Klaus-Peter Matschke Franz Tinnefeld Die Gesellschaft im späten Byzanz
Klaus-Peter Matschke Franz Tinnefeld
Die Gesellschaft im späten Byzanz Gruppen, Strukturen und Lebensformen
2001 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Matschke, Klaus-Peter: Die Gesellschaft im späten Byzanz: Gruppen, Strukturen und Lebensformen / Klaus-Peter Matschke ; Franz Tinnefeld. Köln; Weimar; Wien: Böhlau, 2001 ISBN 3-412-10199-0 Umschlagabbildung: Konstantinopel, Stadtansicht von Andrea Vavassore (1530/50, nach einem um 1480 von unbekannter Hand erstellten Original; vgl. A. Berger, Istanbuler Mitteilungen 44, 1994, 329-355) © 2001 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Ursulaplatz 1, D-50668 Köln Tel. (0221) 91 3900, Fax (0221) 91 39011
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Inhal tsverzeichnis 1. Einleitung
Ansichten zur spätbyzantinischen Gesellschaft Einsichten in die spätbyzantinische Gesellschaft ........................ 2. Grundstrukturen und Grundtendenzen der byzantinischen Gesellschaft in der Palaiologenzeit 2.1. Die aristokratische Tradition der byzantinischen Gesellschaft und ihre Weiterentwicklung in der frühen Palaiologenzeit .......... ................... .............................. 2.2. Tradition und Wandel der byzantinischen Bürokratie in der frühen Palaiologenzeit ................................................. 2.3. Aristokratie und Bürokratie in der späten Palaiologenzeit 2.4. Der Platz des Volkes und die Rolle des "demokratischen Elementes" im späten Byzanz................................................ 2.5. Grundstrukturen und Hauptprozesse der byzantinischen Gesellschaft in der Palaiologenzeit - ergänzende Zusammenfassung ....... ........... ........ ........................................ 3. Die Formierung der gesellschaftlichen Mitte in der frühen Palaiologenzeit ........................................................... 3.1. Strukturelle Ansatzpunkte und spezielle Freiräume für die Entwicklung der Mesoi in der frühen Palaiologenzeit......................................................................... 3.2. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Aktivitäten der Mesoi in der frühen Palaiologenzeit ..................................... 3.3. Physiognomie und Dimension der Mesoi in der frühen Palaiologenzeit ........................................................................ 3.4. Die Artikulierung von Gruppeninteressen der Mesoi, ihre Stellung und Haltung zu den Italienern ........................ 3.5. Ausblick: Die Mesoi nach 1350 ............................................. 4. Spuren eines aristokratischen Unternehmertums in der späten Palaoigenzeit .................................................. 4.1. Ausgangspunkte und Prototypen eines aristokratischen Unternehmertums in der späten Palaiologenzeit ................. 4.2. Physiognomie und Struktur des aristokratischen Unternehmertums der Spätzeit .............................................
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Inhalt
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4.3. Zentren unternehmerischer Tätigkeit im späten Byzanz .... 4.4. Byzantinisches aristokratisches Unternehmertum und lateinischer Westen in der späten Palaiologenzeit ............... 4.5. Bildungshorizonte, Denkstrukturen, geistige Bindungen und V~rbi~dungen des aristokratischen Unternehmertums der Spatzelt ............................................................................. 4.6. Aristokratisches Unternehmertum und das Ende von Byzanz ............................................................................. 5. Die Gruppe der literarisch Gebildeten in der spätbyzantinischen Gesellschaft ....................................... 5.1. Definition und Differenzierung .................. .............. ............ 5.2. Die Literaten als gesellschaftliche Gruppe ........................... 5.3. Bildungswesen und Lehrer-Schüler-Beziehungen .............. 5.4. Zentren geistiger Aktivitäten ................................................. 5.5. Die Öffnung der Literaten zum lateinischen Westen ......... 5.6. Äußerungen der Literaten zu sozialen und wirtschaftlichen Fragen ihrer Zeit ......................................... 5.7. Die Literaten in der spätbyzantinischen GesellschaftVersuch einer Bilanz .............................................................. 5.8. Prosopographische Liste der Literaten .................................
190 196 202 218 221 221 232 278 300 330 344 365 371
6. Die spätbyzantinische Gesellschaft und ihre Träger Ergebnisskizze ..........................................................................
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Quellen- und Literaturverzeichnis ........................................
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Register der Personen und Personengruppen ...................
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Register der Orte und Regionen .............................................
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1. Einleitung
Ansichten zur spätbyzantinischen Gesellschaft Einsichten in die spätbyzantinische Gesellschaft Die Spätphase des byzantinischen Jahrtausends, die Zeit der Palaiologen, hat eine Dauer von etwa 200 Jahren.! An ihrem Anfang stehen die Rückkehr des byzantinischen Kaisertums in seine angestammte Hauptstadt am Bosporus, die Euphorie, die dieses Ereignis im Jahre 1261 bei den meisten Byzantinern auslöst, und die zahlreichen Lobreden, die den ersten. Palaiologenkaiser auf dem byzantinischen Kaiserthron, Michael VIII., für diesen Sieg zu einem neuen Konstantin erheben. 2 Das Ende markiert der illusionslose, todesmutige Kampf des letzten byzantinischen Kaisers auf den von den Türken überrannten Mauern von Konstantinopel im Mai 1453, der diesen elften Konstantin im Bewußtsein des griechischen Volkes unsterblich gemacht und seinen Traum von einer Rückkehr an die Ufer des Bosporus auf lange Zeit wachgehalten hat.) Dazwischen liegt eine lange Reihe dramatischer Ereignisse, jäher politischer Wendungen und zumeist tragischer Schicksale der dramatis personae. Zeit seines Lebens und Herrschens gezwungen, sich westlicher Revancheversuche zu erwehren und eine Rückkehr des lateinischen Kaisertums an den Bosporus zu verhindern, konzentriert sich die Politik des Begründers der Palaiologendynastie ganz und gar auf das römische Papsttum, die französischen Nachfolger der Staufer in Süditalien und auf die oberitalienischen Stadtstaaten, mit der fast zwangsläufigen Konsequenz, daß die Ostgrenze des Reiches in den Hintergrund der politischen Aufmerksamkeit rückt und das kleinasiatische Standbein des Reiches durch die Formierung türkischer Emirate in dem Raum verdünnter Macht zwischen dem byzantinischen Kaiserreich und dem Seldschuken-
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Einen Gesamtüberblick über die Spätzeit und ihre Spezifik bietet D. M. Nicol, The Last Centuries of Byzantium, 1261-1453, London 1972. Vgl. R. Macrides, The New Constantine and the New Constantinople, 1261, BMGS 6, 1980,13-41; TalbRest; BurgMagdMalad. Vgl. D. M. Nicol, The Immortal Emperor. The life and legend of Constantine Palaiologos, last Emperor of the Romans, Cambridge-New York-Port Chester-MelbourneSydney 1992.
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Einleitung
sultanat Rum akut bedroht wird. 4 Schon unter Michaels Sohn Andronikos Ir. wird Byzanz praktisch aus Kleinasien hinaus gedrängt und muß sich in die Rolle eines balkanischen Kleinstaates fügen. 5 Die äußeren Machteinbußen bewirken auch eine Zuspitzung innerer Widersprüche und münden in eine Epoche von Bürgerkriegen, die um 1320 mit einer langwierigen Auseinandersetzung zwischen dem älteren und dem jüngeren Andronikos um den Kaiserthron beginnen und erst Mitte der 50er Jahre mit der Vereitelung des Versuchs der Familie und des Clans der Kantakuzenen zur schleichenden Etablierung einer neuen Dynastie enden. 6 Diese dynastischen Kämpfe, in die sich zeitweilig breitere Kreise der byzantinischen Gesellschaft mit eigenen Zielen und eigenen Aktionen einmischen, werden von den meisten Byzantinisten als eine Katastrophe für das Reich und als der Beginn des endgültigen Niedergangs bewertet, während manche in ihnen eher den Versuch einer letzten Neuorientierung und einer Anspannung aller gesellschaftlichen Kräfte mit diesem Ziel und zu diesem Zweck sehen. 7 Einig sind sich alle darin, daß diese Bürgerkriege einen Wendepunkt in der spätbyzantinischen Geschichte bedeuten und daß ihre Ergebnisse für die byzantinische Zukunft prekär sind. Schon 1345 proklamiert sich der Serbenherrscher Stefan Dusan auf dem Hintergrund und mit dem Faustpfand bedeutender territorialer Erwerbungen auf dem Balkan zum Kaiser nicht nur der Serben sondern auch der Byzantiner, und Anfang 1354 gewinnen türkische Glaubenskrieger aus verschiedenen kleinasiatischen Emiraten mit der Besetzung der Dardanellenfestung Kallipolis/Gallipoli einen ersten wichtigen Stützpunkt auf europäischem Boden und ein ideales Einfallstor für die weitere Expansion. Nach der Niederlage der Serben und Bulgaren an der Maritza gegen die Truppen des Haci Ilbegi im Jahre 1371 kommt ein Teil des von den Serben besetzten Gebietes zwar noch einmal in byzantinische Hände, gleichzeitig gerät das byzantinische Restreich aber in türkische Tri4 Vgl. GeanMich. G. G. Arnakis, Byzantium's Anatolian Provinces During the Reign of Michael Palaeologus, in: Actes du XIIe Congres International d'Etudes Byzantines, Ochride 1961, II, Belgrad 1964, 37-44. 5 Vom byzantinischen Kleinstaat unter Andronikos II. im Gegensatz zur byzantinischen Großmacht unter Michael VIII. spricht schon G. Ostrogorsky, Geschichte des byzantinischen Staates, München '1952,378. Zu den politischen Entwicklungen unter dem zweiten Palaiologen s. Laiou. 6 Zum Beginn des Bürgerkrieges s. Laiou 284ff. Zum Versuch der Machtübernahme durch die Kantakuzenen und zu ihrem Mißerfolg s. zuletzt NicCant. 7 Vgl. TinnKrise 287; K.-P. Matschke, Der Untergang einer Großmacht, ZfG 10,1989, 896. 8 Vgl. WernOs4 145ff. Zur Vorgeschichte der Besetzung Gallipolis s. jetzt N. Oikonomides, From Soldiers of Fortune to Gazi Warriors: the Tzympe Affair, in: Studies in Ottoman History in Honour of Professor V. L. Menage, ed. C. Heywood / C. Imber, IstanbuI1996,239-247.
. Einleitung
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butabhängigkeit,9 die schließlich 1387 zum Verlust der makedonischen Metropole Thessalonike an den Osmanenherrscher Murad I. und seit 1394 zur Dauerbelagerung der Hauptstadt Konstantinopel durch Truppen- und Schiffsverbände seines nach dem Sieg auf dem Kosovo polje zur Herrschaft gelangten Sohnes Bayazid I. führt. 10 Und wenn der erste Osmanensultan11 nicht gleichzeitig in Konflikt mit dem Mongolenherrscher Timur Lenk geraten und Ende Juli 1402 in der Schlacht bei Ankara von ihm besiegt und gefangen genommen worden wäre, dann hätte das byzantinische Reich mit großer Wahrscheinlichkeit schon an der Wende zum 15. Jh. sein Ende gefunden. So ließ die durch Ankara ausgelöste türkische time of troubles noch einmal für kurze Zeit neue byzantinische Hoffnungen aufkommen, die auch durch die Rückgewinnung Thessalonikes und weiterer schon an die Türken verlorener Gebiete genährt wurde, aber diese Hoffnungen waren spätestens verflogen, als Sultan Murad 11. im Jahre 1422 erstmals wieder vor Konstantinopel erschien 12 und ein Jahr später Thessalonike den Venezianern überlassen werden mußte, um die erneute türkische Besetzung der zweiten Stadt des Reiches wenigstens . noch etwas hinauszuzögern. lJ Zum letzten Rettungsanker für den völlig in die Enge getriebenen byzantinischen Kaiser Johannes VIII. wird entgegen den Ratschlägen seines Vaters Manuel 11. die Kirchenunion mit dem Westen, die 1439 auf dem Konzil von Florenz tatsächlich zustandekommt14 und 1443/44 auch zu dem dafür versprochenen abendländischen Kreuzzug gegen die Türken führt, aber die Erfolglosigkeit der vereinigten westlichen Flottenverbände in den Meerengen zwischen Europa und Asien und die Niederlage eines vereinigten Kreuzfahrerheeres unter der Führung des polnisch-ungarischen Königs Wladyslaw III. und des ungarischen Türkenkriegshelden Janos Hunyadi in der Nähe der Schwarzmeerstadt Varna im November 1444 macht auch diese Hoffnung zunich-
9 Dazu zuletzt mit der diesbezüglichen Literatur R. Radic, Vreme Jovana V Paleologa (1332-1391), Belgrad 1993, 355ff. 10 Ausführlich zu diesen Ereignissen BarkMan. 11 Zumindest konnte erst er die notwendige Bestätigun~ dieses Titels durch den in Kairo resid.ierenden Schattenkalifen erlangen, vgl. WernOs 164,174; Der Islam II, ed. G. E. von Grunebaum [Fischer Weltgeschichte 15], Frankfurt/M. 1971,35. 12 Zu dem ganzen Komplex s. MatschAnk. . 13 Vgl. P. Lemerle, La domination venitienne aThessalonique, in: Miscellanea G. Galbiati III, Mailand 1951,219-225; SymPol150ff. 14 Zur Diskussion um die Kircheneinheit zu Beginn des 15. Jh. s. H.-G. Beck, Byzanz und der Westen im Zeitalter des Konziliarismus, in: Die Welt zur Zeit des Konstanzer Konzils, Konstanz-Stuttgart 1965, 135-148. Zum Konzil und seiner Nachgeschichte s. J.-L. van Dieten, Konzil von Ferrara-Florenz, LexMA 390-393; ders., Der Streit in Byzanz um die Rezeption der Unio Florentina, Ostkirchliche Studien 39, 1990, 160-180.
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Einleitung
te. 15 Das Ende des byzantinischen Staates und Kaisertums ist nicht mehr aufzuhalten. Am 29. Mai 1453 wird Konstantinopel von den Truppen des Osmanenherrschers Mehmed 11. im Sturm erobert. 16 Die gesellschaftlichen Strukturen und Entwicklungen des späten Byzanz, die im Mittelpunkt unserer Untersuchung und Darstellung stehen sollen, sind zweifellos weniger dramatisch und liegen gewiß nicht so offen zutage, aber sie sind mit dem politischen Geschehen eng verbunden und mehr oder weniger direkt von politischen Entscheidungen abhängig. 17 Dieser Zusammenhang scheint manchmal so eng und so direkt zu sein, daß der sich um die Mitte des 14. Jh. abzeichnende Zusammenbruch aristokratischer Makrostrukturen und das gleichzeitig oder wenig später zu beobachtende Auftreten eines eher mikrostrukturell geprägten aristokratischen Unternehmertums für die sozialgeschichtlich orientierte Byzantinistik zumindest bis jetzt nicht anders erklärt werden kann als durch die galoppierende Schrumpfung des Reichsterritoriums zu eben dieser Zeit, die dem spätbyzantinischen Magnatentum seine wirtschaftliche Basis in Gestalt von Großgrundbesitz weitgehend entzieht und die politisch-sozialen Überreste der spätbyzantinischen Aristokratie ganz einfach dazu zwingt, sich nach neuen Möglichkeiten und Formen aristokratischen Weiterlebens umzusehen. Und daß sie damit zumindest zeitweilig Erfolg haben, hängt wiederum ganz augenscheinlich auch damit zusammen, daß die oberitalienischen Stadtrepubliken und ihre in der Romania l8 engagierten Unternehmerkreise angesichts der türkischen Bedrohung auch für ihre kolonialen Stützpunkte und ihre kommerziellen Interessen von ihrer traditionellen Politik der Einkreisung und Einschnürung autochthoner Wirtschaftskräfte schrittweise ablassen und diesem neuartigen spätbyzantinischen Unternehmertum den Weg zu einer juniorpartnerschaftlichen Symbiose in einem erweiterten mediterranen Wirtschaftsraum eröffnen.
15 Neben der klassischen Literatur zum Kreuzzug von 1444 s. als letzte Wortmeldungen zum Thema die Referate, die zum 550. Jahrestag der Schlacht bei Varna auf einer Konferenz vor Ort gehalten wurden: Kulturni, istoriceski i etnopoliticeski otnosenija meZdu christijanstvoto i isljama na Balkanite XIV-XV vek, Varna 1995. 16 Vgl. S. Runciman, Die Eroberung von Konstantinopel 1453, München 1966. 17 Zur »politischen Sozialgeschichte", die vor allem nach den sozialen und ökonomischen Bedingungen und Folgen politischer Strukturen, Prozesse und Entscheidungen fragt, und zu ihrer vielleicht wachsenden Bedeutung für die sozialgeschichtliche Forschung s. KockPersp 34f. 18 Zum Begriff und seiner Verwendung für die Kerngebiete des byzantinischen Reiches an den Ufern von Ägäis und Schwarzmeer seit dem 12. Jh., unabhängig ob sie zu dieser Zeit noch zum byzantinischen Reichsverband gehörten, vgl. J. Koder, Der Lebensraum der Byzantiner, Graz-Wien-Köln 1984, 18f.
Einleitung
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Um eine komplexe sozial geschichtliche Analyse des Niedergangs von Byzanz geht es in unserem Buch nicht/ 9 der Einbettung unserer sozialgeschichtlichen Thematik in das Zeitgeschehen und in den politischen Niedergang des Reiches sirtd wir uns aber durchaus bewußt, und deshalb werden wir im Verlauf unserer Darstellung auch immer wieder auf Zusammenhänge zwischen der politischen und der sozialen Geschichte des späten Byzanz abheben und Verständnis für verschiedene Entwicklungen in dem einen durch Berücksichtigung verschiedener Tatsachen in dem anderen Bereich des historischen Gesamtgeschehens zu gewinnen versuchen. Bedeutung für unsere Darstellung der komplexen sozialen Wirklichkeit des späten Byzanz haben auch die aktuellen Diskussionen über Makro- und Mikro-Historie und ihr Verhältnis zueinander. Als sich die sog. Alltagsgeschichte und die historische Anthropologie in den 70er Jahren verstärkt den gesellschaftlichen Kleingruppen zuwandten und das geschichtliche Individuum auf verschiedenen sozialen Ebenen zum Gegenstand wissenschaftlicher Analyse und Beschreibung machten,20 geschah dies nicht zuletzt aus Unzufriedenheit mit den primär makrostrukturell ausgerichteten Ergebnissen der sozialgeschichtlichen Forschung und aus Unbehagen an der theoretischen KopfIastigkeit ihrer Forschungsansätze. Wenn man jetzt den Verlauf dieser Kontroversen resümierend überblickt, darf man wohl konstatieren, daß sich die Sozialgeschichte dieser Provokation positiv gestellt hat. Sie relativierte strukturelle Determinanten des historischen Prozesses und holte individuelles Verhalten aus der Randlage der Analysen stärker in ihren Mittelpunkt. Dadurch gewann sie aber auch ein neues Verständnis für das Wesen sozialer Strukturen und für die Geschichtsmächtigkeit ihres Wirkens. 21 Inzwischen steht Mikrohistorie nicht mehr versus Makrohistorie, weil beide Seiten erkannt haben, daß sie aufeinander angewiesen sind und miteinander zurechtkommen müssen. Auch in Byzanz hat schon seit längerer Zeit und spätestens mit den bahnbrechenden Analysen von H.-G. Beck22 und A. P. Kazhdan23 die 19 KockPersp 34 nennt unter möglichen Themen aus der Perspektive seiner "politischen Sozialgeschichte" auch die sozialgeschichtliche Analyse des Aufstiegs und des Niedergangs von Staaten. 20 Vgl. R. van Dülmen, Historische Anthropologie in der deutschen Sozialgeschichtsschreibung, Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 11, 1991, 692-709; W. Hartwig, Alltagsgeschichte heute. Eine kritische Bilanz, in: Sozialgeschichte, Alltagsgeschichte, Mikro-Historie, ed. W. Schulze, Göttingen 1994, 19-32; W. Schulze, Mikrohistorie versus Makrohistorie. Anmerkungen zu einem aktuellen Thema, in: Historische Methode, ed. eh. Meier / J. Rüsen, München 1988, 319-341. 21 Vgl. KockPersp 35ff. 22 S. besonders BeckJahrt 232ff., wo die Rede ist von einer Anzahl von "Kleinpyramiden" innerhalb der großen sozialen Pyramide (242). 23 S. unter vielem a~derem A. Kazhdan, Small social groupings (microstructures) in Byzantine society, JOB 32/2, 1982, 3-8, wo neben kleinen sozialen Gruppen, wie Familien,
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Einleitung
Auffassung Eingang gefunden, daß die Gesellschaft sowohl mikro- als auch makrostrukturell organisiert ist, daß gesellschaftliche Groß- und Kleingruppen sich in einer dynamischen Gemengelage befinden und auf vielfältige und sich ständig verändernde Weise miteinander verschränkt sind. Überlegungen und Schlußfolgerungen dieser Art konnten vor allem deshalb an Boden gewinnen, weil durch Untersuchungen von im einzelnen ganz unterschiedlichen Ausgangspositionen aus und auf ganz unterschiedliche Zielstellungen hin deutlicher als zuvor geworden ist, daß die Byzantiner trotz ihres ausgeprägten Individualismus und ihrer bindungsskeptischen Einstellung vielfältige Formen sozialer Kleingruppen und Mikrostrukturen ausgebildet haben, daß sie nicht nur in Familien- und Abstammungsgemeinschaften, in Dorfgemeinden, Mönchsgemeinschaften, Handels- und Handwerkskorporationen, sondern dazu auch noch über mehr oder weniger lange Zeiträume hinweg in Nachbarschaften, Einwohnergemeinden, Laienbruderschaften, Gelehrtenzirkeln, Teilhaberschaften und nicht zuletzt in Gefolgschaften leben und tätig sind und daß nicht nur die byzantinische Familie, sondern auch andere Kleingruppen über eine gewisse innere Stabilität verfügen, daß sie zwar in der Regel lokal begrenzt sind und einen überschaubaren Personenkreis erfassen, daß sie aber ein ziemlich komplexes Beziehungsgefüge ausbilden können. Die Probleme der Benennung und Beschreibung von sozialen Gruppen mit gesamtgesellschaftlicher Dimension haben dagegen in jüngster Zeit eher zugenommen. Zwar operieren die meisten Byzantinisten gewohnheitsmäßig mit den Begriffen Adel und Beamtenturn, sprechen von Amts- bzw. Dienstadel, Militär- und Landadel, aber erst kürzlich wurde mit großer Entschiedenheit und mit neugeschliffenen Argumenten festgestellt, daß es in Byzanz weder einen "verfaßten" Adel noch eine autonome Bürokratie gegeben hat. 24 Und noch größer werden die Schwierigkeiten bei dem Versuch, diese und andere mögliche Groß gruppen den in den historischen und soziologischen Wissenschaften seit langem etablierten Grundkategorien Kaste, Stand oder auch Klasse zuzuordnen. In Fachlexika und Handbuchartikeln wird Kaste immer noch in erster Linie religiös, Stand vor allem politisch-juristisch und Klasse ökonomisch interpretiert.25 Aber neben die religiöse Motivation des Kastenstatus tritt schon in diesen Definitionen die Zuweisung bestimmter gesellschaftlicher Nachbarschaften, Korporationen, Gesellschaften und anderen Kleingruppen, die durch lokale Begrenzung, relative Stabilität und rechtliche und rituelle Ausprägung charakterisiert sind, auch Großgruppen erwähnt werden. 24 FögDenk 58. 25 Vgl. die entsprechenden Lemmata in: Wörterbuch der Soziologie, ed. W. Bernsdorf, Stuttgart 1969; Wörterbuch der Soziologie, ed. K.-H. Hillmann, Stuttgart 4 1994; Soziologie-Lexikon, ed. G. Reinhold, München-Wien 31997. S. auch im Lexikon des Mittelalters das Stichwort DStand".
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Funktionen, und Bemühungen, den Klassenbegriff aus einer rein ökonomischen Verankerung zu lösen, werden schon seit langer Zeit und von unterschiedlichen theoretischen Positionen aus unternommen. Was schließlich den definitorischen Kern von Stand und Ständegesellschaft betrifft, so ist noch vor seiner politisch-rechtlichen Ausprägung erst jüngst wieder auf seine in letzter Instanz religiös-transzendente Grundbestimmung verwiesen worden. 26 Sichtbar wird damit, daß keine dieser großen sozialen Gruppen monokausal und eindimensional gefaßt werden kann, daß sie alle über ein ganzes Wurzel geflecht vedügen und in ein großes Beziehungsgefüge eingebettet sind, so daß es allenfalls möglich ist, in diesem Geflecht und Gefüge eine dominierende, besonders ausgeprägte und besonders charakteristische Seite ausfindig zu machen, daß es aber in erster Linie darauf ankommt, die Komplexität ihrer Existenz und die Vielfalt ihres Auftretens zu erkennen, denn erst dadurch gewinnen sie ihre Subjektivität und Identität, werden sie von einem Objekt wissenschaftlicher Klassifikation zu einer unverwechselbaren historischen Realität. Erst wenn das Zusammenspiel aller wichtigen Elemente und Faktoren, die große gesellschaftliche Gruppen in Byzanz konstituieren und ihr Handeln bestimmen, einigermaßen bekannt ist, läßt sich überhaupt feststellen, welche konkrete Rolle den einzelnen Elementen und Faktoren in diesem Zusammenspiel zukommt. Erst dann kann vielleicht auch geklärt werden, ob byzantinische Groß gruppen unbedingt juristischer Instrumentarien bedürfen, um sich ständisch gegen andere gesellschaftliche Gruppen abzuschließen, oder ob sie über andere Mechanismen verfügen, die eine solche stabile Abschließung möglich machen. Und erst dann wird es sicherlich möglich sein, über die einfache Konstatierung der religiösen Verankerung gesellschaftlicher Strukturierungen hinauszugelangen und genauere Kenntnisse darüber zu gewinnen, wie diese Verankerung historisch konkret an unterschiedlichen Schauplätzen von Geschichte wirkt. 27 Den bisher wei-
26 OexStat 60ff. 27 In dem eben genannten Aufsatz entwickelt Oexle den außerordentlich interessanten Gedanken, daß die für das westliche Mittelalter charakteristische Verbindung von Statik und Dynamik im gesellschaftlichen Bewußtsein sich ableitet aus der Spannung zwischen antiken und christlichen Normen, zwischen Setzung und Bestreitung von Ständen, die auch im Neuen Testament selbst ihren Niederschlag gefunden hat. Sie zeigt sich für ihn auf der einen Seite u.a. in der Rechtfertigung des Unterschieds zwischen Arm und Reich im Sinne der ständischen Kooperation zum wechselseitigen Nutzen und auf der anderen Seite in der Bewegung der freiwilligen Armut, die auf eine NivelIierung der ständischen Unterschiede abzielt, ebd. 67f. Er konstatiert in diesem Zusammenhang das Fehlen ähnlicher Armutsbewegungen in Byzanz, ein Sachverhalt, der für ihn noch der Klärung bedarf und für den auch wir keine Erklärungsversuche kennen. Interessant ist für uns allerdings auch der Umstand, daß gleiche geistige Traditionslinien nicht zu den gleichen historischen Resultaten führen, denn das verweist ein-
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testen byzantinistischen Vorstoß in diese Grundrichtung hat A. P. Kazhdan unternommen, indem er zeigte, daß sich die gesellschaftliche Elite in Byzanz und im weitesten Sinne die herrschende Klasse vor allem über vier Momente definiert, nämlich einen guten familiären Hintergrund, Reichtum, resultierend aus Grundbesitz, aber auch aus Gehältern, Belohnungen, Erpressungen und anderen Quellen, die in ~'yzanz reich machen können, einen oberen Rang in der byzantinischen Amterhierarchie und nicht zuletzt ein besonderes gesellschaftliches Prestige bzw. eine hohe moralische Reputation. Durch eine groß angelegte prosopographische Analyse wies er nach, daß der Wechsel von einer Elite, basierend auf Rang und Position am Hof und in der Staatsverwaltung, zu einer Elite, die durch Familienbeziehung und Grundeigentum geprägt wurde, in mittelbyzantinischer Zeit eine für die gesamte byzantinische Gesellschaftsstruktur entscheidende Wende markierte. 21 Das bisher wohl wichtigste Ereignis für die spätbyzantinische Sozialgeschichte war die Dissertation von G. Weiß aus dem Jahre 1971, der ausgehend von der Person des Aristokraten, Staatsmannes, Kaisers und Mönchs Johannes Kantakuzenos vor allem die aristokratischen Leitbilder dieser Zeit nachzeichnete und zumindest Ansätze eines Standesdenkens nachweisen konnte, die ihn, wenn auch mit gewissen Einschränkungen, dazu veranlaßten, von einem spätbyzantinischen Adel zu sprechen, nicht zuletzt auch deshalb, weil sich spätbyzantinische Aristokraten zum Auf- und Ausbau ihrer gesellschaftlichen und politischen Positionen eines weitverzweigten Gefolgschaftswesens bedienten. 29 Auch durch diese Verbindung von makro- und mikrostruktureller Analyse, durch die gleichgewichtige Berücksichtigung großer und kleiner gesellschaftlicher Gruppen wurde das Buch von Weiß wegweisend. Sicherlich ist es richtig, daß Großgruppen in erster Linie durch Kleingruppen gebildet werden und sich über Kleingruppen darstellen; über Kleingruppen und durch sie sind große Gruppen aber auch miteinander verbunden, vollziehen sich soziale und geistige Austauschprozesse zwischen ihnen, werden solche Austauschprozesse umgekehrt abgeblockt. In städtischen Nachbarschaften des späten Byzanz treffen sich Handwerker, Literaten, (kleine) Zollbeamte und vielleicht auch der eine oder andere städtische Aristokrat; die Bandbreite dieser Zugehörigkeiten steht aber der Annahme nicht entgegen, daß sie im 14. Jh. zu einem mikrostrukturellen Bildungselement für die Gruppe der "Mittleren" werden, die eben zu dieser Zeit ein erkennbar neuartiges Profil bekommt. Über Lehrermal mehr auf die Notwendigkeit ganz komplexer Analysen, durch die der Weg frei gemacht werden kann auch zu einer genaueren Bewertung einzelner Komponenten. 28 Kazhd. 29 WeiKant.
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Schüler-Verhältnisse verschiedener Art und Dimension tritt die Gruppe der literarisch Gebildeten mit anderen Gruppen der Gesellschaft und ganz besonders mit der spätbyzantinischen Aristokratie in sozialen und kulturellen Kontakt und nutzt sie zu ihrer materiellen Sicherstellung und zur Ausbildung und Erneuerung ihres Selbstverständnisses. Die spätbyzantinische Aristokratie bedient sich des Gefolgschaftswesens als Vehikel, um andere Elemente und Gruppen der Gesellschaft in den Dienst ihrer Interessen zu stellen, um gesellschaftliche Mobilität zu organisieren, zu kontrollieren und, falls nötig und zweckmäßig, auch zu beschränken. Die bessere Kenntnis der gesellschaftlichen Mikrostrukturen, zu der auch die byzantinistische Forschung in den letzten Jahrzehnten gelangt ist, hat die Makrostrukturen vielleicht etwas in den Hintergrund treten lassen und sogar manche Zweifel an ihrer Existenz oder zumindest an ihrer Valenz ausgelöst, tatsächlich ergibt sich daraus aber wohl eher die positive Chance, die großen Gruppen in ihren Strukturen wesentlich differenzierter zu erfassen und ihre Wirkungsmöglichkeiten sehr viel genauer zu bestimmen. Allerdings scheint es möglich zu sein, daß sich das Verhältnis zwischen mikro- und makrostruktureller Organisation einer Gesellschaft im Verlauf ihrer Entwicklung verändert, daß bestimmte Perioden der Gesellschaftsgeschichte eher durch Groß gruppen und ihre Ausprofilierung geprägt sind, während in anderen Perioden Kleingruppen das gesellschaftliche Feld bestimmen und in den historischen Vordergrund treten. Versucht werden soll deshalb in der vorliegenden Arbeit die Be~ründung und Verifizierung der an anderer Stelle geäußerten Hypothese, 0 daß die Gesellschaftsentwicklung der frühen Palaiologenzeit zu einer Entfaltung der Makrostrukturen tendiert, daß die großen Gruppen der byzantinischen Gesellschaft zu Beginn des 14. Jh. noch einmal mit besonderer Klarheit und vielleicht klarer als jemals zuvor in der byzantinischen Geschichte sichtbar werden, daß dieser Trend jedoch in der Jahrhundertmitte kippt, daß die Entwicklungskurve der makrostrukturellen Gruppen dann ganz deutlich verflacht, während verschiedene traditionelle Kleingruppen und eher mikrostrukturelle Neubildungen wie das aristokratische Unternehmertum einen stärkeren Einfluß auf das gesellschaftliche Gesamtgeschehen bekommen. Sicher wäre es aber eine Vereinfachung dieses ganz komplexen und widerspruchsvollen Vorgangs, wollte man das Erscheinungsbild der frühen Palaiologenzeit deshalb als eine letzte gesellschaftliche Hochblüte und erst die davon ganz deutlich abweichenden Tatbestände unter den letzten Palaiologenkaisern als die eigentliche Niedergangs- und Endzeit der byzantinischen Gesellschaft definieren. Zu keiner Zeit zeigt sich die strukturelle Schwäche der byzantinischen Aristokratie klarer als in der Phase ihrer vollendeten Ausprägung im frühen 30 MatschMikr 421ff.
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14. Jh., wirkt sich ihre Unfähigkeit zu entschiedenem gesellschaftlichem Handeln so negativ auf die Positionen und Chancen des spätbyzantinischen Staates aus wie während der außenpolitischen Zuspitzung in der Jahrhundertmitte. Und kaum etwas zeigt den Willen der Byzantiner zum Weiterleben so deutlich wie ihre Orientierung auf Kleingruppen vom Typ der Familie und der Nachbarschaft und besonders die Hinwendung einiger weniger aristokratischer Kreise zu unternehmerischer Tätigkeit, die dieser Gruppe nicht nur die Möglichkeit Zur Weiterführung eines aristokratischen Lebensstils in den letzten hundert Jahren des Reiches läßt, sondern ihr auch über das Reichsende hinweg eine gewisse Chance zum Hineinwachsen in die frühosmanische Gesellschaft eröffnet. Unbestreitbar scheint uns deshalb zu sein, daß man die Gesellschaft des späten Byzanz aufs Ganze nicht einfach unter dem Gesichtspunkt ihrer Auflösung und Ablösung analysieren kann, sondern darauf eingerichtet sein muß, daß es sowohl Auf- als auch Abschwünge in dieser Entwicklung gibt und erst eine abwägende Bilanzierung aller sich abwechselnden und sogar gleichzeitig wirksamen Trends in die roten Zahlen des historischen Kontenbuches von Byzanz verweisen könnte. Einfluß auf die Ausgestaltung der byzantinischen Sozialstrukturen übt schließlich wohl auch der Umstand aus, daß in Byzanz wie in allen vormodernen Ordnungen die verschiedenen Bereiche des historischen Gesamtgeschehens sehr viel enger miteinander verbunden sind und deshalb auch sehr viel direkter aufeinander einwirken. Macht hat in Byzanz eine unmittelbar soziale Dimension, und das bedeutet, daß sich nicht wenige soziale und mentale Tatsachen der byzantinischen Geschichte ganz unvermittelt aus der politischen Ordnung des Reiches ableiten. Die byzantinische Monarchie, ein Kaisertum aus Gott und in der Nachahmung Gottes, war es, die den Individualismus ohne Freiheit bewirkte, von dem verschiedentlich gesprochen wird. 31 Die strenge Ausrichtung der ganzen Gesellschaft auf die Person bzw. Institution des heiligen Kaisers erschwerte soziale Bindung und die Ausformung sozialer Gruppen in der byzantinischen Realität. Sie gab diesen Gruppen eine ganz spezifische Physiognomie, aber sie machte stabilere Gruppenbindungen wohl doch nicht völlig unmöglich. Nur bis zu einem gewissen Grade dürfte deshalb auch die bemerkenswerte Feststellung von M.-Th. Fögen zutreffen, daß sich im byzantinischen Freiraum zwischen Herrscher und Beherrschten "häufig wechselnde Mitglieder des Kaiser,clans', durch Wirtschaftsrnacht temporär privilegierte ,Mächtige' (dynatoi), sich situativ zusammenschließende pressure groups und lobbies, durch persönliche Bande zum Kaiser verpflichtete ,Gefolgsleute', kurzum ein sich ständig erneuernder, labiler 31 KazhdConstPeopl 34 und andere Passagen dieses Buches sowie weitere Arbeiten Kazhdans.
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,Hof'" tummelten, während sich eine "autonome Bürokratie, ein ,verfaßter' Adel oder ,berechtigte' Stände", wie schon weiter oben notiert, nicht formieren konnten, weil in Byzanz nicht nur vor Gott, sondern auch vor dem Kaiser alle Menschen gleich waren und blieben. 32 Daß das byzantinische Kaisertum als politisches Konstrukt trotz seiner Omnipotenz keine orientalische Despotie gewesen ist, zeigt sich vielleicht schon darin, daß es zu seiner politischen Absicherung eine ausgedehnte und intensive Kaiserpropaganda benötigte, daß es ganz spezifische Formen von Öffentlichkeit aufbaute und ausformte, um mit dieser Propaganda auch das Reichs-"Volk", zumindest aber das Volk der Reichshauptstadt zu erreichen. Byzanzspezifisch könnte vielleicht sein, daß durch Öffentlichkeit nicht nur das Kaisertum auf besondere Art geprägt und gehalten wird, sondern daß auch die das Kaisertum tragenden gesellschaftlichen Gruppen in mehr oder minder starkem Maße an Öffentlich~eit gebunden sind, so daß öffentliches Auftreten und Sichzeigen in der Offentlichkeit geradezu zum Kennzeichen des (städtischen) !.'-ristokraten wird und der Rückzug oder auch der Ausschluß aus der Offentlichkeit seine gesellschaftliche Position existentiell gefährden kann. 33 Auch für die von der soziologischen Theorie bereitgestellten und von der mediävistischen Forschung besonders im städtischen Bereich verwendeten Schichtungs modelle haben sich Byzantinisten interessiert und sich ihrer nicht ohne Erfolg bedient. Indem das geschah, wurde aber zugleich deutlich, daß die byzantinische Gesellschaft vielleicht noch weniger als die Gesellschaften des mittelalterlichen Westens der Vorstellung von einer symmetrischen Einteilung in horizontale layers gehorcht, daß Schichtung hier permanent durchstoßen wird von sozialen Gruppen, die anders gegliedert sind, daß zwischen den Schichten bzw. an ihrem Rand Gruppen angesiedelt sind, die das Schichtungsmodell relativieren und in ihrer Symmetrie in Frage stellen. 34 In Anbetracht der vorgefundenen Forschungssituation und der eben beschriebenen sachlichen und begrifflichen Schwierigkeiten haben wir uns für ein primär induktives Herangehen an die von uns selbst gestellte Aufgabe entschieden. Es geht nicht in erster Linie um eine "saubere" Begrifflichkeit, sondern um eine komplexe Darstellung sozialer Realitäten. Wir sind nicht so ohne weiteres in der Lage zu sagen, ob diese oder jene gesellschaftliche Gruppe, mit der wir uns beschäftigen, eine Klasse, Schicht, ein Stand oder eine Kaste ist, was wir aber sagen zu können glauben und worauf wir unsere Aufmerksamkeit ganz besonders richten, das ist der gesellschaftliche Ort, an dem sich diese Gruppen in einer bestimmten 32 FögDenk 58. 33 KazhdByzKult 42; MatschÖff 197f. 34 Zu diesen Problemen siehe besonders BeckJahrt 242ff.
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Einleitung
Phase spätbyzantinischer Geschichte befinden, die Richtung, in der sie sich zu bestimmten Zeiten bewegen, die soziale Konsistenz, die sie entwickeln und die Ausstrahlungskraft, die von ihnen ausgeht, die soziale Grenze, die sie zwischen sich und den anderen Gruppen der Gesellschaft ziehen, und die Bereitschaft dieser anderen bzw. ihr Mangel an Bereitschaft, diese Grenze zu respektieren. Und das alles zusammengenommen bedeutet, daß wir auch konstatieren können, ob eine oder auch mehrere Gruppen und damit die Gesellschaft als Ganzes auf dem Weg zu ständischer Konsolidierung sind und wieweit diese Konsolidierung geht oder eben nicht geht, daß wir auf Erscheinungen einer Schichtung der Gesellschaft hinweisen können, ohne von einer geschichteten Gesellschaft sprechen zu müssen, daß wir die Verbindung von ökonomischer Macht und politischer Herrschaft in dieser Gesellschaft konstatieren können, ohne das Wesen einer herrschenden Klasse exakt bestimmen zu müssen. In diesem Sinne wollen wir zunächst in einem Überblick über die spätbyzantinische Gesellschaft zu zeigen versuchen, welchen Grad der Aristokratisierung und Bürokratisierung sie in dieser Spätzeit erreicht und welchen Platz das Volk zwischen diesen gesellschaftlichen Entwicklungstendenzen besetzt. In den daran anschließenden Hauptkapiteln werden wir uns drei gesellschaftlichen Gruppen zuwenden, von denen wir annehmen, daß ihnen für das Verständnis der spätbyzantinischen Gesellschaft zwar nicht unbedingt die entscheidende, aber wohl doch eine ganz besondere Rolle zukommt. Schwierig genug ist es schon, sie begrifflich und in ihren groben Umrissen zu erfassen und annähernd zu definieren. Die Gruppe der sogenannten Mesoi findet sich in den byzantinischen Quellen aller Zeiträume als allgemein bekannte, aber nicht weiter präzisierte Position byzantinischer "Deutungsschemata sozialer Wirklichkeit",3S die zwischen Notabeln und gesichtsloser Masse eingeschoben ist. Diese Mittleren sind nicht groß und nicht klein, nicht ganz reich und nicht völlig arm, sie haben keine großen Namen, sind aber auch nicht namenlos. Was sie aber tatsächlich sind oder vielleicht noch besser: was sie in spätbyzantinischer Zeit werden wollen, aber schließlich doch nicht werden können, das soll Gegenstand dieses ersten Spezialkapitels sein. Für die Gruppe eines aristokratischen Unternehmertums, die im anschließenden Kapitel behandelt werden soll, läßt sich in den spätbyzantinischen Quellen bisher überhaupt kein spezieller Typenbegriff ausfindig und namhaft machen. Das könnte damit zusammenhängen, daß diese Gruppe nur für eine vergleichsweise kurze historische Zeit existiert hat, die nicht ausreichte, sie auch begrifflich zu erfassen. Zu bedenken ist aber auch, 35 Soweit wir sehen, stammt dieser Begriff von O. G. Oexle, vgl. seinen Aufsatz über die funktionale Dreiteilung der Gesellschaft, Frühmittelalterliche Studien 12, 1978, Hf. und viele nachfolgende Arbeiten.
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daß sie als kleine Gruppe aus dem Zerfalisprozeß der großgrundbesitzenden und Macht ausübenden Aristokratie entstand und daß sie letztlich eine kleine Gruppe blieb, die nur noch wenig innere Konsistenz gewinnen und deshalb als eigenständiges soziales Phänomen kaum erkannt werden konnte. Schließlich geht es um die Gruppe der literarisch Gebildeten, die ein byzantinisches Kontinuum war, was nicht heißt, daß sie im Verlauf der byzantinischen Geschichte nicht manche Veränderungen durchgemacht hätte. J6 Sie entwickeln, wie noch gezeigt werden soll, als Gruppe zwar ein geradezu übersteigertes Selbstbewußtsein, fehlen aber g.anz auffällig und in der Regel dort, wo zeitgenössische Autoren einen Uberblick über die Gliederung der Gesellschaft geben. Eine Ausnahme bildet daher ein Horoskop aus dem Jahre 1336 für das seit 1204 selbständige, aber immer noch mit dem alten byzantinischen Zentrum verbundene Kaiserreich Trapezunt, das unter den eingangs benannten Adressaten unmittelbar nach dem Kaiser und seinen Großen und noch vor Klerikern, hohen Beamten (Ö.PXOV'tES) und Militärs (O'tpa'tub'taL) zwei typische Gruppen von Bildungsträgern erwähnt, nämlich Grammatiker und Notare, und ihnen damit eine soziale Position mit hohem sozialen Prestige zuweist,J7 ein Prestige, das ihnen zumindest in der spätbyzantinischen Volksliteratur eher bestritten wird. J8 Es geht also in diesen Kapiteln zum einen um etwas, was begrifflich schon aus vorbyzantinischer Zeit bekannt ist, ohne daß man bisher sicher weiß, um was es sich in Byzanz sachlich handelt, zum anderen um etwas, wofür es gegenwärtig noch nicht einmal einen Begriff gibt, und schließlich um ein Institut, das zu den sozialen Fixpunkten der byzantinischen Geschichte gehört und Schwierigkeiten deshalb besonders bei der Erfassung möglicher Modifikationen im Verlauf dieser Geschichte macht. Versucht werden soll, diese ganz unterschiedlichen sozialen Phänomene wenigstens etwas mehr in das historische Licht zu rücken, als das bisher gelungen ist, ihre innere Struktur zu beleuchten und ihre Eigendynamik zu verfolgen, soweit uns das möglich ist. In der Schlußzusammenfassung wollen wir uns dann ganz besonders mit dem Verhältnis der analysierten Gruppen zueinander beschäftigen, indem wir noch einmal die Frage aufrollen, wie Mesoi und aristokratisches Unternehmertum zueinander stehen, ob es genetische Verbindungen zwischen ihnen gibt und was aus ihrem Verhältnis zueinander für die Dynamik der spätbyzantinischen Gesellschaft in ihrer Gesamtheit zu erschließen ist. Darüberhinaus wollen wir in Erfahrung bringen, welche Auswirkun36 So notiert A. K(azhdan), Art. Class Structure, ODß I, 469, daß Intellectuals did not form aseparate group until the 12th c.; before then they were part of the secular and ecclesiastical administration. 37 NE 13, 1916,33-50; vgl. SevSoc 75. 38 DöPhil203ff.
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gen die Entwicklung dieser beiden Gruppen, ihr wachsendes bzw. schwindendes gesellschaftliches Gewicht, auf die innere Konsistenz und das gesellschaftliche Verhalten der Gruppe der literarisch Gebildeten hat, denn diese Gruppe, die besonders durch das Bewußtsein ihrer gemeinsamen Teilhabe an den Bildungsgütern der byzantinischen Gesellschaft und durch ihre Fähigkeit, sie in besonderer Weise zu nutzen, gebildet wird, spricht nicht nur für sich selbst, sondern auch für und gegen andere Gruppen, grenzt sich von ihnen ab oder sucht Verbindung zu ihnen. Sie ist in diesem Sinne ein äußerst wertvoller Seismograph gesellschaftlicher Befindlichkeiten mit Gespür für ganz subtile gesellschaftliche Veränderungen, freilich sehr subjektiv und alles andere als unvoreingenommen. So wie die spätbyzantinische Gesellschaft nicht mit dem identisch war, was spätbyzantinische Literaten über sie sagten, so ist die spätbyzantinische Literatur und Geistigkeit nicht auf das reduzierbar, was die Gesellschaft von ihnen wollte und erwartete. Um die Spezifik der spätbyzantinischen Gesellschaft zu edassen, muß man auch die gesellschafts gestaltenden Kräfte der spätbyzantinischen Literatur und Kultur berücksichtigen und die sozialisierenden Wirkungen geistiger Gemeinsamkeit sichtbar machen. Und um Veränderungen in der spätbyzantinischen Kulturlandschaft und im weltanschaulichen Gehalt von Literatur zu verstehen, muß man auch Veränderungen und Schwankungen des gesellschaftlichen Milieus und des gesellschaftlichen Klimas in Betracht ziehen und die verschlüsselten Signale zu deuten versuchen, die davon ausgehen. Das kann nicht allein Sache der Zusammenfassung sein, sondern ist nur zu erreichen durch eine möglichst intensive Verschränkung der von uns vorgelegten Texte, indem wir uns bei der Analyse sozialer Phänomene auch für ihren kulturellen Gehalt interessieren und ständig nach dem sozialen Gehalt kultureller Phänomene fragen, die wir beschreiben und untersuchen. Dabei können durchaus auch unterschiedliche Auffassungen im Herangehen an bestimmte Fragen und in der Bewertung einzelner Erscheinungen angedeutet werden und zum Ausdruck kommen, schon allein dadurch, daß wir von unterschiedlicher Seite an diese Fragen herangehen und diese Erscheinungen von unterschiedlichen Ausgangspositionen her ins Blickfeld geraten. Das muß kein Mangel sein, es könnte sogar zum zusätzlichen Anreiz für eine Diskussion werden, die wir uns erhoffen und über die wir sehr glücklich wären. Zu danken haben wir für vielfältige sachliche und persönliche Hilfe, ganz besonders der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Bereitstellung eines großzügigen Druckkostenzuschusses, aber auch dem Dumbarton Oaks Center und seinen Mitarbeitern für die Möglichkeit zu Gesprächen über unser Projekt und zur Ausarbeitung von Teilen des Manuskriptes in Washington, und nicht zuletzt den Leipziger Studenten und Absolventen Peter Männig und Sebastian Kolditz für die Einrichtung des Textes zum Druck.
2. Grundstrukturen und Grundtendenzen der byzantinischen Gesellschaft in der Palaiologenzeit Trotz aller Fortschritte sozialgeschichtlicher Forschung ist die byzantinische Gesellschaft bis jetzt ein Buch mit sieben Siegeln geblieben. Sie nimmt im Verlauf ihrer Entwicklung viele feudale Züge an, wird aber nicht zu einer klassischen Feudalgesellschaft. Sie bewahrt lange Zeit starke Elemente autokratischer Unterordnung des Reichsvolkes, aber von einer orientalischen Despotie kann trotzdem keine Rede sein. Die byzantinische Gesellschaft ist vielleicht eine Klassengesellschaft, eben deshalb, weil sie so wenig Kasten- und Ständegesellschaft ist, aber die Beschreibung von Klassen in Byzanz macht ohne Frage noch größere Schwierigkeiten als in anderen Gesellschaften der gleichen Zeit und benachbarter Räume. Schon diese knappe Auflistung dessen, was die byzantinische Gesellschaft ist bzw. nicht ist, macht deutlich, daß sie bis in die Gegenwart hinein von außen her gesehen und mit Begriffen beschrieben wird, die aus anderen gesellschaftlichen Tatbeständen gewonnen und an ihnen praktisch erprobt wurden. Dabei hatte diese Gesellschaft einen für Historiker außerordentlich langen und für die Byzantiner selbst sogar ewigen Bestand, und schon deshalb verbietet sich die Vorstellung eigentlich von selbst, daß sie mehr als tausend Jahre pausenlos zwischen Entwicklungsrichtungen hin und her schwankt, die ihr von außen angeboten, aufgedrängt und aufgezwungen werden, ohne daß es ihr gelingt, ganz spezifische und unverwechselbar eigene Strukturen aufzubauen und beizubehalten, Strukturen, die durch äußere Einflüsse zwar mehrfach und auf vielfältige Art und Weise modifiziert, aber zu keiner Zeit oder allenfalls am Ende des byzantinischen Jahrtausends grundsätzlich verändert werden. Das heißt nun allerdings nicht, daß es bisher noch keine ernsthaften Versuche gegeben hätte, die spezifischen Züge der byzantinischen Gesellschaft und des byzantinischen Menschen in der Gesellschaft zu erfassen und zu beschreiben. Ganz das Gegenteil ist der Fall, denn die vielleicht faszinierendsten byzantinistischen Beiträge der letzten 25 Jahre sind eben dieser Thematik gewidmet. Gemeinsam ist diesen Beiträgen, daß sie sich nicht nur für die Oberen der Gesellschaft, sondern auch für die anderen, die Mittleren und die Unteren interessieren, gemeinsam ist ihnen aber auch, daß sie sich mehr oder weniger eindeutig auf die herrschenden, besitzenden, tonangebenden Klassen, Schichten, Gruppen orientieren und konzentrieren, nicht zuletzt aus Gründen der Machbarkeit, aber wohl
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Grundstrukturen und Grundtendenzen der byzantinischen Gesellschaft
auch aus der Überzeugung heraus, daß eine Gesellschaft besonders durch ihre Oberschicht geprägt und konturiert wird. Grundsätzlich sind es vier Bildungselernente, die die byzantinische Oberschicht - wie wohl auch die Oberschichten anderer mittelalterlicher Gesellschaften - zumindest seit der frühmittelbyzantinischen Zeit konstituieren: vornehme Geburt, hohe Funktion im Staatsdienst, wesentlicher Anteil am Reichtum der Gesellschaft und ein spezifisches Selbstbewußtsein, Gruppenethos.\ Byzanztypisch und byzanzspezifisch ist allerdings, daß vornehme Geburt nicht zu erblichem Geburtsadel führt, daß staatliche Funktionen immer personengebunden bleiben, zwar verkauft, aber nicht vererbt werden können, daß mobiler und immobiler Reichtum zwar sehr umfangreich sein kann, daß sich ein spezifisches ständisches Eigentum aber nicht oder nur in Ansätzen entwickelt und daß die Entwicklung eines besonderen Standesethos durch einen besonderen byzantinischen Individualismus behindert wird und begrenzt bleibt. 2 Die byzantinische Oberschicht wird also weder zu einem v.a. juristisch fixierten Stand noch zu einer primär religiös geprägten Kaste, sie bleibt eine soziale Gruppe, die über weite, wenn nicht über alle Strecken byzantinischer Geschichte hinweg zu anderen Gruppen hin offen erscheint, dem Zugang zu ihr und Zugriff auf sie keine stabilen Schranken entgegensetzt. H.-G. Beck möchte deshalb anstelle von Adel oder auch herrschender Klasse lieber von den "Angesehenen" sprechen, er hält diesen Begriff bei all seiner Ungenauigkeit für genauer und umfassender als die beiden anderen.' Die Sammelbezeichnung der byzantinischen Quellen, die vielleicht den weitesten Bedeutungsumfang hat und zumindest am Anfang der frühmittelbyzantinischen Entwicklung steht, ist dagegen -ö.l:'.ya'tol.,,)die griechische Entsprechung von potentes, die im westlichen Frühmittelalter eine zentrale Rolle spielt. 4 Der öuva'tos; ist ganz allgemein ein Mann in Position, ein Mann von Bedeutung im öffentlichen Leben, also zunächst vor allem ein viel vermögender = mächtiger Mann, ein Mann, der via Staatsdienst Anteil an der öffentlichen Macht hat, ein Mann, der nicht unbedingt vermögend = reich sein muß, der bedeutende materielle Güter aber eben durch seine Macht erwerben und damit auch zum 3tAOUOLOS;, zum Reichen werden kann, und schließlich auch ein Mann von Ansehen, ein Elttepa'ViJs;, ein durch persönliche Qualitäten und
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Kazhd 223; WeiAntByz 544ff. Kazhd, Kap. 4, 221f. vgl. auch A. Kazhdan, Mikrostruktury v Vizantii VIII / IX vv, in: XVI11th International Congress of Byzantine Studies, Main Papers, Moskau 1991, 84101. BeckJahrt 253. K. Bosl, Frühformen der Gesellschaft im mittelalterlichen Europa, München 1964, 106-134: Potens und Pauper.
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durch das Ansehen seiner Familie herausragender und hochgestellter Mann. 5 Mehr oder weniger deutlich vereinigen sich in diesem Begriff also alle die Elemente und Qualitäten, die den Vertreter der byzantinischen Oberschicht ausmachen. Am Anfang steht und am deutlichsten ausgeführt isS der Machtaspekt, während der Aspekt des Herkommens kaum zu erkennen ist, und das muß nicht zufällig so sein, denn diese Oberschicht ist in ihrem Kern zumindest seit dem Beginn der Makedonenherrschaft ein in kaiserlichen Diensten stehendes und sich um den Herrscher gruppierendes Beamtentum. Während der Krise des bürokratischen Systems von Staat und Gesellschaft im 11. Jh. schiebt sich aber eine neue aristokratische Elite in den gesellschaftlichen Vordergrund, die in erster Linie aus der byzantinischen Provinz stammt und militärische Funktionen ausübt und sich schließlich als familiärer Clan um Alexios Komnenos und seine Nachfolger formiert, für die Herkunft und Verbindung zur neuen Dynastie den entscheidenden Stellenwert bekommt und die auch ein neues ritterliches Ethos entwickelt. 6 Zu einer Verbindung von Adel und Rittertum bzw. zu einer Ersetzung von Adel durch Rittertum wie zu gleicher Zeit im lateinischen Westen 7 kommt es allerdings nicht. Aus dem bäuerlichen Stratioten der byzantinischen Frühzeit wird zwar immer mehr ein Herrenkrieger, der militärische Begriff wird aber nicht wie die vergleichbaren westlichen Begriffe bellator, miles, eques zum Synonym und zur klassischen Bezeichnung dieser neuprofilierten byzantinischen Oberschicht. Seinen Grund hat das nicht zuletzt darin, daß die von den Komnenen eingeleitete Entwicklung nicht mit aller Konsequenz betrieben wurde und wohl auch deshalb schon nach gut hundert Jahren durch die Dynastie der Angeloi gestoppt und rückgängig gemacht werden konnte. Ihre Geschichtsträchtigkeit kann diese Tendenz nach dem 4. Kreuzzug erneut in der byzantinischen Provinz unter Beweis stellen,8 aber mit der Rückgewinnung der alten Hauptstadt im Jahre 1261 werden die gesellschaftlichen Karten noch einmal neu gemischt, beginnt das alte byzantinische Spiel zwischen bürokratischer und aristokratischer Ausprägung der Gesellschaft und den für unterschiedliche Entwicklungsrichtungen stehenden gesellschaftlichen Kräften wieder von vorn. Zum Spielverlauf und zum Spielergebnis gibt es viele wichtige und interessante Meinungsäußerungen, gerichtet auf die Aristokratie in ihrer Gesamtheit, wie den grund-
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H.-G. Beck, Byzantinisches Gefolgschaftswesen [Abh. Bayer. Akad. d. Wiss., Phil.hist. Kl., 5], München 1965, 7ff.; LaiouArist 132, 141. KazhdByzKult 172. F.-R. Erkens, Militia und Ritterschaft. Reflexionen über die Entstehung des Rittertums, HZ 258, 1994,623-659. AngGovEx; vgl. A. Kazhdan, Rez. AngGovEx, VV 39,1978,271-273.
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Grundstrukturen und Grundtendenzen der byzantinischen Gesellschaft
legenden Aufsatz von A.E. Laiou aus dem Jahre 1973 9 und die Dissertation ihrer Schülerin K. Kyritses von 199io, oder aus dem Blickwinkel einzelner Familienclans, wie das unter anderen M.A. Poljakovskaja mit einem eben erschienenen Aufsatz über die Tarchaneiotai versucht hae\ und nicht zuletzt aus der Sicht von Einzelpersonen, wofür das schon zitierte Buch von G. Weiß über Johannes Kantakuzenos steht. 12 Auf diesen und anderen Beiträgen fußen die folgenden Ausführungen.
2.1. Die aristokratische Tradition der byzantinischen
Gesellschaft und ihre Weiterentwicklung in der frühen Palaiologenzeit Die gesellschaftliche Wirklichkeit der frühen Palaiologenzeit wird in starkem Maße von der Entwicklung des privaten Grundbesitzes geprägt. Die byzantinische Reconquista nach 1261 stellt sich bei Licht besehen ganz besonders als eine Wiederherstellung alter Grundbesitzverhältnisse dar. Reklamiert und eingeklagt werden tatsächliche und vorgebliche Rechte auf Immobilien der unterschiedlichsten Art. Vergeben werden neue Rechtstitel an verschiedene Anhänger der Palaiologen aus alten und auch aus weniger alten Familien. Einigermaßen dokumentieren läßt sich diese Seite der Reconquista allerdings nur für den kirchlichen und klösterlichen Revindikations- und Akkumulationsprozeß. Besonders die Regierungszeit des Kaisers Andronikos Ir. wird nach dem Urteil eines modernen Beobachters zur hohen Zeit des klösterlichen Grundbesitzes. 1J Zu vermuten ist aber, daß die weltlichen Großen bei der Aneignung und Ausnutzung von kultiviertem Land und abhängiger Arbeitskraft den Klöstern nicht nachstanden oder sogar vorausgingen. Johannes Kantakuzenos, führender Vertreter dieser Gruppe, später Kaiser und noch später Mönch, spricht auf einer Senatsversammlung in eben dieser Zeit von "uns Dynatoi, die wir viele schöne Besitzungen auf dem Lande haben. ,,14 Diese Gruppe von "Vermögenden" findet in seinem Geschichtswerk noch sehr oft Erwähnung, bei der genannten Gelegenheit und in der zitierten Passage wird sie der Bevölkerung in den Städten, die über geringere Mittel 9 LaiouArist 131-151. 10 K. Kyritses, The Byzantine Aristocracy in the Thirteenth and Early Fourteenth Centuries, Ann ArborlMi., University Microfilm International 1997. 11 M.A. Poljakovskaja, Mesto semejnogo klana v strukture pozdnevizantijskogo obscestva: Tarchanioty, ADSV 1998, 153-164. 12 WeiKant. 13 OstFeod 146. 14 Kant 1,188; FatKriKant 1,129.
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verfügt, entgegengestellt. In der gesellschaftlichen Wirklichkeit der frühen Palaiologenzeit sind Groß klöster und große Herren aber nicht nur auf dem flachen Land, sondern auch in den Städten präsent,15 und das in einer Weise, die es erlaubt, davon zu sprechen, daß die Gesellschaft der Palaiologenzeit auch die Stadt der Logik der feudalen Ordnung unterworfen hat. 16 Personen kaiserlichen Vertrauens und familiärer Zugehörigkeit zur herrschenden Dynastie lassen sich OPWllcfJ 'tfj~ ßaOLA.Ei.a~ ganze Stadtviertel, Festungen und Inseln übertragen, verbunden mit der Verpflichtung, für ihren Erhalt und ihre Sicherheit zu sorgen, und mit dem Recht, örtliche Ressourcen und staatliche Gerechtsamen in privatem Interesse zu nutzen. 17 Nicht nur Kaiserbrüder, Kaiseronkel und Kaiserneffen, sondern auch entferntere Verwandte versuchen ganze Provinzen als persönliche Apanagen oder in Verbindung mit staatlichen Funktionen in ihre Hand zu bekommen, und sie scheinen mit diesen Versuchen auch zunehmenden Erfolg gehabt zu haben. IB Die Verwalter ihrer Dörfer und Güter verfügen über erweiterte Rechte zur Erhebung von Abgaben, sie werden nicht als Verwalter, sondern als Regierer bezeichnet/ 9 üben also selbst Macht aus, zumindest mehr Macht als normale Träger grundherrschaftlicher Administration. Sie und ihre Leute geben in den dörflichen Gemeinschaften und in den städtischen Einwohnergemeinden den Ton an. Schon unter den Laskariden in Nikaia und dann besonders unter den frühen Palaiologen werden diese Vermögenden auch sehr gern und sehr 15 Zu den städtischen Besitzungen der Groß klöster s. besonders M. A. Poljakovskaja, Gorodskie vladenija provincial'nych monastyrej v pozdnej Vizantii, VV 24, 1964,202208, und andere Arbeiten der gleichen Autorin. 16 MaksCharakt 188. 17 MagdPron 155-163. Festungen werden im 14. Jh. nicht mehr nur auf Zeit, wie im 11. Jh. an Reichsuntertanen vergeben, vgl. Oikonomides, The Donation of Castles in the last Quarter of the 11 th Century, in: Polychronion. Festschrift F. Dölger zum 75. Geburtstag, Heidelberg 1966, 413-417, sondern auf Dauer mit allen Rechten und Pflichten. Das Unbehagen, das Kaiser Andronikos IH. gegenüber dem vorstädtischen Kastell des Parakoimomenos Apokaukos empfunden haben soll, Greg 11, 603, und die angebliche Anweisung an den Großdomestikos Kantakuzenos, Epibatai zu schleifen, erklärt sich wohl kaum durch eine Ahnung kommender Ereignisse, sondern eher dadurch, daß Apokaukos den Ausbau seiner Festung ohne kaiserliche Erlaubnis bewerkstelligt hatte. 18 ].W. Barker, The Problem of Apanages in Byzantium during the Palaeologan Period, Byzantina 3, 1971, 105-122; L. Maksimovic, Geneza i karakter apanaia u Vizantiji, ZRVI 14/15, 1973, 103-154. Als der avE'\jJL6~ und ya1lßQ6~ von Kaiser Andronikos 11., Syrgiannes, in den 20er Jahren die ihm zur Verwaltung übertragene Provinz Thrakien privatisieren (lÖLOJ'tOt01jIlEVO~) und der kaiserlichen Macht entziehen will, bringt ihn dieser Versuch, sich ein Stück vom Reich abzuschneiden, aber noch ins Gefängnis, Greg I, 298f. 19 SchreinProst 163.
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häufig als Megistanes/IlEYL
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ben sie auch das meiste zu verstehen, während sie der Tätigkeit eines Kaufmannes, eines Landmannes und eines Steuermannes doch eher fernstehen, wie es einer von ihnen auf einer Beratung der Verschwörer zu verstehen gibt. 29 Tatsächlich verfügen sie nicht nur bereits über eigene militärische Erfahrungen, sondern die Mehrheit von ihnen hat auch eine spezielle militärische Ausbildung erhalten. JO G. Weiß spricht von einem auffallend kriegerisch-spordich-athletischen Leitbild der byzantinischen Oberschicht,JI und seine Beobachtung hat ganz besonders auch für die frühe Palaiologenzeit Gültigkeit. Zu einer Verdichtung dieser Vorstellungen und Haltungen bis hin zu einem dem feudalen Westen vergleichbaren Ritterideal kommt es allerdings auch in dieser Epoche der byzantinischen Geschichte nicht, und zu einem Ritterstand, wie er sich auch im nahegelegenen Fürstentum Achaia entwickelt,32 werden die byzantinischen Megistanes der frühen Palaiologenzeit mit Sicherheit nicht; so weit wie E. de Vries-van der Velden, die dieser Oberschicht jede militärische Qualität abspricht,JJ braucht man allerdings auch wieder nicht zu gehen. Neben den Schlüsselstellungen in der spätbyzantinischen Armee waren ihnen auch die höchsten Posten in der spätbyzantinischen Kriegsflotte vorbehalten. Als Kaiser Johannes Kantakuzenos Anfang 1351 mit den Venezianern einen Vertrag zur Ausrüstung und Bemannung eines Schiffsverbandes von 12 Galeeren zum Krieg gegen die Genuesen abschließt, wird festgelegt, daß als Patron jeder dieser Galeeren unus no bilis et bonus barro mit zwei Bediensteten (famulis) zu seiner persönlichen Verfügung eingesetzt werden soll. Auch den capitaneus der Flotte soll die byzantinische Seite stellen, während sich die Venezianer mit der Benennung von zwei nobiles zur Mitbeteiligung an der Führung des Schiffsverbandes zufrieden geben. J4 Falls. mit dem Attribut bonus/gut nicht nur moralische Qualitäten gemeint sein sollten, dann wurden von diesen vornehmen Schiffsherren auch fachliches Können, nautische Kenntnisse oder zumindest Seekriegserfahrung gefordert. JS In der spätbyzantinischen Realität 29 30 31 32
Kant I, 44. Kant 1,334. Vgl. auch MakrLogHist 150. WeiAntByz 546. Vgl. in diesem Zusammenhang die interessante Bemerkung von PachFail I, 119, daß die um den Fürsten Guillelmo Villehardouin gruppierten Megistanes dort Ritter (KußuAAaQI.OL) genannt werden. 33 VriesEI 54f. 34 DiplVen I, 8 (Nr. 5). Im Jahre 1366 ist der dominus N. Angelus patronus einer galea, die die byzantinische Kaiserin Helene dem Grafen Amadeo von Savoyen zur Verfügung gestellt hatte, BolIllustr 89/91. 35 Im Zusammenhang mit der Ernennung des Alexios Apokaukos zum Megas Dux erklärt Kantakuzenos, daß auf byzantinischen Schiffen viele sowohl in Schlachten zu Lande als auch zur See sehr erfahrene Leute Dienst tun, bei denen der neue Flottenbefehlshaber in die Lehre gehen könne, Kant I, 539. Für das Jahr 1348 bezeichnet er den
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Grundstrukturen und Grundtendenzen der byzantinischen Gesellschaft
scheinen die Dinge aber doch etwas anders gelegen zu haben, wie auch der schon erwähnte Machtkampf zwischen dem älteren und dem jüngeren Andronikos zeigt. Zur maritimen Absicherung ihres beabsichtigten Kampfes um die Macht beschließen die Verschwörer um den Kaiserenkel jedenfalls die Hinzuziehung von drei jungen genuesischen Adeligen/ 6 und das, obwohl in der Person des Megas Dux Syrgiannes der höchste Schiffs offizier des Reiches mit von der Partie ist. Und noch bezeichnender ist, daß ausgerechnet von ihm die Erklärung stammt, er verstehe von den Aufgaben eines Feldherrn mehr als von Steuermannsangelegenheiten. J7 Tatsächlich wird er in den Zeitquellen mehrfach als Führer und Kommandeur von militärischen Operationen zu Lande erwähnt,JB während sich von einem Einsatz bei einer Seekriegsoperation keine Spur findet. Hohe maritime Kommandofunktionen bekleiden auch verschiedene Mitglieder anderer vornehmer Familien. Als Megaloi Dukes neben Syrgiannes sind in der frühen Palaiologenzeit ein Laskaris, ein Philanthropenos und ein Tzamplakont als Drungarioi der Flotte ein Gabalas und zwei Muzalones bezeugt.4o Aber Michael Laskaris Tzamanturos ist 1259 schon so alt, daß er sein Amt als Flottenkommandeur kaum noch ausüben kann,41 Asomatianos Tzamplakon ist als Flottenkommandeur 1349 so unerfahren, daß er gegen die Genuesen eine deklassierende Niederlage einstecken muß. 42 Stephanos Muzalon wird 1303 bei einem Vermittlungsversuch zwischen Katalanen und Genuesen nicht vom Schiff, sondern vom Pferd geholt und umgebracht,4J Johannes Dukas Muzalon scheint für seinen Kaiser Schiffe gebaut zu haben,44 ob er sie auch befehligt hat, ist dagegen unbekannt. Einigen Erfolg auch als bxzantinischer Flottenchef hat wohl nur Alexios Philanthropenos gehabt. 5 Keine der genannten
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unter dem Megas Dux Tzamplakon diensttuenden Kapitän des Admiralsschiffes (nis vauapxLöos c'ipxwv) Manuel Philanthropenos als einen besonders anstelligen Mann (dv~p Ka't'Ct Xetpa yevvatoc;), Kant III, 77, ob sich diese Charakterisierung aber auf seemännische Fähigkeiten bezieht, ist nicht ganz deutlich auszumachen. Kant I, 38f. Sie wollen drei Kriegsschiffe aus eigenen Mitteln und 7 auf Kosten des jüngeren Andronikos ausrüsten. Als der Ernstfall einzutreten scheint, bemannen sie innerhalb von 20 Stunden drei Schiffe, Kant I, 61. Kant I, 44. Greg I, 297, sagt auch, daß er über eine militärische Ausbildung verfügte, daß er sich durch Körper- und Geisteskraft auszeichnete, erwähnt aber nichts von seemännischen Fähigkeiten. Vgl. PLP 27167. Vgl. PLP 14554,29751,27753. Vgl. PLP 3293,19440,19447. PachFail 11, 401. Kant III, 74ff. PachFaii IV, 437. Philes 11, 187f. PachFaii I, 277; 11, 421/423, 435. Nach Greg I, 118ff. wurde die Seeschlacht vor Demetrias 1271 aber nicht von den Seesoldaten und Ruderknechten des Philanthropenos
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Familien scheint besondere Beziehungen zum Meer und zur Flotte gehabt zu haben. Daß es solche Familien auch in der spätbyzantinischen Oberschicht noch gab, nimmt P. Magdalino an, aber die von ihm benannten Gabalas und Sergopulos sind in den bisher bekannten Quellen nur als Einzelfälle nachzuweisen bzw. zu vermuten,46 so daß das Problem weiter offen bleiben muß. Von einer systematischen Vorbereitung junger Dynatoi auf Schiffsführung und Flottenkommando, wie sie in der venezianischen Führungsschicht üblich war,47 findet sich im Byzanz der frühen Palaiologen keine Spur. Auch der jüngere Andronikos, der als Kaiser keine Bedenken hatte, die Führung byzantinischer Flottenverbände und Seekriegsoperationen zu übernehmen, wird kaum über eine seemännische Ausbildung und über besondere Seekriegserfahrung verfügt haben. 48 Einspruch gegen diese kaiserlichen Ambitionen kommen interessanterweise aus der lateinischen Umgebung seiner Frau, für die sein diesbezügliches Tun nicht mit der Herrscherfunktion vereinbar ist. 49 Daß byzantinische Dynatoi dieser Zeit für eigene Zwecke Kriegsgaleeren ausgerüstet und unterhalten, Seesoldaten, Ruderknechte und Matrosen angeheuert und militärischen Gefolgschaften ähnlich eingesetzt haben, läßt sich nicht deutlich erkennen, 50
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gewonnen, sondern vom Landherr des Despoten Johannes, seinen Bogenschützen, Steinschleuderern und Wurfschützen, die die schon teilweise verlassenen byzantinischen Schiffe besetzten und schließlich doch noch einen Großteil der technisch besseren Schiffe des Gegners in ihre Hand bringen konnten. MagdPron 162f. Von den Gabalas der Palaiologenzeit scheint nur der Großdrungarios der Flotte, der schon oben erwähnt wurde, mit der Schiffahrt in Verbindung gestanden zu haben, von einem konkreten Flottenkommando für ihn ist aber nirgends die Rede. Vgl. J.e. Hocquet, Gens de mer a Venise: diversite des status, conditions de vie et de travail sur les navires, in: Le genti del mare Mediterraneo, ed. R. Ragosta, Bd. 1, Neapel 1981,167. Jedenfalls findet sich bei U. Bosch, Kaiser Andronikos IH. Versuch einer Darstellung der byzantinischen Geschichte von 1321 bis 1341, Amsterdam 1965, kein Hinweis auf eine maritime Komponente seiner Ausbildung. Von ihr ist ohnehin kaum etwas bekannt. Immerhin ist aus der Gegenüberstellung mit seinem zeitweiligen Nebenbuhler Michael Katharos, die Kant I, 14f., vornimmt, zu entnehmen, daß er über eine gute Allgemeinbildung verfügte, in der Teilnahme an militärischen Operationen geübt war und auch ein gutes Denkvermögen besaß. Greg I, 525. Die Wiedergabe der Passage durch MakrStud 129 scheint mir den Sachverhalt nicht exakt zu treffen. FatKriKant H, 187 (Anm. 84) verweisen bei der Bewertung einer Mitteilung des Kant I, 375, daß adlige und mächtige Familien 1329 miteinander bei der Ausrüstung von Schiffen für die Expedition nach Chios wetteiferten, auf entsprechende Passagen bei Thukydides, die der spätbyzantinische Historiker ganz offensichtlich nachahmt, und sie ziehen daraus den sicherlich nicht ganz unbegründeten Schluß, daß Kantakuzenos hier nicht so wörtlich aufzufassen ist. Einen Anklang an Thukydides könnte auch eine ähnliche Aussage von Greg H, 857, haben, er spricht aber nur von reichen Schiffsaus-
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und auch Transport- und Handelsschiffe, die so gebaut waren, daß sie in Kriegszeiten und zu Kampfzwecken umgerüstet werden konnten, scheinen zumindest in größerer Anzahl und entsprechender Tonnage nicht in ihrem Besitz gewesen zu sein. 51 Die spätbyzantinische Oberschicht behielt also auch die Kontrolle über die Seestreitkräfte und besetzte die höchsten maritimen Kommandofunktionen, ihre Mitglieder interessierten sich aber mehr für den Kampf zu Pferd als für den zu Schiff, sie orientierten sich am ritterlichen und nicht am bürgerlichen Ideal des Westens. Sie arbeiteten gelegentlich auch mit venezianischen und genuesischen Nobiles zusammen, aber sie zeigten (noch) kein sonderliches Interesse für die Haltungen und Handlungen dieser auf die Seefahrt ausgerichteten und von ihr abhängigen Alliierten. Insofern war auch die Abschaffung der byzantinischen Kriegsflotte durch Andronikos 11. in den 80er Jahren des 13. Jh. kein einsamer kaiserlicher Beschluß, sondern hinter ihm stand das Gros seiner Dynatoi, und sie waren wohl auch nicht dagegen, daß die maritimen Kommandofunktionen und die Initiative zu maritimen Aktivitäten in der Konsequenz dieser Politik vor allem auf Genuesen und Katalanen überging. 52 Nach dem Scheitern dieser Politik tauchen sporadisch zwar wieder auch byzantinische Megaloi Dukes auf, wenn aber von praktischen Aktivitäten dieser Amtsträger die Rede ist, dann ist es die Führung von Heeren, nicht von Flotten. Erst der Megas Dux Alexios Apokaukos macht aus seinem Titel wieder eine wirkliche Funktion, und mit dem Scheitern seiner politischen Konzeption ist Byzanz als Flottenmacht endgültig erledigt, auch wenn das natürlich nicht bedeutet, daß die Kaiser der späten Palaiologenzeit völlig ohne maritime Streitkräfte gewesen wären und den Megas-Dux-Titel überhaupt nicht mehr vergeben hätten. 53
rüstern und deutet das Moment des Wettstreites nur an. Deshalb könnte Gregoras etwas näher an der Realität sein, wie nahe, läßt sich aber auch nicht sagen. 51 Über Transponschiffe für die Enräge ihrer Domänen verfügen in der frühen Palaiologenzeit zwar nachweislich verschiedene Klöster, für die Magnaten dieser Zeit sind entsprechende Belege interessanterweise bisher nicht bekannt; zum Material s. MakrStud 261ff. Wenn Vertreter der großen Familien zu Schiff unterwegs sind, z. B. um wichtige Dienststellungen in der byzantinischen Provinz anzutreten, dann handelt es sich um kaiserliche Schiffe. 52 Vgl. Laiou 132 und Anm. 16. Daß der byzantinische Kaiser dem Führer der Katalanischen Kompanie nur den Ehrentitel eines Megas Dux, nicht aber das effektive Kommando übenragen hat bzw. übertragen wollte, scheint mir mit Blick auf die maritime Vergangenheit des Söldnerführers, auf seine exzellenten Kenntnisse in der Schiffs- und Seekriegsführung, vgl. A. Demurger, Die Templer. Aufstieg und Untergang 1118-1314, München 1993, 178ff., etwas zweifelhaft, denn Roger wäre geradezu der ideale Flottenchef für die Byzantiner gewesen. 53 Interessanterweise scheint Apokaukos seine Funktion ähnlich wie Roger de Flor aufgefaßt zu haben, nämlich nicht nur als oberstes Flottenkommando, sondern auch als Herrschaft über die Küsten und Inseln des Reiches, Kant I, 535ff., und in der Tendenz
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Wenn sie daran interessiert waren, konnten die Sprößlinge dieser Oberschicht schon in jugendlicl~.em Alter nicht nur hohe militärische, sondern auch einflußreich~vile Funktionen)übernehmen, nicht nur an die Spitze von Heeren und Flotten, sondern auch von Städten und Regionen treten. Manchmal wurden ihnen solche Stellen regelrecht aufgedrängt und aufgezwungen, manchmal mußten sie dagegen ihre vielfältigen Beziehungen spielen lassen, um zu Kephalai einzelner Städte oder größerer Regionen ernannt zu werden, schließlich blieb ihnen auch die Möglichkeit, Verwaltungsfunktionen ganz einfach zu kaufen. 54 In ihren Amtsbezirken waren sie für die örtliche Garnison und für die dort stationierten Militäreinheiten zuständig, hauptsächlich hatten sie jedoch Verwaltungsaufgaben zu erfüllen und die örtliche Rechtsprechung zu kontrollieren. Nicht selten waren militärische und zivile Funktionen aber in einer Weise miteinander verbunden, daß eine hohe militärische Funktion und eine wichtige Verwaltungsaufgabe in den Händen ein und derselben Person lagen. Der Großdomestikos Kantakuzenos und der Protostrator Synadenos konnten parallel zu ihrem zentralen militärischen Amt auch die Verwaltung einer großen Provinz übernehmen, und im Kriegsfall hatte das vielleicht sogar den Vorteil, daß die von den Heerführern benötigten Truppen gleich an Ort und Stelle ausgehoben, gesammelt und eingesetzt werden konnten. Und der Megas Dux Syrgiannes erhielt von Kaiser Andronikos H. vielleicht auch deshalb 1324 die Verwaltung des südlichen Thrakien, weil sich in dieser Region die traditionelle Flottenbasis Gallipoli befand,55 und aus dem gleichen Grund könnte der "tekfur" Asan, der 1322 diese Hafenstadt und ihre Umgebung gegen den Türkenbey Umur Pa~a verteidigte, identisch mit dem Isaak Asanes gewesen sein, der unter Andronikos IH. die Funktion des Megas Dux innehatte. 56 Zusammengehalten wird die Gruppe der Mächtigen und Großen der frühen Palaiologenzeit vor allem durch das "goldene Band vornehmer
geht es auch bei ihm um eine Privatisierung dieser Herrschaft, Kant 11, 537. Vgl. MatschFlott 193ff. 54 Vgl. MatschFort 45. 55 Kant I, 19. Er ist in dieser Funktion Nachfolger des Kantakuzenos, der sich offenbar während seiner Amtszeit hauptsächlich in Gallipoli aufgehalten hatte und dort auch nach seiner Rückkehr in die Hauptstadt seine Frau zurückließ, Kant I, 24. 56 Zu ihm s. 1. Melikoff-Sayar, Le Destan d'Umur-Pacha (Düstürname-i Enveri). Texte, tradition et notes, Paris 1953, 61f.; vgl. LemAyd 63ff. Identifizierung gegen BozAsen 273f., der in ihm Andronikos Asanes sieht. Der Begriff tekfur wird in türkischen Quellen häufig zur Bezeichnung lokaler christlicher Herren und schließlich auch der nur noch lokalen Kaiser von Konstantinopel und Trapezunt verwendet, vgl. C. Kafadar, Between two Worlds. The Construction of the Ottoman State, Berkeley-Los AngelesLondon 1995, 14f., 68.
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Geburt".57 Dieses Band hatte, wie sich aus dem Geschichtswerk des Pac~s ergibt, die Etablierung der Palaiologendynastie überhaupt erst . ermöglicht, dieses Band wurde von den ersten Herrschern dieser Dynastie systematisch verstärkt und vorsichtig verlängert. 58 Die Bedeutung dieses Bandes für die Mitglieder dieser Gruppe kommt auch in der Häufung vornehmer Familiennamen zum Ausdruck, mit denen sie sich selbst schmÜk-· ken oder schmücken lassen. Eine Durchsicht des Prosopographischen Lexikons der Palaiologenzeit macht sichtbar, daß weit über 80 Prozent der Personen, die drei oder mehr Patronyme tragen, in den ersten 90 Jahren der Palaiologenherrschaft gelebt haben und aktiv gewesen sind. Ihre Träger gehören zu den folgenden Familien: Angelos, Asanes, Branas, Glabas, Kantakuzenos, Laskaris, Maliasenos, Muriskos, Palaiologos, Paraspondylos, Rhaul, Sarantenos, Synadenos, Syrgiannes, T archaneiotes, Tzamplakon, Tzykandyles, T ornikes, Philanthropenos, Chumnos. Das sind ganz sicher nicht alle Familien, die in dieser Zeit das Sagen gehabt haben, und die eine oder andere Familie ist vielleicht auch auf dem Weg über die Namenakkumulation eher zufällig in diese Gruppe geraten; daß sich in ihr aber die wichtigsten Familien der frühen Palaiologenzeit versammelt haben, daran kann kein Zweifel bestehen. 59 Eine Vorzugsstellung bei diesen Drei- und Mehrfachnamen nimmt der Name der herrschenden Dynastie ein, denn die Zugehörigkeit zur Kaiserfamilie, und sei es auch nur in sehr entfernter Form, war für das Sozialprestige natürlich von ganz besonderem Wert. Noch häufiger als der Palaiologen- findet sich allerdings der Komnenenname in diesen Namensverbindungen. Das ist ein Hinweis auf das Selbstverständnis der Palaiologenzeit, die sich augenscheinlich vor allem als eine Fortsetzung der Komnenenzeit verstand. Zugleich berührt es das Selbstverständnis der Palaiologendynastie, die ihre Legitimität gegenüber den von ihr gestürzten Laskariden durch die Anknüpfung an die ihnen vorausgehenden Dynastien der Dukas, Angelos und ganz besonders der Komnenen sichtbar machen und sicherstellen wollen. Im Geschichtswerk des Akropolites erscheint Michael VIII. zuerst als Komnenos und erst dann als Palaiologos, und die erste Namens57 PachFail I, 91193; vgl. D. Nicol, The Prosopography of Byzantine Aristocracy, in: The Byzantine Aristocracy IX to XIII centuries, ed. M. Angold, Oxford 1984, 80. 58 Vgl. LaiouArist 133ff. 59 Interessant ist ein Vergleich der oben genannten aristokratischen Familien mit der Personengruppe, die 1258 mit dem Mord an den Brüdern Muzalon den ersten Schlag gegen die Laskaridenherrschaft führt und die Machtübernahme der Palaiologen bewerkstelligt, LaiouArist 134. Die Familien Libadarios und Philes konnten sich augenscheinlich schon in der frühen Palaiologenzeit nicht mehr bzw. nur noch unter großen Anstrengungen im Clan um die neue Dynastie halten, vielleicht weil sie Grundbesitzverluste in Kleinasien durch das Vordringen der Türken nicht ausgleichen konnten, vgl. PLP 29817.
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version wird parallel zur zweiten lange Zeit beibehalten. 60 In den dichterischen Elogen des Manuel Philes auf Vertreter der Palaiologenfamilie gehört das Attribut KO~VTlVO
ui)c; zum Standardvokabular. 61 Im Gegensatz zu der Bedeutung, die die Namen Komnenos und auch Dukas als Beleg für die vornehme Herkunft der Kaisedamilie und auch anderer Familien der spätbyzantinischen Zeit haben, finden sich die spätbyzantinischen Familien der Komnenen und Dukas interessanterweise nicht in der oben zusammengestellten Gruppe von Familien mit Mehdachnamen. Das kann damit zu tun haben, daß beide Familien einer besonderen aristokratischen Legitimierung nicht mehr bedudten, Tatsache ist aber wohl auch, daß die aus der spätbyzantinischen Zeit bekannten Vertreter der Familien Komnenos und Dukas nicht zum Kern der spätbyzantinischen Oberschicht gehörten.62 Seit der Mitte des 14. Jh. verzichten die Kaiser aus dem Palaiologenhaus auf die Bemühung der Komnenen und anderer älterer Dynastien für ihre Titulatur. 63 Das ist zweifellos ein Indiz für die definitive Absicherung der eigenen dynastischen Ansprüche. Der gleichzeitige Rückgang von Mehdachnamen bei den anderen führenden Familien des Reiches ist aber sicherlich mehr als der Abschied von einem speziellen Modetrend, er berührt wohl eher aristokratisches Selbstverständnis und Selbstbewußtsein, weist vielleicht darauf hin, daß mit dieser Aristokratie nicht mehr alles in Ordnung ist, jedenfalls nicht mehr so in Ordnung, wie in den ersten hundert Jahren der Palaiologenherrschaft. So gesehen ist die Zeit bis 1350 nicht nur die hohe Zeit des Großgrundbesitzes und der politischen Macht der Magnaten, sondern auch die Hochzeit ihrer Ausprägung als byzantinische Aristokratie. Die Oberschicht der frühen Palaiologenzeit gewinnt also nicht nur an ökonomischer Potenz und politischer Valenz, sondern ganz zweifellos auch an sozialer Konsistenz, und das alles zusammengenommen macht es nicht nur dem zurückblickenden Historiker, sondern vermutlich auch schon dem zuschauenden Zeitgenossen möglich, den Platz, den diese 60 Akrop I, 158ff.; BlumAkrop 124, vgl. 21. 61 Philes, passim. 62 Unter den 24 im PLP genannten Dukas sind einige Handschriftenbesitzer, aber keiner als (großer) Grundbesitzer ausgewiesen, nur zwei verfügen über eine hohe Funktion bzw. einen hohen Titel (5691, 5692), und max. vier über nachweisbare Verbindungen zu anderen aristokratischen Familien (5680, 5681, 5691, 5692). Auch die Komnenen der Palaiologenzeit spielen im Vergleich zu früheren Perioden und zu ihrer gleichzeitigen Position im Kaiserreich von Trapezunt nur eine unterge. ordnete Rolle, s. PLP 12050ff. 63 Vgl. PLP 21528, 21436, 21529 und 21437 mit 21485, 21438, 21513, 21480, 21481 und 21500; vgl. auch Kaiser Johannes VI. Kantakuzenos und seinen Sohn Matthaios, PLP 10973 und 10983.
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Oberschicht in der Gesellschaft einnimmt, und die Grenze, die sie von den anderen gesellschaftlichen Gruppen trennt, klarer zu erkennen und zu bestimmen. Trotzdem scheint es auch in dieser Zeit keine ernsthaften Versuche gegeben zu haben, diesen Platz juristisch genauer zu fixieren und die Bewegung an dieser Grenze und über diese Grenze hinweg politisch umfassender zu reglementieren. Die Zugehörigkeit zu den Magnaten, Aristokraten und Senatoren, die sich um die ersten Palaiologenkaiser gruppieren, ist juristisch nicht einklagbar, weil sie nicht an eine besondere Art von Grundeigentum, an exakt benannte Hofränge und Staatsämter und an das Connubium mit ganz bestimmten Familien gebunden ist. Aristokrat ist man und wird man nur dann, wenn das die Aristokratie so sieht und so will. Das erklärt die erstaunlich kurzen Wege, die einzelnen Leuten von ziemlich weit unten oder auch von außerhalb reichen, um in diese spätbyzantinische Oberschicht Eingang zu finden, und die zahlreichen Steine, die anderen in den Weg gelegt werden oder diesen Weg für sie ganz verbauen, obwohl ihre Ausgangslage gar nicht so schlecht ist, obwohl sie zu großem Grundbesitz kommen, in höchste Ämter aufsteigen und auch eine erfolgreiche Heiratspolitik betreiben. 64 Die byzantinische Gesellschaft hat ihre innere Mobilität also auch in der Spätzeit noch nicht verloren, und sie bewahrt sich nicht nur ihre horizontale, sondern auch ihre vertikale Komponente, aber besonders gesellschaftlicher Auf64 Vgl. den Aufstieg des Manuel Tagaris vom Bauernsohn zum Stadtgouverneur, Synkletikos und hohen Truppenkommandeur und zum Ehemann einer Kaisernichte, Kant I, 90f. Literatur zu seiner Person in PLP 27400. Sein Sohn Georgios erscheint Mitte des 14. Jh. in der gleichen militärischen Funktion bzw. mit dem gleichen militärischen Titel wie sein Vater. Auch der Einstieg des Syrgiannes, der vermutlich der Ehe eines zu den Byzantinern übergetretenen kumanischen Anführers und einer Philanthropene entstammte, selbst eine Cousine des Kaisers Andronikos 11. heiratete, von einer Mitkaiserin adoptiert wurde und in Schlüsselstellungen der Armee und der Administration gelangte und in der Politik der 20er und 30er Jahre eine zentrale Rolle spielte, vgl. PLP 27167f., ist einigermaßen verwunderlich. An seiner Zugehörigkeit zur Aristokratie scheint nie und von keiner Seite Zweifel aufgekommen zu sein, während Tagaris verschiedentlich auch unter Hinweis auf seine Herkunft angefeindet wurde. Vgl. damit die Schwierigkeiten, die Alexios Apokaukos bei seinem Weg nach oben zu überwinden hat. Durch finanzielle Manipulationen, die dabei gewonnenen Reichtümer, Erfahrungen und Beziehungen, macht er sich verschiedenen Aristokraten für ihr Spiel um die Macht nützlich und unentbehrlich, aber in den inneren Kreis der Verschwörer um den jüngeren Andronikos wird er nicht zugelassen, der ältere Andronikos weigert sich, ihn als Gesandten und Unterhändler seines Enkels zu empfangen, und der spätere Kaiser Kantakuzenos akzeptiert zwar bzw. fördert sogar seine Ernennung zum Mesazon, behält sich aber die Entscheidungsbefugnisse vor, und überläßt ihm nur die unwichtigen und routinemäßigen Arbeiten. Unabhängig, ob sich das alles tatsächlich so abgespielt hat, wie das der Historiker Kantakuzenos und Intimfeind des Apokaukos darstellt, wird das Instrumentarium sichtbar, mit dem gesellschaftlicher Aufstieg in einer prinzipiell offenen Gesellschaft tatsächlich gestoppt oder zumindest erschwert werden kann.
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stieg steht unter strenger Kontrolle, und zwar unter Kontrolle derjenigen, die selbst oben stehen. Sie sind es, die die Kandidaten für das Spiel auswählen, die die Spielregeln bestimmen und die Sieger ausrufen. Sie sind die ~pielI?eister, sie bestimmen die Einsätze und sie streichen den Bankgewmnem. Solange das alles so funktioniert, solange die anderen Gruppen und Schichten das Spiel als Zuschauer verfolgen und die Spielregeln akzeptieren, kann die primär informelle, jedenfalls nicht juristisch bestimmte Grenze nach oben die gesellschaftliche Dominanz der Oberschicht kaum gefährden. Auf die soziale Kontrolle kommt es also ganz besonders an, und ausgeübt wird sie besonders über die Beaufsichtigung und die Manipulierung der gesellschaftlichen Meinungen. Tatsächlich spielen öffentliches Leben und öffentliche Meinung eine überraschend große Rolle auch noch im späten Byzanz, und zwar nicht nur bei der Machtgestaltung und in der Machtausübung, sO~dern auch in der Beachtung und Bewertung gesellschaftlicher Prozesse Die soziale Dimension zeigt sich besonders in dem Bemühen, die Obersc ·cht ständig und überall präsent erscheinen zu lassen, ihre Aktivitäten manifest zu machen und dadurch ihre gesellschaftliche Akzeptanz zu sichern, sie zeigt sich auch in dem Bemühen, die wichtigsten gesellschaftlichen Meinungsbildner, die spätbyzantinischen Bildungs schichten und den orthodoxen Klerus, die Vertreter der Weltweisheit und die Verkünder der Gottesweisheit,65 möglichst eng an die Oberschicht anzubinden, über soziale Kontakte, über intellektuelles Interesse und religiöse Loyalität und ganz besonders natürlich auch über materielle Abhängigkeit. Zwar verliert der byzantinische Kaiserhof schon in der frühen Palaiologenzeit sein traditionelles monopoly of patronage,66 zugleich treten aber führende Familien der byzantinischen Aristokratie stärker als zuvor in der byzantinischen Geschichte als Förderer intellektueller Existenzen auf den Plan und sorgen dadurch nebenbei auch noch dafür, daß die ganze gesellschaftliche Gruppe stärker in das öffentliche Bewußtsein rückt und als gesellschafts gestaltende und gesellschaftserhaltende Kraft zusätzliche Akzeptanz erfährt. ---. Es nimmt deshalb auch nicht weiter wunder, daß die Intellektuellen der frühen Palaiologenzeit in ihrer großen Mehrheit nicht nur politischen Veränderungen abhold sind, sondern auch gegen jede Infragestellung sozialer Rollen und Normen Position beziehen. Bezeichnend dafür ist ein Brief des in der Kaiserkanzlei tätigen Verfassers von Reden, Gebeten und Literaturkritiken, Michael Gabras, an den gelehrten, vermögenden und einflußreichen Theodoros Xanthopulos, Bruder des Kirchenhistorikers Nikephoros Kallistos Xanthopulos, in dem der Schreiber das Verhalten 6S Vgl. die Ausführungen in KapitelS. 66 Vgl. SevSoc 83.
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eines nicht namentlich bezeichneten Mannes geißelt, der (zunächst) in den Diensten des Adressaten gestanden hat und (dadurch) zu Reichtum gekommen ist, um dann auf die~em Hintergrund und von diesem Ausgangspunkt aus in jugendlicher Uberheblichkeit und wie ein Kind prahlend gegen seinen ehemaligen Herrn Front zu machen, indem er seinen Weisungen nicht mehr folgt und diese ganz und gar ungehörige Haltung auch noch zu begründen versucht und als grundsätzlich berechtigt hinstellt. Der Brief gipfelt in dem Appell, sich diesem (Neu-)Reichen entgegenzustellen, um den eigenen Ruf zu wahren und sicherzustellen, daß Leute dieses Schlages gar nicht erst auf den Gedanken verfallen, sich so selbstüberhebend zu verhalten, weil sie erkennen müssen, daß sie sofort in ihre (natürlichen) Schranken verwiesen werden. 67 Zur Charakterisierung des Verhaltens und der Aktivitäten des inkriminierten Mannes verwendet der Briefschreiber insbesondere das Bild kindlicher Prahlerei und die davon abgeleitete Vokabel VEavLlouw9m. Sie ist ebenso wie das Tätigkeitswort VEWtEpi.~ELV und das davon abgeleitete Substantiv vEWtEPLOIl0t; in der frühen Palaiologenzeit ausschließlich negativ besetzt,68 und dieser Umstand macht sichtbar, daß diese Gesellschaft mit Neuerungen und Neuerern nichts am Hut hat, daß sie in ihnen nur das Werk jugendlicher Verantwortungslosigkeit sehen kann, die die von gestandenen Männern gesetzte Ordnung in Frage stellen, und zwar nicht nur die politische, sondern, wie der Brief andeutet, auch die soziale Ordnung. Ausgangspunkt eines solchen Angriffes ist im vorgestellten Fall zugeflossener _Reichtum, in anderen Fällen ist es eine zugeteilte oder auf andere Weise erworbene wichtige Funktion,69 und denkbar wäre wohl auch ein ähnlich gelagerter Fall mit einer vorteilhaften Heirat als Ausgangspunkt, obwohl ein solcher Fall nicht konkret belegt werden kann. Festzuhalten ist jedenfalls, daß der Briefschreiber hinter dem konkreten Fall ein allgemeines Problem sieht, daß die Zurückweisung dieses individuellen Anspruchs für ihn ein Beleg für den guten Zustand der gesamtgesellschaftlichen Angelegenheiten ist. Wichtig für das hier zur Debatte stehende Verhältnis zwischen Aristokratie und Intellektuellen ist schließlich die Art und Weise, wie der Briefinhalt als gemeinsames Anliegen von Briefempfänger und Briefschreiber dargestellt und aufgefaßt wird. Gabras spricht von "uns", gegen die der andere unverschämt geworden ist, er warnt davor, ihm zu erlau67 GabrEp II, 153ff. (Nr. 94). 68 Vgl. ConstNeot 1-18. Dazu kommt der in gleicher Weise wohl v. a. im kirchlichen Schrifttum verwendete Begriff KaLVo'toj.tLa , vgl. H. Hunger, Zum Stil und zur Sprache des Patriarchats registers von Konstantinopel. Rhetorik im Dienste der orthodoxen Hierarchie, in: Studien zum Patriarchats register von Konstantinopel, ed. H. Hunger, Bd. I, Wien 1981, 11-60; 36, 42. 69 So erwa bei PlanEpL 27ff. (Nr. 12).
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ben, "uns" zu beherrschen, es sind für ihn "unsere" Angelegenheiten, die Schaden nehmen, wenn man dem anderen freie Bahn gibt, und deren guter Zustand bewiesen wird, wenn man ihm in den Arm fällt. Sozial trennt den Briefschreiber und den Briefempfänger ganz sicher einiges, mental fühlt er sich ihm dagegen eng verbunden. Der kleine Intellektuelle glaubt seine eigene Welt zu verteidigen, obwohl er nur sehr bedingt von ihr profitiert und nicht erkennt, daß er total von ihr vereinnahmt ist. Diese sich aus völlig abhängiger Stellung ergebende völlig ergebene Haltung teilt Gabras mit vielen, wenn nicht den meisten oder sogar fast allen Intellektuellen seiner Generation. Sie zeigt, daß diese Intellektuellen sowohl auf dem politischen als auch auf dem sozialen Feld der frühen Palaiologenzeit noch ganz bereitwillig und pflichteifrig Wache stehen, daß sie Verletzer sozialer Grenzen und Ansprüche in vorauseilendem Gehorsam melden und sich um ein gesellschaftliches Klima bemühen, in dem solche Verletzungen ausgeschlossen sind. Auch Kirche, Klerus und Mönchtum wirken als wichtige gesellschaftliche Meinungsbildner grundsätzlich mit der gleichen Absicht in die gleiche Richtung. Zwar wird die imperiale Kontrolle über die orthodoxe Religionspolitik schon in der frühen Palaiologenzeit abgeschwächt/o zwar laufen sogar unter Michael VIII. schon manche kirchlichen Entwicklungen mehr oder weniger deutlich aus dem staatlichen Ruder, aber das bedeutet nicht, daß sich die Vertreter der Gottesweisheit insgesamt oder auch nur in einzelnen Fraktionen von den sozialen Normen und den ihnen zugrundeliegenden Herrschaftsstrukturen abwenden und vielleicht sogar Anschluß an andere als die dominierenden Gesellschaftsgruppen suchen. Sogar ein so sozial denkender und sozialfühliger Mann wie der Patriarch Athanasios 1. spielt nur in einer Ausnahmesituation mit dem Gedanken, das Tischtuch zwischen sich und dem Establishment zu zerschneiden, und er war schon deshalb für die Oberschicht und ihre oft jedes soziale Verantwortungsbewußtsein vermissen lassenden Vertreter ein sehr unbequemer Mann, den sie deshalb möglichst schnell loszuwerden versuchten. Aber vielleicht ermöglichte es ihm gerade diese Haltung, mehr für die von den Palaiologen etablierte Ordnung zu tun als mancher seiner in kirchlichen Diensten stehenden Zeitgenossen. Indem er sich nicht scheute, gegenüber manchem Angehörigen des gerade formierten Palaiologenclans auf Distanz zu gehen, kam er näher an die anderen Gruppen und Schichten der neuen bzw. erneuerten Ordnung heran, ohne die Interessen der Oberschicht in ihrer Gesamtheit auch nur andeutungsweise in Frage zu stellen. 71 Daß vom Gelingen eines solchen Spagats für die Perspektive dieser Ordnung vieles, wenn nicht sogar alles abhing, 70 Vgl. SevSoc 8I. 71 Vgl. CorAth, General Introduction, XVff.; BoojAth 338.
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daß es nicht ausreichte, nur repräsentative, mehr oder weniger geschlossene Öffentlichkeiten zu konstruieren und zu praktizieren, um den von der Oberschicht an die gesellschaftlichen Meinungsbildner vergebenen Auftrag auf längere Dauer zufriedenstellend zu erfüllen,72 das zeigte sich in den Bürgerkriegen des 14. Jh. und besonders in den Auseinandersetzungen um die Jahrhundertmitte in aller Deutlichkeit.
2.2. Tradition und Wandel der byzantinischen Bürokratie
in der frühen Palaiologenzeit Michael Palaiologos, der im Jahre 1258 die Macht an sich reißt und 1261 das Kaiserreich in seine alte Hauptstadt zurückführt, ist Repräsentant der großen Familien, der Familien mit großen Namen73 und großem Einfluß, er und seine Nachfolger bauen in der frühen Palaiologenzeit einen neuen Herrschaftsclan auf, der die Geschicke von Staat und Gesellschaft in der letzten Phase der byzantinischen Geschichte ganz wesentlich prägt und bestimmt. Die Belege und Indizien für diese Entwicklung wurden eben ausgebreitet und sind kaum zu übersehen. Nun hat A. Kazhdan in seiner Rezension des Buches von M. Angold über das Kaiserreich von Nikaia allerdings den Gedanken geäußert und entwickelt, daß der Begründer der Palaiologendynastie vielmehr und vor allem die traditionellen Grundlagen und Eckpfeiler der unbegrenzten Monarchie zu erneuern versuchte, indem er die von seinem politischen Konkurrenten Georgios Muzalon beabsichtigte Schaffung einer von der Aristokratie gestellten und die Administration kontrollierenden Repräsentativversammlung blockierte, indem er auf die überkommenen Prizipien der Rekrutierung der byzantinischen Armee zurückgriff und indem er von der Beauftragung einflußreicher Höflinge mit fiskalischen Aufgaben Abstand nahm und sie wieder an Leute einfacher Herkunft übertrug, kurz und gut: indem er die alten Formen bürokratischer Herrschaftsausübung reaktivierte und auf diese Weise die sich unter den Laskariden abzeichnende verstärkte F eudalisierung von Staat und Gesellschaft behinderte bzw. sogar verhinderte. Einen zeitgenössischen Zeugen sieht Kazhdan in dem Protasekretis und Mesazon Michael Kakos Senachereim, der die Rückgewinnung Konstantinopels anders als die meisten seiner Landsleute für ein Unglück hielt. 74 Wie Senachereim diese Auffassung begründete, teilt der Historiker Pachymeres leider nicht mit. Vielleicht hat er auf eine Begründung über72 Zum Problem generell s. MatschÖff. 73 Der Begriff verwendet in AkindH 178 (Nr. 42), mit Kommentar, 377. 74 A. Kazhdan, Rez. AngGovEx, W 39,1978, 272f.
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haupt verzichtet, weil ihm das die politische Klugheit vorgab oder auch weil es sich eher um eine unklare Ahnung als um eine festgefügte Meinung handelte. Er selbst gehörte zu einer vornehmen Familie armenischen Ursprungs, die im 11. Jh. Eingang in die byzantinische Gesellschaft gefunden hatte. Wegen seiner guten Allgemeinbildung und seiner juristischen Kenntnisse hatte ihn Michael VIII. zum Vorsitzenden des kaiserlichen Gerichts gemacht und ihm eine junge Dame aus der bekannten Familie der Philanthropenoi als Frau zugeführt, obwohl er selbst augenscheinlich schon älter war, denn er mußte sich wenig später beim Empfang der ihm unangenehmen Nachricht von der Rückgewinnung der Hauptstadt auf die Arme seiner Begleiter stützen, die zusammen mit ihm an der Panegyris des H. Panteleimon in Nikomedeia teilnahmen. 75 Es hat also ganz den Anschein, als wenn in der Erbschaft der Laskariden zunächst auch die Schlüsselpositionen der byzantinischen Rechtsprechung von Mitgliedern der Aristokratie besetzt waren. Inwieweit das noch für den Protasekretis Michael Neokaisareites zutrifft, der für das Jahr 1274 in dieser Funktion benannt wird/6 kann nicht so eindeutig gesagt werden. Interessant ist allerdings, daß schon im gleichen und in den folgenden 9 Jahren ein Manuel Neokaisareites in der gleichen Funktion auftritt, der sehr wahrscheinlich ein Sohn des erstgenannten Neokaisareites ist,n und daß an der Wende zum 14. Jh. ein weiterer Neokaisareites mit dem Vornamen Theodoros in den Quellen als Protasekretis ausgewiesen wird. 78 Sie besaßen augenscheinlich alle drei eine gute allgemeine und einer von ihnen nachweislich auch eine spezielle rhetorische Ausbildung/9 die seinerzeit auch Senachereim für sein juristisches Amt besonders qualifiziert hatte. Daß sie selbst als Richter tätig gewesen sind und sogar dem obersten Reichsgericht vorgestanden haben, ist aber von keinem ausdrücklich bezeugt. Manuel Neokaisareites war so wohlhabend, daß er sogar als Mäzen auftreten konnte, und über die Tochter des Theodoros Neokaisareites fand die Familie auch Eingang in den Palaiologenclan. Größerer Landbesitz, sofern die Familie überhaupt über ihn verfügte, könnte aber mit dem Vormarsch der Türken in Kleinasien verloren gegangen sein, die Verbindung des Despoten Konstantin Palaiologos mit einer Neokaisareissa war vermutlich keine Standesheirat, sondern edolg-
75 PachFail I, 205. Zu seiner Karriere vgl. PLP 25154. 76 Vgl. PLP 20096; in PLP 2089 wird vermutet, daß er mit dem (groß-)grundbesitzenden Pansebastos N. aus der Gegend von Smyrna identisch war. 77 PLP 20094. 78 PLP 20091. 79 Manuel N., PLP 20094.
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te aus Liebe,80 und das gleiche könnte auch schon bei der ersten Heirat der schönen und gebildeten Frau aus der Familie Neokaisareites mit einem Palaio~oi~n gleichen Vornamens aus der Stadt Thessalonike der Fall gewesen sem. Die Verbindungen von Familien mit gehäufter Funktionsgleichheit zum Clan der Palaiologen waren also relativ schwach, und sie standen nicht am Anfang, sondern eher am Ende der vermuteten Familienkarriere. Noch unschärfer ist die Person des Protasekretis Demetrios Jatropulos aus dem Jahre 1295 und die Position seiner Familie in der spätbyzantinischen Gesellschaft zu erkennen,82 und dann klafft eine große zeitliche Lücke bis zu dem Protasekretis Leon Bardales, der diesen Titel zwischen 1321 und 1342 trug und 1337 in den Korruptionsskandal um die seit 1329 amtierenden Oberrichter der Rhomäer verwickelt war. 83 Ob er der letzte wirkliche Protasekretis war, wie I. Sevcenko annimmt,84 also in dieser Funktion (vielleicht bis 1329) dem obersten Reichsgericht vorstand, oder ob dieses Gericht schon vorher aufgehört hatte zu existieren und der Titel des Bardales schon nichts mehr mit der Rechtspraxis zu tun hatte, wie P. Lemerle glaubte,85 soll dahingestellt bleiben, sicher ist jedenfalls, daß Bardales schon seit dem Ende des 13. Jh. richterliche Aufgaben wahrnahm86 und 1337 zum Personal des seit 1329 höchsten Reichsgerichtes gehörte,87 und eindeutig ergibt sich aus einem von ihm geschriebenen Brief, daß er ähnlich wie die vier der Korrufltion bezichtigten Oberrichter von einer Güterkonfiskation betroffen war. 88 Und wie ein Praktikon aus dem Jahre 1342 bezeugt, gehörte zu seinem Besitz auch eine otKoVOI.ti.a in
80 Greg I, 293: sie wird als Frau tLVOS töiv E:n:u!>avöiv bezeichnet und dann noch genauer als Tochter des genannten Protasekretis N. und als Ehefrau eines Palaiologen vorgestellt, d. h. vornehm wird sie anscheinend erst durch ihre Heirat, ist es nicht bereits durch ihre Geburt. 81 A. O. 293f. 82 PLP 7968. Daß er richterliche Aufgaben wahrnimmt, könnte sich daraus ableiten, daß er zu den synkletikoi archontes gehört, die 1273 auf einer kirchlichen Synode im Auftrag des Kaisers die Anklagen gegen Johannes Bekkos vortragen. Allerdings ist er zu diesem Zeitpunkt noch nicht Protasekretis, sondern Logothetes ton oikeiakon. 83 PLP 2183. 84 SevBard 258. 85 LemDoc 33. 86 Zu diesem Zeitpunkt war er allerdings noch nicht Protasekretis, sondern Orphanotrophos, PlanEpL 65 (Nr. 32), ähnlich Anm. 73. 87 So LemDoc 34. 88 Text seines Briefes an den Kaiser, in dem er seine Schuld prinzipiell eingesteht bzw. deren Ahndung er akzeptiert, deren Konsequenzen in Gestalt der Konfiskation seiner Güter er aber zu unterlaufen sucht, ed. M. Dyobouniotes in: TIpaKtLKu tij:; 'AKafiTjl.d.aS 'A8Tjvöiv, 1934,296-298.
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der Region der Stadt Zichna,89 ob es sich dabei um ein Dienstgut handelte, wie sie die im Jahre 1329 eingesetzten Oberrichter zugesprochen erhielten, kann allerdings nicht mit Sicherheit gesagt werden. Daneben wurde 1337 offenbar auch mobiler Besitz eingezogen, von dem Bardales mit dem Argument, er gehöre nicht ihm, sondern verschiedenen Gläubigern, soviel wie möglich aus der Beschlagnahmung heraushalten wollte. 90 Er war also mit Sicherheit kein armer Mann, er war aber offenbar auch kein Magnat, und die Verbindungen seiner Familie zum Clan der Palaiologen scheinen auch nur schwach gewesen zu sein. 91 Zum kaiserlichen Sekreton gehörte vor 1329 eine wechselnde Zahl von Senatoren, die wahrscheinlich auf den jeweiligen Fall bezogen gesondert eingeladen wurden. Zu diesem Schluß könnte man jedenfalls kommen, wenn man annimmt, daß die Zusammenkunft, die der ältere Andronikos im Apri11321 einberief, um seinen gleichnamigen Enkel politisch auszuschalten, tatsächlich den Charakter eines Gerichts hatte bzw. nach dem Willen des Kaisers haben sollte, wie Johannes Kantakuzenos in seinem Geschichtswerk betont. Anwesend waren als Senatoren einige hohe Würdenträger, und dazu kamen der Patriarch und verschiedene in der Hauptstadt weilende Bischöfe, während andere Senatoren, wie Kantakuzenos selbst, vor dem Verhandlungs raum warten mußten. 92 Vom Protasekretis Bardales ist in seinem Bericht keine Rede. 9J Der jüngere Andronikos hatte seinem aristokratischen Freund zufolge allerdings ein anderes, d. h. richtiges Gerichtsverfahren erwartet mit einer formellen Anklage, der Möglichkeit zur Verteidigung und einem ordentlichen Urteilsspruch, und er beklagte sich während der Sitzung, daß der alte Kaiser Ankläger und Richter in einer Person sei und die anderen Anwesenden nur als Zuhörer geladen wären. 94 Sollten sich die Dinge tatsächlich so abgespielt haben, wie sie Kantakuzenos darstellt, dann könnte das bedeuten, daß das oberste Reichsgericht in der Endphase der Regierung des älteren Andronikos keine feste Zusammensetzung hatte und die zentrale Rechtsprechung sehr willkürlich gehandhabt wurde, daß aber schon in dieser Zeit kirchli-
89 P. Lemerle, Un praktikon inedit des archives de Karakala Qanvier 1342) et la situation en Macedoine orientale au moment de l'usurpation de Cantacuzene, in: XapLO't~pLOV E~ A.K. 'OpAltvöov, Athen 1964,278-298. 90 Vgl. SevBard 252. 91 Familiäre Verbindungen deuten sich eventuell zu den Metochites und den Angeloi an, PLP 2183, 2185, nicht aber zu den Palaiologen unmittelbar. 92 Kant I, 67ff. 93 Er wird allerdings kurze Zeit später als Gesandter des alten Kaisers zu seinem Enkel erwähnt, Kant I, 118, befand sich also ohne Zweifel am Kaiserhof und in der Umgebung des alten Kaisers, als dieser das Gerichtsverfahren gegen den jüngeren Andronikos inszenierte. 94 Kant I, 69.
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che Vertreter in die Arbeit der obersten Rechtsinstanz einbezogen wurden und wahrscheinlich auch nicht immer nur die Funktion von Zuhörern ausübten. Mit der Justizreform von 1329 kurz nach dem Herrschaftsantritt des jüngeren Andronikos wurde ein oberstes Richterkollegium mit einer festen Anzahl von Oberrichtern, nämlich vier, und mit starker kirchlicher Beteiligung, d. h. zwei von vier, geschaffen. 95 Alle Untertanen des Reiches ohne Ansehen der Person sollten vor dieses Gericht gestellt werden können, angeklagte Senatsmitglieder genossen nur das Vorrecht, der Verhandlung sitzend beizuwohnen, ansonsten sollte ihr Fall aber wie jeder andere behandelt werden. 96 Die kaiserliche Absicht lief also auf eine Verstärkung zentralistischer Kontrolle und auf die Belebung des traditionellen Untertanenverbandes hinaus, und diese Intention wird auch daran ablesbar, daß es Leute ohne große Namen sind, die zu Mitgliedern des Richterkollegiums berufen werden. Die beiden Kleriker, der Bischof Joseph von Apros und der Dikaiophylax der Großen Kirche in Konstantinopel, Gregorios Kleidas, hatten schon als Mitglieder des Patriarchalgerichtes viele juristische Erfahrungen sammeln können,97 ob der Megas Dioiketes Glabas und Nikolaos Matarangos auch nicht ohne solche Erfahrungen waren, ist unklar. 98 Allenfalls Glabas könnte einer bekannten 95 Greg I, 437f.; vgl. LemJuge 292-316. 96 Befehl Kaiser Andronikos' III., ZachRezGeib 875; vgl. DöReg 2808, erklärt unter Bezug auf Ps.-Kodinos, daß das alle Ränge vom Logothetes ton agelon abwärts betrifft. 97 In dem apologetischen bzw. satirischen Text über den Justizskandal von 1337 ist die Rede davon, daß alle vier Oberrichter wegen ihrer langjährigen (juristischen?) Erfahrung in ihr Amt berufen wurden, TheochApol 30f. Joseph von Apros ist zwischen 1324 und 1329 mehrfach an Rechtsentscheidungen des Patriarchalgerichts beteiligt, PRK Reg. 36. Gregorios Kleidas wird in der Entschuldigung nicht namentlich erwähnt, könnte aber auch vor 1329 unter den Patriarchatsbeamten gewesen sein, die als Gruppe immer wieder in den Texten Erwähnung finden. Zur wachsenden Rolle der kirchlichen und besonders auch der patriarchalen Gerichtsbarkeit in der Palaiologenzeit vgl. H. Hunger, Das Patriarchats register von Konstantinopel als Spiegel by.~anti nischer Verhältnisse im 14. Jahrhundert, Anzeiger der phil.-hist. Klasse der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften 115, 1978, 117-136. 98 Vgl. den Brief des Johannes Chumnos an Matarangos, wo die Rede ist von 1:0V aov IlEyav xQo~ 1:0 ÖLXULOV ~ijA.OV, BoissAnNov 209f. Die Botschaft des Kleidas zusammen mit dem Bischof von Moglaina Ende 1327 zum jüngeren Andronikos mit dem Verbot zum Betreten der Hauptstadt hat eine deutlich juristische Dimension, denn das Verbot wird mit dem Eid- und Vertragsbruch des Kaiserenkels begründet, die beiden kirchlichen Würdenträger stellen im Lager des jungen Kaisers praktisch eine Untersuchung an, inwieweit der Vorwurf, der in die kirchliche Kompetenz fällt, zutreffend ist, und der Beschuldigte erklärt sich bereit, in einem erneuten Prozeß vor dem Kaisergericht seine Unschuld zu beweisen, Kant I, 215ff. Zur Person und seinem Amt s. auch FatKriKant I, 283 (Anm. 305). Ende 1327 schickt Andronikos 11. praktisch einen vollständigen Gerichtshof nach Rhegion, die beiden ersten Gesandten überbringen die Anklageschrift, tragen sie auf der Gerichts-
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Familie mit Beziehungen zum Palaiologenclan angehört haben,99 die anderen waren mehr oder weniger nobodies. Falls auch das Absicht gewesen sein sollte, so zahlte sie sich allerdings nicht aus, denn 8 Jahre nach ihrer Bestallung wurden drei von ihnen wegen Korruption und speziell wegen Bevorzugung von kaiserlichen Verwandten, Mitgliedern des Palaiologenclans ('t'OL~ eYYLcrtu tep ßUOIAEi) selbst gerichtlich belangt,loo ihrer Ämter entsetzt, von ihren Pfründen abgetrennt, zur Rückgabe von Bestechungsgeldern gezwungen und in die Verbannung geschickt. lol Das rigide Vorgehen des Kaisers gegen die beschuldigten bzw. überführten Oberrichter, das im diesbezüglichen Text eines bisher nicht eindeutig zu benennenden Autors kritisiert wird, erklärt sich sicher nicht nur mit dem Druck der Volksmeinung, sondern vielleicht auch aus der persönlichen Enttäuschung des Kaisers über den Fehlschlag seiner Justizreform und das Versagen der Personen seines Vertrauens. Zu seiner Entlastung führt der Autor der genannten Apologie bzw. Satire an, daß die Oberrichter bei der Erfüllung ihres Auftrages in ein Wespennest gestochen hatten und daß besonders die Großen des Reiches (OL fLEYUAOL) sich desto mehr gegen die katholischen Richter wandten, je größere Macht und größeren Einfluß sie auf die Geringeren besaßen, daß sie sich(überhaupt) wenig Gedanken über unrechtmäßigen Besitz machten. lo2 Allerdings erklärt der eher fiktive Exrichter, nur für sich allein und nicht auch für seine ehemaligen Kollegen (auVtpocj>OL) sprechen zu können und zu wollen, und er lehnt es auch ab, für die Handlungen seiner Untergebenen, seiner dienstlichen Helfer, Verantwortung zu tragen. IOl Eine Kastensolidarität, wie auch immer sie geartet sein
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versammlung vor und nehmen zusammen mit den anderen Erzpriestern und Senatoren die Argumente zur Kenntnis, die der junge Kaiser zu seiner Verteidigung vorträgt, Kant I, 225ff. Vgl. PLP 4209ff., 91682ff. TheochApol81. Greg I, 537f. TheochApol 80. Die hier gebotene Übersetzung orientiert sich an WeiKant 77. Zum Autor und zum Charakter des Textes vgl. neuerdings KrestProz. TheochApol 84. Die Gerichtsdiener, -bediensteten wurden offenbar nicht von ihren Vorgesetzten bzw. von ihrer Dienststelle besoldet, sondern durch Sporteln, die von den streitenden Parteien aufzubringen waren und die durchaus den Charakter von Bestechungsgeldern annehmen bzw. in den Geruch von Bestechungsgeldern kommen konnten. Michael Kabasilas, der bedienstete Sekretär des als Oberrichter fungierenden Bischofs ]oseph von Apros, wird im April 1342 jedoch ausdrücklich von der patriarchalen Synode von dem Verdacht der unrechtmäßigen Geldeinnahme freigesprochen, PRK 11, 286ff. (Nr. 136), weil jeder den eigenen Beruf ungehindert als Erwerbsquelle benutzen dürfe und Kabasilas aus seinem Hilfsdienst viel oder wenig Entgelt bezogen haben könne, sofern er keine richterlichen Eide geleistet habe. Diese bemerkenswerte Feststellung erklärt sich vielleicht auch aus dem besonderen gesellschaftlichen Klima in der Reichshauptstadt zur Zeit der Regentschaft.
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mochte und so weit sie allenfalls reichen konnte, hat es unter diesen höchsten Reichsrichtern also ganz augenscheinlich nicht gegeben, von einer Schutzpflicht für das juristische Personal ganz zu schweigen. Zu einem wirklichen Gegengewicht gegen die Ambitionen der Magnaten konnten sie also schon aus diesem Grunde kaum werden. Das Institut der Oberrichter blieb trotz des Eklats von 1337 bis zum Reichsende bestehen,l04 und die auf das erste Kollegium folgenden Amtsträger kamen, soviel die bisher bekannten Informationen über sie hergeben, auch weiterhin aUS weniger bekannten spätbyzantinischen Familien, aber die kollektive Verantwortlichkeit des ganzen Gremiums ging noch weiter zurück, zu einer Keimzelle und zu einem Modellfall für ein neues Leistungsethos und für neue Gruppensolidaritäten konnte dieses oberste Reichsgericht der byzantinischen Spätzeit also allem Anschein nach nicht werden. Das eigentliche Zentrum bürokratischer Restauration in der frühen Palaiologenzeit war nach A. Kazhdan aber nicht die Rechtsprechung, sondern die Finanzverwaltung. l05 Leider ist die Geschichte der spätbyzantinischen Reichskasse und der zentralen Büros des spätbyzantinischen Fiskus noch sehr wenig edorscht, gibt es kaum konkrete Informationen über die Leiter und Mitarbeiter der zentralen Finanzinstitutionen. I06 Ähnlich wie im Falle des obersten Reichsgerichtes ist bisher unklar, ob und wie lange die Leitung der Staatskasse(n) noch an einen speziellen Rang und Titel gebunden ist. Infrage ~o~en nach Meinung d~r Forschung ~e~ ~~;:>tobe stiarios, der Protobesnantes und der Prokathemenos tu besnanu. Aber bei keinem der bisher bekannten Inhaber der genannten Titel läßt sich ein eindeutiger Zusammenhang mit finanziellen Aufgaben erkennen,108 und 104 LemDoc 34ff. 105 A. Kazhdan, Rez. AngGovEx, VV 39, 1978, 273. Er verweist darauf, daß Michael VIII. Abstand von der Beauftragung höchster Höflinge mit fiskalischen Aufgaben nimmt und sie Leuten einfacher Herkunft überträgt. 106 Unklar ist weiterhin, ob es ein oder zwei zentrale Finanzressorts in der frühen Palaiologenzeit gegeben hat, zur Diskussion vgl. T. Miller, The Basilica and the Demosia, REB 36, 1978, 171-191; A. Failler, L'eparque de I'armee et le Bestiarion, REB 45, 1987, 199-203. 107 MaksProvAdm 228, Anm. 157. AngGovEx 206 betont, daß der Protobestiarios schon im Kaiserreich von Nikaia mit dem Bestiarion nichts (mehr) zu tun hat und ihm die Aufsicht über das Finanzwesen nicht zusteht, vgl. BlumAkrop 249. Demgegenüber teilt PachFail IV, 607 im Zusammenhang mit der Ernennung des genuesischen Korsaren und Kaperkapitäns Andreas Muriskos zum Bestiarios mit, daß dieser Funktion die materielle Sicherstellung der Flotte oblag, ob ihr Träger damit zu einem Funktionär der Staatskasse wurde, ist aber auch nicht eindeutig. 108 Bekannt ist nur, daß der zeitweilig in byzantinischen Diensten stehende genuesische Pirat Andrea Moreschi (Muriskos) zunächst vom Kaiser Andronikos 11. zum Bestiarios ernannt wurde und als solcher für die Ausrüstung von (Kriegs-)Schiffen verantwortlich war, PachFail IV, 607, und daß das kaiserliche bestiarion bis in die Spätzeit hinein für Flottenausrüstungen verantwortlich war, DöReg 3340. Von verschiedenen
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umgekehrt ist unbekannt, ob von den nachweislich mit Aufgaben in der zentralen Finanzverwaltung betrauten Personen jemand einen der eben genannten Titel getragen hat. Einigermaßen deutlich ist nur, daß die in diesem Umkreis genannten Leute nicht aus den großen Familien stammen: genannt werden ein Georgios Pepagomenos, ein Nikolaos Meliteniotes, von denen persönlich nur wenig bekannt ist/ o9 und die beiden wegen ihrer politischen Aktivitäten besser bekannten kaiserlichen Schatzmeister Alexios Apokaukos und Manuel Kinnamos, von denen der eine immer wieder wegen seiner angeblich obskuren Herkunft unter dem Beschuß seiner Gegner steht, während der andere zwar einen bekannteren N amen trägt, der in der Palaiologenzeit aber einiges von seinem früheren Prestige verloren zu haben scheint. 110 Nicht nur der Mangel an bekannten Namen, sondern das weitgehende Fehlen von jedwedem Namenmaterial ist ein sicheres Indiz für die geringe Bedeutung und das geringe Ansehen dieses Bereiches des staatlichen Apparates und der in ihm tätigen Beamten. Dabei müssen verschiedene sehr tüchtige Leute unter ihnen gewesen sein, denn trotz der mißlichen Lage des Reiches gelang es im frühen 14. Jh. zumindest zeitweilig, die Staatsfinanzen einigermaßen zu konsolidieren. Etwas besser bekannt ist der regionale und lokale Fiskalapparat des späten Byzanz. Wie L. Maksimovic nachgewiesen hat, fallen Steuerveranlagung und Steuererhebung seit dem 13. Jh. immer mehr zusammen. 111 Das ist unzweifelhaft ein Zeichen für den Verfall des traditionellen byzantinischen Steuersystems und für seine Anpassung an die neuausgebildeten feudalen Strukturen, zugleich eröffnet es den Steuerbeamten aber
nunciis et factoribus Vestiarii excellentissimi Domini nos tri Imperatoris kaufen 1285 zwei Genuesen Getreide, BertolNuovSer 533. 109 Pepagomenos gehört sicherlich zu einer seit der Komnenenzeit bekannten Beamtenfamilie, vgl. A. Kazhdan, Esce raz.o Pepagomenach XI-XII VV., ADSV 10, 1973,6063, die in spätbyzantinischer Zeit ihren Charakter sehr wahrscheinlich beibehält, vgl. PLP 22341ff. Auch die Meliteniotes des späten 13. und der 1. H. des 14. Jh. sind v. a. in der staatlichen und kirchlichen Administration verankert, haben aber auch literarische Ambitionen, vgl. PLP 17847ff. 110 Die Kinnamoi gehören zur zivilen Aristokratie der Komnenenzeit, Kazhd 97, 127 u. a. Sie erscheinen in der frühen Palaiologenzeit als (kleine) Grundbesitzer, Träger verschiedener Würden und Funktionen (Sebastos, PRK I, 288ff. [Nr. 38], Logothetes tu stratiotiku, BelgrPrimSer 103), Kleriker und zivile Beamte, zu denen neben dem Mystikos Manuel K. auch der hauptstädtische Gouverneur K. an der Wende zum 14. Jh. gehört. 111 MaksProvAdm 224. Das Zusammenrücken erfolgt in der Weise, daß die Steuereinnehmer zu some kind of executive agents der Steuerveranlagungsbeamten werden, a. 0.223.
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einen deutlich größeren Handlungsspielraum,112 stärkt ihre Positionen gegenüber den Steuerpflichtigen und kompensiert die finanziellen Einbußen, die durch den Verlust von Reichsterritorien an äußere Feinde und durch den Ausbau fiskalischer Immunitäten im Reichsinneren drohen. Das Interesse an der Übernahme von Tätigkeiten und Aufgaben in der Steuerverwaltung ist deshalb zu Beginn der Palaiologenzeit sehr groß. Die Steuerbeamten arbeiten mit Angestellten und organisieren sich in Kollegien, um ihre Steuerbezirke effektiv zu veranlagen und auszunehmen. Verschiedene dieser Kollegien und ihre Tätigkeit sind in den letzten Jahren genauer untersucht und dadurch besser bekannt geworden, so das Zweigespann Pharisaios-Pergamenos und die Troika Kunales-KontenosKalognomos aus dem frühen 14. Jh.1\J Zeitweilig Mitglied eines solchen Steuerkollegiums ist vermutlich auch der vielleicht bekannteste Steuerfachmann der frühen Palaiologenzeit, Theodoros Patrikiotes. 114 Ein spezielles Amt scheint er im Laufe seiner Tätigkeit nicht ausgeübt und besetzt zu haben, jedenfalls hüllen sich die Quellen zu dieser Frage in Schweigen. Geführt wird er nur mit dem Ehrentitel Pansebastos Sebastos,1\5 der im Kreise dieser Steuerbeamten sehr häufig anzutreffen ist und generell auf Beamte im provinziellen Staatsdienst hinweist. 116 Unbekannt ist auch seine Herkunft, der Dichter Manuel Philes, der ihm viele Gedichte gewidmet hat und von ihm in vielfältiger Weise protegiert wird, spricht ihn nur als YEwypa<j>wv äptO'tE und als <j>LA.WV äptO'tE an,117 läßt aber nichts über eine vornehme Herkunft seines Gönners verlauten, die er sich mit Sicherheit nicht entgehen gelassen hätte, wenn es irgendwie 112 MaksProvAdm 202, 227, hat die unabhängige Rolle der Steuerbeamten in der Provinz besonders herausgearbeitet. Er verweist dabei auch auf den von Kant H, 62, gebotenen
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Vergleich zwischen Krites und Exisotes, den ich aber nicht als Gegensatz zwischen 1tOAL'tLKa und ~TJI,U)m.a :rtQaYlla'ta verstehen kann, 227, Anm. 156. MaksProvAdm 186ff. OstPrakt 85ff. Eine das bisher bekannte Material über ihn zusammenfassende Arbeit existiert leider nicht, besonders interessante Bemerkungen zu seiner Person finden sich in zwei Rezensionen von G. Weiß: einmal zu KurGab in BZ 68,1975,412, urid dann zu GabrEp in BZ 69, 1976,73. Vgl. PLP 22077, MaksProvAdm 198. Nach MaksProvAdm 22, Anm. 45, wird der Titel vergeben to eminent officials, that is to members of the aristocracy. Diese These ist aber nicht unanfechtbar. Von den 5 Mitgliedern der zwei Steuerkollegien, die Ostrogorsky nennt, tragen 2 den Titel Pansebastos Sebastos (Demetrios Kontenos, Konstantinos Kunales), 2 den Titel Sebastos (Leon Kalognomos, Konstantinos Pergamenos), und nur Georgios Pharisaios trägt diesen Titel sehr wahrscheinlich nicht. Pansebastos Sebastos ist auch der Apographeus Konstantinos Makrenos, dem Alexios Apokaukos zeitweilig als Gehilfe diente. Nur einige dieser Beamten gehören aber zu aristokratischen Familien. Philes I, 189, 204.
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möglich gewesen wäre. Dafür lebt Patrikiotes in Konstantinopel aber auf großem Fuße. Er bewohnt ein eigenes Haus mit einer Privatkapelle, das von einem Pförtner bewacht wird. 118 Zu seinem Hausstand gehören weitere Bedienstete, unter ihnen ein Sekretär namens Kabasilas, der von Philes als Bruder angesprochen wird. 119 In seinem Auftrag soll ein gewisser Patzopulos einen Posten Getreide an den literarisch tätigen Schulmeister Theodoros Hyrtakenos liefern,120 und ein gewisser RhentakenoslRhyntakenos erhält 10 Geldstücke, die Philes ihm als Zinsen für ein von Patrikiotes veranlaßtes Darlehen schuldig ist. 121 Zumindest der Getreidelieferant könnte durchaus zum Mitarbeiterstab des Patrikiotes gehören. Kompagnon oder Angestellter im Steuergeschäft ist Anfang der 20er Jahre der Bruder des kleinen Beamten und Literaten Michael Gabras. Als während des Bürgerkrieges zwischen den beiden Andronikoi die Leute des Kaiserenkels Jagd auf die Steuerbeamten des alten Kaisers machen und ihnen die eingetriebenen Steuergelder abnehmen, kann sich Patrikiotes augenscheinlich durch den zeitweiligen Rückzug in ein Kloster bzw. eine andere kirchliche Einrichtung unangenehmen Fragen und Forderungen entziehen und vielleicht sogar die unübersichtliche politische Situation zu zusätzlicher persönlicher Bereicherung nutzen, während sein Kollege oder Untergebener Gabras wegen fehlender Gelder und Nachweise ins Gefängnis wandert und sich sein Bruder mit der Bitte um Hilfe für den Gefangenen und Übernahme eigener Verantwortlichkeiten für die vermißten Steuerbeträge an Patrikiotes wendet. 122 Die Intervention ist offenbar vergeblich: ebenso wie im Richterstand entwickeln sich auch unter den Steuerbeamten keine festeren Solidaritäten. Das Zentrum der weitgespannten Tätigkeiten des Patrikiotes zwischen dem Beginn der 20er und der Mitte der 40er Jahre liegt im byzanti-
118 A. O. 340, 344. 119 A. O. 340. In PLP 10069 wird er als Grammatikos des Philes bezeichnet, was aber ganz sicherlich falsch ist, denn das autou der Überschrift des vierzeiligen Epigramms bezieht sich wohl doch auf den Patrikiotes der vorangehenden Texte. Die BruderAnrede muß nicht auf wirkliche Verwandtschaft, sie kann auch auf freundschaftliche Verbundenheit, oder auch tatsächliche bzw. beanspruchte soziale Gleichwertigkeit hindeuten, vgl. Mazaris 32; KydEp I, 166 (Nr. 130); MM 11, 557, letzter Beleg gegen E. Papagianni, Vorkaufsrecht und Verwandtschaft, in: Eherecht und Familiengut in Antike und Mittelalter, ed. D. Simon, München, 147-160; 159f. 120 HyrtEp 14 (Nr. 47). P. stirbt aber, ohne vorher den Auftrag zu erfüllen, verhindert dadurch, daß H. die Wohltat empfängt und sich bei Patrikiotes dafür bedanken kann. In welchem konkreten Verhältnis der Verstorbene zu seinem Auftraggeber stand, läßt sich aus dem Brief nicht eindeutig entnehmen. 121 Philes 1,340. 122 GabrEp 318ff. (Nr. 192); 324ff. (Nr. 196); 576ff. (Nr. 369). Vgl. Weiß, Rez. GabrEp, BZ 69, 1976, 73.
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nischen Kernland Thrakien. Diese Tätigkeiten scheinen ihm selbst nicht nur Geld, sondern auch Naturalien der verschiedensten Art: Getreide, Salz und Fisch, Wein, Jagdbeute und sogar handwerkliche Erzeugnisse, wie Leinen, einzubringen. 123 Nach den überschwenglichen Worten des Manuel Philes wird sein Gönner von der ganzen Erde und vom Meer ebenfalls ernährt. l24 Als sich Patrikiotes 1341 dem Großdomestikos J 0hannes Kantakuzenos als finanzkräftiger Helfer und Steuerexperte zur Verfügung stellt, kann er für die geplante Exisosis 100.000 Hyperpern in ausgemünztem Gold und Wertgegenstände von weiteren 40.000 Hyperpern flüssig machen. 125 In dem wenig später ausbrechenden neuen Bürgerkrieg wird Patrikiotes aber selbst zum Opfer und verliert sogar sein Leben, sicherlich bei dem Versuch, die von Kantakuzenos gewährten großzügigen Steuerkompensationen zu realisieren. Kinder scheint er keine gehabt zu haben; mit seinem Tod verschwindet nicht nur seine Person, sondern auch sein Name aus den byzantinischen Zeitquellen. Erst vor kurzem ist die Unterstützung des Patrikiotes für den Thronprätendenten Kantakuzenos und seine Magnatenfraktion in Zweifel gezogen und als eine von dem späteren Historiker Kantakuzenos bewußt in die Welt gesetzte Legende bezeichnet worden,126 sicherlich nicht völlig unbegründet, eine politische Ortung des lange Zeit edolgreichen Steuereintreibers wird dadurch aber nicht unbedingt erleichtert, und seine soziale Haltung wird sogar noch weiter individualisiert. Ob und wie weit auch die spätbyzantinischen Zolleinnehmer in diese Gruppe gehören, ist nur schwer auszumachen, da bisher nur sehr wenige kommerkiarioi überhaupt namentlich bekannt sind. In Konstantinopel tun um 1278 ein Georgios Gram(m)atikos und um 1332 ein N. Kephalas als K0IA.IA.EPKLOPLOL Dienst,127 im Flottenstützpunkt Anaia ist 1273 ein Georgios Chaluphes als Inhaber des K0IA.IA.EPKLOV erwähnt. 128 Keiner der drei Amtsträger läßt sich durch andere Quellen näher erfassen. Vom sozialen Milieu her könnte Kephalas immerhin mit einem gleichnamigen Geldverleiher identisch sein, der 1324 zusammen mit einem Dishypatos als Gläu-
123 In der von A. E. Laiou zur Edition vorbereiteten Economic History of Byzantium habe ich drei Kapitel geschrieben: 1: Mines, 2: The Late Byzantine Urban Economy, 3: Exchange, Commercial Activities and Market Relations in Late Byzantium. Im Literaturverzeichnis und im Text werden diese Ausarbeitungen unter den Siglen LaiouEcHist I, II, III ausgewiesen. Vgl. hier LaiouEcHist III. 124 Philes I, 347. 125 Kant II, 62f. 126 VriesEl63, Anm. 28. 127 MM III, 187; 118. 128 MM VI, 233; vgl. MakrStud 248, Anm. 11; PLP 30532.
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biger der Witwe eines Theodoros Marmaras Erwähnung findet,129 und diese (gemeinsame) Pfandleihe ist vielleicht nicht zufällig, denn in den 80er Jahren sollte ein Kephalas die Tochter eines verarmten Dishypatos heiraten,IJO sicherlich um eine neue wirtschaftliche Basis für diese Familie zu schaffen, die in der frühen Palaiologenzeit verschiedene Kirchenbeamte und zumindest auch einen Steuerbeamten stellt und deshalb vielleicht als Beamtenfamilie bezeichnet werden kann. lJ1 Neben Zöllnern, die in Einzelverantwortlichkeit mit Bediensteten tätig waren, scheint es auch Kollegien gegeben zu haben. Im Jahre 1278 erhält ein genuesischer Kaufmann den Auftrag, sich in einer Zollangelegenheit an die comerciarios imperatoris Grecorum Nicolaum Drogum, Gabrielen Cigalam et Bonifacium Sardenum in der byzantinischen Hauptstadt zu wenden. 132 Interessant ist der Tatbestand, daß von diesen drei Zollbeamten wenigstens zwei Lateiner sind\J3 und allenfalls der erste griechisch-byzantinischer Herkunft ist, wie sein Name Dragon oder Drongus andeutet, der aber auch sehr selten ist und nicht für ein gehobenes soziales Milieu seines Trägers spricht. 134 Auf die Möglichkeit, daß Angehörige der lateinischbyzantinischen Mischbevölkerung, sog. Gasmulen, als Dolmetscher von byzantinischen Kommerkiarioi eingesetzt wurden, hat G. Makris vor kurzem hingewiesen,135 hier deutet sich sogar die Existenz byzantinischlateinischer Kollegien an. 129 PRK I, 436ff. (Nr. 74). Nach PLP 5527 ist dieser D. eventuell mit dem Steuerbeamten Georgios Dishypatos identisch, der etwa zur gleichen Zeit unter den Adressaten des Michael Gabras auftaucht. 130 GKypEp 132; vgl. PLP 5522. 131 Vgl. PLP 5522ff. Mit dieser Familie war Alexios Apokaukos durch seine erste Frau verwandtschaftlich verbunden. Daß sein Schwiegervater, der Kleriker der Megale Ekklesia D., mit dem hauptstädtischen Kleriker von 1357, Leon D., identisch war, scheidet aus zeitlichen Gründen jedo~h aus. 132 BratRechCom 311 (Nr. XI). 133 Ein Babilano Cigala mietet 1290 in Konstantinopel ein Schiff für eine Handelsfahrt nach Tana, BalGen 11, 625; ein Ugolino Sardena ist 1264 Mitbesitzer einer genuesischen Galeere, a. O. 547. 134 Vgl. PLP 5792; 5837ff. Im übrigen kann auch dieser Dragus genuesischer Herkunft bzw. in genuesischem Milieu zu Hause sein, vgl. BalGen I, 141f., wo ein Benisse Dragus und ein MicheIe Dragus als genuesische Konsuln in Savastopoli auf der Krim genannt werden, allerdings erst aus der zweiten Hälfte des 14. Jh. Ein Palolinus Drogus tritt aber schon bei dem gleichen Notar, Leonardo Negrini, bei dem die drei Kommerkiarioi Erwähnung finden, als Zeuge auf, BratRechCom 311 (Nr. X). 135 MakrStud 254. Vgl. auch seine präzisierende Studie, Die Gasmulen, Thesaur 22, 1991 (1992), 44-96, die den Nachweis führt, daß Gasmulen häufig nichts anderes sind als Griechen, die sich um eine Gleichstellung mit den Genuesen in Konstantinopel bemühten, daß die ethnische Komponente also schnell eine untergeordnete Rolle spielte, 67ff.
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Nicht byzantinischer, aber auch nicht lateinischer, sondern levantinischer Herkunft ist ein Zolleinnehmer in Konstantinopel, über dessen Tätigkeit sich der gelehrte Mönch Maximos Planudes in einem Brief aus dem späten 13. Jh. beklagt. Er stammt aus Syrien, besitzt zeitweilig die genuesische Staatsbürgerschaft und läßt sich schließlich in Byzanz einbürgern, um die t'EA.OOvEi.a der byzantinischen Hauptstadt zu übernehmen,136 was G. Makris ohne klar ersichtlichen Grund als das Amt eines Oberkommerkiarios bezeichnet. 137 Planudes wirft dem Syros vor, daß er die Zollgebühren auf das Doppelte des bisher üblichen heraufgeschraubt habe, so daß die byzantinischen Kaufleute es vorziehen, in die Hände von Seeräubern zu fallen bzw. das Meer überhaupt nicht mehr zu befahren. Er beschränke sich also nicht darauf, die ihm überlassenen Schafe in der üblichen Weise zu scheren, sondern er rasiere sie auf seine barbarische Weise besonders gründlich ab und werde sich deshalb bald rühmen können, daß er Schaffelle im Überfluß anzubieten habe. Jemand, der die Kühe=Schafe schlachtet, die er nur melken soll, kann den Byzantinern nicht von Nutzen, sondern nur zum Schaden sein, das will Planudes sichtbar machen, davon will er überzeugen. Vielleicht ist der ßa.pßapo~ ... v6J.1.o~ des Syrers,\J8 von dem der gelehrte Byzantiner spricht, aber nichts anderes als die Durchsetzung von etwas moderneren und effektiveren Handelsnormen, die geeignet waren, etwas mehr Ordnung in die korrupte byzantinische Finanzwirtschaft zu bringen, in der es für die Steuerschuldner und Zollpflichtigen günstiger war, die Steuereintreiber und Zolleinnehmer zu bezahlen als den Zoll bzw. die Steuer. 1J9 Um diesen wohl auch schon für die Zeitgenossen naheliegenden Schluß zu verwischen, beeilt sich Planudes zu erklären, daß die Staatskasse trotzdem keine erhöhten Einnahmen zu verzeichnen habe. Was an der gesamten Geschichte stimmt, sei dahingestellt und muß offenbleiben; zu ergeben scheint sich aus der abschließenden Feststellung immerhin, daß der eingewanderte Syrer die hauptstädtische Zollerhebung nicht (für eine Fixsumme) gepachtet hat, sondern daß er tatsächlich als byzantinisch,er Zollbeamter fungiert, der alle Zolleinnahmen an die Staatskasse abführen . muß, während er selbst ein festes Salär erhält. Nicht völlig ausgeschlossen ist aber auch, daß sich die Sache genau umgekehrt verhält und Planudes ganz bewußt den Tatbestand übergeht, daß ein Zollpächter nur die Fixsumme entrichten muß, für die er seine Pfründe ersteigert hat, und den gesamten Mehrerlös als seinen privaten Gewinn verbuchen kann.
136 137 138 139
PlanEpL 27ff. (Nr. 12). MakrStud 257. PlanEpL 31. Vgl. MatschTor 52f.
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Hintergrund des brieflich geäußerten Zornes des spätbyzantinischen Gelehrten ist auch nicht so sehr das Schicksal der byzantinischen Kaufleute und ihre zweifellos drückende Lage, sondern die entgangene Chance seines Bruders, der von dem landfremden Eindringling aus dem attraktiven Zolleinnehmergeschäft herausgedrängt worden ist. 140 Sicherlich hat es aber nicht erst dieser negativen Edahrung bedudt, um dem Steuergeschäft überhaupt kritisch gegenüber zu stehen. Planudes spricht an anderer Stelle von t'j vuv eJtIJtOAa~ouO'u IlUVLU t'OOV t'EAOOVOOV,141 und er verwendet sich in diesem Zusammenhang für einen Freund, der sich zur Beteiligung an einem Steuergeschäft hat verleiten lassen, dann aber nicht skrupellos genug ist, dieses Geschäft auch wirklich zu realisieren. 142 Er bestätigt also die Vermutung, daß sich nach der Rückkehr des byzantinischen Kaisers und seiner zentralen Administration in die alte Hauptstadt sehr bald ein Boom im traditionellen Steuergeschäft abzeichnet und der staatliche Finanzsektor damit zu einem Kristallisationspunkt auch für neue bürokratische Entwicklungen wird. Und grundsätzlich läßt sich deshalb auch sagen, daß die frühe Palaiologenzeit nicht nur der byzantinischen Reichsaristokratie neue gesellschaftliche Dimensionen erschließt, sondern daß sie auch dem byzantinischen Beamtenturn ganz beachtliche Freiräume offenläßt bzw. sogar neu eröffnet. Von manchen Richtern und Steuerbeamten ist nur ein einziges Mal und dann nicht wieder die Rede, und nicht einmal Personen mit gleichem N amen sind im Bereich der Rechtsprechung oder der Finanzverwaltung erneut auszumachen. Demgegenüber gibt es aber auch Fälle, wo Personen gleichen Namens gleichzeitig oder kurz hintereinander in gleicher oder ähnlicher Funktion zu beobachten sind, was vermuten läßt, daß sich eine solche Tätigkeit vom Vater auf den Sohn ,.vererbt" oder zumindest in der Familie weitergegeben wird. So verhält es sich wahrscheinlich bei den drei Neokaisareites und ihrer Protasekretis-Funktion bzw. ihrem Protasekretis-Titel an der Wende zum 14. Jh. So könnte es auch bei den Steuerbeamten Makrenos gewesen sein, wenn man sich der Auffassung ~n G. Weiß anschließt, daß der Domestikos der westlichen Themen Makrenos, bei dem der spätere Megas Dux Alexios Apokaukos als junger Mann Dienst tut,143 aus zeitlichen Gründen kaum mit dem erst im Jahre 1333 erstmals auftretenden Domestikos Konstantinos Makrenosl 44 iden140 PlanEpL 32.
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A. O. 9 (Nr. 3). A. O. Sf. Kant 11, 279. Vgl. PLP 16365. Er ist auch Pansebastos Sebastos, avanciert schließlich zum Logothetes ton agelon. Vielleicht hat dieser Titel doch auch in der Spätzeit noch eine Funktion, die mit der Beauftragung und Einsetzung von Steuerfunktionären zu tun haben
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tisch sein kann.!45 Und die vom gleichen Autor mehrfach geäußerte Vermutung von der Existenz sog. Beamtenfamilien auch noch im späten Byzanz!46 verdichtet sich ebenfalls, wenn man einige dieser Familien noch etwas genauer unter die Lupe nimmt. So finden sich unter den acht im Prosopographischen Lexikon der Palaiologenzeit verzeichneten Trägern des Namens Neokaisareites neben den drei schon erwähnten Justizbeamten auch ein Apographeus, der um 1320 in kaiserlichem Auftrag verschiedene Eigentumsregelungen zugunsten des Chilandarklosters auf dem Athos trifft,147 und ein staatlicher Salinenverwalter, der nach Verlust seines Amtes - vielleicht durch die vorrückenden Türken - vor der Gefahr der Verarmung steht. H8 Die im gleichen Lexikon verzeichneten Kinnamoi der frühen Palaiologenzeit sind vor allem Kleriker, Bischöfe und Kirchenbeamte. 149 Ein Sebastos Eustathios Kinnamos wird 1316 nur als Besitzer von Häusern und Grundstücken ~enannt, er könnte aber auch zeitweilig als Beamter tätig gewesen sein.! 0 Für das Profil der Familie bzw. der Familien Kinnamos von besonderer Wichtigkeit ist aber die nur aus lateinischen Quellen stammende Information, daß ein Träger dieses Namens gegen Ende des 13. Jh. Gouverneur der Hauptstadt gewesen ist und sich in dieser Funktion durch Rührigkeit und selbständiges Handeln ausgezeichnet hat.!5! Die Familie Oinaiotes stellt zwei Katholikoi kritai, zwei Apographeis, einen Kleriker und einen Schriftsteller, der über Besitz von Häusern und Grundstücken in und um Konstantinopel verfügt, sich durch rhetorische Bildung und astronomisches Interesse auszeichnet und vielleicht auch deshalb im Justiz- und Finanzapparat der frühen Palaiologenzeit tätig ist.!52 Verbindungen zu den Kinnamoi hat auch die schon erwähnte Familie Dishypatos. Den gleichen Familiennamen wie der als
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könnte, so wie sich das an der Wende zum 14. Jh. bei dem Briefpartner des Planudes N. Phakrases, PLP 29570, der den gleichen Titel trägt, andeutet. WeiKant 25. Die Beamtenfamilien der mittelbyzantinischen Zeit gehören seiner Auffassung nach zu den Mittelschichten, WeiBeamt 171, Anm. 59, gegen Kazhdan, der sie der Aristokratie zurechnet. PLP 20095. Er ist Megas Adnumiastes, und hatte nach H.-G. Beck, Theorie und Praxis im Aufbau der byzantinischen Zentralverwaltung, München 1974 [SB der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Klasse, 1974, 8], 17, die Stammrollen der Soldaten evident und aktuell zu halten, eine Aufgabe, die auch die Steuerverwaltung tangieren könnte. Erwähnt wird dieser Neokaisarites erst 1385, PLP 20090, sein Fall liegt damals aber schon einige Zeit zurück, wie lange, kann nicht gesagt werden. Vgl. PLP 11716ff. PRK I, 288ff. (Nr. 38). Die Vermutung stützt sich darauf, daß er den Sebastos-Titel führt. Vgl. MatschGouv 83. Vgl. PLP 21018ff.
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Apographeus tätige Pansebastos Sebastos J ohannes Panaretos tragen der :n:poKae~JlEVO~ 'tOU (3EO'tLapi.ou und Pansebastos Sebastos Nikolaos Panaretos, der 1274 als Gesandter Kaiser Michaels VIII. zum Unionskonzil in Lyon bei einem Schiffsunglück vor Kap Maleas/Peloponnes ums Leben kommt,153 der Tabularios und Referendar der Großen Kirche in Konstantinopel Manuel Panaretos 154 und der Nomophylax und Schriftsteller Theodoros Panaretos. 155 Und erwähnt sei in diesem Zusammenhang schließlich auch noch einmal die Familie Bardales. Johannes, der Bruder des Protasekretis und Richters am Kaisergericht Leon Bardales findet im Jahre 1299 als Dux und Apographeus im europäischen Teil des Reiches den Tod/ 56 und ein weiterer Bardales ist im frühen 14. Jh. als Steuereintreiber in Mesothynia/Bithynien tätig. 157 Dazu kommen ein Hypomnematographos in Konstantinopel158 und ein Kaufmann bzw. Lebensmittellieferant ebenfalls in der Hauptstadt. 159 Die für verschiedene Magnatenfamilien besonders der frühen Palaiologenzeit typische Namenakkumulation ist bei den genannten Familien nicht zu beobachten. Sie besitzen keine oder nur schwache Verbindungen zum Clan der Palaiologen. Wesentlich enger sind die Bindungen dieser Familien an die Kirche und den Klerus/ 60 und einen erkennbaren sozialen Austausch gibt es auch zu den spätbyzantinischen Handels- und Geldkreisen, besonders über die Finanzverwaltung und ganz speziell über die Zolleintreibung, die nicht selten von finanzstarken bzw. risikobereiten
153 154 155 156 157 158 159 160
Vgl. PLP 21652. Vgl. PLP 21648. Vgl. PLP 21639. Vgl. PLP 2182 sowie N.S. Tana~oca, Une mention inconnue des Vlaques a la fin du XIIIe siede: Maximos Planude, Epistulae, XIV, RESEE 12, 1974, 577-582. Vgl. PLP 2179. Er kann nicht mit dem vorgenannten B. identisch sein, weil er noch 1306 erwähnt wird. Vgl. PLP 2187. RubDipl275: ser Dimitro Verdali, Grech, en Contestinoble, Zuckerlieferant, vgl. a.O. 272f. G. Weiß, Rez. Kameniates, ed. Böhlig, SOF 35,1976,409, spricht von Klerikerfamilien in mittelbyzantinischer Zeit, die nicht zur "herrschenden Klasse" gehören. KapFarn 194 spricht für die spätbyzantinische Zeit von einer kirchlichen Aristokratie, deren Mitglieder im höheren Klerus Karriere machten und dadurch ihr soziales Prestige stärkten. Daß die von ihm untersuchten Familien der Balsamones, Eugenikoi und Kabasilai zum aristokratischen Clan der Palaiologen gehörten, kann er m.E. nicht überzeugend belegen. Deutlicher wird in seinen Ausführungen aber das gleichzeitige Engagement in anderen Bereichen der Administration, so daß mir ihre Einbeziehung in eine größere Gruppe von Beamtenfamilien am sinnvollsten erscheint.
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Privatleuten gepachtet wird. 161 Die Mitglieder dieser Familien sind in der Regel nicht arm, und nicht wenige besitzen nachweislich Häuser und Grundstücke, wirkliche Großgrundbesitzer sind unter ihnen aber kaum zu finden. Sie stellen also zweifellos einen anderen sozialen Typus dar als die Magnatenfamilien. Sie sind sicherlich nicht so konsistent wie die Reichsaristokratie, aber sie bewahren ihren Charakter wohl nicht selten auch über mehr als eine oder zwei Generationen. Über ihre Familienpolitik ist fast nichts zu erfahren, aber es gibt kaum einen Zweifel, daß es eine solche Politik gegeben hat, daß durch Heiraten familiäre Kontinuitäten erhalten und gesichert wurden, daß die Familientraditionen bei der Entscheidung für bestimmte Tätigkeiten und Laufbahnen eine Rolle spielten und daß sie den Start in die gewünschten Richtungen erleichterten. Viele Mitglieder dieser Familien besaßen eine gute allgemeine Bildung, zu der eine militärische Ausbildung allerdings nicht zu gehören scheint. Sie legten Wert auf Handschriftenbesitz, waren nicht selten selbst schriftstellerisch tätig und standen in brieflichem Gedankenaustausch mit bekannten Literaten und Intellektuellen der frühen Palaiologenzeit. Was spätbyzantinischen Beamten darüberhinaus an spezieller "beruflicher" Bildung und besonderen "Fachkenntnissen" vermittelt wurde und überhaupt vermittelt werden konnte, das ist immer noch schwer zu sagen. Zwar blieb das römische Recht auch in der Spätzeit weiterhin ein Teil des byzantinischen Kulturbewußtseins l62 und juristische Bildung eine traditionelle Komponente der byzantinischen Stadtkultur, 163 aber juristische Fakultäten an den höheren Bildungseinrichtungen des späten Byzanz hat man bisher vergeblich gesucht, und ihr Verschwinden mit dem Zusammenbruch des mittelbyzantinischen Staates, ihr Fehlen im erneuerten byzantinischen Staat der Palaiologen muß die Formierung eines spätbyzantinischen Beamtentums und die Ausbildung eines spezifischen Selbstbewußtseins ganz ernsthaft behindert haben. Spätbyzantinische Richter stehen nicht nur wegen ihrer Bestechlichkeit, sondern auch wegen ihrer Inkompetenz allenthalben in der Kritik. IM Ähnliches gilt aber auch für die Steuerbeamten und Feldmesser. So geißelt der Konsul der Philosophen Johannes Pediasmos an der Wende zum 14. Jh. in seinem geometrischen Werk das barbarische Herangehen der Feldmesser an ihre Berechnungs161 Insofern stehen sie der gesellschaftlichen Mitte unzweifelhaft näher als die Magnaten, aber eine nahtlose Eingliederung in die Mesoi scheint mir trotzdem problematisch zu sem. 162 Vgl. FögGesetz 157. 163 Vgl. 1. Medvedev, Pravovoe obrazovanie v Vizantii kak komponent gorodskoj kul'tury, in: Gorodskaja kul'tura: Srednevekov'e i nacalo novogo vremeni, Leningrad 1986, 8ff., 26. 164 Aus den zahllosen Belegen sei nur auf einige Briefe des Kabasilas, NikKabEp 41 und des Kydones, KydEp I, 30 und auf Mazaris' Hadesfahrt, Mazaris 18 verwiesen.
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aufgaben und ihre völlige Unkenntnis der Geometrie. 165 Allerdings scheint in solchen und ähnlichen Urteilen auch ein ganzes Stück intellektueller Überheblichkeit von Vertretern der "reinen" Wissenschaften gegenüber denen zu stecken, die sie im praktischen Leben brauchten und nutzten und dabei um Vereinfachungen und Verkürzungen nicht herumkamen und sich immer wieder zu otKovo~ta veranlaßt sahen, zum Abrücken vom Kanon reiner Lehre im Interesse praktischer Erfordernisse. Augenscheinlich in diesem Sinne bezeichnet der Patriarch Philotheos Kokkinos den Geometer als Vertreter einer aocj>ta ~EPLKi] und stellt ihn als solchen neben den Arzt und den Architekten,166 und in die gleiche Reihe könnte wohl auch der Advokat und vielleicht sogar der Richter gestellt werden. An die Stelle juristischer Hochschulausbildung trat sicherlich nicht selten das Selbstudium, das Abschreiben und Memorieren alter Rechtstexte, und das machte durchaus noch einen Sinn, auch wenn die juristische Lebenswirklichkeit ihnen ganz und gar nicht mehr entsprach. 167 Und für die fiskalische Geometrie existierten sogar verschiedene Lehrtexte, die den praktischen Erfordernissen sehr nahekamen und die nicht nur für das Selbstudium geeignet waren, sondern die auch bei hauptstädtischen Notaren und vielleicht sogar bei Notaren in der Provinz erlernt werden konnten. 168 Und schließlich muß das Lernen im praktischen Umgang, die Weitergabe von Wissen und Erfahrung von einer Generation auf die andere bei der gemeinsamen Arbeit eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt haben und zugleich identitätsstiftend gewesen sein. So kann der Apographeus und Geographos Patrikiotes 1341 erklären, daß niemand besser und professioneller als er die vom Großdomestikos Kantakuzenos in Auftrag gegebene Exisosis durchführen könne, denn er sei schon viele Jahre im Geschäft und habe dabei schon viele Gelder eingenommen, und zwar vor allem durch Können und Erfahrung, nicht mit Gewalt und mit anderen Mitteln. 169 Und es paßt durchaus ins Bild, wenn Manuel Philes diesen seinen Gönner als 'tov aocj>ov YEwy,pacj>ov bezeichnet und ihn als Jtmöaywye 't1i~ €:rtLO"t'i]~T]~ ÖA.T]~ anredet. 70 Kantakuzenos selbst setzt sogar noch eins drauf, indem er erklärt, was der Richter für 'tOL~ JtOA.mKOL~ Jtpayt-tamv bedeute, das solle der Exisotes in 'tOL~ ÖT]~O atOL~ bewirken. Der eine habe für die Euvot-tLa in den Städten zu wirken,
165 Die Geometrie des Pediasimos, ed. G. Friedlein, Programm zur öffentlichen PreiseVertheilung an der Studienanstalt, Ansbach 1866, 7; vgl. GeomFisc 249f. 166 PhilothErga III, 81. 167 FögGesetz 157, mit etwas anderer Akzentuierung. 168 GeomFisc 249: geometrie du fisc als »science des notaires". 169 Kant II, 58f. 170 Philes I, 348f.
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während der andere für eine Umverteilung von Grundbesitz sorgen und auf diese Weise recht tun und dem Gemeinnutz dienen könne. 171 Augenblicksaussagen, die auf ein solches Selbstbewußtsein bürokratischer Kräfte der frühen Palaiologenzeit hinweisen, lassen sich auch noch aus anderen Bereichen beibringen. So soll der hauptstädtische Gouverneur Kinnamos um 1290, als ihm ein genuesischer Kaufmann zum Zwekke freier Getreideausfuhr eine carta signata signo imperiali vorlegte, erklärt haben, quod dictum papyrum nihil valebat eidem,172 und das ist sicherlich kein Zeichen fortschreitender Dezentralisierung des Staatsapparates,l7J aber auch nicht unbedingt ein Ausdruck von Beamtenwillkür,174 eher vielleicht ein Hinweis auf eine ganz besondere Amtsauffassung, die den an diesem Amt hängenden Auftrag sogar dem kaiserlichen Auftraggeber gegenüber verteidigt und persönliche Konsequenzen wegen dieser selbstbewußten Haltung nicht scheut. Und der Verfasser der Apologie für die verurteilten Oberrichter, der Dioiketes Glabas, findet sogar scharfe Worte gegen den Kaiser selbst, der die Richter schon bei den ersten Angriffen gegen ihre Tätigkeit fallen gelassen habe, anstatt sie ~egen diese Angriffe zu schützen und dadurch ihre Positionen zu stärken. 1 5 Grundsätzlich bemüht sich dieses Beamtenturn der frühen Palaiologenzeit aber um Loyalität gegenüber dem politischen Regime und seinen Repräsentanten, denn dieses Regime bietet bürokratischen Existenzformen durchaus einen gewissen Raum und eine gewisse Perspektive. Mit der Rückkehr nach Konstantinopel wird der byzantinische Staat wieder mehr als ein großer Privathaushalt, als der er sich unter den Laskariden in Nikaia und Nymphaion dargestellt hatte. Um den Kaiserhof, im Bereich der Finanzverwaltung und der Rechtsprechung können sich bürokratische Strukturen ausbilden und eine ganz beachtliche Konsistenz und Resistenz gewinnen. Beamtenfamilien, die über mehrere Generationen hinweg existieren, die untereinander in verwandtschaftlichen Beziehungen stehen und Familienpolitik zur Sicherung ihrer Existenz und ihrer Perspektive betreiben, werden immer mehr von einem historiographischen Phantom zu einer historischen Realität. Deutlicher sichtbar und besser lesbar werden auch bestimmte Spuren eines bürokratischen Selbstbewußtseins, gespeist von der Über:z:~ugung eigenen Könnens, eigener Erfahrung, vielleicht sogar von der Uberzeugung gesellschaftlicher Beauftragung und Bedeutung.
171 172 173 174 175
Kant II, 62. BertolNuov5er 187. So Laiou 72f. So Makr5tud 253. TheochApol81, 83.
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Exemplarisch läßt sich die Problematik des spätbyzantinischen Beamtentums an der Geschichte von zwei Familien aufzeigen, die sich zu Beginn der Palaiologenzeit auf vergleichbaren gesellschaftlichen Positionen zu befinden scheinen, dann aber erkennbar voneinander entfernen, wenn auch nicht s~ weit, daß sie ihre Ausgangspositionen dauerhaft hinter sich lassen können, gemeint sind die Familien Metochites und Meliteniotes. Die ersten Mitglieder der beiden Familien, die nach 1261 faßbar werden, sind die Palastkleriker und Kirchenbeamten Georgios Metochites und Konstantinos Meliteniotes, die von Kaiser Michael VIII. in Schlüsselpositionen seiner Unionspolitik gegenüber der Westkirche gedrängt werden, die sich nach dem Tod des Kaisers weigern, die orthodoxe Kehrtwende seines Sohnes Andronikos II. mitzumachen und deshalb bis zu ihrem Lebensende inhaftiert bleiben. 176 Dieses Schicksal der Väter hat den Karrieren ihrer Nachkommen aber nicht im Wege gestanden, sondern sie vielleicht sogar gefördert. Jedenfalls avanciert der Metochites-Sohn Theodoros schon im Jahre 1290 zum Logothetes 'tWV ~E";..WVm und übernimmt mit dieser Funktion wahrscheinlich die Verantwortung für die Auswahl und die Einsetzung von Finanzbeamten und Pfründenverwaltern und die Vergabe von Steuer- und Zollgefällen. Sein cursus honorum, der ihn schließlich bis zum Mesazon und Megas Logothetes führt, bleibt offenbar auf Dauer mit diesem Aufgabenbereich verbunden, bringt allerdings nach und nach eine Kompetenzausweitung mit sich, so daß er am Ende über die Verwaltung ganzer Regionen - Städte und Dörfer bestimmen kann, und er tut das, indem er Verwaltungs- und Steuerbezirke entweder an Meistbietende verpachtet oder sich seine Ernennung durch hohe Einstandsgelder bezahlen läßt. 178 Sein rigoroser Fiskalismus macht ihn zu einem der meistgehaßten Leute der frühen Palaiologenzeit/ 79 nicht nur bei den einfachen Steuerzahlern in Stadt und Land, sondern auch bei manchen Aristokraten, die an lukrative Verwaltungsaufgaben nicht mehr nur aufgrund ihres bekannten Namens herankamen, sondern dafür wenigstens zunächst in die eigenen Taschen greifen muß-
176 Vgl. H.-G. Beck, Geschichte der orthodoxen Kirche im byzantinischen Reich, Göttingen 1980, 199ff. 177 Vgl. PLP 17982. Zu seiner Biographie zuletzt VriesMet. 178 Greg I, 42Sf. Der Historiker referiert hier allerdings nur ein Gerücht, das zutreffend gewesen sein kann, aber nicht muß, vgl. BeyerHum 36. 179 Vgl. MatschFort 44f. Ob und in welchem Umfang sich Metochites dabei der Korruption schuldig macht, ist heftig umstritten, vgl. VriesMet 28; BeyerHum 36ff. Bedeutung hat das für die Beurteilung der Möglichkeiten zur Bereicherung, die hohe Beamte der frühen Palaiologenzeit hatten und nutzten, für die Bewertung ihrer grundsätzlichen politischen Orientierungen ist es aber eher zweitrangig.
