Obsidian-Zyklus Nr. 11 von 12
Die Macht des von Michael H. Buchholz Mein Zellaktivator pochtein einem furchterregenden, beinahe schon schmerzhaften Rhythmus; er sandte Stoßwelle um Stoßwelle an belebenden Impulsen durch meinen Körper, pumpte Vitalenergiein nie gekannterMengein mich hinein - und doch war ich längst auf meine Knie niedergesunken und schaffte esgeradenoch, mich mit den Ellenbogen aufzu stützen. Sämtliche Kraft schien mir binnen weniger Sekunden aus allen Muskeln gesogen worden zu sein. Ich hob mühsam eine Hand, wollte rufen, Tamiljon warnen, irgendetwas tun; doch ich brachte nur ein hilfloses Röcheln zu stande.
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Michael H. Buchholz
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Atlan: 30. April 1225 NGZ Vinara - Canyon der Visionen Das Knistern der Luft wuchs bedrohlich an, steigerte sich in genau dem Maße, wie mir das Atmen immer schwerer fiel. , Kristallflitter tanzten wild vor meinen Augen, vollführten einen die Sinne verwirrenden Reigen in dem grellweißen Licht, das von dem schräg links vor mir sich am Boden ausbreitenden Juwelenfeld ausging... Zuckende Reflexe, wirbelnde Schatten. Zwei ineinander verkrallte Gestalten, die verbissen miteinander rangen. Tamiljon und Litrak. Ein Sterblicher und ein angeblicher Gott. Steine kollerten, Kies und Erdbrocken spritzten weg, als die beiden Kämpfenden einen kleinen Hügel hinunterrollten, genau in Richtung des Juwelenfeldes. Etwa sechs, acht Meter. Dann fanden T amiljons Stiefel rutschend Halt. Er stieß Litrak so heftig von sich, dass dessen Gottesanbeterinnengestalt sich dabei mehrfach überschlug und gegen einen einzelnen, scharfkantigen, etwa mannshohen Felsen krachte. Keuchend bückte der Schwarzhäutige sich, nahm Anlauf und rammte dem ehemaligen Untoten Gott den haarlosen Kopf mitten gegen die schmale Brust. Litrak schrie. Etwas knackte unüberhörbar in dem beinahe durchsichtigen Insektenkörper. Tamiljon brüllte auf, umfasste die vorgestreckten, mit Dornen versehenen Fangbeine des Gegners, bog sie unter großer Anstrengung zurück - und ließ sie augenblicklich wieder los, wich dem plötzlich vorschnappenden Mund mit den scharfen Beißwerkzeugen aus. Litrak wimmerte; einer der großen Flügel hing in einem grotesken Winkel herab. Trotz seiner Verletzung sprang er
auf, umklammerte im nächsten Moment mit allen Beinpaaren den Oberkörper seines Kontrahenten. T amiljons Arme wurden eng an den Leib gepresst. Der Schwung warf ihn hintenüber. Sein Kopf verfehlte knapp die Kante des Felsens und schlug mit umso stärkerer Wucht gegen einen am Boden liegenden Brocken. Nun war er es, der vor Schmerzen schrie. Litrak hockte wie ein chitinener Albtraum auf seiner Brust. Aus dem zu einem wütenden Fauchen aufgerissenen Mund rieselten feinste Kristalle. Tamiljon bekam irgendwie die Arme frei, wälzte sich halb herum, konnte Litrak aber nicht abschütteln. Wieder rollten sie ineinander verkrallt über den Boden. Immer näher heran an die gleißenden Juwelen. Ich spürte, dass von den hier verstreuten Juwelen eine nicht einschätzbare Ge fahr ausging. Sardaengars beschwö rende Warnung, die er mir mittels einer Holoprojektion in der Silbersäule gegeben hatte, war unmissverständlich gewesen: »Sollte Litrak jemals der Falle entkommen, wird dieser Bereich der Taneran-Schlucht sein erstes Ziel sein.« Litrak durfte nach allem, was ich wusste oder zumindest teilweise verstand, die Juwelen auf keinen Fall erreichend Ihr Leuchten flackerte immer stärker auf, je näher die beiden Kämpfenden dem Feld der bis zu kopf großen Kristalle kamen. Ich sah Licht aufblitzen, ohne die genaue Quelle ausmachen zu können; vereinzelte Strahlen zuckten in Richtung der beiden Gestalten, wurden schillernd von den Flügelpaaren Litraks zurückge worfen. Zu meinem Entsetzen hörte ich Tamiljon lachen. Es klang wie das hysterische Kichern eines Irrsinnigen. Wieder zuckten Lichtstrahlen aus d.em Juwelenfeld empor, begleitet von einem unwirklichen Knacken und Knistern, das immer mehr in ein stakkatohaftes Knattern überging. Wie Überladun gs
Die Macht des Kristallmondes 5
Was bisher g esch ah: Im März 1225 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, das dem Jahr 4812 alter Zeit entspricht, hält sich Atlan, der unsterbliche Arkonide, im Kugelsternhaufen Omega Qentauri auf. Dieser Sternhaufen ist von den
zentralen Schauplätzen der Milchstraße nicht weit entfernt, war aber über Jahrzehntausende von der
»Außenwelt« aus nicht zugänglich.
Nach vielen Abenteuern hält sich Atlan mit einigen Besatzungsmitgliedern des Raumschiffes TOSOMA auf
der sogenannten Stahlwelt auf. Als eine schwarze Quader-Plattform materialisiert, erinnert sich Atlan an
die »Vergessene Positronik«. Dieses Gebilde durchstreift seit Jahrtausenden dieMilchstraße, ohne dass
Aufgabe und Herkunft bekannt sind.
Ein Transmittersprung geht schief-Atlan und einige seiner Begleiter landen auf der »Vergessenen Posi tronik«.
Währenddessen versucht die Besatzung der TOSOMA, in das Geschehen einzugreifen.Doch es kommt zu
einer nicht gewollten irartsition.
Sowohl Atlan als auch dieTOSOMA-Besatzung kommen in einem merkwürdigen Gebietdes Universums her aus - eine Sonne sowie fünf Planeten, die sich auf gleicher Umlaufbahn befinden, umgeben von einer
Wolke aus Obsidian. Einer der fünf Planeten wird darüber hinaus von einem Kristallmond umkreist.
Das Raumschiff TOSOMA stürzt auf einem der fünf Planeten ab.Die Besatzung wirdgerettet und von ei genartigen Robotern in Unterkünfte gebracht. Gemeinsam machen sich die Überlebenden auf die Suche
nach dem unsterblichen Arkoniden.Der 2. Pilot der TOSOMA führt eine Expedition der TOSOMA-Besatzung
zum Hauptkontinent Viina.Nachdemihr Boot kentert,setzen die Gefährtenihren Weg ins Land der Silber säulen mit einer Dampflokomoti ve fort.
Atlan und den Archivar Jörge Javales verschlägt es auf Vinara Vier. Sie werden inZwistigkeiten der Afalharo
verwickelt und müssenin der Folge fliehen.Dabei geraten sie in dieFänge termitenähnlicher Tiere, die sie
in Kokons spinnen.
Atlan wird von seinem neuen Begleiter Tamiljon befreit.Zusammen erreichen sie das Obsidiantor, das sie
nach VinaraDrei befördern soll. Tamiljon muss unter allenUmständen dorthin gelangen, da eine Mission
von größter Bedeutung davon abhängt.
Lethem da Vokoban und seine Begleiter geraten bei der Erkundung der »Schwarzen Perle«in einen Hin terhalt. Sie können fliehen und erreichen dieTaneran-Schlucht amRand von Mertras, dem Land der Silber säulen. Ohne viel Zeit zu verlieren, setzen sie ihre beschwerlicheReise zur Gebirgsfestung Grataar fort.
Zur gleichenZeit befindet sichAtlan auf VinaraDrei in höchster Not.Der Arkonide ist inBegleitung Tamiljons
und Vertretern des Litrak-Ordens unterwegs zur Casoreen-Gletscherregion. Der Unsterbliche dringt mit
den Ordensleuten durch ein Eislabyrinth in den Kerker des »Untoten Gottes« vor und befreit Litrak aus sei nem Gefängnis.
Auf der Flucht aktiviert der Kristallene verborgene Aggregate, die die Stadtim Eis zum Leben erwecken. Ein
Ruck geht durch den Eisboden. Atlan und die verbleibenden Ordensanhänger drohen von den abbrechen den Eisbrocken erschlagen zu werden. Sie rettensich in die Mitte der Stadtin der Hoffnung, dort Schutz zu finden. Eine Transition versetzt Atlan undTamiljon in ei neunbekannte Gegend und nicht, wie erhofft,in den »Canyon der Visionen«. . Lethem da Vokoban und seine Begleitertrauenihren Augen nicht, als die totgeglaubte Li daZoltral plötzlich auftaucht. Viel Zeit, umsich von dem Schock zu erholen, bleibt ihnen nicht. Gemeinsam versuchen sie, die Oberfläche der Technostadt zu erreichen. Der 2. Pilot der TOSOMA wird mit seinen Gefährten von der alles umfassenden Schwärze verschlungen. Vinara II löst sich auf, der Weltuntergang ist nicht mehr aufzuhalten.
Währenddessen scheint Atlans Kampfgegen die Braune Pest aufVinara V aussichtslos. Die Stadt Yandän
steht kurz vor der Zerstörung, überall breiten sich brauneFlecken aus. Der Unsterbliche steuert ein Obsi diantor an, die einzige Rettung...
Mit Xyban-K'hir finden Atlan undTamiljon einen Verbündeten beim Kampfgegen den Untoten Gott Litrak.
Das Pflanzenwesen hat wichtige Informationen für den unsterblichen Arkoniden.
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blitze griffen Lichttentakel nach dem Körperknäuel, das T amiljon und Litrak bildeten. Die Luft vibrierte; ich glaubte Ozon zu riechen. Ich sah Teile von Tamiljons Kleidung verschwinden. Es wirkte, als würde sein Äußeres im Licht der Juwelen regelrecht verdampfen. Zuerst lösten sich nur ein zelne, kaum fingergliedgroße Stellen auf, doch dann wuchsen die entstehenden Löcher rasend schnell aufeinander zu. Selbst harte und schwerere Kleidungs teile wie die Ärmelabschlüsse oder die verstärkten Schulterpolster waren von dem unerklärlichen Phänomen betrof fen. Als würden sie von einer Säure weg gefressen oder von einem Desintegrator aufgelöst, verschwanden der lederne Overall, die T aschen daran, die Unter wäsche, zuletzt der handbreite Gürtel und die wa denhohen Schnürstiefel. Auch das Nanomodulhalsband zerfiel, als hätte es nie existiert. Darunter kam Tamiljons pechschwarze Haut zum Vor schein, doch nicht sie allein. Ich sah es jetzt überall auf seinem Kör per glitzern wie von Diamantstaub. Wie der waberte Licht in wahren Kaskaden heran, traf die Kämpf enden, umlohte sie als bläulich weiß gleißende Flamme. Ta miljon lachte abermals furchterregend, während Litrak hilflos mit den Flügeln schlug und dabei erbärmlich schrie. Ob wohl ich beide Körper für den Moment nur noch als Silhouette wahrzunehmen vermochte, konnte ich Litraks Umrisse im Licht der Juwelen schrumpfen sehen. Die ersten funkelnden Edelsteine be fanden sich nur noch etwa zwei oder drei Meter von den sich am Boden Wälzenden entfernt. Wieder wollte ich mich aufrichten, wieder wollte ich - irgendwie - die Kämpfenden aus dem Bereich des Juwe lenfeldes zerren, und wieder war es, als entzöge mir eine unsichtbare Macht meine gesamte Kraft. T amiljon war es
nicht allein; viel mehr noch als er schwächten mich die über den Boden verstreuten Edelsteine. »Weiter ... nach rechts ...« Das war al les, was ich krächzend herausbrachte. Die Juwelen galten in den alten Le genden als die Hinterlassenschaft einer der Auseinandersetzungen zwischen dem »Uralten Sardaengar« und dem »Ewigen Litrak«. Wer den Juwelen zu nahe käme, hieß es, verlöre sich in einem undurchdringlichen Gespinst aus von ihnen ausgehenden Visionen, Träumen und Halluzinationen. Nur diejenigen, die sich den Juwelen nicht allzu sehr genä hert hatten, waren bisher mit dem Leben davongekommen - doch sie waren bin nen kürzester Zeit zu Greisen gealtert, denn die Juwelen raubten jedem Wesen dessen Lebenskraft. Die Visionen hatte ich erlebt, den Ver lust der Vitalenergie erfuhr ich in diesen Augenblicken. Nur mein Zellaktivator schützte mich davor, hier und jetzt zu sterben. Noch... Hilflos musste ich mit ansehen, wie Ta miljons glitzernde Arme den nun nur hoch knapp einen halben Meter großen Körper des Ewigen Litrak packten. Ob wohl der frühere Untote Gott mit allen Bein- und Flügelpaaren zappelte und sich zu befreien versuchte, kam Tamiljon hoch und trug den sich heftig wehrenden Insektenkörper mit drei, vier ebenso ra schen wie unerwarteten Schritten auf das Juwelenfeld zu. »Nein. - Tamiljon ... Nicht!« Er trug ihn hinein! Obwohl wir in den Canyon der Visionen gekommen waren, um genau das zu verhindern. Litrak durfte die Juwelen -niemals erreichen! Doch es war bereits geschehen. Ich schrie unwillkürlich auf - und schloss im nächsten Moment die geblen deten Augen. Das Knistern schwoll zu einem ohren betäubenden Krachen an. Ein Vulkan
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aus purem Licht eruptierte, explodierte, schleuderte seine gleißende Glut nach al len Seiten. Tamil] on stand hoch aufgerichtet zwi schen den f aust- und köpf großen Juwe lenbrocken; er stierte förmlich auf den durchscheinenden Insektenkörper in seinen Armen. Der Schwarzhäutige bebte vor Anstrengung. Und als sei die ses Beben dafür verantwortlich, lösten sich erste Kristallstücke aus dem Körper des Ewigen Litrak und fielen klickend zu Tamiljons Füßen nieder. Dann rieselten weitere Kristallsplitter herab, und plötz lich prasselten sie zu Boden wie haltlos fallende Murmeln, denen das Netz zer rissen wurde. Klackernd rollten sie zwi schen die Brocken des Juwelenfeldes. Litrak, der Ewige Litrak, der Untote Gott im Eis - er war nicht mehr. Tamiljon schwankte. Verständnislos .starrte er auf seine nun leeren, diamantbestaubten Hände. Wie ein verzerrtes Spiegelbild von mir sackte er auf die Knie, wühlte suchend in den Juwelen herum. Lachte, keuchte - und erstarrte. Mit vor Unglauben weit aufgerissenen Augen sah ich, wie die Juwelen um ihn herum sich zu bewegen begannen. Die Kristalle, die eben noch Litraks insekto iden Körper gebildet hatten, verschmolzen mit denen, die schon zuvor dort gewesen waren. Das gesamte Juwelenfeld kam inner halb weniger Sekunden in Wallung. Die Kristalle rollten, rutschten und schoben sich aufeinander zu, übereinander hin weg, ineinander hinein. Sie verschmolzen, bildeten eine einzige glitzernde, ho mogene Masse, die nur einem Ziel ent gegenstrebte: T amiljon. Der »Juwelen brei« erreichte seine Unterschenkel, floss daran hoch, leckte an den Ober schenkeln... Ich kam in einer verzweifelten An strengung auf die Füße. Halb rutschend taumelte ich den Abh ang hin unter,
spürte das schmerzhafte Hämmern des Zellaktivators, hörte das rasende Rau schen des Blutes in den Ohren. Dann glitt ich wieder aus, schaffte es, mich an dem mannshohen Felsen hochzuziehen, tau melte weiter und kam doch zu spät. Tamiljons Körper glitzerte nicht mehr wie nur von Diamantstaub bedeckt. Er erstrahlte tatsächlich von einer ihn über all umhüllenden, vielleicht einen halben bis mehrere Zentimeter dicken »Kruste« von Diamanten. Arme, Hände, Beine, sein kräftiger Rumpf und auch der Hals und Kopf waren mit einer bläulich wei ßen Kristallschicht überzogen, in denen millimetergroße Facetten in • feurigem Glanz funkelten. Das Gesicht war na hezu frei geblieben; doch über den haar losen Schädel zog sich eine dünne Kris tallschicht bis in den Nacken. Von den Fußknöcheln reichte ein fingerdicker Wulst aus Kristallen bis zur Hüfte her auf; ebensolche Wülste zogen sich an den Außenseiten der Arme vom Handrücken bis zum Schultergelenk. Der Rücken- und Brustbereich erin nerte an einen starren Harnisch, der ihm aus massiven Kristallen gewachsen war. Und doch täuschte der Eindruck der Starre. Mit weit aufgerissenen Augen stierte T amiljon mich an, und ich sah, dass er sich trotz des ihn umhüllenden Kristallpanzers bewegen konnte. Er streckte mir einen Arm entgegen und versuchte sich aufzurichten. »Atlan«, hörte ich ihn flüstern. »Mir geht es... Ich kann...« Was immer er hatte sagen wollen, es.verlor sich in einem äch zenden Stöhnen. In Zeitlupe kippte T a miljon zur Seite und fiel mit einem häss lichen Knirschen in den steinigen Sand, noch ehe ich bei ihm war, um ihn zu stüt zen. Scheinbar tot blieb er am Boden lie gen. Ich ließ mich erschöpft neben ihn fal len. Mein Zellaktivator arbeitete nun nicht mehr wie verrückt; er sandte wie
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der erträglichere, beruhigendere, sanf tere Impulse, und ich fühlte, dass meine Kraft bald zurückkehren würde. Für den Moment allerdings war ich matt und erschlagen wie selten zuvor in meinem Leben. Ich fluchte leise; bis fast auf den Tag genau hätte ich vor 51 Jahren noch mei nen Zellaktivator samt der Halskette ab nehmen und Tamiljon auflegen können. Wie stets, wenn ich in den langen Jahr tausenden zuvor Hilfe hatte spenden wollen, hatte das unbegreifliche Gerät aus den Werkstätten der Kosmokraten anderen Linderung und Heilung ge bracht. Seit jenem Tag aber, seit jenem schicksalhaften 21. Mai 1174 NGZ, trug ich den zum Chip umgewandelten Zell schwingungsaktivator unterhalb des lin ken Schlüsselbeins eingepflanzt - auf Beschluss der Superintelligenz ES, wie alle anderen Aktivatorträger auch. Ob dies wirklich so weise entschieden wor den war? Ich wusste es nicht zu sagen. In diesem Moment hätte ich viel für das alte Gerät gegeben.
Während ich, allmählich ruhiger at mend, neben Tamiljons ausgestrecktem Körper lag, sah ich mich um. Da die wilden Lichterscheinungen mit Litraks Ende verschwunden waren, be merkte ich erst jetzt, dass inzwischen Stunden vergangen sein mussten; Längst war es Nacht geworden; doch es wurde nicht mehr richtig dunkel. Der Kristall mond Vadolon stand doppelt lunagroß als leuchtendes Fanal im Süden über dem Canyon der Visionen. Sein wie in Myriaden geschliffener Facetten reflek tiertes Licht warf scharfkantige Schat ten bis auf den Grund der gezackten, breiten Schlucht, die an den Grand Can-: yon auf T erra erinnerte. Schrunde, Klüfte, T errassen, Einbrüche, Abstürze und Fe lsnade ln be stimmten das Bild.
Lotrechte Felswände, Risse, Simse und schroffe Überhänge zogen sich hin, so weit der Blick reichte. An der tiefsten Stelle der Schlucht, rund fünfhundert Meter unterhalb der Ebene, mäanderte das schmale Wasserband des kleinen Flusses T aneran. Zusätzlich zum Mondschein irrlich terte es aus dem silbrig glänzenden Ob sidianring, der sich von Horizont zu Ho rizont über den Himmel schwang. Immer wieder sah ich stecknadelkopfgroße Ex plosionen auf der Mondoberfläche auflo dern - Trümmer des Obsidianrings, die mit Vadolon kollidierten. »Wir müssen hier weg. Bald ist es zu spät«, murmelte ich und beobachtete eine rasend schnelle Leuchtspur am Himmel. Willkommen im Klub der Einsichti gen, meldete sich plötzlich lakonisch der seit Stunden schweigsame Extrasinn zu rück. Ein kaum hörbares Rumoren lag in der Luft, untermalt von fernem Grollen und Donnern. Jenseits der Felshänge des Canyons und hinter den Bergen erkannte ich ein düsteres Glühen; ein unheilvolles Glosen, das ich im Laufe meines Lebens fürchten gelernt hatte: So sahen eruptie rende Vulkane aus der Ferne aus. Ein jäher Wind brachte den Geruch nach Asche mit sich; dort, woher das Grollen und der Wind zu stammen schie nen, ballten sich gewaltige Wolkentürme zusammen, hinter denen es schwefelgelb wetterleuchtete. Binnen weniger Minu ten frischte der Wind fast bis zu Sturm- ' stärke auf. Schwarze Wolken quollen über den Rand des Canyons und entlie ßen schmierige, rußige Tropfen. Ich beugte mich über Tamiljon und versuchte ihn wieder zu beleben - verge bens. Seine Arme und Beine ließen sich bewegen und wurden von der Kristall schicht nicht behindert. Die Kristalle schienen an den Gelenken ineinander zu fließen oder waren für den Moment der
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Bewegung nachgiebig, um gleich darauf wieder zu erhärten. Der Extrasinn blieb stumm. Ich massierte Tamiljons Brust, bis ich mich an einem der Kristalle schnitt. Eine Mund-zu-Mund-Beatmung ver lief ebenso ergebnislos wie das letzte aller Wiederbelebungsmittel - Tamil] on steckte die Ohrfeigen weg, als hätte ich sie ihm nicht gegeben. Als der warme Regen heftiger wurde, glaubte ich, Tamiljons Brust bewege sich von allein. Aber es mochte auch der Schlamm sein, der mit dem Regen an uns niederfloss und der meine Augen täuschte. Ich fühlte nach seinem Puls, doch fand ich ihn ebenso wenig, wie ich Tamiljons Atem spürte. Er lag weiter da wie tot, und ich konnte lediglich seinen Kopf mit meinem vorgebeugten Ober körper vor dem prasselnden Schlammregen schützen. So plötzlich, wie der Regen gekommen war, zog er vorüber. Tamiljon und ich sahen aus, als hätten wir uns im tiefsten Schlamm gewälzt. Von allen Seiten rauschte das schmierige Wasser herab und sammelte sich in T ümpeln, an den tieferen Stellen des Canyons ergoss es sich in den T aneran. M ittler we ile schwoll das Flüsschen bedenklich an, und obwohl wir uns gut zweihundert Meter von seinem Ufer entfernt befan den, hörte ich das Schäumen der Wellen. »Noch ein oder zwei dieser Wolken brüche, und ich werde dich schwimmend bergen müssen«, murmelte ich. »Bloß wohin?« Am Himmel zogen etliche Lichtfäden sich kreuzende, feurige Spuren, gefolgt von drei breiten, glühenden Meteoriten bahnen. Ein wiederholtes helles Sirren schnitt durch die Atmosphäre, gefolgt von mehrfachem, scharfem Knall. Noch während ich den allmählich verwehen den Feuerspuren nachsah, bebte der Grund des Canyons. Einschlag, kommentierte der Extra
sinn. Was immer du vorhast, beeil dich damit. Diese Welt liegt im Sterben. Hinter uns rutschte bröckeliges Ge stein mit lautem Getöse den Steilhang hinab. Wieder setzte ein kurzes Beben ein, weiteres Geröll rieselte nach; und dort, wo die feurigen Meteoriten hinter dem Horizont verschwunden waren, glühte es, unter tief hängenden, heran quellenden Staubwolken, rot wie Blut. Die teils rötlichen, teils braunen Steil wände des Canyons erzeugten in dem flackernden Leuchten ein verwirrendes Schattenspiel. Bizarre Schwärze sprang unvermutet hinter eben noch scharf um rissenen Felshängen hervor. Es war, als winde sich der Canyon wie eine viele hundert Kilometer lange Rie sen schlange. Ein nahes Donnern rollte die Schlucht entlang, echote beinahe minu tenlang, ehe es verebbte. Wieder ein Sirren, eine neue Glut bahn, diesmal weiter entfernt - ein Me teorit, der fast genau im Norden zer barst. Abermals hatte uns ein Einschlag verfehlt. Als der ohrenbetäubende Knall die Wände des Canyons erbeben ließ, bilde ten sich in dem großen Tümpel unzählige konzentrische Ringe. In diesem Moment schälten sich aus dem Nichts heraus verschwommene Ge stalten ... 2. Lethem: 30. April1225 NGZ Irgendwo Ich ... ich bin ... ich bin ich ... Lethem klammerte sich an .diesen Ge danken wie ein Ertrinkender an ein zu leichtes Stück Holz. Der Schmerz war die Schwärze - war der Schmerz die Schwärze ... Die Wand war jenseits von Eben. Und der schwarze Schmerz war - was? Zu unerträglich, um bewusstlos zu werden?
