R. P. Mielke
Band 5
Die Bomben des Verräters Die
gefiederten
plündern
im
Orathonen
Aber sie sind in den Händen d...
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R. P. Mielke
Band 5
Die Bomben des Verräters Die
gefiederten
plündern
im
Orathonen
Aber sie sind in den Händen des
schicksalhaften
exzentrischen Herrschers über
Sommer des Jahres 1992 die
Afrika,
Erde, um sich die notwendigen
Evariste Kalunde. Wird es Corda
Vorräte für die Entscheidungs-
gelingen, die einzige Waffe, die
schlacht mit den Laktonen zu
die
verschaffen. Zentren der Plün-
verräterischen Tyrannen abzuja-
derung
sind
gen? Wird er nicht auf seiner
tischen
Transmitter,
die
fünf
gigan-
Erde
den
noch
Händen
hat,
von
diesem
wie
Suche nach den Bomben in eine
riesenhafte Spinnen auf der Erde
der vielen Fallen laufen, die die
kauern und alles an sich reißen,
Orathonen ihm gestellt haben?
was die Flotte benötigt. Noch nie
Cordas Todesurteil ist bereits
war es den Laktonen oder einem
gesprochen. Er weiß es, aber er
anderen Volk möglich gewesen,
hat trotzdem nur ein Ziel vor
einen Transmitter zu zerstören.
Augen: „Die Bomben des Verrä-
Dennoch, Rex Corda nimmt den
ters." Lesen Sie hier, wie Rex
Kampf auch dagegen auf. Mit
Corda und seine todesmutigen
dem Terra-Jet sucht er nach den
Verbündeten kämpften, als das
Atombomben der Afrikaner. Die
Schicksal der Erde bereits an
Bomben sind die einzige Waffe,
einem seidenen Faden hing und
die
nur
man
gegen
die
in
die
Super-
transmitter anwenden kann.
noch
durch
ein
Wunder
gerettet werden konnte.
Die wichtigsten Personen: Rex Corda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Senator der Vereinigten Staaten John Haick, Oberst Polley . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . seine Freunde Ga-Venga . . . . . . . . . . . . . . . Sprachgenie im Dienste der Laktonen Evariste Kalunde . . . . . . . . . . exzentrischer Herrscher über Afrika Ugaila Nkonde . . . . . . . . . . . . . . abtrünniger Leibwächter Kalundes
Er sprang auf den Fremden zu. Die Glutnadel aus dem Strahler des Orathonen streifte seinen Umformrock. Dann krachte die schwere Faust des Negers in das breite Gesicht des Featherhead. Major Nkonde fühlte den Schlag bis ins Schultergelenk. Der Orathone wich zurück. Major Nkonde schlug mit der Linken nach. Er traf das Handgelenk des Orathonen mit der Wucht eines Dampfhammers. Der Strahler wirbelte durch die geschlossenen Scheiben des Doppelfensters. Ein Scherbenregen zersplitterte auf dem Teppich. Mit der Präzision eines ausgebildeten Einzelkämpfers wich Nkonde den ungestümen Schlägen des Orathonen aus. Er unterlief den stämmigen Featherhead, sprang zur Couch, griff unter ein Kissen und zog eine glänzende Kohlensäurepistole hervor. Er drückte eine Kugel zwischen den Sprenglader und schob ihn zurück. In diesem Augenblick traf ihn der Orathone. Major Nkonde flog herum. Der zweite Schlag des Featherheads nagelte ihn auf den Boden. Verzweifelt schnappte Major Nkonde nach Luft. Er rollte sich ab. Eine Schmerzwelle raste zwischen seinen Schulterblättern. Sie breitete sich sternförmig über seinen Rücken aus. Major Nkonde riß den Abzug durch. Zischend jagte die Kugel aus dem Lauf. Der Orathone warf die Arme zurück. Er taumelte. Das Pfeilgift der Kugel wirkte schnell. Major Ugaila Nkonde stöhnte gequält auf. Wie war der Fremde nur in seine Wohnung gekommen? Warum hatte er angegriffen? Major Nkonde fand keine Antwort auf diese Fragen. Die Pistole entglitt seinen Fingern. Dann schlug er mit dem Kopf dumpf auf den Boden *
Der orathonische Diskus jagte über den Lukuga-Fall. Der Abfluß des siebenhundert Meter über dem Meeresspiegel liegenden Tanganjikasees schimmerte mattsilbern im satten Grün des zentralafrikanischen Dschungels. An der Mündung des Niemba bog der Diskus nach Nordwesten ab. Er ging tiefer. In der Ferne glitten die Mugila Mountains schemenhaft vorüber. Mit einem Male erschien auf den Holografenschirmen im Inneren des Diskus die schwach glänzende Fläche des Tanganjikasees. „Achtung!" rief der knabenhafte Kynother Ga-Venga plötzlich. Er deutete auf die Masseorter. Sie schlugen an. Die Männer an Bord des Diskus folgten mit ihren Blicken dem ausgestreckten Arm des laktonischen Dolmetschers. Ihre Mission war nicht mehr geheim. Man hatte sie entdeckt, eine Rakete war auf sie gerichtet! „Und das kurz vor dem Ziel!" seufzte Senator Corda. Mit seinen kristallklaren Augen blickte er zu Percip. Der Laktone hatte die Steuerung des eroberten orathonischen Diskus übernommen. „Wollen wir einen Treffer riskieren?" brummte Oberst Polley. Rex Corda schüttelte den Kopf. „Eine TANGA III", erklärte er schnell, „bei fünfzig Meter Abstand genügt ein kurzer Schlenker mit dem Diskus, um dem Geschoß auszuweichen. . ." „Infrarotanzeige!" rief Polley plötzlich. Die Rakete kam schnell näher. Oberst Polley kaute auf seiner Unterlippe. Auch John Haick strich sich nervös über seine dunklen Haare. Er war der fünfte Mann an Bord des orathonischen Diskus. Sie alle gehörten zum Sonderkommando, das nach den letzten Atombomben der Erde suchen sollte. Nur mit diesen Bomben konnte es gelingen, die Super-Transmitter der Orathonen auszuschalten!
Rex Corda hatte ein feines Lächeln um seine Mundwinkel. Er war vollkommen ruhig. Langsam beugte er sich vor. „Jetzt!" sagte er leise. Percip reagierte sofort. Er riß den Diskus zur Seite. Für eine lange Sekunde starrten die Männer auf die Holo-grafen. Dann atmeten sie erleichtert auf. Die Rakete beschrieb einen weiten Bogen. Doch dann kam sie zurück. Rex Corda grinste. Damit hatte er gerechnet. „Beschleunigen!" „Wie lange wollen Sie das durchhalten?" fragte Ga-Venga. „Bis Albertville." Der erbeutete Orathonen-Diskus mit den drei Terranern und den beiden laktonischen Agenten war in Brazzaville am Kongo gestartet. Bisher hatten die Orathonen keinen Verdacht geschöpft. Die Männer wußten nicht, wo der afrikanische Diktator Randa Evariste Kalunde die A-Bomben versteckt hielt. Trotzdem glaubte Rex daran, daß die Bomben in Zentralafrika versteckt waren. Es gab einfach keine andere Möglichkeit, wenn Kalunde nicht inzwischen einen anderen Platz für seine Bomben gefunden hatte. Percip wich erneut der TANGA III aus. „Mit einer Rakete geht es noch", erklärte er, „aber was geschieht, wenn Kalunde Sperrfeuer schießen läßt?" „Das wird er nicht tun", meinte Rex Corda. „Er hat nicht die nötige Anzahl von Raketen. Seine Bestände haben ziemlich abgenommen, als er von Kairo aus die Orathonen angriff." Die TANGA III holte auf. Der Diskus schoß am Westufer des Tanganjikasees entlang. John Haick schüttelte besorgt den Kopf. „Luftsafari mit Hindernissen", murmelte er. „Nervös?" fragte Corda. „Nein, aber auch nicht lebensmüde!" „Ätzer!" rief Oberst Polley plötzlich.
Wie elektrisiert fuhren die Männer zusammen. Oberst Polley deutete auf die Bildschirme. Dann sahen sie die Ätzer. „Auch das noch!" brummte John Haick. „Jetzt müssen wir so schnell wie möglich runter!" Oberst Polley stieß einen waschechten Westpoint-Fluch aus. Vor dem Diskus ragte ein kahles Felsmassiv auf. Die TANGA III folgte ihnen noch immer. Aber gefährlicher war im Augenblick der Ätzer. Der Ätzer gehörte zu den Hilfsvölkern der Featherheads. Mit seiner Körpersäure konnte das teppichartige Wesen eine tödliche Gefahr für die Männer im Diskus darstellen. Sie mußten so schnell wie möglich landen! „Runter, Percip!" keuchte Rex Corda. „Schnell!" * Ächzend schleppte Major Ugalla Nkonde den toten Featherhead aus dem Haus. Noch immer wußte er nicht, warum ihn der Orathone in seinem Pfahlbau am Ufer des Sees besucht hatte. Aber er hatte bereits seine Theorie: Wenn der Featherhead nicht im Auftrag von Randa Evariste Kalunde gekommen war, dann konnte es sich nur um das Versteck der A-Bomben handeln! Major Ugalla Nkonde war Chef der Leibwache des afrikanischen Diktators. In dieser Eigenschaft hätte er das Versteck der Bomben kennen müssen. Wenn die Orathonen sich daran erinnerten, mußten sie notgedrungen auf ihn verfallen. Ein grausames Lächeln spielte um die Mundwinkel des Hamiten. Er haßte die Fremden. Sie waren plötzlich und unerwartet aus den Tiefen der Milchstraße über die Erde hergefallen. Sie
hatten die Erde besetzt, Kairo, Washington und andere Städte zerstört gnadenlos und ohne Rücksicht. Major Ugalla Nkonde faßte den schweren grünhäutigen Orathonen an den Oberarmen und schleifte ihn auf die Felswand zu. Hier gab es Höhlen, die nur er kannte. Trotzdem mußte er sich beeilen. Er blickte zum Himmel. Ein Diskus jagte über ihm nach Norden. Dicht hinter dem Flugkörper der Orathonen jagte pfeifend eine TANGA III. Dann entdeckte Major Nkonde den Ätzer. Major Nkonde begann zu laufen. Ihm waren die Ätzer bekannt. Er wußte, wie die Säure wirkte. Er schleifte den toten Orathonen mit sich. Feine Schweißperlen traten auf seine Stirn. Er keuchte vor Anstrengung. Er erreichte das Dunkel einer Höhle. Die schützenden Felsen nahmen ihn auf. Er ließ den Orathonen fallen. Schwer atmend richtete er sich auf. Dann jagte ein eisiger Schreck durch seinen Körper: der Sonnengleiter! Die Spur war nicht zu übersehen. Wenn die Orathonen Verdacht schöpften, mußten sie ihn hier finden. Er drehte sich um. Hell schimmerte der Eingang der Höhle. Major Nkonde zögerte eine Sekunde. Er dachte an seine Frau. Schon lange wollte der Diktator sie haben. Deshalb hatte Major Nkonde Rosa nach Brazzaville geschickt. Albertville, die provisorische Hauptstadt Afrikas, war ihm nicht sicher genug. Ständig kreisten die Raumer der Orathonen über Afrika. Sie suchten die letzten Atombomben der Erde. Nkonde wußte, daß die Featherheads auch den Diktator in die Zange genommen hatten. Bisher schwieg Kalunde. Aber wie lange? Er trat aus der Höhle. Fast augenblicklich zog er den Kopf zurück. Der Ätzer jagte dicht über ihm an der Fels-
wand entlang. Das tiefe Brummen in der heißen Luft verstärkte sich. Major Nkonde beugte sich vor. Dann sah er den orathonischen Diskus. Normalerweise hätte er jetzt aufgeben müssen. Aber irgend etwas störte ihn an den Bewegungen des Raumers. Er blickte nochmals nach draußen. Der Diskus flog einen unmöglichen Kurs. Er raste auf den Tanganjikasee zu. Major Nkonde öffnete den Mund. Er wollte schreien. Aber er wußte, daß es sinnlos war. Der Diskus stürzte ab. * „Jetzt haben die Grünen begriffen", lachte Oberst Polley grimmig. Er klammerte sich an den Armlehnen seiner Sitzschale fest. „Sie haben uns geortet", nickte Percip. „Die Ätzer folgen den Funkimpulsen, die irgendwo dort unten gesendet werden. Die Federköpfe sind eben überall!" „Sie haben die Erde in der Hand", fauchte John Haick wütend. Er blickte zu Rex Corda. Der junge Senator der Vereinigten Staaten von Amerika zeigte nicht, was er in diesem Augenblick fühlte. Er ließ sich nicht anmerken, wie sehr es ihn traf, daß die geheime Mission kurz vor dem Ziel aufgeflogen war. „Wir müssen in den See! Das ist die einzige Chance, die wir noch haben!" „Und die Rakete?" fragte der Laktone Percip. „Tun Sie, was ich Ihnen sage! Ich kenne die irdischen Waffen besser als Sie!" Der Laktone warf Senator Corda einen kurzen Blick zu. Er hatte die Kraftprobe nach dem Start in Brazzaville noch nicht vergessen. Als laktonischer Agent fürchtete er sich nicht vor Corda, aber er akzeptierte den Umstand, daß
Corda eine unheimliche Macht hatte, gegen die weder Orathonen noch Laktonen etwas unternehmen konnten. Rex Corda besaß die Fähigkeit, Gefühle bei anderen Menschen steuern zu können. Percip drückte gegen die Kontrollhebel. Der Diskus verlor an Höhe. Gleichzeitig dachte Percip an Cordas Talent. Es war noch unkontrolliert und trat nur gelegentlich auf. Corda hatte noch nicht gelernt, seine Begabung zielstrebig und sicher einzusetzen. Noch verließ er sich hauptsächlich auf seinen Verstand, weil ihm sein Talent zu fremd und unheimlich war. Percip fügte sich. Vorübergehend! Der Ätzer war bereits bedenklich nahe. Auch die TANGA III bildete jetzt eine ernste Gefahr. Percip riß den Diskus über eine Bergkuppe. Er ließ ihn sofort wieder absacken. Die Wasserfläche kam rasend schnell auf sie zu. Zehn Kilometer südlich von Albertville klatschte der Diskus auf die Oberfläche des Tanganjikasees. Er tauchte fünf Meter ein, kam wieder hoch, schlidderte wie ein hüpfender Stein über die flachen Wellen und versank. Sekunden später bog der Ätzer ab. Er hatte sein Opfer verloren. Die TANGA III detonierte mit einem gräßlichen Krachen beim Aufschlag auf die Wasseroberfläche. Eine sechzig Meter hohe Wasserfontaine schoß kerzengerade in die flimmernde Hitze, teilte sich und brach in sich zusammen. Der Donner der Explosion hallte über den See und brach sich an den kahlen Felswänden am Westufer. Dann wurde es ruhig über der Aufschlagstelle. * Major Ugalla Nkonde starrte auf die Wassersäule. Dann rannte er zu seinem Sonnengleiter. Er schwang sich in die Sitzschale hinter dem Steuerhorn. So schnell wie möglich startete er.
Da entdeckte er direkt über Albertville den Hantel-Raumer. Das Kriegsschiff der Orathonen hing bewegungslos über der Stadt. Seit der Explosion waren kaum drei Minuten vergangen. Immer deutlicher spürte Nkonde, daß hier etwas nicht stimmte. Dann wußte er plötzlich, was es war. Randa Evariste Kalunde mußte sich mit den Orathonen verbündet haben! Suchend ließ Nkonde seinen Sonnengleiter über der vermutlichen Absturzstelle des Diskus schweben. Er justierte die Radarhörner. Warum hatte Kalunde eine TANGA III abgefeuert, wenn der abgestürzte Diskus den Orathonen gehörte? Kalunde mußte doch damit rechnen, daß die Featherheads nicht so mit sich umspringen ließen! Major Ugalla Nkonde stieß die Luft zwischen seinen aufgeworfenen Lippen hindurch. Die Steine des Mosaiks paßten nicht zusammen. Er schätzte die Entfernung zum Ufer ab. Dann hatte er plötzlich ein Ortungssignal. Er ließ den Sonnengleiter absakken. Das flache, kastenförmige Fahrzeug landete hart. Diesmal paßte er auf. Er verbarg den Sonnengleiter vor den Blicken neugieriger Orathonen in einem Felseinschnitt. Schnell sprang er aus dem Schalensitz. Er rannte zum Ufer. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis sich Major Ugalla Nkonde bis auf die Hosen entkleidet hatte. Er warf sich in das grünliche Wasser und schwamm auf die Absturzstelle zu. Immer wieder wandte er den Kopf und blickte auf das Orathonen-Schiff. Es stand unbeweglich über Albertville. Major Nkonde näherte sich dem dunklen Schatten im Wasser. Plötzlich überkam ihn ein seltsames, ungewohntes Gefühl. Er kannte sich selbst nicht mehr. Er konnte nicht verstehen, warum er unbedingt zur Ab-
sturzstelle schwimmen mußte . . . Er wollte umkehren. Er wollte zurückschwimmen, in seinen Gleiter steigen und nach Albertville fliegen. Es war Wahnsinn, was er hier tat! Aber etwas trieb ihn weiter. Gegen seinen eigenen Willen! Er hatte einen Orathonen getötet. Kamen sie jetzt, um ihn zu strafen? Er blickte mit verzerrtem Gesicht zum Hantel-Raumer hinauf. Warum bewegte er sich nicht? Nkonde spürte, wie sich sein Bewußtsein teilte. Er konnte nicht mehr sagen, welcher Bewußtseinsteil seiner wahren Identität entsprach. Er spürte das Fremde in sich. Den Zwang, Handlungen zu begehen, die nicht der Logik entsprachen! Major Ugalla Nkonde hatte Angst! Er tauchte mit dem Kopf ins Wasser. Er wollte Klarheit bekommen. Mit weit geöffneten Augen tauchte er tiefer. Mit grausamer Klarheit erkannte er, daß dieser Augenblick eine Wende in seinem Leben darstellte. Er hatte dem Diktator gedient. Er hatte nur für Kalunde gelebt. Ein Teil seines Wollens war noch immer auf seinen Herrn gerichtet. Dieser Teil war loyal und pflichtbewußt. Aber der andere Teil? Nkonde spürte das Neue in sich. Rote Schleier tanzten vor Nkondes Augen. Die komprimierte Luft stach schmerzhaft in seinen Lungen. Dann war er am Diskus. Er lag schräg auf dem Felsgrund des Sees. Hier war der See fünfzehn Meter tief. Mit den letzten Luftreserven gab sich Major Ugalla Nkonde einen Stoß. Er tauchte auf den Schatten zu. Mit dem Kopf stieß er gegen das Metall. Er schlug wild um sich. Dann saugte ein Strudel ihn an. Nkonde schrie angsterfüllt auf. Alles in ihm wehrte sich - vergebens! *
Der Senator wischte sich den Schweiß von der Stirn. Rex Corda zitterte. Er fühlte sich vollkommen zerschlagen. Aber das Experiment, aus Verzweiflung geboren, hatte geklappt! Er steckte sich eine Zigarette an. Zweimal verlöschte sein Feuerzeug, bis ihm John Haick Feuer gab. „Danke, John!" lächelte Rex Corda und zog den Rauch tief in seine Lungen. Er ignorierte die skeptischen Blicke von Percip, der dieses menschliche Laster noch immer nicht akzeptierte. Dann beugte er sich über den Neger, der mit geschlossenen Augen auf einer Pritsche lag. Der mächtige nackte Brustkorb des Hamiten hob und senkte sich in regelmäßigen Abständen. „Dieser Mann ist Kämpfer in Kalundes Privatarmee", erklärte Corda dem Laktonen. „Sehen Sie sich die Tätowierungen an: ,Jeder Mann im Dienste des Diktators verschreibt sein Leben für alle Zeiten Randa Evariste Kalunde.'" „Woran erkennen Sie das?" fragte Percip erstaunt. „Ich weiß es", sagte Corda schlicht. „Nach einem alten Ritus wird den Männern der Dienstgrad auf den linken Oberarm eintätowiert." Der Senator beugte sich vor. Er zählte die tätowierten Streifen am Arm des Negers. Eine leichte Falte bildete sich auf seiner Stirn. Er kaute auf seiner Unterlippe. Dann lachte er leise. „Da haben wir einen prima Fang gemacht. Dieser Mann kann kein anderer als der Chef von Kalundes Sicherheitsbataillon, Major Ugalla Nkonde, sein." „Alle Achtung", staunte John Haick. „Woher weißt du das?" „Ich sprach in New York mit den afrikanischen UNO-Delegierten. Dabei wurde immer wieder dieser Mann erwähnt. Ohne ihn würde sich Kalunde keinen Tag mehr an der Macht halten. Er ist sozusagen der strafende Arm des
Diktators. Seine erbarmungslos tötende rechte Hand." „Das kann auch nur uns passieren", brummte Oberst Polley wenig begeistert. „Ausgerechnet den Mann, dem wir nicht begegnen durften, haben wir hier hereingeholt." „Achtung - er wacht auf!" Die beiden Laktonen wichen einen Schritt zurück. Sie griffen nach ihren Waffen. Gleichzeitig gellte die Sirene des Masseorters durch die Kabine. Erschreckt fuhren die Männer zusammen. Percip schwang herum. Er starrte auf die Kontrollampen der Elektronik. „Ein Hantel-Raumer über uns!" „Er steht über Albertville", warf der Neger ruhig ein. Die Männer schwangen herum. Sie starrten erstaunt auf den Hamiten. Er war aufgewacht. Sein Blick erfaßte die nähere Umgebung. Er erkannte sofort, daß es nicht die Orathonen waren, die sich im Diskus befanden. Und er erkannte Senator Corda. Major Nkonde kombinierte schnell. Mit einem Schlag war ihm klar, wo er sich befand. „Okay", sagte Corda. „Sie wissen also, wer wir sind. Wissen Sie auch, ob man uns bereits entdeckt hat?" Er sah Nkonde scharf an. Für einen Moment trafen sich die Blicke der beiden Männer. Etwas Prüfendes, Abwägendes lag in ihnen. Dann lächelte Major Nkonde. „Ich glaube, Sie können meine Hilfe gebrauchen, Senator." „Sie kennen mich also." „Nicht nur Sie. Ich weiß außerdem alles über Ihr Unternehmen. Randa Evariste Kalunde besitzt ein ausgezeichnetes Abwehr System. Seine Spione sind überall. Deshalb weiß ich, daß Sie dem Diktator die einzigen vier Atombomben abhandeln wollen, die es auf der Erde noch gibt. " Oberst Polley schnaufte überrascht. „Aber das ist doch. . ." John Haick
brachte ihn mit einer Handbewegung zum Verstummen. Seltsamerweise fügte sich der Oberst sofort. Corda wandte sich wieder an den Neger. „Sie wissen sehr viel, Major." Der Hamite zog die Schultern hoch. Er hatte plötzlich ein gujes Gefühl. Elastisch richtete er sich auf. Er schob sich von der Liege und reichte impulsiv Senator Corda seine schwere große Hand. „Ich weiß nicht, ob Sie meine Hilfe annehmen wollen", sagte er. „Hatten Sie Ärger mit Kalunde?" fragte Corda lächelnd. Nkonde nickte, dann senkte er den Blick. „Ich muß Ihnen eigentlich ein Geständnis machen, Senator. Zwanzig Jahre lang habe ich nur ein Ideal gehabt: Kalunde. Er war für mich Vorbild, Vater und Herr. Ich habe an ihn geglaubt. Können Sie das verstehen?" Corda nickte. „Dann verstehen Sie auch, wie schmerzlich es sein kann, wenn dieses Ideal mit einem Schlag zerstört wird", fuhr Nkonde mit gepreßter Stimme fort. „Ich war viele Jahre lang davon überzeugt, daß wir auf dem richtigen Weg waren. In Kalundes Auftrag habe ich getötet, habe Familien auseinandergerissen, Verhaftungen durchgeführt und überall Furcht und Haß gesät. Ich tat es, weil ich an die Zukunft Afrikas glaubte." Corda reichte Nkonde eine Zigarette. „Sagen Sie, Major", meinte er dann nachdenklich, „warum sprechen Sie so offen mit uns? Was hat Sie zur Änderung Ihrer Einstellung gebracht?" „Kalunde hat einen Fehler gemacht", erklärte Nkonde. „Er wollte mit Gewalt meine Frau haben. Ich konnte mich immer widersetzen. Dann schloß er einen Pakt mit den Featherheads. Ein Orathone kam, mich zu ermorden. Kalunde gab den Featherheads die Zusicherung, voll und ganz für sie zu arbeiten." „Das ist eine ganz neue Taktik",
meinte Ga-Venga. „Bisher haben die Grüngefiederten nur gefordert. Sie hatten es nicht nötig, zu verhandeln." „Sie haben es auch jetzt nicht nötig", erklärte Nkonde. „Aber die Orathonen wissen inzwischen, daß es in Afrika noch Atombomben gibt." „Das war doch kein Grund, auf Bedingungen von Terranern einzugehen", meinte Corda kopfschüttelnd. „Das nicht, aber Sie sind ein Grund, Senator!" „Ich?" „Die Orathonen waren zu selbstsicher und siegesgewohnt. Zum erstenmal spüren sie jetzt eine wirksame Untergrundbewegung. Sie wollen verhindern, daß Sie, Senator, in den Besitz der Bomben gelangen. Wegen der Super-Transmitter . . ." Corda pfiff durch die Zähne. „Für die Super-Transmitter können die A-Bomben also tatsächlich gefährlich werden?" Major Nkonde zuckte die Schulter. „Ich weiß es nicht, aber die Orathonen suchen krampfhaft nach den Bomben. Allerdings an den falschen Stellen." „Und wo suchen sie?" „Sie haben systematisch mit der Suchaktion begonnen. Im Norden und Süden von Afrika kämmen sie jeden Fußbreit Land durch." „Und welche Rolle hat Kalunde dabei zu spielen?" „Noch stellt er sich unwissend. Die Orathonen haben ihm versprochen, ihn zu gegebener Zeit auf einen sicheren Planeten zu bringen. Ich sollte dabei sein und seine Frauen natürlich." „Seltsam", sagte Corda kopfschüttelnd. „Wie kann der Diktator den Featherheads Bedingungen stellen. Das kapiere ich einfach nicht." „Er hat seine Hilfe angeboten. Noch vor einer Woche hätten die Orathonen fordern können. Jetzt sind sie in Zeitdruck. Wenn es ihnen nicht gelingt, die
A-Bomben vor der zu erwartenden Schlacht im Weltall zu bekommen, kann die Übermittlung von Energie ernsthaft in Frage gestellt werden." „Genau das wollen wir ja erreichen", grinste Ga-Venga. „Leider wissen die alten Orathonen das auch. Sie suchen den Terra-Jet wie eine Stecknadel. Sie wissen bereits sehr viel. Kalunde spielt sehr gefährlich. Aber das Risiko nimmt er auf sich. Er will um jeden Preis überleben. Wie er es schafft, ist ihm gleichgültig." „Einen feinen Chef hatten Sie sich da ausgesucht", grinste John Haick. „Kalunde ist nicht mehr mein Chef." Für mehrere Sekunden schwiegen die Männer in der Kabine. Major Nkonde hatte erkannt, daß er sich geirrt hatte. Kalunde war es nicht wert, das Leben für ihn einzusetzen. „Heißt das, Sie sind jetzt auf Seiten der Laktonen", fragte Percip. Der Hamite blickte den Laktonen schweigend an. Sie maßen sich mit ihren Blicken, der Neger und der Fremde aus der Galaxis. „Nein." Interessiert blickte Corda auf den Hamiten. Kein Zweifel, der Mann hatte Mut. „Sie wollen weiter für Kalunde arbeiten?" fragte Rex. „Nein." „Was dann, für die Orathonen etwa?" „Auch das nicht. Ich will für Sie arbeiten, Senator, für die Erde. Nicht für die Orathonen und auch nicht für die Laktonen. Ich will nur für die Freiheit der Erde leben, oder ich werde für die Erde sterben!" „Sie sind und bleiben ein hoffnungsloser Idealist, der die Realitäten verkennt", warf Oberst Polley ein. „Es stimmt, Major", ergänzte Corda. „Sie können nicht als Märtyrer gegen die gegebenen Tatsachen angehen. Was wollen Sie als Einzelgänger tun? Jeden
Orathonen einzeln umbringen?" „Nummer eins ist bereits tot", gab Nkonde zurück. „Das ist ein schlechtes Argument", versuchte Rex Corda ihn zu überzeugen. „Sie könnten es schaffen, ein halbes Dutzend Featherheads zu töten. Aber dann wird man Sie selbst erledigen. Und was haben Sie dadurch erreicht? Nichts!" „Na schön, was schlagen Sie mir also vor?" „Hören Sie zu, Nkonde", sagte Senator Corda. „Wenn es uns nicht gelingt, die Super-Transmitter so schnell wie möglich zu zerstören, ist die Erde verloren. Ich selbst hasse die Gewalt, aber ich muß zugeben, daß wir keine andere Chance haben. Der größte Teil der Menschheit hat bereits aufgegeben." Senator Corda preßte die Lippen zusammen. Dann sprach er weiter: „Sie kennen doch den Satz: Wer aufgibt, hat bereits verloren. Wer sollte für die Existenz der Erde kämpfen, wenn nicht wir als Vertreter der Nationen es tun? Wer, frage ich Sie? Etwa Burschen vom Schlage eines Kalunde?" „Der bestimmt nicht", antwortete Nkonde. „Aber ich habe zu oft sinnlos getötet. Ich kann nicht mehr." „Wenn ich Sie nicht so verdammt gut verstehen würde, Major, hätte ich dieses Gespräch längst abgebrochen", sagte Corda mit einer heftigen Handbewegung. „Aber wir brauchen Sie. Ich garantiere Ihnen und gebe Ihnen mein Wort darauf, daß wir die Freiheit der Erde wollen. Alles, was wir tun, geschieht nur zum Wohl der Menschheit." Major Ugalla Nkonde lächelte. Dann nickte er langsam. Die Worte des Senators hatten ihn überzeugt. „Wir brauchen alle Angaben über Kalunde", sagte Corda, „über Albertville und über die Vereinbarungen mit den Orathonen. Wir müssen wissen, welche Feindkräfte sich in diesem
Raum befinden. Wo wir den Diskus verstecken können, und wie wir die ABomben verladen können." „Mehr nicht?" „Nein", sagte Rex Corda mit einem feinen Lächeln. „Mehr nicht." „Sie sprachen vom Verladen der Bomben. Wissen Sie überhaupt, wo sie sind?" „Wissen Sie es nicht?" „Nein." Corda schwieg. „Das überrascht mich", sagte er dann. „Ich weiß, daß es nicht gerade glaubwürdig klingt. Aber Kalunde ist ein alter Fuchs. Er weiß, daß die Bomben sein Trumpf sind. Er bewahrt das Geheimnis selbst vor seinen engsten Mitarbeitern." „Dann müssen wir die Dinger eben suchen", brummte Haick. „Aber wo? Im Dschungel etwa? Oder am Grunde dieses Sees? Er ist an der tiefsten Stelle 1400 m tief." Schweigend blickten sich die Männer an. Damit hatten sie nicht gerechnet. „Was nun", fragte Oberst Polley. Senator Corda steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen. Das war ein gewaltiger Rückschlag. Sie hatten den Chef der Sicherheitsstaffel von Kalunde an Bord, und selbst der wußte nichts . . . Plötzlich wurde der Diskus angehoben. Die Männer prallten gegen die Verkleidung. Wie von einer Titanenfaust getroffen, schleuderte das Luftfahrzeug zur Seite. Dann gellte das schrille Warnsignal durch die Kabine. Zu spät! Der Diskus legte sich immer mehr auf die Seite. Es krachte und klirrte überall. „Sie greifen an!" schrie John Haick. „Der Hantel-Raumer", brüllte Percip verzweifelt. „Alles raus!" befahl Senator Corda schnell. Die Männer taumelten zur Schleuse. Die gesamte Elektronik des Diskus war zerschmettert worden.
