke der Knorpelkappe >3 cm im Kindesalter und >2 cm im Erwachsenenalter ist verdächtig auf eine maligne Transformation.
Das Entartungsrisiko wird in der Literatur mit 1% angegeben. Bei den sekundären Malignomen handelt es sich fast immer um Low-grade-Chondrosarkome. Die Szintigraphie ist bei der Detektion einer malignen Entartung weniger geeignet, da auch benigne Exostosen in den basalen Anteilen Anreicherungen aufweisen können.
Therapie Die Resektion eines Osteochondroms ist nur indiziert, wenn es zu mechanischen Einschränkungen oder zu Irritationen im angrenzenden Gewebe durch die raumfordernde Wirkung des Tumors kommt. Dann sollte die gesamte Exostose an der Basis unter Mitnahme von Perichondrium und Periost abgesetzt werden.
. Abb. 37.12. Kartilaginäre Exostose des proximalen Humerus. Die Röntgenaufnahme im a.p.-Strahlengang zeigt eine metaphysär lokalisierte gestielte Exostose des proximalen Humerus, die entsprechend der Wachstumsrichtung des Knochen in Richtung der Diaphyse weist
Multiple hereditäre Osteochondrome Synonyma: Exostosenkrankheit, multiple kartilaginäre Exosto-
sen. Bei der Exostosenkrankheit handelt es sich um ein autosomal-dominant vererbtes Leiden, das meist bereits in den ersten Lebensjahren diagnostiziert wird. Bei der Exostosenkrankheit treten die Osteochondrome bevorzugt an den Metaphysen der Schulter-, Knie- und Sprunggelenke auf. Da die Exostosen schon relativ früh im Kindesalter auftreten, kommt es häufig zu Skelettdeformitäten mit Verbiegung der langen Röhrenknochen und Verbreiterung der Metaphysen. Das Entartungsrisiko der Tumoren ist mit einer Wahrscheinlichkeit von 5–25% im Vergleich zum solitären Osteochondrom relativ hoch.
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1154
Kapitel 37 · Primäre und sekundäre Knochentumoren
Chondroblastom Definition, Epidemiologie, Lokalisation
4 Gut demarkierter Randsaum mit oder ohne Sklerosesaum im Randbereich der Osteolyse. 4 In ca. 50% der Fälle punktförmige oder amorphe Matrixverkalkungen. 4 Peritumorale Ödeme oder auch ausgedehnte Skleroseareale im angrenzenden Markaraum sind häufig.
Synonym: Codman-Tumor. Beim Chondroblastom handelt es sich um einen benignen kartilaginären Tumor, der aus einer reifen Knorpelgrundsubstanz mit fokalen Verkalkungen und einem umgebenden undifferenzierten Gewebe aus Chondroblasten und osteoklastenartigen Riesenzellen aufgebaut ist. Das Chondroblastom, das mit einer Häufigkeit von <1% aller Knochentumoren insgesamt sehr selten ist, tritt nahezu immer vor dem 30. Lebensjahr auf, Männer sind bevorzugt von der Erkrankung betroffen. Die Chondroblastome entstehen typischerweise in den Epiphysen oder Apophysen langer Röhrenknochen, wie Humerus, Tibia und Femur. Ca. 10% der Chondroblastome befallen die Knochen von Hand und Fuß, wobei Talus und Calcaneus am häufigsten betroffen sind. Nahezu die Hälfte der Tumoren ist rein epiphysär lokalisiert und der Rest bis auf wenige Ausnahmen epimetaphysär.
Das Chondroblastom erlaubt aufgrund seiner sehr charakteristischen Diagnosemerkmale (Lokalisation im Knochen, Alter der Patienten, Matrixverkalkungen) meist eine eindeutige radiologische Diagnosestellung. Bei rein epiphysärer Lage der Läsion kommen als Differenzialdiagnosen im Wesentlichen ein intraossäres Ganglion und eine Osteomyelitis in Betracht, bei epimetaphysärer Lokalisation das Klarzellchondrosarkom und der Riesenzelltumor. Letztere treten typischerweise erst nach Schluss der Wachstumsfugen auf.
Klinik
Therapie
Die meisten der betroffenen Patienten geben eine z. T. bereits lange bestehende Schmerzsymptomatik an, die sich meist auf das benachbarte Gelenk projizieren.
In der Regel wird eine sorgfältige Curettage der Läsion und anschließende Plombage der Resektionshöhle mit Spongiosamaterial oder temporär mit Knochenzement durchgeführt.
Bildgebung
Chondromyxoidfibrom Definition, Epidemiologie
Im konventionellen Röntgenbild zeigen die Chondroblastome folgende charakteristischen Röntgenbefunde (. Abb. 37.13, . Abb. 37.14): 4 Epi- oder apophysär lokalisierte, meist exzentrisch gelegene, rundliche oder ovaläre Osteolyse.
Beim Chondromyxoidfibrom handelt es sich um einen sehr seltenen, benignen kartilaginären Tumor, der aus unterschiedlichen Anteilen fibromyxoiden und chondrogenen Gewebes zusammengesetzt ist.
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a
b
. Abb. 37.13a–c. Chondroblastom der proximalen Tibia. a Die Röntgenaufnahme des rechten Kniegelenks zeigt eine fast ausschließlich epiphysär gelegene, randsklerosierte Läsion, die intraläsionale Matrixverkalkungen aufweist. b, c MRT. Auf koronaren T1w- (b) und sagittalen KM-verstärkten T1w-fs (c) MRT-Aufnahmen ist die Läsion durch einen signalarmen Randsaum vom umgebenden Knochen abgegrenzt und es lässt sich die
c Ausdehnung bis an den Ansatz des hinteren Kreuzbandes im Bereich der Interkondylarregion abgrenzen. Charakteristisch für ein Chondroblastom ist das ausgeprägte periläsionale Ödem, das in diesem Fall nicht nur den angrenzenden Markraum, sondern auch die dorsal angrenzenden Weichteile betrifft
1155 37.3 · Knorpelbildende Tumoren
37.3.2
Maligne knorpelbildende Tumoren
Chondrosarkom Synonym: chondroblastisches Sarkom. Beim Chondrosarkom
handelt es sich um einen malignen Bindegewebstumor, der durch die Bilddung von atypischer Knorpelgrundsubstanz durch die Tumorzellen charakterisiert ist. Nach dem Plasmozytom und dem Osteosarkom ist das Chondrosarkom der dritthäufigste primäre maligne Knochentumor. Der Tumor tritt häufiger sekundär, auf dem Boden eines Enchondroms oder Osteochondroms, als primär (de novo) im Knochen auf. Dementsprechend sind auch die meisten Chondrosarkome langsam wachsende, gering entdifferenzierte Neoplasien (Grad 1–2); aggressivere, stärker entdifferenzierte Tumoren (Grad 3–4) sind seltener. Die Chondrosarkome werden anhand der Lokalisation und des Malignitätsgrad wie in . Tab. 37.4 unterteilt. Die Prognose der betroffenen Patienten ist stark abhängig vom Differenzierungsgrad des Tumors. Als Therapie der Wahl gilt die Tumorresektion, wobei die Radikalität des chirurgischen Vorgehens vom Malignitätsgrad des Tumors mitbestimmt wird.
. Abb. 37.14. Chondroblastom, CT. Die koronare Rekonstruktion einer CT-Untersuchung des Kniegelenks zeigt eine rein epiphysär gelegene, gut demarkierte Läsion mit einem läppchenartigem Aufbau und stippchenförmigen chondrogenen Matrixverkalkungen. Im angrenzenden Markraum erkennt man ein diffuses reaktives Skleroseareal
Mit einer Häufigkeit von ca. 0,5% aller benignen Knochentumoren ist das Chondromxyoidfibrom der seltenste benigne, chondrogene Knochentumor. Die betroffenen Patienten sind in der Regel <30 Jahre ohne eindeutige Geschlechtspräferenz. Bevorzuge Lokalisationen des Tumors sind die proximalen Tibiametaphyse sowie die proximalen und distalen Metaphysen von Femur und Fibula.
Konventionelles Chondrosarkom Definition, Epidemiologie Synonyma: medulläres Chondrosarkom, zentrales Chondrosarkom. Das konventionelle Chondrosarkom nimmt seinen Ausgang vom Markraum des Knochens. Der Tumor weist einen Altersgipfel zwischen dem 4. und 5. Lebensjahrzehnt auf, wobei ein Auftreten des Tumors vor dem 3. Lebensjahrzehnt sehr ungewöhnlich ist. Grad-3-Chondrosarkome werden in der Regel etwas früher diagnostiziert und weisen einen Altersgipfel im 3. Lebensjahrzehnt auf.
Klinik, Lokalisation Klinisch geben die Patienten häufig (dem langsamen Wachstum des Tumors entsprechend) seit langem bestehende Schmerzen in
Klinik Klinisch stehen eine sehr langsam progrediente Schmerzhaftigkeit und lokale Schwellungen des betroffenen Bereichs im Vordergrund. Eine sekundäre Entartung gilt als Rarität.
Bildgebung Im konventionellen Bild gelten folgende Befunde als charakteristisch: 4 Metadiaphysär lokalisierte, exzentrische, gut demarkierte Osteolyse. 4 Variable Kortikalisveränderungen: Ballonierung, endostale Sklerosierung oder vollständige Penetration der Kortikalis. 4 Häufig Trabekulierungen im Inneren der Läsion. 4 Verkalkungen der Tumormatrix sind sehr selten. Die Signaleigenschaften in der MRT sind von der geweblichen Zusammensetzung des Tumors abhängig (Knorpel, Bindegewebe, Myxoid). Wie auch bei den anderen chondrogenen Tumoren ist die CT das Verfahren der Wahl zur Definition von Matrixverkalkungen und Randsklerosen.
. Tab. 37.4. Subtypen der Chondrosarkome (aus: Mulder et al. radiologic atlas of bone tumors. Amsterdam: Elsevier 1993)
Subtyp
Häufigkeit
Zentrales Chondrosarkom 5 Grad 1: 55% 5 Grad 2: 37% 5 Grad 3: 8%
75%
Peripheres Chondrosarkom 5 Grad 1: 88% 5 Grad 2: 12% 5 Grad 3: 0%
15%
Klarzellchondrosarkom
1%
Mesenchymales Chondrosarkom
2%
Juxtakortikales Chondrosarkom
2%
Extraossäres Chondrosarkom
5%
37
1156
Kapitel 37 · Primäre und sekundäre Knochentumoren
der betroffenen Skelettregion an. Typische Lokalisationen des zentralen Chondrosarkoms sind Femur, Becken und Rippen, weniger häufig ist der Tumor auch im Humerus, der Tibia, in der Wirbelsäule und in der Scapula lokalisiert. In den langen Röhrenknochen ist meist die proximale Metaphysenregion befallen. Im konventionellen Bild sind folgende Befunde charakteristisch (. Abb. 37.15): 4 Ausgeprägte Verkalkungen der chondrogenen Tumormatrix, die bei gering differenzierten Tumoren ring- und bogenförmig, ähnlich dem Verkalkungsmuster der benignen Knorpeltumoren sein können. 4 Mit zunehmender Entdifferenzierung jedoch auch weniger typische amorphe und irreguläre Verkalkungen, die zwischen nichtkalzifizierten Arealen auftreten. 4 Auftreibung des betroffenen Knochens. 4 Endostale Arrosionen (»scalloping«) der durch periostale Appositionen verdickten Kortikalis. 4 Die Breite der Transitionszone (Osteolyse/intakter Knochen) hängt von der Aggressivität des Tumors ab.
37
Für die Erfassung tumorbedingter Veränderungen an der Kortikalis des betroffenen Knochens (endostale Arrosion/Penetration) stellt die CT das Verfahren der Wahl dar. Diese erfasst auch Form und Verteilung der Matrixverkalkungen. Die Ausdehnung der extraossären Tumorkomponente kann am genauesten mittels MRT erfasst werden. Die charakteristische Signalgebung des Chondrosarkoms kann differenzialdiagnostische Hinweise bei der Abgrenzung anderer Tumorentitäten geben. Typisch ist ein hohes Signal auf T2-gewichteten Bildern und bei hoch differenzierten Tumoren ein ring- und bogenförmiges Enhancement nach Kontrastmittel-Applikation, ähnlich wie bei einem Enchondrom (. Abb. 37.15). Mit zunehmender Entdifferenzierung kann das Anreicherungsverhalten weniger charakteristisch werden.
Therapie Da alle Subtypen der Chondrosarkome relativ resistent gegnüber Chemo- und Strahlentherapie sind, ist die Resektion im Gesunden die wesentliche therapeutische Maßnahme. Lediglich beim dedifferenzierten Chondrosarkom wird in der Regel aufgrund der ausgeprägten Metastasierungsneigung eine neodjuvante Chemotherapie durchgeführt.
Peripheres Chondrosarkom Definition, Epidemiologie, Pathogenese Synonym: Exostotisches Chondrosarkom. Beim peripheren Chondrosarkom handelt es sich um einen malignen chondrogenen Tumor, der in der Knorpelkappe des Osteochondroms entsteht. Die peripheren Chondrosarkome sind im Vergleich zu den zentralen Chondrosarkomen seltener und machen ca. 15% aller Chondrosarkome aus. Die meisten Tumoren sind sehr gut differenziert und entsprechen Grad-1-Tumoren. Insbesondere bei Patienten mit multiplen heriditären Exostosen besteht ein erhöhtes Entartungsrisiko der Osteochondrome (s. oben). Typische Lokalisationen des peripheren Chondrosarkoms sind das Beckenskelett, die langen Röhrenknochen der unteren
Extremität und die Scapula. Da das Wachstum der kartilaginären Exostosen üblicherweise mit Abschluss der Skelettreife sistiert, sollte bei erneutem Wachstum einer Exostose ein Chondrosarkom in Erwägung gezogen werden.
Bildgebung Auf konventionellen Aufnahmen ist häufig noch der ossäre Stiel der Exostosen abgrenzbar. Radiographisch können ausgedehnte ossäre Destruktionen des Stiels und großflächige, unregelmäßige Verkalkungen in der Umgebung auf eine sekundäre Entartung deuten. Methode der Wahl bei der Diagnostik des peripheren Chondrosarkoms ist die MRT, da die Chondrosarkome in der Knorpelkappe entstehen, deren Ausdehnung magnetresonanztomographisch sehr gut erfasst werden kann (. Abb. 37.16). Eine Dicke der Knorpelkappe >3 cm bei Kindern und >2 cm bei Erwachsenen wird als dringend suspekt auf eine maligne Entartung angesehen. Auf T2-gewichteten Bildern kommt die chondrogene Matrix sehr signalreich zur Darstellung, nach Kontrastmittelgabe findet sich in der Knorpelkappe bei hoch differenzierten Chondrosarkomen ein ring- und bogenförmiges Enhancement. Mit zunehmender Entdifferenzierung des Tumors zeigt sich ein inhomogeneres Enhancement mit größeren soliden Anteienl.
Klarzellchondrosarkom Definition, Epidemiologie Beim Klarzellchondrosarkom handelt es sich um einen seltenen, niedrig malignen Subtyp des Chondrosarkoms, der typischerweise apo- oder epiphysär lokalisiert ist. Histologisch besteht der Tumor aus einer chondrogenen Grundsubstanz, auffallend hellzelligen Chondrozyten und osteoklastenartigen Riesenzellen. Der Subtyp der Klarzellchondrosarkome ist relativ selten und macht nur ca. 1–2% der Chondrosarkome aus.
Lokalisation, Bildgebung Prädilektionsstellen der Klarzellchondrosarkome sind die langen Röhrenknochen der oberen und unteren Extremität, v. a. der proximale Humerus und der proximale Femur sind typischerweise betroffen. Im konventionellen Bild präsentiert sich das Klarzellchondrosarkom meist als rein osteolytische Läsion mit schmaler Transitionszone (scharfer Randsaum bzw. Randsklerose). Der Tumor weist häufig chondrogene Matrixverkalkungen auf. Aufgrund des radiographischen Erscheinungsbildes und der Lokalisation ist das Klarzellchondrosarkom häufig radiologisch nicht von einem Chondroblastom zu differenzieren. Penetration der Kortikalis und Ausdehnung nach metaphysär sind Zeichen des Chondrosarkoms und sprechen gegen ein Chondroblastom.
Mesenchymales Chondrosarkom Definition, Epidemiologie Beim mesenchymalen Chondrosarkom handelt es sich um einen seltenen, hoch malignen Subtyp des Chondrosarkoms, der histologisch neben einer chondrogenen Grundsubstanz mit unterschiedlich differenzierten Chondrozyten ein undifferenziertes mesenchymales Stroma mit kleinen Rundzellen enthält. Das mesenchymale Chondrosarkom tritt im Gegensatz zum konventionellen Chondrosarkom ohne Geschlechtspräferenz eher bei etwas jüngeren Patienten mit einem Altergipfel im 2.
1157 37.3 · Knorpelbildende Tumoren
a
b
d
c . Abb. 37.15a–d. Zentrales Chondrosarkom des Radiusschafts. a Röntgenbilder im a.p.- und seitlichen Strahlengang. Auf den Aufnahmen des distalen Unterarms stellt sich eine expansive, den Radiusschaft von endostal arrodierende (mehr als zwei Drittel der Kortikalisdicke) Raumforderung dar. Die Tumormatrix zeigt stippchen- und flockenförmige chondrogene Matrixverkalkungen. b–d MRT. Koronare T1w- (b), koronare kontrastverstärkte
T1w- (c) und axiale T2w MRT-Aufnahmen (d) zeigen die typische MR-Morphologie eines intramedullären chondrogenen Tumors mit hohem Signal auf der T2w-Aufnahme und mit einem lobulären Aufbau des Tumors mit ring- und bogenförmigen Anreicherungen der Läppchen nach KM-Gabe. Die Tiefe der kortikalen Arrosioen ist verdächtig auf ein Malignom
37
1158
Kapitel 37 · Primäre und sekundäre Knochentumoren
a
37
b
. Abb. 37.16a, b. Exostotisches Chondrosarkom, MRT. a Axiale T2w-; b axiale KM-verstärkte T1w-Aufnahme. Die MRT-Aufnahmen zeigen ein exostotisches Chondrosarkom, das in der Knorpelkappe eines Osteochondroms entstanden ist. Der ossäre Stiel der Exostose, der per continuitatem aus dem Markraum des proximalen Humerus hervorgeht, kann noch abgegrenzt
werden. Die massiv verbreiterte Knorpelkappe weist für einen chondrogenen Tumor charakteristisches Signalverhalten auf mit hohem Signal auf T2w-Aufnahmen und bogenförmigen Anreicherungen im Randbereich nach KM-Gabe
und 3. Lebensjahrzehnt auf. Aufgrund einer hohen Rezidivierungs- und Metastasierungsrate weist der Tumor eine schlechte Prognose auf.
37.4
Bindegewebige und histiozytäre Tumoren
37.4.1
Benigne bindegewebige und histiozytäre Tumoren
Bildgebung Häufige Lokalisationen des Tumors sind die langen Röhrenknochen, insbesondere Femur, Becken, Rippen und Mandibula. Radiographisch überwiegen meist Zeichen des aggressiven Wachstums mit aggressiven Osteolysen und einem permeativen Muster der Knocheninfiltration. Der Tumor kann vom konventionellen Chondrosarkom oder anderen höher malignen Knochentumoren nicht abgrenzbar sein.
Periostales Chondrosarkom Synonym: juxtakortikales Chondrosarkom. Das juxtakortikale
Chondrosarkom entwickelt sich im periostalen Bindegewebe und infiltriert nur ausnahmsweise den Markarum des Knochens. Bei den juxtakortialen Chondrosarkomen handelt es sich um seltene Knochentumoren, die nur 1–2% der Chondrosarkome ausmachen. Da es sich in den meisten Fällen um Grad-1- oder Grad-2-Tumoren handelt, haben diese in der Regel nach operativer Resektion eine gute Prognose. Bildgebung. Radiographisch ähnelt der Tumor dem periostalen Osteosarkom. Auf konventionellen Aufnahmen finden sich typischerweise an der Oberfläche der verdickten Kortikalis fleckförmige Verkalkungen mit spikulärer Periostreaktion und CodmanDreick.
Desmoplastisches Fibrom Definition, Epidemiologie, Lokalisation Das desmoplastische Fibrom ist ein seltener, benigner oder semimaligner Tumor, der durch die Bildung von reichlich Kollagen durch die Tumorzellen (Fibroblasten) charakterisiert ist. Das desmoplastische Fibrom ist ein insgesamt sehr seltener Knochentumor, dessen Häufigkeit mit ca. 0,3% der benignen Knochentumoren angegeben wird. Der Tumor tritt ohne Geschlechtspräferenz vorwiegend im 2. und 3. Lebensjahrzehnt auf. Prädilektionsstellen des Tumors sind die Mandibula, die langen Röhrenknochen (Humerus, Femur, Tibia) und das Becken. Bei Befall der langen Röhrenknochen ist der Tumor diaphysär oder metadiaphysär gelegen. > Bei relativer Zellarmut und reichlich Kollagenfasern weist das desmoplastische Fibrom histologisch große Ähnlichkeit mit dem Desmoidtumor der Bauchwand auf.
Bildgebung Der Tumor weist ein lokal aggressives Wachstum ohne Metastasierungsneigung auf. Radiologisch zeigt der Tumor häufig ein benignes Erscheinungsbild mit folgenden Charakteristika: 4 Große Osteolyse mit schmaler Transitionszone zum gesunden Knochen.
1159 37.4 · Bindegewebige und histiozytäre Tumoren
4 Trabekulierungen der Läsion, die zu einem seifenblasenartigen Aussehen führen. 4 Endostale Arrosionen und periostale Knochenappositionen können vorhanden sein.
Therapie
Der Riesenzelltumor tritt fast ausschließlich nach dem Schluss der Wachstumsfugen auf, insbesondere bei Patienten zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Frauen sind häufiger betroffen als Männer (2:1). In mehr als der Hälfte der Fälle ist der Tumor in den kniegelenksnahen Anteilen der langen Röhrenknochen lokalisiert. Weitere, etwas seltenere Manifestationsorte sind die distale Tibia, das proximale Femur, der proximale Humerus, der distale Radius, die Wirbelsäule (insbesondere Sakrum) und das Beckenskelett. Bei Befall der langen Röhrenknochen liegt der Tumor typischerweise epi-/ bzw. epimetaphysär. Die sehr seltene metaphysäre Lokalisation findet man bei jüngeren Patienten mit noch nicht abgeschlossener Skelettreife.
Beim desmoplatischen Fribrom stellt die Resektion im Gesunden die Therapie der Wahl dar.
Klinik
Fibröses Histiozytom Definition, Epidemiologie, Lokalisation
Die Patienten geben meist seit Längerem bestehende lokale Schmerzen an. Abhängig von der Größe des Tumors können auch eine Weichteilschwellung und eine Bewegungseinschränkung des angrenzenden Gelenks auftreten.
Es existieren aber auch aggressive Wachstumsformen, die einen malignen Knochentumor imitieren können. Radiologisch kann eine Abgrenzung gegenüber einer fibrösen Dysplasie, einer aneurysmatischen Knochenzyste, einem Chondromyxoidfibrom oder einem Riesenzelltumor schwierig sein.
Synonyma: benignes fibröses Histiozytom, Xanthofibrom.
Das fibröse Histiozytom ist ein benigner Knochentumor, der durch einen im Vergleich zum nichtossifizierenden Fibrom (NOF) identischen bzw. sehr ähnlichen histologischen Befund charakterisiert ist, jedoch aufgrund unterschiedlicher Klinik, Lokalisation und des radiologischen Erscheinungsbildes von diesem abgegrenzt werden kann. Im Gegensatz zum nichtossifizierenden Fibrom bevorzugt das fibröse Histiozytom das Erwachsenenalter, manifestiert sich häufig als symptomatische (schmerzhafte) Läsion und es findet sich typischerweise in den diaphysären oder epiphysären Abschnitten der langen Röhrenknochen. Beckenskelett, Rippen und Clavicula sind weitere häufige Lokalisationen.
Bildgebung Radiologisch findet sich meist eine exzentrisch gelegene, trabekulierte, osteolytische Läsion mit mehr oder weniger ausgeprägter Randsklerose. Aus radiologischer Sicht zählen das nichtossifizierende Fibrom und der Riesenzelltumor zu den wichtigsten Differenzialdiagnosen.
37.4.2
Semimaligne bindegewebige und histiozytäre Tumoren
Riesenzelltumor Definition, Epidemiologie, Lokalisation Synonym: Osteoklastom. Der Riesenzelltumor ist ein lokal aggressiver Tumor, der aus einem stark vaskularisiertem Stroma mit einkernigen (spindelförmigen) proliferierenden Zellen und vielen osteoklastenartigen Riesenzellen besteht. Mit einem Anteil von 5–10% aller primären Knochentumoren und ca. 20% der benignen Knochentumoren gehört der Riesenzelltumor zu den häufigeren ossären Neoplasien. Obwohl der Tumor ein lokal aggressives Wachstum aufweist, ist der histologische Befund in >90% benigne. Der Anteil primär oder sekundär maligner Riesenzelltumoren mit stärkerer Entdifferenzierung beträgt 5–10%. Sehr selten können Riesenzelltumoren auch multifokal auftreten, dann meist sekundär bei vorbestehendem Morbus Paget.
Bildgebung Aufgrund der charakteristischen Darstellung auf konventionellen Aufnahmen sind die Riesenzell-tumoren meist ohne ergänzende bildgebende Verfahren zu diagnostizieren. Folgende Befunde sind für Riesenzelltumoren typisch (. Abb. 37.17): 4 Eine exzentrisch gelegene, expansive, rein osteolytische Läsion. 4 Keine Randsklerose, aber dennoch scharfe Grenze (schmale Transitionszone) zum angrenzenden Knochen. 4 Epi- oder epimetaphysäre Lage mit Ausdehnung bis in den subchondralen Knochen. 4 In ca. 50% sind Trabekulierungen oder Pseudotrabekulierungen der Läsion abgrenzbar. 4 Osteoblastische Areale (<5%) und Randsklerosen sind sehr selten. 4 Eine Penetration der Kortikalis mit extraossärem Weichteilanteil (>30%) und eine Gelenkinfiltration sind nicht selten. Bei der exakten Darstellung der extraossären Tumorkomponente, die in mehr als einem Drittel der Fälle vorhanden ist, und zum Nachweis bzw. Ausschluss eines Gelenkeinbruchs des Tumors ist die MRT das bildgebende Verfahren der Wahl. Auf MRT-Aufnahmen lässt sich der Tumor als gut demarkierte Läsion abgrenzen, die teilweise von einem zarten signalarmen Randsaum umgeben ist, welcher durch einen zarten Sklerosesaum oder durch eine fibröse Pseudokapsel hervorgerufen wird. Obwohl die Signalgebung des Tumors unspezifisch ist, weisen die Tumoren dennoch häufig sowohl auf T1- als auch T2w-Aufnahmen eher ein moderates oder stark hypointenses Signal auf, welches auf den Hämosideringehalt und/oder auch auf dichtes Kollagengewebe zurückgeführt wird (. Abb. 37.17). Diese Signalgebung kann hilfreich sein, um den Tumor von anderen in epiphysärer Lage auftretenden Läsionen abzugrenzen (Chondroblastom, intraossäres Ganglion, Klarzellsarkom). Weitere wichtige Differenzialdiagnosen sind das osteolytische Osteosarkom, die aneurysmatische Knochenzyste und das solitäre Plasmozytom.
37
1160
Kapitel 37 · Primäre und sekundäre Knochentumoren
Therapie Das Rezidivrisiko nach Kürettage des Tumors ist hoch und wird mit 12–50% angegeben. Daher werden ergänzend zur Kürettage adjuvante lokale Maßnahmen wie die Implantation einer Knochenzementplombe (Palakos) oder Kryotherapie durchgeführt, mithilfe derer das Rezidivrisiko deutlich gesenkt werden kann. Die malignen Risenzelltumoren metastasieren überwiegend in die Lunge. Auch bei benignen Riesenzelltumoren treten in Einzelfällen regionäre oder pulmonale Absiedlungen, so genannte Implantationen auf.
37.4.3
Maligne bindegewebige oder histiozytäre Tumoren
Malignes fibröses Histiozytom Definition, Epidemiologie, Lokalisation
37 a
Beim malignen fibrösen Histiozytom (MFH) handelt es sich um einen malignen, primären Knochentumor, dessen Zellen in der Lage sind sich in Histiozyten und Fibroblasten zu differenzieren und typischerweise wirbelartig angeordnet sind. Mit einem Anteil von etwa 1% der malignen der malignen Knochentumoren gehört das MFH zu den seltenen Knochentumoren. Neben der primären Form können die Tumoren auch sekundär auf dem Boden vorbestehender Läsionen wie einem Morbus Paget, einem Enchondrom, einer chronischen Osteomyelitis oder einem Knocheninfarkt entstehen. Die Tumoren treten im späten Erwachsenenalter mit einem Gipfel in der 5.–7. Lebensdekade und unter Bevorzugung des männlichen Geschlechts auf. Die häufigsten Manifestationsorte des MFH sind die Metaphysen des distalen Femur, der proximalen Tibia, des proximalen Humerus und das Beckenskelett.
Klinik Klinisch bestehen meist starke Schmerzen und häufig auch eine lokale Schwellung. Pathologische Frakturen treten in 30–40% der Fälle auf. Das MFH metastasiert vorwiegend regionär und in die Lunge. Die Prognose des Tumors ist aufgrund der hohen Rezidiv- und Metastasierungsrate des Tumors schlecht.
Bildgebung
b . Abb. 37.17a, b. Riesenzelltumor des distalen Radius. Radiologische Befunde. a Die konventionellen Röntgenaufnahmen zeigen einen leicht exzentrisch, epimetaphysär gelegenen, rein osteolytischen Tumor, der relativ scharf begrenzt ist. b Auf der axialen T2w-MRT-Aufnahme kommt die Läsion, für einen Riesenzelltumor typisch, relativ signalarm zur Darstellung
Das radiologische Erscheinungsbild passt zu einem aggressiven, malignen Knochentumor (. Abb. 37.18): 4 Eine aggressive Osteolyse mit mottenfraßartigem oder permeativem Destruktionsmuster in metaphysärer Lage. 4 Eine Destruktion der Kortikalis und extraossäre Tumoranteile sind häufig. 4 Selten sind Kalzifikationen und ausgeprägtere Periostreaktionen. Differenzialdiagnostisch kommt unter Berücksichtigung des
Alters der Patienten v. a. eine ossäre Metastase, ein Plasmozytom oder ein malignes Lymphom in Betracht. Zur exakten Darstellung der lokalen Tumorausdehnung stellt die MRT das Verfahren der Wahl dar (. Abb. 37.18).
1161 37.5 · Myelogene Tumoren
. Abb. 37.18a, b. MFH der proximalen Tibia. a Das konventionelle Röntgenbild im a.p.-Strahlengang zeigt eine ausgedehnte mottenfraßartige Osteolyse des Tibiaplateaus und des proximalen Tibiaschaftes. Die Kortikalis ist lateralseitig komplett destruiert. b Die koronaren T1w-MRT-Aufnahme nach KM-Applikation stellt einen großen Tumor der proximalen Tibia dar mit großem extrakompartimentellen Tumoranteil, der in das Kniegelenk eingebrochen ist
a
Therapie Die Therapie besteht in einer Resektion des Tumors mit Resektionsrändern weit im Gesunden. Aufgrund der relativ ausgeprägten Metastasierungsneigung wird zusätzlich eine adjuvante bzw. neodajuvante Chemotherapie durchgeführt.
37.5
Myelogene Tumoren
37.5.1
Benigne myelogene Tumoren
Lipom Definition, Epidemiologie, Lokalisation Beim intraossären Lipom handelt es sich um eine tumoröse Läsion, die ausschließlich aus reifem Fettgewebe ohne atypische Zellen besteht. Daher werden Lipome als Fettgewebshyperplasien und nicht als echte Neoplasien betrachtet. Insgesamt sind intraossäre Lipome mit einer Häufigkeit von 0,1–2,5% aller Knochentumoren sehr selten. Da die Tumoren aber klinisch fast immer asymptomatisch sind und in der Regel als Zufallsbefund entdeckt werden, ist die Inzidenz der Läsionen wahrscheinlich deutlich höher als bislang angenommen. Die Lipome können in jedem Lebensalter ohne Geschlechtpräferenz auftreten. Als typische Manifestationsorte gelten die langen Röhrenknochen der unteren Extremität und der Calcaneus.
b
Das Lipom des Calcaneus zeigt mit einer zentralen Verkalkungsformation ein pathognomonisches Bild (. Abb. 37.19). Histologisch werden die Lipome in 3 Stadien eingeteilt, die das CT- und MR-morphologische Erscheinungsbild bestimmen: 4 Stadium 1:
5 Reife Tumorzellen sind von fibrovaskulären Septen umgeben. 5 In der CT und in der MRT weist der Tumor identische Dichtewerte bzw. Signalintensitäten wie das subkutane Fettgewebe auf.
4 Stadium 2:
5 Es besteht ein Nebeneinander von vitalem Fettgewebe und Fettgewebsnekrosen, die verkalken können. 5 Neben fettäquivalenten Arealen finden sich Nekrosen (zystische Areale) und Verkalkungsformation in der Bildgebung.
4 Stadium 3:
5 In diesem Stadium überwiegen neben einer reaktiven Knochenneubildung Fettgewebsnekrosen mit fokalen Verkalkungen und zystischen Anteilen; Fettgewebe kann nur noch residuell im Randbereich nachweisbar sein
Die wichtigsten Differenzialdiagnosen sind die solitäre und die aneurysmatische Knochenzyste, die fibröse Dysplasie und das Enchondrom.
Bildgebung Auf konventionellen Aufnahmen haben Lipome folgende Merkmale: 4 Glatt berandete Osteolyse mit umgebenden Sklerosesaum 4 Häufig zentrale, nidusartige Kalzifikationen 4 Keine kortikalen Destruktionen oder periostalen Reaktionen
37.5.2
Maligne myelogene Tumoren
Ewing-Sarkom Definition, Epidemiologie, Lokalisation Das Ewing-Sarkom ist ein hochmaligner Knochentumor, der sich im Markraum des Knochens entwickelt und aus dicht ge-
37
1162
Kapitel 37 · Primäre und sekundäre Knochentumoren
a
. Abb. 37.19a, b. Calcaneuslipom. a Röntgenbild im seitlichen Strahlengang. Die Aufnahme zeigt eine zentrale dystrophe Verkalkung in einer umschriebenen Osteolyse. Diese Röntgenmorphologie ist pathognomonisch für das Calcaneuslipom. b Auf der T1w-MRT-Aufnahme kommt die Läsion bis auf die zentrale Verkalkung mit fettäquivalentem Signalverhalten zur Abbildung
37
packten undifferenzierten Rundzellen neuroektodermaler Genese besteht. Das Ewing-Sarkom ist nach dem Osteosarkom das zweithäufigste primäre Malignom des kindlichen Skelettsystems. Der Altersgipfel liegt zwischen dem 5. und 15. Lebensjahr, wobei das männliche Geschlecht häufiger betroffen ist. Die häufigsten Manifestationsorte des Tumors sind Femur, Tibia und Ilium. Seltenere Lokalisationen stellen Humerus, Rippen, Sakrum und Skapula dar. In den langen Röhrenknochen sind die Tumoren typischerweise diaphysär und diametaphysär lokalisiert, wobei die proximale Diametaphysenregion häufiger als die distale betroffen ist.
Klinik Klinisch ist das erste Symptom meist eine umschriebene, schmerzhafte Raumforderung. Im Verlauf können aufgrund einer zentralen hämorrhagischen Nekrose des Tumors Symptome wie eine lokale Überwärmung, ein Erythem, Fieber und eine erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) auftreten, die zur Fehldiagnose einer Osteomyelitis verleiten können.
Bildgebung Im radiologischen Erscheinungsbild spiegelt sich die Aggressivität des hochmalignen Tumors meist wider: 4 Geographische oder diffuse permeative bzw. mottenfraßartige Osteolysen stehen im Vordergrund; ca. 90% der Tumoren zeigen ein aggressives Wachstum Typ Lodwick III. 4 Zwiebelschalenartige und lamelläre unterbrochene Periostreaktionen sind charakteristisch, jedoch auch Spikulae und Codman-Dreiecke. 4 Osteosklerotische Areale kommen in den osteolytischen Tumoren vor (in ca. 30% der Tumoren) und werden als reaktive Knochenneubildung oder Verkalkung nekrotischer Tumoranteile interpretiert.
b
4 Paraossale Weichteilschatten, die durch extraossäre Tumoranteile hervorgerufen werden, sind sehr häufig; typischerweise ohne Verkalkungen. Die wichtigsten Differenzialdiagnosen des Ewing-Sarkoms sind die Osteomyelitis und das Osteosarkom. Bei etwas älteren Patienten muss der Tumor auch von einem Non-Hodgkin-Lymphom des Knochens abgegrenzt werden. Für die exakte Darstellung der intramedullären und extraossären Tumorausdehnung sowie für die Detektion von Skip-Läsionen stellt die MRT das Verfahren der Wahl dar. Während die intramedulläre Tumorausdehnung am besten auf den nativen T1w-Bildern erfasst werden kann, kann der Weichteilanteil des Tumors am besten auf T1w-Bildern nach Kontrastmittelgabe beurteilt werden. Die ossären Veränderungen insbesondere von Läsionen des Thorax- und Beckenskeletts können mittels CT am besten dargestellt werden.
Therapie Die Therapie des Ewing-Sarkoms umfasst eine prä- und postoperative Chemotherapie nach dem IE-CESS-Protokoll (IE-CESS: Inter Europe Cooperative Ewing’s Sarcoma Study), eine radikale Operation und ggf. eine ergänzende bzw. bei Inoperabilität die Operation ersetzende Strahlentherapie. Bei sehr gutem Ansprechen des Tumors auf die Chemotherapie kann die Prognose des Tumors deutlich verbessert werden.
Non-Hodgkin-Lymphom Definition, Pathogenese, Lokalisation Non-Hodgkin-Lymphome bestehen aus lymphozytären (B- oder T-Zell-Lymphozyten) und/oder histiozytären Zellen. Der primäre Knochenbefall ist bei Non-Hodgkin-Lymphomen sehr viel seltener als der sekundäre Knochenbefall im Rah-
1163 37.5 · Myelogene Tumoren
men einer generalisierten Erkrankung. Während der primäre Knochenbefall nur in ca. 1% der Non-Hodgkin-Lymphome auftritt, kommt es in ca. 10–30% bei generalisierten Erkrankungen zu einem sekundären Knochenbefall. Die Non-Hodgkin-Lymphome treten in der 2.–7. Lebensdekade auf, weisen jedoch einen Häufigkeitsgipfel in der 4. und 5. Lebensdekade unter Bevorzugung des männlichen Geschlechts auf. Folgende Manifestationsorte des Tumors sind typisch: 4 Primäres Lymphom: lange Röhrenknochen der oberen und unteren Extremität. 4 Sekundäres Lymphom: Schädel, Rippen, Wirbelsäule, Becken, Femur, Humerus (Skelettanteile, in denen bei Erwachsenen blutbildendes Knochenmark vorliegt).
Bildgebung Folgende Röntgenbefunde sind typisch: 4 Multiple Osteolysen mit mottenfraßartigem und permeativem Destruktionsmuster. 4 Osteosklerosen, Periostveränderungen und extraossäre Weichteilanteile sind selten. 4 Bei Befall der langen Röhrenknochen häufig metaphysäre Lokalisation. Als sensitivstes bildgebendes Verfahren zum Nachweis eines fokalen oder diffusen Knochenmarkbefalls gilt die MRT, aber auch skelettszintigraphisch sind vermehrte Aktivitätsanreicherungen in den röntgenmorphologisch nachweisbaren Veränderungen abgrenzbar.
Therapie Zur Therapie s. unten.
Hodgkin-Lymphom Definition, Lokalisation
. Abb. 37.20. Elfenbeinwirbel. Das konventionelle Röntgenbild im lateralen Strahlengang zeigt eine vollständige Sklerosierung von BWK 9 bei Morbus Hodgkin (Elfenbeinwirbel). Dieser Befund ist typisch für eine Hodgkin-Manifestation, Differenzialdiagnosen im Text
Synonyma: Lymphogranulomatose, Morbus Hodgkin. Der pri-
Therapie
märe Knochenbefall beim Morbus Hodgkin gilt als Rarität. Ein sekundärer ossärer Befall kommt bei ca. 20–25% der HodgkinLymphome im Stadium IV vor. Bevorzugte Manifestationsorte sind zur Hämatopoese beitragende Skelettanteile, wie Wirbelsäule, Becken, Schädel, Rippen und Femur.
Das therapeutische Vorgehen ist sowohl beim Hodgkin- als auch beim Non-Hodgkin-Lymphom wesentlich davon abhängig, ob ein primärer oder sekundärer Knochenbefall vorliegt. Beim primären Knochenbefall besteht eine deutlich bessere Prognose und die Läsion wird meist strahlentherapeutisch behandelt. Beim sekundären Befall wird die Therapie in das allgemeine Behandlungskonzept des Lymphoms einbezogen (in der Regel Chemotherapie) und ggf. eine ergänzende Bestrahlung oder stabilitätserhaltende Operation durchgeführt.
Bildgebung Die radiologischen Skelettveränderungen können gemischt osteolytisch-osteosklerotisch sein. Aber auch rein osteolytische und rein osteosklerotische Formen kommen vor. Die Osteolysen weisen häufig ein permeatives oder mottenfraßartiges Destruktionsmuster auf. Die sklerosierenden Veränderungen sind nicht selten diffus und als reaktiv zu werten. Sie können radiomorphologisch einer osteoplastischen Metastasierung ähneln, z. B. Elfenbeinwirbel (. Abb. 37.20). Weitere Differenzialdiagnosen des Elfenbeinwirbels sind: 4 Hodgkin-Lymphom 4 Morbus Paget 4 Metastasen 4 Chronische Osteomyelitis
Plasmozytom Definition, Epidemiologie Synonyma: Morbus Kahler, multiples Myelom. Dem Plasmozy-
tom liegt eine Proliferation maligner Plasmazellen (B-Zellenlymphozytären Ursprungs) mit Verdrängung des blutbildenden Knochenmarks zugrunde. Das Plasmozytom ist der häufigste primär maligne Knochentumor und macht ca. 1% aller Malignome aus. Man unterscheidet das multiple Myelom (Morbus Kahler) und das seltene, auch extramedullär (Nasopharynx) auftretende solitäre Plasmozytom. Mit Ausnahme des nichtsezernierenden Typs ist die Erkrankung durch das Auftreten von monoklonalen Immunglobu-
37
1164
Kapitel 37 · Primäre und sekundäre Knochentumoren
. Tab. 37.5. Klassifikation des Plasmozytoms nach Durie und Salmon (1975) Stadium I (geringe Tumorlast) Hb Kalzium (Serum) Röntgenbild Paraproteine (IgG, IgA, Leichtketten im Urin) Stadium II (mittlere Tumorlast) Alle Kriterien Stadium III (hohe Tumorlast) Hb Kalzium (Serum) Röntgenbild Paraproteine
>10 g/dl (>100 g/l) >12 mg/dl (>3 mmol/l) Kein Nachweis von Osteolysen oder solitäres Plasmozytom IgG <5 g/dl (0,05 g/l), IgA <3 g/dl (0,03 g/l), Leichtketten im Urin <4 g/24 h
Zwischen Stadium I und Stadium II
>8,5 g/dl (<85 g/l) <12 mg/dl (<3 mmol/l) Mehr als zwei Osteolysen IgG >7 g/dl, IgA > 5g/dl, Leichtketten im Urin >12 g/24 h
Im Stadium I müssen alle Kriterien erfüllt sein; im Stadium III lediglich eines der Kriterien
linen gekennzeichnet, die von den transformierten Plasmazellen gebildet werden. Das multiple Myelom kommt meist bei Patienten nach dem 40. Lebensjahr vor und weist einen Altersgipfel zwischen dem 5. und 7. Lebensjahrzehnt auf, während Patienten mit einem solitären Plasmozytom in der Regel etwas jünger sind. Männer er-
kranken insgesamt häufiger als Frauen (Verhältnis 3:2). Da das Plasmozytom primär in den zur Hämatopoese beitragenden Knochen entsteht, manifestiert sich der Tumor vorzugsweise im Achsenskelett (Wirbelsäule, Schädel, Becken, Femur). Weitere typische Manifestationsorte sind Rippen, Humerus und Clavicula. Der periphere Typ (inverses Plasmozytom) ist sehr selten und betrifft die distalen Skelettanteile der oberen und unteren Extremität.
Klinik Symptome der ossären Veränderungen sind Knochenschmerzen, Hyperkalzämie und pathologische Frakturen. Weitere klinische Symptome werden durch die Verdrängung des blutbildenden Knochenmarks (Anämie, Panzytopenie, Blutungsneigung und Infektanfälligkeit) und durch die Paraproteinämie (BSG-Erhöhung, Hyperviskositätssyndrom, Plasmozytomniere) hervorgerufen. Um die Prognose der Erkrankung abzuschätzen und um eine stadiengerechte Therapie einzuleiten, wird die Erkrankung vielerorts nach Durie und Salmon klassifiziert (. Tab. 37.5).
Bildgebung Das multiple Myelom zeigt radiologisch unterschiedliche Befallsmuster: 4 Scharf begrenzte Osteolysen in medullärer oder subkortikaler Lage in den langen Röhrenknochen können bei fokalem Befall vereinzelt auftreten oder in fortgeschrittenen Stadien ein fleckiges Erscheinungsbild hervorrufen; am Schädel verursachen die Osteolysen das Bild eines »Schrotschussschädels« (. Abb. 37.21a).
37
a . Abb. 37.21a, b. Plasmozytom. Radiologische Befunde. a Auf der konventionellen Röntgenaufnahme des Schädels im seitlichen Strahlengang sind multiple, für das Plasmozytom charakteristische, scharf begrenzte Osteolysen abgrenzbar, die als so genannter »Schrotschussschädel« imponieren. b Die sagittale T1w-MRT-Aufnahme zeigt einen typischen inhomogenen Signalabfall des Knochenmarks durch diffuse Infiltrate im Fettmark
b (»Salz und Pfeffer-Muster«). Zusätzlich fallen mehrere größere hypointense Areale, die auf fokale Läsionen zurückzuführen sind. Es besteht ein gemischter (diffuser und fokaler) Plasmozytombefall des Knochenmarks
1165 37.6 · Vaskuläre Tumoren
. Tab. 37.6. Standardaufnahmen beim multiplem Myelom (»Plasmozytomstatus«) Schädel
Lateraler Strahlengang
Halswirbelsäule
Lateraler Strahlengang
Brustwirbelsäule
Lateraler Strahlengang
Lendenwirbelsäule
Lateraler Strahlengang
Becken
a.p.-Strahlengang
Femur
a.p.-Strahlengang
Humerus
a.p.-Strahlengang
4 Eine grobsträhnige Osteoporose ist typisch bei diffusem Knochenmarksbefall; Sinterungsfrakturen der befallenen Wirbelkörper sind häufig. 4 Auch sehr aggressive Wachstumsformen mit mottenfraßartigen Destruktionen kommen vor. 4 Selten ist die fokal oder diffus osteosklerotische Form des Plasmozytoms. Beim solitären Plasmozytom ist das typische Bild eine expansive, häufig trabekulierte Osteolyse ohne relevante Matrixverkalkungen. > Da die Skelettszintigraphie bei der Detektion von Myelomherden aufgrund der vorwiegend lytischen Aktivität innerhalb der Läsionen häufig falsch negativ ist (>50%), erfolgt das Staging der ossären Veränderungen anhand konventioneller Röntgenaufnahmen (»Plasmozytomstatus«) bzw. mittels Ganzkörper-CT (. Tab. 37.6).
Bei unklarem Befund kann die MRT mit hoher Sensitivität zum Nachweis bzw. Ausschluss einer Knochenmarkinfiltration eingesetzt werden. Außerdem wird das Muster des Knochenmarkbefalls dargestellt, wobei ein fokaler und diffuser Befall auch simultan auftreten können (. Abb. 37.21b). Fokale Herde lassen sich am besten auf fettsupprimierten flüssigkeitssensitiven (T2woder STIR-w-) Aufnahmen abgrenzen, auf denen sie hyperintens als rundliche Läsionen mit hypointensem Korrelat auf T1w-Aufnahmen zur Darstellung kommen. Der diffuse Befall zeigt sich am besten auf T1w-Aufnahmen, wobei ein inhomogener Signalabfall des Knochenmarks typisch ist. Das so genannte »Salz und Pfeffer«-Muster kommt durch diffuse Infiltrate im Fettmark zustande. In fortgeschrittenen Stadien kann das gesamte Fettmark durch Knochenmarkinfiltrationen ersetzt werden und bei Befall der Wirbelsäule auf T1w-Aufnahmen signalisointens oder sogar hypointens zur angrenzenden Bandscheibe sein.
37.6
Vaskuläre Tumoren
37.6.1
Benigne vaskuläre Tumoren
Hämangiom Definition, Epidemiologie, Lokalisation Das Hämangiom ist eine benigne Läsion, die durch Bildung von Blutgefäßen vom kapillären, kavernösen oder venösen Typ charakterisiert ist. In den meisten Fällen werden Hämangiome als Zufallsbefund bei einer Röntgenuntersuchung entdeckt. Die Läsion
stellt ca. 2% aller benignen und 0,8% aller Tumoren des Skelettsystems. Obwohl keine exakten Angaben über die Geschlechtsund Altersverteilung vorliegen, werden sie am häufigsten bei Patienten im frühen und mittleren Erwachsenenalter unter leichter Bevorzugung des weiblichen Geschlechts entdeckt. Die kapillären Hämangiome setzen sich aus kleinen Gefäßen zusammen, die lediglich aus einem flachen, nur von einer Basalmembran umgebenden Endothel bestehen. Prädilektionsstellen im Skelett sind die Wirbelkörper, v. a. der Brustwirbelsäule. Kavernöse Hämangiome sind aus dilatierten blutgefüllten Räumen aufgebaut, die ebenfalls nur von einem einfachen Endothel ausgekleidet sind. Typischerweise treten sie in der Schädelkalotte auf. Venöse Hämangiome und AV-Malformationen sind im Knochen insgesamt sehr selten und häufiger in den Weichteilen anzutreffen.
Bildgebung Das Röntgenbild des Wirbelkörperhämangioms gilt als pathognomonisch (. Abb. 37.22). Der in der Kontur erhaltene Wirbelkörper weist eine strähnige Strukturauflockerung mit vermehrter vertikal verlaufender Trabekulierung auf. In der Schädelkalotte sind die Trabekulierungen meist radspeichenartig ausgerichtet. In den langen Röhrenknochen stellt sich das Hämangiom als glatt begrenztes osteolytisches Areal mit honigwabenartiger Binnenstruktur und mäßiggradiger Randsklerose in meta- oder epiphysärer Lokalisation dar. Die MRT ist bei der Abklärung von symptomatischen vertebralen Hämangiomen das Verfahren der Wahl. Charakteristisch ist, dass die aus angiomatösen und lipomatösen Anteilen zusammengesetzte Matrix des Hämangioms in den meisten Fällen sowohl auf T1w- als auch auf T2w-Aufnahmen signalreich zur Darstellung kommt. Ist jedoch die Fettkomponente gering, stellen sich die Läsionen auf dem T1w-Bild hypointens und auf dem T2w-Bild stark hyperintens dar, wodurch die differenzialdiagnostische Abgrenzung gegenüber anderen Läsionen schwieriger ist. Eine ergänzende CT kann in diesen Fällen durch Nachweis der verdickten, vertikal verlaufenden Trabekel, die auf transversalen Aufnahmen pfeiler- und tupferartig (»polka-dot«) zur Darstellung kommen, die Diagnose sichern (. Abb. 37.22).
Therapie Das multiple Myelom wird in der Regel chemotherapeutisch behandelt. Frakturgefährdete Skelettabschnitte können zusätzlich chirurgisch oder strahlentherapeutisch angegangen werden.
Therapie Da es sich bei den Hämangiomen um Zufallsbefunde handelt, ist in den allermeisten Fällen keine Therapie erforderlich.
37
1166
Kapitel 37 · Primäre und sekundäre Knochentumoren
a
37
b
. Abb. 37.22a, b. Wirbelkörperhämangiom. a In der konventionellen Röntgenaufnahme der LWS im seitlichen Strahlengang zeigt LWK4 eine strähnige Strukturauflockerung mit vermehrter vertikaler Trabekulierung,
die als pathognomonisch für ein Wirbelkörperhämangiom gilt. b In der axialen CT-Schicht lassen sich die verdickten Trabekel pfeiler- und tupferartig nachweisen (»polka-dot«-Zeichen)
Zystische Angiomatose Definition, Epidemiologie
37.6.2
Synonyma: Hämangiomatose, diffuse Angiomatose, Hämangio-
Hämangioendotheliom Definition, Epidemiologie, Lokalisation
lymphangiomatose. Die zystische Hämangiomatose ist durch das Auftreten multipler angiomatöser Läsionen des Skelettsystems gekennzeichnet, wobei in 60–70% der Fälle eine progrediente viszerale Beteiligung vorliegt. Die zystische Angiomatose ist ein äußerst seltenes Krankheitsbild, das meist im 1.–3. Lebensjahrzehnt unter Bevorzugung des männlichen Geschlechts auftritt. Die am häufigsten betroffenen Skelettabschnitte sind Femur, Rippen, Wirbelkörper und Becken.
Klinik Die klinische Symptomatik ist bei viszeraler Beteiligung, bei der multiple Hämangiome in Leber, Milz, Niere, Lunge und anderen Organen auftreten können, durch ein progredientes Organversagen gekennzeichnet. Dadurch ist die Lebenserwartung deutlich eingeschränkt. Demgegenüber hat der isolierte Skelettbefall eine deutlich bessere Prognose und klinische Symptome, die durch die intraossären Hämangiome hervorgerufen werden, sind selten.
Maligne vaskuläre Tumoren
Synonyma: Angiosarkom, Hämangiosarkom, Hämangioblastom. Das Hämangioendotheliom ist ein maligner Tumor, der durch die Existenz dicht angeordneter Gefäßstränge mit zahlreichen Anastomosen und Atypien der Endothelzellen gekennzeichnet ist. Mit einem Anteil von 0,5% aller Knochentumoren gehört das Hämangioendotheliom zu den seltenen skelettalen Neoplasien. Generell können Hämangioendotheliome in jedem Alter auftreten, der Altersgipfel dieser häufiger beim männlichen Geschlecht auftretenden Erkrankung liegt jedoch zwischen dem 3. und 5. Lebensjahrzehnt. In ca. 50% der Fälle ist der Tumor in den langen Röhrenknochen der unteren Extremität (Tibia, Femur) gelegen. Typische Manifestationsorte sind auch Becken und Humerus. In den langen Röhrenknochen ist der Tumor meist metaphysär lokalisiert, eine Ausdehnung nach dia- und epiphysär ist jedoch nicht selten. In ca. 30–40% der Fälle liegt ein multizentrischer Befall vor, wobei meta- und synchron weitere Herde im selben oder in benachbarten, selten auch in entfernten Knochen auftreten können.
Bildgebung Radiologisch finden sich multiple osteolytische Läsionen unterschiedlicher Größe in unterschiedlichen Lokalisationen. Die Osteolysen sind medullär gelegen, weisen eine schmale Transitionszone auf, sind rund oder oval mit Ausrichtung in der Knochenlänggsachse und arrodieren den Knochen häufig von endostal. Eine intraläsionale Trabekelzeichnung und Periostreaktionen sind selten.
Bildgebung Radiologisch sind folgende Befunde charakteristisch: 4 Multiple, medullär und auch kortikal gelegene, geographische Osteolysen unterschiedlicher Größe häufig mit breiter Transitionszone. 4 Reaktive Sklerosierungen und Periostreaktionen sind ungewöhnlich.
1167 37.8 · Skelettmetastasen
Die Differenzialdiagnose umfasst neben einer osteolytischen Metastasierung das multiple Myelom, die zystische Angiomatose, die Histiozytosis X, das Adamantinom (s. unten), das KaposiSarkom und die tuberkulöse Osteomyelitis.
37.7
Andere Knochentumoren
Chordom Definition, Epidemilogie, Lokalisation
Therapie Die Therapie der Wahl beim Chordom ist eine Resektion mit Sicherheitsabstand weit im Gesunden. Bei Inoperabilität oder nur knapper Resektabilität kann alternativ bzw. ergänzend eine Bestrahlung durchgeführt werden.
Adamantinom Definition, Epidemiologie, Lokalisation
Das Chordom ist ein maligner Tumor des Knochens, der aus embryonalen Resten der Chorda dorsalis entsteht und im Sakrum, der Wirbelsäule oder in der Schädelbasis auftritt. Chordome sind seltene Tumoren und machen ca. 1% der primären Knochentumoren aus. Häufigste Manifestationsorte des Chordoms sind die Sakrokokzygealregion (50–60%), die Sphenookzipitalregion (25–40%) und die Wirbelsäule (15–20%). Chordome treten bei älteren Patienten auf, der Altersgipfel liegt zwischen dem 5. und 7. Lebensjahrzehnt. Das Geschlechtsverhältnis beträgt 2:1 zuungunsten der Männer.
Beim Adamantinom handelt es sich um einen sehr seltenen malignen Knochentumor, dessen Histogenese unklar ist und der aus epithelialen Zellen aufgebaut ist, die von einem dichten Stroma aus spindelförmigen Zellen umgeben sind. Es handelt sich um den seltensten primären Knochentumor überhaupt. Der Tumor kommt zwischen dem 2. und 5. Lebensjahrzehnt bei Frauen und Männern etwa gleich häufig vor und befällt in ca. 90% der Fälle die Tibia, in seltenen Fällen sind auch einmal Humerus der Ulna befallen. Insgesamt sind nahezu ausschließlich die langen Röhrenknochen betroffen, wo der Tumor typischerweise im mittleren Schaftdrittel auftritt. Ein bilokulärer oder multilokulärer Befall ist möglich.
Klinik
Klinik
Chordome der Schädelbasis führen in der Regel eher zu klinischen Symptomen als die vertebralen Tumoren und insbesondere als die Chordome des sakrokokzygealen Übergangs, welche meist erst spät diagnostiziert werden. Im Bereich der Schädelbasis können bereits bei geringer Tumorausdehnung neben Kopfschmerzen und Übelkeit auch neurologische, endokrine und visuelle Ausfälle auftreten. Patienten mit sakrokokzygealen Tumoren geben häufig eine seit langem (Monate bis Jahre) bestehende uncharakteristische Schmerzsymptomatik an. Durch Kompression des präsakralen Nervenplexus und durch Kompression bzw. Infiltration benachbarter Strukturen (Harnblase, Rektum, Rückenmark) können im Verlauf unterschiedliche Symptome hinzutreten. Aufgrund der ungünstigen Lokalisation und des fortgeschrittenen Tumorwachtums ist eine vollständige Resektion der Chordome nur in Ausnahmefällen möglich.
Häufigster Untersuchungsbefund ist eine lokale druckschmerzhafte Weichteilschwellung, die gegen den darunter liegenden Knochen nicht verschieblich ist. Fernmetastasen treten in der Regel erst sehr spät auf.
Bildgebung Radiologisch sind folgenden Befunde für Chordome typisch: 4 Unregelmäßige, im Randbereich z. T. sklerosierte Osteolysen mit amorphen Kalzifikationen. 4 Ein lokal aggressives Wachstum mit Kortikalisdestruktion und extraossärem Weichteiltumor. 4 Expansives Wachstum mit großem präsakralem Weichteiltumor (sakrokokzygeale Chordome). 4 Destruktionen im Bereich Klivus, Sella, Keilbein und Felsenbein (okzipitale Chordome). Aufgrund der Lokalisation der Chordome im Achsenskelett ist zur Definition der Tumorausdehnung und Therapieplanung die Schnittbilddiagnostik dringend erforderlich. Während das Ausmaß der Knochendestruktion und der Nachweis tumoraler Verkalkungen am besten mittels CT beurteilt werden kann, gelingt die Differenzierung liquider und solider Tumoranteile sowie die Abgrenzung der extraossären Tumorkomponente zu den angrenzenden Weichteilstrukturen am besten mithilfe der MRT.
Bildgebung Radiologisch weist der Tumor ein relativ charakteristisches Erscheinungsbild auf: 4 Im mittleren Tibiaschaft medullär oder kortikal gelegene, relativ scharf begrenzte, längliche Osteolysen, die durch sklerotischen Knochen voneinander getrennt sind (»Seifenblasenaspekt«). 4 Periostreaktionen, Kortikalisdestruktionen und parossale Weichteiltumoren sind selten. In typischer Lokalisation ist die wichtigste Differenzialdiagnose die osteofibröse Dysplasie Typ Kempson-Campanacci, weitere Differenzialdiagnosen sind die fibröse Dysplasie, die aneurysmatische Knochenzyste, das nichtossifizierende Knochenfibrom und das Chondromyxoidfibrom.
Therapie Therapie der Wahl ist eine weite chirurgische Resektion, da Rezidive häufig eine deutlich höhere Malignität als der Ausgangsbefund aufweisen.
37.8
Skelettmetastasen
Epidemiologie, Lokalisation Knochenmetastasen als sekundäre Knochentumoren stellen bei Weitem die häufigste malignen Tumoren des Skelettsystems dar. Bei einer nach dem 40. Lebensjahr entdeckten ossären Läsion ist die wahrscheinlichste Diagnose die einer Knochenmetastase.
37
1168
Kapitel 37 · Primäre und sekundäre Knochentumoren
. Tab. 37.7. Skelettmetastasen häufiger Malignome: typisches radiologisches Erscheinungsbild und Häufigkeit
Primärtumor
Radiologisches Erscheinungsbild
Häufigkeit der Skelettmetastasen
Mammakarzinom
Gemischt oder osteolytisch
Sehr häufig (50–70%)
Prostatakarzinom
Vorwiegend osteoplastisch; selten bei sehr alten Patienten osteolytisch
Sehr häufig (50–70%)
Bronchialkarziom
Vorwiegend osteolytisch; kortikale und periostale Metastasen nicht selten
Sehr häufig (30–50%)
Nierenzellkarzinom
Osteolytisch und expansiv
Sehr häufig (20–30%)
Schilddrüsenkarzinom
Osteolytisch und expansiv
Sehr häufig (20–30%)
Bevorzuge Manifestationsorte von Knochenmarkmetastasen sind Skelettanteile mit rotem Knochenmark, da dieses um ein Vielfaches besser vaskularisiert ist als das Fettmark. Dementsprechend finden sich bei Erwachsenen ca. 90% der Metastasen im Stammskelett (ca. 65% in der Wirbelsäule, 12% in den Rippen einschließlich Sternum, ca. 5% im Beckenskelett, ca. 9% in der Schädelkalotte). Viele Malignome metastasieren bevorzugt in das Skelettsystem, am häufigsten jedoch Mamma-, Prostata, Bronchial-, Schilddrüsen- und Nierenzellkarzinom (Metastasierungsraten: . Tab. 37.7). Bei allen anderen Primärtumoren liegt die Metastasierungsrate deutlich <10%.
terer Herde bei Nachweis einer einzelnen Läsion bzw. bei allgemeinem Verdacht auf eine ossäre Metastasierung eine Skelettszintigraphie durchgeführt werden. Die meisten Knochenfiliae kommen hierbei als fokale oder diffuse Mehrbelegung, selten durch eine Minderbelegung zur Darstellung. Szintigraphisch nachgewiesene Herdbefunde werden dann zur Differenzierung und zur Abschätzung der ossären Destruktion gezielt radiologisch, ggf. auch mittels MRT nachuntersucht.
Pathogenese
37
Die ossären Veränderungen beruhen im Wesentlichen auf 2 Mechanismen: der Resorption und der reaktiven oder seltener tumoralen Knochenneubildung. Je nach Ausmaß bzw. Überwiegen der einen oder der anderen Komponente unterscheidet man morphologisch: 4 den osteolytischen Metastasentyp 4 den osteoplastischen Metastasentyp 4 den gemischten (osteolytisch-osteoplastischen) Metastasentyp Ein rein osteoplastischer Metastasierungstyp sollte bei Männern zunächst an das Prostata- und bei Frauen an das Mammakarzinom denken lassen. Gemischt (osteolytisch-osteoplatische) Metastasen treten typischerweise beim Mamma-, Zervix-, und Ovarialkarzinom auf, während rein osteolytische Metastasen typischerweise beim Bronchial-, Schilddrüsen- und Nierenzellkarzinom auftreten.
Klinik, Diagnose Klinisches Leitsymptom ist in der Regel der Schmerz, welcher durch die ossären Veränderungen, durch Invasion bzw. Kompression benachbarter Weichteile und/oder nervaler Strukturen oder durch das Auftreten einer pathologischen Fraktur hervorgerufen wird. Laborchemisch können eine Erhöhung des Serumkalziums und der alkalischen Phosphatase, bei Patienten mit Prostatakarzinom auch der sauren Phosphatase, wichtige Hinweise auf eine ossäre Metastasierung sein.
Bildgebung Da das Auftreten multipler Metastasen insgesamt sehr viel häufiger ist als das solitärer Metastasen, sollte zum Ausschluss wei-
. Abb. 37.23. Osteolytische Metastase. Das konventionelle Röntgenbild des Oberarms im a.p.-Strahlengang zeigt eine etwas ältere pathologische Fraktur aufgrund einer osteolytischen Metastase des proximalen Humerus. Diese zeigt ein mottenfraßartiges Destruktionsmuster (Lodwick 3). Es ist bereits zu einer beginnenden ossären Überbauung mit Kallusbildung im Frakturbereich gekommen
1169 37.8 · Skelettmetastasen
Für das radiologische Erscheinungsbild von ossären Filiae gilt: 4 Die Röntgenmorphologie von Skelettmetastasen weist eine erhebliche Variationsbreite auf; generell kann jede andere Läsion durch eine Metastase imitiert werden. 4 Periostreaktionen sind bei allen Knochenmetastasen selten; Penetration der Kortikalis und extraossärer Weichteilanteilen sind bei größeren Metastasen typisch. 4 Im Weichteilanteil der Metastasen können regressive Verkalkungen auftreten (Kolonkarzinom); jedoch keine Verkalkungen bzw. Verknöcherungen der Tumormatrix im eigentlichen Sinne. 4 Osteolytische Metastasen zeigen meist ein mottenfraßartiges oder permeatives Destruktionsmuster (. Abb. 37.23), können aber auch als geographische Osteolysen auftreten. 4 Osteoplastische Metastasen können als fokale oder diffuse Osteosklerosen (. Abb. 37.24) auftreten. 4 Gemischte (osteolytische-osteoplatische) Metastasen zeigen neben einer diffusen osteolytischen Durchsetzung vermehrt sklerosierte Areale. Die MRT ist die sensitivste Methode zur Detektion von Skelettmetastasen und kann durch die genaue anatomische Abbildung in bestimmten Lokalisationen, z. B. bei Metastasen der Wirbelsäule mit intraspinalen Tumoranteilen für die Therapie entscheidende Zusatzinformationen liefern.
Therapie Die Therapie von Skelettmetastasen richtet sich nach den Primärtumoren und dem Ausmaß der Metastasierung, infrage kommen neben der chirurgische Resektion, Strahlen- und Chemotherapie. Häufig werden auch multimodale Therapiekonzepte durchgeführt.
. Abb. 37.24. Diffuse osteoplastische Metastasierung. In der sagittalen CT-Rekonstruktion der Wirbelsäule zeigen sich diffuse, z. T. etwas fleckig imponierende, osteosklerotische Veränderungen aller abgebildeten Wirbelkörper. Charakteristisch ist, dass es bei stark ausgeprägter osteoplastischer Metastasierung auch zu einer Volumenzunahme der betroffenen Knochen kommt
37
38 38 Tumorähnliche Knochenläsionen (Tumor-like lesions) S. Waldt
38.1
Nichtossifizierendes Knochenfibrom
38.2
Solitäre Knochenzyste
38.3
Aneurysmatische Knochenzyste
38.4
Ganglion
38.5
Fibröse Dysplasie
38.6
Langerhans-Zellhistiozytose
– 1172
– 1172 – 1173
– 1175 – 1175 – 1177
1172
Kapitel 38 · Tumorähnliche Knochenläsionen (Tumor-like lesions)
38.1
Nichtossifizierendes Knochenfibrom
a
b
Definition, Pathogenese Das nichtossifizierende Knochenfibrom (NOF) stellt eine sich spontan zurückbildende Wachstumsstörung im metaphysären kortikalen und subkortikalen Knochen dar. Es besteht aus fibrösem Gewebe in wirbelförmiger Anordnung mit eingelagerten mehrkernigen Riesenzellen, Schaumzellen, Cholesterolkristallen und Hämosiderinablagerungen. Das nichtossifizierende Fibrom und der fibröse Kortikalisdefekt haben histologisch die gleichen Charakteristika. Wenn die Läsion auf die Kompakta des Knochens beschränkt ist, wird sie als fibröser Kortikalisdefekt bezeichnet, vergrößert sich der Befund und greift auf den Markraum über, so wird der Begriff des nichtossifizierenden Fibroms verwendet.
Epidemiologie, Lokalisation Die Inzidenz des nichtossifizierenden Knochenfibroms wird mit etwa 1% angegeben, der fibröse Kortikalisdefekt ist bei Weitem häufiger und tritt bei ca. 30% der Normalbevölkerung während des Wachstums auf. Beide Läsionen treten unter deutlicher Bevorzugung des männlichen Geschlechts in der 1. und 2. Lebensdekade auf. Die Läsionen sind fast ausschließlich metaphysär lokalisiert und bevorzugen die langen Röhrenknochen, am häufigsten sind die distale Femur- und die proximale Tibiametaphyse betroffen.
Klinik
38
Die meisten nichtossifizierenden Knochenfibrome sind klinisch asymptomatisch und werden als Zufallsbefund bei einer Röntgenuntersuchung entdeckt. Größere Läsionen können gelegentlich zu Schmerzen oder pathologischen Frakturen führen.
. Abb. 38.1a, b. Nichtossifizierendes Fibrom (NOF). Konventionelle Aufnahme a im a.p.-Strahlengang; b im seitlichen Strahlengang. Die Aufnahmen zeigen die klassische Röntgenmorphologie eines NOF. Zur Darstellung kommt mit eine ovaläre, exzentrisch metaphysär gelegene trabekulierte Osteolyse mit polyzyklischem Skerosierungssaum
bung und des selbst limitierenden Verlaufs ist weder eine Biopsie zur Sicherung der Diagnose noch eine therapeutische Maßnahme indiziert.
Bildgebung Die Röntgenbefunde von nichtossifizierendem Knochenfibrom und fibrösem Kortikalisdefekt sind meist pathognomonisch und werden gekennzeichnet durch: 4 Ovaläre, exzentrisch, metaphysär gelegene Osteolysen, deren Längsachse parallel zur Längsachse des Knochens liegt; Lodwick Grad 1a oder 1b. 4 Beim fibrösen Kortikalisdefekt sind die Osteolysen kortikal gelegen, glatt oder lobuliert begrenzt und breiten sich im Verlauf in die subkortikale Spongiosa der Metaphysen aus. 4 Beim nichtossifizierenden Fibrom sind die Osteolysen von einem polyzyklischen oder girlandenartigen Sklerosesaum umgeben (»Weinrebe«) (. Abb. 38.1); riffartige Vorwölbungen der inneren Oberfläche täuschen Septierungen der Läsion vor. Schnittbilddiagnostik ist zur Aufarbeitung des nichtossifizierenden Knochenfibroms in der Regel nicht indiziert. Szintigraphisch findet sich keine oder allenfalls eine geringe Mehranreicherung des Tracers.
Therapie Das nichtossifizierende Fbrom gehört zu den so genannten »Don’t touch lesions«. Augrund der charakteristischen Bildge-
38.2
Solitäre Knochenzyste
Definition Synonym: juvenile Knochenzyste. Bei der solitären Knochenzys-
te handelt es sich um eine einkammerige Knochenzyste, die mit einer klaren gelblichen Flüssigkeit gefüllt ist.
Epidemiologie, Pathogenese Die solitäre Knochenzyste ist eine tumorähnliche Läsion des Knochens, die auf eine lokale Wachstumsstörung zurückgeführt wird. Mit einem Anteil von ca. 3% aller primären Knochentumoren gehört sie zu den häufigeren Knochenläsionen und tritt bei Männern etwa doppelt so häufig wie bei Frauen auf. Der Altersgipfel liegt zwischen dem 5. und 15. Lebensjahr. Sie kommen fast ausschließlich in den Metaphysen der langen Röhrenknochen vor. Häufigste Lokalisationen sind der proximale Humerus und der proximale Femur.
Klinik In der Regel ist die solitäre Knochenzyste asymptomatisch. Beschwerden treten gewöhnlich erst dann auf, wenn es bei größeren Zysten zu Infraktionen oder Spontanfrakturen gekommen ist.
1173 38.3 · Aneurysmatische Knochenzyste
b
a
c
d
. Abb. 38.2a–d. Solitäre Knochenzyste. Radiologische Befunde. a Auf der Röntgenaufnahme des rechten Hüftgelenks im a.p.-Strahlengang erkennt man eine zentral metadiaphysär lokalisierte rein osteolytsiche Läsion, die im kranialen Anteil einige Pseudotrabekulierungen aufweist. b Koronare T1w-, c koronare kontrastverstärkte T1w- und d axiale T2w-MRT-Aufnahmen zeigen, dass die Läsion keine soliden Anteile aufweist und der Inhalt auf al-
len Sequenzen flüssigkeitsäquivalent ist. Nach KM-Gabe lässt sich lediglich ein zarter KM aufnehmender Randsaum abgrenzen. Auf der axialen Aufnahme sind ein Flüssigkeitsspiegel und ein kleines ossäres Fragment (»FallenFragment«-Zeichen) nach stattgehabter pathologischer Fraktur innerhalb der Läsion abgrenzbar
Bildgebung
sein. Mittels MRT kann in differenzialdiagnostisch schwierigeren Fällen der zystische Charakter der Läsion gesichert werden (. Abb. 38.2).
Das radiologische Erscheinungsbild ist durch die folgenden typischen Befunde charakterisiert. 4 Eine zentral im Knochen lokalisierte, einkammerige, meist randsklerosierte, ovaläre (parallel zur Längsachse des Knochens ausgerichtete) Osteolyse, häufig mit endostaler Arrosion und Ausdünnung der Kortikalis; Lodwick Grad 1a oder 1b. 4 Trabekulierungen der Läsion kommen vor, jedoch keine echten Kammerungen. 4 »Fallen-fragment-Zeichen« (in den abhängigen Abschnitt verlagertes Fragment), nach pathologischer Fraktur nahezu pathognomonische Zeichen (. Abb. 38.2). 4 »Trap-door-Zeichen« (gegen das Innere der Osteolyse vorgewölbtes Fragment, das noch am Periost anhaftet), ebenfalls nach pathologischer Fraktur. Im Allgemeinen ist im Anschluss an das konventionelle Röntgen keine Schnittbilddiagnostik mehr erforderlich. Die CT kann gelegentlich beim Nachweis einer pathologischen Fraktur hilfreich
Therapie Die Therapie von im Verlauf größenprogredienten und frakturgefährdeten solitären Knochenzysten besteht in der Regel in einer Curettage und anschließenden Auffüllung des Defekts mit Palakosmaterial.
38.3
Aneurysmatische Knochenzyste
Definition Die aneurysmatischen Knochenzyste ist eine tumorähnliche Knochenläsion, die aus multiplen, mit ungeronnenem Blut gefüllten, von einem atypischen Epithel ausgekleideten Hohlräumen besteht. Die Septen und die fakultativ vorhandenen soliden Anteile bestehen aus stark vaskularisiertem Bindegewebe mit zahlreichen Riesenzellen und vereinzelt unreifen Knochentrabekeln.
38
1174
Kapitel 38 · Tumorähnliche Knochenläsionen (Tumor-like lesions)
a
38
b
c
. Abb. 38.3a–c. Aneurysmatische Knochenzyste (AKZ) des distalen Femurs. a Die Röntgenaufnahme des linken Kniegelenks im a.p.-Strahlengang zeigt eine rein osteolytische, gut demarkierte Osteolyse in (etwas atypischer) epimetaphysärer Lokalisation. Die laterale Kortikalis ist in Anteilen destruiert und es ist zur Ausbildung einer charakteristischen Periostschale
gekommen (Lodwick 1c). b Axiale T2w-Aufnahme, c koronare KM-verstärkte fs T1w-MRT-Aufnahme. Die Aufnahmen demonstrieren die typische MRMorphologie der Läsion mit Flüssigkeits-/Flüssigkeitsspiegeln auf der T2wAufnahme und randständigem Enhancement der Zystenwände
Epidemiologie, Lokalisation
4 Eine exzentrische Auftreibung (»Ballonierung«) des Knochens ist typisch, häufig mit Ausbildung eine schalenartigen Periostreaktion (Neokortikalis) im Randbereich des parossalen Weichteilanteils (. Abb. 38.3). 4 Im Wirbelkörper sind meist die hinteren Wirbekörperelemente betroffen; die Röntgenmorphologie ist weniger charakteristisch als in den langen Röhrenknochen. 4 Die aneurysmatische Knochenzyste ist die einzige benigne Läsion, die auch in den benachbarten Wirbelkörper einwachsen kann.
Mit einem Anteil von ca. 5% aller gutartigen Knochentumoren und tumorähnlichen Läsionen handelt es sich bei der aneurysmatischen Knochenzyste um eine relativ häufige Läsion, von der Männer und Frauen zu etwa gleichen Anteilen betroffen sind. Die aneurysmatische Knochenzyste tritt typischerweise bei Jugendlichen mit einem Altersgipfel im 2. Lebensjahrzehnt auf. Sie kann entweder primär (ca. zwei Drittel der Fälle) oder sekundär in vorbestehenden Knochentumoren (z. B. Chondroblastom, Osteoblastom, Chondromyxoidfibrom) bzw. tumorähnlichen Läsionen (fibröse Dysplasie, solitäre Knochenzyste, nichtossifizierendes Fibrom) auftreten. Mehr als 50% der Läsionen sind in exzentrischer metaphysärer Lage in den langen Röhrenknochen lokalisiert, mit absteigender Häufigkeit sind Femur, Tibia, Fibula und Humerus betroffen. Weitere Manifestationsorte sind Wirbelkörper, Beckenskelett, Clavicula und kleine Röhrenknochen.
Klinik Die Klinik im Bereich der langen Röhrenknochen besteht aus meist eher gering ausgeprägten Schmerzen und gelegentlich einer lokalen Schwellung. In der Wirbelsäule können neurologische Symptome bei Auftreten einer Wirbelkörperfraktur das klinische Bild bestimmen.
Mittels MRT wird die Pathoanatomie der Läsion unabhängig von der Lokalisation im Skelettsystem abgebildet. Charakteristisch ist eine expansive, aus multiplen Zysten bestehende Läsion, die meist von einem signalarmen Randsaum umgeben ist, der durch eine bindegewebige Kapsel und/oder eine Periostschale hervorgerufen wird. Flüssigkeits-/Flüssigkeitsspiegel in den zystischen Anteilen, die durch Sedimentation nicht koagulierter Blutbestandteile hervorgerufen werden, lassen sich am besten auf T2wBildern abgrenzen. Diese Spiegel sind nicht spezifisch für aneurysmatischen Knochenzysten, machen die Diagnose aber sehr wahrscheinlich, insbesondere wenn die ganze Läsion aus zystischen Anteilen aufgebaut ist (. Abb. 38.3). Solide Anteile kommen als stark Kontrastmittel aufnehmende Tumoranteile zur Darstellung.
Bildgebung Die folgenden radiologischen Befunde sind für die aneurysmatische Knochenzyste typisch: 4 Eine rein metaphysär, exzentrisch im Knochen gelegene, mehrfach gekammerte, meist gut demarkierte (teilweise mit Randsklerose) rundliche oder ovaläre Osteolyse, typischerweise mit Ausdünnung der Kompakta; Lodwick 1b, seltener 1c.
> Die teilsolide und die solide aneurysmatische Knochenzyste sollten immer sorgfältig von der wichtigsten Differenzialdiagnose, dem teleangiektatischem Osteosarkom, abgegrenzt werden, am besten durch eine Biopsie aus dem soliden Anteil der Läsion.
1175 38.5 · Fibröse Dysplasie
Therapie Da das Rezidivrisiko nach Curettage einer aneurymatischen Knochenzyste relativ hoch ist, sollten neben der Curettage additive Maßnahmen wie die temporäre Implantation einer Knochenzementplombe (Palakos) durchgeführt werden.
38.4
Ganglion
Definition Das intraossäre Ganglion ist eine seltene, meist gelenksnah und exzentrisch gelegene Läsion, die durch mukoide Degeneration von Fasergewebe entsteht.
Epidemiologie, Lokalisation, Klinik Bevorzugt kommen Ganglien am Knie-, Sprung- und Schultergelenk vor. Sie treten fast ausschließlich nach Abschluss der Skelettreife auf. Klinisch sind Ganglien häufig asymptomatisch, können aber auch zu belastungsabhängigen, lokalisierten Schmerzen führen.