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Ich bin ... ich bin ich ... ich bin nicht... Nicht was? Nicht - tot? Verwundert stellte Lethem fest, dass er dachte. Gleichwohl sich der Schmerz, unter dem er seit dem Moment litt, da ihn die Wand aus obsidiandunkler Finsternis verschluckt hatte, immer weiter stei gerte, immer höhere Sphären erklomm, deren namenloses Leiden jenseitig war... Obwohl dies alles geschah, gab es kein Ende, keinen Abbruch, keine Stille, kei nen Tod. Es gab ... Zeit. Momente, die quälend langsam ver strichen - angefüllt mit unsäglicher Pein, doch immerhin angefüllt mit etwas, das er erleben konnte. Lethem klammerte sich an den Schmerz, bekam Angst, ihn zu verlieren, fürchtete sein Nachlassen, weil dieser Schmerz alles war, was er noch hatte. Weil er das Einzige war, was er erleben konnte. Völlige Finsternis umgab ihn. Und der Schmerz war die Schwärze - war der Schmerz inmitten der Schwärze. Der vertrauter wurde mit jedem Mo ment und ihn an irgendetwas erinnerte... Transition!, dachte Lethem. Es ist eine Art Transition. Ich fühle alles, weil ich nichts mehr bin. Einmal, nur ein einziges Mal, während seiner Ausbildung als Raumpilot hatte er, Arkons Göttern zum Dank, eine sehr weite Transition ohne Strukturabsorber durchführen müssen. Und jene Entzer rungsschmerzen waren mit diesen hier nicht vergleichbar - o nein! -, aber ver wandt gewesen ... Doch wenn dies hier eine Transition war, dann dauerte sie ewig. Lethem hatte zwar jedes Zeitgefühl verloren, er ver mochte die Anzahl der durchlittenen Momente nicht in Sekunden, Minuten oder Stunden zu denken, aber da war, in mitten all der Schwärze, ein Eindruck von zurückgelegter Distanz ... Der Übergang geschah so abrupt, dass
Lethem ihn als Nullzeit, als eine Art Ruck empfand. Plötzlich fühlte er seinen Körper wieder, und es war ein so un glaubliches, fast berauschendes Gefühl, wie er es nie zuvor erlebt hatte und für das er keinen Namen kannte. Er stol perte unwillkürlich und spürte fassungs los, dass er stolperte. Er sah seine Hände an und fühlte sie; nichts war ihm wich tiger, als dem Schlagen des eigenen Her zens unter seiner Knochenplatte zu lau schen. Dann wurde .er sich seiner Umgebung bewusst. Er stand am Grund der T a neran-Schlucht. Oder doch nicht? Die Geländeformation war die gleiche: eine breite, gewundene, viele hundert Meter tiefe Schlucht, ausgewaschen in Millio nen von Jahren, dem Grand Canyon Ter ras zum Verwechseln ähnlich. Und doch ließ etwas an dem Bild Lethem zweifeln. Dies war nicht die T aneran-Schlucht. Zumindest nicht jener Abschnitt, den er kannte. Handelte es sich um den Canyon der Visionen? Erst jetzt bemerkte Lethem die vor ihm liegende Gestalt. Sie war nass und schlammbesudelt; aber dort, wo die Nässe den Schlamm fortgewaschen hatte, erblickte Lethem Kristalle. Fast die gesamte Hautoberflä che des reglos liegenden Mannes schien mit Kristallen bedeckt zu sein. Ein zen timeterdicker Panzer verbarg Rücken und Brustbereich, wulstartige Kristall stränge mit kleinen Verästelungen zogen sich entlang der Beine und Arme, und selbst der völlig haarlose Schädel fun kelte und schimmerte im Licht des glei ßenden Mondes. Also bin ich zurück auf Vinara, dachte Lethem mechanisch. Die wenige Haut, die zwischen den Kristallgewächsen des Mannes noch sichtbar blieb, war pechschwarz. Wer war er? Wie kam er' hierher? Ein Geräusch hinter der am Boden lie
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genden Gestalt ließ Lethems Blick nach oben zucken. Dann erst gewahrte er den zweiten Mann, der hinter dem leblosen Wesen stand. Und Lethem erkannte, wie sehr sein Verstand durch die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit in Mitleiden schaf t .gezogen worden sein musste. Denn er glaubte Atlan vor sich zu se hen, in einer völlig verdreckten, abgeris senen Montur. Mit nassen, schlammbe deckten Haaren und rußverschmiertem Gesicht. Ja sicher, dachte er noch, ehe er be wusstlos zusammenbrach. Übergang Der Wechsel kam in der Nacht. Es war das unruhige Scharren der Kornkäfer, das Gamondio geweckt hatte. Er streckte den Kopf ins Freie und gähnte. Das Dung-Feuer vor dem Zelt war ausgegan gen. Vedoco, der Wache hatte, war nir gends zu sehen; offenbar sah er bei den Reittieren nach dem Rechten. Wieder vernahm Gamondio Geräusche bei den Dendibos, roch ihre Anspannung, die mit dem leichten Wind herüberwehte. Ner vöses Klacken der Geweihe, ängstliches Schnauben. Vielleicht nächtliche Jäger. Treiberechsen? Doch bis auf die Unruhe war alles, wie es sein sollte. Vor dem Lager erstreckte sich die weite Afal-Savanne - T ulig-Gebiet. Der Stamm der Afalharo lagerte jetzt östlich von der Karawanserei Zarband. Gamon dio und Dendia waren glücklich, wieder daheim zu sein. Es hatte Trauergesänge gegeben und Gebete; und manchen guten Wunsch hatte er insgeheim jenem Frem den mit den weißen Haaren nachgesandt, der ein Bote oder was auch immer gewe sen sein mochte ... Und bei aller T rauer über die bei dem T ermitenangriff Gefal lenen - es war ihnen auf dem Rückweg gelungen, ein paar wilde Dendibos z u
fangen, junge, kräftige Tiere, zwei Weib chen und drei -Bullen. Günstige Zeichen für die Z ukunft, sollte man meinen. Wenn da nicht Dendias Visionen von der schwarzen Schlange gewesen wären, die die Sonne zu verschlingen drohte. Dann erst bemerkte der noch schlaf trunkene Gamondio die Helligkeit, sah die scharf gezeichneten Schatten, die von einem unwirklichen Licht in seinem Rücken erzeugt wurden. Ungläubig trat er ein paar Schritte zur Seite und starrte den riesenhaften Mond an, der am Him mel stand und wie ein Edelstein funkelte. Einen Mond, der nicht dorthin ge hörte. Nicht an diesen Himmel. Nicht an den Himmel seiner Heimat. Und er sah das weiß glitzernde Band, das sich von Horizont zu Horizont über das gesamte Firmament spannte. Sah, wie sich immer wieder Bruchstücke daraus lösten. Der Horizont schien an manchen Stellen in einem düsteren, unheilverkündenden Rot zu glühen. Pechschwarze Wolken schoben sich heran, und in der Ferne rumpelte es wie bei einem sich nähernden Gewitter. Heiß war der Wind. Und feurige Speere stürzten vom Himmel. Brandgeruch lag in der Luft. Das war ganz und gar nicht, wie es 'sein sollte. »Dendia!«, brüllte er, um die Schama nin im Zelt zu wecken. Dann eilte er hin über zu den Dendibos. Er fand die Tiere unbeaufsichtigt vor, nervös und einer Panik nahe. »Verdorbener Dendibokot! Wo steckst du, Vedoco?« Der Häuptling der T ulig rief nach ihm. Immer wieder. Er hastete von Zelt zu Zelt, rief und suchte. Doch der junge Krieger blieb unauffindbar. Als hätte es ihn nie gegeben. Und auch nicht Dendia, Amia, Fideco, Riselmo, Viegia und die meisten anderen Stammesangehörigen. Etwas hatte sie - verschwinden lassen. Ihre Zelte waren leer. Das Lager war zum größten Teil verwaist. Jemand kam langsam herbei und legte
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dem verzweifelten Häuptling eine runz lige Hand auf die Schulter. Es war Hir quio, der Älteste des Stammes. Er schüt telte stumm den Kopf. Verzog das faltige Gesicht. Jedes Suchen war sinnlos. Die Endzeit war gekommen. Wie Den dia es prophezeit hatte. Und über ihren Häuptern stand dro hend der fremde Mond. 3. Atlan: 30. April 1225 NGZ
Vinara - Canyon der Visionen
Was ich sah, konnte nicht sein. Wieder machte der Canyon der Visionen seinem Namen alle Ehre. Er überschwemmte mich mit Trugbildern meiner eigenen Fantasie. Ich sah die Gestalten aus einem Flirren, aus wogender, undurchsichtiger Luft hervortreten. Verschwommene Kon turen wurden zu festen Körpern. Da war ein riesenhafter Springer mit schulterlangem rotem Haar, zu Dutzen den Zöpfen geflochten, mit einer zwei schneidigen Axt in der Hand ... Da war ein Luccianer, massig und muskulös ... Meine Vision machte aus ihm Zanargun, den Leiter der Abteilung Außenoperationen der TOSOMA. Da war auch ein schwitzender T erra ner, der bis auf das letzte seiner dunkel blonden Haare unserem Scaul Falk glich. Seine Aufgabe war die Überwachung der internen Schiffskommunikation ... Und da war ein Arkonide, der in mei ner Vision zu Lethem da Vokoban wurde, dem 2. Piloten der TOSOMA ... Wie ein Kind starrte er auf seine Hände, als sähe er sie zum ersten Mal. Trugbilder. Halluzinationen. Illusio nen. Immerhin Visionen mit Spiegelbildern, wisperte der Extrasinn. Erst jetzt registrierte ich bewusst die Reflexionen der Gestalten im Wasser des großen T ümpels. Waren sie womöglich doch
echt? Real? Keine Wunschbilder meiner überreizten Nerven? Natürlich sind sie echt, drängte der Extrasinn. Und sie brauchen Hilfe. Tu et was! Ich trat einen Schritt vor. In diesem Moment brach Lethem zusammen. Ne ben ihm fiel der unbekannte Springer zu Boden, die Axt entglitt klirrend seinen Pranken. Zanargun schwankte, ver drehte die Augen und kippte hintenüber. Scaul hob halb die Hand zum Gruß, doch auch er vermochte sich nicht auf den Bei nen zu halten. Er stürzte der Länge nach in den T ümpel. Was immer sie erlebt und durchge macht hatten, sie waren am Ende ihrer Kräfte. Noch ehe ich zu einem von ihnen eilen konnte, erschien eine weitere Gestalt. Von wegen echt, gab ich verbittert zu rück. Sie natürlich auch, ja? Vor mir stand, in einem golden-metal lischen Paillettenanzug, jene Frau mit den kurzen roten Haaren, deren Körper und Geist ich unabhängig voneinander hatte sterben sehen; jene Frau, von der ich wusste, dass sie tot war. Vor mir stand Li da Zoltral! »Da bist du also«, sagte sie. Das konnte nicht sein.
Keine voreiligen Schlüsse, warnte der Logiksektor. Sie ist so leibhaftig wie die anderen und damit in deinem Sinne echt. Fassungslos sah ich zu, wie die Frau in dem goldfarbenen Anzug neben Scaul niederkniete und den Terraner aus dem knapp knöcheltiefen T ümpel zog. Dann kümmerte sie sich um die anderen Mit glieder der Gruppe, nestelte dabei an ei ner der schwarzen Taschen, die an ihrem ebenfalls schwarzen Gürtel angebracht waren. »Sie werden bald wieder zu sich kom
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men«, hörte ich sie sagen, während sie sich von Lethem abwandte. Ihr feuer rotes Haar schimmerte metallen im un wirklichen Licht, als sie ihr Gesicht dem Mond zuwandte. Ein ferner Donner rollte über den Canyon hinweg. »Lü«, brachte ich endlich stockend hervor. »Ich ... Liebes, wie bist du ...?« Sie ging an mir vorbei, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Die Frau stieg den ' kleinen Hügel hinauf, entnahm einem der Etuis ein Gerät, richtete es auf Vado lon, nickte kaum merklich und steckte es zurück. Ich folgte ihr wie in Trance. Da stand sie, den Mond beobachtend, schlank, liebreizend, begehrenswert, der wieder wirklich gewordene Traum beinahe aller halb schlaflosen Nächte, die ich im Vinara- System verbracht hatte. Die Frau, die ich liebte mit einer so selten gekannten Intensität, dass mein Herz sich bei ihrem Anblick zusammenzog - und das wollte be i einem Unsterblichen schon etwas heißen. Tausend Fragen schössen mir durch den Kopf, nicht eine wagte ich zu stellen. Da stand sie und war doch tot. Zwei mal hatte ich ihren Tod miterlebt. Zuerst den ihres Körpers, dann den ihres Geis tes im Körper des sterbenden T amrats. Es war unmöglich. Wie viele Möglichkeiten soll ich dir denn nennen?, fragte der Extrasinn lako nisch. Was wäre dir lieber? Kloning? Eine Zeitreise? Das Produkt eines Multiduplikators der Meister der Insel? Eine perfekte Maske? Nein, gab ich mental zurück. Keine Maske. Das ist Li - und sie ist es wieder nicht. Aber ich spüre, dass es die Li ist, die ich kenne. Was du spürst, sind die unbewussten Reaktionen deines Körpers - auf ihren Körper. Du solltest dich zusammenneh men. Li deutete zum Himmel. »Da! Jetzt ge schieht es.«
Im nächsten Moment vergaß ich alle Fragen, die ich stellen wollte und die mir eben noch auf den Lippen gebrannt hat ten. Vadolon... Ich erlebte ein Schauspiel, dessen An blick zweifellos spektakulär war; und dessen Auswirkungen katastrophal wer den konnten. Und aller Wahrscheinlich keit nach auch werden würden. Das weiß glitzernde Band, das sich von Horizont zu Horizont spannte, geriet in Bewegung. Der leuchtende oder in Licht verwandelte ehemalige Obsidianring zog sich mit atemberaubender, weil allen Naturgesetzen widersprechender Ge schwindigkeit zusammen, ballte sich zu einer Wolke, die zu pulsieren begann. Dann bildete sich ein weiß glühender Fa den, der wie eine Peitsche zum Kristall mond fuhr. Binnen weniger Sekunden schwoll der Faden zu einem tornadoähn lichen T richter an, in den das gesamte Licht oder alles Obsidian - oder wa s auch immer die Wolke darstellte -, geso gen wurde. Beide, Wolke und Mond, ver schmolzen miteinander in einer gewalti gen Reaktion, an deren Ende der Mond doppelt so hell erstrahlte. Die Nacht über dem Planeten ver schwand übergangslos. Helligkeit flutete hernieder. Vadolon glich nun einer kalten Sonne, war nur noch grellweißes, blen dendes Licht. Es war mir unmöglich, die noch vor wenigen Minuten deutlich er kennbaren Facetten zu unterscheiden. »Die Psi-Materie reagiert.« Lis Tonfall ließ keinen Zweifel aufkommen. Es war keine Vermutung, sie traf eine Feststel lung. Offenbar wusste sie genau, was ge schah. »Es war, die Vergessene Positronik«, fuhr sie in sachlichem, beinahe kaltem Tonfall fort. »Sie ist mit dem Kristall mond kollidiert; alle ihre Versuche, eine der Versetzungen einzuleiten, sind ge scheitert. Am Ende stürzte sie dem psi
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materiellen Gigantkristall mit hoher Fahrt entgegen. Die heftige Kollision brach dabei riesige Brocken heraus. Der kinetische Impuls war stark genug, die Plattform und den Mond miteinander zu verschmelzen.« Li sah mich an, wie sie einen beliebi gen Fremden angesehen hätte. Ich ließ die Hände sinken, die ich erhoben hatte, um sie in die Arme zu schließen. »Fehlfunktion!« Sie verzog verächt lich die Mundwinkel und wandte sich brüsk a b. Erst als sie we itersprach, merkte ich, dass sie damit nicht mich, sondern den Mond gemeint hatte. Wir begannen, den kleinen Abhang wieder hinunterzugehen. »Eine Kettenreaktion. Eine Fehlfunk tion zog die andere nach sich! Das Back up-System wur de instabil. Verstehst du?« »Ehrlich gesagt, nein. Hat Samkar dich... Ich meine ... Wie konntest du ...?« Lass sie weiterreden!, forderte der Ex trasinn scharf. Und begreif es endlich. Das ist nicht deine Li. Die Frau, die du kanntest, ist tot. Aus dieser Hülle spricht allein das von Samkar aufgepfropfte Be wusstsein. »An sich sind die Zusammenhänge ganz einfach. Das Backup-System hat die Spiegelwelten initiiert und stabili siert. Es hat auch die T echnostädte ge steuert und überwacht. Nachdem sich infolge der Fehlfunktionen deren Aus fälle allerdings häuften, gelang es auch dem Backup-System nicht mehr, die vier Spiegelwelten zentral zu halten. Die in ihnen gespeicherte Kraft der Psi-Materie wurde aufgegeben - eine Ventilfunktion, wenn du so willst.« »Wasmeinst du mit aufgegeben?« »Die Welten sind untergegangen. Sie wurden aufgelöst. Sind nicht länger existent. Such dir einen Begriff aus. Je der passt und passt doch wieder nicht. Gelöscht trifft es vielleicht noch am ehesten. Oder eben - aufgegeben.«
Sie machte eine abwertende Geste, als hätte eine namenlose Instanz die Plane ten einfach weggewischt, »Aber ..:« Meine Gedanken begannen zu rasen. »Dann sind all die vielen Mil lionen Lebewesen dort - sämtliche Intel ligenzen wie Akonen, Blues, Cheborpar ner, Überschwere und all die anderen tot?« Ich packte ihre Oberarme und riss sie zu mir herum. Und schrie ihr ins Gesicht: »Einfach nicht länger existent? Mal eben so untergegangen? Gelöscht, ja? Aufge geben?« »Fehlfunktion«, sagte sie abermals und zuckte die selbst unter dem Paillet tenanzug wohlgerundet anmutenden Schultern. »Auch die Spiegelwesen lie ßen sich nicht länger stabilisieren.« Mit einer beiläufigen Bewegung drehte sie sich mühelos aus meinem Griff und lehnte sich gegen den mannshohen Fel sen, an dem T amiljon beinahe zer schmettert worden wäre. Sie hob ein Knie an und stützte den schwarzen Stie fel gegen den Stein. Dann verschränkte sie die Arme vor der Brust und sah zum Rand des Canyons hoch. Ein Schwärm Flugsaurier von der Art, die mich und Jörge Javales in den Ruinen von Aziin angegriffen hatten, flog in en ger Formation, aber in für uns ungefähr licher Höhe über die Schlucht. Ihre Schreie gingen im neuerlichen heranrol lenden Donnern unter. Dort, woher die Echsen gekommen waren, brannte der Horizont. Auf Vinara Vier waren sie zu Hause, wisperte der Extrasinn. Jetzt sind sie hier. »Und was ist mit den Spiegelwesen ge schehen?«, fragte ich. Eine lauernde Ah nung wurde fast zur Gewissheit. »Rund neunzig Prozent aller Wesen auf allen Vinara-Welten waren Spiegel wesen«, sagte Li, als wäre sie mit ihren Gedanken ganz woanders. Diese Angabe deckt sich mit der von
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Cisoph Tonk, bestätigte der Extrasinn. Denk an das Gespräch mit Anee. Unwillkürlich nickte ich. »Wenn dich das beruhigt«, sprach Li weiter, »nur sie wurden aufgegeben. Abgeschaltet, wenn dir das lieber ist. Alle anderen, eben die wirklich existierenden Bewohner, wurden hierher nach Vinara versetzt, dem einzigen echten Planeten. Notfallprogramme des Backup-Systems griffen rechtzeitig ein. Alle Originalbewohner wurden - wie auch Lethem, die anderen und ich - hierher zurücktransportiert.« Li stieß sich von dem Felsen ab. »Doch das alles ist völlig irrelevant.« Für einen winzigen Moment huschten wieder die grausame Härte und die stählerne Kompromisslosigkeit über ihr Gesicht, die mich in den Wochen vor ihrem gewaltsamen Ende oftmals an eine zum Töten bereite Killerin hatten denken lassen. So hatte sie mich angesehen, kurz bevor sie mich in der Bewusstseinstransferanlage angegriffen hatte. Im nächsten Augenblick glätteten sich ihre Züge, verschwand diese raubtierhafte Anspannung so schnell, wie sie entstanden war. Mit der Stiefelspitze zeichnete sie einen Kreis in den Sand, und auf diesem Kreis fünf kleinere - eine schematische Darstellung des Vinara-Systems. »Nur Vinara mit seinem Mond Vadolon verdient die Bezeichnung echt«, sagte sie. »Echt allerdings nur insofern, als es die erste und älteste Welt war, die aus der Psi-Materie Vadolons entstand. Doch einmal konkret materialisiert, unterschied sich Vinaras Materie nicht mehr von jeder anderen normalen Materie. Die später nacheinander entstandenen Spiegelwelten dagegen waren anders - sie glichen stabilisierten Materieprojektionen. Der Stabilisierungsvorgang wurde durch die Silbersäulen und die T echnostädte aufrechterhalten. Säulen wie Städte wurden ebenfalls einst aus der Psi-Materie des Kristallmondes geschaf
fen. Ebenso alle sonstigen technischen Einrichtungen wie, unter anderem, die Ovalroboter.« Mit einigen schnellen Fußbewegungen löschte Li vier der kleineren Kreise aus. Ihre Stiefelspitze drückte eine Vertie fung in die Nähe des letzten Kreises: Vadolon. »Ohne die Vergessene Positronik hätte das Planetensystem vielleicht stabil bleiben können; doch ihre Kollision mit dem Kristallmond war der zündende Funke. Nun brennt die Lunte lichterloh, und sie brennt schnell - und wir sitzen direkt auf dem Pulverfass!« Li streckte den Arm aus und machte eine Geste, die alles, den Canyon, den brennenden Horizont, die sich auftür menden Staubwolken, die fliehenden Flugechsen, umfasste. »Auf Vinara herrscht inzwischen das nackte Chaos. Rund um den Globus schlagen immer mehr Trümmer des Mon des und des auseinander gebrochenen Obsidianbandes ein...« Als wollte ihr die Natur Recht geben, lief ein heftiges Zittern durch den Boden. Li schwankte und taumelte gegen meine Schultern. Ehe ich sie festhalten konnte, hatte sie sich wieder aufgerichtet. Hinter uns ertönte lautes Gepolter. Abermals donnerten lose Steinmassen die Wände des Canyons herab. Diesmal an der Stelle, über der die Flugechsen nach Westen entschwunden waren. Sie lag gut einen halben Kilometer entfernt. Als ich mich wieder zu Li umdrehen wollte, rannte sie bereits zu den anderen Männern hinunter. Lethem richtete sich in diesem Augen blick auf, hockte im Sand und hielt sich den Kopf mit beiden Händen. Die Ellen bogen hatte er auf seine Knie gestützt. Der 2. Pilot der TOSOMA stöhnte leise. Auch die übrigen Männer bewegten sich, erwachten jetzt nahezu gleichzeitig aus ihrer Bewusstlosigkeit. Am schnellsten von allen war der Springer wieder auf
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den Beinen; nach und nach erhoben sich auch die anderen. Bis auf zwei Ausnah men. Tamiljon blieb nach wie vor reglos am Boden liegen. Lethem saß neben ihm und starrte mich an wie eine Erscheinung, während ich zu ihm trat. Ich kniete neben dem Arkoniden nieder. Äußere Verletzungen hatte ich bei keinem der hierher Versetzten entdecken können; ihre kollektive Bewusstlosigkeit musste auf den ungewöhnlichen Trans portvorgang zurückzuführen sein. »Alles mit dir in Ordnung, Lethem?«, fragte ich, stand dabei a uf und. reichte ihm die Hand. Er ergriff sie und zog sich daran hoch. Kopfschüttelnd musterte er mich von oben bis unten. »Du und wir hier an diesem Ort ... Es ist unglaublich. Wie bist du ... Nein, warte einen Moment«, unter brach er sich plötzlich selbst. Er drehte sich wie suchend im Kreis. »Ondaix! Scaul! Zanargun! - Wo ist Kythara?«, platzte er dann heraus. 4. January Khemo-Massai: 30. April 1225 NGZ Vinara - Vüngh, die Insel der Verdammten »Kommt weiter. Nun macht schon!« January Khemo-Massai, der Kom mandant der TOSOMA, stand am Fuß ei nes lang gestreckten, flachen Hügels und wartete, bis auch der Letzte seiner Leute an ihm vorübergeeilt war. Er schlug dem Arkoniden T assagol aufmunternd auf die Schulter, der mehr humpelte und sprang, als dass er lief. Der Leiter der Abteilung Funk und Ortung hatte sich beim Absturz den rechten Oberschenkel gebrochen und blieb mit seiner Bein schiene immer wieder hinter den ande ren zurück. » Schaff st du e s noch - e ine ha lbe
Stunde?«, erkundigte sich der Terraner, während er neben dem Arkoniden sein Tempo verringerte. Tassagol nickte seinem Kommandan ten mit zusammengebissenen Zähnen zu. »Nimm auf mich keine Rücksicht.« »Blödsinn. Zumindest den Hügel helfe ich dir hinauf.« Khemo-Massai griff nach Tassagols rechtem Arm, schlang seinen linken um dessen T aille und zog ihn mit sich. Glücklicherweise war der quer zu ih rer Richtung verlaufende Hügel mit sei nem sanften Anstieg die einzige Erhe bung weit Und breit; seit dem Aufbruch aus der großen Stadt waren sie nur durch ebenes, grasbewachsenes Gelände ge kommen. Immerhin bot seine Kuppe eine gute Aussicht, und ihn zu umgehen hätte viel zu viel Zeit gekostet. »Kommandant!« Der Ruf kam von der Spitze ihres kleinen Zuges. Jemand winkte energisch. Es war Cayrys zierli che Gestalt, die schon vorausgeeilt war und nun oben auf der Kuppe stand. Hasdhor da Honghal, der Stellvertre tende Leiter der Abteilung T riebwerke und Maschinen an Bord der TOSOMA, erreichte sie soeben und verschnaufte, die Hände auf die durchgedrückten Knie gestützt, den platinblonden Kopf vorn übergebeugt. Sechsundsechzig Besatzungsmitglie der liefen hier, er selbst, Khemo-Massai, eingeschlossen. Seit fünf Stunden haste ten sie, ohne Pause, immerzu in südöst licher Richtung. Sie hatten den untersten Ring der Stadt verlassen können, ohne noch von den Ovalrobotern daran gehin dert zu werden. Anschließend hatten sie die weite Bucht des Sees umrundet und waren dann in die mit kurzem Gras be standene Ebene hinausgelaufen. Dort, wo die Raumschiffswracks in schwer ab schätzbarer Zahl verrotteten. In Viinghodor hatte man sie daher die Ebene der Tausend Wracks genannt... Sechsundsechzig unfreiwillige Be
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wohner der Stufenstadt Viinghodor, der einzigen Stadt der Insel der Verdamm ten. Gefangene des Technik hemmenden Einflusses - und der allgegenwärtigen Ovalroboter. Bis zu diesem Morgen ... Mit ihnen waren unzählige Viin eben falls aus der Stadt geströmt, teils ratlos, teils neugierig, teils nur dem Vorbild und dem Gedränge der anderen folgend. Man wusste in Viinghodor um den Wunsch der TOSQMA-Besatzung, den Planeten Vinara, so schnell es ging, wieder zu ver lassen, und anfangs hatte man sie ausge lacht. Die meisten Nachkommen der gestrandeten Raumfahrer hatten sich mit Viinghodor und der Insel der Verdamm ten arrangiert; es lebte sich vergleichs weise gut hier, einmal davon abgesehen, dass die Ovalroboter jeden Zugang zu den abgestürzten oder notgelandeten Raumschiffen unterbanden. Anderer seits versorgten die Roboter die Einwoh ner der Stufenstadt mit Nahrung und Kleidung und schufen den notwendigen Wohnraum... Es gab nur wenige Viin, die bis dahin Vinara wirklich verlassen wollten. In der Nacht waren die Meteoriten ge kommen. Schon seit Wochen hatten die Viingho dorer immer wieder Leuchtspuren am Himmel beobachtet. Unzählige Staub explosionen in der Ebene hatten tags über von kleinen Trümmern gekündet, die dort eingeschlagen waren. Doch bis lang war die Stadt verschont geblieben, und alle Warnungen der Leute von der TOSOMA vor einer drohenden Katastro phe wurden von den Viin in den Wind geschlagen. In unmittelbarer Nähe der Stadt wa ren in der Nacht jedoch drei vergleichsweise große T rümmerstücke niedergegangen. Zwei davon" waren kurz nach einander wie T itanenfackeln außerhalb der Stadt mit einem unheimlichen Schwirren ins Meer gestürzt. Sie hatten, nach einer donnernden Explosion, mit
telstarke Flutwellen ausgelöst, deren Gewalt ein beträchtlicher T eil der im Hafen liegenden Schiffe zum Opfer ge fallen war. Nahezu alle Gebäude im un tersten, ersten Ring wären zerstört oder fortgespült worden; ein weiterer Ein schlag hatte nur wenig später die vierte Ebene der Stadt getroffen und heilloses Chaos ausgelöst sowie etliche Tote und Verwundete unter den Viin gefordert. Ob nun diese Einschläge oder andere, entferntere dafür verantwortlich waren, vermochte letztendlich niemand zu sa gen - jedenfalls begann plötzlich vina rafremde Technik wieder zu funktionie ren. Einige der Geräte, die von den T O SOMA-Besatzungsmitgliedern am Leib oder als Bestandteil ihrer Kleidung ge tragen worden waren, als sie von den ' Ovalrobotern abtransportiert wurden, erwachten mit einem Schlag wieder zum Leben. Die Frauen und Männer der TOSOMA hatten es als Erste bemerkt: Ein Multi funktionsarmband, das zufällig noch eingeschaltet gewesen war, rauschte. Uhren begannen wieder zu funktionie ren. Taschenpads waren wieder benutz bar. Der rätselhafte T echnikausfall war seinerseits ausgefallen, mitten in der Pa nik und der allgemeinen Hilflosigkeit. Doch nicht nur vinarafremde Technik schien wieder zu neuem Leben erwacht zu sein, sondern die vinaraeigene T ech nik versagte schlagartig. Mit dem »Aus fall des Technikausfalls« - ein geflügeltes Wort, das dank des überschweren Barden Umrin Zeles Barbinor blitzschnell die Runde machte - waren auch die sonst jede Flucht vereitelnden Ovalroboter verschwunden, und das im wörtlichen Sinn. January Khemo-Massai hatte selbst gesehen, wie sich zwei der Roboter aufgelöst hatten. Von diesem Zeitpunkt an hatte niemand wieder eines der ova len Maschinenwesen erblickt. Wilde Hoffnung erfüllte von diesem
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Moment an nicht nur die Besatzung der TOSOMA, sondern nahezu alle Viingho dorer. Umrin hatte es für alle in Worte oder in ein Lied, wie er es nannte - ge fasst: »Auf zu den Raumschiffen. Wir können Vinara vielleicht noch lebend verlassen.« Die Leute der TOSOMA waren die Ersten gewesen, die vor dem Aufgehen Verdrans alles stehen und liegen gelassen hatten und in Richtung der Ebene der Tausend Wracks losgerannt waren. Dass die anderen ihnen folgen würden, war nahezu gewiss. Ein kurzer Hyperfunkkontakt mit Le them da Vokoban war über Zuunariks Armbandgerät unmittelbar nach dem Auf bruch zustande gekommen; Lethems Gruppe befand sich auf Vinara Zwei. Sollte es gelingen, die TOSOMA wieder in Betrieb zu nehmen, würde man ihn und seine Leute dort abholen. Wo Atlan sich aufhielt, war nach wie vor unbe kannt. Sechs Stunden später und vierzig Ki lometer weiter drückte Khemo-Massai dem nächsten Arkoniden, an dem er vorbeikam, Tassagols Arm entgegen. Es war der Chef wissen schaftler Rintar da Ragnaari, der den Hügel herauf keuchte. »Hilf ihm weiter. Solange es geht.« Der stämmige Hyperphysiker besaß Kräfte wie ein Bär und hatte außer Prellungen und Stauchungen keine weiteren Blessu ren erlitten. In den rund eineinhalb Mo naten seit dem Absturz der T OSOMA war er, wie die meisten anderen Besat zungsmitglieder, weitestgehend wieder hergestellt. Khemo-Massai hoffte nur, dass Rintars Ungeschicklichkeit ihn nicht über seine eigenen Füße stolpern ließ und er den tapfer weiterhumpelnden Tassagolmit sich riss. »Dort!« Cayry winkte abermals hek tisch und deutete nach vorn. KhemoMassai legte die letzten Meter im Berg a uf sp urt z ur ück. Dann hatte er die
Kuppe erreicht und sah, was die Frau meinte. Raumschiffe, so weit das Auge auch reichte ...