Scherben, bunte Skalenteile und Plastiksplitter knirschten unter den Füßen der Männer. Mit tränenden Augen drängten sie sich an der Schleuse. „Was passiert mit den beiden Orathonen nebenan", fragte Oberst Polley hastig. Auf Cordas Stirn bildete sich eine steile Falte. Er preßte die Lippen zusammen. Dann fuhr er herum und ging zu den Schotts, hinter denen die Gefangenen lagen. Er riß eine der beiden Türen auf. Auf dem Boden lag die starre Gestalt des Featherhead. Die grüne Haut seines Gesichtes hatte sich gelblich gefärbt. Leer starrten die Augen an die Decke. Senator Corda kniete neben ihm nieder. Seine Fingerspitzen berührten die Wangen des toten Feindes. Die Haut war kalt. Corda erhob sich und ging hastig in die Nebenkabine. Es überraschte ihn nicht mehr, daß er den zweiten Orathonen ebenfalls tot vorfand. Mit schleppenden Schritten kehrte er zu seinen Begleitern zurück. Percip, der bullige Agent der laktonischen Flotte, versuchte das innere Schott der Schleuse aufzureißen. Das Metall kreischte unter der Wucht seines Griffs, aber das Schott rührte sich nicht. „Eingeschlossen!" keuchte John Haick verzweifelt. Im gleichen Augenblick detonierte die zweite Bombe außerhalb des Diskus. Wieder hob sich das Raumschiff vom Boden und scharrte über den Grund des Sees. Diesmal aber waren die Männer darauf vorbereitet. Sie suchten sich so schnell wie möglich einen Halt. Trotzdem gab es abermals Schrammen und schmerzhafte Verletzungen. „Das halten wir nicht lange aus", sagte Corda. „Bis zum nächsten Volltreffer bestimmt", sagte Ga-Venga mit einer
Stimme, die spröde und brüchig klang. Senator Corda sah den zwergenhaften Kynother von der Seite her an. GaVenga wischte sich das Blut von einer kleinen Schnittwunde am Kinn. Corda registrierte, daß auch in den Adern dieses Mannes rotes Blut floß. Er nickte Ga-Venga ironisch zu: „Länger bestimmt nicht." Der Kynother grinste. Ein belustigtes, fast vergnügtes Lächeln tänzelte plötzlich über seine schmalen Lippen, während seine Augen mehrfach die Farbe zu wechseln schienen. Sekunden später gefror das Vergnügen in den koboldhaften Zügen, und Ga-Venga krallte seine Finger in den flammendroten Brustkeil seiner sonst schwarzen Kombination. Der dritte Angriff begann. * Randa Evariste Kalunde war trotz seiner 59 Jahre ausgesprochen schlank. Nur sein tiefschwarzes aufgedunsenes Gesicht wollte nicht recht zu seinem Körper passen. Er hatte eine hohe und nervöse Stimme. Kalunde war eitel, egoistisch, leicht erregbar und von sich selbst absolut überzeugt. Nach der Zerstörung Kairos durch die Orathonen bezog Kalunde den Palast des Provinzgouverneurs von Katanga, Rhodesien, Zentral-Kongo und Tanganjika. Kalunde war eine gelungene Mischung aus Medizinmann, Häuptling und Frauenheld. Er hielt sich selbst für einen Helden, war stolz auf seine Hautfarbe und verachtete alle Andersfarbigen. Seit er an der Macht war, galt es als vornehm, eine besonders schwarze Hautfarbe zu haben. Zwei Dinge waren es, die Kalunde zu einem äußerst gefährlichen Gegner machten: seine hemmungslose Machtgier und sein ausgezeichnetes Spionagenetz.
So wußte er zum Beispiel lange vor den Orathonen, daß Senator Corda mit drei laktonischen Agenten auf dem Weg nach Afrika war. Er wußte außerdem, was Corda von ihm wollte. Obwohl ihm die Orathonen befohlen hatten, das Raumschiff abzuschießen, gehorchte Kalunde nur teilweise. Er ordnete an, daß eine langsame TANGA III abgefeuert wurde. Er baute darauf, daß Corda und seine Mannschaft ihr ausweichen konnten. Aber er rechnete nicht damit, daß die Orathonen fast gleichzeitig die mordenden Ätzer auf den gestohlenen Diskus ansetzten. Die Besprechung im Palast des Provinzgouverneurs wurde nach dem Abschuß des Raumschiffes sehr heftig geführt. Kalunde behauptete, alles in seiner Macht Stehende getan zu haben. Der Orathone Seta glaubte ihm kein Wort. „Sie haben bewiesen, daß Sie Verrat üben wollten", sagte Seta kalt. Kalunde schnaubte verächtlich. „Habe ich das nötig? Ich - der Herrscher Afrikas?" „Die Männer im Diskus leben noch." „Wer sagt Ihnen das?" „Die Rakete schlug 200 m südlich der Absturzstelle auf. Sie kann das Raumschiff nicht vernichtet haben." „Stimmt", gab Kalunde hastig zu. „Aber das Suchkommando, das ich ausgeschickt habe, belegt seit dreißig Minuten das betreffende Planquadrat mit Wasserbomben. Da gibt es kein Entkommen." „Dann erklären Sie bitte, warum der Sonnengleiter Ihres Majors Nkonde am Ufer steht? Haben Sie ihn geschickt, um die Männer im Diskus zu befreien?" „Nein! Ist es meine Schuld, wenn Nkonde losfliegt, ohne mir Bescheid zu sagen? Was kann ich dafür, wenn ein Orathone, der zu ihm geschickt wurde, um ihn umzubringen, versagt? Ich wollte Nkonde beseitigen. Im Interesse der
Orathonen . . ." „Sie lügen! Wir sind Ihnen vollkommen gleichgültig! Ihnen geht es nur um die Frau des Majors Nkonde." „Das natürlich auch. Ich gebe es zu, aber Nkonde ist gefährlich. Deshalb sollte er sterben. Ich wollte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Anscheinend war der Chef meiner Leibwache aber etwas zu schnell für einen Orathonen." „ Hüten Sie Ihre Zunge, Kalunde. Sie sind nur ein Wurm für uns. Ein häßlicher kleiner Verräter an der eigenen Rasse." „Ich bin Herr über Afrika!" stieß Kalunde hervor. „Na und? Sie wissen nicht einmal, wo die Atomwaffen sind, die sich in Afrika befinden sollen." „Doch!" Das war Kalundes schwerster Fehler. Er zuckte zusammen, als er es merkte. Trotzdem machte auch der Orathone einen Fehler. Die Nadel aus dem MagnetSmash jagte zu schnell in Kalundes schwarze Haut. Sofort versuchte Seta, das Geschehene wiedergutzumachen. Er stürzte vor. Die Federn auf seinem Kopf sträubten sich, Kalunde wußte, wo die Waffen waren. Aber jetzt nützte dieses Wissen dem Orathonen nichts, weil Kalunde bereits in ein Koma fiel. Er sackte in sich zusammen und nahm sein Wissen mit in die Bewußtlosigkeit. Für die Orathonen war damit der Lagerplatz der A-Bomben weiterhin ein Geheimnis. Aber auch für Senator Corda. * Gurgelnd wich die Atemluft aus dem Schott. Der Diskus war in eine Felsspalte gerutscht. Das Wasser außerhalb des Raumschiffs war aufgewühlt und schmutzig. Aber diese Tatsache rettete der Besatzung des Bootes das Leben.
Der Diskus war an einer Stelle abgestürzt, die vor der Invasion der Orathonen militärisches Sperrgebiet gewesen war. Hier waren nämlich früher Kanister mit Atommüll in Beton gegossen und am Boden, der an dieser Stelle nur dreißig Meter von der Wasseroberfläche entfernt war, verankert worden. Die Explosion der IR-Rakete von Kalunde und das ständige Bombardement der Angreifer lösten einige Kanister aus den Halterungen. „Wir müssen so schnell wie möglich hier weg", keuchte Nkonde atemlos. Dann lachte der stämmige Neger plötzlich. Glänzende Schweißbäche liefen über sein Gesicht. Die anderen Männer sahen nicht besser aus. Sie hockten vor der verklemmten Schleuse und versuchten mit vereinten Kräften, das Schott vollkommen abzubrechen. Aber nur die kostbare Atemluft entwich durch den entstandenen Spalt. Plötzlich und unerwartet sprang die Schleuse mit einem quietschenden Geräusch auf. Ein Schwall schmutzigen Wassers drang in die dunkle Kabine. Die entweichende Luft riß die Männer nach draußen. Der Wasserdruck wirkte wie ein Hammerschlag auf die Trommelfelle. Gewaltsam wurden die Männer nach oben gespült. Sie tauchten mit kleinen Sprüngen an der Wasseroberfläche auf. So schnell wie möglich versuchten sie das Land zu erreichen. Nkonde war der beste Schwimmer. Er erreichte das Ufer als erster und handelte sofort. Mit mächtigen Sprüngen eilte er zu seinem Sonnengleiter. Er hieb auf die Tasten des eingebauten Funkgerätes. Ein Squelsh lag auf den Frequenzen. Nkonde drehte an der Regulierschraube. Drei grüne Lampen glühten auf. „Aufhören!" brüllte der Hamite ins Mikrofon. „Sofort mit dem Blödsinn aufhören! Befehl von Major Nkonde." Der Gleiter in der Luft, der die Was-
serbomben geworfen hatte, stand bewegungslos über der Seeoberfläche. Dann drehte er plötzlich ab. Die Besatzung hatte die Stimme ihres Befehlshabers erkannt. Der Gleiter schoß zum Ufer und senkte sich neben dem weißen Fahrzeug von Major Nkonde in einer rotbraunen Staubwolke nieder. Ein uniformierter schwarzhaariger Neger sprang heraus. Er rannte auf Nkondes Sonnengleiter zu. Nkonde stand breitbeinig vor seinem Fahrzeug. Er stemmte die Fäuste in die Hüften. „Wer hat Euch Idioten befohlen, den See zu bombardieren?" brüllte er. Er starrte seinen Untergebenen wütend an. „Der Führer des Kontinents, Sir", schnarrte der Patrouillenführer automatisch. Alle Soldaten von Kalunde hatten einen einfachen Semibio-Konduktor im Hirn. Nur Nkonde hatte sich dieser Operation nicht unterziehen müssen. Deshalb wußte der Major, daß es keinen Zweck hatte, mit dem Sergeanten zu diskutieren. Kalunde besaß durch die SK-Operation willenlose Soldaten. Sie starben, ohne zu denken und sobald es ihnen befohlen wurde. „Flieg zurück!" sagte Nkonde hart. Er allein wußte, was dann geschah. Wenn die Soldaten den Befehl ausführten, waren sie tot. Major Nkonde blickte dem Soldaten nach. Der Sergeant drehte sich auf den Hacken um. nachdem er salutiert hatte. Wie eine automatisch gesteuerte Maschine stampfte er auf den Kampfgleiter zu. Er stieg ein, dann hob sich das Fahrzeug. In 40 Meter Höhe drehte es nach Norden ab und verschwand. Knapp zwei Minuten später detonierte der Gleiter, als er gegen die Felswand prallte. Aber zu diesem Zeitpunkt war die Besatzung des Gleiters bereits medizi-
nisch tot. Die gegensätzlichen Befehle hatten in ihrem Nervensystem zu einem Kurzschluß geführt, der zum Aussetzen der Herztätigkeit beitrug. „Mußte das sein?" fragte Corda und wischte sich die Tropfen von der Stirn. „Sie waren schon vorher tot, Senator", antwortete Major Nkonde. Er hob die Schultern zu einem kurzen, bedauernden Zucken. Senator Corda war anderer Meinung. Aber er hatte einfach keine Zeit, dem Hamiten seine Einstellung zu erklären. So herzlos es auch klang, sie hatten wichtigere Aufgaben zu erfüllen! Hastig stiegen sie in den Sonnengleiter des Majors. Percip übernahm die Steuerung. Der Gleiter schwankte etwas und erhob sich dann in einer rotbraunen Staubwolke. „Der Hantel-Raumer!" schrie Major Nkonde plötzlich. Percip reagierte blitzschnell. Sofort senkte er den Gleiter. Aber dann heulte auch schon der Antrieb mit voller Leistung auf. In einer steilen Kurve jagte der Sonnengleiter auf einen schmalen Felsspalt zu. Percip riskierte alles. Er fegte dicht über dem Boden dahin. Nur so konnte er den Ortungsgeräten der Featherheads entgehen! Aber dann tauchten dunkle Punkte am Himmel über ihnen auf. Sie teilten sich und schwebten nach unten. „Staras!" rief Corda. Er kannte dieses Hilfsvolk der Orathonen mit amphibischen Eigenschaften. Die Staras schlugen weit hinter ihnen auf. Sie tauchten in den Tanganjikasee. Sofort begannen sie mit der Reparatur des abgestürzten Diskus. „Schnell weg hier!" keuchte John Haick. Es war ihm heiß über den Rükken gelaufen. Der Anblick der Staras rief unangenehme Erinnerungen in ihm wach. *
Merkwürdige Fragmente liefen über die Anzeiger der orathonischen Ortungsgeräte. Für Bruchteile von Sekunden tauchte immer wieder ein Echo auf. „Ein Sonnengleiter!" Orathonische Offiziere an Bord des riesigen HantelRaumers beugten sich aufgeregt über Skalen und Kontrollschirme. Sie verfolgten die Kursbruchstücke des Sonnengleiters. Da kam die Meldung der Staras in der Zentrale an. „Der geortete Diskus ist mit dem in Brazzaville vermißten Raumer identisch. Zwei tote Orathonen befinden sich an Bord." „Sigam Agelon verständigen!" befahl der Kommandant des Hantel-Raumers sofort. „Intensive Verfolgung des Ortungsechos aufnehmen. Der Kurs ist mir zu verdächtig . . ." „Gefahr für die Super-Transmitter?" fragte der Funker. „Noch nicht! Aber wenn die laktonischen Agenten die A-Bomben finden, kann es Ärger für uns geben." „Soll ich Verstärkung anfordern?" Der Featherhead antwortete nicht sofort. In Nord- und Südafrika wurde bereits nach den afrikanischen Bomben gesucht. „Ja. Die Suche muß auf dieses Gebiet konzentriert werden!" * Die schwüle Feuchtigkeit über dem Dschungel färbte das Grün des Laubes graublau. Da brach plötzlich ein weißer Sonnengleiter durch das dichte Laubdach. Er senkte sich schwankend zu Boden. Zwei Meter über einer braunsumpfigen Lache verklemmte er sich zwischen den Brettwurzeln. Hastig wurde die Einstiegluke geöffnet. „Wir können nur mit drei Personen
hinein", sagte Major Nkonde. Senator Corda nickte kurz. Er deutete auf Percip. „Wir beide kommen mit." Gemeinsam sprangen die Männer in den nachgiebigen Morastsee. Sie versanken fast bis zu den Hüften im Schlamm. Insekten, Larven und kleine dickbäuchige Fische schossen nach allen Seiten auseinander. „Passen Sie auf, daß Sie nicht von Kribbelmücken gestochen werden", ermahnte Nkonde. „Sie übertragen Mikrofilarien. Das ist schlimmer als Malaria oder die Schlafkrankheit." Rex Corda nickte verbissen. Er kämpfte sich durch den Schlamm. Immer schwieriger wurde es, das Ufer zu erreichen. Die Männer folgten den Anweisungen von Major Nkonde. Gemeinsam hatten sie einen Plan entwickelt, wie sie ungesehen nach Albertville kommen konnten. Aber dazu brauchten sie den Major. Nur er kannte den Weg. Alle drei Männer schwitzten und keuchten vor Anstrengung. Ihre Kleider waren zerrissen und klebten an den Körpern. Bäche von Schweiß und Feuchtigkeit rannen über die Gesichter. Es war die Hölle. Schließlich erreichten sie etwas festeren Boden. Sie drangen in den Dschungel ein. Nkonde war nach exakt ausgewählten Koordinaten im Urwald gelandet. Sie hatten noch sechzig Meter vor sich. Jeder Meter bedeutete zehn Minuten harte Arbeit. Aber sie mußten es schaffen. Und sie schafften es. Corda zog das tragbare Funkgerät vor die Brust. Schlamm und klebrige Pflanzenmilch hatte einen Schmutzfilm über die Bedienungsknöpfe gelegt. Mit den Fingernägeln kratzte der Senator den Dreck ab. Dann schaltete er das Gerät ein. „Oberst Polley, ich rufe Oberst Polley. Können Sie uns verstehen?" „Ausgezeichnet, Corda, wie kommen Sie voran?"
„Wir müßten es gleich geschafft haben. Was zeigen die Instrumente im Gleiter?" „Bisher kein Ausschlag. Die Orathonen haben uns noch nicht geortet." „Okay, dann fliegen Sie jetzt los. Sie wissen, wo Sie sich aufhalten müssen?" „Das geht in Ordnung. Wann melden Sie sich wieder?" „Wie vereinbart, in neunzig Minuten." „Verstanden!" sagte Oberst Polley. Corda schaltete das Funkgerät aus. In wenigen Minuten würde der Sonnengleiter in eine versteckte Höhle fliegen. Der Neger Nkonde kannte viele Verstecke dieser Art. Rex Corda blickte zum wolkenlosen Himmel. Ihm war nicht wohl in seiner Haut. Die stickige Schwüle kroch heiß unter seine Kombination. Er wußte, daß sie im Augenblick den Orathonen entwischt waren. Aber wie lange? Wieder arbeiteten sich die Männer durch den Dschungel. „Warum habt ihr das so unzugänglich angelegt?" stöhnte Percip. Er litt ebenso wie Corda unter der Hitze. Als Antwort deutete der Neger auf eine kaum sichtbare Erhebung am Boden. Moos, Schlingpflanzen und Sumpfblumen bedeckten den flachen Hügel. „Wir sind am Ziel!" „Liegen dort die Bomben?" fragte Percip. Seine Augen leuchteten. Aber dann schüttelte Major Nkonde den Kopf. „Nein", sagte er. „Das ist nur der Eingang zu Kalundes Escape-System." „Und da sollen wir einsteigen?" fragte Percip skeptisch. Nkonde schlug sich durch ein Gewirr von Lianen. Er erreichte den Hügel zuerst. Mit bloßen Händen schaufelte er den schwarzen Schlamm zur Seite. Eine immer tiefer werdende Höhlung entstand. Schwärme von Mücken kreisten über den Männern.
Die Höhlung füllte sich mit Brackwasser, das dampfend und stinkend aus den Wurzellöchern quoll. Nkonde beugte sich tiefer. Schweiß rann in Strömen über seinen nackten Rücken. Unentwegt arbeitete er. „Sollen wir Sie ablösen?" fragte Rex Corda. Der Neger wischte sich mit seinen schlammverschmierten Armen über das Gesicht. Dann zeigte er seine blendendweißen Zähne und schüttelte den Kopf. Er trat zurück. Der Dschungelboden lebte plötzlich. Corda sprang zur Seite. Er verfing sich in Lianen. Schmatzend bewegte sich der Schlamm vor den Männern. Äste krachten, Wurzeln und Lianen rissen. Zentimeter für Zentimeter hob sich eine quadratische Urwaldfläche an. Von den Rändern tropfte braunes Wasser. Dann sahen die drei Männer chromblitzende Hydraulikstempel. Die geliftete Fläche war zehn mal zehn Meter groß. Die Morastbäche entschwanden in der entstehenden Öffnung. Das Plätschern des Wassers verhallte langsam irgendwo in den Tiefen der Öffnung. Nkonde ging voraus. Er eilte direkt auf eine Aluminiumtreppe zu, deren Geländer große runde Stanzlöcher aufwies. Die Stufen waren mit einer dicken Staubschicht bedeckt. Corda drehte sich noch einmal um. In der Ferne hörte er das Anspringen der Triebwerke des Sonnengleiters. Er lächelte. Oberst Polley, John Haick und Ga-Venga wußten, daß eine weitere Etappe des Himmelfahrtskommandos beendet war. Sie brachten sich in Sicherheit. Wie zwei dunkle Schatten stiegen Corda und Percip hinter Major Nkonde her. Der Schacht war mindestens zwanzig Meter tief. Auf einer Zwischenplattform wartete Nkonde auf die beiden Männer. „Was ist los?" fragte Corda.
„Hier befindet sich das Gleiterdepot", antwortete Nkonde. „Zwei von Kalundes besten Fahrzeugen liegen hinter der Wand. Sie sind durch Permanentmagneten abgeschirmt." Nkonde ging weiter. Corda hielt sich dicht hinter dem Hamiten. Den Abschluß bildete Percip. Aus unsichtbaren Lichtquellen kam immer mehr Helligkeit in den Schacht. Je tiefer, sie gelangten, um so heller wurde es. Die Automatik funktionierte ausgezeichnet. Plötzlich knatterte es aus einer Vielzahl versteckt angebrachter Lautsprecher. Percip zuckte zusammen. Er riß seine Waffe aus dem Gürtel. Corda warf sich augenblicklich zur Seite. Das dröhnende Lachen des Hamiten zeigte ihnen aber, daß es sich um ein harmloses Geräusch handeln mußte. „Wissen Sie nicht, was das ist?" fragte Nkonde. „Nein. Woher auch!" schimpfte Corda. „Geigerzähler, über Lautsprecher verstärkt. Draußen ist es etwas radioaktiver als hier. Das kommt noch von den A-Bomben, die Kalunde zur Zündung brachte, als die Orathonen die Erde angriffen." Corda schüttelte ärgerlich den Kopf. „Das hätten Sie uns auch vorher sagen können." Der Hamite grinste nur. Sie gelangten an den tiefsten Punkt des Bunkersystems. Ein geräumiges kreisrundes Gewölbe nahm sie auf. An der Decke liefen weiße Leuchtstoffröhren, die mit Milchglas verkleidet waren. Rechts und links befanden sich mehrere rot gestrichene Stahltüren. Nkonde ging auf die dritte Tür an der rechten Seite zu. Er schob die beiden mächtigen Knebelverschlüsse zur Seite. Dann riß er am Schott. Die Gummidichtung hatte sich im Laufe der Jahre am Rahmen festgesaugt.