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ten. 180 Auf der anderen Seite waren es aber natürlich in erster Linie und ganz besonders diese Aristokraten, die sich den Ankauf solcher Rechte leisten konnten, und sie haben von diesen Möglichkeiten allem Anschein nach auch regen Gebrauch gemacht,l8l konnten dadurch besser als auf jede andere Weise regionale Präsenzen verstärken, verstreute Besitzungen abrunden und private Kompetenzen durch öffentliche erweitern. Die Ambivalenz der Politik dieses obersten Reichsbeamten zeigte sich auch in seinem Bemühen, den Reichsuntertanen die Zuflucht zum Kaiser zu verbauen, ihnen also wahrscheinlich die Möglichkeit zur Klage, auch zur gerichtlichen bei zentralen Reichsinstanzen, zu nehmen und das bedeutete, daß die Reichsuntertanen nicht nur gierigen Steuereintreibern und ihren Machinationen ausgeliefert waren, sondern auch den großen Grundherren und ihren Bemühungen um den Ausbau privater Immunitäten. Schließlich nutzte Theodoros Metochites seine Stellung auch dazu, seiner Familie und besonders seinen Söhnen die Verwaltung wichtiger Städte und Stadtregionen zuzuschanzen,1S2 und sie werden damit nicht zu Stützpunkten der zentralen Administration, sondern zu Ausgangspunkten für den Versuch, selbst Zugang zur Magnatenschicht zu finden, eigenen Grundbesitz in der Provinz zu erwerben, familiäre Verbindungen zu den führenden Familien herzustellen und auch hohe militärische Kommandofunktionen zu übernehmen, die dem HerrschercIan vorbehalten waren. Durch den spektakulären Sturz des Mesazon Metochites beim Machtwechsel vom älteren zum jüngeren Andronikos wurde diese Familienentwicklung zwar gebremst, aber nicht wirklich gestoppt. l8J Wenn die 180 Zu seinen aristokratischen Gegnern gehört auch der Kaisersohn Theodor (von Montferrat), der ihn in einer als Fürstenspiegel getarnten Streitschrift wegen seiner Habgier und Machtgier massiv angreift und ihm mit der Gegenwehr des Volkes gegen seine Machenschaften droht, Neuedition der erhaltenen französischen Fassung durch Ch. Knowles, Les Enseignements de Theodore Paleologue, London 1983. Schon 1. Sevcenko, Etudes sur la polemique entre Theodore Metochites et Nicephore Choumnos, Brüssel 1962, 166, hat darauf hingewiesen, daß das Volk, von dem bei dem Palaiologensprößling die Rede ist, vor allem die Barone und Magnaten sind, die sich von Metochites geprellt und verdrängt fühlen, sie können sich zugleich als Interessenvertreter des Volkes aufspielen. 181 Daß Metochites zu den hohen Beamten gehörte, von denen sich Kantakuzenos und Syrgiannes ihre Statthalterschaften kauften, als sie mit dem jungen Andronikos ihr Komplott gegen den alten Kaiser vorbereiteten, vgl. Greg I, 292f., 302, hat J. Verpeaux, Contribution 11 l'etude de I'administration byzantine: 6 flEaa~WV, BS116, 1955, 282 durchaus begründet festgestellt. 182 Vgl. PLP 17977, 17980, 17985. 183 Greg I, 425 behauptet zwar, daß mit der Konfiskation der Güter des Großlogotheten auch seine Kinder in Armut gefallen seien, aber nur Michael Laskaris Metochites scheint 1328 als Statthalter von Melenikon abgesetzt worden zu sein. Zwei der Söhne hatten schon vor 1328 Verbindungen zum jüngeren Andronikos hergestellt, die ihnen
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Metochites in der spätenPalaiologenzeit kaum noch gewichtige Positionen einnahmen, dann sicherlich deshalb, weil ihre dauerhafte Etablierung in der Reichsaristokratie durch die äußeren Ereignisse blockiert wurde, weil sie dadurch in den gleichen Strudel gerieten, von dem auch die anderen Magnaten erfaßt wurden. 184 Ein vergleichbarer Höhenflug bleibt der Familie Meliteniotes augenscheinlich versagt. Immerhin taucht in der Spätphase der Herrschaft des älteren Andronikos ein Johannes Meliteniotes als enger Vertrauter des Kaisers auf, der in dienstlichen und wahrscheinlich auch in familiären Beziehungen zu Theodoros Metochites steht und wohl im gleichen Jahr wie der Großlogothet stirbt,185 der also sehr gut ein Sohn des Palastklerikers Konstantinos Meliteniotes gewesen sein könnte, nicht zuletzt deshalb, weil er vielleicht seinerseits einen Sohn namens Konstantin hatte, der 1362 als Arzt nachgewiesen ist und mit dem Verfasser verschiedener familiengeschichtlicher Notizen aus den 30er Jahren identisch sein könnte. 186 Der Kanzleichef J ohannes Gabras Meliteniotes und der Schatzkanzler Nikolaos Meliteniotes, die 1341 kurzfristig im politischen Leben des Reiches in Erscheinung treten, könnten bereits einer nächsten Generation dieser Familie zugehörig sein. 187
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beim Machtwechsel offenbar zugute kamen. Alexios Laskaris Palaiologos Metochites spielt als Stadtgouverneur von Thessalonike 1349150 eine Schlüsselrolle bei der Liquidierung der Zelotenbewegung, vgl. TinnKyd 11, 231; MatschThes 28f. Er ist auch als Grundbesitzer auf der benachbarten Chalkidike bezeugt. Allerdings ist am Anfang des 15. Jh. ein Andronikos Metochites als Archon und OlKELo<; der Palaiologen in Thessalonike bezeugt, vgl. PLP 17978, der durchaus ein Nachfahre des Alexios Metochites gewesen sein könnte. Und der letzte Gouverneur der byzantinischen Hauptstadt vor ihrem Fall ist ein Demetrios Palaiologos Metochites, der zuvor auch andere Statthalterschaften innehatte und auch als Gesandter in den Westen eingesetzt und mit hohen Titeln ausgezeichnet wurde. Im Kampf um Konstantinopel kam er zusammen mit seinen Söhnen um, vgl. PLP 17981. Im Unterschied zu PLP 17852/53 und der diesen Lemmata zugrundeliegenden Literatur scheint mir der Johannes M., der 1321 als Vertrauter des Kaisers Andronikos 11. und schon 1315 als Adressat des Literaten und Beamten Michael Gabras Erwähnung findet, nicht der Mesazon des Jahres 1341 zu sein, sondern der 1332 gestorbene Verwandte des Metochites und Vater des Verfassers einer Familienchronik der Meliteniotes, in der die engen Verbindungen zum älteren Andronikos und zu seinem Mesazon Metochites ganz deutlich zum Ausdruck kommen, vgl. SchreinChron I, 609ff. Er könnte es auch gewesen sein, der in den 20er Jahren mit verschiedenen Gesandtschaften beauftragt war, PLP 17847. Das ist allerdings reine Vermutung bzw. sogar nur eine ganz theoretische Möglichkeit, die auf einer Namensgleichheit beruht und darauf, daß eine Generationsgleichheit nicht unmöglich ist. Wenn es sich bei ihnen um Brüder gehandelt hätte, wäre das von Kant 11, 99 sicherlich vermerkt worden. Ohne genau sagen zu können, warum, habe ich von beiden aber eher den Eindruck von jüngeren Leuten. Theoretisch könnte der Mesazon Johannes M. sogar schon ein Enkel des 1332 gestorbenen Vertrauten des älteren Andronikos gewesen sein.
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Während sich zwei Metochites-Söhne im Bürgerkrieg nach 1341 zumindest zeitweilig auf die Seite des Usurpators Kantakuzenos stellten, scheint die Familie Meliteniotes geschlossen hinter den Palaiologen gestanden zu haben, auch das vielleicht ein Hinweis darauf, daß sich die Familie Metochites in der dritten Generation schon stark den Magnaten angenähert hatte, deren wichtigster Repräsentant Kantakuzenos war, während die Meliteniotes ihre Verankerung in der zivilen Administration des Reiches nicht aufgegeben hatten. Im Unterschied zu den Metochites, die über familiäre Verbindungen zu den Laskariden und Angeloi verfügten und schon in der dritten Generation auch direkt an die Familie der Palaiologen Anschluß fanden,188 gelang den Meliteniotes ein Eindringen in den Herrscherclan offenbar nicht: Erkennbar sind nur ganz periphere Verbindungen zu den Glabas und Rhaul/Komnenos und eine vielleicht etwas engere Verbindung zur Familie des Beamten und Literaten Michael Gabras. Die bürokratische Tradition dieser Familie reicht ganz offensichtlich auch über die Mitte des 14. Jh. hinaus und ist an dessen Ende wieder enger an die kirchliche Administration angelehnt. 189 Ein Eindringen von Verwaltungs beamten in den Herrschaftsclan war in der frühen Palaiologenzeit also nicht leicht. Die Metochites haben es versucht, ohne durchschlagenden bzw. dauerhaften Erfolg. Die Meliteniotes haben darauf verzichtet und stärker an der Familientradition festgehalten, und es könnte durchaus sein, daß diese Beschränkung der Familie mehr genutzt und ihre Existenz wirkungsvoller sichergestellt hat, als das bei den Metochites der Fall gewesen zu sein scheint.
2.3. Aristokratie und Bürokratie in der späten Palaiologenzeit Die gesellschaftliche Entwicklung der frühen Palaiologenzeit ist also nicht durch ein Entweder-oder, sondern durch ein Sowohl-aIs-auch von Aristokratisierung und Bürokratisierung gekennzeichnet. Die Aristokratisierung der Gesellschaft macht unverkennbare Fortschritte, aber sie ist doch nicht so groß und umfassend, daß alle anderen gesellschaftlichen Trends blockiert und alle anderen gesellschaftlichen Gruppenbildungen unmöglich gemacht werden konnten und mußten. Die Gesellschaft hat ihre bürokratische Grundprägung verloren, der Bürokratie bleiben je188 Der Anschluß erfolgte durch die Tochter des Theodoros Metochites, Eirene, die kurz nach 1305/06 den Panhypersebastos Johannes Palaiologos heiratete, vgl. PLP 5972. 189 Das bezieht sich besonders auf den Schriftsteller, Palamiten und Antilateiner Theodoros Metochites (?) Meliteniotes, der 1368-1393, wie Konstantin Meliteniotes Ende des 13. Jh., Archidiakon des Palastklerus war, dazu Megas Sakellarios und OLOUOlWAOC; 'tWV OLOUOKUAWV.
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doch manche Freiräume erhalten, und es wachsen ihr sogar neue Freiräume zu. Im Bürgerkrieg der 40er Jahre des 14. Jh. zeigt sich, daß die Aristokratie sowohl in ihrem Eigenverständnis als auch im Fremdverständnis ihrer Gegner zur alles dominierenden, kontrollierenden und beanspruchenden gesellschaftlichen Kraft geworden ist. Sie beherrscht die Hauptstadt und die Provinz, die Städte und das flache Land, sie verfügt über das meiste Land und über das meiste Geld, sie überwacht das politische, das wirtschaftliche und das geistige Leben der Gesellschaft, sie ist omnipotent und überall präsent, konkurrenzlos an der Spitze, nicht nur im eigenen Land, sondern auch im Vergleich zu den anderen Eliten der mittelalterlichen Welt, die sukzessive aus bestimmten gesellschaftlichen Bereichen verdrängt werden, auf ein Wirken in ihnen verzichten oder ihnen von vornherein fernstehen. Zugleich macht dieser Bürgerkrieg aber auch die fortbestehenden strukturellen Defizite dieser Aristokratie fast schlaglichtartig deutlich. Zwischen ihr und dem Volk stehen bis in die byzantinische Spätzeit hinein keine Standesschranken, keine politischen Vorrechte, kein juristisch fixiertes Sondereigentum, sondern nur ängstlich bewachte Vorstellungen von Recht und Ordnung, Herkommen und Brauch. Und es ist deshalb durchaus nicht überraschend, daß der Bürgerkrieg auch aus der Sicht der Vertreter dieser Aristokratie mit einem Vorstoß gegen das aristokratische Meinungsmonopol beginnt, nicht auf der Straße, sondern noch ganz im engsten Zirkel der Macht, mit einer in der Synode kurz nach dem Tode des jüngeren Andronikos geforderten Redeerlaubnis für Leute mit Fachkompetenz auch aus den hinteren Reihen der anwesenden Reichsbeamten und mit der Zurückweisung dieses Versuches, den ßEÄ:ti.OOL im Reich Allerweltsmeinungen aufzudrängen. 19o Die Aristokratie konnte ihren Anteil am Bodenfonds des Reiches in der frühen Palaiologenzeit zweifellos ganz wesentlich aufstocken. Über neue Organisationsformen zur Nutzung und Sicherung dieses vergrößerten Grundbesitzes ist dagegen praktisch nichts zu erfahren, und das deshalb, weil es, wie zu vermuten ist, keine wesentlichen Veränderungen gab. Die Aristokratie hatte deshalb schon vor der Bürgerkriegsperiode 190 Kant II, 20ff. Vgl. MatschÖff 194. Die Frage ist, ob Chumnos ein Ad-hoc-Argument verwendet oder ob hier das Recht auf Meinungsäußerung=Mitbestimmung qua Kompetenz gegen ein solches Recht qua Herkunft bzw. Zugehörigkeit zur Aristokratie gestellt wird. Falls letzteres zutreffen sollte, dann wird am Vorabend des zweiten Bürgerkrieges und als Abschluß und Konsequenz der gesellschaftlichen Entwicklungen in der frühen Palaiologenzeit gewissermaßen doch der Widerspruch zwischen aristokratischer Machtelite und bürokratischer und noch weiter ausgreifender Leistungselite auch politisch transparent, kommt also auch hier ein Selbstbewußtsein und ein gesellschaftlicher Anspruch zum Ausdruck, der die Positionen der Aristokratie zwar nicht grundsätzlich bestreitet, aber doch relativiert und in diesem Sinne auch limitiert.
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große Schwierigkeiten, ihre verstreuten Grundstücke zusammen- und ihre abhängigen Bauern festzuhalten, und sie verlor durch den Bürgerkrieg Immobilien, Einkünfte, lebendes und totes Inventar zuhauf, allein der Führer der aristokratischen Bürgerkriegspartei und Gegenkaiser Johannes Kantakuzenos nach eigener Aussage 5000 Stück Weidevieh, 1000 Gespanne, 1500 Stuten, 200 Kamele, 300 Muli, 500 Esel, 50.000 Schweine und 70.000 Schafe, aus der G. Weiß einen Besitz von ungefähr 500 Eigenhöfen berechnet,191 und dieser Besitz lag dem Zugriff seiner Gegner augenscheinlich völlig offen, jedenfalls ist von Schutzmaßnahmen und von Leuten, die sich darum kümmerten, nirgends die Rede. Verschiedene Aristokraten errichteten in der frühen Palaiologenzeit eigene Schatzburgen, in denen vermutlich nicht nur Geld und Wertgegenstände, sondern auch wichtige Rohstoffe und Naturalien untergebracht wurden. Befestigte Herrensitze auf dem Land oder in den Städten, Wohn- und Geschlechtertürme scheinen aber nur im Ausnahmefall errichtet worden zu sein, und Kantakuzenos antwortet auf einen entsprechenden Rat seines langjährigen Helfers und später wichtigsten Bürgerkriegsgegners Alexios Apokaukos, er setze sein Vertrauen nicht auf Mauern, sondern auf das Wohlwollen und die Unterstützung seiner Freunde. 192 Im Bürgerkrieg können diese Aristokraten dann auf den Straßen der Städte zu Paaren getrieben und gejagt werden, wobei der Gerechtigkeit halber gesagt werden muß, daß sie vorher und hinterher mit ihren Gegnern das gleiche gemacht haben. Worum es hier geht, das ist aber nicht eine Aufrechnung von historischer Schuld, sondern die Feststellung von historischen Defiziten. Die Aristokratie geht aus dem Bürgerkrieg also schließlich doch noch als Sieger hervor, aber es ist ein geradezu klassischer Pyrrhussieg, denn die Blessuren, die sie hinnehmen muß, sind äußerst schwer und genaugenommen nicht heilbar, sie beeinträchtigen die physische Konstitution und das Selbstbewußtsein gleichermaßen. Der entscheidende Schlag gegen diese Aristokratie wird jedoch nicht durch eine neuaufgelegte Koalition ihrer Gegner im Reichsinneren geführt, sondern er kommt von außen, von expansiven Reichsgegnern aus dem Westen und dann ganz besonders aus dem Osten. Die türkischen Einfälle und die türkische Landnahme entreißen der durch die inneren Auseinandersetzungen geschwächten Aristokratie sukzessive das Land und die Leute, die sie über den Bürgerkrieg hinweggerettet oder danach mühevoll zurückgewonnen hatte. Magnaten vom Schlage des frühen 14. Jh. hat das Byzanz der letzten hundert Jahre nicht mehr bzw. allenfalls noch in einigen wenigen Rückzugsgebieten, wie insbesondere auf der Peloponnes. Was von dieser Aristokratie alten
191 KantII, 185. Vgl. WeiKant21f. 192 Kant Il, 72ff.
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Stils und traditioneller Ausrichtung bleibt, verzehrt hinter den mehr oder weniger festen Mauern der dem Reich bis zum Ende verbleibenden Städte die kümmerlichen Reste ehemaliger Revenuen, verwickelt sich in endlose juristische Streitereien um verfallene Häuser und winzige Landparzellen im Stadtinneren oder im vorstädtischen Raum, der aber auch vor Angriffen und Übergriffen nicht mehr sicher ist, oder versucht, sich durch den Ankauf von Klosteradelphaten materiell wenigstens einigermaßen abzusichern, da der Grundbesitz der Klöster von den Eroberern eher respektiert wird als der der Aristokratie. 193 Natürlich bleibt auch die Realität dieser Endzeit vielgestaltiger und widersprüchlicher, als sie in einigen zusammenfassenden Sätzen beschrieben werden kann, aber in ihrer Tendenz ist die Richtigkeit dieser Beschreibung kaum anzuzweifeln, und sie wird auch durch verschiedene andere Indizien bekräftigt und bestätigt. So fällt auf, daß der Begriff Megistanes zur Bezeichnung dieser spätbyzantinischen Oberschicht spätestens seit der Mitte des 14. Jh. aus den byzantinischen Quellen wieder weitgehend verschwindet bzw. nur noch für die Oberschichten anderer Staaten und Länder Verwendung findet. l94 Nur in einem lateinisch verfaßten Auslandsschreiben Kaiser Manuels 11. zu Beginn des 15. Jh. ist noch einmal von nostris baronibus et magnatibus die Rede,195 und daß der leztere Begriff als Pendant für die griechischen Megistanes Verwendung findet, ist nicht einmal so ganz eindeutig. Hingewiesen wurde schließlich schon an anderer Stelle auf den deutlichen Rückgang von Mehrfachnamen bei den führenden Familien des Reiches beim Übergang von der frühen zur späten Palaiologenzeit, der ganz sicher auch mehr bedeutet als den Abschied von einem Modetrend. Völlig eindeutig und eingleisig verläuft auch diese Entwicklung nicht, und der Extremfall einer solchen Namenhäufung stammt sogar erst aus dem frühen 15. Jh.,196 aber Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel, und dazu gehören auch Ausnahmen, die sogar die Regel überschreiten. Verwandtschaftliche Beziehungen zur Herrscherfamilie spielen auch weiterhin eine 193 VgJ. OikMonast Hf.; OikDebI176ff., 185. 194 VgJ. Duk III, 2, 37; XVII, 5, 109; XVIII, 4, 113; XIX, 2, 123; XXII, 10, 165: der (Groß-)Vezir als Erster der türkischen Großen; XXII, 11, 167; XXV, 3, 203; XXVI, 2, 217; XXVIII, 5, 235; XXVIII, 13,241; XXX, 4, 261; XXX, 7, 263; XXXIII, 3, 281; XXXIII, 4, 283. Der Erzbischof Symeon von Thessalonike spricht in seinem Logos historikos allerdings davon, daß breite Kreise der Bevölkerung von Thessalonike noch kurz vor der Übergabe der Stadt an die Venezianer wie gefräßiges Vieh auf der Weide darauf aus sind, Geld zu gewinnen und zu Magnaten zu werden, d. h. zu Macht und Ansehen zu kommen, über ein (Reit-)pferd und ein (Prunk-)Gewand zu verfügen, (~lso) über Dinge, die dem Volk erstrebenswert sind, SymPol 56; vgJ. 158: englische Ubersetzung von Balfour: magnates. 195 MarinArag 199. 196 PLP 1502; vgJ. LaiouArist 135f.
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große Rolle. Die familiäre Stellung vornehmer Personen zum regierenden Kaiser wird bis zum Reichsende möglichst genau ausgewiesen,197 und man könnte darin ein Indiz dafür sehen, daß der Palaiologenclan zusammenbleibt und angesichts der beschriebenen Gefährdungen für den Bestand der Aristokratie sogar noch weiter zusammenrückt, aber es sind eben nur noch Restbestände und Versatzstücke der alten Aristokratie, die sich gerade noch in ihrem Verhältnis zum Kaiser und zur kaiserlichen Familie, aber nicht mehr nach ihrem Verhältnis untereinander und zueinander definieren kann. Das Kaisertum bleibt bis zuletzt eine Institution, an der man sich festhalten kann, die Halt gibt, an der man festhält, weil man Halt braucht, weil alle anderen Teile des aristokratischen Stützapparates inzwischen weggebrochen sind. Daß es genau genommen aber nicht einmal die Kaiserinstitution, sondern nur noch die Kaiserideologie ist, die für die Aristokratie noch Stützfunktion ausüben kann, das zeigt sich ganz deutlich an der bürokratischen Komponente der gesellschaftlichen Entwicklung in der späten Palaiologenzeit. Zur Stunde der Bürokratie wird die Krise der Aristokratie nämlich auch nicht, denn die fortschreitenden Gebietsverluste gefährden die materiellen Existenzgrundlagen von Aristokratie und Bürokratie gleichermaßen. Der bäuerliche Produzent bleibt bis zum Reichsende der wichtigste Leistungsträger, an dessen Produktionsergebnissen groß grundbesitzende Aristokratie und Steuern einfordernder Staatsapparat nur mit unterschiedlichen Anteilen partizipieren. Die letzten byzantinischen Kaiser versuchen zwar verzweifelt und nicht ungeschickt, verschiedene Steuerfäden wieder fester in die Hand zu bekommen, aber die Ergebnisse bleiben mager, und auch die wiederholten Bemühungen, durch die Einrichtung von Sonderauflagen neue Steuerfäden zu knüpfen, bleiben ohne spürbare Ergebnisse. Mangels Masse an Steuerzahlern und Steuerkapiteln reduziert sich der staatliche Finanzapparat, mangels Territorium werden auch andere Teile des Staatsapparates überflüssig. Zugleich verstärkt sich aber der Run auf staatliche Posten. Auch Leute aus den vornehmsten Familien sind sich nicht zu schade, belanplose Funktionen zu übernehmen, untergeordnete Posten zu besetzen19 und damit zugleich Erwerbsmöglichkeiten für andere gesellschaftliche Gruppen zu blockieren. Und wem es gelungen ist, einen Posten zu ergattern, dem ist ein Salär auch noch nicht sicher. Die Unfähigkeit und Unwilligkeit des Staates zu ge'ordneter Besoldung bzw. zur Bereitstellung sicherer Pfründen läßt man197 Vgl. etwa LaurMat, insbesondere die Nennung der Mitglieder der Synkletos, die 1409 an der kirchlichen Synode teilnehmen, von der die Absetzung und Exkommunikation der Bischöfe Matthaios von Ankara und Matthaios von Medeia beschlossen wird. 198 So üben Mitglieder der Familien Asanes, Leontares und Phakrases im frühen 15. Jh. die in dieser Zeit nur noch untergeordnete Funktion eines Defensors aus.
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che spätbyzantinischen Amtsinhaber dem Kaiser gegenüber einen Ton anschlagen, den sie sich unter anderen Umständen kaum erlaubt hätten.!99 Dienst für den Kaiser verliert seine absolute Priorität und seine unbeschränkte gesellschaftliche Anerkennung, kaiserliche Notare und kaiserliche Münzmeister sind nur noch nebenbei für Herrscher und Staat tätig,2°O sie müssen das tun, weil ihre Funktion sie nicht mehr voll trägt, sie können es aber auch tun, weil der besondere Glanz und die Omnipotenz des Kaisertums längst verblaßt und verblichen sind. Auch einer stabilen Bürokratie ist damit weitgehend der Boden entzogen. Sofern überhaupt noch Beamtenfamilien existieren und zu beobachten sind, scheinen sie sich in den Bereich der kirchlichen Administration zurückgezogen zu haben, denn die Kirche bleibt das letzte Refugium von Stabilität und Sicherheit in einer immer unsicherer und instabiler werdenden Weh. Charakteristisch für eine solche Entwicklung könnte die Familie Balsamon sein, die schon in der frühen Palaiologenzeit hauptsächlich kirchliche Würdenträger für die Megale Ekklesia von Konstantinopel stellt, zugleich aber auch in verschiedenen staatlichen Funktionen besonders auf dem Gebiet der Steuererhebung bezeugt ist, während ihre Angehörigen im 15. Jh. ausschließlich kirchliche Aufgaben wahrnehmen bzw. als Kirchenbeamte agieren. 201 Und ganz stark durch Kirchendienst geprägt ist auch die Familie Eugenikos, die allerdings nur für die byzantinische Spätzeit bekannt ist und deren wichtigste Vertreter zugleich als Lehrer und Schriftsteller tätig sind.202 Auf eine mögliche Personengleichheit zwischen Johannes Eugenikos und einem Beamten der Metropolis in Thessalonike wurde seinerzeit von S. Kugeas hingewiesen/al als er das Notizbuch dieses Beamten veröffentlichte, das den Namen des Autors leider verschweigt, dafür aber eine Vielzahl von wertvollen Informationen über seine Lebensbedingungen und seine Existenzgrundlage enthält. Mit welchen Aufgaben in der Metropolis er betraut war, ist seinen Notizen nicht eindeutig zu entnehmen, obwohl einiges auf eine juristische Funktion hindeutet. 204 Über nennenswerten Grundbesitz bzw. entsprechende Einnahmen aus ihm scheint er nicht zu verfügen, gelegentlich
199 200 201 202
S. schon KydEp 1,102 (Nr. 70); vgl. SevSoc 81. Vgl. OikChanc 173, und MatschMünz. Vgl. KapFam 9ff. A. O. 49ff. Auf einen möglicherweise früheren Vertreter der Familie in Gestalt des Schiffsbesitzers Theodoros Vighinico (=Eugenikos) aus Konstantinopel weist A. Laiou, Byzantium and the Black Sea, 13th-15th Centuries: Trade and Native Populations of the Black Sea Area, in: Bulgaria Pontica 11, Sofia 1988, 164-201; 181 hin. Er erscheint 1360 in den Akten des Notars Ponzo in Kilia, ActPonBaI161ff. 203 KugNot 159f. 204 Vgl. verschiedene juristisch-kanonistische Notizen, KugNot 153f.
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muß er sogar ein goldenes Kreuz und sein Amulett verpfänden. 205 Zusammen mit seiner Familie lebt er im wesentlichen von einem ihm durch den Metropoliten zugewiesenen und von verschiedenen (anderen) Kirchenbeamten ausgehändigten Anteil an den Einkommen der Metropolis aus den sechs Hauptkirchen der Stadt und an den Mieten für verschiedene der Metropolis gehörende Werkstätten, Fischteiche und Schiffe, der ihm manchmal aber auch vorenthalten oder nur in verkürztem Umfang übergeben wird, ohne daß er eine Möglichkeit hat, dagegen zu intervenieren. Seine wirtschaftliche Lage ist also durchaus nicht gesichert und alles andere als rosig, im großen und ganzen scheint er aber doch noch einigermaßen über die Runden zu kommen. Trotzdem entschließt er sich nach der Übernahme Thessalonikes durch die Venezianer zur Übersiedlung in die Hauptstadt Konstantinopel, und er muß dem regierenden Kaiser Johannes VIII. so gut bekannt gewesen sein oder in seiner Umgebung über eine so gute Protektion verfügt haben, daß ihm für mindestens ein Jahr ein festes monatliches Gehalt aus einer nicht eindeutig zu qualifizierenden kaiserlichen Einkommensquelle zugewiesen wird, an der neben ihm auch noch andere hauptstädtische Archonten partizipieren. 206 Offen bleibt, ob der Notizenschreiber auch in Konstantinopel als Kirchenbeamter tätig ist. Im Falle einer Identität mit Johannes Eugenikos wäre die Frage wohl positiv zu beantworten, aber sie ist nach neueren Überlegungen sehr unwahrscheinlich, praktisch ausgeschlossen. 207 Das Leben, das er in der Hauptstadt führt, bewegt sich zwischen dem Haus, in dem er wohnt/os der Blachernenkirche, in der er betet,209 verschiedenen epyaat~pLa, in denen er die Unkosten für seine Umsiedlung begleicht,210 und einem n:aAcltLOV, das nicht genauer gekennzeichnet wird,211 aber vielleicht doch auf die Tätigkeit des Notizenschreibers hindeutet und ihn als Hofbeamten ausweist. Von seinen auVtpoepOL bei der Nutzung der übertragenen Pfründe läßt sich keiner durch andere Quellen verifizieren und identifizieren, die Familien, aus denen sie stammen bzw. denen sie zugehören könnten, sind sowohl im Staatsdienst als auch in der Kirchenadministration angesiedelt. 212 Interessant ist, daß es neben Einkommensmöglichkeiten im kirchlichen Bereich im begrenzten Umfang doch auch noch verschiedene staatliche Pfründen gibt, die es sogar möglich erscheinen lassen, aus dem 205 206 207 208 209 210 211 212
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A. O. 144. A. O. 149f. Vgl. KapFarn 88ff. KugNot 150 (Nr. 67). A. O. 149 (Nr. 55). A. O. 149 (Nr. 54, 57, 58). A. 0.150 (Nr. 66). Das betrifft v.a. die Tzamplakones und die Tarchaneiotes, aber auch die Kunupes, Dishypatos und Dormokaites/Dermokeites.
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kirchlichen in den staatlichen Dienst überzuwechseln, ohne daß damit die eben angedeutete Tendenz in Frage gestellt werden müßte. Einige Mandatsträger scheinen sich ihre Pfründen sogar selbst geschaffen zu haben. Das deutet sich jedenfalls in einem Schreiben Kaiser Konstantins XI. an den venezianischen Dogen aus den letzten Jahren des Reiches an, in dem er auf alique res factas ab officialibus et preter mandatum nostrum hinweist,21l und im einzelnen ein datium pro sclauis nennt, das wahrscheinlich dem Stadt gouverneur zugute kommt, und weiter ein portiaticum sclauorum und ein portiaticum aliarum rerum, also Torzölle für Sklaven und "andere Sachen", ein exitum vini Venetorum, vielleicht ein Ausfuhrzoll für Wein, eine scribania(m) vegetum judeorum venetorum, die camerelarius noster, d. h. der kaiserliche Kämmerer in Höhe von 1h Hyperper für jedes Weinfaß erhebt, und schließlich eine solutio(nem), die der capitaneus pagaitorum ex judicijs Venetorum für sich beansprucht. 214 Das sind, wie gesagt, nur Beamtenforderungen, von denen der Kaiser nichts gewußt haben will. Dazu kommen aber auch noch andere Zollpfründen, die er bestimmten Leuten aus seiner Umgebung nicht entziehen möchte bzw. nicht entziehen kann. 215 Und da es in diesem Schreiben nur um byzantinische Forderungen an die Venezianer und die venezianischen Juden geht, drängt sich der Schluß auf, daß die gleichen oder andere byzantinische Beamte mit oder ohne Wissen ihres obersten Dienstherrn gleiche oder ähnliche Forderungen auch gegenüber anderen westlichen (und auch östlichen) Besuchern und Bewohnern der byzantinischen Hauptstadt und des byzantinischen Restreiches, Kaufleuten, Handwerkern usw. geltend gemacht und zumindest zeitweilig auch durchgesetzt haben. Trotzdem handelt es sich dabei nur um Brosamen vom Tisch der lateinischen Handels- und Wirtschaftswelt in der Romania, denn vom lO%igen Handelszoll bleiben Venezianer und Genuesen bis zum Reichsende befreit, und die mächtigen italienischen Stadtrepubliken waren allenfalls und nur zeitweise bereit, kleinere Vorstöße und Verstöße gegen ihre Zollprivilegien zu dulden, solange das ihnen und ihren Untertanen nicht allzu weh tat. Eine reale Möglichkeit, die Steuereinbußen von den byzantinischen Bauern durch Zollforderungen an lateinische Kaufleute zu kompensieren, bestand also mit Sicherheit nicht, und kurzfristig und vorübergehend aufgerissene Löcher im ansonsten festen Gewebe westlicher Privilegien waren kaum geeignet, eine sichere und dauerhafte Existenzgrundlage für spätbyzantinische Beamte zu schaffen. Aufmerksamkeit verdient schließlich auch noch die Vermutung, daß der Stadtgouverneur, von dem im Schreiben des letzten byzantinischen Kaisers die Rede ist, 213 DiplVen II, 379. 214 Vgl. DöReg 3527. 215 DiplVen II, 380.
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aus den Familien Asanes oder Metochites stammt, daß für den Kämmerer Angehörige der Familien Kolybas, Kumuses und Mamalis in Frage kommen und daß der capitaneus pagaitorum ein Kantakuzene gewesen sein könnte,216 daß also wahrscheinlich keiner der kassierenden officiales aus einer Familie stammt, die man ohne Vorbehalte als Beamtenfamilien bezeichnen könnte. Die sozialen Grenzen zwischen Aristokratie und Bürokratie, die in der frühen Palaiologenzeit noch einmal deutlicher geworden waren und größere soziale Gruppen präziser voneinander getrennt hatten, verwischen sich am Ende des Reiches erneut, aber nicht unbedingt in der Form, daß eine sich feudalisierende Aristokratie die Prärogative staatlicher Macht und Administration an sich zog und auch die Spitzenpositionen des Reiches selbst besetzte und dadurch feudalisierte, sondern eher deshalb, weil die von diesen Gruppen angestrebten Existenzformen und beherrschten Lebensbereiche in den letzten hundert Jahren des Reiches weitgehend verlorengingen und so dramatisch eingeschränkt wurden, daß die erworbenen Standards ganz einfach nicht zu halten waren, daß die Gruppen selbst fragmentiert wurden, daß wichtige Elemente eines spezifischen Gruppenbewußtseins wieder zedielen, daß Aristokrate~ und Bürokraten gleichermaßen zu allem griffen, was Weiterleben und Uberleben sichern konnte, daß traditionelle Vorbehalte gegen Personen, Gruppen, Sachen und Haltungen keine Rolle mehr spielten, bzw. nicht mehr entfernt die Rolle, die sie einmal gespielt hatten. Und es ist ganz bemerkenswert, daß die Aristokratie und die Bürokratie angesichts der kritischen Lage in den letzten hundert Jahren nicht nur die Grenzen untereinander überwanden, sondern daß sie auch eine Grenze übersprangen, die sie in der Vergangenheit weitgehend beachtet hatten, die Grenze zu aktivem Handel und zu Geldgeschäften, wie sie der Westen über lange historische Zeiträume neu ausgebildet und auch größeren Gruppen eines stadtorientierten Adels zugänglich gemacht hatte.
2.4. Der Platz des Volkes und die Rolle des "demokratischen Elementes" im späten Byzanz Grundlegend für die Beschreibung von Volk und Volkswillen im späten Byzanz ist das schon in der Einleitung zitierte Buch von G. Weiß über den Aristokraten, Staatsmann, Kaiser und Mönch Johannes Kantakuzenos, der bei seinen vielfältigen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und schriftstellerischen Aktivitäten und in seiner langen politischen Laufbahn 216 Vgl. MatschTor 43f., 55f.
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immer wieder mit diesem Volk zu tun bekommt und ihm in gewissem Sinne auch das Scheitern seiner Karriere zu verdanken hat. Unter Bezugnahme auf das Geschichtswerk des Kantakuzenos, aber auch auf andere zeitgenössische Autoren, beschreibt Weiß den Demos der ersten Hälfte des 14. Jh. als eine breite gesellschaftliche Schicht, die, beginnend bei den ärmsten Gliedern der Bevölkerung, besonders Matrosen, Bauern, Handwerker, Kaufleute und Literaten umfaßt, denen also nicht ein bestimmter Beruf gemeinsam ist, sondern eine bestimmte Höhe des Einkommens und Vermögens. 217 Das Volk ist die Gesamtheit der Unedlen, der Unbekannten und der Niederen, der Vielen, die aber nicht nur die Masse der materiellen Güter erzeugen und die Hauptlast der Steuern und Abgaben zu tragen haben, sondern die auch politisch wirksam werden und die nach der Überzeugung von Weiß das innere Geschick des Reiches im 14. Jh. sogar nachhaltiger bestimmen als der Adel,218 indem sie die Handlungen und Entscheidungen der Führungskräfte des Reiches zunehmend kritisch verfolgen und schließlich um die Jahrhundertmitte sogar aktiv in die Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Fraktionen der Aristokratie und der Bürokratie eingreifen, ihre politische Eigenständigkeit im Reich und besonders in den großen Städten des Reiches verteidigen und den Ausgang der dynastischen Auseinandersetzungen ganz wesentlich beeinflussen. In diesen und anderen gesellschaftlichen Konflikten glaubt Weiß schließlich auch eine beginnende Differenzierung des allgemeinen Volksbegriffes erkennen zu können,219 Beweis dafür, daß die Ansätze eines ordo-Denkens nicht nur die Aristokratie, sondern auch das Volk erfassen, daß Vorstellungen einer ständischen Gliederung also nicht nur von oben in die Gesellschaft eindringen, sondern auch am unteren Ende der Gesellschaft zu Neuorientierungen und Neustrukturierungen führen bzw. sie möglich machen. Besonders aufgefallen ist Weiß schließlich, daß der reiche Aristokrat und verhinderte Dynastiebegründer Kantakuzenos nicht mit Haß und V.~rachtung vom Volk spricht, daß er sich trotz gelegentlicher negativer Außerungen über das Volk niemals zu Gefühlsausbrüchen hinreißen läßt, und er erklärt diese Selbstdisziplin und Selbstdisziplinierung vor allem mit seinem Bemühen, für die politischen Aktivitäten des Volkes nicht so sehr das Volk selbst, als vielmehr das Einwirken von Demagogen und das Ausbrechen sozialer Gegensätze verantwortlich zu machen. 220 Die pragmatischen Reflexionen des Kantakuzenos über das Volk und sein Verhalten im Bürgerkrieg sind ebenso wie die einschlägigen Ausfüh217 218 219 220
WeiKant 72. A. 0.156. A. O. 74. A. O. 70.
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rungen des Historikers Gregoras qanz unzweifelhaft an politischen Lehrmeinungen der Antike orientiert. 21 Kaum zu bezweifeln ist aber auch, daß der zeitweilige Klient und spätere Gegner des Kantakuzenos das byzantinische Volk anders sieht, als das sein schreibender Zunftkollege will und kann. Die Differenz deutet sich schon in der Wortwahl an. Für Gregoras ist der örjlLo~ mehr oder weniger identisch mit dem öx.A.O~, dem unruhigen und ungeordneten Haufen, dem Haufen auf dem Markt (dyopaLo~ öx.A.O~), dem Haufen der Werksleute (ßavauao~ öx.A.O~) und dem bäuerlichen Haufen (dYPoL1(o~ öx.A.o~), 222 und in allen diesen Fällen handelt es sich praktisch um Gesindel und Unrat (auPE"CooÖTJ~ öx.A.O~).22J Beschrieben wird also ganz allgemein das werktätige Volk, die Leute auf dem Markt, in den Werkstätten und auf den Feldern, und diese Beschreibung wird gelegentlich noch weiter konkretisiert, wenn von Fischern, Töpfern, Glasern, Schustern und anderen Lederverarbeitern, von Schmieden und anderen Metallhandwerkern, von Schuhhändlern224 und immer wieder von Leuten gesprochen wird, die mit Hacke oder Spaten ihren Lebensunterhalt verdienen. m Diese aKaJtavEL~ und aKaJt(lvTJ~ dJt6~oV"CE~ finden sich so oder in leicht abgewandelter Form auch bei anderen spätbyzantinischen Autoren,226 für Gregoras sind sie aber fast so etwas wie ein Lieblingsstereotyp. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb stellt sich die Frage, ob es sich nur um eine eingängige Formel ohne Realitätsbezug handelt, denn nicht ganz ausgeschlossen könnte sein, daß dieser Begriff nicht so sehr den normalen bäuerlichen Produzenten meint, sondern eher den landwirtschaftlich tätigen Tagelöhner und Saisonarbeiter' der genauso gut in der Stadt wie auf dem Land leben kann und der sich in der Tat spätestens seit der Mitte des 14. Jh. angesichts zunehmender Unsicherheit und Gefährdung durch fremde Eindringlinge hinter schützende Stadtmauern zurückzuziehen versucht. In lateinischen Quellen erscheinen die gleichen Leute wahrscheinlich als fossores, und es ist nicht ganz uninteressant, daß schon nach einem Reisebericht aus dem frühen 14. Jh. die Einwohner der byzantinischen Hauptstadt neben Fischern, Seeleuten, Handwerkern und Kaufleuten ganz besonders auch aus diesen "Grabenden" bestehen. 227 Fossatores und laboureurs de haue 221 Zu Kantakuzenos vgl. a. O. 70; zu Gregoras vgl. G.I. Bratianu, "Democratie" dans le lexique byzantin aI' epoque des Paleologues, in: Memorial L. Petit, Bukarest 1948, 36f. 222 Greg 1,127; 11,610,638. 223 Greg 11, 638. 224 Greg 11, 610; GregAntirrh 1,391; J. L. van Dieten, Entstehung und Überlieferung der Historia Rhomaike des Nikephoros Gregoras, Köln 1975, 140. 225 Greg I, 153,256,406; 11, 610, 851 und viele andere Belege. 226 So bei PlanEpL 156. 227 (Pseudo-)Brocardus, Directorium ad Passagium faciendum, in: Recueil des Historiens des Croisades, Documents armeniens 2, Paris 1906,455.
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bzw. de beche sind zeitgleich übrigens auch in Städten und ländlichen Regionen Italiens und Frankreichs eine durchaus geläufige Erscheinung und Bezeichnung,228 Zeichen vielleicht für einen überregionalen Trend in der spätmittelalterlichen Welt, der den Westen natürlich noch sehr viel stärker edaßt als den Südosten Europas. Für Byzanz könnte das bedeuten, daß es in der Spätzeit zu ganz spezifischen Formen wirtschaftlicher und sozialer Verbindung von Stadt und Land kommt, zu Annäherungen in der Form einer weiteren Verländlichung der Stadt, die aber zugleich eine Verstädterung des Landes ist, weil landwirtschaftliche Arbeiten zunehmend und alle Bereiche des Landbaus edassend von den Städten aus edolgen. Von allen diesen Leuten aus dem Volk hält Gregoras nicht sehr viel,229 mehr noch, man glaubt manchmal einen direkt physischen Widerwillen bei ihm zu spüren, so wenn er über Erdarbeiter, Töpfer und all jene spricht, die nach Netzen und Meerwasser stinken. 230 Sie sind für ihn zu geistiger Übung gar nicht oder nur in ganz untergeordneter Form fähig, führen ein unmündiges Leben und können eine geistige Frucht nicht austragen, wenn ihr Verstand einmal etwas Artikulationswürdiges hervorbringen sollte. 231 Auch von den palamitischen Bischöfen, die 1351 gegen seinen Widerstand den hesychastischen Synodalbescheid unterschreiben, behauptet er interessanterweise, daß sie kaum buchstabieren könnten und selbst die Anfangsgründe der Wissenschaft nicht beherrschen würden, denn manche von ihnen kämen erst am Abend (von der Arbeit) mit Pflug und Hacke nach Hause,232 und das ist sicherlich eher in übertragenem Sinne zu verstehen, könnte aber auch ganz wörtlich gemeint sein, zumindest in dem Sinne, daß sich diese Kirchenführer mehr um die (land-) wirtschaftliche Basis ihrer Existenz als um die Wissens grundlage ihrer seelsorgerischen Aufgaben bemühten. Dem Volk fehlt auch jede Edahrung in öffentlichen Angelegenheiten und jede Fähigkeit zu politischer Führung, ähnlich wie dem Patriarchen Arsenios, der zwar nach Frömmigkeit und Tugend zu den Besten gehört, ansonsten aber sogar jenen unterlegen ist, die sozusagen erst abends die Hacke beiseite legen. 233 Schließlich sind die Leute aus dem Volk für Gregoras auch zu militärischen Aktionen ungeeignet, wie sich 1329 zeigt, als die einfachen Teil228 Vgl. M. Seidlmayer, Die Anfänge des Großen Abendländischen Schismas, Münster 1940,328; A. Esch, Vom Mittelalter zur Renaissance. Menschen in Rom 1350-1450, Jahrbuch der Akademie der Wissenschaften in Göttingen 1970, 33; R. Cazelles, La Jacquerie, fut-elle un mouvement paysan?, Academie des Inscriptions et Beiles Lettres, Comptes rendues 1978, 655, Anm. 13. 229 Vgl. Hunger I, 460. 230 GregEp I, 242 (Nr. 4); vgl. Hunger I, 216. 231 GregEp I, 242 (Nr. 4); vgl. HungTend 149 und A. 40. 232 Greg II, 883f. 233 Greg I, 66.
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nehmer am Feldzug des Kaisers Andronikos III. gegen die Türken kleine Kähne und Boote mitführen als Zeichen ihrer Feigheit, um sich bei Gefahr sofort vom kleinasiatischen Ufer zurückziehen und nach Konstantinopel heimkehren zu können,2J4 und 1348, als die aus der hauptstädtischen Bevölkerung rekrutierten Galeerenruderer und Seesoldaten die eben erbaute Flotte verlassen, noch bevor sie mit ihren Gegnern aus Pera bzw. Genua überhaupt in Berührung gekommen ist. 2J5 Als sich die Volks elemente von Thessalonike während des Bürgerkrieges nach 1341 zu einer selbständigen Kraft zusammenschließen und die Macht in der Stadt an sich zu reißen versuchen, kann Gregoras in diesen Aktivitäten folgerichtig nur eine absonderliche Ochlokratie sehen, die mit Demokratie nicht das geringste zu tun hat, sondern die Formierung der OUPE'tWÖ'l1~ zu einer dritten Fraktion darstellt, die sich wie eine Sturmflut auf die Anhänger des Gegenkaisers Johannes Kantakuzenos ergießt, die Häuser der Reichen erlaßt, ihre Habe unter sich begräbt und sie mit dem Tode bedroht. 236 Und die Leute aus diesem Umkreis, ßavuuom und dyopuiOL, Fischer, Bauern und Arbeiter mit der Hacke, sind es auch, die den Grundbesitz des Kantakuzenos, seine Landgüter und ihren Viehbestand, an sich bringen. 2J7 Über die konkreten Nutznießer der eigenmächtigen Übergriffe und gewaltsamen Umverteilungen in der byzantinischen Provinz weiß der Hauptstädter Gregoras sicherlich nur wenig, was ihn aber nicht daran hindert, in erster Linie das Volk für sie verantwortlich zu machen. Auch der Hauptbetroffene, Kantakuzenos selbst, wird in dieser Hinsicht nur wenig konkret, läßt aber wenigstens durchblicken, daß seine aristokratischen Kontrahenten in der Gegenpartei am Verlust bzw. am Zusammenschrumpfen seines immensen Reichtums . h t ganz un betel·1·Igt waren. 238 nIC Die Abgrenzung des Gelehrten vom Volk, seine Verachtung der Vielen, ist also viel deutlicher als die des Politikers. Während der Staatsmann und Kaiser seinen Gegensatz zum Volk aus politischen Gründen herunterspielt, könnte es umgekehrt sein, daß der bekannte und anerkannte Literat und Philosoph den Gegensatz zum Volk aus ideologischen Gründen übersteigert, denn aus der Abgrenzung von der Menge bezog die geistige Elite des Reiches ihr Selbstwertgefühl und ihre Gruppenidentität, dadurch gewann sie eine fiktive Exklusivität, und zugleich eine imaginäre 234 235 236 237 238
Greg I, 433. Greg II, 857ff. Greg II, 674, 796. Greg II, 610. Kant II, 190ff. Die Art und Weise, wie der prominente Kantakuzenos-Gegner Guy de Lusignan die Güter von Anhängern des Kantakuzenos an sich brachte, wurde allerdings auch von Greg II, 623, notiert.
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Gemeinsamkeit mit der sehr viel realeren Exklusivität der Aristokratie, auch wenn sie sich ihren Lebensbedingungen nach noch so sehr von dieser Aristokratie unterscheiden mochte. Damit drängt sich aber auch die Frage auf, ob sich die Verachtung eines Gregoras für Leute mit geringem Besitz, von niederer Herkunft und ohne wirkliche Bildung auch über die von ihm benutzten Stereotype hinaus erstreckt. Tatsächlich gibt es in seinen Schriften durchaus einzelne Passagen, die andeuten, daß er Volk in seinem Alltagsleben und in seinen spezifischen kulturellen Äußerungen auch anders sehen kann, so wenn er in einem Gesandtschaftsbericht lobende Worte für die Mitglieder eines ländlichen Sicherheitsdienstes findet, die die nächtens vom richtigen Weg abgekommene Reisegesellschaft in ein gastliches Dorf führen, und wenn er mit erkennbarem Interesse den fremdartigen Ostergottesdienst und die anschließenden Tanzvergnügungen der jungen Leute in der kleinen Bergstadt Strumitza beschreibt und dabei ohne jeden pejorativen Unterton auf die Sitten von Leuten, die ihren Lebensunterhalt mit der Hacke erwerben, und auf die Lieder der Berghirten, die ihre Tiere auf die Weiden austreiben, verweist,239 oder wenn er mit spürbarer Anteilnahme über die Maßnahmen zur Herstellung der hauptstädtischen Verteidigungs bereitschaft gegen die Peroten im Winter 1347/48 berichtet und dabei auch ein wenig von der Atmosphäre gemeinsamer Entschlossenheit der Stadtbewohner anklingen läßt, von der er selbst mit erfaßt gewesen zu sein scheint. 24o Es sind also viele und durchaus voneinander abweichende Bilder des Volkes, die von verschiedenen zeitgenössischen Autoren und gelegentlich sogar von ein und demselben Autor vermittelt werden, und das macht die konkrete Benennung der Lebensbedingungen und Lebensäußerungen dieses Volkes nicht eben leichter. Die Prozesse der Aristokratisierung und Bürokratisierung in der frühen Palaiologenzeit, die oben beschrieben wurden, haben den wirtschaftlichen und sozialen Lebensraum des Volkes sicherlich verändert, aber kaum verbessert. Die materiellen Güter der Gesellschaft wurden noch stärker als zuvor bei Magnaten und Großklöstern konzentriert, die finanziellen und sachlichen Forderungen des Staates und der Bürokratie trafen weiterhin ganz besonders das Volk. Die städtischen Handwerker und kleinen Händler übten ihre Tätigkeiten mit großer Wahrscheinlichkeit mehrheitlich in Werkstätten und Läden aus, die ihnen nicht gehörten. Die Seeleute der Küstenstädte und Inseln heuerten auf Schiffen an, von denen sie wohl nur in seltenen Fällen einen Anteil besaßen. Die Ruderer der kaiserlichen Kriegsgaleeren werden zu Beginn
239 Greg I, 378ff. 240 Greg II, 850ff. Als Antipalamit wird er schließlich von seinen Gegnern sogar zum Feind des Volkes gemacht, vgl. VriesEI137.
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der Palaiologenzeit immer noch teilweise zwangsverpflichtet. 241 Nicht wenige Fischer arbeiteten auf stationären Fangeinrichtungen entlang der Meeresküsten, die sich ebenfalls nachweisbar zu einem nicht geringen Teil in Klosterbesitz, in einem bisher nicht eindeuti~en Umfang aber wohl auch in den Händen der Aristokratie befanden. 22 Als Eigentümer des meisten agrarisch genutzten Grund und Bodens treten uns im übrigen die gleichen gesellschaftlichen Gruppen und nicht selten sogar die gleichen Personen entgegen, die uns aus den Städten, von den Ufern und Inseln bekannt sind, und ihre Ansprüche erstrecken sich nicht nur auf das Acker- und Weideland, auf das Vieh und auf die verschiedenen Einrichtungen zur Verarbeitung agrarischer Produkte, sondern in bestimmtem Maße auch auf die bäuerlichen Produzenten selbst. 24J Immer noch sind es diese Bauern, die den Hauptteil der staatlichen Steuern und Abgaben aufzubringen haben, wofür kein geringerer als Johannes Kantakuzenos als wertvoller und für diesen Gegenstand wohl auch unverdächtiger Zeuge steht. 244 Der Kaiser und seine Administration lassen sich bei Bedarf immer wieder neue Steuerforderungen einfallen, die die bäuerlichen Ernten und die bäuerlichen Haushalte belasten. 245 Zu beobachten sind spätestens seit der Wende zum 14. Jh. aber auch gezielte staatliche Versuche, die Bevölkerung der Städte über die üblichen Belastungen hinaus durch Sondersteuern zur Kasse zu bitten bzw. wohl besser: zu zwingen, und diese Auflagen erfolgten um 1330 in Konstantinopel schon so häufig, daß sich die Monembasioten bzw. Pegaiten in einem Handels- und Steuerprivileg ausdrücklich von ihnen befreien lie-
241 S. besonders CorAth 24; vgl. MakrStud 117, der die von Patriarch Athanasios beschriebene Aushebung von Ruderern für die Schiffe des Megas Dux Roger de Flor aber als Sonderfall bezeichnet. 242 S. unter anderem I. Sakkelion, MLXUi1A TIUAUWAOYOU clveKb01:ov xpuaoßounov :rtEpt tÖ>v :rtuQ' UUtOU tiJ M. 'EKKATJat~ boopTJ8evtoov KtTJIlUtOOV, TIuvbwpu 15, 1864,29; vgl. MatschSit 287f.; G. Dagron, Poissons, pecheurs et poissonniers de Constantinopie, in: Constantinople and its Hinterland, ed. C. Mango / G. Dagron, Aldershot 1995, 60ff. Von der terre consuetudo der Errichtung solcher Fangplätze und von ihrer Übertragung an das venezianische Georgskloster während der Lateinerherrschaft in Konstantinopel ist die Rede in einem Schenkungsakt des Dogen Petrus Ziani, TTh 1I, 48. 243 Zum Problem des bäuerlichen Grundeigentums und zur rechtlichen Stellung der Bauern in spätbyzantinischer Zeit s. zuletzt KarayEntw 124ff. 244 Kant I, 137; vgl. MaksCharakt 154. Auch unter den Osmanen gelten die Raya nach einer Suleyman dem Prächtigen zugeschriebenen Anekdote als die Schatzkammer des Padischah und Wohltäter der Welt. 245 Das beste Beispiel ist die Einführung des sog. mtOKpL8ov, einer Steuer auf Weizen und Gerste, durch Andronikos 1I. während der katalanischen Krise, PachFail IV, 527/ 529,531,539; vgl. Laiou 187f., mit Literatur.
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ßen. 246 Gesucht und gefunden werden schließlich auch Wege, gesellschaftliche Klein- und Randgruppen fest in die Steuererhebung mit einzubeziehen: Byzantinische Juden wurden schon bei den Vorgängern der Palaiologen besteuert,247 und auch eine Besteuerung der Wlachen ist schon unter Alexios Komnenos bezeugt,H8 aber die Zi~euner werden wohl erst in der Spätzeit zu regelmäßigen Steuerobjekten,2 und auch die steuerliche Belastung der Juden und Wlachen nimmt erst zu diesem Zeitpunkt ein wirklich empfindliches Ausmaß an. 250 Zu beobachten ist schließlich die selbstherrliche und willkürliche Besteuerung sowohl von Landbewohnern als auch von Städten zum Zwecke ihrer Disziplinierung, als drakonische Strafe für ungenügenden Widerstand gegen äußere Feinde251 oder als perfides Mittel zur Verhinderung von effektiver Widersetzlichkeit gegen die staatliche Autorität. 252 In ganz besonderer Weise und in ganz besonderem Maße beeinflußte die zunehmende ausländische Präsenz im byzantinischen Reich und der zunehmende äußere Druck auf den byzantinischen Staat auch die Lebensbedingungen des Volkes. Byzantinische Handwerker und Seeleute, 246 SchreinProst 213. Einzelne Quellen berichten auch über die Folgen solcher Sondersteuern für die Einwohner Konstantinopels und anderer Städte. 1401 erklärt ein Bewohner der Hauptstadt seine Unfähigkeit zur Zahlung der Pacht für einen Garten damit, daß er ÖT]lloaLa~ dnmt~aeu; Kai ~T]IlLa~ Kai O'UYKpOt~aeu; h~ dVUKtLOLV tOÜ KUatPOlJ erbringen mußte, MM 11, 50H. In Philadelpheia bewirkt eine ähnliche Steuer im frühen 14. Jh., welche i] :n:6AU; KOLV~ O'UvEtEAEOe ÖLa tOU~ btLKeLIlEVOlJ~ ßapßupolJ~, MatthEp 100, daß eine Familie von großer Armut und Obdachlosigkeit bedroht wäre, wenn ihr eine erwartete Erbschaft entgehen sollte. 247 Vgl. D. Jacoby, Les Juifs de Byzance: une communaute marginalisee, in: ot :n:epL6wptaKoi atO BlJ~uvtLo, Athen 1993, 123, 128f. 248 Vgl. L. Rouillard, La dime des bergers vlaques sous Alexis Comnene, in: Melanges Jorga, Paris 1933, 779-786. 249 Vgl. 1. Rochow I K.-P. Matschke, Neues zu den Zigeunern im Byzantinischen Reich um die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert,JÖB 41,1991,241-254. 250 Jedenfalls stammen die meisten und konkretesten Angaben über die Besteuerung der Juden aus spätbyzantinischer Zeit, vgl. F. Dölger, Zur Frage der Judensteuer in Byzanz, Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 26, 1933,3-24. Ob und inwieweit die Besteuerung der Juden den Charakter einer diskriminierenden Sonderauflage hatte, ist noch nicht eindeutig geklärt, vgl. zuletzt S.B. Bowman, The Jews of Byzantium (1204-1453), Alabama 1985. 251 So wird die Stadt Pegai wegen ungerechtfertigter Übergabe an die Katalanen mit einem hohen Strafgeld belegt, obwohl ihre Situation wegen Überfüllung durch Flüchtlinge und Ausbruch einer Epidemie sicherlich sehr kritisch und die Chance zum Widerstand deshalb sehr gering gewesen war, PachFail IV, 457. 252 So werden die im Hinterland von Konstantinopel angesiedelten Wlachen wegen angeblicher Gefahr ihrer Verbindung mit den Mongolen an das kleinasiatische Ufer umgesiedelt und zugleich mit hohen Steuerauflagen belegt, um sie wirtschaftlich zu schwächen und ihre Widerstandskraft zu lähmen, PachFail 111, 121.
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die in Werkstätten venezianischer und anderer westlicher Bewohner byzantinischer Städte arbeiten oder auf venezianischen, genuesischen und anderen westlichen Schiffen Dienst tun wollten, gerieten zwischen die Mühlsteine der byzantinisch-lateinischen Gegensätze, sie wurden auf jede erdenkliche Weise behindert und mußten nicht selten die Auflagen erfüllen und Abgaben entrichten, die der byzantinische Staat von den privilegierten Leut~n aus dem Westen nic~t einfordern konnte. 25J Die Folgen militärischer Ubergriffe durch westlIche Kriegsflotten und durch Verbände türkischer, serbischer und anderer feindlicher Krieger hatten die von ihnen betroffenen Reichsuntertanen in den meisten Fällen ganz allein zu tragen. Sie mußten Gelder für den Freikauf von Gefangenen aufbringen. Die Bewohner von Grenzstädten und Grenzgebieten wurden vom Staat zur Zahlung von Tributen gezwungen, zu denen er sich gegenüber Feinden verpflichtet hatte, die er selbst nicht wirkungsvoll bekämpfen konnte oder wollte. 254 Das Volk braucht Sicherheit, es braucht Unterrichtung, ein kleines Geschäft oder ein wenig Brot, das schreibt der Patriarch Athanasios an seinen Kaiser Andronikos II. zu einem Zeitpunkt, als durch türkische Grenzkrieger und katalanische Söldnerverbände, durch akuten Getreidemangel und durch die Abschneidung von vielen städtischen und ländlichen Einkommensmöglichkeiten das alles bzw. das wenige erstmals ganz ernsthaft und auf längere Dauer gefährdet war und deshalb an guten Worten und geistlichem Trost auch kein sehr großer Bedad bestand. 255 Die Gefahr völliger Verarmunq und des Verlustes aller Möglichkeiten zu einem selbstbestimmten Leben 56 wurde sicherlich zu einer ständigen Bedrohung für breite Kreise des Volkes, wenn nicht für seine Mehrheit. In den großen Städten des Reiches zeigten sich Armut, Obdachlosigkeit, Bettel, Hunger und Krankheit in den vielfältigsten Formen. Die zeitgenössischen Quellen sprechen von Flüchtlingen aus Anatolien, die in Konstantinopel auf Misthaufen lagen und dem Hungertode nahe waren, ohne daß ihnen jemand geholfen hätte,257 von städtischen Armen, die in den Eingängen der Hagia Sophia und anderer Kirchen Konstantinopels lebten und nächtigten, wofür sogar der sozial engagierte Patriarch Athanasios
253 Darüber führt der venezianische Bailo in Konstantinopel, Marco Minoto, in einem Brief an seine Regierung aus dem Jahr 1320 beredte Klage, DiplVen I, 164ff. 254 Vg!. Greg I, 317, wo in diesem Zusammenhang vom Kauf von Freundschaft von Wölfen die Rede ist. 255 CorAth 42. 256 Bei Thomas Magistros, TIepLnOAL1:eLU\;, PG 145, co!. 508, ist die Rede von Armut und Unfähigkeit, sich das zum Leben Notwendige zu erwerben. 257 Chronik des edlen En Ramon Muntaner, trad. K.F.W. Lanz, ll, Leipzig 1842, 115.
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kein Verständnis aufbrachte,258 und von den Hütten der Bettler von Thessalonike, zu denen wenigstens ein mitleidiger Schuljunge aus gutem Hause (und späterer Mönch auf dem Athos) mit etwas Essen von der familiären Mittagstafel hinfand. 259 Flüchtlinge aus Kleinasien irrten, von Hunger getrieben und auf der Suche ,nach bescheidenem Lebensunterhalt, Anfang des 14. Jh. auch auf dem flachen Land Thrakiens herum260 und vermehrten dort die ohnehin zahlreichen Landarmen und Landlosen, die in den Quellen häufig als eAeuBepm bezeichnet werden, was aber nur auf ihre Freiheit gegenüber den Steuerforderungen des Fiskus verweist, weil bei ihnen ganz einfach nichts mehr zu holen ist. 261 In den Wäldern nahe der Hauptstadt fristen Holzsammler ein kümmerliches Leben, vor den Toren von Thessalonike suchen arme Leute aus der Stadt nach eßbaren Pflanzen und Früchten, ständig in Furcht vor Überfällen, die ihnen auch noch das Leben kosten können. 262 Der wirtschaftliche und gesellschaftliche Druck auf die einfachen Leute war sehr stark und verstärkte sich weiter. Viele kleine Handwerker und Händler befanden sich fest in den Händen von Wucherern und wurden von ihren Geldgebern oft um die letzten Reste ihrer Habe gebracht. 263 Viele Tagelöhner wurden von ihren Arbeitgebern skrupellos ausgepreßt und sogar physisch mißhandelt, so wie die Leute mit der Hacke aus Thessalonike, die vom Vater des schon erwähnten Schülers und späteren Mönches zur Arbeit in seinem Weinberg angeworben und unter der Leitung des Sohnes zu den vereinbarten Arbeiten los geschickt werden. Um die Mittagszeit läßt der junge Mann die Arbeiten unterbrechen, wegen der großen Hitze und noch mehr wegen des großen Mißverhältnisses zwischen der geforderten Leistung und dem versprochenen Lohn, eine Auffassung und ein Verhalten, das vom Vater entschieden mißbilligt wird, der bei seiner Ankunft im Weingarten den Sohn nach Hause schickt und die Arbeiter mit Schlägen wieder an die Arbeit treibt. 264 Trotzdem wäre es sicherlich falsch, dieses negative und trübe Bild von der Lebenslage des Volkes zu überzeichnen. Der materielle Substanzver258 CorAth 46/48; vgl. Kommentar, 324. Hundert Jahre später berichtet Joseph Bryennios von hauptstädtischen Armen, die in den Mauernischen der Kirchen dahinvegetieren, Bryennios 11, 281. 259 KokHag 103. 260 PRK I, 298/300. 261 ODB I, 685. 262 MatthEp 369f.; deutsche Übersetzung des Berichtes über die Reise nach Brysis: BeckLeb 366; JorgNot I, 438: Information aus der Zeit der Venezianerherrschaft in Thessalonike. 263 Vgl. N. P. Matses, ~O tOKOS; tv tfi VOILOAOytq to'Ü ITatpLaPXELoU KWVOtavtLVou:n:OAEWS; Kata tOUS; IA' Kat IE' al, EEBl: 38, 1971, 71-83. 264 KokHag 105f.
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lust im bäuerlichen Bereich nahm erst um die Mitte des 14. Jh. ein wirklich kritisches und existentiell bedrohliches Ausmaß an. 265 Unter den Grenzbewohnern in der Umgebung von Nikaia gibt es nach 1261 auch eTCLÖTlAOL, die sich von den anderen Bauern abheben. 266 Und in den Steuerverzeichnissen für verschiedene Athosklöster aus der ersten Hälfte des 14. Jh. tauchen hin und wieder auch bäuerliche Familien auf, deren Ausrüstung mit Gartenland und Viehbestand die mittlere bäuerliche Besitzlage deutlich übersteigt. 267 Auch ein allgemeiner städtischer Niedergang ist in der frühen Palaiologenzeit noch nicht auszumachen, und es gibt sogar Orte wie die Binnenstadt Didymoteichon, die sich zu Beginn des 14. Jh. in einem, wenn auch sicher nur bescheidenen Aufschwung befindet, zu beobachten vor allem am vorstädtischen Ausbau. 268 Selbst die völlige Einkreisung einiger kleinasiatischer Städte durch expandierende türkische Emirate bewirkte nicht notwendig und nicht sofort eine Krise der Stadtwirtschaft, sondern konnte diesen Städten und ihren handwerklich und händlerisch tätigen Bewohnern sogar vorübergehend neue Existenzmöglichkeiten verschaffen. 269 Der Führer der Volksbewegung in Adrianopel 1341, Branas, ein Mann aus dem Volk, der seinen Lebensunterhalt mit der Hacke verdient, besitzt 1345 ein Haus in der Stadt, dessen Plünderung durch seine Gegner sich zu lohnen scheint. 270 Und der Lastträger Kanabutzes aus Konstantinopel schließt 1370 einen Heiratsvertrag mit einem Herrn Michael Berges für seine Tochter Chryse, die bei dieser Gelegenheit auch als Kupa bezeichnet wird und der er immerhin eine Mitgift von 150 Hyperpern mitgeben kann. 271 Die fehlenden familiären Kontinui265 Laiou 297. In dem von A. Laiou verfaßten Kapitel über die Landwirtschaft im 13.-15. Jh. für LaiouEcHist wird der Bruch in der Mitte des 14. Jh. noch deutlicher. 266 PachFail I, 265. Vgl. LaiouReb 100; V.A. Smetanin, Kategorii svobodnogo krest'janstva v pozdnej Vizantii, Vizantijskie ocerki, Moskau 1971, verweist darauf, daß wohlhabende Bauern in den Akten als OL KPEL'ttOVES erscheinen. 267 Vgl. KarayEntw 136. 268 Vgl. P.A. Giannopoulos, Didymoteichon: Geschichte einer byzantinischen Festung, Diss. Köln 1975. 269 Vgl. LaiouEcHist 11. Zu verweisen ist auf die kleinasiatische Stadt Tripolis in der Nähe von Philadelpheia, die mit den sie einkreisenden Türken ein Abkommen geschlossen haben soll, das ihnen Getreidezufuhr und Getreidehandel ermöglicht habe, das von den Türken aber schließlich genutzt worden sei, um Waffen einzuschmuggeln und die Stadt zu besetzen; sicherlich ist diese Schilderung nicht ausgeschlossen und sogar wahrscheinlich, vielleicht aber auch ein Stück byzantinischer Gegenpropaganda. 270 Kant 11,176,485. Vgl. M. Angold, Archons and Dynasts: Local Aristocracies and the Cities of the Later Byzantine Empire, The Byzantine Aristocracy IX to XIII centuries, ed. M. Angold, Oxford 1984, 248. 271 RegVat 266. Auf diese Mitgift scheint es der Bräutigam besonders abgesehen zu haben, denn er läßt sich sofort 30 Hyp. als Vorschuß aushändigen. Die 150 Hyp. der Mitgift bestehen übrigens aus ganz unterschiedlichen Geldsorten. Vielleicht sind es
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täten handwerklicher Tätigkeit in den spätbyzantinischen Städten sind durchaus kein Anzeichen gesellschaftlichen Niedergangs, denn auch in den westeuropäischen Städten des späten Mittelalters ist die Weitergabe eines Handwerks vom Vater auf den Sohn nach neueren Forschungen eher die Ausnahme als die Regel. 272 Von einem intakten Zunftsystem kann in spätbyzantinischer Zeit nicht mehr die Rede sein, Handwerke wurden aber immer noch ordentlich gelernt und zu diesem Zweck notariell beglaubigte Lehrverträge abgeschlossen. 273 Und die Leute vom Lande gingen auch in dieser Zeit nicht nur in die Städte, um dort das Heer der Armen und Arbeitslosen zu vergrößern, sondern auch um von einer ländlichen in eine städtische Tätigkeit überzuwechseln. 274 Auch das Volk war also keine einheitliche und keine gesichtslose Masse. Auch im Umfeld des Volkes gibt es nicht nur Abstieg, sondern auch den einen oder anderen Aufstieg, wirtschaftlich und auch sozial. Für das Selbstgefühl und das Selbstbewußtsein des Volkes war aber nicht nur die Dynamik in diesen Lebensbereichen von Bedeutung, sondern auch die Existenz verschiedener gesellschaftlicher Institute, die sich für soziales und politisches Lernen eigneten. Es ist nicht uninteressant und nicht ohne Bedeutung, daß die dörfliche Gemeinde in spätbyzantinischer Zeit eine deutlichere Struktur und Physiognomie zu bekommen scheint. Zwar setzt sich diese Gemeinde jetzt nicht mehr ausschließlich aus bäuerlichen Produzenten zusammen, sondern sehr häufig zudem aus örtlichen (und städtischen?) Archonten, Priestern und Mönchen, nicht selten als Vertreter städtischer oder auf dem Athos gelegener Klöster, und diese nichtbäuerlichen Elemente haben mit Sicherheit ganz wesentlich das Sagen in dieser Gemeinde, aber einiges spricht dafür, daß sie auch bäuerliches
Münzen, die sich der Brautvater durch seine Arbeit nach und nach mühevoll erworben und für die Mitgift der Tochter langfristig aufgespart hat. 272 Vgl. MatschMikr 400f. 273 Belege u. a. in RegVat 264ff. 274 Konkret hinweisen möchte ich auf einen möglichen Beleg aus den letzten Jahrzehnten des Reiches: Der bei Badoer 356, 374, 480f. erwähnte Michali Chatafioti, botegier, drapier, sartor che tien la so botega nel bazar, Geschäftspartner von Zuan Vrachimi e Talicato Surachi, könnte mit einem N. Kataphygiotes identisch sein, der aus einem Dorf bei Rhegion im hauptstädtischen Großraum stammt, in jungen Jahren nach Konstantinopel geht, dort dreimal heiratet, deshalb aber von Patriarch Isidoros H. (1456-1462) verurteilt wird, weil seine in Muntaneia/Mundanija lebende Schwester dagegen Einspruch erhebt, da er schon in seinem Heimatort eine erste Ehe eingegangen sei, Ch. Patrineles, '0 E>eOöoopo\; 'AyaAALaVO\; 'tau'tL~Ol1eVO\; :rtpO\; 'tüv E>EO<j>aVTjV MTjöeLa\; Kai OL dvtKÖO'tOL MyOL 'tou , Athen 1966, 138f.; vgl. PLP 11464. Der Gedanke, daß es sich um ein und dieselbe Person handelt, läßt sich nicht beweisen, scheint mir aber durchaus nicht abwegig zu sein.
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Selbstbewußtsein formen und stärken. 275 Nachweisbar sind verschiedene überortliche Zusammenschlüsse zum Schutz von Wegen (Furten und Pässen), deren Mitglieder sich durch akustische (und andere?) Signale verständigen und die sich auch gegen militärische und administrative Übergriffe von außen und von innen zur Wehr setzen können. 276 Bemerkenswerte Formen solcher Wach- und Schutzorganisationen sind, allerdings erst in frühtürkischer Zeit, auch aus der ägäischen Inselwelt bekannt, sie haben aber ganz eindeutig byzantinische Ursprünge. 277 Im städtischen Bereich übten Nachbarschaftsorganisationen offenbar eine ganz ähnliche Funktion aus. Nachgewiesen ist inzwischen mit einiger Sicherheit ihre Beteiligung an der Bewachung von Stadtmauern und gegebenenfalls an ihrer Verteidigung,278 unklar ist allerdings, ob alle Bewohner oder nur die Besitzer von Häusern in den entsprechenden Vierteln zu diesen Aufgaben herangezogen wurden. Der Rhetor und Lehrer Thomas Magistros fordert in seiner Schrift I1Ept JtoAL'tELac;, daß OL tue; tEXVae; IlEtLOvtEe; auch an Waffen ausgebildet sein sollten, um im Bedarfsfall bestimmte militärische Aufgaben übernehmen zu können, und er erklärt an einer anderen Stelle der Schrift, daß tPLWßOALllaioL Kat JtEV1']1:Ee; Kat tOU 1l1lÖEVOe; ä~LOL, Leute, die weder Häuser noch Äcker noch Grabstätten ihrer Vorfahren in den Städten besitzen, nicht an der Verteidigung dieser Städte beteiligt sein dürfen,279 und das scheint trotz aller klassischen Einfärbung dieser Schrift auch eine ganz aktuelle Bedeutung zu haben. 275 Vgl. die jüngste Arbeit von J.J. Vin, Problemy sel'skoj obsciny v pozdnej Vizantii (XIII-XV vv.), VV 56 (81), 1995, 54f., wo der Autor von einer Verstärkung der Traditionen der ländlichen Selbstverwaltung und von einer Erhöhung des Niveaus des korporativen Selbstverständnisses der Gemeindemitglieder spricht, die im Zusammenhang mit der Umstrukturierung dieser Gemeinde steht. 276 Eine solche Organisation der Wlachen im Rhodopengebiet scheint aktiv zu werden, als noch vor der Rückeroberung Konstantinopels ein Heer des Kaisers Johannes Batatzes in diesem Raum operiert und von den v.a. mit Viehzucht beschäftigten Bewohnern, die sich mit akustischen Signalen verständigen, mit Schimpf und Schande vertrieben wird, Akrop I, 114; BlumAkrop 143. Auf eine solche Organisation konnte sich vielleicht auch der Hirte Syrmpanos stützen, als er im ersten Bürgerkrieg mit vielen anderen leichtbewaffneten Nomaden für den jüngeren Andronikos in die Auseinandersetzungen eingriff, Kant I, 146ff. Von einer solchen Organisation in der Nähe der Stadt Strumitza war schon die Rede. 277 Vgl. H. W. Lowry, The Island of Limnos: A Case Study on the Continuity of Byzantine Forms under Ottoman Rule, in: Continuity and Change in Late Byzantine and Early Ottoman Society, ed. A. Bryer / H. Lowry, Birmingham-Washington 1986, 235ff. Vgl. auch A. T. Luttrell / V. v. Falkenhausen, Lindos and the Defense of Rhodos, RSBN 22/23,1986,317-332. 278 Vgl. MatschMikr 411ff. 279 MagPol 509, 520; deutsche Übersetzung durch W. Blum, Byzantinische Fürstenspiegel, Stuttgart 1981, 137f., 167.
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Allerdings ist es von dem gelehrten Autor nur als Forderung formuliert, und das könnte heißen, daß es durchaus nicht unbedingt gültige städtische Praxis gewesen sein muß, und ausgeschlossen wäre im Falle praktischer Gültigkeit auch nicht unbedingt die Mehrheit des Stadtvolkes, sondern im engeren Sinne nur die Stadtarmut aus dieser Verpflichtung, die gleichzeitig ein wichtiges Recht war. Sehr wahrscheinlich erfolgte in diesen Nachbarschaften auch die Umlage der in den städtischen Volksversammlungen festgelegten Sonderabgaben bzw. die Veranlagung der zu ihnen gehörigen Bewohner, und obwohl die Verantwortlichkeit für diese Aufgabe ganz offenbar bei dem für das jeweilige Stadtviertel zuständigen Demarchen oder Archonten lag und er für die konkrete Aufschlüsselung der Steuerauflage in erster Linie Leute seines Vertrauens heranzog, so kann man doch davon ausgehen, daß sowohl das staatliche als auch das Interesse der Nachbarn auf die Heranziehung möglichst vieler Bewohner zur Aufbringung der geforderten Geldsumme hinauslief und daß die mit der Umlage beauftragten Bewohner nicht nur das Vertrauen des Demarchen, sondern auch das möglichst vieler ihrer Nachbarn benötigten. 28o Es ist also sicher nicht falsch, wenn man annimmt, daß in diesen städtischen Nachbarschaften sowohl Meinungsbildung als auch Meinungsäußerung zu wichtigen gesellschaftlichen und politischen Fragen erfolgte und daß an dem einen wie dem anderen wichtige Teile des Stadtvolkes beteiligt waren. In den kleineren Städten des Reiches war die städtische Einwohnergemeinde sicherlich nicht in zusätzliche Nachbarschaften gegliedert und nahm daher selbst im wesentlichen die eben beschriebenen Aufgaben wahr. Die Hauptstadt Konstantinopel setzte sich jedoch ganz eindeutig aus einigen Nachbarschaften zusammen,281 und auch in Thessalonike existierten mindestens zwei, wahrscheinlich aber noch mehr Stadtteilorganisationen. 282 Daß städtische Volksversammlungen in Konstantinopel seit der Wende zum 14. Jh. häufiger wurden, diese Vermutung wurde bereits geäußert und auch schon zu begründen versucht. Gebraucht wurden sie vom Kaiser und von der herrschenden Elite besonders zur Durchsetzung von Sondersteuern. Als das Volk der Hauptstadt in verschiedenen krisenhaften Situationen schon unter Michael VIII., dann aber besonders unter Andronikos II. in große Unruhe geriet, kamen die Herrscher aber auch nicht umhin, sich vor städtischen Volksversammlungen 280 Diese Feststellungen beruhen v.a. auf einem Brief des Demetrios Kydones vermutlich aus dem Jahre 1386, der mit ausführlichem Kommentar im dritten Band der Übersetzungen der Kydonesbriefe von Franz TinnefeId erschienen ist: TinnKyd 111 184ff. (Nr. 0293); Originaltext: KydEp 11, 183f. (Nr. 268). 281 Vgl. MatschDem passim. 282 MatschThes 25ff.
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bzw. vor ausgewählten Vertretern der Einwohnerschaft für ihre Politik zu rechtfertigen, um auf diese Weise der Gefahr selbständiger Aktivitäten des Stadtvolkes vorzubeugen oder sie im Keim zu ersticken. Das war der Fall auf dem Höhepunkt des Arsenitischen Schismas, das war so ähnlich auf dem Höhepunkt der durch die Katalanische Kompanie forcierten Krise. Und in beiden Fällen laufen die kaiserlichen Initiativen darauf hinaus, das Volk zu bitten bzw. zu drängen, von seinen Versuchen abzulassen, sich in die politischen Angelegenheiten einzumischen, und sich zweckmäßigerweise wieder seinen eigenen, privaten Dingen zuzuwenden. 28J Damit bricht unter neuen Bedingungen ein traditioneller Widerspruch der byzantinischen Gesellschaft auf. Das Volk (von Konstantinopel) meldet nachdrücklich sein Recht auf politische Betätigung an, während die Herrscher und ihre Propagandisten diesen Anspruch als Neuerungssucht zu denunzieren und das Volk aus der Politik herauszuhalten bzw. wieder herauszudrängen versuchen. 284 Das gelingt jedoch allenfalls kurzfristig, während sich auf lange Sicht diese Einmischung verstärkt und schließlich im Bürgerkrieg nach dem Tod des jüngeren Andronikos Mitte 1341 einen byzantinischen Höhepunkt findet. Zunächst sind es aber eher ländliche und bäuerliche Kräfte, die politisch mobil machen, und ihre Aktivitäten sind nicht nur auf die Innenpolitik, sondern auch auf die Außenpolitik und ihre Konsequenzen für das Reich gerichtet. Schon im Jahre 1262 erhoben sich bithynische Grenzbauern und Grenzkrieger, um gegen die Vernachlässigung der Ostgrenzen des Reiches zu protestieren und den für Michael VIII. nicht ungefährlichen Versuch zu machen, einen angeblichen Sprößling des Kaiserhauses der Laskariden als Herrscher einzusetzen und mit ihm die Politik der Kaiser des byzantinischen Exils in Nikaia wieder aufzunehmen. 285 Und die Jahre um 1300 sind geprägt durch verschiedene spektakuläre Selbsthilfeaktionen, getragen von einfachen Bauern bzw. Hirten und darauf gerichtet, den Verlust Kleinasiens zu verhindern. Aber auch in diesen Aktivitäten wittern Kaiser, Hierarchen und Archonten vEWtEPWIJ.OS und suchen ihre Anführer als Landstreicher bzw. sogar als Ketzer und Zerstörer der kirchlichen Tradition hinzustellen. 286 Auch im Bürgerkrieg der 20er Jahre spielen selbständige Aktionen ländlicher Volks kräfte eine noch durchaus zu erkennende Rolle, so in der Person des wlachischen Schweinehirten 283 PachFaii II, 361/363; III, 95; vgl. MatschÖff. 284 Dazu H.-G. Beck, Konstantinopel. Zur Sozialgeschichte einer frühmittelalterlichen Hauptstadt, BZ 58, 1965, 41f., Anm. 80; BeckSen 49 und in vielen anderen Arbeiten. 285 PachFail I, 259-265; vgl. G. G. Arnakis, Oi :rtpöl1;m 'OeOJlLavo~ Athen 1947, 39ff.; VryDecl136; M. Bartusis, The Late Byzantine Army, Arms and Society 1204-1453, Philadelphia 1992, 54ff. 286 PachFaii III, 211; IV, 485/487.; vgl. MatschOrth 36f.
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Syrmpanos, der im Rhodopengebiet für den jungen Kaiser Andronikos 111. Partei ergreift und so viele Landbewohner hinter sich bringt, daß die umliegenden Städte aus Furcht vor dem ländlichen Druck und vor den Zwistigkeiten in der Region die Bürgerkriegsfront wechseln und ebenfalls auf die Seite des jungen Herrschers übertreten. 287 In ihrer detaillierten Analyse der Ereignisse von 1262 hat A. E. Laiou erst kürzlich festgestellt, daß sich die bäuerlichen Rebellen nicht als Zerstörer, sondern viel eher als Beschützer und Bewahrer der existierenden gesellschaftlichen und politischen Ordnung betrachteten, daß sie sich zu ihren Aktionen berechtigt und sogar verpflichtet fühlten, weil der Kaiser sich nicht an eidliche Versicherungen zur Wahrung dieser Ordnung gehalten hatte. Damit lösten sie sich jedoch nach der Auffassung Laious vom traditionellen byzantinischen Herrschaftskonzept, nach dem der Kaiser verschiedene Tugenden wie Gerechtigkeit, Menschenfreundlichkeit und Tapferkeit besitzen und verschiedene Funktionen, wie die Reichsverteidigung, wahrnehmen mußte, dafür aber nur Gott und der Kirche verantwortlich war. Und Laiou verweist weiter darauf, daß es sich besonders bei den Selbsthilfe aktionen der Jahrhundertwende um Bemühungen für ein gefährdetes Vaterland handelt, die in ihrer Art durchaus in die Zukunft weisen können, die aber auch ihre byzantinischen Vorgänger in frühmittelbyzantinischer Zeit, besonders im 10. Jh. haben, als bäuerliche TätiB~eit und militärischer Einsatz noch nicht voneinander getrennt waren. Das Recht auf politische Betätigung wird hier also zu einem Recht auf Rebellion. 289 Auch das ist in Byzanz nicht völlig unbekannt, denn es war praktisch eine Konsequenz der politischen Rechte des Volkes, und diese Konsequenz wurde vom Volk der Hauptstadt im Verlauf der byzantinischen Geschichte verschiedentlich auch durchaus gezogen. Trotzdem ist das beschriebene Geschehen irgendwie neu. Neuartig ist schon, daß dieses Recht in den beschriebenen Fällen nicht vom Volk Konstantinopels als dem Repräsentanten des ganzen Reichsvolkes wahrgenommen wird, sondern von bewaffneten bzw. sich bewaffnenden Bauern und Viehhirten. Und neuartig ist wohl auch die politische Logik, die diesen Aktionen zugrunde liegt bzw. die Konsequenz, mit der sie von den Aktivisten umgesetzt werden, denn sie handeln gewissermaßen in Stellvertretung für andere, die ihre Aufgaben nicht erfüllen und damit auch ihren Verpflichtungen gegenüber dem Volk nicht nachkommen. Hier geht es also um etwas mehr bzw. um etwas anderes, als um das ungeschriebene, aber 287 Kant I, 146ff.; vgl. AsdrRhod 206; MatschFort 60. 288 LaiouReb 116f. 289 A.O. 104 verweist L. auf die Pflicht zur Rebellion für das Volk unter ganz bestimmten Umständen, die das Volk zum Garanten der politischen Ordnung macht.
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praktisch zugestandene "Recht" des Hauptstadtvolkes zur Beteiligung an der Kaiserwahl und an seiner Abwahl und um das "Recht" des gleichen V olkes zur Artikulierung und Präsentierung politischer Meinungen vor dem Kaiser. 2w Die Herrschenden werden an ihren von Gott bestimmten und von ihnen selbst eingegangenen Verpflichtungen gemessen, und die eigenen Aktionen werden damit begründet, daß die anderen diesen Verpflichtungen nicht nachkommen. Wenn das stimmt, dann liegt hier vielleicht ein Ausgangspunkt für das von.:n eiß benannte ständische Denken und für die von ihm ausgedrückte Uberzeugung von einer besonders wichtigen, besonders prononcierten Rolle des Volkes in der Gesellschaftsentwicklung der frühen Palaiologenzeit. Indem die Aufständischen und die Verteidiger byzantinischen Landes die Kaiser und die Herrschenden an ihre Verpflichtungen erinnern, gehen sie vielleicht von ähnlichen Vorstellungen einer Harmonie ungleicher gesellschaftlicher Gruppen als Kennzeichen des von Gott gewollten und geschaffenen Kosmos im ganzen aus, wie sie der westlichen Ständeordnung zugrunde liegen. 291 Und auch in Byzanz könnte das Vordringen ständischer Denkformen eine wachsende Differenzierung und Ausprofilierung der Gesellschaft reflektieren, die klarere Ausformung der spätbyzantinischen Aristokratie und (mit Abstrichen auch) der Bürokratie, die weiter oben beschrieben wurde, und vielleicht auch die weitgehende Verdrängung der bäuerlichen Bevölkerung aus dem militärischen Bereich, ihre Beschränkung auf reine Bewachungs- und örtliche Verteidigungsaufgaben, die den Schutz des Reiches und die Rückgewinnung verlorener Reichsgebiete auch aus der Sicht der Bauern und der einfachen Landbevölkerung anderen gesellschaftlichen Gruppen zuwies. 292 Durch diese Uberlegungen könnten aber auch die Aktivitäten des byzantinischen Stadtvolkes seit der Wende zum 14. 1h. in einem neuen Licht erscheinen, insofern als auch sie möglicherweise etwas anderes waren als reine Fortschreibung traditioneller gesellschaftlicher Verhaltensweisen und Auftritte. In Konstantinopel veranlaßt die bedrohliche Haltung der Einwohner und ihr Vorgehen gegen einen katalanischen Admiral und seine vornehme byzantinische Verwandtschaft im 1ahre 1305 den Kaiser zu einem Kurswechsel in seiner Flottenpolitik und zu
290 Vgl. besonders BeckJahrt 56ff. 291 Vgl. OexStat 62f. 292 Über den Zusammenhang zwischen der Entwicklung funktionaler Deutungsschemata der sozialen Wirklichkeit und der Herausbildung eines Ritterstandes, der die Funktion des Waffengebrauchs und des Waffendienstes von sozial wie rechtlich bisher unterschiedlichen Gruppen übernimmt, und des Bauernstandes, den die Funktion der körperlichen Arbeit eint, reflektiert Oexle im gleichen Aufsatz, 52.
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energischeren Sicherungsmaßnahmen für seine Hauptstadt. 293 In Bizye zwingen die Stadtbewohner den Militärkommandanten zu einem Ausfall gegen katalanische Truppen, und die Einwohner von Tzurulon dringen Ende 1306 sogar kämpfend bis nach Rhaidestos vor, beschränken sich also auch nicht auf die Verteidigung ihrer Stadt, sondern gehen zu überlokalen militärischen Operationen über. A. E. Laiou hat im Zusammenhang speziell mit den Aktionen dieser Provinzstädte vor längerer Zeit von einem frühen Nationalismus gesprochen und ihn vom irrationalen Handeln und der selbstmörderischen Haltung der Anführer der bäuerlichen Selbsthilfeaktionen abgegrenzt. 294 In ihrem erst kürzlich veröffentlichten, schon mehrfach zitierten Aufsatz über bäuerliche Rebellion im späten Byzanz sieht sie aber auch diese Aktionen dadurch motiviert und damit begründet, daß das Vaterland in Gefahr ist,295 und bringt sie damit typologisch einander näher, auch wenn sie sachlich nicht zusammengehen. Und in der Tat liegt der Umstand, daß byzantinische Kaiser und byzantinische Truppenkommandeure dazu veranlaßt bzw. sogar gezwungen werden, den Verpflichtungen nachzukommen, die sie ihren Funktionen gemäß hab~n, auf einer durchaus gleichen oder zumindest ähnlichen Ebene wie die Uberzeugung und die Bereitschaft der Bauern und Hirten in den Bergen Bithyniens und den Ebenen Thrakiens, Aufgaben zu übernehmen, die nicht die ihren sind, und sogar das Leben zu wagen für eine Ordnung, die für das Volk wenig übrig und dem Volk wenig zu bieten hat. Das Engagement des Volkes im zweiten Bürgerkrieg nach 1341 kommt also auch für die Herrschenden und Etablierten sicherlich nicht aus heiterem Himmel, sondern es hat eine längere Vorgeschichte, in der dieses Volk neuartige Konturen bekommt, soziale und mentale, ganz besonders aber auch politische. Städtische Nachbarschaftsorganisationen und Volksversammlungen werden in den bewegten 40er Jahren zu Mittelpunkten aktiver gesellschaftlicher Handlungen, in denen die aristokratischen Kräfte um den Gegenkaiser Kantakuzenos in die Defensive gedrängt und aus denen sie zeitweilig weitgehend eliminiert werden. 296 In Thessalonike organisiert sich sogar eine Volkspartei, die ihrer inneren Struktur nach westlichen Parteibildungen in dieser Zeit durchaus nahesteht297 und das politische und gesellschaftliche Geschehen in der Stadt für ein Jahrzehnt ganz wesentlich beeinflußt. Sowohl in Konstantinopel als auch in Thessalonike werden die Seeleute zum aktivsten Posten der 293 294 295 296 297
PachFail IV, 579/581/583. PachFaiJ IV, 693, 689; vgl. Laiou 169, 192. LaiouReb 111 ff., 116. Vgl. MatschÖff 196f. Vgl. MatschPart 81H.; MatschThes 24.
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gegen Kantakuzenos gerichteten Kräfte, die sich entschieden für eine strategische U morientierung der spätbyzantinischen Gesellschaft auf das Meer und für den langfristigen Gewinn neuer Lebenschancen durch diese Umorientierung engagieren. Vom flachen Land und seinen Bewohnern ist in diesem Bürgerkrieg nur wenig zu sehen. Immerhin steht an der Spitze der Volksbewegung in Adrianopel ein Mann der Hacke, also vermutlich ein Tagelöhner, der in der Stadt wohnt und in den Weinbergen, Gemüsegärten und auf den Kornfeldern im städtischen Umland arbeitet, und unter den Bewohnern der Vorstädte von Didymoteichon, die eine ausgesprochen feindselige Haltung gegenüber der Frau des Kantakuzenos und ihren Leuten einnehmen und deshalb von ihnen zerstört werden, befinden sich sehr wahrscheinlich auch viele Lohnarbeiter von dieser Art. 298 Ein serbischer Hirte und Herdenbesitzer aus einem Dorf bei Prosek liefert schließlich einen prominenten Anhänger des Kantakuzenos als Gefangenen in Thessalonike ab und wird dafür mit städtischem Besitz belohnt. 299 Es zeigt sich, daß der geistig-kulturelle Gegensatz zwischen Stadt und Land auch durch wirtschaftliche Annäherungen und soziale Nivellierungen nicht wirklich überwunden werden kann. Es läßt sich nachweisen, daß sich auch in den städtischen Volks schichten das Bild vom dummen und einfältigen Bauern bis in diese Spätzeit hinein hartnäckig hält. JOO Und es ist anzunehmen, daß es vor allem diese Vorurteile, und zwar die Vorurteile beider Seiten, waren, die ein Zusammengehen von Stadt und Land in den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen der frühen Palaiologenzeit über Ansätze nicht hinauskommen ließen. Mit dem Ende des Bürgerkrieges verabschiedete sich das byzantinische Landvolk endgültig aus der gesellschaftlichen Bewegung. Die byzantinischen Bauern Thrakiens und Makedoniens wurden mit dem Übersetzen 298 LaiouReb 113, Anm. 47 sieht im Volk der Vorstädte von Didymoteichon, das zu Beginn des zweiten Bürgerkrieges gegen die Anhänger des Kantakuzenos rebelliert, in erster Linie Bauern, aber das scheint mir problematisch, denn ich vermute eher eine gemischte Bevölkerung, zu der auch Bauern, aber auch Handwerker, städtische und ländliche Tagelöhner gehören. Die Stadt verdankt ihren Aufstieg im frühen 14. Jh. ihrer wiederholten und längerfristigen Nutzung als Kaiserresidenz, und das macht nicht nur ein erhöhtes Angebot an Agrarprodukten, sondern auch an handwerklichen Erzeugnissen (Waffen, Textilien) nötig. Nach der Zerstörung dieser Vorstädte durch die prokantakuzenische Stadtbesatzung nutzen die Sieger das Land zum Anbau von Gemüse, führen es wieder rein landwirtschaftlicher Nutzung zu, Kant H, 289. 299 Kant H, 256; vgl. MatschThes 33. 300 Als sich die Reisegruppe des Georgios Oineiates auf dem Weg nach Ganos um 1330 in einem Dorf mit Reiseproviant versorgt, ist es ein Bediensteter, der einem angeblich nicht sehr gescheiten Landmann für seinen Wein und seine anderen Lebensmittel wertlose bzw. wertgeminderte Münzen andrehen will, während die Szene von den anderen Mitreisenden belustigt verfolgt und erst dann vom Dienstherrn und brieflichen Berichterstatter beendet wird, AhrwRec 24.
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der Türken nach Europa: seit 1353/54 zu Paaren getrieben. Falls sie die Wirren und Grausamkeiten der Eroberungszeit überlebten, fanden sie sich bald als osmanische Untertanen wieder in Lebensbedingungen, die kaum schlechter und nicht selten eher besser waren als unter byzantinischen Herrschern. In den Städten scheinen die Ereignisse und Ergebnisse des Bürgerkrieges noch länger nachgewirkt zu haben. Städtische Volksversammlungen zur Festsetzung notwendiger materieller und finanzieller Abgaben für die Verteidigung gegen die Türken fanden in den 50er und 60er Jahren nach einer beiläufigen Bemerkung des Demetrios Kydones regelmäßig jedes Jahr statt,301 und nachweisbar sind aus gleicher Zeit auch Volksversammlungen im Hippodrom zur Information des Stadtvolkes über die Unions gespräche mit der Westkirche. 302 Politische Meinungsund Willensäußerungen des Stadtvolkes von Konstantinopel lassen sich aus etwas späterer Zeit noch in einigen wenigen Fällen andeutungsweise erkennen. So soll nach einer lateinischen Quelle dieses Volk im Jahre 1379 venezianische Hilfe gegen den Usurpator Andronikos IV. und die ihn unterstützenden Genuesen erzwungen haben. 303 Das Stadtvolk war es wahrscheinlich auch, das 1396 nach dem unglücklichen Ausgang der Schlacht bei Nikopolis und dem Zusammenbruch der Hoffnung auf Hilfe durch westliche Kreuzfahrer den Beschluß faßte bzw. zu dem Beschluß beitrug, die Stadt nicht dem Osmanensultan auszuliefern. 304 Und im Jahr 1399 schließlich soll Kaiser Manuel kurz vor seiner Abreise in den Westen zur Werbung um lateinische Hilfe für sein Reich vom Volk seiner Hauptstadt gezwungen worden sein, seinen Neffen Johannes VII. nach Konstantinopel zu holen und als Mitregenten einzusetzen. 305 Der weitere Niedergang des Reiches blieb aber auch nicht ohne Auswirkungen auf die städtische Bevölkerung. Thessalonike, die zweite 301 Demetrii Cydoni Oratio De non reddenda Callipoli petente Amurate, PG 154, 1013. Kaiser Johannes V. beginnt 1355 seine Alleinherrschaft mit der Erhebung einer Sondersteuer auf Getreide und Wein zwecks Aufbau einer Flotte, PerDoc 259ff. 302 O. Halecki, Un empereur de Byzance aRome, Warschau 1930,369; P. Schreiner, Ein Schreiben Papst Urbans V. an den Patriarchen des Ostens, Archivum Historiae Pontificiae 9, 1971, 411ff. Das päpstliche Schreiben wird im Hippodrom verlesen, der offenbar immer noch der zentrale Versammlungsort des Volkes war. 303 Daniele di Chinazzo, Cronica de la Guerra da Veneciani a Zenovesi, ed. V. Lazzarini, Venedig 1958, 216: tuta la chomunitade, grand i e picholi de Costantinopoli egualmente cridava ,. Viva San Marco c ; vgl. N. Necipo~u, Byzantium between the Ottomans and the Latins, Harvard 1990, 195f. 304 Duk 81/83; vgl. BeckJahrt 58. Bei BeckSen 71 ist in diesem Zusammenhang die Rede vom Volk, das in seinen Versammlungen und Konventikeln entscheidet, aber so konkret ist der Text, soweit ich sehe, leider nicht; vgl. auch BarkMan 144f. und die englische Übersetzung der Dukas-Passage in Anm. 34. 305 Duk 83; vgl. BeckSen 71; BarkMan 145, Anm. 35.
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Großstadt des Reiches, war schon 1387 ein erstes Mal in türkische Hände geraten, und als sich nach einem kurzen byzantinischen Zwischenspiel erneut die Gefahr der Übernahme durch die Türken abzeichnete, setzte sich das Stadtvolk nach den Worten des Stadtbischofs Symeon vehement für eine Übergabe ein, weil es auf ein besseres Leben unter den Türken hoffte und an die Möglichkeit glaubte, dadurch zu Reichtum und Wohlleben zu kommen und in den Stand von Magnaten versetzt zu werden. J06 Das ist sicherlich eine böswillige Unterstellung des frustrierten Kirchenhirten. Was daran stimmt, das ist zweifellos die Hinwendung des Stadtvolkes zu den Türken und die Hoffnung, damit einer besonders für das Volk unerträglich gewordenen Situation zu entkommen. Pro türkische Tendenzen machen sich seit dem frühen 15. Jh. auch im Volk der Hauptstadt und seiner Umgebung breit, und es ist durchaus überraschend, aber auch nicht ohne innere Logik, daß sie sich ganz besonders bei Fischern und Bootsleuten, bei den vom Meer und der Schiffahrt lebenden Bevölkerungsgruppen finden, die sich lange Zeit besonders aktiv für die Durchsetzung ihrer Interessen in einer neuprofilierten byzantinischen Staatlichkeit eingesetzt hatten. Konstantinopel ist auch kurz vor seinem Ende als Reichszentrum eine sehr lebendige Stadt, und diese Lebendigkeit geht auch in dieser Zeit noch zu einem guten Teil vom Stadtvolk, von den um ihre Existenz ringenden kleinen Kaufleuten und Handwerkern, von Fischern, Matrosen, Lastträgern und von den auf fremdes Mitleid angewiesenen Bettlern, Obdachlosen, Flüchtlingen, Alten und Kranken aus, aber von politischen Impulsen aus dem Milieu des Volkes ist nichts mehr zu erkennen und kaum etwas zu erwarten. Aus dem byzantinischen Demos als Basis ständischer Differenzierung und als Impulsgeber bzw. Reflektor ständischen Denkens ist, um im byzantinischen Bild zu bleiben, am Ende wieder eher der einfache Laos oder sogar der Ochlos geworden.
2.5. Grundstrukturen und Hauptprozesse der byzantinischen Gesellschaft in der Palaiologenzeit ergänzende Zusammenfassung Grundsätzlich hat sich die Struktur der byzantinischen Gesellschaft also auch in der Palaiologenzeit nicht verändert. Sie ist und bleibt geprägt durch das Zusammenwirken von Aristokratie, Bürokratie und Demokratie und die Auseinandersetzung zwischen ihnen. Die großgrundbesitzende und private Macht ausübende Aristokratie hatte sich schon mit der 306 SymPol 55f.; vgl. 157f.
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Dynastie der Komnenen in den Mittelpunkt der Gesellschaft geschoben, aber sie verlor bis ganz zuletzt nicht bestimmte Züge eines Dienstadels. Die um den Kaiserhof gruppierte Bürokratie hatte ihre dominierende gesellschaftliche Position in der Auseinandersetzung um das Erbe der Makedonenherrschaft eingebüßt und sich damit abfinden müssen, daß gesellschaftlicher Status nicht mehr ausschließlich bzw. vornehmlich durch den zugewiesenen Rang in der Ämterhierarchie bestimmt wurde, aber wichtige Bereiche staatlicher Organisation, wie Rechtsprechung und Steuerverwaltung, blieben weiterhin ihre Domäne oder wenigstens ihr Refugium. Auch das Volk kann neben seiner traditionellen Rolle bei der Erzeugung materieller Güter und als Objekt von Besteuerung und Dienstleistung seinen immer nur schmalen Anteil an den politischen Entscheidungen der Gesellschaft behaupten und zeitweilig sogar etwas erweitern, weil hinter dem Volk von Konstantinopel auch das Volk der byzantinischen Provinz und besonders der Provinzstädte auftaucht und ein deutlicheres gesellschaftliches Profil gewinnt. Wenn etwas neu ist für die byzantinische Gesellschaftsentwicklung in dieser Spätzeit, dann ist es nicht die Eliminierung traditioneller gesellschaftlicher Basiselemente, sondern vielleicht ihre veränderte Positionierung und mit Sicherheit ihre ganz besondere Ausprofilierung, ihre verstärkte Abgrenzung voneinander und ihre verstärkte gegenseitige Abhängigkeit. Trotz der schon an der Wende zum 14. Jh. sichtbar werdenden Macht- und Gebietsverluste ist die frühe Palaiologenzeit für die byzantinische Aristokratie eine konstruktive, nicht eine destruktive Periode. Sie formt sich noch deutlicher als zuvor aus als Clan um die herrschende Dynastie. Sie gewinnt durch Konzentrierung und Massierung von Grundbesitz und durch ihre von diesem Besitz abgeleitete und auf ihm basierende Macht die Dimension und das Niveau eines Magnatenturns. Die aristokratische Exklusivität wird nicht nur durch das von den vornehmen Familien praktizierte Konnubium und die vom Herrscher selbst gesteuerte Heiratspolitik gefestigt, sondern auch durch eine besonders sichtbar gemachte Stellung am Kaiserhof und gegenüber der Person des Kaisers J07 307 Daß die spätbyzantinische Reichsaristokratie im Kaiser nur noch den primus inter pares sah, daß sie die Beratung des Kaisers für sich zwingend beanspruchte und jede Form von Unterordnung und Knechtschaft für sich ablehnte (und damit wohl auch eine spezifische Form ständischer Freiheit für sich konzipierte), hat DietId 31ff., im Anschluß an G. Weiß präzis herausgearbeitet. Für Andronikos 11. kommen im Bürgerkrieg mit seinem Enkel nur Mitglieder des Herrscherclans als Verhandlungspartner in Frage, nicht aber Leute wie der Mitarbeiter im Steuerwesen und Aufseher über die Salzvorräte des Staates Alexios Apokaukos oder der Soldat Kalochairetes, Kant I, 118 und 127ff. Nikephoros Gregoras, der junge Gelehrte aus dem literarischen Zirkel des älteren Andronikos, nimmt später in seinem Geschichtswerk mit kritischem Unterton besonders zur Kenntnis, daß dessen Enkel Andronikos 111. während seiner Regierungs-
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und durch besonders ehrenvolle Behandlung im obersten Reichsgericht. JOI Eine Tendenz zur ständischen Abschließung dieser Aristokratie ist also nicht zu verkennen. Für die definitive Durchsetzung dieser Tendenz scheinen wichtige Voraussetzungen allerdings weiterhin unerfüllt zu bleiben. Die personelle Zusammensetzung des Reichsrates und des Kaisergerichts ist von der persönlichen Entscheidung des Herrschers abhängig, die Zugehörigkeit zu diesen Leitstellen der Macht wird also kein aristokratisches Privileg, sondern bleibt nur eine Möglichkeit aristokratischer Einflußnahme. In den Besitz von Apanagen mit territorialer Dimension gelangen nur wenige Magnaten, praktisch nur die engsten Angehörigen des Herrscherclans. Manche Berechtigungen zur Ausübung von Macht und Durchsetzung von Recht und zur Erhebung von Steuern und Sachleistungen mußten sich aristokratische Mitglieder der Palaiologenfamilie ebenso kaufen wie andere mögliche Interessenten auch. Eine rechtliche Absicherung und Abgrenzung aristokratischer Existenz gab es also weder in persönlicher noch in sachlicher Hinsicht, und damit werden zweifellos wichtige Defizite gegenüber Ständebildung und Ständegesellschaft im mittelalterlichen Westen ganz deutlich. Vielleicht waren die nichtjuristischen Regelmechanismen ständischer Abgrenzung in Byzanz aber so stark und wirkten so perfekt, daß ein juristischer Notbehelf sich praktisch überflüssig machte, wurde die gesellschaftliche Grenzlinie, die die Aristokratie von den anderen Gruppen der Gesellschaft trennte, durch eine sorgsam gesteuerte gesellschaftliche Meinung und durch weitere gesellschaftliche Regularien genauso zuverlässig gesichert, wie anderenorts durch spezielle juristische Konstruktionen, so gut zumindest, daß die an ihr interessierten und von ihr profitierenden gesellschaftlichen Kräfte weitere Sicherungen nicht für nötig hielten. Die hauptsächlich genannten zeit die Grenze zwischen den mit ihm herrschenden aristokratischen Kreisen und den dem KaisertUm dienenden Kräften nicht so streng beachtete und mit beiden Gruppen auf gleicher Ebene verkehrte, Greg 1,565; vgl. dazu DietGreg 11/1, 546f. 308 Das traditionelle Recht der Synkletikoi, (nur vor die Senatoren des Kaisergerichts und) nicht vor andere Gerichte geladen zu werden, wird in der byzantinischen Spätzeit noch einmal (1393) eingefordert, MM 11, 174, allerdings vergeblich, und das ist wohl auch erklärlich, denn seit 1330 unterstanden alle Reichsuntertanen und damit wohl auch die Synkletikoi unterschiedslos den Katholikoi Kritai. In den Ausführungsbestimmungen zur Einrichtung des Kollegiums der Oberrichter ordnete Andronikos III. jedoch an, daß nur Skaranikon-Träger ihre Angelegenheiten vor diesem neuen Obersten Gericht sitzend vertreten durften, die anderen, d. h. Würdenträger vom Logothetes ton angeIon abwärts, DöReg 2808, (und Personen ohne Rang und Würde) mußten die Verhandlungen stehend verfolgen, ZachRezGeib 875. Damit bleibt die bürokratische Ordnung Grundlage der rechtlichen Privilegierung, da die höheren Ämter und Würden aber vor allem in den Händen des Herrscherclans und der Reichsaristokratie konzentriert waren, ist die oben gewählte Formulierung vielleicht vertretbar.
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und häufig benannten Defizite byzantinischer Ständebildung wären nach dieser Logik und aus diesem Blickwinkel heraus also eher Hinweis auf eine byzantinische Spezifik ständischer Entwicklung und ein Beweis für die Stärke ständischer Strukturen. Auch die für Byzanz immer wieder in Anspruch genommene Offenheit der Gesellschaft ist per se kein Argument gegen ihre ständische Ausformung, zumindest dann nicht, wenn diese Gesellschaft Mechanismen entwickelt, um ihre Offenheit zu kontrollieren, wie das im späten Byzanz ganz zweifellos der Fall ist. Und umgekehrt läßt sich für das westliche Mittelalter in jüngster Zeit immer deutlicher erkennen, daß selbst juristische Begrenzungen gesellschaftliche Austauschprozesse über diese Grenzen hinweg nicht völlig unmöglich machen und die gesellschaftliche Dynamik nicht unbedingt verhindern, sondern auch nur auf eine spezifische Weise kanalisieren und kontrollieren. Vielleicht unterscheidet sich die westliche von der östlichen Gesellschaftsentwicklung im Mittelalter also nicht so sehr durch ein Mehr oder Weniger an ständischer Abgrenzung und Profilierung als vielmehr durch die Spezifik des Zustandekommens ständischer Gesellschaften und durch die Besonderheiten ihrer Absicherung. In diesem Sinne wäre es also durchaus denkbar und vielleicht sogar rechtens, die Macht- und Besitzelite der frühen Palaiologenzeit als Stand zu beschreiben. Das spätbyzantinische Beamtenturn, die spätbyzantinische Bürokratie stellt sich ihr gegenüber eher als eine Art von Funktionselite dar. Ihre Mitglieder verfügen in der Regel auch über Grundbesitz und über bestimmte Attribute von Macht, sie definieren sich in erster Linie aber über ihre Funktionen im staatlichen Apparat. Die öffentliche Meinung und das gruppenspezifische Selbstverständnis fordern von ihnen den vollen Einsatz für die ihnen übertragene öffentliche Aufgabe. Als der durch Bürgerkrieg, Volks aufstand und Serbeninvasion seines väterlichen Erbes beraubte Thessalonicher Demetrios K ydones auf der Suche nach einem angemessenen Lebensunterhalt und einer anspruchsvollen Aufgabe von dem mit seinem Vater bekannten und ihm verpflichteten Kaiser Johannes Kantakuzenos ohne Umstände in die Vertrauensposition des Mesazon eingesetzt wurde und zur besseren Wahrnehmung seiner Amtsverpflichtungen mit dem Erlernen der lateinischen Sprache begann, brachten die Höflinge in seiner Umgebung die Erwartung zum Ausdruck, der Kaiser werde es nicht gestatten, daß der junge Mann seine Arbeitskraft in den Dienst einer anderen Sache stelle als der staatlichen, für die er beamtet sei.J09 Während des ersten Bürgerkrieges und auch noch kurz nach der Machtübernahme des jüngeren Andronikos übte der Magnat Kantakuzenos selbst neben der militärischen Führungsfunktion eines Großdomestikos zusätzlich faktisch und wohl auch offiziell das Me309 MercNot 361; BeckApo1210.
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sazonamt aus. In Absprache mit seinem kaiserlichen Herrn und Freund überließ er dieses Amt dann dem Parakoimomenos Alexios Apokaukos, behielt sich aber die Kontrolle über den neuen Amtsträger und die Erledigung der wichtigsten Angelegenheiten weiterhin vor. Und als Apokaukos im Frühjahr 1341 eine maritime Kommandofunktion übernahm, traten an seine Stelle kurzfristig gleich vier Amtsträger, die die Aufgabenbereiche des Mesazon, d. h. die Leitung der Kaiserkanzlei und des Schatzamtes kollegial unter sich aufteilten, auch das auf Anweisung und unter Kontrolle des Kantakuzenos. 31o Sein Fall ist für die mögliche Kumulation unterschiedlichster staatlicher Funktionen in den Händen der Reichsaristokratie zweifellos besonders auffällig und bezeichnend. Aber auch in der Provinz läßt sich die Verbindung von städtischen und regionalen Verwaltungsfunktionen mit militärischen Führungsaufgaben, der Leitung militärischer Expeditionen und der Aufstellung der dafür benötigten Militäreinheiten und gelegentlich auch mit Schlüsselstellungen im Steuer- und Abgabenwesen durchaus beobachten,311 während nicht wenige Richter in den Provinz städten und nicht wenige Steuereintreiber in den ländlichen Regionen ausschließlich oder wenigstens vorzugsweise mit dieser ihnen übertragenen Aufgabe beschäftigt waren, die zumindest bestimmte elementare Fachkenntnisse voraussetzte. 312 Und obwohl es spezielle Bildungseinrichtungen, in denen dieses Wissen erworben werden konnte, wahrscheinlich kaum (noch) gab und obwohl an eine geregelte Amtslaufbahn kaum (noch) gedacht werden kann, existierten auch im späten Byzanz mit Sicherheit Familien, in denen Beamtentätigkeit und vielleicht auch Beamtenwissen weitertradiert und weitergereicht wurden. Wenn es neben einem aristokratischen auch ein bürokratisches Selbstbewußtsein und Zusammengehörigkeitsgefühl gegeben haben sollte, dann war es gegenüber dem der Aristokratie sicherlich schwächer entwickelt und konnte sich wahrscheinlich kaum zu dauerhafter Geltung bringen. Versuche zur Artikulation bürokratischer Ambitionen und zur Verstärkung staatli310 Vgl. LoenChanc 281ff.; BeckMin 312ff. und Ergänzungen von FatKriKant 11,174, aus denen sich ergibt, daß Kantakuzenos sich nicht direkt als Mesazon bezeichnet, allerdings als solcher beschreibt. 311 Die Verbindung von Kephale-Funktion und Steuerfunktion belegen der Megas Papias Alexios Tzamplakon und der Megas Hetaireiarches Georgios Philanthropenos, MaksProvAdm 121, 155. 312 Belegen läßt sich diese Tendenz durch Personen wie Konstantinos Armenopulos, der für die Dauer von etwa zwei Jahrzehnten ausschließlich als Richter tätig gewesen zu sein scheint und dessen spezielle Fachkenntnis die von ihm verfaßte Hexabiblos bezeugt, und wie Theodoros Patrikiotes, der für eine noch etwas längere Zeit ausschließlich als Steuerbeamter auftritt und dessen einschlägige Fachkenntnis allgemein bekannt war. Beide erscheinen aber nur als Einzelpersonen ohne familiäre Vorgänger und Nachfolger.
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cher Strukturen erfolgen nur selten und haben wenig Erfolg. Der strenge Fiskalismus des Großlogotheten Metochites bringt in der Endkonsequenz den Magnaten sicherlich mehr als der Bürokratie und er liefert das steuerzahlende Volk in Stadt und Land ebensosehr den örtlichen Grundherren und ihrer Administration wie den Beauftragten der Staatskasse bzw. den Pächtern von Steuergerechtsamen und Zollpfründen aus. 313 Die Justizreform des jüngeren Andronikos, die ebenso wie seine Steuerregulierungen gegen das von Metochites repräsentierte Herrschaftssystem seines Großvaters gerichtet war, weil sie alle Reichsangehörigen einem obersten Reichsgericht unterstellte und damit die von Metochites gekappten Bindungen zwischen dem Kaiser und seinem VolkJ14 neu zu knüpfen versuchte, mündete nach wenigen Jahren in einen Justizskandal, als drei von vier Oberrichtern wegen Korruption ihrer Funktionen entkleidet, ihres Besitzes verlustig erklärt und in die Verbannung geschickt wurden. 315 Und als Hauptursache für ihr Scheitern wird in einer Apologie bzw. Satire bezeichnenderweise der Druck der ~Eya.Ä.OL/Magnaten genannt, die sich wenig Gedanken über unrechtmäßigen Besitz machen und sich gegen die Oberrichter wenden, je mehr und je größere Macht sie besitzen. 316 Eine weitere Funktionselite der frühen Palaiologenzeit sind die Berufssoldaten, insofern als sie in ihrer übergroßen Mehrheit nicht mehr bäuerliche, wie in mittelbyzantinischer Zeit, sondern Herrenkrieger waren, die vor allem, wenn auch nicht ausschließlich, zu Pferd Dienst taten und wenigstens zu einem Teil, wenn auch längst nicht alle, durch Pronoiai, durch Landzuteilungen bzw. Steuerübertragungen von Land, materiell abgesichert waren. 317 Untersagt war ihnen, dem Handel oder einer anderen Beschäftigung nachzugehen bzw. der Landwirtschaft zu große Aufmerksamkeit zu schenken, weil sie immer für einen Feldzug bereit sein mußten und nicht in die Zwangslage geraten durften, aus irgendwelchen Gründen zu Hause bleiben zu müssen, wie sich der jüngere Andronikos nach dem Geschichtswerk des Kantakuzenos in einer fiktiven Rede äu-
313 Zur wirtschaftspolitischen Haltung des Großlogotheten und Mesazon in Auseinandersetzung mit VriesMet zuletzt BeyerHum 33ff. 314 Greg I, 426. 315 Greg I, 536ff. 316 Nach DietGreg 11/2, 378 hat sich jetzt auch KrestProz 328, Anm. 90, für einen satirischen Charakter der von Theocharides veröffentlichten Schrift ausgesprochen. Die Passage BZ 56, 1963, 81, wird in der Übersetzung von WeiKant 77 aus Anm. 515 wiedergegeben. 317 Zu ihnen zuletzt M. C. Bartusis, The Late Byzantine Army. Arms and Society, 12041453, Philadelphia 1992, und KarayMilit.
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ßert. J18 Daß diese Verbote auch im spätbyzantinischen Altagsleben beachtet und durchgesetzt wurden, könnte ein Entscheid des Patriarchalgerichtes aus dem Jahre 1348 andeuten, in dem es um eine Mitgift geht, die ein gewisser Deblitzenos an die Kinder seiner verstorbenen Frau aus ihrer ersten Ehe zurückerstatten soll und zu der auch Saatgut aus der Landwirtschaft gehört, die diesem Deblitzenos allein wegen der Lasten der Ehe zugestanden worden war. J19 Der dunkle Sinn dieser Mitteilung erschließt sich vielleicht durch verschiedene andere die Geschichte der Familie Deblitzenos betreffende Dokumente, aus denen sich zu ergeben scheint, daß der Deblitzenos der Patriarchatsurkunde den Vornamen Manuel führte, daß er ein Sohn des Stratioten Demetrios Deblitzenos war und selbst militärische Dienste leistete, auch dann noch, als er durch eine zweite Heirat zu bedeutendem Grundbesitz kam. no Während seiner ersten Ehe scheint es ihm dagegen wirtschaftlich noch nicht ganz so gut gegangen zu sein, da sein militärischer Sold bzw. sein Pronoia-Einkommen für die Versorgung einer Familie mit mehreren Kindern aus der ersten Ehe seiner Frau nicht ausreichte, so daß er die Erlaubnis erhielt, trotz seiner militärischen Verpflichtungen die Liegenschaften seiner Frau selbst landwirtschaftlich zu nutzen. Daß er bei den notwendigen Arbeiten selbst wie ein Bauer Hand anlegte, ist allerdings kaum anzunehmen, viel eher ist daran zu denken, daß er zu diesem Zweck Lohnarbeit nutzte oder sogar eine eigene Grundherrschaft betrieb, daß sich ihm mit dieser Ehe und mit dem Erbeigentum seiner Frau auch die Möglichkeit auftat, seine militärischen Verpflichtungen zu relativieren und sich als selbständiger Grundbesitzer 318 Kant I, 238. Diese Aussage bezieht sich für das Jahr 1327, in dem diese Rede gehalten wurde, ausschließlich oder zumindest vorzugsweise auf die Söldnertruppen des jungen Kaisers. In etwas abgeschwächter Form wird sie aber kurze Zeit zuvor auch für seine Soldaten formuliert, die neben ihrem Sold auch Einkünfte aus Landbesitz im Werte von 10 Hyperpern erhalten: Das zugeteilte Land soll den einzelnen Soldaten nicht zu sehr beschäftigen und ihn nicht hindern, jederzeit zu einem Feldzug bereit zu sein. Eine durchschnittliche Militärpronoia brachte nach KarayMilit 77 jährliche Einkünfte von 70-80 Hyperpern, aber auch bei diesen Soldaten mußte es dem Staat darum gehen, ihr landwirtschaftliches Engagement möglichst niedrig zu halten, um ihr militärisches Vermögen ohne Einschränkung nutzen zu können. Daraus könnte sich auch das staatliche Interesse an Mischformen von Sold- und Grundsteuerbezug und sein Desinteresse an Militärpronoiai erklären, deren Inhaber sich zu sehr der Landwirtschaft zuwandten und zuwenden mußten und konnten. Verbote dieser Art lassen sich in Byzanz seit dem 6. Jh. nachweisen, und sie waren in allen Phasen der byzantinischen Geschichte darauf gerichtet, die vollständige Inanspruchnahme der Soldaten durch landwirtschaftliche Tätigkeiten zu verhindern, vgl. J. Haldon, Recruitment and Conscription in the Byzantine Army c. 550-950, Wien 1979, 73, Anm. 128. Verändert hat sich allerdings der Charakter dieser Soldaten. 319 PRK 11, 414. 320 Vgl. OikDebl179ff.
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zu etablieren. Wenn diese Überlegungen und Deduktionen zutreffen, dann richtet sich das von Andronikos begründete und auch bei anderen Zeitzeugen angedeutete Verbot von Landwirtschaft also nicht nur gegen bäuerliche, sondern auch gegen grundherrliche Tätigkeiten von Berufssoldaten, und es grenzt diese Soldaten damit nicht nur gegen die bäuerlichen Produzenten, sondern auch gegen die Grundherren ab, die zumindest Teile ihres Besitzes als Herrenland und über Herrenhöfe nutzten und zu diesem Zweck auch über eine eigene grundherrschaftliche Administration verfügten. Die Verbindung der spätbyzantinischen Berufssoldaten zu Landwirtschaft und Grundbesitz war dagegen weitgehend formaler Natur, betraf also tatsächlich in erster Linie bäuerliche Geld- und Sachleistungen, die vom Staat auf die Militärpronoiare umgeleitet wurden, sofern es sich nicht überhaupt um Söldner handelte. Auch die Position dieser Berufskrieger war wesentlich weniger gut gesichert als die ihrer militärischen und politischen Führer aus dem aristokratischen Clan, auch sie hatten es sehr viel schwerer, ihre spezifischen Gruppeninteressen zu artikulieren und durchzusetzen. Versuche verschiedener Feldherren, die wirtschaftliche Lage dieser Stratioten und ihre Fähigkeit zu militärischem Einsatz durch Umverteilungen und Neuzuteilungen von Land bzw. Steuererträgen von Land und durch die Erhöhung vOn Soldzuwendungen und Beuteanteilen zu verbessern, stießen auf die geschlossene Ablehnung der Reichsaristokratie und konnten deshalb überhaupt nicht oder nur kurzzeitig durchgesetzt werden. J21 Die Soldaten waren ihrer militärischen Funktion und sozialen Situation entsprechend ein besonders unruhiges Element in der spätbyzantinischen Gesellschaft, sehr viel unruhiger sicherlich als die Bürokratie, zugleich aber noch weniger konstruktiv und zu eigenständiger Bewegung in der Lage. Schon im ersten Bürgerkrieg zu Beginn der 20er Jahre sind die Stratioten von den Führern der Konfliktparteien kaum zu kontrollieren. Sie versuchen, mögliche Annäherungen und Übereinkünfte zwischen ihnen zu hintertreiben und sich auch direkt in verschiedene Verhandlungen einzumischen. Als der Soldat Kalochairetes Ende 1321 mit einer Botschaft der Gegenpartei um den Kaiserenkel in Konstantinopel erscheint, versucht der alte Kaiser eine persönliche Begegnung zu umgehen, und obwohl auch seine Auftraggeber betonen, er sei nur als Überbringer, nicht aber als Unterhändler benannt,J22 kann er schließlich doch zu Andronikos 11. vorstoßen und sogar mit ihm sprechen und ihm seine Sicht auf die Bürgerkriegsdinge vortragen. J2J Ausgerechnet in dieser zugespitzten Situation 321 Vgl. MatschFort 47. 322 Kant I, 126. 323 Kant I, 130ff. Natürlich handelt es sich in erster Linie um die Sicht seiner aristokratischen Auftraggeber und speziell des Kantakuzenos, der später davon berichtet. Das
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innerer Spaltung des Herrscherclans, vielleicht aber auch gerade wegen dieser Zuspitzung gruppeninterner Gegensätze wird deutlich, daß es eine scharfe gesellschaftliche Grenzlinie zwischen der Macht- und Besitzelite des Reiches und seiner militärischen Funktionselite gibt324 und daß diese Grenze in mancher Hinsicht noch schärfer ist als die zwischen Aristokratie und Bürokratie. Am schärfsten ausgebildet erscheint aber die Grenze, die die Macht-, Besitz- und Funktionseliten vom Volk der frühen Palaiologenzeit trennt. Johannes Kantakuzenos erklärt die schon vor dem Bürgerkrieg in der Mitte des 14. Jh. verbreitete Feindschaft des Volkes gegen die Vornehmen später in einem Anflug von Selbstkritik damit, daß die einfachen Leute immer wieder willkürlich hin und her gestoßen wurden. 325 Für G. Weiß war das ein Hinweis auf den Unmut des Volkes wegen seiner politischen Ausgrenzung. J26 Mit Sicherheit gab es aber viele Gründe für populäre Unzufriedenheit, für ein verbreitetes Gefühl der Benachteiligung und des Ausgestoßenseins. Leute aus dem Volk konnten zwar wie alle anderen Untertanen rechtlich jede Form von Eigentum erwerben, praktisch war das Volk aber vom Besitz der wichtigsten Güter ausgeschlossen. Ein Großteil des Landes, das byzantinische Bauern bearbeiteten, gehörte ihnen nicht. Die meisten Werkstätten, in denen byzantinische Handwerker tätig waren, gehörten ebenfalls anderen. Und gleiches gilt für die Schiffe, auf denen byzantinische Matrosen zur See fuhren, und für die Viehherden, die byzantinische Hirten auf den Bergweiden des Festlandes und der Inseln weideten. Auch Leute aus dem Volk konnten die öffentlichen Gerichte des Staates und der Kirche in Anspruch nehmen, verhandelt wurden ihre Anliegen aber sehr viel seltener als die des Establishments. 327 Das Tragen und Benutzen von Waffen war augenscheinlich nicht einmal der bäuerlichen Bevölkerung rechtlich untersagt, die immer wieder geäußerte, fast stereotyp gebrauchte Behauptung von der militärischen Unfähigkeit des Volkes läßt jedoch vermuten, daß es sich dabei weniger um eine Zustands beschreibung als um eine Wunschvorstellung und Absichtser-
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Besondere der Situation kommt vielleicht darin zum Ausdruck, daß der Soldat nicht nur das Gespräch erzwingt, sondern sich sogar anmaßt, dem Kaiser Ratschläge zu erteilen. Das kommt besonders in der Friedensbotschaft des jüngeren Andronikos an seinen Großvater zum Ausdruck, in der er berichtet, was er alles getan habe, um die Soldaten für diesen Frieden zu gewinnen, Kant I, 163ff. Kant 11,177. WeiKant 78. Die Beobachtungen, die G. Simon vor einiger Zeit über die Wirkungsweise der byzantinischen Rechtsprechung besonders in mittelbyzantinischer Zeit gemacht hat, Rechtsfindung am byzantinischen Reichsgericht, Frankfurt/M. 1973, gelten sicherlich auch für das späte Byzanz.
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klärung handelt, gerichtet auf soziale Abgrenzung und auf funktionelle Neubestimmung der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, daß das Volk aus dem militärischen Sektor der Gesellschaft herausgedrängt werden sollte, weil es nach Meinung der maßgebenden Kreise dort nichts (mehr) zu suchen hatte. 328 Willkürliche Schläge und Prugelstrafen mußten gelegentlich sogar bekannte Aristokraten und höchste Beamte auf kaiserlichen Befehl hinnehmen,129 gegenüber Leuten aus dem Volk waren körperliche Züchtigungen aber an der Tagesordnung: Der Weinbergbesitzer aus Thessalonike schlägt die von ihm beschäftigten Tagelöhner, weil sie sich von seinem mitleidigen Sohn zu einer längeren Arbeitspause überreden lassen. 33o Der Gutsverwalter des Mesazon Nikephoros Chumnos verhängt willkürliche Prugelstrafen über die ihm unterstellten Bauern und scheut sogar vor Mord nicht zuruck. 331 Den Stadtoberen von Herakleia nahestehende Leute traktieren die Stadtarmen täglich mit Schlägen und Körperverletzungen. 332 Die Vornehmen von Adrianopellassen den Sprechern des Volkes Schläge verabreichen, als sie sich ihren Entscheidungen in einer Volksversammlung Ende 1341 zu widersetzen wagen. 333 In der gesellschaftlichen Realität des späten Byzanz ist die Scheidelinie zwischen Eliten und Volk also sehr schad, viel schäder jedenfalls, als das rechtliche Normen zum Ausdruck bringen. Auch an die traditionellen politischen Rechte des Volkes, die Weiß vor allem im Auge hatte, versuchten die Führungskräfte des Reiches Hand anzulegen. Eine Beteiligung des Volkes von Konstantinopel an der Kaiserwahl hatte sich schon dadurch erledigt, weil das Kaisertum praktisch aufgehört hatte, eine Wahlmonarchie zu sein, auch wenn sie theoretisch bis zum Reichsende 328 Gleiche Behauptungen finden sich auch gegenüber den smallholding soldiers, die nur in kleinen Gruppen in der spätbyzantinischen Armee existieren und einem bäuerlichen Kriegerturn noch relativ nahe stehen, auch wenn sie mit ihm nicht identisch sind. Sie waren nach M.C. Bartusis, On the Problem of Smallholding Soldiers in Late Byzantium, DOP 44, 1990, 25, not the warriors of choice among late Byzantine emperors. 329 Ein besonderer Beleg stammt noch aus der Zeit des Kaiserreiches von Nikaia. Es handelt sich um die auf Befehl von Kaiser Theodoros 11. Laskaris erfolgte Auspeitschung des Logotheten Georgios Akropolites, über die dieser selbst in seinem Geschichtswerk berichtet, Akrop I, 127ff., vgl. BlumAkrop 153ff. Interessant ist dieser Beleg aber auch, weil der Gezüchtigte als der moralische Sieger erscheint, ganz im Sinne des Ebenbürtigkeitsgefühls, das die Aristokratie gegenüber dem Kaisertum entwickelt. 1280 zwang Kaiser Michael VIII. den Megas Hetaireiarches Leon Muzalon, seinen Bruder Theodoros Boilas Muzalon solange zu verprügeln, bis er sich der kaiserlichen Unionspolitik unterwarf, PachFail 11, 625/627; vgl. PLP 19439, 19443. 330 KokHag I, 105f. 331 BoissAnNov 26. 332 KokLogHom 236; vgl. WeiKant 78. 333 Kant 11,176; WeiKant 75ff.
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bestand. Was dem Volk blieb, bleiben durfte und sollte, das war die Rolle von Bittstellern beim Kaiserausritt und von Claqueuren und Empfängern von Geldverteilungen bei der Kaiserkrönung. 3J4 Auffällig ist jedoch, daß sich dieses Volk mit seiner völligen politischen Entmündigung nicht abfand, sondern, wie oben gezeigt, sogar neue Möglichkeiten politischer Artikulierung und Einmischung für sich entdeckte und zu nutzen versuchte. Der von den einfachen Leuten in Stadt und Land geforderte Schutz für ihre gesellschaftlich wichtigen Tätigkeiten, und die von ihnen gezeigte Entschlossenheit, diesen Schutz selbst zu übernehmen und zu organisieren und damit zugleich die Legitimität derjenigen in Frage zu stellen, die diesen Schutz nicht geben konnten oder wollten, offenbart eine neue politische und gesellschaftliche Logik, die ihren Ausgangspunkt im Volk von Byzanz hatte und der auslaufenden byzantinischen Gesellschaft ganz überraschende Z~ge einer Modernität gab, die auch im europäischen Westen erst beim Ubergang in die frühe Neuzeit deutlich zu beobachten sind. Die Vorstellungen und Haltungen, die dieser gesellschaftlichen Logik folgen, sich durch sie verfestigen und eine ganz spezifische Dimension gewinnen, sind aber nicht nur deshalb bedeutsam, weil sie in ihrer gesellschaftlichen Relevanz über das byzantinische Jahrtausend hinausreichen. Sie üben vermutlich bzw. nachweisbar auch einen ganz wesentlichen Einfluß auf die letzte Periode der byzantinischen Geschichte selbst aus, indem sie auf die Leistungen der einzelnen gesellschaftlichen Gruppen für das gesellschaftliche Ganze und für die anderen Teile dieses Ganzen abheben und abzielen. Den deutlichsten Widerhall finden diese Überlegungen in der Begründung für eine Sondersteuer, mit der der im Bürgerkrieg siegreiche Kaiser Johannes Kantakuzenos im Herbst 1347 vor die Volksversammlung seiner wenige Monate zuvor besetzten Hauptstadt Konstantinopel tritt: Zu einer dauerhaften Gesundung des Reiches könne es nur dann kommen, wenn alle Glieder der Gesellschaft die ihnen zukommenden Aufgaben voll erfüllten. Kaiser und Militär müßten für den Schutz des Staates sorgen, die Kaufleute und alle, die einem anderen Geschäft nachgingen, sollten die Soldaten ernähren. Wenn die Bauern, die Kaufleute und Handwerker in Sicherheit und Ruhe ihren Geschäften nachgehen könnten, so sollte das nicht nur ihnen, sondern auch den Sol-
334 PseudoKod 31f. Supplikationen werden nur beim Frühausritt des Kaisers entgegengenommen, nicht aber, wenn er erst nach dem Frühstück ausreitet, weil dann der Vermutung des Autors zufolge schon mit Betrunkenen gerechnet werden müsse, die sich dem Kaiser ungebührlich nähern könnten. Anschaulich beschrieben wird die Rolle des Volkes bei der Kaiserkrönung des jüngeren Andronikos im Jahre 1325 durch Kant I, 196ff.
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daten nützen. Jl5 Natürlich ist diese Argumentation ganz von der Absicht geprägt, die sie verfolgt, und von dem Ort, an dem sie vorgetragen wird, aber sie ist doch für Byzanz in dieser Form ungewöhnlich, und sie zeigt auch, daß nicht nur das Volk von den Herrschenden, sondern auch die Herrschenden vom Volk etwas wollen und brauchen. Interessant ist aber auch, daß einflußreiche Kreise der hauptstädtischen Bevölkerung in der Argumentation der Leute des Kantakuzenos nur einen Vorwand sehen, um an die dem Gegenkaiser bisher nicht zugänglichen Geldmittel und Ressourcen der Konstantinopolitaner heranzukommen, und daß es ihnen gelingt, die Mehrheit der Einwohner auf ihre Seite zu ziehen und gegen die Sondersteuer aufzubringen, gegen die es auf der Volksversammlung keine offenen Einwände gegeben hatte. Angesichts der prekären politischen und militärischen Lage des Reiches mag das Verhalten der hauptstädtischen Geldleute egoistisch und kurzsichtig gewesen sein, sichtbar und ablesbar wird an den Geschehnissen in und um die hauptstädtische Volksversammlung vom Herbst 1347 auf jeden Fall, daß der Gedanke einer funktionalen Gliederung in der Gesellschaft Fuß gefaßt hatte, daß er auch von der Macht- und Besitzelite aufgegriffen wurde, ob grundsätzlich oder aus taktischen Gründen, das mag dahingestellt bleiben, daß diese Diskussionen und Kontroversen in gewissem Sinne die Gesellschaftsentwicklung der frühen Palaiologenzeit bilanzieren, die einerseits zu einer verstärkten Ausprofilierung und Verselbständigung der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen geführt hatte, andererseits aber auch zu einem verstärkten Bewußtsein gegenseitiger Abhängigkeit voneinander und Bezogenheit aufeinander. Die Diskussion scheint sogar nach dem Mißerfolg der offiziellen Bemühungen um eine freiwillige Sondersteuer der Hauptstadtbewohner noch weitergegangen zu sein, denn es wäre durchaus möglich, daß der Schriftsteller und Kaiservertraute Nikolaos Kabasilas Chamaetos in seiner bekannten Streitschrift gegen den Wucher speziell diese professionellen Geldkreise Konstantinopels ins Visier nahm,JJ6 die gegen Kantakuzenos opponiert und den Widerstand gegen 335 Kant III, 39. 336 Nikolaos Kabasilas, AoyoS KU'tcl 'tOKL~ov'tiiiv, PG 150, 727-750. Nach PoljPort1 130, ist der Traktat von der ersten bis zur letzten Zeile polemisch angelegt. Im Unterschied zu seinem Brief an die Kaiserin Anna, der der gleichen Thematik gewidmet ist und sich auf konkrete Ereignisse bezieht und konkrete Forderungen stellt, ist der Traktat eher ein Werk abstrakter Kritik mit stark rhetorischer Prägung. Geschrieben sind beide Texte nach dem bisherigen Erkenntnisstand in den späten 40er oder frühen 50er Jahren. Wenn die eben geäußerte Vermurung zutreffen sollte, dann spräche das für den früheren Zeitansatz. Auch die theoretische und rhetorische Anlage des Textes spricht nicht gegen einen ganz konkreten Zeitbezug, seine Diktion entspricht vielmehr genau einer weiteren und sehr viel bekannteren Streitschrift des Kabasilas, die sich gegen die Säkularisierung von Kircheneigenrum durch eine Gruppe von Archon-
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seine Besteuerungsabsicht organisiert hatten, daß er ganz besonders sie mit seiner Behauptung treffen wollte, Geldverleih habe nichts mit Arbeit zu tun, daß es also um viel mehr ging als um eine Verminderung des Wucherdruckes auf die Gesellschaft und vielleicht auch auf Teile der Oberschicht, der der Vedasser selbst angehörte, nämlich um ganz gezieltes ideologisches Sperdeuer gegen die Formierung einer speziellen gesellschaftlichen Gruppe, die Gegenstand des folgenden Spezialkapitels sein wird, und gegen die Ausbildung eines dieser Gruppe gemäßen Bewußtseins, das traditionelle byzantinische Gesellschaftsvorstellungen ganz ernsthaft in Frage stellen mußte. Eine funktionale Gliederung der byzantinischen Gesellschaft war dem gesellschaftlichen Denken der Byzantiner durchaus nicht fremd. In ihrer einfachsten (und ältesten) Form stellte sie sich dar als Unterscheidung zwischen weltlichen und geistlichen Mitgliedern der Gesellschaft. 337 Die Forderung, daß der in der militia Christi Dienende seinen Lebensunterhalt von anderen beanspruchen darf, geht schon auf den Apostel Paulus zurück und wird zum Ausgangspunkt des Klerikerstandes, der den Prototyp aller privilegierten Stände des westlichen Mittelalters darstellt,338 während er sich im byzantinischen Osten nicht in der gleichen Weise ausbilden und durchsetzen kann. 339 Typisch für Byzanz wird dagegen die Dreiheit von Senat, Armee und Volk als Ausdruck eines consensus omnium in ihrer Bedeutung für das byzantinische Kaisertum. Nur vereinzelt und sicherlich auch von außen beeinflußt findet sich in byzantinischen Quellen das klassische westliche Schema, demzufolge die Gesellschaft von Soldaten, Klerikern und (einfachem) Volk gebildet wird. 340 Angesichts der zunehmenden gesellschaftlichen Rolle der orthodoxen Kirche ist es nicht überraschend, daß der Klerus als besondere Funktionsgruppe gerade in spätbyzantinischen Schemata zur Beschreibung und Deutung
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ten richtet, deren genaue Identifizierung wegen der rhetorischen Verfremdung der beschriebenen Sachverhalte trotz zahlreicher und langdauernder wissenschaftlicher Bemühungen bisher immer noch nicht gelungen ist, hinter denen sich aber mit Sicherheit einflußreiche Gegner der Magnatenpartei um die Kantakuzenen verbergen, die Kabasilas in der gleichen Weise aufs Korn nimmt, wie er das vielleicht mit den sich den Geldforderungen des Usurpators widersetzenden Geldleuten der Hauptstadt gemacht hat. Zur Gesamtproblematik ausführlich Kapitel 5. Vgl. KazhdEvst 62. Vgl. O. G. Oexle, Tria genera hominum. Zur Geschichte eines Deutungsschemas der sozialen Wirklichkeit in Antike und Mittelalter, in: Institutionen, Kultur und Gesellschaft im Mittelalter, Festschrift für J. Fleckenstein zum 65. Geburtstag, ed. L. Fenske / W. Rösener / Th. Zotz, Sigmaringen 1984,484. Vgl. BeckJahrt 241. Vgl. KazhdEvst 62ff.
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von Gesellschaft relativ häufig auftritt. 341 Unter Bezugnahme auf eine Passage im Abdankungsschreiben des Patriarchen Athanasios aus dem Jahre 1309 hat L.P. Raybaud sogar behauptet, daß der Klerus seit dem Ende des 13. Jh. in den byzantinischen Formeln sozialer Stratifikation an die erste Stelle rückt. 342 Das wurde von A.P. Kazhdan allerdings bezweifelt mit dem Hinweis auf den spezifisch kirchlichen Charakter des zitierten Dokuments.343 Vielleicht reichen diese Beobachtungen aber aus für die Vermutung, daß auch der Klerus im späten Byzanz von der allgemeinen Tendenz ständischer Ausprägung der Gesellschaft erfaßt wurde, die besonders für die frühe Palaiologenzeit charakteristisch gewesen zu sein scheint. Der Ausprofilierung von Makrostrukturen steht durchaus nicht im Wege, daß sich die verschiedenen Groß gruppen auch in dieser Zeit vorzugsweise mikro strukturell präsentieren. Die aristokratische Macht- und Besitzelite formiert sich in erster Linie auf der Basis familiären Zusammenhalts und zeigt sich besonders auch durch diesen Zusammenhalt den anderen gesellschaftlichen Gruppen voraus und überlegen. Auch das Volk gewinnt neue Positionen durch Formen mikrostruktureller Verbindung in Gestalt von Dorlgemeinschaften und städtischen Nachbarschaften. Eine besondere Rolle unter den mikrostrukturellen Zusammenschlüssen der byzantinischen Spätzeit spielen Gefolgschaften und Syntrophiail OlJ'VtQOcpLClL. Schon die begriffliche Bestimmung dieser Kleingruppen macht einige Schwierigkeiten, denn während für die spätbyzantinische Gefolgschaft eine ganze Anzahl verschiedener Bezeichnungen existieren,344 gibt es umgekehrt für den Begriff Syntrophia gleich mehrere und durchaus unterschiedliche Übersetzungsmöglichkeiten, und die unterschiedlichen Begriffsvarianten bezeichnen durchaus auch verschiedene Sachinhalte. Noch wichtiger ist allerdings die unterschiedliche gesellschaftliche Ansiedlung dieser Mikrostrukturen, ihre unterschiedliche Zentrierung in den Groß gruppen der Gesellschaft. Das Gefolgschaftswesen mit seiner vertikalen Ausrichtung erlaßt praktisch alle Gruppen der Gesellschaft, sein Ausgangspunkt und sein Dreh- und Angelpunkt liegt jedoch eindeutig im Bereich der Aristokratie. Magnaten und Aristokraten sind es vorzugsweise, die sich Gefolgschaften aufbauen und aufbauen können, die mit ihrer Hilfe ihre Macht erweitern und ihren Besitz si341 Besonders präzis und knapp ist eine Formulierung des Georgios Scholarios aus der Zeit kurz vor dem Reichsende; er spricht von 'tPELs 'ta~E~ 'twv JtOAL'tWV, fJ oU)'KA1]'tOS, fJ ~KA1]ULa Kai fJ JtOAL'tELa, LPP 11, 126. Siehe aber auch PachFail III, 95/97; ManEp 211 und ähnliche Formulierungen. 342 RaybGouv 15 unter Bezug auf PG 142,493. 343 Kazhd 69. 344 Zusammengestellt und analysiert bei WeiKant 138ff.
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chern, politische Allianzen schmieden und politische Konkurrenten ausschalten. Syntrophiai stellen sich demgegenüber in erster Linie dar als Zusammenschlüsse von gleichen Leuten auf gleicher Ebene zur Wahrnehmung gleicher Aufgaben und Realisierung gleicher Interessen. Als Syntrophoi bezeichnen sich die vier Oberrichter, die 1329 das Kollegium des neugeschaffenen obersten Reichsgerichts bilden. 345 Als Syntrophiai werden wohl auch die verschiedenen Kollegien von Steuerbeamten und Steuerpächtern aufgefaßt, die in den verschiedenen Gegenden des Reiches tätig sind,346 und in Syntrophiai sind auch die gemeinsamen Nutzer verschiedener staatlicher Pfründen vereinigt. 347 Von einer Syntrophia sprechen die zeitgenössischen Texte aber auch im Fall der Soldatenkompanie der sog. Barbarenoi, die um 1327 in der Umgebung von Thessalonike zu einer Gesellschaft von Pronoiaren wird,348 und gleiches gilt für andere Soldatengruppen, die gemeinsam eine Pronoia nutzen, und Söldnerverbände, die gemeinsame Zuwendungen erhalten. H9 Wie der Begriff zum Ausdruck bringt, handelt es sich also um Genossenschaften, Kameradschaften, Teilhaberschaften, Gesellschaften von Leuten, die zusammen tätig sind und zusammen kämpfen und für ihre (Dienst-)Leistung ein gemeinsames Entgelt beziehen. Als ursprüngliche, gebräuchliche Form der Syntrophia gilt der Forschung une societe ou une compagnie d'affaires, also der Zusammenschluß von Kaufleuten, Geldleuten, Handwerkern bzw. gewerblichen Unternehmern zur Erzielung von Geschäftsgewinn.350 Nicht ausgeschlossen scheint aber zu sein, daß sich die Sache eher umgekehrt verhält,m daß der volkssprachliche Begriff also nach und nach eine Ver345 S. das Amtsversprechen des Oberrichters Kleidas, ZachRezGeib 868ff. 346 Zumindest angedeutet wird das in einem Brief des Planudes, in dem von einem Kollegium von Steuereintreibern die Rede ist, PlanEpL 8. Eindeutig verwendet er aber die traditionelle Bezeichnung für Partnerschaften, indem er einen gewissen Bardales als KOLVWVOC; tij; dxoypa<j>ijc; eines Johannes Panaretos bezeichnet, a. O. 36. Die Struktur solcher Apographeus-Kollegien hat G. Ostrogorsky (OstPrakt) untersucht und darauf hingewiesen, daß die Kollegen häufig sehr ähnliche Formulierungen in den von ihnen ausgefertigten Urkunden benutzen, daß es also durchaus ein erkennbares Maß an Zusammenarbeit gab. Ob diese Kollegien auch die Gewinne ihrer Tätigkeit untereinander aufteilten und gegebenenfalls ihre Verluste gemeinsam trugen, läßt sich nicht genau sagen, es kann aber vermutet werden. 347 KugNot 149f. 348 OikArm 360ff. Der Autor kann zeigen, daß es sich um eine societe de militaires, avec solidarite dans les interets et dans les responsabilites handelt, in der der Gewinn eines jeden Mitgliedes von seinem Beitrag zur Erledigung der Aufgaben der Kompanie abhängt, 363. 349 A. O. 367, 369. 350 Vgl. a. O. 363; s. auch OikHomm 69. 351 Nach SchreinFin 405 stammen die frühesten Belege für geschäftliche O'Uvtpo<j>Lm aus der Zeit um 1360, für mJVtPO<j>OL aus einem Testament von 1270/74. Der Erblasser
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engung erfuhr, bedingt vielleicht durch die Ausbreitung geschäftlicher Formen der Gewinnung eines gemeinsamen Lebensunterhaltes, teilweise sogar direkt abgeleitet von dienstlichen, funktionellen Formen der Syntrophia. Unabhängig von der Lösung der Herkunftsfrage wird man wohl sagen dürfen, daß Syntrophiai eher in den Funktionseliten als in der Macht- und Besitzelite des Reiches angesiedelt sind, daß sie also als eine weitere differentia specifica angesehen werden können, daß diese Syntrophiai Beamten- und Soldatentum sogar eher mit den Mesoi verbinden könnten, in denen sich die unternehmerischen Kräfte der frühen Palaiologenzeit zu konzentrieren scheinen, wie im folgenden Kapitel dargestellt werden soll. Nicht zu übersehen ist, daß diese Syntrophiai sowohl im Bereich der Bürokratie als auch des Militärwesens (und im übrigen auch im Bereich der Mesoi) numerisch in der Regel nur sehr klein sind, daß ihr innerer Zusammenhalt eher schwach und ihre Existenzdauer meist nur kurz sind, so daß ihre Rolle bei der gesellschaftlichen Profilierung und Stabilisierung nur bescheiden bleibt. Trotzdem sollte man den mikrostrukturelIen Einfluß auf die makrostrukturelle Profilierung der byzantinischen Gesellschaft in der frühen Palaiologenzeit nicht gänzlich in Frage stellen. So hat N. Oikonomides darauf hingewiesen, daß die militärischen Syntrophiai für die Gesellschaft als ganzes und die Gruppe der Militärs im besonderen eine durchaus konstruktive Rolle spielen, weil sie zur Eingliederung ausländischer Soldaten in die Reichsbevölkerung beitragen, weil sie die Verwandlung von Söldnern in (Militär-)Pronoiare fördern und es auf diese Weise verhindern oder zumindest erschweren, daß sie zu einfachen Beutemachern werden. 352 Eine mögliche Integrationsfunktion des von Kaiser Andronikos IH. geschaffenen Kollegiums der Oberrichter wurde durch den Eklat von 1337 sicherlich blockiert; immerhin blieb das gesellschaftliche Ansehen dieses Instituts so groß, daß sie im Synodaltomos von 1347 an führender und herausgehobener Stelle unter den Teilnehmern der Junisynode von 1341, die in einer besonders kritischen Situation für Kirche und Reich stattfand und die entscheiden-
Skaranos teilt sich mit einem gewissen Arkles in den Besitz einer Mühle, ob die mJV'tPO<j>OL die Mühle gemeinsam betreiben, ist nicht klar zu erkennen, AXer 71. Interessant ist im hier behandelten Zusammenhang jedenfalls, daß dieser frühe Beleg aus dem ländlichen Bereich stammt. In den von Schreiner edierten Texten findet sich vermutlich für die 30er Jahre des 14. Jh. auch ein Hinweis auf einen ~e1JY'ljA(hT]~, vermutlich einen Grundbesitzverwalter, der über einen mJv'tpo<j>o~ verfügt, seine Tätigkeit also nicht allein, sondern in Gemeinschaft mit einem anderen ausübt, der aber vielleicht trotzdem nicht im engeren Sinne sein Mitgesellschafter auf der Basis eines Gesellschaftsvertrages ist, wie SchreinFin 278f. annimmt. Im militärischen Bereich ist von Syntrophoi schon im frühen 13. Jh. auffällig häufig die Rede, BartusKav 345f. 352 OikArm 370f.
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Grundstrukturen und Grundtendenzen der byzantinischen Gesellschaft
den Weichen für den Sieg des Palamismus stellte, Erwähnung finden 353 und daß sie noch gegen Ende des Jahrhunderts wichtige Kompetenzen des Stadtgouverneurs von Konstantinopel in ihre Hände bringen können. 354 Und die Kollegien der Steuerbeamten, Pfründenverwalter und Regiepächter gewinnen im frühen 14. Jh. so sehr an gesellschaftlichem Gewicht und politischem Einfluß, daß sich mit dem Parakoimomenos und Megas Dux Alexios Apokaukos ein Vertreter dieser Gruppe zum entscheidenden Gegenspieler des Magnaten und Aristokraten J ohannes Kantakuzenos im Bürgerkrieg nach 1341 aufschwingen und ganz wesentlich auf diese Kreise stützen und mit ihnen für längere Zeit erfolgreich Politik machen kann. Nach dem offenen gesellschaftlichen Konflikt und dem schweren Zusammenstoß der hauptsächlichen gesellschaftlichen Gruppen in der Mitte des 14. Jh. zeigen sich zunehmend deutlicher Spuren einer gesellschaftlichen Erschöpfung und Desintegration. Die makro strukturelle Formierung und Profilierung, die sich in der frühen Palaiologenzeit gezeigt hatte, beginnt wieder zu verblassen, die Dimensionen gesellschaftlichen Handelns bilden sich immer mehr zurück. Aber auch das mikrostrukturelle Bild der Gesellschaft verändert sich. Das aristokratische Vermögen zum Aufbau stabiler Gefolgschaften verringert sich in dramatischer Weise, und das hat notwendige Konsequenzen für ihre politische Macht und ihren Einfluß auf die Gesellschaft. Die Entwicklungsmöglichkeiten der verschiedenartigen Syntrophiai sind dagegen noch nicht erschöpft, die societes bzw. compagnies d'affaires gewinnen sogar erst in den letzten hundert Jahren des Reiches das für Byzanz ausgeprägteste Profil und ein so starkes wirtschaftliches und gesellschaftliches Gewicht, daß sie sogar für Teile des Adels interessant werden, daß verschiedene Aristokraten sich zu Unternehmern mausern und auf diese Weise ein aristokratisches Unternehmertum entsteht, das vielleicht die letzte wichtige gesellschaftliche Neuentwicklung von Byzanz gewesen ist.
353 PRK II, 352. 354 E. Schilbach, Die Hypotyposis der Katholikoi kritai ton Romaion vom Juli 1398 (?), BZ 61, 1968,44-70.
3. Die Formierung der gesellschaftlichen Mitte in der frühen Palaiologenzeit Die frühe Palaiologenzeit ist jedoch nicht nur geprägt von Aristokratisierung, Bürokratisierung und begrenzter Aufwertung des Volkes. Schon seit längerem wird von verschiedener Seite die Beobachtung form~liert, daß der für die byzantinische Gesellschaft traditionelle Begriff der Mesoi/lleoOL, d. h. der Mittleren, in der ersten Hälfte des 14. Jh. ein ganz ungewöhnliches Maß an historischer Konkretheit und zugleich an begrifflicher Abstraktheit bekommt, daß in verschiedenen Regionen des Reiches ganz konkrete Einzelpersonen und überschaubare Personenverbände als Angehörige und Bestandteile dieser Mittelschichten bezeichnet werden 1 und daß zugleich nicht mehr nur einfach von Mesoi, sondern von der Mesotes/flwo'tT]t; und von der Öeu'tepa Kai. fleOT] flOLpa, der Mitte bzw. dem zweiten Teil(bereich) der Gesellschaft, gesprochen wird, daß also auch ganz neue soziale Gruppenbezeichnungen auftauchen. 2 Über die Ursachen dieses auffälligen Tatbestandes und neuartigen Erscheinungsbildes gingen und gehen die Meinungen immer noch auseinander, in letzter Zeit tendiert die Forschung jedoch zunehmend dazu, hinter ihnen nicht nur subjektive sozialpolitische Anliegen der in den Bürgerkriegen
2
Erwähnung von Mesoi in Konstantinopel: Kant I, 301; in Thessalonike: Kant II, 135; in Didymoteichon: Kant II, 197. Erwähnung von Personen und Familien als Angehörige der Mesoi: Kant II, 393f. (N. Gabalas aus Thessalonike). Der Patriarch Gregorios Kyprios erzählt in seiner Autobiographie, daß seine Familie auf Zypern ursprünglich eine führende Stellung innehatte, durch die Machtübernahme der Italiener aber IlEtpL<X Kat EXOVtE~ Kat tLIlWIlEVOL, obwohl sie nicht ganz verarmte und in die anonyme Masse absank, PG 142, 19. MatthPatr 14, übersetzt: sanken sie an Vermögen und Würde zur Mittelmäßigkeit herab, BeckLeb 147, modifiziert: Sie gehörte fortan nach Besitz und Ansehen nur noch zur Mittelklasse, d. h. er bringt die von Gregorios gewählte Begrifflichkeit noch näher an die Mesoi heran. Mesotes: SevMakr 210; ÖEUtEQa xat IlEOT] Il0Iga, abgesetzt vom Pöbel, KokHag I, 164, und ähnlich Greg II, 673, der von der tQLt1] lloLQa des Pöbels in Thessalonike spricht, und sie von einer Gruppe von Grundeigentümern und Viehbesitzern abhebt, die von ihren Ressourcen vor der Stadt abgeschnitten sind bzw. ihre in die Stadt getriebenen Viehherden verderben sehen, während eine weniger besitzende (zweite) Gruppe, die durch die Schwierigkeiten der ersten aufgeschreckt ebenfalls Verarmung fürchtet und gleichzeitig ihre begehrlichen Augen auf die Reichen richtet und ihnen ihre Wut zeigen will. Ohne es explizit zu sagen, sieht Gregoras in dieser zweiten Gruppe wohl ebenfalls eine IlEOT] Il0Iga; vgl. die gleichlautenden Bemerkungen zum grundsätzlichen Problem und die entgegengesetzte Argumentation zur speziellen Darstellung des Gregoras von OikHomm 117.
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nach 1321 und 1341 agierenden Personen und Parteien, sondern auch objektive gesellschaftliche Prozesse, konkret: ein im Vorfeld und zwischen diesen Bürgerkriegen gewachsenes wirtschaftliches, soziales und schließlich sogar politisches Gewicht dieser Gruppe zu sehen.) Nach G. G. Litavrin wird der Mesoi-Begriff bei byzantinischen Schriftstellern und Literaten in zweifacher Bedeutung verwendet, einmal zur Bezeichnung von Leuten mit durchschnittlichem Besitz, die weder in Reichtum noch in Armut leben, zum anderen zur Benennung nichtadliger, nichtaristokratischer Personen, unabhängig von ihrer materiellen Basis, die außerhalb der Ämterhierarchie stehen, nicht über Titel verfügen und keinen Einfluß auf die Organe der öffentlichen Macht besitzen. 4 H.-G. Heck verzichtet auf eine strukturelle Definition, bringt dafür aber stärker die genetische Seite des Problems in die Diskussion ein. Ihm zufolge werden zu dieser Schicht vorzugsweise größere Kaufleute, Reeder, Besitzer von Fabrikationsbetrieben, mittlere Grundbesitzer und Personen und Personengruppen in vergleichbarer Position und mit ähnlichem materiellem Substrat gezählt, ihrer Herkunft nach nicht selten ehemalige Mitglieder des Dienstadels, die im Zuge der zahlreichen Revirements in Verbindung mit Regierungswechseln um ihre Stellung und um einen Teil ihres Hab und Gutes gekommen sind. 5 P. Schreiner siedelt seine Mesoi sozial etwas weiter unten an, er bezieht Kaufleute und Handwerker generell in diese Schicht ein, verzichtet auf die Nennung von Grundbesitzern, erwähnt dafür aber besonders die byzantinischen Literaten, den Niederklerus und kleine Beamte. 6 Die jüngste Stellungnahme zum Problem stammt von E. de Vries - van der Velden, sie nennt konkret Kaufleute, Unternehmer und Beamte der zweiten Reihe, dazu kommt ihrer Meinung nach der hohe Klerus, und sie alle verbindet ein Leben in großem W ohlstand. 7 Es gibt also ein beachtliches Maß an Einigkeit und Einheitlichkeit bei diesen Definitionsversuchen und -vorschlägen. Differenzen zeigen sich v. a. in der Haltung zum Beamtentum und in der Bewertung von Grundbesitz. Während die einen eine Zugehörigkeit von Mesoi zur Beamtenschaft generell ausschließen, halten andere die ÜbernahmelÜbertragung kleinerer und sogar mittlerer Beamtenfunktionen für durchaus möglich. Bei der Frage des Grundbesitzes geht es dagegen wohl weniger um die Unvereinbarkeit mit jeglicher Form von Eigentum an Grund und Boden, also auch von Haus-, Garten- und um den Besitz an kleinen Ackerparzellen, 3 4 5 6 7
Vgl. OikHomm 114ff.; BeckJahrt 255; MatschBem 273f. G. G. Litavrin, Sovety i rasskazy Kekavmena, Moskau 1972, 332, Anm. 27. BeckJahrt 253ff. SchreinByz 38. VriesEl58f.
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sondern um die Ausschließung von feudalem Großgrundbesitz und feudaler Grundherrschaft. Wollte man diese Unterschiede auf eine kurze Formel bringen, dann könnte man vielleicht sagen, daß die einen Definitionen v. a. systematisch, die anderen eher genetisch angelegt sind, daß die einen v. a. die Unterschiede zu den anderen Klassen und Schichten betonen, während die anderen auch die Übergänge zwischen den sozialen Gruppen beachtet wissen wollen. Verbunden damit sind auch gewisse Höhenunterschiede in der sozialen Ansiedlung der Mesoi, eine gewisse Unsicherheit, wo sich die Mitte der byzantinischen Gesellschaft konkret befindet und welche Bandbreite sie hat. An dieser Stelle erhebt sich allerdings mit Notwendigkeit die Frage, ob die Ansiedlung dieser Gruppe und ihre Bandbreite über die ganze byzantinische Geschichte hinweg im wesentlichen konstant s.eblieben sind oder ob sie in einzelnen historischen Perioden und beim Ubergang von der einen zu einer anderen Periode größeren Veränderungen unterworfen waren. In seinem Kommentar zur Edition des berühmten Dialogs zwischen den Reichen und den Armen aus den 40er Jahren des 14. Jh. hat 1. Sevcenko seinerzeit die Vermutung geäußert, daß die Zeitgenossen seines Autors Alexios Makrembolites dem auch von ihm benutzten MesoiBegriff a more concrete meaning gegeben haben, als wir das heute erkennen können. 8 Dieser wichtige Gedanke ist von der nachfolgenden Forschung allerdings nicht oder nur beiläufig und am Rande aufgegriffen worden. Ihr ging es eher um die Frage, ob es sich bei den Mesoi der spätbyzantinischen Zeit um eine qualitativ neue oder um eine ganz und gar traditionelle Erscheinung handelt. Während N. Oikonomides ~laubt, in diesen Mesoi grosso modo bereits Bourgeois sehen zu können, plädiert V. N. Zavrazin entschieden für ihren typisch mittelalterlichen Zuschnitt und kann bourgeoise Züge an ihnen in keiner Weise entdecken. 10 Damit soll ganz und gar nicht gesagt werden, daß diese und ähnliche Arbeiten keinen Beitrag zur Aufhellung des Problems der spätbyzantinischen Mesoi geleistet haben, verwiesen werden soll nur auf die noch weitgehend ungelöste Frage nach den konkreten Ansatzpunkten und spezifischen Freiräumen für die Formierung der Mittelschichten im Reich der Palaiologen. Wesentlich verbessert haben sich in jüngster Zeit die Möglichkeiten, diese Arbeit zu leisten, durch die Veröffentlichung verschiedener gewichtiger Arbeiten, die sich mit einzelnen von der Forschung besonders benannten Berufsgruppen und Tätigkeitsfeldern aus dem weiteren und engeren Umkreis der Mesoi beschäftigen. Zu diesen Arbeiten gehört 8 SevMakr 200. 9 OikHomm 118. 10 V. N. Zavrazin, "Mesoi" v pozdnevizantijskom gorode po dannym "Istorii" Ioanna Kantakuzina, in: Srednevekovyj gorod III, Saratov 1975, 224-230; 229.
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ganz besonders ein kollektives Porträt des spätbyzantinischen Kaufmannes, das A. E. Laiou entworfen hat und das auf quantitativer Recherche und systematischer Auswertung aller einschlägigen Quellen beruht. 1l Zu nennen sind weiter die Studien zur spätbyzantinischen Schiffahrt von G. Makris, die auf eine an der Kölner Universität verteidigte Dissertation zurückgehen und neben den Akteuren in diesem für Byzanz so wichtigen Wirtschafts zweig, den Seeleuten und Schiffs führern, Schiffsbesitzern und Schiffsbauern, auch ihre Hauptnutznießer, die spätbyzantinischen Fernkaufleute, gebührend berücksichtigen. 12 Dazu kommen schon etwas ältere Arbeiten von V. A. SmetaninIJ und eine neuere Arbeit von E. Kislinger14 über das spätbyzantinische Handwerk, die auf eine beachtliche Diversifizierung und Spezialisierung professioneller Tätigkeit hindeuten. Und eine Fundgrube für viele Details und Zusammenhänge, für die Technik des Wirtschaftens und den Umfang kommerzieller und gewerblicher Tätigkeit ist schließlich das im Umfang schmale, vom Inhalt her beeindruckende Buch von N. Oikonomides über griechische und lateinische Unternehmer in Konstantinopel vom 13. bis zum 15. jh. 15 Nur Oikonomides und mit Abstrichen Kislinger fragen jedoch nach der möglichen Zugehörigkeit der von ihnen behandelten Wirtschaftskräfte und Sozialtypen zu den Mittelschichten und ihrer spätbyzantinischen Entwicklung. Die sichtbare Lücke zwischen verschiedenen Varianten sozialer Stratifikation bzw. unterschiedlichen Stufen sozialer Beschreibung kann die nachfolgende Darstellung nicht schließen, versucht werden soll aber doch, diese Lücke zu verkleinern, disparate Teile der sozialen Totalität auf Paßfähigkeiten und konkrete Anschlußstellen zu überprüfen und damit zu einer weiteren Klärung der inneren Struktur der Mesoi und ihrer Rolle in der frühen Palaiologenzeit beizutragen. Als sicher kann wohl gelten, daß auch die byzantinischen Begriffe Mesoi und Mesotes auf das ethisch geprägte aristotelische Leitbild des rechten Mittelmaßes zurückgehen, politisch ausgedrückt in Politie oder maßvoller Demokratie und ökonomisch bestimmt durch mittleren Besitz, der sozial aber sonst nicht weiter konkretisiert wird. 16 Der Gedanke des mittleren Besitzstandes hält sich auch in Byzanz, und zwar bis in die Spätzeit hinein. 11 LaiouMerch 96-132. 12 MakrStud. 13 V.A. Smetanin, 0 nekotorych aspektach social'no-ekonomiceskoj struktury pozdnevizantijskogo goroda, ADSV 8, 1972, 108-119; ders., Sel'skie remeslenniki pozdnej Vizantii kak social'naja gruppa, ADSV 7,1971,159-171; vgl. auch SmetEp 73-111 mit reichhaltigem Material zu Handwerk, Gewerbe und Handel. 14 KisGew 103-126. 15 OikHomm. 16 Vgl. W. Conze, Art. Mittelstand, in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. v. o. Brunner / W. Conze / R. KoseUeck, Bd. 4, Stuttgart 1978, 49 ff.
, .strukturelle Ansatzpunkte
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Daß er nicht sehr häufig Verwendung findet, ist vielleicht damit zu erklären, daß seine antike Bindung an eine im weiteren Sinn demokratische, jedenfalls nicht monarchische Herrschaftsform ihn für die Byzantiner irgendwie suspekt machte. Seine auffallend häufige Verwendung in der frühen Palaiologenzeit könnte demzufolge ein Indiz dafür sein, daß ein solcher Begriff aktuell gebraucht wurde, daß gesellschaftliche Veränderungen edolgt waren, die zu neuer begrifflicher Fixierung drängten.
3.1. Strukturelle Ansätze und spezifische Freiräume für die
Entwicklung der Mesoi in der frühen Palaiologenzeit Zunächst stellt sich die Frage, ob es in der byzantinischen Gesellschaft der frühen Palaiologenzeit überhaupt Platz für Mittelschichten gab und wo dieser Platz zu suchen ist, ob es sich nur um einzelne, voneinander isolierte Nischen oder um größere miteinander verbundene Räume und vielleicht sogar ganze Etagen in dieser Gesellschaft handelt, die von Mesoi bezogen und besetzt werden konnten. Wie im vorhergehenden Kapitel ausgeführt, ist die frühe Palaiologenzeit eine Hochzeit der byzantinischen Aristokratie. Die um die herrschende Dynastie gruppierten großen Familien erweiterten systematisch ihre grundherrschaftlichen Komplexe in den verschiedenen Reichsteilen, sie machten sich in allen Sphären der spätbyzantinischen Stadt breit, verfügten über den Hauptteil des städtischen Baulandes und der städtischen Bausubstanz, hatten ganze Stadtviertel unter ihrer wirtschaftlichen und politischen Kontrolle, beherrschten wichtige Festungen und errichteten eigene Schatzburgen. Sie konzentrierten die Schlüsselpositionen des spätbyzantinischen Staatsapparates in ihren Händen und organisierten sich große Gefolgschaften. Wie E. de Vries van der Velden völlig zu Recht feststellt, war die Stellung dieser Reichsaristokratie trotzdem schwach und ungesichert. 17 Es gelang ihr nicht, ein geschlossenes System fiskalischer und juristischer Immunitäten aufzubauen und sich damit die alleinige Vedügungsgewalt über Gundbesitz und Grundholden zu sichern. Die spätbyzantinischen Städte konnten zwar zu einer Art Hinterland, aber nicht zu festen Bestandteilen feudaler Grundherrschaft umgewandelt werden. Die Städter besaßen zwar keinen besonderen Rechtsstatus, sie waren aber nur im Ausnahmefall Paroiken großer Grundherren. Verschiedene Bereiche des Staatsapparates entzogen sich gänzlich oder partiell der Kontrolle durch die Reichsaristokratie. Gefolgschaftliche Treue und herrschaftliche Hilfe waren nur schwach ausgeprägt, viele Dienstleute des Adels waren kaum etwas anderes als 17 VriesEl57.