Vor ihnen senkte sich das Gelände sanft den Hügel hinab. Das Gras wuchs auf dieser Seite nur noch spärlich, um schon nach etwa sechshundert Metern, nachdem es waagerechten Boden er reicht hatte, in einzelnen bräunlichen Zungen und halb verdorrten Inselchen auszulaufen. Dahinter begann eine sich bis zum Horizont und darüber hinaus er streckende trostlose Staub- und Geröll ebene. Es gab bis zu den ersten verlasse nen Schiffskörpern absolut nichts, an dem sich das Auge orientieren konnte; keinen noch so armseligen Busch, keine größeren Felsen, keine Geländeuneben heiten. Nur trostlose Weite. Von ihrem Standpunkt, der Hügel kuppe, aus gesehen, ragten die ersten Raumschiffe in etwa zehn Kilometern Entfernung in den Himmel - fast trans parent anmutende, bläuliche Schatten im Dunst. Der scheinbare Ring aus Stahl, der in Wirklichkeit nur die äußere Be grenzung der Ebene der Tausend Wracks darstellte, zog sich nach beiden Seiten bis zum Horizont, wurde an den Rändern immer kleiner und verlor sich in zerfa sernden, verschwommenen Konturen. Der Wind verfing sich in den künstlichen Schluchten aus korrodierendem Metall und wirbelte immer wieder Staubwol ken auf, die es ihnen von hier aus unmög lich machten, Details zu erkennen. Wo war die TOSOMA? Als sie von den Ovalrobotern, in Fes selfelder gehüllt, über die Ebene trans portiert worden waren, hatten sie alle mehr oder weniger mit ihren Verletzun gen zu kämpfen gehabt oder versucht, sich aus den T entakeln der Roboter zu
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befreien. Khemo-Magsai erinnerte sich an den T ransport so gut wie gar nicht; seine schwere Gehirnerschütterung hatte ihm alles Mögliche vorgegaukelt, nur nicht die tatsächlichen Gegebenhei ten gezeigt. Nach und nach ließen sich die auf der Kuppe ankommenden Besatzungsmit glieder ins Gras fallen, wo sie gerade standen. Manche lagen nach Luft rin gend auf dem Rücken, die Arme weit von sich gestreckt. Andere hockten nur da und trockneten sich den Schweiß. Sie versuchten, zu Atem zu kommen, hielten ihre Nasen in den kühlen Wind. Wasser wäre jetzt hilfreich, dachte Khemo-Mas sai, Wasser und ein Bissen zu essen. Ein Imperium für einen Konzentratriegel. Doch den gab es nicht und auch keine Quelle, keinen T ümpel, kein noch so dünnes Rinnsal. Er sah in hochrote, größtenteils er schöpfte Gesichter. Und obwohl jeder einzelne Muskel in ihm nach einer Pause schrie, wusste er, dass die Anstrengung noch nicht vorbei war. Noch hatten sie das Schiff nicht erreicht. Und selbst dann ... Er blickte sich fragend um. »Irgend welche sinnvollen Vorschläge? Cayry?« Die Stellvertretende Konimandantin kniff die nur schwach rötlich schim mernden Augen zusammen. »Wir können unmöglich das gesamte Landegebiet ab suchen. Dazu ist es zu groß. Schätzungsweise hundertzwanzig Kilometer im Durchmesser. Ich erinnere mich aber, dass wir nicht zwischen allzu vielen Schiffen hindurchgeflogen sind, ehe die freie Ebene begann. Die TOSOMA muss also irgendwo nahe dem Rand,- auf dieser Seite des Feldes nieder gegangen sein.« Khemo-Massai sah Hasdhor auffor dernd an. »Ich erinnere mich an zwei auffällige Schiffstypen.« Der Ingenieur war durch eine Gehirnerschütterung ebenfalls in
Mitleidenschaft gezogen. »Genau weiß ich es nicht mehr, aber ich glaube, die beiden Schiffe standen in entgegenge setzter Richtung. Entgegengesetzt zu der Richtung, meine ich, in die wir dann ge flogen sind.« Hasdhor schloss für einen Moment die Lider, rieb den Schweiß aus den Augen winkeln. Dann nickte er. »Das eine könnte dieser verwaschene Fleck dahin ten sein, dort, wo sich die Wolken sam meln - ein riesiger Wurf elraumer mit ei ner Kantenlänge von bestimmt fünf Ki lometern. Das andere, da drüben ... der hoch aufragende Strich links davon ... Das könnte diese Springerwalze sein, die mir aufgefallen ist ... Wenn der blaue Schatten daneben dieses seltsame Bir nenschiff ist, das sie auf dem Stiel gelan det haben ... Dann steht die TOSOMA irgendwo in dieser Richtung. Die vier buckelartigen Erhebungen weiter vorne, um die der Staub wirbelt - was meint ihr, sind das Arkonraumer?« »Exakt«, rief Rintar da Ragnaari, der mit Tassagol eben die Kuppe des Hügels erreichte und die letzten Worte gehört hatte. »Drei Schlachtkreuzer zu je 500 Meter Durchmesser. Bei dem etwas hö heren Buckel ganz links handelt es sich um ein Schlachtschiff mit 800 Metern Durchmesser. Alle vier sind Raumer des Robotregenten. Letzte Baugruppe, also schätzungsweise um die 2780 Jahre alt. Und davon links, das nächste, viel klei nere Schiff - das ist die TOSOMA. Könnt ihr euch denn gar nichts merken?« Rintar sah sich mit hochgezogenen Brauen um und tippte sich ebenso be zeichnend wie ausdauernd an die Stirn. Der Kommandant schüttelte lächelnd den kraushaarigen Kopf. Dann nickte er erleichtert. Dank Rintars unausgesetzter Missgeschicklichkeit übersah er immer wieder den auf Iprasa. aktivierten Ex trasinn des Hyperphysikers und das mit dieser Aktivierung verbundene fotogra fische Gedächtnis.
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Der dem uralten Adels-Khasurn der da Ra gnaari entstammende Arkonide fuhr sich breit grinsend mit beiden Händen durch das fingerlange Haar. Dabei ließ er Tassagols Arm los, der sich noch immer schwer atmend auf ihn Stützte. Tassagol hatte mit dieser plötzlichen Bewegung nicht gerechnet und verlor taumelnd das Gleichgewicht. Schmerz haft trat er mit seinem geschienten Bein auf und geriet ins Straucheln. In einer gelungenen, wenn auch unfreiwilligen Pirouette stürzte er kopfüber ins Gras und rollte davon. »Au! Verdammt noch mal, Rintar!« Khemo-Massai sprang hinzu und fing den fluchenden Tassagol auf, ehe der wild mit den Armen rudernde Funk- und Ortungsspezialist vollends den Hügel hinunterrollen konnte. »Verzeihung. Ich konnte doch nicht... Ich hatte doch bloß ...« Zerknirscht wandte sich Rintar an Tassagol: »Warte, ich werde dir helfen.« Er eilte mit ausge^ streckten Armen auf den Gestürzten zu. Dabei sah er aus wie ein Bär, der, hoch aufgerichtet, mit den Tatzen voraus, zum Angriff überging. Khemo-Masaai hätte schwören kön nen, dass Tassagol erbleichte. »Halt ein! Rühr dich nicht von der Stelle! Und bitte, rühr mich nicht an!«, rief der ^am Boden liegende Arkonide übertrieben flehend. »Erhabener, er barme dich meiner!« Die umstehenden Besatzungsmitglieder der T OSOMA lachten. Für den Mo ment machte sich spürbare Erleichterung breit. Mit dem aufbrandenden Ge lächter entlud sich die Anspannung, un ter der sie alle infolge der in hohem Tempo zurückgelegten Gewaltstrecke standen. In diesem Augenblick blitzte es bei den Raumschiffen auf, und im selben Se kundenbruchteil krachte ein säulendi cker Thermostrahl donnernd in den Fuß
des Hügels. Glutheiße Luft wurde zur Seite verdrängt, eine kochende Druck welle von Orkanstärke fegte über die Kuppe hinweg. Gras, Staub und Gestein wirbelten mit davon. Alle Schreie gingen im Tosen der brodelnden Luftmassen un ter. Wer nicht von den heranfegenden Luftmassen oder dem heftigen Beben von den Beinen gerissen wurde, warf sich flach auf den Boden. Ein jeder riss die Arme über den Kopf, um irgendwie den hochgeschleuderten, orange glühenden Schlackefladen zu entgehen, die unmit telbar darauf, kaum dass der Lärm ver klungen war, rund um den Hügel mit hässlichem Zischen , niederklatschten und das trockene Gras an unzähligen Stellen in Brand setzten. Übergang T alpeddo stand am Fenster un d kraulte Ruras Nacken, ohne zu bemer ken, was er tat. Zu verwirrend war der Anblick des Mondes, der sich binnen we niger Atemzüge in eine kalte weiße Sonne verwandelt hatte. Obwohl Nacht hätte sein müssen, herrschte fast heller Tag. Das bedrohliche Band, das wochen lang den Himmel gespalten hatte, war indes verschwunden. Er starrte aus dem Fenster und versuchte zu begreifen, was geschehen war. Unter ihm breiteten sich die Kugelgebäude der Stadt Helmdor aus, deren eine Seite hell im Licht des blendenden Mondes lag, die andere im tiefsten Schatten. Schwarzer Qualm stieg dort auf, wo sich, jenseits des cha rakteristischen Bahnhofsgebäudes, die abfahrbereite Dampflokomotive und die lange Kette der Waggons befinden muss ten, bis auf den letzten Platz beladen mit Flüchtenden ... Ein schriller Pfiff ertönte, gefolgt von dem typischen Zischen, mit dem über schüssiger Dampf aus dem Kessel abge lassen wurde.
Die Macht des Kristallmondes
2.1.
Esturin Virol neben ihm nahm einen langen Zug aus der Wasserpfeife. »Selt same Dinge geschehen wahrlich dieser Tage«, murmelte er in den ausgeblase nen Rauch hinein. »Erst wählt dich un ser Herr Sardaengar aus, statt mich ... Ich verstehe es immer noch nicht. Dann schweigt er wiederum gar völlig ... Da zu die seltsamen Zeichen am Himmel, es ist...« Talpeddo nickte und ergänzte: »Alles höchst sonderbar, in der Tat.« Er griff in eine Schale, in der kleine Fleischbrocken als Leckereien für Rura lagen. Er warf ihr eins der handtellergroßen Stücke zu, ohne hinzusehen. Es war auch nicht nö tig, Rura war in der Lage, jeden Bissen blitzschnell zu fangen. Dieser allerdings platschte hörbar auf den Steinboden. Rura musste sich zudem gebückt haben, denn Talpeddo spürte ih ren Hals nicht mehr. Und auch ihren schweren Körper nicht mehr an seiner Seite'. Das Zimmer hinter dem kleinen Fens ter lag im Dämmerlicht. Auch als er nach Rura tastete, griff er nur ins Leere. »Rura? - Ist Rura bei dir, Esturin?«, fragte er, ohne sich umzudrehen. Es dau erte eine ganze Weile, bis er begriff, dass er sich völlig allein im Zimmer befand. Nein, nicht ganz. Auf dem Bissen Fleisch hockte eine metallen schim mernde Fliege. Und vor dem Fenster flat terte ein Fledermauswe sen zweimal heran und huschte beim dritten Anflug mit einer eleganten Körperdrehung ins Zimmer herein. 5. Atlan: 30. April 1225 NGZ
Vinara - Canyon der Visionen
Li da Zoltral oder besser das Bewusst sein, das in ihrem Körper lebte und sich seiner bediente, schüttelte den Kopf; »Das geht un s nichts an.« Die Fra u
sprach keinen der Anwesenden direkt an. »Wo ist Kythara?«, rief Lethem aber mals. »Weshalb ist sie nicht ebenfalls materialisiert?« Li drehte sich langsam zu ihm um, musterte ihn kurz und schien das Inter esse an ihm oder der Frage schlagartig zu verlieren. Sie wandte sich mir zu. »Wir müssen gehen.« Dann ließ sie auch mich stehen und trat ein paar Schritte zur Seite. Stumm betrachtete sie den Mond, starrte in das gleißende Licht, ohne zu blinzeln. Lethem sprang die Wut förmlich aus den Augen. Er baute sich vor Li auf, er griff ihren Ellenbogen un d riss sie herum. »Ich will wissen, was mit Kythara geschehen ist!«, rief er außer sich. »Was war das für eine schwarze Wand, die uns verschlungen hat? Und wieso sind wir ausgerechnet hier gelan det und überhaupt noch am Leben? Was weißt du darüber?« Es hätte nicht viel ge fehlt, und er hätte sie geschüttelt. Sie streifte seine Hand so beiläufig ab, als besäße er nur die be deutungslose Kraft eines Kindes und nicht den stahl harten Griff eines austrainierten Kämp fers. Sie seufzte. »Nun, obwohl dies alles vollkommen nebensächlich ist ... Also bitte. Durch die Fehlfunktionen des Kris tallmondes ist der T echnik hemmende Einfluss überall zum Erliegen gekom men. Dein Armbandgerät funktioniert wieder, alle meine Anzugsysteme eben falls. Die schwarze Wand ist - vielmehr war - der optische Eindruck der Notf allTransitionseinrichtung, mit der alle ech ten Lebewesen zurück nach Vinara transportiert wurden. Es ist allerdings kein Zufall, dass wir gerade hier heraus gekommen sind. Dank einiger meiner Anzugsmodule war es mir möglich, die Rematerialisierungskoordinaten zu be einflussen.« »Woher wusstest du, wo sich Atlan
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aufhielt?«, fragte Zanargun misstrau isch. »Ich wusste zu jedem Zeitpunkt, wo sich Atlan befand«, gab sie beinahe gelangweilt zurück. »Das muss dir genü gen.« »Nein, das genügt mir keineswegs«, begehrte Zanargun auf und schob den Zweiten Piloten der TOSOMA zur Seite. »Du hättest es uns gleich sagen können, dass ...« »Ihr habt nicht gefragt. Also wozu? Wir sind doch hier.« »Wir - ja!«, mischte sich Lethem wie der ein. »Aber, bei Arkons Göttern, wo ist Kythara?« Li wandte sich dem Zweiten Piloten zu. »Die Varganin«, sagte sie langsam und ignorierte mein sichtliches Zusam menzucken, »hat ihre eigenen Methoden. Und ihre eigenen Ziele. Ich bin sicher, dass wir ihr zu gegebener Zeit wieder begegnen werden. - Sind wir jetzt endlich fertig?« »Nein, Li«, antwortete ich und trat meinerseits auf sie zu. »Noch nicht ganz. Du verheimlichst uns wesentliche Zu sammenhänge, und ich bin nicht bereit, das zu akzeptieren. Lethem hat völlig Recht. Was hat das alles zu bedeuten? Die Fehlfunktionen? Der Technik hemmende Ausfall? Dieser so genannte Zusammen bruch der Stabilisation? Die Auflösung der Spiegelwelten? Was ist mit dem Shainshar-Phänomen? Ist die Braune , Pest auch mit hierher transportiert wor den?« »Die Wucherungen? Nein, die waren nur ein Spiegel-Phänomen. Mit der Auf lösung von Vinara Drei wurden auch diese Erscheinungen aufgelöst. Bist du damit zufrieden?« »Was die Braune Pest anbelangt - ja. Was deine übrigen Erklärungen angeht nein. Du hast vorhin mehrfach dieses Backup-System erwähnt. Backup von was?« Li da Zoltral blickte auf ihre Stiefel
hinab. Sie atmete tief ein und schüttelte den Kopf. Dann sah sie mich nur an und sagte ausdruckslos: »Du wirst noch ge braucht.« Sie benutzt Samkars Worte!, meldete sich mit einem schmerzhaften Impuls der Extrasinn. Exakt die gleichen Worte, die der kosmokratische Roboter auf der Stahlwelt gesprochen hat. Nie war mir Li fremder erschienen als in diesem Augenblick.
January Khemo-Massai: 30. April 1225 NGZ Vinara - Viingh, die Insel der Verdammten Das trockene Gras brannte sofort lich terloh. »Dort rüber!«, schrie Khemo-Massai. Er sprang auf, kaum dass der Schlacke regen aufgehört hatte. Der Kommandant winkte mit beiden Armen in eine be stimmte Richtung. Weiter nach links. Die Ersten begannen zu laufen, verstanden offenbar, was er meinte. Sie mussten hin ter die Kuppe zurück, in Deckung, und vor allem raus aus dem Feuer. Der Wind wehte aus Osten, kam also von links; dorthin würden die Flammen nicht ge trieben werden. Khemo-Massai riss noch immer am Boden Liegende hoch, schubste sie in die angegebene Richtung, sah, dass Cayry und die anderen TOSOMA-Offiziere sei nem Beispiel folgten. »Hinterher! Du auch. Los, los, los! - Nein. Du da rüber!« Er gab Mayhel T afgydo einen Stoß und dirigierte sie so zu einer Gruppe von zwei Männern und einer Frau, die ein Stück weit tiefer den Hügel hinab bewegungs los im Gras lagen - außerhalb des Flam menkreises, wahrscheinlich von der Druckwelle mitgerissen. Die Ära-Ärztin nickte und rannte zurück. »Marren! Duhilfst ihr. Tragt sie zu den
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anderen. Vorwärts!« Der kleine T uglante klopfte wütend an seiner schwelenden Kleidüng herum, hörte seinen Komman danten brüllen und vergaß die Anwei sung im selben Moment. Er sprang mit Riesensätzen den Hang hinunter, so dass seine langen Zöpfe hinter ihm herflogen. Einer von ihnen glimmte. Khemo-Massai suchte nach Rintar und T assagol, konnte sie jedoch nirgends finden. Er registrierte im Vorüberhasten, wie Agir-Ibeth Nir-Adar-Nalo Nilmalla dah III. einen Verwundeten aus den Flammen zog; der Hasproner selbst hatte sein zotteliges Aussehen vollständig ein gebüßt. Sein Schädel war zwischen den Knochenkämmen nahezu kahl gesengt, der Kinnbart be stand nur noch zur Hälfte. Khemo-Massai wich den größeren Flammen aus, spran g über kleinere Feuer hinweg und hustete, als er weiß lich graue Asche aufwirbelte. Er rannte wieder den Hügel hinauf, dorthin zu rück, wo sie gestanden hatten. Die bei den Arkoniden hatten sich am weitesten unten auf der der Geröllebene zuge wandten Lehne befunden. Aufsteigender Rauch und Staub in der Luft nahmen ihm die Sicht, boten zugleich aber auch so etwas wie Deckung. Geduckt überquerte der Af roterraner die Kuppe und verdrängte jeden Gedanken an einen zweiten, diesmal höher gezielten Schuss. Dann hörte er das Stöhnen und Husten, noch ehe er rufen musste. Aus dem Rauch heraus schälten sich Rintars breite Umrisse; er trug T assagol auf der Schulter. Beider Kleidung war an etlichen Stellen verschmort. T assagol blutete aus einer hässlichen Stirnwunde, und Rintars ehemals fingerlanges Haar war bis auf die Kopfhaut versengt. »Ist er...?« , »Nein, er lebt«, ächzte Rintar. »Er hat nur...« Zwei weitere Thermostrahlen zerfetz ten die Luft über der Ebene. Khemo-
Massai riss den Hyperphysiker mit sei ner Last zu Boden, fürchtete einen neu erlichen Angriff. Doch die Energiebah nen fuhren schräg in den Himmel empor und galten nicht ihnen. Ein dritter Ther mostrahl zuckte wenig später fast senk recht in die Atmosphäre; dann schwieg das unbekannte Geschütz. So schnell sie konnten, trugen sie den Verletzten über die Hügelkuppe zu den anderen.
