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Die Prüfung von Verordnungen und Gesetzen durch den Verfassungsgerichtshof von Amts wegen Die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs im Spannungsfeld von Recht und Politik Dokumentation und Kommentar
Günther Winkler
SpringerWienNewYork
Forschungen aus Staat und Recht 160 Herausgeber: Univ.-Prof. Dr. Bernhard Raschauer, im Zusammenwirken mit Univ.-Prof. Dr. DDr. h.c. Günther Winkler und Univ.-Prof. DDr. Christoph Grabenwarter Verfasser: Univ.-Prof. Dr. DDr. h.c. Günther Winkler Juristische Fakultät der Universität Wien, 1010 Wien
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. © 2006 Springer-Verlag/Wien Printed in Austria SpringerWienNewYork ist ein Unternehmen von Springer Science + Business Media springer.at Produkthaftung: Sämtliche Angaben in diesem Fachbuch/wissenschaftlichen Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung und Kontrolle ohne Gewähr. Eine Haftung des Autors oder des Verlages aus dem Inhalt dieses Werkes ist ausgeschlossen. Reproduktionsfertige Vorlage des Herausgebers Druck: Ferdinand Berger & Söhne Gesellschaft m.b.H., 3580 Horn, Österreich Gedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier – TCF
SPIN: 11802426
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
ISSN
0071-7657
ISBN-10 ISBN-13
3-211-36813-2 SpringerWienNewYork 978-3-211-36813-8 SpringerWienNewYork
Walter Antoniolli dem akademischen Lehrer Verfassungsrichter und Wortführer des Rechtsstaates zum Gedenken
Vorwort Angesichts der Erniedrigungen des Rechtsstaates durch die Führung des „Dritten Reiches“ wurde ich in der akademischen Weggemeinschaft mit meinem Lehrer Walter Antoniolli zu einem kritischen Beobachter des Staatsgeschehens und zu einem entschlossenen Befürworter einer Verstärkung der Rechtsstaatlichkeit im Wiederaufbau des Staates unter den vier Besatzungsmächten. Bereits als junger Professor war ich – vor allem in den Jahren der großen Koalition – in Wort und Schrift ein Verteidiger des Rechtsstaates gegen parteipolitische Instrumentalisierungen des Rechts. Ich erhob wiederholt Forderungen nach klaren und einfachen Gesetzen und nach einer Verstärkung des Rechtsschutzes für den Einzelnen gegen die öffentliche Gewalt.1 Aus meiner rechtsstaatlichen Sicht nahm ich besonderen Anteil am rechtsstaatlichen Wirken des Verfassungsgerichtshofs. Die nähere Erklärung dafür liegt in meiner beruflichen Entwicklung. Von 1953 bis 1959 war ich Assistent von Walter Antoniolli und unterstützte ihn auch bei seiner Arbeit als Richter am Verfassungsgerichtshof (VfGH). Der damalige Präsident des VfGH, Ludwig Adamovich sen., hatte Antoniolli mit der Herausgabe der amtlichen Sammlung der Erkenntnisse des VfGH betraut. Die praktische Vorbereitung der jährlichen Drucklegung der Erkenntnisse in dieser Sammlung war meine Aufgabe. Als Antoniolli Referent des Gerichtshofs wurde, verfasste ich auch Sachverhalte und Erledigungsentwürfe für die von ihm zu erarbeitenden Erkenntnisse. Durch diese Arbeiten und durch unzählige Gespräche mit meinem akademischen Lehrer und Mentor Antoniolli, wurde ich mit der Institution des VfGH und mit seiner Judikatur näher vertraut. Möglichkeiten und Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit lernte ich gleichsam aus nächster Nähe kennen. Daraus entstand meine noch immer anhaltende, grund____________________
1 Winkler, Freiheit in der Ordnung des Rechts, in: Symbiose von Politik und Wissenschaft. Aktion 20. Hg Österreichische Gesellschaft für Politik (1968) 186 ff; Winkler, Der gerichtliche Rechtsschutz des Einzelnen gegenüber der öffentlichern Gewalt in Österreich, in: Gerichtsschutz gegen die Exekutive II, Hg. Max Planck Institut für ausländisches öffentliches Recht (1969) 836 ff, abgedruckt auch in: Orientierungen im öffentlichen Recht, Forschungen aus Staat und Recht 46 (1979) 137 ff. Winkler, Gesetzgebung und Verwaltung im Wirtschaftsrecht (1970), Forschungen aus Staat und Recht 85 (1989) 75 ff; Winkler, Gesetzgebung und Verwaltungsrecht, (1980), in: Theorie und Methode in der Rechtswissenschaft, Forschungen aus Staat und Recht 85 (1989) 40 ff; Winkler, Der Rechtsstaat als Gesetzesstaat, in: Rechtswissenschaft und Politik. Die Freiheit des Menschen in der Ordnung des Rechts, Walter Antoniolli zum 90. Geburtstag gewidmet; Forschungen aus Staat und Recht 110 (1998) 67 ff.
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Vorwort
sätzliche Wertschätzung für den Gerichtshof, aber auch meine kritischen Stellungnahmen zu seiner Judikatur.2 Einige meiner Beiträge zum Verfassungsrechtsdenken im Rechtsstaat fielen beim VfGH auf fruchtbaren Boden. Dazu zählt meine Abhandlung zur Überleitung des deutschen Elektrizitätsrechtes in die österreichische Rechtsordnung aus dem Jahr 1956.3 Der in der Judikatur des VfGH als Kriterium der Rechtsstaatlichkeit zum geflügelten Wort gewordene „archivarische Fleiß“ ging aus dieser Studie hervor. Im Hinblick auf den Umstand, dass die EMRK infolge eines Beschlussmangels des Nationalrates keinen Verfassungsrang erlangt hatte, verfasste ich im Jahr 1959 meine Studie über den Verfassungsrang von Staatsverträgen.4 Der VfGH schloss sich meiner Meinung an. Darauf beschloss der Verfassungsgesetzgeber im Jahr 1964 die Sanierung dieses Mangels durch Anerkennung des Verfassungsranges für die EMRK und für den Art. 7 des Staatsvertrages von Wien in der Form einer authentischen Interpretation. Meine Studie über die unmittelbare Anwendbarkeit von Staatsverträgen aus dem Jahr 1961 war in Verbindung mit meiner Abhandlung über den Verfassungsrang von Staatsverträgen für die große Verfassungsnovelle des Jahres 1964 und für die Judikatur wegweisend. Meine Arbeit „Die Wertbetrachtung im Recht und ihre Grenzen“ aus dem Jahr 1969 fand als Wegweisung in eine inhaltsgebundene Rechtsbetrachtung alsbald Eingang in der Judikatur des VfGH.5 Meine Kritik an der überschießenden Judikatur des VfGH zum Legalitätsprinzip im Wirtschaftsrecht aus dem Jahr 1970 hatte eine Rückbesinnung des VfGH auf die Grenzen der Gesetzgebung und der Reichweite seiner eigenen Verordnungsprüfung gegenüber der Dynamik und den Eigengesetzlichkeiten der Wirtschaft zur Folge.6 Auf dem Verfassungstag des Jahres 1990 würdigte ich den Verfassungsgerichtshof im Sinn der Bundesverfassung als eine staatstragende Institution; vor allem als ein Kontrollorgan des Gesetzgebers. Dazu stehe ich auch heute noch. 7 ____________________
2 3
Winkler, Studien zum Verfassungsrecht, Forschungen aus Staat und Recht 95 (1991). Winkler, Die Überleitung und Rezeption des deutschen Elektrizitätsrechtes, JBl (1956) 573 ff. 4 Winkler, Der Verfassungsrang von Staatsverträgen, ZÖR 10 (1959/60) 514 ff; auch in Forschungen aus Staat und Recht 46 (1979) 51 ff. 5 Korinek, Betrachtungen zur österreichischen Verfassungsgerichtsbarkeit, in: FS L. Adamovich (1992) 266; Korinek, Zur Interpretation von Verfassungsrecht, in FS R. Walter (1991) 363 ff. 6 Winkler, Gesetzgebung und Verwaltung im Wirtschaftrecht (1970). Siehe in diesem Sinn auch Antoniolli, Probleme um das Legalitätsprinzip, Vortrag (1973). 7 Winkler, Studien zum Verfassungsrecht, Forschungen aus Staat und Recht 95 (1991) 1 ff.
Vorwort
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Auf Grund von zunehmenden Erfahrungen erwachte in mir im Lauf der Jahre aber auch eine kritische Einstellung zum Gerichtshof. Nach dem Vorbild von Antoniolli hielt ich mich bei meiner Kritik der Öffentlichkeit gegenüber allerdings tunlichst zurück. Doch in einigen wenigen Fällen, aus konkreten Anlässen, trat ich auch an die Öffentlichkeit. Im Jahr 1963 nahm ich zu den politischen Angriffen gegen den VwGH und zum Erkenntnis des VfGH betreffend den Fall Habsburg kritisch Stellung. Aufgrund einer von mir initiierten Resolution aller an den österreichischen Universitäten und Hochschulen tätigen Professoren des Öffentlichen Rechts gegen den aus den Reihen des Verfassungsgerichtshofs und der Politik stammenden Plan der Rückwirkung einer authentischen Interpretation im Verfassungsrang unterließ der Verfassungsgesetzgeber die Anordnung der Rückwirkung. Der Plan prominenter Politiker, mit Anregungen auch aus dem VfGH, dem Habsburg-Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs durch ein rückwirkendes Verfassungsgesetz den rechtlichen Boden zu entziehen, war damit zu Fall gebracht.8 Angesichts der tief reichenden Auswirkungen des Erkenntnisses des VfGH des Jahres 2001 über die Aufhebung von Wortfolgen im Volksgruppengesetz und in der Topographieverordnung für Kärnten, insbesondere aber über die Aufhebung von amtlich bestehenden deutschen Ortsbezeichnungen in einer straßenpolizeilichen Verordnung veröffentlichte ich im Jahr 2002 kritische Anmerkungen zur Gesetzesprüfung des VfGH von Amts wegen.9 Die dort dargebotene Kritik halte ich nach wie vor uneingeschränkt aufrecht. Diese Studie widmete ich Walter Antoniolli, der meine Kritik an der problematischen Judikatur des VfGH grundsätzlich teilte. Antoniolli trat für den VfGH in der Öffentlichkeit mit größter Zurückhaltung auf. Gemäß seiner rechtsstaatlichen Gesinnung hatte er gegenüber der Judikatur des VfGH aber auch eine kritische Einstellung. Diese brachte er vorwiegend durch seine Beteiligung an den Beratungen im Gerichtshof, mitunter aber auch durch eine literarische Kritik zum Ausdruck, die von seinem erfahrungsreichen Wissen um Möglichkeiten und Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit zeugt.10 Mit seiner Kritik am Verfassungsgerichtshof trat Antoniolli nur ausnahmsweise an die Öffentlichkeit. Im Jahr 1963 überreichte Antoniolli ____________________
8 Winkler, Der Fall Habsburg, Forschungen aus Staat und Recht 110 (1998) 95 (Günther Nenning veröffentlichte diese Kritik im Jahr 1963 unter dem Titel „Fußtritte für den Rechtsstaat“ im FORUM. 9 Winkler, Zweisprachige Ortstafeln und Volksgruppenrechte, Kritische Anmerkungen zur Entscheidungspraxis der der Verfassungsgerichtshofs bei Gesetzesprüfungen von Amts wegen aus den Perspektiven seines Ortstafelerkenntnisses, Forschungen aus Staat und Recht 140 (2002). 10 Als Beispiel dient hier: Antoniolli, Probleme um das Legalitätsprinzip (1974).
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Vorwort
die von mir initiierte Resolution der österreichischen Professoren des öffentlichen Rechts gegen die im Anschluss an das problematische „Habsburg-Erkenntnis“ des VfGH im Verfassungsrang geplante rückwirkende authentische Interpretation dem Präsidenten des Nationalrates persönlich; ungeachtet des von anderen Motiven getragenen Habsburg-Erkenntnisses des VfGH. Der Nationalrat unterließ daraufhin den Beschluss über die Rückwirkung. Im Jahr 1977 erklärte Antoniolli aus Protest, vor allem gegen das problematische Erkenntnis des VfGH zur Universitätsreform, in aller Öffentlichkeit seinen Rücktritt vom Amt als Präsident des VfGH. (Der Gesetzgeber sah in der Folgezeit in diesem Erkenntnis des VfGH einen Freipass zur Universitätsreform, der schließlich zur Auflösung der bewährten akademischen Selbstverwaltung führte und einem ausufernden Bürokratismus mit autokratischen Strukturen Tür und Tor öffnete). Antoniolli zog sich damals zwar zur Gänze aus dem Berufsleben zurück, das staatsrechtliche und staatspolitische Geschehen verfolgte er aber weiterhin mit kritischem Interesse. Bis vor wenigen Monaten hielt er sich durch die Medien über das öffentliche Geschehen täglich am Laufenden. Dabei lag ihm vor allem das Wohl und Wehe des Verfassungsgerichtshofs am Herzen. Für die Ortstafelerkenntnisse des VfGH, veranlasst durch gezielte Gesetzesverletzungen, hatte er kein Verständnis. In seiner gewohnten Gründlichkeit verfasste Antoniolli bereits vor längerer Zeit seine Sterbenachricht mit folgenden Worten: „Sein Leben war der rechtlichen Ordnung seiner Heimat Österreich, seinen Freunden und Schülern, vor allem seiner Familie gewidmet.“ Im Rückblick auf sein nahezu hundert Jahre währendes, auch von bitterem Leid geprägtes Leben, verabschiedete sich Antoniolli von dieser Welt mit dem Bekenntnis und der Botschaft eines dem Recht und der Rechtsgemeinschaft verpflichteten Verfassungsrichters, eines akademischen Lehrers und Freundes seiner zahlreichen Schüler. Meiner Studie zur Verordnungs- und Gesetzesprüfung durch den VfGH von Amts wegen sah Antoniolli erwartungsvoll entgegen. Er kann sie nun nicht mehr lesen. Sie sei ihm daher als Abschiedsgruss und Dank gewidmet. Der VfGH scheint an und für sich, als verfassungsrechtliche Institution und als Höchstgericht, sakrosankt zu sein. Wie die Medienberichte zeigen, scheint auch die Frage der sprachlichen Minderheiten für die politische Öffentlichkeit tabu zu sein. Die Allgemeinheit ist sowohl dem Verfassungsgerichtshof als auch den Minderheiten gegenüber sichtlich idea-
Vorwort
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listisch und unkritisch eingestellt. Sogar oberste politische Repräsentanten des Staates solidarisierten sich in der Ortstafelfrage mit dem Verfassungsgerichtshof ohne Vorbehalt und befürworteten die durch die Ortstafeljudikatur geforderte Vermehrung von zweisprachigen Ortstafeln aufgrund von Rechtsbrüchen, statt den Verfassungsgesetzgeber zur Bereinigung der Rechtslage zu veranlassen. Die Ortstafelerkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs erlangten mit Unterstützung einer emotionalisierten Öffentlichkeit eine nahezu unantastbare Verbindlichkeit. Eine Irrtumsfähigkeit des VfGH scheint ausgeschlossen zu sein. Wer eine irrige Rechtsmeinung des VfGH kritisiert, gerät im Zusammenhang mit den Erkenntnissen zu den Ortstafeln in den Verdacht, den Rechtsstaat in Frage zu stellen und gegen die Minderheiten zu sein. Absolut gesetzte Wertbegriffe werden dogmatisiert. Die Verfassungsmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit (Legalität) der Erkenntnisse des VfGH wird kaum einmal juristisch hinterfragt. Wichtige verfassungsrechtliche und staatspolitische Fragen stehen unbeantwortet im Raum. Darf und kann der VfGH durch seine Rechtsanschauung aus Einzelfallentscheidungen allgemein verbindliches Recht erzeugen, das Gesetzesrecht ersetzen soll und diesem anscheinend sogar im Weg steht? Darf der VfGH einem Verordnungsgeber ohne eine zureichende verfassungsgesetzliche Grundlage ein bestimmtes Verhalten vorschreiben? Ihm fehlt doch nicht nur die Zuständigkeit zur materiellen Gesetzgebung, sondern auch zur Auftragserteilung an einen Verordnungsgeber. Der VfGH ist zwar ein unabhängiges Höchstgericht, bei Verordnungsaufhebungen ist er aber ebenso wie bei Gesetzesaufhebungen gemäß dem Konzept der Gewaltenteilung ein an die Gesetze und an die Verfassung gebundenes Vollzugsorgan des Staates; ein institutionelles und funktionelles Gegenüber der Verwaltung (Regierung). Er ist weder ein Gesetzgeber noch ein Verordnungsgeber. Gemäß dem Konzept der Gewaltenteilung unserer Verfassung ist er, wie jedes andere Staatsorgan auch, im Hinblick auf die Ausübung seiner Kompetenzen organisationsrechtlich, verfahrensrechtlich und materiellrechtlich grundsätzlich an die Gesetze gebunden und der Verfassung unterworfen. Doch der Gesetzgeber (Verfassungsgesetzgeber) schweigt dazu. Der VfGH ist als ein unabhängiges Gericht, in Ausübung seiner Kompetenzen ein der Objektivität und Sachlichkeit verpflichtetes oberstes Staatsorgan, das über den tagespolitischen Geschehnissen stehen sollte. Er muss sich staatspolitischer Entscheidungen enthalten, weil sie dem Gesetzgeber vorbehalten sind. Wegen seiner gesetzesgleichen Vorgaben in den Ortstafelerkenntnissen geriet der VfGH jedoch immer wieder in das grelle Licht der Tagespolitik. Im Zusammenhang mit der Ortstafelproblematik entfaltete er kontinuierlich eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit, um in
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Vorwort
der Allgemeinheit für seine Rechtsanschauung Gefolgschaft zu erheischen. Die Öffentlichkeit wurde durch mediale Vermittlung zunehmend zu einem Mitakteur des Höchstgerichtes. In den advokatorischen Berichten und Kommentaren der Medien zur Ortstafeljudikatur des VfGH verfließen Recht und Politik ineinander. Derart wird das richterliche Image dieser dem Schutz des Rechtsstaates gewidmeten Institution zunehmend verfremdet. Soll die Verfassungsgerichtsbarkeit popularisiert und auf eine solche Weise „demokratisiert“ werden? Meine Kritik an der Judikatur des VfGH und an der Untätigkeit des Verfassungsgesetzgebers in dieser Studie kann nur unter aus diesen Vorbemerkungen richtig verstanden werden. Sie ist ein Ausdruck für die Verpflichtung der Wissenschaft zu einer fachlich fundierten, an Hand von Fakten und rechtlichen Daten für jedermann nachvollziehbaren Stellungnahme. Für die vorbildliche Herstellung der Druckvorlage sorgte Susanne Karner. Bernhard Raschauer und Lukas Bauer halfen mir bei der Korrektur des Manuskriptes und gaben mir wertvolle Hinweise. Wolfgang Hauer stellte mir kritische Fragen zum Thema. Ihnen allen sei für ihre wertvolle Hilfe herzlich gedankt.
Wien, am 26. Juni 2006 Günther Winkler
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Vorwort...................................................................................................................... VII Inhaltsverzeichnis....................................................................................................... XIII E r s t e r Te i l Das Thema und die Arbeitsweise ............................................................................. 1 I. Sachlage und Rechtslage.................................................................................. 1 II. Folgen der Aufhebungen von Ortsnamen ....................................................... 4 III. Die juristische Denkweise ............................................................................... 11 Zw e i t e r Te i l Verfahrensrechtliche Perspektiven............................................................................. I. Vorfragen zu den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs über die Bescheidbeschwerden............................. 1. Die Rechtsgrundlagen für Bescheidbeschwerden ........................................ a. Die Bescheidbeschwerde im B-VG......................................................... b. Die Bescheidbeschwerde im VfGG ........................................................ 2. Anmerkungen zu den zwei Bescheidbeschwerden....................................... a. Die formale Beschwerdelegitimation ...................................................... b. Die materielle Beschwerdelegitimation................................................... c. Die Judikatur des VfGH zur Legitimation ............................................. d. Die Zuständigkeit des VfGH zur formalen Bescheidprüfung................. e. Die Zuständigkeit des VfGH zur materiellen Bescheidprüfung ............. II. Die Erkenntnisse des VfGH über Bescheidbeschwerden gegen deutschsprachige Ortstafeln........................ 1. Das Erkenntnis aus dem Jahr 2001............................................................. 2. Das Erkenntnis aus dem Jahr 2005............................................................. III. Ein Vergleich der zwei Erkenntnisse................................................................ 1. Aufbau und Inhalt ...................................................................................... 2. Der Spruch über die Bescheidbeschwerden................................................. 3. Unerheblichkeit der Aufhebungen der Ortsnamen für die Erkenntnisse über die Bescheidbeschwerden ................................... 4. Der Spruch über die Verfahrenskosten........................................................ a. Die Rechtslage........................................................................................ aa. Allgemeine Vorschriften................................................................... bb. Für Bescheidbeschwerden: ............................................................... cc. Für Verordnungsprüfungen von Amts wegen................................... dd. Für Individualanträge gegen Verordnungen ..................................... ee. Für Gesetzesprüfungen von Amts wegen ......................................... ff. Für Individualanträge gegen Gesetze ............................................... b. Der Spruch über die Verfahrenskosten in den zwei Erkenntnissen ......... c. Beispiele aus der Judikatur des VfGH zum Kostenersatz........................ aa. Verordnungsprüfungen von Amts wegen ......................................... bb. Gesetzesprüfungen von Amts wegen ................................................ cc. Individualanträge auf Verordnungsprüfung ..................................... d. Schlussfolgerungen.................................................................................
15 15 15 15 15 16 16 17 18 20 20 22 22 25 28 28 28 29 30 30 30 31 31 31 31 31 31 33 33 33 34 36
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5. Die schriftliche Ausfertigung von Erkenntnissen ........................................ a. Die Rechtslage........................................................................................ b. Subsidiär anwendbare Vorschriften der ZPO ......................................... c. Schlussfolgerungen aus diesen Vorschriften............................................ IV. Die Prüfung von Verordnungen und Gesetzen durch den Verfassungsgerichtshof von Amts wegen......................................... 1. Die Rechtslage ............................................................................................ a. Die Verordnungsprüfung im B-VG........................................................ b. Die Verordnungsprüfung im VfGG ....................................................... c. Die Gesetzesprüfung im B-VG............................................................... d. Die Gesetzesprüfung im VfGG .............................................................. 2. Die zwei Erkenntnisse zur Verordnungsbzw. Gesetzesprüfung von Amts wegen....................................................... a. Das Erkenntnis aus dem Jahr 2001 ........................................................ b. Das Erkenntnis des Jahres 2005 ............................................................. 3. Ein Vergleich der zwei Erkenntnisse ........................................................... 4. Rechtswirkungen der Verordnungsprüfungen auf die Bescheidbeschwerden?..................................................................... a. Das Erkenntnis des Jahres 2001 ............................................................. b. Das Erkenntnis des Jahres 2005 ............................................................. c. Die Mangelhaftigkeit der zwei Sprüche über die Aufhebung.................. V. Die Präjudizialität von Verordnungen und Gesetzen für Entscheidungen über Bescheidbeschwerden .................................. 1. Die Rechtsgrundlagen der Präjudizialität.................................................... a. Verordnungsprüfungen auf Antrag und von Amts wegen im B-VG........ b. Verordnungsprüfungen auf Antrag und von Amts wegen im VfGG ...... c. Gesetzesprüfungen auf Antrag und von Amts wegen im B-VG.............. d. Gesetzesprüfungen auf Antrag und von Amts wegen im VfGG ............. 2. Leitsätze aus der Judikatur des VfGH zur Präjudizialität für die Prüfung von Verordnungen und Gesetzen von Amts wegen............ 3. Eine Analyse der Judikatur ......................................................................... 4. Rechtliche Kriterien der Präjudizialität für amtswegige Verfahren aufgrund von Bescheidbeschwerden................... 5. Stellungnahmen des Verfassungsgerichtshofs zur Präjudizialität von Ortsnamen .............................................................. a. Die Präjudizialität im Erkenntnis aus dem Jahr 2001............................. b. Zur Präjudizialität im Erkenntnis aus dem Jahr 2005 ............................ 6. Problemperspektiven .................................................................................. D r i t t e r Te i l Verfassungsrechtliche Perspektiven ........................................................................... I. Die föderalistischen Kompetenzen zur Durchführung von Staatsverträgen in Gesetzgebung und Vollziehung.................................... 1. Die Rechtsgrundlagen ................................................................................ 2. Zuständigkeiten zur Durchführung von Staatsverträgen............................. 3. Die Rechtsgrundlagen für Ortsbezeichnungen und Ortsnamen ................. a. Die Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. 159/1960 idgF..................... b. Die erste Verordnung für St. Kanzian..................................................... c. Die zweite Verordnung für St. Kanzian .................................................. d. Die erste Verordnung für Bleiburg .........................................................
38 38 40 41 43 43 43 44 45 45 46 46 63 67 73 73 74 74 75 75 75 76 77 77 78 82 85 89 89 92 95
101 101 101 103 108 108 111 111 112
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e. Die zweite Verordnung für Bleiburg....................................................... f. Die Kärntner Allgemeine Gemeindeordnung (KAG)............................. 4. Die Festlegung von Ortsnamen durch die Bundesregierung ....................... 5. Feststellungen des Verfassungsgerichtshofs zur Kompetenzlage................... 6. Ortsnamen und topographische Ortsbezeichnungen.................................. 7. Kompetenzrechtliche Folgen der Aufhebung einer Wortfolge im VolksgruppenG und in der TopographieV.................................................. II. Die unmittelbare Anwendbarkeit von Staatsverträgen..................................... 1. Die Vorschriften des B-VG ......................................................................... 2. Allgemeiner Kommentar zu den Vorschriften des B-VG ............................ 3. Der Kommentar Öhlingers......................................................................... 4. Die unmittelbare Anwendbarkeit der Ziff. 3 im Art. 7 des Staatsvertrages in der Judikatur des VfGH............................................ a. Das Erkenntnis des Jahres 1987 ............................................................. b. Das Erkenntnis des Jahres 2000 zur Amtssprachenverordnung .............. c. Das Erkenntnis des Jahres 2001 ............................................................. d. Das Erkenntnis des Jahres 2005 ............................................................. 5. Der „Wille des Gesetzgebers“ und der fundamentale Irrtum des Verfassungsgerichtshofs................................. 6. Der Wille des Verfassungsgesetzgebers ........................................................ 7. Schlussfolgerungen ..................................................................................... III. Unbestimmtheiten im Art. 7 des Staatsvertrages in der Judikatur des VfGH.............................................................................. 1. Die Rechtsquellen....................................................................................... 2. Die objektiven Unbestimmtheiten im Staatsvertrag.................................... 3. Die Sichtweise des Verfassungsgerichtshofs................................................. 4. Die Unbestimmtheiten der Kriterien des VfGH......................................... 5. Fazit............................................................................................................ IV. Die Prinzipien des Rechtsstaates und der Legalität.......................................... 1. Die Rechtsgrundlagen ................................................................................ a. Das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)................................................... b. Das Verfassungsgerichtshofsgesetz .......................................................... 2. Das Prinzip des Rechtsstaates aus historischer und heutiger Sicht ............. 3. Der Rechtsstaat, die Legalität und der gesetzliche Richter in der Literatur und in der Rechtsprechung ................................... a. Der Rechtsstaat ...................................................................................... b. Die Legalität........................................................................................... c. Der gesetzliche Richter........................................................................... 4. Das differenzierte Legalitätsprinzip des B-VG ............................................ 5. Das Legalitätsprinzip und der Verfassungsgerichtshof................................. 6. Zum „Widerspruch“ des Volksgruppengesetzes und der Ortstafelverordnungen zum Art. 7 des Staatsvertrages .......................... 7. Die Gesetzesbindungen des Verfassungsgerichtshofs................................... a. Die Gesetzesbindung im B-VG .............................................................. b. Besondere Aspekte der Gesetzesbindungen des VfGH ...........................
112 113 113 116 118 120 123 123 124 129 132 132 137 141 143 144 147 148 149 149 152 154 159 164 165 165 165 166 166 169 169 177 182 185 186 188 192 192 194
Vi e r t e r Te i l Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung.......................................................... 197 I. Der Spruch zur Aufhebung von Verordnungen und Gesetzen......................... 197
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1. Die Rechtsgrundlagen ................................................................................ a. Der Spruch zur Aufhebung von Verordnungen ...................................... b. Der Spruch zur Aufhebung von Gesetzen .............................................. 2. Kommentar zur Rechtslage......................................................................... 3. Der Spruch in den zwei Erkenntnissen ....................................................... a. Das Erkenntnis des Jahres 2001 ............................................................. b. Das Erkenntnis des Jahres 2005 ............................................................. 4. Die Verbindlichkeit des Spruchs zur Aufhebung......................................... a. Rechtswirkungen der Zustellung............................................................ b. Rechtswirkungen der Kundmachung ..................................................... Der VfGH als „negativer Gesetzgeber“............................................................ 1. Die Aufhebung von Gesetzen in der Judikatur des VfGH .......................... 2. Rechtswirkungen der Aufhebung von Bescheiden ...................................... Die Entscheidungsgründe und ihre Verbindlichkeit........................................ 1. Die Entscheidungsgründe aus dem Jahr 2001 in ihrer Bedeutung für die Entscheidungsgründe aus dem Jahr 2005 ......... 2. Leitsätze und Rechtssätze............................................................................ 3. Die „Verbindlichkeit“ von Entscheidungsgründen ..................................... Der Verfassungsgerichtshof als positiver Gesetzgeber? ..................................... Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit........................................................... 1. Die Auswirkungen der Judikatur des Gerichtshofs und das Prinzip des Judicial Self-restraint ................................................... 2. Die Bindung des Verfassungsgerichtshofs an seine Judikatur?..................... 3. Verfassungsgerichtsbarkeit und Politik........................................................ Gesetzgeber und Verfassungsgericht ................................................................ 1. Die Aufgabe des Gesetzgebers..................................................................... 2. Die Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs .................................................... 3. Grenzen der Gesetzgebung und Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit....... 4. Die Fehlerhaftigkeit von Akten oberster Staatsorgane aus den Perspektiven der Gewaltenteilung ..................................................
F ü n f t e r Te i l Der demokratische Rechtsstaat im Wandel? ............................................................. I. Rechtshandlungen in ihrem Zusammenwirken............................................... 1. Aktivitäten oberster Staatsorgane aufgrund der Judikatur........................... a. Die Volksanwaltschaft ............................................................................ aa. Missstandsfeststellungen und Empfehlungen................................... bb. Die Anträge an den Verfassungsgerichtshof...................................... cc. Die Begründung der Anträge ........................................................... dd. Kommentar zur Begründung der Anträge........................................ ee. Die Rechtsgrundlagen für die Anträge auf Verordnungsprüfung ..... b. Der Verfassungsgerichtshof .................................................................... c. Die Bundesregierung.............................................................................. d. Der Nationalrat...................................................................................... e. Der Bundespräsident.............................................................................. 2. Neuartige Wege zur Gesetzgebung? ............................................................ II. Staatsfunktionen, Organpositionen und Amtswalter....................................... 1. Gegenseitige Abhängigkeiten und Verantwortlichkeiten der obersten Staatsorgane..........................................