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normal entlohnte und belohnte Agenten, ihr Verhältnis zu ihren Dienstherren basierte weniger auf Treueergebung als auf nackter Zahlung. Damit werden aber zugleich Freiräume im System aristokratischer Besitzkonzentration und Machtausübung in Stadt und Land sichtbar, die auch von Personen in gesellschaftlicher Mittellage besetzt werden konnten. Angedeutet wurde im vorhergehenden Kapitel auch, daß die fortschreitende Aristokratisierung des Reiches in der frühen Palaiologenzeit die byzantinische Bürokratie nicht völlig aus der Gesellschaft hinausdrängen kann, sondern daß gerade unter den ersten Palaiologenherrschern immer wieder der Versuch unternommen wird, Elemente des traditionellen bürokratischen Systems zu erhalten bzw. neue Institutionen bürokratischer Kontrolle der Gesellschaft aufzubauen. Bestimmte Bereiche staatlicher Machtausübung und Administration bleiben als Rückzugsgebiete eines byzantinischen Beamtentums und Tätigkeitsfelder für byzantinische Beamtenfamilien auch in der Palaiologenzeit erhalten, und dazu gehören ganz besonders Rechtsprechung und Steuerverwaltung. Aber die strukturelle Schwäche administrativer Institute kann nicht abgebaut werden, die personellen Träger der Administration stehen unter dem ständigen Druck der Mächtigen und beugen sich ihm mehr oder weniger bereitwillig, werden von ihnen beiseite geschoben oder unterwandert. Von der Schwäche der Administration und ihrer Unfähigkeit, staatliche Prärogative beisammen zu halten, können aber auch andere gesellschaftliche Gruppen profitieren. Finanzkräftige und risiko bereite Einzelpersonen und Kleingesellschaften können nicht nur staatliche Steueranrechte für eine Zeitlang pachten und meistbietend ersteigern, sie haben offenbar darüber hinaus die Möglichkeit, auch manche andere Position im Staatsapparat für Geld und gute Worte an die richtige Adresse zu übernehmen und unternehmerisch auszunutzen. Über den Einfluß des lateinischen Westens auf die gesellschaftlichen Strukturen des späten Byzanz müßte eigentlich ausführlicher gesprochen werden. Hier geht es aber nur darum, ob die Kolonisatoren und Unternehmer aus den oberitalienischen Städten und Stadtstaaten den Handlungsspielraum byzantinischer Kaufleute, Seeleute und Handwerker tatsächlich so grundsätzlich und nachhaltig eingeschränkt haben, wie das nicht selten und nicht unbegründet behauptet wird. Unbestreitbar ist, daß die Anwesenheit westlicher Kauf- und Geldleute im späten Byzanz numerisch sehr viel stärker, um vieles dauerhafter und ihr Einfluß auf Wirtschaft und Politik unvergleichlich größer waren als noch unter den Komnenen und Angeloi und sogar im Lateinischen Kaiserreich am BosporuS. 18 Nicht zu bezweifeln ist auch, daß diese Lateiner ihre Geschäfte 18 Daß sich die wirtschaftliche Stellung Konstantinopels während des Lateinischen Kaiserreiches und der Vorherrschaft der Venezianer am Bosporus nicht verstärkt, sondern abschwächt, glaubt L. Buenger Robbert, Rialto Businessmen and Constantinople,
r Strukturelle Ansatzpunkte
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zu Vorzugsbedingungen abwickeln konnten, daß sie für den byzantinischen Kaiser und seine Großen nicht nur politisches Gewicht besaßen, sondern auch wertvolle Wirtschaftspartner waren, denen man landwirtschaftliche Überschüsse verkaufen und bei denen man im Bedarfsfall Darlehen aufnehmen konnte. Dazu kommt, daß Venezianer und Genuesen, wenn auch unterschiedlich ausgeprägt und akzentuiert, gerade in der frühen Palaiologenzeit ein besonders restriktives und exklusives Verhalten an den Tag legten, daß sie byzantinischen Kaufleuten die Benutzung ihrer Schiffe unmöglich machten, daß sie den gleichberechtigten Zusammenschluß in Handelsgesellschaften erschwerten, daß sie den byzantinischen Markt mit billigen Gebrauchstextilien überschwemmten, für die Erzeugnisse einheimischer Handwerker aber nur wenig Interesse zeigten und auf ihre Einbindung in eigene Produktions- und Absatzketten verzichteten. Konsequent ließ sich diese Politik auf Dauer aber ganz einfach nicht durchhalten, bei strikter Durchsetzung mußte sie sich sogar in ihr Gegenteil verkehren. Venezianische und genuesische Großhändler konnten ganz ohne einheimische Mithilfe den byzantinischen Markt kaum ausreichend erschließen, venezianische und genuesische Kapitäne brauchten einheimische Seeleute, um auf langen Reisen ihre Mannschaften auffüllen zu können. Ohne einheimische Geldwechsler vor Ort war ein weit gefächerter und breitstreuender Handelsaustausch praktisch kaum zu bewerkstelligen. Und nicht überraschend und unerwartet zeigt sich schon in dieser Zeit zumindest in Ansätzen die später noch sehr viel deutlicher werdende Tendenz, daß sich die wirtschaftlichen Aktivitäten besonders auf die geographischen Räume konzentrieren, die unter westlicher Kontrolle und Dominanz stehen,19 daß griechisch-byzantinische Kaufleute sich Geschäftsanteile in den Wirtschaftsräumen der Romania sichern können, die von den italienischen Handelsrepubliken langfristig erschlossen worden waren, daß byzantinische Schiffspatrone und Schiffsführer mit Vorliebe die Seehandelsrouten befuhren und die Häfen anliefen, die im venezianischen und genuesischen Handels- und Verkehrssystem eine besondere Rolle spielten. Damit sind zunächst einmal die Felder abgesteckt, auf denen byzantinische Gruppen der gesellschaftlichen Mitte in der frühen Palaiologenzeit ihre Chancen hatten und wahrnehmen konnten. Es ist nicht nur die spätbyzantinische Stadt, sondern auch das flache Land, nicht nur das byzantinische Reichsterritorium, sondern auch die weitere Romania, nicht nur ein, 1204-1261, DOP 49, 1995, 43-57. S. dagegen D. Jacoby, Venetian SettIers in Latin Constantinople (1204-1261), Ricchi e poveri nella societa deli' Oriente grecolatino, ed. Ch. A. Maltezou, Venedig 1998, 181-204, der sich schon seit einiger Zeit um ein wesentlich anderes Bild der Stadt zwischen 1204 und 1261 bemüht. 19 LaiouPress 143f.
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wenn auch reduzierter Bereich von Handwerk und Handel, sondern auch ein ansehnlicher Bereich der staatlichen und grundherrschaftlichen Administration, in denen sich für sie bestimmte Möglichkeiten auftaten. Vieles hing von ihrer Mobilität und Aktivität ab, von ihrer Fähigkeit, Räume zu erkennen und Chancen zu nutzen, von ihrem Willen, sich zu behaupten und durchzusetzen.
3.2. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Aktivitäten der Mesoi in der frühen Palaiologenzeit Gehandelt und verkauft wird in spätbyzantinischer Zeit vieles von vielen: landwirtschaftliche Erzeugnisse von Bauern, (Groß-)Grundbesitzern und Klöstern, gewerbliche Erzeugnisse von Handwerkern und Bauern, geistige Erzeugnisse von Intellektuellen, Gelegenheitsdichtern und Kopisten, künstlerische Erzeugnisse von Bauleuten, Malern und Mönchen, Importwaren besonders von italienischen Fern- und Großkaufleuten. Die wichtigsten Bereiche des Detailhandels und zumindest einige Bereiche des Zwischenhandels aber sind, bleiben oder werden vielleicht sogar erst jetzt spezielles Tätigkeitsfeld und spezifische Leistung einheimischer professioneller Kaufleute. Als Bezeichnung für den Berufskaufmann tritt an die Stelle des klassischen EJl3t0QO~ in spätbyzantinischer Zeit verstärkt der volkssprachliche Begriff 3tQaYlla't'Eu't'~~20 und vereinzelt das lateinisch-italienische Lehnwort llaQxa't'a.vto~ (mercatorlmercantet\ während der Kleinhändler/Krämer in der Regel als 1Ca.3tllÄ.O~22, im Einzelfall als oapÖalla.Pll~ 23 bezeichnet wird. Diese Sammelbegriffe werden bei Bedarf ergänzt und konkretisiert durch eine größere Anzahl von Spezialbegriffen, die besondere kaufmännische Tätigkeiten, den Handel mit ganz speziellen Waren bezeichnen. Viele dieser Begriffe beziehen sich auf den Handel mit Getreide und anderen Lebensmitteln. Vergleichsweise häufig treten in der frühen Palaiologen-
20 Verwendung in offiziellen Vertragstexten, vgl. MM 111, 94; Verwendung in literarischen Texten, vgl. S. Krawczynski, '0 TIouÄ.OÄOyOI,;, Berlin 1960, Vers 143; I. Tsavari, '0 TIouÄoÄ6yOI,;, Athen 1987; vereinzelt im Patriarchatsregister, vgl. MM I, 358f. 21 V. Tsiouni, TImöL6cj>paO't'ol,; ÖL~YTlm<; 'toov ~cpcov 'toov 'tE'tpwtOÖCOV. Critical Edition, München 1972, 74. Umgekehrt findet die griechische Bezeichnung für den Kaufmann Eingang in lateinische Quellen, so wird 1418 auf Kreta ein Nicolaus Drachopuli pramatifti erwähnt, N. Jorga, Documents concernant les Grecs et les affaires d'Orient Ures des registres de notaires de Crete, Revue historique du Sud-Est-Europeen 14, 1937, 93. V. S. Sandrovskaja, Vizantijskaja basnja "Rasskaz 0 cetveronogich" (XIV v.), VV 9, 1956, 227. 22 GKypEp 122; KydEp 11, 50. 23 ALaur .111, 25; SchreinFin 39, Komm. 60. Badoer, passim, spricht vom botegier de marzane.
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zeit die Bezeichnungen OL'tCÖvat und OL'tOKL'taJ..l.OLßcöv die Rede. Der Patriarch Athanasios wendet sich in den Hungerjahren kurz nach 1300 an Kaiser Andronikos 11. mit der Forderung, zu verhindern, daß OL'tCÖVat Kat OL'tOK
CorAth 256. HyrtEp 740. A. O. 28. Philes I, 32. MercNot 311.
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vinz-Sitonai bei ihrer Tätigkeit Gewinn machen, praktisch war die Betrauung mit diesem Amt nach J. Karayannopulos aber selbst eine so schwere Leiturgie, daß sich die Kandidaten nach Möglichkeit vor ihm drückten und vom Staat deshalb besondere Erleichterungen zugesprochen erhielten. 29 Im weiteren Verlauf der byzantinischen Geschichte hat diese Funktion sicherlich manche Veränderungen durchgemacht. lo Ihren öffentlichen Charakter scheint sie jedoch bis in die Spätzeit beibehalten zu haben. Die Herausgeberin der Athanasiosbriefe, A. M. Talbot, übersetzt OL'tOOVaL mit public buyers of grain, ohne einen weiteren Kommentar beizugeben. ll Anzunehmen ist, daß es sich auch noch in der Spätzeit um staatlich autorisierte Getreidehändler handelte, die in offiziellem Auftrag öffentliche GetreidespeicherJ2 kontrollierten, sich um ihre Auffüllung zu kümmern hatten und zu diesem Zweck über Vorkaufsrechte bei einheimischen Produzenten und Lieferanten und bei fremden Importeuren verfügten, die dieses Getreide auf den offiziellen Getreidemärkten an private Konsumenten und vielleicht auch an Bäcker und kleine Krämer weiterverkauften, auf diese Weise Vorsorge für ein ausreichendes Getreideangebot trafen, Einfluß auf die gültigen Getreidepreise ausübten und dazu auch noch beachtliche eigene Gewinne einbringen konnten. Falls diese Funktion auch verpachtet wurde, wofür es allerdings bisher keine schlüssigen Anhaltspunkte gibt, dürften die Gewinnchancen und natürlich auch die Risiken besonders hoch gewesen sein. Sicher läßt sich diese Funktion bzw. Pfründe in spätbyzantinischer Zeit nur für die Hauptstadt Konstantinopel nachweisen. Vielleicht handelt es sich bei den Sitonai aber um den hauptstädtischen Prototyp bzw. die zentrale Variante für die officiales constitutos super furmento bzw. für eos, qui supererant furmento, also für homines Imperatoris, die zu Beginn der Palaiologenzeit in verschiedenen Provinzstädten bezeugt sind, so in Mesembria und im Gebiet von Thessalonike und dort in Verbin-
29
J. Karayannopulos, Das Finanzwesen des frühbyzantinischen Staates, München 1958,
218. 30 Vgl. etwa die zuletzt von P. Magdalino, The grain supply of Constantinople, ninth-
twelfth centuries, in: Constantinople and its Hinterland, ed. C. Mango I G. Dagron, Cambridge 1995, 35-47; 40, beschriebenen Maßnahmen des Logotheten Nikephoritzes unter Kaiser Michael VII. Dukas, die nach Meinung des Autors die Position von authorized corn dealers, und das sind Sitonai, durch die Konzentration des Getreidehandels in einem staatlichen !pouvöa;, fondaco stärken. 31 CorAth 257. Im Kommentar, 429, spricht die Herausgeberin der Briefe von middlemen. 32 Solche Speicher existierten zumindest gegen Ende des 13. Jh. noch in verschiedenen Orten außerhalb Konstantinopels nach einem Brief des Patriarchen Gregorios 11. (Georgios Kyprios), der betont, daß er auf einer Reise von Gallipoli in die Hauptstadt auf ihre Inanspruchnahme verzichtet habe, GKypEp 130.
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dung und im Zusammenspiel mit den kaiserlichen Zollbeamten agieren. JJ Aus den vorhandenen Belegen scheint sich gleichzeitig zu ergeben, daß hauptstädtische officiales auch in die Provinz gehen, um Getreide zu beschaffen. So konfiszieren sie in Mesembria das Boot eines Venezianers, lassen es gegen seinen Willen reparieren und befrachten es mit Getreide für die Hauptstadt. J4 Und umgekehrt weist Kaiser Andronikos 11. gelegentlich Leute seiner Administration (öLaKo~i.aoV'ta~) an, Getreideüberschüsse der großen Klöster in der Umgebung der Hauptstadt einzusammeln und nach Kleinasien zu überbringen, um dort gelegene Festungen, die durch Hunger und Belagerung gefährdet sind, zu entlasten. JS Von einem Getreidemonopol kann auch im späten Byzanz nicht die Rede sein. Neben den Sitonai sind im Getreidegeschäft, wie schon angedeutet, auch private OLtOKLta~oLf3ol. und andere KQ3tTlA.EUOVE~ tätig, gibt es Getreidespeicher im Besitz verschiedener Aristokraten, Klöster und in der Verfügungsgewalt des Patriarchen,J6 konnten aliqui Greci emisse locum ubi venditur frumentum/ 7 tauchen Getreideverkäufer und -käufer in byzantinischen Kontobüchern auf. J8 Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß sowohl der Historiker Georgios Pachymeres als auch der Vitenschreiber Joseph Kalothetos nur vom Zorn des Patriarchen Athanasios gegen die mit Getreide handelnden Mächtigen und Reichen bzw. gegen die OLtOK
TIh III, 245, 280. A. O. 244. PachFail IV, 647. TheochVermächt 490; DelTyp 132; Greg I, 260: Der Patriarch Nephon I. verfügt den Ausbau der Getreidespeicher des Patriarchats, bemüht sich um den Ausbau der Kapazitäten der Lebensmittellagerung. Der Bäcker Balsamon, dem der Patriarch Isidoros bei seinem Tod eine kleine Geldsumme (4 Hyp.) schuldet, MM I, 293, könnte auf diesem Hintergrund ein Angestellter des Patriarchats gewesen sein bzw. in engen Verbindungen zu ihm gestanden haben, indem er aus den Speichern des Patriarchats Getreide bezog und dafür verbilligtes Brot lieferte. Eine ähnliche Situation deutet sich im Kontenbuch des Grundbesitzers Kasandrenos aus Thessalonike nach 1350 an, der von "unserem" Bäcker spricht und ihm gratis oder zu verbilligtem Preis Getreide liefert, SchreinFin 83, Kommentar und Auswertung 100f., 420. 37 DiplVen 1,165. 38 Vgl. das eben erwähnte Kontobuch des Kasandrenos. 39 Pach IV, 509; KalothSyng 496.
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kaiserliche Beamte und staatliche Beauftragte waren, die für ausreichende Getreidezufuhr und stabile Getreidepreise zu sorgen hatten, die deshalb auch wenigstens bis zu einer bestimmten Grenze von der Administration gedeckt wurden und an die sich selbst ein Patriarch nicht so ohne weiteres heranwagen konnte. Auf jeden Fall war der Getreidehandel und die Getreideversorgung der spätbyzantinischen Hauptstadt und auch der Provinzstädte Sache professioneller Kaufleute und spezieller Beamter, die selbst im Kern und zu einem guten Teil Händler waren, wie Händler agierten und aus dem Kaufleute- und Geldleutemilieu stammten. Bei dieser Sachlage ist es allerdings auffällig, daß spätbyzantinische Quellen bisher weder einen OL'tWV'T]~ noch einen OL'tOlCOJt'T]AO~ als konkrete Person benannt und mit Namen ausgestellt und damit einer prosopographischen Analyse zugänglich gemacht haben. Die einzigen Personen, die das Prosopographische Lexikon der Palaiologenzeit führt, gehören zu einer Gruppe von Ln:JtOlCOf.\.OL und 0PEWlCOf.\.OL, die gemeinsam für die kai- . serlichen Gestüte und Lasttierherden im Gebiet von Adramyttion verantwortlich und zu ihrer Unterhaltung in der Gegend zwischen Kallipolis und dem Ganos-Gebirge zu Getreiderequisitionen bei der landwirtschaftlich tätigen Bevölkerung autorisiert waren, die dieses Vorrecht aber nicht so sehr für die ihnen anvertrauten Tiere nutzten, sondern vielmehr dazu, eigene Weizen- und Gerstenmagazine anzulegen und das in ihnen angesammelte Getreide in Posten von 100 oder 200 Modioi auf eigene Rechnung an nicht genau benannte Interessenten zu verkaufen. Der Patriarch Gregorios Kyprios, der diese Geschichte seinem Kaiser Andronikos H. berichtet und über sie empört ist, erklärt abschließend, daß Kimpos und seine vier Kumpane dadurch praktisch aufgehört haben, Pferdewärter und Maultiertreiber zu sein, und zu lCUJt'T]AOL 'tWV OJtEPf.\.O'tWV, also zu OL'tOlCOJt'T]AOL geworden sind, die billig einkaufen und teuer verkaufen. 4o Ganz wörtlich ist diese Schluß bemerkung sicherlich nicht zu nehmen. Falls die pflichtvergessenen Funktionäre auf Grund der patriarchalen Denunziation nicht abgelöst oder sogar bestraft wurden, haben sie sicherlich an ihrer Funktion festgehalten, denn sie war ja die eigentliche und wesentliche Voraussetzung für ihren Coup. Denkbar scheint mir überhaupt zu sein, daß die fünf Personen ihren Aufgabenbereich nicht auf dem Dienstweg von Staatsbeamten erworben, sondern für Geld gepachtet und ersteigert hatten, daß ihr Zusammenschluß also eher eine private Syntrophia als ein kollektiv wahrgenommener Dienstauftrag gewesen ist. Sei dem, wie ihm sei, sichtbar wird an diesem konkreten Beispiel eindrucksvoll, wie leicht staatliche Aufgaben in der frühen Palaiologenzeit zu pri40 GKypEp 116. Oder ist sogar an OL'tWVaL zu denken, d. h. imitieren sie die Tätigkeit der Getreideaufkäufer, die Getreide zu Vorzugspreisen erhalten, in Getreidespeichern unterbringen und von dort aus verkaufen?
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vater Bereicherung genutzt werden konnten, auf welchem Wege es möglich war, daß staatliche Funktionäre faktisch zu privaten Unternehmern werden und sich damit auch typologisch an eine soziale Gruppe annähern konnten, die Gegenstand dieser Erörterungen ist. Der Patriarch kennt und nennt alle fünf Beteiligten bei ihren Namen. Es sind neben Kimpos ein Ziras, ein Niketas, ein Parechotes und ein Melias. Alle fünf können Familiennamen sein, aber sehr gebräuchlich und weit verbreitet sind sie nicht, und das Milieu, in dem sie angesiedelt zu sein scheinen, liegt nicht im oberen und wohl nicht einmal im mittleren Sozialbereich. Ihre Träger waren andererseits mit großer Wahrscheinlichkeit keine einfachen Viehtreiber und Gespannführer. Die Pferdeknechte, die 1321 am Flusse Melas die Pferdeherden der Soldaten, Senatoren und Notabeln der Hauptstadt bewachen, werden von Johannes Kantakuzenos als i.3tJto<popßo~ als pferdehirten/1 nicht als i.3t:n:OKOIlOL bezeichnet. Namentlich bekannt aus nur wenig späterer Zeit ist in der Person eines gewissen Attaleiotes ein weiterer i.3t:n:OKOIlOS, der aber nicht in die Wirtschaft, sondern in die Politik geht, indem er sich mit Unterstützung der örtlichen Bevölkerung im Jahre 1304/05 zum Statthalter von Magnesia macht und die Stadt erfolgreich gegen die Katalanische Kompanie um Roger de Flor verteidigt, wobei er sich neben den Stadtbewohnern auch auf die großen Pferde-, Vieh- und Getreidebestände stützt, die in der Stadt konzentriert sind. 42 Vielleicht hatte sein politisches und militärisches Engagement also einen ähnlich gelagerten wirtschaftlichen Hintergrund. Auf jeden Fall agierten Kimpos und seine Kollegen nicht wie kleine Hirten und Krämer, sondern sie organisierten den staatlich lizenzierten Bezug von großen Getreidemengen, errichteten Getreidespeicher für den Eigengebrauch und auf eigene Rechnung und betrieben Handelsgeschäfte von ganz beachtlichem Ausmaß und Format. Nur wenig bekannt ist über Viehhandel und Viehhändler in spätbyzantinischer Zeit. Fleisch spielte in der Ernährung der Byzantiner längst nicht die gleiche Rolle wie Getreide. M. Balard hat die interessante Beobachtung gemacht, daß in der genuesischen Kolonie Kaffa auf der Krim Viehhandel und Fleischnahrung einen wesentlich höheren Stellenwert hatten als in der genuesischen Kolonie Pera vor den Toren Konstantinopels, und er bringt diese Feststellung sicherlich nicht unbegründet in Zusammenhang mit dem unterschiedlichen Kontext der beiden Kolonien, mit der Einbindung Kaffas in die mongolisch-tatarische Welt der Goldenen Horde, während sich Pera sicherlich den Traditionen und Usancen der griechisch-byzantinischen Welt nicht völlig entziehen konnte. 4J
41 Kant I, 90. 42 PachFail IV, 471; 483. 43 BalGen 11, 713f.
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Das Prosopographische Lexikon der Palaiologenzeit verzeichnet auch nach seinem Abschluß selbst für die byzantinische Hauptstadt nicht einen einzigen Fleischer. Im genuesischen Pera ist die bisher bekannte Zahl von Fleischern im Vergleich zu anderen Handwerkern, wie Bäckern und Schneidern, auch nur bescheiden. Immerhin enthält die Liste genuesischer Schadenersatzansprüche aus dem Jahr 1294 an die byzantinische Administration auch mehrere Fälle, die Fleischer aus Pera betreffen. So werden 190 und 112 Hyperpern pro bestiis CL bzw. pro bestiis et bobus gefordert, die petro macellario filio oliverii und J ohanne fratre ejus von nicht genannten Personen bzw. Dienststellen abgenommen worden sind.~ Die Annahme, daß es sich um zwei Fleischer aus Pera handelt, wird durch die Existenz eines Fleischers Giovanni Oliverio etwa zehn Jahre zuvor in der jungen genuesischen Kolonie gestützt,45 der sehr gut mit dem Bruder des Fleischers Peter, Sohn eines Oliverio, identisch sein kann, wenn man annimmt, daß der Name des Vaters bei ihnen zum Fa:miliennamen geworden ist bzw. daß in der Schadenersatzaufstellung auch schon der Familienname und nicht ein Vorname genannt wird. Auch der Fleischer Vivaldo de Albizola, für den im gleichen Jahr 232 Hyperpern reklamiert werden,46 taucht bereits 1281 in den Akten des Notars Lamberto Beltramis als Einwohner von Pera auf, vielleicht als Zeuge in einer Vollmacht47 und eindeutig in einem Geschäft mit Häuten,48 das durchaus zu seiner Profession passen könnte. Seine Schadensansprüche von 1294 sind sogar noch etwas genauer spezifiziert, denn sie werden erhoben pro bestiis et comergiis ab eodem ablatis per gaytanum grecum hominem domini Imperatoris diversis vicibus. Der genuesische Fleischer hat sich also allem Anschein nach selbst in verschiedenen Dörfern (der Umgebung von Pera/Konstantinopel?) um den Ankauf von Schlachtvieh bemüht und ist dabei von einem kaiserlichen BeauftragtenlBeamten behindert worden, der ihm nicht nur die erworbenen Tiere, sondern auch noch einen Zoll für den Handel mit ihnen abnahm. 49 Ganz ähnlich wie er müssen auch byzantinische Fleischer aus der Hauptstadt und anderen Städten agiert haben, obwohl es dafür bisher, wie schon gesagt, keine eindeutigen Belege gl·b t. 50 44 45 46 47 48 49
BertolNouvSer 545. BratAct 324. BertolNouvSer 545. BratAct 303. BertolNouvSer 545. Sein Name Gaytanus findet sich in der Form Gaitanas/Gaitanes auch im PLP 3455ff., ihre Träger sind aber im ländlichen Bereich angesiedelt, nicht in der staatlichen Administration. 50 Im 15. Jh. findet sich bei Badoer 414, ein anonymer Oberfleischer (protomachielari), der allein und mit einem ebenfalls anonymen Kompagnon Rohwolle verkauft, was
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Fleisch kommt im spätbyzantinischen Großraum KonstantinopeVPera aber nicht nur dadurch auf den Markt, daß Fleischer Schlachtvieh in den Dörfern und ländlichen Regionen aufkaufen, sondern auch dadurch, daß es von professionellen Großhändlern in die Hauptstadt geliefert wird. In dem schon zitierten Brief des Patriarchen Gregorios Kyprios findet sich auch die Geschichte eines leider ohne Namen notierten x:pe<.OJtwATJS, der mit 600 Schafen in der Nähe eines Stadttores von Leuten des Despoten Johannes angehalten wird, die ihm 150 seiner Tiere abnehmen und sie zum Haus ihres Auftraggebers treiben wollen. Als der Stadteparch von diesem Vorfall Kenntnis bekommt, veraniaßt er einen seiner Untergebenen, Leute seiner Dienststelle an den Ort des Geschehens zu schicken, die aber bei ihrem Auftauchen von der Dienerschaft des Despoten, von seinen Metzgern, Köchen und Küchenhilfen, angegriffen und verprügelt werden. Sie machen auch gegen die Torwächter Front, als diese die Torzugänge schließen, um damit den Handstreich zu stören. Nur durch das persönliche Erscheinen des Stadteparchen/Stadtgouverneurs, der den von einer Reise in die Hauptstadt zurückkehrenden Patriarchen (ebenso wie heimkehrende Kaiser) vor den Stadtmauern in Empfang nimmt, wird ein gewaltsames Aufbrechen des Tores verhindert. Am kommenden Morgen greift der Despot jedoch selbst in das Geschehen ein und ordnet an Ort und Stelle an, nicht nur 150, sondern sogar 200 Schafe zu requirieren und zu seinem Anwesen zu schaffen. 51 Sehr schwierig ist eine Antwort auf die Frage, um welchen Despoten J ohannes es sich in dem Brief und in der Geschichte handelt. Der Despotentitel war in spätbyzantinischer Zeit für den engsten Kreis der Kaiserfamilie reserviert, für Kaisersöhne, Kaiserbrüder, Kaiseronkel. Zwei Palaiologen namens Johannes sind bekannt, die zwischen 1260 und 1300 diesen Titel führen, und zwar Johannes Dukas Angelos Palaiologos, Sohn eines Bruders von Kaiser Michael VIII., der jedoch im Jahre 1273 wegen einer militärischen Niederlage die Despoteninsignien ablegte und wenig später starb,52 und Johannes Palaiologos, ein Sohn des Kaisers Andronikos 11., der
ganz im Einklang mit seiner Profession steht. Ob er allen Fleischern der Hauptstadt vorsteht oder nur einer bestimmten Gruppe, etwa denen auf dem Fleischmarkt (dazu s. OikHomm 100). läßt sich nicht genau sagen, auf jeden Fall spricht die Tatsache einer Organisation der Fleischer ebenso wie ein spezieller Fleischmarkt für eine gewisse Bedeutung dieser handwerklichen und kommerziellen Tätigkeit und ihrer Träger. Aus frühtürkischen Quellen, BeldAct I, 123f., ist zu entnehmen, daß es wenig später (in Konstantinopel und anderen Orten des hauptstädtischen Raumes) Fleischer gab, die Muttertiere in den Schafherden auf dem Land besaßen, weil sie wahrscheinlich an den von ihnen geworfenen Lämmern interessiert waren. Ob es eine solche Praxis schon in spätbyzantinischer Zeit gab, kann aber nicht gesagt werden; vgl. auch PLP 25210. 51 GKypEp 116. Deutsche Übersetzung bei MatthPatr 34f. 52 Vgl. PLP 21478.
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seinen Titel aber erst im Mai 1295 erhielt und schon in jungen Jahren das Zeitliche segnete. 53 Für den Patriarchenbrief, der im Jahre 1284 geschrieben wurde, kommen sie also beide nicht in Frage. In eben diesem Jahr wird jedoch Johannes III. Mytzes Asanes, zwischen 1279 und 1280 bulgarischer Zar und durch den Bauernzaren Ivajlo von seinem Thron und aus seinem Reich vertrieben, durch Heirat mit Eirene Komnene Palaiologina, Tochter Michaels VII!., in den Familienclan der Palaiologen aufgerückt, nach seiner Flucht in die byzantinische Hauptstadt und an den byzantinischen Kaiserhof als Kompensation für das entgangene Herrscheramt von Andronikos 54 I!. zum Despoten gemacht. Was über diesen Stammvater der byzantinischen Asanen bekannt ist, könnte durchaus zu dem Despoten Johannes des Patriarchenbriefes passen. Unklar ist, ob es sich bei dem Vorgehen dieses mächtigen Mannes im Staat der Palaiologen gegen einen ohnmächtigen Handelsmann um eine reine Willkürmaßnahme handelt oder ob der Despot dafür irgendwelche Rechtstitel und Sachansprüche ins Feld führen konnte. Die Frage wird durch den auffälligen Umstand suggeriert und provoziert, daß von den 600 Schafen 150 beschlagnahmt werden, also exakt ein Viertel des Viehauftriebs, denn dabei denkt man unwillkürlich an die sog. 'tE'tQUf.-tOiQu, eine Viertelsabgabe, deren genauer Inhalt und deren unterschiedliche Varianten immer noch nicht ausreichend bekannt und erforscht sind. Den Herausgebern der Lavraakten zufolge ist diese Auflage kein Verkaufszoll auf Waren, sondern eine Produktionsabgabe. 55 Vielleicht existierte im späten Byzanz analog zur Viertelsabgabe von Fisch auch so etwas wie eine Viertelsabgabe von Vieh, die unter bestimmten Bedingungen erhoben werden konnte. Ein Zusammenhang mit Abgaben dieser Art deutet sich auch dadurch an, daß der Despot am nächsten Tag nicht nur 150, sondern sogar 200 Tiere wegtreiben läßt, aus der Viertelsabgabe also eine Drittelsabgabe macht, die aus spätbyzantinischen Urkunden im gleichen Umfeld wie die Viertelsabgabe bekannt ist. 56 Damit ist aber noch nicht geklärt, warum ein Mitglied der Kaiserfamilie und nicht ein Steuerbeamter diese Abgabe erhebt bzw. erheben kann. Einen weiterführenden Hinweis könnte vielleicht eine Passage im Prostagma des Kaisers Andronikos III. für die Monembasioten aus Pegai vom Jahre 1329(?) liefern, wo die Rede von ei53 54 55 56
Vgl. PLP 21475. Vgl. BozAsen 251, 254; PLP 1501. ALaur IV, 163f. A. O. Allerdings werden die Abgaben in diesem konkreten Fall nicht von den Erzeugern (Bauern, Grundherren), sondern von einem bzw. mehreren Kaufleuten gefordert, was das Vorgehen des Despoten auf dieser Grundlage in Frage stellen könnte. Andererseits ist die Ware nicht Fleisch, sondern das noch lebende Vieh, wodurch die Abgabe eines bestimmten Teils in der Form einer dementsprechenden Anzahl überhaupt möglich wird.
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ner /lUYELPELU, einer Küchenabgabe, ist, die nicht nur von den hauptstädtischen Behörden zum Unterhalt von Armenküchen, sondern möglicherweise auch von den Mitgliedern der Kaiserfamilie für den privaten Bedarf erhoben werden konnte. 57 In diesen Zusammenhang könnte passen, daß der Despot sein Küchenpersonal zur Ausführung seiner Anweisung in Marsch setzte, obwohl er ganz sicher auch andere Dienstleute zu seiner Verfügung hatte, die dafür besser geeignet waren. Es ist also nicht ausgeschlossen, daß Johannes zumindest mit dem Anschein von Legalität vorgehen konnte und daß seine Beschlagnahmeaktion vor allem deshalb als Willkürmaßnahme von dem Betroffenen empfunden und vom Patriarchen gegeißelt wurde, weil sich der Despot in der Art der Abgabe und in ihrer Höhe vergrifeS Als Begleiter und Besitzer der Schafherde wird in dem Brief zunächst nur ein einziger Viehhändler vorgestellt. Nachdem der Despot seinen Coup erfolgreich abgeschlossen hat, sprechen beim Patriarchen aber mehrere Eigentümer der Tiere vor. Daraus könnte sich ergeben, daß der in der Geschichte vorgeführte Viehhandel doch kein Einzel-, sondern ein Gemeinschaftsunternehmen war, vielleicht also eine Syntrophia, zu der sich mehrere Personen zusammengetan und Geld zur Verfügung gestellt hatten, während einer von ihnen mit der konkreten Ausführung der Unternehmung beauftragt wurde. Aber auch in diesem Fall sind die Geschäftspartner wohl nicht kleine Lebensmittelhändler und handwerkliche Lebensmittelhersteller, sondern es handelt sich um Groß57 Konkret heißt es, daß weder die Zoll organe der Hauptstadt, noch die Verwalter der Besitzungen der Kaisermutter und anderer Familienmitglieder von den Monembasioten aus Pegai eine Küchen- und eine Verproviantierungsabgabe fordern dürfen, SchreinStud 211, und das macht die Vermutung möglich, daß es sich bei der t-tuYELQdu nicht (nur) um eine Küchengebühr zum Unterhalt der Armen, wie Schreiner, 209, glaubt, sondern auch zur kostenlosen Versorgung verschiedener Haushalte der Kaiserfamilie handeln könnte, daß also nicht nur die kaiserliche Küche, sondern auch die Küchen seiner engen Verwandten kostenlos oder kostenarm versorgt werden konnten. Wie die für die kaiserliche Tafel Verantwortlichen während eines kaiserlichen Feldlagers bei Lampsakos von den Landleuten der Umgebung Geflügel, Spanferkel und andere Schlachttiere beschlagnahmen, berichtet der Patriarch im gleichen Brief unmittelbar vor der Darstellung der Übergriffe des Despoten, und er bittet den Kaiser um Verzicht auf diesen Abusus (t~v uioxpav tUUtT]V drcultT]OLv) durch entsprechendes Prostagma oder wenigstens um eine genaue Festlegung, wieviel für den Kaiser gefordert und genommen werden darf, GKypEp 115f. Interessant ist übrigens, daß die Monembasioten durch das Prostagma von 1329 auch von einer Viertelsabgabe befreit werden, SchreinStud 209, und daß diese bzw. eine solche Abgabe nicht nur von Produzenten, sondern tatsächlich auch von Kaufleuten gefordert werden konnte. 58 Der Patriarch spricht in diesem Zusammenhang von VEWtEpl~ELV KUt dÖLKELV, d. h. er verwendet zur Charakterisierung des Übergriffs einen Begriff, der sonst vorzugsweise zur Kennzeichnung des neuerungs süchtigen Volkes verwendet wird, vgl. weiter unten Kap. 3.4.
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kaufleute und Zwischenhändler, die eine größere Menge von Geldkapital benötigten und spezielle Geschäftsverpflichtungen eingehen mußten, um einen nennenswerten und aufteilbaren kaufmännischen Profit machen zu können. 59 Woher der genannte Viehhändler mit seiner Herde kam, als er vor den Mauern Konstantinopels gestellt und geschädigt wurde, ist aus dem Brief des Patriarchen nicht zu erschließen. Einiges spricht für seine Zugehörigkeit zur hauptstädtischen Bevölkerung. Allerdings muß es auch in den zahlreichen Städten der Umgebung zu dieser Zeit Kaufleute gegeben haben, die sich auf den Viehhandel und die Versorgung der Hauptstadt mit Fleisch konzentrierten. Das deutet zumindest ein Brief des Kirchenbeamten und Bischofs Manuel Gabalas = Matthaios von Ephesos an, der im Jahre 1332 nach seiner Ankunft in dem ihm KU'ta Myov erw56oew~ als Bischofssitz übertragenen thrakischen Städtchen Brysis berichtet, daß die Einwohner des Ortes aus Ackerbauern oder Viehzüchtern und dazu aus Handwerkern, Krämern und aus Viehhändlern (KpewmDAm) bestehen,60 d. h. in einer Ansiedlung mit einer ansonsten ganz normalen kleinstädtischen Struktur gibt es eine spezielle Gruppe von Großhändlern, die wahrscheinlich das von den Orts bewohnern gezüchtete Vieh aufkaufen, um es außerhalb von Brysis zu verkaufen, und nach Lage der Dinge und des Ortes bieten sich dafür natürlich in erster Linie die Märkte der spätbyzantinischen Hauptstadt an. Auf diese Märkte kamen vielleicht auch die Schafe, die um die Mitte des 14. Jh. auf der Insel Marmara geweidet wurden und für die der kaiserliche Oikeios und Amtsträger Manuel Sergopulos auf Grund eines kaiserlicheri Horismos neben dem Recht auf die Steuer für ihren Verkauf auch ein Vorkaufsrecht besaß,61 wobei leider offen bleiben muß, wie er dieses Recht wahrnahm. Ein schon zitierter Text von Demetrios Kydones belegt, daß es neben Vieh- und Fleischhändlern allgemein auch noch spezielle Rinderhändler gab, und diese Spezialisierung ging vermutlich noch weiter, wie weit, läßt sich aber ebenfalls nicht sagen.
59 Nicht ganz unmöglich scheint aber doch zu sein, daß an dem Unternehmen auch hauptstädtische Fleischer partizipierten, die sich auf diese Weise Schlachtvieh beschafften, vgl. auch oben Anm. 50. 60 Kur Gab 271ff. 61 MagdPron 157. Die Annahme, daß diese Schafe auf den hauptstädtischen Markt kamen, stützt sich darauf, daß Sergopulos in Konstantinopel ansässig war bzw. dort lebte und wahrscheinlich mit Seehandel in Verbindung stand, a. O. 162f., und daß im Text von der Schafsteuer in der auch in Konstantinopel gezahlten Höhe die Rede ist, d. h. eine Verbindung zwischen Stadt und Insel hergestellt wird. Daß Sergopulos selbst die Lieferung von Schafen in die Hauptstadt organisiert hat, ist wenig wahrscheinlich, wenn auch nicht völlig unmöglich.
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Ein über den einfachen Detailhandel hinausgehendes Format haben nicht nur verschiedene Lebensmittelgroßhändler, sondern vielleicht auch einzelne Händler mit Luxuswaren und mit Sicherheit einige Zwischenhändler vom Typ eines durch P. Schreiner unlängst bekanntgewordenen Kontobuchführers wahrscheinlich aus dem pontischen Herakleia gehabt, der über ein umfangreiches Lager verschiedenster Naturalprodukte und auch einzelner handwerklicher Erzeugnisse verfügte, die er aus dem Hinterland der Hafenstadt, aber auch von der gegenüberliegenden Seite der Schwarzrneerküste, aus La Tana und La Copa, und aus der byzantinischen Hauptstadt Konstantinopel bezog und in erster Linie an örtliche Einzelhändler abgab. 62 Ganz sicher existiert im späten Byzanz aber auch eine besondere Gruppe von Fernkaufleuten, die den geographischen Bedingungen der Romania entsprechend vor allem. Seeverbindungen und Schiffsrouten benutzen mußten. Kaufleute aus Philadelpheia machen in der frühen Palaiologenzeit Station auf Lesbos, in Thessalonike und in Selymbria und wahrscheinlich auch in der Hauptstadt.63 Kaufleute aus Thessalonike leben und handeln in Konstantinopel, in Tana am Don und in Kandia auf Kreta. 64 Kaufleute aus Mesembria sind zu Handelszwecken in Kilia, Konstantinopel und in den benachbarten Häfen an der westlichen Schwarzmeerküste.65 Besonders aktiv sind die kommerziellen Kreise der Hafenstadt Monembasia. Kaufleute aus dem Felsennest in der südlichen Peloponnes sind bezeugt im venezianischen Handelsstützpunkt Koron und auf der venezianischen Insel Kreta, im genuesischen Kaffa auf der Krim, an der Mündung des Kuban und im pontischen Trapezunt. 66 Sofern sie bei diesen Gelegenheiten mit Familiennamen genannt werden, handelt es sich in der Mehrzahl um byzantinische Allerweltsnamen: Maurosume (Maurozomes), Sucro (Suguros, Sguros?), Cavalchi (Kabalos, Kabakes?), Leomualdita (?), Katidites, Kiniotes, Daras, Paches (Pachys) und natürlich Monovasiotes und ähnliche Varianten der Herkunftsbe. hnung. 67 zelc Die professionellen byzantinischen Fernkaufleute Konstantinopels bleiben in der frühen Palaiologenzeit eigenartig blaß. Hier und dort tauchen einzelne Personen mit Namen oder auch anonym als Fernkaufleute auf,68 aber sie fügen sich kaum zu genaueren Bildern zusammen, lassen keine speziellen Profile erkennen, belassen alles im Bereich bloßer Vermutung, wie im Falle einer Familie Agapetos bzw. verschiedener Träger 62 63 64 65 66 67 68
SchreinFin Text 1, 37ff. SchreinVenKo1341; AhrwRec 23f. LaiouNot 103; KugNot 153; DiplVen 1,111. ActPonPist Nr. 62f.; LaiouNot 126. DiplVen 1,126,127; BertolNouvSer 516; GaspKin 293ff. Vgl. LaiouEc 188ff. DiplVen 1,126; GaspKin 293ff.; BratAct 262.
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dieses Familiennamens. Auf dem Hintergrund einer venezianisch-byzantinischen Annäherung nach langwierigen kriegerischen Auseinandersetzungen führt im Jahre 1310 eine kaiserliche Gesandtschaft Gespräche mit den venezianischen Behörden von Kreta. Mit einem Schreiben vom 4. Juni an den Dux und die Räte der Kolonie drängt die venezianische Regierung auf einen positiven Abschluß der Verhandlungen und spricht sich in diesem Zusammenhang für eine besonders zuvorkommende Behandlung des byzantinischen Gesandten J ean Agapito = J ohannes Agapetos aus. Falls er sein Interesse an einem besonderen salvum conductum bekunde, solle der Dux diesem Wunsche entsprechen und ihm einen solchen Geleitbrief ausstellen, in Ergänzung der beiden gleichgearteten Schriftstükke, die er bereits vom Bruder des Dogen, Marino Gradenigo, erhalten habe. 69 Über den Inhalt dieser Geleitbriefe kann man nur spekulieren. Aus dem Umstand, daß Agapet 1310 bereits über zwei von ihnen verfügte und sich augenscheinlich um einen dritten bemühte, ergibt sich aber mit Wahrscheinlichkeit, daß sie nicht für einmalige, sondern sich wiederholende Zwecke gedacht waren, also z. B. für einen zollfreien bzw. zollverminderten Handel mit Kreta. Daß byzantinische Kaiser zu diplomatischen Missionen in benachbarte Staaten und Territorien gelegentlich Personen heranzogen, die über persönliche Kontakte zu den Regierungsund Verwaltungs stellen der Zielländer verfügten und private Interessen in ihnen vedolgten, ist in spätbyzantinischer Zeit nicht selten zu beobachten. 70 Tatsächlich hatte Agapetos 1310 noch weitere Eigenwünsche in seinem Diplomatengepäck, denn in dem zitierten Schreiben aus Venedig wird der Dux von Kreta angewiesen, dem Gesandten auch eine angemessene Entschädigung für den Verlust eines Paroiken zu zahlen, der ihm vom Rektor von La Canee/Chania, Niccolo Dandolo, zugefügt worden ist. Mehrere Möglichkeiten sind denkbar. Der von Agapet abhängige Bauer kann auf einer Feindfahrt venezianischer Schiffe von byzantinischem Territorium geraubt worden sein. Er kann sich im Auftrag seines Herrn vorübergehend auf Kreta aufgehalten haben. 71 Er kann sogar auf Grundbesitz ansässig gewesen sein, der dem byzantinischen Untertanen Agapetos in einer venezianischen Kolonie gehörte. Die letzte Variante könnte auch für eine kretische Herkunft der Familie sprechen, auf der In69 ThirDel I, 135. 70 Bei MedDipI129-139 wird dieser Gesichtspunkt nicht besonders ausgeführt. OikDipl 82f. diskutiert die Herkunft der Gesandten, betont ihre Auswahl mehr nach Herkunft als nach Position in der Administration, auch ihre gelegentliche Verbindung mit dem Handel, von der Nutzung spezieller, durch Handel aufgebauter Beziehungen für diplomatische Vorhaben und Ziele wird aber nicht gesprochen. 71 Vgl. D. Jacoby, Les etats latins en Romanie: phenomenes sociaux et economiques (1204-1350 environ), in: Actes du XV' Congres International d'Etudes Byzantines (Athenes, Sept. 1976), I, 1, Athen 1976, 40.
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sellassen sich in der ersten Hälfte des 14. Jh. verschiedene Träger des Namens Agapet nachweisen, sie waren allem Anschein nach Griechen und z. T. auch kommerziell tätig. 72 Auf eine Beteiligung des byzantinischen Gesandten Agapet an Handelsgeschäften und Handelsfahrten deutet auch eine Entscheidung des Patriarchalgerichtes vom Jahre 1316 hin, in der ein Presbyter Johannes Agapetos Erwähnung findet, weil er auf einer Seereise an Bord einer Galeere zusammen mit Demetrios Rhaianes, dem Sohn eines Praitor tu demu, als Zeuge der letztwilligen Verfügung eines weiteren Mitreisenden namens Konstantinos Angelos fungiert hatte. 73 An eine mögliche Identität mit dem Gesandten von 1310 denkt schon das Prosopographische Lexikon/4 nicht völlig ausgeschlossen ist sogar, daß 1316 von der Reise des Priesters Agapetos die Rede ist, die 1310 den Gesandten Agapito nach Kreta führte. Daß in dem dienstlichen Schreiben aus Venedig an den Dux von Kreta auf ein geistliches Amt des byzantinischen Unterhändlers nicht Bezug genommen wird, steht dem nicht entgegen. Und behindert hätte ihn dieses Amt auch nicht, wenn er tatsächlich nicht nur Gesandter und Grundherr, sondern auch Fernkaufmann gewesen sein sollte, denn kommerzielle Aktivitäten griechischer Papades, auch Handelsreisen über längere Distanzen, sind in Byzanz und der Romania im 14.115. Jh. eine ganz alltägliche, fast möchte man sagen zeittypi., sche Erscheinung. 75 Wesentlich deutlicher werden die Beziehungen der 72 73 74 75
Konkrete Angaben u. a. bei RatVidDuc 83, und GallCret 134f. PRK 1,320/21. PLP 121. A. E. Laiou hat gezeigt, daß die kirchliche Administration und die kanonistische Interpretation im 12. Jh. die Bemühungen des Kaisertums der Komnenen um die ständische Formierung der byzantinischen Gesellschaft unterstützte, indem sie verschiedenartige, sich gegenseitig ergänzende Grenzen zwischen dem Klerus und den Kauf- und Bankleuten errichtete und sich um ihre Einhaltung bemühte, LaiouGod 295f. Wie die gleiche Autorin, LaiouChurch 454ff., zeigt, entwickelt die Kirche im 14. Jh. angesichts der sich verstärkenden gesellschaftlichen Krise noch rigorosere Positionen zu Geldverleih, Handel und Profit und zum Engagement von Klerikern und Mönchen in diesen Bereichen wirtschaftlicher Tätigkeit. Gleichzeitig kann jedoch ein Mönch des hauptstädtischen Athanasios-Klosters ein Schiff führen und sehr wahrscheinlich Geschäfte im Seehandel betreiben, MakrStud 268f., und kann ein Papas in Thessalonike lange Zeit im Salz geschäft tätig sein, ehe sich die kirchliche Administration um eine Beschränkung bemüht, MatschAnk 148. In den Beschreibungen westlicher Beobachter und Besucher wird diese Erscheinung dann sicherlich unbegründet generalisiert, so etwa in Hans Schiltbergers Reisebuch, ed. V. Langmantel, Tübingen 1885, 50, wo es heißt: Ir prister die chauffen und geben wider hin als ander kauffleut; ir priester schencken auch wein (und nach ihren Vorstellungen sind 10 Pfennige Gewinn von hundert Pfennigen im Monat nicht Wucher sondern göttlicher Gewinn). Und ähnlich schreibt Johann von Mandeville, Von seltsamen Ländern und wunderlichen Völkern, ed. G. Grümer, Leipzig 1986,31, von den griechischen Pfaffen: Sie halten den Wucher nicht für Todsünde. Sie verkaufen das Eigentum der Kirche und tun viele Dinge, die nach unserem Glauben nicht richtig sind.
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Familie Agapetos, vorausgesetzt es handelt sich überhaupt um eine Familie und nicht um voneinander unabhängige Träger des gleichen Namens, zum Fernhandel zwei Generationen später, als in den 50er Jahren ein Konstantinos Agapetos und sein nicht mit Vornamen genannter Bruder an regelmäßigen Handelsfahrten nach T ana an der Mündung des Don beteiligt sind. 76 Diese bei den Agapetoi werden auch ausdrücklich als Kaufleute bezeichnet. Gleichzeitig spricht der diesbezügliche Text aus dem Patriarchatsregister interessanterweise von Archonten, und das deutet an, daß die beiden, ähnlich wie ihr möglicher Großvater oder Großonkel, auch irgendwie in die spätbyzantinische Administration eingebunden waren, daß sie also eher den Ober- als den Mittelschichten zuzuordnen sind. Falls es sich um wichtigere Funktionen und höhere Titel gehandelt hätte, wären sie von den Patriarchatsbeamten aber sehr wahrscheinlich mitgeteilt worden. Und so bleibt eigentlich eher die Schlußfolgerung, daß diese Familie bzw. diese Personen in einem Milieu wohlhabender gesellschaftlicher Mitte angesiedelt waren mit Querverbindungen zur staatlichen Administration und zur kirchlichen Hierarchie, ihren unteren Etagen, und sogar mit einem bestimmten Anteil an Grundbesitz und Grundherrschaft, der aber zurückgedrängt worden sein könnte, als sich das kommerzielle Profil der Familie weiter ausprägte. Und in diesen Kontext paßt auch ein Xenos Agapetos, den Patriarch Isidoros in seinem Testament vom Jahre 1350 unter seinen Gläubigern nennt. 77 Der notierte Tatbestand spricht zwar eher für einen Bankier als für einen Kaufmann, aber auch letzteres ist durchaus möglich, zumal wenn man bedenkt, daß der Patriarch zeitweilig enge Verbindungen zu kommerziellen Kreisen unterhalten hatte. 78 Vielleicht war der Gläubiger sogar beides. Sichtbar werden am ausgewählten Beispiel die Schwierigkeiten, die sich ergeben, wenn man über ganz punktuelle Informationen und Beschreibungen hinauskommen möchte. Sie hängen nicht zuletzt damit zusammen, daß der byzantinische Kaufmann und Geldhändler der frühen Palaiologenzeit nur sehr selten in lateinischen Quellen erscheint, weil er zu diesem Zeitpunkt noch nicht in das von den Italienern aufgebaute und dominierte Wirtschaftssystem der Romania integriert ist. 79 Feste Handelsstützpunkte und bevorzugte Handelsbedingungen in anderen Städten und Regionen des Reiches können sich in der frühen Palaiologenzeit wahrscheinlich nur die Fernkaufleute aus Monembasia si-
76 77 78 79
MM I, 358f. MM 1,293. Vgl. MatschPo185. LaiouMerch 101.
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chern. so Kaufmännische Fahrtgenossenschaften für regelmäßige Handelsfahrten auf bestimmten Routen zu bestimmten Märkten hat es aber augenscheinlich gegeben, jedenfalls scheinen die beiden Agapetoi nach 1350 bei ihren Fahrten nach Tana zu einer solchen Genossenschaft gehört zu haben. sl Zu zeitweiligen Fahrtgenossenschaften haben sich Kaufleute aber vermutlich auch mit anderen Reisenden zusammengeschlossen, mit Mönchen, Pilgern, Diplomaten auf dem Weg an fremde Höfe und Regierungssitze, Beamten auf dem Weg zu neuen Einsatzorten. Einen solchen Charakter muß die Reisegesellschaft gehabt haben, die den Kaufmann Georgios Zacharias aus Philadelpheia zusammen mit verschiedenen Mönchen wohl im Jahre 1313 über Mitylene auf Lesbos nach Thessalonike führte, sonst wäre es nicht möglich gewesen, daß ihn Jahre später ein anderer Kaufmann für Schäden verantwortlich machen konnte, die seine Reisebe~leiter unterwegs während einer Übernachtung angerichtet haben sollten. s Ein Kaufmann aus Philadelpheia auf dem Weg nach Konstantinopel übernachtet um 1330 in einem Xenodocheion von Selymbria. 83 Ob diese Fernkaufleute über Seedarlehen und andere Gesellschaftsformen in größerem Umfang ruhende Kapitalien flüssig machen und für ihre Geschäfte einsetzen konnten, läßt sich nicht genauer ausmachen. Für die byzantinische Aristokratie waren diese Möglichkeiten der Gewinnbeteiligung an Handelsunternehmungen und damit der Ausweitung eigener Lebensgrundlagen in der frühen Palaiologenzeit sicherlich noch nicht besonders attraktiv und schon gar nicht zwingend geboten. Sozial und personell wurde die Gruppe der Fernkaufleute in dieser Zeit dagegen sehr wahrscheinlich durch verschiedene Kräfte gestärkt, die traditionell mit der Seefahrt verbunden waren. Die steuerliche Privilegie80 Vgl. SchreinStud 203ff. zur monembasiotischen Kolonie in Pegai. In ähnlicher Weise wie das Prostagma Kaiser Andronikos' IH. über die Monembasioten von Pegai spricht der Patriarch Gregorios von den Dorieis und Peloponnesioi in Perinthos/Herakleia, GKypEp 141, und in diesen Dorern und Peloponnesiern kann man vielleicht ebenfalls Monembasioten sehen, die damit auf der thrakischen Seite der Propontis eine ähnliche Kolonie wie auf der asiatischen in der Stadt Pegai besessen hätten. Zum Text des Patriarchenbriefes s. auch G. Fatouros, Textkritische Beobachtungen zu den Briefen des Gregorios Kyprios, RSBN 12-13, 1975/76, 115. Als die Stadt in den 40er oder 50 er Jahren in türkische Hände gerät, scheinen die Monembasioten z.T. in die Hauptstadt ausgewichen zu sein, vgl. MatschPolit 85, z.T. bleiben sie aber wohl auch unter türkischer Herrschaft in der Stadt zurück, denn der Hetaireiarches Maurozumes, der dem Erzbischof Palamas 1354 in Pegai Gastrecht gewährte, könnte seinem Namen nach durchaus aus Monembasia stammen. 81 Auch der aus Thessalonike stammende, um 1350 in Konstantinopel lebende und in Tana Handelsgeschäfte tätigende Michael Sofaches, LaiouNot 103, könnte zu dieser Fahrtgenossenschaft gehört haben. 82 SchreinVenKol339ff. 83 AhrwRec 23.
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rung der Genuesen durch Kaiser Michael VIII. um 1260 und die Liquidierung der byzantinischen Kriegsflotte durch Kaiser Andronikos 11. gegen Ende des 13. Jh. waren schwere Schläge für diese Kräfte. Entgegen den Aussagen der zeitgenössischen Quellen haben byzantinische Schiffsführer, Seesoldaten und Matrosen auf die Bedrohung und Vernichtung ihrer Existenzgrundlagen aber nicht nur in der Weise reagiert, daß sie sich bei Lateinern und Türken nach neuen Beschäftigungsmöglichkeiten in ihren angestammten Berufen umsahen bzw. aus der Seefahrt ganz ausstiegen und sich der Landwirtschaft oder einem Handwerk zuwandten, nicht wenige von ihnen scheinen ihre Kenntnisse und Fähigkeiten einfach auf eine andere Art genutzt zu haben, indem sie sich dem Seeraub und dem Seehandel verschrieben, an sich zwei ganz entgegengesetzten Tätigkeiten, die sich praktisch aber durchaus nicht ausschlossen, sondern sogar eng miteinander verbunden waren bzw. sein konnten. 84 Jedenfalls erscheinen unter den Fernkaufleuten und Kapitänen von Handelsschiffen aus Monembasia in den 20er und 30er Jahren des 14. Jh. nicht nur Personen mit ganz unbekannten Namen, wie weiter oben ausgeführt, sondern auch Angehörige bekannter Familien, wie der Eudaimonoioannis, der Sophianos und Notaras, die einige Jahrzehnte früher dem byzantinischen Staat seine Galeerenführer und Kaperkapitäne gestellt hatten. 85 Und was in großem Maßstab für die Monembasioten gilt, das könnte in wesentlich kleinerem Maßstab auch für andere Orte, wie die amphibische Festung Chele im pontischen Vorfeld der Hauptstadt, zutreffen, deren Bewohner im Rahmen der Kontrolle und Verteidigung byzantinischer Gewässer und Küsten zunächst vermutlich ebenfalls eine gewisse Rolle gespielt haben und zu diesem Zweck über militärische Schiffseinheiten verfügten, die sie aber schon zu Beginn des 14. Jh. augenscheinlich auch zu Handelszwecken nutzten. 86 Als in den letzten Regierungsjahren des älteren Andronikos wieder verschiedene Kriegsschiffe in Dienst gestellt und unter seinem Enkel Andronikos III. verschiedene Flottenoperationen im 84 Vgl. MakrStud 82 u. a. 85 Vgl. GaspKin 294ff. 86 Vgl. PachFail IV, 681. Der Ort war ein bekannter Verbannungs- und Rückzugsort der frühen Palaiologenzeit für Kaiser, Patriarchen und Vertreter der Oberschicht. Seine Einwohner verfügten aber auch über Schiffe und standen in Kontakt mit der Hauptstadt. Vielleicht waren sie vom Kaiser und seiner Administration mit der Bewachung und Kontrolle des Seegebietes am Eingang zum Schwarzen Meer beauftragt, wie sich das aus Steuerregistern der frühen Osmanenzeit für verschiedene Hafenstädte des südlichen Schwarzrneerraumes ergibt, BeldTreb 69. Der Magister Petrus de Cele, burgensis Peyre, der 1360 in Kilia mehrmals als Zeuge bei Handels- bzw. Geldgeschäften auftritt, ActPonBal145, 191, könnte vielleicht ein Meister der Axt, d. h. ein Schiffsbaumeister gewesen sein, der von der kleinen Schwarzrneerfestung in der Nähe der von den Genuesen kontrollierten Insel Daphnusion in die genuesische Kolonie vor den Toren der spätbyzantinischen Hauptstadt eingewandert war.
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Ägäisraum durchgeführt wurden, die auch durchaus bestimmte Edolge erzielen konnten, wurde zumindest ein Teil der benötigten Schiffe von Privatpersonen ausgerüstet und mit Zivilpersonen bemannt, und sowohl die Eigner als auch die Besatzungen dieser Schiffe standen den inzwischen erstarkten Kreisen der Zivilschiffahrt und des Seehandels vermutlich sehr nahe. Von außen wurden die Gruppierungen des byzantinischen Fernhandels und der byzantinischen Schiffahrt in der frühen Palaiologenzeit vermutlich durch eine gewisse Einwanderung aktiver Wirtschaftskräfte aus der Levante gestärkt, die durch den endgültigen Zusammenbruch der Kreuzfahrerstaaten aus diesem Raum hinausgedrängt wurden. Schon gut bekannt und mehdach erzählt ist die Geschichte eines gewissen Syros, der über Kleinarmenien und das Pontosgebiet um 1300 nach Byzanz gelangt, zwischenzeitlich die genuesische Staatsbürgerschaft angenommen hat, sie aber wieder aufgibt, um Untertan des byzantinischen Kaisers zu werden und die Erhebung der Handelszölle in der byzantinischen Hauptstadt zu übernehmen, der daher den byzantinischen Fernkaufleuten, zumindest wenn man dem Mönch Maximos Planudes Glauben schenkt, eher geschadet als genutzt hat. 87 G. Makris bezeichnet ihn als Frühlevantiner. 88 Noch genauer sind die Quellenangaben über einen Kaufmann namens Symeon aus der Stadt Ptolemais=Akkon in Palästina, der seine Heimat aber schon einige Zeit vor dem Fall der letzten Kreuzfahrerbastion verlassen haben muß, um als byzantinischer Untertan seinen Handelsgeschäften im Schwarzmeerraum nachzugehen und den Patriarchen Gregorios K yprios mit Informationen über die byzanzfeindlichen Aktivitäten der Genuesen in diesem Raum zu versorgen. 89 Wenn er mit dem Simon Syros identisch ist, der 1305/06 zusammen mit dem Literaten Manuel Philes an einer Gesandtschaft nach Georgien teilnimmt, die aber auf seinen Rat hin schon in Kaffa auf der Krim abgebrochen wird,90 dann ist auch dieser Levantiner direkt in byzantinische Dienste getreten. Aus Akkon stammt auch ein gewisser Giacomo/J acobus Beth, der zu Beginn des 14. Jh. in Konstantinopel lebt. Auch er hat seine Heimat vermutlich schon vor dem letzten Sturm auf ihre Mauern verlassen. Im Unterschied zu den beiden "Syrern" hat er sich aber nicht unter genuesische, sondern unter venezianische Protektion gestellt, und im Unterschied zu ihnen gibt er diese Position und Qualifikation bei seinem Umzug in die
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PlanEpL 27ff. MakrStud 257. GKypEp 159; vgl. LaiouMerch lOH. Philes II, 62; vgl. PLP 25362. Der hier vermutete Zusammenhang mit dem vom Patriarchen Gregorios genannten syrischen Kaufmann, a. O. 27050, wird von den Lexikonautoren aber nicht hergestellt.
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byzantinische Hauptstadt auch nicht auf, sondern er hält an ihnen fest, was ihm Verlust seines Besitzes im Wert von mehr als 1200 Hyperpern und Tod im byzantinischen Gefängnis bringt, während sein Sohn Georgios mit Unterstützung venezianischer Beamter um das Erbe seines Vaters kämpft und zwischenzeitlich von ihnen ein Haus der Kommune in Konstantinopel als Wohnsitz zugewiesen erhält. 91 Nicht aus Genua, wie im Prosopographischen Lexikon angenommen, sondern vermutlich ebenfalls aus der Levante stammt schließlich eine gewisse Syriane,n die 1348 in einem Rechtsstreit mit der byzantinischen Familie Xanthopulos steht. Die Verbindung der Syriane zu den Xanthopuloi kommt zustande durch die Heirat ihres Sohnes Demetrios Antiocheites mit einer Enkelin der verwitweten Xanthopuline, Maria, Tochter ihrer Tochter Eirene Sideriotissa. Demetrios ist orthodoxer Christ, welcher Tätigkeit er nachgeht, wird leider nicht mitgeteilt. Dafür enthält die Entscheidung des Patriarchats gerichtes die interessante Information, daß sein Schwiegervater Sideriotes in Kaffa einen nicht unerheblichen geschäftlichen Verlust erlitten hat,93 und seine Aktivitäten finden ihre Bestätigung in einer Notariatsakte aus der genuesischen Krimkolonie, in der über Gelder eines Manuele Ferro=Sideriotes verfügt wird, auf die seine Töchter, unter ihnen die Frau des Antiocheites, Anspruch haben. 94 Ob dieser Sideriotes schon von Hause aus Kaufmann/Geschäftsmann war oder erst durch seinen Schwiegersohn in geschäftliche Transaktionen hineingezogen wurde, ist schwer zu sagen. Die Latinisierung seines Namens spricht aber für sehr enge Verbindungen zur italienischen Geschäftswelt in der Romania. Die Xanthopuloi waren eine angesehene Beamtenfamilie der spätbyzantinischen Hauptstadt mit dem für solche Familien wohl üblichen Grundbesitz in ihrer Umgebung, einige Familienvertreter waren auch literarisch tätig. 95 Die Heirat einer Xanthopuline mit einem Sideriotes, dessen Name sonst kaum bekannt ist, könnte also von der Familie der Frau und von der Gesellschaft, zu der sie gehörte, durchaus als Mesalliance empfunden worden sein. Das Problem der Einwanderung und Eingliederung orientalischer Elemente in die Gesellschaft 91 ThirDel I, 175. JacVen 228 weist darauf hin, daß er einen syrischen Vornamen trägt, und hält es für wahrscheinlich, daß er schon vor dem Fall seiner Heimatstadt 1291 von den Venezianern naturalisiert wurde. 92 PLP 27169. JacGen 255 meint, daß entweder ihr Mann oder schon ihr Vater naturalisiert wurden, wo das geschehen sein könnte, wird aber nicht gesagt. 93 PRK II, 398ff. 94 BalbRaitNot 110f.; vgl. MatschPol76ff. 95 Vgl. die Bemerkungen von G. Gentz/F. Winkelmann, Die Kirchengeschichte des Nicephorus Callistus Xanthopulus und ihre Quellen, Berlin 1966, 32, zu den Xanthopuloi im 14. Jh. Vgl. auch meine Besprechung des die Xanthopuloi enthaltenden PLPBandes 8 in DLZ 109/3, 1988, 187.
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der frühen Palaiologenzeit kann hier nicht erschöpfend behandelt werden, schon das oben zusammengestellte und eben vorgestellte Material spricht aber dafür, daß dieser Neuzugang auch für die Entwicklung der spätbyzantinischen Mesoi Bedeutung hatte und ihre Positionen stärken konnte. In die Geschichte der Mittelschichten gehören aber nicht nur die professionellen Händler mit Waren, sondern auch die Händler mit Geld und die Verleiher von Geld. Von der Möglichkeit, Geld gegen Zins zu verleihen, machten alle besitzenden Schichten der spätbyzantinischen Gesellschaft einen regen Gebrauch, Beamte und Grundeigentümer ebenso wie Mönche und Kleriker, aber auch Kaufleute und Handwerker und sogar Bedienstete und Bauern. Trotzdem gab es auch in dieser Zeit eine Gruppe professioneller Geldhändler und Geldverleiher. In den Quellen finden sich für sie verschiedene Bezeichnungen: Ka'taA.A.aK'tl]~, 'XPUOEJtLA.EK'tl]~, dpyupoK61to~ bzw. dpyupallOLp6~ und mit stark pejorativem Einschlag öavELo'ti]~ und 'tOKOyA.Uo~.9 Die klassische Berufsbezeichnung 'tpa1tE~t.'tl]~ ist aus spätbyzantinischer Zeit nur literarisch belegt. 97 Der 'tpa1tE~hl]~ Jannes Andruses im Prosopographischen Lexikon ist dagegen ein Irrläufer.98 In lateinischen Texten werden byzantinische Geldhändler am geläufigsten als bancherii bezeichnet. 99 Nach Nikolaos Kabasilas wollten die Wucherer selbst ihre Tätigkeit als Handwerk bzw. Beruf verstanden wissen, den sie ausüben müßten, weil sie nichts anderes gelernt hätten. loo Da der Kirchenschriftsteller nicht zwischen den verschiedenen Formen des Geldhandels differenzierte und ihm jede Form des Zinsnehmens suspekt war/Ol ist anzunehmen, daß sich dieses Berufsverständnis auch auf die anderen mit Geld handelnden Gruppen erstreckte. Das hauptsächliche Tätigkeitsfeld der Geldhändler in der frühen Palaiologenzeit war augenscheinlich Geldverleih und Geldwechsel. In einem Entscheid des Patriarchatsgerichtes vom Mai 1324 werden zwei Personen als öavELo'tat. bezeichnet, die mit ihren Ansprüchen eine Mitgift bedrohen, ein Kephalas und ein Dishypatos.lo2 Da der letztere zugleich mit dem Ehrentitel eines kaiserlichen Oikeios geführt wird, ist seine Tätigkeit als professioneller Geldverleiher zumindest zweifelhaft. Nun be96 KugNot 150, 153; Kan 464; Philes I, 457f.; II, 181; PRK I, 428, 438, 450, 452; II, 440, 442; MercNot 311. 97 Philes II, 181. 98 PLP 90111. Dazu briefliche Auskunft von E. Trapp vom 2.2.1984. 99 Vgl. BratAct 164. 100 PG 150,748 A. 101 Vgl. die Ausführungen von F. Tinnefeld in Kap. 5.7. 102 PRK I, 438. Erwähnt wird noch ein weiterer Pfandleiher namens Andreas Antiocheites, von dem die verpfändeten Güter aber schon vor der gerichtlichen Verhandlung ausgelöst werden konnten.
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richtet der Patriarch Gregorios Kyprios in einem seiner Briefe aus der Zeit zwischen 1283 und 1289, daß ein ihm bekannter Dishypatos verarmt ist und (deshalb?) seine Tochter mit einem gewissen Kephalas verheiraten will und sich zugleich über den Patriarchen um kaiserliche Protektion bemüht. IOJ Daraus könnte sich ergeben, daß die beiden Geldverleiher von 1324 miteinander verwandt waren l04 und die Familie Dishypatos durch die gesellschaftlich etwas anrüchige Verbindung wirtschaftlich wieder flott geworden war. Ein Kephalas ist kurze Zeit später als kaiserlicher Zollbeamter (Kommerkiarios) tätig und beschlagnahmt in dieser Eigenschaft mehrere Körbe mit Mastix, die einem venezianischen Kaufmann gehören. I05 Eine Identität wäre sehr gut möglich und auch sachlich naheliegend, wenn man davon ausgeht, daß Zollerhebungsrechte nicht selten verpachtet wurden und daß potente Geldleute die chancenreichsten Pächter waren. Ganz allgemein macht dieses Beispiel aber deutlich, wie schwierig es ganz speziell ist, professionelle von anderen Geldverleihern zu unterscheiden. Besonders wichtig für Handelstätigkeit und Marktgeschehen war der Geldwechsel, und Geldwechseltische bzw. -stände gab es an allen Brennpunkten kommerzieller Aktivitäten, in Häfen, auf Jahrmärkten und an Stadttoren. Im Jahre 1342 vermacht der Mönch Niphon eine größere Anzahl solcher Stände in Konstantinopel dem Athoskloster Lavra. lo6 Leider wird nicht ganz deutlich, welche der namentlich genannten Vorbesitzer selbst als Geldwechsler tätig gewesen sind. Einige von ihnen stammten mit Sicherheit aus der besseren Gesellschaft, die gleich mehrere Stände besaßen und sie an professionelle Geldwechsler verpachteten. Von Alexios Makrembolites stammt ein Gedicht an einen betrügerischen Geldwechsler, in dem sich der sozialkritische Autor über das eilfertige "si" und "fatte" lusti~ macht, mit denen der Byzantiner seine italienischen Kunden bedient. I 7 Die wirtschaftliche Lage und das gesellschaftliche Ansehen dieser kleinen Geldwechsler können also nicht allzu gut und hoch veranschlagt werden. Die Frage ist, ob es in der frühen Palaiologenzeit auch Depositenbanken gegeben hat. Besonders den Kaufleuten brachten diese Banken eine wesentliche Vereinfachung und Effektivierung der Geschäftstätigkeit. Kaufmännische Konten bei solcher Art Banken lassen sich aber bisher noch nicht schlüssig nachweisen. Die Aristokratie scheint zunächst
103 GKypEp 132. 104 Sie treten allerdings nicht gemeinsam als Geldverleiher auf, sondern zahlen getrennte Darlehen aus und erhalten unterschiedliche Pfänder. 105 MM III, 108; AAlb 86f. 106 ALaur III, 178f. 107 Philes I, 457f.
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noch wenig Neigung gehabt zu haben, ihre Gelder und Wertsachen in Banken zu deponieren und für sich arbeiten zu lassen. Sie zog es vor, für ihre mobilen Reichtümer eigene Schatzburgen zu bauen, wie der Großdomestikos und spätere Kaiser Johannes Kantakuzenos/08 sie in festen Türmen, wie der Feldherr Alexios Philanthropenos,l09 bzw. in speziellen Räumen, wie der Großlogothet Theodoros Metochites,I1O oder auch nur in festen Koffern, wie das Makrembolites ganz allgemein für die Reichen seines berühmten Dialogs feststellt,111 aufzubewahren. Griechische bancherii finden in genuesischen Akten schon gegen Ende des 13. Jh. Erwähnung. Ein Manuel bancherius Grecus wohnt 1281 in Pera, ein anderer Bankier, der ihm eine Sklavin verkauft hat, in Konstantinope1. 112 Sein Name Budelli muß aber nicht unbedingt zu einem Byzantiner gehören, zumal diese Namensform im Prosopographischen Lexikon überhaupt nicht existiert. Sollte es sich um einen Gudeles handeln, sähe die Sache schon besser aus, aber das ist reine Spekulation. Dazu kommt, daß der festgehaltene Geschäftsvorgang nichts über das Profil der beiden Bankunternehmungen sagt. Dem Begriff nach kann es sich auch um einfache Geldwechsler handeln. Etwas anders scheinen die Dinge aber bei den dpyupallOLßOL zu liegen, von denen 1348 der Boykott einer von Kaiser J ohannes Kantakuzenos initiierten Sondersteuer ausgeht, denn der Kaiser selbst, der später als Mönch in seinem Geschichtswerk davon berichtet, betont ausdrücklich, daß (sie nicht an einfachen Wechseltischen und in kleinen Wechslerbuden saßen, sondern daß) sie über eigene Ergasteria verfü~en (und daß eine beachtliche wirtschaftliche Kraft hinter ihnen stand).11J Wenn es in der frühen Palaiologenzeit so etwas tatsächlich schon gab, dann waren sie die Vorläufer von byzantinischen Banken, wie sie im Kontobuch des Venezianers lacomo Badoer und in anderen Quellen des 15. Jh. beschrieben werden. I 4 Der große Geld- und Edelmetallreichtum befand sich in dieser Zeit aber auf jeden Fall noch bei den Magnaten und einflußreichen Beamten, während die Reichen des MakrembolitesTraktates, die eher zu den Mesoi gehörten und damit den Bankiers aus dem Bericht des Kantakuzenos näher standen als der Aristokratie und der Bürokratie, für die Deponierung ihres Reichtums mit Koffern auskamen. 115
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Greg II, 708. PachFail Ill, 245 / 247; 251. Greg I, 412. SevMakr 209. BratAct 164. Kant Ill, 40. Vgl. LaiouEcHist 11. SevMakr 209.
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Ein besonderes Tätigkeitsfeld für aktive Wirtschaftskräfte könnte sich in der frühen Palaiologenzeit durch die Herausbildung großer Grundbesitzkomplexe und Farnilienapanagen auftun. Um diese Besitzungen effektiv nutzen zu können, bemühten sich die spätbyzantinischen Magnaten, wie schon erwähnt, um den Aufbau einer funktionstüchtigen grundherrschaftlichen Administration und eines stabilen Gefolgschaftswesens, und sie waren dabei nicht ohne Erfolg. Zugleich wurde aber sichtbar, daß der Organisation feudaler Grundherrschaften unter den Bedingungen einer entwickelten Warenwirtschaft Grenzen gesetzt waren und daß sich Gefolgsleute im Bereich des Militärwesens und der Repräsentation besser aufbauen und einsetzen ließen als in der Verwaltung von weit auseinander liegenden Domänen und bei der Zusammenführung und Verwertung ihrer Erträge. Erwähnung finden in den Quellen der frühen Palaiologenzeit hin und wieder Personen, die für große Grundherren Handelsgeschäfte tätigen. Ein gewisser Carasinus verkauft als famulus vor 1294 im Auftra9 eines Sebastos Palaiologos den Genuesen 800 Modioi Weizen und Hafer, 16 und der consanguineus des Kaisers Andronikos 11. ist vielleicht ein Cousin gleichen Namens, der Grundbesitzer, Truppenführer und Schriftsteller Andronikos Komnenos Branas Dukas Angelos Palaiologos, denn er wird als Sohn eines Sebastokrators bezeichnet, bei dem es sich eigentlich nur um den Bruder Kaiser Michaels VIII., Konstantinos Komnenos Palaiologos, handeln kann. 117 Als Verkäufer von Getreide an Genuesen und Venezianer treten auch Beauftragte des Kaisers und seines Vestiariums auf. 118 Ein gewisser Patzopulos wird von dem Steuerexperten Patrikiotes angewiesen, einen Posten Getreide zu liefern, den er dem Schulmeister und Schriftsteller Theodoros Hyrtakenos versprochen hat. ll9 In gleicher Weise werden Personen erwähnt, die im Auftrage von Reichsnotabeln Geldgeschäfte tätigen. 1324 und 1332 fordern die Venezianer ein Darlehen ein, das ein gewisser Georgios MagulaslMagolla im Auftrage des Kaiseronkels Andronikos Asanes bei dem Venezianer Simo ne Cormulissi aufgenommen hatte. 12o Um das zu tun, brauchte er aber nicht nach Venedig geschickt zu werden, wie G. Weiß annahm,121 denn der Geldgeber gehörte zu einer venezianischen Familie, die sich spätestens zu Beginn des 14. Jh. in Koron/Modon niedergelassen hatte, und Symeon selbst ist Mitte der 20er Jahre vor Ort als Besitzer von Haus und
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BertolNouvSer 526. Vgl. PLP 21439, 21498. BertolNouvSer 533. HyrtEp 14. MM III, 107; DiplVen I, 231; vgl. a. O. 202; PLP 13543. WeiKant 145.
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Grundstück nachweisbar, das er aber zum Teil verkaufen muß, weil er selbst in finanziellen Schwierigkeiten zu stecken scheint. 122 Das Geldgeschäft mit dem Beauftragten des Kaiserverwandten ist also sehr wahrscheinlich in der Zeit zustande gekommen, als Asanes Gouverneur der peloponnesischen Besitzungen des Reiches war, und das war nach neuesten Annahmen zwischen 1316 und 1321/22. 123 Das Ganze spricht für wirtschaftliche Verbindungen zwischen byzantinischen und venezianischen Territorien auf der süd griechischen Halbinsel und für geschäftliche Kontakte byzantinischer Magnaten zu westlichen Unternehmerkreisen. Georgios Magulas wird in den Quellen als homo bzw. avepu)Jto~ des Asanes bezeichnet, wie eng er mit seinem Herrn verbunden war, ob er den Gouverneur auf seinen Kommandoposten nach Übersee begleitete, läßt sich allerdings nicht ausmachen. Unter Umständen könnte er mit einem Magulas verwandt oder sogar identisch sein, der vor 1342 Besitzer von drei Geldwechselständen in Konstantinopel gewesen ist. 124 Vielleicht war Georgios Magulas zeitweilig auch so etwas wie der Schatzmeister des Statthalters Asanes. Neben dem Staat und dem Kaiser verfügten auch andere Mitglieder des Palaiologenclans über solche Dienstleute. Um 1280 ist ein Kaloeidas eSUJtllPE'tOUI-tEVO~ 'tWV 'tUI-tLELWV der Kaiserin Theodora Palaiologina. 125 Ein Pinkernes Philipolos (?) übt nach 1360 die gleiche Funktion bei der Kaiserin Helene Palaiologina aus. 126 Auch der Großdomestikos und spätere Kaiser J ohannes Kantakuzenos spricht gelegentlich von seinen 'tUI-tLm, ohne allerdings konkrete Namen zu nennen. 127 Welche Möglichkeiten durchtriebene Leute in der staatlichen Administration zur Gewinnung privater Vorteile hatten, ist am Beispiel der Aufseher über die kaiserlichen Reit- und Lasttiere, die sich zu privaten Getreidehändlern mausern, sichtbar geworden. Einen Einblick in die Praktiken von Angestellten und Dienstleuten in Schlüsselstellungen privater Eigentumsund Herrschaftskomplexe bietet ein Brief des Nikephoros Chumnos an den Kaiser Andronikos H. aus dem frühen 14. Jh. Der hohe Reichsbeamte beklagt sich in dramatisierender Weise 128 über die Aktivitäten eines ge122 123 124 125 126
Vgl. GaspKin 297ff.; GiomRubr 107. DietGreg II, 1, 174. ALaur II1, 25. PachFail II, 621; vgl. PLP 10556. BolIllustr 3f.: Recepit a domina Imperatrice Costantinopolitana manu Philipoli Piquerni eius thesaurarii, vgl. auch a. O. 68. L. V. Gorina, Materialy dnevnika Antona Barberi po istorii Bolgarii i Vizantii v XIV v., Byzantinobulgarica 4, 1973,231 nennt als Namen Philippo. Vielleicht handelt es sich um einen der beiden für diese Zeit als Pinkerneis bezeugten Laskariden, PLP 92512f. 127 Kant I, 87f. 128 NikChumEp 25-27; vgl. PLP 30095, wo von offenbar übertriebenen Beschwerden die Rede ist. Aber selbst wenn einige Beschuldigungen nicht zutreffen sollten, schränkt dies den Wert des Briefes kaum ein.
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wissen Phrangopulos, der ihm als Verwalter seiner geschäftlichen Angelegenheiten (U:7tY)PE'ty)~ seiner :7tpaYflu'tu) dient, der sich dabei aber als ein nichtsnutziger Schurke, ja als wahrer Teu~~l erweist. Im einzelnen wirft Chumnos seinem Bediensteten folgende Ubergriffe (VEaVLloUflu'tU) vor: Er verkauft die seinem Herrn gehörenden und ihm zur Erledigung herrschaftlicher Angelegenheiten überlassenen Pferde unter dem Vorwand, eine andere notwendige Sache finanzieren zu müssen, in Wirklichkeit jedoch um den Gewinn in die eigene Tasche zu stecken. Das ihm zur Bearbeitung überlassene Land teilt er gegen die Abmachungen zum Teil in Parzellen ein und vergibt jede einzelne davon an jeden, der will und bereit ist, für sie etwas zu geben und sie somit zu erwerben. Nachdem er das dabei Vereinbarte erhalten hat, besät er das Land, soweit es unverkauft bzw. unverteilt (ä:7tpu'tov) geblieben war, schnell mit dem Saatgetreide des Chumnos. Als die Erntezeit kommt, fährt er die Feldfrüchte nicht vollständig in die Speicher seines Herrn, sondern teilt sie wieder auf und läßt einen Teil dem Chumnos, während er den anderen für sich re• 129 serviert. Welcher Art die Manipulation ist, die Phrangopulos vornimmt, um seinen privaten Schnitt zu machen, ist nicht ganz eindeutig. Augenscheinlich wird ein Teil des ihm überlassenen (Domänen-)Landes auf eigene Rechnung verkauft. Vielleicht handelt es sich aber nicht um Veräußerung, sondern um Verpachtung des in Parzellen aufgeteilten Landes, und in diesem zweiten Fall würde das Ganze zumindest entfernt an das Vorgehen der Unternehmerfamilien Argyropulos und Dadas in Thessalonike zu Beginn des 15. Jh. erinnern, die von Klöstern gepachtete Garten- bzw. Hauskomplexe nutzen, indem sie sie zu günstigeren Bedingungen weiterverpachten, um auf diese Weise einen Unternehmergewinn zu machen.\3O. Im Unterschied zu ihnen hat Phrangopulos das Land, mit dem er seine Manipulationen betreibt, aber nicht gepachtet, sondern er verwaltet es nur, und das schränkt seinen Spielraum auf der einen Seite zweifellos ein, auf der anderen Seite gibt ihm diese Stellung aber zusätzliche Möglichkeiten, denn er kann auch die anderen Betriebsmittel seines Arbeitgebers für sein privates Gewinnspiel nutzen.
129 Die sprachliche und inhaltliche Erschließung dieses Briefes war Gegenstand eines intensiven Meinungsaustausches zwischen den beiden Autoren dieses Buches, und ich bin F. TinnefeId zu großem Dank verpflichtet für zahlreiche Korrekturen meines ersten Übersetzungsversuches. Die angedeutete Pachtvariante scheint ihm vom sprachlichen Befund her kaum vertretbar und sie wird tatsächlich auch v. a. deshalb ins Spiel gebracht, weil es mir kaum möglich erscheint, daß der Verwalter so selbständig ist, daß er außer Mobilien auch Immobilien veräußern kann. Daß zumindest dyopa~w in spätbyzantinischen Quellen auch für pachten stehen kann, bestätigt MakrPul406. 130 DöSch 69-71; 263-270; vgl. MatschAnk 159ff. AXenP 219-221; vgl. ChvostTorg 42.
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Mit der Anprangerurig dieser in den Augen des Grundherrn Chumnos unerhörten Manipulation ist das Anklageschreiben des kaiserlichen Chefministers aber noch nicht vollständig und abgeschlossen. Phrangopulos wird des weiteren beschuldigt, seinen Herrn heimlich zu bestehlen, nicht nur bei Tage, sondern auch mitten in der Nacht. Er nimmt Gelder des Chumnos an sich, angeblich um Schulden und Verbindlichkeiten seines Herrn zu begleichen, tatsächlich steckt er sie aber in die eigene Tasche. Schließlich nimmt er auch den Leuten gegenüber, die dem Chumnos noch zu Abgaben verpflichtet sind ('ta. 'tEtuYIlEva 'tEÄOUOW), in verleumderischer Weise seinen eigenen Vorteil wahr, und spielt aus geringem oder überhaupt nicht existierendem Anlaß den unerträglichen Geldeintreiber (:n:PUK'tWp) für absurde, vom Briefschreiber nicht zu tolerierende Beträge (d'to:n:wv ÄTJIlIlU'twv), verhängt Prügelstrafen und schreckt sogar vor Mord nicht zurück. Das Wichtigste, was sich aus dieser Briefpassage ergibt, ist der Umstand, daß Phrangopulos nicht nur als Verwalter des Domänenlandes und des Gutshofes fungiert, sondern daß ihm auch die Eintreibung der Steuern und Abgaben von den Bauern obliegt, die zu dieser Grundherrschaft des Chumnos gehören, und daß er auch Herrengewalt über sie ausüben kann, daß es vielleicht sogar so etwas wie ein grundherrschaftliches Gericht gibt. Über die Verwaltungsorganisation privater Grundherrschaften ist immer noch nur sehr wenig bekannt. Erwähnung finden in den Quellen der frühen Palaiologenzeit einige managers of property bzw. ihre Assistenten als Bedienstete verschiedener Kaiserinnen und auch einige Finanzverwalter im Dienst von Magnaten bzw. in Bezug zu ihnen, wie Theodor Skylitzes als Praktor der Nachbarschaft des Dorfes Murmunta bei Smyrna und zugleich als öouÄOC; des Panhypersebastos Georgios Zagarommatis und Johannes Theololites als Praktor im Dienst des Parakoimomenos Konstantinos Dukas Nestongos. 131 Phrangopulos übt bei Chumnos ganz augenscheinlich sowohl die Funktion eines Domänenverwalters als auch die eines Steuer- und Abgabeneintreibers aus. Wo sich der Güter- und Steuerkomplex befindet, dem er vorsteht, läßt sich leider nicht genau feststellen. Die Hauptmasse der Ländereien der Familie Chumnos konzentrierte sich im östlichen Makedonien zwischen den Städten Serres und Zichna, dazu kamen Grundbesitzungen in und um Thessalonike. \J2 Damit muß der Güterbestand des hohen Beamten und Mitgliedes des Familienclans der Palaiologen aber durchaus noch nicht erschöpft sein. Wann der Brief über den Teufel Phrangopulos geschrieben wurde, kann ebenfalls nicht exakt gesagt wer131 MM IV, 158f., 259; vgl. MaksProvAdm 27. 132 Vgl. M. Rautmann, Aspects of monastic patronage in Palaeologan Macedonia, 59, 64ff.
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den. Und schließlich versagen auch die prosopographischen Mittel zur Identifizierung des Gutsverwalters der Chumnosfamilie, denn der Name Phrangopulos ist in spätbyzantinischer Zeit außerordentlich häufig, und seine Träger treten in ganz unterschiedlichem Gesellschaftsmilieu auf, auch als private Gutsverwalter, wie der Antidux Konstantin Phrangopulos im Jahre 1287 auf Besitzungen der Kaiserin nahe Smyrna.\33 An eine Identität ist aber kaum zu denken, und so bleibt nur die Feststellung, daß die bisherigen Kenntnisse über die Administration privater Güterkomplexe und Gerechtsame und über ihre personellen Träger um einen ganz konkreten Einzelfall erweitert werden, der zeigt, welche Möglichkeiten persönlicher Bereicherung und gesellschaftlicher Profilierung in diesem Umfeld gegeben waren. Besonders betont wird von L. Maksimovic das Band persönlicher Abhängigkeit, das dieses Verwaltungspersonal an die Grundherrschaft bindet, und er verweist in diesem Zusammenhang auf die Bezeichnung der erwähnten Personen als ÖOijA.OL und (iv9pw:Ttm, die diese Abhängigkeit seiner Meinung nach zum Ausdruck bringt. 1J4 Chumnos nennt in seinem Brief den Verwalter Phrangopulos weder seinen "Mann" noch seinen "Sklaven". Er erklärt, von allen seinen Schandtaten nichts gewußt zu haben und erst durch verschiedene Gottesmänner, vielleicht Mönche aus der Umgebung oder sogar der Grundherrschaft zugehörige Priester, über sie informiert worden zu sein. Er habe von ihnen Beweise für ihre Aussagen gefordert, daraufhin seien die Ankläger aber sehr ruhig geworden und Phrangopulos habe sich einer förmlichen Anklage entziehen können. Allerdings könne eine solche Vielzahl von Untaten nicht auf Dauer verborgen bleiben, und es existiere sogar eine schriftliche Auflistung aller seiner kriminellen Aktivitäten. Der Ubeltäter habe sich durch seine Cleverness aber leider auch aus dieser Schlinge ziehen und alles als Lüge zurückweisen können. Das einzige, was der Briefschreiber nach seinen Worten tun konnte, war sein Festhalten vor Ort, bis er zurückerstattet habe, was er ihm schuldig sei, und gestehe, was er getan habe. Dann könne er auch einem (ordentlichen) Gericht übergeben werden. Chumnos kann seinen betrügerischen Verwalter also offenbar zeitweilig in seinem Haus festsetzen, er hat aber keine gerichtliche Gewalt 133 MM IV, 278f.; vgl. MaksProvAdm 26. PLP 30094, 30095 denkt an eine Identität des Gutsverwalters mit dem gleichnamigen Vermessungsbeamten des Themas Thessalonike vor 1280/81, ADochO 108, aber das kann nur eine Vermutung sein, selbst wenn man berücksichtigt, daß zwischen dem Praktor des Chumnos und dem staatlichen Apographeus sachlich durchaus eine gewisse Nähe gegeben ist. Interessant wäre aber auf jeden Fall, wenn es im späten Byzanz möglich und üblich sein sollte, auf diese Weise zwischen öffentlichem und privatem Dienst zu pendeln, den einen gegen einen anderen einzutauschen. 134 MaksProvAdm 25ff.
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über ihn, und wendet sich deshalb mit dieser Angelegenheit an den Kaiser. Phrangopulos ist weder ein abhängiger Bauer noch ein Gefolgsmann, sondern ein Angestellter, mit dem ihn nur ein Arbeitskontrakt verbindet. Das kann bei vielen anderen Personen aus dem Verwaltungs- und Finanzapparat der großen Güterkomplexe und Adelshaushalte, die in den griechischen Quellen als ÖoUA.m und av8pom:m und in den lateinischen als homines, factores und famuli und als zur familia hoher Beamter und Magnaten gehörig bezeichnet werden, durchaus anders sein, muß es aber auch nicht. Auf jeden Fall bedarf die Art der Bindung einer ganz individuellen Prüfung, sofern das überhaupt möglich ist. Und selbst wenn persönliche Bindungen eingegangen werden, müssen sie nicht unbedingt von Dauer sein, wie das Beispiel des Alexios Apokaukos zeigt, der seine e8eA.oöouA.eta(v), seine "freiwillige Knechtschaft", bei der Familie Asanes zu Beginn des Bürgerkrieges im Jahre 1341 nur deshalb wieder ins Gespräch bringt, weil er den Andronikos Asanes für seine Politik gegen den Großdomestikos Kantakuzenos gewinnen will. 135 Die Geschichte Chumnos-Phrangopulos demonstriert Macht und Ohnmacht der spätbyzantinischen Aristokratie, ihren Erfolg beim Aufbau großer privater Eigentumskomplexe und ihre Unfähigkeit zur Durchsetzung einer effektiven Kontrolle, sie zeigt die Formierung privater Grundherrschaften und zugleich die Unvollständigkeit privater Machtmittel, und sie beschreibt damit zumindest andeutungsweise ein spezifisches Tätigkeitsfeld für aktive und wendige Leute aus der Mitte der spätbyzantinischen Gesellschaft und den konkreten Handlungsspielraum, den sie zur Verfolgung eigener Interessen hatten. Während Chumnos seinen des Betrugs bezichtigten Verwalter der staatlichen Rechtssprechung ausliefern will, sucht Maximos Planudes den Verwalter (btLO't'a't'oov) der Güter seines Bruders vor staatlichen Repressalien zu schützen. Von ihm ist nur der Vorname Konstantinos und seine Herkunft aus der Stadt Nikomedeia bekannt. Als ihn der Steuerbeamte Johannes Bardales Ende des 13. Jh. augenscheinlich verdächtigt, sich an Staatsgut zu vergreifen und persönlich zu bereichern und ihm dafür mit Verbannung (aus seinem Amtsbezirk?) droht, schreibt der hauptstädtische Gelehrte an den ihm bekannten Beamten einen Protestbrief, in dem er die untadelige, philosophische Lebensweise des Familienangestellten hervorhebt,136 die nichts mit Werken der Philosophie aus den Werkstätten gemeinsam habe, und daß heißt wohl: die nicht auf schnellen und unrechtmäßigen Gewinn ausgerichtet sei. Und er bezeichnet seinen Schützling ausdrücklich als Privatmann (ä,vöpa löuo't'T)v), d. h. er betont, daß der Verwalter keine staatliche Funktion, keinen staatlichen Auftrag hat, daß 135 Kant II, 116. 136 PlanEpL 46f.; vgl. PLP 14235.
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er außerhalb des öffentlichen Lebens steht und - so der unausgesprochene Schluß - deshalb auch nicht von der Öffentlichkeit belangt werden kann. 1J7 Welcher Art die Übergriffe auf Staatsgut sein sollen, derer er bezichtigt wird, ist aus dem zitierten Brief leider nicht zu entnehmen. Grundsätzlich scheint er solche Möglichkeiten jedenfalls gehabt zu haben, d. h. ein Gutsverwalter konnte nicht nur den privaten Grundherrn, sondern auch den staatlichen Fiskalapparat schädigen,138 und das zeigt ein weiteres und zusätzliches Mal, daß Positionen dieser Art in größerer Zahl vergeben werden mußten und daß sie wirkliche Goldgruben sein konnten, natürlich auch, daß diese Positionen äußerst unsicher waren und ständig von den verschiedenen Seiten her angegriffen werden konnten. 1l9 Bleibt die Frage nach den Möglichkeiten der Ansiedlung und Entwicklung medialer Gruppen in den produktiven Bereichen des späten Byzanz. Über die materielle Lage und das soziale Profil von Handwerkern und Gewerbetreibenden in den Städten und Siedlungen der byzantinischen Provinz ist leider kaum etwas zu erfahren. Ausgesprochene Exportgewerbe hat es in Byzanz auch zu Zeiten wirtschaftlicher Blüte und politischer Vorherrschaft im östlichen Mittelmeerraum nicht gegeben, und als sich im Gefolge des 4. Kreuzzuges westliche Kaufleute und Unternehmer in größerer Anzahl und auf Dauer in der Romania festsetzten, war den Byzantinern der Weg zu gewerblicher Massenproduktion definitiv versperrt. Was sich an byzantinischem Handwerk der westlichen Exportoffensive widersetzen konnte, behielt mit Sicherheit seinen typisch mittelalterlichen Zuschnitt. Damit ist aber nicht unbedingt gesagt, daß dieser gewerbliche Restbestand von Byzanz ausnahmslos am Hungertuch nagte und nagen mußte. Die aus der spätbyzantinischen Großstadt Thessalonike namentlich oder anonym bekannten Personen, die sich mit der Herstellung von Textilien beschäftigten, besaßen zumindest einen bescheidenen materiellen Wohlstand und verschiedene nicht unwichtige gesellschaftliche Verbindungen. 140 Die Töpfer aus dem bithynischen Ort Belokoma, deren Erzeugnisse von ihnen selbst oder von ihren Frauen in großen Mengen und mit gutem Erfolg auf dem von Gazi Osman eben eingerichteten Markt von Eski~ehir angeboten wurden, hatten von die-
137 VgL Kant 11, 247: Ein gewisser Apelmene, über den noch zu reden ist, wird f1; IllLWtou zum Mitglied des kaiserlichen Gefolges und rückt auf diese Weise in die Öffentlichkeit. 138 Zu denken wäre insbesondere an die Steuerverpflichtungen für das verwaltete Gut, sofern es nicht ausdrücklich von ihnen befreit war, und für die vielleicht dazugehörigen Bauern, wenn sie nicht in diese Steuerbefreiung völlig einbezogen waren. 139 Im konkreten Fall hat die Intervention des Briefschreibers jedoch Erfolg, wie sich aus einem weiteren Schreiben, a. O. 47f. ergibt. 140 Vgl. MatschTuch 8Sf.
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sem kleinen Grenzverkehr zumindest einen materiellen Nutzen. 141 Welcher Art die Produzenten des Tuches sind, das sich der Gelegenheitsdichter Manuel Philes von dem Steuereintreiber Patrikiotes als Geschenk erbittet, ist nur sehr undeutlich zu erkennen. Zu Hause sind sie jedenfalls in thrakischen Bergen und Dödern. 142 Ob es aber auch in spätbyzantinischer Zeit in Thrakien Orte wie den Flecken Mayton (Madytos) bei Sestos gab, der um 1550 von etwa 300 griechischen Familien bewohnt ist, die sich fast alle, Männer wie Frauen, vom Spinnen und Weben ernähren, HJ das kann leider nicht gesagt werden. Sicher ist jedenfalls, daß aus spätbyzantinischen Dödern nicht nur landwirtschaftliche, sondern auch handwerkliche Erzeugnisse kamen, die den städtischen Produzenten Konkurrenz machen konnten. Auch das hauptstädtische Handwerk der Palaiologenzeit hat nur ein bescheidenes Aussehen und begrenzte Ausmaße. Zwar sind fast alle wichtigen Handwerkszweige in Konstantinopel bezeugt, aber ein überdurchschnittliches Gewicht besitzen nur wenige. Die Dimension der einfachen Warenproduktion wird wohl nicht einmal im Ausnahmefall überschritten. Trotzdem gab es Handwerker mit einem beachtlichen Wohlstand und ganze Handwerkszweige, die sich einer gewissen Prosperität edreuten. Das gilt wohl in erster Linie, wenn auch nicht ausschließlich, für die verschiedenen Bereiche der Verarbeitung von Fellen und Häuten. Sicherlich ist es kein Zufall, daß spätbyzantinische Autoren, wie der Historiker Nikephoros Gregoras und der Dichter Manuel Philes, immer wieder aKUtEi~ und ihnen verwandte Berufe nennen, wenn sie von den Handwerkern der Hauptstadt sprechen. Anfang des 14. Jh. werden sie sogar zum Objekt der großen Politik, als die vorzugsweise jüdischen Gerber von Konstantinopel mit jüdischen Zuzüglern unter venezianischer Protektion über die Ausübung ihres Berufes in Streit geraten, in den sich auch der byzantinische Fiskus einschaltet, und das sehr zum Schaden der in diesem Handwerk tätigen Reichsuntertanen. 144 Trotz Steuerdruck und Arbeitsbehinderung konnten sich Gerberei und Kürschnerei jedoch halten und sogar kräftig weiterentwickeln. Von den 18 Handwerkern eines hauptstädtischen Notariatsregisters aus den Jahren 1363/65 sind immerhin 6 aus dem Bereich der Leder- und Pelzverarbeitung, zwei von ihnen nehmen Lehrlinge an, und der Kürschner Johannes wird neben einem Schneider und Mönch sogar als K'UP, als Herr, bezeichnet. 145 Lederhandwerker wer-
141 Vgl. MatschCum. 142 Philes I, 207f. 143 Reise des französischen Gesandtschafts-Secretärs und Geographen Nikolaus von Nikolai von Marseille nach Konstantinopel 1541, trad. J.H. Jäck, Graz 1831,35. 144 Vgl. JacQuart 196-205; KisJud 107. 145 RegVat 263-267.
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den in allgemeiner Form und zum konkreten Anlaß auch unter den Verteidigungskräften der Stadt genannt, und dabei ist kaum von Belang, daß der Lehrer und Schriftsteller Theodoros Hyrtakenos die OlCUtELC; bei dieser Gelegenheit zum Tt0VTIPOV lCO!l!W, dem unbrauchbaren Part der Stadt zählt146 und daß auch der Historiker Gregoras von ihrem militärischen Einsatzwert nicht allzu viel hält,147 denn bei beiden spricht die notorische Überheblichkeit der spätbyzantinischen Intellektuellen allen ßavauoOL gegenüber erkennbar mit. Von ihrem Gewicht im politischen und gesellschaftlichen Leben der spätbyzantinischen Hauptstadt zeugt nicht zuletzt der Umstand, daß unter den Maßnahmen zur Erleichterung der Arbeitsund Lebensbedingungen der hauptstädtischen Bevölkerung, die Andronikos IH. nach seiner Machtübernahme im Jahre 1328 ergreift, die Aufhebung von Vorschriften und Beschränkungen bei der Verarbeitung von Häuten besonders genannt wird. 148 In Thessalonike gelingt es 1264 einem Sattler namens Nikolaos Kamudes sogar, für sich und seine Nachkommen ein Metochion des Iberon-Klosters im Stadtbezirk H. Paramonos mit einer Kirche und 6 Häusern für eine vielleicht nur nominelle J ahrespacht von 4 Hyperpern zu übernehmen und nach der Vermutung von A. Kazhdan auf diese Weise zu einer Art Unternehmer zu werden und Gewinne aus dieser neuen Unternehmung herauszuwirtschaften. 149 Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang schließlich auf mehrere Gedichte von Manuel Philes, in denen sich der Autor darüber beklagt, daß es unverständlicher- und ungerechterweise jetzt vor allem denen gut geht, für die die Wissenschaften und schönen Künste nichts wert sind und die sich voll und ganz den tE')(.VWV ßavauowv zuwenden und hingeben, die auf diese Weise schnell reich werden und im Überfluß schwelgen. ISO Ausdrücklich genannt unter diesen ßavauooL werden Schuhmacher (Schuhnäher), Gerber und Walker, konkret erwähnt wird ihre Freude an Gastmählern, und das letztere wird in einem anderen Gedicht noch einmal aufgegriffen mit der Feststellung, daß auf seinem und den Tischen von Leuten seines Schlages Edelfisch und Kaviar, besondere Leckerbissen und Naschwerk fehlen, während sie bei Gerbern, Kupfer~ treibern und Bauhandwerkern ganz selbstverständlich zu finden sind. lsl Sicherlich nicht zufällig finden die Gerber in beiden Gedichten Erwähnung, interessant ist aber auch der Verweis auf den Wohlstand von Baumeistern/Bauleuten und Walkern. Daß das spätbyzantinische Bauge-
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HyrtEp 740. Greg II, 850. Vgl. MatschReg 136, 138-140. A. Kazhdan, The Italian and Late Byzantine City, DOP 49 (1995) 1-22; 17 Philes II, 416f. A. O. 259.
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werbe in der Hauptstadt und anderswo ein prosperierender Wirtschaftszweig gewesen ist, trotz oder gerade wegen der vielen kriegerischen Zerstörungen, das läßt sich gedanklich durchaus nachvollziehen und inzwischen auch praktisch nachweisen. 152 Aus der Gruppe der Bauhandwerker ragt eine in der frühen Palaiologenzeit sicherlich größere Zahl von Baumeistern und Bauunternehmern hervor, die für sich und ihre Leute die Kontrakte mit den (oft aristokratischen) Bauherren abschlossen, die für die Planung und Realisierung der Bauvorhaben verantwortlich zeichneten und über die auch die Abrechnung der Baukosten und die Entlohnung der Bauleute erfolgte, von denen sie sich nicht nur durch die Art ihrer Tätigkeit, sondern auch durch die Höhe ihrer Einnahmen unterschieden. lSJ Komplizierter liegen die Dinge im Bereich der Textilproduktion, in den der genannte Walker gehört. Anzudeuten scheint sich immerhin, daß Handwerker aus dem Endprozeß textiler Produktion, neben Walkern auch Scherer und Manger, eine größere Rolle spielen als die zentralen Tätigkeiten des Spinnens und Webens. Vielleicht gab es in der spätbyzantinischen Hauptstadt vereinzelt sogar textile Produktionseinrichtungen, wie Walkmühlen und Mangen, die für einen größeren Kreis von Interessenten in der Stadt und aus dem Umland arbeiteten und ihren Besitzern überdurchschnittliche Einnahmen verschaffen konnten. 1S4 Und zu diesem Interessentenkreis könnten unter Umständen sogar westliche Tuchimporteure gehört haben, die ihre durch lange Transporte in Mitleidenschaft gezogene Ware auf diese Weise auffrischen und für den byzantinischen Markt attraktiv machen wollten. Es ist also einigermaßen deutlich erkennbar, daß aus der Masse spätbyzantinischer Handwerker, die hart um ihre Existenz kämpfen mußten und sich gerade eben über Wasser halten konnten, eine Gruppe von Produzenten herausragt, die es durchaus zu einem bescheidenen Wohlstand und vielleicht sogar zu noch mehr gebracht hatte. Diese Gruppe konzentrierte sich wahrscheinlich auf einige wenige, über längere Zeit hinweg florierende Handwerke, sie verband bei Gelegenheit oder grundsätzlich handwerkliche Tätigkeit eventuell mit Handels- und sogar mit Geldgeschäften und erweiterte auf diese Weise ihren wirtschaftlichen Radius 152 Auf die großen Bemühungen Michaels VIII. um die Restaurierung seiner Hauptstadt und die rege Bautätigkeit in Konstantinopel, die sich zumindest bis zum Ende der Regierung seines Sohnes Andronikos fortsetzt, haben besonders zwei neue Arbeiten aufmerksam gemacht: TalbRest 243-261; KidonBaut. Vgl. auch K.P. Matschke, Builders and Building in Late Byzantine Constantinople, erscheint in den Akten einer Konferenz, die Anfang 1999 in Istanbul stattgefunden hat. 153 Beschrieben wird diese Baupraxis ziemlich konkret in einem von H. Delehaye, Constantini Acropolitae, hagiographi byzantini, epistularum manipulus, Analecta Bollandiana 51, 1933, 279ff. edierten Text, vgl. TalbRest 156f. 154 MatschTuch 63ff.
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und ihren privaten Nutzen, und sie gewann damit eine wirtschaftliche Dimension, die ihre Zuordnung zu den Mesoi ermöglicht bzw. erleichtert. Und anzudeuten scheint sich schließlich sogar, daß die Angehörigen dieser Gruppe über einiges Selbstbewußtsein und vielleicht über ein noch weiter gehendes spezifisches Gruppenbewußtsein verfügten, das sich ganz ähnlich wie bei der Aristokratie in gemeinsamen Gastmählern artikulierte und manifestierte. Die Folge ihres Handeins und ihrer Haltung war ein erkennbares Prestige bei den staatlichen Institutionen und bei den anderen gesellschaftlichen Gruppen, dem sogar die spätbyzantinischen Intellektuellen ihren Tribut zahlen mußten, auch wenn sie das auf eine besondere und für sie typische Weise taten.
3.3. Physiognomie und Dimension der Mesoi in der frühen Palaiologenzeit Keine der eben vorgestellten Personen und Personengruppen werden in den herangezogenen Texten ausdrücklich als Mesoi bzw. als Angehörige der Mesotes, der Mittelschicht, bezeichnet. Die Mesoi werden in der Regel nur als Personen mittlerer Besitzlage beschrieben, nicht aber mit konkreten Besitzobjekten und spezifischen Tätigkeitsbereichen, allenfalls noch mit eigentümlichen Haltungen. Daß auch die spätbyzantinischen Autoren ihre Mittleren in erster Linie unter den kommerziellen, finanziellen und gewerblichen Kräften der Gesellschaft suchten, kann nur über eine mehr oder weniger lange Indizienkette erschlossen werden, wie das zuletzt N. Oikonomides versucht hat. 155 Daß zu ihnen aus spätbyzantinischer Sicht zumindest Teile eines Beamtenturns, Leute aus staatlichem und privatem Dienst gehörten bzw. gehören konnten, deutet sich in dem vorgefundenen Material ebenfalls an. Und ähnlich wie schon in frühbyzantinischer Zeit wurden sicherlich auch kleine und mittlere städtische Grundbesitzer zu den Mesoi gezählt, obwohl eindeutige Belege dafür fehlen. Wesentlich für eine genauere Beschreibung spätbyzantinischer Mesoi scheint mir zu sein, daß es auch in der frühen Palaiologenzeit Kauf- und Geldleute mit einem beachtlichen Geschäftsvolumen und Geschäftsradius gab, daß man auch über handwerkliche Tätigkeit zu einem gewissen Wohlstand und zu erkennbarem Ansehen kommen konnte. Die von Makrembolites angedeutete Gleichsetzung von Mittelständigkeit und Reichtum findet in der gesellschaftlichen Realität also durchaus eine gewisse Entsprechung. Auf jeden Fall können sich (handwerkliche) Kunstfertig155 OikHomm 114ff.
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keit, Handelstätigkeit und ("bürgerliche") Sparsamkeit neben (militärischem) Beutegewinn, (herrschaftlicher) Machtausübung und Erbschaft als Quellen von Reichtum behaupten. 156 Die Grenzen dieser Entwicklung werden allerdings auch deutlich. Die byzantinischen Mesoi der frühen Palaiologenzeit leiten keine Handelsunternehmungen mit einem Netz von Filialen und einem Stab von Kommissionären und Faktoren, ihre Banken beschäftigten sich v.a. mit Geldwechsel und Wuchergeschäften und noch nicht so sehr mit Depositen, Kontenbewegungen und Wechseltransaktionen, ihre Werkstätten waren vielleicht manchmal etwas mehr als handwerkliche Kleinbetriebe, aber mit Sicherheit keine frühkapitalistischen Manufakturen. Ihr Reichtum sprengte nicht die traditionellen Grenzen der Gesellschaft. 157 Der Entwicklungsabstand zum spätmittelalterlichen Westen und speziell zum italienischen Trecento ist also unübersehbar. Wesentlich für die Bestimmung des Charakters der Mesoi sind aber nicht so sehr diese Unterschiede der wirtschaftlichen Dimension und des sozialen Profils, als vielmehr die Unterschiede in der historischen Verortung. In einem Aufsatz über die gewerbliche Entwicklung im späten Byzanz hat E. Kislinger vor einiger Zeit davon gesprochen, daß byzantinische Handwerker und Gewerbetreibende, um überhaupt existieren zu können, in ein wie auch immer geartetes Nahverhältnis zur Aristokratie treten mußten, da die Aristokratie durch ihren hohen Eigentumsanteil an städtischen Grundstücken und Werkstätten, ihre Verfügungs gewalt über agrarische und mineralische Rohstoffe und ihre Förderung des ländlichen Handwerks einen wesentlichen Einfluß auf die Produktions- und Absatzbedingungen handwerklicher Mittelschichten ausübte. 158 Dieser Begriff bringt einen sehr komplexen Sachverhalt auf einen sehr präzisen Nenner, und er könnte geeignet sein, ähnlich gelagerte Sachverhalte in benachbarten Bereichen der Gesellschaft ebenso zu erfassen und zu beschreiben. Ein solches Nahverhältnis zur Aristokratie scheint mir nämlich auch für die Handels- und Geldleute der frühen Palaiologenzeit charakteristisch zu sein. Byzantinische Großhänd156 SevMakr 207; vgl. OikHomm 117. 157 Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Bemerkung des Greg II, 585, daß der durch Steuergeschäfte und Pfründenpachten nach oben gekommene Alexios Apokaukos einen seinen Stand übersteigenden Reichtum zusammengetragen hatte (:n:AO'ÜtOv .,. u:n:ep t~V t1JXTJV taUto'Ü). Auch wenn die Wiedergabe von t1JXTJ mit Stand durch DietGreg III, 46, die von dem byzantinischen Historiker getroffene Aussage nicht ganz exakt treffen sollte, so deutet sie doch wohl an, daß die spätbyzantinische Gesellschaft konkrete Vorstellungen davon hatte, wie weit der Reichtum von Nichtaristokraten und hohen Beamten, von Leuten außerhalb der herrschenden Klasse gehen konnte und zu gehen hatte, auch wenn sich ein besonderes ständisches Eigentum in Byzanz eben nicht oder nur in Ansätzen ausgebildet hat. 158 KisGew 116.
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ler sind v. a. mit dem Aufkauf von Lebensmitteln, von pflanzlichen und tierischen Rohstoffen beschäftigt, deren Erzeuger zu einem wesentlichen Teil einheimische Magnaten waren. Byzantinische Bankiers standen offenbar nicht selten direkt im Dienst spätbyzantinischer Großer. Kleine Beamte und Verwalter nutzten das ihnen übertragene Gut und das ihnen entgegengebrachte Vertrauen zu persönlichen Geschäften und individueller Bereicherung, und nicht zuletzt über dieses Nahverhältnis scheint es mir möglich zu sein, auch sie den Mesoi zuzuordnen. Während sich die stadtbürgerlichen Kräfte des mittelalterlichen Westens in einiger Entfernung von den adligen Herren entwickeln konnten bzw. nur mit einer untergeordneten Fraktion dieses Standes in Gestalt des städtischen Patriziats direkt zu tun hatten, ist der Handlungsspielraum spätbyzantinischer Mesoi viel begrenzter, müssen sie, um leben und wachsen zu können, direkt in die Poren der aristokratischen Gesellschaft eindringen, müssen sie die Existenzprobleme dieser Gesellschaft nutzen, die Schwierigkeiten, die sie beim Aufbau einer funktionstüchtigen grundherrschaftichen Verwaltung hat, die Schwachstellen, die es in der staatlichen Administration gibt, auch die Vorurteile, die aristokratische Kreise gegen kommerzielle und gewerbliche Tätigkeiten hegen. Aus diesem Nahverhältnis folgt nämlich durchaus nicht notwendig eine Intensivierung sozialer Austauschprozesse. Das Bemühen um aristokratische und intellektuelle Exklusivität steht dem in der frühen Palaiologenzeit vielleicht deutlicher als je zuvor und danach entgegen. Handwerkliche und kommerzielle Tätigkeiten kommen für Sprößlinge aus vornehmen Häusern nicht in Frage. Heiratsverbindungen zwischen aristokratischen Familien und Kindern von Kaufleuten oder sogar Handwerkern hat es sicherlich gegeben, häufig waren sie aber wohl nicht, und sie wurden nicht an die große Glocke gehängt, wenn sie sich nicht umgehen ließen. Nur ein einziger Fall einer solchen Verbindung findet bei dem Historiker Pachymeres ausdrückliche Erwähnung, und er vollzieht sich außerhalb der byzantinischen Gesellschaft. 159 Freundschaft ist nach Meinung der intellektuellen Wortführer dieser Gesellschaft eigentlich nur zwischen Aristokraten möglich, durch die Hinwendung zu unadäquater Tätigkeit wird sie dagegen zumindest gefährdet, wenn nicht überhaupt unmöglich gemacht. Dort, wo sie existiert, ist sie bei genauerem Hinsehen nur eine spezifische Form der Unterordnung. l60 Dienst für aristokratische Familien macht Aufstieg nur bis zu einer bestimmten Grenze möglich, die für den gut ausgebildeten und zu Wohlstand gekommenen Dienstmann Apelmene erreicht ist, als er von seinem eben zum Kaiser 159 PachFail III, 291; vgl. A. Failler, Euphrosyne l'epouse du tsar Theodore Svetoslav, BZ 78/1, 1985, 92f. 160 Vgl. TinnFreund, vgl. auch KazhdConstPeopl28f.
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avancierten Herrn Johannes Kantakuzenos ein militärisches Kommando auch über andere Angehörige der Aristokratie verlangt. 161 Auch Geld per se ist keine Zulassungs garantie, wie eine Bemerkung des Gregoras zum Reichtum des Apokaukos bezeugt, der nach Meinung des Geschichtsschreibers dessen Position nicht entsprach. 162 Ein Aufstieg in die spätbyzantinische Aristokratie wurde erfolgreichen Vertretern der Mesotes also keineswegs leicht gemacht, mochten sie es auch mit aller Kraft erhoffen und mit allen Mitteln betreiben. Daß das Interesse am individuellen Fortkommen gegenüber der Orientierung auf kollektive Selbstbehauptung dominierte, ist nicht zu übersehen und eine, wenn man so will, natürliche Konsequenz dieses Nahverhältnisses zur Aristokratie. Sicher nicht zufällig wird die konsequenteste Gegenposition zur Aristokratie im Bürgerkrieg der 40er Jahre von den mit der Seefahrt verbundenen Kräften formuliert und eingenommen, die sich auch im größten wirtschaftlichen und sozialen Abstand von der Aristokratie befanden. Grundsätzlich haben die byzantinischen Mesoi der frühen Palaiologenzeit eben wegen dieses Nahverhältnisses zur Aristokratie nur wenig mit dem Stadtbürgertum des spätmittelalterlichen Westens zu tun, und aus dem gleichen Grund kann man sie wohl auch nicht so ohne weiteres mit der entstehenden Bourgeoisie des Westens vergleichen oder sogar gleichsetzen. Die zu einer mittleren Schicht gehörenden konkreten Typen mögen im Einzelfall gar nicht so weit von einander entfernt sein, einen historischen Ort wie die gefreite Bürgerkommune, in der diese Typen im Westen vorzugsweise angesiedelt waren, gab es für die byzantinischen Mesoi auch in der frühen Palaiologenzeit nicht. Für eine makrostrukturelle Formierung der Mesoi zu einer homogenen und festgefügten sozialen Schicht oder sogar zu einem juristisch abgesicherten Stand fehlen also weiterhin wichtige Voraussetzungen. Vielleicht hat aber das Bemühen der Aristokratie um ständische Abgrenzung von den Mesoi die Formierung und Profilierung der gesellschaftlichen Mitte nicht erschwert, sondern sogar gefördert, ergab sich gerade aus der Behinderung individueller Aufstiegsmöglichkeiten eine verstärkte Orientierung auf gemeinsame Positionierung und auf eine festere Verankerung der ganzen Gruppe in der Gesellschaft. Nicht zu übersehen ist auch, daß verschiedene mikro strukturelle Formen des sozialen Zusammenschlusses existierten, die für die Mesoi Bedeutung gewinnen und zu ihrer Selbstverständigung und Selbstbehauptung 161 Kant II, 247ff. Dem Kontext nach scheint A. als Protege des Kantakuzenos in erster Linie eine militärische Karriere zu machen, daß er seinen Reichtum aber besonders durch die Erledigung ziviler, administrativer Aufträge des bedeutenden Magnaten erworben hat, ist wohl doch noch naheliegender. 162 Vgl. oben Anm. 157.
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beitragen konnten. Eine Fahrtgenossenschaft von Tanakaufleuten bestätigt vor dem Patriarchalgericht einen kirchenpolitischen Sachverhalt. l63 Eine Landsmannschaft von Monembasioten unterstützt während des Bürgerkrieges ihren Stadtbischof in Konstantinopel politisch und materiell, indem ein zu ihr gehöriger Kaufmann unentgeltlich Öl zur Verfügung stellt. 1M Eine hauptstädtische Wachgesellschaft aus Kaufleuten, Handwerkern und Zollbeamten trifft sich nicht nur auf den Mauern und an den Toren, sondern zu Trank und Spiel auch in den Kneipen Konstantinopels/ 6s und Mitglieder einer solchen Gesellschaft machen 1328 dem jungen Andronikos III. den Weg frei zur Besetzung Konstantinopels. Und in seinem Heer tut zu diesem Zeitpunkt neben Aristokraten, Berufs militärs und Soldaten auch eine Gruppe von Mesoi Dienst, denen der junge Kaiser mit Blick auf seine Anhänger in der Stadt einen ehrenvollen Platz auf den Sturmleitern zuweist. l66 Hinter dem Viehhändler, dem beim Eintritt in die Hauptstadt von einem Mitglied der Kaiserfamilie ein Teil seiner Schlachtherde abgenommen wird, stehen seine Kompagnons, die mit ihm zusammen bei den hauptstädtischen Behörden aktiv werden und die Stimmung der hauptstädtischen Bevölkerung gegen den Urheber des Übergriffs anheizen. 167 Die Bankiers von Konstantinopel verweigern sich offenbar gemeinsam den Plänen des siegreichen Gegenkaisers Kantakuzenos zur Erhebung einer Sondersteuer und bemühen sich um die Organisierung eines Steuerboykotts der hauptstädtischen Bevölkerung. 168 Der Nachbarschaftsverband der 1tapa9aAa.OO'LOL von Thessalonike, zu dem neben Seeleuten auch Kaufleute und andere von der Schiffahrt und der Ausbeutung der Meeresressourcen profitierende Personen und Gruppen gehören, wird zeitweilig zur wichtigsten Stütze der Zelotenherrschaft in 163 Nur dadurch kommen sie überhaupt in die Bekundungen des Patriarchalregisters, vgl. MatschPol 83f. 164 Nur deshalb finden diese Gruppe und die zu ihr gehörige Einzelperson Eingang in die Vita des späteren Patriarchen Isidoros, vgl. MatschOrth 40. 165 Letzteres ist wohl der Hauptgrund, weshalb sich der Literat Hyrtakenos seiner Wachpflicht entziehen möchte, vgl. MatschMikr 41H. 166 Kant I, 301; vgl. OikHomm 116 und A. 252, der auf die Unterstützung von Andronikos durch die Bevölkerung der Städte hinweist, die sich auch in einer nicht ganz normgerechten Zusammensetzung seiner Armee zeigte und sich übrigens auch bei seinen ersten militärischen Aktivitäten nach der endgültigen Machtübernahme fortsetzte. 167 Die Sorge um die politischen Weiterungen dieses Vorfalls ist es wohl in erster Linie, die den Patriarchen Gregorios Kyprios veranlaßt, seinem Kaiser davon Bericht zu geben, vgl. oben, 113ff. 168 Daß ihre gemeinsame Aktion, Kant III, 40f., auf einer eigenen Organisation basiert, ist dem Bericht allerdings nicht zu entnehmen. Einiges aus der Geschichte des spätbyzantinischen Bankwesens spricht eher dafür, daß frühere Formen des Zusammenschlusses in dieser Zeit nicht mehr existieren, daß die Bewegungsfreiheit byzantinischer Geldhändler kaum noch durch staatliche Vorschriften behindert wird.
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der makedonischen Metropole,169 und von hier bis zur Organisierung der zweiten bzw. mittleren Fraktion derjenigen, die auf den Reichtum weiter oben schielen und sich gleichzeitig vor dem Abgleiten in die Armut weiter unten fürchten,170 ist der Weg sicherlich nicht mehr so sehr weit, auf jeden Fall ist an die gleichen oder ganz ähnliche Leute zu denken, die unterwegs sind. Die Kleingruppen, deren Strukturen eben umrissen und deren Aktivitäten beschrieben wurden, sind längst nicht ausschließlich für Mesoi zugänglich und reserviert, unübersehbar ist jedoch, daß Vertreter der Mesotes einen ganz wesentlichen Anteil an ihnen haben, sie organisatorisch und funktionell prägen. Dadurch wird die Selbstverständigung der gesellschaftlichen Mitte und die Formulierung spezifischer Gruppenanliegen sicherlich erschwert, erleichtert wurde aber vielleicht ein Zusammengehen mit anderen Gruppen und Schichten, wie sich das in den Bürgerkriegsauseinandersetzungen um die Mitte des 14. Jh. andeutet. Zu ständischen Vertretungen, wie sie sich im Vergleichszeitraum in verschiedenen Staaten Westeuropas ausbilden und zum politischen Rahmen für die Ausprofilierung eines dritten Standes in diesen Ländern werden, kommt es in Byzanz auch während und durch die Bürgerkriege in der ersten Hälfte des 14. Jh. nicht, aber in den städtischen Volksversammlungen, die durch die Bürgerkriegsauseinandersetzungen aktiviert werden und den Charakter von quasiparlamentarischen Vertretungen bekommen,171 können die Interessen der Mittelschichten als wichtiger Teil der antiaristokratischen und antibürokratischen Opposition zumindest ansatz- und andeutungsweise artikuliert werden. In diesem Sinne ist die eingangs benannte stärkere begriffliche Profilierung der gesellschaftlichen Mitte wohl doch Resultat einer stärkeren sozialen Profilierung dieser Mesotes, die nicht nur im mikrostrukturellen Bereich erfolgt, sondern auch in den makrostrukturellen Bereich hineinreicht. Und vielleicht ist die gelegentliche Ersetzung bzw. Ergänzung des pluralen Mesoi-Begriffs durch Mesotes und andere singulare 169 Vgl. MatschPart 8tf.; MatschThes 24f. 170 Vgl. oben Anm. 2. Im Unterschied zum Westen ist bzw. wird diese byzantinische middle dass auch nicht zu einem dritten Stand, denn es gibt in Byzanz weder einen ersten Stand des Adels noch einen zweiten Stand der Geistlichkeit, sondern nur eine Oberschicht, die den ersten Platz in der Gesellschaft einnimmt und der Mittelschicht den zweiten Platz überläßt. 171 So wenigstens BeckJahrt 255. Dagegen allerdings starke Einwände besonders von l.P. Medvedev, Apropos des soi-disant assemblees representatives a Byzance, en particulier au XIV' siede, ABuc II, 211-216. Tatsache ist, daß diese Versammlungen immer städtische Versammlungen blieben und nie Reichsversammlungen wurden, Tatsache ist aber auch, daß sie um die Mitte des 14. Jh. vor allem zur Beschaffung von Sondersteuern einberufen wurden und dadurch ein Gewicht bekamen, das sie so vorher nicht hatten, auch wenn die Verteilung besonderer Auflagen traditionell zu ihren Aufgaben gehörte.
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Begriffsbildungen sogar ein ganz spezieller sprachlicher Reflex auf diese soziale Formierung der Mitte. Hier stellt sich auch noch einmal die Frage I. Sevcenkos nach dem konkreten Inhalt dieser Begriffe für die Zeitgenossen. Sind die Angehörigen der Mesotes in dem von ihm edierten Makrembolites-Dialog vielleicht doch in erster Linie "nouveaux riches" with no aristocratic background, no breeding and no God-given right to rule, die D. Nicol1347 in der eben von Johannes Kantakuzenos besetzten Hauptstadt ausmacht,172 und von denen der Boykott gegen die vom siegreichen Usurpator geplante Sondersteuer ausgeht? In der Tat spricht sowohl sachlich als auch begrifflich einiges dafür, daß nicht kleine Handwerker und kleine Krämer, sondern wohlhabende Kauf- und Geldleute in der frühen Palaiologenzeit den Kern dieser sozialen Gruppe bilden und daß sie ihr Zentrum nicht auf dem flachen Land sondern in den (großen) Städten hat. Ob diese Gruppe der Neureichen mainly als an urban bourgeoisie living in Constantinople bezeichnet werden kann, wie das Nicol tut,l7J und ob die moyens grosso modo mit diesen bourgeois zusammenfallen, wie das Oikonomides glaubt,l74 bleibt allerdings problematisch, denn so richtig es scheint, daß der Mesoi-Begriff in der frühen Palaiologenzeit eine Verengung erfährt und in der Mitte des 14. Jh. vorzugsweise eine arrivierte und in gewissem Sinne auch saturierte gesellschaftliche Mitte meint,175 so falsch wäre es, diese byzantinische Mitte in die Nähe einer gente nuova bzw. eines popolo grasso oberitalienischer Städte zu rücken.
3.4. Individuelle und kollektive Verhaltensweisen der Mesoi, Artikulierung von Gruppeninteressen, Stellung und Haltung gegenüber den Italienern Aus der speziellen und spezifischen Ansiedlung der Mesoi in der spätbyzantinischen Gesellschaft, ihrem Nahverhältnis zur eigenen (spätbyzantinischen) Aristokratie und ihrer Hilfsfunktion für ein fremdes (lateinisches) Unternehmertum ergeben sich ganz besondere individuelle und kollektive Verhaltensweisen. Auffällig ist zunächst und vordergründig eine extreme Widersprüchlichkeit und Gegensätzlichkeit im praktischen Herangehen an individuelle Aufgaben und in der konkreten Nutzung in172 173 174 175
NicCant 166. A. O. OikHomm 118. Schon vor einiger Zeit hat M.A. Poljakovskaja den Gedanken geäußert, daß sowohl die Reichen als auch die Armen des Makrembolites-Dialogs zu den Mesoi gehörten, PoljPon 17.
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dividueller Chancen. Verwaltungsaufgaben im staatlichen Bereich und für private Grundherren werden von den einen zur vollen Zufriedenheit ihrer Auftraggeber erledigt, während andere sie zu skrupelloser Bereicherung nutzen. Übergriffe staatlicher Beamter und mächtiger Privatleute auf kommerzielle Interessen und Profite werden von vielen klaglos hingenommen, während manche sich wehren und die öffentliche Meinung gegen ihnen angetanes Unrecht mobil machen. Hauptstädtische Geldwechsler ernten für ihr eilfertiges "si" und "fatte" gegenüber italienischen und anderen Kunden den Hohn und Spott ihrer byzantinischen Mitbürger. ll6 Andere Geldleute kaufen venezianischen (und anderen westlichen) Händlern schwer einklagbare und eintreibbare Außenstände bei einheimischen Geschäftspartnern zum Bruchteil ihres Nennwertes ab, um dann die offenen Beträge möglichst vollständig an sich zu bringen. 177 Byzantinische Seeleute gehen an der Wende zum 14. Jh. in größerer Zahl zu den Lateinern über und nehmen sogar ihre Sitten und Gebräuche an,178 während viele andere gleichzeitig mit ihren Piratenschiffen westliche Handelstransporte in der Ägäis und ihr benachbarten Gewässern überfallen, die Schiffsladunpen an sich bringen und die Schiffer töten oder als Sklaven verkaufen. ll Dem Aufstieg von erfolgreichen Leuten aus der gesellschaftlichen Mitte in die Führungsgruppen der spätbyzantinischen Gesellschaft werden von eben diesen Gruppen, wie bereits in verschiedenen Zusammenhängen ausgeführt, viele Hindernisse entgegengestellt. Der Typ des übersteigert selbstbewußten, sich gegen alle anmaßend verhaltenden Aufsteigers wird in den Zeitdokumenten mehr als einmal beschrieben. Der klassische Fall der frühen Palaiologenzeit ist Alexios Apokaukos aus der bithynischen Kleinstadt Belokoma/Bilecik, der in seiner Jugend bei verschiedenen großen Herren, Steuereintreibern und Pfründenpächtern Dienst tut und subalterne Stellungen bekleidet, bis es ihm gelingt, selbst Salinenpächter bzw. -verwalter zu werden und schnell in die Spitze dieser Gruppe einflußreicher Geldleute zu gelangen, eine Position, die ihrerseits zur Grundlage für eine glänzende politische Karriere wird, die ihn schließlich zum faktischen Führer der Regentschaft für den unmündigen Kaiser Johannes V. mache 80 und ihn vielleicht sogar an ein eigenes Kaisertum denken läßt,181 sofern diese Vermutungen bzw. Behauptungen nicht auch Teil der von
176 177 178 179 180 181
Philes I, 457f. DiplVen 1,165. Greg I, 527; vgl. MakrStud 118ff. TI'h III, 159-218; vgl. MorgClaims 411-438. Ausführlich MaksApok. Vgl. Greg H, 702: Projekt der Verheiratung seiner Tochter mit dem jungen Kaiser Johannes V.
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seinen Gegnern nie eingestellten Kampagne gegen den Emporkömmling gewesen sind. Sowohl von seinen entschiedenen Gegnern als auch von seinen vorsichtigen Bewunderern wird Apokaukos gelegentlich als dvTjp ... öpaatrlPLO~ beschrieben und bezeichnet,182 d. h. als tatkräftiger, energischer Mann. Der Begriff öpaatl]pL6tl]~ mit seinen Ableitungen wird bereits von dem Historiker Prokopios häufig benutzt, um Personen wie den Kaiser Trajan zu charakterisieren und ihnen militärischen Mut und Courage zu attestieren. 18) Der militärische Akzent ist auch bei den Beschreibungen des Selfmademan aus der frühen Palaiologenzeit nicht völlig absent, im Zentrum seiner Charakterisierung steht aber seine Fähigkeit, mit aller Welt die verschiedenartigsten Geschäfte zu machen,184 was ihn zu Reichtum und Ansehen gebracht hat. Damit stellt sich die Frage, ob dieser Begriff in seiner spätbyzantinischen Verwendung zu einer Art philologischem Leitfossil werden kann, das den Weg zu einer gruppenspezifischen Verhaltensweise dieser Zeit weist. Die ersten Ergebnisse sind allerdings nicht sehr ermutigend. Der Historiker Pachymeres beschreibt mit diesem Bepriff den Kaiser Theodoros Laskaris und seine edolgreiche Steuerpolitik18 und den Sohn des Herrschers von Thessalien, Michael Komnenos Angelos, und seine jugendliche Begeisterung für militärische Aktionen, vor denen sich Kaiser Andronikos 11. fürchtet. 186 Dazu kommt noch die Beschreibung eines Mönches namens Ruchas, der von Kaiser Michael VIII. mit der materiellen Neuausstattung der Kirchen und des Patriarchats von Konstantinopel, der Bereitstellung von Kultgegenständen und Liegenschaften beauftragt wird und sich dieser Aufgabe bestens gewachsen zeigt. 187 Nikephoros Gregoras, der das historiographische Werk des Pachymeres bis über die Mitte des 14. Jh. hinweg fortsetzt, bezeichnet als öpaatrlPLOL außer Apokaukos noch zwei weitere Personen, nämlich den zeitweiligen Beherrscher der Insel Chios, Martino Zaccaria,188 Sohn des genuesischen Unternehmers Niccolo Zaccaria und einer vornehmen Griechin, dem es gelingt eine eigene Flotte aufzubauen, der mit ihr den kleinasiatischen Küstenraum von Piraten säubert, zur Finanzierung seiner Aktivitäten hohe Abgaben von der Inselbevölkerung er182 Greg H, 760; MagdByz 311. 183 Prokop, De aed. IV, 6,11; vgl. Th. Saucius-Saveanu, Die Charakterisierung des Kaisers Trajan von Prokopius von Cäsarea, Etudes Balkaniques 2, 1964, 547-552; V. Tupkova-Zaimova, Le moyen age balkanique, RESEE 7/3,1971,127. 184 Greg H, 766: Apokaukos allerdings nur als Vergleichsperson zu Phakeolatos. Vgl. a. O. H, 577: Apokaukos hält mehr von Taten als von Worten. 185 PachFail I, 99. 186 PachFail III, 79. 187 PachFail I, 233. 188 Greg I, 438.
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hebt, zu großem persönlichen Reichtum gelangt und schließlich Anstalten macht, sich der byzantinischen Oberhoheit ganz zu entziehen, und zum anderen den .schiffs führer und Flottenchef Phakeolates,189 wahrscheinlich ebenfalls genuesischer Herkunft und nach dem Tode des Apokaukos ebenfalls eine Schlüsselfigur der Regentschaft, der die byzantinische Hauptstadt 1347 allerdings mit Hilfe seiner byzantinischen Freunde aus dem Seefahrts- und Handelsmilieu an den Gegenkaiser Johannes Kantakuzenos ausliefert und für diesen Verrat beim Sturz des späteren Geschichtsschreibers mit seinem Leben und der Zerstörung seiner Habe bezahlt. Daß "tatkräftig" und "geschäftig" in dieser Zeit v. a. die Fähigkeit und Entschlossenheit zum Erwerb materieller Güter bzw. zum effektiven Umgang mit ihnen meint, ist trotz der geringen Anzahl bisher zur Verfügung stehender Belege schon einigermaßen deutlich. Daß den Byzantinern als tatkräftige Leute in diesem Sinn ganz besonders lateinische, italienische Akteure auf der byzantinischen Bühne erscheinen konnten und mußten, ist ganz und gar folgerichtig. Eine an einem einzigen Fall orientierte Schlußfolgerung, daß öpaotTlPLOtTlC; in dieser Zeit neben manchem anderen ganz besonders den durch wirtschaftliche Aktivitäten zu Reichtum kommenden und um gesellschaftlichen Aufstieg bemühten Typ aus der gesellschaftlichen Mitte meint, diese Annahme ist natürlich äußerst gewagt und zumindest verfrüht, aber die Möglichkeit, daß sich dieser Begriff in der frühen Palaiologenzeit mit neuen Inhalten auffüllt, deutet sich vielleicht doch an. Und fest steht auch, daß es im Byzanz des frühen 14. Jh. eine der Stadt Florenz vergleichbare Situation, in der sich ein selbstbewußtes, wirtschaftsstarkes Unternehmertum mit dem Anspruch der Verkörperung stadtbürgerlicher Erwerbstugenden gegen eine in ihrer Wirtschaftskraft erlahmte Schicht reicher Grundbesitzer und Rentiers wendet/ 90 nicht gegeben hat und nicht gegeben haben kann. Daß in den spätbyzantinischen Mesoi aber zumindest vereinzelt Kräfte existierten, die sich mit ihrem wirtschaftlichen Erfolg im Rücken nicht ohne alles Wenn und Aber an die Spielregeln dieser Ordnung halten wollten und in sich und ihresgleichen wesentlich aktivere und damit auch wichtigere Glieder dieser Gesellschaft als die gelegentlich sogar von ihren intellektuellen Verfechtern als träge und unbeweglich qualifizierten Führungsschichten 191 sahen, scheint mir durchaus möglich und sogar sehr wahrscheinlich zu sein.
189 Greg II, 766. 190 Vgl. G. A. Brucker, Florentine politics and society, 1343-1378, in: Princeton studies in history 1962, 78ff.; Ders., Florenz: Stadtstaat, Kulturzentrum, Wirtschaftsmacht, Gütersloh 1985, 40ff. 191 Greg I, 255; vgl. Laiou 232; Greg II, 843f.; vgl. MatschFort 31.
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Sehr interessant in diesem Zusammenhang ist auch das Bemühen um intellektuelle Bildung und speziellen Wissenserwerb, mit dem Apokaukos seinen gesellschaftlichen Aufstieg zu unterstützen und zu flankieren versucht. Ganz zweifellos wurde der gesellschaftliche Aufstieg der Mesoi in der Palaiologenzeit auch dadurch erschwert, daß sie von den politischen und besonders den intellektuellen Wortführern dieser Gesellschaft in eine bildungsfeindliche Ecke gedrängt wurden. Ihre gesellschaftlichen Anliegen wurden von den Intellektuellen am Kaiserhof und den anderen Zentren ihrer Tätigkeit kaum aufgenommen, sondern abgeblockt. Ihr vermutetes Bedürfnis nach besonderen Bildungsinhalten fand in die Schulen keinen Eingang und bei den Lehrern kein Gehör. Für den Mesazon Theodoros Metochites, die Schlüsselfigur der intellektuellen Szene während der Herrschaft von Kaiser Andronikos 11., waren die Kaufleute direkte Feinde der Bildung192 und als solche wohl auch dem Wissenserwerb kaum zugänglich, und was schon für Kaufleute Gültigkeit hatte, das mußte noch viel mehr für Geldhändler, Schiffsleute, Gewerbetreibende und ähnliches Volk zutreffen. Inwieweit diese sachliche Abgrenzung, die, wie schon gezeigt, auch mit persönlicher Bemühung um Distanzierung einherging, den gesellschaftlichen Realitäten der frühen Palaiologenzeit wirklich entsprach oder ob sie eher ein ideologisches Vehikel intellektueller Gruppenprofilierung war,l9J das mag dahingestellt bleiben; als sicher ist jedenfalls anzunehmen, daß diese realen bzw. fiktiven Abgrenzungsversuche nicht ohne Reaktionen von seiten der so Ausgegrenzten blieben und daß diese Reaktionen nicht zuletzt von den Mesoi getragen und artikuliert wurden. In den nachgewiesenermaßen zumindest partiell durch mündliche Erzählung weitergetragenen 194 und dadurch den gesellschaftlichen Realitäten besonders zugänglichen byzantinischen Tierepen 195 finden sich verschiedentlich ganz deutliche, fast möchte man sagen: eindeutige Hinweise auf bestimmte Personen und Situationen, Typen und Standards der spätbyzantinischen Zeit, dazu gehört ganz sicherlich auch eine mehrfach wiederkehrende Verspottung des gebildeten Philosophen,
192 Vgl. die Ausführungen von F. TinnefeId in Kapitel 5. Der gleiche Metochites stellt allerdings auch (selbst-)kritisch fest, daß die übertreibenden Rhetoren daran Schuld tragen, wenn die Bildung von der großen Masse verschmäht wird, HungEth 144, Anm. 2. 193 Diese Frage könnte sich auch für Byzanz aufdrängen, wenn man die stereotype Geringschätzung der "Menge" durch die italienischen Humanisten betrachtet, die nach L. M. Batkin, Die historische Gesamtheit der italienischen Renaissance, Dresden 1979, 132ff., durchaus nichts mit einer Verachtung von Menschen mit geringem Besitz und von niederer Herkunft zu tun haben muß. 194 Vgl. H. Eideneier, Zum Stil der byzantinischen Tierdichtung, lÖB 32/3, 1981, 301306. 195 Vgl. MakrPul411 und passim.
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der gegenüber den Leuten aus dem Volk mit seinem Wissen prahlt und dieses Wissen dazu benutzen will, den einfachen Tieren ihr Fell über die Ohren zu ziehen, dabei aber nicht selten selbst den kürzeren zieht. 196 In einem schon zitierten Planudes-Brief wird der Philosophie-Begriff aber auch noch in einer anderen Bedeutung verwendet. Bei seinem Plädoyer für den von staatlichen Repressalien bedrohten Verwalter von Familiengütern erklärt der gelehrte Beamte, Lehrer und Mönch, indem sein für die Steuerveranlagung bzw. -eintreibung verantwortlicher Briefpartner den Angestellten seines Bruders bezichtige, er habe sich an Staatsgut bereichert, mache er sich der Besudelung eines rechtschaffenen Privatmannes durch Werke der Philosophie schuldig, wie sie aus Werkstätten heraus verkündet würden. 197 Sicherlich darf man diese Briefpassage nicht überbewerten bzw. über Gebühr strapazieren, denn sie hat einen abwertenden Sinn und ist nicht in der Welt der Werkstätten entstanden, aber trotzdem könnte sie ein Hinweis darauf sein, daß sich in diesen Werkstätten eine eigene Weltsicht entwickelt hat und zu Hause ist, gerichtet auf wirtschaftlichen Erfolg, die zwar in den Augen des beschreibenden Intellektuellen anrüchig ist, die aber für die in Handwerksbetrieben, Kaufläden und Banken tätigen Menschen eine ganz andere Bedeutung gehabt haben kann. Gab es also im späten Byzanz neben der Philosophie als Markenzeichen der Intellektuellen und zur Abgrenzung vom gemeinen Volk und der Philosophie als gesellschaftlichem Negativbild zur Verspottung der Intellektuellen auch wenigstens in Ansätzen eine Form des Selbstverständnisses kommerzieller und gewerblicher Kreise, die über rein praktische Verhaltensweisen hinausging und selbst zu einer Art Philosophie wurde? Man kann es bisher nicht beweisen, möchte es aber zumindest annehmen. Daß die auf die Herrschenden orientierte und ansonsten mit exzessiver Selbstbespiegelung beschäftigte intellektuelle Elite der frühen Palaiologenzeit bei der Formulierung einer solchen Philosophie jede Hilfestellung versagte und ihren Transport ins öffentliche Bewußtsein praktisch blockierte, erscheint angesichts so extrem isolierter und vielfach verschlüsselter Indizien wie der eben zitierten Briefstelle jedenfalls eindeutig zu sein. Wütend bekämpft und verleumdet wurde der Regentschaftsführer, Flottenchef und Hauptstadtgouverneur Alexios Apokaukos vor allem auch deshalb, weil er sich während des Bürgerkrieges mit verschiedenen zweifelhaften Leuten besonders aus dem Seeleutemilieu umgab und weil er das Volk von Konstantinopel über Demarchen für seine Politik in Be-
196 Vgl. DöPhil203ff. 197 PlanEpL 46.
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wegung zu setzen versuchte. 198 Praktisch waren auch alle nichtaristokratischen und nichtbürokratischen Schichten im späten Byzanz aus den politischen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen. Allerdings setzte sich besonders das Volk der Hauptstadt schon in der Krisenzeit zu Beginn des 14. Jh. so nachdrücklich in Szene, daß dem Kaiser Andronikos H. nur inständige Bitten an das versammelte Volk, bzw. seine Vertreter, blieben, sich nach Erfüllung verschiedener ihrer Forderungen wieder zu ihren privaten Geschäften zurückzuziehen und das politische Handeln und die politischen Entscheidungen ihm und seinen Beauftragten zu überlassen. 199 Das JtOAL'tEuw8m des Volkes war den Herrschenden in Byzanz zu allen Zeiten suspekt, und es wurde von ihnen deshalb grundsätzlich als schändliche Neuerungssucht (VEW'tEPLOfA.OC;) und als fragwürdiger Kampf um Neuerungen (VEW'tEpt~ELV) denunziert. 2°O Das ist auch noch im 14. Jh. so, und in diesem Sinne findet sich in der Hexabiblos des Konstantin Armenopulos eine ganz spezielle Passage gegen sogenannte Neuerer (VEW'tEPLKOt),201 geschrieben genau zu dem Zeitpunkt, als in seiner Heimatstadt und seinem Aufenthaltsort die sogenannte Zelotenbewegung an der Macht war, die nicht zuletzt von Gruppen aus der Mitte der Stadtgesellschaft getragen wurde. Auch bei diesem Begriff lassen sich aber in dieser Zeit interessante Umbewertungen und Neuakzentuierungen beobachten. Und wieder ist es Maximos Planudes, der in einem seiner schon zitierten Briefe davon berichtet, daß die von dem aus Syrien eingewanderten Zoll einnehmer bedrückten Kaufleute der Hauptstadt beim Patriarchen vorstellig werden mit der dringenden Bitte, sie von den Neuerungen in Gestalt ungewohnter und gegen alle Festlegungen erhobener Zollforderungen zu schützen. 202 Und der nach diesem Brief angerufene Patriarch Gregorios Kyprios wendet sich sogar persönlich an den Kaiser, um den Despoten Johannes, dessen Leute vor den Toren Konstantinopels einem Viehhändler einen großen Teil seiner in die Hauptstadt getriebenen Schafherde abgenommen haben, unerlaubter Neuerungen (VEW'tEpt~ELV Kat dÖLlCELV) zu bezichtigen und seinem kaiserlichen Adressaten die Gefahren auszumalen, die seiner Herrschaft von der über diesen Gewaltakt empörten hauptstädtischen Bevölkerung drohen könnten, falls er die
198 S. die Abqualifizierung dieser Demarchen durch Kantakuzenos als AUAOL, MatschDem 223, und den Haß, mit dem das Bild des Apokaukos-Helfers Tzephres/Geofroy in dem von den Ansichten der Magnatenpartei beeinflußten Vogelbuch gezeichnet wird, MakrPul408ff. 199 PachFail IV, 597. 200 Vgl. allgemein BeckSen 41f., Anm. 80; zu den spätbyzantinischen Gegebenheiten MatschOrth 37. 201 ArmHex 357; vgl. ConstNeot 1-18. 202 PlanEpL 29.
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Despotenwillkür nicht ahnde. 20J Nicht nur in den Augen der beiden Briefschreiber, sondern noch mehr sicherlich in denen der betroffenen Kaufleute und auch der mit ihnen sympathisierenden Hauptstadtbewohner wird die geltende Ordnung also von den Trägern dieser Ordnung selbst, von Mitgliedern der kaiserlichen Familie und von wichtigen Vertretern der staatlichen Administration in Frage gestellt. Und das ist auch der Grundtenor des sogenannten Belisarliedes, das die Intrigen eines ganzen Klüngels namentlich genannter aristokratischer Familien aus der Komnenen- bzw. Palaiologenzeit gegen den kaisertreuen und vom Volk verehrten Heerführer Justinians 1., der aber zugleich die konkreten Züge eines oder sogar mehrerer politischer Akteure dieser frühen Palaiologenzeit trägt, in harschen Worten anprangert. 204 Bezeichnenderweise wird das Handeln dieser sich selbst und andere ständig belauernden hohen und einflußreichen Herren ähnlich wie in den Tierepen als bärisch und füchsisch charakterisiert,205 während der aus sehr viel weniger vornehmem Hause stammende Belisar selbst als geblendeter und verstoßener Mann seine menschlichen Züge nicht verliert. Es spricht also tatsächlich sehr vieles dafür, daß sich in dieser als historisches Gedicht aufgemachten Kampfschrift das Selbstbewußtsein von einer Art "drittem Stand" der frühen Palaiologenzeit auf ganz nachdrückliche Weise artikuliert, wie das Hans-Georg Beck mehrfach zum Ausdruck gebracht hat. 206 Und es sieht auch ganz so aus, als wenn die Intellektuellen, die sich den Anliegen eines homo oeconomicus und eines homo faber gegenüber eher immun gezeigt hatten, einer Aufwertung des homo ludens und des homo politicus nicht ganz so skeptisch gegenüber standen. 207 In diesem Sinne findet sich bei Theodoros Metochites die Würdigung einer Art bürgerlicher oder normaler Tugend, ohne die staatliche Gemeinschaft nicht möglich ist, die aber mit dem Streben des Durchschnittsmenschen nach Reichtum und Wohlleben ausdrücklich nichts zu tun hat. 20s Daß das so nicht ganz 203 GKypEp 118. 204 BeckBel47; BeckVolk 150ff. 205 WagCarm 327; W. F. Bakker/A. F. van Gemert, 'Im:opiu toii BEAWUpLou, Athen 1988. Umgekehrt bildet der (Kaiser-)Hof den Rahmen auch für den Pulologos, den Porikologos und die Vierfüßlergeschichte, so daß Heldenlied und Tierepos strukturell einander sehr naherücken. 206 BeckJahrt 141; BeckVolk 77. 207 VgL MatschStadt 270. 208 VgL HungEth 146. Ähnliche Gedankengänge sind bei MatthEp 126 anzutreffen, wenn er erklärt, er könne keine vortrefflichen literarischen (d.h. auch theologischen) Werke schaffen, weil ihm dafür die erforderliche sittliche Haltung (dpEt~) fehle, daß er aber trotzdem nicht auf diese Betätigung verzichten wolle, um den Intellekt nicht zur Untätigkeit zu verurteilen und wenigstens t~v flEOTJV tUUtT]v ... E~LV nicht zu verlieren. Diese mittlere Haltung ist mit Sicherheit nicht die Haltung der Mittleren, vielleicht soll sie die Gesellschaft sogar vor der Haltung der Mittleren abschirmen. In ihrer
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stimmt, sondern daß durch diese politische Hintertür auch die wirtschaftlichen Interessen einer spätbyzantinischen Mittelschicht hineinkommen oder wenigstens hineinkommen können, zeigen aber nicht zuletzt die beiden eben zitierten Briefe, die ihre Neoterismos-Anklage ganz eindeutig zum Schutz wirtschaftlicher Interessen von Leuten aus mittlerer gesellschaftlicher Lage formulieren. Und in einem weiteren Brief geht der Patriarch Gregorios Kyprios noch weiter und wird noch grundsätzlicher, wenn er seinen Kaiser fragt, nach welcher rechtlichen Grundlage die Steuereinnehmer und Regalienpächter verfahren, welches traditionelle Maß sie anlegen und welche traditionellen Grundsätze sie bei ihren Forderungen gegenüber den kommerziellen Kräften verfolgen, wenn sie völlig willkürliche Auflagen machen und auf die Frage, wie ihre Forderungen errechnet werden, nur darauf verweisen, daß sie ihr Amt bzw. Mandat vom Kaiser gekauft (und sich damit ein Recht zu dieser Willkür erworben) hätten. Eine solche Situation ist nach Meinung des Briefschreibers für Kauf- und Marktleute nicht durchzustehen, sie entzieht ihnen die Basis ihrer Existenz. 209 Worum es hier geht, das ist nicht der Tatbestand der Besteuerung und Belastung kommerzieller Kreise, sondern der Umstand, daß diese Belastung nicht auszurechnen ist, nicht klar fixiert wird, d. h. angemahnt wird die Sicherheit "bürgerlicher" Tätigkeit und "bürgerlichen" Eigentums, die die wichtigste Grundlage für die Entwicklung dieser Kräfte ist, und es ist nicht uninteressant, daß diese Einsichten und diese Forderungen von einem Mann formuliert werden, der seine Jugend auf einem lateinischen Territorium verbracht hat und damit wohl ein Wissen und eine Erfahrung in die spätbyzantinische Gesellschaft einbringt, die den tonangebenden gesellschaftlichen und intellektuellen Kreisen noch sehr fremd sind. Beachtung verdient schließlich die seit der Veröffentlichung des berühmten Makrembolites-Dialogs durch I. Sevcenko bekannte, aber noch immer einigermaßen rätselhafte Bemerkung der reichen Dialogpartner, sie würden von den Armen zu Unrecht angeklagt, denn sie stünden den beiden Extremen fern und gehörten vielmehr der Mitte an. Diese Behauptung wurde bisher vor allem zum Anlaß genommen, um die Frage zu stellen, wie reich der Reiche des Dialogs ist und ob er sich mit seinem Reichtum vielleicht tatsächlich von der Aristokratie unterscheidet. Kaum weniger interessant ist aber die explizite Abgrenzung von den Extremen, in denen die eigentlichen Verursacher von Raub, Trunksucht, Trägheit, Verleumdung, Neid und Mord gesehen werden müßten. Das deckt sich ganz auffällig mit Konsequenz bringen solche Gedankengänge aber das gesellschaftliche Denken in Bewegung und können u. U. über die Grenzen hinweggehen, die ihnen ihre Urheber gezogen haben. 209 GKypEp 122f.
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der von Aristoteles geprägten Auffassung von gesellschaftlicher Mitte, und es ist vielleicht nicht mehr als intellektuelle Reminiszenz. Nicht ganz ausgeschlossen könnte es aber auch sein, daß Makrembolites in diesen Passagen seines fiktiven Dialogs doch etwas von dem Selbstbewußtsein einer sozialen Gruppe reflektiert, die sich im gesellschaftlichen Aufwind sieht, die ihre eigenen Ansichten formuliert und ihre eigenen Ansprüche anmeldet. Diese Mitte steht für die Sicherheit von Personen und Sachen, für Tatkraft und moralische Sauberkeit, und von dieser Position kann sie sogar die Behauptung der Armen, an ihrer Arbeit hinge das Schicksal der Städte und des Landes, vom Tisch wischen und sie als Drohnen, als Nichtstuer bezeichnen, also weniger die konstruktive und mehr die destruktive Rolle des einfachen Volks in den Blick rücken. Und wenn man diesen Argumentationsfaden weiterspinnt, dann könnten sich aus diesem Bewußtsein von Mitte auch die Ansprüche auf ein zumindest bescheidenes Mehr an politischer Mitsprache ableiten, auf einen Hauch von Politie und Demokratie, die in das klassische aristotelische Konzept eingeschlossen waren, die vielleicht auch aus diesem Grund der byzantinischen Monarchie, Bürokratie und Aristokratie Mesoi und Mesotes suspekt gemacht hatten und die deshalb am Vorabend des zweiten Bürgerkrieges schon entschieden abgeblockt wurden, als sie sich im engsten Kreis der Macht, nämlich im Kronrat, zeigten. Elemente eines nichtaristokratischen und nichtbürokratischen Selbstbewußtseins, das besonders von der gesellschaftlichen Mitte getragen (und artikuliert?) wird, sind in der frühen Palaiologenzeit also zweifellos vorhanden und direkt oder indirekt zu erschließen, sie scheinen aber immer noch so schwach gewesen zu sein, daß sie nicht von typischen Vertretern dieser Schichten selbst formuliert und als spezielle Gruppeninteressen deklariert werden konnten, sondern auf einzelne Exponenten der Führungsschichten transponiert wurden, auf Belisar-Philanthropenos am Ende des 13. Jh. 210 und auf den "Paragialites" Apokaukos in der Mitte des 14. Jh.,211 die sich durch ihre Herkunft, ihre Karriere, durch einzelne politische Aktivitäten besonderer Sympathien erfreuten und gedanklich sogar zu den Ihren gezählt werden konnten ohne Rücksicht darauf, wieweit diese Konstrukte von der Realität entfernt sein mochten. Die Personalisierung von Sachinteressen, die in dieser Form notwendigerweise auch eine Verfrem210 Gegen Beck halten es verschiedene Byzantinisten aber für wahrscheinlicher, daß nicht nur Alexios Philanthropenos, PLP 29752, sondern noch andere historische Personen Modell für den literarischen Belisar gewesen sind, vgl. E. Trapp in JÖB 22, 1973, 318. MakrPul 411, Anm. 1, will in ihm neuerdings eher den Heerführer Makrenos, PLP 92605, als Philanthropenos sehen. 211 Daß hinter diesem "Strandbewohner" des Vogelbuches der Salinenpächter, Flottenchef und Besitzer mehrerer Meereskastelle Alexios Apokaukos zu sehen ist, hat MakrPul 397ff., m.E. überzeugend nachgewiesen.
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dung dieser Interessen war, erleichterte den herrschenden Kräften der Gesellschaft, den Magnaten und hohen Bürokraten, den Umgang mit ihnen, ermöglichte ihre Abblockung durch die Vereinnahmung der Hoffnungsträger oder auch durch ihre Eliminierung. Auf diese Weise wird die Krise an der Wende zum 14. Jh. gemeistert, und auf diese oder ähnliche Weise gelingt es auch im Bürgerkrieg nach 1341 die Oberhand zu behalten. Die Unruhestifter und Ordnungsverletzer verschwinden von der politischen Bühne und leben nur noch als Versatzstücke von Heldenepen und Heiligenlegenden weiter.212 Das in ihrer Person angehäufte Konfliktpotential und der in ihrer Person konzentrierte Zündstoff kann sich von ihnen losgelöst nicht weiter entfalten und zu bleibenden Ergebnissen finden. Zumindest in dieser indirekten Form sind "mittelbürgerliche" Interessen aber schon in den Auseinandersetzungen an der Wende zum 14. Jh. und noch viel stärker im Bürgerkrieg um die Mitte des 14. Jh. mit im Spiel gewesen, und der für sie negative Ausgang dieser Spiele beeinflußte den weiteren Gang der byzantinischen Geschichte auf nachhaltige Weise. Zu Beginn des 14. Jh. ging es speziell um die Rückkehr des Reiches zu einer eigenen Flottenpolitik, nach 1340 generell um eine stärkere Hinwendung zum Meer, seinen Ressourcen und Möglichkeiten. In der Konsequenz bedeutete das eine Stärkung der mit Handel und Seefahrt verbundenen Kräfte und eine Verbesserung ihrer Positionen gegenüber den Lateinern. Aber diese Anliegen konnten unter den beschriebenen spätbyzantinischen Bedingungen nur ungenau formuliert und deshalb relativ leicht neutralisiert und abgeblockt werden.
3.5. Ausblick: Die Mesoi nach 1350 Seit der Mitte des 14. Jh. ist in den byzantinischen Quellen von Mesoi kaum noch die Rede. Einzelne Personen werden nach ihrem Reichtum, ihrem Hausstand und ihrem Können zwar gelegentlich mit einer mittleren gesellschaftlichen Position in Verbindung gebracht,213 aber die ver212 Schon Philanthropenos wurde, worauf BeckBel 49, besonders hingewiesen hat, von der Bevölkerung seines kleinasiatischen Einsatzgebietes und von seinen Soldaten wie ein Soter verehrt. Apokaukos wird in der Gestalt des H. Demetrius/Megas Dux sogar zum Gegenstand populärer Ikonenmalerei in Thessalonike, dem Zentrum der Zelotenbewegung, MakrStud 1Slf.; vgl. dazu auch MatschThes 40, 43. 213 KydEp 11, 183, spricht von einem ehemaligen Bediensteten, der in eine Position gelangt ist, die von Reichtum ebensowe~~ endernt ist wie von Bedürftigkeit, sich also in der Mitte zwischen beidem befindet. Ahnlich spricht Georgios/Gennadios Scholarios von seinen Eltern, die 1tAOUtOU t8 Kat tÖ)V clAAffiV IlEtpLro~ EXOUULV, GennSchol I, 278. ]oseph Bryennios beschreibt in einem Brief an den Maler Alexios Apokaukos auf Kreta seinen Briefpartner als hr IlEOO~ Kae~IlEVo~ tots tn:t tEXVIJ Kat 1taLOt Kat OtKLq,
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wendete Begrifflichkeit verliert ihre politische Dimension und auch einiges von ihrer im frühen 14. Jh. erreichten sozialen Klarheit. Dieser veränderte Quellenbefund hat verschiedentlich zu der Annahme geführt, daß die Mittelschichten aus der byzantinischen Gesellschaft der letzten hundert Jahre praktisch verschwinden,214 daß nur noch die Unterscheidung zwischen den Reichen und den Armen bleibt, deren Anzahl in der Gesellschaft weiter zunimmt. 215 Als erstes stellt sich natürlich die Frage, wie weit diese Polarisierung reicht und ob die Mesoi tatsächlich als soziale Gruppe völlig zerrieben werden. Auf Leute ohne große Namen mit einigem Ansehen und in einigermaßen gesicherter wirtschaftlicher Position stößt man bis zum Reichsende bei der Durchsicht ganz untersc~iedlicher Quellenbestände. Sie finden sich in den Akten des genuesischen Notars Ponzo aus dem Donauhafen Kilia um 1360216 ebenso wie in den Konten eines anonymen Großhändlers im pontischen Raum wenig später,217 sie finden sich vereinzelt im Patriarchats register von Konstantinopel um das Jahr 1400218 und in größerer Zahl auch noch im immer wieder zitierten Rechnungsbuch des venezianischen Kaufmannes Badoer 1436-1440,219 weniger als zwei Jahrzehnte vor dem Fall der byzantinischen Hauptstadt in die Hand der Türken, es handelt sich um Schiffsbesitzer, Fernkaufleute, Geldhändler und
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also als Mann in wohlhabenden Verhältnissen, allerdings fremd auf der von den Venezianern beherrschten Insel und auf vielfältige Art und Weise angefochten, Bryennios III, 177. HungChort 46. OikHomm 123. ActPonBal 67f.: Triffo Sineto (Tryphon Sinaites?) aus Konstantinopel zusammen mit Nicolaus de Mayrana aus Pera Besitzer eines Schiffes; 138f., l4lf.: Theodorus Piro (Pyrrhos) aus Konstantinopel, ebenfalls Anteilseigner eines Schiffes; 150f.: Thodorus Manasi (Manasses), Schiffspatron aus Konstantinopel; ActPonPist 79ff.: Constancius Mamali (Mamales), Grieche aus Konstantinopel, Eigentümer und Patron eines Schiffes; 158ff.: Georgio Rondachino (Rentakenos) de Constantinopoli, Sohn eines Nikita, Geldverleiher für Pfand. Jane Francopulo und Jane Fassilico (Basilikos), Geldverleiher an ihn und an andere Kaufleute und Schiffsführer in Kilia. Sie sind auch Einwohner der byzantinischen Hauptstadt, stammen aber aus Adrianopel, zu ihnen s. LaiouMerch 114, und MatschFort 182f. bzw. MatschBem 255f. SchreinFin 37ff. Das gilt ganz besonders für den anonymen Kontenführer, der nach Meinung von Georgios Makris, die er demnächst zu beweisen versuchen will, doch in der spätbyzantinischen Hauptstadt und nicht im pontischen Herakleia, wie der Herausgeber annimmt, tätig gewesen sein könnte, aber auch für verschiedene Geschäftspartner, die dem (Groß-)Händler seine Waren abnehmen und weiterverkaufen. MM II, 326ff., 372f., 380ff., 493f.: Thomas Kalokyres, Geldverleiher, Hausbesitzer, trotz seiner Bezeichnung als :n;OA.L'tL1(O~ äpxwv wohl nicht einer aristokratischen Familie zugehörig. Badoer 356, 716 die drapieri/Tuchkaufleute Dimitri Glivani (Klibanes?), Todaro Macrimali (Makrimalles) und Jani Zuchinida, die auch zusammen mit weiteren Familienmitgliedern Tuchgeschäfte machen, a. O. 364, 370, und manche andere.
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Die Formierung der gesellschaftlichen Mitte
um wohlhabende Handwerker. In einem Brief aus den 80er Jahren des 14. Jh. beschreibt Demetrios K ydones sogar mehrere Stationen eines Mannes, der zu den Mittelschichten gehört bzw. im Verlauf seines Lebens in sie hineinwächst. 220 Es handelt sich um einen otxE'tT]t;, den der Literat und Staatsmann schon aus seinem Elternhaus in Thessalonike übernommen und von dort aus in die Hauptstadt mitgenommen hat oder der ihm später gefolgt ist. Als er die Absicht äußert, zu heiraten, gibt der Dienstherr seine Zustimmung und stattet ihn mit allem Notwendigen aus, damit er auf eigenen Füßen stehen kann. Durch rechtschaffene Arbeit kann er in der Folgezeit seinen Lebensunterhalt bestreiten, so daß er von Armut und Reichtum gleich weit entfernt ist,221 von seinen Mitbürgern geschätzt wird und sogar vom Demarchen (seines Stadtviertels) Lob einsteckt, weil er sich zur Zufriedenheit seiner Mitbürger an ihrer Einschätzung bei der Umlage von Sondersteuern beteiligt. Als die Zeitumstände sogar Wohlhabendere als ihn in Bedrängnis bringen und ihm notwendige Betriebsmittel für sein Handelsunternehmen fehlen bzw. der Betrieb keinen Gewinn mehr abwirft, von dem er leben könnte, wendet er sich (erneut) an Kydones und erhält von ihm gegen ein schriftliches Rückzahlungsversprechen die benötigten Gelder, stirbt dann aber ganz plötzlich, noch bevor diese Verpflichtung erfüllt ist. Ganz offensichtlich handelt es sich um die Geschichte eines Mannes, der nicht aus der gesellschaftlichen Mitte stammt, sondern der durch Protektion und eigene Anstrengung erst in ihr Fuß fassen kann, und der auch einige Schwierigkeiten hat, diese Position dauerhaft zu halten. Bestätigt wird also mit einer konkreten Lebensgeschichte die immanente Gefahr, in der die Angehörigen der Mittelschicht durch die sich ständig verschlechternde Lage der Byzantiner nach der Jahrhundertmitte schweben und durch die die Polarisierung der Gesellschaft gefördert wird. Trotzdem muß seine wirtschaftliche Situation doch so solide und von solcher Dauer gewesen sein, daß er sich in seinem Stadtviertel einen gewissen Namen machen konnte. Die diesbezügliche Passage des Kydones-Briefes deutet vielleicht sogar darauf hin, daß sein Protege in die Reihe der sogenannten EKKPL'tOL bzw. 3tPOKPL'tOL 'tau ö~~ou aufgerückt ist,222 die von den staatlichen und städtischen Behörden gelegentlich zu Gesandtschaften herangezogen werden und auf diese Weise nach außen als Vertreter des Stadtvolkes fungieren, die aber auch, und das könnte der Briefinhalt 220 Grundlage der folgenden Analyse ist eine Übersetzung des Briefes von Franz Tinnefeld für den neu esten Band seiner Kydones-Ausgabe, TinnKyd III 184 ff. (Nr. 0293), die Gegenstand eines intensiven Meinungsaustausches war. 221 Diese Bemerkung ist das Hauptindiz seiner Zuordnung zu den Mesoi, vgl. oben Anm. 213. 222 Vgl. MatschFort 102.
, ,Ausblick: Die Mesoi nach 1350
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belegen, für die Erledigung bestimmter Sonderaufgaben innerhalb der Stadt geeignet waren. Konkret zeigen diese Aktivitäten des ehemaligen Bediensteten zugleich, daß es sich bei ihm um mehr als einen ganz kleinen Krämer oder Geldwechsler handelt, um einen zumindest politisch und vielleicht auch wirtschaftlich herausragenden Vertreter der Mittelschichten der byzantinischen Hauptstadt gegen Ende des J4. Jh. Die Kurzvita dieses Mannes ist aber auch der bisher einzige Beleg für Aktivitäten aus dem Bereich der Mesotes, die nicht ausschließlich wirtschaftlicher Natur sind, sondern darüber hinausgehen und andeutungsweise sogar die politische Ebene berühren. Soziale Spannungen und politische Auseinandersetzungen, in die Vertreter der Mitte involviert oder die von ihnen geprägt sind, lassen sich in den letzten hundert Jahren der Reichsgeschichte nicht mehr ausmachen, nicht auf lokaler und schon gar nicht auf regionaler oder sogar gesamtstaatlicher Ebene. Das Verschwinden der Mesoi aus der Begrifflichkeit und dem Informationsgehalt der Endzeitquellen erklärt sich also nicht allein aus der nachhaltigen Beschädigung des wirtschaftlichen Standortes, den sie noch in der frühen Palaiologenzeit besetzt und sogar nicht ganz unwesentlich verbreitert und ausgebaut hatten, es reflektiert auch die Ausdünnung des sozialen Beziehungsgeflechtes der Mittelschichten, den Umstand, daß sie völlig auf die mikrostrukturelle Ebene ihrer sozialen Organisation zurückgeworfen werden und ihnen die Möglichkeit zu politischer Artikulierung dadurch weitgehend fehlt. Die Frage, wo die Mesoi des frühen 14. Jh. bleiben, ist damit zumindest teilweise auch schon beantwortet. Zu den für sie äußerst negativen Folgen des Bürgerkrieges um die Jahrhundertmitte kommen die sich ständig verstärkenden Auswirkungen der türkischen Expansion, die bis zum (zunächst allerdings noch vorübergehenden) Verlust der zweiten Großstadt des Reiches am Ende des Jahrhunderts gehen. Eingebunden in diese Frage ist aber auch das vieldiskutierte Problem, ob und, wenn ja, in welchem Umfang es Vertretern der Mesotes in der dynamischen Zeit der Rekonstruktion der byzantinischen Gesellschaft nach der Rückgewinnung ihres traditionellen politischen Zentrums, der sich anschließenden gesellschaftlichen Zuspitzungen und ihrer Entladung in zwei Bürgerkriegen gelungen ist, nicht nur den gesellschaftlichen Abstieg zu vermeiden, sondern sogar ihren gesellschaftlichen Aufstieg zu bewerkstelligen und insbesondere Eingang in ein aristokratisches Unternehmertum zu gewinnen, das die wirtschaftlichen und auch die politischen Geschicke des Reiches in den letzten hundert Jahren seiner Existenz nicht ganz unwesentlich beeinflußt. Das ist zugleich ein Teilproblem der Formierung dieses Unternehmertums und damit Gegenstand des nachfolgenden Kapitels, das sich ihm ganz besonders zuwendet.