Bildgebung Radiologisch zeigen intraossäre Ganglien folgende charakteris-
tischen Befunde (. Abb. 38.4): 4 Gut demarkierte, glatt begrenzte, häufig von einem Sklerosesaum umgebene, epiphysär lokalisierte Osteolysen; meist Lodwick 1a, seltener 1b. 4 Keine Verkalkungen; Trabekulierungen können vorkommen. In der MRT weisen Ganglien auf T1-gewichteten Aufnahmen ein muskeläquivalentes Signal auf, korrespondierend auf T2-gewichteten Aufnahmen ein sehr hohes Signal. Nach Kontrastmittelgabe zeigt sich ein peripheres randständiges Enhancement. In der MRT lässt sich häufig ein Bezug zu der bindegewebigen Struktur abgrenzen, von der das Ganglion seinen Ausgang (Ligament, Meniskus, Gelenkkapsel, Labrum) nimmt.
Therapie Bei intraossären Ganglien ist die alleinige Curettage als therapeutische Maßnahme in der Regel ausreichend.
38.5
. Abb. 38.4. Intraossäres Ganglion. Auf der konventionellen Aufnahme des Kniegelenks im a.p.-Strahlengang findet sich eine in exzentrischer Lage, epiphysär lokalisierte, von einem Sklerosesaum umgebene Osteolyse mit Trabekulierungen ohne Nachweis von Verkalkungsformationen
tische Form auf (. Abb. 38.5). Manifestationsorte der monoostotischen Form sind insbesondere Femur, Tibia, Rippen, Schädelkalotte, Schädelbasis und Gesichtsschädel (. Abb. 38.6). Die polyostotische Form befällt v. a. die untere Extremität. Femur und Tibia oder Beckenskelett sind in 75–90% der Fälle simultan betroffen. Weitere typische Lokalisationen sind Rippen und Schädelbasis. Der Befall kann sich auf eine Extremität beschränken oder multifokal bilateral auftreten, wobei allerdings der dominante Befall einer Körperhälfte sehr häufig (ca. 90% der Fälle) ist. In den langen Röhrenknochen sind die Herde der fibrösen Dysplasie typischerweise meta- oder diaphysär lokalisiert.
Fibröse Dysplasie Klinik
Definition Die fibröse Dysplasie ist eine benigne, tumorähnliche Erkrankung des Skelettsystems, bei der Knochenmark und spongiöser Knochen durch ein homogenes, weißgelbes fibröses Gewebe ersetzt werden, das Faserknochen mit verdickten und irregulären Trabekeln enthält.
Epidemiologie, Lokalisation Die fibröse Dysplasie ist eine Erkrankung, die typischerweise bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen diagnostiziert wird (Altersgipfel 1. und 2. Lebensdekade), aber dennoch in allen Altersgruppen angetroffen werden kann. Die Erkrankung tritt in 70– 80% als monoostotische und in den übrigen Fällen als polyosto-
Die monoostotische Form der fibrösen Dysplasie ist klinisch meist asymptomatisch und wird in der Regel als Zufallsbefund bei einer Röntgenuntersuchung entdeckt. Bei der polyostotischen Form werden häufig Schmerzen angegeben, es bestehen z. T. ausgeprägte Deformitäten der betroffenen Knochen und pathologische Frakturen sind nicht selten. Die fast ausschließlich bei Mädchen auftretende Kombination einer polyostotischen fibrösen Dysplasie mit pigmentierten Hautveränderungen (Cafe-au-lait-Flecken) und einer Pubertas praecox wird als McCune-Albright-Syndrom bezeichnet. Das sehr seltene Mazabraud-Syndrom ist durch das simultane Auftreten von intramuskulären Myxomen und einer mono- oder polyostotischen fibrösen Dysplasie gekennzeichnet.
38
1176
Kapitel 38 · Tumorähnliche Knochenläsionen (Tumor-like lesions)
a
b
c
38
e
d
. Abb. 38.5a–e. Polyostotische fibröse Dysplasie. a, b Die Röntgenaufnahmen des rechten Oberarms und der Hand im a.p.-Strahlengang zeigen einen ausgedehnten polyostotischen Befall einer fibrösen Dysplasie mit Läsionen im Humerus und in den kurzen Röhrenknochen D1 und D5. Die betroffenen Knochen kommen aufgetrieben mit ausgedünnter Kortikalis und charakteristischen flächigen, mattglasartigen Matrixmineralisationen zur Darstellung, c T1w-, d KM-verstärkten T1w-MRT-Aufnahmen, e axiale T2w-TSE-Aufnahmen. Die Aufnahmen zeigen exakt die intraossäre Ausdehnung der Läsionen. Typisch sind das relativ geringe Signal der Herde auf den T2w-MRTAufnahmen und das samtartige bzw. schlierige Enhancement nach KM-Applikation
Bildgebung Radiologisch ist die fibröse Dysplasie durch folgende Befunde charakterisiert: 4 Die Knochenherde der monoostotischen fibrösen Dysplasie zeigen häufig eine deutliche, manchmal relativ breite Randsklerose oder sind durch eine schmale Transitionszone gut vom normalen Knochen abgrenzbar; Lodwick Grad 1a–1b.
4 Je nach Zusammensetzung der Tumormatrix sind die Herde osteolytisch (fibröses Gewebe, manchmal auch zystische Anteile bei länger bestehenden degenerierten Herden), mattglasartig (mäßige Mineralisation der fehlgebildeten Trabekel), seltener osteoblastisch (starke Mineralisation der Trabekel); das Nebeneinander unterschiedlicher Veränderungen ist typisch; Verkalkungsformationen können vorkommen.
1177 38.6 · Langerhans-Zellhistiozytose
4 Der mattglasartige (milchglasartige) Aspekt ist charakteristisch für die fibröse Dysplasie. 4 Bei größeren Läsionen sind eine Auftreibung des Knochens, eine Ausdünnung der Kortikalis und periostaler Knochenappositionen typisch. 4 An den langen Röhrenknochen sind neben kolbenförmigen Auftreibungen des Knochens Deformitäten charakteristisch (durch Belastung des minderwertigen Knochens): Hirtenstabdefomität des Femurs; Crus antecurvatum und varum. 4 Im Bereich der Schädelbasis und der Schädelkalotte ist der betroffene Knochen meist deutlich verbreitert und vermehrt sklerotische Läsionen sind typisch. Bei einem Befall der Schädelbasis ist der Einsatz der CT sinnvoll, um die exakte Ausdehnung der fibrösen Dysplasie zu definieren. Eine Auftreibung der betroffenen Knochen und Dichtewerte, die zwischen normaler Diploe und kompaktem Knochen (70– 400 HE) liegen sind typische Befunde des Schädelbefalls. In der MRT kommen die Herde der fibrösen Dysplasie auf T1w-Aufnahmen muskelisointens zur Darstellung, auf T2w-Bildern können die Herde je nach Zusammensetzung sehr signalarm, aber auch stark hyperintens zur Darstellung kommen. Für die Läsionen ist eher ein flaues, samtartiges Enhancement charakteristisch, aber auch ein kräftiges Enhancement der Herde ist möglich (. Abb. 38.5).
Therapie Umschriebene, in der Bildgebung typische Herde einer fibrösen Dysplasie müssen weder biopsiert noch therapiert werden. Besteht die Gefahr einer pathologischen Fraktur, sollte eine operative Stabilisierung erfolgen.
38.6
Langerhans-Zellhistiozytose
. Abb. 38.6. Monoostotische fribröse Dysplasie. Die koronare CT-Rekonstruktion zeigt sklerosierende Veränderungen der Maxilla links mit Volumenzunahme und homogener Dichtezunahme (mattglasaspekt) des betroffenen Knochens
Epidemiologie, Lokalisation Das eosinophile Granulom tritt typischerweise bei Kindern und Jugendlichen (Altersgipfel 5.–10. Lebensjahr) unter leichter Bevorzugung des männlichen Geschlechts auf. Obwohl es sich insgesamt um eine seltene Erkrankung handelt, ist es dennoch eine der häufigsten Ursachen für Osteolysen im Kindesalter. Am häufigsten treten die Läsionen im Schädel, in den langen Röhrenknochen (v. a. Femur) in dia- oder metaphysärer Lage und im Beckenskelett auf. Häufige Manifestationsorte sind auch die Rippen und die Wirbelsäule.
Definition
Klinik
Synonym: Histiozytosis X (alte Bezeichnung). Als Langerhans-
Das Allgemeinbefinden der Patienten ist in der Regel nicht eingeschränkt. Die ossären Herde, die als Einzelläsionen oder in Form zahlreicher Läsionen auftreten können, sind häufig Zufallsbefunde oder treten durch lokale Schmerzen, Druckschmerzhaftigkeit und/oder Schwellung klinisch in Erscheinung.
Zellhistiozytose wird eine Gruppe von Erkrankungen bezeichnet, zu der das eosinophile Granulom, die Abt-Letterer-SiweErkrankung und die Hand-Schüller-Christian-Erkrankung gehören. Charakterisierend für die Langerhans-Zellhistiozytose sind herdförmige Ansammlungen von Histiozyten (LangerhansZellen) und eosinophilen Granulozyten in verschiedenen Anteilen des retikuloendothelialen Systems (Knochen, Lunge, ZNS, Haut und Lymphknoten).
Eosinophiles Granulom Definition Synonyma: Langerhans-Zell-Granulom, chronisch fokale Histi-
ozytosis X ohne Hand-Schüller-Christian-Syndrom. Das eosinophile Granulom ist die benigne Unterform der Langerhans-Zellhistiozytose, die meist auf den Knochen beschränkt ist. Es können aber auch Herde in anderen Organen vorkommen. Mit einem Anteil von 60–80% ist es die häufigste Unterform der Langerhans-Zellhistiozytose.
Bildgebung Die Röntgenmorphologie des eosinophilen Granuloms ist durch die folgenden Befunde charakterisiert: 4 Umschriebene, reine Osteolysen sind der führende Befund; Sklerosezonen oder Trabekulierungen sind sehr selten: Wachstumsmuster in ca. zwei Drittel der Fälle Lodwick 1b oder 1c, in ca. ein Drittel der Fälle aggressiver Lodwick 2 oder 3 (mottenfraßartige oder permeative Osteolysen kommen vor). 4 An den langen Röhrenknochen sind eine diaphysäre und seltener auch eine metaphysäre zentrale Lage der Läsion und eine nicht unterbrochene lamelläre Periostreaktion typisch. 4 An der Wirbelsäule sind Wirbelkörpersinterungen (Vertebra plana) mit intakten Intervertebralräumen häufig (. Abb. 38.7).
38
1178
Kapitel 38 · Tumorähnliche Knochenläsionen (Tumor-like lesions)
Bei Befall der Wirbelsäule ist in der Regel eine ergänzende Schnittbilddiagnostik mittels MRT oder CT erforderlich, um die Ausdehnung von intraspinalen und paraspinalen Tumoranteilen exakt zu definieren. Im MRT kommt das eosinophile Granulom auf T1w-Aufnahmen als signalarme und korrespondierend auf T2w- bzw. STIR-Aufnahmen als signalreiche Läsion zur Abbildung. Insbesondere in frühen Stadien ist ein deutliches Umgebungsödem im angrenzenden Knochenmarkraum, aber auch in den periossären Weichteilen typisch. Ein auf STIR-Aufnahmen erkennbarer signalarmer Randsaum, der die intramedulläre Läsion zur Umgebung abgrenzt, wird als charakteristisch für das eosinophile Granulom angesehen und scheint ein Indikator für ein beginnendes Ausheilen der Läsion zu sein. Zum Ausschluss weiterer Herde ist die Ganzkörper-MRT der Skelettszintigraphie überlegen, da ca. ein Drittel der ossären Herde szintigraphisch negativ sind. Bei der solitären Läsion des langen Röhrenknochens sind die wichtigsten Differenzialdiagnosen eine akute Osteomyelitis und das Ewing-Sarkom, das allerdings meist eine größere extraossäre Tumorkomponente und häufig eine unterbrochene, aggressivere Periostreaktion aufweist.
Hand-Schüller-Christian-Erkrankung Synonym: chronisch disseminierte Histiozytosis X.
Die Hand-Schüller-Christian-Erkrankung ist die disseminierte chronische Unterform der Langerhans-Zell-Histiozytose, die vorwiegend bei Kleinkindern (<5. Lebensjahr) angetroffen wird. Neben multiplen ossären Läsionen liegt bei der Erkrankung auch ein Organbefall vor, der die klinische Symptomatik mit bestimmt. Als charakteristisch wird die Trias aus Diabetes insipidus, Exophthalmus und ossären Läsionen angesehen. Die Prognose der Erkrankung ist deutlich schlechter als die des eosinophilen Granuloms. In ca. 10–30% der Fälle verläuft die HandSchüller-Christian-Erkrankung tödlich.
38
Bildgebung. Radiologisch findet man typischerweise v. a. im Schädel und Beckenskelett scharf begrenzte Osteolysen (»punched-out-lesions«), die zu größeren »landkartenartigen Osteolysen« konfluieren können und gelegentlich zentrale Sequester aufweisen. Destruktionen im Bereich des Alveolarkamms können zum Bild der »floating teeth« führen. . Abb. 38.7. Eosinophiles Granulom. Die sagittale STIR-Aufnahme zeigt eine subtotale Höhenminderung des BWK 3 (Vertebra plana), die für das eosinophile Granulom des Wirbelkörpers typisch ist. Prävertebral und intraspinal kommen extrakompartimentelle Tumoranteile zur Darstellung
4 An der Kalotte sind umschriebene, scharf begrenzte Osteolysen, die Tabula externa und interna betreffen, charakteristisch (»punched-out-lesions«). 4 Destruktionen im Bereich des Alveolarkamms können zum Bild der »floating teeth« führen.
Abt-Letterer-Siwe-Erkrankung Synonym: akute oder subakute Histiozytosis X.
Die Abt-Letterer-Siwe-Erkrankung ist die schwerste und seltenste Unterform der Langerhans-Zellhistiozytose. Zur Diagnosestellung müssen mehrere Kriterien erfüllt sein: Krankheitsbeginn vor dem 3. Lebensjahr, Fieber, Hepatosplenomegalie, Lymphadenopathie, wiederholte bakterielle Infektionen, Anämie, Blutungen, kutane Veränderungen. Trotz diffuser Infiltration des Knochenmarks sind radiologisch nachweisbare Skelettläsionen eher selten. In diesem Fall gleichen sie den Skelettmanifestationen des eosinophilen Granuloms.
39 39
Systemische Skeletterkrankungen S. Waldt, D. Müller, T. Link
39.1
Angeborene sklerosierende Skeletterkrankungen
– 1180
39.2
Erworbene sklerosierendende Skeletterkrankungen
39.3
Metabolische Knochenerkrankungen
39.3.1 39.3.2 39.3.3 39.3.4 39.3.5 39.3.6 39.3.7 39.3.8 39.3.9 39.3.10
Osteoporose (allgemeiner Teil) – 1184 Formen der Osteoporose – 1192 Osteomalazie – 1194 Hyperparathyreodismus – 1196 Renale Osteopathie – 1197 Hypoparathyreodismus – 1199 Pseudohypoparathyreodismus – 1199 Osteopathien bei Hypo-/Hypervitaminosen – 1199 Hormonelle Osteopathien – 1200 Toxische Osteopathien – 1202
39.4
Osteonekrosen und Knocheninfarkte
39.4.1 39.4.2 39.4.3
Aseptische Knochennekrosen im Erwachsenenalter – 1203 Aseptische Knochennekrosen im Wachstumsalter – 1206 Knocheninfarkt – 1210
39.5
Knochenveränderungen bei Erkrankungen des hämatopoetischen und des retikulohistiozytären Systems – 1212
39.5.1 39.5.2 39.5.3
Anämien – 1212 Myeloproliferative Erkrankungen und Leukämien – 1214 Erkrankungen des retikulohistiozytären Systems – 1217
39.6
Systemische Osteoarthropathien
39.6.1 39.6.2 39.6.3
Phakomatosen – 1218 Amyloidose – 1219 Sarkoidose – 1219
– 1182
– 1184
– 1203
– 1218
1180
Kapitel 39 · Systemische Skeletterkrankungen
39.1
Angeborene sklerosierende Skeletterkrankungen S. Waldt
Osteopoikilie Definition Die Osteopoikilie ist eine seltene benigne Erkrankung, die durch multiple rundliche osteosklerotische Herde im gesamten Skelett gekennzeichnet ist.
Klinik Klinisch ist die Osteopoikilie asymptomatisch und meist ein Zufallsbefund. In etwa 10–25% der Fälle ist die Erkrankung mit unterschiedlichen Läsionen der Haut assoziiert. Aufgrund von Familienuntersuchungen wird eine autosomal dominante Vererbung angenommen. Histologisch gleichen die osteosklerotischen Läsionen Kompaktainseln bzw. Enostomen (7 Kap. 37).
Bildgebung
39
Im konventionellen Röntgenbild findet sich ein pathognomonisches Bild: Es zeigen sich meist periartikulär, meta- und epiphysär multiple rundliche oder ovaläre Skleroseareale (. Abb. 39.1). Es sind sowohl die langen als auch die kurzen Röhrenknochen betroffen. Seltener sind die Karpal- und Tarsalknochen, das Becken und die Scapula beteiligt. Meist sind die Läsionen im zeitlichen Verlauf konstant, können aber im Zeitverlauf auch eine Dynamik aufweisen, d. h. an Zahl und Größe ab- oder zunehmen. Szintigraphisch zeigen die Läsionen in der Regel keine relevante Mehrbelegung. Die Differenzialdiagnose umfasst osteoplastische Metastasen, die Mastozytose und die tuberöse Sklerose. Die häufig symmetrische Verteilung, die periartikuläre Lage, die typische Morphologie und die fehlende klinische Symptomatik erlauben meist eine eindeutige Diagnosestellung, sodass in der Regel außer der konventionellen Röntgendiagnostik keine weitere Bildgebung erforderlich ist.
. Abb. 39.1. Osteopoikilie. Das konventionelle Röntgenbild des Kniegelenks im a.p.-Strahlengang zeigt multiple rundliche und ovaläre Sklerosierungsareale, die periartikulär im distalen Femur sowie der proximalen Tibia und Fibula angeordnet sind
Osteopathia striata Definition Synonym: Voorhoeve-Krankheit.
Die Osteopathia striata ist eine sehr seltene hyperostotische Osteopathie, bei der es zu streifigen und bandförmigen Osteosklerosen in den Diaphysen und Metaphysen der langen Röhrenknochen kommt.
Klinik, Epidemiologie, Ätiologie Wie auch die Osteopoikilie ist die Osteopathia striata klinisch asymptomatisch und es liegt ebenfalls eine erbliche Belastung vor. Es wird von einem autosomal dominanten Erbgang ausgegangen. Männer und Frauen werden gleichermaßen von der Erkrankung betroffen.
Bildgebung Im konventionellen Bild zeigen sich linien- und bandförmige Sklerosierungen, die sich überwiegend in den Dia- und Metaphysen der langen Röhrenknochen ausdehnen, sich aber teilwei-
. Abb. 39.2. Osteopathia striata. Die Beckenübersichtsaufnahme im a. p.-Strahlengang zeigt in beiden Femora linien- und bandförmige Sklerosierungsareale in den Meta- und Diaphysen, die sich bis in die Epiphysen ausdehnen. Entsprechende Veränderungen sind auch im Ramus superior und Ramus inferior ossis pubis beidseits abgrenzbar
se auch bis in die Epiphysen erstrecken (. Abb. 39.2). Die Veränderungen sind meist bilateral ausgeprägt. Die Osteopathia striata ist häufig assoziiert mit anderen Erkrankungen des Knochens wie der Osteopoikilie, der Melorheostose und der Osteopetrose. Die Differenzialdiagnose umfasst vertikale Skleroselinien, die als normale Varianten auftreten, die adulte Form der Osteopetrose und eher selten einen Morbus Ol-
1181 39.1 · Angeborene sklerosierende Skeletterkrankungen
lier, bei dem es neben Enchondromen auch zu sklerotischen linienförmigen Verdichtungen metaphysär kommen kann. Aufgrund des insgesamt sehr typischen Befundes ist außer dem konventionellen Röntgen in der Regel keine weitere Bildgebung erforderlich.
Melorheostose Definition Synonym: Osteosis eburnisans monomelia.
Bei der Melorheostose handelt es sich um eine erworbene mesodermale Störung mit typischen epi-, enostalen und in den Weichteilen lokalisierten Knochenneubildungen, wobei ein segmentaler Befall der Röhrenknochen meist der unteren Extremität typisch ist. Die kerzenwachsartig »herabfließenden« kortikalen Hyperostosen ergeben radiologisch einen charakteristischen Befund.
Klinik, Pathogenese Klinisch kommt es zu Schmerzen in der betroffenen Extremität, die hauptsächlich durch die mit den Skelettveränderungen assoziierten Weichteilveränderungen hervorgerufen werden. Die ossären Befunde der Melorheostose sind in der Regel asymptomatisch, lediglich im Markraum gelegene fibrovaskuläre Formationen können durch eine Erhöhung des intraosssären Drucks ebenfalls zu Schmerzen führen. Histologisch weist der neu gebildete Knochen eine lamelläre Grundstruktur auf, die Trabekel können sklerotisch verdickt mit irregulär angeordneten Havers-Kanälen sein. Den Weichgewebsveränderungen liegen Fibrosen, Knorpelinseln mit enchondralen Ossifikationen und Muskelveränderungen mit Myositis und Myosklerose zugrunde.
Bildgebung In der konventionellen Röntgendiagnostik zeigt sich ein charakteristisches Bild mit längsgerichteten, bandförmigen, an »herabfließenden Kerzenwachs« erinnernden Hyperostosen (. Abb. 39.3). Die langstreckigen kortikalen Knochenneubildungen an den langen Röhrenknochen sitzen mit z. T. welliger, z. T. gelappter oder auch linearer Kontur der Kortikalis von außen auf, entstehen aber auch enostal und führen dann zu innen anliegenden Hyperostosen, die sich gegen den Markraum vorwölben. Meist liegen die Knochenneubildungen in exzentrischer Lage, d. h. nur eine Seite des Knochens ist betroffen. Die radiologische Diagnose kann hinreichend mit der konventionellen Röntgendiagnostik gestellt werden. Bei Nachweis von melorheostotischen Veränderungen sollte immer die gesamte betroffene Extremität konventionell radiologisch untersucht werden. Bei stärkeren klinischen Beschwerden sollte zur Erfassung der Weichgewebsveränderungen eine weitere Diagnostik mittels MRT durchgeführt werden, um therapiebedürftige entzündliche und raumfordernde Prozesse zu erfassen. Da die hyperostotischen Veränderungen bei der Melorheostose in unterschiedlicher Lokalisation und in unterschiedlicher Ausprägung auftreten, variieren die Differenzialdiagnosen dementsprechend. Abzugrenzen sind die länglichen und glatt konturierten Hyperostosen der langen Röhrenknochen von Osteomen und auch von Osteoidosteomen, während die wellig
a
b
. Abb. 39.3a, b. Melorheostose. Auf den konventionellen Aufnahmen des Unterschenkels (a a.p.-, b seitlicher Strahlengang) zeigen sich ausgeprägte Hyperostosen lateral und ventral an der proximalen Tibia, die an herabfließenden Kerzenwachs erinnern. Die äußere Kontur der Knochenneubildung ist wellig und gelappt. Im vorliegenden Fall ist nur eine geringe enostale Komponente nachweisbar
und irregulär konfigurierten kortikal und juxtakortikal bzw. auch die periartikulär gelegenen nodulären und konglomeratartigen Hyperostosen eher von einem juxtakortikalen Osteosarkom und von Veränderungen im Rahmen einer Myositis ossificans abgegrenzt werden müssen.
Gemischtförmige sklerosierende Knochendysplasie Unter der gemischtförmigen sklerosiernden Knochendysplasie versteht man eine Erkrankung, bei der 2 oder alle 3 der Krankheitsbilder Osteopoikilie, Osteopathia striata und die Melorheostose auftreten.
Pachydermoperiostose Definition Synonyma: primäre hypertrophische Osteoarthropathie, Touraine-Solente-Golé-Syndrom. Die idiopathische Pachydermoperiostose ist ein autosomal dominant vererbtes genetisches Syndrom, welches mit einer Verdickung der Haut (Pachydermie) und des Periosts der kurzen und der langen Röhrenknochen einhergeht. Insgesamt ist die
39
1182
Kapitel 39 · Systemische Skeletterkrankungen
Erkrankung sehr selten. Bei nur 3–5% der Fälle mit hypertrophischer Osteoarthropathie handelt es sich um eine primäre, angeborene Form.
des Gastrointestinaltrakts, können in seltenen Fällen zu einer sekundären hypertrophischen Osteoarthropathie führen.
Klinik Pathogenese, Klinik Die Erkrankung beginnt in der Regel in der Adoleszenz und zeigt dann unterschiedliche Erscheinungsmuster je nach Ausprägung (»form fruste« bis zum Vollbild der Erkrankung). Klinisch sind die Veränderungen der Kutis und Subkutis charakteristisch mit tatzenartigen Verdickungen von Händen und Füßen, Verdickungen der Unterarme und Beine, Furchung des Gesichts und der behaarten Kopfhaut. Zu der Erkrankung gehören auch Periostreaktionen, Arthralgien, Synovialitiden, Trommelschlegelfingerund -zehen und vegetativ-nervöse Störungen.
Bildgebung Radiologisch stehen die periostalen, meist relativ unscharf begrenzten Knochenappositionen im Vordergrund. Diese treten v. a. an den kurzen und langen Röhrenknochen auf, sind diaphysär betont können sich aber im Gegensatz zur sekundären hypertrophischen Osteoarthropathie bis auf die Epiphysen erstrecken. Auch die Gelenkkapsel und Bänder insbesondere der kleineren Gelenke können im Verlauf der Erkrankung ossifizieren. Eine Beteiligung des Beckenskeletts kann bei der Pachydermoperiostose in seltenen Fällen vorkommen. In fortgeschrittenen Fällen kann es zu Osteolysen an den distalen Phalangen kommen. Als wichtigste Differenzialdiagnosen der Pachydermoperiostose gelten die sekundäre hypertrophische Osteoarthropathie und die thyreoidale Akropachie. Beide Krankheitsbilder sind jedoch im Allgemeinen aufgrund der unterschiedlichen Klinik und der abweichenden radiologischen Kennzeichen leicht von der Pachydermoperiostose abgrenzbar.
39
39.2
Erworbene sklerosierendende Skeletterkrankungen
Das Krankheitsbild der sekundären hypertrophischen Osteoarthropathie ist klinisch durch folgende Grundmerkmale gekennzeichnet: Trommelschlegelfinger mit Uhrglasnägeln, Hyperhidrosis der Handflächen und Fußsohlen, Arthralgien bis arthritische Befunde.
Bildgebung Radiologisches Hauptkennzeichen sind die periostalen Appositionen, die in typischer Lokalisation beidseits an den proximalen Diaphysen der kurzen und langen Röhrenknochen lokalisiert sind. Von den langen Röhrenknochen sind am häufigsten die Tibiae, Fibulae, Radii und Ulnae betroffen, seltener auch Femura, Humeri, Metakarpal- und Metatarsalknochen. Im Verlauf dehnen sich die diaphysären periostalen Veränderungen häufig nach metaphysär aus, die Epiphysen bleiben in der Regel jedoch ausgespart. Typischerweise finden sich lineare periostale Appositionen, die sich mit geringerer Dichte gegen die Kortikalis abgrenzen.
Hyperostosis frontalis interna Bei der Hyperostosis frontalis interna handelt es sich um eine Verdickung der frontalen Diploe, die durch periostale Knochenapposition von der Tabula interna ausgeht. Bildgebung. In der Regel handelt es sich um einen Zufallsbefund
ohne klinische Relevanz, der v. a. bei älteren Frauen zu beobachten ist. Konventionelle Röntgenaufnahmen und auch die CT zeigen charakteristische Befunde mit einer symmetrischen, meist wolkig imponierenden Verdickung der Tabula interna des Os frontale, wobei die ossären Veränderungen auch das Os parietale mit betreffen können (. Abb. 39.4).
Infantile kortikale Hyperostose
S. Waldt Sekundäre hypertrophische Osteoarthropathie Definition Synonyma: Pierre-Marie-Bamberger-Syndrom, symptomatische Pachydermoperiostose. Beim Pierre-Marie-Bamberger-Syndrom kommt es bei einer zugrunde liegenden, meist intrathorakalen neoplastischen Erkrankung sekundär zu bilateralen periostalen Knochenreaktionen an den Dia- und Metaphysen der kurzen und langen Röhrenknochen, zu Trommelschlegelfingern und Arthralgien bzw. arthritischen Beschwerden.
Synonym: Morbus Caffey.
Bei der infantilen kortikalen Hyperostose handelt es sich um eine seltene Erkrankung unklarer Ätiologie, die in den ersten Lebensmonaten auftritt und meist mit Fieber und ausgeprägten Weichteilschwellungen beginnt. Es kommt durch ausgedehnte periostale Knochenappositionen zu kortikalen Hyperostosen. Hauptmanifestationsorte sind Mandibula, Rippen, Clavicula und die kurzen und langen Röhrenknochen, wobei die epiphysären Anteile der Röhrenknochen ausgespart bleiben. In den meisten Fällen bilden sich die Symptome innerhalb von 6–12 Monaten spontan zurück.
Chronisch venöse Insuffizienz Pathogenese Häufig liegt der sekundären hypertrophischen Osteoarthropathie eine neoplastische intrathorakale Erkrankung zugrunde, z. B. ein Bronchialkarzinom (>90% der Fälle), Lungenmetastasen, ein Pleuramesotheliom oder ein Morbus Hodgkin. Auch nichtneoplastische Erkrankungen, wie chronische pleuropulmonale Erkrankungen, zyanotische Herzfehler oder Erkrankungen
Bei der chronisch venösen Insuffizienz kann es zu bilateralen periostalen Knochenreaktionen an den Röhrenknochen der unteren Extremität kommen. Klinisch bestehen die typischen Symptome einer chronisch venösen Insuffizienz mit Unterschenkelödemen, Hautverfärbungen und in fortgeschrittenen Stadien Ulzerationen im Fuß-/ Knöchelbereich.
1183 39.2 · Erworbene sklerosierendende Skeletterkrankungen
Diffuse idiopathische Skeletthyperostose (DISH) Definition Synonyma: Morbus Forestier, Spondylosis hyperostotica, ankylosierende Hyperostose. Bei der diffusen idiopathischen Skeletthyperostose handelt es sich um eine Erkrankung, bei der es aufgrund einer osteoplastischen Diathese (überschießende ossäre Metaplasie des fibrösen Gewebes) zu konfluierenden Knochenappositionen an den Wirbelkörpervorderflächen, Ausbildung von hyperostotischen Spondylophyten und zu Band- und Gelenkkapselverknöcherungen der Wirbelbogengelenke kommt. Extraaxiale Ossifizierungen treten in Form von Fibroostosen, ligamentären Ossifikationen, Hyperostosen und periartikulärer Weichteilverkalkungen auf.
Epidemiologie, Klinik a
Die diffuse idiopathische Skeletthyperostose, deren Ätiologie unklar ist, tritt typischerweise bei älteren Patienten in der 2. Lebenshälfte auf. Männer sind etwas häufiger als Frauen von der Erkrankung betroffen. Im Allgemeinen ist die von den Patienten angegebene Beschwerdesymptomatik im Verhältnis zu den radiomorphologischen Veränderungen gering. Typische Symptome sind chronische, häufig über Jahre bestehende Rückenschmerzen.
Bildgebung
b . Abb. 39.4a, b. Hyperostosis frontalis interna. a Die Röntgenaufnahme des Schädels im seitlichen Strahlengang zeigt vermehrte, wolkig imponierende Sklerosierungen des Os frontale. b Auf der axialen CT-Aufnahme eines anderen Patienten sind die wulstigen Hyperostosen im Bereich der Tabula interna des Os frontale besser abgrenzbar
Bildgebung. Die folgenden radiologischen Befunde sind charakteristisch: 4 Undulierende, glatt begrenzte Periostlamellen in den metaund diaphysären Anteilen der kurzen und langen Röhrenknochen. 4 Im Verlauf kann es zu ausgeprägten kortikalen Verdickungen durch periostale Knochenappositionen kommen. 4 Der neu gebildete (appositionierte) Knochen ist typischerweise etwas strahlentransparenter als die ursprüngliche Kortikalis; bei der primären hypertrophischen Osteoarthropathie und der thyreoidalen Akropachie sind die periostalen Knochenappositionen typischerweise nicht von der Kortikalis abgrenzbar.
Von Resnick wurden 3 radiologische Kriterien beschrieben, die bei der Diagnosestellung DISH zutreffen sollten: 4 Nachweis von konfluierenden (zuckergussähnlichen) Kalzifikationen und Ossifikationen ventrolateral der Wirbelsäule, v. a. im Bereich der unteren Brust- und der Lendenwirbelsäule. Die konfluierenden hyperostotischen Spondylophyten müssen sich über mindestens 4 Wirbelkörpersegmente erstrecken. 4 Die Höhe der Zwischenwirbelräume muss erhalten sein, und es dürfen keine relevanten osteochondrotischen Veränderungen in den betroffenen Segmenten abgrenzbar sein. 4 Die Wirbelbogengelenke und die Iliosakralgelenke dürfen keine erosiven Veränderungen und Ankylosierungen zeigen. Die Kriterien wurden von Resnick formuliert, um die DISH von der Spondylosis deformans, der Osteochondrose und der Spondylitis ankylosans abzugrenzen. Folgende radiologische Befunde können an den unterschiedlichen Manifestationsorten erhoben werden: 4 BWS und LWS: ventrolaterale konfluierende hyperostotische Spondylophyten mit Schwerpunkt im Bereich der unteren BWS und oberen LWS; in Höhe der BWS sind die Spondylophyten aufgrund des Aortenpulsationen rechts stärker als links ausgeprägt (. Abb. 39.5). 4 Kalzifikationen insbesondere in den peripheren Anteilen der Bandscheiben. 4 HWS: Schwerpunkt der ossären Appositionen im Bereich der unteren HWS (HWK 4–7); Ossifikationen des hinteren Längsbandes können zu spinalen Stenosen führen. 4 Beckenskelett: produktive Fibroostosen an der Spinae iliacae anteriores superiores/inferiores, am Tuber ischiadicum
39
1184
Kapitel 39 · Systemische Skeletterkrankungen
. Tab. 39.1. Einteilung des Osteoporosegrades nach T-Score entsprechend der WHO-Richtlinien
T-Score
Diagnose
T-Score > –1
Normal
–2,5 < T-Score < –1
Osteopenie
T-Score < –2,5
Osteoporose
T-Score < –2,5 und Frakturen
Manifeste Osteoporose
Der T-Score wird durch die Standardabweichung der Knochendichte (BMD) des Patienten im Vergleich zu einem jungen Normalkollektiv bestimmt. Für diese Klassifikation sind DXA-Messungen der Wirbelsäule, des proximalen Femurs sowie des distalen Radius gültig.
. Abb. 39.5. Diffuse idiopathische Spondylosis hyperostotica (DISH). Auf der konventionellen Aufnahme der BWS im seitlichen Strahlengang finden sich konfluierende hyperostotische Ossifikationen an den Wirbelkörpervorderflächen der mittleren und unteren BWS, die sich über mehr als 4 Segmente erstrecken. Es sind keine relevanten osteochondrotischen Veränderungen abgrenzbar
39
und an den Trochanteren; Ossifikationen des Ligamentum iliolumbale und des Ligaamentum sacrotuberale; heterotope Ossifikationen nach Implantation einer TEP sind häufig stärker ausgeprägt als in der Normalbevölkerung 4 Calcaneus: plantare und dorsale Fersensporne; Verdickung der plantaren und dorsalen Kortikalis der Calcaneus. 4 Fibroostotische Veränderungen sind auch typisch an Knie-, Ellenbogen- und Schultergelenk.
39.3
die BMD >2,5 Standardabweichungen unter der einer jungen, gesunden Referenzpopulation liegt (T-Score <–2,5). Von einer Osteopenie spricht man, wenn die BMD 1–2,5 Standardabweichungen unter der einer jungen Referenzpopulation liegt (TScore = –1 bis –2,5). Diese Definition beruht auf der Zwei-Energien-Röntgen-Absorptiometrie bzw. »dual-energy-X-ray-absorptiometry« (DXA) und hierbei nur für Messungen der Wirbelsäule (a.p.- oder p.a.-Messung), des proximalen Femurs und des distalen Radius (. Tab. 39.1). Die definierten Grenzen der Standardabweichungen gelten nicht für Männer oder jüngere Frauen, sie sind lediglich auf postmenopausale Frauen anwendbar. 2000 wurde diese Definition auf der Grundlage der Entwicklungskonferenz der NIH von 1993 modifiziert. Die Osteoporose wurde hierbei definiert als eine skelettale Erkrankung, welche durch beeinträchtigte Knochenfestigkeit gekennzeichnet ist und damit zu einem erhöhten Frakturrisiko führt. Um eine genauere Formulierung zu erlangen, wurde Folgendes hinzugefügt: Knochenfestigkeit ist durch 2 Hauptcharakteristika gekennzeichnet: Knochendichte und Knochenqualität. Hierbei wird die Knochendichte in Mineralisation pro Fläche oder Volumen angegeben. Sie ist abhängig von der maximal erlangten Knochenmasse (peak bone mass) und der Menge des Knochenverlusts. Knochenqualität hingegen wird bestimmt von der Architektur, des Umbaus, der Mikroverletzungen und der Mineralisation (. Abb. 39.6).
Metabolische Knochenerkrankungen Pathophysiologie
D. Müller, T. Link 39.3.1
Osteoporose (allgemeiner Teil)
Grundlagen Definition Die Osteoporose ist eine metabolische Skeletterkrankung, bei der es zu einer Verminderung der Knochenmasse und zu einer Störung der trabekulären Knochenstruktur mit konsekutiv erhöhter Frakturgefährdung kommt. Entsprechend den WHO-Richtlinien von 1994 wird die Osteoporose nach der Knochenmineraldichte (»bone mineral densitiy«; BMD) definiert. Danach liegt eine Osteoporose vor, wenn
Die Osteoporose ist pathophysiologisch determiniert durch eine Insuffizienz der Osteoblasten sowie eine vermehrte Aktivität der Osteoklasten. Hierbei ist zunächst der spongiöse Knochen betroffen, welcher aus einem Netzwerk von plattenartig angeordneten Knochentrabekeln besteht. Diese trabekuläre Mikroarchitektur ist für die mechanische Belastbarkeit des Knochens von entscheidender Bedeutung. Unter physiologischen Bedingungen kommt es in den Trabekeln zu so genannten »Resorptionslakunen«. Sind diese Lakunen übernormal tief, so kann es zu einer Durchtrennung der Trabekel kommen, die auch als Perforation bezeichnet wird. Für diese Veränderungen zeigen sich überaktive Osteoklasten, die auch »Killerosteoklasten« genannt werden, verantwortlich. Da die Os-
1185 39.3 · Metabolische Knochenerkrankungen
a
b
. Abb. 39.6a, b. μCT der trabekulären Knochenstruktur des distalen Radius. a Osteoporotischer Knochen, b normaler Knochen. Der gesunde trabekuläre Knochen zeigt dichtes Trabekelnetz mit kleinen Markräumen. Der
osteoporotische Knochen zeigt hingegen ausgedehnte Perforationen der Trabekelstruktur mit deutlich erweiterten Markräumen
teoblasten nicht in der Lage sind, diese Schäden zu reparieren, kommt es zu einer so genannten Abkopplung (uncoupling) der betroffenen Trabekel. Diese Perforationen gehen zwar nur mit einem geringen Knochenmasseverlust einher, zeigen aber eine deutliche Störung der trabekulären Mikroarchitektur. Ein weiterer wichtiger Faktor für die Stabilität des spongiösen Knochens sind so genannte Mikrokallusformationen, welche ohne traumatisches Ereignis in Arealen der maximalen mechanischen Belastung zu beobachten sind.
Die postmenopausale Osteoporose betrifft hauptsächlich die Knochenspongiosa der Wirbelkörper, tritt fast nur bei Frauen ab dem 50. Lebensjahr in Erscheinung; ihre Ätiologie ist mit in einem Östrogenmangel zu begründen. Im Gegensatz dazu betrifft die senile Osteoporose auch die Kompakta des Knochens. Sie manifestiert sich sowohl in Schenkelhals-, Humerus-, Radius- und Wirbelkörperfrakturen. Frauen sind hier doppelt so häufig betroffen wie Männer. Pathophysiologisch liegen der allgemeine Alterungsprozess, der Bewegungsmangel und ein evtl. Mangel an Kalzium und/oder Vitamin D zugrunde.
Ätiologie Die Osteoporose lässt sich ätiologisch in eine primäre und in eine sekundäre Form einteilen. Primäre Osteoporose. Die mit 95% am häufigsten auftretende primäre Osteoporose unterteilt sich weiter in: 4 die seltene idiopathische Osteoporose junger Menschen 4 die postmenopausale Osteoporose (Typ-1-Osteoporose) 4 die senile Osteoporose (Typ-2-Osteoporose).
Die postmenopausale Osteoporose gliedert sich zeitlich in 2 Phasen, wobei zu Beginn die fast-looser-Patienten im Vordergrund stehen. Hier beträgt der Knochenmassenverlust bei einem gesteigerten Umbau (high turnover) >3,5% jährlich. Nach etwa 10 Jahren beschränkt sich der Verlust des trabekulären Knochens auf <3,5% im Jahr bei einem reduzierten Umbau (low turnover).
Sekundäre Osteoporose. Die mit nur etwa 5% auftretende sekundäre Osteoporose hat verschiedene Ätiologien. Als endokrine Ursachen spielen Hyperkortisolismus, Hypogonadismus, Hyperthyreose, Hyperparathyreodismus, Osteomalazie und andere eine Rolle. Sie kann bei Malabsorptionssyndromen mit eingeschränkter Zufuhr oder Resorption von Kalzium oder Vitamin D beobachtet werden. Dazu zählen gastrointestinale Erkrankungen wie der Morbus Crohn, die Colitis ulcerosa, die primär biliäre Zirrhose oder auch die Anorexie. Weiter müssen Immobilisation und die iatrogen/medikamentös induzierte Osteoporose als mögliche Ursache in Betracht gezogen werden. Letztere bezieht sich auf eine Langzeittherapie mit Heparin, Methotrexat, Antikonvulsiva oder Kortisol. So muss ab einer täglichen Einnahme von >5–7,5 mg Prednisolonäquivalent über 3 Monate mit osteoporotischen Folgeerscheinungen gerechnet
39
1186
Kapitel 39 · Systemische Skeletterkrankungen
werden, eine Osteoporosemedikation wird prophylaktisch ab dem 6. Monat bei oben genannter Steroiddosis empfohlen. Die osteoporosebedingenden Effekte der Glukokortikoide entstehen durch Veränderungen der intestinalen Kalziumabsorption, der renalen Kalziumexkretion, des Vitamin D- und Parathormonmetabolismus, der Gonadenfunktion und nicht zuletzt direkt über ein Ungleichgewicht der Osteoblasten und Osteoklasten. Im Gegensatz zu den hereditären Krankheiten, wie dem Ehlers-Danlos-Syndrom, dem Marfan-Syndrom, der Homocysteinurie oder der Osteogenesis imperfecta, ist der Zusammenhang zu den mit Osteoporose assoziierten Krankheiten, wie die rheumatoide Arthritis und anderen Autoimmunerkrankungen noch unklar.
Untersuchungstechniken und Befunde Bildgebung: Wirbelsäule > Die konventionelle Röntgendiagnostik stellt kein Verfahren zur Früherkennung der Osteoporose dar.
39
Erst ab einer Demineralisierung von 20–40% kann eine Osteoporose übersichtsradiographisch erkannt werden. Des Weiteren sind die konventionell-radiographischen Kriterien der Osteoporose, wie erhöhte Strahlentransparenz, strähnige Spongiosastruktur, Betonung der Grund- und Deckplatten sowie die Reduktion der kortikalen Dicke unzuverlässig. Im Gegensatz dazu sind Sinterungsfrakturen der Wirbelkörper ein zuverlässiges Spätzeichen einer manifesten Osteoporose (. Abb. 39.7). Die Analyse dieser Wirbelkörperdeformierungen hat eine besondere Bedeutung bei der Diagnostik und auch im Krankheitsverlauf. Osteoporotische Wirbelkörperdeformierung treten bei Frauen >50 Jahren in einer Häufigkeit von bis zu 25% auf. Hierbei sind sie ein sehr wichtiger Risikofaktor für das Auftreten weiterer osteoporotischer Frakturen. Zur Diagnose einer Sinterungsfraktur werden im Allgemeinen Höhenminderungen von mindestens 20% oder mindestens 2, meistens 3 Standardabweichungen unterhalb des Mittelwerts eines Normalkollektives gefordert. In . Tab. 39.2 sind die am häufigsten verwendeten semiquantitativen Klassifizierungsschemata dargestellt (. Abb. 39.8).
. Abb. 39.7. Osteoporose der BWS. Demineralisierte BWS mit Betonung der Grund- und Deckplatten und typischen osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen der mittleren BWS und im thorakolumbalen Übergang
Differenzialdiagnose. Die wichtigsten zu bedenkenden Differenzialdiagnosen bilden maligne Erkrankungen, wie Knochen-
metastasen und das Multiple Myelom. Metastasen treten ca. 50- bis 100-mal häufiger als primäre Knochentumoren auf und betreffen zu 65% das axiale Skelett. Zum engeren Kreis der ossär metastasierenden, osteolytischen
. Tab. 39.2. Semiquantitative Indizes zur Bestimmung des Schweregrades von osteoporotischen Wirbelkörperdeformierungen
Methode
Klassifizierung
Spinal Fracture Index (SFI; Genant et al. J Bone Miner Res 1993;8:1137) BWK 4 bis LWK 4
Grad 0: normaler nichtfrakturierter Wirbelkörper Grad 1: geringe Fraktur, Höhenminderung von 20–25% anterior, mittig oder posterior Grad 2: mäßige Fraktur, Höhenminderung von 25–40% anterior, mittig oder posterior Grad 3: schwere Fraktur, Höhenminderung von >40% anterior, mittig oder posterior
Spine Deformity Index (SDI; Minne et al. Bone Mineral 1988;3:335) BWK 5 bis LWK 5
Anteriore, zentrale und posteriore Höhen von BWK 4 als Standard. Die übrigen Wirbelkörper werden im Sinne eines Deformierungsindex (»vertebral deformity index«) zu diesem Wirbelkörper ins Verhältnis gesetzt und aufsummiert (SDI).
Radiological Vertebral Index (RVI; Meunier et al. Bern: Hans Huber 1978) BWK 3 bis LWK 4
1= Physiologische Wirbelkörperform 2= Bikonkaver Wirbelkörper 4= Keilwirbel, zusammengesinterter Wirbelköprer oder Deckplattenfraktur Addition der Graduierung, ein Wert >20 gilt als pathologisch
Barnett-Nordin-Index (Barnett u. Nordin. Clin Radiol 1960;11:166)
Index aus Quotienten von mittlerer und anteriorer Höhe von LWK 3 und LWK 4. Index <80% soll mit Osteoporose vereinbar sein. Bei Variabilität der Wirbelkörperform sowie Berechnung von nur 2 Wirbelkörpern hat dieser Index nur noch eine geringe Bedeutung.
1187 39.3 · Metabolische Knochenerkrankungen
. Abb. 39.8. Spinal Fracture Index
Tumoren gehören v. a. Nierenzell- und Schilddrüsenkarzinome sowie Malignome des Magendarmtrakts; zu den osteoblastischen werden v. a. das Mamma-, das Prostata- und das Bronchialkarzinom gezählt. Das Mammakarzinom kann sich auch gemischt osteolytisch-osteoblastisch präsentieren. Anhaltspunkte für einen metastatischen Befall sind eine Lokalisation oberhalb des 7. Brustwirbelkörpers und eine Deformierung an der Wirbelkörperhinterkante und/oder der Pedunkuli, eine begleitende ossäre Destruktion sowie Anzeichen eines regionären Weichteilplus. CT oder MRT sind bei der Differenzialdiagnose hilfreich (. Abb. 39.9, . Abb. 39.10). Das Multiple Myelom kann das Bild einer generalisierten Osteoporose zeigen, welches auf eine Erhöhung des »Osteoklasten Aktivierenden Faktors« (OAF) zurückzuführen ist. Solitäre oder multiple Läsionen sowie knöcherne Wirbelkörperverformungen treten etwa in der Hälfte der Fälle auf. Eine Differenzierung erfolgt hier über eine MRT-Knochenmarksdarstellung. Bei der Diagnosestellung ist Vorsicht geboten. Eine übermäßige Hämatopoese, wie sie z. B. bei chronischen Lungenerkrankungen, Rauchen oder vorangegangener Chemotherapie und Rekonversion auftritt, zeigt ähnliche Signalveränderungen in der MRT. Bei der Osteomalazie des älteren Patienten treten vergleichbare Veränderungen der Wirbelsäule auf wie bei der Osteoporose. Die Wirbelkörper bestehen allerdings aus gröberen Trabekeln mit einer verwaschenen Grenze zwischen medullärem und kortikalem Knochen. a
> Für die renale Osteopathie pathognomonisch sind Wirbelkörperverformungen mit subchondralen Sklerosebändern und einem zentralen lichten Areal (so genannte Rugger-Jersey-Spine).
b
. Abb. 39.9a, b. Osteoporotische Sinterungsfraktur, MRT. a STIR-Sequenz. Sinterungsfraktur von BWK 8 mit entsprechendem Knochenmarködem der Deckplatte. b T1-gewichtete SE-Sequenz zeigt die korrespondierende Signalabsenkung
39
1188
Kapitel 39 · Systemische Skeletterkrankungen
. Abb. 39.10a–c. Wirbelkörperfrakturen, Metastasen. a Übersichtsradiographisch zeigen sich Wirbelkörperfrakturen von BWK 10 und BWK 11 bei einem Patienten mit bekanntem Bronchialkarzinom. b In der ergänzenden MRT zeigen sich in der STIR-Sequenz hyperintense Signalalterationen auch der benachbarten BWK 9 und BWK 12. c Es kommt in der T1-gewichteten SE-Sequenz zu einem Verlust des Fettmarksignals der gesamten Wirbelkörper
a
39
Der Morbus Scheuermann zeigt ein dem der Osteoporose entsprechendes Bild der Wirbelsäule auf. Es lassen sich Keilwirbel, Verformungen an den Wirbelkörperendplatten, ein größerer anterior-posterior-Diameter sowie eine Verschmälerung des Intervertebralraums nachweisen. Die für den Morbus Scheuermann typischen Schmorl-Knorpelknötchen, welche durch Invagination der Bandscheibe in den subchondralen, pathologisch geschwächten Wirbelkörper entstehen und die ein kompensatorisches Wachstum in Form eines vorgebuckelten Knochenvorsprungs am gegenüber liegenden Wirbelkörper bedingen (Edgren-Vaino-Zeichen), helfen als Ausschlusskriterium. Den bikonkaven osteoporotischen Wirbelkörpern gleichen so genannte H-förmige Wirbelkörper. Sie treten bei Krankheiten wie dem Morbus Gaucher oder der Sichelzellenanämie auf. Für die Unterscheidung zwischen einer osteoporotischen oder traumatisch bedingten Fraktur stehen, abgesehen von der Patientenanamnese, posttraumatische Veränderungen, wie ein verbreiteter Querdurchmesser des Wirbelkörpers und sekundäre degenerative Veränderungen zur Verfügung. Seltenere Ursache für eine Wirbelkörperfraktur im höheren Alter ist die Kümmel-Verneuil-Erkrankung. Wochen und Monate nach osteonekrotisch bedingten Spontanfrakturen in thorakolumbalen Gelenken erscheinen im Knochenspalt der unverheilten Fraktur kleine Gaseinschlüsse – das so genannte Vakuumphänomen.
Bildgebung: Femur Proximale Femurfrakturen sind im Hinblick auf Mortalität und Morbidität die wichtigsten osteoporotischen Frakturen mit der volkswirtschaftlich größten Bedeutung. In konventionellen Röntgenaufnahmen können diese Frakturen okkult sein, die MRT zeigt in solchen Fällen die Femurfrakturen sensitiver. Daher sollte bei Patienten mit dem klinischen Verdacht auf eine
b
c
proximale Femurfraktur bei unauffälligem Röntgenbild eine ergänzende MRT-Untersuchung mittels einer fettgesättigten, T2-gewichteten und einer nativen, T1-gewichteten Sequenz erfolgen. Eine auf konventionellen Röntgenaufnahmen basierende Evaluation der Frakturgefährdung ist der semiquantitative Singh-Index. In diesem Klassifikationsschema werden die Dicke und Anordnung der trabekulären Strukturen berücksichtigt. Anhand des Singh-Index werden 6 Grade unterschieden, wobei bei Grad 1 die trabekuläre Knochenstruktur am stärksten rarefiziert, die Frakturgefahr somit am höchsten ist, und bei Grad 6 die Trabekelstruktur am dichtesten und damit die Frakturgefahr am niedrigsten ist. Differenzialdiagnose. In erster Linie ist hierbei an pathologische
proximale Femurfrakturen zu denken, welche beim älteren Patienten meist eine neoplastische, metastatische Ursache aufweist. Bei anamnestischem Verdacht hilft eine ergänzende MRT mit fokaler Signalveränderung des Fettmarks, welche einen raumfordernden Charakter aufweist, weiter. Zusätzlich muss differenzialdiagnostisch auch an Stress- und Ermüdungsfrakturen gedacht werden.
Bildgebende Diagnostik: Peripheres Skelett Am peripheren Skelett stellt die distale Radiusfraktur die schwerwiegendste dar. Hierbei hat die Manifestation der Osteoporose am peripheren Extremitätenskelett ein typisches Muster, welches sich insbesondere an Röntgenaufnahmen der Hand zeigt. Die Rarefizierung der Spongiosastruktur ist mit einer Ausdünnung der Kortikalis von innen kombiniert. Davon abzugrenzen sind intrakortikale und subperiostale Knochenresorptionen, welche typisch sind für Osteopathien mit erhöhtem Knochenumsatz, z. B. dem Hyperparathyreodismus.
1189 39.3 · Metabolische Knochenerkrankungen
Zur Beschreibung des osteoporotischen Abbaus an langen Röhrenknochen wurden semiquantitative Verfahren entwickelt. Am häufigsten wird hierbei Metakarpale II ausgewertet; bei der Messung der kombinierten Kortikalisdicke werden in Höhe der Mitte des Metakarpale II die beiden Kortikalisdicken sowie der äußere und innere Durchmesser bestimmt und diese Werte mit einem Normalkollektiv verglichen. Differenzialdiagnose. Es ist hierbei an die Inaktivitätsosteopo-
rose sowie den Morbus Sudeck und auch die High-TurnoverOsteopathien zu denken. Hyperparathyreodismus, Osteomalazie und Hyperthyreose manifestieren sich typischerweise an der Hand und auch am übrigen Extremitätenskelett. Dahingegen sind diffuse oder fokale neoplastische Veränderungen an Hand und Fuß eher selten.
Osteodensitometrische Verfahren zur Osteoporosediagnostik Die wichtigsten Verfahren zur Diagnostik und Quantifizierung der Osteoporose sind osteodensitometrische Methoden. Hierbei unterscheidet man in . Tab. 39.3. aufgeführte Verfahren. Die klinisch etabliertesten Methoden sind hierbei: 4 die Zwei-Energien-(»Dual-energy«-)Röntgenabsorptiometrie (DXA) und 4 die quantitative CT (QCT).
DXA (Zwei-Energien-Röntgen-Absorptiometrie)
Die DXA ist die am weitesten verbreitete Methode zur Bestimmung der Knochendichte (BMD). Sie basiert auf dem Prinzip einer Röntgenröhre, die Röntgenstrahlen mit zwei unterschiedlichen Energien emittiert (kV). Diese werden je nach Gewebe verschieden stark abgeschwächt; so zeigt Knochengewebe deutlich größere Unterschiede im Schwächungsprofil als Weichteilgewebe. Aus der Differenz der Schwächungsprofile lässt sich auf die Materialzusammensetzung rückschließen und somit eine weitgehend von der Weichteilabsorption unabhängige Knochendichte bestimmen. Zur Qualitätssicherung sind Messphantome und Kalibriersysteme in die DXA-Messgeräte integriert. Ein Vorteil der DXA ist die hohe Präzision: in Abhängigkeit von der untersuchten Körperregion beträgt der Präzisionsfehler 1–3%, wobei die höchste Präzision bei der Untersuchung der Lendenwirbelsäule im p. a.-Strahlengang erreicht wird. Die Strahlenbelastung der DXA-Methode ist hierbei mit einer Äquivalentdosis von 1–3 μSv sehr gering (. Tab. 39.3). > Kurze Aufnahmezeiten von <2 min, eine hohe Reproduzierbarkeit und eine geringe Strahlenbelastung von einer effektiven Strahlendosis von 1–3 μSv führen zu einer allgemeinen Akzeptanz der DXA im Klinikalltag.
. Tab. 39.3. Osteodensitrometrische Verfahren der Osteoporosediagnostik
Technik
Messort
Richtigkeit/ Genauigkeit (%)
Reproduzierbarkeit/ Präzision (%)
Strahlenexposition: eff. Dosis (μmSv)
Lendenwirbelsäule p.a.-Projektion laterale Projektion
4–10 5–15
1 2–6
1–50b 3–50b
Proximaler Femur
6
1,5–3
~1–2c
Ganzkörper
3
1
~3c
Lendenwirbelsäule
5–15
1,5–4
60–500d
Standardverfahren axiales Skelett DXA
QCT
Standardverfahren peripheres Skelett DXA
Radius
4-6
1
<1
pQCT
Radius
2–8
1–2
~1
Zwei-Spektren-QCT
Lendenwirbelsäule
3–6
4–6
~500a
SPA/DPA
Lendenwirbelsäule
2–11
2–3
5
2–5
3
Ältere Verfahren
Proximaler Femur SXA
Radius/Calcaneus
4–6
1–2
>1
Photodensitometrie
Finger
10
5
<5
a b c d
125 kV/85 kV und 410 mAs Die niedrigeren Werte gelten für Nadelstrahlgeräte, höhere Werte für Fächerstrahlgeräte mit sehr guter Bildqualität. Für Nadelstrahlgeräte 60 μmSv werden bei der Verwendung von Niedrigdosisprotokollen erreicht (80 kV, 125 mAs)
39
1190
Kapitel 39 · Systemische Skeletterkrankungen
DXA der Lendenwirbelsäule. Für die Untersuchung der Lendenwirbelsäule im a.p.- oder p.a.-Strahlengang werden die Unterschenkel zur Minimierung der Lendenlordose hochgelagert. Dadurch können die einzelnen Wirbelkörper durch das automatische Konturfindungsprogramm besser erkannt werden. Diese ROIs (regions of interest) müssen vom Untersucher kontrolliert werden, um eine Fehlmessung zu verhindern. Die BMD wird in der Regel von LWK 1–4 als Dichte/Fläche in g/cm2 berechnet (. Abb. 39.11). Zu beachten ist hierbei, dass die Morphologie der untersuchten Region Einfluss auf die erhobene Dichte hat. So haben größere Wirbelkörper automatisch eine höhere BMD als kleinere Wirbelkörper, ohne hierbei zwingend eine höhere Volumendichte aufzuweisen. Ein weiterer Nachteil der DXA-Methode der LWS sind Überlagerungseffekte durch Aortensklerose, sonstige Verkalkungen und postoperative Fremdkörper. Auch degenerative Veränderungen wie Spondylarthrosen, Osteochondrosen, Spondylosen und Interspinalarthrosen führen neben Wirbelkörperfrakturen und auch dem Morbus Paget zu einer falsch zu hoch gemessenen BMD. Dennoch stellen die DXA-Untersuchungen der LWS im a.p.- oder p.a.-Strahlengang und des proximalen Femurs mit der Angabe der T-Scores die Standarduntersuchungen in der Osteoporosediagnostik dar. Zusätzlich werden auch Z-Scores angegeben; sie stellen ein alters- und geschlechtskorrelierten Vergleichswert dar, haben aber in der Osteoporosediagnostik einen geringeren Stellenwert. Neben der DXA-Untersuchung im a.p.- oder p.a.-Strahlengang werden auch lateral DXA-Messungen der LWS erhoben. Sie werden zwar geringer durch die oben beschriebenen Degenerationen beeinflusst, haben jedoch den Nachteil, dass meist nur LWK 3 überlagerungsfrei dargestellt werden kann und sie insgesamt eine geringere Präzision aufweisen.
39
DXA des proximalen Femurs. Mit der DXA des proximalen Femurs ist es möglich, das individuelle Risiko für die komplikationsreichste osteoporotische Fraktur abzuschätzen. Sie erfordert jedoch eine spezielle, standardisierte Lagerung des Beins und gut reproduzierbare Auswerteprogramme. Die untersuchten Areale (ROIs) variieren von Hersteller zu Hersteller. Ausgewertet werden ROIs im Schenkelhals, intertrochantär, trochantär, im WardDreieck sowie im gesamten Femur (. Abb. 39.11). Im Vergleich zur Lendenwirbelsäule weist sie eine geringere Präzision auf. Einflussfaktoren auf die erhobene BMD sind analog zur DXA der LWS degenerative Veränderungen, Frakturen, avaskuläre Osteonekrose, Morbus Paget sowie Gefäß- und Weichteilverkalkungen.
Quantitative CT (QCT) Im Gegensatz zur DXA wird mit der QCT eine Volumendichte des trabekulären Knochens erhoben, welche in Kalziumhydroxylapatit/ml angegeben wird. Somit wird die Knochendichte nicht durch morphologische Maße wie den Durchmesser des Wirbelkörpers beeinflusst. Auch Summationseffekte durch Aortenverkalkung, sonstige Verkalkungen sowie auch durch degenerative Veränderungen wie Spondylosen, Spondylarthrosen und Interspinalarthrosen werden vermieden. Beachtet werden müssen jedoch Wirbelkörperpathologien, welche die Knochendichte
a
b . Abb. 39.11a, b. DXA. a DXA der LWS im a.p.-Strahlengang mit entsprechenden ROIs in LWK 1–4. Messung einer Summationsdichte, die neben dem Wirbelkörper auch die Wirbelbogengelenke, die Pedikel und auch die Dornfortsätze erfasst. b DXA des linken proximalen Femur mit den entsprechenden ROIs
beeinflussen können, wie Metastasen, Wirbelkörperfrakturen und Degenerationen, wie die Osteochondrose. Nachteile der QCT-Messung im Vergleich zur DXA-Methode sind die höhere Strahlenbelastung und die niedrigere Präzision. Die Strahlenexposition ist mit 60 μSv jedoch ein vergleichsweise niedriger Wert bei einer natürlichen Strahlenexposition von etwa 2400 μSv/Jahr. Die mit 2–4% niedrigere Präzision im Vergleich zur DXA-Methode (1–2% für a.p.-Lendenwirbelsäule) wird relativiert durch die isolierte Analyse des stoffwechselaktiven spongiösen Knochens mit einer etwa doppelt so großen Knochendichteverlustrate. Untersuchungstechnik. Ein Problem der QCT-Methode ist der
so genannte Fettfehler, welcher die Genauigkeit der Methode limitiert. Zur Verringerung dieses Fehlers wurde die »Dual-ener-
1191 39.3 · Metabolische Knochenerkrankungen
a
b
. Abb. 39.12a, b. Standardtechnik der QCT. a Übersichtsradiogramm mit den zu untersuchenden Schichtebenen von LWK 1–3. b Axiale Schicht
durch LWK 1 mit Kalibrierungsphantom und so genannter »Pacman-ROI« des Wirbelkörpers
gy-QCT« (DE-QCT) entwickelt, welches jedoch im Vergleich zur »Single-energy-QCT« (SE-QCT) eine schlechtere Präzision und eine höhere Strahlenbelastung aufweist, sodass die SE-QCT weiterhin als Standardverfahren angesehen wird. Das Standardprotokoll der QCT-Untersuchung beinhaltet die Analyse von LWK 1–3. Ein Kalibrierungsphantom wird benötigt zur Umrechnung von Hounsfield-Einheiten in Milligramm Kalziumhydroxyapatit/ml. Das Phantom befindet sich unter der Wirbelsäule des Patienten und wird mit einem Gelkissen zur Vermeidung von Luftartefakten an den Patienten adaptiert, die LWS-Lordose durch eine Knierolle ausgeglichen (. Abb. 39.12). Im Übersichtsradiogramm (»scout-view«) wird zunächst die Morphologie der abgebildeten Wirbelsäule beurteilt. Deformierte Wirbelkörper werden von der Analyse ausgeschlossen. Mittvertebrale Schichten mit einer Dicke von 10 mm werden angefertigt und die Dichte in ROIs ermittelt. Automatisch wird hierbei getrennt die Dichte des kortikalen und des spongiösen Knochens bestimmt.
Knochens sensitiver erfassen lassen und auch zur Beurteilung des Knochnenmassenverlusts in der frühen Menopause bei Östrogenmangel.
> Im Gegensatz zur DXA-Methode können die mittels der QCT errechneten T-Werte nicht auf die WHO-Definition der Osteoporose angewendet werden. Aufgrund der höheren Knochendichteverlustrate würden deutlich mehr Patienten als osteoporotisch eingestuft werden als mit der DXA-Methode. Daher wird analog zu den WHO-Kriterien nach Felsenberg eine BMD von <80 mg/ ml als osteoporotisch und von 80–120 mg/ml als osteopenisch definiert. Zusammenfassend ist die QCT besonders bei älteren Patienten
mit ausgeprägten degenerativen Veränderungen der LWS geeignet. Im Weiteren dient sie auch zur Messung von Therapieeffekten, welche sich durch die getrennte Bestimmung des spongiösen
Periphere Messverfahren Die peripheren osteodensitometrischen Verfahren haben im Gegensatz zu den oben beschriebenen zentralen Messverfahren eine sehr viel geringere Bedeutung. Nachteile dieser Verfahren sind die niedrigere Ansprechrate der Knochendichte am peripheren Skelett sowie auch die eingeschränkte Risikoabschätzung von Wirbelkörper- und Femurfrakturen. Periphere DXA. Die periphere DXA wird am distalen Radius, an
der Hand und am Calcaneus durchgeführt. Vorteile dieser Verfahren sind die niedrige Strahlendosis sowie die hohe Präzision bei standardisierten ROIs. Nachteile sind jedoch, wie erwähnt, eine geringes Ansprechen der BMD und eine Diskrepanz der T-Werte im Vergleich zu T-Werten im Bereich der LWS und des proximalen Femurs. Periphere QCT. Für die Analyse der peripheren volumetrischen
Knochendichte wurden spezielle Gerät entwickelt, so genannte »pQCT-Scanner«. Hiermit wird der distale Radius untersucht, der sich aufgrund seines hohen Anteils an spongiösem Knochen gut zur Osteoporosediagnostik eignet. Analog zu dem zentralen Messverfahren lassen sich kortikale und spongiöse BMD voneinander getrennt berechnen. Bei einer sehr hohen Präzision wird typischerweise der ultradistale Radius und proximal des distalen Radiusdrittels gemessen. Mit fortschreitendem Alter kommt es zu einem gleichzeitigen Verlust der spongiösen BMD und zu einer Zunahme des Durchmessers der Radiusdiaphyse.
39
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Kapitel 39 · Systemische Skeletterkrankungen
Quantitativer Ultraschall Die quantitative Ultraschalltechnik (QUS) hat ihren Ursprung in der industriellen Materialprüfung. Mit diesem Verfahren ist es nur möglich, das periphere Extremitätenskelett wie den Calcaneus, den Radius oder die Phalangen zu untersuchen. Verwendet werden Geräte mit Schallfrequenzen im Bereich von 100 kHz bis 2 MHz, welche jedoch nicht zur Bildgebung genutzt werden. Klinisch Anwendung finden hierbei die Messung der UltraschallKnochen-Leitungsgeschwindigkeit (SOS = »Speed of Sound«; gemessen in m/s) sowie die frequenzabhängige Schwächung der Ultraschallwelle (BUA = Breitband-Ultraschall-Abschwächung; gemessen in dB/MHz). Für die BUA wird bei osteoporotischen Patienten eine geringere Abschwächung bei zunehmender Frequenz errechnet, wohl aufgrund des Rückgangs der Strukturen von großer Dichte. Zusätzlich lassen sich aus SOS und BUA Kombinationsparameter, z. B. die Knochensteifigkeit errechnen, welche eine bessere Reproduzierbarkeit aufweisen. Am besten etabliert ist die QUS-Untersuchung im Bereich des Calcaneus. Bei dieser Messung wird die Ankopplung der Untersuchungssonde mit Ultraschallgel durchgeführt oder eine Messung im Wasserbad vorgenommen. Vorteile der QUS sind die einfache Anwendung, die portablen und günstigen Geräte sowie die, im Vergleich zur DXA und QCT, fehlende Strahlenbelastung. Zu beachten ist eine Qualitätssicherung der QUS, zu der eine tägliche, möglichst softwaregestützte Konstanzprüfung gehört.
Magnetresonanztomographie
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In den letzten Jahren wurde zunehmend auch die MRT zur Analyse der Knochenstruktur und -dichte eingesetzt. Zur Bestimmung der Dichte wurde die Methode der Quantifizierung von Suszeptibilitätsartefakten zwischen Knochenmark und trabekulärem Knochenmark angewandt. Diese führen im Knochenmarkt zu einer Dephasierung der transversalen Magnetisierung mit einer Verkürzung der Relaxationszeit T2*: Die daraus berechneten Parameter zeigten einen guten Zusammenhang mit der Knochendichte. Zur Analyse der Knochenstruktur werden hoch auflösende MRT-Aufnahmen verwendet, mit denen es möglich ist, in vivo eine Ortsauflösung von etwa 150 μm in der Ebene bei einer Schichtdicke von 0,5 mm zu erreichen. Es werden vorwiegend Gradientenecho(GRE)- und Spinecho(SE)-Sequenzen verwendet. Zwar ist die GE-Sequenz artefaktanfälliger, jedoch ist die Untersuchungszeit von etwa 7 min deutlich kürzer als die der SE-Sequenz bei einem besseren Signal-zu-Rausch-Verhältnis. Zur bestmöglichten Darstellung der Trabekel wird eine möglichst kurze TE (TE <10 ms) empfohlen. Nachteile der MRT sind die Anwendbarkeit bisher nur am peripheren Extremitätenskelett und die relativ hohe Anzahl an artefaktbedingten Einflüssen. Daher ist eine weitestgehende Standardisierung der Untersuchungstechnik erforderlich. Die etabliertesten Parameter zur Strukturanalyse mit hoch auflösenden bildgebenden Verfahren basiert auf histomorphometrischen Maßen, z. B. die trabekuläre Anzahl, die trabekuläre Dicke sowie auch die trabekuläre Separation.
39.3.2
Formen der Osteoporose
Generalisierte Osteoporose Postmenopausale Osteoporose Die postmenopausale Osteoporose wird auch als Typ-I-Osteoporose bezeichnet und ist die häufigste Form der Osteoporose. Frauen im Alter von 50–65 Jahren zeigen eine gesteigerte Resorption der Spongiosa. Diese zeigt aufgrund eines höheren Knochenumsatzes früher Veränderungen als der kortikale Knochen. Einflussfaktoren auf die postmenopausale Osteoporose sind der hormonelle Status, die körperliche Bewegung und der Ernährungsstatus. Klinische Zeichen einer Osteoporose sind Knochenschmerzen, Größenabnahme sowie vermehrte Kyphosierung aufgrund von Wirbelkörpersinterungen. Pathologische Frakturen treten gehäuft im Bereich der Wirbelsäule sowie des distalen Radius auf, seltener sind sie im Bereich des proximalen Femurs und der Rippen.
Senile Osteoporose Die Typ-II-Osteoporose wird auch als senile Osteoporose bezeichnet und ist gekennzeichnet durch einen proportionierten Knochenmassenverlust an Spongiosa und Kortikalis. Das Verteilungsmuster der senilen unterscheidet sich von der postmenopausalen Osteoporose, bevorzugt finden sich Frakturen des Schenkelhalses, des subkapitalen Humerus, der Wirbelsäule, des distalen Radius, des Beckens und der Tibia sowohl bei Frauen als auch bei Männern mit einem Alter von >75 Jahren. Ätiologisch kommen eine altersbezogene Abnahme der physiologischen Knochenerneuerung, eine verminderte Nierenfunktion, eine herabgesetzte intestinale Kalziumresorption sowie ein altersbedingter sekundärer Hyperparathyreodismus in Betracht.
Sekundäre Osteoporosen Morbus Cushing und Kortikosteroid-induzierte Osteoporose
Der Morbus Cushing ist gekennzeichnet durch einen endogenen oder exogenen exzessiven Überschuss an Adrenokortikosterioden. Hierbei kommt es zu einer Verminderung der osteoblastischen Aktivität bei gleichzeitiger Zunahme des Knochenabbaus. Die Hauptursache für einen endogenen Morbus Cushing liegt meist in einer Hyperplasie der Nebennierenrinde, seltener sind Tumoren der Nebenniere, der Hypophyse oder paraneoplastische Erkrankungen. Am häufigsten sind Frauen zwischen dem 20. und 60. Lebensjahr betroffen. Eine Kortikosteroid-induzierte Osteoporose findet sich bei transplantierten Patienten, bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen und allen Erkrankungen, die mit einer langfristigen hochdosierten KortikosteroidMedikation einhergehen. Ältere und postmenopausale Frauen zeigen häufig diese Form der Osteoporose mit den klinischen Symptomen Adipositas, Mondgesicht, Muskelschwäche, emotionale Instabilität, abnorme Behaarung sowie Knochenschmerzen und Hypertonus. Bildgebung. Röntgenologisch zeigt sich eine Osteoporose betont
im Bereich der Wirbelsäule, des Beckens, der Rippen und des Schädels. Die Veränderungen der Wirbelkörper sind durch eine
1193 39.3 · Metabolische Knochenerkrankungen
Weitere Zeichen des Morbus Cushing sind Osteonekrosen, welche häufiger bei der exogenen als der endogenen Form beobachtet werden. Am häufigsten ist hierbei der proximale Femur betroffen, aber auch im Bereich des proximalen Humerus sowie diffus im Knochenmark der langen Röhrenknochen treten diese Veränderungen auf. Osteoporose bei hämatologischen Systemerkrankungen
a
Bei einigen hämatologischen Systemerkrankungen kommt es aufgrund einer Markrauminfiltration zu einer diffusen Demineralisation. Neben dem Plasmozytom gehören Metastasen, Lymphome und Leukämien sowie die Thalassämie, die Sichelzellanämie und der Morbus Gaucher zu diesen Erkrankungen. Insbesondere das Plasmozytom zeigt im Bereich des Stammskeletts eine diffuse Osteopenie, welche im konventionellen Röntgenbild nicht sicher von der Osteoporose zu differenzieren ist, sodass bei entsprechendem Verdacht eine MRT zur weiteren Differenzierung hilfreich sein kann. Weitere Osteoporoseformen Erkrankungen wie der Hyperparathyreodismus, die Hyperthyreose und auch die Akromegalie können zu osteoporotischen Veränderungen führen. Exogene Ursachen für eine Osteoporo-
se sind eine hochdosierte Heparinmedikation, Immunsuppressiva sowie der Alkoholabusus. Eine seltene Sonderform ist die juvenile Osteoporose, welche sich meist vor der Pubertät mit Wirbelkörperdeformierungen und konsekutiver Kyphose präsentiert. Im peripheren Skelett finden sich typischerweise metaphysäre Frakturen an Knie- und Sprunggelenk. Differenzialdiagnostisch ist diese Form der Osteoporose von der Osteogenesis imperfecta abzugrenzen, bei der Veränderungen der Knochenqualität im Vordergrund stehen.
Lokalisierte Osteoporoseformen Inaktivitätsosteoporose
b . Abb. 39.13a, b. MRT des Sakrums bei einer postmenopausalen Patientin nach Kortisontherapie. a In der STIR-Sequenz Nachweis eines regionären Ödems bei beidseitiger Ermüdungsfraktur des Sakrum. b In der koronaren T1-Wichtung sind die Frakturlinien hypointens dargestellt
Rarefizierung der Spongiosastruktur, betonte Grund- und Deckplatten sowie in späteren Stadien durch Wirbelkörperdeformierungen gekennzeichnet. Zwar ist diese Form der Osteoporose im Röntgenbild nicht eindeutig von der postmenopausalen und der senilen Osteoporose zu differenzieren, jedoch werden gehäuft ausgeprägte Kallusformationen im Bereich der Wirbelkörper und der Rippen beobachtet. Auch Ermüdungsfrakturen des Beckens scheinen für diese Form der Osteoporose typisch. Diese Frakturen lassen sich z. T. nur in der MRT und der ergänzenden CT diagnostizieren (. Abb. 39.13).
Die Inaktivitätsosteoporose tritt typischerweise in den Körperregionen auf, die nach Trauma oder Lähmung ruhig gestellt sind. Bei jüngeren Patienten sind diese Veränderungen aufgrund eines aktiveren Knochenstoffwechsels früher, d. h. bereits nach 2– 3 Monaten, nachweisbar. Das periphere Extremitätenskelett ist am ausgeprägtesten betroffen, meist mit homogener Demineralisation, seltener auch mit feinfleckigem bandförmigen Muster, hierbei metaphysär und subchondral betont. Differenzialdiagnostisch muss die Inaktivitätsosteoporose vom Morbus Sudeck unterschieden werden. Bei der auch Reflexdystrophie genannten Erkrankung kommt es meist posttraumatisch über nervale Stimuli zu einer Schwellung, Hyperästhesie, vasomotorischen Veränderungen und zu Bewegungseinschränkungen einer Extremität. Bildgebung. Im konventionellen Röntgenbild zeigt sich eine Weichteilschwellung in Kombination mit einer z. T. sehr aggressiven Osteoporose. Metaphysär zeigen sich bandförmige oder fleckförmige Entkalkungsareale. Zusätzlich finden sich subperiostale und intrakortikale Resorptionszonen sowie erosive subchondrale, juxtaartikuläre Veränderungen bei erhaltener Ge-
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Kapitel 39 · Systemische Skeletterkrankungen
. Abb. 39.14a, b. Inaktivitätsosteoporose. a Nach operativer Versorgung einer Radiusfraktur Demineralisierung der Handwurzelknochen bei fehlenden trophischen Störungen im Sinne einer Inaktivitätsosteoporose. b Im weiteren Verlauf wieder zunehmende Mineralisierung des Handskeletts
a
lenkspaltweite. Die radiologischen Veränderungen sind im Gegensatz zur Inaktivitätsosteoporose sehr viel deutlicher ausgeprägt, entscheidend zur Differenzierung ist jedoch die klinische Symptomatik (. Abb. 39.14).
Transitorische Osteoporose
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Die transitorische Osteoporose ist eine vorwiegend am Hüftgelenk vorkommende, ätiologisch unklare Erkrankung, welche typischerweise bei Männern zwischen der 3. und 4. Lebensdekade sowie schwangeren Frauen im 3. Trimenon vorkommt. Klinisch sind die Patienten durch Schmerzen ohne Traumanamnese gekennzeichnet, welche sich in der Regel innerhalb von 2–6 Monaten wieder zurückbilden. Bildgebung. Im konventionellen Röntgenbild findet sich meh-
rere Wochen nach Beginn der Erkrankung eine Demineralisation des Hüftkopfs sowie seltener auch im Bereich des Schenkelhalses und des Acetabulums. In der MRT zeigt sich bereits im Frühstadium der Erkrankung ein Knochenmarködem im Bereich des proximalen Femurs (. Abb. 39.15). Eine weitere Form ist die regionäre, migratorische Osteoporose, welche sich typischerweise im Kniegelenk, Sprunggelenk und Fuß manifestiert. Diese Erkrankung findet sich meist bei Männern zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. Klinische Symptome sind Schmerzen und Schwellung im Bereich einer Körperregion über einen Zeitraum von bis zu 9 Monaten. Die Erkrankung wandert im Verlauf in der Regel zu dem Gelenk, welches dem initial befallenen am nächsten liegt.
b
39.3.3
Osteomalazie
Definition Die Osteomalazie ist eine sekundäre Ossifikationsstörung, bei der es zu einer fehlenden oder verminderten Mineralisation der organischen Knochenmatrix mit konsekutiver Akkumulation des mechanisch weniger widerstandsfähigen Osteoids kommt.
Pathophysiologie, Ätiologie Die Osteomalazie dient als Überbegriff für Erkrankungen, welche pathophysiologisch ihre Ursache in einem Mangel an aktivem Vitamin D, Vitamin-D-Stoffwechselstörungen, primären Kalziummangelzuständen sowie Störungen des Phosphatstoffwechsels haben. Das Vitamin D führt im Gastrointestinaltrakt zu einer zunehmenden Absorption von Kalzium. Am Knochen kommt es in niedrigen Konzentrationen zu einer vermehrten Mineralisation der Knochenmatrix, wohingegen es in höheren Konzentrationen zu einer vermehrten Mobilisierung von Kalzium und Phosphat führt. Zusätzlich hat das Vitamin D auch einen direkten Einfluss auf die tubuläre Kalziumrückresorption der distalen Tubuli der Niere sowie eine supprimierende Wirkung auf die Parathormonsekretion der Nebenschilddrüse. Die Synthese des aktivierten Vitamin D hängt entscheidend von den Stoffwechselvorgängen der Leber und der Niere ab. Folgende wesentliche Ursachen der Osteomalazie sind bekannt: 4 Vitamin-D-Mangel mit Kalziumresorptionsstörungen 4 Ernährungsbedingter Kalziummangel 4 Erhöhter enteraler Kalziumverlust 4 Phosphatmangel
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c
a
. Abb. 39.15a–c. Transitorische Osteoporose des proximalen Femurs. a Gering ausgeprägte Demineralisation bei vorliegenden ödematösen Veränderungen im Röntgenbild. b Entsprechendes Bild in einer fettgesättigten intermediär gewichteten TSE-Sequenz. c Entsprechende Signalabsenkung in der T1-gewichteten Sequenz
Bei der Osteomalazie kommt es zu einer überschießenden Bildung von Osteoid, welches sich um die Trabekel und entlang der Haver-Kanäle ausdehnt. Die Trabekel rarefizieren zunehmend in Anzahl und Durchmesser bei gleichzeitig weiter und unregelmäßig werdenden Haver-Kanälen.