197 197 198 200 201 201 202 204 204 206 207 207 211 213 213 216 219 223 231 231 236 244 248 248 250 257 262
269 269 269 270 270 273 274 276 280 282 285 286 286 288 291 291
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2. Organkompetenzen, Amtsbefugnisse und Amtspflichten ........................... 295 3. Verfassungsrechtliche und staatspolitische Konstellationen......................... 297 4. Der Verfassungsgesetzgeber ist herausgefordert........................................... 300 Literaturverzeichnis.................................................................................................... 303
Erster Teil
Das Thema und die Arbeitsweise I. Sachlage und Rechtslage Die vorliegende Untersuchung nimmt ihren Ausgang von konkreten Sachverhalten, die zu Bescheidbeschwerden an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) führten und diesen zur Gesetzes- und Verordnungsprüfung von Amts wegen veranlassten. Im Zusammenhang mit den Kärntner Ortstafeln fällte der VfGH in den Jahren 2001 und 2005, aus Anlass von gleichgerichteten Bescheidbeschwerden, von Amts wegen gleichartige Erkenntnisse. Sie gründen sich auf dieselben organisationsrechtlichen, verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Voraussetzungen und beziehen sich auf gleichartige Sachverhalte und auf die gleiche Rechtslage. Diese Erkenntnisse fügen sich in eine langjährige Entscheidungspraxis des VfGH zu den Vorschriften des Art. 7 des Staatsvertrages von Wien über den Minderheitenschutz. Die zu diesem Themenbereich über mehrere Jahrzehnte angewachsene Judikatur des VfGH öffnet geradezu beispielhaft die Sicht auf einfachgesetzliche und verfassungsrechtliche Fragen der Zuständigkeiten des VfGH zur Verordnungs- und Gesetzesprüfung von Amts wegen. In ihrem Zusammenhalt bieten die Erkenntnisse ein reichhaltiges Anschauungsmaterial für zentrale verfahrensrechtliche, verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Aspekte zur Verordnungs- und Gesetzesprüfung des VfGH von Amts wegen in Recht und Wirklichkeit. Wie kam es dazu? Im Jahr 1994 beging ein Angehöriger der slowenischen Minderheit, Rechtsanwalt von Beruf, in dem durch Ortstafeln mit deutschen Ortsnamen gekennzeichneten Gebiet von St. Kanzian wissentlich und willentlich eine Geschwindigkeitsüberschreitung. Sein erklärtes Ziel war die Erwirkung der Aufhebung der Ortstafelverordnung für St. Kanzian wegen Fehlens von entsprechenden slowenischen Ortsnamen. Für die Geschwindigkeitsüberschreitung wurde er von der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt aufgrund einer straßenpolizeilichen Verordnung und gemäß der Straßenverkehrsordnung zu Recht bestraft. Im Wissen um die Strafbarkeit seines Verhaltens und um die Rechtmäßigkeit der Strafe bekämpfte der Beschwerdeführer den Strafbescheid im Instanzenweg und brachte schließlich im Jahr 1999 beim VfGH eine Bescheidbeschwerde ein. Darin regte er die amtswegige Prüfung der dem Bescheid zugrunde liegenden verkehrs-
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Das Thema und die Arbeitsweise
polizeilichen Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt über die Ortstafeln für St. Kanzian durch den VfGH an. In seiner Bescheidbeschwerde machte er eine Verletzung „in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisten Recht auf zweisprachige Ortstafeln“ und eine Verletzung in seinen Rechten geltend, weil die Ortstafelverordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt für die Ortschaft St. Kanzian nur deutsche und nicht auch entsprechende slowenische Ortsnamen aufweise und nicht ordnungsgemäß kundgemacht sei. Der VfGH erklärte die Beschwerde für zulässig, unterbrach im Jahr 2001 das Bescheidprüfungsverfahren und leitete eine Verordnungs- und Gesetzesprüfung von Amts wegen ein. Im Zug eines mehrschichtigen Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahrens hob der VfGH schließlich auch die deutschen Ortsnamen in der straßenpolizeilichen Verordnung für St. Kanzian von Amts wegen auf, weil darin entsprechende slowenische Ortsnamen fehlten. Die rechtliche Voraussetzung für die Aufhebung der deutschen Ortsnamen in dieser Verordnung schuf der VfGH durch eine gleichfalls von Amts wegen durchgeführte Gesetzes- und Verordnungsprüfung. Aus Anlass der Bescheidprüfung hob er im Zug der Gesetzesprüfung im VolksgruppenG die Wortfolge „eine verhältnismäßig beträchtliche Zahl (ein Viertel) der dort wohnhaften Volksgruppenangehörigen“ und eine Wortfolge in der Topographieverordnung wegen „Widerspruchs“ mit Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien als rechtswidrig auf. Durch die Beseitigung des festen Prozentsatzes im VolksgruppenG und der Gebietsabgrenzung in der Topographieverordnung, zur Bestimmung der in Frage kommenden Minderheit in Kärntner Bezirken und Gemeinden, machte sich der VfGH den Weg frei, nach freiem Ermessen einen ihm entsprechend erscheinenden niedrigeren Prozentsatz als Kriterium für die Bestimmung der Minderheit für zutreffend zu befinden (mehr als zehn Prozent über einen längeren Zeitraum). Mit der Aufhebung der Wortfolge im VolksgruppenG machte der VfGH den Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien (Minderheit, gemischte Bevölkerung) – ungeachtet seiner evidenten Unbestimmtheit – vorerst einmal für sich selbst „unmittelbar anwendbar“. In seinem Erkenntnis über die Aufhebung erhob er seine eigene Rechtsmeinung über das erforderliche Ausmaß der Minderheit zu einem allgemeinen Richtmaß für zweisprachige Ortstafeln. Dieses Richtmaß legte er nicht in einem verbindlichen Spruch fest, sondern formulierte es als einen Teil der Entscheidungsgründe seines aufhebenden Erkenntnisses. Daraus zog er für sich selbst eine erste Konsequenz und hob nicht nur eine Wortfolge in der gleichzeitig einer amtswegigen Prüfung unterzogenen Topographieverordnung der Bundesregierung betreffend eine Gebietsabgrenzung für zwei-
Sachlage und Rechtslage
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sprachige Ortsnamen auf, sondern auch die deutschen Ortsnamen in der straßenpolizeilichen Verordnung für St. Kanzian. Zum angefochtenen Strafbescheid stellte der VfGH gemäß seinen Vorentscheidungen fest, dass einzelne Personen keinen Anspruch auf die Aufstellung von zweisprachigen Ortstafeln haben. Die Aufhebung der Ortsnamen befand er für den Strafbescheid als unerheblich. Er bestätigte daher dessen Rechtmäßigkeit und wies die Bescheidbeschwerde ab. Dem Beschwerdeführer sprach er im Hinblick auf die amtswegige Aufhebung der Ortsnamen aus Anlass der Bescheidbeschwerde gleichwohl den Ersatz der Verfahrenskosten zu. Durch dieses Erkenntnis des Jahres 2001 sah sich der Beschwerdeführer ermutigt, im Jahr 2003 eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung im Ortsgebiet von Bleiburg zu begehen, um sich auch dafür bestrafen zu lassen und weitere Ortstafeln bekämpfen zu können. Der Beschwerdeführer wurde auch dieses Mal aufgrund der Straßenverkehrsordnung zu Recht bestraft und brachte ungeachtet dessen, nach Erschöpfung des Instanzenzuges, gegen den Strafbescheid beim VfGH eine Beschwerde ein. Nach dem Beispiel des Jahres 2001 kam der VfGH den Erwartungen des Beschwerdeführers abermals entgegen. Auch dieses Mal unterbrach er das Bescheidprüfungsverfahren und leitete von Amts wegen ein Verordnungsprüfungsverfahren ein. Die gesetzliche Grundlage dafür hatte er bereits im Jahr 2001 „bereinigt“. Im Dezember 2005 hob er unter Berufung auf seine Vorentscheidung aus dem Jahr 2001 die deutschen Ortsnamen für Bleiburg und Bleiburg-Ebersdorf auf. Auch dieses Mal bestätigte er die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides und wies die Bescheidbeschwerde gleichfalls ab. Im Hinblick auf die Aufhebung der Ortsnamen von Amts wegen aus Anlass der Bescheidbeschwerde sprach er dem Beschwerdeführer jedoch abermals den Ersatz der Verfahrenskosten zu. Im Vergleich zum Erkenntnis G 213/01, V 62, 63/01 des Jahres 2001 beinhaltet das Erkenntnis V 64/05 des Jahres 2005 allerdings eine Besonderheit. In den Entscheidungsgründen wurde die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt für zuständig und verpflichtet erklärt, in der verkehrspolizeilichen Ortstafelverordnung für Bleiburg „in eigener Verantwortung“ slowenische Ortsnamen „festzulegen“; allerdings mit dem bemerkenswerten Zusatz, „solange eine diesbezügliche Verordnung der Bundesregierung gemäß § 12 Abs. 2 VolksgruppenG nicht gilt“. Der Spruch über die Bescheidbeschwerden lautete auf Abweisung. In den Begründungen seiner Erkenntnisse über die Bescheidprüfungen schloss der VfGH trotz Aufhebung von deutschen Ortsbezeichnungen in der dem jeweiligen Bescheid zugrunde liegenden Ortstafelverordnung die Rechtswirkung der Aufhebung für den Beschwerdefall aus. Obwohl der VfGH
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Das Thema und die Arbeitsweise
in den Aufhebungen der deutschen Ortsnamen keine notwendige rechtliche Vorfrage für seine Erkenntnisse über die Bescheidbeschwerden zu erblicken vermochte, sprach er in beiden Fällen dem Beschwerdeführer den Ersatz der Kosten des Verfahrens zu. Derart gewährte er dem Beschwerdeführer zwei Mal eine finanzielle „Ergreiferprämie“, ohne ihm den verfassungsgesetzlich vorgesehenen rechtlichen Erfolg für die Veranlassung der Aufhebung von Ortsnamen in der zur Bestrafung rechtmäßig angewendeten Rechtsvorschrift zuzuerkennen. Damit bestätigte der VfGH dem Beschwerdeführer wiederholt die Sinnhaftigkeit seines rechtswidrigen Verhaltens und wies ihm und anderen dadurch den Weg für neue Beschwerden; offensichtlich um sich selbst weitere Verordnungsprüfungen und Aufhebungen von Ortsnamen von Amts wegen zu ermöglichen. Dadurch ermutigt wurden in Kärntner Ortschaften, nach den erprobten Beispielen, zahlreiche weitere Geschwindigkeitsüberschreitungen begangen. Im Instanzenweg wurden unterdessen zur Herbeiführung von zusätzlichen zweisprachigen Ortstafeln mit Hilfe des VfGH 14 Bescheidbeschwerden eingebracht. Zahlreiche weitere Verfahren sollen vor den Verwaltungsbehörden noch anhängig sein.
II. Folgen der Aufhebungen von Ortsnamen Die den zwei genannten Bescheidbeschwerden zugrunde liegenden Sachverhalte stimmen also im Wesentlichen überein. Für beide Sachverhalte ist dieselbe Rechtslage nach der Straßenverkehrsordnung maßgeblich. Der VfGH nahm die Beschwerden eines wegen Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit in verbauten Ortsgebieten zu Recht bestraften Angehörigen der slowenischen Minderheit zum Anlass, zwei straßenpolizeiliche Verordnungen von Amts wegen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen und rechtmäßige deutsche Ortsnamen „wegen Widerspruchs“ zum Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien aufzuheben. Im Spruch ordnete er die Verlautbarung der Aufhebungen der Ortsnamen durch den Landeshauptmann von Kärnten im Landesgesetzblatt an. Zu den Aufhebungen des Jahres 2001 stellte er fest: „Die Einräumung einer Frist schien dem Verfassungsgerichtshof erforderlich, um sowohl dem Gesetzgeber als auch den in Betracht kommenden Verordnungsgebern die Erlassung von (Ersatz-)Regelungen zu ermöglichen, die dem Art. 7 Z. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien entsprechen.“ In den Entscheidungsgründen seines Erkenntnisses vom 12. Dezember 2005 kam der VfGH hingegen zu der folgenden, rechtssatzähnlich formulierten Feststellung: „Im vorliegenden Zusammenhang ist die Verfassungsbestimmung des Art. 7 Z 3 zwei-
Folgen der Aufhebungen von Ortsnamen
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ter Satz StV Wien unmittelbar anwendbar (vgl. dazu schon VfSlg. 16.404/ 2001, S. 1032, Pkt. 4. 3. und 6.) Daraus ergibt sich für die Bezirkshauptmannschaft die Rechtspflicht, bei Erlassung der hier in Rede stehenden verkehrspolizeilichen Verordnung die Ortsbezeichnung sowohl in deutscher als auch in slowenischer Sprache festzulegen. Was die slowenische Ortsbezeichnung anlangt, ist diese – solange eine diesbezügliche Verordnung der Bundesregierung gemäß § 12 Abs. 2 VolksgruppenG nicht gilt – von der Bezirkshauptmannschaft in eigener Verantwortung festzulegen. Der Ausspruch über das Inkrafttreten der Aufhebung stützte sich auf Art. 139 Abs. 5 letzter Satz B-VG. Die Setzung einer solchen Frist hielt der VfGH für erforderlich, um der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt die rechtzeitige Erlassung einer der Rechtsanschauung des VfGH Rechnung tragenden und dem Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz StV Wien entsprechenden (Ersatz-)Regelung zu ermöglichen und dem § 53 Abs. 1 Z 17a StVO (,Dieses Zeichen gibt den Namen eines Ortes an ...‘) folgend durch Verordnung die Ortsbezeichnung in deutscher und slowenischer Sprache festzulegen.“ Der VfGH ging dabei von der Prämisse aus, dass der zweite Satz in der Ziffer 3 des Art. 7 StV Wien ebenso unmittelbar anwendbar sei, wie er es in seinen vorangehenden Erkenntnissen zur Amtssprache gemäß dem ersten Satz in der Ziff. 3 des Art. 7 StV Wien unter Hinweis auf den Motivenbericht der Regierung zum Staatsvertrag vor dem Jahr 2001 in ständiger Rechtsprechung wiederholt festgestellt hat. Der VfGH wies im Jahr 2005 die Zuständigkeit zur „Festlegung“ der nach seiner Meinung fehlenden slowenischen Ortsnamen der Bezirksverwaltungsbehörde allerdings mit einer Einschränkung zu: solange die diesbezügliche Verordnung der Bundesregierung nicht gilt. Damit brachte er seine Erwartung zum Ausdruck, dass die Bundesregierung für die Festlegung von weiteren slowenischen Ortsnamen ihre Topographieverordnung und ihre Ortsnamenverordnung für Kärnten durch entsprechende slowenische Ortsnamen ergänzt. Dass die Schließung der durch den VfGH im Jahr 2001 geschaffenen Lücke im VolksgruppenG durch den Gesetzgeber gemäß Art. 18 B-VG eine zwingende rechtsstaatliche Voraussetzung für die Erlassung der Verordnungen durch die Bundesregierung und durch die Bezirkshauptmannschaft wäre, fand keine Erwähnung. Nach der derzeitigen Rechtslage ist nicht nachvollziehbar, warum der VfGH die Zuständigkeit zur Festlegung von slowenischen Ortsnamen zum Zweck der Geschwindigkeitsbeschränkung in einer bestimmten Ortschaft trotz Bedachtnahme auf die Zuständigkeit der Bundesregierung auf die Bezirkshauptmannschaft verlagert wissen will, statt – wie im Jahr 2001 – dem Gesetzgeber zu signalisieren, im Sinn des VolksgruppenG durch Vor-
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Das Thema und die Arbeitsweise
schreibung eines günstigeren Prozentsatzes der Bundesregierung die Festlegung von weiteren slowenischen Ortsnamen verfassungskonform zu ermöglichen. Im Fall der Lückenschließung durch den Gesetzgeber wäre die Bundesregierung gemäß dem Legalitätsprinzip der Verfassung dann in die Lage versetzt, ihre Verordnung verfassungskonform zu ergänzen und die Bezirkshauptmannschaft könnte auf den Straßenverkehrszeichen neben den deutschen Ortsnamen auch rechtlich einwandfrei festgelegte slowenische Ortsnamen verwenden. Aus dieser Perspektive zeigt sich die ganze Reichweite der Problematik der Rechtsbelehrung durch den VfGH im Jahr 2005. Einerseits sind zwei Zuständigkeiten angesprochen: die der Bezirkshauptmannschaft und jene der Bundesregierung. Andererseits kann die Bezirkshauptmannschaft durch Entscheidungsgründe in einem Erkenntnis zur Verordnungsaufhebung nicht rechtswirksam verpflichtet werden, eine ihr nicht gesetzlich zugewiesene Zuständigkeit zur „Festlegung“ von slowenischen Ortsnamen auszuüben. Infolge der doppeldeutigen Formulierung über die zweifache Zuständigkeit in den Entscheidungsgründen ist aber auch unklar, welches der zwei Organe mit Vorrang und welches zuerst handeln soll: die Bezirksverwaltungsbehörde oder die Bundesregierung (im Zusammenwirken mit der Landesregierung von Kärnten?). Dabei ist auch offen, welcher unter Umständen von mehreren historisch in Betracht kommenden slowenischen Ortsnamen für eine bestimmte Ortschaft verwendet werden soll. Gemäß der Straßenverkehrsordnung hat die Bezirkshauptmannschaft durch Ortstafeln nur die räumliche Reichweite von Verkehrszeichen anzuordnen, nicht jedoch Ortsnamen festzulegen. Dabei hat sie die rechtlich bereits bestehenden Ortsnamen zu verwenden, deren amtliche „Festlegung“ gemäß dem VolksgruppenG außerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches liegt. Hierin zeigt sich das mehrfache Dilemma, in welches sich der VfGH mit seiner Judikatur zu den Kärntner Ortstafeln der Jahre 2001 und 2005 grundsätzlich verstrickt hat. Einerseits nimmt er unter Berufung auf seine älteren Vorentscheidungen zur Frage der Amtssprache gemäß dem ersten Satz der Ziff. 3 im Art. 7 des Staatsvertrages von Wien an, dass auch der zweite Satz in der Ziff. 3 des Art. 7 unmittelbar anwendbar sei. Andererseits weiß er um die Untätigkeit des Gesetzgebers und um das Problem der Bundesregierung, ohne eine verbesserte gesetzliche Grundlage im Sinn des VolksgruppenG weitere slowenische Ortsnamen nach einem festen Maßstab durch Verordnung einheitlich „festzulegen“. Der VfGH hat dabei auch noch die unmittelbar damit in Verbindung stehende Rechtslage auf dem Gebiet der Namensgebung für Ortschaften nicht gebührend veranschlagt. Nach der Kärntner Allgemeinen Gemein-
Folgen der Aufhebungen von Ortsnamen
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deordnung ist der jeweilige Gemeinderat zur Namensgebung für Ortschaften einer Gemeinde zuständig und nicht die Bezirkshauptmannschaft. Hinzu kommt noch die Tatsache, dass der VfGH die zu Recht bestehenden deutschen Ortsbezeichnungen in den überprüften straßenpolizeilichen Verordnungen offensichtlich deshalb aufgehoben hat, weil dadurch für ihn der Weg frei wurde, gemäß dem für sich reklamierten freien Ermessen seine eigenen Kriterien zur Festlegung von slowenischen Ortnamen für weitere Ortschaften anwendbar zu machen. Von Bedeutung ist dabei noch der Umstand, dass der VfGH für die „Festlegung“ der slowenischen Ortsnamen keinen klaren Weg gewiesen hat. Seine Kriterien „mehr als 10 % über einen längeren Zeitraum“, anstelle der festen 25 % (des Viertels) in der aufgehobenen Wortfolge des Volksgruppengesetzes, ermöglichen in ihrer relativen Unbestimmtheit für die einzelnen Ortschaften unterschiedliche Grenzziehungen durch die Vollzugsbehörden. Laut der Statistik Austria gibt es in Kärnten derzeit 2.824 Ortschaften. In 77 Ortschaften bestehen bereits zweisprachige Ortstafeln. Wie viele zweisprachige Ortstafeln aufgrund der bisherigen und der sichtlich noch zu erwartenden Erkenntnisse des VfGH zusätzlich aufgestellt werden sollen, ist unklar. Der Beschwerdeführer errechnete im Jahr 2002 insgesamt 394 in Betracht kommende Ortschaften. Bei einer Konsenskonferenz im Jahr 2005 hielt man insgesamt 126 zweisprachige Ortstafeln für angemessen. Der Bundeskanzler schlug aufgrund des Gutachtens eines Historikers für insgesamt 158 Ortschaften zweisprachige Ortstafeln vor.11 Das BKA versendete in diesem Sinn einen Verordnungsentwurf. Dabei stellte es sich heraus, dass einige der genannten Orte keine Ortschaften im rechtlichen Sinn sind. Gemäß einer Stellungnahme des Historikers können es daher auch weniger Orte sein. St. Kanzian lag bei der Volkszählung des Jahres 1991 mit 9,9 % und im Zeitpunkt der Entscheidung des VfGH im Jahr 2001 bereits seit einem längeren Zeitraum unter 10 %. Bei der Volkszählung des Jahres 2001 (veröffentlicht im September 2002) erreichte St. Kanzian nur noch 8,7 %. Das bedeutet auf den ersten Blick, dass die relativ unbestimmten Kriterien der Zeit und des Prozentsatzes zur Feststellung der Minderheit in bestimmten Gebieten keine verlässliche Auswahl der in Betracht kommenden Ortschaften gewährleisten. Hinzu kommt noch der Umstand, dass es für manche Ortschaften – wie Ebersdorf – verschiedene slowenische Namen gibt. Der VfGH hat keinen bestimmten Namen festgelegt, sondern die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt alternativ-kumulativ mit der Bundesregierung für verpflichtet erklärt, für St. Kanzian und für Bleiburg (Bleiburg____________________
11 www.orf.at vom 17. Februar 2006. Siehe dazu den Entwurf des BKA für eine Verordnung der Bundesregierung, versendet am 10. Mai 2006.
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Das Thema und die Arbeitsweise
Ebersdorf ) die in Betracht kommenden slowenischen Ortsnamen „festzulegen“. Dabei wurde der zur Festlegung von Ortsnamen jeweils zuständige Gemeinderat vom VfGH nicht in Betracht gezogen. Die problematische Aussage des VfGH über die alternativ-kumulative Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt und der Bundesregierung zur „Festlegung“ von slowenischen Ortsnamen veranlasste den Bezirkshauptmann von Völkermarkt, an den Präsidenten des VfGH die Frage zu richten, wer nun eigentlich zuständig sei. In einer Presseerklärung des Sprechers des VfGH heißt es dazu: „Er war beim Präsidenten, weil er zum einen wissen wollte, wen die Entscheidung tatsächlich zum Handeln verpflichtet und ob es eine Bindungswirkung über die aufgehobenen Ortstafeln hinaus gibt. Nicht mehr und nicht weniger.“12 Diese Rückfrage des Bezirkshauptmanns nach einer Erklärung der rechtlichen Bedeutung der ambivalenten Rechtsauffassung des VfGH über die Vollzugskompetenz gemäß dem Art. 7 des Staatsvertrages von Wien gemahnt an die durch das 14. Zusatzprotokoll zur EMRK neu geschaffene Zuständigkeit des Minister-Komitees des Europarates, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Re-Interpretation seiner Urteile aufzufordern, wenn dem Urteil nicht mit Gewissheit entnommen werden kann, wozu ein Staat verpflichtet sein soll. Die Entscheidungsgründe der zwei Erkenntnisse des VfGH zu den Kärntner Ortstafeln zeigen anschaulicher als jede theoretische Beweisführung, dass der zweite Satz in der Ziff. 3 des Art. 7 StV nicht unmittelbar anwendbar ist und zu seiner Anwendbarkeit der näheren Ausführung durch die dafür zuständigen Organe des Bundes und der Länder bedarf. Zu diesen Organen zählen gemäß Art. 16 Abs. 5 B-VG in erster Linie der Bundesgesetzgeber und der Landesgesetzgeber von Kärnten, sodann die Bundesregierung und die Landesregierung von Kärnten, im Zusammenwirken mit den zur Festlegung der Ortsnamen zuständigen Kärntner Gemeinden. Daran anschließend wäre die jeweilige Bezirkshauptmannschaft zur Verwendung der dann amtlich bereits festgesetzten slowenischen Ortsnamen in den straßenpolizeilichen Verordnungen berufen. Die Frage nach den für die „Festlegung“ von slowenischen Ortsnamen (Terminologie des Volksgruppengesetzes) zuständigen Organen führt zu den grundlegenden verfassungsrechtlichen Fragen nach der Zuständigkeit zur „Durchführung“ von Staatsverträgen, gemäß den Bestimmungsgründen der Art. 16 Abs. 5 und 50 B-VG für die unmittelbare Anwendbarkeit von Staatsverträgen und nach dem Stellenwert von Gesetzen für den VfGH. Die verfassungsrechtlichen Grundprinzipien des Rechtsstaates, der ____________________
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Der Standard vom 14. März 2006.
Folgen der Aufhebungen von Ortsnamen
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Legalität und des Föderalismus erscheinen vor allem im Hinblick auf die ständige Judikatur des VfGH als prüfenswerte verfassungsrechtliche Schwerpunkte. Die Frage nach der Rechtsstellung des VfGH im Gefüge der Gewaltenteilung rückt zunehmend in den Vordergrund. Dabei sind die Fragen nach dem Verhältnis des VfGH zum Gesetzgeber (Verfassungsgesetzgeber) und umgekehrt, des Gesetzgebers (Verfassungsgesetzgebers) zum VfGH, von zentraler Bedeutung. In diesem Zusammenhang stellt sich aber auch die Frage nach dem rechtlichen Stellenwert bzw. Rang der Erkenntnisse des VfGH im Rechtsquellengefüge des demokratischen Rechtsstaates. Haben die Rechtssätze bzw. Leitsätze in den Erkenntnissen des VfGH Gesetzes- oder Verordnungsrang oder sind sie – vergleichbar mit jenen von anderen höchstrichterlichen Urteilen – bloß für den Anlassfall maßgeblich? Wie weit reicht die „Verbindlichkeit“ von Rechtsanschauungen des VfGH in den Entscheidungsgründen seiner Erkenntnisse? Die Erkenntnisse des VfGH bilden zu verschiedenen Grundsatzfragen immer länger werdende Ketten von Rechtssätzen bzw. Leitsätzen, die in ihren zunehmenden Verfestigungen wie Regulative des Gesetzesrechts Beachtung erheischen. Welche Rechtswirkungen hat die darin zum Ausdruck kommende ständige Rechtsprechung des VfGH für künftige Fälle? Ist Österreich auf dem Weg zu einem Fallrecht, das zur Gleichwertigkeit mit dem Gesetzesrecht tendiert? Gibt es nicht sogar schon zahlreiche zur Selbstverständlichkeit gewordene Entscheidungspraktiken des VfGH, die materiell bereits Gesetzesrang einnehmen? Die Erkenntnisse des VfGH über die zwei erwähnten Bescheidbeschwerden, über die Aufhebung von deutschen Ortsbezeichnungen in zwei Ortstafelverordnungen, gegründet auf die Aufhebung einer Wortfolge in der Topographieverordnung der Bundesregierung und auf die Aufhebung einer Wortfolge im Volksgruppengesetz, wecken in ihrem rechtlichen und tatsächlichen Zusammenhalt nicht nur zahlreiche Rechtsfragen, sondern haben auch eine erhebliche Rechtsunsicherheit zur Folge. Nach der Aufhebung der deutschen Ortsbezeichnung „St. Kanzian“ in der straßenpolizeilichen Verordnung durch das Erkenntnis des VfGH aus dem Jahr 2001 erließ die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt mit Datum vom 15. April 2002, unter der Zl. VK6-STV-664/1-2002, für St. Kanzian eine neue Verordnung mit deutschen Ortnamen. An deren Stelle erließ dieselbe Behörde mit Datum vom 23. Mai 2003, unter der Zl. VK6STV-664/2-2002 eine neue Verordnung. Mit Datum vom 1. Oktober 2004 erging unter der Zl. VK7-STV-294/1-2004 eine neue Verordnung mit derselben deutschen Ortsbezeichnung. (Unterdessen war St. Kanzian aufgrund der im September des Jahres 2002 verbindlich gewordenen
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Das Thema und die Arbeitsweise
Volkszählung aus dem Jahr 2001 von 9,9 % im Jahr 1991 auf 8,7 % noch tiefer unter die Grenze von 10 % gefallen). Nach der Aufhebung der deutschen Ortsbezeichnungen „Bleiburg“ und „Bleiburg Ebersdorf“ in der straßenpolizeilichen Verordnung durch das Erkenntnis des VfGH aus dem Jahr 2005 erließ die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt, mit Datum vom 7. Februar 2006, unter der Zl. VK6-STV-1091/2005 (017/2006) gleichfalls eine neue Verordnung mit ausschließlich deutschen Ortsbezeichnungen. Die Ortstafeln wurden neu versetzt. Die jüngsten Verordnungen für St. Kanzian und Bleiburg bzw. Ebersdorf wurden mit Datum vom 31. März 2006 von der Volksanwaltschaft beim VfGH angefochten und die Aufhebung der deutschen Ortsbezeichnungen in beiden Verordnungen beantragt. Am 26. Juni 2006 erfolgte die Verkündung der Aufhebung der deutschen Ortsnamen für Bleiburg und Ebersdorf. Die deutschen Ortsnamen für St. Kanzian wurden wegen Unterschreitung der 10 % Grenze bestätigt. Im Ergebnis bekräftigen diese zwei Erkenntnisse die hier behandelten Verordnungsprüfungen des Jahres 2001 und 2005. Darin liegt eine Bestätigung der komplexen verfassungsrechtlichen und staatspolitischen Problematik der Judikatur des VfGH; einerseits in ihrem Gegensatz zur Gesetzgebung und zur Vollziehung, andererseits aber auch im Spannungsfeld von Recht und Politik. In der Öffentlichkeit wurde im Zusammenhang mit den Ortstafelerkenntnissen wiederholt festgestellt, dass Erkenntnisse des VfGH zu befolgen seien. Mediale Vereinfachungen und Absolutsetzungen der Autorität des VfGH einerseits und eine Idealisierung des Minderheitenschutzes andererseits haben zu anhaltenden politischen Auseinandersetzungen über die Ortstafelproblematik geführt. Angesichts dessen erscheint es sinnvoll, der darin gelegenen komplexen rechtsstaatlichen Problematik auf den Grund zu gehen und die dabei aufgebrochenen Fragen nach den Zuständigkeiten des Bundesgesetzgebers und der Landesgesetzgeber zur Durchführung von Staatsverträgen gemäß Art. 16 Abs. 5 B-VG im Sinn der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern sowie Möglichkeiten und Grenzen der Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsgerichtshofs auszuloten. Die Antwort auf die Frage, was für die Thematik der Ortstafeln Rechtens ist, setzt eingehende Analysen der Sachlage einerseits und der Rechtslage andererseits sowie ihrer Wechselbezüge voraus. Diese Analysen sollen gegenstandsgerecht, homogen und schlüssig dargeboten werden und rational nachprüfbar sein. Einer solchen Anforderung kann nur eine von ihren Prämissen her überprüfbare juristische Denkweise gerecht werden, die auf die Sachlage ebenso Bedacht nimmt wie auf die Rechtslage.
Die juristische Denkweise
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III. Die juristische Denkweise Das Gesetzesrecht ist kodifiziertes Recht. Gemäß seinen zweckhaften, generell-abstrakt gefassten Inhalten ist es notwendigerweise wirklichkeitsbezogen. Es soll einem ordnungsgemäßen Zusammenleben der Menschen in einer Rechtsgemeinschaft dienen und ist objektiv zweckgebunden auf die konkrete Verwirklichung seiner Inhalte durch menschliches Verhalten abgestellt. Dem hat auch das juristische Denken Rechnung zu tragen. Der Jurist kann dabei grundsätzlich zwei verschiedene Ausgangspositionen einnehmen: er kann einerseits von den Rechtsvorschriften, andererseits jedoch von einer konkreten Sachlage ausgehen. Demgemäß kann er primär eine generell-abstrakte, deduktive Denkweise pflegen, gerichtet auf mögliche oder wirkliche Einzelfälle; er kann aber auch primär eine individuell-konkrete empirische, induktive Denkweise pflegen, gerichtet auf abstrakte Regelungszusammenhänge in den Rechtsvorschriften. Die erste Denkweise ist systematisch und teleologisch. Sie dient der Erfassung der sinn- und zweckhaften Sinngehalte von generell-abstrakten Vorschriften (in der Regel von Gesetzen) im Hinblick auf eine bestimmt geartete Sachlage. Die zweite ist realitätsbezogen und empirisch. Sie nimmt ihren Ausgang von der Problematik einer bestimmt gearteten Sachlage und ist auf deren rechtliche Beurteilung gemäß den generell-abstrakten Vorschriften abgestellt. Diese unterschiedlichen juristischen Denkansätze haben in den jeweils in Betracht kommenden Rechtsvorschriften ihren gemeinsamen Bezugspunkt. Ungeachtet verschiedener Ausgangspunkte dienen sie in ihrer Zusammenschau einer Verknüpfung der jeweils vorgegebenen Daten und Fakten mit den thematisch gebundenen, generell-abstrakt verbindlichen Sinngehalten des Gesetzesrechts, im Hinblick auf die Frage was Rechtens ist. Beiden ist ein Ziel gemeinsam: die Auslotung der Rechtserheblichkeit einer komplexen konkreten kulturell-sozialen Wirklichkeit am Maß der Sinngehalte des dafür in Betracht kommenden, gleichfalls komplexen generell-abstrakten Gesetzesrechts. Der individuell-konkrete Denkansatz zu einer bestimmten Sachlage reduziert sich gemäß der Erheblichkeit von Daten und Fakten für konkrete Fragestellungen, für welche eine rechtliche Beurteilung aus den generell-abstrakten Vorschriften gesucht wird, auf das zureichende Ausmaß. Die rechtliche Lösung gewinnt man aus der kritischen Zuordnung einer individuell-konkreten Sachlage zu den generell-abstrakten Vorschriften des Gesetzesrechts im Ausmaß ihrer Rechtserheblichkeit. Dafür sind schließlich auch die dogmatisch-systematischen Überlegungen der Theorie und die Schwerpunktsetzungen der Judikatur des VfGH zur generell-abstrakten Ebene des Gesetzesrechtes wegweisend.
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Das Thema und die Arbeitsweise
Fakten und Daten einer konkreten Sachlage sind meistens heterogen und komplex. Die Vorschriften des Rechtes sind gleichfalls heterogen und komplex. Die Erkundung der Entsprechung von Sachlage und Rechtslage erfordert daher ein differenziertes Hin- und Herwandern des Blicks zwischen beiden Ebenen (Karl Engisch); von den Fakten zu den Rechtsvorschriften und von diesen zu den Fakten, zur Erkundung ihrer wechselseitigen Erheblichkeit. Aus den derart ermittelten, aufeinander abgestimmten, sinn- und zweckhaften Wechselbezügen innerhalb der Bedeutungsrahmen des generell-abstrakten Gesetzesrechts erzielt man schlüssige juristische Ergebnisse zur rechtlichen Beurteilung von komplexen Sachlagen konkreter Rechtsfälle. In diesem Sinn sind für die den Bescheidbeschwerden und den amtswegigen Prüfungsverfahren zugrunde liegenden konkreten Sachverhalte und für die Entscheidungspraxis des VfGH alle in Betracht kommenden Rechtsvorschriften zum Thema in ihrem Sinnzusammenhang heranzuziehen und den rechtserheblichen Daten und Fakten der zwei komplexen Rechtsfälle in Verbindung mit der Judikatur des VfGH differenziert einander gegenüberzustellen: Der Staatsvertrag von Wien mit den Durchführungsvorschriften auf Gesetzes- und Verordnungsebene, das BundesVerfassungsgesetz betreffend die Staatsverträge, die Kompetenzregelungen des B-VG zur föderalistischen Durchführung eines Staatsvertrages, die Gesetzesbindung der Verwaltung und der Gerichtsbarkeit, der verfassungsrechtliche Minderheitenschutz, das Volksgruppengesetz und die Verordnungen der Bundesregierung, die Straßenverkehrsordnung und die Durchführungsverordnungen der Kärntner Vollzugsbehörden sowie die Allgemeine Kärntner Gemeindeordnung. Für die Frage der Entscheidungspraxis und der Zuständigkeiten des VfGH sind vor allem das VfGG und das B-VG zu beachten. Die generell-abstrakte Ebene dieser verfassungs- und einfachgesetzlichen Vorschriften findet ihre Anreicherung aus den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs zu den in Betracht kommenden Rechtsmaterien. Die Erkenntnisse des VfGH zum Thema sind zwar kein gesetzesgleicher Maßstab, sie vermitteln aber Vergleichs- und Deutungsmöglichkeiten bei der Ermittlung der Sinngehalte des Rechts und der wechselseitigen Erheblichkeiten von Sachlage und Rechtslage. Fragestellungen aus einem individuell-konkreten Geschehen machen in Verbindung mit der Entscheidungspraxis des VfGH die Erheblichkeit der für die gegenständlichen Sachlagen maßgeblichen differenzierten Sinngehalte der Rechtsmaterien besser erkennbar. Eine Gegenüberstellung der generell-abstrakten Rechtsvorschriften zu den wesentlichen Komponenten der in Frage kommenden Einzelfälle, bei einer kritischen Bedachtnah-
Die juristische Denkweise
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me auf die einschlägige Judikatur des VfGH, erhellt die für die Thematik erheblichen Sinngehalte des differenzierten Gesetzesrechtes. Das betrifft für die vorliegende Thematik die Begriffe „Staatsverträge“, „Gesetze“, „unmittelbare Anwendbarkeit“, „Unbestimmtheit von Gesetzen und Staatsverträgen“, ferner die Begriffe „gemischte Bevölkerung“ und „Minderheit“ im Staatsvertrag und im B-VG sowie die verfassungsrechtlichen Allgemeinbegriffe „Rechtsstaat“ und „Legalität“, schließlich auch Begriffe betreffend die Zuständigkeiten und Verfahren des VfGH, „von Amts wegen“, „Präjudizialität“ und „Verbindlichkeit“, ferner „Anlassfall“, „anhängige Rechtssache“, „anzuwenden“, „Spruch“ und „Entscheidungsgründe“ zu den thematisch einschlägigen Erkenntnissen des VfGH. Der VfGH hat zum Art. 7 des Staatsvertrages von Wien über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten eine reichhaltige Judikatur hervorgebracht. Diese Judikatur reicht tief in die Grundprinzipien der Verfassung: Bundesverfassung, Rechtsstaat, Legalität, Zuständigkeiten des Verfassungsgerichtshofs zur Bescheidprüfung, zur Verordnungsprüfung und zur Gesetzesprüfung, zum Anlassfall, zur Vorfrage, zur Präjudizialität in Verbindung mit der Amtswegigkeit. Dabei tritt die Frage nach dem Richterrecht, in seiner Beziehung zum Gesetzesrecht, und die verfassungsrechtliche Stellung des VfGH im Gefüge der Staatsgewalten in den Vordergrund. Im Vergleich der thematisch einschlägigen Erkenntnisse zum Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien zeigt die Judikatur des VfGH bei der Prüfung von Verordnungen und Gesetzen von Amts wegen ganz allgemein eine zunehmende Tendenz zur materiellen Gesetzgebung. Der Verfassungsgerichtshof wirkt als Höchstgericht zunehmend wie ein materieller Gesetzgeber. Sein „Richterrecht“ richtet sich mitunter sogar gegen das Gesetzesrecht und bleibt dennoch hinter dessen Geltung und Verbindlichkeit zurück. Das tritt in den Erkenntnissen des VfGH zu den Ortstafeln von Kärnten aus den Jahren 2001 und 2005 sowie in den zahlreichen Vorentscheidungen dazu in einer besonders anschaulichen Weise zu Tage. Das generell-abstrakte Gesetzesrecht, eine nachhaltige und kontinuierliche Judikatur des VfGH, in ihrer dogmatisierten Verkettung von Vorentscheidungen zur Thematik, und die kulturell-soziale, staatspolitische Wirklichkeit zeigen den Verfassungsgerichtshof und den Gesetzgeber in einem noch immer andauernden, spannungsgeladenen Wechselbezug zueinander, dessen Ursachen und Auswirkungen in den nachfolgenden Ausführungen, am Beispiel der Judikatur zum Minderheitenschutz, aus einer differenzierten rechtlichen und empirischen Sicht aufgespürt werden sollen.