»Bericht!« forderte Khemo-Massai eine knappe halbe Stunde später. Sie hockten im dürftigen Schutz des Hügels, die Offiziere in einem Halbkreis um den Kommandanten versammelt. »Vierzehn Verletzte«, sagte Cayry, »keiner schwer verletzt. Die Verwunde ten mussten nicht getragen werden.« »Roaltin und T umusar sind tot«, mel dete Mayhel Tafgydo niedergeschlagen. Die Ärztin hatte ihre Jacke zerrissen und aus den Fetzen eine Hand voll notdürfti ger Verbände hergestellt. Ihre eigene Schramme an ihrem rechten Unterarm schien sie gar nicht zu bemerken. Der Tu glante hatte die beiden Leichname dort gelassen, wo sie gestorben waren; die da neben liegende, besinnungslose Ashanti hatte er heraufgetragen. Ihre beiden Hände waren gebrochen. Die hagere Ära hatte auch sie behelfsmäßig versorgt. Anisa In'Kasara war inzwischen wieder erwacht. »Was, bitte, war das, Kommandant?«, fragte Zuunarik, der Erste Pilot. »Vermutlich kein gezielter Angriff«, antwortete Hasdhor da Honghal anstelle Khemo-Massais. »Vielleicht eine Fehl funktion ... Immerhin war der Energie fluss durch die Technik der Stadt in den Schiffen nur unterbunden worden. Jetzt laufen möglicherweise einige Aggregate noch - oder fahren wieder hoch.« »Die Schüsse kamen alle von einem
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Schiff, da bin ich sicher«, warf Hintar ein. »Von welchem, konnte ich leider nicht erkennen.« »Auch Erhabene sind nicht länger all wissend«, seufzte Zuunarik übertrieben. »Dieses Universum schwächelt zuse hends, wenn ihr mich fragt.« »Ein Grund für uns, es ihm nicht gleichzutun«, sagte Khemo-Massai leise, mit tödlichem Ernst in der Stimme. Zuunarik hob entschuldigend die Hände. »Wir müssen die Ebene so schnell wie möglich überqueren«, fuhr Khemo-Mas sai fort. »Hoffentlich waren wir nur rein zufällig beinahe in der Schussbahn.« Er biss sich auf die Lippen. »Kaum vorstell bar, was geschehen wäre, wenn wir nicht oben angehalten, sondern stattdessen weitergegangen wären...« Er verscheuch te rasch den Gedanken und stand auf. »Wir bilden Achtergruppen«, ordnete er an. »Jede Gruppe läuft rasch, geschlossen, einzeln und dabei parallel zu den anderen Gruppen. So bilden wir kein gemeinsames Ziel. Verteilt die Verletzten gleichmäßig. Jeder achtet auf seinen Nebenmann. Zuunarik, Gulokhiz, Cayry, Hasdhor, Marren, Rintar, Mayel und ich führen die Gruppen an. Es sind zehn Kilometer Distanz; ungefähr eine Stunde. Teilt eure Kräfte ein. Keine Pausen mehr. Rintar! Du behältst auf jeden Fall TasSagol bei dir. Noch Fragen?« Nur Zuunarik hob die buschigen Au genbrauen: »Gibt's einen Preis für die Siegergruppe bei diesem hübschen Ren nen?« »Ja«, sagte January Khemo-Massai düster. »Das Leben.«
Sie bildeten eine über fast einen Kilo meter auseinander gezogene Linie. Die Gruppen liefen in einem Abstand von etwa hundert Metern zueinander. In Ruf weite: In einer Entfernung, die noch ir
rationale Sicherheit, noch so etwas wie Zusammengehörigkeit vermittelte. Zwanzig Minuten waren seither ver gangen; drei, vielleicht vier Kilometer bereits zurückgelegt. Kein weiterer An griff bis zu diesem Zeitpunkt. Keine Be wegung voraus. Doch die Angst lief mit ihnen mit. In dumpfem, stetem Trab. Acht Gruppen zu je acht Läuferinnen und Läufern. Zuunarik hatte Recht ge habt: Es war ein Rennen. Irgendwann hatte sich ein gemeinsamer Rhythmus eingestellt, ein Stakkato stampfender Raumfahrerstiefel durch aufwirbelnden Sand und Geröll. Für Gespräche fehlte die Luft. Statt dessen verbissenes, Atem sparendes Schweigen. Und die vergebliche Hoff nung, nicht allzu viel Staub zu schlu cken. Die bläulichen Schemen der Schiffe wurden mit jedem Schritt schärfer, ge wannen Konturen, bildeten Einzelheiten aus. Immer deutlicher vermochten sie, lemurische, akonische, terranische und arkohidische Kugelraumer zwischen den anderen, völlig fremden Schiffen zu un terscheiden. Sie sahen halb ausgefah rene Geschütztürme, abgebrochene An tennen, geknickte und abgerissene Lan destützen, offene Schleusen, in die der Wind haushohe Sandverwehungen ge tragen hatte. Dreißig Minuten. Keine weiteren Energieentlädungen. Khemo-Massai bewegte sich inzwi schen wie in Trance. Zuerst die Mara thondistanz zwischen der Stadt und dem Hügel und nun der Hindernislauf über die trostlose Ebene. Überall lagen back steingroße Trümmer herum. Zersplitter tes Gestein, scharfkantige Nadeln ragten unterarmlang aus dem Staub heraus. Immer wieder stießen sie auf Trichter, die von abgestürzten Obsidianbrocken stammten. Manchen mussten sie auswei chen, die meisten konnten sie durchque ren. Der Kömmandant wusste nicht
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mehr, wo in seinem Körper die Schmer zen aufhörten und wo die Empfindungs losigkeit begann ... Schritt um Schritt um Schritt um Schritt. Er spürte die Nässe des Blutes in sei nen Stiefeln, biss einmal mehr die aufge dunsenen Lippen zusammen. Der Kommandant warf einen Blick nach links, hinüber zu Cayrys Gruppe. Alles schien in Ordnung zu sein ... Rintars Gruppe lief zu seiner Rechten. Khemo-Massai sah den stämmigen Hy perphysiker zusammen mit zwei anderen als Letzten der Gruppe hinterdreinren nen - offenbar trugen sie T assagol zwi schen sich. Er musste darauf achten, dass sie nicht noch weiter zurückfielen. Vierzig Minuten. Er stellte sich vor, wie sie die T O SOMA erreichten. Die Schleuse stürm ten. Gleich neben dem Shifthangar gab es Nasszellen. Er wür de hineingehen und sich unter die Dusche stellen, würde das köstliche Nass direkt auf sein Ge sicht prasseln lassen, wür de bis zum Nichtmehrkönnen trinken, immer nur trinken ... Fünfzig Minuten. Noch vielleicht zwei Kilometer bis zum seltsamsten aller Raumschiffsfriedhöfe. Alle wurden jetzt langsamer, fielen in einen taumelnden schleppenden Gang zurück. Khemo-Massai gab das Zeichen zum Sammeln. Rintar und die anderen schlössen zu ihnen auf. Vorsichtig gingen sie weiter, traten in den Schatten des ersten Schiffes. Unter den Bäuchen der vielen Schiffs körper ragten noch weitaus ältere Ver strebungen aus dem Sand, rostzerfres sene Spanten und löchrige, verbogene Metallwände, um die der Wind heulte. Zeichen längst vergessenen Zerfalls. Heftiger Wind pfiff um die sich über ihren Köpfen emporwölbende Schiffs
wand. Es war ein zylindrisches Raum fahrzeug, eirie Scheibe aus stumpf ge wordenem Stahl, zweihundert Meter durchmessend und etwa halb so hoch. Als sie wieder aus dem Schatten her austraten und im hellen Licht blinzelten, sahen sie vor sich die breiten Fußspuren im hellbraunen Sand. Die Ränder der Abdrücke waren an ihrer Vorderseite scharf ausgetreten und tief, obwohl der Wind darüber hinwegstrich und feinen Staub mit sich führte. An der Rückseite waren die Eindrücke nur flach und zu kleinen Wölbungen aufgeworfen. Eine Gruppe von Leuten war hier ge rannt, etwa zehn bis fünfzehn Personen, und das vor kürzester Zeit. Die Spur kam von rechts und führte in einer langen gebogenen Linie durch das nächste Schiffswrack hindurch, dessen dreirippiges Restskelett nur noch aus dünnen, aufwärts gebogenen Roststre ben bestand, die sich weiter oben zu ei ner konischen Spitze trafen. Jenseits des so gebildeten Domes ragte ein abgetrennter Landeteller eines arko nidischen Schlachtschiffes zur Hälfte und beinahe senkrecht aus dem trocke nen Boden auf; das kreisförmige Kon strukt von der Größe eines halben terra nischen Fußballfeldes warf einen langen Schla gschatten nach links; und eben dort hinein verlief die Spur. »Wer, bei allen Raumteufeln, ist hier gegangen?«, fragte Gulokhiz, der Stell vertretende Leiter der Schiffsverteidi gung, mit krächzender Stimme. Er keuchte und war wie alle am Ende seiner Kräfte. »Wer außer uns kann hier gegan gen sein?« »Jemand, der schneller war als wir«, versetzte Zuunarik lakonisch.
Hinter dem amputierten Schiffsfuß, in einer Entfernung von etwa sechshundert Metern, lag das arkonidische Schlacht
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schiff auf den zu einem Gewirr von Spin nenbeinen abgeknickten Landestützen. Die untere Polschleuse befand sich daher direkt am Boden. Sie folgen vorsichtig der Spur, sahen, dass sie bis genau zur Polschleuse und weiter von ihr fortführte, dorthin, wo ir gendwo halblinks die TOSOMA stehen musste. »Was nun?«, fragte Zuunarik. »Folgen wir der Spur, oder verschaffen wir uns Zugang zu diesem einstigen Musterbeispiel imperialer Machtentfaltung?« »Was sollen wir uns mit diesem Robot schiff abgeben?«, wollte Hasdhor wissen. »Wir müssen zur TOSOMA.« »Eben«, grinste Zuunarik. Er deutete auf die Polwandung. »Direkt dahinter stehen wenigstens drei Lastplattformen, wenn ich mich recht entsinne, mindestens ein Shift und diverse Gleiter.« Rintar räusperte sich. »Er hat Recht. Auch wenn das Zeug knapp dreitausend Jahre alt ist - es ist arkonidische Wertar beit. Und die Schleuse ist geschlossen. Es könnte klappen.« »Das ist doch Schwachsinn, mit Ver laub«, ereiferte sich Gulokhiz. »Da drin steht doch nichts mehr so, wie es sollte. Der Schiffskörper ist bei der Notlandung so hart aufgekommen, dass die Lande stützen zerborsten sind. Was glaubst du, wie es hinter dieser Schleuse aussieht?« »Miesmacher«, brummte Zuunarik. »Zweckoptimist!«, schnappte Gulo khiz. »Wie kriegen wir die Schleuse auf?«, fragte Khemo-Massai. »Lasst mal den Chefwissenschaftler ran«, meinte Rintar da Ragnaari und baute sich vor der deutlich sichtbaren Schleusenumrandung auf. »Gib mir dein Multifunktionsarmband, Zuunarik.« Er räusperte sich, schaltete das Gerät . auf die in den Jahren des Robotregenten übliche Flottenfrequenz un d sa gte im damals gebräuchlichen Interkosmo: »Hier spricht T ai-Laktrote Rintar da Ra-
gnaari, Mitglied des Adels-Khasurn der hochwohlgeborenen Ragnaari-Familie von Arkon. Mit der mir gegebenen Hoch rangbevollmächtigung erteile ich der Hauptpositronik des notgelandeten Schlachtschiffes hiermit die Anweisung, die untere Polschleuse unverzüglich zu öffnen.« Siegessicher zwinkerte er den Umste henden zu. Zuunarik verdrehte die Augen. Und riss sie vor Erstauen auf, als sich der Au ßenbord-Interkom des Schlachtschiffes aktivierte und es hörbar knackte. Es rauschte und knisterte, und dann sagte eine unmodulierte Automaten stimme: »Abgelehnt, Du kommst hier nicht rein.« »Wie bitte?«, schrie Rintar außer sich. »Wofür hältst du dich? Du kannst jeder zeit meine Gehirnwellenströme anmes sen. Also tu das gefälligst! Du wirst fest stellen, ich bin kein degenerierter Arko nide, sondern erfülle im Gegenteil alle Anforderungen, die der Robotregent zur sofortigen Kommandoübergabe aufer legt hat. Sogar seine eigene Sicherheits schaltung A-1 würde jederzeit darauf ansprechen. Ich habe, einen aktivierten Extrasinn! Ich bin Iprasa-Absolvent, und ich...« »Du kommst hier nicht rein. Außer dem ist der Verschlusszustand angeord net. Das Schiff ist klar zum Gefecht.« Hoch über ihnen drehte sich knirschend ein Waffenturm aus der Außenwand. Donnernd löste sich ein Thermostrahl und schlug zwei Kilometer entfernt ein. Er traf ein auf die Rückkehr seiner Be sitzer wartendes Diskusschiff der Blues. »Du verblödetes Stück Positronik. Du warst das also? Hör sofort 'm it diesem hirnrissigen Geballere auf! Das ist ein Befehl! Und mach gefälligst diese Schrott-Schleuse auf! Aufmachen!« »Dieses Passwort ist ebenfalls ungül tig.« Khemo-Massai zog den innerlich und
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äußerlich bebenden Hyperphysiker von der Schleuse fort. »Es hat keinen Sinn. Die waren schon immer stur. Komm, wir gehen.« Als sie den zugigen Bereich unterhalb des stählernen Gebirges verlassen hatten und sich über ihnen wieder freier Him mel zeigte, atmeten alle erleichtert auf. Die Spur bog nach links ab, umging einen etwa zweihundert Meter hohen, völlig in sich zusammengefallenen Berg aus Metallbruchstücken und zog sich dann schnurgerade hin. Sie führte auf das nächstliegende Schiff - zur TOSOMA! , Noch hundertfünfzig Meter, und sie waren am Ziel. Jubelschreie brachen aus, und deshalb achtete niemand auf das ferne Schwir ren, dessen Tonhöhe infolge des Doppler effektes sekundenschnell tiefer und tie fer wurde.
Niemand sah den gut 700 Meter durch messenden, flammenden Obsidianbro cken, der weit im Westen, etwa 25 Kilo meter entfernt, in einem Winkel von fast 45 Grad auf den Raumschiffsfriedhof mit einer Geschwindigkeit von mehr als 27 Kilometern pro Sekunde zuraste. Die infernalische Wucht, mit der der Meteorit inmitten der rostenden Rümpfe einschlug, war schier unvorstellbar. Sie reichte spielend aus, das getroffene Schiff und alle weiteren in direkter Nachbarschaft zu pulverisieren. Die freigesetzte kinetische Energie ent sprach 46 Gigatonnen VergMchs-TNT. Eine donnernde Explosion brachte Vinara zum Beben. Ja, sie brachte die In sel Viingh so sehr zum Schwanken, dass alle Besatzungsmitglieder etwa sechs Sekunden nach dem Einschlag den Bo den unter den Füßen verloren. Ein Detonationsfeuerball von gut 11,5 Kilometern Durchme sser wuch s am
westlichen Himmel empor. Das entfes selte Licht, tausendmal so hell wie die Sonne, bestand beinahe 15 Sekunden lang, ehe er in sich zusammenfiel. Ein un geheurer Detonationspilz trat an seine Stelle, der bis in die Hochatmosphäre Vinaras kletterte. Ein Krater von über neun Kilometern Breite wurde in einem einzigen Augen blick in die Ebene der Tausend Wracks gestanzt. Windgeschwindigkeiten von über 600 Metern pro Sekunde entstan den, drückten die Luft nach außen und gegen alles, was sich im Weg der tosen den Massen befand. Die Druckwelle breitete sich konzentrisch aus und warf alles in ihrer Bahn Befindliche buch stäblich über den Haufen. Der arkonidische 500-Meter-Schlacht kreuzer wurde sowohl von dem Beben als auch von der Druckwelle getrof fen. Er stand von den drei in einer Reihe gelandeten Schiffen der Einschlagstelle am nächsten. Seine Landebeine knickten ein wie dünne Streichhölzer unter dem Tritt eines Riesen. Der gewaltige Kugel^ rümpf neigte sich und schlug mit unge heurem Gedröhn auf den felsenharten Boden. Die Druckwelle erfasste die fal lende Arkonitkugel im Moment ihres Abkippens, trieb sie vor sich her, half ihr, sich wie von selbst auf den jetzt senk recht aufgerichteten Ringwulst zu schwingen. Fassungslos und vor Entsetzen starr, sah die Gruppe um Khemo-Massai, wie der fünfhundert Meter durchmessende Gigant aus verdichtetem Arkonstahl wie ein überdimensionalen Spielkreisel langsam auf ihren Standort zuzurollen begann. Tatsächlich verdankten sie dem Stahl ungetüm ihr Leben. Denn es schuf einen fünfhundert Meter breiten Windschat ten, der sie davor bewahrte, von dem rings um sie einsetzenden Inferno mitge rissen zu werden. Oberhalb und zu bei den Seiten des auf sie zurollenden Ar
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konraumers vollzog sich der Weltunter gang - etwa achtzig Sekunden nach dem Einschlag. Dank der herankullernden Arkonitmurmelvon der Größe eines Mit telgebirges wurden den Angehörigen der Besatzung der TOSOMA zusätzlich noch exakt 47 Sekunden geschenkt. Dann war der Koloss heran und würde sie und ihr Schiff unter sich zermalmen. »Lauft!« Das war alles, was KhemoMassai denken - und schreien konnte. Während er rannte, rannte wie noch nie zuvor in seinem Leben. /• Übergang Die junge Frau mit den kurz geschnit tenen roten Haaren kniete am Ufer des Arocan-Sees, starrte auf die graue Weite hinaus und wischte sich die Tränen aus den Augen. Tod. Überall Tod. Kalitra schauderte. Der Hafenkai, massiver, fester Beton, war fort - einfach fort. Wo früher Fisch kutter ein- und ausgelaufen waren, Bootsleute schwere Kisten an Land ge tragen und in die Lagerhäuser gebracht hatten, ragten nur noch einzelne land einwärts gebogene Stahlgitter aus dem Wasser. Ein einsamer Schornstein stand windschief wie ein erschlaffender Phal lus auf einer Insel aus Mauerresten. Das Dach der riesigen Fabrik, in der das ge waltige Luftschiff LITRAK gebaut wor den war, lag zur Hälfte im See, abgeris sen wie ein bedeutungsloser Fetzen Pa pier; die rechte Seitenwand der Stahl konstruktion war eingeknickt, als wäre sie nur Teil einer billigen Schilf hütte ge wesen. Der Rest der Halle bog sich, aller Fensterscheiben beraubt und seltsam' verdreht, beinahe auf die Seite - ein waidwundes Stück der Ingenieurkunst, das sich nie mehr seinem ursprünglichen Zweck hingeben würde. Die Gewalt der inzwischen verebbten Flutwelle hatte vor nichts und niemand Halt gemacht. Die Stadt Aroc glich ei
nem schlammüberzogenen Trümmer feld. Viele der aus brüchigem Sandstein errichteten, tausendmal mit Lehmschlag geflickten Häuser hatten allein schon dem Druck der Wassermassen nachgege ben. Höhere Gebäude waren eingestürzt, nachdem die Kellerräume voll gelaufen und die Fundamente unterspült worden waren. Die Herberge ihres Onkels existierte nicht mehr; weder die Herberge noch die übrigen Gebä ude der Straße. Alles war zerbrochen und in sich zusammenge sunken. Dieser Bereich der Stadt hatte sich in einen über viele Straßenzüge erstreckenden stinkenden T ümpel aus Schlamm und darin schwappendem Un rat verwandelt. Überall trieben Leichen im Wasser auf den freien Flächen, die früher Straßen und Plätze gewesen wa ren und nun vermodernden Kanälen glichen. Kutron war tot; Nachbarn hatten Ka litras Onkel aus den Trümmern gebor gen. Er war ertrunken wie die meisten in der Stadt. Viele andere waren von Solda ten beim Plündern erschossen worden, in bedingungsloser Erfüllung ihrer angeb lichen Pflicht. Kalitra dachte an den gut aussehenden Fremden, der für kurze Zeit Gast in der Herberge gewesen war. Sie hatte den charismatischen Mann mit den längen weißen Haaren angefleht, mit ihm mit kommen zu dürfen. Doch er hatte abge lehnt. Sie hatte alle Selbstbeherrschung aufbringen müssen bei ihrem Abschieds kuss. Sie hatte sogar so getan, als wären sie nur gute Freunde, hatte sich jeden Vorwurf und jede Wehklage verbissen. Obwohl eine Ahnung ihr zuschrie, dass dies alles falsch war ... »Kutron braucht dich jetzt«, hatte At lan gesagt. Ob er wohl wusste, wo immer er mittlerweile auch sein mochte, wie es hier aussah? Und dass Kutron ganz ge wiss niemanden mehr brauchte? Neuerliche T ränen trübten ihren
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Blick, und sie überließ sich gänzlich ih rem Schmerz. Kalitra bemerkte die vier Soldaten erst, als einer von ihnen sein Gewehr ge räuschvoll durchlud. Sie fuhr herum, da standen sie: leichenblasse Kerle mit un rasierten Gesichtern, in schmutzigen dunkelblauen Uniformen, die roten Zierstreifen an den Hosenbeinen vor Nässe und Schlammspritzern fast nicht mehr erkennbar. Die Pickelhauben hat- • ten sie in den Nacken geschoben, ihre Gewehre erhoben und auf sie gerichtet. »Komm her, Mädchen«, grinste der eine. »Du kannst uns einen lang entbehr ten Gefallen tun.« Das Gelächter seiner Kameraden ließ nicht den geringsten Zweifel daran, welcher Art dieser Gefal len sein sollte. Weit und breit war nie mand sonst am Ufer. Zwei der Soldaten packten sie an den Armen. Der bisherige Sprecher leckte sich die Lippen; der vierte Soldat fuhr sich mit seiner schmutzigen Hand durch die strähnigen Haare. »Keine Angst, meine Kleine«, rief er ihr über das Gelächter seiner Spießgesel len hinweg zu. Kalitra wand sich un willkürlich in dem Griff der Soldaten, doch deren Fäus te waren wie Eisenklammern, und sie wusste, dass es kein Entkommen gab. Sie war keine Kämpferin, und sie ahnte, dass jeder Widerstand die Grobheit der Män ner nur verschlimmert hätte, ihre auf brechende Wildheit nur weiter aufsta cheln würde. Der Gestank tagealten Schweißes geriet ihr in die Nase, und ihr wurde übel, als der vierte ihr Gesicht zu tätscheln begann. Kalitra schrie um Hilfe, obwohl sie es nicht hatte tun wol len und obwohl sie wusste, dass niemand es hören würde. Sie schrie noch immer, als die schwarze Wand heranraste. Kalitra keuchte und würgte vor Entsetzen, als sie im Licht eines gleißenden, nie zuvor gesehenen Mondeskniete und nicht ver
stand, woher er gekommen war - und wohin die vier Männer verschwunden waren. Als hätte es sie nie gegeben. ,7. January Khemo-Massai: 30. April 1225 NGZ Vinara - Viingh, die Insel der Verdammten Die Schleuse stand offen. So, wie sie verlassen worden war. Die Notbeleuchtung war eingeschal tet. Also gab es im Schiff wieder Ener gie! »Syntron!«, brüllte January KhemoMassai, noch während er die unsichtbar in der Schleusenwandung verborgenen Individualschwingungs-T asterbereiche passierte. Sie dienten der Feststellung der Mannschafts-identitäten. »Legiti mation Khemo-Massai, January. OBKode AB-0102-Coma. Aktivzustand. JETZT!« Schlagartig wechselte der Beleuch tungsmodus. Warme Helligkeit nutete den Raum. Das charakteristische Sum men hochfahrender Aggregate schwoll an. Auf terranischen Schiffen gab es Forced-Landing-Holos in jeder Schleu se. Ein entsprechendes Display neben dem zentralen VEX-Liftschacht zeigte auf arkonidischen Raumern die wesent lichen Statuswerte nach Notlandungen oder einer vorübergehenden Schiffseva kuierung. Schiffszustand: allgemein schlecht. Beide Gravitraf-Speicher: Restener gien vorhanden, 0,015 Prozent. Sekundäreinheiten: beide GravopulsProjektoreinheiten für einmaligen Not start verfügbar. Primäreinheit: Metagrav/Unterlicht/ Überlicht nicht verfügbar. Schiffssicherheit: instabil. Schutzschirmstaffeln: nur Prall
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schirm für 90 Sekunden eingeschränkt verfügbar. Lebenserhaltung: 17 Prozent. Der mehrheitliche T eil der übrigen Angaben leuchtete nicht einmal rot, sondern zeigte dunkles Blau für Ausgefallen/Inaktivität. Einige wenige flackerten in grellem Orange, nicht eine einzige erbrachte Grünwerte. Die Schleusenkammer füllte sich in Sekundenschnelle. Leiber rempelten gegeneinander. Viele stürzten und rap pelten sich sofort wieder auf. Die Besat zung des Schweren Jagdkreuzers warf sich förmlich durch das Außenschott, rollte fort, machte Platz für die Nachfolgenden. Ein Heulen, ein der Hölle entwichenes Geräusch, wie Khemo-Massai noch nie zuvor eines gehört hatte, drang durch die Schleusenöffnung herein und er schütterte die im Innern des Schiffes be findliche Luft. Es kam ihm vor, als ob der gesamte Planet in diesem Moment wie ein misshandeltes Lebewesen schrie. Rintar ließ sich neben dem Eingang fallen. Er begrub T assagol unter sich. Zuunarik taumelte herein. Mayhel Taf gydo folgte. Khim Ganduum, Phaza grilaath und Gulokhiz hechteten hinter her. Über sie hinweg sprang Anisa In'Kasara, die Ashanti mit den gebro chenen Handgelenken. Das Raumschiff TOSOMA erbebte unter den tobenden Gewalten. Ein prasselndes Bersten ertönte. Me tall verbog sich kreischend irgendwo außerhalb des Schiffes. Ein T rommelfeuer aus gegen das Schiff prallenden Gegenständen setzte ein. Die Kugel wandung, obwohl aus beschussverdich teten Ynkon-Legierungen bestehend, schwang wie ein einziger riesiger, miss tönender Gong. Der Stahlboden der Kammer nahm die Vibrationen auf und tanzte, einer in Wellen versetzten Blech platte gleich.
Khemo-Massai hielt sich an einem Geländer fest und warf einen hastigen Blick aus der immer noch offenen Schleuse. Wie eine riesige Wand walzte der alles unter sich zermalmende Ringwulst des Robotraumers heran ... Davor der sich soeben über den Schleusenrand schnel lende T uglante ... Nach ihm galoppierte Agir-Ibeth Nir-Adar-Nalo Nilmalla dah III. heran, sprang mit wirbelnden Hufen in die Bodenschleuse und stürzte über den am Boden liegenden Marren Charyna. »Schutzschirme hoch!« »Prallfeld steht. Baut kontinuierlich ab ... 99 Prozent... 98 ...« Das Heulen und Krachen erstarb. Ein hartnäckiges Klingeln blieb in den Oh ren, übertönte das Rauschen des eigenen Blutes. »Individüalzählung?« Es war Cayrys Stimme. »Vierundsechzig Personen an Bord«, kam die wohlmodulierte Stimme des Logik-Programm-Verbundes. »Alarmstart!«, brüllte Kommandant Khemo-Massai. »Schnell weg hier, ver dammt noch mal!« »Bestätigt«, antwortete der LPV in das Zischen der sich schließenden Schleuse hinein. »Und >up, up and away<, wie du immer zu sagen pflegst, Kommandant. Höhe eintausend ... vier tausend und steigend... Übrigens - will kommen zurück an Bord. Hattet ihr ei nen angenehmen Aufenthalt? Wohin soll es denn jetzt gehen? Ich frage nur, weil wir nicht allzu weit kommen werden. Wir sind nämlich ziemlich am Ende, so zusagen.« January Khemo-Massai und Cayry starrten sich an, als gäbe es kein Mor gen. Dann brachen sie in ein Lachen aus, das sie wohl niemals mehr würden ver gessen können. Niemals, solange sie lebten.
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Vinara - Canyon der Visionen
Das schrille Summen von Lethems Multifunktionsarmband wirkte in dieser Umgebung so fremd wie Schneefall in der Wüste. Oder so fremdartig wie diese Li, dachte ich verbittert. Gab es etwas Schlimmeres, als eine Liebe an den Tod zu verlieren und sie dann immer wieder leibhaftig und begehrenswert vor sich zu sehen? »Ja?«, meldete sich Lethem. Nein, wisperte der Extrasinn. Aber es gibt weitaus Dümmeres. Zum Beispiel einen gewissen arkonidischen Narren, der, nach durchaus kompetenter Ansicht, noch gebraucht wird. Kümmere dich endlich darum, von hier zu verschwin den. »Hier ist die TOSOMA, Khemo-Mas sai spricht. - Lethem?« »Ja, ich bin's.« »Gott sei Dank«, dröhnte die tiefe Stimme des Kommandanten aus dem Akustikfeld. »Wir dachten schon, ihr wärt zusammen mit den vier Planeten draufgegangen. Wo seid ihr?« Ich war mit einem Satz bei dem Zwei ten Piloten. »January? Hier spricht At lan.« Eine Zeit lang drang nichts als Rau schen aus dem Akustikfeld. Dann setzte eine wahre Kakophonie aus Rufen, Schreien, Jubeln und Klatschen ein. Endlich drang wieder die Stimme des Komman danten durch : »Le them? Stimmt das? Ihr habt ihn endlich gefun den?« »Ich glaube e s selbst immer noch nicht. Aber ja, er ist es.« »January«, sagte ich drängend. »Fliegt ins Zentrum des Kontinents, zum Ogra han-Gebirge. Östlich davon findet ihr ei nen breiten und tiefen Einschnitt, einen zweiten Grand Canyon. Er ist nicht zu
verfehlen. Im südlichen Bereich dieser Schlucht sind wir.« Li legte mir ihre Hand auf den Arm. »Das ist nicht nötig. Sie sollen direkt zu Sardaengars Ge birgsbastion fliegen. Etwa vierhundert Kilometer nordwest lich unseres Standortes. Wir werden sie dort erwarten.« »Hast du mitgehört, January?«, fragte ich. »Ja«, kam die zögerliche Antwort. »Wer war das? Dasklang ganz nach Li...« »Es ist Li, Kommandant«, sagte Le them an meiner Stelle. Auf meinen fragenden Blick fügte Li hinzu: »Wir nutzen den Mikro-Struktur feldkonverter meines Anzugs.« »Den was?«, rief jemand in der T O SOMA. »Den mechanischen Teleporter«, er klärte ich. »Eine Technik der Hathor, wie sie auch vor langer Zeit die Hüter des Lichts eingesetzt haben.« Erinnerungen an T engri Lethos, Baar Lun und Andro meda stiegen in mir auf. Andromeda. Die Meister der Insel. Mi rona und... Der Hathor und anderer, unterbrach der Logiksektor scharf meine davonei lenden Gedanken. Es war immer auch eine Technik der Kosmokraten. »Verstanden« sagte Khemo-Massai. »Wir kommen. Es wird aber noch etwas dauern. Wir müssen uns zuvor noch um ein paar Dinge kümmern. Atlan?« »Ja?« »Ist dieser ... Teleporter, den ihr da be nutzen wollt, ist er - sicher?« Li warf die Arme in die Höhe undf ass te sich mit beiden Händen an die Stirn. »Zweifellos, January«, antwortete ich lächelnd. »Wir meinen hier nur... In letzter Zeit hattest du mit deinen mechanischen Ferntransporten nicht gerade allzu viel Glück, nicht wahr?« Er schaltete ab, und ich sah in die breit grinsenden Ge sichter von Zanargun,
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Scaul Falk und Lethem. Selbst der hü nenhafte Springer, der sich bis jetzt nur schweigend auf seine Ax$ gestützt hatte, lachte dröhnend mit. Obwohl ich sicher war, dass er nicht die geringste Ahnung hatte, worüber.