Bildgebung: Röntgenbefunde
b
4 Aluminiumintoxikation 4 Tubuläre Nierenschädigung 4 Langzeiteinnahme von Antiepileptika > Im Gegensatz zur Osteomalazie, die im reifen trabekulären Knochen auftritt, zeigt sich die Rachitis vorwiegend im Bereich der Epiphysenfuge. Hierbei ist der Pathomechanismus bei beiden Erkrankungen identisch.
Es zeigt sich bei der Osteomalazie eine unspezifische Demineralisation mit Reduktion der Anzahl der Trabekel, welche sich vergröbert und unschärfer darstellen. Es kommt zu einer intrakortikalen Knochenresorption der Röhrenknochen, zu Pseudofrakturen oder Looser-Umbauzonen. Diese stellen sich im konventionellen Röntgenbild als linienförmige Strahlentransparenz dar, welche meist den Durchmesser des Knochens nur partiell erfasst. Typische Lokalisationen sind die Rippen, der mediale proximale Femur, die Skapula, das Os pubis und die proximale Ulna. Diese Umbauzonen sind meist symmetrisch und sind von einem Skleroseareal umgeben, periostal zeigen sich gelegentlich Kallusformationen. Im weiteren Verlauf der Krankheit kann es zu Knochenverbiegungen der langen Röhrenknochen kommen, typischerweise sind hierbei die Looser-Umbauzonen im Biegungsscheitel lokalisiert (. Abb. 39.16). Bei der Rachitis als Sonderform der Osteomalazie im Wachstumsalter kommt es zu Veränderungen in Körperregionen mit aktivem Knochenwachstum. Ein Frühzeichen ist die Verbreiterung der Epiphysenfuge, welche zunehmend unschärfer begrenzt ist. Die metaphysären Ränder sind aufgespreizt, die Diaphyse zeigt eine verwaschene Spongiosastruktur und eine intrakortikale Knochenresorption. Eine typische Veränderung ist die
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1196
Kapitel 39 · Systemische Skeletterkrankungen
39.3.4
Hyperparathyreodismus
Definition und Pathophysiologie Das Parathormon ist eine der wichtigsten Substanzen zur Regulation des Knochen- und Kalziumstoffwechsels. Es erhöht den Kalziumspiegel im Blut und stimuliert den Knochenumbau mit Einfluss auf die Osteoklasten und geringer auch auf die Osteoblasten. Die Folge ist eine subperiostale, subchondrale und intrakortikale Knochenresorption, welche im frühen Stadium der Erkrankung insbesondere im Bereich der Hände zu finden ist.
Einteilung des Hyperparathyreoidismus
a
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Es 3 Formen unterschieden: 4 Der primäre Hyperparathyreodismus entsteht aufgrund einer Autonomie der Nebenschilddrüse. Am häufigsten sind hierbei solitäre Adenome (50–80%) und eine diffuse Hyperplasie (10–40%) der Nebenschilddrüse. Multiple Adenome (ca. 10%) sowie Nebenschilddrüsenkarzinome (1–4%) werden deutlich seltener als Ursache beobachtet. Laborchemisch ist ein erhöhtes Serumkalzium typisch. Differenzialdiagnostisch ist bei einem primären Hyperparathyreodismus an eine multiple endokrine Neoplasie (MEN Typ I/IIA) zu denken. 4 Der sekundäre Hyperparathyreodismus ist die Folge einer chronischen Hypokalzämie. Ursachen hierfür sind eine chronische Niereninsuffizienz oder eine intestinale Malabsorption mit konsekutiver Hyperplasie der Nebenschilddrüsenkörperchen. Bei chronischer Niereninsuffizienz ist das Serumkalzium bei erhöhten Phosphatwerten niedrig oder im Normbereich. In Zusammenhang mit den Veränderungen des Weichgewebes und des Knochens wird dieses Krankheitsbild auch als renale Osteodystrophie bezeichnet. 4 Der tertiäre Hyperparathyreodismus ist eine Folge des sekundären, wenn sich eine Autonomie der Nebenschilddrüse mit begleitender Hyperkalzämie entwickelt.
b . Abb. 39.16a, b. Osteomalazie. a Grobe Verdünnung und Streifung der phalangealen Kompakta beei einem Patienten mit Osteomalazie. b LooserUmbauzonen im CT im Bereich der 6. und 7. Rippe rechts im Sinne einer Pseudofraktur mit umgebender symmetrischer Sklerose und periostaler kallusartiger Knochenapposition
Beim Hyperparathyreodismus werden 3 Formen unterschieden (Übersicht). Unter Pseudohyperparathyreodismus versteht man eine Hyperkalzämie mit supprimiertem Parathormon bei vorbestehenden malignen Neoplasien.
Bildgebung: Röntgenbefunde aufgetrieben Darstellung der kostochondralen Übergänge, was auch als rachitischer Rosenkranz bezeichnet wird. Weitere Röntgenzeichen sind Achsverbiegungen der langen Röhrenknochen, Skoliose, abgerutschte Femurkopfepiphysen, dreieckige Beckenformen sowie basiläre Impressionen an der Schädelbasis. Insgesamt zeigen die Patienten eine generalisierte Wachstumsretardierung. > Verwaschene Spongiosastrukturen, Verdünnung der Kompakta, Looser-Zonen sind typische Zeichen einer Osteomalazie.
Eine pathognomonische Veränderung des Hyperparathyreodismus ist die subperiostale Resorption der mineralisierten, kortikalen Knochenmatrix. Eine typische Lokalisation sind die Phalangen der Hand, insbesondere radialseitig im Bereich der Mittelphalangen II und III (. Abb. 39.17). Weitere Prädelektionsstellen sind die Nagelkranzfortsätze, lange Röhrenknochen, Rippen sowie das Schädelskelett. Auch gelenknahe Veränderungen, welche Destruktionen einer rheumatoiden Arthritis ähneln, können im Bereich der Hände und der Füße vorkommen. Unspezifischere Veränderungen, welche auch bei anderen Erkrankungen mit erhöhtem Knochenumbau vorkommen, sind
1197 39.3 · Metabolische Knochenerkrankungen
. Abb. 39.17a, b. Hyperparathyreoidismus. a Typische subperiostale Resorptionen bei einem Patienten mit Hyperparathyreoidismus, betont radialseitig im Bereich der Mittelphalanx II und III. b Gleicher Befund im Bereich der Nagelkranzfortsätze
a
intrakortikale Knochenresorptionen. Typische Lokalisation ist
hierbei der Kortex des Metakarpale II. Subchondrale Resorptionen der mineralisierten Knochenmatrix zeigen sich im Bereich der Acromioclaviculargelenke, der Iliosakralgelenke sowie im Bereich der Symphyse. Diese Veränderungen können auch im Bereich der Wirbelsäule und der Extremitätengelenke vorkommen. Der subchondrale Knochen kann je nach Ausmaß einbrechen, im Bereich der Wirbelsäule können sich intraspongiöse Diskushernien ausbilden. Bei Resorptionen an den Iliosakralgelenken muss differenzialdiagnostisch an eine Iliosakralarthritis bei Spondilitis ankylosans (Morbus Bechterew) gedacht werden. Im Bereich des Schädels kommt es durch trabekuläre Knochenresorption zu einem »Pfeffer-Salz-Muster« sowie zu resorptiven Veränderungen um die Zähne im Alveolarkamm Diese Veränderungen sind ebenso wie braune Tumoren in der Regel Zeichen eines fortgeschrittenen Krankheitsstadiums. Braune Tumoren sind hierbei typisch für den primären Hyperparathyreodismus, können aber auch beim sekundären Hyperparathyreodismus auftreten. Die Läsionen setzen sich zusammen aus fibrösem Material, Riesenzellen, Zysten und Nekrosen. Bevorzugte Lokalisationen sind das Becken, die Rippen, der Femur und der Gesichtsschädel. Neben den beschriebenen lytischen und resorptiven Veränderungen treten vermehrte Sklerosierungen insbesondere beim sekundären Hyperparathyreodismus im Bereich der Boden- und Deckplatten der Wirbelkörper, des Schädelskeletts sowie auch metaphysär an den langen Röhrenknochen auf. Eine weiteres Kennzeichen sind Kalziumpyrophosphatablagerungen (Chondrokalzinose) in den Gelenken, welche betont beim primären und seltener auch beim sekundären Hyperparathyreodismus nachweisbar sind.
b
Differenzialdiagnose. Aufgrund der sehr charakteristischen subperiostalen Resorptionen ist die röntgenologische Diagnose des Hyperparathyreodismus in der Regel unproblematisch. Intrakortikale Knochenresorptionen treten auch bei anderen Erkrankungen mit erhöhtem Knochenstoffwechsel auf, wie z. B. bei der Hyperthyreose und der Akromegalie. Subchondrale Knocheneinbrüche lassen an Osteonekrosen, Chondrokalzinosen und Arthritiden denken. Die typischen Veränderungen des Handskeletts sind differenzialdiagnostisch gegen die rheumatoide und die Psoriasisarthritis abzugrenzen, der Hauptunterschied ist die normale Weite des Gelenkspalts beim Hyperparathyreodismus. Veränderungen des Iliosakralgelenks sind von einer Spondylitis ankylosans abzugrenzen. Braune Tumore lassen an primäre und sekundäre Knochentumore denken, die Diagnose ist in solchen Fällen meist im Gesamtkontext der Erkrankung zu stellen. Die Knochensklerose kann bei Differenzierung problematisch sein. Abzugrenzen sind Myelofibrose, Mastozytose, Metastasen, Sarkoidose, Morbus Paget sowie Veränderungen des Knochens nach Bestrahlung. Bei Weichteilverkalkungen ist differenzialdiagnostisch die CPPD (»calcium-pyrophosphat-depositiondisease«) zu berücksichtigen.
39.3.5
Renale Osteopathie
Definition Die renale Osteopathie oder Dystrophie ist eine Knochenerkrankung bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz. Gekennzeichnet ist dieses Krankheitsbild durch mehrere Komponenten: im Vordergrund stehen der sekundäre Hyperparathyreodismus
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Kapitel 39 · Systemische Skeletterkrankungen
und die Osteomalazie. Zusätzlich treten Veränderungen ähnlich zur Osteoporose sowie Weichteil- und Gefäßverkalkungen auf.
Bildgebung: Röntgenbefunde Vergleichbar zum sekundären Hyperparathyreodismus finden sich: 4 Subperiostale Knochenresorptionen, betont im Bereich der Phalangen 4 Generalisierte Ausdünnung der Kortikalis 4 Abnahme der Knochendichte Zusätzlich finden sich subchondrale Knochenresorptionen sowie osteosklerotische Veränderungen und auch braune Tumoren. Klassisch sind die breiten, bandartigen sklerotischen Veränderungen der Boden- und Deckplatten im Bereich der Wirbelsäule im Sinne einer »Rugger-Jersey-Wirbelsäule« (. Abb. 39.18). Weitere Lokalisationen vermehrter Osteosklerose sind das Becken, die Rippen und das periphere Extremitätenskelett. Die langen Röhrenknochen sind hierbei meist metaphysär betroffen, seltener auch epiphysär. Die Chondrokalzinose tritt bei der renalen Osteopathie im Vergleich zum primären Hyperparathyreodismus deutlich seltener auf. Periostale Anbauten finden sich zwischen 10–25% der Patienten, meist im Bereich der Metatarsalia, des Femurs und des Beckens sowie seltener im Bereich des Humerus, des Radius, der Ulna, der Tibia, der Metakarpalia und der Phalangen. Auch Zeichen der Osteomalazie sind bei der renalen Osteopathie nachweisbar, hierbei jedoch z. T. schwierig gegenüber anderen Zeichen assoziierter Erkrankungen abzugrenzen. Veränderungen im Rahmen der Osteomalazie sind die Osteopenie und
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Looser-Umbauzonen, welche jedoch vergleichsweise selten bei der renalen Osteodystrophie auftreten. Im fortgeschrittenen Krankheitsstadium kann es zu Achsverbiegungen langer Röhrenknochen sowie zu einer Verformung des Beckenskeletts sowie zu Ermüdungsfrakturen kommen. Weichteil- und Gefäßverkalkungen sind relativ häufige Veränderungen bei der renalen Osteopathie. Sie treten in sämtlichen Geweben auf, so z. B. in der Kornea, viszeral, subkutan und auch periartikulär. Diese periartikulären Verkalkungen zeigen sich z. T. in sehr ausgeprägter Weise und haben hierbei einen tumorähnlichen Charakter und werden als (pseudo-)tumoröse Kalzinose bezeichnet. Prädelektionsstellen sind bei teilweise bilateralem Auftreten das Hüftgelenk, die Kniegelenke, die Schulter und die Handgelenke (. Abb. 39.18). Differenzialdiagnose. Rheumatische Erkrankungen, welche
ebenfalls erosive Veränderungen verursachen, z. B. die rheumatoide Arthritis und seronegative Spondylarthritiden, müssen von der renalen Osteodystrophie abgegrenzt werden. Auch infektiöse und neoplastische Prozesse können vergleichbare Veränderungen verursachen; so können braune Tumoren und Amyloidablagerungen primären und sekundären Knochentumoren ähneln. Wegweisend zur Diagnosestellung sind hierbei die Anamnese sowie der klinische Befund.
Assoziierte Erkrankungen Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz können auch eine Hyperurikämie mit nachfolgender Arthritis urica entwickeln. Auch eine Oxalose und eine sekundäre Amyloidose können als seltenere Komplikationen einer Niereninsuffizienz entstehen.
. Abb. 39.18a, b. Renale Osteopathie. a Seitliche Röntgenaufnahme der BWS bei einem Patienten mt renaler Osteopathie. Es zeigen sich deckplattennahe Sklerosezonen und dazwischen liegende Transparenzerhöhungen im Sinne einer »Ruggey-JerseyWirbelsäule«. b Ausgedehnte periartikuläre Verkalkungen im Bereich des Mittelphalanx D3 im Sinne einer pseudotumörosen Kalzinose
a
b
1199 39.3 · Metabolische Knochenerkrankungen
Diese knöchernen Veränderungen können sich nach Hämodialyse in Anteilen wieder zurückbilden. Im Gegensatz dazu kann es zu einer Zunahme der Osteopenie mit Spontanfrakturen kommen. Weitere Komplikationen einer Dialyse sind Septikämien, die zu Osteomyelitiden und auch Arthritiden führen können. Destruktive, aseptische Spondylarthropathien, welche röntgenologisch einer Infektion, einer neurogenen Osteoarthropathie oder einer CPPD ähneln, können ebenfalls vorkommen. Nach Nierentransplantation kommt es aufgrund der Kortikosteroidtherapie und der Gabe von Immunsuppressiva zu einer zunehmenden Osteoporose, Spontanfrakturen sowie zu einem vermehrten Auftreten von Osteonekrosen, insbesondere im Bereich des Femurs, des Humeruskopfs sowie des Talus. Auch Arthritiden und Osteomyelitiden zeigen eine erhöhte Inzidenz.
39.3.6
Hypoparathyreodismus
Definition, Ätiologie, Klinik Der Hypoparathyreodismus ist durch eine Unterfunktion der Nebenschilddrüsen gekennzeichnet. Ätiologisch unterscheidet man eine primäre, d. h. angeborene, von einer sekundären Form. Der primäre oder auch idiopathische Hyperparathyreodismus liegt bei einer Aplasie oder einer Hypoplasie der Nebenschilddrüsen vor. Die sekundäre oder erworbene Form entsteht meist nach Schilddrüsenoperationen oder als Folge einer zervikalen Bestrahlung. Klinisch stehen bei Patienten mit Hypoparathyreodismus neuromuskuläre Symptome im Vordergrund, die durch einen zu niedrigen Kalziumspiegel bedingt sind.
Bildgebung: Röntgenbefunde Diffuse oder lokalisierte osteosklerotische Veränderungen sind das häufigste Merkmal. Eine Verdickung der Schädelkalotte ist typisch, seltener auch im Bereich des Gesichtsschädels. Komplikationen hierbei sind eine intrakranielle Druckerhöhung sowie vereinzelt Entwicklungsstörungen der Zähne. Weiterhin zeigen sich intrakranielle Verkalkungen im Bereich der Basalganglien, zerebellär sowie auch im Bereich des Plexus choroideus. Bandartige Osteosklerosen finden sich metaphysär in den langen Röhrenknochen, im Os ilium sowie geringer auch in Wirbelkörpern. Subkutane Verkalkungen sind ein weiteres Zeichen, welche vorwiegend im Hüft- und Schultergelenk auftreten. Seltener sind diese Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule, die mit Verkalkungen der Ligamente einhergehen und als Maximalvariante zu Veränderungen wie bei der diffusen idiopathischen Skeletthyperostose (DISH) führen können. Differenzialdiagnose. Diffuse oder lokalisierte Osteosklerosen
sind auch bei der renalen Osteopathie, der Myelofibrose, der Mastozytose, beim Morbus Paget sowie bei osteoblastischen Metastasen zu finden. Die Verdickung der Schädelkalotte ist jedoch ein relativ typisches Merkmal für den Hypoparathyreodismus. Die erwähnten bandartigen Verdichtungen kommen auch beim Hypothyreodoismus, bei Hypervitaminosen sowie bei Leukämien unter Chemotherapie und bei Schwermetallvergiftungen vor.
Basalganglienverkalkungen sind typisch für den Hypoparathyreodismus sowie den Pseudohypoparathyreodismus, kommen aber auch beim Morbus Fahr, der Toxoplasmose, der Zytomegalie und nach Vergiftungen vor. Die subkutanen Verkalkungen sind ein unspezifischer Befund und lassen sich auch bei der renalen Osteopathie, Kollagenosen und einer chronischen Vitamin-D-Überdosierung nachweisen.
39.3.7
Pseudohypoparathyreodismus
Definition, Epidemiologie, Klinik Der klassische Pseudohypoparathyreodismus ist durch ein niedriges Serumkalzium und einen erhöhten Phosphatspiegel gekennzeichnet. Die Nebenschilddrüse ist hierbei regelrecht angelegt, die Parathormonwerte sind bei einer Endorganresistenz der Niere jedoch erhöht. Der klassische Typ wurde erstmals von Albright beschrieben, Kennzeichen sind hierbei Kleinwuchs, kurzer Hals, rundes Gesicht sowie verkürzte Metakarpalia. Weitere Störungen dieser Erkrankung sind geistige Behinderung, Strabismus, olfaktorische sowie Entwicklungsstörungen der Zähne. Die Erkrankung tritt häufiger bei Frauen auf und wird meist in der 2. Lebensdekade diagnostiziert. > Beim Pseudohypoparathyreodismus gibt es einen selteneren identischen Phänotyp mit unauffälligem Laborbefund und fehlender Endorganresistenz.
Bildgebung: Röntgenbefunde Verkürzte Metakarpalia (insbesondere I, IV und V) und Metatarsalia sind klassische Befunde durch frühzeitigen Schluss der Epiphysenfuge. Die Phalangen können ebenfalls verkürzt und verbreitert sein. Im Weiteren sind auch Weichteilverkalkungen sowie Exostosen nachweisbar.
39.3.8
Osteopathien bei Hypo-/Hypervitaminosen
Die wichtigste Hypovitaminose mit Auswirkungen auf das muskuloskelettale System ist die Osteomalazie. Weitere Hypovitaminosen sind bei Vitamin A und C zu beschreiben, Hypervitaminosen bei Vitamin A und D.
Hypervitaminose A Eine chronische Intoxikation findet man in der Regel ausschließlich bei kleinen Kindern mit klinischen Symptomen wie Juckreiz und Anorexie. Nach Wochen bis Monaten kommt es zu einer Knötchenbildung an den Extremitäten. Im Weiteren sind Hepatosplenomegalie, Trommelschlegelfinger und Haarausfall nachweisbar. Im Röntgenbild kommt es bei Kindern in den ersten Lebensjahren zu einer kortikalen Verdickung mit periostaler Knochenneubildung. Typische Lokalisationen sind die Diaphyse der Ulna sowie der Metatarsalia. Seltener sind Clavicula, Tibia und Fibula betroffen. Im Weiteren finden sich becherförmige metaphysäre Auftreibungen sowie eine Verschmälerung und auch ein vorzeitiger Verschluss der Epiphysenfuge mit konsekutiven Wachs-
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1200
Kapitel 39 · Systemische Skeletterkrankungen
tumsstörungen und Deformierungen. Die periostalen Anbauten sind nach Absetzen von Vitamin im Gegensatz zu den Wachstumsstörungen reversibel.
Hypovitaminose A Im Vordergrund stehen epitheliale Störungen bei einem chronischen Vitamin-A-Mangel. Im Kindesalter kommt es zu einer Wachstumsverzögerung, zu einer erhöhten Infektanfälligkeit und zu einer Anämie. Röntgenologisch nachweisbare muskuloskelettale Veränderungen sind selten.
Hypovitaminose C (Skorbut)
39
Der Skorbut ist in westlichen Ländern eine sehr seltene Erkrankung, welche meist nur bei Kindern auftritt, die ohne Früchte und Gemüse ernährt werden. Der infantile Skorbut entwickelt sich zwischen 4–10 Monaten nach fehlender Vitamin-C-Zufuhr. Klinisch zeigen sich hämorrhagische Veränderungen sowie Weichteilschwellungen. Es kommt zu einer verminderten zellulären Aktivität im Bereich der Meta- und Epiphyse. Es entstehen Detritus und Infraktionen im Bereich der Epiphysenfugen. Röntgenologisch zeigt sich die Wachstumsfuge verbreitert, metaphysär zeigt sich eine Skleroselinie angrenzend an eine Linie vermehrter Strahlentransparenz, welche auch als »Trümmerfeldzone« beschrieben wird. Auch kleine sporenartige Ausziehungen finden sich im Beriech der Metaphyse, diaphysär kommt es zur Demineralisation mit Spongioasaatrophie. Auch subperiostale Hämatome mit Verkalkungen können vorkommen. Wachstumsstörungen sind hingegen selten. Die adulte Form des Skorbuts ist sehr selten und kommt nur bei schwerer Unterernährung vor. Im Rahmen der hämorrhagischen Diathese kommt es zu Gelenkeinblutungen. Weiterhin findet sich eine zentrale und periphere Osteoporose mit Wirbelkörperdeformierungen.
Hypervitaminose D Klinisch ist die chronische Vitamin-D-Intoxikation durch eine Polyurie, Polydypsie, Erbrechen, Anorexie, Diarrhoe und Bauchschmerzen gekennzeichnet. Laborchemisch bestehen eine Hyperkalzämie, Hyperkalzurie, eine Hämaturie und eine Albuminurie. Kinder zeigen metaphysär verdichtete Areale im Sinne einer verkalkten Wachstumszone. Die Kortikalis ist zum Teil verdickt, es kann zu einer Osteosklerose aber auch zu einer Osteopenie kommen. Im Weiteren finden sich Verkalkungen der Gefäße, der Viszeralorgane, der Muskeln sowie auch periartikulär. Bei Erwachsenen kann sich das Überangebot an Vitamin D als periphere oder zentrale Osteoporose zeigen. Ausgedehnte Weichteilverkalkungen finden sich periartikulär im Bereich der Bursen, der Ligamente sowie an Sehnen, Gelenkkapsel und auch im Gelenkraum. Differenzialdiagnostisch muss bei diesen Veränderungen neben dem Hyperparathyreodismus auch an die renale Osteopathie, das Plasmozytom sowie Skelettmetastasen gedacht werden. Weichteilverkalkungen treten auch bei Kollagenosen, nekrotischen Veränderungen sowie auch beim Milch-Alkali-Syndrom auf.
39.3.9
Hormonelle Osteopathien
Als wichtigste hormonelle Osteopathien gelten die Osteoporose sowie der Hyperparathyreodismus und die Akromegalie. Im Folgenden werden Auswirkungen auf das muskuloskelettale System bei Funktionsstörungen der Schilddrüse und dem Diabetes mellitus beschrieben.
Hyperthyreose Bei der Überfunktion der Schilddrüse kommt es zu einer Überproduktion von Thyroxin und Trijodthyronin. Ursächlich kommen dafür ein autonomes Adenom oder der autoimmunologisch bedingte Morbus Basedow in Betracht. Klinisch sind die Patienten durch Nervosität, Tremor, Hyperhidrose, Gewichtsabnahme, Diarrhoe sowie Tachykardie und Herzrhythmusstörungen gekennzeichnet. Es kommt zu katabolen Veränderungen am Knochen, die zu einem erhöhten Serumkalzium und -phosphat sowie zu einer Erhöhung der alkalischen Phosphatase und zu einer Hyperkalzurie führen.
Bildgebung: Röntgenbefunde Röntgenologische Veränderungen zeigen sich meist erst nach mehreren Jahren, hierbei sind Männer häufiger betroffen. Es kommt zu einer Osteoporose insbesondere des Achsenskeletts, des Schädels und im Bereich der Hände und Füße. Die Wirbelsäule zeigt typische osteoporotische Veränderungen mit Rarefizierung der Spongiosastruktur und Deformitäten der Wirbelkörper, aufgrund der Sinterungen kann es zu einer vermehrten Thorakalkyphose kommen. Hinsichtlich der Röntgenmorphologie ähneln diese Veränderungen der senilen Osteoporose. Die Inzidenz für distale Radius- und Schenkelhalsfrakturen sind erhöht. Bei Kindern kann es zu einer beschleunigten Skelettreifung kommen. Als röntgenologisch nicht fassbare Symptome sind myopathische Veränderungen zu nennen. Thyreoidale Akropachie und Differenzialdiagnose. Die thyreoidale Akropachie ist eine seltene Manifestation einer Hyper-
thyreose, welche meist nach Therapie auftritt. Klinische Symptome sind hierbei ein prätibiales Ödem, ein Exophthalmus, Trommelschlegelfinger sowie und schmerzlose Schwellungen an den distalen Extremitäten. Röntgenologisch sind periostale Knochenformationen an den Metakarpalia, den proximalen und den Mittelphalangen nachzuweisen. Sie sind bei radialseitger Betonung solide und zeigen eine irreguläre zum Teil fransige Begrenzung auf. Differenzialdiagnostisch muss die thyreoidale Akropachie von der hypertrophischen Osteoarthropathie, die in der Regel nur an Tibia, Fibula und Radius auftritt, abgegrenzt werden. Eine identische Verteilung mit zusätzlichen typischen Hautveränderungen des Gesichts zeigt die Pachydermoperiostose. Die Hypervitaminose A sowie die venöse Stase zeigen ebenfalls periostale Veränderungen, sind aber klinisch und auch röntgenologisch von der Akropachie abgrenzbar.
Hypothyreose Bei der Unterfunktion der Schilddrüse kommt es bei der primären Hypothyreose zu einer unzureichenden oder fehlerhaften
1201 39.3 · Metabolische Knochenerkrankungen
Produktion von Thyroxin und Trijodthyronin. Die sekundäre Form ist durch ein vermindertes Vorliegen von Thyroidea-stimulierendem Hormon (TSH) gekennzeichnet. Ätiologisch sind die Atrophie der Schilddrüse, eine Thyreoditis, eine Tumorinfiltration, bestimmte Medikamente oder ein Zustand nach Schilddrüsenresektion oder Radio-Iod-Therapie zu nennen. Klinisch sind die Patienten durch eine Lethargie, Bradykardie, Hypotonie, Myxödeme und Obstipation gekennzeichnet. Bei Kindern führt die Schilddrüsenunterfunktion zu Kretinismus, mentaler Retardierung, ossären Entwicklungsstörungen sowie zu einem prätibialen Myxödem.
Bildgebung: Röntgenbefunde Röntgenologisch sind die Veränderungen bei Kindern sehr ausgeprägt. Es kommt zu einer Brachyzephalie, vergrößerten Sella turcica, Prognathie sowie zu minderbelüfteten Nasennebenhöhlen. Die epiphyseale Dysgenesie zeigt sich im Bereich des Femurund des Humeruskopfes sowie auch im Bereich des Os naviculare. Differenzialdiagnostisch ist an einen Morbus Perthes und einen Morbus Köhler zu denken. Eine weitere Komplikation neben Fehlbildungen im Bereich der thorakaloumbalen Wirbelsäule ist eine Epiphysiolysis capitis femoris. Die Veränderungen beim Erwachsensen sind im Gegensatz dazu recht diskret: es kann zu einer Osteoporose kommen und es besteht eine erhöhte Inzidenz an Karpaltunnelsyndromen. Im Weiteren kommt es zu Gelenk- und Knochenbeschwerden im Sinne von Gelenkergüssen, Weichteilschwellungen und -verkalkungen sowie Muskelkrämpfen und eine vermehrte Steifigkeit.
a
Diabetes mellitus Der Diabetes mellitus hat multiple Erkrankungen des muskuloskelettalen Systems zur Folge: 4 Diabetische neurogene Osteoarthropathie 4 Septische Osteomyelitiden und Arthritiden 4 Degenerative Gelenkveränderungen 4 Diffuse idiopathische Skeletthyperostose (DISH) 4 CPPD-Erkrankung 4 Weichteilveränderungen, wie die Dupuytren-Kontraktur, Tendosynovialitiden, Periarthritiden und das Karpaltunnelsysndrom Der Diabetes mellitus ist die häufigste Ursache für die neurogene Osteoarthropathie. Die diabetische Neuropathie führt zu einem Verlust der Tiefensensibilität und der Schmerzempfindlichkeit insbesondere der unteren Extremität. Weitere Faktoren der Erkrankung sind eine verminderte Durchblutung bei arteriosklerotischen Gefäßwandveränderungen. Röntgenologisch zeigen sich Osteolysen, Osteosklerose und schwere Gelenkdestruktionen insbesondere intertarsal, tarsometatarsal und metatarsophalangeal (. Abb. 39.19). Im weiteren Verlauf der Erkrankung kommt es häufig zu Spontanfrakturen, Luxationen und zusätzlichen Infektionen. Eine reversible Sonderform der diabetischen Osteoarthropathie beinhaltet reaktionslose Osteolysen im Bereich der distalen Metatarsalia und der proximalen Phalangen.
b . Abb. 39.19a, b. Diabetische neurogene Osteoarthropathie. a, b CharcotFuß im Sinne einer diabetischen neurogenen Osteoarthropathie mit knöcherner Destruktion im Chopart-Gelenk und Absenkung des Fußlängsgewölbes
Weitere häufige Komplikationen sind Weichteilulzerationen und -infektionen insbesondere am Fuß, welche sich sekundär auf Knochen und Gelenke ausdehnen können. Typische Lokalisation ist das Gebiet unter dem Metatarsophalangealgelenk I und IV sowie unterhalb des Calcaneus. Dupuytren-Kontrakturen mit fibrotischen Veränderungen, die sich bis auf die Metakarpophalangealgelenke sowie auf die proximalen Interphalangealgelenke ausdehnen können, sind bei Patienten mit Diabetes mellitus häufig nachweisbar. Auch Schmerzen im Bereich der Rotatorenmanschette kommen vor, hierbei zeigen sich zum Teil Weichteilverkalkungen im Bereich der Sehnen oder der Bursae.
39
1202
Kapitel 39 · Systemische Skeletterkrankungen
39.3.10
Toxische Osteopathien
Schwermetallvergiftungen Blei Bleivergiftungen sind bedingt durch Ingestion von bleihaltigen Farben oder Inhalation von bleihaltigen Dämpfen z. B. nach Verbrennung von Batterien. Bleihaltige Munition kann ebenfalls zu einer Intoxikation führen, sofern sie z. B. ein Gelenk betrifft. Bei chronischer Vergiftung findet sich eine Enzephalopathie mit Krämpfen, Delir oder Koma, im weiteren Neuritiden, Bauchschmerzen sowie auch eine Anämie. Bildgebung. Röntgenologisch zeigen sich kräftige sklerotische
Linien in den Metaphysen der Röhrenknochen, meist im Bereich des Kniegelenks. Hierbei sind diese meist im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung auftretenden Veränderungen auch im Bereich der Fibula zu finden. Nach Beseitigung der chronischen Bleivergiftung bilden sich die Skleroselinien innerhalb mehrerer Jahre wieder zurück. Differenzialdiagnostisch müssen diese Linien gegen physiologische Wachstumslinien aber auch gegen Veränderungen bei anderen Wachstumsstörungen wie Rachitis, Skorbut, Hypothyreose, Hypoparathyreodismus sowie Leukämie abgegrenzt werden. Bei Kindern sind weitere Zeichen der Bleivergiftung eine Wachstumsstörung der Röhrenknochen mit Auftreibung der Metaphysen.
Aluminium Aluminiumvergiftungen kommen im Rahmen einer Dialyse oder nach Ingestion großer Mengen aluminiumhaltiger Antazida vor. Das Aluminium lagert sich im Knochen und auch im Gehirn ab, es kann zu einer Dialyseenzaphalopathie kommen.
kommen. Im Weiteren finden sich neben periostalen Knochenneubildungen Fibroostosen im Bereich des Beckenkamms, des Sitzbeins sowie am Unterrand der Rippenansätze. Ligamentäre Kalzifikationen sind paraspinal, sakrotuberös, iliolumbal sowie auch am Extremitätenskelett nachweisbar. Der Knochen weist eine verminderte Stabilität auf, es kommt zu einer erhöhten Inzidenz von Wirbelkörperfrakturen. Differenzialdiagnostisch muss neben osteoblastischen Skelettmetastasen an die Myelofibrose, die Mastozytose, die renale Osteopathie und den Morbus Paget gedacht werden. Im Weiteren kommen auch die diffuse idiopathische Skeletthyperostose (DISH), eine ausgeprägte Spondylose und die Akromegalie als Differenzialdiagnose in Betracht. Periostale Proliferationen finden sich auch bei der hypertrophen Osteoarthropathie, der Pachydermoperiostose sowie der thyroidalen Akropachie.
Milch-Alkali-Syndrom Das Milch-Alkali-Syndrom ist eine Erkrankung, bei der es zu einer Hyperkalzämie ohne gleichzeitige Hyperkalzurie oder Hyperphosphatämie kommt. Ursächlich kommen Patienten in Betracht, welche bei vorliegender Niereninsuffizienz über Jahre große Mengen Milch und Kalziumkarbonat, bei erhöhter Säureproduktion des Magens, zu sich genommen haben. Bildgebung. Röntgenologisch kommt es zu ausgeprägten periartikulären Weichteilverkalkungen, auch Gefäßverkalkungen sowie Verkalkungen der Niere, von ligamentären Strukturen und der Falx cerebri treten auf. Knöcherne Auffälligkeiten können nicht nachgewiesen werden. Differenzialdiagnostisch kommen der Hyperparathyreodismus, die renale Osteodystrophie, die Hypervitaminose D, Kollagenosen und die idiopathische tumoröse Kalzinose in Betracht.
Bildgebung. Röntgenologisch finden sich eine Osteopenie, ra-
39
chitisähnliche Veränderungen mit Looser-Umbauzonen, Periostitiden und pathologischen Frakturen.
Bismut Bismutvergiftungen traten in Zusammenhang mit der Syphilistherapie auf. Aufgrund der Plazentagängigkeit kam es zu fetalen Skeletteinlagerungen mit Ausbildung von Skleroselinien wie bei der Bleivergiftung. Bei Erwachsenen konnten teilweise auch Osteonekrosen nachgewiesen werden.
Medikamentös induzierte Osteopathien Fluorose Eine chronische Fluorintoxikation wird bei Industrie- und Laborarbeitern sowie bei Patienten mit hochdosierter Fluormedikation beobachtet. 99% des aufgenommenen Fluors wird im Körper im mineralisierten Gewebe gespeichert. Klinisch fallen die Patienten mit Gelenkschmerzen, Kreuzschmerzen, Paraplegie, Dyspnoe und palpablen Hyperostosen auf. Bildgebung. Röntgenologisch kommt es zu sklerotischen Verän-
derungen des Achsenskeletts, geringer ausgeprägt auch im Bereich der langen Röhrenknochen und im Bereich des Schädels. In fortgeschrittenem Krankheitsstadium kann es aufgrund der Spondylophytenbildung zur Ausbildung einer spinalen Stenose
Weiter Medikamente Langfristige Prostaglandingabe bei Neugeborenen führt zu einer periostalen Knochenneubildung, insbesondere im Bereich der Rippen und der Röhrenknochen, seltener auch im Bereich der Mandibula, Skapula und der Clavicula. Dilantin, Heparin, Methotrexat und Alkohol können zu einer Osteoporose führen. Eine Osteomalazie wird bei der Gabe langfristiger Gabe von Phenobarbital und Phenytoin beobachtet.
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1203 39.4 · Osteonekrosen und Knocheninfarkte
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39.4
Osteonekrosen und Knocheninfarkte S. Waldt, M. Eiber
Als Osteonekrose wird ein mehr oder weniger lokalisierter Untergang von ehemals vitalem spongiösem und kompaktem Knochen bezeichnet, welcher nahezu ausschließlich die epiphysären oder apophysären Knochenabschnitte betrifft. Knocheninfarkte stellen demgegenüber eine die Spongiosa und das Fettmark betreffende Form der Nekrose dar, die typischerweise in metaphysärer oder metadiaphysärer Lokalisation beobachtet wird.
39.4.1
Aseptische Knochennekrosen im Erwachsenenalter
Eine Vielzahl von Faktoren (Traumen, Pharmaka, z. B. Kortison, Strahlenschäden, Gefäßprozesse, Stoffwechselerkrankungen, Entzündungen) können als Ursachen von Osteonekrosen des Erwachsenenalters angeführt werden. In der Pathogenese steht letztlich jedoch immer eine Störung der ossären Makro- und/ oder Mikrozirkulation mit konsekutivem Zelltod und Nekrose im Mittelpunkt.
Hüftkopfnekrose Definition, Ätiologie, Epidemiologie Aufgrund der unterschiedlichen Ätiologie wird die idiopathische von der posttraumatischen Hüftkopfnekrose abgegrenzt. Für die Entstehung der posttraumatischen Hüftkopfnekrose wird eine Verletzung der hüftkopfversorgenden Arterien verantwortlich gemacht. Nach intrakapsulären (medialen) Schenkelhalsfrakturen, Hüftluxationen und Epiphysiolysis capitis femoris kommt es in einem nicht unerheblichen Anteil zu sekundären Hüftkopfnekrosen. Die idiopathische Hüftkopfnekrose tritt im Wesentlichen zwischen dem 4. und 7. Lebensjahrzehnt auf, Männer sind häufiger als Frauen von der Erkrankung betroffen.
Klassifikation, Klinik, Bildgebung Zur Beschreibung des stadienhaften Verlaufs der Hüftkopfnekrose wurden unterschiedliche Klassifikationssysteme entwickelt (. Tab. 39.4, . Abb. 39.20). Die weit verbreitete Klassifikation nach Ficat und Arlet berücksichtigt sowohl klinische als auch radiologische Befunde. Während im symptomatischen Stadium I ein unauffälliger Röntgenbefund des Hüftgelenks erhoben wird, folgt im Stadium II eine Demarkierung des teils osteolytischen teils fleckig sklerotischen Nekroseareals durch einen Sklerosierungssaum. Im Stadium 3 tritt eine Entrundung des Hüftkopfs hinzu. Im Stadium 4 sind sekundärarthrotische Veränderungen nachweisbar, welche das Bild der ursprünglichen Osteonekrose überlagern können. Bei klinischem Verdacht auf eine Hüftkopfnekrose bei noch negativem Röntgenbefund hat sich die MRT aufgrund ihrer hohen Sensitivität und Spezifität als bildgebendes Verfahren der Wahl etabliert. Im frühen Stadium lässt sich das epiphysäre Nekroseareal im Hüftkopf bereits abgrenzen. Es finden sich subchondrale, häufig sektorförmige Signalalterationen auf T1- und T2w-MRT-Aufnahmen, in der Regel hypointens sowohl auf T1als auch auf T2w-Bildern. In der Literatur wird der Nachweis subchondraler Signalveränderungen (band lesions) ab einer bestimmten Größe (Länge >12 mm und Dicke >4 mm) auf T2oder kontrastvertärkten T1-gewichteten Aufnahmen als Zeichen mit einem sehr hohen prädiktiven Wert für eine Osteonekrose beschrieben. Als beweisend für eine Nekrose gilt die im weiteren Verlauf auftretende Demarkierung des Infarktareals durch das so ge-
. Tab. 39.4. Klassifikation der Hüftkopfnekrose nach Ficat und Arlet
Stadium
Röntgenbefund
Klinik
0
Normal
Asymptomatisch
1
Normal
Symptomatisch
2
Lokalisierte Sklerosierungen und Osteolysen, sklerotischer Randsaum
Symptomatisch
3
Entrundung des Hüftkopfs
Symptomatisch
4
Sekundärarthrotische Veränderungen
Symptomatisch
39
1204
Kapitel 39 · Systemische Skeletterkrankungen
. Abb. 39.20. ARCO-Stadien
39
nannte »Doppellinienzeichen«, welches auf T2-gewichteten Aufnahmen oder kontrastverstärkten T1-gewichteten Aufnahmen nachgewiesen werden kann. Das Doppellinienzeichen kommt dadurch zustande, dass das nekrotische Segment von einer signalreichen Linie (Granulationsgewebe) und einer parallel verlaufenden dem gesunden Knochen zugewandten signalarmen Linie (reaktive Randsklerose des gesunden Knochens) vom gesunden Knochen abgegrenzt wird. Auch in anderen Lokalisationen trifft dieses als pathognomonisch für eine Osteonekrose beschriebene MR-Zeichen zu.
In den letzten Jahren hat sich im deutschsprachigen Raum und in Europa zunehmend die ARCO-Klassifikation (ARCO: Association internationale de la Recherche sur la Ciculation Osseuse) der Knochennekrosen etabliert (. Abb. 39.20). Im Gegensatz zur Klassifikation nach Ficat und Arlet wird der klinische Befund in dieser Einteilung nicht berücksichtigt. Die Klassifikation basiert auf dem mittels Bildgebung (konventionelles Röntgen, CT, MRT und Szintigraphie) erhobenen Befund und es werden für die Prognose wichtige Faktoren wie Größe und Lokalisation der Nekrose in der Einteilung aufgeführt (Übersicht).
ARCO-Klassifikation der Hüftkopfnekrose 4 Im Stadium ARCO 0 sind alle bildgebenden Befunde negativ. Es handelt sich nur um ein theoretisches Stadium, da in Tierversuchen gezeigt werden konnte, dass sehr frühe Stadien der Ischämie der Bildgebung entgehen. 4 Im Stadium ARCO 1, das als reversibles Frühstadium gilt, sind im konventionellen Röntgen und im CT keine pathologischen Befunde zu erheben. Im MRT sind Signalveränderungen im subchondralen Knochen ohne Demarkationszone nachweisbar. In der Skelettszintigraphie kann aufgrund der reaktiven Hyperämie eine diffuse Mehranreicherung oder ein »cold spot« aufgrund der Minderperfusion
6
des Nekroseareals nachweisbar sein. Zusätzlich werden in der ARCO-Klassifikation Lokalisation (medial (A), zentral (B) und lateral (C)) und Ausmaß der Nekrose (<15% (A), 15–30% (B), >30% (C)) bewertet. Generell gilt, dass ein Zusatzstadium C eine schlechtere Prognose bedeutet. 4 Das Stadium ARCO 2 (irreversibles Frühstadium) ist durch Demarkierung des nekrotischen Segments durch einen reaktiven Randsaum gekennzeichnet. Im Röntgenbild und im CT lässt sich ein Sklerosesaum angrenzend an das nekrotische Segment abgrenzen, das mit pathologischer Knochenstruktur (fleckförmige Sklerosen und Osteolysen) zur Dar-
1205 39.4 · Osteonekrosen und Knocheninfarkte
stellung kommt. Im MRT entspricht das »Doppellinienzeichen« der Demarkierung des nekrotischen Segments durch einen Wall aus Granulationsgewebe und Randsklerose (s. oben). 4 Entsprechend ist in der Szintigraphie das Zeichen eines »cold in hot spot« pathognomonisch mit Anreicherungen der Randzone und fehlender Aktivität im Nekroseaeral. Die Subklassifizierung wird entsprechend dem Stadium 1 durchgeführt. 4 Das Stadium ARCO 3 ist durch das Auftreten einer Fraktur definiert. Diese kann subchondral im nekrotischen Knochen als (»crescent sign«) oder als Kollaps bzw. Abflachung des Hüftkopfs in den bildgebenden Verfahren zur Darstellung kommen. Der Nachweis einer subchondralen Fraktur als lineare, halbmondförmige Aufhellungslinie im konventionellen Röntgenbild und im CT wird als »crescent sign« bezeichnet. Korrespondierend kann im MRT auf T2w-Auf-
Auch wenn die ARCO-Klassifikation für alle bildgebenden Verfahren definiert ist, gilt dennoch, dass im Frühstadium die Diagnose einer Hüftkopfnekrose am besten im MRT gestellt werden kann. Auch die exakte Ausdehnung und Lokalisation des nekrotischen Segments lassen sich am besten mittels MRT beurteilen. In späteren Stadien lässt sich eine Fraktur und die entsprechende Ausdehnung am besten mittels CT diagnostizieren.
Therapie Das prognostisch und therapeutisch wichtigste Kriterium bei der Beurteilung der Knochennekrosen ist der Frakturnachweis. Da die Entrundung des Femurkopfs eine erhebliche Präarthrose darstellt, ist dann nur in seltenen Fällen langfristig eine den Femurkopf erhaltende Therapie möglich.
Morbus Ahlbäck Lokalisation, Epidemiologie, Klinik
nahmen eine signalreiche bandförmige Zone abgegrenzt werden, die durch Eintritt von Gelenkflüssigkeit in die Frakturzone zustande kommt. Szintigraphisch zeigt sich im Stadium 3 ein »hot in hot spot«. Im Stadium ARCO 3 erfolgt die Subklassifizierung anhand der Ausdehnung der subchondralen Frakturlinie (<15% A, 15–30%, >30% C) und anhand der Abflachung des Hüfkopfs (<2 mm: A, 2–4 mm: B, >4 mm: C). Die Lokalisation wird entsprechend der Subklassifizierung des Stadium 1 und 2 beurteilt. 4 Für das Stadium ARCO 4 ist der Nachweis sekundärarthrotischer Veränderungen charakteristisch. Die klassischen Zeichen der Arthrose mit Gelenkspaltverschmälerung, subchondraler Sklerose, Zystenbildung und osteophytären Ausziehungen sind mittels konventionellem Röntgen, CT und MRT darstellbar. Szintigraphisch zeigt sich eine Mehranreicherung im Sinne eines »hot spots«.
Femurkondylus ist meist ein umschriebenes Knochenmarködem nachweisbar. Dieses lässt sich sehr gut auf fettsupprimierten T2-, intermediär-, protonengewichteten und auf STIR-Aufnahmen abgrenzen. Als Frühzeichen der Osteonekrose und Differenzierungskriterium gegenüber dem transienten Knochenmarködem gilt der Nachweis subchondraler bandförmiger Signalminderungen. Eine Längsausdehnung signalarmer Areale >14 mm, eine Dicke >0,4 cm sowie eine Lokalisation in der Tiefe des Kondylus wurden als relativ sichere Hinweise auf eine irreversible Osteonekrose beschrieben. Die eindeutige Definition des Nekroseareals kann durch i.v.-Kontrastmittel-Applikation erleichtert werden. Das nekrotische Fragment ist aufgrund der fehlenden Kontrastmittel-Aufnahme vom angrenzenden Knochenmarködem abgrenzbar. Die MRT ermöglicht außerdem eine Beurteilung des Knorpelüberzugs der betroffenen Femurepiphyse.
Osteonekrose des Os lunatum Definition, Ätiologie, Epidemiologie
Die idiopathische (spontane) meist unilateral auftretende Osteonekrose am Kniegelenk manifestiert sich in der Regel in der Belastungszone des medialen Femurkondylus. Selten sind der laterale Kondylus, das mediale oder laterale Tabiaplateau betroffen. Der Morbus Ahlbäck betrifft zumeist ältere, häufig weibliche Patienten. Als charakteristisch werden plötzlich auftretende Schmerzen im Bereich des medialen Femurkondylus angesehen.
Die Nekrose des Os lunatum tritt gehäuft nach einmaligen, aber v. a. nach repititiven Traumen des Handgelenks bei Patienten im Alter zwischen 20 und 40 Jahren auf. Männer sind häufiger als Frauen von der Erkrankung betroffen. Bei >70% der Patienten besteht eine Ulnaminusvariante.
Bildgebung
Klassifikation, Bildgebung
Unmittelbar nach Auftreten der Beschwerdesymptomatik sind konventionelle Röntgenaufnahmen in der Regel unauffällig. Nach einigen Wochen kann neben einer diskreten Verdichtung der subchondralen Spongiosa eine Abflachung des Femurkondylus sichtbar sein. Nach 2–3 Monaten finden sich subchondrale Aufhellungszonen, meist ist eine Demarkierung des Nekroseareals durch eine Umgebungssklerose erkennbar. Im späteren Verlauf kommt es zum Einbruch der Kortikalis bzw. zur Sinterung des Femurkondylus. Mittels MRT kann die Diagnose des Morbus Ahlbäck sehr sensitiv zu einem frühen Zeitpunkt gestellt werden. Im betroffenen
Für die Stadieneinteilung der Osteonekrose des Os lunatum anhand konventioneller Aufnahmen wird meist die von Decoulx eingeführte Klassifikation verwendet: 4 Stadium 1: vermehrte Sklerosierung des Os lunatum. 4 Stadium 2: mikrozystische Veränderungen neben den Skleroseinseln. 4 Stadium 3: Infraktion des proximalen Anteils mit beginnender Sinterung und begleitender karpaler Instabilität (vermehrte Flexionsstellung des Os scaphoideum (. Abb. 39.21). 4 Stadium 4: progredienter Kollaps des Os lunatum und eine perilunäre Arthrose.
Synonyma: Morbus Kienböck, Lunatummalazie.
39
1206
Kapitel 39 · Systemische Skeletterkrankungen
39.4.2
Aseptische Knochennekrosen im Wachstumsalter
Synonym: Osteochondrosen.
. Abb. 39.21. Lunatummalazie. Die konventionelle Aufnahme des Handgelenks im dorso-palmaren Strahlengang zeigt eine Sinterung des Os lunatum im proximalen Anteil, einer Lunatummalazie im Stadium 3 entsprechend. Zusätzlich ist nach stattgehabter distaler Radiusfraktur eine T-Platte abgrenzbar
Aseptische Knochennekrosen treten im wachsenden Skelett zumeist in einer typischen Altersspanne und häufig unter Bevorzugung des männlichen oder weiblichen Geschlechts auf. . Tab. 39.5 und . Abb. 39.22 zeigen typische Lokalisationen der Osteonekrosen, die Eigennamen ihrer Erstbeschreiber, nach denen sie benannt werden und das Manifestationsalter, in dem die Osteochondrosen typischerweise auftreten. Bei den Osteochondrosen handelt es sich um eine heterogene Gruppe von Erkrankungen, die radiologisch mit Sklerosierung, Fragmentierung, Deformierung, häufig Reossifizierung und Wiederherstellung der ossären Kontur eines apohysären oder epiphysären Knochenkerns in Erscheinung treten. Neben primären (idiopathischen) und sekundären Osteonekrosen werden andere Entitäten, wie der Morbus Sever (Verdichtung der Calcaneusapophyse) oder der Morbus van Neck (Auftreibung und Irregularität der Synchondrosis ischiopubica) heute nicht mehr als Folge einer aseptischen Knochennekrosen, sondern als vorübergehende Ossifikationsstörung angesehen, die keinen wirklichen Krankheitswert besitzen. Bei anderen Manifestationsformen, z. B. der Scheuermann-Erkrankung, die ätiologisch auf ein Trauma oder abnormen Stress zurückgeführt werden, können histologisch ebenfalls keinerlei Osteonekrosen nachgewiesen werden. Aus der Gruppe der Osteochondrosen wird im Folgenden auf den Morbus Perthes, den Morbus Scheuermann und die Osteochondrosis dissecans detaillierter eingegangen.
. Tab. 39.5. Übersicht über die Lokalisation und das Manifestationsalter juveniler Osteochondrosen
39
Lokalisation
Erstbeschreiber (Eigenname)
Manifestationsalter (Jahre)
1 Wirbelkörperapophysen
Scheuermann
13–17
2 Darmbeinkammapophyse
Buchmann
3 Symphysis pubica
Pierson
4 Synchondrosis ischiopubica
van Neck
5 Humeruskopfepiphyse
Hass
6 Capitulum humeri
Panner
7 Metakarpalköpfchen
Dietrich/Mauclaire
8 Grundphalangen
Thiemann
11-19
9 Femurkopfepiphyse
Legg-Calve-Perthes
4–8
10 Patella
Sinding-Larsen
10–14
11 Mediale Tibiaepiphye
Blount
1–3 (infantile Form) 8–15 (adoleszente Form)
12 Tibiaapophyse
Osgood-Schlatter
11–15
13 Calcaneusapophyse
Sever
9–11
14 Os naviculare
Köhler I
3–7
15 Metatarsalköpfchen
Köhler II, Freiberg
13–18
4–11
5–10
1207 39.4 · Osteonekrosen und Knocheninfarkte
. Abb. 39.22. Lokalisation juveniler Osteochondrosen (Nummerierung . Tab. 39.5)
Morbus Perthes Definition, Epidemiologie Synonym: Morbus Legg-Calvé-Perthes.
Der Morbus Perthes ist eine aseptische (idiopathische) Hüfkopfnekrose des Kindesalters und unterscheidet sich von der entsprechenden Erwachsenenform durch die noch unvollständige Ossifikation der Epiphyse mit entsprechendem Heilungspotenzial. Die Erkrankung befällt überwiegend Kinder im Alter von 4–8 Jahren, Jungen sind in einem Verhältnis von 5:1 häufiger als Mädchen betroffen. In ca. 10% der Fälle kommt es zu einer bilateralen Manifestation der Erkrankung, dann ist ein metachroner Befall der Femurköpfe charakteristisch. Die synchrone Erkrankung beider Femurköpfe spricht eher gegen einen Morbus Perthes und für eine Epiphysenstörung anderer Genese. Beim Hypothyreoidismus und der epiphysealen Dysplasie findet sich eine ähnliche, gelegentlich sogar identische Röntgenmorphologie wie im Fragmentationsstadium des Morbus Perthes.
Klinik Klinisch ist eine Abspreizhemmung (Adduktionskontraktur) des betroffenen Beins der typische Befund.
Bildgebung Als Frühzeichen des Morbus Perthes im konventionellen Bild gelten:
4 Verlagerung des perikapsulären und Iliopsoasfettstreifen nach lateral 4 Verbreiterung des medialen Gelenkspalts durch Verlagerung des Epiphysenkerns nach lateral 4 Im Vergleich zur Gegenseite verkleinerter Epiphysenkern 4 Subchondrale Fraktur meist des anterolateralen Kopfsegments (»Sichelzeichen, crescent sign«) 4 Im Frakturbereich und im Gelenkspalt tritt manchmal ein »Vakuumphänomen« auf. 4 Inaktivitätsosteoporose Der weitere stadienhafte Verlauf der Erkrankung ist durch folgende Veränderungen charakterisiert (. Abb. 39.23): 4 Metaphysendefekte 4 Diffuse Femurkopfverdichtung 4 Femurkopffragmentation 4 Schenkelhalsverkürzung und -verbreiterung mit relativem Trochanter maior-Hochstand; Coxa vara 4 Reparationsstadium mit Wiederaufbau des Femurkopfs 4 Walzen- und Pilzform des proximalen Femurs (Coxa magna et plana) Das Fortschreiten der Erkrankung und der Ausprägungsgrad sind allerdings sehr variabel. Die Krankheit kann komplett ausheilen, häufig bleibt aber im Sinne einer Defektheilung eine prä-
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Kapitel 39 · Systemische Skeletterkrankungen
Catterall-Klassifikation des Mobus Perthes
a
4 Im Stadium I ist lediglich der ventrale Epiphysenanteil beteiligt. Es sind keine Fragmentation oder subartikuläre Einbrüche nachweisbar. 4 Das Stadium II kennzeichnet sich durch ein größeres befallenes Areal im Bereich der ventralen Epiphyse, das jedoch medial und lateral von vitalen Epiphysensegmenten umgeben ist. Manchmal treten zusätzlich kleine zystische Veränderungen der Metaphyse auf. 4 Wenn die gesamte Epiphyse bis auf ein laterodorsales Segment nekrotisch ist, liegt ein Befall im Stadium III vor. 4 Bei deutlicher »pilzförmiger« Abflachung des gesamten Femurkopfs mit ausgedehnten metaphysären Veränderungen als Hinweis auf ein Stadium IV muss, wie auch im Stadium III, mit der Entwicklung einer Coxa magna et plana gerechnet werden.
tions- bzw. Reparationsstadium getroffen werden. Das frühe Reparationsstadium ist durch den Nachweis von Fettmarkinseln im Femurkopf gekennzeichnet.
Morbus Scheuermann Definition Synonym: Adoleszentenkyphose, juvenile Kyphose. b
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. Abb. 39.23a, b. Morbus Perthes. Radiologische Befunde. a Beckenübersichtsaufnahme, b koronare PDw-fs. Die Aufnahmen zeigen einen Morbus Perthes des rechten Hüftgelenks im Fragmentationsstadium. Der gesamte Hüftkopfkern ist nekrotisch. Es besteht eine Verlagerung des Epiphysenkerns nach lateral und es lassen sich metaphysäre Defekte abgrenzen. Im Vergleich zur Gegenseite besteht eine Verkürzung des Schenkelhalses, ein relativer Trochanterhochstand und eine geringe varische Fehlstellung des Schenkelhalses
arthrotische Deformität (Coxa magna et plana) zurück. Die Catterall-Klassifikation des Morbus Perthes ist insofern von Bedeutung, als dass über Ausdehnung der epiphysären Nekrose eine prognostische Einschätzung der Erkrankung erfolgen kann. Während die Prognose der Erkrankung in den Stadien I und II gut bzw. noch gut ist, verschlechtert sie sich in den Stadien III und IV (. Abb. 39.24, Übersicht). Konventionelle Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen (a.p.-Aufnahme und axiale Aufnahme nach Lauenstein) stellen die Grundlage der bildgebenden Diagnostik des Morbus Perthes dar. Bei röntgen-negativen Befunden kann die Nekrose der Hüftkopfepiphyse mittels MRT bereits im Frühstadium nachgewiesen werden. Die Nekrose stellt sich im MRT zunächst als Signalverlust auf den T1-gewichteten Aufnahmen mit begleitendem Ödem auf den T2-gewichteten Aufnahmen oder STIR-Aufnahmen dar. Die MRT erlaubt eine exakte Definition der Ausdehnung der Nekrose und anhand der Signalcharakteristika des Epiphysenkerns kann in unklaren Fällen eine Zuordnung zum Fragmenta-
Der Morbus Scheuermann wird als Aufbau- und Wachstumsstörung der Wirbelsäule aufgefasst, die sich im Bereich der Abschlussplatten der Wirbelkörper abspielt und mit einer tiefen thorakalen Kyphose unterschiedlichen Ausmaßes einhergeht.
Klinik Die Erkrankung tritt in der Regel bei Jugendlichen zwischen dem 13. und 17. Lebensjahr auf. Die klinische Symptomatik ist stark variabel. Während einige Patienten beschwerdefrei sind, zeigen sich bei anderen starke Rückenschmerzen und Versteifungen der betroffenen Wirbelsäulensegmente. Die Erkrankung betrifft ganz überwiegend die mittlere und untere Brustwirbelsäule (BWK 4–BWK 12), seltener sind isolierte lumbale oder zervikale Manifestationen.
Bildgebung Folgende Veränderungen im konventionellen Röntgenbild sind für einen Morbus Scheuermann charakteristisch (. Abb. 39.25, . Abb. 39.26): 4 Konvexe Vorderkontur der Wirbelkörper (Tonnenwirbel) 4 Keilförmige Deformität der Wirbelkörper, im späteren Verlauf mit vermehrtem sagittalem Wirbelkörperdurchmesser 4 Ventral betonte Höhenabnahme des Zwischenwirbelraums 4 Konturirregularitäten der Deck- und Bodenplatten 4 Intraspongiöse Bandscheibenherniationen (Schmorl-Knoten) 4 Limbuswirbel. kommt durch einen retromarginalen Bandscheibenprolaps zwischen Ringepiphyse und Wirbelkörper zustande.
1209 39.4 · Osteonekrosen und Knocheninfarkte
. Abb. 39.24. Catterall-Stadien des Morbus Perthes. Stadien s. Übersicht
4 Edgren-Vaino-Zeichen; durch kompensatorisches Knochenwachstum kommt es zu einer ossären Vorwölbung im Bereich der Grundplatte gegenüber einem größeren SchmorlKnötchen.
Osteochondrosis dissecans Definition, Epidemiologie, Ätiologie Bei der Osteochondrosis dissecans handelt sich um eine Erkrankung des Adoleszenten und jungen Erwachsenen, die deutlich
gehäuft zwischen dem 10. und 17. Lebensjahr auftritt. Die häufigsten Lokalisationen der Osteochondrosis dissecans sind der mediale Femurkondylus (im nicht Druck aufnehmenden Teil des Femurkondylus), die mediale Talusschulter und das Capitulum humeri. Die Pathogenese dieser sowohl zu den Osteonekrosen als auch zu den osteochondralen Verletzungen gezählten Erkrankung ist nicht vollständig geklärt, die ätiologische Bedeutung einzelner oder repititiver Traumen ist jedoch mittlerweile unumstritten. Fraglich ist, ob der Erkrankung eine idiopathische Knochennekrose zugrunde liegt oder ob die Osteonekrose sekundär auf dem Boden einer osteochondralen Verletzung eintritt.
Bildgebung Konventionelle Röntgenaufnahmen können initial unauffällig
. Abb. 39.25. Synopsis der charakteristischen Röntgenbefunde des Morbus Scheuermann (nach Dihlmann). Charakteristisch sind (von oben nach unten): eine keilförmige Deformierung der Wirbelkörper, eine ventral betonte Abnahme des Zwischenwirbelraums, ein vergrößerter Wirbelkörperdurchmesser, verdichtete Abschlussplatten, Schmorl-Knoten (typisch im ventralen Drittel des Grund- und Deckplatten), bei denen es teilweise gegenüber zu einem kompensatorischem Knochenwachstum (Edgren-Vaino-Zeichen) (schwarzer Pfeil), retromarginaler Diskusprolaps (Kantenabtrennung) (Pfeil), evtl. Ermüdungsfrakturen im Bereich der Dornfortsätze (Pfeilspitze)
sein, eine subchondrale Frakturlinie oder eine umschriebene subchondrale Aufhellung zeigen. Im weiteren Verlauf tritt meist eine Randsklerose hinzu. Das Dissekat selbst kann sklerosieren, zystisch degenerien oder fragmentieren. In Ergänzung zum Röntgenbild eignet sich die MRT zur Frühdiagnose, Stadienzuordnung sowie zur Beurteilung des Knorpelüberzugs, der Vitalität und der Stabilität des Dissekats. In Anlehnung an die Einteilung von Berndt und Harty wird die Osteochondrosis dissecans magnetresonanztomographisch in 4 Stadien eingeteilt (Übersicht). MRT-Aufnahmen nach Kontrastmittel-Applikation lassen Rückschlüsse auf die Vitalität und Stabilität des osteochondralen Fragments zu. Lassen sich im Bereich des T2-signalreichen Randsaums Anreicherungen nachweisen, so spricht dies für Granulationsgewebe und gegen eingetretene Gelenkflüssigkeit, also für eine größere Stabilität des Fragments. In der Beurteilung der Integrität des Knorpelüberzugs, im Nachweis einer Dissekatablösung und in der Detektion freier Gelenkkörper sind die direkte
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Kapitel 39 · Systemische Skeletterkrankungen
a
b
. Abb. 39.26a–c. Morbus Scheuermann. Radiologische Befunde. a Auf dem Röntgenbild der LWS im seitlichen Strahlengang zeigen sich intraspongiöse Bandscheibenherniationen (Schmorl-Knoten) und Konturirregularitäten der Deck- und Bodenplatten. Zusätzlich finden sich ventrale Abflachungen an einigen Wirbelkörpern und ein vergrößerter sagittaler Durchmesser insbesondere von LWK 4. b Auf einer sagittalen T1w-MRT-Aufnahme finden
Einteilung der Osteochondrosis dissecans in Anlehnung an Berndt und Harty
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4 Im Stadium I (konventionelles Röntgenbild unauffällig) findet sich subchondral eine unscharf demarkierte Ödemzone. 4 Im Stadium II lässt sich bei erhaltenem hyalinem Knorpelüberzug eine auf Aufnahmen aller Pulssequenzen signalarme Linie abgrenzen, die das subchondrale Fragment demarkiert. 4 Im Stadium III wird das Dissekat durch eine auf T2-gewichteten Aufnahmen signalreiche Linie abgegrenzt, die auf hypervaskularisiertes Granulationsgewebe oder auf eingetretene Gelenkflüssigkeit zurückzuführen ist. 4 Im Stadium IV besteht eine vollständige Herauslösung und Dislokation des Fragments (. Abb. 39.27).
c sich mehrere intraspongiöse Bandscheibenherniationen. Am LWK 3 ist gegenüber des Schmorl-Knotens ein kompensatorisches Knochenwachstum mit geringer ossärer Vorwölbung (Edgren-Vaino-Zeichen) nachweisbar. c Auf dem Ausschnitt der LWS-Aufnahme im seitlichen Strahlengang ist ein retromarginaler Bandscheibenprolaps des LWK 5 abgrenzbar
troffen ist. Ursächlich für einen Knocheninfarkt ist eine Unterbrechung oder Reduktion der Blutversorgung. Diese kann durch folgende Erkrankungen ausgelöst sein: 4 Trauma 4 Frakturen oder Luxationen 4 Veränderungen an den Gefäße durch Thrombose oder Embolien (z. B. Sichelzellenanämie oder andere Hämoglobinopathien) 4 Vaskulitische Gefäßschäden (u. a. SLE) 4 Bei erhöhtem Druck auf die Blutgefäße durch Einblutungen, Fettablagerungen in Osteozyten Eine Vielzahl von Risikofaktoren sind bekannt: Kortison- oder Chemotherapie (z. B. MTX), Morbus Cushing, Alkoholabusus, Morbus Gaucher, Zustand nach Nierentransplantation, Bestrahlung oder Caisson-Erkrankung durch Stickstoffbläschen.
Lokalisation, Klinik
MR-Arthrographie und die direkte CT-Arthrographie der kon-
ventionellen MRT überlegen (. Abb. 39.28).
39.4.3
Knocheninfarkt
Definition, Ätiologie Ein Knocheninfarkt ist eine umschriebene Nekrose von Spongiosa und Knochenmark, wobei der kortikale Knochen nicht be-
In der Regel sind Knocheninfarkte metaphysär oder metadiaphysär in den langen Röhrenknochen lokalisiert. In selteneren Fällen sind sie auch epiphysär im distalem Femur oder der proximaler Tibia lokalisiert. Zudem können in Ausnahmefällen der proximale Femur, die distale Tibia oder proximale Humerus betroffen sein. Die klinische Manifestation eines Knocheninfarkts reicht von einem völlig asymptomatischen Bild über Dauerschmerzen bis hin zu plötzlich einschießenden Schmerzen, die wahrscheinlich durch Fakturierungen des spongiösen Knochens ausgelöst werden.
1211 39.4 · Osteonekrosen und Knocheninfarkte
a
b
. Abb. 39.27a, b. Osteochondrosis dissecans (Stadium 4). a, b Die sagittalen PD w-fs-MRT-Aufnahmen demonstrieren eine Osteochondrosis dis-
a
b
. Abb. 39.28a–c. Zystische Osteochondrosis dissecans der medialen Talusschulter. a Koronare PD w-fs-Aufnahme; b T1w-Aufnahme; c sagittale T1w-, KM-verstärkte fs-MRT-Aufnahme. Die Aufnahmen demonstrieren eine zystische Osteochondrosis dissecans der medialen Talusschulter. Der über
secans im Stadium 4 mit Dislokation des osteochondralen Fragments in das Gelenk
c der Läsion liegende Knorpelbelag ist intakt. Während der zystische Anteil keine KM-Aufnahme zeigt, findet sich ein lineares Enhancement im Randbereich der Läsion und ein flächiges Enhancement des angrenzenden Knochenmarködems
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Kapitel 39 · Systemische Skeletterkrankungen
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b
c
. Abb. 39.29a–c. Knocheninfarkt. Radiologische Befunde. a Auf der konventionellen Aufnahme im a.p.-Strahlengang lassen sich für einen Knocheninfarkt charakteristische polyzyklische bzw. girlandenförmige Sklerosierungen abgrenzen, die eine unscharf begrenzte Transparenzerhöhung umgeben. b, c Auf den sagittalen MRT-Aufnahmen zeigt sich in der PD w (b)
und in der T1w-Sequenz (c) ein annähernd fettäquivalentes Zentrum der Läsion, welches von einem girlandenförmigem Randsaum umgeben wird. Auf der PD w-Aufnahme besteht die Randzone aus einem signalarmen Saum (außen) und einem signalreichen Anteil (innen), so genanntes »Doppellinienzeichen«
Bildgebung
4 Die Randzone zeigt auf T2w- und T1w-fs-MRT-Aufnahmen ein typisches Doppellinienzeichen: signalarme Linie zum gesunden Knochen (reaktive Sklerose), signalreiche Linie zum Infarkt (Granulationsgewebe) hin. 4 Im Nekroseareal können sekundär zystische Degenerationen und Kalzifikationen auftreten.
Im akuten Stadium des Knocheninfarkts ist auf konventionellen Aufnahmen kein charakteristischer Befund zu erheben. Der betroffene Knochen kann ohne Auffälligkeiten zur Abbildung kommen. Es können aber auch eine diffuse Demineralisierung, fleckige Transparenzerhöhungen und lamelläre Periostreaktionen nachweisbar sein. In diesem Stadium kann daher die differenzialdiagnostische Abgrenzung gegenüber einem entzündlichen oder tumorösen Prozess schwierig sein. Später zeigen sich sehr charakteristische unscharf begrenzte, landkartenförmig konfigurierte (geographic pattern) Aufhellungen, die von einem peripheren Sklerosesaum girlandenförmig umrahmt werden (. Abb. 39.29). Zusätzlich kann ein maturer Infarkt intraläsionale Verkalkungen aufweisen, die sekundär in der Fettgewebsnekrose entstehen. Nuklearmedizinisch imponiert der Koncheninfarkt initial als »cold spot« als Zeichen der verminderten Anreicherung der Nekrose, wobei später ein erhöhter Uptake von Tc99 markierten Phosphonaten (»cold in hot spot«) beobachtet wird. In der MRT zeigt der ältere Infarkt ein sehr typisches Bild (. Abb. 39.29): 4 Charakteristisch ist ein landkartenartiges zum normalen Fettgewebe iso- oder leicht hyperintenses Areal auf T1wAufnahmen, das von einem signalarmen Randsaum girlandenartig eingerahmt wird.
39.5
Knochenveränderungen bei Erkrankungen des hämatopoetischen und des retikulohistiozytären Systems K. Holzapfel, S. Waldt
39.5.1
Anämien
Unter einer Anämie versteht man eine Verringerung der Hämoglobinkonzentration im Blut auf <13,5 g/dl bei Männern bzw. 12 g/dl bei Frauen. Zahlreiche Ursachen können zu Anämien führen, z. B. Eisen-, Folsäure- oder Vitamin B12-Mangel sowie myeloproliferative Erkrankungen, die eine Verdrängung der Hämatopoese bewirken. Insbesondere Hämoglobinopathien, also genetisch bedingte Störungen der Hämoglobinsynthese, sind mit radiologisch erkennbaren Skelettveränderungen verbunden. Der
1213 39.5 · Knochenveränderungen bei Erkrankungen des hämatopoetischen und des retikulohistiozytären Systems
beschleunigte Abbau (Hämolyse) der funktionell minderwertigen roten Blutkörperchen verursacht sekundär eine gesteigerte, überstürzte Erythropoese, die so ausgeprägt sein kann, dass es zu einer kompensatorischen Hyperplasie des blutbildenden Knochenmarks kommt.
Hämoglobinopathien Sichelzellenanämie Definition, Ätiologie
Die Sichelzellenanämie ist die häufigste Hämoglobinopathie. Eine Punktmutation führt zu einer Veränderung der Aminosäuresequenz der β-Kette des Hämoglobins und damit zur Synthese eines abnormen Hämoglobinmoleküls (HbS). Bei Abfall des Sauerstoffpartialdrucks im Blut kommt es bei homozygoten Merkmalsträgern zur Präzipitation von HbS. Hierdurch nehmen die Erythrozyten Sichelform an, verlieren ihre Verformbarkeit, verstopfen Gefäße im Kapillarbett und führen so zu Organinfarkten. Klinik
Diese Organinfarkte treten als so genannte vasookklusive Krisen häufig schon im frühen Kindesalter auf, sind oft begleitet von Fieber und abdominellen Schmerzen und betreffen u. a. Milz, Lunge, Herz, Gehirn und Knochen. Durch rezidivierende Milzinfarkte kann es zu einer funktionellen Asplenie und infolgedessen zu einer deutlich erhöhten Infektanfälligkeit kommen. Wegen der gesteigerten Hämolyse werden vermehrt Gallensteine (Pigmentsteine) gebildet. Die Persistenz des blutbildenden roten Knochenmarks im Bereich der kurzen Röhrenknochen führt bei Kleinkindern (0,5– 2 Jahre) häufig zum schmerzhaften »Hand-Fuß-Syndrom« mit symmetrischer Schwellung der überwärmten Finger. Heterozygote Merkmalsträger sind meist asymptomatisch und besitzen eine relative Resistenz gegenüber dem Malariaerreger. Dies erklärt das häufige Vorkommen der Mutation in Afrika. Bildgebung
Im Folgenden werden die Veränderungen bzw. Komplikationen der Krankheit, die das Skelett betreffen, behandelt und die entsprechenden radiologischen Merkmale angeführt: 4 Knochenmarkhyperplasie:
Die gesteigerte Hämatopoese führt zu einer Hyperplasie des Knochenmarks mit Neubildung von rotem Knochenmark aus gelbem Fettmark. Diese Rekonversion schreitet von zentral nach peripher fort, betrifft also v. a. Wirbelsäule, Schädel, Becken, Rippen und später auch die langen Röhrenknochen. Im Röntgenbild äußert sich dieser Vorgang in einer Osteopenie mit Rarefizierung und Verdickung der Trabekel und Verdünnung der Kompakta. An langen Röhrenknochen kommt es zur Auftreibung des Knochens mit z. T. periostaler Knochenneubildung (Erlenmeyerkolben-Deformität des distalen Femurs). Typischer Befund an der Kalotte ist die Erweiterung des Diploeraums mit Verschmälerung zunächst der Tabula externa, dann auch der Tabula interna. Die Basis des Os occipitale und die Gesichtsknochen bleiben hiervon ausgespart (DD Thalassämie). Die Rippen werden gelegentlich kolbig
aufgetrieben. In der MRT verursacht der Ersatz des gelben Fettmarks (hyperintens auf T1w-Bildern) eine Signalminderung auf T1w-Bildern und eine Signalerhöhung auf T2wBildern. Diese Signaländerung kann inhomogen sein und darf nicht mit einer Infiltration von Tumor- oder Entzündungszellen verwechselt werden. Gelegentlich ist eine extramedulläre Hämatopoese zu sehen, z. B. in einer paravertebralen Weichteilformation. 4 Knocheninfarkte:
Gefäßverschlüsse durch verformte Erythrozyten, die zu Osteonekrosen führen, treten am Skelett besonders am proximalen und distalen Femur sowie proximal an Tibia und Humerus und in der Wirbelsäule auf. Radiologisch zeigt sich ein inhomogenes Bild bestehend aus fleckigen Sklerosierungen und Osteolysen. Diaphysär kommt es durch subperiostale Knochenneubildungen zu parallel zur Kortikalis verlaufenden, linearen Verdichtungen, die das typische Bild des »Knochens-im-Knochen« ergeben. Die allmähliche Verschmelzung dieser Verdichtungen mit der Kortikalis führt sukzessive zur Verdickung der Kortikalis und zur Einengung des Markraums. Epiphysäre Knocheninfarkte sind v. a. bei Erwachsenen im Bereich des Femur- und Humeruskopfs zu beobachten und unterscheiden sich in ihrer Röntgenmorphologie nicht von Osteonekrosen aus anderer Ursache (7 Kap. 39.4). Bei Kindern kommt es infolge einer Ischämie der Wirbelkörperepiphysen gelegentlich zur zentralen Einsenkung der Endplatten und zur Ausbildung der typischen H-Form der Wirbelkörper. Infarkte im Bereich der kurzen Röhrenknochen führen bei Kindern zur schmerzhaften Daktylitis mit inhomogener Sklerosierung und zur Periostitis mit periostaler Knochenneubildung. 4 Osteomyelitis/septische Arthritis:
Infolge der Immunschwäche ist die Inzidenz von bakteriellen Osteomyelitiden 100-fach erhöht. Die häufigsten Erreger (>50%) sind Salmonellen, die durch Darmwandischämien ins Blut gelangen, gefolgt von Staphylokokken. Betroffen sind v. a. lange Röhrenknochen, seltener Gesichtsknochen und Wirbelkörper. Die radiologische Manifestation unterscheidet sich nicht von der Osteomyelitis bei Patienten ohne Sichelzellenanämie (7 Kap. 36). Dasselbe gilt für die septische Arthritis. Gelenkerguss, Weichteilschwellung, Gelenkspaltverschmälerung und periartikuläre Osteopenie sind hier die entscheidenden Befunde.
Thalassämie Definition, Ätiologie
Thalassämien sind eine genetisch bedingte Störung der Hämoglobinsynthese. Meist wird die β-Kette des Hämoglobins nicht oder in deutlich vermindertem Umfang synthetisiert (β-Thalassämie), seltener ist die α-Kette betroffen (α-Thalassämie). Der Schweregrad der Erkrankung ist bei heterozygoten Merkmalsträgern (Minorform) deutlich geringer als bei Homozygoten (Majorform, Synonym: Cooley-Anämie). Epidemiologie, Klinik
Die Thalassämie zeigt die höchste Prävalenz im Mittelmeerraum. Klinisch stehen neben der schweren Anämie die Folgen der se-
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1214
Kapitel 39 · Systemische Skeletterkrankungen
kundären Organhämosiderosen infolge Eisenüberladung durch die regelmäßig nötigen Bluttransfusionen im Vordergrund. Skelettveränderungen sind v. a. bei der Majorform der β-Thalassämie zu finden. Ähnlich wie bei der Sichelzellenanämie sind die Veränderungen z. T. Folge einer reaktiven Knochenmarkshyperplasie, die bei der Thalassämie besonders stark ausgeprägt ist, auch die Gesichtsknochen betrifft und häufig mit einer extramedullären Hämatopoese einhergeht. Knocheninfarkte sind im Gegensatz zur Sichelzellenkrankheit nur selten zu beobachten. Bildgebung 4 Knochenmarkshyperplasie:
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Die Knochenmarkshyperplasie führt, ähnlich wie bei der Sichelzellenanämie, zur Osteopenie mit Verdünnung der Kortikalis und Vergröberung der Trabekelstruktur, die dem Knochen ein wabiges Aussehen verleiht. Bei fortgeschrittener Osteoporose kann es, v. a. am Femur und an den Unterarmen, zu pathologischen Frakturen kommen. Die Osteoporose im Bereich der Wirbelsäule bewirkt durch bikonkaves Einsinken von Grund- und Deckplatte die Ausbildung von Fischwirbeln. Wie bei der Sichelzellenanämie führt die Auftreibung des distalen Femurs bei Kindern zur Erlenmeyerkolben-Deformität. Am Schädel kommt es zur Erweiterung des Diploeraums mit Durchlöcherung der Tabula externa und zur Ausbildung radiärer Spikulae (Bürstenschädel). Die Gesichtszüge können durch Expansion der Maxilla vergröbert erscheinen. Eine Malokklusion im Temporomandibulargelenk und eine Lateralisation der Orbitahöhlen sind möglich und verleihen dem Gesicht ein rattenähnliches Aussehen. Osteolysen an Maxilla und Mandibula führen zu »flottierenden Zähnen«. Durch Aufweitung von Os nasale und temporale ist zudem gelegentlich eine Obliteration der Nasennebenhöhlen zu sehen. Durch Hernierung von rotem Knochenmark durch Rippenvorderkanten oder Bogenwurzeln nach extraossär kommt es häufig zur extramedullären Blutbildung in paravertebralen Weichteilformationen. 4 Wachstumsstörungen/verzögerte Skelettreifung:
Irreguläre sklerotische Verdichtungsbänder an den Enden der Röhrenknochen führen zu Skelettretardierungen mit Minderwuchs. Vor allem am proximalen Humerus und am distalen Femur kommt es zum vorzeitigen Schluss der Wachstumsfugen. Da dieser häufig exzentrisch abläuft, sind Varusdeformitäten nicht selten. An der Wirbelsäule werden gehäuft Skoliosen beobachtet. 4 Gelenkveränderungen:
Wiederholte Bluttransfusionen führen zu einer sekundären Hämochromatose mit Gelenkspaltverschmälerung und sklerotischen Veränderungen im Bereich der Metakarpophalangealgelenke sowie an Knie- und Hüftgelenken. Zusätzlich wird gelegentlich die Ablagerung von Kalziumpyrophosphatdihydrat-(CPPD-)kristallen an Menisken und Knorpel beobachtet (Pseudogicht). Auch eine Hyperurikämie mit konsekutiver Gichtarthropathie ist möglich. Die Therapie mit Eisenchelatoren wie Deferoxamin kann rachitisähnliche Veränderungen mit Auftreibung der Metaphysen bewirken.