Zweiter Teil
Verfahrensrechtliche Perspektiven I. Vorfragen zu den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs über die Bescheidbeschwerden 1. Die Rechtsgrundlagen für Bescheidbeschwerden a. Die Bescheidbeschwerde im B-VG Art. 144 (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden einschließlich der unabhängigen Verwaltungssenate, soweit der Beschwerdeführer durch den Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrages in seine Rechten verletzt zu sein behauptet. Die Beschwerde kann erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges erhoben werden. (2) Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde bis zur Verhandlung durch Beschluss ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist. ... b. Die Bescheidbeschwerde im VfGG § 82 (1) Die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes gegen einen Bescheid kann nur nach Erschöpfung des Instanzenzuges innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides erhoben werden. (2) Die Beschwerde hat zu enthalten: 1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides; 2. Bezeichnung der Behörde, die den Bescheid erlassen hat; 3. den Sachverhalt; 4. die Angabe, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, einer gesetzwidrigen Kundmachung über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes (Staatsvertrages), eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrages in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, im
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letzteren Fall auch die Bezeichnung der für rechtswidrig erachteten Rechtsvorschrift; 5. das Begehren, den angefochtenen Bescheid aufzuheben; 6. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist. (3) Der angefochtene Bescheid ist in Urschrift, Gleichschrift, Abschrift oder Kopie anzuschließen; der Tag seiner Zustellung ist anzugeben. § 87 (1) VfGG Das Erkenntnis hat auszusprechen, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, einer gesetzwidrigen Kundmachung über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes (Staatsvertrages), eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrages in seinen Rechten verletzt worden ist, und bejahendenfalls den angefochtenen Bescheid aufzuheben. (2) Wenn der Verfassungsgerichtshof einer Beschwerde stattgegeben hat, sind die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. ...
2. Anmerkungen zu den zwei Bescheidbeschwerden a. Die formale Beschwerdelegitimation Art. 144 Abs. 1 B-VG umschließt in seiner knappen Formulierung mehrere unabdingbare Voraussetzungen für die verfahrensrechtliche Zulässigkeit einer Beschwerde vor dem VfGH. Diese sind im § 82 VfGG näher ausgeführt: a. Das Vorliegen des Bescheides einer Verwaltungsbehörde; b. Die Einbringung einer förmlichen Beschwerde dagegen beim Verfassungsgerichtshof durch den Betroffenen; c. Die Einhaltung der Beschwerdefrist; d. Die Erschöpfung des Instanzenzuges; e. Eine Darstellung des Sachverhaltes; f. Eine begründete (substanziierte) Behauptung des Beschwerdeführers, in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten (subjektiven) Recht verletzt zu sein; g. Den konkreten Umständen entsprechend auch noch die Behauptung, wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung bzw. eines verfassungswidrigen Gesetzes ... in seinen Rechten verletzt zu sein.
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Kommentar: Der VfGH fasst die als Prozessvoraussetzungen zu wertenden Bedingungen a.–g. zur Einbringung des Rechtsmittels der Beschwerde durch den Begriff „Legitimation“ zusammen. Bei Erfüllung dieser Prozessvoraussetzungen steht der Rechtsweg zum VfGH jedermann offen, der behauptet, durch einen letztinstanzlichen Bescheid einer Verwaltungsbehörde in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Erfüllung dieser verfahrensrechtlichen Bedingungen durch den Beschwerdeführer hat aber auch zur Folge, dass der VfGH zur Behandlung der Beschwerde formal zuständig wird. Der Beschwerdeführer erfüllte in beiden Fällen diese Voraussetzungen und war daher beide Male zur Erhebung der Beschwerden an den VfGH gemäß Art. 144 B-VG formal legitimiert. Der Beschwerdeführer behauptete in seinen zwei Bescheidbeschwerden zwar auch, durch eine „verfassungswidrige“ Verordnung in seinen Rechten verletzt zu sein. Diese Beschwerdebehauptung ist aber an und für sich nur eine mögliche Voraussetzung für die Einleitung einer Gesetzes- oder Verordnungsprüfung von Amts wegen. Daher ergibt sich die Frage, ob der VfGH bloß bei Vorliegen einer solchen Behauptung des Beschwerdeführers darin bereits einen zureichenden Rechtstitel für seine Zuständigkeit sehen muss; vor allem aber, ob er ohne Bedachtnahme auf die materielle Legitimation des Beschwerdeführers in ein materielles Verordnungsprüfungsverfahren von Amts wegen eintreten darf. Die bloße Behauptung des Beschwerdeführers, durch ein verfassungswidriges Gesetz bzw. durch eine gesetzwidrige Verordnung in seinen Rechten verletzt zu sein, ist für den VfGH kein zwingender Rechtsgrund, von Amts wegen in eine Gesetzes- oder Verordnungsprüfung einzutreten. Die Behauptung des Beschwerdeführers einer Rechtsverletzung und das Begehren auf Verordnungs- oder Gesetzesprüfung ist einem formellen Individualantrag gemäß Art. 139 B-VG nicht gleichwertig. Der VfGH kann allerdings auch ohne ein solches Begehren des Beschwerdeführers von Amts wegen tätig werden, wenn er eine Rechtsvorschrift im Bescheidprüfungsverfahren anzuwenden hat und wenn die Prüfung der betreffenden Vorschrift für die Bescheidprüfung präjudiziell ist. Gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG kann der VfGH die Behandlung einer Beschwerde aber auch „ablehnen, wenn sie keine Aussicht auf Erfolg hat“ und die Beschwerde a limine zurückweisen. Mit dieser Zuständigkeitsregelung hat sich der VfGH in den zwei Beschwerdefällen nicht auseinandergesetzt. b. Die materielle Beschwerdelegitimation Die Behauptung einer Rechtsverletzung im Sinn des Art. 144 Abs. 1 B-VG ist eine Sache und die Möglichkeit einer Rechtsverletzung ist eine
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andere Sache. Die erste Frage betrifft die formale Legitimation, die zweite Frage betrifft hingegen die materielle Legitimation. Diese setzt in einem konkreten Fall für den Beschwerdeführer die Möglichkeit der Verletzung in einem subjektiven Recht durch den bekämpften Bescheid voraus. Wie der VfGH in beiden Fällen im Sinn seiner bisherigen Judikatur feststellte, steht dem Beschwerdeführer aber weder ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf zweisprachige Ortstafeln zu, noch konnte er durch den Strafbescheid in einem einfachgesetzlich gewährleisteten subjektiven Recht verletzt werden. Der Beschwerdeführer behauptete auch nicht, in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden zu sein. Er konnte daher in beiden Fällen weder in einem verfassungsgesetzlich noch in einem einfachgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt werden. Aus diesen Gründen war er materiellrechtlich nicht zur Beschwerde legitimiert. Der VfGH hätte daher Art. 144 Abs. 2 B-VG anwenden und die Beschwerde mangels materieller Legitimation zurückweisen können und müssen. c. Die Judikatur des VfGH zur Legitimation Zur Frage der Beschwerdelegitimation hat der VfGH in den Entscheidungsgründen seiner Erkenntnisse in der sprachlichen Form von „Leitsätzen“ bzw. „Rechtssätzen“ unterschiedliche Feststellungen getroffen: „Eine Beschwerdebehauptung nach Art. 144 Abs. 1 B-VG begründet nur dann die Beschwerdelegitimation, wenn die behauptete Rechtsverletzung wenigstens möglich ist (vgl. VfSlg. 5038, 5712, 9002, 14.954) VfSlg. 15.455 und 15.498.“ (Öhlinger – Hiesel, Verfassungsgerichtsbarkeit, 260; im Folgenden Ö-H) „Legitimiert, gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde gemäß Art. 144 B-VG Beschwerde zu führen, ist nur, wer durch den Bescheid in irgend einem subjektiven Recht verletzt sein kann (VfSlg. 5712, 9002) siehe auch VfSlg. 13.837 mit umfassenden Judikaturnachweisen). Dieses subjektive Recht muss kein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht sein (VfSlg. 3084, 5583, 13.837).“ (Ö-H 260) „Wie der VfGH wiederholt ausgesprochen hat, ist die auch im Zeitpunkt seiner Entscheidung erforderliche Beschwerdelegitimation nur dann gegeben, wenn durch den bekämpften Bescheid irgend ein subjektives Recht des Beschwerdeführers verletzt worden sein kann, mithin, wenn die bescheidmäßigen Anordnungen oder Feststellungen die subjektive Rechtssphäre berühren, der Bescheid also subjektive Rechte (oder Pflichten) begründet, verändert oder feststellt (VfSlg. 9423, 9771, 12.028, 12.087, 13.837, 15.044; ähnlich VfSlg. 15.146, 15.398, VfGH 10. 3. 2000, B 610/99.“ (Ö-H 260 f )
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„Die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gegen einen Bescheid setzt ein Interesse des Beschwerdeführers an der Beseitigung des angefochtenen Bescheides voraus. Ein solches Interesse des Beschwerdeführers ist nur gegeben, wenn er durch den Bescheid beschwert ist. Dabei kommt es nicht auf die subjektive Beurteilung durch den Beschwerdeführer, sondern darauf an, ob bei Anlegung eines objektiven Maßstabes gesagt werden kann, dass der angefochtene Bescheid die Rechtsposition des Beschwerdeführers zu dessen Nachteil verändert (VfSlg. 12.452/1990, 13.433/1993, 14.413/1996) (VfGH 12.452/1990, 13.433/1993, 14.413/ 1996.)“ VfGH Beschluss vom 10. März 2000, VfSlg. 15.760, B 610/99. „§ 82 Abs. 2 VfGG normiert, dass eine auf Art. 144 B-VG gestützte Beschwerde unter anderem anzugeben hat, ‚ob sich der Beschwerdeführer in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrages in seinen Rechten verletzt erachtet.‘ Solche Angaben enthält weder der Schriftsatz vom 5. Oktober 1998 noch jener vom 13. Jänner 1999. Das Fehlen entsprechender Ausführungen in einer Beschwerde stellt – wie der Verfassungsgerichtshof schon öfter ausgesprochen hat (vgl. etwa VfSlg. 8733/1980, 9617/1983, 11.243/1987) – keinen verbesserungsfähigen Formmangel, sondern einen inhaltlichen Fehler dar. Ist eine Beschwerde jedoch mit inhaltlichen Fehlern behaftet, führt dies zu ihrer Zurückweisung (s. z.B. VfGH 9. 6. 1998, B 614/98).“ Beschluss des VfGH vom 22. Februar 1999, B 1866/9. „Die Legitimation zur Beschwerdeführung vor dem Verfassungsgerichtshof hat gemäß Art. 144 B-VG zur Voraussetzung, dass der angefochtene Bescheid in die Rechtssphäre des Beschwerdeführers eingreift und im Falle seiner Rechtswidrigkeit diese verletzt (vgl. etwa VfSlg. 13.429/1993 mH auf die Vorjudikatur und 15.079/1998).“ VfGH Beschluss vom 21. Juni 2004, VfSlg. 17.234, B 1511/03. „Der VfGH hat in insgesamt 46 Fällen Anträge und Beschwerden mangels Legitimation des Antragstellers und Beschwerdeführers gemäß § 19 Abs. 3 Ziff. 1 lit. e VfGG 1953 zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 17. Dezember 1980, B 538/80 ua., hat der VfGH neuerlich drei Anträge und zwei Beschwerden des (selben) Beschwerdeführers mangels Legitimation zurückgewiesen.“ VfGH Beschluss vom 25. Oktober 1980, G 91/78 ua. (VfSlg. 8951/1980) „Der VfGH hat diese Beschlüsse damit begründet, dass der Antragsteller und Beschwerdeführer seine Rechtsmittel an den VfGH in Wahrheit nicht deshalb erhoben habe, weil er sich in seinen Rechten verletzt erachte. Aus dem Gesamtverhalten des Antragstellers und Beschwerdeführers ergebe sich, dass er nicht aus Gründen des Rechtsschutzes an den VfGH herantrete,
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sondern um einerseits rechtswissenschaftliche Experimente im Bereich des Abgabenrechtes anzustellen und um andererseits – wie er wiederholt hervorgehoben habe – ‚den Zusammenbruch der Steuererhebung nach kapitalistischen Besteuerungsgrundsätzen‘ und ‚den Zusammenbruch unseres gegenwärtigen kapitalistisch-faschistischen Regimes‘ herbeizuführen. Die Anträge und Beschwerden hätten somit nicht der Erzielung eines Zweckes gedient, dessen Schutz durch die Anrufung des VfGH erreicht werden könnte.“ (VfGH Beschluss vom 4. März 1985, VfSlg. 10.383/1985)13 d. Die Zuständigkeit des VfGH zur formalen Bescheidprüfung Die in der Person des Beschwerdeführers gelegenen Prozessvoraussetzungen von a. bis e. müssen insgesamt vorliegen, damit der Verfassungsgerichtshof zuständig wird, gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG das Bescheidprüfungsverfahren förmlich zu eröffnen. Das trifft in beiden Beschwerdefällen zu. Beide Male lag der Bescheid einer Verwaltungsbehörde vor, der Beschwerdeführer war als Partei unmittelbar davon betroffen, der Instanzenzug war erschöpft, die Beschwerdefrist war eingehalten, der Beschwerdeführer behauptete, durch den angefochtenen Bescheid in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf zweisprachige Ortstafeln verletzt zu sein. Ferner behauptete er, wegen Anwendung einer rechtswidrigen (verfassungswidrigen) Verordnung in einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt zu sein. e. Die Zuständigkeit des VfGH zur materiellen Bescheidprüfung Infolge der formalen Zulässigkeit der Beschwerden war der VfGH zuständig, auch die materiellen Voraussetzungen seiner eigenen Zuständigkeit zu prüfen. Diese Prüfung führte in beiden Fällen jedoch zu einem negativen Ergebnis. Der Beschwerdeführer hat kein verfassungesetzlich gewährleistetes Recht auf zweisprachige Ortstafeln. Die Verletzung in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Der Beschwerdeführer wurde durch den rechtmäßigen Strafbescheid auch in keinem einfachgesetzlichen Recht verletzt. Gleichwohl wurden beide Beschwerden vom VfGH abgewiesen und nicht zurückgewiesen. Angesichts der bisherigen Judikatur des VfGH zur materiellen Beschwerdelegitimation ist das erstaunlich. Der VfGH wäre nämlich nur bei Vorliegen der materiellen Beschwerdelegitimation zuständig, auch ____________________
13 G 32/82, G 33/82, G 34/82, G 35/82, G 19/83, G 58/83, G 59/83, G 60/83, G 69/ 83, G 70/83, G 71/83, G 84/84, G 85/84, G 86/84, G 87/84, G 88/84, G 89/84, G 90/ 84, G 91/84, G 92/84, G 93/84, G 94/84, G 95/84, G 96/84, G 97/84, G 118/84, G 119/ 84, G 120/84, G 121/84, G 122/84, G 123/84, G 124/84, G 126/84, G 160/84, G 170/ 84.
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in die Prüfung der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides einzutreten; also das Verfahren zu unterbrechen und eine materielle Verordnungs- bzw. Gesetzesprüfung von Amts wegen durchzuführen. Zur Rechtfertigung der Unterbrechung des Bescheidprüfungsverfahrens und Durchführung eines Verordnungs- und Gesetzesprüfungsverfahrens von Amts wegen müsste ein sachlich begründeter Anlass vorliegen. Ein solcher Anlass fehlte in beiden Fällen. In den Beschwerdeverfahren musste der VfGH überdies nicht auf die Behauptung des Beschwerdeführers eingehen, wegen Anwendung einer (gesetzwidrigen) Verordnung in seinen Rechten verletzt zu sein. Er tat dies ungeachtet der Rechtmäßigkeit des Strafbescheides; sichtlich, um eine Verordnungs- (bzw. Gesetzes-)prüfung gemäß Art. 139 (bzw. 140) B-VG von Amts wegen vornehmen zu können. Infolge der uneingeschränkten Rechtmäßigkeit des jeweils angefochtenen Bescheides ergibt eine Nachprüfung für beide Fälle also zwar die Erfüllung der formalen Voraussetzungen der Bescheidbeschwerde, jedoch das Fehlen der Voraussetzungen für eine materielle Bescheidprüfung und für eine darauf gegründete Normenkontrolle. Sie ergab wegen des Fehlens der Möglichkeit einer Verletzung in einem verfassungsgesetzlich und in einem einfachgesetzlich gewährleisteten Recht sogar die Unzulässigkeit der Beschwerde und damit auch die Unzuständigkeit des VfGH zur materiellen Prüfung der Rechtsgrundlagen. Eine Überprüfung und Aufhebung der Ortsbezeichnungen in der jeweiligen Verordnung über die Ortstafeln konnte für die Entscheidung über die Beschwerde gegen die rechtmäßigen Bescheide allein schon aus verfahrensrechtlichen Gründen keine zwingende Voraussetzung sein. Im Sinn seiner eigenen Judikatur hätte der VfGH beide Beschwerden mangels materieller Legitimation des Beschwerdeführers und mangels der eigenen materiellen Zuständigkeit gemäß Art. 144 Abs.1 B-VG als unzulässig zurückweisen müssen. Dabei ist erwähnenswert, dass er in seinen Erkenntnissen über die zwei Verordnungen den Aufhebungen von deutschen Ortsnamen für beide Rechtsfälle die Rechtserheblichkeit absprach und demgemäß eine Aufhebung des letztinstanzlichen Bescheides als Folge der Verordnungsprüfung auch unterließ. Zur Veranschaulichung der Problematik wird im Folgenden auf einen signifikanten Leitsatz aus der Judikatur des VfGH verwiesen: „Für die Zuständigkeit des VfGH ist es nicht entscheidend, ob der Beschwerdeführer in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden ist; sie ist vielmehr gegeben, wenn die Behauptung einer solchen Verletzung aufgestellt wird. Es ist Sache des VfGH, darüber zu erkennen, ob diese Behauptung gerechtfertigt ist oder nicht (VfSlg. 1569). Aber: Die Beschwerdeberechtigung hängt nicht nur von der Behauptung ab, durch den angefochtenen Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten verletzt
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worden zu sein, sondern auch von der Möglichkeit, durch diesen Bescheid in irgend einem subjektiven Recht verletzt zu werden. Diese Legitimation ist also nicht gegeben, wenn es von vornherein ausgeschlossen ist, dass der Beschwerdeführer ein durch den Bescheid verletzbares subjektives Recht überhaupt hat (VfSlg. 3304, 3355).“ (Ö-H, 620; Hervorhebung vom Verfasser)
II. Die Erkenntnisse des VfGH über Bescheidbeschwerden gegen deutschsprachige Ortstafeln 1. Das Erkenntnis aus dem Jahr 200114 Der Spruch: „Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch in Rechten durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden. Die Beschwerde wird abgewiesen. Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer die mit ATS 29.500,-- (2.143,85 EURO) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.“ Der Sachverhalt: „I. 1. 1. Über den in der Gemeinde Eberndorf (Bezirk Völkermarkt) wohnhaften Beschwerdeführer wurde mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 12. 10. 1994 wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet von St. Kanzian eine Geldstrafe von ATS 500,-- verhängt. Diese Strafverfügung wurde im Wege der Hinterlegung am 20. 10. 1994 zugestellt. Mit Schreiben vom 27. 10. 1994 beantragte der Beschwerdeführer die Zustellung der Strafverfügung in slowenischer Sprache, weil er sich im Verfahren seiner Muttersprache bedienen wolle. Daraufhin stellte ihm die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt im Wege der Hinterlegung am 12. 12. 1994 eine Ausfertigung der Strafverfügung in slowenischer Sprache zu. 1. 2. Mit Schriftsatz vom 19. 12. 1994 (bei der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt eingelangt am 22. 12. 1994) erhob der Beschwerdeführer in slowenischer Sprache Einspruch gegen diese Strafverfügung, wobei er die ihm zur Last gelegte Geschwindigkeitsüberschreitung zugab, deren Strafbarkeit jedoch unter Hinweis darauf verneinte, dass die zu Grunde liegenden Verordnungen, mit denen der Bereich des Dorfes St. Kanzian als Ortsgebiet bestimmt sei, nicht gehörig kundgemacht worden seien; auf ____________________
14 B 2075/99 vom 13. Dezember 2001, VfSlg. 16.403, in Verbindung mit dem Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, G 213/01, V 62, 63/01, VfSlg. 16.404. Der Text des Erkenntnisses wird nach Maßgabe der Erheblichkeit für diese Untersuchung nur teilweise wiedergeben.
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den Hinweiszeichen (Ortstafeln) sei die Ortsbezeichnung nur in Deutsch und nicht – wie Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien 1955 gebiete – auch in Slowenisch angebracht. Die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt erließ am 23. 3. 1995 ein im Spruch mit der Strafverfügung identisches Straferkenntnis, das dem Beschwerdeführer am 2. 6. 1995 in deutscher und in slowenischer Sprache zugestellt wurde. 1. 3. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat für Kärnten, in der er iW die Ausführungen aus dem Einspruch wiederholte und beantragte, das Straferkenntnis aufzuheben. Mit Bescheid vom 11.7. 1996 gab der UVS für Kärnten der Berufung statt und hob das angefochtene Straferkenntnis ,infolge Unvereinbarkeit mit der in Rechtskraft erwachsenen Strafverfügung vom 12. 10. 1994‘ auf. 1. 4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer eine zu B 2611/96 protokollierte, auf Art. 144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. In Stattgebung dieser Beschwerde hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 2. 10. 1999 den Bescheid des UVS für Kärnten vom 11. 7. 1996 wegen Verletzung des Beschwerdeführers im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz auf.15 2. 1. Daraufhin wies der UVS für Kärnten mit (Ersatz)Bescheid vom 27. 10. 1999 die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt erneut ab. 2. 2. Gegen diesen (Ersatz-)Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art. 144 B-VG gestützte Beschwerde. Darin wird die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt.“ „3. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge ‚wegen der verhältnismäßig beträchtlichen Zahl (ein Viertel) der dort wohnhaften Volksgruppenangehörigen‘ in § 2 Abs. 1 Ziff. 2 des Volksgruppengesetzes, BGBl. 1976/396, sowie gemäß Art. 139 Abs. 1 B-VG zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit ____________________
15 Anmerkung des Verfassers: Siehe dazu das umfangreiche, die Thematik vorformulierende Erkenntnis des VfGH vom 2. Oktober 1999, B 2611/96, in Verbindung mit dem Erkenntnis VfSlg. 9744/1983 zu einem Präzedenzfall: Gleichheitsverletzung durch willkürliche Versagung der Zustellung einer weiteren Ausfertigung der Strafverfügung in slowenischer Sprache im Sinn der §§ 16 und 17 des VolksgruppenG und der §§ 2 und 3 der AmtssprachenV der Bundesregierung.
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a) der Wortfolge ‚In der Gemeinde Bleiburg in den Gebieten der ehemaligen Gemeinden Feistritz ob Bleiburg und Moos, in der Gemeinde Eisenkappel-Vellach im Gebiet der ehemaligen Gemeinde Vellach, in der Gemeinde Globasnitz und in der Gemeinde Neuhaus im Gebiet der ehemaligen Gemeinde Schwabegg‘ in § 1 Ziff. 2 der Verordnung der Bundesregierung vom 31. Mai 1977 über die Bestimmung von Gebietsteilen, in denen topographische Bezeichnungen in deutscher und slowenischer Sprache anzubringen sind, BGBl. 306, und b) des § 1 Abschnitt B) Punkt 1 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 17. August 1982, Zl. 4642/1/81, betreffend Straßenverkehrszeichen im Verlauf der St. Kanzianer Straße L 116, idF der Verordnung vom 30. September 1992, Zl. 2856/1/92, ein und hob mit Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, G 213/01, V 62, 63/01, die in Prüfung gezogenen Bestimmungen als gesetzbzw. verfassungswidrig auf – hinsichtlich der zuletzt genannten Verordnungsbestimmung jedoch nur die (allein deutschsprachigen) Ortsbezeichnungen ‚St. Kanzian‘ und ‚St. Kanzian Klopein‘, im Übrigen wurde diese in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung nicht als gesetzwidrig aufgehoben.“ (Hervorhebung vom Verfasser) Die Entscheidungsgründe: „II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen: 1. Der Beschwerdeführer behauptet – auf das Wesentliche zusammengefasst – die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf zweisprachige topographische Bezeichnungen iSd. Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien wegen Anwendung von gesetzwidrigen Verordnungen sowie eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich der oben erwähnten Bestimmungen des Volksgruppengesetzes, der Verordnung der Bundesregierung BGBl. 1977/306 und der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt betreffend Straßenverkehrszeichen im Verlauf der St. Kanzianer Straße L 116.“ „2.1. Dem ist zum einen entgegenzuhalten, dass es ein subjektives Recht auf Anbringung eines Hinweiszeichens iSd. § 53 Ziff. 17a und 17b StVO in deutscher und slowenischer Sprache nicht gibt (VfSlg. 10.209/1984). (Hervorhebungen vom Verfasser) Zum anderen ist aber auch auf Folgendes hinzuweisen: Die belangte Behörde hat sich bei der Erlassung des bekämpften Bescheides ua. auf § 1 Abschnitt B) Punkt 1 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 17. August 1982, Zl. 4642/1/81, betreffend Straßenverkehrszeichen im Verlauf der St. Kanzianer Straße L 116, idF der Verordnung vom 30. September 1992 Zl. 2856/1/92, gestützt.“ „Wie oben erwähnt, hat der Verfassungsgerichtshof aus Anlass der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde ua. ein Verfahren zur Prü-
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fung dieser Verordnungsbestimmung eingeleitet. Dies musste – in Wahrnehmung der dem Verfassungsgerichtshof obliegenden Rechtsbereinigungsfunktion, der zu Folge er bei Vorliegen entsprechender Bedenken jede in einer bei ihm anhängigen Rechtssache anzuwendende Verordnung auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu prüfen hat – unabhängig davon geschehen, ob die allfällige Rechtswidrigkeit dieser Bestimmung im verfassungsgerichtlichen Bescheidprüfungsverfahren überhaupt zum Tragen kommt (vgl. das Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, G 213/01, V 62, 63/01, Pkt. III. 1. 3. 2. 1.)“ „Nun hat der Verfassungsgerichtshof mit dem mehrfach erwähnten Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, G 213/01, V 62, 63/01, bloß die in dieser Bestimmung angeordneten (allein deutschsprachigen) Ortsbezeichnungen ,St. Kanzian‘ und ,St. Kanzian, Klopein‘ als gesetzwidrig aufgehoben, nicht aber auch den sonstigen Regelungsgehalt der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung, der zu Folge – somit auch mit Wirkung für den Anlassfall – das Ortsgebiet iSd. § 2 Abs. 1 Ziff. 15 iVm. § 20 StVO als solches festgelegt ist. Im Hinblick darauf ändert sich aber auch an der Strafbarkeit des dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verhaltens nichts. 2.3. Dass der Beschwerdeführer in (anderen) verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wäre, ist weder von ihm behauptet worden noch sonst hervorgekommen. … 3. Die Beschwerde war daher abzuweisen.“ (Hervorhebungen vom Verfasser)
2. Das Erkenntnis aus dem Jahr 200516 Der Spruch: „Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch in Rechten durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden. Die Beschwerde wird abgewiesen. Das Land Kärnten ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit EURO 2.340,-- bestimmten Kosten des Verfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen. Entscheidungsgründe: 1. Die vorliegende Beschwerde entspricht iVm. dem Erkenntnis vom heutigen Tage, V 64/05, in allen für das verfassungsgerichtliche Bescheidprüfungsverfahren wesentlichen Belangen der zu B 2075/99 protokollierten Beschwerde (desselben Beschwerdeführers), über die mit Erkenntnis vom 13. Dezember 2001 (vgl. VfSlg. 16.403/2001) entschieden wurde; auf die ____________________
16 B 1307/04 vom 12. Dezember 2005, in Verbindung mit V 64/05 vom 12. Dezember 2005. Der Text des Erkenntnisses wird nach Maßgabe der Erheblichkeit für diese Untersuchung nur teilweise wiedergeben.
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Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird verwiesen. (Hervorhebung vom Verfasser) Die Kostenentscheidung geht davon aus, dass das oben erwähnte, zu V 64/05 protokollierte Normenprüfungsverfahren eine Rechtsvorschrift des Landes Kärnten betraf; im zugesprochenen Betrag ist die Umsatzsteuer in der Höhe von EURO 360,-- sowie der Ersatz der entrichteten Eingabengebühr in Höhe von EURO 180,-- enthalten. 2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs. 4 Ziff. 1 VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung getroffen werden.“ Der Sachverhalt: Der Sachverhalt wird in diesem Erkenntnis nicht dargestellt. Stattdessen verweist der VfGH auf die Entscheidungsgründe des Erkenntnisses über die gleichartige Bescheidbeschwerde aus dem Jahr 2001 und auf sein Erkenntnis über die Verordnungsprüfung vom selben Tag. Die Entscheidungsgründe: In diesem Erkenntnis fehlt auch eine Darstellung der Entscheidungsgründe. Die hier fehlende Darstellung von Sachverhalt und Rechtslage ist in den Entscheidungsgründen des Erkenntnisses über die Verordnungsprüfung vom selben Tag, V 64/05, wie folgt ausgeführt: „I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu Zl. B 1307/04 das Verfahren über eine auf Art. 144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zu Grunde liegt: Über den Beschwerdeführer wurde mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 20. Jänner 2003 wegen des Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet von Bleiburg eine Geldstrafe verhängt. Mit Schreiben vom 4. Feber 2003 beantragte der Beschwerdeführer die Zustellung der Strafverfügung in slowenischer Sprache. Unter einem erhob er – in slowenischer Sprache – Einspruch gegen diese Strafverfügung, wobei er die ihm zur Last gelegte Geschwindigkeitsüberschreitung zugab, deren Strafbarkeit jedoch verneinte: Die zu Grunde liegende Verordnung, mit der das Ortsgebiet von Bleiburg bestimmt wird, sei nicht gehörig kundgemacht worden. Auf den Hinweiszeichen sei die Ortsbezeichnung nur in Deutsch und nicht – wie Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien 1955 (im Folgenden: StV Wien) gebiete – auch in Slowenisch angebracht. Der Verfassungsgerichtshof habe mit dem Erkenntnis VfSlg. 16.404/2001 näher genannte Bestimmungen des Volksgruppengesetzes und der Topographieverordnung aufgehoben, sodass ab dem Inkrafttreten dieser Aufhebung Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz StV Wien im Bezirk Völkermarkt direkt anwendbar sei. Nach dieser Bestimmung müsse Bleiburg zweisprachige topographische Aufschriften haben, zumal die Volkszählung 2001 er-
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geben habe, dass 16,1 % der Einwohner slowenischsprachig gewesen seien und auch die Resultate aller vorhergehenden Volkszählungen einen Anteil Slowenischsprachiger an der Wohnbevölkerung ergeben hätten, der zwischen 12,1 % und 18,9 % – somit immer über 9,9 % (vgl. VfSlg. 16.404/ 2001) – gelegen sei.“ (Hervorhebung vom Verfasser) „Mit Schriftsatz vom 24. Feber 2003 erhob der Beschwerdeführer – nach Erhalt der beantragten slowenischen Ausfertigung – neuerlich Einspruch gegen die Strafverfügung, verwies auf die Ausführungen in seinem Schreiben vom 4. Feber 2003 und wiederholte den Antrag auf Einleitung eines ordentlichen Verfahrens. Daraufhin erließ die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt am 8. Juli 2003 ein im Spruch mit der bereits erlassenen Strafverfügung identisches Straferkenntnis, welches dem Beschwerdeführer am 14. Juli 2003 in deutscher und in slowenischer Sprache zugestellt wurde. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat für Kärnten in der er iW die bereits in seinem Einspruch gegen die Strafverfügung vorgebrachten Einwendungen wiederholte und beantragte, das Straferkenntnis aufzuheben. 2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats für Kärnten vom 15. April 2004 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. (Der Senat erkannte zu Recht: Sie haben am 06. 01. 2003 um 13.51 Uhr als Lenker des Kraftfahrzeuges VK-210 AH auf der Bleiburgerstrasse [B 81] in Bleiburg, auf Höhe des StrKm 18.8, Gemeinde Bleiberg, Bezirk Völkermarkt, in Fahrtrichtung Einersdorf, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h im Ortsgebiet laut Lasermessung abzüglich der Messfehlergrenze um 21 km/h überschritten). Gegen diesen Bescheid richtet sich die ... Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.“ So weit der Sachverhalt aus dem VfGH. Erk. V 64/05-11 zur Verordnungsprüfung des Jahres 2005. Die Darstellung der seinem Erkenntnis über die Bescheidbeschwerde zugrunde liegenden Entscheidungsgründe setzte der VfGH in seinem Erkenntnis zur Verordnungsprüfung, aufschlussreich auch für sein Erkenntnis über die Bescheidbeschwerde vom selben Tag, wie folgt fort: „3. Aus Anlass dieser Beschwerde beschloss der Verfassungsgerichtshof am 18. Juni 2005, gemäß Art. 139 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der im Spruch genannten Verordnungsbestimmungen einzuleiten.“17 ____________________
17 Gegenstand der Verordnungsprüfung war die Frage nach der „Gesetzmäßigkeit“ der Worte „Bleiburg“ und „Bleiburg-Ebersdorf“ im Abschnitt B) Punkt 3 lit. a und b des § 1 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 15. Juli 1982, Zl. 4600/ 1/81, idF. der Verordnung vom 11. November 1998, Zl. 1830/1/98. In seinem Erkennt-
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III. Ein Vergleich der zwei Erkenntnisse 1. Aufbau und Inhalt – Das Erkenntnis des Jahres 2001 beinhaltet eine ausführliche Darstellung des der Beschwerde zugrunde liegenden Sachverhaltes. Dieser umfasst eine Darstellung des strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers, ferner eine Darstellung des Strafbescheides der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt sowie der Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat von Kärnten und der den Strafbescheid bestätigenden Entscheidung des Senats, schließlich eine Darstellung der Beschwerde gegen diese Entscheidung an den VfGH, der Rechtsgrundlagen des Strafbescheides und des Prüfungsverfahrens des VfGH. Im Erkenntnis des Jahres 2005 fehlt eine derartige Sachverhaltsdarstellung. Stattdessen wird auf das Erkenntnis über die Aufhebung der vom Beschwerdeführer bekämpften Verordnung verwiesen. – Im Erkenntnis des Jahres 2001 sind die Entscheidungsgründe für die Verordnungsprüfung ausführlich angegeben. Demnach war die Aufhebung der deutschen Ortsbezeichnung wegen Fehlens einer entsprechenden slowenischen Ortsbezeichnung für die Entscheidung über die Bescheidbeschwerde ohne rechtliche Erheblichkeit für die Entscheidung über die Bescheidbeschwerde. Im Erkenntnis des Jahres 2005 wird unter der Überschrift „Entscheidungsgründe“ bloß auf den gleichartigen Sachverhalt im Erkenntnis des Jahres 2001 B 1307/04 verwiesen. Betreffend die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Aufhebung der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Verordnung wird auf das Erkenntnis über die Aufhebung der deutschen Ortsbezeichnungen in der betreffenden Ortstafelverordnung GZ V 64/05 vom selben Tag sowie auf die Verordnungs- und Gesetzesaufhebung durch VfSlg. 16.403/2001 aus dem Jahr 2001 gleichfalls bloß verwiesen.