Percip kam Nkonde zur Hilfe. „Darin haben wir ja jetzt Übung, nachdem wir aus dem Diskus entfliehen konnten", grinste er. Sein mächtiger Brustkorb spannte sich. Dann zeigte der Laktone wieder mal, daß er seine Kräfte geschickt einzusetzen wußte. Die Metalltür flog auf. Nacheinander stiegen die drei Männer einige Stufen hinauf. Eine zweite Tür hielt sie nicht sehr lange auf. Sie gelangten in einen engen Gang, der nicht vollkommen gerade verlief. Ihre Schritte klangen seltsam hohl und metallisch. „Was ist das?" fragte Corda und stieß gegen die Wandung. „Das erkläre ich Ihnen später", rief Nkonde über die Schulter zurück. Er stampfte weiter, bis er an einer neuen Tür ankam. Diese Tür bekam er allein auf. Die beiden Männer folgten ihm. Sie gelangten in einen weiteren Saal, der die Ausmaße eines Tennisplatzes hatte. „Donnerwetter!" staunte Corda. „Was ist denn das hier? Kalunde wollte sich wohl eine Totengruft einrichten." „Das ist der äußere Altar", erklärte Nkonde. Er deutete auf den orangerot schimmernden Kreis in der Mitte des Saales. Er war von einem einen halben Meter hohen Steinwall umgeben. Gemeinsam gingen die drei Männer auf die Glut zu. Dann sah Corda plötzlich die rings um die Wand laufenden Podeste. Sie waren etwa eineinhalb Meter groß und mit seltsamen Gebilden bedeckt. Ovale, zwei Meter hohe Masken warfen gespenstige Schatten. Ein unheimliches Gefühl ergriff Corda. „Major", sagte er und senkte seine Stimme unwillkürlich, „was ist das dort?" „Totenmasken, Sir. Sie stammen nicht von Kalunde, sondern sind mehr als 300 Jahre alt."
„Dann hat der Diktator dieses Gewölbe nicht anlegen lassen?" Der Hamite schüttelte den Kopf. „Nein", sagte er, „die Anlage stammt aus der Zeit des Animisten-Kultes. Nur die Schotts wurden später eingebaut und die Beleuchtung natürlich auch." „Das wäre eigentlich ein ideales Versteck für Atombomben", überlegte Corda. Percip nickte zustimmend. „Wenn die Orathonen bisher noch nicht hierher vordrangen, müßte sich Kalunde sehr dumm benehmen, bevor sein Geheimnis entdeckt würde." „Wir müssen weiter", drängte Corda. Er ging an dem kreisrunden, rotleuchtenden Altar vorbei. Mit einem Blick in die glühende Tiefe des Feuerbrunnens erkannte er, daß hier in Afrika Mächte walteten, die er trotz aller Technik der zivilisierten Welt niemals auch nur erahnt hatte. „Was stellt dieser Feuerbrunnen dar?" fragte Percip. Ugalla Nkonde wich zurück. Ein geisterhaftes Flackern auf seinem Gesicht verlieh ihm das Aussehen eines Todgeweihten. Er schwitzte. Dicke runde Perlen bildeten sich auf seiner schwarzen Haut. „Was ist los, Major? Was haben Sie?" Nkonde zitterte. Er schüttelte schweigend den Kopf. Dann marschierte er ohne ein Wort der Erklärung auf ein Schott am gegenüberliegenden Ende des Gewölbes zu. „Was ist denn mit Ihnen los, Nkonde?" meinte Corda. „Die Geister sprechen", keuchte Ugalla Nkonde verstört. „Ein schlechtes Zeichen - für uns." „Reden Sie keinen Unsinn, Major", sagte Corda entschlossen. Er wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. „Zeigen Sie uns lieber, wie wir hier wegkommen." „Wir müssen die Träger nehmen." „Welche Träger?"
„Die kleinen Fahrzeuge dort hinten." Nkonde zeigte auf flache, eiförmige Gestelle. „Sie heißen Träger und laufen auf Hartplastik-Gleitschienen. Leider paßt in jeden Träger nur eine Person. Wir müssen uns also trennen." „Okay. Dann los! Sie fahren zuerst. Ich bilde den Abschluß." * Fast zur gleichen Zeit unternahmen die Laktonen einen erneuten Vorstoß in das Sonnensystem. Zwei Männer der Erde wurden Zeugen dieser Aktion. James Cherwell kauerte schmächtig und mit eingefallenen Wangen in einem weichen Pneumosessel. Unnachgiebige Gurte umspannten seinen hageren Körper. Seine Blicke glitten unablässig über die großzügig angelegten Bildschirme der Kommandobrücke. James Cherwell wußte, daß es in wenigen Minuten zur erbitterten Auseinandersetzung mit den Orathonen kommen mußte. „Sie sind ein Narr, Doktor", knurrte der bullige Mann neben ihm. „Aber ich bin ein noch größerer." Cherwells Kopf schwankte zur Seite. „Sie hätten ja auch draußen bleiben können", knurrte er. Henry Stowe lehnte sich zurück. „Ich habe nie gewußt, Doktor, daß der Himmel so ohne Sterne sein kann", murmelte er. Cherwell lachte verächtlich. „Das überrascht mich nicht bei Ihnen, Stowe. Haben Sie eigentlich wirklich begriffen, wo wir waren?" „Natürlich habe ich das begriffen, Sie neunmalkluger Genius." „Nun", lauerte Cherwell. In seinen tiefliegenden Augen blitzte es spöttisch auf. „Ach, lassen Sie das doch. Sehen Sie sich lieber an, was da auf den Bild-
schirmen passiert." Der Psychologe lachte leise, als er sah, daß sich das Bild auf den Schirmen nicht wesentlich verändert hatte. Das gewaltige Raumschiff, in dessen klingendem Leib sie durch das All glitten, befand sich noch immer in jenem übergeordneten Raum, der sich mathematisch nicht exakt erfassen ließ. „Wir waren außerhalb unserer Galaxis, Stowe. Wir waren weiter von den Randsternen unserer Milchstraße entfernt als jemals ein intelligentes Wesen zuvor. Kein Wunder, daß das an unseren Nerven zerrte. Die Laktonen hielten es noch viel weniger aus." Stowe schnaufte. Er hatte nicht sehr viel Ahnung von diesen Dingen, die der Psychologe anschnitt. Schließlich war er kein Gelehrter. Auf den Bildschirmen erkannte er Zehntausende von blitzenden Lichtpunkten, die das Sonnensystem erfüllten. Das schwarze Samtkissen des Alls glitzerte im Schein ungezählter neuer Nadeln. Gleichzeitig erzitterte der mächtige Leib des Laktonen-Kreuzers. Die beiden Menschen von der Erde kniffen die Augen zusammen, als die leuchtenden Glutbahnen quer über die riesigen Bildschirme schossen. Die drei Laktonen, die in den Andrucksesseln vor den Instrumenten saßen, stießen harte gutturale Laute aus, in denen sich ihr Triumph spiegelte. Eine plötzlich auftauchende Streife aus drei Diskusraumern verging im grausigen Licht heißer Energieexplosionen. Aus dem Nichts heraus raste etwas heran, das Cherwell im letzten Moment als riesige Rakete erkannte. Es jagte in das dichte Energiefeld, das den Laktonen-Kreuzer beruhigend umgab. Die großen Lichtschirme verdunkelten. Trotzdem sah Cherwell noch das unheimliche Flackern, das die Explosio-
nen des Angriffsgeschosses anzeigte. Gleichzeitig rollte ein dumpfes Tosen durch die Metallwände des Kreuzers. Cherwell preßte sich tiefer in die Polster. Die Farbe wich aus seinem Gesicht. „Verdammt!" keuchte Stowe, „jetzt bin ich aber gespannt auf die Waffe, die die Kerle haben, mit denen wir fliegen." Cherwell grinste unglücklich. „Diese Dinger, die so leise arbeiten?" stammelte er. „Ich glaube nicht, daß es jetzt noch viel hilft. Wir sind noch viel zu weit von der Erde entfernt. Das schaffen wir nie." Die Laktonen-Flotte schöpfte neue Hoffnung, seitdem die neue Waffe kampfbereit war. Die raketenförmige Bauweise hatte sich bislang immer als Nachteil gegenüber der Kompaktbauweise der Gefiederten erwiesen. Jetzt hofften die Laktonen, einen Vorteil daraus zu schöpfen. Sie hatten an der Außenhülle ihrer Raumschiffe Magnetschienen angebracht. Auf ihnen hafteten wie bösartige Auswüchse gepanzerte Halbkugeln. Diese Halbkugeln sollten laktonische Supergeschosse abfeuern. Das war bisher nicht möglich gewesen, weil der ungeheure Rückstoß nicht abgefangen werden.konnte. Die von den Laktonen entführten Terraner hatten wertvolle Informationen gegeben. James Gherwell war an Raketenversuchen in Kalifornien beteiligt gewesen. Auf der 6,5 km langen Überschallversuchsstrecke SNORT wurde ein Raketen-Schlitten durch eine Wasserbremse aufgefangen. Die Techniker hatten den Schlitten in seichtes, dann aber immer tiefer werdendes Wasser laufen lassen. Pen Laktonen leuchtete dieser einfache Gedanke sofort ein. Sie griffen ihn auf und installierten an der Außenhülle ihrer Kreuzer Magnetschienen über die volle Länge des Raumschiffes. Auf dieser Strecke von zweitausend Metern
fingen immer stärker werdende Magneten die Halbkugel ab. Erste Versuche hatten die Laktonen begeistert. Und jetzt sollte es zum ersten Kampfeinsatz kommen. James Cherwell kroch immer tiefer in seinen Sessel. Zwei gewaltige HantelRaumer tauchten blitzschnell aus dem Dunkel des Alls auf. Die Laktonen an den Steuergeräten wechselten aufgeregte Worte. Eine Faust knallte auf die Instrumente herab. Henry Stowe schrie auf. Mit einem unerträglichen mörderischen Kreischen rasten zwei der insgesamt vier Halbkugeln an dem metallenen Leib des Kreuzers entlang. Es dauerte nur Sekunden, bis die Halbkugeln das Heck erreichten und von dort langsam wieder zum Bug des Raumschiffs krochen. Aber in diesen Sekunden steigerte sich das höllische Kreischen zu einem entsetzlichen Inferno. Die beiden Amerikaner preßten sich die Hände an die Ohren und starrten sich aus weiten Augen an. Aber auch das war kein Schutz gegen das mörderische Geräusch, das entstand, als die Geschütztürme gebremst wurden. Die Laktonen schlossen ihre Funkhelme und isolierten sich von dem Lärm. Auf den Bildschirmen konnten sie verfolgen, wie die Gigantgeschosse sich durch die Schutzschirme der Orathonen bohrten und die Hanteln zerfetzten. „Das also war die ,Silent Mary'!" keuchte Henry Stowe mit zuckenden Lippen. James Cherwell lachte schrill. „Mann, wo nehmen Sie Ihren Humor her", stammelte er. „,Die stille Mary', Sie sind wohl wahnsinnig ge . . ." Die „Silent Mary" trat abermals in Aktion. Diesmal jagten alle vier Halbkugeln zurück. Kreischend und schier unerträglich bebend und vibrierend wand sich der gigantische Leib des laktonischen Raumschiffs, als die vier halbkugeligen Geschütztürme über die
Magnetschienen tobten. James Cherwell krümmte sich zukkend in seinem Sessel. Er erfaßte nicht mehr, daß sich ein mörderisches Geschoß durch die Schutzschirme des Raumschiffs bohrte. Die Katastrophe brach viel zu schnell über den laktonischen Kreuzer herein. * Sigam Agelon ahnte nicht, daß die Orathonen Opfer einer Kriegslist der Laktonen geworden waren. Mit dem Auftauchen der fünf laktonischen Kampfschiffe sollte die Aufmerksamkeit der Orathonen abgelenkt werden. Und das war ausgesprochen gut gelungen. Von der entgegengesetzten Seite des Sonnensystems war zur gleichen Zeit ein laktonisches Raumschiff der PithonKlasse unbemerkt bis in das Sonnensystem eingedrungen. So schnell und so vorsichtig wie möglich wurde ein Landeteller ausgeschleust. Dann verschwand der Laktone so unbemerkt, wie er gekommen war. Der Landeteller brachte 20 Agenten mit Spezialausbildung zur Erde. Einzeln wurden sie über den Kontinenten abgesetzt. Dann zog sich auch der Landeteller zurück. Drei laktonische Agenten wurden noch vor der Landung östlich des Urals von Ätzern in der Luft zerrissen. Für zwei weitere kam jede Hilfe zu spät, als sie von einem Diskus der Orathonen geortet wurden. Sie verbrannten unter den sengenden Strahlen der Bordwaffen und fuhren als brennende Fackeln zur Erde nieder. Eine Gruppe von vier Agenten stürzte ins nördliche Eismeer. Drei Agenten wurde von Jumpern erfaßt und ausgeschaltet. Dem kleinen Rest der Gruppe gelang es, sich unbemerkt über die Erde zu verteilen. Aber nur ein einziger gelangte
an einen Punkt des Globus, der für die Laktonen interessant war. Der laktonische Agent Lorus Nonex war noch sehr jung. Nach irdischen Maßstäben war er kaum zwanzig Jahre alt, obwohl er nach laktonischer Rechnung bereits fünfunddreißig Jahre alt war. Nonex landete im Urwald östlich von Brazzaville. Er hatte die genaue Landschaftsbeschreibung des afrikanischen Kontinents im Kopf. Er wußte auch, daß sich auf diesem Kontinent die entscheidende Aktion gegen die Orathonen anbahnte. Fünfzehn Minuten nach der Landung kam der Agent in Brazzaville an. Der Kongo macht an dieser Stelle einen scharfen Knick. Jeder Kongolese kannte die Gefährlichkeit der Stromschnellen. Sie nannten die reißende Krümmung „Teufelsloch". An dieser Stelle empfing er die Nachricht des abgeschirmten Senders im TerraJet. Sofort verließ er wieder die Stadt. Zehn Minuten später stand er vor Fatlo Bekoval. „Eine Nachricht vom Schenna!" sagte er, nachdem er das Gespinst neutralisiert hatte. Bekoval musterte den neuen Mann eingehend. Er war mißtrauisch. Dann zog er Nonex in eine versteckte Waldlichtung am Flußufer. Es verwirrte ihn, daß Lorus Nonex vom göttlichen Herrscher sprach. Der Schenna war eine fast mystische Gestalt, die äußerst selten aus der ewigen Stille hervortrat. Wenn er jetzt einen Agenten an die Front des großen Krieges schickte, mußte die Nachricht von höchster Wichtigkeit sein! „Eine Nachricht vom Schenna?" wiederholte Bekoval benommen. Mit einer plötzlich aufkommenden Panikstimmung fragte er: „Was ist geschehen. Haben die Grünhäutigen das Zentrum erreicht?" Der junge Agent lächelte beruhigend. „Nein, das ist es nicht. Sie werden nie bis dorthin kommen! Aber das
Zentrum kann keine Hilfe leisten. Die Orathonen schnüren uns ein. Wir können nicht in den Kampf an dieser Front eingreifen. Das ist die Nachricht. . ." Bekoval hob die leeren Hände. Sein Gesicht verfärbte sich. Er war enttäuscht. Er hatte mehr erwartet. „Steht es so schlecht mit uns?" Lorus Nonex nickte. Sein junges Gesicht wirkte ernst. „Es kommt jetzt darauf an", sagte er bedeutungsvoll. „Worauf kommt es an?" forschte Bekoval erregt. Er fühlte sich in seiner Ehre getroffen. Er glaubte, bereits alles geleistet zu haben, was er in dieser Situation leisten konnte. „Es kommt darauf an, wie die Aktionen auf diesem Planeten ausgehen", sagte Lorus Nonex. Bekoval ballte die Fäuste. Erregt stieß er sie in die Hüften. „Wir haben mehr Chancen als je zuvor, den Grünhäutigen hier großen Schaden zuzufügen", behauptete er. „Der Terra-Jet hat sich als GenieStreich erwiesen. Wir werden die Super-Transmitter in die Luft jagen!" „Es ist Eile geboten!" betonte der junge Agent. „Eile!" schnaubte Bekoval zornig. „Glaubt der Rat, daß wir schlafen?" „Unsere Flotte wird bald angreifen", eröffnete Lorus Nonex. „Sie muß es. Aber sie kann nur noch mangelhaft versorgt werden. Es geht hier um wenige Tage!" „Sollen sie doch angreifen! Ich werde das Zeichen geben!" Der junge Agent musterte Bekoval skeptisch. „Und dann? Die Orathonen werden uns von diesem Sonnensystem abschneiden - wie schon so oft. Außerhalb des Systems sind wir verloren . . ." Der Laktone lachte leise. Dann schüttelte er den Kopf. „Das wird nicht ge-
schehen. Wir haben Atombomben." „Atombomben? Wo?" „Percip und Ga-Venga sind auf dem Weg, sie hierher zu bringen. Damit zerstören wir die Super-Transmitter. Ohne die können unsere Feine keine Schlacht führen." „Wir könnten gewinnen?" „Ja", nickte Bekoval, „wenn wir es schaffen, rechtzeitig die Transmitter auszuschalten!" „Wann sollen die Bomben eintreffen?" „Ich warte bereits seit Stunden auf eine Nachricht von Percip und Ga-Venga. Sie sind zusammen mit drei Terranern zum Tanganjikasee geflogen. Die Atombomben sollen angeblich in den Händen des Diktators von Afrika sein." „Aber", sagte der junge Laktone stokkend und wischte sich mit der Hand den Schweiß von der Stirn, „wird dieser Mann die Bomben freiwillig herausgeben?" Bekoval sah den jungen Agenten an. „Nein", sagte er. „Das bedeutet, daß einige der Männer sterben werden!" „Richtig." „Unsere Männer?" Bekoval schüttelte den Kopf. „Die Agenten sind wertvoller als jeder Terraner. Die Ausbildung war teuer genug. Für die Terraner kann es nur gut sein, wenn sie das Ende ihres Planeten nicht mehr erleben . . ." „Aber sie kämpfen doch auf unserer Seite!" „Du mußt noch lernen, Lorus! Jeder kämpft nur für sich selbst. Wir kämpfen für Ferga und die laktonische Rasse. Wir kämpfen dafür, daß die Orathonen unsere achttausend Sonnensysteme nicht vernichten. Unser Motiv ist gut und edel. Wir verteidigen uns, mehr nicht!" „Und die Terraner? Wofür kämpfen sie?" bohrte Lorus.
„Nicht für uns, sondern mit uns. Aber trotzdem nur für ihr eigenes Wohl. Es gibt in der ganzen Galaxis keinen Mann, der für etwas anderes kämpft. Letzten Endes kämpft jeder Mann in jeder Zeit nur für sich selbst. . ." „Das verstehe ich nicht." Bekoval nickte. Auch er hatte lange gebraucht, um die Terraner zu verstehen. Trotzdem blieben sie in seinen Augen Primitive. * Mit quietschenden Bremsen verringerte der vorderste Träger die Geschwindigkeit. Major Ugalla Nkonde stoppte das Fahrzeug äußerst vorsichtig. Hinter ihm ließen Percip und Rex Corda ihre Träger ausgleiten. Sie befanden sich im „Inneren System". Hier war deutlich der Unterschied zum äußeren Ausgang zu spüren. Es roch nach Öl und Gummi. Trotz der Staubschicht auf den Stahltüren war deutlich zu erkennen, daß dieser Teil der unterirdischen Anlage besser gepflegt worden war. Die drei Männer sprangen von den Trägern. Major Nkonde lief voran. Er erreichte die massive Stahlbetontür, bückte sich und schob einen Riegel zur Seite. Dann suchte er in seinen Taschen nach einem Feuerzeug. Der Vorraum war nur schwach erhellt. Das indirekte Licht der unterirdischen Gruft schimmerte grünlichweiß. Es kam aus breiten, fluoreszierenden Platten, die vor Jahrzehnten hier eingebaut worden waren. „Ein tolles System", meinte Rex Corda anerkennend. „Und niemand hat geahnt, daß Kalunde eine derartige Anlage zur Verfügung hatte!" Major Nkonde grinste. „Genau das war die Absicht des Diktators. Diese Stollen und Höhlen wurden während des Atomkrieges ausgebaut und absolut
bombensicher gemacht." „Wie tief sind wir?" fragte Percip. Der Hamite stemmte sich gegen die Stahlbetontür. „Etwa einhundert Meter", keuchte er. „Hat jemand eine Taschenlampe?" Corda ließ sein Feuerzeug schnappen. Die kleine gelbe Lichtbogenflamme warf einen heilen Schein gegen die verstaubte Tür. Jetzt sah Corda das Kombinationsschloß. „Zwölf Zahlen - das kann ja eine Ewigkeit dauern . . ." „Nicht, wenn man die Kombination kennt!" grinste Major Nkonde. Mit seinem nackten, schlammverschmierten Oberkörper wirkte er fremd und unheimlich. Sein tiefes Lachen brach sich an den Höhlenwänden und warf ein hohles Echo zurück. Nkonde spielte am Kombinationsschloß. Dann stemmte er sich erneut gegen die Tür. Mit einem tiefen Seufzer gab sie nach. Sie schwang auf. Grelles Licht blendete die Männer. Es kam aus einem Xenon-Scheinwerfer. „Nehmt die Hände hoch!" befahl eine harte Stimme. Corda warf sich zur Seite. Ein Feuerstoß jagte über ihn hinweg. Dann brüllte Major Nkonde ein paar unverständliche Befehle. Der Scheinwerferstrahl zitterte. Zwei uniformierte Neger traten in den Lichtkegel. Sie trugen schwere automatische Waffen. „Hört mit dem Blödsinn auf!" befahl Major Nkonde. Die Sehnen an seinem Hals spannten sich. Er ballte wütend die Fäuste. „Sorry, Sir!" sagte die unsichtbare Stimme. „Auf Befehl der Orathonen sind Sie nicht mehr befugt, uns Anweisungen zu geben!" „Das ist doch . . ." Nkonde trat einen Schritt vor. Eine kurze MP-Garbe jagte funkensprühend vor ihm in den Beton des Fußbodens. Jaulend jagten die Querschläger nach allen Seiten ausein-
ander. Nkonde sprang zurück. Er duckte sich neben der Stahlbetontür. „Wer hat hier zu befehlen?" brüllte er aufgebracht. „Der Orathone Seta", sagte die harte Stimme. „Zurück, Major!“ Es war Percip, der den Warnruf ausstieß. Aber Nkonde war zu wütend, um auf den Laktonen zu hören. Er sprang nach vorn. Direkt in den Lichtkegel. Da trat der Featherhead aus dem Schatten. Major Nkonde verharrte mitten in der Bewegung. Überall flammten die Deckenscheinwerfer auf. Alles wurde in gleißend helles Licht getaucht. Sie saßen in der Falle. „Endlich haben wir Sie!" höhnte der Orathone. Rex Corda warf einen Blick zur Seite. Überall standen schwerbewaffnete Neger aus Kalundes Leibwache. Er biß die Lippen zusammen. Aus! dachte er. Das Unternehmen ist gescheitert . . . * Die Orathonen griffen hart durch. Sie befahlen ihre Suchgruppen nach Zentralafrika. Alle verfügbaren Einheiten suchten nach dem Sonderkommando der Terraner und der laktonischen Agenten. Noch hatten sie keine Nachricht von Seta erhalten. Die Orathonen mußten die A-Bomben finden. Sie durften nicht zulassen, daß diese Waffen in die Hände der Terraner um Rex Corda fielen! Bisher wußten sie nicht, wo die A-Bomben versteckt waren. Jumper, Ätzer und Byts waren pausenlos im Einsatz. Es gab noch einen zweiten Grund für die Nervosität der Featherheads. Randa Evariste Kalunde war verschwunden! Sigam Agelon zeigte, daß er wütend
war. Diese primitiven Terraner störten seine Pläne. Sie waren ihm lästig. Von seinem gigantischen Flaggschiff aus ordnete er Strafmaßnahmen an: „Vernichtet die Gebäude des Diktators. Räuchert die Stadt aus! Findet Corda und die Laktonen!" In Albertville entstand ein spontaner Aufruhr. Durch die Avenue Kalunde zogen Afrikaner mit Spruchbändern und Plakaten. Sie protestierten gegen die Rücksichtslosigkeit der Grünhäutigen. Kalundes Leibwache wollte eingreifen. Die BLACK HEROES hatten Befehl erhalten, jeden Aufstand im Keim zu ersticken. Aber ihnen fehlte der Chef. Sie zögerten. Die elektronischen Sperren in ihren Köpfen brachten ihre Nervensysteme durcheinander. Am Place Africaine stieß eine Gruppe Ätzer auf die Demonstrierenden nieder. Schreiend flüchteten die Männer und Frauen in die Häuser. Als die Allwegbahn aus dem Katanga-Becken eintraf, fielen sechzig meuternde Soldaten über den Zug her. Sie zwangen den Führer des Zuges, den Bahnhof von Albertville wieder zu verlassen. Mit umgepolten Triebwerken schoß die Bahn aus dem Albertville-Gare. Der Zug jagte nach Westen. Da griffen die Orathonen ein. Ein Diskus nahm die Verfolgung auf. Acht Ätzer gingen auf Kollisionskurs. Sie trafen den Zug in einem Tal der Mugila Mountains. Sie fielen über ihn her. Die fressende Säure wirkte sofort. Lange Metallfetzen lösten sich von der Verkleidung. Sie knallten gegen Felsbrocken, rissen mit gellenden Kreischgeräuschen und lösten sich dann völlig. Mit einer Geschwindigkeit von dreihundert Stundenkilometern raste der Zug durch eine Schlucht. Da kippte der Orathonen-Diskus ab. Er fegte über den Zug hinweg. Sofort ließen die Ätzer von der Bahn ab. Die
Waffen des Diskus spuckten Feuer und Vernichtung. Die Trümmer des rasenden Zuges hoben sich in die Luft und zeichneten schwarze Rauchbahnen quer durch das Tal. Das war das Ende des Zuges. In Albertville brach die Ordnung zusammen. Die Truppen meuterten. Sigam Agelon befahl die Vernichtung der Stadt. Sofort stürzten sich die Schiffe der Fremden wie Racheengel feuerspeiend auf die Stadt. Sie kamen aus Warteräumen, aus den Tälern und vom wolkenlosen Himmel. Und sie zerstörten ohne Gnade! Bis alles vernichtet war. Mit einem Schlag leuchteten hundert Sonnen am Ufer des Tanganjikasees auf. Das Seewasser begann zu brodeln. Wieder vernichteten die grünhäutigen Orathonen eine Stadt. * Sie preßten sich gegen die rauhen Felswände. Rötlicher Staub rieselte aus den Spalten. Grollend kamen die Erschütterungen bis in die Tiefen der Erde. Rex Corda wischte sich den Staub von den Lippen. Die Lampen flackerten. Seine Blicke kreuzten sich mit denen von Percip. Keiner der drei Männer sprach ein Wort. Sie lauschten auf die immer neuen Erdstöße über ihnen. Unausgesprochen hing eine Frage zwischen ihnen: „Was geschah außerhalb ihres Gefängnisses?" Major Nkonde zitterte kaum merklich. Er fröstelte. Auf seiner nackten braunschwarzen Haut bildeten sich helle Flecken. Die Kribbelmücken hatten seinen Oberkörper vollkommen zerstochen. Major
Nkonde wußte, was diese Symptome bedeuteten! „Vorsicht!" Krachend brach ein Betonstück aus der Decke. Es krachte neben Rex Corda auf den Boden. Eine dichte Staubwolke hüllte die Männer ein. „Wie tief sind wir hier?" „Fast hundert Meter", antwortete Nkonde. „Dann gibt es auch Albertville nicht mehr!" stellte Rex Corda grimmig fest. Die Stadt konnte einen derartigen Angriff niemals aushärten. Aber die Detonationen klangen nicht nach Atomexplosionen. Das waren die Orathonen. „Das hört sich an, als sei eine neue Schlacht ausgebrochen", knurrte Percip. Der Laktone litt unter der Tatenlosigkeit. Er war gefangen, ohne etwas dagegen unternehmen zu können. „Warum werden wir nicht endlich von den Grünhäutigen verhört?" fragte Major Nkonde und beugte sich vor. Er ballte seine großen Hände zu Fäusten. „Was haben sie mit uns vor? Warum kommt denn niemand . . ." „Hören Sie auf!" sagte Rex Corda scharf. „Reißen Sie sich zusammen, Major. Und wünschen Sie sich nicht, von den Featherheads in ein Verhör genommen zu werden. Ich weiß, wie das aussieht!" „Wir müssen warten!" nickte Percip zustimmend. „Worauf?" Der Neger bewegte nervös die Finger. „Ich glaube nicht, daß Kalunde bereits tot ist", meinte Rex Corda nachdenklich. „Der Diktator wird sich rechtzeitig abgesetzt haben. Das bedeutet, daß er nur hier unten sein kann. Wenn aber Kalunde noch lebt, haben wir noch nicht verloren!" „Er ist nicht besser als die Grünhäutigen", warf Percip ein. „Er hat sein Volk verraten und macht mit den Orathonen gemeinsame Sache." „Aber er hat die A-Bomben. Ich glau-
be nicht, daß er diese Tatsache den Featherheads mitgeteilt hat!" „Das kann uns nicht weiterhelfen!" „Abwarten!" brummte Rex Corda. Er hatte seine eigene Meinung über Kalunde. Es mußte gelingen, den afrikanischen Diktator zu überzeugen. Sie brauchten die A-Bomben, wenn sie die Super-Transmitter der Orathonen vernichten wollten. Rex Corda gab nicht auf. Er wartete nur auf eine Gelegenheit, mit Randa Evariste Kalunde zu sprechen. Allein und ohne Bewachung durch die Orathonen. „Wenn die Bomben noch existieren, werden wir sie bekommen", sagte er mit einem harten Unterton in der Stimme. „Kalunde ist ein Mann, dem nichts so wichtig ist wie der eigene Vorteil. Er darf sich nicht offen mit den Featherheads verbünden, wenn er nicht gelyncht werden will. Wenn wir ihm ein annehmbares Angebot machen, wird er nachgeben!" „Warum?" fragte Percip. „Die Bomben sind zu gefährlich für ihn. Er muß sie rechtzeitig loswerden!" „Wollen Sie Kalunde erpressen?" „Ich will Freiheit für Terra. Dazu brauchen wir die Bomben. Es gibt nur einen wichtigen Gegenwert für den Diktator, seine eigene Sicherheit. Das ist genau der Punkt, an dem ich ansetzen werde." „Dazu müssen wir aber mit Kalunde sprechen", seufzte Percip resignierend. „Ganz recht, meine Herren!" Die drei Männer schwangen herum. Durch den rötlichen Staub in ihrem Gefängnis sahen sie die geöffnete Stahlbetontür. Sie war in die Wand zurück geglitten. In der Öffnung stand ein massiger, selbstbewußt wirkender Mann. In seiner Hand hielt er einen MagnetSmash. „Herr!" brüllte Ugalla Nkonde und fiel auf die Knie. „Der Diktator!" sagte Percip erstaunt.