Andere Anämien Sphärozytose Bei der häufigsten hämolytischen Anämie in Nordeuropa führt der genetisch bedingte Defekt eines erythrozytären Membranproteins zur Ausbildung von kugeligen roten Blutkörperchen, die osmotisch instabil sind. Radiologische Veränderungen sind selten und beruhen auf der kompensatorischen Hyperplasie des blutbildenden Knochenmarks. Betroffen ist v. a. die Wirbelsäule, wo es zur Minderung der Knochendichte kommt. Eine Erweiterung des Diploeraums und eine Ausdünnung der Tabula externa sind sehr selten.
Elliptozytose Ähnlich wie bei der Sphärozytose ist der Defekt eines erythrozytären Membranproteins für diese hämolytische Anämieform verantwortlich. Die seltenen skelettalen Veränderungen entsprechen denen der Sphärozytose (s. oben).
Eisenmangelanämie Bei ausgeprägtem Eisenmangel kann es zu radiären Verdichtungen an der Schädelkalotte kommen.
Aplastische Anämie Idiopathisch, nach viralen Infekten, durch Medikamente, Schwangerschaft oder infolge anderer Ursachen kommt es zur Ausbildung eines hypozellulären Knochenmarks bzw. zum Ersatz roten Knochenmarks durch gelbes Fettmark, das sich in der MRT durch eine Signalanhebung in T1w-Bildern von Wirbelsäule und Becken manifestiert. Nach Therapie durch Gabe von Erythropoietin bilden sich wieder Inseln blutbildenden Marks aus und führen zu einem umschriebenen Signalverlust auf T1wBildern bzw. zu einer Signalanhebung auf fettgesättigten Aufnahmen. Daher wird die MRT bei aplastischen Anämien zur Verlaufskontrolle nach Therapiebeginn eingesetzt.
39.5.2
Myeloproliferative Erkrankungen und Leukämien
Leukämien sind Erkrankungen, die durch die diffuse, autonome Proliferation eines entarteten leukopoetischen Zellklons hervorgerufen werden. Man unterteilt sie nach ihrem Verlauf in akute und chronische, nach ihrer Herkunft in myeloische und lymphatische Leukämien. Die chronisch myeloische Leukämie (CML) wird den myeloproliferativen Erkrankungen zugeordnet, die chronisch lymphatische Leukämie (CLL) ist ein niedrig malignes Non-Hodgkin-Lymphom (NHL).
Akute Leukämien Akute Leukämien im Kindesalter Sie treten am häufigsten zwischen dem 2. und 5. Lebensjahr auf und sind zum Großteil lymphatischen (ALL), seltener myeloischen (AML) Ursprungs. Ossäre Veränderungen sind bei akuten Leukämien im Kindesalter häufiger (50–70%) als bei Erwachsenen (ca. 5%).
1215 39.5 · Knochenveränderungen bei Erkrankungen des hämatopoetischen und des retikulohistiozytären Systems
Bildgebung. An erster Stelle steht hierbei eine diffuse Osteopenie, die Folge der Knochenmarkinfiltration durch maligne Zel-
len ist. Die Markräume erscheinen erweitert und die Kortikalis verschmälert. Pathologische Frakturen können auftreten. Infolge von Wachstumsstörungen können die osteopenischen Wirbelkörper höhenreduziert sein. Die Kalksalzminderung manifestiert sich am Schädel zunächst als granuläre Atrophie, später auch als größere Osteolyse. Permeative osteolytische Läsionen sind im weiteren Verlauf metadiaphysär in Röhrenknochen möglich, insbesondere im Bereich der medialen proximalen Humerusmetaphyse. ! Eine diffuse Osteopenie kann der klinischen Manifestation der Leukämie um Monate vorausgehen.
Typisch sind auch horizontale, (sub-)metaphysäre Aufhellungsbänder (Baty-Vogt-Linien bzw. leukemic lines), die, oft begleitet von horizontalen Sklerosezonen, vorübergehende Wachstumsstillstände anzeigen. Sie treten symmetrisch am distalen Femur sowie proximal an Tibia und Humerus auf. Vor allem diaphysär sind gelegentlich lokalisierte Periostabhebungen erkennbar, die Resultat subperiostaler Blutungen oder einer leukämischen Zellinfiltration sind. Wahrscheinlich infolge der erhöhten Blutviskosität können epiphysäre Osteonekrosen, insbesondere im Bereich des Hüftkopfs, zu osteosklerotischen Verdichtungen führen. Zu beachten ist, dass die Knocheninfarkte auch therapiebedingt (Glukokortikoide) sein können. Bei zellulärer Infiltration der Synovia oder intraartikulärer Blutung kommt es zu Gelenkschwellung, Ausbildung eines Gelenkergusses sowie zu periartikulärer Osteopenie. Septische Arthritiden treten in den betroffenen Gelenken gehäuft auf.
Akute Leukämien im Erwachsenenalter Bei der akuten Leukämie eines Erwachsenen handelt es sich meist um eine AML. Selten kann eine ALL aus einer CLL hervorgehen, eine primäre ALL bei Erwachsenen ist selten. Ossäre Veränderungen treten bei Erwachsenen mit akuten Leukämien nur in ca. 5% der Fälle auf. Bildgebung. Meist handelt es sich hierbei um eine diffuse Osteopenie, auch umschriebene Osteolysen oder sklerotische Läsi-
onen werden beobachtet. Akroosteolysen, Periostitiden oder eine diffuse Osteosklerose sind sehr selten zu sehen.
Chronische Leukämien Chronische Leukämien kommen nur bei Erwachsenen vor. Ossäre Veränderungen sind noch seltener als bei akuten Leukämien. Bildgebung. Im Vordergrund steht wiederum eine diffuse Osteopenie, seltener umschriebene Osteolysen. Sklerotische Herde
oder Periostveränderungen sind eine Rarität. Gelenkveränderungen im Sinne einer Gichtarthropathie bzw. einer septischen Arthritis können auftreten. Ein seltenes Ereignis während einer Blastenkrise ist die leukämische Akropachie bzw. Daktylitis, die sich in einer Weichteilschwellung und einer kolbenförmigen Auftreibung der Metakarpalia manifestiert.
Generell ist die Infiltration des Knochenmarks durch proliferierende Zellen, die das Fettmark ersetzen, mit einem Signalverlust in T1w-Bildern und einer Signalanhebung auf fettgesättigten Aufnahmen verbunden. Diese Signaländerung kann diffus (z. B. bei der ALL) oder fokal (z. B. bei der AML) sein. Bei Kindern ist der Signalwechsel oft schwer erkennbar, da sie auch in der Peripherie noch blutbildendes Mark besitzen.
Sonderformen von Leukämien Haarzellenleukämie Es handelt sich um ein niedrig malignes NHL vom B-Zell-Typ. Folge der Fibrosierung des Knochenmarks ist eine periphere Panzytopenie. Eine erhebliche Splenomegalie bei weitgehendem Fehlen einer ausgeprägten Lymphadenopathie ist typisch. Die charakteristischen Haarzellen besitzen fransenartige Zytoplasmaausläufer und zeigen eine positive Reaktion mit tartratresistenter saurer Phosphatase. Betroffen sind meist Männer (75%) mittleren und höheren Alters. Bildgebung. Radiologisch zeigen sich einzelne oder multiple
Osteolysen an Wirbelsäule und proximalem Femur.
Chlorom (Synonym: granulozytäres Sarkom) Ein Chlorom ist eine umschriebene, extramedulläre Ansammlung von Myeloblasten, die sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen, die an einer AML leiden, auftreten kann. Kinder sind häufiger betroffen. Bildgebung. Die Weichteiltumoren kommen solitär oder multi-
pel vor und wachsen infiltrativ. Bei Befall des Knochens sieht man ausgeprägte Osteolysen mit Periostreaktion. Weichteiltumoren können den Knochen arrodieren. Am häufigsten sind Orbita, Kalotte und Röhrenknochen betroffen (. Abb. 39.30).
Polycythaemia vera Definition, Epidemiologie Es handelt sich um eine myeloproliferative Erkrankung mit autonomer Proliferation aller 3 Blutzellreihen, die meist ältere Erwachsene betrifft. Männer erkranken häufiger als Frauen, Kinder sind nur sehr selten betroffen.
Klinik, Bildgebung Klinisch äußert sich die Erkrankung in Form einer Plethora, die Patienten klagen über Pruritus, Kopfschmerzen, Schwindel, Ohrensausen, Epistaxis und sind oft hyperton. Thrombembolische Komplikationen sind häufig. Skelettveränderungen werden bei Erwachsenen selten, bei Kindern etwas häufiger beobachtet. Die Veränderungen sind Folge der Knochenmarkhyperplasie und ähneln daher denen bei Hämoglobinopathien sehr (s. oben). So sind v. a. Osteolysen, z. B. am Schädel, ein typischer Befund. Osteosklerosen im Bereich des Hüftkopfs sind meist Folge einer lokalen Thrombose. Bei Übergang in eine Osteomyelofibrose zeigt sich eine generalisierte Sklerose. Im Verlauf der Erkrankung ist eine Hyperurikämie mit konsekutiver Gichtarthropathie nicht selten.
39
1216
Kapitel 39 · Systemische Skeletterkrankungen
. Abb. 39.30a, b. Akute myeloische Leukämie (AML) mit Chlorom. a Auf der Röntgenaufnahme des Oberarms im a.p.-Strahlengang sieht man eine schlecht demarkierte mottenfraßartige osteolytische Läsion mit Destruktion der Kortikalis. b Die T1w-MRT-Aufnahme nach KM-Applikation zeigt neben der Knochenmarkinfiltration bis in die Epiphysen größere extraossäre Tumormanifestationen
a
Osteomyelofibrose Definition, Klinik
39
Bei der Osteomyelofibrose handelt es sich ebenfalls um eine myeloproliferative Erkrankung, die durch folgende klinische Trias gekennzeichnet ist: 4 Markfibrose mit Verödung des blutbildenden Knochenmarks 4 Extramedulläre Hämatopoese (v. a. in Milz und Leber) mit Ausschwemmung unreifer Vorläuferzellen 4 Splenomegalie Sie kann primär entstehen oder sich sekundär aus einer anderen myeloproliferativen Erkrankung entwickeln. Die Ätiologie ist unklar.
Bildgebung Radiologisch zeigen die Skelettareale, in denen sich noch blutbil-
dendes Mark befindet, fokale, fleckige Verdichtungen der Spongiosa, die unregelmäßig über den ganzen Knochen verteilt sein können. Die Trabekelstruktur erscheint vergröbert, eine Anordnung in Zug- und Drucklinien ist nicht mehr erkennbar. Es kommt zur Verdickung der Kortikalis, die zunehmend schwieriger von der Spongiosa abgrenzbar wird. Der Knochen erhält einen mattglasähnlichen Aspekt, die Feinstruktur ist nicht mehr zu sehen. Schließlich wird der komplette Knochen sklerotisch. Prädilektionsstellen sind Wirbelkörper, Becken und Rippen. Die proximalen langen Röhrenknochen werden später befallen. . Tab. 39.6 zeigt lokalisationsabhängig typische radiologische Befunde. In der MRT kommt es zum Signalverlust in T1w-Bildern, bei fortschreitender Fibrosierung auch zur Signalminderung in T2w-Sequenzen. Infolge einer charakteristischen Erweiterung
b
und Durchlässigkeit der medullären Sinusoide kann es auf fettgesättigten STIR-Aufnahmen zu einem homogen hyperintensen Signal kommen.
Systemische Mastozytose Definition Es handelt sich um eine systemische Proliferation von Mastzellen. Diese sammeln sich im Skelett an Orten, an denen sich blutbildendes Knochenmark befindet. Betroffen sind Erwachsene mittleren Alters.
. Tab. 39.6. Radiologische Manifestationen der Osteomyelofibrose
Lokalisation
Radiologischer Befund
Röhrenknochen
Allgemeine Veränderungen (s. oben) Ovale oder mottenfraßähnliche, feinfleckige Osteolysen mit unscharfer Begrenzung
Wirbelsäule
Grund- und deckplattennahe Sklerosebänder (»Sandwich-Wirbelkörper«)
Schädel
Verminderte Abgrenzbarkeit von Diploe und Tabula interna bzw. externa
Mediastinum
Paravertebrale Weichteilformationen (extramedulläre Blutbildung)
Gelenke
Periartikuläre Sklerose Gelenkspaltverschmälerung Subchondrale Erosionen Hämarthros (infolge der Blutgerinnungsstörung) Zeichen einer Gichtarthropathie
1217 39.5 · Knochenveränderungen bei Erkrankungen des hämatopoetischen und des retikulohistiozytären Systems
Pathogenese, Klinik Infolge der Histamin- und Serotoninfreisetzung durch die Mastzellen kommt es zu Dysregulationen von Kreislauf und Darmmotilität, Flush und Urticaria pigmentosa. Zudem leiden die Patienten infolge der Panzytopenie an rezidivierenden Infekten und zeigen eine erhöhte Blutungsneigung. Eine ausgeprägte Hepatosplenomegalie sowie Lymphknotenschwellungen sind typisch.
Bildgebung Radiologisch findet sich im Bereich der Wirbelsäule, seltener in
Schädel, Becken, Rippen und proximalen Oberschenkelknochen ein Nebeneinander von Osteolysen und fleckigen Osteosklerosen. Die Trabekel erscheinen verdickt, ihre Konturen verwaschen. Die Abgrenzbarkeit von Spongiosa und Kortikalis wird zunehmend schlechter. Die Veränderungen können fokal oder diffus ausgebildet sein, der Knochen erhält ein elfenbein- oder kreideähnliches Aussehen. In der MRT sind die Herde hypointens in T1w-Bildern und zunächst hyperintens in T2w- und STIRAufnahmen. Bei fortschreitender Markraumsklerose kommt es auch in der T2-Wichtung zum Signalabfall.
39.5.3
Erkrankungen des retikulohistiozytären Systems
Lipidspeicherkrankheiten Es handelt sich um genetisch bedingte Enzymdefekte, die infolge eines gestörten Fettstoffwechsels zum vermehrten Anfall komplexer Lipide führen, die im Gewebe abgelagert bzw. von Makrophagen und Zellen des Zentralnervensystems aufgenommen werden.
Morbus Gaucher Definition, Ätiologie, Epidemiologie
Der Morbus Gaucher ist ein autosomal rezessiv vererbter Defekt der Glukozerebrosid-β-Glukosidase mit Speicherung von Glukosylzeramiden im retikuloendothelialen System (Milz, Leber, Knochenmark). Man unterscheidet einen seltenen infantilen Typ mit zerebraler Beteiligung und sehr schlechter Prognose, einen juvenilen Typ sowie eine chronische adulte Verlaufsform ohne Beteiligung des ZNS (am häufigsten). Die höchste Prävalenz zeigt die Erkrankung bei Juden osteuropäischer Herkunft (Ashkenazy-Juden). Diagnose, Bildgebung
Sklelettveränderungen sind v. a. bei der chronischen, adulten Verlaufsform sehr häufig. Besonders betroffen sind die Wirbelsäule, das Becken sowie die langen Röhrenknochen, insbesondere der distale Oberschenkelknochen. Durch Infiltration lipidspeichernder Makrophagen, so genannter Gaucher-Zellen, wird das Knochenmark verdrängt. Es kommt zur Vergröberung der Spongiosatrabekel, zur Erweiterung des Markraums mit Verdünnung der Kortikalis von endostal und zur generalisierten Osteoporose. Die Auftreibung des distalen Femurs führt zur typischen Erlenmeyerkolben-Deformität. Fokale Ansammlungen von Gau-
cher-Zellen können zu pseudotumorartigen blasenähnlichen oder mottenfraßartigen Osteolysen führen. An der Kalotte kommt es zur Ausdünnung von Tabula externa und interna. An Röhrenknochen sind die Befunde meist symmetrisch ausgebildet. Die Osteoporose führt zu gehäuftem Auftreten pathologischer Frakturen, insbesondere an der Wirbelsäule, wo es zur Ausbildung einer H-Form der Wirbelkörper (DD: Sichelzellenanämie) oder einer Vertebra plana kommen kann. Aufgrund der Kompression intraossärer Blutgefäße durch Gaucher-Zellen können sich dia- und epiphysäre Osteonekrosen entwickeln, wobei letztere zu arthrotischen Veränderungen prädisponieren. Diaphysäre Infarkte verursachen durch subperiostale Knochenneubildungen, die parallel zur Kortikalis verlaufen, das Bild des »Knochens-im-Knochen«, das auch bei Hämoglobinopathien zu beobachten ist. Die allmähliche Verschmelzung dieser Verdichtungen mit der Kortikalis führt sukzessive zur Verdickung der Kortikalis. Osteomyelitiden treten beim Morbus Gaucher gehäuft auf. Methode der Wahl zur Darstellung der Knochenmarksinfiltration sowie von Knocheninfarkten oder Osteomyelitiden ist die MRT. Typischer Befund infolge der zellulären Verdrängung des Fettmarks durch die Gaucher-Zellen ist ein Signalverlust in T1wund T2w-Bildern, der homogen oder grobfleckig sein kann und initial die Epiphysen ausspart. Eine akute ossäre Ischämie, eine Osteomyelitis oder ein Ödem bei okkulter Fraktur äußern sich in einer Signalanhebung auf T2w-Aufnahmen und in STIR-Sequenzen. Die MRT eignet sich auch zur Verlaufskontrolle nach Beginn der therapeutischen Enzymsubstitution.
Morbus Niemann-Pick Definition, Pathogenese
Es handelt sich um eine Gruppe (mit 5 Subtypen) seltener, autosomal rezessiv vererbter Erkrankungen, deren Ursache der Defekt einer Sphingomyelinase bzw. ein Defekt im Cholesterolstoffwechsel ist. Die akkumulierenden Sphingomyelinmetabolite werden in Leber, Milz, Knochenmark und z. T. auch im ZNS abgelagert. Klinik
Je nach Subtyp leiden die Patienten bereits im frühen Kindesalter an neurologischen Störungen, sind ikterisch bei erheblicher Hepatosplenomegalie oder erblinden (kirschroter Fleck der Retina). Die ossären Veränderungen ähneln denen des Morbus Gaucher. Die Infiltration des Knochenmarks durch Schaumzellen führt zu einer Aufweitung des Markraums, zur Verdünnung der Kortikalis und zur Vergröberung der Spongiosatrabekel. Auch die Erlenmeyerkolben-Deformität kann zu sehen sein. Osteonekrosen, umschriebene Osteolysen oder Periostveränderungen sind dagegen nicht erkennbar. In der MRT kommt es infolge des Fettmarkersatzes zum Signalverlust in T1wBildern.
Morbus Fabry Der Morbus Fabry ist eine extrem seltene, X-chromosomal-rezessiv vererbte und damit überwiegend Männer betreffende Störung des Zeramidstoffwechsels.
39
1218
Kapitel 39 · Systemische Skeletterkrankungen
Systemische Osteoarthropathien
Bildgebung. Als skelettale Veränderungen stehen multiple Osteonekrosen, v. a. an Femurkopf und Talus, im Vordergrund. Akroosteolysen und produktive Fibroostosen finden sich an den Händen und infolge der Lipideinlagerung sind Sehnenscheiden und Gelenkkapseln häufig verdickt.
39.6
Morbus Refsum
Bei den Phakomatosen handelt es sich um heriditäre neurodermale Syndrome, die mit Dysplasien und Neoplasien von Geweben neuroektodermaler und mesenchymaler Herkunft einhergehen. Zu den Phakomatosen gehören: 4 Neurofibromatose 4 Tuberöse Sklerose 4 Sturge-Weber-Syndrom 4 Hippel-Lindau-Syndrom
Der seltene Defekt des Phytansäurestoffwechsels führt gehäuft zu ischämischen Nekrosen im Bereich des Hüftkopfs, der Schulter sowie an Knie, Händen und Füßen. Dabei können die Metatarsalknochen verkürzt sein.
Glykogenspeicherkrankheiten Bei einigen Formen dieser heterogenen Gruppe von Stoffwechselstörungen, die eine vermehrte Ablagerung von Glykogen zur Folge hat, kommt es zu ossären Veränderungen. Sie bestehen in einer verzögerten Skelettreifung, einer generalisierten Osteoporose mit Aufweitung des Markraums und Vergröberung des Trabekelmusters. Betroffen sind v. a. die Metatarsalia und die Phalangen. Infolge der ausgeprägten Hyperurikämie sind Veränderungen im Sinne einer Gichtarthropathie häufig.
S. Waldt 39.6.1
Phakomatosen
Charakteristische Skelettveränderungen sind bei der tuberösen Sklerose und der Neurofibromatose zu beobachten.
Tuberöse Sklerose Definition, Epidemiologie, Ätiologie Synonyma: Morbus Bourneville-Pringle, Epiloia.
Histiozytosen Langerhans-Zellhistiozytosen Das eosinophile Granulom, Morbus Hand-Schüller-Christian und Morbus Abt-Letterer-Siwe, also die 3 Krankheitsbilder, die zu den Langerhans-Zellhistiozytosen gezählt werden, sind an anderer Stelle abgehandelt (7 Kap. 38.6).
Bei der tuberösen Sklerose, die mit einer Häufigkeit von ca. 1:40 000 auftritt, handelt es sich um ein seltenes autosomal dominant vererbtes Syndrom mit einer Spontanmutationsrate von 50–95%. Die Erkrankung tritt ohne Geschlechtspräferenz auf und hat insgesamt aufgrund des progredienten Krankheitsverlaufs eine schlechte Prognose.
Multizentrische Retikulohistiozytose
Klinik, Bildgebung
Auch diese Erkrankung wird an anderer Stelle besprochen (7 Kap. 40.1.6).
Klinisch ist die tuberöse Sklerose durch die Trias aus epileptischen Anfälle, geistiger Retardierung und Hautveränderungen gekennzeichnet.
Lipidgranulomatose (Morbus Erdheim-Chester)
39
Bei dieser extrem seltenen, ätiologisch ungeklärten Krankheit kommt es zur granulomatösen Ansammlung von lipidspeichernden Histiozyten an zahlreichen Orten, z. B. der Lunge, der Orbita und im Retroperitonealraum.
Manifestationen bei der Erkrankung sind: 4 Hautveränderungen: Adenoma sebaceum, periunguale Fi-
brome, hypopigmentierte Maculae 4 ZNS-Läsionen: Harmartome: subependymale Gliaknoten,
kortikale Tubera 4 Ossäre Veränderungen: fleckförmige oder diffuse Sklero-
Bildgebung. Die knöchernen Veränderungen und die hiermit
verbundenen radiologischen Befunde sind charakteristisch. Im Bereich der Meta- und Diaphysen langer Röhrenknochen, besonders der Beine, sind meist symmetrisch auftretende Sklerosierungen zu sehen, die die Epiphysen aussparen. Durch endund periostale Knochenneubildung lassen sich Spongiosa und Kortikalis zunehmend schwerer abgrenzen. Osteolysen oder ein Befall der Wirbelsäule sind selten. In der MRT findet sich, aufgrund des Fettmarkersatzes, in T1w-Bildern ein Signalverlust. Nach Kontrastmittelgabe kommt es zur inhomogenen Anreicherung.
sen, die in allen Skelettanteilen vorkommen können, Prädilektionsstellen: Schädel, Beckenskelett und LWS 4 Kortikale Läsionen in Form zystischer Veränderungen, Sklerosierungen und undulierende Periostreaktionen am Handskelett
Neurofibromatose Definition, Epidemiologie, Ätiologie Die Neurofibromatose ist mit einer Inzidenz von 1:3000 eine relativ häufige hereditäre Erkrankung, von der Männer und Frauen etwa zu gleichen Anteilen betroffen sind. Mittlerweile werden 8 Subgruppen der Erkrankung unterschieden, wobei die Neurofibromatose Typ 1 (Morbus Recklinghausen) und Typ 2 (»zentrale« Neurofibromatose) die häufigsten Untergruppen darstellen.
Klinik, Bildgebung Während für die Neurofibromatose Typ 1 intrazerebrale und intraspinale Tumoren charakteristisch sind, die von glialen und
1219 39.6 · Systemische Osteoarthropathien
neuronalen Zellen ihren Ursprung nehmen, sind für die Neurofibromatose Typ 2 neoplastische Läsionen charakteristisch, die von den Zellen der Schwann-Scheide, den Meningen oder dem Ependym ausgehen. Insbesondere das doppelseitige Akustikusneurinom ist für die Neurofibromatose Typ II typisch. Während Hautveränderungen und Veränderungen des Skelettsystems gegenüber den Neoplasien bei der Neurofibromatose Typ 2 in den Hintergrund treten, sind diese Veränderungen Kennzeichen der Neurofibromatose Typ 1 (7 Kap. 9.2). Folgende Befunde sind für die Neurofibromatose Typ 1 (Morbus Recklinghausen) typisch: 4 Hautveränderungen: Café-au-lait-Flecken, Molluscum fibrosum, Hauttumoren: Neurofibrome, plexiforme Neurofibrome, Schwannome 4 Intrazerebrale Tumoren: Gliome der Sehbahn, dienzephale und Hirnstammgliome 4 Augenmanifestationen: Irishamartome (Lisch-Knötchen) 4 Ossäre Manifestationen: 5 Schädel: »Lambdanahtdefekt«: glatt begrenzter Knochen-
defekt, der an die Lambdanaht heranreicht; Keilbeindysplasie 5 Wirbelsäule: kurzstreckige Kyphoskoliosen, Wirbelkörperdysplasien; Erweiterung der Neuroforamen durch Schwannome, Abflachung der Bogenwurzeln durch intramedulläre Tumoren; konvexe Eindellung der Wirbelkörperhinterkanten (»Scalloping«) durch durale Ektasien 5 Lange Röhrenknochen: Verbiegungen, pathologische Frakturen, Pseudarthrosen aufgrund einer abnormen, minderwertigen Knochenstruktur
Sturge-Weber-Syndrom Definition, Klinik Synonyma: Enzephalotrigeminales Syndrom, Sturge-WeberKrabbe-Syndrom, enzephalofasziale Angiomatose. Bei diesem Syndrom ist eine kapiilar-venöse Angiomatose der führender Befund, welche Gefäße der Gesichtshaut (Versorgungsgebiet des N. trigeminus), der Leptomeningen und des Auges betrifft. Klinisch sind folgende Symptome typisch: Naevus flammeus, Anfallsleisden, geistige Retardierung, ipislaterales Glaukom, Hemiparese.
Neben der primären Amyloidose kann es bei folgenden Erkrankungen zum Auftreten einer sekundären Amyloidose kommen: 4 Maligne monoklonale Gammopathien (Plasmozytom) 4 Chronische Hämodialyse (β-2-Mikroglobulinablagerungen bei 65% der Patienten nach 10-jähriger Dialyse) 4 Chronisch entzündliche Erkrankungen, z. B. rheumatoiden Arthritis, seronegaive Spondylarthropathien und Morbus Crohn
Pathogenese, Klinik Die Amyloidosteoarthopathie ist durch Ablagerungen in der Synovialmembran, im Gelenkknorpel, in den periartikulären Weichteilen und im juxtakortikalen Knochen gekennzeichnet. Klinisch können neben Bewegungseinschränkungen und nächtlichen Gelenkschmerzen z. T. erhebliche Weichteilschwellungen auftreten.
Bildgebung Folgende radiologische Befunde sind charakteristisch: 4 Handwurzelknochen (Os capitatum, Os lunatum und Os scaphoideum), proximaler Femur und proximaler Humerus: »zystoide« (glatt begrenzte, subchondral lokalisierte)
Läsionen, teilweise mit diskretem sklerotischen Randsaum 4 An den großen Gelenken (Schulter- und Hüftgelenk) ist ein bilateraler symmetrischer Befall typisch; der Gelenkspalt ist typischerweise normal weit, manchmal auch (durch Amyloidablagerungen) erweitert; dominierende Weichteilschwellungen sind charakteristisch. 4 Bursen (z. B. Bursa olecrani und Bursa subacromialis): es kommt z. T. zu erheblichen Schwellungen der Bursen, teilweise mit erosiven Veränderungen der angrenzenden Skelettanteile. > In der MRT weisen die Amyloidablagerungen typischerweise ein signalarmes Signal auf T1- und T2-gewichteten Bildern auf.
39.6.3
Sarkoidose
Definition, Ätiologie, Epidemiologie Bildgebung
Synonym: Morbus Boeck.
Auf Röntgenaufnahmen des Schädels lassen sich typischerweise doppelt konturierte »schienenstrangartige« Verkalkungen abgrenzen, die auf Kalzifikationen der leptomeningealen Gefäßmissbildung zurückzuführen sind.
Bei der Sarkoidose handelt es sich um eine granulomatöse Systemerkrankung unklarer Ätiologie, die sich meist an den Lungen manifestiert, aber auch multiple andere Organe betreffen kann (7 Kap. 19.8.6). Der Altersgipfel der Erkrankung liegt im 2.–4. Lebensjahrzehnt, Frauen sind häufiger als Männer von der Erkrankung betroffen. Eine Beteiligung des Skelettsystems wird in 5–15% der Fälle beobachtet, allerdings in der Regel erst bei chronischem langjährigem Krankheitsverlauf. Es kann dabei zur Ausbildung von nichtverkäsenden Epitheloidzellgranulomen sowohl im Knochenmarkraum als auch in der Synovialmembran kommen. In der Synovia werden dadurch entzündliche Reaktionen (Arthritiden bzw. Synovialitiden) ausgelöst. Bevorzugte Lokalisation des Gelenkbefalls sind Knie-, Sprung- und Ellenbogengelenk sowie
39.6.2
Amyloidose
Definition Amyloidosen sind Erkrankungen, die durch lokalisierte oder generalisierte Ablagerungen von Amyloid in unterschiedlichen Organsystemen gekennzeichnet sind. Beim Amyloid handelt es sich um ein heterogenes Glykoprotein mit β-Faltblattstruktur, welches interstitiell abgelagert wird.
39
1220
Kapitel 39 · Systemische Skeletterkrankungen
ein ossärer Befall der Phalangen des Handskeletts. Letztere wird auch als Ostitis-cystoides-multiplex-Jüngling bezeichnet. Relativ selten tritt ein knöcherner Befall des Schädels, der BWS, LWS oder des Beckenskeletts auf.
Klinik Klinisch können neben einer akuten Polyarthritis bei Gelenkbefall auch chronische Schwellungen und Schmerzen auftreten. Die akute Verlaufsform der Sarkoidose, das Löfgren-Syndrom, ist durch Fieber, Polyarthralgien, Erythema nodosum und Iritis gekennzeichnet. Betroffen sind dabei typischerweise Knie- und Sprunggelenke in symmetrischer Anordnung. Histologisch sind bei der akuten Verlaufsform unspezifische Synovialitiden ohne granulomatöse Veränderungen charakteristisch. Der ossäre Befall ist häufig asymptomatisch.
Bildgebung Folgende radiologischen Befunde an den Phalangen sind charakteristisch (. Abb. 39.31): 4 Epimetaphysär lokalisierte, gut demarkierte, wenige Millimeter große rundliche oder ovaläre Osteolysen mit oder ohne sklerotischen Randsaum 4 Verstärkte Trabekulierungen des spongiösen Knochen neben zystischen Arealen 4 Honigwabenmuster der Knochenstruktur 4 Akroosteolysen des Nagelfortsatzes 4 Periostale (undulierende) Reaktionen
39
. Abb. 39.31. Ostitis-cystoides-multiplex-Jüngling. Sarkoidosebefall der Phalangen. Die Röntgenaufnahme des Vorfußes im a.p.-Strahlengang zeigt ossäre Veränderungen bei Sarkoidosebefall der Phalangen: proximale und distale Phalanx D1, distale Phalanx D2, und proximale Phalanx D4. Neben gut demarkierten zystoiden Läsionen in epimetaphysärer Lage (D1 und D4) findet sich ein Strukturumbau des Knochens der proximalen und distalen Phalanx D5 mit vermehrter wabenartiger Trabekulierung des spongiösen und teilweise auch des kortikalen Knochens
40 40
Erkrankungen der Gelenke S. Waldt, M. Eiber
40.1
Erkrankungen der Gelenke (Allgemeiner Teil)
– 1222
40.1.1 40.1.2 40.1.3 40.1.4 40.1.5 40.1.6 40.1.7 40.1.8 40.1.9 40.1.10
Rheumatoide Arthritis – 1222 Juvenile chronische Arthritis – 1223 Seronegative Spondylarthropathien – 1225 Kollagenosen – 1230 Kristallarthropathien – 1232 Andere Arthropathien – 1234 Arthrosis deformans – 1238 Infektiöse Spondylitis und Spondylodiszitis – 1238 Skeletttuberkulose einschließlich Spondylitis – 1240 Degenerative Wirbelsäulenerkrankungen – 1241
40.2
Erkrankungen der Gelenke (Spezieller Teil)
40.2.1 40.2.2 40.2.3 40.2.4 40.2.5
Schultergelenk – 1242 Ellenbogengelenk – 1250 Kniegelenk – 1253 Hüftgelenk – 1258 Fuß – 1264
– 1242
1222
Kapitel 40 · Erkrankungen der Gelenke
40.1
Erkrankungen der Gelenke (Allgemeiner Teil)
40.1.1
. Tab. 40.1. Diagnostische Kriterien des ACR (American College of Rheumatology)
S. Waldt
Morgensteifigkeit
Mindestens 1 h andauernd
Rheumatoide Arthritis
Weichteilschwellung und Arthritis
In mindestens 3 Gelenkregionen seit mindestens 6 Wochen
Weichteilschwellung und Arthritis im Bereich der Hand
Befall mindestens eines MTP- oder eines proximalen IP-Gelenks seit mindestens 6 Wochen
Symmetische Arthritis
Symmetrischer Befall der Gelenkregionen seit mindestens 6 Wochen
Subkutane Rheumaknoten
Über Knochenvorsprüngen oder gelenknahen Streckseiten
Rheumafaktorennachweis
Im Serum
Typische Röntgenveränderungen
Dorsovolare Handaufnahme: gelenknahe Osteoporose und/oder Erosionen der betroffenen Gelenke
Definition Synonym: chronische Polyarthritis, primär chronische Polyarth-
ritis. Bei der rheumatoiden Arthritis handelt es sich um eine systemische entzündlich-rheumatische Erkrankung, die bevorzugt die Synovialmembran der kleinen Gelenke befällt, häufig aber auch Sehnenscheiden und Schleimbeutel betrifft und in wechselndem Ausmaß auch systemische Beteiligungen mit pulmonalen, kardiovaskulären, neurologischen und hämatologischen Störungen hervorruft.
Epidemiologie Die rheumatoide Arthritis ist mit einer Prävalenz von ca. 1% der Bevölkerung eine relativ häufige Erkrankung. Meist liegt der Erkrankungsbeginn in der 3.–5. Lebensdekade. Frauen sind deutlich häufiger als Männer betroffen (Verhältnis: ca. 3:1).
Ätiologie, Pathogenese Bei genetisch prädisponierten Personen (HLA-DR 4 Antigen) wird durch virale (möglicherweise auch bakterielle) Antigene eine Autoimmunkrankheit induziert, bei der es zu entzündlichen Infiltrationen der Synovia kommt. Im Zentrum der Immunreaktionen steht eine durch Zytokine vermittelte B-Zell-Stimulation mit Bildung von Autoantikörpern gegen das Fc-Fragment des IgG (= Rheumafaktoren). Diese sind über eine Komplementaktivierung, Freisetzung von Entzündungsmediatoren und knorpelaggressiven Enzymen maßgeblich an der Synovialitis und der Knorpeldestruktion beteiligt.
40
Die Diagnose eine rheumatoiden Arhthritis wird gestellt, wenn mindestens 4 Kriterien erfüllt sind, wobei Kriterien 1–4 mindestens 6 Wochen bestehen müssen
dehnung, wobei sich die Erkrankung dann v. a. an größeren Extremitätengelenken, wie dem Sprung-, Knie-, Schulter- und Ellenbogengelenk, der Wirbelsäule und dem atlanto-okzipitalen Übergang manifestiert.
Bildgebung Nach Dihlmann werden die radiologischen Befunde der Arthritis folgendermaßen unterteilt:
Klinik Meist beginnt die Erkrankung mit unspezifischen Allgemeinsymptomen wie Abgeschlagenheit, Schweißneigung der Handinnenflächen, Gewichtsabnahme und subfebrilen Temperaturen. An den Gelenken sind morgendliche Steifigkeit und schmerzhafte Schwellungen und Bewegungseinschränkungen Frühsymptome. Im Krankheitsverlauf, der durch Exazerbationen und Remissionen gekennzeichnet ist, kann es zu schweren Fehlstellungen, Subluxationen und Ankylosierungen der Gelenke kommen. Vom American College of Rheumatology (ACR) wurden diagnostische Kriterien erarbeitet, anhand derer die Diagnose einer rheumatoiden Arthritis mit hoher Sensitivität und Spezifität gestellt werden kann (. Tab. 40.1). Typischerweise manifestiert sich die Erkrankung zunächst symmetrisch an den MCP-(Metakarpophalangeal-) gelenken bzw. den MTP-Gelenken (Metatarsophalangealgelenken) und den proximalen IP-Gelenken (Interphalangealgelenken) des Hand- und Fußskeletts (. Abb. 40.1). Die Handwurzelgelenke und die Sehnenscheiden (insbesondere Sehnenscheide des M. extensor carpi radialis) sind frühzeitig von der Erkrankung betroffen. Oft kommt es im Verlauf zu einer zentripetalen Aus-
. Abb. 40.1. Schemazeichnung: Prädilektionsstellen rheumatoide Arthritis
1223 40.1 · Erkrankungen der Gelenke (Allgemeiner Teil)
4 Weichteilzeichen: durch Gelenkerguss, Synovialitis, kapsu-
läres und periartikuläres Ödem kommt es meist zu einer fusiformen Weichteilschwellung in Gelenkhöhe. 4 Arthritische Kollateralzeichen: bandförmige, gelenknahe Osteoporose 4 Direktzeichen: konzentrische Gelenkspaltverschmälerung; Frühzeichen der ossären Destruktion ist eine fehlende Abgrenzbarkeit der Grenzlamelle in den »bare areas« (intraartikuläre Knochenanteile ohne Knorpelüberzug); Erosionen;
subchondrale Zysten (Signalzysten, Signalgeoden, Begleitzysten, Begleitgeoden); im weiteren Verlauf Destruktionen (Mutilationen) oder Ankylosierungen; Gelenkfehlstellungen mit Deviationen, Subluxationen oder Luxationen. An den unterschiedlichen Manifestationsorten sind folgende in der Übersicht aufgeführten charakteristischen Befunde zu erheben.
Charakteristische Befunde an den verschiedenen Manifestationsorten 4 Fingergelenke: – Frühzeichen: Schwund der radialseitigen subchondralen Grenzlamelle an den Metakarpalköpfchen (v. a. MCP-Gelenk II und III) und an den Phalangen der PIP-Gelenke (v. a. PIP III); radialseitige Erosionen in den »bare areas« – Fehlstellungen, die aus Gelenklockerungen und Destruktionen im späteren Verlauf resultieren: – volare Subluxation und ulnare Deviation in den MCPGelenken; Knopflochdeformität (Beugung im PIP-, Extension im DIP-Gelenk); – Schwanenhalsdeformität (Flexion im MCP- und DIPGelenk, Überstreckung im PIP-Gelenk); – Z-Deformität des Daumen (»Hitchhiker-Deformität«) Beugung im MCP-, Extension im IP-Gelenk). 4 Handgelenk: – Frühzeichen: Erosionen des Processus styloideus ulnae (u. a. durch eine Tendovaginitis der Sehne des M. extensor carpi ulnaris), des Processus styloideus radii, an der radialen Seite des Skaphoids, am Os triquetrum und Os pisiforme. – Im späteren Verlauf kommt es zu karpalen Instabilitäten durch Destruktion der karpalen Ligamente; als Radiuskrypte wird eine tiefe Erosion im Radius in Höhe des skapholunären (SL) Bandes bezeichnet (Hinweis auf eine Zerstörung des SL-Bandes); konsekutiv kommt es zur Dislokation der proximalen Handwurzelreihe nach ulnar und palmar und Dorsalluxation der distalen Ulna (Caput-ulnae-Syndrom). – Bei erheblichen interkarpalen, karpometakarpalen und radiokarpalen Entzündungsprozessen kann es zur Ausbildung von fibrösen oder ossären Ankylosen (»Os carpale«) kommen (. Abb. 40.2). 4 Ellenbogengelenk: Intraartikuläre Volumenzunahme führt auf konventionellen Aufnahmen zu positiven vor-
40.1.2
Juvenile chronische Arthritis
Definition Unter dem Begriff der »juvenilen chronischen Arthritis« werden chronisch entzündlich-rheumatische Erkrankungen des Kindesund Jugendalters zusammengefasst. Bei den Erkrankungen, die sich aufgrund des Manifestationsalters, des artikulären Befallsmusters, der Begleitsymptomatik und auch aufgrund unter-
4
4
4
4
deren und hinteren Fettpolsterzeichen; im Verlauf der Erkrankung zeigt das humeroradiale häufig früher als das humeroulnare Kompartiment eine Gelenkspaltverschmälerung. Fußskelett: Bei ca. 40% der Patienten wird das Fußskelett vor dem Handskelett befallen. – Frühzeichen: Erosionen am Metatarsalköpfchen D V, von da Ausbreitung nach medial – Fehlstellungen im weiteren Verlauf sind Hallux valgus, laterale und dorsale Deviation in den MTP-Gelenken, Hammerzehen mit Flexion in den PIP- oder DIP-Gelenken. Kniegelenk: – Intraartikuläre Volumenvermehrung (als Transparenzminderung im suprapatellaren Rezessus auf der Aufnahme im seitlichen Strahlengang abgrenzbar) mit Ausbildung von Baker-Zysten; symmetrische Gelenkspaltverminderungen in allen Kompartimenten des Kniegelenks sind typisch. – Typische Fehlstellung im Gelenk ist die Valgusfehlstellung, zu der im Verlauf häufig noch eine Flexionskontraktur hinzutritt. Halswirbelsäule: Fehlstellungen der HWS in bis zu 80% der Fälle; ventrale Atlasdislokation durch Destruktion des Ligamentum transversum (Röntgenaufnahme in Anteflexion ist erforderlich) tritt im Krankheitsverlauf im Vergleich zu den übrigen HWS-Veränderungen früh auf; eine vertikale Dislokation des Dens kann zur basilären Impression führen (Ursache ist meist eine Atlasdislokation); Densarrosionen (mit Gefahr der Densfraktur) sind ebenfalls häufig. Stufenleiterphänomen (= Pseudospondolylisthesis mit Ventralgleiten der Wirbelkörper durch arthritische Veränderungen der Facettgelenke); Spondylodiszitiden und Arthritiden der Facettgelenke treten meist erst nach jahrelangem Krankheitsverlauf auf.
schiedlicher Prognosen unterscheiden, handelt es sich um eigenständige Krankheitsbilder, die durch folgende Gemeinsamkeiten charakterisiert sind: 4 die Krankheit beginnt vor dem 16. Lebensjahr 4 lang anhaltende und/oder rezidivierende Arthritiden mit der Gefahr progredienter Gelenkdestruktionen
40
1224
Kapitel 40 · Erkrankungen der Gelenke
a . Abb. 40.2a, b. Rheumatoide Arthritis. a a.p.- und b Schrägaufnahme des Handskeletts zeigen eine fortgeschrittene rheumatoide Arthritis mit: Gelenkspaltverschmälerungen, Erosionen, subchondralen Zysten und vola-
rer Subluxationsstellung in den Gelenken MTP 1 und MTP 2; Ankylosierungen im Bereich der Handwurzel »Os carpale«; Destruktion der distalen Ulna
Epidemilogie
4 Früh auftretende diaphysäre und metaphysäre lamelläre Periostreaktionen; können zur gleichmäßigen Schaftver-
Insgesamt sind die juvenilen Arthritiden sehr selten, die Prävalenz wird in der Literatur mit einer Spannbreite von 0,01–0,1% angegeben.
40
b
dickung der kurzen Röhrenknochen führen. 4 Weichteilzeichen und arthritische Kollateralzeichen in
Diagnose, Bildgebung Bei der Einteilung der juvenilen chronischen Arthritis in 5 Subgruppen werden die Anzahl der betroffenen Gelenke, die Beteiligung innerer Organe, das Alter bei Krankheitsbeginn und serologische Befunde berücksichtigt (. Tab. 40.2). Das radiologische Erscheinungsbild der kindlichen Arthritiden unterscheidet sich von der Arthritis des Erwachsenenalters dadurch, dass die entzündlichen Veränderungen zu Wachstumsstörungen der betroffenen gelenkbildenden Knochen führen. Außerdem sind begleitende periostale Reaktionen am kindlichen Skelett häufiger als bei Erwachsenen. Die folgenden radiologischen Befunde sind für die juvenilen Arthritiden charakteristisch: 4 Verfrüht oder verspätet auftretende Knochenkerne, Beschleunigung der Knochenkernreifung, Modellierungsstörungen der Knochenkerne und artikulierenden Epiphysen; Resorption kleiner Knochenkerne, Verkürzung der Röhrenknochen durch vorzeitigen Schluss der Wachstumsfugen, verstärktes Längenwachstum (= Zeichen der Wachstumsalterarthritis nach Dihlmann).
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ähnlichem Ausmaß wie bei der rheumatoiden Arthritis des Erwachsenen. Erosive Veränderungen und Gelenkspaltverschmälerungen sind Spätzeichen der juvenilen rheumatoiden Arthritis (der kindliche Knorpel ist dicker, sodass es erst später zu destruktiven Veränderungen des Knochens kommt). Knöcherne Ankylosen im Spätstadium der Erkrankung sind häufiger als bei der rheumatoiden Arthritis; typische Manifestationsorte sind die Karpalgelenke, IP-Gelenke und die Facettgelenke der Halswirbelsäule. Subluxationen der Karpalia sind häufig; meist noch ohne radiologisch abgrenzbare Erosionen. An den langen Röhrenknochen führt das beschleunigte Wachstum zu einer »Ballonierung« der Epiphysen (Prädilektionsstellen sind distaler Femur, proximale Tibia), »Rechteckpatella« (eckige Kontur der durch die Wachstumsstörung vergrößerten Patella). An der Halswirbelsäule sind entzündliche Veränderungen der Facettgelenke, die im Verlauf zu Ankylosierungen häufiger als bei der rheumatoiden Arthritis des Erwachsenen führen; Wirbelkörperhypoplasien und verminderte Höhe
1225 40.1 · Erkrankungen der Gelenke (Allgemeiner Teil)
. Tab. 40.2. Subgruppen der juvenilen Arthritis
Parameter
Systemische JCA (früher: Still-Syndrom)
Polyarthritis seronegativ
Polyarthritis seropositiv
Oligoarthritis Typ I
Oligoarthritis Typ II
Häufigkeit
ca. 20%
ca. 25%
ca. 5%
ca. 40%
ca. 5%
Alter
<6–8 Jahre
1–16 Jahre
>10 Jahre
<6 Jahre
>6 Jahre
Geschlechtsverteilung
Jungen = Mädchen
Mädchen>Jungen
Mädchen>Jungen
Mädchen>Jungen
Jungen>Mädchen
Klinische Besonderheiten
Fieber, Exanthem, Beteiligung innerer Organe
Noduli, Vaskulitis
Chronische Iridozyklitis
Akute Irdozyklitis, Enthesiopathien
Gelenkbefallsmuster
60% Polyarthritis, symmetrisch große und kleine Gelenke; 40% Oligoarthritis, große Gelenke
Symmetrische Polyarthritis an allen großen und kleinen Gelenken
Asymmetrisch; Knie, Sprunggelenke
symmetrisch; Gelenke der unteren Extremität (Knie, Hüfte, Sprunggelenk, Zehen)
Verminderung des allgemeinen Wachstums
Stark
Mäßig bis stark (abhängig vom Manifestationsalter)
Mäßig bis stark (abhängig vom Manifestationsalter)
Wenig
Wenig
RF negativ ANA positiv bei 25% der Patienten
RF positiv ANA positiv bei 80% der Patienten
ANA positiv bei 70%–80% der Patienten
HLA-B27 positiv bei 70–80% der Patienten
Serologische Befunde
der Zwischenwirbelräume (durch Wachstumsstörungen); atlantoaxiale Subluxationen (atlantoaxiale Distanz >4 mm).
40.1.3
Seronegative Spondylarthropathien
Synonyma: seronegative HLA-B27-assoziierte Spondylarthro-
pathie, seronegative (HLA-B27-) Spondarthritis. Bei den seronegativen Spondylarthropathien handelt es sich um eine Gruppe von entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, die von der rheumatoiden Arthritis abgegrenzt werden und die untereinander ätiologische, serologische und klinische Gemeinsamkeiten aufweisen. In diese Gruppe gehören: 4 die ankylosierende Spondylitis (Morbus Bechterew) 4 die Arthritis psoriatica 4 die enteropathischen Arthritiden bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa 4 reaktive (postinfektiöse) Arthritiden nach intestinalen und urogenitalen Infekten, Hauptvertreter: Reiter-Syndrom 4 die juvenile chronische Arthritis (Oligoarthritis Typ II) 4 die pustulöse Arthroosteitis (SAPHO-Syndrom) Da die meisten der seronegativen Spondylarthropathien mit dem HLA-B27-Antigen assoziiert sind, muss diesem Antigen eine erhebliche ätiologische Bedeutung beigemessen werden. Als »seronegativ« werden die Erkrankungen bezeichnet, da Rheumafaktoren bei den Patienten nicht häufiger sind als in der Normalbevölkerung. Die seronegativen Spondylarthropathien weisen folgende Gemeinsamkeiten auf: 4 Die typische Achsenskelettmanifestation ist die Sakroiliitis Typ »buntes Bild« (. Abb. 40.3); klinisch wird diese durch spätnächtliche und frühmorgendliche Kreuzschmerzen manifest.
4 Oligo- oder seltener Polyarthritiden mit bevorzugtem Be-
fall der unteren Extremität. 4 Entzündliche Enthesiopathien (Fibroostitiden) sind häufige Befunde. 4 Extraartikuläre Symptome an der Haut (Psoriasis, Erythema nodosum) an der Mundschleimhaut (Aphten, Ulzera), im Intestinaltrakt (Diarrhoe), am Urogenitaltrakt (Urethritis). 4 Subkutane Rheumaknoten treten nicht auf.
Spondylitis ankylosans Definition Synonyma: Morbus Bechterew, Morbus-Strümpell-Marie-
Bechterew.
Epidemiologie, Pathogenese Während früher angenommen wurde, dass die Spondylitis ankylosans zum überwiegenden Teil Männer betrifft, geht man aufgrund von genetischen Untersuchungen heute davon aus, dass keine eindeutige Geschlechtspräferenz besteht, wobei bei Frauen häufig eine mildere Verlaufsform zu beobachten ist. Gegenüber einer Prävalenz des HLA-B27 Antigen von 6–8% in der europäischen Normalbevölkerung, sind 90–95% der Patienten HLA-B27 positiv. Die Spondylitis ankylosans ist eine chronisch entzündlichrheumatische Erkrankung, die sich hauptsächlich am Achsenskelett einschließlich der Sakroiliakal- und Kostotransversalgelenke manifestiert. Die peripheren Gelenke sind in ca. 30–50% der Fälle mit betroffen. Fibroostitiden im Ansatzbereich von Sehnen und Bändern sind weitere Manifestationen. Bei einer Viszeralbeteiligung können folgende Befunde auftreten: Iridozyklitis, Karditis, Aortitis, Oberlappen- und Pleurafibrose.
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Kapitel 40 · Erkrankungen der Gelenke
Diagnose, Bildgebung Die Diagnose der Spondylitis ankylosans wird anhand klinischer und radiologischer Kriterien gestellt. Unterschiedliche Scores zur Diagnosestellung werden in der klinischen Routine verwendet (Übersichten Rom-Kriterien und New-York-Kriterien).
Rom-Kriterien (Kellgren 1963) zur Diagnosestellung einer Spondylitis ankylosans 1. Schmerzen und Steifigkeit im Kreuz seit >3 Monaten – keine Besserung in Ruhe 2. Schmerz und Steifigkeit in der Thorakalregion 3. Eingeschränkte Dehnbarkeit der Lendenwirbelsäule 4. Eingeschränkte Dehnbarkeit des Brustkorbs 5. Anamnese oder objektive Befunde einer Iritis und Folgezuständen 6. Röntgenbefund mit doppelseitigen Veränderungen einer sakroiliakalen Arthritis Sichere Diagnose: 4 der 5 klinischen Kriterien sind erfüllt oder Kriterium 6 und mindestens ein klinisches Kriterium.
New-York-Kriterien (Bennett und Burch 1967) zur Diagnosestellung einer Spondylitis ankylosans 4 A. Klinische Kriterien 1. Einschränkung der Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule in allen 3 Ebenen 2. Anamnestisch oder gegenwärtig bestehende Schmerzen im thorakolumbalen Übergangsbereich oder der Lendenwirbelsäule 3. Einschränkung der respiratorischen Thoraxbeweglichkeit auf maximal 2,5 cm, gemessen auf Höhe des 4. Interkostalraums 4 B. Röntgenbefunde an den Iliosakralgelenken
40 > Die definitive Diagnose einer Spondylitis ankylosans wird ohne radiologischen Nachweis einer manifesten Sakroiliitis nicht gestellt.
Da das Manifestationsalter der Spondylitis ankylosans das klinische Bild und die Röntgenbefunde mitprägt, wird die adulte Spondylitis ankylosans (>80% der Fälle), die meist im 3. und 4. Lebensjahr beginnt, von der juvenilen und präsenilen Form unterschieden: Die juvenile Spondylitis ankylosans beginnt definitionsgemäß vor dem 16. Lebensjahr und es steht zunächst ein peripherer Gelenkbefall im Vordergrund. Die präsenile Spondylitis ankylosans tritt nach dem 40. Lebensjahr auf und bei bereits bestehenden degenerativen Veränderungen im Bereich der Wirbelsäulensegmente kommt es zur Ausbildung von Mischformen aus Osteophyten/Spondylophyten und Syndesmophyten (Mixtaosteophyten). Die charakteristischen radiologischen Befunde der adulten Spondylitis ankylosans tragen ausschlaggebend zur Diagnose bei:
. Abb. 40.3. Morbus Bechterew. Sakroiliitis vom Typ »buntes« Bild. Auf der konventionellen Röntgenaufnahme erkennt man am linken Iliosakralgelenk die Zeichen einer Sakroiliitis vom Typ »buntes« Bild mit Erosionen, die abschnittsweise zur Pseudoerweiterung des Gelenkspalts führen, und z. T. ausgeprägte subchondrale Sklerosierungen. Auch intraartikuläre Knochenknospen sind abgrenzbar
4 Sakroiliakalgelenke:
5 Bei >99% der Patienten treten die frühesten radiologischen Befunde an den Iliosakralgelenken auf. 5 Leitbefund der Spondylitis ankylosans ist die bilaterale Sakroiliitis vom Typ »buntes Bild« (. Abb. 40.3); charakteristisch ist die Trias aus Destruktionszeichen (Erosionen iliakal stärker als sakral, Pseudoerweiterung des ISG), Sklerosezeichen (irreguläre subchondrale Sklerosierungen) und Ankylosezeichen (zunächst kleine Knochenknospen, später komplette Ankylosierung der ISG).
4 Wirbelsäulenveränderungen:
5 Diese beginnen meist im thorakolumbalen Übergangsbereich; typisch sind Syndesmophytenbildungen (längsgerichtete Vertebralosteophyten, die in den äußeren Lamellen des Anulus fibrosus entstehen); als »Bambusstabwirbelsäule« wird der Endzustand mit Ankylosierung der diskovertebralen Gelenke, der Facettgelenke und Ossifikationen der Supra- und Interspinalbänder bezeichnet. 5 Durch entzündliche (resorptive und produktive) Veränderungen im Ansatzbereich des vorderen Längsbandes bzw. im vorderen Anteil der Wirbelkörper kommt es zu folgenden Veränderungen:
1227 40.1 · Erkrankungen der Gelenke (Allgemeiner Teil)
– Kastenwirbel (Begradigung der Wirbelkörpervorder-
kontur) – Tonnenwirbel (konvexe Wirbelkörpervorderkontur) – Romanus-Läsion (Konturdefekt der vorderen Boden-
platte des Wirbelkörpers meist mit angrenzender Sklerosierung) – Glänzende Ecke (vermehrte Sklerosierung in einer Ecke des Wirbelkörpers bei intakter Bodenplatte) 5 Als Andersson-Läsion wird eine aseptische Diszitis bzw. Spondylodiszitis bezeichnet, die meist in den ersten 10 Jahren der Spondylitis ankylosans auftritt. 5 An den Kostotransversalgelenken finden sich arthritische Veränderungen und Kapsel- und Bandverkalkungen, im späteren Verlauf Ankylosierungen. 5 »Doppeltes Trambahnzeichen« durch Verknöcherungen der Intervertebralgelenke, der Ligamenta flava und supraspinalia. 4 Fibroostitiden (produktive und rarefizierende) treten an ossären Insertionen von Sehnen und Bändern auf; Prädilektionsstellen sind das Tuber ischiadicum und das Tuber calcanei. Die entzündlichen Veränderungen der Iliosakralgelenke im frühen Stadium einer Spondylitis ankylosans (Pseudoerweiterung des Gelenkspalts, Gelenkerguss, Synovialitis) können am sensitivsten mittels MRT nachgewiesen werden. Das Gleiche gilt für
a . Abb. 40.4a, b. Synopsis der Verteilungsmuster und der charakteristischen Röntgenbefunde bei Arthritis psoriatica (Aus: Freyschmidt J. Handbuch Diagnostische Radiologie, Band Muskuloskelettales System 3. Berlin, Heidelberg: Springer 2005). a Charakteristisch ist das Nebeneinander von Gelenkdestruktion und osteoproliferativen Veränderungen: (1) gelenknahe Protuberanzen; (2) Erosionen; lamelläre und auch undulierende diaphysäre Periostreaktionen; (4) metaphysäre und diaphysäre Kompaktaar-
entzündliche Veränderungen der Wirbelkörper, die im frühen Stadium als Signalabsenkung auf dem T1w-Bild und als Signalanhebung auf STIR- und T2w-Aufnahmen in den »Ecken« der Wirbelkörper zur Darstellung kommen. Auch eine Diszitis oder Spondylodiszitis (Andersson-Läsion) kann am besten mittels MRT diagnostiziert werden, sodass in der Abklärung von relativ neu aufgetretenen rheumatischen Beschwerden die MRT als das Verfahren der Wahl gilt.
Arthritis psoriatica Synonyma: Psoriasis-Arthropathie, Osteoarthropathia psoriatica.
Ätiologie, Pathogenese Bei der Arthritis psoriatica handelt es sich um eine seronegative, mit dem HLA-B27 Antigen assoziierte Polyarthritis, die in kausalem Zusammenhang mit der Hautpsoriasis auftritt, wobei in ca. 80–90% der Fälle die Hautveränderungen den Gelenk- und Knochenveränderungen vorausgehen. In 10–20% der Fälle kann der Gelenkbefall auch vor den Hautveränderungen auftreten. Insgesamt entwickeln ca. 2–6% der Patienten mit Hautpsoriasis im Verlauf der Erkrankung eine Arthritis. Bevorzugt von der Erkrankung betroffen sind die Interphalangealgelenke des Hand- und Fußskeletts, die Sakroiliakalgelenke und die Wirbelsäule. Häufig tritt die Arthritis psoriatica zunächst als Mono- oder Oligoarthritis auf und entwickelt sich
b rosionen. b Der typische Axialtyp mit Befall von distalem und proximalem Interphalangealgelenk sowie Metakarpophalangealgelenk eines Strahls bzw. der Transversaltyp mit Veränderungen ausschließlich an den distalen Interphalangealgelenken treten zusammen nur in weniger als der Hälfte der Fälle auf. Ansonsten ist ein asymmetrischer Befall der Metakarpophalangeal- bzw. proximalen und distalen Interphalangealgelenke zu finden
40
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Kapitel 40 · Erkrankungen der Gelenke
a
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b
. Abb. 40.5a, b. Arthritis psoriatica. a Das Röntgenbild im a.p.-Strahlengang zeigt einen axialen Befall der Arthritis psoriatica mit diffuser Weichteilschwellung, Daktylitis, des 3. Strahls (»Wurstfinger«). b In einem späten Stadium der Arthritis psoriatica sind hier bei einem axialen Befallstyp aus-
geprägte Mutilationen mit »Pencil-in-cup«-Deformitäten der DIP- bzw. PIPGelenke des 3. und 5. Strahls nachweisbar, die zur deutlichen Fehlstellung in den betroffenen Gelenken geführt haben
im Verlauf zu einer Polyarthritis, wobei häufig auf schwere Attacken ausgeprägte Remissionen folgen. Folgende Manifestationsformen der Erkrankung sind charakteristisch: 4 Die Polyarthritis des Hand- und Fußskeletts mit unterschiedlichen Verteilungsmustern ist die häufigste Manifestationsform (. Abb. 40.4): 5 »Transversaltyp« mit isoliertem Befall der distalen Interphalangealgelenke (DIP-Gelenke) 5 »Axialtyp« mit Befall von distalem und proximalem Interphalangealgelenk sowie Metakarpo- bzw. Metatarsophalangealgelenk eines Strahls 5 Asymmetrischer Befall von DIP-, PIP- und MTP- bzw. MCP-Gelenken (>50%) 5 Symmetrische seronegative Polyarthritis (Verteilungsmuster identisch zur rheumatoiden Arthritis) 4 Sakroiliitis und Spondylitis (in 25–35% der Fälle) 4 Hüft- und Schultergelenke sind seltener betroffen
4 Periphere Gelenke (. Abb. 40.4, . Abb. 40.5):
Bildgebung Das radiologische Bild der Arthritis psoriatica zeigt folgende kennzeichnende Befunde: Das Nebeneinander von erosiv-destruktiven Gelenkveränderungen und osteoproliferativen Veränderungen ist charakteristisch.
5 Als Zeichen der erosiv-destruktiven Gelenkveränderungen gelten Gelenkspaltverschmälerungen, Erosionen, arthritische Geoden und subchondrale Knochenresorptionen (diese überwiegen an den kleinen Gelenken und führen zu einer Gelenkspaltverbreiterung); eine gelenknahe Osteoporose fehlt meist; schneller als bei der rheumatoiden Arthritis tritt eine komplette Destruktion der Gelenkflächen mit Mutilation (»Pencil-in-cup«-Deformität) oder knöcherner Ankylose auf. Erosionen im Bereich der »bare areas« (nicht von Knorpel überzogenen Anteile der intraartikulären Knochenanteile) der distalen Phalanx führen zu den so genannten »Mäuseohren«. 5 Die osteoproliferativen Vorgänge führen zu Ossifikationen (»Protuberanzen«) im Bereich der Kapsel-, Bandund Sehneninsertionen; meta- und diaphysäre Periostitiden führen im Verlauf zu lamellären, undulierenden und knopfartigen periostalen Knochenappositionen; durch ossäre Appositionen bzw. durch generalisierte Dichtezunahme des Knochens aufgrund der Umbauprozesse entstehen Kolbenphalangen bzw. Elfenbeinphalangen. 5 Begleitende Weichteilschwellungen sind typisch, bei Befall eines Strahls des Hand- oder Fußskelett spricht man von einer Daktylitis (»Wurstfinger« oder »Wurstzehe«) (. Abb. 40.5a).
1229 40.1 · Erkrankungen der Gelenke (Allgemeiner Teil)
5 Als extraartikuläre Manifestation können Akroosteolysen des Nagelfortsatzes der Endphalanx auftreten. 4 Sakroiliakalgelenke: die SI-Gelenke sind bei ca. 30–50% der Patienten betroffen; typisch ist eine Sakroiliitis vom Typ »buntes Bild«, die häufiger als bei der Spondylitis ankylosans einseitig oder asymmetrisch verläuft. 4 Spondylitis psoriatica: Charakteristisch sind die vorwiegend thorakolumbal auftretenden Parasyndesmophyten; dabei handelt es sich um Osteophyten im perivertebralen Gewebe, die maximal zu einem Wirbelkörper Kontakt haben; die Prognose der Spondylitis psoriatica ist dann deutlich besser als die der Spondylitis ankylosans. In seltenen Fällen gleicht der Wirbelsäulenbefall der Spondylitis ankylosans, die Prognose ist dann schlechter.
Reaktive Arthritiden nach intestinalen oder urogenitalen Infektionen Die reaktiven Arthritiden treten Tage bis Wochen nach Infektionen durch bestimmte Erreger (Chlamydia trachomatis, Urogenitaltrakt; Salmonellen, Shigellen, Campylobacter oder Yersinien, Enteritis) auf. Typisch ist ein bilateraler, asymmetrischer, oligoarthritischer Befall der unteren Extremität. Die reaktiven Arthritiden sind teilweise mit anderen Krankheitsmanifestationen assoziiert, wie einem plantaren Keratoderma blenorrhagicum, einer Konjunktivitis, einer Iridozyklitis, einer Glossitis oder Balanitis. Auch für die reaktiven Arthritiden besteht eine genetische Prädisposition, bei 80% der Patienten ist das HLA-B27Antigen nachweisbar.
truktiven und osteoproliferativen Veränderungen (ähnlich der Arthritis psoriatica). 4 Periphere Gelenke:
5 In der akuten Phase ist eine Weichteilschwellung charakteristisch, die sich über den Gelenkbereich hinaus ausdehnt und als Daktylitis (»Wurstzehe«) bezeichnet wird. 5 Die frühen arthritischen Veränderungen sind durch zarte, charakteristische Periostlamellen im metadiaphysären Übergangsbereich und gelenknahe Demineralisierungen gekennzeichnet; im weiteren Verlauf entstehen auch erosive Veränderungen; erst im chronischen Verlauf kommt es zu arthritischen Destruktionen, Fehlstellungen und Mutilationen. 5 Resorptive und produktive Fibroostitiden im Ansatzbereich der Achillessehne und Plantaraponeurose sind charakteristisch; eine Bursitis retrocalcanea führt zu einer Erosion am posterosuperioren Calcaneus. 4 Sakroiliakalgelenke: typisch ist eine asymmetrische Sakroiliitis vom Typ »buntes Bild«, die röntgenmorphologisch von der Sakroiliitis bei Arthritis psoriatica nicht zu unterscheiden ist; während in frühen Stadien die Sakroiliakalgelenke nur in 5–10% der Fälle beteiligt sind, kommt es bei chronischen Verläufen in bis zu 70% der Fälle zu einem Befall. 4 Wirbelsäule: das Auftreten von Parasyndesmophyten thorakolumbal ist charakteristisch; der Wirbelsäulenbefall von Psoriasis-Arthropathie und Reiter-Syndrom sind röntgenmorphologisch nicht zu unterscheiden.
Pustulöse Arthroosteitis Reiter-Syndrom Definition, Epidemiologie, Ätiologie
Hauptvertreter der reaktiven Arthritiden ist das Reiter-Syndrom, das durch die klinische Trias aus Urethritis, Konjunktivitis und Arthritis gekennzeichnet ist. Die durch Chlamydien ausgelöste, sexuell übertragene Form des Reiter-Syndroms tritt fast ausschließlich bei Männern auf. Im Vergleich viel seltener ist die durch Darmenteritis induzierte Form des Reiter-Syndroms. Das typische Manifestationsalter der Erkrankung liegt zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Klinik
Die Krankheit beginnt in der Regel 7–14 Tage nach der Exposition mit einer nichtbakteriellen Urethritis. Im Verlauf kommen nach einigen Wochen Fieber, Konjunktivitis und Oligoarthritis hinzu. Die arthritischen Beschwerden sind in der Regel milder als bei der rheumatoiden Arthritis und häufig selbst limitierend. Das Reiter-Syndrom befällt bevorzugt die untere Extremität, wobei in absteigender Reihenfolge Kniegelenk, Sprunggelenk, Metatarsophalangeal- und Interphalangealgelenke betroffen sind. Häufig tritt eine Enthesiopathie hinzu, die sich oft an der Ferse manifestiert. Bildgebung
Folgende radiologischen Befunde sind für das Reiter-Syndrom charakteristisch: 4 Ein asymmetrischer, oligoarthritischer Gelenkbefall der unteren Extremität mit einem Nebeneinander von osteodes-
Synonyma: SAPHO-Syndrom (Akronym für: Synovialitis, Akne, Pustulosis, Hyperostose, Osteitis), akquiriertes Hyperostosesyn-
drom, Spondylarthritis hyperostototica pustulo-psoriatica, sternoclaviculäre Hyperostose.
Klinik Für die ätiologisch unklare pustulöse Arthroosteitis sind folgende synchron, seltener metachron auftretende Skelett- und Hautveränderungen charakteristisch: 4 Hyperostotische Skelettveränderungen; Prädilektionsstellen sind die Sternoklavikulargelenke und die Wirbelsäule; Leitbefund der pustulösen Arthroosteitis ist die sternoklavikuläre Hyperostose
4 Hautveränderungen; bei den meisten der Patienten besteht eine Pustulosis plantopalmaris 4 Periphere und sakroiliakale Arthritiden 4 Spondylitis ankylosans ähnliche Veränderungen der Wirbelsäule 4 Fibroostitiden und Periostitiden Die pustulöse Arthroosteitis tritt im mittleren Lebensalter auf. Männer und Frauen sind etwa gleich häufig betroffen. Klinisch besteht neben den Hautveränderungen meist eine lokale Druckschmerzhaftigkeit, Rötung und Schwellung im Bereich der Sternoklavikulargelenke. Serologisch fallen eine erhöhe BSG, ein erhöhtes CRP und eine erhöhte alkalische Phosphatase auf. Für die pustulöse Arthroosteitis ist ein chronisch intermittierender Verlauf typisch.
40
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Kapitel 40 · Erkrankungen der Gelenke
Enteropathische Arthritis Definition Verschiedene chronische Darmerkrankungen können mit Gelenksymptomen assoziiert sein. Am häufigsten treten diese enteropathischen Arthritiden bei Morbus Crohn (Enteritis regionalis), bei Colitis ulcerosa und bei Morbus Whipple (intestinale Lipodystrophie) auf. In selteneren Fällen wird eine Gelenkbeteiligung auch bei der Kollagenkolitis, bei der primären biliären Zirrhose und nach Darmoperationen beobachtet.
Epidemiologie, Klinik, Bildgebung
a
b . Abb. 40.6a, b. SAPHO-Syndrom. a Die axiale CT-Aufnahme und die b koronare CT-Rekonstruktion zeigen ausgeprägte Hyperostosen des Manubrium sterni und der medialen Klavikulaanteile
Bildgebung Radiologisch lassen sich folgende Befunde erheben: 4 Sternoklavikulargelenke: es kommt zu ausgeprägten Hy-
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4 4 4
perostosen des Manubrium sterni (. Abb. 40.6), der medialen Claviculaanteile, der oberen Anteile des Corpus sterni, der medialen Anteile der 1. und 2. Rippen und zu Ossifikationen der kostoklavikulären Ligamente; szintigraphisch ergibt sich das Stierkopfzeichen; im Verlauf der Erkrankung ankylosieren die genannten Skelettanteile; gleichzeitig können destruierende Veränderungen nachweisbar sein. Wirbelsäule: An der Wirbelsäule können die Hyperostosen zu diffusen Sklerosierungen, Elfenbeinwirbeln, und auch zu fokalen Sklerosezonen führen; atypische DISH-Befunde durch ossäre Appositionen im Bereich des vorderen Längsbandes und atypische hypertrophierte Osteophyten, Spondylitis ankylosans-ähnliche Veränderungen mit Syndesmophyten, entzündlicher Andersson-Läsion, Mitbeteiligung der Kostotransversalgelenke sind möglich. Sakroiliakalgelenke: asymmetrische Sakroiliitis vom Typ »buntes Bild«. Periphere Gelenke: erosive Arthritiden mit erheblicher sklerosierender Komponente. Röhrenknochen: diaphysär lokalisierte ausgeprägte kortikale Hyperostosen der langen Röhrenknochen.
In der Literatur wird eine Inzidenz der enteropathischen Arthritiden von bis zu 25% bei Colitis ulcerosa und bis zu 20% bei Morbus Crohn angegeben. Meist besteht ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten bzw. Abklingen einer Arthritis und der Exazerbation bzw. Remission eines Morbus Crohn bzw. einer Colitis ulcerosa. Klinisch können flüchtige Arthralgien oder (sub-)akute teilweise fieberhafte Mono- oder Oligoarthritiden auftreten, die bevorzugt die untere Extremität betreffen. Zudem gehört auch eine Sakroiliitis von Typ »buntes Bild« und eine Spondylitis ankylosans ähnelnde Wirbelsäulenbeteiligung zu den typischen Manifestationsformen der enteropathischen Arthritis. Radiologisch sind folgende Befunde charakteristisch: 4 Periphere Arthritiden: Weichteilzeichen und arthritische Kollateralzeichen sind häufig; Direktzeichen der Arthritis (Erosionen, Gelenkspaltverschmälerung) treten nur selten bei schwerem chronischen Verlauf hinzu. Beim Morbus Crohn besteht eine Neigung zur periostalen Reaktionen, die vom Aspekt der Osteoarthropathie MarieBamberger ähneln und mit Trommelschlegelfingern und Uhrglasnägeln einhergehen. 4 Spondylitis ankylosans-ähnliche Wirbelsäulen- und ISGVeränderungen: bilaterale Sakroiliitis vom Typ »buntes
Bild«; Wirbelsäulenveränderungen mit Syndesmophytenbildungen, Diszitiden, Spondylodiszitiden und Enthesiopathien mit Formveränderungen der Wirbelkörper (Spondylitis ankylosans); allerdings wird das Vollbild einer Bambusstabwirbelsäule selten beobachtet.
40.1.4
Kollagenosen
Bei den Kollagenosen handelt es sich um eine Gruppe von systemischen Autoimmunerkrankungen, bei denen pathoanatomisch fibrinoide Nekrosen der Interzellularsubstanz im Vordergrund stehen, deren zentrale Ursache in perivaskulären Ablagerungen von Immunkomplexen mit resultierender Vaskulopathie gesehen wird. Zu den Kollagenosen im engeren Sinne werden folgende Erkrankungen gezählt: 4 Progressive Sklerodermie (PSS) 4 Systemischer Lupus erythematodes (SLE) 4 Polymyositis und Dermatomyositis 4 Sjörgen-Syndrom 4 Jo-1-Syndrom 4 Sharp-Syndrom (»mixed connective tissue disease«)
1231 40.1 · Erkrankungen der Gelenke (Allgemeiner Teil)
. Abb. 40.7. Sklerodermie. Die a.p.-Aufnahmen des Handskeletts zeigen Akroosteolysen der Endphalangen D1–D3 rechts und D1 und D2 links. Auf beiden Seiten lassen sich in Projektion auf das subkutane Fettgewebe umschriebene Verkalkungen im Sinne einer Calcinosis interstitialis localisata abgrenzen. Der Weichteilmantel um den Processus unguicularis D2 rechts ist deutlich verdünnt (»Zuckerhutzeichen«)
Klinisch findet man bei den Kollagenosen eine erhebliche Variabilität der Symptomatik. Im Folgenden werden kurz die charakteristischen Skelettbefunde der PSS, des SLE, der Polymyositis / Dermatomyositis und des Sharp-Syndroms dargestellt. Sowohl beim Sjörgen-Syndrom als auch beim Jo-1-Syndrom finden sich keine spezifischen Röntgenbefunde des muskuloskelettalen Systems.
Progressive systemische Sklerodermie (PSS) Definition Synonym: Progressive Sklerodermie (PS), Sonderform der PSS: CREST-Syndrom (Calcinosis, Raynaud-Symptomatik, E(Ö)sophagus-Dysfunktion, Sklerodaktylie, Teleangiektasie).
Bei der PSS handelt es sich um eine Systemerkrankung des Bindegewebes, bei der es zu Kollagenanhäufung mit entzündlichen, fibrotischen und degenerativen Veränderungen von Haut, Synovialmembran und inneren Organen (Gastrointestinaltrakt, Herz, Lungen und Nieren) kommt in Kombination mit einer obliterierenden Angiopathie mit Haut- und Organinfarkten.
Bildgebung Charakteristische radiologische Befunde sind v. a. am Handskelett zu erheben (. Abb. 40.7): 4 zunächst Verdickung, später Verdünnung des Weichteilmantels um die Processus unguiculares (»Zuckerhutzeichen«) 4 diffuse oder zirkumskripte subkutane Weichteilverkalkungen Calcinosis interstitialis localisata (= Thibièrge-Weissenbach-Syndrom)
4 diffuse Osteoporose des Handskeletts 4 reaktionslose Osteolysen der Processus unguiculares und
der Mittelphalangen (Akroosteolysesyndrom) 4 kleine Erosionen im Handwurzelbereich
Systemischer Lupus erythematodes (SLE) Definition Beim SLE handelt es sich um eine systemische Autoimmunerkrankung der Haut, Synovialmembran und innerer Organe, der pathoanatomisch eine Vaskulitis und Perivaskulitis der kleinen Arterien und Arteriolen zugrunde liegt mit Ablagerung von Immunkomplexen aus DNS, Anti-DNS, Komplement und Fibrin in den Endothelzellen.
Klinik Zu den frühesten und häufigsten Symptomen des SLE zählt eine polyartikuläre Arthralgie. Der Gelenkbefall ist symmetrisch und bevorzugt betroffen sind MCP-, PIP-, Handwurzel-, Schulterund Kniegelenke. Typisch ist ein chronisch progredienter, intermittierender Krankheitsverlauf. Bei klinisch voll ausgeprägten arthritischen Befunden mit Schwellung und Überwärmung der Gelenke ist bei ähnlichem Verteilungsmuster der Gelenkbefall des SLE von der rheumatoiden Arthritis und dem rheumatischem Fieber abzugrenzen.
40
1232
Kapitel 40 · Erkrankungen der Gelenke
Bildgebung Radiologisch lassen sich folgende Befunde erheben: 4 Weichteilzeichen mit periartikulären Schwellungen und arthritische Kollateralphänomene mit gelenknaher Osteoporose sind die wesentlichen Befunde. 4 Arthritische Direktzeichen mit fehlender Abgrenzbarkeit der Granzlamelle und erosiv-destruktive Veränderungen sind nur in seltensten Fällen nachweisbar. > Charakteristisch für den SLE ist, dass der relativ blande Röntgenbefund ohne erosiv-destruktive Veränderungen diskrepant ist zur rheumatoiden Arthritis-ähnlichen (z. T. identischen) klinischen Gelenksymptomatik.
Polymyositis und Dermatomyositis Definition Bei der Polymyositis handelt es sich um eine entzündliche Systemerkrankung der Skelettmuskulatur mit lymphozytärer Infiltration, insbesondere perivaskulär. Besteht neben der Polymyositis auch eine Hautbeteiligung, spricht man von einer Dermatomyositis.
Kristallarthropathien
Gichtarthropathie Definition Synonym: Arthritis urica.
Die Gichtarthropathie basiert auf einer Hyperurikämie, bei der das Löslichkeitsprodukt für Harnsäure im Serum überschritten wird und es zur Ausfällung von Uratkristallen intra-, periartikulär, in den Sehnenscheiden, in Schleimbeuteln und auch im subkutanen Fettgewebe kommt.
Ätiologie, Epidemiologie Als Ursache der Hyperurikämie kommt neben einer verminderten renalen Exkretion auch eine Überproduktion von Urat in Betracht. Männer sind deutlich häufiger als Frauen (m:w=10:1) von der Erkrankung betroffen, der Erkrankungsbeginn liegt meist im 5. Lebensjahrzehnt.
Klinik
Der klinisch führende Befund der Erkrankung ist die muskuläre Symptomatik mit Schwäche zunächst der rumpfnahen Extremitätenmuskulatur, später auch der Rumpf- und Schluckmuskulatur. Erythematöse Effloreszenzen im Gesicht und periorbitale Ödeme sind Kennzeichen des bei der Dermatomyositis zusätzlich auftretenden Hautbefalls.