Li deutete auf Lethem. »Du zuerst.« Er nickte und stellte sich neben sie. Die Frau mit den roten Haaren strich über bestimmte Pailletten ihres Anzu ges. Ein zwanzig Zentimeter starker und zwei Meter durchmessender Ring aus blassrosafarbener Energie baute sich etwa in Hüfthöhe der beiden auf. Im nächsten Moment waren sie verschwun den. Wenige Sekunden später erschien Li an derselben Stelle wieder. Sie nahm in gleicher Weise Zanargun mit sich, dann folgten Scaul Falk und der Springer. , Sie materialisierte abermals. »Bist du bereit?« »Zuerst Tamiljon«, bat ich. Sie zuckte gleichgültig mit den Schultern, eine Bewegung, die der enge goldene Pailletten anzug deutlich wiedergab. Sie ging zu dem leblos am Boden Liegenden und stellte sich über ihn. Der rosafarbene Ring entstand erneut; beide verschwan den. Dann war ich an der Reihe. Als der energetische Ring aufwallte, erwartete ich unwillkürlich einen Entzerrungs schmerz. Doch schien die im Anzug ver wendete T echnik über derlei rückstän dige Effekte offenbar weit erhaben zu sein. Ich spürte absolut nichts; der Transport erfolgte in einer für meine Sinne nicht nachvollziehbaren Zeit. Eben noch blickte ich zum Rand des Canyons hinauf, im nächsten Moment stand ich in einem mir völlig unbekann ten, wild zerklüfteten Bergland. Wohin ich auch schaute, überall, in allen T älern, auf den Bergspitzen rechts
und links und noch mehr auf der weiten Hochebene zu Füßen der Berge, wuchsen dumpfsilberne Säulen in den Himmel. Sie alle hatten die mir bekannten Maße: 25 Meter dick, ragten sie kerzengerade 150 Meter in die Höhe. Zu Hunderten, wenn nicht zu Tausenden. Unwirklich und geradezu gespens tisch muteten die Lichterscheinungen an den glatt abgeschnittenen oberen Kan ten der Säulen an, Zuckende Lichtfäden faserten in die Atmosphäre hinauf und schienen alle dem gleißenden Licht des Kristallmondes zuzustreben. Wir selbst befanden uns auf einer hoch gelegenen, schmalen Felsenrampe, die in einen scharfen Grat überging und dann jäh zu Tal stürzte. , »Willkommen in Mertras«, begrüßte Lethem mich finster. »Was ist los?«
Er deutete stumm hinter mich. Das Gelände senkte sich ein wenig. Schon nach rund zweihundert Metern ging die etwa fünfzig Meter schmale Fel senrampe in einen sich öffnenden, weiten Bergkessel über. Das Ganze glich einer Pfanne mit kurzem Griff, wobei der Griff von der Rampe geformt wurde, während der beinahe kreisrunde Kessel die mit Steppengras bedeckte Pfannenfläche bildete. Beiderseits der leicht abwärts geneigten Rampe ging es bestimmt hun dert Meter steil in die Tiefe. Unten wuch sen tannenähnliche Nadelbäume, deren Spitzen etwa bis zur Hälfte der Rampen höhe heraufreichten. Irgendwo plät scherte ein Wasserlauf. Der »Pfännenkessel« hatte schät zungsweise einen Durchmesser von sechs Kilometern; gezackte Bergspitzen, einige mit weißen Schneebrettern verse hen, bildeten seinen Rand. Ich sah sofort, was der Zweite Pilot der TOSOMAmeinte. »Darf ich vorstellen, Atlan - unser Problem«, sagte er. Vor uns, beinahe exakt um den Mittel
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punkt des Kessels zentriert, stand eine strahlend weiße Schirmglocke. Ein ener getischer Schutzschirm, weiß wie bestes Meissener Porzellan. Die Glocke wölbte sich mindestens 2,5 Kilometer in den Himmel und erreichte einen Boden durchmesser von gewiss nicht weniger als fünf Kilometern. »Darunter liegt Grataar, auf einem Zentrumsberg im Kern des Kessels«, sagte Li. »Sardaengars Gebirgsbastion. Näher heran konnte ich uns nicht tele portieren. Wahrscheinlich Sekundäref fekte der Schirmfeldstrahlung.« Lethem atmete tief ein und sank auf die Fersen. Ratlos zerzupfte er einen aus einer Felsritze wachsenden Grashalm. »Das heißt wohl: bis hier hin und nicht weiter«, knurrte er und biss sich auf die Oberlippe. »Endstation Sehnsucht«, murmelte Scaul. »Dendibokot«, brummte Ondaix. »Naatexkrement«, widersprach Zanar gun. »Das riecht schlimmer.« »Hast du eine Ahnung«, sagte ich und dachte mit Schaudern an Gantschula. Und mit plötzlich einsetzender Traurig keit auch an Jörge Javales, den toten Ar chivar. Wortlos begann ich mit dem Abstieg.
Eine halbe Stunde später standen wir ratlos vor der weißen Schirmglocke. Zanar gun un d On da ix hatten T a mil jon die Rampe hinab und über den grünen T alboden getragen. Er lag nun ein Stück weit entfernt im weichen Gras. Eine geringe Elektrizität ließ die Luft knistern und uns, wenn wir dem Schirm feld bis auf Armeslänge nahe kamen, die Haare zu Berge stehen. Ondaix warf zur Probe einen großen Steinbrocken gegen den Schirm - ergebnislos. Der Stein prallte ohne Begleiterscheinung ab und
blieb im Gras neben der Energieglocke liegen. Messungen mit Lethems Armband scanner zeigten nur energetische Aktivi tät an sich an. Sie gaben uns keinerlei Auf schluss über die Art der hier verwen deten Energieform. Ich tippte auf eine Kombination aus Prallfeld und stabilisierter Formenergie. Was alles nichts nutzte. Gegenstände konnten den Schirm nicht durchdringen, ebenso wenig Lebewesen. Den Schirm zu berühren wagte nur Zanargun - obwohl er es zu verbergen suchte, sah ich ihm an, dass die Berüh rung ziemlich schmerzhaft gewesen war. Er lehnte es ab, es erneut zu versuchen. Mit Ondaix' Axt und bloßen Händen gr uben wir schlie ßlich nahe dem Schirm vorsichtig ein Loch. Schon bald zeigte sich, was ich längst vermutet hatte. Die weiße Glocke setzte sich auch unterhalb der Grasnarbe im festen Erd reich fort. Damit waren unsere bescheidenen Mittel nahezu erschöpft. Es sei denn, Lis goldener Paillettenanzug hatte noch ei nen sprichwörtlichen Trumpf im Ärmel. Eine Hoffnung, die Li verneinte. »Und was jetzt?«, fragte ich reihum, da auch der Extrasinn ratlos blieb. »Wir warten«, sagte Lethem dumpf. »Auf die TOSOMA.«
Ondaix und Zanargun machten sich auf, Feuerholz und Wasser zu besorgen. Lethem und Scaul setzen sich zu T amil jon ins Gras. »Kannst du etwas für ihn tun?«, fragte ich Li. »Was ist mit ihm geschehen?« Ich schilderte ihr und den beiden Be satzungsmitgliedern kurz den Kampf zwischen ihm und dem veränderten We sen, das einst Litrak gewesen war. Li entnahm einer ihrer unergründli
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chen Anzugtaschen ein flaches, tropfen förmiges Gerät, hielt es über verschie dene Körperstellen, machte mehrmals besonders über den dicksten Kristallwu cherungen Vergleichsmessungen. »Er lebt, so viel steht fest«, lautete ihre Diagnose. »Schwache Herz- und Lun genfunktion sind vorhanden, Gehirn wellenaktivitäten zeichnen im Deltabe reich. Er befindet sich im T iefschlaf. Keine REM-Phasen wie bei T erranern und Arkoniden, also vermutlich keine Träume. Mehr kann ich nicht sagen. Was die Auswirkungen der Kristalle auf sei nen Metabolismus betrifft - frag mich was Leichteres. Er wird irgendwann auf wachen, denke ich. Lassen wir ihm sei nen Genesungsschlaf.« Ich nickte, winkte sie zu mir und ging mit ihr zu einer Ansammlung von mit Moosen bedeckten Felsen hinüber. Ein Gebüsch mit härten Blättern und langen Dornen hatte sich dahinter ausgebreitet. Auf den Felsblöcken setzten wir uns nie der. Metallisch schimmernde Fliegen uni schwirrten das Gebüsch. Sie erinnerten mich an die Insekten in der Versamm lungshalle der Ordensleute in Malenke. Unwillkürlich sah ich mich gleichfalls nach jagenden Fiederwesen um, doch das einzige größere Lebewesen außer Li und mir war eine Art Eidechse, die im mer wieder unter einem der Steine her vorhuschte und mit ihrer langen blauen Zunge nach den Fliegen schlug. Ein oder zwei blieben jedes Mal kleben. Um uns machten die Fliegen einen großen Bogen; offenbar mochten sie unsere arkonidi schen Körperausdünstungen nicht. Oder es war der Schlamm, den der schmierige Regen mit sich gebracht hatte und der jetzt als krustige Schicht in meinen Haaren und in den Falten meiner Kombina tion festgetrocknet war. Er stank wahr scheinlich heftig genug, um sie zu irritieren. Ondaix und Zanargun waren nur
noch kleine Punkte in der Nähe der Fel senrampe, über die wir den T alkesssel betreten hatten. Noch immer zuckten die Leuchterscheinungen aus den über all im Bergland verteilten Silbersäulen; obwohl esheller Tag war, stand Vadolon heller als die Sonne Verdran am Himmel und saugte die Lichtfäden der Säulen an. »Du«, begann ich das längst fällige Gespräch, »bist nicht Li.« Die junge Frau mit dem kurz geschnit tenen roten Haar zuckte mit den Schul tern. »Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll. Ich habe keinen anderen Namen als den des Erstbewusstseins. Ich erwachte in ihr. Und ich habe seitdem nie etwas anderes sein können als ein Teil von - ihr. Ich vermisse sie«, fügte sie überraschend hinzu. »Sie war so ... anders.« Ich holte tief Luft. »Sie war die Li, die ich liebte«, entfuhr es mir heftiger, als ich es beabsichtigt hatte. »Du bist ein Fremdkörper, ein Parasit, der ihren Kör per gestohlen hat.« Die Frau, die so verblüff end der Toch ter des Wirtes in Aroc ähnelte, sah mich nur an. Der flüchtige Gedanke an Kalitra ließ mich müde den Kopf schütteln. Dort war eine begehrenswerte junge Frau gewe sen, die sich ohne Hoffnung in mich ver liebt hatte. Und hie.r saß mir ihr Ebenbild gegenüber, der Körper jener Frau, die ich geliebt hatte - und die ich gleich zweimal hatte sterben sehen müssen. Und wegen dieser meiner Liebe war es mir wiederum unmöglich gewesen, Kalitras Liebe zu erwidern. »Ich erwachte«, fuhr die Frau an mei ner Seite fort. »Ich erwachte und wusste um meinen Auftrag. Ich war als Beob achterin erweckt worden, und als Beob achterin war ich stets anwesend. Ich ... ich beobachtete, wie ihr - wie du und sie euch näher kamt. Ich habe sie um ihre Gefühle für dich beneidet, wenn ich sie auch nicht teilte. Sie hat dich wirklich
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geliebt. Doch jetzt ist sie ... ist ihr Be wusstsein ... verweht.« »Wer hat dich beauftragt? Waren - sie es?« Ihre rötlichen Augen suchten die mei nen, lasen darin die Bestätigung des Be griffs Kosmokraten. Die fremde Li nickte. »Samkar hat mich in ihrem Namen geschickt.« Sie deutete auf den bewusstlosen Tamiljon und sagte: »Litrak und Sardaengar müs sen unter allen Umständen aufgehalten werden. Sonst ... Es ist die Hypertronik des Backup-Systems. Sie versucht in sturer Erfüllung der Basisprogrammie rung die Macht über beide zu gewinnen. Verstehst du, Atlan? Nur beide zusam men, Litrak und Sardaengar, im Kris tallmond vereint, könnten die noch feh lende Hochrang-Berechtigung einspei sen und das vorhandene Potential nut zen.« Die Psi-Maierie und die Biophoren, suggerierte der Logiksektor mit unge wohnter Heftigkeit. Angesichts der damit verbundenen Gefahr für diesen Teil der Galaxis, wenn nicht sogar für die ganze Milchstraße, überfiel mich ein inneres Frösteln. »Und weiter? Es ist sicher kein Zufall, äass der Durchmesser des Kristallmondes exakt einem Sporenschiff der Mächtigen ent spricht?« »Nein«, antwortete das fremde Li-Be wusstsein. »Die Hyperspeicher der Onund Noon-Quanten sind durchlässig ge worden. Zu viel Zeit ist inzwischen ver gangen. Zu viele Fremdeinflüsse konnten ihre Wirkungen entfalten. Und nun ist zu allem Übel auch noch die Vergessene Po sitronik mit dem Kristallmond kollidiert und...« Li stand auf und machte eine Geste, die den gesamten irrlichternden Himmel über unseren Köpfen umfasste. »Es war vor langer Zeit - und ich meine wirklich vor sehr langer Zeit. Vor Hunderten von Millionen Jahren ... Nie
mand kannte damals die erste Gruppe der Sieben Mächtigen. Sie gab es nicht und auch noch nicht die spätere Praxis, nacheinander die Phasen Eins und Zwei ablaufen zu lassen.« Ich nickte und erinnerte mich dank meines fotografischen Gedächtnisses an die entsprechenden Zusammenhänge, die Perry Rhodan, mir und dem übrigen Kreis der potenziell Unsterblichen mit der Entdeckung der PAN-THAU-RA all mählich offenbar geworden waren. BARDIOC und der Diebstahl des Spo renschiffes ... LAIRE und das Allesrad ... Schon viel früher waren wir nach un serer Rückkehr aus NGC 4594 - einer Galaxis, die volkstümlich ihrer Form wegen auch Sombrero-Galaxis hieß - mit der MARCO POLO in der heimatlichen Milchstraße auf den von den Karduuhls übernommenen Schwärm gestoßen. Auf einen, der Dummheit anstatt wie vorgesehen Intelligenz verbreitet hatte und.., Die Kosmokraten verfolgten damals, wie wir nach und nach herausfanden, seit Jahrmillionen einen kosmischen Langzeitplan. Zuerst sandten sie die so genannten Sporenschiffe aus: GigantRaumschiffe von den Dimensionen eines kleinen Mondes, mit dem bekannten Durchmesser von 1126 Kilometern. Diese betrieben - als Phase Eins - zu nächst Lebensformung: Die jeweiligen Mächtigen verteilten als deren Komman danten die in den Sporenschiffen mitge führten Biophoren in bisher nicht mit Leben erfüllten Galaxien. Später ließen die Mächtigen dann im Auftrag der Kosmokraten eine bisher unbekannte Anzahl von Schwärmen bauen, deren Aufgabe - als Phase Zwei es war, die Entstehung von Intelligenz in den in Phase Eins vorgeformten Gebie ten des Kosmos zu fördern und zu ver breiten. Hierzu flog der betreffende Ster nenschwarm - eine von einem undurch
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dringlichen Schmiegschirm umhüllte Ansammlung von Sonnen und Planeten die ausge wählten Galaxien an und be einflusste die fünfdimensionalen Feldli nien der Graviationskonstante. ' Durch dieseManipulation stieg die In telligenz in dem betreffenden Raumsek tor auf den gewünschten Wert an - oder sie ließ, wie im Falle des fehlgeleiteten und der Kontrolle der Cynos entrissenen Schwarms im Jahr 3440 a. D., alle Lebe wesen in einem bestimmten Radius ver dummen. »Lange vor der Zeit der Sporen schiffe«, erzählte Li weiter, »benutzten die Kosmokraten ein anderes Verteilsys tem. Sie schickten die Urschwärme aus.« »Die was?«, rief ich verblüfft. »Es waren übergroße Vorläufer der späteren Normal-Schwärme. Diese le gendären Urschwärme zogen vor Hun derten von Millionen Jahren durch das All, ein jeder selbst so groß wie eine ei gene Kleingalaxis. Auch sie waren in ei nen Schmiegschirm gehüllt. Diese Rie senschwärme nahmen beide Aufgaben wahr. Sie verteilten die On- und NoonQuanten im Universum und sorgten dann durch Veränderung der 5-D-Gravi tationskonstante für die Intelligenzstei gerung. Oft hielten sie sich für hundert tausend Jahre oder länger in der jeweili gen Galaxis auf, ehe sie ihre Reise fort setzten.« Li machte eine kreisförmige Bewe gung. »Die ganze Obsidian-Kluf t ist an sich nichts anderes als das Backup-System eines solchen Urschwarms. Sie ist das Backup-System von Litrakduurn, dem >Platz des Litrak<.« Plötzlich schoben sich für mich Hun derte bisher getrennter Puzzlesteinchen an ihre richtigen Stellen. »Und dieses Backup-System hat die Aufgabe ...«, rief ich ahnungsvoll. »... Litrakduurn neu zu initialisieren«,
ergänzte Li mit spürbarem Schaudern. »Eshat die Aufgabe, den kompletten Ur schwarm, im Fall seiner Auflösung, neu entstehen zu lassen.« Mir schwindelte angesichts der sich daraus ableitenden Implikationen. Und, hoch schlimmer, der ihrerseits sich dar aus er ge ben den Kon se quenzen. ; Narr! Ahnst du, warum dieses Mons trum ausgerechnet >Platz des Litrak< heißt?, fragte der Extrasinn aufgebracht. »Also ist Litrak«, führte ich den Ge danken meines Logiksektörs weiter, »nein, dann war Litrak niemand anders als ...« »... der Kommandant des einstigen Ur schwarms Litrakduurn«, vollendete Li da Zoltral. »Du hast es endlich erfasst.« Sie kniete sich vor mir nieder, umfass te meine Schultern und schaute mir di rekt in die Augen. »Und: Er war es nicht nur, Atlan«, sagte sie eindringlich. »Er ist es noch im mer!«
Stunden später. Wir lagerten, gut hundert Schritte von der Energiekuppel entfernt, in der Nähe der Felsen. Ondaix und Zanargun kehr ten mit reicher Beute zurück. Der an eine Schwerkraft von 1,5 Gravos gewöhnte Luccianer trug einen schwankenden Stapel Brennholz, höher aufragend als er selbst, mit beinahe spielerischer Leich tigkeit vor sich her. Der Springer schleppte auf seinen breiten Schultern ein schon abgezogenes Stück Wild heran. Das Fell des gehörnten, gemsenähnli chen Tieres hatte er zu einem primitiven Wassersack umgearbeitet, der an seinem Gürtel baumelte und in dem es verhei ßungsvoll gluckste. Zanargunshellgrüne Augen strahlten. »Ondaix hier«, schwärmte er, während Lethem ein Feuerbesteck aus seiner Ta sche zog und im Nu eine kleine helle Glut
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entfachte, in die er eine Zeit lang heftig hineinblies, »Ondaix ist ein wahrer Meister in der Kunst, eine Axt zu führen. Er wirft sie auf dreißig Schritt, blitzartig und zielgenau. Ihm verdanken wir unse ren Braten.« Der rothaarige Springer schüttelte den Kopf so heftig, dass seine kleinen Zöpfe flogen. »Zanargun«, rief er begeistert, »hat Augen und Ohren, die schier ungla ublich sind. Er hatte den Bock schon erspäht, als mir noch nicht mal klar war, dass hier überhaupt T iere zu finden sein würden. Ihm verdanken wir unseren Braten.« »Noch«, sagte Lethem, »ist es kein Braten; und wenn ihr noch lange redet, wird er sich wahrscheinlich seinen Kopf wieder aufsetzen, sein Fell wieder anziehen und sich heimlich aus dem Staub machen. Steckt ihn endlich auf einen Spieß.« »Und gib mir endlich was von dem Wasser«, verlangte Scaul Falk. »Ich ver gehe vor Durst.« Er griff sich den aus dem Fell gefertig ten Wasserschlauch, drehte und wendete ihn unschlüssig und besah sich am Ende das pralle Ding mit den vier abstehenden Beinhüllen ein wenig ratlos. Bei all sei ner Lebenserfahrung schien ihm diese spezielle Kenntnis zu fehlen. »Äh, wo ist die Öffnung?«, fragte er und sah in die Runde. »Gib her«, lachte ich. In den Jahren meiner Abgeschiedenheit auf Terra hatte ich gewiss aus Tausenden von Wasser schläuchen getrunken. Ich löste vorsich tig das Band aus Fell, das die beiden er folgreichen Jäger um den linken Hinter lauf geschnürt hatten, und hob den Was sersack über den Kopf. Aus der freien Beinöffnung sprudelte das Wasser direkt in meinen Mund. Die anderen drei Ge laufe, der Hals und die Afteröffnung wa ren mit Darm fest zusammengezurrt worden, so dass der Fellsack einigerma ßen dicht blieb.