Nur Rex Corda lächelte zufrieden. Sein Trick hatte Erfolg gehabt. Er hatte damit gerechnet, daß man ihre Unterhaltung belauschte. Darauf hatte er sein Gespräch aufgebaut. „Randa Evariste Kalunde, ich stehe vor Ihnen als Abgeordneter der UNO und Beauftragter meines Volkes. Als Sonderbeauftragter der Vereinigten Staaten von Amerika bin ich jetzt oberster Repräsentant des gleichen Landes. Neben mir steht Percip, ein laktonischer Agent. Den Mann, der sich hier selbst demütigt, kennen Sie wahrscheinlich besser als wir." „Ziehen Sie sich aus!" kommandierte Kalunde. Sein feistes Gesicht drückte Angst aus. „Was soll das heißen!" fragte Percip scharf. Kalunde hob den Magnet-Smash leicht an. „Na los, meine Herren, keine langen Vorreden. Mir ist es zu kalt hier. Ziehen Sie sich aus. Ich biete Ihnen eine angenehme Dusche und neue Kleider. In diesem Zustand können Sie unmöglich offizielle Verhandlungen führen!" Corda fragte sich, ob Kalunde das ernst meinte. Wenn es der Fall war, besaß der Diktator sogar Humor. Aber Corda glaubte nicht daran. Kalunde war viel zu sehr von sich eingenommen. Er machte den Fehler aller Diktatoren: Er verachtete die Umwelt und hatte Angst, daß man ihn nicht voll anerkannte. Daher auch dieses seltsam freundliche Angebot! Kalunde glaubte ernsthaft, auch in dieser verrückten Situation noch den großen Herren spielen zu müssen. „Schön", schlug Corda vor, „nehmen wir das großherzige Angebot an!" „Es wird Ihnen nichts anderes übrigbleiben!" kicherte Kalunde. Seine Stimme war in den letzten Stunden noch schriller und unangenehmer geworden. Corda fühlte, daß sie es schwer haben würden, mit diesem Mann zu verhandeln.
Er folgte dem Wink des bewaffneten Diktators. Nacheinander betraten sie einen Korridor, der hinter meterdicken Felswänden lag. Sie marschierten über dicke Teppiche, die sehr kostbar aussahen. Dann erreichten sie einen Trakt, der bis in Augenhöhe gekachelt war. Ein Bad schloß sich an das nächste an. Corda schätzte, daß es mindestens dreißig sein mußten. Innerlich freute er sich darauf, denn dabei konnte er die nächsten Schritte überlegen. Er hatte Kalunde jetzt gesehen und wußte, wie schwer ihre Mission sein würde. Es war unmöglich, den Diktator zu überrumpeln. Dafür war Kalunde zu gerissen. Er war ein äußerst gefährlicher Gegner. Nicht eine Sekunde würde er zögern, sie den Orathonen auszuliefern, wenn er sich davon einen größeren Vorteil versprach. „Ich lasse Ihnen Kleidungsstücke bringen", sagte Kalunde. Er winkte einem Schatten im Hintergrund. Der Mann trat in den Bereich der Lampen. Er war bis an die Zähne bewaffnet. Er trug eine fünfzig Jahre alte Maschinenpistole vom Typ UZI, drei Eierhandgranaten, die bereits gefährlich verrostet aussahen, zwei Klappmesser und eine achtzig Jahre alte amerikanische Armeepistole, Typ 1919 AI. „Keine Dummheiten, meine Herren. Mit einem Knopfdruck kann ich die Luft aus diesem Trakt pumpen lassen. Da Sie die elektronischen Sicherungen der Türen nicht kennen, dürfte es ein langsamer, qualvoller Tod für Sie werden." „Ausgezeichnet, Sir", lächelte Corda. Liebend gern hätte er dem Burschen ganz andere Dinge ins Gesicht gesagt. Aber er mußte sich beherrschen. Kalunde war wichtig für sie. Viel zu wichtig! Er drehte sich um und betrat ein Bad.
Er warf Percip und Major Nkonde ein kurzes Augenzwinkern zu. * Der Nachkomme des Moga Agelon hatte sich die Strafversetzung durch die FAMILIE nicht so nervenaufreibend vorgestellt. Dieses entlegene Sonnensystem am Rande der Milchstraße machte ihm, dem großen Sigam Agelon, Schwierigkeiten! Seit er die im solaren Raum versammelte Flotte kommandierte, passierten Dinge, die einfach nicht passieren durften! Im langen Krieg mit den Laktonen hatte es immer wieder Techniker-Rassen gegeben, die sich gegen die Herrschaft der Orathonen auflehnten. Man hatte sie unterjocht, ohne dabei mit den Wimpern zu zucken. Das waren nur belanglose Zwischenfälle gewesen. Für die strategischen Operationen der Featherheads waren sie vollkommen belanglos! Und nun diese Erde! Ziemlich schwache, nicht einmal einheitlich geformte Lebewesen mit vollkommen unterschiedlichen Charakteren und voneinander abweichenden Entwicklungsstufen. Sigam Agelon schnaubte verächtlich. Mit dieser Rasse würde er abrechnen. So grausam wie nie zuvor. Sigam Agelon hatte auf eine baldige Rückversetzung gehofft. Er hatte der FAMILIE einen Sieg über die Laktonen und die Unterwerfung einer neuen Rasse berichten wollen . . . Wütend stampfte der Agelon durch die Privatkabinen seines Flaggschiffs. Es kreiste zwischen Mars und Erde innerhalb eines Sicherungsgürtels aus Hantel-Raumern. Entschlossen blieb Sigam Agelon vor der Sprechanlage stehen. Er starrte auf die matt glänzenden Bildschirme der
Holografen. Dann schaltete er das dreidimensionale Bild ein und ließ sich mit seinen Beauftragten für die einzelnen terranischen Kontinente verbinden. Er wollte diesen Terranern zeigen, welche Macht er hatte. Die Gesichter der orathonischen Flotten-Offiziere tauchten dreidimensional auf den Holografenschirmen auf. „Ich befehle hiermit eine globale Razzia. Verhaften Sie alle verdächtigen Terraner. Wir müssen endlich klarstellen, daß wir die Sieger sind!" * Dreißig Minuten später wurde Sigam Agelons Befehl ausgeführt. Überall nahmen die Repressalien durch die Grünhäutigen zu. Die Orathonen setzten den Befehl des Agelon in die Tat um. Der Führer der Orathonen ordnete eine weltweite Verhaftungsaktion an. Die Bronze-Roboter der Orathonen führten die Aktion durch. Diese Roboter waren Spezialkonstruktionen von höchster Vollkommenheit. Den Laktonen war es bisher nicht gelungen, Roboter mit ähnlichem Leistungsvermögen zu konstruieren. Die Featherheads aber hatten den Maschinen eine Art Persönlichkeit einpflanzen können. Damit vermochten sie die Qualität der Bronzenen abermals erheblich zu steigern, mußten jedoch gleichzeitig Nachteile in Kauf nehmen. Für eine Aktion wie die jetzt anlaufende waren die Bronze-Roboter geradezu geschaffen. Die Kahlköpfe mit dem menschlich wirkenden Gesicht, das durch spezielle Energiefelder voll beweglich war, verbreiteten lähmende Furcht. Für Gegner, die nicht mit Spezialgeräten ausgestattet waren, blieben die Roboter unbesiegbar. Es kam zu einem Aufruhr, aber er zerbrach unter der Gewalt der Roboter. In Süd-China versuchte eine Einheit
der zersprengten Armee mit einem Panzer gegen zwei Roboter zu kämpfen. Die Geschosse der Panzer detonierten in den energetischen Schutzfeldern der Roboter, ohne diese selbst gefährden zu können. Unter der Wucht des Aufschlages wirbelten die Roboter mehrere hundert Meter durch die Luft, doch dann griffen sie erneut an und zerstörten den Panzer. Alle Personen, die auch nur den geringsten Verdacht erweckten, wurden inhaftiert und in großen Camps gefangengehalten, um später elektronischen Spezialverhören unterworfen zu werden. Gleichzeitig wirkten sich die Strukturerschütterungen durch die ins Sonnensystem einbrechenden Raumschiffe verheerend auf die geistig und seelisch labilen Menschen aus. Eine Selbstmordwelle lief um die Erde. Ein Brasilianer namens Roberte d'Argo versuchte, mit gestohlenem Dynamit den von den Orathonen besetzten Teil von Rio in die Luft zu sprengen. Er wurde entdeckt und auf der Stelle erschossen. In Hongkong war es noch schlimmer. Zwei Dschunken lieferten sich eine Seeschlacht innerhalb der Bucht von Wanchai. Die Chinesen beschossen sich mit angezündeten Pechpfeilen. Vierzig Dschunken im Hafen brannten aus und versanken im schmutzigen Wasser. Das Feuer griff auf die Hütten am Ufer über. Der größte Brand in der Geschichte Hongkongs versetzte die Stadi in eine Panik. Überall gärte und brodelte es. Die Stimmung der Menschen näherte sich dem absoluten Nullpunkt. Es gab Hunderte von Plänen, die Invasoren von der Erde zu vertreiben. Sie taugten alle nichts! Als sich diese Erkenntnis durchsetzte, ergriff eine tiefe Hoffnungslosigkeit die Menschen der Erde. Von Pol zu Pol herrschte Resigna-
tion. * General Jake Dingel war fast auf sich allein gestellt. Der grauhaarige General strich sich über den Kopf. Er wirkte abgespannt und übermüdet. Mit verbissenem Eifer hockte er in der NORADZentrale. Vor ihm standen ein Bronze-Roboter und ein Orathone. „Wir wissen, daß es auf der Erde noch A-Bomben gibt", übersetzte der Bronze-Roboter. General Dingel hob die Schultern. „Das vermuten Sie! Warum kommen Sie zu mir? Ich habe keine Bomben. Nicht eine einzige!" Er lehnte sich langsam in seinem Sessel zurück. Er betrachtete die vier Orathonen mit einem spöttischen Lächeln. So selbstsicher, wie sie sich ausgaben, waren die grüngefiederten Invasoren aus der Galaxis also doch nicht. „Wir wissen außerdem, daß ein Amerikaner maßgeblich an einer Aktion beteiligt ist, durch die die Bomben geborgen werden sollen." „Dann wissen Sie viel!" „Hüten Sie Ihre Zunge", sagte der Dolmetscher nach der üblichen Verzögerung. „Dieser Amerikaner ist Senator Corda. Er arbeitet mit laktonischen Agenten zusammen." „Warum erzählen Sie mir das?" „Weil Sie zu Corda gehören. Oder wollen Sie uns vormachen, von der Angelegenheit nichts gewußt zu haben?" „Ich weiß von nichts, lassen Sie mich mit Ihren blödsinnigen Anschuldigungen in Ruhe.“ Der Dolmetscher hatte Schwierigkeiten bei der Übersetzung des Begriffs „blödsinnig". Irgendwie schaffte er es doch, indem er einen harmlos klingenden Begriff einsetzte. „Das werden wir nicht tun", erklärte
der ranghöchste Orathone. General Dingel vermutete, daß sein Gesprächspartner etwa die gleiche Stellung in der Orathonen-Hierarchie einnahm wie er. Das belustigte ihn. „Was wollen Sie also?" „Die Bomben können nur in Afrika sein." „Na und?" „Sie werden mit Sicherheit nicht dort bleiben." „Sie meinen, daß Sie sie zuerst finden werden?" „Das ist möglich. Falls es aber nicht zutrifft, nehmen wir an, daß der Senator Corda und die laktonischen Agenten hier auftauchen werden." „Interessant", sagte General Dingel. „Äußerst interessant", bestätigte der Orathone durch den Mund des Dolmetschers. „Deshalb werden wir dem verbrecherischen Team eine Falle stellen. Und zwar hier!" „Stop!" sagte der General hart. „Ich denke Sie wollen eine Zusammenarbeit. Wir können zusammen arbeiten, aber nicht unter diesen Bedinungen." „Was wollen Sie verbergen, General? Daß Corda hier erwartet wird? Mitsamt den Bomben? Uns wäre es recht. Und deshalb bauen wir unsere Falle genau hier auf. Die? Leitstelle der Aktion wird Ihr Büro. Sie können gehen . . ." Die vier Orathonen standen bewegungslos vor dem schwer atmenden General. Jake Dingel war kein Wahnsinniger. Wenn er Corda noch helfen wollte, mußte er sich wohl oder übel jetzt fügen. Er ballte mehrmals die Fäuste, dann stand er auf und ging ohne ein weiteres Wort aus dem Raum. * „Greifen Sie zu, meine Herren. Wer weiß, ob das nicht unsere letzte Mahlzeit ist!" kicherte Randa Evariste Ka-
lunde. Er hockte am Kopfende eines langen Tisches, auf dem schwere Kristallschalen mit Früchten standen. Vor den drei Männern, die mit Kalunde verhandeln wollten, standen Schüsseln mit feinsten Gerichten. Scharf gepfeffertes Kalaloum fehlte ebensowenig wie Huhn mit Erdnüssen, Orangensalat mit Paprika und das etwas säuerliche Fouja djedad. Corda nickte Nkonde und Percip zu. Sie konnten jede Kalorie brauchen. Nachdem sie sich gesäubert und frisch aus den Beständen des Diktators eingekleidet hatten, konnte ein kräftiges Mahl nicht schaden, auch wenn es ungewohnt und fremd schmeckte. Der Raum war lang und niedrig. Er war mit weißer Seide austapeziert, die an einigen Stellen bereits eingerissen war. Im Hintergrund hantierte ein halbes Dutzend schwarzer Köche an transportablen Herden. Das also war Kalundes Geheimversteck! Corda prägte sich jede Einzelheit sorgfältig ein. Er ahnte, daß er dieses Wissen noch brauchen konnte. Keine noch so kleine Einzelheit ließ er sich entgehen. Wände, Fußboden und die Decke sprachen zu deutlich aus, daß Kalunde nicht die Absicht hatte, sie allzuschnell wieder gehen zu lassen „Sie sehen nachdenklich aus, Senator!" kicherte Kalunde plötzlich. „Sie haben doch ganz bestimmte Pläne, Kalunde! Was bezwecken Sie mit dieser - äh - Henkersmahlzeit?" Kalunde lachte unangenehm schrill. „Sehr gut, Senator. Wirklich - ganz ausgezeichnet!" „Sie wollen uns an die Orathonen verkaufen?" „Richtig!" Percip sprang auf. Der Stuhl, auf dem er eben noch gesessen hatte, kippte um. „Das werden Sie nicht tun!" „Wollen Sie mich daran hindern?"
„Allerdings!" „Dann sehen Sie sich doch um. Na los!" Percip sah zur Seite. Er drehte sich einmal um die Achse. Jetzt sah es auch Senator Corda. Da war etwas, was vorher nicht dagewesen war: Waffen, Dutzende von schwarzglänzenden Gewehrläufen. Sie folgten jeder Bewegung der drei Männer. Kalunde hatte sich unauffällig einige Schritte entfernt. Er nahm auf einem Sessel Platz, der leise summend aus dem Fußboden aufstieg. „Nun können wir weitersprechen, meine Herren! Sie haben eine winzige Kleinigkeit vergessen. Wir sind in Afrika. Und hier herrsche ich. Nicht die Orathonen oder wie immer sie heißen mögen, sondern Randa Evariste Kalunde. Ist das klar?" Corda, Percip und Nkonde schwiegen. Verzweifelt suchte der Senator nach einem Ausweg. Sie waren in eine Falle gelaufen. Corda sah zu Nkonde. Der Hamite kaute auf seiner Unterlippe. Er konnte sich denken, was Corda jetzt von ihm hielt. „Ich bin kein Verräter, Senator. Ich bin auf Ihrer Seite!" „Gut, Nkonde - Sie geben zu. daß Sie mich im Stich gelassen haben. Dann beginnen wir gleich mit Ihnen. Was führte Sie dazu, diese Männer in das streng geheime Escape-System einzulassen?" „Herr - es geht um die Zukunft der Erde!" „Schweig! Die Erde, was ist das schon! Afrika ist wichtig. Nur Afrika. Von mir aus können die Grünen alle anderen Kontinente zu Wüsten machen. Solange ich hier regiere, ist Afrika die Erde, für die Sie, Nkonde, einen Eid geschworen haben!" „Einen Augenblick", warf Corda ein. „Major Nkonde hat sich auf unsere Seite gestellt, weil es für die Orathonen
keinen Unterschied zwischen Afrika und beispielsweise Amerika gibt, Sie sehen in uns nur die Terraner. Dabei ist es vollkommen egal, welche Hautfarbe wir haben. Wenn Amerika fällt, ist Afrika als nächster Kontinent an der Reihe. Die Orathonen vernichten die ganze Erde, wenn sie wollen. Die ganze Erde, Kalunde!" „Unsinn", sagte Kalunde hastig. „Sie brauchen Rohstoffe, Mineralien und andere wichtige Güter. Sie wären verrückt, wenn sie darauf verzichten würden!" „Haben Sie jemals an einem Krieg teilgenommen, Kalunde?" „Für Ihre Späße habe ich keine passende Antwort, Senator. Sparen Sie sich den Unsinn. Ich habe als einziger Staatsführer die Orathonen angegriffen. Von Kairo aus. Mit meinen Atomraketen. Das sollten Sie eigentlich wissen, Senator!" „Ja, Kairo wurde dafür zerstört. Aber das meinte ich nicht. Wie steht es mit einem richtigen Krieg?" „Ich habe den Weltkrieg miterlebt." „Ja, irgendwo in Indonesien. Auch das meine ich nicht. Ich frage Sie vielmehr, was eine Armee unternimmt, die eine Front zu verteidigen hat?" „Was meinen Sie damit?" Kalunde beugte sich vor. „Die Orathonen versuchen, die Erde auszubeuten. Sie tun das, weil ihnen die Laktonen im Augenblick nicht gefährlich werden. Aber das ist kein Dauerzustand. Laktonen und Orathonen befinden sich im Krieg. Dabei gibt es immer wieder Siege und Niederlagen. Das nennt man dann Frontbereinigung. Dummerweise liegt unser Sonnensystem in der vordersten Kampfzone dieses Abschnittes der Galaxis . . ." Kalunde starrte Senator Corda an. Man merkte, wie es in ihm arbeitete. Kalunde war intelligent. Er verstand, was Corda meinte. Er verstand sehr gut
sogar. „Das ist Ihr Trumpf, wie?" „Man kann es so nennen, Kalunde. Es ist Krieg. Und auch Ihr Afrika liegt auf verlorenem Posten, wenn die Laktonen zurückkehren! Sobald es zur Schlacht im Weltraum kommt, ist die Erde verloren. Die Orathonen werden die Sonne anzapfen. Sie können sich dann am Äquator Iglus bauen und Eskimo spielen - falls Sie dann noch leben!" Corda hatte die letzten Worte mit besonderer Schärfe ausgesprochen. Er stand auf und ging langsam auf Kalunde zu. Die Läufe der Waffen verfolgten ihn. Nervös spielte Kalunde mit einem quadratischen Schaltbrett, das an einem weißen Kabel befestigt war. Eine große Zahl winziger Knöpfe war darauf angebracht. Mit einem Fingerdruck konnte der Diktator Corda jederzeit töten. Er tat es nicht. „Was wissen Sie von der Vorbereitung für die Schlacht?" „Wollen Sie das, was ich Ihnen erzählen könnte, den Orathonen verraten?" „Wie schätzen Sie mich ein, Senator? Ich bin der Herr über Afrika und habe es nicht nötig. „Sie wollen einfach nicht verstehen, Kalunde! Ich sagte doch, daß Sie nicht einmal eine Insel haben, über die Sie verfügen können, falls es ernst wird. Und das wollen wir verhindern!" Da griff Percip ein. Der Laktone hatte begriffen, auf was Corda hinauswollte. Mit Gewalt war nichts zu machen. Kalunde mußte überzeugt werden. Aber die besten Argumente waren sinnlos. Kalunde hatte nur seinen eigenen Vorteil im Auge. Er wollte handeln. Leistung gegen Leistung! „Wir werden die Orathonen zur Entscheidungsschlacht zwingen", sagte Percip deshalb. „Aber ich könnte Ihnen ein Angebot machen, das Sie interessie-
ren wird!" „Was wollen Sie mir schon bieten. Laktone? Die Orathonen geben mir einen ganzen Planeten, weil ich mit ihnen zusammenarbeite." „Wir bieten mehr." „Ein Sonnensystem etwa?" Kalundes Augen verrieten ihn. Der Mann war verrückt. „Wir bieten Ihnen Afrika!" Percip lächelte leicht. Er wartete, bis der Diktator verstanden hatte. „Also genau das, was ich bereits habe!" „Haben Sie es? Herrschen Sie noch über den Kontinent? Oder sind die Gefiederten die wirklichen Herren des Kontinents? Überlegen Sie sich das Angebot gut. Ich kann es Ihnen nur einmal machen - jetzt!" „Wie ist es mit Waffen? Mit technischer Hilfe? Wenn die Laktonen siegen, brauchen Sie doch Partner, die Sie unterstützen. Ich arbeite mit Ihnen zusammen, wenn ich dafür die Mittel bekomme, Afrika zur mächtigsten Industrienation der Erde zu machen." Percip sah Senator Corda an. Ein kaum sichtbares Lächeln spielte um seine Mundwinkel. Corda schloß für eine Zehntelsekunde die Augen. Das war die Zustimmung. „In Ordnung, Kalunde. Sie bekommen, was Sie brauchen. Waffen, technische Hilfe und wissenschaftlichen Beistand. Ich verspreche es Ihnen." Erst jetzt wurde Rex Corda stutzig. Percip hatte nicht die Befugnisse zu derax'tig weitgehenden Zugeständnissen. Bestenfalls konnte Bekoval ein, derartiges Versprechen geben. Da war etwas faul! Corda fühlte plötzlich Mißtrauen in sich aufsteigen. Durch die Zusammenarbeit mit den Laktonen hatte er fast vergessen, daß diese Rasse ebenso wie die Orathonen nur auf den Eigenvorteil bedacht war. Percip versprach hier
Dinge, die er niemals einlösen konnte. „Was wollen Sie von mir?" fragte Kalunde wieder. „Die Atombomben?" „Ja." „Ich kann Sie Ihnen nicht geben." „Und warum nicht?" „Stellen Sie sich vor, die Orathonen würden es erfahren. Noch sind sie die Herrscher Terras. Auf Versprechungen, die weit in der Zukunft liegen, kann ich mich nicht einlassen. Wer garantiert mir, daß die Laktonen siegen und nicht die Orathonen?" „Wenn Sie uns helfen, werden die Laktonen siegen!" sagte Corda. „Erklären Sie mir Ihren Plan!" Für einen Sekundenbruchteil fing Corda einen warnenden Blick von Ugalla Nkonde auf. Diese Warnung genügte. Nkonde kannte Kalunde besser als Corda. Er wußte, daß der Diktator unberechenbar war. Die Gefahr war zu groß. Cordas Gedanken überschlugen sich. Er mußte dem schwarzen Diktator die Sicherheit geben, daß von seinen Atombomben auch wirklich Ergebnisse, die für ihn zum Vorteil waren, abhingen. Er mußte ihm deutlich machen, daß der Plan der Widerstandsgruppe erfolgversprechend war. Aber er durfte ihm nichts von ihrem echten Plan erzählen! Krampfhaft suchte Corda nach einem Ausweg. Er zermarterte sein Hirn nach einem einzigen vernünftigen Gedanken, der Randa Evariste Kalunde überzeugte. Dann fiel ihm plötzlich das NORADHauptquartier ein. Er lächelte. Das war ein hervorragender Täuschungspunkt. „Hören Sie zu", sagte Corda langsam. „Wir brauchen Ihre Atombomben gegen die Orathonen, das wissen Sie bereits. Was Sie nicht wissen, ist die Tatsache, daß der Hauptgefechtsstand der Orathonen während der Schlacht im Weltall nicht das Flaggschiff des Sigam Agelon ist. Der Befehlshaber und der gesamte Führungsstab werden sich während der
Schlacht in den unterirdischen Anlagen der NORAD aufhalten und von dort aus die Schlacht leiten. Das bedeutet, daß wir die einmalige Chance haben, mit einem Schlag die gesamte Führung der Orathonen auszuschalten . . ." „Wenn das die Orathonen wüßten!" kicherte der Diktator. Corda nickte. Er setzte ein zufriedenes Grinsen auf. Er hatte gut gelogen. Natürlich war die ganze Story Unsinn. So verrückt würden die Orathonen niemals sein. Sie beherrschten die Methoden der Gefechtsführung. Kalunde dachte einfach nicht daran, daß sich die gesamte Flottenführung unter keinen Umständen an einem Ort aufhalten würde. Rex Corda hatte nur geblufft. Erfolgreich, wie es schien. „Sie wollen also, um es nochmals festzuhalten, die orathonische Flottenführung nach Beginn der Schlacht im Weltraum mit Hilfe von vier Atombomben in die Luft sprengen?" „Ganz richtig!" Für einen Moment zögerte der Diktator, während es hinter seiner dunklen Stirn arbeitete. Dann kicherte er plötzlich wild los. Er lachte und lachte, während er sich immer wieder mit den flachen Händen auf die Schenkel schlug. „Köstlich - einfach köstlich! Mit einer Handvoll Männer und ein paar alten Atombomben wollen Sie in aller Bescheidenheit eine komplette Flottenführung auslöschen! Das ist wohl einmalig!" „Durchaus nicht, Kalunde. Beispiele gibt es genug." „Na und? Wie hoch war bei all diesen Versuchen die Erfolgsquote? Ich kenne die Geschichte, Senator! Ich kenne auch die vielen erfolglosen Versuche von Widerstandsgruppen, mit Gewalt einen Einfluß auf das Geschehen zu nehmen, das stärkere und mächtigere Männer bestimmten. Sie werden in die Luft
gehen, Senator, Sie allein mit Ihren Freunden! Ganz einfach atomisiert. Oder glauben Sie ernsthaft, daß Sie die Flottenführung der Orathonen auf eine so einfache Art beseitigen können?" „Ja." „Ich hatte Sie für intelligenter gehalten." „Komplizierte Pläne sind noch lange kein Beweis für Intelligenz. Die Orathonen können auch kompliziert denken. Aber dabei vergißt man oft das Naheliegende. Das ist unsere Chance." Senator Corda war ins Schwitzen geraten. Es war überaus schwer, den Diktator zu täuschen. Corda konzentrierte sich auf die Person des Diktators. Er setzte seine emphatische Begabung voll ein. „Angst!" dachte er. „Du hast Angst, Kalunde - du fürchtest um deine Sicherheit, du bist nur ein Wurm - du zweifelst - entscheide dich - aber denk an deine Angst, Angst, Angst. . ." * Bekoval wurde unruhig. Immer wieder versuchte er, mit besonderen Ortungsgeräten eine Nachricht von Percip, Corda und Ga-Venga zu bekommen. Die Empfänger blieben stumm. Lorus Nonex hörte die Frequenzen der Orathonen ab. Er erlebte den Terror mit. Sein Gesicht verzog sich. Der Haß in ihm wurde immer stärker. Immer waren die Orathonen Sieger geblieben. Aber hier auf diesem Planeten war seit vielen Jahren wieder eine Möglichkeit entstanden, den Grünhäutigen eine Schlappe zuzufügen. Die beiden Laktonen wußten, daß dieser Planet die Entscheidung bringen mußte. Der Kampf um die Freiheit der Erde würde zum entscheidenden Gefecht zwischen den Orathonen und den Laktonen werden!