Die Arthritis urica beginnt meist mit monoartikulären Schmerzattacken. Das von einem Gichtanfall betroffene Gelenk ist gerötet, geschwollen und extrem berührungsempfindlich. Am häufigsten ist das Großzehengrundgelenk betroffen (Podagra), im weiteren Verlauf, insbesondere im chronischen Stadium der polyartikulären Gicht, sind weitere bevorzugte Lokalisationen die übrigen Zehen- und Fußwurzelgelenke sowie Finger-, Hand-, Ellenbogen- und Kniegelenke. Ab einer Harnsäurekonzentration von 6,4 mg% kommt es zur Ausfällung von Uratkristallen vorzugsweise an Orten mit niedrigem pH-Wert, wie der Synovialflüssigkeit, den Sehnenscheiden und Schleimbeuteln.
Bildgebung
Bildgebung
Radiologische Befunde finden sich, ähnlich wie bei der PSS, v. a. am Handskelett: 4 Weichteilschwellungen und im Verlauf diffuse oder zirkumskripte subkutane Weichteilverkalkungen (= ThibièrgeWeissenbach-Syndrom) sind typisch. 4 Arthritische Kollateralphänomene mit gelenknahrer Osteoporose sind häufig, arthritische Direktzeichen sind nur selten nachweisbar.
Der chronisch rekurrierende Verlauf der Erkrankung führt dazu, dass die Kristallsynovialitis, die durch die Uratkristalle hervorgerufen wird, im Verlauf zu radiologisch sichtbaren chronisch entzündlichen und degenerativen Veränderungen führt. Wichtigstes Zeichen im chronischen Stadium ist der Tophus (Gichtknoten), bei dem es sich um ein Depot präzipitierter Uratkristalle handelt. Die Tophi können intraartikulär, im Markraum des subchondralen Knochens oder im paraartikulären Weichgewebe lokalisiert sein. Radiologisch sind folgende Befunde wegweisend: Der akute Gichtanfall ist radiologisch durch einen unauffälligen Befund oder lediglich durch eine unspezifische Weichteilschwellung des betroffenen Gelenks gekennzeichnet. Die charakteristischen Röntgenbefunde der chronischen Gicht werden durch Tophi (in unterschiedlichen Lokalisationen) verursacht (. Abb. 40.8, . Abb. 40.9): 4 Weichteiltophi in periartikulärer Lokalisation führen zu 5 relativ dichten exzentrischen Weichteilschwellungen z. T. mit kleinen Kalkspritzern 5 spikulaartige in den Weichteiltophus hineinragende Periostreaktionen (Tophusstachel) 5 Periostale Knochenappositionen können zur Ausbildung einer so genannten Kolbenphalanx führen. 4 Ossäre Tophi führen zu 5 scharf begrenzten Osteolysen (Lochdefekte) bevorzugt im subchondralen Markraum in exzentrischer Lage; diese
Klinik
40
40.1.5
Sharp-Syndrom Definition Synonyma: Mischkollagenose, »mixed connective tissue disease«, MCTD. Beim Sharp-Syndrom handelt es sich um ein (relativ gutartig verlaufendes) Overlap-Syndrom aus SLE, Sklerodermie, Polymyositis und rheumatoider Arthritis.
Bildgebung Radiologisch spiegelt sich das klinische Mischbild wider: 4 Gelenknahe Osteoporose, Erosionen und Fehlstellungen wie bei rheumatoider Arthritis. 4 Akroosteolysen und subchondrale Osteolysen an den DIPGelenken wie bei Sklerodermie. 4 Diffuse oder zirkumskripte subkutane Weichteilverkalkungen (= Thibièrge-Weissenbach-Syndrom).
1233 40.1 · Erkrankungen der Gelenke (Allgemeiner Teil)
4 Die Kristallsynovitis kann im chronischen Verlauf auch zum Nachweis arthritischer Direktzeichen (Gelenkspaltverschmälerung, Schwund der subchondralen Grenzlamelle, Erosionen) führen; auch sekundärarthrotische Veränderungen sind im langjährigen Verlauf häufig.
Kalziumpyrophosphatdihydrat-Kristallarthropathie Definition Synonyma: CPPD-Kristallarthropathie, Chondrokalzinose.
. Abb. 40.8a, b. Synopsis der typischen Röntgenbefunde der Gichtarthropathie des Großzehengrundgelenks (nach Dihlmann). a und b zeigen charakteristische tophiinduzierte ossäre Veränderungen der Gichtarthropathie: a so genannte hellebardenformartige Destruktion des Metatarsuskopfs, in deren Nähe oft Tophusverkalkungen zu finden sind; kortikale Tophusdefekte bzw. Lochdefekte (>5 mm) im Bereich der Phalangen; b in ausgeprägten Fällen komplette Tophusmutilation des Großzehengrundgelenks, so genannte Becherung; tophusinduzierte Periostreaktionen (so genannte Tophusstachel); Zerstörung bzw. Ballonierung der Sesambeine; Lochdefekt in der Endphalanx
können relativ groß werden (an kleinen Knochen Durchmesser häufig >5 mm); als hinweisend auf eine Gicht gelten gelenkferne Osteolysen. 5 Subperiostal gelegene Tophi führen zu überhängenden Knochenrändern (durch periostale Knochenapposition). 5 Durch Vergrößerung und Gelenkeinbruch der ossären Tophi kann es zu Gelenkdestruktionen und -mutilationen kommen.
Die CPPD-Kristallarthropathie ist charakterisiert durch Akkumulation von Kaziumpyrophosphatdihydratkristallen im Faserknorpel, der Synovialflüssigkeit und im hyalinen Gelenkknorpel. Man unterscheidet bei der CPPD-Kristallarthropathie eine primäre Form, die nach dem 50. Lebensjahr familiär gehäuft, aber auch sporadisch auftritt, und eine sekundäre Form, die im Rahmen von metabolischen und endokrinen Stoffwechselerkrankungen (Hämochromatose, Hyperparathyreoidismus, Hypothyreose u. a.) zu beobachten ist.
Pathogenese, Klinik Pathogenetisch relevant ist, dass die Kristallablagerungen zu einer Resistenzminderung des Knorpels führen und in der Synovialmembran eine reaktive Synovialitis initiieren. Klinisch können diese Veränderungen zu einem chronischen Krankheitsverlauf mit z. T. uncharakteristischen Gelenkbeschwerden wechselnder Intensität führen. Die Erkrankung kann aber auch asymptomatisch oder als Pseudogicht mit rezidivierenden Schmerzattacken an den typischen Manifestationsorten verlaufen. Charakteristisch ist ein symmetrischer Gelenkbefall, wobei
. Abb. 40.9a, b. Gichtarthropathie. a Die Röntgenaufnahme des Handskeletts im a.p.-Strahlengang zeigt eine fortgeschrittene Gichtarthropathie des Handskeletts: überhängender Knochenrand an der Grunphalanx D2 durch subperiostalen Tophus, schattengebender Weichteiltophus lateral der proximalen Phalanx D5, fortgeschrittene Destruktionen der proximalen IP-Gelenke D2 und D5. b Auf der Teilansicht der Röntgenaufnahme des rechten Fußes im a.p.-Strahlengang lassen sich kleine Lochdefeke durch intraossäre Gichttophi im Os metatarsale 5, in der proximalen und distalen Phalanx D5 abgrenzen. Manifestation der Gicht als Großzehengrundgelenksarthrose mit zentraler Erosion und Erker am medialen Os metatarsale 1
a
b
40
1234
Kapitel 40 · Erkrankungen der Gelenke
40.1.6
Andere Arthropathien Jan S. Bauer, S. Waldt
Neurogene Osteoarthropathie Definition Synonym: Charcot-Gelenk.
Die neurogene Osteoarthropathie ist eine nichtinfektiöse Erkrankung, die mit exzessiven Destruktionen zu einer Desintegration des betroffenen Gelenks führt. Durch eine gestörte neurogene Versorgung überschreitet sie jedes von der Arthritis oder Arthrose her bekanntes Ausmaß.
Ätiologie, Klinik
. Abb. 40.10. CPPD-Kristallarthropathie. Eine konventionelle Aufnahme des Kniegelenks im a.p.-Strahlengang zeigt ausgeprägte Verkalkungen beider Menisci im Rahmen einer CPPD-Kristallarthropathie
40
Knie-, Hand-, Hüft- und Ellenbogengelenke in absteigender Reihenfolge betroffen sind.
Bildgebung Folgende in Kombination auftretenden Röntgenbefunde sind für die CPPD-Kristallarthropathie charakteristisch: 4 Allgemeine Röntgenzeichen: 5 Verkalkungen von hyalinem Knorpel und Faserknorpel 5 die klassischen Arthrosezeichen 5 subchondrale zystische Veränderungen 4 Spezielle Röntgenbefunde: 5 Kniegelenk: Meniskus- und hyaline Knorpelverkalkungen (. Abb. 40.10); medial betone Gonarthrose, teilweise auch isolierte Retropatellararthrose; synoviale, Kapsel- und Bandverkalkungen. 5 Handgelenk: verkalkter Diskus triangularis; Verkalkungen des hyalinen Knorpels der Gelenkpartner des radiokarpalen Gelenks; Verkalkungen zwischen Os lunatum und Os triquetrum; subchondrale Zysten insbesondere im Os scaphoideum und Os lunatum; skapholunäre Dissoziation durch Insuffizienz des skapholunären Bandes.
Die erste genauere Beschreibung der neurogenen Osteoarthropathie erfolgte durch Charcot bei Patienten mit Rückenmarkserkrankungen. Zu dieser Zeit war Tabes dorsalis der häufigste Auslöser. Heute steht der diabetische Fuß an erster Stelle (. Tab. 40.3) und ist mit noch steigender Prävalenz die häufigste Ursache für Vorfußamputationen. Die neurogene Osteoarthropathie entsteht durch Traumatisierung eines denervierten Gelenks. Durch fehlende Schmerzreaktion kommt es zu einer mechanischen Überlastung des Gelenks, womit die physiologische Mikrotraumatisierung pathologisch verstärkt wird. Gleichzeitig kann es durch eine fehlerhafte Vasomotorik zu einer Hyperämie im Knochen kommen, womit die Osteoklastentätigkeit angeregt wird. Eine ausgedehnte Fragmentierung ist die Folge dieser lokalen Osteolyse. Die ossären Läsionen werden inadäquat repariert, womit das typische Krankheitsbild entweder als atrophe Form mit einem destruierenden Erscheinungsbild oder als hypertrophe Form mit überschießender Knochenneubildung und einem sklerosierenden Erscheinungsbild zur Darstellung kommt. Dabei tritt die atrophe Form eher an peripheren Gelenken, z. B. des Vorfußes, auf, während die hypertrophe Form eher an zentralen Gelenken, z. B. am Knie, zu finden ist. Beide Formen gehen oft ineinander über.
. Tab. 40.3. Ursachen der neurogenen Osteoarthropathie
Ursache
Typische Lokalisation
Metabolisch: 5 Diabetes mellitus 5 Hyperkortizismus 5 Amyloidneuropathie
5 Fuß 5 Hüfte, Knie, Schulter 5 Sprung-, Fußgelenke
Entzündlich 5 Lepra nervosa 5 Tabes dosalis
5 Unterschiedlich 5 Knie, Hüfte, Fuß
Kongenital 5 Syringomyelie 5 Spinale Dysraphie
5 Schulter, Ellenbogen 5 Sprung-, Fußgelenke
Verletzungen
Höhenabhängig vom Niveau der Nervenläsion
Idiopathisch
Unterschiedlich
1235 40.1 · Erkrankungen der Gelenke (Allgemeiner Teil)
a
b
. Abb. 40.11a, b. Neurogene Osteoarthropathie. Die konventionellen Röntgenaufnahmen des Fußes in der a a.p.- und in der b Schrägaufnahme
zeigen massive Destruktionen im Bereich der Fußwurzel, teilweise mit Fragmentation der Tarsalia und Luxationsstellung im Lisfranc-Gelenk
Nach Fried werden 3 verschiedene Stadien eingeteilt, welche hintereinander ablaufen können, oft aber auch unabhängig voneinander zu finden sind: 4 Im ersten Stadium der Chondroosteonekrose kommt es zu einem arthritisähnlichen Bild, das evtl. von einer Osteonekrose und einer Fragmentierung des Knochens begleitet wird. Gleichzeitig kann eine Schwellung und Rötung des Gelenks auftreten. Schmerzen fehlen dabei meist, aber nicht zwingend. 4 Im zweiten, reaktiven Stadium kommt es zu einer überstürzten, disharmonischen Knochenneubildung. 4 Im dritten Stadium, der Stabilisierungsphase, treten über Jahre hinweg kaum Veränderungen auf.
Bildgebung
Die erste klinische Manifestation ist oftmals eine bereits weit fortgeschrittene Gelenkdeformation, bzw. nicht heilende Hautulzera, über die eine Infektion begünstigt wird. Dabei besteht eine große Diskrepanz zwischen den ausgeprägten Destruktionen am Gelenk und den geringen subjektiven Beschwerden. Im angrenzenden Hautareal findet sich eine herabgesetzte Schmerzempfindung sowie eine verminderte Schweißproduktion. Außerdem sieht man eine unspezifische Weichteilschwellung. Muskuläre Atrophie sowie eine Bewegungseinschränkung aufgrund der Elastizitätsminderung des Bindegewebes führen zu unkoordinierten Bewegungsmustern, insbesondere in späteren Stadien beim Diabetes mellitus als Grunderkrankung.
Radiologisch findet man im Wesentlichen 2 Formen: 4 Auf der einen Seite steht die reaktionslose Osteolyse, welche vornehmlich an peripheren, nicht belasteten Gelenken auftritt. 4 Auf der anderen Seite steht das typische Charcot-Gelenk (. Abb. 40.11). Hier findet man gleichzeitig eine Osteolyse mit pathologischer Fragmentationsneigung sowie eine unregelmäßige, subchondrale Spongiosasklerose mit ausgeprägten gelenknahen Verkalkungen, ossären Appositionen und unspezifischen Periostreaktionen. Übergänge beider Formen ineinander kommen vor. Beim Diabetes mellitus als Grunderkrankung betreffen die Veränderungen v. a. den Fuß. Dabei sind das Chopart- sowie das Lisfrancgelenk mit 80% am häufigsten beteiligt (. Abb. 40.11). An den Metatarsalknochen kann sich eine undulierende, benigne Periostverdickung entwickeln. Diese werden dann als Säulenmetatarsalia bezeichnet. Insbesondere bei schlecht eingestelltem Diabetes mellitus verkürzt sich die Achillessehne durch gestörte Glykolisierung und führt zu einer Fehlbelastung des Fußes. Beim Tabes dorsalis geht die neurogene Osteoarthropathie oft den neurologischen Symptomen voraus, und betrifft häufiger die untere Extremität. Bizarre Deformationen, monströse Ankylosierung, und überschießende Kallusbildung nach Insuffizienzfrakturen herrschen vor. Korrespondierend zu der häufigsten Loka-
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Kapitel 40 · Erkrankungen der Gelenke
lisation der Syringomyelie sind hier v. a. die obere Extremität und die Halswirbelsäule betroffen. > Durch die exzessiven Gelenkveränderungen ist das Bild der neurogenen Osteoarthropathie in fortgeschrittenen Stadien praktisch eindeutig. Differenzialdiagnosen. Knöcherne Veränderungen bei Spastiken und Paresen stellen sich als Deformationen bei hypoplastischem oder atrophem Knochen anders dar. Krankheitsbilder mit exzessiver Gelenkzerstörung bilden die wesentliche Differenzialdiagnose von frühen Stadien der neurogenen Osteoarthropathie. Dazu gehört in erster Linie die steroidinduzierte Neuroarthropathie als Folge einer Kortisontherapie. Diese beginnt mit Osteonekrosen an Knie oder Hüfte, wonach es zu einer Fragmentaktion des Knochens, sowie durch begleitende Kollagenschäden zu einer Subluxation des Gelenks kommt. Weitere Differenzialdiagnosen in frühen Stadien der neurogenen Osteoarthropathie sind rheumatoide Systemerkrankungen, Gelenkinfektionen, Tumoren mit Gelenkbeteiligung, Hämophiliearthropathien sowie die rapid destruierende Arthrose (Übersicht).
Differenzialdiagnosen der Arthritis mutilans 4 Charcot-Gelenk 4 Pseudo-Charcot-Gelenk und andere seltene Systemerkrankungen 4 Hämophiliearthropathien 4 Schwere Verläufe rheumatischer Systemerkrankungen 4 Rapid-destruierende Arthrose 4 Infektiöse Arthritiden 4 Tumoren mit Gelenkbeteiligung
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Als radiologische Primärdiagnostik dient das konventionelle Röntgen. Bei diskreten Frühveränderungen sind Kontrollaufnahmen oder eine CT für die Erfassung subtiler ossären Läsionen sinnvoll. Zur Abklärung einer Osteomyelitis ist die MRT heute Verfahren der Wahl. Die Szintigraphie ist hierbei in den Hintergrund getreten.
Hämophilie-Arthropathie Definition, Ätiologie Synonyma: Blutergelenk, koagulopathische Osteoarthropathie.
Die Hämophilie-Arthropathie ist eine durch Gelenkeinblutungen verursachte Osteoarthropathie. Die Hämophilie ist eine X-chromosomal-rezessiv vererbte, plasmatische Gerinnungsstörung, die am häufigsten durch eine Aktivitätsminderung der Gerinnungsfaktoren VIII (Hämophilie A) und IX (Hämophilie B) verursacht wird. Die gleichen Veränderungen können, wenn auch seltener, durch alle anderen Gerinnungsstörungen verursacht werden, sowohl kongenitaler wie auch erworbener Art. > Auch durch orale Antikoagulanzientherapie kann eine Hämophilie-Arthropathie ausgelöst werden. Intraartikuläre Blutungen bilden die Grundlage dieser Arthropathie.
Pathogenese Durch den Einbruch einer intrasynovialen Blutung in das Gelenkkavum entsteht ein Hämarthros. Dieses triggert einen Entzündungsprozess, der Knorpel wird degenerativ verändert und die Synovialmembran verdickt sich. Außerdem führt die Blutung zu einer Druckerhöhung im Gelenk, welche zu einem Knochenabbau der knorpelfreien Gelenkoberflächen führt. Bei wiederholten Blutungen kann diese chronische Arthritis mit großen subchondralen Zysten einhergehen und unbehandelt schon früh zu ausgeprägter Gelenkzerstörung führen.
Klinik Eine Gelenkblutung entsteht akut meist aufgrund eines Traumas und äußert sich klinisch mit Bewegungseinschränkung, Schwellung und evtl. Muskelspasmen. Im chronischen Stadium ist das klinische Bild vom Ausmaß der Gelenkzerstörung bestimmt und kann durch schmerzhafte Bewegungseinschränkung sowie muskuläre Kontrakturen die Lebensqualität enorm einschränken.
Diagnose, Bildgebung Knie-, Ellenbogen-, und oberes Sprunggelenk sind häufig zuerst betroffen, da diese großen Gelenke mit dünnem Weichteilmantel besonders zur Traumatisierung neigen. Anfangs steht die Weichteilschwellung, verursacht durch die Blutung, im Vordergrund. Bei chronischen Blutungen kommt es zu einem arthritischen Bild mit Gelenkspaltverschmälerung, unregelmäßiger, subchondraler Sklerose, Osteophyten, Erosionen und oft multiplen subchondralen Zysten. Kollateralphänomene, verursacht durch entzündliche Prozesse an der Synovialmembran, zeigen sich als Weichteilschwellung und regionale Demineralisation. Diese führen zu den für die Hämophilie-Arthropathie typischen Knochenformstörungen (. Abb. 40.12), z. B. der Erweiterung der Fossa intercondylaris am distalen Femur, einer Rechteckform der Patella, oder dem Humerus varus. In der MRT haben die Einblutungen je nach Alter entsprechend verschiedene Signalintensitäten. Der Grad der Destruktion kann mit der MRT am genauesten beurteilt werden. Differenzialdiagnose. Gelenkdestruktionen können in ähn-
licher Art und Weise durch Traumata, die neurogene Osteoarthropathie, synoviale Tumoren, die pigmentierte villonoduläre Synovialitis, Infektionen, Chondrokalzinose, myeloproliferative Erkrankungen oder die Sichelzellkrankheit verursacht werden. Meist ist jedoch die Koagulopathie als Vorerkrankung bekannt, im Stadium der akuten Gelenkblutung ist die Klinik wegweisend.
Akromegalie und hypophysärer Gigantismus Definition Gewebeproliferation durch Hypersekretion von Wachstumshormonen führt zu Knochen- und Gelenkveränderungen.
Ätiologie Kausal liegt der Akromegalie eine Überproduktion von Wachstumshormonen zugrunde. Meist werden diese im Hypophysenvorderlappen sezerniert, selten kann ein Malignom die Ursache sein. Der Überschuss an Wachstumshormonen führt zu einer
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findet sich eine homogene Zeichnung des Weichteilgewebes, da das Fettgewebe durch proliferierendes Weichteilgewebe ersetzt wird. Der Gelenkspalt vergrößert sich durch Wachstum des hyalinen Knorpels. Da dieser allerdings sehr labil ist, kommt es frühzeitig zum Verschleiß desselben. Das »Auswachsen« der Bandinsertionen verstärkt das arthrotische Bild. In späteren Stadien der Arthrose kann es dann auch wieder zu Gelenkspaltverschmälerungen kommen, selten kann der neu gebildete Knorpel auch verknöchern und das Bild einer Kappe bilden. Vergrößerte Akren zusammen mit laborchemisch erhöhtem Wachstumshormon machen die Diagnose der Akromegalie eindeutig. Radiologisch ist das Bild der Arthrose mit erweitertem Gelenkspalt typisch. Bei radiographisch verdickt imponierenden Phalangen ist noch an die Pachydermoperiostose zu denken, allerdings ist hier der Gelenkspalt nicht erweitert und eine hypophysäre Raumforderung fehlt.
Rezidivierende Polychondritis Definition Die rezidivierende Polychondritis ist gekennzeichnet durch wiederholte Entzündungsschübe des Knorpelgewebes des Außenohrs sowie des hyalinen Gelenkknorpels und seltener der Atemwege und Skleren.
Ätiologie Eine immunologische Reaktion gegen Gewebe mit einem hohen Gehalt an Proteoglykanen scheint der Krankheit zugrunde zu liegen, eine Assoziation mit HLA-DR4 wurde nachgewiesen. Die genaue Ursache ist allerdings noch unbekannt.
Klinik . Abb. 40.12. Hämophiliearthropathie des Kniegelenks. Die koronare CT-Rekonstruktion zeigt Charakteristika einer Hämophilie-Arthropathie mit Erosionen, subchondralen Zysten und sekundärarthrotischen Veränderungen. Es beseht eine typische Deformität des distalen Femurs mit Vergrößerung der Femurkondylen und Erweiterung des Interkondylarraums
Proliferation von Weichteilgewebe, sowie zu einer Zunahme des Knochenvolumens durch chondrale und periostale Ossifikation. Im wachsenden Skelett führt dies zum hypophysären Gigantismus, nach Epiphysenfugenschluss zur klassischen Akromegalie.
Die Klinik der Erkrankung weist oft erhebliche Überlappungen mit anderen immunologischen und rheumatologischen Erkrankungen auf. Die Krankheit tritt v. a. in der 4. und 5. Lebensdekade auf, die Zehnjahresüberlebensrate beträgt etwa 55%. Symptomatisch steht die aurikuläre Chondritis im Zentrum, die in >90% der Fälle nachzuweisen ist. Daneben kommt es zu Poly- und Oligoarthropathien, v. a. der Hüften und Knie, sowie zu Komplikationen wie Dyspnoe durch eine Tracheomalazie und Hörverlust durch eine Otitis externa.
Diagnose, Bildgebung Klinik Im Vordergrund der Symptomatik steht die progrediente Vergrößerung und Vergröberung der Gesichtsweichteile. Betroffen sind insbesondere das Kinn und die Supraorbitalwülste, Hände und Füße, die dann einen tatzenartigen Aspekt bekommen. Des Weiteren wird die Stimme durch Vergrößerung des Larynx tiefer. Die knöchernen Veränderungen verursachen rheumatische Beschwerden, wie Morgensteifigkeit und rezidivierende Gelenksergüsse. Auch können neurologische Symptome wie Hitzewallungen, Depression oder Kopfschmerz das Krankheitsbild prägen.
Die radiologischen Gelenkveränderungen sind meist unspezifisch. Nur die Analyse der Gesamtveränderungen, mit Fokus auf die aurikuläre Chondritis, kann differenzialdiagnostisch weiterhelfen. Daneben wurden Verkalkungen der Ohrmuschel und eine bilaterale Sakroiliitis beschrieben. Entzündliche Veränderungen des Tracheobronchialsystems sowie der Gefäße sind am besten mit der CT bzw. MRT darzustellen. Insgesamt dient die Radiologie zur Abschätzung des Schweregrades bzw. der Ausdehnung der entzündlichen Veränderungen. Die Diagnose wird klinisch gestellt.
Bildgebung
Multizentrische Retikulohistiozytose Definition, Pathogenese
Das radiologische Bild ist geprägt von der Größenzunahme der Knochen, der Weichteile sowie des Knorpels. An den Händen
Synonyma: Retikulohistiozytom, Riesenzellretikulohistozytose, lipoide Dermatoarthritis, Lipoidrheumatismus.
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Kapitel 40 · Erkrankungen der Gelenke
Die Multizentrische Retikulohistiozytose ist eine im Erwachsenenalter auftretende Multisystemerkrankung aus der Gruppe der Histiozytosen, Lipidosen und Hyperlipoproteinämien. Sie ist durch eine Proliferation von Histiozyten gekennzeichnet, die Ursache ist jedoch ungeklärt. Möglicherweise durch umschriebene, abnorme Lipidablagerungen kommt es zu einer Proliferation von Histiozyten in der Haut und in den Schleimhäuten, seltener im Knochengewebe.
Klinik, Diagnose Eine Polyarthritis ist etwa zu zwei Dritteln der Fälle die klinische Erstmanifestation, betroffen sind v. a. Frauen im mittleren Lebensalter. Gelenkveränderungen manifestieren sich primär an den Interphalangealgelenken der Finger, seltener an den großen Extremitätengelenken oder der Wirbelsäule. Später treten die granulomatösen Infiltrate auch an der Haut in Form von kleinen Noduli oder an inneren Organen auf; in etwa einem Drittel der Fälle beginnt die Symptomatik an der Haut. Die Polyarthritis manifestiert sich typischerweise symmetrisch an den Interphalangealgelenken und dehnt sich später auf die Metakarpophalangealgelenke aus. Sie ist rasch destruierend, mit tiefen Erosionen sowie oft fehlender Gelenkspaltverschmälerung. Das Stadium der Mutilation wird oft schon nach wenigen Jahren erreicht. Falls vorhanden, erleichtern die charakteristischen Hautpapeln die Diagnose. Sonst kann die Abgrenzung von anderen destruierenden Gelenkveränderungen schwierig sein. Hinsichtlich des Verteilungsmusters kann v. a. die Abgrenzung zur erosiven Arthrose, aber auch der Gicht schwierig sein, und muss evtl. durch eine Gelenkbiopsie gesichert werden.
40.1.7
Arthrosis deformans
Definition, Pathogenese Synonym: Arthrose, degenerative Gelenkerkrankungen.
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Bei der Arthrosis deformans handelt es sich um eine Verschleißerkrankung des Gelenks, die durch ein Missverhältnis zwischen Belastung und Belastbarkeit der Gelenkknorpels hervorgerufen wird. Man unterscheidet die primäre Arthrose, die meist in höherem Lebensalter auftritt und deren Ätiologie unklar ist, von der sekundären Arthrose, bei der eine vorbestehende Grunderkrankung als ursächlich anzusehen ist. Klinisch wird zwischen der latenten Arthrose, die klinisch noch asymptomatisch verläuft und der aktivierten Arthrose unterschieden. Als hauptursächlich bei der sich entwickelnden Schmerzsymptomatik (Aktivierung des Befundes) ist eine Synovialitis anzusehen, die auf abgeschilferten und abgeschliffenen Gelenkknorpeldetritus zurückgeführt wird.
. Tab. 40.4. Kellgren-Lawrence Score der Arthrosis deformans Grad 0
Keine Röntgenzeichen der Arthrose
Grad I
Fraglich; minmale Osteophyten (unsicherer Befund), regelrechte Gelenkspaltweite
Grad II
Geringgradig; eindeutige Osteophyten, regelrechte Gelenkspaltweite
Grad III
Moderat; Osteophyten; moderate Minderung der Gelenkspaltweite
Grad IV
Schwer; fortgeschrittene Verschmälerung des Gelenkspalts mit Sklerosierungen des subchondralen Knochens
4 Gelenkspaltverschmälerung 4 Subchondrale Sklerosierungen 4 Subchondrale Zysten (auch Geröllzysten genannt); meist in der Druckaufnahme- (bzw. Trag-)zone des Gelenks 4 Marginale Osteophyten 4 Freie Gelenkkörper (<10); Kapselchondrome und Kapselosteome entstehen durch Metaplasien in der Gelenkkapsel. 4 Gelenkdeformierungen 4 Fehlstellungen Um die im konventionellen Röntgenbild nachweisbaren Veränderungen der Arthrosis deformans zu quantifizieren, wird weit verbreitet der Kellgren-Lawrence Score verwendet (. Tab. 40.4). Die MRT ermöglicht eine weitere Präzisierung des radiologischen Befundes, da das Ausmaß der Knorpelschäden abgebildet werden kann. Der stadienhafte Verlauf der Knorpeldegeneration führt über Erweichungen, kleinere Knorpeldefekten und Fibrillierungen zu ausgedehnten Knorpelschäden, die bis an den subchondralen Knochen heran reichen. Es ist empfehlenswert, die Klassifizierung der Chondromalazie entsprechend der arthroskopischen Klassifikationssysteme vorzunehmen: 4 Grad I: Erweichung des Knorpels mit ödematösen Veränderungen, Schwellungen des Knorpels 4 Grad II: Fibrillationen, Fissurierungen und Blasenbildungen des Knorpels 4 Grad III: Oberflächendefekte des Knorpels, die im Stadium IIIa weniger, im Stadium IIIb mehr als 50% der Knorpeldicke einnehmen 4 Grad IV: Oberflächendefekt mit Exposition des subchondralen Knochens
40.1.8
Infektiöse Spondylitis und Spondylodiszitis
Bildgebung
Definition, Epidemiologie
Die klassischen konventionell-radiologischen Zeichen der Arthrosis deformans sind sowohl auf die Knorpeldegeneration und -destruktion, die damit im Zusammenhang stehenden Veränderungen des subchondralen Knochens und auf die im Verlauf auftretenden Deformierungen der Gelenkanteile zurückzuführen:
Die infektiöse Spondylitis und Spondylodiszitis machen nur ca. 2–4% aller Osteomyelitiden aus. Im Erwachsenenalter sind sie dennoch die bei weitem häufigsten Manifestationsformen der hämatogenen (endogenen) Osteomyelitis. Lenden-, Brust- und Halswirbelsäule sind in absteigender Häufigkeit betroffen.
1239 40.1 · Erkrankungen der Gelenke (Allgemeiner Teil)
Ätiologe, Pathogenese
Bildgebung
Häufigster Erreger ist wie bei den Osteomyelitiden in anderen Lokalisationen Staphylococcus aureus. Nicht selten ist aber auch Mycobacterium tuberculosis Ursache eine Spondylitis bzw. Spondylodiszitis (Kap. 18.9). Der Infektionsweg ist in den meisten Fällen hämatogen. Die Infektionen können aber auch durch Fortleitung paravertebraler Entzündungsprozesse oder iatrogen durch direkte Kontamination entstehen. Die hämatogene Aussaat der Erreger in den Wirbelkörper erfolgt über Wirbelkörper versorgende Arterien und zu einem kleineren Anteil über Venen. Es kommt typischerweise zunächst zu bakteriellen Absiedlungen in den ventrolateralen bandscheibennahen Anteilen der Wirbelkörper (Spondylitis). Von dort breitet sich der entzündliche Prozess weiter auf die gefäßfreie Bandscheibe aus (Spondylodiszitis).
Bildgebend sind folgende Befunde charakteristisch: 4 Röntgen-Aufnahmen: 3–6 Wochen nach Krankheitsbeginn sind auf konventionellen Aufnahmen die ersten ossären Veränderungen abgrenzbar: 5 Unschärfe der korrespondierenden Grundplatten 5 Höhenabnahme des Zwischenwirbelraums 5 Konturdefekte der Wirbelkörperabschlussplatten 5 Im weiteren Verlauf Wirbelkörperdestruktionen und Sinterungen; Gibbusbildung 5 Im Reparationsstadium reaktive Sklerosierungen unterschiedlichen Ausmaßes 4 MRT: Methode der Wahl sowohl zur Frühdiagnostik als auch zur weiteren Abklärung (Beurteilung des Spinalkanals/
Ausschluss intraspinaler Komplikationen) (. Abb. 40.13): 5 Es finden sich ödematöse Veränderungen der betroffenen Wirbelkörper und der Bandscheibe; die Bandscheibe kommt bei der Spondylodiszitis auf flüssigkeitssensitiven Bildern (T2w- oder STIR-Aufnahmen) durch den erhöhten Flüssigkeitsgehalt charakteristischerweise signalreich zur Darstellung. 5 Durch entzündliche Infiltrationen im Knochenmark kommt es auf nativen T1w-Aufnahmen zu Signalabsenkungen in den bandscheibennahen Wirbelkörperanteilen;
! Bis ca. zum 6. Lebensjahr ist die Bandscheibe noch vaskularisiert, sodass es bei Kindern auch primär zu einer Diszitis durch hämatogene Aussat kommen kann.
Klinik Klinisch äußert sich die Spondylodiszitis durch (häufig dumpfe) Schmerzen in dem betroffenen Wirbelsäulensegment, Fieber, BSG-Erhöhnung und Leukozytenerhöhung.
a . Abb. 40.13a, b. Akute Spondylodiszitis LWK 4/5 mit epiduralem Abszess. a Auf der sagittalen T2w-MRT-Aufnahme kommt nahezu die gesamte Bandscheibe signalangehoben zur Darstellung. b Nach KM-Applikation
b kann der epidurale Abszessanteil aufgrund des kräftigen, randständigen Enhancements gut abgegrenzt werden
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Kapitel 40 · Erkrankungen der Gelenke
typisch ist, dass diese mindestens isointens zur angrenzenden Bandscheibe sind. 5 Nach Kontrastmittelgabe sind Anreicherungen sowohl der betroffenen Wirbelkörper als auch des Intervertebralraums charakteristisch; die häufig vorhandenen prä-, paravertebralen oder intraspinalen Weichteilanteile können nach Kontrastmittelgabe am besten abgegrenzt werden.
a
4 Abszessformationen (epidural, paravertebral und intradiskal), die sehr signalreich auf dem T2w-Bild und mit rand-
ständigem Enhancement nach Kontrastmittelgabe zur Darstellung kommen, können ebenfalls am sensitivsten nach Kontrastmittelapplikation abgegrenzt werden; um paravertebrale Senkungsabszesse im M. iliopsoas darzustellen, ist zusätzlich zur Standarduntersuchung der Wirbelsäule eine Sequenz in koronarer Schichtführung empfehlenswert. Differenzialdiagnose. Die wichtigste Differenzialdiagnose der (unspezifischen) infektiösen Spondylodiszitis ist neben der tuberkulösen Spondylodiszitis die erosive Osteochondrose, die auf konventionellen Bildern auch durch eine Höhenabnahme des Zwischenwirbelraums, Unschärfe und erosiv-destruierende Veränderungen der korrespondierenden Grundplatten sowie subchondrale Sklerosierungen unterschiedlichen Ausmaßes gekennzeichnet ist.
b
c
> Nachweis von intradiskaler Luft auf konventionellen Aufnahmen ist ein wichtiges differenzialdiagnostisches Zeichen, das für eine erosive Osteochondrose und gegen eine Spondylodiszitis spricht. Praktisch beweisend für eine erosive Osteochondrose ist ein Signalverlust der Bandscheibe (Dehydratation) auf T2w- und STIRAufnahmen in der MRT (. Abb. 40.14).
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Zur Keimbestimmung ist die CT-gestützte Wirbelkörper- bzw. Bandscheibenpunktion das Verfahren der Wahl, allerdings gelingt der Erregernachweis nur in ca. 50% der Fälle. Ein negativer Keimnachweis ist häufig durch eine antibiotische Anbehandlung bedingt. 40.1.9
Skeletttuberkulose einschließlich Spondylitis
Definition, Pathogenese Die Skeletttuberkulose entsteht meist sekundär durch hämatogene Streuung des Mycobacterium tuberculosis aus einem Primärherd innerhalb der ersten 3 Jahre nach Primärinfektion. Der häufigste Manifestationsort der Skeletttuberkulose ist die Wirbelsäule, gefolgt von den großen Gelenken der unteren Extremität (Knie-, Hüft- und Sprunggelenk).
Klinik Die klinischen Beschwerden entwickeln sich meist schleichend, Allgemeinsymptome sind nur fakultativ vorhanden, lokale Beschwerden treten häufig erst nach einem langen beschwerdefreien Intervall (Monate bis Jahre) auf. Lokale Druckschmerzhaftigkeit, Rückenschmerzen und eingeschränkte Motilität der Wirbelsäule können die führenden Symptome der tuberkulösen Spondylitis sein.
. Abb. 40.14a–c. Erosive Osteochondrose LWK 2/3. a, b Die sagittalen CT-Rekonstruktionen zeigen eine ausgeprägte Höhenabnahme des Zwischenwirbelraums LWK 2/3, eine Unschärfe und erosiv-destruktive Veränderungen der Grundplatten sowie subchondrale Sklerosierungen in den bandscheibennahen Anteilen von LWK 2 und 3. Beachte: auf b, der lateralen CT-Rekonstruktion, kann ein Vakuumphänomen abgegrenzt werden. c Typisch ist, dass die Bandscheibe des betroffenen Segments auf der T2w-MRTAufnahme signalarm zur Abbildung kommt
1241 40.1 · Erkrankungen der Gelenke (Allgemeiner Teil)
Bildgebung Die radiologischen Befunde der unspezifischen Spondylitis bzw. Spondylodiszitis sind im Einzelfall nicht von der tuberkulösen Spondylitis bzw. Spondylodiszitis zu unterscheiden. Dennoch können folgende Befunde als Hinweise auf eine Spondylitis tuberculosa (Pott-Erkrankung) gewertet werden: 4 Oligotopes Verteilungsmuster (Befall mehrerer Segmente durch subligamentäre Ausbreitung der Entzündung). 4 Lokalisation in der BWS (v. a. mittlere BWS); thorakale Gibbusbildung (Folgezustand). 4 Ausgedehnte paravertebrale Abszesse; Verkalkungsformationen in den extraossären Anteilen sind charakteris-
tisch. 4 Lang erhaltene Bandscheiben bei Beteiligung von mehr als
2 Wirbelkörpern. Die tuberkulöse Osteomyelits des peripheren Skelettsystems entwickelt sich am häufigsten sekundär fortgeleitet von einer septischen Arthritis des angrenzenden Gelenks. Das Vorkommen einer Osteoarthrtis (Osteomyelitis plus Arthritis) ist bei der tuberkulösen Osteomyelitis deutlich häufiger als bei anderen entzündlichen Skeletterkrankungen. Die häufigsten Manifestationsorte sind die großen Gelenke der unteren Extremität, seltenere Lokalisationen sind die Metakarpalia (Metatarsalia), Phalangen des Hand- und Fußskeletts, die Scapula und das Beckenskelett. Prinzipiell kann jedoch jeder Skelettabschnitt betroffen sein. Während die verkäsende (exsudative) Knochentuberkulose zu vollständigen Nekrosen des spezifischen Gewebes und auch des Knochens führt und es dadurch im Verlauf zu Destruktionen und ausgedehnten Sequesterbildungen (Nekrosen und Weichteilverkalkungen) kommt, ist für die produktive (granulierende) Knochentuberkulose die Ausbildung von Knochenkavernen charakteristisch, die radiologisch als zystische bzw. zystenähnliche Läsionen imponieren. Die produktive (zystische) Knochentuberkulose hat im Allgemeinen eine gute Prognose und findet sich vorwiegend bei Kindern; typische Lokalisation sind die metaphysären Anteile der langen Röhrenknochen; ein symmetrisches Auftreten ist häufig. Im Röntgenbild finden sich gut demarkierte ovalär bis rundliche Osteolysen, die im Verlauf sklerosieren können. Auch die tuberkulöse Daktylitis, die sich an den kurzen Röhrenknochen des Hand- und Fußskelett manifestiert, tritt überwiegen bei Kindern auf; Weichteilschwellungen, Periostreaktionen und Osteolysen sind charakteristische radiologische Befunde; zusammen mit einer Auftreibung des Knochens wird der Befund als Spina ventosa bezeichnet
40.1.10
Degenerative Wirbelsäulenerkrankungen
Unter den degenerativen Wirbelsäulenveränderungen werden Degenerationsprozesse an den Zwischenwirbelräumen, an den Wirbelbogengelenken, den Kostotransversalgelenken (BWS) und den Unkovertebralgelenken (HWS) subsummiert. Komplikationen wie spinale Stenosen, Rezessusstenosen und Neurofora-
menstenosen resultieren häufig aus degenerativen Veränderungen von mehr als einem Gelenk eines Wirbelsäulensegments.
Degenerative Diskopathie: Chondrose – Osteochondrose – Spondylosis deformans Definition Die Bandscheibendegeneration wird als Chondrose (Synonym: Chondrosis intervertebralis) bezeichnet und ist initial auf einen Flüssigkeitsverlust des Nucleus pulposus zurückzuführen. Im Verlauf kommt es zu strukturellen Schädigungen und Desintegration des Bandscheibengewebes, wodurch die Funktion eingeschränkt wird. Treten reaktive ossäre Veränderungen der subchondralen Wirbelkörperspongiosa (subchondrale Sklerosierungen und marginale Osteophyten) hinzu, handelt es sich definitionsgemäß um eine Osteochondrose (Osteochondrosis intervertebralis).
Bei der Spondylosis deformans beginnt der Degenerationsprozess im Ansatzbereich der Sharpey’schen Fasern (Verankerungen des Anulus fibrosus an der Wirbelkörpervorderkante) und das vordere Längsband dient als Leitschiene für submarginale Osteophyten (Spondylophyten). Ein in der Höhe erhaltener Zwischenwirbelraum ist charakteristisch (Definition nach Resnick). In der Regel ist bei fortgeschrittener Wirbelsäulendegeneration eine Trennung zwischen Spondylosis deformans und Osteochondrosis intervertebralis nicht möglich, da beide Degenerationsprozesse pathogenetisch verbunden sind und synchron ablaufen.
Bildgebung Bildgebend lassen sich folgende Veränderungen im Rahmen der degenerativen Diskopathie abgrenzen: 4 Chondrose: 5 Auf Röntgenaufnahmen ist die reaktionslose Höhenab-
nahme des Zwischenwirbelraums der typische Befund. Bei Rissbildungen im Anulus fibrosus kann es durch Distraktionen zum Unterdruck im Bandscheibenfach mit konsekutivem Austritt von Stickstoff kommen; diese Gasansammlungen (»Vakuumphänomen«) sind am besten im seitlichen Strahlengang auf konventionellen Aufnahmen nachweisbar. 5 MRT:
– Auf T2w-Aufnahmen ist der Flüssigkeitsverlust des Nucleus pulposus frühzeitig als signalarmes Band (»nuclear cleft sign«) abgrenzbar; physiologischerweise ist der Nucleus pulposus bis ca. zum 30. Lebensjahr signalreich auf T2w-Aufnahmen, während der Anulus fibrosus auf T1- und auf T2-gewichteten Bildern hypointens zur Darstellung kommt. – Bei fortschreitendem Degenerationsprozess kommt die Bandscheibe auf T1- und T2w-Aufnahmen zunehmend hypointens (meist einhergehend mit einer Höhenminderung) zur Darstellung. – Das Ausmaß der Bandscheibendegeneration mit resultierender Diskusverlagerung wird nach der American Spine Association abhängig von der Position des Nuc-
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1242
Kapitel 40 · Erkrankungen der Gelenke
leus pulposus und der Integrität des Anulus fibrosus folgendermaßen klassifiziert: Bulging: breitbasige Vorwölbung des intakten Anulus fibrosus über die ossäre Begrenzung der Wirbelkörper hinaus. Protrusion: intradiskaler Prolaps des Nucleus pulposus in den rupturierten Anulus fibrosus. Extrusion: Prolaps des Nucleus pulposus in den Spinalkanal. 4 Osteochondrose: 5 Die konventionell-radiologischen Zeichen der Osteo-
chondrose sind Höhenabnahme des Zwischenwirbelraums, subchondrale Sklerosierungen der korrespondierenden Grundplatten und marginale Osteophyten; die marginalen Osteophyten entstehen als ossäre Ausziehungen in Höhe der Grundplatten. 5 MRT: die degenerierte Bandscheibe kommt höhengemindert und hypointens in allen Wichtungen zur Darstellung; die subchondrale Sklerosezone lässt sich als signalarmes, der Bandscheibe paralleles Band abgrenzen; Hernierungen des Bandscheibengewebes einschließlich intraspongiöser Herniationen (Schmorl-Knötchen) nehmen mit fortschreitender Degeneration zu. 5 Die reaktiven Veränderungen im bandscheibennahen Knochenmarkraum werden nach Modic in 3 Stadien eingeteilt: – Stadium I: ödematöse Veränderungen in der bandscheibennahen Spongiosa (T1-Signal↓, T2-Signal↑) – Stadium II: eine Fettmarkkonversion des diskusnahen Knochenmarks schließt sich an die pseudoentzündlichen Veränderungen an (T1-Signal↑, T2-Signal ↑) – Stadium III: im letzten Stadium kommt es zu subchondralen Sklerosierungen im bandscheibennahen Knochen (T1-Signal↓, T2-Signal↓) 4 Spondylosis deformans: 5 Konventionell-radiologische Zeichen sind spondylo-
40
phytäre Ausziehungen (= submarginale Osteophyten) insbesondere an den ventralen und lateralen Anteilen der Wirbelkörper bei erhaltener Zwischenwirbelraumhöhe; in der BWS finden sich typischerweise aufgrund der Aortenpulsationen links deutlich weniger Spondylophyten als rechts. 5 Die Spondylophyten entspringen submarginal, d. h. wenige mm ober- oder unterhalb der Bandscheibe und haben typischerweise eine hakenförmige Form mit einem horizontalen und einem auf die Bandscheibe ausgerichteten Anteil; das vordere Längsband ist Leitschiene für die Spondylophyten. Differenzialdiagnose. Traktionsosteophyten entstehen bei segmentaler Instabilität; es handelt sich ebenfalls um submarginale Osteophyten, die aber nicht auf die Abschlussplatte zuwachsen, sondern vom Zwischenwirbelraum weg zeigen und verhältnismäßig kurz sind; typisch ist, dass bei jüngeren Patienten nur das instabile Segment ossäre Anbauten aufweist.
40.2
Erkrankungen der Gelenke (Spezieller Teil)
40.2.1
Schultergelenk S. Waldt, M. Eiber
Rotatorenmanschette Die Rotatorenmanschette umfasst die Sehnen des M. subscapularis, des M. supraspinatus, des M. infraspinatus und des M. teres minor. > Der Begriff Impingement beschreibt einen pathophysiologischen Zustand, in dem es zur Kompression der Sehnen der Rotatorenmanschette in bestimmten Gelenkstellungen kommt.
Das Impingement-Syndrom ist primär eine klinische Diagnose. Die ursächlichen und aus dem Impingement resultierenden Pathologien können jedoch mittels Bildgebung dargestellt werden. Das Impingement stellt den wesentlichen Pathomechanismus bei der Entstehung von Rotatorenmanschettenläsionen dar. Nach Jobe werden unterschiedliche Impingementformen des Schultergelenks entsprechend der zugrunde liegenden Ursache klassifiziert: 4 Primäres, extrinsisches Impingement, dazu gehören: 5 das subakromiale Impingement 5 das korakoidale Impingement 4 Sekundäres Impingement, hierzu gehört: 5 das intrinsische Impingement bei Mikroinstablität oder Hyperlaxizität des Schultergelenks.
Subakromiales Impingement Das subakromiale Impingement ist die häufigste Impingementform. Strukturelle Veränderungen des korakoakromialen Bogens (bestehend aus Akromion, Ligamentum coracoacromiale und Processus coracoideus), die zur Einengung des subakromialen Raums führen, liegen dieser Impingementform zugrunde. Bei Abduktion und Außenrotation des Arms kommt es zur Kompression der Rotatorenmanschette zwischen Humeruskopf und korakoakromialem Bogen, wodurch Tendinopathien, Rupturen der Rotatorenmanschette und sehr häufig auch Bursitiden der Bursa subacromialis verursacht werden. Folgende Veränderungen können als prädisponierende Faktoren bzw. als Ursachen dieser Impingementform angesehen werden: 4 Formvarianten des Akromions: ein hakenförmiges (in der parasagittalen Ebene) Akromion; Bigliani Typ 3 (. Abb. 40.15) 4 Verlaufsrichtung des Akromions: ein (in der parakoronaren Ebene) um >10° nach kaudal deszendierendes Akromion 4 Persistierendes Os acromiale: ein über das 25. Lebensjahr hinaus persistierendes Os acromiale 4 Subakromialer Osteophyt: entspricht einer Fibroostose im Ansatzbereich des Ligamentum coracoacromiale (im MRT kann die differenzialdiagnostische Abgrenzung gegenüber einem kräftigen Bandansatz schwierig sein; konventionelle Aufnahmen sind erforderlich).
1243 40.2 · Erkrankungen der Gelenke (Spezieller Teil)
. Abb. 40.15. Schemazeichnung der Akromiontypen nach Bigliani. Nur der Typ 3 gilt als prädisponierender Faktor für das Outlet-Impingement A: Bigliani-Typ 1; B: Bigliani-Typ 2; C: Bigliani-Typ 3
4 Hypertrophe AC-Gelenksarthrose: degenerative Verände-
rungen des AC-Gelenks sind nur in seltenen Fällen Ursache des Impingements. 4 Verdicktes Ligamentum coracoacromiale: ein >2 mm verdicktes Ligamentum coracoacromiale
Subkorakoidales Impingement Das subkorakoidale Impingement ist eine seltene Impingementform, die auf eine Verminderung des humerokorakoidalen Abstands (nach Korakoidfrakturen oder postoperativ) zurückzuführen ist. Beim subkorakoidalen Impingement kommt es bei Adduktion, Innenrotation und Elevation des Arms zur Kompression der Subskapularissehne zwischen Humeruskopf und Processus coracoideus. Klinisch sind in dieser Stellung Schmerzen ventral im Schultergelenk charakteristisch. Als typische Befunde sind isolierte Rupturen der Subskapularissehne, eine Bursitis subcoracoidea und auch Verletzungen der Bizepssehne einschließlich PulleyLäsionen anzusehen.
Intrinsisches Impingement Die klinisch wichtigste Form des intrinsischen Impingements ist das posterosuperiore Impingement, bei dem es in Abduktionsund Außenrotationsstellung des Arms zum Impingement zwischen posteriorer Supraspinatussehne bzw. Infraspinatussehne, dem posterosuperioren Glenoid und Humeruskopf kommt (. Abb. 40.16). Das posterosuperiore Impingement tritt typischerweise bei Überkopfsportlern auf, bei denen es durch repititive Mikrotraumatisierungen zur Schädigung mit degenerativen Veränderungen und Elongation der Gelenkkapsel, des Labrums und der glenohumeralen Bänder kommt. Durch erweiterte Kap-
. Abb. 40.16. Schematische Darstellung der Befundkonstellation des posterosuperioren Impingements. 1: Ossäre Läsion Humeruskopf, 2: artikularseitige RM-Läsion (SSP, ISP), 3: Läsionen des posterioren/superioren Labrums, 4: anteriore Kapselläsionen (IGHL), 5: Knorpel-/Knochen-Läsionen Glenoid
selverhältnisse kommt es zu einer Dezentrierung des Humeruskopfs mit vermehrter anterosuperiorer Translation bei Überkopfbewegungen. Außer bei Sportlern tritt diese Impingemenform auch bei Patienten mit atraumatischer Instabilität auf. Folgende Befunde, die am sensitivsten MR-arthrographisch erhoben werden können, sind charakteristisch für das posterosuperiore Impingement (. Abb. 40.16): 4 Artikulärseitige Partialrupturen der posterioren Supraspinatussehne und Partialrupturen der Infraspinatussehne 4 Posterosuperiore Labrumläsionen 4 Knorpel-/Knochenläsionen am posterosuperioren Glenoid 4 Anteriore Kapselläsionen; Elongation des IGHL (bei Patienten mit Mikroinstabilität)
Tendinose und Rupturen der Rotatorenmanschette Definition, Ätiologie Der Tendinose (Tendinopathie) liegen degenerative (muzinöse und myxoide) Veränderungen der betroffenen Sehnenabschnitte zugrunde. Risse der Rotatorenmanschette werden entsprechend der Ausdehnung als Komplett- und Partialrupturen klassifiziert. Als Komplettruptur wird ein transmuraler Riss bezeichnet, der von der artikulären zur bursaseitigen Oberfläche der betroffenen Sehne zieht. Als Partialrupturen werden inkomplette Rupturen bezeichnet. Diese werden entsprechend ihrer Lokalisation weiter klassifiziert (. Abb. 40.17). Läsionen der Rotatorenmanschette treten am häufigsten im anterioren Anteil der Supraspinatussehne auf. Von dort dehnen sich die Läsionen sowohl nach dorsal in die Infraspinatussehne als auch nach ventral in den kranialen Anteil der Subscapularissehne aus. Läsionen, die den anterioren Supraspinatusanteil und den kranialen Subskapularisanteil betreffen, werden aufgrund der Lage auch als
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1244
Kapitel 40 · Erkrankungen der Gelenke
. Abb. 40.17. Schema zur Klassifikation von Rotatorenmanschettenrupturen (auf parakoronaren MRT-Aufnahmen)
. Abb. 40.18. Partialruptur der Supraspinatussehne. Auf der parakoronaren intermediär w-TSE-Aufnahme können eine bursaseitige Partialruptur, eine ausgeprägte Bursitis und ein subakromialer Entheseophyt abgegrenzt werden (typische Befundkonstellation für Outlet-Impingement)
Intervallläsionen bezeichnet. Während isolierte Rupturen der Infraspinatussehne selten sind, können isolierte Subskapularisläsionen posttraumatisch (nach forcierter Außenrotation) auftreten.
Bildgebung
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Bei der Diagnostik von Rotatorenmanschettenläsionen stellt die MRT das Verfahren der Wahl dar (Übersicht). Charakteristisch für eine Tendinose ist, dass die Sehne auf T1w- und auf PDwAufnahmen signalangehoben zur Darstellung kommt, während die Signalalterationen auf T2w-Aufnahmen nur gering ausgeprägt sind. Am besten sind intermediär (TE =35–45 ms) w-fettsupprimierte Sequenzen zur Diagnostik von Rotatorenmanschettenläsionen geeignet, da aufgrund unterschiedlicher Signalintensitäten degenerative Veränderungen und Rupturen differenziert werden können. Partialrupturen kommen mit flüssigkeitsäquivalentem Signal zur Darstellung, während degenerative Veränderungen sensitiv mit geringer bis moderater Signalanhebung dargestellt werden. Außerdem spielen Magic-Angle-Effekte, die bei T1w- und PDw-Aufnahmen auftreten, bei intermediär-wSequenzen nur eine untergeordnete Rolle. > Als Magic-Angle-Effekt bezeichnet man artifizielle Signalanhebungenim Verlauf von Kollagenfasern, die in einem Winkel von 55° zum Hauptmagnetfeld bei der Verwendung von Sequenzen mit kurzen TE-Zeiten (T1w, PDw, Gradientenchosequenzen) entstehen.
. Abb. 40.19. Komplettruptur der Supraspinatussehne. Die parakoronare intermediär w-fs-TSE-MRT-Aufnahme zeigt eine komplette Diskontinuität der Supraspinatussehne mit Retraktion (Grad 2 nach Patte) des medialen Anteils
Tendinopathisch veränderte Sehnen kommen häufig etwas aufgetrieben, teilweise aber auch normal konturiert zur Darstellung. Im angrenzenden Gewebe finden sich regelmäßig entzündliche Begleitreaktionen. Eine häufig assoziierte Bursitis subdeltoidea/ subacromialis lässt sich am besten auf intermediär und T2wAufnahmen signalreicher Streifen abgrenzen. Partialrupturen der Supra- und Infraspinatussehne lassen sich am besten auf parakoronaren MRT-Aufnahmen abgrenzen.
Charakteristisch sind Signalanhebungen in allen Sequenzen. Auf T2w-TSE- und Intermediär-w-TSE-Sequenzen lassen sich starke (flüssigkeitsäquivalente) Signalanhebungen abgrenzen. Anhand des Bezuges zur Sehnenoberfläche können die Partialrupturen als artikularseitig, bursaseitig und intratendinös klassifiziert werden (. Abb. 40.17 und 40.18). Bei der Detektion sehr flacher Par-
1245 40.2 · Erkrankungen der Gelenke (Spezieller Teil)
tialrupturen weist die native MRT Limitationen auf. Eine verbesserte Diagnostik kann hier mittels MR-Arthrographie erreicht werden. Komplettrupturen der Supra- und Infraspinatussehne sind durch eine Kontinuitätsunterbrechung Sehne gekennzeichnet, die sich mit sehr hoher Sensitivität auf parakoronaren Aufnahmen abgrenzen lässt (. Abb. 40.17 und 40.19). Für die operative Planung sind sowohl die Größe als auch die Lokalisation von Rotatorenmanschettenrupturen von Bedeutung, da das operative Vorgehen (arthroskopisch versus offen) und der Zugangsweg von diesen Faktoren abhängen. Mittels MRT kann unter Zuhilfenahme mehrerer Ebenen die Ruptur genau lokalisiert und die Größe einer Ruptur exakt ausgemessen werden.
Folgende Informationen bzgl. Rotatorenmanschettenverletzungen sollte eine MRT-Untersuchung liefern: 4 Klassifikation Rotatorenmanschettenläsionen: – Tendinose: geringe bis moderate Signalanhebung (intermediär w fettsupprimierten Aufnahmen) und häufig Auftreibung der betroffenen Sehnenanteile – Partialrupturen: starke (flüssigkeitsäquivalente) Signalanhebungen auf intermediär w fettsupprimierten Aufnahmen; je nach Bezug zur Sehnenoberfläche Einteilung in artikuläre, bursaseitige und intratendinöse Rupturen – Komplettruptur: Kontinuitätsunterbrechung der betroffenen Sehne 4 Größe der Läsionen und Sehnenbeteiligung: – Unter Berücksichtigung mehrerer Ebenen kann der Durchmesser einer Ruptur (in cm) angegeben werden. – Partialrupturen können zusätzlich nach Ellman anhand der Tiefe klassifiziert werden: – Grad 1: <3 mm – Grad 2: 3–6 mm – Grad 3: >6 mm – Bei Komplettrupturen des Supra- und Infraspinatus wird das Ausmaß der Retraktion nach Patte eingeteilt: – Grad 1: Retraktion des Sehnenstumpfs weniger als bis zum Scheitel des Humeruskopfs – Grad 2: Retraktion des Sehnenstumpfs über den Scheitel des Humeruskopfs hinaus – Grad 3: Retraktion des Sehnenstumpfs bis zum glenohumeralen Gelenk oder darüber hinaus 4 Ausmaß der Muskelatrophie und/oder fettigen Degeneration: – Um die fettige Degeneration der Muskulatur zu beurteilen, ist die Klassifikation nach Goutallier gebräuchlich: – Grad 1: einzelne Fettlamellen – Grad 2: Muskel > Fett – Grad 3: Muskel = Fett – Grad 4: Fett > Muskel – Das »positive Tangentenzeichen« gibt an, dass der Muskelbauch des atrophierten Supraspinatus auf parasagittalen Bildern eine Linie durch die kranialen Enden des Coracoids und der Spina scapulae nicht überragt.
. Tab. 40.5. Stabilisierungsmechanismen des glenohumeralen Gelenks
Passive Stabilisierungsmechanismen
Aktive Stabilisierungsmechanismen
5 Größe, Form und Neigung des Glenoids 5 Gelenkkapsel und glenohumerale Bänder 5 Labrum glenoidale 5 Ossäre Elemente (Akromion, Processus coracoideus) 5 negativer intraartikulärer Druck
5 Muskeln der Rotatorenmanschette 5 Langer Kopf des M. biceps
Glenohumerale Instabilität Pathogenese Das Schultergelenk ist das am häufigsten dislozierte Gelenk des Erwachsenen, was auf den großen Bewegungsumfang bei nur geringer ossärer Führung zurückzuführen ist. Zur Führung des Gelenks tragen dynamische und statische Stabilisatoren bei (. Tab. 40.5). Das inferiore glenohumerale Band (IGHL) stellt den wichtigsten statischen Stabilisator des Gelenks dar, da es in Luxationsstellung (90° Abduktion und 90° Außenrotation) der anterioren Translation des Humeruskopfs am effektivsten entgegenwirkt. Die Unversehrtheit des IGHL-Komplexes, der aus dem anterioren Zügel des IGHL und dem anteroinferioren Labrum gebildet wird, ist daher für die Stabilität des Gelenks von entscheidender Bedeutung (. Abb. 40.20).
. Abb. 40.20a–f. Schema zur Klassifikation von Verletzungen des IGHL-Komplexes, die im Rahmen der Schulterinstabilität auftreten (Erläuterungen im Text). a Normale Darstellung des IGHL-Komplexes. b Bankart-Läsion. c Perthes-Läsion. d ALPSA-Läsion. e GLAD-Läsion. f Knöcherne Bankart-Läsion (HK: Humeruskopf; L: Labrum; IGHL: inferiores glenohumerales Band; P: Periost; GK: Gelenkknorpel)
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Kapitel 40 · Erkrankungen der Gelenke
. Tab. 40.6. Einteilung der Schulterinstabilität
Traumatisch
Atraumatisch
Mikrotraumatisch
Traumatic Unidirectional Bankart Surgery
Atraumatic Multidirectional Bilateral Inferior capsular shift Interval closure
Aquired Instabilty Overstress Surgery
Die Schulterinstabilität kann anhand unterschiedlicher Kriterien klassifiziert werden: 4 der Anzahl der stattgehabten Luxationen (akut und chronisch) 4 der Ätiologie (traumatisch, mikrotraumatisch und atraumatisch) 4 der Luxationsrichtung (anterior, posterior und multidirektional)
Ätiologie, Klassifikation
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Da bei der Schulterinstabilität Befundkonstellation und therapeutisches Vorgehen vom zugrunde liegenden Pathomechanismus abhängig sind, spielt in der klinischen Routine die Klassifikation nach der Ätiologie die größte Rolle. Die klassische Einteilung der Schulterinstabilität in atraumatische und traumatische Instabilität, die nach Matsen mit den Akronymen TUBS und AMBRII bezeichnet werden, wurde in den 1990er Jahren durch die Kategorie der Mikroinstabilität erweitert, die mit dem Akronym AIOS abgekürzt wird (. Tab. 40.6). Am häufigsten ist die traumatische Instabilität, deren Ursache meist eine einmalige anteroinferiore Luxation ist, die zu einer labroligamentären Verletzung am glenoidalen Ansatz führt. Die traumatisch entstandene Verletzung des IGHL-Komplexes führt in 80–90% der Fälle zur chronischen Instabilität. Der atraumatischen Instabilität liegt eine konstitutionell bedingte Hyperlaxizität der Gelenke zugrunde, die typischerweise zur multidirektionalen Instabilität häufig beider Schultergelenke führt. Die Mikroinstabilität ist auf eine chronische Schädigung der statischen Stabilisatoren zurückzuführen. Betroffen sind in der Regel Überkopfsportler, bei denen rezidivierende Mikrotraumatisierungen bei erweitertem Bewegungsumfang zu Verletzungen des glenohumeralen Bandapparats und des labrobizipitalen Komplexes führen. Bei Patienten mit atraumatischer Instabilität und bei Patienten mit mikrotraumatischer Instabilität ist eine komplexes Beschwerdesymptomatik charakteristisch, da neben der Instabilitätssymptomatik häufig sekundäre Impingementphänomene auftreten.
Bildgebung Wie auch für die Diagnostik von Rotatorenmanschettenläsionen hat sich die MRT als Standardverfahren für die bildgebende Diagnostik der Schulterinstabilität etabliert. Aufgrund des posttraumatischen Gelenkergusses, der quasi als »körpereigenes« Kon-
trastmittel dient, liefert die konventionelle MRT bei akuten Verletzungen (bis ca. 14 Tage nach stattgehabter Luxation) ausreichende Informationen über das Verletzungsmuster. Bei chronischen Verletzungen ist die direkte MR-Arthrographie bei der Darstellung labroligamentärer Verletzungen deutlich überlegen. Mittels MR-Arthrographie können die Verletzungen des IGHL-Komplexes zuverlässig klassifiziert werden und es werden Informationen über das Ausmaß degenerativer und narbiger Veränderungen gewonnen, die das therapeutische Vorgehen, insbesondere auch bei der Wahl des operativen Verfahren (arthroskopisch versus offen) beeinflussen. In konventioneller Technik sind neben einer T1w-Sequenz intermediär wTSE-Sequenzen in axialer, parakoronarer und parasagittaler Schichtführung sehr gut geeignet die Pathologien darzustellen. Bei der MR-Arthrographie werden 12–20 ml einer 1:200 verdünnten 0,5 molaren Gadopentat-Dimeglumin-Lösung über einen ventralen Zugang injiziert. Die MR-Untersuchung sollte dann T1w-Sequenzen in axialer, parakoronarer und parasagittaler Schichtführung umfassen, wobei mindestens die parakoronare mit spektraler Fettsättigung akquiriert werden sollte. Zusätzlich ist eine parakoronare intermediär-w-TSE-Sequenz mit Fettsupprimierung empfehlenswert. Um ossäre Begleitverletzungen zu beurteilen, ist die CT am besten geeignet. Durch die Einführung der Multislice-CT-Geräte, an denen isotrope Datensätze mit sehr hoher Ortsauflösung gewonnen werden können, nimmt auch die Bedeutung der CTArthrographie weiter zu. Traumatische Instabilität
Mit Abstand am häufigsten ist die unidirektionale anteriore Schulterinstabilität, die in vielen Fällen auf einen Sturz auf den gestreckten und abduzierten Arm zurückzuführen ist. Beim Luxationsereignis wird starker Zug auf den IGHL-Komplex ausgeübt, wodurch es zu labroligamentären Verletzungen am glenoidalen Ansatz, im Verlauf des IGHL und am humeralen Ansatz kommen kann. Diese Verletzungen sind am besten auf axialen MRT-Aufnahmen abgrenzbar, werden folgendermaßen klassifiziert und stellen sich MR-arthrographisch entsprechend dar (. Abb. 40.20): 1. Verletzungen am glenoidalen Ansatz: 5 Bankart-Läsion: Abriss des anteroinferioren Labrums mit intaktem anheftendem IGHL vom Glenoidrand mit Dislokation des Labrums in den Gelenkraum. Das Periost ist durchtrennt. MR-arthrographisch lässt sich ein Kontrastmitteldurchtritt zwischen Labrum und Glenoid abgrenzen. 5 Perthes-Läsion: Abriss des anteroinferioren Labrums vom Glenoidrand bei erhaltenem Periost, sodass die Dislokation des Labrums in den Gelenkraum verhindert wird. MR-arthrographisch kann das intakte, nach medial abgestreifte Periost als signalarme Linie zur Darstellung kommen; bei wenig disloziertem Fragment kann ein Kontrastmitteleintritt zwischen Labrum und Glenoid besser in der ABER-Position abgrenzbar sein. Nach Erstluxation des Schultergelenks werden in >90% der Fälle Bankart- und Perthes-Läsionen arthroskopisch diagnostiziert.
1247 40.2 · Erkrankungen der Gelenke (Spezieller Teil)
5 ALPSA-Läsion (ALPSA = anterior labroligamenus sleeve avulsion): Abriss des anteroinferioren Labrum vom
Glenoidrand mit erhaltenem, abgestreiftem Periost und Verlagerung des gesamten IGHL-Komplexes auf den medialen Glenoidrand. MR-arthrographisch ist die Verlagerung des labroligamentären Komplexes auf das mediale Glenoid ohne Nachweis eines Kontrastmitteleintritts zwischen Labrum und Knochen charakteristisch. ALPSA-Läsionen sind häufig bei chronischer Instabilität, da der verlagerte labroligamentäre Komplex durch Ausbildung von Narbengewebe und Resynovialisation am medialen Glenoid fixiert werden kann. 5 GLAD-Läsion: Der Verletzungsmechanismus ist in der Regel keine Luxationsereignis, sondern eine forcierte Adduktionsbewegung. Einriss des anteroinferioren Labrums und assoziierte Knorpelläsion der glenoidalen Gelenkfläche. MR-arthrographisch Demarkation der Läsionen durch Kontrastmitteleintritt. Da die Konitinuität des IGHL-Komplexes erhalten ist, handelt es sich im Gegensatz zu den anderen hier aufgeführten Läsionen um eine stabile Läsion. 2. Verletzungen im Verlauf des Bandes: Ruptur im Verlauf des IGHL, die MR-arthrographisch als Kontinuitätsunterbrechung nachweisbar ist. 3. Verletzungen am humeralen Ansatz: 5 HAGL-Läsion (HAGL= humeral avulsion of glenohumeral ligaments): Abriss des IGHL am humeralen Ansatz. MR-arthrographisch anhand eines Kontrastmittelaustritts im Bereich des humeralen Ansatzes des IGHL nachweisbar. Typische ossäre Verletzungen der anterioren Instabilität sind neben der Hill-Sachs-Läsion Avulsionsfrakturen des IGHL-Komplexes, die am glenoidalen Ansatz als knöcherne Bankart-Läsion und selten auch am humeralen Ansatz als BHAGL (= bony humeral avulsion of glenohumeral ligaments) auftreten. Bei der Hill-Sachs-Läsion handelt es sich um eine dorsolaterale Impressionsfraktur des Humeruskopfs, die beim Luxationsereignis durch Anschlag des Humeruskopfs am vorderen Glenoidrand entsteht. Bis zu einer Größe von ca. einem Drittel der Humeruskopfzirkumferenz ist die Impressionsfraktur biomechanisch nicht relevant, sodass diese Defekte therapeutisch nicht angegangen werden. Größere Defekte können, insbesondere wenn die Frakturlinie in Längsrichtung parallel zum Glenoid verläuft (»engaging Hill-Sachs-Defekt«), zu rezidivierenden verhakten Schulterluxationen führen und müssen daher chirurgisch versorgt werden. Im MRT ist die Hill-SachsLäsion am besten auf axialen Bildern in Höhe der Processus coracoideus abgrenzbar. Die Größe der Impressionsfraktur hängt wesentlich von der Kapselweite und der Dehnbarkeit der kapsuloligamentären Elemente ab. Dementsprechend kann bei hyperlaxen Patienten nach stattgehabter Luxation eine HillSachs-Läsion fehlen oder nur sehr flach ausgeprägt sein (chondrale Läsion). Die knöcherne Bankart-Läsion stellt einen Ausriss der anteroinferioren Glenoidrandes mit anheftendem Labrum und IGHL dar. Prognostisch ist die Größe des knöchernen Fragments von
Bedeutung. Das »inverted peer«-Zeichen besagt, dass bei entsprechend großem Fragment die normale »birnenförmige« Konfiguration des Glenoids aufgehoben bzw. invertiert ist, sodass der a.p.-Durchmesser im kranialen Anteil aufgrund des ossären Defekts größer ist als kaudal. Dies wird als Indikation für eine offene Rekonstruktion der Glenoidfläche gesehen. Die Avulsionsfraktur am humeralen Ansatz (BHAGL) wird immer als Indikation für eine offene Rekonstruktion gesehen. Daher sollte auch diese vergleichsweise sehr seltene Fraktur nicht der Diagnostik entgehen. Am besten gelingt die exakte Darstellung der ossären Fragmente mittels CT. Atraumatische Instabilität
Für die Diagnostik einer atraumatischen Schulterinstabilität spielt die Bildgebung nur eine untergeordnete bzw. sekundäre Rolle. In der Regel wird die Diagnose klinisch gestellt. Bei generalisierter Hyperlaxizität von Bändern und Gelenken besteht charakteristischerweise eine multidirektionale Instabilität beider Schultergelenke. MR-arthrographisch sind häufig nur sehr weite Kapselverhältnisse und eine Elongation der kapsuloligamentären Strukturen nachweisbar. Insbesondere bei sportlich aktiven Patienten mit vorbestehender Hyperlaxizität kann es sekundär auch zu labroligamentären Schädigungen (labrale Degeneration, labrale Risse) kommen. Durch den vermehrten Bewegungsumfang des Gelenks mit vermehrter Translation des Humeruskopfs bei Abduktion und Außenrotation kann es bei dieser Patientengruppe auch zu einem sekundären posterosuperioren Impingement kommen (s. o.). Mikrotraumatische Instabilität
Die mikrotraumatische Instabilität betrifft im Wesentlichen Sportler, bei denen es durch rezidivierende Belastungen zur Elongation und degenerativen Veränderungen der kapsuloligamentären und labralen Strukturen kommt. Bei Überkopfsportlern, bei denen es durch forcierte Rotationsbewegungen zur Elongation der anterioren kapsuloligamentären Strukturen kommt, besteht häufig eine komplexere Beschwerdesymptomatik, da es durch vermehrte anterosuperiore Translation des Humeruskopfs in Abduktions- und Außenrotationsstellung zu einem sekundären posterosuperioren Impingement kommt. MR-arthrographisch können fakultativ folgende Befunde erhoben werden: 4 Mit der Instabilität assoziierte Befunde: 5 Ein insbesondere anterior erweitertes Kapselvolumen 5 Elongation und Degeneration der glenohumeralen Bänder (v. a. MGHL und IGHL) 5 Degenerative Veränderungen des anterioren Labrums 5 Labroligamentäre Verletzungen des IGHL-Komplexes (Bankart-, Perthes-, ALPSA-Läsionen) 4 Mit dem posterosuperioren Impingement assoziierte Befunde: 5 Artikulärseitige Partialrupturen der Supra- und Infraspinatussehne (typischerweise im dorsalen Anteil der Supraspinatussehne) 5 Läsionen des posterosuperioren Labrums 5 Ossäre/chondrale Begleitreaktionen am posterosuperioren Glenoid und am Humeruskopf
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Kapitel 40 · Erkrankungen der Gelenke
Läsionen des Bizepsankers und Bizepssehne Das Caput longum der langen Bizepssehne inseriert am Tuberculum supraglenoidale und am superioren Labrum. Intraartikulär verläuft die Sehne vom Bizepssehnenanker zunächst horizontal nach lateral, ändert dann die Verlaufsrichtung, um annähernd vertikal in den Sulcus intertubercularis einzutreten. Beim Eintritt in den Sulcus intertubercularis wird die Sehne durch eine Schlinge aus 2 Bändern, dem so genannten Pulley-System stabilisiert (Ligamentum coracohumerale und Ligamentum glenohumerale superior). Der intraartikuläre Anteil der langen Bizepssehne trägt zur superioren Stabilisierung des Humeruskopfs bei. In den letzten Jahren sind Verletzungen des Bizepssehnenankers als Ursache chronischer Schulterbeschwerden, insbesondere bei Überkopfsportlern, zunehmend ins Blickfeld gerückt. Als sehr zuverlässiges Verfahren zur Darstellung der Verletzungen und auch der Normvarianten des labrobizipitalen Komplexes hat sich die MR-Arthrographie etabliert. Alternatives Verfahren ist die CT-Arthrographie, wenn die Untersuchung an einem MSCT-Gerät durchgeführt wird, an dem sekundäre Reformationen in parakoronarer und parasagittaler Schichtführung angefertigt werden können.
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Normvarianten des oberen Labrum-Bizepssehnen-Komplexes
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Normvarianten des superioren Labrums und der Bizepssehneninsertion sind relativ häufig und müssen differenzialdiagnostisch von Verletzungen des labrobizipitalen Komplexes abgegrenzt werden. Das superiore Labrum ist häufig nicht fest mit dem Glenoid verbunden, sondern weist einen unterschiedlich tiefen, mit dem Gelenkraum kommunizierenden Sulkus auf. Dieser so genannte sublabrale Rezessus kommt bei weit mehr als der Hälfte der Patienten vor und ist typischerweise im ventralen Anteil des superioren Labrums lokalisiert. In der MR-Arthrographie stellt sich der sublabrale Rezessus auf Aufnahmen in parakoronarer Schichtführung als linearer Kontrastmitteleintritt zwischen Labrum und Glenoid dar (. Abb. 40.21). Charakteristisch ist, dass der Kontrastmitteleintritt nach medial auf das Tuberculum supraglenoidale ausgerichtet ist. Als sublabrales Foramen wird eine umschriebene, fehlende Anheftung des superioren Labrums im ventralen Anteil bezeichnet. Die Größe des sublabralen Foramens ist sehr variabel und kann lediglich wenige Millimeter bis hin zur kompletten Ablösung des anterosuperioren Labrums betragen. Typischerweise besteht eine Verbindung zwischen einem sublabralen Foramen und einem sublabralen Rezessus, wobei der Rezessus charakteristischerweise nach ventral in das Foramen ausläuft. Das sublabrale Foramen kann am besten auf axialen MR-Arthrogrammen anhand des Kontrastmitteleintritts zwischen Labrum und Glenoid abgegrenzt werden (. Abb. 40.21). Bei der differenzialdiagnostischen Abgrenzung gegenüber einer Bankart-Läsion ist die Lokalisation der Normvarianten das wichtigste Unterscheidungskriterium, da diese im anterosuperioren Glenoid zu finden sind, während die Instabilitätsläsionen antero-inferior auftreten. Eine weitere Variante, die zu Fehldiagnosen führt, ist der Buford-Komplex. Diese Normvariante ist durch ein fehlendes
b . Abb. 40.21a, b. Normvarianten des oberen Labrums. Sublabraler Rezessus und sublabrales Foramen. a Auf dem parakoronaren T1w-fettsuprimierten MR-Arthrogramm kommt ein sublabraler Rezessus als linearer (etwas nach medial gerichteter) KM-Eintritt zur Darstellung. b Das axiale T1wfettsuprimierte MR-Arthrogramm zeigt anhand des KM-Durchtritts zwischen Labrum und Glenoid die fehlende Anheftung des anterosuperioren Labrums (sublabrales Foramen) an dieser Stelle
1249 40.2 · Erkrankungen der Gelenke (Spezieller Teil)
Definitionen der SLAP-Typen 1–9
. Abb. 40.22a–d. Schema zur Klassifikation von SLAP-Läsionen auf parakoronaren MR-Arthrogrammen. (Erläuterungen im Text). a SLAP Typ1-Läsion, b SLAP Typ-2-Läsion, c SLAP Typ-3-Läsion, d SLAP-Typ-4-Läsion (HK: Humeruskopf; G: Glenoid; LBK: labrobizipitaler Komplex)
anterosuperiores Labrum und durch ein strangartig verdicktes, »cord-like, mittleres glenohumerales Ligament charakterisiert.
SLAP-Läsionen Definition Als SLAP-Läsionen (superior labral anterior to posterior) wer-
den Verletzungen des labrobizipitalen Komplexes bezeichnet, bei denen sich ein Riss des superioren Labrums nach ventral und dorsal in Relation zum Bizepssehnenanker (»anterior to posterior«) erstreckt. SLAP-Läsionen wurden 1990 erstmalig von Snyder et al. beschrieben und in 4 Subtypen (SLAP Typ 1 bis SLAP Typ 4) eingeteilt (. Abb. 40.22). Die Klassifikation der Verletzungen wurde mehrfach erweitert, sodass mittlerweile 9 Subtypen beschrieben sind. Da zunehmend Begleitpathologien in die Klassifikation mit eingehen, ist es empfehlenswert, die ursprüngliche Klassifikation nach Snyder zu verwenden und weitere Befunde als zusätzliche Pathologie zu werten. Der Vollständigkeit halber werden im Folgenden die Definitionen der SLAP-Typen 1–9 angeführt (Übersicht). Pathogenese
Im Wesentlichen werden 3 Verletzungsmechanismen als Ursache von SLAP-Läsionen diskutiert. Durch repetitive Zug- und Torsionskräfte am Bizepssehnenansatz kann es zur Entstehung von SLAP-Läsionen kommen. Diese mikrotraumatisch induzierten SLAP-Läsionen treten typischerweise bei Überkopfsportlern auf (Werfer, Tennisspieler, Basketballer usw.). Bei einem Sturz auf den ausgestreckten Arm in leichter Abduktionsstellung kommt es zur Kompression oder kranialen Subluxation des Humeruskopfs, wodurch es ebenfalls zu einer Ablösung des labrobizipitalen Komplexes kommen kann. Häufig treten SLAP-Läsionen auch in Kombination mit Verletzungen des IGHL-Komplexes bei anteriorer Instabilität auf. Die SLAP-Läsion ist dann als fortgesetzte Begleitpathologie zu interpretieren.