1
4. Spuren eines aristokratischen Unternehmertums in der späten Palaiologenzeit Während sich die gewichtige Rolle der gesellschaftlichen Mitte in der frühen Palaiologenzeit auch an der Entwicklung der auf sie bezüglichen Begrifflichkeit ablesen und festmachen läßt, ist eine zeitgenössische Bezeichnung, die als Wegweiser zu einem aristokratischen Unternehmertum der späten Palaiologenzeit und als Indikator für seine spezifischen Aktivitäten dienen könnte, bisher noch nicht gefunden worden. Als M. J. Sjuzjumov Anfang der 60er Jahre von einem jungen Unternehmeradel im späten Byzanz sprach, l stieß er mit seiner Wortschöpfung auf einige Skepsis, und die Vorbehalte bezogen sich nicht nur auf die von ihm vorgenommene Verknüpfung von Adel mit Unternehmertum, sondern auch auf die Kennzeichnung der von ihm beschriebenen Phänomene als neuartig. Verwiesen wurde auf den unbestreitbaren Tatbestand, daß die byzantinischen Oberschichten seit ihrer Entstehung der Welt des Geldes und der Welt des Handels wesentlich näher gestanden haben als der Feudaladel des mittelalterlichen Westens über weite Strecken seiner Entwicklung, und behauptet wurde sogar, daß die byzantinische Führungsklasse vor allem ein Geldadel war und das bis zum Reichsende geblieben ist. 2 Tatsächlich war der von Sjuzjumov für seine These benannte Hauptzeuge, der Steuerbeamte, Salinenpächter, Flottenbefehlshaber und Stadtgouverneur Alexios Apokaukos aus der ersten Hälfte des 14. Jh., ein bedeutender Geldmann, wenn sich sein Unternehmertum aber praktisch nur mit seinen Salzgeschäften belegen ließ, dann war diese Beweisführung allerdings wenig überzeugend und noch dazu nicht sehr originell, denn Salinenverwaltung gehörte neben Steuerveranlagung zu den traditionellen Tätigkeitsbereichen bestimmter Gruppen der byzantinischen Oberschicht, und mit den Steuer- und Monopolpachten war das auch nicht wesentlich anders. Trotzdem waren die Thesen Sjuzjumovs eine Art Initialzündung,3 denn die auf ihn folgende und teilweise direkt von ihm ausgehende Forschung machte seit den 70er Jahren in der spätbyzantinischen Gesell-
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M. J. Sjuzjumov, Bor'ba za puti razvitija feodal'nych otnosenij v Vizantii, Vizantijskie ocerki, Moskau 1961, 34-63; 61. G. L. Kurbatov / V. 1. Rutenburg, Ziloty i compi, VV 30,1969,3-37; 19f. S. Runciman, Byzanz. Von der Gründung bis zum Fall Konstantinopels, München 1969, 253. Vgl. K.-P. Matschke, Bemerkungen zu M. J. Sjuzjumovs "jungem Unternehmeradel" in spätbyzantinischer Zeit, ADSV 26, 1992,237-250.
Spuren eines aristokratischen Unternehmertums
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schaft mit zunehmender Deutlichkeit ein unternehmerisches Phänomen aus, das über Steuer- und Salinenpacht erkennbar hinausging, wichtige Bereiche des Großhandels und des Bankwesens erfaßte und im Einzelfall sogar in die Bereiche der politischen Finanz hineinreichte. Allerdings zeigte sich dieses Unternehmertum nicht schon im frühen 14. Jh., sondern frühestens in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts und ganz ausgeprägt wohl erst in den letzten 50 Jahren byzantinischer Reichsgeschichte, und es wurde nach dem augenblicklichen Kenntnisstand auch nicht in erster Linie von verschiedenen Aufsteigern aus der gesellschaftlichen Mitte, sondern von der etablierten Aristokratie der Palaiologenzeit getragen, war in diesem Sinne also weniger ein junger Unternehmeradel als vielmehr ein alter Adel, der sich neuen Tätigkeitsbereichen zugewandt hatte. Inzwischen ist nachweisbar, daß zu Beginn des 15. Jh. Vertreter aller bedeutenden Adelsfamilien unternehmerisch tätig sind, angefangen bei der herrschenden Dynastie der Palaiologen selbst und weiter über so bedeutende Geschlechter wie die Angeloi, Argyroi, Asanen, Dukas, Batatzes, Laskariden und Kantakuzenen bis hin zu den weniger bekannten, aber auch zum Palaiologenclan gehörenden bzw. in ihn eingedrungenen Familien der Sophianoi, Gabalas, Gudeles, Rhaul/Rhalles, Basilikoi und nicht zuletzt der Notaras. 4 Am Phänomen dieses aristokratischen Unternehmertums bzw. Unternehmeradels der byzantinischen Spätzeit kann also kaum noch ein Zweifel bestehen. 5 Weitgehend unklar ist dagegen immer noch, wie es zu diesem Unternehmertum gekommen ist, welche Bedingungen und Motive nach der Mitte des 14. Jh. bestimmte Kreise der byzantinischen Aristokratie veranlaßt haben, sich neuen Tätigkeitsbereichen zuzuwenden und sich neue Hilfsquellen zur Sicherung aristokratischer Existenz zu erschließen, wieso dieser Adel und nicht eine aufsteigende Mittelschicht den Charakter dieses Unternehmertums prägen kann. Und kaum erforscht ist auch die Frage, wie sich aristokratischer Lebensstil und unternehmerische Tätigkeit in den Einzelpersonen dieser Gruppe und in der Gruppe insgesamt miteinander verbinden und miteinander vertragen, wie die typischen Lebensläufe adeliger Unternehmer der Spätzeit aussehen, welche Lebensstationen und Tätigkeitsbereiche sie in der Regel durchlaufen. Schließlich geht es darum, welche Impulse von dieser sozialen Gruppe auf das politische und geistige Leben des späten Byzanz ausgehen, ob 4 5
Vgl. OikHomm 12lf. Das zeigt sich auch darin, daß es Eingang in die zweite, überarbeitete Auflage von SchreinByz, 45, gefunden hat. Ich bevorzuge den Begriff "aristokratisches Unternehmertum", da es einen Adel mit ausgeprägter ständischer Qualität in Byzanz nicht gegeben hat und er deshalb als Bildungselement dieses Unternehmertums problematisch ist.
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Spuren eines aristokratischen Unternehmertums'
sie nicht nur Spuren in der Wirtschaft, sondern auch im gesellschaftlichen Denken und Verhalten der byzantinischen Spätzeit hinterläßt. Damit sind Fragen formuliert und Probleme benannt, deren Beantwortung außerordentlich schwierig ist und deren Lösung hinter dem zurückbleiben muß, was man sich von ihr erwartet und erhofft. Ohne diese Fragen zu stellen und ohne diese Probleme anzurühren, kann das Phänomen dieses aristokratischen Unternehmertums aber nicht konkret genug beschrieben und nicht in ausreichender Weise geklärt werden.
4.1. Ausgangspunkte und Prototypen des aristokratischen
Unternehmertums in der frühen Palaiologenzeit Sein räumliches Zentrum und seinen geographischen Schwerpunkt hat das aristokratische Unternehmertum der Spätzeit in der byzantinischen Hauptstadt, Grund genug dafür, die Spurensuche an dieser Stelle zu beginnen und nach Wurzeln für dieses Unternehmertum in diesem Raum Ausschau zu halten. Die Stadt Konstantinopel war in der frühen Palaiologenzeit durchaus keine blühende, aber ebensowenig bereits eine sterbende Stadt. Im Vergleich zur Früh- und zur mittelbyzantinischen Zeit waren die Einwohnerzahlen nur bescheiden, aber für ausländische Besucher war sie immer noch eine Großstadt, und den Reichsuntertanen aus der byzantinischen Provinz erschien sie immer noch als die Stadt Km;' eSox~v.6 Ihre Bausubstanz war alles andere als intakt, und der fortschreitende Verfall machte auch vor den Prunk- und Repräsentativbauten des byzantinischen Kaisertums und der orthodoxen Kirche nicht Halt, aber es wurde auch in dieser Zeit nicht wenig gebaut, einiges neu errichtet, manches wenigstens repariert: Verteidigungs anlagen, Kirchenräume, auch private Wohnkomplexe und Wirtschaftsgebäude. 7 Konstantinopel war im 14. Jh. nicht mehr die Hauptstadt eines Groß reiches, die Attraktivität der Stadt als einer po6
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Vgl. die Beschreibung der Ankunft des Gelehrten Thomas Magistros in Konstantinopel mit einem Schiff aus seiner Heimatstadt Thessalonike zu Beginn des 14. Jh., M. Treu, Die Gesandtschaftsreise des Rhetors Theodulos Magistros,Jahrbücher für classische Philologie, 17. Supplementband, 1. Heft, Leipzig 1902, 5-30; 9f., und die Sehnsucht des in Trapezunt lebenden Literaten und Beamten Andreas Libadenos nach seiner Heimatstadt Konstantinopel, M. Paranikas, 'AVÖPEOU ALßaö..,voii :n:EpL~y..,au;, Konstantinopel 1874, dazu FenstLaud 214f. Vgl. TalbRest 243-261 und KidonBaut. Und gebaut wurde auch noch in den letzten Jahrzehnten des byzantinischen Konstantinopel, vgl. unter anderen U. Peschlow, Mermerkule - Ein spätbyzantinischer Palast in Konstantinopel. Studien zur spätbyzantinischen Kunstgeschichte. Festschrift für Horst Hallensieben zum 65. Geburtstag, Wiesbaden 1995, 93-97.
Ausgangspunkte und Prototypen eines aristokratischen Unternehmertums
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litischen und wirtschaftlichen Schaltstelle der spätmittelalterlichen Welt war aber noch längst nicht völlig gebrochen. 8 Die Stadt verfügte immer noch über eine beachtliche Schicht potenter Konsumenten in Gestalt der spätbyzantinischen Reichsaristokratie mit dem Kaiserhof an der Spitze. Die Präsenz und vielleicht sogar Dominanz westlicher Wirtschaftskräfte am Bosporus konnte die Existenzbedingungen einheimischer Wirtschaftskreise zwar beeinträchtigen, aber nicht wirklich in Frage stellen. Ihre Bestätigung findet diese Lagebeurteilung im Vorhandensein und den Lebensäußerungen byzantinischer Kaufleute, Geldwechsler, Handwerker, Grundstücksverwalter, Handelsagenten und anderer Vertreter einer teilweise sogar gehobenen gesellschaftlichen Mitte auch in der traditionellen byzantinischen Hauptstadt, nachdem sie in den byzantinischen Reichsverband zurückgekehrt war. 9 Sehr viel schwieriger ist es dagegen, schon in der frühen Palaiologenzeit Hinweise auf ein aristokratisches Unternehmertum in der Stadt zu finden. Die großen Familien der Palaiologen, Kantakuzenen, Asanen, Synadenoi und Rhaul regieren von Konstantinopel aus das Reich und organisieren von der Hauptstadt aus ihre großen Güterkomplexe, sie treten über ihre Beauftragten auch in Kontakt zu ausländischen und einheimischen Kauf- und Geldleuten, verkaufen ihnen Erzeugnisse ihrer Domänen, nehmen bei ihnen Gelder auf und nutzen ihre Transportmittel, von eigenen Handelsgeschäften und Handelsfahrten, von der Einrichtung eigener Banken und der Beteiligung an Gesellschaftsunternehmen finden sich dagegen kaum wirklich verwertbare Spuren. IO Die bekannten Beamtenfamilien der spätbyzantinischen Großstadt sind in der staatlichen und kirchlichen Administration tätig, sie besitzen Häuser und landwirtschaftliche Nutzflächen im städtischen und vorstädtischen Raum, sie ziehen materiellen Nutzen besonders aus dem Steuergeschäft und sicherlich auch aus dem immer wieder korruptionsverdächtigen Rechtswesen, aber auch sie treten nicht als aktive Geschäftsleute und Unternehmer auf. ll Ein Mitglied der Familie Xanthopulos, aus der in der frühen Palaiologenzeit verschiedene höhere Beamte der kaiserlichen und der kirchlichen Verwaltung und auch ein bedeutender Kirchenschriftsteller kommen, läßt sich im Jahre 1344 durch einen genuesischen Mittelsmann in Kaffa auf der Krim eine größere Geldsumme sichern, die aus (Handels-?)Geschäften 8 Vgl. Coluccio Salutatis Bezeichnung der Stadt als opportunum totius orientis emporium Christianitatis in einem Brief an Papst Bonifaz IX. aus dem Jahre 1397, Auszüge bei P. Herde, Politik und Rhetorik in Florenz, Archiv für Kulturgeschichte 47, 1965, 190, und die Feststellung eines venezianischen Ratsbeschlusses noch zwei Jahre vor dem Fall der Stadt, daß in Konstantinopel concurrunt fere omnes nationes mundi, ThirDel II, 325. 9 Vgl. Kap. 3. 10 Vgl. Kap. 2.1. 11 Vgl. Kap. 2.2.
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Spuren eines aristokratischen Unternehmertums
seines Schwiegersohnes Manuele Ferro, Ehemann seiner Tochter Eirene Sideriotissa stammen. 12 Ob sich dieser Ferro im byzantinischen Umfeld seiner Ehefrau Sideriotes genannt hat oder ob aus seinem griechischen Namen im lateinischen Handelsmilieu ein Ferro geworden ist, kann nicht eindeutig gesagt werden,lJ aus dem Umstand, daß eine Tochter aus der Ehe Ferro-Sideriotissa in eine Familie von (Levante )Genuesen einheiratet,14 kann aber wohl geschlossen werden, daß die Berührung der Familie Xanthopulos mit der überlokalen Geschäftswelt in erster Linie aus den beschriebenen Familienkontakten herrührt und wohl doch noch sehr peripheren Charakter hat. Sichtbar wird immerhin eine mögliche Variante der Annäherung der byzantinischen Oberschichten an unternehmerische Tätigkeiten, die Herstellung familiärer Verbindungen zu Vertretern der lateinischen Geschäftswelt in der Romania, die zu unternehmerischen Aktivitäten animieren oder sie verstärken. Die hauptstädtischen Xanthopuloi nach 1350 bewahren ihre enge Bindung an die Kirche und die Kirchenadministration. Zwei Brüder Xanthopulos werden kurz vor der Jahrhundertwende zu Gründern des KEA.A.LOV bzw. der späteren Ilovij trov 3av80:7touA.WV,15 die Leiter und Mitglieder dieser Klostergemeinschaft verfügen in den letzten Jahrzehnten vor dem Reichsende über großen politischen Einfluß und nutzen ihn auch zur Vergrößerung des Klosterbesitzes. 16 Ein Theodoros Xanthopulos ist Teilnehmer am Konzil von FerraralFlorenz und stirbt kurz vor dem Fall der byzantinischen Hauptstadt als Megas Skeuophylax der Großen Kirche. 17 Aus dem Kontenbuch des venezianischen Kaufmannes Giacomo Badoer stoßen dazu um 1440 noch drei weitere Xanthopuloi, und zwar ein Wachszieher Jorgi/Georg Xatopu10, ein Ladenbesitzer ~aracha Xatopulo und ein Bankier Xatopulo unbekannten Vornamens. Uber den banchier bzw. bancharotto ist über seinen Namen hinaus nur noch auszumachen, daß er einen Sohn (oder Lehrling) hat, der an seinen Geschäften beteiligt ist. IB Der botegier Xanthopulos bildet mit einem Andreas Argyros und weiteren Ladenbesitzern nicht genannten Namens eine chonpagnia, aber die Umsätze dieser Gesellschaft sind nur relativ bescheiden, und sie beziehen sich in erster Linie 12 PRK 11, Nr. 151,398-410; BalbRaitNot 110-111 (Nr. 61). 13 MatschPol 76f. Denkbar ist schließlich auch, daß nur seine Frau die griechische Variante seines Namens getragen hat. 14 PLP 27169 spricht davon, daß Syriane aus Genua stammte. Für D. Jacoby handelt es sich jedoch um eine Griechin bzw. Frau östlicher Herkunft, die über ihren Mann oder ihren Vater von den Genuesen naturalisiert worden ist, JacGen 255; vgl. auch MatschPo180f. 15 SymPol279ff. Vgl. MatschPers 798f. 16 Mazaris 20, 88, 92, Kommentar 104. 17 PLP20817. 18 Badoer 96,153.
· Ausgangspunkte und Prototypen eines aristokratischen Unternehmertums
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auf den Bezug von Importwaren des venezianischen Kontenführers. 19 Über das größte Sozialprestige der drei Geschäftspartner Badoers scheint interessanter- und überraschenderweise der regitator de zera Xatopulo zu verfügen, denn er wird von dem Venezianer ausdrücklich als chir, als Herr bezeichnet. 20 Tatsächlich spricht einiges dafür, daß dieser Georgios Xanthopulos kein kleiner Wachszieher war, sondern Inhaber oder Pächter eines größeren Betriebes, der als fatura, manifatura de regitar bzw. als regitadura de zera bezeichnet wird 21 und vielleicht mit der fabrique de cierges = Mumkhane vergleichbar ist, die es in frühtürkischer Zeit in der Stadt am Bosporus gab und die von den Sultanen mit besonderen Rechten ausgestattet war. 22 In der langen Zeit christlicher Herrschaft über Konstantinopel hatten beide Tätigkeiten und ihre Produkte aber sicherlich noch eine wesentlich größere Bedeutung als unter den Türken, und die Verarbeiter von Wachs und Hersteller von Kerzen standen sicherlich der Kirche und der kirchlichen Administration sehr nahe, zumal dann, wenn sie diese Verarbeitung und Herstellung in größerem Umfang betrieben. 23 Hier besteht vielleicht auch ein sachlicher Zusammenhang zwischen verschiedenen Trägern des Namens Xanthopulos und ein konkreter Grund für das besondere Ansehen des regitador J orgi Xatopulo. 24 Insgesamt scheint die Familie Xanthopulos in der späten Palaiologenzeit also ihr altes Profil bewahrt und zumindest nicht wesentlich verändert zu haben. Deutlicher ist kommerzielles Engagement unter den frühen Palaiologen bei einer Familie Agapetos. Im Jahre 1356 finden ein Konstantinos Agapetos und sein Bruder unbekannten Vornamens Erwähnung, die zusammen mit verschiedenen anderen Kaufleuten aus Konstantinopel regelmäßig zu geschäftlichen Zwecken in der Stadt Tana an der Donmündung Station machen. 25 Die genannten pragmateutai werden auch als archontes bezeichnet, d.h., sie gehören aller Wahrscheinlichkeit nach ähnlich den Xanthopuloi zum spätbyzantinischen "Dienstadel", nehmen Beamtenfunktionen wahr oder tragen zumindest bestimmte Beamtentitel. In kaiserlichem Dienst steht auch ein Jean Agapito/Johannes Agapetos, der im 19 20 21 22
A. O. 32. A. O. 656, 744. A. O. 382f. Vgl. N. Beldiceanu, Actes de Mehmed II et de Bayazid II du ms. Fonds turc ancien 39, Paris-Den Haag 1960,125 (Nr. 41). 23 Eine ähnliche Situation zeichnet sich im spätbyzantinischen Thessalonike ab, vgl. MatschTuch 74f. 24 Vielleicht war dieser Georgios Xanthopulos sogar selbst Kleriker oder hatte sein Unternehmen von einer kirchlichen Institution, einer Kirche oder einem Kloster der Hauptstadt gepachtet. 25 MM I, 358f. (Nr. 162), vgl. MatschPol 83ff.
, Spuren eines aristokratischen Unternehmertums'
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Jahre 1310 diplomatische Verhandlungen mit den venezianischen Behörden von Kreta führt. 26 In einer Direktive an den Dux von Kreta weist der Rat von Venedig die Inselbehörden an, dem kaiserlichen Gesandten ein salvum conductum mit bulla auszustellen, falls der Grieche einen entsprechenden Wunsch äußert, und die Verfasser des Schreibens scheinen davon auszugehen, daß das geschieht, denn sie verweisen darauf, daß Agapetos bereits zwei solche Schutz- und Geleitbriefe besitzt, die vom Bruder des amtierenden Dogen, Marino Gradenigo, stammen. 27 D.as Interesse des byzantinischen Gesandten an venezianischen salva conducta spricht dafür, daß er sie zur Organisierung von Handelsfahrten braucht und daß die Ziele dieser Fahrten auf venezianischem Hoheitsgebiet liegen. Wie auch andere Fälle belegen, nutzten byzantinische Kaiser für diplomatische Missionen in benachbarte Territorien nicht ungern byzantinische Kaufleute, die in den betreffenden Ländern Geschäfte tätigten und dadurch mit den jeweiligen Gegebenheiten vertraut waren. 28 Wenn diese Annahme auch im konkreten Fall zutrifft, dann hätten die Agapetoi der byzantinischen Hauptstadt zwischen 1300 und 1360 also nicht nur Handelsverbindungen in den nördlichen Schwarzrneerraum, sondern auch in die südliche Ägäis aufgebaut und durch Privilegien abgesichert. Ein weiteres Rätsel gibt die Anweisung der venezianischen Zentrale auf, der Dux von Kreta solle dem Gesandten Agapetos eine angemessene Kompensation für den Verlust eines Paroiken, eines von ihm abhängigen Bauern zukommen lassen, der ihm vom venezianischen Rektor von Chania/Kanea, Niccolo Dandolo, zugefügt worden ist. Aus dieser Mitteilung ergibt sich zunächst einmal, daß J ohannes Agapetos nicht nur kaiserlicher Gesandter und möglicherweise Handelsreisender gewesen ist, sondern auch Grundbesitzer und Grundherr. Offen ist, wo er über Land und Leute verfügte und wo ihm einer seiner Paroiken entrissen worden ist. In den kriegerisehen Auseinandersetzungen zwischen Byzanz und Venedig zu Beginn des 14. Jh. wurden von Kreta aus auch Kommandounternehmen und Beutezüge in benachbarte byzantinische Territorien organisiert,29 und es wäre daher durchaus möglich, daß Dandolo den Paroiken des Agapetos außerhalb von Kreta getötet oder entführt hat. Denkbar wäre andererseits, daß dieser byzantinische Bauer vor seinem Herrn auf die veneziani26 ThirDel 1,135 (Nr. 216). 27 Zum Dogen Pietro Gradenigo, der von 1289 bis 1311 sein Amt bekleidete, s. F. C. Lane, Seerepublik Venedig, München 1980, 180ff.; PLP 4410. Sein Bruder könnte mit dem Marino Gradenigo identisch sein, der 1277 die Insel Kreta befriedet, und/oder mit d.em Marino Gradenigo, der um 1310 als Kastellan von Koron fungiert, ThirDei passim.
28 OikDipl 82 macht diese Gruppe im diplomatischen Dienst des spätbyzantinischen Reiches in Ansätzen deutlich. 29 Vgl. MatschNotFarn 60.
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, Ausgangspunkte und Prototypen eines aristokratischen Unternehmertums
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sche Insel geflohen ist. 30 , Nicht völlig ausgeschlossen ist schließlich aber auch, daß Agapetos und seine Familie auf Kreta selbst über Grundbesitz verfügten. Tatsächlich sind im frühen 14. Jh. verschiedene Griechen namens Agapetos auf der Insel bezeugt, so im Jahre 1319 ein Agapitus Pacidiotes mit seiner Frau Potha im Dorf Marantico 31 und ein ser Andrea Agapito aus der Inselhauptstadt Kandia, dessen Witwe Cali zwischen 1345 und 1347 in größerem Umfang mit Wein handelt und an einer größeren Anzahl von Seedarlehen beteiligt ist,32 diesen Wein also offenbar nicht nur vor Ort, sondern auch über das Meer verkauft, unklar, ob nur aus eigener Ernte oder auch als Zwischenhändlerin. Zwischen den Agapetoi der byzantinischen Hauptstadt und denen auf der venezianischen Insel könnten also durchaus familiäre Verbindungen existiert haben, vielleicht sogar der Art, daß ein Agapet der griechischen Familie von Kreta ebenso wie andere Griechen die Insel im 13. oder frühen 14. Jh. verlassen hat und in byzantinische Dienste getreten ist. 33 In diesem Falle wären die Agapetoi der byzantinischen Hauptstadt also keine Alteinwohner, sondern Zuwanderer gewesen, ähnlich übrigens den Kaufleuten, die 1355 zusammen mit Konstantin Agapet und seinem Bruder in Tana Geschäfte machen. Das alles bleibt aber weiterhin ungeklärt ebenso wie die Frage, ob der byzantinische Gesandte Johannes Agapetos vom Jahre 1310 mit dem Priester gleichen Namens identisch ist, der sechs Jahre später zusammen mit dem Sohn eines Praitor tu demu Demetrios Rhaianes und dem Weinbergsbesitzer Konstantin Angelos zu Schiff unterwegs ist und an Bord als Zeuge des letzten Willens eines der Reisegefährten fungiert, der auf hoher See stirbt. 34 Daß Johannes Agapetos zwischen 1310 und 1316 Mönch geworden ist, kann durchaus möglich sein, und der Eintritt in den geistlichen Stand muß nicht einmal das Ausscheiden aus aktiver Handelstätigkeit bedeuten, wie nicht wenige zeitnahe Beispiele belegen. 3s Eine gewisse Nähe dieser Agapetoi zur Welt des Handels, der Warenvermittlung über längere Distanzen, ist also kaum bestreitbar. Es stellt sich aber die Frage, ob diese Familie trotz der Archontenqualität ver30 Vgl. D. Jacoby, Une classe fiscale aByzance et en Romanie latine: les inconnus du fisc, eleutheres ou etrangers, in: ABuc II, 145; MatschAnk 254f. Gewaltsame Rückführung entflohener Bauern ist im Einzelfall belegt, denkbar erscheint aber auch eine materielle Kompensation, wie sie die hier debattierte Passage andeuten könnte. 31 RatVidDuc I, 83 (Nr. 227). 32 GallCret 134f. und jetzt S. McKee, Wills fram Late Medieval Venetian Crete 13121420, Washington 1998, Bd. 1,38 H. 33 Genannt werden sollen nur die kretischen Chortatses, die nach einem antivenezianischen Aufstand in der 2. H. des 13. Jh. nach Anaia und Ephesos fliehen, E. A. Zachariadou, Cortazzi Kat 0XL Corsari, Thesaur 15, 1978, 62H. 34 PRK I, 318ff. (Nr. 47). 35 Vgl. MakrStud 268f.
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schiedener Mitglieder und der Gesandtschaftstätigkeit des Johannes Agapetos wirklich den Oberschichten der frühen Palaiologenzeit zuzurechnen ist oder ob sie nicht vielleicht eher zu den Mesoi, den Mittelschichten gehört. J6 Und zur Bezeugung einer Umorientierung der spätbyzantinischen Oberschichten auf unternehmerische Tätigkeiten sind die hauptstädtischen Agapetoi auch deshalb nicht geeignet, weil sich von dieser Familie in der späten Palaiologenzeit bisher kaum verwertbare Spuren finden lassen. J7 Die Agapetoi von Konstantinopel könnten daher eher den Bedeutungsverlust der gesellschaftlichen Mitte nach 1350 als die etwa zeitgleiche Umorientierung der Aristokratie auf neue Bereiche wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit dokumentieren. Als ein erstes Zwischenergebnis der Suche nach Prototypen des aristokratischen Unternehmertums kann also festgehalten werden, daß sich im späteren Zentrum dieses Unternehmertums noch kurze Zeit vor seinem verbreiteten Auftreten kaum ernsthafte Hinweise auf seine Entstehung finden lassen. J8 Für die Analyse der Prototypen des spätbyzantinischen aristokratischen Unternehmertums in der zweiten großen Stadt des Reiches, in Thessalonike, hat ein Kontenbuch aus den SOer Jahren des 14. Jh. besondere Bedeutung, das Peter Schreiner unlängst ediert und kommentiert hat. J9 Der Kontenführer, ein Mitglied der Familie Kasandrenos, gehört zweifelsfrei der städtischen Oberschicht von Thessalonike an, und auch seine Geschäftspartner stammen zu einem beachtlichen Teil aus den aristokratischen Kreisen der makedonischen Metropole und ihres Umfeldes, die über größeren Grundbesitz in der Stadt selbst und besonders auf der Chalkidike verfügten (wie die Dukas, Palaiologos und Tzykandeles), die die städtische Bausubstanz kontrollierten (u. a. die Familie Chamaidrakon), die in der städtischen und staatlichen Administration als Richter (Alyates), Steuerbeamte (Gazes, Chageres/Kagiris, Amnon) und Gouverneuere (Spartenos) tätig waren, hohe Positionen im kirchlichen Bereich bekleideten (Trikanas, Isbes) und an den religiös-politischen Auseinandersetzungen um die Mitte des 14. Jh. beteiligt waren (Chageres, Porinos), die als Zeugen bei offiziellen Rechtsgeschäften auftraten (Chamaidrakon) und das öffentliche Leben der Stadt auf diese Weise und in anderen Formen prägten. Allerdings konnte bisher nur eine Person unter den Geschäftspart36 Vgl. Kap. 3. 37 Vgl. PLP Fasc. 1 und Addenda 1-8 und 1-12. 38 Auch für Alexios Apokaukos und für Theodoros Patrikiotes ist in den letzten Jahren kein neues Material aufgetaucht, das es gestatten würde, diese beiden Geldleute und Symbolfiguren der Bürgerkriege in der 1. H. des 14. Jh. organisch in die Vorgeschichte des spätbyzantinischen aristokratischen Unternehmertums einzubeziehen. Der Megas Dux Apokaukos antizipiert in manchem die kommende Entwicklung, aber er gehört nicht zu ihr. 39 SchreinFin 79ff. (Nr. 39).
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nern des Kontenführers mit Hilfe anderer Quellen verifiziert und identifiziert werden, und zwar der Megas Oikonomos Isbes, der nach den Akten von Docheiariu im Jahre 1355 in das Athoskloster eintrat, der dort in der erwähnten Funktion tätig war und dem Editor auf diese Weise für die Ansiedlung des Kontenbuches in der genannten makedonischen Region und für die Datierung der in ihm verzeichneten Aktivitäten in die Jahre zwischen 1355 und 1357 dient. 40 Auch der nicht direkt genannte Kontenschreiber ist zunächst einmal Grundbesitzer. Größe und Lage seiner Besitzungen werden zwar nicht konkret und detailliert beschrieben, aber er hat für sie einen ganz beachtlichen Zehnt zu entrichten, und er ist zu Dienstleistungen gegenüber staatlichen Beamten verpflichtet, die sich aus seinem Grundbesitz ergeben. 41 Im Mittelpunkt der etwa 150 Geschäftsvorgänge, die für die Dauer von knapp zwei Jahren dokumentiert sind, stehen aber Handels- und Geldgeschäfte unterschiedlichster Art. Schreiner sieht deshalb in ihm wie in verschiedenen anderen in den Konten genannten Personen Vertreter einer Grundbesitzerschicht, die mit den Produkten des eigenen Landes gleichzeitig Handel treibt. 42 Das ist nun allerdings nicht so zu verstehen, daß der Kontenführer sich mit dem Verkauf der von ihm und seinen Paroiken bzw. Lohnarbeitern produzierten landwirtschaftlichen Güter zufriedengibt. Warenposten, die eindeutig der Eigenproduktion entstammen, lassen sich sogar überhaupt nicht bestimmen. Vermutet werden kann allenfalls, daß verschiedene Getreidelieferungen aus den Domänen Portarea, Myriophyton und Hagios Mamas von Paroiken und Lohnarbeitern des Kontenführers und mit ihm geschäftlich verbundener Grundbesitzer kommen, denn diese Lieferungen erfolgen zu einem vergleichsweise stark reduzierten Preis, der darauf hindeutet, daß die örtlichen Grundbesitzer bäuerliche Überschüsse aufkauften, um sie mit Gewinn auf den städtischen Märkten abzusetzen. 43 Einige größere Posten Getreide, Wein, Baumwolle und Rohseide werden jedoch eindeutig von fremden Lebensmittelgroßhändlern oder Großgrundbesitzern erworben. Verkauft wird Getreide vom Kontenführer sowohl an Großabnehmer als auch an Konsumenten, unter ihnen seine Schwiegermutter unbekannten Namens und vielleicht auch sein Schwiegervater. Der Hausbäcker wird ohne Bezahlung mit Getreide beliefert, vielleicht für die unentgeltliche bzw. verbilligte Versorgung der Familie des Kontenführers mit Brot. 44 Über den Handel mit Lebensmitteln hinausgehend tritt er aber auch als Käufer von Stoffen, 40 41 42 43 44
A. O. 81. A. O. 84, vgl. 101. A. O. 81,98,413. Vgl. K.-P. Matschke, Rez. SchreinFin, SOF 52, 1993, 467f. SchreinFin 83, vgl. 1OOf., 420.
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Kleidungsstücken, Teppichen, Decken, silbernen Sporen und anderen Gegenständen des täglichen Gebrauchs und eines beachtlichen Luxus auf, und zumindest von den erworbenen Tuchen scheint er einiges auch weiterverkauft zu haben und damit nicht nur als Verbraucher und Benutzer, sondern auch als Zwischenhändler aufgetreten zu sein. Zur Organisierung und Abwicklung seiner verschiedenartigen Transaktionen bedient sich der Kontenschreiber eines vielfältigen Instrumentariums von Geschäftstechniken und Geschäftsformen. Als Syntrophoi, d. h. Kompagnons treten neben seinem (älteren?) Bruder Kasandrenos 4s ein gewisser Dukopulos und wahrscheinlich auch noch verschiedene andere Angehörige der Gesellschaftsschicht an, der der Kontenführer selbst entstammt. Geschäftliche Beziehungen unterhält er auch zu zwei anderen Verwandten, seinen beiden Onkeln Manoies und Nikolaos Prebezianos. Namentlich Manoies und vermutlich auch Nikolaos beliefern ihn mit Tuchen aus der Stadt Serres. Ob der eine dieser Brüder oder sogar beide deshalb gleich als Stoffhändler bezeichnet werden können,46 mag dahingestellt bleiben. Darüberhinaus wird nur Nikolaos Prebezianos noch einmal als Gläubiger für eine nicht feststellbare Summe von Dukaten und eine Wägegebühr für eine nicht bezeichnete Ware notiert. 47 Im übrigen ist Serres die einzige Stadt, die (neben Thessalonike) in den Konten eine ausdrückliche oder erkennbare Rolle spielt, und zwar eine offenbar nicht ganz unwesentliche. Aus Serres kommt das schon erwähnte Tuch. Nach Serres geht ein gewisser Georgios Gazes, der zuvor vom Konteninhaber mit einem Posten Getreide beliefert worden ist. Und zu seinen Abnehmern für Getreide gehören auch verschiedene Serrioten, und das können Angehörige einer Familie dieses Namens, aber auch Einwohner der Stadt Serres sein, die sich an einem Ort aufhalten, wo sie Kontakte zum Kontenführer aufnehmen können. 48 Die Stadt Serres befand sich zwischen 1345 und 1371 nicht in byzantinischen, sondern in serbischen Händen. Den Personen- und Handelsverkehr, den Austausch von Menschen und Sachen zwischen den beiden wichtigsten Städten Makedoniens scheint die zeitweilige politische Grenze jedoch nicht belastet zu haben. 49 Wirtschaftsverbindungen, die über den 45 A. O. 82. Der Notizenschreiber nennt einen Kasandrenos ohne Vornamen seinen Bruder und Herrn: to'O au8evtou !l0u to'O döeÄ.q>o'O !l0u. Ist das ein Hinweis darauf, daß es sich um einen älteren Bruder handelt? Ähnliche Anreden werden aber auch gebraucht, ohne daß es sich bei dem Angesprochenen unbedingt um einen leiblichen Bruder handeln muß, vgl. die Bezeichnung des Georgios Gabrielopulos durch Demetrios Kydones als K'OpU; !l0U aU8evta !l0U dlIeÄ.cj>e !l0U, KydEp I, 166 (Nr. 130). 46 So PLP 23698, 23702. 47 A. O. 85 (61). 48 A. O. 84 (48); 82 (9). 49 Zu Serres in spätbyzantinischer Zeit und zu den hier beschriebenen Verbindungen zwischen beiden Städten s. LaiouSerr. Ich konnte den bisher unveröffentlichten Auf-
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benannten regionalen Rahmen hinausgehen, sind dem Kontenbuch dagegen nicht zu entnehmen. Die vom Kontenführer gehandelten Gegenstände sind in erster Linie landwirtschafdiche Erzeugnisse der Region Thessalonike, bzw. sie könnten es sein, und es spricht nichts dagegen, daß sie es tatsächlich sind. 50 Der Kontenführer selbst scheint im wesendichen ortsfest gewesen zu sein. Seine Waren und mobilen Güter werden durch Pferde (Fuhrwerke) und mit (Last-)Schiffen transportiert, aber nur eine einzige Konteneintrapung deutet darauf hin, daß er einen solchen Transport selbst begleitet hat. 5 Was hier besonders interessiert, ist die Frage, ob wir es bei diesem kontenführenden Mitglied der Familie Kasandrenos aus der Stadt Thessalonike um die Mitte des 14. Jh. mit einem Prototyp bzw. einem frühen Vertreter des aristokratischen Unternehmertums zu tun haben. An seiner Verankerung in der grundbesitzenden und Macht ausübenden städtischen Aristokratie kann ebensowenig ein Zweifel bestehen wie an seiner Hinwendung zu Handels- und Geldgeschäften unterschiedlicher Art und Größenordnung. Reicht sein kommerzielles Engagement aber wirklich aus, um ihn ohne Einschränkung als Unternehmer bezeichnen zu können? 150 geschäfdiche Vorgänge im Verlauf von zwei Jahren sind dafür sicherlich etwas wenig, allerdings deutet einiges darauf hin, daß er neben und parallel zu dem von Schreiner aufgefundenen Kontenbuch auch noch andere Geschäftsaufzeichnungen vorgenommen und Geschäftsbücher geführt hat. Die Technik des vorliegenden Kontenbuches ist sehr einfach, von einer Kontenführung im engeren Sinne kann noch nicht die Rede sein, aber es ist durchaus möglich, daß der Verfasser die Notizen über seine Geschäfte zusätzlich und systematisch in ein anderes Buch übertragen hat, daß also nur sein "zornal" bzw. sein "libereto di bazar" erhalten geblieben und das eigentliche Kontenbuch verlorengegangen ist. 52 Gehandelt hat der städtische Aristokrat, soweit das aus seinen Notizen erkennbar ist, nur mit Personen aus seiner Nachbarschaft, aus seinem engesatz durch das Entgegenkommen der Autorin einsehen. Nicht zugänglich war mir dagegen bisher das Buch von B. FerjanCic, Vizantijski i srpski Ser u XIV stoljecu. Belgrad 1994. 50 Bemerkenswert ist besonders der Handel mit Baumwolle und Seidenkokons, SchreinFin 85 (69), 87 (98), die ganz sicher in der Umgebung von Thessalonike angebaut und gezüchtet wurden, und die Erwähnung verschiedener Seidenstoffe, 87 (105), 88 (127, 130, 136), die in der Stadt erzeugt worden sein können, ohne daß es dafür aber einen konkreten Beleg gibt. 51 A. O. 82 (3) spricht der Notizenschreiber von "unserem Essen" bei einem Geschäftsvorgang, bei dem auch von einer Fuhrgebühr die Rede ist; wohin die Fahrt geht, ist aber nicht zu erfahren. Aufgehalten hat sich Kasandrenos in Thessalonike, wo er sehr wahrscheinlich wohnt, und in Hagios Mamas auf der Chalkidike, wo er eine Domäne besitzt, a. O. 86 (77, 82). 52 A. O. 97.
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ren Umkreis, mit Angehörigen der Schicht, der er selbst entstammte, und dazu mit kleinen örtlichen Kaufleuten und Handwerkern und mit Bauern aus der Umgebung der Stadt. Geschäftspartner aus anderen Reichsteilen . oder sogar aus anderen Ländern, aus der lateinischen Romania (etwa aus dem venezianischen Negroponte), aus den oberitalienischen Wirtschaftszentren oder aus der dalmatinischen Handelsstadt Dubrovnik/Ragusa fehlen gänzlich. 53 Verbindungen dieser Art werden geradezu zu einem Charakteristikum des spätbyzantinischen aristokratischen U nternehmertums,54 und ihr Fehlen in dem Text aus der Mitte des 14. Jh.läßt sich auch nicht nur mit der politischen Abschließung und Isolierung der Stadt erklären, denn genuesische, venezianische und ragusanische Kaufleute sind auch für diese Zeit in Thessalonike bezeugt, und sie haben auch in dieser Zeit nicht nur Getreide, sondern auch Baumwolle, Rohseide und Tuche in der makedonischen Metropole eingekauft und über den Seeweg exportiert,55 Güter also, mit denen auch der aristokratische Kontenführer vorzugsweise handelt. Aber die fehlende Einbindung in weiträumige Handelsbeziehungen und der fehlende Kontakt zu ausländischen Wirtschaftskräften reichen allein und für sich genommen natürlich nicht aus, um die Unternehmerqualität des agilen Mannes aus der Familie Kasandrenos/ Prebetzianos in Frage zu stellen, und diese Defizite sind nicht einmal ganz sicher, denn ein Alexios Kassandrenos, der durchaus der Kontenführer selbst oder sein Bruder und Herr Kasandrenos sein könnte - denn er ist wie sie ein wohlhabender Mann und verfügt wie sie über Grundbesitz und Dienerschaft - dieser Briefpartner des Literaten und Staatsmannes Demetrios Kydones hat jedenfalls einen Freund in der wichtigen Hafenstadt Ainos und ist selbst vor 1355/56 in der Hauptstadt Konstantinopel gewesen; und der Freund in Ainos muß nicht nur ein Gesinnungsfreund, er kann auch ein Geschäftsfreund gewesen sein, und der Besuch in Konstantinopel braucht nicht nur der Besichtigung des Man53 Der einzige ausländische Einfluß auf die Geschäfte des Kasandrenos zeigt sich in der Verwendung venezianischer Dukaten, und das ist in Thessalonike um die Mitte des 14. Jh. durchaus nichts Ungewöhnliches. 54 Auf die neuartige Mobilität dieses aristokratischen Unternehmertums wird noch genauer eingegangen. Die aus anderen Quellen der Zeit um 1350 genannten Personen sind durchaus nicht so ortsfest, sie halten sich zeitweilig in Konstantinopel und Mistra auf, wie Demetrios Kasandrenos, PLP 11315, oder sie besuchen die Hauptstadt, wie Alexios Kasandrenos, PLP 11314. Letzterem wird von seinem Landsmann Demetrios Kydones auch noch ein beachtlicher Reichtum und einiges Können :n:epl :n:paYIlUta bescheinigt, KydEp I, 83 (Nr. 49), aber sein Aufenthalt in Konstantinopel dient wohl nicht Handelsgeschäften, sondern der Beschaffung kaiserlicher Zuwendungen durch Vermittlung des Mesazon (Kydones), die er mit Geschenken zu erlangen hofft, a. O. 84 (Nr. 50), und die Aktivitäten des Demetrios Kasandrenos außer halb seiner Heimatstadt sind in erster Linie politischer und nicht wirtschaftlicher Natur. 55 Vgl. MatschTuch SOff.
ta
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ganenpalastes gegolten, er kann auch der Anbahnung bzw. Fortführung geschäftlichter Kontakte gedient haben. 56 Genauso schwierig ist die Frage zu beantworten, ob das, was der Kontenführer und die mit ihm geschäftlich verbundenen Aristokraten um 1350 tun, in ganz traditionellen byzantinischen Bahnen verläuft oder zumindest partiell neuartig ist, ob Kasandrenos also ein typischer Grundbesitzer und .Grundherr dieser Zeit war oder ob er sich auf dem Wege zu einer anderen, modifizierten wirtschaftlichen Existenzform befand. Für keine der im Kontenbuch genannten aristokratischen Familien aus Thessalonike sind vor 1350 kommerzielle Aktivitäten bekannt und nachgewiesen, obwohl es einzelne Aktivitäten dieser Art bei anderen Familien aus der Oberschicht dieser Stadt durchaus gibt.57 In spätbyzantinischer und frühtürkischer Zeit ist die Sachlage aber kaum anders, denn von den Dukopulos, Tzykandeles, Isbes, Mankaphas, Koryarios, Masgidas, Goreianites, Probatas, Dulorakes, Tornikes, Gabalas und wie sie im Kontenbuch von 1353ff. alle heißen, deutet sich eine Fortsetzung kommerzieller Aktivitäten, eine ~ewisse unternehmerische Kontinuität allenfalls bei den Tzykandeles an, während die eigentlichen Unternehmedamilien im oder aus dem Thessalonike des 15. Jh., die Rhadenoi, Russotas, Kabasilas, Argyropulos und Dadas/9 in den Konten des Kasandrenos (noch) keine Erwähnung finden. Was man also allenfalls sagen kann, ist das, daß der Grundbesitz, über den der Urheber der Wirtschaftsnotizen verfügte, nicht oder nicht mehr sein entscheidendes Standbein war und daß es ihm keine unüberwindlichen Schwierigkeiten bereitet hätte, auf dieses Standbein ganz oder fast ganz verzichten zu müssen. Ob und inwieweit er selbst und seine Familie schon um 1350 durch die vorausgegangenen politischen Ereignisse und territorialen Veränderungen Grundbesitz verloren hatten, ist nur schwer auszumachen. Tatsache ist jedenfalls, daß die historisch faßbaren Kasandrenoi aus der ersten Hälfte des 14. Jh. neben Besitzungen auf der Chalkidike auch über Ländereien im Strymontal verfügten,60 von denen sich in dem vorliegenden Kontenbuch keine Spuren finden. Verschiedene aristo56 KydEp I, 83ff. (Nr. 49f.). 57 Interessant in diesem Zusammenhang ist vielleicht ein Bericht des Historikers Akropolites über eine Gruppe vornehmer und angesehener Parteigänger des Kaisers Johannes Batatzes in Thessalonike, unter ihnen ein Laskaris und ein Spartenos, die durch einen der ihren, Kampanos, mit dem Kaiser Kontakt aufnehmen, indem ihr Emissär 1tpaYlJ.a'tELa~ ... 1tpoaoE(J)~ XaPLV die Stadt verläßt, und ihm der Vorwand offenbar von seinen M~tbürge!D auch ohne weiteres abgenommen wird, Akrop 85 f. Für den Verkauf agranscher Uberschüsse durch örtliche Grundbesitzer gibt es aus der frühen Palaiologenzeit einige Hinweise, vgl. LaiouThess 188. 58 Und das auch nur im frühosmanischen Serres, nicht im spätbyzantinischen Thessalonike, Badoer 27; vgl. LaiouSerr. 59 S. weiter unten. 60 Vgl. PLP 11313.
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kratische Familien, wie die Deblitzenoi, reagierten auf die Gefährdung ihres Grundbesitzes durch Serben und Türken und auf den Verlust größerer Teile davon mit der Übertragung verbliebener Landkomplexe an weniger gefährdete Klöster auf dem Athos oder anderswo und ließen sich dafür Rentenansprüche in Gestalt von Adelphaten übertragen, die sie entweder selbst in Anspruch nehmen oder auch weiterverkaufen und damit kapitalisieren konnten. 61 Andere Mitglieder der traditionellen grundbesitzenden Oberschicht zo~en möglicherweise aktive Handelsgeschäfte einem Rentnerdasein vor6 und wurden auf dem Weg, von dem das Kontenbuch des Kasandrenos eine Momentaufnahme zeigen könnte, nach und nach zu aristokratischen Unternehmern, die bestimmte Funktionen im rudimentären Staatsapparat und einzelne Pfründe des verbliebenen Steuerapparates mit aktiven Handels- und Geldgeschäften verbanden, die eigene Geschäftsreisen und feste Kontakte mit fremden Kauf- und Geldleuten erforderlich machten und zur Voraussetzung hatten. Daß dieser Weg von den aristokratischen Familien des Kontenbuches aus den Jahren 1355/57 nicht weiter verfolgt worden ist, spricht nicht gegen seine innere Folgerichtigkeit und seinen möglichen Erfolg. Vielleicht läßt er sich für diese Familien oder wenigstens einige von ihnen gegenwärtig auch ganz einfach noch nicht dokumentieren. Ein Ausgangspunkt für diesen Weg in eine veränderte Existenzform und vielleicht sogar eine Zwischenstation der Verwandlung traditioneller städtischer Führungsschichten in ein aristokratisches Unternehmertum könnte mit dem von Schreiner bekanntgemachten Text jedenfalls jetzt quellenmäßig faßbar und damit der konkreten Analyse zugänglich geworden sein. Eine aktiv zur See fahrende und Handel treibende byzantinische Aristokratie läßt sich für die frühe Palaiologenzeit wohl nur in der Stadt Monembasia auf der Peloponnes nachweisen. Die Handelsschiffe vornehmer monembasiotischer Familien befahren schon im 12. Jh. die Ägäis zumindest bis nach Athen. 63 Die Archonten Eudaimonoioannes, Mamonas und Sophianos übergeben ihr Felsennest im Jahre 1248 an den lateinischen Fürsten von Morea, Guillaume H. de Villehardouin. 64 Flottillenkommandanten und Kaperkapitäne aus den Familien Eudaimonoioannes, Sophianos und Notaras beteiligen sich nach der Befreiung der Stadt aus der lateinischen Herrschaft am Ende des 13. und der Wende zum 14. Jh. an militärischen Aktionen und Piratenüberfällen auf lateinische Schiffe 61 Vgl. OikDebI182ff.; OikMonast 6ff. 62 Zu ihnen könnten die Rhadenoi gehören, die auch im frühen 14. Jh. als Großgrundbesitzer im Raum Thessalonike bekannt sind, vgl. PLP 23987, 23992, und seit der 2. H. des 14. Jh. eher als Kauf- und Geldleute auftreten und mehrfach das ApographeusAmt ausüben, vgl. MatschAnk 167f. 63 Vgl. eh. A. Maltezou, BEVEtLK~ JtuP01Jota ata K1i8T]pu, Athen 1991,13/3. 64 Quellen und Literatur in PLP 5033, 26397.
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und Territorien in der südlichen Ägäis und auch im Raum der byzantinischen Hauptstadt. 6s Ein Sophianos, ein Pachys, ein Notaras und ein (Eu-)Daimonoioannes gehören aber auch zu den Schiffsführern aus Monembasia, die im frühen 14. Jh. den Handelsverkehr zwischen der venezianischen Insel Kreta und den lateinischen und byzantinischen Häfen auf der Peloponnes organisieren und absichern. 66 Bedeutungsvoll für die Geschichte des spätbyzantinischen aristokratischen Unternehmertums wird der Umstand, daß verschiedene Vertreter der monembasiotischen Oberschicht im Verlauf des 14. Jh. in die byzantinische Reichshauptstadt umsiedelten, daß sie sich als Militärs und/oder Kaufleute zunächst vielleicht nur zeitweilig und vorübergehend am Bosporus aufhielten, daß zumindest einzelne von ihnen und vereinzelt auch ganze Familien dann aber auch dauerhaft in Konstantinopel Fuß faßten. 67 Der junge und unverheiratete Sophianos, der vermutlich vor 1332 in der Nähe des hauptstädtischen Dichters Manuel Philes stirbt und von ihm mit einem Grabgedicht geehrt wird,68 könnte zu den frühen Umsiedlern gehören, denn er stammte den Gedenkversen zufolge aus Lakonien, also der moreotischen Landschaft, in der auch Monembasia liegt, und sein früher Tod kann durchaus ein unnatürlicher Tod (als Seesoldat oder Kaufmann) gewesen sein. Während dieser Sophianos aber weder Frau noch Kinder hinterläßt und sich deshalb wohl auch nur vorübergehend in Konstantinopel aufgehalten hat, siedelt ein Nikolaos Monembasiotes noch vor der Jahrhundertmitte mit seiner ganzen Familie - Eltern, Frau und Kindern - in die Hauptstadt um,69 und wenn meine an anderer Stelle entwickelte Hypothese stimmt/o dann könnte dieser Umsiedler der erste Vertreter der monembasiotischen Familie Notaras im Reichszentrum gewesen sein. Auch Angehörige der Familie Eudaimonoioannes sind um die Wende zum 15. Jh. in Konstantinopel politisch und wirtschaftlich sehr aktiv. 71 Nur die Familie Mamonas scheint sich nicht an dem monembasiotischen "Marsch" auf die spätbyzantinische Hauptstadt beteiligt zu haben. In der Beherrschung und Verwaltung der südmoreotischen Hafenfestung spielt sie aber weiter eine Schlüsselrolle, und der Megasdux-Titel eines Mamonas an der Wende zum 15. Jh. spricht auch für ihren Einsatz in der spätbyzantinischen Kriegsmarine,72 in der Hauptstadt scheinen sich 65 MakrStud 199. Ein Mamonas taucht zusammen mit einem Andreas aus Monembasia um 1270 sogar in aquis Accon auf, ITh 3, 280; vgl. auch MatschNotFarn 787ff. 66 GaspKin 293ff. 67 Vgl. die Aussagen der Isidoros-Vita, KokHag I, 365. 68 PhilesMa 121; vgl. PLP 26390. 69 KokHag I, 378ff. 70 MatschNotFarn 792f. 71 Vgl. MatschEmigr. 72 Vgl. PLP 16580 mit Quellen und Literatur.
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ihre Vertreter aber nur vorübergehend zur Durchsetzung politischer Anliegen bei Hofe aufgehalten zu haben/3 denn erst im 1ahre 1416/17 taucht ein Gregorios Palaiologos Mamonas als Gouverneur eines byzantinischen Kastrons an der Schwarzrneerküste in der weiteren Umgebung Konstantinopels auf, und der Abstecher in den Norden endet tragisch, der vornehme Beamte kommt mit seiner ganzen Familie bei einer Pestepidemie um. 74 Von den aristokratischen Familien Monembasias scheinen sich die Mamonas in der byzantinischen Spätzeit am wenigsten im Handel und als Unternehmer engagiert und am stärksten an einem Leben von Grundbesitzerträgen und als aristokratische Stadtherren festgehalten zu haben. 75 Die aktiveren Wirtschaftskräfte drängten dagegen aus der Stadt heraus und in die Zentren des spätbyzantinischen Handels und Geschäfts hinein. Das könnte einer der Gründe für die abnehmende wirtschaftliche Kraft und politische Bedeutung Monembasias seit der zweiten Hälfte des 14. 1h. gewesen sein/6 auf der anderen Seite hat es den Formierungsprozeß des aristokratischen Unternehmertums in den Zentren des späten Byzanz aber ohne Zweifel ganz wesentlich gefördert. Die Prototypen dieses Unternehmertums in der frühen Palaiologenzeit sind nur schwer auszumachen, in der Hauptstadt, wo dieses Unternehmertum nach 1400 sein Zentrum bekommt, noch schwerer als in anderen Reichsgebieten. Verschiedene Ansatzpunkte zu seiner Formierung lassen sich aber vielleicht erkennen: eine byzantinische Aristokratie, die über familiäre Kontakte in den Bannkreis lateinischer Entrepreneurs gerät; ein grundbesitzender Adel, der auf die Verengung und Gefährdung seiner materiellen Basis mit einem schrittweisen Einstieg in aktive Handels- und Geldgeschäfte reagiert; ein seefahrender Stadtadel, der VOn Seekrieg und Piraterie stärker auf Seehandel und Warenbeförderung umsteigt. Ein nennenswerter Zuzug aus der gesellschaftlichen Mitte der 73 Vgl. KydEp I, 63 (Nr. 32); TinnKyd I, 347 (Nr. 57), mit Kommentar 349. 74 SphrMais 12. Um welches Kastron es sich handelt, konnte bisher nicht ermittelt werden. 75 In einem Privileg für die Monembasioten vermutlich aus dem Jahr 1392 räumt der Despot Theodoros Palaiologos ihnen im begrenzten Rahmen seiner Herrschaft auf der Peloponnes wichtige Sonderrechte ein, befreit sie von der Leistung von Handelszöllen und von Jahrmarktsabgaben und erlaubt abhängigen Bauern (:n:UQOLXOL), ihre Dörfer zu verlassen und frei (tAEUSEQOL) und ohne Dienstleistungen (dxm;aöouAE'U"toL) in der Stadt zu leben, MM V, 171ff. Ausgenommen von dieser Befreiung durch Stadtluft sind die Bewohner verschiedener namentlich genannter Dörfer, und P. Schreiner, I diritti della citta di Malvasia nell' epoca tardo-bizantina, in: Miscellanea di studi storici II, Genua 1983, 94, vermutet, daß es sich bei ihnen um Besitzungen der Familie Mamonas handeln könnte, daß die Zuwanderung also nicht auf Kosten des größten Grundbesitzers und mächtigsten Bewohners der Stadt erfolgen sollte. 76 Von Privilegien im Reichsrnaßstab und besonders in der Nähe der byzantinischen Hauptstadt ist in dieser Zeit nicht mehr die Rede.
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frühen Palaiologenzeit ist dagegen nicht zu beobachten, oder besser gesagt, nicht zu beweisen. Das aristokratische Unternehmertum der byzantinischen Endzeit ist so vermutlich eher ein Produkt äußerer Zwänge als innerer Entwicklungen. Die territoriale Einschnürung durch Serben und Türken und die Durchdringung der Restterritorien durch lateinische Wirtschaftskräfte erzwingen eine wirtschaftliche U morientierung und soziale Umprofilierung der spätbyzantinischen Führungsschichten, deren genuines Produkt ein aristokratisches Unternehmertum ist, das der gesellschaftlichen Landschaft am Vorabend des byzantinischen Untergangs /ihr ganz eigenartiges und unverwechselbares Gepräge gibt.
4.2. Physiognomie und Struktur des aristokratischen Unternehmertums in der byzantinischen Spätzeit Mehr oder weniger voll ausgebildet tritt uns das aristokratische Unternehmertum der byzantinischen Spätzeit an der Wende zum 15. Jh. entgegen. Während bis in die 60er Jahre des 14. Jh. hinein aristokratische Kaufund Geldleute in Konstantinopel und an anderen Orten der Romania immer noch eher die Ausnahme sind, häufen sich die Namen vornehmer Familien im Zusammenhang mit aktiven Handels- und Geldgeschäften seit den 80er Jahren in geradezu auffälliger Weise. 77 Ausgenommen vielleicht immer noch die beiden Kaiserfamilien der Palaiologen und Kantakuzenen, findet sich um 1400 alles, was im späten Byzanz Rang und Namen hat, in byzantinischen und lateinischen Aktenbeständen, um Geschäftsverträge unterschiedlichster Art und Ausrichtung abzuschließen und um sich über tatsächliche oder vermeintliche Verletzungen ordnungsgemäß getroffener Vereinbarungen vor byzantinischen und nichtbyzantinischen Rechtsinstanzen zu streiten. Diese aristokratischen Unternehmer beschränken sich jetzt nicht mehr darauf, andere Personen mit ihrem Geld und ihren Gütern arbeiten zu lassen und selbst zuzusehen und zu Hause zu bleiben, sie nehmen als Schiffsführer und Schiffsbesitzer selbst das Heft des Handelns in die Hand, begleiten ihre eigenen Waren und die Waren ihrer Geschäftspartner persönlich in die verschiedenen Handelszentren der Ägäis und des Schwarzrneerraumes. Ein Johannes Eudaimonoioannes transportiert zuerst mit einem genuesischen und dann mit einem kaiserlichen Schiff von Pera aus frumentum de Zagora und Hirse unbekannter Herkunft nach Kaffa zur Unterstützung der von den Tataren bedrohten genuesischen 77 Um dieses Unternehmertum auch quantitativ zu erfassen, gehe ich davon aus, daß eine Zugehörigkeit zu ihm durch mindestens zwei eindeutige auf Handel, Geldgeschäfte und Unternehmertum bezogene Belege gesichert sein muß.
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Kolonie, und er dehnt seine Aktivitäten auch auf die Stadt Tana aus, denn am 25. Februar 1390 beauftragt eine Gruppe von burgenses Constantinopoli bestehend aus Nicolla Coresi (Nikolaos Koreses ) von Chios, Manoli Actineo (Manuel Athenaios ?), Constantinus Colliva (Konstantinos Kolybas) und Micali de Monoiane (Michael Eudaimonoioannes), einen genuesischen burgensis aus Pera mit der Sicherstellung eines Teiles der Hinterlassenschaft dieses Johannes Eudaimonoioannes in der Stadt an der Mündung des Don, der ihnen als seinen fidei commissarii vertraglich zusteht, und auch seine Geschäftspartner müssen sich zu geschäftlichen Zwecken in Tana aufgehalten haben, denn es heißt ausdrücklich, daß der in Rede stehende Vertrag dort abgeschlossen worden ist. 78 Im Unterschied zu den Tanafahrern der SOer Jahre gehören wenigstens drei Tanabesucher der späten 80er Jahre zu vornehmen spätbyzantinischen Familien, und sie sind z. T. auch aus anderen Zeitquellen bekannt. 79 Zu geschäftlichen Zwecken halten sich 1398 in Kaffa auch Andreas Notaras und Andreas Sebasteianos auf,80 und zumindest der erstere entstammt einer Familie, die in den folgenden Jahrzehnten eine Schlüsselposition im aristokratischen Unternehmertum des späten Byzanz einnehmen sollte. Aus Kaffa kommt auch ein Teil des Getreides, das Manuel Kabasilas schon vor 1390 für den byzantinischen Kaiser und für private Kaufleute nach Genua verfrachtet,81 und an den Geschäften dieses offenbar sehr aktiven Mannes aus einer weitverzweigten, vornehmen und besonders in Thessalonike und Konstantinopel ansässigen Familie sind auch der ältere Bruder des Andreas Notaras, der historisch sehr viel bekanntere Nikolaos Notaras, und der in hohen politischen Funktionen tätige Georgios Gudeles beteiligt. 82 Im Jahre 1400 investiert der kaiserliche Vertraute Gudeles eine größere Geldsumme in eine Handelsgesellschaft mit dem ebenfalls schon genannten Nikolaos Koreses aus Chios, dessen Sohn Manuel zur Erfüllung der Vereinbarung eine längere Handelsreise nach Amisos, Sinope und in andere Orte des pontischen Raumes unternimmt. 83 Geschäftliche Kontakte zur Familie Koreses unterhält auch der Sohn des Gudeles, Johannes, der nach anderen Quellenzeugnissen selbst Patron eines Schiffes ist, mit dem er erfolgreiche Handelsreisen in den Ägäisraum unternimmt und Getreide von Chios in die von den Türken belagerte by-
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BalPer 39 (Nr. 93), vgl. auch 40 (Nr. 94). Vgl. MatschEmigr. SchreinBiz 97ff. G. G. Musso, Navigazione e commercio genovese con il Levante nei documenti dell'Archivio di Stato di Genova (secc. XIV-XV), Rom 1975,162, 243ff. (Dok. 7); BalGen II, 758. 82 A. O. 83 MM II, 546-550, dt. Übersetzung MakrStud 296-300.
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zantinische Hauptstadt transportiert, um es dort zu Überpreisen abzusetzen. 84 Geschäftliche Interessen auf Chios hat weiter der vielleicht mit den Notaras verwandte Johannes Sophianos, der 1401 Geld in die Handelsreise des Konstantinos Angelos nach der genuesischen Kolonie investiert. 85 Er selbst unternimmt zur gleichen Zeit eine Reise nach Rußland, die auch eine Handelsreise gewesen sein kann oder wenigstens mit Handelsgeschäften gekoppelt gewesen sein sollte. 86 Ein aus der Peloponnes stammender Sophianos und ein wahrscheinlich aus Ägypten oder aus Bagdad nach Byzanz eingewanderter Demetrios Skaranos fechten vor 1414 in Konstantinopel einen Streit um eine kaiserliche Schiffsexpedition oder Holzladung nach Alexandreia aus,87 ob die beiden Streithähne mit ihrem Streitobjekt auch eigene geschäftliche Interessen verbinden, bleibt allerdings unklar. Sicher zu Handelszwecken hält sich Anfang des 15. Jh. dagegen ein gewisser Sommas im Mamlukenstaat auf,88 und wenn es sich bei ihm um einen byzantinischen Zomas handelt, dann könnte er auch diesem aristokratischen Unternehmertum der byzantinischen Spätzeit angehören,89 das häufig miteinander versippt und geschäftlich verbunden ist. Spuren dieses Unternehmertums laufen im 15. Jh. in die Walachei und nach Siebenbürgen und über Italien sogar bis nach Flandern. 9O Undenkbar sind die Ausbildung der neuen sozialen Situation und der innere Zusammenhalt der neuen sozialen Gruppe ohne die engen Verbindungen zur wirtschaftlich aktiven griechischen Oberschicht in den lateinischen Kolonien und zu den oberitalienischen Handels- und Unternehmerkreisen in der Romania. Zu dem Unternehmerkonsortium, das 1390 den Kaufmann und Schiffsführer Eudaimonoioannes in Tana beerbt, gehört mit Nikolaos Koreses auch der Vertreter einer bekannten griechischen Aristokratenfamilie aus Chios, die im Wirtschaftsleben der genuesischen Romania zwischen der Mastixinsel und dem Zentralort Pe-
84 MM II, 51H.; BalGen I, 336; II, 758. 85 MM 11, 560f.; dt. Übersetzung MakrStud 300f. Zur Verwandtschaft mit den Notaras s. MatschAnk 188. Sein Interessenvertreter auf der Insel ist vielleicht ein Manoli Sofiano de Constantinopoli, der im Jahre 1408 einem civi Barchinonie (Barcelona?) eine bulgarische Sklavin verkauft, L. Balletto, Presenze bulgare da Caffa a Genova (sec. XIIIXIV), in: Genova e la Bulgaria nel Medioevo, Genua 1984, 193 (Nr. 13). 86 MM 11, 345f.; vgl. MatschSchwarzm 452. 87 Mazaris 46; engl. Übersetzung, 47: imperial timber, MakrStud 80, dagegen sehr viel wahrscheinlicher: Schiffe. Vielleicht betrifft der Streit aber doch die Ausfuhrverbote für strategische Waren, wie Holz, in den Mamlukenstaat, die vom Westen verhängt und v. a. von den Rhodeserrittern im östlichen Mittelmeer überwacht wurden. 88 DöReg 3328. 89 Ein Zomas bzw. Zornes ist um 1340 als Geldwechsler in Konstantinopel belegt, ALaur III, 24, vgl. PLP 6648, verändert in PLP 91948. 90 Vgl. LaiouEcHist III.
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ra eine bemerkenswerte Rolle spielt. 91 Der Sohn dieses Koreses agiert wenige Jahre später als socius laborans in der Handelsgesellschaft mit Georgios Gudeles und verschiedenen anderen Vertretern dieser spätbyzantinischen Aristokratenfamilie, und ein Koreses unbekannten Vornamens scheint bereits im 14. Jh. kommerziell in Venedig tätig zu sein. 92 Manuel Kabasilas kommt zu seinen Getreidegeschäften mit der Stadt Genua durch die Vermittlung des bedeutenden perotischen Unternehmers Luchino de Draperiis,9J auf seinen Schiffen transportiert er nicht nur Getreide des byzantinischen Kaisers und byzantinischer Untertanen nach Genua, Anteil an seinen Frachten haben auch italienische Kaufleute. 94 Konstantin Angelos hat ursprünglich die Absicht, seine und die Waren seiner Geschäftspartner Sophianos und Euphemianos auf einem Schiff nach Chios zu übedühren, das der genuesischen Familie de Monelia gehört. 95 Noch im frühen 14. Jh. hatten sich die Kauf- und Geldleute aus Venedig und Genua von den byzantinischen Wirtschaftskräften weitgehend abgeschottet und die Kontakte zwischen der griechischen Bevölkerung ihrer Kolonien und den Byzantinern nach Möglichkeit abgeblockt. Spätestens seit der Jahrhundertmitte erfolgt jedoch eine spürbare Lockerung, wenn auch noch keine Abschaffung dieser Restriktionen mit dem Ergebnis, daß die Wirtschaftskräfte des byzantinischen Restreiches von den durch die Lateiner aufgebauten Wirtschaftsverbindungen, von den durch sie entwickelten Wirtschaftstechniken und von der von ihnen eingesetzten Logistik zunehmend profitieren konnten. Zugute kommt dieser westliche Verhaltenswandel aber nicht mehr den mittelständischen Kaufleuten der frühen, sondern dem aristokratischen Unternehmertum der späten Palaiologenzeit. Während die byzantinische Aristokratie der frühen Palaiologenzeit ihre mobilen Reichtümer noch in erster Linie gehortet, sie in hölzernen Koffern aufbewahrt, in eigenen Räumlichkeiten untergebracht oder bei Freunden versteckt und im Einzelfall sogar spezielle Schatzburgen für sie errichtet hatte,96 investieren aristokratische Unternehmer der Spätzeit ihre und die Gelder ihrer Verwandten und Freunde in Handelsgeschäfte, Wa91 Zur Geschichte dieser Familie und ihrer weitgefächerten Aktivitäten und Verbindungen vor und nach 1453 habe ich vor kurzem von meinem Schüler Peter Männig eine Magisterarbeit anfertigen lassen. 92 SchreinFin 210. Leider ist eine genauere Verortung dieses Koreses bisher nicht gelungen. 93 Vgl. BalGen II, 758; zur Familie vgl. L. Balletto, Draperio, Francesco, in: Dizionario Biografico degli Italiani 41, Rom 1992, 681-684. 94 Vgl. BalGen II, 758. 95 MM II, 560; dt. Übersetzung MakrStud 300: Temunelia=de Monelia. Zur Identifizierung des Schiffsführers vgl. LaiouEcHist III. 96 Vgl. Kap. 2.1.
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ren- und Schiffsbesitz, deponieren Wertsachen und ausgemünzte Edelmetalle auf Konten bei Depositenbanken, die sie selbst einrichten und nach den in Italien entwickelten Finanzmethoden betreiben. 97 Viele byzantinische Gelder und Wertsachen wandern auch auf Konten und Banken in den lateinischen Kolonien, in Koron/Modon, nach Negroponte, Kreta, zu den Rhodeserrittern und sogar nach Venedig und Genua selbst,98 und durchaus nicht alle diese Depositen sind reine Fluchtkonten, sondern sie dienen auch der Abwicklung von Geschäften, der Finanzierung von Auslandsaufenthalten und der Anknüpfung von gesellschaftlichen und politischen Kontakten. 99 Und im Einzelfall steigen aristokratische Unternehmer des späten Byzanz sogar in die politische Finanz ein, wie der Dolmetscher Nikolaos Notaras, der sich nach 1396 an dem internationalen Banken- und Finanzkonsortium zur Auslösung der vornehmen Gefangenen von Nikopolis aus türkischem Gewahrsam beteiligt und sich dabei nicht nur mit bedeutenden Unternehmern des Westens, wie Dino Rapondi aus Lucca, sondern auch mit lateinischen Herren und Geldleuten in der Romania, wie den Gattilusi auf Lesbos und den Lusignan auf Zypern und auch mit der griechischen aristokratischen Familie Argenti von der genuesischen Insel Chios mit Ablegern in der genuesischen Zentrale Pera und dem auf der Johanniterinsel Rhodos beheimateten griechischen Bankier und familiaris des Ordensmeisters J. F. de Heredia, Dragonetto Clavelli, trifft. loo In den 20er und 30er Jahren des 15. Jh. laufen bedeutende Finanztransaktionen zwischen Konstantinopel und Venedig über den kaiserlichen Vertrauten Manuel J agaris, 101 und vielleicht 97 Vgl. SitKonst 55; LaiouEcHist III. 98 Kaiser Manuel deponiert Wertsachen bei den Rhodeserrittern, sein Erzieher und Freund Demetrios Kydones Gelder bei der venezianischen camera de imprestitis, sein Gesandter Manuel Chrysoloras auf der Bank des Cosimo Medici in Florenz, die Familie seines Dolmetschers Nikolaos Notaras in der genuesischen Staatsschuld, die Frau des Despoten Manuel Kantakuzenos von Mistra wahrscheinlich Gelder und/ oder Wertsachen auf Kreta, die Großen seiner Nachfolger aus dem Palaiologenhaus tun das gleiche bei venezianischen Bankiers in Koron/Modon. 99 Es würde sich sicherlich lohnen, unter diesem Gesichtspunkt einmal die Aktivitäten des Manuel Chrysoloras komplex zu untersuchen, denn dafür existiert sowohl ediertes als auch unediertes Material. 100 Vgl. MatschAnk 179ff. und MatschKaufl 75. Zu Clavelli zuletzt Z. N. Tsirpanlis, H Poöo~ xm m No·tL€~ ~opa.Ö€~ O"tCl XPOVLCl tWV IWClWLtWV LJt3totWV, Rhodos 1991, 331 H. Sein Engagement bei der Gefangenenauslösung zusammen mit verschiedenen Vertretern des Ordens ist notiert bei J. Delaville Le Roulx, Les Hospitaliers a Rhodes jusqu'a la mort de Philibert de Naillac, 1310-1421, Paris 1913,272. 101 MatschCum 182; PLP 7810, 92054. Dieser einflußreiche und umstrittene Mann war sicherlich der Vater des Dionysios Iagaris, in dessen Dienste in den 70er Jahren des 15. Jh. auf dem Athos der Mönch Nektarios eintritt. Er wird in diesem Zusammenhang in der Vita des späteren Heiligen als Sohn eines Senators bezeichnet, der der prominenteste Einwohner von Konstantinopel gewesen ist, Nikodemos Hagioreites, NEOV
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handelt es sich auch dabei um eine Art von politischer Finanz, die im Zusammenhang mit Westreisen byzantinischer Kaiser und mit dem Aufenthalt einer byzantinischen Konzilsdelegation in Ferrara und Florenz steht. l02 Erhalten bleibt die aristokratische Qualität dieses Unternehmertums nicht nur über die Genealogie, durch die vornehme Herkunft dieser letzten byzantinischen Kauf- und Geldleute, ihre Verankerung in den gesellschaftlich tonangebenden, mit dem Kaiserhaus mehr oder weniger eng verbundenen Familien des späten Byzanz,lOJ reproduziert wird diese Qualität auch durch den Fortbestand der Verbindungen zum byzantinischen Staatsapparat, die Übernahme höherer Beamtenfunktionen, die in Byzanz zu allen Zeiten Aristokratie konstituiert haben. Die Notaras dienen dem byzantinischen Hof und Staat über mehrere Generationen als Chefdolmetscher,l04 und sie bringen es in der Person des Lukas Notaras bis zum Megas Dux und Mesazon. l05 Mit Georgios Gudeles gelangt die Familie Gudeles schon vor den Notaras in die Funktion des Ersten Reichsministers,106 und noch vor diesem Gudeles könnte ein Mitglied der Familie Eudaimonoioannes Mesazon gewesen sein. 107 Vertreter dieses aristokratischen Unternehmertums oder Angehörige ihrer Familien sind tä-
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'EKAOYWV, Athen 1874, 347-350, vgl. E. A. Zachariadou, ,A safe and holy mountain': early Ottoman Athos, in: Mount Athos and Byzantine Monasticism, ed. A. Bryer / M. Cunningham, Aldershot 1996, 128f.; PLP 92053. Tatsächlich wird Manuel Iagaris gelegentlich als O'UYXA1]tLXO~ (iQJ(oov bezeichnet. Inwieweit bereits er über Verbindungen zum Athos verfügte, läßt sich nicht sagen, wahrscheinlich ist er aber ähnlich dem serbischen Celnik Radic auch noch als Mönch wirtschaftlich und politisch aktiv gewesen. Die Finanztransaktionen zwischen dem lateinischen Westen und dem byzantinischen Osten im Vorfeld bzw. während der Konzilien von Basel und FerraraiFlorenz sind trotz J. Gill, The Cost of the Concil of Florence, OCP 22, 1956, und verschiedener ähnlicher Arbeiten nach meinem Dafürhalten noch längst nicht ausreichend aufgehellt und analysiert. Die Depositen, die der Mesazon Georgios Dukas Philanthropenos und der Metropolit von Kiev und spätere lateinische Kardinal Isidoros bei dem venezianischen Bankier Francesco Venier hatten, s. V. Laurent, Un agent efficace de l'unite de l'eglise a Florence: Georgios Philanthropenos, REB 18, 1959, 193f.; JorgNot II, 27, können aus der Zeit von Ferrara/Florenz stammen, denn beide waren prominente Konzilsteilnehmer. Auch Manuel Iagaris war in der Funktion eines Mesazon und ähnlich Philanthropenos als Vertrauter des byzantinischen Kaisers Johannes VIII. an der Konzilsarbeit in Italien beteiligt, und auch der Geldtransfer via Venetia über ein Konto des venezianischen Kaufmannes Badoer, 783f., den Iagaris 1439 abwickelt, könnte mit dem Konzil in Verbindung stehen. Vgl. MatschAnk 246f. Vgl. MatschPers 795ff. Vgl. PLP 20730. Vgl. PLP 4334. MatschEmigr Anm. 80.
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tig als Stadtgouverneure,loB sie sitzen in der staadichen Finanzverwaltung,109 und sie üben militärische Kommandofunktionen aus. IIO Eine große Rolle spielen sie in der spätbyzantinischen Diplomatie/li sie führen Verhandlungen mit lateinischen Inselherrschern und mit Vertretern der venezianischen und genuesischen Kolonialadministration,112 sie leiten Gesandtschaften in die italienischen Mutterstädte und an die Höfe westeuropäischer Herrscher. 1IJ Einen nicht geringen Anteil haben sie schließlich auch an der Sammlung westlicher Hilfsgelder für das von den Türken bedrohte byzantinische Restreich und seine Hauptstadt. 1I4 Dieses Unternehmertum mit aristokratischem Einschlag besetzt aber nicht nur wichtige Funktionen in der spätbyzantinischen Administration, an der Wende zum 15. Jh. findet es offenbar auch Zugang zum Verwaltungsapparat benachbarter Territorien und Staaten. Ein Theodoros Theodeges Kolybas fungiert im Jahre 1424 als Kephale von Mitylene auf der den genuesischen Gattilusi gehörenden Insel Lesbos,1IS und für Verbindungen der griechischen Inselfamilie zur byzantinischen Hauptstadt und 108 Dazu, aber auch zu den Problemen, die in diesem Zusammenhang noch zu klären sind, vgl. MatschNotFam 142f. 109 Als Beispiel kann die Familie Kumuses dienen, vgl. MatschCum 181f. Ähnliches gilt für die Familien Mamales, Kolybas und Skaranos. 110 Besonders Schiffskontingente und Seeoperationen, soweit es sie in der byzantinischen Spätzeit noch gab, scheinen von ihnen geführt und geleitet worden zu sein. Gedacht ist natürlich besonders an den Megas Dux Notaras, aber auch an seine Vorgänger, den Megas Dux Paraspondylos, SphrMais 76, und an den Heerführer und geschickten Flottenführer Demetrios Laskaris Leontares, dem das byzantinische Reich seinen letzten größeren Seesieg verdankt, LPP 3, 196. Schiffe im Besitz von Vertretern dieses aristokratischen Unternehmertums, die im Bedarfsfall auch zu militärischen Aktionen eingesetzt werden können und werden, wie das bei Venezianern und Genuesen der Fall ist, lassen sich für die Endphase der byzantinischen Geschichte bisher noch nicht eindeutig nachweisen. 111 MedDipl spricht von ganzen Diplomatendynastien in spätbyzantinischer Zeit und nennt speziell die Dishypatos, Philanthropenos, Chrysoloras, Jagaris, d. h. Familien, die zum aristokratischen Unternehmertum gehören oder ihm zumindest nahestehen. OikDipl 82 nennt direkt die Gudeles und Mamales. 112 Erwähnt sei die diplomatische Mission des Nikolaos Mamales, dessen Familie ganz unzweifelhaft dem aristokratischen Unternehmertum der Spätzeit angehört, zum Dux von Kreta im Sommer 1406, um für die byzantinischen Kaufleute, die die Insel besuchen, die gleiche Behandlung zu fordern, wie sie den Venezianern zuteil wird, JorgNot 1,153; vgl. MatschAnk 226f. 113 Vgl. unter anderem die Gesandtschaften von Vertretern der Familien Sophianos und Koreses zu König Alfons V. von Aragon nach Neapel in den Jahren 1419 und 1436/37, um über das Vorgehen katalanischer und italienischer Piraten gegen byzantinische Schiffe und Sachwerte Beschwerde zu führen und die Einrichtung eines katalanischen Konsulats in Konstantinopel anzuregen, MarinContr 210ff. 114 Vgl. MatschAnk 180ff. 115 SchreinChron I, 224 (Nr. 311II); II, 424 (Kommentar).
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vielleicht auch zu den hauptstädtischen Kolybas spricht der Umstand, daß ein Theodeges Kolybas, Sohn des Kephale von 1424, seines Bruders J ohannes oder eines anderen Kolybas von der Ägäisinsel, .zwischen 1404 und 1416 Schüler des Literaten J ohannes Chortasmenos in Konstantinopel war. 116 Ein Dux Sophianos übt in der Mitte des 15. Jh. administrative Funktionen in der gleichfalls zum Herrschaftsbereich der Gattilusi gehörenden Hafenstadt Ainos aus,117 und sein Titel könnte eventuell ein Hinweis darauf sein, daß der byzantinische Kaiser sich bis in diese Zeit hinein noch gewisse Herrschaftsrechte in der ehemals byzantinischen Stadt erhalten konnte. 118 Und wenn dieser Sophianos den Vornamen Manuel getragen haben sollte, dann ist er vielleicht mit dem kyr Manuel identisch, der 1453 in Ainos als Adressat des Archonten Kananos und weiterer Personen Erwähnung findet. 1I9 Ein Georgios Palaiologos Dermokaites ist zwischen 1446/47 und 1456 Statthalter der Insel Imbros für Dorino Gattilusi,t20 während sein Sohn Manuel in Konstantinopel wohnt und 1454 auf ehios festgehalten wird. Grund dafür ist offenbar keine geschäftliche Verbindlichkeit, sondern die Beschlagnahme von Gütern eines vor Imbros gekenterten Schiffes aus Phokaia durch ihn oder seinen Vater,121 bekannt ist die Familie Dermokaites aber auch in der spätbyzantinischen Hauptstadt und in anderen Reichsteilen, und sie steht Handels- und Geldgeschäften dort nicht gänzlich fern. 122 Noch enger sind die Beziehungen der Familie Rhyndakenos zur spätbyzantinischen Geschäftswelt, die in der Person des Johannes Laskaris Rhyndakenos zur gleichen Zeit administrative Aufgaben auf Imbros und Samothrake wahrnimmt. t2 ] Ein 116 HungChort 186 (Nr. 35). Zu den Vertretern der Familie in der spätbyzantinischen Hauptstadt gehört ganz offensichtlich der von BalPer 39 (Nr. 93) erst kürzlich als Geschäftspartner der Koreses, Eudaimonoioannes und anderer Vertreter des aristokratischen Unternehmertums zur Kenntnis gebrachte Constantinus Colliva. 117 LampKastr 408. 118 A. O. 413; vgl. G. Ostrogorsky, Autour d'un prostagma de Jean VIII Paleologue, in: Ders., Zur byzantinischen Geschichte. Ausgewählte Kleine Schriften, Darmstadt 1973,213. 119 S. Lampros, MLu btLcrtOA.~ tou ßOI!WLKOU rUtEA.O'\"~OU, NE 7, 1910, 87; DarLe 90ff. 120 C. Sathas, MVTJI!ELU tijc; tA.A.TJVLKtjC; tcrtoplaC; I, Paris-Venedig 1880, 231; ThirReg I1I, 214 (Nr. 3025); vgl. P. Topping, Latins on Lemnos Before and After 1453, in: Continuity and Change in Late Byzantine and Early Ottoman Society, ed. A. Bryer / H. Lowry, Birmingham-Washington 1986, 225 und Anm. 25. PLP 5206. 121 A. Roccatagliata, Notai genovesi in Oltremare. Atti rogati a Chio, Genua 1982, 108f. (Nr.72). 122 Vgl. NicDerm 1-11. 123 Cyriacus of Ancona's Journeys in the Propontis and the Northern Aegean 1444-1445, ed. E. W. Bodnar / Ch. Mitchell, Memoirs of the American Philosophical Society, Bd. 112, Philadelphia 1976, 38; Pyrop 130; LegrandBibl2, 323. Wann die Verbindung der Rhyndakenos zu den Laskaris zustande gekommen ist, läßt sich nicht klar erkennen. Der Rodhachino de Romania, der 1352 die Hälfte einer griparia verkauft, Zaccaria de
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Andreas Argyropulos bringt es an der Wende zum 15. Jh. im Dienst des Fürsten der Walachei zu Wohlstand, sein Reichtum rührt aber zugleich aus Handelsgeschäften in diesem Raum. IU Zwischen 1430 und 1437 ist ein gewisser Sarandinos im Verwaltungsapparat der Moldau als Zupan bezeugt, der eventuell Schwiegervater des Voivoden Dan 11. war durch eine Heirat, die in Konstantinopel erfolgt sein könnte. m Etwa gleichzeitig ist in der byzantinischen Hauptstadt ein Bankier Johannes Sarantenos/Sardinos neben einem Chir Nichola Sardino dal banco aktiv,126 und die diesbezüglichen und noch verschiedene andere Belege deuten darauf hin, daß auch diese bekannte Familie sich in der Spätphase von Byzanz der Welt des Unternehmertums, des Großhandels und des Geldgeschäftes deutlich genähert hat. 127 Im Jahre 1431 fungiert der Zupan Spanopul als Beauftragter des Voivoden Vlad Dracul beim Rat von Kronstadt,128 und er ist sicherlich identisch mit dem Zupan und Archonten Johannes Spanopulos, der im 15. Jh. auf byzantinischem Reichsterritorium lebt, als Handschriftenbesitzer bekannt ist und aus der Walachei stammt,129 der zugleich aber wohl auch mit der spätbyzantinischen Familie gleichen Namens in Ver-
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Fredo, notaio in Candia, 1352-1357, ed. A. Lambardo, Venedig 1968, 47, und der Giorgio Rondachino di Costantinopoli figlio di Nichita, der 1361 ein Getreidegeschäft in Kilia abschließt, ActPonPist 158f., tragen diesen Doppelnamen jedenfalls (noch?) nicht. Interessant für mögliche geschäftliche Aktivitäten ist die Verbindung des Gouverneurs von Imbros mit einem gewissen Pyropulos, vgl. MatschBem 257. Schon gegen Ende des 13. Jh. existiert aber auch eine verwandtschaftliche Verbindung der Familie zu den Komnenen, vgl. PLP 24237, sie gehört also seit der frühen Palaiologenzeit zur Oberschicht. Mazaris 38, 50, Kommentar: 109; vgl. MatschSchwarzm 448f. UrkSieb IV, 429; vgl. P. Nasturel, Sur quelques boyards roumains d'origine grecque aux XIVe et XVe siecles, REB 25,1967,108. Badoer 54ff. u. a. Der bzw. die Sarantenos, die um 1400 in Konstantinopel leben, MM H, 297, 527f., sind von ihrem wirtschaftlichen Hintergrund her kaum zu fassen. In und um Thessalonike, wo die Familie in der frühen Palaiologenzeit über beachtlichen Grundbesitz verfügte und verschiedene administrative Funktionen ausübte, erscheinen später nur noch wenige und eher unbedeutende Träger dieses Namens, vgl. PLP, Fasz. 10, 179ff. Zu beachten ist dagegen ein Costantino Sarandino, der im Jahre 1394 in der venezianischen Kolonie Koron ansässig und in Geldtransaktionen zwischen den Venezianern und dem byzantinischen Despoten in Mistra involviert ist, Regesti dei Commemoriali, ed. R. Predelli, Bd. 3, Venedig 1883,224 (Nr. 410). Vielleicht hat sich der wirtschaftlich besonders aktive Zweig der Familie auch in kolonialen Gebieten ausprofiliert und ist von dort aus in den byzantinischen Restterritorien aktiv geworden. So findet sich ein Georgios S. aus Monembasia als Schiffsführer 1359 bei GaspKin 300. Die Arbeit von LA. Naupliotes-Sarantenos, I:apaV'tl]VOL - B'U~av'tLo - Na!;o~. 'H :1tOPELa I1Ld~ ot1(oYEvELa~ I1Eoa atOU~ ato)VE~, B'U~av'tLvo~ .1.6I1o~ 2, 1988, 57-74, konnte ich noch nicht einsehen. UrkSieb IV, 439 (Nr. 2120). HungTheol I, 63f. Vgl. PLP 26461.
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bindung gebracht werden muß, deren unternehmerisches Engagement allerdings schwächer aus~eprägt gewesen zu sein scheint als das der Argyropuloi und Sardinos.! Q Und im gleichen Jahr 1431 läßt der Voivode Alexander Aldea den Griechen Feminiano steckbrieflich suchen,1J1 der offenbar eine Zeitlang in seinem Dienst gestanden hat und sehr wahrscheinlich ein Euphemianos gewesen ist und damit aus einer Familie kommt, die Anfang des 15. Jh. nachweisbar Gelder in Handelsgeschäfte steckt. 132 In den 20er und 30er Jahren des 15. Jh. ist schließlich ein Johannes Rusotas in der serbischen Bergbauadministration und wahrscheinlich auch selbst als Bergbauunternehmer tätig, der aus der Stadt Thessalonike stammt und auch als Funktionär und Aktionär im serbischen Bergbauzentrum von Novo Brdo an Kontakten zu seiner Familie und zu seiner Heimatstadt festhält und eigene Handelsgeschäfte über das spätbyzantinische Wirtschaftszentrum abwickelt. m Auch diese vielfältigen politischen Aktivitäten in den Nachbarterritorien von Byzanz und ihre Kombination mit mehr oder weniger deutlichen wirtschaftlichen Unternehmungen sprechen für die neuartige Mobilität einer Oberschicht, die unter dem Zwang der Umstände von traditionellen Lebensformen Abstand nehmen muß und traditionelle Lebenshaltungen zunehmend in Frage stellt. Verändert zu haben scheint sich allerdings der Stellenwert, den das aristokratische Unternehmertum seinen Posten in der Administration beimaß, und der Kraftaufwand, den es für sie zu leisten bereit war. Erkennbar ist eine allgemeine Tendenz zur "Privatisierung" staatlicher Funktionen und zu ihrer Ausübung fern vom Kaiserhof. Die Aufgaben der kaiserlichen Kanzlei werden im 15. Jh. zumindest teilweise von Personen wahrgenommen und erledigt, die in der Haugtstadt freiberuflich tätig sind und nebenbei auch für den Kaiser arbeiten. 4 Der Sekretär Kaiser Manuels H., Holobolos, verwahrt in seiner Wohnung kaiserliche Blankoformulare und wichtige Geschäftsaufzeichnungen. Am Hof läßt er sich häufig durch einen Unterschreiber und andere persönliche Untergebene vertreten. 1J5 Ein Kantakuzenos unbekannten Vornamens empfängt
130 Interessant könnte in diesem Zusammenhang besonders die Familie bzw. der Familienzweig in der Stadt Patras sein, vgl. GerlPatr 197, 217, 220. 131 UrkSieb IV, 443 (Nr. 2128): vorgeworfen wird ihm der Weggang eum eertis rebus de eamera nostra ... et eum quibusdam debitis nobilis viri Johannis filü Gasparis de Longoeampo, er sehei~t also mit den Staatsfinanzen zu tun gehabt zu haben. 132 MM 11, 560f.; dt. Ubersetzung MakrStud 300f.; vgl. 273f.: Vergabe eines Seedarlehens durch einen Euphemianos unbekannten Vornamens. Zu anderen Euphemianos in Konstantinopel und an anderen Orten des späten Byzanz, ihren Professionen und Positionen s. PLP, Fasz. 4, 133f. 133 Vgl. MatsehBergb 57ff. 134 Vgl. OikChane 173. 135 Mazaris 28, 32.
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1438 in seinem Haus jüdische Geschäftsleute zur Entscheidung von Streitsachen, für die er wahrscheinlich in seiner Funktion als capitaneus pagaitorum zuständig ist. lJ6 Die kaiserliche Garderobe wird schon Mitte des 14. Jh. nicht mehr in kaiserlichen Werkstätten hergestellt, sondern von selbständigen Fachhandwerkern, die unter anderem für den kaiserlichen Bedarf tätig sind. 1J7 Und die kaiserliche Münzprägung erfolgt in den 30er Jahren des 15. Jh. vermutlich nicht mehr in einer kaiserlichen Münzanstalt, sondern durch private Bankiers, die das Münzrecht nur gepachtet haben. 1J8 Der kaiserliche Grammatikos Demetrios Angelos Kleidas Philommates gehört selbst einer Familie an, die im späten Byzanz und benachbarten Regionen auf vielfältige Weise unternehmerisch tätig ist. 139 Die Bankiersfamilie Kritopulos, die spätestens seit 1436 über das Münzrecht verfügt, macht 1439 zwar brankrott, ordnet sich aber ebenfalls in dieses Unternehmertum ein und unterhält vielfälti~e Kontakte zu byzantinischen und ausländischen Kauf- und Geldleuten.! 0 Und es ist ganz bezeichnend und beinahe von symbolischer Bedeutung, wenn der Bankier und Unternehmer, Megas Dux und Mesazon Lukas Notaras den letzten großen Kredit italienischer Geschäftsleute für einen byzantinischen Kaiser Anfang 1453 schon während der Belagerung Konstantinopels nicht im kaiserlichen Palast, sondern in seinem eigenen Haus einfädelt und perfekt macht.!4! Beamtenfunktionen und kaiserliche Aufträge dienen diesem Unternehmertum nicht in erster Linie als Versorgungs grundlage, sondern sie werden genutzt zur Erweiterung und Absicherung des geschäftlichen Handlungsspielraumes und zur Erhöhung der persönlichen Reputation. Sie waren nötig zur Fixierung der gesellschaftlichen Stellung und zur Mitsprache bei politischen Entscheidungen, aber nicht oder zumindest nicht vordergründig zum Erhalt der wirtschaftlichen Existenz. Gesandtschaftsreisen sind zwar immer noch Gelegenheiten für zufällige und kurzfristige Geschäfte, viel eher aber sind stabile und dauerhafte geschäftliche Beziehungen von Fall zu Fall Voraussetzung für diplomatische Aufgaben. Die kaiserlichen Vertrauensleute Konstantinos und Theodoros Rhalles, Vater und Sohn, sind nach 1400 als Kollektoren westlicher Hilfsgelder in
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Badoer 74; vgl. MatschTor 55f. Vgl. MatschTuch 81f. Vgl. MatschMünz 191ff. Vgl. TrappMaz 98f.; MatschHaus 122f. Vgl. MatschMünz 197ff. T. Bertele, Costantino il Grande e S. Elena su alcune monete bizantine, Numismatica 14/4-6, 1948, 100f., vgl. G. Olgiati, Angelo Giovanni Lomellino: Attivita politica e mercantile dell'ultimo podesta di Pera, Storia dei Genovesi IX, 1989, 167.
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Frankreich und besonders in Spanien tätig. 142 Ein chir Todaro Rali findet sich zwischen 1436 und 1440 in den Geschäftspapieren des venezianischen Kaufmannes Badoer, und daß es sich um den jüngeren Rhalles mit dem kaiserlichen Auftrag gut 30 Jahre zuvor handelt, wird dadurch wahrscheinlich, daß seine geschäftlichen Aktivitäten im Badoerbuch sich fast ausschließlich auf die zum Machtbereich des Königs von Aragon gehörige Insel Sizilien und das dar~n angeschlossene Königreich von Neapel erstrecken, daß er besonders 01, Zucker, Wein und andere ähnliche Produkte aus Messina in die byzantinische Hauptstadt, das byzantinische Reich einführt, allein bzw. mit Geschäftspartnern, wie dem griechischen Schiffsführer Vatatzes und Johannes Torselo von der venezianischen Insel Kreta, der zeitweilip Konsul der katalanischen Kaufleute in Konstantinopel gewesen war. 14 Im Fall der Familie Rhalles steht die Diplomatie vielleicht zeitlich und sachlich noch vor dem Kommerz, bei Manuel Koreses, der 1436/37 als byzantinischer Gesandter zum König nach Neapel geht, verlaufen die Dinge aber ganz sicher umgekehrt,lH und anzunehmen ist ein gleiches wohl auch für andere Diplomaten aus spätbyzantinischen Unternehmerkreisen. Raum für ihre unternehmerischen Tätigkeiten gewinnt die spätbyzantinische Oberschicht nicht nur durch eine Neubestimmung ihrer Haltung zur kaiserlichen Administration, durch die Anpassung von Beamtenfunktionen und Dienstaufträgen an die Bedürfnisse und Erfordernisse des Geschäfts, sie nutzt zu diesem Zweck und mit diesem Ziel ganz augenscheinlich auch verschiedene Formen familiärer Arbeitsteilung. Dazu gehört einmal eine Aufgabenverteilung zwischen den Generationen. Der noch unmündige und nicht geschäftsfähige Andreas Notaras agiert 1398 in Kaffa velut filii et coniuncte persone Georgii Natara patris sui. 145 Dieser Georgios hat einer späteren Nachricht zufolge seinen Wohlstand durch Fischhandel begründet,146 und es ist durchaus möglich, daß ihn diese Tätigkeit auch zu Geschäftsreisen in den Schwarzmeerraum veranlaßt bzw. genötigt hat. 147 Mit fortschreitendem Alter könnte er sich jedoch aus den aktiven Geschäften zurückgezogen haben, vielleicht auch zur besseren Wahrnehmung seiner Dolmetscherfunktion für den Hof und die staatliche Administration. Geschäftsreisen in verschiedene Richtungen 142 Ordonnances des rois de France, Bd. 9, Paris 1755, 109, 141f., 148f., 433ff.; vgl. auch den Brief des Konstantin Rhaul Palaiologos an König Ferdinand I. von Aragon aus dem Jahre 1416, ed. MarinArag 202f. 143 Badoer 262f., 468; vgl. FasRaouI66f. (Nr. 53f.). 144 MarinContr 212/214; vgl. DöReg 3469. 145 SchreinBiz 97. 146 Uberti Pusculi Constantinopoleos libri IV, ed. A. S. Ellissen, Analekten der mittelund neugriechischen Literatur, Bd. 3, Leipzig 1857, 21. 147 SchreinBiz 99.
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und Geschäftsabschlüsse an verschiedenen anderen Orten überließ er jetzt seinen beiden Söhnen, dem jüngeren, wie aus der Notariatsakte von 1398 ersichtlich, und dem älteren und vermutlich noch wesentlich aktiveren Nikolaos Notaras, wie schon in verschiedenen Zusammenhängen ausgeführt. Er selbst begnügte sich mit Geschäftsanteilen und mit Bürgschaften für die Geschäfte seiner Söhne und erleichterte ihnen auf diese Weise den persönlichen Einstieg in das Geschäftsleben. 148 Daß diese Handhabung familiärer Interessen mit verteilten Rollen nicht nur gelegentlich praktiziert wurde, sondern System hatte, ergibt sich aus einem Brief des Nikolaos-Sohnes und späteren Spitzenpolitikers Lukas Notaras, in dem er seinem Briefpartner Georgios Scholarios erklärt, daß er als junger Mann nicht in der Lage gewesen sei, die fünf Versionen/Idiome des Griechischen zu erlernen, die für einen gebildeten Byzantiner unerläßlich waren,149 und zwar einmal der unnormalen Zeitumstände wegen, zum anderen wegen 1'0 CiAAO'tE CiAAo1J~ dllELßElV 't63t01J~,150 und das kann wohl nur heißen, daß auch Lukas in seiner Jugend viel herumgekommen ist, nicht deshalb, weil seine Familie häufig den Wohnort gewechselt hätte wir wissen, daß das in dieser Zeit nicht der Fall war - und auch nicht, weil er sich an anderen Orten um seine Ausbildung bemüht hat - gerade die fehlende Bildung wird in dem Brief beklagt und erklärt -, sondern ganz augenscheinlich deshalb, weil er in geschäftlichen Angelegenheiten unterwegs gewesen ist, weil er im Interesse und im Auftrag der Familie Geschäfte unterschiedlicher Art und im weitesten Sinne des Wortes getätigt hat. Als Lukas dann in die große Politik einstieg, vielleicht auch wieder aufgrund einer Familienentscheidung nach dem Tod seines älteren Bruders/ 51 da lag die Phase seiner aktiven Handels- und Geldgeschäfte vermutlich schon hinter ihm. Von seinem Onkel Andreas sind politische Aktivitäten dagegen (bisher) nicht bekannt, und das könnte auf eine zweite Variante familiärer Arbeitsteilung hindeuten dergestalt, daß auch innerhalb einer Familiengeneration, zwischen Brüdern und Cousins Absprachen existierten, die auf das stärkere wirtschaftliche Engagement der einen und die stärkere politische Orientierung der anderen hinausliefen. Mit diesen familiären Strategien nähert sich die unternehmerisch ausgerichtete Aristokratie der byzantinischen Spätzeit typologisch sehr deutlich an die gängigen Praktiken der venezianischen und genuesischen
148 Vgl. MatschNotFam 801f., MatschMikr 409. 149 Der Brief, ed. LPP 2,194, stammt eventuell aus dem Jahre 1449. Es heißt dort, der Briefschreiber habe weder futLKt~ELV noch i.wvt~ELV gelernt, sondern nur eine Sprache: t~V KOLVt']V, die alle zur Formulierung ihrer Gedanken und zur Verständigung untereinander benutzen. Zu diesem Brief und seiner Auswertung s. auch Kap. 5. 150 LPP 2,194. 151 Vgl. MatschNotFam 802f.
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Oberschichten an, die schon seit dem 12. Jh. zu beobachten sind. 152 Als Vermittler in das spätbyzantinische Gesellschaftsmilieu fungieren auch hier möglicherweise griechische aristokratische Unternehmerkreise in den lateinischen Kolonien der Romania. Schon bekannt ist und zitiert wurde das Beispiel der chiotisch-perotischen Familie Koreses, die im J ahre 1400 einen Gesellschaftsvertrag mit den spätbyzantinischen Gudeles abschließt, in dem der junge Manuel Koreses als socius laborans tätig ist, während sein aus Politik und Kirchenverwaltung bekannter Vater Nikolaos nur im Hintergrund als Tutor und Bürge für seinen Sohn fungiert. 153 Und in die gleiche Richtung deutet der Vertrag eines Michael Petrici, Sohn eines Theodoros von Chios und Stiefsohn einer Partegna, der im Jahre 1456 als socius eines Michael Ligeros in Erscheinung tritt und bei einem J ane Moraiti in Schuld wegen verschiedener Warenlieferungen steht. Die Geschäfte werden mit Wissen und Wollen seines Vaters getätigt, der auch als Bürge fungiert. 154 Die Familie Petritzes ist schon seit dem 13. Jh. aus der Umgebung von Smyrna bekannt, sie verfügte zu diesem Zeitpunkt über einigen Grundbesitz und stellte verschiedene Stratioten. 155 Die gravierenden politischen Veränderungen in diesem Raum während des 14. Jh. haben auch diese Familie ähnlich wie die Koreses und Argenti ganz augenscheinlich zu einer Umorientierung auf Handels- und Geldgeschäfte veranlaßt, die sie ebenfalls in Verbindung mit byzantinischen Handelskreisen ausübt, wenn sich die Vermutung bestätigt, daß Michael Ligeros, ihr socius von 1456, aus der spätbyzantinischen Hauptstadt stammt und zu einer dort bekannten Unternehmerfamilie gehört. 156 Beide Belege gehen den byzantinischen Beispielen nicht voraus, der zweite stammt sogar aus der Zeit nach dem Fall der byzantinischen Hauptstadt. Trotzdem wird eine typologische Nähe und eine wechselseitige Beeinflussung deutlich, die für das spätbyzantinische Unternehmertum zweifellos von Bedeutung ist. Einiges spricht auch für eine förmliche Ausbildung von Jungunternehmern, für die Arbeit junger Leute als fattori von Großhändlern und Bankiers. So ergibt sich aus einer Bürgschaft des Georgios Buteliares für seinen Bruder Johannes Sophianos, daß der schon mehrfach erwähnte Geschäftsmann den Sohn eines gewissen Makropulos in der Lehre hatte, daß dieser junge Mann im Auftrag seines Patrons und vielleicht sogar auf 152 Zur venezianischen Situation vgl. G. Luzzatto, Studi di storia economica veneziana, Padua 1954, 152ff.; I. Fees, Reichtum und Macht im mittelalterlichen Venedig - Die Familie Ziani, Tübingen 1988, 96f. 153 Vgl. weiter oben Anm. 83. 154 A. Roccatagliata, Atti rogati a Pera e Mitileni 1I, Mitilene 1454-1460, Genua 1982, 29f. (Nr.2). 155 Vgl. PLP 10, 3f. 156 Badoer 252,340,558; KugNot 149.
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gemeinsame Rechnung sehr selbständig tätig war und (geschäftliche) Reisen unternahm, denn Sophianos ist ihm eine nicht ganz unbeträchtliche Geldsumme schuldig, für die Buteliares als Bürge auftritt, da sein Bruder selbst (geschäftlich?) unterwegs ist. 1S7 Bei Badoer tauchen dann Ende der 30er Jahre gleich zwei Mancropuli auf, ein Costa und ein Manuel, beide Tuchhändler (drapieri),158 in ihren Geschäften also eher stationär als mobil, aber an direkte familiäre Verbindungen ist ohnehin kaum zu denken, obwohl auch sie mit einem Johannes Sophianos geschäftlich verbunden zu sein scheinen. 159 Zwischen 1364 und 1376 ist ein junger Mann als Lehrling bei dem Besitzer eines Ergasterions namens Laskaris tätig und wird von dessen Frau mit einer Nachricht zu seinem Lehrmeister geschickt, der sich vorübergehend in der Umgebung von Konstantinopel aufhält. Bei der Erledigung seines Auftrages gerät der Lehrling in türkische Gefangenschaft. Er macht nach seiner Rückkehr seine Auftraggeberin für sein Unglück verantwortlich und fordert von ihr Entschädigung für seinen Schaden, weil er dem Lehrvertrag zufolge nur in dem Ergasterion beschäftigt werden durfte. 16o Die Konditionen seiner Ausbildung waren also festgeschrieben, und da ein Ergasterion sowohl eine Werkstatt als auch ein Laden sein kann und einiges sogar eher für die zweite Möglichkeit zu sprechen s~heint, 161 könnte der Kläger durchaus fattore eines Kaufmannes gewesen sem. Im Kontenbuch Giacomo Badoers finden sich jedoch kaum S~uren irgend welcher fattori bei byzantinischen Kaufleuten und Bankiers. 62 Im Jahr 1484 bezeichnet sich ein Pantaleone Coressi selbst als factor des Geschäftsmannes Nicola di T orriglia auf Chios, 163 aber das ist schon nach dem Fall von Konstantinopel und es spielt auf lateinischem Kolonialterritorium zwischen einem Levantegenuesen und dem Angehörigen einer griechischen, nicht mehr byzantinischen Unternehmerfamilie. In griechischen Quellen findet sich der Begriff UKtO'ÜPL, fattore nur zur Bezeichnung eines von den Katalanen gefangenen Venezianers im Jahre 1450 auf Zypern. l64 Wo sonst von Hilfskräften spätbyzantinischer Unternehmer die Rede ist, handelt es sich wohl doch eher um einfache Angestellte, um
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MM 11, 421 (Nr. 593); vgl. MatschMikr 40lf. Badoer 84,804 u. a. A. O. 450. 1. Sakkelion, l:uvoöLlmL ÖLayvooaeu;;, DIEE 3,1889, 416f. Vgl. DarReg 2674; MatschMikr 400. Ganz systematisch habe ich die Konten unter diesem Gesichtspunkt aber noch nicht durchgesehen. 163 A. Roccatagliata, Atti rogati a Pera e Mitileni I, Genua 1982,271 (Nr. 123): zugleich bezeichnet er sich auch als procurator. 164 Vgl. PLP 13028.
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negociorum gestores,165 um äv8pwJtOL166 usw., die für ihre Tätigkeit ein Gehalt, eine poya bekommen und gelegentlich auf irgend eine Weise am Geschäftsgewinn beteiligt sind. 167 Ein systematisches Durchlaufen verschiedener Abteilungen eines geschäftlichen Unternehmens hat es für den Nachwuchs des aristokratischen Unternehmertums sicherlich kaum gegeben, schon allein deshalb nicht, weil es spätbyzantinische Unternehmungen mit einer verzweigten Binnenstruktur nicht gegeben hat. Eine ge zielte Nutzung westlicher Erfahrungen ist aber wohl auch nicht erfolgt. Der Metropolit und spätere Kardinal Bessarion gibt kurz vor dem Fall des Reiches dem Despoten und späteren Kaiser Konstantin den Rat, byzantinische Fachleute für Eisengewinnung und -verarbeitung und andere gewerbliche Bereiche in Italien ausbilden zu lassen. 168 An eine Ausbildung junger Byzantiner in italienischen Geschäftstechniken denkt aber nicht einmal dieser kluge und weitsichtige Mann. Lukas Notaras schickt seine Tochter Anna noch kurz vor dem Fall Konstantinopels zur Beaufsichtiwng der Familienkonten in Venedig und Genua nach dem Westen, I auf den Gedanken, einen seiner Söhne bei Geschäftsfreunden in den beiden oberitalienischen Städten in eine kaufmännische Lehre gehen zu lassen, kommt er ganz augenscheinlich auch nicht. Bei aller Annäherung an lateinische Unternehmer und bei allem Bemühen um Übernahme westlicher Geschäftstechniken und Wirtschaftserfahrungen zeigen sich also auch deutliche Grenzen, bleiben unübersehbare Distanzen zwischen lateinischem und byzantinischem Unternehmertum.
4.3. Zentren unternehmerischer Tätigkeit der
spätbyzantinischen Aristokratie Zentrum des aristokratischen Unternehmertums der byzantinischen Spätzeit ist ganz eindeutig und fast ausschließlich die Hauptstadt Konstan-tinopel. Die vornehmen Familien, aus denen sich das spätbyzantinische Unternehmertum rekrutiert, sind mehrheitlich im traditionellen Mit-telpunkt des Reiches am Goldenen Horn ansässig oder wenigstens mit einem Familiensproß bzw. Familienzweig präsent. Manche aristokra165 BelgrPrimSer 208. 166 MM II, 549 (Nr. 675). PapHier 2,15. 167 Ein Kaufmann namens Attaliotes hat um die Mitte des 14. Jh. einen Mitarbeiter, der mit ihm gemeinsam auf einer Handelsreise unterwegs ist, dabei zeitweilig aber allein agiert, dem er einen Lohn (paya) von 60 Hyperpern im Jahr zu zahlen hat und mit dem er daruberhinaus auch noch gemeinsame Geschäfte zu tätigen scheint, SchreinFin 145 (Text 8). 168 Vgl. L. Mohler, Aus Bessarions Gelehrtenkreis, Paderborn 1942, 447f. 169 Vgl. MatschNotFam 806f.
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tischen Familien aus der byzantinischen Provinz versuchen im letzten Jahrhundert byzantinischer Existenz wohl auch deshalb in der Hauptstadt Fuß zu fassen, um Eingang in dieses Unternehmertum zu finden oder um den Radius unternehmerischer Tätigkeit zu erweitern. Von verschiedenen Familien der provinziellen Aristokratie, die unter lateinischer Herrschaft eine unternehmerische Umprägung erfahren haben, empfängt das hauptstädtische Unternehmertum ganz besondere Impulse. Die meisten Handelsunternehmungen, die von spätbyzantinischen Aristokraten ganz oder teilweise getragen werden, haben in Konstantinopel ihren Ausgangs- und Endpunkt. Die wenigen Handelsgesellschaften mit aristokratischer Beteiligung, die bisher bekannt sind, agieren hauptsächlich von der Hauptstadt aus. Das spätbyzantinische Bankwesen, das sich in aristokratischen Händen zuletzt westlichen Standards zumindest annähert, ist im Reichszentrum konzentriert. Von Konstantinopel aus schalten sich verschiedene spätbyzantinische Aristokraten in die Hilfsgeldsammlungen im lateinischen Westen und den Hilfsgeldertransfer in den bedrohten byzantinischen Südosten ein. Die auserwählten Geldleute, denen es seit der Wende zum 15. Jh. gelingt, sich an interstaatlichen Finanztransaktionen zu beteiligen, haben ihren ständigen Wohnsitz oder einen mehr oder weniger festen Stützpunkt in Konstantinopel. Zumindest das, was im Bereich von Handel und Geldgeschäft noch über elementare Dimensionen hinausreicht, konzentriert sich im Raum der spätbyzantinischen Hauptstadt und in der Hand der dort ansässigen Unternehmerfamilien. Konstantinopel verfügt also ganz anders als früher angenommen170 bis zuletzt über eine bemerkenswerte wirtschaftliche und soziale Dynamik, die Hauptstadt wird ganz und gar nicht zum Mitverursacher des Stillstands und zum Vorreiter des Niedergangs von Byzanz, sondern viel eher zum Hauptträger bemerkenswerter wirtschaftlicher und sozialer Umstrukturierungen und Neuakzentuierungen in der Endphase des Reiches. So wie es gegenwärtig aussieht, kann nicht einmal Thessalonike der Hauptstadt auf diesem von ihr eingeschlagenen Weg einigermaßen folgen. Zwar verfügt auch die zweite Stadt des Reiches noch in der Spätzeit über ein gut erkennbares kommerzielles Potential, aber die Intensität und Reichweite ihrer Handelsbeziehungen bleibt doch deutlich hinter Kon-
170 Zur älteren Sicht vgl. MatschGouv 81. Mit dieser Zentrierung in Konstantinopel scheint das geographische Erscheinungsbild der von P. Schreiner zusammengetragenen Texte zur spätbyzantinischen Finanz- und Wirtschaftsgeschichte nicht zusammenzugehen, da Konstantinopel in ihnen völlig fehlt. Wenn man aber, wie G. Makris nachweisen will, das erste Kontenbuch aus einer pontischen in die Stadt am Bosporus verlegt, dann ändert sich die Situation schlagartig und nähert sich qualitativ (und quantitativ) dem in diesem Unterkapitel gezeichneten Bild an.
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stantinopel zurück. 171 Zwar werden auch in Thessalonike beachtliche Geldgeschäfte gemacht, aber die Geldleute der makedonischen Metropole stehen dem traditionellen Geldverleih wohl doch noch näher als dem modernen Bankgeschäft. 172 Ein (aristokratisches) Unternehmertum scheint besonders aus dem starken agrarischen Umfeld der Stadt herauszuwachsen und an der engen Bindung zur landwirtschaftlichen Produktion und zur Verwertung landwirtschaftlichen Güter festzuhalten. Charakteristisch für die Stadt am Thermaischen Golf ist sicherlich die Familie Rhadenos, deren Mitglieder als Getreidekaufleute zu Wohlstand kommen und schließlich die wirtschaftliche Absicherung einer kaiserlichen Hofhaltung und Militärkampagne in und um Thessalonike übernehmen. l7J Und charakteristisch für diese Verbindung könnten auch die Aktivitäten der Gebrüder Argyropulos sein, die durch Unternehmerpachten in einem Gartenbaukomplex zu Beginn des 15. Jh. umstrittene Gewinne machen. 174 Eine Erweiterung erfährt dieses auf die Nutzung natürlicher Ressourcen gerichtete Unternehmertum schließlich vielleicht auch noch durch das Engagement aristokratischer Unternehmerkreise im Bergbau, nachweisbar bisher in den etwas entfernter gelegenen serbischen Bergbauregionen, möglich aber wohl auch in der unmittelbaren Nachbarschaft der Stadt auf der Chalkidiki, in der noch vor dem endgültigen byzantinischen Zusammenbruch die Anfänge einer bedeutenden und weitreichenden Bergbauentwicklung zu beobachten sind. 175 Unternehmerpachten sind auch im Raum Konstantinopel nachweisbar,176 und bergbauliches Engagement deutet sich auch in vornehmen Familien der Hauptstadt an,177 aber die unterschiedliche Gewichtung ist doch unverkennbar. Die Stadt Thessalonike und ihre Ober171 Von dieser räumlichen und sachlichen Reduzierung des Einflusses der Stadt Thessalonike seit der Mitte des 14. Jh. spricht LaiouThess 191 und passim. 172 Die Rede ist in den auf Thessalonike bezogenen Quellen zwar verschiedentlich von Geldwechslern und Wechseltischen, aber, soweit ich sehe, niemals von Bankiers und von Banken. Städtische Aristokraten, so die Rhadenoi, treten gelegentlich als Pfandleiher auf, KugNot 144, aber nicht als Akteure in modernen Geldgeschäften. 173 Ein Familienmitglied dient dem Mitkaiser Manuel in den SO er Jahren des 14. Jh. Et~ 'tpmtE~03toWV, KydEp II, 293 (Nr. 351), was mir aber mehr zu sein scheint als Speisemeister, wie TinnFreund 226 glaubt, nämlich eine Art Intendant, der für die Verpflegung von Hof und Truppe und vielleicht auch noch für mehr verantwortlich war bzw. sein konnte. 174 Zum wissenschaftlichen Streit über den historischen Streit vgl. MatschAnk 159ff. Ein ähnlich gelagerter Streit zwischen dem Xenophon-Kloster und der Familie Dadas/Babylonites um ein ähnlichgeartetes Objekt, verschiedene Lebensmittelgeschäfte und ihre Weiterverpachtung, ist erst unlängst bekanntgeworden, AXenP 217ff. (Nr. 32). Er zeigt, daß Unternehmerpachten zu Beginn des 15. Jh. in Thessalonike keine Einzelerscheinung waren, vgl. ChvostTorg 42. 175 Vgl. MatschBergb 54ff. 176 Vgl. MatschAnk 171ff. 177 Vgl. TinnKyd 1/2, 336, A. 16, dazu MatschBergb 51ff.
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schicht bleiben stärker der byzantinischen Tradition verhaftet, diese Bindung führt aristokratische Unternehmer zugleich näher an die produktiven Bereiche der Gesellschaft heran. Daß diese Entwicklung aber über städtische Immobilien, Gartenbau und Bergbau hinausgegangen wäre und auch die gewerbliche Produktion, etwa die in Thessalonike nachweisbare Textilherstellung erlaßt hätte, dafür gibt es bisher keine zwingenden Beweise, und dafür ist auch die Wahrscheinlichkeit nicht sehr groß, zumal die Stadt schon gegen Ende des 14. Jh. das erste Mal in türkische Hände kam und auch ein letztes byzantinisches Zwischenspiel ähnliche Entwicklungen wie in Konstantinopel nicht mehr in Bewegung setzen konnte. 178 Die städtische Aristokratie von Monembasia ist traditionell besonders mit der Schifffahrt verbunden und findet über Seekrieg und Seeräuberei auch Zugang zum Seehandel. l79 Zu einem wirklichen Zentrum aristokratischen Unternehmertums scheint das Felsennest in der südlichen Peloponnes aber nicht geworden zu sein, denn die aktiven Wirtschaftskräfte haben Monembasia im Verlauf des 14. Jh. aus nicht klar einsichtigen Gründen zu einem beachtlichen Teil verlassen, und der wirtschaftliche und politische Einfluß der in der Stadt verbliebenen Aristokraten, ihre Präsenz in verschiedenen Wirtschaftszonen des Reiches, nicht nur im Großraum Konstantinopel, sondern auch im Gebiet der südlichen Ägäis 178 Spuren und Folgen dieser ersten türkischen Besetzung zeigen sich auf vielfältige sachliche Art und personelle Weise, in der Person eines Großkaufmannes mit zahlreichen Verbindungen nach Negroponte und Gallipoli, der bei den Türken vermudich unter den aqinci gedient hat und 1403 behauptet, das venezianische Bürgerrecht zu besitzen, G. T. Dennis, The Byzantine-Turkish Treaty of 1403, OCP 33,1967, 83f.; in der Person des Aliatses/llias Alethinos, wie sein Name zeigt, ein Osmane vielleicht chrisdicher Herkunft, der 1419 über ein Haus in Thessalonike verfügt, in dem sich Handel mit Sklaven und Freikauf von Gefangenen unter Beteiligung eines Sensalen und mehrerer Zeugen abspielen, KugNot 144; vgl. PLP 654, und in der Person des Demetrios Katablattas Katadokeinos, der aus dem schon türkischen Serres stammt, in Prusa bei der osmanischen Armee Dienst tut, die Niederlage Bayazids bei Ankara zur Flucht nach Thessalonike nutzt, wo er eine juristische Ausbildung genießt, von 1405 bis 1421 als kaiserlicher Tabularios tätig ist und in engem Kontakt zur städtischen Oberschicht steht, CanivOik passim, vgl. PLP 92341. Sehr häufig ist die Pacht von Werkstätten, Fischteichen, Seefahrzeugen, die Klöstern bzw. Kirchen gehören und von städtischen Pächtern selbst betrieben werden oder aber auch weiterverpachtet werden können, ähnlich wie die Argyropulos und Dadas es tun. Auch das scheint eine Folge der türkischen Bedrohung und Besetzung gewesen zu sein, die zunächst zu einer Besitzkonzentration bei Klöstern und Kirchen führte, nach 1403 aber zu einem Wiedererwachen wirtschafdicher Aktivitäten der städtischen Bewohner, die vielleicht auch von Aristokraten, aber wohl doch eher von Mittelschichten getragen werden. Es ist also nach 1402 auch in Thessalonike wirtschafdich einiges in Bewegung, aber diese Bewegung scheint doch weniger von einem aristokratischen Unternehmertum getragen worden zu sein. ~ 179 KokHag I, 365.
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zwischen der Insel Kreta und der Halbinsel Morea, ging spürbar zurück. ISO Der Despotensitz Mistra konnte die Nachfolge von Monembasia schon deshalb nicht ohne Umstände antreten, weil die Stadt im Inneren der Peloponnes wesentliche Standortnachteile hatte und zur Entwicklung ihres Wirtschaftslebens auf Verbindungen zum Meer und zu den Häfen an der Küste angewiesen war, und es ist durchaus bezeichnend, daß die wesentlichen Wirtschaftskontakte und Kommunikationsstränge des Zentrums der byzantinischen Besitzungen im Süden nicht über den byzantinischen Hafen Monembasia, sondern über die venezianischen Schiffsstützpunkte und Warenumschlagplätze Koron und Modon gelaufen sind. lsl Als Gruppe hat sich ein aristokratisches Unternehmertum in keiner weiteren Stadt des byzantinischen Restreiches entwickeln können. Selbst einzelne Vertreter dieses für die byzantinische Endzeit charakteristischen Wirtschafts- und Gesellschaftstyps sind in Hafenstädten wie Mesembria und Agathopolis an der byzantinischen Schwarzmeerküste und Selymbria, Herakleia und Rhaidestos in der Propontis oder in Binnenstädten wie Serres bisher kaum auszumachen. 182 Dieses Unternehmertum ist kein genuin byzantinisches, sondern eher ein romaniotisches Gewächs, und das heißt, daß schon an seiner Entstehung nicht nur die byzantinischen Restterritorien, sondern auch die lateinischen Kolonialterritorien in der Romania beteiligt waren und daß für seine Existenz lateinische Stützpunkte im Ägäis- und im Schwarzmeerraum, wie das venezianische Kreta, Negroponte und Koron/Modon, das genuesische Chios und Kaffa oder Mitylene und Ainos im Insel- und Küstenreich der Gattilusi, wichtiger waren als die eine oder andere den Byzantinern noch zeitweilig verbleibende Hafen- oder Binnenstadt. Hauptstädtische aristokratische Unternehmer sind zwar in geschäftlichen Angelegenheiten auf Chios und Kreta, in Kaffa, Tana, Kilia und in Koron/Modon nachweisbar, nicht aber in Thessalonike oder Monembasia. Unternehmer aus Thessalonike mit oder ohne erkennbaren aristokratischen Einschlag verfügen zwar über mehr oder we180 Das läßt sich zum Beispiel an der zurückgehenden Häufigkeit monembasiotischer Schiffsführer im Schiffsverkehr zwischen Kreta und der Peloponnes zwischen 1326 und 1415 in den Aufstellungen bei GaspKin 293ff. ablesen. 181 Vgl. LaiouEcHist III. 182 In diesem Zusammenhang wäre der Familienname des Protobestiarios Manuel von großem Interesse, der griechischer Herkunft und in Konstantinopel geboren ist, sich um 1360 aber in Mesembria aufhält und sich, wie es ihm nützt, entweder als Grieche oder als Bulgare und bei seinen Reisen nach Konstantinopel sogar als Venezianer ausgibt, was der byzantinische Kaiser Johannes V. zu hintertreiben versucht, indem er seinen Gesandten Andronikos Oineiates 1362 anweist, in Venedig gegen die Aufnahme Manuels in die venezianische Staatsbürgerschaft zu intervenieren, DiplVen II, 84 (Nr. 49). Er ist vielleicht mit dem Prothosartis/Prothoniscairo de Mesembria identisch, der wenig später im Rechnungsbuch der Expedition des Grafen Amadeo von Savoyen erscheint, BollIlustr 8, 11, dort aber ganz ohne Namen.
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niger deutliche geschäftliche Verbindungen nach Negroponte und Kreta, Dubrovnik und Novo Brdo, aber über sehr undeutliche Verbindungen nach Konstantinopel 183 und über keine erkennbaren Verbindungen nach Monembasia. Und von den vielfältigen Aktivitäten der Monembasioten aus der frühen Palaiologenzeit im hauptstädtischen Bereich und weit in den Schwarzmerraum hinein bleibt seit der Mitte des 14. Jh. kaum noch etwas übrig, gleichgültig ob von Aristokraten oder von anderen städtischen Schichten getragen. Damit erledigt sich die Frage nach gemeinschaftlichen Unternehmungen von aristokratischen Einwohnern aus wenigstens zwei dieser drei Städte praktisch von selbst. 184 Auch geographisch bleibt das spätbyzantinische aristokratische Unternehmertum eher ein Torso. Während die byzantinischen Provinzstädte einiges zur Entstehung dieses Unternehmertums durch die Umsiedlung aktiver Wirtschaftskräfte nach Konstantinopel leisten, trägt die Hauptstadt nichts zur Festigung dieses Unternehmertums durch die Ausdehnung seines geschäftlichen Rahmens und die Weitergabe ihres geschäftlichen Könnens in die Städte der byzantinischen Provinz bei. Verbindungen der beschriebenen Art zu diesen Städten scheinen erst dann auf und scheinen erst dann zu entstehen, wenn sie in fremde, zuerst vor allem lateinische und dann definitiv in türkische Hände gekommen sind. Für einen festeren Zusammenschluß des byzantinischen Restreiches - politisch, wirtschaftlich und sozial - ist dieses Unternehmertum jedenfalls kaum geeignet, von einer byzantinischen Reconquista unter seinem Vorzeichen ganz zu schweigen.
183 Aus zwei Kydones-Briefen vom Ende der 80er Jahre ist zu erfahren, daß sein Briefpartner Rhadenos einen Diener hat, der sich einige Zeit in Konstantinopel aufhält und von seinem Herrn nach dem Verlust von Thessalonike an die Türken zu seinem Fluchtort nach Lesbos gerufen wird, KydEp Il, 290, 294 (Nr. 350, 352), vgl. TinnFreund 227. Wenn meine Hypothese stimmt, daß sich Rhadenos nicht nur zu Bildungs-, sondern auch zu Handelszwecken mehrfach in Konstantinopel aufgehalten hat, dann könnte dieser otXEtT]<; durchaus ein fattore des thessalonizensischen (Getreide-)Kaufmannes gewesen sein. 184 Die schriftliche Zahlungsanweisung, durch die ein haupstädtischer Bankier über einen Partner in Thessalonike der in der makedonischen Metropole zurückgebliebenen Familie eines in der Hauptstadt tätigen Beamten eine bestimmte Geldsumme zukommen läßt, ist doch ein Hinweis auf Zusammenarbeit zwischen Geldhändlern in den beiden Städten, KugNot 148f., während aber der hauptstädtische Partner durchaus dem aristokratischen Unternehmertum zugeordnet werden kann, entzieht sich der Partner in Thessalonike namens Alusianos einer genaueren sozialen Einordnung.
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4.4. Byzantinisches (aristokratisches) Unternehmertum und lateinischer Westen in der späten Palaiologenzeit Wie schon angedeutet, ist der Anteil des lateinischen Westens an der Entstehung des aristokratischen Unternehmertums im späten Byzanz nicht leicht zu bestimmen. Unter den ersten Palaiologenkaisern stand eine große Anzahl westlicher - genuesischer, venezianischer, pisaniseher, katalanischer und anderer - Schiffsführer und Schiffsbesitzer, Befehlshaber kleinerer oder größerer Schiffsverbände nicht selten aus bekannten und einflußreichen Familien und Familienclans - besonders den Doria, Spinola und de Mari aus Genua - in byzantinischen Diensten, und nicht wenige dieser vornehmen oder weniger vornehmen, mehr oder weniger eigennützigen Helfer fanden durch Heiratsverbindungen Eingang in die spätbyzantinische Aristokratie, in die Familien der Palaiologen, Asanen, Dukas, Rhaul und Philanthropenos, um nur einige zu nennen. 185 Auswirkungen auf das soziale Profil und die wirtschaftliche Orientierung der byzantinischen Oberschicht scheinen diese familiären Kontakte jedoch kaum gehabt zu haben, und nur in einem Fall, der Verbindung des genuesischen Korsaren Andrea Morisco mit der vornehmen Byzantinerin Zoe Dukaina Philanthropene,186 deutet sich eine Nachkommenschaft mit maritimer und kommerzieller Ausrichtung an, und zwar dann, wenn der habitator Constantinopoli Andreas Morescho, der mit seinem Schiff Mitte 1360 in Verfol?ung geschäftlicher Absichten am Kai des Donauhafens Kilia festmacht,18 aus dieser Verbindung hervorgegangen ist: dem Vornamen nach könnte er ein Enkel des Kaperkommandanten im Dienst des Kaisers Andronikos II. gewesen sein. Kontakte mit der städtischen Welt des Westens stellte die spätbyzantinische Aristokratie nicht nur im Ehebett her, sondern auch auf den städtischen und ländlichen Märkten der byzantinischen Provinz und an den Anlegestellen der byzantinischen Ägäis- und Schwarzrneerküste, wo sich vornehmlich italienische Aufkäufer für die landwirtschaftlichen Produkte byzantinischer Bauern und Grundherren interessierten und sicher-
185 Eine systematische Sammlung dieses Materials ist, soweit ich sehe, bisher noch nicht erfolgt. Verschiedene Hinweise bei Laiou, passim. 186 Polem 170 und nach ihm MaksProvAdm 232, Anm. 7 halten es für möglich, daß die genannte Zoe, die zu einem nicht genau bekannten Termin mit ihren Leuten eine Sicherheitsgarantie für die Patmosmönche abgibt, MM VI, 247f., die Frau des genuesischen Piraten gewesen ist (und nach seinem Tod seine ihm vom byzantinischen Kaiser auf verschiedenen Inseln übertragenen Herrschaftsrechte übernommen haben könnte). 187 ActPonPist 133ff.
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lich besonders gern Verträge mit Großlieferanten abschlossen. 18B Spätbyzantinische Magnaten traten bei diesen Gelegenheiten durchaus nicht nur als Verkäufer der Erzeugnisse ihrer eigenen Domänen auf, sondern sie betätigten sich auch als Zwischenhändler für die überschüssigen Ernteerträge der von ihnen oder von anderen Grundherren abhängigen Bauern. 189 Zu einer Veränderung der sozialen Physiognomie und der wirtschaftlichen Orientierung hat aber auch das Abrücken von der reinen Produzentenfunktion im Marktgeschehen ganz sicher noch nicht geführt. Auch das für die Byzantiner ungewohnte und ungewöhnliche Auftreten und Verhalten sog. weißer Genuesen bzw. Venezianer in der spätbyzantinischen Administration, in der Finanzverwaltung und bei der Zollerhebung, stieß bei den tonangebenden Kräften der byzantinischen Gesellschaft eher auf Ablehnung als auf Zustimmung, und schon gar nicht auf die Bereitschaft zu Veränderungen im eigenen Wirtschaftsverhalten/ 90 und auch die familiäre Verbindung mit solchen Levantegenuesen und Levantevenezianern hat kaum deutlichere Spuren in diesem Verhalten hinterlassen. 191 Die Position der spätbyzantinischen Aristokraten als großgrundbesitzende Magnaten und Teilhaber an der politischen Macht wurde durch die Präsenz aristokratischer und kommerzieller Kräfte aus dem Westen und dem Umkreis des Westens auf der Bühne der frühen Palaiologenzeit kaum berührt und auf jeden Fall nicht wirklich in Frage gestellt, sondern eher noch gestärkt und erweitert. Der Anstoß zur Entwicklung eines aristokratischen Unternehmertums im späten Byzanz kommt also vermutlich nicht bzw. nicht in erster Linie aus dem lateinischen Westen und von den italienischen Unternehmerkreisen in der Romania, sondern er geht von der türkischen Westexpansion und Okkupation byzantinischen Grundes und Bodens, von der 188 Als große Getreidelieferanten werden an der Wende zum 14. Jh. direkt genannt der Kaiser und Mitglieder seiner Familie, die über ihre nuncii und famuli die Geschäfte abwickeln und die vertraglich zugesicherten Getreidemengen in Rhaidestos und StremulalStrimula (?) bereitstellen lassen, bzw. nicht oder in schlechter Qualität liefern, was zu Klagen der benachteiligten Kaufleute führt, BertolNuovSer 524ff. Um 1350 tritt ein Arsenios Tzamplakon als bedeutender Getreidelieferant der Ragusaner auf, KrekDubr 212f., in dem LaiouThess 187, Anm. 25, entgegen verschiedenen skeptischen Meinungen m. E. jedoch völlig zu Recht einen bekannten Magnaten aus dem Raum Thessalonike sehen möchte. 189 Bisher am deutlichsten, wenn auch immer noch nicht deutlich genug, wird das in dem von SchreinFin 79ff. (Nr. 3) edierten Kontobuch des N. Kasandrenos, über das weiter oben ausführlich gesprochen wurde. 190 Vgl. die Beschreibung der Aktivitäten eines Levantegenuesen in der byzantinischen Zollverwaltung durch Maximos Planudes, auf die schon an anderer Stelle eingegangen wurde. 191 Vgl. die Verbindung der Familie Xanthopulos mit der einer gewissen Syriane, die ebenfalls schon dargestellt wurde.
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Verheerung besonders des flachen Landes und der Zusammendrängung der byzantinischen Bevölkerung in den befestigten Städten aus. Daß die· spätbyzantinische Aristokratie auf die Bedrohung ihrer Lebens- und Herrschaftsgrundlagen nicht nur mit militärischer Einigelung, mit der Bereitschaft zu einem Arrangement mit den Eroberern oder mit völligem Rückzug aus dem aktiven politischen und wirtschaftlichen Leben durch die Flucht hinter besonders schützende Klostermauern reagierte, sondern auch eine gewisse Chance zu aristokratischem Weiterleben unter veränderten Bedingungen in der verstärkten Hinwendung zu Handels- und Geldgeschäften, zu Schiffs besitz und Schiffsnutzung für eigene Handelsreisen, zu Handelskompanien und Geldinvestitionen in eigene und fremde Handelsaktivitäten und zur Einrichtung von Banken und Übernahme kommerzieller und finanzieller Techniken aus dem Westen sah, das geht allerdings mit großer Wahrscheinlichkeit auf das unternehmerische Beispiel des Westens zurück, das byzantinische Aristokraten zwar nicht unbedingt liebten, aber doch einigermaßen kannten, und auch auf die unternehmerische Chance, die sich ihnen auftat, als die westlichen Handels- und Kolonialmächte angesichts der eigenen Bedrohung durch den gleichen Feind die ursprünglichen Restriktionen gegen eine mögliche einheimische Konkurrenz zumindest partiell abbauten und auch gemeinsamen Handelsaktivitäten und Finanzoperationen keine unüberwindlichen Barrieren mehr in den Weg stellten. Die Geschäftspapiere des genuesischen Notars Antonio di Ponzo aus dem Donauhafen Kilia machen eine veränderte Situation kommerzieller, finanzieller und maritimer Zusammenarbeit zwischen westlichen und byzantinischen Hafenbesuchern und Marktakteuren sichtbar, und sie verweisen auch auf das beginnende Engagement aristokratischer Kreise der byzantinischen Hauptstadt in dieser gemeinsamen Geschäftstätigkeit. Romaniotische Unternehmerfamilien aus verschiedenen lateinischen Kolonien und Handelsstützpunkten werden bald zu wichtigen Vermittlern zwischen der schon etablierten und der sich eben umformierenden byzantinischen Wirtschaftswelt, indem sie unternehmerisch interessierten hauptstädtischen Aristokraten den Zugang zu den prosperierenden kolonialen Territorien und den Einstieg in gemeinsame wirtschaftliche Unternehmungen erleichtern bzw. überhaupt erst ermöglichen. Byzantinische Gesandte mit bekannten und für den neuen Wirtschaftstrend interessanten Namen fordern von den venezianischen und genuesischen Behörden die Beachtung alter Verträge, die juristische und fiskalische Gleichbehandlung byzantinischer Untertanen und Kaufleute in Kolonien der Romania und den italienischen Mutterstädten betreffend, und die Gewährung zusätzlicher Erleichterungen etwa hinsichtlich der Benutzung italienischer Handelsgaleeren durch byzantinische Kaufleute; und es gelingt ihnen zumindest partiell, aus lange Zeit nur formellen Vertragsklauseln für kurze Zeit
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reales Vertragsleben zu machen. 192 Seit der Wende zum 15. Jh. sind in italienischen Städten und westlichen Staaten nicht .. nur193 byzantinische Diplomaten, Intel1ektuel1e, Lehrer und Kopisten, Arzte, Schiffbauexperten/ 94 195 H 7.. . I ngemeure, an d werk er196 und M atrosen1 9prasent un d ak'tlV, sond ern auch byzantinische Schiffseigner und Schiffsführer, Kauf- und Geldleute, und die wachsende Beteiligung der Byzantiner am Austausch von Ideen und Meinungen, Fähigkeiten und Gütern, personellen und sachlichen Ressourcen führt auch zu einer erkennbaren byzantinischen Beteiligung am Geldtransfer zwischen West und Ost, an bargeldlosen Finanzoperationen, an ausländischen Depositen auf italienischen Geldinstituten, an der Formierung interstaatlicher Finanzkonsortien zur Regelung politischer Ost-West-Probleme und zur Organisierung kirchlicher Ost-WestGespräche und -Zusammenkünfte. Die byzantinische Präsenz im Westen bleibt auch nicht auf kurzfristige Aufenthalte und einmalige Geschäftsabschlüsse beschränkt. Die Anfänge einer griechischen Landsmannschaft in der Stadt Venedig reichen noch in die byzantinische Zeit zurück, und an diesem Zusammenschluß sind von Anfang an wohl auch Kaufleute beteiligt. 198 Seit der Regierungszeit des Herzogs Johann ohne Furcht im frühen 15. Jh. existierte in der 192 Vgl. OFrouxCons 140ff.; MatschAnk 225ff. 193 Vgl. die etwas aus dem Rahmen fallende Geschichte eines Michael Dishypatos, die J. Harris (HarrMed) erst unlängst bekannt gemacht hat und die von einem byzantinischen Übersiedler in das Herzogtum Savoyen handelt, der sich als Arzt im Dienst des herzoglichen Herrn und eines reichen Stadtbürgers einen Namen macht, dann aber wahrscheinlich einer Intrige zum Opfer fällt, indem er der Zauberei angeklagt und verurteilt wird. 194 Vgl. J. Harris, Bessarion on Shipbuilding. AReinterpretation, BSI 5512, 1994, 241ff. Auch unter ihnen spielt ein Dishypatos eine wichtige Rolle. 195 Vgl. E. Müntz, Les artistes byzantins dans l'Europe latine du V au XV' siede, Revue de l'art chretien 36,1893, 187ff. 196 Vgl. das eben erst erschienene außerordentlich materialreiche Buch von HarrEmigr 151H., das auch alle anderen Bereiche dieses Kulturaustausches und Technologietransfers behandelt. 197 Vgl. die Aufsätze von G. Airaldi, J. C. Hocquet, D. Jacoby, M. Balard u. a. in Le genti deI mare Mediterraneo, ed. R. Ragosta, Neapel 1981. Nicht selten werden byzantinische Seeleute auf westlichen Schiffen in westlichen Gewässern genannt. So wird 1369 der guardian(i) coque Guillermi Reig de Majorica beschuldigt, einen Todorinum grecum calafatum oriundum Constantinopolis gefährlich verletzt zu haben, RubDipl403 (Nr. 316). Im Jahre 1390 unternimmt ein Michael(i) de Lagerio de Constantinopoli auf einer cocha quam patronizat Georgius Lomelinus von Genua aus eine Reise in partibus Spanie, als was oder zu welchem Zweck, wird nicht gesagt - die nicht sehr wertvollen Gegenstände, die er für die Dauer seiner Reise beim consul greghorum in Genua deponiert und über die er im Falle seines Ablebens während der Reise verfügt, sprechen aber eher für einen See- als für einen Kaufmann, OFrouxCons 247f. 198 Vgl. N. G. Moschonas, I Greci a Venezia e la loro posizione religiosa nel -xv secolo, '0 'EpavLmiJ~ 5127-28, 1967, 106ff.; GeanScholars 27ff.
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damals zu Burgund gehörenden flandrischen Hafen-, Handels- und Gewerbestadt Brügge eine kleine Kolonie von byzantinischen Kaufleuten, die in mehr oder weniger kontinuierlicher Verbindung zur byzantinischen Hauptstadt am Bosporus stand und vielleicht auch verschiedentlich Zuzug aus der Romania erhielt. 199 Zu ihr gehörte zur Zeit des Falls von Konstantinopel ein gewisser Anthoine Loscart merchant grossier, der bei verschiedenen Gelegenheiten als herzoglicher Hoflieferant in Erscheinung tritt und auch an der Ausstattung des berühmten Fasanenbanketts von LilIe im Jahre 1454 beteiligt ist. 2°O Neben ihm sind auch noch andere Mitglieder der Familie Laskaris in Brügge ansässig, und kurz nach 1453 stößt auch der Flüchtling Michiel Loschaert ruddere van Constantinople zu dieser kleinen Gruppe ehemaliger byzantinischer Reichsuntertanen in einer Stadt auf der anderen Seite Europas. 201 Zu dieser Familie gehören oder zumindest in Verbindung stehen könnte schließlich auch ein gewisser Laskaris Kananos, Autor eines Berichtes über eine fiktive oder reale Nordlandreise, die in dem der Stadt Brügge vorgelagerten Hafen Sluis 202 · begmnt. Auch das Königreich England und seine Hauptstadt London sind im 15. Jh. nicht nur Ziel kurzfristiger byzantinischer Handelsreisen, sondern Fixpunkt einer mehr oder weniger dauerhaften Ansiedlung byzantinischer Spezialhandwerker und/oder Fernkaufleute, zu denen besonders ein Andreas Grekys et Alexander Grekys socius suus gehören, identisch mit Andreas und Alexander Esmafi bzw. wohl auch Effomato, die aus Konstantinopel stammen und sich an ihrer englischen Wirkungsstätte mit der Herstellung von Goldfäden für Luxusstoffe und mit dem Import von Tuchen und anderen Handelsgegenständen beschäftigen, für deren Transport sie vor allem genuesische Schiffe nutzen. 20J Diese beiden Brüder bzw. Kompagnons scheinen nicht zu einer bekannten spätbyzantinischen Familie gehört zu haben. 204 Ganz anders ist das aber bei den Laskaris in
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Vgl. BussBrug 28ff. TapNot 55f. BussBrug 28, Anm. 38; TapNot 57. Mit dem Text beschäftigt sind im Augenblick besonders E. Kislinger, Wien, und G. Makris, Bochum. Noch nicht völlig überzeugt hat mich die Auffassung des letzteren, Geographische Kenntnisse bei den Griechen am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, Die Kultur Griechenlands, ed. R. Lauer / P. Schreiner, Göttingen 1996, 100f., daß zwar nichts an dem Reisebericht erfunden sei, daß es sich aber doch um eine fiktive Reise handele. 203 HarrEmigr 34, 60f., 181ff. 204 Der Name ist im PLP nicht ausgewiesen, und er ist auch über die rückläufige Liste sämtlicher griechischer Namen, die sich im Abkürzungsverzeichnis und Gesamtregister des PLP findet, nicht zu erschließen. Sollte es sich vielleicht um den Namen Euphemianos in einer sehr verballhornten Form handeln?
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Brügge und bei den Philommates in Venedig/os und deshalb wird man zusammenfassend wohl sagen können, daß nicht nur die bedeutenden byzantinischen Transaktionen von Geld und Waren zwischen Ost und West und die großen byzantinischen Depositen von Geld und Wertsachen auf italienischen Banken hauptsächlich von Vertretern des aristokratischen Unternehmertums getätigt und plaziert wurden, sondern daß auch einige der Schlüsselfiguren kommerzieller Niederlassung und Ansiedlung im Westen aus diesem spätbyzantinischen Unternehmertum stammten. Und einige bekannte Intellektuelle aus vornehmen spätbyzantinischen Familien, die vor oder nach dem Fall von Konstantinopel in den lateinischen Westen gingen, könnten bei ihren Reisen durch verschiedene westliche Länder und bei ihren Aufenthalten in verschiedenen Städten und an verschiedenen Höfen des Westens nicht nur immer wieder bekannte Kollegen und Konkurrenten aus der alten Heimat, sondern manchmal auch bekannte oder sogar verwandte Kaufleute und Geldleute angetroffen haben, die ihnen auf dem Weg in den Westen und in neue Existenzmöglichkeiten vorangegangen waren. Das hier zu beschreibende aristokratische Unternehmertum der byzantinischen Spätzeit verdankt zwar nicht unbedingt seine Entstehung, aber ganz unbedingt seine Existenz der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Potenz und Präsenz des italienischen Frühkapitalismus in der Romania, dem Wirken eines von ihm ausgehenden und von ihm getragenen Protokolonialismus im östlichen Mittelmeerraum, dem Bedarf seiner lateinischen Initiatoren und Promotoren an einheimischen Juniorpartnern, nicht zuletzt angesichts der zunehmenden Bedrohung auch der eigenen Positionen durch eine ganz anders geartete expansive Macht. Auf sich allein gestellt ist das spätbyzantinische aristokratisch geprägte Unternehmertum ein Nichts und wohl kaum lebensfähig, in Kooperation mit einem potenten Seniorpartner und wegekundigen Vorreiter ist es zu mancher überraschenden Leistung in der Lage. Dieses U nterriehmertum ist ein ganz eigentümliches Phänomen in einer auf überregionale Entfaltung drängenden frühen kapitalistischen und frühen kolonialen Wirklichkeit, nicht organisch, nicht von innen heraus gewachsen, sondern durch äußere Kräfte initiiert und kontrolliert. Trotzdem ist dieses Unternehmertum ein Zeichen für die Flexibilität der byzantinischen Gesellschaft, vielleicht das letzte und gerade deshalb besonderer Beachtung und spezieller Untersuchung wert.
205 Zur Familie Philommates und ihren venezianischen Ablegern vgl. MatschEmigr.
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4.5. Bildungshorizonte, Denkstrukturen, geistige Bindungen
und Verbindungen des aristokratischen Unternehmertums der Spätzeit Die weitgehende Herleitung des aristokratischen Unternehmertums der byzantinischen Spätzeit aus den traditionellen Führungsschichten der byzantinischen Gesellschaft und seine fortdauernde Verankerung in den zentralen Institutionen und im allgemeinen Gefüge der Macht zeigt sich nicht nur in familiären Kontinuitäten, im besonderen Anteil am verbliebenen gesellschaftlichen Reichtum und im natürlichen Zugang zu den Schalthebeln der Politik, sie wird auch deutlich in der Bildungstradition, in der seine Vertreter stehen, und im Einfluß auf die öffentliche Meinung, den sie ausüben. Während Elemente einer spezifischen kaufmännischen Ausbildung und Formen einer gezielten Heranführung an die unternehmerische Praxis nicht eindeutig auszumachen sind und allenfalls vermutet werden können, steht der Zugang zu einer guten Allgemeinbildung im Sinne der klassischen byzantinischen Bildungstradition auch bei den Familien des aristokratischen Unternehmertums der Spätzeit noch hoch im Kurs. Die von P. Schreiner edierten Texte zur spätbyzantinischen Finanz- und Wirtschaftsgeschichte weisen ihre Verfasser mehrheitlich als Angehörige einer Schicht aus, die nicht nur lesen und schreiben konnte, sondern auch literarische Interessen hatte, die zu Besitzern und Lesern literarischer und wissenschaftlicher Werke gehörte und im Einzelfall sogar selbst literarisch tätig war. Das setzt systematische Unterrichtung und gezielte Ausbildung von Interessen voraus, und ein Mann wie Lukas Notaras kommt gelegentlich selbst auf seine Schulzeit und auf seine(n) Lehrer zu sprechen. 206 Familien aus der byzantinischen Provinz und aus benachbarten lateinischen Territorien, die dem aristokratischen Unternehmertum der byzantinischen Spätzeit zugehören oder ihm zumindest nahestehen, schicken ihren (männlichen) Nachwuchs offenbar nicht selten zu hauptstädtischen Lehrern und in hauptstädtische Schulen.207 Ob der junge Rha206 Gesprochen wird leider nur ganz allgemein von den Lehrern ohne Angabe von Namen und personelle Charakterisierung, vgl. auch Kap. 5. Seinen Sohn Nikolaos ließ Lukas Notaras vielleicht von seinem Freund Theodoros Karystenos unterrichten, allerdings nicht in Grammatik, Arithmetik usw., sondern im Reiten und Jagen als Voraussetzung für Kriegskunst und soldatische Tüchtigkeit, a. O. 182ff., Zeichen dafür, daß das kriegerisch-athletische Ideal der byzantinischen Elite bis zum Reichsende fortwirkt und trotz Hinwendung zu unternehmerischer Tätigkeit nicht verblaßt, nicht an Bedeutung verliert. 207 So unterrichtet der Schriftsteller, Kirchenbeamte und Kleriker Johannes Chortasmenos zu Beginn des 15. Jh. in Konstantinopel den Sohn des Theodeges Kolybas, der sich zu diesem Zeitpunkt in Mitylene aufhält, HungChon 186, und wahrscheinlich
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denos aus einer Familie thessalonischer Getreidehändler, der um 1375 kurzzeitig bei Demetrios Kydones in Konstantinopel Unterricht nimmt, zu diesem gezielt geförderten Nachwuchs gehört, ist allerdings unklar, denn aus den Briefen seiner Lehrers ergibt sich nur, daß der Lebensmittelgroßhändler aus der zweit.en Stadt des Reiches seinen Sohn von einer Intellektuellenlaufbahn abhalten und für das Familienunternehmen erhalten wollte,208 nicht aber, daß er ihn zu Bildungszwecken in die Hauptstadt geschickt hat. Denkbar wäre also auch, daß der junge Rhadenos ähnlich wie etwas später der junge Andreas Notaras von Konstantinopel nach Kaffa oder der junge Manuel Koreses von Pera in den Pontosraum in väterlichem Auftrag und unter familiärer Tutel von Thessalonike nach Konstantinopel ging, um sich erste kaufmännische Sporen zu erwerben, daß es sich also schon bei dieser ersten Reise in die Hauptstadt nicht um eine Bildungs-, sondern um eine Geschäftsreise handelte und der junge Mann sein Mandat eigenmächtig verändert hat. Nichts spricht aber auch gegen einen ursprünglichen Bildungsauftrag und manches dafür, daß der Vater erst mobil machte, als sich für ihn die Gefahr abzeichnete, daß der bildungsbeflissene und literaturinteressierte Sprößling dem familiären Unternehmen gänzlich entfremdet werden könnte. Enttäuscht wurde letztlich aber auch der von dem jungen Mann begeisterte Lehrer K ydones, denn Rhadenos scheint sich nach seiner Rückkehr in die Heimatstadt zwar sein Interesse an wissenschaftlichen und literarischen Studien bewahrt zu haben, aber er war möglicherweise schon während seines ersten Konstantinopelaufenthaltes auch geschäftlich tätig,209 und ein Streit um die Abführung von Geldern an den Fiskus könnte andeuten, daß das Familienunternehmen in Thessalonike, an dem er nach seiner Heimkehr vermutlich beteiligt war, den weiter oben beschriebenen und durch eine spezielle Kontenführung bekanntgewordenen Unternehmungen der Familie Kasandrenos/Prebetzianos nicht unähnlich gewesen ist. 210 Schließmit dem gleichnamigen Kephale von Mitylene identisch ist, vgl. PLP 11988 und 11990, und der unternehmerisch stark engagierten Familie Kolybas angehört. 208 TinnFreund passim. 209 So fungiert Rhadenos als Vermittler eines Darlehens, das ein gewisser Symeon bei einem gewissen Nikandros aufgenommen hat -letzterer ist auch als Briefbote zwischen Rhadenos und Kydones bezeugt, TinnKyd II, 58f. (Nr. 165) - über dessen Höhe es zu einem Streit zwischen Symeon und den Erben des Nikandros kommt, der nach den Worten des Kydones nur durch die Autorität des Rhadenos geschlichtet werden kann, KydEp II, 71f. (Nr. 197); TinnKyd II, 161 (Nr.207). 210 Kydones tadelt in einem Brief den Protostrator Johannes Palaiologos, weil er seinem Schüler und Freund in Thessalonike einen finanziellen Schaden zugefügt hat, indem er sich bei ihm für eine ungerechtfertigte Zahlung an den Fiskus schadlos hielt, KydEp II, 61 (Nr. 188); TinnKyd II, 52 (Nr. 161) mit Kommentar. Ein solcher Übergriff scheint besonders dann möglich und erklärbar, wenn es sich um eine gemeinsame Steuerabgabe handelte, die von einem der Steuerpflichtigen bezahlt und dann auf alle
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lich weist auch seine Tätigkeit im Dienst des Mitkaisers Manuel Palaiologos in die gleiche Richtung, denn die Funktion des 'tPa3tE~OTCOL6~, die er für den an der Spitze der Verwaltung und Verteidigung Thessalonikes stehenden Kaisersohn nach einem Brief des Kydones ausübte,211 hatte wohl kaum noch etwas mit dem traditionellen Amt des eTCt 't* 'tpaTCE~l]~ zu tun, das im übrigen schon längst zu einem leeren Hoftitel geworden war,212 sie könnte vielmehr die Aufgabe einer Intendantur für den Hof des jungen Kaisers in Thessalonike, die Verantwortung für die Versorgung des kaiserlichen Gefolges und der kaiserlichen Truppe speziell mit Lebensmitteln beschreiben, eine Aufgabe, für die sich der Getreidegroßhandel der Familie Rhadenos sicherlich bestens eignete und über die der Verbindungsmann zwischen Familienunternehmen und provinziellem Kaiserhof in die offizielle Funktion eines Hoflieferanten aufrückte. 2lJ Die von Kydones vermittelten Informationen über den jungen Rhadenos passen also sehr gut zu dem Typ des solide gebildeten und unter Umständen literarisch interessierten aristokratischen Unternehmers, der sich auch in der Nähe der staatlichen Macht aufhält und zugleich ein modifiziertes Verhältnis zu dieser Macht entwickelt, und wo diese Bildung erworben bzw. vertieft wird, wäre damit wenigstens in einem Einzelfall geklärt. Der Name des Lehrers des Lukas Notaras, der seine Schüler von der Notwendigkeit der Beherrschung von fünf Sprachvarianten und Entwicklungsstufen des Griechischen zu überzeugen versucht, ist nicht bekannt; schon erwähnt wurde dagegen die spätere Entschuldigung des bedeutenden Staats- und Geldmannes dafür, daß er den Forderungen seines Lehrers nicht voll entsprechen konnte. 214 Interessant ist aber nicht nur, wie Notaras sein - angebliches oder tatsächliches - Bildungsdefizit ent-
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Beteiligten umgelegt wurde, wie sich das im Kontobuch des Kasandrenos, das nur wenig früher am gleichen Ort entstanden ist, verschiedentlich andeutet, SchreinFin 88, vgl. Kommentar 105f. KydEp ll, 293 (Nr. 351). Eindeutig belegt ist diese Funktion allerdings erst für die Zeit des gemeinsamen Aufenthaltes auf der Insel Lesbos, worauf mich F. TinnefeId bei der Lesung der Druckfahnen aufmerksam macht. Vgl. R. Guilland, Recherehes sur les institutions byzantines, Berlin-Amsterdam 1967, I, 396. Inwieweit der ÖOIlEO'tLKOC; 'tijc; 'tpa:n:E~T)C;, der in der Beschreibung der Ämter und Ränge bei Pseudo-Kodinos, vgl. MazHandb 61, und auch in der spätbyzantinischen Realität verschiedentlich vorkommt, vgl. PLP Berufsregister, noch ein reales Amt gewesen ist, vermag ich nicht zu sagen. Der Wechsel von höfischen Funktionären, die für die kaiserliche Tafel, die kaiserliche Garderobe, das kaiserliche Befinden zuständig waren, zu privaten Lieferanten, Produzenten, Spezialisten, die auch, aber nicht ausschließlich für den Kaiserhof tätig sind, scheint mir um die Mitte des 14. Jh. zu edolgen, vgl. MatschTuch 81ff. Eine gleiche Entwicklung edolgt auch bei den (kaiserlichen) Schreibern, vgl. OikChanc 173, und vielleicht sogar bei den (kaiserlichen) Münzern, vgl. MatschMünz. S. weiter oben.
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schuldigt, sondern daß er noch eine ganz eigene Stellungnahme nachschiebt, die darauf hinausläuft, daß er mit seiner aus Zeitmangel resultierenden Beschränkung auf die zeitgenössische Gemeinsprache in ähnlicher Weise auskommt und zu leben weiß, wie die Frauen seiner und anderer Familien, die den Mangel an wertvollem ägyptischem Leinen durch die Verarbeitung und Nutzung einheimischen Leinens kompensieren. 215 Ob und wieweit der vornehme Briefschreiber bei der Beschreibung seiner Kenntnisse untertreibt, kann hier beiseite gelassen werden, bemerkenswert ist der in seinen Aussagen zutage tretende Pragmatismus, denn er scheint von der gleichen Art zu sein, wie er sich in den von Schreiner edierten Texten zur Finanz- und Wirtschaftsgeschichte zeigt, die in ihrer großen Mehrheit eine hervorragende Schreibübung und bisweilen sogar einen persönlich ausgeprägten Stil verraten, also mit Sicherheit von gut gebildeten Verfassern stammen, die sich für ihre Wirtschaftsaufzeichnungen aber ganz bewußt umgangssprachlicher Formen und Wendungen bedienen und dabei nicht wenige orthographische Fehler machen, eben weil sie es nicht gewohnt sind, in der Umgangssprache auch zu schreiben. 216 Dieser Pragmatismus, der es nicht verschmäht, im Bedarfsfall und aus Gründen der Zweckmäßigkeit vom Olymp der klassischen Bildungstradition herabzusteigen und gegen ausdrückliche Gebote zeitgenössischer Vermittler von Bildung zu handeln, findet sich also in ganz auffälliger Weise an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Gelegenheiten, bei denen spätbyzantinisches aristokratisches Unternehmertum tätig ist und in Erscheinung tritt, und er könnte deshalb ein spezifisches geistiges N ebenprodukt, eine besondere mentale Begleiterscheinung aristokratischer Hinwendung zu unternehmerischer Tätigkeit sein. Die interessante Frage, auf welche Weise Lukas Notaras selbst seine Wirtschaftsbücher geführt hat, läßt sich leider (gegenwärtig noch) nicht beantworten. Immerhin kann Schreiner auch das Kontenbuch eines Mannes veröffentlichen, der, wenn sich meine an anderer Stelle entwickelte Hypothese bestätigen sollte,217 zu den engsten Mitarbeitern und Vertrauten des 1453 umgebrachten Megas Dux und Mesazon gehört haben muß, ein Mann, der sich in seinen Wirtschaftsaufzeichnungen sogar nach Belieben der griechischen und der lateinischen Sprache bedient, dessen umfangreiche Notizen sich ansonsten aber in nichts von den anderen von Schreiner gesammelten und bekannt gemachten Gebrauchstexten unterscheidet.
215 Vgl. MatschTuch 59f. 216 Dazu ausführlich SchreinFin 435ff. Betont wird zugleich, daß in der sicheren Verwendung fachspezifischer Abkürzungen für Geldwerte, Maße und Gewichte eine große Vertrautheit mit dem Bereich von Handel und Finanzen evident wird (438). 217 Vgl. MatschKaufi 82ff.
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Sichtbar wird in den Aussagen des Lehrers Kydones und des Schülers Notaras die Differenz zwischen dem traditionellen Bildungsideal der Intellektuellen und der sich wandelnden und gewandelten Lebenswelt einer neuen Wirtschaftselite. Sichtbar wird an diesem konkreten spätbyzantinischen Fall auch, daß dem Einfluß von Lehrern auf ihre Schüler Grenzen gesetzt sind. Kann man aber soweit gehen, umgekehrt von einer Beeinflussung der Lehrer durch ihre Schüler zu sprechen, anders ausgedrückt und präziser gefragt: gibt es Indizien für eine Einflußnahme des aristokratischen Unternehmertums der byzantinischen Spätzeit auf die konkrete Gestalt der Bildungseinrichtungen und auf das allgemeine Profil der Bildungsträger ? Schulunterricht bleibt bis zum Ende des Reiches eine Privatangelegenheit und erfolgt auf vorwiegend privater Grundlage. 218 Zu den wenigen bekannten Lehrstätten im spätbyzantinischen Konstantinopel gehört das Katholikon Museion beim Xenon des Kral. 219 Nachweisbar ist die Einrichtung dieser höheren Lehranstalt im Komplex des hauptstädtischen Prodromos-in Petra-Klosters und des mit ihm verbundenen Krankenhauses entgegen manchen Annahmen und Behauptungen erst in den 40er Jahren des 15. Jh.,220 als der von eigener Studien- und Lehrtätigkeit in Padua nach Konstantinopel zurückgekehrte, schon im In- und Ausland bekannte Gelehrte J ohannes Argyropulos seine italienischen Erfahrungen in die spätbyzantinische Bildungspraxis umzusetzen versucht und von Kaiser Johannes VIII. einen Lehrstuhl und Unterrichtsräume in dem genannten Kloster- und Krankenhauskomplex zur Verfügung gestellt bekommt. 221 Diskussionen über eine Erneuerung des byzantinischen Bildungssystems unter Berücksichtigung schulischer Entwicklungen in Italien hatte es schon nach 1402 im Kreis der Gelehrten um Kaiser Manuel 11. gegeben,222 und ein Ergebnis dieses Meinungsaustausches könnte auch die Einrichtung einer höheren Schule Anfang der 20er Jahre noch 218 Vgl. Kap. 5 dieses Buches. Der Bereich stand allerdings bis zuletzt unter staatlicher Kontrolle, die Lehrer brauchten zur Erteilung von Unterricht eine Art Gewerbeerlaubnis, CanivOik 75; HyrtEp 48 deutet darauf hin, daß sie durch Prostagma erteilt wurde. 219 Vgl. M. :livojinovic, Bolnica kralja Milutina u Carigradu, ZRVI 16, 1975, 105-117; BirchArgKral. 220 Vgl. die ausführliche Beweisführung in Kap. 5.4.1. 221 Argyr 30, Bild 2 und Inschrift. 222 Verwiesen sei besonders auf eine Denkschrift des zu diesem Zeitpunkt in Italien weilenden Manuel Chrysoloras, deren Inhalt C. G. Patrinelis, An Unknown Discource of Chrysoloras to Manuel II Palaeologus, GRBS 13, 1972, 500f. schon vor einiger Zeit bekannt gemacht hat, während sein Vorhaben, ihn auch in extenso zu publizieren, soweit ich sehe, bisher nicht verwirklicht wurde. Vielleicht hatte schon Chrysoloras die Absicht, seine italienischen Erkenntnisse in die spätbyzantinische Praxis umzusetzen, wurde durch seinen Tod in Konstanz als byzantinischer Konzilsbeauftragter aber daran gehindert.
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durch ihn und seinen mitregierenden Sohn J ohannes VIII. gewesen sein. 22J Ihre Leitung war mit einem festen Einkommen in beachtlicher Höhe dotiert,224 und schon sie wurde dem damals augenscheinlich noch sehr jungen, als Lehrer aber bald sehr erfolgreichen Johannes Argyropulos übertragen. Der Schluß liegt deshalb nahe, daß diese Schule mit dem Katholikon Museion identisch und beim Xenon des Kral angesiedelt war, eindeutig beweisen läßt sich das bisher aber noch nicht, während manches eher dagegen spricht, daß Argyropulos in den 40er Jahren seine Lehrtätigkeit einfach dort fortsetzte, wo er sie Anfang der 20er Jahre begonnen und Ende der 30er Jahre unterbrochen hatte. 225 Verschiedene seiner später am Museion bezeugten Schüler scheinen allerdings schon um 1440 am Krankenhaus des Kral tätig bzw. in praktischer Ausbildung gewesen zu sein,226 und als Nosokomos für das Jahr 1442 ist ein Archon Theodoros Laskaris bezeugt,227 der sich, falls er mit dem chir Todaro dal Podromo eines Badoer-Kontos aus dem Jahr 1439 identisch gewesen sein sollte,228 nicht nur 223 Über diese Schulgründung existieren zwei nahezu gleichlautende Informationen von Johannes Argyropulos, CanivOik 73; Argyr 73, nur mit dem Unterschied, daß die eine von zwei Kaisern und die andere nur von einem Kaiser als Initiator der Schule spricht, vgl. CanivOik 19f., die Erklärung, die beide Autoren für diese Differenz geben, ist allerdings nicht sehr überzeugend, denn auch der zweite Text könnte noch aus den 30er Jahren stammen und sich damit auf die erste, nicht die zweite Schulgründung beziehen, vgl. Kap. 5.4.1. 224 Zu dieser Pronoia und zu ihrem Charakter s. CanivOik 73 und 72, Anm. 226. Die Schule, die Georgios Scholarios wenig später in seinem eigenen Haus einrichtete, scheint dagegen eher eine private Lehreinrichtung gewesen zu sein und ohne kaiserliche Unterstützung gearbeitet zu haben. 225 So erklärt sein Schüler Apostoles ausdrücklich, Argyropulos habe das Museion erst nach seiner Rückkehr aus Italien eingerichtet, Argyr 227ff.; vgl. Kap. 5.4.1. 226 Nachweisbar ist das besonders für seinen späteren Schüler Demetrios Angelos, der schon 1442 als Arzt am Xenon tätig war und sich zugleich als Kopist im Auftrag des Krankenhausverwalters betätigte, vgl. VolkGes 197; BirchArgKral425f. 227 A. O. Die These, daß es sich bei diesem Nosokomos Laskaris um einen Mönch handelt, kann ich nicht teilen. Seine Anrede xUQWS; muß sich nicht auf einen Mönch beziehen, sondern sie ist ähnlich wie seine Bezeichnung CiQXwv eher ein Hinweis auf seinen gehobenen Stand und wurde in diesem Sinne auch von den Lateinern ganz explizit verwendet, vgl. die folgende Anm. Auch der Umstand, daß er eine liturgische Handschrift in Auftrag gibt, ist kein ausreichendes Argument für eine Zugehörigkeit zum Mönchtum. 228 Badoer 712f. Todaro/Theodoros tritt auf als Verkäufer von Ochsenhäuten und Käufer von Eisendraht. Als Vermittler sind tätig der Markthändler (bazarioto) FochaiPhokas und der Sensale Thomado da Choron. Der Differenzbetrag von 64 Hyperpern zwischen beiden Transaktionen wird ihm bei der venezianischen Bank von Charlo Chapello gutgeschrieben. Die Häute könnten aus landwirtschaftlichen Besitzungen des Klosters stammen, die zumindest für das 14. Jh. bekannt sind, vgl. BirchArgKral 419ff. Daß der Eisendraht für das Kloster bestimmt war, ist auch nicht ausgeschlossen, wenn auch nicht konkret zu belegen. Denkbar wäre also auch ein Auftreten des Nosokomos im Namen und zum Nutzen des Klosters bzw. des Klosterkrankenhau-
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als Leiter des Krankenhauses und als Auftraggeber für das Kopieren von Büchern, sondern auch als (Groß)Kaufmann betätigte und damit durchaus den Typ des aristokratischen Unternehmers verkörpern könnte, der hinter der Fassade eines oft nur untergeordneten Amtes vor allem geschäftlich aktiv war. Auch der miedego Panarido, von dem sich der venezianische Kaufmann Badoer 1437 bei einer Erkrankung Hausbesuche machen läßt,229 könnte mit einem späteren Schüler des Argyropulos im Katholikon Museion identisch und demzufolge schon damals so bekannt gewesen sein, daß auch Leute aus dem Westen sich in seine medizinische Obhut begaben. Als Argyropulos um 1443 in den Räumen des Xenon Hausrecht und Lehrerlaubnis erhielt, fand er dort also sehr wahrscheinlich nicht ehemalige Schüler und schon bekannte Lehrbedingungen vor, dafür aber ein Klima pragmatischer Weltoffenheit ähnlich dem, das er in Italien kennen- und als für schulische Tätigkeiten besonders förderlich schätzengelernt hatte. Denkbar ist also durchaus, daß er selbst diese Nähe gesucht hat, daß die Ansiedlung seiner Schule im Klosterhospital kein zufälliger Notbehelf war, sondern aus Lehrerfahrungen im In- und Ausland herrührte. Und wenn die neue oder erneuerte Lehranstalt auch nicht den Charakter einer medizinischen Hochschule oder Akademie hatte und eine solche Profilierung auch gar nicht beabsichtigt war und angestrebt werden konnte, so wurde die traditionelle Kluft zwischen dem theoretischen und dem praktischen Teil der Philosophie, zwischen reiner Lehre und praktischer Medizin2JO doch ganz zweifellos um einiges verrinses, aber auch in diesem Fall tritt uns Todaro/Theodoros als wirtschaftlich aktiver Mann entgegen, der über Kontakte zu italienischen Kaufleuten und Bankiers verfügt und sie für seine Interessen nutzt. 229 Badoer 82. Der Arzt besucht den Kaufmann wegen einer Hauterkrankung (per la rogna) 15 Tage (zorni 15) offenbar täglich und erhält dafür 6 Hyperpern und dann noch einmal einen Teil von 7 Hyperpern. Eine Verbindung von Panarido/Panaretos zum Xenon des Prodromos-Klosters ist in den Badoer-Konten leider nicht ausgewiesen. Der venezianische Kaufmann läßt sich in weiteren Krankheitsfällen auch von westlichen Ärzten behandeln, vgl. dazu K.P. Matschke, Gesellschaft und Krankheit: Bewohner und Besucher Konstantinopels während und nach der Pest von 1436, VV 55 (80)/2, 1998, 48-53. 230 Diese Kluft wurde von Johannes Aktuarios im 14. Jh. in dieser Weise beschrieben und benannt, s. HohlAkt 305, 310; vgl. MatschOrth 35. Seine praktische Ausbildung erfährt der bekannte Arzt in einem Phrontisterion, das Hohlweg sicher zu Recht mit einem Nosokomeion bzw. Xenon identifiziert, a.O. 306. Auch der Xenon des Kral hat ganz sicherlich als eine praktische Ausbildungsstätte dieser Art und zu diesem Zweck gedient, denn eine solche Konzentration bekannter Ärzte, wie sie in den letzten 25 Jahren byzantinischer Stadt- und Reichsgeschichte an dieser Krankeneinrichtung bezeugt ist, scheint mir ohne diese Vermittlung von ärztlicher Erfahrung und medizinischem Können schlechterdings unverständlich. Deshalb kann ich die Bedenken von BirchArgKraI431f. gegen eine solche Annahme nicht teilen, auch wenn eine ausdrückliche Bestätigung in den bisher zur Verfügung stehenden Quellen fehlt.