2. Der Spruch über die Bescheidbeschwerden – Ungeachtet des Mangels der materiellen Beschwerdelegitimation lautet der Spruch beider Erkenntnisse auf Abweisung und nicht auf Zurückweisung der Beschwerde. ____________________
nis V 64/05-11 vom 12. Dezember 2005 verfügte der VfGH die Aufhebung der beiden Ortsbezeichnungen in deutscher Sprache wegen eines „Widerspruchs zur Verfassungsbestimmung des Art. 7 StV“ mit Wirkung vom 30. Juni 2006. Die Kärntner Landesregierung wurde gemäß Art. 139 Abs. 5 B-VG zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet. Näheres dazu weiter unten, zu den aufgrund der Bescheidbeschwerden durchgeführten Verordnungs- und Gesetzesprüfungen der Jahre 2001 und 2005.
Ein Vergleich der zwei Erkenntnisse
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– In beiden Erkenntnissen wurde übereinstimmend festgestellt, dass der Beschwerdeführer weder in dem von ihm reklamierten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf zweisprachige Ortstafeln noch in einem anderen subjektiven Recht verletzt wurde und auch nicht verletzt sein konnte. Die Verletzung von anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten war vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht worden. Mit dem Hinweis, dass die Aufhebung der Ortsbezeichnungen in der Verordnung für den Anlassfall unerheblich war, bestätigte der Verfassungsgerichtshof die Rechtmäßigkeit der Bestrafung des Beschwerdeführers durch die BH Völkermarkt uneingeschränkt. Gemäß der Begründung der beiden Erkenntnisse wurde der Beschwerdeführer, ungeachtet der Aufhebung der deutschen Ortsnamen, durch beide Strafbescheide wegen Geschwindigkeitsüberschreitung zu Recht bestraft.
3. Unerheblichkeit der Aufhebungen der Ortsnamen für die Erkenntnisse über die Bescheidbeschwerden – Im Spruch des Erkenntnisses aus dem Jahr 2001 über die Aufhebung der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Verordnung heißt es unter 3. 1.: „In Abschnitt B) Punkt 1 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 17. August 1982, Zl. 4642/1/81, betreffend Straßenverkehrszeichen im Verlauf der St. Kanzianer Straße L 116, idF der Verordnung vom 30. September 1992, Zl. 2856/1/92 werden die Ortsbezeichnungen ‚St. Kanzian‘ und ‚St. Kanzian, Klopein‘ als gesetzwidrig aufgehoben. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2002 in Kraft. Die Kärntner Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.“ Der Spruch der Entscheidung über die Bescheidbeschwerde des Jahres 2001 lautet ungeachtet der Aufhebung der Ortsnamen auf Abweisung. In den Entscheidungsgründen des Erkenntnisses über die Bescheidbeschwerde des Jahres 2001 ist die Unerheblichkeit der Aufhebung der deutschen Ortsbezeichnungen für die Entscheidung über die Bescheidbeschwerde wie folgt dargestellt: „Nun hat der Verfassungsgerichtshof mit dem mehrfach erwähnten Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, G 213/01, V 62, 63/01, bloß die in dieser Bestimmung angeordneten (allein deutschsprachigen) Ortsbezeichnungen ,St. Kanzian‘ und ,St. Kanzian, Klopein‘ als gesetzwidrig aufgehoben, nicht aber auch den sonstigen Regelungsgehalt der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung, der zu Folge – somit auch mit Wirkung für den Anlassfall
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– das Ortsgebiet iSd. § 2 Abs. 1 Ziff. 15 iVm. § 20 StVO als solches festgelegt ist. Im Hinblick darauf ändert sich aber auch an der Strafbarkeit des dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verhaltens nichts.“ (Hervorhebungen vom Verfasser) – Im Spruch des Erkenntnisses aus dem Jahr 2005 über die Aufhebung der deutschen Ortsbezeichnungen in der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Verordnung heißt es: „In Abschnitt B) Punkt 3 lit. a und b des § 1 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 15. Juli 1982, Zl. 4600/1/81, idF. der Verordnung vom 11. November 1998 Zahl 1830/1/98, werden die Worte ‚Bleiburg-Ebersdorf‘ und ‚Bleiburg‘ als gesetzwidrig aufgehoben. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. Juni 2006 in Kraft. Die Kärntner Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.“ Für die Entscheidungsgründe des Erkenntnisses über die Bescheidbeschwerde wird auf das Erkenntnis des Jahres 2001 verwiesen: „Die vorliegende Beschwerde entspricht iVm. dem Erkenntnis vom heutigen Tage, V 64/05, in allen für das verfassungsgerichtliche Bescheidprüfungsverfahren wesentlichen Belangen der zu B 2075/99 protokollierten Beschwerde (desselben Beschwerdeführers), über die mit Erkenntnis vom 13. Dezember 2001 (vgl. VfSlg. 16.403/2001) entschieden wurde; auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird verwiesen.“ Der Spruch der Entscheidung über die Bescheidbeschwerden der Jahre 2001 und 2005 lautet ungeachtet der Aufhebung der Ortsnamen in beiden Fällen auf Abweisung. Das erscheint nicht nur angesichts der ausdrücklichen Regelung des Art. 139 Abs. 6 B-VG befremdlich, sondern auch deshalb, weil in beiden Fällen, trotz Abweisung der Bescheidbeschwerden, dennoch ein Kostenersatz zugesprochen wurde.
4. Der Spruch über die Verfahrenskosten a. Die Rechtslage aa. Allgemeine Vorschriften § 27 VfGG Der Ersatz der Kosten des Verfahrens findet nur statt, wenn er in diesem Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Wird der Zuspruch der Kosten beantragt, so brauchen regelmäßig anfallende Kosten, insbesondere für den Antrag (die Beschwerde) und für die Teilnahme an Verhandlungen nicht ziffernmäßig verzeichnet werden. § 28 (1) ... (2) Gegen Personen, die die Tätigkeit des Verfassungsgerichtshofes offenbar mutwillig in Anspruch nehmen oder in der Absicht einer Ver-
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schleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, kann der Verfassungsgerichtshof eine Mutwillensstrafe bis 109 Euro und im Falle der Uneinbringlichkeit Haft bis zu neun Tagen verhängen. bb. Für Bescheidbeschwerden: § 88 VfGG Der Partei, die unterliegt oder die den Beschwerdeführer klaglos gestellt hat, kann auf Antrag der Ersatz der Prozesskosten auferlegt werden. Das gleiche gilt sinngemäß für den Fall, dass der Beschwerdeführer die Beschwerde vor der mündlichen Verhandlung zurückzieht, ohne klaglos gestellt worden zu sein. cc. Für Verordnungsprüfungen von Amts wegen Dafür gibt es im VfGG keine ausdrückliche Kostenregelung. dd. Für Individualanträge gegen Verordnungen § 61a VfGG Wurde das Verordnungsprüfungsverfahren auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch die Gesetzwidrigkeit der Verordnung in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, eingeleitet, so sind ihr im Falle des Obsiegens die erwachsenen Prozesskosten von dem Rechtsträger zu ersetzen, für den die Behörde bei Erlassung der Verordnung gehandelt hat. ee. Für Gesetzesprüfungen von Amts wegen Dafür gibt es im VfGG keine ausdrückliche Kostenregelung. ff. Für Individualanträge gegen Gesetze § 65a VfGG Wurde das Gesetzesprüfungsverfahren auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, eingeleitet, so sind ihr im Falle des Obsiegens die erwachsenen Prozesskosten im Falle eines Bundesgesetzes vom Bund, im Falle eines Landesgesetzes vom betreffenden Land zu ersetzen. b. Der Spruch über die Verfahrenskosten in den zwei Erkenntnissen In beiden Erkenntnissen über die Bescheidbeschwerden wird im Hinblick auf die Verordnungsprüfung von Amts wegen ein Ersatz der Verfahrenskosten vorgeschrieben; und zwar im Erkenntnis B 2075 vom 13. Dezember 2001: „Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerde-
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führer die mit ATS 29.500,-- (2.143,85 Euro) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.“ Im Erkenntnis B 1307/04 vom 12. Dezember 2005: „Das Land Kärnten ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit EUR 2.340,-- bestimmten Kosten des Verfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.“ Für die Vorschreibung des Kostenersatzes in seinen Erkenntnissen über die zwei Bescheidbeschwerden führte der VfGH weder eine gesetzliche Grundlage noch eine schlüssige fallbezogene Begründung an. Im Erkenntnis des Jahres 2001 verwies er auf seine „ständige Rechtsprechung“. Eine Durchsicht der Erkenntnisse und Beschlüsse des VfGH ergibt jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, dass der VfGH bei geplanter Rechtswidrigkeit zur Provokation eines für den Beschwerdeführer ergebnislosen Normenkontrollverfahrens, bei rechtmäßiger Bestrafung eines Beschwerdeführers und bei Abweisung einer für die Beschwerde unerheblichen Aufhebung einer Vorschrift eines präjudiziellen Gesetzes oder einer präjudiziellen Verordnung bisher noch keinen Kostenersatz zugesprochen hat. In diesem Zusammenhang ist auch erwähnenswert, dass weder im Spruch des Erkenntnisses über die amtswegige Aufhebung der Ortsbezeichnungen in der straßenpolizeilichen Verordnung noch im Spruch über die amtswegige Aufhebung einer Vorschrift des Volksgruppengesetzes aus dem Jahr 2001 noch im Spruch des gleichartigen Erkenntnisses über die amtswegige Aufhebung von Ortsbezeichnungen in der Straßenpolizeiverordnung aus dem Jahr 2005 dem Beschwerdeführer ein Ersatz der Verfahrenskosten zuerkannt wurde. Warum wohl? Im VfGG ist ein Kostenersatz nur für erfolgreiche Individualanträge gemäß Art. 139 B-VG vorgesehen und nicht für Verordnungs- und Gesetzesprüfungen von Amts wegen. Bei Verordnungs- und Gesetzesprüfungen von Amts wegen, mögen sie auch aus Gründen der Präjudizialität durch eine Bescheidbeschwerde veranlasst sein, sehen weder das B-VG noch das VfGG einen Kostenersatz für den Beschwerdeführer vor. Das ist verständlich, weil der Beschwerdeführer in den Verfahren über die Verordnungsprüfung von Amts wegen weder ein formelles Antragsrecht noch einen Rechtsanspruch auf Parteistellung hat. Welche Bedeutung kommt angesichts dessen der allgemeinen Regelung des § 27 VfGG zu, wonach ein Ersatz der Kosten des Verfahrens nur stattfindet, „wenn er in diesem Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist“? Welche Bedeutung kommt angesichts dieser ausdrücklichen Vorschrift und im Hinblick auf die Tatsache der ausdrücklichen Kostenregelung bei Individualanträgen gegen Gesetze im § 65a VfGG und bei Individualan-
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trägen gegen Verordnungen im § 61a VfGG für den Fall des Obsiegens zu? Wendet der VfGH hier stillschweigend eine Art von Analogie an, obwohl oder weil er Individualanträge zur Bekämpfung der Ortstafelverordnungen für unzulässig erklärt hat? Zur Beleuchtung der in diesem Kontrast gesetzlicher Kostenregelungen und Antragsrechte gelegenen Problematik seien im Folgenden Beispiele aus der Judikatur des VfGH angeführt. c. Beispiele aus der Judikatur des VfGH zum Kostenersatz aa. Verordnungsprüfungen von Amts wegen „Dem Beschwerdeführer des Anlassverfahrens waren für den von ihm eingebrachten Schriftsatz Kosten nicht zuzusprechen, weil das VfGG für Verfahren nach Art. 139 B-VG – sieht man vom hier nicht gegebenen Fall des § 6la VfGG ab – einen Kostenersatz nicht vorsieht.“ (VfGH Erkenntnis vom 05. 12. 2005, V 76/0) „Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden. Die Beschwerde wird daher abgewiesen und dem VwGH zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer in einem sonstigen Recht verletzt wird. Da die Beschwerde jedoch dadurch Erfolg hatte, dass sie zur Aufhebung einer im Beschwerdefall präjudiziellen Verordnungsregelung ... geführt hatte, waren dem Beschwerdeführer die Kosten der Beschwerde in der Höhe von ATS 15.000.- zuzusprechen (VfSlg. 6505/1971); in den zuerkannten Kosten ist die USt in Höhe von ATS 2.500.- enthalten. Die Ärztekammer für Steiermark ist schuldig, der Beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit 15.000.- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.“ (VfGH Erkenntnis vom 29. September 1993, VfSlg. 13.545, B 476/92) (Hervorhebung vom Verfasser) bb. Gesetzesprüfungen von Amts wegen „Die Anträge der Beschwerdeführerinnen in den zu den Zln. 88/17/ 0236 und 90/17/0124 protokollierten Anlaßverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, für ihre im Rahmen der Gesetzesprüfungsverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof eingebrachten Äußerungen Kostenersätze in einem jeweils näher bezeichneten Umfang zugesprochen zu bekommen, waren abzuweisen, da im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof gemäß § 27 VfGG 1953 ein Kostenzuspruch nur dann stattfindet, wenn er im VfGG 1953 ausdrücklich vorgesehen ist. Ein Kostenersatz im Verfahren nach den
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§§ 62 bis 65 VfGG 1953 ist allerdings nicht vorgesehen. (Hervorhebung vom Verfasser) In diesem Fall ist es die Aufgabe des antragstellenden Gerichtes, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (vgl. etwa VfSlg. 8646/1979, 10.832/ 1986).“ (VfGH Erkenntnis vom 27. 11. 1990, VfSlg. 12.546, G 24/89, G 25/89, G 26/89, G 27/89, G 57/89, G 72/89, G 276/89, G 277/89, G 278/89, G 310/89 und G 106/90) „Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden. Der bekämpfte Bescheid stützt sich auf die – nach Bereinigung der Rechtslage unbedenkliche – Bestimmung des § 1 KommunalsteuerG 1993; die Aufhebung der Vorschrift des § 8 Ziff. 1 leg. cit. mit E v 12. 04. 97, G 400/96 ua., wirkt sich auf die Steuervorschreibung gegenüber dem Beschwerdeführer nicht aus. Die Beschwerde wurde abgewiesen (was angesichts des § 88 VfGG an sich einen Kostenersatz ausschließt). Da die Beschwerde jedoch insofern Erfolg hatte, als sie zur Aufhebung einer im Beschwerdefall präjudiziellen Gesetzesbestimmung, nämlich der Ziff. 1 des § 8 KommunalsteuerG 1993, geführt hatte, war dem Beschwerdeführer der Ersatz jener Kosten zuzusprechen, die ihm in dem von ihm angeregten Gesetzesprüfungsverfahren entstanden sind. Da der materielle Prozessgegner insoweit nicht die belangte Behörde, sondern die zur Vertretung der bekämpften bundesgesetzlichen Vorschriften berufene Bundesregierung (vgl. § 63 Abs. 1 VfGG) war, war der Bundeskanzler zum Kostenersatz in Höhe von S 54.000,-zu verpflichten (Siehe dazu auch VfSlg. 6505/1971 und 13.545/1993).“ (VfGH Erkenntnis vom 20. 06. 1997, VfSlg. 14.870, B 2202/95) „Die Beschwerde wird abgewiesen. In der Erwägung, dass die Beschwerde dadurch Erfolg hatte, dass sie zur Aufhebung der im Beschwerdefall angewendeten Gesetzesstelle als verfassungswidrig geführt hatte, wurden dem Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens zugesprochen.“ (VfGH Erkenntnis vom 1. Juli 1971, VfSlg. 6505/1971, B 2/70) cc. Individualanträge auf Verordnungsprüfung „Dem Begehren auf Ersatz der Prozesskosten ist nicht stattzugeben, weil § 61a VfGG einen solchen Ersatz nur im Fall des Obsiegens des Antragstellers, nicht jedoch für den Fall der Einstellung des Verfahrens vorsieht. Es besteht für das Verordnungsprüfungsverfahren keine dem § 88 iVm. § 86 VfGG (betreffend die Einstellung eines Bescheidbeschwerdeverfahrens infolge Klaglosstellung) entsprechende Regelung, die im vorliegen-
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den Fall zum Kostenersatz führen könnte.“ (VfGH Beschluss vom 14. 03. 1996, VfSlg. 14.478, V 56/94) „Der von den Beteiligten gestellte Antrag auf Kostenzuspruch für einen eingebrachten Schriftsatz ist abzuweisen, weil ein solcher nach § 61a VfGG nur für den obsiegenden Individualantragsteller iSd. Art. 139 Abs. 1 B-VG vorgesehen ist.“ (VfGH Erkenntnis vom 19. Juni 1987, VfSlg. 11.374, V 40/86) „Nach der Antragseinbringung wurde die bezogene Übergangsbestimmung durch das BG BGBl. 163/1987 dahin geändert, dass der festgelegte Stichtag durch einen späteren ersetzt wurde. Aufgrund dieser Novellierung sind die Prozessparteien übereinstimmend der – auch vom VfGH geteilten – Ansicht, dass der Antragsteller nunmehr berechtigt ist, die Prüfung gemäß der Rechtslage vor dem RAPG abzulegen. In verfahrensmäßiger Hinsicht bringt der Antragsteller im Wesentlichen vor, dass das Gesetz im Sinne seiner Anfechtung geändert worden sei, weshalb insofern von einer Klaglosstellung gesprochen werden könne. Ein rechtliches Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Gesetzesbestimmung bestehe nur mehr für die Entscheidung über die Prozesskosten. Der Einschreiter beantragt, ‚das Verfahren nur mehr so weit, als für die Kostenentscheidung von Bedeutung, fortzusetzen ..., und begehrt weiters den Ersatz der Prozesskosten. Den Ausführungen des Antragstellers ist eindeutig zu entnehmen, dass er eine Sachentscheidung des VfGH wegen einer behaupteten Rechtsverletzung iSd. Art. 140 Abs. 1 letzter Satz B-VG nicht mehr anstrebt. Dies wertet der Gerichtshof als konkludent zum Ausdruck gebrachte Rücknahme des Individualantrags, zumal eine Verfahrensfortsetzung zum ausschließlichen Zweck, eine Entscheidung im Kostenpunkt zu treffen, schon von Verfassungs wegen als unzulässig erscheint. Den Ausführungen des Antragstellers ist eindeutig zu entnehmen, dass er eine Sachentscheidung des VfGH wegen einer behaupteten Rechtsverletzung iSd. Art. 140 Abs. 1 letzter Satz B-VG nicht mehr anstrebt. Dies wertet der Gerichtshof als konkludent zum Ausdruck gebrachte Rücknahme des Individualantrags, zumal eine Verfahrensfortsetzung zum ausschließlichen Zweck, eine Entscheidung im Kostenpunkt zu treffen, schon von Verfassungswegen als unzulässig erscheint. Das Verfahren über den vorliegenden Antrag war sohin einzustellen. Dem Begehren auf Ersatz der Prozesskosten war nicht stattzugeben, weil § 65a VfGG einen solchen Ersatz nur im Fall des Obsiegens des Antragstellers vorsieht (s. VfGH 28. 9. 1979, G 16/77, V 8, 9, 10/77); im übrigen besteht für das Gesetzesprüfungsverfahren keine dem § 86 VfGG entspre-
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chende, zum Prozesskostenersatz führende Bestimmung.“ (VfGH Beschluss vom 7. Oktober 1987, VfSlg. 11.488, G 79/86. (Hervorhebung vom Verfasser) d. Schlussfolgerungen Die Zuerkennung des Kostenersatzes in den Erkenntnissen über die Bescheidbeschwerden, die zu Verordnungs- bzw. Gesetzesaufhebungen geführt haben, und nicht in den Erkenntnissen über die Verordnungs- bzw. Gesetzesprüfung, legt den Gedanken nahe, dass der VfGH mit seinen Erkenntnissen über die Bescheidbeschwerden, in Verbindung mit den entsprechenden Verordnungsprüfungen, die Vorschriften des B-VG über Individualbeschwerden indirekt anwenden wollte, um den Beschwerdeführer letzten Endes für einen von Amts wegen durch den VfGH in Wahrheit selbst herbeigeführten Erfolg der Aufhebung der zwei Ortsnamen finanziell zu belohnen. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass der VfGH bereits mit seinem Erkenntnis vom 10. Oktober 1984, VfSlg. 10.209 B 629/78 den Antrag eines Beschwerdeführers auf „Verfügung bzw. Anbringung“ zweisprachiger Ortstafeln abgewiesen hat. Im Jahr 2004 fasste der VfGH den Beschluss (14. 12. 2004, V 131/ 03), den Individualantrag auf Aufhebung einer Verordnung betreffend Verkehrsbeschränkungen mangels Vorliegens eines subjektiven Rechtes auf Anbringung von Hinweiszeichen in deutscher und slowenischer Sprache zurückzuweisen. Dabei sah er sich aber veranlasst, seine Zuständigkeit zur Überprüfung der bekämpften Verordnung unter dem Rechtstitel der Präjudizialität besonders hervorzuheben: „Aus Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz StV Wien ist das an die Staatsorgane gerichtete Gebot abzuleiten, topographische Aufschriften und Bezeichnungen, soferne sie in einer dem verpflichteten Staat zuzurechnenden Weise angebracht bzw. verwendet werden, sowohl in Deutsch als auch in der jeweiligen Minderheitensprache zu verfassen. Wie die Erkenntnisse VfSlg. 16.403/2001 und 16.404/ 2001 zeigen, unterliegen Verordnungen wie die hier bekämpfte gerade auch unter diesem Aspekt sehr wohl der Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof im Verfahren gemäß Art. 139 B-VG. Dies freilich nur insoweit, als es sich – abgesehen von abstrakten Normenkontrollverfahren – dabei etwa um eine präjudizielle Rechtsvorschrift in einem beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Bescheidprüfungsverfahren gemäß Art. 144 handelt. (Hervorhebung vom Verfasser) Daraus erhellt, dass die Frage der Rechtskonformität einer solchen Verordnung der verfassungsgerichtlichen Prüfung zugänglich ist, auch wenn die im Verfassungsrang stehende Bestim-
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mung des Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz StV Wien kein subjektivöffentliches Recht des einzelnen Minderheitenangehörigen, einer Gruppe von Minderheitenangehörigen oder einer vereinsmäßigen ‚Volksgruppenorganisation‘ darauf einräumt, dass Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur in dem in Betracht kommenden Gebiet zweisprachig verfasst werden.“18 Dazu liest man auch in den Entscheidungsgründen des Erkenntnisses V 64/05: „Wie oben erwähnt hat der Verfassungsgerichtshof aus Anlass der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde ua. ein Verfahren zur Prüfung dieser Verordnungsbestimmung eingeleitet. Dies musste – in Wahrnehmung der dem Verfassungsgerichtshof obliegenden Rechtsbereinigungsfunktion, der zu Folge er bei Vorliegen entsprechender Bedenken jede in einer bei ihm anhängigen Rechtssache anzuwendende Verordnung auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu prüfen hat – unabhängig davon geschehen, ob die allfällige Rechtswidrigkeit dieser Bestimmung im verfassungsgerichtlichen Bescheidprüfungsverfahren überhaupt zum Tragen kommt (vgl. das Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, G 213/01, V 62, 63/01, Pkt. III. 1. 3. 2. 1.).“ „Nun hat der Verfassungsgerichtshof mit dem mehrfach erwähnten Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, G 213/01, V 62, 63/01, bloß die in dieser Bestimmung angeordneten (allein deutschsprachigen) Ortsbezeichnungen ,St. Kanzian‘ und ,St. Kanzian, Klopein‘ als gesetzwidrig aufgehoben, nicht aber auch den sonstigen Regelungsgehalt der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung, der zu Folge – somit auch mit Wirkung für den Anlassfall – das Ortsgebiet iSd. § 2 Abs. 1 Ziff. 15 iVm. § 20 StVO als solches festgelegt ist. Im Hinblick darauf ändert sich aber auch an der Strafbarkeit des dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verhaltens nichts.“ Kommentar: Die Entscheidungsgründe zu den Erkenntnissen über die Bescheidbeschwerden beinhalten zwar eine Erklärung für den Spruch über die Kosten, keineswegs aber eine schlüssige Begründung für den Kostenersatz im Sinn der ausdrücklichen Vorschrift des § 27 VfGG. Dem Beschwerdeführer wird trotz wohlbegründeter Abweisung seiner Beschwerden und trotz Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Bestrafung, „weil er im Interesse der Bereinigung der Rechtslage ,verdienstvoll‘ tätig war,“19 also gleichsam zur Belohnung, ein Ersatz seiner Verfahrenskosten bei der ____________________
18 Siehe dazu auch den Beschluss des VfGH vom 14. 12. 2004, V 131/03, mit der Zurückweisung eines gleichartigen Individualantrags von 44 Antragstellern auf Aufhebung einer Verordnung betreffend die Verkehrsbeschränkungen für die Loibacher Bundesstraße, mit einer ausführlichen Begründung. 19 Eine finanzielle ,Ergreiferprämie‘ nach Machacek. Der Verfassungsgerichtshof, in: Verfahren vor dem VfGH und VwGH, 5. Auflage (2004) S. 90.
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Bekämpfung eines durch ein geplantes rechtswidriges Verhalten provozierten rechtmäßigen Strafbescheides zugesprochen, der gesetzlich nicht vorgesehen ist. Daraus entsteht der Eindruck, dass der Verfassungsgerichtshof der Bekämpfung einer rechtmäßigen Bestrafung wegen eines rechtswidrigen Verhaltens über einen formalen Umweg indirekt den Effekt eines legalen Rechtsmittels zur Bekämpfung einer Verordnung verschaffen wollte, deren Anfechtung im Weg eines Individualantrages von 44 Angehörigen der slowenischen Minderheit gemäß Art. 139 Abs. 1 B-VG er durch seinen Beschluss vom 14. Dezember 2004, V 131/03, mangels Vorliegens eines subjektiven Rechtes der Antragsteller, mit einer ausführlichen Begründung zu Recht wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen hat. Das VfGG sieht für Verordnungs- und Gesetzesprüfungen von Amts wegen aus Anlass von Bescheidbeschwerden wohl im Hinblick auf das Fehlen eines individuellen Antragsrechtes, für den Beschwerdeführer keinen Kostenersatz vor. Der Verfassungsgerichtshof übt also bei den gegenständlichen Kostenentscheidungen in seinen Erkenntnissen über die zwei Bescheidbeschwerden ein freies Ermessen aus, das ihm durch das VfGG nicht eingeräumt ist. Dass der VfGH durch diese Verfügung über Steuergelder ohne eine entsprechende gesetzliche Ermächtigung auch gegenüber dem Rechnungshof in einen Begründungsnotstand geraten kann, sei hier nur angemerkt. Diese Art der Behandlung der Kostenfrage durch den VfGH führt zur Frage der Präjudizialität von Vorschriften eines Gesetzes bzw. einer Verordnung für die Entscheidung von Amts wegen über eine anhängige Rechtssache. Die Bejahung des Vorliegens der Präjudizialität scheint die einzige Rechtfertigung für einen Kostenersatz ohne eine zwingende rechtliche Begründung zu sein. Wie aber steht es um die Präjudizialität selbst? (Näheres dazu weiter unten)
5. Die schriftliche Ausfertigung von Erkenntnissen a. Die Rechtslage § 19. (1) VfGG Die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes werden mit Ausnahme der Erkenntnisse nach § 10, § 36 d, § 92 und § 93 in Verbindung mit § 92 nach einer öffentlichen mündlichen Verhandlung geschöpft, zu der der Antragsteller, die Gegenpartei und die etwa sonst Beteiligten zu laden sind. (2) Die Erkenntnisse werden im Namen der Republik verkündet und ausgefertigt. (Darauf folgen mögliche Arten von Entscheidungen)
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(3) Ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung können in nichtöffentlicher Sitzung auf Antrag des Referenten beschlossen werden: 1. Die Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde nach Art. 144 Abs. 2 B-VG. 2. Die Zurückweisung eines Antrages wegen a) offenbarer Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes, b) Versäumung einer gesetzlichen Frist, c) nicht behobenen Mangels der formellen Erfordernisse, d) rechtskräftig entschiedener Sache und e) mangels der Legitimation. 3. Die Einstellung des Verfahrens wegen Zurücknahme des Antrages oder wegen Klaglosstellung (§ 86). (4) Der Verfassungsgerichtshof kann von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verfassungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Ohne mündliche Verhandlung können ferner in nichtöffentlicher Sitzung auf Antrag des Referenten beschlossen werden: 1. Die Abweisung einer Beschwerde, wenn ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht offenkundig nicht verletzt worden ist; 2. die Entscheidung in Rechtssachen, in denen die Rechtsfrage durch die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bereits genügend klargestellt ist; 3. einer Beschwerde stattzugeben, die zur Aufhebung einer gesetzwidrigen Verordnung, einer gesetzwidrigen Kundmachung über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes (Staatsvertrages), eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrages Anlass gegeben hat. (5) Ferner ist durch einen in nichtöffentlicher Sitzung zu fassenden Beschluss – abgesehen von den Fällen, die in diesem Gesetz und in den im § 35 Abs. 1 bezeichneten Gesetzen vorgesehen sind – zu entscheiden, über Anträge auf Vollstreckung der Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art. 146 Abs. 2 des Bundes- Verfassungsgesetzes und über Anträge auf Kostenbestimmung im Fall einer Einstellung des Verfahrens. § 20 (6) VfGG Die schriftlichen Ausfertigungen der Erkenntnisse, Beschlüsse und sonstigen Erledigungen des Verfassungsgerichtshofes werden unter Wiedergabe der auf der Urschrift beigesetzten Fertigungen von der Kanzlei mit dem Vermerk ‚Für die Richtigkeit der Ausfertigung‘ beglaubigt.
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§ 26 (1) VfGG Das Erkenntnis ist, wenn möglich, sogleich nach Schluss der mündlichen Verhandlung zu fällen und mit den wesentlichen Entscheidungsgründen sofort mündlich zu verkünden. Die Verkündung des Erkenntnisses ist von der Anwesenheit der Parteien nicht abhängig. (2) Wenn das Erkenntnis nicht sofort nach Schluss der mündlichen Verhandlung gefällt werden kann, so wird es entweder mündlich in einer besonderen, den Beteiligten nach Schluss der Verhandlung sofort bekannt zugebenden öffentlichen Tagsatzung verkündet oder nach Ermessen des Gerichtshofes auf schriftlichem Wege durch Zustellung einer Ausfertigung bekannt gemacht. (Hervorhebungen vom Verfasser). Für die Erlassung von Erkenntnissen zu Normenprüfungen gelten besondere Kundmachungsregeln, die dem VfGH keinen Ermessensspielraum lassen. b. Subsidiär anwendbare Vorschriften der ZPO § 35 (1) VfGG Soweit dieses Gesetz keine anderen Bestimmungen enthält, sind die Bestimmungen der Zivilprozessordnung und des Einführungsgesetzes zur ZPO sinngemäß anzuwenden. Zur schriftlichen Ausfertigung von Urteilen schreibt die ZPO (RGBl. 113/1895, idF BGBl. I 2002/7) folgendes vor: § 417 (1) ZPO Das Urteil hat in schriftlicher Ausfertigung zu enthalten: 1. die Bezeichnung des Gerichtes und die Namen der Richter, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben; wenn ein Landesgericht ein Urteil der besonderen Gerichtsbarkeit in Handelssachen oder ein selbständiges Handelsgericht ein Urteil der allgemeinen Gerichtsbarkeit fällt, ist auch dies anzuführen; 2. die Bezeichnung der Parteien nach Namen (Vor- und Zunamen), Beschäftigung, Wohnort und Parteistellung sowie die Bezeichnung ihrer Vertreter; in Personenstandssachen überdies auch den Tag und den Ort der Geburt der Parteien; 3. den Urteilsspruch; 4. die Entscheidungsgründe. (2) Der Urteilsspruch und die Entscheidungsgründe sind äußerlich zu sondern. Die Entscheidungsgründe haben in gedrängter Darstellung zu enthalten: das wesentliche Vorbringen und die Anträge der Parteien, die Außerstreitstellungen, die Tatsachenfeststellungen, die Beweiswürdigung und die rechtliche Beurteilung. (Hervorhebung vom Verfasser) (3) Das auf Grund der §§ 179, 180 Abs. 2, 275, Abs. 2, und 278, Abs. 2, vom Gerichte für unstatthaft erklärte Vorbringen, sowie jene Be-
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weise, deren Benutzung wegen des fruchtlosen Verstreichens einer für die Beweisaufnahme bestimmten Frist nicht gestattet wurde, sind im Urteil anzuführen. (4) Versäumungs-, Verzicht- und Anerkenntnisurteile können in gekürzter Form und mit Benutzung einer Ausfertigung der Klage oder einer Rubrik ausgefertigt werden. Die näheren Vorschriften werden durch Verordnung erlassen. Die Geschäftsordnung des Verfassungsgerichtshofs (GO VfGH). Kundmachung des BKA vom 12. Oktober 1946, BGBl. 202 trifft folgende Regelungen: § 37 (1) GO VfGH Die Ausfertigung der nach durchgeführter Verhandlung gefällten Erkenntnisse hat neben dem Spruch und von ihm gesondert die Entscheidungsgründe zu enthalten, in die auch der Tatbestand aufzunehmen ist. Wenn es der Referent für zweckmäßiger hält, kann der Tatbestand auch abgesondert von den Entscheidungsgründen angeführt werden. (2) Der Tatbestand hat eine gedrängte Darstellung des aus den Schriftsätzen, den Verwaltungsakten und der mündlichen Verhandlung sich ergebenden Sachverhaltes, insbesondere die von den Parteien gestellten Anträge zu enthalten. ... § 38 (1) Wird ein Erkenntnis gemäß Art. 139 Abs. 2 und 140 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes gefällt, so hat es die Verpflichtung der zuständigen Behörde zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung oder des Wiederinkrafttretens gesetzlicher Bestimmungen in seinem Spruch zum Ausdruck zu bringen.20 c. Schlussfolgerungen aus diesen Vorschriften Die Vorschriften des VfGG und der ZPO über die schriftliche Ausfertigung von Erkenntnissen des VfGH lassen sich auf den Minimalgehalt reduzieren, wie er im § 37 GO VfGH in einer veralteten Terminologie festgelegt ist. Im Erkenntnis des Jahres 2001 über die Bescheidbeschwerde ist in den Entscheidungsgründen eine volle Sachverhaltsdarstellung und eine entsprechende rechtliche Begründung des Spruches enthalten. Im Erkenntnis des Jahres 2005 über die Bescheidbeschwerde fehlt eine solche Darstellung des Sachverhaltes und der rechtlichen Begründung des Spruchs. Stattdes____________________
20 In der Darstellung des Verfahrens vor dem VfGH durch Machacek, Der Verfassungsgerichtshof (2004) (135 ff ), gibt es zwar Muster für Eingaben, aber keine Muster für die schriftlichen Ausfertigungen der Erkenntnisse und Beschlüsse des VfGH gemäß den verschiedenen Kompetenztatbeständen.