4 SLAP Typ 1: degenerative Auffaserung des superioren Labrums im Ansatzbereich der Bizepssehne; der Bizepssehnenanker ist stabil; bei älteren Patienten ein normaler Degenerationsvorgang; keine Therapie, evtl. Debridement. 4 SLAP Typ 2: Ablösung des labrobizipitalen Komplexes vom Glenoid; die Läsion ist instabil und eine arthroskopische Refixierung ist erforderlich. 4 SLAP Typ 3: Korbhenkelriss des superioren Labrums; der Bizepssehnenanker ist stabil; Debridement erforderlich. 4 SLAP Typ 4: Korbhenkelriss des superioren Labrums mit Beteiligung der Bizepssehneninsertion; die Läsion ist instabil und eine arthroskopische Refixierung ist erforderlich. 4 SLAP Typ 5: Ablösung des labrobizipitalen Komplexes vom Glenoid (SLAP Typ 2), die kontinuierlich in eine Bankart-Läsion übergeht. 4 SLAP Typ 6: Ablösung des labrobizipitalen Komplexes vom Glenoid (SLAP Typ 2) mit zusätzlichem instabilen radiären Einriss (»flap-tear«) des superioren Labrums. 4 SLAP Typ 7: Ablösung des labrobizipitalen Komplexes vom Glenoid (SLAP Typ 2) mit Ausdehnung des labralen Risses nach ventrokaudal bis in das mittlere glenohumerale Band (MGHL). 4 SLAP Typ 8: Ablösung des labrobizipitalen Komplexes vom Glenoid (SLAP Typ 2) mit Ausdehnung des labralen Risses in das dorsale Labrum. 4 SLAP Typ 9: Ablösung des labrobizipitalen Komplexes vom Glenoid (SLAP Typ 2) und komplette Ablösung des Labrums in der gesamten Zirkumferenz vom Glenoid.
Bildgebung
Bildgebend kann der Bizepssehnenanker am besten auf parakoronaren MR-Arthrogrammen beurteilt werden. Anhand des Kontrastmitteleintritts in das superiore Labrum und den Bizepssehnenansatz ist eine Klassifikation der Läsionen möglich (. Abb. 40.22): 4 SLAP Typ 1: Auffaserungen des superioren Labrums können MR-arthrographisch nur infrequent dargestellt werden; bei nur geringer klinischer Bedeutung der Läsionen ist die geringe Sensitivität der Bildgebung klinisch nicht relevant. 4 SLAP Typ 2: Nachweis eines Kontrastmitteleintritts in das superiore Labrum und den Bizepssehnenanker (. Abb. 40.23); häufigster Subtyp der SLAP-Läsionen; cave: die Läsionen können teilweise schwer von einem sublabralen Rezessus abgegrenzt werden; Differenzierungskriterien, die für eine SLAP-Läsion sprechen, sind: 5 ein nach kranial und lateral gerichteter Kontrastmitteleintritt in den labrobizipitalen Komplex; (der Kontrastmitteleintritt beim Rezessus zwischen Labrum und Glenoid ist nach medial gerichtet), 5 irreguläre Berandung des Kontrastmitteleintritts; weite Separation zwischen Labrum und Glenoid.
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Kapitel 40 · Erkrankungen der Gelenke
Bildgebung
Die MRT stellt das bildgebende Verfahren der Wahl zur Diagnostik von Bandverletzungen des Ellenbogengelenks dar. Zur Beurteilung des funktionell wichtigen anterioren Bandanteils sind koronare und axiale Schichten am besten geeignet, wobei fettgesättigte wassersensitive (intermediär w, PD w-, T2w- und STIRSequenzen) den größten Informationsgehalt aufweisen. Die magnetresonanztomographische Klassifikation der Verletzungen des medialen Kollateralbandes entspricht der Klassifikation von Bandverletzungen anderer Gelenke: 4 Grad 1: Überdehnung: oberflächliche Signalanhebungen bei normaler Form, Verlauf und Signalintensität der Bandstrukturen; ödematöse, hämorraghische Veränderungen an der Oberfläche des Bandes. 4 Grad 2: Partialruptur: partielle Diskontinuität; Signalveränderungen innerhalb des Bandes, Auftreibung des Bandes. 4 Grad 3: Komplettruptur: vollständige Diskontinuität.
. Abb. 40.23. SLAP Typ-2-Läsion. Das parakoronare T1w-MR-Arthrogramm zeigt einen etwas nach lateral gerichteten KM-Eintritt in das superiore Labrum und den Bizepssehnenanker
4 SLAP Typ 3: das (dreieckige) Korbhenkelfragment wird durch
den Kontrastmitteleintritt medial vom Glenoid und kranial von der Bizepssehne separiert; das Fragment kann in situ liegen oder in den Gelenkraum disloziert sein. 4 SLAP Typ 4: das durch Kontrastmittel demarkierte Korbhenkelfragment weist eine Verbindung zur Bizepssehne auf.
40.2.2
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Begleitverletzungen betreffen oft die Sehne oder Muskelanteile des M. flexor digitorum, weil dieser mit dem ulnaren Bandkomplex verwachsen ist. Zum Ausschluss einer artikulärseitigen Partialruptur des anterioren Bandanteils, die als isolierte Verletzung bei Werfern beschrieben wurde, sollte eine MR-Arthrographie durchgeführt werden, weil anhand des artikulärseitigen Kontrastmitteleintritts auch umschriebene Einrisse der tiefen Bandanteile nachgewiesen werden können. Chronische Bandverletzungen des Ligamentum collaterale ulnare können zur Verdickung des Bandes führen. Sekundär können im Rahmen degenerativer und narbiger Veränderungen auch Kalzifikationen und heterotope Ossifikationen im Bandansatz auftreten, die unterschiedliche (z. T. paradoxe) Signalgebung im MRT aufweisen können, sodass die MRT-Aufnahmen immer mit konventionellen Röntgenbildern korreliert werden sollten.
Ellenbogengelenk S. Waldt, M. Eiber
Bandverletzungen Mediales Kollateralband (Ligamentum collaterale ulnare) Der mediale (ulnare) Kollateralbandkomplex besteht aus 3 Bandanteilen, einem kräftigen anterioren Anteil, der vom Epikondylus medialis zum Processus coronoideus zieht, einem posterioren Anteil, der am Olekranon inseriert und einem transversalen Bandanteil, dem so genannten Cooper-Streifen, der beide Bandanteile verbindet (. Abb. 40.24). Während akute Verletzungen des ulnaren Kollateralbandkomplexes u. a. Begleitverletzungen bei Ellenbogengelenksluxationen sind, treten subakute und chronische Verletzungen des Bandkomplexes typischerweise im Rahmen von Wurfsportarten auf. Dabei führen Mikrotraumatisierungen durch rezidivierende Valgusbelastung in der Beschleunigungsphase von Wurfbewegungen v. a. im anterioren Anteil des Bandes zu chronischen Schädigungen.
Laterales Kollateralband (Ligamentum collaterale radiale) Der laterale Kollateralbandkomplex zeigt im Gegensatz zum ulnaren Bandapparat eine variablere Anatomie, weil neben einem konstanten anterioren Anteli (mit Einstrahlung in das Ligamentum anulare) inkonstant auch posteriore Anteile (mit Insertion an der Crista supinatus ulnae) oder akzessorische Anteile vom Ligamentum anulare zur Crista supinatus ulnae vorhanden sind (. Abb. 40.24). Bildgebung. Vor allem der posteriore Anteil ist ein wichtiger Stabilisator bei Varusbelastungen. Eine Ruptur des Ligamentum collaterale radiale führt zur posterolateralen Rotationsinstabilität und ermöglicht eine Subluxation von Ulna und Radius gegenüber dem Humerus. Die dadurch entstehende posteriore Instabilität kann sensitiv mittels MRT detektiert und klassifiziert werden. Da das Band meist proximal im Ansatzbereich reißt, ist es auf koronaren und axialen Aufnahmen am besten zu beurteilen. Die Klassifikation entspricht der der medialen Kollateralbandverletzung (s. oben). Begleitend kann im Ansatzbereich des Bandes am Epikondylus lateralis ein Kontusionsareal nachweisbar sein. Neben isolierten Verletzungen tritt bei Patienten mit
1251 40.2 · Erkrankungen der Gelenke (Spezieller Teil)
armextensoren, die meist auf wiederholte und kraftaufwendige Streckbewegungen im Handgelenk und in den Fingern sowie durch Drehbewegungen im Ellenbogengelenk zurückzuführen sind. Charakteristisch ist ein lokaler Druckschmerz, der bis in den Unter- oder Oberarm ausstrahlen kann, und besonders durch Faustschluss und Beugung, insbesondere gegen Widerstand, hervorgerufen wird. Bildgebung
. Abb. 40.24a, b. Schemazeichnung des medialen (ulnaren) und lateralen (radialen) Kollateralbandkomplexes des Ellbogengelenks. a Der mediale Kollateralbandkomplex setzt sich aus drei Bandanteilen zusammen: einem kräftigen (1) anterioren Anteil, der an der Basis des Processus coronoideus inseriert, einem (2) posterioren Anteil, der am Olekranon inseriert und dem so genannten (3) Cooper-Streifen, einem transversalen Bandanteil, der den anterioren und posterioren Bandanteil verbindet. b) Der laterale Kollateralbandkomplex hat folgende Anteile: einen (1) anterioren Anteil, der in das (2) Lig. anulare einstrahlt, einen (3) posterioren Anteil, der an der Crista supinatus ulnae inseriert und (4) einen inkonstanten Anteil der vom Ligamentum anulare zur Crista supinatus ulnae zieht
lateraler Epikondylitis die Ruptur häufig in Kombination mit Verletzungen der Extensorensehnen auf.
Epikondylitis Bei den Epikondylitiden handelt es sich um Überlastungsschäden an den fibroossären Übergängen des Epikondylus humeri. Betroffen sind die Ansätze der Unterarmextensoren (laterale Epikondylitis) bzw. der Unterarmflexoren (mediale Epikondylitis).
Folgende Veränderungen können radiologisch erfasst werden: Im konventionellen Röntgen sind eher diskrete Befunde nachweisbar, wobei stiftartig oder wolkig angeordnete Weichteilverkalkungen typisch sind, die vom Epikondylus medialis nach kranial und kaudal ausgerichtet sein können. Im Akutstadium können die Verkalkungen eher unscharfe und ausgefranste Ränder aufweisen. Sonographisch sind Verdickungen und eine reduzierte Echogenität der Sehnenansätze erkennbar. Am besten kann das Ausmaß der Verletzung in der MRT dargestellt werden, wobei flüssigkeitssensitive fs (intermediär-w, PDw, T2w) Sequenzen für die Detektion der Veränderungen am sensitivsten sind. Eine Peritendinitis führt zu Flüssigkeitsansammlungen um die Sehne. Als Zeichen der Tendinose sind fokale oder diffuse Signalanhebungen innerhalb der (häufig verdickten) Sehne abgrenzbar, die am empfindlichsten auf Sequenzen mit kurzen TE-Zeiten (z. B. PD, T1w-Sequenzen) nachweisbar sind (geringere Signalintensität als Flüssigkeit oder fehlende Abgrenzbarkeit auf Sequenzen mit langer TE-Zeit). Partialrupturen sind als umschriebene, flüssigkeitsäquivalente Signalanhebungen innerhalb des Sehnenansatzes auf Sequenzen längeren TE-Zeiten (z.B. intermediär-w, T2w) abgrenzbar. Bei einer Komplettruptur besteht eine vollständige Diskontinuität der Sehnenfasern bzw. ein Abriss der Sehne am Epikondylus medialis. Die benachbarte Muskulatur kann zusätzlich ödematöse bzw. entzündliche Veränderungen zeigen, wobei zu beachten ist, dass nach therapeutischer Injektion intramuskuläre Veränderungen bis zu einem Monat fortbestehen können. > Zusätzlich sollte auch der angrenzende N. ulnaris mitbeurteilt werden, weil begleitende Neuritiden bei 25– 50% der Patienten vorliegen, bei denen eine operative Therapie der Epikondylitis vorgenommen wird.
Laterale Epikondylitis Mediale Epikondylitis
Definition
Definition, Ätiologie, Pathogenese
Bei der lateralen Epikondylitis, dem »Tennisellenbogen«, handelt es sich um pathologische Veränderungen (Tendinose bis hin zum kompletten Abriss) der Sehne des M. extensor carpi radialis brevis, welche in Folge einer chronischen Überlastung der oberflächlichen Extensoren entstehen. Während der Prozess in der Regel zunächst auf die Sehne des M. extensor carpi radialis brevis beschränkt bleibt, können im Verlauf können auch die Ursprünge der übrigen Extensoren (M. extensor, carpi radialis longus, M. extensor digitorum, M. extensor carpi ulnaris) miteinbezogen werden.
Bei der medialen Epikondylitis (»Golfer-Ellenbogen«) handelt es sich um pathologische Veränderungen (Tendinose bis hin zum kompletten Abriss) der gemeinsamen Endsehne der am Epikondylus medialis entspringenden Unterarmflexoren (M. pronator teres, M. flexor carpi radialis, M. flexor digitorum superficialis, M. flexor carpi ulnaris und M. palmaris longus). Von der medialen Epikondylitis sind in der Regel Patienten älter als 40 Jahre betroffen. Ursächlich sind Mikrotraumatisierungen des tendinösen bzw. tenossalen Abschnitts der Unter-
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Kapitel 40 · Erkrankungen der Gelenke
. Abb. 40.25a, b. Epikondylitis radialis (»Tennisellenbogen«). a Die umschriebene flüssigkeitsäquivalente Signalanhebung und die Auftreibung des Extensorenansatzes auf der koronaren intermediär w-fs-TSE MRT-Aufnahme sind Zeichen einer Partialruptur. b Die koronare intermediär w-fs-TSE-MRT-Aufnahme zeigt einen kompletten Abriss der Extensorensehnen vom Epikondylus radialis mit ganglionärer Degeneration des proximalen Sehnenanteils
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Typische Auslöser sind alle Tätigkeiten, die mit länger andauernden, einseitigen Haltearbeiten mit größerem Krafteinsatz einhergehen. In der Regel sind Männer häufiger als Frauen betroffen, das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt zwischen dem 35. und 50. Lebensjahr. 50% der Tennisspieler leiden im Laufe ihres Lebens an einer Epikondylitis humeri radialis. Radiologisch gleichen die Befunde denen der Epikondylitis ulnaris (s. oben) (. Abb. 40.25), wobei zu beachten ist, dass häufig der posteriore Anteil des lateralen Kollateralbandes mit verletzt ist. Die Bedeutung der MRT liegt darin, größere Partial- und Komplettrupturen von konservativ therapierbaren Sehnenverletzungen der Extensoren abzugrenzen. Wichtige Differenzialdiagnosen der Epikondylitis lateralis sind die posterolaterale Rotationsinstabilität, Verletzungen der radiohumeralen Meniskusfalte, Kapitulum- und Radiusköpfchenfraktur. Zudem muss eine Plica synovialis aufgrund der ähnlichen, bewegungsabhängigen Schmerzen abgegrenzt werden.
Distale Bizepssehnenruptur Die beiden Muskelbäuche des M. biceps bracchii vereinigen sich zu einer 6–7 cm langen Endsehne, die an der Tuberositas radii inseriert. An der ulnaren Seite der Endsehne spalten sich Faserzüge ab, die als Lacertus fibrosus (Aponeurosis M. bicipitis brachii) die Unterarmfaszie verstärken. Distale Bizepssehnenrupturen sind im Vergleich zu proximalen Rupturen der Sehne (Caput longum: 90–97%) selten. Die Verletzung tritt gehäuft bei Männern in der 5. Lebensdekade am dominanten Arm auf, wobei Kraftsportler oftmals schon früher
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betroffen sind. Meistens kommt es zur Ruptur der Sehne im Ansatzbereich an der Tuberositas radii, wobei Komplettrupturen sehr viel häufiger als Partialrupturen sind. Zur Retraktion des Muskels nach proximal kommt es nur, wenn bei einer Komplettruptur der distalen Sehne auch der Lacertus fibrosus rupturiert ist. Bei intaktem Lacertus fibrosus kann die Flexionsfähigkeit im Ellenbogengelenk partiell erhalten bleiben, während die Supinationsfähigkeit aufgehoben ist. Bildgebung
Folgende radiologische Verfahren sind der Diagnostik der distalen Bizepssehnenruptur relevant: Mittels konventioneller Röntgenaufnahme können knöcherne Ausrisse ausgeschlossen werden. Oftmals kann eine Ruptur der Sehne schon in der Sonographie abgegrenzt werden. Mittels MRT ist es möglich Tendinosen, Partial- und Komplettrupturen zu unterscheiden: 4 Die chronische Tendinose lässt sich anhand intratendinöser Signalanhebungen in der meist aufgetriebenen Sehne diagnostizieren, die auf Sequenzen mit kurzer TE-Zeit (z. B. PDw, T1w), am sensitivsten nachweisbar sind (nur geringe oder keine Signalalteration auf Sequenzen mit langer TE-Zeit, z. B. T2). 4 Partialrupturen sind durch partielle Diskontinuität oder umschriebene flüssigkeitsäquivalente intratendinöse Signalanhebungen charakterisiert (auf Sequenzen mit langer TE-Zeit, z. B. T2w). 4 Bei Komplettrupturen besteht eine komplette Diskontinuität der Sehnenanteile bzw. ein kompletter Abriss von der Tuberositas radii.
1253 40.2 · Erkrankungen der Gelenke (Spezieller Teil)
4 Eine begleitende Verletzung der Aponeurose kann am besten auf axialen Aufnahmen abgegrenzt werden. Bei Verletzungen der distalen Bizepssehne besteht oft eine begleitende Bursitis bizipitoradialis, bei der in fettsuprimierten axialen PDw, T2w und STIR- und Kontrastmittel verstärkten T1Aufnahmen Flüssigkeit in der Bursa zwischen Tuberositas radii und Sehnenansatz nachweisbar ist. Selten führen Degenerationen und Partialrupturen zusammen mit einer Bursitis zur pseudotumorösen Prozessen in der Ellenbeuge, die auch Kontrastmittel-Anreicherungen zeigen können.
Nervenkompressionssyndrome Definition Nervenkompressionssyndrome sind Funktionsbeeinträchtigungen der peripheren neuromuskulären Einheit, die meist durch Druckwirkung hervorgerufen werden. Dadurch kommt es zu einer partiellen oder kompletten Denervation der zugehörigen Muskeln.
und auf fs-kontrastversärkten T1w-Aufnahmen dargestellt. 4 Der Reizzustand des Nerven wird als Verdickung und/oder durch ödematöse Veränderungen nachgewiesen.
40.2.3
Kniegelenk S. Waldt, M. Eiber
Bandverletzungen – Kreuzbänder Das vordere und hintere Kreuzband werden als Binnenbänder des Kniegelenks bezeichnet, obwohl sie außerhalb des eigentlichen Gelenkkavums liegen. Sie liegen zwar intrakapsulär, sind aber von einem synovialen Überzug umgeben. Beide Kreuzbänder kommen auf sagittalen MRT-Aufnahmen signalarm zur Darstellung, wobei das vordere Kreuzband eine etwas höhere Signalintensität als das hintere aufweist und fächerförmig, mit linearen Signalanhebungen am Tibiaplateau inseriert.
Vorderes Kreuzband Pathogenese Im Bereich des Ellenbogengelenks sind Nervenkompressionssyndrome häufig. Aufgrund seines Verlaufs durch den relativ engen Kubitaltunnel wird am häufigsten der N. ulnaris mechanisch beeinträchtigt. Der Kubitaltunnel wird aus der dorsalen Fläche des Epikondylus medialis (Sulcus ulnaris) und den angrenzenden Weichteilen gebildet. Als laterale Begrenzung dieses Kanals gilt ein variables Retinakulum, weiter distal die Aponeurose des M. flexor carpi ulnaris. Fehlt das Retinakulum (10% der Bevölkerung) kann der Nerv bei Flexion nach ventral über den Epikondylus medialis luxieren, was zu einer Neuritis führen kann. Auch eine Verdickung des Retinakulums (OsborneLäsion) sowie ein akzessorischer Muskel (M. anconeus epitrochlearis) anstatt dessen können zu einer Beeinträchtigung führen.
Klinik Klinisch schildern die Patienten oftmals Taubheitsgefühle v. a. im 4. und 5. Finger, entsprechend dem Innervationsgebiet, »Ameisenlaufen« bzw. stechende Schmerzen. Zudem kommt es zu einer Schwäche der kleinen Handmuskeln des Kleinfingerballens und später zu einer krallenförmigen Deformierung von Ring- und Kleinfinger.
Bildgebung Das konventionelle Röntgen spielt bei Nervenkompressionssyndromen nur eine Rolle, wenn verkalkende oder ossifizierende Ursachen gesucht werden. Die MRT ist zur Lokalisation der Nervenschädigung und zum Nachweis der ursächlichen Pathologie geeignet: 4 Die topographischen Verhältnisse können am besten auf axialen Bildern beurteilt werden. 4 Pathologische Veränderungen des Nervensignals, Verlagerung der Nerven durch tumoröse oder knöcherne Läsionen und Dislokationen der Nerven werden am besten auf fs-intermediär-w, PD-w- oder T2w-MRT-Aufnahmen
Das vordere Kreuzband zieht von der dorsalen Innenfläche des lateralen Femurkondylus nach ventromedial zur Area intercondylaris anterior der Tibia. In der Sagittalebene verläuft das Band parallel zum Sulcus intercondylaris (Blumensaatlinie). Das Band setzt sich aus einem anteromedialen und einem posterolateralen Faserbündel zusammen. Die wichtigste Funktion des vorderen Kreuzbandes ist es, die anteriore Translation der Tibia zu verhindern. Diese Funktion wird vornehmlich von dem in Beugestellung angespannten kräftigen anteromedialen Faserbündel übernommen. Dem schwächeren posterolateralen Faserbündel, das in Extensionsstellung angespannt ist, wird neben der Translationssicherung noch eine wichtige Rolle bei der Rotationssicherung zugeschrieben. Der häufigste Verletzungsmechanismus, der zur Ruptur des vorderen Kreuzbandes führt, ist ein forcierter Valgus- und Außenrotationsstress in Flexionsstellung des Gelenks (Pivot-ShiftVerletzung) (. Abb. 40.26). Es kommt dann zu einer kombinierten Verletzung mit Läsionen des medialen Kapselbandapparats und häufig auch Läsionen des Außen- oder Innenmeniskushinterhorns. Typische Begleitverletzungen betreffen auch die posterolaterale Gelenkecke (Popliteussehne, Popliteusbauch, die Aufhängung des Außenmeniskushinterhorns, Ligamentum arcuatum, posterolaterale Gelenkkapsel). > O’Donoghue’s Triad (»Unhappy Triad«) ist eine kombinierte Verletzung aus vorderer Kreuzbandruptur, Riss des Innenmeniskus und medialer Kollateralbandruptur. Die Verletzung ist auf Valgusstress oder auf eine Pivot-Shift-Verletzung zurückzuführen. Bildgebung. Im MRT wird die Diagnose einer Ruptur des vor-
deren Kreuzbandes anhand direkter und indirekter Zeichen gestellt: 4 Direkte Zeichen der vorderen Kreuzbandruptur: 5 Diskontinuität des Bandes (. Abb. 40.27) 5 Diffuse Signalanhebung
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Kapitel 40 · Erkrankungen der Gelenke
5 Vermehrte Angulation des hinteren Kreuzbandes 5 Scherverletzung des Hoffa-Fettkörpers 5 Segond-Fraktur; tibiale Avulsionsfraktur der lateralen Gelenkkapsel (selten) 5 Meniskusrisse des Innen- und Außenmeniskushinterhorns
Hinteres Kreuzband
. Abb. 40.26. Pivot-Shift-Verletzung. Die Zeichnung zeigt den Verletzungsmechanismus (Valgus- und Außenrotationsstress in Flexionsstellung des Gelenks), der am häufigsten zu einer Komplettruptur des vorderen Kreuzbandes führt
5 Atypische Verlaufsrichtung; horizontaler, zum Tibiaplateau paralleler Bandverlauf 5 Fehlende Darstellung des Bandes 4 Indirekte Zeichen der der vorderen Kreuzbandruptur
(. Abb. 40.28): 5 Kontusionen des posterolateralen Tibiaplateaus und des lateralen Femurkondylus 5 Impressionsfraktur des lateralen Femurkondylus 5 Anteriore Subluxation der Tibia (kann mittels einer Tangente an den lateralen Femurkondylus auf den sagittalen Bildern verifiziert werden; >5 mm Abstand zur Hinterkante des Tibiaplateaus ist pathologisch.
Das hintere Kreuzband zieht von der anterioren Innenfläche des medialen Femurkondylus nach dorsal zur Area intercondylaris posterior der Tibia und zur Tibiahinterkante. Ähnlich wie am vorderen Kreuzband kann man am hinteren Kreuzband funktionell 2 Faserbündel unterscheiden. Das kräftigere anterolaterale Faserbündel gerät bei zunehmender Flexion unter Spannung, das schwächere posteromediale Faserbündel bei zunehmender Extension. Das hintere Kreuzband ist ein zentraler Stabilisator des Kniegelenks. Die wichtigste Funktion ist es, der posterioren Translation der Tibia entgegenzuwirken. Außerdem trägt es zur Rotationssicherung bei. Es stabilisiert gegen Innenrotation und auch gegen starke Valgus- und Varusachsabweichungen. Verletzungen des hinteren Kreuzbandes sind sehr viel seltener als Verletzungen des vorderen Kreuzbandes. Aufgrund der höheren Stabilität des Bandes kommt es etwas häufiger zu Avulsionsfrakturen des tibialen Bandansatzes, die bei vorderen Kreuzbandverletzungen selten sind (ca. 5%) und meist im Kindesalter auftreten. Typische Verletzungsmechanismen sind Hyperextensionstraumen und eine durch direkte Krafteinwirkung verursachte posteriore Translation der Tibia bei flektiertem Kniegelenk (»Dashboard Injury«). Rupturen des hinteren Kreuzbandes treten sehr selten isoliert auf, sie sind meist mit anderen Kniebinnenverletzungen kombiniert. Bildgebung. Die direkten Zeichen der kompletten hinteren Kreuzbandruptur entsprechen denen der vorderen Kreuzbandruptur.
40 . Abb. 40.27a, b. Direkte Zeichen der kompletten vorderen Kreuzbandruptur. Die sagittalen T1w- (a) und intermediär-w-fs (b) MRT-Aufnahmen zeigen eine komplette Diskontinuität des deutlich aufgetriebenen und signalangehobenen Kreuzbandes
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b
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a
b
c
. Abb. 40.28a–c. Indirekte Zeichen der kompletten vorderen Kreuzbandruptur (sagittale intermediär w-fs-TSE-MRT-Aufnahmen). a Anteriore Translation der Tiba; eine mit Hilfslinien in Höhe des lateralen Kondylus gemessene Translation >5 mm ist pathologisch. b Hyperangulation des hinte-
ren Kreuzbandes, c Kontusionsareale des dorsolateralen Tibiaplateaus und des lateralen Femurkondylus; Kontusionsareale in dieser Lokalisation sind hochspezifisch
Indirekte Zeichen der hinteren Kreuzbandruptur sind Kontusionsareale im distalen Femur und im Tibiaplateau, die vom zugrunde liegenden Verletzungsmechanismus abhängig sind: 4 Hyperextensionsverletzung: Kontusionsareale im posterolateralen Femurkondylus und im anterolateralen Tibiaplateau 4 Hyperflexionstrauma: Kontusionsareale im anterolateralen Femurkondylus und im anterolateralen Tibiaplateau 4 Armaturenbrettverletzung (»dashboard injury«): Kontusionsareal im anterioren Tibiaplateau
Faserzüge (Lig. coronarium) Verbindung zum Innenmeniskus. 4 Ventral setzen sich die beiden oberflächlichen Schichten in das mediale Retinakulum fort.
Bandverletzungen – Kollateralbänder Der seitliche Bandapparat des Kniegelenks besteht aus dem medialen und dem lateralen Kollateralband, welche zur Führung und Stabilität des Gelenks wesentlich beitragen.
Mediales Kollateralband Das Ligamentum collaterale mediale entspringt am Epikondylus medialis des Femurs und zieht breitflächig schräg nach distal und etwas nach ventral, wo es bis zu 5–7 cm unterhalb des Tibiaplateaus inseriert. Das Band, das aus einem oberflächlichem und einem tiefen Anteil besteht, ist Teil des medialen Kapselbandapparats. Der mediale Kapselbandapparat hat einen dreischichtigen Aufbau, der allerdings nur im mittleren Anteil eindeutig differenzierbar ist, da die Schichten ventral und dorsal verschmelzen: 4 Die oberflächliche Schicht stellt die Fortsetzung der kruralen Faszie dar. 4 Die mittlere Schicht entspricht dem oberflächlichen Anteil des Kollateralbandes und ist funktionell am bedeutsamsten. 4 Die tiefe Schicht (= tiefer Anteil des Kollateralbandes) entspricht einer Verstärkung der Gelenkkapsel; die tiefe Schicht hat dorsal über meniskofemorale und meniskotibiale
Das mediale Kollateralband ist das am häufigsten verletzte Ligament des Kniegelenks. Die Verletzungen können im Rahmen komplexer Kniebinnenverletzungen oder auch bei reiner Valgusbelastung (»Clip-Injury«) isoliert auftreten. Bildgebung. Mittels MRT können Kollateralbandverletzungen genau erfasst werden (. Abb. 40.29). Das mediale Kollateralband ist am besten auf koronaren Aufnahmen beurteilbar. Verletzungen können MR-tomographisch folgendermaßen klassifiziert werden: 4 Grad 1: Überdehnung: oberflächliche Signalanhebungen bei normaler Form, Verlauf und Signalintensität der Bandstrukturen; ödematöse, hämorraghische Veränderungen an der Oberfläche des Bandes. 4 Grad 2: Partialruptur: partielle Diskontinuität; Signalveränderungen innerhalb des Bandes, Auftreibung des Bandes. 4 Grad 3: Komplettruptur: vollständige Diskontinuität.
Laterales Kollateralband Das laterale Kollateralband entspringt am Epikondylus lateralis des Femurs und zieht extraartikulär als rundlicher Strang schräg nach distal und dorsal zum Fibulaköpfchen, an dem es ventral der Bizepssehne inseriert. Es gehört zum lateralen Kapselbandkomplex, der die seitliche Stabilität des Kniegelenks gewährleistet und aus 3 Schichten besteht: 4 Die oberflächliche Schicht wird vom Tractus iliotibialis und der langen Bizepssehne gebildet, die von einer gemeinsamen Faszie umgeben werden.
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Kapitel 40 · Erkrankungen der Gelenke
Die C-förmigen Menisci bestehen aus Faserknorpel und sind im Querschnitt keilförmig konfiguriert. An der Basis sind beide Menisci mit der Gelenkkapsel verbunden. Sie verjüngen sich zum Zentrum hin zu einem freiliegenden Keil. Neben der Gelenkkapsel weisen die Menisci Verbindungen zu folgenden Strukturen auf: Die medialen Anteile der Vorder- und Hinterhörner des Innen- und Außenmeniskus sind am Tibiaplateau fixiert (= Meniskuswurzel); Anteile des medialen Kollateralbandes fixieren die Pars intermedia und das Innenmeniskushinterhorn durch meniskofemorale und meniskotibiale Faserzüge (Ligamentum coronarium).
Die Vorderhörner beider Menisken sind durch ein variabel ausgeprägtes Band, das Ligamentum transversum genus miteinander verbunden. Vom Hinterhorn des Außenmeniskus zur Innenseite des medialen Femurkondylus vor bzw. hinter dem Kreuzband ziehen die inkonstant vorhandenen Ligamenta meniscofemoralia anterius (Humphrey) und posterius (Wrisberg).
. Abb. 40.29. Komplettruptur des medialen Kollateralbandes. Auf der koronaren intermediär w-fs-TSE-MRT-Aufnahme zeigt sich eine Abriss des medialen Kollateralbandes vom femoralen Ansatz. Das Band kommt hier diffus aufgetrieben und signalangehoben zur Darstellung
4 Die mittlere Schicht wird ventral vom lateralen Retinakulum und dorsal vom Kollateralband gebildet. 4 Die tiefe Schicht wird durch die Gelenkkapsel gebildet und dorsal durch das Ligamentum arcuatum und das inkonstant vorhandene Ligamentum fabellofibulare verstärkt. 4 Die Popliteussehne unterstützt den lateralen Kapselbandkomplex im dorsalen Anteil. Bildgebung. Da das laterale Kollateralband schräg verläuft, ist
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der gesamte Verlauf bei koronarer Schichtführung meist nicht auf einer Schicht abgrenzbar. Zur Beurteilung des Bandes sollten daher auch Aufnahmen in axialer und sagittaler Schichtführung herangezogen werden. Rupturen des lateralen Kollateralbandes sind nahezu immer mit anderen Verletzungen assoziiert (Kapselverletzungen, Kreuzbandrupturen, Verletzungen der Popliteusund Bizepssehne). > Begleitverletzungen der posterolateralen Gelenkecke (einschließlich des lateralen Kollateralbandes) sind arthroskopisch nicht diagnostizierbar. Hier stellt die MRT das diagnostisch wichtigste Verfahren dar.
Meniskusverletzungen Die Menisci vergrößern die Druck aufnehmende Kontaktfläche zwischen den stark gekrümmten Femurkondylen und dem flachen Tibiaplateau. Dadurch wird die Druckverteilung im Femorotibialgelenk wesentlich verbessert. Außerdem sind die Menisken für die Stabilisierung des Kniegelenks von großer Bedeutung. Sie verbessern die Rotationsstabilität und (insbesondere das Innenmeniskushinterhorn) tragen auch zur a.p.-Stabilisierung bei.
Funktionell zur Fixierung der Menisci im Gelenk sind die Anheftung am Tibiaplateau und die Verbindungen zum medialen Kollateralband von wesentlicher Bedeutung. Forcierte Rotations- und Extensionsbewegungen bei flektiertem und fixiertem Kniegelenk sind typische Verletzungsmechanismen, die zu Meniskusrissen führen. Neben der traumatischen Genese können Meniskusrisse aber auch primär auf dem Boden degenerativer Veränderungen entstehen. Klassifikation. Meniskusrisse können unterschiedlich klassifiziert werden: 4 in Bezug zur Raumebene in: 5 Vertikalriss 5 Horizontalriss 5 Komplexer Riss (mehr als eine Rissebene) 4 in Bezug zur Längsachse des Meniskus in: 5 Longitudinal-Riss 5 Radiär-Riss 5 Schräg-Riss (»Lappenriss«, »Flap-tear«) 5 Komplexer Riss (mehr als eine Rissebene)
Während traumatische Meniskusrisse sehr häufig einen vertikalen Rissverlauf aufweisen, handelt es sich bei primär degenerativ entstandenen Meniskusrissen meist um Horizontalrisse (. Abb. 40.30). > Für die Behandlung von vertikalen Meniskusrissen ist von Bedeutung, dass nur der periphere Abschnitt des Meniskus (ca. ein Drittel) vaskularisiert ist, während der zentrale Abschnitt ausschließlich durch Diffusion aus der Synovialflüssigkeit versorgt wird. Aufgrund dessen können lediglich Vertikalrisse des peripheren Drittels rekonstruktiv behandelt werden. Bildgebung. Bei größeren Meniskusrissen kann es sekundär zu Dislokation von Meniskusanteilen kommen. Die Richtung der Verlagerung ist dabei in der Regel senkrecht zur Rissebene: 4 Verlagerung bei Longitudinal-Riss → Korbhenkelriss (. Abb. 40.31): es kommt zur Dislokation des freien Anteils des Meniskus in den Interkondylarraum; meist ist der Innen-
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b
a . Abb. 40.30a, b. Meniskusrisse (sagittale intermediär-w-fs-TSE-Aufnahmen). a Horizontalriss des Innenmeniskushinterhorns bei vorbestehender
Degeneration des Meniskus. b Traumatischer Vertikalriss in der peripheren Zone des Innenmeniskushinterhorns
c
a
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. Abb. 40.31a–c. Korbhenkelriss des Innenmeniskus (intermediär w-fsTSE-MRT-Aufnahmen). a Auf der koronaren MRT-Aufnahme lässt sich ein in den Interkondylarraum verlagerter Teil des Meniskus (»fragment in notch«) abgrenzen. b In sagittaler Schichtführung ist das dislozierte Meniskusfrag-
meniskus betroffen; folgende MRT-Zeichen sind hinweisend auf einen Korbhenkelriss: 5 Sagittale Schichtführung – Nach medial verlagertes signalarmes Fragment (»double PCL-sign«) – Diskontinuität der Pars intermedia (»absent bow-tiesign«) – Verändertes Größenverhältnis zwischen Vorder- und Hinterhorn
ment vor dem hinteren Kreuzband (»double PCL sign) abgrenzbar. c Auf der axialen Aufnahme ist im anterioren Anteil des Meniskus der exakte Rissverlauf dargestellt
– Auflagerung eines Fragments auf das Vorderhorn (»flipped meniscus«) bei inkomplettem Korbhenkelriss 5 Koronare Schichtführung – Signalarmes Fragment im Interkondylarraum (»fragment in notch«) – Verkürzung des Meniskus (»truncated meniscus«) 5 Axiale Schichtführung – direkt abgrenzbares nach medial verlagertes Fragment
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Kapitel 40 · Erkrankungen der Gelenke
4 Verlagerung bei komplettem radiären Meniskusriss: bei
4 Partialruptur: partielle Diskontinuität; lineare, auf interme-
komplett durchtrenntem Meniskus kommt es zur Verlagerung des anterioren Meniskusanteils nach ventral und außen, des posterioren Anteils nach dorsal und außen. 4 Verlagerung bei horizontalem Meniskusriss: der horizontale Riss kann nach kranial oder kaudal aufklappen: 5 bei Aufklappen nach kaudal → Verlagerung eines Meniskusanteils nach außen neben die Tibiakante; 5 bei Verlagerung nach kranial → Verlagerung eines Meniskusanteils nach Außen neben den Femurkondylus
diär-w (TE=30–45 ms) und T2-w-TSE-Aufnahmen flüssigkeitsäquivalente Signalanhebung intratendinös im Ursprungsbereich der Sehne 4 Kompletter Abriss: komplette Diskontinuität zwischen unterem Patellapol und Patellasehne 4 Ossäre Begleitveränderungen: Knochenmarködem am unteren Patellapol; im chronischen Verlauf auch produktive (häufiger) oder resorptive fibroostotische Veränderungen
Traumatische Patellaluxation Scheibenmeniskus Synonym: diskoider Meniskus.
Beim diskoiden Meniskus handelt es sich um eine anatomische Variante mit einem abnorm vergrößerten Meniskus, der das gesamte ipsilaterale Tibiaplateau bedecken kann. Es sind aber auch inkomplette Ausprägungen möglich. Von dieser anatomischen Variante ist in der Regel der Außenmeniskus betroffen. Auf koronaren und sagittalen MRT-Aufnahmen kann die Variante an der fehlenden nach zentral zulaufenden Verjüngung (Dreicksform) des Meniskus diagnostiziert werden. Die Normvariante gilt als Prädisposition für degenerative Veränderungen und Meniskusrisse. Daher werden die betroffenen Patienten relativ häufig schon im Kindesalter symptomatisch.
Die laterale traumatische Patellaluxation ist die häufigste Luxationsform des Kniegelenks. Betroffen sind häufig junge, sportlich aktive Patienten. Forcierte Kontraktionen der Quadrizepsmuskulatur in Valgusstellung des Gelenks oder auch isolierter Valgusstress sind typische Verletzungsmechanismen. Prädisponierende Faktoren sind Patelladysplasie, Patella alta, Dysplasie des femoralen Gleitlagers, Genu valgum und eine ligamentäre Insuffizienz (z. B. durch ein stattgehabtes Trauma). Die bei der Luxation auftretenden Verletzungen, die teilweise durch Anschlag der medialen Patella gegen den lateralen Femurkondylus entstehen, können am besten auf axialen fettsupprimierten MRT-Aufnahmen diagnostiziert werden. Das resultierende charakteristische Befundmuster kann auch bei transienter Luxation (ca. drei Viertel der Fälle) zur richtigen Diagnose führen.
Meniskuswurzelriss
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Ein Abriss des Innen- oder Außenmeniskushinterhorns im Bereich der tibialen Insertion ist als Wurzelriss des Meniskus definiert. Diese sind von Bedeutung, da sie zur Instabilität des betroffenen Meniskus führen. Häufig kommt es sekundär zu einer Dislokation des Meniskus: Bei Abriss der Innenmeniskuswurzel zur Verlagerung der Pars intermedia nach medial, bei Abriss der Außenmeniskuswurzel zur Verlagerung der Pars intermedia nach lateral. Läsionen der Wurzel des Innenmeniskushinterhorns treten relativ häufig im Rahmen einer fortgeschrittenen Arthrose auf, können aber auch auf ein Distorsionstrauma des Kniegelenks zurückzuführen sein. Die Läsion im Bereich der Meniskuswurzel ist am besten auf koronaren und axialen MRT-Aufnahmen nachweisbar. Die sekundäre Verlagerung der Pars intermedia ist am besten auf koronaren Bildern darstellbar. Wenn der Meniskus die Tibiakante um >3 mm überragt, gilt dies als pathologisch.
Verletzungen des Kniestreckapparats Jumper’s Knee
Bildgebung. Folgende MR-tomographischen Befunde sind ty-
pisch für eine stattgehabte Luxation des Kniegelenks: 4 Axiale Schichtführung: 5 Kontusionsareal/osteochondrale Verletzung der inferomedialen Patella 5 Freies osteochondrales Fragment 5 Kontusionsareal/Impressionsfraktur am lateralen Femurkondylus (eher ventral) 5 Partial-/Komplettruptur des medialen Retinakulums 5 Partial-/Komplettruptur des medialen patellofemoralen Ligamentes (MPFL): das Band ist wichtiger Stabilisator der Patella; das Band zieht von der medialen Patella zum Tuberculum adductorius; auf die Integrität des Bandes muss geachtet werden, da eine Insuffizienz häufig zur Instabilität führt. 5 Ossäre Avulsion des MPFL (selten) 5 Laterale Subluxationsstellung der Patella 5 Retropatellare chondrale Läsionen
Synonym: Patellaspitzensyndrom.
Beim Jumper’s Knee handelt es sich um einen Überlastungsschaden (Partialruptur bis zum kompletten Abriss) am fibrossären Übergang vom unteren Patellapol zur Patellasehne. Ursächlich ist meist eine Überlastung des Streckapparats des Kniegelenks, sodass die Verletzung gehäuft bei Fußballern und bei Sportlern auftritt, die Sprungsportarten ausüben. Am besten wird die Verletzung auf sagittalen MRT-Aufnahmen diagnostiziert, wo folgende Befunde zu erheben sind: 4 Tendinose: umschriebene Auftreibung und moderate Signalanhebung der Patellasehne im Ursprungsbereich auf intermediär (TE=30–45 ms) w und PD-w-TSE-Aufnahmen
40.2.4
Hüftgelenk M. Eiber, S. Waldt
Kongenitale Hüftdysplasie Definition Synonym: Hüftreifungsstörung.
Die kongenitale Hüftdysplasie ist eine angeborene Entwicklungsstörung des Pfannendachs und Pfannenerkers, die zu einer Gelenkinstabilität mit Dislokation des Hüftkopfs bis hin zur Luxation führt.
1259 40.2 · Erkrankungen der Gelenke (Spezieller Teil)
Epidemiologie Die Hüftdysplasie tritt als häufigste Erkrankung des Skelettsystems bei ca. 2–5% der Bevölkerung (in Deutschland) mit allerdings deutlichen regionalen Unterschieden auf. Bevorzugt ist das linke Hüftgelenk betroffen, wobei in ca. einem Viertel der Fälle eine bilaterale Ausprägung vorhanden ist. Das Geschlechterverhältnis beträgt 6:1 zuungunsten der Mädchen.
Ätiologie Die Ätiologie der kongenitalen Hüftdysplasie ist multifaktoriell, wobei als Risikofaktoren mechanische Ursachen wie Steißlage (10-fach erhöhtes Risiko) und Oligohydramnion oder eine familiäre Disposition bekannt sind. Zusätzlich sind auch andere exogene Faktoren wie Muskelstatus und statische Belastung ausschlaggebend für die Entwicklung einer Hüftdysplasie. Diese Faktoren tragen zu einer Relaxation der Gelenkkapsel der Hüftpfanne bei, die zu einer Wachstums- und Ossifikationsstörung des Pfannendachs führt. Dadurch kann dieses nicht mehr ausreichend als Widerlager zum Hüftkopf funktionieren und es kommt zur Instabilität des Hüftkopfs mit Gefahr der Dezentrierung. Ein konsekutiv elongiertes Ligamentum capitis femoris sowie eine bei (Sub)-Luxationen interponierte Gelenkkapsel und Fettgewebe können die Reposition erschweren. Im Extremfall bildet sich bei konstanter Luxation eine Sekundärpfanne aus.
Klinik, Therapie Klinisch können Hüftreifungsstörungen nur unsicher erkannt werden. Hinweise sind eine Asymmetrie der Gesäßfalten, eine Beinlängendifferenz oder ein Schnapp-Phänomen im OrtolaniTest. Therapeutisches Ziel ist eine konstante Zentrierung des Femurkopfs im Azetabulum, um das Nachreifen der Pfannen zu erreichen. Im Falle einer (Sub)-Luxation ist zusätzlich eine Reposition erforderlich. Die Prognose wird entscheidend vom Zeitpunkt der Diagnose und dem Ausprägungsgrad bestimmt. Bei frühzeitigem Erkennen ist eine regelrechte Hüftentwicklung möglich, unbehandelt tritt eine vorzeitige sekundäre Coxarthrose auf.
Bildgebung Die radiologische Diagnostik wird heute vorwiegend durch die Sonographie bestimmt. Diese ermöglicht die Darstellung des knorpelig präformierten Hüftkopfs, des hyalinknorpeligen Pfannendacherkers mit Labrum und des knöchernen und knorpeligen Pfannendachs. Ab dem 9. Lebensmonat erfolgt in der Regel die weitere Diagnostik bzw. das Monitoring durch konventionelle Röntgenaufnahmen, da die Ossifikation der Hüfte dann soweit fortgeschritten ist, dass eine Hüftdysplasie zuverlässig erkannt werden kann und sonographisch keine weitere Beurteilung mehr möglich ist. Vor dem 9. Lebensmonat wird nur in Ausnahmefällen, z. B. bei unklaren Verläufen oder zum Abschluss der Behandlung, eine Röntgenaufnahme angefertigt. Dabei wird bei Kindern bis zum 7. Lebensjahr mittels der Hilgenreiner- und Pfannendachlinie der Acetabulum-(AC-)Winkel bestimmt (. Abb. 40.32). Dieser wird physiologisch mit zunehmender Ossifikation der Hüftpfanne kleiner. Bei einer Hüftdysplasie wird die knöcherne Überdachung schlechter, sodass
. Abb. 40.32a, b. Schematische Darstellung des Acetabulum- (AC-) und des »Center-edge«-(CE-)Winkels. a Der AC-Winkel ergibt sich aus den Schnittpunkten der Pfannendachlinie, die vom lateralen Pfannendach zur Y-Fuge, sowie der Hilgenreiner-Linie, die als Verbindung zwischen beiden Y-Fugen gezogen wird. b Der CE-Winkel dient zur Beurteilung der Ausprägung des Pfannenerkers und wird durch den Schnittpunkt zweier Geraden im Femurkopfmittelpunkt bestimmt, von denen eine zum lateralen Pfannendach und die andere parallel zur Körperachse verlaufen
der Acetabulumwinkel zu steil ist. Im Extremfall kommt es zur (Sub)Luxation des Hüftkopfs und bei längerem Bestehen zu Veränderungen an Acetabulum und Os ilium mit Ausbildung einer sekundären Hüftpfanne. Bei älteren Kinder bzw. Erwachsen erfolgt die Beurteilung der Ausprägung des Pfannenerkers durch den »Center-edge«Winkel (CE-Winkel) (bzw. zur Bestimmung der vorderen Überbauung durch den vorderen Hüftpfannenwinkel in der »Fauxprofil«-Aufnahme (. Abb. 40.32). > Als Faustregel gilt, dass der Acetabulumwinkel bei Geburt <30°, im 1. Lebensjahr ca. 20° und ab dem 3. Lebensjahr <20° liegen sollte. Der CE-Winkel gilt bei einem Wert <15° bis zum Alter von 12 Jahren als pathologisch. Detaillierte alters- und geschlechtsabhängige Winkel können aus orthopädischen Tabellen entnommen werden.
Die früher eingesetzte Arthrographie und Computertomographie ist heute durch die MRT verdrängt worden. Diese kommt v. a. bei konservativ therapierefraktären Hüften und bei der präoperativen Planung zum Einsatz. Hochauflösende und multiplanare Darstellung sind Vorteile der Methode, sodass Repositionshindernisse (z. B. Verlagerung des Pfannendacherkers, interponierte Kapselanteile oder Fettgewebe) besser als in der Sonographie erkannt werden können. Nach forcierten Repositionen stellt der Verdacht auf Hüftkopfnekrose eine weitere wichtige Indikation dar.
Epiphysiolysis capitis femoris (ECF) Definition Die Epiphysiolysis capitis femoris ist eine Erkrankung des Jugendalters, bei der die Epiphyse des Femurkopfs langsam nach hinten, medial und unten abrutscht.
Epidemiologie Betroffen sind Jungen häufiger als Mädchen vorwiegend im Alter von 10–16 Jahren, wobei häufig übergewichtige Jugendliche mit
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Kapitel 40 · Erkrankungen der Gelenke
. Abb. 40.33a–d. Radiologische Frühzeichen der Epiphysiolysis capitis femoris (ECF) (nach Greenspan). a Physiologischerweise kommt der mediale Anteil des proximalen Femurs, der an die Epiphysenfuge grenzt, durch Summation mit dem dahinter liegenden knöchernen Pfannenrand mit verminderter Transparenz zur Abbildung (kleines Bild). Die fehlende Abgrenzbarkeit des so genannten Dreieckszeichens nach Capener gilt als Frühzeichen der ECF (großes Bild). b Normalerweise schneidet die Klein-Tangente entlang des lateralen Schenkelhalses die Femurepiphyse (kleines Bild). Bei drohender ECF berührt sie diese maximal noch tangential (großes Bild). Weitere Frühzeichen der ECF sind eine c unscharfe und verwaschen erscheinende Wachstumsfuge und ein d relativer Höhenverlust der Epiphyse
retardierter Geschlechtsreife erkranken. Bei Jungen ist das linke Hüftgelenk doppelt so häufig wie das rechte befallen, bei Mädchen gibt es keinen Seitenunterschied. In ca. 20–40% liegt eine bilaterale Erkrankung vor.
Ätiologie, Pathogenese, Klinik
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Ein spezifischer Auslöser für die Erkrankung ist nicht bekannt, wobei oft ein schleichender Beginn ohne jegliches Trauma mit einem Wachstumsschub zusammenfällt. Unter anderem wird postuliert, dass ein Ungleichgewicht zwischen Wachstumshormonen und Geschlechtshormonen die Epiphysenfuge schwächt. Dies führt morphologisch zu einer Verschiebung der Epiphyse nach hinten, medial und unten mit einer konsekutiven Varusdeformität des Femur sowie zur Außenrotation und Adduktion im Hüftgelenk. Klinisch zeigen die Betroffenen oft Hüft- oder Knieschmerzen, sowie bei der körperlichen Untersuchung eine Einschränkung der Abduktion, Beugung und Innenrotation des Hüftgelenks.
Bildgebung Das radiologische Bild der Epiphysiolysis capitis femoris zeigt folgende Charakteristika (. Abb. 40.33): Als Früherkennungszeichen gilt das Dreieckszeichen nach Capener, bei dem die physiologische Überlagerung der Schenkelhalsinnenseite mit der Azetabulumwand verloren geht. In späteren Stadien kommt es zur Verbreiterung und Unschärfe der Wachstumsfugen mit Höhenabnahme der Epiphyse. Auch die so genannte Klein-Tangente (Tangente an der lateralen Schenkelhalsfläche) schneidet die Epiphyse nicht mehr. Das typische Abrutschen der Epiphyse ist am besten in der Lauenstein-Aufnahme zu sehen (. Abb. 40.34).
. Abb. 40.34. Epiphysiolysis capitis femoris (ECF). Auf der konventionellen Aufnahme des rechten Hüftgelenks nach Lauenstein ist die Epiphyse nach posteromedial abgerutscht
In chronischen Stadien erfolgen eine reaktive Knochenneubildung entlang der oberen Anteile des Schenkelhalses sowie eine Remodellierung der Epiphyse. Erste verleiht dem Schenkelhals das Aussehen eines Pistolenhandgriffs, wobei v. a. der dabei entstehende Buckel (»herndon hump«) als diagnostisch angesehen wird (. Abb. 40.35).
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Epidemiologie Exakte Daten zur Prävalenz des femoro-acetabulären Impingement liegen bei der Erkankung, die erst in den letzteren Jahren in den Fokus der Orthopädie bzw. Radiologie gerückt ist, noch nicht vor. Man geht jedoch davon aus, dass die Prävalenz bei etwa 10–15% liegt, wobei die meisten Betroffenen zwischen 20 und 40 Jahren alt sind.
Ätiologie, Pathogenese
. Abb. 40.35. Coxa vara epiphysaria. Die Beckenübersichtsaufnahme zeigt als chronisches Stadium der Epiphysiolysis capitis femoris (ECF) an beiden Schenkelhälsen im oberen Anteil eine ossäre Knochenappositionen (»herndon hump«), links mehr als rechts. Zusätzlich besteht eine varische Fehlstellung beider proximaler Femora
Bei schweren Verläufen wird der Endzustand als Coxa vara epiphysaria (. Abb. 40.35) bezeichnet, bei dem es zur Fusion der Epiphyse mit der Metaphyse kommt und eine Varusstellung zu finden ist. In der MRT kann im akuten Stadium neben einem Gelenkerguss auch eine Verbreiterung und Signalintensitätserhöhung der Epiphysenfuge in T2w nachgewiesen werden. Begleitbefunde sind ein Knochenmarksödem im angrenzenden Schenkelhals, besonders medial- und dorsalseitig, aufgrund der vermehrten Druckbelastung. Vor allem zur Operationsplanung ist die exakte Bestimmung der Epiphysendislokation notwenig: diese können entweder durch parasagittale Schichtführung im MRT oder durch die Bestimmung der projizierten und reellen Epiphysendislokationswinkel (s. weiterführende Lehrbücher der Orthopädie) errechnet werden.
Therapie Therapeutisch wird die ECF operativ mittels geschlossener oder offener Reposition der Epiphyse und zur Verhinderung eines weiteren Abgleitens mit einer inneren Fixation mit Nägeln, Drähten und Stahlstiften behandelt. Als Komplikationen der Erkankung treten bei ca. 25% der Patienten eine Osteonekrose des Femurkopfs durch Verletzungen der epiphysären Blutgefäße sowie eine sekundäre Coxarthrose auf.
Femoro-acetabuläres Impingement Definition
Als Ursachen für das femoro-acetabuläre Impingement sind neben idiopathischen Formen, Knochenveränderungen durch Wachstumsstörungen, eine diskret abgekippte Epiphyse bzw. ein Morbus Perthes oder Femurhalsfrakturen bekannt. Pathogenetisch wird zwischen einem acetabulär induzierten (so genanntes PINCER-Impingement) und einem femoral induzierten Impingement (so genanntes CAM-Impingement) unterschieden. In der Regel (>80%) haben Betroffene eine Kombination aus beiden Formen, die dann als »mixed PINCER- and CAM-Impingement« bezeichnet wird. Dem CAM-Impingement liegt eine Entrundung des Femurkopfs zugrunde. In Flexion- und Innenrotationsttellung wird die meist nach anterior oder anterosuperior bestehende ossäre Vorwölbung des Kopf-Hals-Übergangs in die intakte Hüftpfanne gepresst. Die dabei in dem korrespondierenden Anteil der Pfanne auftretenden Scherkräfte führen zu umschriebenen, häufig »delaminierenden« Knorpelläsionen und und Rissen im angrenzenden Labrum. Zusätzlich kann es zu weiteren Anbauten an der Vorderseite des Femurhalses kommen, welche das Impingement noch weiter verstärken. Knöcherne Veränderungen im Falle eines PINCER-Impingement können eine Retroversion oder Protrusion des Acetabulums bzw. eine zu große Überdachung am vorderen und/oder seitlichen Pfannenrand sein. Diese Veränderungen führen zu einem relativ tiefen Acetabulum oder zur verstärkten Überdachung des Femurkopfs. Zusätzlich führt ein repetitiver Knochenkontakt zwischen Femurhals und Rand des Acetabulums zu weiteren Anbauten und Läsionen am Rand des Acetabulums. Morphologisch ist in der Regel zuerst eine Degeneration des Labrums mit intralabalen Zysten oder Ossifikationen des überhängenden Randes des Acetabulums zu beobachten. Beim PINCER-Impingement geschieht der Kontakt zwischen Femurkopf und Acetabulum in der Regel im vorderen Anteil, führt jedoch auch zu knorpeligen Verletzungen im hinteren-unteren Acetabulum (Contrecoup-Läsionen). Insgesamt sind die knorpeligen Veränderungen beim PINCER-Impingement oft auf eine kleine Region entlang des Randes des Acetabulums beschränkt und deshalb weniger problematisch als Läsionen beim CAM-Impingement, bei welchem tiefere Knorpeldefekte und ausgeprägtere Labrumrisse auftreten können.
Synonyma: FAI, Impingement der Hüfte. Als femoroacetabu-
läres Impingement wird der bewegungsabhängige pathologische Kontakt zwischen dem anterioren bzw. anterosuperioren Kopf-/ Halsübergang des Schenkelhalses und dem Pfannenrand bezeichnet, zu dem es in Flexions- und Innenrotationsstellung bereits bei geringen morphologischen Abnormitäten des Hüftgelenks kommen kann.
Klinik, Therapie Klinisch beschreiben die Patienten oft Leistenschmerzen bei Rotation der Hüfte, v. a. beim Sitzen oder bei sportlichen Aktivitäten. Zusätzlich kann auch ein Schmerz in der Region des Trochanter major auftreten, der bis in den Oberschenkel ausstrahlt. Die chirurgische Therapie eines femoro-acetabulären Impinge-
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ment fokussiert sich auf die Entfernung der ursächlichen Veränderungen durch Abtragen des knöchernen Überschusses am Acetabulum oder im Bereich Femurkopf und -hals sowie selten durch eine Umstellung eines retrovertierten Acetabulums.
Bildgebung
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In der Regel reichen Standardaufnahmen a.p. und nach Lauenstein zur konventionellen radiologischen Abklärung des femoroacetabulären Impingements aus. Manchmal können zusätzlich Spezialaufnahmen nach Rippstein zur Aufdeckung von Veränderungen am vorderen Übergang zwischen Femurhals und -kopf und Faux-profil-Aufnahmen für die Evaluation der vorderen Überdachung bzw. zur Beurteilung des posterior-inferioren Anteil des Hüftgelenks bei Verdacht auf Vorliegen von ContrecoupLäsionen nützlich sein. Radiologisch können beim PINCER- und CAM-Impingement die in der Übersicht genannten Befunde erhoben werden. Neben den primären ossären Befunden können auch sekundäre Veränderungen radiologisch erfasst werden: Typisch ist eine reaktive Kalzifizierung des Labrums. Weitere ossäre Anbauten am Acetabulum können zu einer Doppelkontur der Pfannenränder führen. Bei einem PINCER-Impingement wird oft ein Knochenstück am lateralen Pfannendach abgesprengt. Dies kann leicht mit einem Os acetabuli verwechselt werden. Auch juxtaartikuläre Zysten v. a. im vorderen oberen Quadranten des Femurhalses können Hinweis auf eine femoro-acetabuläres Impingement sein. Im weiteren Verlauf sind zusätzlich typische Veränderungen einer Coxarthrose abgrenzbar. In der MRT können die Verletzungen am Knorpel bzw. Labrum sensitiv dargestellt werden. Ein normales Labrum imponiert als dreieckige fibrokartilaginäre Struktur in allen Sequenzen signalarm und ist außer am unteren Pol in den übrigen Anteilen des Acetabulums vorhanden. Im Falle von degenerativen Veränderungen zeigt es fokale Signalerhöhungen in T1w- und PDwSequenzen. Zudem kann teilweise eine Vergrößerung bzw. Tendenz zur Abrundung des Labrums gesehen werden. Risse im Labrum können in der MR-Arthrographie durch KontrastmittelEinfurchungen detektiert werden (. Abb. 40.36). Eine Abgrenzung von Veränderungen im Knorpel von Femur oder Acetabulum ist aufgrund der geringen Dicke (1–2 mm) schwierig und nur unter Traktion während der Aufnahme möglich.
Transientes Knochmarködem Definition Synonym: transiente Osteoporose.
Das transiente Knochenmarködem des proximalen Femurs ist durch ein spontan auftretendes, primär epihysär lokalisiertes Knochenmarködem gekennzeichnet, das sich charakteristischerweise im Verlauf von alleine zurückbildet. Die Diagnose wird MR-tomographisch gestellt. Häufig (nicht immer) lässt sich im konventionellen Röntgenbild korrespondierend eine Osteopenie des betroffenen Skelettabschnitts abgrenzen.
Ätiologie, Epidemiologie Die Ursachen des transienten Knochenmarködems sind noch nicht vollständig geklärt. Am ehesten kommt eine multifaktorielle Genese in Betracht. Das Geschlechterverhältnis beträgt
Radiologische Befunde beim PINCERund CAM-Impingement Beim PINCER-Impingement kann der Überbauungsüberschuss fokal oder im Bereich der gesamten Zirkumferenz des Acetabulums ausgeprägt sein. 4 Kompletter Überbauungsüberschuss: – Nachweis einer Coxa profunda, bei der die Begrenzung des Acetabulums pathologisch medial der ilioischialen Linie liegt. – Man spricht von einer Protrusio acetabuli, wenn sich zusätzlich der Femurkopf medial dieser Linie projiziert. – Eine Vergrößerung der lateralen Überdachung wird durch einen CE-Winkel >39° angezeigt. 4 Fokaler Überdachungsüberschuss (im vorderen oder hinteren Anteil des Acetabulums): – Bei einem Überdachungsüberschuss im anterioren Anteil stellt sich in der a.p.-Aufnahme die Begrenzung des vorderen Pfannendachs lateral vom hinteren dar, was zu einem retrovertierten Acetabulum führt. Wenn sich beiden Begrenzungen schneiden, spricht man von einem cross-over-sign. – Es kann zu einer diskreten Subluxation des Femurkopfs nach unten und hinten führen, was wiederum durch Druck auf den Knorpel zu einer ContrecoupLäsion des hinteren Pfannendachs führt. – Projiziert sich die Kontur des hinteren Pfannendachs lateral des Femurkopf-Mittelpunkts, liegt der Verdacht auf auf einen hinteren Überdachungsüberschuss nahe. – Da die Konturen des Pfannendachs stark durch die Projektion beeinflusst werden, ist auf eine korrekte Orientierung und auf eine Fokussierung des Zentralstrahls auf die Hüfte zu achten. Im Falle eines CAM-Impingement ist ein Knochenüberschuss an der Grenze zwischen Femurhals und -kopf zu sehen: 4 Ossäre Anbauten im lateral Bereich (so genanntes pistolgrip-sign) können auf a.p.-Aufnahmen und solche im anterior-superioren Aspekt gut in axialen Bilder abgegrenzt werden. 4 Ein Winkel >50° in der axialen Aufnahme zwischen der Achse des Femurhalses und einer Linie vom Zentrum des Femurkopfs auf den Schnittpunkt zwischen Femurkopf und knöchernem Überschuss ist ein Indikator für eine abnormale Kontur am Übergang Femurhals zu -kopf. 4 Eine weitere Ursache des CAM-Impingement ist die Retroversion des Femurs, die mittels CT gemessen werden kann.
1263 40.2 · Erkrankungen der Gelenke (Spezieller Teil)
. Abb. 40.36. Ventrolateraler Labrumriss. Auf dem sagittalen MR-Arthrogramm lässt sich durch den KM-Eintritt ein Riss des ventrolateralen Labrums abgrenzen
. Abb. 40.37. Transientes Knochenmarködem des proximalen Femurs. Die koronare STIR-Aufnahme zeigt ein ausgedehntes Knochenmarködem des Femurkopfs und des Schenkelhalses mit Ausdehnung bis in die Intertrochantärregion ohne Frühzeichen einer Hüftkopfnekrose. Es besteht ein begleitender Gelenkerguss
ca. 3:1 zuungunsten der Männer, wobei die Erkrankung bei Frauen fast ausschließlich in der Schwangerschaft im 3. Trimenon beschrieben wurde.
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Klinik, Komplikationen Klinisch geben die Patienten unspezifische Schmerzen in der Hüfte an, die bis in das Gesäß ausstrahlen. Typisch ist die Abwesenheit eines Traumas in der Vorgeschichte. In der Regel sistieren die Schmerzen nach durchschnittlich 4–24 Monate von alleine. Prinzipiell können von der Erkankung auch das Knie, der Fuß oder das Sprunggelenk betroffen sein. Als Komplikationen, insbesondere wenn die betroffene Extremität nicht entlastet wird, können beim transienten Knochenmarködem Insuffizienzfrakturen in dem betroffenen, minder belastbaren Knochen auftreten. > Entgegen früherer Hypothesen kann das transiente Knochenmarködem nicht als Vorstufe bzw. Frühform einer Hüftkopfnekrose angesehen werden, sondern es handelt sich um ein eigenständiges Krankheitsbild. Nekrosen können lediglich in seltenen Fällen sekundär nach dem Auftreten von Insuffizienzfrakturen in diesen Anteilen des Knochens entstehen.
Radiologisch können folgende Veränderungen beim transienten Knochenmarksödem abgegrenzt werden: Im konventionellen Röntgen sind erst 6–8 Wochen nach Beginn der Erkrankung fokale Aufhellungen und unscharfe trabekuläre Strukturen des Femurkopfs und -halses abgrenzbar. Der Beund kann sich bis zur diffusen Osteopenie des proximalen Femurs verschlimmern. Insuffizienzfrakturen lassen sich in der Regel als Verdichtungslinien im subchondralen Knochen abgrenzen. Ein vermehrter, homogener Trace-Uptake ohne Weichteilbeteiligung ist ein typischer szintigraphischer Befund. In der MRT zeigt ein diffuses, unscharf begrenztes Knochenmarködem, das typischerweise niedrige Signalintensitäten in T1w- und ein hyperintenses Verhalten in T2w-Aufnahmen zeigt (. Abb. 40.37). Besonders ausgeprägt ist das Ödem in der Epiphyse (v. a. in den subchondralen Anteilen). Regelmäßig besteht eine Ausbreitung in Richtung auf die Metaphyse, teilweise bis in die Intertrochantärregion. Insuffizienzfrakturen lassen sich im subchondralen Knochen als signalarme Linien abgrenzen; sie sind typischerweise wenige mm von der kortikalen Grenzlamelle distanziert. Auch subchondrale Verdichtungen bis zu einer Dicke von 4 mm und einer Länge von 12 mm gelten als reversibel. Nach Abklingen der Symptome hinken die beschriebenen radiologischen Befunde in der Regel einige Wochen hinterher.
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Kapitel 40 · Erkrankungen der Gelenke
40.2.5
Fuß S. Waldt, M. Eiber
Bandverletzungen des oberen Sprunggelenks Pathogenese Die häufigsten Sportverletzungen sind Verletzungen des fibularen Bandapparats nach stattgehabtem Supinationstrauma. Der fibulare Bandapparat besteht aus 3 Bandanteilen: 4 dem Ligamentum fibulotalare anterior, das bei einem Supinationstrauma in der Regel als erstes reißt, 4 dem etwas stabileren Ligamentum fibulocalcaneare und 4 dem Ligamentum fibulotalare posterior, dem kräftigsten der 3 Bänder. Neben dem fibularen Bandapparat tragen der mediale Bandapparat, der aus einer kräftigen Bindegewebsplatte, dem Ligamentum deltoideum, besteht, und die Syndesmose zur Stabilisierung des oberen Sprunggelenks bei. Die Syndesmose besteht aus dem anterioren und posterioren tibiofibularen Ligament und dem distalen Anteil des Ligamentum interosseum. Obwohl die Mehrzahl der Syndesmosenrupturen mit Sprunggelenksfrakturen assoziiert ist, können diese auch im Rahmen schwerer Bandverletzungen ohne Fraktur auftreten. Forcierte Dorsalflexion und Außenrotations- und Valgusstress sind Verletzungsmechanismen, die zur Syndesmosenruptur führen können. Da bei einer Syndesmosenruptur die Gefahr einer chronischen Instabilität des Sprunggelenks relativ groß ist, gilt die akute Syndesmosenruptur als Operationsindikation.
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Im Anschluss an ein Distorsionstrauma sollten konventionelle Röntgenaufnahmen im a.p.- und seitlichem Strahlengang zum Frakturausschluss angefertigt werden. Mittels MRT kann das Ausmaß von Bandverletzungen genau erfasst werden. Allerdings besteht nach einem Supinationstrauma mit Verdacht auf fibulare Bandruptur aufgrund der fehlenden therapeutischen Konsequenz in der Regel keine MR-Indikation. Bei Leistungssportlern allerdings, bei denen eher eine operative Versorgung angestrebt wird, sollte primär eine MR-Untersuchung angefertigt werden. Auch wenn der klinische Verdacht auf Komplikationen, z. B. einer chondralen Abscherfraktur (»Flake Fracture«) oder einer Syndesmosenruptur besteht, sollte eine MRT durchgeführt werden. Die normalen Bänder kommen signalarm auf MRT-Aufnahmen aller Pulssequenzen zur Darstellung. Sowohl das anteriore talofibulare Ligament als auch das anteriore und posteriore tibiofibulare Ligament lassen sich am besten auf axialen Aufnahmen abgrenzen. Das posteriore fibulotalare und das fibulocalcaneare Ligament sind normalerweise auf axialen und koronaren MRTAufnahmen gut zu beurteilen. Mittels MRT kann folgende Graduierung von Bandverletzungen vorgenommen werden: 4 Grad-1: Überdehnung: Es kann eine normale Bandstruktur mit Signalanhebungen an der Oberfläche als Zeichen von ödematösen und hämorrhagischen Veränderungen abgegrenzt werden.
. Abb. 40.38. Ruptur des fibularen Bandapparats. Die axiale T2w-MRTAufnahme zeigt eine Ruptur des Ligamentum fibulotalare anterius mit Reststumpf an der Fibulaspitze und angrenzendem subkutanem Hämatom
4 Grad-2: Partialruptur: Die Bänder zeigen partielle Diskonti-
nuitäten und Signalveränderungen innerhalb des Bandes als Zeichen einer partiellen Ruptur. 4 Grad-3: Komplettruptur (. Abb. 40.38, . Abb. 40.39): vollständige Diskontinuität des Bandes; begleitend findet sich häufig ein angrenzendes Hämatom und/oder ein Ödem bzw. ein intraossäres Kontusionsareal an der Abrissstelle (»Bone bruise«). Chronische Verletzungen führen zu einer Verdickung und Ausdünnung des Bandes mit atypischem (welligem) Bandverlauf. Narbige Veränderungen führen zu Signalabsenkungen in allen Sequenzen im an das Band angrenzenden Fettgewebe. > Beim Ligamentum deltoideum ist zu berücksichtigen, dass es aufgrund in den Bandverlauf eingelagerten Fettgewebes in den koronaren Schichten im tiefen Anteil eine physiologische Streifung zeigt. Dadurch kommt es bei Verletzungen hier zu einer homogenen Signalabsenkung, die aus dem Ödem/Hämatom im interponierten Fettgewebe resultiert.
Sinus-Tarsi-Syndrom Pathogenese, Klinik Dem Sinus-Tarsi-Syndrom liegen entzündliche und/oder hämorrhagische Veränderungen im synovialen Gelenkrezessus des Sinus tarsi zugrunde. Häufig, jedoch nicht immer, besteht eine Verletzung der im Sinus tarsi verlaufenden interossären Ligamente.
1265 40.2 · Erkrankungen der Gelenke (Spezieller Teil)
oberen Sprunggelenks kommt es nicht selten auch zur Ruptur des talokalkanearen Ligaments (dem kräftigsten der interossären Ligamente), welches noch vor dem Ligamentum talofibulare posterior reißt. Dies führt zu einer Instabilität im subtalaren Gelenk und zu einer chronischen Synovialitis im Gelenkrezessus des Sinus tarsi. Das Instabilitätsgefühl im Rückfußbereich ist nicht nur auf die Bandverletzungen, sondern auch auf die im Verlauf entstehenden Schädigungen der im Sinus tarsi liegenden Nervenendigungen zurückzuführen. Dies erklärt, dass weitere Ursachen für das Sinus-tarsi-Syndrom entzündliche Erkrankungen, z. B. die rheumatoide Arthritis, ankylosierende Spondylitiden, Ganglien und Fußdeformitäten sind.
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a
Durch die Synovialitis kommt es im MRT zur Obliteration des physiologischerweise im Sinus tarsi liegenden Fettgewebes, sodass der Sinus tarsi in der Regel homogen signalarm auf T1-gewichteten Aufnahmen und signalreich auf T2-gewichteten Aufnahmen zur Darstellung kommt. Bandrupturen der interossären Bänder können im akuten Stadium direkt nachgewiesen werden. Im chronischen Stadium sind die interossären Bänder aufgrund der angrenzenden entzündlich reaktiven Veränderungen und/ oder nach alten Bandverletzungen meist nicht mehr abgrenzbar. Eine chronische Schädigung der interossären Bänder kann in Einzelfällen auch zu einer ganglionären Degeneration führen. Die Ausbildung einer Sekundärarthrose im unteren Sprunggelenk ist die Folge bei fortgeschrittenen Fällen.
Sehnenverletzungen Das obere Sprunggelenk wird insgesamt von 4 Sehnengruppen gekreuzt. Dazu gehören 3 anteriore Sehnen (Tibialis anterior-, Extensor hallucis longus-, Extensor digitorum-Sehne), 3 mediale Sehnen (Tibialis posterior-, Flexor digitorum longus- und Flexor hallucis longus-Sehne), 2 laterale (Peroneus longus- und Peroneus brevis-Sehne) und posterior die Achillessehne.
Achillessehne
b . Abb. 40.39a, b. Vordere Syndesmosenruptur. a Koronare intermediär w- und b axiale T2w-TSE-MRT-Aufnahmen zeigen eine Komplettruptur der vorderen Syndesmose mit angrenzendem Hämatom im Syndesmosenbereich
Leitsymptome des Sinus-Tarsi-Syndroms sind chronische Schmerzen im Bereich des Außenknöchels oberhalb des Sinus tarsi und das subjektive Gefühl der Rückfußinstabilität. Charakteristischerweise lässt die Schmerzsymptomatik nach Injektion eines Lokalanästhetikums nach. Am häufigsten tritt das Sinus-Tarsi-Syndrom posttraumatisch auf (ca. 70% der Fälle). Bei einem Supinationstrauma des
Die Köpfe des M. triceps surae (Mm. gastrocnemii und M. soleus) inserieren mit einer gemeinsamen Endsehne, der Achillessehne, am Tuber calcanei. Die Achillessehne ist die einzige Sehne im Bereich des oberen Sprunggelenks, die nicht von einer Sehnenscheide umgeben ist. Da es sich um die kräftigste Sehne des Fußes handelt, treten degenerative Veränderungen und Risse im Vergleich zu den anderen Sehnen hier mit Abstand am häufigsten auf. Partial- und Komplettrupturen der Achillessehne sind typische Sportverletzungen des mittleren und höheren Lebensalters. Diese treten typischerweise 2–6 cm oberhalb des Ansatzes auf. Bildgebung. Das konventionelle Röntgen spielt bei der Diagnostik von Verletzungen der Achillessehne lediglich zum Ausschluss knöcherner Ausrisse eine Rolle. Die Sonographie hingegen eignet sich sowohl zur Diagnostik einer Komplettruptur als auch zur Verlaufskontrolle, weil sie schnell und kostengünstig durchgeführt werden kann.
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Kapitel 40 · Erkrankungen der Gelenke
In der MRT kommt die normale Sehne in allen Pulssequenzen homogen signalarm zur Darstellung. Dabei ist der Querschnitt der Sehne im ventralen Anteil abgeflacht bzw. annähernd konkav und dorsalseitig konvexbogig konfiguriert. Kernspintomographisch können Verletzungen der Achillessehne genau klassifiziert werden: 4 Bei einer Komplettruptur besteht eine vollständige Diskontinuität der Sehnenanteile häufig mit konsekutiver Retraktion des proximalen Sehnenanteils durch den fortbestehenden Muskelzug (. Abb. 40.40); ödematöse und hämorrhagische in den angrenzenden Weichteilen sind häufig nachweisbar. 4 Fokale oder lineare Signalanhebungen (flüssigkeitsäquivalent auf T2w- und intermediär-w-Aufnahmen) innerhalb der Sehne, partielle Diskontinuitäten und Verdickungen der Sehne sind charakteristisch für eine Partialruptur (. Abb. 40.41).
Tibialis-Posterior-Sehne Von den medial verlaufenden Sehnen ist die Sehne des M. tibialis posterior am häufigsten von Verletzungen betroffen. Die Sehne, die fächerförmig am Os naviculare ansetzt, verhindert ein Absinken des Taluskopfs und hat dadurch eine wesentliche Stützfunktion für das Längsgewölbe des Fußes. Rupturen der Tibialis-posterior-Sehne, die gehäuft bei adipösen Frauen mittleren Alters auftreten, sind daher die häufigste Ursache eines einseitigen Plattfußes. Als prädisponierende Faktoren für eine Ruptur gelten: eine Prominenz des medialen Tuberculum des Os naviculare, Vorhandensein eines akzessorischen Os naviculare oder ein gestörtes talonaviculares Alignement. Bildgebung. Die Sehne des M. tibialis posterior kann zusammen
Wichtig ist die Abgrenzung einer Partialruptur von einer chronischen Tendinopathie. Im Rahmen einer Tendinopathie sind ebenfalls fokale oder lineare Signalveränderungen innerhalb einer verdickten Sehne zu finden, welche Folge degenerativer Prozesse und zu geringerem Anteil auch Folge entzündlicher Veränderungen und intratendinöser Faserrisse sind. Degenerative Veränderungen kommen auf intermediär-w-Sequenzen als Signalanhebungen zur Darstellung, die eine geringere Signalintensität als Flüssigkeit aufweisen. Sie sind am empfindlichsten auf Sequenzen mit kurzen Echozeiten (T1w und PDw) nachweisbar und auf T2w-Aufnahmen nicht abgrenzbar.
mit den übrigen Vertretern der medialen Sehnengruppe (Sehnen des M. flexor digitorum longus und M. flexor hallucis longus) am besten auf axialen Bildern beurteilt werden. Im MRT kann folgende Klassifikation der Rupturen der Tibialis-posterior-Sehne vorgenommen werden. 4 Typ 1: Partialruptur mit Verdickung der Sehne und intratendinösen Signalveränderungen aufgrund vertikaler Risse und mukoider Degeneration 4 Typ 2: Partialruptur mit Ausdünnung der Sehne und normalem oder ebenfalls etwas angehobenem Signal innerhalb der Sehne 4 Typ 3: Komplettruptur
. Abb. 40.40. Komplettruptur der Achillessehne. Die sagittale intermediär w-fettsupprimierte MRT-Aufnahme stellt eine Komplettruptur der Achillessehne im muskulotendinösen Übergangsbereich mit angrenzendem Hämatom/Ödem dar. Als Nebenbefund ist ein großes Os trigonum abgrenzbar
. Abb. 40.41. Tendinose der Achillessehne mit umschriebener Partialruptur. Die sagittale intermediär w-fs-MRT-Aufnahme stellt eine Tendinose der Achillessehne mit spindelförmiger Auftreibung der Sehne dar. Außerdem eine umschriebene lineare flüssigkeitsäquivalente Signalanhebung nachweisbar, die einer longitudinalen Partialruptur entspricht
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1267 40.2 · Erkrankungen der Gelenke (Spezieller Teil)
Peronealsehnen Die Sehnen des M. peroneus longus und des M. peroneus brevis verlaufen posterolateral des Malleolus lateralis in einer gemeinsamen Sehnenscheide. Die Peroneus-brevis-Sehne verläuft ventral der Peroneus-longus-Sehne. Weiter distal laufen die Sehnen auseinander, wobei die Peroneus brevis Sehne am Os metatarsale 5 und die Peroneus longus Sehne am Os metatarsale 1 inseriert. Im Bereich Malleolus lateralis werden die Sehnen durch ein superiores und inferiores Retinakulum in ihrer Position stabilisiert. Außerdem trägt ein unterschiedlich tief ausgeprägter Sulkus an der dorsalen Fibula zur Führung der Sehne bei. Bei ca. 20% der Patienten ist dieser retromalleolare Sulkus nicht vorhanden bzw. nur sehr flach ausgebildet, was als Prädisposition für eine Peronealsehnenluxation angesehen wird. Bildgebung. Im MRT können die Sehnen bis in Höhe des
Malleolus lateralis am besten auf axialen Bildern beurteilt werden. Weiter distal sind aufgrund der veränderten Verlaufsrichtung koronare und parasagittale (in den Verlauf der Sehnen gewinkelt) MRT-Aufnahmen am besten zur Beurteilung geeignet. Pathologien der Peronealsehnen sind relativ häufig und umfassen Tendovaginitis, Tendinopathie, Sehnenrupturen und Dislokationen. Zur Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Pathologien hat sich die MRT als bildgebendes Verfahren der Wahl etabliert, mit dem folgende charakteristischen Befunde zu erheben sind: 4 Tendovaginitis: Vermehrt Flüssigkeit in der Sehnenscheide der Peronealsehnen und eine mögliche Verdickung der Sehnenscheidenwand bei normaler Darstellung der Sehne sind Zeichen der Tendovaginitis. Cave: posttraumatisch nach Ruptur des Ligamentum fibulocalcaneare kann auch vermehrt Flüssigkeit der Sehnenscheide vorhanden sein. 4 Partialrupturen: An den Peronealsehnen treten besonders häufig Längsrupturen (»longitudinal split«) auf. Die Peroneus-brevis-Sehne ist häufiger als die Peroneus-Longus-Sehne betroffen. Charakteristisch ist dann, dass auf axialen MRT-Aufnahmen Anteile der Peroneus-brevis-Sehne auf beiden Seiten der Peroneus-longus-Sehne abgrenzbar sind (»Schnauzbart-Zeichen«) (. Abb. 40.42). 4 Komplettrupturen: Es liegt eine vollständige Diskontinuität der Sehne vor. Komplettrupturen sind wesentlich seltener als Partialrupturen. Anders als bei der Achillessehne kann eine relevante Sehnenretraktion aufgrund des intakten Retinakulums fehlen. 4 Tendinopathie (Tendinose): Die Tendinopathie ist, wie bei anderen Sehnen auch, durch umschriebene Auftreibungen und fokale intratendinöse Signalalterationen gekennzeichnet, die auf intermediär-w-MRT-Aufnahmen eine geringere Signalintensität als Flüssigkeit aufweisen. 4 Subluxation: Zur Dislokation der Peronealsehnen kommt es bei Dorsalextension des Fußes. Daher sollte bei der Fragestellung die Untersuchung auch in dieser Gelenkstellung durchgeführt werden. Prädisponierende Faktoren wie posttraumatische Retinakulumverletzungen, Laxizität des Retinakulums und Fehlend des retromalleoaren Sulkus können dargestellt werden.