„Keine Nachricht?" fragte er unruhig. Bekoval schüttelte schweigend den Kopf. Sein Gesicht war ungewöhnlich ernst. * Cordas emotionale Erregung übertrug sich auf Kalunde. Es war keine Hypnose - es war mehr! Senator Corda zitterte vor Anstrengung. Kalunde strich mehrfach mit der Zungenspitze über die aufgeworfenen schwarzbraunen Lippen. Dann strich er die hellrosa Handflächen an den mit Samt beschlagenen Lehnen des Sessels ab. Sein rechter Fuß zitterte rhythmisch. Dann schluckte Kalunde mehrmals. In diesem Augenblick wußte Rex Corda, daß er gewonnen hatte. „Nun?" Nicht mehr, nur dieses eine Wort. Corda sah dem Diktator in die Augen. „Werden Sie uns die Bomben geben?" „Ja. Ich will sie loswerden. Sie sind mir zu gefährlich. Zum Teufel nochmal - was soll ich denn mit den Dingern? Wenn die Orathonen erfahren, daß ich noch Atombomben habe, geht es mir schlecht. Wozu das Risiko? Verstehen Sie, was ich meine? Ich habe keine Angst! Pah - die kenne ich nicht. Ich bin der Herr über Afrika. Aber wozu ein sinnloses Risiko?" „Wo finden wir die Bomben?" „Ich werde sie Ihnen zeigen. Werden Sie glücklich damit. Aber ich warne Sie: Wenn Sie geschnappt werden und die Orathonen erfahren, daß die Bomben von mir sind, treffe ich Sie noch vor der Strafe der Grüngefiederten. Und meine Rache ist grausamer, darauf können Sie sich verlassen!" „Wir hörten bereits, was Sie mit Ihren übergelaufenen Agenten anstellen", lächelte Corda, um den Diktator bei
Stimmung zu halten. Er war sehr erleichtert, daß es ihm gelungen war, den wirklichen Zweck, für den er die Atombomben brauchte, zu verheimlichen. Der Laktone Percip sah ihn mehrmals mit stiller Achtung an. Die Terraner entwickelten Fähigkeiten, die er ihnen vorher nicht zugetraut hatte. „Gehen wir, meine Herren!" Der Diktator sprang aus seinem Sessel und marschierte auf eine fugenlose Wand zu. Die Gewehrläufe zogen sich zurück. Sekunden später war nicht mehr zu erkennen, wie kritisch die Situation noch vor wenigen Augenblicken gewesen war. Rex Corda zweifelte nicht daran, daß Kalunde sie in weniger als einer Sekunde gnadenlos vernichtet hätte. Ohne mit der Wimper zu zucken, hätte er die Auslöser betätigt, wenn auch nur ein einziges falsches Wort gefallen wäre. Nur ein Punkt bereitete Corda noch Kopfschmerzen. Sie konnten die Bomben nicht abtransportieren. Der Diskus der Orathonen lag zerstört auf dem Grund des Tanganjikasees. Wenn sie die Bomben mit Nkondes Sonnengleiter nach Brazzaville bringen wollten, würden sie mit tödlicher Sicherheit unterwegs ein Opfer der Orathonen werden. Fünfzehnhundert Kilometer mit einem langsamen Sonnengleiter waren eine Unmöglichkeit. Außerdem konnten nur zwei Personen mit den Bomben fliegen. Die anderen mußten zurückbleiben, wreil die tödliche Last zuviel Gewicht hatte. Und das war ein Punkt, der Corda nicht begeisterte. Sie folgten dem Diktator, der sie immer tiefer in das Labyrinth der unterirdischen Anlage führte. Ab und zu verschwanden Negerwächter hinter Mauervorsprüngen. Einmal glaubte Corda Frauenlachen zu hören. Dann wieder kam aus einem
Seitenstollen Musik. Anscheinend hatte sich Kalunde dieses Versteck schon lange vor der Invasion der Orathonen angelegt. Auf jeden Fall - das mußte Corda zugeben - stand dieser Fuchsbau der NORAD-Zentrale nicht nach. Er war sogar der Ansicht, daß Kalundes Anlage viel tiefer in den Berg gebaut war als die unterirdische Zentrale der ehemaligen amerikanischen Luftverteidigung. Immer dichter schlossen die Männer auf. Die Luft wurde kühler. Auch die Feuchtigkeit stieg kaum merklich an. Dann passierten sie eine kreisrunde Tresortür. Kalunde wartete, bis sie alle zusammen in der Schleuse standen. Er stellte eine Zahlenkombination ein. Es summte innerhalb der Wand. Langsam öffnete sich ein Scherengitter, das auf der Rückseite mit grünem Moskitodraht bespannt war. Corda mußte über diese Tatsache lächeln. Er fragte sich, wo in dieser Tiefe Moskitos herkommen sollten. Das Gitter verschwand in der Felswand. Dann traten die Männer in einen weißgekachelten Raum, der nur zwölf mal zwölf Meter groß war. Zwei Reihen mit schalenartigen, rotlackierten Eisengestellen liefen quer durch den Raum. Darüber befand sich eine chromblitzende Laufkatze, auf die jemand mit gelber Farbe 10000 kg geschrieben hatte. Cordas Blick wurde aber viel mehr von den roten Gestellen gefangengenommen. In vier Halterungen lagen die heißersehnten Bomben. Die übrigen Halterungen waren leer und mit einer dicken Staubschicht bedeckt. * Sechs Stunden nach dem ersten überraschenden Überfall kamen die Lakto-
nen zum zweiten Male. Sie tauchten aus der Schwärze des Weltraums in der Gegend der Asteroiden auf. Niemand hatte sie hier erwartet, weil eine Aktivierung in diesem Trümmerfeld ein äußerst großes Risiko darstellte. Deshalb gelang es den fünf Raumschiffen der Trakonklasse, in den Verteidigungsring der Orathonen einzubrechen. Nach dem Aufschließen verständigten sich die Laktonen nur noch durch optische Signale, die in abgeschirmter Form gesendet wurden. Dadurch gelang es ihnen, ein Höchstmaß an Geheimhaltung durch die absolute Funkstille und den geschickt gewählten Einfallsraum zu erreichen. Die fünf raketenförmigen Raumschiffe operierten nach einem ausgeklügelten Angriffsplan. Sie griffen zunächst ein Orathonenschiff der Wonn-Klasse mit einem kurzen Feuerüberfall an. Noch ehe der Orathone begriffen hatte, daß die Laktonen wieder im Sonnensystem waren, verglühte die zwölfhundert Meier große Kugel im All. Das war das Angriffssignal für die Laktonen. Die Raumschiffe bildeten einen Kettenkeil. Sie behielten diese Formation bis zu einem vorher festgelegten Punkt im All bei. Dreizehn Lichtminuten und sechsundünfzig Sekunden von der Sonne entfernt löste sich der Verband auf. Zwei der laktonischen Raumschiffe ging auf Gegenkurs. Ein TraktonKreuzer blieb in der Entfernung von 1,67 astronomischen Einheiten zur Sonne. Er schaltete den Antrieb aus. Die beiden übrigen Raketen brachen in den inneren Verteidigungsring der Orathonen ein. Sie passierten die imaginäre Grenzlinie, die von der größten Marsentfernung zur Sonne gebildet wurde. Innerhalb dieses Bereichs hatten die Orathonen Einheiten ihrer Flotte in starker Konzentration angesammelt. Alle Schiffstypen - Diskus-Raumer,
Hantel-Raumer, kleine Dorr-Typen und Alakims sowie die großen Kampfeinheiten der Wonn- und Arca-Klassen kontrollierten den Raum zwischen Sonne und Mars. Hier war ein gezielter Angriff kaum möglich. Trotzdem versuchten es die beiden laktonischen Raumschiffe, denn sie vertrauten der Feuerkraft der „Silent-MaryGeschütze". Dann stießen sie auf ihr erstes Opfer. Mit einer schnellen Kreuzpeilung fixierten sie den Kurs eines unvorsichtig durch den Raum gleitenden Forschungsraumers der Alakim-Klasse. Die silbrige Kugel mit der feuerroten Aufschrift und den schlanken Verbindungsarmen zwischen den einzelnen Segmenten war mit Sondersensoren besetzt. Zum Zeitpunkt des Angriffs durch die Laktonen befanden sich 61 Alakim-Schiffe im sonnenahen Raum, um die letzten Vorbereitungen für die Inbetriebnahme eines riesigen SuperTransformers durchzuführen. Dieser Transformer wurde gegenwärtig in der Mondbahn in der Nähe der Erde installiert. Er war ausersehen, die Sonnenenergie direkt abzuzapfen. Die Laktonen hatten es auf diesen Transformer abgesehen, der im Zustand der Montage noch verwundbar war. Laktonische Agenten hatten Alarm geschlagen, als sie erfuhren, was die Orathonen planten. So schnell wie möglich war daher das Sonderkommando aufgebrochen, um den Transformer zu zerstören. Mit zwei kurzen Hochangriffen vernichteten die Trakton-Kreuzer das orathonische Raumschiff. Aber die Orathonen hatten gemerkt, was passiert war. Sigam Agelon handelte schneller als beim ersten Angriff. Er wollte es diesmal auf einen Nahkampf ankommen lassen. Mit einem schnell geplanten Umfassungsangriff aus einer Wechselstellung heraus ver-
hinderte er das seitliche Ausbrechen der Laktonen. Dann befahl er, den Durchlaufpunkt der beiden Raumschiffe mit Radar-Täuschern einzudecken. Die Laktonen durchschauten das Manöver. Sie sprangen in schnellem Wechsel durch die Sperre. Dann lokalisierten sie den Feind und eröffneten ein Dauerfeuer. Sie lieferten den Orathonen ein vorbildliches Verzögerungsgefecht. Immer wieder wichen sie aus. Anscheinend hatten sie es darauf angelegt, größere Feindkräfte vor der Marsumlaufbahn zu binden. Doch dann glückte den Orathonen der Zangenangriff. Eine Horde feuerspeiender Wonn-Kreuzer stürzte sich auf die beiden Laktonen. Energieschirme brachen zusammen, wurden wieder aufgebaut und erneut unter Beschüß genommen. Aber es gelang den Orathonen einfach nicht, den hakenschlagenden Feind sofort auszuschalten. Gleichzeitig sickerten die beiden Raumer, die vor der Marsbahn auf Gegenkurs gegangen waren, mit voller Geschwindigkeit in den inneren Kreis ein. Sie verzichteten vollkommen auf den Hyper-Antrieb, auf elektronisch koordinierte Peilungen und auf BordBord-Funksprüche. Dadurch schafften sie es, bis auf neun Lichtminuten Sonnendistanz zu kommen. Aber das war nicht genug. Die Erde lag fast greifbar nahe vor ihnen. Trotzdem wurden die beiden Täuschungs-Kreuzer einige Minuten zu früh vernichtet. Die Operation war gescheitert . . . Um nicht noch mehr Schiffe zu verlieren, ergriffen die Laktonen die Flucht. Der Plan, der anfangs so gut funktioniert hatte, war ein Fehlschlag gewesen. Der große Transformer in Mondnähe blieb unbeschädigt! * Die Lage spitzte sich weiter zu. Im-
mer wieder versuchten die Laktonen Überraschungsangriffe. Mit höchster Eile trieben die Orathonen die Fertigstellung des Super-Transformers voran. Auch auf der Venus wurde ein Super-Transformer gebaut. Mitten im Dschungel. Auf dem Mars ebenfalls. Die Ausbeutung der Erde genügte den Orathonen nicht mehr. Kein anderes Sonnensystem war so schnell und so gründlich für den Nachschub vorbereitet worden. Von Stunde zu Stunde bluteten die Planeten mehr aus. Die eiskalten Orathonen nahmen keine Rücksicht mehr. Sie wüteten als grausame Besatzer. An fünf Stellen der Erde schickten die Super-Transmitter pausenlos Nachschub für die Flotte der Orathonen in den Raum. Die großen Empfänger im Weltall schluckten die transformierten Materialien und formten sie zurück. Es war ein endloser tödlicher Strom. * Randa Evariste Kalunde starrte den ehemaligen Chef seiner Leibwache mit giftigen Blicken an. Viel zu gern hätte er diesen Mann bestraft. Er wagte es nicht, weil Major Nkonde sich ständig in der Nähe von Corda befand. Nkonde wußte, daß der Diktator ihn nicht wegen seiner Fahnenflucht haßte. Es ging um ein vollkommen anderes Problem - um Rosa Nkonde! Rosa Nkonde war seit drei Wochen in Brazzaville. Offiziell war sie nach Addis Abeba geflogen. Ugalla Nkonde erwähnte seine Frau mit keinem Wort. Mit vereinten Kräften luden die drei Männer die schweren A-Bomben auf flache fahrbare Paletten. Sie klinkten die Verriegelungen ein. Dann schoben sie die primitiven Fahrgestelle aus dem gekachelten Raum. Zurück blieben nur die leeren Halterungen. Sie wußten, daß sie einen Schatz von
unwägbarem Wert in ihren Besitz gebracht hatten. Nie zuvor hing soviel von vier Atombomben ab. Wenn diese vier Bomben ihr Ziel nicht erreichten, gab es keine Hoffnung mehr für die Erde. Während der ganzen Zeit fragte sich Senator Corda, wie er mit vier Bomben fünf Transmitter ausschalten sollte. Sie arbeiteten in Kalundes Fuchsbau, obwohl sie wußten, daß mit den Bomben das Problem nicht vollständig gelöst werden konnte. Kalunde beobachtete sie schweigend. Bisher hatte er den Orathonen Seta noch nicht wieder erwähnt. Erst als Corda immer wieder zur Seite blickte, stieß Kalunde ein heiseres Lachen aus. „Wen erwarten Sie, Corda?" „Wo ist der Orathone?" „Dort - wo er hingehört: unter der Erde!" „Sie haben ihn umgebracht?" „Soll ich es Ihnen sagen, damit Sie mich damit erpressen können?" fragte Kalunde ironisch. Corda winkte ab. Für einige Minuten blickte der Diktator schweigend auf die Bomben. Endlich war die Hauptarbeit geschafft. Jetzt konnte der Transport beginnen. Kalunde machte den Eindruck, als hätte er noch etwas zu sagen. „Sollen wir Sie mitnehmen?" fragte Corda. Der Diktator schüttelte den Kopf. „Ich weiß, daß es fünf Super-Transmitter gibt!" platzte er heraus. „Sie haben aber nur vier Bomben! Wie wollen Sie den letzten Transmitter lahmlegen?" Percip richtete sich auf. Alles an ihm verkrampfte sich. Auch Rex Corda hörte auf zu arbeiten. Kalunde hatte den Zweck der Bomben erraten. Aber Corda dachte nicht daran, jetzt aufzugeben. „Kein Kommentar", sagte er deshalb. Aber da stieß Kalunde ein kurzes Lachen aus. Er zog die Brauen nach oben und zeigte seine Zähne. „Ich könnte Ihnen einen Tip geben",
sagte Kalunde und spielte mit seinen Fingern. „Aber ich möchte die Wahrheit wissen, dann nenne ich Ihnen den Namen eines Mannes, der Energieschirme durchbrechen kann . . ." Percip konnte sich nur mit Mühe beherrschen. Das sagte der Diktator ganz beiläufig. Dabei war für den laktonischen Agenten diese Mitteilung mehr wert als alle Bomben zusammen. Ein Mann, der Energieschirme durchbrechen konnte! Das war der Stein der Weisen! Damit konnten die Laktonen jede Schlacht gewinnen! „Das halte ich für ein Gerücht", sagte Percip, während das Blut in seinen Adern pochte. „Nein, nein. Es gibt einen solchen Mann. Er heißt Tsati Matura. Ein Mutant. Ich beschäftige ihn als Botschafter der Organisation Africaine in Südamerika." „Aber wie soll das möglich sein?" fragte Corda. „Ein Mann, der Kraftfelder zerstört?" „Keine Ahnung", kicherte der Diktator. „Wir wußten nicht, was wir mit ihm anfangen sollten. Wenn Sie ihn haben wollen - machen Sie ein Angebot!" „Was könnte ich Ihnen schon bieten?" fragte Corda mit einem Schulterzucken. Sie standen neben den verladenen Atombomben im Gang, der zur großen Halle führte. Der Diktator hielt plötzlich wieder eine alte Waffe in der Hand. Die drei Männer vor ihm waren unbewaffnet. Irgend etwas war schiefgegangen. Corda merkte es sofort. Aber er wußte auch, daß er zu erschöpft war, um die Gefühle des Diktators nochmals zu beeinflussen. „So, Senator", grinste der Diktator überlegen, „Sie haben mir die Bomben abgeschwatzt. Außerdem haben Sie mir ein phantastisches Märchen erzählt. Ich war drauf und dran, es zu glauben. Leider haben Sie einen Fehler gemacht. . ."
„Ich verstehe Sie nicht!" „Und ob Sie mich verstehen. Wozu die Frage nach den Super-Transmittern? Wollen Sie dafür die Bomben? Diesmal will ich die Wahrheit hören, sonst liefere ich Sie auf der Stelle den Orathonen aus. Ohne Bomben, versteht sich!" Corda wurde blaß. Vorbei! Das ganze Manöver war umsonst gewesen. Er hatte den Diktator unterschätzt. Kalunde war gerissener, als er angenommen hatte. Jetzt half nur noch eins - die Wahrheit! Aber durfte er Kalunde die ganze Wahrheit sagen? Corda zweifelte daran. Dieser Mann war zu allem fähig, wenn es um seinen Vorteil ging. Corda wich einen Schritt zurück. Seine Finger glitten hinter seinem Rücken über das kühle Metall der Bombe Nummer zwei. Mit den Fingerspitzen tastete er nach der Klappe, hinter der sich der Zündmechanismus befand. „Also gut", sagte er mit einem tiefen Seufzer. Er wendete seine ganze schauspielerische Begabung auf, um einen möglichst zerknirschten Eindruck zu machen. Kalunde durfte jetzt nichts merken. Unendlich behutsam ließ Corda den Ring mit den zwölf Kerben einrasten. Dann hustete er, um das Geräusch des Kippschalters zu übertönen. Zwei Sicherungen waren jetzt ausgeschaltet. Corda spürte, wie sein Gaumen trokken wurde. Er konzentrierte sich auf zwei Dinge gleichzeitig. Auf die Sicherungen der Atombombe und auf Kalunde. Der nächste Schritt war schwieriger. Corda mußte ohne Sichtkontrolle den Kumulator in den versiegelten Schlitz schieben. Der Schweiß lief ihm am Rücken hinunter. „Ich gebe es zu", sagte er mit belegter Stimme. „Wir wollen die SuperTransmitter ausschalten!"
Kalunde lachte nervös. „Unmöglich! Nicht mit diesen Dingern hier! Die Transmitter können nur zerstört werden, wenn gleichzeitig die Kraftfelder, die sie schützen, ausgeschaltet werden." „Das kann durch die Erschütterung geschehen", sagte Corda und ließ den Kumulator in den Schlitz gleiten. Anschließend tastete er mit den Fingerspitzen nach dem isolierten Draht, der mit einer Kontaktschraube verbunden werden mußte. Mit den Fingernägeln versuchte er, die Isolierung durchzukneifen. Zweimal rutschte er ab und verlor den Draht. Da merkte Percip, was Corda vorhatte. Er sprang sofort ein. Er stellte sich schräg vor Corda. Jetzt hatte der Senator etwas mehr Deckung. Er bewegte den Oberkörper nicht. Aber hinter seinem Rücken montierte er mit einer Hand den blanken Draht an den Kontakt. Es dauerte zwei Minuten. „Trotzdem glaube ich nicht, daß Sie Erfolg haben. Ich werde den Fall meiner Regierung vortragen." „Haben Sie das nötig?" spottete Percip. Der Diktator sah den Laktonen böse an. „Soll ich etwa allein die Verantwortung tragen und mich umbringen lassen, weil ich diesen unsinnigen Plan kannte?" „Nein - wir haben Ihnen nicht gesagt, daß wir die Super-Transmitter ausschalten wollen. Offiziell können Sie die Bomben ja abgegeben haben, um die NORAD-Zentrale in die Luft zu sprengen, aber das werden Sie auch nicht sagen müssen, da Sie niemand nach den Bomben fragen wird!" „Glauben Sie! Ich bin bereits gefragt worden! Von einem Orathonen. Und ich habe zugegeben, daß ich die Bomben habe . . ," Percip verstand nichts mehr. „Wieso können Sie dann hier sein?" fragte Corda und runzelte die Brauen. Jetzt kam noch der letzte Kontakt, dann war
es soweit. „Ich habe mich immun gegen einen Magnet-Smash machen lassen. Als der Orathone auf mich schoß, habe ich die entsprechende Reaktion gezeigt. Als der Bursche dann den Herzschrittmacher holen wollte, verließ ich den Raum und begab mich hierher. Nun wissen Sie es." „Jetzt frage ich mich, wer von uns beiden mehr geblufft hat", grinste Corda. „Sie sind machtlos, Kalunde! Ein Wort von uns an die Orathonen - und Sie sind erledigt!" „Irrtum - der betreffende Orathone lebt nicht mehr. Tut mir leid, daß ich Ihnen das Vergnügen nicht machen kann, mich bei den Orathonen anzuschwärzen. Nicht umsonst bin ich Herr über Afrika!" „Mord!" sagte Corda. „Notwehr", grinste Kalunde mit einem Schulterzucken. Senator Corda verzog das Gesicht. Kalunde war ein Verbrecher. Er war schlimmer als die Orathonen oder Laktonen. „Was ist ein Mann gegen Tausende, die von den Orathonen umgebracht wurden. Sie wissen es noch nicht: Albertville existiert nicht mehr. Deshalb habe ich auch soviel Zeit für Sie aufgebracht. Ich werde für einige Zeit hierbleiben. Dann kehre ich an die Oberfläche zurück, um weiter zu herrschen." „Na, dann herrschen Sie mal schön", sagte Corda mit einer Stimme, die wie splitterndes Glas klang. Er trat einen Schritt zur Seite. „Wissen Sie, wie eine A-Bombe scharf gemacht wird?" „Sind Sie wahnsinnig!" keuchte Kalunde mit einem Blick auf die geöffnete Schutzklappe an der zweiten Bombe. „Keine Panik, Kalunde. Sie können uns nacheinander erschießen. Es nützt ihnen nichts, weil Sie die Bombe allein nicht entschärfen können. Oder können Sie es?" „Nein . . . natürlich nicht! Ist sie - ist
sie scharf?" Sein Blick hing an Senator Corda. Jetzt hatte Kalunde wirklich Angst um sein jämmerliches Leben. Corda gönnte es dem Diktator. „Sie ist scharf, Randa Evariste Kalunde!" „Wann . . ." „In zehn Sekunden!" „Nein! Was wollen Sie wissen? Schnell!" „Wir brauchen einen Diskus." „Natürlich. Ich habe zwei Stück bergen lassen, nachdem sie abstürzten. Kommen Sie . . ." Senator Corda lächelte. Er griff an die Bombe. „Passen Sie auf, Kalunde. Ich stelle die Zündung jeweils auf dreißig Sekunden ein. Das wiederholt sich so lange, bis wir aus diesem Bau verschwunden sind. Ist das klar genug ausgedrückt?" „Eines Tages werden Sie dafür bezahlen!" „Schon möglich. Dann ist da noch etwas - diesen Tsati Matura - befehlen Sie ihm, zur NORAD zu kommen." „Die Orathonen lassen nicht zu, daß ein Mann von Kontinent zu Kontinent geht. Das sollten Sie eigentlich wissen." „Natürlich", sagte Corda mit einem Lächeln. „Sie sollen nur befehlen, daß sich dieser Mutant verfügbar hält. Sie haben doch ein gutes Agentennetz. Den Transport besorgen wir schon." Kalunde vergaß, seinen Mund zu schließen. Innerhalb kurzer Zeit hatte er mehr einstecken müssen als in all den Jahren vorher. Das war zuviel für ihn. Er nickte nur noch. „Sie bekommen alles, was Sie wollen, aber gehen Sie! Nehmen Sie die Bomben mit, holen Sie sich Matura, und lassen Sie sich nie wieder hier sehen. Ich könnte mich sonst daran erinnern, daß Sie mir mehr als eine Schlappe beigebracht haben." „Sie fangen an, vernünftig zu wer-
den." Kalunde antwortete nicht. Corda begann mit dem Abtransport der Bomben. Gemeinsam schoben er, Percip und Nkonde die vier Paletten vor sich her. Mit Hilfe einer Rampe schoben sie die Untersätze auf Lastenträger, die ihnen von Kalunde gezeigt wurden. Dann nahm Percip dem Diktator die Waffe ab und ging mit ihm in einen Seitengang. „Wenn Sie in fünf Minuten nicht wieder zurück sind, stelle ich den Zünder ein und verschwinde", sagte Corda. „Wir werden zur angegebenen Zeit wieder hier sein", sagte Percip. Rex Corda lehnte sich mit dem Rükken gegen die scharfe Atombombe und steckte sich eine Zigarette an. Noch einmal überdachte der Senator die Ereignisse der letzten Stunden. Sie besaßen die Bomben. Das war entscheidend. Jetzt kam es darauf an, ob sie die Waffen zum Terra-Jet bringen konnten. Er wußte, daß das nicht einfach war. Die Orathonen waren gewarnt. Mit allen Mitteln würden sie versuchen, den afrikanischen Kontinent zu überwachen. Ein bekannter Diskus, der bereits auf der Ausfall-Liste stand, war noch verdächtiger. Corda zweifelte nicht daran, daß die Orathonen jedes Fluggerät, das sie nicht klar identifizieren konnten, ohne zu zögern vernichten würden. Sie würden auch auf Diskus-Raumer schießen. Rex Corda strich mit der Handfläche leicht über das kalte Metall der Bombe. Er hätte nie gedacht, daß er die scheußlichen Atomwaffen noch einmal fast liebevoll behandeln würde. Die Besatzung des Terra-Jet, der noch immer in Brazzaville lag, hatte ihr Ziel erreicht. Sie besaßen die Bomben. Percip kam zurück. „Wie sieht es aus?" fragte Rex.