Erst jetzt merkte ich, wie durstig ich selbst war. Ich zeigte Scaul, wie er da s Bein mit einer Hand umfassen musste, um den Wasserstrahl zu regulieren, dann ging der Fellsack von Hand zu Hand oder besser, von Mund zu Mund. Alle löschten dankbar ihren Durst; nur Zanargun verzog das Gesicht. »Jetzt einen Kaffee«, seufzte er sehnsüchtig. »Man kann ja über euren Hinterweltpla neten unterschiedlichster Meinung sein, aber wenn schon für nichts sonst, Scaul, - auf Grund e ures Kaffees muss man euch T erraner loben. Nein, ohne Frage, er ist wirklich einsame Spitze. Was würde ich jetzt wählen? Die Würze Süd afrikas? Vielleicht die natürliche Milde Arabiens? Oder das Temperament Mexi kos? Gar den Duft Sumatras, behutsam gemischt mit der Wildheit Äthiopiens? Oder doch lieber das Aroma Costa Ricas oder die herbe Süße Kolumbiens, ganz zu schweigen von dem unvergleichlichen Geschmack Brasiliens? - Gebt mir eine Tasse Kaffee, aber heiß muss er sein, schwarz und stark!« Verblüfft starrten alle den sonst so wortkargen Luccianer an, der mit ge schlossenen Augen so tat, als hätte er ei nen gefüllten Becher in der Hand, wäh rend er sich mit der anderen den nicht vorhandenen Dampf zuwedelte. Lethem, Ondaix, Zanargun und Scaul hatten noch Reste ihres in Helmdor er worbenen Proviants bei sich, die sie mit mir teilten. Li wollte weder davon noch von dem Braten etwas; sie bediente sich der Konzentrat-Vorräte ihres Anzuges. Wir stärkten uns reichlich und hatten noch genug für ein Frühstück übrig. Vadolon ging am Nachmittag unter. Zwei Stunden darauf versank Verdran in einer bleifarbenen Wolken- oder Staub schicht. Doch auch diesmal wurde es nicht richtig dunkel. Grünliche Leucht bänder waberten wie irdisches Nord licht. Die Silbersäulen spien ihre Licht fäden in die Wolken; und auch die weiße
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Wand des glockenförmigen Schirms schimmerte wie von hinten beleuchteter Nebel, als die Nacht vollständig herein gebrochen war. Im Osten, weit jenseits der Taneran-Schlucht, glomm der ge samte Horizont in düsterem Rot. Die anderen hatten sich nach dem Es sen hingelegt und schliefen. Nur Li und ich saßen noch am Feuer. Dank meines Zellaktivators machte es mir am wenigs ten aus, auch weiterhin auf Schlaf zu verzichten. Li schien von einer inneren Unruhe wach gehalten zu werden. Oder vielleicht brauchte sie wegen einer rege nerativen Funktion ihres Anzugs auch keinen Schlaf. Sie sprach nicht darüber. Die Nacht hier oben im Bergland war still. Da s le ise Säuseln der Blätter machte die Stille noch tiefer. Beinahe jede Minute überquerten Leuchtspuren, kosmischen Brandpfeilen gleich, unse ren Lagerplatz; doch sie flogen in großer Höhe. Weder hörten noch sahen wir Spu ren von Einschlägen. Das Feuerwerk aus Obsidiantrümmern schien eine Atem pause einzulegen. Unser Lagerfeuer war irgendwann zu einem rot schimmernden Auge im Halbdunkel der karstigen Grasebene nieder gebrannt. Hin und wieder flammte am Rand der Feuerstelle ein dürrer Zweig auf, krümmte sich verglühend und ver losch. »Was ist mit Litrakduurn passiert?«, fragte ich leise, um die Schlafenden nicht zu wecken. Li antwortete nicht gleich. Sie bohrte mit einem Aststück in der Asche herum, dachte offenbar nach. »Einzelheiten kenne ich nicht. Ich weiß nur, dass Litrakduurn vor rund 546 Millionen Jah ren mit der Milchstraße kollidierte. Vielleicht ein Unfall, vielleicht ein Versagen der T echnik, vielleicht ein Angriff der Chaotarchen. Was auch immer die Ursache war, die Katastrophe war umfassend. Die Schwarmstruktur drohte zu zerfallen, nachdem der Schmiegschirm sich
aufgelöst hatte. Soweit ich weiß, ver suchte Litrak, ein Notsystem zu aktivie ren. Dies befand sich in einer zeitlosen Stasisblase, die im Hyperraum als Mi niaturuniversum eingelagert war.« »Vadolon«, vermutete ich. Li senkte zur Bestätigung die Augenlider* »Litrak hatte sozusagen Pech im Pech«, meinte sie. »Um die Aktivierung des Notsystems überhaupt starten zu können, bedurfte es eines Bewusstseins transfers in den zentralen Rechner. Es gelang ihm aber nur, einen Teil seines Bewusstseins in den Kristallmond zu la den. Dabei wurde sein echter Körper zerstört. Sein Restbewusstsein war seit her verwirrt, hatte sich zum Teil sogar verflüchtigt. Wie auch immer, es reichte nicht aus, um das Backup-System zu ak tivieren.« »Aber wenn der Körper zerstört war, dann...« »Dann bedeutete das seinen Tod - in gewisser Weise. Der Original-Litrak starb. Und das im Wissen, einerseits ver sagt zu haben und andererseits von den Kosmokraten im Stich gelassen worden zu sein.« »Sieh einer an. So etwas kommt vor?«, fragte ich ironisch, Li betrachtete mich einen Moment ir ritiert. »Immerhin brachten Litraks Be mühungen ein gewisses Ergebnis. Wenn auch nicht das erwünschte. Aber die Ob sidian-Klüft wurde als Sehutzfunktion gegen Übergriffe von außen geformt zum Schutz vor den überschlagenden Kräften des sich außerhalb auflösenden Urschwarms. Der Obsidian-Wall, jene Masse entlang der Außenhülle der riesi gen Hohlblase, bildete eine Art >Tresor< für die im Mond befindliche Fracht der On- und Noon-Quanten. Das gesamte Miniaturuniversum, eben die Obsidian Kluft, sollte verhindern, dass sich die On- und Noon-Quanten unkontrolliert freisetzen konnten. Dummerweise ist die Undurchdringlichkeit dieser Barriere
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nicht mehr absolut. Sie ist mit der Zeit löchrig geworden, wenn du so willst.« Nur deswegen bist du und sind alle an deren Raumfahrer überhaupt in der Lage gewesen, hierher zu gelangen, wisperte der Extrasinn. »Vadolon, der Kristallmond ...«, sin nierte Li. »Seine starre Backup-Pro grammierung erwies sich als Hindernis. Litrak bekam ihn nicht unter Kontrolle. Zu keinem Zeitpunkt. Im fehlte das dazu nötige Wissen. Sein Hestbewusstsein ver fügte nur noch über einen Bruchteil sei ner früheren Kenntnisse.« »Und Sardaengar? Wie kam er ins Spiel?« Li warf ihr Aststück in den letzten Rest Glut. Ein Funkenregen stob auf; kleine Flammen leckten an dem Holz und fanden neue Nahrung. Der fla ckernde Lichtschein ließ Lis glänzende Haare selbst wie ein auf ihrem Kopf ent fachtes Feuer erscheinen. »Mit Sardaengar wurde ein Cyno mit dem Status eines Mago in die ObsidianKluft verschlagen. Nie war es beabsich tigt, aber es geschah. Es baute sich all mählich eine unbewusste Verbindung zwischen dem Kristallmond und Sar daengar auf. Das Backup-System er kannte Sardaengars Potenzial, oder es erkannte seine Schwarm-Führungsqua litäten an - ich weiß es nicht. Immerhin wurden die Cynos nicht ohne Grund von den Mächtigen zur Führung zum Bei spiel des dir bekannten Schwarms be stimmt ... Jedenfalls kam das BackupSystem zu folgendem Schluss: Eine Kombination aus Sardaengar und Litrak wür de als Ergebnis Litraks Schwäche ausgleichen und die fehlende HochrangBerechtigung ergeben.« »Und der Urschwarm Litrakduurn würde wieder neu entstehen.« »Exakt. Aber Sardaengar wehrte sich. Er bekämpfte den durch den Mond wie der materialisierten Litrak mit aller Macht. Er konnte ihn schließlich sogar
für lange Zeit an die Eisgruft fesseln - als >Untoter Gott< im Eis.« »Aber das bedeutet ja ...«, entfuhr es mir. Scaul knurrte im Schlaf und warf sich auf die andere Seite. Leiser fuhr ich fort: »Das bedeutet: Wir verdanken es al lein Sardaengar, dass es die Milchstraße heute noch gibt. Hätte er Litrak nicht be kämpft, hätte sich der Urschwarm neu initialisiert, eine Kleingalaxis inmitten - der unseren wäre neu entstanden ...« »... und dieser - womöglich unkontrol lierte - Entstehungsprozess hätte die Milchstraße schlichtweg zerfetzt«, voll endete das Beobachterbewusstsein in Li da Zoltrals Körper. Ich hatte den von den Schwarmgötzen übernommenen Normal-Schwärm gese hen, die Materialisation an Bord der MARCO POLO erlebt. Einen sich wieder rekalibrierenden Riesenschwarm, ver bunden vielleicht mit nicht schockge dämpften Massentränsitionen in der Größenordnung einer Kleingalaxis, ver mochte ich mir kaum vorzustellen. Ge schweige denn, was dies für das Schwer kraftgefüge unserer Galaxis bede utet hätte. >Das Ende aller Geschichten<, half der Extrasinn aus. So umschrieb jedenfalls der von dir so geschätzte arkonidische Philosoph Moraht-Them in seinen »Bü chern des Kristallenen Wassers« den to talen Weltuntergang. »Vor 546 Millionen Jahren«, überlegte ich leise. »Dann kann wohl die so ge nannte Kambrische Explosion vor rund 542 Millionen Jahren auf Litraks Ur schwarm zurückgeführt werden. Damals kam es zu einer schlagartigen Ausbrei tung des Lebens auf Terra, aber auch auf den meisten anderen Welten der Milch straße. Innerhalb von 40 Millionen Jah ren entwickelten sich komplexe Vielzel ler mit harten Schalen, und die Arten vielfalt stieg ebenso rätselhaft wie dra matisch an.« ; Li nickte, während sich der von ihr ins
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Feuer geworfene Astrest knackend krümmte. »Genau so war es. Litrakduurn wurde, nachdem er seinen Schmiegschirm ver loren hatte, mit der Zeit von der Milch straße förmlich aufgefressen. Der heu tige Rest ist der dir bekannte Kugel sternhaufen Omega Centauri.«
Litrak erging es wie so vielen Dienern der Kosmokraten, f asste der Logiksektor meine Emotionen zusammen. Sobald sie in Not geraten, sind sie völlig auf sich gestellt. Wem sagst du das?, fragte ich mein mentales zweites Ich. Dir, einem in Ungnade gefallenen ExRitter der Tiefe, gescheiterten Seiner zeit-Auserwählten und unbelehrbaren Ausnahme-Narren, warnte der Extra sinn. Lass dich nicht wieder vor ihren Karren spannen. Wobei, gab ich zurück, der Karren die ses Mal zu groß sein dürfte, um ihn noch aus dem Dreck zu ziehen. Ich verspürte eine tiefe, traurige Be troffenheit über die Gleichgültigkeit, mit der die Kosmokraten und ihre Beauf tragten - wieder einmal - ihre Helfer be handelt hatten. Obwohl ihnen zweifels ohne bekannt gewesen war, dass Litrak und Abermillionen Wesen der verschie denen Schwarmvölker gestrandet wa ren, hatten sie nichts, aber auch gar nichts zu ihrer Befreiung oder Rettung unternommen. Sie hatten sich einen Dreck um ihre gescheiterten Helfer ge schert, derweil diese wahrscheinlich und voll banger Hoffnung auf Hilfe gewartet hatten. Welche .Tragödien mochten sich abgespielt haben ... Erst als das Notfallsystem - eine tech nische Komponente - die Lage falsch in terpretierte und vor allem wegen der Biophoren eine gewaltige Gefahr darzu stellen begann, erst dann hatten die Kos
mokraten es für nötig befunden einzu greifen. »Vielleicht erkennst du das Muster nicht, Li«, sagte ich. »Mir fällt auf, wie gleichgültig deinem Auftraggeber Sam kar das Schicksal Litraks war. Ich weiß, wie gleichgültig unter anderem Samkars Ebenbild LAIRE agierte. Wie die sieben Mächtigen leiden mussten und auf gege ben wurden. Was ist, wenn du scheiterst, wenn du nicht schaffst, was immer dein Auftrag auch von dir verlangt? Wirst du dann auch einfach >aufgegeben<, oder wird er dir helfen?« Li sah mich mit ihren großen Augen an. »Ich weiß darauf keine Antwort. Samkar hat sich mir nie offenbart. Ich weiß es nicht. Er hat mir nur einen Auf trag erteilt.« Sie schüttelte sich, als müsse sie eine unsichtbare Hand von ihrer Schulter verscheuchen. »Und du?«, fragte sie leise. »Wirst du mir helfen?« Ich blickte ihr lange in die Augen, suchte darin nach der Li, die ich gekannt und geliebt hatte und die nicht mehr in diesen Körper war. Ich sah in ihren Au gen mein winziges Spiegelbild, bemerkte in den Mundwinkeln ihrer sinnlichen Lippen ein kaum wahrnehmbares Lä cheln, beobachtete das Spiel der erlö schenden Glut in ihren Haaren. Und nickte. »Natürlich helfe ich dir.« Na bitte, was habe ich gesagt?, em pörte sich der Extrasinn. Was verstehst du an dem einfachen Wort »Narr« eigent lich nicht? 9.
January Khemo-Massai: 30. April und 1. Mai 1225 NGZ Orbit um Vinara - an Bord der TOSOMA Die vorhandene Restenergie reichte, um den Jagdkreuzer in einen geostatio
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nären Orbit um Vinara zu bringen. In ei ner Höhe von rund 34.500 Kilometern versiegte der Fluss zu den GravopulsProjektoren. Die TOSOMA kam zum re lativen Stillstand. In Windeseile hatten sie die wichigsten Stationen bemannt. Tassagol hatte trotz seiner Verletzung so lange an der Funkanlage gearbeitet, bis er einen kurzen Kontakt zu Lethems Multifunktionsarmband hatte herstellen können. Die Nachricht, dass Atlan vom Expeditionsteam gefunden worden war und lebte, war jubelnd aufgenommen worden und hatte sich blitzartig im ge samten Schiff verbreitet. Und hatte mehr Arbeitseifer freigesetzt, als es das best geführte Motivationsgespräch jemals vermocht hätte. Die Besatzung stürzte sich geradezu in die Aufgabe, die T O SOMA aus ihrer technischen Lethargie zu erwecken. Nach und nach trafen Meldungen aus allen Bereichen des Schiffes in der Zen trale ein. Auf dem Mittelpunktpodest mit seinen Hochrangkontröllen nahm Khemo-Massai die Meldungen entgegen. Stirnrunzelnd studierte er das sich ab zeichnende Bild. In einem Holo liefen die eingehenden Werte zusammen. Schiffszustand: allgemein schlecht; festgestellte Schäden - allgemeine Über sicht: Energieversorgung: beide Gravitraf speicher entleert. Beschädigungen durch Überlastung/ Spontanenergieausfall in den internen Netzgittern. Beschädigungen am Hypertropzapfer. Beschädigungen der Außenhülle im gesamten Beibootgürtel: Ausschleusung ist zur Zeit nicht durchführbar. Ausfall der Fernortung. Ausfall sämtlicher Taster. Teilausfall Antigrav-Antriebskompo nenten. Teilausfall des Transitionstriebwerks. Ausfall Schildniveau II.
Ausfall Schildniveau III. Ausfall Nugas-Speicherkugel. Beschädigungen des SchwarzschildHilfskraftwerks. Geringe Beschädigungen an den Kor rekturtriebwerken. Und so weiter. Khemo-Massai rieb sich die schmal rückige Nase. »Na dann, an die Arbeit, Leute«, sagte er mit einem Stoßseufzer. »Bringen wir unsere Lady wieder in Schwung.«
Die erste gute Nachricht kam aus dem Maschinenraum. Hasdhor da Honghal meldete die automatischen Beparatursys teme betriebsbereit. Die zweite gute Nachricht überbrachte Mayhel Tafgydo von der medizinischen Abteilung. »Wir haben Olylyn Salryn gefunden« berichtete sie. »Sie lebt. Sie ist zwar stark dehydriert und immer noch ohne Bewusstsein, aber sie wird durchkom men.« Khemo-Massai atmete auf. Die intel ligente Morann-Wanderpflanze war nicht mit von den Ovalrobotern entführt und von allen bereits für tot gehalten worden. Offenbar hatten die Maschinen wesen Olylyn Salryn für eine Zierpflanze gehalten und deshalb .unbeachtet an Bord zurückgelassen. Die letzte Meldung hatte gelautet, beim Absturz sei Olylyn schwer gestürzt und ins Koma gefallen. Die Wanderpflanze war ein vollwertiges und wertvolles Mitglied der Besatzung und fungierte in der Hierarchie der T OSOMA zur Zeit als Stellvertretende Lei terin der Bordklinik. Nach und nach fuhren die Aggregate hoch. Die Leute arbeiteten in allen Ab teilungen mit einem Hochdruck, der Khemo-Massai angesichts der zurück liegenden Strapazen allen Respekt abnö tigte. Er ordnete immer wieder Pausen an, nahm selbst, nach etlichen Gläsern
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Wasser, dankbar einen Becher Kaffee entgegen, brachte aber wider Erwarten keinen Bissen Nahrung hinunter. Stunden verrannen... Dann meldete die Ortungszentrale ein geschränkte Betriebsbereitschaft. Erste Sonden konnten abgesetzt werden und lieferten Informationen über die Situa tion auf Vinara. Nahezu überall herrschten chaotische Zustände. Die Natur duckte sich unter weiteren Einschlägen und befand sich in den meisten T eilen des Planeten in Auf ruhr. Rund um den einzigen Kontinent tobten auf den Wassern des Ozeans Stürme jenseits jeglicher Vorstellungs kraft. Bis in die oberen Schichten der At mosphäre hinaufreichende T ornados saugten Wasserhosen an; gigantische Flutwellen liefen mit mörderischer Ge schwindigkeit auf die Küstenbereiche zu. »Und inmitten all dessen stecken At lan, Lethem und die anderen fest«, mur melte Khemo-Massai niedergeschlagen. Doch für eine Landung und einen an schließenden Start fehlten zur Zeit noch alle Voraussetzungen. Ein Phänomen war unerwartet und blieb unerklärlich: Überall auf dem Kontinent materialisierten Millionen von Lebewesen, derweil die vier mondlosen Planeten verschwunden waren. Nur noch Vinara drehte sich mit seinem Mond um die einsame, 91,635 Millionen Kilometer entfernte Sonne. Der den Planeten umgebende Öbsidi angürtel war offenbar zu weit über neun zig Prozent auf den Kristallmond gestürzt; dies ergaben vergleichende Tas termessungen. Die Vergessene Positronik war zudem mit dem Mond kollidiert. Allerdings ver hinderten starke energetische Emissio nen auf der Mondoberfläche genauere Detailmessungen, ob und inwieweit sie dabei beschädigt oder gar zerstört wor den war.
Immer wieder konsultierte der Kom mandant das den Lagebericht abzeich nende Holof eld. Der derzeitige Zustand, am Abend des 30. April 1225, lautete: Schiffszustand: allgemein hoch einge schränkt betriebsbereit. Khemo-Massai atmete abermals auf. Es ging voran. Langsam zwar, aber im merhin. Er merkte nicht, dass er irgendwann vor Erschöpfung eingeschlafen war, und auch nicht, wie ihn Medorobots in seine Kabine trugen. 10. Atlan: l, Mai 1225 NGZ Vinara - Mertras, das Land der Silbersäulen Sintflutartiger Regen weckte uns in der Stunde der Morgendämmerung. Ein heftiger Wind blies aus Osten, Donner grollen lag in der Luft. Graue, beinahe schwarze Wolken zogen in geringer Höhe über das Bergland und prallten gegen das weiß strahlende Hindernis der Schirmglocke. Auch dieser Regen trug die Anzeichen eines misshandelten Planeten mit sich. Dunkler Aschenschlamm, durchmischt mit rötlicherErde, schmierte über unsere Gesichter und Kleidungsstücke. Der Wind stank nach Fäulnisgasen. Lis Paillettenanzug entfaltete einen kugelförmigen Transparenthelm, als Einzige von uns blieb sie trocken. Mein eigener leichter Schutzanzug hatte ur sprünglich ebenfalls eine Helmkapuze besessen, doch die Anstrengungen und der lange, wechselnde Aufenthalt auf den Vinarawelten hatten bei ihm einen hohen T ribut gefordert: Die Kombina tion war inzwischen an vielen Stellen zerrissen und vor allem ihrer techni schen Funktionen fast vollständig be raubt. Meine Kapuze hatte ich, wie auch
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einen Teil des Ärmels, bei der Bekämp fung des Luftschiffbrandes verloren. Unser Lagerplatz verwandelte sich binnen Minuten in eine Mulde a us Matsch, in der sich der Regen sammelte, der von der senkrechten Wand der aufra genden Schirmglocke in wahren Sturz bächen herabströmte und überall in dem »Pfannenkessel« Pfützen zu bilden be gann. Lethem fluchte, Zanargun und Scaul Rellum Falk ebenso. Ondaix tat das ein zig Vernünftige: Er barg die Reste des Bratens unter seinem weiten Überwurf. Als erste Blitze krachend in die Schirmglocke einschlugen, zogen wir uns ein Stück von der weiß schimmernden Wand zurück. Den ersten Blitzen folgten weitere; die umliegenden Berge warfen das ohrenbetäubende Donnern in vielfachen Echos zurück. Aus Lethems Multif unktionsarm bandgerät ertönten nur elektronisches Prasseln und statisches Rauschen. Ein Kontakt mit unserem Schiff kam entweder durch die Entladungen der Blitze oder durch die mit der Schirm glocke verursachten Interferenzen nicht zustande. Als der Regen nach Stunden endlich nachließ, saßen wir auf einer von vielen kleinen Erhebungen inmitten eines aus zahllosen Pfützen ineinander gelaufenen Sees. Ein winziger Punkt, den ich irgendwann am Horizont bemerkte, kam lang sam näher. Dann hörten wir das für den Schwebeflug der TOSOMA charakteris tische Summen, und der Schwere Jagd kreuzer senkte sich über unseren Köpfen herab.
Zuerst steckten sie uns in die Desin fektionskammern. Anschließend beka men wir frische Wäsche und Bordkombi nationen. T amiljon wurde gesäubert und
in die Bordklinik gebracht, wo sich May helTafgydo um ihn kümmerte. Wir anderen betraten die Zentrale. Es gab eine kurze, aber herzliche Begrü ßung; für längere Gespräche war keine Zeit. January Khemo-Massai meldete das Schiff bedingt einsatzbereit. Beim Ab sturz.war niemand getötet worden, auch nicht während der Zeit des Zwangsauf enthaltes in der Stufenstadt. Doch tags zuvor, bei einem unvorhersehbaren An griff eines gestörten arkonidischen Ro botraumers, hatte es zwei Tote gegeben, die nun auf der Verlustliste standen. »Setze Horgald Massarem und Veloz da Metztat hinzu«, murmelte ich dumpf. »Und Jörge Javales.« Lethem da Vokoban nickte traurig und zählte die im Einsatz gefallenen Mitglie der seiner Gruppe auf. Alle in der Zen trale senkten den Blick. v Li legte mir eine Hand auf den Arm und sah mich ungeduldig an. »Wir werden ihrer später gedenken«, sagte ich. »Jetzt müssen wir uns vorran gig der weißen Kuppel widmen. Sind die Waffen einsatzbereit?« »Nur bedingt«, antwortete der Kom mandant. »Keine Transformgeschütze, keine Paralysatoren. Vier der acht MVHDoppeltürme sind noch nicht wieder re pariert. Infolge des T echnik hemmenden Einflusses sind die betreffenden Form energie-Verschlussfelder kollabiert. Me-. chanische Beschädigungen traten auf, als ...« »Keine Details«, unterbrach ich ihn. »Wir versuchen esmit dem, was geht.« Mit wenigen Worten setzte ich ihn ins Bild. Unser Ziel war, in den Bereich un terhalb der weißen Schirmglocke einzu dringen. Der Schirm musste zusammen brechen, doch Grataar, Sardaengars Ge birgsbastion, durfte nicht beschädigt werden. Gulokhiz hatte mitgehört und meldete die verfügbaren Waffen klar. Zuunarik
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brachte die TOSOMA auf eine Höhe von gol. »Walzenförmig. Ein Springerschiff 8000 Metern über den Scheitelpunkt der nein«, korrigierte er sich sofort. »Es ist Schirmglocke. eine Walze der Überschweren. LPV-Ab Der Kommandant sah mich fragend gleich zeigt Deckung mit Modellen, wie an. Ich nickte. sie zwischen 400 bis 430 NGZ auf Pa »Feuer!«, befahl er. ricza gebaut wurden.« In hundertfacher Vergrößerung ver Khemo-Massai wechselte einen Blick folgten wir auf der Panoramagalerie den mit Lethem, dann mit Zuunarik. Glutorkan, den Gulokhiz entfesselte. Die »Funkkontakt«, sprach Tassagol wei Desintegratoren und Konstantriss-Na ter. Seine Augen weiteten sich ungläu delpunkt-Kanonen setzte er zunächst big. nacheinander, dann gleichzeitig ein. »Lass hören!«, befahl Khemo-Massai. Das Ergebnis war nicht einmal mager; Plötzlich erfüllte heller Saitenklang es war überhaupt kein Ergebnis nachzu die Zentrale. Und eine tiefe Stimme in weisen. Weder normaloptisch noch tonierte: durch Taster- oder Ortungswerte. »Ich laufe, lauschend, wo Lethem sich Einzelschüsse blieben wirkungslos, labt, ebenso minutenlanger Salventakt. Gulo ich zittere, zeternd, wo Zanargun zagt, khiz gab entnervt Dauerfeuer, doch die ich kalkuliere, keuchend, wo Khemo weiße Schirmglocke zeigte weiterhin so klagt, keinerlei Verfärbung, kein Aufwallen, und finde, frohlockend, dass Falk fa kein noch so geringes Flackern. Weder buliert.« die molekulare Bindungskräfte neutrali Ein dröhnendes Ge lächter aus etli sierenden Desintegratorstrahlen dran , eben Überschwerenkehlen überschüt gen in die Kuppel ein, noch schafften es tete die Anwesenden. die KNK-Geschütze, die weiße Glocke »Umrin!«, riefen Lethem und Khemo auch nur anzukratzen. Immerhin Waf gleichzeitig. fen, die normalerweise sogar Paratron »In der Tat, meine Freunde«, kam die schirme zu durchschlagen vermochten. Stimme des Barden aus den Akustikfel »Wir brauchen die Intervallstrahler«, dern. Zugleich bildete sich ein Holo, in stieß Gulokhiz wütend hervor. »Ausge dem der Überschwere vor dem Hinter rechnet die sind defekt.« Er ließ die Ge grund altertümlicher Konsolen er schütze verstummen. schien, »Wie es scheint, habt ihr ein ge Li fuhr herum. »Und was jetzt? Wir wisses Problem. Darf ich euch die Hilfe müssen da hinein.« der TEM Neun anbieten? Ausnahms »Hat jemand einen Vorschlag?«, fragte weise einmal umsonst, wo doch die Li ich unwirsch. »Irgendeinen? Ich nehme thras-Perlen so im Kurs gefallen sind...« heute sogar schlechte entgegen.« »Wie habt ihr ... wie bist du ...?« Zanargun, der Leiter der Abteilung Khemo-Massai fand nur sehr mühsam Außenoperationen und Chef der Lan Worte. dungstruppen, hob die Hand. »Erst mal Umrin Zeles Barbinor lachte. »In den entspannen, Atlan«, sagte er ruhig. »Erst Besitz der TEM gekommen, meinst du? mal Kaffee.« Er hob einen dampfenden Gar nicht, denn rechtmäßig gehört sie Becher von dem T ablett eines Servoro immer noch der Familie meines Freun bots und reichte ihn mir. »Du wirst sehen, des Temicron, den ihr hier seht.« Ein dann ...« Zanargun wurde von dem ein zweiter Überschwerer stapfte ins Bild setzenden Ortungsalarm unterbrochen. und grinste ihnen entgegen. »Seit 821 »Objekt nähert sich«, meldete Tassa Jahren wird in seiner Familie ein Kode
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gebet als wichtigstes Erbstück weiterge geben. T emicron als Erbe wusste damit umzugehen. Als ich euch davonlaufen sah, rief ich Temicron und seine Freunde herbei, und wir machten uns gleichfalls auf den Weg. Kann sein, dass wir dabei ein wenig schneller unterwegs waren als ihr mit euren dünnen Beinchen... Als der Schuss den Hügel zerfetzte, waren wir schon weit in der Ebene. Kurz und gut, wir fanden das Schiff, und der wieder er wachte Syntron der T EM hat T emicron als Erben und rechtmäßigen Besitzer an erkannt. In buchstäblich letzter Sekunde hob uns das Schiff aus dem Inferno her aus; allerdings erlitten wir Schäden, die glücklicherweise die TEM, Paricza sei Dank, selbst beheben konnte. Danach ortete der Syntron eure Freüdenschüsse, und hier sind wir, um ordentlich mitfei ern zu können.« »Die Spuren im Sand«, murmelte Zuunarik verstehend. »Ist Kythara bei euch?«, wollte Lethem wissen. »Ich bedauere, mein Freund. Ich wähnte sie in eurem Beisein.« Lethem schüttelte nur stumm den Kopf. »Kannst du den Syntron der TEM an sprechen? Einen Verbund mit unserem LPV herstellen?«, fragte ich Ulbagimuun. Der Dryhane nickte. Khemo-Massai ver stand. »T emicron«, wandte er sich an den Schiffserben. »Du gibst eurem Syntron den Befehl, für die bevorstehende Ope ration die Waffengewalt an unseren Syn tron zu übertragen. Koordination erfolgt von hier. Wir versuchen einen Punktbe schuss aus allen Schiffswaffen.« Der Überschwere leitete die Anwei sung weiter. Ulbagimuun gab ein Zei chen - die Verbindung stand. Daten wur den zwischen den Schiffen ausgetauscht. Gulokhiz klatschte plötzlich in die Hände. »Und sie haben Intervallstrah ler«, frohlockte er.
»Feuer!«, befahl Khemo-Massai aber mals. Wieder wallten Energien, durch den Syntronverbund auf einen Punkt kon zentriert, der weißen Kuppel entgegen. Diesmal rasten aus den Bordkanonen der TEM intermittierende überlichtschnelle Abstoßfelder mit herunter. Auf einmal verfärbte sich das Weiß der Schirm glöcke zu heller Bläue. Das Blau wurde rasch intensiver, breitete sich aus. Dann zerfaserte der Rand des Bereiches, an dem die Energien sich brachen, in dun kelblaue, kilometerlange Risse aus. Und im nächsten Moment sackte die Schirm glocke in sich zusammen. Freudige Rufe erklangen. Jemand klatschte - und brach ab. Die weiße Schirmglocke war erlo schen. Eine darunter zum Vorschein kom mende pechschwarze Kuppel aus einem absolut lichtschluckenden Etwas ver wehrte uns weiterhin den Zutritt. Der aufbrandende Jubel der Über schweren an Bord der TEM IX verging so rasch, wie er entstanden war. In den absterbenden T umult hinein meldete sich May hei Tafgydo. »Tamil jon ist erwacht. Von einem Moment zum an deren.«
»Gratuliere, Mayhel«, rief ich. »Womit hast du ...?« »Ich habe gar nichts«, widersprach die Ära-Frau missgelaunt. »Er ist von selbst aufgewacht und will das Schiff verlas sen.« »Bitte ihn in meinem Namen um etwas Geduld.« Die Ärztin nickte und schaltete ab. »T assagol. Bekommst du Daten über die Art des Energieschirms geliefert?«, fragte ich. »Es ist kein Schirm, den wir kennen. Vielleicht handelt es sich nicht mal um
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einen Schirm. Ein unbekanntes Kraft feld - aber frage mich nicht, wag es be wirken soll.« Ich wandte mich an Zuunar ik. »Steuere die TOSOMA vorsichtig hin ein. Vielleicht können wir es durchflie gen.« »Nein«, kam es von Li. »Dieses Feld ist nur zu Fuß passierbar.« Sie sprach mit absoluter Bestimmt heit. »Negativ, Atlan«, gab ihr der Erste Pilot Recht. »Näher als zehn Meter be komme ich die T OSOMA nicht heran. Ein Widerstand baut sich auf, den ich mit den Kräften des Schiffes derzeit nicht überwinden kann.« »Lass uns gehen, Atlan«, verlangte Li. Sagte es und ging zum Lift. Ich bedeutete Khemo-Massai, die TOSOMA unweit der schwarzen Glocke zu landen, und fuhr mit Li in Begleitung des unermüdlichen Zanargun zur Bo denschleuse hinunter.