. Abb. 40.42. Partialruptur der Peroneus-brevis-Sehne. Die axiale T2wTSE-MRT-Aufnahme zeigt eine deformierte und signalangehobene Peroneus-brevis-Sehne, die halbmondförmig die dorsal davon liegende Peroneus-longus-Sehne umgibt (»Schnauzbart-Zeichen«)
Plantarfasziitis Epidemiologie, Pathogenese Die Pantarfasziitis ist eine der häufigsten Ursachen des chronischen Fersenschmerzes. Zugrunde liegen reaktiv entzündliche Veränderungen der Plantarfaszie am kalkanearen Ansatz, die auf chronische Überlastung zurückzuführen sind. Gehäuft treten die Veränderungen bei Läufern, Tänzern und adipösen Patienten auftritt.
Bildgebung Bei etwa 50% der Patienten mit Plantarfasziitis lässt sich auf konventionellen Röntgenaufnahmen im seitlichen Strahlengang ein plantarer Fersensporn abgrenzen. Da Fersensporne jedoch häufig auch als Zufallsbefund (bis zu 20% der Normalbevölkerung) beobachtet werden, ist der Nachweis als unspezifisches Zeichen zu werten. Normalerweise zeigt sich die Plantarfaszie im MRT auf sagittalen und koronaren Aufnahmen als signalarme lineare Formation mit einer Dicke von bis zu 3 mm, die von der Tuberositas calcanei nach ventral zieht. Bei der Erkrankung kommt es zu einer deutlichen Auftreibung, und Risse können sich als flüssigkeitsäquivalente Signalanhebungen auf T2- und intermediär-wAufnahmen abgrenzen lassen. Häufig finden sich begleitende ödematöse Veränderungen im umgebenden Weichteilgewebe und ein reaktives Knochenmarködem im kalkanearen Ansatz. Differenzialdiagnostisch muss die Plantarfasziitis von der plantaren Fibromatose (Morbus Ledderhose), die eher durch umschriebene noduläre Verdickungen der Faszie charakterisiert ist, von einer Stressfraktur des Kalkaneus und von Sehnenverletzungen abgegrenzt werden.
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Kapitel 40 · Erkrankungen der Gelenke
Morton-Neurom Definition Morton-Neurome sind reaktive Läsionen im Vorfußbereich, die als Ursache eine perineurale Fibrose und neurale Degeneration der Intermetatarsalnerven haben
Literatur mit 1–5% angegeben. Die Verbindung kann ossär, fibrös oder fibrokartilaginös sein. Am häufigsten sind die talokalkaneare und die kalkaneonavikulare Koalitio, die zusammen etwa 90% aller Fälle ausmachen.
Epidemiologie, Lokalisation, Klinik
Bildgebung
Sie treten überwiegend bei Frauen auf. Klassische Lokalisationen sind der zweite oder dritte Interdigitalraum auf Höhe der Metatarsalköpfchen. Die Patienten klagen meist über eine starke Druckschmerzhaftigkeit im Vorfußbereich sowie über elektrisierende oder brennende Schmerzen, die bei Belastung zunehmen.
Wenn es sich um eine ossäre Verbindung zwischen Kalkaneus und Naviculare handelt ist eine konventionelle Röntgenaufnahme im schrägen Strahlengang ausreichend. Fibröse und fibrokartilaginöse Koalitionen jedoch sind konventionell-radiologisch häufig nicht abgrenzbar. Auch die talokalkaneare Koalition, bei der meist die subtalare Facette betroffen ist, kann auf diese Weise häufig nicht dargestellt werden. Magnetresonanztomographisch und computertomographisch kann die talokalkaneare Koalition mit hoher Sensitivität diagnostiziert werden. Dabei ist die MRT besonders bei fibrösen und fibrokartilaginären Koalitionen überlegen. Bei ossären Koalitionen geht der Markraum der betroffenen Knochen kontinuierlich ineinander über und magnetresonanztomographisch lässt sich ein homogenes Fettmarksignal im Fusionsbereich abgrenzen. Die Konturen der angrenzenden Knochen bei fibrösen Verbindungen sind häufig irregulär und wirken verzahnt. Die Verbindung kommt magnetresonanztomographisch auf allen Pulssequenzen signalarm zur Darstellung und es findet sich häufig ein reaktives Ödem des angrenzenden Knochenmarks. Hingegen weisen fibrokartilaginäre Koalitionen einen schmalen Saum höheren Signals im Fusionsbereich auf, und die Kontur der angrenzenden Knochen wirkt etwas glatter als bei der fibrösen Koalitio.
Bildgebung Im MRT sind Morton-Neurome typischerweise relativ signalarm auf T1w- und auf T2w-Aufnahmen, wobei eine Abgrenzung der Läsion vom angrenzenden Fettgewebe am besten auf nativen T1gewichteten Aufnahmen möglich ist. Der hohe Anteil an dichtem Bindegewebe ist verantwortlich für das niedrige Signal auf den T2w-Aufnahmen. Dadurch können diese Läsionen von einer intermetatarsalen Bursitis und einem echten Neurinom angegrenzt werden. Beide in gleicher Lokalisation auftretende Läsionen kommen typischerweise hyperintens auf T2-gewichteten Aufnahmen zur Darstellung.
Tarsale Koalitio Definition, Epidemiologie Bei den tarsalen Koalitionen handelt es sich um Fusionen der Tarsalknochen, denen eine inkomplette Segmentation ihrer knorpeligen Vorstufen zugrunde liegt. Die Inzidenz wird in der
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Anhang Glossar
– 1271
Stichwortverzeichnis
– 1277
1271
Glossar 3 D-CISS Constructive Interference Steady State MR-Sequenz in
Angiographie Gefäßdarstellung; Darstellung von Gefäßen,
3D 3 D-RDSA Dreidimensionale digitale Rotationsangiographie
meist Blutgefäßen, mittels diagnostischer Bildgebungsverfahren, z. B. Röntgen oder Magnetresonanztomographie zumeist unter Kontrastmittelgabe
3-Phasen-CT Native, arterielle und venöse Phase einer Kon-
Anode Bremskörper als Bestandteil der Röntgenröhre
trastmittel-Computertomographie Anregung Übergang eines Elektrons auf eine höhere Schale A. Arteria AP Alkalische Phosphatase Aa. Arteriae AAA Arterielles Aortenaneurysma Aberrieren Falsch verlaufend: bezeichnet die in der Anatomie gelegentlich vorkommenden Normvarianten von Gefäßen oder Organen, die verglichen mit einer durchschnittlichen Population eine untypische Lokalisation aufweisen (Aberration).
APUD-System Amine Precursor Uptake and DecarboxylationSystem ist eine Bezeichnung für endokrin wirksame Zellen, die sich außerhalb der endokrinen Organe in den Epithelien anderer Organsysteme befinden. Äquivalentdosis (H) Vom Körper aufgenommene Energiedosis durch ionisierende Strahlung multipliziert mit einem Strahlungswichtungsfaktor, Sievert (Sv).
Absorption (Strahlenmedizin) Aufnahme einer Strahlung im lebenden Gewebe.
Arteriographie Gefäßdarstellung der Arterien
ACOG American College of Obstetrics and Gynecology
ASS Acetylsalicylsäure
ACTH Adrenokortikotropes Hormon
ASVS arterial stimulation and hepatic venous sampling; selektive arterielle Stimulation mit sequenzieller Blutabnahme aus der Lebervene zur Diagnostik der Tumorlokalisation.
ADC Der ADC-Wert, der apparent diffusion coefficient, stellt
eine gewebs- bzw. funktionsspezifische Größe dar und ist ein Maß für die Stärke der Diffusionsbewegung in der Richtung des applizierten Gradientenpulses (MRT). AFC A. femoralis communis
Aufhärtungsartefakt Artefakte bilden sich an Grenzen von Geweben mit stark unterschiedlicher Dichte, z .B. Knochen/Luft oder Knochen/Hirngewebe aufgrund der Änderungen des Röntgenstrahlenspektrums beim Durchdringen des Objekts.
AFLP acute fatty liver of pregnancy
AUG Ausscheidungsurographie, -gramm
AFP α1-Fetoprotein
AV Arteriovenös
AFS American Fertility Society
AVK Chronische arterielle Verschlusskrankheit
AFS A. femoralis superficialis
AVM Arteriovenöse Malformation
AGIR Arbeitsgemeinschaft Interventionelle Radiologie
Ballon Katheterballon
AICA A. cerebellaris anterior inferior
B-Bild B-Mode (brightness modulation); Darstellungsmodus in der Sonographie mit Umsetzung der Echointensität in Helligkeit und Errechnung eines Grauwerts für einen Bildpunkt.
AIP Averaged intensity projection AMA Antimitochondriale Autoantikörper Amplitude Maximale Auslenkung einer sinusförmigen Wech-
selgröße ANCA Anti-Neutrophilen zytoplasmatische Antikörper
Biphasische CT Computertomographie während der An- und Abflutung von Kontrastmitteln in der arteriellen und venösen Phase.
1272
Glossar
Brennfleck Die in der Röntgenröhre von der Kathode emit-
tierten Elektronen treffen auf der Anode auf, nachdem sie durch eine Hochspannung beschleunigt wurden. Am Fokus (Brennfleck) des Elektronenstrahls treffen die Elektronen auf dem Anodenteller auf und dringen in das Anodenmaterial ein.
DAS Digitale Subtraktionsangiographie DTPA Diethylentriaminpentaessigsäure Dual-Source CT-Technologie mit 2 Röntgenröhren und 2 Detektorkränzen zur Verbesserung der zeitlichen Auflösung.
Bukkal Dem Mundvorhof zugewandte Kontaktflachen eines
Zahns.
Duplexsonographie Dopplersonographie mit Kombination von B-Bild mit PW-Doppler.
CCC Cholangiozelluläres Karzinom DWI diffusion-weighted MR imaging CE-MRA Kontrastmittelverstärkte (contrast enhanced) MR-An-
giographie CF Zystische Fibrose
EBM Evidenzbasierte Medizin (evidence based medicine). Treffen medizinischer Entscheidungen aufgrund der empirisch nachgewiesenen Wirksamkeit.
Chelatbildner Zentralatom eines Chelatkomplexes, an das sich
Effektive Äquivalentdosis (Heff ) Maß für die Strahlenexposition
ein Ligand bindet.
des Menschen, Sievert (Sv).
Child-Pugh-Score (Child-Pugh-Kriterien) Stadieneinteilung
EHE Epitheloides Hämangioendotheliom
der Leberzirrhose CIN Zervikale intraepitheliale Neoplasie
Eisensulfatdosimeter Detektor in der Strahlentherapie zur Bestimmung der Absolutdosis durch Umwandlung von Fe2+ in Fe3+.
CISS Constructive Interference Steady State MR-Sequenz EKG Elektrokardiogramm CMV Zytomegalievirus Energiedosis (D) Maßeinheit Gray (Gy) Cobblestone-pattern Pflastersteinartiges Relief der Darmwand
bei Morbus Crohn. Coils Platinspirale zum endovaskulären Verschluss von Blutungen oder zur Aneurysma-Okklusion. Haarfeine Platinspiralen werden mittels Mikrokatheter endovaskulär im Gefäß bzw. Aneurysma platziert.
Entry Eintritt des Blutstroms in die Gefäßwand im Rahmen einer Gefäßdissektion. Enzephalozele Fehlbildung der Schädeldecke, durch die sich Hirnteile nach außen vorwölben. EPI, Epi-Sequenz Echo-planar-imaging-Sequenzen, echopla-
CRMO Chronisch rekurrierende multifokale Osteomyelitis
nare Sequenz
CSF Zerebrospinale Flüssigkeit
EPN Emphysematöse Pyelonephritis
CT Computertomographie
ERCP Endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie
CTA Computerangiographie
EUS Endoskopischer Ultraschall
CTAP CT mit arterieller Portographie
EVAR Endovaskuläre Aneurysmatherapie (endovascular aortic
repair) CTHA CT mit hepatischer Arteriographie F French, Maßeinheit (1 F=0,33 mm) DES drug eluting stent Faltungskerne Hoch- und Tiefpassfilterung DHC Ductus hepatocholedochus FDG Fluorodeoxyglukose Diffusionsgewichtete Sequenzen Bildgebendes MR-Verfahren
zur Messung und Darstellung der Diffusionsbewegung von Wassermolekülen in Körpergewebe.
Fenster Bereich von Hounsfield-Einheiten im CT mit einer spezifischen Weite (Level) und einer Lage (Center)
Distal Von den Frontzähnen entfernt gelegen.
FFE Fast Field-Echosequenz im MRT
1273 Glossar
FIGO-Klassifikation Klassifikation der Fédération Internationale de Gynécologie et d’Obstétrique (FIGO) zur Einteilung gynäkologischer Tumoren neben der TNM-Klassifikation.
β-HCG Humanes Choriongonadotropin HE Hounsfield-Einheit: Zahlenwert (CT-Wert) als Maß für die Röntgenschwächung von Gewebe.
Filmdosimeter Strahlungsdetektor in der Strahlentherapie oder
im Strahlenschutz zur Dosismessung durch Filmschwärzung.
HF Hochfrequenzwellen
FLAIR-Sequenz Fluid attenuated Inversion Recovery Sequenz
HHT Hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie
FLC Fibrolamelläres Karzinom
HLA Human Leukocyte Antigen, Humanes Leukozytenantigen
FNH Fokale noduläre Hyperplasie Fokus s. Brennfleck
HMPAO Radiopharmakon, z. B. in Verbindung mit 99mTc. Lipophiler Komplex, der die Leukozytenzellmembran durchdringt und intrazellulär retiniert wird.
FOV field of view
HPV Humanpathogenes Papilloma-Virus
FSH Follikelstimulierendes Hormon
HR-CT High-Resolution Computertomographie
Gantry Patientenöffnung eines Computer- oder Magnetresonanztomographen.
HSG Hysterosalpingographie HU Hounsfield units (Hounsfield-Einheiten)
GAP Interslice-Space, Abstand zwischen 2 Schichten (MRT). i. v. intravenös Gartner-Zyste Angeborene vaginale Zysten, die aus dem Wolff-
Gang entsteht.
IHE Infantiles Hämangioendotheliom
Geiger-Müller-Zählrohr Detektor zum Nachweis von Strahlung durch Auslösung von Ladungslawinen in der Nuklearmedizin zur Aktivitätsmessung.
IMH Intramurales Hämatom
GE-Sequenz Gradientenecho-Sequenz
INSTEAD INvestigation of STEnt Grafts in Patients With Type B Aortic Dissection
Informed consent Rechtswirksame Einwilligung des Patienten
Gingiva Epithelialer Bestandteil des Zahnhalteapparats (Zahn-
fleisch).
Ionendosis (I) Physikalische Größe zur Messung ionisierender Strahlung in Coulomb/kg (C/kg).
GIST Gastrointestinaler Stromatumor GRE Gradientenecho-Sequenz (MRT) GTD Gestational trophoblastic disease Halbwertschichtdicke Schichtdicke eines Materials, nach der die Strahlungsintensität halbiert ist.
Ionisation Entfernung eines Elektrons aus einem Atom oder einem Molekül mit Entstehung eines positiv geladenen Ions. Ionisationskammer Strahlungsdetektor zur Messung der Ionisation von Gas und Flüssigkeit mit Einsatz in der Strahlentherapie zur Dosismessung. IP In-Phase-MR-Aufnahme
Halbwertzeit Zeitspanne, nach der die Hälfte der ursprünglich
vorhandenen Atomkerne und damit nur noch die Hälfte der ursprünglichen Radioaktivitat vorliegt.
IPMN Intraduktal-papillär-muzinöse Neoplasien IPMT Intraduktal-papillär-muzinöser Tumor
Halozeichen Ringförmiges Kontrastmittel-Enhancement in
Schnittbildverfahren.
IR Inversion-recovery-Sequenz (MRT)
HASTE Half-Fourier-Single-Shot-Turbospinechosequenz
IRAD International Registry of Acute Aortic Dissection
HCC Hepatozelluläres Karzinom bzw. Carcinoma hepatocellu-
Isotop Atome mit gleicher Protonenzahl, aber verschiedener Neutronenzahl N
lare
1274
Glossar
IUP Intrauterine Pessare
MPR Multiplanare Rekonstruktion
Junctional Zone (JZ) Übergangszone
MRCP Magnetresonanzcholangiopankreatikographie
Kathode Elektronenquelle als Bestandteil der Röntgenröhre.
MR-Fluoroskopie Realtime-Verfahren mit single shot breathhold T2-FSE-Sequenzen
Kerma (K) Kinetic energy released in matter, Gray (Gy) MR-Sialographie Darstellung einer (Speichel-)drüse mittels Kollimation Einblendung von Röntgenstrahlen in der CT zur
MRT
Bestimmung der Schichtdicke. MRT Magnetresonanztomographie Konduktiver Hörverlust Ein konduktiver Hörverlust tritt auf,
wenn Fehlbildungen im Außen- oder Mittelohr oder eine Funktionsstörung vorliegen: Durch sie wird das Hörvermögen gemindert.
MSCT Multi-Slice-Computertomographie Müller-Zyste Angeborene vaginale Zyste, die aus dem MüllerGang entsteht.
kV Kilovolt MZN Muzinös-zystische Neoplasien LH Luteinstimulierendes Hormon NASH nonalcoholic steatohepatitis Lingual Der Mundhöhle zugewandte Seite eines Zahns im Un-
terkiefer.
NHL Non-Hodgkin-Lymphom
LITT Laser induzierte Thermotherapie
NNR Nebennierenrinde
Lodwick-Klassifikation Klassifikation der Knochentumoren
NOF Nicht ossifizierendes Knochenfibrom
mittels radiographischer Verfahren als benigne oder maligne Läsion.
NOMI non-occlusive mesenterial ischemia
Low-dose-CT CT-Verfahren mit geringer Dosis bei noch ausreichender Beurteilbarkeit der Bilddaten.
NSF Nephrogene systemische Fibrose nach Anwendung gadoliniumhaltiger Kontrastmittel, sklerodermieähnliche Systemerkrankung.
LSL Linksseitenlage NTQ Nekrose-/Tumor-Quotient LTX Lebertransplantation OF Okzipitofrontal LUTS lower urinary tract symptoms OM Okzipitomental MALT-Lymphom Lymphom des Mucosa-associated lymphoid
tissue (MALT)
OOP Out-of-phase-MR-Aufnahme
MCL Mittlere Klavikularlinie
OPMG (OPG) Orthopantomogramm
MDCT Multi-Detektor-Computertomographie MEN Multiple endokrine Neoplasien
Ordnungszahl Auch Atomnummer, Kernladungszahl oder Protonenzahl, gibt die Anzahl der Protonen in einem Atomkern an.
Mesial Nahe an den Frontzähnen gelegen
Osmolalität Teilchenanzahl einer osmotisch aktiven Substanz
pro Kilogramm Lösungsmittel (osmol/kg). MHz Megahertz, Frequenz p.a. posterior-anteriorer Strahlengang MIBG Metaiodobenzylguanidin-Szintigraphie Palakos Knochenzementplombe MINIP Minimumintensitätsprojektion Palatinal Der Mundhöhle zugewandte Seite eines Zahns im MIP Maximumintensitätsprojektion
Oberkiefer.
1275 Glossar
PAS-Färbung Periodic-Acid-Schiff-Reaktion, Histochemische
RES Retikuloendotheliales System
Färbung RFA Radiofrequenzablation pAVK Periphere arterielle Verschlusskrankheit ROI Region of interest, Darstellungsraum. PAVM Pulmonale arteriovenöse Malformation RTPA Recombinant tissue plasminogen activator PC Phasenkontrast (PC) MR-Sequenz SCLC Small cell lung cancer, kleinzelliges Bronchialkarzinom Penumbra-Zeichen Der Randsaum einer Läsion ist charakteris-
tischerweise etwas signalreicher als das Zentrum (MRT).
SE Spinecho-Sequenz (MRT)
PES Postembolisations-Syndrom mit Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Fieber.
Sekundärprozesse Veränderungen an Biomolekülen durch
PET Polyethylenterephthalat, thermoplastischer Kunststoff
Sensitivität Rate der richtig positiven Tests. Wahrscheinlichkeit, einen tatsächlich positiven Sachverhalt (einen Kranken) durch ein positives Testergebnis zu erkennen.
PET Positronenemissionstomographie Phlebographie Gefäßdarstellung der Venen, Untersuchungsverfahren zur Beurteilung der Venen durch Röntgendiagnostik. PID Pelvic inflammatory disease, entzündliche Beckenerkrankung. Pitch-Faktor Verhältnis von Tischvorschub pro Rotation zur
strahlungsinduzierte chemische und biochemische Prozesse.
Sequester Avitales Knochenmaterial, das von gesundem Knochen umgeben ist und radiologisch dichter als der angrenzende Knochen imponiert. SI Signalintensität
Gesamtkollimation (CT).
skip-lesions Segmentale Anordnung der Läsionen zwischen gesunder Darmwand bei Morbus Crohn.
Pixel Zweidimensionaler Bildpunkt
SNHL Sensorineural hearing loss durch Innenohrschaden
PPR Parapharyngealraum
SNR Signal-zu-Rausch-Verhältnis
PSC Primär sklerosierende Cholangitis
SPECT Single-Photon-Emissionscomputertomographie
PTA Perkutane transluminale Angioplastie
Spektroskopie Messung der Energie charakteristischer Strah-
lungen PTFE Polytetrafluorethylen, thermoplastischer Kunststoff
in der sich die Zahnpulpa und der Nerv befindet.
Spezifität Rate der richtig negativen Tests. Wahrscheinlichkeit, einen tatsächlich negativen Sachverhalt (einen Gesunden) durch ein negatives Testergebnis zu erkennen.
Punched-out-lesions Umschriebene, scharf begrenzte Osteoly-
SPIO Superparamagnetische Eisenoxidpartikel
Pulpencavum Von Zahnhartsubstanz umhüllte Pulpenhöhle,
sen der Kalotte SPOVT Septische postpartale Ovarialvenenthrombose RARE rapid acquisition with relaxation enhancement, MR-Se-
quenz
SSD shaded surface display, 3 D-Oberflächenrekonstruktion
RCPn Regionales intraarterielles Chemoperfusionsverfahren
Stabdosimeter Strahlungsdetektor zur Messung der Ionisation
von Gas Rechtfertigende Indikation Feststellung, dass der gesundheit-
liche Nutzen der Anwendung am Menschen gegenüber dem Strahlenrisiko überwiegt. Rekonstruktionsinkrement (RI) Dieser Parameter gibt an, in welchem Abstand die Schnitte in der Rekonstruktion aus den erfassten Volumendaten der Computertomographie berechnet werden.
Staging Stadienbestimmung (Onkologie), die Beurteilung von
Tumoren STIR-Sequenz Short inversion-time-Inversion-Recovery-Se-
quenz
1276
Glossar
String sign Spastische Einengung des Darmlumens beim Mor-
Triphasische CT Computertomographie während der An- und
bus Crohn.
Abflutung von Kontrastmitteln, in der Regel in der arteriellen, venösen und spätvenösen Phase.
Szintillationsdetektor Detektor zum Nachweis der Kernzerfälle im Patienten durch Erzeugung von Photonen durch Stöße in Kristallen.
TSE Turbospinecho-Sequenz (MRT) TUR Transurethrale Resektion
T1-Relaxation Zeitkonstante der longitudinalen Relaxation UAE Uterusarterien-Embolisation T2-Relaxation Zeitkonstante der transversalen Relaxation TAA Thorakales Aortenaneurysma
UICC Union internationale contre le cancer (UICC) (Internationale Vereinigung gegen Krebs).
TACE Transarterielle Chemoembolisation
US Ultraschall
TBQ Tibiobrachialer Quotient
V. Vena
TE Echozeit
VCI V. cava inferior
Tesla (T) Magnetfelddichte
Vestibulär den Gleichgewichtssinn betreffend
THAD transient hepatic attentuation difference
Virtuelle Kolonoskopie 3 D-VRT des Dickdarms im MRT oder
CT Thermolumineszenzdetektor (TLD) Strahlungsdetektor mit dem Prinzip der Anregung und Speicherung von Elektronen in Kristallen zur Dosismessung.
VOI volume of interest, Darstellungsvolumen Voxel Volumenelement in 3 D-Bilddaten
TIA Transitorische ischämische Attacke TIPSS Transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Stent-
VRT Volume-Rendering-Technik zur 3-dimensionalen Darstellung von Bilddatensätzen.
Shunt Vv. Venae TME Totale mesorektale Exzision TNM-Klassifikation Klassifikation zur Stadieneinteilung von
Wasserkalorimeter Detektor zur Bestimmung der Absolutdosis durch Erwärmung von Wasser.
malignen Tumoren (Classification of Malignant Tumors). Wirkungsgrad Beschreibt die Effizienz von Energiewandlungen TOF Time-of-flight MR-Sequenzen Tomographie Schnittbildverfahren oder Schichtaufnahmever-
fahren zur Ermittlung der inneren räumlichen Struktur eines Objekts in Form von Schnittbildern oder Schichtbildern. TOS Thoracic-Outlet-Syndrom TPVS transhepatic portal venous sampling, sequenzielle Blutabnahme aus dem portalvenösen System zur Diagnostik der Tumorlokalisation. TR Repetitionszeit, beeinflusst entscheidend den T1-Kontrast Tracer In der Nuklearmedizin eine radioaktiv markierte körpereigene oder körperfremde Substanz, die nach Einbringung in den lebenden Körper am Stoffwechsel teilnimmt und als Radiodiagnostikum dient.
und von Energieübertragungen.
1277
Stichwortverzeichnis Die Seitenzahlen beziehen sich sowohl auf den Text als auch auf die Abbildungen.
A Abbruchfraktur 1095 Abdomen, akutes 956 – Hohlorganperforation 974 – Ursachen 975 Abernethy-Syndrom 765 Abrissfraktur 1095 Abszess – abdomineller 975, 976 – epiduraler 343 – intraorbitaler 405 – paralaryngealer 479 – parapharyngealer 467 – paraspinaler 343 – subperiostaler 405 – subphrenischer 510 Abszessdrainage 975–977 Abt-Letterer-Siwe-Syndrom 565, 566, 1179 Acetabulumfraktur 1118, 1119 Acetabulumwinkel 1259 AC-Gelenksarthrose, hypertrophe 1243 Achalasie 595, 931–934 – amotile 931 – cricopharyngeale 935 – hypermotile 933, 934 – hypomotile 931 – zervikale 935 Achillessehnenruptur 1265, 1266 Acromioclaviculargelenkverletzungen 1107 Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel 254 Adamantinom 1167 ADC-Wert 763 Addison-Krise 999 ADEM 245–248 Adenokarzinom – duktales 884–886 – makrozystisches 882 – muzinöses 889 Adenom – cholangiozelluläres 789 – hepatozelluläres 789 – pleomorphes, Parapharyngealraum 392 – seröses mikrozystisches 883 – seröses oligozystisches 884 – zystisches, von-Hippel-Lindauassoziiertes 884 Adenomatosis coli 978 – familiäre 980 Adenomyom 851 Adenomyomatose 851, 852 Aderhautmelanom 433, 434 Adnexe 1074–1082 – Infektionen 1078, 1079 Adnexitis 1078 Adnextumoren 1075 Adoleszentenkyphose 1208
Adrenoleukodystrophie 251, 252 Aerobilie 833, 834, 844 AER-Test 735 Agraphie 73 Aicardi-(Goutières-)Syndrom 86, 249 AIDS 235, 236 AIOS 1246 Airtrapping 509 Akromegalie 193, 448, 1236, 1237 – Osteoporose 1193 Akroosteolyse 1231 Akropachie – leukämische 1215 – thyreoidale 1200 Aktinomykose 782 – Niere 1030 Akustikusneurinom 153, 154, 372, 374 akutes Abdomen 956 – Hohlorganperforation 974 – Ursachen 975 Alafraktur 1117 Alexander-Erkrankung 248, 249, 263 Alexie 73 Aliasing 420 Alkalose, respiratorische 588 ALPSA-Läsion 1247 Aluminiumvergiftung 1202 Aluminose 556 Alveolarproteinose 570 Alveolarzellkarzinom 579 Alveolen 500 Alveolitis, exogen-allergische 556, 557 AMBRII 1246 Ameloblastom 451 Aminosäurestoffwechselstörungen 256, 257 Amöbiasis 781, 782 A-Mode-Sonographie 52 Ampulla epiphrenica 915, 926, 927 Amyloidangiopathie 129, 130 Amyloidose 564, 565, 776 – chronische Niereninsuffizienz 1198 – Knochenveränderungen 1219 Anämie – aplastische 1214 – Knochenveränderungen 1212–1214 Andersson-Läsion 1227 Anenzephalie 83 Aneurysma 725–727 – angeborenes 727 – Clipping 119 – Coiling 120, 121 – endovaskuläre Therapie 752 – infektiöses 115 – intrakranielles 113–116 – multiples 115, 727 – mykotisches 727
– paralytisches 116 – posttraumatisches 115 – Rezidiv 120 – rupturiertes 116, 725, 752 – sakkuläres 114 – spurium 910 – Therapie 119, 120 – traumatisches 115, 727 Angiitis, kutane leukozytoklastische 731 Angina – decubitus 704 – pectoris 704 – – instabile 704 – – stabile 704 Angiofibrom, juveniles 391 Angiographie 46, 47 – 7 a. MR-Angiographie – Aorta 722, 723 – Durchführung 47, 48 – Halsgefäße 475 – Leber 763, 785, 795 – Nasopharynx 389 – Niere 1011 – Parapharyngealraum 389 – Patientenaufklärung 46 – Patientenvorbereitung 46 – Schädelbasis 364, 365 – spinale 292, 297, 301 – zerebrale 139 Angiom 109, 110 Angiomatose – diffuse 1166 – zystische 1166 Angiomyolipom 785, 786 – Niere 1016, 1017 Angioplastie, perkutane transluminale 729, 740–743 – Durchführung 742 – Ergebnisse 740, 741 – Indikationen 742 – Stentimplantation 742 Angiosarkom 798 – Herz 713 – Leber 805 – Milz 908 Aniridie 436 Anode 22 Anthrakose 556 Antikoagulation, orale 750 Antineutrino 5 Antithrombindefekt 140 AO-Klassifikation 1094 Aorta – Anatomie 716 – Angiographie 722, 723 – Verlaufsvarianten 597, 598 – Verletzungen 593 Aortenaneurysma 597, 725, 726, 751 – rupturiertes 725 – thorakales 721
Aortendissektion 722–725 – CT-Angiographie 723, 724 – Magnetresonanztomographie 723, 724 Aortenisthmusstenose 699, 703 Aortenklappeninsuffizienz 695, 698 Aortenklappenstenose 695 Aortensklerose 696 Aortenstenose 696, 698, 730 APC-Resistenz 140 Apert-Syndrom 86 Appendix 956 Appendizitis 969, 970, 975 Apraxie 73 Aquäduktstenose 271 Äquivalentdosis 9 Arachnoidalzyste 95, 96, 187, 195, 279, 280, 314, 315, 375 Arachnoiditis 339, 355, 356 ARCO-Klassifikation 1204, 1205 ARDS 588 Armaturenbrettverletzung 1255 Arnold-Chiari-Syndrom 86 Arteria – auricularis posterior 76 – basilaris 77 – carotis 75 – – externa 76, 417 – – interna 417 – – Aneurysma 392 – – Thrombose 476 – cerebelli – – inferior anterior 77 – – inferior posterior 77 – – superior 77 – cerebri – – anterior 78, 79 – – media 79 – – posterior 77 – cervicalis 290 – cystica 717, 759 – facialis 76, 417 – femoralis – – communis, Punktion 740 – – Okklusion 744, 749 – – Stenose 741 – gastric – – dextra 724 – – sinistra 716, 717, 759 – gastroduodenalis 716, 865 – hepatica 717, 759 – – Anomalien 764, 765 – – communis 716, 865 – – Katheterisierung 761 – – Kontrastmittelaufnahme 763 – – Thrombose 849 – – Verschluss 770 – lienalis 716, 717, 865 – – Verkalkungen 876 – lusoria 597, 921, 922 – maxillaris 76, 417 – mesenterica 716, 718, 865
A
1278
Stichwortverzeichnis
Arteria – occipitalis 76 – pancreatica 717, 865 – pharyngea ascendens 76 – phrenica 759 – poplitea – – Aneurysma 726, 727 – – Stenose 721 – pulmonalis 501 – radiculomedullaris 291 – spinalis 281 – – anterior 77 – subclavia, Stenose 745 – supraduodenalis 717 – temporalis superficialis 76 – thyroidea superior 76 – tibialis, Okklusion 743 – vertebralis 77, 282, 290 – Aneurysma 392, 726, 727 Arteria-spinalis-anterior-Syndrom 293 Arteriitis 727 – cranialis 731 – temporalis 731 Arteriographie – hepatische 761, 769 – regressive zerebrale 134, 135 Arteriosklerose 727–731 Arthosis deformans 1238 Arthritis – enteropathische 1230 – juvenile chronische 1223, 1224 – periphere 1230 – psoriatica 1227–1229 – reaktive 1229 – rheumatoide 343, 562, 563, 1222–1224 – septische 1213, 1215 – urica 1232 Arthroosteitis, pustulöse 1229 Arthrose 1238 – aktivierte 1238 – atlantoaxiale 349 – latente 1238 – primäre 1238 – sekundäre 1238 Asbestose 556 Ascaris lumbricoides 849 Askariden 541, 542 Aspergillom 232 Aspergillose 535, 536 – allergische bronchopulmonale 537 – invasiv-pulmonale 536 – ZNS-Befall 231, 232 Aspergillusinfektion, Nasennebenhöhlen 403 Aspirationspneumonie 562 Asplenie 902 Assmann-Filtrat 540 Ästhesioneuroblastom 175 Asthma bronchiale 515, 516 Astrozytom 304, 305 – Grad I 159, 160 – Grad II 159–161 – Grad III 160, 162 – Grad IV 160, 163 – infraternorielles, malignes 140
– intrazerebrales 98 – pilozytisches 151 – – juveniles 149, 159 – retinales 431 – zerebelläres 149, 150 Atelektase 518–520 Atemartefakte 832 Atemnotsyndrom 588 Atemzugvolumen 552 Atherektomie 748, 749 Atherosklerose, dilatierende 729 Atlanta-Klassifikation 872 Atlasbogen, Fraktur 1106 Atlasdislokation 1223 Atlasfraktur 330, 331 Atomaufbau 4 Atrium-Septum-Defekt 700 Auge, Läsionen 422, 423 Augenkammer 416 Ausscheidungsurographie 1006, 1020 AV-Fehlbildungen (-Malformationen) 109–113, 527, 735, 736 – Bildgebung 296, 297 – Blutung 130, 131 – choroidale 103, 104 – durale 429 – glomeruläre 296 – murale 104 – piale 103, 110, 111 – pulmonale 733, 734 – Klassifikation 111, 112 – spinale 295–299 AV-Fistel 735, 736, 740 – spinale durale 299, 300 Avulsionsfraktur 1095, 1129 Ayer-Rokitansky-Küster-HauserSyndrom 1082 Azinuszellkarzinom 889 Azygosseptum 497
B Bakerzyste 726, 1223 Balkenanomalien 87, 88 Balkenaplasie 87 Balkenlipom 89 Balkenmangel 86, 87 Ballondilatation 48 Bambusstabwirbelsäule 1226 Bandscheibe 277 Bandscheibendegeneration – lumbale 352–354 – thorakale 351, 352 – zervikale 350, 351 Bandscheibennsequester 354 Bandscheibenprolaps 350–354 Bandscheibenprotrusion 350 Bankart-Läsion 1109, 1246 – knöcherne 1247 Banti-Syndrom 767 Barium-Gelatine-Kugel 916, 917 Barium-Schluckbrei 926 Bariumsulfat 916 Barkow-Anastomose 718 Barrett-Ösophagus 920, 921 – refluxassoziierter 928
Barsony-Pseudodivertikel 935 Barsony-Teschendorf-Syndrom 934 Barton-Fraktur 1113 Basilaristhrombose 126 Baty-Vogt-Linien 1215 Bauchaortenaneurysma 751 Bauchhoden 1059 Becken, Ermüdungsfraktur 1193 Beckenmaße, Messung 1085, 1086 Beckenrandfraktur 1116 Beckenringverletzungen 1116, 1117 Beckenverletzungen 1116–1118 Becquerel 9 Behçet-Syndrom 731 Belastungsechokardiographie 686 Bennett-Fraktur 1114 Berstungsfraktur 1103 Berufslebensdosis 18 BHAGL 1247 Bifurkationsprothese 752 Biliom 861 BI-RADS-Klassifikation 624, 650, 660, 661 Bismutvergiftung 1202 Bizepssehnenläsion 1248 Bizepssehnenruptur, distale 1252, 1253 Blase 7 Harnblase Blasendivertikel 1042 – angeborener 1042 Blasenduplikatur 1042 Blasenekstrophie 1042 Blasenmetastasen 1048 Blasenstein 1048 Bleivergiftung 1202 Blinddarmentzündung 969, 970 Blood-pool-Effekt 785, 786 Blow-out-Fraktur 444 blue bloater 514 Blutgasanalyse 590 Blutung – 7 a. Hämatom – gastrointestinale, Embolisation 815–819 – hypertensive 129 – intrakranielle 113 – intraparenchymale 203 – intraventrikuläre 212–214 – intrazerebrale 120, 128–132, 202 – spinale 293 B-Mode-Sonographie 52 Body-Plethysmopgrahie 552 Boerhaave-Syndrom 922 Bolusimpaktation 924, 925 Borreliose 228, 229, 371, 373 Bosniak-Klassifikation 1013 Botroyoides-Tumor 1048 Bremsfußverletzung 1129 Bridging-Bronchus 529 Bridging-Verfahren 126 bright dot sign 785, 786 Bright-lumen-Technik 956 Broca-Sprachzentrum 73 Brodie-Abszess 1134, 1135 Bronchialarterien 502 Bronchialarterienemboliation 605
Bronchialbaum 491–493 Bronchialkarzinom 576–580 – Adenokarzinom 578, 579 – Bildgebung 498, 578 – extensive disease 578 – Klassifikation 576–578 – limited disease 578 – Pulmonalisstenose 577 – Skelettmetastasen 1168 – TPCE 603, 604 Bronchiektase 500, 542–548 – Bildgebung 544, 545 – Diagnostik 543, 544 – Kinik 543 – Pathogenese 542 – sakkuläre 543 – sekundäre 545 – Therapie 545, 546 – variköse 542, 543 – zystische 543 – zylindrische 542 Bronchiolitis – akute 548, 549 – chronische 549, 550 – obliterans 551 Bronchioloektase 500 Bronchographie 507 Bronchopneumogramm 509 Bronchopneumonie 531, 532 Bronchus – Atresie 529 – zusätzlicher 529 Brust, weibliche – Trabekulierung 640 – Anatomie 614 – Bildgebung 614–662 – Entwicklung 614 – Implantat 646, 657, 617 – – verkapseltes 518 – Mammographie 614–650 – MR-Mammographie 651–662 – radiäre Narbe 636, 643, 644 – Sonographie 640–650 – sonographisch gesteuerte Stanzbiopsie 643, 666 Brustwarze, eingezogene 626, 639 Brustwirbelsäule – Anatomie 275 – Frakturen 333, 334 – Instabilität 1105 – Verletzungen 337 Bucket-handle-Fraktur 1118 Budd-Chiari-Syndrom 767, 769, 770 Buford-Komplex 1248 Bühler-Anastomose 718 Bülau-Drainage 592 Bulbus – Anatomie 416 – Läsionen 422, 423 Bulbushochstand 380 Bulbusmetastasen 434 Bulbusperforation 442, 443 Bulbus-venae-jugularis-Hochstand 368 Bulls-eye-Läsion 800 Buphthalmus 435 Burkholderia mallei 784
1279 Stichwortverzeichnis
Bursitis – subacromialis 1244 – subdeltoidea 1244 Bürstenschädel 1214
C CADASIL 144 Caecum 956, 990 Café-au-lait-Flecken 97, 1219 Calcaneusfraktur 1127, 1128 Calcinosis interstitialis 1231 Cambridge-Klassifikation 875 CAM-Impingement 1261, 1262 Canalis semicircularis 362 Canavan-Erkrankung 250, 263 Candida-Ösophagitis 925 Candidiasis 535 Caplan-Syndrom 556 Caput succedaneum 201 Caput-ulnae-Syndrom 1223 Caroli-Syndrom 835 Carotis-cavernosus-Fistel 428, 429 Catterall-Klassifikation 1208, 1209 Cavum tympani 362 – Missbildungen 368 CDG-Syndrom 93 CELLO 920 Center-edge-Winkel 1259 Chagas-Krankheit 936 Chamberlain-Linie 331 Chance-Fraktur 334, 1103, 1104 Charcot-Gelenk 1234, 1235 Charcot-Trias 846 CHARGE-Syndrom 436 Chauffeur-Fraktur 1113 Chemoembolisation 603, 604 – transarterielle 810–815 – – Indikationen 810, 811 – – Komplikationen 811 – – laserinduzierte Thermotherapie 815 – – Lebertumoren 810 – – neoadjuvante 813, 814 – – Technik 811 Chemoperfusion, regionale intraarterielle 810 Chiari-Malformation 93, 94, 304 Chiasma opticum 418 Chilaiditi-Syndrom 764 Chlorom 1215, 1216 Choanalatresie 400 Choanalpolyp 407 Cholangiographie, perkutane transluminale 830 Cholangiohepatitis – orientalische 784 – asiatische 848, 849 Cholangiopankreatikographie, endoskopisch retrograde 829, 830, 867 cholangiozelluläres Karzinom 795, 796 Cholangitis 854–849 – AIDS-assoziierte 849 – akute 846, 847 – aszendierende 846
– chemotherapieinduzierte 849 – ischämische 849 – parasitäre 849 – primär sklerosierende 847, 848 – sekundär sklerosierende 848 Cholecystitis cystica 851 Choledocholithiasis 840 Choledochusstenose 877 Choledochuszyste 795, 837–839 Cholelithiasis 839–841 – Bildgebung 839–841 – blande 839 Cholestase 833, 834 – extrahepatische 833 – intrahepatische 833 – obstruktive 833 Cholesteatom 371 – kongenitales 375, 379 – primäres 379 Cholesteatose 851 Cholesterolpolyp 853 Cholezystitis – akute 841–843 – chronische 844, 845 – emphysematöse 843 – gangränöse 843, 844 – xanthogranulomatöse 845 Cholezystographie – intravenöse 829 – orale 829 Cholezystose 851 Chondroblastom 1154, 1155 Chondrokalzinose 1198 Chondrom 1150 – juxtakortikales 1152 – periostales 1152 Chondromyxoidfibrom 1154, 1155 Chondrosarkom 179, 180, 321, 326, 327, 1155 – exostotisches 1156, 1158 – konventionelles 1155, 1156 – medulläres 1155 – mesenchymales 1156, 1158 – periostales 1158 – peripheres 1156 – zentrales 1155, 1157 Chopart-Gelenk, Luxation 1129 Chordom 179, 320, 321, 1167 – sakrales 321, 322 Choroidea, Ablösung 435 Chromosomenmutation 14 Churg-Strauss-Syndrom 559, 560, 731 Cine-Mode 34 Circulus arteriosus Willisii 77, 78 Claudicatio intermittens 728 Claviculafraktur 592, 1107 Clay-shoveller’s-Fraktur 333 Clearance, mukoziliare 398 Cleavage-Aufnahme 622 Cleopatra-Aufnahme 622 Clip-Injury 1255 Clonorchis sinensis 783, 849 Closed-lip-Schizenzephalie 93 Closed-loop-Obstruktion 988 Coats-Erkrankung 431, 433 cobblestone pattern 961 Cobblestone-Lissenzephalie 91
Cochea, Aplasie 368 Cochlea 362 – Anomalien 368 Cochleaimplantat, disloziertes 369 Cochleitis 367 Codman-Dreieck 323, 1145 Codman-Tumor 1154 Cogan-Syndrom 86 Coils 819 Colitis – 7 a. Kolitis – granulomatosa 7 Morbus Crohn – ulcerosa 967–969 Colles-Fraktur 1113 Colon – ascendens 956 – descendens 956 Compound-Echtzeit-B-Sonographie 54 Compton-Effekt 6 Computertomographie 29–34 – 3D-Oberflächenrekonstruktion 35 – Bildrekonstruktion 30 – – multiplanare 34 – Dickdarm 965 – Dünndarm 955 – Duodenum 954, 955 – Gallenblase 830, 832 – Gallenwege 830–832 – Hals 485, 486 – Harnblase 1040, 1041 – Herz 686, 687 – kardiale 33, 34 – Kiefer 447 – Larynx 475 – Leber 760–762, 794 – Magen 952, 953 – Maximumintensitätsprojektion 34 – Milz 903 – Minimumintensitätsprojektion 34 – mittlere Schädelbasis 363 – Mundhöhle 466 – Nasennebenhöhlen 398, 399 – Nasopharynx 389 – Nebennieren 996, 997 – Niere 1007, 1008 – Ovarien 1074, 1075 – Pankreas 867 – Parapharyngealraum 389 – quantitative 1190, 1191 – Rekonstruktionsparameter 33 – Rektum 958 – Speicheldrüsen 456 – spinale 26 – Strahlenbelastung 16 – Thorax 506, 507, 524 – Uterus 1063, 1064 Concha nasalis, anatomische Varianten 398 conjoined nerve route 279 Conn-Syndrom 998, 999 COPD, Zwerchfellfurchen 764 Cor pulmonale 691 cord sign 141 Corpus – callosum, Agenesie 86
– ventriculi 952 Corpus-luteum-Zyste 1075 Coxa vara epiphysaria 1261 CREST-Syndrom 1231 Creutzfeld-Jakob-Erkrankung 237–239 Cronkhite-Canada-Syndrom 979 Cruvailhier-von-BaumgartenSyndrom 774 cryptogenic organizing pneumonia 551 CT 7 Computertomographie CT-Angiographie 335 – Aorta 723, 724 – Gefäße 719, 720 – Leber 761 CT-Cholangiographie 830 CT-Myelographie 26, 27, 302 CT-Urographie 1006, 1009 CUP-Syndrom 654–656 Cushing-Syndrom 999, 1001 Cyclophosphamid-Zystitis 1043 Cynoacrylat 817
D Dakryozystitis 439 Daktylitis 1215, 1228 – tuberkulöse 1241 dancing eyes 328 Dandy-Walker-Syndrom 86, 95 Dark-lumen-Technik 956, 960 Darmverletzung 985 Darmverschluss 989 dashboard injury 1255 Dawson-Finger 240, 241 Dawson-Kriterien 948, 950 Demenz – frontotemporale 264 – vaskuläre 263 Demyelinisierung – infektbedingte 229, 260 – ischämische 258, 259 – primäre 258 – toxisch bedingte 260 Denonviellier-Faszie 958 Densfraktur 331, 332, 335, 336, 1106 Dermalsinus 287 Dermatomyositis 562, 936, 1232 Dermoid 177, 307, 1075, 1077 Dermoidzyste 178, 440 Desinvagination 990 developmental venous anomalies 107–109 Devic-Erkrankung 424 Diabetes mellitus – Fußveränderungen 1235 – Knochenveränderungen 1201 Diastase, okzipiale 207 Diastematomyelie 288 Dickdarm – Computertomographie 957 – Magnetresonanztomographie 957 – Topographie 956
A–D
1280
Stichwortverzeichnis
Dickdarmduplikatur 977 Dickdarmpolyp 979 Dickdarmverletzung 985 Diencephalon 72, 82 Diffusionskapazität 550 Diffusionsstörungen 550 DiGeorge-Syndrom 497 digital spot imaging 915 digitale Subtraktionsangiographie 7 Subtraktionsangiographie, digitale Diskopathie, degenerative 1241, 1242 Diskusverlagerung 449, 450 Diszitis 339 Divertikel – epiphrenische 940, 943 – gastrales 978 – Ösophagus 600 Divertikulitis 970, 971 – perforierte 975 18F-DOPA 997 Doppelflintenphänomen 834 Doppelkontrastuntersuchung – Duodenum 961 – Magen 952 Doppler-Sonographie 52 Dosisgrenzwerte 18 Dosisleistung 9, 23 double-bubble sign 990 Douglas-Raum 896 Drainage – CT-gestützte 976 – ultraschallgestützte 975 Dreieckszeichen nach Capener 1260 Druck, intrakranieller 124 Drug eluting Stent 746 Drusenpapillen 423 Dual-Source 32 Ductus – arteriosus Botalli, persistierender 698, 700, 701 – choledochus – – Anatomie 828 – – Bildgebung 832 – – Mündungsvarianten 829 – – Trauma 860 – cysticus 828 – – Bildgebung 832 – endolymphaticus 362 – hepaticus communis 828 – pancreaticus – – Anatomie 868 – – Dilatation 876 – perilymphaticus 362 – Santorini 864 – thyreoglossus, Zyste 392 – Wirsungianus 864 Dünndarm – Adenokarzinom 984 – Computertomographie 955 – Leiomyosarkom 984 – Magnetresonanztomographie 956 – Topographie 955 Dünndarmduplikatur 977 Dünndarmileus 988
Dünndarmmetastasen 984 Dünndarmpassage 962, 964, 965 Dünndarmpolyp 978, 979 Dünndarmtumoren 983, 984 Dünndarmverletzung 985 Duodenaldivertikel 978 Duodenographie, hypotone 954 Duodenopankreatektomie 897 Duodenum – Computertomographie 954, 955 – Topographie 953, 954 Duplexsonographie – farbkodierte 52 – Gefäße 719 Duplikatur, gastrointestinale 977, 978 Duverney-Fraktur 1118 DVA 107–109 DXA 1189, 1190 Dyskinesie-Syndrom, ziliares 548 Dysostose – kraniofaziale 368 – mandibulofaziale 368 Dysphagie, Diagnostik 474 Dysplasie – fibromuskuläre 727, 730, 731 – fibröse 382, 383, 1175, 1176 – – orbitale 442 – kortikale 90, 91 – muskuläre 143, 144 – polyostotische fibröse 1176 – septooptische 87 Dysraphie, spinale – geschlossene 285, 286 – offene 285
E Ebstein-Barr-Virusinfektion 234, 235 Echinococcus – granulosus (Hundebandwurm) 541, 782, 783, 849 – multilocularis (Fuchsbandwurm) 783 Echinokokkose 541, 849 – alveoläre 541, 783, 849 – zystische 782, 783 Echinokokkuszyste 1030, 1031 Echokardiographie – kontrastverstärkte 686 – transösophageale 685 – transthorakale 685 Echozeit 39 eggshell fracture 1100 Ehlers-Danlos-Syndrom 421 Eierstöcke 7 Ovarien Eipers-Hutenlocher-Syndrom 256, 257 Eisenbahnschienenzeichen 425 Eisenmangelanämie 1214 Eisenoxidpartikel, supermagnetische 762 Eisensulfatdosimeter 9 Ekchondrom 1153 EKG-Synchronisation, kardiale Computertomographie 33, 34 Elefantenfußspeudarthrose 1098
Elektron 4, 5 Elektronenstrahl-Computertomographie 30 Elfenbeinphalangen 1228 Elfenbeinwirbel 1140, 1163, 1230 Ellenbogengelenk – Nervenkompressionssyndrom 1253 – Verletzungen 1109, 1111, 1250–1253 Ellenbogenluxation 1111 Elliptozytose 1214 Embolie, kartilaginäre 293–295 Embolisation 48, 815–819 – 7 a. Chemoembolisation – Materialien 819 – Technik 817, 818 Emphysem 7 Lungenemphysem Empty-Sella-Syndrom 195 Empty-triangle-Zeichen 141 Empyem, subdurales 220, 225 Enchondrom 1150–1152 Enchondromatose 1152, 1153 Endangiitis obliterans 731–733 Endoleaks 752 Endometriose 1076 – Blasenwand 1044 Endometritis 1069 Endometrium 1062 – Hyperplasie 1068, 1069 – Polyp 1068, 1069 Endometriumkarzinom 1070, 1071, 1073 Endomyometritis 1069 endoskopischer Ultraschall 7 Sonographie, endoskopische Endosonographie 7 Sonographie, endoskopische Energiedosis 9 Enteritis, infektiöse 965 Enteroklysma 955 Enteropathie, glutensensitive 963, 964 Enthesiopathie 1225 Entrapment-Syndrom 735 Enzephalomyelitis, akute disseminierende 245–248 Enzephalomyelopathie 255 Enzephalopathie – HIV-assoziierte 236, 237, 259, 260 – spongiforme 237–239 – subkortikale arteriosklerotische 123, 258 Enzephalozele 400 – frontale 85, 86 Eosinophilie, transiente 916 Ependymitis 224 – granularis 259 Ependymom 152, 153, 305, 306 – supratentorielles 168–170 Epidermoid 175–177, 307, 309, 313, 375, 379 Epididymitis 1058, 1059 Epiduralabszess 343 Epiduralhämatom 205–207, 216, 339, 1100 – spinales 293, 294
Epiglottitis 479 Epikondylitis 1251, 1252 Epiphysenverletzungen 1095, 1096 Epiphysiolysis capitis femoris 1259, 1260 Episequenz, echoplanare 44 Epispadie 1042 Epispadie-Ekstrophie-Komplex 1042 ERCP 7 Cholangiopankreatikographie, endoskopisch retrograde Erhängungsfraktur 1106 Erlenmeyerkolben-Deformität 1217 Ermüdungsfraktur 1094 Essex-Lopresti-Fraktur 1112 Ethibloc 819 Ethmozephalie 92 EUS 7 Sonographie, endoskopische EVAR 752 Ewing-Sarkom 322–324, 1161, 1162 Exanthema subitum 232 Exostose, kartilaginäre 1153 Extensionsfraktur 1103 Extremitätenischämie, kritische 742
F Facettenblockade 358 Facettengelenkluxation 1103 Facies leontina 1137 Failed-back-surgery-Syndrom 354 Fallen-fragment-Zeichen 1173 Fallot-Tetralogie 691, 701, 703 Falx cerebri, Einriss 206 Farbduplexsonographie, Gefäße 719 Fasciculus – cuneatus 281 – gracilis 281 Fasciola hepatica 849 Fassthorax 513, 524, 525 Fast-Spin-Echosequenz 43, 44 Fasziitis, nekrotisierende 467 Fazialisparese 363, 371, 374 – progressive periphere 377 18F-FDG 997 Feeding-vessel-Zeichen 572 Fehlbildungen – arteriovenöse 7 AV-Fehlbildungen – spinale 284–290 feline esophagus 926 Felsenbein 361–374 – knöcherne Anteile 362 Felsenbeinfraktur 370, 1101 Felsenbeinlängsfraktur 1101 Felsenbeinquerfraktur 1101 Femur, Knochendichtebestimmung 1190 Femurfraktur – distale 1122 – osteoporotische 1188 – proximale 1119, 1188 Femurkopffraktur 1119, 1120 Femurschaftfraktur 1121, 1122 Festkörperdysphagie 916
1281 Stichwortverzeichnis
Fettleber 771 Fettleberhepatitis 771 Fettsäureoxidationsstörungen 253, 254 Fibrinolyse 125, 126 – intraarterielle 748 Fibrinolytika 748 Fibroelastom, Herzklappen 713 fibrolamelläres Karzinom 797 Fibrom – ameloblastisches 451 – desmoplastisches 1158, 1159 – nichtossifizierendes 1172 – ossifizierendes 451 Fibroostitis 1225, 1227 Fibroplasie, retrolentikuläre 433 Fibrose – idiopathische pulmonale 550 – retroperitoneale 1039 – zystische 545–555, 893, 894 Fibula– proximale 1123, 1124 Fibulaschaftfraktur 1124 field of view 41 Film-Folien-Mammographie 617, 625 Film-Folien-Radiographie 505 Filum-terminale-Lipom 307, 308 Fimdosimeter 10 Fingerdosimeter 10 Fingerfrakturen 1115, 1116 Fissur 1095 Fistel – arteriovenöse 7 AV-Fistel – biliodigestive 844 – bronchopleurale 601 – durale arterio-venöse 112, 113 – enterovesikale 1044 – kolovesikale 1044 – ösophagotracheale 923 FLAIR-Sequenz 43 Flake-Fraktur 1128, 1264 Flexionsfraktur 1103 Flexions-tear-drop-Fraktur 334 floating teeth 1178 Fluorose 1202 fokale noduläre Hyperplasie 7 Hyperplasie, fokale noduläre Follikelzyste 1075 Foramina, orbitale 416, 417 Fossa infratemporalis 387 Fraktur – bimalleoläre 1126 – Definition 1094 – direkte 1094 – dislozierte 1095 – indirekte 1094 – Klassifikation 1094 – osteoporotische 1188 – pathologische 1094 – pertrochantäre 1120, 1121, 1123 – subtrochantäre 1121, 1122 – wachsende 204, 205 Frakturformen 1095 Frakturheilung 1096–1100 – gestörte 1098 – primäre 1097 – sekundäre 1097 Freihand-Markierung 665
Fremdkörper – Aspiration 558, 559 – Gesichtsschädel 402 – infraorbitale 420, 421 – verschluckter 924 Frühsommermeningoenzephalitis 221 FSME 221 Fuchsbandwurm 541, 849 Fundus ventriculi 952 Funiculus – anterior 278 – posterior 278 Fußverletzungen 1126–1130, 1264–1268 Fußwurzelfraktur 1129
G Gabelrippe 525 Gadolinium 57 Gaenslein-Zeichen 562 Galaktographie 623, 663, 664 Galeazzi-Fraktur 1112, 1113 Galenblasenpolypen 852, 853 Gallenblase 827–861 – Agenesie 829 – Anatomie 828 – Anomalien 829 – Computertomographie 830, 832 – Duplikatur 829 – Gefäßversorgung 829 – Mündungsvarianten 828, 829 – Normwerte 831 – Röntgendiagnostik 829 – Sonographie 829, 831 – Trauma 860, 861 – Verkalkungen 845, 846 Gallenblasenempyem 844 Gallenblasengries 839, 840 Gallenblasenhydrops 841 Gallenblasenkarzinom 845, 854, 855 – Bildgebung 854, 855 – Differenzialdiagnostik 855 – metastasiertes 855 Gallenblasensludge 839, 840 Gallenblasenstein 7 Cholelithiasis Gallenblasentumoren 850–855 Gallenblasenwand – Adenom 853, 854 – polypoide Läsionen 852, 853 Gallengänge – Adenom 856 – Anatomie 828 – Computertomographie 831, 832 – Magnetresonanztomographie 832 – Rhabdomyosarkom 813 – Sonographie 831 – Tumoren 856–860 – Varianten 828 Gallengangsatresie 837 Gallengangsdilatation 834 Gallengangskarzinom 834, 856–859 – Bildgebung 857–859 – Klassifikation 865, 858 – Risikofaktoren 856
Gallengangspapillom 790 Gallengangsstriktur 784 Gallengangszystadenom 790 Gallengangszysten 837–839 Gallensteinileus 844 Gallenwege 827–861 – Computertomographie 830 – entzündliche Erkrankungen 841–842 – intrahepatische 835–837 – Magnetresonanztomographie 830 – Missbildungen 835–839 – Sonographie 829 Gallenwegsdrainage, perkutane transhepatische 830 Gallenwegsverletzungen 860, 861 Gallertkarzinom 889 Gallesystem 759, 760 Gamma-Gandy-Körperchen 767, 910 Gangliogliom 166, 167 – infantiles desmoblastisches 166 Ganglion, intraossäres 1175 Gangliosidose 251, 252 Gantry-Kippung 31 Gardner-Syndrom 978, 979 Gartner-Zyste 1082 Gastrinom 891, 892 Gastritis 959, 960 – Bildgebung 959 – chronisch atrophische 959, 978 – emphysematöse 959 – erosive 959 – hämorrhagische 959 – Therapie 960 gastrointestinale Stromatumoren 946, 980 Gastrointestinaltrakt – Hämangiom 988 – Lipom 980 – Lymphangiom 980 – Strahlenschaden 14 – Tumoren – – benigne 979, 980 – – maligne 980–986 gastroösophagealer Reflux 7 Reflux, gastroösophagealer Gastropathia hypertrophica gigantea 978 Gastrulation 276 – Störungen 284 Gaumen, harter, Fibrom 410 Gebärmutter 7 Uterus Geburtshilfe, Bildgebung 1084–1089 Geburtstrauma 200–205 Gefäßanomalien, orbitale 426 Gefäßdissektion 143 Gefäßendoprothesen 752 Gefäßerkrankungen, entzündliche 731–733 Gefäßmalformation, spinale 295, 296 Gefäßokklusion 48 Gefäßstenose 48 Gefäßverletzungen, traumatische 212, 213
D–G
Gefäßverschluss 48 – Rekanalisation 741 – Revaskularisation 741 Gehirn – Anatomie 63–79 – Blutversorgung 75–79 – Entwicklungsstörungen 81–102 – Fehlbildungen 81–102 – Hirnnerven 65–71 – Infektionen 218–247 – Myelinisierung 82–84 – Stoffwechselerkrankungen 248–258 – vaskuläre Erkrankungen 102–144 Gehörgang – äußerer 377–379 – innerer 362 – – Raumforderung 366 Geiger-Müller-Zählrohr 9 Gelenkkörper, freier 1238 Gelfoam 817 Gemination 449 GEMSS-Syndrom 421 Genommutation 14 GERD 928 Germinom, Pinealisregion 181, 182 Geschlechtsdifferenzierung, Störung 1065, 1066 Gesichtsschädel – entzündliche Prozesse 402–407 – Frakturen 401, 402 – Fremdkörper 402 – Missbildungen 400 – pleomorphes Adenom 408 – Raumforderungen 399, 400 – Spaltbildungen 400 – Topographie 398 – Tumoren 407–413 – Verletzungen 1101, 1102 Gewebsdoppler 54 Ghon-Herd 539, 540 Ghosting 420 Gichtarthropathie 1232, 1233 Gigantismus, hypophysärer 1236, 1237 GIST 946, 980 GLAD-Läsion 1247 Glandula – parotis 456 – – Raumforderungen 457 – submandibularis 456 – – Raumforderungen 457 Glaskörper, hypoplastischer persistierender 432 Glasrohr-Ösophagus 936 Gleithernie, axiale 594 glenohumerale Instabilität 1245, 1246 Glioblastom 140, 160, 163 Glisson-Kapsel 760 Glisson-Trias 759 Globoidzellen-Leukodystrophie 249, 250 Glockenthorax 524 Glomustumor 377–379, 391, 483 – Glomus-caroticum-Tumor 482 – Glomus-hypotympanicum-Tumor 377
1282
Stichwortverzeichnis
Glomustumor – Glomus-jugulare-Tumor 377, 378 – Glomus-parapharyngeale-Tumor 377 – Glomus-vagale-Tumor 377, 391 Glukagonom 891 Glykogenspeicherkrankheiten 1218 Goldenhar-Syndrom 368 Golfer-Ellenbogen 1251 Goodpasture-Syndrom 565 Göttinger-Score 651, 661 G1-Phase 12 G2-Phase 13 Gradenigo-Syndrom 371 Gradientenecho-Sequenz 43 Granularzelltumor, Ösophagus 945, 946 Granulom, eosinophiles 319, 320, 1178, 1179 Groove-Pankreatitis 877 Grünholzfraktur 1095 Guillian-Barré-Syndrom 234 Gummata, syphilitische 229 Gynäkomastie 636
H Haarzellenleukämie 1215 Hallervorden-Spatz-Erkrankung 254 Halozeichen 968 Hals – Computertomographie 485, 486 – generalisierte Lipomatose 484 – Kompartimente 474 Halslymphknoten, zystische 482 Halsrippe 277 Halsweichteile – Bildgebung 510 – Hämangiom 483, 484 – Lipom 483 – Neurinom 483 – Non-Hodkin-Lymphom 483 – Raumforderungen 482–486 Halswirbelsäule – Anatomie 274 – Bildgebung 279 – Frakturen 330–333 – Instabilität 1105 – Rotationsluxation 337 – traumatische Spondylolyse 1106 – Verletzungen 1105–1107 Halszyste 477 – laterale 477 – mediane 477 Hämangioblastom 155, 306, 307 Hämangioendotheliom 908, 1166, 1167 – epitheloides 798, 799 – infantiles 804 Hämangiolymphangiomatose 1166 Hämangiom – choroidales 431, 433, 434 – Gastrointestinaltrakt 980 – Halsweichteile 483, 484 – kapilläres 315, 316, 425, 784, 1165
– kavernöses 315, 425, 426, 784 – Knochenbefall 1165, 1166 – Leber 784, 785, 787, 803 – Lunge 575 – Milz 905, 906 – Mittelohr 377 – Nasopharynx 392 – Niere 1017 – Oropharynx 470, 471 – Ösophagus 946 – Speicheldrüsen 460 Hämangiomatose 803, 1166 Hämangiomwirbel 316, 1140 Hamartom – biliäres 777, 778 – Lunge 574, 575 – mesenchymales 779, 804 – Milz 906, 907 – Neurofibromatose I 158 – Ösophagus 947 – ZNS 187 Hämatom – 7 a. Blutung – epidurales 205–207, 293, 294, 216, 339, 1100 – subdurales 202, 203, 207–209, 216 – supratentorielles 130 Hämatomyelie 338 Hämatoperitoneum 806 Hamman-Rich-Snydrom 551, 552 Hämochromatose 775 – primäre 894, 895, 911 – sekundäre 894, 911 Hämoglobinopathie 1213 Hämophilie-Arthropathie 1236, 1237 Hämorrhagie, interokuläre 435 Hämosiderose 775, 894, 911 – idiopathische pulmomale 565 Hampton Hump 586 Handgelenk – Instabilität 1114, 1115 – Luxation 1114 – Verletzungen 1113–1115 Hand-Schüller-Christian-Syndrom 1177, 1178 Handwurzelknochen, Fraktur 1114 hanged man’s fracture 331, 333, 1106 hängender Tropfen 1102, 1104 Harmonic Imaging 53 Harnblase – Computertomographie 1040, 1041 – Fistel 1044 – Füllungsdefekt 1042 – Impression 1044 – Infektion 7 Zystitis – Magnetresonanztomographie 1041 – Schistosomiasis 1043 – Sonographie 1040 – Verlagerung 1044 Harnblasen… 7 a. Blasen… Harnblasenkarzinom 1044–1048 – Bildgebung 1046, 1047 – Klassifikation 1046
Harnblasentumoren – Adenokarzinom 1047, 1048 – bösartige 1044–1048 – gutartige 1044 – karzinomatöse 1047 – Leiomyom 1044 – Niere 1023 – Plattenepithelkarzinom 1047 Harnleiter 7 Ureter Harnröhre 7 Urethra Harnstau 1034 Harnwegsinfekt 1026–1029 HASTE-Sequenz 832 Haut, Strahlenschaden 15 Helicobacter pylori 959, 981 HELLP-Syndrom 770 Hemianopsie 418 Hemihepatektomie 808 Hemimegalenzephalie 90 Hemisphärentumoren 158, 159 Heparin 750 Hepatektomie 808 Hepatikographie 763 Hepatitis 779 – C 787 Hepatoblastom, Kindesalter 804, 805 Hepatomegalie 768, 775 hepatopulmonales Syndrom 587 hepatozelluläres Karzinom – Ätiologie 791 – Bildgebung 792–795 – diffuses 791 – fokal gekapseltes 791 – fokales 791 – Klassifikation 791, 792 – Komplikationen 791 – Metastasierung 791 – multifokales 791 – sklerosierendes 791 – solitäres 791 – Stadieneinteilung 792 – TNM-Klassifikation 792 Hermaphroditismus 1066 Herniation – Kleinhirntonsillen 215 – subfalxiale 215 – transtentorielle 215 Hernie, paraösophageale 594 Herpes Zoster ophthalmicus 439 Herpesenzephalitis 232, 233 Herz – Anatomie 682, 683 – Begrenzung 494 – Bildgebung 493–496, 509, 682–691 – Computertomographie 686, 687 – Eiform 691 – Größenzunahme 683 – Magnetresonanztomographie 687 – Normalbefund 684 – Positronenemissionstomographie 687, 688 – Projektionsradiographie 699, 700 – Röntgendiagnostik 683–685 – Sonographie 685, 686 – SPECT 687, 688
– Szintigraphie 687, 688 – Transversaldurchmesser 683 Herzerkrankung, koronare 7 koronare Herzerkrankung Herzfehler – Inzidenz 698 – Klinik 698, 699 – kongenitale 698–703 – mit Links-Rechts-Shunt 698, 699 – ohne Shunt 698, 699 Herzinfarkt 704 Herzinsuffizienz 690–692 – Bildgebung 692, 693 – globale 693 – Klinik 691, 692 – Therapie 693 Herzklappenfehler 695–698 – angeborene 695 – erworbene 695 Herzkreislaufsystem, Strahlenschaden 14 Herzrhythmusstörungen 704 Herztod, plötzlicher 704 Herztumoren 710, 712, 713 Herzvergrößerung 494 Herzvolumen 683, 684 Heteroglykanose 254, 255 Heterotopie – bandförmige 91 – fokal-subkortikale 91 – subependymale 91, 92, 101 Hiatushernie 594, 927–930 – axiale 929 – komplexe 930 – paraösophageale 930 Hill-Sachs-Läsion 1109, 1246 – reverse 1109 Hinterhorn 280 Hinterstrangschädigung 281 Hippel-Lindau-Erkrankung 155 Hirn 7 Gehirn Hirnabszess 221–224 – tuberkulöser 225 Hirnarterien 75–79 Hirnatrophie 242 Hirndruckerhöhung 124 Hirnmetastasen 147, 148 – extraaxiale 195–197 – intraparanchymale 196 – leptomeningeale 195, 197 Hirnnerven 65–71 Hirnnervenverletzungen 215 Hirnschenkel 71 Hirnschwellung 208, 209 Hirnsklerose, tuberöse 100, 101, 569, 785, 1218 Hirnstamm 64 Hirnstammgliom 157 Hirnstammkontusion 209, 210 Hirnstammtumoren 156–158 – Differenzialdiagnose 158 Hirntumoren 145–196 – Bildgebung 145 – dysembryoblastische neuroepitheliale 171, 172 – extraparenchymale 171–175 – Histologie 147 – infratentorielle 148
1283 Stichwortverzeichnis
– Klinik 145 – medulläre 156 – mesenzephale 156 – pontine 156 – Therapie 147 Hirnvenen 79–81 Hirnvenenthrombose 130 Hirtenstabdeformität 1137, 1140, 1177 Histioplasmose 535 Histiozytom – benignes fibröses 1159 – malignes fibröses 1160, 1161 Histiozytose X 319, 565, 566, 1177 Hitchhiker-Deformität 1223 HIV-Demenz-Komplex 236 HIV-Enzephalopathie 236, 237, 259, 260 HIV-Infektion 235, 236 Hoden – Anatomie 1057 – Magnetresonanztomographie 1057, 1058 – Sonographie 1057 – vergrößerte 1058 Hodentorsion 1058 Hodentrauma 1060 Hodentumoren, maligne 1059 Hodgkin-Lymphom, Knochenbefall 1163 Holoprosenzephalie 92, 93 – alobäre 93 – lobäre 93 Homozystinurie 133, 134, 257, 258, 421 Honigwabenmuster 521, 555 Hörrinde 73 Hot-cross-bun-Zeichen 265 Hounsfield-Einheit 30 Hufeisenniere 1011, 1012 Hüftdysplasie, kongenitale 1258, 1259 Hüftgelenksluxation 1119 Hüftgelenkverletzungen 1118–1122 Hüftkopfnekrose 1119, 1120, 1203, 1204 Humerusfraktur – distale 1109, 1110 – proximale 1109, 1110 Humeruskopfnekrose, avaskuläre 1109 Humerusschaftfraktur 1109 Hustenfurchen 772 Hustenreflex, verzögerter 924 Hutch-Divertikel 1042 Hutchinson-Fraktur 1113 Hydatidzyste 239 Hydramnion 918 Hydrocephalus – 7 a. Hydrozephalus – aresorptivus 270, 271 – hypersecretorius 269 – malresorptivus 269 – noncommunicans 269 – occlusus 269, 270 Hydrosalpinx 1078, 1079 Hydrozele 1059
Hydrozephalus 75, 118, 268–271 – 7 a. Hydrocephalus – Ätiologie 269 – Bildgebung 269, 270 – Therapie 270 Hygrom 460 – subdurales 209 – zystisches 471 Hyperdontie 449 Hyperkapnie 588 Hyperkapniesyndrom, chronisches 694 Hyperostose – ankylosierende 1183 – frontalis interna 1182, 1183 – infantile kortikale 1182 Hyperparathyreoidismus 1196, 1197 – primärer 1196 – sekundärer 1192, 1193, 1196 – tertiärer 1196 Hyperplasie – fokale noduläre 786–789 – lymphatische 391 – noduläre regenerative 790 Hypertension, portale 764–767, 910 – dynamische 767 Hyperthyreose 722, 1200 – iodinduzierte 58 – Osteoporose 1193 Hypertonie – arterielle 695 – – chronische 690 – pulmonale 583, 584, 693, 694 – – Bildgebung 694 – – chronische 554, 693 – – idiopathische 693 – – Pathogenese 693 – – Therapie 694 Hyperurikämie 1198 Hypervitaminose A 1199, 1200 Hypervitaminose D 1200 Hypoaldosteronismus 998 Hypodontie 449 Hypoparathyreoidismus 1199 Hypopharynx 473–486 – Missbildungen 479 – Topographie 474, 478 Hypopharynxkarzinom 481, 482 Hypophyse, Unterfunktion 998 Hypophysenadenom 191–193 Hypophysenhinterlappen 190 Hypophysenvorderlappen 190 Hyposmie 407 Hypothyreose 1200, 1201 Hypotonie, okuläre 435 Hypovitaminose A 1200 Hypovitaminose C 1200 Hypoxämie 559 Hysterosalpingographie 1063
I Ileitis terminalis 961 Ileus 988, 989 – mechanischer 988 – paralytischer 988, 989
– reflektorischer 988, 989 Iliosakralgelenk, Blockade 358 Immunszintigraphie 688 Impingement 1242, 1243 – femoro-acetabuläres 1261, 1262 – intrinsisches 1243 – primäres 1242 – sekundäres 1242 – subakromiales 1242 – subkorakoidales 1243 Impingement-Syndrom 1242 Impression, basiläre 1223 Impressionsfraktur 202–204, 1100 Inaktivitätsosteoporose 1193, 1194 Infarkt – 7 a. Herzinfarkt – 7 a. Knocheninfarkt – hämodynamischer 123 – lakunärer 122, 259 – spinaler 292, 293, 314 Infektionen, okuläre 435 Infektpseudarthrose 1098 Innenohr 362 – Fehlbildungen 368 Innenohrschwerhörigkeit 363 Inselzelltumoren 889, 890 Instabilität – atraumatische 1247 – glenohumerale 1245, 1246 – mikrotraumatische 1247 – traumatische 1246 Insuffizienz, chronisch venöse, Knochenreaktionen 1182 Insulinom 891 Insult, ischämischer 123 Intensitäts-Doppler 54 Intermitosephase 12 Intervention, arterielle 740 Intimaeinriss 723 Invagination 989, 990 – gastroduodenale 989 – ileokolische 989 Inversion-Recovery-Sequenz 42 Inzidentalom 193, 997–999 Iodixanol 56 Ionendosis 9 Ionisationskammer 9 Irisblendenphänomen 785, 786 Ischämie – nichtokklusive intestinale 972 – okklusive 972 – spinale 292, 293 – zerebrale 120 – – Kindesalter 132–134 ivy sign 139
J Jefferson-Fraktur 330, 331, 1106 Jochbogenfraktur 401 Johanson-Blizzard-Syndrom 895 Joint-depression-Fraktur 1127 Joubert-Syndrom 95 Jugularvenenthrombose 380 Jumper’s Knee 1258
G–K
K Kalkmilch 623 Kalottenfraktur 202–204 Kalzifikation, okuläre 422 Kalziummangel 1196 Kalziumoxalatstein 1048 Kalziumphosphatstein 1048 KalziumpyrophosphatdihydratKristallarthropathie 1233, 1234 Kandidose, ZNS-Befall 231 Kanzerogenese 15 Kaposi-Sarkom 477, 481, 581, 582 Kardiomyopathie 690, 706–710 – arrhythmogene rechtsventrikuläre 707, 709 – dilatative 707, 708 – Einteilung 707 – hypertrophie 707, 709 – restriktive 707, 709 Karotisraum 386 Kartagener-Syndrom 548 Karzinoid 991, 984 – adenoid-zystisches 481 – cholangiozelluläres 795, 796 – fibrolamelläres 797 – hepatozelluläres 7 hepatozelluläres Karzinom – kolorektales 984–986 – periampulläres 860 Kastenwirbel 1227 Katarakt 422 – subkapsulärer posterior 99 Kataraktgrenze 447 Katheterangiographie 686, 699–701, 709, 735 Kathode 22 Kavernom 102, 104–106, 297–299, 312, 313 – multiples 104 Kawasaki-Syndrom 731 Keimdrüsen, Strahlenschaden 15 Keimzelltumoren 175–177, 181, 597 Kellgren-Lawrence-Score 1238 Kerley-Linien 584, 585, 698 Kerma 9 Kernreaktion 7 Kieferfrakturen 1102, 1103 Kiefergelenk 447–450 – Degeneration 448 – entzündliche Prozesse 449–450 – Erguss 448 – Formvarianten 447 – Plasmozytom 454 – Raumforderungen 448 – Topographie 446 – Verletzungen 449 Kielbrust 524 Killerosteoklasen 1184 Killian-Dreieck 937 Killian-Jamieson-Divertikel 939, 942 Kindesmisshandlung, Schädelhirntrauma 216–218 Kinsbourne-Syndrom 328 kissing ulcer 961 Klappenvitien 7 Herzklappenfehler Klarzellchondrosarkom 1156 Klatskin-Tumor 857, 859
1284
Stichwortverzeichnis