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gert,231 ebenso wie auch die Kluft zwischen Philosophie und Kommerz manches von ihrer alten Grundsätzlichkeit und Tiefe verlor. Diese Annäherung der Schule an die praktischen Lebensbedürfnisse der Gesellschaft könnte sie aber auch für gesellschaftliche Gruppen attraktiv gemacht haben, die fest in der byzantinischen Bildungstradition standen und zugleich auf einen neuartigen Pragmatismus setzten, der sich aus veränderten Lebensbedingungen und Wirkungskreisen ergab. Sehr wahrscheinlich ist jedenfalls, daß einige der bisher bekannten Schüler des Museion aus Familien des aristokratischen Unternehmertums der Spätzeit stammten oder ihnen in irgendeiner Weise nahestanden. Das gilt besonders für die drei Pyropuloi, die kurz vor dem Fall der Hauptstadt die Schule besucht haben und von denen zumindest einer, nämlich der spätere Arzt Antonios Pyropulos mit großer Wahrscheinlichkeit einer Unternehmerfamilie aus dem byzantinisch-Iateini-schen Mischmilieu der Peloponnes entstammte, die auch im hauptstädtischen Raum aktiv wurde und sogar Anschluß an die neuen türkischen Herren gewinnen konnte. 2J2 Auch der Arzt Demetrios Laskaris An~elos, der zur gleichen Zeit seine Ausbildung an der Schule absolvierte, JJ trägt Namen, die in den aristokratischen Unternehmerkreisen Konstantinopels und der Romania einen guten Klang hatten. 2J4 Ob der Schriftsteller Johannes Moschos mit dem Agallon 6 'tou
231 Tatsächlich gibt es keine Belege für eine medizinische Ausbildung und Betätigung des Argyropulos. Andererseits läßt sich ein gewisses Interesse für medizinische Probleme und eine gewisse Nähe zu ihnen schon vor seinem Aufenthalt in Pisa erkennen, so wenn er in seiner Invektive gegen Katablattas von den Kindern des Asklepios und ihrer Bezeichnung für eine bestimmte Krankheit bzw. Abartigkeit spricht, CanivOik 71, und falls unter diesen :rtatöE~ daKATJmaÖWV nichts anderes als :rtatöE~ latpwv zu verstehen sein sollten, dann wäre das sogar eine Anspielung auf junge Ärzte bzw. Arztschüler, vgl. HohlAkt 307, wie es sie sehr wahrscheinlich auch im Xenon des Kral gegeben hat. Vielleicht also schon in dieser Zeit, dann aber mit Sicherheit während seines Aufenthaltes an der Universität Pisa nähert er sich der Medizin so weit, daß er später in seiner Lehrtätigkeit und in seinen Schriften medizinische Probleme zumindest am Rande behandeln kann, was ihn zu einer "Philosophie-Medizin" (BirchArgKral 439) befähigt, in deren Mittelpunkt theologisch-philosophische, zumindest am Rande aber auch medizinische Probleme standen und die so interessant war, daß sich Mediziner aller Altersstufen und mit unterschiedlichem Grad medizinischen Könnens und Wissens für sie interessierten. In ähnlicher Weise waren vermutlich auch die höheren Bildungseinrichtungen in Thessalonike zu Beginn des 15. Jh., die gelegentlich als juristische Hochschulen bezeichnet werden, in der Realität nichts anderes als höhere Bildungseinrichtungen entsprechend dem traditionellen byzantinischen Bildungskanon mit einem gewissen juristischen Einschlag, während juristisches Fachwissen im wesentlichen autodidaktisch und in der juristischen Fachpraxis erworben wurde. 232 Pyrop 127ff.; vgl. MatschKaufl79. 233 Pyrop 127; vgl. PLP 192. 234 Vgl. weiter oben.
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M6axou identisch ist, der zur gleichen Schülergruppe gehört,235 läßt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen. Sollte sich die Identität nicht bestätigen, dann hätten ähnlich wie im Fall Pyropulos sehr wahrscheinlich mehrere Mitglieder der Familie Moschos gleichzeitig am Museion studiert, denn der Schulaufenthalt von Johannes Moschos wird auch durch eine andere Quelle bezeugt. 236 Wichtig ist dieser Schulbesuch in dem hier behandelten Zusammenhang deshalb, weil Johannes Moschos während seiner Ausbildungszeit in direktem Kontakt zur Familie Notaras und zum Familienoberhaupt Lukas Notaras gestanden haben muß, was ihn dazu autorisierte und in die Lage versetzte, später eine Gedächtnisrede für den toten Megas Dux und Mesazon zu schreiben, die von einer genauen Kenntnis der Lebensumstände dieses vielleicht wichtigsten Vertreters des spätbyzantinischen Unternehmertums zeugt und seine vielfältigen Aktivitäten, auch die wirtschaftlichen, in einem eindeutig positiven Licht zeigt. 237 Von noch größerer Bedeutung könnte der Umstand sein, daß auch die beiden wichtigsten Lehrer des Museion diesem aristokratischen Unternehmertum entstammen oder ihm zumindest nahestehen, und zwar sozial und mental. Von J ohannes Arw.ropulos ist mit letzter Sicherheit noch nicht einmal der Vater bekannt. 2 Kaum ein Zweifel kann aber daran bestehen, daß er in die gut bekannte und breit gefächerte Unternehmerfamilie Argyropulos des frühen 15. Jh. einzuordnen ist, daß er zumindest verwandtschaftliche Beziehungen zu den unternehmerisch tätigen Zweigen der Familie hatte. m Bemerkenswert ist eine Trostrede an Kaiser Konstantin XL, die Johannes Argyropulos aus Anlaß des Ablebens der Kaiserinmutter Helene im Jahre 1450, also während seiner Lehrtätigkeit am Museion, schrieb. Angesichts der prekären Lage, in der sich Hauptstadt und Restreich befinden, mahnt der Schreiber den Herrscher, seinem Schmerz über den persönlichen Verlust nicht zuviel Raum zu geben und die eigenen und die Kräfte seiner Untertanen ganz auf die Abwehr der Türken zu konzentrieren. Gleichgültig ist aus seiner Sicht, ob der Ort des Kampfes die Münzstätte, der Literaten- und Gelehrtenzirkel oder das Schiff(sdeck) ist. Der eine ist angesehen, wenn er Geld hat, der andere, wenn ihm Lorbeer gewunden wird, und der dritte, wenn er über einen sicheren Hafen verfügt.2~O Geld, Geist und Kraft bzw. Macht müssen also 235 Pyrop 127. 236 LetAp 128f., 132; vgl. PLP 19396. 237 Ediert von E. Legrand, 'Iooavvou 'toii Mooxou "oyoC; bma<j>LOC; btL 'tq'l AOUKq. Nompq., DIEE 2, 1885,413-424. Vgl. A. Bakalopulos, Die Frage der Glaubwürdigkeit der Leichenrede auf L. Notaras von}. Moschos, BZ 52,1959,14. 238 Vgl. PLP 1267, 1270. 239 Vgl. CanivOik 16 H. mit weiterführender Literatur. 240 Argyr 59. In der Nachfolge des Aristote1es findet A. für sich und seine Generation auch eine neuartige Lösung für das Verhältnis von ßLoC; SEOOQTj'tL'KOC; und ßLoC; :rtQU'K'tL-
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nach seiner Überzeugung zusammenrücken und zusammenwirken, um der Gefahr wirkungsvoll begegnen zu können. Zunächst einmal ist das ein Ruf zu patriotischer Einheit in einem kritischen Augenblick, wie er in ähnlichen Situationen auch schon zu anderen Zeiten zu hören gewesen ist. 241 Ganz unüblich und ungewohnt sind aber die Adressaten, an die der Ruf gerichtet wird, bzw. die Sozialtypen, die die beschworene Einheit symbolisieren. Nicht Landwirtschaft und Grundbesitz können einen Staat retten, der praktisch nur noch aus einer Stadt besteht und von seinem agrarischen Hinterland schon völlig abgeschnitten ist, sondern wenn überhaupt, dann allenfalls der Druckstempel des Münzmeisters, der alles verfügbare Edelmetall zusammenkratzt, ausmünzt und für den Krieg einsetzt. Erinnert sei daran, daß das Münzrecht in der Endzeit wahrscheinlich verpachtet wurde und auf diese Weise in die Hände privater Unternehmer gelangte. 242 Verwiesen sei auch darauf, daß der letzte byzantinische Kaiser angesichts der katastrophalen finanziellen Situation und der Sammlung türkischer Heere zum Angriff auf die Hauptstadt die Anweisung gab, auch den Kirchenschmuck einzuziehen und der Münze zuzuführen. 243 Verflüchtigt hat sich auch die Kraft und die Macht byzantinischer Heere, und was bleibt, ist nur noch der Zusammenhalt des Reiches per Schiff und über See und der Besitz einiger sicherer Häfen. Schon der Megas Dux Alexios Apokaukos hatte Mitte des 14. Jh. beim ersten Ansturm der Türken auf die Kernprovinzen des Reiches den Versuch gemacht, das Reich der Rhomäer auf das Meer zu verlagern. 244 In der Zwischenzeit war aus der grundbesitzenden Aristokratie immer mehr ein Unternehmertum geworden, das sich am Reichsende vielleicht schon besser auf Schiffahrt und Seekrieg als auf Landverteidigung verstand. Für das Selbstbewußtsein des Autors spricht schließlich, daß er auch den Intellektuellen einen wichtigen Platz im Kampf ums Überleben einräumt, ihren Zusammen-
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x6~, mit dem sich noch die byzantinischen Intellektuellen des 14. Jh. sehr schwer getan hatten, indem er die praktische Seite des Lebens, und das ist für ihn Ethik, Ökonomie und Politik, aufwertet und als eine Form der Erlangung von Glückseligkeit gleichberechtigt neben vita contemplativa und eine Verbindung von beiden Lebensformen stellt, K. Müller, Reden und Briefe italienischer Humanisten, Wien 1899, 13, 44; vgl. L.M. Bragina, Social'no-eticeskie vzgljady ital'janskich gumanistov (vtoraja polovina XV. v.), Moskau 1983, 184, 188. Vgl. Kant III, 38ff. und andere Vergleichsbelege. Vgl. MatschMünz. Sphr 400. Leonard von Chios, Epistola ad Papam Nicolaum V., PG 159, 325; N. Barbaro, Giornale dell'assedio di Costantinopoli, ed. E. Cornet, Wien 1856, 77; vgl. R. J. Jones, Literary Evidence for the Coinage of Constantine XI, The Nurnismatic Circular 75/4, 1967. P. J. Donald, A Late Palaeologan Irregularity, The Numismatic Circular 94/9, 1986, 294. M. Hendy, Studies in the Byzantine Monetary Economy c. 300-1450, Cambridge 1985. Vgl. MatschFlott 197f.
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künften und Wortmeldungen, die von der Masse eher gering geschätzt werden, denen er dagegen mobilisierende Wirkung durchaus zuzutrauen scheint. Die Partner der Intelligenz, als deren Vertreter der Lehrer des Museions sich selbst sieht, sind jedenfalls ganz andere geworden, sie werden an ganz anderen Orten und unter ganz anderen Personengruppen gesucht als in früherer Zeit. Es ist ein anderes Weltbild, das hier sichtbar wird, mit anderen Koordinaten als den bisher üblichen. Und ganz Ähnliches und sogar noch Weitergehendes ist von dem Humanisten und Schriftsteller Michael Apostoles zu hören, der 1452 in der Nachfolge des Johannes Argyropulos eine Lehrtätigkeit am Katholikon Museion aufnimmt und seinen Lehrer mit einer Grußadresse verabschiedet, in der er seiner Überzeugung Ausdruck verleiht, daß nicht nur die Herrschenden und ihre Kinder, sondern auch die Marktleute und Handwerker der Weisheit des Lehrers, dem schulischen Wissen zugänglich sind und (sogar) Kaiserreden, Reden an den Kaiser, aufnehmen können, wenn sie das Gefühl für das Schöne und das Bewußtsein des Guten besitzen. 24s Nach dem Fall der byzantinischen Hauptstadt gelingt es Apostoles, sich auf der venezianischen Insel Kreta zu etablieren, er sammelt Handschriften für den Kardinal Bessarion und führt eine breitgefächerte Korrespondenz mit der intellektuellen Diaspora in der Romania und in Italien. 24 Als sich im Jahre 1467 einer seiner Schüler nach Beirut begibt, um in der levantinischen Hafenstadt eine kaufmännische Tätigkeit aufzunehmen, bedauert Apostoles zwar lebhaft die Trennung von dem jungen Mann und erinnert sich voller Wehmut an die schöne Zeit gemeinsamer Beschäftigung mit Mathematik und Geodäsie, aber er heißt den Schritt seines Schülers trotzdem ausdrücklich gut, weil Handelstätigkeit mit Glück und Reichtum verbunden ist. w Man wird erinnert an den Kampf des Kydones um seinen Schüler Rhadenos, an seine hundert Jahre früher geschriebenen Briefe, in denen Handelstätigkeit als Quelle des Reichtums zwar nicht in Abrede gestellt wird, menschliches Glück und ein erfülltes Leben aber an ganz anderer Stelle gesucht wird. Einzuwenden wäre gegen diesen Vergleich vielleicht, daß sich K ydones seinem Schüler sehr viel enger verbunden fühlte als Apostoles, daß er in dem Bemühen um ihn sogar wider besseres Wissen handelte und argumentierte, unbestreitbar ist jedenfalls, daß der Mesazon Kydones seinerzeit der Welt des Handels und des Unternehmertums noch sehr fernstand,248 während diese Distanz zwischen dem Lebensraum des byzantinischen Intellektuellen und dem Hand245 Argyr 230. 246 Vgl. M. Panagiotakis, The Italian Background of Early Cretan Literature, DDP 49, 1995, 295f. 247 LetAp 48, 97,130. 248 Vgl. MatschStadt 284.
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lungsbereich der byzantinischen Wirtschaft kurz vor dem Reichsuntergang in bemerkenswerter Weise abgebaut, wenn auch natürlich nicht völlig beseitigt ist und sein kann. 249 Diese Annäherung zeigt sich auf verschiedenen Ebenen und in mehrfacher Art und Weise. Sie zeigt sich in einer zunehmenden Mobilität der Intellektuellen, die unternehmerischer Beweglichkeit kaum nachsteht. Byzantinische Gelehrte und Lehrer pendeln schon vor dem Fall von Byzanz zwischen byzantinischer Hauptstadt, byzantinischen Provinzzentren, den Vororten der venezianischen und genuesischen Kolonien in der Romania und verschiedenen Metropolen der westlichen Weh hin und her,250 und nach 1453 im westlichen Exil und vielleicht auch schon vorher in der byzantinischen Heimat machen einige von ihnen sogar den Versuch, mit Hilfe des Kommerz und des Geldgeschäfts die eigene wirtschaftliche Basis zu erweitern. 251 Neue Einsichten und Haltungen, wie sie bei Argyropulos, Apostoles und anderen intellektuellen Zeitgenossen zum Vorschein und zum Tragen kommen, können auch das Ergebnis dieser Mobilität und der Autopsie nicht nur byzantinischer, sondern auch westlicher Lebenswelten gewesen sein. Einen Zusammenhang zu den gesellschaftlichen Veränderungen im sterbenden Byzanz schließt das aber nicht aus. Im Gegensatz zu den Mesoi der frühen Palaiologenzeit bestand zwischen dem aristokratischen Unternehmertum und den Intellektuellen unter den letzten Palaiologen keine grundsätzliche Bildungsdifferenz, und das wirkte sicherlich auch in Richtung auf einen Abbau mentaler Divergenzen. Dadurch wurde es der Bildungsschicht wohl überhaupt erst möglich, die Interessen wirtschaftlicher Akteure zur Kenntnis zu nehmen und sogar in gewisser Weise und in einem gewissen 249 Noch der Halosis-Historiker Dukas hält an der Hochschätzung vornehmer Geburt und Lebensweise fest, er wendet sich aber gleichzeitig gegen verschiedene Erscheinungsformen eines aristokratischen Snobismus, registriert viele Dinge des alltäglichen Lebens, zeigt ein ausgeprägtes Interesse speziell für Handel und Handwerk und verfügt über enge Beziehungen zur (lateinischen und nicht nur lateinischen) Geschäftswelt, vgl. S. K. Krasavina, Mirovozzrenie i social'no-politiceskie vzgljady vizantijskogo istorika Duki, W 34, 1973, 97ff. 250 Vgl. die curricula vitae des Philosophen Johannes Argyropulos, des Theologen Joseph Bryennios, des Historikers Dukas, um nur einige dieser mobilen spätbyzantinischen Intellektuellen zu nennen. 251 Vgl. die unglücklichen Finanzspekulationen des Georgios von Trapezunt und seiner Söhne in Neapel, analysiert von L. Labowsky, An Unknown Treatise by Theodorus Gaza, Medieval and Renaissance Studies 6, 1968, 188ff. Vgl. die wesentlich erfolgreicheren Handelsgeschäfte der Familie Spantunes/Spandugnino, zu der Theodoros S., der Autor eines im lateinischen Westen vielbeachteten Buches über den Aufstieg der Türken gehört, MatschNotFam 71, Anm. 75. Die neue englische Übersetzung und Kommentierung dieses Buches von D.M. Nicol, Theodore Spantounes: On the Origin of the Ottoman Emperors, Cambridge 1997, nimmt zu diesen Problemen ausführlich Stellung.
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Grade auf sie einzugehen. Der Pragmatismus des aristokratischen Unternehmertums wurde konterkariert durch einen Pragmatismus der Intellektuellen, der sich in vielem von dem der Gesellschaftspraktiker unterschied, sich an manchen Stellen aber doch mit ihm traf, ihn imitierte und kopierte. Der Bildungshorizont dieses Unternehmertums und seine Nähe zu den Bildungsschichten zeigt sich auch im verbreiteten Besitz von Handschriften. Die aristokratischen Interessenten am aufgeschriebenen Wort stammen sowohl aus den byzantinischen Restterritorien als auch aus den lateinischen Herrschaftsgebieten der Romania,252 ihre intellektuellen Interessen pelten sowohl theologischen Werken als auch Texten profanen Inhalts. 25 Ob spätbyzantinische Aristokraten als Einzelunternehmer oder sogar en compagnie als Auftraggeber für Kopisten, Illuminatoren und andere Vertreter der Bildungsschichten, des Kunsthandwerks und des Mönchtums auftreten, ist dagegen sehr viel schwerer auszumachen. 254 Bestellungen von Handschriften in nennenswertem Umfang und auf ganz gezielte Weise sind erst bei Anna Notaras und von ihrem "Hof" in Venedig zu beobachten. 255 Nachzuweisen sind auch einzelne aristokratische Unternehmer als Verkäufer von Handschriften. 256 Aber ein professioneller Handel mit Handschriften, vielleicht sogar en gros, in Verbindung mit speziellen Skriptorien und durch das "Verlegen" verschiedener Kopisten ist nicht sehr wahrscheinlich, zumindest gibt es dafür keine stichhaltigen Beweise. 257 Was Anna Notaras und ihre Bemühungen um Handschriften 252 253 254 255 256
Vgl. SchreinFin 424ff. A. O. 439ff. Zu beobachten ist das erst beim Buchdruck, vg!. MatschNotFarn 810. V gl. SchreinFin 119ff. Im Jahre 1423 ist ein Dukas Prasomales Verkäufer des Cod. Pari sinus Supp!. Graec. 1202 an Johannes Eugenikos, KugNot 160, Anm. 4. Zu einem unbekannten Zeitpunkt im 14. Jh. kauft der Priester Demetrios Panaretos vom Bediensteten bzw. Angestellten (ö'v8pontov) eines Rhal(l)es/Rhaul auf dem Markt einen Codex aus dem 11. Jh., PapHier 2, 15. Im Jahre 1401 kauft ein Mönch aus der Familie Meizomates auf der Insel Lemnos einen Text des Maximos Homologetes, den ein alter Kaufmann aus Konstantinopel mitgebracht und dem Käufer angeboten hat, J. A. M. Sonderkamp, Zur Textgeschichte des ,Maximos'-Florilegs. Eine bisher unbeachtete Handschrift in Hannover, JÖß 26, 1977, 243f. Das ist die Zeit der ersten großen Belagerung der byzantinischen Hauptstadt und vielleicht wurden in dieser Zeit nicht nur Reliquien und Ikonen, sondern auch Bücher aus der Stadt weggeschafft und mit Gewinn verkauft, durch auswärtige und durch einheimische Kaufleute. 257 Einen Unternehmertyp wie den Diplomaten und Sprachlehrer Giovanni Aurispa, der von einer Reise nach Konstantinopel 238 Bände griechischer Klassiker mitbrachte, die er, wie Handschriftenfunde auch aus anderen Ländern, zu einem großen Teil gewinnbringend verkaufte, vg!. SabbEntd 355f., und wie den cartolaio Vespasiano da Bisticci, der in Florenz einen Buchladen betrieb, der Handschriften im großen Stil und von verschiedener Herkunft kaufte und verkaufte und der eine große Zahl von Schreibern
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und Schreiber betrifft, so verfolgt sie damit wohl eher ein kulturelles als ein kommerzielles Anliegen: Es geht ihr um die Bewahrung des literarischen Erbes von Byzanz und nicht so sehr um persönlichen Gewinn. 258 Handschriften werden aber nicht nur bestellt, verkauft, verschenkt und gelesen, sie dienen auch noch einem weiteren und ganz praktischen Zweck, denn wie P. Schreiner mit seiner jüngsten Quellenveröffentlichung und -auswertung gezeigt hat, benutzen in den letzten hundert Jahren des Byzantinischen Reiches nicht wenige Handschriftenbesitzer und unter ihnen ganz zweifellos besonders Mitglieder aristokratischer Unternehmerfamilien die von ihnen geerbten, gekauften oder auf andere Weise erworbenen Codices dazu, an unbeschriebenen Stellen, auf einzelnen freien Seiten, am Rand von Texten oder in Lücken zwischen den Texten persönliche Notizen meist wirtschaftlichen Inhalts unterzubringen. 259 Das ist sicherlich nicht so sehr ein Hinweis auf Mangel an geeigneten Beschreibstoffen und auf das Unvermögen, sie zu bezahlen, sondern eher wohl ein weiteres Indiz für den bereits beschriebenen Pragmatismus dieser neu-alten Wirtschafts kräfte: Die Notizenschreiber waren in der Regel keine armen Leute, aber sie sahen in den freien Stellen ihrer Codices einfach eine unnötige Raum- und Materialverschwendung und dazu eine geeignete Möglichkeit, konkrete Details ihrer Geschäftstätigkeit und Wirtschaftslage vor nichtbefugten AU9,en zu bewahren und ihnen schadenbringendes Wissen vorzuenthalten. 60 Das heißt nicht, daß es im späten Byzanz keine speziellen Kontenbücher gegeben hätte und daß das (aristokratische) Unternehmertum sich der Nutzung neuer Geschäftstechniken (bewußt) verschlossen hätte, sichtbar wird vielmehr auch an diesem konkreten Verhaltensdetail die spezielle Herkunft des spätbyzantinischen Unternehmertums aus gesellschaftlichen Schichten mit ausgeprägter Bildungstradition und zugleich die pragmatische Hinwendung dieser Schichten zu einem für sie neuartigen Wirtschaftsalltag, ausgedrückt und dokumentiert in der Ausbildung einer neuen Art von Gebrauchstexten und eben auch in der Auffindung neuer Möglichkeiten der Nutzung des Buches als Gebrauchsob. k t. 261 Je Es stellt sich natürlich die Frage, ob der Pragmatismus dieser neuen Wirtschaftselite auch in die Politik hineinreicht, inwieweit auch die öf-
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zum Kopieren der Handschriften beschäftigte, vgl. 1. Origo, Der Heilige der Toskana, Leben und Zeit des Bernardino von Siena, München 1989, 154, hat es in Byzanz mit Sicherheit nicht gegeben. Hier dominiert zumindest im 14. Jh. noch eindeutig der Büchertausch gegenüber dem Bücherhandel, vgl. etwa A. Karpozelos, Books and Bookmen in the 14th C. The Epistolographical Evidence, JÖB 41, 1991, 255ff. Vgl. SchreinFin 107, Anm. 48; MatschKaufl85. SchreinFin 435ff. Vgl. a. O. 436. A. O. 437ff.
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fentliche Meinung des späten Byzanz von den Anschauungen und Verhaltensweisen dieses aristokratischen Unternehmertums beeinflußt worden ist. Ich habe schon vor einiger Zeit den über den engen Kreis der Byzantinisten hinaus bekannten, wenn auch nicht unbedingt authentischen Ausspruch des letzten byzantinischen Chefministers und Flottenchefs, Lukas Notaras, er wolle lieber den Turban als die Tiara, dahingehend zu interpretieren versucht, daß es ihm eigentlich darum ging, von beidem etwas, aber von keinem zu viel zu bekommen.262 Diese Aussage ist trotz scheinbarer Gegensätzlichkeit gar nicht so weit von dem Rat entfernt, den der alte Kaiser Manuel 11. seinem Sohn und Nachfolger Johannes VIII. gab und der darauf hinauslief, dem Westen gegenüber immer wieder das i.Jyzantinische Interesse an einer Kirchenunion zu bekunden, sich vor einem praktischen Vollzug dieser Union aber auf jeden Fall zu hüten, da sie zwangsläufig die Türken auf den Plan rufe und damit den politischen status quo zunichte mache. 263 Mit diesem Zustand des Gleichgewichtes zwischen westlichen und östlichen Mächten in der Romania, großen und weniger großen, konnten augenscheinlich nicht nur die aktiven Wirtschaftskräfte des späten Byzanz ganz gut leben, auf ihn hatte sich vermutlich sogar die politische Führungsspitze des Reiches eingestellt, wenn auch nur widerwillig und nicht ohne bei Gelegenheit selbst vorsichtige Korrekturen zu versuchen. 2M Und vielleicht erklärt sich die mangelhafte Nutzung der türkischen Niederlage bei Ankara durch die byzantinische Politik nach 1402 nicht nur durch die völlige Erschöpfung der byzantinischen Ressourcen, sondern auch damit, daß man sich von seiten der Byzantiner mit einem türkischen Staat auf dem Balkan bereits abgefunden hatte und ihm nur die Möglichkeit nehmen wollte, das byzantinische Restreich gänzlich zu vernichten. Eine byzantinische Herrschaft, wie sie der Megas Dux Alexios Apokaukos in der Mitte des 14. Jh. angesichts eines eklatanten Machtverfalls und großer territorialer Verluste schon einmal angedacht hatte, bestehend aus einigen großen Städten und verschiedenen Inseln und verbunden vor allem über das Meer, durch Schiffahrt und Flotte, eine so geartete Herrschaft konnte das spätbyzantinische Unternehmertum sicherlich nicht schrecken, sie öffnete ihm sogar manche Handlungsspielräume, die ihm anders verschlossen geblieben wären. Auf 262 Vgl. MatschAnk 196. Dieser Ausspruch ist jetzt nach ReinTurban 377ff. dahingehend zu korrigieren, daß die von Notaras gemeinte Alternative zum türkischen Turban nicht in der lateinischen Tiara, sondern in der lateinischen Kaiserkrone bestand. Auch mit dem von Reinsch gezeichneten Bild des Pragmatikers Notaras bin ich sehr einverstanden. 263 Vgl. MatschAnk. 264 Ich gehe auf diese Probleme in einem Aufsatz über Italiener, Griechen und Türken im Umfeld des Kreuzzuges von 1444 ein, der in der Zeitschrift Il Mar Nero III, 1997/98, 159-177, erschienen ist.
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der byzantinischen Politik lastete zwar weiterhin die große imperiale Tradition vieler toter Geschlechter, aber auch die spätbyzantinischen Kaiser scheinen nicht gänzlich von einem Zeittrend ausgelassen und verschont geblieben zu sein, der westliche Kaiser, wie Karl IV. und Sigismund zeitgleich und sogar schon etwas früher nicht mehr so sehr als hohe Herren und prächtige Ritter, sondern eher als rechnende und berechnende Kaufleute erscheinen ließ. 265 Wenn diese wirtschaftlichen Trends und politischen Tendenzen nicht deutlicher zum Ausdruck kamen und nicht größere Wirkung erzielen konnten, dann liegt das sicherlich vor allem am äußeren Kontext, begrenzt und abgeschwächt werden sie aber sicherlich auch darin, daß die neuen Kräfte in den byzantinischen Restterritorien numerisch kaum ins Gewicht fielen und auch nicht wirklich gebündelt werden konnten. Der innere Zusammenhalt des aristokratischen Unternehmertums der byzantinischen Spätzeit war nur schwach ausgebildet. Aristokratische Kaufund Geldleute orientierten sich auf individuelle Möglichkeiten zur Anhäufung von Reichtum, zur Ausweitung von Einfluß und zur Erhöhung von Prestige. Soweit bisher zu sehen ist, gibt es keine politische Entscheidung des letzten byzantinischen Jahrzehnte, die auf den gemeinsamen Einsatz unternehmerischer Kräfte zurückgeführt werden könnte, keine politische Forderung, die sie gemeinsam artikuliert hätten, keine gesellschaftliche Institution, die durch ihre gemeinsame Initiative entstanden wäre. In der Sichtbarmachung ihrer Gruppenexistenz und ihres Gruppenwollens bleibt dieses aristokratische Unternehmertum der byzantinischen Endphase also noch hinter den Mesoi der frühen Palaiologenzeit zurück. Die aristokratischen Unternehmer existieren allenfalls als Kleingruppen innerhalb der spätbyzantinischen herrschenden und politischen Klasse, eine eigene Großgruppe wollten sie aber nicht und konnten sie wohl auch nicht mehr entwickeln. Hier zeigt sich das eigentliche Dilemma dieser Gruppe und in ihr das der ganzen spätbyzantinischen Gesellschaft. Im lateinischen Westen war ein Teil des Adels mit den aufsteigenden Mittelschichten zusammengewachsen und hatte sich erst dadurch aus dem traditionellen aristokratischen Kontext gelöst. In Byzanz fehlt die Gravitationswirkung dieser gesellschaftlichen Mitte, deren Versuch einer sozialen Profilierung nach 1350 zunehmend gebremst wurde. Dadurch hängt das aristokratische Unternehmertum in der Luft, in einer Luft, die noch dazu immer dünner wird und ein freies Durchatmen autochthoner Wirtschaftskräfte immer weniger zuläßt.
265 Vgl. E. MülJer-Mertens, Kaiser Karl IV. 1346-1378. Herausforderung zur Wertung einer geschichtlichen Persönlichkeit, ZfG 4, 1979, 340ff.
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4.6. Ausblick: Aristokratisches Unternehmertum und das Ende von Byzanz Das aristokratische Unternehmertum der späten Palaiologenzeit war das ganz eigenartige Gewächs einer gesellschaftlichen Endzeit, orientiert auf aristokratisches Weiterleben unter Umständen, durch die die traditionellen Grundlagen aristokratischer Existenz zunehmend in Frage gestellt wurden. Indem sich die spätbyzantinische Aristokratie dieser Herausforderung stellte, sicherte sie sich einen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Raum, der zwar nicht unbedingt alle Verluste kompensierte, in dem es sich für sie aber durchaus leben ließ und an dem sie auch durchaus einen gewissen Gefallen gefunden zu haben scheint, zumindest so viel, daß sie sich um den Fortbestand dieses schmalen Freiraumes bemühte, seine vorsichtige Erweiterung betrieb. Zu einem wirklichen Gegengewicht gegen den byzantinischen Niedergang wurde dieses Unternehmertum jedoch nicht, und je näher der byzantinische Untergang heranrückte, umso deutlicher zeigte sich, daß es nicht nur in der lateinischen Romania, sondern auch in einem türkischen Rumelien Platz hatte. Die ersten Anknüpfungen zur orientalisch geprägten Wirtschaftswelt der osmanischen Türken erfolgten schon in der Entstehungsphase dieses Unternehmertums,266 und seit der Wende zum 15. Jh. gibt es nicht wenige aristokratische Kaufund Geldleute, die in wirtschaftliche und gesellschaftliche Beziehungen sowohl zu Lateinern als auch zu Türken eintreten und auf venezianischen bzw. genuesischen Kolonialterritorien und auf Märkten osmanischer Städte und Dörfer gleichzeitig Geschäfte machten. 267 Der Gegensatz zwischen latinophilen und turkophilen Positionen wurde damit wenigstens in diesem Sektor der spätbyzantinischen Gesellschaft relativiert und ersetzt durch eine pragmatische Haltung, die es mit beiden Seiten konnte und wollte, solange keine dieser Seiten zu dominant wurde. Und selbst als dieses labile Gleichgewicht spätestens mit dem Fall von Konstantinopel endgültig zerbrach, ging das aristokratische Unternehmertum nicht vollständig zugrunde. Nicht wenige aristokratische Unternehmerfamilien waren zu diesem Zeitpunkt bereits mehr oder weniger vollständig in die neue orientalisch geprägte und osmanisch dominierte Welt diesseits und jenseits der Meerengen hineingewachsen,268 und sogar ein Mann wie Lukas Notaras, der nicht für Turkophilie, sondern viel eher für eine Balance zwischen Lateinern und Osmanen stand, hätte mit seiner Familie viel266 Vgl. H. Inalcik, An Economic and Social History of the Ottoman Empire, Bd. I: 1300-1600, Cambridge 1994, 209ff.; N. Necipoglu, Ottoman Merchants in Constantinople During the First Half of the Fifteenth Century, BMGS 16, 1992, 158ff. 267 Vgl. MatschKaufl. 268 Vgl. MatschMerch.
Aristokratisches Unternehmertum und das Ende von Byzanz
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leicht noch in letzter Minute die Kurve zu dem neuen Herrn am Bosporus bekommen, wenn er nicht ein Opfer rivalisierender osmanischer Interessengruppen um den Eroberersultan geworden wäre. 269 Auch nach 1453 konnten einige dieser Unternehmerfamilien an ihrer gleichzeitigen Bindung an lateinische und türkische Wirtschafts- und Gesellschaftskreise festhalten und von alten oder neuen familiären Stützpunkten auf osmanischen und/oder lateinischen Territorien aus Ost-West-Geschäfte machen,270 während andere, unter ihnen wohl auch die Nachfahren des Lukas Notaras, bei diesem Vorhaben mehr oder weniger deutlich scheiterten bzw. gar nicht erst den Versuch dazu machten. 271 Dabei war die Verbindung zum Westen für das byzantinisch/ griechische Unternehmertum unter osmanischer Herrschaft gar nicht einmal unbedingt notwendig zum Leben und Überleben. Die von den Türken erneuerte politische Einheit von Kleinasien und Südosteuropa, Anatolien und Rumelien, Ägäis- und Schwarzrneerraum schuf einen neuen Handlungsspielraum, der auch für sich allein genommen groß genug war, um Geschäfte in jeder beliebigen Größenordnung zu realisieren, und sie bot mit Bergbau, Zoll-, Steuer- und Pfründenpacht auch viele attraktive Anknüpfungspunkte für unternehmerische Tätigkeiten. Tatsächlich finden sich in osmanischen Dokumenten, die die Modalitäten solcher Pachten bestimmen, die Namen vieler illustrer Familien des spätbyzantinischen aristokratischen Unternehmertums wieder,m auch wenn die konkreten Wege, die von ihnen gegangen wurden bzw. werden mußten, um den Anschluß an die neue Wirtschaftswelt zu finden, bisher kaum nachgezeichnet werden können. Sehr viel genauer wissen wir inzwischen, daß das von den Osmanen geduldete und instrumentalisierte orthodoxe Patriarchat von Konstantinopel nicht nur zu einem Hort des christlichen Glaubens unter der Türkenherrschaft, sondern auch zu einem festen Halt für das griechische Unternehmertum unter dieser Herrschaft wurde, nicht zuletzt deshalb, weil die dem Patriarchen von den osmanischen Herrschern zugewiesene Aufgabe selbst eine bedeutende wirtschaftliche 269 Vgl. MatschNotFam. 270 Als Beispiel könnte die Familie Spantunes dienen, die bis in das frühe 16. Jh. lukrative Getreidegeschäfte zwischen dem Osmanenreich und Italien getätigt hat, vgl. weiter oben Anm. 251. 271 Leider sind die Geschäfte seines Sohnes Jakob bisher nur undeutlich auszumachen. Er erhält 1468 von den Genuesen ein ~eitreichendes Patent, das sich auch auf die genuesischen Kolonialterritorien in der Agäis und im Schwarzmeerraum bezieht, aber es ist unbekannt, ob und wie er davon Gebrauch gemacht hat, ob er nach seiner Flucht in den Westen jemals wieder romaniotischen Boden betreten hat oder mit anderen kooperierte, die das taten. 272 Dazu zuletzt H. Inalcik, Greeks in the Ottoman Economy and Finances 1453-1500, in: Tb 'EAATlVLKOV, Studies in Honor of Speros Vryonis Jr., Bd. 2, New RocheIIe-New York 1993, 307ff.
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Spuren eines aristokratischen Unternehmertums
Dimension hatte und Ansatzpunkte für attraktive private Geschäfte bot, vordergründig aber auch, weil das Patriarchat eine nicht zu unterschätzende Formstütze darstellte, um die sich dieses Unternehmertum sammeln und an den tradierten religiösen und kulturellen Werten festhalten und die eigene Identität auf diese Weise bewahren konnte. 27J Ob und inwieweit von diesem postbyzantinischen Unternehmertum direkte Wege zum griechischen Phanariotentum des 17./18. Jh. führen, ist eine interessante Forschungsaufgabe für die Zukunft, die aber noch weiter vom byzantinischen Jahrtausend weg und in die Turkokratie hinein führt. Sicher gesagt werden kann auf jeden Fall, daß sich durch dieses Unternehmertum ein Stück Kontinuität über den Bruch von 1453 hinweg realisiert, daß dieses Unternehmertum also nicht nur für die Geschichte des späten Byzanz, sondern auch noch für die der frühen Türkenzeit Bedeutung hat und dadurch zu einem Studienobjekt wird, das der Byzantinist nicht für sich allein hat, sondern mit anderen teilen muß, was für den Studien ge. kanno 274 genstand nur von N utzen sem
273 Dazu jetzt besonders E.A. Zachariadou, ßeKa tOUpKLKa eyypaa YLa tTJv MEyaA,1] EKKA,1]oia (1483-1567), Athen 1995. 274 Dazu K.-P. Matschke, Forschungsprobleme des Übergangs in die Turkokratie aus byzantinistischer Sicht, soll in einem von S. Faroqhi mitherausgegebenen Sammelband erscheinen.
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5. Die Gruppe der literarisch Gebildeten in der spätbyzantinischen Gesellschaft 5.1. Definition und Differenzierung 5.1.1. Einleitung Im nun folgenden Kapitel dieser Analyse der spätbyzantinischen Gesellschaft wird der Versuch unternommen, die Gesamtheit der literarisch Gebildeten bzw. Literaten als gesellschaftliche Gruppe zu erfassen. Da es dieser Gruppe vorbehalten blieb, sich schriftlich zu artikulieren, und sich aus ihr auch die politische Führung des Staates rekrutierte, scheint es sinnvoll, ihr innerhalb dieser Gesamtpublikation ein besonderes Kapitel zu widmen.· Am Anfang steht eine Definition des spätbyzantinischen Literaten (5.1.2) und ein Überblick über die Differenzierung der Literatengruppe nach den Hauptströmungen des Geisteslebens der Epoche (5.1.3). Sodann werden die Literaten bzw. Gebildeten als gesellschaftliche Gruppe sowohl nach außen, in ihrer Beziehung zu anderen gesellschaftlichen Gruppen und Schichten, wie auch nach innen, in ihren wechselseitigen Beziehungen, vorgestellt (5.2). Wesentliches Fundament dieser Analyse ist eine numerisch beschränkte Teilgruppe von 174 namentlich bekannten Personen, die aufgrund ihrer überlieferten literarischen Produktion in besonderem Maß als Angehörige der Gruppe ausgewiesen sind und somit repräsentative Bedeutung haben. Diese (meist männlichen) Personen werden in einer alphabetischen Liste am Schluß des Kapitels (5.8) aufgrund ihrer Lebensdaten, soweit sie bekannt sind, nach den Kategorien der Herkunft und vor allem der erreichten sozialen Stellung in ihrer Zuordnung "nach außen" untersucht und verschiedenen Berufsgruppen und Gesellschaftsschichten zugeordnet. Gemäß den Angaben dieser Liste wird eine prozentuale Verteilung der Zuordnung berechnet (5.2.1). Vornehmlich die in der Liste aufgeführten Literaten werden nun unter dem Aspekt ihrer Gruppenmerkmale, ihrer wechselseitigen Beziehungen und "Vernetzungen" (5.2.2) und ihrer Abgrenzungstendenzen nach außen (5.2.3) wie auch nach innen (5.2.4) als Gruppe sui generis vorgestellt. Querverweise in den Anmerkungen dieses Kapitels beziehen sich auf vorliegendes Kap. 5, wenn nichts anderes angegeben ist.
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Die Gruppe der literarisch Gebildeten
Ein wichtiger Sonderaspekt sozialer Vernetzung der Literaten ist ihre Einordnung in die Weitergabe des Bildungsgutes. Diesem Thema sind die Abschnitte 5.3 und 5.4 gewidmet. In 5.3 werden als konstitutive Faktoren der Gruppe das spätbyzantinische Bildungswesen (5.3.1-3) und die Lehrer-Schüler-Beziehungen (5.3.4-6) untersucht, in 5.4 die Gravitationszentren des Bildungswesens (in Konstantinopel und an andere~. Orten) vorgestellt. Der im betrachteten Zeitraum zunehmenden Offnung des byzantinischen Geisteslebens für die abendländische Kultur, die allerdings auf Teilgruppen beschränkt bleibt, ist ein besonderer Abschnitt vorbehalten (5.5). Die äußerst schwierige Frage, wie die Literaten im einzelnen ihre gesellschaftliche Umwelt wahrnahmen, kann hier nicht umfassend beantwortet werden. Die Ausführungen hierzu beschränken sich auf einige wenige Äußerungen von Literaten zu gesellschaftlich relevanten Grundsatzfragen, die als Beispiele für ein entsprechendes Interesse zu verstehen sind, aber nicht verallgemeinert werden können (5.6). 5.1.2. Definition des literarisch Gebildeten Da im folgenden die Existenz einer "Gruppe der literarisch Gebildeten" bzw. "Literaten" als kohärentes, von anderen gesellschaftlichen Gruppen deutlich unterscheidbares Gebilde vorausgesetzt wird, ist zunächst die Frage zu stellen, ob sie in der Realität nachweisbar ist. Die Gruppe definiert sich durch das einzig Gemeinsame, das alle ihre Angehörigen miteinander verband: die literarische Bildung. Literarische Bildung ist ein Phänomen aller höheren Kulturen, die über Schriftlichkeit verfügen. Die Schrift war vor dem Zeitalter der Tonkonservierung das wichtigste Medium, Gedanken unabhängig vom gesprochenen Wort festzuhalten oder sich Gedanken anderer anzueignen. Sie rangierte in dieser Hinsicht, zumindest was die Präzision der Aussage betrifft, weit vor einem anderen Medium, dem vieldeutigen Bild. Schreiben und Lesen allein aber konstituiert noch nicht literarische Bildung. Sie ist vielmehr als ein komplexes Ganzes von Wissensinhalten zu verstehen, die durch mündliche Weitergabe, aber grundsätzlich auch durch eigenes Lesen angeeignet werden und schließlich auch zur Niederschrift eigener Texte befähigen. In Byzanz wurde, vielleicht mehr als in manchen anderen Kulturen, außer der orthographischen und grammatischen Beherrschung der Sprache vom literarisch Gebildeten erwartet, sich in gepflegtem Stil ausdrücken zu können, eine Fähigkeit, die durch das Studium der rhetorischen Technik erworben wurde. Der Literat war deshalb immer auch ein rhetorisch Gebildeter. Was ihn mit Seinesgleichen verband und zugleich von anderen abgrenzte, war also vor allem eine von rhetorischer Sprachkultur geprägte gemeinsame Sprache. Diese Sprache war von der gespro-
,Definition und Differenzierung
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chenen Alltagssprache weit entfernt. Sie war vielmehr den antiken und spätantiken Texten nachgeformt, deren Studium literarische Bildung konstituierte. In dieser von den byzantinischen Gebildeten gepflegten griechischen "Reinsprache" wird das Wort Mym ("Worte, Gedanken") als Terminus zugleich für das Wissen und seine rhetorisch gestaltete schriftliche Formulierung wie auch für Literatur im weiteren Sinne verwendet. Wer sich gern und regelmäßig mit den Mym beschäftigt bzw. Mym produziert, ist ein "LMA.oyo~,,l Als Sammelbegriff für das Bildungsgut, das in Form der Mym weitergegeben wird, steht seit der Antike vorzugsweise der Begriff TCaLöeLa zur Verfügung. Der geographische Ort der Literatengruppe ist wegen der Zersplitterung des ehemaligen Reichsgebietes in der spätbyzantinischen Zeit weniger klar umrissen als in den vorausgehenden Jahrhunderten. Blieb doch das "Reich" in dieser Zeit auf einige verstreute kleine Territorien reduziert, aus denen sich Konstantinopel, Thessalonike und mehr und mehr auch Mistra auf der Peloponnes als wichtigste Zentren hervorhoben. Griechische Bildung wurde aber auch an Orten weiter gepflegt, die politisch nicht mehr zum Reich gehörten, z. B. auf der bald nach dem Vierten Kreuzzug in den Besitz Venedigs gelangten Insel Kreta, auf der von den Lusignan beherrschten Insel Zypern und im Kaiserreich von Trapezunt, und Literaten an diesen Orten standen in Kontakt mit denen, die im Reichsgebiet lebten. Sie sind also zweifellos zu dieser Gruppe zu rechnen. Noch ein anderes ist vorweg zu klären: Die methodische Beschränkung des Geisteslebens auf die Schriftlichkeit, wie sie hier für die folgenden Ausführungen programmatisch postuliert wird, zieht den Verzicht auf einen großen Bereich nach sich, der zumindest aus moderner Sicht ebenfalls zum Geistesleben gehört: die bildende Kunst in allen ihren Formen. Der Verzieht erscheint aber notwendig, weil die Zusammenfassung der Literaten und der Künstler (einschließlich der Architekten) zu einer gemeinsamen Gruppe dem sozialen Bewußtsein der Epoche nicht entspricht. Der handwerkliche Aspekt der bildenden Kunst wurde in Byzanz von ihrem geistigen Gehalt noch nicht deutlich unterschieden, mag sich auch in der Palaiologenzeit hier ein allmählicher Wandel abzeichnen. 2 Die Kunstproduktion
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Zur Verwendung des Begriffs <j>LAOAOYOC; siehe z. B. PachFail II, 369 (§ 14, Z. 7). Ausführlicher zur Terminologie unten, Text mit A. 76-98. Zu diesem Wandel 1. Medvedev in: Kul'tura Vizantii, III, XIII - pervaja polovina XV V., ed. G. G. Litavrin u. a., Moskau 1991, 231f., wonach die Künstler der späten Jahrhunderte allmählich beginnen, sich zur "Intelligenz" zu zählen; dies leitet Medvedev allerdings im wesentlichen aus Zeugnissen ihres wachsenden Selbstbewußtseins ab, vor allem daraus, daß sie nun nicht länger anonym bleiben, sondern mit Stolz ihren Namen nennen. Aber die Zahl dieser Künstler bleibt, verglichen mit dem Umfang des Kunstschaffens, doch recht gering.
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Die Gruppe der literarisch Gebildeten
folgte jedenfalls im ganzen einer eigenen Gesetzlichkeit, die auch aus methodischen Gründen eine gesonderte Behandlung verdient. Im folgenden bleiben also die Begriffe "Geistesleben, geistige Strömungen" auf das beschränkt, was im Zusammenhang mit schriftlich formulierter oder formulierbarer Bildung steht. Gegen diese Beschränkung spricht auch nicht die Tatsache, daß man seit langem für Literatur und bildende Kunst gemeinsam eine neue Blüte der byzantinischen Kultur in dieser Epoche konstatiert, die man unter dem Begriff "palaiologische Renaissance" - im Englischen steht der hier genauere Begriff revival (Wiederaufleben) zur Verfügung3 - zusammenfaßt. Eine gemeinsame Sicht dieser Art ist sicher legitim, wo es um das Phänomen der Kultur als solcher geht. In einer soziologischen Analyse hingegen erscheint es nicht nur erlaubt, sondern sogar notwendig, Produzenten von Literatur und von Kunst getrennt zu behandeln, da dies dem Selbstbewußtsein der Epoche entspricht. Festzuhalten ist aber der Begriff des Wiederauflebens auch für die Literatur, denn tatsächlich ist die neue Blüte der literarischen Produktion in der Palaiologenzeit unbestritten. Diese Entwicklung verhalf zweifellos auch der Gruppe der Literaten in dieser Epoche zu höherem Ansehen. 5.1.3. Hauptströmungen des Geisteslebens im späten Byzanz Die literarisch Gebildeten oder Literaten sind also in der spätbyzantinischen Gesellschaft, wie noch im einzelnen gezeigt wird,~ deutlich als soziale Gruppe nachzuweisen, die vor allem durch ein einigermaßen gleich hohes Niveau der Sprachkultur verbunden war. Dennoch kann man hier nicht von einem ganz homogenen Gebilde sprechen. Dies ist bedingt durch unterschiedliche, einander z. T. widersprechende Inhalte der literarischen Betätigung und gegensätzliche Auffassungen über die Bewertung von Bildung, wie man sie innerhalb der beiden Hauptströmungen des spätbyzantinischen Geisteslebens konstatieren kann. Die eine von ihnen ist mehr auf profane, die andere vornehmlich auf religiös-theologische Inhalte ausgerichtet, doch kann man wie in früheren byzantinischen Jahrhunderten auch in der Spätzeit zahlreiche Literaten finden, die sich in verschiedenen Lebensphasen oder auch nebeneinander mit beiden Polen der Literatur beschäftigten.
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1. Sevcenko, The Palaeologan Renaissance, in: Renaissances before the Renaissance: Cultural Revivals of Late Antiquity and the Middle Ages, ed. W. Treadgold, Stanford 1984, 144-171 (Text), 201-223 (Anmerkungen). S. u., 5.2.
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Im profanen Bereich wurden auch in dieser Epoche die bereits früher gepflegten Literaturformen weitergeführt: Geschichtsschreibung, Epistolographie, diverse Formen der Rhetorik (Lobrede, vor allem am Kaiserhof, Grabrede, aber auch seit langem Ruhendes wie die beratende Rede), Dichtung (Weiterführung byzantinischer und Wiederaufnahme antiker Formen, z. T. Neuansätze in der Volkssprache), Beiträge zu politischen Zeitfragen sowie zu allen damals bekannten Wissenschaften: Philosophie, Philologie, Rhetorik, Medizin, Jurisprudenz, Naturwissenschaften (das sog. Quadrivium, also Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Musik, sowie einige Spezialwissenschaften wie Zoologie usw.) und Geographie. Es wurden aber auch neue Bereiche erschlossen. Vor allem wird eine erhöhte Neigung zu inhaltlicher Auseinandersetzung mit dem geistigen Erbe der Antike erkennbar. Man hat die entsprechende Strömung vielfach als "humanistisch"S bezeichnet; doch kann dieser Begriff auch zu Mißverständnissen führen und sollte deshalb mit Vorsicht verwendet werden. 6 Die vertiefte Hinwendung zur Antike läßt sich für folgende Bereiche beobachten: 1. Man beschäftigte sich eingehender und grundsätzlicher als zuvor mit Fragen der Philosophie und der Naturwissenschaften im Sinne der antiken Tradition, sowohl in der Unterrichtspraxis wie auch in Spezialabhandlungen und in großen Enzyklopädien. Im 15. Jh. führte dies schließlich bei einigen zu einer Übernahme gedanklicher Inhalte des heidnisch-antiken Denkens. 7 2. Gedanken und Stil mancher antiker Autoren wurden zum Gegenstand gelehrter Reflexionen oder Disputationen. 3. Die Textphilologie auf der Basis verfeinerter Editionsmethoden und die Kunst des Kommentierens antiker Texte erreichten eine neue Blüte und in wenigen Fällen ein bis dahin nicht erreichtes Niveau. 4. Erstmals wurden in Konstantinopel in größerem Umfang lateinische Klassiker, Prosaautoren wie Dichter, ins Griechische übersetzt. Man hat diese Hinwendung zur Antike sozialpsychologisch als Flucht aus der politisch unruhigen Gegenwart in die goldene Ferne der Vergangenheit gedeutet. Fragt man aber einen Zeitzeugen wie Th. Metochites, dann erscheint dieses Phänomen in anderem Licht. Nach seiner Über5 6
7
HungGrund XX, 1959, 136 spricht von "christlichem Humanismus griechischer Prägung". Vgl. ferner VerpChoum, BeckHum, MedGum, PodTheol124ff. und andere. VriesMet 11-22 unterwirft den Begriff "Humanismus" wegen seiner Unschärfe einer eingehenden Kritik und lehnt die Bezeichnung zumindest des Metochites als "Humanist" entschieden ab. Mit VriesMet setzt sich BeyerHum kritisch auseinander, gibt ihr aber im wesentlichen recht. Hier sind vor allem zu nennen: G. G. Plethon (BlumPleth; WoodhPleth) und ein gewisser Jubenalios (WoodhPleth 315-317). Vgl. auch S. Vryonis, The "Freedom of Expression" in Fifteenth Century Byzantium, in: La notion de liberte au Moyen Age: Islam, Byzance, Occident, ed. G. Makdisi u.a., Paris 1985,261-272.
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zeugung besitzt die antike Literatur vielmehr in besonderer Weise die Eigenschaft, das praktische Handeln zu fördern, und er nennt als Beispiele die Kriegs- und die Staatskunst, persönliche Beziehungen zu Freund und Feind und das Verhalten in schwierigen Lebenssituationen. Das Lesen solcher Texte vermittele sogar mehr Lebenserfahrung als das Reisen. 8 Doch zeichnete sich in dieser Epoche auch gerade diesem literarischen Klassizismus entgegen, wie bereits zuvor einmal im 12. Jh., nun aber deutlicher, die Tendenz ab, Unterhaltungsliteratur in der gesprochenen Sprache oder wenigstens in einem Idiom zu schreiben, das sich dieser Volkssprache annäherte. Die Mehrheit der byzantinischen Autoren blieb freilich von der Spätantike bis in die Palaiologenzeit hinein zumindest der Intention nach dem Konzept der Nachahmung (!.t.LILTlOLC;) antiker und spätantiker Sprach- und Stilmuster verpflichtet. Um so bemerkenswerter ist die Durchbrechung dieses Prinzips im Falle des Versromans, der nun grundsätzlich, sei er byzantinisches Original oder Übersetzung, zugunsten der Volkssprache von diesem sprachlichen Muster abweicht. 9 Einen großen Anteil an der literarischen Hinterlassenschaft der Byzantiner nimmt auch in der Spätzeit die religiös-theologisch geprägte Literatur ein. Traditionell beschäftigten vor allem Kontroversen auf diesem Feld einen größeren Anteil der Bevölkerung, weil sie tief in die kirchliche Praxis hineinreichten und deshalb nicht nur die literarisch kundigen geistigen Führer, sondern auch ihre Anhänger in Atem hielten; z. T. spielten auch politische Gesichtspunkte mit. Dies gilt vor allem für die erste der vier wichtigsten miteinander konkurrierenden theologischen Gruppen, die sog. AatLv6<1>poVE~, welche eine Annäherung an die römische Kirche befürworteten. Die im wesentlichen politisch motivierten Bemühungen Kaiser Michaels VIII. (1259-82), eine Union der orthodoxen mit der römischen Kirche zu erreichen, veranlaßten eine Reihe von theologisch gebildeten Literaten dazu, die im Osten kontroversen römischen Lehren, vor allem die über den Primat des Papstes und über den Ausgang des Heiligen Geistes, in ihren Schriften in romfreundlichem Sinne zu beantworten. Nach der Beendigung der unionistischen Politik unter Andronikos 11. (1282-1328) verfiel die Literatur dieser Gruppe zunächst dem kirchlichen yerdikt. Einige Unionsfreunde blieben aber auch nach der Wende ihrer Uberzeugung treu und zeigten
8 9
Theodoros Metochites, Miscellanea, ed. Ch. G. Müller / Th. Kießling, Leipzig 1821, 744-747, Nr. 111. H.-G. Beck, Besonderheiten der Literatur in der Palaiologenzeit, in: Art et Societe a Byzance sous les Paleologues. Actes du Colloque organise par l' Association Internationale des Etudes Byzantines aVenise, Sept. 1968, Venedig 1971, 41-52 (auch in: BeckId XIX), hier 48f.
· Definition und Differenzierung
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großen intellektuellen 10 Mut in der Verteidigung ihres Standpunktes, vor allem Patriarch Johannes XL, der 1297 im Gefängnis starb, und G. Metochites, der Vater des Theodoros, der seine Standhaftigkeit mit jahrelanger Kerkerhaft büßte. Unter Kaiser Johannes V. (1354-91) ging dessen führender Staatsmann (Mesazon) D. Kydones noch einen Schritt weiter. Er versuchte nicht nur in mehreren Schriften ll die Richtigkeit der römischen Theologie zu erweisen, er übersetzte auch zahlreiche lateinische Werke der Scholastik ins Griechische l2 und trat schließlich selbst zur römischen Kirche über, fand aber damit bei seinem Kaiser nur vorübergehend, bei den kirchlichen Amtsträgern keinerlei Zustimmung. 13 Um ihn scharte sich eine Reihe von Gleichgesinnten, die sich früher oder später der römischen Kirche zuwandten und, wie schließlich auch Kydones, von der byzantinischen Orthodoxie abgelehnt, aus Byzanz emigrierten. 14 Eine letzte Generation "lateinisch" gesinnter Byzantiner ist im Umfeld des Konzils von Ferrara-Florenz zu nennen. Ihr berühmtester Vertreter war Kardinal Bessarion. Mit den Unionsfreunden setzte sich die Gruppe der Unionsgegner auseinander, deren geistige Führer ebenfalls literarisch gebildet waren. Der Versuch der ersteren, den Konsens der byzantinisch-orthodoxen mit der römischen Lehre zu erweisen, stieß auf den Widerspruch orthodoxer Kreise, die vor allem in den entscheidenden Fragen wie Primat und Filioque tiefe Glaubensunterschiede feststellten. Diese Auffassung blieb nicht nur bis zum Ende des Reiches, sondern sogar bis zur Gegenwart in der orthodoxen Kirche die beherrschende. Man kann zumindest einigen Vertretern der Unions gegner theologischen Sachverstand und ehrliche Aufgeschlossenheit für den gegnerischen Standpunkt nicht absprechen. So gehörte auch Patriarch J ohannes XI. anfänglich dieser Richtung an, geriet dadurch in Gegensatz zu Kaiser Michael VIII., der die Union wünschte, und büßte für seine Überzeugung mit Gefängnishaft, bis er zu einem offenbar auf Einsicht beruhenden Gesinnungswandel fand; dieser brachte ihm allerdings unter Andronikos 11., dem Sohn und Nachfolger Michaels, der die Union ablehnte, erneute Haft ein. 15 Auch andere, die unter Michael VIII. offen ihre unionsfeindliche Überzeugung vertraten, handelten 10 Der Begriff des "Intellektuellen" wird hier im Sinne einer gebildeten Persönlichkeit verwendet, die bereit ist, ihre Überzeugung in der Gesellschaft öffentlich zu vertreten und dafür auch Nachteile in Kauf zu nehmen. 11 Angaben zu den einschlägigen Werken bei TinnKyd 1/1, 63. Vgl. auch die Apologien I und 11 (a. O. 66). 12 TinnKyd 111, 68-72. 13 TinnKyd 1/1, 16ff. 14 S. u., Text mit A. 742-75l. 15 Über den Patriarchen zusammenfassend P. Schreiner, LexMA V, 1991, 550f.
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Die Gruppe der literarisch Gebildeten
sich dafür Mißhandiungen16 oder Verbannung17 ein. Manche lehnten aber erst nach der unionsfeindlichen Wende unter Andronikos 11. den römischen Standpunkt offen ab, während sie sich vorher eher unionsfreundlich verhalten hatten, so vor allem Patriarch Gregorios 11. und sein Schüler Th. Bollas Muzalon; für M. Planudes besteht zumindest der Verdacht, daß sich unter dem Einfluß der politischen ERtwicklung auch seine .. d 18 Uberzeugung än erte. Die zweite bedeutende Gegnerschaft aufgrund unterschiedlicher theologischer Überzeugungen entwickelte sich in der Spätzeit zwischen den Anhängern und den Opponenten des Gregorios Palamas. 19 Dieser errichtete zusammen mit einigen Gleichgesinnten, vor allem dem späteren Patriarchen Philotheos, zur Erklärung und Verteidigung mystischer Praktiken und Erlebnisse in Mönchskreisen des frühen 14. Jh. ein an den Vätern orientiertes, aber dennoch in seiner Art eigenständiges theologisches Gebäude, das auf einer Synode zu Konstantinopel 1351 unter dem Vorsitz des Kaisers J ohannes Kantakuzenos als orthodoxe Lehre bestätigt wurde. Die ersten Einwände gegen die palamitische Theologie erhob der orthodoxe Mönch Barlaam von Kalabrien, der anfangs nur an den mystischen Praktiken seiner Mönchsbrüder Anstoß genommen hatte. Nach ihm geriet der Mönch Gregorios Akindynos, der ursprünglich mit Palamas befreundet gewesen war und vergeblich versucht hatte, zwischen den Parteien zu vermitteln, mehr und mehr in das Fahrwasser der Palamasgegner. Ein dritter Opponent erstand Palamas in dem bedeutenden Literaten Gregoras, der 1351 mit anderen Antipalamiten kirchlich verurteilt wurde und seine Unbeugsamkeit mit Haft (Hausarrest in seiner Wohnung im Chorakloster) bezahlte. Weitere bedeutende Gegner der palamitischen Theologie waren die Gebrüder Kydones, von denen aber nur Prochoros, Mönch der Athos-Lavra, 1368 von der Bischofssynode zu Konstantinopel verurteilt wurde;20 sein Bruder Demetrios wurde zwar als Unionsfreund, Konvertit und Antipalamit angefeindet, verfiel aber wegen seiner hohen politischen Stellung und der Protektion, die ihm zuerst Johannes V., später dessen Sohn Manuel gewährte, zu Lebzeiten wahr-
16 Z. B. J. Melias Jasites, PLP 7959. 17 Z. B. Meletios Homologetes, PLP 17753. 18 Über ihn zusammenfassend F. Tinnefeid, LexMA VII, 1994, 1462. Der hier skizzierte Antagonismus zwischen Unionisten und Antiunionisten bzw. Anti- und Prolateinern wird im folgenden unter zwei Aspekten eingehender behandelt, einmal aus der Sicht der Abgrenzungen innerhalb der Literatengruppe (Text mit A. 355-371), ein zweites Mal unter dem Aspekt der Öffnung der Literaten zum lateinischen Westen (5.5). 19 Ältere Literatur bei D. Stiernon, Bulletin sur le palamisme, REB 30, 1972, 232-341. Neuere Literatur: PLP 21546. 20 TinnKyd 1/1,237-244; 1/2, Nr. 81.
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scheinlich nicht dem Anathema. 21 Unter den Gegnern der palamitischen Lehre, die nach P. K ydones in Konflikt mit der Orthodoxie gerieten, ist als erster J. Kyparissiotes zu nennen. Er verließ spätestens 1376 Konstantinopel und begab sich schließlich nach Rom, von wo er aber anscheinend, als sich eine für ihn giinstigere Situation ergab, ca. 1378/79 wieder nach Byzanz zurückkehrte. 22 Unter den Patriarchaten Neilos' I. (137988) und Antonios' IV. (1391-97) mußte der Antipalamit Konstantinos Asanes je einmal ein Bekenntnis seiner Rechtgläubigkeit ablegen und den Lehren des Barlaam und Akindynos abschwören. 23 Im Herbst 1396 verließ D. Kydones angesichts einer neuen Verfolgungswelle gegen die Antipalamiten Konstantinopel und begab sich zunächst nach Italien.24 Kurz zuvor hatte sein Schüler und Freund Manuel Kalekas, u. a. wegen Schikanen palamitischer Mönche gegen seine Schule, mit der orthodoxen Kirche gebrochen und war in der genuesischen Siedlung Pera am Goldenen Horn in den Dominikanerorden eingetreten. 25 Noch im 15. Jh. polemisierte u. a. der Antiunionist Markos Eugenikos gegen die Antipalamiten. 26 Häufig, wenn auch nicht durchweg, ist seit Beginn des Palamitenstreites um 1335 eine Tendenz zur Verbindung der romfreundlichen mit einer antipalamitischen Gesinnung erkennbar. Entsprechend neigten die Palamiten eher zur Betonung der orthodoxen Eigenständigkeit gegenüber der Papstkirche, vor allem der machtvolle Patriarch Philotheos. Es soll nicht behauptet werden, daß die theologische Literatur der Epoche ohne Ausnahme je einer dieser vier Richtungen zuzuordnen ist. Es gab daneben auch weniger langlebige Kontroversen wie z. B. den sog. Arsenitenstreit. In zahlreichen theologischen Werken spielen Kontroversen gar keine oder nur eine marginale Rolle; doch gehörten die Verfasser dieser Literatur oft doch zumindest als Gemäßigte zu einer der genannten Richtungen. Ein hervorragendes Beispiel dafür ist Nikolaos Kabasilas, der zwar sicher kein Gegner des Palamas war, seine theologischen Werke aber vornehmlich in direkter Anlehnung an die Lehren der Kirchenväter konzipierte und sich weitgehend aus der Kontroverse heraushielt. Bisher war nur von Gegensätzen innerhalb des theologischen Lagers die Rede. Es bestand aber auch ein Antagonismus zwischen der Theolo21 Das früheste Zeugnis für seine Anathematisierung stammt aus dem Jahr 1404 (sechs Jahre nach seinem Tod), TinnKyd 1/1, 52 mit A. 286. 22 TinnKyd II, 86, 163. 23 LetMan XXVIII mit A. 10. 24 TinnKyd 1/1, 47. 25 KalekEp, Nr. 5I. 26 ODB 742. Die Auseinandersetzungen zwischen Palamiten und Antipalamiten werden unter dem Aspekt der Abgrenzungen innerhalb der Literatengruppe eingehender behandelt unten, Text mit A. 342-354; vgl. auch Text mit A. 320-326.
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gie bzw. gewissen Richtungen der Theologie und der an antikes Gedankengut anknüpfenden Philosophie bzw. der antik-heidnischen Bildung (:rcmöeLa), der nach Meyendorff im wesentlichen zwischen Palamismus und, wie er es nennt, "Humanismus" ausgetragen wurde. 27 Er sieht in den Lehren des Palamas die siegreiche Reaktion gegen wiederaufkommende Tendenzen, wie sie im mittelalterlichen Byzanz zum ersten Mal im 11. Jh. bei Michael Psellos und seinem Schüler Johannes halos erkennbar wurden. Typisch für diese geistige Strömung waren Versuche, eine Harmonie zwischen philosophischer Erkenntnis und christlichem Glauben herzustellen oder sogar noch einen Schritt weiterzugehen und Philosophie als selbständige Disziplin gleichsam parallel zum Glauben zu betreiben. In jedem Fall erschien ein solcher Rationalismus, der dem diskursiven Denken und seinen Syllogismen zumindest gleiches Recht neben der göttlichen Offenbarung zuzubilligen schien, der amtlichen Orthodoxie verdächtig und wurde von ihr bekämpft. So lehnte auch Palamas im 14. Jh. die griechische Philosophie als ein "Trugbild der wahren Weisheit" ab und gestand ihr einen Nutzen nur in ihrer Eigenschaft als "Heilmittel gegen ihre eigenen Bisse" zu. Beck28 hat allerdings gezeigt, daß sich die Situation des 11. Jh. nicht ohne weiteres auf die Spätzeit übertragen läßt, weil sich im Palamitenstreit beide Seiten in erster Linie auf die Vätertradition beriefen, die sie jeweils in ihrem Sinne interpretierten, und erst in zweiter Linie auf philosophische Überlegungen. Wo aber, wie z. B. bei Barlaam, Philosopheme zur Begründung der Gotteserkenntnis Anwendung fanden, wurden sie jedenfalls von Palamas und seinen Anhängern als "Weltweisheit" scharf abgelehnt. 29 Noch bis zur Gegenwart werden der sog. Humanismus und der sog. Palamismus in ihrer kulturellen Bedeutung unterschiedlich beurteilt. Die einen sehen im mystischen Enthusiasmus ein bildungsfeindliches Element, das früher oder später den Widerspruch eines an der Antike orientierten Bildungsideals herausfordern mußte. JO Andere, vor allem Meyendorff, sehen es umgekehrt: Die humanistische Strömung der Epoche habe nicht über die notwendige Schöpferkraft verfügt, die ihr eine Zukunftsperspektive hätte eröffnen können; dagegen habe der Hesychasmus, der 27
J.
Meyendorff, Society and culture in the fourteenth century. Religious problems, in: ABuc I, 111-124, hier 112f. Zur Problematik des Begriffs »Humanismus" s.o., Text mit A. 5 und 6. 28 BeckHum 66. 29 Meyendorff, a. O. 115f.; ausführlicher darüber unten, Text mit A. 308-314. 30 Vgl. A. Kazhdan in seiner Rezension des Buches von J. Meyendorff, Byzantium and the Rise of Russia, Speculum 57, 1982, 156: " ... Byzantine Hesychasm, regarded by many scholars as a backward, reactionary movement which was directed against the ,Palaeologan Renaissance' ... ".
· Definition und Differenzierung
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bereits seit den frühen Zeiten des Mönchtums den Weg zur unmittelbaren Vereinigung mit Gott im Gebet gewiesen habe, der byzantinischen und nachbyzantinischen orthodoxen Gesellschaft neue Lebenskraft verliehen. Sicherlich beschränkte das hesychastische Mönchtum sich nicht auf den Rückzug in spirituelle Kontemplation. So sehr die Mystik ein Teil des hesychastischen Lebensprogramms war, so wenig ist doch auch das aktive Wirken dieser Mönche in der Welt zu übersehen. Ja, sie suchten von Zeit zu Zeit geradezu die Öffentlichkeit, um ihr Lebenskonzept zu propagieren. Einige ihrer leitenden Persönlichkeiten organisierten Aktionsgruppen, die unter der Laienbevölkerung in den Städten wirken sollten. Auch Palamas selbst suchte zum Mißvergnügen seiner Gegner immer wieder das Gespräch mit dem Volk, und er verlangte dies ebenso von anderen. Auch die Wundertaten, von denen die hesychastischen Schriftsteller zu berichten wußten, waren ein Teil ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Schließlich präsentierten sich die Hesychasten als die eigentlichen Vollender des humanistischen Bildungsauftrages, indem sie behaupteten, erst durch die Diener des Evangeliums sei die antike Philosophie von ihren Irrtümern befreit worden. Suchten sie hiermit die weltlich Gebildeten, also die "Humanisten" zu überrunden, so erwiesen sie sich auch in anderer Hinsicht gegenüber diesen als die besseren Propagandisten. Viele humanistisch Gebildete standen eher dem Volk fern; sie nutzten Bildung und Wissen nicht zur "Aufklärung" des Volkes, sondern grenzten sich als Bildungselite vom Volk ab. Die Hesychasten hingegen konnten sich viel leichter beim Volk Gehör verschaffen. So war der Sieg des palamitischen Hesychasmus in der orthodoxen Kirche von Byzanz nicht gleichbedeutend mit allgemeiner Weltflucht und mönchischer Isolation, sondern schloß ein gesellschaftliches Engagement geradezu mit ein. ll Das bezeugen auch hesychastisch gesinnte Prediger aus dem hohen Klerus wie z. B. Patriarch Neilos 1., der von seinen Gläubigen ausdrücklich eine im Alltag gelebte Glaubenspraxis forderte. l2 Jedenfalls zeigt die Übersicht, daß das Geistesleben der Palaiologenzeit von starken Gegensätzen geprägt war, und die Auseinandersetzungen nahmen eine solche Schärfe an, daß es nicht übertrieben ist, von einer geistigen Krise zu reden, die mit dem Scheitern der Unionisten nach 1282 und mit den Verurteilungen der Antipalamiten auf den Synoden von 1351 und 1368 Höhepunkte erreichte und auch im 15. Jh. noch ihre Auswirkungen zeigte. Es ist nicht Ziel dieser Ausführungen, die Krise im
31 MatschOrth 41-46. 32 H. Hennephof, Das Homiliar des Patriarchen Neilos und die chrysostomische Tradition, Leiden 1963, 18.
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Die Gruppe der literarisch Gebildeten
einzelnen zu beschreiben.)) Die Zeichnung ihrer Umrisse dient nUr als Hintergrund für die folgenden Ausführungen über die Träger der geistigen Auseinandersetzung, die Literaten, und die Gel?,ensätze und Spannungen innerhalb dieser Gruppe, wie sie weiter unten 4 näher beschrieben werden. Es sei am Schluß nochmals betont, daß die hier angedeuteten Antagonismen natürlich nicht die reale Existenz einer Literatengruppe in Frage stellen können, wie sie zuvor3; definiert wurde. Die Gegensätze und Spannungen innerhalb der Gruppe wurden ja nur dadurch möglich, daß man auf einem gemeinsamen geistigen Niveau mit- oder gegeneinander argumentieren konnte. Diese Gemeinsamkeit bestand auch, wie im folgenden gezeigt werden soll, unabhängig von der Zugehörigkeit der Literaten zu verschiedenen sozialen Schichten.
5.2. Die Literaten als gesellschaftliche Gruppe 5.2.1. Zur prozentualen Verteilung der sozialen Herkunft
und Position der Literaten Die Gruppe der Literaten ist als eine statistisch nicht genau erfaßbare Groß gruppe in der spätbyzantinischen Gesellschaft zu verstehen. Zählt man ZUr ihr alle, die über eine einigermaßen solide sprachlich-rhetorische Grundbildung verfügten und in der Lage waren, sich schriftlich, also zumindest in Briefen/6 zu äußern, dann ist es nicht möglich, den Umfang der Gruppe auch nur annähernd numerisch zu erfassen. Es gehörten ja nicht nUr alle bezeugten Briefpartner dazu, von denen kein persönlicher Brief erhalten ist, sondern grundsätzlich die meisten Männer und ein gewisser Anteil von Frauen der Oberschicht,37 zudem von den Berufsgruppen, soweit sie sich nicht der Oberschicht zuordnen lassen (höhere Beamte und höhere Kleriker), auch die mittleren Beamten und Kleriker, weil eine gewisse Beherrschung der griechischen Schriftsprache Vorbedingung ihrer Stellung war, schließlich auch die Kopisten, die man in der Regel nicht als rein mechanische Abschreiber ihrer Texte verstehen darf. Wieviel Prozent der Gesamtbevölkerung diese Großgruppe umfaßte, läßt
33 34 35 36
Vgl. dazu TinnKrise, insb. 290-294. 5.2.4. 5.1.2. Zur großen Zahl der erhaltenen Briefe aus spätbyzantinischer Zeit (mehr als 6000) vgl. SmetEp 63. 37 Vgl. LaiouWomen 256: "The high aristocracy, in any case, was literate, and some of its women were very weil educated indeed." Siehe auch TalbNuns.
· Die Literaten als gesellschaftliche Gruppe
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sich kaum berechnen. Vielleicht geht eine Schätzung auf 10-15% nicht ganz fehl. Will man aber über die Gruppe einige konkretere Aussagen machen, dann empfiehlt sich die Beschränkung auf eine repräsentative Teilgruppe namentlich bekannter Personen. Hier kommen am ehesten die in Frage, die durch eine bedeutende oder wenigstens einigermaßen nennenswerte schriftliche Hinterlassenschaft (durch profane oder religiös-theologische Werke oder auch nur durch eine größere Zahl von Briefen, in wenigen Fällen auch durch das besonders qualifizierte Zeugnis anderer) bekannt sind. Dieser engere Literatenkreis, der in der Mehrzahl Personen aus dem byzantinischen Reichsterritorium, aber auch einige aus Randgebieten der byzantinischen Kultur (Trapezunt, Kreta, Zypern) umfaßt, wird unten in einer alphabetischen Liste (5.8) vorgestellt. Die Zahl von 174 erfaßten Personen (darunter nur sehr wenige Frauen) ist nur in begrenztem Maße als repräsentativ zu verstehen. Ein Anspruch auf quantitative Vollständigkeit wird nicht erhoben, da bei der Auswahl im einzelnen Willkür unvermeidbar ist. 38 Es sollte aber zumindest kein wichtigerer Literat fehlen. Entsprechend werden innerhalb der Liste Personen, die ein umfangreicheres Werk oder ein Werk von besonderer Bedeutung hinterlassen haben, besonders gekennzeichnet. Nicht aufgenommen wurden wegen der Notwendigkeit von Lebensdaten für die folgende statistische Auswertung anonyme Verfasser, mögen ihre Werke auch bedeutend sein, ferner die Autoren, die sich vor 1453 nicht schriftlich geäußert haben, wie die Geschichtsschreiber Kritopulos von Imbros, Laonikos Chalkokondyles, Dukas oder auch Michael Apostoles. Es wird aber hier schon ausdrücklich betont, daß das biographische Material selbst für diese Zahl bedeutenderer Literaten lückenhaft ist und folglich trotz ihrer begrenzten Zahl die statistische Auswertung unvollkommen bleiben muß. Das Prinzip, nur die Literaten in die Liste aufzunehmen, die durch hinterlassene Werke ausgewiesen sind, führt im Falle der Briefpartner des 38 Vgl. z. B. die bei SmetEp 27-57 aufgelistete Zahl von nicht weniger als 355 griechischen Briefschreibern im gleichen Zeitraum. Daß auch die Forschung der Gruppe der wichtigeren bekannten Literaten immer noch neue Namen hinzufügen kann, zeigt das Beispiel des Georgios Karbones. Vgl. zu seiner Person R. Browning, A Byzantine scholar of the early fourteenth century: Georgios Karbones, in: Gonimos. Neoplatonic and Byzantine studies presented to L. G. Westerink at 75, ed. J. Duffy I J. Peradotto, Buffalo/NY 1988, 223-231. - Die in der Liste 5.8 vorgenommene soziale Einordnung stützt sich im wesentlichen auf das PLP; doch werden dessen Angaben aus anderen Quellen ergänzt. - Es sei hier ausdrücklich darauf hingewiesen, daß in diesem ganzen Kapitel die in der Liste aufgeführten Literaten aus Raumgründen mit abgekürztem Vornamen zitiert werden; der volle Name ist der Liste zu entnehmen. Vornamen werden nur ausgeschrieben, wenn sie bei zwei Personen gleichen Nachnamens mit demselben Buchstaben beginnen oder auch, wenn der Nachname unbekannt ist, ferner bei Kaisern und Patriarchen.
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Die Gruppe der literarisch Gebildeten
M. Planudes zu folgendem Ergebnis: Von den 122 Briefen dieses hochgelehrten Mönches sind an Personen, die in der Liste vorkommen, die folgenden Briefe gerichtet: 2 an L. Bardales, 6 an N. Chumnos, 23 an Patriarch Johannes XIII., 28 an Th. Xanthopulos, 33 an M. Bryennios, 64 an Patriarch Arsenios, 67 an Th. Muzalon, 68 an Th. Kantakuzene und 84 an M. Philes. Seine häufigsten Briefpartner aber sind der Logothet Phakrases, der General Alexios Tarchaneiotes Philanthropenos39 und der Mönch Melchisedek, Sohn des Georgios Akropolites. 40 Natürlich waren auch diese und andere Briefpartner des Planudes "Literaten", aber doch vorwiegend, als Beamte, Offiziere oder Geistliche, mit praktischen Aufgaben befaßt; jedenfalls sind im vorliegenden Fall weder ihre Antwortbriefe überliefert, noch sind sie als Autoren nachweisbar. Sie werden daher nicht in die Liste aufgenommen. Die Auswertung der Liste soll mit der Frage nach der sozialen Herkunft der dort aufgeführten 174 Literaten beginnen. Leider ist dazu das biographische Material besonders lückenhaft. Es scheint zwar sicher zu sein, daß literarische Bildung im allgemeinen etwas kostete41 und deshalb einen gewissenen sozialen Standard des Elternhauses voraussetzte, aber über die Herkunft und das Vorleben der meisten Literaten ist zu wenig bekannt, als daß sie sich einwandfrei belegen ließen. Nur für etwa 50 Personen der Liste ist mit einiger Wahrscheinlichkeit die Herkunft aus einer angesehenen oder begüterten Familie nachweisbar; etwa 20 waren eher von bescheidener Abkunft; bei allen übrigen, also bei ca. 60%, kommt man über Vermutungen (etwa Schlüsse aus einem existierenden oder nichtexistierenden Familiennamen) nicht hinaus. Es läßt sich also vom biographischen Befund her die Frage nicht mit letzter Sicherheit beantworten, ob die soziale Stellung der Eltern grundsätzlich von entscheidender Bedeutung für den später erworbenen Bildungsgrad war. Man sollte zumindest Ausnahmen von der Regel des bezahlten Unterrichtes annehmen und entweder mit Autodidakten oder auch mit der Förderung begabter Kinder durch verantwortungsbewußte, nicht auf Gewinn bedachte Lehrer rechnen, jedoch den Prozentsatz der Ausnahmen nicht zu hoch ansetzen. Ein enger Zusammenhang zwischen dem Zugang zur Bildung und der gesellschaftlichen Stellung des Elternhauses ist kaum zu bezweifeln, doch ist damit nicht gesagt, daß Kindern aus begütertem Elternhaus grundsätzlich der Zugang zu literarischer Bildung offenstand. Ergiebiger ist das Listenmaterial für die Frage nach dem Zusammenhang zwischen literarischer Bildung und der erreichten sozialen Position. 39 Vgl. zu diesem ODB 1649. 40 Vgl. zu diesem PLP 523. 41 Zur Bezahlung der Lehrer s. u., 5. 3. 3.
,Die Literaten als gesellschaftliche Gruppe
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Im folgenden wird eine Übersicht gegeben, wie sich Literaten der Liste anderen gesellschaftlichen Gruppen zuordnen lassen. Es werden weltliche und geistliche Gruppen unterschieden. Als weltliche Gruppen kommen, abgesehen von drei Kaisern der Spätzeit, in Frage: Beamte, vor allem am Kaiserhof, in höchster oder hoher Position; Personen, die dem Kaiserhof nahestanden, ohne Beamte zu sein; Privatgelehrte; Privatlehrer; Angehörige verschiedener Berufe. Zu den s.eistlichen Gruppen zählen: Patriarchen, Metropoliten, höhere Kleriker, Abte, Mönche und Nonnen. Jede Person wird nur einer Gruppe zugerechnet, auch wenn ihre Karriere sie über mehrere Gruppen aufsteigen ließ. Ausschlaggebend für die Eingliederung ist in der Regel die höchste erreichte Position. So wird Johannes VI. in der Gruppe der Kaiser und nicht unter den Mönchen aufgeführt, obwohl er die letzten 28 Jahre seines Lebens als Mönch, allerdings nach wie vor in einflußreicher Position, verbrachte. Auch in manchen anderen Fällen wird bei der Angabe die Position vorgezogen, die im Laufe des Lebens die entscheidende war. So erscheint Maximos Planudes in der Gruppe der Mönche, obwohl er vor seinem Eintritt in das Kloster eine hohe Beamtenstellung am Kaiserhof hatte. Seine Lehrtätigkeit, durch die er bedeutend wurde, übte er im wesentlichen als Mönch aus. Wir beginnen mit den Angehörigen weltlicher Berufe. Sie sind in der Liste wie folgt verteilt: Nächst den drei Kaisern der Epoche, die Schriftliches hinterlassen haben (1,7%):2 sind neun Literaten (5,2%) zu nennen, welche die hohe Position eines nur dem Kaiser verantwortlichen Staatslenkers (Megas Logothetes oder Mesazon) erreichten:3 18 Literaten (10,3%) bekleideten eine andere hohe Beamtenstellung.44 Noch weitere 17 Personen (9,8%) standen den Kaiserhöfen von Konstantinopel oder Trapezunt bzw. dem Despotenhof von Mistra (Peloponnes) nahe, waren aber vermutlich nicht Beamte:s Nur als Privatgelehrte sind uns zehn Personen 42 Johannes VI., sein Sohn Matthaios und Manuel II. 43 G. und K. Akropolites (Vater und Sohn), G. Amirutzes, D. Chrysoloras, N. Chumnos, D. Kydones, Th. Metochites, Th. Muzalon und G. Sphrantzes. 44 L. Bardales, M. Gabras, G. Gemistos Plethon (Mistra), Th. Kabasilas, G. Lakapenos, N. Lampenos, Ph. Logaras, K. Lukites (Trapezunt), Mazaris (?), M. Neokaisareites, Matthaios Panaretos, Michael Panaretos (Trapezunt), G. Phakrases, St. Sguropulos (Trapezunt), M. Tarchaneiotes, Th. Xanthopulos, A. Zarides (Gouverneur von Melenikon) und J. Zacharias (Hofarzt). 45 J. Abramios (Astrologe), K. Amanteianos (Arzt, Mistra), K. Asanes (kaiserlicher Vertrauter), N. Kabasilas Chamaetos (kaiserlicher Vertrauter), G. Chioniades (kaiserlicher Vertrauter, Trapezunt), M. Chrysoloras (kaiserlicher Vertrauter), Th. Dexios (kaiserlicher Vertrauter), G. Gabrielopulos (Arzt, Mistra), N. Gregoras (Gesandter, Gelehrter), K. Hermoniakos (Gelehrter, Hof von Epeiros), A. Lampenos (Hofredner), A. Palaiologos (Heerführer), D. Pepagomenos (Arzt, Mistra), M. Philes (Gesandter, Hofdichter), Th. Potamios (Hofredner), M. Rhaul (Vertrauter der Kantakuzenen, Mistra) und Staphidakes (Hofredner, Thessalonike).
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Die Gruppe der literarisch Gebildeten
(5,7%) der Liste bekannt:6 Sieben Literaten (4%) wirkten im wesentlichen als Privatlehrer:7 weitere sechs (3,4%) übten diverse profane Berufe aus. 48 Eine sichere soziale Zuordnung von weiteren neun Personen der Liste (5,2%), abgesehen von ihrer Zugehörigkeit zum weltlichen Bereich, scheint nicht möglich zu sein.49 Einschließlich der drei Kaiser sind also insgesamt 79 Personen der Liste (45,4%) dem "weltlichen" (nichtkirchlichen) Bereich zuzuordnen. Die Angehörigen der drei letzteren Untergruppen (Privatgelehrte, Privatlehrer und diverse Berufe) darf man wohl im wesentlichen zu der in Kapitel 3 beschriebenen Mittelschicht zählen. Unter den Angehörigen des geistlichen Bereichs sind an erster Stelle die Patriarchen zu nennen, 17 Personen der Liste (9,8%), 15 von Konstantinopel50 und je einer von Alexandreia (Athanasios 11.) und von Antiocheia (Ignatios 11.). 27 Literaten (15,5%) wurden Metropoliten,51 17 (9,8%) waren hohe und höhere Kleriker. 52 Nur drei Äbte finden sich in der Liste,53 aber 24 Mönche und zwei Nonnen. 54 Dies sind mit den Äbten 46 N. Artabasdos, M. Bryennios, Jubenalios, D. Kabakes, J. Kanabutzes, J. Kyparissiotes,
G. Lapithes, A. Lopadiotes, M. Moschopulos und D. Triklinios. 47 G. Chrysokokkes 11, Th. Hyrtakenos,J. Katrares,J. Katrones,J. Kukuzeles,J. Laskaris (Kreta) und Th. Pediasimos. 48 K. Armenopulos (Richter), G. Chrysokokkes I (Arzt), L. Dellaporta (im venezianischen Staatsdienst), G. Oinaiotes (begüterter Privatmann) und St. Sachlikes (Advokat, Gutsbesitzer). 49 M. Blemmydes, M. Chrysaphes, Ephrai'm, J. Gabras I und 11, K. Kataphygiotes, A. Makrembolites, N. Pepagomenos und Sophianos. 50 Arsenios, Athanasios, Gennadios 11. (nach 1453), Gregorios 11., Gregorios 111., Johannes XL, Johannes XIII., Johannes XIV., Joseph 1., Isidoros I., Kallistos 1., Kallistos 11., Neilos 1., Philotheos und Sophronios I. (= S. Syropulos, der erst nach 1453 [1463-64] Patriarch wurde). 51 Th. Agallianos (Medeia), Anthimos (Athen bzw. Kreta), Antonios (Larissa), Arsenios (Pergamon), Bessarion (Nikaia), J. Chortasmenos (Ignatios von Selymbria), M. Chrysokephalos (Philadelpheia), N. Diasorenos (Rhodos), Dorotheos (Mitylene), M. Eugenikos (Ephesos), M. Gabalas (Ephesos), Gabriel I (Thessalonike), Georgios (Pelagonia), I. Glabas (Thessalonike), Jakob (Serres), Joasaph (Ephesos), Isidoros (Kiev), Neilos Kabasilas (Thessalonike), J. Lazaropulos (Trapezunt), Makarios (Ankyra), G. Palamas (Thessalonike), Philotheos (Selymbria), Symeon (Thessalonike), Theoleptos (Philadelpheia), Theophanes I (Nikaia), Theophanes 11 (Peritheorion); hier mitzuzählen ist auch Matthaios, Exarch von "Chazarien" auf der Krim. 52 J. Argyropulos, M. Balsamon, D. Beaskos, M. Chrysokokkes, J. Eugenikos, G. Galesiotes, J. Kladas, A. Libadenos, K. Meliteniotes, Th. Meliteniotes, G. Metochites, G. Moschampar, G. Pachymeres, J. Pediasimos, J. Staurakios, Symeonakes (Protopapas, Kreta) und N. Xanthopulos. 53 M. Chumnos, J. Kalothetos und M. Makres. 54 Mönche: G. Akindynos, G. Alyates, K. Angelikudes, I. Argyros, M. Blastares, J. Bryennios, N. Damilas, D. Disypatos, Gabriel 11, G. Sinaites, M. Holobolos, J. Jasites, Ignatios, J. Rhakendytes, P. Kydones, Th. Magistros, Markos I, Markos 11, N. Momtzilas, Nikephoros Athonites,J. Philagrios (Kreta), M. Planudes, Sophonias und Theoktistos. Nonnen: E. Chumnaina, Th. Kantakuzene.
r . Die Literaten als gesellschaftliche Gruppe
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29 Personen (16,7%) aus dem Mönchsstand. Zählt man fünf noch nicht genannte Personen hinzu, die lateinische Kleriker oder Mönche wurden,55 dann sind insgesamt 95 Personen (54,6%) der Liste Angehörige des geistlichen Standes.56 Die Zahl der literarisch gebildeten Mönche war eigentlich noch erheblich größer, weil sich fast alle Bischöfe (also auch Metropoliten und Patriarchen) aus dem Mönchsstand rekrutierten. Der geistliche Bereich hat jedenfalls in der Liste ein merkliches, wenn auch nicht allzu bedeutendes Übergewicht. Die Zahl würde sich allerdings noch erhöhen, wollte man die nicht wenigen geistlichen Schriftsteller von geringerer Bedeutung mit einbeziehen, die in der Liste nicht berücksichtigt wurden. Als Verfasser eines umfangreichen oder bedeutenden Werks sind insgesamt 79 Personen der Liste gekennzeichnet. Von diesen sind 44 dem geistlichen, 35 dem weltlichen B~reich zuzuordnen. Es ist also auch bei den bedeutenderen Autoren ein Ubergewicht der Kleriker bzw. Mönche erkennbar. Im großen und ganzen kann man aus dieser Aufstellung die Bilanz ziehen, daß die literarisch Gebildeten im späten Byzanz nicht abseits von den führenden Kreisen in Kirche und Staat ein gesellschaftliches Sonderdasein führten oder gar eine Art intellektuelle Opposition bildeten. Selbst ein Mann wie J. Rhakendytes, der aus bescheidenen Verhältnissen in der fernen Provinz kam, ein typischer Autodidakt war und sich viermal weigerte, die ihm angebotene Patriarchenwürde anzunehmen,57 unterhielt Kontakte zu führenden Kreisen der Gesellschaft, vor allem zu Th. Metochites. Auch G. Akindynos, der wegen Ablehnung des Palamismus zum Außenseiter wurde, stand in Verbindung zu höchsten Gesellschaftskrei58 sen. Zweifellos bestand ein Zusammenhang zwischen Bildung und erreichter Position, wenn auch hohe Bildung nicht unbedingt zu einer hohen Position führen mußte. Daß Bildung und Karriere zusammengehörten, ist auch aus dem hohen Anteil von Literaten in der hohen Bürokratie und im hohen Klerus erkennbar, wie sie die vorstehende Auflistung für die Spätzeit bezeugt. Unhaltbar ist jedenfalls die gelegentlich geäußerte Meinung, daß eine größere Zahl spätbyzantinischer Literaten ein bescheide-
55 S. Atumanos, Barlaam, A. und M. Chrysoberges sowie M. Kalekas. 56 Von insgesamt 174 Literaten (= 100%) sind also 79 (= 45,4%) dem weltlichen und 95 (= 54,6%) dem geistlichen Bereich zuzuordnen. 57 Zu seiner Person ODB 1074. 58 Zu seinen Kontaktpersonen gehörten z. B. Alexios Apokaukos (vgl. AkindH, Nr. 24) und Patriarch Johannes XIV. (a.O., Nr. 25, 37, 38 und 63). Zu einer aus der Zuordnung zur "höheren Gesellschaft" sich ergebenden "konservativen" Mentalität der Literaten, vor allem in der frühen Palaiologenzeit, vgl. oben, Kap. 2. 1, Text mit A. 58.
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Die Gruppe der literarisch Gebildeten
nes Dasein fristete. 59 Die Klagen über ihre soziale Lage, die übrigens nicht allzu häufig sind, dienen in der Regel dem Zweck, vom Kaiser oder hohen Beamten finanzielle Unterstützung zu erhalten. 6o Die soziale Zuordnung der Literaten mit Hilfe der bisher zugrundegelegten Liste kann allerdings durch zusätzliche Informationen erweitert und ergänzt werden. Dies beweist eine Untersuchung der allerjüngsten Zeit,61 die in zahlreichen Handschriften gelehrten (theologischen oder profanen) Inhalts der Biblioteca Vaticana finanzielle Notizen nachweist, und zwar in 20 Handschriften Einträge, die sich auf Handelsgeschäfte beziehen, in 24 Handschriften Aufzeichnungen von Grundeigentümern und in 13 von Geldleihern. Wie ist dieses Phänomen zu deuten? Nach Meinung des Verfassers (P. Schreiner) handelt es sich im wesentlichen nicht um Unternehmer und Begüterte, die Handschriften aus Interesse an ihrem Inhalt oder gar als Prestigeobjekt oder Wertanlange sammelten. Es verbreitete sich vielmehr im Kreis der Gebildeten, einschließlich der Literaten im Dienst des Kaiserhofes, etwa seit dem späten 14. Jh. ein Interesse am Handel und an lukrativen Geldanlagen, wie dies bereits in einem früheren Kapitel gezeigt wurde. 62 Bisher war nur von der Beziehung zwischen Bildung und sozialer Position bzw. der beruflichen Tätigkeit die Rede. In der neueren Forschung wurde aber auch die Frage nach dem Zugang der Frauen zur Bildung gestellt. In einer grundsätzlich patriarchalisch strukturierten Gesellschaft wie der byzantinischen war erwartungsgewäß der Zugang des weiblichen Geschlechtes zur Bildung außerordentlich beschränkt. Für die Spätzeit lassen sich nur wenige gebildete Frauen namentlich nennen, die zudem ausschließlich der Aristokratie angehörten. 63 Aus der Aristokratie des 13. Jh. sind zwei, aus der des 14. Jh. von 83 immerhin 13 zu nennen. 64 Von diesen erscheinen aber in unserer Liste nur die zwei Frauen, die nachweislich Schriftliches hinterlassen haben, E. Chumnaina und Th. Kantakuzene. E. Chumnaina ist die einzige Frau der Epoche, von der mehr als ein Brief erhalten ist. 65 Eudokia Palaiologina, Tochter des Protasekretis Theodoros Neokaisareites,66 und Helene, Tochter Johannes' VI. und Gattin Johan-
59 So z. B. HungTend 148-150. 60 Vgl. SevSoc 74-76: Weder M. Philes noch Th. Hyrtakenos, beide besonders versiert in der rhetorischen Klage, lebten je in Armut. Zu Philes vgl. auch unten, Text mit A. 71-74. 61 SchreinFin 439-446. 62 Vgl. oben, Kap. 4. 5, zu den Bildungshorizonten des aristokratischen Unternehmertums. 63 LaiouWomen; TalbNuns. 64 LaiouWomen 255. 65 Text der Briefe: CorChoum; zur Zahlenangabe: SmetEp 58 und TalbNuns, 606f. 66 Greg I, 293f.; Übers. DietGreg II11, 2M.; PLP 21369.
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nes' V.,67 werden in zeitgenössischen Quellen wegen ihrer hohen Bildung gerühmt. Nicht der Aristokratie angehörende Frauen, die wenigstens über eine gewisse Bildung verfügten, sind .kaum bezeugt. Laiou nennt einen konkreten Fall, eine bürgerliche Frau, die zur Auflistung ihrer Geschäfte und ihres Vermögen in der Lage war. 68 Dazu gehörte aber wohl kaum mehr als eine gewisse Beherrschung der Schrift. Größer ist allerdings die Zahl der Briefe, die an Frauen adressiert sind.69 Der geringe Anteil von Frauen im engeren Literatenkreis kann angesichts dessen, was sonst von der Stellung der Frau in der byzantinischen Öffentlichkeit bekannt ist, nicht verwundern. Eine Berufskarriere als Beamter wie als Kleriker stand ausnahmslos Männern offen, und so erwarben in der Regel auch nur Männer die Bildung, die Vorbedingung für eine solche Karriere war. Wie unsere Beispiele zeigen, hatten am ehesten Frauen aus dem Milieu des Kaiserhofes Zugang zu einer Bildung, die über das Elementare hinausging. Auch dies ist wieder ein Argument dafür, daß eine Bildungskarriere durch die gehobene gesellschaftliche Stellung zumindest erleichtert wurde. Am Schluß dieser Betrachtung, wie sich die Literaten auf die verschiedenen anderen sozialen Gruppen und Kategorien verteilten, ist noch die wichtige Frage zu stellen, ob man in der behandelten Epoche eigentlich auch so etwas wie "Berufsliteraten" finden kann. Es gibt zwei Möglichkeiten, diese Frage zu beantworten. Entweder bezeichnet man als Berufsliteraten nur die relativ bescheidene Gruppe von Personen, von denen keine andere Tätigkeit als ihre literarische bekannt ist, also die zuvor genannten Privatleute und Privatlehrer, die zusammen nicht einmal 10% des von uns angesetzten Personenkreises ausmachen. 70 Dies ergäbe insofern ein falsches Bild, als gerade die bedeutendsten Literaten der Epoche in der Regel wenigstens während einer längeren Spanne ihres Leben~ hohe staatliche oder kirchliche Posten bekleideten. Daher kann man mit einem gewissen Recht zumindestens alle in der Liste aufgeführten bedeutenderen Vertreter der Gruppe als Berufsliteraten verstehen, weil sie einen erheblichen Teil ihres Lebens mit dem Studium schöner, rhetorischer oder fachlicher Literatur und der Abfassung entsprechender Werke verbracht haben. 67 PLP 21365. Zu ihrer Bildung: KydEp 11, Nr. 389 (= TinnKyd 1/1, Nr. 24); F. Kianka, The letters of Demetrios Kydones to empress Helena Kantakouzene Palaiologina, DOP 46 (= Homo Byzantinus, Papers in Honor of Alexander Kazhdan, ed. A. Cutlerl S. Franklin), 1992, 155-164. 68 LaiouWomen 257; Text jetzt in PRK 11, 390-399, hier 396, Z. 45f. (ein von ihr angelegtes kEm:oIlEpec; KU,IlCTtLXOV, eine "detaillierte Aufstellung", spielt in einem Erbschaftsstreit eine Rolle). 69 SmetEp 58f. 70 S.o., Text mit A. 46 und 47.
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Die Gruppe der literarisch Gebildeten
Es bleibt aber noch die Frage, ob es Berufsliteratenturn in dem Sinne gab, daß jemand mit seiner literarischen Tätigkeit Geld verdienen konnte. Entsprechende Entlohnung gab es zweifellos für die Abfassung höfischer Literatur, vor allem enkomiastischer Werke (Reden oder Gedichte). Manuel Philes z. B., der produktivste Dichter der Epoche, lebte wohl im wesentlichen von Lob- und anderen Auftragsgedichten für den Kaiser, für hohe Beamte und für hohe Kleriker/1 wenn er daneben auch Einnahmen vielleicht aus Lehrtätigkeit72 und sicher aus Gelegenheitsaufträgen im Staatsdienst73 bezog. Die Entlohnung für seine Tätigkeit als Gelegenheitsdichter war allerdings, soweit er uns informiert, recht unterschiedlich. Nicht immer erhielt er bare Münze, sondern vielfach auch diverse Geschenke, die er sich recht gezielt zu erbetteln pflegte. Seine vielen Klagen (auch über Schulden) und Bitten lassen aber eher auf seine Ansprüche als auf Bedürftigkeit schließen. Immerhin verfügte er über bescheidenen Grundbesitz; es ist von einem Weingarten die Rede.7~ Auch die sonst bekannten Hofenkomiasten haben sicher für ihre Arbeiten eine Entlohnung erhalten, aber bei der Knappheit der Staatskasse konnten sie sich sicher nicht bereichern. So ist festzuhalten, daß "Berufsliteraten", die ausschließlich von ihrer schriftlichen Produktion leben konnten, doch recht selten waren; fast immer lassen sich auch andere Einnahmequellen wie Ämter oder Grundbesitz oder wenigstens eine Lehrtätigkeit nachweisen oder erschließen. Die Produzenten von Büchern, Kopisten also, sind nicht Gegenstand dieses Kapitels, da man nur einer soliden Kenntnis der griechischen Schrift bedurfte, um Texte einigermaßen richtig abschreiben zu können. Eigenschaften wie Genauigkeit und Ausdauer waren und sind für diese Tätigkeit wichtiger als ein höherer Bildungsstandard. Daß einige Kopisten dennoch besser gebildet waren, als es für ihre Aufgabe nötig war, soll damit nicht ausgeschlossen werden. Jedenfalls wurde diese Möglichkeit des Gelderwerbs von den Literaten eher als eine Art Handwerk denn als höhere geistige Betätigung bewertet. 75 5.2.2. Kohärenz und Vernetzungen innerhalb der Literatengruppe
Wie zuvor gesagt, ist literarische Bildung das alle Zugehörigen zu dieser Gruppe einigende Band. Dies wird auch aus den Selbstbezeichnungen der
71 SticklPhilPs 31. 72 SticklPhilPs 27f. erwägt für Philes diese Verdienstmöglichkeit, ohne sie für erwiesen zu halten. 73 A. 0.28-31. 74 A. O. 31-36. 75 Vgl. dazu unten, Text mit A. 259.
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Literaten deutlich. 76 An erster Stelle sind die Verbindungen mit dem nicht präzise übersetzbaren griechischen Grundbegriff für den Gegenstand aller geistigen Tätigkeit zu nennen. Es ist der Begriff A.6yo~ (Grundbedeutung: Wort) bzw. dessen Plural A.6ym. So wird der Gebildete z. B. als A.6YWV i]IJ.IJ.EVO~77 (einer, der sich mit "Worten", also mit literarischer Bildung, befaßt hat) bezeichnet, als A.6ywv IJ.EtE'X,WV78 oder A.6you IJ.EtO'X,0~79 (einer, der an der Bildung Anteil hat), als A.6ywv K.al. ooLa.~ rtELpav E'X,WV80 (einer, der in der Bildung und in der Weisheit edahren ist) oder A.6yov E'X,WV ävepWrtO~81 (Mensch, der Bildung besitzt). Alle diese Wendungen sind ebenso wie das einfache Adjektiv A.6YLO~82 wie Synonyme zu verstehen. Was die Literaten verbindet, ist die Liebe (der EpW~) zu den A.6YOL,83 weshalb sie sich auch A.6ywv fPOOvtE~84 (Liebhaber der Bildung) nennen. Eine Person, mit der man sich auf dem gleichen Bildungsniveau verbunden fühlt, wird freundschaftlich als K.OLVWVO~ tWV flJ.WV A.6ywv 8S (Gefährte meiner literarischen Studien) angeredet. 86 Neben den Verbindungen mit A.6yo~ werden von den Literaten noch andere Selbstbezeichnungen verwendet. Vom traditionellen Terminus rtaLÖELa. (Bildung) wird das mit A.6yLO~ synonyme rtErtaLÖEUIJ.EVO~ (gebildet) abgeleitet. 87 Einen jugendlichen Literaten lobt man mit dem Epitheton LA.OlJ.ae..;~ (bildungsbeflissen).88 Eine Steigerung gegenüber den bisher genannten Begriffen enthält die Bezeichnung oo6~ (weise). Meist verwendet sie respektvoll der Schüler gegenüber dem Lehrer, so N. Chumnos für G. Akropolites,89 M. Planu76 Einige solcher Selbstbezeichnungen nennt SmetEp 126, Nr.25 und 29 im Rahmen einer Übersicht über die Phraseologie der sozialen Gruppen im späten Byzanz, wie sie aus der Epistolographie erkennbar wird. 77 KydEp I, Nr. 12 (= TinnKyd 1/1, Nr. 5), Z. 27. 78 KalekEp 172, Nr. 4, Z. H. 79 Bryennios 111, 181, Z. 12-11 von unten. 80 D. Kydones, Apologia I (vgl. TinnKyd 1/1, 66, Nr. 1. 6.1): MercNot 359, Z. 11. 81 GregPhil196. 82 Bryennios 111, 149, Z.10 von unten; SevMakr 191, A. 22. 83 LetMan, Nr. 25, Z. 14; KydEp 11, Nr. 279 (= TinnKyd III, Nr. 248), Z. 37. 84 Argyr 231; vgl. auch Epacrr~\; 'J...6yoov bei Th. Hyrtakenos (Bois sAn I, 283). Hierher gehört auch der oben, Text mit A. 1 besprochene Begriff q,L'J...6'J...oyo\;. 85 HungChort 170, Nr. 20. 86 Ähnlich bezeichnet der Begriff oUVtpoq,O\; im entsprechenden Kontext einen Literaten, der gemeinsam mit anderen seine Bildung erhielt (SevMakr 191, A. 22.). Das Gemeinschaftsgefühl der Gebildeten klingt ferner an, wenn Gregoras in seiner Auseinandersetzung mit den Palamiten, den Verächtern der "Weltweisheit", die literarische Tradition stolz als tU TJl-letEpa (das Unsrige) bezeichnet (Greg 11, 884). 87 M. Chrysoloras, Brief Nr. 1, PG 156, 25B; vgl. auch tij\; :71mÖELa\; d:n;0YEumiI-lEVO\; (einer, der Bildung gekostet hat), GregPhil187. 88 TreuPed 48; vgl. auch den Titel des Gregoras-Traktates GregPhil. 89 BoissAnNov 103.
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des für seinen Lehrer Nikephoros Moschopulos, den Onkel des M. Moschopulos,90 oder auch für den Mönch Arsenios Autoreianos,91 Bessarion für Plethon.92 Bei Syropulos erscheinen nebeneinander MYLOL und O'ocj>oi. als Förderer der Kirchenunion. 9J Entsprechend wird Gelehrsamkeit zur größeren Ehrung als O'ocj>i.a bezeichnet.94 Eine weitere ehrenvolle Bezeichnung des Literaten ist cj>LA.oO'Ocj>O~.9S Sie wurde aber daneben auch in der byzantinischen Spätzeit noch in der Bedeutung "Mönch" verwendet. 96 Seit dem Einbruch der Abendländer in die byzantinische Welt im Gefolge des Vierten Kreuzzuges (1203/04) besannen sich die Byzantiner mehr und mehr auf den griechischen Charakter ihrer Kultur, und Bezeichnungen wie "Hellene", "hellenisch" gewannen eine neue, kulturelle Dimension. So erscheinen nun die in der antiken Tradition Gebildeten als "Hellenen"97 oder werden mit dem Ehrennamen "Philhellenen" für besondere Verdienste um die antike Tradition ausgezeichnet. 98 Unmittelbarer Ausdruck der literarischen Bildung und ein wichtiges Band der Gemeinsamkeit der Literaten untereinander ist eine gepflegte Sprache, orientiert am "attischen" Stil, für den häufig Platon und Demosthenes als repräsentative Vertreter stehen;99 sie wird auch als "Sprache der Hellenen" bezeichnet. loo Nach G. Akindynos ist die Sprache der "Bote eines edlen Geistes" .101 Manuel 11. möchte die Fähigkeit, sich gewandt auszudrücken ('tb "A.eYELv tOXUELV), dem Reichtum und allen Freuden vorziehen. l02 E. Chumnaina dankt ihrem geistlichen Mentor, daß er seine 90 PlanEpL 42, Z. 7f.: 0'0<1>0; Ö.>v 'to. 'tE BEta Kat öO'a avBpw:ItLva (weise in göttlichen und menschlichen Dingen). 91 A. O. 94, Z. 3. Arsenios (PLP 1693) ist nicht identisch mit dem gleichnamigen Patriarchen. 92 MohlBess III, 463, Nr. 20 (Titel); 468, Nr. 22 (Titel). 93 Syr 448, Z. 23. 94 HungChort 200, Nr. 44, Z. 25; D. Kydones, Apologia I, MercNot 359, Z. 11. 95 So bezeichnet D. Kydones mehrfach seinen Freund G. Gabrielopulos: Adresse von KydEp I, Nr. 31, 32,110,130. 96 DöPhil. 97 So nennt z. B. N. Kabasilas Chamaetos die Literaten seiner Vaterstadt Thessalonike, NikKabEp 32, Nr. 4. 98 TinnKyd 1/2, 313, A. 16. 99 KydEp 11, Nr. 182 (= TinnKyd 11, Nr. 147), Z. 5f.; LetMan, Nr. 45, Z. 58. 100 TinnKyd U2, 313, A. 16. Gepflegter Briefstil wird als 'EiJ..TJVLK~ Xo.pt; bezeichnet: LetMan, Nr. 29. Ein Gebildeter erhält die Ehrenbezeichnung "reinsprachiger Hellene": HungChort 87 und 168 (Nr. 19). Zu Stilfragen in den Briefen Gregorios' 11. siehe LaiouCorr 92f., aber auch 98f., wo auf den Zusammenhang zwischen gutem Stil und politischem Erfolg hingewiesen wird. 101 AkindH 70, Nr. 20, Z. 5 (... voiiv ... yevvaiov, YAwnav öE äYYEAOV't01l'tq> :7tpe:7touO'av). 102 LetMan, Nr. 11, Z. 2.
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Unterweisung in gebildeter, rhetorisch vollendeter Sprachform vermittle. IOJ Freilich war man sich auch dessen bewußt, daß es den zeitgenössischen Nachahmern unmöglich war, den Standard der antiken Literatur, also etwa Vorbilder wie Thukydides oder Demosthenes, ganz zu erreichen. Nach Meinung Manuels 11. verhalten sich die literarischen Produkte seiner Zeit zu den antiken wie Bronze zu Gold; dennoch solle man sich von der Abfassung eigener Schriften nicht abschrecken lassen, denn ein solcher Verzicht würde die Bildung so in Verfall bringen, daß man nicht einmal mehr die Dogmen der Orthodoxie verstehen könnte (die ja auch in einer antikisierenden Sprache verfaßt sind).I04 Eine solche Bemerkung zeigt, daß auf sprachlicher Ebene von einem prinzipiellen Gegensatz zwischen Gottes- und Weltweisheit - dazu weiter unten l05 ausführlicher -, kaum die Rede sein kann. Die Schriftsprache wurde jedenfalls, wie aus solchen Äußerungen ersichtlich ist, von der Umgangssprache, die natürlich auch die Gebildeten beherrschten und wohl auch im Gespräch verwendeten, deutlich unterschieden. Das "hochsprachliche" Idiom mußte durch das Studium klassischer und nachklassischer Autoren von jedem in der Jugend erlernt werden, bevor er eine Chance hatte, von der Gruppe der Literaten als einer der Ihren anerkannt zu werden. Doch genügte die bloße Beherrschung dieses Idioms nicht als Gütezeichen eines Literaten; vielmehr sollte er sich auch in einem angemessenen Stil ausdrücken können. So ist das Lob für die stilistische Leistung des Briefpartners ein beliebter Topos der Epistolographie. l06 Eine Steigerung des Lobes bestand darin, den Stil des Partners als vorbildlich für andere Literaten zu bezeichnen 107 oder ihm zuzubilligen, er habe den absoluten Gipfel der stilistischen Vollkommenheit erreicht. lOS Besondere Anerkennung fand vollendeter Stil dann, wenn der Verfasser eines Briefes kein "Berufsliterat" war, sondern sich vorwiegend im praktischen Leben ausgezeichnet hatte. Für eine solche Leistung dankt z. B. M. Gabras dem Parakoimomenos und Heerführer Johannes Chumnos.l09 Er bewundert auch M. Gabalas, weil er trotz seiner Tätigkeit im Dienst der Kirche (von Philadelpheia, also in der "Provinz") so vorzügliche Briefe schreiben könne. llo D. Kydones preist Johannes VI. für
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CorChoum 34, Nr. 5. LetMan, Nr. 52. 5.2.4. Z. B. GabrEp, Nr. 34, 49, 53, 81, 106, 146, 147. Gegenseitiges Lob der Briefpartner bezeugen GabrEp, Nr. 16 und 17. Vgl. auch HungChort, Nr. 7. KydEp II, Nr. 183 (= TinnKyd II, Nr. 0194), Z. 12-18. LetMan, Nr. 15, Z. 19-24. GabrEp, Nr. 34. Zur Person des Adressaten: PLP 30954. Vgl. auch GabrEp, Nr. 71. A. 0., Nr. 72.
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seine Begabung, Kriegsführung und andere Tätigkeiten im öffentlichen Leben mit überzeugender epistolographischer Kunst zu vereinbaren. 111 Eine manchmal bewußt gepflegte Eigenschaft der Literatenbriefe, auch in früheren Jahrhunderten, ist ihre sprachliche Dunkelheit, die Verschleierung der präzisen Aussage durch Andeutungen, gelehrte Anspielungen oder Ironie. 1l2 Man kann die Verwendung eines dunklen Stils als Versuch der Abgrenzung von den weniger Gebildeten verstehen, die solche Anspielungen nicht zu verstehen vermochten. ll3 Die Bemühung der Literaten auch dieser Epoche um ein hohes Sprachniveau ist also unverkennbar. Um so bemerkenswerter ist es, daß ab dem 14. Jh. in der gleichen Gruppe auch Werke in einem der Umganrssprache angenäherten Griechisch entstehen, z. B. erotische Romane lt , von denen einer sogar im Umkreis des Kaiserhofes verfaßt wurde. 1l5 Diese Neubewertung der Sprachebenen führt schließlich auch zu einer Verwischung der Grenzen zwischen Schrift- und Umgangssprache. Dafür spricht nicht nur das von einigen späten Geschichtsschreibern der Epoche verwendete Griechisch, das sich, offenbar unwillkürlich, weitgehend der gesprochenen Sprache annähert,116 sondern auch eine Äußerung wie die des Lukas Notaras ll7 in einem Brief an G. Scholarios:11 8 Er habe in seiner Jugend gehört, die Hellenen gebrauchten fünf Sprachen. Die Umstände hätten ihn gehindert, diese zu lernen, und er beherrsche bloß die Koine, "die wir ... alle gebrauchen"; Attisch und Jonisch (dttLKL~eLv Kat twvL~eLv) habe er nicht gelernt. Mit dieser Aufzählung sind drei der fünf "Sprachen" abgedeckt; welche mit den beiden restlichen gemeint sind, teilt Notaras nicht mit. Da aber dieser Brief (wie auch andere von seiner Hand) nicht in der Volks-, sondern in der Hochsprache geschrieben ist, mag er trotz seiner ungenauen Formulierung doch jedenfalls erheblich anders geschrieben als gesprochen haben. Bemerkenswert ist aber, daß er zwischen den beiden Sprachebenen der gesprochenen und der geschriebenen Gebrauchssprache offenbar trotzdem nicht mehr deutlich unterscheidet.
111 KydEp I, Nr. 12 (= TinnKyd 1/1, Nr. 5). 112 Vgl. SevSocColI X, 49f. 113 SmetEp 24-27 bezeichnet dieses Phänomen als "Dekonkretisierung" (dekonkretizacyja): Die Briefe enthalten neben der offenen auch verborgene Informationen. 114 Zur Sprache dieser Romane: BeckVolk 128. 115 A. 0.124. 116 Der Geschichtsschreiber Dukas beabsichtigt noch, "hochsprachlich" zu schreiben, doch überwiegen bei ihm die umgangssprachlichen und volkssprachlichen Elemente in Stil und Grammatik (Hunger I, 493); die Sprache des G. Sphrantzes nimmt eine Mittelstellung zwischen Hoch- und Umgangssprache ein (a. O. 498). 117 Zur Person: PLP 20730. 118 LPP 11,194, Nr. 7. Siehe zu diesem Brief auch oben, Kap. 4. 5, Text mit A. 212.
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Außer der Sprache gab es aber, zumindest nach ausdrücklichem Bekunden eines Teils der Literaten, noch andere, tiefere Bande der Gemeinsamkeit unter ihnen. Sie waren überzeugt, daß die Texte der antiken Autoren das Ideal vom sittlich harmonischen Menschen vermitteln, der von der umfassenden Tugend der KaA01caya9ia und von der d01:ELO'tTJS als einer verfeinerten Form der Bildung geprägt ist. Freilich bleibt der "weltlieh" gebildete Byzantiner nicht bei der antiken Tradition stehen. Erst in Verbindung der antiken moralischen Werte mit dem Christentum entsteht das, was man als "christlichen Humanismus" der Byzantiner bezeichnet hat. Aber umgekehrt bewirkt die "profane" antike Bildung Vollendung des Menschen im ethischen Sinne; ohne sie würde er zu sittlicher Roheit entarten. Dies jedenfalls glaubt Gregoras, der das aus seiner Sicht unmenschliche, tierische Verhalten eines Athosmönches (er bezieht sich auf den Patriarchen Kallistos) mit seiner angeblich mangelnden Bil·· 119 dung erkl art. Grundsätzlicher und umfassender vertritt Th. Metochites als entschiedener Anhänger der antiken Bildung (JtaLöEia) im Traktat "Ethikos,,120 ein entsprechendes Bildungsideal: Wahre Bildung basiere zwar auf den christlichen Glaubenswahrheiten, finde aber ihre zusätzliche Orientierung und Vollendung im Studium der antiken Autoren. Dieses verhelfe dem Menschen dazu, ganz er selbst zu werden; es lasse ihn wie von hoher Warte aus den ganzen Kosmos schauen und an der unaussprechlichen Harmonie des Seins teilnehmen. 121 Daß die Literaten ihre Bildung auch als ein Band tieferer Gemeinsamkeit mit ihren Briefpartnern verstanden, ist aus manchen ihrer Äußerungen zu erkennen. So begreift M. Gabalas, daß E. Chumnaina "die höhere Schönheit der Seele" sucht und im geistigen Austausch mit philosophisch gebildeten Gleichgesinnten zu finden hofft. 122 D. Kydones sehnt sich in einer Phase der Depression nach den "tröstenden Gesängen der Philosophie" seines Freundes Gabrielopulos. 12J Die Freundschaft zwischen Gebildeten ist von größerer Tiefe als die gewöhnliche; in einer solchen Be119 Greg 11, 873; Übers.: DietGreg IV, 6lf. Daß dieses Urteil sehr subjektiv gefärbt ist, liegt auf der Hand; vgl. a. O. 19M., A. 12. Im übrigen bewertet aber Gregoras den Mönchsberg und seine Bewohner recht positiv (Greg 11, 714-718; Übers.: DietGreg III, 125-127). 120 I. D. Polemes, 8EOlioopoS ME"tOX(:tTJS, 'H8LKOS 1\ 1tEpL 1taLliELaS. El.aayooyTJ - KPL"tLKTJ EKlioOT) - ME"talj>paOT) -l:TJI1Eu.OOELS, Athen 1995. Der Herausgeber ordnet den Traktat als philosophischen Protreptikos ein (14-20). 121 HungEth 145-149. - D. Kydones läßt in einem seiner Briefe den Gedanken anklingen, daß man von Ungebildeten ein geringeres politisches Ethos zu erwarten habe als von einem Gebildeten (KydEp 11, Nr. 332 [= TinnKyd III, Nr. 328], Z. 29-32). 122 MatthEp, Nr. 32. 123 KydEp I, Nr. 110 (= TinnKyd 112, Nr. 50), Z. 41.
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ziehung weiß der Freund, »wie man zu lieben hat" .124 M. Chrysoloras beschreibt D. Chrysoloras in einem Brief aus Florenz die geistige Freude, die er bei der Betrachtung der Stadt und ihrer Kunstwerke empfindet, und er ist überzeugt, daß der Briefpartner seine Empfindungen teilen und sogar die göttliche Dimension der Schönheit noch besser als er selbst erfassen könne. 125 Besonders eindrucksvoll ist das Bild geistiger Gemeinsamkeit mit dem Freund, das J. Bryennios in einem Brief an D. Kydones entwirft. Er beklagt die Trennung von ihm und teilt ihm mit, er könne fast nicht atmen, ohne seinen Freunden die Vorzüge des Briefpartners zu schildern. Diese aber seien: Seine erhabene Weisheit, sein Talent für die geistigen Dinge (n:ept tou~ A.6yo'U~), seine ständige Bemühung um Ausgewogenheit im Denken, seine rasche Auffassungsgabe, die Fülle seines Wissens, seine Fähigkeit, das Lateinische ins Griechische zu übertragen,126 die Lauterkeit seines Charakters, seine Bescheidenheit, sein maßvoller Sinn, der Fluß seiner Sprache und die Schönheit seines Stils. 127 Für Spezialkenntnisse auf bestimmten Wissensgebieten spendeten Literaten einander gegenseitig das gebührende Lob. 128 Planudes ehrte M. Bryennios als hervorragenden Astronomen. 129 Joseph Rhakendres wird von M. Gabalas als großer Meister der Philosophie anerkannt. 13 Die ehrfürchtige Wertschätzung der Schüler für den Philosophen G. Gemistos Plethon ist reichlich bezeugt. 131 Erwähnt sei hier nur das Urteil seines Schülers Bessarion, er sei der weiseste Mensch seit Platon gewesen. Manchmal waren solche Lobreden aber auch nur Schmeichelei, die dem Zweck diente, die Gunst des Adressaten zu gewinnen. 132 Es spricht daher eher für die Fähigkeiten eines Gelehrten, wenn ein Älterer sie neidlos anerkennt. 133 In diesem Zusammenhang sollte wenigstens kurz das Eigenlob mancher Literaten erwähnt werden. Männer in hoher Position wie N. Chum-
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LetMan, Nr. 3, Z. 30. PG 156, 52f. Übersetzungen des D. Kydones ins Lateinische: Übersicht bei TinnKyd VI, 68-72. Bryennios III, 134f., Nr.4. Er widmet D. Kydones diese ehrerbietige Anerkennung, obwohl er ihn wegen seines "Abfalls" von der Orthodoxie tadeln muß. Offensichtlich fällt es ihm aber noch leichter, die Weisheit des N. Kabasilas Chamaetos zu rühmen, mit dem ihn Gemeinsamkeit im Glauben verbindet (Bryennios III, 138-141, Nr. 6). Z. B. VerpChoum 68f. ConstEd 96. MatthEp, Nr. 10. WoodhPleth 7-13. So z. B. GabrEp, Nr. 144. So Th. Pediasimos in einem Brief an einen jungen Mann, in dem M. Treu den jugendlichen D. Kydones vermutet (TreuPed 34-36, Nr. 6; dazu a. O. 59).
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nos 134 und Th. Metochites 13S entwickelten ein entsprechendes Selbst- und Elitebewußtsein, bekundeten aber andererseits auch, unter der Spannung zwischen ihren staatsmännischen Aufgaben und ihren intellektuellen Interessen zu leiden. 136 Ein wichtiges Anzeichen der Solidarität innerhalb der Literatengruppe war der Austausch von Büchern bzw. Handschriften. Zum Teil handelte es sich um eigene Werke, zum Teil um Werke anderer Autoren, die einem der Partner oder beiden wichtig waren. Zunächst einige Beispiele für den Austausch eigener Werke. Patriarch Gregorios II. dankte dem jüngeren Th. Metochites überschwenglich für den Empfang eines von ihm vedaßten Werkes,137 übersandte ihm aber ein anderes Mal seinerseits eine Schrift zur Begutachtung. 138 Auch G. Pachymeres ließ GreBorios eines seiner Werke lesen, doch wurde dieser begreiflicherweise 9 auch nach viermaliger Lektüre aus dem Opus nicht klug und bat den Vedasser schließlich um eine Erläuterung. Ho N. Chumnos sandte M. Gabras seine Reden, und dieser pries sie, wohl nicht ohne Schmeichelei, als "golden" .141 Gabras lobte in seinen Briefen mehdach Werke seiner Bekannten oder bat um ihre Zusendung. 142 Gabalas sandte der Chumnaina eine von ihm selbst vedaßte philosophische Abhandlung zu und betonte zu~leich, daß er ihr damit viel mehr gewähre, als wenn er selbst zu ihr käme. 43 M. Gabras schickte an Gabalas seine Schrift "Über Tugend und Bosheit" als Zeichen der Freundschaft. 1H M. Gabalas bat respektvoll einen Hypatos der Philosophen (üJta'to~ 't(ov <j>LAoa6<j>wv)14S um die Beurteilung seiner Schriften. H6 Eine Abhandlung, die N. Gregoras an M. Gabalas (damals bereits Kleriker) sandte, fesselte diesen nach eigenem Bekunden so sehr, daß sie ihn von den theologisch-geistlichen Idealen abzulenken und wieder für das philosophische Leben der Gebildeten
134 VerpChoum 189. 135 Er zählte sich ausdrücklich zu der Gruppe der Besten (ä.PUJ'tOL), die mit dem Neid der übrigen zu rechnen haben (SevChor 49). 136 So Th. Metochites (SevChor 49f.) und D. Kydones (KydEp I, Nr. 31 [= TinnKyd 1/2, Nr. 49], Z. 14-26). 137 GKypEp, Nr. 54 und Nr. 56. 138 A. 0., Nr. 112. 139 Zum "schwierigen und geschraubten Stil" des Pachymeres vgl. Hunger I, 449 mit A. 38. 140 GKypEp, Nr. 69. Doch mußte er selbst sich in einem anderen Brief gegen den Vorwurf des Pachymeres verteidigen, er schreibe nicht gefällig; a. 0., Nr. 105. 141 GabrEp, Nr. 98 und 99. 142 GabrEp, Nr.29, 31,108,322. 143 MatthEp, Nr. 32. 144 GabrEp, Nr. 54. 145 Zu diesem Titel s. u., Text mit A. 535-543. 146 MatthEp, Nr. 60.
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zurückzugewinnen drohte. 147 Um Durchsicht eigener Werke bat auch Chortasmenos einige seiner Freunde und Bekannten,148 oder er lobte bzw. tadelte seinerseits deren Werke. 149 M. Kalekas pries das Werk eines Freundes, das er von ihm zur Beurteilung erhalten hatte, und mahnte ihn zugleich aufgrund dieser Leistung, sich nicht länger als sein Schüler zu verstehen. 150 Seinem bewährten Gesandten im Abendland M. Chrysoloras ließ Manuel II. als besonderes Zeichen des Vertrauens die selbstverfaßte Grabrede auf seinen Bruder Theodor zukommen und bat ihn um Korrekturen (Streichungen, Änderungen und Zusätze), an deren Notwendigkeit er nicht zweifelte. 151 Nicht anders als heute gab es auch in Byzanz säumige Entleiher von Büchern. So mahnte Planudes den Mönch Arsenios Autoreianos dringlich, ihm sein Werk über Harmonik zurückzugeben. 152 Eines Tages verlor er die Geduld, machte sich auf und suchte persönlich während der Abwesenheit des Unzuverlässigen in seiner Zelle, wo ein Haufen von Büchern wirr durcheinanderlag, aber vergebens. 153 Schließlich gab er die Hoffnung auf,154 und wahrscheinlich war das Werk tatsächlich schon damals auf immer verschwunden, denn es zählt heute zu Planudes' nicht erhaltenen Schriften. 155 Man verfaßte auch Schriften, um sie Bekannten und Freunden, deren Interesse an der behandelten Thematik man voraussetzte, zu schenken. Ein geeignetes Geschenk für einen Geistlichen war eine religiöse Schrift, wie sie z. B. Manuel II. dem Metropoliten Gabriel von Thessalonike widmete. 156 Ein Vertrauter dieses Kaisers, D. Chrysoloras, kam sogar auf die Idee, seinen Herrn mit einem ganzen Dossier von hundert Kurzbriefen zu erfreuen; Manuel bedankte sich mit der ironischen Bemerkung, der Verfasser sei wegen Faulheit zu tadeln, weil er nicht gleich zehntausend verfaßt habe. Zum Dank überreichte er ihm ein Gebet zur Muttergottes und bat ihn, er möge es nicht als Versuch auffassen, seine Leistung zu überbieten. 157 Ein anderes Mal widmete derselbe Chrysoloras dem Kaiser seine "Lobrede auf einen Floh", in der er kunstvoll beschrieb, wie ihm
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MatthEp, Nr. 35. HungChort, Nr. 39f. A. 0., Nr. 10 bzw. Nr. 13. KalekEp, Nr. 41. LetMan, Nr. 56. PlanEpL 94, Nr. 64. A. O. 95f., Nr. 65. A. O. 103, Z. 22. A. 0., App. zu Nr. 64, Z. 1: "Hic Planudis liber periit." LetMan, Nr. 52. Es handelte sich wahrscheinlich um seine Schrift "Über Sünde und Buße oder Über Maria von Ägypten" (a. 0., A. 4). 157 LetMan, Nr. 61. Vgl. unten, Text mit A. 555.
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das Tierchen zugesetzt habe. Der Kaiser dankte es ihm mit einer humorvollen Replik. 158 Aus Scheu vor der Kritik des Freundes zögerten manche Autoren mit der Zustellung einer selbstverfaßten Schrift, so z. B. in einem Fall Th. Pediasimos. 159 Doch hatten sie für solche Zurückhaltung gelegentlich mit Tadel zu rechnen. 16o Natürlich kam es auch vor, daß zwei Autoren ein Werk gemeinsam verfaßten. So dankt Manuel II. z. B. Euthymios 11., damals noch nicht Patriarch, für dessen Mitarbeit bei der Erörterung einer theologisch-philosophischen Streitfrage. 161 Neben dem Austausch eigener Werke war auch das gegenseitige Ausleihen von Handschriften antiker oder patristischer Autoren üblich. Die Briefcorpora Gregorios' II. und des M. Planudes 162 , neuestens auch die des Th. Hyrtakenos, N. Chumnos und M. Gabras 16J wurden unter diesem Gesichtspunkt ausgewertet. Gregorios 11. bezeichnete sich selbst als Liebhaber von Büchern (LMßLßAO~) und bedankte sich überschwenglich, wenn man ihm ein gewünschtes Buch zur Lektüre auslieh. 164 Er erbat sich mehrfach Handschriften, die er benötigte, bei deren Besitzern165 und mahnte auch versprochene Bücher an. l66 N. Chumnos wandte sich u. a. an Th. Kantakuzene, eine Nichte Michaels VIII., um von ihr Bücher zu entleihen. 167 In den Briefen des M. Gabras ist der Austausch von Büchern ein häufiges Thema. 168 M. Planudes entlieh Spezialschriften von entsprechenden Fachleuten; so erbat er sich eine Handschrift des antiken Mathematikers Diophant bei M. Bryennios. 169 D. Kydones erhielt durch Vermittlung Manuels 11. einen Platon-Kodexl70 und korrespondierte vergeblich mit dem Despoten der Peloponnes Theodoros 1., um von ihm eine Plutarch-Handschrift auszuleihen. l7l Er bedankte sich aber auch für die Zusendung einer patristischen Handschrift Oohannes Chrysostomos).172 J. 158 LetMan, Nr. 50. 159 TreuPed 31, Nr.1. 160 Entsprechend kritisiert z. B. Manuel H. seinen Freund N. Kabasilas Chamaetos (LetMan, Nr. 6, 2ff.). 161 LetMan, Nr. 54. Es handelt sich um die Diskussion zu einem Jesuswort über den Verräter Judas (Edition: TinnJud). 162 ConstEd 133-158. Es sei hier darauf hingewiesen, daß die Korrespondenz Gregorios' 1I. neuestens auch unter sozialgeschichtlichem Aspekt untersucht wurde (LaiouCorr). 163 KarpBooks. 164 GKypEp, Nr. 9. 165 A. 0., Nr. 47,48,58. 166 A. 0., Nr. 20, 21. Zum Bücheraustausch in der Korrespondenz des Gregorios siehe auch LaiouCorr 95f. 167 BoissAnNov 93f., Nr. 77. 168 GabrEp,Nr. 1-3; 15;28;35;39;46;98; 100; 118;260;266;269. 169 PlanEpL 66, Nr. 33. 170 KydEp 1I, Nr. 258, 276, 259 (= TinnKyd III, Nr. 240-242); LetMan, Nr. 3; TinnThess 38f. 171 KydEp H, Nr. 293, 313, 322 (= TinnKyd III, Nr. 273, 309, 313). 172 A. O. 36lf., Nr. 406.
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Chortasmenos reagierte empfindlich, als ihm ein Buchwunsch abgeschla173 gen wur d e. / Natürlich wurden auch entliehene Bücher mit Texten fremder Autoren nicht immer rechtzeitig zurückgegeben. In solchen Fällen forderte man sie ein,174 manchmal unter Hinweis auf bereits langdauernde Säumigkeit des Ausleihers,175 oder man beklagte sich sogar über einen Wiederholungsfall. 176 Gelegentlich bat man, um es von vorneherein nicht soweit kommen zu lassen, gleich beim Ausleihen um schnelle Rückgabe. In Handschriften wurden nicht nur zur Lektüre, sondern auch zur Kollationierung und zur Emendierung von Textenl78 oder zur Erstellung einer Abschrift ausgetauscht. 179 Dazu mußte man sich auch Beschreibmaterial wie Pergament oder Papier beschaffen. Gregorios 11. informiert uns in einem Brief, daß vor allem in der Fastenzeit - wegen des Verzichtes auf Fleischgenuß - Tierhäute zur Herstellung von Pergament knapp waren. 180 Aber auch abendländisches Papier war, zumindest in der Frühzeit seiner Verbreitung im byzantinischen Osten,18I so rar, daß man es sich von denen erbat, die es aufgrund ihrer Position leichter beschaffen konnten,182 und man war sogar mit bereits einseitig beschriebenem Schreibpapier zufrieden. \8J Eine natürliche Konsequenz aus den gemeinsamen Interessen der Literaten war der Gedankenaustausch, der entweder mündlich oder in Form eines Briefwechsels gepflegt wurde. Obwohl die Nachwelt über den brieflichen Dialog naturgemäß besser informiert ist, besitzen wir doch in den Briefen der Literaten zahlreiche schriftliche Zeugnisse darüber, wie sehr man in diesen Kreisen das persönliche Gespräch schätzte,
173 174 175 176 177 178 179 180 181
HungChort, Nr. 17. GKypEp, Nr. 26, 30, 52, 59; PlanEpL 94f., Nr. 64. A. 0., Nr. 62. ConstEd 78, A. 67. GKypEp, Nr. 38. GKypEp, Nr. 75. A. 0., Nr. 187. A. O. Abendländisches Papier, vornehmlich aus Italien, wo es seit den ersten Jahrzehnten des 13. Jh. hergestellt wurde, aber auch aus dem arabischen Spanien und Nordafrika sowie aus Katalonien, wurde seit etwa 1250 mehr und mehr auch in Byzanz eingeführt und verwendet. Vgl. J. Irigoin, Les premiers manuscrits ecrits sur papier et le probleme du bombycin, Scriptorium 4,1950,194-204; derselbe, Les debuts de I'emploi du papier a Byzance, BZ 46,1953,314-319 und derselbe (u. a.), Papiers orientaux et papiers occidentaux, in: La paIeographie grecque et byzantine, Paris 1977,45-54. 182 So Gregorios II. (in der Zeit vor seinem Patriarchat) in einem Brief an G. Akropolites, GKypEp, Nr. 39. 183 A. 0., Nr. 102.
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das Zweier gespräch unter Freunden oder auch den Vortrag und die Diskussion in kleineren und größeren Zirkeln. Das Wiedersehen mit einem Freund nach einer Trennung wird in der Regel höher bewertet als der briefliche Kontakt. 184 Einen besonderen Akzent erhält der Wunsch nach persönlicher Nähe des Briefpartners in der Korrespondenz der E. Chumnaina. Sie will sich in der Einsamkeit des Klosters nicht auf den Austausch von Briefen mit ihrem geistlichen Berater Ignatios beschränken, sondern öfter, wenigstens einmal im Monat, mündlichen Austausch mit ihm pflegen, um geistigen und geistlichen Trost von ihm zu erhalten. Er hingegen sieht solche persönlichen Besuche angesichts ihres Mönchsstandes als unschicklich an und hält die Korrespondenz für ausreichend. Die Chumnaina hält ihm entgegen, die lebendige Stimme unterscheide sich von einer Mitteilung mit Papier und Tinte wie der lebendige, sprechende Mensch von einem leblosen gemalten Bild. Doch geht es ihr weniger um das gelehrte Gespräch als um geistlichen Trost, und es schwingt auch eine Komponente sublimierter Erotik mit. 18s In manchen Briefen des D. Kydones klingt es deutlicher an, daß er sich von persönlichem Beisammensein gelehrten bzw. philosophischen Austausch erhofft. Er meint z. B., der Freund G. Gabrielopulos könnte ihn, wenn er anwesend wäre, von einer Krankheit nicht nur durch seine ärztliche Kunst, sondern auch durch die "tröstenden Gesänge der Philosophie" heilen. 186 Er beteuert auch sein Verlangen, in der Nähe seines gelehrten Freundes, Kaiser Manuels H., in Thessalonike zu weilen, wenn nur die Umstände es gestatteten. 187 Einen anderen Freund, Johannes Laskaris Kalopheros, mahnt er, sein betriebsames Leben als Geschäftsmann und Unternehmer aufzugeben und gemeinsam mit ihm in Venedig seinen Lebensabend der Muße und der Philosophie zu widmen. 188 Beliebt war aber auch der Gedankenaustausch in elitären Zirkeln, den sog. 8EU'tPU. 189 Hier wurden mit Vorliebe Briefe und rhetorische Texte verlesen, von den Versammelten begutachtet und z. T. stürmisch gepriesen. Einen solchen Zirkel unterhielt z. B. der Staatsmann N. Chumnos.1 9o 184 185 186 187
Z. B. PlanEpL 45, Z. 23-27, Nr. 19; 86, 22-24, Nr. 54. CorChoum, vor allem 42f., 46f., 52f. KydEp I, Nr. 110 (= TinnKyd 1/2, Nr. 50), Z. 41. Vgl. oben, Text mit A. 123. KydEp II, Nr. 279 (= Tinn Kyd III, Nr. 248), Z. 34-43. Hier fällt zweimal (Z. 36 und 40) das in diesem Zusammenhang beliebte Stichwort O'UvovuLa (Beisammensein). 188 KydEp II, Nr. 345 (= TinnKyd III, Nr. 330), Z. 35-61. 189 Darüber zuletzt I. P. Medvedev, The so-called 8eatpa as a form of communication of the Byzantine intellectuals in the 14th and 15th centuries, in: 'H 'EmKOLvoovLa Uto Bv~aVtLO, Athen 1993, 227-235. Über die entsprechende Tradition seit der Spätantike: Hunger I, 210f. 190 VerpChoum 67.
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Th. Metochites, zuerst Schüler und später Rivale des Chumnos, bedachte allerdings dessen selbstgefälliges, pathetisches Gehabe bei der Leitung der Zusammenkünfte mit ätzender Ironie. 191 G. Akindynos bezeugt, daß Gregoras in vielen 8ea'tpa gefeiert wurde. 192 Auch Th. Xanthopulos in Thessalonike 191 und J. Gabras (I), der Bruder des M. Gabras/ 94 unterhielten literarische Zirkel. Doch kann man wohl sagen, daß die Grenze zwischen einer Institution und zwanglosen Zusammenkünften fließend war. Wenn einige Freunde zusammenkamen, um sich gemeinsam an den kleinen stilistischen Glanzleistungen der Epistolographie zu freuen, wie z. B. die Zuhörerschaft in Thessalonike, welcher der jugendliche D. Kydones einen Brief Johannes' VI. vorlas,195 kann natürlich von einem förmlichen Zirkel keine Rede sein. 196 Jedenfalls wurde die persönliche Anwesenheit als sehr notwendig empfunden, und so sah man es denn auch nicht gern, wenn ein Angehöriger eines solchen Kreises sich aus freien Stücken zu lange an einem fernen Ort aufhielt. Er mußte über kurz oder lang damit rechnen, wegen seiner Reiselust getadelt zu werden,197 und wurde manchmal sogar unlauterer Motive, z. B. der Gewinnsucht, verdächtigt. 19B Dennoch gab es natürlich auch zwingende Gründe (die politische Situation, berufliche Aufgaben), welche Dialogpartner voneinander trennten, glücklicherweise, wäre aus heutiger Sicht zu sagen; denn erst die Distanz zwang sie zum Austausch von Briefen, die uns Heutigen eine Vorstellung über Details ihrer Beziehungen vermitteln. Die damaligen Vedasser dachten, wenn sie schrieben, allerdings eher daran, literarische Kunstwerke zu schaffen; erst an zweiter Stelle sahen sie im Brief ein Medium zur Übermitdung von Informationen. Erst aus dem Brief konnten sie entnehmen, ob der andere das Sprachniveau beherrschte, das seine Zugehörigkeit zur Literatengruppe begründete. Dennoch kam es gelegentlich vor, daß zwischen dem vollendeten Stil eines Briefes und seinem sachlichen Gehalt ausdrücklich unterschieden wurde, so im Brief Manuels 11. an D. Chrysoloras, in dem es heißt: ,, geht nicht von unwiderleglichen Gründen und allgemein angenommenen Prinzipien aus, sondern ist allein auf sprachliche Eleganz gegründet und mit bloßer
Metochites, Logos 14, § 27, in: SevMet 253. AkindH 17f., Nr. 1. VerpChoum68. GabrEp, Nr.358, Z. 26. KydEp I, Nr. 12 (= TinnKyd 1/1, Nr. 5), Z. 18ff. Dasselbe gilt für einen Freun~~skreis, dem der alternde Kydones einen Brief vorliest (KydEp 11, Nr. 442, Z. 13f.). Uber literarische Zirkel und gelehrte Disputationen am Kaiser- bzw. Despotenhof s. u., Text mit A. 526-528, 548f., 553-557, 665. 197 HungChort, Nr. 12; vgl. auch Nr. 44 und 47. 198 KarpBooks 82.
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Überzeugungskunst eingefärbt. ,,199 Das heißt, so gut gelungen der Brief des Partners aus literarischer Sicht auch sein mochte, seine philosophische Argumentation wurde als oberflächlich beurteilt. Gemäß seinem Bildungsstand erwartete ein Briefschreiber also ein entsprechendes Briefniveau von seinem Partner. Die Wertschätzung für den Brief als Sprachkunstwerk ging so weit, daß man die Briefe des Partners, aber auch eigene, kopierte und sammelte. Gregorios H. sammelte seine eigenen Briefe mit der Begründung, es sei ein Gesetz der Natur, seine Abkömmlinge zu lieben. 2°O Nun hatte sein Briefpartner, der Großlogothet Th. Muzalon, die Briefe, die Gregorios II. ihm geschrieben hatte, auch seinerseits gesammelt und aufbewahrt, um sich immer wieder an ihrem Stil zu erfreuen. Diese Briefe nun erbat sich der Patriarch, um sie abschreiben zu lassen und seiner Sammlung hinzuzufügen. Muzalon war bereit, sie ihm zu diesem Zweck zu überlassen, bat ihn aber dringend, sie ihm alsbald zurückzusenden, denn er betrachte sie als sein Eigentum. 201 Gregorios erhielt also leihweise seine Briefe zur Abschrift und sandte sie nach einiger Zeit zurück. Im Begleitschreiben zu dieser Sendung teilte er Muzalon mit, er habe entgegen seiner Absicht, alle diese Briefe als ein Denkmal schönen Stils (AOYLKil~ KaAAL'n:xvta; lJJtO/lvlJ/la) kopieren zu lassen, jetzt - wegen ihres schlechten Stils - nur noch wenige einer Abschrift für wert gehalten. Er sende sie zwar alle zurück, aber mit der Bitte, sie samt und sonders zu vernichten, damit ihm die Nachwelt nicht mangelnde Bildung vorwerfen könne. 202 Manuel H. ließ die Briefe seines Lehrers D. Kydones, die er während seiner Zeit in Thessalonike (1382-87) erhielt, in einen Kodex abschreiben. 20J Kydones bedachte dieses Vorhaben zwar aus Bescheidenheit mit Kritik,204 doch führte er selbst ein Kopialbuch seiner späteren Korrespondenz (319 Briefe), das sowohl autograph wie auch in einer von ihm autorisierten Abschrift seines Schülers M. Kalekas erhalten ist. 205 Auch diese Briefsammlung erfolgte aus rein literarischem, nicht aus historischem Interesse. Nur so erklärt es sich, daß die Kopien von Kydones noch im Kopialbuch stilistisch verbessert wurden, nachdem die Originalbriefe längst abgeschickt waren. 206 K ydones war in der Palaiologenzeit nicht er erste, der seine eigenen Briefe sammelte. Entsprechendes ist auch von dem Staatsmann N. 199 200 201 202 203 204 205 206
LetMan, Nr. 33, Z. 14-16. GKypEp, Nr. 155 (v6IJ.O~ tij~ q)'\)aE(J)~ ". atEPYELV tU fKyova). A. 0., Nr. 156 (Brief des Th. Muzalon). A. 0., Nr. 157. Zu dieser Korrespondenz siehe auch LaiouCorr 92. LetMan, Nr. 10, Z. 3. KydEp II, Nr. 326 (= TinnKyd III, 256), Z. 15f. Dazu Loenertz in KydEp II, (5.) V. A. O. V-VI,
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Chumnos bekannt,20? vor allem aber von M. Gabras, der mit geradezu peinlicher Sorgfalt auf die Sammlung und Verbreitung seiner ebenso umfangreichen wie geschwätzigen Briefe bedacht war und mit ihnen insgesamt vier Kopialbücher (ßtßALa) zu füllen gedachte. 208 In seiner Korrespondenz bezeu~t er, solche Kopialbücher an interessierte Freunde ausgeliehen zu haben. Von J. Bryennios ist ein ausführlicher Brief zum Thema der Briefkonservierung überliefert. 2lo Er schildert eingangs dem Briefpartner die Mühen, welche das Briefeschreiben erfordere, die Beschaffung von Papier, Tinte, Schreibfedern, Siegelwachs und anderen notwendigen Utensilien, aber auch die körperliche und geistige Anstrengung beim Vorgang des Schreibens und schließlich den weiten Weg, den der Zusteller zurücklegen müsse. Dies teilt er dem Empfänger mit, weil er befürchtet, er werde den Brief nach der Lektüre achtlos wegwerfen, und er fährt fort, die Menschen in früheren Zeiten (OL n:aAaLot) - als Beispiele nennt er Libanios, Synesios von Kyrene und Isidor von Pelusion, Autoren des 4. und 5. Jh., aber auch alle späteren Autoren, deren Briefe erhalten sind - seien mit Briefen sorgfältiger verfahren. Sie hätten sie vor der Absendung in ein Heft (ßtßALOV) kopiert; aber auch der Empfänger habe ihn anderen Literaten gezeigt, und diese hätten ihn wie er selbst auswendig gelernt, abgeschrieben, ihn in ihren Reden zitiert und öffentlich gepriesen. So sei binnen eines Jahres der eine Brief durch zahlreiche Abschriften vervielfältigt und weit verbreitet gewesen, so daß die Mühe des Verfassers sich wahrhaft gelohnt habe. Bryennios will aber wohl nicht leugnen, daß auch noch zu seiner Zeit Briefe mit solcher Sorgfalt aufbewahrt wurden; er nennt die Vorbilder aus der Spätantike wohl aus pädagogischen Gründen. Das Medium des Briefes ermöglichte es den Literaten, auch über größere Entfernungen hinweg Gedankenaustausch zu pflegen. Man kann geradezu von einem Netz von Kontakten sprechen, das sich über die damalige griechischsprachige Welt hinwegzog. Die Knotenpunkte dieses Netzes waren einige Städte und Herrschaftszentren in einem Raum, der
207 Gemäß Brief Nr.2, BoissAnNov 2-4, suchte er für das Vorhaben einen geeigneten Kalligraphen; vgl. auch a. O. 167f., Nr. 144. 208 GabrEp, Nr. 175. Anscheinend verteilte Gabras seine insgesamt 1470 (oder 1400) Briefe später auf zwei Bände, von denen nur der erste, mit 462 Briefen, erhalten ist. Vgl. F. Tinnefeid, Zur Entstehung von Briefsammlungen in der Palaiologenzeit, in: IIoAUn:AEuPO!; Noii!;, Festschrift P. Schreiner, München-Leipzig 2000, S. 365-381, Text mit A. 37-46. 209 Kopialbuch I: GabrEp, Nr. 175; Bitte um Rückgabe: a. 0., Nr. 301. Kopialbuch II: a. 0., Nr. 365, an M. Gabalas. Teile der Sammlung verlieh er auch an den Metropoliten Gregorios von Dyrrhachion (a. 0., Nr. 419) und an einen gewissen Dermokaites (a. 0., Nr. 450). 210 Bryennios III, 180-182, Nr. 25.
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außer den wenigen noch zum byzantinischen Reich gehörenden Gebieten auch ehemaliges Reichsgebiet (Kreta, Zypern, Trapezunt), manchmal sogar Aufenthaltsorte von Briefpartnern in Italien211 , umfaßte. Die wichtigste Quelle für diese weitgespannten Kontakte sind die großen Briefcorpora der Epoche. Briefsammlungen in größerem Umfang (über 50) sind erhalten (in chronologischer Reihenfolge; Zahl der Briefe in Klammern) von: Patriarch Gregorios H. (242), M. Planudes (122), Patriarch Athanasios (126), N. Chumnos (179), M. Gabras (462), Th. Hyrtakenos (93), M. Gabalas (64), G. Akindynos (76), N. Gregoras (159), D. Kydones (448), Kaiser Manuel II. (68), M. Kalekas (89) und J. Chortas212 menos ( 52.) Jedes dieser großen Briefcorpora, von denen im folgenden nur ein Teil exemplarisch auf die Spannweite der Adressaten befragt werden soll, hat je seine Eigenart; jeder Autor hat einen Kreis von Briefpartnern, der die unter 5.8 aufgelistete Literatengruppe bei weitem überschreitet. Von den Briefpartnern der genannten Literaten ist leider nur ein verschwindend geringer Bruchteil der anzunehmenden Briefe erhalten. Regelrechte Korrespondenzen zweier Briefpartner liegen nur für kleinere Briefcorpora vor. 2lJ Auch zu einigen Briefen der großen Briefsammlungen sind vorausgehende oder folgende Briefe der Partner erhalten, so z. B. zu denen des D. Kydones. 214 Wir müssen aber annehmen, daß auch die Briefpartner, 211 So adressiert z. B. D. Kydones Briefe (KydEp U, Nr. 331 und 345) an seinen Freund Johannes Laskaris Kalopheros in Venedig bzw. an einem anderen Ort im Abendland. 212 Die maßgebenden Editionen sind: GKypEp (dazu LaiouCorr), PlanEpL, CorAth, BoissAnNov 1-190 (Chumnos; eine kritische Edition liegt nicht vor), GabrEp, MatthEp, AkindH, GregEpL, KydEp, LetMan, KalekEp, HungChort. Für Hyrtakenos liegt bislang nur die seltene Edition von La Porte du Theil (HyrtEp) vor. Ferner ist das Briefcorpus des G. Oinaiotes, früheres 14. Jh. (PLP 21026), zu nennen (179 Briefe, gemäß ODB 1519), dessen Edition in den "Supplementa Byzantina" von G. Fatouros, St. Kouroussis und D. R. Reinsch vorbereitet wird (siehe: Arbeitsgemeinschaft deutscher Byzantinisten, Publikationsliste 1998, 4). Die Mehrzahl der bei MohlBess UI, 415-571 edierten griechischen und lateinischen Briefe Bessarions (griech.: Nr. 1-37 und 59-61) stammen aus der Zeit nach 1453. 213 In der Sammlung CorChoum sind die Briefe Nr. 1-16 eine alternierende Abfolge von Briefen der E. Chumnaina und der Antworten ihres geistlichen Beraters, des "Philosophen" Ignatios. Einen Briefwechsel enthält auch die Edition: Georgii Lacapeni et Andronici Zaridae epistulae, ed. S. Lindstarn, Göteborg 1924. Zu beiden Autoren s. u., 5. 8: G. Lakapenos, A. Zarides. Ferner ist ein Briefwechsel zwischen Gennadios U. und Lukas Notaras überliefert (LPP H, 182-212). 214 Auf NikKabEp, Nr. 14 (auch ediert in KydEp I, 169, Appendix I, Nr. 1) antwortet KydEp I, Nr. 124 bzw. nach dessen Verlust KydEp I, Nr. 125 (vgl. TinnKyd 112, Nr. 52 und 58). Auf KydEp H, Nr. 213 antwortet NikKabEp, Nr. 15 (auch ediert in KydEp I, 170, Appendix I, Nr. 2; vgl. TinnKyd Ir, 210, Nr. 0223). Zu erhaltenen Antworten auf erhaltene Briefe im Briefwechsel zwischen D. Kydones und Manuel U. vgl. LetMan, Nr. 3, A. 1; Nr. 8, A. 1; Nr. 10, A. 1; Nr. 11, A. 1; Nr. 12, A. 1; Nr. 16, A. 16; Nr. 21, A. 1.
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von denen keine Zeile erhalten ist, durchweg in der Lage waren, ihre Briefe auf dem Niveau der erhaltenen Antworten zu verfassen. So schreibt z. B. M. Planudes an folgende Adressaten: Kaiser Andronikos 11., Mitglieder der Kaiserfamilie (auch an Th. Kantakuzene), vorwiegend an Hofbeamte und Heerführer wie Demetrios Angelos 215 und Alexios Philanthropenos,216 sowie an einen Arzt; ferner an Metropoliten (z.B. auch einen Brief an den Metropoliten von Kreta Nikephoros Moschopulos217 ) sowie an Bischöfe, Priester, Äbte und Mönche. Unter den letzteren ist vor allem Melchisedek, ein Sohn des G. Akropolites,218 zu nennen. Dagegen finden sich im erhaltenen Briefcorpus nur wenige nachweislich produzierende Literaten, wie sie in der Liste aufgezählt sind, als Briefpartner (M. Bryennios, M. Philes und Th. Xanthopulos). Auch nur wenige Schüler des Planudes sind darunter Qohannes Zarides219 und der Mönch Merkurios 220). Dieses Briefcorpus bezeugt also deutlich die unscharfen Ränder des Literatenkreises, und sie reichen nicht nur in diesem Fall weit über den beschriebenen Kernkreis hinaus. Die Briefpartner des D. Kydones sind ebenfalls in entsprechender Weise " gemischt" ; der Adressatenkreis verteilt sich ziemlich gleichmäßig auf Kaiser, Despoten, Beamte, Patriarchen, Metropoliten, Bischöfe, Priester und Mönche. Als Briefpartner sind zwar auch mehrere Literaten der Liste zu nennen; doch sind an sie, abgesehen von den Kaisern J ohannes VI. und vor allem Manuel 11., prozentual nur wenige Briefe gerichtet. Es handelt sich um K. Asanes, S. Atumanos, N. Kabasilas Chamaetos, Neilos Kabasilas, M. Kalekas, M. Chrysoberges, G. Gabrielopulos, N. Gregoras, Th. Meliteniotes und Patriarch Philotheos. Vielleicht darf man zu den Literaten im engeren Sinne, auch wenn nichts von ihm erhalten ist, auch Manuel (?) Tarchaneiotes221 zählen, an den mehrere Kydones-Briefe gerichtet sind. Jedenfalls preist ihn Kydones hoch wegen seiner rhetorischen und stilistischen Fähigkeiten.222 Einem privaten Schülerkreis zuzurechnen sind wie M. Kalekas auch der Kaufmannssohn Rhadenos 22J und ein gewisser Georgios. 224 Ein Sonderfall unter den Briefpartnern des Ky-
215 PLP 193. Zur Korrespondenz des Planudes siehe auch oben, Text mit A. 39f. 216 PLP 29752. Hier und im folgenden ist die PLP-Nummer in den Fällen angegeben, wenn es sich nicht um Personen der prosopographischen Liste (unten, 5. 8) handelt. 217 PLP 19376. 218 PLP 823. Vgl. auch ConstEd 40, 74f. 219 PLP 6462. 220 PLP 17913. 221 PLP 27471. 222 TinnKyd 111, 218-221. 223 PLP 23986. 224 PLP 3925.
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dones ist Johannes Laskaris Kalopheros,m von Beruf Kaufmann und Unternehmer, der früh zur römischen Kirche übertrat und sich bald sehr weitgehend dem abendländischen Kulturkreis annäherte. Er und G. Gabrielopulos sind die "weltläufigsten" unter den Briefpartnern des Kydones. Fragen wir nach der geographischen Spannweite seines Briefnetzes,226 dann ist zunächst ein Schwergewicht auf Thessalonike als Ort der Adressaten zu beobachten. Schon wesentlich geringer ist die Zahl der Briefe, die Kydones nach Mistra oder zu anderen Orten der Peloponnes sandte. Weitere Orte im engeren byzantinischen Bereich einschließlich des genuesischen Lesbos kommen nur sporadisch vor. Die entferntesten sind: d 230 "eI b . Z ypern, 227 V ened·19,228 R om,229· em un b ek annter O rt·1m Ab endl an, 232 2JJ den Walachen"2J1, Kreta und Kaffa auf der Krim. Doch handelt es sich, vielleicht mit Ausnahme des Mönchs Athanasios auf Kreta, nicht um dort ständig Ansässige, sondern - wenn man einmal von Paulos in Kaffa absieht - um Freunde des Kydones, die aus Konstantinopel stammen und sich an dem fernen Ort vorübergehend aufhalten. Die Korrespondenz des Kydones bewegt sich also in einem relativ engen Kreis, der sich im wesentlichen auf den griechisch-byzantinischen Raum konzentriert, und wenn seine Briefe einmal in weitere Fernen gerichtet sind, dann doch an Leute, die in der Regel dem engeren Raum zuzuordnen und nur gerade auf Reisen sind. Eine ähnliche Beobachtung gilt auch für das Briefcorpus des ca. 30 Jahre älteren N. Gregoras. Thessalonike hat auch als Ort seiner Adressaten bei weitem das Ubergewicht. 234 Daneben stehen sporadisch Serrai, wo sich der Literat A. Zarides aufhält,235 Mistra236 und andere Orte im byzan-
225 PLP 10732. 226 Ein Überblick über die feststell baren Orte der Adressaten findet sich für die einigermaßen genau datierbaren Briefe in KydEp H, 484-496. 227 KydEp I, Nr. 35 O. Kyparissiotes), 37 Oohannes Laskaris Kalopheros); H, Nr. 436 (Kalopheros). 228 KydEp I, Nr. 21 (Manuel H.); Nr. 24 (ein Unbekannter, vielleicht Kalopheros; vgl. TinnKyd 112, Nr.90); H, Nr. 331 (Kalopheros). 229 KydEp H, Nr. 161 O. Kyparissiotes), 167, 190 (Kalopheros). 230 A. 0., Nr. 345 (Kalopheros). 231 A. 0., Nr. 337 (ein unbekannter Freund). 232 A. 0., Nr. 408, 434, 441 (Mönch Athanasios, PLP 401). 233 A. 0., Nr. 439 (Paulos, ein junger Mann aus Mailand, PLP 22087). 234 GregEpL, Nr. 20-22, 34, 46, 49, 51, 91, 99, 100, 113, 129, 133, 134, 141, 142, 158, 159. Ferner kommen auch von den 22 Briefen "ad Gregoram" in GregEpL, Nr.l, 3-13 und 17, also weit mehr als die Hälfte, aus Thessalonike. 235 A. 0., Nr. 30, 32, 45, 110; Zarides an Gregoras: GregEpL, Nr. 2 ad Gregoram. 236 A. 0., Nr. 5,96.
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. . h en BerelC. . h 2J7 Von welter . enclernten 0 rten sm . d nur Z ypern 2J8 und tJ.msc 2J9 Trapezunt zu nennen. Auch in der Korrespondenz des Gregoras gehört die Mehrzahl der Adressaten nicht zum engeren Kreis der Literaten; es handelt sich meist um Beamte und Kleriker. Die im späten 14. Jh. zunehmenden Kontakte einiger Literaten mit dem lateinischen Westen spiegeln sich auch in der Spannweite ihrer Korrespondenz. Ein Paradebeispiel dafür sind die Orte, an die M. Kalekas seine Briefe versandte. Von seinen insgesamt 89 Briefen gingen 20 an Briefpartner im Abendland, und wenn auch die Mehrzahl dieser Adressaten Byzantiner sind, so sind doch immerhin fünf Briefe an Iacopo Angeli, einen des Griechischen kundigen Humanisten aus Florenz, adressiert. 24o Fernere Briefziele des Kalekas sind auch Kreta,241 wo er sich zeitweilig selbst aufhielt, und Zypern. 242 Das Briefcorpus Manuels II. schließlich enthält von den besprochenen Sammlungen den prozentual höchsten Anteil von Briefen an Literaten im engeren Sinne: K. Asanes, M. Balsamon, D. und M. Chrysoloras, N. Kabasilas Chamaetos und D. Kydones; hinzu kommen der Rhetor und Richter Konstantinos Ibankos, ein Lehrer Manuels,24J und Manuel Pothos, der auch als Literat gelten kann. 244 Andere Adressaten aus dem byzantinischen Raum sind Angehörige des Kaiserhauses, Patriarch Euthymios, Metropoliten, Bischöfe und Mönche. Auch hier ist das Netz der Korrespondenz gelegentlich weiter gespannt. Doch sind seine Adressaten im Abendland (vor allem Italien) im wesentlichen die beiden Byzantiner D. Kydones 245 und M. Chrysoloras. 246 Darüber hinaus liegt nur ein Brief an einen Italiener vor, den Humanisten Guarino Veronese. 247 Auf Zypern erhält derselbe Manuel Rhaul von ihm einen Brief, der aus der Korrespondenz des M. Kalekas bekannt ist. 248 In Tra~ezunt richtet Manuel nur einen Brief an seinen Amtskollegen ManuelllI. 49 237 Apros (a. 0., Nr. 28), Philadelpheia (Nr. 61), Monembasia (Nr. 62) und das genuesische Lesbos (Nr. 107). 238 A. 0., Nr. 44 und 97. Von dort erhält Gregoras auch Post von G. Lapithes (a. 0., ad Gregoram, Nr. 14-16). 239 Nur GregEp L, Nr. 143 (K. Lukites). 240 KalekEp, Nr. 18,22,33,64 (nach Florenz) und Nr. 81 (nach Rom). 241 A. 0., Nr. 38,40,66 (letzterer innerhalb Kretas versandt). 242 A. 0., Nr. 46, 58,60,61,77 an Manuel Rhaul (PLP 24128), nicht identisch mit dem gleichnamigen Literaten der Liste, sowie Nr. 70. 243 LetMan, Nr. 45; PLP 7973. 244 LetMan, Nr. 35; PLP 23450. 245 LetMan, Nr. 31, 36, 62. 246 A. 0., Nr. 37, 38, 49, 55, 56. 247 A. 0., Nr. 60; PLP 4324. 248 LetMan, Nr. 32; s.o., A. 242. 249 A. 0., Nr. 53.
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Auch die genauere Auswertung der übrigen genannten großen Briefsammlungen würde das Gesamtbild kaum verändern: Das geographische Netz wird erheblich dünner, je weiter es ausgedehnt ist, und die Verbindungsachse Konstantinopel-Thessalonike bleibt durchweg stärker als jede andere. Die Verbindung zu Italien wird sich allerdings in der spätesten Zeit des Reiches noch weiter intensivieren. 25o 5.2.3. Abgrenzung der Literaten von anderen
Mit dem Zusammengehörigkeitsgefühl und der Verbundenheit der Literaten untereinander korrespondierte deren entsprechende Abgrenzung von anderen gesellschaftlichen Gruppen. Generelle Bezeichnungen für einen, der nicht zum Kreis der Gebildeten gehört, sind z. B. aYPoLKo~ (bäurisch)251 oder ypa.~~a'toov a~OLpo~ (Analphabet).252 Etwas milder klingen Begriffe wie aJ'ta.LöEu'to~253 und d~a.8~~ (ungebildet); Literaten bezogen sie gelegentlich in rhetorischer Bescheidenheit auch auf sich selbst. 254 Man sprach ferner in abfälligem Sinne von der Menge (oL J'tOAAOL), die einer höheren Bildung unzugänglich und deshalb z. B. nicht fähig sei, die Bedeutung eines Gelehrten zu erkennen.255 Fehlende Bildung verband man von vorneherein mit bestimmten Berufen. So ist z. B. N. Gregoras überzeugt, der Landarbeiter sei weit entfernt von jeder Bildung und zeichne sich durch einen "ungezähmten und tierischen Charakter" aus. 256 D. Kydones ist seinen Eltern dankbar, daß sie ihn zur Sicherung seines Lebensunterhaltes nicht etwa ein Handwerk erlernen ließen. 257 Chortasmenos klagt in einem Gedicht aus gegebenem Anlaß, er, der "Liebhaber der Weisheit" müsse sich mit Handwerkern und Gelegenheitsarbeitern, Banausen ohne Kultur, abgeben. 258 Es ist in diesem Zusammenhang zu bemerken, daß trotz ihrer Kenntnis der Schrift auch die berufsmäßigen Kopisten zu den Handwerkern gezählt
250 Siehe dazu unten, 5. 5. 251 LetMan, Nr. 5, Z. 13. Daneben wird auch der Begriff »barbarisch" verwendet; s. u., A. 266. 252 M. Chrysoloras, Brief Nr. 1, PG 156, 25B. 253 KydEp II, Nr. 258 (= TinnKyd III, Nr. 240), Z. 12. 254 KydEp II, Nr. 302 (= TinnKyd III, Nr. 302), Z. 37 (Öf.t.a8La der ungebildeten Mönche). Bescheidenheit: LetMan, Nr. 41, Z. 38. 255 ConstEd 96 mit A. 39. 256 Greg 11, 871; Übers.: DietGreg IV, 60. Hier sind die Äußerungen des Gregoras über das »gemeine" Volk .~m allgemeinen zu vergleichen, s.o., Kap. 2. 4, Text mit A. 199215. Einige positive Außerungen a. 0., Text mit A. 21M. 257 MercNot 359. 258 HungChort 48 und 190, Gedicht a.
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Die Gruppe der literarisch Gebildeten
wurden; folglich verkehrte man mit ihnen im allgemeinen nicht auf gleicher Ebene, und wenn sie schlecht oder zu langsam gearbeitet hatten, mußten sie mit entsprechendem Tadel rechnen. 259 Als "Barbar" galt natürlich, wer Handschriften beschädigte. 26o Kauf- und Geschäftsleuten traute man kein großes Bildungsinteresse zu. Jedenfalls geht D. Kydones davon aus, daß sie "Feinde geistiger Betätigung" (toov Mywv E')(.8pOL) sind. 261 In der Provinz erwartete man, anders als in den großen Städten (vor allem Konstantinopel und Thessalonike), generell kein hohes Bildungsniveau. Wer sich zu den Gebildeten zählte und dennoch, z. B. als Bischof, in der "barbarischen" Provinz leben mußte, wurde von anderen bedauert. 262 Treffend schildert M. Gabalas in einigen seiner Briefe die Situation eines Bischofs in der barbarischen Provinz. Zunächst begab er sich um 1335 in das kleine Städtchen Brysis in Thrakien. Von dort schreibt er an M. Gabras: "J etzt sind wir wirklich Vertriebene, da wir in diese Einöde ans Ende der Welt gegangen sind ... , die keinerlei Freuden zu bieten hat außer einer rohen Sprache und Lebensart." Daher falle ihm nun sogar der geistige Austausch in Briefen schwer. 263 In einem anderen Brief schildert er die Menschen seiner Umgebung genauer: Sie seien "nichts wert", nur Nomaden, Hirten, Bauern, Handwerker, Schlächter und Schafhirten. Trunksucht herrsche überall. Moralische Begriffe seien ihnen unbekannt. Selbst ihre Sinnesorgane seien stumpf und bäurisch. Entsprechend könne man nicht einmal mit ihrer Beteiligung am Gemeindeleben rechnen. 264 1339 reiste Gabalas in das von Türken beherrschte Kleinasien, um als Metropolit Matthaios in Ephesos zu residieren. Die wahrscheinlich nur kurze Zeit, die er dort verbrachte, war reich an bitteren Erfahrungen. Aus seinen insgesamt vier Briefen, die aus diesen Tagen erhalten sind, erfährt man, daß die christliche Bevölkerung der Gegend unter Schikanen der Türken zu leiden hatte. Wiederum beeinträchtigt die "barbarische" Umgebung seine geistige Verfassung; er befürchtet, aus einem solchen Um-
259 GKypEp, Nr. 28, 76. 260 A. 0., Nr. 38. 261 KydEp II, Nr. 177 (= TinnKyd II, Nr. 168), Z. 10. Dort ist vom Vater des Schülers Rhadenos die Rede, der unter dem Einfluß von "Feinden geistiger Betätigung" verlangt, daß sein Sohn "einer dieser Mehlhändler und Krämer" werden solle. Eine Anspielung auf Händler als ungebildetes Volk enthält auch die Apologie des P. Kydones gegen Patriarch Philotheos (dazu TinnKyd I/I, 72, Nr. 3. 2), MercNot 311. In einem Brief des Planudes wird die Verwaltung von Familiengütern als bildungsfeindliche Tätigkeit verurteilt; s.u., Text mit A. 499. 262 HungChort 87f. und 168f., Brief Nr. 19. 263 MatthEp, Nr. 58. 264 A. 0., Nr. 64.