Nachdem ich einen neuen Schutzan zug übergestreift hatte, verließen wir zu dritt das Schiff. Ich leinte mich mit ei nem Seil an, das andere Ende drückte ich dem Luccianer in die Hand. Dann streckte ich vorsichtig die Hand aus und berührte die Oberfläche der vor mir auf ragenden Wand aus purer Finsternis. Nichts. Kein Kribbeln. Keine Funken. Weder ein Aufblitzen noch ein Knistern. Meine Hand verschwand einfach in der Schwärze. »Ich gehe jetzt hinein«, sagte ich und machte zwei langsame Schritte vor wärts. Die Finsternis, die mich umgab, war absolut. Nicht einem Lichtquant war es gelungen, in die pure Schwärze einzufallen. Ich sah buchstäblich nichts, schon gar nicht die sprichwörtliche Hand vor Augen. Ich drehte mich um, orientierte
mich an dem Seil, blickte in Richtung der TOSOMA und, dorthin, wo Li stehen musste. »Kannst du mich hören?«, fragte ich. Keine Antwort. Wenn Lichtwellen ausgefiltert werden, gilt dies mit großer Wahrscheinlichkeit auch für Schallwellen, erläuterte der Ex trasinn. Im Inneren der Glocke setzt sich dort entstehender Schall offenbar nor mal fort. Warum kann ich die Barriere durch dringen?, fragte ich. Womöglich liegt es an deiner Rit teraura. Oder an den Emissionen deines Zellaktivators. Ha! Du weißt es also nicht, gab ich grimmig zurück. In diesem' Moment verschwand der Zug des Seils. Und seltsame Kühle um fing mich. Ich betastete meine Arme, meine Beine, meine Brust - mein Schutz anzug war vollständig verschwunden. Alles an ihm: Stiefel, Aggregattornister, Falthelm, Gürtel... »Aufgelöst wie Tamiljons Kleider«, murmelte ich verblüfft. »Wovon sprichst du?«, hörte ich plötz lich Li fragen. »Wieso kann ich dich auf einmal hö ren?« »Ich bin dir gefolgt. Ich stehe unmit telbar neben dir - glaube ich.« Ich spürte eine Berührung am Arm, griff zu und erfasste ihre Hand. »Und jetzt?« »Kehren wir um. Sonst verirren wir uns.« Was Li mir nicht verraten hatte, sah ich in dem Moment, als wir zwei Schritte rückwärts getan hatten. Auch ihr gold farbener Paillettenanzug war ver schwunden. Und das, was sie womöglich darunter getragen hatte. Vollständig nackt standen wir Hand in Hand in Sichtweite der Bodenschleuse der TOSOMA. »Was ... was habt ihr da drinnen ge^
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macht?«, stotterte Zanargun, der das lose Ende des Seils umklammerte, als könne es ihm in dieser Situation besonderen Halt verschaffen. »Uns neu orientiert«, antwortete Li ungerührt. »Aber für die Zukunft sehen wir schwarz.«
In der folgenden Stunde ergaben alle weiteren Tests das gleiche Ergebnis. Jede Form von Technik und jede Art von künstlicher Materie wurde von dem dunklen Kraftfeld absorbiert. Nur Li und mir war es möglich, die Schwärze zu betreten; alle anderen, die es versuchten, scheiterten an der puren Finsternis ebenso wie die Sonden oder Roboter, die wir vergeblich aussandten. Alle außer Li und mir wurden unter starken Schmer zen abgestoßen. Alle ... bis auf Tamiljon. Auch er konnte ohne Schwierigkeiten in das Kraftfeld eindringen, doch auch er verlor dabei jedes Kleidungs- und Aus rüstungsstück, das ihm in der TOSOMA gegeben worden war. Vielleicht war es sein kristallines Exoskelett, das ihm das Betreten ermöglichte. »Ich kann euch führen«, behauptete er, als er wie der vor uns stand. »Ich spüre die Ge genwart der Gebirgsbästion wie einen Druck in meinem Kopf. Ich kann die Richtung-bestimmen, in die wir ge hen müssen.« Mangels , anderer Alternativen ent schlossen wir uns, zu dritt am Nachmit tag in das dunkle Reich hinter dem Energievorhang aufzubrechen. Meines Wissens war dies die erste Exkursion meines etwa dreizehntausendjährigen Lebens, bei der alle Teilnehmer splitter nackt waren. Ich vermied es, allzu oft auf Lisvor mir schreitende Beine und das sich darüber wölbende, im perfekten Muskelspiel be we gende Hinterteil zu starren. Ich at
mete beinahe auf, als die Schwärze uns verschluckte. Wir tasteten nach unseren Händen und gingen in die Richtung, die uns T a miljon vorgab; er voran; ich als Letzter.
Alle Geräusche von außerhalb waren verebbt. Was wir hörten, war nur das Ra scheln unserer bloßen Füße im trockenen Gras. Rundum war es windstill. Ab und zu schwirrten und summten Tiere durch die Finsternis. Oder wir störten Mäuse oder ein paar Eidechsen auf, die pfeifend und zischend davonhuschten. Und wir vernahmen T amiljons nicht enden wollende, halblaute Warnungen vor Gelähdeunebenheiten. Irgendwann konnte ich das »Achtung - Stein!« nicht mehr ertragen. Zumal ich mehr als ein mal gerade dann gegen ein am Boden Hegendes Hindernis stieß. Warnungen vor Dornensträuchern gab er hingegen nicht - vielleicht nahm er sie infolge sei nes Kristallskeletts nicht einmal wahr. Ich allerdings schon. Meine Hand in der Lis schwitzte; die vertraute Geste brachte mich beinahe um den Verstand, bescherte mir einen Wust aus zusammenhanglosen Erinne rungen, rief die Orte und Gelegenheiten wach, in denen wir uns Hand in Hand be funden hatten... Eine Viertelstunde verging. Immer noch gab Tamiljon vor, zu wis sen, in welche Richtung wir gingen. Plötzlich hörten die Dornensträucher auf. Das Gelände begann anzusteigen. Irgendwo gluckerte ein Bach. Längst hatte ich die Lider geschlossen. So verrückt es klang, aber die pure Fins ternis tat meinen Augen weh. Weitere fünfzehn Minuten. Dann kamen die Stimmen. Li bemerkte sie als Erste. »Hört ihr das?«, fragte sie und blieb stehen. »Nein«, sagte ich und stolperte gegen
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ihren nackten Körper. Ein loser Stein wackelte dumpf unter meinem Fuß. Meine Hand fuhr über ihre T aille, mein Unterleib berührte sie unabsichtlich. Ein Schauder durchf uhr mich, der nichts mit irgendwelchen Stimmen zu tun hatte. Ich schalt mich einen Narren und kam dem Extrasinn damit ausnahms weise einmal zuvor. »Ja«, sagte Tamiljon. Li trat einen Schritt von mir weg und ließ meine Hand los. »Lass das!«, zischte sie. »Seid ruhig«, flüsterte Tamiljon. Ich verhielt mich völlig still. In der Tat, da sprach jemand. Eine Frauenstimme. Was sie sagte, konnte ich nicht verstehen. Ein Piepsen antwortete. Dann sah ich das Licht. Es kam rasend schnell näher, ein anschwellender Punkt in der Finsternis, Und er schwankte wie in raschem Lauf getragen. Schwere Schritte wurden langsamer, dann schäl ten sich seine Umrisse aus der Dunkel heit. Seine königliche, schlanke, fast ha gere und hoch aufragende Gestalt. Seine geschmeidigen Bewegungen, das dun kelbraune Metall, das so weich 'dort nachgab, wo Gelenke hätten sein müs sen. Ich spürte sein überwältigendes Charisma, blickte in sein rechtes Auge, das mich fixierte; sein linkes konnte den Blick nicht binden, es schielte. Samkar trug eine altmodische Petro leumlaterne, die er hoch über seinem Kopf hielt. Ihr flackernder Lichtkreis er hellte einen Bereich von vielleicht zehn" Metern, in dem ich ihm gegenüberstand völlig allein. Li und Tamiljon waren verschwunden. »Was willst dunoch?«, stieß ich hervor. Der Roboter, Diener und Beauftragte der Kosmokraten würdigte mich keiner Antwort. Er ging, ohne mich zu beach ten, an mir vorbei und stellte die Laterne auf einen im trockenen Grasboden lie
genden Stein. Dann erhob er sich und schritt mit einer perfekten Grazie in die Dunkelheit hinein; mit einer Anmut, die von einem lebenden Humanoiden nicht erreichbar war. »Warte!«, rief ich ihm nach. »Was hast du mit Li undT amiljon gemacht?« Se in ästhetisch geformter Körper blieb stehen. Er wandte sich langsam um. Und ich starrte in das Gesicht von Laire! Zwei »gesunde« Augen musterten mich, und ein rascher Blick auf seine Hände vertrieb jeden Zweifel an seiner Identität - die Vorderglieder seiner Fin ger waren verkürzt, die nachfolgenden •wirkten ausgeglüht... »Du bist immer .noch wütend, Atlan«, sagte der Kosmokratenroboter, der um so vieles älter war als sein stählernes-Eben bild Samkar. »Was geht hier vor?«, wollte ich wis sen. »Verachte nicht den Wanderer, der sein Ziel verfehlt« sagte Laire, »denn auch ein falscher Weg führt zu neuer Er kenntnis.« War es dieser altvertraute Vers von Moraht-Them, der als Auslöser fun gierte, die unwirkliche Situation an sich oder gar ein beginnendes Versagen mei nes Zellaktivators - in diesem Moment überfiel mich ein rasender Kopfschmerz. Aufstöhnend sank ich in die Knie. »Als Auserwählter hast du versagt«, verkündete der Roboter. »Erwartungsge mäß.« Laire schritt an mir vorbei, holte mit dem Bein aus und trat gegen die Laterne, die klirrend umfiel und zerbrach. Ihr In halt fing sofort Feuer; das brennende Pe troleum entzündete das trockene Gras. Im Nu stand eine Fläche von mehreren Quadratmetern in Brand. Laire schritt durch die Flammen und verschwand, ein Schemen in der Dunkelheit. Ich fluchte, sprang auf, rannte um die brennenden
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Petroleumlachen herum und setzte ihm nach. Schlagartig umfing mich abermals die gewohnte Schwärze. Wo eben noch Flammen loderten, war pure Finsternis. Du erlebst Visionen, wisperte der Ex trasinn. Einmal mehr. Traue nichts und niemandem. Ich nickte beklommen. Realer hätten allerdings auch die wirklichen Kosmokratenroboter nicht sein können. »Li«, rief ich, so laut ich konnte. »Ta miljon! Wo seid ihr?« Ich blieb stehen und lauschte ange strengt. Keine Antwort. Oder doch? Eine weibliche Stimme, ganz schwach zu hören, rief mehrmals meinen Namen. Ich drehte mich ein paarmal um mich selbst, bis ich sicher war, aus welcher Richtung ihr Ruf kam. »Ich bin hier«, rief ich zurück. »Warte, ich komme.« Nach ungefähr hundert tastenden Schritten erblickte ich abermals ein Stück weit voraus einen flackernden Lichtschein. Er schimmerte durch das Geäst eines Busches; es war ein Lager feuer, das dahinter brannte. Vorsicht, warnte der Extrasinn. Nichts ist so, wie es scheint, Ich trat um den Busch herum - und sah eine mir fremde und doch seltsam ver traut anmutende, attraktive junge Frau am Feuer hocken. Sie trug eine lindgrüne Paillettenbluse und eine dunkelgrüne, enge Hose. Ihre dunkelbraunen Haare waren kunstvoll hochgesteckt und glänzten im Licht der Flammen. In ihrem Schoß kauerte ein seltsames Pelzwesen, etwa so groß wie eine terranische Katze. Die Frau kraulte das T ier und fütterte es zugleich mit etwas, das Nüsse sein moch ten. Jedenfalls knackte das T ier an den Schalen herum und verspeiste deren In halt mit sichtlichem Genuss. »Er ist fort, weißt du«, hörte ich die Frau sagen. »So unendlich weit fort.«
Sie seufzte; das braune Pelzwesen hob bei dem Laut kurz den Kopf mit den gro ßen Augen, spielte mit den langen, bu schigen Ohren und quäkte fragend: »At lan mekt?« »Ja, mein Kleiner«, nickte die Frau, und Tränen schössen in ihre Augen. Achte nicht darauf, drängte der Ex trasinn. Es sind Halluzinationen. Hirn gespinste. Die Frau trägt Kleidung; in diesem Kraftfeld ein sicheres Zeichen fü r ihre Virtualität. Und das Tier spricht. Brauchst du noch mehr Be weise? Nein, gab ich mental zurück. Ich wandte mich brüsk von dem Feuer ab, und kaum hatte ich ihm den Rücken zugekehrt, umgab mich wieder absolute Dunkelheit. »Woher kommen diese Bilder?«, fragte ich mich laut. Aus deinem Inneren, antwortete der Extrasinn. »Samkar und Laire - na schön. Aber ich habe weder diese Frau noch das Pelz wesen je gesehen«, widersprach ich. »Oder?« Der Extrasinn gab keine Antwort. Zu dem wurde ich jäh in meinen Überlegun gen unterbrochen. »Atlan?«, hörte ich plötzlich Tamiljons Stimme ganz aus der Nähe. »Ja«, rief ich. Gras raschelte, und ich fühlte die Berührung von warmer Haut und einer heißen, harten Kruste an mei ner Schulter. »Ich hab ihn«, sagte Tamil]on. »Na endlich«, kam es von Li. Es war eine Feststellung, ohne jede Spur von Er leichterung gesprochen. Ihre einzige wahrnehmbare Emotion war Ungeduld. Ihre kühle Beherrschtheit überzeugte mich davon, diesmal keiner Vision zu er liegen. Dies - und dass die Kopfschmerzen nachließen.
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MichaelH. Buchholz »Hattet ihr auch ... Erscheinungen?«, fragte ich in die Finsternis hinein. »Nein«, sagte Tamiljon. »Ja«, sagte Li gleichzeitig. Ich erzählte, was mir widerfahren war. Li war auch mit Samkar konfrontiert worden, aber in einer völlig anderen Sze nerie. »Er verschwand, als ich es ihm be fahl«, sagte sie schließlich. »Ich glaube, die Visionen stellen Traumwelten dar. Und sie lassen sich beeinflussen. Ich habe versucht, meine letzte T raumwelt zu gestalten. Eine konzentrierte Imagi nation Verdrans vertrieb für einen kur zen Moment die Dunkelheit des Kraft feldes. Ich sah die Sonne und Vadolon über den Bergen stehen und darunter Sardaengars Bergbastion in ihrem Licht erglühen. Und ich sah dich, Atlan, als ich mir vorstellte, dich zu sehen - du sprangst in hohen Sätzen über das Gras. Ich denke jetzt, ich habe dich dabei be obachten können, wie du den Flammen in deiner Vision ausgewichen bist.« »Also Imagination ist der Schlüssel«, murmelte ich. »Und gerade jetzt? Was erleben wir in diesem Augenblick? Ist die Finsternis auch eine Vision?« »Kann sein«, antwortete Li, »dass die gesamte Schwärze nur in unserer Vor stellung existiert. So als würde das Kraftfeld eine Art leere Matrix bilden, in die hinein wir unsere Traumwelten pro jizieren können. Wobei es offenbar keine Rolle spielt, ob es eine unbewusste Ak tion wie bei dir war oder eine bewusste Imagination wie bei mir. Außerdem... Ich bin nicht sicher, aber ich meine seit kur zem so etwas wie einen paranormalen Kontakt zur Vergessenen Positronik zu spüren. Frag mich nicht, wieso und wo durch - ich weiß es nicht. Es ist, als wolle sie dem Bann des Mondes entkommen, schaffe es aber nicht, zu entmaterialisie ren, und ruft daher mental um Hilfe. Vielleicht hilft dieser Vorgang uns dabei, unseren Einfluss hier zu verstärken.«
»Das würde bedeuten, wir könnten das Kraftfeld dazu bringen, uns zu zeigen, was wir sehen wollen?« »Wenn unsere Imagination stark ge nug ist - ja.« Aber wird das, was du sehen willst, das sein, was du tatsächlich siehst?, warf der Extrasinn ein. Es käme auf einen Versuch an. »Lasst uns weitergehen«, forderte Ta miljon. »Ich spüre die Bastion immer deutlicher.« »Wir gehen weiter«, bestimmte ich, »und dabei werden Li und ich uns ge meinsam darauf konzentrieren, Verdran und Vadalon am Himmel zu erblicken.« Gezielte Imagination war ein Bestand teil der Dagor-Meditation; ähnliche Praktiken hatte ich zudem bei den ZenBuddhisten im alten Japan kennen ge lernt. »Also los«, sagte Li. Wieder ergriffen wir uns bei den Händen.
Ich nahm meine Schritte als Gebets mühlenersatz. Was wir hier taten, war genau genommen das Greifen nach ei nem nicht vorhandenen Strohhalm. Imagination... Mit jedem Aufsetzen eines Fußes rief ich das Bild der Vinara-Sonne aus mei ner Erinnerung auf, projizierte es ebenso wie Vadolon im Sekundentakt auf eine Art innere Leinwand. Das fotografische Gedächtnis des Lo giksektors unterstützte mich dabei nach Kräften. Und wirklich - plötzlich und viel schneller, als ich es erwartet hatte, stan den wir in hellstem Licht. Verdran sank bereits den westlichen Bergspitzen ent gegen, und der Kristallmond warf sein blendendes Weiß auf eine schroffe und gut vierhundert Meter hohe Klippe, die steil vor uns in der Mitte des »Pfannen kessels« aufragte. Die T OSOMA war
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nicht Teil dieser Vision; ich konnte sie nirgendwo erblicken. Tamiljon hatte' uns bis nahe an den Fuß dieser Klippe geführt. Ein schmaler Weg wand sich in vielen Kurven zur Ge birgsbastion hinauf. Li legte wie ich den Kopf in den Nacken und betrachtete das aus fünf himmelstürmenden T ürmen be stehende Grataar. Die T urmbauten bildeten die Eck punkte eines gleichseitigen Fünfecks. Ihre Formation spielte damit auf die ur sprünglichen fünf Welten an. Nicht alle T ürme waren gleich hoch; aber alle zeig ten sie ein dumpfes Grau, ähnlich dem der gealterten Silbersäulen. Vielleicht waren sie tatsächlich einmal silberfar ben gewesen; doch jetzt wirkten die dunklen und teilweise rostig angelaufe nen Fassaden rau und schartig. Sie wie sen Risse auf - und regelmäßige Vertie fungen, die an Öffnungen von Schieß scharten erinnerten. Alle fünf Kolosse besaßen Kuppeln, in denen sich ovale Fenster zu befinden schienen. Auf den Kuppeldächern erkannte ich säulenähn liche Aufbauten, die auch kleinere T urmaufsätze oder Seitentürme sein konnten; so genau war dies aus unserer niedrigen Position nicht zu erkennen. Die beiden kleineren der wuchtig wir kenden T ürme wuchsen noch einmal ge schätzte 450 Meter von der an sich schon 400 Meter hoch gelegenen Klippenfläche empor. Der höchste T urm, ganz im Nor den stehend, ragte noch einmal 200 Me ter höher in den Himmel hinauf. Ein ver winkeltes Gerüst oberhalb seiner Kup pel endete in einer winzigen Plattform. Keines der wuchtigen Gebäude glich gänzlich, dem anderen, doch sah man deutlich, dass alle fünf einem einzigen Gehirn entsprungen sein mussten. Vielleicht ja dem deinigen, merkte der Extrasinn an. Bedenke, es ist eine Imagi nation ... Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Viel zu wirklich wollte mir diese Vision er
scheinen. Aber wann war Wirklichkeit wahrhaftig? Eine halbe Stunde später hatten wir die Klippe über den schmalen Weg hin auf erklommen und standen vor Sar daengars Gebirgsbastion. Der Weg endete hier. Li und ich hatten Blasen an den Füßen von dem steinigen Aufstieg. Tamiljon murrte und blickte sich su chend um. Weit und breit gab es weder ein. Tor, durch das wir schreiten konnten, noch einen T ürklopfer, mit dem wir uns hätten anmelden können. Deine Imagination hat gewisse Un vollständigkeiten, kommentierte der Ex träsinn. Ein heiseres Schreien ließ uns zusam menzucken. Es kam von elf riesigen Flugechsen, die hoch oben zwischen den T urmsäulen der Gebirgsbastion kreisten, ehe sie, abermals schreiend, mit langen Flügelschlägen nach Westen flogen.
»Wir müssen zum Westturm«, erklärte Li. »Nur dort fand ich einen Zugang.« Wir befanden uns unmittelbar vor der Wandung des Südostturms. Li wandte sich nach links und ging ohne ein weite res Wort voran. Tamiljon folgte ihr, wei terhin immer wieder in alle Richtungen blickend, als suche er nach etwas Be stimmtem. Meine Frage, wonach, igno rierte er. Li führte uns eilig an dem Durchgang zwischen dem Südostturm und dem Süd westturm vorbei. Im Schatten des Innen hofs sah ich rechter Hand eine grau wal lende, gewiss 60 Meter durchmessende Nebelwolke zwischen den T ürmen schweben, deren dichte Schwaden von einer mir unbekannten Kraft im Zen trum des Hofes zusammengehalten wur den. Einmal blitzte es im Innern bläulich auf. In diesem Moment blieb T amiljon
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ruckartig stehen und starrte für Sekun den in die Schwaden hinein, ehe er miss mutig knurrte und beinahe widerwillig weiterging. Dann hatten wir auch die Rundung des Südwestturms passiert und bogen in den dahinter liegenden Durch gang zum Innenhof ein. Li deutete stumm voraus. An der Stelle des geringsten Abstan des z um benachbarten Südwestturm zeigte der Westturm einen spitzgotisch geformten Portalbogen von etwa 25 Me tern Höhe, zu dem fünf metallene Trep penstufen hinaufführten. In dem Bogen fand sich allerdings kein Tor, stattdessen standen wir am Beginn eines tief ins In nere des T urmes führenden Gangs, von dem weder T üren noch Seitengänge ab zweigten. »Dort hinein müssen wir«, sagte sie. »Einen anderen Zugang fand ich nicht.« »Einer ist besser als keiner«, murmelte ich und folgte ihr. Das Metall des Ganges erwies sich als schrundig und unange nehm kühl. Tamiljon stapfte hinterdrein. Er übertönte mit dem Klacken seines Exoskeletts aus harten Kristallen das bloße T apsen unserer nackten Fußsoh len. Wie alt die Bastion auch sein mochte die in ihr verwendete T echnik arbeitete zumindest in den Basisfunktionen ein wandfrei. Verborgene Sensoren nahmen unsere Anwesenheit 'wahr - und dulde ten sie. Ohne dass ich irgendwelche Leuchtelemente erkennen konnte, er hellte sich der Gang jeweils dort, wo wir uns befanden. Etwa zehn Meter hinter uns erlosch das indirekte Licht, und die stumpfen Silberwände versanken wie der im Grau ihrer Schatten. Nach etwa hundertzwanzig Schritten erweiterte sich der Gang zu einem gewal tigen Schacht, der sich über unseren Köpfen endlos nach oben zu strecken schien. Rund um den Schacht verlief im Uhrzeigersinn eine reliefartig in die Wandung geschlagene Wendeltreppe.