„Die Reparatur dauert zwei Stunden." Corda preßte die Lippen zusammen. Daran war nichts zu ändern. Aber sie mußten Polley und die anderen benachrichtigen. „Major Nkonde", rief Corda, „holen Sie die drei Männer aus dem Diskus. Wir müssen jetzt zusammenbleiben! Der schwierigste Teil dieses Unternehmens steht uns noch bevor, nämlich der Abtransport der Bomben. . ." * Neunzig Minuten später kam Ugalla Nkonde schweißgebadet zurück. „Wo ist Senator Corda?" keuchte er, als er Percip sah. „Er steht an den Bomben und hält den Daumen auf den Zünder!" „Und Kalunde?" „Steht daneben und beschwört seine Hausgeister, damit wir so schnell wie möglich wieder verschwinden." Nkonde drehte sich auf dem Absatz um und hetzte durch den Gang. Kurze Zeit später prallte er auf Senator Corda. „Sie sind weg", keuchte Nkonde. Er wischte sich atemlos den Schweiß von der Stirn. Corda starrte den Hamiten ungläubig an. „Wer ist weg?" „Oberst Polley, Haick und der Kynother!" „Haben Sie keine Verbindung bekommen?" „Nein." „Haben Sie alles versucht?" Nkonde nickte erschöpft. „Alles versucht, Senator!" Kalunde kicherte. Rex Corda sah ihn wütend an. „War das Ihr Werk, Kalunde?" „Wieso?" „Zwanzig Sekunden, Kalunde, in zwanzig Sekunden geht die Bombe hoch, wenn Sie nicht augenblicklich sagen, was Sie da gemacht haben!"
„Sie irren, Corda! Sie wollen die Erde retten. Deshalb werden Sie sich selbst nicht im Feuerpilz einer Atombombe sehen wollen. Dann wären nämlich Ihre schönen Pläne wertlos!" Kalunde hatte recht. Corda wußte es. Er starrte den Diktator an. Dieser fette Bursche hatte die ganze Zeit über gewußt, daß sie nicht aus dem Fuchsbau herauskamen. Er hatte gewußt, daß der Sonnengleiter mit Oberst Polley, Haick und Ga-Venga Pech gehabt hatte. Eine andere Möglichkeit gab es nicht! Schweigend zog Senator Corda seine Khakibluse aus. Er riß die Ärmel ab. Dann ging er Schritt für Schritt auf Kalunde zu. Der Diktator wich zurück. Er ging um die Bombe herum. Seine Finger glitten über das Metall. Senator Corda folgte ihm. Schritt für Schritt. „Was wollen Sie, Corda - ich weiß nichts! Machen Sie keine Dummheiten! Ich habe Ihnen alles gesagt! Corda - Sie sind wahnsinnig . . ." Rex antwortete nicht. Er beugte sich über die Bombe und verstellte den Zünder. „So, Kalunde, überzeugen Sie sich selbst." „Wovon?" „Sehen Sie schon auf die Uhr. Zwanzig Minuten Verzögerung. Reicht das für uns, um aus dem Bau zu kommen?" „Sie kennen die Ausgänge nicht!" sagte Kalunde mit belegter Stimme. „Nur den, der in den Dschungel führt. Das nützt Ihnen nichts. Sie können die Bomben nicht mitnehmen. Außerdem kommen Sie aus dem Dschungel nicht heraus ohne Gleiter!" „Wir können aber etwas anderes machen, Kalunde", sagte Corda. Er packte den Diktator und riß seine Arme mit einem Ruck nach hinten. Schnell schlang er den abgerissenen linken Ärmel seiner Khakibluse um die Handgelenke des Schwarzen.
Er zog die Knoten straff zusammen. Dann schlug er leicht gegen den Hals des Diktators. Kalunde schüttelte sich, dann sank er zu Boden. „Helfen Sie mir, Major." Zusammen banden sie den Herren Afrikas auf die längliche Atombombe. Corda tätschelte Kalundes Wangen, Der Diktator kam wieder zu sich. „Tut mir leid - Sir!" grinste Corda. „Das werden Sie noch bereuen. Von jetzt an sind Sie mein Feind, Corda. Ich schwöre Ihnen, daß ich Sie vernichten werde. Und dich, Ugalla Nkonde, ebenfalls . . ." „Schimpfen Sie ruhig. Das beruhigt!" lächelte Corda. „Und dann hören Sie mir gut zu. Ich habe Sie auf dieser Bombe festgebunden. Wir werden Sie jetzt in einen Raum schieben, der abschließbar ist. Den Schlüssel nehme ich natürlich mit." Er gab Nkonde ein Zeichen. Der stämmige Hamite begann, die Palette mit der Atombombe durch den Gang zu schieben. Corda blieb zurück. Er grinste jetzt absichtlich. Kalunde sollte es sehen. Percip tauchte im Gang auf. „Wir können, Corda." „Einen Moment noch - Kalunde macht Ärger." „Was ist passiert?" „Er weiß, was mit dem Sonnengleiter passiert ist, will es aber nicht sagen." Nkonde stoppte die Palette. Percip hatte seinen Magnet-Smash herausgerissen. Er stürmte auf den festgebundenen Diktator zu. „Nein!" rief Corda. „Dann kommen wir hier nie heraus. Kalunde weiß, daß wir ihn nicht erschießen dürfen, wenn wir eine reelle Chance haben wollen. Deshalb bin ich mehr für meine Methode." „Was soll das! Ich habe allmählich keine Geduld mehr", rief Percip ärgerlich.
„Hören Sie zu", erklärte Corda und ging auf die Palette mit der Atombombe zu. „Wir werden Kalunde einschließen und uns dann zum Dschungelausgang begeben. Wenn es hier kracht, sind wir bereits in Sicherheit." „Pah - Sicherheit", höhnte Kalunde. „Mit einem Magnet-Smash kommen Sie im Dschungel nicht weit. Außerdem müssen Sie die Atombomben holen, um die Transmitter zu zerstören. Wie wollen Sie das machen, wenn ich fragen darf? Binden Sie mich los, und hören Sie mit dem Bluff auf!" Die drei Männer sahen sich an. Kalunde genoß seinen Triumph. Dann ging Corda auf ihn zu. „Okay, Kalunde. Dann eben nicht. Ich gebe zu, daß der Bluff nicht besonders gut gewirkt hat. Major machen Sie ihn bitte los!" „Ganz?" „Nein, nur die Füße - wir nehmen ihn mit." Das war genau der Punkt, an dem Kalunde aufgab. Corda hatte keine Ahnung gehabt, daß Kalunde einen Komplex hatte, der stärker war als sein Machthunger. Er haßte den Dschungel. Mehr noch: er hatte Angst vor ihm. Obwohl Kalunde Afrikaner war, gab es für ihn nichts Schlimmeres als den Dschungel mit seinen Moskitos, Mücken und Schlangen. Kalunde hatte seit seiner Zeit in Indochina eine wahnsinnige Angst davor, Malaria zu bekommen. Als Arzt kannte er die chronischen Anfälle dieser Krankheit. Er richtete sich auf und sah Corda starr an. „Der Sonnengleiter befindet sich in Greinerville", sagte er mit tonloser Stimme. „Sie erreichen ihn, wenn Sie den Störsender in der Zentrale meines Escape-Systems ausschalten. Es gibt hier im Berg eine Bleiader, die ich nach Belieben unter Strom setzen kann. Der
Energieoutput stört den Funkverkehr im Umkreis von fünfzig Kilometern." „Hübsch", sagte Corda skeptisch. „Und wo liegt der Ausgang für einen Diskus? Sie haben die Dinger doch in den Berg bekommen - dann muß es also auch einen entsprechenden Ausgang geben!" „Schicken Sie Nkonde los. Der Schalter für den Störsender liegt in einem Gang, fünfzig Meter von hier entfernt. Nkonde soll die UhrKombination auf 21.45 Uhr stellen. Aber links herum!" „Wenn- das wieder ein fauler Trick ist, verliere ich die Geduld", sagte Rex Corda. Aber Kalunde machte nich.t den Eindruck, als wolle er es nochmals versuchen. Er sah krank aus. „Los, Major - laufen Sie! Oberst Polley und die beiden anderen sollen herkommen. Durch den Dschungeleingang. Wir bereiten hier inzwischen den Ausbruch vor." Major Ugalla Nkonde salutierte anerkennend. Er schwang sich auf einen Träger und jagte davon. „Kommen Sie, Kalunde, fassen Sie mit an", sagte Corda. Er gab dem Diktator einen leichten Stoß. Wenn Kalunde tatsächlich aufgegeben hatte, mußte er jetzt ohne Widerstand gehorchen. Kalunde gehorchte. Das war für Senator Corda der Beweis. Erst jetzt war er sicher, daß sie heil aus dem Berg kamen. Sie schoben die Paletten mit den Atombomben durch die Korridore. Zweimal tauchten Wächter auf. Aber jedesmal genügte eine Kopfbewegung des Diktators, um die Burschen sehr schnell wieder verschwinden zu lassen. Randa Evariste Kalunde hatte endgültig klein beigegeben! Es war ein harter Kampf gewesen. Corda fühlte sich wie zerschlagen. Mehrmals stand die ganze Angelegenheit auf Messers
Schneide. Aber jetzt schien es endlich weiterzugehen. Dann erreichten sie den Lagerraum. Die beiden orathonischen Diskus-Raumer schimmerten im Licht von zwei Tiefstrahlern. Kabelschlangen waren wild über den Kunststeinboden verstreut. Ausgebaute Elektronikteile knirschten unter den Rädern der Paletten. Sie holperten über Kabel und flache Einsätze. Dann standen sie hintereinander vor der Schleuse des reparierten Diskus. Das wendige Verbindungsboot der Orathonen zur Unterstützung von Bodenkämpfen gehörte nicht zur häufig benutzten Pon-Klasse. Dieser Diskus war größer. Er maß dreißig Meter im Durchmesser und besaß eine etwas stärkere Bewaffnung, die sich aber nicht mit der Ausrüstung des Typs A-Vaut-T messen konnte. „Wo haben Sie den denn her?" fragte Corda interessiert. „Gefunden", kicherte Kalunde stolz. „So, so", nickte Corda mit einem feinen Lächeln. „Ein komplettes Kleinraumschiff der Kapp-Klasse lassen die Orathonen also einfach irgendwo herumliegen! Wieviele Orathonen starben, als Sie den Diskus fanden?" „Warum sollten Sie es nicht wissen: Es waren drei." „Eins muß man Ihnen lassen, Kalunde", sagte Percip kopfschüttelnd, „Sie sind ein eingebildeter, arroganter und größenwahnsinniger Bursche. Aber Sie haben in all Ihrem Wahn Mut. Verdammt viel Mut sogar!" „Nur gut, daß nicht alle mutigen Menschen gleichzeitig Diktatoren sind", nickte Corda. „Ist ein Senator nicht auch ein kleiner Diktator?" fragte Kalunde. „Für Sie ein interessantes Wortspiel, Kalunde!" Corda schüttelte den Kopf. „Leider werden Sie nie begreifen, wo dabei der grundlegende Unterschied be-
steht. Ich wurde gewählt und kann wieder abgesetzt werden. Das ist nur ein Punkt, vergessen Sie das nicht." „Unsinn, Corda! Wir sind uns ähnlicher, als Sie wahr haben wollen! Sie vertreten im Augenblick Amerika. Kein Mensch kann Sie absetzen, denn Sie sind der rechtmäßige Repräsentant der Vereinigten Staaten. Warum nutzen Sie das nicht aus?" „Fangen Sie schon wieder damit an?" „Mit Ihrem Idealismus bekommen Sie doch nur eines Tages eine Kugel in den Kopf. Wahrscheinlich nicht einmal von einem Orathonen . . ." „Zwischen Afrika und Amerika liegt der atlantische Ozean. Das sind nur ein paar tausend Meilen. Aber zwischen Ihnen und mir liegt eine Strecke, die Lichtjahre mißt. Los, fassen Sie an - wir haben keine Zeit mehr für Grundsatzdiskussionen über Führungsprobleme!" Corda griff nach einem fahrbaren Hebebaum. Er setzte sich auf den Sattel eines Gabelstaplers. Kalunde schüttelte ungläubig den Kopf. „Typisch amerikanischer Allroundman!" spöttelte er. „Haben Sie in Ihrer Familie noch mehr von Ihrer Sorte?" Corda hielt mitten in der Bewegung inne. Die aufgenommene Atombombe pendelte leise an den Ladegeschirren. Fast gleichzeitig sahen sich Corda und der laktonische Agent an. Ihre Blicke kreuzten sich. Nur sie beide wußten, daß der Diktator da einen wunden Punkt in den Beziehungen zwischen Corda und den Laktonen angeschnitten hatte. Cordas Lippen wurden zu einem schmalen Strich. Das Blut pochte hinter seinen Schläfen. Er dachte an seine Geschwister, die von den Laktonen entführt worden waren. Der 14jährige Kim und die schlanke, schnippische Velda waren verschwunden, noch ehe Corda mit den Laktonen zusammenar-
beitete wie im Augenblick. Man hatte ihm zugesagt, sich um Kim und Velda zu kümmern. Corda wußte, daß es ganz tief in ihm noch einen Grund gab, für die Laktonen zu arbeiten. Er wollte Kim und Velda helfen. Neben dem Gefühl, der Menschheit den vollen Einsatz schuldig zu sein, existierte dieser stets vorhandene private Wunsch, Kim und Velda zu retten koste es, was es wolle! „Weitermachen!" sagte Corda leise. Percip ließ seine Hand sinken, die bereits in gefährliche Nähe des MagnetSmashs gekommen war. Aufheulend begann der Elektromotor des Gabelstaplers zu arbeiten. * Diesmal erhielten die drei Männer im Sonnengleiter den Funkspruch. Oberst Polley bestätigte den Empfang. Von Greinerville waren es nur dreißig Kilometer bis zum Eingang zu Kalundes Fuchsbau. Ga-Venga startete sofort, während unten im Dschungel Major Ugalla Nkonde den Empfang vorbereitete. Der weiße Sonnengleiter flog dicht über dem Dschungel. Der knabenhafte Kynother hatte die Steuerung übernommen. Er hatte sichtbar Mühe, mit dem Fahrzeug fertig zu werden. Er war kein Pilot. Das mußte er jetzt selbst feststellen. Da tauchte plötzlich und unerwartet eine Staffel Diskus-Raumer vom Typ Pon auf. John Haick entdeckte sie zuerst. Die Raumer hatten sie geortet. Drei Pon-Raumer brachen zur Seite aus. Zwei weitere stießen direkt auf den wehrlosen Sonnengleiter zu. „Runter!" brüllte Oberst Polley. GaVenga gab sein Bestes. Er ließ den Gleiter durchsacken. „Ich kann es nicht!" schrie er ver-
zweifelt. „Haick - übernehmen Sie die Steuerung. . ." Der Atomwissenschaftler war kein besserer Pilot als Ga-Venga. Aber er war kräftiger. Er konnte die Kontrollen besser erreichen. Sie wechselten blitzschnell ihre Plätze. Haick schob den Leistungshebel der Turbinen nach vorn. Das ohrenbetäubende Schrillen machte die Männer fast taub. „Schneller!" keuchte der Oberst. Haick riß den Gleiter wieder hoch. Dann ließ er ihn abkippen. Der dichte Dschungel kam rasend schnell auf sie zu. Da brachen die ersten Schüsse qualmende Brandflecken in das Laubdach. Haick slippte direkt in ein Brandloch. Krachend brach der Sonnengleiter durch die verkohlten Äste. Die drei Männer wurden durcheinandergerüttelt. Großwild brach durch das Gewirr. Schreiend erhoben sich dichte Vogelschwärme. „Sofort raus!" brüllte Oberst Polley. Sie warfen sich durch die zersplitterten Sichtscheiben. Der Dschungel nahm sie auf. Vier Meter vor dem hydraulisch gelifteten Dschungelboden war der Sonnengleiter abgestürzt. Oberst Polley hatte eine schmerzhafte Schnittwunde am Oberschenkel. Er keuchte. Ein Feuerstrahl zischte durch den Dschungel. Der Schlamm neben den Männern kochte. Sie rasten zur Treppe, stolperten über Wurzeln und schlugen auf den Boden. Aber da trat Major Nkonde in Aktion. Über eine Lautsprecheranlage brüllte er den drei Männern Anweisungen zu. „'runter von der Treppe! Springen Sie. Es sind nur zehn Meter! Ich habe Matten ausgelegt!" Ga-Venga ließ sich fallen. Gleichzeitig faltete sich die Aluminiumtreppe zusammen. Das Scharnier kreischte. Dann senkte sich die Plattform über den
Köpfen der Männer. Fast in letzter Sekunde traf noch ein Kampfstrahl der Orathonen den Boden neben dem Eingang in die Unterwelt des Diktators. Heiße Schlammbrühe ergoß sich über die Männer. Sie verbrühte ihnen Gesichter und Gliedmaßen. Dann rastete der Verschluß ein. Armstarke Bolzen schoben sich in Stahlbetonfugen. Meterdicke Panzerplast-Platten glitten aus den Wänden und legten sich schichtweise von oben nach unten quer durch den Schacht. Die schützende Mauer wurde von Sekunde zu Sekunde stärker. Aber die Orathonen hatten inzwischen das Ziel ausgemacht. Lichtblitze und donnernde Explosionen erschütterten die Absperrung. Oberst Polley ließ sich fallen. John Haick folgte ihm. Fast gleichzeitig kamen sie am Boden des Schachtes auf. Mit einem Schrei fiel Oberst Polley auf den Rücken. Er verstauchte sich den Oberarm. Doch dämpften die Matten den Sturz. Sofort hob Major Nkonde den verletzten Oberst auf und rannte zur offenen Schleuse. Ga-Venga und John Haick folgten ihm. Das schwere Schott krachte mit einem dumpfen Knall hinter ihnen zu. „Jetzt haben wir Granit über uns", lachte Major Nkonde zufrieden. „Mit ausgegossenen Panzerplast-Verstrebungen." „Das nützt nichts, wenn die Orathonen Ernst machen!" keuchte Ga-Venga. Nkonde setzte den Oberst ab. „Die Orathonen können unsere Energieschirme zerreißen. Etwas Granit hält sie nicht lange auf . . ." „Irrtum!" sagte Nkonde kopfschüttelnd. Er lief mit den drei neuen Besuchern des Escape-Systems durch die Korridore bis zum äußeren Altar. „Hier sind wir absolut sicher. Dieser Ort hält mehr aus als Plätze, die tausend Meter tiefer sind!"
„Wie tief sind wir jetzt?" fragte GaVe'nga. „Etwa fünfunddreißig Meter." „Zu wenig!" Der Kynother sah sich unruhig um. Er kannte die Orathonen, die schon öfters für sicherer gehaltene Forts gesprengt hatten. „Wenn die Featherheads massiert angreifen, das heißt, wenn sie größere Kaliber anwenden, sind wir auch hier nicht sicher. Wir müssen weiter!" „Hören Sie zu!" sagte Major Nkonde und machte eine beschwörende Armbewegung. Gleichzeitig dröhnte der Donner eines Erdbebens durch die Stollen. „Zuhören! Und was war das eben?" „Lassen Sie mich endlich ausreden!" schnauzte der Major den Kleinen an. Ga-Venga riß die Augen auf. Das hatte er nicht erwartet. Der Kynother mit der angenehm dunklen Stimme kannte die Terraner, da er als Dolmetscher eingesetzt war. Er war klein und wirkte eher wie ein Knabe. Trotzdem besaß er eine überraschende Selbstsicherheit, die sich oft in seinem Spott zeigte. Sein ungewöhnlich großer Kopf mit den vollen Wangen und der kräftigen Nase bewegte sich verständnislos. Dann stimmte er einen fremdartigen Singsang an. „Diese kriecherische Unterwürfigkeit können Sie bei anderen erwarten, aber nicht bei mir!" brüllte Major Nkonde weiter. „Ich kenne mich hier besser aus. Merken Sie sich das!" „Aber, aber", beschwichtigth Oberst Polley mit einer Handbewegung. Er wollte Streit vermeiden. „Ga-Venga hat recht, Major. Sie kennen die Orathonen nicht so gut wie er. Wir dürfen uns nicht in Sicherheit wiegen, wenn es nicht der Fall ist." „Bei den großen Stimmen!" brüllte der stämmige Hamite und schlug mit der Faust in die geöffnete Handfläche. „Wir sind hier sicher. Tut mir leid, Oberst, aber wir sind hier auch vor den
verdammten Grünen sicher! Ich weiß es und kann es auch beweisen!" „Dann tun Sie es doch, damit Sie einsehen, daß wir möglichst schnell weiter müssen!" warf John Haick ein. „Das hier", sagte Major Ugalla Nkonde, nachdem er tief Luft geholt hatte, „das hier ist der äußere Altar von Kalunde. Er stammt aber nicht von ihm, sondern von den Animisten." „Interessant", warf Ga-Venga ein, „aber vollkommen unwichtig." Die beiden Männer sahen sich an. Sie waren so unterschiedlich, wie es zwei Männer nur sein konnten. „Hören Sie zu, Sie Genie!" keuchte Nkonde erregt, „vor einigen hundert Jahren lebten meine Vorfahren noch als Wilde. Da hatten Sie bereits Ihren verdammten Krieg angefangen. Wir töteten mit Pfeil und Bogen und glaubten an Geister. Sie töten seit einigen tausend Jahren mit Raumschiffen. Der Effekt ist der gleiche. Moralisch sind Sie aber kein Jota besser als wir. Im Gegenteil! Wir beginnen erst, die Erde aus den Niederungen der geistigen Primitivität zu holen. Unsere Kriege sind Kinderkrankheiten auf dem Weg in eine zivilisierte Zukunft, mehr nicht!" „Major!" bellte Oberst Polley. „Lassen Sie mich ausreden, Sir!" fauchte der Neger erregt. Seine Augen funkelten. „Das, was ich zu sagen habe, sollten alle Vertreter dieser verdammten Weltraumhelden hören! Jawohl, alle! Orathonen und Laktonen. Beide Rassen behaupten, uns überlegen zu sein. Ich kenne die Theorien der Laktonen. Sie behaupten, daß die Natur die Schwachen ausscheidet und nur die Starken überleben läßt. Eine verdammt logische Theorie der Arterhaltung. Leider mit einem Schönheitsfehler! Sie unterscheidet sich nicht von den Theorien der Wissenschaftler auf diesem Globus! Und da fängt es an, interessant zu werden."
„Wieso?" fragte John Haick verblüfft. Er hätte dem Hamiten derartige Gedankengänge nicht zugetraut. „Interessiert es Sie auch? Okay, dann hören Sie zu. Sie haben übrigens gar keine andere Wahl, denn ich bleibe hier, bis das Bombardement vorbei ist. Ohne mich kommen Sie nicht weiter. Kapiert?" „Können Sie sich nicht etwas weniger aggressiv verständlich machen, Major?" stöhnte Oberst Polley. Fern im Berg, grollte es. Die Orathonen setzten schwerere Waffen ein. GaVenga ging einen Schritt zurück und lehnte sich mit dem Rücken an eine der Totenmasken. Aus dem Altar schimmerte es rötlich. „Jeder Arzt arbeitet dem Naturgesetz entgegen, meine Herren", sagte Nkonde hart. „Was tun denn die Mediziner? Sie erhalten krankes Erbgut. Das ist lobenswert, aber dadurch degeneriert in allen Fällen eine gute Zivilisation. Der Aufstieg hat immer einen Höhepunkt. Wir haben Beispiele dafür, Ga-Venga. Die Bewohner der Erde haben die Möglichkeit, aus der Vergangenheit zu lernen. Ihr Krieg dauert bereits über viertausend Jahre. In dieser Zeit hat die Erde eine Menge Blütezeiten erlebt. Ägypter, Griechen, Römer - Völker und Nationen stiegen auf und fielen doch in die Bedeutungslosigkeit zurück. Wollen Sie den Grund wissen? Wahrscheinlich haben Sie noch nie darüber nachgedacht. . ." Major Nkonde grinste. „Wenn die Schwachen nicht mehr durch natürliche Auslese entfernt werden, ist eines Tages die Masse krank. Das bedeutet, daß die Zivilisation in sich zusammenbricht. Am Höhepunkt bricht der Aufstieg ab." „Wollen Sie mir nicht endlich sagen, warum wir uns Ihre Belehrungen anhören sollen?" fragte Ga-Venga nachsichtig.