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feld nun schon selbst "barbarische" Briefe zu schreiben. 265 Doch ist die christliche Bevölkerung hier doch nicht so roh und ungeschliffen wie die von Brysis, und er kann wenigstens eine kleine, aktive Gemeinde um sich scharen. 266 Sogar das einstige Kulturzentrum Athen galt in dieser Zeit als tiefste Provinz. Jedenfalls ist J. Chortasmenos überzeugt, diese Stadt habe ihre Rolle als Stätte der Bildung längst ausgespielt, und Konstantinopel sei an ihre Stelle getreten. Er warnt seinen Briefpartner daher, sich zu lange dort aufzuhalten, sonst werde man ihm ausgerechnet dort die Vernachlässigung der Weisheit (ao<j>Lu) vorwerfen müssen. 267 Doch wurde ein Briefpartner bewundert, wenn er im Barbarenland lebte und trotzdem seinen guten griechischen Briefstil nicht vernachlässigte. 268 Die Literaten neigten allgemein dazu, den Bildungsstand eines jeden Ausländers gering einzuschätzen. So konnte z. B. nicht einmal Gregorios 1I., weil er seine erste Schulbildung auf Zypern erhalten hatte, als junger Mann (Georgios "Kyprios") Zu~ang zum elitären Gelehrtenkreis des Nikephoros Blemmydes erhalten. 69 Ein Ausländer ist aus der Sicht des Gregoras trotz seiner griechischen Bildung der aus Kalabrien stammende Barlaam. 27o Im Dialog "Phlorentios,,271 gibt er ihm den Schlüsselnamen Xenophanes (der als Fremdling erscheinende) und betont, daß er Latein als Muttersprache spreche, Griechisch aber nur "gezwungen" (ßeßLua!lEVW~); denn von der hellenischen Muse und der gemeinsamen Sprache sei in Kalabrien keine Spur fieblieben, nicht einmal soviel, wie Bauern und Landarbeiter sprechen!2 Im übrigen habe er seine Gelehrsamkeit nicht einmal dort, sondern "tiefer in Italien" erworben, was ihn noch mehr abqualifiziere. 27J Auch M. Gabras gibt Ausländern keine Chance: nach seiner Ansicht ist ein ungebildeter Barbar nicht einmal würdig, mit Griechen zu streiten. 274 Mit größerer Höflichkeit, aber nicht ohne feine 265 A. 0., Nr. 54-56. Vgl. auch Th. Metochites, der auf seiner Gesandtschaft zu den Serben (1298/99) der dortigen "Barbarei" (&YPOLKLa, ßaPßapLK~ OllVt1JXta) die Anmut der griechischen Sprache entgegenstellt (im "Presbeutikos", ed. L. Mavromatis, La fondation de l'Empire serbe - Le kralj Milutin, Thessalonike 1978, 89-119, hier 90, Z. 25-27). 266 MatthEp, Nr. 57. 267 HungChort, Briefe Nr. 44, 47. 268 GabrEp, Nr. 146, 147. 269 Diese Passage seiner Autobiographie ist übersetzt bei H.-G. Beck, Byzantinisches Lesebuch, München 1982, 149. 270 Barlaam war Mönch im Kloster S. Elia di Galatro in Kalabrien gewesen. Er kam von dort ca. 1328 nach Byzanz; vgl. GregPhii 175f. 271 Niceforo Gregora, Fiorenzo 0 Intorno alla sapienza, a cura di P. L. M. Leone, Neapel 1975. 272 A. O. 65f. 273 A. O. 71. 274 GabrEp, Nr. 111.
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Die Gruppe der literarisch Gebildeten
Ironie, wurde das Desinteresse an der griechischen Bildung bei angeseheneren Abendländern wie z. B. dem König VOn Zypern vermerkt. 275 Es gab allerdings auch Gegenstimmen. Vor allem D. Kydones wandte sich gegen das Vorurteil seiner Mitbürger, auch die Abendländer als Barbaren einzustufen, und verherrlichte stattdessen deren wissenschaftliche Fortschritte,276 während er das Bildungsniveau seiner eigenen Landsleute gering einschätzte. ln Erst mit der wachsenden Annäherung an den Westen in den spätesten byzantinischen Jahrzehnten setzte sich in weiteren Kreisen eine positivere Bewertung der abendländischen Bildung durch, so daß z. B. J. Argyropulos trotz oder gerade wegen einer Studienzeit und Lehrtätigkeit in Italien (Padua) als geeigneter Lehrer an einer kaiserlichen Schule in Konstantinopel akzeptiert wurde. 278
5.2.4. Abgrenzungen innerhalb der Literatengruppe Bisher war nur VOn einer eindeutigen Kohärenz innerhalb der Literatengruppe und von deren Abgrenzung nach außen die Rede. Doch gilt das Gemeinschaftsbewußtsein der spätbyzantinischen Literaten nicht ohne Einschränkung. Zwar bestanden die als verbindend beschriebenen Elemente in jedem Fall weiter, die formalen Kategorien der Sprachkultur und der Logik galten für alle, doch gab es stärkere Gesichtspunkte, die zu einer Polarisierung innerhalb der Literatengruppe führten. Dazu zählte zunächst der einfache Gelehrtenstreit, in dem persönliche Antipathien sich mit sachlichen Gegensätzen mischten. Ein Gegensatz von größerer Tragweite war aber der zwischen "Gottesweisheit" und "Weltweisheit", wie ihn erstmals Paulus im 1. Korintherbrief (1,17-25; 2,13; 3,19), allerdin!?s mit anderer Intention als seine späteren Interpreten, entwickelt hatte. 2 Die Untergruppe innerhalb der Literaten, die sich zur "Gottesweisheit" bekannte, ist keineswegs einfach die der Theologen; es handelt sich vielmehr um ein spezifisches Konzept von der Beziehung zwischen Wissen und Glauben. 275 276 277 278
LetMan, Nr. 32, Z. 10f. TinnNiv 273f. KydEp II, Nr. 183 (= TinnKyd II, Nr. 0194), Z. 19-21. Hunger II, 314. Zur Lehrtätigkeit des Argyropulos siehe auch unten, Text mit A. 565568. 279 Mit dem Pauluszitat argumentiert z. B. Patriarch Philotheos in Logos 4 (Antirrhetikos gegen N. Gregoras), KokDogm I, 94, Z. 371-375, und fordert Z. 376-380, die Weltweisheit (f] 1:0Ü KOOftOU oo<j>ta) sei wie eine Magd (IlOUAT] Kat Bepa.3tULva) der oo<j>ta wu Beau unterzuordnen. Zur Geschichte des Magd-Vergleichs: PodTheol25f. Zum traditionellen Mißverständnis bei der Interpretation des Ersten Korintherbriefes, Kap. 1-3, im bildungsfeindlichen Sinne: a. O. 28f.
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Am Anfang sollen jedoch einige Beispiele für Streitigkeiten der "Weltweisen« untereinander stehen. Zu den bekanntesten Auseinandersetzungen dieser Art in der byzantinischen Spätzeit gehört die zwischen N. Chumnos und seinem ehemaligen Schüler Th. Metochites um 1325. Der Disput wurde, nach einer ersten Vorstellung durch R. Guilland, von 1. Sevcenko ausführlich analysiert. 28D Zuerst hielt Chumnos dem einstigen Schüler seinen unklaren und nicht den Regeln der rhetorischen Kunst entsprechenden Stil vor. Mit entsprechender Unfreundlichkeit konstatierte Metochites, sein Gegner pflege die literarische Kunst auf ungebildete Weise. 281 In einer zweiten Runde stritt man darüber, wie man wissenschaftliche Astronomie zu betreiben habe. In den Streitschriften, welche die beiden Rivalen gegeneinander verfaßten, finden sich noch mancherlei weitere Verunglimpfungen des Gegners, die mit den angesprochenen Sachfragen nur noch wenig zu tun haben. Aus dem frühen 15. Jh. ist der Text einer byzantinischen Gelehrteninvektive überliefert, wie sie einige Jahrzehnte später auch von den Humanisten Italiens gepflelit wurde, so von dem scharfzüngigen Florentiner Humanisten Poggio. 2 Ihr anonymer Verfasser ist sehr wahrscheinlich identisch mit J. Argyropulos. Der attackierte Gegner heißt Katablattas, zu identifizieren mit Demetrios Katadokeinos Katablat(t)as, einem Gerichtsschreiber, von dem aus den Jahren 1407 und 1421 je eine unterschriebene Urkunde überliefert ist. 28J Beide sind nach Ansicht der Herausgeber der Invektive "fort lettres«,284 mag Katablattas auch weit weniger bekannt sein als Argyropulos. Die beiden Formen der invectiva contentionis (in der es um eine Sachfrage geht) und der invectiva criminis (die dem Gegner moralische Verfehlungen anlastet) sind in diesem Text miteinander verwoben: Argyropulos versucht den als Literaten an sich offenbar ernstzunehmenden Gegner als Banausen und Ignoranten hinzustellen und ihn als Päderasten moralisch zu desavouieren. Dies sagt mit prägnanter Kürze u. a. ein einziger Satz der Invektive aus: "Saul ist unter den Propheten und Skatablattas (sie!) unter den Gelehrten«.285 Verletzen-
280 SevMet. 281 SevMet 25; 47, Z. 189. Vgl. auch die Überschrift zu Logos 13 des Th. Metochites: "EAEYXO~ Ka"ta "toov d.n;möEll"t(o~ XPWI-IEVWV "tot~ A6yo~ - "Widerlegung der ungebildeten Literaten" (vgl. SevMet 47 und 188: hommes de lettres incultes). 282 OikAnag 252. 283 CanivOik 12f.; PLP 92341 (neu, an Stelle von PLP 11410): Lemma Ka"taöoKELv6~, ~TJI-I~"tPLO~ Ka"taßAa"ta~.
284 CanivOik 8. 285 A. O. 65, Z. 531f.; Bezug auf die verwunderte Frage im 1. Buch der Könige (Zählung der Septuaginta) 10, 11f., ob Saul auch zu den Propheten zähle, und zugleich durch pejorative Entstellung des Namens "skatologische" Anspielung auf das angebliche Laster des Attackierten.
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Die Gruppe der literarisch Gebildeten
de Ironie dieser Art ist bezeichnend für die gesellschaftliche Gruppe, die sie hervorbringt. Offenbar sind es Literaten der "neuen" gesellschaftlichen Gruppe eines aristokratischen Unternehmertums, die in ihren rhetorischen Auseinandersetzungen mit Kollegen vor gesellschaftlichen Tabus nicht mehr zurückschrecken. 286 Ein weiteres Beispiel für verletzende Kritik an einem gelehrten Kollegen ist G. Plethons Invektive gegen Scholarios (später Gennadios 11.)287, der in maßvollem Ton wegen seiner Kritik an Aristoteles 288 gegen ihn polemisiert hatte. 289 Hier wird der Gegner zwar nicht moralisch, wohl aber intellektuell diffamiert. Plethon läßt seinen Kritiker wissen, er sei allenfalls ein Kinderschreck, über dessen Beschimpfungen erwachsene Leute erhaben seien. 290 Die meisten Passagen aus Aristoteles, die er (Scholarios) gegen ihn (Plethon) zitiere, habe er selbst nicht verstanden; überhaupt habe er von dessen Philosophie so wenig Ahnung, daß man über seine Vermessenheit, Kommentare zu seinen Schriften zu verfassen, nur lachen könne. So gibt Plethon ihm den Rat, alle seine bisherigen Schriften zu Aristoteles schleunigst zu verbrennen und nie wieder etwas über ihn zu schreiben, wolle er sich nicht zum Gespött aller machen. 291 Auch am Schluß der Schrift ermahnt Plethon seinen Widersacher noch einmal, die philosophische Schriftstellerei aufzugeben. Nur völlige Ignoranten und Analphabeten würden ihn überhaupt beachten. Er konzediert ihm zwar eine gewisse W ort~ewandtheit, aber nicht die geringste Fähigkeit zum präzisen Denken. 2 Schließlich sei noch auf die Gelehrtenpolemik mit intellektuellen und moralischen Angriffen eingegangen, die in drei Briefen des Argyropulos an einen "Georgios" überliefert ist. 293 Im ersten Brief greift Argyropulos 286 Zur sozialen Einordnung des Argyropulos s.o., Kap. 4. 5, Text mit A. 230. Zur Interpretation der Katablattas-Satire vg!. auch N. Oikonomides, Byzantium between East and West (XIII-XV Cent.), Byz.Forsch. 13, 1988, 319-332, hier 330-332. 287 Ilpoe; to.e; ~xoAapio'U u:rrep 'APLOtOtEAO'Ue; aVtLATpjJELe;, verfaßt um 1450; PG 160,9791020. Ausführliche Paraphrase bei WoodhPleth 283-307. Zum scharfen Ton der Invektive: CanivOik 24. 288 Sc. in seinem 1439 verfaßten Werk "IlEpt <1v 'APLOtOtEAlje; :rrpoe; IlMtwva OLa<j>EpEtaL" (De differeI?-.tiis). Dazu WoodhPleth 186-192; eng!. Übers.: a. O. 192214; annotierte deutsche Ubers.: BlumPleth 112-150. 289 Kato. tiöv IlATJ6wvoe; d:rtopuilv bt' 'APLOtOtEAEL, verfaßt 1443/44; GennSchol IV, 1116; dazu CanivOik 23 (" ... il faut avouer que cet ecrit n'a rien de la vehemence d'une invective") und WoodhPleth 240-266. 290 PG 160, 984D; WoodhPleth 285. 291 PG 160, 1010D-1011A; WoodhPleth 292. 292 PG 160, 1020B; WoodhPleth 307. 293 Argyr 68-75, 76, 77-106. Zu diesem Disput auch CanivOik 24. Hier wird aber nicht erwähnt, was MonGeorg 375-378 bereits im Jahr 1976 (CanivOik erschien 1982/83) zu diesen drei Briefen ausgeführt hatte: Er plädiert dafür, der Adressat sei nicht, wie zuvor vermutet, Georgios Trapezuntios (PLP 4120), sondern Georgios Scholarios
Die Literaten als gesellschaftliche Gruppe
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den Adressaten scharf an, weil dieser, zusammen mit seinem namentlich nicht genannten Lehrer, im Widerspruch zu früheren Äußerungen öffentlich seine (des Argyropulos) Eignung zum Philosophen in Frage gestellt habe, ohne ihm seine Kritik vorher mitzuteilen, und damit zum Verräter ihrer Freundschaft geworden sei. 294 Diktiert von dieser Enttäuschung, beginnt der Brief mit heftigen Angriffen: Georgios habe einen schlechten Charakter, sei unfähig, sowohl grammatisch richtig wie auch in "musischem", rhetorischem Stil zu schreiben; er bilde sich nur ein, klug und scharfsinnig zu sein, habe sich aber durch seine Äußerungen in unhaltbare Widersprüche verstrickt USW. 295 Der so Attackierte antwortete anscheinend keineswegs weniger aggressiv. Leider scheinen seine Briefe (wer dieser "Georgios" auch immer gewesen sein mag) nicht überliefert zu sein. Jedenfalls beklagt Argyropulos in seiner Antwort die erlittenen "Verwundungen" und beschimpft die "verfaulte" Gesinnung und das närrische Geschwätz des Gegners, das ihm Erbrechen und Kopfweh beschert habe. 296 Aber auch diesmal gab der andere nicht nach, sondern antwortete offenbar mit einem langen Schreiben, das Argyropulos in seinem dritten Brief als "barbarisches und unvernünftiges Geschwätz" abqualifiziert. 297 Vor allem wirft er ihm seine Unfähigkeit vor, sich sprachlich auszudrücken, was ihn als Analphabeten und halben Barbaren erweise. Hier zeigt sich also wieder die Bedeutung, welche die Literaten, wie früher dargelegt,298 der sprachlichen Formulierung beimaßen. Vielleicht verachte er, fährt Argyropulos fort, die gepflegte sprachliche Form, weil er sich für einen Philosophen halte, aber er solle bedenken, wie hoch selbst Platon und Aristoteles Sprache und Stil bewertet hätten. 299 Dann kommt er endlich auf die eigentliche Streitfrage zu sprechen, welcher sich der Gegner jetzt mit unqualifizierten Vorwürfen zu entziehen suche. Georgios hatte angeblich behauptet, man könne Gott dem Sein (ouoLa) unterordnen wie man eine Art (eIöo~) der Gattung (YEVO~) unterordne, während Gott in Wirklichkeit doch über alles Sein erhaben sei. Durch
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(vgl. aber unten, A. 300), und sie seien erheblich früher zu datieren, als man zuvor angenommen hatte, nämlich bereits in die dreißiger Jahre des 15. Jh. Ein wichtiges Argument für eine Datierung bis spätestens vor April 1441 ist jedenfalls die Selbstbezeichnung des Argyropulos im Titel des ersten der drei Briefe als Diakon und äpxwv 'tWV bcKATJULWV. Gemäß S. Mergiale-Phalanga, ~'UIlßOA~ 01:1] XpovoMYTJOTJ 't1]C;; epLöac;; 'twv Iwavv1] ApY'UPO:n:OUAO'U Kat rewpyw'U ~xoAapLo'U, B'U~aV'tLaKa 14, 1994, 451455, wird in einem Brief des Francesco Filelfo (PLP 29803) vom 13. April 1441 Argyropulos nämlich bereits als Priester (und KPL'tT]C;; 'tOU ÖTJIlOoLo'U) bezeichnet. Argyr 71f. A. O. 68f. A. O. 76. A. O. 77. S.o., Text mit A. 99-111. Argyr 78-88.
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Die Gruppe der literarisch Gebildeten
solche Beha~tungen erweise sich Georgios jedenfalls als theologischer Analphabet. 3 Soviel also über das Gezänk der "Humanisten" untereinander, das, abgesehen von der Chumnos-Metochites-Polemik, vor allem für die späteste Palaiologenzeit belegbar ist. Es behielt immer seinen privaten Charakter und nahm nie grundsätzliche Dimensionen an, welche die Gruppe der Literaten hätten spalten können. Eine solche Tragweite erreichte aber der Streit zwischen Welt- und Gottesweisheit. Es handelt sich hier um zwei verschiedene Konzepte vom Verhältnis zwischen Leben, Glauben und Wissen, das der "Humanisten,,301 auf der einen und das einer großen Zahl von Mönchen302 und auch Klerikern auf der anderen Seite. Eine ungefähre (wenn auch nicht erschöpfende) Formulierung beider Konzepte findet sich bei G. Pachymeres mit Bezug auf den Patriarchen Joseph 1.: Er habe zwar seine Freude am Mönchsleben gehabt ('rn I-l0vaxuq'j JtOAL'tELQ f:vaOI-lEvi.~WV), aber auch die humanistische Tugend ('t~v Kai' av8pomov dpE't~V), Umgänglichkeit, Geselligkeit und Weltoffenheit, gepflegt. Der Geschichtsschreiber sieht hierin jedoch etwas Ungewöhnliches (~EVOV).303 In Wirklichkeit war aber der Versuch, beides miteinander zu verbinden, in Byzanz nicht so ungewöhnlich. Es ist vielmehr geradezu ein T 0pos der lobenden Rede, einem "Humanisten" zuzubilligen, daß er nicht nur in der "äußeren Weisheit" (E~w8EV <j>LAooo<j>i.a), also in der Weltweisheit, sondern auch in der christlichen Weisheit (eow8Ev <j>LAooo<j>i.a) bewandert war. 304 Bemerkenswert in dieser Hinsicht sind auch die Ausführungen des M. Gabalas, der keineswegs die antike Bildung (E~w8EV JtmÖELa) verschmäht, sich von Homer anregen läßt und Platon in der Tradition der Kirchenväter rezipiert, die griechischen Philosophen aber
300 A. O. 89-106. Dieser Vorwurf, der doch einen wahren Kern haben müßte, läßt erhebliche Zweifel aufkommen, ob Monfasani in Scholarios den zutreffenden Partner im Gelehrtenstreit vermutet. 301 Der byzantinische Humanismus sah (abgesehen von dem "Sonderfall" PIe thon) nicht im Christentum seinen Gegner, sondern in einer Form christlicher Spritualität, die den traditionellen "weltlichen" Bildungskanon (und seine Konsequenzen für den Alltag) theoretisch (siehe z. B. unten, Text mit A. 308) oder praktisch ablehnte. Siehe dazu auch die folgenden Ausführungen. 302 Selbst die Spiritualität des Mönchtums schloß "weltliche" Bildung nicht grundsätzlich aus. Siehe dazu den im folgenden geschilderten Fall des Patriarchen Joseph, die darauf folgenden Ausführungen und weiter unten, Text ab A. 328. 303 PachFail II, 395, Z. 11-19. Vgl. dazu MedGum 29 sowie auch die einleitenden Überlegungen zu Beginn dieses Abschnittes. 304 So in der Grabrede des Th. Hyrtakenos auf N. Chumnos, BoissAn I, 283. Entsprechend konstatiert H. Hunger für die Palaiologenzeit einen "griechischen Humanismus christlicher Prägung" (HungGrund XX, 1959, 136-138).
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wegen ihrer Vorliebe für die Theorie tadelt und erst im Christentum die ideale Verbindung von Theorie und Praxis findet. J05 Der Durchschnittsmönch aber, und auch mancher Kleriker, vor allem in der Provinz, zeigte ein geringes Interesse an philosophischen Überlegungen und jeglicher Spekulation, auch im theologischen Bereich, ein um so größeres aber am Festhalten an den, wie er es verstand, unverrückbaren Lehren der Orthodoxie. So kann man sagen, daß vor allem bei den Mönchen die bildungsindifferent bis bildungsfeindlich Gesinnten bereits von je her in der Mehrzahl waren. J06 Manche von ihnen ließen wenigstens, wie der Kirchenvater Basileios von Kaisareia es in seiner Schrift "Ad adolescentes" empfiehlt, den propädeutischen Charakter der Weltweisheit (el;wgev 1taLöei.a) für die christliche Erziehung gelten, andere mißtrauten aller weltlichen Bildung.J07 In diesem Sinne findet sich auch bereits in Quellen der frühen Palaiologenzeit eine Tendenz zur Abgrenzung, die zweifellos vom Lager der "Gottesweisheit" ausging. So sandte z. B. einmal Patriarch Athanasios von Konstantinopel, obwohl er sicher aus der Sicht seines umfangreichen Briefcorpus zu den "Literaten" zu zählen ist, ein ihm zugegangenes Buch mit dem Vermerk zurück, er bedüde nicht des geistigen Genusses, den es vermittle, und gebe es daher denen wieder, die danach hungerten; ihm sei das Gebet seines Briefpartners wichtiger. JOS Geradezu'systematisch wurde aber die Distanz zur Weltweisheit von der mönchischen Bewegung des Hesychasmus betont, die sich vor allem auf G. Palamas berief. Freilich hatte dieser in seiner Jugend eine solide Bildung genossen, die ihn ohne Einschränkung in die Gruppe der Literaten einreiht.J09 Doch tendierten er 305 MatthEp, Einleitung, 11-16 (Homer), 17-22 (Platon und die griechische Philosophie). Besonders zu erwähnen ist Brief Nr. 20, in dem er sich von Homers Ilias begeistert zeigt und sich dafür mit der Bemerkung entschuldigt: "Auch von schlechter Lektüre kann ein Liebhaber der Philosophie etwas gewinnen" (Kat ÖltO cpauAoov :n:paYIl
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und seine Anhänger dazu, diese Bildung gegenüber dem Glauben an die Erleuchtung, die Gott dem hesrochastischen Beter gewährt, als sekundär, ja als überflüssig zu bewerten.J 0 So wird in dem palamitischen Synodaltomos von Juli 1341 dem gelehrten Mönch Barlaam von Kalabrien vorgeworfen, er habe sich auf seine weltliche philosophische Bildung viel eingebildet und deshalb die "übernatürliche, wahre Philosophie" , also die . helt, . angegriffen.JII GotteswelS Patriarch Philotheos, einer der führenden Weggefährten des Palamas, ist sich durchaus bewußt, daß viele bedeutende Persönlichkeiten des frühen Christentums auf dem Weg über die weltliche Bildung zum Christentum fanden. Er betont aber zugleich, sie hätten als Christen diese Bildung dennoch nicht hoch bewertet, weil sie sich im wesentlichen als die Jünger von Fischern und Bauern fühlten und ihnen Visionen und Offenbarungen der göttlichen Geheimnisse wichtiger als die von Gott widerlegte Weltweisheit gewesen seien. J12 In der Nachfolge dieser schlichten Diener Christi sahen sich auch die Hesychasten selbst. J1J So äußert auch der Anhänger des Palamas und Exkaiser Johannes VI. die Überzeugung, wer sich auf die Weltweisheit verlasse, habe an ihr eine schwache Stütze und verfalle durch sie zahlreichen Irrtümern. J\4 Es verwundert daher nicht, daß nun auch die "Humanisten" ihrerseits Kritik an der mangelnden Bildung ihrer Widersacher übten. Nicht selten ist das Urteil über die Verächter der Weltweisheit sogar vernichtend, selbst wenn es um theologische Fragen geht. So zeigt eine Episode aus dem Leben des Theodoros Metochites seine Geringschätzung für die ungebildeten Mönche: Kaiser Andronikos 11. ließ den angesehenen Mönch
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auch auf kaum gebildete Mönche wie den Hesychasten Neilos (pLP 20051), den "machthungrigen Fanatiker" (so PLP) Seliotes (PLP 25118), Elias vom Auxentios-Berg (PLP 6696), und die "Propheten" Gabriel (PLP 3376) und Athanasios, gemäß PLP 415 (unter ..Quellen" ist unsere Stelle zitiert) identisch mit dem Patriarchen. PolemNotes zitiert zu diesem Thema mehrere einschlägige Palamasstellen, u. a. folgende: Palam I, 364f. beruft sich auf den großen Propheten Johannes den Täufer, der in der Wüste auf Bücher und das Studium der ..eiden Philosophie" verzichtete. Gemäß Palam I, 369 habe selbst der in den I'a8~I'a'ta bewanderte Kirchenvater Basileios in einem Brief an Eustathios von Sebaste die eide Mühe, die er auf diese Studien verwendet habe, bedauert. In Palam I, 482 ist die Überzeugung belegt, die Bildung (1taLöeia) der Hellenen könne die Wahrheit nicht zweifelsfrei vermitteln und daher auch nicht zu demselben Ziel führen wie die ..von Gott gegebene Weisheit, die wirklich wahr, wirklich heilbringend ist". ... I'eya Ij>pov(i)y btt 'te nie; 8upa8ey btL<JTijl''IJe; Ij>LÄ.ooolj>~ ... (Tomos, Version B, gemäß DarPatr V, 2213, S. 168; Text: PG 151, 679B; I. Karmires, Ta ÖOYI'a'tLKa Kat OUl'ßOALKa I'V'lJI'eLa nie; 'Op80ö6;ou Ka8oMK'lje; 'EKKA'lJoiae;, I, 2Graz 1968,355). KokDogm I, 36 (Logos 1, Z. 403--436). MatschOrth 42f. KantRef 11: Refut. I, § 7, Z. 16-25.
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Maximos Kausokalybes 315 zu sich in den Palast kommen. Dort beeindruckte er zwar, weil er frei aus dem Johannesevangelium zitieren konnte, erregte aber bei .Metochites Anstoß, weil er beim Sprechen wohl zu sehr von der Volks- bzw. Alltagssprache beeinflußt war und jedenfalls angeblich gegen die Regeln der Grammatik verstieß. Dies veranlaßte Metochites, ihm durch ein Bibelzitat (Genesis 27, 22) einen entsprechenden Verweis zu erteilen: "Diese Stimme ist zwar Jakobs Stimme, aber seine Hände sind Esaus Hände." Daraufhin verließ der Mönch gekränkt den Palast und betrat ihn nie wieder.J\6 Derselbe Metochites traute auch, als er nach der Absetzung Andronikos' 11. in die Verbannung gehen mußte, den Mönchen des Choraklosters einen angemessenen Umgang mit seiner geliebten Bibliothek nicht zu. J17 Entsprechend freute sich Manuel 11., als er seinem Lehrer D. Kydones eine Platonhandschrift aus einem Kloster beschafft hatte, darüber, daß Platon nun zu neuem Leben erweckt werde, denn die Ha..pdschrift sei für die Mönche, "die seit langem der weltlichen Weisheit entsa~ haben (tiJv tOU KOO!J.OU oo<j>i.av Ka1:aAIJtOum)", ungeeignet gewesen. 18 In seinem Antwortbrief an den Kaiser betont Kydones noch mehr das Unvermögen der Mönche, den wahren Wert einer Platonhandschrift einzuschätzen; ihr Interesse ziele allein auf den Gewinn, den der Verkauf des Kodex ein. k"onne. 319 brmgen Tief ins Grundsätzliche geht die Polemik gegen eine mit mangelnder Bildung gepaarte Gottesweisheit bei Gregoras, der von der Warte seiner Gelehrsamkeit aus Palamas und seine Anhänger bekämpft und mit Verunglimpfung' Spott und Verachtung für seine Gegner nicht spart. Dabei ist allerdings zu bedenken, daß es im Streit zwischen Palamas und seinen Anhängern einerseits und deren Gegnern andererseits im wesentlichen um unterschiedliche theologische Inhalte ging. Hier lag es nahe, dem Gegner, der eine abweichende Meinung vertrat, mangelnde Bildung vorzuweden. Zudem wurde der Antagonismus zwischen Gottes- und Weltweisheit in dieser Debatte auch deshalb so deutlich thematisiert, weil die Anhänger des Palamas, wie wir sahen, bewußt die Gottesweisheit für sich in Anspruch nahmen. In diesem Sinne spricht Gregoras ausdrücklich von "unserem Lager" (ta Tj!J.Etepov mJotT)!J.a), welches die Verirrung" (:7tAavT) der Palamiten widerlege. 32o Er hält Palamas vor, theologische Disputationen zu scheuen, weil er wegen mangelnder Bildung und seiner dadurch 315 PLP 16810. 316 E. Kurilas / F. Halkin, Deux vies de S. Maxime le Kausokalybe, Analecta Bollandiana 54,1936,38-112, hier 71. Ich verdanke den Hinweis auf die Episode A.-M. Talbot. 317 SevChor 34f. 318 LetMan, Nr. 3, Z. 7f. 319 KydEp 11, Nr. 276 (= TinnKyd III, Nr. 241), Z. 21-25. 320 GregEpL, Nr. 97, Z. 17-19; dazu MedGum 30.
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bedingten verworrenen Ar~mentationsweise von vorneherein mit einer Niederlage zu rechnen habe. 321 Aus der Sicht des Gregoras war es daher auch kein Wunder, daß einer seiner jugendlichen Schüler in einer Diskussion mit Palamas angeblich glänzender Sieger blieb und den Vertreter der Gottesweisheit dem allgemeinen Spott preisgab. 322 Die bischöflichen Anhänger des Palamas erklärt Gregoras samt und sonders für ungebildet "wie Landarbeiter" und macht sich lustig über ihr "unartikuliertes" Gefasel; außer ihrem prächtigen Gewand hätten sie nichts Bemerkenswertes anzubieten. 321 Ihnen die Mysterien der Theologie anzuvertrauen, bedeute soviel wie das Heilige den Hunden, Perlen den Säuen vorzuwerfen. J24 Unversehens gleitet die Kritik an der intellektuellen Verfassung der Palamiten zur moralischen Injurie hinüber. So behauptet Gregoras im Zusammenhang mit der Kandidatur des Kallistos, aus der Sicht der Palamiten sei es die wichtigste Voraussetzung für die Erlangung der Patriarchenwürde, ein "Schläger und Säufer und von jeder und jeglicher Bildung so weit entfernt" zu sein"wie jene, die zu später Stunde Spaten und Hakke im Stich lassen, um ihren ungezähmten und tierischen Charakter heimzutragen".325 In dieselbe Richtung geht auch die Bemerkung, seine Gegner seien Räuber des Heiligen und gewohnheitsmäßige Bordellbesucher. 326 Eine andere, eher positive Färbung gewinnt die Abgrenzung des Gebildeten von der Welt der Gottesweisheit in einer Bemerkung des D. Kydones. In einem Brief an Patriarch N eilos sieht er es geradezu als ein Gütezeichen für einen Bischofskandidaten an, daß er eine schlichte Natur sei, die weder von der "E;c.o8ev mlLÖeLa" und der "Sritzfindigkeit der Hellenen" noch von der Redekunst eine Ahnung hat. 32 Offenbar ist aus seiner Sicht eine umfassendere Bildung, auf die er selbst nicht verzichten möchte, keine notwendige Voraussetzung, ja eher abträglich für einen 321 Greg 11, 964f.; Übers.: DietGreg IV, 118f. Palamas selbst berichtet, Gregoras habe ihn als Analphabeten bezeichnet (Palam IV, 241). 322 Greg 11,1001; Übers.: DietGreg IV, 140. 323 Greg 11, 993f.; Übers.: DietGreg IV, 136. Wenn Gregoras sich über Reden der Bischöfe, die "nach Meer und Fischernetzen rochen" lustig macht, spielt er wohl auf das berühmte QALEU'tLICI'iiS, äJJ.: o\nc: dpLO"tO'tEALICI'iiS Gregors von Nazianz an (dazu PodTheo124). 324 Greg 11, 884; Übers.: DietGreg IV, 69. Hier zeigt sich wieder deutlich, daß die "Gottesweisheit" der Mönchskreise nicht einfach mit Theologie gleichzusetzen ist; denn auch Gregoras versteht sich als Theologe, aber er kann eine ohne ausreichende Bildung betriebene Theologie nicht akzeptieren. 325 Greg 11, 871; Übers.: DietGreg IV, 60. Ähnlich Greg 11, 883f.; Übers.: DietGreg 68: "Die einen von ihnen hatten spät am Tage Pflug und Spaten im Stich gelassen und konnten mit Mühe und Not das Alphabet buchstabieren ... " 326 Greg 11, 884; Übers.: DietGreg IV, 68f. 327 KydEp 11, Nr. 307 (= TinnKyd III, Nr. 290), Z. 33f., 37-39.
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Kleriker, der sich als Seelsorger, zumal in der Provinz, bewähren soll. Die Eigenschaften, für die er ihn (zweifellos ohne Ironie) lobt, sind sein tiefer Glaube und seine charakterliche Eignung. Es wurde bereits gesagt,328 daß das Mönchtum (und auch der Klerus) dieser Epoche keineswegs pauschal als ungebildet einzustufen sind. Das beweist schon der große Anteil ihrer Vertreter unter den Literaten. Bereits für frühere Jahrhunderte gilt eine deutliche Unterscheidung zwischen dem ungebildeten "Durchschnittsmönch" und einer kleinen Zahl gebildeter und hochgebildeter Mönche,329 vielleicht aber noch in höherem Grade für unsere Epoche. Ein Mann wie M. Planudes, der eine -ganze Schule von Literaten begründete, war vor allem in der Phase seines Lebens, als er Mönch war, als der bedeutende Gelehrte tätig, der uns bekannt ist. JJO Auch Männer von der geistigen Dimension eines Barlaam331 oder P. Kydones 332 waren Mönche. Sogar N. Gregoras nahm nach eigenem Bekunden das Mönchsgewand, doch wird man ihn nicht im strengen Sinne als Mönch bezeichnen können. 333 Auch die führenden Mönche im Palamitenstreit wie G. Palamas oder Patriarch Philotheos waren keineswegs so ungebildet, wie es ihre Gegner sehen möchten. 334 Kein Geringerer als N. Kabasilas Chamaetos, der als Vertreter einer mystischen Theologie ohne Zweifel dem Lager der Gottesweisheit zuzuordnen ist und der auch über eine solide literarische Bildung verfügte, verfaßte eine kurz~efaßte Schrift gegen die, welche die Weltweisheit für unnütz erklärten. 33 Man sieht aus diesen Beispielen, daß de facto der Gegensatz zwischen Gottes- und Weltweisheit eine geringere Rolle spielte, als die Polemik es vermuten läßt, ja, daß die Vertreter der Gottesweisheit eigentlich auf die S.o., A. 302. PodTheol 36-38. Siehe ConstEd, passim. PodTheoI126-157. TinnKyd 1/1, 237-244. Greg 11, 891; Übers.: DietGreg IV, 73f. Für ihn trifft wohl am ehesten der bei PodTheol37 verwendete Begriff "Teilzeitmönch" zu. 334 Palamas und wohl noch mehr Philotheos waren trotz aller theoretischen Ablehnung der "weltlichen" Bildung bedeutende theologische Schriftsteller. Zu Palamas siehe auch oben, A. 309. 335 Text: AngKabas 111-113. Zu diesem Traktat: PolemNotes. Er verweist zunächst auf den Brief NikKabEp, Nr. 8 an den Ostiarios Synadenos, in dem derselbe Grundgedanke vertreten wird: Wer weder Weisheit (oo<jlta) noch Bildung (öLöamcaAla) empfangen habe, sei unvollkommen (<'aeA~~), auch wenn er sonst ein Heiliger sei. Diese dezidierte Aussage des Traktates wendet sich gegen einen ungenannten Opponenten, und Polemis versucht anhand mehrerer auffallender Parallelen im Ausdruck zu erweisen, daß Kabasilas hier gegen G. Palamas (vgl. dessen Äußerungen gegen die" Weltweisheit", oben, A. 310) polemisiere.
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Weltweisheit angewiesen waren. In treffender Weise formuliert Kaiser Manuel 11. diesen Tatbestand in einem Brief an den Metropoliten Gabriel von Thessalonike. Er stellt besorgt den Verfall der schriftstellerischen Tätigkeit in seiner Zeit fest und sieht damit auch die Bildung als solche ('ta. tTj~ 3tmöei.a~) bedroht. Diese aber sei notwendig, um die Lehren (ö6ylJ.ata, sc. des Glaubens) zu verstehen, die es erst ermöglichten, wahrhaft fromm zu sein (prov lJ.avi.a) könne auch dem religiösen Menschen nicht gefährlich werden. 3J9 Selbst Exkaiser Johannes VI. (Kantakuzenos), der P. Kydones ermahnt, er solle den Syllogismus nicht als Licht und Hilfe zum Glauben bezeichnen, da er doch ein Teil der von Paulus als töricht erklärten Weltweisheit sei/40 sucht dem Vorwurf zu begegnen, er mißachte die hellenische Bildung (3tmöei.a), und konzediert, daß die Antike (0 3tUAm Xp6vo~) edle Männer aufzuweisen habe, die höchst Nützliches und Lobenswertes geschrieben und erörtert hätten. Sie aber hätten nur die nun nicht mehr gültige (KatapyouIJ.EVllV) weltliche 336 337 338 339 340
LetMan, Nr. 52, Z. 29-32. MatthEp, Nr. 35 (143, 145, 146; Übers.: 302, 305, 307). A. 0., Nr. 20. GabrEp, Nr. 49. KantRef 13: Refut. I, § 8, Z. 29-46.
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Bildung besessen, die religiösen Führer der Orthodoxie - aus der Sicht des Kantakuzenos sind dies Palamas und seine Anhänger - seien hingegen zugleich mit dieser auch im Besitz der überweltlichen (ävw) göttlichen 3tmÖELa. So sei es nicht gerechtfertigt, auf die hellenischen Weisen zu starren, sich durch ihre Lehren verblüffen zu lassen und sie mit Lobeshymnen zu feiern. J41 Kantakuzenos löst das Problem also mit dem Ge- _ danken, die antike Bildung sei durch die christliche abgelöst worden und habe dadurch gleichsam keinen Eigenwert mehr. Wer aber im Besitz der Gottesweisheit sei, könne auch über die Weltweisheit auf einer gleichsam untergeordneten Ebene verfügen, ohne sich ihr zu unterweden. Der unbefangene Umgang der Literaten miteinander war aber nicht allein durch den Streit um Gottes- und Weltweisheit beeinträchtigt, es kamen vor allem bereits zwei eingangs (5.1.3) kurz skizzierte theologische Streitfragen hinzu, die zu weiteren Spaltungen in der Gruppe der Gebildeten führten: die um G. Palamas und die um die Kirchenunion mit Rom. Von der ersten dieser beiden Auseinandersetzungen, der zwischen den Anhängern und Gegnern des G. Palamas, war bereits zuvor im Zusammenhang mit dem Streit um Gottes- und Weltweisheit die Rede. Doch soll wenigstens knapp auch der sog. Palamitenstreit als solcher skizziert und die Frage, worum es ging und in welchen Formen die Debatte ausgetragen wurde, erörtert werden. Palamas und seine Anhänger knüpften an die Lichtvisionen der Hesychastenmönche an und versuchten diese als die Schau von ungeschaffenen Energien (evepYEI.
341 A. O. 24f.: Refut. I, § 17, Z. 1-12.
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auch deren schlechte Sitten (KaKo'Y\8a il8'Y\).J42 Er wirft ihm Lügen, Verleumdungen und unsägliche Lästerungen vor und entrüstet sich über seine Frechheit. J4J Auch die streitbare E. Chumnaina, eine Parteigängerin des Palamaskritikers G. Akindynos, geriet in die Schußlinie der Palamiten und wurde als "neue Jezebel" (3 Kg. 21) diffamiert. J44 Etwas gemäßigter, aber doch in der Sache sehr deutlich, ist das Fazit, das Patriarch Philotheos aus seiner umfangreichen Widerlegung des N. Gregoras zieht: "Gregoras wirft uns, abgesehen von zahlreichen aneinandergereihten Verleumdungen, auch ... vielfach, in seiner großen Unverschämtheit, die Unkenntnis nicht nur der weltlichen, sondern auch unserer eigenen, heiligen Bildung und Weisheit vor. Jedoch hat er in der letzteren sich selbst als ganz und gar unerfahren erwiesen, die andere aber hat er oberflächlich und laienhaft studiert, wie sich aus seinen Schriften ergibt, und aus ihr nichts Lobenswertes und Nützliches gewonnen. Daher sahen wir uns gleichsam gezwungen, den KonzilstomosJ45 gegen ihn zu verfassen und die theologischen und patristischen Zitate vielleicht ausführlicher als üblich auszubreiten, was uns aber niemand zu Recht verübeln dürfte, wenn er Gregoras und seine gegen die Wahrheit und uns gerichtete Absicht in Erwägung zieht."J46 Philotheos gibt den zuvor zitiertenJ47 Vorwurf eines Bildungsdefizits also an Gregoras zurück. In seinen Streitschriften gegen Prochoros Kydones spart auch Exkaiser Johannes VI. nicht mit persönlichen Angriffen. Gleich zu Beginn der Refutatio I stellt er mit einem Psalmzitat fest, die Reden der Gottlosen bzw. derer, welche die Theologie schlecht verwalteten, sc. der Antipalamiten, hätten die Oberhand gewonnen. H8 Gegen sie alle habe Patriarch Philotheos eine Schrift verfaßt, die ähnlich dem Feuer von Sodoma die gottlosen Lästerzungen in Asche verwandelt habe. J49 Voll aggressiver Ironie wendet sich J ohannes VI. dann direkt gegen Prochoros: "Ich muß mich gerechterweise wundern, daß du zwar prahlerisch und geschwätzig den anderen den irrtumslosen Weg zu zeigen versuchst und die verschiedenen Meinungen der vielen zu widerlegen versprichst, aber offensicht342 Barlaam: J. Meyendorff, Introduction a I'etude de Gregoire Palamas, Paris 1959,46 mit A. 12; Palamas: Palam IV, 231. 343 A. O. 231, 233. Die Entrüstung gipfelt in dem Ausruf: BaßaL 'tfjs 'tOAIlTJS. 344 HeroCh 142f. 345 Gemeint ist die palamitische Synode von Konstantinopel 1351 (DarPatr V, 2324 und 2326; Sitzungen: Mai-Juli, Tomos: August). 346 KokDogm I, 514, gegen Schluß des 12. Traktats, der gemäß V. Laurent, Dictionnaire de Theologie Catholique XII/2, 1935, 1504, zu den zwölf 1353/54 verfaßten Traktaten gehärt. 347 S.o., Text mit A. 321-323. 348 KantRef 3: Refut. I, § 1, Z. 1. 349 A. O. 5: Refut. I, § 2, Z. 23-26.
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lich in Wirklichkeit selbst im Irrtum bist, aufs Geratewohl umhertorkelst und der führenden Hand bedarfst.,,35o Allerdings hatte auch P. Kydones in seinem Widerwillen gegen das Lehrgebäude des Palamas mit scharfen Angriffen auf seine Kontrahenten nicht gespart. Dies zeigt sich vor allem in der folgenden von J. Kantakuzenos zitierten Beschreibung, die Prochoros seinen Gegnern zuteil werden ließ: ,,<Sie sind> Menschen, die wohl aus der Sicht der Engel nur zwei Ob oIen wert sind, nichtswürdig wie Käfer und Ameisen, die <sich> aus Erdlöchern , und wie Frösche, die aus Sümpfen quaken, rühmen sich <doch> größerer Weisheit als die Engel!,,351 Die Stoßkraft dieser Attacke wird dadurch nicht ~emildert, sondern eher noch verstärkt, daß es sich um ein Zitat handelt. 52 So verwundert es nicht, daß Kantakuzenos auf eine solche Verunglimpfung mit dem entsetzten Ausruf: "Oh, welche Überhebung!" reagiert. Die Ablehnung der palamitischen Lehren, welche die Synode des Jahres 1351 unter Vorsitz Kaiser Johannes' Vr. 353 inzwischen zum Dogma erhoben hatte, führte zur Verurteilung des P. Kydones durch die Synode von Konstantinopel 1368. Dieser starb bereits ca. 1370 im Alter von etwa 35 Jahren. Nach seiner Heimkehr 1371 von einer Reise nach Rom mit Kaiser Johannes V. ging D. Kydones mit den Gegnern seines Bruders scharf ins Gericht, und hielt den Palamiten auch wieder intellektuelle und moralische Unzulänglichkeit vor: "Wie hätte man ... erwarten sollen, von denen etwas Gutes zu hören, die so wenig bewandert in der Wahrheit, so wenig von der Bildung gekostet haben, so feige, so einfältig, so mißgünstig sind? ... Grenzenlos war ihre Beschränktheit, nichts hatten sie, was sie seinen <sc. des Prochoros> Reden an Wahrem entgegensetzen konnten ... , obwohl sie den vielen Schweiß der Sieben Weisen für die Widerlegung daransetzten und man reichliche Belohnungen für den Fall in Aussicht stellte, daß einer etwas gegen die Wahrheit (sc. aus der Sicht des Kydones) vorbringen könne ... Sie verachteten Argumente, als seien sie etwas Abgeschmacktes, und beschlossen, die Wahrheit in Abwesenheit zu verurteilen, mehr aber noch: während sie jene verwarfen und sich die Ohren zuhielten, stürzten sie sich auf ihren Vorkämpfer wie einst die Rotte der Gottesmörder sich auf Stephanus stürzte, und schleuderten anstelle von Steinen wie Schneeflocken ihre Beschimpfungen ... ,,354
350 A. O. 7: Refut I, § 5, Z. 1-6. 351 A. 0.29: Refut. I, § 21, Z. 12-15. 352 Wie G. Podskalsky in einer Rezension von KantRef, BSI 50, 1989, 75f. zeigt, lehnt sich die Formulierung eng an eine Kelsos-Passage an, die von Origenes, Contra Cels. IV, 23, zitiert wird. 353 S.o., A. 345. 354 TinnKyd 112, Nr. 81, Z. 104-112.
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Die zweite wichtige theologische Auseinandersetzung der Byzantiner in dieser Epoche war die um die Beziehung zur Kirche von Rom. In diesen Streit waren auch die Kaiser des Palaiologenhauses mehr oder weniger einbezogen. Der Begründer der Dynastie, Michael VIII., sah in der Kirchenunion mit Rom die einzige Chance, die Bedrohung seines Reiches durch den mächtigen Karl von Anjou zu unterlaufen. So versuchte er den orthodoxen Klerus in seinem Sinne umzustimmen, und die Unionsverhandlungen auf dem Konzil von Lyon erfolgten in seinem Auftrag. 355 Nach dem Abschluß der Verhandlungen in Lyon, die wegen des Verzichts auf eine ernsthafte Diskussion der eigentlichen Kontroversfra gen allenfalls zu einer Scheinunion führten,356 veranstaltete Michael VIII. zwar am 16. Januar 1275 im Blachernenpalast eine feierliche Unionszeremonie,J57 stieß aber auf heftigen Widerstand nicht nur bei Klerus und Mönchtum, sondern sogar in der eigenen Familie358 und in Kreisen der Beamtenschaft. 359 In seinem Bemühen, die Annahme der Union zu erzwingen, scheute der Kaiser nicht vor Verfolgungen und Strafmaßnahmen zurück. 360 Mochte es Michael VIII. auch gelungen sein, Anhänger für den Unionsgedanken zu finden und im übrigen einen Teil des Klerus einzuschüchtern, so zeigte sich doch alsbald nach seinem Tod, was von dieser "Union" zu halten war. Sein Sohn und Nachfolger Andronikos II., ein strikter Gegner der Vereinigung mit Rom, setzte Patriarch Johannes XI., den theologischen Befürworter der Union, ab und an seiner Stelle Gregorios 11. ein, der es erst jetzt wagte, seine antiunionistische Gesinnung zu zeigen. In einer Grundsatzerklärung gegen die Unionisten361 richtete er heftige Angriffe gegen ihren Anführer, Patriarch Johannes XI. Er deutet die Annäherung an die römische Lehre vom Ausgang des Heiligen Geistes als "Reden und Taten der Bosheit", die "Verwirrung
355 GeanMich 264f. In einer Rede an den Klerus von Byzanz im Palast vor der Abreise der Konzilsdelegation (PachFail 11, 495-497) versuchte er zugleich Druck auszuüben und die Tragweite der Union zu verharmlosen. Gemäß RobLyon 228 waren alle Mitglieder der Delegation kaiserliche Gesandte. 356 RobLyon 271-275 lehnt es in seiner Bewertung der Verhandlungen ab, hier von einem "Unionskonzil" zu reden. 357 PachFail 11,511,4-13. 358 Seine Schwester Eirene (als Nonne seit ca. 1261: Eulogia; PLP 21360) und deren Tochter Th. Kantakuzene verbannte der Kaiser als heftige Gegnerinnen der Union in eine Festung bei Nikomedien (TaibNuns 615). Über die sonstige Rolle von Frauen in religiösen Kontroversen der Epoche a. O. 614-617. 359 GeanMich 274f. 360 Strafmaßnahmen vor allem gegen Beamte und Mönche: PachFail 11, 581,13-23; 611623. 361 "EKeEOL~ .0'Ü .°11°11 .ij~ :n;[O'tEW~, PG 142,233-246.
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und Krieg" zur Folge gehabt hätten. 362 Dieses Dogma sei eine "ausländische Pest" (un:Ep6pLO~ A:UIlTJ). Patriarch Johannes habe sich für diese als "fruchtbarer Acker" .erwiesen, "bewässert mit Bosheit und Gießbächen der Gesetzlosigkeit". Indem er die Schriften der Heiligen böswillig interpretierte, habe er den Samen <seiner Lehre> ausgestreut und das Heiligtum entweiht. Der Kaiser sei zu loben, der dieses Patriarchat beendet habe. 36J Am Schluß seiner Ausführungen wendet sich Gregorios noch einmal "schaudernd" (ßöEA.uTt6IlEVO~) ab von diesen wahrheitsfeindlichen Lehren und Lästerungen. 364 Dies ist also eine Probe aus dem Arsenal der Beschimpfungen in der Unionskontroverse. Wie es unter Michael VIII. den Unionsgegnern schlecht erging, so mußten nun die Verteidiger der römischen Lehren mit Haft rechnen, wenn sie sich nicht beugten. Zu den Männem, die dazu bereit waren, lieber im Gefängnis zu bleiben als zu widerrufen, gehörte der in den vorausgehenden Zitaten geschmähte Patriarch, der die letzten zwölf Jahre seines Lebens in Festungshaft verbrachte,365 und G. Metochites, der einem Widerruf seiner unionsfreundlichen überzeugung sogar 43 Jahre Haft (von 1285 bis zu seinem Tode 1328) vorzog. 366 Der Streit um die Beziehung zur römischen Kirche kam auch in der Folgezeit nicht zur Ruhe. Im Rahmen des gestellten Themas ist es nicht möglich, ihn auch nur im überblick zu behandeln. Die Gruppe der Literaten, die in der Hinwendung zum lateinischen Westen und zur römischen Kirche das Heil sah, soll in einem späteren Abschnitt vorgestellt werden. 367 Hier nur noch einige Beispiele. Aus der Sicht des Neilos Kabasilas sind die Angehörigen seiner Kirche, die dem lateinischen Filioque zuneigen, bemitleidenswerte Kranke, die er mit Gottes Hilfe von ihrem Irrtum zu befreien hofft. 368 Jedenfalls sparten sowohl Anti- wie Prolateiner nicht mit gegenseitigen Vorwürfen. Der Prolateiner D. Kydones tadelt seine orthodoxen Gegner, sie seien in ihrem bitteren Haß mehr auf üble Nachrede als auf die Wahrheit bedacht und begingen in ihrer Argumentation gegen die Lateiner schwere logische Fehler. J69 Die beiden Kontrahenten in der Auseinandersetzung für oder gegen die Union Bessarion und M. Eugenikos diffamierten sich gegenseitig auch persön362 363 364 365 366
A. O. 233B-234A. A. O. 234A-235A. A. O. 245A. PLP 2548. Gregorios 11. erwähnt ihn in der wEKeEcr~ (wie A. 361), 235A, als Parteigänger des Patriarchen Johannes XI. Ein eindruckvolles Bild von seiner Persönlichkeit zeichnet VriesMet 31ff. 367 S. U., 5. 5. 368 E. Candal, Nilus Cabasilas et theologia S. Thomae de processione spiritus sancti, Vatikan 1945, 244. 369 MercNot 387f.
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lich. 370 Georgios Scholarios (später Gennadios Ir.) beklagt im Januar 1453 in einer Lamentatio über die Proklamation der Union mit Rom (Konstantinopel, 12. Dezember 1452) die so entstandene "Verderbnis des Glaubens"; die Anhänger der Union hätten die Schriften der Väter mit Füßen getreten, die Mauern des ewigen Heiles niedergerissen usw. 371 Die Gruppe der Literaten war also trotz aller Gemeinsamkeiten durch mannigfache Kontroversen entzweit und gespalten. Dies ist bei aller Bewunderung für die geistige Leistung dieser Gruppe in einer Zeit des politischen Niederganges doch als deutliches Merkmal einer "Kulturkrise" zu deuten, die in der gesamten byzantinischen Spätzeit nicht überwunden wurde. Doch sollte man sie auch nicht als Katastrophe bewerten, zumal die Weitergabe des traditionellen Bildungsgutes über Generationen, die im folgenden Abschnitt dargestellt werden soll, als starke verbindende und integrierende Kraft zu werten ist. Nicht zuletzt soll schließlich auch auf die schöpferischen Neuansätze bei der Umsetzung dieser Bildungstraditionen als kulturelle Leistung hingewiesen werden, auch wenn sie in diesem Buch nicht ausführlich thematisiert werden können. ln
5.3. Bildungswesen und Lehrer-Schüler-Beziehungen Bisher war im wesentlichen vom "horizontalen" Beziehungsgeflecht innerhalb der Literatengruppe die Rede. Nun soll die Aufmerksamkeit der "Vertikale" gelten, der Weitergabe des Bildungsgutes über die Generationen. Es soll vor allem gezeigt werden, daß das Bildungswesen in dieser Epoche und dies kaum anders als in früheren Jahrhunderten - in Byzanz wesentlich weniger als das moderne institutionalisiert war, sondern der Anstoß praktisch immer von privater Initiative ausging. Dies ist der Grund, warum dieser Abschnitt "Bildungswesen" mit den privaten Initiativen beginnt und erst dann genauer gefragt wird, welche Rolle die staatliche und kirchliche Organisation bei der Förderung solcher Tendenzen spielte. 5.3.1. Bedeutung der privaten Initiative im Bildungswesen Ein kontinuierliches organisiertes Bildungswesen hat es in Byzanz nach dem 6. Jh. nicht mehr gegeben.373 Einrichtungen wie staadiche oder kirchliche Hochschulen oder Schulen wurden zu bestimmten Zeiten gegründet 370 C.N. Tsirpanlis, Mark Eugenicus and the Council of Florence, Thessalonike 1974,54. 371 GennSchol III, 180-188. 372 TinnAnt. 373 Vgl. F. TinnefeId, LexMA VIII, 1998/99, 1255f.
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und unterhalten, hatten aber durchweg keinen dauernden Bestand oder im Fall der kirchlichen Schulen - nicht den Rang als Bildungsstätten, den man ihnen früher beimaß. Seitdem zumindest für eine längere Epoche der byzantinischen Geschichte die Existenz einer "Kaiserlichen Universität" überzeugend in Frage gestellt worden ist,374 wird das Thema der institutionalisierten Schulen in Byzanz allmählich mit der gebotenen größeren Vorsicht behandelt. 375 Die byzantinische Bildungstradition war während des Exilreiches von Nikaia (1208-61) durch private Initiative weitergegeben worden. Von größter Bedeutung war in dieser Hinsicht der elitäre Kreis des Nikephoros Blemmydes. 376 Es war vor allem sein Schüler G. Akropolites, der das, was er bei ihm gelernt hatte, an Personen weitergab, die in der Folgezeit das Bildungsleben entscheidend mitgestalteten,377 und so entfaltete sich in der Palaiologenzeit ein Bildungswesen von wesentlich größerer Breite als in dem eher provinziellen Exilreich. Grundsätzlich sind zwei Unterrichtsformen zu unterscheiden: Unterricht für kleine Gruppen von Schülern, der naturgemäß eher der Elementar- und der Sekundarebene (im wesentlichen Sprachunterricht: anfangs Grammatik, dann Rhetorik und Stilistik, schließlich Logik) entsprach, und Einzelunterricht, der in der Regel nur auf einer höheren Bildungsstufe und in Spezialfächern erteilt wurde. Es läßt sich in unserer Epoche eine ganze Reihe von Literaten anführen, die privaten Unterricht an Schülergruppen erteilten, z. B. Patriarch Gregorios (vor seinem Patriarchat),378 M. Planudes zu Anfang seiner Laufbahn, noch als Laie "Manuel", ab ca. 1280,379 Manuel Moschopulos,JBO Patriarch Johannes XIII. (vor seinem Patriarchat),3Bl Th. Hyrtake. h I SI'd oros (vor semem . nos, JB2 Th . P ed"laSlmos, JBJ G . L ak apenos, JB4 P atnarc
374 Einen bedeutenden Fortschritt in der kritischen Sicht des byzantinischen Schulwesens in früheren Jahrhunderten bedeutet die Untersuchung von P. Speck, Die Kaiserliche Universität von Konstantinopel. Präzisierungen zur Frage des höheren Schulwesens in Byzanz im 9. und 10. Jahrhundert, München 1974. Speck begründet überzeugend, daß der institutionale Anteil am Schul- und Bildungswesen in dieser Epoche minimal war. 375 Siehe vor allem Kap. X (Das byzantinische Bildungswesen) in: MazHandb 148-152. Näheres zum organisierten Bildungswesen unten, 5.4.1 und 5.4.2. 376 Zu Blemmydes siehe neuestens J. A. Munititz, TRE XXIV, 1994,457-460. 377 S. u., 5. 3. 6, unter Akropolites, Georgios. 378 ConstEd 36. 379 A. O. 68. 380 A. O. 104f. 381 A. O. 98f. 382 A. O. 93. 383 A. 0.119. 384 A. O. 102f.
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Patriarchat),385 M. Kalekas 386 und Alexios Phorbenos. 387 Ein besonders wertvolles Zeugnis für Fragen des privaten Schulunterrichtes im späten Byzanz ist ein vertrags ähnliches Dokument aus dem 14. Jh., in dem eine Gruppe von Schülern ihrem Lehrer diszipliniertes Verhalten verspricht und sich widrigenfalls mit Strafmaßnahmen einverstanden erklärt. 38 Hier wird auch Elementarunterricht im privaten Einzelunterricht durch Hauslehrer bezeugt.389 5.3.2. Stufen und Gegenstände des Unterrichts In Byzanz wie in anderen Kulturbereichen ist Unterricht auf verschiedenen Stufen der Bildung und in unterschiedlichen Fachgebieten zu unterscheiden. Doch sollte man sich die Einteilung der vermittelten Bildung nach Stufen und Gegenständen nicht allzu systematisch vorstellen. Wenn man also von einem dreistufigen Bildungswesen in Byzanz spricht, ist zugleich zu berücksichtigen, daß die Grenzen zwischen den Stufen nicht schad gezogen waren. Mit diesen Einschränkungen kann man von einer Elementarstufe sprechen, auf der man Lesen, Schreiben und Grundkenntnisse in der griechischen Grammatik erlernte. Es folgte eine Sekundarstufe mit einem Basisstudium, der sog. tYK1J1CA.LOC; 3tatöeLa bzw. 3tut-
385 TinnKyd 1/1,158. 386 KalekEp 18-20. 387 CanivOik 11. Zur Lehrtätigkeit des Ibankos s. u., Text mit A. 445. Auch Katablattas (s.o., Text mit A. 283-285), der von Phorbenos und Ibankos Unterricht erhielt, war später als Lehrer tätig (CanivOik 12; vgl. Text: CanivOik 43, Z. 205f.). Katablattas berief sich sogar auf eine kaiserliche Ernennung zum Aufseher über die Schulen Thessalonikes; doch wissen wir nicht, was von dieser an sich interessanten Nachricht historisch zu halten ist (CanivOik 13; Text: CanivOik 75, Z. 678: dl;wilv'tO: oe <sc. ßamAea> 'tii>v tv geua)'lq
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ÖEUOL~.J90 Man hat die Fächer dieses Sekundarstudiums mit dem westlichen Trivium und Quadrivium verglichen;J91 doch hing es sicher bereits oft vom entsprechenden Lehrer ab, wie weit über Grammatik und Rhetorik (einschließlich Dichtung) hinaus auch Grundkenntnisse in der Philosophie (vor allem Logik) und in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern des Quadriviums vermittelt wurden. J92 Jedenfalls fällt es auf, daß gelegentlich typische Fächer des Quadriviums neben der Philosophie zu den IlEYUrtU llu8TJIlUtU, zur höchsten Stufe der Bildung also, geza"Wt werd en. J9J Eine ganze Reihe von Handschriften überliefert Schulbücher des Sekundarbereichs aus unserer Epoche. J94 Sie zeigen, daß die Schüler mit Fragen (tpW'tTJIlU'tU) und mit der Methode der SchedographieJ95 unterrichtet wurden. J% Nach Abschluß des Sekundarunterrichtes suchten die Begabten und Interessierten sich besondere Lehrer für ein gewünschtes Spezialgebiet. An der Grenze zwischen Sekundarstufe und Spezialwissen stand die Philosoghie, da philosophische Kenntnisse, vor allem auf dem Gebiet der Logik,J vielfach als Teil der Grundbildung verstanden wurden. Ein in390 Neueste Übersicht über die Geschichte des Begriffs: G. Rechenauer, Historisches Wörterbuch der Rhetorik II, 1994, 1160-1185. 391 I. Sevcenko, Rez. zu P. Lemerle, Le premier humanisme byzantin, in: American Historical Review 79, 1974, 1532f. 392 Vgl. ConstEd 1. So zählt z. B. Gregorios II. zum Stoff einer guten Grundbildung (eul.u1geLCl): Grammatik, Poetik, Rhetorik, Syllogistik (also Logik) und Geometrie (TreuPed 49). 393 TreuPed 35. Einen bemerkenswerten Überblick über den gesamten Bildungskanon, der weit über die Grenzen der eyKUKALOS l'tm6ei.a hinausgeht, gibt Joseph Rhakendytes im Einführungsgedicht zu seiner wahrhaft enzyklopädischen, theologisch ausgerichteten Gesamtschau der Wissenschaft seiner Zeit, der sog. "Synopsis". Edition des Gedichtes: M. Treu, Der Philosoph Joseph, BZ 8, 1899, 1-64, hier 39-42. Ausführliche Würdigung der Synopsis: F. Tinnefeid, Zu Begriff und Konzepten des Enzyklopädismus in Byzanz, in: Artes im Minelalter, ed. U. Schaefer, Berlin 1999, 143-150, hier 148-150. 394 E. Gamillscheg, Zur handschriftlichen Überlieferung byzantinischer Schulbücher, JÖB 26,1977,211-230. 395 Zur Schedographie als pedantischer grammatisch-lexikalischer Texterklärung zu Übungszwecken: Hunger II, 24-29. 396 Gamillscheg (wie oben, A. 394),214-216, über Handschriften der Erotemata (Fragen) und der Einführung in die Schedographie (TIept axe6oov) des M. Moschopulos. Eine weitere Handschrift, die u. a. auch byzantinische (grammatische, philosophische und historische) Schultexte aus dem 13.114. Jh., u. a. von M. Planudes und M. Moschopulos, enthält, Codex 2773 miscellaneus Graecus, befindet sich in der Hessischen Landes- und Hochschulbibliothek zu Darmstadt. Literatur zu dieser Handschrift zitiert J.-M. Olivier, Repertoire des bibliotheques et des catalogues de manuscrits grecs de Marcel Richard, 3me ed. entierement refondue, Turnhout 1995, 252f., Nr. 866-868. 397 So waren z. B. die Kenntnisse des Palamas auf dem Gebiet der Logik (s.o., A. 309) sehr wahrscheinlich Bestandteil seiner Sekundarbildung.
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tensiveres Studium der Philosophie setzte aber in der Regel die Entscheidung für eine der beiden seit jeher in Byzanz gepflegten philosophischen Traditionen, die platonische oder die aristotelische, voraus. J98 Der bedeutendste Lehrer des Exilreiches von Nikaia, Nikephoros Blemmydes,399 war Aristoteliker. Er verfaßte u. a. ein auf Aristoteles basierendes Handbuch für den Unterricht in zwei Teilen/co von denen einer in die Logik und einer in die Physik401 einführte. Das Ganze ist als pädagogisch nicht ungeschickte Zusammenfassung zu bewerten. Blemmydes trug offenbar maßgeblich dazu bei, daß im späten Byzanz Philosophie lange Zeit mit Schwerpunkt in der aristotelischen Tradition betrieben wurde. So schrieb in der Generation nach Blemmydes M. Holobolos, der noch in Nikaia studiert hatte/02 Scholien zu den Analytica priora;40J G. Pachymeres schuf mit seiner La ein gewaltiges exegetisches Kompendium des gesamten Corpus Aristotelicumt04 Gregorios 11. soll in seinem Unterricht auch aristotelische Philosophie vermittelt haben;405 J. Pediasimos, der bei dem Blemmydes-Schüler G. Akropolites studiert hatte/06 verfaßte Scholi-
398 Hunger 1,11-41; PodTheoI64-87. Es finden sich auch im späten Byzanz Spuren einer tieferen Auffassung von philosophischer Bildung als der Abrundung jeder :7tutöela und als zu Gott führender Wissenschaft. Siehe vor allem die vor unserer Epoche (zwischen 1244 und 1254) entstandene Pädagogen-Satire des kaiserlichen Prinzen Theodoros Laskaris, die jetzt in editio princeps vorliegt: Teodoro II Duca Lascari, Satira del Pedagogo, ed. L. Tartaglia, Napoli 1992, Introduzione, 8: Theodoros wirft dem inder Satire getadelten Lehrer vor, er habe ihm statt einer umfassenden, von Philosophie geprägten Bildung nur Einzelfächer (llepUCOV tL :7tpiiYIlU) vermittelt. Vgl. den edierten Text, 35-37, Kap. 18 (Z. 545-587), Zusammenfassung: 52. 399 S.o., A. 376. 400 PG 142,675-1320. Dazu Hunger I, 36. 401 Vgl. zu diesem Teil auch W. Lackner, Zum Lehrbuch der Physik des Nikephoros Blemmydes, ByzForsch 4, 1972, 157-169. 402 ConstEd 53: .. may weil have been one of the students of the imperial school of St. Tryphon in Nicaea and thus a beneficiary of the Lascarid dynasty." Über seinen anonymen Lehrer in einer Schule bei der Tryphon-Kirche in Nikaia informiert K. Akropolites in seiner Rede auf den hl. Johannes den Barmherzigen den Jüngeren; bei diesem könnte auch Holobolos studiert haben (a. o. 39f.). 403 M. Treu, Manuel Holobolos, BZ 5,1896,538-559, hier 552ff. 404 Hunger I, 37. Vom griechisch~~ Text ist nur die Logik ediert (Paris 1548), vom ganzen Werk nur eine lateinische Ubersetzung (Basel 1560). 405 ConstEd 36. 406 MergPaul245f. Zur philosophischen Lehrtätigkeit des Akropolites siehe ConstEd 31 (Platon und neuplatonische Philosophen) und 32 mit A. 8 (aristotelische Philosophie gemäß dem Zeugnis von Gregorios H., LamGreg 185, Z. 22f.). Von Akropolites ist kein philosophisches Werk überliefert, doch ist dabei zu bedenken, daß er als Unionsanhänger der damnatio memoriae verfiel und daß deshalb ein Teil seiner Werke verbrannt wurde (ConstEd 34, A. 13). Doch glaubt PerezConfl413 in Cod. Ambros. M 71 eine Spur seiner Beschäftigung mit Aristoteles gefunden zu haben.
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en zu den Analytica priora(z. T. auch posteriora) des Aristoteles.
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Sinne und Kenner Platons kann man in Byzanz nur die beiden Literaten der spätesten Zeit G. Plethon und seinen Schüler Bessarion bezeichnen. 42o Der platonische Zirkel um diese beiden Gelehrten zählte eine größere Zahl von Personen, deren philosophisches Schrifttum weitgehend verloren ist, vor allem, weil es der kirchlichen Zensur zum Opfer fiel. 421 Als weitere Spezialwissenschaft erlebte die Philologie im späten 13. und frühen 14. Jh. eine seit der Spätantike nicht mehr erreichte Blüte. M. Planudes begründete eine Schule, die sich der philologischen Arbeit an den Texten antiker Dichter, Dramatiker und Prosaiker widmete; doch erreichte auch sein offenbar begabtester Schüler M. Moschopulos nicht das Niveau seines Lehrers. 422 Wahrscheinlich stand auch D. Triklinios, der bedeutendste byzantinische Textphilologe überhaupt, der allerdings als Lehrer kaum Bedeutung hatte, mit dem Kreis um Planudes in Verbindung. 42J Wie er lebte ebenfalls in Thessalonike Th. Magistros, der seine philologischen Kenntnisse weitgehend dem Autodidakten Joseph (Rhakendytes) verdankte. Er überschätzte sein eigenes Können aber erheblich. Als Lehrer mag er Anstöße gegeben haben, aber die stupende Editionstechnik eines Triklinios ist im wesentlichen nur auf autodidaktischem Wege zu erklären. Bemerkenswert ist in der Palaiologenzeit auch das hohe Interesse an den Fächern des Quadriviums (gr. tEtpaKtU~) mit den Fächern Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik. Vor allem wird ein gesteigertes Interesse an der Astronomie erkennbar. Auch hier wieder war es bereits Nikephoros Blemmydes, der für die Folgezeit durch seinen Schülc,:r G. Akropolites grundlegende Anregungen gab. 424 G. Pachymeres, der bei Akropolites studiert hatte, vedaßte erstmals seit dem frühen 11. Jh. wieder eine Zusammenfassung der Fächer des Quadriviums (l:uvtaYlla tWV tEoo
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theoretisches Werk verfaßte, lebte lange Zeit in Zurückgezogenheit und wurde als abstruser Stubengelehrter verlacht. Erst um 1313 soll ihn Andronikos II. "entdeckt" und ihn Th. Metochites als Lehrer empfohlen haben. In der Folgezeit nahm Metochites bei ihm intensiven Privatunterricht. 425 Die Ergebnisse seiner Studien faßte Metochites in seiner "Einführung in die Astronomie" zusammen. 426 Es verdient Beachtung, daß die von M. Bryennios gelehrte ptolemäische Astronomie als "modern" empfunden wurde und ein der aristotelischen Tradition verpflichteter Literat wie Nikephoros Chumnos so sehr an ihr Anstoß nahm, daß die Frage nach der "richtigen" Astronomie zu einem Hauptpunkt seines Gelehrtenstreites mit Metochites wurde. 427 Metochites war es, der wiederum seinen einzigen bedeutenden Schüler N. Gregoras in die Astronomie einführte. Dieser glänzte 1324 vor Kaiser Andronikos II. mit Vorschlägen für eine Reform des julianischen Kalenders, wie sie erst 1582 durch Papst Grepor XIII. verwirklicht wurde, und für die Bestimmung des Ostertermins.42 1331/2 disputierte er über Fragen der Astronomie mit dem kalabresischen Mönch Barlaam; letzlieh zeiw:en sich beide hervorragend in der ptolemäischen Astronomie bewandert: In der Nachfolge des Chioniades übermittelte G. Chrysokokkes (I) aus Trapezunt dem griechischen Sprachbereich die letztlich ebenfalls auf Ptolemäus basierende arabische astronomische Überlieferung aus persischen Schriften.43o In der zweiten Hälfte des 14. Jh. leistete der Theologe N. Kabasilas Chamaetos durch einen Kommentar zu einem Teil des Almagests seinen Beitrag zur Astronomie,431 und Th. Meliteniotes faßte das astronomische Wissen seiner Zeit in einer Gesamtdarstellung (Tptßt.ßA.o~), die auch die persische Überlieferung berücksichtigte, zusammen. 432 Schriften zur Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik (Harmonik), also zum ganzen Quadrivium, legte I. Argyros, ein Schüler des Gregoras, vor. 433 Als zwei Sonderbereiche des Wissens sind noch Medizin und Jurisprudenz zu behandeln.434 Die medizinische Wissenschaft basierte auf der 425 ConstEd 95-97. Zu Chioniades s. u., Text mit A. 675. Zum musiktheoretischen Werk ('AP~OVLKa) des Bryennios: Hunger 11, 192-194. 426 l::tOLXeLWm; bei t'fi dotpovo~LKfi beLO"t~!J.n, unediert, Auszüge bei SevMet. Zur Bewertung vgl. auch TihonAstr, I, 612. 427 SevMet 68-117. 428 Greg. 1,364-372; Übers.: DietGreg 11/1, 64-72. 429 DietGreg 1 H. mit A.62; TihonAstr I, 613f. 430 ODB 453; TihonAstr, V. 431 Hunger 11, 254. 432 A. O. 253f.; Theodore Meüteniote, Tribiblos Astronomique, ed. R. Leurquin, Amsterdam, livre I, 1990, 11, 1993, 11, Commentaire, 1993. 433 Überblick: ODB 166. 434 Weitere Sonderbereiche wie Geographie, Zoologie, Botanik, Mineralogie, Alchemie und Kriegswissenschaft werden in dieser knappen Übersicht nicht berücksichtigt. Eine
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antiken Tradition und konnte daher nur von Literaten betrieben werden, die in der Lage waren, diese zu studieren und in eigenen Schriften weiterzugeben. In der Spätzeit finden wir auch hier wieder am Anfang den Namen Blemmydes.435 Für die Folgezeit ist eine nicht allzu große Zahl von Autoren medizintheoretischer Schriften zu nennen:36 unter denen als bedeutendster J. Zacharias herausragt. 437 Die entscheidenden praktischen Fertigkeiten wurden an krankenhaus ähnlichen Einrichtungen vermittelt, über deren Organisation wir ab.~r im 12. Jh. besser unterrichtet sind. Doch bezeugen die zahlreichen Arzte, die sich für die Spätzeit namhaft machen lassen, daß Möglichkeiten der Ausbildung weiter bestanden.438 Trotz der weiter funktionierenden Gerichtsbarkeit bis in die spätbyzantinische Provinz hinein439 läßt sich über die Vermittlung juristischen Wissens in spätbyzantinischer Zeit wenig sagen. Von einer kaiserlichen Rechtsschule, wie sie im 11. Jh. bestanden hatte, kann jedenfalls in der Spätzeit keine Rede mehr sein. 440 Es scheint, daß man sich die Rechtskenntnisse, die für die Praxis nötig waren, im wesentlichen im Privatstudium oder durch "Hospitieren" vor Ort aneignete. Auch die wenigen Autoren juristischer Literatur wie K. Armenopulos und der Kanonist M. Blastares scheinen Autodidakten gewesen zu sein, nicht weniger der anonyme Vedasser der um 1400 kompilierten "Hexabiblos aucta":41 Die erstaunlich umfangreiche juristische Bibliothek, über die er vedügte, .ermöglichte ihm das Sammeln alter Rechtstexte, das er mit Leidenschaft betrieb. 442 Die mangelnde Systematik seiner Sammeltätigkeit verrät den Autodidakten. Für die weitere Pflege der Rechtswissenschaft sprechen auch einige aus der Spätzeit erhaltene Spezialabhandlungen wie z. B. die
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Geschichtswissenschaft im modernen Sinne gab es in Byzanz nicht. Geschichtsschreiber verfügten in der Regel über eine solide Ausbildung in Rhetorik und Stilistik und orientierten sich meist an früherer (antiker oder byzantinischer) Geschichtsschreibung. Hunger 11, 311. A. O. 311-314. HohlAkt. Das bekannteste Hospital der byzantinischen Spätzeit ist der vom Serbenkönig Milutin gestiftete EEVWV"tO'Ü KpuA.ou. S. u., A. 566 und oben, Kap. 4. 5, Text mit A. 219f. Über Ärzte in dieser Epoche siehe E. Trapp, Die Stellung der Ärzte in der Gesellschaft der Palaiologenzeit, BSl 33, 1972,230-234, und PLP, Abkürzungsverzeichnis und Gesamtregister, 1996, 445. Für ein hohes Niveau der medizinischen Studien in der byzantinischen Spätzeit, das auch im Westen geachtet war, plädiert neuestens HarrMed, besonders 208-210. Vgl. z. B. M. Th. Fögen, Zeugnisse byzantinischer Rechtspraxis im 14. Jh., in: FM V, 1982,215-280. ArmHex, Einleitung, 1;'. M. Th. Fögen, Hexabiblos aucta. Eine Kompilation der spätbyzantinischen Rechtswissenschaft, in: FM VII, 1986, 259-333. Fögen (wie A. 441), 291ff.
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des J. Pediasimos.+43 Möglicherweise unterhielt Konstantinos 1bankos, der nach der vertraglich vereinbarten Rückgabe Thessalonikes an Byzanz durch die Türken 1403#4 dort als Richter tätig war, eine Art Rechtsschule, wie sich aus der Erwähnung seiner Schüler entnehmen läßt.+45 Doch ist dies anscheinend bislang der einzige belegbare Fall systematischer juristischer Lehrtätigkeit im späten Byzanz. 5.3.3. Finanzierung des Unterrichts
Das Quellenmaterial zur Finanzierung des Unterrichtes ist verstreut und in der Regel nur zufälliges Nebenprodukt von Mitteilungen, deren Hauptzweck ein anderer ist. Es liegt weder eine grundsätzliche Untersuchung zu der Frage vor, noch ist von einer solchen allzuviel zu erwarten. Doch soll hier wenigstens einiges zusammengetragen werden, was sich aus kursorischer Durchsicht der Quellen ergibt. Über eine grundsätzliche Regelung der Einkünfte an den sporadisch belegten staatlichen oder kirchlichen Bildungseinrichtungen oder gar im privaten Unterrichtsbetrieb ist nichts bekannt. Die Höhe der Vergütung war vielmehr entweder dem Gutdünken des Kaisers bzw. der kirchlichen Verwaltung oder, im Fall des Privatunterrichtes, dem Augenmaß oder auch dem Geschäftssinn des einzelnen Lehrers überlassen. Der Grammatikerschule im Waisenhaus bei der Pauloskirche zu Konstantinopel446 gewährte Michael VIII. bei ihrer Gründung regelmäßige jährliche Zuwendungen (p6ym €'t~aLm) zur Bezahlung der Lehrer und zum Unterhalt der Schüler von unbekannter Höhe. 447 Finanzielle Förderung von Unterrichtstätigkeit durch den Kaiser ist auch für die Zeit Andronikos' 11. bezeugt. Hier ist das leider schwer zugängliche,44B aber inzwischen gut erschiosseneH9 Briefcorpus des Th. Hyrtakenos eine unschätzbare Quelle. Hyrtakenos unterhielt eine private Sekundarschule450 und bezog seine Einkünfte grundsätzlich von seinen Schülern bzw. deren
443 Er verfaßte einen Traktat über die Ehehindernisse im byzantinischen Kirchenrecht, der von A. Schminck in FM 1,1976,126-174, ediert wurde. Der Traktat entstand, wie sich aus der Benutzung von Schriften des Demetrios Chomatenos (ODB 426) entnehmen läßt, wahrscheinlich während Pediasimos' Tätigkeit in Ohrid. 444 BarkMan 224f. 445 LetMan XLVI mit A. 85; CanivOik 11. 446 S. u., 5. 4. 1. 447 PachFaii 11, 369, Z. 29f. 448 S.o., A. 212. 449 Vor allem durch KarpHyrt. Siehe aber auch G. Fatouros, Zur Chronologie der Briefe des Theodoros Hyrtakenos,JÖB 33, 1993,221-231. 450 KarpHyrt 287 (privat), 290 (Sekundarschule).
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Eltern, doch konnte er sich auf diese Zahlungen nicht verlassen, auch wenn die Eltern wohlhabend waren,451 und erreichte es mit seinen Klagen, daß der Kaiser ihn regelrecht beauftragte, seine Lehrtätigkeit fortzusetzen, und ihn dafür, zumindest zeitweilig, finanziell unterstützte. 452 Von einer regelmäßigen Gehaltszahlung kann aber keine Rede sein; andernfalls wäre kaum erklärbar, warum Hyrtakenos sich offenbar mehrfach bei hohen Beamten um Vermittlung beim Kaiser bemühte, wenn ihm das Geld ausging. 453 Hyrtakenos informiert auch über zwei andere Lehrer, Chalkomatopulos und Hyaleas, die auf Vermittlung hoher Beamter aus der kaiserlichen Schatulle entlohnt wurden. 454 Die Unzuverlässigkeit der kaiserlichen Gehaltszahlungen ist sicher auch im Zusammenhang mit dem notorischen Geldmangel des Kaiserhofes in einer Zeit politischen und wirtschaftlichen Niederganges zu erklären.455 Ob auch M. Planudes, dem in seinem Kloster eine kaiserliche Bibliothek zur Verfügung stand,456 von Andronikos 11. gelegentlich oder regelmäßig für seine Unterrichtstätigkeit bezahlt wurde, ist nicht ausdrücklich bezeugt. Er erwähnt in einem Brief an den bereits erwähnten Chalkomatopulos, in dem von dessen Unterricht für Planudes' Diener Johannes die Rede ist, Honorar für Lehrer als etwas Übliches, allerdings mit spöttischem Unterton.457 Man kann daraus vielleicht schließen, daß Planudes auch Gratisunterricht nicht ganz fremd war. Von kaiserlicher Bezahlung ist jedenfalls keine Rede. Es scheint im übrigen, daß angesehene Lehrer ihre besten Schüler zumindest gelegentlich aus Idealismus bzw. in der Hoffnung auf die Fortsetzung ihres Lebenswerkes unterrichteten und deshalb auf Honorare weitgehend verzichteten. Dies ist z. B. für die Lehrer-Schüler-Beziehung zwischen Th. Metochites und N. Gregoras anzunehmen, zumal ja Metochites als hoher Beamter ohnehin auf ein Unterrichtshonorar nicht angewlesen war. Man kann auch für die spätere Palaiologenzeit postulieren, daß eine Lehrtätigkeit im Auftrag des Kaisers oder der Kirche, wie sie öfters bezeugt oder zumindest zu erschließen ist,458 entsprechend bezahlt wurde, selbst wenn die konkreten Zeugnisse dafür fehlen. Was aber den Privat451 452 453 454 455 456 457
A. 0.284. A. O. 285, 289, 291. A. O. 284 mit A. 39-41. KarpHyrt 287 mit A. 58 und ConstEd 92f. ConstEd 95. ConstEd 70f. PlanEpL, Nr. 66, Z. 1M.: 1lL<J6o!; Ö' öv :rUivtE!; ,.;avtaxo'Ü j30000L öLÖamcaÄ.OL lCELaE'taL ... (Eine Entlohnung a~er, nach der alle Lehrer überall schreien, wird festgesetzt sein ...). Es folgt dann in der Uberlieferung eine Lücke, und der Text fährt mit einer Bemerkung über eine freundschaftliche Regelung der Frage fort. 458 S. u., 5. 4. 1 und 5. 4. 2.
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unterricht betrifft, so sind als Quelle für Fragen der Unterrichtsfinanzierung in den späteren Jahren der Epoche die Briefe des M. Kalekas zu nennen. Kalekas hatte auf Bitten eines Freundes eine Tätigkeit als Lehrer der Grammatik und Rhetorik (also wohl der Elementar- und unteren Sekundarstufe) aufgenommen. 459 Doch sah er bald Anlaß zur Klage: Nur wenige nahmen das Unterrichtsangebot wahr, und auch deren Eltern zeigten meist wenig Interesse am Fortkommen ihrer Kinder. Sie ließen sich weder blicken, noch zahlten sie das geschuldete, also offenbar vereinbarte Honorar, so daß Kalekas sich anderwärts Einkünfte suchen mußte. 460 Er bat z. B. einen Richter, Vater eines früheren Schülers, ihm zustehende Einkünfte aus einer Klosterpfründe (dÖEf.,<j>
KalekEp, Nr. 19. KalekEp, Nr. 1, Z. 21-26. Zum Begriff siehe ODB 19. KalekEp, Nr. 51. A. 0., Nr. 1, Hf.: "Ich bin kein vermögender , der Wissenschaft wie Marktware anbietet, noch habe ich Freude an Schelten und Schlägen, daß ich sie meinen Schülern reichlich zukommen ließe" (Ou ßapu~ eyw tOU~ A.6you~ wonep
roVLOLtWOL npoOtpißOllm). Zum hier ausgesprochenen pädagogischen Prinzip des Kalekas siehe auch unten, A. 503. 464 Das Hyperpyron ist die byzantinische Goldmünze, deren Feingehalt in der Spätzeit immer mehr zurückging, bis schließlich ab ca. 1350 Gold-Hyperpyra nicht mehr geprägt wurden und der Begriff nur noch als Nominalwert verwendet wurde. An ihre Stelle trat ein Silber-Hyperpyron, auch Stauraton genannt, vom Wert eines halben Gold-Hyperpyrons. Im vorliegenden Vertrag war das erste Hyperpyron nach zwei Monaten fällig, das zweite "später", vermutlich nach erfolgreichem Verlauf des Unterrichts. 465 SchreinBild 288-290. Der Vertrag steht auf einer freien Seite der juristischen Handschrift Vat. Pa!. gr. 371.
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dessen Aufmerksamkeit zu gewinnen. Die Aufnahme des ersten Kontaktes war nicht immer leicht, und eine Ablehnung war in jedem Fall möglich. Noch in der Zeit des Reiches von Nikaia war es Georgios Kyprios, dem späteren Patriarchen Gregorios 11., nicht gelungen, in den elitären Schülerkreis des Nikephoros Blemmydes in einem Kloster bei Ephesos aufgenommen zu werden. 466 N. Chumnos schrieb, wohl noch in jüngeren Jahren, einen sehr devoten Mahnbrief an einen unbekannten älteren Gelehrten, der ihm auf ein erstes Schreiben nicht geantwortet hatte, und mehrmals in diesen Zeilen nennt er es wagemutig, mit einem solchen Ausbund an Weisheit überhaupt Verbindung aufzunehmen. 467 N. Gregoras mußte sich mit viel Geschick um die Gunst des Th. Metochites bemühen, bis dieser sich herbeiließ, ihn zu unterrichten. In einigen Briefen erweist Gregoras dem Meister mit einem von Gelehrsamkeit und rhetorischen Wendungen strotzenden Stil seine tiefste Verehrung. So preist er seine gelehrte Essaysammlung,468 als ein "Wunder", einen "weltumspannenden Schatz aller Erfahrung und Gelehrsamkeit und einen Markt der Weisheit", da dieses Buch alle Bildung vermittle und zu sittlichem Verhalten anleite. 469 In seinem Geschichtswerk berichtet er dann, es sei ihm gelungen, Metochites als Lehrer in der Astronomie (und damit auch als Lehrer überhaupt) durch einen längeren rhetorischen Vortrag zu gewinnen, den er ihm gehalten habe. Er begann mit einem Lobpreis auf den Meister, entsprechend dem, was auch aus seinen Briefen an ihn bekannt ist, und kam dann allmählich auf sein Anliegen zu sprechen. Dabei versäumte er es nicht, sein großes fachliches Interesse gebührend zu betonen. Besonders diplomatisch abgefaßt und daher erfolgreich war der Schluß seiner Rede: Er würde zwar am liebsten dem Meister wünschen, daß er ewig lebe, da dies aber nicht möglich sei, werde mit Metochites eines Tages auch sein Wissen untergehen, es sei denn, er habe es zuvor weitergegeben, und da sei er, Gregoras, der geeignete Mann. 470 Auch Gregoras selbst ließ sich in späteren Jahren nicht leicht als Lehrer gewinnen. G. Akindynos bewunderte ihn nach der Disputation mit Barlaam als großen Astronomen und teilte ihm dies auch mit, wodurch er
466 ConstEd 25. 467 P. L. M. Leone, Le epistole di Niceforo Chumno nel cod. Ambros. gr. C 71 sup., EEBS 39-40,1972/73 (= AELILWV. IIpompopa N. B. TffilLaMucu), 75-95, hier 94f. 468 Dieses Werk (gr. 'Y3t0ILVTJlLatLOILOi Kai OT]ILELWOE~ YVffiILLKaL) bildet im wesentlichen die Textbasis der Habilitationsschrift von H.-G. Beck, Die Krise des byzantinischen Weltbildes im 14. Jahrhundert, München 1952. 469 GregEpL 80, Nr. 23. 470 Greg I, 322-327; Übers.: DietGreg 11/1, 42-46.
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vorübergehend seine Gunst erlangte, aber bald versandete die BeziehunJ1 wieder; der hochfahrende Gelehrte hatte das Interesse an ihm verloren. 4 Nicht besser erging es anscheinend dem jugendlichen D. Kydones, der sich in seiner frühen Jugend (um 1341, im Alter von ca. 17 Jahren) mit einem vorsichtig tastenden, stilistisch gestelzten Brief an den damals schon fast Fünfzigjährigen wandte, zunächst nur, um ihm seine Verehrung auszusprechen, und vielleicht auch, um eine Verleumdung, welche die Beziehung störte, zu entkräften. 472 Doch ist über weitere Kontakte zwischen ihm und Gregoras nichts bekannt. Dies überrascht ein wenig, wenn man bedenkt, daß beide über Jahre von 1347 bis zu Gregoras' Tod (ca. 1359) in derselben Stadt Konstantinopel lebten und in der Ablehnung des Palamismus übereinstimmten. M. Kalekas nahm 1389/90 in einem äußerst respektvollen Brief an D. Kydones mit diesem Kontakt auf, kurz bevor dieser nach Venedig reiste. Offenbar hatte er große Furcht gehabt, sich dem Verehrten zu nähern, denn er entschuldigt sich im Brief, daß er sich erst jetzt, im letzten Moment vor seiner Abreise, zum Schreiben entschließen könne. 473 Eine direkte Reaktion des Kydones auf diesen Brief ist nicht erhalten (vielleicht erfolgte sie mündlich), wohl aber die sehr freundliche Antwort des nach einiger Zeit aus Venedig Zurückgekehrten auf einen zweiten Brief des Kalekas, den er inzwischen mit der ehrenvollen Aufgabe betraut hatte, · Korrespondenz zu k · 474 seme opleren. 5.3.5. Aspekte der Lehrer-Schüler-Beziehungen Die folgenden Ausführungen sind der Frage gewidmet, wie sich die Beziehuneen zwischen den Lehrern und ihren Schülern im einzelnen gestal47t' teten. Zunächst einige Beispiele für die Verehrung, welche bedeutende Lehrer genossen. Das Lob des Lehrers ist als eine Variante des rhetorischen Enkomions zu verstehen, wie es in Byzanz gepflegt wurde. G. Akropoli-
471 AkindH XI. 472 KydEp I, Nr. 123 (= TinnKyd 1/1, Nr. 1). Aus der geschraubten Formulierung ist nicht mit Sicherheit zu entnehmen, ob Kydones auf eine konkrete Störung der Beziehung anspielt oder eine solche bereits im Vorfeld abwenden will. 473 KalekEp, Nr. 4. 474 KalekEp 20-22; KydEp H, Nr. 437. 475 Anregungen zu den folgenden Ausführungen verdanke ich M. A. Poljakovskaja, K charakteristike vizantijskoj obrazovannosti: uCiteija i uceniki (Zur Charakteristik der byzantinischen Bildung: Lehrer und Schüler), in: ADSV, 1987, 111-120.
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tes sagt von Blemmydes, er sei bei allen Zeitgenossen als der vollkommenste Lehrer der philosophischen Wissenschaften bekannt gewesen. 476 Auch M. Planudes genoß als Lehrerpersönlichkeit hohes Ansehen. G. Lakapenos lobt seine hervorragenden pädagogischen Fähigkeiten und seine moralische Lauterkeit, und A. Zarides nennt ihn "eine führende Persönlichkeit in der Wissenschaft, den die Zeit für unsere Generation aufgehoben hat"; ein sachgemäßer Bericht über seine FähiJkeiten müsse jedem, der ihn nicht kenne, fast unglaublich erscheinen. 4 N. Gregoras schreibt aus Konstantinopel respektvoll an den Philosophen Joseph (Rhakendytes) in Thessalonike, der Kyniker Diogenes habe Mühe gehabt, einen "Menschen" zu finden, weil er in seiner Zeit wenig Zustimmung gefunden habe. Joseph aber habe so viele Verehrer, daß er, wenn er mit geschlossenen Augen einen Stein in eine beliebige Menge werfe, jedenfalls einen von diesen treffen werde. Gregoras wünscht sich seine persönliche Anwesenheit, um ihn sich besser zum Vorbild nehmen zu können, und bedauert, daß er sich aus Konstantinopel entfernt habe. Immerhin könne er aber sein enzyklopädisches Werk studieren, das er schon seit langem besitze. 478 Seinen Lehrer in der Rhetorik Patriarch Johannes XIII. preist Gregoras mit den folgenden Worten: "Er war einer der größten Gelehrten und hielt sich wie kein anderer an die edle Sprache der Athener. Ihre Form und Art waren für ihn wie ein göttliches Urbild. An Geistesschärfe, Urteilskraft und Tugend übertraf er alle bei weitem.,,479 Für seinen bedeutendsten Lehrer Th. Metochites findet Gregoras folgendes Lob: "Durch seine angeborene literarische Begabung, seine Ausdauer bei der Arbeit und sein starkes und präzises Gedächtnis war er bis zum Gipfel der Weisheit vorgedrungen. Er konnte, wenn man ihn befragte, mit solcher Leichtigkeit alles, das Alte und das Neue, vorbringen, als ob seine Zunge ein Buch wäre. Wer mit ihm verkehrte, brauchte nahezu keine Bücher. Er war eine lebendige Bibliothek und ein immer zur Verfügung stehendes Arsenal von dem, was man suchte. So weit übertraf er alle, die sich je mit der Wissenschaft befaßt haben. ,,480 Kydones lobt in seiner großen Apologie einen bedeutenden Lehrer seiner Jugendzeit, den er nicht mit Namen nennt; er habe sich durch
476 Akrop I, 50, Z. 4f. Akropolites ist vor allem durch sein Geschichtswerk XPOVLKTJ O'llyypacpi) bekannt geworden. Er verfaßte auch Traktate zu den griechisch-lateinischen Kontroversfragen (Beck 675). Über seine mutmaßlichen philosophischen Schriften s.o., A. 406. 477 ConstEd 87. 478 GregEpL, Nr. 22. Gregoras bezieht sich auf die sog. "Synopsis" (s.o., A. 393). 479 Greg I, 270; Übers.: DietGreg I, 204. 480 Greg I, 271f.; Übers.: DietGreg I, 205.
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Weisheit und Charakter ausgezeichnet und hohes Ansehen genossen; ihm verdanke er den Zugang zur Theologie der Lateiner. Später allerdings habe er ihn durch eine Schrift gegen die Lateiner enttäuscht.m Es steht außer Zweifel, daß hier von Neilos Kabasilas die Rede ist, denn allein dieser war zur Zeit des Kydones, wie wir wissen, ein hervorragender Kenner und zugleich erklärter Gegner der lateinischen Theologie.482 Kaiser Manuel II. bezeugt dankbar, daß Kydones in ihm die Bildung gleichsam gesät, bewässert und zur Reife gebracht habe. 48J M. Kalekas nennt D. Kydones nach dessen Tod in einem Brief an M. Chrysoberges voll Ehrfurcht einen ,, gemeinsamen Vater und Lehrer (KOLVOV 1tQ1;tpa Kat ÖLÖUOKaAov)" :84 Gemäß Bessarion hat es seit Plotin in Griechenland keinen Weiseren als seinen Lehrer G. Plethon gegeben. 48S Man sollte derlei lobende Bemerkungen nicht als bloße rhetorische Schmeichelei mißverstehen. Oft bahnte sich in der Tat ein persönliches Freundschaftsverhältnis zwischen Lehrer und Schüler an, vor allem, wenn es sich um Einzelunterricht handelte. Besonders gut sind wir durch erhaltene Briefe über drei intensivere Freundschaften des D. Kydones zu Schülern informiert: Kaiser Manuel II. 48 \ Rhadenos, Sohn eines Getreidehändlers aus Thessalonike,487 und M. Kalekas. 488 Gelegentlich ist auch der Stolz der Lehrer über die Leistungen ihrer Schüler bezeugt. So informiert J. Chortasmenos einen Vater lobend über die Leistungen seines Sohnes. 489 Manuel II. berichtet in einem Brief an einen gewissen Triboles, dessen Lehrer habe im literarischen Zirkel des Hofes einen von Triboles verfaßten Brief verlesen und großen Applaus erhalten, als Zeichen der Anerkennung, daß er seinem Schüler eine so hervorragende rhetorische Bildung vermittelt habe. Beglückt und verwirrt über soviel Zuspruch, habe er vor Aufregung kaum weiterlesen können. Manuel bemerkt dazu, dieser Erfolg sei nicht verwunderlich, denn ein edler Vater müsse edle Kinder hervorbringen. 490
481 Kydones, Apologia I, MercNot 390-394. 482 Über Neilos als Lehrer des Kydones siehe die Ausführungen unter TinnKyd 111, Nr. 40. Zu seiner Kenntnis der lateinischen Theologie: PodTheoI180-195. Die Schrift, auf die Kydones anspielt, trägt den Titel "Über den Ausgang des HI. Geistes, gegen die Lateiner". 483 LetMan, Nr. 11, Z. 27f. 484 KalekEp, Nr. 38, Z. 19; vgl. auch die Nachrufe a. 0., Nr. 40 und 48. 485 WoodhPleth 34; weiteres Lob des Bessarion für seinen Lehrer: a. 0.13-15. 486 Belege im Briefwechsel zwischen Kydones (KydEp) und dem Kaiser (LetMan). 487 Siehe TinnFreund. 488 Siehe KalekEp. 489 HungChort, Nr. 37. 490 LetMan, Nr. 9, Z. 2-19.
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In einigen Fällen informieren die Quellen über das didaktische Vorgehen eines Lehrers. In mehreren Briefen berichtet Gregorios 11. über die Methode, mit der er seinen Schüler M. Neokaisareites unterwies. Zunächst suchte er ihn durch Zusendung von Büchern zur Lektüre anzuregen. 491 Der nächste Schritt waren eigene literarische Versuche des Schülers, zu deren Fortsetzung ihn der Lehrer durch Lob und direkte Aufforderung zu ermuntern suchte. 492 Dazu gehörte natürlich auch deren kritische Durchsicht, die Gregorios bereitwillig anbot. 493 Hier mußte sich der Schüler freilich auch Tadel gefallen lassen. So bemerkte Gregorios zu einem frühen Versuch seines Schülers, es handle sich nur um eine AE;EWV awpda (Wortanhäufung) oder allenfalls um eine üÄ.ll Myou (literarisches Rohmaterial), aber noch nicht um einen Myo~ (Abhandlung, Essay).494 Er scheute sich auch nicht, Schüler als KaK01taLÖE~ (böse Kinder) zu tadeln, wenn sie in ihrem jugendlichen Leichtsinn das Studium vernachlässigten. 495 Manuel H. lobt in einem Brief seinen Lehrer Ibankos ausdrücklich für dessen selbsterdachte edolgreiche Lehrmethode, die kurz und knapp (604) ouvtO!Ujl) über das Wesentliche informiere:96 Selbst unter den Literaten der profanen Richtung war die Einstellung zur didaktischen Bedeutung der antiken Tradition im Unterricht unterschiedlich. Es scheint z.B., daß G. Akropolites und sein Schüler Gregorios 11. sich weniger scheuten, auch heidnische Mythologie in ihren Bildungsplan einzubauen, als N. Chumnos, der zumindest in späteren Jahren stattdessen mehr und mehr das Studium der Schrift und der Väter empfahl. 497 In Briefen klingt gelegentlich auch die Sorge einzelner Lehrer um die Entwicklung ihrer Schüler an. Drei Briefe des M. Planudes sind an Johannes Zarides gerichtet, der seine Studien bei ihm unterbrochen hatte, um, wie sein Vater es wünschte, zu heiraten und fortan den Besitz seiner Familie in Kleinasien zu verwalten. 49B Die Besorgnis des Lehrers zeigt sich mit exemplarischer Eindringlichkeit in der folgenden Passage eines der drei Briefe: "Meinst du, ich könnte dich so leicht vergessen, es so leicht ertragen, wenn du nicht schnell zurückkehrst? Solltest du so etwas von mir denken, dann irrst du dich gründlich! Wenn es dir aber, weil wir dir 491 492 493 494 495 496 497
GKypEp, Nr. 1. A. 0., Nr. 51. A. 0., Nr. 68. A. 0., Nr. 44. A. 0., Nr. 57. LetMan, Nr. 45, Z. 67f. VerpChoum 32f. Dies zeigt wieder, daß sich eine scharfe Grenze zwischen Gottesund Weltweisheit nicht ziehen läßt, denn im ganzen ist Chumnos doch eher als Vertreter des »Humanismus" einzuordnen, der in Byzanz auch als christlich geprägte Haltung zu verstehen ist. 498 PlanEpL, Nr. 30,39,42. Vgl. ConstEd 84 mit A. 113.
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ganz gleichgültig sind, für nichts gilt, wenn jemand sich mit deiner Abwesenheit nicht abfinden kann, tust du großes Unrecht. Freilich, wenn du nur mir weiter Unrecht zufügtest, wäre zwar ich ganz gewiß betrübt, du aber könntest, weil man dir zu Willen war, glauben, es ginge dir nicht schlecht. Nun aber handelst du so offensichtlich auch an dir selbst unrecht, daß du es nicht leugnen kannst. Du bestrafst dich ja doppelt, erstens weil dir die Bildung, die du dir erworben hast, entrinnt und täglich schwächer wird, zweitens weil du noch dazu die verlierst, welche du dir, wie zu hoffen stand, hättest erwerben können. Zwar bin ich deinem Vater, der dich zu lieben behauptet und dich gern bei sich behalten möchte, dankbar; denn er gibt dir Gelegenheit zu einem Analogieschluß, um wieviel größer die naturgemäße Liebe des geistigen als die des leiblichen Vaters zu seinen Söhnen ist. Wenn er dir aber befiehlt, dich um die Familiengüter zu kümmern und alle Sorge auf ihre Mehrung zu verwenden, fürchte ich, daß du dir Erz für Gold eintauschst, weil du dem schönsten Besitz, den es gibt, der Bildung, seine Ländereien vorziehst ... ,,499 Bemerkenswert ist hier vor allem der höhere Wert, welcher der geistigen Vaterschaft des Literaten über seinen Schüler gegenüber der leiblichen Vaterschaft zugewiesen wird. Eine Rivalität zum leiblichen Vater klingt auch in der Korrespondenz des D. Kydones mit seinem Schüler Rhadenos an. 500 Doch geht es auch hier nicht im wesentlichen um einen Konkurrenzstreit, sondern Kydones ist vor allem besorgt, der junge Mann könne den für ihn besten Lebensweg verfehlen, der nach Überzeugung des Kydones allein zu geistiger Freiheit führen kann, ein Leben, ganz den Studien und der Wissenschaft gewidmet, unabhängig von Ehe, Familie und praktischer Berufstätigkeit, frei aber auch vom Dienst beim Kaiser und frei schließlich von türkischer Sklaverei, die der Stadt droht, in der Rhadenos sich aufhält, Thessalonike. Diese Korrespondenz ist also in hohem Maße Ausdruck liebevoller Sorge eines Lehrers um seinen SchüIer. 501 Auch J. Chortasmenos hatte Schwierigkeiten mit dem Vater eines Schülers. Er verlangte von ihm als dem Hauslehrer seines Sohnes, er solle nicht nur sein Lehrer, sondern auch sein Erzieher sein, und ihn Tugend und Weisheit lehren. Chortasmenos billigte dem aus seiner Sicht naseweisen Vater in seiner schriftlichen Antwort ironisch den Lehrertitel zu und versprach ihm, gemäß seinem Wunsch zu verfahren, doch ließ er auch durchblicken, daß dieses doppelte Ziel nicht ohne große Mühe zu erreichen sei. 502 499 500 501 502
PlanEpL 74f., Nr. 42 (eig. Übers.). TinnFreund 214f. Siehe auch oben, A. 261, sowie Kap. 4. 5, Text mit A. 206. TinnFreund, passim, vor allem 228-236. HungChort, Nr. 27.
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M. Kalekas hingegen vertrat eher das Erziehungsideal, das Chortasmenos als zu schwierig erschien. Sein Hauptziel war die Formung des kindlichen Charakters, die er durch Güte und ohne körperliche Züchtigung zu erreichen suchte. Diese Einstellung aber weckte das Mißtrauen ehrgeiziger Väter, die - wie Chortasmenos - Wissenstraining für wichtiger hielten. Da Kalekas nicht bereit war, seine pädagogische Methode zu ändern, verwei~erten sie ihm schließlich die moralische und finanzielle Unterstützung. J Gelegentlich wandten sich Schüler noch in späteren Jahren an ihre Lehrer und erbaten ihren Rat. So suchte D. Kydones bei den beiden geistlichen Lehrern seiner Jugendjahre, Patriarch Isidoros und Neilos Kabasilas, Hilfe in schwierigen Lebensfragen. Von dem Mönch Isidoros erwartete er religiösen Zuspruch, als er sich in einer kleinen Provinzstadt Thrakiens einsam fühlte,SO Neilos sollte ihm den Sinn der ihm unverständlichen Trennung zwischen den Kirchen Konstantinopels und Roms erläutern. sos Ehemalige Schüler legten auch in reiferen Jahren ihren verehrten Lehrern noch ihre Schriften zur Begutachtung vor, so z. B. Manuel II. dem D. Kydones. s06 Seinen letzten überlieferten Brief an ihn, dem er ein Exemplar seines Dialoges "Über die Ehe" beilegte, beginnt er mit den Worten: "Das Gewohnte kommt zu dir, Schriften zum Vater (= Urheber) der Schriften (MyOL tep tWV Mywv JtUtpL)," und er fährt mit dem Demostheneszitat fort: "Wer den Samen legte, ist verantwortlich für das, was daraus erwächst".so7 Andererseits hatte Kydones keine Bedenken, auch seine Werke dem Jüngeren zur Begutachtung zu senden. sos Es sind aber auch Beispiele späterer Entfremdung zwischen Lehrer und Schüler bekannt. So hatte Neilos Kabasilas anfänglich D. Kydones für den abendländischen Theologen Thomas von Aquin gewonnen, distanzierte sich aber später mehr und mehr von seiner Theologie und verfaßte schließlich eine Streitschri~~ gegen ihn. so9 Kydones, der inzwischenals erster in Byzanz - mit der Ubersetzung von Werken des Aquinaten ins Griechische begonnen hatte, verhehlte seine Enttäuschung über diesen Gesinnungswandel niche 10 und verfaßte gegen Neilos eine Schrift zur 503 KalekEp, Nr. 2. Zur pädagogischen Einstellung des Kalekas s.o., A. 463 und KalekEp, Nr. 2, Z. 47f.: "Man soll den jungen Menschen nicht ständig tadeln" (ou 1:41 VE!fl :rcaV1:a IlEIl<j>ea8m Mi:). 504 KydEp I, Nr. 43 (= TinnKyd 1/1, Nr. 16). 505 KydEp 11, Nr. 378 (= TinnKyd 1/1, Nr. 40). 506 LetMan, Nr. 11, mit Bezug auf die politische Rede P::1JIlß01JAE1J1:LKO<;) des Kaisers an 507 508 509 510
die Bürger von Thessalonike. A. 0., Nr. 62, Z. 2, 11f. A. 0., Nr. 5, Z. 10-12. Vgl. oben, Text mit A. 482. Apologie I, MercNot 392, Z. 46-394, Z. 2.
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Verteidigung des Thomas, die gleichzeitig seinen Bruch mit dem einstigen Lehrer besiegelte. 5I1 5.3.6. Alphabetisch geordneter Überblick über Lehrer-SchülerBeziehungen in der Palaiologenzeit Das komplexe Beziehungsgeflecht zwischen Lehrern und Schülern ist ein wesentlicher Aspekt der Vernetzung unter den Literaten. Ein chronologisch angeordnetes Schaubild dieser Beziehungen wäre zwar wünschenswert, ist aber außerordentlich schwierig. Im folgenden wird nur eine Liste angeboten, welche alphabetisch alle Lehrer und Schüler der Epoche, die als Literaten von einiger Bedeutung waren, auflistet. Als Zeichen werden verwendet: der nach links zeigende Pfeil (~) in der Bedeutung "studierte bei", der nach rechts zeigende Pfeil (-+ ) in der Bedeutung"war Lehrer von". Die Anordnung erfolgt, ähnlich wie in der Liste der Literaten (s. u., 5.8) und im PLP, nach den Hauptnamen der Personen. Die Vornamen werden vor den Hauptnamen gesetzt und zur besseren Orientierung ausgeschrieben. Die alphabetisch aufgeführten Personen der Lemmata finden sich ausnahmslos auch in der Liste der Literaten (5.8). Die Personen sind dort in der Regel unter dem letztgenannten Namen aufgeführt, sonst steht dieser in Klammern. Weitere genannte Personen, die in der Liste 5.8 nicht vorkommen, werden durch Angabe der PLP-Nummer näher bezeichnet. Belege für die Lehrer-Schüler-Beziehung werden in der Regel nur gegeben, wenn diese nicht unter der PLP-Nummer der erstgenannten Person berücksichtigt ist. Einige Lehrer aus der Epoche vor der Palaiologenzeit sind in Klammern angeführt. Theodoros AgalIianos ~ Markos Eugenikos. Gregorios Akindynos ~ Thomas Magistros, Gregorios Bryennios (PLP 3253). Georgios Akropolites ~ (Theodoros Hexapterygos, Nikephoros Blemmydes), -+ Theodoros H. Laskaris, Gregorios H., Johannes Pediasimos (ConstEd 34, 91), Georgios Pachymeres (PLP 22186). Konstantinos Akropolites ~ (Anonymus in Nikaia) (ConstEd 39f.), M. Holobolos (ConstEd 53), Gregorios H. (? ConstEd 100f.). Isaak Argyros ~ Nikephoros Gregoras. Michael Balsamon -+ Johannes Chortasmenos (HungChort 15, A. 20).
511 Zu dieser noch unedierten "Defensio sancti Thomae adversus Nilum Cabasilam" siehe TinnKyd 1/1, 63; zum Inhalt: PodTheoI196-206.
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Bessarion +- Johannes Chortasmenos, Georgios Chrysokokkes (11) (ODB I, 453), Georgios Gemistos (Plethon). Joseph Bryennios -+ Gennadios II., Markos Eugenikos (TomadBry I, 25). Manuel Bryennios +- Georgios Chioniades (?), -+ Theodoros Metochites, Michael Gabras (ConstEd 96). Nikolaos Kabasilas Chamaetos +- Neilos Kabasilas (NikKabEp, Nr. 1), ein 'ÜJta'to~ 'twv q>LAoo6<j>wv (NikKabEp, Nr. 3, Z. 28). Georgios Chioniades -+ Manuel Bryennios (?) (ConstEd 96). J ohannes Chortasmenos +- Michael Balsamon, -+ Theodeges Kolybas der Jüngere (PLP 11989), Markos Eugenikos, Bessarion, Gennadios 11. (HungChort 13). Maximos Chrysoberges +- Demetrios Kydones (PLP 31123). Georgios Chrysokokkes (11) -+ Bessarion, Francesco Filelfo (ODB I, 453). Makarios Chrysokephalos -+ Sophianos (PLP 26398). Manuel Chrysoloras +- Demetrios Kydones (HungChort 97; KydEp 11, Nr. 358, Z. 30-32). Eirene Chumnaina +- Theoleptos. Nikephoros Chumnos +- Gregorios 11. David Disypatos +- Gregorios (Sinaltes), Gregorios Palamas. Johannes Eugenikos +- Georgios Gemistos (Plethon) (?). Markos Eugenikos +- J ohannes Chortasmenos, Georgios Gemistos (Plethon), -+ Theodoros Agallianos, Gennadios II. Manuel Gabalas +- Theoleptos, -+ Georgios Oinaiotes (PLP 21026). Michael Gabras +- Manuel Bryennios (ConstEd 96). Georgios Galesiotes (I) +- Manuel Holobolos, Gregorios 11. Georgios Gemistos (Plethon) +- Elissaios (WoodhPleth 23-28), -+ Markos Eugenikos, Bessarion, Laonikos Chalkokondyles (WoodhPleth 33), Demetrios Rhaul Kabakes (? WoodhPleth 34), Jubenalios (?) (WoodhPleth 34). Gennadios II. Scholarios +- Joseph Bryennios, Johannes Chortasmenos, Markos Eugenikos, Makarios Makres, -+ Theodoros Scholarios Sophianos (PLP 26405), Matthaios Kamariotes (PLP 10776), Johannes (PLP 8411). Nikephoros Gregoras +- J ohannes, Metropolit von Herakleia (PLP 8609), Johannes XIII. Glykys, Joseph (Rhakendytes) (GregEpL, Nr. 22), Theodoros Metochites, -+ Isaak Argyros (DietGreg I, 7, A. 30), Theodoros Dexios (a. 0.23, A.118; 34f.), Johannes Kyparissiotes (a. 0.25, A. 125), Manuel Angelos (PLP 91040). Gregorios II. (= Georgios Kyprios) +- Georgios Akropolites, -+ Nikephoros Chumnos, Theodoros Metochites (SevMet 41), Johannes XIII. Glykys (ODB 11, 1055), Markos (I) (PLP 17087), Theodoros Muzalon Bollas (PLP 19439), Manuel Neokaisareites (PLP 20094), wahrscheinlich auch Konstantinos Akropolites und Maximos Planudes (ConstEd 36-38) sowie Dukopulos (a. O. 117).
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Gregorios (Sinaites) +- Arsenios, Mönch auf Kreta (PLP 1416), -+ David Disypatos, Isidoros Bucheir (TinnKyd 1/1,158), Kallistos 1., Markos (II). Manuel Holobolos +- (Anonymus in Nikaia, s.o., A. 402), Konstantinos Akropolites, -+ Georgios Galesiotes (I) (ConstEd 59, MergPaul 246), Thomas Gorianites (MergPau1245), Johannes Pediasimos. Theodoros Hyrtakenos -+ Konstantinos Lukites, Nikephoros Metochites (Sohn des Theodoros), Basileios Glykys (Sohn des späteren Patriarchen Johannes XIII.), Alexios Apokaukos (der spätere Megas Dux) (siehe auch ConstEd 93f.). Konstantinos Ibankos -+ Manuel 11., Katadokeinos Katablat(t)as (s.o., A. 283). Ignatios Philosophos -+ Eirene Chumnaina (HeroCh). Johannes XI. Bekkos +- (Georgios Babuskomites) (ConstEd 15f.). Johannes XIII. Glykys +- Gregorios II. (ODB II, 1055), -+ Nikephoros Gregoras. Joseph (Rhakendytes) -+ Nikephoros Gregoras (GregEpL, Nr. 22), Thomas Magistros (TinnThess 34). Isidoros Bucheir +- Gregorios (Sinaites), -+ Demetrios Kydones (TinnKyd II1, 158f. mitA. 14, 19). Jubenalios +- Georgios Gemistos (Plethon) (?) CWoodhPleth 34). Demetrios Rhaul Kabakes +- Georgios Gemistos (Plethon) (?) CWoodhPleth 34). Neilos Kabasilas -+ Nikolaos Kabasilas Chamaetos (NikKabEp, Nr. 1), Demetrios Kydones. Manuel Kalekas +- Demetrios Kydones. Kallistos I. +- Gregorios (Sina'ites). J oseph Kalothetos +- Gregorios Palamas. Demetrios Kydones +- Isidoros Bucheir, Neilos Kabasilas, -+ Maximos Chrysoberges, Manuel Chrysoloras, Manuel Kalekas, Manuel II. (PLP 21513), Rhadenos. J ohannes Kyparissiotes +- Nikephoros Gregoras. Georgios Kyprios, siehe Gregorios 11. Georgios Lakapenos +- Maximos Planudes. Konstantinos Lukites +- Theodoros Hyrtakenos. Thomas Magistros +- Joseph (Rhakendytes) (s.o.), -+ Gregorios Akindynos, Philotheos (Kokkinos), Demetrios Triklinios. Manuel 11. +- Konstantinos Ibankos (PLP 7973), Demetrios Kydones. Markos (I) +- Gregorios 11. Markos (II) +- Gregorios (Sina'ites). Theodoros Metochites +- Gregorios 11. (SevMet 41), Maximos Planudes (ConstEd 88), Manuel Bryennios (VriesMet 148), -+ Nikephoros Gregoras. Manuel Moschopulos +- Nikephoros Moschopulos (ConstEd 103f.), Maximos Planudes.
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Theodoros Muzalon ~ Gregorios H. Manuel Neokaisareites +- Gregorios 11. Nikephoros (Athonites) -+ Theoleptos. Georgios Oinaiotes ~ Manuel Gabalas, J ohannes Zacharias. Georgios Pachymeres +- (Anonymus in Nikaia) (ConstEd 61, A. 58), Georgios Akropolites (PLP 22186), -+ Manuel Philes (?) (SticklPhilPs 27).
Gregorios Palamas ~ Theoleptos, Athanasios (Patr.), Gregorios (Sinaltes), Gregorios Drimys (PLP 5828), -+ David Disypatos, Joseph Kalothetos. Johannes Pediasimos ~ Georgios Akropolites, Manuel Holobolos, -+ Dukopulos (PLP 5703; ConstEd 117). Manuel Philes +- Georgios Pachymeres (?) (SticklPhilPs 27). Philotheos (Kokkinos) +- Thomas Magistros. Maximos Planudes +- Gregorios 11. (?) (ConstEd 36-38), -+ Georgios Lakapenos, Manuel Moschopulos, Andronikos Zarides, J ohannes Zarides (PLP 6462), Gregorios (PLP 4606), Merkurios (PLP 17913), Johannes Zacharias (ConstEd 86), Theodoros Metochites (ConstEd 88). Rhadenos ~ Demetrios Kydones. Sophianos ~ Makarios Chrysokephalos. Theoleptos ~ Nikephoros Athonites, -+ Gregorios Palamas, Eirene Chumnaina. Demetrios Triklinios +- Thomas Magistros. Johannes Zacharias ~ Maximos Planudes (ConstEd 86), Joseph (Rhakendytes). Andronikos Zarides ~ Maximos Planudes.
5.4. Zentren geistiger Aktivitäten Es wurde bisher gezeigt, daß literarische Betätigung und Unterricht in der untersuchten Epoche in der Regel auf privater Initiative basierten. Diese brauchte jedoch das ihr angemessene Umfeld. So lassen sich, wie gezeigt wurde, Kontakte zwischen Literaten vor allem zwischen den beiden wichti~sten Städten des Reiches Konstantinopel und Thessalonike nachweisen, 12 und es steht ganz außer Zweifel, daß sich das spätbyzantinische Bildungsleben mit Schwerpunkt, wenn auch nicht ausschließlich, an diesen beiden Orten abspielte. Zudem waren in Konstantinopel manche der Literaten, zumindest in vorgerücktem Alter, als Beamte am Kaiserhof oder als hohe Kleriker im Bereich des Patriarchates anzutreffen. 512 S.o., Text mit A. 226-250.
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Nicht selten waren es Kaiser, Patriarchen oder Metropoliten, die sich entweder selbst den Studien widmeten oder als Förderer der Bildung mit unterschiedlicher (geistlicher oder eher weltlicher) Zielrichtung auftraten. So lohnt es sich, die Frage nach der Bedeutung des Kaiserhofes und des Patriarchates im spätbyzantinischen Bildungsleben zu stellen, dann aber auch einige andere Zentren abzufragen, deren Beitrag zwar geringer, aber nicht unerheblich war: den Despotenhof von Mistra, einige Klöster, die Stadtkommune von Thessalonike sowie einige Gebiete des byzantinischen Kulturbereiches, die in der Spätzeit nicht mehr unter byzantinischer Herrschaft standen: Trapezunt, Zypern, Kreta, Bulgarien und Serbien. 5.4.1. Der Kaiserhof in Konstantinopel
Am Anfang soll die Frage nach der Rolle des Kaiserhofes von Konstantinopel bei der Entwicklung des spätbyzantinischen Geisteslebens stehen. In der Palaiologenzeit lassen sich mehrere Kaiser nennen, die an Bildung und Wissenschaft interessiert waren; aber im einzelnen waren die Motive und die Formen ihres Einwirkens auf das Geistesleben recht unterschiedlich. Michael VII!., der Begründer der Palaiologendynastie, war kein Literat, sondern ein Mann der Praxis, der sich als Verwalter und Verteidiger von Grenzstädten im Balkanbereich (Melenikon, Serrai) und allgemein im Kriegdienst bewährt hatte. Sein auffälliges Bemühen um das Bildungswesen stand im Zusammenhang mit dem doppelten Makel, der seinem Ansehen schadete: Er war 1258/59 durch einen Staatsstreich, die Ermordung eines kaiserlichen Regenten und die Ausschaltung eines legitimen Thronerben, zur Macht gelangt, und er sah sich bald aus politischen Gründen gezwungen, eine von der Orthodoxie weitgehend bekämpfte Politik der Union mit der römischen Kirche zu propagieren. Zur Hebung seiner moralischen Autorität suchte er daher an die kulturellen Traditionen der Hauptstadt Konstantinopel anzuknüpfen, in welcher er 1261 nach einem fast sechzigjährigen Exil des byzantinischen Kaisertums wieder den Thron hatte besteigen können. 5lJ
513 Dazu gehörte auch der Versuch Michaels, als neuer Konstantin zu erscheinen. R. J. Macrides, From the Komnenoi to the Palaiologoi: imperial models in decline and exile, in: New Constantines, ed. P. Magdalino, Cambridge 1994,269-282, fragt nach den Vorbildern im 12. und 13. Jh. für die Inszenierung Michaels als neuer Konstantin. Unter dem Aspekt der Propaganda untersucht TalbRest seine Bautätigkeit. Zu letzterer vgl. auch KidonBaut 232ff. und A. Failler, Pachymeriana novissima, REB 55, 1997, 221-246, hier 221-238.
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In diesem Zusammenhang gründete er zwei Schulen, eine kaiserliche Schule für höhere Bildung, die er nach einiger Zeit auch Klerikern zugänglich machte, und eine Elementarschule. Es entsprach dem, was der Kaiser hören wollte, wenn Georgios Kyprios (später Gregorios Ir.) in einer Lobrede auf ihn betonte, ihm sei ein Wiederaufleben (dvUßLWOL~) der Wissenschaften zuzuschreiben. 514 Kaiserliche Schulen hatte es in Byzanz auch in früheren Jahrhunderten gegeben, so die des Kaisars Bardas im 9. Jh., die kaum über das Niveau einer Sekundarschule hinausreichte, und die Schule für höhere Studien (Philosophie und Jurisprudenz) Kaiser Konstantins VIII. im 11. Jh.j doch waren beide Einrichtungen offenbar kurzlebig. 515 Eine kaiserliche Schule scheint es auch im Exilreich von Nikaia gegeben zu haben. 516 In Anknüpfung an diese Tradition gründete Michael VIII. bald nach seinem Einzug in die wiedererlangte Hauptstadt Konstantinopel eine Schule für höhere Bildung, an die er den Großlogotheten G. Akropolites als Lehrer für Rhetorik, Philosophie, Mathematik und Geometrie berief. Leider ist die vorliegende Information über die Lehrtätigkeit des Akropolites spärlich, und es ist nicht bekannt, wie die Schule im einzelnen organisiert war. 517 Einiges spricht dafür, daß er bis 1274 im Dienst des Kaisers lehrte. 518 Die zweite von Michael VIII. wiederbegründete Lehrstätte war eine Elementarschule (YPUfl,W'tLKEUOflfVWV axoA:rl) "im alten Waisenhaus bei der Paulskirche" zu Konstantinopel,519 die seit dem Komnenenkaiser Alexios I. (1081-1118) bestanden hatte. Seine Tochter Anna Komnene berichtet, ihr Vater habe hier sowohl ein Waisenhaus (das ja eigentlich 514 PG 142, 381D. 515 Siehe dazu, mit Literaturangaben, ODB 2143 und F. Tinnefeld, LexMA VIII, 1998, 1255f. 516 ConstEd 53. 517 ConstEd 31-35; LamGreg 181, 185. PachFaii II, 369, 14f. nennt den Lehrgegegenstand des Akropolites zusammenfassend !!ae~!!ata. Vgl. dazu die folgende Anmerkung. 518 Gemäß PachFail II, 369, 15f. hatte Patriarch Germanos III. 1265 geltend gemacht, G. Akropolites sei mit seiner anstrengenden Lehrtätigkeit bereits überfordert. Doch berichtet K. Akropolites in einem Brief (St. Kuruses, '0 A6yLO~ OLKOU!!EVLKO~ rcatpLaPXT]~ 'I(J)avvT]~ Ir' 6 n.UKU~. EEBS 41,1974,297-405, hier337, A. 2), J. Pediasimos habe in Konstantinopel zuerst bei Holobolos, dann aber bei seinem Vater (also bei G. Akropolites) "höhere Lehren" (U'IjlT]A.OtEpa !!ae~!!ata) studiert. Daraus ist wohl mit MergPaul 246 zu schließen, daß Akropolites auch nach der Gründung der kirchlichen Schule durch Germanos III. und dem Beginn der dortigen Lehrtätigkeit des Holobolos (s. u., Text mit A. 586) als Lehrer tätig blieb, wie ConstEd 35 annimmt, wahrscheinlich bis zu seiner Abreise zum Lyoner Konzil (März 1274). 519 PachFail II, 369, 27-371, 2. Kaiser Justin II. (565-578) hatte bereits dieses seit dem 5. Jh. bestehende Waisenhaus erstmals renoviert und hier eine Kirche zu Ehren der Apostel Petrus und Paulus errichten lassen (MergPaul 238 mit A. 2), die aber in den Quellen meist als Paulskirche erscheint (a. 0., A. 27).
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schon eine längere Tradition hatte) als auch eine Grammatikschule (JtmÖelJ'ttlPLoV 'tWV ypalllla'tLKwv) für Waisenkinder gegründet, an der auch die tyKUKÄLOC; JtmöeLa (Sekundarbildung) vermittelt worden sei. 520 An der Organisation dieser Paulsschule beteiligten sich im Laufe des 12. Jh. mehr und mehr auch die Patriarchen, doch blieb sie eine kaiserliche Einrichtung. 521 Während der lateinischen Okkupation (1204-61) war ihr Fortbestand zweifellos unterbrochen, so daß Pachymeres nun folgerichtig von einer Neugründung (O'Uo'ttloao8m) und nicht von der Förderung einer bestehenden Schule durch den Kaiser spricht. 522 Allerdings bezeichnet er sie als eine Grammatikschule, was kaum vermuten läßt, daß sie auch eine Sekundarstufe umfaßte. 523 Der Kaiser zeigte, zumindestens in den ersten Jahren nach ihrer Gründung, großes Interesse an der Einrichtung. Er gewährte Lehrern und Schülern jährliche finanzielle Zuwendungen (p6ym t'ttlOLm), informierte sich durch regelmäßige Inspektionen über die Fortschritte der Schüler, stellte den Edolgreichen Preise in Aussicht und erließ auch eine Ferienregelung. Diese Schule wird leider nur an der zitierten Pachymeres-Stelle und dann nicht wieder erwähnt, so daß es unbekannt ist, ob sie die Regierungszeit Michaels VIII. überdauerte. Ferner ist in dem zitierten Pachymeres-Passus von der Begründung einer Schule für Kleriker die Rede, die mit Gutheißung des Kaisers durch den Patriarchen Germanos III. 1265 edolgte, sich aber nicht, wie früher vermutet, im Bereich der Paulskirche befand. 524 Von dieser Einrichtung wird weiter unten die Rede sein. 525 Wir wissen nicht, was unter Michaels Sohn und Nachfolger Andronikos II. (1282-1328) aus den kaiserlichen Einrichtungen, der Stätte für höhere Bildung und der Elementarschule, geworden ist. Dies mag zunächst überraschen, weil Andronikos mehr als sein Vater ein aktives Interesse am Geistesleben zeigte und sich als Förderer der Wissenschaft, als kompetent in philosophischen Diskussionen, als Kenner der Schriften Platons 520 Alexias, Buch XV, Kap. 7, § 3-4 und 9. Siehe jetzt: Anna Komnene, Alexias, übers. (auf der Basis einer noch nicht erschienenen kritischen Neuedition), eingel. u. mit Anm. versehen von D. R. Reinsch, Köln 1996, 535, 538. Die Geschichtsschreiberin teilt auch mit, das Waisenhaus habe "bei der Akropolis" (also auf der Ostspitze der Altstadt von Konstantinopel, wo später der Sultanspalast errichtet wurde) gelegen. 521 MergPaul241. 522 PachFail II, 369, Z. 27-29. 523 A. 0., Z. 29. Daß es sich nur um eine Elementarschule handelte, betont auch MergPaul 244. Wenn die Verfasserin aber sagt, sie nehme dies an, obwohl Pachymeres (PachFail II, 369, Z. 27-370, Z. 2) vom Studium der tYKUKA.l.O!; 1tatöeLa an dieser Schule berichte, so irrt sie sich. Von tYK\l1c1..LO!; 1tatÖeLU ist in der genannten Passage (im Gegensatz zur Situation in der Komnenenzeit) überhaupt nicht die Rede. 524 Dies hat MergPaul244f. durch sorgfältige Analyse der Passage sichern können. 525 S. u., Text mit A. 582-587.
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und als platonischer Philosophenkönig feiern ließ.526 Er versammelte im Kaiserpalast einen elitären literarisch-philosophischen Zirkel (8tm:pov),527 in dem z. B. Gregoras 1324 seine Vorschläge zu einer Kalenderreform vortrug. 528 Man wird aber nicht deshalb schon sagen können, Andronikos habe über eine "außergewöhnlich hohe Bildung" verfügt. 529 Jedenfalls hat er nicht wie seine Nachfolger Johannes VI. und Manuel II. durch die Abfassung von Schriften seine literarische Bildung unter Beweis ~estellt. Die rhetorischen Lobhudeleien des Gregoras in dieser Hinsicht JO sind jedenfalls mit Vorsicht aufzunehmen.5J\ Andronikos war auch sonst für Schmeicheleien empfänglich; wer sich aber ihm gegenüber eine freie Sprache erlaubte, hatte seinen Zorn zu fürchten. 5J2 Auch andere private Unterrichtsstätten wurden von Andronikos 11. gefördert. Der gelehrte Mönch M. Planudes weiß zumindest davon zu berichten, in seinem Kloster stehe den Bildungsbeflissenen eine "kaiserliche Bibliothek" zur Verfügung. 5JJ Die Bibliothek befand sich in einem 526 Siehe Greg I, 327; Übers.: DietGreg lI11, 46 (Gregoras berichtet dort, daß Andronikos "das kaiserliche Haus ... zu einem Übungsplatz wissenschaftlicher Bildung" gemacht habe), Greg I, 333; Übers.: DietGreg lIll (Verehrer aus aller Welt versammeln sich um den Kaiser wie um Pythagoras einst dessen Schüler, "und gleichsam mit durstigen Ohren nehmen sie in stiller Sammlung" das von ihm Gesagte auf, "so wie die göttlichen Seher, wenn sie die gö~~liche Inspiration in sich aufnehmen."), Greg I, 334f.; Übers.: DietGreg II11, 50 ("Uber jede Akademie, jedes Lykeion und jede Stoa erhaben machst du durch deine Worte deinen Palast, den man besser ein Prytaneion jeglicher Bildung nennen könnte."). Als Philosophenkönig und Kenner der Schriften Platons wird Andronikos gepriesen in: Nicephori Gregorae ad Imperatorem Andronicum II Palaeologum orationes, ed. P. A. M. Leone, Byz 41,1971,497-519, hier 504. 527 VerpChoum 66f. Zum 8EUtpOV s.o., Text mit A. 189ff. 528 Vgl. oben, Text mit A. 428. Zu diesem ersten Auftritt des Gregoras im kaiserlichen Zirkel siehe auch BeyerKab 136f. 529 So G. Ostrogorsky, Geschichte des byzantinischen Staates, München '1963, 395. 530 S.o., A. 526. 531 Wie N. Radosevic, Pochvalna slova caru Androniku II Paleologu, ZRVI 21,1982,6383 gezeigt hat, ist Gregoras unter den Lobrednern des Kaisers der einzige, der seiner angeblichen Gelehrsamkeit solch hohes Lob zukommen läßt. Vielleicht hatte er einen persönlichen Grund zu derlei Schmeicheleien: In einem Brief (GregEpL, Nr. 114, Z. 62-70) berichtet er davon, er habe eine (private) Schule eröffnet und sich damit viel Mühe gemacht (ÖLÖU01CUAELoV u'ÖtO~ dVEq>;U Kul KOn:OL~ eKöEöooKu eIlUUtOv), und zwar auf Bitten der Freunde und, wie er mit einer rhetorischen Umschreibung andeutet, auch wohl des Kaisers, der ihm zu dem Unternehmen anscheinend einen Zuschuß (ÖÖipov) zahlte. Leider ist dies der einzige sichere Quellenbeleg für die Lehrstätte, die man im Chorakloster (s. u., Text mit A. 623) vermuten darf. Leone läßt es offen, ob der Brief in die zwanziger (Zeit Andronikos' 11.) oder dreißiger Jahre (Zeit Andronikos' IlI.) gehört, doch ist die Förderung der Schule durch den ersteren wahrscheinlicher. 532 GKypEp, Nr. 138. 533 PlanEpL, Nr. 67 (100, Z. 17-19: 1) Ku8 1)llä~ ~ÖE 1l0V~ ßUOLALK~V ßLßAL08~KT]V tO'[~ <jJLAOllu8EOL n:POteLvouou). Leone nimmt mit anderen (vgl. ODB 1681) an, daß vom
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großen Gebäude und besaß eine beträchtliche Zahl von Büchern, die aus dem ganzen Reich gesammelt worden waren. Doch waren die Bestände zur Zeit des Planudes durch Beschädigung und Entwendung von Büchern gefährdet, so daß eine bessere Beaufsichtigung der Bibliothek durch den Hof ein dringendes Erfordernis war. 534 Auf der Suche nach Bildungseinrichtungen unter oder seit Andronikos II. wurde auch auf das wiederholte Vorkommen (insgesamt fünfmal) des Titels "Philosophenkonsul" (ü:n:a1:0C;; 'CWV q,LAoo6q,wv) bis 1351 (danach kein Beleg mehr) hingewiesen. Der Titel, der erstmals 1047 an Michael Psellos, Lehrer der Philosophie an der Hochschule Konstantins VIII., verliehen worden war,5J5 ist in der Folgezeit wiederholt, bald für Kleriker, bald für Laien, bezeugt, aber der Erweis, daß alle seine Träger notwendig auch an kaiserlichen oder anderen Bildungseinrichtungen lehrten, kann nicht erbracht werden. 536 Der bedeutendste Philosophenkonsul in der frühen Palaiologenzeit war J. Pediasimos. Geboren um 1250, trat er um 1270 als Diakon in den Kirchendienst ein, wurde einige Jahre später von Michael VIII. mit dieser Würde ausgezeichnet, begegnet uns aber bereits um 1280 als Chartophylax von Ohrid und ab 1284 als IJ.Eyac;; OaKEAA.a.pLOC;; (Schatzmeister) der Metropolie von Thessalonike. Seine zeitweilige Lehrtäti~keit ist zweifelsfrei bezeugt, aber über Einzelheiten ist wenig bekannt. 5 In einem seiner Briefe spielt er zugleich auf seinen Aufenthalt im Kaiserpalast und die Finanzierung seiner Lehrtätigkeit durch den Kaiser an. 5J8 Konstantinos Akropolites teilt in einem Brief mit, daß er Lehrer ausbildete. 5J9 Seine Kompetenz für aristotelische Logik erweisen die Scholien, die er zu den "Analytica priora et posteriora" und zu "De interpretatione" verfaßte. Von drei weiteren Trägern des Titels nach Pediasimos ist als erster ein gewisser Kyprianos, Briefpartner des N. Chumnos, zu nennen, wohl identisch mit dem Chartophylax der Hagia Sophia Niketas Kyprianos, also ebenfalls ein Kleriker. Er wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt
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Chorakloster die Rede ist (Anmerkung zur Stelle mit Verweis auf andere Briefstellen). Doch betont ConstEd 70 mit Recht, eine Identifizierung des Klosters, das in PlanEpL, Nr. 27, 54, Z. 24 (nicht Nr. 28, wie ConstEd a. 0., A. 24 angibt) als ßarnALKT] 1.I0V~ bezeichnet wird, sei nicht möglich, da es in Konstantinopel mehrere kaiserliche Klöster gegeben habe. PlanEpL, Nr. 67, 100, Z. 21-102, Z.3; ConstEd 70f. Siehe auch oben, Text mit A. 456f. ODB 964. ConstEd 113-116, der zu den Trägern dieses Titels zutreffend bemerkt: "We are still left in the dark as far as their actual duties were concerned.« Im Exilreich von Nikaia trugen z. B. der Kleriker Theodoros Eirenikos und der Laie Demetrios Karykes den Titel, ohne daß man für sie eine offizielle Lehrtätigkeit nachweisen könnte. ConstEd 12lf. A. O. 123 mit A. 59. A. O. 124f.
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zwischen 1306 und 1321 Philosophenkonsul, doch ist über seine Tätigkeit nichts bekannt. 54o In den Briefsammlungen des M. Gabalas und des N. Kabasilas Chamaetos erscheint je ein anonxmer Träger des Titels, von denen jedenfalls der erste ein Kleriker war. 5 1 Der letztbezeugte Träger des Titels namens Ampar(is) war Teilnehmer an der palamitischen Synode von 1351; er war Megas Chartophylax der Hagia Sophia. 542 Es scheinen also im 13. und frühen 14. Jh. vorzugsweise Kleriker den Titel getragen zu haben;543 eine vorübergehende Tätigkeit im kaiserlichen Dienst kann nur für Pediasimos belegt werden. Die Hinweise in den Briefen des Th. Hyrtakenos für sporadische finanzielle Zuwendungen Andronikos' II. an dessen private Sekundarschule und an zwei andere Lehrer wurden schon in anderem Zusammenhang erwähnt. 544 Eine gelegentliche Unterstützung, die offenbar ärmeren Schülern das Studium ermöglichen sollte, verwandelt jedoch eine private noch nicht in eine kaiserliche Einrichtung. Es ist allerdings richtig, daß auch bereits eine unregelmäßige staatliche Beihilfe den Lehrer verpflichtete: Zu einer gewissen Zeit war Hyrtakenos zwar entschlossen, seine Lehrtätigkeit zu beenden, mußte aber offenbar die Erlaubnis des Kaisers zu diesem Schritt abwarten. 545 Andronikos III. war gewiß wesentlich weniger als sein Großvater der Bildung und mehr dem Kriegswesen zugetan, aber selbst er wird gelegentlich als Freund der Literaten und ihrer Studien gelobt. 546 Mehr aber gebührt dieses Lob wohl dessen Vertrautem, dem späteren Kaiser (1341 bzw. 1347-54) Johannes VI., der recht stolz darauf war, trotz seiner vielen staatsmännischen und miltärischen Verpflichtungen die Pflege der Bildung zu keiner Zeit vernachlässigt zu haben. 547 Mehrfach ist von dem literarischen Zirkel die Rede, den er um sich scharte. Sogar während des Bürgerkrieges (1341-47) fand er angeblich Zeit zu gelehrten Vorträgen über Platon,548 und während seiner Herrschaft in Konstantinopel pflegte 540 PLP 13944; ConstEd 130. 541 A. O. 13of. 542 PLP 800. Gemäß E. Honigmann, Die Unterschriften des Tomos des Jahres 1351, BZ 47,1954,108 unterzeichnete er als "Amparis"; die Form "Emparis" (PG 151, 763B) ist zu verwerfen; bei Kant H, 103 erscheint er als "Ampar". 543 Es gibt jedoch keinen konkreten Hinweis dafür, daß einer von ihnen an einer kirchlichen Schul einrichtung tätig war. 544 S.o., Text mit A. 448-455. 545 KarpHyrt 289. 546 AkindH, Nr. 2, Z. 84f. Akindynos zitiert hier eine Äußerung des Gregoras, der Kaiser bewundere tOU~ tE A6you~ a'Ötou~ Kat tOU~ n:Ept A6you~. Doch bemerkt AkindH 313 zu diesem Kaiserlob, daß es eher als Reaktion des Gregoras auf die kürzlich gewonnene Gunst dieses Herrschers zu verstehen sei. 547 KydEp I, Nr. 12 (= TinnKyd 1/1, Nr. 5), Z. 11-30; KianKydAp 63. 548 KydEp I, Nr. 9 (= TinnKyd 1/1, Nr. 13), Z. 36-40.
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er diese Zusammenkünfteweiter. 549 Dies hinderte ihn aber nicht daran, als Anhänger des Palamas die "Weltweisheit" zumindest theoretisch abzulehnen. Diese Einstellung des Kaisers gewann schließlich die Oberhand, und so widmete er sich nach seiner Abdankung im wesentlichen der Abfassung theologischer Werke, in denen er seine Lehransichten verteidigte, und trug aus ihnen auch in Öffentlicher Lesung vor. 550 Von einer kaiserlichen Förderung von Bildungseinrichtungen ist aber weder unter Andronikos 111., noch unter Johannes VI. noch unter dessen Schwiegersohn und Nachfolger Johannes V. (1354-91) die Rede. Daß der letztere (im Gegensatz zu seiner Gattin Helene, einer Tochter Johannes' VI. 55 ) an Bildung und Wissenschaft nur wenig interessiert war, läßt sich aus Briefen seines langjährigen Ministers deutlich erschließen. 552 J ohannes' V. Sohn Manuel 11. scharte um sich bereits während seiner Herrschaft als Mitkaiser in Thessalonike (1382-87) einen Kreis von Gelehrten, und er behielt diese Gewohnheit bei, als er nach dem Tod seines Vaters 1391 dessen Nachfolge übernommen hatte. Chortasmenos war stolz darauf, in diesem Zirkel auftreten zu düden, tadelte aber den Kaiser gelegentlich, daß er seine Literaten nicht genügend ehre und (finanziell) unterstütze. 553 Manuel selbst berichtet von der Verlesung von Briefen in seinem 8ea'tpov und von beachtlichen Ovationen für deren schönen Sti1. 554 Zu seinem Gelehrtenzirkel gehörten u. a. Literaten wie D. Chrysoloras, M. Balsamon, J. Chortasmenos und zeitweilig wohl auch M. Kalekas. 555 Hier fanden nicht nur literarische Lesungen, sondern gelegentlich auch gelehrte theologisch-philosophische Disputationen statt. Der Inhalt eines Streitgesprächs über das Wort J esu, Judas wäre besser nicht geboren, ist schriftlich in zwei Versionen überliefert. Dialogpartner waren D. Chrysoloras und ein Theologe aus Italien namens Antonio d' Ascoli. Schließlich vedaßte auch der Kaiser selbst eine Stellungnahme und ließ sich dabei von dem Abt Euthymios, dem späteren Patriarchen Euthymios 11.,
KydEp I, Nr. 40 (= TinnKyd 111, Nr. 23), Z. 13f. KydEp 11, Nr. 400 (= TinnKyd 111, Nr. 93), Z. 8. S.o., Text mit A. 67. TinnKyd 1/1, 199f. mit A. 13f. Immerhin bezeugt KydEp 11, Nr. 340 (= TinnKyd III, Nr. 333), Z. 5-21, daß Johannes V. an der Diskussion einer theologischen Streitfrage am Kaiserhof - wie das Gebet Jesu für die, die ihn kreuzigten, zu verstehen sei - nicht nur teilnahm, sondern auch selbst einen vernünftigen Lösungsversuch anbot. 553 HungChort, Nr. 10, Nr. 19. 554 LetMan, Nr. 9, Z. 2-11 (dazu oben, Text mit A. 490); Nr. 32, Z. 2-9; Nr. 34, Z. 6-8. 555 D. Chrysoloras (LetMan XXXIVf.) verfaßte eine Sammlung von 100 Kurzbriefen an Manuel: D. Crisolora, Cento epistole, ed. F. Conti Bizzarro, Neapel 1984 (vgl. oben, Text mit A. 157). M. Balsamon: LetMan XXIXf. J. Chortasmenos: s.o., A. 553. M. Kalekas: LetMan, Nr. 30, A. 1. 549 550 551 552
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beraten. 556 Neben den Zeugnissen für einen gelehrten Zirkel am Hof Manuels 11. finden sich aber auch, zumindest für seine letzten Regierungsjahre, Hinweise, daß er das Schulwesen förderte. Etwa ab 1420 unterrichtete J. Argyropulos an einer kaiserlichen Schule. 557 Auch die Schule, an der um diese Zeit G. Chrysokokkes (11) lehrte, war wohl eine kaiserliche Einrichtung. 558 Vielleicht waren beide identisch. Es ist andererseits bedauerlich, daß zur Zeit Kaiser Manuels das geistige Klima in Konstantinopel einem freien Gedankenaustausch der Gebildeten dennoch wenig förderlich war. Zu stark war in diesen Jahren die Regulierung der Meinungsfreiheit durch das orthodoxe Lehramt, das einen palamitischen und antilateinischen Kurs steuerte und Andersgesinnte früher oder später veranlaßte, Byzanz den Rücken zu kehren. Manuels Lehrer D. Kydones verließ 1396 Konstantinopel für immer,559 M. Chrysoloras folgte noch im gleichen Jahr einer Einladung nach Florenz, um dort eine offizielle Tätigkeit als Griechischlehrer aufzunehmen,56o Kydones' Schüler und Verehrer M. Kalekas verließ ebenfalls 1396 Konstantinopel und siedelte in das genuesische Gebiet von Pera am Goldenen Horn über. Er legte aber dem Kaiser, der ihn als Gelehrten überaus schätzte, in einer längeren Apologie vertrauensvoll die religiösen Motive 556 Edition und Interpretation der Texte: TinnJud. Es wurde oben (A. 552) gezeigt, daß selbst am Hof Johannes' V. derlei theologische Erörterungen nicht unbekannt waren. 557 Siehe CanivOik 16, mit dem Ansatz auf einige Zeit vor 1425. Setzt man mit CanivOik 15 die Geburt des Argyropulos auf 1393/94 und den Beginn seiner Lehrtätigkeit an einer kaiserlichen Schule auf ca. 1420 an, dann läßt sich auch folgende Bemerkung im ersten Brief des Argyropulos an einen gewissen Georgios (Trapezuntios bzw. Scholarios; vgl. oben, A. 293) mit dieser frühen Lehrtätigkeit vereinbaren: "Als ich in das Mannesalter kam, würdigte mich der Kaiser, der sich auch hierin als höchst weise erwies, eine Lehrstätte zu leiten, und viele Weise aus Italien, die uns zuhörten, lobten uns und bewunderten unsere wissenschaftlichen Kenntnisse, vor allem, was wir über die Physik und die Logik des Aristoteles zu sagen hatten ... " (Kd:n:eLÖTJ Kat ets ävöpas ttEAEOa, ÖLÖa<JKaAELo\J :1tpocn:ijVQL TJ;..w8T]v :1tapa ßaOLAEWS, Kat 'tai,,;a ao<j>w'ta'to\J, Ev8a :1tOAAOt Kat 'tWV t; 'ltaALaS ao<j>wv 1]J.lWV tlKT]Koo'tes t:1t1iVEOav Kat 'tTJV :1tept A6yo\JS 1] J.lwv t mcn:~J.lT]v TJyaaav'to, Kat J.laALcrta ~V :1tept 'ta <j>\JOLd Kat 'tOUS O\lAAOYWIlOUS 'APLcrtO'tEAO\JS t:1teÖELKV\JJ.lev) (Argyr 68-75, hier 73, Z. 24-74, Z. 5). 558 Fuchs 72 erwähnt einen "publicus discendi ludus", an dem "Chrysokokkes, vermutlich Georgios", unterrichtete. Diese Nachricht entnimmt er einem lateinischen Brief des Francesco Filelfo (Nr. 6 an Bessarion, Ausgabe Venedig 1502), aus dem er a. O. 70 zitiert: ..... in publico discendi ludo, ubi ... fuimus apud Chrysococcem condiscipuli ... " Auch in einem griechischen Brief an Bessarion vom 31. 10. 1464 (ed. E. Legrand, Cent-dix lettres grecques de Fran~ois Filelfe, Paris 1892, Nr. 64) spricht Filelfo vom gemeinsamen Studium (:1tQLÖLKTJ ÖLa'tpLß~) bei Chrysokokkes, hier allerdings ohne Bezeichnung der Schule als "öffentlich". Filelfo hielt sich gemäß PLP 29803 in den Jahren 1420-27 in Konstantinopel auf; sein Schulbesuch mit Bessarion bei Chrysokokkes muß also in diese Zeit fallen, vermutlich in die frühen zwanziger Jahre. 559 TinnKyd V1, 47. 560 LetMan XXXVI.
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seines Auszuges dar und betonte auch, daß er seinen Standpunkt dem Kaiser lieber mündlich vorgetragen hätte. 561 Daraufhin lud ihn der Kaiser zu einem Gespräch ein, doch lehnte Kalekas das Angebot höflich ab. 562 Aus einem späteren Brief an einen anderen Adressaten ist zu entnehmen, daß er den Kaiser nach dessen Rückkehr aus dem Abendland 1402 doch noch persönlich treffen wollte, aber darauf verzichtete, weil er die Macht seiner kirchlichen Gegner zu sehr fürchtete. 563 Diese Quellenzeugnisse lassen deutlich erkennen, daß Manuel persönlich bereit war, abweichende Glaubensüberzeugungen zu tolerieren, ein freieres geistiges Klima in Konstantinopel aber nicht durchsetzen konnte. Es ist in diesem Zusammenhang auch bezeichnend, daß ein eigenwilliger Literat wie G. Gemistos Plethon es vorzog, seine gelehrte Tätigkeit etwa 1409 nach Mistra zu verlegen. 5M Dies besagt nicht das Erliegen der Bildungsaktivitäten in Konstantinopel, aber es gelang dem Kaiserhof offenbar auf Jahrzehnte nicht, die geistige Führung zu übernehmen. Es war erst Johannes VIII. (1425-48) in seinen späten Jahren, der in Konstantinopel eine Lehrstätte mit Hochschulcharakter einrichtete. Zu ihrem Leiter berief er den inzwischen nach einem längeren Aufenthalt im humanistischen Italien bestens qualifizierten J. Argyropulos. Das Jahr der Gründung ist unsicher. Wie schon gesagt, scheint Argyropulos zwar bereits unter Manuel II. an einer kaiserlichen Schule unterrichtet zu haben;565 es ist jedoch nicht wahrscheinlich, daß diese früher bezeugte Lehrstätte mit dem erst später bezeugten Museion beim "Xenon des Kral(es)" (SEVOOV tOU KpUAOU), an der Argyropulos lehrte, identisch ist,566 denn die Gründung der letzteren wird in einer Rede des Argyropulos-Schülers M. Apostoles auf seinen Lehrer ausdrücklich in die Zeit nach dessen Rückkehr aus "Europa" (gemeint ist Italien) angesetzt, die etwa auf Herbst 1444 zu datieren ist. Apostoles berichtet, Argyropulos habe, als er von dort zurückgekehrt sei, gesehen, daß die Bildungsstätten (!J.OUOELU) nur noch so genannt würden und die Wissenschaft (A.6yOL) in Verfall geraten 561 562 563 564 565 566
Text: KalekEp 308-318; Regest: a. O. 15M. KalekEp, Nr. 14. A. 0., Nr. 83. Zum Datum WoodhPleth 29. S.o., A. 557. Dieser Xenon war ein vom Serbenherrscher Stephan Uros 11. Milutin (1282-1321) gestiftetes Hospital beim Prodromos-Petra-Kloster. Vgl. oben, Kap. 4. 5, Text mit A. 217f. Die Identität wird von Fuchs 72 vermutet und vor allem damit begründet, daß der als Lehrer an der ersteren Einrichtung bezeugte Chrysokokkes (s.o., A. 558) Arzt am zugehörigen Hospital des Xenon gewesen sei. Doch ist diese Argumentation hinfällig, weil nur der erste Vertreter dieses Namens, G. Chrysokokkes (I), der um 1350 lebte (PLP 31142), Arzt war, aber nichts darauf hinweist, daß auch der gleichnamige Lehrer des Bessarion und FileHo, G. Chrysokokkes (11) (PLP 31141) diesen Beruf ausübte.
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seien. Daraufhin habe er sogleich ein Museion (1l0UOELoV) eröffnet, zwar nicht ganz so, wie er es nach dem Vorbild Italiens habe einrichten wollen, aber doch den anderen Bildungsstätten weit überlegen. Der Kaiser aber habe für die entsprechenden Räumlichkeiten gesorgt und ihm einen Lehrstuhl (U'\jJTjAOV ßilllu) eingerichtet. Was so entstanden sei, sei also der Weisheit dieses Lehrers und (wie er ausdrücklich sagt) dem Wort des Kaisers zu verdanken. 567 Der in der zitierten Apostoles-Rede stehende allgemeine Hinweis auf den Vedall früherer Bildungsstätten (1l0UOEia) spricht eher dagegen, daß die Krales-Schule bereits früher bestand. So düden wir annehmen, daß die genannte Lehrstätte etwa 1445 gegründet wurde und etwa bis zum Fall Konstantinopels 1453 bestand. Lehrgegenstände waren vor allem die Logik und die Physik des Aristoteles. 568 5.4.2. Das Patriarchat von Konstantinopel Die Frage, ob und in welcher Form es in der Spätzeit ein Schulwesen im Auftrag des Patriarchates gegeben hat, scheint bis zur Gegenwart nicht geklärt zu sein, so daß eine Behandlung dieses Themas besondere Sorgfalt edordert. Für eine Patriarchatsschule oder gar eine Akademie des Patriarchates in Konstantinopel als eine über Jahrhunderte bestehende und funktionierende Einrichtung plädierten einst F. Fuchs, L. Brehier und F. 567 Argyr 227-231. Zur Datierung von Argyropulos' Rückkehr aus Italien ziemlich bald nach dem 24. Juli 1444 s. u., A. 775. 568 Zu den genannten Lehrgegenständen siehe CamArg 32. Bei deren Bestimmung spielt auch die kolorierte Federzeichnung einer auf einer Lehrkanzel sitzenden dozierenden Person in der Handschrift Oxford, Barocc. 87 (Werke des Aristoteles, Porphyrios und Psellos), f. 33v, die gemäß einer Inschrift den öLMOKUAO; Argyropulos darstellen soll, eine Rolle. Die Zeichnung steht in der Handschrift unmittelbar vor dem Beginn des aristotelischen Organon, verweist also auf die aristotelische Logik als Lehrgegenstand des dargestellten Lehrers. Gemäß I. Spatharakis, The portrait in Byzantine illuminated manuscripts, Leiden 1976, 258f. sollte die Zeichnung ursprünglich nicht Argyropulos, sondern Aristoteles darstellen. Eine durch Streichung getilgte Inschrift über dem Kopf des Lehrenden läßt sich jedenfalls dahingehend entziffern. Die auf Argyropulos verweisende Inschrift wäre dann laut Spatharakis erst später hinzugefügt worden. Auf derselben Abbildung sind über dem Dach des Gebäudes, in dem der Lehrende sitzt, die Namen vo~. sechs italienischen Schülern des Argyropulos angegeben, unter denen sich auch drei Arzte befinden. Man muß daraus nicht den Schluß ziehen, daß Argyropulos im engeren Sinne Medizin lehrte, sondern zur Erklärung genügt der Hinweis von CamArg 33, daß die bei Argyropulos vermittelte Physik des Aristoteles für Ärzte ein wichtiger Lehrgegenstand war. - Was die Dauer der Lehrtätigkeit des Argyropulos in Konstantinopel betrifft, so ist darauf hinzuweisen, daß dieser zuletzt Ende 1452 in Konstantinopel bezeugt ist (CamArg 30), aber erst ab August 1454 in Italien (a. O. 44). Wo er sich zwischen diesen beiden Daten aufhielt, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden.
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Dvornik, und in ihrem Gefolge R. Browning und H. Hunger. 569 Für die frühen Jahrhunderte wurde diese Ansicht schon seit langem von H. G. Beck widerlegt.57o Er äußert sich auch über eine "Patriarchalakademie" im 11. und 12. Jh. im Sinne einer Hochschule skeptisch, ohne allerdings auf die Jahrhunderte danach näher einzugehen.571 An anderer Stelle betont er, es habe nur eine Vermittlung von Elementar- und allenfalls Sekundarbildung durch kirchliche Schulen gegeben, so daß von einer "Patriarchalakademie im Sinne einer Hochschule zu keiner Zeit die Rede sein" könne. 572 Entsprechend votiert Podskalsky: "Was·... die Existenz einer ,Patriarchalakademie' als geschlossener Institution angeht, so können wir ihr verbürgtes Bestehen für keine Epoche des byzantinischen Reiches (bis 1453) mit letzter Sicherheit feststellen. u573 Nicht weniger entschieden lehnt Darrouzes die Existenz einer kirchlichen Hochschule in Byzanz ab: "Aucune des lois relatives a l'enseignement dit superieur ne concerne l' enseignement dans l'Eglise et par l'Eglise; aucun canon ne prononce a ce sujet le mot ecole ou didascale, encore moins un terme qui pourrait se traduire: universite, faculte, academie, recteur, etc., et cela aussi bien avant qu'apres le XIe siede. u574 Er warnt auch davor, aus Titeln und Bezeichnungen wie öLöa.OKaA.O~ oder öLöa.OKaA.O~ otKou~eVLK6~ Schlüsse auf Institutionen zu ziehen. 575 Keiner der genannten Autoren scheint jedoch Einwände gegen die Existenz einer patriarchalen Schule bzw. kirchlicher Schulen für Elementarund auch Sekundarunterricht im 12. Jh. zu haben, wie sie zuletzt von R. Browning ausführlich beschrieben wurden. 576 In einer Novelle Alexios' I. zur Reform des Klerus, die früher auf 1107 datiert wurde, neuerdings aber auf 1092 angesetzt wird,577 werden klerikale Lehrer des rechten Dogmas 569 Fuchs 8-9, 35-41; L. Brehier, Byz 3,1926,73-94; 4,1927/28,13-28; F. Dvornik, Analecta Bollandiana 68, 1950, 108-125. Auf sie beruft sich R. Browning, The Patriarchal School at Constantinople in the twelfth century, Byz 32, 1962 = derselbe, Studies on Byzantine history, literature and education, London 1977, X, 167-201, hier 167f. Vgl. auch H. Hunger, Reich der Neuen Mitte, Graz-Wien-Köln 1965, 353-355. 570 H.-G. Beck, Bildung und Theologie im frühmittelalterlichen Byzanz, in: Polychronion (Festschr. F. Dölger), Heidelberg 1966 (= BeckId I1I), 69-81. Auch P. Lemerle, Le premier humanisme byzantin, Paris 1971, 95f. spricht für das 9.110. Jh. von einem .mythe de I'Academie patriarcale". Auf beide beruft sich ConstEd 50, A. 2. 571 Beck, a. O. 81. 572 BeckJahrt 170f. 573 PodTheol56. 574 DarRech 67. 575 A. O. 72-79. 576 Browning, wie A. 569. So konstatiert denn auch ConstEd 50, A. 2, die Existenz einer Patriarchatsschule im 12. Jh. sei anscheinend unbestritten. 577 So "aus inhaltlichen Gründen" und mit zusätzlicher paläographischer Rechtfertigung A. Schminck, Zur Entwicklung des Eherechts in der Komnenenepoche, in: Byzantium in the 12th Century, ed. N. Oikonomides, Athen 1991, 555-587, hier 563f., A.40 (am
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und der guten Sitte (öLöumcaAoL toii op8oii ö6YllatO~ K.at toii XPTJOtoii il8o'U~), Diakone oder Priester,578 erwähnt, für die der Kaiser in seinem Gesetz ein festes Gehalt (mtTJpEmov) in Goldwährung und in Weizen verfügt. 579 Es ist ihre Aufgabe, das Volk und die Mönche zu lehren und als Seelsorger zu betreuen. 58o Von Schulen ist hier nicht ausdrücklich die Rede; sie werden durch die Formulierung aber auch nicht ausgeschlossen. Wir besitzen allerdings eine Reihe von Zeugnissen dafür, daß die Kirche von Konstantinopel im 12. Jh. intensiv mit der Organisation des Bildungswesens und der Einrichtung von Schulen befaßt war. Browning kann für diese Zeit eine ganze Reihe von kirchlichen Schulen in Konstantinopel namhaft machen, die er allerdings ohne genügende Begründung als "out-stations" oder "branches" der einen Patriarchatsschule bezeichnet. Die ausführliche Beschreibung einer kirchlichen Schule bei der Apostelkirche, an der zweifellos nebeneinander Elementar- und ein reichlich gefächerter Sekundarunterricht angeboten wurden, hat um 1200 Nikolaos Mesarites hinterlassen. 581 Es gab also bis zur lateinischen Okkupation (1204-61) zweifellos kirchliche Schulen in Byzanz, und es ist nun die Frage, ob derlei Einrichtungen auch in der Palaiologenzeit bestanden haben. In der Tat nennt Pachymeres in einer Passage, aus der oben bereits zitiert wurde,582 neben zwei anderen noch eine dritte Bildungseinrichtung, die, wie er ausdrücklich sagt, vom Patriarchen begründet wurde. 58J Er berichtet, daß Patriarch Germanos III. 1265 den Kaiser gebeten habe, auch Klerikern den Zugang zur höheren Bildung (lla8iJllata) zu gewähren, und ihm zugleich empfohlen habe, seinen Freund M. Holobolos an eine kirchliche Lehrstätte zu berufen. Der Kaiser habe der Bitte stattgegeben; er habe Holobolos, den er 1261/62 wegen seines Protestes gegen die Blendung des Laskariden Johannes IV. hatte verstümmeln und inhaftieren lassen,584 aus der
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Schluß). Diese Datierung ist ohne Diskussion rezipiert in: DöReg 11, 1168b (statt 1236). Kritische Edition von P. Gautier, L'edit d' Alexis ler Comnene sur la reforme du clerge, REB 31,1973,166-201. Gautier a. O. 193,223-227. A. 0.191, Z. 209-222. A. O. 193, Z. 227-239. DarRech 74 spricht von ihrer "fonction d'enseigner, de precher dans les quartiers". Siehe auch MergDid, die grundsätzlich zwei Kategorien von öLM<JKaAOL (Prediger oder Lehrer) unterscheidet (s. u., Text mit A. 592f.). Der Text, Bestandteil der Ekphrasis der Apostelkirche, ist mit deutscher Übersetzung ediert von A. Heisenberg, Grabeskirche und Apostelkirche, Bd. 2, Leipzig 1908, 17-22. S.o., A. 519. PachFail 11, 369, Z. 7-23; 371, Z. 2-5. MergPaul245 hat erstmals klargestellt, daß diese beiden Passagen inhaltlich zusammengehören und durch die oben, A. 519, zitierte Passage über die Paulsschule unterbrochen werden. Ihren Ergebnissen schließt sich A. Failler, REB 49, 1991, 190-193 an. ConstEd 52.
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Haft entlassen und als Lehrer für die neue Schule zur Verfügung gestellt, zur Freude des Germanos, der ihn daraufhin zum Lehrer der Rhetorik ernannte und unter seiner Leitung die - Lehrstätte der Wissenschaften (~ae~~a'ta) für alle, also nicht nur für Kleriker, eröffnete ~:n;a<JLV e;TJvOLyvU). Diese war also in der Tat eine »Patriarchatsschule".58 Hier unterrichtete Holobolos Grammatik, Rhetorik, Poetik und Logik, und der Andrang der Schüler scheint groß gewesen zu sein. Eine anonyme Quelle nennt die Zahl 336. Doch wurde Holobolos bereits 1273 als Unionsgegner und Kritiker des Kaisers abgesetzt, eingekerkert und schließlich verbannt.586 üb die Schule danach weiterbestand, ist nicht zu sichern. Es spricht vieles dafür, daß Holobolos nach Michaels VIII. Tod 1282 wieder an diese Schule zurückkehrte und dort bis zu seinem Tode, der zwischen 1305 und 1310 zu datieren ist, lehrte. 587 Für die folgende Zeit gestaltet sich eine Antwort auf die Frage, ob in irgend einer Form ein von der Kirche organisiertes Schulwesen weiterbestand, außerordentlich schwierig. Die Befürworter einer ständigen Bildungsstätte beim Patriarchat berufen sich vor allem auf überlieferte Lehrertitel. Holobolos, der ja erwiesenermaßen an einer Patriarchatsschule lehrte, trug die Titel "Rhetor der Rhetoren" und "Lehrer der Lehrer" (öLC~aOKaAo~ 'tWV ÖtÖaOKaAo>v). Zieht man mit Constantinides den vorsichtigen Schluß, daß der letztere Titel den Leiter einer patriarchalen Schule bezeichnet,588 dann müßte auch dessen sonstiges Vorkommen auf das Bestehen einer solchen Schule hinweisen. Er ist noch für den bedeutenden Patriarchalkleriker und Astronomen Th. Meliteniotes (2. H. 14. Jh.)589 sowie um 1400 für den Kirchenmusiker Johannes Kladas 590 und vielleicht für J. Bryennios591 überliefert. Doch ist in keinem dieser Fälle 585 Failler (wie A. 583), 192: "Ecole patriarcale". 586 Zur Lehrtätigkeit des Holobolos ausführlich ConstEd 56f. PerezConfl416 verweist auf eine Handschrift mit rhetorischen, mathematischen und philosophischen Texten, die wahrscheinlich in Holobolos' Auftrag geschrieben wurde. MergPaul245 bemerkt, zweifellos zutreffend, daß das Niveau dieser Patriarchatsschule (man kann wohl sagen: erheblich) über dem der "Paulsschule" lag, an der ja nur Grammatik unterrichtet wurde (s. 0., A. 523). ConstEd 53 beobachtet zwar, daß Holobolos ausschließlich "weltliche" Fächer unterrichtete, nimmt aber dennoch an, daß diese Schule die Tradition einer von Alexios I. begründeten theologisch ausgerichteten "Patriarchatsschule" fortsetzte. Es mag sein, daß die Schule an kirchliche Einrichtungen der Komnenenzeit anknüpfte; was ihr Niveau betrifft, so stellte sie jedoch etwas Neues dar. 587 ConstEd 57-59. 588 A. 0., 55. 589 MercNot 172f.; KydEp 11, Nr. 151, Z. 44f. (= TinnKyd 112, Nr. 94 mit A. 15) und TinnKyd 1/2, 508 mit A. 6. 590 PLP 11739. 591 TinnKyd 112, 509f., A. 6. Hier und DarRech 67~9 auch zur irrigen Interpretation des mittelbyzantinischen Titels OttCOUJ.LEVLKOS öLÖamcuAoS, den ConstEd 55 ähnlich wie den Titel öLÖamcuÄ.os 'tOOV öLÖumcaÄ.rov verstehen möchte. Vgl. auch die Bezeichnung
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1, eine entsprechende Stellung unabhängig von diesem Titel bezeugt. Neuerdings hat sich S. Mergiali-Falangas grundsätzlich zur Frage und vor allem zur Mehrdeutigkeit (ambigulte) der kirchlichen Lehrertitel geäußert. 592 Sie unterscheidet zwei Gruppen von "Lehrern" (ÖLönOKaA.OL), die in den Quellen erwähnt werden, solche, die als Prediger und in der Seelsorge und solche, die an Schulen tätig waren. So möchte sie z. B. J. Bryennios, dessen Tätigkeit als Hofprediger gut bezeugt ist, zur ersten Gruppe zählen. Hier ist allerdings daran zu erinnern, daß Gennadios II. ihn zu seinen Lehrern zählte (womit aber von einer "Schule" nichts gesagt ist).593 So wird man die beiden Bedeutungen des Begriffs "Lehrer" nicht in jedem Fall so deutlich voneinander trennen können. 594 Die Bedeutung einer Zwischenstufe zu einem höheren klerikalen Amt kann eine Tätigkeit als klerikaler "Lehrer" jedenfalls ohne Unterscheidung ihres Inhaltes haben. 595 Doch ist als wichtiges Ergebnis festzuhalten, daß aus dem Titel allein nicht auf eine Schule geschlossen werden kann, wenn kein weiterer Beleg vorliegt. Nicht zu deuteln ist allerdings an einer Handschriftennotiz über M. Balsamon, die besagt, er sei von Patriarch Matthaios I. (1397-1410) zum "Allgemeinen Lehrer (ÖLönOKaA.O~ KaeOA.LK6~) der hellenischen Wissenschaften und der kirchlichen Lehren" ernannt und zum einzigen Lehrer und KaelJYlJt'r)~ der Zöglinge (tp6<j>LIlOL) seiner Kirche bestimmt worden. 596 Hier ist eine eindeutige Anspielung auf Schulunterricht für den Klerus zu sehen, welchen der Patriarch organisierte, und nicht weniger klar wird gesagt, daß Balsamon sowohl für die "profane" (rhetorischphilosophische) wie auch für die theologische Ausbildung des Klerus zuständig war. Daß aber von Holobolos bis zu Balsamon ohne Unterbrechung eine entsprechende Schule beim Patriarchat bestand, ist trotz mancher in den Quellen bezeugter Lehrer-Titel damit nicht bewiesen. Es wird wohl eher so gewesen sein, daß bewährte private Lehrer von Fall zu Fall einen besonderen Unterrichts auftrag von der Kirche erhielten, wie
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des Gennadios Scholarios um 1452 als Ka8oÄLK6~ .ij~ .iiiv op8oM!;oov eKKÄT](JLa~ [)LÖa(JKaÄo~ (c. J. G. Turner, The career of George-Gennadius Scholarius, Byz 39, 1969,420-455, hier 435). MergDid. A. O. 176f. Bryennios als Hofprediger: TomadBry 1. Vgl. auch seine Tätigkeit als Prediger auf Kreta (unten, Text mit A. 692). Ob Bryennios nur im geistlichen Sinne Lehrer des G. Scholarios (Gennadios II.) war, ist aus dem hier verwendeten Verbum O'UVELVaL (GennSchol IV, 7, Z. 2lf.) nicht sicher zu entnehmen. Wie MergDid 177, A. 7 zeigt, waren im kirchlichen Unterricht MyOL und ~8T], also Vermittlung von Lerninhalten und Erziehung, eng mit einander verknüpft, so daß ein Lehrer ohne weiteres auch als nVE1J~a'LK6~, also als "geistlicher Vater", verstanden werden konnte. A. 0.177. HungChort 15, A. 20.