Klaviertasten-Phänomen 1107 Kleinhirn 71, 72, 82 Kleinhirnagenesie 93 Kleinhirnhypoplasie 93 Kleinhirninfarkt 124, 125 Klein-Tangente 1260 Klippel-Feil-Anomalie 304 Klippel-Trenaunay-Syndrom 569 Kniegelenksluxation 1124 Kniegelenksverletzungen 1122–1124, 1253–1258 Knochenbruch 7 Fraktur Knochenbruchheilung 7 Frakturheilung Knochendichte 1184 Knochendysplasie, gemischtförmige sklerosierende 1181 Knochenfibrom, nichtossifizierendes 1172 Knochen-im-Knochen 1217 Knocheninfarkt 1210, 1212 – Ätiologie 1210 – Bildgebung 1220 – Definition 1203 – Lokalisation 1210 – Sichelzellenanämie 1213 Knochenläsionen, tumorähnliche 1171–1178 Knochenmark – Bildgebung 283 – Strahlenschaden 14 Knochenmarkhyperplasie 1213 – Thalassämie 1214 Knochenmarködem, transientes 1262, 1263 Knochennekrose 7 Osteonekrose Knochenresorption, bei Hyperparathyreoidismus 1196, 1197 Knochentuberkulose, zystische 1241 Knochentumoren 1141–1167 – benigne 315–320 – Destruktionsmuster 1142, 1143 – intermediäre 320–322 – Klassifikation 1142 – knochenbildende 1145–1150 – – benigne 1145–1148 – – maligne 1140–1150 – knorpelbildende 1150–1158 – Lokalisation 1143, 1144 – maligne 322–327 – Matrixverkalkung 1143, 1144 – myelogene 1161–1165 – Periostreaktionen 1144, 1145 – vaskuläre 1165, 1166 Knochenzyste – aneurysmatische 180, 181, 317, 318, 1173, 1174 – solitäre 1172, 1173 Knopflochdeformität 1115, 1223 Knoten-im-Knoten-Phänomen 774 Koalitio, tarsale 1268 Kohleschaufler-Fraktur 1103 Kokarde 989 Kolbenphalangen 1228, 1232 Kolitis – 7 a. Colitis – infektiöse 966
– ischämische 972–974 – pseudomembranöse 966, 957, 973 Kollagenose 561–564, 1230, 1232 – pulmonale Manifestationen 564 Kollateralband – laterales 1255, 1256 – mediales 1255 Kollimation 32 Kolloidzyste 184, 185 Kolobom 435, 436 Kolon – 7 a. Dickdarm – Ischämie 972, 973 – Röntgendiagnostik 957 Kolondivertikel 970 Kolonkarzinom 984–986 – Differenzialdiagnose 971 Kolonkontrasteinlauf 967–969, 972 Kolpitis 1083 Kolpozephalie 87 Kometenschweif-Artefakt 851 Kompaktainsel 1146 Kompartment-Syndrom 1098 Kompressionsatelektase 518 Kompressionsfraktur 1117 Kondensatpneumopathie 550, 551 Konfiguration – aortale 682, 689, 690 – mitrale 682, 690 Kontaktheilung 1097 Kontraktionsatelektase 519 Kontrastmittel 55–58 – Allergie 57 – Andicken 916 – hepatozytenspezifische 763 – hyperosmolare 952 – – iodhaltige 916 – isoosmolare iodhaltige 916 – jodhaltige 56, 916 – lungengängige 686 – Magnetresonanzmittel 57 – Nephrotoxizität 722 – nichtionische 56 – nichtlungengängige 686 – Nierenfunktion 56 – organspezifische 57 – Schilddrüsenfunktion 56 – Sonographie 58 – Überempfindlichkeitsreaktionen 57 – wasserlösliche 952 – – iodhaltige 916 Kontrastmittelallergie 722 Kontrastmittelgabe, zweizeitige 867 Kontrastmittelreaktionen 56, 57 Kontrollbereich 17 Korbhenkelriss 1256, 1257 Korkenzieher-Ösophagus 935 Koronarangiographie 705, 706 – quantitative 705 Koronararterien, Bildgebung 704, 705 koronare Herzerkrankung 703–706 – Ätiologie 703 – Bildgebung 704, 705 – Klinik 703
– latente 704 – manifeste 704 – Risikofaktoren 703 – Therapie 705, 706 Koronoidfraktur 1119 Korpuskarzinom 1070, 1071 Korsakow-Syndrom 261 Kortikalisdefekt, fibröser 1172 Kraniektomie, dikompressive 124 Kraniopharyngeom 193, 194, 321 K-Raum 41 Kreuzband – hinteres, Ruptur 1254, 1255 – vorderes, Ruptur 1253, 1254 Kreuzbein 275 Krise, vasookklusive 1213 Kristallarthropathie 1232–1234 Kryglobulinämie, essenzielle 731 Kryptokokkose 232, 537 Kümmel-Verneuil-Erkrankung 1188 Kveim-Test 568 Kyphoplastie 355–358 Kyphose, juvenile 1208 Kyphoskoliose, kurzstreckige 1219
L Labrumriss, ventrolateraler 1262 Labyrinth 367 – Anomalien 368 Labyrinthitis 367 – ossifizierende 371 Labyrinthsklerose 371 Lambdanahtdefekt 1219 Landouzy-Sepsis, mykobakterielle 226 Langerhans-Zellhistiozytose 177, 178, 319, 320, 565, 566, 1178 Lappenresektion 589 Larnyx, Missbildungen 479 Larnyxkarzinom 481, 482 Laryngitis 479 Laryngozele 477, 479 Larynx 473–486 – Adenom 481 – Amyloidbefall 480 – Chondrom 480 – Computertomographie 475 – endolaryngeale Zyste 481 – Magnetresonanztomographie 475, 476 – Pattenepithelkarzinom 481 – Raumforderungen 477 – Röntgendiagnostik 475 – Sonographie 455 – Topographie 474, 478 Larynxödem 722 Larynxstenose 480 Larynxtumoren 477, 478, 480–482 laserinduzierte Thermotherapie 815, 822–825 Laser-PTA 743–745 Laserstrahlung 743 – Wirkungen 743 Läsion – extrakonale 423 – intrakonale 422
– konale 422 – okuläre 422 – retrobulbäre 422 Lauenstein-Aufnahme 1260 Laurell-Eriksson-Syndrom 512 Leber 757–825 – Adenom 789, 790 – Amyloidose 776 – Anatomie 759, 760 – Angiographie 763, 785, 795 – Angiomyolipom 785 – Angiosarkom 798, 805 – Arteriographie 769 – Computertomographie 760–762, 794 – CT-Angiographie 761 – digitale Subtraktionsangiographie 763 – Formanomalien 764 – Gefäßanomalien 764, 765 – Gefäßwanderkrankungen 769, 770 – Hämangiom 784, 785, 787, 803 – inflammatorischer Pseudotumor 790 – kardialer Rückstau 768 – Kontrastmittelphasen 761 – Lageanomalien 764 – laserinduzierte Thermotherapie 822–825 – Lipom 790 – Lymphom 799, 805 – Magnetresonanztomographie 762, 763, 794, 795 – Normwerte 760 – Parasitosen 782–784 – Perfusionsanomalien 765 – Perfusionsstörungen 765–771 – Pilzinfektionen 782 – Regeneratknoten 773 – Sarkoidose 775, 776 – Segmentektomie 808 – Segmenthyperplasie 764 – Segmenthypoplasie 764 – Sonographie 760, 792 – Strahlenschaden 14, 776, 777 – Strukturanomalien 764 – Tuberkulose 779, 780 – Venographie 769 Leberabszess 780–782 – pyogener 780 Leberarterien 717 Leberbiopsie 809 Leberdrainage 809 Leberegel 849 Lebererkrankungen – herdförmige 777 – lymphoproliferative 806 – polyzystische 777 Leberfibrose, kongenitale 764 Leberfraktur 806 Lebergefäße 759 Leberhämatom – intraparenchymatöses 806, 807 – subkapsuläres 806, 807 Leberinfarkt 770, 771 Leberkontusion 806 Leberlappen 759
1285 Stichwortverzeichnis
– akzessorische 764 Lebermetastasen 609, 799–803, 909 – Kindesalter 813 Leberparenchymerkrankungen, diffuse 771–777 Leberpforte 760 Leberruptur 806 Lebersegmente 759 Lebertransplantation 808 – ischämische Cholangitis 849, 850 – Komplikationen 861 – Leberinfarkt 770 Lebertrauma – penetrierendes 807 – stumpfes 806 Lebertumoren – 7 a. hepatozelluläres Karzinom – benigne 784–791 – Kindesalter 803–805 – maligne 791–795 – Radiofrequenzablation 821 – transarterielle Chemoembolisation 810–815 Lebervenen 719 Lebervenographie 763 Leberverfettung 771 – diffuse 771, 772 – fokale 772 Leberverletzungen 806, 807 Leberzirrhose 773–775 Leberzyste, einfache 777, 778 Leckage 752 Le-Fort-Frakturen 1101 Legionellen-Pneumonie 534 Leigh-Syndrom 255, 256, 262, 263 Leiomyom – Harnblase 1044 – Niere 1023 – Ösophagus 595, 941, 944 – Uterus 1065, 1066, 1068 Leiomyomatose – ösophageale 941 – Dünndarm 984 – Harnblase 1048 – Niere 1023 – Uterus 1071 Lendenwirbelsäule – Anatomie 275 – Frakturen 333, 334 – Instabilität 1105 – Verletzungen 337 Leriche-Syndrom 730 Leschke-Syndrom 569 Leukämie – akute 1214–1216 – chronische 1215 – Niere 1026 Leukenzephalopathie 248 – megalenzephale 249 – progressive multifokale 259 Leukodystrophie – adrenale 262 – Definition 248 – metachromatische 249, 250, 262 – primäre Hypomyelinisierung 248 – spongiöse 250 – unbekannter metabolischer Defekt 248, 249
Leukoenzephalopathie, progressive, multifokale 237 Leukokorie 431 Leukomalazie, periventrikuläre 86, 88 Leukoplakie, Urothel 1037 Leukozytenszintigraphie 1133 Lidödem 405 Ligamentum – collaterale mediale 1255 – collaterale radiale 1250 – coronarium 1256 – deltoideum 1264 – fibulotalare 1264 – transversum genus 1256 Limbuswirbel 1208 Linear-Array-Schallkopf 51 Linksherzinsuffizienz 692, 693 Linksherzkatheterangiographie 686, 704 Links-Rechts-Shunt 691, 698, 699 Linse, Dislokaltion 421 Linsenprothese, intraokuläre 421 Lipidgranulomatose 1218 Lipidspeicherkrankheiten 1217 Lipiodol, Embolisation 819 Lipiodol-CT, Leber 762, 794 Lipodystrophie, intestinale 964, 965 Lipoidpneomonie 572 Lipom – Filum terminale 307, 308 – Gastrointestinaltrakt 980 – Herz 713 – intrakranielles 87–89 – intramedulläres 307 – intraossäres 1161, 1162 – Leber 790 – Nasopharynx 392 – Niere 1017, 1018 – Ösophagus 944, 945 – Speicheldrüsen 461, 462 – spinales 289, 290 – ZNS 188, 189 Lipomatose 308 – ösophageale 944 – Pankreas 895 – pelvine 1044, 1045 Lipomyelomeningozele 307 Lippen-Kiefer-Gaumenspalten 917, 918 – mediane 92 Liquorsystem 73, 74 Liquorunterdrucksyndrom 271–272 Lisch-Knötchen 97, 1219 Lisfranc-Gelenk, Luxation 1129 Lissenzephalie 89, 90 Lissenzephalie-Syndrom 90 Listeriose 229, 230 LITT 609, 815, 822–825 Lobärblutung 129 Lobärpneumonie 532, 533 Lobulus 500, 501 Lobus accessorius superior 764 Lochfraktur 1100 Lochplattenmarkierung 665, 667 Löfgren-Syndrom 566 Looser-Zonen 1196 Lowe-Syndorm 436
Lumineszenzradiographie, digitale 505 Lunatumluxation 1115 Lunatummalazie 1205, 1206 Lunge – 7 a. Thorax – Anatomie 498–501 – Askaridenbefall 541, 550 – Atemzugvolumen 552 – Bildgebung 501 – Echinokokkusbefall 541 – Fuchsbandwurmbefall 541 – Hämangiom 575 – Honigwabenmuster 521, 555 – Hundebandwurmbefall 541 – lymphatisches System 502, 503 – Medikamentenschäden 589, 590 – Milchglaszeichnung 562 – Parasitosen 541, 542 – Perfusionsstörung 518 – Residualvolumen 552 – Ringstrukturen 521, 522 – Röntgenbefunde 511 – Rundherde 521, 522, 570–572 – Strahlenschaden 14, 589 – Totalkapazität 552 – Transparenzerhöhung 511, 512, 516, 517 – Transparenzminderung 518 – Verkalkungsmuster 523, 524 – Verschattung 521 – Vitalkapazität 552 – Zirkulationsstörungen 583–588 Lungenagenesie 526 Lungenaplasie 526 Lungendichte 511 Lungenembolie 585, 586 Lungenemphysem 500, 512–515 – Ätiopathogenese 512 – Diagnostik 513 – Klinik 513 – kongenitales 527, 528 – panlobuläres 514 – paraseptales 514, 515 – Therapie 515 – vikarisierendes 515 – zentrilobuläres 513, 514 Lungenerkrankung – obstruktive 512 – restriktive 507, 508 Lungenfibrose – 7 a. Fibrose, zystische – idiopathische 549, 553 Lungenhypoplasie 526 Lungenkontusion 592 Lungenkrebs 7 Bronchialkarzinom Lungenmetastasen 579, 580, 607, 608 Lungenödem 584, 585 – chronisches 585 – interstitielles 585 Lungenparenchym, Einblutung 565 Lungensequester 527, 528 Lungenstauung, chronische 698 Lungentransplantation 588, 589 Lungentuberkulose 7 Tuberkulose Lungentumoren 570–583
K–M
– benigne 573–575 – Bildgebung 572, 573 – Laserablation 609 – maligne 575–583 – – 7 a. Bronchialkarzinom – perkutane thermoablative 573 Lungenvenen, Fehlmündung 698, 703 Lupus erythematodes, systemischer 561, 1231, 1232 Luxation, Definition 1094 Lymphangioleiomyomatose 568, 569 Lymphangiom – Gastrointestinaltrakt 980 – Herz 713 – kavernöses 471 – Milz 906 – Nasopharynx 392 – orbitales 427, 428 – Speicheldrüsen 460 Lymphangiosis carcinomatosa 575, 576 Lymphogranulomatose 1163 Lymphom – Dünndarm 984 – EBV-assoziiertes 234 – gastrales 982 – Harnblase 1048 – Herz 713 – Leber 799, 813 – Lunge 581, 582 – malignes 185, 327, 328, 582, 583 – Mediastinum 598 – Milz 907, 908 – Niere 1025, 1026 – Orbita 437, 438 – Ösophagus 948, 950 – Pankreas 891, 892 – primäres, ZNS 185, 186 – Skelettsystem 327, 328 Lysetherapie 586, 746–750 – intraarterielle 746, 749 – lokale 48
M M/Q-Quotient 481 Mafucci-Syndrom 569, 1152 Magen – Computertomographie 952, 953 – Doppelkontrastuntersuchung 952 – Ruhetonus 952 – Topographie 952 Magenduplikatur 977 Magenentleerung, Geschwindigkeit 953 Magengeschwür 7 Ulcus ventriculi Magenkarzinom 980–982 – Bildgebung 981 – Metastasierung 981, 982 – szirrhöses 981 Magenlymphom 982 Magenmetastasen 983 Magenpolyp 978, 979 Magensarkom 982, 983
1286
Stichwortverzeichnis
Magenschleimhautentzündung 959, 960 Magentumoren, Bildgebung 953 Magic-Angle-Effekt 1244 Magnetisierungstransfer 39 Magnetresonanztomographie 38–44 – Aortendissektion 723, 724 – Artefakte 302, 420, 421, 832 – Bildkontrast 39 – Dickdarm 957 – Dünndarm 956 – Echozeit 39 – Gallengänge 832 – Gallenwege 830 – Ghosting 420 – Harnblase 1041 – Herz 687 – Hoden 1057, 1058 – Implantate 421 – Kiefer 447 – Knochendichtebestimmung 1192 – Kontrastmittel 57 – kontrastmittelunterstützte 795 – Larynx 475, 476 – Leber 762, 763, 794, 795 – Milz 904 – mittlere Schädelbasis 363 – Mundhöhle 466 – Nasennebenhöhlen 399 – Nasopharynx 389 – Nebennieren 997 – Niere 1009–1011 – Pankreas 868 – Parapharyngealraum 389 – Pulssequenzen 42, 43 – Pulswinkel 39 – Rektum 958, 959 – Repetitionszeit 39 – Schichtwahl 40 – Schwangerschaft 1085 – Signal-zu-Rausch-Verhältnis 40, 41 – Speicheldrüsen 456, 457 – T1-Relaxation 38, 39 – T2-Gewichtung 39 – T2-Relaxation 38, 39 – Thorax 503, 507 – Uterus 1064 Maisoneuve-Fraktur 1126 Makrodontie 449 Makrokranie 103 Makrophthalmie 435, 436 Malakoplakie 1029, 1038, 1044 Maldescensus testis 1059 Malformation – arterio-venöse 7 AV-Fehlbildungen – kongenitale zystisch adenomatoide 528, 529 – venöse 107–109 Malgaigne-Fraktur 1118 Malleolarfraktur 1126 Malleus 362 Malleus, Luxation 369 Mallory-Weiss-Syndrom 923, 925 MALT-Lymphom 979
Mamille 7 Brustwarze Mamma 7 Brust, weibliche Mammakarzinom – beim Mann 646 – Drahtmarkierung 673, 674 – fortgeschrittenes 643 – Histopathologie 677 – intrazystisches 645 – invasiv duktales 641, 642, 644 – Metastasen 647, 648 – MR-gesteuerte Markierung 672–675 – Operation 676 – präoperative Biopsie 664, 665 – präoperative Markierung 664–675 – Radiatio 677 – Sentinel-Node-Biopsie 677 – Skelettmetastasen 1168 – sonographisch gesteuerte Markierung 672 – stereotaktische Vakuumbiopsie 668–671 – Therapie 676, 677 Mammographie 614–616 – 7 a. MR-Mammographie Mammographie – Architekturstörungen 636 – Arteriosklerose 628, 629 – Befundung 624–640 – diagnostische 618 – digitale 618, 627, 636, 638 – Durchführung 621–624 – Fibroadenom 638, 639 – globale Assymmetrie 639 – Gynäkomastie 636 – Herdbefund 630, 634, 635 – Hochrisikopatientinnen 621 – Implantate 617 – Implantatruptur 657 – Indikationen 618–621 – kurative 618 – Lipom 636 – Makrokalzifizierung 627 – Mammakarzinom 653 – Mastopathie 636, 638 – Metastasen 648 – Mikrokalzifizierung 622, 625, 626, 628–635 – PGMI-Kriterien 624 – radiäre Narbe 636, 657 – Schwangerschaft 619 – Screening 617, 619, 620 – Stillzeit 619 – Strahlungsenergie 8 – Talgdrüsenverkalkung 627 – Technik 617, 618 – Trabekulierung der Brust 640 – tubuläre Verdichtungen 639 Manschettenphänomen 534 Marchiafava-Bignami-Syndrom 260 Marfan-Syndrom 421 Massenzahl 4 Mastikatorraum 386, 388 Mastoid 362 Mastoiditis 372 Mastopathie 628 – fibrozystische 636
Mastozytose, systemische 1216 Mäuseohr 1228 Maximumintensitätsprojektion 34 Mazabraud-Syndrom 1175 McCune-Albright-Syndrom 1175 McGregor-Linie 331 Meatus acusticus 362, 365 – Exostose 381 Meckel-Divertikel 978, 989 Meckel-Syndrom 84 Medialyse 125 Mediastinallinien 495–497 Mediastinitis 594 Mediastinum – Bildgebung 493–496, 509, 510 – Fehlbildungen 529 – Fibrosierung 594 – Lymphknoten 494 – Raumforderung 596, 597 – Tumoren 596–599 – Verkalkungen 600 Medulla oblongata 64 Medulloblastom 148, 150 Medulloepitheliom 434 Megakalikose 1036 Meganeurit 251 Megaureter 1037 Meißelfraktur 1095 Melanom – Aderhaut 433, 434 – Ösophagus 950 – uveales 433 MELAS-Syndrom 255, 256 Melorheostose 1181 MEN – I 889 – Pankreas 889 Mendelson-Syndrom 542 Meningeom 99, 172–174, 310, 312, 374, 375 – extradurales 173 – extrameatales 377 – intrameatales 377 – Kleinhirnbrückenwinkel 376 – malignes 174 – orbitales 424 – Sellaregion 195 – spinales 312 Meningeosis neoplastica 148 Meningitis 217–221 – akute bakterielle 218 – chronische 221 – Erregerspektrum 218 – Komplikationen 224, 225 – septische 219 – tuberkulöse 225, 226 – virale 220, 221 Meningocele cranialis 84 Meningoenzephalitis, virale 135 Meningoenzephalozele 84 Meningomyeloradikulitis 234 Meningozele – anterosakrale 290 – dorsale 286 – kraniale 84 Meniskusverletzungen 1256–1258 Meniskuswurzelriss 1258 MERRF-Syndrom 256
Mesenterikoportographie 763 Mesotheliom, malignes 601, 602 Metastasen – extramedulläre 310 – intramedulläre 307–309 – kardiale 712 – leptomeningeale 313 – orbitale 441, 442 – spinale 312, 313 Metatarsale, Fraktur 1129, 1130 MIBG-Szintigraphie, Nebennieren 997, 1000 Midline-shift-Artefakt 421 Mikrodontie 449 Mikrohamartom, biliäres 835, 836 Mikroinstabilität, glenohumerale 1246 Mikrolissenzephalie 89 Mikrolithiasis, alveoläre 569, 570 Mikrophthalmie 435, 436 Mikrosphären 819 Milan-Kriterien 792 Milch-Alkali-Syndrom 1202 Milchgangsdarstellung 7 Galaktographie Miliartuberkulose 521, 540 Milz 901–911 – Anatomie 902 – Angiosarkom 908 – Computertomographie 903 – Hämangiom 905, 906 – Hamartom 906, 907 – Lymphangiom 906 – Magnetresonanztomographie 904 – Positronenemissionstomographie 903 – Sonographie 903 – SPECT 903 Milzabszess 909 Milzarterienaneurysma 910 Milzhyperplasie, noduläre 906 Milzinfarkt 910 Milzmetastasen 908, 909 Milzruptur 904 Milztumoren 905–909 Milzvenenthrombose 910 Milzzyste 905 Minimumintensitätsprojektion 34 Mirizzi-Syndorm 841 Mischkollagenose 936 Missbildungstumoren 175–177 Mitosephase 12 Mitralklappeninsuffizienz 690, 696, 698 Mitralklappenstenose 696 Mitralkonfiguration 682, 690 – plumpe 697 Mitralstenose 698 Mittelfußfraktur 1129, 1130 Mittelgesichtsfrakturen 1101 Mittelhandverletzungen 1114, 1115 Mittelhirn 71, 82 Mittelohr 377–379 – Hämangiom 377 – Tumoren 379 Mittelohrschwerhörigkeit 363 Mittelohrtrauma 369
1287 Stichwortverzeichnis
M-Mode-Sonographie 52 Modic-Klassifikation 346 Modulations-Übertragungs-Funktion 618 Monaldi-Drainage 592 Mönckeberg-Mediaverkalkung 729, 730 Mondini-Malformation 368 Monteggia-Fraktur 1112 Morbus – Abt-Letterer-Siwe 319 – Addison 998 – Ahlbäck 1205 – Aicardi-Goutières 248 – Alexander 248, 249, 263 – Alzheimer 263, 264 – Balo 244 – Bechterew 1226 – Behçet 560, 561 – Boeck 1219 – Bourneville-Pringle 1218 – Caffey 1182 – Canavan 250, 263 – Caroli 835–837 – Coats 431, 433 – Crohn 931, 961–963, 966, 969 – Cushing 193 – – endogener 1192 – – Osteoporose 1192 – Eiper 256 – Erdheim-Chester 1218 – Fabry 133, 134, 253, 1217, 1218 – Fahr 267, 268 – Forestier 1183 – Gaucher 252, 1188, 1217 – – Osteoporose 1193 – Hand-Schüller-Christian 319, 565, 566 – Hodgkin 327, 328 – – Knochenbefall 1163 – Horton 731 – Huntington 266, 267 – Kahler 1163 – Kienböck 1205 – Köhler 1201 – Krabbe 249, 250 – Ledderhose 1267 – Legg-Calvé-Perthes 1207 – Leigh 255, 256, 262, 263 – Madelung 484 – Menetrière 978 – Niemann-Pick 253, 268, 1217 – Ollier 1152 – Ormond 1039 – Osler 733 – Osler-Weber-Rendu 569, 771 – Paget 381, 382, 1137–1140 – – juveniler 1140 – Parkinson 264, 265 – Pelizaeus-Merzbacher 248 – Perthes 1207, 1208 – Raynaud 733 – Recklinghausen 1219 – Refsum 251, 1218 – Scheuermann 1188, 1208, 1209 – Sjögren 458, 459, 463 – Sudeck 1097 – Wegener 559
– Whipple 964, 965 – Wilson 258, 268, 784 Morning-Glory-Snydrom 86 Morrison-Pouch 760, 896 Morton-Neurom 1268 Moulagenzeichen 964 Mournier-Kuhn-Syndrom 529 Moya-Moya-Erkrankung 135, 137–139 M-Phase 13 MR-Angiographie 335 – Gefäße 719, 720 – Schädelbasis 364 MRCP 763, 830, 831, 840 MR-Enteroklysma 956 MR-Fluoreskopie 956 MR-Mammographie 651–662 – Durchführung 659 – Enhancement 661, 662 – Herdbefund 661 – Implantatruptur 657 – Indikationen 654–658 – Interpretation 669, 660 – Kontrastmitteldynamik 669, 660 MR-Sialographie 457, 463 MR-Spektroskopie 153, 1054–1056 MRT 7 Magnetresonanztomographie MR-Urographie 1006, 1011 Mucor-Mykose 232, 537, 538 Mukopolysaccharidose 254 Mukosaraum 387 Mukoviszidose 893, 894 Mukozele 405, 407, 440, 544 Müller-Zyste 1082 Multidetektor-Computertomographie 32 Multiinfarktsyndrom 118 multiple endokrine Neoplasie 7 MEN multiple Sklerose 240–245, 313, 314 – Bildgebung 240–245 – Demyelinisierung 258 – Differenzialdiagnose 246, 247 – Hirnatrophie 242 – Klassifikation 240 – Klinik 240 multiples Myelom 1163 – Wirbelkörperverformung 1188 Multislice Imaging 42 Multi-Slice-Computertomographie 963 Multisystematrophie 264, 265 Mundboden, Fehlbildungen 467 Mundhöhle 465–471 – Computertomographie 466 – Magnetresonanztomographie 466 – Topographie 466 – Tumoren 467–471 Muscle-Eye-Brain-Disease 89 Mutation 12, 14 Myasthenia gravis 937 Myelinisierung 82–84 Myelinolyse, zentrale pontine 260, 261 Myelinopathia centralis diffusa 249 Myelinvakuolisierung 97, 98 Myelitis – bakterielle 341
– nichtbakterielle 342, 343 – transverse 243 Myelographie 25–27, 301 – Durchführung 26 – Kontraindikationen 25 – lumbale 26 – Patientenaufklärung 25 – zervikale 26 Myelolipom 997 Myelom, multiples 1163, 1188 Myelomeningozele 285, 286 Myelonkontusion 337 Myelonverletzungen 335, 336 Myelozele 285 Myelozystozele 286 Mykobakterien, atypische 541 Myokarderkrankungen 706–710 Myokarditis 706 – Bildgebung 707 Myokardnekrose, ischämische 704 Myokardperfusionsszintigraphie 705 Myokardszintigraphie 709 Myom, Embolisation 1088 Myopathie, mitochondriale 134 Myositis 436, 437 Myxofibrom, odontogenes 451 Myxom, Herz 713
N Naevus flammeus 102 Nasenbluten, Diagnostik 412 Nasennebenhöhlen – anatomische Varianten 398 – Chondrom 410 – Chondrosarkom 410, 412 – Computertomographie 398, 399 – digitale Subtraktionsangiographie 399 – entzündliche Prozesse 402–407 – Magnetresonanztomographie 399 – Missbildungen 400 – Mukozele 405, 407 – Mykose 403 – Non-Hodgkin-Lymphom 411 – Papillom 410 – Plattenepithelkarzinom 411 – Raumforderungen 400 – Röntgendiagnostik 398 – Topographie 398 – Tumoren 407–413 Nasen-Rachen-Angiofibrom, juveniles 407, 409, 410 Nasenseptum – anatomische Varianten 398 – Deviation 404 NASH 771 Nasopharynx 385–394 – Abszess 390, 391 – Angiographie 389 – Computertomographie 389 – Entzündungen 390, 391 – Fehlbildungen 390 – Hämangiom 392 – Lipom 392
M–N
– Lymphangiom 392 – Lymphom 394 – Magnetresonanztomographie 389 – Neurofibrom 392 – Plasmozytom 394 – Schwannom 392 – Topographie 386 – Tumoren 391–395 – Zysten 392 Nasopharynxkarzinom 392–394 Nebenmilz 902 Nebennieren 995–1003 – Anatomie 996 – Computertomographie 996, 997 – Magnetresonanztomographie 997 – MIBG-Szintigraphie 997, 1000 – Neuroblastom 1003 – Positronenemissionstomographie 997 – Sonographie 996 – Unterfunktion 998 Nebennierenadenom 998, 999, 1002 Nebennierenkarzinom 1001, 1002 Nebennierenmetastasen 1001, 1002 Nebennierenrindenhyperplasie 998 – primäre 998 – sekundäre 998 – tertiäre 998 Nebennierentumoren 1001–103 Nebennierenzyste 997, 998 Nebenschilddrüsentumoren 596 NEMD 937 Neoplasie – multiple endokrine 7 MEN – zervikale intraepitheliale 1069 Nephroblastomatose 1015 Nephrokalzinose 1030 – medulläre 1032 Nephrolithiasis 1007, 1030–1033 Nephrom, mesoblastisches 1016 Nephropathie, polyzystische 878 Nervenblockade – diagnostische 358 – therapeutische 358 Nervenhüllentumoren 309 Nervenkompressionssyndrome 1253 Nervensystem – Embroygenese 81, 82 – Strahlenschaden 15 Nervenwurzelschädigungen, traumatisch bedingte 338, 339 Nervus – abducens 68 – accessorius 70 – cochlearis, Aplasie 368 – facialis 68, 69, 362 – – Anomalien 368 – – Läsion 367 – – Neurinom 374 – – Parese 7 Fazialisparese – glossopharyngeus 69, 70 – hypoglossus 71 – – Neurinom 375
1288
Stichwortverzeichnis
Nervus – larnygeus recurrens 70 – mandibularis 68 – maxillaris 68 – oculomotorius 66 – olfactorius 65 – ophthalmicus 67, 68 – opticus 65, 417, 418 – – Atrophie 423 – – Läsion 418 – – Neuritis 423, 424 – trigeminus 67 – – Neurinom 374 – trochlearis 67 – vagus 70 – vestibularis 362 – vestibulocochlearis 69 Neuralrohrdefekte 83–86 Neurinom 174, 175 – Halsweichteile 483, 484 – Oropharynx 471 – zervikales 311 Neuroblastom 180, 328, 329 – Nebennieren 1002 Neuroborreliose 229, 230 Neurofibrom 97, 98, 483 – Ösophagus 944, 946 – plexiformes 98 Neurofibromatose 569, 1218, 1219 – Bildgebung 97–99 – Hamartom 158 – Hirnstammtumoren 158 – Klinik 97 – Knochenveränderungen 1219 – Nervenhüllentumoren 309 – Typ I 96–99, 448 – Typ II 99, 100 Neurolipidose 251–253 Neurolues 228 – zerebrovaskuläre 229 Neuromyelitis optica 247, 248, 424 Neurosarkom 98 Neurozytom, zentrales 166, 168 Neurulation 81, 276, 284 – Störungen 284 Neutron 4, 5 Niere 1006–1040 – Aktinomykose 1030 – Angiographie 1011 – Angiomyolipom 1016, 1017 – Computertomographie 1007, 1008 – digitale Subtraktionsangiographie 732 – dystope 1011 – Entwicklungsstörungen 1011, 1012 – Hämangiom 1017 – hypoplastische 1011 – Kalzifikation 1006 – Leukämie 1026 – Leiomyom 1023 – Lipom 1017, 1018 – Lymphom 1025, 1026 – Magnetresonanztomographie 1009–1011 – Missbildungen 1011, 1012 – Onkozytom 1015
– Pilzinfektion 1030 – Sarkom 1023, 1024 – Sonographie 1007 – Strahlenschaden 14 – Tuberkulose 1029, 1030 Nierenabszess 1026, 1027 Nierenadenom 1015 Nierenagenesie 1011 Nierenaplasie 1011 Nierenarterien – Anatomie 716 – Aneurysma 727 Nierenarterienstenose 730, 746 Nierenbeckenkarzinom 1024 Niereninsuffizienz, Kontrastmittelapplikation 58 Nierenmetastasen 1026 Nierentransplantation 1199 Nierentumoren 1015–1026 – benigne 1015–1017 – maligne 1017–1025 – sekundäre 1025, 1026 Nierenverletzungen 1039, 1040 Nierenzellkarzinom 606, 1017–1033 – Bildgebung 1019–1022 – CT-Urographie 1009 – DSH 1012 – Fettnekrose 1018 – Klassifikation 1022 – Klinik 1019 – kortikales 1007, 1008 – Magnetresonanztomographie 1010 – papilläres 1020 – Radiofrequenzablation 821, 822 – Skelettmetastasen 1168 Nierenzyste 1012–1015 – extraparenchymale 1015 – Klassifikation 1013 – komplizierte 1013 – kortikale 1012, 1013 nightstick fracture 1112 noduläre regenerative Hyperplasie 7 Hyperplasie, noduläre regenerative Non-Cardiac-Chest-Pain 934 Non-Hodgkin-Lymphom 483, 581–583 – Knochenbefall 327, 1162, 1163 – Mammabefall 647 – Milz 908 – Pankreas 891, 892 Normaldruckhydrozephalus 271, 272 Norrie-Erkrankung 433 nuclear cleft sign 1241 Nucleus intermediolateralis 280 Nussknackerfraktur 1129 Nussknacker-Ösophagus 935
O O’Donoghue’s Triad 1253 Oberkiefer – Computertomographie 447 – Magnetresonanztomographie 447
– Myxom 450 – ossifizierendes Fibrom 451 – Osteoblastom 451 – Osteochondrom 451 – Osteom 451 – Röntgendiagnostik 447 – Tumoren 450–454 – Zyste 451 Obstruktionsatelektase 518 Ocreotidszintigraphie 891 Ödem, alveoläres 585 Odontom 451 Okzipitallappen 73 Olecranonfraktur 1111 Oligodendrogliom 164–166 Oligosaccharidose 254, 255 Omega-Zeichen 962 Onkozytom 1015 Ophthalmoplegie, chronisch progressive externe 256 Optikusatrophie 423 Optikusgliom 97, 424, 425 Optikusneuritis 243 Optikusscheidenmeningeom 424–426 Orbita – Anatomie 416 – Bildgebung 419–421 – Dermoid 440 – Einblutungen 442 – Fremdkörper 420, 421 – Gefäßversorgung 419 – Lymphome 437, 438 – Metastasen 441, 442 – Mukozele 440 – Muskeln 417 – Phlegmone 439 – Rhabdomyosarkom 441 Orbitabodenfraktur 401, 444 Orbitadachfraktur 444 Orbitaemphysem 1102 Orbitafraktur 444, 1102 Orbitarandfraktur 444 Orbitopathie, endokrine 429, 430 Oropharynx 465–471 – Anatomie 475 – Hämangiom 470, 471 – Neurinom 471 – Tumoren 467–471 Oropharynxkarzinom 454, 468 Orthopantomogramm 446, 447 Os – acromiale, persistierendes 1242 – coccygis, Fraktur 1117 – frontale 363 – lunatum, Osteonekrose 1205 – mastoideum 362 – – Atresie 368 – – Hypoplasie 368 – petrosum 362 – sacrum, Fraktur 1117 – squamosum 362 – temporale – – Arrosion 365 – – Destruktion 365 – – Missbildungen 367, 368 – – Osteodystrophie 379 – – Raumforderungen 365
– – Verletzungen 369 – – vermehrte Pneumatisation 365 – tympanale 362 Ösophagitis – infektiöse 924, 925 – kaustische 930, 931, 933 – nichtinfektiöse 930 – strahleninduzierte 930, 931 Ösophagographie 922, 925 Ösophagus – Adenokarzinom 947–949 – Candidiasis 925 – Divertikel 600, 937–941 – Duplikatur 920 – Fremdkörperimpaktation 924 – Granularzelltumor 945, 946 – Hämangiom 946 – Hamartom 947 – Kollagenose 936 – Leiomyom 595, 941, 944 – Lipom 944, 945 – Lymphom 948, 950 – Melanom 950 – Motilitätsstörungen 931–937 – Neurofibrom 944, 946 – Papillom 943, 944 – Plattenepithelkarzinom 947, 948 – Polyp 941, 943–945 – Pseudodivertikulose 940 Ösophagusatresie 918, 919 Ösophagus-Breischluck 922 Ösophaguskarzinom 923 Ösophagusperforation 922, 923 Ösophagusruptur 922 Ösophagusspasmus, diffuser 916, 934, 935 Ösophagussphinkter – oberer 915 – unterer 915 Ösophagusstenose 916, 917 Ösophagustumoren – benigne 940–947 – maligne 947–950 Osteitis deformans 381, 382 Osteoarkom, zentrale 1140 Osteoarthropathie – diabetische neurogene 1201 – koagulopathische 1236 – neurogene 1234, 1235 – primäre hypertrophische 1181 – sekundäre hypertrophische 1182 – systemische 1218–1220 Osteoblastom 1147, 1148 – benignes 317, 318 Osteochondrom 1153 – multiples hereditäres 1153 Osteochondrose 1241, 1242 – akute 346 – chronische 346 – erosive 346, 1240 – juvenile 1206–1210 – Wirbelsäule 345, 346 Osteochondrosis dissecans 1209, 1210 Osteodensitometrie 1189–1192 Osteodystrophia deformans Paget 448
1289 Stichwortverzeichnis
Osteoidosteom 316, 317, 1146, 1147 Osteoklastom 1159 Osteom 1145 – choroidales 434 – Nasennebenhöhlen 416, 410 Osteomalazie 1188, 1194–1196 Osteomyelitis 1132–1136 – akute hämatogene 1132 – Bildgebung 1133 – chronisch rekurrierende multifokale 1134–1136 – chronische hämatogene 1133, 1134 – chronisch-sklerosierende Garré 1136 – juvenile hämatogene 1132 – Sichelzellenanämie 1213 – vertebrale 226 Osteomyelofibrose 1216 Osteonekrose 1203–1210 – aseptische 1203–1206 – Definition 1203 – epiphysäre 1215 Osteopathia striata 1180 Osteopathie – hormonelle 1200, 1201 – medikamentös induzierte 1202 – renale 1188, 1197–1199 – toxische 1202 Osteopenie 1184 – diffuse 1215 Osteopoikilie 1180 Osteoporose 356, 1184–1194 – Ätiologie 1185 – bei hämatologischen Systemerkrankungen 1193 – Bildgebung 1187–1192 – Definition 1184 – Diagnostik 1187–1192 – Einteilung 1184 – gelenknahe 1232 – generalisierte 1192 – juvenile 1193 – kortikoidinduzierte 1192 – medikamentös induzierte 1202 – Pathophysiologie 1184, 1185 – postmenopausale 1185, 1193 – primäre 1185 – regionäre migratorische 1194 – sekundäre 1192, 1193 – senile 1185, 1192 – transitorische 1194, 1262 Osteoradiodystrophie 1140 Osteosarkom 323–326, 1148, 1149 – Bildgebung 1148–1150 – klassisches 1140, 1149 – konventionelles 1140, 1149 – medulläres 1140 – parossales 1150 – sekundäres 1140 – teleangiektatisches 1149 – Therapie 1150 Osteosis eburnisans monomelia 1181 Ostitis – condensans 1140 – cystoides multiplex Jüngling 1220
– deformans 1137–1140 – – Bildgebung 1138, 1139 – – Differenzialdiagnose 1140 – – Klinik 1137 – – Komplikationen 1138 Ostium cardiacum 952 Otobasis, Fraktur 1100, 1101 Otosklerose 368, 379, 381 – fenestrale 379 – kochleäre 381 Otospongiose 379 Ovarialkarzinom 1080–1082 – Bildgebung 1081 – Klassifikation 1081 Ovarialmetastasen 1081, 1082 Ovarialtorsion 1076, 1077 Ovarialvenenthrombose, septische postpartale 1079, 1080 Ovarialzyste 1075, 1076 Ovarien 1074–1082 – Anatomie 1074 – Computertomographie 1074, 1075 – polyzystische 1077 – Sonographie 1074 Ovula Nabothi 1068 Oxalose 1198 OXPHOS 255
P Paarbildung 6 Pachydermoperiostose 1181, 1182 Paget-Koxopathie 1137, 1139 Panangiographie 111 Panarteriitis nodosa 727 Pancreas – anulare 870, 871 – divisum 870 Pankreas 863–900 – Agenesie 871 – Anatomie 864 – Computertomographie 867 – Embryologie 869, 870 – Fehlbildungen 869–871 – Gefäßversorgung 865, 866 – Hypoplasie 871 – Innervation 866 – Lipomatose 895 – Lymphom 891, 892 – Magnetresonanztomographie 868 – MEN 889 – Mukoviszidose 893, 894 – Normalbefunde 868 – Pseudozyste 876 – Röntgendiagnostik 867 – Sonographie 868 Pankreasabszess 876 Pankreasarterien 717 Pankreasausführungsgänge 864 Pankreasgewebe, ektopes 871 Pankreasinsuffizienz, exokrine 895 Pankreaskarzinom 884–892 – Bildgebung 885–888 – exokrines 885 – Therapie 885, 888
– TNM-Klassifikation 885 Pankreaskontusion 896, 897 Pankreaskopf, Pseudotumor 877 Pankreaskopfkarzinom 842, 888, 889, 894 Pankreaskorpuskarzinom 887 Pankreaslinksresektion 897 Pankreasmetastasen 892 Pankreasneoplasien 880–803 – intraduktal-papilläre-muzinöse 880 – muzinös-zystische 889, 882 – serös-zystische 883 – solide 884–893 – solid-pseudopapilläre 884 – zystische 880–884 Pankreaspseudozyste 879, 880 Pankreasrechtsresektion 897 Pankreasresektion 897, 898 Pankreasruptur 896 Pankreasschwanzkarzinom 887 Pankreastransplantation 898, 899 Pankreastrauma 895–897 – penetrierendes 895 – stumpfes 895, 896 Pankreastumoren – Diagnostik 867 – neuroendokrine 889–891 – nichtfunktionelle 891 Pankreasverfettung, diffuse 894 Pankreasverkalkungen 875, 876 Pankreaszyste, kongenitale 878 Pankreatektomie 888 – totale 897 Pankreatikoduodenektomie 888 Pankreatitis 871–878 – akute 872–875 – – Bildgebung 873, 874 – – Klassifikation 872, 873 – – Klinik 872 – – Komplikationen 876 – – nekrotisierende 874 – – Therapie 875 – chronische 875–878 – – Bildgebung 876 – – Klassifikation 875 – – Klinik 875 – – Komplikationen 876, 877 – – obstruktive 878 – – Therapie 877 – traumatische 896 Panoramaaufnahme 446 Papillenadenom 859, 860 Papillenkarzinom 834, 859, 860 Papillitis stenosans 849, 850 Papillom, Ösophagus 943, 944 Papillomatose 480 – biliäre 856 Papillotomie 833 Paragangliom 377 – Herz 713 Parametrium 1062 Parapharyngealraum 385–394 – Abszess 390, 391 – Angiographie 389 – Computertomographie 389 – Entzündungen 390, 391 – Fehlbildungen 390
N–P
– Magnetresonanztomographie 389 – pleomorphes Adenom 392 – Raumforderung 386 – Topographie 386 – Tumoren 391–395 Parasyndesmophyten 1229 Parier-Fraktur 1112 Parietallappen 73 Parkinson-Krankheit 264, 265 – idiopathische 266, 267 Parotitis 458 Partial-Fourier-Technik 41 Partialvolumeneffekt 32 Patellafraktur 1122 Patellaluxation 1258 Patellaspitzensyndrom 1258 Peak-Flow-Messung 516 pearl necklace sign 852 Peliosis hepatis 771 Pelvimetrie 1085 Pencil-in-cup-Deformität 1228 Penumatozele 517 Penumbra-Zeichen 1135 Perforation, Hohlorgane 974, 975 Perfusions-CT, Leber 762 Perfusionsszintigraphie, Thorax 507 Pericarditis constrictiva 710 Perichondritis 479 Perikarddivertikel 710 Perikarderguss 711, 712 Perikarderkrankungen 710 Perikarditis 710 Perikardzyste 710, 711 periphere arterielle Verschlusskrankheit 727–729 Peristaltik 952 – primäre 915 – sekundäre 915 – tertiäre 915 Peritendinitis, Ellenbogen 1251 Peritonealkarzinose 982 Peritrast 56 perkutane transluminale Angioplastie 729, 740–743 – Durchführung 742 – Ergebnisse 740, 741 – Indikationen 742 – Stentimplantation 742 Peronealsehne 1267 Perthes-Läsion 1246 PET-CT, Leber 762 Petrositis 372 Peuramesotheliom 601, 602 Peutz-Jeghers-Syndrom 569, 978, 979 Pfadfindertechnik 25 Pferdefußpseudarthrose 1098 Pflasterstein-Lissenzephalie 91 Pfortader 759 Pfortadersystem 718 Pfortaderthrombose 767, 768 PGMI-Klassifikation 624 Phakomatose 96–102, 435, 569, 878, 1218, 1219 Phalangenverletzungen 1114, 1115 Phäochromozytom 999–1002 – Harnblase 1044
1290
Stichwortverzeichnis
Pharyngo-Ösophagogramm 916, 917 Pharyngozele 479 Pharynx – Divertikel 937–939 – Motilitätsstörungen 931–937 – Pouch 937 Phased-array-Technik 959 Phenylalaninstoffwechselstörungen 256, 257 Phenylketonurie 257 Photoablation 744 Photoeffekt 6 Photon 5, 6 Photonenstrahlung 8 phrygische Mütze 829 Phthisis bulbi 436 Pickwick-Syndrom 584, 693 Pierre-Marie-Bamberger-Syndrom 1182 Pilon-tibiale-Fraktur 1124, 1125 Pilzpneumonie 534–537 PINCER-Impingement 1261, 1262 Pinealistumoren 181, 183 Pinealiszyste 184 Pineoblastom 183, 432 Pineozytom 183 Ping-Pong-Fraktur 202, 204 pink puffer 514 pistol-grip sign 1262 Pitch-Faktor 33 Pitfall 832 Pixelshifting 24 Plantarfasziitis 1267 Plasmazellenosteomyelitis 1135, 1136 Plasmazellmastitis 630 Plasmozytom 1163–1165 – inverses 1164 – Nasopharynx 394 – Osteoporose 1193 – solitäres 1163 Plattenatelektase 518, 519 Pleuradrainage 592 Pleuraempyem 602 Pleuraerguss 600, 601 – reaktiver 987 Pleurafinger 523, 524 Pleurastreifen, retrosternaler 497 Pleuraverdickung 558 Pleuritis 601 – exsudativa 540 Plexus venosus vertebralis internus 292 Plexuskarzinom 190 Plexuspapillom 189, 190 Pneumatosis cystoides intestinalis 975 Pneumektomie 589 Pneumocystitis carinii 537, 538 Pneumokoniose 553, 554 – kollagene 554 Pneumomediastinum 592, 593 Pneumonie 530–542 – ambulant erworbene 533 – atypische 533 – bakterielle 538 – interstitielle 533
– – akute 551, 552 – – desquamative 550 – – lymphozytäre 552 – – nichtspezifische 550 – Klinik 530 – nosokomiale 533 – pilzbedingte 534–537, 539 – Röntgenkriterien 530, 531 – virale 531 Pneumonitis 542 Pneumoperikard 593 Pneumoperitoneum, asymptomatisches 974 Pneumothorax 590–592 Poliomyelitis 280 Polyarteriitis – nodosa 731 – mikroskopische 731 Polyarthritis, chronische 343, 1222 Polychondritis, rezidivierende 1237 Polycythaemia vera 1215 Polymikrogyrie 90 Polymyositis 562, 936, 1232 Polyp – fibrovaskulärer 941, 943–945 – gastrointestinaler 978, 979 – inflammatorischer ösophageogastraler 928 Polyposis – coli – – familiäre 978, 979 – – juvenile 979 – intestinalis, familiäre 979 – nasi 404 – – chronische 405 Porenzephalie 92, 93 Portographie 764 – arterielle 762 Porzellangallenblase 845, 846 Positron 4 Positronenemissionstomographie – Herz 687, 688 – Milz 903 – Nebennieren 997 – Thorax 508 Post-Myelographie-Computertomographie 302 Posttransplantat-Lymphoproliferative Disorder 235 Pott-Erkrankung 1241 Power-Doppler 54 Prävertebralraum 387, 388 Presby-Ösophagus 937 Prinzmetal-Angina 704 Processus – condylaris 447 – – Auftreibung 448 – – Fraktur 449, 450 – styloideus 362 – uncinatus, anatomische Varianten 398 Projektionsradiographie 683, 688 – Herz 688 – Herz 699, 700 – Thorax 503 Prolaktinom 193 Proptosis 442 Prosencephalon 82
Prostata 1050–1056 – Anatomie 1050, 1051 – Magnetresonanztomographie 1050, 1051 Prostatahyperplasie 1052 – benigne 1056 Prostatakarzinom – bilaterales 1055 – Bildgebung 1052–1056 – Klassifikation 1050 – Magnetresonanztomographie 1052–1054 – Skelettmetastasen 1168 Prostataspektroskopie 1054–1056 Prostatektomie 1055 Prostatitis, chronische 1057 Protein-C-Defekt 140 Protein-S-Defekt 140 Proteus-Syndrom 435 Pro-Urokinase 748 Pseudarthrose 1098 Pseudoachalasie 936 Pseudodivertikel 970 Pseudodivertikulose, intramurale 925, 926, 940 Pseudohyperparathyreoidismus 1196, 1199 Pseudokalk 254 pseudokidney sign 989 Pseudomeningozele 338 – postoperative 355 Pseudotumor orbitae 422, 430, 431 Psoriasis-Arthropathie 1227 PTLD 806 Pulmonalarterien-Chemoembolisation, transvenöse 603, 604 Pulmonalgefäße 501, 502 Pulmonalklappenatresie 703 Pulmonalklappenfehler 696, 698 Pulmonalklappenstenose 691, 703 Pulsionsdivertikel 938, 943 Pulssequenz 42, 43 – schnelle 43, 44 Pulswinkel 39 punch fracture 1113 punched-out-lesions 1178 Punktmutation 14 Purpura Schoenlein-Hennoch 731 Pustolosis plantopalmaris 1229 PWI-DWI-Mismatch 126 Pyelitis, emphysematöse 1028 Pyelographie, retrograde 1007 Pyelonephritis 1034, 1027 – akute 1027 – chronische 1029 – emphysematöse 1028 – xanthogranulomatöse 1028, 1029 Pylorus 952 Pyometra 1069 Pyonephrose 1027 Pyramidenbahn 281 Pyramidenlängsfraktur 369 Pyramidenquerfraktur 370 Pyramidenspitze – Arrosion 365 – Destruktion 366 – Entzündung 371
Q Quanteneffizienz, detektive 618 Querfraktur 1095
R Rabenschnabelkonfiguration 991 Rachitis 1194, 1195 Radikulopathie 358 Radiofrequenzablation 606, 608, 820–822 – Indikationen 820, 821 – Komplikationen 822 – Kontraindikationen 821 – Lebertumoren 821 – Nierenzellkarzinom 821, 822 – Technik 820 Radiographie – digitale 505 – direkte 505 – indirekte 505 Radiologie, interventionelle 48 Radionuklidventrikulographie 693 Radiusfraktur – distale 1188 – osteoporotische 1188, 1189 – proximale 1111, 1112 Radiushalsfraktur 1112 Radiusköpfchenfraktur 1112 Radiusköpfchenluxation 1111 Radiuskrypte 1223 Ranke-Komplex 539 Ranula 392, 458 RARE-Sequenz 832 Rathke-Taschenzyste 195 Raucherpneumopathie 550, 551 Rauchgasinhalation 558 Rautenhirn 64, 82 Raynaud-Syndrom 733 Rechteckpatella 1224 Rechtsherzinsuffizienz 692, 693, 768 Rechtsherzkatheterangiographie 686 Rechtsherzvergrößerung 691 rectangular field of view 41 Reflux – gastroösophagealer 926, 927 – vesikouretealer 1036, 1037 Refluxösophagitis 926 Reformation, multiplanare 957 Regressionssyndrom, kaudales 290 Reiter-Syndrom 1229 Rekanalisation 741, 748, 750 Rektum – Computertomographie 958 – Magnetresonanztomographie 958, 959 – Röntgendiagnostik 958 – Topographie 958 Rektumkarzinom 984–986 – Bildgebung 958 Relaxatio diaphragmatica 930 Relaxation 38, 39 – transversale 38 Re-Masking 24
1291 Stichwortverzeichnis
Reparaturmechanismen, zelluläre 13, 14 Repetitionszeit 39 – kurze 43 Residualvolumen 552 respiratory bronchiolitis interstitial lung disease 550, 551 Rete mirabile 135 Retentionszyste 392 Retikulohistiozytose, multizentrische 1245, 1238 Retikulozellsarkom 185 Retina, kirschroter Fleck 1217 Retinoblastom 431, 432 Retropharyngealraum 387, 388 Revaskularisation 741 Rezidivaneurysma 120 Rhabdoidtumor 155, 171 Rhabdomyom, Herz 713 Rhabdomyosarkom 481, 813 – Harnblase 1048 – Herz 713 – Orbita 441 Rheumafaktoren 1222 Rhexisblutung 129 Rhombencephalon 64 Rhombenzephalosynapsis 95, 96 Rhombenzephalitis 230 Riechstörungen, Diagnostik 400 Riedel-Lappen 764 Riesenaneurysma 115 Riesenhämangiom 785 Riesen-Osteoidosteom 1147 Riesenzellarteriitis 731 Riesenzellastrozytom 101, 164 Riesenzelltumor 162, 164, 319, 322, 1138, 1159, 1160 Rigler-Nabelzeichen 523, 524 Rindenentwicklung, Störungen 89–91 Rinnenpankreatitis 877 Riolan-Anastomose 718 Rippen, überzähle 525, 526 Rippenanomalien 525 Rippenfraktur 592 Rippenfusionierung 525 Riseenhämangiom 803 Road-Mapping 25 Rolando-Fraktur 1114 Romanus-Läsion 1227 Röntgendiagnostik – Aufbewahrungspflicht 17 – Aufzeichnungspflicht 17 – Bildentwicklung 23 – Bildqualität 23 – Dickdarm 957 – Gallenblase 829 – Herz 683–685 – Indikationen 18, 19 – intraorale 446 – Kiefergelenk 446 – Kontrastmittel 56, 57 – kontrastmittelunterstützte 24 – konventionelle 21–24 – Larynx 475 – mittlere Schädelbasis 363 – nach Schüller 363 – Nasennebenhöhlen 398
– Pankreas 867 – Qualitätssicherung 17, 18 – Rektum 958 – Speicheldrüsen 456 – Strahlenschutz 16 – Untersuchungsgeräte 24 – Zähne 446 – Zahnhalteapparat 446 Röntgenfilm 23 Röntgenkontrastmittel 56, 57 Röntgen-Mammographie 7 Mammographie Röntgenröhre 22 Röntgenstrahlung 7, 22 – Gefährlichkeit 15, 16 – gepulste 24 – Strahlenbelastung 16 Röntgenverordnung 18, 19 Rosenkranz, rachitischer 1195 Rotarex-Thrombektomie-System 748 Rotationsangioplastie 750 Rotationsfraktur 1103 Rotatorenmanschettenverletzung 1109, 1243 Rotatorenmanschette – Anatomie 1242 – Ruptur 1243, 1244 Rubinstein-Taybi-Syndrom 86 Rückenmark – Aufbau 277, 278 – Blutversorgung 281, 282 – Blutversorgung 290, 291 – graue Substanz 279, 280 – Kompartimente 279 – Nervenbahnen 280, 281 – weiße Substanz 279 Rückenmarkserkrankungen, vaskuläre 291–301 Rückenmarksveränderungen, posttraumatische 336–340 Rugger-Jersey-Spine 1188
S Säbelscheidendeformität 1138, 1140 Säbelscheidentibia 1140 Sacculus 362 Sakroiliitis 1225, 1226 Sakrumfraktur 1117, 1118 Salz-und-Pfeffer-Muster 1164 Sandwich-Zeichen 425 SAPHO-Syndrom 1229, 1230 Sarkoidose 226–228, 566–568, 775, 776, 1219, 1220 – Bildgebung 226, 227, 567 – Gehirnbeteiligung 226, 227 – Klinik 566, 567 – Orbitabeteiligung 436 – Pathogenese 566 Sarkom – adventitielles 185 – chondroblastisches 1155 – embryonales, undifferenziertes 805 – gastrales 982, 983
– granulozytäres 1215 – mesenchymales 798, 805 – Niere 1023, 1024 – osteogenes 323 Säuglingsosteomyelitis 1132 Scalloping 1219 Scan-Dauer 33 Scaphoidfraktur 1113, 1114 Scapulafrakturen 1107–1109 Scarpa-Ganglion 372 Schädelbasis – mittlere 361–374 – – Angiographie 364, 365 – – Computertomographie 363 – – Magnetresonanztomographie 363 – – Röntgendiagnostik 363 – – Tumoren 372, 373 – Verletzungen 402 Schädelbasisfraktur 1100 Schädelfraktur 203, 1100, 1101 Schädelhirntrauma 197–217, 1100 – Bildgebung 198–200 – Einteilung 197 – Gefäßverletzungen 212, 213 – Kinder 197 – Kindesmisshandlung 216–218 – offenes 215 – sekundäre Folgen 215, 216 Schädelverletzungen 1100, 1101 Schallkopf 51, 52 Schallwellen 50 Schatzki-Ring 916, 926 Scheibenmeniskus 1258 Schenkelhalsfraktur 1120, 1121 Schichtkollimation 32 Schilddrüsenvergrößerung 595, 596 Schilddrüsenkarzinom 478 – Skelettmetastasen 1168 Schipper-Fraktur 1103 Schirmer-Test 563 Schistosoma japonicum 783 Schistosomiasis – Harnblase 1043 – Ureter 1038 Schizenzephalie 91, 92 Schlaganfall 120–137 – Diagnostik 123 – ischämischer 123–128 – Kindesalter 132–134 – Risikofaktoren 123 – Therapie 123–128 – Ursachen 120, 121 Schluckakt – Bildgebung 915–917 – Physiologie 914 Schlupfwarze, angeborene 624 Schmorl-Knötchen 1188, 1208, 1242 Schnauzbart-Zeichen 1267 Schneeflockenphänomen 964 Schockdarm 973 Schrägfraktur 1095 Schrittmachersonde, dislozierte 590 Schrotschussschädel 1164 Schultergelenk, Verletzungen 1242–1250 Schultergürtelverletzungen 1107–1109
P–S
Schulterluxation 1108, 1109 Schwächungskoeffizient 8 Schwanenhalsdeformität 1115, 1223 Schwannom 174, 175, 372–374, 392, 483 Schwanzpankreatitis 877 Schweißtest nach Gibson und Cooke 546 Schwerhörigkeit 363 Scimitar-Syndrom 526 seat belt injury 334 Second-look-Sonographie 643 Segond-Fraktur 1123 Sehbahn 418 – Schädigung 66 Seitenhorn 280 Seldinger-Technik 47, 740 Sella, Anatomie 190 Sellatumoren 190 Sentinel-Node-Biopsie, Mammakarzinom 677 Septikämie 540 Sequenzszintigraphie 317 Shaken-Baby-Syndrom 216, 218 Sharp-Syndrom 936, 1232 Shunt – arterioportaler 765 – portovenöser 766 Shwachman-Diamond-Syndrom 895 Shy-Drager-Syndrom 264 Sialoadenitis 458, 459 Sialographie 456 Sicca-Syndrom 563 Sichelzellenanämie 132, 894, 911, 1188, 1213 – Osteoporose 1193 Sigmavolvulus 990 Signal-zu-Rausch-Verhältnis 40, 41 Silhouettenphänomen 508, 509 Silikose 554–556 Simon-Spitzenherd 540 Singh-Index 1188 Sinus – durae matris 79, 80 – frontalis – – anatomische Varianten 398 – – Mukozele 407 – – Osteom 1145 – sphenoidalis, anatomische Varianten 398 Sinus-cavernosus-Thrombose 405 Sinusitis – Hirnabszess 222 – maxillaries – – Aspergillusinfektion 403 – – chronische 404–406 Sinus-Tarsi-Syndrom 1264, 1265 Sinusvenenthrombose 130, 139–142 Sjögren-Syndrom 562 Skeletthyperostose, diffuse idiopathische 1182, 1183 Skelettmetastasen 1167–1169 – Bildgebung 1168, 1169 – osteolytische 1168, 1169 – osteoplastische 1169 Skeletttuberkulose 1240, 1241
1292
Stichwortverzeichnis
skip lesion 343 Skleritis, posteriore 435 Sklerodaktylie 1231 Sklerodermie 562 – Ösophagus 936 – progressive systemische 1231 Sklerose – multiple 7 multiple Sklerose – progressive systemische 561, 562 – tuberöse 100, 101, 569, 785, 1218 Skoliose 525 Skorbut 1200 SLAP-Läsion 1249, 1250 Smith-Fraktur 334, 1113 Somatostatinom 891 Somatostatinrezeptor-Szintigraphie 891 Sonographie 50–52 – A-Mode 52 – Bildverarbeitung 51 – B-Mode 52 – endoskopische 867, 885 – Gallenblase 829, 831 – Gallengänge 831 – Gallenwege 829 – Geburtshilfe 1084–1089 – Harnblase 1040 – Herz 685, 686 – Hoden 1057 – Kontrastmittel 58 – Larynx 455 – Leber 760, 792 – Mamma 636–646 – – Befundung 650, 651 – – Durchführung 648–650 – – Indikationen 641–648 – – Screening 645 – Milz 903 – M-Mode 52 – Mundhöhle 466 – Nebennieren 996 – Niere 1007 – Ortsaulösung 51 – Ovarien 1074 – Pankreas 868 – quantitative 1192 – Schallköpfe 51 – Speicheldrüsen 456, 466 – Thorax 503, 508 – transvaginale 1080, 1074 – Uterus 1063 – Verfahren 52–54 Spaltheilung 1097 Spannungspneumothorax 591 Spatium buccale 388 SPECT – Herz 687, 688 – Milz 903 Speicheldrüsen 455–463 – Adenokarzinom 461 – Computertomographie 456 – Diagnostik 463 – Hämangiom 460 – Hygrom 460 – Lipom 461, 462 – Lymphangiome 460 – Magnetresonanztomographie 456, 457
– pleomorphes Adenom 460 – Röntgendiagnostik 456 – Sonographie 456, 466 – Topographie 456 Speicheldrüsentumoren 468–463 Speicherfolienradiographie 505 Speiseröhre 7 Ösophagus Spektroskopie 5 Sperrbereich 17 Sphärozytose 894, 1214 Spiculabildung 323 Spina – bifida 85 – ventosa 1241 Spinal Fracture Index 1188 Spinalkanal – Anatomie 274 – Einengung 347 – entzündliche Erkrankungen 339–344 Spinalkanalstenose 347, 348 – degenerative 348 – lumbale 347 Spinalnerven 279 Spin-Echo-Sequenz 42 Spiralen, Embolisation 817 Spiralfraktur 1095, 1126 Spirometrie 552 Splenektomie 888 Splenom 906 Splenoportographie 763 Split-Bolus-Technik 1008 Split-Chord-Malformation 288 Split-liver-Verfahren 808 Split-Notochordis-Syndrom 287 Splitterfraktur 1100 Spondylarthropathie, seronegative 1225 Spondylarthrose 346, 347 Spondylitis 339 – ankylosans 1225–1227 – infektiöse 1238, 1239 – psoriatica 1229 – tuberculosa 1241 Spondylodiszitis 226, 339, 342, 1238, 1239 – bakterielle 339–342 – tuberkulöse 343 Spondylolisthesis 345 Spondylolyse 277, 278 Spondylophyten 1241 Spondylose 345 Spondylosis – deformans 1241, 1242 – hyperostotica 1183 Spontanfraktur 1094 Sprue, einheimische 963, 964 Sprunggelenk, oberes – Bandverletzungen 1264 – Sehnenverletzungen 1265 Sprunggelenkluxation 1129 Sprunggelenksfraktur 1125, 1126 Spulwurm 849 Stabdosimeter 9, 10 Stammganglienblutung 129 Stanzbiopsie, sonographisch gesteuerte 643, 668 Stapes 362
Stapesprothese, dislozierte 369, 370 Staphylom 435 Status asthmaticus 516 Stauchungsfraktur 1095 Steal-Phänomen 111, 705 Steatosis hepatica 771, 772 Stein-Leventhal-Syndrom 1077 Steißbein 275 Stenose, neuroforaminale 349 Stent – ballonexpandierender 745 – gecoverter 746 – selbstexpandierender 745 Stentgraft 746, 752 Stentimplantation 742, 745 Stent-PTA 745, 746 Stent-Shunt, transjugulärer intrahepatischer portosystemischer 808 Stepperfuß 1098 Stierkopfzeichen 1230 Stirnhornform 87 STIR-Sequenz 43 Stoffwechselerkrankungen, ZNS-Befall 248–258 Straddle-Fraktur 1118 Strahlenbelastung, Röntgen 16 Strahlenhepatitis 776 Strahlenleukenzephalitis 261, 262 Strahlenösophagitis 930, 931 Strahlenschäden 12 – akute 14 – chronische 14 – genetische 12 – lokale 14, 15 – Organe 14, 15 – Reparaturmechanismen 13, 14 – Zellbestandteile 13 – Zelle 12, 13 Strahlenschutz 16–19 Strahlenschutzbeauftragter 16 Strahlenschutzbereiche 17, 18 Strahlensyndrom, akutes 14 Strahlenwirkung 12–15 Strahlenzystitis 1043 Strahlung – elektromagnetische 4 – ionisierende 7, 8, 12 – Messung 9 – Nachweis 9, 10 – nicht ionisierende 7, 8 – Wechselwirkung mit Materie 6–8 Strahlungsbelastung 16 Strahlungsdetektor 9 Streptokinase 747, 748 Stressechokardiographie 686, 705 Streustrahlung 8, 22 Streuung, klassische 7 string sign 962 Stromatumoren 1075 – gastrointestinale 7 GIST Strumaknoten, verkalkter 596 Struvitstein 1048 Stückfraktur 1095 Stufenleiterphänomen 1223 Sturge-Weber-Syndrom 101, 102, 1219 Subarachnoidalblutung 115–118, 120
– traumatische 211, 212 Subarachnoidalraum 279 Subduralhämatom 202, 203, 206–209, 216 – chronisches 208 Subklavia-Herz-Linie 495 Subtraktionsangiographie, digitale 24, 25 – Gefäße 720 – intraarterielle 47, 721, 722, 730 – Leber 763 – Nasennebenhöhlen 399 – Niere 732, 1011 Sudeck-Dystrophie 1097 suicidal jumper’s fracture 1118 sunburst 843 Supraspinatussehne, Ruptur 1244 Sustentaculumfraktur 1127 Suszeptibilitätsartefakte 832 Swyer-James-McLeod-Syndrom 551 Syndesmosenruptur 1264, 1265 Synovialzyste 347 Synovitis 451 Syringohydromyelie 338 Syringomyelie 300, 304, 1236 Syrinx 300 – nichtneoplastische 304 systemischer Lupus erythematodes 561, 1231, 1232 Szintigraphie – Herz 687, 688 – Nebennieren 997 Szintillationsdetektor 9, 10
T T1-Relaxation 38, 39 T2-Gewichtung 39, 43 T2-Relaxation 38, 39 Tabes dorsalis 229, 1235 TACE 7 Chemoembolisation, transarterielle Takayasu-Arteriitis 135, 731, 732 Talusfraktur 1127, 1128 Talusnekrose, avaskuläre 1129 Tangentenzeichen 1245 Target-Läsion 800 Tarlov-Zyste 279, 280 Taurodontismus 449 Tear-drop-Fraktur 332, 335, 1102, 1104 Teetassenphänomen 623 Teilchenstrahlung 4 Teilvolumeneffekt 32 Teleangiektasie 1231 – hereditäre hämorrhagische 733, 771 – kapilläre 102, 106, 107 Temporallamppen 73 Temporomandibulargelenk 7 Kiefergelenk Tendinose – Ellenbogen 1251 – Peronealsehne 1267 – Schulter 1243, 1244 Tendovaginitis, Peronealsehne 1267
1293 Stichwortverzeichnis
Tennisellenbogen 1251, 1252 Tentorium, Einriss 207 Teratoidtumor 171 Teratom 1077, 1078 – atypisches 155 – intrakranielles 177 – Ovar 1077 – Pinealisregion 181 – sakrokokzygeales 287, 322 – zystisches 1075 Territorialinfarkt 123 Terry-Thomas-Zeichen 1114 Tethered-cord-Syndrom 289 THAD 765 Thalassämie 894 – Knochenveränderungen 1213, 1214 – Osteoporose 1193 Theka-Lutein-Zyste 1074 Thermoablation 820–822 Thermolumineszenzdetektor 9, 10 Thermotherapie, laserindizierte 815, 822–825, 609 Thibierge-Weissenbach-Syndrom 562, 1332 Thoracic-Outlet-Syndrom 735, 736, 749 Thorax – 7 a. Lunge – Anatomie 491–503 – Bildgebung 688–691 – Computertomographie 506, 507, 524 – Fissuren 497 – kindlicher 497 – Magnetresonanztomographie 503, 507 – Perfusionsszintigraphie 507 – Positronenemissionstomographie 508 – Projektionsradiographie 503 – Röntgenleitbefunde 508, 509 – Sonographie 503, 506 – Ventilationsszintigraphie 507 Thoraxdeformitäten 524, 525 Thoraxdurchleuchtung 506 Thoraxübersichtsaufnahme 503, 504 Thrombektomie 748 Thrombencephalon 82 Thrombendarteriektomie 729 Thrombolyse 126, 729, 746–750 – arterielle 126 – Durchführung 748 – Indikationen 747 – intravenöse 126 – Kontraindikationen 747 Thrombolytika 747, 748 Thrombozytenaggregationshemmer 750 thumb printing 973 Thymom 597 Thymuszyste 597 thyreotoxische Krise 722 Tibiakopffraktur 1122, 1123 Tibialis-posterior-Sehne 1266 Tibiaplateaufraktur 1122, 1123 Tibiaschaftfraktur 1124
Tietze-Syndrom 603 Tiffeneau-Wert 552 Tigerauge 254 tight Filum terminale 289 Tilleaux-Fraktur 1126 Tinnitis 373 Tinnitus – Diagnostik 382 – pulsatiler 377 – venöser 380 TIPSS 809 Tissue-Doppler 54 toddlers fracture 1095, 1096 Tolosa-Hunt-Syndrom 431 Tongue-type-Fraktur 1127 Tonnenwirbel 1208, 1227 Tonsillenraum 386 Tophusstachel 1232 Tornwaldt-Zyste 392 Torus-Fraktur 1095 Totalkapazität 552 Touraine-Solente-Golé-Syndrom 1181 Toxocara-canis-Infektion 431, 433 Toxoplasmose, ZNS-Befall 230, 231, 239 TPCE 603, 604 Trachea – Anatomie 491–493 – Bildgebung 509 – Stenose 529 Trachealagenesie 529 Trachealtumoren 598 Tracheobronchomalazie 529 Tractus – opticus 66, 418 – spinothalamicus 280 Traktionsdivertikel 939, 943, 970 Traktionsosteophyten 1242 Trambahnzeichen, doppeltes 1227 Tränendrüsenläsion 439 Tränendrüsensystem 417, 418 Tränendrüsentumoren 439 Tränengangsstenose 405 Tränentropfenfraktur 1103 Transformation, kavernöse 768 transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Stent-Shunt 808 Transplantatpankreatitis 898 Transposition, der großen Arterien 702, 703 Trap-door-Zeichen 1173 Trauma, mesenteriales 985 Tree-in-bud-Zeichen 524 Trichterbrust 524 Trikuspidalatresie 691 Trikuspidalfehler 696 Trikuspidalinsuffizienz 698 Trikuspidalstenose 698 tripod fracture 1102 Trophoblastenerkrankung, schwangerschaftsbedingte 1073, 1074 Trough-line-Zeichen 1109 Trümmerfraktur 1122 Truncus – brachiocephalicus, Aneurysma 497
– hepatomesentericus 765 – tibiofibularis, Stenose 743 Tuberkulose 343, 538–541 – Klinik 539, 540 – Leberbefall 779, 780 – Niere 1029, 1030 – offene 540 – parenchymale 225 – postprimäre 540 – primäre 539, 540 – Skelettbefall 1240, 1241 – Therapie 540, 541 – Ureter 1038 – ZNS-Befall 225–228 Tuboovarialabszess 1075, 1079 TUBS 1246 Tumoreinblutung, zerebrale 130 Tumoren – braune 1197 – dysembryoblastischer neuroepitheliale 171, 172 – extramedulläre extradurale spinale 315–327 – extraspinale, spinale Beteiligung 328, 329 – intradurale extramedulläre 308–312 – intrakranielle 7 Hirntumoren – intramedulläre 302–308 – neuronale 166, 167 – primitive neuroektodermale 170 – spinale 301–329 Tumortherapie, lokale 48 Turcot-Syndrom 978, 979
U Übergangszellkarzinom 1024, 1037, 1044 Überwachungsbereich, betrieblicher 17 Ulcus – duodeni 961 – ventriculi 960 Ulkuskragen 960 Ulnafraktur – distale 1113 – proximale 1119 Ultraschall 7 Sonographie Unhappy Triad 1253 Unterarmfraktur – distale 1113 – proximale 1119 Unterarmschaftfraktur 1112 Unterkiefer – Computertomographie 447 – Magnetresonanztomographie 447 – Myxom 450, 453 – ossifizierendes Fibrom 451 – Osteoblastom 451 – Osteochondrom 451 – Osteom 451 – Röntgendiagnostik 447 – Tumoren 450–454 – Zyste 451 Unterkieferfraktur 1102, 1103, 1124
S–V
– proximale 1122, 1123 – distale 1124 Upside-down-stomach 930 Urachusfehlbildungen 1042 Urachuszyste 1042 Uratstein 1048 Ureter 1033–1036 – Adenokarzinom 1037 – Agenesie 1012 – Aplasie 1012 – idiopathisch erweiterter 1035, 1036 – Obstruktion 1006 – – akute 1034 – – chronische 1034, 1035 – Plattenepithelkarzinom 1037 – Pseudoobstruktion 1006 – Schistosomiasis 1038 – Trauma 1039, 1040 – Tuberkulose 1046 – Tumoren 1037, 1038 Ureteritis cystica 1038 Ureterozele 1012 Urethrographie 1007 Urokinase 747, 748 Uterus – Adenomyose 1067, 1068 – Agenesie 1064 – Anatomie 1062 – bicornis 1065 – Computertomographie 1063, 1064 – didelphys 1064 – Hypoplasie 1064 – Leiomyom 1065, 1066, 1068 – Leiomyosarkom 1071 – Magnetresonanztomographie 1064 – septus 1065 – Sonographie 1063 – subseptus 1066 – unicornis 1064 Uterusanomalien 1064, 1065 Uterus-Arterien-Embolisation 1067, 1086–1097 – Durchführung 1086, 1087 – Indikationen 1089 – Komplikationen 1088, 1089 – Kontraindikationen 1089 Uterusmyom 1066, 1067 Utriculus 362 Uvea, malignes Melanom 433
V VACTERL-Assoziatin 918 Vagina 1082–1084 Vaginalagenesie 1082 Vaginalkarzinom 1083, 1084 Vaginalzyste, angeborene 1082 Vakuumbiopsie, stereotaktische 668–671 Vakuumphänomen 1241 Valsalva-Manöver, modifiziertes 937, 938 Varizella-Zoster-Infektion 135, 232–234
1294
Stichwortverzeichnis
Varizen, orbitale 426 Vascular-Tracing 24 Vaskulitis 559–561, 731–733 – Kindesalter 134 – ZNS 144 Vaskulopathie, ZNS 135 Vasospasmus 118, 119 VATER-Assoziation 918 Vau-profil-Aufnahme 1259 Vena – azygos 492 – cava inferior 759 – hepatica 759 – interna cerebri 81 – jugularis, Thrombose 392, 476 – lienalis 718 – magna cerebri 80 – mesenterica 718 – retrotonsillaris, Thrombophlebitis 390 Vena-Galeni-Anomalie 102–105 Venographie 764 – Leber 769 Ventilationsstörung 507 Ventilationsszintigraphie 507 Ventrikelseptumdefekt 700 Ventrikelsystem 73, 74 Ventrikulitis 224 Vernichtungsstrahlung 5 Verschlusskrankheit, periphere arterielle 727–729 Verstärkerfolie 23 Vertebra plana 320, 1217 Vertebroplastie 355–358 Vestibularis-Schwannom 99 Vestibulum 362 Vierhügelplattentumor 271 VIPom 891 Virchow-Robin-Raum 259 Vitalkapazität 552 Vitamin-A-Mangel 1200 Vitamin-C-Mangel 1200 Vitamin-D-Mangel 1194 Vitien 7 Herzfehler Vogelschnabelkonfiguration 991 Vogt-Koyanage-Harada-Syndrom 435 Volvulus 956, 990 Von-Hippel-Lindau-Syndrom 569, 878, 884, 889, 890 Von-Meyenburg-Komplex 777, 835 Voorhoeve-Krankheit 1180 Vorderhirn 82 Vorfußfraktur 1129, 1130 Vorhofdilatation 690 – linke 692 Vorhofseptumdefekt 700, 701, 703 Vorsättigung 39 Vulva 1082–1084 Vulvakarzinom 1083, 1084
Waller-Degeneration 262, 263 Warthin-Tumor 461 Wasserkalorimeter 9 Webs 920, 926, 932 Wedge-Venographie 763 Wegener-Granulomatose 479, 727, 731 – Orbitabeteiligung 436, 437 Weichteilemphysem 602, 603 Weichteiltophi 1232 Weill-Marchesani-Syndrom 421, 436 Wellenlänge 4 Wellenstrahlung 4 Wermer-Syndrom 889, 978, 979 Wernicke-Syndrom 261 Westermarkzeichen 586 Whipple-Trias 891 Wilms-Tumor 1023 Winterstein-Fraktur 1114 Wirbelhämangiom 316 Wirbelkörper 276 – Bildgebung 283, 1186 – Scalloping 309 Wirbelkörperdeformierung 1187 Wirbelkörperfraktur 356, 592, 1187, 1188 Wirbelkörperhämangiom 1166 Wirbelsäule – Anatomie 274 – aseptische Entzündungen 343, 344 – Bandstrukturen 277 – Bewegungen 277 – Bildgebung 282–284 – degenerative Erkrankungen 344–354 – Embryonalentwicklung 276 – Fehlbildungen 277 – Osteochondrose 345, 346 – Schussverletzungen 339, 340 – Stabilität 1104, 1105 – Verletzungen 329–339, 1103–1107 – – Klassifikation 1103, 1104 Wirbelsäulenmetastasen 1186 Wotans-Fluch-Syndrom 694 Wulstfraktur 1095 Wurstfinger 1228 Wurstzehe 1228, 1229 Wurzelblockade 358 Wurzelschmerz 303 Wurzeltaschenzyste 279, 280
W
Z
Wabenlunge 561, 562 Wagstaffe-Fraktur 1126 Waldeyer-Faszie 958 Walker-Warburg-Syndrom 89
Zähne – Dystopie 448, 449 – entzündliche Prozesse 449, 450 – flottierende 1214
X Xanthoastrozytom, pleomorphes 164 Xanthofibrom 1159 Xerostomie 931
– Missbildungen 448, 449 – Röntgendiagnostik 446, 447 Zahnfilm 446, 447 – apikale Projektion 446 – limbale Projektion 446 Zahnüberzahl 449 Zahnunterzahl 449 Zäliakographie 763 Zanca-Syndorm 978, 979 Zellulitis – orbitale, postseptale 438 – präseptale 438 Zellweger-Syndrom 251 Zementom 451 Zenker-Divertikel 600, 934, 937–939, 941 Zenker-Pouch 926, 938 Zephalhämatom 201, 202 Zephalozele 84 – atretische 85 – okzipitale 84 – parietale 84 Zerebritis 220 Zerfall, radioaktiver 5 Zerfallsgesetz 6 zervikale intraepitheliale Nepolasie 1069 Zervixkarzinom 1069–1071 – Einteilung 1072 Zirrhose – 7 a. Leberzirrhose – primär biliäre 773, 775 ZNS-Infektionen 218–247 – bei Immunsupprimierten 225–237 – parasitäre 239 ZNS-Lymphom 235 Zöliakie 963, 964 Zollinger-Ellison-Syndrom 891 Zuckerhutzeichen 1231 Zungengrund 474 Zungengrundkarzinom 469 Zungengrundtumor 467 Zungenkarzinom 469, 470 Zwerchfell – Anatomie 496, 497 – Bildgebung 510 – Buckelung 497 – Hochstand 496, 510 – Tiefstand 510 Zwerchfellfurchen 764 Zwerchfellhernie 594 Zwerchfellruptur 593, 594, 985 Zyklopie 92 Zystadenokarzinom 1075 – muzinöses 882 Zystadenolymphom 461 Zystadenom 1075 Zystadenom, biliäres 856 Zystadenom – muzinöses 882 – seröses 883 Zyste – bronchogene 525, 526, 920, 921 – dorsal enterische 290 – enterogene 290 – perikardiale 598 – spinale arachnoidale 314, 315
Zyste-in-der-Zyste 782, 783 Zysteinstein 1048 Zystenleber 777 Zystitis 1043, 1044 – akute bakterielle 1043 – emphysematöse 1043 – eosinophile 1043 – interstitielle 1044 Zystizerkose 239 Zystographie 1040 Zystoskopie, virtuelle 1041, 1047 Zytomegalie-Virusinfektion 234