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sen verwies der VfGH für die Sachlage auf den wesentlichen Inhalt der Bescheidbeschwerde B 2075/99 sowie auf seine Verordnungsprüfung vom selben Tag und auf das Erkenntnis VfSlg. 16.403/2001 vom 13. Dezember 2001, obgleich er der Verordnungsaufhebung für die Abweisung der Beschwerde keine rechtliche Bedeutung zuerkannte. Warum hat sich der VfGH in seinem Erkenntnis über die Bescheidbeschwerde aus dem Jahr 2001 nicht an den durch diese Vorschrift vorgezeichneten Mindeststandard für schriftliche Ausfertigungen von Erkenntnissen gehalten und warum hat er im Jahr 2005, unter vergleichbaren Voraussetzungen, in seinem Erkenntnis über die Bescheidprüfung keinen Sachverhalt und keine Entscheidungsgründe dargestellt, sondern bloß auf die gleichartige Bescheidbeschwerde auf seine Judikatur zur Verordnungsund Gesetzesprüfung des Jahres 2001 verwiesen, die in keinem zwingenden rechtlichen Zusammenhang zu seinem Erkenntnis aus dem Jahr 2005 über die Bescheidbeschwerde steht? Warum sind die geltenden Vorschriften des VfGG, der ZPO und der GO des VfGH über die schriftliche Ausfertigung von Urteilen unerwähnt geblieben? Für ein Erkenntnis über eine Bescheidbeschwerde kann es nicht genügen, auf eine ältere Bescheidbeschwerde und auf ein Verordnungsprüfungserkenntnis zu einer anderen Verordnung und zu einem anderen Anlassfall zu verweisen, das durch ein anderes rechtswidriges Verhalten provoziert wurde und das für den Anlassfall erklärtermaßen ohne rechtliche Bedeutung ist. Die geplante Wiederholung der Straftat und die mutwillige Beschreitung des Rechtsweges durch den Beschwerdeführer werden in diesem Erkenntnis mit keinem Wort gerügt. Es fehlt auch ein Hinweis auf mögliche Folgen eines Rechtsmissbrauchs. Dass in einem solchen Verhalten eine Gefährdung der körperlichen Sicherheit der Allgemeinheit gelegen sein kann, schien nicht erwägenswert. Die belangte Behörde wurde auch nicht dafür gemahnt, dass sie über den Beschwerdeführer wegen mutwilliger Inanspruchnahme der Tätigkeit mehrerer Behörden (auch des Verfassungsgerichtshofs) gemäß § 35 AVG keine Mutwillensstrafe verhängt hat. Der Beschwerdeführer wurde zu einem künftigen gleichartigen Verhalten zwar nicht ausdrücklich ermutigt, wegen des Kostenersatzes für das Verfahren über sein rechtswidriges Verhalten durch den VfGH kann nun nicht nur er, sondern auch jemand anderer sich indirekt zu neuen Rechtswidrigkeiten und Bescheidbeschwerden gegen rechtmäßige Bestrafungen aufgefordert verstehen. Auch aus der Perspektive des Prozessrechtsverhältnisses ergeben sich Fragen zu dieser Art von Erledigung durch Verweisung. Jedes Verfahren über eine Bescheidbeschwerde ist ein selbständiges Verfahren. Das gilt auch
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für ein Verordnungsprüfungsverfahren, sei es von Amts wegen oder auf Antrag. Die Sachverhalte sind in beiden Verfahren voneinander verschieden. Im Verordnungsprüfungsverfahren kommt dem Beschwerdeführer des Bescheidprüfungsverfahrens keine anspruchsbegründende (echte) Parteistellung zu. Er hat kein formales Antragsrecht auf Verordnungsprüfung und keinen Rechtsanspruch auf Zustellung der Entscheidung über die Verordnungsprüfung von Amts wegen. Warum zieht der VfGH die beiden Erkenntnisse durch verkürzte Verweisungen ineinander? Warum schreibt er im Jahr 2005 einen Sachverhalt, der in erster Linie die Bescheidbeschwerde betrifft, nur in sein Erkenntnis über die Verordnungsprüfung und nicht auch in sein Erkenntnis über die Bescheidbeschwerde? Sowohl nach dem VfGG als auch nach der ZPO müsste der Inhalt einer Entscheidung dem dadurch abgeschlossenen Verfahren vollständig entsprechen. Die Regelungen des VfGG, der GO des VfGH und der ZPO sind in dieser Hinsicht klar genug. Man fragt sich daher, aus welchem triftigen Grund der Verfassungsgerichtshof in der Frage der schriftlichen Ausfertigung seines Erkenntnisse seine eigene Gesetzesbindung unbeachtet ließ und in der unterschiedlichen Gestaltung der schriftlichen Ausfertigung ein ihm nicht eingeräumtes freies Ermessen übte? Ist der VfGH nicht ebenso an die Gesetze über Organisation, Zuständigkeit und Verfahren gebunden wie alle anderen Gerichte?
IV. Die Prüfung von Verordnungen und Gesetzen durch den Verfassungsgerichtshof von Amts wegen 1. Die Rechtslage a. Die Verordnungsprüfung im B-VG Art. 139 (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Bundes- oder Landesbehörde auf Antrag eines Gerichtes oder eines unabhängigen Verwaltungssenates, sofern aber der Verfassungsgerichtshof eine solche Verordnung in einer anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte, von Amts wegen. ... Er erkennt ferner über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist; (3) Der Verfassungsgerichtshof darf eine Verordnung nur insoweit als gesetzwidrig aufheben, als ihre Aufhebung ausdrücklich beantragt wurde oder
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als sie der Verfassungsgerichtshof in der bei ihm anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte. ... Art. 144 (1) B-VG Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden einschließlich der Unabhängigen Verwaltungssenate, soweit der Beschwerdeführer durch den Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrages in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. (Hervorhebungen vom Verfasser) b. Die Verordnungsprüfung im VfGG § 57 (1) VfGG Der Antrag, eine Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben, muss begehren, dass entweder die Verordnung ihrem ganzen Inhalte nach oder, dass bestimmte Stellen der Verordnung als gesetzwidrig aufgehoben werden. Der Antrag hat die gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Wird ein solcher Antrag von einer Person gestellt, die unmittelbar durch die Gesetzwidrigkeit der Verordnung in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, so ist auch darzutun, inwieweit die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für sie wirksam geworden ist. (2) Von einem Gericht (einem unabhängigen Verwaltungssenat, dem Bundesvergabeamt) kann der Antrag auf Aufhebung einer Verordnung oder von bestimmten Stellen einer solchen nur dann gestellt werden, wenn die Verordnung vom Gericht (unabhängigen Verwaltungssenat, Bundesvergabeamt) in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden oder wenn die Gesetzmäßigkeit der Verordnung eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Gericht (unabhängigen Verwaltungssenat, Bundesvergabeamt) anhängigen Rechtssache ist. (4) Hat das Gericht (der unabhängige Verwaltungssenat, das Bundesvergabeamt) die Verordnung, deren Prüfung beantragt wurde, nicht mehr anzuwenden, so ist der Antrag unverzüglich zurückzuziehen. § 61 VfGG Diese Bestimmungen finden sinngemäß Anwendung, wenn der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit einer Verordnung von Amts wegen (Art. 139 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes) zu erkennen hat. (Hervorhebungen vom Verfasser) § 32 GO VfGH Hat der Gerichtshof beschlossen, über die Gesetzmäßigkeit einer Verordnung oder über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes im Sinn der §§ 61 und 65 des VfGG 1930 von Amts wegen zu entscheiden, so wird das Verfahren in der Hauptsache unterbrochen. Es
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ist nach Fällung des Erkenntnisses über die Vorfrage fortzusetzen. (Hervorhebungen vom Verfasser) c. Die Gesetzesprüfung im B-VG Art. 140 (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Verfassungswidrigkeit eines Bundes- oder Landesgesetzes auf Antrag des Verwaltungsgerichtshofs, des Obersten Gerichtshofes, eines zur Entscheidung in zweiter Instanz berufenen Gerichtes oder eines unabhängigen Verwaltungssenates, sofern aber der Verfassungsgerichtshof ein solches Gesetz in einer anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte, von Amts wegen. ... Er erkennt ferner über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist; ... (3) Der Verfassungsgerichtshof darf ein Gesetz nur insoweit als verfassungswidrig aufheben, als seine Aufhebung ausdrücklich beantragt wurde oder als der Verfassungsgerichtshof das Gesetz in der bei ihm anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte. ... Art. 144 (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden einschließlich der Unabhängigen Verwaltungssenate, soweit der Beschwerdeführer durch den Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrages in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. ... d. Die Gesetzesprüfung im VfGG VfGG § 62 (1) Der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, muss begehren, dass entweder das Gesetz seinem ganzen Inhalte nach oder dass bestimmte Stellen des Gesetzes als verfassungswidrig aufgehoben werden. Der Antrag hat die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Wird ein solcher Antrag von einer Person gestellt, die unmittelbar durch die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, so ist auch darzutun, inwieweit das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für sie wirksam geworden ist. (4) Hat das Gericht (der unabhängige Verwaltungssenat, das Bundesvergabeamt) das Gesetz, dessen Prüfung beantragt wurde, nicht mehr anzuwenden, so ist der Antrag unverzüglich zurückzuziehen.
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§ 64 (1) VfGG Das Erkenntnis hat auszusprechen, ob der ganze Inhalt des Gesetzes oder bestimmte Stellen als verfassungswidrig aufgehoben werden. (2) Lautet das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes auf Aufhebung, so ist es auch dem Bundeskanzler oder dem zuständigen Landeshauptmann zuzustellen. In der nach Art. 140 Abs. 5 des Bundes-Verfassungsgesetzes zu erlassenden Kundmachung muss zum Ausdruck gebracht werden, dass das Gesetz durch das genau zu bezeichnende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes aufgehoben worden ist. § 65 VfGG Diese Bestimmungen finden sinngemäß Anwendung, wenn der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes von Amts wegen (Art. 140 Abs. 1 des Bundes Verfassungsgesetzes) zu entscheiden hat. (Hervorhebungen vom Verfasser) § 32 VfGH GO Hat der Gerichtshof beschlossen, über die Gesetzmäßigkeit einer Verordnung oder über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes im Sinn der §§ 61 und 65 des VfGG 1930 von Amts wegen zu entscheiden, so wird das Verfahren in der Hauptsache unterbrochen. Es ist nach Fällung des Erkenntnisses über die Vorfrage fortzusetzen.
2. Die zwei Erkenntnisse zur Verordnungsbzw. Gesetzesprüfung von Amts wegen21 a. Das Erkenntnis aus dem Jahr 2001 22 Spruch: „1. Die Wortfolge ,wegen der verhältnismäßig beträchtlichen Zahl (ein Viertel) der dort wohnhaften Volksgruppenangehörigen‘ in 2 Abs. 1 Ziff. 2 des Volksgruppengesetzes, BGBl. 1976/396, wird als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2002 in Kraft. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet. 2. Die Wortfolge ,In der Gemeinde Bleiburg in den Gebieten der ehemaligen Gemeinden Feistritz ob Bleiburg und Moos, in der Gemeinde Eisenkappel-Vellach im Gebiet der ehemaligen Gemeinde Vellach, in der Gemeinde Globasnitz und in der Gemeinde Neuhaus im Gebiet der ehemaligen Gemeinde Schwabegg.‘ in § 1 Ziff. 2 der Verordnung der Bundesregierung vom 31. Mai 1977 über die Bestimmung von Gebietsteilen, in denen topographische Bezeichnungen in deutscher und slowenischer Sprache anzubringen sind, BGBl. 306, wird als gesetzwidrig aufgehoben. ____________________
21 Hier werden nur die für das Thema erheblichen Stellen aus den umfangreichen Erkenntnissen wiedergegeben. 22 G 213/01, V 62, und 63/01, vom 13. Dezember 2001.
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Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2002 in Kraft. Die Bundesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt II verpflichtet. 3. 1. In § 1 Abschnitt B) Punkt 1 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 17. August 1982, Zl. 4642/1/81, betreffend Straßenverkehrszeichen im Verlauf der St. Kanzianer Straße L 116, idF der Verordnung vom 30. September 1992, Zl. 2856/1/92, werden die Ortsbezeichnungen: ‚St. Kanzian‘ und ‚St. Kanzian, Klopein‘ als gesetzwidrig aufgehoben. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2002 in Kraft. Die Kärntner Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet. 3. 2. Im Übrigen wird die in Prüfung gezogene Bestimmung der genannten Verordnung nicht als gesetzwidrig aufgehoben.“ (Hervorhebungen vom Verfasser) Entscheidungsgründe: „I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu Zl. B 2075/99 das Verfahren über eine auf Art. 144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zu Grunde liegt: 1. 1. Über den in der Gemeinde Eberndorf (Bezirk Völkermarkt) wohnhaften Beschwerdeführer wurde mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 12. 10. 1994 wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet von St. Kanzian eine Geldstrafe von ATS 500,-- verhängt. Diese Strafverfügung wurde im Wege der Hinterlegung am 20. 10. 1994 zugestellt.“ (Für die darauf folgende vollständige Darstellung des Sachverhaltes wird auf den oben bereits wiedergegebenen Text und auf das Original verwiesen) „3. Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlass dieser Beschwerde am 28. 6. 2001 beschlossen, gemäß Art. 139 und 140 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Gesetz- bzw. Verfassungsmäßigkeit der im Spruch genannten Verordnungsund Gesetzesbestimmungen einzuleiten.“ (Für die darauf folgende, ausführliche Darstellung der Rechtslage wird auf den oben bereits wiedergegebenen Text und auf das Original verwiesen) Gemäß der dargestellten Sach- und Rechtslage trat der VfGH von Amts wegen in die Gesetzes- und Verordnungsprüfung ein. Dazu stellte er Erwägungen an, die er weitestgehend auch zum Bestandteil seiner Entscheidungsgründe machte. Nachfolgend werden schwergewichtsmäßig die für das vorliegende Thema erheblichen Erwägungen dargestellt. Die vielfach gleich lautenden Entscheidungsgründe werden daran anschließend
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nur punktuell wiedergegeben. Für den vollen Text wird auf das umfangreiche Original verwiesen. Erwägungen: „III. 1. 1. Was das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen anlangt, so ist der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss ... von Folgendem ausgegangen: Der Verfassungsgerichtshof geht ... davon aus, dass die vorliegende Beschwerde zulässig ist. Ferner nimmt der Verfassungsgerichtshof ... an, dass er bei Entscheidung dieser Rechtssache die im Spruch genannten Rechtsvorschriften anzuwenden hätte. (Hervorhebung vom Verfasser) Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen in § 2 Abs. 1 Ziff. 2 des VolksgruppenG sowie in § 1 Ziff. 2 der insbesondere darauf gestützten Verordnung BGBl. 1977/ 306 scheinen für die Gemeinde St. Kanzian das Anbringen topographischer Bezeichnungen in slowenischer Sprache (geradezu) auszuschließen (vgl. dazu die im Erkenntnis VfGH 4. 10. 2000, V 91/99, unter Pkt. III. 3. 1. 1. angestellten Erwägungen zur korrespondierenden Bestimmung der Verordnung BGBl. 1977/307 betreffend die Zulassung der slowenischen Sprache zusätzlich zur deutschen Sprache als Amtssprache vor den Gemeindebehörden und Gemeindedienststellen im politischen Bezirk Völkermarkt; was die hier in Prüfung gezogene Bestimmung in § 2 Abs. 1 Ziff. 2 VolksgruppenG betrifft, so dürfte insoferne sinngemäß das Gleiche zutreffen, als danach das Anbringen zweisprachiger topographischer Bezeichnungen ausdrücklich auf Gebietsteile beschränkt wird, in denen eine ,verhältnismäßig beträchtliche Zahl (ein Viertel)‘ – hier: der slowenischen Volksgruppe – wohnt (in dieser Hinsicht dürfte sich somit § 2 Abs. 1 Ziff. 2 VolksgruppenG von der die Zulassung u.a. des Slowenischen als Amtssprache zusätzlich zum Deutschen betreffenden Regelung des § 2 Abs. 1 Ziff. 3 VolksgruppenG unterscheiden, auf die die mit dem oben erwähnten Erkenntnis vom 4. 10. 2000, V 91/99, aufgehobene Bestimmung in § 2 Abs. 2 Ziff. 3 der Verordnung BGBl. 1977/307 gestützt war). Der Vollständigkeit halber wird auch noch auf Folgendes hingewiesen: Der Annahme, dass im Anlassbeschwerdeverfahren auch die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des VolksgruppenG und der darauf gestützten Verordnung BGBl. 1977/306 präjudiziell sein dürften, scheint auch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht entgegenzustehen, dass es kein subjektives Recht auf Anbringung eines Hinweiszeichens (einer Ortstafel) gemäß § 44 Abs. 1 und § 53 Ziff. 17a und 17b StVO in deutscher und slowenischer Sprache gebe (VfSlg. 10.209/1984).23 Im vorliegenden Fall scheint es nämlich um die – gegebenenfalls von Amts wegen zu prüfende – Frage zu ____________________
23 „... dass keine Vorschrift der StVO einer Einzelperson ein subjektives Recht auf die Erlassung einer straßenpolizeilichen Anordnung einräumt“.
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gehen, ob die – wie der Verfassungsgerichtshof vorläufig annimmt – von der belangten Behörde bei Erlassung des mit Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpften Bescheides angewendete Bestimmung der diesbezüglichen Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt ordnungsgemäß kundgemacht wurde und somit rechtmäßig ist oder nicht. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorzuliegen scheinen, dürfte das hiemit eingeleitete Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahren zulässig sein.“ „1. 3. 2. 1. Es ist evident, dass sich die im Anlassbeschwerdeverfahren belangte Behörde bei Erlassung des bekämpften Bescheides ausdrücklich auf die in Prüfung gezogene Bestimmung der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt betreffend Straßenverkehrszeichen im Verlauf der St. Kanzianer Straße L 116 gestützt hat (vgl. die entsprechenden, im Prüfungsbeschluss – im dortigen Pkt. II. 2. 2. 1. – wiedergegebenen und hervorgehobenen Passagen der Begründung dieses Bescheides); es weist auch nichts darauf hin, dass dies geradezu denkunmöglich geschehen sei. Schon im Hinblick darauf ist aber diese Verordnungsbestimmung – nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zusammenfassend dazu zuletzt VfGH 28. 6. 2001, G 103/00, Pkt. II. 2. 2. 4. 1.) – im vorliegenden Zusammenhang präjudiziell iSd. Art. 139 Abs. 1 B-VG (zum Umfang der Aufhebung der als rechtswidrig erkannten Bestimmung s. unten Pkt. 4. 3.). Dies unabhängig davon, ob die allfällige Rechtswidrigkeit dieser Bestimmung im verfassungsgerichtlichen Bescheidprüfungsverfahren überhaupt zum Tragen kommt (vgl. VfSlg. 9755/1983, 11.190/1986, 13.015/1992), also zur Aufhebung des bekämpften Bescheides führt (s. auch dazu unten Pkt. 4. 3.); in Wahrnehmung seiner durch Art. 139 Abs. 1 erster Satz B-VG auferlegten Rechtsbereinigungsfunktion ist der Verfassungsgerichtshof – bei Vorliegen entsprechender Bedenken – nämlich verpflichtet, jede in einer bei ihm anhängigen Rechtssache anzuwendende Verordnungsbestimmung auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu prüfen. Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit dieser Verordnungsbestimmung ist aber auch der Umstand von Bedeutung, dass gemäß § 53 Abs. 1 Ziff. 17a StVO auf den Hinweiszeichen ‚Ortstafel‘ und ‚Ortsende‘ der ‚Name des Ortes‘ anzugeben ist. Insoweit dieser Name durch Rechtsvorschriften näher geregelt ist, sind daher auch diese Rechtsvorschriften bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der das Anbringen der Ortstafel regelnden Verordnung iSd. Art. 139 Abs. 1 erster Satz B-VG vom Verfassungsgerichtshof ‚anzuwenden‘. Im vorliegenden Zusammenhang trifft dies insbesondere für die in Prüfung gezogene Bestimmung der Verordnung der Bundesregierung über die Bestimmung von Gebietsteilen zu, in denen topographische Bezeichnungen in deutscher und slowenischer Sprache anzubringen sind; und zwar insoferne, als sie u. a. für die – in der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See im politischen Bezirk
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Völkermarkt gelegene – Ortschaft St. Kanzian eine Ortsbezeichnung in slowenischer Sprache ausschließt (in diesem Sinne in vergleichbarem Zusammenhang das Erkenntnis VfGH 4. 10. 2000, V 91/99, Pkt. III. 3. 1. 1.)“24 Zur materiellrechtlichen Frage führte der VfGH Folgendes aus: „2. 1. Der Verfassungsgerichtshof stützte seine Bedenken, die in Prüfung gezogenen Gesetzes- bzw. Verordnungsbestimmungen könnten verfassungsbzw. gesetzwidrig sein, auf die folgenden Erwägungen: ‚(a) In seinem Erkenntnis vom 4. 10. 2000, V 91/99, hat der Verfassungsgerichtshof im Zusammenhang mit der die Zulassung der slowenischen und der kroatischen Sprache als Amtssprache zusätzlich zum Deutschen betreffenden Regelung des Art. 7 Ziff. 3 erster Satz des Staatsvertrages von Wien iW die folgende Auffassung vertreten: ,Vorweg wird allgemein darauf hingewiesen, dass der Verfassungsgerichtshof an seiner Rechtsprechung (s. dazu va. das ... Erkenntnis VfSlg. 12.836/199125 mwH) festhält, der zufolge unter dem Begriff (des Verwaltungsbezirkes mit) ,gemischte(r) Bevölkerung‘ ein Gebiet zu verstehen sei, in dem ,eine größere Zahl der dort wohnenden Personen zur Minderheit gehören müsse‘ bzw. hiefür ein ,nicht ganz unbedeutender (Minderheiten) Prozentsatz‘ zu fordern sei, und dass den diesbezüglichen Feststellungen ,bloß eine vergröberte statistische Erfassung zugrunde zulegen‘ sei, wie sie sich va. aus den einschlägigen statistischen Erhebungen im Rahmen der Volkszählungen ergeben. Der Verfassungsgerichtshof ist der Auffassung, dass unter dem Begriff ,Verwaltungsbezirk‘ iSd. Art. 7 Ziff. 3 erster Satz des Staatsvertrages von Wien (auch) die Gemeinden, als die kleinsten territorialen Verwaltungseinheiten, zu verstehen sind. Der Verfassungsgerichtshof geht dabei davon aus, dass die in diesem Zusammenhang in den verschiedenen authentischen Texten des Staatsvertrages von Wien (vgl. dessen Art. 38 Ziff. 1) verwendeten Begriffe sehr allgemein und unbestimmt gehalten und in verschiedene Richtungen hin deutbar sind (s. dazu insbesondere den umfassenden Hinweis auf die einschlägige Literatur bei Kolonovits, Sprachenrecht in Österreich, Wien 1999, S 138-145). Im Hinblick darauf erscheint eine an ,Ziel und Zweck‘ (vgl. Art. 31 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 4 des Übereinkommens über das Recht der Verträge, BGBl. 1980/40) dieser staatsvertraglichen Regelung – das ist die Möglichkeit der Bewahrung und Pflege der eigenen (Minderheiten) Sprache (s. dazu va. VfSlg. 9801/1983, S 147) – orientierte Auslegung geboten. Dabei ist aber Folgendes zu berücksichtigen: Sowohl die slowenische als auch die kroatische Volksgruppe siedeln in den in Betracht kommenden Bundesländern in unterschied____________________
24 Es müsste wohl heißen: nicht vorsieht. Der Gemeinderat von St. Kanzian könnte nämlich jederzeit einen zusätzlichen slowenischen Ortsnamen festlegen. 25 B 554/90 vom 3. Oktober 1990.
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licher Dichte, in räumlicher Verzahnung mit der deutschen Volksgruppe und größtenteils in Streulage (idS – für die slowenische Volksgruppe – schon VfSlg. 9224/1981). So erweist sich unter Zugrundelegung der Ergebnisse der Volkszählungen 1951 bis 1991 insbesondere, dass selbst in politischen Bezirken, in denen der Anteil der slowenisch (bzw. kroatisch) sprechenden Einwohner bezirksweit einen durchaus bedeutenden Prozentsatz ausmacht, in einer Reihe von Gemeinden entweder überhaupt keine Minderheitenangehörigen leben oder die Minderheit doch nur einen ganz unbedeutenden Prozentsatz ausmacht. Demgemäß ist dem Begriff ,Verwaltungsbezirk‘ gemäß Art. 7 Ziff. 3 erster Satz des Staatsvertrages von Wien ein Verständnis beizulegen, das sich an den tatsächlichen, dh. gemeindebezogenen, Siedlungsschwerpunkten dieser Volksgruppen orientiert. Darüber hinaus gebietet diese staatsvertragliche Regelung aber auch die Zulassung des Slowenischen (bzw. Kroatischen) als Amtssprache zusätzlich zum Deutschen vor den Bezirksverwaltungsbehörden, in deren Sprengel die jeweilige Minderheit – bezirksweit – einen nicht ganz unbedeutenden Prozentsatz ausmacht.“ „(b) Der Verfassungsgerichtshof geht … davon aus, dass diese Erwägungen auch für die im vorliegenden Fall maßgebliche Bestimmung des Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien zutreffen, der zu Folge in den in Betracht kommenden ‚Bezirken die Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur sowohl in slowenischer ... Sprache wie in Deutsch‘ zu verfassen sind. Somit dürfte auch in dieser Hinsicht auf die maßgeblichen Verhältnisse (arg.: ,mit ... gemischter Bevölkerung ...‘) in der jeweiligen Gemeinde abzustellen sein. Dass § 2 Abs. 1 Ziff. 2 VolksgruppenG sowie die Verordnung BGBl. 1977/306 sogar auf ,Gebietsteile‘ bzw. auf das Gebiet ,ehemaliger Gemeinden‘ abstellen, die nunmehr bloße Teile einer (neuen und größeren) Gemeinde darstellen, dürfte damit nicht im Widerspruch stehen. Diese Regelung(stechnik) scheint vielmehr von der Absicht getragen zu sein, nach dem Inkrafttreten des Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien eingetretene Änderungen der Gemeindestruktur zu berücksichtigen. Für den hier vorliegenden Zusammenhang scheint dieser Gesichtspunkt freilich ohne Bedeutung, da die Struktur der Gemeinde St. Kanzian (am Klopeiner See) in diesem Zeitraum keine maßgeblichen Änderungen erfahren haben dürfte. Darüber hinaus ist dazu auch noch auf Folgendes hinzuweisen: Im vorliegenden Fall geht es um das Anbringen der Hinweiszeichen ,Ortstafel‘ und ,Ortsende‘ iSd. § 53 Abs. 1 Ziff. 17a und 17b StVO, die der Kundmachung straßenverkehrspolizeilicher Verordnungen dienen (vgl. § 43 Abs. 1 StVO). Diese Hinweiszeichen dürften – geradezu typischer Weise – dem Tatbestand des Verfassern von ,Bezeichnungen ... topographischer Natur‘ iSd. Art. 7 Ziff. 3 zwei-
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ter Satz des Staatsvertrages von Wien unterfallen (vgl. dazu die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 217 BlgNR 14. GP 10). (c) Im Erkenntnis vom 4. 10. 2000, V 91/99, hat der Verfassungsgerichtshof folgende Auffassung vertreten: ,Dem Begriff (des Verwaltungsbezirkes mit) ,gemischte(r) Bevölkerung‘ unterfällt – ausgehend davon, dass in einem solchen Gebiet ,eine größere Zahl der dort wohnenden Personen zur Minderheit gehören müsse‘ bzw. hiefür ein ,nicht ganz unbedeutender (Minderheiten-)Prozentsatz‘ zu fordern sei, und dass den diesbezüglichen Feststellungen ,bloß eine‘ vergröberte statistische Erfassung zugrunde zu legen sei‘ (VfSlg. 12.836/1991, S 204, unter Berufung auf VfSlg. 11.585/1987, S 751) – auch (schon) eine Gemeinde, die – so wie die Gemeinde Eberndorf – bei der Volkszählung 1991 einen Anteil von 10,4 % slowenisch sprechender österreichischer Wohnbevölkerung aufwies und in der dieser Anteil bzw. der Anteil slowenisch Sprechender an der Wohnbevölkerung insgesamt bei den vorhergehenden Volkszählungen 8,0 % (1951), 10,0 % (1961), 15,9 % (1971) und 9,5 % (1981) betrug, wobei zu berücksichtigen ist, dass bei diesen Volkszählungen auf die windischsprachige Bevölkerung 39,8 % (1951), 23,5 % (1961), 6,0 % (1971), 5,5 % (1981), und 1,9 % (1991) und auf die deutschsprachige Bevölkerung 52,2 % (1951), 66,4 % (1961), 77,9 % (1971), 84,9 % (1981) und 87,2 % (1991) entfielen. (Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass daran auch der Umstand nichts ändert, dass bei der geheimen Erhebung der Muttersprache am 14. November 1976 in Eberndorf – bei 5.518 Teilnahmeberechtigten und 4.926 [89,3 %] Teilnehmerinnen/Teilnehmern – 4.481 [90,1 %] Deutsch und bloß 157 [3,2 %] Slowenisch als Muttersprache angegeben haben.) (d) Ausgehend vom (diesbezüglich identischen) Wortlaut des Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien dürfte dem Begriff (des Verwaltungsbezirkes mit) ,gemischter Bevölkerung‘ im zweiten Satz dieser Bestimmung keine andere Bedeutung zukommen als im ersten Satz. Im Hinblick darauf scheint aber – unter Zugrundelegung der soeben wiedergegebenen Ausführungen in dem in Rede stehenden Erkenntnis – eine Regelung wie die des § 2 Abs. 1 Ziff. 2 VolksgruppenG, der zu Folge zweisprachige topographische Bezeichnungen (nur) für Gebietsteile vorgesehen sind, in denen eine ,verhältnismäßig beträchtliche Zahl (ein Viertel)‘ von Volksgruppenangehörigen wohnt, dem Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien zu widersprechen (gleichartige Bedenken äußern Marauhn, Die rechtliche Stellung der Minderheiten in Österreich, in: Frowein/Hofmann/Oeter [Hrsg.], Das Minderheitenrecht europäischer Staaten, Teil 1 [1993] 225 [234]; Öhlinger, Der Verfassungsschutz ethnischer Gruppen in Österreich, in: FS Koja [1998] 371 [380]; Österreichische Rektoren-
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konferenz [Hrsg], Lage und Perspektiven der Volksgruppen in Österreich [1989] 157). Daran dürfte ... auch die in seinem Erkenntnis VfSlg. 12.836/1991 vertretene Auffassung nichts ändern, dass deshalb, weil ,topographische Aufschriften der in Rede stehenden Art nach dem Sinn und Zweck der Norm nicht einzelnen Minderheitsangehörigen Erleichterung bringen, (sondern) der Allgemeinheit Kenntnis geben sollen, dass hier eine ins Auge springende – verhältnismäßig größere – Zahl von Minderheitsangehörigen lebt, ... nach der Wortsinnauslegung (so wie für Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz) auch für Art. 7 Ziff. 3 erster Satz StV 1955 ein zumindest nicht ganz unbedeutender (Minderheiten-)Prozentsatz gefordert werden‘ müsse.“ „Vielmehr scheint dieses Erkenntnis auf eine diesbezügliche Kongruenz der Regelungen des Art. 7 Ziff. 3 erster und zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien hinzudeuten (idS auch Sturm, Der Minderheiten- und Volksgruppenschutz, in: Machacek/Pahr/Stadler [Hrsg.], Grund- und Menschenrechte in Österreich, Bd. II [1992] 77 [110]). Eine Auslegung, der zu Folge dem in Rede stehenden Begriff in Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien, etwa deshalb, weil es in einem Fall um die Amtssprache, im anderen Fall aber um topographische Bezeichnungen und Aufschriften gehe und hiefür ein jeweils unterschiedlicher Standard des Volksgruppenschutzes zu unterstellen sei, ein anderer Inhalt zukomme als dem gleich lautenden Terminus im ersten Satz dieser Bestimmung und somit für Regelungen betreffend das Anbringen zweisprachiger topographischer Bezeichnungen und Aufschriften ein höherer Minderheitenprozentsatz, nämlich mindestens 25 % der Wohnbevölkerung, vorgesehen werden dürfe als für Regelungen über die Amtssprache, scheint im Hinblick darauf geradezu ausgeschlossen zu sein.26 Auch aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (217 BlgNR 14. GP 9) dürfte sich für die Verfassungskonformität der in Prüfung gezogenen Regelung nichts gewinnen lassen. Der Verfassungsgerichtshof vermag ... schon angesichts des abweichenden Wortlautes des Art. 68 des Staatsvertrages von St. Germain (arg.: ,eine verhältnismäßig beträchtliche Zahl‘) nicht zu sehen, inwiefern diese Bestimmung für die Auslegung des Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien Bedeutung haben sollte.27 Auch der dortige Hinweis auf den Entwurf ____________________
26 Siehe dazu jedoch den Motivenbericht der Bundesregierung zum zweiten Satz der Ziff. 3 des Art. 7 Staatsvertrag von Wien, der dem VfGH sichtlich verborgen geblieben war. Näheres dazu weiter unten. 27 Hierzu ergibt sich die Frage, ob dem relativ unbestimmten Begriff „beträchtlich größere Zahl“ im Art. 68 des Staatsvertrages von St. Germain durch den unbestimmten Begriff „gemischte Bevölkerung“ im Art. 7 des Staatsvertrages von Wien derogiert wurde. Infolge ihrer Unbestimmtheit sind beide Begriffe miteinander vereinbar. Ein Widerspruch zwischen beiden Begriffen kann nicht schlüssiger Weise dargetan werden.