Sie zog sich wie ein Gigantgewinde in unzähligen Spiralen den T urm hinauf. Ich atmete auf, als Li an dem Treppenauf gang achtlos vorbeiging und dem Zen trum des hallenden Schachtes zustrebte. Auch hier im Schacht kam aus irgend welchen verborgenen Quellen indirektes Licht, und ich erkannte auf dem Boden ein hellsilbern schimmerndes Symbol, dem ich in etlichen Ab- und Unterarten immer wieder auf den Vinarawelten be gegnet war: ein gleichseitiges Fünfeck, gebildet aus fünf gleich großen Kreisen, in dessen Mitte ein kleinerer Kreis aus Kristallen eingelassen war. Das Fünf-Pla neten-Zeichen durchmaß etwa fünf Me ter; der Schacht selbst erreichte einen Durchmesser von gut fünfzehn Metern. »Kommt hier herüber«, forderte Li. Wir stellten uns neben sie auf das Sil berzeichen; Li hielt ihre Hand für einige Sekunden über den zentralen Kristall kreis, und eine Plattform hob sich ge räuschlos aus dem Boden, deren Rand jenseits der runden Linien der Silber kreise verlief. Mit zunehmender Geschwindigkeit trug uns die Plattform den Schacht hin auf. Das Licht hielt mit uns »Schritt«. »Na bitte - es geht wieder aufwärts mit un$«, versuchte ich einen der ältesten Scherze der Menschheit anzubringen, aber T amiljon und Li reagierten nicht. Vielleicht kannten sie ihn schon. Dabei war es Bullys Lieblingsscherz. Angeb lich hatte er ihn schon verwendet, als er damals mit Perry Rhodan nach der Ha varie der STARDUST auf dem irdischen Mond das notgelandete Schiff von Thora und Crest betreten hatte und im für sie völlig fremdartigen Antigravlift erst mals nach oben geschwebt war ... Histo risch verbürgt war dies allerdings nicht. Die Plattform kam an etlichen Etagen vorbei, die ohne Geländer den Innen schacht in regelmäßigen Abständen um gaben. Ich sah von den Etagenfingen schemenhaft von dort und senkrecht zum
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Schacht verlaufende Gänge abzweigen und darin unzählige schottähnliche Por tale, die in uneinsehbare Räumlichkeiten führten. Die Geschwindigkeit der Plattform mochte bei vier bis fünf Metern pro Se kunde liegen; als sie nach knapp zwei Minuten langsamer wurde und schließ lich stoppte, hatten wir schätzungsweise eine Höhe, von 500 Metern überwunden. Nirgendwo gab es ein Anzeichen von Leben. Nichts deutete auf Sardaengars An wesenheit hin. Das gesamte Gebäude schien verlassen zu sein. Ich sah nicht einmal Reinigungsroboter auf den end losen Fluren. Auf jeder Etage reichte ein Anlegesteg in den Schacht hinein; dort kam die Plattform zur Ruhe, und wir betraten den obersten Etagenring des gesamten Schachtes. Auch hier gab es keinerlei Geländer - der Schacht verlor sich jen seits der Etagenkante in der Dunkelheit einer unsäglichen T iefe. Fünf oder sechs Meter über unseren Köpfen wölbte sich eine Decke aus dem selben stumpfsilbernen Metall, aus dem hier alles zu bestehen schien. »Wir befinden uns jetzt direkt unter halb der höchsten Halle«, erklärte Li. »In der Kuppel hat sich Sardaengar eine be sondere Art von Refugium eingerichtet. Es gibt nur zwei Etagen. In der unteren befindet sich eine Sammlung aller mög lichen Gegenstände von den fünf Planeten. Krimskrams, wenn ihr mich fragt; das meiste ist verrottet und seit langem nicht mehr beachtet worden. Wir müssen dahin, um in die darüber liegende Etage zu gelangen. Dort befindet sich ein Obsidiantor, das Sardaengars Spiegel ent hält. Der Spiegel wird mir verraten, wo genau sich Sardaengar aufhält. Kommt mit.« Sie lief eine ebenfalls in die Wand ein geschnittene, sich aber wesentlich stär ker krümmende Treppe hinauf. Tamiljon drängte sich an mir vorbei. Mittlerweile
nahm ich unser aller Nacktheit so selbst verständlich hin, dass ich kaum noch darauf achtete. Die Stufen endeten ohne Abschluss in einem Loch im Boden der unteren Etage, von der Li gesprochen hatte. Wir befanden uns jetzt in einem Raum von kreisförmigem Grundriss, dessen Decke gut 50 Meter hoch lag und dessen Durchmesser ebenfalls knapp 50 Meter betragen mochte. An den Wänden sah ich Erzeugnisse aus allen fünf Welten. Teils in Regalen und Schränken geordnet, teils in wirren Haufen versammelt, lagen, standen, hin gen und lehnten Gewehre, Bajonette, Sä bel, Uniformen und Pickelhauben der Aroc-Soldaten; Nähmaschinen, Gas leuchter und eine der Dampfregistrier kassen aus der Stadt am See. Ich er kannte einen vollständigen Dendibosat tel samt Zaumzeug vor einem umge stürzten Regal, aus dem lederne Bücher quollen! Eine ausgestopfte und präpa rierte Flugechse mit einer Flügelspann we ite von mehr als zehn Metern schwebte, an unsichtbaren Fäden bau melnd, über dem Modell einer Schilf barke. Ich sah kunstvolle Schnitzereien, ei nen Sarkophag, eine Totenmaske, be maltes Geschirr, einen vergilbten Vinara-Globus in einem hölzernen Ge stell, eine goldene Rüstung, diverse Schwerter, Papier- und Pergamentrol len, Talgleuchten, sogar mehrere Eis mäntel von der Art, wie ich selbst einen getragen hatte. Und ich erblickte, auf der jenseitigen Hälfte des Raumes und als größtes Stück der unordentlichen Aus stellung, ein vollständiges" Luftschiff samt Gondel und Propellermotoren und dem Aluminiumgerippe des zigarrenför migen Rumpfes. Die Gasbehälter waren gewiss seit langem leer, und die Bespan nung hing in riesigen Fetzen von dem Gerippe herunter. Das fahruntüchtige Luftschiff war von der gleichen Bauart,
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aber kleiner noch als dasjenige, mit dem wir zum Casoreen-Gletscher aufgebro chen waren. Es hing in einem Drahtgeflecht von der Decke herab und bot den Anblick eines in einem riesigen Spinnen netz gefangenen Tieres, dessen Knochen und schlaffe Haut alles waren, was sein Beutefänger von ihm übrig gelassen hatte. Hinter dem Luftschiff führte eine sich an der Wand emporwindende T reppe in die Etage darüber. Ohne uns weiter mit Sardaengars Sammelsurien zu beschäf tigen, eilten wir hinauf. Und betraten die höchste Halle des Westturms. Der Raum war bis. zu seiner konisch zulaufenden Decke völlig leer. Nur in seiner Mitte stand, von der Größe eines sechs Meter Kantenlänge aufweisenden Würfels, das wie ein T isch geformte, vierbeinige Obsidiantor. Die vier Quaderbeine warfen harte und zugleich tanzende Schatten. Grelles Licht fiel zu den viele Meter weiten, rings um die Kuppel angebrachten Fenstern herein. Sie bildeten die ovalen Öffnun gen, die wir schon von unten, vom Fuß der Klippe aus, gesehen hatten. Durch sie erblickten wir die Säule aus blendend weißem Licht, die sich über dem Nordturm erhoben hatte. Die Säule schien direkt von der Spitze des größten der fünf T ürme zu entspringen, und sie stach kerzengerade und grell wie ein Flammenspeer in den Himmel hinauf. Direkt im Zenit über Sardaengars Ge birgsbastion stand Vadolon. Und die Säule aus Licht ist das Bindeglied, das zwischen dem Kristallmond und dem No rd tu rm e ine B rü ck e schlägt. Tamiljon brüllte auf. Er rannte zu der Wendeltreppe hinüber, die spiralförmig bis zum höchsten Punkt der Decke hin aufführte. Li spurtete hinterher und hielt ihn zurück. »Nein!«, schrie sie ihn an. »Nicht nach oben! Wir müssen nach unten zurück.
Sardaengar ist dort drüben - im Nord turm. Ich spüre es. Er hat etwas Ent scheidendes vor - die Lichtsäule beweist es. Und das müssen wir verhindern!« »Und wie sollen wir das tun?«, fragte ich müde. »Wenn er im Nordturm ist, dann ist er unerreichbar für uns. Es gibt keine Verbindungen zwischen den T ür men. Und nur den Westturm konnten wir betreten. Wir können Sardaengar nicht erreichen. Wir können nichts tun.« Für einen Moment hatte ich mit dem Gedanken gespielt, Tamiljons telekine tische Fähigkeiten einzusetzen. Aber schon die Vorstellung, mich ihm über ei nen 500 Meter tiefen Abgrund und über eine Strecke von gut 150 Metern hinweg anzuvertrauen, gefiel mir nicht. Seit sei nem Erwachen schien er mir verändert und noch unzuverlässiger zu sein, als er es ohnehin schon war. Und da er seine Kraft zudem aus meiner Vitalenergie speisen würde, stand ich einem telekine tischen Transport von drei Personen mit äußerstem Argwohn gegenüber. Nein, so nicht. Und noch im selben Moment, da ich mir das sagte, wusste ich plötzlich, dass es eine Möglichkeit gab. Und nur diese eine, die wir nutzen konnten. Dos kannst du nicht ernst meinen, tobte der Extrasinn, kaum dass die Idee von mir Besitz ergriffen hatte. Das istder leibhaftige Wahnsinn, und du weißt es!
Li und Tamiljon sahen mich an wie ei nen wohlriechenden Dendibo, als ich ih nen meinen Plan vortrug. Sie schüttelten noch immer die Köpfe, als wir wieder in Sardaengars Museum hinuntergestiegen waren und mit der Arbeit begonnen hatten. Stoffbahnen der Luftschiffshülle mussten zerrissen, Seile entwirrt und neu geknüpft werden. Ich fand geeignete Aluminiumverstre bungen, die sich um 120 Grad biegen lie
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ßen. Li knüpfte aus einem Teilstück der Hülle und vorhandenen Gurten den behelfsmäßigen Sack, den wir brauchen wür den, und zurrte dessen Halterung mit einem in der Gondel gefundenen Karabinerhaken zusammen. T amiljon half mir indessen bei den Knoten und prüfte das längste Seil, das wir finden konnten, auf seine Haltbarkeit. Zwei kleinere Alubügel bog er mit seinen Exoskelett kräf ten in die richtige Form. Die abmon tierte Bugradfelge der Gondel würde, zusammen mit einer in den Belüftungs löchern der Felge festgekeilten Getriebestange, eine provisorische Winde er geben. Dann schleppten wir die Einzelteile in die obere Halle hoch und begannen, be packt, wie wir waren, die Wendeltreppe bis zur Kuppel hinaufzusteigen. Eine un verschlossene metallene Falltür öffnete den Weg hinaus ins Freie. Nun standen wir unter einem an den terranischen Eif felturm erinnernden Metallufbau, der auf der Kuppel aufsaß und sich noch ein mal gut hundertzwanzig Meter in den Himmel reckte. Zwischen senkrechten Streben und waagerechten Trägern ver liefen schräge Querstreben, und im Inne ren des so immer spitzer zulaufenden »Eiffelturms« führten Leitern und Me talltreppen bis ganz nach oben. Heftiger Wind blies uns entgegen und pfiff um die Metallbeine des T urmauf baus, während wir, uns fe sthaltend, Stufe um Stufe erklommen und höher und höher hinaufstiegen. Die Böen grif fen sofort nach der Konstruktion, die ich auf der Schulter trug; knatternd zog und ruckte der leichte, aber feste Stoff an den Bügeln; doch die Bänder hielten. • Uns gegenüber ragte der noch um zehn Meter höhere Nordturm in den Himmel. Blendend funkelte die weiße Säule auf seiner Spitze. Winzig klein war die Klippe, auf der alle fünf Gebäude stan den. Die Sonne Verdran war zu einem glühenden Ball ge worden, der sich an
den westlichen Bergspitzen stach. Pur purne Wolken trieben träge dahin und schufen einen surrealistisch wirkenden Hintergrund. Die Schatten der fünf ho hen T ürme fielen weit ins Land hinein, dorthin, wo irgendwo die TOSOMA ste hen musste; doch entdecken konnte ich sie nicht. »Du willst das wirklich tun, Atlan?«, fragte Li, als wir eine luftige Plattform erreicht hatten, die hoch genug für un sere Zwecke war. Für einen Augenblick klang sie wie die frühere Li. Der Anblick des gähnenden Abgrunds vertrieb den Gedanken. »Zum wiederholten Mal: Müssen wir da hinüber?«, fragte ich zurück und deu tete auf den an seiner Seite rot und gol den, an seiner Spitze weiß schimmernden T urm. Li antwortete nicht. Sie reichte mir nur stumm die Gurte und nickte energisch. .' »Also dann. Außerdem weiß keiner von euch mit so einem Ding umzugehen«, murmelte ich. Mir war bitterkalt; der Wind zerrte an meinen Haaren, die Feuchtigkeit der Luft ließ mich frösteln. Ich schlüpfte in den Sack, prüfte die Halterungen, klemmte den Karabiner haken in den Hauptrahmen ein. Dann schulterte ich das Gestänge des improvi sierten Flugdrachens, prüfte ein letztes Mal alle Befestigungen. Tamiljon und Li hielten das Traggestell fest. Ich baumelte an den Gurten, die den Sack unter dem kühn geschwungenen Deltaflügel hiel ten. Mein Herz pochte, die Zweifel an meinem Plan wirbelten mir förmlich ent gegen. »Auf drei!«, schrie ich gegen den Wind. »Bevor ich esmir noch anders überlege.« Beide zeigten »verstanden«. Ich kam nicht bis drei. Sie warfen mich samt dem Rahmen schon bei zwei von der metallenen Plattform. Der Aufwind knallte hart in die Stoff bahnen. Die Thermik hob den Flugdra chen zunächst in einer weiten Kurve an
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und zog ihn dann in den Abgrund zwi schen die beiden T ürme hinein. Atme, du Narr! hämmerte der Extra sinn. Atme, solange du es noch kannst.
Ich verlagerte das Gewicht und hielt das primitive Fluggerät nur mühsam und immer nur für Sekunden waagerecht. Mein Landepunkt war denkbar klein und wanderte ständig wieder nach rechts at). Der Ostwind, der heulend zwischen den beiden T ürmen zusammengepresst wurde, erzeugte eine starke Luftströ mung, die an dem Deltadrachen zerrte und ihn nach Westen abtrieb. Der Aufbau des Nordturms unter schied sich geringfügig von dem der an deren. Er war gut 650 Meter hoch. Die T urmspitze bestand auch hier aus einem Stahlgerüst. Allerdings war es nur etwa siebzig Meter lang; die vier Beine saßen auf einer schmalen Kuppelwölbung, die jäh in einen lang gestreckten konischen T urmaufsatz überging und etwa 120 Meter abfiel. Erst dann bildete die eigent liche Großkuppel das Dach über dem tonnenförmigen T urmgebäude. Dort, wo das Stahlgerüst die konische obere Wölbung berührte, wollte ich lan den - zwischen den Beinen des »Eiffelturms«. Nur an dieser Stelle war der Neigungswinkel des Daches flach genug. Eine Zone von höchstens zwölf Metern im Durchmesser; jenseits dieses gedach ten Kreises fiel das völlig glatte Dach des T urmaufsatzes nahezu senkrecht ab. Der Höhenunterschied wa'r entscheidend. Von meinem Startpunkt aus gese hen befand sich der anvisierte Lande platz etwa sechzig Meter unterhalb die ser Marke und in direkter Luftlinie 150 Meter weit davon entfernt. Ausreichend für einen Gleitflug Eine weitere Böe erfasste mich. Ich war inzwischen schon so weit nach links hinaus abgetrieben worden, dass ich für
einen Moment sogar die im Licht der un tergehenden Sonne glänzende Fassade des Ostturms aufblitzen sah. Dann brach der Windstoß ab, und ich nutzte den Mo ment, um wieder nach rechts hinüberzu ziehen. Jetzt näherte ich mich der oberen Wölbung rasend schnell. Ich suchte den Augenblick abzuschätzen, an dem ich die Beine blitzschnell aus dem Tragesack herausziehen und mich von dem Dra chengestell trennen musste. Ich hatte keinen Platz zum gemächlichen Auslau fen, sondern würde mich irgendwie auf der allseitig abschüssigen Wölbung fest halten müssen; schon die Beine des Stahlgerüsts wuchsen an Stellen empor, wo das Dach nahezu lotrecht abstürzte. Meine höchste Sorge war die richtige Geschwindigkeit. Ich durfte nicht zu schnell zwischen,die Beine des Stahlge rüstes gleiten, da mich der Schwung sonst auf der gegenüberliegenden Seite in die T iefe treiben würde. Und ich durfte nicht zu langsam sein, da die Luft strömung abzureißen drohte. Ich sank glücklicherweise in dem von mir vorausberechnetem Maß. Wäre ich zu hoch geblieben, hätte ich die schmale Dachkuppel verfehlt und wäre mit dem Gerüst kollidiert; wäre ich schneller als beabsichtigt gesunken, hätte ein Zusam menprall mit der konischen Metallwand mein unvermeidliches Ende bedeutet. Noch zwanzig Meter. Über mir hoben sich die Längs- und Querträger, unter mir rauschte die Wandung des silber grauen Dachaufbaus heran. Eine letzte Drehung mit dem Körper, der Backbord flügel neigte sich um wenige Grad. Zehn Meter. Ich befand mich beinahe zwischen den Stahlbeinen. Und ich durfte die Treppe nicht treffen, die in der Mitte in das Stahlgerüst hinaufführte. Jetzt!, befahl der Extrasinn scharf. Ich riss die Beine aus dem Sack, hing nur noch mit den Händen am T ragerah men. Als ich die Füße ausstreckte, spürte ich bereits schmerzhaft den metallenen
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Untergrund, lief zwei, drei Schritte aus, ließ den Drachen fahren und warf mich der Länge nach hin. Den heftigen Auf prallschmerz ignorierend, breitete ich Arme und Beine so weit wie möglich aus, um so viel Grundberührung wie möglich zu erhalten. Ich rutschte auf dem Bauch dahin und quetschte mir dabei jeden Zentimeter meines Leibes. Über meine nackte Haut tobten stechende Flammen. Und doch ertrug ich diese Schmerzen nur zu gern, denn ... ... ich kam mit dem Kopf voran zum Liegen - nur einen halben Meter von mir entfernt senkte sich die Rundung jäh nach unten. Meine Füße befanden sich schon über der Höhe meines Kopfes; nur noch zehn Zentimeter mehr, dann wäre ich unweigerlich nach vorn gerutscht und una ufhaltsam in die unsä gliche Tiefe gestürzt. Mein Herz raste. Mit äußerster Vor sicht kroch ich millimeterweise zurück und damit bergan. Es vergingen gewiss fünf Minuten, bis sich meine Atmung beruhigt hatte. Ehe ich mich aufzurichten wagte, um in die Mitte, in die trügerische Sicherheit der schmalen Kuppelfläche zu wanken. Auch hier gab es unter der Metalltreppe eine Falltür im Zenit der Kup pel. Ich setzte mich auf eine der Gitter stufen. Auf der Plattform des Westturms sah ich T amiljon und Li winken; ich lehnte mich zurück und winkte gleichfalls zum Zeichen, dass der Telekinet beginnen sollte. Zunächst sah ich von seinen Bemü hungen nichts; dazu war das Seil zu dünn. Aber ich spürte am schlagartig einsetzenden Pochen meines Zellaktivators, wie mir von ihm wieder Lebens energie entzogen wurde. Meine Schwä che nahm zu, und ich klammerte mich an der T reppe fest, um nicht von plötzlichen Schwindelgefühlen umgerissen zu werden. Dann sah ich da s lan ge Se il heran
schweben. Ich packte das hiesige Ende und verknotete es mehrfach an dem ers ten quer verlaufenden Stanlträger, den ich über die Treppe erreichen konnte. Ich winkte abermals. Li gab das Verstanden-Zeichen. Drü ben würden sie nun die improvisierte Winde in Bewegung setzen und das Seil damit stramm ziehen. Das Utensil aus dem Kadaver des Luftschiffes spannte sich unmerklich, stand endlich zitternd zwischen den bei den Türmen. Auf der anderen Seite in ei ner etwa sechzig Meter höheren Position als hier. Ein zentimeterdünnes Seil, ein hundertfünfzig Meter lang, runde 600 Meter über dem Boden schwingend, von den heftigen Böen unablässig in einen nach Westen weisenden Bogen ge peitscht. Was nun folgte, war der blanke Wahn sinn. Li machte wie vereinbart den An fang. Einzelheiten konnte ich nicht er kennen, aber ich wusste, sie würde den ersten der beiden vorgefertigten Alubü gel auf das. Seil setzen, ihre Hände in die daran befestigten Schlaufen legen - und so an dem Seil hängend zum Nordturm hinüberrutschen. Nackt, den eisigen Winden schutzlos ausgesetzt... Tamiljon würde ihre rasende Fahrt telekinetisch bremsen. Dann sah ich sie. Das Seil bog sich durch, je näher sie der Mitte kam; doch es
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dehnte sich glücklicherweise nicht stark genug, um ihren Schwung aufzuheben. Sie glitt bis an den Stahlträger heran und klammerte sich an ihm fest. Ich reichte ihr die Hand und zog sie auf die Treppe. Für einen winzigen Augenblick hielt ich ihren nackten Körper noch einmal in den Armen und spürte, wie sie vor Kälte zit terte. Sie machte sich von mir frei und winkte Tamiljon. Der Wind heulte in den Verstrebungen des Stahlgerüstes. Verdran verschwand soeben hinter dem Horizont. Vadolon stand direkt über uns. Die gleißende Lichtsäule verband dieses Gebäude noch immer mit dem Mond, und irgendwo in diesem Gebäude war Sardaengar ... Tamiljon stieß sich vom Westturm ab. Das Seil vibrierte und summte unter der Belastung. Der winzige schwarze Punkt seiner Gestalt raste heran. Lichtfunken umglitzerten ihn. Er glitt schneller an dem Bügel hän gend über das Seil dahin, als Li es getan hatte, und es bog sich deutlich stärker durch. Sein Gewicht musste infolge der an ihm haftenden Kristalle wesentlich höher sein als früher; das Seil dehnte sich knirschend in seinen Knoten zu unseren Köpfen. Seine Fahrt hatte die Mitte der Strecke erreicht, er raste weiter auf den Nordturm zu. Das Summen des zitternden Seiles steigerte sich zu einem zorni gen Zurren. Und dann geschah etwas, womit niemand gerechnet hatte. Eine Flugechse . bog um einen der Aufsätze des West turms herum. Das große T ier mit dem Höckerkopf sah den Schwarzhäutigen zwischen den Gebä uden schweben und kippte über den rechten Flügel a b. Ein heiserer Schrei der Echse kündete von dem bevorstehenden Angriff. Ich schrie Tamiljon eine Warnung zu, doch der Wind riss meine Worte von den Lippen. Den mit messerscharfen Zähnen be
wehrten Schnabel aufgerissen, stürzte sich die gut zwölf Meter messende Echse von hinten auf den nichts ahnenden T a miljon. Die ledrigen Flügel klapperten, die dolchlängen Krallen schlugen sich in seinen Rücken. Das T ier verbiss sich förmlich in den nach oben ausgestreck ten Armen Tamiljoris, die noch in den Schlaufen des Gleitbügels steckten. Das zusätzliche Gewicht der Flugechse über spannte das Seil - es zerriss knallend ir gendwo drüben am Westturm. Tamiljon und das ihn umklammernde, auf ihn einhackende T ier hingen gemein sam an dem nun jäh nach unten schwin genden Seil - und verschwanden binnen Sekunden aus unserem Blickfeld. Ein dumpfer Aufprall ließ vermuten, dass sie beide fünfzig oder sechzig Meter tiefer gegen die Wand des Nordturms geschleu dert worden -waren. Ich griff nach dem Seil, das auf unserer Seite immer noch an dem Querträger festgebunden war. Es hing lose durch, nur beschwert von seinem eigenen Ge wicht. Tamiljon war abgestürzt. Li sah mich erschrocken an.
»Spürst du etwas?«, fragte sie.
Li wollte wissen, ob er seine telekine tischen Kräfte einsetzte; in dem Fall hätte ich ein Nachlassen meiner Lebens kraft in Form von Schwäche in mir spü ren müssen. Ich verneinte. »Dann ...« Sie sprach nicht weiter. Wir wussten beide, was das bedeutete. Li da Zoltral blickte nach oben. Deu tete zur Lichtsäule. »Wir müssen da hinauf«, sagte sie. »Ich spüre, nur dort... Die Verbindung kommt zustande. Schnell!« Ich schüttelte den Kopf. »Nein, Li. Zuvor muss ich wissen, was mit ihm ist.« Ich behielt das Seil in der Hand, wäh rend ich die T reppe hinunterlief. Auf dem Kuppeldach angekommen, wand ich mir das Seilnach Bergsteigerart über
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den Rücken und zwischen den Schenkeln hindurch. Mit dem Rücken voran ließ ich mich langsam immer näher über die ab fallende Schräge hinab. Als ich den Punkt der stärksten Krümmung erreicht hatte, wagte ich mich keinen Fuß mehr weiter. Mein Kopf und ein Teil meines Oberkörpers schwebten jetzt über dem grausigen Abgrund, und ich musste alle Willenskraft aufwenden, ruhigen Sinnes und ebenso ruhigen Blutes nach unten zu sehen. Die konische Wand des T urmaufsat zes, an der ich hing, fiel rund 120 Meter senkrecht in die Tiefe. An ihrem unteren Rand saß sie auf der den ganzen T urm bedeckenden Großkuppel auf, die sich aus meinem Blickwinkel wie ein gigan tischer Halbkreis ausnahm. Ihre eigent liche vertikale Krümmung war nicht zu erkennen; das Metall ihrer Oberfläche glomm im düsteren Violett der letzten Strahlen der Abendsonne. Nirgendwo konnte ich eine Spur von Tamiljon erkennen - von ihm nicht und auch nicht von der Flugechse. Nur das Seil baumelte leer bis zur Großkuppel hinunter und pendelte an ihrer Wandung hin und her. Die sich tief darunter befindende Klippe, auf der die fünf T ürme errichtet waren, lag inzwi schen gänzlich im Schatten der herein brechenden Nacht. »Atlan?«, schrie Li, so laut sie konnte, gegen den Wind. »Ich komme«, murmelte ich. Laut rief ich: »Ich komme zurück.« Fuß um Fuß zog ich mich am Seil wie der bis zur Treppe heran. Li hatte die Arme um sich geschlun gen. Sie zitterte am ganzen Leib. »Nichts«, sagte ich, immer noch er schüttert von dem Vorfall. »Hattest du etwas anderes erwartet?« Sie drängte sich auf der schmalen Treppe an mir vorbei und eilte die Stufen hinauf, so schnell es ihre bloßen Füße gestatteten.
Ich ließ das Seil schweren Herzens hängen und eilte ihr nach. Siebzig Meter erhob sich das Stahlgerüst über dem Kuppeldach. Die T reppen waren steil, schmal und lang. Winzige Kehren, nur durch einen dünnen Handlauf gesichert, kamen alle fünfzig Stufen. Die Treppen führten in endlosem Zickzack hinauf. Wir stiegen, bald langsamer werdend und nach Atem ringend, Kehre um Kehre höher. Meine Knie zitterten, an den Fü ßen bluteten die aufgeplatzten Blasen, und die Quetschungen an der Vorderseite meines Körpers machten jeden Schritt zu einer einzigen Qual. Für einen Moment fragte ich mich, warum wir das alles hier auf uns nah men. Um zu verhindern, dass der Ur schwarm neu entsteht, antwortete der Extrasinn in den rot wallenden Nebel meiner Erschöpfung hinein. Um zu ver hindern, dass die Milchstraße von einer vermutlich völlig unkontrollierten Mas sentransition auseinander gerissen wird. Die Lichtsäule über uns summte vor knisternder Energie. Sie stand immer noch senkrecht über dem T urm. Die Säule endete dort, wo auch die Treppen abbrachen: auf einer nur drei Meter durchmessenden Plattform auf der obersten Spitze diesesT urms. Als wir die letzten Stuf erihochstolper ten, standen uns die Haare zu Berge. Die Luft war mit Elektrizität förmlich über laden. Bläuliche Blitze zuckten aus der Lichtsäule und schlugen knallend in das brusthohe Geländer, das die luftige Plattform umgab. Funken stoben davon; verbranntes Metall rauchte, die Luft stank verschmort. Vor dem sich verdunkelnden Himmel stach die Säule aus Licht grell zum Kris tallmond hinauf. Inmitten der blendenden Flut aus flie ßendem Licht erblickte ich eine nur in Umrissen wahrnehmbare Gestalt. Um
Im Land der Silb ersäulen
geben von einer Aura schier grenzenloser Macht. Die flirrende Silhouette hielt die Arme und Beine weit gespreizt. Die Hände waren dabei ekstatisch zum Himmel erho-
ben - wie von einem Propheten angesichts seiner größten Offenbarung. Dort stand er. .Und lachte. Sardaengar.
ENDE
Chefautor Uwe Anton schildert in seinem Roman das packende Finale des OBSIDIAN-Zyklus. DIE OBSIDIAN-KLUFT ERWACHT lautet der Titel des Abschlussbandes. Band zwölf der Miniserie erscheint in zwei Wochen überall im Zeitschriftenhandel.
Atlan Obsldlan - erscheint zweiwöchentlich in derPabel-Moewig Verlag KG, 76437 Rastatt. Internet: www.vpm-online.de. Redaktion: Sabine Kropp, Postfach 2352, 76413 Rastatt. Titelillustration: Swen Papenbrock. Innenillustration: DietmarKrüger. Druck: VPM Druck KG, 76437 Rastatt, www.vpm-druck.de. Vertrieb: VU Verlagsunion KG, 65396 Walluf, Postfach 5707, 65047 Wiesbaden, Tel.: 06123/620-0. Marketing: Klaus Bollhöfener. Anzeigenleitung: Pabel-Moewig Verlag KG, 76437 Rastatt. Anzeigenleiter und verantwortlich: Rainer Groß. Zurzeit gilt Anzeigenpreisliste Nr. 29. Unsere Romanserien dürfen In Leihbüchereien nicht verliehen und nicht zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden; derWiederverkauf ist verboten. Alleinvertrieb und Auslieferung in Österreich: Pressegrpßvertrieb Salzburg Gesellschaft m.b.H., Niederalm 300, A-5081 Anif. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie gewerbsmäßige Weiterverbreitung In Lesezirkeln nurmit vorheriger Zustimmung des Verlages. Für unverlangte Manuskriptsendungen wird keine Gewähr übernommen. Printed in Germany. September 2004. Internet: http://www.Perry-Rhodan.net und E-Mail:
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