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dies auch für das 15. Jh. nachweisbar ist. 597 Auch aus der Existenz einer Bibliothek bei der Hagia Sophia oder aus Schriften zur rhetorischen Didaktik, verfaßt von dem Patriarchatskleriker N. Kallistos Xanthopulos, kann nicht zwingend auf die gleichzeitige Existenz einer Patriarchatsschule geschlossen werden. 598 Zusammenfassend sei zu der Frage folgendes bemerkt: Man kann voraussetzen, daß eine angemessene Bildung des Klerus, vor allem der höheren Grade, dem Patriarchen grundsätzlich nicht gleichgültig sein konnte. Die bei Pachymeres nachgewiesenen Bemühungen des Patriarchen Germanos 111. um eine Patriarchatsschule lassen auf ein von ihm unabhängiges allgemeineres Interesse schließen. Damit ist aber das ununterbrochene Fortbestehen einer solchen Einrichtung in der Palaiologenzeit noch nicht gesichert. Das Schweigen der Quellen in dieser Hinsicht läßt vermuten, daß sich manche Patriarchen der Epoche mit der Wahrnehmung privater Lehrangebote begnügten und den betreffenden Lehrern allenfalls hin und wieder einen ÖLÖaOKaA.o~-Titel oder eine finanzielle Unterstützung gewährten. Entsprechend waren wohl auch Schwerpunkte und Niveau der Ausbildung unterschiedlich. Jedenfalls ist nicht davon auszugehen, daß der angehende Kleriker in der Regel ein "Theologiestudium" absolvierte. Als unentbehrlich galt wohl nur eine formale Unterweisung in Grammatik und Rhetorik, bestenfalls auch in der Logik. Wie der Kaiser, so organisierte auch der Patriarch gelegentlich wissenschaftliche Streitgespräche. Recht ausführlich informiert N. Gregoras darüber, wie er im Herbst 1351 in seinem Hause, wo er nach der Verurteilunr, seiner antipalamitischen Ansichten unter Arrest lebte, mit (Demetrios 59 ) Kabasilas über die Theologie des G. Palamas disputierte. Das Gespräch fand unter Aufsicht eines Patriarchats klerikers statt, der Kabasilas nicht nur im Auftrag des Patriarchen (Kallistos), sondern auch des Kaisers ijohannes VI.) begleitete.60o Da Gregoras unbeugsam bei seiner Meinung verharrte, drohten ihm am Schluß Kabasilas und der Beauftragte des Patriarchen weitere unliebsame Konsequenzen an. 601 Es handelte sich also nicht um eine rein wissenschaftliche, sondern um eine juristisch relevante Auseinandersetzung, und es ist für den Regierungsstil Johannes' VI.
597 Siehe die bei MergDid 180f. zitierten Beispiele. 598 So R. Browning, A young man in a hurry - Two unpublished letters of Nikephoros Kallistos Xanthopulos, Byzantina 1311, 1985, 141-153, hier 146. 599 Für diesen Vornamen des von Gregoras nur mit dem Familiennamen erwähnten Gesprächspartners plädien BeyerKab (entsprechend PLP 92223), dem DietGreg IV, 315, A. 455; 328, A. 522 beipflichtet. 600 Patriarchatskleriker: DietGreg IV, 168 mit A. 523. Text der Disputation: Greg 11, 1050-1145; Inhaltsangaben: BeyerKab 162-176; DietGreg IV, 167-191. 601 DietGreg IV, 190f.; BeyerKab 176.
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bezeichnend, daß die Kirche sich in einer theologischen Streitfrage staatlicher Repressionen bedienen konnte. 602 5.4.3. Klöster in Konstantinopel und auf dem Athos
Byzantinische Klöster waren wie in früheren Jahrhunderten so auch in der Spätzeit nicht von vorneherein Stätten der Bildung, sondern des geistlichen Lebens und der Askese. Es kommt aber auch in dieser Epoche immer wieder vor, daß sich theologische oder profane Schriftsteller in Klöstern aufhielten, dort einen großen Teil ihrer Werke verfaßten und auch Bibliotheken aufbauten, die ihren literarischen Neigungen entsprachen. Einige von ihnen lebten zeitweilig oder ständig in Klöstern, ohne Mönche zu sein. In diesem Fall wählten sie den Klosteraufenthalt, um in ungestörter Stille ihren Studien nachzugehen. Im folgenden sollen einige Klöster in Konstantinopel und auf dem Athos behandelt werden, die in besonderem Maße Stätten literarischer Tätigkeit waren. Die in Klöstern häufiger praktizierte Kopiertätigkeit soll entsprechend der Themenstellung hier ausgeklammert bleiben.601 Von den in Frage kommenden Klöstern Konstantinopels ist als ältestes das Johannes dem Täufer (Prodromos) geweihte, seit dem 5. Jh. bestehende604 Kloster des Studios zu nennen, das seine Blütezeit im 9.110. Jh. erlebt hatte. In der Spätzeit hielten sich hier zu verschiedenen Zeiten einige der im Appendix aufgeführten Literaten auf, meist theologische Schriftsteller. Von diesen waren Mönche des Klosters: Theoktistos, Biograph des Patriarchen Athanasios,605 der Palamit Arsenios, der Verse auf Gregorios Palamas schrieb,606 der gelehrte Antipalamit S. Atumanos, bevor er 1348 Nachfol~er des Barlaam als lateinischer Bischof von Gerace. in Kalabrien wurde,6 J. Bryennios, nur von ca. 1402-06, damals zugleich Prediger am Hof Manuels II.,60S und der spätere Patriarch Euthymios II.,
602 Einen Überblick über den Kampf gegen die Antipalamiten unter Kaiser Johannes VI. gibt DietGreg IV, 47-55. 603 S.o., Text mit A. 75. 604 Der Patrikios Studios stiftete es als "Akoimetenkloster" um 450; die Erbauung der Klosterkirche ist gemäß C. Mango, The Date of the Studius Basilica at Istanbul, BMGS 4,1978,115-122 und F. W. Deichmann, BZ 73, 1980,231, auf 453 (nicht 463) zu datieren. 605 CorAth XV. 606 Literatur über ihn: PLP 1431; die Angaben bei Beck 722 sind überholt. 607 G. Fedalto, Simone Atumano monaco di Studio, arcivescovo latino di Tebe, secolo XIV, Brescia 1968, 12; R.-J. Loenertz, Byzantina et Franco-Graeca, 11, Rom 1978, 368, Regest Nr. 163. 608 Beleg wie oben, A. 593.
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dessen theologisches Urteil Manuel II. schätzte;609 er wurde 1390/95 Abt des Klosters (bis mindestens 1404/05) und 1410 Patriarch von Konstanti610 nope.1 Bereits seit etwa dem 6. Jh. ist das Kloster des J ohannes Prodromos ev ·t"tj IIE'tpq (Petrakloster) bezeugt. 611 Nach der Lateinerherrschaft wurde es neu von Mönchen besiedelt. Als Aufenthaltsort von Literaten erlangte es erst nach der Mitte des 14. Jh. Bedeutung, als Neophytos Momtzilas, zuvor Mönch in Thessalonike, sich hier u. a. den Aristotelesstudien widmete. 612 Damals verfügte das Kloster über eine vorzügliche Bibliothek, die sich weitgehend rekonstruieren läßt. 6lJ J. Chortasmenos restaurierte hier nach 1405/06 eine wertvolle spätantike Handschrift des berühmten Heilkräuter-Handbuches "Dioskurides" .614 Ferner ist das "Christus, dem Unbegreiflichen" (dKa'ta.I.:rFt'to~) geweihte Kloster (Akatalegtos-Kloster) zu nennen, dessen Ort und Ursprung unbekannt sind. 6 Hier hielt sich Georgios Kyprios (später Gregorios 11.) vor seiner Erhebung zum Patriarchen längere Zeit auf und übte daselbst wahrscheinlich auch eine Lehrtätigkeit aus,616 ohne allerdings Mönch zu sein; denn das Mönchsgewand nahm er erst kurz vor seiner Erhebung zum Patriarchen im Petrakloster. 617 Einen Aufenthalt des M. Planudes im Akataleptos-Kloster bezeugt eine Handschriftennotiz,61S die aber nicht beweist, daß er hier auch lehrte. Das Christus kloster 't* Xwpa~ (Chorakloster), dessen Ursprünge in das 7. Jh. zurückgehen, wurde in den Jahren 1316-21 von dem Großlogotheten Th. Metochites prächtig restauriert und ausgebaut. Er richtete sich hier eine Bibliothek ein, auf die er große Sorgfalt verwandte. Als er 1328 ins Exil gehen mußte, war er sehr besorgt, seine Bücher seien bei
609 TinnJud I, 422 mit A. 9; II, 140f. 610 LetMan XLf.; PLP 6268. Euthymios wurde wegen seiner geringfügigen literarischen Hinterlassenschaft (Ed. und Übers. seines Beitrages zur Judas-Diskussion: TinnJud II, 143-158) nicht in die Liste der Literaten aufgenommen. 611 R. Janin, La geographie ecclesiastique de l'empire byzantin, I, Le siege de Constantinople et le Patriarcat oecumenique: III, Les eglises et les monasteres, Paris '1969, 421429. 612 S.o., Text mit A. 412. 613 E. D. Kakulide, 'H ßLßAL08~KTj tij<; I-Iovij<; TIpoÖPOl-lou-ITEtpu<; m~v KoovmuV'tLVOU:rWATj, Hellenika 21, 1968,3-39; vgl. auch E. Gamillscheg, Zur Rekonstruktion einer Konstantinopolitaner Bibliothek, Rivista di Studi Bizantini e Slavi 1, 1980, 283-293. 614 O. Mazal, Pflanzen, Wurzeln, Säfte, Samen. Antike Heilkunst in Miniaturen des Wiener Dioskurides, Graz 1981, 41f. 615 Janin (wie oben, A. 611), 504-506. 616 ConstEd 35 mit A. 18 (nach GKypEp, Nr. 20). 617 PachFail I1I, 55, Z. 24-29. 618 Er kopierte hier Mare. gr. 481 (ConstEd 70).
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den ungebildeten Mönchen nicht gut aufgehoben,619 und wandte sich in einem Briefgedicht mit der Bitte an seinen Schüler N. Gregoras, sich um die Bibliothek zu kümmern. 62o Gregoras wohnte damals bereits seit längerer Zeit im Chorakloster,621 wo er um 1325 eine Privatschule eröffnete,622 aber nicht vor Frühjahr 1351 Mönch wurde. 623 Jedenfalls hütete er die Bücherschätze seines Lehrers bestens, so daß Metochites sie bei seiner Rückkehr 1330 unversehrt vorfand und fortan als Mönch Theoleptos bis zu seinem Tod 1332 benutzen konnte. Gregoras aber wohnte und lehrte weiter im Chorakloster und wurde hier auch wegen seiner Unbeugsamkeit in der Ablehnung der palamitischen Lehren ab etwa Sommer 1351 von Kaiser Johannes VI. unter Hausarrest gehalten, der erst mit dem Einzug Johannes' V. in die Hauptstadt (November 1354) endete. 624 Nach seinem Tod (um 1360) lebten in diesem Kloster keine weiteren bedeutenden Literaten. Im Jahr 1046 hatte Kaiser Konstantin IX. Monomachos das Georgioskloster in der Region "Mangana" gegründet. 625 Nach 1261 lebten dort wieder griechische Mönche. Kaiser Johannes VI. wählte es 1350 als Stätte eines zukünftigen Klosteraufenthaltes aus und bedachte es vorsorglich mit Schenkungen. 626 Nach seiner erzwungenen Abdankung Dezember 1354 zog er sich zunächst, bis ca. 1357, hierher zurück, und D. Kydones, der bereits 1350 seine Bereitschaft erklärt hatte, mit ihm in diesem Kloster zu leben,627 schloß sich ihm an, bis er ca. 1356 einer erneuten Berufung in den Staatsdienst durch Johannes V. folgte. 628 Er hielt sich aber auch später noch mehrmals hier auf und yerfaßte an dieser Stätte der Ruhe einen Teil seiner Schriften und seiner Ubersetzungen aus dem Lateinischen, ohne selbst je Mönch zu werden. 629 Daß ihm dort (außer seinen privaten Büchern) auch eine Bibliothek zur Verfügung stand, kann man vermuten, aber nicht beweisen. 619 SevChor 34ff. 620 Edition des Briefes: I. ~evcenko / J. Featherstone, Two Poems by Theodore Metochites, Greek Orthodox Theological Review 26,1981,1-45, hier 28-45. 621 Er selbst gibt an, er habe "seit seiner Jugend" hier gewohnt, was dies auch immer heißen mag (Greg II, 1045, Z. 18-20; Übers.: DietGreg IV, 164). Jedenfalls setzt auch das Gedicht voraus (Vers 343f.... crU vaLoov llolJvav ... ), daß er damals schon im Kloster wohnte. 622 DietGreg I, 7; zum Quellenbeleg und zur vermutlichen Förderung der Schule durch den Kaiser s.o., A. 531. 623 Diet Greg I, 23 mit A. 118. 624 DietGreg I, 25, 30. 625 Zu Region und Kloster: ODB 1283f. 626 Kant III, 106-108. 627 A. 0., 107f. 628 TinnKyd 1/1, 14 (vgl. 12). 629 TinnKyd 1/1, 245 (Kommentar zu Nr. 37).
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Als N eugründerin des bereits älteren Klosters "Andreas tv KptOEL" wurde Th. Kantakuzene Rhaulaina, eine Nichte Kaiser Michaels VIII., bekannt, die sich, 1284 ein zweites Mal verwitwet, als Nonne dorthin zurückzog, eine hagiographische Schrift verfaßte und sich eine Bibliothek aufbaute, zu der sie durch eigenes Kopieren von Handschriften beitrug. Sie stand in Verbindung mit dem Kreis um M. Planudes, der wie auch N. Chumnos ihre Weisheit pries. Dem Patriarchen Gregorios II. gewährte sie nach seiner Abdankung in einem separaten Gebäude des Klosters einen Alterssitz. 630 Von ihm sind wie auch von M. Holobolos, M. Planudes und N. Chumnos Briefe an sie erhalten. 631 Nach ihrem Tod 1300 ist von einer weiteren Pflege intellektueller Interessen in dem Kloster nichts bekannt. Das Charsianeiteskloster ist nach seinem Gründer um 1350, einem Anhänger Johannes' VI., benannt. Der Kaiser wählte sich ca. 1357 das Kloster als vorübergehenden Aufenthaltsort. 632 Als Mönche lebten hier J. Bryennios 1416-27 und der spätere Patriarch Gennadios II. ab ca. 1450. 633 Das seit dem 9. Jh. bestehende Hodegonkloster schließlich war zwar in der Palaiologenzeit eines der bedeutendsten Kopierzentren, vor allem für liturgische Handschriften,634 nennenswerte theologische oder profane Schriftsteller aber scheinen sich hier nicht aufgehalten zu haben. Das wichtigste Klosterzentrum außerhalb der Hauptstadt, in dem in der Palaiologenzeit Mönche lebten, die auch als Schriftsteller tätig waren, war die Megiste Laura auf dem Athos, eine Gründung des 10. Jh. Gregorios Palamas hielt sich von ca. 1330 bis ca. 1333 in der zum Kloster gehörenden Sabasklause auf. 635 Der Mönch Markos (II), ein Schüler des Gregorios Sinaites, verfaßte hier etwa zwischen 1340 und 1350 eine Schrift über die Kirchenfeste, ein hesychastisches Florileg und Traktate gegen G.
630 TalbNuns 604-618, hier 605f. Gemäß a. O. 605, A. 8 beruht die frühere Annahme, sie habe sich als Nonne "Kyriake" genannt, auf einem Irrtum; sie nannte sich weiter "Theodora". Zu ihrer Bibliothek a. O. 61H. 631 Von Gregorios II.: 29 Briefe (ConstEd 44, A. 68), von M. Holobolos ein Brief, noch unediert, von M. Planudes: PlanEpL, Nr. 68, von N. Chumnos: BoissAnNov 91-93, Nr. 76 und 93f., Nr. 77. Brief Nr. 76 bezeugt, daß Chumnos mit ihr Bücher austauschte und ihr die Meteorologica des Aristoteles samt einem Kommentar des Alexandros von Aphrodisias zukommen ließ. 632 HungGrund IX, 1958,299, Zo4ff. 633 G. Sphrantzes (SphrMais 12, Z. 19-21; 32, Z. 12f.) bemerkt für die Jahre 1416 und 1427, daß Joseph in diesem Kloster lebte und als ÖL<')amcaAo~ bezeichnet wurde. Zu Gennadios siehe HungGrund XXIII, 1958, 138f. 634 ODB 939. 635 PLP 21546 (S. 109, Sp. 2).
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Akindynos. 636 Der spätere Patriarch Kallistos I. begann hier seine Mönchslaufbahn, lebte aber später in anderen Klöstern. 637 Philotheos (Kokkinos), ebenfalls später Patriarch, ein bedeutender theologischer (palamitischer) Schriftsteller, war seit einem unbekannten Zeitpunkt Mönch der Laura und ihr Abt von ca. 1342 bis 1347.638 Besondere Erwähnung verdient P. Kydones, der jüngere Bruder des Demetrios, der von ca. 1350 bis zu seiner kirchlichen Verurteilung 1368 hier als Mönch lebte. Wahrscheinlich unter dem Einfluß seines Bruders hatte er die lateinische Sprache erlernt und sich mit Texten westlicher Kirchenväter und scholastischer Theologen beschäftigt. Schließlich verfaßte er auf der Basis einer vornehmlich Thomas von Aquin verpflichteten Theologie ein grundlegendes Werk gegen den Palamismus. Dadurch geriet er in einen schweren Konflikt mit dem vormaligen Abt des Klosters, dem erwähnten Philotheos, der seit 1364 (zum zweiten Mal) Patriarch von Konstantinopel war. Seine kirchliche Verurteilung erfolgt:e 1368 auf einer Synode in Konstantinopel unter Vorsitz des Philotheos. 639 Bei all dem ist aber zu bedenken, daß in Klöstern nicht in erster Linie allgemeine Bildung, sondern die Anleitung für ein Leben der geistlichen Erbauung und Askese weitergegeben werden sollte. Daher seien hier einige Mönchsväter besonders genannt, die auch durch ihre literarische Produktion als Zugehörige zur Gruppe der Gebildeten ausgewiesen sind. Sie waren zugleich Wegbereiter der hesychastischen Bewegung im späten Byzanz. Die ersten Impulse verdankte der Hesychasmus dem Mönch Nikephoros Athonites, der den späteren Metropoliten Theoleptos von Philadelpheia in der einschlägigen Gebetsmethode unterwies. 640 Theoleptos wiederum war es, dem G. Palamas zum Teil seine spirituelle U nterweisung verdankte. 641 Der wanderfreudige Gregorios mit dem Beinamen "Sinaltes" vermittelte der Bewegung die mönchischen Traditionen Palä636 Über Markos (II) (PLP 17086) legte Sotiria Apostolopulu an der Universität Wien 1987 eine Dissertation mit dem Titel "Markos Kyrtos, Leben und Briefe" vor, die nach Auskunft des Wiener Instituts für Byzantinistik und Neogräzistik wegen ihres frühen Todes (ca. 1994) nicht im Druck erschien. Siehe auch AkindH 367-370. 637 Siehe PLP 10478. 638 TinnKyd 1/2, 398 mit A. 8 und 10f. 639 Zu seiner Person und seinem Werk: TinnKyd 1/1, 237-244. Es wird an dieser Stelle noch darauf hingewiesen, daß der angebliche Aufenthalt des bedeutenden Lehrers der byzantinischen Kirchenmusik J. Kukuzeles in der Laura - wie manche anderen früher anerkannten Daten seines Lebens - eine nachbyzantinische Erfindung ist (E. Trapp, Critical notes on the Biography of John Kukuzeles, BMGS 11, 1987, 223-229, hier 226). 640 Nikephoros als Lehrer des Theoleptos: A. Constantinides Hero, The life and letters of Theoleptos of Philadelphia, Brookline/Mass. 1994, 12f. mit A. 12-15. Er wie alle im folgenden Genannten sind in die Liste der Literaten (5. 8) aufgenommen. 641 Zu Theoleptos als Autorität des Palamas s.o., A. 309.
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stinas, Zyperns und Kretas. 642 Erst G. Palamas, herausgefordert von der Kritik des kalabresischen Mönches Barlaam, entwickelte auf der Basis der patristischen Tradition ein eigenständiges theologisches Gedankengebäude zur Erklärung und Rechtfertigung der mystischen Erfahrungen im 643 Hesychasmus.
5.4.4. Andere Orte geistiger Aktivitäten: Thessalonike, Mistra, Trapezunt, Zypern, Kreta, Bulgarien, Serbien Konstantinopel war, vielleicht mit Ausnahme der letzten ca. 40 Jahre, als Mistra ihm wegen der Anwesenheit Plethons den Rang abzulaufen drohte, in der Spätzeit wie auch in den früheren Jahrhunderten als wichtigstes Kulturzentrum des Reiches unumstritten. Doch verdienen neben Konstantinopel außer Mistra als Zentren der Bildung noch die Städte Thessalonike und Trapezunt sowie andere geographische Bereiche Erwähnung. 1. Thessalonike. Seit der Rückeroberung durch Kaiser Johannes III. Batatzes von Nikaia im Jahr 1246 gehörte die Stadt politisch wieder zum byzantinischen Reich und genoß bis zu ihrer (ersten) Eroberung durch die Türken 1387 den Ruf, dem Rang nach die zweite Stadt des Reiches zu sein. 644 Über die Entwicklung des Bildungslebens, als Thessalonike nach der lateinischen Okkupation (1204-1224) bis 1246 epirotischen Herrschern unterstand, aber auch in den ersten Jahren danach, ist nichts bekannt. Erst seit J. Pothos Pediasimos, Megas Sakellarios der dortigen Metropolie seit 1284, der zugleich den Titel "Philosophenkonsul" trug, kann von einer neuen Blüte des Geisteslebens in der Stadt die Rede sein. Er entfaltete eine beachtliche Lehrtätigkeit von 1284 bis zu seinem Tod, der zwischen 1310 und 1314 anzusetzen ist. 645 Zwischen 1300 und 1308 lehrte hier wenigstens zeitweilig auch J. Rhakendytes. Damals studierte bei ihm Th. Magistros, der in der Folgezeit bis zu Beginn der vierziger Jahre das Bildungsleben der Stadt prägte. 646 Doch scheint D. Kydones, der bedeutendste Sohn Thessalonikes im 14. Jh., nicht bei Magistros studiert zu ha642 Über ihn zusammenfassend G. Podskalsky, TRE XIV, 1985,206-209. 643 Über ihn zusammenfassend G. Podskalsky, TRE XIV, 1985,200-206. 644 Kant H, 573, Z. 5-7; III, 108, Z. 16. Vgl. auch den Lobpreis des N. Kabasilas Chamaetos auf Thessalonike als kulturelles Zentrum in seinem 7. Enkomion auf Demetrios, zitiert nach Paris. gr. 1213 (47rv) bei O. Tafrali, Thessalonique au quatorzieme siede, Paris 1913, 150, A. 1. Die Edition von B. Pseutonkas, NLKOAo.OU KaßuOIAa b't1:a dVEKÖOtOL AOYOL tO npÜltOV eKöLÖ0IlEVOL, Thessalonike 1976 war mir nicht zugänglich. Vgl. ferner TinnThess 32f. mit A. 2-3a. 645 ConstEd 116-128. Zum Titel s.o., Text mit A. 535-543. 646 Über beide ausführlich LeonGeiehr.
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ben. 647 Unter den Schülern des Magistros sind vor allem drei von besonderer Bedeutung: D. Triklinios (auch vom Planudeskreis beeinflußt648 ), G. Akindynos und der spätere Patriarch Philotheos. 649 Von diesen blieb nur Triklinios auf Dauer in Thessalonike, wo er vor allem als Textphilologe tätig war. 650 Aber auch um den späteren Patriarchen Isidoros, der zunächst nur Elementarunterricht vermittelte, versammelte sich im Laufe der Zeit, etwa schon seit den späten zwanziger Jahren, ein Kreis, der aber wohl eher geistliche Erbauung als profane Bildun ß bei ihm suchte; immerhin sah ihn D. Kydones als seinen Lehrer an, 1 und wohl auch N. Kabasilas Chamaetos und Th. Pediasimos waren seine Schüler. 652 Eine gewisse Konkurrenz zum Kreis des Isidoros bildete die häretische (messalianisch-bogomilische) Gruppe um eine gewisse Eirene Porine. 653 Kydones scheint auch N eilos Kabasilas zu seinen Lehrern zu zählen, doch ist über Zeit und Umstände dieser Unterweisung aus seinen eigenen An. h ts S'lC h eres zu erffiltte . In.654 ga b en nIC In Thessalonike lebten in der ersten Hälfte des 14. Jh. auch angesehene Juristen. Hier schrieb K. Armenopulos, der unter diesen als einziger auf dem Gebiet des weltlichen Rechts literarisch tätig war, seine 1345 vollendete Hexabiblos, eine Rechtskompilation, deren Niveau aber eher bescheiden anzusetzen ist. 655 Hier verfaßte auch der Kanonist M. Blastares um 1335 sein Syntagma, ein alphabetisches Handbuch zum Kirchenrecht.
647 648 649 650 651 652 653
TinnThess, 34. N. G. Wilson, Scholars of Byzantium, London 1983,249. LeonGelehr 250-253. TinnAnt 23f. KydEp I, Nr. 43 (= TinnKyd 1/1, Nr. 16). ConstEd 119. Gemäß PLP 23565 ist "Porine" nicht Schimpf-, sondern Familienname. Über sie und ihren Kreis: WeiKant 154; TalbNuns 617. 654 Auch die von Mercati, dem Herausgeber der ersten Apologie des Kydones, in einer Fußnote zu MercNot 390, Z. 106 zitierte Aussage in der unedierten Schrift des Kydones zur Verteidigung des Thomas von Aquin gegen Neilos Kabasilas, er habe t:v veotT]tL bei Neilos die diesem Alter gemäßen flae~flata studiert, läßt Fragen offen. Die Altersangabe scheint auf die Zeit vor 1345 zu verweisen, während derer sich Kydones ständig (?) in Thessalonike aufhielt, aber andererseits ist bekannt, daß Nikolaos Kabasilas Chamaetos, der vermutlich ein Altergenosse des Kydones war - in KydEp I, Nr. 87 (= TinnKyd I, Nr. 18) nennt ihn Kydones seinen Freund - eine Zeitlang in Konstantinopel bei seinem Onkel Neilos studierte, was aus einem Brief des Nikolaos (NikKabEp, Nr. 1, Z. H.) zu entnehmen ist. Nun führt aber gemäß LoenCab kaum ein Weg daran vorbei, daß die Briefe NikKabEp, Nr. 1-5 erst in den frühen fünfziger Jahren verfaßt und somit auch die Studien des Nikolaos bei Neilos erst in diese Zeit zu datieren sind. 655 M. Th. Fögen, Die Scholien zur Hexabiblos im Codex Vetustissimus Vaticanus Ottobonianus gr. 440, in: FM 4, 1981,256-345, hier 261f.
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Die Wirren des 1342 ausgebrochenen Zelotenaufstandes führten in den folgenden Jahren offenbar auch zu einem Niedergang des Geisteslebens. 1345 verließ der junge D. Kydones seine Heimatstadt, wo sein Elternhaus geplündert wurde. 656 Nach dem Ende der Zelotenherrschaft 1350 kam es zwar zu einer neuen Blütezeit der Stadt, aber von Lehrern wie Pediasimos oder Magistros ist nicht mehr die Rede. Um 1363 erwähnt D. Kydones zwar den Freundeskreis seines Briefpartners Tarchaneiotes als eine Art literarischen Zirkel. 657 Doch konnte er seinem Schüler Rhadenos in den 70er Jahren anscheinend keinen geeigneten Lehrer dort empfehlen und sah für dessen literarische Bildung nur in Konstantinopel eine Chance. 658 Wohl nicht einmal der Aufenthalt des gebildeten (Mit-)Kaisers Manuel in den Jahren 1382 bis 1387659 in Thessalonike konnte dortwegen der angespannten politischen Lage - eine nennenswerte Entwicklung des Geisteslebens bewirken. Aufschlußreich ist in dieser Hinsicht ein Brief des D. Kydones, der zwar Manuel für die Abfassung einer rhetorisch vollendeten Rede an das Volk von Thessalonike lobt und den hohen Bildungsstand des Kaisers preist, zugleich aber auch andeutet, daß er in seiner ungebildeten Umgebung weitgehend auf Unverständnis stoßen 660 mu ß . Als Thessalonike 1387 türkischen Eroberern in die Hände gefallen war, hatte J. Chortasmenos endgültig allen Grund zu behaupten, im Osten halte nur noch Konstantinogel die alte geistige Tradition aufrecht und pflege die attischen Autoren. 6 Auch die letzte kurze byzantinische Phase der Stadt 1403-1423 konnte wahrscheinlich nicht zu einer nachhaltigen Erholung des geistigen Klimas führen. Immerhin scheint es in dieser Zeit einen vom Kaiser eingesetzten Oberaufseher über das Bildungswesen662 und eine Art Juristenschule in Thessalonike gegeben zu haben. 663 656 TinnKyd II1, 9. 657 KydEp I, Nr. 78, Z. 20f. (= TinnKyd 1/2, Nr. 53 mit A. 9). 658 In der gesamten Korrespondenz zwischen Kydones und Rhadenos (analysiert in TinnFreund) ist nirgends von einer Studienmöglichkeit bei einem Lehrer in Thessalonike die Rede. 659 Siehe die Monographie von G. T. Dennis, The reign of Manuel II Palaeologus in Thessalonica, 1382-1387, Rom 1960. 660 KydEp II, Nr. 262 (= TinnKyd III, Nr. 265), verfaßt im Herbst 1383. Hier heißt es, der Kaiser sei von Feinden der Bildung umgeben (Z. 61); die Bürger von Thessalonike, an die er seine Rede gerichtet habe, seien nicht fähig gewesen, seine rhetorische Leistung zu würdigen oder auch nur aufzunehmen, und nur ein kleiner Kreis sei zusammengekommen, um seinen Worten zu lauschen (Z. 73-80). Mit dieser auf die Bewohner Thessalonikes gemünzten Kritik verbindet Kydones allerdings eine Klage über den allgemeinen Verfall der Bildung auch in Konstantinopel (Z. 50-59). 661 HungChort, Brief Nr. 44; vgl. auch Nr. 47. 662 CanivOik 13; 74, A. 229. 663 S.o., Text mit A. 445.
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2. Mistra (Mu~'T)epa~).664 Diese Stadt auf der Peloponnes und ihre Fe" stung, in der Nähe des antiken Spana gelegen, gelangte 1262 aus lateinischer Herrschaft an Byzanz z u r ü c k . 1 Zunächst einem jährlich wechselnden Verwaltungs beamten unterstellt, wurde Mistra 1348 Sitz eines Despoten, der zugleich immer ein Kaisersohn war. Die Reihe begann mit Manuel Kantakuzenos, Sohn Johannes' VI. (1348-80), unter dessen Herrschaft erste Ansätze zur Entstehung auch eines Bildungszentrums erkennbar sind. D. Kydones erwähnt nach einem Besuch auf der Peloponnes 1371 einen entsprechenden Zirkel des Despoten und preist ihn als geistreichen Gesprächspanner. 665 Vielleicht beeinflußten auch gelegentliche Aufenthalte des gelehnen Exkaisers Johannes VI. diese Entwicklung. 666 1362 hatte sich G. Gabrielopulos zwar bei seinem Freund D. Kydones über die provinzielle Atmosphäre auf der Peloponnes beklagt,667 war aber don immerhin Gleichgesinnten wie Manuel Rhaul Metochites und M. Rhaul begegnet. Der erstere beschäftigte sich mit philosophischen Studien, vor allem mit den Werken Platons; er unterhielt auch in Mistra einen Gelehrtenkreis. 668 Von dem letzteren ist aus der Zeit um 1360 eine Briefsammlung erhalten. 669 In einem späteren Brief bezeugt D. Kydones, daß Manuel Kantakuzenos in Mistra auch eine beachtliche Bibliothek aufgebaut hatte. 67o Die geistigen Interessen seines Nachfol?,ers Theodoros 1. Palaiologos (1382-1407) stufte er eher als mäßig ein. I Erst nach dessen Tod war es G. Gemistos Plethon, der Mistra zum Rang eines erstrangigen Bildungszentrums führte. Seine Ankunft hier ist auf die Zeit kurz vor 1410 zu datieren. 672 Während der folgenden Jahrzehnte bis zu seinem Tod in hohem Alter 1452 bestimmte Plethon als Philosoph und politischer Denker maßgeblich das
664 Grundlegende Monographie über Mistra: I. P. Medvedev, Mistra. Ocerki istorii i kultury pozdnevizantijskogo goroda, Leningrad 1973. Zum Namen der Stadt a. o. 16f. Siehe auch ODB 1382-1385. 665 KydEp I, Nr. 22 (= TinnKyd 1/2, Nr. 77), Z. 13-20. 666 Der Exkaiser hielt sich von 1361 bis 1362 (oder bis 1363) in Mistra auf und besuchte vermutlich auch danach mehrfach seinen Sohn. Dazu D. M. Nicol, The Byzantine family of Kantakouzenos (Cantacuzenus) ca. 1100-1460, Washington 1968, 87f. Sein Aufenthalt hier um das Jahr 1370 ist kaum zu bezweifeln (E. Voordeckers, Un Empereur Palamite a Mistra en 1370, RESEE 9, 1971,607-615); er ist für die Zeit von 1382 bis zu seinem Tod 1383 gesichert (NicKant 91f.). 667 KydEp I, Nr. 32 (= TinnKyd 1/2, Nr. 57). 668 PLP 17984; TinnKyd 1/2, 343-346. Da von ihm offenbar nichts Schriftliches erhalten ist, wurde er nicht in die Literatenliste (5. 8) aufgenommen. 669 R. Loenertz, Emmanuelis Raul Epistulae XII, EEBS 26,1956, 127-163. 670 KydEp II, Nr. 293 (= TinnKyd III, Nr. 273), Z. 37-40. 671 KydEp II, Nr. 293 (= TinnKyd III, Nr. 273), Z. 30-42, 52-54, 73-75; KydEp II, Nr. 322 (= TinnKyd III, Nr. 313), Z.17-19, 21-23. 672 WoodhPleth 30.
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geistige Klima in Mistra und auch im übrigen Reich. Es verdient besondere Erwähnung, daß der Philosoph auch Herrschern seiner Zeit Ratschläge für eine Verwaltungs und Wirtschaftsreform erteilte. 673 Auf diesem Weg folgte ihm später sein begabtester Schüler Bessarion. 674 3. Trapezunt. Auch hier, wo seit dem frühen 13. Jh. unter der Herrschaft der "Großkomnenen" die Hauptstadt eines selbständigen griechischen Reiches entstanden war, entwickelte sich zeitweilig ein nennenswertes Geistesleben. Besondere Bedeutung gewann die Stadt für die Vermittlung arabisch-persischer Wissenschaft. Der erste Kaiser von Trapezunt, an dessen Hof einige bedeutendere Literaten anzutreffen waren, war wohl Alexios H. (1297-1330). Einige Zeit vor 1300 traf hier der aus Konstantinopel stammende gelehrte Mönch G. Chioniades ein. Er reiste mehrfach an den Hof der Mongolenherrscher im iranischen Täbriz, sammelte dort astronomische Texte und "Tafeln" in persischer Sprache, die der arabischen Tradition entstammten, und wurde über Trapezunt zum Vermittler der arabischen Astronomie auch an Byzanz. 675 Unter seinem Einfluß beschäftigte sich eine Reihe weiterer Gelehrter im Umkreis Alexios' Ir. mit Astronomie, vor allem der Makedonier K. Lukites, der bei Th. Hyrtakenos in Konstantinopel studiert hatte und am Hof von Trapezunt zum Protonotarios aufstieg,676 und ein Priester namens Manuel, von dem später G. Chrysokokkes (I) in Konstantinopel in die Astronomie eingeführt wurde. 677 Um 1335 kam A. Libadenos aus Konstantinopel nach Trapezunt, um dort Astronomie zu studieren; er stieg 1341 zum Chartophylax der Metropolie von Trapezunt auf, wurde aber auch als Verfasser eines interessanten Berichtes über eine Reise nach Ägypten und Palästina bekannt. 678 Unter Alexios IH. (1349-90) verfaßte M. Panaretos eine inhaltlich und stilistisch bescheidene Geschichte der Kaiser von Trapezunt. 679 Aus Trapezunt stammte auch Bessarion, einer der bedeutendsten Gelehrten des 15. Jh. Er verfaßte später eine ausführliche Ekphrasis seiner Heimatstadt, während sein Zeitgenosse J. Eugenikos Trapezunt
673 Genaueres dazu unten, Text mit A. 832-854. 674 Genaueres dazu unten, Text mit A. 855-866. 675 D. Pingree, Gregory Chioniades and Palaeologian Astronomy, DOP 18, 1964, 135160; TihonAstr I, 616f.; V, 473f.; L. G. Weste rink, La profession du foi de Gn:goire Chioniades, REB 38, 1980, 233-245. Eine wichtige Quelle ist die Briefedition des Chioniades: J. B. Papadopulos, rpTJyopLolJ XWVLCIÖOlJ to'Ü dOtpovof,lOlJ buOtokaL, 'E:n:LOtTJf,lOVLKT] btEtTJP~ tTi~ cllLAOaoLKij~ ~xokij~ IIavEmOtTJf,lLolJ eEOaakovLKTJ~, I, Thessalonike 1927, 151-204. 676 Hunger II, 252; ConstEd 93; Papadopulos (wie A. 675), 163-165. Gregoras schrieb an ihn den Brief GregEpL, Nr. 143. 677 PLP 16679. 678 Hunger I, 518. 679 A. O. 480.
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aus der Sicht des Ortsfremden beschrieb. 680 Der letzte bedeutende Literat am Ende unserer Epoche, der aus Trapezunt stammte und dort lebte, war der Theologe und Philosoph G. Amirutzes, der unter David 1., dem letzten Kaiser des Reiches (1458-61), zu hohen Staats ämtern aufstieg. Danach lebte er am Hof Mehmeds II. zu Konstantinopel. 1437 war er mit der byzantinischen Delegation als Laie zum Konzil von Ferrara-Florenz gereist, auf dem er wie Bessarion den unionistischen Standpunkt ver681 trat. 4. Zypern. Der einzige nennenswerte griechische Literat der Epoche, der auf dieser Insel lebte, scheint G. Lapithes gewesen zu sein. Er war gebürtiger Zypriote, besaß dort Ländereien und unterhielt gute Beziehungen zum lateinischen Herrscher der Insel, König Hugo IV. Lusignan (1324-59), der ihn wegen seiner Gelehrsamkeit als Philosoph und Astronom schätzte. Er war auch mit der lateinischen Sprache vertraut. Als Gegner der palamitischen Theologie unterhielt er Kontakte zu Antipalamiten in Konstantinopel wie Akindynos 682 und Gregoras. Von seiner Abhandlung über die Grundlehren des orthodoxen Glaubens ist nur ein kurzes Fra~ment erhalten. 683 Zwei Briefpartner des D. Kydones, G. Gabrielopulos 84 und der gebildete Kaufmann und Unternehmer Johannes Laskaris Kalopheros, der Kontakte zum Hof der Lusignan unterhielt, hielten sich zeitweilig auf Zypern auf. 685 5. Kreta. Diese Insel war 960/61 von Byzanz aus der Hand der Araber zurückerobert worden, fiel aber nach dem Vierten Kreuzzug 1205 an Venedig. Trotzdem blieb hier auf Jahrhunderte die griechisch-byzantinische Kultur, getragen vor allem von der orthodoxen Kirche, lebendig. 686 Im ganzen lassen sich jedoch nur wenige bedeutendere Träger dieser Kultur;. namhaft machen. Vor allen anderen ist der namhafte Dichter der kretischen Volkssprache St. Sachlikes zu nennen, der wohl auf der Insel geboren war und hier in der Hauptstadt Chandax, nach neuerer Datierung ca. 1331-1391, leb680 A. O. 175f. 681 ODB 77f.; J. Gill, Dictionnaire d'Histoire et de Geographie Ecclesiastiques XX, 1984, 586-589. 682 Dieser nannte ihn respekvoll 00<1>0(; (AkindH, Nr. 42 und 47). 683 Überblick über Leben und Werk des Lapithes bei F. Tinnefeid, Georgios Lapithes: Eine Ethopoiie auf Maria unter dem Kreuz Christi, Orthod. Forum 1, 1987, 33-59, hier 33f. 684 KydEp I, Nr. 31 (= TinnKyd 1/2, Nr. 49); TinnKyd III, Nr. 264 (S. lllf.), Nr. 273 (S. 137). 685 Zu Kalopheros: KydEp II, Nr. 325 (= TinnKyd 1/2, Nr. 67; dazu der Nachtrag TinnKyd II, 230). Zu dem im Idiom der Insel schreibenden zypriotischen Dichter Leontios Machairas s. u., A. 890. 686 M. Manusakas, ME'tpa 'tij(; BEvE'tLa(; Evav'tL 'tij(; ev KPtl'tTI bnppoij(; 'tO'Ü 1ta'tptap'XELoU, EEBS 30,1961,85-144.
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te. 687 Sohn eines Kaufmannes, besuchte er nach eigenem Zeugnis bis zum 14. Lebensjahr eine Schule, wo er nur die "YPUllllaLU <j>PUYKLKU" (Italienisch? Latein?) lernte. Bald danach starb sein Vater, und ihm fiel ein reiches Erbe zu, das ihm ein sorgenloses Leben ermöglichte. Als reicher Privatmann verfaßte er seine Dichtungen im Volks idiom, das er wohl im Elternhaus erlernt und autodidaktisch zur Literatursprache entwickelt hatte. In seinen Werken mit ihrer Tendenz zum Skandalösen erweist er sich als Kenner des Alltagslebens und als Mann der Praxis; der Gruppe der Literaten im engeren Sinne kann er aus diesen Gründen kaum zugewiesen, aber als begabter Außenseiter hier auch nicht übergangen werden. Etwas jünger war der aus vornehmer orthodoxer Familie stammende Dichter L. Dellaporta. Von ihm wissen wir positiv, daß er in der orthodoxen Tradition und, wie seine Werke zeigen, im traditionellen Griechisch der Literaten unterwiesen wurde. Er lebte als Soldat und Gesandter im venezianischen Dienst, machte sich später mißliebig und wurde offenbar im Gefängnis zum Dichter. Von ihm sind vier Gedichte autobiographischen und theologischen Inhalts, frei von Spuren der Volkssprache, bekannt, verfaßt zwischen 1403 und 1414. 688 Theologische und philosophische Werke verfaßte der gelehrte Mönch J. Philagrios, der zwischen 1361 und 1397 auf Kreta nachgewiesen ist. 689 Er stammte wahrscheinlich aus einer eher bescheidenen kretischen Familie. Möglicherweise war der gelehrte Petros Philagrios, der spätere Gegenpapst Alexander V. (1409/10), der ebenfalls Kreter war, mit ihm verwandt. Seine griechische Bildung, einschließlich Rhetorik und Philosophie, erhielt J. Philagrios wohl in einem orthodoxen Kloster; die Namen seiner etwaigen Lehrer sind nicht bekannt. Er selbst unterrichtete als Lehrer die dVO:rtEPU llue~IlUta (etwa Fächer der Sekundarstufe), wurde öLC~uaKuAo; Kp~'tTJ; genannt und verfaßte auch didaktische Werke sowie Scholien zu Aristoteles. Orte seines Wirkens waren das Kudumas-Kloster und das Kloster der Drei Hierarchen. 1397 polemisierte er gegen die lateinisch beeinflußte Pneumatologie des D. Kydones. 69o Ein Brief von ihm an den bereits mehrfach erwähnten gelehrten Prediger J. Bryennios, der etwa zwischen 1382 und 1402 auf Kreta nachweisbar ist, ist erhalten, in dem Philagrios den Adressaten als Philosophen und seinen Freund bezeichnet.691 Philagrios betont in dem Brief (1393/94), daß Bryennios mehr als er der Philo687 A.F. van Gemert, '0 :2:.E<pavo~ :2:axA.LKT]~ Kat t) btOx~ 'Oll, Thesaur 17, 1980, 36-130, vor allem 36-41. 688 Überblick über Leben und Werk: ODB 602. 689 G.K. Papazoglu, 'IwoT]
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sophie verpflichtet sei. Aber im wesentlichen diente Bryennios in Kreta nicht der Lehre der weltlichen Wissenschaft, sondern war als Prediger in der orthodoxen Seelsorge tätig, wie er in seiner Abschiedsrede an die Kreter, die zugleich eine Mahnrede zur Standhaftigkeit im Glauben ist, ausdrücklich sagt. 692 Der Bewahrung der Orthodoxie unter lateinischer Herrschaft auf Kreta diente auch der gemäßigte Hesychast N. Damilas, im Karkasina-Kloster von Hierapetra ca. 1397-1417 bezeugt, der im Lateinischen wie im Griechischen wohlbewandert war. Er verfaßte Schriften gegen den Glauben der Lateiner. 693 D. Kydones korrespondierte mit einem rhetorisch gebildeten Hesychastenmönch namens Athanasios; er lobte ihn, daß er die Weisheit, die er sich erworben habe, den Kindern der Kreter vermittle; er war also als Lehrer tätig. 694 Doch zweifelte Kydones bezeichnenderweise, ob seine hesychastische Gesinnung seiner pädagogischen Tätigkeit förderlich sei. 695 Um diese Zeit sind auch lateinerfreundlich gesinnte Byzantiner auf Kreta bezeugt. Nur während der letzten Monate oder Wochen vor seinem Tod 1397/98 hielt sich D. Kydones hier auf. 696 Aber einer seiner jüngeren Verehrer, Maximos Chrysoberges, kam um 1400 nach Kreta, um hier mit J. Bryennios und N. Damilas über den Ausgang des Hl. Geistes zu disputieren. 697 Während eines Aufenthaltes auf Kreta disputierte auch M. Kalekas mit einem griechischen Mönch, den er selbst als ziemlich ungebildet bezeichnet, über das Filioque. Nach seiner eigenen Darstellung mußte sich Kalekas geschlagen geben, weil der Mönch über einen starken Anhang verfügte; er verfaßte aber eine Streitschrift gegen ihn. 698 Mercati nahm an, daß der Kontrahent niemand anders als J. Bryennios war, und betitelte die Streitschrift daher "Adversus Br,raennium".699 Doch wurde diese Identifizierung von Loenertz bezweifelt. 7 0 Die kurze Zeit der Auseinandersetzung zwischen griechischen Gebildeten verschiedener Ausrichtung über Glaubensfragen war bald vorüber. Doch sind auch nach 1400 Literaten von Bedeutung auf Kreta bezeugt: J. Laskaris Pegonites aus Konstantinopel propagierte um 1410-20 hauptstädtische Kirchenmusik unter den Orthodoxen Kretas; J. Symeonakes ist als Protopapas von Chandax und Verfasser diverser Reden für etwa 1414 692 693 694 695 696 697
Bryennios I1I, 36-47. M. M. Nikolidakes, NeiAo~ ßa!lLA.a~, Diss., Herakleion 1981. PLP 401; KydEp II, Nr. 408, Z. 22-25. KydEp II, Nr. 434, Z. 20f.; Nr. 441, Z. 5-9. TinnKyd IIl, 49. Dies bezeugt ein Dialog, den J. Bryennios über diese Begegnung verfaßte: Bryennios 1,407-424. 698 KalekEp 32f. 699 MercNot 454-473 (Edition der Streitschrift). 700 KalekEp 38.
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bis 1449 bezeugt. Er unterhielt auch einen gelehrten Zirkel, und der italienische Humanist Rinuccio Aretino, der bei ihm studierte, rühmte ihn als vir literatissimus. 701 Auch für die Elementarbildung der orthodoxen Griechen auf Kreta fühlten sich Kleriker und Mönche zuständig. 702 Die Eltern schlossen mit ihnen entsprechende, meist nur mündliche, Privat.. ab.703 vertrage 6. Bulgarien und Serbien. Bei der Behandlung der Zentren literarischer Bildung im byzantinischen Umfeld sollte der südslavische Bereich nicht ganz übergangen werden. Im späten 12. Jh. hatte sich das seit dem frühen 11. Jh. unter byzantinischer Herrschaft stehende bulgarische Gebiet befreit, und es war um das Zentrum Trnovo das Zweite Bulgarische Reich entstanden; seine Kultur und literarische Tradition blieben aber trotz der abweichenden Sprache stark von Byzanz geprägt. Seit Ivan Asen 11. und der Entstehung eines autokephalen bulgarischen Patriarchats 1235 war Trnovo mehr und mehr in Konkurrenz zu Byzanz getreten, zumal sich Konstantinopel zunächst noch in der Hand der Lateiner befand. Im 14. Jh. bestanden sogar Tendenzen, Trnovo offen als "neues Konstantinopel" zu deklarieren. Das geistige Leben einschließlich der Übersetzungtätigkeit aus dem Griechischen und der Kopiertätigkeit wurde hier und im übrigen Bulgarien viel stärker als in Byzanz von der Geistlichkeit und dem Mönchtum getragen. Die Literaten bildeten eine Teilgruppe des Klerus und des Mönchsstandes, deren Bildungsstandard keineswegs homogen war. Über die Art und Weise, wie im kirchlich-klösterlichen Bereich Bildung vermittelt wurde, ist für die behandelte Epoche nur wenig bekannt. Das geistige Leben kann sich jedenfalls nicht nur auf die zwei bekannteren Klosterzentren Backovo-Petritzos und Zographu (Athos) beschränkt haben. Das ist bereits daraus ersichtlich, daß gerade die Anspruchsvolleren von Kloster zu Kloster wanderten, um sich ihr Basiswissen anzueignen. 704 Ein relativ großer Anteil der Bevölkerung war zumindest des Lesens und Schreibens kundig. Da der bulgarische Bildungskanon jedoch ganz auf den theologisch-geistlichen Bereich konzentriert war, waren die wenigen, die auch an profaner Bildung interessiert waren, darauf angewiesen, sich 701 N.M. Panagiotakes, 'H :n:möeLu Kui 1] /lOUmK~ KUta t~ BeVetOKpUtLa, Herakleion 1990,15. 702 A. O. I1f. Siehe auch oben, Text mit A. 694. 703 Daher sind von 732 Lehr- und Arbeitsverträgen, die Elisabeth Santschi, Contrats de travail et d'apprentissage en Crete venitienne au XIVe siede d'apres quelques notaires, Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 19, 1969, 34-73 gesammelt hat, nur vier zu nennen, die sich auf Schulunterricht beziehen; bei allen anderen handelt es sich um Lehrverhältnisse im Handwerk. 704 Zu den Fragen der bulgarischen Kultur in dieser Epoche siehe V. Gjuzelev, Bulgarien zwischen Orient und Okzident. Die Grundlagen seiner geistigen Kultur vom 13. bis zum 15. Jh. Aus dem Bulg. übers. von Ch. Belceva, Wien-Köln-Weimar 1993.
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ihr Wissen in Konstantinopel zu holen.~o5 Auch mit Klosterzentren außerhalb des Landes unterhielt man geistliche Kontakte, mit byzantinischen Klöstern, meist hesychastischer Prägung, mit walachischen, moldawisehen, serbischen, palästinensischen Klöstern sowie mit dem Katharinenkloster auf dem Berg Sinai. Bedeutendere Bibliotheken gab es wohl nur in Trnovo, sowohl im Patriarchat wie auch im Zarenpalast. Die Handschriftensammlung des letzteren wurde vor allem von Zar Ivan Alexander (1331-71) erheblich erweitert. Obwohl Bulgarien bereits 1393 dem Osmanischen Reich einverleibt wurde, kam es im frühen 15. Jh. noch einmal zu einer literarischen Blüte, die zumindest von hier ausging. Ihr wichtigster Vertreter war Konstantin Kostenecki mit dem Beinamen "Philosoph" (ca. 1380-1431), der im Backovo- bzw. Petritzos-Kloster in der griechischen Literatur unterwiesen wurde. Nach der Zerstörung Philippopels durch die Türken 1410 emigrierte er zu Stefan Lazarovic (1389-1427) nach Serbien, wo seit dem Anfang des 13. Jh. vor allem das literarische Genus der Herrscherbiographie gepflegt worden war. 706 Konstantin verfaßte u. a. eine historisch wertvolle Vita dieses Fürsten und übersetzte griechische Vätertexte. 707 Auch in dieser Zeit entstanden noch weitere serbische Herrscherbiographien, vor allem die des Königs Stefan Uros III. Decanski, verfaßt von dem Bulgaren Grigorij Camblak, der ca. 1409 ohne Einwilligung Konstantinopels zum Metropoliten von Kiev gewählt wurde. Sein reiches literarisches hagiographisches, homiletisches und liturgisches Werk ist noch weitgehend unveröffentlicht. 70B
5.5. Die Öffnung der Literaten zum lateinischen Westen Das späte Byzanz war auch nach der Rückgewinnung Konstantinopels als Hauptstadt unter Michael VIII. (1261) nur noch ein unbedeutendes Staats gebilde, dem zahlreiche mächtige Staaten im Abendland gegenüberstanden. Hier hatte sich im Laufe des 13. Jh., im Zeitalter der Hochscholastik, mit dem Aufkommen und dem Ausbau der Universitäten ein Geistesleben entwickelt, mit dem man in Byzanz, das durch die lateinische Okkupation von 1204 auch in eine kulturelle Krise geraten war, nicht mehr ernsthaft konkurrieren konnte. Einem so bedeutenden Universalgelehrten wie Albertus Magnus (t 1280) und einem Theologen wie seinem 705 A. O. 92, 96. 706 Zur serbischen Herrscherbiographie siehe zuletzt Bosko I. Bojovic, L'ideologie monarchique dans les hagio-biographies dynastiques du Moyen Age serbe, Rom 1995. 707 Zu Konstantin Kostenecki: ODB 1147. 708 Zu Grigorij Camblak siehe ODB 368.
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Schüler Thomas von Aquin (t 1274) hatte Byzanz nichts Vergleichbares entgegenzustellen. So verwundert es nicht, daß zumindest eine kleine Gruppe der byzantinischen Gebildeten den Blick nach dem Westen wendete und sich von der Kultur des Abendlandes Anregungen für das eigene Philosophieren und die eigene Theologie holte. Das Eindringen der Abendländer in die byzantinische Welt im Gefolge des Vierten Kreuzzuges (1204) hatte allerdings zunächst nicht zu einer kulturellen Annäherung, sondern im Gegenteil zu einer breiten Ablehnung aller westlichen Einflüsse geführt. In diesem Zusammenhang entwickelten byzantinische Gebildete ein übersteigertes Selbstbewußtsein: Man besann sich auf die antiken Traditionen und betonte, daß man in Byzanz die Sprache spreche und pflege, in der die bedeutendsten Philosophen der Antike Platon und Aristoteles ihre Werke geschrieben hatten. 709 Wenn Byzanz dennoch auf kirchlichem Sektor ein Interesse zeigte, die Kontakte weiterzuführen, war dies eher ein Gebot der politischen Klugheit als ein Zeichen geistiger Verbundenheit. Bezeichnenderweise blieben denn auch alle Verhandlungen zwischen der Kirche des Kaiserreichs von Nikaia und Rom ohne greifbares Ergebnis. 7lO Konsequenter als seine Vorgänger betrieb, wiederum aus politischen Gründen, Michael VIII. diese Politik der Kirchenunion. Im Vorfeld des Konzils von Lyon (1274) förderte er Tendenzen, sich mit der Theologie des Gegners auseinanderzusetzen und ihn so besser zu verstehen. So sieht man, obwohl der Zusammenhang nicht positiv zu beweisen ist, in der griechischen Übersetzung, die M. Planudes von Augustinus, De trinitate, anfertigte, einen Beitrag zur Vorbereitung der U nionsverhandlungen. 711 Jedenfalls muß Planudes spätestens 1280 über Lateinkenntnisse verfügt 709 Diese Haltung kennzeichnete vor allem den elitären Kreis des Nikephoros Blemmydes, dem auch der Thronfolger Theodoros Laskaris, später Kaiser Theodoros II. (1254-58), angehörte, und sein Bericht über eine Disputation mit abendländischen Gelehrten zeigt in besonders eindrucksvoller Weise dieses Selbstbewußtsein (TinnNiv 253-261). 710 Überblick bei RobLyon 62f. In den folgenden Ausführungen klingt nochmals (wie schon oben, Text mit A. 355-371) der Streit um die Unionsfrage an, aber der Gesichtspunkt hat sich geändert. Ging es dort um die Spaltung der Literatengruppe wegen des Streites um die Union, so steht hier der Aspekt der Annäherung an die Kultur des Westens im Vordergrund. 711 Beck 686; PodTheol123, 176; ConstEd 66 mit A. 4. Die Übersetzung lag später auch D. Kydones vor, a. O. 88 mit A. 147. Editio princeps: M. Papathomopulos / 1. Tsabare / G. Rigotti, AUYOlJO'tLVOlJ fIEpt TpLUÖOS;. BLßALU 1tEVtEKULöEKU Ü1tEP ... I-IEtTjVEYKE MUSLI-IOS; 6 fIA.uvouöT)S;, Athen 1995. Einen Überblick über die Forschungsarbeit der letzten Jahre zur Beschäftigung mit philosophischer lateinischer Literatur im späten Byzanz gibt L. G. Benakis, Lateinische Literatur in Byzanz. Die Übersetzungen philosophischer Texte, in: LAEkkT)v. Studies in Honour of Robert Browning, ed. C. N. Constantinides u. a., Venedig 1996, 35-42.
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haben,712 ohne daß bekannt wäre, wie er sie erworben hat. Die übrigen lateinischen Übersetzungen, die im späten 13. Jh. entstanden, lassen sich allerdings mit den Absichten des Kaisers nicht in Verbindung bringen. Wenn aber Planudes die Dicta Catonis, Werke Ovids, Ciceros Somnium mit dem Macrobius-Kommentar und die Consolatio des Boethius übersetzte, und M. Holobolos Werke des Boethius zur Dialektik und über die Syllogismen,7J3 zeigt das immerhin ein großes Interesse an lateinischer Literatur, das zudem anscheinend nicht zweckgebunden war. Im übrigen sollte man den Umfang der theologischen Vorbereitungen auf die Verhandlungen in Lyon nicht zu hoch einschätzen. Selbst der gelehrte Großlogothet G. Akropolites reiste nur als Staatsmann, nicht als theologischer Experte im Auftrag Michaels VIII. nach Lyon, und theologische Fachdiskussionen fanden dort überhaupt nicht statt.714 Wohl noch in der ersten Hälfte des Jahres 1273 wurde der spätere Patriarch Johannes XI., angeblich durch das Studium der lateinischen Väter,715 im Gefängnis, in das ihn der Kaiser verbannt hatte, vom überzeugten Unionsgegner zum U nionisten/ 16 wurde aber nicht zur Teilnahme an der Konzilsdelegation ausgewählt. Auch über Lateinkenntnisse anderer Befürworter der Union wie Konstantinos Meliteniotes, der die römische Lehre des Filioque verteidigte,717 und G. Metochites, der unter Andronikos 11. lieber langjährige Kerkerhaft in Kauf nahm, als sich der orthodoxen Lehre zu beugen/li ist nichts bekannt. In der folgenden Generation war es auf byzantinischer Seite der hochgebildete kalabresische Mönch BarIaam, der die Verbindung zur abend712 A. O. 42 mit A. 60. 713 Die endgültige Zuweisung an Holobolos entgegen früheren Zweifeln erfolgte durch D. Z. Nikitas, Eine byzantinische übersetzung von Boethius' "De hypotheticis sy11ogismis", Göttingen 1982, 38-47 (vgl. PLP 21047, Kategorie A). - Auch Gregorios II. hatte auf Zypern Latein gelernt (ConstEd 44), machte aber von diesen Kenntnissen offenbar wenig Gebrauch. - Erst kürzlich wurde eine um 1300 in Byzanz entstandene übersetzung des "Speculum Doctrinale" von Vinzenz von Beauvais (t 1264) ediert, PerezBeauv. Die Editorin denkt an M. Holobolos oder Sophonias als mögliche übersetzer des Textes (10Of.). 714 RobLyon 223 und 235. Ein Werk des Akropolites zur Verteidigung der lateinischen Lehre wurde unter Andronikos II. verbrannt (Beck 675; siehe auch oben, A. 406). 715 Wieweit lateinische Vätertexte seinen Sinneswandel beeinflußten, ist fraglich, denn G. Hofmann, Patriarch Johannes Bekkos und die lateinische Kultur, OCP 11, 1945, 141164, insb. 157-159 hat gezeigt, daß seine Lat~inkenntnisse recht mäßig waren und daß er im übrigen vermutlich nicht einmal die Übersetzung des M. Planudes von Augustins "De trinitate" (s.o., A. 711) gelesen hatte. Zur Person des Patriarchen siehe auch Beck681f. 716 Zur Datierung dieser Sinnesänderung siehe A. Failler, Chronologie et composition dans l'Histoire de Georges Pachymere, REB 39,1981,223. 717 PLP 17856; Text seines Traktates: PG 141, 1032-1274. 718 Zu seiner Person s.o., Text mit A. 366.
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ländischen Scholastik eröffnete. Sehr wahrscheinlich war er, bevor er nach Byzanz kam, im Umfeld seines süditalienischen Basilianerklosters Sant' Elia di Galatro mit dieser in nähere Berührung gekommen. Die griechischen Klöster Süditaliens waren Orte des Kontaktes beider Kulturen und spielten auch eine Rolle bei der Vermittlung byzantinischer Kultur an den Raum Italien. 719 Wenn Barlaam es war, der in Byzanz durch sein geschädtes Methodenbewußtsein "die bis dahin üblichen Kategorien des geistigen Standorts sprengte" ,720 ist dies ohne den Einfluß des Abendlandes kaum zu erklären. Gleichwohl ist er wegen der soliden griechisch-byzantinischen Bildung, die er als orthodoxer Mönch genossen hatte, und wegen seines über ein Jahrzehnt dauernden Aufenthalts auf byzantinischem Reichsterritorium trotz seiner besonderen Situation in vollem Sinne zu den byzantinischen Literaten zu zählen. Aber nicht nur Byzanz verdankte ihm entscheidende Denkanstöße, er wurde umgekehrt auch zum Vermittler griechischer Bildung an den Frühhumanismus. Es begann mit einer Gesandtschaftsreise 1339 im Auftrag Kaiser Andronikos' III. zu Papst Benedikt XII. nach Avignon, wo er zum ersten Mal auf kurze Zeit Petrarca begegnete. Nach seiner kirchlichen Verurteilung in Konstantinopel 1341 reiste Barlaam über Neapef21 ein zweites Mal nach Avignon, wo auch Petrarca im Frühjahr 1342 wieder eintraf und sich von Mai bis Oktober des Jahres von ihm im Griechischen unterrichten ließ. 722 Diese Studien endeten vorläufig am 12.11.1342 mit Barlaams Abreise nach Gerace in Kalabrien, wo er zum lateinischen Bischof erhoben worden war, wurden aber von Petrarca 1347 auf die Dauer von fünf bis sechs Monaten wieder aufgenommen. Gemäß den neueren Erkenntnissen von Leone dauerte diese erste durch persönlichen Kontakt vermittelte Begegnung des Frühhumanismus mit dem Griechischen wesentlich länger und war intensiver, als man es früher angenommen hatte. Unter anderem wissen wir nun, daß Barlaam den Dichter anhand von Dialogen Platons in das Griechische einführte und ihm aufgrund seiner profunden Kenntnis der Philosophie die Texte auch inhaltlich erläuterte. Die Kontakte Barlaams mit Petrarca blieben in ihrer Art nicht die einzigen. Im HerbstIWinter 1342/43 traf Barlaam am Hof von Neapel mit dem Humanisten Paolo von Perugia zu ersten gelehrten Gesprächen 719 PodTheoI177. 720 A. 0.126. 721 Am Hof König Roberts des Weisen von Anjou (1309-43) traf er damals weder, wie früher angenommen, Boccaccio (der über ihn nur aus zweiter Hand berichtet) noch den Gelehrten Paolo von Perugia. Dies betont P. L. M. Leone, Barlaam in Occidente, Annali dell' Universita di Lecce, Facolta dilettere e filosofia, 8-10, 1977-80 (= Studi in onore di Mario Marti, I, 1981),427-446 hier 434, gegen F. Lo Parco, Petrarca e Barlaam, Reggio/Calabria 1905. 722 A. O. 440, 443.
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zusammen, und dieser erbat und erhielt von ihm Material aus der griechischen Mrhologie für ein Werk über die Götter der alten Griechen und Römer. 72 Ein weiterer Italogrieche und Bekannter Petrarcas sei hier wenigstens beiläufig erwähnt, der, allerdings auf italienischem Boden, eine Brücke zwischen griechischer und lateinischer Kultur schlug: Leontius Pilatus, der sich um 1360 als Homerübersetzer einen Namen machte. 724 Erst seit der Mitte des 14. Jh. kam es zu intensiverer Beschäftigung einiger byzantinischer Literaten mit der abendländischen Scholastik. Am Anfang dieser Bewegung steht der Staatsmann D. Kydones, der um 1350 bei einem abendländischen Mönch die lateinische Sprache erlernte, zunächst in der Absicht, sich mit westlichen Gesandten verständigen zu können. Doch erwuchs aus diesen Studien bald ein großes Interesse an der Theologie der Scholastik, denn sein Lateinlehrer, ein Angehöriger des Dominikanerordens, hatte ihm die "Summa contra gentiles" des Thomas von Aquin als "Übungsbuch" in die Hand gegeben. 725 Aufgrund dieser Lektüre beschäftigte sich Kydones bald intensiver mit der Philosophie und Theologie dieses bedeutenden Theologen. Er übersetzte nach und nach die ganze Summa contra gentiles und später auch große Teile seiner Summa theologiae ins Griechische. 726 Was ihn am Werk des Aquinaten vor allem faszinierte, war seine methodische Stringenz. 727 Sein kaiserlicher Herr Johannes VI. begleitete diese Arbeit seines vertrauten Mitarbeiters zunächst mit Wohlwollen. 72B Die gute Beziehung wurde erst gestört, als Demetrios und bald auch sein jüngerer Bruder, der Athosmönch Prochoros, aufgrund ihrer Thomasstudien endgültig zu der Überzeugung kamen, daß G. Palamas, der jede Anwendung heidnischer" also auch aristotelischer Denkkategorien in der Theologie ablehnte, mit dieser Haltung, aber auch mit seinem theologischen Gebäude, der Lehre von den göttlichen Energien, einen Irrweg beschritten hatte{29 denn dieser Kaiser bzw., nach seinem erzwungenen Rücktritt 1354, Exkaiser gehörte zu den maßgebenden Anhängern und Förderern dieser Theologie. no Die Gebrüder Kydones leiteten im orthodoxen Umfeld also eine regelrechte Rezeption der scholastischen Theologie ein, die in ihrer In-
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A. O. 437f. A. Pertusi, Leonzio Pilato fra Petrarca e Boccaccio, Venedig-Rom 1964. KianKydThom 268, 271; TinnKyd I, 11f. KianKydThom 269f. A. O. 274. A. O. 269. A. O. 280. S.o., Text mit A. 353.
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tensität mit Recht als "Einbruch" bezeichnet wurde. 731 Freilich blieb sie auf einen recht kleinen Personenkreis beschränkt. Es verdient aber Beachtung, daß die erste Auseinandersetzung mit den Thomasübersetzungendes D. Kydones von gegnerischer Seite erfolgte: Es war sein Lehrer Neilos Kabasilas, der die scholastische Methode, mit Syllogismen Theologie zu betreiben, in seiner Schrift "Über den Ausgang des Hl. Geistes, gegen die Lateiner" scharf angriff, da er Syllogismen mit dem Konzept der "Gottesweisheit,,7J2 für nicht vereinbar hielt. 7J3 Während D. Kydones ferner in der traditionellen Streitfrage des Filioque an einen faktischen Konsens zwischen lateinischen und griechischen Vätern glaubte, sah die Mehrzahl der Orthodoxen diese Frage nach wie vor als trennend an. 734 Schließlich mußte sich Kydones auch mit dem bereits zuvor erwähnten Vorurteil seiner Landsleute auseinandersetzen, das wissenschaftliche Niveau in Byzanz sei dem des lateinischen Abendlandes weit überlegen. Er vertrat den §egenteiligen Standpunkt und machte sich dadurch zweifellos unbeliebt. 7 Aber es war zunächst nur sein Bruder Prochoros, der 1368 der kirchlichen Verurteilung verfiel, da man sich anscheinend scheute, Demetrios wegen seiner hochrangigen Stellung im Staat anzutasten; über ihn wurde das Anathema wahrscheinlich erst nach . T 0 de verh"angt. 736 semem Als leitender Staatsmann Ü.teoa~wv) unter Johannes V. seit ca. 1356 gehörte D. Kydones zu den eifrigsten Befürwortern einer Wiedervereinigung der Orthodoxie mit der Kirche des Westens. Er verband die Einsicht in die politische Notwendigkeit, Hilfe gegen die drohende Türkengefahr im Abendland zu suchen, mit einer großen Hochachtung für den Rang d~r abendländischen Wissenschaft. m Wohl bereits 1357 zog er aus seiner Uberzeugun§ für sich selbst die Konsequenz und trat zur römischen Kirche über. 7 Diesen Schritt hatte bereits einige Zeit vor ihm der byzantinische Literat S. Atumanos getan, mit dem D. Kydones brieflich in Verbindung stand. Kydones' erster erhaltener Brief an ihn aus dem Jahr 1364739 setzt voraus, daß er soeben vom Papst zum Bischof von Cassano ernannt worden war; er muß also bereits einige Zeit vorher dem Klerus der römischen 731 732 733 734 735 736 737
PodTheol180. S.o., Text mit A. 309-314. Dazu und zur Entgegnung des Kydones auf diese Kritik s.o., Text mit A. 509-511. KianKydAp 64f. A. O. 68f.; TinnNiv 273f. TinnKyd 1/1, 21 mit A. 112; 47 mit A. 267. Vgl. KianKydAp 60: ..... the two sides of the program - the political and the intellectual- must be taken together and viewed in as integrated a way as possible ... ". 738 TinnKyd 1/1, 16. 739 KydEp I, Nr. 93 (= TinnKyd 1/2, Nr. 59).
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Kirche angehört haben. Es ist bezeichnend für die Gesinnung des Kydones, wenn er hier anerkennend vermerkt, die Ehrung des Atumanos mit dem Bischofsamt gelte zugleich den "Hellenen" insgesamt ('tO KOLVOV 'tWV cEAÄ:llvOJv ... AaJmpo'tEpOV ä3to<j>aLvoum)/40 während in den Augen vieler seiner orthodoxen Landsleute Atumanos nichts anderes als ein Abtrünniger war. Kydones begleitete Kaiser Johannes V. 1369 nach Rom, wo dieser unter seinem Einfluß die Konversion zur römischen Kirche vollzog. Kydones hatte sich auch gelehrte Disputationen mit Vertretern der Scholastik erhofft, klagt aber in einem Brief an seinen Bruder Prochoros, daß dazu keine Zeit bleibe, obwohl in Rom eine Menge gelehrter Persönlichkeiten zusammenkomme und er auch manche persönlichen Kontakte habe knüpfen können. 741 Weder diese Enttäuschung noch die ausbleibende abendländische Hilfe für Johannes V. nach seiner Konversion konnten die Vorliebe des Kydones für alles Abendländische beeinträchtigen. In Byzanz vermißte er als Anhänger der Lateiner (Aa'tLvo<j>pOJV) nach dem frühen Tod seines Bruders Prochoros (um 1370) anscheinend eine Zeitlang die Gesellschaft Gleichgesinnter, doch erstand etwa in den frühen 80er Jahren eine Generation jüngerer Gesinnungsgenossen, die sich unter seinem Einfluß mit der römischen Theologie beschäftigten und auch zur Kirche des Westens übertraten. Wohl der älteste unter ihnen war M. Chrysoloras, geb. um 1350. Ein Brief des Kydones an eine dritte Person aus dem Jahr 1386 bezeugt erstmals freundschaftliche Kontakte zwischen beiden, deren bereits längeres Andauern allerdings angedeutet wird. 742 Mit ihm reiste Kydones 1390/91 nach Venedig; beide trafen dort erstmals mit frühen Vertretern des italienischen Humanismus zusammen, und Kydone~, erhielt als besondere Auszeichnung das venezianische Bürgerrecht. 74J Kurz bevor Kydones diese Reise antrat, nahm Manuel Kalekas, damals Lehrer der eYKUKALO~ 3taLöEia in Konstantinopel, brieflich Kontakt mit ihm auf. Er sollte sich als der treueste Schüler seiner letzten Jahre und über seinen Tod hinaus erweisen. Kydones führte ihn nach seiner Rückkehr in das Werk des Thomas von Aquin ein und beauftragte ihn 1393, seine autographe Briefsammlung zu kopieren. 744 Als 1396 Patriarch Antonios IV. energisch gegen abweichende Meinungen innerhalb der Orthodoxie vorging, verließen im Herbst des Jahres sowohl D. Kydones wie auch Kalekas Konstantinopel für immer. Kalekas trat zur römischen 740 741 742 743 744
A. 0., Z. 25f. KydEp I, Nr. 39 (= TinnKyd I/2, Nr. 71), Z. 11-29. KydEp H, Nr. 358 (= TinnKyd III, Nr. 322). TinnKyd 111, 43f. Zur Datierung der Bekanntschaft auf die Zeit ab 1390 und zur Datierung des Kopierauftrages auf 1391192: KalekEp 21f.
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Kirche über; er lebte von 1396-99 im Dominikanerkonvent von Pera, 1400 auf Kreta, ca. 1401-03 in Italien und trat 1404 auf der von Genuesen beherrschten Insel Lesbos in den Dominikanerorden ein. In seinen Schriften wandte er sich zunächst gegen den Palamismus, später verteidigte er vor allem die römische Lehre vom Ausgang des Hl. Geistes. 745 Kydones starb nach einem Aufenthalt in Venedig im Winter 1397/98 auf der venezianischen Insel Kreta. Auch bei einem anderen späten Schüler des D. Kydones, M. Chrysoberges, begann die innere Hinwendung zum lateinischen Westen mit dem Studium des Thomas von Aquin, wie sich aus einem Brief des Kydones an ihn, verlaßt um 1385-87, ergibt.746 Er schloß sich ca. 1390/91 dem Konvent der Dominikaner in Pera an, studierte u. a. in Venedig und Padua und lebte später ebenfalls im Konvent auf Lesbos. 747 Seine jüngeren Brüder Theodoros und Andreas folgten ihm nach Studienjahren in Pavia später in den Dominikanerorden. Andreas vertrat gegen die Palamiten eine Gotteslehre im Sinne des Thomas von Aquin. 748 M. Chrysoloras hatte Kydones auf seiner Italienreise im Herbst 1396 erneut begleitet, um einer Einladung der Signoria von Florenz zu folgen, am dortigen "Studium" die altgriechische Sprache und Literatur zu lehren. Seit seiner Bekanntschaft mit dem jungen Humanisten Roberto Rossi während seines ersten Aufenthaltes in Venedig 1390/91 war dessen Lehrer, der venezianische Staatsmann und Humanist Coluccio Salutati, auf ihn aufmerksam geworden. Salutati, der großes Interesse an der griechischen Sprache zeigte, hatte die Einladung des Chrysoloras erwirkt. 749
745 Zur Biographie des Kalekas: KalekEp, Einleitung. Zu seiner theologischen Bedeutung: PodTheoI212-215. Zur Korrespondenz des Kalekas mit Briefpartnern im Abendland s.o., Text mit A. 240. Von seiner Schrift .Gegen die Griechen" wurde bislang nur die lateinische Übersetzung ediert, verfaßt von dem italienischen Humanisten und Kamaldulensermönch Ambrogio Traversari (PG 152, 11-258). 746 TinnNiv 277; KydEp 11, Nr. 333 (= TinnKyd III, Nr. 0341). Zu seiner Disputation mit j. Bryennios auf Kreta s.o., Text mit A. 697. 747 Zur Biographie: R.-j. Loenertz, Pour la chronologie des oeuvres dejoseph Bryennios, REB 7, 1949, 12-32, hier 21f. (= ders., Byzantina et Franco-Graeca, 11, Rom 1978, 5176, hier 61-63). 748 R.-j. Loenertz, Les dominicains byzantins Theodore et Andre Chrysoberges ... , Archivum Fratrum Praedicatorum 9, 1939, 5-61 (= ders., Byzantina et Franco-Graeca, 11, Rom 1978, 77-130). 749 Salutati (PLP 11979) sprach seine Einladung in Briefen an D. Kydones und M. Chrysoloras aus; siehe Epistolario di Coluccio Salutati, ed. F. Novati, III, Rom 1896, 105ff. (Nr. 13 und Nr. 14). Zur Unterrichtstätigkeit des Chrysoloras in Florenz: CamCris 82-85, 96f. Forschungsbasis zu Leben und Werk des Chrysoloras ist immer noch die Monographie CamCris, ergänzt durch eine Kurzbiographie von Loenertz in KalekEp 63-71. Gemäß KalekEp 64f., A. 5, reisten Kydones und Chrysoloras nur 1390/91 und 1396/97 nicht aber auch noch 1395 nach Venedig, wie CamCris im Anschluß an No-
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Er und andere Humanisten von Florenz beriefen Chrysoloras als Lehrer des Griechischen an das »Studium" von Florenz, nicht um die zeitgenössische byzantinische Literatur kennenzulernen, sondern ausschließlich, um die klassischen Autoren besser lesen und verstehen zu können; sie erhofften sich von den zeitgenössischen byzantinischen Literaten eine bessere Vermittlung der Sprache, als sie durch Bücher zu erlangen war. Zu den Schülern des Chrysoloras in Florenz gehörten bedeutende Humanisten wie der spätere Übersetzer platonischer Werke Leonardo Bruni Aretino, Pier Paolo Vergerio il Vecchio, später Lehrer des Griechischen in Padua, und der Bankier Palla Strozzi, der als Sammler griechischer Handschriften bekannt wurde. 750 Chrysoloras blieb bis 1400 in Florenz und lehrte danach noch bis 1403 in Pavia, bevor er nach Konstantinopel zurückkehrte. Nachdem er bereits lange Jahre der römischen Kirche nahegestanden hatte, vollzog er zu einem unbekannten Zeitpunkt die Konversion, jedenfalls vor 1406, denn in diesem Jahr wurde er zum Priester des lateinischen Ritus geweiht. 751 Vergeblich hatte der streng orthodox gesinnte J. Chortasmenos ihn in den Jahren vor der Konversion umzustimmen versucht und von ihm brieflich ein schriftliches Bekenntnis zur Orthodoxie verlangt; er dürfte kaum eine Antwort erhalten haben. 752 Es reisten aber in diesen Jahren nicht nur Byzantiner in den Westen; manche Abendländer nahmen auch den umgekehrten Weg, um in Byzanz der griechischen Antike zu begegnen. Aus der Korrespondenz des Kydones wissen wir von einem jungen Mailänder namens Paulus, der bereits 1386 nach Konstantinopel kam, um dort klassische Autoren und auch Kirchenväter zu studieren. Er wurde aber trotz einer Empfehlung des Kydones in Literatenkreisen nicht so freundlich empfangen, wie er es sich erhofft hatte, so daß sein Aufenthalt nur von kurzer Dauer war. 753 Als Chrysoloras nach Konstantinopel zurückgekehrt war, studierte hier bei ihm und seinem Neffen J ohannes ca. 1404-1408 Guarino Veronese, der später als Lehrer des Griechischen in Italien tätig sein sollte/54 Erst 1420 kam der Humanist Francesco Filelfo nach Byzanz. Zunächst Sekretär einer venezianischen Delegation, dann aber im Dienst Kaiser Johannes' VIII., blieb er bis 1427. Er heiratete Theodora, eine Tochter des Johannes Chrysoloras, der sich um 1400 zeitweilig bei seinem Onkel vati irrig angenommen hatte. Eine Reise 1394/95 setzt noch an E. Gamillscheg, LexMA 11, 1983, 2052. 750 CamCris 50-60. Bruni: PLP 14660; Strozzi: PLP 26963. 751 HungChort 97-100; vgl. auch den Überblick über das Leben des Chrysoloras in ODB 454. 752 HungChort 101 und Brief Nr. 29. 753 TinnNiv 278f. Zu den von Paulus (PLP 22087) bevorzugten Autoren vgl. KydEp 11, Nr. 360 (= TinnKyd III, Nr. 319), Z. 15-23. 754 LetMan XXXVI. Guarino: PLP 4324.
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Manuel in Italien aufgehalten hatte. Filelfo nutzte die Zeit in Byzanz auch, um an Ort und Stelle, vornehmlich bei G~ Chrysokokkes (II), Griechisch zu studieren. Nach seiner Rückkehr war er als Lehrer des Griechischen an den Universitäten in Florenz und Rom tätig. 755 Zu Beginn des 15. Jh. ebbte der Strom byzantinischer oder griechischer Literaten, die sich dem Westen zuwandten, vorübergehend ab. Nur der Kreter Georgios T rapezuntios ist noch zu nennen, der 1416 nach Italien reiste und dort bis zu seinem Tode blieb. Er lehrte Griechisch zunächst in Vicenza und 1427-37 in Venedig, verfaßte ein bedeutendes lateinisches Werk über Rhetorik und war ein Anhänger der aristotelischen Philosophie. 756 Erneut trat das Abendland in das Blickfeld byzantinischer Literaten, als 1437-39 eine Delegation aus Konstantinopel mit Kaiser Johannes VIII. nach Italien reiste, um das von Papst Eugen IV. einberufene Konzil in Ferrara und später Florenz zu besuchen. Zu den führenden Persönlichkeiten der Delegation gehörten drei Metropoliten, Bessarion von Nikaia, Markos Eugenikos von Ephesos und Isidoros von Kiev, sowie vier Laien, G. Gemistos Plethon, Georgios Scholarios (später Gennadios II.), G. Amirutzes und J. Eugenikos, der Bruder des Markos. Mehrere von ihnen nutzten den Aufenthalt zu Kontakten mit italienischen Humanisten. Dazu war auch vor dem Konzil reichlich Gelegenheit, weil die Byzantiner bereits im März 1438 in Ferrara eingetroffen waren, das Konzil aber erst am 8. Oktober begann. Hier war es der gefeierte Philosoph und Universalgelehrte Ugo Benzi, in dessen Haus man sich wenigstens einmal beim festlichen Mahl zu gelehrten Gesprächen traf. Bei ihm verkehrte auch Enea Silvio Piccolomini, der spätere Papst Pius 11., ein Bewunderer der Stadt Konstantinopel, in der er die antike Weisheit bewahrt glaubte. Er ist einer der beiden Berichterstatter über das Treffen. Wir erfahren von griechischen Gästen, aber nicht, wer sie waren. Da aber ein Disput um Platon und Aristoteles das Hauptthema des Gesprächs war, darf man wohl annehmen, daß die Platoniker Plethon und wohl auch Bessarion zugegen waren, denn Benzi verteidigte Aristoteles gegen die Griechen, und zwar mit den besseren Argumenten, wie Piccolomini glaubt, während später Plethon dem Aristotelismus der Abendländer eine Neigung zum Averroismus vorwarf und ihre Platonkenntnis für ungenügend er" 757 k!arte.
755 Filelfo: PLP 29803; ODB 785. Zur Heirat: CamCris 189f. 756 PLP 4120; MonGeorg. 757 Zu den führenden Persönlichkeiten: WoodhPleth 128-130, 179 U. Eugenikos, der bereits in Ferrara ausschied). Zur Einladung bei Benzi (PLP 21153): a. O. 148f. Zu Piecolomini: PLP 23220. WoodhPleth 131 zählt auch]. Argyropulos zu den Teilnehmern der Delegation. Siehe aber unten, A. 775.
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Eine neue Gelegenheit zur Begegnung der Literaten mit Humanisten Italiens ergab sich in Florenz 1439. Der bedeutendste unter ihnen war Leonardo Bruni, einst Schüler des Chrysoloras, Kanzler der Signoria, einer der besten Kenner des Griechischen im Lande und durch seine Übersetzungen Platons ins Lateinische als Kenner dieses Philosophen ausgewiesen. In dem gelehrten Zirkel, den Cosimo de' Medici, Haupt der Signoria seit 1434, hier unterhielt, verkehrte vor allem Plethon und erhielt wohl auch Gelegenheit, seinen platonistischen Standpunkt vorzutragen, wie er ihn noch im gleichen Jahr in seiner Schrift "Über die Unterschiede zwischen Aristoteles und Platon" niederlegte. 758 Neben diesen Kontakten unter Humanisten wurde das Konzil vor allem zum Ort der Begegnung zwischen abendländischer und byzantinischer Theologie. Von den genannten geistigen Anführern der Delegation können zur Zeit des Konzils vier als Anhänger einer Kirchenunion bezeichnet werden: die Metropoliten Bessarion von Nikaia und Isidoros von Kiev sowie die Laien Georgios Scholarios (Gennadios H.) und G. Amirutzes. m Sie hatten, was ihre innere Hinwendung zum Westen betraf, alle ihre je eigene Geschichte. Was veranlaßte den aus Trapezunt stammenden Bessarion, Wortführer der Union zu werden? Ein wertvolles Zeugnis seiner theologischen Einstellung vor dem Konzil ist ein Brief an Andreas Chrysoberges, damals lateinischer Bischof von Rhodos, geschrieben in Methone (Modon, Peloponnes), als er mit der Delegation auf dem Weg zum Konzil nach Italien war. 760 Hier teilt er mit, daß er über die offizielle Sanktionierung
758 WoodhPleth 154-165. Hier auch Überlegungen zum Zuhörerkreis Plethons. Zur Schrift "De differentiis" s.o., A. 288. 759 GennSchol VIII, 41'" zählt auch G. Gemistos Plethon zu ihnen, meines Erachtens zu Unrecht. Plethon war ex professo nicht mit den theologischen Debatten des Konzils befaßt, zumal der Kaiser den Laien in seiner Delegation die aktive Teilnahme an diesen untersagt hatte (WoodhPleth 141). Seine einzige öffentliche Äußerung auf dem Konzil war eine kritische Bemerkung über einen verfälschten lateinischen Text des Dekrets von Nikaia 787, welcher das Filioque enthielt (a. O. 142). Er gab auch Ratschläge, wie man die Lateiner widerlegen könne (a. O. 144). Schließlich gehörte er zu denen, die das Konzil vor dem Abschluß der Union verließen (gemäß GennSchol VIII, 25* am 14. Juni 1439; vgl. WoodhPleth 175). Seine spätere antilateinische Schrift über den Ausgang des Heiligen Geistes ist also kaum das Dokument eines Gesinnungswandels, wie dies GennSchol VIII, 41"', A. 2 annimmt. Bei WoodhPleth 174 erscheint die Annahme, daß er dem Filioque durch eine schriftliche Erklärung zugestimmt habe, nicht ausreichend begründet. 760 Dieser Brief ist nur überliefert, weil er in einem Brief des Empfängers A. Chrysoberges wörtlich zitiert wird. Der Chrysoberges-Brief wurde eingeleitet und ediert von E. Candal, Andreae Rhodiens!.s, O. P., inedita ad Bessarionem epistula, OCP 4, 1938, 329-371; Brieftext mit lat. Ubers.: 344-371. Zum inserierten Brief Bessarions siehe E. J. Stormon, Bessarion before the Council of Florence, in: Byzantine Papers. Procee-
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der palamitischen Theologie in der Kirche von Byzanz sehr unglücklich sei; sie bedeute eine Abweichung von der Vätertradition, die außer dem dreifaltigen Gott nichts U ngeschaffenes, also auch keine ungeschaffenen göttlichen "Energien" kenne. Diese Kritik übt er auch .~uf der Basis seiner Kenntnis Thomas von Aquins (nach der Kydones-Ubersetzung), der die Identität von Gottes Wesen und Wirken lehre. Die Energienlehre war ein Thema, das auf dem Konzil ausgeklammert wurde; ihre Ablehnung auf der Basis der thomasischen Theologie scheint aber für Bessarion ein wichtiger Beweggrund gewesen zu sein, sich der lateinischen Kirche zuzuwenden. Über die Gründe der unionistischen Gesinnung, die den gebürtigen Peloponnesier Isidoros (seit 1436 orthodoxer Metropolit von Kiev) prägte, gibt eine Rede (llpompwvrnw) Auskunft, die er als Abgesandter des byzantinischen Kaisers Johannes VIII. zum Konzil von Basel unterwegs in Ulm vor Kaiser Sigismund hielt. 761 Hier bedauert er zutiefst das Kirchenschisma als eine Spaltung zwischen Europa und Asien und eine Katastrophe innerhalb der einst geeinten Kirche,762 zumal die Christenheit nun gegen den gemeinsamen Feind, die Türken, zusammenhalten müs763 se. Scholarios gehörte wie nicht wenige seiner gebildeten Landsleute in der ersten Hälfte des 15. Jh. zu denen, die über Kenntnisse in der lateinischen Sprache verfügten 6\ und bald begann er als Autodidakt mit dem Studium philosophischer und theologischer Schriften der Scholastik, vor allem des Thomas von Aquin. Bis 1435 übersetzte er u. a. dessen Kommentar zu Aristoteles' Werk "De anima".765 In einem Ende 1435 verfaßten Brief an seinen Schüler Johannes berichtet er von seiner Teilnahme an Unionsverhandlungen mit den Lateinern. 766 Sein Studium der griechischen und lateinischen Väter führte ihn zu dem Ergebnis, daß eine Einigung über die s~.hwierige Frage des Filioque möglich sein müsse. Die Bereitschaft zur Uberprüfung der Streitfragen soll er gemäß Syropulos bereits vor Beginn des Konzils bekundet haben. 767 In der Tat vertrat er
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dings of the First Australian Byzantine Studies Conference, ed. E. and M. JeHreys / Ann MoHatt, Canberra 1981, 128-156, hier 143-146. H. Hunger / H. Wurm, Isidoros von Kiev, Begrüßungsansprache an Kaiser Sigismund (Ulm, 24. Juni 1434), Römische Historische Mitteilungen 38,1996,143-180, Textedition: 154-163. A. O. 162f. (Text), 172f. (Übers.). A. O. 160-162 (Text), 170-172 (Übers.). GennSchol VIII, 21 *. A. O. 24*. A. O. IV, 413-416. Syr 170, Z. 1-14; dazu GennSchol VIII, 25*.
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auf dem Konzil in mehreren schriftlich erhaltenen Reden eine unionistische Position/68 die er erst einige Zeit nach seiner Rückkehr widerrief. G. Amirutzes nahm an der Delegation als Begleiter seines Metropoliten Dorotheos von T rapezunt teil. Er nahm während des Konzils klar Partei gegen den Antiunionisten M. Eugenikos. 769 In einem Glaubensbekenntnis von MailJuni 1439 bekannte er sich zum Filioque. 770 Über die Gründe seiner damaligen unionistischen Gesinnung scheint wenig bekannt zu sein. In späteren Jahren wandte er sich gegen die Union. 771 Bessarion und Isidoros erhielten am 18.12.1439 die Kardinalswürde der römischen Kirche. Scholarios widerrief unter dem Einfluß seines Lehrers M. Eugenikos bald seine Zustimmung zur Kirchenunion. Die Polarisierung der byzantinischen Literaten in der Lateinerfrage konnte also durch das Konzil nicht aufgehoben werden; die Spaltung hatte sich sogar noch vertieft. m Doch hörte Scholarios auch nach dem Konzil nicht auf, sich mit der lateinischen Theologie zu beschäftigen. Er verfaßte vor allem Übersetzungen und Kurzfassungen von Werken des Thomas von • 773 Aqum , aber auc h von an deren I" atelillSC hen Autoren 774 . Der wohl herausragendste byzantinische Literat und Philosoph mit westlicher Orientierung war in den letzten Jahren von Byzanz, abgesehen von Bessarion, J. Argyropulos. Während aber Bessarion als römischer Kardinal bereits seit 1440, nach einer kurzen Rückkehr in die Heimat, ständig in Italien lebte, blieb Argyropulos, dessen erste Reise nach Italien 768 GennSchol I, 295-375; dazu a. O. VIII, 33-47. Die Argumente, die Th. N. Zeses, revvuöw~ B' LxoMpw~. Bto~ - LUYYPUIlIlU'tU - ßLÖUOKUAtU, Thessalonike 1980, 128-158 und 394-420 gegen die Echtheit dieser Reden anführt, sind nicht akzeptabel. Vgl. die kritischen Rezensionen des Buches vonJ. Darrouzes, REB 39, 1981, 350f. und G. Podskalsky, BZ 77,1984,58-60. WoodhPleth 129, 173 und 237 hingegen zitiert die Meinung von Zeses ohne jede Kritik, nimmt aber die in GennSchol VIII (s.o.) vorgebrachten Argumente nicht zur Kenntnis. 769 Syr338,Z.17-19;420. 770 M. Jugie, La profession de foi de Georges Amiroutzes au concile de Florence, Echos d'Orient 36,1937,175-180 (editio princeps). 771 In seiner späteren antiunionistischen Phase bekundet ihm Scholarios sein Wohlwollen in einem Brief (GennSchol IV, 453f., Nr. 28; dort datiert auf 1449/50) an Kaiser Johannes IV. von Trapezunt (PLP 12108), in dem er auf eine Gesandtschaft des Amirutzes nach Italien Bezug nimmt. 772 Die Entwicklung skizziert im Überblick J. Gill, TRE V, 1980, 289-296, hier 294f. Zur Tendenz Bessarions, Entwicklungen im Westen als vorbildlich hinzustellen, s. u., Text mit A. 860, 863-866. 773 De ente et essentia (Übers. und Komm., 1445-1450); Resümees der Summa contra gentiles und gro~.er Teile der Summa theologiae (1464 und später), ediert in GennSchol V und VI; Ubersicht über die Datierungen: GennSchol VIII, 17* und 19*. Weitere Thomasübersetzungen: GennSchol VI und VIII. 774 Petrus Hispanus, Summulae logicarum (GennSchol VIII, 283-337); Gilbert de la Porree, De sex principiis (a. O. 338-350).
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nicht vor Frühjahr 1441 anzusetzen ist, zunächst nicht auf Dauer dort. Damals begab er sich nach Padua, wo er sowohl studierte wie auch Griechisch lehrte, blieb dort bis mindestens Juli 1444 und kehrte bis s~äte stens 1448, wahrscheinlich aber bereits 1444, nach Byzanz zurück/ wo er im Auftrag Kaiser Johannes' VIII. eine Lehrtätigkeit übernahm. n6 Erst nach dem Fall Konstantinopels blieb er als Lehrer der griechischen Philosophie in Italien und lehrte zuerst in Florenz, später in Rom. Doch kann diese Zeit seines Lebens ebenso wie die jüngere Generation von Byzantinern, deren Emigration nach Italien erst nach der Eroberung Konstantinopels durch die Türken (1453) begann, hier nicht mehr berücksichtigt werden. m Es ist sicher richtig, daß einige der Literaten, die ihr Interesse der abendländischen Wissenschaft zuwandten, zu den bedeutendsten Vertretern dieser Gruppe gehörten. Sie blieben aber gegenüber denen, die von der abendländischen Kultur nichts wissen wollten, dennoch eine verschwindende Minderheit. Allzuweit blieben die meisten byzantinischen Gebildeten von der dramatischen Entwicklung der Wissenschaft im Abendland innerlich entfernt, zumal die Ereignisse von und nach 1204, wie bereits beschrieben, ihre Bereitschaft zu einem Austausch noch mehr eingeschränkt hatte. So reagierten selbst einige ihrer bedeutendsten Vertreter gegenüber den abendländischen Kollegen eh~r mit hochmütiger Distanzierung. Als ein Beispiel für viele soll eine Außerung des G. Gemistos Plethon stehen, der sich, wie gesagt, in Ferrara und Florenz zu Gesprächen mit italienischen Humanisten bereitgefunden hatte. In seiner ca. 1449 verfaßten Replik auf die von Scholarios 1444/45 verfaßte "Verteidigung des Aristoteles" vertrat er die Überzeugung, zur Zeit des Konzils hätten die besten westlichen Philosophen ihre Unterlegenheit g~en über den Griechen eingestanden und versucht, von ihnen zu lernen. So blieb der Geist der überheblichen Selbsteinschätzung, und das - dies sei 775 CamArg 15-19 (Reise nach Italien nach dem 13. April 1441), 23f. (letzter Beleg für den Aufenthalt in Padua: 24. Juli 1444), 26 (Unsicherheit über den Aufenthaltsort nach Juli 1444 und vor 1448), 30 (Annahme seiner Rückehr nach Byzanz bald nach dem 24. Juli 1444). Die Reise nach Italien wird hier als die erste bezeichnet, weil die Annahme von CamArg, Argyropulos habe zur Delegation des Florenzer Konzils gehört, von MonGeorg 376 widerlegt werden konnte (entsprechend auch CanivOik 20). 776 S.o., Text mit A. 566-568. 777 Von der umfangreichen Literatur über die Griechen, die vor und vor allem nach 1453 in den Westen (meist nach Italien) auswanderten, sei hier nur auf die jüngst erschienene Arbeit von J. Harns verwiesen (HarrEmigr). Das Buch ist allerdings nicht speziell den Literaten gewidmet, sondern untersucht die Auswanderung als allgemeines soziales Phänomen und behandelt unter dem Stichwort "Cultural Transmission from East to West" außer Sprache und Literatur auch Medizin, Schiffs technik, Navigation und Kunsthandwerk. 778 WoodhPleth 283.
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nicht geleugnet - wohl auch im Westen nicht weniger als im Osten, Sieger über den Geist des Dialogs und verhinderte letztlich das fruchtbare und fördernde Gespräch auf gleicher Ebene, durch das allein die Annäherung gegnerischer Positionen erreicht werden kann.
5.6. Äußerungen der Literaten zu sozialen und wirtschaftlichen Fragen ihrer Zeit In diesem letzten Abschnitt soll untersucht werden, ob und wie sich Vertreter der Literatengruppe zu politischen, sozialen und wirtschaftlichen Zeitfragen äußerten, also ihre Verantwortung in der Gesellschaft wahrnahmen und sich im heute oft verwendeten Sinne des Wortes als "Intellektuelle" verhielten. Es sollen nicht die Personen zu Wort kommen, die zugleich Literaten und eine längere Zeit ihres Lebens hindurch Staatsbeamte waren, sondern nur Beiträge einer "intellektuellen Elite" ohne leitende Position in der Gesellschaft gewürdigt werden. Material dieser Art findet sich grundsätzlich in unterschiedlichen literarischen Genera, vor allem in Geschichtswerken, Briefen,m einigen Reden oder auch in speziellen Abhandlungen. Nur von den letzteren soll eine Auswahl vorgestellt werden, von Werken also, die bereits vom Thema her aktuellen gesellschaftlichen Fragen gewidmet sind. Die früheste der hier ausgewählten Schriften ist der "Dialog der Reichen und Armen" des A. Makrembolites (t nach 1349), der sozial eher der Mittelschicht zuzuweisen ist; es folgen zwei Schriften über das Zinsnehmen sowie zwei weitere Texte von N. Kabasilas Chamaetos (t nach 1391), der Herkunft nach ein Vertreter der landbesitzenden Stadtaristokratie; an dritter Stelle stehen zwei sozialpolitische Reformschriften, verfaßt in den Jahren vor 1420 von dem angesehenen Gelehrten G. Gemistos Plethon, an vierter ein Traktat mit sozialpolitischen Reformvorschlägen in Form eines Briefes an den Despoten von Mistra Konstantinos Palaiologos, verlaßt von' Bessarion, der damals bereits römischer Kardinal war. I. Wahrscheinlich im Jahr 1344 verlaßte A. Makrembolites seinen ~L6.A.OYO~ :rtA.ouoi.wv Kat :rtEVTJ'tWV (Dialog der Reichen und Armen).7Bo 779 Das Material der Briefe ist we~tgehend gesammelt und ausgewertet in SmetEp. 780 Kritische Edition mit engJ. Ubers. und Kommentar: SevMakr. Zusammenfassende Auseinandersetzung mit dem Werk: PoljPore 209-243; russ. Übers. des Dialogs: 248269. Abgesehen von einigen Gedichten, sind die Werke des Makrembolites in der autographen Hs Jerusalem, Patriarchats bibliothek, Sabbai'ticus 417 enthalten. Die meisten sind theologischen Inhalts; es findet sich hier aber auch eine Schrift über den Krieg zwischen Byzanz und Genua 1348/49. Die Datierung des Dialogs basiert vor allem auf der Erwähnung einer Reihe von Erdbeben, die Konstantinopel im Herbst
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Über das Leben des Autors ist wenig bekannt. Es muß offenbleiben, ob er Kleriker oder Laie war. Zeitweilig stand er im Dienst eines gewissen Patrikiotes, dem Johannes (VI.) Kantakuzenos die Verteilung von Pronoialändern anvertraut hatte und der 1342 ermordet wurde. Der Schwerpunkt seiner literarischen Tätigkeit liegt in den 40er Jahren des 14. Jh., und er scheint in Konstantinopel gelebt zu haben. Anspielungen auf seine Bedürftigkeit sollte man nicht zu wörtlich nehmen; am ehesten ist er wohl der Mittelschicht zuzuordnen, wurde aber als Angehöriger dieser Schicht durch die Ereignisse des Bürgerkrieges zwischen Johannes VI. und seinen Gegnern materiell erheblich geschädigt. In seinem Dialog schildern in der rhetorischen Form der Ethopoüe die "Armen" ihre Notlage und verlangen von den "Reichen" im Namen der christlichen Moral eine größere Bereitschaft, mit den weniger Begüterten zu teilen. Die "Reichen" behaupten allerdings von sich selbst, nicht zu den "extrem Reichen", sondern eher einem gehobenen Mittelstand anzugehören. Doch kann man dies auch als Ausflucht verstehen, warum sie die Bitte der Armen, mit ihnen zu teilen, nicht erfüllen wollen. 781 Poljakovskaja782 nimmt an, daß die "Reichen" des Dialogs vor allem Personen gewesen seien, die durch Handelsunternehmen zu Geld gekommen waren. Zwar nennen die Armen ausdrücklich auch den Handel (tllJtopla) unter den Quellen des Reichtums. Doch werden im Kontext auch e:rtLO't~I1T1 (Wissen, Bildung), eyKpatEta (Maßhalten), c:ip:rtaYl1ata (Raub, unrechtmäßiger Erwerb), öuvaO'tEla (Machtstellung), also wohl eine gehobene Beamtenposition, sowie auch Erbschaft als Quellen des Reichtums genannt. Die Erwähnung von Wissen und Bildung in diesem Zusammenhang zeigt, daß Makrembolites sie als Voraussetzung für eine Karriere, wohl im Staatsdienst, ansieht, aber noch interessanter ist es, daß er nur der Machtstellung (öuvaO'tEla) im Staat die Eigenschaft einer Geldquelle für "viele" zubilligt, ein Beweis, daß es zu seiner Zeit immer
1343 erschütterten (SevMakr 200 aufgrund der TextsteIle a. O. 203, Z. 3-10, die das Erdbeben auf Gottes Zorn wegen sozialer Ungerechtigkeit zurückführt). 781 SevMakr 200 stellt die Frage: "How rich were the Rich and how poor were the Poor of the Dialogue?" Er stellt fest, daß die Reichen sich im Dialog selbst zur !1Eo6n!;, also zur (oberen) Mittelschicht zählen und sich von den d!Cpa (Extremen), d.h., sowohl von den Reichsten wie den Ärmsten distanzieren (Text: a. O. 210, Z. 18-20). Die "Armen" wiederum wollen sich ebensowenig zu den Extremen zählen. Sie fühlen sich sogar denen, die sie reich nennen, näher, als den Allerärmsten (a. O. 201; Text: 210, Z. 21-27). 782 PoljPort' 223, mit Verweis auf die TextsteIle SevMakr 207, Z. 1-3: 'i\ yap ~ mLO't'liI1TJ; btAOU't1]OE 'tt; 'i\ ~ 4L:n:opi.a;. dUOL Ö' ~ tyKpa'tEi.a; !Cat ~ cip:n:aYI1(i'trov E1:EPOL, !Cat bc öuvaO'tEi.a; :n:oUot, 'i\ !Cat :n:a'tp!l>ou di)pou !Cat 'tlilv 'tOL01J"troV. Zu den im folgen-
den genannten Quellen des Reichtums vgl. auch OikHomm 117, der btLO't'liI1TJ mit "metier qualifie" (qualifiziertes Handwerk) übersetzt.
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noch einträglich war, einen guten Posten in der Beamtenhierarchie zu erobern. Die »Armen« des Dialoges wollen, wie gesagt, nicht der untersten Schicht der Gesellschaft angehören. Sie üben manuelle Berufe im Land-, Haus-, Schiffsbau und in anderen Bereichen aus und sind stolz darauf, zum Fortbestand ihrer Gesellschaft aktiv beizutragen. 7BJ Die Reichen suchen sich in dem Dialog mit immer neuen Argumenten gegen die Vorwürfe der Armen, die ihnen vor allem soziale Ungerechtigkeit vorhalten, zu verteidigen. Sie unterstellen den Armen entgegen ihrer eigenen Aussage Verweigerun~ des Dienstes, also der Arbeit, die allein eine Entlohnung rechtfertige. 7B Aus ihrer Sicht ist den Armen ein Leben in Unglück und Leiden, ihnen selbst ständiger Erfolg vorbestimmt. 7BS Gegen die Forderung der Armen, die Reichen sollten ihren Überfluß mit ihnen teilen, bringen sie vor, das Ganze ziehe die Teile an, nicht umgekehrt. 7B6 Außerdem sei ihr Reichtum auf ein Mittelmaß beschränkt und genüge gerade, die eigenen Kinder vor materieller Not zu bewahren und für das eigene Alter vorzusorgen. 7B7 Andererseits stellten die Armen ihre Armut oft übertrieben und wehleidig zur Schau; sie hätten aber keine Ahnung, wie schlecht es den Reichen oft gehe, wie sie unter dem Zorn der Herrschenden, unter Intrigen, Verleumdungen und Neid zu leiden hätten und wie sie von der Sorge um den Erhalt und der Angst um den Verlust ihres Eigentums geplagt würden. 7BB Ferner weisen die Reichen auf die allgemeine Verarmung des Staates hin, die auch ihren Reichtum erheblich beeinträchtige. Auf dem Geld allein aber beruhe ihre gesellschaftliche Stellung im Leben und sogar nach dem Tode; denn ohne Bezahlung könnten sie nicht einmal mit einem ehrenvollen Begräbnis rechnen. 7B9 An ein Teilen ihres Besitzes mit den Armen sei somit nicht zu denken. Während sich also Oberschicht und höherer Mittelstand ängstlich an den status quo klammern, wollen die »Armen" die bestehenden Verhältnisse zugunsten sozial-wirtschaftlicher Gleichheit verändern. Als naives Rezept zur Herbeiführung dieser Gleichheit schlagen sie vor allem die 783 SevMakr 210, Z. 8-10: 'E~ 1JjtÖlv ... oL tiJv yijv tpya~6ILeVOL, oL tU~ obd.a~, oL tU~ oÄ.KaÖa~, oL x,et.peltl.O"ttilLove~, ÖL' c1)v aL lt6Ä.e~ ltdOaL ()'\lvLatavtaL ... 784 A. O. 205, Z. 17f.: 8EIL~ tpE<j>eLv ltpotKa tou~ 1Li) öo'UÄ.e';ovta~. An einer späteren Stelle (a. O. 210, Z. 17-20) deuten die Reichen an, daß sie die Armen samt und sonders für Taugenichtse, Diebe, Trunkenbolde, Faulpelze, Verleumder, Neider oder gar Mörder halten. 785 A. O. 206, Z. 1M.: OÜtO>~ Wpl.O"taL, Lv' ulLe~ ILEv deL KaKOltpayijte Kat tU ltaVÖeLVa ltaax,1Jte, 1J ILtv öe ltavtax,68ev KatU poilv tU ltpaYlLata <j>EP1JtaL. 786 A. O. 207, Z. 11-13. 787 A. O. 210, Z. 20, 28f.; 211, Z. 22-24. 788 A. O. 212, Z. 10-14,19-29. 789 A. 0.213, Z. 12-23; 214, Z. 24-215, Z. 10.
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Zulassung von klassenübergreifenden Eheverbindungen vor. 790 Es ist schwer zu sagen, ob und inwieweit sich der Verfasser durch solche Vorschläge eine wirkliche Besserung der Verhältnisse in seinem Sinne erhoffte; ein gewisser resignativer Ton ist in der ganzen Schrift nicht zu überhören. Die Schrift ist nicht von einem Revolutionär geschrieben, zeigt aber deutlich die Tendenz, bestehende gesellschaftliche Verhältnisse in Frage zu stellen, mit dem Verweis auf Gott, der maßlose Ungleichheit (ä.J.l.E'tpO~ a.vLa6't'l1~) nicht zulassen könne, um nicht ungerecht genannt zu werden.79\ Es geht auch den Armen nicht um völlige Gleichmacherei, sondern nUr um die Beseitigung ausufernder sozialer Unterschiede, und dies nicht durch Gewalt und Umsturz, sondern durch friedliche Übereinkunft, wie Makrembolites sie z. B. in ehelichen Verbindungen gegeben sieht. II. Der Theologe, Mystiker und Literat N. Kabasilas Chamaetos stammte aus der gleichen landbesitzenden Stadtaristokratie wie D. Kydones und war etwa gleichen Alters wie dieser, also um 1324 geboren. Beide Familien standen dem Megas Domestikos und späteren Kaiser (ab Oktober 1341) Johannes VI. (Kantakuzenos) nahe. Als Johannes 1347 in der Hauptstadt die Macht übernommen hatte, berief er Kydones und Kabasilas, die noch nicht 25 Jahre alt waren, zu vertraulicher Mitarbeit in seine Umgebung. Doch scheint Kabasilas später wieder im wesentlichen in Thessalonike gelebt zu haben. Ob er je Mönch wurde, ist bis heute umstritten. Jedenfalls ist er ein solide gebildeter Literat, der sich in den Dienst der "Gottesweisheit" stellte, ohne dabei die "Weltweisheit" ganz zu verachten. 792 Er hat vier Texte hinterlassen, die sich mit sozial-wirtschaftlichen Zeitproblemen beschäftigen; doch kann nUr der im folgenden erstgenannte einigermaßen sicher datiert werden: 1. Eine Denkschrift an die Kaiserin Anna von Savoyen, die Witwe Andronikos' III., gegen das Zinsnehmen, verfaßt sehr wahrscheinlich 1351.793 2. Traktat (A6yo~) gegen die Zinsnehmer, verfaßt wahrscheinlich längere Zeit nach der Denkschrift. 794 790 A. O. 208, Z. 3-12. 791 A. O. 207, Z. 21-25. 792 Zur Biographie der frühen Jahre immer noch grundlegend: LoenCab. Über die Einstellung des Kabasilas zur" Weltweisheit" s.o., Text mit A. 335. 793 Titel: TU EuoEßE01:aT[1 AuyouOT[1- IIEpt 'tOKOU. Edition, Resümee und kommentierende Erläuterungen: R. Guilland, Le traite inedit "Sur l'usure" de Nicolas Cabasilas, in: ElC; I'vTJl'TJv l:mJptöwvOC; Aaf.l3tpou, ed. G. Charitakes, Athen 1935,269-277; Text: 274-277. Überzeugende Begründung der Datierung auf 1351 bei LoenCab 317-320; sie wird auch von AngKabas 87-91 übernommen. Näheres zu diesem Ansatz weiter unten. 794 Titel: Ku'tu 'tOKL~OV'tWV. Edition und lat. Übers.: PG 150, 727-750. Für eine Datierung des Traktates in die 50er Jahre könnte sprechen, daß Kabasilas sich im Anschluß an seine Denkschrift über die Zinsfrage grundsätzliche Gedanken machte, die er in diesem Traktat niederlegte. Der Traktat wird wegen der besonderen Bedeutung der
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3. Traktat über die ungesetzlichen Frevel der Herrschenden an den Heiligtümern (A6yo~ 1tepL 'tWV 1tapaV6ILlO~ 'tote; äpXOUOLV bet 'tot~ tepo~ 'tO).,lLlOILEVlOV). Verfaßt nach 1370 ?795 4. Appell an die Behörden zur Verteidigung der sozial Schwachen (daSevEO'tepOL) gegen Habsucht und Ungerechtigkeit (Fragment). Datie. her. 196 rung unslc Diese vier Texte werden nun in der angegebenen Reihenfolge im einzelnen besprochen. 1. Denkschrift an die Kaiserin Anna. Die Situation dieser Denkschrift läßt sich aus ihrem Text klar entnehmen. Sie ist eingangs an die Kaiserin Anna gerichtet, geht aber im weiteren Verlauf zu einer Anrede im Plural über, die nun auch Annas Sohn Johannes V. ohne Namensnennung miteinbezieht, und appelliert am Schluß an die Kaiserin, auf den Kaiser, sc. ihren Sohn, im Sinne der Denkschrift einzuwirken.797 Kabasilas appelliert an Mutter und Sohn, ein Gesetz des "alleredelsten Kaisers" (1t
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Thematik, zu der er wichtige Informationen beiträgt, im folgenden besonders ausführlich behandelt. SevCab I hatte eine Datierung auf 1344 befürwortet. Diese wurde durch die Entdekkung eines Entwurfs der Schrift in der Hs Paris. gr. 1276 unsicher (Bericht darüber in SevCab 11). SevCab 11, 188 läßt daher die Datierung offen, plädiert aber nun eher für die Zeit nach 1370. P. Charanis, Observations on the "Anti-Zealot" Discourse of Cabasilas, RESEE 9, 1971, 369-376, schlägt wegen paralleler Nachrichten beim Metropoliten I. Glabas über wiederholte Konfiskationen von Kirchengütern ebenfalls eine Datierung des Aoyor; in die Zeit nach 1370 vor. Die Hs Paris. gr. 1276 enthält nicht nur den Entwurf des Traktats gegen die Frevler am Heiligtum, sondern auch das genannte Fragment. Es wird in SevCab 11, 196-201 ediert und analysiert, aber in der nachfolgenden Kabasilas-Literatur durchweg vergessen. Die Zuweisung des Fragmentes an Kabasilas wird a. o. 199f. begründet. Guilland (wie oben, A. 793),275, Z. 10ff.; 277, Z. I1f., 21ff. Nach der Erwähnung des Gesetzes (a. O. 274, Z. 34-39) fährt Kabasilas IIlit der Anrede ·YJ.LELr; öe, äpLO'tOL dv8pw:rtOlV Kat ÖLKaWtatOL fort (a. O. 275, Z. 10f.), unterscheidet die Angeredeten also von dem Gesetzgeber. Da von einem Appell an den letzteren keine Rede ist, ist dessen Tod vorauszusetzen. A. O. 274, Z. 34-39. DöReg IV zitiert dieses Gesetz unter Berufung auf die Denkschrift unter 2717a und datiert es auf die Zeit kurz nach 24. Mai 1328 (Tag des Sieges Andronikos' III. über seinen Großvater und Rivalen im Bürgerkrieg Andronikos 11.).
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bittet nun, dieses Gesetz möge nach einer Zeit erneuter Kriegswirren soo wiederum Geltung erhalten (K'UPLOV eIvm). Die erwähnten Kriegswirren können sich nur auf den zweiten Bürgerkrieg 1341-47 bzw. die Zeit der Zelotenherrschaft in Thessalonike 1342-50 beziehen. Während dieser Zeit hatten auch die Besitztümer der Familie Kabasilas und anderer Familien seiner sozialen Schicht Einbußen erlitten, so daß Kabasilas wahrscheinlich auch pro domo spricht. SOl Ein Appell des Kabasilas an die Kaiserin Anna und ihren Sohn wäre grundsätzlich entweder während der Jahre 1341-47 möglich, als sie in Konstantinopel Regentin für ihren Sohn war, oder 1351, als sie sich mit ihrem Sohn in Thessalonike aufhielt. s02 Nun spricht aber die Denkschrift von der Zeit der Wirren ausdrücklich als von vergangenen und nunmehr beendeten Ereignissen. S03 Eine Datierung der Denkschrift in die Zeit, als die "Wirren" (KA:t)ÖWV KOLV6~) noch im Gange waren, ist also ausgeschlossen, und es bleibt nur das Jahr 1351. S04 Es hatte sich also während der zweiten Zeit der Wirren ähnlich wie vor 1328 für Kreditnehmer gegen Zins ein ähnliches Problem ergeben: Sie hatten die Rückzahlung einer bestimmten Summe mit Zins vertraglich vereinbart, als es ihnen noch materiell gut ging, hatten dann während der Wirren Einbußen an ihrem Besitz erlitten, waren in eine schwierige Situation geraten und sahen daher in dem Gesetz des Andronikos, das ihnen die Rückzahlung der Summe ohne Zins gestattete, eine Chance. sos 2. Traktat gegen die Zinsnehmer. Vermutlich gab die Ausarbeitung der Denkschrift Kabasilas Anlaß, über das Problem des Zinsnehmens grundsätzlicher nachzudenken. Während aber die Denkschrift nur auf ein Gesetz Bezug nimmt, welches eine bereits bestehende Zinsübereinkunft zwischen Gläubiger und Schuldner unter bestimmten Umständen für ungültig erklärt, wendet sich der Traktat in grundsätzlicher Form gegen jedes Zinsnehmen. So ist eine Abfassung in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Denkschrift nicht anzunehmen, weil
800 Guilland (wie oben, A. 793), 274, Z. 39-275, Z. 3. 801 MatschThes 31: "Es ist also ganz zweifellos die politische und militärische Elite der Stadt, deren wirtschaftliche und gesellschaftliche Position durch die Aufstandsereignisse gefährdet wird, unter anderem die Familien Kabasilas, Kydones, Tzamplakon ... " 802 Vgl. LoenCab 320. 803 Gleiches Zitat wie A. 800. Dazu LoenCab 319f. 804 Auch Dölger datiert im oben, A. 799, zitierten Regest mit der älteren Forschung die Denkschrift an die Kaiserin auf 1342/43, was aber seit den Ausführungen von Loenertz nicht mehr haltbar" ist. 805 Das Gesetz des Andronikos wird ausdrücklich als eines im;Ep tÖJV KaKÖJ~ npattovtoov (für Menschen in einer sozial schwierigen Lage) bezeichnet, Guilland (wie oben, A. 793),275, Z. 19f.
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die wesentlich weiter gehenden Forderungen des Traktates mit dem enggesteckten Ziel der Denkschrift nicht vereinbar sind. Der Traktat ist zwar nicht wie der des Makrembolites in Dialogform angelegt, führt aber ähnlich wie dieser die Argumente der Andersdenkenden, in diesem Fall also der Zinsnehmer, an und versucht sie dann zu widerlegen. Im wesentlichen lassen sich neun Argumentationssequenzen (im folgenden: A + Nr.) unterscheiden. A 1 (PG 150, 728A-733A): An den Anfang stellt Kabasilas die Behauptung einiger Zeitgenossen, es bestehe zwar ein Gesetz gegen das Zinsnehmen, aber es brauche nicht beachtet zu werden. 806 Dagegen wendet er ein, es gebe auch sonst kein altes Gesetz, das man einfach ignorieren könne. Doch reiche das Zinsverbot sogar noch weiter zurück, bis in die Zeit des biblischen Königs David, wie er mit einigen Psalmenzitaten zu belegen versucht,807 und er argumentiert a minore ad maius: Wenn sogar die Hebräer unter Berufung auf die Bibel das Zinsnehmen bis zur Gegenwart808 wie Mord und Diebstahl als Verbrechen einstuften, obwohl ihnen sonst mehr Schlechtes als Gutes nachzusagen sei, sollten sich die Christen, die sich auf Christus als den wahren Erfüller des jüdischen Gesetzes berufen, erst recht davor hüten. Das Tadelnswerte beim Zinsnehmen sei aber, daß es ohne Arbeit reich mache. Das christliche Liebesgebot aber verbiete nicht nur, den Nächsten zu berauben, sondern gebiete sogar, ihm einen Teil vom eigenen Besitz zu geben. A 2 (733A-736A): Die Zinsnehmer wenden ein, der Geldverleih gegen Zinsen sei ein Akt der Barmherzigkeit gegenüber den Mittellosen, da es sie vom Geldmangel befreie. Das wäre richtig, erwidert Kabasilas, würde man das Entliehene ohne Zins zurückfordern; die Einforderung einer höheren Summe als der entliehenen könne aber die Lage des Armen nur verschlimmern. A 3 (736A-740A): Hier wendet sich Kabasilas gegen das Argument, in jedem Staat müsse es eine Institution geben, die Geld verleihe; ein Zinsverbot aber würde dazu führen, daß sich niemand mehr finde, der Geld verleihen wolle. Hier wird also auf eine tatsächlich geübte Praxis angespielt. In der Tat war Geldverleih gegen Zins, und nicht selten gegen Wucherzins, der weit über entsprechende gesetzliche Regelungen hinausging,809 im spä-
806 PG 150, 728A: Etat OL <j>um 'tov dvmpo'Üv'tu 'tov 'tOKOV VOIlOV IlTJÖ' 1')V'tLVO'ÜV WUYKTJv ELvm <j>UA.UUELV.
807 Die Psalmen 54, 12 und 71, 14 (Zählung der Septuaginta) prangern das Zinsnehmen als Unrecht an. 808 In der Tat hatte die biblische Weisung (Deuteronomium 23, 20f.), man dürfe Zins nicht von den eigenen Volksgenossen, sondern nur von den "Fremden" nehmen, auch für die Juden späterer Generationen Geltung. 809 Zu den gesetzlichen Regelungen s. u., Text mit A. 813-815.
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ten Byzanz durchaus üblich. 8lO Kabasilas hält nun seinen Zeitgenossen vor, daß von jeher Gemeinwesen trotz eines geltenden Zinsverbotes Bestand hatten, so bei den "Hebräern", bei den "jetzt Palästina bewohnenden Barbaren" (also Moslems) und bei zahlreichen "lateinischen" Völkern. 811 So sei also nicht einem Zinsverbot die Schuld zu geben, wenn es keine Geldleiher gebe, sondern denen, die sich durch Zins bereichern wollten. A 4 (740A-C): Zu ihrer Entschuldigung führen die Zinsnehmer an, sie pflegten Zinsen nur von Reichen, nicht aber von Armen zu nehmen. Kabasilas entgegnet, Zinsnehmen sei wie das Töten, das man auch nicht auf einen bestimmten Personenkreis beschränken könne, immer schlecht, wie ja auch das Verbot der Bibel, von seinem Bruder Zins zu nehmen, keinen Unterschied mache. 812 Wer aber von Armen Zins nehme, raube ihnen das Existenzminimum an Nahrung und Kleidung und handle daher noch verwerflicher. A 5 (740C-741B): Die Gegner gehen nun zu einer juristischen Argumentation über und wenden ein, die kaiserliche Gesetzgebung erlaube diese Art des Gewinnes. Die justinianischen Gesetze nehmen zur Fraie des Zinsnehmens in der Tat mehrmals Stellung. 813 Im Codex Iustinianus 14 betont der Gesetzgeber seine Pflicht, über die Zinshöhe eine allgemeine Verordnung zu erlassen und mit dieser "die alte, harte und sehr druckende Last" der Betroffenen "auf ein Mittelmaß (ad mediocritatem) zu reduzieren", d.h., er will das zuvor generell erlaubte Zinsnehmen nur noch in eingeschränkter Form zulassen, und es gilt die Regel: Je höher die Stellung ist, die man bekleidet, um so weniger Zins darf genommen werden. Während zuvor ein Zinsfuß von 12% per annum zugelassen war, dürfen 810 Vgl. K.-P. Matschke, Geldgeschäfte, Handel und Gewerbe in spätbyzantinischen Rechenbüchern und in der spätbyzantinischen Wirklichkeit, Jahrbuch für Geschichte des Feudalismus 3, 1979, 181-204, hier vor allem 183 (Unterscheidung des Verleihs an "verschwenderische Große" und an "kleine Produzenten"), 185f. (zur Bedeutung der "Geldwechsler" in der ersten Hälfte des 13. Jh.), 184 (über Zinsen bis zu 26% um 1400). SchreinFin 410 vermerkt hingegen, daß in seinem Material zwar häufig vom Geldleihen die Rede sei, jedoch selten von Zinsen und noch seltener von der Zinshöhe; doch ist damit nicht gesagt, daß die Darlehen zinsfrei waren. Patriarch Isidoros I. spricht in seinem Testament von einem Geldbetrag, den er zur Rückzahlung an seine Gläubiger (ÖUVELlJLut) hinterlegt habe (PG 152, 1302), doch sagt auch er nicht, ob in diesem Betrag Zinsen enthalten waren. 811 Zum Zins verbot der westlichen Kirche siehe: J. Le Goff, Marchands et banquiers du Moyen age, Paris 1966. Im Abendland wirkte auch der Gedanke des Aristoteles (Politika 1258b7) nach, daß Zins nehmen wider die Natur sei. 812 Hier zitiert Kabasilas Deuteronomium 23, 20 (vgl. oben, A. 808), aber nur das genannte Verbot, nicht die Erlaubnis, von Fremden Zins zu nehmen. 813 Hierzu grundlegend G. Cassimatis, Les interets dans la legislation de Justinien et dans le droit byzantin, Paris 1931, 49-56. 814 Corpus Iuris Civilis (CIC), Bd. 2, ed. P. Krueger, Berlin 1892, liber IV, titulus 32, art. 26 Qahr 528). Zur früheren Zins rate siehe Cassimatis (wie A. 813),49.
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Senatoren nur noch 4% und nur Handwerker einen Zinsfuß von 8% erheben. Einige Regelungen in den Novellen zur Bezinsung von Bauern gehen hingegen von der sozialen Stellung der Bezinsten aus; eine andere Novelle erlaubt Klerikern nur 3% Zinsfuß im Jahr. 815 Während die Kirche bereits seit dem 4. Jh. Klerikern das Zinsnehmen generell verbot und es im übrigen keineswegs positiv beurteilte (s.u.), war Justinian als staatlicher Gesetzgeber zu Konzessionen an die römische Rechtstradition bereit, doch zeigt er deutlich die Tendenz, die sozial Schwächeren zu entlasten. Diese Regelungen des justinianischen Rechtes sind auch Kabasilas bekannt. Er antwortet daher auf den Einwand: Wenn dies auch so sei, so stehe doch das göttliche Gesetz als das höhere dem der Menschen entgegen. Im übrigen habe der eine Gesetzgeber das Zins nehmen sanktioniert, der andere wieder verboten. Auch dies trifft zu: Der erste Kaiser, der die Konzessionen des justinianischen Rechtes zuungunsten der Zinsnehmer kritisierte, war Leon VI. In seinem Gesetzeshandbuch "Procheiron" von 90t 16 distanziert er sich von seinen Vorgängern, die das Zinsnehmen vielleicht mit Rücksicht auf die finanzielle Notlage der Zinsleiher oder gar die Brutalität der Zinsnehmer tatsächlich erlaubt hätten, denn er befindet, es sei "als unwürdig unserer christlichen Lebensführung zu verwerfen, weil es vom göttlichen Gesetz verboten ist". Und er fährt fort: "So ordnet denn unsere Milde (yaA.lJv6tlJ~) an, daß es niemandem, wer es auch sein möge, erlaubt sei, in irgendeiner Angelegenheit Zins zu erhalten, damit wir nicht in dem Glauben, ein Gesetz zu befolgen, ein Gesetz Gottes übertreten. ,,817 815 Bauern: Nov. 32-34 Oahr 535) (CIC, wie A. 814, Bd. 3, ed. G. Kroll, Berlin 1895). Kleriker: Nov. 120 Oahr 544); hier ist der Einfluß des Kirchenrechtes erkennbar, das den Klerikern das Zinsnehmen überhaupt verbietet; s.u., Text mit A. 821. 816 Dieses Rechtsbuch (neuere Datierung gemäß A. Schminck, Studien zu mittelbyzantinischen Rechtsbüchern, Frankfurt 1986, 132) regelt das Zinsnehmen in titulus 16, 14 O. u. P. Zepos, Jus Graecoromanum, 11, Leges Imperatorum Isaurorum et Macedonum, Athen 1931, 159). Vgl. dazu auch Cassimatis (wie A. 813), 116. 817 Derselbe Kaiser vertritt jedoch in der früheren Novelle 83 einen anderen Standpunkt, genau den, den Kabasilas' Gegner in der Argumentation 3 vorgebracht hatten: Es müsse in jedem Staat eine Institution geben, bei der man für sein persönliches Bedüdnis Geld ausleihen könne; ohne Zins werde sich aber niemand zum Verleihen von Geld bereitfinden; folglich könne man auf Zins leihe nicht verzichten. Die rigorose Ablehnung des Zinses weist Leon hier ausdrücklich zurück, wobei er sich auf eine Verordnung seines Vaters Basileios I. bezieht; es handelt sich nach Meinung Schmincks (a. O. 81) um das in der sog. "Eisagoge" stehende Zinsverbot, das Leon dann im späteren Procheiron dennoch zu befürworten scheint. Im ganzen ist also seine Einstellung zu der Frage nicht einheitlich. Daß die Kenntnis von der unterschiedlichen Beurteilung des Zinsnehmens durch einzelne Kaiser für Kabasilas nicht schwer zu erlangen war, zeigt das 1345 erschienene Rechtshandbuch "Hexabiblos" des K. Armenopulos. In dem Abschnitt "Über den Zins" (ArmHex 199-204, lib. III, tit. 7) nennt er nämlich
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A 6 (741B-744B): Nun entgegnen die Opponenten, daß es gerade die früheren Gesetzgeber seien, die das Zins nehmen erlaubten, und diese verdienten mehr Respekt als die späteren. Kabasilas hält ihnen entgegen, das Ältere sei nicht immer das Bessere, und außerdem habe sich Gott, der erste und älteste Gesetzgeber, gegen das Zinsnehmen ausgesprochen. Ferner beurteilten sogar die Gesetzgeber, die das Zinsnehmen erlaubten, dieses an sich negativ, sonst hätten sie nicht gerade den Zinsfuß für Aristokraten bzw. die "Besseren" (OL äPLO"tOL, OL ßEA:ti,ovE~) und Kleriker eingeschränkt, den "Schlechteren" (XEi,POVE~) aber einen höheren Zinsfuß gestattet. Es könne aber eine Sache nicht gut sein, die den "Guten" (Ccy a8oL) verboten sei. 818 A 7 (744C-745C): Auf die Frage der Gegner, warum dann die früheren Kaiser überhaupt das Zinsnehmen verboten hätten, entgegnet Kabasilas, die gesetzliche Regelung sei nur dazu da, der Bosheit Grenzen zu setzen und Schlimmeres zu verhüten, ähnlich wie im Fall der Prostitution. Das sei auch daraus ersichtlich, daß nur eine Höchstgrenze, nicht aber eine niedrigste Grenze des Zinses festgelegt worden sei. Im übrigen gebe es auch manches andere, was aus der Sicht Gottes tadelnswert, aber durch das Gesetz nicht verboten sei. Mit dieser Bemerkung erinnert Kabasilas an die Tatsache, daß Moral nur in begrenztem Rahmen durch Gesetze geschützt bzw. durchgesetzt werden kann. A 8 (745C-748A): Die Zinsnehmer verlassen nun die juristische Argumentation und wenden sich wieder der Gegenwart zu, mit dem Argument, wer Geld gegen Zins anbiete, übe einen so normalen Beruf wie jeder andere aus. Viele hätten keinen anderen als diesen Beruf erlernt und seien ruiniert, wenn man ihnen verbiete, ihn zu praktizieren. Dies ist ein bemerkenswerter Hinweis auf ein zur Zeit des Traktats in Byzanz offensichtlich bereits bestehendes Bankwesen. Kabasilas allerdings läßt das Argument nicht gelten und meint, mit gleichem Recht könne man dann auch Räuber und Verbrecher, die nichts anderes gelernt hätten, entschuldigen. So wichtig die Bestreitung des Lebensunterhaltes sei, so sehr müsse man doch auf gerechtem Gelderwerb bestehen. A 9 (748A-749B): Dennoch bestehe ein Unterschied zwischen Zinsnehmen und Verbrechen, hält man ihm entgegen. Der Unterschied sei, nacheinander sowohl die Zins bestimmungen Justinians wie auch die des Procheiron, dessen Votum irrig als "Novelle" Leons VI. bezeichnet wird, allerdings, ohne den Widerspruch zwischen den Regelungen der beiden Rechtsbücher zu erörtern (a. O. 204). - Zu YUAT)VOtT)!; im Sinne von "Milde" siehe PerezBeauv 128, Nr. 151; ein Übersetzer der Palaiologenzeit gibt hier mit diesem griechischen Wort das lateinische "clementia" wieder. 818 Anspielung auf die Gesetzgebung Justinians 1.; s.o., Text mit A. 814f. Hier argumentiert Kabasilas geschickt mit dem Doppelsinn von "gut und "schlecht" als moralische und als soziale Kategorie.
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daß im ersteren Fall die Betroffenen in die Zahlung des Zinses eingewilligt hätten. Sie hätten keine andere Wahl gehabt, entgegnet Kabasilas, und die Zinsvereinbarung nur unter dem Druck einer Notlage getroffen. Am Schluß weist er noch auf das harte Urteil des Kirchenvaters Basileios hin, der den Ausbruch einer Dürre und Hungersnot in Kappadokien als Strafe Gottes für das Zinsnehmen bezeichnet habe. 819 Eine solche Strafe habe man auch jetzt zu gewärtigen, wenn man mit dem Zinsnehmen nicht aufhöre. Zusammenfassend stellt Kabasilas noch einmal fest, Christsein und Zinsnehmen seien miteinander unvereinbar. Basileios von Kaisareia war nicht der einzige Kirchenvater, der das Zins nehmen negativ beurteilte. Kabasilas steht mit seiner grundsätzlichen Ablehnung zweifellos auf dem Boden der Väterlehre, wenn auch weder die Väter noch das Kirchenrecht ein ausdrückliches Verbot aussprachen;820 ein solches galt allerdings für die Kleriker. 821 Zweifellos ging es Kabasilas, mochte er vielleicht auch selbst zu den Betroffenen gehören, darum, die sozial Schwachen von drückenden Lasten zu befreien und die ökonomischen Gegensätze seiner Gesellschaft zu entschärfen. Aber seine Argumentation ist im wesentlichen theologisch begründet: Zins nehmen ist verwerflich, weil es dem Willen Gottes widerspricht. Hierin liegt zugleich auch ihre Schwäche, weil unter dem Einfluß des abendländischen Frühkapitalismus das Kreditwesen sich zweifellos in größerem Umfang auch im byzantinischen Osten eingebürgert hatte. Kabasilas selbst deutet an, daß es zu seiner Zeit ein selbständiger Berufszweig war. 822 Der Fehler seiner Argumentation liegt darin, daß er zwischen den "unproduktiven" Kreditgeschäften zur Auffüllung der privaten Kasse und den "produktiven" zur Vorfinanzierung von Handelsgeschäften, also sog. Investitions-
819 Über die negative Einstellung des Kirchenvaters Basileios zum Zins nehmen siehe St. Giet, Les idees et I' action sociales de Saint Basile, Paris 1941, 115-126, vor allem 119f., zu seinen Ausführungen in der "Homilia dicta tempore famis et siccitatis", PG 31, 303ff., auf die Kabasilas hier Bezug nimmt. Merkwürdigerweise vermutet M. A. Poljakovskaja (ohne Beleg) sowohl in Vzgljady Nikolaja Kavasily na rostovsCicestvo, in: ADSV, 1976, 83-96, hier 87, wie auch noch in PoljPort' 177f., Kabasilas beziehe sich hier auf Kaiser Basileios I. bzw. dessen Gesetzgebung. 820 LaiouChurch 441. So findet sich z. B. das von Kabasilas unter A 1 angeführte Argument, Zins nehmen führe ohne Arbeit zu Reichtum, bereits, wie Laiou zeigt, bei Gregor von Nyssa. 821 LaiouGod 267. Zum Verbot des Zinsnehmens für Kleriker siehe auch Armenopulos (wie oben, A. 817,204), der sich auf can. 17 Nikaia und can. 10 Trullanum beruft. 822 Traktat, PG 150, 745C: "Woher sollen wir also unseren Lebensunterhalt nehmen," sagt <der Zinsnehmer>, "da wir weder von der Landarbeit noch vom Handel noch von einem anderen Handwerk etwas verstehen?"
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krediten, nicht unterscheidet. Ohne die letzteren aber wäre der blühende Mittelmeerhandel im späten Mittelalter undenkbar. 823 3. Traktat (Aoyot;) über die ungesetzlichen Frevel der Herrschenden an den Heiligtümern. Diese Schrift des Kabasilas, von der man lange annahm, sie sei gegen die Herrschaft der Zeloten in Thessalonike (1342-49) gerichtet, wurde erstmals von Sevcenko als ganze ediert und durch eine ausführliche Paraphrase erschlossen, von ihm aber auch in einen anderen zeitgeschichtlichen Zusammenhang eingeordnet. Formal ist der Text wie eine Anklageschrift konzipiert, aufgebaut nach dem Schema: Anklage, Verteidigung der Angeklagten, Widerlegung der Verteidigung. Angeklagt werden Beamte und hohe Kleriker, die Klosterland konfiszierten und verkauften, um aus dem Erlös u. a. Verteidigungsmaßnahmen zu bestreiten. Nach Sevcenko ist der Traktat nicht eindeutig auf einen bestimmten Ort und noch weniger auf eine konkrete Gruppierung wie die Zeloten zu beziehen, sondern schildert Praktiken, die im ganzen Reich jederzeit mög~ich waren, vor allem die erwähnte Aneignung von Klostergut, aber auch Amterkauf, Simonie und Einmischung der Metropoliten in die Jurisdiktion der Bischöfe. Doch vermutete er ursprünglich, der Text beziehe sich auf das Verhalten einer Gruppe um Alexios Apokaukos und die Kaiserin Anna in der Zeit des Bürgerkrieges von 1341-1347. 824 Der von ihm später entdeckte autographe Entwurf des Traktates in Paris. gr. 1276 veranlaßte ihn aber, seine Meinung zu ändern. Der dort überlieferte Text stellt eine Kombination zweier früherer Versionen des Traktates dar, offenbar vom Autor selbst durch Änderungen, Rasuren und Zusätze überarbeitet. Die erste Version könnte zwar, wie Sevcenko annimmt, nach wie vor aus der Zeit um 1344 stammen, aber die korrigierte Fassung muß wegen der Wasserzeichen der Handschrift in die letzten dreißig Jahre des 14. Jh. datiert werden. Damit wird auch eine Datierung der ersten Version in diese späte Zeit wahrscheinlich. 825 Die neue Datierung ändert aber nichts an der Tendenz des Logos, die wirtschaftliche Existenz der Klöster vor der Habgier der Mächtigen zu retten. Kabasilas läßt sich also auch bei dieser Zeitkritik nicht anders als bei der Anprangerung des Zinswesens von religiösen Erwägungen leiten. 823 Zur Unterscheidung der beiden Zinsformen siehe LaiouGod 263f. Zur Fixierung des Kabasilas auf "unproductive loans, i. e. money borrowed for consumption by people who could not afford to pay off their creditors", siehe LaiouChurch 456. Kabasilas blieb in seiner Zeit nicht der einzige Gegner des Zinsnehmens. So forderte z. B. J. Bryennios gesetzliche Maßnahmen gegen den Wucher, der auch von der Kirche praktiziert wurde (MatschAnk 27f.). 824 SevCab I. 825 SevCab II. Zur Bestätigung dieses Ansatzes durch Charanis s.o., A. 795.
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4. Appell an die Behörden zur Verteidigung der sozial Schwachen. Das Fragment droht eingangs den Habgierigen an, Gott werde sie verwerfen, wenn sie nicht jedes betrügerische Geschäft, durch das sie die sozial Schwächeren ('toUe; ao9EvEO'tEpOUe;) geschädigt hätten, sofort widerriefen. 826 Erst um die Mitte des Fragments wird der konkrete Adressat genannt, ein öffentliches Ratsgremium (ßouA:ri), dessen Mitglieder als Diener des Gemeinwohls ('toov KOLVOOV btL~EA.TJ'tat) bezeichnet werden. 827 Ihnen wird vorgehalten, die schreienden Ungerechtigkeiten zu übersehen und stattdessen nur geringfügige Delikte zu ahnden. 828 Sogar der Kaiser habe sie schon getadelt, daß sie der offenen Gewalt gegen die Armen nicht Einhalt geboten und damit gegen das Gemeinwohl und ihren Amtseid verstoßen hätten. 829 Nach erneuter Drohung mit Gottes Strafe folgt am Schluß ein Appell an die Verantwortlichen, nun endlich ans Werk zu gehen und dem Ubel Einhalt zu gebieten. 83o Über den Anlaß dieses Appells, der vielleicht der Schlußteil einer längeren Rede ist, in der eine konkrete Angelegenheit angesprochen wurde, kann auch der Herausgeber wenig sagen und kommt über Vermutungen nicht hinaus. 831 Jedenfalls zeigt der Text, wenn er denn von Kabasilas verfaßt ist, ein weiteres Mal sein leidenschaftliches Engagement für die sozial Benachteiligten, und zwar, wie seine Argumentation zeigt, wiederum aus religiös-christlicher Motivierung. IH. Von diesen Texten nach Anliegen und Inhalt sowie auch nach der Eigenart des Verfassers völlig verschieden sind zwei Traktate sozialwirtschaftlichen Inhaltes aus dem zweiten Jahrzehnt des folgenden Jahrhunderts. Ihr Verfasser ist der Literat, Philosoph und Neuheide G. Gemistos Plethon. Es handelt sich um je eine Denkschrift (OU~ßOUA.EU'tLK6C;) mit Reformvorschlägen für die Verwaltung der Peloponnes und zwar 1. an den Despoten Theodoros von Mistra (ca. 1416), 2. an Kaiser Manuel 11. (1418}.832 826 827 828 829 830 831 832
SevCab 11,196, Z. 1-197, Z. 30. A. 0.197, Z. 30-34.
A. O. 197, Z. 34-198, Z. 48. A. O. 198, Z. 48-54. A. 0.198, Z. 54-73. A. O. 199-201.
Edition der beiden Texte: 1. An Theodoros (~uIlßou>..eu'tL1Co\; :n:pO\; 'tov öea:n:01:Tlv geoöwpov :n:ept 'ttl\; TIe>..o:n:ovv~aou): PG 160, 841-866; LPP IV, 113-135.2. An Manuel (Ei; MuvouTJ>" TIu>"aLowyov :n:ept 'twv Ev TIe>"03tovv~a
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Der wahrscheinlich zwischen 1355 und 1360 iri Konstantinopel geborene, aufgewachsene und im traditionellen Bildungskanon erzogene Gelehrte wurde nach dem Zeugnis Gennadios' 11. von dem Juden Elissaios auch in den Lehren des Averroes, Zoroaster und anderer nichtchristlicher Philosophen unterwiesen und wegen seiner heidnischen Überzeugungen (eAA1lvLlCal. bosm) von Kaiser Manuel 11. und der orthodoxen Kirche aus Konstantinopel ausgewiesen. 833 Es spricht einiges dafür, daß diese Ausweisung und seine anschließende Ubersiedlung nach Mistra nicht vor 1405 und nicht nach 1410 erfolgte. 834 1407 starb dort der Despot und Herrscher über das Teilgebiet des Reiches auf der Peloponnes Theodoros 1.835 Als sein Nachfolger war Theodoros (II.), der dritte Sohn Manuels II., bestimmt, der aber beim Tod seines Vorgängers höchstens zwölf Jahre alt, also noch minderjährig war. 836 Die Rede des Gemistos Plethon an Theodoros ist sehr wahrscheinlich früher als die an Kaiser Manuel anzusetzen; da letztere spätestens 1418 verfaßt wurde, ist die erstere entsprechend früher zu datieren. Sie setzt jedenfalls voraus, daß Theodoros II. inzwischen in seinem Herrschaftsgebiet die volle Regierungsverantwortung u··bernommen hatte. 837 Plethon beschwört zu Beginn die Krisensituation des Reiches, die durch äußere Bedrohung und inneren Zwist bedingt sei, und die Zuversicht, die Verhältnisse durch Besserung der inneren Verfassung noch ändern zu können. Mit Beispielen aus der Geschichte sucht er zu zeigen, daß Reformen den Staaten Nutzen bringen. 838 Die beste Staatsform sei die Monarchie, wenn der Herrscher über gute Ratgeber und Gesetze verfüge. Als Ratgeber empfiehlt er "eine maßvolle Anzahl hochgebildeter Männer", die weder zu den Reichen noch zu den Armen gehören, sondern der Mittelschicht entstammen, deren Angehörige weder von Geldgier besessen noch von einer sozialen Notlage bedrängt seien; diese könnten, durch kein Extrem zu sehr belastet, am ehesten das Gemeinwohl im Auge behalten. Diese Stelle der Rede gibt einen bemerkenswerten Hinweis,
833 Plethon galt bei seinem Tod 1452 als sehr betagt (WoodhPleth 5); einiges spricht für seine Geburt in Konstantinopel (a. O. 17). GennSchol IV, 152f. sagt zwar nicht, wo er mit Elissaios zusammentraf, bezeugt aber 153, Z. 11f. ausdrücklich seine Ausweisung aus Konstantinopel, wo er folglich zuvor gelebt haben muß. 834 WoodhPleth 29f. 835 PLP 21460; ODB 2040. 836 PLP 21459; ODB 2041. 837 WoodhPleth .?2; Rede an Theodoros (im folgenden nach der Edition in LPP IV, 113135 und der Ubers. BlumPleth zitiert), BlumPleth 151: "Dir ist ... die Fürsorge für das Ganze <sc. die Herrschaft auf der Peloponnes> zuerkannt." Eine systematische Untersuchung der Staatslehren Plethons verfaßte Th. St. Nikolau (Nikolaou), At 1tEPi. 1toAL'tEi.a~ Kai. ÖLKawu löeaL r. nAtieOO'VO~ rEJ.LLO"tO'Ü, 2Thessalonike 1989. 838 LPP IV, 114, Z. 18-118, Z. 23; BlumPleth 151-155; WoodhPleth 92f.
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wie Plethon sich selbst sozial eingliedert, welche Beziehung er zwischen Bildung und Mittelschicht sieht und welche wichtige politische Funktion er den Gebildeten zuordnet. Im folgenden unterscheidet er in jedem Staat die Handarbeiter (Bauern, Landarbeiter, Viehzüchter), die Dienenden (Handwerker, Kaufleute, Kleinhändler) und die Regierenden (tO dpX.LlCOV UAOV, sc. der Kaiser bzw. Despot und seine Beamten und Soldaten als die Schützer der Allgemeinheit). Nach platonischem Vorbild839 empfiehlt er, daß die Angehörigen dieser drei Klassen ihre Aufgabe als notwendig erkennen und bei ihr bleiben, also keine Veränderung ihrer sozialen Zu840 ordnung erstreben. Die Reformvorschläge beginnen mit der Heeresreform: Das Heer soll streng vom übrigen Volk getrennt und, frei von jeglichen Abgaben, nur auf den militärischen Dienst konzentriert sein. Es soll aus Einheimischen, also im konkreten Fall aus Peloponnesiern, und nicht aus fremden Söldnern bestehen, auf die kein Verlaß sei, und soll des näheren aus der Hälfte der Landbevölkerung rekrutiert werden, damit die andere Hälfte weiter das Land bebauen könne. Das Heer solle sich in die drei jeweils speziell ausgebildeten Gruppen der Fußsoldaten, Reiter und Seesoldaten gliedern. Dann kommt Plethon auf die Steuern zu sprechen. Von drei Formen der Steuer, die er unterscheidet, Frondienst, Geld- und Naturalabgaben (pljtfi tL~ tWV YLYVO!-LEVWV !-Lo'ipa = ein vereinbarter Anteil an den Erträgen), bevorzugt er die letztgenannte als die humanste. Das bedeutet zugleich, daß er für die Freiheit des Bauernstandes plädiert. Ein Anteil an den Erträgen der Feldarbeit stehe grundsätzlich drei Gruppen zu: den Bearbeitern des Landes, denen, welche die "Sachwerte" (Übers. Blum für tEAlj), also die Produktionsmittel, bereitstellen (z.B. Land und Arbeitstiere), und denen, die das bebaute Land schützen, also dem Herrscher, den Beamten und den Soldaten. Plethon empfiehlt die Aufteilung der Erträge zu gleichen Teilen auf diese drei Gruppen. 841 Nun werden noch einige weitere Vorschläge kurz begründet. Plethon empfiehlt allen Staatsbürgern, vor allem den Regierenden, eine maßvolle Lebenshaltung. Export von Waren soll hoch besteuert werden, Ausfuhr ohne Abgabe nur für wirklich notwendige Waren aus dem Ausland (ge-
839 Platon, Politeia, 433ab. Im übrigen kann die Abhängigkeit Plethons von platonischem Gedankengut in diesem Zusammenhang nicht im einzelnen analysiert werden. 840 LPP IV, 118, Z. 24-121, Z. 14; BlumPleth 155-157; WoodhPleth 94. 841 LPP IV, 121, Z. 14-124, Z. 4; BlumPleth 157-159; WoodhPleth 94f. Die drei Faktoren, denen der Ertrag des Bodens zu verdanken ist, beschreibt Plethon hier wie folgt: TOL~ eK yij~ Kap:rw~ tPLOOV ÖEL tOUtUlv :rtpo~ ti]v <j>opuv, epyaota~, tOOV tEI"OOV ÖL' OOV:rtEP epyuoOVtClL ot epyamJIlEVOL, ßOOOV, dIl1tEI"UlV, ßOOKTJIlUtUlV KaL tOOV ÜI"I"UlV tOOV tOL01JtOtpO:rtUlV. Für die Verwendung des Plurals tEI"TJ im Sinne von Produktionsmitteln ist mir kein weiterer Beleg bekannt.
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nannt werden Eisen, Waffen, Arbeitsgeräte) erlaubt, die Verwendung minderwertiger ausländischer Währungen verboten sein. Strafen sollen nicht "barbarisch" sein, sondern im rechten Verhältnis Zu den begangenen Taten stehen. Die Todesstrafe wird für Verbrecher empfohlen, die sich nicht bessern wollen. 842 Besonders wichtig ist Plethon eine gesetzliche Formulierung des Glaubens, der in seinem Reformstaat allgemein anzunehmen sei. Er plädiert für eine auf wenige verbindliche Formeln reduzierte Staatsreligion, die für den Zusammenhalt eines Staates unerläßlich sei. Dies sei der Glaube an ein "göttliches Wesen, das in den seienden Dingen lebt" und das alle Angelegenheiten der Menschen nach seinem gerechten Willen lenke. Der Glaube an ein solches Wesen sei Vorbedingung für die Anerkennung der Tugend - und nicht des Genusses - als höchstes Gut. Wie die Beispiele der Geschichte zeigten, sei ein Staatswesen nur lebensfähig, wenn es von verantwortungsbewußten Menschen regiert werde. 843 Unter erneutem Rekurs auf die bedrohte Lage des Reiches faßt Plethon nun noch einmal seine konkreten Ratschläge an Theodoros zusammen: Er solle sich gute Ratgeber suchen, das Volk in Krieger und Steuerzahler einteilen, die Aufgaben der Regierenden und der Kaufleute scharf voneinander trennen sowie Steuern nur in Form von Naturalien einziehen und deren Erträge verteilen, wie zuvor beschrieben. Der Despot und die anderen Regierenden sollten über eine angemessene Zahl von "Heloten" und auch Kriegern verfügen, für deren Lebensunterhalt sie zu sorgen haben, aber die finanziellen Aufwendungen dafür hätten sich in bescheidenem Rahmen zu halten. Was Plethon unter "Heloten" versteht, erläutert er näher in der Denkschrift an Kaiser Manuel; er meint damit alle, die den Boden eigenhändig bearbeiten. 844 In dieser Passage ist vor allem die Bemerkung interessant, "fortan" dürften die "Regierenden" nicht mehr Klein- oder Großhandel treiben. In dieser Bemerkung könnte man ein weiteres Anzeichen für die Ausdehnung unternehmerischer Aktivitäten in der späten Palaiologenzeit entdecken. 845 Es waren also auch Beamte anfällig für derlei Betätigung; sonst hätte sie Plethon nicht unterbinden
842 LPP IV, 124, Z. 5-125, Z. 2; BlumPleth 159f.; WoodhPleth 95. 843 LPP IV, 125, Z. 3-129, Z. 12; BlumPleth 160-164; WoodhPleth 95f. 844 LPP IV, 129, Z. 12-133, Z. 10; BlumPleth 164-167; WoodhPleth 96f. Erläuterung des Begriffs "Heloten": LPP III, 255, Z. 17-256, Z. 2; dazu WoodhPleth 104: "Workers in general shall be called ,helots' since they are to be exempt from military service but to contribute their labour." - Der rhetorische Schluß des Traktats (LPP IV, 133, Z. 11135, Z. 22; BlumPleth 167-169) bringt sachlich keine neuen Gesichtspunkte. 845 LPP IV, 131, Z. 19-131, Z. 12; BlumPleth 166. Vgl. die Ausführungen zum aristokratischen Unternehmertum in Kap. 4.
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wollen und eine solche Vermischung der Aufgaben nicht als "Zeichen rur einen ganz und gar verderbten Staat" angesehen. Die zweite Denkschrift, die an Kaiser Manuel gerichtet ist, wurde 1417/18 verfaßt. 846 Ausgangspunkt der Rede ist der Rückblick auf den erfolgreichen Kampf der Söhne Manuels 847 gegen die Lateinerherrschaft auf der Peloponnes, der zur Rückgewinnung zwar nicht aller, aber der meisten und wertvollsten Gebiete geführt habe. Plethon rühmt nun die Peloponnes als uraltes Stammland der Hellenen, als Mutter und Ausgangspunkt (IlTl'tEpa Kai. d<j>OPIl-rlv) sogar der Kaiserstadt Konstantinopel, weil von hier aus die dorische Besiedlung des alten Byzantion erfolgt sei. Vom Meer umgeben und von Gebirgen durchzogen, besitze die Peloponnes zudem eine vorzügliche strategische Lage und sei ein Bollwerk gegen äußere Feinde. Diesen natürlichen Vorzug habe Kaiser Manuel durch den Bau einer Mauer am Isthmos (des "Hexamilion", 1415) noch erhöht. Da die Peloponnes also allerhöchste Beachtung und Fürsorge verdiene, wolle Plethon dem Kaiser noch einige Vorschläge zur weiteren Verbesserung dieser Situation unterbreiten. 848 Plethon beginnt mit einem seiner Hauptanliegen, der Eliminierung der Söldnerheere, an deren Stelle ein landansässiges Berufsheer treten solle. Dieses Heer solle ausschließlich für Kriegszwecke zur Verfügung stehen und von jeglicher Steuer befreit sein. Mit der Forderung, die Landarbeiter, die er, wie gesagt, "Heloten" nennt, sollten ihre Steuern ausschließlich in Naturalien zahlen und die Felderträge sollten auf die drei Gruppen der Gesellschaft gleichmäßig verteilt werden, knüpft Plethon an die vorausgehende Denkschrift an. Doch unterscheidet er nun die Höhe der Abgabe danach, ob jemand ganz oder zum Teil sein Land auf eigene Ko-. sten bzw. auf Kosten des Staates bebaut. 849 Einige Gruppen der Gesellschaft sollten über eigene Heloten verfügen: die Soldaten, damit sie ganz frei für den Kriegsdienst seien, selbstverständlich der Fürst (ftYEllwv), also der Despot, und über eine geringere Zahl auch die Priester. Die Mönche aber sollten keinerlei Zuwendung von der Gemeinschaft erhalten, weil sie für diese nicht das Geringste leisteten und man solch eine "faule und
846 Die Denkschrift nimmt (LPP III, 246, Z. 1-247, Z. 6) Bezug auf den erfolgreich beendeten Krieg (1416-18) mit Centurione Zaccaria (s. u., A. 847). 847 Gemeint sein können nur Manuels ältester S~hn Johannes (gemäß PLP 21481 geboren Dez. 1392) und der Despot Theodoros II. Uber ihre Kämpfe auf der Peloponnes ab Herbst 1416 gegen das Fürstentum Achaia unter Centurione Zaccaria und die Rückkehr des Johannes 1418 nach Konstantinopel siehe BarkMan 34M. (mit Quellen- und Literaturverweisen). 848 LPP III, 246-251; BlumPleth 173-175; WoodhPleth 102f. 849 LPP III, 251-256; BlumPleth 175-179; WoodhPleth 103f.
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drohnenartige Gesinnung" (dpytlv Kai. KT]<j>T]vcbÖT] esLV) nicht auch noch finanziell unterstützen solle. 850 Dann gelangt er zu einem neuen Vorschlag: Das Privateigentum am Boden solle abgeschafft werden, und jeder solle von dem allen gehörenden Grund soviel bebauen, wie er wolle und könne. Der Anspruch auf Land solle sich also allein aus der Bereitschaft ergeben, dieses auch zu bearbeiten (bzw. durch "Heloten" bearbeiten zu lassen, wird man wohl ergänzen dürfen).851 Die Strafpraxis der Verstümmelung, die weithin praktiziert werde, lehnt er als barbarisch und "nicht hellenisch" ab; an ihrer Stelle schlägt er die Heranziehung von Sträflingen zu der schweren Arbeit an öffentlichen Bauten, z. B. an der Isthmos-Mauer, vor. Die Zahlung in Naturalien könne auch der Verwendung schlechter ausländischer Währung entgegenwirken. Selbst notwendige Dinge wie Eisen und Waffen sollten im Tauschhandel eingeführt, Kleidungsstücke aber ausschließlich aus einheimischem Material und im Lande hergestellt werden. Im übrigen solle die Einfuhr notwendiger Dinge vom Staat durch Verzicht auf Zölle erleichtert, die Ausfuhr notwendiger Dinge hingegen durch hohe Zölle erschwert werden. Am Schluß appelliert Plethon an den Kaiser, seine Vorschläge auch wirklich in die Tat umzusetzen. 852 Plethons Vorschläge sind keineswegs ein Abklatsch platonischen Gedankengutes, sondern knüpfen durchaus an die reale Zeitsituation an. Ihr Grundprinzip ist, die Peloponnes solle als eine Art Musterland des spätbyzantinischen Reiches möglichst viel Eigenes leisten und möglichst wenig Fremdes in Anspruch nehmen; eine Tendenz zur Autarkie ist also unverkennbar. So erklären sich die Forderungen, ein einheimisches und bodenständiges Heer aufzustellen, Aus- und Einfuhren gezielt zu regulieren, unter den drei Gruppen der Handarbeiter, der Dienenden und der Regierenden eine strenge Arbeitsteilung durchzusetzen, Gruppen, die wie das Mönchtum sich dieser Arbeitsteilung entziehen, gesellschaftlich zu ächten, Steuern und Landbesitz ausschließlich nach der erbrachten Leistung zu verteilen, Verbrechern eine für das Gemeinwesen nützliche Strafe aufzuerlegen und schließlich die Integration dieser "geschlossenen Gesellschaft" durch eine leichtverständliche, auf ethische Werte ausgerichtete Staatsreligion abzurunden. Wie kommt es, daß diese Ideen keinen erkennbaren Einfluß auf die Politik der späten Palaiologenherrscher hatten?853 Ihr Hauptfehler lag wohl 850 851 852 853
LPP III, 256-259; BlumPleth 179-181; WoodhPleth 104f. LPP IIl, 260f.; BlumPleth 181-183; WoodhPleth 105. LPP IIl, 261-265; BlumPleth 183-186; WoodhPleth 106. Dies stellt jedenfalls - mit Recht - WoodhPleth 98 fest: "None of Gemistos' proposals was ever put into effect. The Emperor and his sons continued to confront their pro-
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darin, daß Plethon zu sehr der Reglementierung "von oben" vertraute. Sein Staats konzept ist monarchisch wie das byzantinische, das er reformieren will. In einem solchen ist kein Platz für spontane Entwicklungen, die aus dem Volk, aus der Gesellschaft kommen. Da jeder an seiner ihm unwiderruflich zugewiesenen Stelle tätig ist und sich mit dieser zufriedengeben soll, sind Widerstände der Unterprivilegierten gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung für Plethon kein Thema. Er sieht die Rettung in einem rational durchdachten Staatssystem, das ein perfekt funktionierendes Gemeinwesen konstruiert. Der Staat aber, der solches hätte durchsetzen können, existierte nicht mehr und hatte wohl auch nie existiert. So genoß Plethon zwar als geistige Autorität auch in der Folgezeit hohes Ansehen, aber seine Vorschläge waren wegen der Schwäche der Zentralmacht, an die er appellierte, undurchführbar. 854 IV. Einen Nachklang fanden Plethons Reformvorstellungen in drei Briefen des Kardinals Bessarion, die dieser aus Rom an den Despoten von Mistra Konstantinos Palaiologos richtete. Von diesen ist aber nur einer, zu datieren auf Juni 1444, erhalten, der eingangs auf die beiden vorausgehenden Bezug nimmt. 855 Anlaß des Briefes ist die vollendete Wiedererrichtung der Hexamilion-Mauer am Isthmos von Korinth durch Konstantinos, die Bessarion eingangs gebührend lobt. Seine weitergehenden Vorschläge leitet er mit dem Appell an den Despoten ein, am Isthmos eine befestigte Stadt zu errichten, die an strategisch wichtiger Stelle dem Schutz der Peloponnes und als neue Residenz des Despoten dienen sollte. Er knüpft hier an Gedanken Plethons an, der Manuel 11. ebenfalls zu einer ständigen Verteidigung des Isthmos geraten hatte. 856 Neu ist aber nun der Vorschlag, den Zuzug derer zu erleichtern, die auf der Peloponnes Asyl suchten, da die Wehrkraft des Landes drin~end der Verstärkung bedürfe, welche die Zuzügler ihr bringen könnten. 57 Ergänzend zu Plethon erfährt man hier also, daß sein Konzept der landansässigen Truppe offen-
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blems with traditional methods." Vgl. auch MpalBess 51 mit A. 18, der aus einer Bemerkung Bessarions entnimmt, die Steuerreform, die Pie thon vorgeschlagen hatte, sei nicht verwirklicht worden. WoodhPleth 109: "Although Gemistos' ideas had no detectable influence on the policies of the Emperor or his sons, he continued to be held in high regard by them personally." Text des Briefes: LPP IV, 32-45 und MohlBess III, 439-449 (voneinander unabhängige Editionen; im folgenden wird nur nach MohlBess zitiert). Der Brief wurde neuestens zweimal analysiert, zuerst ausführlicher durch MpalBess, sodann summarischer und wegen des kurzen Zeitabstandes ohne Kenntnis des vorausgehenden Beitrages durch MaurBess. MohlBess III, 441, Z. 2-17; MpalBess 50 mit A. 13 und 14; vgl. Plethon, Denkschrift an Manuel, LPP III, 253, Z. 7-9. MohlBess III, 441, Z. 28-442, Z. 1.
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bar auch wegen Bevölkerungsmangels nicht verwirklicht werden konnte. Die Zuzügler wie auch die Ansässigen solle der Kaiser zu einer schlagkräftigen Truppe ausbilden, wobei Bessarion, nicht weniger Platoniker als Plethon, zu einer Aufgabenteilung in der Gesellschaft rät, also z. B. Bauern und Soldaten streng von einander unterscheidet. 858 Den Nutzen einer guten und den Schaden einer schlechten militärischen Ausbildung weist er durch Beispiele aus der Geschichte überzeugend nach. 859 Ferner betont Bessarion die Notwendigkeit einer guten Gesetzgebung (euvo~La), die jeweils den aktuellen Gegebenheiten angepaßt sein müsse. Auf diesem Gebiet seien die Kleinstaaten Italiens vorbildlich, während Byzanz zu sehr den Traditionen, manchmal auch negativen, verhaftet sei. Hier sei ein Umdenken dringend erforderlich. 860 Wenn Bessarion hier im Gegensatz zu Plethon das positive Beispiel des Westens anführt, ist dies natürlich aus seinem aktuellen Aufenthaltsort zu erklären. Ein weiteres Anliegen des römischen Kardinals ist die gerechte Verteilung der Güter. Er verurteilt jede Prachtentfaltung, jede Geldgier und Bestechung und nennt für die gegenteilige Haltung wiederum Beispiele aus der antiken Geschichte; er mahnt den Despoten, seinen Untertanen ein Vorbild im Guten zu sein, sich am Gesetzgeber Lykurgos ein Beispiel zu nehmen und ein philosophierender Herrscher zu werden. 861 Ähnlich wie Plethon empfiehlt er die Kontrolle der Ein- und Ausfuhr und wendet sich vor allem gegen jeden Export von Getreide, das zur Ernährung der Bevölkerung dringend notwendig sei. 862 Als Vertreter der Literatengruppe erweist er sich, wenn er dem Despoten nach dem Vorbild der alten Hellenen Sorge um die Bildung empfiehlt, zu deren Wiederbelebung kein hoher materieller Aufwand nötig sei, denn die jungen Leute der Gegenwart seien lernbegierig und könnten, wenn man sie richtig lehre, rasche Fortschritte machen. Entweder seien Lehrer zu empfehlen, die eine Zeitlang in Italien studiert hätte~, oder auch ein direktes Studium in ltalien. 863 Er begründet dies mit der Uberlegung, die Bildung (A.6yOL) und die sich aus ihr ergebenden technischen Fertigkeiten ('tex,vat) seien zwar aus der griechischen Welt hervorgegangen, dort aber in Verfall geraten und nur bei den Latei858 A. O. 442, Z. 1-13; MpalBess 50-55; dieser betont, daß Bessarion wie Plethon eine V?lksarmee fordere, übersieht aber die Empfehlung, auch auswärtige Truppen zu gewmnen. 859 MohiBess III, 442, Z. 14-444, Z. 2. 860 A. O. 444, Z. 3-30; MaurBess 45. 861 MohlBess III, 444, Z. 31-446, Z. 33; MpalBess 55-57. 862 MohlBess III, 446, Z. 34-447, Z. 6. 863 A. O. 447, Z. 7-31; MpalBess 62f. Diese Empfehlung verwundert bei Bessarion nicht; s.o., Text mit A. 760f. und A. 772. In der Person des Argyropulos wurde ca. 1445 in der Tat ein Lehrer an eine kaiserliche Bildungseinrichtung berufen, der in Italien studiert hatte; s.o., Text mit A. 775f.
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nern bewahrt worden; so sei es gut und recht, wenn sie auf diese Weise nach Byzanz zurückkehrten. 864 Einen eigenen Abschnitt widmet Bessarion den Zweigen der Technik, welche die jungen Byzantiner seiner Meinung nach in Italien studieren sollten, um sie in Byzanz wieder heimisch zu machen: Die Werkzeugkunde (6p'YavLK~), die Mechanik (also die Lehre von den einfachen Maschinen), die vor allem für den Transport schwerer Gewichte, die Holzbearbeitung und den Betrieb von Mühlen von Bedeutung sei, die Metallbearbeitung, die Eisenherstellung (zumal die Peloponnes gerade im Bereich von Sparta über entsprechende Bodenschätze verfüge), die Fertigung von Waffen für die notwendige Verteidigung und schließlich auch den Schiffsbau. Ferner fügt der Kardinal noch die Herstellung von Seiden- oder Wollstoffen und deren Färbung hinzu, die er aber als Luxus ansieht und daher nur beiläufig erwähnen will. 865 Bessarion teilt mit Plethon die Wertschätzung der Wehrkraft, die positive Beurteilung einer kontrollierten Ein- und Ausfuhr (fügt aber aus seiner Sicht die unbedingte Ablehnung der Getreideausfuhr hinzu) und die Forderung einer gerechten Verteilung des Reichtums. Was ihn von Plethon unterscheidet, ist die dezidiert ablehnende Einstellung gegenüber Luxus und Prunk, die positive Beurteilung der Kultur Italiens und seine Überzeugung, daß der Westen in mancher Hinsicht Vorbild sein könne: für die Schaffung guter Gesetze, die literarische Bildung und last not least das Erlernen technischer Fertigkeiten, die bei Plethon überhaupt keine Rolle spielen. Es ist möglich, daß Konstantinos zumindest versucht hat, einige dieser Vorschläge zu verwirklichen;866 er kam aber, da Byzanz acht Jahre später in die Hand der Türken fiel und er selbst dabei den Tod fand, jedenfalls über Ansätze nicht hinaus. Die eingehend dargestellten Beispiele zeigen, daß zumindest einige Literaten an sozial-wirtschaftlichen Problemen ihrer Gesellschaft nicht achtlos vorübergingen. Während im 14. Jh. der Schwerpunkt auf sozialen Gegensätzen liegt, ist im frühen 15. Jh. eine Tendenz zur Abfassung von Reformschriften für das gesamte Staatswesen zu erkennen. In keinem Fall ist eine praktische Umsetzung der Anregungen und Vorschläge erkennbar. Die Texte spiegeln aber weitgehend die soziale Wirklichkeit, die sie kritisieren oder zu reformieren suchen, und zeigen ein waches Bewußtsein für anstehende Zeitprobleme.