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von dem dem italienisch-jugoslawischen Memorandum vom 5. Oktober 1954 angeschlossenen ‚statuto speziale per le minoranze‘ dürfte angesichts der spezifischen Entstehungsgeschichte des Art. 7 Ziff. 3 Staatsvertrag von Wien (s. dazu das Erkenntnis VfGH 4. 10. 2000, V 91/99, Pkt. III. 3. 2. 3.) ins Leere gehen (vgl. dazu im Übrigen Veiter, Das neue österreichische Volksgruppenrecht, in: Veiter [Hrsg.], System eines internationalen Volksgruppenrechts, III. Teil, 1978, 300, 335 f, der die Relevanz dieses Hinweises aus anderen Gründen in Zweifel zieht). (e) Sollten die soeben dargelegten Bedenken zutreffen und daher die in Prüfung gezogene Wortfolge in § 2 Abs. 1 Ziff. 2 des VolksgruppenG aufzuheben sein, so dürfte – gemessen an der dann bestehenden Gesetzeslage – die in Prüfung gezogene Bestimmung der Verordnung BGBl. 1977/306 aus den selben Erwägungen gegen § 2 Abs. 2 VolksgruppenG verstoßen und somit gesetzwidrig sein wie dies für die mit dem Erkenntnis vom 4. 10. 2000, V 91/99, aufgehobene Bestimmung in § 2 Abs. 2 Ziff. 3 der Verordnung BGBl. 1977/307 zutraf (vgl. va. Pkt. III. 3. 3. dieses Erkenntnisses).“ „Für den Fall des Zutreffens auch dieses Bedenkens und der daraus folgenden Aufhebung der in Prüfung gezogenen Bestimmung in § 1 Ziff. 2 der Verordnung BGBl. 1977/306 dürfte aber – gemessen an der dann bestehenden Rechtslage, nämlich der dann (wieder) unmittelbar anwendbaren Bestimmung des Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien (vgl. in eben diesem Sinne VfGH 4. 10. 2000, V 91/99, Pkt. III. 3. 4.) – auf Grund der soeben angestellten Erwägungen auch die in Prüfung gezogene Bestimmung in der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt als dem Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien widersprechend rechtswidrig sein.“ „B.) Zu den Bedenken betreffend die Topographieverordnung und die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt über die Ortstafeln des Ortsgebietes von St. Kanzian: Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Unterbrechungsbeschluss ... ausgeführt hat, sind die Bedenken gegen die in Prüfung gezogene Bestimmung der Topographieverordnung sowie jener der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt untrennbar mit den verfassungsrechtlichen Bedenken der in Prüfung gezogenen Wortfolge des § 2 Abs. 1 Ziff. 2 des Volksgruppengesetzes verknüpft. Nachdem im vorstehenden Teil der Äußerung ausführlich darzulegen versucht wurde, warum diese Bedenken gegen die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des Volksgruppengesetzes nicht geteilt werden, erübrigt sich auch ein Eingehen auf die bedingten Gesetzeskonformitätsbedenken im Unterbrechungsbeschluss.“ Zur Begründung des Erkenntnisses heißt dann wie folgt: „3. 2. 1. 1. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis VfGH 4. 10. 2000
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V 91/99 die Auffassung vertreten, dass unter dem Begriff „Verwaltungsbezirk“ iSd. Art. 7 Ziff. 3 erster Satz des Staatsvertrages von Wien neben den politischen Bezirken auch die Gemeinden zu verstehen sind. Im Einzelnen wurde diese Rechtsauffassung wie folgt begründet: „Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass ... die in diesem Zusammenhang in den verschiedenen authentischen Texten des Staatsvertrages von Wien (vgl. dessen Art. 38 Ziff. 1) verwendeten Begriffe sehr allgemein und unbestimmt gehalten und in verschiedene Richtungen in deutbar sind (s. dazu insbesondere den umfassenden Hinweis auf die einschlägige Literatur bei Kolonovits, Sprachenrecht in Österreich, Wien 1999, S 138-145). Im Hinblick darauf erscheint eine an ,Ziel und Zweck‘ (vgl. Art. 31 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 4 des Übereinkommens über das Recht der Verträge, BGBl. 1980/40) dieser staatsvertraglichen Regelung – das ist die Möglichkeit der Bewahrung und Pflege der eigenen (Minderheiten-)Sprache (s. dazu va. VfSlg. 9801/1983, S 147) – orientierte Auslegung geboten. Dabei ist aber Folgendes zu berücksichtigen: Sowohl die slowenische als auch die kroatische Volksgruppe siedeln in den in Betracht kommenden Bundesländern in unterschiedlicher Dichte, in räumlicher Verzahnung mit der deutschen Volksgruppe und größtenteils in Streulage (idS – für die slowenische Volksgruppe – schon VfSlg. 9224/1981). So erweist sich unter Zugrundelegung der Ergebnisse der Volkszählungen 1951 bis 1991 insbesondere, dass selbst in politischen Bezirken, in denen der Anteil der slowenisch (bzw. kroatisch) sprechenden Einwohner bezirksweit einen durchaus bedeutenden Prozentsatz ausmacht, in einer Reihe von Gemeinden entweder überhaupt keine Minderheitenangehörigen leben oder die Minderheit doch nur einen ganz unbedeutenden Prozentsatz ausmacht. Demgemäß ist dem Begriff ,Verwaltungsbezirk‘ gemäß Art. 7 Ziff. 3 erster Satz des Staatsvertrages von Wien ein Verständnis beizulegen, das sich an den tatsächlichen, dh. gemeindebezogenen, Siedlungsschwerpunkten dieser Volksgruppen orientiert. Darüber hinaus gebietet diese staatsvertragliche Regelung aber auch die Zulassung des Slowenischen (bzw. Kroatischen) als Amtssprache zusätzlich zum Deutschen vor den Bezirksverwaltungsbehörden, in deren Sprengel die jeweilige Minderheit – bezirksweit – einen nicht ganz unbedeutenden Prozentsatz ausmacht.“ „3. 2. 1. 2. Die Bundesregierung und die Kärntner Landesregierung meinen nun, dass sich diese Erwägungen im normativen Zusammenhang des – das Verfassen von Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur sowohl in slowenischer oder kroatischer Sprache wie in Deutsch betreffenden – Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien auch auf ,die unter der Gemeindeebene bestehenden lokalen Siedlungszentren‘ bzw. auf ,räumliche Untergliederungen innerhalb der Gemeinde‘ übertragen ließen und solcherart ,auch ein ortschaftsbezogener Topogra-
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phieregelungsansatz mit Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien vereinbar‘ wäre. Dem ist auf Grund der folgenden Überlegungen im Ergebnis Recht zu geben: Bei einer an ,Ziel und Zweck‘ des Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien orientierten Auslegung ist – wie der Verfassungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis VfSlg. 12.836/1991 ausgesprochen hat – davon auszugehen, dass ,Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur (in slowenischer oder kroatischer Sprache) nach dem Sinn und Zweck dieser (Staatsvertrags-)Norm ... der Allgemeinheit Kenntnis geben sollen, dass hier eine ins Auge springende – verhältnismäßig größere – Zahl von Minderheitsangehörigen lebt‘ (so wie es nach dem oben wiedergegebenen Erkenntnis VfGH 4. 10. 2000 V 91/99 Sinn und Zweck des Art. 7 Ziff. 3 erster Satz des Staatsvertrages von Wien ist, der Minderheit als solcher ,die Möglichkeit der Bewahrung und Pflege der eigenen [Minderheiten-]Sprache‘ zu geben). Im vorliegenden Fall geht es dabei allein um topographische (Orts-)Bezeichnungen in Hinweiszeichen gemäß § 53 Abs. 1 Ziff. 17a und 17b StVO (,Ortstafel‘, ,Ortsende‘), somit um die Bezeichnung des ,Ortsgebietes‘ iSd. § 2 Abs. 1 Ziff. 15 StVO, nicht aber um andere Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur iSd. Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien. In den Gemeindeordnungen, u.zw. auch der nach Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages in Betracht kommenden Länder, ist nun aber die – von der Bundesverfassung vorgefundene und als weiterhin zulässig erachtete (vgl. dazu va. 639 BlgNR 9. GP 14) – (Unter-)Gliederung des Gemeindegebietes in Ortschaften und (Gemeinde-)Verwaltungssprengel vorgesehen (s. dazu im Besonderen VfSlg. 8283/1978, VwGH 22.1.1991, 90/10/ 0020 ua.; ferner etwa Neuhofer, Gemeindegebiet und Gemeindebewohner, in: Fröhler/Oberndorfer [Hrsg.], Das österreichische Gemeinderecht, 2. Bd., 51-53; derselbe, Gemeinderecht2 [1998] 98f., 114f.; Oberndorfer, Stadtrechtsreform in Österreich [1976] 75f.; Sturm/Havranek, Kärntner Allgemeine Gemeindeordnung 2 [1998] 9-13). So trifft etwa § 3 Abs. 2 bis 5 der Kärntner Allgemeinen Gemeindeordnung, LGBl. 1998/66, nähere Regelungen über die Bildung oder Auflassung von Ortschaften, worunter Siedlungen mit geschlossener Nummerierung verstanden werden, sowie die Festlegung oder Änderung der Namen von Ortschaften (vgl. dazu eingehend Sturm/Havranek, aaO). Auch zu Folge § 1 Abs. 3 und 4 der Burgenländischen Gemeindeordnung ist – bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen – die Unterteilung des Verwaltungssprengels des Gemeindegebietes in ,Ortsverwaltungsteile‘ vorgesehen.“ „Mit Blick auf den hier vorliegenden Fall ist schließlich auch noch Folgendes zu bedenken: Es geht um das ,Anbringen‘ der Hinweiszeichen ,Ortstafel‘ und ,Ortsende‘ iSd. § 53 Abs. 1 Ziff. 17a und 17b StVO, die
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der Kundmachung straßenverkehrspolizeilicher Verordnungen (§ 43 Abs. 1 StVO), im Besonderen der normativen Festlegung des Ortsgebietes iSd. § 2 Abs. 1 Ziff. 15 iVm. § 20 Abs. 2 StVO, dienen. Wie oben erwähnt unterfällt das Anbringen solcher Hinweiszeichen in geradezu typischer Weise dem Tatbestand des Verfassens von ,Bezeichnungen und Aufschriften ... topographischer Natur‘ iSd. Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien. Nun besteht aber zwischen den soeben genannten Bestimmungen der StVO und den oben erwähnten gemeinderechtlichen Regelungen über die (Unter-)Gliederung des Gemeindegebietes in Ortschaften bzw. Gemeindeverwaltungsteile folgender normativer Zusammenhang: Gemäß § 53 Abs. 1 Ziff. 17a StVO hat das Hinweiszeichen ,den Namen des Ortes‘ anzugeben. Dabei handelt es sich um den ,amtlichen Namen‘ des jeweiligen Ortes, der ,nicht identisch sein (muss) mit dem Namen der ... Gemeinde‘ (Messiner, Straßenverkehrsordnung 10, 988).28 Damit ist aber – gegebenenfalls – nichts anderes gemeint als die Bezeichnung der jeweiligen (Unter-)Gliederung des Gemeindegebietes, die sich auf Grund der oben genannten gemeinderechtlichen Vorschriften ergibt. Auch der Umstand, dass das damit bezeichnete Gebiet der Ortschaft bzw. des Gemeindeverwaltungsteiles im gemeinderechtlichen Sinn nicht notwendiger Weise kongruent mit dem in derselben Weise bezeichneten ,Ortsgebiet‘ im straßenverkehrsrechtlichen Sinn ist, ändert an diesem normativen Zusammenhang nichts. Von all dem ausgehend ist dem Begriff ,Verwaltungsbezirk‘ gemäß Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien, insoweit es um das Verfassen von ,Bezeichnungen und Aufschriften ... topographischer Natur‘ in Form der in Rede stehenden straßenverkehrsrechtlichen Hinweiszeichen geht, aber ein Verständnis beizulegen, das sich an den tatsächlichen, dh. – gegebenenfalls – ortschaftsbezogenen, Siedlungsschwerpunkten der betreffenden Volksgruppe orientiert. Demgemäß sind unter dem Begriff ,Verwaltungsbezirk‘ in diesem normativen Zusammenhang auch ,Ortschaften‘ oder ,Gemeindeverwaltungsteile‘ im mehrfach erwähnten gemeinderechtlichen Sinn zu verstehen.“ „3. 2. 2. 1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. dazu zuletzt VfGH 4. 10. 2000 V 91/99) ist unter dem Begriff (des Verwaltungsbezirkes mit) ,gemischte(r) Bevölkerung‘ iSd. Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien ein Gebiet zu verstehen, in dem ,eine größere Zahl der dort wohnenden Personen zur Minderheit gehören müsse‘ bzw. für das ein ,nicht ganz unbedeutender (Minderheiten)Prozentsatz‘ vorliege, ____________________
28 Die Bedeutung der Zuständigkeit des Gemeinderates zur Entscheidung über den Ortsnamen gemäß § 3 der Allgemeinen Kärntner Gemeindeordnung scheint dem VfGH in diesem Zusammenhang nicht aufgefallen zu sein.
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wobei den diesbezüglichen Feststellungen ‚bloß eine vergröberte statistische Erfassung zugrunde zu legen‘ sei, wie sie sich va. aus den einschlägigen statistischen Erhebungen im Rahmen der Volkszählungen ergebe. Ausgehend davon hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfGH 4. 10. 2000 V 91/99 mit Bezug auf Art. 7 Ziff. 3 erster Satz des Staatsvertrages von Wien Folgendes ausgesprochen: Dem Begriff (des Verwaltungsbezirkes mit) ,gemischte(r) Bevölkerung‘ unterfällt ... auch (schon) eine Gemeinde, die ... bei der Volkszählung 1991 einen Anteil von 10,4 % slowenisch sprechender österreichischer Wohnbevölkerung aufwies und in der dieser Anteil bzw. der Anteil slowenisch Sprechender an der Wohnbevölkerung insgesamt bei den vorhergehenden Volkszählungen 8,0 % (1951), 10,0 % (1961), 15,9 % (1971) und 9,5 % (1981) betrug, wobei zu berücksichtigen ist, dass bei diesen Volkszählungen auf die windischsprachige Bevölkerung 39,8 % (1951), 23,5 % (1961), 6,0 % (1971), 5,5 % (1981) und 1,9 % (1991) und auf die deutschsprachige Bevölkerung 52,2 % (1951), 66,4 % (1961), 77,9 % (1971), 84,9 % (1981) und 87,2 % (1991) entfielen. (Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass daran auch der Umstand nichts ändert, dass bei der geheimen Erhebung der Muttersprache am 14. November 1976 ... – bei 5.518 Teilnahmeberechtigten und 4.926 [89,3 %] Teilnehmerinnen/Teilnehmern – 4.481 [90,1 %] Deutsch und bloß 157 [3,2 %] Slowenisch als Muttersprache angegeben haben.)“ „3. 2. 2. 2. Der Verfassungsgerichtshof ist der Auffassung, dass dem Begriff (des Verwaltungsbezirkes mit) ,gemischte(r) Bevölkerung‘ in Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien keine andere Bedeutung zukommt als im ersten Satz dieser Bestimmung. Schon der diesbezüglich identische Wortlaut (arg.: ,In solchen Bezirken ...‘) legt diese Auslegung nahe. Vor allem aber führt in dieser (das Tatbestandselement: ,gemischte Bevölkerung‘ betreffenden) Hinsicht (anders als bei der Auslegung des Begriffes ,Verwaltungsbezirk‘) auch eine an ,Ziel und Zweck‘ des Staatsvertrages von Wien orientierte Auslegung (vgl. Art. 31 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 4 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge, BGBl. 1980/40) zu keinem anderen Ergebnis: Aus der Entstehungsgeschichte des Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien (s. dazu auch die von der Kärntner Landesregierung diesbezüglich vorgelegte Darstellung, die sich ebenso wie der Verfassungsgerichtshof im oben zitierten Erkenntnis VfGH 4. 10. 2000 V 91/99 auf Stourzh, Einheit, stützt) ergibt sich nämlich unbestrittener Maßen, dass die im Zuge der Verhandlungen über den Staatsvertrag von Wien ursprünglich – seitens des Vereinigten Königreiches – ventilierte Beschränkung auf Verwaltungs- und Gerichtsbezirke mit einem ,beträchtlichen Anteil‘ (,considerable proportion‘) von Angehörigen der Minderheiten letztlich zu Guns-
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ten des – gerade nicht in dieser Weise spezifizierenden – sowjetischen Textvorschlages: ,(Verwaltungs- und Gerichtsbezirke) mit gemischter Bevölkerung‘ fallen gelassen wurde und dass die österreichische Seite bereit war, diesen sowjetischen Vorschlag zu akzeptieren, um den Abschluss des Staatsvertrages zu fördern (eingehend dazu Stourzh, Einheit, 159f.). Auch wenn man nun – ganz im Sinne der von der Kärntner Landesregierung in ihrer Äußerung (unter Berufung auf Matscher, Art. 7 des Österreichischen Staatsvertrages 1955 und die slowenische Minderheit in Kärnten, Europa Ethnica 1976, 116 [120]) vertretenen Argumentation – meint, daraus ließe sich bloß der Schluss ziehen, ,bei den Alliierten habe Konsens darüber bestanden, dass der maßgebende Prozentsatz nicht zu hoch angesetzt werden dürfe, mehr gebe diese historische Interpretation nicht her‘, wird daraus doch zumindest eines deutlich: In der internationalen Praxis hat sich – was für die völkerrechtskonforme Auslegung der im Verfassungsrang stehenden Bestimmung des Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien von besonderer Bedeutung ist – für die Einräumung von Minderheitenrechten ein relevanter Prozentsatz von 5 bis 25 % (vgl. etwa Beilage II S 2 zum Schlussbericht der Studienkommission für Probleme der slowenischen Volksgruppe in Kärnten, Bundeskanzleramt – GZ 601.167/43-VI/1/75), äußerstenfalls von 30 % herausgebildet (so der Vertreter der Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung unter Berufung auf Hilpold, Modernes Minderheitenrecht, 2001, 281 f.; vgl. dazu insb. auch Matscher, Die slowenische und die kroatische Volksgruppe in Österreich, in: Bundeskanzleramt [Hrsg.], Die rechtliche Stellung der Volksgruppen in Österreich, 1977, 7, 13; dagegen jedoch [,nirgendwo in der Staatenpraxis kommt ein so hoher Prozentsatz wie 30 % vor‘] Veiter, Das neue österreichische Volksgruppenrecht, in: Veiter, System eines internationalen Volksgruppenrechts, 3. Bd., 1978, 300, 335). Ausgehend davon ist es aber angesichts der Zwecksetzung und der Entstehungsgeschichte der in Rede stehenden staatsvertraglichen Regelung, die nicht nur eine völkerrechtliche Verpflichtung Österreichs konstituiert, sondern auch einen Maßstab des Verfassungsrechtes bildet, ausgeschlossen, diese Vorschrift im Sinne des Erfordernisses eines Minderheitenprozentsatzes von wenigstens 25 % – somit im obersten Bereich des erwähnten Rahmens – zu deuten.“ (Das soll ein Widerspruch sein? Anmerkung des Verfassers) „3. 2. 2. 3. 1. Das von der Kärntner Landesregierung vertretene ‚differenzierte Verständnis des Begriffes ,gemischte Bevölkerung‘ im Art. 7 Ziff. 3 erster und zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien“ lässt sich auch nicht auf das Erkenntnis VfSlg. 12.836/1991 stützen. Darin hat der Verfassungsgerichtshof nämlich Folgendes ausgeführt: „Der Verfassungsgerichtshof ging bereits im Erkenntnis VfSlg. 11.585/1987 davon aus, dass in einem Gebiet mit ,gemischter Bevölkerung‘ eine größere Zahl der dort wohnenden Per-
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sonen zur Minderheit gehören müsse, und dass dieser Feststellung bloß eine ,vergröberte statistische Erfassung‘ zugrunde zulegen sei (S. 751). Demnach ist ein ,Verwaltungsbezirk‘, in dem lediglich sehr wenige Kroaten wohnen, grundsätzlich noch kein Bezirk mit ,gemischter Bevölkerung‘. Zu diesem Normverständnis führt vor allem auch Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz StV 1955, der vorschreibt, dass ,in solchen Bezirken‘, dh. in Verwaltungs- und Gerichtsbezirken mit kroatischer oder gemischter Bevölkerung iSd. Art. 7 Ziff. 3 erster Satz StV 1955, die Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur in kroatischer Sprache und in Deutsch verfasst werden. Da topographische Aufschriften der in Rede stehenden Art. nach dem Sinn und Zweck der Norm nicht einzelnen Minderheitsangehörigen Erleichterung bringen, vielmehr der Allgemeinheit Kenntnis geben sollen, dass hier eine ins Auge springende – verhältnismäßig größere – Zahl von Minderheitsangehörigen lebt, muss nach der Wortsinnauslegung auch für Art. 7 Ziff. 3 erster Satz StV 1955 ein zumindest nicht ganz unbedeutender (Minderheiten-)Prozentsatz gefordert werden; eine Auslegung, die durch die in VfSlg. 9801/1983 (S. 147) enthaltene Aussage gestützt wird, dass nicht etwa nur die Unverständlichkeit der Staatssprache für die Minderheit, sondern die Möglichkeit der Bewahrung und Pflege der eigenen (Minderheiten-)Sprache Grund für die Zulassung des Kroatischen als Amtssprache sei. Anders als die Kärntner Landesregierung meint, ergibt sich daraus kein Hinweis darauf, dass der Verfassungsgerichtshof den Begriff (des Verwaltungsbezirkes mit) ,gemischte(r) Bevölkerung‘ in Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages im Verhältnis zu jenem im ersten Satz dieser Bestimmung ,differenziert‘ gesehen hätte. Im Gegenteil: Das einheitliche Verständnis dieses Begriffes in beiden Bestimmungen wird geradezu aus Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien entwickelt und – ausgehend davon – auf den ersten Satz dieser Bestimmung übertragen, und zwar auf Grund der Überlegung, dass es in beiden Bestimmungen nicht (nur) darum geht, einzelnen Minderheitsangehörigen Erleichterungen zu bringen, sondern – in Bezug auf den zweiten Satz – der Allgemeinheit Kenntnis zu geben, dass hier eine größere Zahl von Minderheitsangehörigen lebt bzw. – in Bezug auf den ersten Satz – einer solchen Gruppe von Minderheitsangehörigen die Bewahrung und Pflege der eigenen (Minderheiten-) Sprache zu ermöglichen.“ „3. 2. 2. 3. 2. Insoweit die Kärntner Landesregierung bei der Auslegung des Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien aber auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des – mehr als ein Jahrzehnt nach dem Abschluss dieses Staatsvertrages erlassenen – Volksgruppengesetzes (217 BlgNR 14. GP 9; s. dazu oben Pkt. II. 1. 2. 1.) abstellt, ist insbesondere auf Fol-
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gendes hinzuweisen: Gerade angesichts des von Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien in der hier maßgeblichen Hinsicht deutlich abweichenden Wortlautes des Art. 68 des Staatsvertrages von St. Germain (arg: ,... eine verhältnismäßig beträchtliche Zahl anderssprachiger als deutscher österreichischer Staatsangehöriger ...‘) ist nicht zu sehen, inwiefern ausgerechnet diese Bestimmung für die Auslegung des Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien Bedeutung haben sollte. Auch der Hinweis in den erwähnten Erläuterungen auf den ,Entwurf von dem dem italienisch-jugoslawischen Memorandum vom 5. Oktober 1954 angeschlossenen ,statuto speziale per le minoranze‘ geht angesichts der – wie soeben erwähnt – spezifischen Entstehungsgeschichte des Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien völlig ins Leere (vgl. dazu im Übrigen Veiter, Das neue österreichische Volksgruppenrecht, in: Veiter [Hrsg.], System eines internationalen Volksgruppenrechts, III. Teil, 1978, 300, 335f., der die Relevanz dieses Hinweises auch aus anderen Gründen in Zweifel zieht).“ „3. 2. 2. 4. Der Gerichtshof ist daher der Auffassung, dass dem Begriff ,gemischte Bevölkerung‘ im Zusammenhang mit dem zweiten Satz des Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien keine andere Deutung gegeben werden kann als im ersten Satz (so schon Kolonovits, Einige Überlegungen zum aktuellen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zur Amtssprache, JBl. 2001, 356 [361]), hier allerdings auf Grund der oben angestellten Überlegungen im Sinne der Äußerungen der Kärntner Landesregierung und der Bundesregierung auf ,Ortschaften‘ bezogen.“ „3. 2. 3. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich aber auch nicht veranlasst, von seiner ständigen Rechtsprechung abzugehen, der zu Folge bei Beurteilung der Frage, ob in einem bestimmten Gebiet eine größere Anzahl der dort wohnenden Personen zur Minderheit gehört, va. von einschlägigen statistischen Erhebungen auszugehen sei, die sich im Rahmen der Volkszählungen ergeben. Die diesbezüglichen Ausführungen in der Äußerung der Kärntner Landesregierung laufen letztlich darauf hinaus, dass die – von wem auch immer angestellten – Schätzungen über die Zahl der Volksgruppenangehörigen einerseits und die Volkszählungsergebnisse andererseits ,auseinanderklaffen‘. Damit wird aber – und darauf kommt es in diesem Zusammenhang allein an – nicht dargetan, dass und aus welchem Grund die einschlägigen statistischen Erhebungen, die sich im Rahmen der Volkszählungen ergeben, nicht geeignet wären, das Vorliegen ,gemischter Bevölkerung‘ iSd. Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien für ein bestimmtes Gebiet zu ermitteln. (Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass jedenfalls nach dem von der Kärntner Landesregierung – offenbar als maßgeblich – zitierten ‚Grundlagenbericht der Bundesregierung über die Lage der Volksgruppen in Österreich‘ [1991] für die hier in Rede stehende slowenische
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Volksgruppe in Kärnten das einschlägige Ergebnis der Volkszählung 1981 – VfSlg. 16.552 – und das Ergebnis der Schätzung von amtlicher österreichischer Seite ‚auf derzeit [1980] 15.000 bis 18.000‘ ohnedies gar nicht nennenswert differieren.)“ „4. 1. Im Hinblick auf all diese Erwägungen erweist sich aber § 2 Abs. 1 Ziff. 2 Volksgruppengesetz, insoweit danach das Anbringen zweisprachiger topographischer Bezeichnungen auf Gebiet (steil)e beschränkt wird, in denen eine verhältnismäßig beträchtliche Zahl, nämlich ein Viertel, von nicht deutschsprachigen – hier also slowenischsprachigen – Volksgruppenangehörigen wohnhaft ist, als dem Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien, der für österreichische Staatsangehörige u.a. der slowenischen Minderheit in Kärnten besondere Rechte statuiert, widersprechend und somit verfassungswidrig.“ „4. 2. Gemessen an der im Hinblick auf diese Aufhebung bestehenden Gesetzeslage verstößt aber die in Prüfung gezogene Bestimmung der Verordnung BGBl. 1977/306 aus den selben Erwägungen gegen § 2 Abs. 2 Volksgruppengesetz wie dies für die mit dem Erkenntnis vom 4. 10. 2000 V 91/99 (vgl. v.a. Pkt. III. 3. 3.) aufgehobene Bestimmung in § 2 Abs. 2 Ziff. 3 der Verordnung BGBl. 1977/307 zutraf.“ „Der Verfassungsgerichtshof bleibt – wie oben unter Pkt. III. 3. 2. 2. 4. ausgeführt – auch im hier vorliegenden Fall – in dem freilich auf Grund der oben angestellten Überlegungen im Sinne der Äußerungen der Kärntner Landesregierung und der Bundesregierung auf ,Ortschaften‘ abzustellen ist – bei dieser Rechtsprechung. Im Hinblick darauf ist auch noch eine Ortschaft, die wie die Ortschaft St. Kanzian am Klopeiner See in der gleichnamigen Gemeinde, über einen längeren Zeitraum betrachtet, einen Minderheitenprozentsatz von mehr als 10 % aufweist, als Verwaltungsbezirk mit gemischter Bevölkerung iSd. Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien zu qualifizieren. Im Einzelnen ergibt sich nämlich, dass diese Ortschaft bei der Volkszählung 1991 einen Anteil von 9,9 % slowenisch sprechender österreichischer Wohnbevölkerung aufwies und dieser Anteil bzw. der Anteil slowenisch Sprechender an der Wohnbevölkerung insgesamt bei den vorhergehenden Volkszählungen, soweit dem Verfassungsgerichtshof ortschaftsweise Auswertungen vorliegen, 14,1 % (1961) und 14,9 % (1971) betrug, wobei zu berücksichtigen ist, dass bei diesen Volkszählungen auf die windischsprachige Bevölkerung 4,0 % (1961), 5,2 % (1971) und 0 % (1991) und auf die deutschsprachige Bevölkerung 81,9 % (1961), 79,9 % (1971) und 90,1 % (1991) entfielen. Anmerkung: Warum wurde die Veröffentlichung des Ergebnisses der Volkszählung des Jahres 2001 im Jahr 2002 vom VfGH nicht abgewartet? Die Volkszählung war bereits im Sommer 2001 abgeschlossen, ihr Ergeb-
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nis war in absehbarer Zeit zu erwarten. Es wurde im September 2002 in der Wiener Zeitung verlautbart. 4. 3. Auf Grund derselben Erwägungen (s. dazu auch oben Pkt. III. 1. 3. 2. 1.) erweist sich schließlich auch die in Prüfung gezogene Bestimmung der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt als dem Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien widersprechend. Zur Beseitigung dieser Rechtswidrigkeit reicht es jedoch aus, in dieser Bestimmung bloß die Anordnung der – allein deutschsprachigen – Ortsbezeichnungen: ,St. Kanzian‘ und ,St. Kanzian, Klopein‘ aufzuheben, nicht aber auch den sonstigen Regelungsgehalt der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung, der zu Folge – somit auch mit Wirkung für den Anlassfall – das Ortsgebiet iSd. § 2 Abs. 1 Ziff. 15 iVm. § 20 StVO als solches festgelegt ist.29 5. Die in Prüfung gezogenen Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen waren somit im bezeichneten Umfang als verfassungs- bzw. gesetzwidrig aufzuheben. 6. Der jeweilige Ausspruch über das Inkrafttreten der Aufhebung stützt sich auf Art. 139 Abs. 5 dritter Satz bzw. Art. 140 Abs. 5 dritter und vierter Satz B-VG. Die Einräumung einer Frist schien dem Verfassungsgerichtshof erforderlich, um sowohl dem Gesetzgeber als auch den in Betracht kommenden Verordnungsgebern die Erlassung von (Ersatz-)Regelungen zu ermöglichen, die dem Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien entsprechen. Im Hinblick darauf sind vergleichbare, auf die §§ 43 iVm. 53 Ziff. 17a und 17b StVO gestützte Verordnungen, die Ortschaften betreffen, die unter Zugrundelegung der vom Verfassungsgerichtshof im vorliegenden Erkenntnis vertretenen Rechtsauffassung dem Begriff des Verwaltungsbezirkes mit gemischter Bevölkerung unterfallen, in dieser Hinsicht auf Dauer dieser Frist unangreifbar geworden. 7. Die jeweilige Verpflichtung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung gründet sich auf Art. 139 Abs. 5 erster Satz bzw. Art. 140 Abs. 5 erster Satz B-VG.“ b. Das Erkenntnis des Jahres 2005 30 Spruch: „In Abschnitt B) Punkt 3 lit. a und b des § 1 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 15. Juli 1982, Zahl 4600/ ____________________
29 Siehe dazu auch das Erkenntnis des VfGH vom 11. Oktober 2001, VfSlg. 16.328, über die Bedeutung der Festlegung des Ortsgebietes durch straßenpolizeiliche Vorschriften des Landes Salzburg: „... hat Ortsgebiet nach den straßenpolizeilichen Vorschriften das ,verbaute Gebiet‘ zu sein.“ (Siehe jedoch nun das Erk. des VfGH vom 26. Juni 2006). 30 V 64/05, vom 12. Dezember 2005.
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1/81, idF der Verordnung vom 11. November 1998, Zahl 1830/1/98, werden die Worte ,Bleiburg-Ebersdorf‘ und ,Bleiburg‘ als gesetzwidrig aufgehoben. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. Juni 2006 in Kraft. Die Kärntner Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.“ Entscheidungsgründe: „I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu Zl. B 1307/04 das Verfahren über eine auf Art. 144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zu Grund liegt: Über den Beschwerdeführer wurde mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 20. Jänner 2003 wegen des Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet von Bleiburg eine Geldstrafe verhängt.“ Darauf folgt der oben zur Bescheidbeschwerde bereits dargestellte Sachverhalt. Der Unabhängige Verwaltungssenates für Kärnten wies die Berufung mit Bescheid vom 15. April 2004 als unbegründet ab. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. „3. Aus Anlass dieser Beschwerde beschloss der Verfassungsgerichtshof am 18. Juni 2005, gemäß Art. 139 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der im Spruch genannten Verordnungsbestimmungen einzuleiten.“ Darauf folgt unter II. eine ausführliche Darstellung der Rechtslage. Nachfolgend wird das Schwergewicht der Darstellung auf ausgewählte Erwägungen gelegt. Die Entscheidungsgründe im engeren Sinn werden zur Vermeidung von Wiederholungen nur punktuell wiedergegeben. Erwägungen: „III. 1. Zu den Prozessvoraussetzungen, 1. 1. Der Verfassungsgerichtshof ging in seinem Prüfungsbeschluss – … – davon aus, dass die Beschwerde zulässig sei. Ferner nahm der Verfassungsgerichtshof – unter Hinweis auf die entsprechenden Erwägungen im Erkenntnis VfSlg. 16.404/2001, S. 1003, Pkt. 1. 3. 2. 1., – … an, dass die im Spruch bezeichneten Verordnungsbestimmungen im vorliegenden Zusammenhang präjudiziell sind und – da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorzuliegen scheinen – das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig ist.“ … „1. 4. Da sämtliche Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist das eingeleitete Verordnungsprüfungsverfahren zulässig. 2. In der Sache: 2. 1. Der Verfassungsgerichtshof stützte seine Bedenken gegen die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen auf die folgenden Erwägungen: [a] In seiner – ua. Bestimmungen einer Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt über Straßenverkehrszei-
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chen im Verlauf der St. Kanzianer Straße L 116, die in allen hier wesentlichen Belangen den im vorliegenden Verfahren in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen entsprachen, betreffenden – Entscheidung VfSlg. 16.404/ 2001 hat der Verfassungsgerichtshof in Bezug auf Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz StV Wien iW das Folgende zu Recht erkannt: ,Das Anbringen [der Hinweiszeichen ,Ortstafel‘ und ,Ortsende‘ iSd. § 53 Abs. 1 Ziff. 17a und 17b StVO unterfällt] in geradezu typischer Weise dem Tatbestand des Verfassens von ,Bezeichnungen und Aufschriften ... topographischer Natur‘ iSd. Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien. Nun besteht aber zwischen den ... Bestimmungen der StVO und den ... gemeinderechtlichen Regelungen über die (Unter-)Gliederung des Gemeindegebietes in Ortschaften bzw. Gemeindeverwaltungsteile folgender normativer Zusammenhang: Gemäß § 53 Abs. 1 Ziff. 17a StVO hat das Hinweiszeichen ,den Namen des Ortes‘ anzugeben. Dabei handelt es sich um den ,amtlichen Namen‘ des jeweiligen Ortes, der ,nicht identisch sein [muss] mit dem Namen der ... Gemeinde‘ (Messiner, Straßenverkehrsordnung 10, 988). Damit ist aber – gegebenenfalls – nichts anderes gemeint als die Bezeichnung der jeweiligen (Unter-)Gliederung des Gemeindegebietes, die sich auf Grund der ... gemeinderechtlichen Vorschriften ergibt.“ ... (Darauf folgen Wiederholungen aus den Entscheidungsgründen des Erkenntnisses aus dem Jahr 2001, mit Hinweisen auf die ständige Rechtsprechung, zuletzt VfGH vom 4. 10. 2000 V 91/99). „Der Verfassungsgerichtshof ist der Auffassung, dass dem Begriff (des Verwaltungsbezirkes mit) ,gemischte[r] Bevölkerung‘ in Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien keine andere Bedeutung zukommt als im ersten Satz dieser Bestimmung. ... Im Hinblick darauf ist auch noch eine Ortschaft, die ... über einen längeren Zeitraum betrachtet einen Minderheitenprozentsatz von mehr als 10 % aufweist, als Verwaltungsbezirk mit gemischter Bevölkerung iSd. Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien zu qualifizieren.“ … „[c] Nach der Aufhebung der Wortfolge ,In der Gemeinde Bleiburg in den Gebieten der ehemaligen Gemeinden Feistritz ob Bleiburg und Moos, in der Gemeinde Eisenkappel-Vellach im Gebiet der ehemaligen Gemeinde Vellach, in der Gemeinde Globasnitz und in der Gemeinde Neuhaus im Gebiet der ehemaligen Gemeinde Schwabenegg.‘ in § 1 Ziff. 2 der Verordnung BGBl. 1977/306 könnte diese Bestimmung von ihrem Wortlaut her so verstanden werden, dass in sämtlichen, im vorliegenden Zusammenhang in Betracht kommenden Gebietsteilen (hier also ,Ortsgebieten‘ iSd. StVO) im politischen Bezirk Völkermarkt zweisprachige Ortstafeln anzubringen wären. (Rechts-)Systematische und teleologische Erwägungen dürften jedoch dafür sprechen, dass Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz StV Wien
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nunmehr (wiederum) unmittelbar zur Geltung gelangt und sich die davon betroffenen Ortschaften nunmehr – implizit – (wieder) aus dieser unmittelbar anwendbaren staatsvertraglichen Bestimmung im Verfassungsrang ergeben (vgl. dazu VfSlg. 15.970/2000, S. 480, Pkt. 3. 4.).“31 „[d] Auf Grund … dieser Überlegungen dürfte die Verfassungsbestimmung des Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz StV Wien für die – in der Gemeinde Bleiburg gelegenen – Ortschaften ,Bleiburg‘ und ,Ebersdorf‘ gebieten, dass Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur, insbesondere auch die hier in Rede stehenden Straßenverkehrszeichen, sowohl in slowenischer Sprache wie in Deutsch zu verfassen sind. Die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen scheinen somit dem Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz StV Wien zu widersprechen, wobei es zur Beseitigung dieser Rechtswidrigkeit auszureichen scheint, bloß die Anordnung der – allein deutschsprachigen – Ortsbezeichnungen ,Bleiburg‘ bzw. ,Bleiburg-Ebersdorf‘ aufzuheben.“ (Die Kärntner Landesregierung erstattete zu den Ortschaftsbezeichnungen in slowenischer Sprache eine ausführliche Stellungnahme. Darauf wird hier nur verwiesen) In den Entscheidungsgründen heißt es dann wie folgt: „2. 3. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich durch dieses Vorbringen nicht veranlasst, von seiner im Erkenntnis VfSlg. 16.404/2001, das ua. ein Verordnungsprüfungsverfahren betraf, das in allen wesentlichen Belangen mit dem hier vorliegenden vergleichbar ist, vertretenen und dort ausführlich (insbesondere mit zahlreichen Hinweisen auf die Vorjudikatur) begründeten Rechtsauffassung abzugehen, der zu Folge eine Ortschaft, die über einen längeren Zeitraum betrachtet bei den Volkszählungen einen Minderheitenprozentsatz von mehr als 10 % aufweist, als Verwaltungsbezirk mit gemischter Bevölkerung iSd. Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz StV Wien zu qualifizieren ist.“ „Den Ausführungen der Kärntner Landesregierung ,[z]ur Verfassung der Ortschaftsbezeichnungen in slowenischer Sprache‘ ist Folgendes entgegenzuhalten: Im vorliegenden Zusammenhang ist die Verfassungsbestimmung des Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz StV Wien unmittelbar anwendbar (vgl. dazu schon VfSlg. 16.404/2001, S. 1032, Pkt. 4.3. und 6.) Daraus ergibt sich für die Bezirkshauptmannschaft die Rechtspflicht, bei Erlassung der hier in Rede stehenden verkehrspolizeilichen Verordnung die Ortsbezeichnung sowohl in deutscher als auch in slowenischer Sprache festzulegen. Was die slowenische Ortsbezeichnung anlangt, ist diese – solange eine diesbezügliche Ver____________________
31 Offenbar soll nun die Tradition gewordene Judikatur des VfGH dieselbe rechtliche Funktion erfüllen, wie die durch den VfGH anscheinend zu diesem Zweck aufgehobene gesetzliche Regelung im § 2 des Volksgruppengesetzes.