„O doch, dort - in der Mitte dieses Raumes befindet sich ein Feuerbrunnen. Er lebt, verstehen Sie?" „Nein!" „Dann gehen Sie hin und schauen Sie in den Brunnen, nach dem dieser Ort seinen Namen hat . . ." Ga-Venga blickte unsicher von einem zum anderen. Oberst Polley zuckte die Schultern. Aber John Haick zeigte sich interessiert. Zusammen mit Ga-Venga ging er zum Feuerbrunnen. Sie starrten in das glühende Auge, das seltsam mystisch funkelte und leuchtete. „Ein Medusenauge!" rief der Atomwissenschaftler erstaunt. „Phantastisch, Major - warum haben Sie mir das nicht eher gezeigt?" Der Wissenschaftler in Haick erwachte. Er beugte sich über den Brunnenrand. „Kommen Sie zurück, wenn Sie weiterleben wollen!" Haick und Ga-Venga fuhren gleichzeitig herum. Hochaufgerichtet stand der stämmige Hamite im Halbdunkel. Seine Stirn war glatt und gutgeformt. Nur in seinen Augen entdeckten die beiden Männer ein seltsames Leuchten. „Was soll das eigentlich alles?" brummte Oberst Polley. . .Wir sind hier, um die A-Bomben zu holen. Und dann veranstalten Sie mit uns spiritistische Sitzungen mit Schulmeister-Unterricht in Geschichte." Major Nkonde lächelte. „Sie werden es nicht mehr verstehen. Oberst. Vielleicht sind Sie besser dran als Senator Corda und Mister Haick. Wissen Sie, wo wir hier sind?" „Dumme Frage", brummte Oberst Polley. „Sie können es nicht wissen. Wissenschaftlich nüchtern erklärt, befinden wir uns augenblicklich im Inneren eines noch lebenden Vulkans. Das Feuerauge ist nichts weiter als das glühende Mag-
ma aus dem Erdinneren, nur durch Panzerplast abgesichert." „Na schön, sehr eindrucksvoll. Aber das ist noch nicht alles, oder?" „Nein", sagte Nkonde, „es ist noch nicht alles. Die Lava ist radioaktiv . . ." „Haick!" rief Oberst Polley, „zurück! Strahlungsgefahr!" Im gleichen Augenblick kam der Hauptschlag der Orathonen. Sie griffen voll an. Die Erde bebte und zitterte. Krachend zerbarsten zwischen den Schleusen die Verbindungstüren. „Ruhig - mehr passiert nicht", rief Nkonde. „Wie wollen Sie das schon wissen?" „Ich weiß es, weil wir uns in einer Nickel-Eisenblase befinden, die fast dreißig Meter stark ist. Das schaffen die Orathonen heute nicht mehr!" „Eine Blase aus Nickel-Eisen?" fragte Haick erstaunt. „Ja. Wir sitzen in einer Hohlkugel, die ausgesprochen massiv ist." „Moment mal - Sie haben vorhin erklärt, daß diese Anlage hier bereits vor Kalundes Zeiten errichtet wurde." „Richtig. Durch den AnimistenKult." „Prächtig!" höhnte Haick. „Und wie haben die Herren Wilden sich durch eine Schicht von dreißig Meter NickelEisen gearbeitet? Mit Messern aus Flintstein etwa?" „Nein. Bei der Abkühlung entstanden Gaskanäle. Durch einen sind wir hierhergekommen. Er wurde nur ausgebaut. Durch den nächsten werde ich Sie führen, sobald die Orathonen den Angriff auf den Eingang abgeblasen haben." „Das geschieht erst, wenn sie überzeugt sind, daß wir vernichtet wurden." Ga-Venga sah ernst aus. „Wenn sie feststellen, daß hier eine Nickel-EisenAnsammlung besteht, werden sie die wertvollen Rohstoffe aus der Erde saugen und in die Super-Transmitter schik-
ken." „Das mag stimmen. Zunächst suchen sie nur uns." Major Nkonde drehte sich um. „Und dann werden sie ihren Spaß daran haben, wenn sie den Verschluß des Vulkans gewaltsam öffnen." Er deutete mit dem Arm auf den Feuerbrunnen. Dann legte er den Kopf zur Seite und lauschte. Für eine volle Minute stand er bewegungslos. Dann nickte er zufrieden. „Los jetzt. Senator Corda wird uns bereits abgeschrieben haben!" Er zeigte den drei Männern die „Träger". Nacheinander verließen sie die Blase innerhalb der Naturpanzerung. Sie hatte ihnen das Leben gerettet. Major Ugalla Nkonde nahm sich vor, auch noch den Abschluß seiner Theorie vorzutragen. Er war nicht mehr dazu gekommen, aber er war davon überzeugt, daß die Erde auf dem besten Weg war, die Regel vom Aufstieg und Verfall zu durchbrechen. Vielleicht wäre die Menschheit den gleichen Weg gegangen wie einzelne Kulturen vorher. Durch den plötzlichen Einbruch der Invasoren war ein neuer Faktor aufgetaucht. Die Erde brauchte neue, starke Menschen, obwohl die Natur nicht darauf vorbereitet war. Das war es, was Major Nkonde gemerkt hatte. Rex Corda war einer dieser neuen Menschen. Er war ein Versuch der Natur, sich gegen das Fremde zu wehren. Eine Mutation. * „Verteufelt spät, Major", sagte Rex Corda mit einem leisen Vorwurf in seiner Stimme. Nkonde grinste. Er hatte bereits vergessen, was am äußeren Altar geschehen war. „Die Orathonen passen ungewöhnlich scharf auf. Wenn wir nicht schneller als sie sind, werden sie uns vernich-
ten, noch ehe wir den Diskus auf Höhe gebracht haben." „Gut, daß wir das wissen!" „Starten wir sofort?" fragte Oberst Polley. Corda nickte. „Je eher, umso besser! Wir können nicht warten, bis sich die halbe Flotte der Orathonen am Tanganjikasee versammelt hat. Schließlich haben wir nur einen kleinen Diskus zur Verfügung." Sie alle sahen ein, daß jetzt die Zeit ihr einziger Verbündeter war. Sie hasteten zum Diskus. „Bomben klar?" fragte Corda. „Fest verankert!" antwortete Percip. Corda gab das Zeichen für Kalunde. Corda hatte sich inzwischen soweit erholt, daß er seine Gefühle erneut übertragen konnte. Er ließ Kalunde ohne Warnung spüren, daß er stärker war. Er überschwemmte das Fühlen des Diktators mit gesteuerten Emotionen. Der Diktator stand plötzlich unter dem Eindruck, in einem grauenhaften Dschungel zu sein, der nur aus Moskitos zu bestehen schien. Hastig gab er die Sperren der Verriegelung frei. Dieser Teil des Berges bestand nicht mehr aus Nickel-Eisen. Er lag außerhalb der Naturpanzerung. Der Schacht wurde freigelegt. Dann hob sich der Diskus an. Während des Aufstiegs bis zur Erdoberfläche wurde der Einfluß Cordas auf Kalunde immer schwächer. Zehn Meter vor der Oberfläche brach er endgültig ab. Aber da konnte Kalunde die einmal genehmigte Freigabe nicht mehr rückgängig machen. Der Diskus lag frei auf der großen Plattform, mit der Kalunde sonst sperrige Lasten zu transportieren pflegte. Es war der größte Aufzug im EscapeSystem des Diktators. Als die Erdoberfläche erreicht war, trennte den Diskus nur noch eine drei Meter starke Panzerplast-Schicht vom Sonnenlicht.
Dann hielten die Männer im Diskus die Luft an. Es konnte passieren, daß sie sofort nach dem Auftauchen aus den Tiefen der Erde zerstört wurden. Sie lagen auf den Andrucksesseln. Um ihre Glieder waren breite Gurte gelegt. Nur Percip, der laktonische Agent, saß aufrecht vor den Kontrollgeräten. Aber auch er hatte sich angeschnallt. Sie wußten nicht, welche Manöver notwendig wurden. Sie wußten nur, daß sie es unter allen Umständen schaffen mußten. Die Schicht aus Panzerplast glitt zur Seite. Die Generatoren im Diskus vibrierten unter der Belastung für den beabsichtigten Alarmstart. Alle zusätzlichen Geräte, die Energie verbrauchten, waren ausgeschaltet. Auch die Waffenleit-Anlage war tot. Sie wollten nicht kämpfen. Das wäre gleichbedeutend mit Selbstmord gewesen. Sie wollten die Atombomben zum Terra-Jet bringen. Deshalb verzichteten sie auf alle Kampfhandlungen. Nur mit einem Blitzstart konnte der Wahnsinnsplan gelingen. „Achtung - Start!" Die Generatoren kreischten schrill auf. Ein ohrenbetäubendes Donnern erfüllte die Kabine. Rex Corda hörte, wie es hinter ihm krachte. Im nächsten Augenblick preßte eine Titanenfaust ihn in den Andrucksessel. Gellende Schreie übertönten den Lärm der Generatoren. Ein Fluch sprang über die Lippen Percips, der sofort erfaßte, was geschehen war. Kalunde hatte ihnen einen letzten Gruß mit auf den Weg gegeben. Er hatte die Andruckneutralisatoren mit einer kleinen Sprengladung, die er lange vorher installiert haben mußte, zerfetzt. Die Flüchtenden mußten sich allen Andruckkräften aussetzen.
Rex Corda fühlte, wie sich ein Blutfilm über seine Augen legte. Die Luft wich pfeifend aus seinen Lungen. Die Andruckkraft preßte ihm ein schwarzes Tuch ins Gesicht. Es legte sich über sein Bewußtsein. Rex Corda wurde bewußtlos, als alle anderen an Bord des Schiffes bereits wie tot in den Gurten hingen. Nur die beiden Laktonen, die höhere Belastungen gewohnt waren, hielten sich noch einige Augenblicke länger wach. Der Diskus beschrieb eine progressive Geschoßkurve, deren Gipfelpunkt achthundert Kilometer über dem Startplatz lag. Diesen Flug erlebte keiner der Männer bewußt mit. Corda erwachte mit einem Gefühl der Übelkeit. Sein Kopf dröhnte. Sein Magen drehte sich um. Er blinzelte, um den Blutschleier von den Augen zu bekommen. Seine Lippen schmeckten salziges Blut. Die Haut seiner Wangen fühlte sich seltsam schlaff an. Er konnte sich nicht bewegen. Nur die Augen gehorchten. Er sah alles nur verschwommen. Dann strengte er sich an und nahm Percip wahr. Der laktonische Agent sah furchtbar aus. Er hatte vor den Instrumenten gestanden, als die Andruckneutralisatoren ausfielen. Ihn hatte die ganze Wucht des Schlages getroffen. Jeden Menschen hätte es getötet. Der Laktone hatte es noch relativ gut überstanden, weil er an Gravitationskräfte von 1,5 g gewöhnt war. Für die Laktonen war die Erdenschwere eine willkommene Erleichterung ihrer Aufgaben. Jetzt zeigte sich, daß Percip mit seiner Vermutung richtig gelegen hatte. Der Diskus fiel senkrecht nach unten. Nur Percip war in der Lage, die Kontrollen zu überwachen. Sämtliche Antriebsaggregate waren abgeschaltet. Der Diskus schoß in freiem Fall auf Brazzaville zu, um die Orathonen nicht frühzeitig zu warnen.
In zweihundert Kilometer Höhe schob Percip einen schmalen Messingzylinder durch den Abwurfkanal neben dem Kontroll-Panel. Das Funkgerät innerhalb des Zylinders wurde von einem Fallschirm gebremst und durch den über Afrika um diese Jahreszeit vorhandenen Jet-Stream abgetrieben. Dieser Punkt gehörte zum Plan der Gruppe Corda. Was für den zivilen Luftverkehr vor der Invasion ein ernstes Handikap darstellte, wurde nun zum taktischen Täuschungsmittel. Die mit Hunderten von Kilometern pro Stunde um den ganzen Erdball jagenden Jet-Streams oberhalb der Wetterregion hatten in den ersten Jahrzehnten der Luftfahrt viele Opfer gekostet. Jetzt rissen sie den Fallschirm mit dem Funkgerät aus der Fallbahn des Diskus. Unablässig jagte der verschlüsselte Spruch aus der Antenne, bis er langsam schwächer wurde. Das war das Zeichen für Bekoval am Terra-Jet. * Zusammen mit Lorus Nonex startete Bekoval die Fusionsreaktoren des trichterförmigen Fahrzeugs. Er wartete, bis das paramagnetische Feld aktiviert werden konnte, dann schoß aus dem Strahlenkranz am Trichterrand gebündelte Energie. Mit dem Trichterrand voran fraß sich der Terra-Jet durch die Betonfundamente des Hauses, in dem Bekoval gewartet hatte. Mit der Hitze einer Sonne verwandelten die mächtigen Strahlen das Gestein zunächst in flüssige Lava und dann in Gas. Dieses Gas wurde angesaugt, verdichtet und wieder ausgestoßen. Auf diese Weise arbeitete sich der Terra-Jet wie ein Maulwurf durch die Erde. Das Gefährt der Laktonen bewegte
sich mit hundert Stundenkilometern in einer glühenden Blase vorwärts. So schnell wie möglich steuerte Bekoval den vorausberechneten Treffpunkt an. Er lag an der großen Biegung des Kongos, am „Teufelsloch". Bereits kurze Zeit nach dem Start tauchte er wieder auf. Die Fusionsreaktoren arbeiteten im Leerlauf. Bekoval wartete, bis die Umgebung erkaltet war, dann verließ er das Fahrzeug. Lorus Nonex folgte ihm. „Du kannst jetzt aus sicherer Entfernung verfolgen, wie wir die Bomben verladen. Falls etwas schiefgehen sollte, mußt du sofort an die Flotte berichten. Aber ich hoffe nicht, daß das nötig sein wird." Der junge Laktone blickte skeptisch auf Bekoval. Dann musterte er die Umgebung. Der Platz war ideal gewählt. An einer Seite brodelten die Wirbel des Kongos. Die andere Seite bestand aus einem halbrunden Einschnitt am Ufer, hervorgerufen durch jahrtausendelange Ausspülungen des in Urzeiten noch mächtigeren Kongos. Die Auswaschungen bildeten einen natürlichen Kessel, der nur zum Fluß hin offen war. Der Boden bestand aus hartem Gestein, das nur in unmittelbarer Ufernähe bewachsen war. Der Rest des fünfzehn Meter über dem Flußniveau liegenden Plateaus war glatt und kahl. „Sie kommen!" sagte Lorus mit einem kurzen Blick zum Himmel. Ein dunkler Punkt näherte sich über den stromab gelegenen Wirbeln. Der Punkt kam schnell näher. „Das ist kein Diskus!" Bekoval hatte es zuerst erkannt. Es war ein knallroter Sonnengleiter. „Was machen wir?" „Abwarten. Gegen zwei oder drei Orathonen können wir uns wehren. Wir dürfen jetzt nicht mehr in die Erde zurück." Der rote Sonnengleiter flog eine
steile Kurve über den Wirbeln im Fluß. Dann hielt er direkt auf den Kessel zu. „Das sieht nach Verrat aus!" sagte Lorus erschreckt. Bekoval lockerte seine Waffe. Er zog sich in den Schatten der Felswände zurück. Der Terra-Jet lag direkt vor der landeinwärts aufragenden Felsmauer. Er war kaum geschützt. Nur nach zwei Seiten versperrte der Fels die Sicht. Aber der Gleiter kam genau aus der falschen Richtung. Jetzt mußte die Besatzung entdeckt haben, daß im Kessel etwas nicht stimmte. Vorsichtig kam der Gleiter näher. Er blieb in zweihundert Meter Entfernung in der Luft. Dann sahen die beiden laktonischen Agenten Blinkzeichen. Lorus wußte damit nichts anzufangen. Aber Bekoval konnte die Zeichen deuten. Sie entstammten einem auf Terra teilweise noch gebräuchlichen Signalsystem aus Punkten und Strichen, das angewandt wurde, wenn Widerstandsgruppen sich verständigen wollten. Die Scheinwerfer des Sonnengleiters flammten in unterschiedlichen Abständen auf. „Freun - de", buchstabierte Bekoval mühsam. Er beherrschte das System nicht perfekt. „Nicht schie - ßen. Wich-ti - ge Nach - richt." Bekoval nickte Lorus zu. Er trat aus dem Schatten. „Gib mir Feuerschutz, falls es eine Falle ist!" Er winkte mit beiden Armen. Es dauerte noch dreißig Sekunden, dann kam der rote Sonnengleiter näher. Er senkte sich auf das Plateau nieder. Dann verstummten die Triebwerke. Bekoval hielt sich in respektvollem Abstand. Die Einstiegluke sprang auf, dann kletterte eine Person aus dem Gleiter. Es war eine Frau. Verdutzt musterte Bekoval das weib-
liche Wesen. Er runzelte die Brauen, dann ging er langsam auf sie zu. Sie zeigte ihm ihre leeren Hände. Die Handflächen schimmerten hell und hoben sich kraß von der sonst dunkelbraunen Haut der Frau ab. Sie war noch jung. Bekoval schätzte, daß sie nicht älter als fünfundzwanzig war. Sie trug die blauschwarzen Haare glatt auf die Schultern fallend, wo sie eine weiche Rolle bildeten. Ihre Haut über den hohen Jochbeinen war tief bronzefarben. Sie hatte blitzende weiße Augen und einen hell geschminkten Mund. Jetzt waren sie nur noch einige Meter voneinander entfernt. Aber noch immer blieb Bekoval mißtrauisch. Er ließ seinen Blick über ihre mädchenhafte Figur gleiten. Sie trug ein ärmelloses hellblaues Leinenkleid und weiße flache Schuhe. „Sind Sie Bekoval?" fragte die junge Frau. Der Laktone zuckte zusammen. Sie kannte seinen Namen. Aber woher wußte sie von der geheimen Mission? „Ich will Sie warnen. Die Orathonen haben erfahren, daß Senator Corda und einige laktonische Agenten die Atombomben bekommen haben. Sie bereiten einen Gegenschlag vor." „Aber woher . . ." Bekoval war zum erstenmal in seinem Leben fassungslos. Er starrte die Frau an, die trotz ihres gehetzten Aussehens noch überlegen wirkte. „Ich bin Rosa Nkonde. Mein Mann ist Chef von Kalundes Leibwache. Er hat sich mit Senator Corda verbündet. Er befindet sich zusammen mit den anderen Männern im Diskus, den Sie erwarten." „Und wie kommen Sie so schnell hierher!" „Kalunde hat die Orathonen informiert. Einer seiner Agenten in Brazzaville erhielt den Auftrag, mich zu entführen. Aber es würde zu weit führen, wenn ich jetzt alles erklärte. Nur eins
noch: In der Begleitung des Diktators sind mehrere Frauen, mit denen ich befreundet bin. Auch wir haben unsere Spione. Diesmal waren sie schneller als die Agenten des Diktators." Sie lächelte leicht. „Und woher kannten Sie diesen Treffpunkt?" fragte der Laktone. Er versuchte krampfhaft, seine Unruhe zu verbergen. „Über eine Direktverbindung mit Mitgliedern unserer UNO-Delegation in Amerika. Die wiederum erfuhren von General Dingel, wo der vermutliche Treffpunkt ist. Dingel hat sich bei einigen Leuten unserer Delegation verborgen. Die Orathonen besetzten kurz darauf NORAD. Aber er entging der Falle . . ." Bekoval stieß die Luft aus seinen Lungen. Das warf alles über den Haufen. NORAD besetzt! Dingel untergetaucht! Wenn Rosa Nkonde nicht durch die Sorge um ihren Mann so schnell gehandelt hätte . . . Bekoval schwang herum. „Lorus!" rief er hastig. Der junge laktonische Agent kam aus dem Schatten. Er starrte Rosa Nkonde an. „Was haben die Orathonen vor?" fragte Bekoval schnell. „Ich weiß es nicht. Ich wollte so schnell wie möglich zu Ihnen. Ich durfte keine Zeit verlieren. Sie wissen aber, daß der Terra-Jet im Raum von Brazzaville sein muß!" „Dann ist alles aus!" stöhnte der Laktone verzweifelt. Er blickte zum Himmel hinauf. Noch immer kein Diskus! Dabei wurde es allmählich Zeit! * Percip nahm die Geschwindigkeit zurück. Da sah er den Hantel-Raumer. Er stand östlich von Brazzaville. Percip
jagte die Generatoren auf volle Leistung. Mit einem kurzen Warnruf informierte er die übrigen Männer. Kurz vor dem Ziel stellten sie fest, daß es so gut wie unmöglich war, die Sperren der Featherheads zu durchbrechen. Aber zu viel war bereits geschehen. Es gab für das Sonderkommando nur den Weg nach vorn! „Durchhalten, Percip!" sagte Corda aufmunternd. Der Diskus schoß schräg nach unten. Dicht über dem Erdboden fing Percip das Raumschiff ab. Aber da waren bereits zwei langsamere Diskus-Raumer der Orathonen. Percip ging auf Höchstbeschleunigung. Er raste über den Dschungel. Dicht über einer breiten Straße jagte er nach Westen. Er flog knapp zwanzig Meter hoch. Dann brach er nach links aus und riß den Diskus nach oben. Am Horizont schimmerte das silberne Band des Kongo. Percip orientierte sich kurz an den schimmernden und glitzernden Wolkenkratzern von Brazzaville und Leopoldville. Sofort ging er wieder nach unten. Er ließ die Generatoren weiterhin mit einer innerhalb der Atmosphäre wahnsinnigen Geschwindigkeit arbeiten. Er stieß nach Südosten vor, überquerte den Kongo und schlug einen Haken. Dann erst drosselte er die Geschwindigkeit. Die Männer an Bord hatten das Manöver nicht so schnell verfolgen können, wie Percip es durchführte. Das Ganze war eine Angelegenheit von Sekundenbruchteilen. Erst als der Diskus über dem Kongo stromab flog, verstanden sie, daß Percip sich soeben als Könner erwiesen hatte. Sowohl der Hantel-Raumer als auch die beiden Diskus-Boote waren zurückgeblieben.
Der Raumer verschwand am Horizont in Richtung Brazzaville. Er zog eine silberne Kondensspur hinter sich her. „Losschnallen!" sagte Percip. „Fertigmachen zum Umladen!" „Und wenn noch ein Angriff kommt, hängen wir an den Wänden", meuterte John Haick. „Ich werde rechtzeitig warnen." „Das kennen wir ja", grinste der Atomforscher. Im Grunde genommen hatte er nur seiner Anspannung Luft gemacht. So schnell wie möglich schnallten die Männer im Diskus sich los. Ihre Glieder schienen aus Blei zu bestehen. Sie reckten sich und wischten sich mit alkoholgetränkten Tüchern das Blut ab. Oberst Polley hatte vorübergehend das Gefühl, nur Wasser in den Ohren zu haben. Er schüttelte immer wieder den Kopf und hüpfte auf seinem unverletzten Bein durch die enge Kabine. Rex Corda hatte Schwierigkeiten mit seinen Augen. Immer wieder schloß er die Lider, aber es gelang ihm einfach nicht, die Gegend vollkommen klar zu sehen. Ein milchiger Nebel lag noch immer vor seinen Augen. Ga-Venga hatte ähnliche Schwierigkeiten. Nur Major Nkonde und Percip schienen die Gewaltkur des Andrucks beim Start aus Kalundes Fuchsbau einigermaßen heil überstanden zu haben. Dann erreichten sie die vereinbarte Stelle. Aber gleichzeitig entdeckte Percip den roten Sonnengleiter. „Da stimmt etwas nicht!" rief er nervös, „ein Sonnengleiter steht neben dem Terra-Jet!" „Sind die denn wahnsinnig geworden?" schimpfte Oberst Polley. „Eine Falle!" vermutete Nkonde. Er reckte sich und warf einen Blick auf das Bild der Holographen. Dann stieß er einen erschreckten Ruf aus. „Rosa! Dort steht meine Frau!" „Was soll das heißen?" fragte Senator
Corda scharf. „Ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung, wieso sie hier ist." „Landen!" sagte Corda. Der Diskus kippte ab. Schnell ging Percip auf der Plattform aus Fels nieder. Da sprang auch schon Bekoval aus dem Schatten der Felsen und winkte. „Na bitte!" sagte Major Nkonde erleichtert. „Rosa verrät uns nicht!" „Trotzdem wüßte ich gern, wie sie hierherkam und was sie will!" sagte Corda. „Das kann das ganze Unternehmen zum Fehlschlag machen, wenn die Orathonen so intelligent waren, den Flugverkehr um Brazzaville zu überwachen." „Sie waren mit Sicherheit so intelligent!" schnaubte Percip. „Sehen Sie ein Schwarm Byts!" „Los jetzt. Wir teilen uns", ordnete Corda an. „Percip, du, John, und ich verladen die Bomben zusammen mit Bekoval. Sie, Major, übernehmen zusammen mit Oberst Polley und GaVenga den Feuerschutz. Es muß uns doch gelingen, die Hilfsrassen der Orathonen so lange hinzuhalten, bis wir fertig sind . . ."
. . ." Sofort begann eine Armada von Byts, Ätzern, Jumpern und Whims mit dem Angriff in West-Ost-Stoßrichtung. An der Spitze des Angriffskeils bewegten sich die grillenähnlichen, 170 cm großen Whims. Sie waren die Spezialtruppe für unwegsames Gelände. Sie konnten sich über Ultraschall miteinander verständigen. 57 Diskus-Boote brachten Tausende von kleinen intelligenten Jumpern zum Kongoknick. Ihre empfindlichen Nasen sollten die Laktonen aufspüren. Um keinen der Feinde entkommen zu lassen, setzten die Orathonen auch die gelblichen geflügelten Schlangen ein. Die Byts töteten nicht, aber sie betäubten Flüchtende. Die Byts besaßen die Fähigkeit, ihre Opfer willenlos zu machen. Es gab gegen diese Hilfsmassen keine Abwehr. Die Orathonen vertrauten den Fähigkeiten ihrer Sklaven. Sie schwebten hoch über dem KongoBogen und beobachteten den Angriff. Dann war es soweit.
*
Major Nkonde hatte nur wenig Zeit für seine Frau. Trotzdem stellte er sie seinen neuen Freunden vor. Als die Gruppe Corda erfuhr, was sie Rosa zu verdanken hatte, war die hübsche Negerin automatisch in die Reihen der Widerstandsgruppe aufgenommen. Corda wuchtete zusammen mit Percip die erste Atombombe in den TerraJet, während die Schutzgruppe mit dem Sonnengleiter von Rosa Nkonde zum oberen Rand des Kessels flog. GaVenga, der zwergenhafte Kynother, blieb bei Corda zurück. Er strich sich über sein blaues Haar, stimmte einen nachdenklichen Gesang an, grinste dann und schlüpfte in den Diskus zurück. Wenige Minuten später hatten sich
Die Orathonen gaben an drei Stellen in Afrika gleichzeitig Alarm. Die Super-Transmitter nördlich von Johannesburg und im Hochland von Nedsch erhielten den Befehl, die Übernahme von mehreren Millionen Tonnen Nickel-Eisen vorzubereiten. Den Alarmbefehl für Brazzaville gab Sigam Agelon persönlich. „Der Diskus mit den Bomben muß heil in unsere Hand fallen. Alle Besatzungsmitglieder des Raumers sowie alle vermutlichen Helfer sind sofort und ohne Anruf zu töten. Beim Kämpfen werden auch Hilfsrassen nicht geschont. Ich befehle Vernichtung um jeden Preis
*
alle an strategisch wichtige Punkte verteilt. Auch Rosa Nkonde übernahm eine Sicherungsaufgabe. Sie lag flach am steinigen Ufer des Kongo und achtete auf die amphibischen Staras, die vom Wasser her erwartet wurden. Doch zuerst kamen die Whims. Diese grillenähnlichen Helfer der Featherheads tauchten an den Ufern des Kongo und am Rande des Talkessels auf. Sie schwankten auf den hohen dürren Beinen. In den Klauen schwenkten sie blitzende Strahlwaffen. Rex Corda hoffte, daß keiner der Angreifer mit diesen Waffen schießen würde. Die Strahlwaffen der Orathonen gaben genügend Energie ab, um die Atombomben zu zünden! Trafen die Whims eine Atombombe, dann würden alle vier Bomben gleichzeitig explodieren! Das bedeutete aber auch das Ende der Angreifer. Rex Corda hoffte, daß sie keinen Selbstmord begehen würden! Der rote Schöpf Oberst Polleys leuchtete zwischen den Büschen auf. Polley schoß auf die Grillen. Er schoß sorgfältig und genau. Er vergab nicht einen einzigen Schuß. Die Whims konnten nicht fliegen. Aber ihre Kadaver fielen in immer größerer Anzahl in den Kessel. Die Luft war erfüllt von dem Schreien und Kreischen der fremden Wesen, vom Knall der Schüsse und von den kurzen Kommandos des Senators. Als die zweite Bombe vom Diskus zum Terra-Jet geschleppt war, brach die erste Angriffswelle der Grillen zusammen. Hier und da flammten die Strahlwaffen der Insektenabkömmlinge auf, aber die Glut schlug in den Dschungel und den Fels. Es waren blinde Schüsse, abgegeben in hilfloser Wut. Doch da tauchten dichte Schwärme von Byts auf. Sie kamen in gelben Wolken über die Baumwipfel heran.