864 MohlBess III, 447, Z. 32-448, Z. 4. Zum Gedanken vgl. bereits D. Kydones, Apologie I, MercNot 365, Z. 77-366, Z. 96: Die Lateiner, in den Augen der Byzantiner vermeintliche Barbaren, erweisen sich als die besseren Kenner der antiken griechischen Philosophie. 865 A. O. 448, Z. 5-32. 866 MpalBess 64f.
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Im Zusammenhang mit diesen Ausführungen sei abschließend eine Kontroverse kurz diskutiert, die sich vor einigen Jahren (1975-1979) zwischen Helene Ahrweiler und Jan-Louis van Dieten um die Frage entspann, wie das späte Byzanz überhaupt und seine Literaten im besonderen auf die reale Situation des Reiches reagiert hätten. Während Ahrweiler zu zeigen versuchte, daß man sich in dieser Epoche aus der bedrückenden Wirklichkeit in ut0cische Ideen flüchtete und dadurch den Niedergang erst recht förderte, 7 betonte van Dieten in einer Replik das Wissen der kleinen Bildungselite um die reale Situation und ihre Bereitschaft, sich nach ihren Möglichkeiten damit auseinanderzusetzen. 868 Er glaubt, in den Reformgrogrammen Plethons finde sich weit mehr Realismus als Utopismus. 9 Bereits Th. Metochites sei sich der verzweifelten Lage des Reiches als Staatsmann durchaus bewußt und bereit gewesen, den Türken Widerstand zu leisten; auch Kydones habe als "Demosthenes einer lateinischen Allianz" eine realistische Politik betrieben, ebenso sein Schüler Manuel II.,870 und selbst J. Bryennios habe in seinen Predigten die traurigen Realitäten wie den katastrophalen Verfall der Städte und das Schrumpfen der Metropolien realistisch beim Namen genannt. 871 Was Ahrweiler als "Flucht aus der Gegenwart" deutet, möchte van Dieten zumindest auch als "Besinnung auf die geistigen Reserven" und "Antwort auf die intellektuelle Herausforderung durch das Abendland" verstehen. Auch er will die von Ahrweiler beobachteten Tendenzen nicht ganz leugnen, aber er betont zu Recht, daß mit dieser Deutung nur ein Aspekt und nicht die ganze Wirklichkeit erfaßt werde.
5.7. Die Literaten in der spätbyzantinischen GesellschaftVersuch einer Bilanz 5.7.1. Zusammenfassung der Ergebnisse
Die spätbyzantinischen Literaten sind eine über alle Gesellschaftsschichten verteilte soziale Gruppe; sie sind allerdings, wie gezeigt wurde, mit Schwerpunkt im höheren Gesellschaftsbereich anzutreffen. Dies gilt vor allem deshalb, weil literarische Bildung - auch in früheren Epochen der
867 H. Ahrweiler, L'ideologie politique de l'Empire byzantin, Paris 1975; siehe vor allem Chapitre VII, L'utopie nationale, 115-128. 868 Dietld. 869 A. O. 9-11. 870 A. O. 11f. 871 A. O. 12, A. 35.
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Die Gruppe der literarisch Gebildeten
byzantinischen Geschichte872 - im allgemeinen Voraussetzung für eine höhere Beamten- oder Klerikerlaufbahn war. Die hier vorgenommene Unterscheidung der literarisch produktiven Gebildeten von den übrigen ist für das Funktionieren von Kontakten innerhalb der ganzen Gruppe irrelevant. Sie diente in diesem Kapitel nur der Konkretisierung und der Erhebung von zahlenmäßig erfaßbaren Relationen. Die Literaten insgesamt also, deren Zahl ein Vielfaches der konkret beim Namen Genannten umfaßt, waren jedenfalls in der Lage, in der Sprache der Gebildeten, dem Altgriechischen in der Form einer gehobenen, mehr oder weniger attizistisch geprägten Koine, schriftlich und wohl auch - in ..den literarischen Zirkeln - mündlich miteinander zu kommunizieren. Uber diese Möglichkeit verfügten sie unabhängig von ihrem weltanschaulichen Konzept. Das Phänomen, daß einige Vertreter dieser Gruppe die Sprache der Gebildeten zuerst erlernten und dann in Werken, die in dieser Sprache verfaßt wurden, die Bildung aus religiösen Gründen ablehnten, scheint allerdings. in der spätbyzantinischen Gesellschaft besonders stark ausgeprägt zu sem. Innerhalb der Literatengruppe läßt sich eine ganze Reihe von Gemeinsamkeiten und verbindenden Elementen aufzählen, die hier nicht wiederholt werden sollen; es werden aber auch Abgrenzungen und Konturen im Inneren wie nach außen erkennbar. Die stärkste Abgrenzung im Inneren erfolgt nach den Kategorien Gottes- und Weltweisheit und wegen theologischer Kontroversen; nach außen werden vor allem tatsächliche oder vermeintliche Ungebildete ausgegrenzt, zu denen für manche auch die immer noch mehr oder weniger als Barbaren angeprangerten Ausländer gehörten. Was die Beziehung zum Abendland angeht, so zeichnet sich eine deutliche Dialektik ab. Scharfe Ablehnung auf religiösem und wissenschaftlichem Sektor bei der Mehrheit steht hier rückhaltlos er Bewunderung und Akzeptanz bei einer qualifizierten Minderheit entgegen.
872 Eine grundsätzliche Untersuchung der Zusammenhänge zwischen der Karriere von byzantinischen Beamten und Klerikern und ihrem Bildungsniveau steht allerdings noch aus. Doch finden sich entsprechende Hinweise verstreut in der Literatur wie z. B. bei WeiBeamt 7: "Die byzantinischen ,Literaten' ... sind weit mehr mit dem Beamtentum verbunden als die Schriftsteller und Lehrer der Neuzeit. Die meisten Literaten Ostroms standen selbst in hohen Staatsdiensten oder gehörten dem hohen Klerus an." Für das 11. Jh. wird dieser Zusammenhang allein schon durch die von Weiß ausgewertete Korrespondenz des hochgebildeten Literaten Psellos mit zahlreichen Beamten belegt. Die Briefe des Psellos, die in der Regel ohne die entsprechenden Antwortbriefe überliefert sind, setzen voraus, daß die Briefpartner seinen z.T. recht schwierigen Stil nicht.~ur verstehen, sondern auch auf einigermaßen gleichem Niveau antworten konnten. Ahnliches gilt auch für die Korrespondenz der spätbyzantinischen Literaten mit Beamten und Klerikern, darunter auch viele, von denen keine Briefe erhalten sind.
Die Literaten in der spätbyzantinischen Gesellschaft
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Ein spezieller Aspekt, aber von besonderer Wichtigkeit, ist die Weitergabe der literarischen Bildung. Es gab in Byzanz trotz mancher gegenteiligen Behauptung kein durchgängig organisiertes Bildungswesen. Am Anfang aller Bildung in Byzanz stehen nicht Institutionen, sondern private Initiativen und geachtete Lehrerpersönlichkeiten. Da aber Bildung zugleich Prestige bedeutete, haben in den meisten byzantinischen Epochen, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität, Kaiser wie auch hohe Staats- und Kirchenmänner solche privaten Initiativen ermutigt und gefördert; dies gilt auch für die Spätzeit, und neben dem Kaiserhof in Konstantinopel sind in geringerem Maße auch andere Höfe der griechischen Welt wie Mistra und Trapezunt als Förderer der Bildung zu nennen, nicht aber Städte und Klöster als solche. Doch konnten sich auch hier immer wieder private Bildungsinitiativen entfalten, wie es sich z. B. für Thessalonike und einige Klöster in Konstantinopel und anderwärts nachweisen läßt. An einigen Beispielen wurde abschließend versucht zu zeigen, welchen inhaltlichen Beitrag die literarisch produktiven Literaten zu Fragen der konkreten menschlichen Existenz in der spätbyzantinische Gesellschaft leisteten. Dabei konnte gezeigt werden, daß sie trotz der Aktualität ihrer Fragestellung in den vorgeschlagenen Lösungen dennoch mancherlei Traditionen und Klischees verpflichtet und nur bis zu einem gewissen Grade auf dem Stande ihrer Zeit waren. 5.7.2. Entwicklung und Veränderung 1260-1460 Die vorausgehende Darstellung versuchte im wesentlichen, die zweihundert Jahre der spätbyzantinischen Epoche als ein zusammenhängendes Ganzes zu betrachten, wenn auch hier und da bereits auf Veränderungen hingewiesen wurde. Abschließend sollte jedenfalls die Frage nach einem Wandel innerhalb der Literatengruppe noch einmal grundsätzlich gestellt werden. Vielleicht gewinnt die tatsächlich erkennbare Veränderung durch die nachfolgend vorgeschlagene Gliederung der gesamten Epoche in vier Phasen am deutlichsten Profil. Als eine erste Phase (1260-ca. 1320) läßt sich die Zeitperiode bestimmen, in der sich die durch Staatsstreich begründete junge Palaiologendynastie unter Michael VIII. und Andronikos II. etablierte und in der Förderung literarischer Bildung ein wichtiges Element sah, dem neuen Herrscherhaus Prestige zu verleihen. Mag sich die Politik dieser beiden Kaiser auch in manchen Inhalten stark unterscheiden, so zeigt sie doch in diesem Punkt einige Verwandtschaft; vor allem ist in dieser Zeit eine Tendenz zur Bindung privater literarischer Interessen an den Kaiserhof zu erkennen. Mehrere herausragende Literaten im engeren Sinne trifft man in ho-
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hen und höchsten Beamtenstellungen am Kaiserhof an,B7J und auch Mitglieder des Kaiserhauses sind unter ihnen. B74 Aber auch Privatleute und Mönche mit entsprechenden Neigungen edahren zeitweilig vom Kaiser, vor allem von Andronikos 11., Zuwendung oder auch Förderung. B7S Die Literatengruppe um den Kaiserhof steht in dieser Zeit auch in Kontakt mit anderen Zentren griechischer Kultur, vor allem mit ThessalonikeB76 und Trapezunt. sn Der theologische Zwist in der frühen Palaiologenzeit um die Frage der Gemeinsamkeit mit und der Abgrenzung von der Kirche des Westens spornt zwar die Kräfte zur geistigen Auseinandersetzung auch an, doch es wird wegen subtiler Kontroversfragen leider auch viel intellektuelles Potential verschwendet und der Diskussion wichtigerer Fragen entzogen. Eine Mehrzahl von TheologenB7B lehnte diese Union ab, einige von ihnen, vor allem Patriarch Gregorios II., allerdings erst unter dem Unions gegner Andronikos 11., der die konsequentesten Anhänger der Union inhaftierte. B79 Nur wenige verhielten sich in dieser Auseinandersetzung durchweg gemäßigt bis neutral, vor allem G. Pachymeres und Patriarch Athanasios II. von Alexandrien. Als zweite Phase (1320-1354) kann man die Zeit der Bürgerkriege und des beginnenden Streites um die Theologie des G. Palamas bezeichnen; beide Faktoren hatten bis zu einem gewissen Grade eine Krise des literarischen Lebens zur Folge. Das geistige Leben erschöpfte sich fast in der Auseinandersetzung zwischen den PalamitenBBO und ihren Gegnern. BBI Nur wenige verhielten sich in dieser Auseinandersetzung gemäßigt.
873 G. und K. Akropolites, L. Bardales, N. Chumnos, Th. Metochites, M. Gabras, G. Lakapenos, J. und Th. Pediasimos, M. Tarchaneiotes, J. Zacharias. 874 Th. Kantakuzene, A. Palaiologos. 875 M. Holobolos, M. Planudes, G. Lakapenos, M. Moschopulos, N. Artabasdos Rhabdas, M. Neokaisareites, M. Bryennios, N. Gregoras, Th. Hyrtakenos, Joseph Rhakendytes, A. Lampenos, Staphidakes, M. Philes, Ephraim [?], J. Gabras (I), Th. Kabasilas, N. Lampenos, G. Oinaiotes, Th. Xanthopulos, der Mönch Sophonias. 876 Th. Magistros, J. Katrones, D. Beaskos, D. Triklinios. 877 G. Chioniades; einige Zeit nach 1320: A. Libadenos, K. Lukites. 878 Die bekanntesten Namen sind: Arsenios von Pergamon, J. Jasites, Patriarch Joseph 1., Markos (I), G. Moschampar, Th. Muzalon, Nikephoros Athonites, Theoleptos. 879 Patriarch Johannes XI., G. Metochites, K. Meliteniotes. Der Unionsfreund G. Akropolites starb in dem Jahr, als Andronikos 11. die Macht übernahm. 880 G. Palamas, D. Disypatos, Patriarch Isidoros, Kaiser Johannes VI., Patriarch Kallistos L, Patriarch Philotheos, J. Kalothetos, Markos (11). 881 Barlaam, Patriarch Johannes XIV., G. Akindynos, Th. Dexios, G. Lapithes, N. Gregoras, Ignatios Philosophos, Patriarch Ignatios 11. von Antiocheia, K. Asanes, E. Chumnaina, J. Gabras (11). Zu verschiedenen Lebenszeiten unterschiedliche Positionen vertraten Neilos Kabasilas, M. Blastares, M. Gabalas.
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Manche Quellenzeugnisse dieser Zeitperiode deuten auf einen wachsenden Anteil der Mittelschicht (OL I-lEOOL) am Leben dieser Gesellschaft und der Gestaltung ihrer Wirtschaft hin. 88 Doch griffen nur wenige Literaten dieser Schicht zur Feder, um ihre sozialen Belange mit grundsätzlichen Argumenten (abgesehen von konkreten Alltagssorgen) zu verteidigen,883 obwohl sicher eine größere Zahl von ihnen der Mittelschicht zuzuordnen ist, vor allem die dem Kaiserhof nahestehenden nichtbeamteten Literaten und die Privatgelehrten. 884 3. Als dritte Phase (1354-1400) könnte man die Zeit des dramatischen Vormarsches der Türken mit entscheidenden Gebietsverlusten auch im europäischen Teil des Reiches definieren. In dieser Zeit suchten einige führende Literaten das Heil in der geistigen (theologisch-philosophischen) und sogar politischen885 Hinwendung zum Westen, die meist mit der Ablehnun~ des Palamismus verbunden war. 886 Sie und einige weitere Antipalamiten 87 stießen auf den Widerspruch der orthodoxen Kirchenführer und ihrer Anhänger, und es wurden erneut Werke gegen die "Lateiner" oder zur Verteidigung der Lehre des G. Palamas verfaßt. 888 Um diese Zeit entwickelte sich sowohl im Reichszentrum Konstantinopel 889 wie auch in einigen politisch bereits abgetrennten Gebieten, vor allem auf Kreta und auf Zypern, eine eigenständige volks sprachliche Literatur. 89o 4. In der letzten Phase der spätbyzantinische Epoche (1400-1460) erlebte das literarische Leben eine letzte Blütezeit. Sie begann mit einer kurzen Zeit des geistigen Austausches am Kaiserhof von Konstantinopel
882 883 884 885
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S.o., Kap. 3. 2. Mit einiger Sicherheit ist hier nur A. Makrembolites zu nennen. S.o., Text mit A. 45-49. Hier läßt sich allerdings nur D. Kydones namhaft machen, denn im allgemeinen kann man die prowestliche Literatengruppe dieser Zeit eher als unpolitisch und vorwiegend theologisch geprägt bezeichnen. Als paralleles Phänomen im gesellschaftlichen Bereich läßt sich jedoch die entsprechende Ausrichtung des "Unternehmeradels" auf wirtschaftlichem Sektor beobachten, wie oben, Kap. 4, gezeigt. D. und P. Kydones, G. Gabrielopulos Kydones, J. Kyparissiotes, S. Atumanos, M. Kalekas, Theodoros und A. Chrysoberges, M. Chrysoloras. M. Blastares, I. Argyros, Sophianos, Georgios von Pelagonia. Zu beiden Themen: N. Momitzilas, Theophanes (I). Gegen die Lateiner: Matthaios Panaretos, G. Phakrases, K. Angelikudes, Anthimos. Für die Lehre des Palamas: Patriarch Philotheos, Patriarch N eilos I. S.o., Text mit A. 9; Text mit A. 114f. Diese Literatur beginnt auf Kreta um die Mitte des 14. Jh. mit St. Sachlikes. Wesentlich später (ca. 1380-ca. 1432) ist die Lebenszeit des bedeutendsten Schriftstellers im zypriotischen Idiom, Leontios Machairas (PLP 17517), Verfasser einer Chronik von Zypern, anzusetzen (siehe zu ihm auch ODB 1263). Er steht so weit außerhalb des hier behandelten Literatenkreises, daß er nicht in die Liste aufgenommen wurde.
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unter Manuel 11.89\ und einer bemerkenswerten Begegnung von theologisch interessierten Literaten des pro- und antilateinischen Lagers auf Kreta. 892 Dann aber gingen die stärkeren Impulse von dem Subzentrum Mistra auf der Peloponnes aus, wo der - allerdings aus Konstantinopel stammende - Literat G. Gemistos Plethon seit ca. 1410 ein originelles Gesamtkonzept für eine geistige wie auch sozial-wirtschaftliche Erneuerung des Reiches entwarf. Er versammelte um sich einen Schülerkreis, dessen Umfang wohl über die quellenmäßig gesicherten Personen893 weit hinausging. Seine sozial-wirtschaftlichen Reformideen wurden von Bessarion aufgenommen und weiterentwickelt. 894 Allerdings übernahm er nicht Plethons neuheidnisches ideologisches Fundament, sondern blieb einem christlichen Weltbild verpflichtet. Als Anhänger der in Byzanz verworfenen Kirchenunion entschloß er sich schließlich - wie auch die von Plethon beeinflußten Literaten Isidor von Kiev und J. Argyropulos zum Verbleiben in Italien. Während Plethon in Mistra lehrte, gab es auch in Konstantinopel noch einige Gebildete, die wohl nicht vom Plethonkreis beeinflußt waren. 895 Anders war die Situation in Thessalonike. Hier übernahmen während und nach einer ersten Phase der Türkenherrschaft (1387-1403/4) Metropoliten wie 1. Glabas (noch vor 1400), Gabriel (I) und Symeon die geistige Führung. 896 Im Umfeld des Konzils von FerraraFlorenz wurde wieder viel, leider allzu viel, Scharfsinn im theologischen Streit zwischen Unionisten und Antiunionisten aufgewandt. 897 Wenn sich in Byzanz bald nach dem Konzil die Unions gegner durchsetzten, war damit die letzte Chance zu einem gemeinsamen Vorgehen von Ost und West gegen die türkisch-islamische Bedrohung verspielt;
891 Hier sind zu nennen: Manuel 11. selbst, der sich erfolgreich als Literat betätigte, M. Balsamon, J. Chortasmenos, J. Bryennios, D. Chrysoloras, Mazaris und andere; über J. Bryennios bestanden auch Kontakte zu Literaten auf Kreta, vor allem zu J. Philagrios. 892 S.o., Text mit A. 697-700. 893 Bis 1438 sind gemäß WoodhPleth 32 nur Bessarion und M. Eugenikos gesichert. Über weitere mutmaßliche oder mögliche Schüler siehe a. O. 33-38,40-42. 894 S.o., Text mit A. 833-854 (Plethon), Text mit A. 855-866 (Bessarion). 895 G. Chrysokokkes (11), zeitweilig Lehrer Bessarions und Filelfos, M. Chrysokokkes, G. Sphrantzes sowie eine größere Zahl von Experten für Kirchenmusik: J. Laskaris, M. Chrysaphes, Gabriel 11 und G. Alyates. 896 Zu der von Matschke beobachteten Beziehung zwischen der Literatengruppe und dem von ihm analysierten aristokratischen Unternehmertum s.o., Kap. 4. 5. 897 Für die Union plädierten außer Bessarion und Isidor von Kiev auch M. Makres und, erst als Patriarch, Gregorios 111., ferner bis zum Konzil von Ferrara-Florenz (1438/39) auch Georgios Scholarios (später Gennadios 11.), S. Syropulos und G. Amirutzes. Die wichtigsten Gegner der Union waren: Makarios von Ankyra, N. Damilas, Dorotheos, M. und J. Eugenikos, Th. Agallianos und - nach dem Konzil- Gennadios Scholarios, S. Syropulos und G. Amirutzes.
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Pr.osopographische Liste der Literaten
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bald darauf sollte Konstantino~el für immer aufhören, Hauptstadt des byzantinischen Reiches zu sein. 8
5.8. Prosopographische Liste der Literaten Die folgende Liste, auf die im vorausgehenden Text immer wieder Bezug genommen wurde, umfaßt Personen, die ein qualitativ oder quantitativ nennenswertes literarisches Werk hinterlassen haben und deren literarische Tätigkeit im wesentlichen in den Zeitraum 1260-1453 fällt. In Ausnahmefällen werden auch bedeutende Lehrer aufgenommen, von denen eine literarische Hinterlassenschaft nicht erhalten ist, z. B. Chrysokokkes, Georgios (11). 1. Zeichen
* geboren + gestorben • Autor hat ein umfangreiches oder bedeutendes Werk hinterlassen 2. Kürzel 2.1. Verweise auf bereits vorliegende Listen:
Die Liste verweist mit den Kürzeln Sund K jeweils auf die folgenden beiden Listen von Literaten, falls der betreffende in einer der beiden Listen aufscheint: S: Liste von 91 Literaten des 14. Jh. bei SevSoc 69, A. 2. Daraus werden nur Georgios Geometres (P3960) und Johannes Protospatharios (P8731) wegen unsicherer Lebenszeit nicht übernommen. K + Nr.: Rezension von A. Kazhdan: The Fate of the Intellectual in Byzantium (A Propos of: Society and Intellectual Life in Late Byzantium, by Ihor Sevcenko, London 1981), Greek Orthod. Theol. Review 27, 1982, 83-97. Hier findet sich auf S. 92-96 eine ergänzende Liste von
898 Viele teilten damals in Konstantinopel die Überzeugung des Staatsmannes Lukas Notaras, es sei besser, in Konstantinopel einen türkischen Turban herrschen zu sehen als eine lateinische Kaiserkrone. Zu dieser Interpretation des berühmten Zitates siehe jetzt ReinTurban.
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Personen "who left their trace - so me greater, some smaller - in Byzantine literature of the fourteenth and the beginning of the fifteenth centuries". Die wichtigsten der hier Genannten werden auch in die folgende Liste, mit dem Vermerk Kund Nr. der Liste aufgenommen. Als weniger bedeutend bleiben unberücksichtigt: Nr. 6, 7, 8, 12, 13, 17, 18, 19,33,34, 37,42,44,45,47,51,52,58. Einige Namen werden von Kazhdan erneut genannt, die sich bereits bei Sevcenko finden, z. B. Isaak, Mönch (P1285); Kyparissiotes, Johannes (P13900). 2.2. Kürzel zur Erläuterung der Namen (nach PLP):
E: FN: HN: MN: NN: WN:
Epitheton früherer Name Herkunftsname Mönchsname Namensnebenform weltlicher Name 2.3. Weitere Kürzel:
fl.: P (statt PLP) VOr Zahl: SH: SS: TS: U:
floruit PLP-Nummer Soziale Herkunft Soziale Stellung (Höhepunkt der Karriere) Theologischer Schriftsteller (s.u., 3.3.6) Unbekannt 3. Weitere Bemerkungen
3.1. In die Liste nicht aufgenommene Literaten, die erst nach 1453 als Autoren nachgewiesen sind:
Apostoles, Michael (P1201) Chalkokandyles (Chalkokondyles), Laonikos (P30512) Dukas, Michael(?) (P5685) Kritopulos von Imbros (P13817). 3.2. Schreibung am Wortanfang:
Statt I wird VOr Vokal J geschrieben. In der alphabetischen Liste werden I und J wie ein Buchstabe behandelt. Statt J oannes wird J ohannes geschrieben.
?rosopographische Liste der Literaten
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3.3. Kategorien der folgenden Liste:
1. Familienname(n). -:- 2. Vorname(n) (Hauptkaiser und Patriarchen werden nicht unter ihrem Familiennamen, sondern unter ihrem Vornamen angeführt). - 3. PLP-Nr. (bezeichnet durch P + Zahl). - 4. Basisliteratur in Klammern, falls ein Zusatz zur PLP-Angabe erforderlich erscheint. 5. Lebenszeit oder floruit (fl.) in Klammern. - 6. Stellung im Geistesleben. Kategorien: Nur die Spezialisierung auf besondere literarische Aktivitäten wird bezeichnet: TS = vorwiegend theologischer Schriftsteller (bei Beschränkung auf Theologie bzw. Religiöses; diese einschränkende Angabe fehlt auch dann, wenn außer den theologischen Schriften ein nennenswertes Briefcorpus vorliegt) - Angabe der theologischen Richtung: Palamit, Antipalamit, Prolateiner, Antilateiner - Spezialberufe (nur wenn der literarische Schwerpunkt entschieden auf dieser Spezialisierung liegt): Astrologe, Dichter, Epistolograp~, Geschichtsschreiber, Jurist, Musikschriftsteller, Philologe, Philosoph, Ubersetzer; die Angabe "Lehrer" ver-weist darauf, daß die betreffende Person mehr im Lehrberuf als literarisch tätig war. - 7. SH (Soziale Herkunft). - 8. SS (Soziale Stellung). Liste der Literaten -1. Abramios, Johannes P57 (fl. 1371-91) Astrologe. SH: U. SS: Berater Andronikos' IV. -2. • Agallianos, Theodoros (WN), Theophanes (MN) P94 (ca. 140074) TS, Antilateiner. SH:_Verwandt mit Markos Eugenikos, bei dem er studierte. SS: Um 1453 Dikaiophylax in Konstantinopel; später Metropolit v(;m Medeia. -3. • Akindynos, Gregorios (MN) P495 (S; AkindH IX) (ca. 1300 bis ca. 1348) TS, Antipalamit. SH: Sohn bäuerlicher Eltern aus der Gegend von Prilapos, aufgewachsen in Bitola-Pelagonia. SS: Hieromonachos seit 1344. -4. • Akropolites, Georgios P518 (1217-82) Geschichtsschreiber, Lehrer, Prolateiner. SH: Vater aus Konstantinopel, sehr vermögend, mit persönlichen Kontakten zu Johannes IH., dem ab 1233 seine Erziehung anvertraut wurde (Akr 46). SS: Megas Logothetes 1255-82. -5. • Akropolites, Konstantinos P520 (S) (fl. ab 1282, + vor Mai 1324) TS. SH: Sohn des Georgios A. (s.o.). SS: Megas Logothetes 1305/06-21. -6. Alyates Mpunes, Gregorios P714 (fl. 1433-47) Musikschriftsteller. SH: U. SS: Hieromonachos, Protospsaltes (?) an der Hagia Sophia, Konstantinopel.
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-7. Amanteianos, Konstantinos P740 (KlO) (fl. 1362) Dichter. SH: U. SS: Arzt (Archiatros) am Despotenhof in Mistra. -8. • Amirutzes, Georgios P784 (ca. 1400 bis nach 1469) Anfangs Befürworter, später Gegner der Kirchenunion. SH: Trapezunt. SS: Protobestiarios und Megas Logothetes in Trapezunt nach 1453. -9. Angelikudes Melenikiotes (HN), Kallistos P145 (K9) (fl. 2. H. 14. Jh.) TS, Palamit, Antilateiner. SH: U. SS: Hieromonachos, Pneumatikos. -10. Anthimos P993 (K3, irrig, Anthimios) (ca. 1325 bis ca. 1370) TS, Antilateiner, Palamit (?). SH: U. SS: Metropolit von Athen bis 1366, von Kreta bis ca. 1370. -11. Antonios P1098 (K4) (fl. 1340-62) TS, Prediger. SH: U. SS: Metropolit von Larissa ab 1340, Katholikos Krites 1359-62. -12 .• Argyropulos, Johannes P1267 (1393/94 [CanivOik 15]-1487) Philosoph, Prolateiner. SH: Angesehene, reiche Eltern in Konstantinopel (aus Thessalonike)? Nach frühem Tod der Eltern übernahm ein Onkel in Thessalonike die Erziehung. SS: Patriarchatskleriker, Richter (Krites tu Demosiu), Lehrer an kaiserlichen Schulen ca. 1420 (CanivOik 16)-1441 und 1444-53. -13 .• Argyros, Isaak P1285 (S) (ca. 1300 bis ca. 1375) Antipalamit. SH: Thrakien (?). SS: Mönch. -14 .• Armenopulos, Konstantinos P1347 (S) (fl. 1345 bis nach 1359) Jurist. SH: Thessalonike. SS: Katholikos Krites nach 1359. -15. Arsenios Autoreianos, Gennadios (MN), Georgios (WN) P1694 (TinnPatr 91f.) (ca. 1200 bis 30. 9. 1272) TS. SH: Vater: Alexios (?) bzw. Theodoros (?) A., Richter am Hippodrom vor 1204. Mutter aus dem angesehenen Geschlecht der Kamateroi. SS: Patriarch von Konstantinopel 1254-59, 1261-65. -16. Arsenios P1405, wohl identisch mit P1430, vielleicht mit P1693 (K5) (fl. 1295-1316/17) TS, Antilateiner. SH: U. SS: Metropolit von Pergamon ab 1295. -17. Artabasdos Rhabdas, Nikolaos P1437 (K50) (fl. 1341) SH: U. SS: Privatgelehrter. -18. Asanes, Konstantinos P1503 (fl. ab 1358, + 1415). SH: Aus der angesehenen Asanenfamilie. SS: Vertrauter der Kaiser Johannes V. und Manuel 11. -19.• Athanasios 1., Alexios (WN), Akakios (weiterer MN) P415 (S) (ca. 1210 bis Sept. 1309). SH: Eltern von bescheidener Herkunft, ohne Familiennamen. SS: Patriarch von Konstantinopel 1289-93, 1303-09. -20. Athanasios 11. P413 (Beck 688) (fl. ab 1276, + 1319) TS. SH: Vornehme Eltern. SS: Patriarch von Alexandreia. -21. Atumanos, Simon P1648 (K53) (fl. ca. 1340 bis mindestens 29.5.1383) Philologe, Übersetzer. SH: Konstantinopel, Sohn eines Türken und einer Griechin. SS: Lat. Erzbischof von Theben seit 1366.
Prosopographische Liste der Literaten
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Autoreianos, s. Arsenios -22. Balsamon, Michael P91429 (LetMan XXIXf.; TinnJud I, 421, A. 3) (fl. 1397-1402) Lehrer, T5. 5H: Angesehene Familie (?). 55: Im Patriarchatsklerus: Didaskalos Katholikos, Megas Chartophylax. -23. Bardales, Leon P2183 (5) (fl. 1296-1342) Dichter. 5H: Begüterte Familie (?). 55: Protasekretis am Kaiserhof. -24 .• Barlaam Kalabros (HN) P2284 (5) (fl. ab 1330, + 1348) Antipalamit, Prolateiner. 5H: U; vor 1330 Mönch in Kalabrien. 55: Lat. Bischof von Gerace, Kalabrien, 1342-48. -25. Beaskos, Demetrios P2541 (fl. 1295-99) T5, Dichter. 5H: U. 55: Hierodiakonos, Megas Oikonomos der Metropolie von Thessalonike. Bekkos, Johannes, s. Johannes XI. -26 .• Bessarion P2707 (1399/1400-72) Philosoph, Prolateiner. 5H: Aus sehr kinderreicher Familie in Trapezunt; wurde erzogen vom Metropoliten Dositheos von Trapezunt. 55: Metropolit von Nikaia (1437-39), unierter Metropolit von Theben (1440-49), Kardinal der römischen Kirche (1439-72). -27.• Blastares, Matthaios P2808 (5) (fl. ab 1335, + nach 1348) T5, Antilateiner, bis ca. 1346 Antipalamit, dann Palamit; Jurist. 5H: U. 55: Hieromonachos im Isaakkloster, Thessalonike. -28. Blemmydes, Michael P91529 (13./14.]h.) MusikschriftsteUer. 5H: U. 55:U. Bollas, s. Muzalon -29 .• Bryennios, Joseph P3257 (5) (ca. 1350-1431/38) Antilateiner. 5H: U. 55: Hofprediger in Konstantinopel 1403/04-06; Mönch im Charsianeiteskloster, Konstantinopel, 1416-27. -30 .• Bryennios, Manuel P3260 (5) (fl. ca. 1300-20). 5H: U. 55: Privatgelehrter. Bucheir, s. Isidoros I. -31. • Chamaetos Kabasilas, Nikolaos P30539 (5) (ca.1322/23 bis bald nach 1391). 5H: Mutter aus der angesehenen Familie Kabasilas, Familie des Vaters, Chamaetos, weniger angesehen. 55: Vertrauter Johannes' VI. Kantakuzenos (1347-1354); nach dessen Abdankung wohl nur noch Privatmann oder Mönch. -32 .• Chioniades, Georgios, Gregorios (MN) P30814 (5) (fl. um 1300) Übersetzer. 5H: Konstantinopel. 55: Vertrauter Kaiser Alexios' II. von Trapezunt, später Bischof von Täbris. -33 .• Chortasmenos, Johannes, Ignatios (MN) P30897 (5) (ca. 1370 bis ca. 1436/37). 5H: Konstantinopel. 55: Metropolit von 5elymbria 1431-36/37. -34. Chrysaphes, Manuel Dukas P31080 (fl. ca. 1425-1450) MusikschriftsteUer. 5H: U. 55: Chorleiter im Kaiserpalast.
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Die Gruppe der literarisch Gebildeten
-35 .• Chrysoberges, Andreas P31106 (S) (fl. ab ca. 1400, + 1451) TS. SH: U; Bruder des Maximos Chrysoberges. SS: Dominikanermönch, lateinischer Erzbischof von Rhodos, später von Nikosia. -36. Chrysoberges, Maximos P31123 (S) (fl. E. 14. Jh. bis ca. 1430) TS. SH: U; Bruder des Andreas Chrysoberges. SS: Seit 1390/91 Dominikanermönch. -37.• Chrysokephalos, Michael, Makarios (MN) P31138 (S) (ca. 1300 bis ca. 1382) TS, Antilateiner. SH: Aus vornehmer Familie, in Konstantinopel? SS: Katholikos Krites um 1351; Metropolit von Philadelpheia 1336-82. -38 .• Chrysokokkes, Georgios (I) P31142 (S) (fl. 1335-50) Astronom. SH: U, Trapezunt. SS: Arzt; Privatgelehrter? -39.• Chrysokokkes, Georgios (11) P31141 (fl. ca. 1420-30) Lehrer. SH: U.SS:U. -40. Chrysokokkes, Michael P31145 (fl. um 1435) Übersetzer astronomischer Tafeln aus dem Hebräischen. SH: U. SS: Notarios beim Patriarchat von Konstantinopel. -41. • Chrysoloras, Demetrios P31156 (S; Tusculum 166; ODB I 454) (vor 1360 bis nach ApriVMai 1416) Antilateiner. SH: U. SS: Vertrauter Manuels 11., Mesazon unter Johannes VII. (1403-08). -42 .• Chrysoloras, Manuel P31165 (S) (ca. 1350-1415) Lehrer, Prolateiner. SH: U. SS: Vertrauter Manuels 11.; mehrfach kaiserlicher Gesandter im Abendland. -43. Chumnaina Palaiologina, Eirene, Eulogia (MN) P30936 (K21) (1291 bis ca. 1355) Antipalamitin. SH: Tochter des Mesazon Nikephoros Chumnos (s. u.). SS: Gattin des Despotes Johannes Palaiologos, Sohn Kaiser Andronikos' 11. (1303-07); Nonne in Konstantinopel seit 1307. -44. Chumnos, Makarios P30956 (S) (+ ca. 1382) TS. SH: U. SS: Abt des Studiuklosters in Konstantinopel. -45 .• Chumnos, Nikephoros P30961 (S) (ca. 1250-1327). SH: U. SS: Leitender Hofbeamter (Mesazon) 1293-1305/08. -46. Damilas (Damylas), Neilos P5085 (K43) (fl. 1397-1417) TS, Antilateiner. SH: U. SS: Hieromonachos in einem Kloster in Hieropetra_ (Kreta). -47.• Dellaporta, Leonardo P27556 (K29) (vor 1346-1419/20) Dichter. SH: Vornehme orthodoxe Familie auf Kreta. SS: Schiffskommandant; Anwalt; Gesandter im Dienst der venezianischen Regierung. -48. Dexios, Theodoros P5194 (1. H. 14. Jh.) TS, Antipalamit. SH: U. SS: 1351 im Dienst der Kaiserin Anna Palaiologina (P21347). -49 .• Diasorenos, Neilos P5396 (S) (fl. 2. H. 14. Jh.) Jurist, Palamit. SH: U. SS: Metropolit von Rhodos, ca. 1357-59.
I
Prosopographische Liste der Literaten
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-50 .• Dis(h)ypatos, David P5532 (S) (fl. 1336-54) TS, Palamit. SH: Wohl aus angesehener Familie. SS: Mönch. -51. Dorotheos P5929 (S) Antilateiner. SH: U. SS: Metropolit von Mitylene 1422 bis ca. 1444. -52. Ephralm P6408 (S) (E. 13. bis 1. H. 14. Jh.) Geschichtsschreiber, Dichter. SH: U. SS: U. -53 .• Eugenikos, Johannes P6189 (S) (nach 1394 bis nach 1454) Antilateiner. SH: Sohn des Georgios Eugenikos, zuletzt Protekdikos beim Patriarchat von Konstantinopel. SS: Nomophylax, Diakon. -54 .• Eugenikos, Manuel, Markos (MN) P6193 (S) (ca. 1394-1445) Antilateiner. SH: Bruder des Johannes Eugenikos (s.o.). SS: Metropolit von Ephesos 1437-1445. -55 .• Gabalas, Manuel, Matthaios (MN) P3309 (S; K35) (1271/721355/60). SH: Schüler des Metropoliten Theoleptos von Philadelpheia. SS: Metropolit von Ephesos (1329 [MatthEp 6] -1355/ 60). -56. Gabras, Johannes (I) P3362 (K27) (fl. ab 1285/86, + 1319/20). SH: Bruder des Michael Gabras. SS: U. -57. Gabras, Johannes (11) P91571 (K26) (fl. 1341-43) TS, Antipalamit. SH: U. SS: U. -58 .• Gabras, Michael P3372 (K40) (ca. 1290 bis nach 1350). SH: U. SS: Beamter der Kaiserkanzlei um 1320. -59. Gabriel (I) P3416 (Kll) (fl. ab 1368, + ca. 1416-19) TS. SH: Sohn eines Priesters in Thessalonike. SS: Metropolit von Thessalonike 1397-1416. -60. Gabriel (11) P3428 (fl. vor 1445) Musikschriftsteller. SH: U. SS: Hieromonachos; Leiter eines angesehenen Chores im Xanthopuloikloster, Konstantinopel. -61. Gabrielopulos Kydones, Georgios, Philosophos (E) P3433 (fl. 134883). SH: Verwandter des Demetrios Kydones (?). SS: Arzt; verkehrte an den Höfen Francescos I. Gattilusio in Mitylene und des Manuel Kantakuzenos in Mistra. -62. Galesiotes, Georgios (I) P3528 (K14; ODB 11 817) (fl. ca. 1278/801334). SH: Verwandt mit Oinaiotes, Georgios (s. u.) und Holobolos, Manuel (s.o.). SS: Protekdikos, später Sakelliu beim Patriarchat von Konstantinopel. -63 .• Gemistos Plethon, Georgios P3630 (S) (ca. 1360 bis 26.6.1452) Philosoph, Lehrer. SH: U. SS: Statthalter auf der Peloponnes 142733; Senator 1438. -64 .• Gennadios 11. Kurteses Scholarios, Georgios (WN), Philosophos (E) P27304 (ca. 1400/05-1472/74). SH: Konstantinopel; Vater aus Thessalien. SS: Katholikos Krites; Patriarch von Konstantinopel 1454-56, 1463, 1464-65.
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Die Gruppe der literarisch Gebildeten
-65. Georgios von Pelagonia P4117 (S) (2. H. 14. Jh.) TS, Antipalamit. SH: V. SS: Metropolit von Pelagonia (?). -66 .• Glabas, Isidoros, Johannes (WN) P4223 (S; siehe auch Christophorides 8'1'l) (1341/42-1396) TS. SH: V. SS: Metropolit von Thessalonike. Glabas, Michael, s. Tarchaneiotes, Michael Dukas Glabas Glykys, Johannes, s. Johannes XIII. -67.• Gregoras, Nikephoros P4443 (S) (1292/95-1358/61). SH: Neffe des Metropoliten von Herakleia, Pontos. SS: Kaiserlicher Gesandter 1326; Privatgelehrter, gefördert vor allem von Andronikos II., auch von Andronikos III. -68 .• Gregorios 11. Kyprios (HN), Georgios (WN) P4590 (ca. 1241 bis 1. H. 1290). SH: Seine zypriot. Eltern förderten seine Bildung. SS: Patriarch von Konstantinopel (1283-89). -69. Gregorios III. Mamme (HN) P4591 (fl. ab 1438, + 1459) TS. SH: Verwandter des Staatsmannes Lukas Notaras. SS: Patriarch von Konstantinopel (1445-51). -70.• Gregorios (MN) Sinaites (HN) P4601 (S) (+ nach 1337) TS. SH: Aus Kukulos bei Klazomenai, wohl aus bescheidenen Verhältnissen. SS: Mönch. -71. Hermoniakos, Konstantinos P6129 (S) (fl. 1323-35). SH: V. SS: Gefördert vom Despoten Johannes 11. von Epeiros und seiner Gattin Anna. -72.• Holobolos, Manuel, Maximos (MN) P21047 (fl. ab 1261, + ca. 1296-1310) Philologe, Dichter. SH: V. SS: Lehrer an einer Schule des Patriarchats von Konstantinopel (s. o. Text mit A. 582-587). -73 .• Hyrtakenos, Theodoros P29507 (S) (ca. 1270 bis nach 1329). SH: Aus Hyrtakos bei Kyzikos, wohl aus bescheidenen Verhältnissen. SS: Privatlehrer, zeitweilig von Andronikos 11. gefördert. -74. Jakobos P7904 (K24) (fl. 1343-60) TS, Dichter. SH: V. SS: Metropolit von Serres (ca. 1348-60). -75. Jasites Melias, Job P7959 (S) (fl. 1273-75) TS, Antilateiner. SH: V. SS: Hieromonachos; Berater des Patriarchen Joseph 1. Ignatios, Metropolit von Selymbria, s. Chortasmenos, Johannes -76. Ignatios Philosophos (E) P8076 (K19) (fl. ca. 1332-51) TS, Antipalamit. SH: U. SS: Mönch; Briefpartner und geistl. Berater der Chumnaina (s.o.). -77. Ignatios II. P8073 (K20) (fl. ab ca.1341, + ca. 1363) TS, Antipalamit. SH: V; aus Armenien. SS: Patriarch von Antiocheia. 899 V. Ch. Christophorides, 0 APXLE:JtLOlCO:JtO<; eE<JOaA.OVLK"l<; Ioillmpo<; rAaßu<; Kat ta KOLvmVLKU :JtPoßA.i]l1ata t"l<; E:JtOXi]<; tou, Emot"l110VLKi] E:JtEtTJPLÖa eWA.OYLKi]<; ~XOA.i]<; naVEmotL\1LoU eeaOaA.OVLK"l<; 29,1986-89,517-591.
~rosopographische Liste der Literaten
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-78. Joasaph P8916 (K23)(fl. ab ca. 1431, + 1437) Dichter. SH: U. SS: Metropolit von Ephesos (ca. 1433-37). -79.• Johannes VI. Kantakuzenos P10973 (S) (E. 13. Jh. bis 1383). SH: Vater Statthalter auf der Peloponnes, Mutter aus angesehener Familie. SS: Kaiser 1341/47-1354. -80.• Johannes XI. Bekkos P2548 (ca. 1230/40 bis März 1297) TS. SH: Begüterte Familie in Nikaia (?) (TinnPatr 92). SS: Patriarch von Konstantinopel 1275-83. -81. • Johannes XIII. Glykys P4271 (S) (fl. ab ca. 1282, + nach Mai 1319). SH: U. SS: Logothet des Dromos. Patriarch von Konstantinopel1315-19. -82. Johannes XIV. Kalekas P10288 (S) (1283-1347). SH: Bescheidene Abkunft (TinnPatr 95 mit A. 40). SS: Patriarch von Konstantinopel 1334-47. -83. Joseph I. Galesiotes (HN) P9072 (fl. ab 1222, + 1283) Antilateiner. SH: Gehörte zeitweilig zum Palastklerus der Kaiserin Eirene, Gattin Johannes' 111., was für gehobene Abkunft spricht (TinnPatr 95, A. 34). SS: Patriarch von Konstantinopel 1266-75, 1282/83. -84 .• Joseph Rhakendytes (E), Philosophos (E) P9078 (S) (ca. 1260 bis ca. 1330). SH: Bescheidene Familie, Ithaka. SS: Mönch; lehnte viermal die Annahme der Wahl zum Patriarchen von Konstantinopel ab. -85. Isaak, Mönch, Verfasser eines Handbuches für Metrik (S; K22; Hunger 11, 51), das aber in P1285 dem Argyros, Isaak zugeschrieben wird. -86. Isidoros I. Bucheir (zu dieser Form des Familiennamens s. TinnPatr 95, A. 43) P3140 (S) (fl. ab ca. 1320, + 1350) TS, Lehrer. SH: Sohn eines aus Chios eingewanderten Papas in Thessalonike (TinnPatr 95, AA2). SS: Patriarch von Konstantinopel 1347-50. -87.• Isidoros P8300 (S) (ca.1380/90-1463) Prolateiner. SH: Peloponnes; Fehlen eines Familiennamens läßt auf bescheidene Herkunft schließen. Identität dieses Isidor mit dem späteren Metropoliten unsicher, aber doch sehr wahrscheinlich. SS: Abt des Demetrios-Klosters in Konstantinopel 1433-36, Metropolit von Kiev 1436-58, unierter römischer Kardinal seit 1439. -88. Jubenalios P8221 (fl. ab ca. 1435, + 1450) Anhänger der Philosophie des Gemistos Plethon. SH: U. SS: Privatgelehrter. -89. Kabakes, Demetrios Rhaul PI0016 (ca. 1400-87). SH: Vornehme Familie. SS: Kopist, Privatgelehrter. -90 .• Kabasilas, Neilos P10102 (S) (fl. ab 1341, + 1363) TS, Antilateiner. SH: Angesehene Familie. SS: Metropolit von Thessalonike 136163. Kabasilas Chamaetos, Nikolaos, s. Chamaetos
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Die Gruppe der literarisch Gebildeten
-91. Kabasilas, Theodoros P10090 (fl. 1326-33). SH: Angesehene Familie (?). SS: Logothetes tu Stratiotiku 1327. Kalekas, Johannes, s. Johannes XIV. -92. • Kalekas, Manuel P10289 (S) (fl. ab 1391, + 1410) Antipalamit, Prolateiner. SH: U. SS: Dominikanermönch, 1404-10. -93. Kallistos 1. P10478 (S) (ca. 1310-63) TS. SH: U. SS: Patriarch von Konstantinopel 1350-53, 1355-63. -94. Kallistos II. Xanthopulos P20820 (S) (fl. 1397-1408) TS. SH: Angesehene Familie. SS: Patriarch von Konstantinopel 1397. Kallistos Xanthopulos, Nikephoros, s. Xanthopulos Kallistos Xanthopulos, Theodoros, s. Xanthopulos -95. Kalothetos, Joseph P10615 (S) (fl. ab ca. 1335, + nach 1355) TS, Palamit. SH: U. SS: Abt eines unbekannten Klosters. -96. Kanabutzes, Johannes P10871 (fl. 2. V. 15. Jh.). SH: U. SS: Privatgelehrter. -97. Kantakuzene Rhaulaina Palaiologina Komnene, Theodora (WN), P10943 (S) (fl. ab 1261, + 1300). SH: Vater: Provinzgouverneur (Dux) Johannes Komnenos Kantakuzenos Angelos (fl. 1244-49, + vor 1257) (Nicol, wie oben, A. 666, 14-16). Mutter: Eirene Palaiologina, Schwester Michaels VIII., P21360. SS: Gattin des Protobestiarios Johannes Komnenos Rhaul, P24125; nach dessen Tod Nonne (gemäß TalbNuns 605, A. 8 behielt sie im Kloster ihren Namen). Kantakuzenos, Johannes, s. Johannes VI. Kantakuzenos -98. Kantakuzenos Asanes, Matthaios P10983 (K39) (ca. 1325-83). SH: Erster Sohn Kaiser Johannes' VI. Kantakuzenos. SS: Mitkaiser 135357. -99. Kataphygiotes (Kataphrygiotes: Beck 784, Tusculum 438), Kallistos P11466 (S) (fl. 1. H. 14. Jh. oder früher) TS. SH: U. SS: Mönch (?) -100. Katrares, Johannes P11544 (S) (fl. 1. H. 14. Jh.) Philologe, Dichter. SH: U. SS: Privatgelehrter. -101. Katrones,Johannes P11551 (fl. um 1320). SH: U. SS: Privatgelehrter. Kerameus, Neilos, s. Neilos I. Kerameus -102. Kladas, Johannes P11739 (fl. E. 14. bis Anf. 15. Jh.) Musikschriftsteller. SH: U. SS: Didaskalos ton Didaskalon beim Patriarchat von Konstantinopel. Kokkinos, s. Philotheos -103 .• Kukuzeles Papadopulos, Johannes P92435 (TrappNot) (~' vor 1270, fl. ca. 1300-30) Musikschriftsteller. SH: Dyrrhachion (Grieche, nicht Bulgare!). SS: Lehrer. Kurteses, s. Gennadios II. -104.• Kydones, Demetrios P13876 (S) (ca. 1324-97/98) Antipalamit, Prolateiner. SH: Angesehene Familie in Thessalonike. SS: Leitender Regierungsbeamter (Mesazon) unter den Kaisern Johannes VI.
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Prosopographische Liste der Literaten
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Kantakuzenos 1347-54 und Johannes V. ca.1356 bis 1386 (TinnKyd III, 255), mit Unterbrechungen. -105 .• Kydones, Prochoros P13883 (S) (ca. 1333-69/70) TS, Antipalamit, Prolateiner. SH: Bruder des Demetrios Kydones. SS: Mönch der Athoslaura. -106 .• Kyparissiotes, Johannes P13900 (S; K25) (fl. ca. 1370-78/79) TS, Antipalamit, Prolateiner. SH: U. SS: Privatgelehrter. K yprios, Georgios, s. Gregorios Ir. -107.• Lakapenos, Georgios P14379 (S) (fl. ca. 1297 bis ca. 1310/11). SH: Grundbesitzer in Makedonien oder Thrakien, Familienbesitz? SS: Siehe SH; Steuerbeamter 1299-1300. -108. Lampenos, Alexios P14423 (Kl) (fl. 1307-17). SH: U. SS: Redenschreiber für den Kaiserhof von Konstantinopel. -109. Lampenos, Nikolaos P14431 (K48) (fl. 1324-30). SH: U. SS: Protonotarios am Hof von Konstantinopel 1324-28. -110 .• Lapithes, Georgios P14479 (S) (fl. ca. 1340 bis ca. 1349) Antipalamit. SH: Wohl aus angesehener zypriotischer Familie. SS: Privatgelehrter mit Kontakten zum zypriotischen Hof (Hugo IV.). -111. Laskaris Pegonites, J ohannes P14535 (Hunger II 208) (fl. ca. 14111418) Musikschriftsteller. SH: Aus begüterter Familie in Konstantinopel. SS: Gesangslehrer in Chandax, Kreta. -112. Lazaropulos, Joseph P14320 (S; Beck 794) (fl. ab 1340, + 1367/69) TS. SH: Aus angesehener (?) Familie in Trapezunt. SS: Metropolit von Trapezunt 1364-65. -113 .• Libadenos, Andreas P14864 (S) (1308/16 bis mindestens 1361). SH: Konstantinopel. SS: Chartophylax der Metropolie von Trapezunt. -114. Logaras, Philippos P14990 (K30) (fl. 2. V. 14. Jh.). SH: U. SS: 'E3tL 'twv dvafA.v~aEüJv am Hof von Konstantinopel. -115. Lopadiotes, Andreas P15038 (K2) (1. V. 14. Jh.). SH: U. SS: Privatgelehrter. -116. Lukites, Konstantinos P15153 (S) (fl. ab ca. 1330 [1301?], + einige Zeit vor 1369). SH: Aus Makedonien. SS: Protobestiarios am Kaiserhof von Trapezunt 1330 (1301 ?) bis 1336. -117.• Magistros, Thomas (WN), Theodulos (MN) P16045 (S) (ca. 1275 bis bald nach 1347). SH: U; aus Thessalonike. SS: Privatgelehrter, später Mönch. ~akarios, Hieromonachos, Kanonist: siehe Chrysokephalos, Makanos -118. Makarios P16254 (K31) (fl. einige Zeit vor 1396-1405/09) TS, Antilateiner. SH: U. SS: Metropolit von Ankyra 1397-1405/09. -119. • Makrembolites, Alexios P16352 (S) (fl. 1342-1349). SH: Wohl bescheiden. SS: Angestellter des Steuerbeamten Theodoros Patrikiotes (P22077) um 1341; später Privatmann (?) in Konstantinopel (?).
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Die Gruppe der literarisch Gebildeten
-120. Makres, Makarios P16379 (fl. ab ca. 1391, + 1431). SH: U. SS: Hieromonachos; Abt des Pantokratorklosters in Konstantinopel 1430 (1423) bis 1431. Mamme, s. Gregorios III. -121. • Manuel 11. Palaiologos P21513 (S) (1350-1425). SH: Zweiter Sohn Kaiser johannes' V. Palaiologos. SS: Mitkaiser seit 1373, Kaiser 1391-1425. -122. Markos (I) P17087 (fl. um 1285) TS, Antilateiner. SH: U; aus jüdischer Familie. SS: Mönch. -123. Markos (II) P17086 (fl. 1. H. 14. jh.) TS, Palamit. SH: Aus bescheidener (?) Familie in Klazomenai. SS: Mönch, zuletzt in der Athoslaura. -124. Matthaios P17309 (K38; Hunger II 148) (fl. um 1395) Dichter. SH: U. SS: Seit 1395 "Exarch" (Titularmetropolit) für "Chazarien", d.h. Südrußland und Krim. Matthaios Kantakuzenos, s. Kantakuzenos, Matthaios -125. Mazaris P16117 (S) (fl. 1414-15). SH: U. SS: Zeitweilig am Kaiserhof (als Hofbeamter?) Melenikiotes, s. Angelikudes Melias, s. jasites -126. Meliteniotes, Konstantinos P17856 (S) (fl. ab 1270, + 1307) TS, Prolateiner. SH: U. SS: Palastkleriker 1270-1282; Chartophylax beim Patriarchat 1275-1282. -127 .• Meliteniotes Metochites (?), Theodoros P17851 (S) (fl. ab 1360, + 1393) Palamit, Antilateiner; identisch mit dem Dichter Meliteniotes P17848 (?). SH: U. SS: Archidiakon im Palastklerus. -128 .• Metochites, Georgios P17979 (S) (ca.1250-1328) TS, Prolateiner. SH: U. 5S: Archidiakon im Palastklerus 1276-82; 'EXL twv ÖE~aE(ov 1282; seit 1285 wegen seiner theol. Überzeugung in Haft. -129 .• Metochites, Theodoros (WN), Theoleptos (MN) P17982 (S) (1270-1332). SH: Sohn des Metochites, Georgios (s.o.). SS: Großlogothet 1321-28, Mönch 1328-32. -130 .• Momitzilas, Neophytos, Prodromenos (HN) P19254 (K46) (fl.. ca. 1334/5-1363) Antilateiner. SH: Aus einer albanisch-vlachischen Hirten(?)-Familie im makedonischen Raum. S5: Mönch in Konstantinopel. -131. Moschampar, Georgios, Philosophos (E) P19344 (fl. ca. 1278-89) TS, Antilateiner. SH: U. SS: MEya~ xaptO
, Prosopographische Liste der Literaten
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-133. Muzalon BOllas, Theodoros P19439 (fl. ab 1282, + 1294) T5, Antilateiner. 5H: Wohl aus angesehener Familie; Bruder des Megas Hetaireiarches Leon Muzalon. 55: Großlogothet 1282-94. -134. Neilos 1. Kerameus, Neophytos (WN) P11648 (5) (fl. ab 1354, + 1388) T5. 5H: Thessalonike, aus angesehener Familie? 55: Patriarch von Konstantinopel. -135. Neokaisareites, Manuel P20094 (fl. 1273 bis 1283 bzw. 1295?). 5H: 50hn eines gebildeten Vaters. 55: Protasekretis 1274-83. Neophytos, s. Momitzilas -136. Nikephoros Athonites (E) P20325 (5; Beck 693) (fl. 2. H. 13. jh.) T5, Antilateiner. 5H: Konvertierter Katholik aus Italien. 55: Mönch, Lehrer des Metropoliten Theoleptos von Philadelpheia (s.u.). -137.0inaiotes, Georgios P21026 (KI5) (fl. ca. 1315-1327). 5H: Aus wohlhabender Familie. 55: Privatmann, Haus- und Grundbesitzer. -138 .• Pachymeres, Georgios P22186 (5) (1242 bis ca. 1310). 5H: Aus (angesehener?) Familie Konstantinopels (aber geb. in Nikaia). 55: Protekdikos beim Patriarchat von Konstantinopel, ca. 1285 bis ca. 1310. Palaiologina, s. Chumnaina -139 .• Palaiologos (Komnenos Branas Dukas Angelos), Andronikos P21439 (5) (fl. ca. 1300-10). 5H: 50hn des Konstantinos Dukas Palaiologos, 5ebastokrator (P21498) und der Eirene Komnene Branaina (P3149). 55: Heerführer; später Mönch. Palaiologos, s. auch Manuel I1. -140 .• Palamas, Gregorios P21546 (5) (1294-1357) T5. 5H: 50hn des Konstantinos P., 5enator am Kaiserhof (P21549). 55: Metropolit von Thessalonike 1347-57. -141. • Panaretos, Matthaios Angelos P21649 (5) (fl. 1350 bis ca. 1369) T5, Antilateiner. 5H: U. 55: Zeitweilig Beamter am Hof von Konstantinopel. -142. Panaretos, Michael P21651 (K41) (ca. 1320/30 bis bald nach 1390) Geschichtsschreiber. 5H: U. 55: Protosebastos am Kaiserhof von Trapezunt 1363. Papadopulos, s. Kukuzeles -143 .• Pediasimos Pothos, johannes P22235 (5) (1240-1310/14). 5H: U. 55: "YJta'to~ 'tWV <j>LAOao<j>wv 1274 bzw. 1310 bis 1314. 5H: U. 55: Megas 5akellarios bei der Metropolie von Thessalonike 1284 bis kurz vor 1295. -144. Pediasimos, Theodoros P22234 (fl. 1. H. 14. jh.). 5H: U. 55: Lehrer; "YJta'to~ 'twv <j>LAoao<j>wv(?). Pegonites, s. Laskaris -145 .• Pepagomenos 5auromates, Demetrios P22359 (5) (fl. 1415/1650). 5H: 50hn eines Arztes. 55: Arzt am Despotenhof von Mistra.
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Die Gruppe der literarisch Gebildeten
-146. Pepagomenos, Nikolaos P22371 (K49) (fl. ca. 1329-30). SH: U. SS: Privatmann (?). -147. Phakrases, Georgios P29575 (K16; Beck 732f.) (fl. ca. 1355) TS, Palamit. SH: U. SS: Protostrator am Hof von Konstantinopel. -148 .• Philagrios (-es), Joseph P29730 (K28; Tusculum 629f.) (fl. 2. H. 14. Jh.) Antilateiner. SH: Wahrscheinlich bescheidene Familie auf Kreta. SS: Mönch; Klosterstifter auf Kreta; Didaskalos im kretischen Klerus. -149.• Philes, Manuel P29817 (S; SticklPhilPs) (1270/72 bis bald nach 1332) Dichter. SH: Kleinasien, Familie wohl bescheidener Mittelstand. SS: Mehrfach Teilnahme an kaiserlichen Gesandtschaften, wohl als Sekretär der Gesandten; Anspielung auf andere Dienste· für den Kaiser; wohl zu keiner Zeit längere Stellung im kaiserlichen Dienst. -150 .• Philotheos Kokkinos P11917 (S; TinnKyd 1,398-404) (ca. 13001377/78) TS, Palamit, Antilateiner. SH: Aus bescheidener (?) jüdischer Familie. SS: Patriarch von Konstantinopel 1353-54, 1364-76. -151. Philotheos (MN), Philemon (WN) P29896 (S; Beck 776f.) (2. H. 14. Jh.) TS, Palamit. SH: Sohn des Priesters Charitonymos aus Dakibyze in Bithynien. SS: Metropolit von Selymbria nach 1364. -152 .• Planudes, Maximos (MN), Manuel (WN) P23308 (S) (1255 oder etwas früher bis ca. 1305). SH: Nikomedien. SS: Beamter am Hof von Konstantinopel bis mindestens 1283; Mönch. Plethon, s. Gemistos -153. Potamios, Theodoros P23601 (K57) (fl. vor 1414). SH: U. SS: Hofredner 1391. Pothos, s. Pediasimos, Johannes Pothos Rhabdas, s. Artabasdos -154. Rhaul (Rhales), Manuel P24130 (K36; FasRaoul 51f.) (fl. 1355-69) Epistolograph. SH: U. SS: Stand in persönlicher Verbindung mit Kaiser Johannes VI. und anderen hochgestellten Personen; wahrscheinlich Beamter am Hof des Despoten Manuel Kantakuzenos in Mistra. Rhaulaina, s. Kantakuzene -155 .• Sachlikes, Stephanos P24975 (K56) (fl. 1348-91) Dichter. SH: Aus begüterter kretischer Familie; Vater: Kaufmann. SS: Advokat, Gutsbesitzer. Sauromates, s. Pepagomenos, Demetrios Scholarios, s. Gennadios H. -156. Sguropulos, Stephanos P25034 (S) (fl. 1350-54) Dichter. SH: U. SS: Protonotarios am Kaiserhof von Trapezunt. Sinaites, s. Gregorios -157. Sophianos P26398 (K54) (fl. ca. 1350 bis ca. 1360) Antipalamit. SH: U. SS: Privatmann (?).
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-158. Sophonias P26424 (S) (fl. ab 1294, + vor 1351). SH: U. SS: Hieromonachos ab 1294. -159 .• Sphrantzes, Georgios P27278 (1401-77) Geschichtsschreiber. SH: U. SS: Großlogothet am Hof von Konstantinopel 145112-53. -160. Staphidakes P26734 (K55) (fl. um 1320). SH: U. SS: Privatmann und Hofredner für Michael IX. in Thessalonike. -161. Staurakios, Johannes P26708 (fl. ca. 1280-85) TS. SH: U. SS: Chartophylax der Metropolie von Thessalonike. -162 .• Symeon (MN) P27057 (S) (fl. ab 1416, + 1429) TS. SH: Konstantinopel. SS: Metropolit von Thessalonike 1416/7-29. -163. Symeonakes, Johannes P27083 (vor 1374 bis vor Juni 1452). SH: Kreta (?). SS: Protopapas von Chandax, Kreta 1402 bzw. 1414 bis' 1449. -164 .• Syropulos, Silbestros (WN), Sophronios (MN) P27217 (fl. 143764). SH: U. SS: Megas Ekklesiarches 1437-52; Katholikos Krites 1437. Patriarch von Konstantinopel 1463-64. -165. Tarchaneiotes Dukas Glabas, Michael P27504 (S) (fl. ab 1262, + 1305-08). SH: Familiennamen weisen auf gehobene Abkunft (?). SS: Protostrator am Hof von Konstantinopel 1302/03-04; Heerführer; nach 1304 Mönch. -166. Theoktistos P7498 (fl. 14. Jh.) TS. SH: U. SS: Mönch im Studiukloster, Konstantinopel. -167 .• Theoleptos P7509 (S) (ca. 1250-1322) TS, Antilateiner. SH: Aus bescheidener Familie in Nikaia. SS: Metropolit von Philadelpheia 1283-1322. -168 .• Theophanes (I) P7615 (S) (fl. ab 1365, + 1380/81) TS, Antilateiner, Palamit. SH: U. SS: Metropolit von Nikaia 1365-80/81. -169. Theophanes (11) P7616 (K59) (fl. ab 1360 bis nach 1381) TS. SH: U. SS: Metropolit von Peritheorion, Thrakien, nach 1381. -170 .• Triklinios, Demetrios P29317 (S) (Tusculum 809-811) (ca. 12801340) Philologe. SH: U. SS: Privatgelehrter, Thessalonike. Xanthopulos, Kallistos, s. Kallistos 11. -171. • Xanthopulos Kallistos, Nikephoros P20826 (S) (fl. vor 1300 bis 1328). SH: Aus angesehener (?) Familie. SS: Patriarchatskleriker in Konstantinopel. -172. Xanthopulos, Theodoros P20816 (fl. ca. 1315-40). SH: Aus angesehener (?) Familie. SS: Kleriker (?) oder Privatmann in Konstantinopel; zeitweilig im kaiserlichen Dienst. -173. Zacharias Aktuarios (E), Johannes P6489 (S) (1275/80 bis nach 1327). SH: U. SS: Aktuarios (Hofarzt) ab 1310 bzw. 1323. -174. Zarides, Andronikos P6461 (fl. ca. 1315 bis ca. 1327). SH: Vater hat kein Verständnis für Studien seines Sohnes; Kaufmann (?). SS: Privatmann.
6. Die spätbyzantinische Gesellschaft und
ihre Träger - Ergebnisskizze Die spätbyzantinische Gesellschaft, so wie wir sie sehen und in den vorangegangenen Kapiteln dieses Buches vorstellen wollten, ist keine statische, unbewegliche und über zwei Jahrhunderte hinweg gleichbleib ende Gesellschaft, sondern sie ist bis an ihr Ende in voller Bewegung, und diese Bewegung führt zu mancher Veränderung. In ihr wirkten nicht nur de- . struktive, sondern zumindest phasenweise auch konstruktive Kräfte. Sie ist nicht nur durch Vedall und Zerfall geprägt, sondern auch durch Widerstand gegen die drohende Auflösung, und dieser Widerstand bewirkt sogar die eine oder andere gesellschaftliche Neubildung und Neuentwicklung. In der frühen Palaiologenzeit gewinnt diese Gesellschaft noch einmal ganz deutlich an Profil, und der seit der Mitte des 14. Jh. mit Macht einsetzende Profilverlust geht auch in den noch verbleibenden hundert Jahren nicht so weit, daß sie die ihr eigenen Konturen völlig verliert. Was byzantinische Gesellschaft war, zeigt sich vielleicht zu keiner Zeit so deutlich wie in der letzten Phase vor ihrem endgültigen U nt ergang. Die sozialen Gruppen, die diese Gesellschaft bilden, besitzen eine durchaus unterschiedliche Dimension. Sie verdanken ihre Entstehung sehr verschiedenartigen Wirkkräften, und sie werden auf unterschiedliche Weise zusammengehalten. Auf dem Hintergrund der für Byzanz typischen gesellschaftlichen Trias von Aristokratie, Bürokratie und Volk und ihrer Einbettung in einen sich zunächst sogar noch verstärkenden und nur scheinbar konträren Prozeß der Aristokratisierung, Bürokratisierung und Demokratisierung und seiner Umkehr seit der Mitte des 14. Jh. haben wir unser besonderes Augenmerk auf drei Gruppen der Gesellschaft gerichtet, die der spätbyzantinischen Zeit eine ganz spezifische Prägung geben und für den Ausgang byzantinischer Gesellschaftsentwicklung eine ganz besondere Bedeutung zu haben scheinen: auf die sicherlich in den meisten Phasen byzantinischer Gesellschaftsgeschichte existenten, aber nur selten so deutlich wie im frühen 14. Jh. präsenten Mesoi, auf das mit Sicherheit nicht zu den traditionellen Kräften der byzantinischen Gesellschaft gehörende und erst in den letzten hundert Jahren und dann sogar über den Reichsuntergang hinaus deutlich faßbare aristokratische Unternehmertum und schließlich auf die Gruppe der literarisch Gebildeten, die das vielleicht einzige wirkliche Kontinuum der byzantinischen Gesellschaftsgeschichte waren und deshalb traditionell als Gruppe ohne große innere
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Veränderungen im Verlauf des ganzen byzantinischen Jahrtausends gesehen werden, die aber zumindest in der Palaiologenzeit auch nicht einfach das bleiben, was sie an ihrem Anfang waren. Wie in den Kapiteln 3 und 4 ausführlich dargestellt, erfolgen die Ausprofilierung der Mesotes und die Neuformierung des aristokratischen Unternehmertums im späten Byzanz nicht zeitgleich, sondern zeitversetzt, und zwischen beiden Prozessen gibt es keinen notwendigen inneren Zusammenhang. Das aristokratische Unternehmertum der letzten hundert Jahre ist nicht Konsequenz und Resultat einer Ausbreitung der gesellschaftlichen Mitte und ihrer Ausstrahlung auf die anderen Gruppen der Gesellschaft. Als diese Mitte von sich reden macht, ist die byzantinische Aristokratie in Gestalt des Magnatenturns der frühen Palaiologenzeit ' selbst auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung, und soziale Annäherungen an die Mesoi und Hinwendung zu ihren Lebens- und Existenzformen sind seltene Ausnahme, auf keinen Fall die Regel. Als aristokratische Unternehmer in numerisch und sachlich relevanten Größenordnungen auftreten, haben die Mesoi ihren Einfluß auf das gesellschaftliche Geschehen schon wieder verloren. Der Druck zur Umorientierung eines Teils des Adels auf unternehmerische Tätigkeiten kommt im europäischen Westen aus dem Inneren der Gesellschaft. In Byzanz ist dieser Druck selbst in der Phase besonderer Formierung der Mitte zu schwach, um größere Teile der Aristokratie zu dieser Neuorientierung zu veranlassen. Der Druck, der das aristokratische Unternehmertum der Spätzeit hervorbringt, kommt eher von außen, von der Seite der expandierenden Türken, die der Aristokratie ihre wirtschaftliche und politische Macht entziehen, und von der Seite der kolonisierenden Lateiner, die der Aristokratie mögliche Wege zu einem einigermaßen standesgemäßen Weiterleben aufzeigen. Während sich in Westeuropa die aufstrebenden Gruppen der Stadtgesellschaft mit bestimmten Teilen der Adelsgesellschaft innerhalb und außerhalb der Städte treffen und etwa zeitgleich ein neuartiges, frühzeitiges kapitalistisches Unternehmertum ausbilden können, entwickeln sich diese beiden gesellschaftlichen Gruppen im späten Byzanz aneinander vorbei, können nicht zueinander kommen, obwohl die Adelskomponente für eine vergleichbare byzantinische Entwicklung angesichts des oben beschriebenen Nahverhältnisses der Mesoi vermutlich noch wichtiger, wenn auch kaum leichter zu integrieren gewesen wäre als im Westen. Insofern bedeuten die beschriebenen Entwicklungen für Byzanz unter dem Strich kein Vordringen zu neuen gesellschaftlichen Ufern, sondern ihre Resultate werden allenfalls als Strandgut an diese neuen Ufer gespült. Alle vorgestellten sozialen Gruppen sind komplexe Gebilde, denn sie sind sowohl im wirtschaftlichen als auch im geistigen und kulturellen Leben der Gesellschaft verankert, und sie nutzen politische und institutionelle Formen der Gesellschaft, um sich in ihr zu behaupten. Allerdings ist der
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Die spätbyzantinische Gesellschaft und ihre Träger
Grad dieser Komplexität sehr unterschiedlich, und ihre Verankerung in der Gesellschaft ist nicht überall und zu jeder Zeit von gleicher Festigkeit und Dauerhaftigkeit. Die Mesoi der frühen Palaiologenzeit werden vor allem durch wirtschaftliche Tätigkeiten, wirtschaftlichen Erfolg und wirtschaftliche Gefährdung zusammengeführt und zusammengehalten, und sie können zu ihrer Profilierung auch die für diese Zeit charakteristische Tendenz zu ständischer Ausgestaltung der Gesellschaft nutzen. Herkunft ist den Mesoi bei ihrem Aufstieg und bei ihrer Profilierung dagegen nicht sehr hilfreich: Es gibt in der frühen Palaiologenzeit zwar aristokratische Familien und sogar einen ganzen aristokratischen Clan, es gibt offenbar zumindest in begrenztem Umfang Beamtenfamilien und vielleicht in noch größerem Umfang Familien von Berufsmilitärs, aber es ist bisher noch nicht· gelungen, auch nUr eine einzige (nichtaristokratische) Unternehmerfamilie historisch und prosopographisch nachzuweisen, und das gibt doch zu denken, auch wenn das Quellenproblem eine noch so große Rolle spielen mag und man dazu auch noch bedenkt, daß die Zeit größerer Eigenentwicklung und Selbständigkeit der Mesoi vielleicht einfach zu kurz war, um familiäre Traditionen zu begründen. Was diese Gruppe zusammenhält, das sind wohl weniger familiäre Bindungen als vielmehr kurzfristige geschäftliche Verbindungen und zeitlich begrenzte Gesellschaftskontrakte, benachbarte Läden und Werkstätten, gemeinsame Geschäftsreisen, handwerkliche Lehrverträge und kommerzielle Anlernprozesse sowie die gemeinsame Bewachung und Verteidigung von Stadtmauern und Stadtteilen. Aber selbst die Nachbarschaft begründet nicht notwendig langfristige Bindungen, denn zu berücksichtigen ist, daß sich ein Großteil des städtischen Baukörpers in den Händen der Aristokratie befindet und handwerkliche und kommerzielle Kräfte ihre Produktionsstätten und Handelslokalitäten nur auf Zeit gepachtet haben. Im Milieu der gesellschaftlichen Mitte entwickeln sich auch bestimmte gemeinsame Vorstellungen, und sie verfestigen sich gelegentlich wohl auch zu gemeinsamen Usancen. Es gibt Gewohnheiten der Kaufleute und Gewohnheiten der Seeleute, es finden sich Begriffe mit spezifischer sozialer Aufladung, es entwickelt sich vielleicht sogar eine besondere "Philosophie der Werkstätten", und es werden hier und da Stimmen laut, die sich gegen die übliche Diffamierung der Tätigkeit der Geldleute und gegen die offizielle Abwertung der Tätigkeit der Kaufleute wenden. Eine gruppenspezifische Ideologie, die diese verschiedenen Elemente in eine einzige Schüssel gegossen hätte und die als geistiger Sprengsatz ZUr Erweiterung des Lebensraumes der Mesoi in der spätbyzantinischen Gesellschaft getaugt hätte, konnte sich aber nicht entwickeln, und alles das zusammengenommen beschreibt eine letztlich doch sehr labile gesellschaftliche Position und erklärt auch den klar erkennbaren Mißerfolg bei dem Versuch, einen größeren und längerfristigen Einfluß in der spätbyzantinischen Gesellschaft zu gewinnen.
· Ergebnisskizze
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Der Ausgangspunkt für die Formierung des aristokratischen Unternehmertums ist ein ganz anderer. Ihre Protagonisten, ihre Mitläufer und Nachzügler sind mehr oder weniger fest in der spätbyzantinischen Aristokratie verankert, ihre Hinwendung zu unternehmerischer Tätigkeit ist nicht bzw. nicht vordergründig motiviert durch ein Bemühen um gesellschaftlichen Aufstieg, sondern hinter ihr steht vielmehr die Furcht vor dem Abstieg, vor dem Verlust des gesellschaftlichen Prestiges durch den Verfall des staatlichen Apparates und der damit verbundenen Reduzierung einflußreicher Positionen in diesem Apparat und mehr noch durch den dramatischen Verlust von Reichsterritorium, von vielen Städten des Reiches und von großen Teilen besonders des flachen Landes und des davon existentiell betroffenen aristokratischen Großgrundbesitzes und nicht zuletzt· durch die politische und gesellschaftliche Schwächung des aristokratischen Clans selbst, seine Auflösung in miteinander konkurrierende Fraktionen und voneinander isolierte Kleingruppen. Das alles ist schließlich wohl der Hauptgrund dafür, daß sich ein Teil der spätbyzantinischen Aristokratie sukzessiv aus traditionellen Gleisen herauslöst, und zwar nicht vordergründig politisch und gesellschaftlich und auch nicht kulturell, sondern in erster Linie wirtschaftlich, und daß er damit beginnt, wirtschaftliche Dinge zu tun, für die noch in der frühen Palaiologenzeit keine zwingende Notwendigkeit und auch kein ausdrückliches Interesse bestand. In der Konsequenz und auf die Dauer bedeutete und bewirkte dieser manchmal nur zögerliche, oft aber auch entschlossene Schritt dann aber doch auch eine über den engeren wirtschaftlichen Rahmen hinausgehende Umorientierung und Neupositionierung. Für manchen aristokratischen Unternehmer der späten Palaiologenzeit hatte ein staatliches Amt nur noch sekundäre Bedeutung, diente eine politische Funktion allenfalls zur Beförderung unternehmerischer Interessen, und seine fortdauernde Zugehörigkeit zum Clan der Palaiologen war ihm förderlich beim Erwerb von städtischen und feudalen Privilegien des Westens, von Bürgerschaften, Ritterschaften und Familiaritäten, die nicht zuletzt auch mit wirtschaftlichen Vorteilen verbunden waren. Und während die staatliche Administration bis in die Endzeit hinein an manchen Vorbehalten und Restriktionen gegen das freie Spiel der wirtschaftlichen Kräfte festhielt, kommt es im Milieu dieses Unternehmertums auch zur Revision mancher ideologischen Konstruktion, werden ideologische Barrieren im Wirtschaftsalltag ohne Scheu überstiegen und damit zumindest faktisch, wenn auch nicht formell überwunden, setzt sich ein für die veränderte Wirtschaftstätigkeit notwendiger Pragmatismus durch, der vor ideologischen Barrieren nicht mehr gewohnheitsmäßig haltmacht. Die Einseitigkeit und Inkonsequenz dieser spätbyzantinischen Entwicklung ist allerdings auch nicht zu übersehen. Sie zeigt sich darin, daß dieses Unternehmertum nicht von seinen aristokratischen Lebensstandards ablassen will und auch nicht von ihnen abzulassen braucht, daß das
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Die spätbyzantinische Gesellschaft und ihre Träger
neue wirtschaftliche Tun sogar ein Festhalten an diesen Standards begünstigt, daß der fehlende bzw. nur sehr dünne Draht zur nichtaristokratischen Mitte eine soziale und mentale Entwicklung auf diese Mitte zu oder sogar in diese Mitte hinein in engen Genzen hält. Zwischen dem aristokratischen Unternehmertum des späten Byzanz und dem Unternehmertum der oberitalienischen Städte gibt es kaum Entsprechungen, und die Unterschiede bestehen nicht nur in der Dimension unternehmerischer Aktivitäten, sondern auch in der Art der unternehmerischen Absichten, auf die diese Aktivitäten abzielen. Im Vordergrund steht die Sicherung eines standesgemäßen Lebens, nicht die Erweiterung des Geschäfts und die Aufstockung von Geschäftskapital. Und obwohl ein standesgemäßes Leben neben dem geschäftlichen Volumen auch für westliche Unterneh- . mer Bedeutung hat und obwohl unternehmerische Betätigung im Westen bzw. von Westlern im Osten auch durchaus nicht das ganze Leben und die gesamte Zeit ihrer Träger ausfüllt, muß man wohl doch davon ausge-. hen, daß in Byzanz die unternehmerischen Uhren noch langsamer gehen und auch nicht im gleichen Takt schlagen wie im Westen und für die Lateiner. Der Staatsmann Lukas Notaras, der als junger Mann mit großer Wahrscheinlichkeit in Familiengeschäften engagiert und unterwegs gewesen ist, empfängt als reifer und einigermaßen mächtiger Mann in seiner hauptstädtischen casa Kauf- und Geldleute aus dem Westen, schließt im Auftrag seines kaiserlichen Herrn Kredit- bzw. Darlehensgeschäfte mit ihnen ab, und er hat zu diesen Zwecken in seinem Haus ganz sicherlich auch einen speziellen Arbeitsraum gehabt, aber die Vorstellung, er könnte einen großen Teil seiner Zeit in seinem Kontor zugebracht haben, um geschäftliche Korrespondenzen zu führen und geschäftliche Entscheidungen zu treffen, geht an byzantinischer Realität mit großer Wahrscheinlichkeit vorbei. Und was für den Megas Dux und Mesazon Notaras gilt, das trifft wohl auch für die Mehrheit dieses aristokratischen Unternehmertums zu. Obwohl davon auszugehen ist, daß nur ein Teil der spätbyzantinischen Aristokratie Anschluß an unternehmerische Tätigkeiten sucht und findet und über diese Tätigkeiten in neue gesellschaftliche Verbindungen und Bindungen hineinwächst, spielt das "goldene Band vornehmer Geburt" auch für diesen Teil der Aristokratie weiterhin eine gewichtige Rolle ebenso wie die Teilhabe an den alten Bildungsstandards und die Bewahrung gemeinsamer kultureller Werte. Die gemeinsame Kultur, das Bewußtsein der eigentlichen Ttägerschaft für die kulturellen Werte der Byzantiner und die Überzeugung, sich durch diese Teilhabe von der Masse der Gesellschaft abzuheben, ist das entscheidende Band, das die Gruppe der literarisch Gebildeten zusammenhält. Aus diesem Bewußtsein heraus erfolgen die wichtigsten sozialen Vernetzungen dieser Gruppe, aus ihm gewinnt sie ihre innere Kohärenz, mit diesem Bewußtsein ausgerüstet nutzt diese Gruppe die natürlichen
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Barrieren zwischen litterati und illitterati und ergänzt sie durch künstliche Barrieren, welche die Grenze noch deutlicher und ihre Überwindung noch schwieriger machen sollen. Wie in Kapitel 5 ausführlich dargestellt, sind die spätbyzantinischen Literaten zugleich mit den anderen Teilen der Gesellschaft mit vielen Fäden und über viele Kanäle auf ganz komplexe Weise verbunden. Soziale Kontakte bestehen vor allem durch die Herkunft der Literaten aus verschiedenen Gruppen der Gesellschaft und durch ihre Lebensbedingungen, die durchaus nicht einheitlich sind und sie mit ihren Unterschieden in die Nähe verschiedener anderer gesellschaftlicher Gruppen bringen. Personelle Verbindungen werden insbesondere über die vielfältigen Lehrer-Schüler-Beziehungen hergestellt. Institutionelle Verbindungen finden ihren Ausdruck in der Präsenz der Bildungsträger am Kaiserhof, im orthodoxen Patriarchat und in den über das Land verstreuten Klöstern, in ihrer Zugehörigkeit zu literarischen Zirkeln, die von verschiedenen Kaisern und Vertretern der Aristokratie eingerichtet und unterhalten werden, und zu den verschiedenen religiösen Gemeinschaften, die das Leben der orthodoxen Kirche prägen. Ideologische Verbindungen zeigen sich besonders in Bemerkungen, Aussagen und Stellungnahmen der literarisch Gebildeten zu sozialen, wirtschaftlichen und geistigen Problemen der Gesellschaft, indem sie gesellschaftliche Interessen artikulieren, die nicht nur ihre eigenen Interessen sind, und Positionen zu gesellschaftlichen Krisenerscheinungen und im Verlauf von gesellschaftlichen Krisen beziehen, in denen sich das weitere Schicksal von Byzanz entscheidet. Über diese vielfältigen Verbindungen der Literaten mit der Gesamtgesellschaft und ihre mehr oder weniger engen Bindungen an andere gesellschaftliche Gruppen werden die Existenzbedingungen von literarisch Tätigen sowohl als Einzelpersonen als auch in ihrer Gesamtheit, ihre individuellen und ihre Gruppeninteressen, ihre Ansichten von Gesellschaft und von einzelnen gesellschaftlichen Gruppen zweifellos auch von der gesamtgesellschaftlichen Dynamik des späten Byzanz und durch die Modifikationen der gesellschaftlichen Strukturen und Gruppen berührt und beeinflußt. Die große Frage ist, auf welche Weise und in welchem Maße, und zu ihr eine einheitliche Meinung zu finden ist nicht ganz leicht, aber auch nicht unbedingt erforderlich. Unstrittig ist, daß sich die sozialen Verbindungen der Literaten im Verlauf der spätbyzantinischen Geschichte verändern, einerseits komplizieren, andererseits vereinfachen. Die Möglichkeiten und Mittel zur Protektion einzelner Literaten und zur Unterhaltung literarischer Zirkel durch die tonangebenden Gruppen der Gesellschaft nehmen unzweifelhaft ab, und zurück geht vielleicht auch der gesellschaftliche Wille, sie zu leisten. Die Armut der Literaten, die in der frühen Palaiologenzeit noch eher ein Topos literarischer Artikulation war, könnte sich gegen das Ende hin verstärkt haben, auch wenn konkre-
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Die spätbyzantinische Gesellschaft und ihre Träger
te Belege dafür fehlen. Schulmeisterklagen über die Knausrigkeit und Säumigkeit von vermögenden Eltern, das Schulgeld für ihre Kinder zu bezahlen, werden in der frühen Palaiologenzeit entschiedener vorgetragen als an ihrem Ende, aber das muß nicht heißen, daß die Bildungssituation anfangs ungünstiger war, es könnte auch nur darauf hinweisen, daß die Ansprüche der Bildungsträger in dieser Zeit einfach noch nachdrücklicher artikuliert werden konnten. Durch das seit dem Ende des 14. Jh. wirtschaftlich und gesellschaftlich zunehmend aktive aristokratische Unternehmertum werden diese Tendenzen teilweise und bis zu einem gewissen Grade sicherlich aufgefangen und abgemildert. Zumindest einige der spätbyzantinischen Literaten finden sich in der Nähe aristokratischer Unternehmer, stammen aus dem Milieu dieses Unternehmertums und sind als Lehrer für Familien aus diesem Milieu und ihre Kinder tätig, und bestimmte Spuren dieser Entwicklung könnte man vielleicht auch im gesellschaftlichen Verhalten der Literaten, in ihren Stellungnahmen zu g~ sellschaftsrelevanten Fragen erkennen. Während der Aufstieg der gesellschaftlichen Mitte in der frühen Palaiologenzeit und ihre politischen Aktivitäten in der Mitte des 14. Jh. bei der Mehrheit der spätbyzantinischen Literaten auf verbale Ablehnung und intellektuellen Widerstand trifft, ausgedrückt in der Verachtung der für die Mitte charakteristischen Arbeitsbereiche und Lebensformen, in der Massierung traditioneller Vorbehalte gegen den Lebensunterhalt aus handwerklichen, kommerziellen und ganz besonders mit Geldwechsel und Geldverleih verbundenen Tätigkeiten und in der Unterstützung des politischen Vorgehens der Macht- und Besitzelite gegen jede Infragestellung ihrer gesellschaftlichen Ansprüche, scheinen verschiedene Literaten in den letzten Jahrzehnten des Reiches auch bestimmte Lebensformen zu akzeptieren und sogar gutzuheißen, die ihre gesellschaftliche Gruppe mehrere Generationen zuvor noch ganz entschieden in Frage gestellt hatte. Während die bürgerliche Tugend des Metochites und die mittlere Haltung des Gabalas noch vor der wirklichen "bürgerlichen Mitte" haltgemacht hatten, formulieren ~~teraten der Spätzeit wie J ohannes Argyropulos und Michael Apostolios Uberzeugungen, die auch dem Kaufmann Bildungsfähigkeit zuerkennen und seine Aktivitäten nicht mehr geringachten oder sogar verteufeln, sondern als gesellschaftlich bedeutsam einstufen. Verursacht ist dieser intellektuelle Gesinnungswandel ganz sicherlich nicht nur durch die Veränderungen in der spätbyzantinischen Gesellschaft selbst, sondern auch und vielleicht sogar ganz besonders durch die Intensivierung der individuellen und der Gruppenkontakte zum lateinischen Westen, zu den staatlichen und kirchlichen Autoritäten der lateinischen Welt, zu den intellektuellen Kreisen italienischer Städte und Staaten und ganz besonders und immer wieder auch zu den unternehmerischen Kräften des Westens, in Italien ebenso wie in der Romania. Deshalb ist es
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wohl auch nicht verwunderlich, daß die weitestgehenden Vorschläge zur Übernahme westlicher Erkenntnisse und Erfahrungen, und zwar nicht nur auf dem Gebiet des theoretischen Denkens, sondern auch der praktischen wirtschaftlichen Tätigkeit, von einem byzantinischen Gelehrten und Kirchenmann ausgehen, der sich auf ganz besondere Weise um die Annäherung an den Westen bemüht, der schließlich römischer Kardinal wird und beinahe Papst geworden wäre. Aber es zeigt auch die ganze innere Zerissenheit der byzantinischen Gesellschaft am Vorabend des Untergangs, wenn Bessarions Lehrer Gemistos Plethon zeit seines langen Lebens an der Überlegenheit des byzantinischen Ostens gegenüber dem lateinischen Westen unbeirrt festhält und noch vor seinem Schüler ein Reformprogramm entwickelt, das ebenfalls auf die militärische Sicherung und wirtschaftliche Gesundung des Reiches abzielt, sich aber ganz deutlich am traditionellen Modell einer autarken Agrargesellschaft orientiert und dazu ganz auf das regelnde Eingreifen des Staates setzt, der zu einem solchen Handeln kaum noch in der Lage war. Im gesellschaftlichen Denken der Byzantiner überschneiden sich Vorstellungen von einer professionellen, geschichteten und funktionellen Gliederung der Gesellschaft. Gesprochen wird von einer Gesellschaft von Gärtnern, Weinbauern und anderen in der Landwirtschaft Tätigen, von Schmieden, Töpfern, Baumeistern, Köchen, Hirten, Bäckern, Hutmachern, Schustern, Schneidern und vielen anderen, deren Können von der Gesellschaft gebraucht wird, gesprochen wird aber auch von einer Gesellschaft von Synkletikoi, Mönchen und Marktleuten und von einer Gesellschaft, die aus Großen und Kleinen und aus Leuten mittlerer (wirtschaftlicher, gesellschaftlicher, politischer) Lage besteht. In der gesellschaftlichen Realität fügen sich große und kleine Gruppen, Mikro- und Makrostrukturen auf unterschiedliche Weise zum gesellschaftlichen Ganzen zusammen. Die spätbyzantinische Gesellschaft bleibt eine Gesellschaft primär von Bauern, und auch die byzantinischen Aristokraten sehen sich immer noch gern als Landleute, die sich an dem auf ihrem Land wachsenden Getreide und weidenden Vieh ergötzen. Die spätbyzantinische Gesellschaft weist zugleich Züge einer gesellschaftlichen Schichtung auf, indem sich Magnaten, Beamte und Militärs als Oberschichten darstellen bzw. zu einer Oberschicht zusammenfassen lassen, während die große Gruppe der in den Städten und auf dem Lande manuell tätigen Bevölkerung sich mit der eigentlichen Stadt- und Landarmut der Aussätzigen, Bettler, Dirnen und aus anderen Gründen aus der Gesellschaft Ausgestoßenen bzw. ganz an ihrem Rande Lebenden zur Unterschicht bzw. zum Volk im engeren Sinne verbindet und dazwischen in Gestalt der Kaufleute und Geldhändler und ihnen nahestehender Gruppen eine Mittelschicht erkennbar wird, zu der die byzantinische Forschung gelegentlich auch Teile des Beamtenturns, der Bildungsträger und der handwerklich tätigen Bevölkerung hin-
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zurechnet, unter Berücksichtigung des gesellschaftlichen Tatbestandes, daß das historische Individuum durchaus gleichzeitig mehreren gesellschaftlichen Gruppen angehören kann und daß die byzanztypische Unschäde gesellschaftlicher Grenzen eine solche Mehrfachzugehörigkeit zweifellos begünstigt hat. Zu beobachten ist speziell in der frühen Palaiologenzeit aber eine allgemeine Tendenz bzw. sogar ein durchgängiger Prozeß ständischer Formierung und Profilierung. Er geht von der Macht- und Besitzelite des Reiches aus und findet bei ihr seine deutlichste Ausprägung, edaßt mit gewissen Einschränkungen aber auch die ihr benachbarten Funktionseliten der Beamten und Militärs und vielleicht sogar die spätbyzantinische Bildungselite, denn das Bemühen führender Vertreter dieser intellektuellen Funktionselite, wie Theodoros Metochites und Manuel Gabalas, bisher ungewohnte und wenig geschätzte Lebenshaltungen und Existenzformen stärker ins gesellschaftliche Spiel und ins gesellschaftliche Bewußtsein zu. bringen, läßt sich wohl auch als Versuch interpretieren, den eigenen Platz in der Gesellschaft genauer zu bestimmen und besser als zuvor auszufüllen. Und wenn der freischaffende Dichter Manuel Philes sich gegenüber seinen potenten Sponsoren nicht einfach als Almosenempfänger sieht, sondern ihre Zuwendungen als Gegenleistung für seine Dichtung einfordert, mit deren Entzug er droht, falls seine Wünsche nicht erfüllt werden, dann steht hinter dieser Aussage wohl nicht nur ganz allgemein ein gesteigertes Selbstbewußtsein, sondern sie ist wohl auch Ausweis eines gewachsenen Bewußtseins von Selbständigkeit gegenüber der gesellschaftlichen Gruppe, von der sie in besonderer Weise abhängig ist, Ausdruck intellektueller Bemühung um Abgrenzung und eines Gefühls von Ebenbürtigkeit, das sich nicht in der Benennung und Beschwörung von gesellschaftlichen Werten erschöpft, die es gemeinsam zu verteidigen gilt. Auf ganz spezifische und besonders bedeutsame Weise findet die beschriebene Tendenz zu ständischer Formierung und Profilierung Ausdruck in den Veränderungen, die sich gleichzeitig in der Mitte der Gesellschaft bzw. zu dieser Mitte hin abspielen und die es vielleicht erlauben, von einer Umwandlung von Mittelschichten zu einem Mittelstand zu sprechen unter Verweis darauf, daß sich über den Mechanismus des Marktes neben Kauf- und Geldleuten auch andere gesellschaftliche Elemente stärker zusammenfinden und zusammenschließen, daß sie einen spezifischen Platz für sich in der Gesellschaft reklamieren, auf Veränderungen im gesellschaftlichen Bewußtsein dringen, die ihr gesellschaftliches Prestige verbessern und ihren Handlungsspielraum erweitern, daß sie schließlich auch in zwar noch immer unschader, aber doch erkennbarer Form eigene politische Ambitionen anmelden und in den Bürgerkriegsauseinandersetzungen um die Mitte des 14. Jh. durchzusetzen versuchen. Das hat allerdings keinen durchschlagenden und dauerhaften Edolg, denn die struk-
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turellen Defizite der gesellschaftlichen Mitte lassen sich nicht kurzfristig überwinden und ihr gesellschaftliches Gewicht bleibt daher begrenzt. Der Bereich der Produktion bleibt als ökonomische Basis des Mittelstandes gegenüber dem Bereich der Distribution weiterhin eklatant zurück. Eine soziale Expansion gelingt allenfalls in Richtung auf das Beamtenturn, während eine soziale Annäherung von Magnaten und wohl auch von Militärs fast vollständig abgeblockt wird. Die Bildungselite verhält sich den Mesoi gegenüber genauso distanziert wie die Magnaten. Eher noch als für die Interessen der Mitte setzten sich einzelne intellektuelle Wortführer für die Interessen der Armen, des einfachen Volkes, der Unterschichten gegen die Interessen der Mittelschichten ein und finden sich damit, gewollt oder ungewollt, in einer Front und auf einer Ebene mit den Magnaten. Aber nicht einmal das ist eindeutig, denn es könnte durchaus sein, daß die Armen des berühmten Makrembolites-Dialogs selbst eher der Mitte zuzurechnen und ihre Gegner sehr viel weiter oben im gesellschaftlichen Spektrum zu suchen sind. Und vielleicht relativiert sich dieses unterschiedliche Urteil auch schon allein dadurch, daß es dem Autor viel mehr um soziale Verhaltensweisen als um soziale Grenzziehungen zu tun ist. Die professionelle Gliederung der spätbyzantinischen Gesellschaft bleibt auch in den letzten hundert Jahren byzantinischer Eigenentwicklung erhalten, auch wenn das Gewicht handwerklicher Tätigkeiten und handwerklich Tätiger weiter zurückgeht, zumindest absolut, denn relativ befindet sich auch das bäuerliche Element durch den Verlust weiter Teile des flachen Landes auf dem gesellschaftlichen Rückzug. Zu rechnen ist auch mit einer Verarmung der Schichtenstruktur, denn die gesellschaftliche Mitte verliert nicht nur ihre ständische Ausprägung, sondern auch viel von ihrem Schichtcharakter, sie wird zwischen den gesellschaftlichen Antipoden zerrieben und hinterläßt ein gesellschaftliches Vakuum, das auch durch andere gesellschaftliche Gruppen wie das aristokratische Unternehmertum der Spätzeit nicht wirklich ausgefüllt werden kann. Aber auch von den Magnaten der frühen Palaiologenzeit bleiben schließlich nur noch einige voneinander isolierte Kleingruppen zurück und runden damit das Bild gesellschaftlicher Verarmung, der Rückbildung gesellschaftlicher Strukturen und des Verlustes an gesellschaftlichem Niveau, von zeitweilig erreichter gesellschaftlicher Höhe ab. Die Makrostrukturen der byzantinischen Gesellschaft werden nicht erst durch die türkischen Sieger aufgelöst, sondern sie bilden sich schon vor dem Schicksalsjahr 1453 deutlich zurück. Die Gesellschaft der Spätzeit bleibt der Gesellschaft vorausgegangener Perioden byzantinischer Geschichte ihrem Wesen nach gleich, und sie wird doch irgendwie anders. Gleich bleibt sie sich in ihrer prinzipiellen Offenheit, in der unscharfen Definierung gesellschaftlicher Grenzen und
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in der unscharfen Profilierung gesellschaftlicher Gruppen, in ihrer großen inneren Bewegung ohne annähernd große innere Entwicklung. Anders wird die Gesellschaft auf ihr Ende zu dadurch, daß ihre Offenheit stärker als zuvor kontrolliert und kanalisiert wird. Anders wird sie auch deshalb, weil bis zuletzt immer wieder neue Elemente und Gruppen in die Gesellschaft Eingang finden und auf die Gesellschaft Einfluß nehmen. Aber diese Änderungen sind nicht so gewichtig und sie gehen nicht so weit, daß die Grundsubstanz und die Grundstruktur der Gesellschaft wirklich in Frage gestellt und durch neue Grundsubstanzen und Grundstrukturen abgelöst und ersetzt werden. Die byzantinische Gesellschaft ist relativ leicht aus ihren beherrschenden Positionen im historischen Großraum zwischen Europa und Asien zu verdrängen, sie ist aber nur schwer als besonderes Strukturmodell zu überwinden, und das zeigt sich nicht zuletzt darin, daß wichtige Versatzstücke dieser Gesellschaft bis weit in die Türkenzeit hinein existent bleiben und daß wichtige Prinzipien gesellschaftli- . cher Organisation noch sehr viel länger fortwirken.
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Quellen und Literatur Wurde ein Titel in der gesamten Publikation nur einmal zitiert, erscheint er an entsprechender Stelle als Volltitel mit allen bibliographischen Angaben. In diesem Fall wurde er nicht in das Abkürzungsverzeichnis aufgenommen. Quellen und Sekundärliteratur, die zweimal und mehr angeführt wurden, erhielten ein Kürzel, das dem bibliographischen Abkürzungsverzeichnis des Prosopographischen Lexikons der Palaiologenzeit (PLP), bearbeitet von H.-V. Beyer, Wien 1996, entnommen wurde. Neu eingeführte Kürzel sind mit + gekennzeichnet. AAlb +ABuc +ActPonBal +ActPonPist ADochO ADSV +AhrwRec
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TTh +Tusculum
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418
+UrkSieb +VerpChoum +VolkGes VriesEI +VriesMet VryDecl
vv +WagCarm +WeiAntByz +WeiBeamt WeiKant
+WoodhPleth +ZachRezGeib
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Quellen- und Literaturverzeichnis
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Register der Personen und Personengruppen (Auf unbekannte Vornamen wird durch (N.) hingewiesen. Im Text fehlende, aber bekannte Vornamen werden in der Regel in Klammern nachgetragen. Funktionen, Titel und Professionen werden nur im Ausnahmefall konkret benannt, in der Regel allgemein und nur in Auswahl notiert.) Abramios, Johannes, Astrologe 235, 373 Actineo (Athenaios ?), Manuel 176 Agallianos, Theodoros, Metropolit v. Medeia 236, 297f., 370, 373 Agapetos, Familie 117, 119f., 163166 Agapetos, Johannes, Gesandter, ev. identisch mit folgendem 118f., 164-166 Agapetos, Johannes, Presbyter, ev. identisch mit vorigem 119, 165 Agapetos, Konstantinos, Kaufmann 120f., 163, 165 Agapetos, Xenos, Gläubiger 120 Agapito, Andrea 165 Agapito, Cali' 165 Akindynos, Gregorios, Mönch 228f., 23M., 242, 252, 255, 273f., 290, 297,299,306,320,322,326,368, 373 Akropolites, Georgios, Megas Logothetes u. Geschichtsschreiber 26,91,171, 234f., 241, 250, 256, 279, 282, 284, 291f., 294, 297f., 300,302,332,368,373 Akropolites, Konstantinos, Megas Logothetes u. Hagiograph 235, 282,297-299,302,305,368,373 Akropolites, Melchisedek, Mönch 234,256 Aktuarios, Johannes, Arzt 208 Albertus Magnus, Gelehrter 330
Alexander V., Papst, siehe Philagrios, Petros Alexander Aldea, Herrscher der Walachei 184 Alexandros v. Aphrodisias 319 Alexios I. Komnenos, Kaiser 17,69, 302,311,313 Alexios 11., Kaiser v. Trapezunt 325, 375 Alexios 111., Kaiser v. Trapezunt 325 Aliatzes (Alethinos, !lias) 193 Alfons V., König v. Aragon u. Neapel 181 Alusianos, Geschäftsmann 195 Alyates, Familie 166 Alyates Mpunes, Gregorios 236, 370, 373 Amadeo VI., Graf v. Savoyen 21, 194 Amanteianos, Konstantinos, Arzt 235,374 Amirutzes, Georgios,Megas Logothetes u. Schriftsteller 235, 326, 339f., 342, 370, 374 Amnon,Familie 166 Amparis, Hypatos ton Philosophon 306 . Andreas de Monembasia 173 Andronikos 11., Kaiser 2,18-20,22, 24f., 28, 35f., 38, 41, 51-53, 68, 70, 75,78,83,87, 89f., 107, 109f., 114f., 122, 128f., 137, 146, 148,
Register der Personen und Personengruppen
420
150, 152, 19M., 226-228, 256, 268f., 276, 283, 285, 287f., 303306,332,348, 367f., 376, 378 Andronikos 111., Kaiser 2, 19f., 22f., 25,28,35-37,41,52,55,65,74, 7M., 83-85,87-90,92,97, 114, 121f., 136, 142,304, 30M., 333, 347-349,378 Andronikos IV., Usurpator 81,373 (Andruses, Johannes 125) Angelikudes Melenikiotes, Kallistos 236,369,374 Angeli, Iacopo, ital. Humanist 258 Angeloi, Herrscherfamilie 17,26,35, 54, 104, 159 Angelus, (N.) 21 Angelos, Demetrios Laskaris, Arzt 207,209 Angelos, Demetrios Dukas, Heerführer u. Despotes 256 Angelos, Konstantinos, Weinbergbesitzer 119, 165 Angelos, Konstantinos, Kaufmann 177f. Angelos, Manuel 298 Angelos Komnenos, Michael 146 Anna v. Savoyen, Kaiserin 93, 347349,355,376 Anna, Despotin v. Epeiros 378 Anna Komnene, Geschichtsschreiberin 302f.· Anthimos, Metropolit v. Athen u. Kreta 236, 369, 374 Antiocheites, Andreas, Pfandleiher 125 Antiocheites, Demetrios, Sohn der Syriane 124 Antonio d'Ascoli, Theologe 307 Antonios IV., Patriarch v. Konstantinopel 229, 336 Antonios, Metropolit v. Larissa 236, 374 Apelmene, (N.) 134,140
"'.
Apokaukos, Alexios, Megas Dux 19, 21, 24, 28, 39f., 43, 45, 56, 83, 86, 98, 133, 139f., 145-150, 153f., 158, 166,211,216,237, 299,355 Apokaukos, Alexios, Maler 154 Apostoles / Apostolios, Michael, Gelehrter 207, 212f., 233, 309f., 372,392 Aretino, Rinuccio, ital. Humanist 329 Argenti, chiot. Familie 179, 188 Argyropulos, Familie 130, 171, 184, 192f.,210 Argyropulos, Andreas 183 Argyropulos, J ohannes, Gelehrter 206-213,236,262-265,308-310, 339, 342f., 363, 370, 374, 392 Argyros, Familie 159 Argyros, Andreas, Ladenbesitzer 162 Argyros, Isaak, Mönch 236, 285, 297f., 369, 374, 379 Aristoteles 153,210, 264f., 282f., 308,310,317,319,327,331,339341, 343, 351 Arkles, (N.) 97 Armenopulos, Konstantinos, Jurist 86,150,236,286,352,354,374 Arsenios, Patriarch v. Konstantinopel 65,234,236,374 Arsenios, Metropolit v. Pergamon 236,368,374 Arsenios, Studiu-Mönch u. Korrespondent des Palamas 316 Arsenios, kretischer Mönch 299 Artabasdos Rhabdas, Nikolaos 236,368,374 Asan, tekfur, siehe auch Asanes, Isaak) 25 Asanes, Familie 26, 58, 62, 114, 133, 159, 161, 196, 374
, Register der Personen und Personengruppen Asanes, Andronikos, Heerführer u. Statthalter 25, 128f., 133 Asanes, Isaak, Megas Dux 25 Asanes, Konstantinos, Schriftsteller 229,235,256,258,368,374 Athanasios 1., Patriarch v. Konstantinopel 31, 68, 70, 95, 107-109,236,255,267,268,300, 316,374 Athanasios 11., Patriarch v. Alexandreia 236,368,374 Athanasios, Mönch 257, 328 Attaleiotes, (N.), Hippokomos u. Stadtkommandant 111 Attal(e)iotes, (N.), Kaufmann 190 Atumanos, Simon, Erzbischof v. Theben 237,256,316, 335f., 369, 374 Augustinus, Kirchenvater 331 Aurispa, Giovanni, Diplomat u. Unternehmer 214 Autoreianos, Alexios (?) bzw. Theodoros (?) 374 Autoreianos, Arsenios, Mönch 242, 248 Autoreianos, Georgios, siehe Arsenios, Patriarch Averroes, Philosoph 339,357 Babuskomites, Georgios 299 Babylonites, Familie 192 Badoer, Giacomo, venez. Kaufmann 73, 127, 155, 162f., 180, 186, 189, 207f. Balsamon, Familie 47, 59 Balsamon, (N.), Bäcker 109 Balsamon, Michael, Lehrer u. Chartophylax 236, 258, 297f., 307,314,370,375 ' Barbarenoi, Soldatenkompanie 96 Bardales, Familie, siehe auch Verdali 47 Bardales, (N.), Steuereinnehmer 47
421
Bardales, Johannes, Apographeus 47, 96,133 Bardales, Leon, Protasekretis 34f., 47, 234f., 368, 375 Bardas, Kaisar 302 Barlaam von Kalabrien, Mönch 228-230,237,261,268,271,273, 285,290,316,321, 332f., 368, 375 Basileios 1., Kaiser 352, 354 Basileios v. Kaisareia, Kirchenvater 267f.,354 Basilikos, Familie 159 Basilikos, Johannes, Geldverleiher 155 Batatzes, Familie 159 Bayazid 1., Sultan 3, 81, 193 Beaskos, Demetrios 236, 368, 375 Bekkos, J ohannes, siehe J ohannes XI., Patriarch Belisar, Feldherr 151, 153 Beltramis, Lamberto, genues. Notar 112
Benedikt XII., Papst 333 Benzi, Ugo, ital. Philosoph 339 Berges, Michael 72 Bessarion, Kardinal 190,212,227, 236,242,246,255,277,284,293, 298, 308f., 325f., 339-342, 344, 362-364,370,375,393 Beth, Georgios, Immigrant 124 Beth, Jacobus, Immigrant 123f. Bisticci, Vespasiano da, florent. Buchhändler 214 Blastares, Matthaios, Jurist 236, 286, 368f.,375 Blemmydes, Michael, Musikschriftsteller 236,375 Blemmydes, Nikephoros, Gelehrter 261,279,282,284,286,290,292, 297,331 Boccaccio, Giovanni 333 Boethius 332
Register der Personen und Personengruppen
422 Boilas Muzalon, Theodoros, siehe Muzalön Bonifaz IX., Papst 161 Branas, Familie 26 Branaina, Eirene Komnene, Sebastokratorissa 383 Branas, Volksführer in Adrianopel 72
Bruni Aretino, Leonardo, ital. Humanist 338, 340 Bryennios, Gregorios 297 Bryennios, Joseph 71, 154f., 213, 236,246,254,298, 313f., 316, 319, 327f., 337, 355, 365, 370, 375 Bryennios,Manuel 234,236,246, 249, 256, 284f., 298f., 368, 375 Budelli, (N.), Bankier, ev. Gudeles 127 Buteliares, Georgios 188f. Camblak, Grigorij, Metropolit v. Kiev 330 Carasinus, Bediensteter 128 Cato 332 Cavalchi (Kabalos, Kabakes?), (N.) 117 Chageres / Kagiris, Familie 166 Chalkokondyles, Laonikos, Geschichtsschreiber 233, 298, 372
Chalkomatopulos, Lehrer 288 Chaluphes, Georgios 42 Chamaetos, Familie 375 Chamaetos, siehe Kabasilas Chamaetos Chamaidrakon, Familie 166 Chapello, Charlo, venez. Bankier 207 Charitonymos, Priester 384 Chatafioti, Michali, ev. Kataphygiotes 73 Chioniades, Georgios, Bischof v. Täbris 235, 284f., 298, 325, 368, 375
Chomatenos, Demetrios 287 Chortasmenos, Johannes, Metropolit v. Selymbria 182,202,236,248, 250,255,259,261,283,293, 295f., 297f., 307, 317, 323, 338, 370, 375 Chortatses, Familie 165 Chrysaphes, Manuel Dukas, Musikschriftsteller 236,370,375 Chryse, Tochter des Kanabutzes 72 Chrysoberges, Andreas, Erzbischof v. Rhodos u. Nikosia 237,337,340, 369,376 Chrysoberges, Maximos, Mönch 237,256,293, 298f., 328, 337, 369, 376 Chrysoberges, Theodoros 337,369 Chrysokephalos, Michael, Metropolit v. Philadelpheia 236, 298, 300, 376 Chrysokokkes, Georgios (I), Astronom 236, 285, 309, 325, 376 Chrysokokkes, Georgios (11), Lehrer 236,298, 308f., 339, 370, 371, 376 Chrysokokkes, Michael, Notarios 236,370,376 Chrysoloras, Familie 181 Chrysoloras, Demetrios, Mesazon 235,246,248,252,258,307,370, 376 Chrysoloras, Johannes, Diplomat 338 Chrysoloras, Manuel, Lehrer u. Diplomat 179,206,235,241,246, 248, 258, 298f., 308, 336-338, 339f., 369, 376 Chrysolorina, Theodora 338 Chrysostomos, Johannes, Kirchenvater 249 Chumnos, Familie 26 Chumnaina Palaiologina, Eirene 236, 238,242,245,247,251,255,274, 298-300,368,376,378 Chumnos, (Georgios), Beamter 55
, Register der Personen und Personengruppen Chumnos, Johannes, Schriftsteller u. Heerführer 36,243 Chumnos, Makarios, Abt v. Studiu 236,376 Chumnos, Nikephoros, Mesazon 91, 129-132,133, 234f., 241, 24M., 249, 25lf., 254f., 263, 266, 285, 290,294,298,305,319,368,376 Cicero 332 Cigala, Gabriel 43 Cigala, Babilano 43 Clavelli, Dragonetto, rhodes. Finanzier u. Beamter 179 Colliva, Constantinus, siehe Kolybas 182 Coressi, Pantaleone, siehe Koreses 189 Cormulissi, Simone, venez. Geschäftsmann 128 Dadas, Familie 130, 171, 192f. Daimonoioannes, siehe Eudaimonoioannes Damilas, Neilos, Mönch 236, 328, 370,376 Dan H., Herrscher der Moldau 183 Dandolo, Niccolo, Rektor v. Chania 118,164 Daras, (Konstantinos) 117 David 1., Kaiser v. Trapezunt 326 David, jüd. König 350 Deblitzenos, Familie 88, 172 Deblitzenos, Demetrios 88 Deblitzenos, Manuel 88 Dellaporta, Leonard9, Schriftsteller u. Diplomat 236, 327, 376 Demetrios, Heiliger 154 Demosthenes 242f.,296 Dermokaites, Familie 60,182 Dermokaites, (N.), Briefempfänger 254 Dermokaites, Georgios Palaiologos 182
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Dermokaites, Manuel Palaiologos 182 Dexios, Theodoros 235, 298, 368, 376 Diasorenos, Neilos, Metropolit v. Rhodos 236,376 Diogenes, kynischer Philosoph 292 Diophant, Mathematiker 249 Dishypatos, Familie 46,60,181, 199 Dishypatos, (N.), Geldverleiher, ev. identisch mit folgendem 42, 125 Dishypatos, (N.), ev. identisch mit vorigem 43, 126 Dishypatos, Kleriker 43 Dishypatos, David, Mönch 236, 298-300,368,377 Dishypatos, Georgios, Steuerbeamter 43 Dishypatos, Leon, Kleriker 43 Dishypatos, Michael, Arzt 199 Dominikaner 229,337,376,380 Doria, genues. Familie 196 Dorotheos, Metropolit v. Mitylene 236,370,377 Dorotheos, Metropolit v. Trapezunt 342 Dositheos, Metropolit v. Trapezunt 375 Drachopuli, Nicolaus, Kaufmann 106 Dragus, Benisse 43 Dragus, Michele 43 Draperiis, Luchino de, genues.lperot. Unternehmer 178 Drimys, Gregorios 300 Drogus, Nicolaus 43 Drogus, Palolinus 43 Dukas, Familie 2M., 159, 166, 196 Dukas, (Michael), Historiker 81, 213,233,244,372 Dukopulos, Familie 171 Dukopulos, (N.), Geschäftsmann 168
Register der Personen und Personengruppen
424 Dukopulos, (N.), Schüler 298, 300 Dulorakes, Familie 171
Eirene, Kaiserin in Nikaia 379 Eirenikos, Theodoros 305 Elias, Hesychastenmönch 268 Elissaios, Philosoph 298, 357 Ephraim, Historiker 236, 368, 377 Esmafi (Effomato), Alexander 200 Esmafi (Effomato), Andreas 200 Eudaimonoioannes, auch Eudaimon, de Monoiane, Monogiannis, Familie 122, 172f., 182 Eudaimonoioannes, (N.), Archon v. Monembasia 172 Eudaimon( oioannes), ohannes Palaiologos), Mesazon, ev. identisch mit folgendem 180 Eudaimonoioannes, J ohannes, Schiffsführer, ev. identisch mit vorigem 175f.,177 Eudaimonoioannes, Michael (Micali de Monoiane) 176 Eudaimonoioannes,(Nikolaos ), Schiffsführer 173 Eugen IV., Papst 339 Eugenikos, Familie 47,59 Eugenikos, Georgios 280,377 Eugenikos, J ohannes 59f., 214, 236,298,325,339,370,377 Eugenikos, Markos, Metropolit v. Ephesos 229, 236, 277, 280, 297f., 339,342,370,373,377 Eugenikos (Vighinico), Theodoros 59 Euphemianos, Familie 184 Euphemianos, (N.), Geschäftsmann 178, 184 Eustathios v. Sebaste 268 Euthymios II., Patriarch v. Konstantinopel 249, 258, 307, 316f.
a
Fassilico, siehe Basilikos Feminiano, (N.), siehe Euphemianos 184 Ferdinand 1., König v. Aragon 186 Ferro, Manuele, siehe Sideriotes Filelfo, Francesco, ital. Humanist 265,298, 308f., 338f., 370 (Foscari, Francesco), venez. Doge 61 Francopulo, siehe Phrangopulos Gabalas, Familie 22f., 159, 171 Gabalas, Manuel, Metropolit v. Ephesos 116,236,243,245,247, 254f., 260, 266f., 272, 298, 300, 306,368,377,392,394 Gabalas, (N.) 99 Gabras, J ohannes (I), Bruder des Michael Gabras 236, 252, 368, 377 Gabras, Johannes (II), Antipalamit 236,368,377 Gabras, Michael 29-31,41,43, 53f., 235, 243, 247, 249, 252, 254f., 260f., 272, 298, 368, 377 Gabriel (I), Metropolit v. Thessalonike 236,248,272,370, 377 Gabriel (II), Musikschriftsteller 236, 370,377 Gabriel, Hesychast 268 Gabrielopulos, Georgios, Arzt u. Literat 168,235,242,245,251, 25M., 324, 326, 369, 377 Gaitanas, (N.), Beamter 112 Galesiotes, Georgios, Schriftsteller 236, 298f., 377 Gasmulen 43 Gattilusi, genues.-byz. Familie 179, 181f.,194 Gattilusi, Dorino II., Inselherrscher 182 Gattilusi, Francesco 1., Inselherrscher 377
Register der Personen und Personengruppen Gazes, Familie 166 Gazes, Georgios 168 Gemistos Plethon, siehe Plethon Gennadios II. Scholarios, Patriarch v. Konstantinopel 95,154,187,207, 236,244,255,264,266,278,280, 283,298,314,319, 339f., 341-343, 357, 370, 377 Georgios, Metropolit v. Pelagonia 236, 369, 378 Georgios von Trapezunt, Lehrer u. Schriftsteller 213,264,308,339 Georgios, Briefempfänger 264-266 Georgios, Briefempfänger 256 Georgios Geometres, Schriftsteller 371 Germanos III., Patriarch v. Konstantinopel 302f., 312f., 315 Gilbert de la Poree 342 Glabas, Familie 26, 54 Glabas, Isidoros, Metropolit v. Thessalonike 236,348,370,378 Glabas, (N.), Würdenträger u. Oberrichter 36, 50 Glivani, Dimitri, Tuchhändler 155 Glykys, Basileios 299 Glykys, Johannes, siehe Johannes XIII., Patriarch Goreianites, Familie 171 Gorianites, Thomas 299 Gradenigo, Marino 118, 164 Gradenigo, Pietro, Doge 164 Grammatikos, Georgios 42 Gregor XIII., Papst 285 Gregoras, Nikephor.os, Geschichtsschreiber 20, 24, 64. 67,83,99, 135f., 139, 141, 146, 228,235,241,245,247,252,255259, 261f., 269-272, 273f., 280, 283,285,288,290-292,297-299, 304,306,315,318, 325f., 368, 378 Gregorios II. Kyprios, Patriarch v. Konstantinopel 99,108, 110f.,
425
113-116, 121, 123, 126, 142, 150, 152, 228, 236, 242, 247, 249f., 253, 255,261, 276f., 279, 281f., 290, 294,297-300,302,317,319,332, 368,378 Gregorios III. Mamme, Patriarch v. Konstantinopel 236,370,378 Gregorios v. Nazianz, Kirchenvater 270 Gregorios v. Nyssa, Kirchenvater 354 Gregorios, Metropolit v. Dyrrhachion 254 Gregorios, Schriftsteller 300 Gregorios Sinaites, Mönch 236, 298300, 319f., 378 Grekys, siehe Esmafi Gudeles, Familie 127,159, 180f., 188 Gudeles, Georgios, Mesazon 176, 178, 180 Gudeles, J ohannes 176 Haci Ilbegi, türk. Heerführer 2 Helene, Kaiserin, Gemahlin J ohannes' V. 21,129,238,307 Helene, Kaiserin, Gemahlin Manuels II. 210 Heredia, Juan Fernandez de, Großmeister der Rhodeser 179 Hermoniakos, Konstantinos 235, 378 Hexapterygos, Theodoros 297 Holobolos, Manuel, Literat 236, 282, 297, 299f., 302, 312-314, 319, 332, 368, 377f. Holobolos, Manuel, Sekretär 184 Homer 26M., 334 Hugo IV. von Lusignan, König v. Zypern 326, 381 Hunyadi, Janos 3 Hyaleas, (N.), Lehrer 288 Hyrtakenos, Theodoros, Schulmeister 41,107,128,136,142,236,238,
426
Register der Personen und Personengruppen
241,249,255,266,279, 287f., 299, 306,325,368,378 Ibankos, Konstantinos, Rhetor u. Richter 258, 280, 287, 294, 299 Ignatios 11., Patriarch v. Antiocheia 236, 368, 378 Ignatios, Metropolit v. Selymbria, siehe Chortasmenos Ignatios Philosophos, Mönch 236, 251,255,299,368,378 Isaak, Mönch, ev. identisch mit Argyros,lsaak 372,379 Isbes, Familie 166,171 Isbes, Gregorios, Kirchenbeamter 167 Isidoros I. Bucheiras, Patriarch v. Konstantinopel 109,120,142, 236,279,296,299,322,351,368, 379 Isidoros 11., Patriarch v. Konstantinopel 73 Isidoros, Metropolit v. Kiev, Kardinal 180,236,339-342,370,379 Isidoros v. Pelusion 254 halos, Johannes 230 Ivan Alexander, Bulgarenherrscher 330 Ivan Asen 11., Bulgarenherrscher 329 Ivajlo, Bulgarenherrscher 114 Jagaris, Familie 181 Jagaris, Dionysios 179 Jagaris, Manuel, Finanzier und Diplomat 179f. Jakobos, Metropolit v. Serres 236, 378 Jasites, lob Meüas, Theologe 228, 236,368,378 Jatropulos, Demetrios, Beamter 34 Joasaph, Metropolit v. Ephesos 236, 379 Johann Ohnefurcht, Herzog v. Burgund 199
Johannes 111. Batatzes, Kaiser in Nikaia 74,171,321,373,379 Johannes IV. Laskaris, Kaiser in Nikaia 312 Johannes V., Kaiser 81,145,194, 227f., 238, 275, 307f., 318, 335f., 348, 374, 38lf. Johannes VI. Kantakuzenos, Kaiser 8, 18, 19,20,21,23,25, 27f., 35, 42,49,52,54,56,62-64,66,68, 79f., 85-87, 89f., 92f., 98, 111, 127, 129,133, 14lf., 144, 147, 150,228, 235,238,243,252,256,268,272275,304, 30M., 315f., 318f., 324, 334, 345, 347,368,375, 379f., 384 Johannes VII., Mitkaiser 81,376 Johannes VIII., Kaiser 3,60, 180, 20M., 216, 309f., 338-341, 343, 360 Johannes IV., Kaiser v. Trapezunt 342 Johannes 11., Despot v. Epeiros 378 Johannes XI. Bekkos, Patriarch v. Konstantinopel 34,227, 236, 27M., 299, 332, 368, 379 Johannes XIII. Glykys, Patriarch v. Konstantinopel 234, 236, 279, 292, 298f., 379 Johannes XIV. Kalekas, Patriarch v. Konstantinopel 236f., 368, 379 Johannes 111. Mytzes Asanes, Bulgarenherrscher 114 Johannes, Metropolit v. Herakleia 280,298 J ohannes der Täufer 268 Johannes, Despotes, ev. identisch mit Johannes 111. Asanes 113-115, 150 Johannes Protospatharios, Schriftsteller 371 Johannes, Bediensteter 288 Johannes, Schüler 289 Johannes, Schüler 298,341
Register der Personen und Personengruppen Johannes, Fleischer, siehe Oliverio 112 Johannes, Kürschner 135 Johanniter, siehe Rhodeser Joseph I. Galesiotes, Patriarch v. Konstantinopel 236, 266, 368, 378f. Joseph, Bischof v. Apros, Oberrichter 36,37 Joseph Rhakendytes, siehe Rhakendytes Jubenalios, Privatgelehrter 225, 236, 298f., 379 Judas, Jünger Jesu 307 Juden/Hebräer 69, 350f. Justin II., Kaiser 302 Justinian I. ,Kaiser 151,351-353 Kabakes, Demetrios Rhaul, Kopist 236,299,379 Kabasilas, Familie 47, 171,349,375 Kabasilas, (N.), Sekretär 41 Kabasilas, Demetrios 315 Kabasilas, Manuel 176, 178 Kabasilas, Michael 37 Kabasilas, Neilos, Metropolit v. Thessalonike 236, 256, 277, 293, 296, 298f., 322, 335, 368, 379 Kabasilas, Theodoros 235, 368, 380 Kabasilas Chamaetos, Nikolaos, Theologe und Schriftsteller 48, 93f., 125,229,235,242,246,249, 256,258,271,285,298(,306, 321f., 344, 347-356, 375 Kalekas, Johannes, siehe Johannes XIV., Patriarch Kalekas, Manuel, Mönch 229, 237, 248,253, 255f., 258, 280, 289, 291, 293, 296, 299, 307-309, 328, 33M., 369,380 Kallistos 1., Patriarch v. Konstantinopel 236, 245, 270, 299,315,320,368,380
427
Kallistos II. Xanthopulos, Patriarch v. Konstantinopel 236, 380 Kalochairetes, (N.), Soldat 83,89 Kaloeidas, (N.), Schatzmeister 129 Kalogeros 289 Kalognomos,Lel)fi 40 Kalokyres, Thomas, Geldverleiher 155 Kalopheros, J ohannes Laskaris 251, 255,257,326 Kalothetos, Joseph, Abt u. Hagiograph 109,236, 299f., 368, 380 Kalymnos 280 Kamariotes, Matthaios 298 Kamateros, Familie 374 Kampanos, (N.) 171 Kamudes, Nikolaos, Sattler 136 Kananos, (N.), Archon 182 Kananos, (N.) Laskaris, Reiseschriftsteller 200 Kanabutzes, (N.), Lastträger 72 Kanabutzes, Johannes, Gelehrter 236,380 Kantakuzenoi, Familie 2, 26, 62, 94, 159, 161, 175 Kantakuzene, Theodora 234, 236, 238,249,256,276,319,368,380 Kantakuzenos, (N.), Beamter 184 Kantakuzenos, J ohannes, siehe Johannes VI. Kantakuzenos, J ohannes Komneneos Angelos, Gouverneur 380 Kantakuzenos, Manuel, Despot v. Mistra 179,324,377,384 Kantakuzenos, Matthaios, Mitkaiser 27,235,380 Karbones, Georgios, Gelehrter 233 Karl IV., Kaiser 217 Karl I. v. Anjou, König v. Neapel 276 Karykes, Demetrios 305 Karystenos, Theodoros 202
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Register der Personen und Personengruppen
Kasandrenos, Familie 169-171,203 Kasandrenos, (N.), Geschäftsmann 109,166-172,197,204 Kasandrenos, (N.), Geschäftsmann 168 Kasandrenos, Alexios 170 Kasandrenos, Demetrios 170 Katablattas Katadokeinos, Demetrios, Justizbeamter 193, 209, 263, 280, 299 Katalanen / Katalanische Kompanie 22,24, 69f., 76, 78f., 111, 189 Kataphygiotes, (N.) 73 Kataphygiotes, Kallistos, Schriftsteller 236, 380 Katharos, Michael 23 Katidites, (Michael) 117 Katrares, Johannes 236,380 Katrones, Johannes 236, 368, 380 Kausokalybes, Maximos, Mönch 269 Kelsos 275 Kephalas, (N.), Zollbeamter, ev. identisch mit folgendem 42,126 Kephalas, (N.), Geldverleiher, ev. identisch mit vorigem 42,125 Kephalas, (N.) 43, 126 Kimpos, Hippokomos 110f. Kiniotes (Limenites) 117 Kinnamos; Familie 39, 46 Kinnamos, (N.), Gouverneur v. Konstantinopel 50 Kinnamos, Manuel, Schatzmeister 39 Kinnamos, Eustathios, Grundbesitzer 46 Kladas, J ohannes, Musikschriftsteller 236, 313, 380 Kleidas, Gregorios, Oberrichter 36, 96 Kokkinos siehe Philotheos, Patriarch Kolybas, Familie, siehe auch Colliva 62,181-182,203 Kolybas, Johannes 182 Kolybas, Konstantinos 176
Kolybas, Theodeges 182, 298 Kolybas, Theodoros Theodeges 181, 202 Komnenen, byz. Herrscherfamilie 17,26,27,39,83, 104, 119, 151, 183,313,325 Konstantin 1., Kaiser 1, 301 KonstantinVIII., Kaiser 302, 305 Konstantin IX. Monomachos, Kaiser 318 Konstantin XI., Kaiser 1, 61, 190, 210f., 344, 362, 364 Konstantinos, Gutsverwalter 133 Kontenos, Demetrios, Steuerbeamter 40 Koreses, Familie, siehe auch Coressi 176, 18lf., 188 Koreses, (N.), Geschäftsmann in Venedig 178 Koreses, Manuel, Kaufmann u. Diplomat 176,178,186,188,203 Koreses, Nikolaos,chiot. Puistokrat u. Geschäftsmann 17M., 188 Koryarios, Familie 171 Kostenei:ki, Konstantin 330 Kritopulos, Familie 185 Kritopulos von Imbros, Geschichtsschreiber 233,372 Kukuzeles, Johannes Papadopulos, Musikschriftsteller 236,320, 380 Kumuses, Familie 62,181 Kunales, Konstantinos, Steuerbeamter 40 Kunupes, Familie 60 Kydones, Familie 349 Kydones, Demetrios 48,75,81,85, 107,116,156,168,170,179,195, 203-205,212, 227f., 229, 235, 24lf., 243, 245f., 247, 249, 251253, 255, 256f., 258-260, 262, 269f., 275, 277, 283, 291-293, 295f., 298-300, 308, 318, 320-324,
Register der Personen und Personengruppen 326-328,331,334-337,338,341, 347, 364f., 369, 377, 380f. Kydones, Prochoros 107, 228f., 236, 260, 27lf., 274f., 320, 334-336, 369,381 Kyparissiotes, J ohannes 229, 236, 257, 298f., 369, 372, 381 Kyprianos, (N.), Briefschreiber, ev. identisch mit folgendem 305 Kyprianos, Niketas, Kirchenbeamter, ev. identisch mit vorigem 305 Lakapenos, Georgios, Schriftsteller 235,255, 381, 279, 292, 299f., 368, 381 Lampenos, Alexios 235,368,381 Lampenos, Nikolaos 235, 368, 381 Lapithes, Georgios, (ev.) Gelehrter 236,258,~26,368,381
Laskaris, Herrscherfamilie 19, 26, 32f., 50, 54, 76, 129, 159, 171, 182,200 Laskaris, (N.), Laden-lWerkstattbesitzer 189 Laskaris, Theodoros, Archon, ev. identisch mit T odaro dal Prodromo 207 Laskaris Angelos, siehe Angelos Laskaris Kalopheros, siehe Kalopheros Laskaris Kananos, siehe Kananos Laskaris Pegonites, Johannes, Musikschriftstelle~ 236,328,370, 381 Laskaris Tzamanturos, Michael, Megas Dux 22 Lazaropulos, Joseph, Metropolit v. Trapezunt 236, 381 Leomualdita, (N.) 117 Leon VI., Kaiser 352f. Leonhard von ehios, lat. Erzbischof v. Mitylene 211 Leontares, Familie 58
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Leontares, Demc:trios Laskaris, Flottenführer 181 Libadarios, Familie 26 Libadenos, Andreas, Literat 160, 236,325,368,381 Libanios, Epistolograph 254 Ligeros, Michael 188 Logaras, Philippos 235, 381 Lomelinus, Georgius, genues. Schiffs besitzer u. Unternehmer 199 Lopadiotes, Andreas 236, 381 Loscart (ev. Laskaris), Anthoine, Kaufmann 200 Loschaert (ev. Laskaris), Michiel, Kaufmann 200 Lukites, Konstantinos, Beamter u. Schriftsteller 235, 258, 299, 325, 368,381 Lusignan, lat. Herrscherfamilie 179, 223,326 Lusignan, Hugues de, siehe Hugo IV. Lusignan, Guy de 66 Lykurgos, spartanischer Politiker 363 Machairas, Leontios, Schriftsteller 326,369 Macrimali (Makrimalles), Todaro, Tuchhändler 155 Macrobius 332 Magentenos, Leon, Metropolit v. Mitylene 283 Magistros, Thomas, Schriftsteller u. Lehrer 70,74, 160,236,284,297, 299f., 321-323, 368, 381 Magulas, Georgios, Geldhändler, ev. identisch mit folgendem 128f. Magulas, (N.), Geldwechsler, ev. identisch mit vorigem 129 Makarios, Metropolit v. Ankyra 236, 370,381 Makedonen, Herrscherfamilie 17
430
Register der Personen und Personengruppen
Makrembolites, Alexios, Schriftsteller 101,126[,138,144,152[,236, 344-347,350,369,381,395 Makrenos, Johannes, Heerführer 153 Makrenos, Konstantinos, Steuerbeamter 40, 45 Makrenos, Konstantinos, Steuerbeamter 45 Makres, Makarios, Abt 236, 298, 370,382 Makropulos, (N.) 188 Maliasenos, Familie 26 Mamales, Familie 62, 181 Mamales, Nikolaos, Diplomat 181 Mamali (Mamales), Constancius, Schiffspatron 155 Mamonas, Familie 173f. Mamonas, (N.), Archon v. Monembasia 172 Mamonas, (N.) 173 Mamonas, Gregorios Palaiologos, Gouverneur 174 Mamonas, Paulos, Megas Dux u. Stadtherr 173 Manasi (Manasses), Theodorus, Schiffspatron 155 Mancropulus (Makropulos), Costa 189 Mancropulus (Makropulos), Manuel 189 Mandeville, J ean de, Reiseschriftsteller 119 Mankaphas, Familie 171 Manuel 11., Kaiser 3,57,81,179, 184,192,204,206,216,228,235, 242f., 248f., 251-253, 255-257, 269, 272, 283, 293f., 296, 299, 304, 307, 30Sf., 31M., 323, 356f., 359f., 362,365,370,374,376,382 Manuel III., Kaiser v. Trapezunt 258 Manuel, Priester u. Lehrer 325 Manuel, Bankier 127 Manuel, Beamter 194
de Mari, genues. Familie 196 Markos (I), Mönch 236, 298f., 368, 382 Markos (I1), Mönch 236, 299, 319f., 368,382 Marmaras, Theodoros 43 Masgidas, Familie 171 Matarangos, Nikolaos, Oberrichter 36 Matthaios 1., Patriarch v. Konstantinopel 314 Matthaios, Metropolit v. Ephesos, siehe Gabalas, Manuel Matthaios, Exarch für Chazarien 236,382 Matthaios, Bischof v. Medeia 58 Matthaios, Bischof v. Ankara 58 Maurozomes (Maurosume), Familie 117
Maurozumes, (N.) 121 Maximos Homologetes 214 Mayrana, Nicolaus de, Schiffsbesitzer 155 Mazaris 48,235,370,382 Medici, Cosimo de' 179,340 Mehmed I1., Sultan 4,219,326 Meizomates, Familie 214 Meletios Homologetes, Mönch u. Schriftsteller 228 Melias, Hippokomos 111 Meliteniotes, Familie 39,51, 53f. Meliteniotes, (N.), Dichter 382 Meliteniotes, Johannes, Ratgeber 53 Meliteniotes, Johannes (Gabras ), Kanzleichef 53 Meliteniotes, Konstantinos, Palastkleriker 51, 53f., 236, 332, 368,382 Meliteniotes, Konstantinos, Arzt 53 Meliteniotes, Nikolaos, Schatzmeister 39,53
· Register der Personen und Personengruppen Meliteniotes, Theodoros, Schriftsteller u. Palastkleriker 54, 236,256,285,313,382 Merkurios, Mönch 256, 300 Mesarites, Nikolaos 312 Metochites, Familie 35,51-54,62 Metochites, Alexios Laskaris Palaiologos, Stadtgouverneur 53 Metochites, Andronikos, Archon 53 Metochites, Demetrios Palaiologos, Stadtgouverneur 53 Metochites, Eirene 54 Metochites, Georgios, Palastkleriker 51,227,236,277,332,368,382 Metochites, Manuel Rhaul 324 Metochites, Michael Laskaris, Stadtgouverneur 52 Metochites, Nikephoros 299 Metochites, Theodoros, Mesazon u. Schriftsteller 51-54,87,107,127, 148,151,225,227,235,237,245, 247,252,261,263,266, 268f., 283, 285, 288, 290, 292, 298-300, 317f., 365,368,382,392,394 Michael VII. Dukas, Kaiser 108 Michael VIII., Kaiser 1,2,20,26,31, 32,33,38,47,51, 75f., 91, 113f., 122, 128, 137, 146, 22M., 249, 27M., 287, 301-303, 305, 313, 319, 330-332,367,380 Michael IX., Mitkaiser 385 Michael de Lagerio 199 Milutin, siehe Stefan Uros II. Minoto, Marco, venez. Bailo in Konstantinopel 70 Momitzilas, Neophytos, Mönch 236, 283,317,369,382 de Monelia, genues. Familie 178 Monembasiotes, Nikolaos, ev. Notaras 173 Monovasiotes (Monembasiotes) 117 Mongolen 69, 325 Moraiti, Jane 188
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Morescho (Muriskos), Andreas, Geschäftsmann 196 Morisco, Andrea, siehe Muriskos Moschampar, Georgios, Kirchenbeamter 236, 368, 382 Moschopulos, Manuel, Gelehrter 236,242,279,281,284, 299f., 368, 382 Moschopulos, Nikephoros, Metropolit v. Kreta 242, 256, 299,382 Moschos, Familie 210 Moschos, (N.) Agallon 209f. Moschos, Johannes 209f. Murad 1., Osmanenherrscher 3 Murad H., Sultan 3 Muriskos, Familie 26 Muriskos, Andreas, Kaperkapitän 38,196 Muzalon, (Andronikos) 26 Muzalon, Georgios, Beamter u. Regent 26, 32 Muzalon, Johannes Dukas, Flottenkommandeur 22 Muzalon, Leon, Beamter 91 Muzalon, Stephanos, Flottenkommandeur 22 Muzalon, (Theodoros) 26 Muzalon, Theodoros Boilas, Megas Logothetes 20, 91, 228, 234f., 253,298,300,368,383 Negrini, Leonardo, genues. Notar 43 Neilos 1., Patriarch v. Konstantinopel 229,231,236,270,369,383 N eilos, Mönch 268 Nektarios, Mönch 179 Neokaisareites, Familie 33f., 45f. Neokaisareissa, Eudokia Palaiologina 33,238 Neokaisareites, (N.), Salinenverwalter 46
432
Register der Personen und Personengruppen
Neokaisareites, (N.), Würdenträger, ev. identisch mit Neokaisareites, Michael 33 Neokaisareites, Manuel, Beamter u. Schriftsteller 33, 235, 294, 298, 300,368,383 Neokaisareites, Michael, Beamter 33 Neokaisareites, (Michael), Steuerbeamter 46 Neokaisareites, Theodoros, Beamter 33f.,238 Nephon 1., Patriarch v. Konstantinopel 109 Nestongos, Konstantinos Dukas, Würdenträger 131 Nikandros 203 Nikephoritzes, Logothetes 108 Nikephoros Athonites, Mönch 236, 300,320,368,383 Niketas, Hippokomos 111 Nikolaus V., Papst 211 Niphon, Mönch 126 Notaras, Familie 122,159, 172f., 177, 180,210 Notaras, Andreas 176, 18M., 203 Notaras, Anna 190,214 Notaras, Georgios, Händler und Dolmetscher 186 Notaras, Jakob 219 Notaras, (Konstantinos), Schiffsführer 173 Notaras, Lukas, Megas Dux, Mesazon und Finanzmann 180f., 185, 187, 190, 202,204-206, 210,216, 218f., 244,255,371,378,390 Notaras, Nikolaos, Vater des Lukas, Diplomat u. Finanzmann 176, 179, 187 Notaras, Nikolaos, Sohn des Lukas 202 Oinaiotes I Oineiates, Familie 46 Oinaiotes, Andronikos 194
Oinaiotes, Georgios, Schriftsteller 80,236,255,298-300,368,377, 383 Oliverio, Giovanni, Fleischer 112 Origenes 275 Osman, Gazi 134 Osmanen, siehe Türken Ovid 332 Pachymeres, Georgios, Geschichtsschreiber 20, 26, 32, 109,140,146,236,247,266,282284,297,300,303,312,315,368, 383 Pachys/Paches, (Konstantinos), Schiffsführer 117,173 Pacidiotes, Agapitus 165 Pacidiotes, Potha 165 Palaiologoi, Herrscherfamilie 1, 18, 19,26-28,31,33-35,37,47, 53f., 58,69,84,90, 113f., 129, 131, 151, 159, 161, 166, 175, 179f., 196,276, 361,389 Palaiologina, Eirene, Schwester Michaels VIII. 276, 380 Palaiologina, Eirene Komnene, Tochter Michaels VIII. 114 Palaiologina, Eudokia, siehe N eokaisareissa Palaiologos, Johannes Dukas Angelos, Despotes 23, 113 Palaiologos, Johannes, Despotes 113f.,376 Palaiologos, Johannes, Panhypersebastos 54 Palaiologos, J ohannes, Protostrator 203 Palaiologos, Johannes, Sohn Manuels II., siehe Johannes VIII. Palaiologos, Konstantinos Komnenos, Sebastokrator 128, 383 Palaiologos, Konstantinos, Despotes 33
Register der Personen und Personengruppen Palaiologos, Konstantinos 34 Palaiologos, Konstantinos, Despot v. Mistra, siehe Konstantin XI. Palaiologos, Theodoros 1., Despot v. Mistra 174, 248f., 324, 357 Palaiologos, Theodoros 11., Despot v. Mistra 356f., 359f. Palaiologos, (N.), Sebastos, ev. identisch mit folgendem 128 Palaiologos Komnenos Branas Dukas llngelos,llndronikos, lfeerführer u. Literat, ev. identisch mit vorigem 128, 235, 383 Palamas, Gregorios, Metropolit v. Thessalonike 121,228-231,236, 267-271, 273f., 275, 281, 298-300, 307,316,319-321,334, 368f., 383 Palamas, Konstantinos, Senator 383 Panaretos (Panarido), (N.), Arzt 208 Panaretos, Demetrios, Priester 214 Panaretos, Johannes, Steuerbeamter 47,96 Panaretos, Matthaios 235, 369, 383 Panaretos, Michael, Geschichtsschreiber 235, 325, 383 Panaretos, Manuel, Kirchenbeamter 47 Panaretos, Nikolaos, Finanzbeamter u. Diplomat 47 Panaretos, Theodoros, Schriftsteller 47 Paolo von Perugia, ital.,lfumanist 333 Paraspondylos, Familie 26 Paraspondylos, (N.), Megas Dux 181 Parechotes, lfippokomos 111 Partegna (von Chios) 188 Patrikiotes, Theodoros, Steuerbeamter 40-42, 49, 86, 128, 135, 166,345,381 Patzopulos, (N.) 41,128 Paulos aus Mailand 257, 338
433
Paulus, Apostel 94, 262, 302 Pediasimos, Johannes, lfypatos ton Philosophon 48, 236, 282, 287, 297, 299f., 302, 305E., 321, 323, 368,383 Pediasimos, Theodoros, lfypatos ton Philosophon 236, 246, 249, 279, 322,368,383 Pelagonios, Georgios, siehe Georgios, Metropolit v. Pelagonia Pepagomenos, Familie 39 Pepagomenos, Demetrios, Arzt 235, 383 Pepagomenos, Georgios, Finanzbeamter 39 Pepagomenos, Nikolaos 236, 384 Pergamenos, Konstantinos, Steuerbeamter 40 Petrarca, Francesco, ital. lfumanist 333f. Petrici (Petritzes), Michael 188 Petritzes, Familie 188 Petrus, Apostel 302 Petrus, ev. Oliverio, Fleischer 112 Petrus de Cele, Magister 122 Petrus lfispanus 342 Phakeolatos, (llndreas), Flottenchef 146 Phakrases, Familie 58 Phakrases, Georgios, Truppenführer u. Schriftsteller 235, 369, 384 Phakrases, (N.), Beamter 46,234 Phanarioten 220 Pharisaios, Georgios, Steuerbeamter 40 Philagrios, Joseph, Mönch u. Lehrer 236,283,327,370,384 Philagrios, Petros 327 Philanthropenos, Familie 26,33,181, 196 Philanthropene, (N.), Mutter des Syrgiannes 28 Philanthropene, Zoe Dukaina 196
434
Register der Personen und Personengruppen
Philanthropenos, Alexios, Megas Dux 22 Philanthropenos, Alexios, Heerführer 127, 153f., 234, 256 Philanthropenos, Georgios, Militär 86 Philanthropenos, Georgios, Mesazon 180 Philanthropenos, Manuel, Kapitän 22 Philes, Familie 26 Philes, Manuel, Schriftsteller 27, 4042,49, 107, 123, 135, 136, 173, 234f., 238, 240, 256, 300, 368, 384, 394 Philipolos, (N.), Schatzmeister 129 Philommates, Familie 201 Philommates, Demetrios Angelos Kleidas, Sekretär 185 Philotheos Kokkinos, Patriarch v. Konstantinopel 49, 107, 228f., 236,256,260,262,268,271,274, 299f., 320, 322, 368f., 384 Philotheos, Metropolit v. Selymbria 236,384 Phokas (Focha), Markthändler 207 Phorbenos, Alexios, Lehrer 280 Phrangopulos, (N.), Gutsverwalter 130-133 Phrangopulos, Johannes, Geldverleiher 155 Phrangopulos, Konstantin, Steuerbeamter 132 Piccolomini, Enea Silvio, ital. Humanist 339 Pilatus, Leontius, ital. Humanist 334 Piro (Pyrrhos), Theodorus, Schiffs besitzer 155 Pius 11., Papst, siehe Piccolomini, Enea Silvio Planudes, Maximos, Schriftsteller u. Lehrer 44f., 46, 96, 123, 133, 149f., 197,228, 234f., 236, 241, 246, 248f., 255f., 260, 271, 279,
281,284,288,292,294,298-300, 304f., 317, 319, 322, 331f., 368, 384 Platon 242, 246, 249, 265f., 267, 269, 282-284, 303f., 306, 324, 331, 333, 339f., 358, 361, 363 Plethon, Georgios Gemistos, Philosoph u. Schriftsteller 225, 235,242,246,264,266,284,293, 298f., 309, 321, 324, 339f., 343f., 356-362,363-365,370,377,379, 393 Plotin 293 Plutarch 249 Poggio Bracciolini, ital. Humanist 263 Ponzo, Antonio di, genues. Notar 59,155,198 Porinos, Familie 166 Porine, Eirene 322 Porphyrios 310 Potamios, Theodoros 235, 384 Pothos, Manuel 258 Prasomales, (N.) Dukas 214 Prebetzianos, Familie, siehe auch Kasandrenos Prebezianos, Manoies 168 Prebezianos, Nikolaos 168 Probatas, Familie 171 Prokopios, Historiker 146 Psellos, Michael 230,305,310, 366 Ps.-Kodinos 36,204 Ptolemäus 284f. Pyropulos, (N.) 183 Pyropulos, Andreas, Schüler 209 Pyropulos, Antonios, Arzt 209f. Pyropulos, Manuel, Schüler 209 Pythagoras 304 Radic, serb. Beamter 180 Rali, Todaro, ev. identisch mit Rhalles, Theodoros 186
Register der Personen und Personengruppen Rapondi, Dino, ital. Unternehmer 179 Reig, Guillermo 199 Rhabdas, siehe Artabasdos Rhadenos, Familie 171f., 192,204 Rhadenos, (N.), Schüler 195,202-204, 212,256,260,293,295, 299f., 323 Rhaianes, Demetrios 119, 165 Rhakendytes, Joseph, Mönch u. Schriftsteller 236f., 246, 281, 283f., 292, 298-300, 321, 368, 379 Rhaul / Rhatles, Familie 26,54, 159, 161,186,196,214 Rhaul, Johannes Komnenos, Heerführer 380 Rhalles, Konstantinos, Diplomat 185f. Rhalles, Tlleodoros, Diplomat, ev. identisch mit Rali, Todaro 185 Rhaul, Manuel, Epistolograph 235, 324,384 Rhaul, Manuel, Briefempfänger 258 Rhaul Metochites, Manuel, siehe Metochites Rhyntakenos / Rhentakenos, Familie, siehe auch Rodhachino, Rondachino 182 Rhyntakenos / Rhentakenos, (N.) 41 Rhyndakenos, Johannes Laskaris 182 Rhodeser 177,179 Rhussotas, Familie 171 Rhusotas, Johannes, Bergbauverwalter 184 Robert der Weise, König v. Neapel 333 Rodhachino (Rhyntakenos) de Romania 182 Roger de Flor, katalan. Söldnerführer 24,68,111 Rondachino (Rhyntakenos), Georgio 155, 183
435
Rondachino (Rhyntakenos), Nikita 155, 183 Rossi, Roberto, ital. Humanist 337 Ruchas, Mönch 146 Sachlikes, Stephanos, Dichter u. Advokat 236, 326f., 369, 384 Salutati, Coluccio, ital. Humanist 161,337 Sarandinos (Sarantenos), (N.) 183 Sarantenos / Sardino, Familie 26, 183f. Sarantenos, Georgios, Schiffsführer 183 Sarantenos, Johannes, Bankier 183 Sarantenos (Sarandino), Konstantinos, Geschäftsmann 183 Sardena, U golino 43 Sardenus, Bonifacius, Zollbeamter 43 Sardino (Sarantenos), Nichola, Bankier 183 Schiltberger, Hans, Reiseschriftsteller 119 Scholarios, Georgios, siehe Gennadios 11. Sebasteianos, Andreas 176 Seliotes, Abt 268 Senacherim, Michael Kakos, Mesazon 32f. Sergopulos, Familie 23 Sergopulos, Manuel 116 Sguropulos, Stephanos, Beamter 235, 384 Sideriotes, Manuel 124,162 Sideriotissa, Eirene 124, 162 Si gis mund, Kaiser 217,341 Sinaites, Gregorios, siehe Gregorios Sineto, Triffo 155 Skaranos, Familie 181 Skaranos, (N.) 97
436
Register der Personen und Personengruppen
Skaranos, Demetrios, Immigrant 177 Skylitzes, Theodoros, Steuerbeamter 131 Sofaches, Michael, Kaufmann 121 Sofiano (Sophianos), Manoli, Sklavenverkäufer 177 Sommas (Zomas), (N.) 177 Sophianos, Familie, siehe auch Sofiano 122, 159, 172, 181 Sophianos, (N.), Archon von Monembasia 172 Sophianos, (Strateges), Schiffsführer 173 Sophianos, (N.) 173 Sophianos, (N.), Immigrant 177 Sophianos, (N.), Epistolograph 236, 300,369,384 Sophianos, (N.), Dux/Dukas(?) 182 Sophianos, J ohannes, Geldmann u. (Handels-)Reisender 177f., 188f. Sophianos, Manuel 182 Sophianos, Theodoros Scholarios 298 Sophonias, Mönch 236, 283, 332, 368,385 Sophronios 1., siehe Syropulos Spanopulos, Johannes 183 Spantunes (Spandugnino), Familie 213,219 Spantunes, Theodoros 213 Spartenos, Familie 166,171 Sphrantzes, Georgios, Geschichtsschreiber 235,244, 319,370,385 Spinola, genues. Familie 196 Staphidakes, (N.), Hofredner 235, 368,385 Staufer, Herrscherfamilie 1 Staurakios, Johannes 236, 385 Stefan Dusan, Serbenherrscher 2 Stefan Lazarovic, Serbenherrscher 330
Stefan Uros 11. Milutin, Serbenherrscher 286, 309 Stefan Uros 111. Decanski, Serbenherrscher 330 Strozzi, Palla, florent. Bankier 338 Studios, Patrikios 316 Sucro (S(u)guros?), (Georgios) 117 Suleyman 11., Sultan 68 Surachi (Tzurakes), Talicato 73 Symeon, Metropolit v. Thessalonike 57,82,236,370,385 Symeon 203 Symeon, Kaufmann, ev. identisch mit Syros, Simon 123 Symeonakes, J ohannes, Kleriker 236, 328,385 Synadenos, Familie 26,161 Synadenos, (N.) Briefempfänger 271 Synadenos, Theodoros, Heerführer u. Gouverneur 20, 25 Synesios v. Kyrene 254 Syrgiannes, Familie 26 Syrgiannes, (N.), Megas Dux 19f., 22,25,28,52 Syriane 124, 162, 197 Syrmpanos, Hirte 74, 77 Syropulos, Silbestros, Patriarch v. Konstantinopel 236,242,341, 370,385 Syros, Immigrant u. Zollbeamter 44, 123 Syros, Simon, Immigrant u. Diplomat 123 Tagaris, Georgios, Heerführer 28 T agaris, Manuel, Heerführer 28 Tarchaneiotai, byz. Familie 18,26, 60 Tarchaneiotes, Rhetor 323 Tarchaneiotes, Manuel (?) 256 Tarchaneiotes Dukas Glabas, Michael, Heerführer 235, 368, 385
· Register der Personen und Personengruppen Tataren 175 Theodora Palaiologina, Kaiserin 129 Theodoros 11. Laskaris, Kaiser in Nikaia 91,146,282,297,331 Theodoros 11., Despot v. Mistra, siehe Palaiologos, Theodoros 11. Theodoros von ehios 188 Theoktistos, Mönch 236,316,385 Theoleptos, Metropolit v. Philadelpheia 236,267, 298, 300, 320,368,377,383,385 Theololites, Johannes, Steuerbeamter
131 Theophanes (I), Metropolit v. Nikaia 236,369,385 Theophanes (11), Metropolit v. Peritheorion 236, 385 Thomado da ehoron 207 Thomas v.Aquin 296f., 320, 322, 331, 334, 336f., 341f. Thukydides 23,243 Timur Lenk, Mongolenherrscher 3 Todaro dal Prodromo, ev. identisch mit Laskaris, Theodoros 207f. T odorinus, Schiffs handwerker 199 Tornikes, Familie 26,171 Torriglia, Nicola di, genues. Geschäftsmann 189 Torseolo, Johannes 186 Trajan, Kaiser 146 Trapezuntios, Georgios, siehe Georgios v. Trapezunt Traversari, Ambrogio, ital. Humanist 337 Triboles, (N.), Sekretär 293 Trikanas, Familie 166 Triklinios, Demetrios, Philologe 236, 284, 299f., 322, 368, 385 Türken 1-3,26,33,46,56,66,70,72, 81f., 122, 155, 163, 172, 175f., 179, 181,193,195,197,210,213,216, 218-220,260,287,321,341,364, 369f., 387, 395
437
Tzamanturos, siehe Laskaris Tzamplakon, Familie 26, 60, 349 Tzamplakon, Alexios, Würdenträger 86 Tzamplakon, Arsenios, Getreideverkäufer 197 Tzamplakon, Asomatianos, Megas Dux 22 Tzephres (Geofroy), Gefolgsmann 150 Tzykandyles, Familie 26, 166, 171 UmurPap 25 Urban V., Papst 81,335 Vatatzes (Batatzes), (N.), Schiffsführer 186 Venier, Francesco, venez. Bankier 180 Verdali (Bardales), Dimitrio, Kaufmann 47 Vergerio, Pier Paolo, ital. Humanist 338 Veronese, Guarino, ital. Humanist 258,338 Vighinico, siehe Eugenikos Villehardouin, Guillaume 11., Herrscher v. Achaia 21,172 Vinzenz von Beauvais 332 Vivaldo de Albizola, Fleischer 112
Vlad Dracul, Herrscher der' Walachei 183 Vrachimi, Zuan 73 Wlachen 69, 74 Wladyslaw III., König v. Polen u. Ungarn 3 Xanthopuloi, Familie 124, 161-163, 197 Xanthopulina, Maria 124 Xanthopulos, (N.), Bankier 162
438
Register der Personen und Personengruppen
Xanthopulos, Georgios, Handwerker 162f. Xanthopulos (Xatopulo), Maracha, Ladenbesitzer 162 Xanthopulos, Nikephoros Ka1listos, Schriftsteller 29,236,315,385 Xanthopulos, Theodoros, Kleriker u. Gelehrter 29, 234f., 252, 256, 368, 385 Xanthopulos, Theodoros, Kirchenbeamter 162 Zaccaria, Centurione, Herrscher v. Achaia 360 Zaccaria, Martino, genues. Herr v. Chi os 146 Zaccaria, Niccolo, genues. Unternehmer 146
Zacharias, Georgios, Kaufmann 121 Zacharias, Johannes, Arzt 235,286, 300,368,385 Zagarommatis, Georgios, Würdenträger 131 Zarides, Andronikos, Schriftsteller 235,255,257,292,300,385 Zarides, Johannes 256,294,300 Zeloten 53, 142, 150, 154,323,349, 355 Ziani, Petrus, venez. Doge 68 Zigeuner 69 Ziras, Hippokomos 111 Zomas, Familie 177 Zomas, (N.), Geldwechsler 177 Zoroaster 357 Zuchinida, Jani, Tuchhändler 155
Register der Orte und Regionen . (Unter den Orten / Regionen sind in der Regel auch ihre Bewohner (soweit vom Namen abgeleitet, z.B. Venedig / Venezianer) und adjektivische Bezüge (z.B. venezianisch) auf sie erfaßt.) Achaia, Fürstentum 21,172,360 Adramyttion 110 Adrianopel 72,80,91,155 Afrika, Nord- 250 Ägäis 4,74, 123, 145, 164, 172, 175f., 193f., 196,219 Agathopolis 194 Ägypten, Sultanat 177,325 Ainos 170,182, 194 Akkon (Palästina) 123,173 Albizola / Albis(s)ola (Oberitalien) 112 Alexandreia (Ägypten) 177 Patriarchat 236,368,374 Amisos 176 Anaia 42, 165 Anatolien, siehe auch Kleinasien 70, 219 Ankara 3,193,216 Metropolie 236,381 Antiocheia~ Patriarchat 236,378 Apros 258 Bistum 3M. Aragon, Königreich ' 186 Armenien 378 Athen 107,172,261 Metropolie 236,374 Athos, Klöster 71-73, 172, 179,245, 316, 319f., 334 Chilandar 46 Docheiariu 167 Iberon 136 Lavra 114,126,228, 319f., 38lf. Sabasklause 319
Zographu 329 Avignon 333 Backovo-Petritzos-Kloster 329f. Bagdad 177 Balkan 2,216,301 Barchinonie (Barcelona?) 177 Basel, Konzil von 180,341 Beirut 212 Belokoma (Bithynien) 134, 145 Bilecik, siehe Belokoma Bithynien 76, 79, 134, 145, 384 Bitola-Pelagonia (Makedonien) 373 Bizye 79 Bosporus, siehe Konstantinopel Brügge 200f. Brysis 71, 116, 260f. Bulgarien 2,301, 329f. Burgund, Herzogtum 200 Byzantion 360 Cassano, Bistum 335 Chalkidike 53,166,169,171,192 Chandax (Kreta), siehe auch Kandia 326, 328, 381, 385 Chania (Kreta) 118,164 Chazarien, kirchliches Exarchat 236, 382 Chele / Cele, Schwarzrneerfestung 112,122 Chios 23, 146, 176-179, 182, 188f., 194,379 Dakibyze (Bithynien) 384
440 Daphnusion 122 Demetrias 22 Didymoteichon 72, 80, 99 Dubrovnik I Ragusa 170, 195, 197 Dyrrhachion 380 Metropolie 254 England 200 Epeiros 235, 321, 378 Ephesos 165, 260, 290 Metropolie 236, 339, 377, 379 Epibatai 19 Eski~ehir 134 Ferrara 339, 343 Konzil siehe Florenz, Konzil Flandern 177,200 Florenz 147, 179,214,246,258,263, 308,337-340,343 Konzil von 3,162,180,227,326, 339, 343, 370 Frankreich 65,186 Ganos I Ganosgebirge 80,110 Genua 21f., 24, 39, 43, 61, 66, 70, 81, 105,122-124,128, 146f., 16tf., 170,176, 178f., 181, 187, 189f., 196-200,219,337,344 Georgien 123 Gerace (Kalabrien) 316,333,375 Goldene Horde, mongoI. Khanat 111 Hagios Mamas, Domäne 167,169 Herakleia am Marmarameer 91, 121, 194 Herakleia am Pontos 117,155 Metropolie 378 Hieropetra (Kreta) 328, 376 Karkasina-Kloster 328 Hyrtakos (bei Kyzikos) 378 Imbros 182f., 233
Register der Orte und Regionen Isthmos, Meerenge von Korinth 357, 360f.,362 Italien 65, 177, 190, 198, 206-208, 212,219,229,250,255, 258f., 261, 307-310,337-340, 342f., 363f., 370,383,392 Süditalien 1, 333 Oberitalien 1,4, 104, 170, 177 Ithaka 379 Kaffa (Krim) 111, 117, 123f., 161, 175f., 186, 194,203,257 Kalabrien 261,268,285,316,321, 332f.,375 Kloster S. Elia di Galatro 261, 333 Kallipolis I Gallipoli 2,25, 108, 110, 193 Kandia (Kreta), siehe auch Chandax 117, 165, 183 Kap Maleas (Peloponnes) 47 Kappadokien 354 Katalonien 250 Kiev, Metropolie 180,236,330,339, 341,379 Kilia 59, 117, 122, 155, 183, 194, 196, 198 Klazomenai 378,382 Kleinarmenien, Königreich 123 Kleinasien, siehe auch Anatolien tf., 26,33, 7tf., 76, 109, 154,294,384 Konstantinopel (auch "Reichshauptstadt" etc.) 1, 3f., 11, 17,20,25, 32f., 35-37, 41-47, 50, 53, 55, 5961,66-79, 81-83, 89,91-94, 98f., 104,108-110,111-117,121-124, 126f., 129, 135-137, 142, 144f., 147, 149-151, 155-157, 160f., 163166, 170, 173f., 175-177, 179, 181186,188-195,198-203,206,209, 211-214, 21Sf., 223, 225, 229, 257, 259-262, 284, 291f., 296, 300f., 302,308-310,321,323, 325f., 328-
, Register der Orte und Regionen 330, 333, 336, 338f., 343-345, 349, 357,360,369-371,373-377,381_ 383,385 Akataleptos-Kloster 317 "Akropolis" 303 Andreas-en-Krisei-Kloster 319 Apostelkirche 312 Athanasios-Kloster 119 Blachernenkirche 60 Blachernenpalast 276 Charsianeiteskloster 319, 375 Chorakloster 228, 269, 304f., 317f. Demetrioskloster 379 Georgioskloster 318 Hagia Sophia =Megale Ekklesia 36,43,47,59,70, 162, 305f., 315, 373 Hippodrom 81 Hodegonkloster 319 Kaiserhof 235, 300f., 304f., 307, 309,367-369,375,381,383-385, 391 Katholikon Museion 206-210, 212,309f. Klöster 316-319,367 Mangana, Stadtviertel 318 Manganenpalast 170 Pantokratorkloster 382 Patriarchat / "Patriarchatsschule" 146, 219f., 236, 300f., 310-315, 375-377, 380, 382f., 385, 391 Pauloskirche 287, 302f., 313 Prodromos-in-Petra-Kloster 206, 309,317 Schulen, siehe auch Patriarchat 302f.,310-315 Studiu-Kloster 316f., 376, 385 Synoden 228, 274f., 320 Xanthopuloikloster 377 Xenon des Kral 206-209, 286, 309 Konstanz 206
441 Koron / Modon 117,128,164,179, 183,194,207,340 Kosovo polje 3 Kreta 106,117-119,154, 164f., 173, 179,181,186, 194f., 212, 223, 233, 236,255, 257f., 301, 314, 321, 326329, 337, 339, 369f., 376, 384f. Kloster der Drei Hierarchen 327 Kudumas-Kloster 327 Metropolie 236,256,374,382 Krim 43,111,117, 123f., 161,236, 257,382 Kronstadt (Bra~ov in Siebenbürgen) 183 Kuban, Fluß 117 Kukulos (bei Klazomenai) 378 Kyzikos 378 La Canee, siehe Chania La Copa, Schwarzmeerhafen 117 Lagerio / Lagirio, Vorort von Pera 199 Lakonien 173 Lampsakos 115 Larissa, Metropolie 236,374 Lateinisches Kaiserreich 104 Lemnos 214 Lesbos 117, 121, 179, 181f., 195,204, 257f., 337 Levante, historische Region 123f., 162,197 LilIe 200 London 200 Lucca 179 Lyon, Konzil von 47,276,302, 331f. Madytos (Thrakien) 135 Magnesia 111 Mailand 257, 338 Majorica / Mallorca 199 Makedonien 80,131,166,168, 38lf. Marantico (Kreta) 165 Maritza, Fluß 2
442 Marmara 116 Marseille 135 Mayton, siehe Madytos Medeia, Metropolie 236, 373 Melas, Fluß 111 Melenikon 52, 235, 301 Mesembria 108f., 117, 194 Mesothynia (Bithynien) 47 Messina 186 Methone, siehe Modon Mistra / Despotat von Mistra 170, 179,183,194,223,235,249,257, 301, 309, 321, 324f., 344, 35M., 362, 367,370, 374, 377, 383f. Mitylene (Lesbos) 121,181,194, 202f.,377 Metropolie 236,283,377 Moglaina, Bistum 36 Moldau 183,330 Monembasia 68, 114f., 117, 120-122, 142,172-174,183,193-195,258 Morea, Halbinsel, siehe auch Peloponnes 194 Morea, lat. Fürstentum, siehe Achaia Muntaneia 73 Murmunta (bei Smyrna) 131 Myriophyton, Domäne 167 Neapel 181,186,213,333 Neapel, Königreich 186 N egroponte 170, 179, 193-195 Nikaia, Kaiserreich 19,32,38,50,76, 91,279,282,290,302,305,321, 331 Konzil 340 Metropolie 236, 339, 375, 385 Stadt 72,297, 299f., 379, 385 Tryphon-Schule 282 Nikomedeia 33, 133, 276, 384 Nikopolis 81,179 Nikosia (Zypern), lat. Erzbistum 376 N ovo Brdo (Serbien) 184, 195
Register der Orte und Regionen Nymphaion 50 Ohrid 305 Padua 206, 262, 337f., 343 Palästina 123, 320, 325, 330 Patmos 196 Patras 184 Pavia 337f. Pegai 68f., 114f., 121 Pelagonia, siehe auch Bitola Pelagonia, Metropolie 236,378 Peloponnes, siehe auch Mistra 56, 117, 129, 172f., 177, 194, 209, 223, 257, 324, 340f., 35M., 360-362, 364,370,377,379, Pera 66,111-113,122,127,155,175179,203,229,308, Dominikanerkonvent 337 Pergamon, Metropolie 236,374 Perinthos, siehe auch Herakleia am Marmarameer 121 Peritheorion (Thrakien), Metropolie 385 Persien 284f. Philadelpheia 69,72, 117, 121,258 Metropolie 236,243,320,376, 385 Philippopel 330 Phokaia 182 Pisa 209 Pontos, siehe auch Schwarzes Meer 123,155,176,203 Portarea, Domäne 167 Prilep / Prilapos 373 Propontis 194 Prosek 80 Prosa 193 Ptolemais, siehe Akkon Rhaidestos 79, 194, 197 Rhegion 36, 73 Rhodopen, Gebirge 74,77
Register der Orte und Regionen Rhodos 179 Metropolie / lat. (Erz)Bistum 236,340,376 Rom / römische Kirche 229, 257f., 273,276,278,296,301,331,336, 339,343,362,375 Romania, historische Region 4,61, 105,117,119,120,124,134,162, 170,175, 177, 179, 188, 194, 197f., 200f., 209, 212-214, 216, 218, 392 Rum, Sultanat lf. Rumelien 218f. Rußland 177,382 Samothrake 182 Savastopoli (Suchumi am Schwarzen Meer) 43 Savoyen, Herzogtum 199 Schwarzes Meer, siehe auch Pontos 4,117, 122f., 164, 174f., 186, 194f., 196,219 Selymbria 117, 121, 194 Metropolie 236, 375, 378, 384 Serbien 2,70,168,172, 175, 184, 301,330 Serres 131,168,171, 193f., 257, 301 Metropolie 236, 378 Ses tos (Thrakien) 135 Siebenbürgen 177 Sinai, Katharinenkloster 330 Sinope 176 Sizilien 186 Sluis, Hafen von Brügge 200 Smyrna 33, 13lf., 188 Spanien 186,199,250 Sparta 324, 364 Stremula 197 Strumitza 67, 74 Strymon, Fluß 171 Syrien 44 Täbriz (Iran) 325, 375
443
Tana (am Don) 43, 117, 120f., 142, 163,165, 17M., 194
Theben, Erzbistum 374f. Thessalien 377 Thessalonike 3, 34, 53, 57, 59f., 66, 71, 75, 79-81, 85, 91, 96, 99, 108f., 117,119,121, 130f., 134, 142, 154, 156, 160,166, 168-172,176, 183f., 191-195,197, 203f., 223, 242, 251253,257, 259f., 284, 287, 292f., 295f., 300, 307, 317, 321, 347, 349, 355, 367f., 370, 374, 377, 379-381, 383,385 Bildungseinrichtungen 209, 280, 301,321-323 Isaakkloster 375 H. Paramonos-Stadtbezirk 136 Metropolie 236, 248, 272, 305, 375,377-379,383,385 Thema 132 Xenophon-Kloster 192 Thrakien 19,25,42, 71, 79f., 121, 135,260,296,374,381,385 Trapezunt, Kaiserreich 13, 20, 25, 27,223,233,255,301,325 Metropolie 236,342,381 Stadt 117,160,235,258, 284f., 321, 325f., 340, 367f., 374-376, 381, 383f. Tripolis (Kleinasien) 72 Trnovo (Bulgarien) 329f. Tzurulon 79 Varna 3 Venedig 3,21,57, 60f., 70f., 104f., 109, 118f., 124, 128, 135, 145, 155, 164, 170, 178-181, 183, 187, 189, 190,194,197-199,201,207,214, 223,251, 255, 257, 291, 326, 33M., 339 Vicenza 339 Walachei 177,183,257,330
444
Zagora, historische Region 175 Zichna 35, 131
Register der Orte und Regionen Zypern 99,179,189,223,233,255, 257f., 26lf., 301, 321, 326, 332, 369,381