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ordnung der Bundesregierung gemäß § 12 Abs. 2 VolksgruppenG nicht gilt 32 – von der Bezirkshauptmannschaft in eigener Verantwortung festzulegen. 2. 4. Das Bedenken, dass die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen der Verfassungsbestimmung des Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz StV Wien widersprechen, erweist sich somit als zutreffend. Diese Verordnungsbestimmungen sind daher als gesetzwidrig aufzuheben. 3. Der Ausspruch über das Inkrafttreten der Aufhebung stützt sich auf Art. 139 Abs. 5 letzter Satz B-VG. Die Setzung einer solchen Frist hält der Verfassungsgerichtshof für erforderlich, um der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt die rechtzeitige Erlassung einer der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes Rechnung tragenden und dem Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz StV Wien entsprechenden (Ersatz-)Regelung zu ermöglichen und dem § 53 Abs. 1 Ziff. 17a StVO (,Dieses Zeichen gibt den Namen eines Ortes an ...‘) folgend durch Verordnung die Ortsbezeichnung in deutscher und slowenischer Sprache festzulegen. 4. Die Verpflichtung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung gründet sich auf Art. 139 Abs. 5 erster Satz B-VG und § 60 Abs. 2 VfGG. 5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs. 4 erster Satz VfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.“
3. Ein Vergleich der zwei Erkenntnisse Das Erkenntnis des Jahres 2001 diente primär einer vom VfGH für notwendig erachteten „Rechtsbereinigung“ auf Gesetzes- und Verordnungsebene. Mit diesem Erkenntnis wurde eine Vorschrift des Volksgruppengesetzes und eine Vorschrift der Topographieverordnung aufgehoben. Gemäß dieser durch den VfGH „bereinigten“ Gesetzes- und Verordnungslage wurden auch die zu Recht bestehenden deutschen Ortsnamen als topographische Bezeichnungen in der verkehrspolizeilichen Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt für St. Kanzian aufgehoben. Auf die ____________________
32 Der VfGH nahm hier zum Hinweis der Landesregierung auf die Zuständigkeit der Bundesregierung zur Festlegung von slowenischen Ortsnamen gemäß dem Volksgruppengesetz nicht Stellung. Damit unterließ der VfGH die Prüfung einer für die Beurteilung der Reichweite der Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft wesentlichen Vorfrage. Der Bezirkshauptmann ist als Straßenpolizeibehörde zweifellos nicht zur Festsetzung von Ortsnamen berufen, sondern nur zur Anordnung von Geschwindigkeitsbegrenzungen. Dabei hat er Ortsnamen zu verwenden, deren Festlegung in die Zuständigkeit anderer Organe fällt: nach dem Volksgruppengesetz in die Zuständigkeit der Bundesregierung und nach der Allgemeinen Kärntner Gemeindeordnung in die Zuständigkeit des Gemeinderates von Bleiburg, und zwar unter Bedachtnahme auf das Volksgruppengesetz.
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im Jahr 2001 „bereinigte“ Rechtslage gründet sich auch das Erkenntnis aus dem Jahr 2005. Mit ihm wurden, analog zur Aufhebung der Ortsbezeichnungen in der straßenpolizeilichen Verordnung für St. Kanzian im Jahr 2001, in der straßenpolizeilichen Verordnung für Bleiburg gleichfalls zu Recht bestehende deutsche Ortsbezeichnungen als topographische Bezeichnungen aufgehoben. In der Aufhebung der zu Recht bestehenden deutschen Ortsnamen als topographische Bezeichnungen in den zwei straßenpolizeilichen Verordnungen stimmen beide Erkenntnisse überein. Im Erkenntnis des Jahres 2001 begründete der VfGH die Befristung der Aufhebungen mit einem Hinweis auf den Zeitbedarf für Ersatzregelungen: „Die Einräumung einer Frist schien dem Verfassungsgerichtshof erforderlich, um sowohl dem Gesetzgeber als auch den in Betracht kommenden Verordnungsgebern die Erlassung von (Ersatz-)Regelungen zu ermöglichen, die dem Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien entsprechen.“ Im Erkenntnis des Jahres 2005 ist vom Gesetzgeber keine Rede. Es beinhaltet dafür aber eine konkrete Vollzugsanweisung an die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt: „Im vorliegenden Zusammenhang ist die Verfassungsbestimmung des Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz StV Wien unmittelbar anwendbar (vgl. dazu schon VfSlg. 16.404/2001, S. 1032, Pkt. 4. 3. und 6.) Daraus ergibt sich für die Bezirkshauptmannschaft die Rechtspflicht, bei Erlassung der hier in Rede stehenden verkehrspolizeilichen Verordnung die Ortsbezeichnung sowohl in deutscher als auch in slowenischer Sprache festzulegen. Was die slowenische Ortsbezeichnung anlangt, ist diese – solange eine diesbezügliche Verordnung der Bundesregierung gemäß § 12 Abs. 2 VolksgruppenG nicht gilt – von der Bezirkshauptmannschaft in eigener Verantwortung festzulegen.“ In diesem Zusammenhang erscheint ein Umstand besonders bedeutsam. In den Entscheidungsgründen desselben Erkenntnisses zitierte der VfGH aus der Stellungnahme der Kärntner Landesregierung zu dieser Frage, ohne sich damit auseinander zu setzen (2. 2. 3): „Das Volksgruppengesetz überantwortet in § 2 Abs. 1 Ziff. 2 in Verbindung mit § 12 der Bundesregierung im Verordnungswege (im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates und nach Anhörung der in Betracht kommenden Landesregierung) nicht nur die Festlegung der Gebietsteile, in denen topographische Bezeichnungen zweisprachig anzubringen sind, es ist der Bundesregierung in gleicher Weise auch aufgetragen und vorbehalten, die Örtlichkeiten festzulegen, die für eine zweisprachige Bezeichnung in Betracht kommen, sowie die Festlegung der topographischen Bezeichnungen in der Sprache der in Betracht kommenden Volksgruppe. Dabei wird der Bundesregierung ausdrücklich aufgetragen, ,auf die örtliche Übung und auf die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung Bedacht zu nehmen‘.
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Dieser Regelungsvorbehalt für die Bundesregierung blockiert die im Unterbrechungsbeschluss unter Pkt. 3. 4. angedeutete Erwartung, dass die zuständige Vollzugsinstanz (Bezirkshauptmann des politischen Bezirkes Völkermarkt) durch entsprechende Modifikation der Verordnung über die Festlegung der Ortsgebiete und die Anbringung der Ortstafeln auf der Grundlage der Straßenverkehrsordnung die aus der Sicht des Verfassungsgerichtshofes angedeutete Rechtswidrigkeit beseitigen könnte. Wenn der Verfassungsgerichtshof, wie im Unterbrechungsbeschluss unter Pkt. 3. 4. angedeutet, die intendierte Rechtswidrigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt bloß durch die Aufhebung der Anordnung – der allein deutschsprachigen – Ortsbezeichnungen ,Bleiburg‘ bzw. ,Bleiburg-Ebersdorf‘ umsetzen sollte, wird wegen der oben dargestellten Sperrwirkung der Ortsnamenverordnung dem Bezirkshauptmann des politischen Bezirkes Völkermarkt weiterhin die unmittelbare Anwendung der Verfassungsbestimmung des Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz StV Wien in gesetzeskonformer Weise nicht möglich sein. Sowohl eine Anordnung der allein deutschsprachigen wie auch der Ortsbezeichnungen in slowenischer und deutscher Sprache wäre mit Rechtswidrigkeit belastet. Abgesehen von der eindeutig nicht gegebenen Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde sei auch auf die Problematik hingewiesen, die mit der definitiven Festlegung der slowenischen Bezeichnungen von Ortschaften immer wieder verbunden ist (vgl. dazu auch Veiter, Ortstafelkommission, S. 146 f ). Die slowenischen Bezeichnungen sind nämlich teilweise beeinflusst von den lokalen slowenischen Dialektformen und damit auch in ihrer Schreibweise abweichend von der slowenischen Hoch- oder Schriftsprache (vgl. dazu auch: Veiter, Ortstafelkommission, S. 51f ). Dies findet auch im letzten Satz des § 12 Abs. 2 des VGG Berücksichtigung, wonach die Bundesregierung bei der Festlegung der topographischen Bezeichnungen in der Sprache der in Betracht kommenden Volksgruppe auf die örtliche Übung und auf die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung Bedacht zu nehmen‘ hat.“ (Hervorhebungen vom Verfasser) Kommentar: Zur Zuständigkeit der Bundesregierung gemäß dem Volksgruppengesetz nahm der VfGH nicht gesondert Stellung. Er erwähnte sie bloß indirekt, neben der von ihm angenommenen „Rechtspflicht“ der Bezirkshauptmannschaft. Dabei ließ er offen, ob er mit der „diesbezüglichen Verordnung der Bundesregierung“ die Topographieverordnung oder die Ortsnamenverordnung oder beide Verordnungen meinte. Der VfGH vermied auch eine Erklärung über die Bedeutung dieser Verordnungen für die von ihm angenommene Zuständigkeit der Bezirkshauptmann-
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schaft. Er begnügte sich mit der Erwähnung des § 12 Abs. 2 VolksgruppenG. Gemäß dem VolksgruppenG ist der Bezirkshauptmann als Straßenpolizeibehörde zweifellos nicht zur „Festslegung“ von Ortsnamen berufen. Er hat nur entsprechende Verkehrszeichen anzuordnen. Dabei hat er Ortsnamen zu verwenden, deren Festlegung in die Zuständigkeit anderer Organe fällt: nach dem Volksgruppengesetz in die Zuständigkeit der Bundesregierung und nach der Allgemeinen Kärntner Gemeindeordnung in die Zuständigkeit des Gemeinderates von Bleiburg; und zwar unter Bedachtnahme auf das Volksgruppengesetzes und die DurchführungsV. Für die Frage nach den gemäß Art. 7 StV Wien für die topographischen Bezeichnungen und Aufschriften erforderlichen Rechtsgrundlagen im Sinn des Erkenntnisses aus dem Jahr 2005 ist der Spruch aus dem Erkenntnis des Jahr 2001 zum Inkrafttreten der Aufhebung aufschlussreich. Dort heißt es: „Die Einräumung einer Frist schien dem VfGH erforderlich, um sowohl dem Gesetzgeber als auch den in Betracht kommenden Verordnungsgebern die Erlassung von Ersatzregelungen zu ermöglichen, die dem Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien entsprechen.“ Im Erkenntnis aus dem Jahr 2005 ist vom Gesetzgeber keine Rede. Damit wollte der VfGH wohl signalisieren, dass es angesichts seiner eigenen Rechtsauffassung von mehr als 10 % über einen längeren Zeitraum keiner gesetzlichen Festlegung mehr bedarf, da er durch die Festlegung eines günstigeren Prozentsatzes im Sinn der durch seine Aufhebung „wiederhergestellten unmittelbaren Anwendbarkeit“ des zweiten Satzes in der Ziff. 3 des Art. 7 die Rechtslage hinreichend klargestellt zu haben meint. Im Erkenntnis des VfGH aus dem Jahr 2001 findet man unter 3. 2. 1. 2. dritter Absatz darüber hinaus einen interessanten Ansatz zur Erklärung der Zuständigkeit zur Namensgebung für Ortschaften: „Es geht um das ‚Anbringen‘ der Hinweiszeichen ‚Ortstafel‘ und ‚Ortsende‘ iSd. § 53 Abs. 1 Ziff. 17a und 17b StVO, die der Kundmachung straßenverkehrspolizeilicher Verordnungen (§ 43 Abs. 1 StVO), im Besonderen der normativen Festlegung des Ortsgebietes iSd. § 2 Abs. 1 Ziff. 15 iVm. § 20 Abs. 2 StVO, dienen. Wie oben erwähnt unterfällt das Anbringen solcher Hinweiszeichen in geradezu typischer Weise dem Tatbestand des Verfassens von ‚Bezeichnungen und Aufschriften ... topographischer Natur‘ iSd. Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien. Nun besteht aber zwischen den soeben genannten Bestimmungen der StVO und den oben erwähnten gemeinderechtlichen Regelungen über die (Unter-)Gliederung des Gemeindegebietes in Ortschaften bzw. Gemeindeverwaltungsteile folgender normativer Zusammenhang: Gemäß § 53 Abs. 1 Ziff. 17a StVO hat das Hinweiszeichen ‚den Namen des Ortes‘ anzugeben. Dabei handelt es
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sich um den ‚amtlichen Namen‘ des jeweiligen Ortes, der ‚nicht identisch sein (muss) mit dem Namen der ... Gemeinde‘ (Messiner, Straßenverkehrsordnung 10, 988).33 Damit ist aber – gegebenenfalls – nichts anderes gemeint als die Bezeichnung der jeweiligen (Unter-)Gliederung des Gemeindegebietes, die sich auf Grund der oben genannten gemeinderechtlichen Vorschriften ergibt. Auch der Umstand, dass das damit bezeichnete Gebiet der Ortschaft bzw. des Gemeindeverwaltungsteiles im gemeinderechtlichen Sinn nicht notwendiger Weise kongruent mit dem in derselben Weise bezeichneten ,Ortsgebiet‘ im straßenverkehrsrechtlichen Sinn ist, ändert an diesem normativen Zusammenhang nichts.“ Danach ist also auch die Frage nach der Zuständigkeit des jeweiligen Gemeinderates gemäß § 3 der Allgemeinen Kärntner Gemeindeordnung zur Entscheidung über alle Ortsnamen erheblich. Der VfGH hat diese Zuständigkeit zwar erwähnt, zu ihrem Verbindlichkeitszusammenhang mit dem Ortstafelgesetz aber keine Überlegungen angestellt. Er hat vor allem die Prüfung unterlassen, wie diese Vorschrift mit Art. 16 Abs. 5 B-VG, über die zwischen Bund und Ländern gemäß der Kompetenzverteilung im Zusammenwirken vorgeschriebene „Durchführung“ von Staatsverträgen, in einer verfassungsrechtlich einwandfreien Weise in Einklang gebracht werden kann. (Näheres dazu weiter unten) Im Erkenntnis des Jahres 2001 lautet der Spruch auf Aufhebung der zu Recht bestehenden deutschen Ortsnamen. Die darauf gegründete Entscheidung über die Bescheidbeschwerde des Jahres 2001 lautet ungeachtet der Aufhebung der Ortsnamen aber auf Abweisung. Ein Ausspruch über die Auswirkungen der Aufhebung dieser Teile der Verordnung auf den Anlassfall fehlt. (Näheres dazu weiter unten) In den Entscheidungsgründen des Erkenntnisses aus dem Jahr 2001 über die Bescheidbeschwerde heißt es zur Aufhebung der Ortsbezeichnungen: „Nun hat der Verfassungsgerichtshof mit dem mehrfach erwähnten Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, G 213/01, V 62, 63/01, bloß die in dieser Bestimmung angeordneten (allein deutschsprachigen) Ortsbezeichnungen ‚St. Kanzian‘ und ‚St. Kanzian, Klopein‘ als gesetzwidrig aufgehoben, nicht aber auch den sonstigen Regelungsgehalt der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung, der zu Folge – somit auch mit Wirkung für den Anlassfall – das Ortsgebiet iSd. § 2 Abs. 1 Ziff. 15 iVm. § 20 StVO als solches festgelegt ist. Im Hinblick darauf ändert sich aber auch an der Strafbarkeit des dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verhaltens nichts.“ ____________________
33 Die Bedeutung der grundlegenden Zuständigkeit des Gemeinderates gemäß § 3 der Allgemeinen Kärntner Gemeindeordnung zur Entscheidung über den Ortsnamen, im Sinn einer föderalistischen Durchführung der Vorschriften des Art. 7 gemäß der Kompetenzverteilung des B-VG, im Sinn des Art. 16 Abs. 5 B-VG, scheint dem VfGH in diesem Zusammenhang nicht prüfenswert gewesen zu sein.
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Im Erkenntnis zur Verordnungsprüfung des Jahres 2005 lautet der Spruch gleichfalls auf Aufhebung der deutschen Ortsnamen. Der Spruch der darauf gegründeten Entscheidung über die Bescheidbeschwerde des Jahres 2005 lautet ungeachtet der Aufhebung der Ortsnamen ebenfalls auf Abweisung. Ein Ausspruch über die Auswirkungen der Aufhebung der Verordnung auf den Anlassfall fehlt. (Näheres dazu weiter unten) In den Entscheidungsgründen des Erkenntnisses aus dem Jahr 2005 über die Bescheidbeschwerde heißt es zu dieser Frage nur indirekt: „Die vorliegende Beschwerde entspricht iVm dem Erkenntnis vom heutigen Tage, V 64/05, in allen für das verfassungsgerichtliche Bescheidprüfungsverfahren wesentlichen Belangen der zu B 2075/99 protokollierten Beschwerde (desselben Beschwerdeführers), über die mit Erkenntnis vom 13. Dezember 2001 (vgl. VfSlg. 16.403/2001) entschieden wurde; auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird verwiesen.“ Die Feststellungen des VfGH zur amtlichen Herkunft der Ortsnamen als Voraussetzung für die Verwendung als topographische Bezeichnungen auf den Ortstafeln sprechen für sich selbst. Sie signalisieren im Zusammenhang mit den Erkenntnissen über die Bescheidbeschwerden vor allem die Frage nach der Präjudizialität der Vorschriften des VolksgruppenG, der TopographieV, der OrtsnamenV der Bundesregierung für Kärnten und der Vorschriften der Kärntner Allgemeinen Gemeindeordnung unter dem Gesichtspunkt der ausschließlich straßenpolizeilichen Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde. Diese ist nur zuständig, zum Zweck der Verkehrsregelung in einem Ortsgebiet entsprechende Verkehrszeichen anzuordnen, dh. Ortstafeln anzuordnen. Sie darf dafür nur amtlich feststehende Ortsbezeichnungen als topographische Bezeichnungen und Aufschriften verwenden. Im Sinn des VolksgruppenG ist sie keinesfalls zuständig, einen amtlichen deutschen Ortsnamen wegzulassen oder einen entsprechenden slowenischen Ortsnamen „in eigener Verantwortung festzulegen“. Für die Bezirkshauptmannschaft gibt es keine gesetzliche Vorschrift über eine Zuständigkeit zur Festlegung eines amtlich noch nicht anerkannten, von der zuständigen Behörde noch festzulegenden slowenischen Ortsnamens. Die Bezirksverwaltungsbehörde hat daher nicht nur in der Verwendung der amtlich bestehenden deutschen Ortsnamen rechtmäßig gehandelt, sondern auch in der Unterlassung der Verwendung amtlich noch nicht festgesetzter slowenischer Ortsnamen. Die Aufhebung der zu Recht bestehenden amtlichen deutschen Ortsnamen durch den VfGH entbehrt daher jeglicher Rechtsgrundlage. Damit rückt die Frage nach der Bedeutung der Präjudizialität des Volksgruppengesetzes, der Topographieverordnung und der Verordnung der
Rechtswirkungen der Verordnungsprüfungen auf die Bescheidbeschwerden?
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Bundesregierung für die Festlegung von slowenischen Ortsbezeichnungen in Kärnten zur Verwendung als Ortsbezeichnungen und Aufschriften auf den Ortstafeln in den Vordergrund. In ihrer Klärung liegt eine wesentliche Voraussetzung für die Antwort auf die Frage nach der Zuständigkeit des VfGH zur Aufhebung von deutschen Ortsnamen in den straßenpolizeilichen Verordnungen der Bezirksverwaltungsbehörde. Die Verwendung von amtlichen Ortsnamen bedarf gemäß Art. 18 B-VG einer einwandfreien gesetzlichen Grundlage. Entscheidungsgründe in einem Erkenntnis des VfGH können eine solche Rechtsgrundlage nicht ersetzen. Für die Frage der Präjudizialität der aufgehobenen Ortsnamen ist überdies bedeutsam, dass auch nach der erklärten Auffassung des VfGH die Ortsnamen in der geprüften straßenpolizeilichen Verordnung für die Rechtmäßigkeit der Bestrafung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung und für die Abweisung der Bescheidbeschwerde durch den VfGH unerheblich waren.
4. Rechtswirkungen der Verordnungsprüfungen auf die Bescheidbeschwerden? a. Das Erkenntnis des Jahres 2001 Im Erkenntnis über den Anlassfall (über die der Verordnungsprüfung zugrunde liegende Bescheidbeschwerde) heißt es zu den Auswirkungen der Aufhebung der Ortsbezeichnungen: „Nun hat der Verfassungsgerichtshof mit dem mehrfach erwähnten Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, G 213/01, V 62, 63/01, bloß die in dieser Bestimmung angeordneten (allein deutschsprachigen) Ortsbezeichnungen „St. Kanzian“ und „St. Kanzian, Klopein“ als gesetzwidrig aufgehoben, nicht aber auch den sonstigen Regelungsgehalt der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung, der zu Folge – somit auch mit Wirkung für den Anlassfall – das Ortsgebiet iSd. § 2 Abs. 1 Ziff. 15 iVm. § 20 StVO als solches festgelegt ist. Im Hinblick darauf ändert sich aber auch an der Strafbarkeit des dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verhaltens nichts.“ Entgegen der ausdrücklichen Anordnung des Art. 139 Abs. 6 B-VG über die Ausnahme der Auswirkungen der Aufhebung auf den Anlassfall unterließ der VfGH in seinem Erkenntnis über die Aufhebung der deutschen Ortsnamen in der straßenpolizeilichen Verordnung einen Ausspruch darüber. Warum wohl? Sichtlich wohl deshalb, weil die Frage der Gesetzmäßigkeit der deutschen Ortsnamen in der verkehrspolizeilichen Verordnung für die Aufhebung der deutschen Ortsnamen für den Anlassfall nicht präjudiziell war.
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b. Das Erkenntnis des Jahres 2005 In den Entscheidungsgründen des Erkenntnisses über den Anlassfall (über die Bescheidbeschwerde) äußerte sich der VfGH zu dieser Frage nur durch eine Verweisung auf das Erkenntnis aus dem Jahr 2001: „Die vorliegende Beschwerde entspricht iVm. dem Erkenntnis vom heutigen Tage, V 64/05, in allen für das verfassungsgerichtliche Bescheidprüfungsverfahren wesentlichen Belangen der zu B 2075/99 protokollierten Beschwerde (desselben Beschwerdeführers), über die mit Erkenntnis vom 13. Dezember 2001 (vgl. VfSlg. 16.403/2001) entschieden wurde; auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird verwiesen.“ Dieser Hinweis auf die Entscheidungsgründe des Erkenntnisses über die Bescheidbeschwerde aus dem Jahr 2001 wäre also wie folgt zu ergänzen: Im Hinblick darauf ändert sich aber auch an der Strafbarkeit des dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verhaltens nichts. Entgegen der ausdrücklichen Anordnung des Art. 139 Abs. 6 B-VG zur Ausnahme der Auswirkungen der Aufhebung auf den Anlassfall unterließ der VfGH auch in diesem Erkenntnis über die Aufhebung der deutschen Ortsnamen einen Ausspruch darüber. Warum wohl? Sichtlich wohl deshalb, weil die Frage der Gesetzmäßigkeit der deutschen Ortsnamen in der verkehrspolizeilichen Verordnung für die Entscheidung über den Anlassfall auch dieses Mal nicht präjudiziell war. c. Die Mangelhaftigkeit der zwei Sprüche über die Aufhebung Für die Beurteilung des Zusammenhanges der zwei Erkenntnisse über die Aufhebung von deutschen Ortsbezeichnungen in straßenpolizeilichen Verordnungen mit den zwei Erkenntnissen über die Bescheidbeschwerden ist bedeutsam, was die Bundesverfassung für den Fall einer Verordnungsaufhebung von Amts wegen als Rechtsfolgen für den Anlassfall vorschreibt. Im Art. 139 Abs. 6 B-VG heißt es zur Aufhebung einer Verordnung: „Ist eine Verordnung wegen Gesetzwidrigkeit aufgehoben worden ... so sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofs gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist jedoch die Verordnung weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht.“ Im Spruch beider Erkenntnisse des VfGH zur Verordnungsprüfung, G 213/01-18, V 62, 63/01-18, vom 13. Dezember 2001 und V 64/0511, vom 12. Dezember 2005 fehlt jedoch ein Ausspruch darüber, obwohl er sogar verfassungsgesetzlich ausdrücklich vorgeschrieben ist. Anstelle dessen sind in den Erkenntnissen über die Bescheidbeschwerden sinngleiche
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Feststellungen über das Unterbleiben von Rechtsfolgen für den Anlassfall enthalten. Warum hält sich der VfGH in seinen zwei Erkenntnissen zur Verordnungsprüfung nicht an die ausdrückliche Anordnung des B-VG, wonach er im Hinblick auf die ausdrückliche „Ausnahme des Anlassfalles“ in seinem aufhebenden Erkenntnis aussprechen muss, dass und warum die Aufhebung von legalen deutschen Ortsnamen für den gegenständlichen Fall unerheblich sein soll und warum die betreffende Verordnung, ungeachtet der bei Verordnungsprüfungen im B-VG grundsätzlich vorgeschriebenen Ausnahme, auf den gegenständlichen Anlassfall dennoch anzuwenden ist, ohne dass der VfGH im Erkenntnis über die Verordnungsaufhebung darüber „ausspricht“? Warum äußerte sich der VfGH dazu in den Entscheidungsgründen seiner Erkenntnisse über die Bescheidbeschwerden; im Erkenntnis des Jahres 2001 ausdrücklich und im Erkenntnis des 2005 bloß durch eine Verweisung auf die ausdrückliche Feststellung im älteren Erkenntnis? Das erscheint nicht nur angesichts der ausdrücklichen Anordnung des Art. 139 Abs. 6 B-VG befremdlich, sondern auch deshalb, weil die Aufhebung der deutschsprachigen Ortsbezeichnungen in den betreffenden Verordnungen vom VfGH für den Anlassfall als unerheblich erklärt und dem Beschwerdeführer aufgrund der Bescheidbeschwerde dennoch ein Kostenersatz zugesprochen worden ist. Wie kann man eine derartige Feststellung über die Folgenlosigkeit der Aufhebung der Ortsnamen für den Anlassfall und die Abweisung der Bescheidbeschwerde mit dem Zuspruch der Kosten einerseits und mit der Präjudizialität der für den Strafbescheid unerheblichen Ortsnamen und mit der Aufhebung der deutschen Ortsnamen vereinbaren? Diese Frage ist nicht nur für die aufgehobenen deutschen Ortsnamen von Bedeutung, sondern ebenso für die vom VfGH reklamierten slowenischen Ortsnamen. Die Ortsnamen auf gesetzmäßig errichteten Ortstafeln sind zwar durch die StVO vorgeschrieben, für die Strafbarkeit einer Geschwindigkeitsüberschreitung sind sie aber nicht erheblich.
V. Die Präjudizialität von Verordnungen und Gesetzen für Entscheidungen über Bescheidbeschwerden 1. Die Rechtsgrundlagen der Präjudizialität a. Verordnungsprüfungen auf Antrag und von Amts wegen im B-VG Art. 139 (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Bundes- oder Landesbehörde auf Antrag ei-
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nes Gerichtes oder eines unabhängigen Verwaltungssenates, sofern aber der Verfassungsgerichtshof eine solche Verordnung in einer anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte, von Amts wegen. ... (3) Der Verfassungsgerichtshof darf eine Verordnung nur insoweit als gesetzwidrig aufheben, als ihre Aufhebung ausdrücklich beantragt wurde oder als sie der Verfassungsgerichtshof in der bei ihm anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte. (6) Ist eine Verordnung wegen Gesetzwidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Absatz 4 ausgesprochen, dass eine Verordnung gesetzwidrig war, so sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofs gebunden. b. Verordnungsprüfungen auf Antrag und von Amts wegen im VfGG § 57 (1) Der Antrag, eine Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben, muß begehren, daß entweder die Verordnung ihrem ganzen Inhalte nach oder daß bestimmte Stellen der Verordnung als gesetzwidrig aufgehoben werden. Der Antrag hat die gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Wird ein solcher Antrag von einer Person gestellt, die unmittelbar durch die Gesetzwidrigkeit der Verordnung in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, so ist auch darzutun, inwieweit die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für sie wirksam geworden ist. (2) Von einem Gericht (einem unabhängigen Verwaltungssenat, dem Bundesvergabeamt) kann der Antrag auf Aufhebung einer Verordnung oder von bestimmten Stellen einer solchen nur dann gestellt werden, wenn die Verordnung vom Gericht (unabhängigen Verwaltungssenat, Bundesvergabeamt) in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden oder wenn die Gesetzmäßigkeit der Verordnung eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Gericht (unabhängigen Verwaltungssenat, Bundesvergabeamt) anhängigen Rechtssache ist. (4) Hat das Gericht (der unabhängige Verwaltungssenat, das Bundesvergabeamt) die Verordnung, deren Prüfung beantragt wurde, nicht mehr anzuwenden, so ist der Antrag unverzüglich zurückzuziehen. § 61 Diese Bestimmungen finden sinngemäß Anwendung, wenn der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit einer Verordnung von Amts wegen (Art. 139 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes) zu erkennen hat. § 32 GO VfGH Hat der Gerichtshof beschlossen, über die Gesetzmäßigkeit einer Verordnung oder über die Verfassungsmäßigkeit eines
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Gesetzes im Sinn der §§ 61 und 65 des VerfGG 1930 von Amts wegen zu entscheiden, so wird das Verfahren in der Hauptsache unterbrochen. Es ist nach Fällung des Erkenntnisses über die Vorfrage fortzusetzen. (Hervorhebungen vom Verfasser) c. Gesetzesprüfungen auf Antrag und von Amts wegen im B-VG Art. 140 (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Verfassungswidrigkeit eines Bundes- oder Landesgesetzes auf Antrag des Verwaltungsgerichtshofs, des Obersten Gerichtshofes, eines zur Entscheidung in zweiter Instanz berufenen Gerichtes oder eines unabhängigen Verwaltungssenates, sofern aber der Verfassungsgerichtshof ein solches Gesetz in einer anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte, von Amts wegen. (3) Der Verfassungsgerichtshof darf ein Gesetz nur insoweit als verfassungswidrig aufheben, als seine Aufhebung ausdrücklich beantragt wurde oder als der Verfassungsgerichtshof das Gesetz in der bei ihm anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte. (7) Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Absatz 4 ausgesprochen, dass ein Gesetz verfassungswidrig war, so sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofs gebunden. d. Gesetzesprüfungen auf Antrag und von Amts wegen im VfGG § 62 (1) Der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, muss begehren, dass entweder das Gesetz seinem ganzen Inhalte nach oder dass bestimmte Stellen des Gesetzes als verfassungswidrig aufgehoben werden. Der Antrag hat die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Wird ein solcher Antrag von einer Person gestellt, die unmittelbar durch die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, so ist auch darzutun, inwieweit das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für sie wirksam geworden ist. (3) Hat ein Gericht (ein unabhängiger Verwaltungssenat, das Bundesvergabeamt) einen Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes oder von bestimmten Stellen eines solchen gestellt, so dürfen in dieser Sache bis zur Verkündung bzw. Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes nur solche Handlungen vorgenommen oder Entscheidungen und Verfügungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten.