Ga-Venga trat in Aktion. Plötzlich brüllten die Strahler des Diskus auf. Die heißen Glutbahnen tobten über den Dschungel hinweg. Percip blieb verblüfft stehen. Aus dem Inneren des Diskus hörten sie das wilde Kreischen des Kynothers und sein berstendes Gelächter. Die wütende Hitze vernichtete die Byts schlagartig. Sie verbrannte den kleinen geflügelten Schlangen die Flügel und fegte sie aus der Kampfzone. Percip lachte schallend. Er wäre nie auf den Gedanken gekommen, mit mächtigen Strahlenkanonen auf insektengroße Angreifer zu schießen! Rex Corda lächelte nur unmerklich. Er ahnte, daß die Byts eine andere Taktik einschlagen würden. Sie würden, dicht über dem Boden fliegend, angreifen. Dann konnte Ga-Venga nicht mehr auf sie feuern. Eine dieser gelben geflügelten Schlangen brach durch. Sie erreichte Rex Corda. Krallte sich in seine Haut. Doch noch bevor der gefürchtete Biß kam, schnellte die Hand Cordas hoch. Die Byt klatschte auf den steinigen Boden. Die Flügel surrten noch einige Sekunden, dann regte sich die Schlange nicht mehr. Aber jetzt nahten die dichten Schwärme. Sie kamen über den Kongo heran. Sie flogen unmittelbar über dem Wasser. In diesen Bereich konnte Ga-Venga jetzt nicht mehr feuern. Er richtete sein Augenmerk jetzt auf die Ätzer, die schwer und plump in den Kessel einflogen. Diese ungeheuer gefährlichen Diener der Orathonen drängten sich in ganzen Rotten über dem Dschungel. Sie umkreisten den Kessel zögernd. Ga-Venga feuerte. Röhrend fauchte der Glutstrahl durch den Kessel, zerfetzte die Gruppen, der Ätzer. Doch jetzt lösten sie sich auf. schwärmten aus und drangen langsam in den Kessel ein.
Von allen Seiten kamen sie. Major Nkonde, Rosa, John Haick, Bekoval und Oberst Polley mußten sich zurückziehen. Sie feuerten mit allem, was ihnen zur Verfügung stand. Ga-Venga jagte zwei schlanke Raketen aus dem Leib des Diskus. Jaulend fegten die Projektile in den Himmel hinaus. Sie bohrten sich in den Leib zweier Diskus-Raumer, die von Süden heraufkamen. In donnernder Explosion vergingen die Raumschiffe. Rex Corda und Percip arbeiteten in fieberhafter Eile. Sie wußten nur zu gut, daß sie sich höchstens noch Minuten halten konnten. Dann war alles vorbei. Die Übermacht war zu groß. Percip wunderte sich, daß die Orathonen noch keine Schockwaffen eingesetzt hatten. „Ein Diskus!" schrie John Haick. Für Sekunden erstarrten die Männer. Ga-Venga feuerte mit einer Strahlpistole, die er im Diskus gefunden hatte, auf die Ätzer. Er schoß so schnell, daß die gefährlichen Jäger noch in ausreichender Distanz gehalten werden konnten. Jetzt aber raste der kleine Kynother mit einem wütenden Schrei vom Schott des Raumschiffes zu dem Waffenstand zurück. Doch der Diskus landete, bevor GaVenga ihn unter Feuer nehmen konnte. Blau flimmerte das Schutzfeld. Jetzt durfte der Kynother nicht mehr schießen, wenn er nicht gleichzeitig die Atombomben zünden wollte. „Paß auf, Rosa!" schrie Major Nkonde, der sich wieder bis zum Kesselrand vorgekämpft hatte. Er raste zu seinem Sonnengleiter. Die Triebwerke sprangen heulend an. Als sie mit halber Kraft liefen, riß Nkonde den Gleiter bereits hoch. Er sackte durch, schlug an der Felskante auf und schoß schräg auf den Terra-Jet zu. Aber Nkonde verlor die Nerven
nicht. Er fing den Sonnengleiter im letzten Augenblick ab und brachte ihn zwanzig Meter vor Rosa zu Boden. In diesem Augenblick sprang das Schott des gelandeten Raumschiffes auf. Gleichzeitig wuchteten Corda und Percip die dritte Bombe in den TerraJet. Da fiel ein Schwarm Byts über Bekoval her. Er wehrte sich verzweifelt gegen die kleinen Schlangen. Vergeblich. Es waren zu viele. Der Laktone sackte ächzend in sich zusammen. Corda taumelte. Er rannte auf den Ohnmächtigen zu, riß ihn hoch und schleppte ihn zum Terra-Jet. Der Koloß lag schwer in seinen Armen. Er schob ihn in den Terra-Jet und rollte ihn über den Boden, um ihn vom Eingang weg zu bekommen. Im nächsten Augenblick stürzte er sich wieder nach draußen. Er hetzte zu dem Diskus hinüber, wo die vierte und letzte Atombombe lag. Myriaden Byts umflirrten ihn. Rex Corda blieb stehen. Verzweifelt starrte er um sich. Überall diese gelben geflügelten Schlangen. Die Luft erzitterte unter ihrem Ansturm. Als häßliche braune Buckel schoben sich die massigen Ätzer, dicht über dem Boden schwebend, von allen Seiten heran. Vier Orathonen und zwei Bronze-Roboter sprangen aus dem Schott des gelandeten Raumschiffes. Die Waffen blitzten in ihren Händen. Die Orathonen lachten siegessicher. Hell blitzten die Zähne in ihren grünen Gesichtern. „Oberst Polley!" schrie Rex Corda. „John! Zum Terra-Jet! Schnell!" Corda hatte keine Zeit, jetzt zu beobachten, ob die Freunde kamen, ob sie es schafften, durch diese Front angreifender Feinde zu brechen. Kleine Jumper tobten kreischend zwischen den Ätzern herum. Diese kleinen Wesen, die aussahen wie verkümmerte Känguruhs mit weißer Pelzkappe, griffen nicht an.
Aber es schien so, als ob sie die Ätzer antrieben. Der Kampf war aussichtslos. Die Sicht verschwamm. Rex Corda konnte nur noch die gelbe Wolke sehen, die ihn flirrend umgab. In diesem Augenblick begann es in seinem Kopf zu hämmern und zu bohren. Stöhnend preßte Corda sich die Hände an den Kopf. Er fühlte, daß da etwas wie ein zweites eigenwilliges Ich war. Er taumelte. Der Schmerz in seinem Kopf schwoll unvermittelt an. Cordas Lippen zuckten. Er konnte sein Sonderhirn nicht beherrschen. Es trommelte auf ihn ein. Glühende Impulse schienen durch seinen Kopf zu rasen. „Vorbei!" flog es ihm durch die Sinne. „Alles aus und vorbei. Dies ist das Ende, das Ende unserer Erde!" Ein trockenes Schluchzen quälte sich über seine Lippen. Unter dem tobenden Schmerz sank er zu Boden. Er hielt sich auf den Knien. Versuchte hochzukommen. Umsonst. Wo blieben die scharfen Bisse der Byts? Plötzlich tönte der Höllenlärm der verzweifelten Schlacht wieder in seinen Ohren. Plötzlich hörte er das Kreischen der Grillen wieder und die scharfen Befehle der Orathonen. Er hörte den stoischen Singsang Ga-Vengas, der nicht zu erschüttern war. Er hörte Oberst Polley brüllen. Der Schmerz war weg. Rex Corda schlug die Augen auf. Blau-grauer Dunst weitete sich durch den Kessel. Der Dschungel brannte. GaVenga stand in der offenen Luke des Diskus und feuerte mit der erbeuteten Handwaffe. Vor Corda, auf dem Boden, lagen Hunderte von Byts. Sie wanden und krümmten sich in qualvollem Todeskampf. Plötzlich fiel Rex Corda ein, wie Will Rimsons Hund Nukleon einmal ei-
nen Angriff der Byts abgewehrt hatte. Die Zeit war zu schnell dahingeflogen. Corda wußte nicht mehr, ob es vor einigen Tagen oder schon vor Wochen gewesen war. Er wußte nur, daß Nukleon Byts getötet hatte. War es die parapsychische Ausstrahlung des Hundes gewesen? War es der gleiche Effekt gewesen, der eben auch die ihn angreifenden Byts tötete? Rex Corda schnellte auf. Er lief weiter. Da tauchte Lorus Nonex wie durch Zauberei mitten im Kessel auf. An den Wänden brach sich das Krachen seiner Waffe. Er war mit dem Draco-Werfer gekommen. Das bedeutete, daß er sie jetzt zum drittenmal angewendet hatte! „Der Roboter!" schrie Percip. Lorus Nonex schwang herum. Ein Energiestrahl zischte mitten durch seine Brust. Er warf die Arme hoch, drehte sich einmal im Kreis und schlug hart auf dem Boden auf. Inzwischen hatte Corda die vierte Bombe bereitgestellt. Aber allein mit Percip konnte er sie nicht mehr tragen. Sie waren beide zu erschöpft. Oberst Polley hatte es geschafft. Er humpelte heran. Hinter ihm rannte John Haick durch den Kessel. Ga-Venga gab ihm Feuerschutz. Um den Diskus entbrannte jetzt der entscheidende Kampf. Die Orathonen hatten erkannt, daß es hauptsächlich Ga-Venga war, der sie daran hinderte, Rex Corda zu überwältigen. Sie schossen auf den kleinen Kynother. Ga-Venga lachte schrill, als die Geschosse sich in den partiellen Schutzfeldern brachen, die er zwischen sich und den Orathonen mit Hilfe der Generatoren und Projektoren des erbeuteten Diskus-Raumers errichtete. Corda wünschte, Ga-Venga hätte sie alle mit einem Schutzfeld umhüllen können. Wie er später erfuhr, war das jedoch nicht möglich. Die hochenergeti-
schen Felder hätten den Terra-Jet beschädigt, dessen Elektronik derartige Belastungen nicht aushielt. Ga-Venga stürzte herbei, um Percip und Corda zu helfen. Doch er war zu schwach. Die beiden Roboter versuchten jetzt, die Gruppe um den Terra-Jet zu umgehen und aus dem Hinterhalt anzugreifen. Percip tauchte plötzlich zwischen den Kadavern einiger Whims unter. Sekunden später gingen die Nadeln seines Magnet-Smash ins Ziel. Er kehrte sofort zurück. Ein verzerrtes Lachen auf den Lippen. Er hatte keine Hoffnung mehr. Rex Corda fühlte seine Mutlosigkeit. Jetzt trat Major Ugalla Nkonde in Aktion. Er hatte Rosa gepackt und rannte mit ihr auf den Terra-Jet zu. Hinter ihm versuchten die Orathonen, ihn abzuschießen, ohne die Bombe zu treffen. Aber Nkonde war gerissen. Er blieb immer im toten Winkel. Dann legte er Rosa am Eingang zum Terra-Jet neben Ga-Venga. Er grinste breit. Mit einem gewaltigen Satz sprang er durch die Meute der Jumper. Er stolperte über die Leichen der oben am Fels abgeschossenen Whims. Der gesamte Rand des Hochkessels war jetzt mit Grillen bedeckt. Sie hockten wie Zuschauer in einem Amphitheater am oberen Felsrand. Ihre Grillenbeine schabten ohne Pause und verursachten ein höllisches Konzert. „Diese Biester klatschen auch noch Beifall", knurrte Senator Corda mit einem kurzen Blick nach oben. Er sah zur Seite. Die Orathonen näherten sich geschickt. „Alles an die Bombe!" befahl Corda. „Dann schießen sie nicht!" Die Männer hoben die Bombe an. Oberst Polley humpelte voraus. Dicht hinter ihm folgten Corda, Haick und Nkonde. Percip bildete die Nachhut. Zusammen mit Ga-Venga feuerte er auf die Ätzer und Whims, die wütend an-
griffen. Die Ätzer schwangen sich jetzt hoch in die Luft und versuchten die verhaßten Gegner im Steilangriff zu überwältigen. Doch der Laktone und der kleine Kynother mit der schwarzen Uniform und dem flammend roten Brustkeil waren auf der Hut. Die Bombe war nur noch fünf Meter zu tragen. Rosa Nkonde blickte über die Köpfe der Männer hinweg. In ihren Augen bildete sich ein seltsamer Glanz. „Ein Hantel-Raumer!" schrie sie in höchster Verzweiflung. Corda sah über seine Schulter zurück. Rosa hatte den Raumer tatsächlich in letzter Minute erkannt. Er war bereits auf fünfhundert Meter herangekommen. Die Männer rasten zu der Luke des Terra-Jet. Die Bombe schlidderte kreischend in das Innere des Fahrzeugs. „Los, weg hier!" keuchte Corda. Oberst Polley reichte Rosa Nkonde seine Hand. Da bellte ein Schuß durch den Kessel. Die Orathonen hatten begriffen, daß sie handeln mußten. Sie gingen das tödliche Risiko ein. John Haick wurde von einem wütend angreifenden Ätzer direkt in die offene Luke des Terra-Jet geschleudert. Jetzt waren nur noch Rosa, Major Nkonde und Rex Corda im Kessel. Im Leib des Terra-Jet rumorten bereits die Aggregate. „'rein jetzt, Major!" befahl Corda. Da krachte der zweite Schuß direkt hinter dem Terra-Jet hervor. Corda sah den Orathonen, der sich um das Fahrzeug herumgeschlichen hatte. Das Geschoß traf einen Jumper. Der kleine Hüpfer wurde in der Luft zerrissen. Die Orathonen nahmen keine Rücksicht auf ihre eigenen Hilfsrassen mehr. Sie schossen mit allen Waffen dazwischen. Corda war jetzt fast dankbar, daß so viele Wesen sich um ihn und die beiden anderen drängten. Sie bildeten
einen lebenden Wall - und behinderten sich gegenseitig. Er schoß mit dem Strahler, den ihm Ga-Venga zuwarf, in diesen lebenden Wall hinein. Blind und verzweifelt, um sich so teuer wie möglich zu verkaufen. Für einen Augenblick schwemmte die Woge zurück. Rosa Nkonde kletterte in die Einstiegluke. Da wühlte sich ein Geschoß in ihren schlanken Rücken. Sofort bildete sich ein dunkelroter Fleck auf ihrem hellen Leinenkleid. „Rosa!" schrie Major Nkonde verzweifelt. Er wühlte sich durch die Mauer aus toten Whims, Jumpern und Ätzern. Noch ehe er Rosa ganz erreicht hatte, riß ihm ein Energiestrahl die Beine weg. Er wurde gegen die Wand des TerraJet geschleudert, als die ersten Glutstrahlen aus dem Trichter des Jet schossen und den Todesschützen verbrannten. Aus den Augenwinkeln heraus erkannte Rex Corda, daß sich eine Kette von mehreren hundert BronzeRobotern aus dem Hantel-Raumer löste und herabschwebte. Die Finger von Rosa Nkonde lösten sich vom Lukenrahmen. Sie kippte nach hinten und fiel genau auf den sterbenden Hamiten. Corda riß den Mund auf. Seine Hände zitterten. Er starrte auf das grausige Bild zu seinen Füßen. Ein Lächeln glitt über Rosas Gesicht, als sie ihren Mann erkannte. Sie sah nicht, daß er im Sterben lag. Ihre Hand glitt über den steinigen Boden. Dann bäumte sie sich vor Schmerz auf und fiel zur Seite. Ihre schlanken Hände tasteten nach der Hand ihres Mannes. Noch einmal öffnete Major Nkonde die Augen. „Rosa!" stammelte er mit einer unwirklichen schrillen Stimme. In der gleichen Sekunde starb er. Seine Hand war nur fünf Zentimeter
von den Fingern seiner Frau entfernt. Aber auch sie bewegte sich nicht mehr. Ein Jumper hüpfte heran und schnupperte an den Fingern der beiden toten Menschen. Mit einem Stöhnen sprang Corda in die Luke, die sich sofort hinter ihm schloß. Donnernd klatschte ein Geschoßhagel gegen das Metall. Zu spät! Percip bebte am ganzen Körper. Er hockte vor den Kontrollen und wartete verzweifelt auf die Freianzeige des Fusionsreaktors. Endlich blinkte das Licht auf. Sofort ließ der laktonische Agent die Hebel für die unterirdische Fahrt einrasten. Der Terra-Jet fraß sich mit Höchstgeschwindigkeit senkrecht in die Tiefe. Doch die Orathonen hatten inzwischen gemerkt, daß sie drauf und dran waren, die Jagd nach den Bomben zu verlieren. Der Hantel-Raumer schob sich über den Talkessel. Die Masseorter fingen den Terra-Jet ein. Mit einem kurzen Befehl ließ der Kommandant des Hantel-Raumers den stärksten Energiestrahler richten. Im Talkessel wimmelte es noch immer von Jumpern, Ätzern und halbtoten Whims. Roboter umschwärmten die glühende Stelle, an der der Jet verschwunden war. Da brach die Hölle auf. Der gleißendhelle Strahl aus dem Hantel-Räumer verwandelte den Kessel in einen Glutsee. Brodelndes Gestein in flüssiger Form verdeutlichte, daß die Orathonen aufs Ganze gingen. Der Energiestrahl brach nicht ab. Immer breiter wurde der Lavasee. Die Felswände zerschmolzen in der Glut. Der Kessel wurde größer und größer. Er hatte jetzt bereits das Doppelte der ursprünglichen Ausmaße erreicht. Aber auch in die Tiefe wirkte der Energie-
strahl. Die Instrumente des Terra-Jet kreischten. Sicherungen schlugen durch. Verkohlte Kabel und schmorende Leitungen zeigten an, daß der Terra-Jet nicht lange mit dieser Geschwindigkeit weiter in die Erde eindringen konnte. Da erwachte Bekoval durch den Lärm der überlasteten Geräte. „Stoppen!" brüllte er. „Sofort stoppen!" Percip reagierte keine Sekunde zu spät. Aus dem Maschinenraum schoß eine Stichflamme in die Kabine. Der Terra-Jet stoppte. Sofort wurde es still. Nur das Knistern in der Erde drang bis zu den Menschen innerhalb des Terra-Jet vor. „Was ist geschehen?" fragte Bekoval. „Wir haben die Bomben. Alle vier. Aber ein Hantel-Raumer hat mit Energiestrahlen den Kessel in eine glühende Lavahölle verwandelt. Sie hatten uns geortet, obwohl wir noch rechtzeitig starten konnten." „Ausgezeichnet!" sagte Bekoval. Die Männer in der engen Kabine sahen ihn fassungslos an. Was sollte an dieser Situation ausgezeichnet sein? „Was meinen Sie damit?" fragte Corda mit belegter Stimme. „Wenn wir weiterfliegen, erwischen uns die Orathonen schließlich doch, weil sie mit den Ortern nur unseren Weg zu verfolgen brauchen. Das hier ist unsere einzige Chance. Wir bleiben hier . . ." Die Männer sahen Bekoval an. Ganz langsam dämmerte ihnen die Erkenntnis, daß der Laktone eine wirklich gute Idee gehabt hatte. Das war aber auch das einzig Gute an der verteufelten Situation. Sie waren unter dem glühenden See eingeschlossen. Die Orathonen konnten die Lavamassen mit ihren Masseortern nicht durchdringen. Das Höllenfeuer schützte sie.
Aber sie konnten nicht ausbrechen selbst wenn sie es gewollt hätten. Sofort würden die Orathonen ihr Vernichtungswerk fortsetzen. Die Männer im Terra-Jet kannten den Befehl des Sigam Agelon nicht. Aber sie wußten mit tödlicher Sicherheit, daß ein derartiger Befehl bestehen mußte. Wie lange würden sie ausharren müssen? Stunden? Oder sogar Tage? Dutzende von Fragen drängten sich auf. Wie lange würde der Luftvorrat reichen? Wann erkaltete der Lavasee und machte ihn durchlässig für die Ortungsstrahlen? Aber die wichtigste Frage war, ob sie rechtzeitig vor dem Beginn der Schlacht im All die Transmitter zerstören konnten. Der Sinn des ganzen Unternehmens war in Frage gestellt, wenn es den Männern nicht gelang, die Atombomben wegzubringen . . . Rex Corda lehnte schweigend an einem Verstrebungspfeiler. Seine Haut brannte. Überall bildeten sich Blasen und hellrote Flecken. Er blutete am Handgelenk. Er war über und über mit Staub, Schweiß und Schmutz verklebt. Den anderen Männern erging es nicht besser. Sie waren fertig, ausgelaugt und erschöpft. Oberst Polley stöhnte verhalten. Er biß die Zähne zusammen. Er hatte Ätzflüssigkeit in die offene Wunde am Oberschenkel bekommen. Auch die laktonischen Agenten schlössen immer wieder sekundenlang die Augen. Sie wußten, daß sie das Warten zermürbte. Jetzt - nachdem sie die Bomben im Terra-Jet hatten, waren sie zu hilfloser Untätigkeit verdammt! „Diese Teufel!" stöhnte Percip einmal und schlug mit der Faust auf das Kontroll-Panel. Die Männer blickten kaum auf. Sie dachten alle das gleiche. Der Krieg zwischen Orathonen und Laktonen, dieses jahrtausendelange
Morden, hatte ein kritisches Stadium erreicht. Rex Corda leckte sich mit der Zungenspitze über die ausgedörrten Lippen. Sein Gaumen war trocken. Er hatte wahnsinnigen Durst. Jenseits der schützenden Hülle des Terra-Jet knackte es im Erdreich. Die flüssige Gesteinsblase rund um das Fahrzeug erkaltete. In beinahe regelmäßigen Abständen kam der Ton. Er wirkte wie ein nervenzermürbendes grausames Geräusch aus mittelalterlichen Folterkammern. Da! Das scharfe Knacken zerschnitt die Stille. Schweigend lauschten die Männer. Sie warteten auf einen neuen Angriff der Orathonen. Jeden Augenblick konnten neue stärkere Energiestrahlen den Terra-Jet endgültig vernichten. Sie würden es nicht merken: eine kurze Hitzewelle, schmelzende Zwischenwände - dann war alles aus. Der Rest war unwichtig. Sie würden nicht mehr erleben, daß die Bomben ihre radioaktive Ladung freigaben. Wenn die Orathonen die Bomben trafen, so genügte es, um eine Kettenreaktion hervorzurufen. „Wie lange sollen wir das aushalten?" keuchte John Haick. Er stieß sich von der Wand ab und kam auf Corda zu. Sein Gesicht war schmutzig. Seine Augen lagen tief in den Höhlen. Sie glühten wie im Fieberwahn. „Leg dich hin, John. Wir haben jetzt Zeit, uns auszuruhen. Unsere Nerven sind verdammt angeschlagen." „Na und? Wollen wir uns gegenseitig verrückt machen?" „Wir müssen uns beherrschen. Wir alle sind erschöpft und reizbar geworden." John Haick lächelte verzerrt. Er ließ die Arme hängen. Der grausame Ton des erkaltenden Gesteins ließ ihn zu-
sammenzucken. Diesmal war das Geräusch lauter. Es klang wie ein Peitschenknall. Scharf und unerwartet. Rex Corda sah zur Borduhr. Der Ton kam alle zwei Minuten. Er wußte nicht, wann der erste der Männer es nicht mehr aushielt. Sie konnten nicht schlafen, sich nicht ausruhen. Sie saßen schweigend und lauschten auf den verteufelten Ton. Ab und zu schluckte einer der Männer trocken. Das Geräusch des Luftholens war in der Stille überdeutlich zu hören. Es machte sie noch mehr verrückt. Nach den ersten zwanzig Minuten hockten sie wie im Trancezustand mit vorgebeugten Oberkörpern und lauschten. Sie dachten nur noch an dieses Geräusch. Sie warteten darauf und sehnten sich danach. Dann war wenigstens für Sekunden die Spannung verringert. Nur Rex Corda versuchte, nicht an das Knacken zu denken. Er hatte eine ekelhafte Leere im Magen. Immer wieder tauchte vor seinem inneren Auge ier Hamite auf. Er konnte den Blick des toten Majors nicht vergessen. Er machte sich Vorwürfe. Rosa Nkonde hatte ihrem Mann nicht einmal im Tode ganz nahe sein können. Es fehlten nur Zentimeter zwischen den Fingern der beiden Menschen, die sich gegenseitig suchten. Zwischen ihnen war der Jumper herumgesprungen. Corda fühlte eine ohnmächtige Wut in sich aufsteigen. Ugalla Nkonde war ein Mann gewesen, wie ihn die Erde jetzt brauchte. Er war sinnlos gestorben. Ein nutzloses Opfer. „Es sind immer die Falschen, die zu früh sterben", murmelte Senator Corda leise. Er schloß mit einem bitteren Gefühl die Augen. Und dann begann das lange, schweigende Warten.
ENDE
LASER (1. Fortsetzung) LASER kann in zwei generelle Gruppen eingeteilt werden. Die Einteilung hängt vom verwendeten Medium ab (folgende Bezeichnungen wurden zur besseren Verständlichkeit nicht übersetzt, trpm):
Die Gas-LASER haben eine zentrale Röhre mit Spiegeln an beiden Enden Der eine hat 100 % Lichtreflektion, der andere Spiegel reflektiert nur teilweise Die Spiegel sind verstellbar und müssen exakt senkrecht zur Mittelachse der Röhre liegen. Die Röhre enthält Helium und Neon im Verhältnis 10:1 und wird durch Radio-Frequenz-Signale stimuliert Das geschieht durch Elektroden, die um die Röhre angebracht sind. Fest-LASER haben den Nachteil, daß bei ihnen die Atome nicht so einfach stimuliert werden können. Die Leistung hängt von der Reinheit der verwendeten Kristalle ab Beim Feststoff-LASER werden zwei polierte Kristalle verwendet, die ebenso wie die Spiegel beim Gas-LASER rechtwinklig zur Achse angebracht werden, wobei die Rückflächen mit Silber ganz bzw teilweise spiegelnd gemacht werden. Eine „optische Pumpe" mit Hochdruck-Xenon in einer Röhre wird als Stimulanz benutzt. Allerdings liegt die Gasröhre rund um die Kristalle. Man kann - sofern vorhanden - auch einen einzigen Kristall benutzen, der an den Enden geschliffen und verspiegelt wird. In letzter Zeit wurden chemische und nuklear arbeitende Pumpen verwendet Bei einem Gewicht von nur 0,04% im Vergleich zum herkömmlichen LASER kann die gleiche Strahlleistung erreicht werden. Die Schockwelle an Licht, die für den Betrieb eines LASERS nötig ist, hängt von den verwendeten Chemikalien ab. In der nächsten Woche berichten wir an dieser Stelle über das Prinzip des Feststoff-LASERS.