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(4) Hat das Gericht (der unabhängige Verwaltungssenat, das Bundesvergabeamt) das Gesetz, dessen Prüfung beantragt wurde, nicht mehr anzuwenden, so ist der Antrag unverzüglich zurückzuziehen. § 64 (1) Das Erkenntnis hat auszusprechen, ob der ganze Inhalt des Gesetzes oder bestimmte Stellen als verfassungswidrig aufgehoben werden. (2) Lautet das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes auf Aufhebung, so ist es auch dem Bundeskanzler oder dem zuständigen Landeshauptmann zuzustellen. In der nach Art. 140 Abs. 5 des Bundes-Verfassungsgesetzes zu erlassenden Kundmachung muß zum Ausdruck gebracht werden, dass das Gesetz durch das genau zu bezeichnende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes aufgehoben worden ist. § 65 Diese Bestimmungen finden sinngemäß Anwendung, wenn der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes von Amts wegen (Art. 140 Abs. 1 des Bundes Verfassungsgesetzes) zu entscheiden hat. § 32 GO VfGH Hat der Gerichtshof beschlossen, über die Gesetzmäßigkeit einer Verordnung oder über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes im Sinn der §§ 61 und 65 des VfGG 1930 von Amts wegen zu entscheiden, so wird das Verfahren in der Hauptsache unterbrochen. Es ist nach Fällung des Erkenntnisses über die Vorfrage fortzusetzen.
2. Leitsätze aus der Judikatur des VfGH zur Präjudizialität für die Prüfung von Verordnungen und Gesetzen von Amts wegen Infolge der weitgehend übereinstimmenden Vorschriften des B-VG und des VfGG geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass für die Gesetzesprüfung und für die Verordnungsprüfung von Amts wegen dieselben verfassungsrechtlichen Bestimmungsgründe maßgeblich sind. Gesetzes- und Verordnungsprüfungen können nur in eine Aufhebung der Rechtsquelle münden und nicht in eine eigenständige Rechtsgestaltung. Das kommt auch in der Judikatur des VfGH klar zum Ausdruck. Darin werden Gesetzes- und Verordnungsprüfungen im Wesentlichen gleich behandelt. Der VfGH trägt damit auch dem Umstand Rechnung, dass die Verfassung auch dem Verordnungsgeber gemäß dem Konzept der Gewaltenteilung einen verfassungsunmittelbaren Stellenwert einräumt. Der VfGH kann daher auch bei Verordnungsprüfungen nur ein negativer Verordnungsgeber sein und nicht an die Stelle des Verordnungsgebers treten. Das B-VG und das VfGG gewähren ihm auch für Verordnungen nur den Spruch einer Aufhebung, bzw. den Spruch der Feststellung einer Gesetzwidrigkeit. Der Unterschied zwischen Gesetzes- und Verordnungsprüfungen liegt nur im Maß-
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stab: einerseits der Verfassungsgesetze und andererseits der einfachen Gesetze. In der folgenden Darstellung der einschlägigen „Leitsätze“ bzw. „Rechtssätze“ aus der Judikatur unterbleibt daher bei der Darstellung der Kriterien eine Unterscheidung zwischen Verordnungs- und Gesetzesprüfungen. „Der VfGH darf in die amtswegige Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung nur eingehen, wenn diese Frage eine Voraussetzung seines Erkenntnisses bildet. Eine solche Voraussetzung bildet die Frage der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung nur dann, wenn jene Bestimmungen der Verordnung, gegen deren Gesetzmäßigkeit Bedenken obwalten, vom VfGH selbst anzuwenden wären oder in der konkreten Rechtssache, die dem VfGH zur Entscheidung vorliegt, angewendet wurden.“ (VfSlg. 1455, 3431; Ö-H, 94;) „Über die durch die Präjudizialität gesetzte Grenze der Entscheidungsbefugnis hinauszugehen, ist dem VfGH verwehrt. Stellt sich im Verordnungsprüfungsverfahren heraus, dass der Unterbrechungsbeschluss den Umfang des Überprüfungsverfahrens zu weit gefasst hat, so muss diesem Umstand Rechnung getragen und die Entscheidung in der Sache auf die Vorfrage eingeschränkt werden.“ (VfSlg. 3043, 3051; Ö-H 97) „Da Art. 139 Abs. 1 B-VG die Präjudizialität mit den gleichen Worten umschreibt wie Art. 140 Abs. 1 B-VG, gelten die Ausführungen des Erkenntnisses des VfGH Slg. 3431 auch für die Voraussetzungen für die Einleitung eines amtswegigen Verordnungsprüfungsverfahrens. Demnach ist Ziel und Zweck des amtswegigen Verordnungsprüfungsverfahrens nur, dem VfGH eine einwandfreie Grundlage für seine Entscheidung zu geben. Weitere Bedingungen der Präjudizialität sind ausgeschlossen, insbesondere ist der Ausgang des Verordnungsprüfungsverfahrens und seine Wirkung für das Anlassverfahren ohne Bedeutung.“ (VfSlg. 3826; vgl. auch VfSlg. 2072, 2073, 2683, 3487, 3488; Ö-H 94 f ) „Die Auswirkungen eines Normenprüfungsverfahrens auf die Sachentscheidung im Einzelfall sind für die Frage der Präjudizialität ohne Bedeutung.“ (VfSlg. 9146; Ö-H 95) In diesem Sinn auch VfSlg. 12.677, 14.798. „Jede Aufhebung von einzelnen Gesetzesstellen durch den VfGH bewirkt notwendig eine Änderung des geprüften Gesetzes. Wie sich diese Änderung nach Art und Bedeutung im konkreten Einzelfall auswirkt, ist vornehmlich von der legistischen Systematik, also von Umständen abhängig, auf die der VfGH keinen Einfluss hat. Der VfGH teilt jedoch nicht die Auffassung, dass es für die Beurteilung der Präjudizialität einer Bestimmung auf die Auswirkungen einer etwa erfolgenden Aufhebung der geprüften Gesetzesvorschrift nicht ankommen könne; er hält es vielmehr für
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seine Aufgabe, den Umfang der zu prüfenden und im Fall ihrer Rechtswidrigkeit aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall ist, dass aber andererseits der verbleibende Text keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt.“ (VfSlg. 13.739; vgl. dazu auch 6674, 7376, 7726, 7786; Ö-H 164) „Eine präjudizielle Bestimmung kann vom VfGH in jeder Hinsicht (losgelöst von den Aspekten des Anlassfalles) geprüft werden. Die in andere Richtung gehende Meinung der Bundesregierung findet weder im Wortlaut noch im Zweck des Art. 140 Abs. 1 B-VG ihre Deckung: Diese Vorschrift soll es dem VfGH ermöglichen, seine Entscheidung aufgrund einer (in jeder Hinsicht) verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlage zu treffen (VfSlg. 9901). Gleiches gilt auch für die Antragsbefugnis des VwGH: Die Umstände des Anlassfalles mögen allenfalls faktisch Bedeutung für den Umstand haben, ob gegen eine Norm Bedenken entstehen. Sind aber – aus welchen Gründen immer – Bedenken entstanden, so löst allein die Anwendbarkeit der Norm die Pflicht des VwGH aus, einen Prüfungsantrag zu stellen.“ (VfSlg. 11.190; Ö-H 169) „Es ist dem VfGH verwehrt, der Norm durch Aufhebung bloßer Teile einen völlig veränderten, dem Gegenstand überhaupt nicht mehr zusinnbaren Inhalt zu geben, weil dies im Ergebnis geradezu ein Akt positiver Gesetzgebung wäre.“ (vgl. VfSlg. 12.465; Ö-H 506) „Es ist zunächst festzuhalten, dass die behauptete Verfassungswidrigkeit der erwähnten Vorschriften nicht etwa auf einem bloßen, dem VfGH nicht greifbaren Untätigsein des Gesetzgebers beruht.“ (VfSlg. 12.667; vgl. auch 8.017; Ö-H 163 f ) „Die Prozessvoraussetzung der Präjudizialität ist bei der amtswegigen Einleitung eines Verordnungsprüfungsverfahrens auch nach der durch die B-VGN BGBl 1975/302 geschaffenen Verfassungsrechtslage in gleicher Weise zu beurteilen wie nach der früheren Fassung des Art. 139 B-VG.“ (VfSlg. 7949; vgl. auch VfSlg. 9751, 10.816. 11.304, 12.067, 14.078; Ö-H, 94) „Wie der VfGH in seinem Erkenntnis VfSlg. 12.677 ausgeführt hat, ist für die Präjudizialität ausschließlich maßgebend, ob eine generelle Norm von der Behörde bzw. dem VfGH im Zuge verfassungsgerichtlichen Verfahrens anzuwenden ist. Nicht aber kommt es auf mögliche Auswirkungen einer allfälligen Rechtswidrigkeit der Norm an, zumal nach der Rechtsprechung des VfGH eine präjudizielle Bestimmung vom VfGH in jeder Hinsicht (losgelöst von den Aspekten des Anlassfalles) auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen ist.“ (VfSlg. 14.231; Ö-H 169)
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„Eine Untätigkeit des Gesetzgebers kann vom Verfassungsgerichtshof dann auf ihre Verfassungsmäßigkeit geprüft werden, wenn es sich bloß um ein partielles Unterlassen handelt, wenn also ein Zusammenhang zu einer bestehenden Norm gegeben ist, der es erlaubt, diese als Bezugspunkt für die Auswirkungen anzusehen, die das gesetzgeberische Unterlassen nach sich zieht (vgl. Oberndorfer, EuGRZ 1988, 193 ff, hier: 196 f.; Holoubek, Rundfunkfreiheit und Rundfunkmonopol, 1990, 197 bis 201; beide mit Judikaturhinweisen). Ein nicht bloß partielles Unterlassen, sondern ein gänzliches Untätigbleiben des Gesetzgebers kann jedoch vom Verfassungsgerichtshof nicht aufgegriffen werden: Weder Art. 140 B-VG noch eine andere Bestimmung der Bundesverfassung ermächtigt den Gerichtshof, den Gesetzgeber zu einem Gesetzgebungsakt zu verpflichten.“ (VfSlg. 14.453) „Ziel jedes Gesetzesprüfungsverfahrens ist es, für das Anlassverfahren eine verfassungsmäßig einwandfreie Rechtsgrundlage herzustellen. Der Antrag des VwGH ist daher insoweit, als er über das Eventualbegehren hinausreicht, zurückzuweisen.“ (VfSlg. 14.691) „Der VfGH hatte zu berücksichtigen, dass bei Zutreffen der im Prüfungsbeschluss geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken zur Erzielung einer verfassungsmäßigen Rechtslage mehrere, nach wahlrechtspolitischen Vorgaben zu bejahende oder verneinende unterschiedliche Wege mit unterschiedlichen Ergebnissen offen stünden. Die damit notwendig verbundene politische Entscheidung, auf welche Weise das Wahlrecht zum LT in Entsprechung der Vorschriften des B-VG zu gestalten sei (etwa Änderung der Wahlbezirke, Einführung einer Ausgleichsregelung), kommt dem Landesgesetzgeber zu. Der VfGH muss infolgedessen – will er nicht selbst einen dieser Wege einschlagen und so dem Landtag vorgreifen – den Umfang der auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu untersuchenden präjudiziellen landesgesetzlichen Bestimmungen so weit ziehen, dass – gegebenenfalls – die gesetzgeberische Körperschaft ihre rechtspolitischen Vorstellungen grundsätzlich auch mit Wirkung für jenes Wahlverfahren zur Geltung bringen könnte, das Anlass zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens gegeben hatte.“ (VfSlg. 14.035; Ö-H 510 f ) „Es ist offenkundig, dass die Art. 139 Abs. 1 und 140 Abs. 1 B-VG den VfGH nicht dazu ermächtigen, jede generelle Norm von Amts wegen zu prüfen, die für seine Entscheidung auch nur irgendwie von Bedeutung sein kann; denn irgendwie bedeutsam kann letztlich jede Norm, dh. die ganze Rechtsordnung sein. Der Sinn dieser bundesverfassungsgesetzlichen Vorschriften ist es vielmehr, den Umfang jener generellen Rechtsnormen, die der VfGH zu prüfen befugt ist, einzugrenzen. Die Schranken lassen sich nicht allgemein umschreiben. Vielmehr hat der VfGH unter Bedachtnahme auf die Beson-
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derheiten des jeweiligen Falles zu entscheiden, wo die Grenze zu ziehen ist.“ (VfSlg. 9751, 10.816, 11.394, 12.067, 14.078; Ö-H 94) „Der VfGH hat wiederholt Normenprüfungsanträge als zu eng gefasst zurückgewiesen, wenn die angefochtenen Bestimmungen mit anderen in einem solchen Zusammenhang stehen, dass durch die beantragte Aufhebung der verbleibenden Bestimmung ein Sinn verliehen würde, der einem dem Normsetzer nicht zusinnbaren Normsetzungsakt gleichkäme (vgl. VfSlg. 13.915, ferner VfSlg. 14.044 und VfSlg. 15.090) Ein solcher Fall liegt hier vor: Im Falle der Stattgebung des vorliegenden Gerichtsantrages würde nicht nur der vom OGH geltend gemachte gesetzwidrige Zustand ausgeweitet, sondern überdies auch die offenkundige Absicht des Verordnungsgebers, Leistungen ... nicht unter allen Umständen zu gewähren, in ihrer Zielrichtung in ihr Gegenteil verkehrt, sodass die gedachte Aufhebung einem dem VfGH verwehrten Akt positiver Gesetzgebung gleichkäme.“ (VfSlg. 15.283; Ö-H, 475) „Der Verfassungsgerichtshof erkennt gemäß Art. 140 Abs. 1 erster Satz B-VG über die Verfassungswidrigkeit eines Bundes- oder Landesgesetzes von Amts wegen, sofern er ein solches Gesetz in einer anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte. Im Sinne dieser Verfassungsnorm sind bei einem vom Verfassungsgerichtshof von Amts wegen einzuleitenden Gesetzesprüfungsverfahren jene gesetzlichen Bestimmungen präjudiziell, die von der Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, bei der Erlassung dieses Bescheides in denkmöglicher Weise – wenn auch vielleicht zu Unrecht – angewendet wurden (zB. VfSlg. 5373/1966, 8318/1978, 8999/ 1980, 12.677/1991) oder die diese Behörde anzuwenden verpflichtet war (zB. VfSlg. 10.617/1985; 11.752/1988, S. 740) und die darum auch der Verfassungsgerichtshof bei der Entscheidung über die gegen den Bescheid erhobene, auf Art. 144 Abs. 1 B-VG gestützte Beschwerde anzuwenden hätte (zB. VfSlg. 6947/1972). Präjudiziell sind aber auch jene gesetzlichen Bestimmungen, die der Verfassungsgerichtshof anzuwenden hätte, obgleich sie von der belangten Behörde weder angewendet wurden noch anzuwenden waren (zB. VfSlg. 8028/1977; 10.292/1984; 10.402/1985; 12.678/1991, S. 422; 13.273/1992; 14.257/1995)“ (G 103/00, vom 28. Juni 2001, VfSlg. 16.241, erstes Ortstafelerkenntnis des VfGH).
3. Eine Analyse der Judikatur Die Kriterien für die Bestimmung der Präjudizialität als Prozessvoraussetzung für ein Verordnungs- oder Gesetzesprüfungsverfahren finden in diesen „Leitsätzen“ bzw. „Rechtssätzen“ aus der Judikatur des VfGH
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einen anschaulichen Niederschlag. Danach unterliegen Verordnungs- und Gesetzesprüfungsverfahren von Amts wegen grundsätzlich den gleichen Voraussetzungen. Das betrifft das Erfordernis der Prüfung zur Klärung der Rechtsgrundlage der Entscheidung in der anhängigen Rechtssache, die Reichweite der Prüfung für die Einleitung eines Prüfungsverfahrens gemäß der Vermutung der Fehlerhaftigkeit, die Grenzen der Aufhebungsbefugnis an der Reichweite der Vorfrage für die Entscheidung in der Sache, sowie die Begrenzung des Umfanges der Aufhebung gemäß der Erheblichkeit der zu lösenden Vorfrage für die anhängige Rechtssache (den Anlassfall). Sinn und Zweck der übereinstimmenden Regelungen der Art. 139 und 140 B-VG ist die Ermöglichung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlage für die Entscheidung in einer beim Gericht anhängigen Rechtssache, also im Dienst an einer konkreten und nicht einer allgemeinen Rechtsbereinigung. Das Prüfungsergebnis ist an den Anlassfall gebunden, es soll für die Entscheidung in der anhängigen Rechtssache eine einwandfreie Rechtsgrundlage liefern und nicht die Rechtsetzung durch den Gesetzgeber oder Verordnungsgeber ersetzen oder vorwegnehmen. Die Aufhebung soll nicht einem dem VfGH verwehrten Akt einer materiellen Gesetzgebung oder Rechtsgestaltung gleichkommen. Eine bloße Untätigkeit des Gesetzgebers (Verordnungsgebers) ist für den VfGH nicht greifbar. Die Auswirkungen der Aufhebung einer Vorschrift sind auch in dieser Hinsicht für die Reichweite der Entscheidung maßgeblich. In diesem Zusammenhang ist vor allem die Frage nach dem Umfang und nach dem Ergebnis der Prüfung bedeutsam. Bei der Einleitung eines Verfahrens von Amts wegen kann es gewiss nicht darauf ankommen, ob die geprüfte Vorschrift schließlich bestätigt oder aufgehoben wird. Für die Aufhebung einer Rechtsvorschrift sind aber die Auswirkungen einer Entscheidung sehr wohl erheblich. Das B-VG und das VfGG setzen nämlich für ein Normenprüfungsverfahren aus Anlass einer Beschwerde einen notwendigen Zusammenhang mit dem Anlassfall voraus und – in der Reichweite der Präjudizialität einer Verordnung und eines Gesetzes – auch einen notwendigen Zusammenhang mit einer formalen oder inhaltlichen Gesetzwidrigkeit bzw. Verfassungswidrigkeit der Rechtsgrundlage für die Entscheidung in der Sache. Die Terminologie: „anzuwenden hätte“ in den Art. 139 und 140 B-VG macht nur Sinn, wenn Verfassungsmäßigkeit bzw. Gesetzmäßigkeit der betreffenden Regelung ihrem Inhalt nach im Sinn des VfGG und des § 32 GO VfGH als Vorfrage eine zwingende Voraussetzung für die Entscheidung in der Hauptfrage im Erkenntnis über eine bestimmte Bescheidbeschwerde bzw. über einen bestimmten
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Antrag eines Gerichtes ist. Unter diesem Gesichtspunkt sind auch manche gegensätzlich scheinende, allgemein formulierte Leitsätze (bzw. „Rechtssätze“) des VfGH zur Frage der Präjudizialität verfassungskonform. Im Allgemeinen halten sich die Leitsätze bzw. Rechtssätze des VfGH zu den Voraussetzungen, zur Reichweite und zu den Grenzen seiner Zuständigkeit zur amtswegigen Prüfung, betreffend den Umfang einer Prüfung auf Antrag oder von Amts wegen, von der Einleitung bis zur Entscheidung, erkennbar innerhalb der verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Grenzen der jeweiligen Vorfrage. Einige der Leitsätze bzw. Rechtssätze in den Erkenntnissen des VfGH sind allerdings so allgemein und apodiktisch formuliert, dass man annehmen könnte, die bloße Anhängigkeit einer Rechtssache bei einem Gericht (also auch beim VfGH selbst) sei ein ausreichender Grund für jede dem VfGH sinnvoll erscheinende Prüfung und Aufhebung der Rechtsgrundlage, ohne Notwendigkeit einer Bedachtnahme auf die durch den Regelungszusammenhang des B-VG, des VfGG und der GO des VfGH vorgegebenen Grenzen. Manche Leitsätze bzw. Rechtssätze zur Prüfungsbefugnis sind so allgemein formuliert, dass ihr Tenor auch über die Grenzen der Aufhebungsbefugnis hinaus zu weisen scheint. Fazit ist, dass der VfGH durch seine Judikatur reichlichen Aufschluss über die für ihn maßgeblichen Bestimmungsgründe für die Präjudizialität von Vorschriften für Einzelfallentscheidungen in Verordnungs- und Gesetzesprüfungsverfahren von Amts wegen gibt. Die zitierten Leitsätze bzw. Rechtssätze sind allerdings aus dem Zusammenhalt der Vorschriften des B-VG und das VfGG mit der GO des VfGH verfassungs- und gesetzeskonform zu deuten. Im Zweifel ist anzunehmen, dass der VfGH seine Zuständigkeit verfassungskonform und gesetzmäßig interpretiert. Für die Deutung der Leitsätze bzw. Rechtssätze gemäß den Vorschriften des B-VG und des VfGG ist erheblich, dass der für die bei ihm selbst anhängigen Rechtssachen zur Prüfung von Amts wegen berufene VfGH darauf zu achten hat, dass die Vorschriften über Verordnungs- und Gesetzesprüfungsverfahren auf gerichtlichen Antrag kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung auch auf seine Verfahren von Amts wegen anzuwenden sind. Die Leitsätze bzw. Rechtssätze aus den Entscheidungsgründen der Erkenntnisse des VfGH verdienen daher auch in dieser Hinsicht eine kritische Gegenüberstellung zu den für die Präjudizialität maßgeblichen Vorschriften des B-VG und des VfGG. Das gilt vor allem für den allzu allgemein formulierten Leitsatz bzw. Rechtssatz zur Präjudizialität im Erkenntnis des Jahres 2001, VfSlg. 16.241, der auch für das Erkenntnisse der Jahres 2005 maßgeblich war.
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Durch die Allgemeinheit und Absolutheit seiner Formulierung vermittelt er den Eindruck einer selbst geschaffenen Blankovollmacht für ein freies Ermessen des VfGH zur Einleitung und Durchführung eines Gesetzesund Verordnungsprüfungsverfahrens von Amts wegen, gerichtet auf eine allgemeine, über den Anlassfall hinausreichende „Rechtsbereinigung“. Ein solcher Leitsatz bzw. Rechtssatz entspricht aber nicht dem Wortlaut und Sinn der Vorschriften des B-VG und des VfGG über die Präjudizialität für Verordnungs- und Gesetzesprüfungsverfahren von Amts wegen.
4. Rechtliche Kriterien der Präjudizialität für amtswegige Verfahren aufgrund von Bescheidbeschwerden Im B-VG und im VfGG werden zur Festlegung der Voraussetzungen für die Zuständigkeiten des VfGH zur Verordnungs- und Gesetzesprüfung von Amts wegen klare Rechtsbegriffe verwendet: „Prüfung“ des „ganzen Inhaltes“ von „Verordnungen“ und von „Gesetzen“, „oder von bestimmten Stellen“; ferner „Gesetzwidrigkeit“, „Verfassungsmäßigkeit“, „auf Antrag“, „von Amts wegen“, „beim Gericht anhängige Rechtssache“, „Anlassfall“, „anzuwenden“, „Vorfrage“, „aussprechen“, „Spruch“ (Ausspruch), „aufheben“ („Aufhebung“). Diese Begriffe stehen zueinander in einem notwendigen verfahrensrechtlichen und kompetenzrechtlichen Sinnzusammenhang und ergeben in ihrem Zusammenhalt homogene Kriterien für eine verfassungskonforme Bestimmung der Reichweite der Zuständigkeit des VfGH von Amts wegen: und zwar im Hinblick auf die Einleitung eines Verfahrens, im Hinblick auf die Prüfung und im Hinblick auf die Aufhebung. Die Vorschriften über die Verordnungsprüfung und über die Gesetzesprüfung stimmen zwar in ihrem Wortlaut nicht gänzlich überein, für Prüfungsverfahren auf Antrag eines Gerichtes und des VfGH von Amts wegen umfassen sie aber gleichartige Eckdaten. Der VfGH interpretiert daher die Kompetenztatbestände der Art. 139 und 140 B-VG bzw. §§ 57 ff und §§ 62 ff VfGG zu Recht immer wieder gemeinsam und unter Gleichsetzung der Kriterien für beide Rechtsquellentypen. Kernpunkt der zwei gleichartigen Regelungszusammenhänge ist die Frage der Präjudizialität, dh. die Frage nach der Erheblichkeit der betreffenden Verordnung und des betreffenden Gesetzes bzw. bestimmter Stellen von solchen, als notwendige Voraussetzung für die Entscheidung über eine bestimmte, beim Gericht (beim Verfassungsgerichtshof ) anhängige Rechtssache. Für beide Arten von Prüfungszuständigkeiten von Amts wegen ist zur Beurteilung der Präjudizialität von Verordnungen und Gesetzen oder „be-
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stimmten Stellen“ davon für Einzelfallentscheidungen in einer „anhängigen Rechtssache“ jedenfalls von den Vorschriften des B-VG und des VfGG über den Antrag eines Gerichtes auf Verordnungs- oder Gesetzesprüfung in einer anhängigen Rechtssache auszugehen. Zur Verordnungsprüfung heißt es im VfGG ausdrücklich: „Diese Bestimmungen finden sinngemäß Anwendung, wenn der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit einer Verordnung von Amts wegen (Art. 139 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes) zu erkennen hat“ (§ 61 VfGG). Ebenso heißt es zur Gesetzesprüfung: „Diese Bestimmungen finden sinngemäß Anwendung, wenn der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes von Amts wegen (Art. 140 Abs. 1 des B-VG) zu erkennen hat.“ (§ 65 VfGG). Das bedeutet, dass dem VfGH für die Vornahme der amtswegigen Prüfung einer Verordnung oder eines Gesetzes (bestimmter Stellen davon) betreffend die Präjudizialität gleiche gesetzliche Voraussetzungen und Grenzen vorgegeben sind, wie einem antragsbefugten Gericht. Gemäß den genannten Vorschriften ist eine Verordnung oder ein Gesetz (bestimmte Stellen von solchen) dann präjudiziell, wenn sie der VfGH (wie ein Gericht) auf eine bei ihm anhängige Rechtssache entweder unmittelbar anzuwenden hat und wenn deren Gesetzwidrigkeit bzw. Verfassungsmäßigkeit eine Vorfrage für die Entscheidung der anhängigen Rechtssache ist. „Anhängig“ bedeutet im Hinblick auf eine Bescheidbeschwerde für das Prüfungsverfahren von Amts wegen, dass die Beschwerde infolge der Erfüllung aller wesentlichen Prozessvoraussetzungen vom Gerichtshof als zu prüfende Rechtssache zuzulassen ist, sofern sie nicht wegen Fehlens einer wesentlichen Prozessvoraussetzung a limine zurückzuweisen wäre. Daraus folgt, dass die Gesetzmäßigkeit einer Verordnung bzw. die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes von bestimmten Stellen für die anhängige Rechtssache (dh. für den Anlassfall) eine Vorfrage im rechtstechnischen Sinn sein muss (§ 32 GO VfGH). Vorfrage ist für eine anhängige Rechtssache (Anlassfall) eine bestimmte Rechtsfrage, deren vorherige Klärung und Entscheidung durch die zuständige Behörde eine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der bei ihr (bei einem Gericht, bzw. beim VfGH) anhängigen Rechtssache ist. Zwischen der Vorfrage und der anhängigen Rechtssache (dem Anlassfall) besteht also gemäß dem Erfordernis der Anwendung ein wesentlicher Zusammenhang. Das bedeutet, dass eine Verordnungs- oder Gesetzesprüfung – sei es auf Antrag oder von Amts wegen – nur dann und nur so weit vorgenommen werden darf, als die Entscheidung des Gerichts (des VfGH) von der Klarstellung der betreffenden Rechtsvorschrift (oder bestimmter Teile davon) abhängt – sei es durch Aufhebung oder Bestäti-
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gung – also eine wesentliche Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit bzw. Verfassungsmäßigkeit der Entscheidung in der anhängigen Rechtssache (im Anlassfall) ist. (… anzuwenden hätte …).34 Für den Gegenstand der Prüfung von Amts wegen (und auf Antrag) ist in diesem Sinn zwischen „Gesetz“ und „Verordnung“ einerseits und „zwischen bestimmten Stellen“ von solchen andererseits zu unterscheiden. Für die Entscheidung in einer anhängigen Rechtssache als Vorfrage ist der ganze Inhalt einer Verordnung oder eines Gesetzes nur selten präjudiziell, etwa infolge eines Kundmachungsmangels. In den meisten Fällen sind nur ein einzelner Paragraph, ein einzelner Satz, eine bestimmte Wortfolge eines Satzes oder überhaupt nur ein einzelnes Wort erheblich und damit auch präjudiziell. Hinsichtlich des Umfangs der Prüfung ist überdies zwischen der Einleitung eines Prüfungsverfahrens und der Aufhebung einer Vorschrift (bestimmter Teile) zu unterscheiden. Das Prüfungsvorhaben steht unter der Vermutung einer Rechtswidrigkeit als Möglichkeit. Die Entscheidung steht jedoch unter der Gewissheit einer Rechtswidrigkeit. Die Vermutung der Rechtswidrigkeit bei der Einleitung eines Prüfungsverfahrens kann daher weiter reichen als die Gewissheit nach erfolgter Prüfung. Hat der VfGH durch die Prüfung über die Reichweite der Rechtswidrigkeit Gewissheit erlangt, dann darf er die fragliche Vorschrift als Vorfrage für die anhängige Rechtssache (für den Anlassfall) nur im Umfang der Rechtswidrigkeit aufheben. Erkenntnisse des VfGH zur Verordnungs- und Gesetzesprüfung von Amts wegen, aus dem Anlass einer Bescheidprüfung, sind nur Anlassentscheidungen und nicht vom Anlass ablösbare abstrakte Rechtsfindungsakte, zum Zweck einer über die anhängige Rechtssache hinausreichenden gesetzgeberischen Rechtsbereinigung. Bei der Einleitung eines Verfahrens von Amts wegen oder auf Antrag kann es gewiss nicht darauf ankommen, ob die geprüfte Vorschrift schließlich bestätigt oder aufgehoben wird. Voraussetzung dafür sind Tatsache und Reichweite eines vermuteten Bedarfs für eine Klarstellung der Rechtmäßigkeit einer bestimmten Rechtsvorschrift im Hinblick auf die anhängige Rechtssache (auf den Anlassfall). Im Zug der Überprüfung der vermuteten Rechtswidrigkeit kann und muss uU. nach Maßgabe der Erheblichkeit für die Beurteilung der Vorfrage jedoch eine Einschränkung der Reichweite der Prüfung erfolgen. Die Auswirkungen der Aufhebung einer Entscheidung sind im Umfang des Erfordernisses der Anwendung ____________________
34 Siehe dazu die subtilen Ausführungen von Spielbüchler, „… anzuwenden hätte, …“. Über den Gegenstand von Normenprüfungsverfahren, in: FS L. Adamovich (1992) 743 ff.
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und nicht gemäß einem allgemeinen Bedürfnis zur Rechtsbereinigung zu beachten. Die aufzuhebende Rechtsvorschrift muss für die Entscheidung als Vorfrage für den Anlassfall erheblich sein. In diesem Sinn sind die Auswirkungen der Aufhebung einer Vorschrift nicht am Beginn, wohl aber am Ende eines Verordnungs- oder Gesetzesprüfungsverfahrens von Amts wegen oder auf Antrag für die Reichweite der Entscheidung sehr wohl von Bedeutung. Dem VfGH sind durch die Notwendigkeit der Klärung für die Anwendung in der anhängigen Rechtssache bzw. auf den Anlassfall objektive Grenzen gesetzt. Darin finden die scheinbaren Gegensätze von einigen zu allgemein formulierten Leitsätzen in der oben dargestellten Judikatur des VfGH ihre Auflösung. Eine andere Deutung wäre angesichts des Wortlauts der Vorschriften des B-VG und des VfGG verfassungsrechtlich nicht vertretbar. Das B-VG und das VfGG setzen für die Reichweite eines Normenprüfungsverfahrens aus Anlass einer Beschwerde nach Art. 144 Abs. 1 B-VG und auf Antrag eines Gerichtes für die Präjudizialität einer Verordnung und eines Gesetzes (oder von bestimmten Stellen) in der Reichweite der Vorfrage im Hinblick auf die Anwendung also einen notwendigen Zusammenhang mit der anhängigen Rechtssache (dem Anlassfall) voraus. Die Entscheidungsbefugnis des VfGH in Verfahren zur Verordnungsoder Gesetzesprüfung von Amts wegen ist gemäß dem B-VG und dem VfGG dem Inhalt und Umfang insofern anlassgebunden eingeschränkt. Inhalt und Reichweite der Zuständigkeit des VfGH zur Einleitung eines Prüfungsverfahrens und zur Entscheidung haben in diesem Sinn in den prozessrechtlichen Voraussetzungen und in den materiellrechtlichen Folgen einer Aufhebung unterschiedliche Grenzen. Die Aufhebung einer Rechtsvorschrift soll und darf nicht die Funktion einer positiven Gestaltung einer bestimmten Gesetzeslage, also eines materiellen Gesetzgebungsaktes einnehmen. Die Präjudizialität hat daher insofern auch in den Folgen einer Aufhebung ihre Grenzen. Der durch das B-VG vorgegebene rechtspolitische Handlungsspielraum des Gesetzgebers darf durch den VfGH weder beeinträchtigt noch vorweg genommen werden. Der VfGH ist kein positiver Gesetzgeber. Abgesehen vom Art. 138 Abs. 2 B-VG ist er nicht befugt, generell abstrakt verbindliche Rechtsinhalte zu erzeugen. Seine Entscheidungsbefugnis ist kassatorisch (aufhebend) bzw. deklaratorisch (feststellend) und nicht meritorisch oder reformatorisch. Die Grenzen der Auswirkungen der Aufhebung einer geprüften Rechtsvorschrift (bestimmter Teile davon) finden in der kassatorischen (deklaratorischen) Entscheidungsbefugnis des VfGH ein maßgebliches Kriterium. Das wird auch durch die Einstellung der Verordnungsprüfung für St. Kanzian vom 26. Juni 2006 erhellt.
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5. Stellungnahmen des Verfassungsgerichtshofs zur Präjudizialität von Ortsnamen Zur Veranschaulichung der Umsetzung bzw. der Nichtumsetzung der Bedingungen der Präjudizialität gemäß den Vorschriften des B-VG und des VfGG werden im Folgenden zunächst die Begründungen des VfGH zu der von ihm für die zwei Bescheidprüfungsverfahren angenommenen Präjudizialität der Rechtsgrundlagen aus den gegenständlichen Erkenntnissen zur Verordnungs- und Gesetzesprüfung wiedergegeben. a. Die Präjudizialität im Erkenntnis aus dem Jahr 2001 35 Aus den Entscheidungsgründen: „III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen: 1. 1. Was das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen anlangt, so ist der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss ... von Folgendem ausgegangen: ‚Der Verfassungsgerichtshof geht ... davon aus, dass die vorliegende Beschwerde zulässig ist. Ferner nimmt der Verfassungsgerichtshof ... an, dass er bei Entscheidung dieser Rechtssache die im Spruch genannten Rechtsvorschriften anzuwenden hätte. Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen in § 2 Abs. 1 Ziff. 2 des VolksgruppenG sowie in § 1 Ziff. 2 der insbesondere darauf gestützten Verordnung BGBl. 1977/306 scheinen für die Gemeinde St. Kanzian das Anbringen topographischer Bezeichnungen in slowenischer Sprache (geradezu) auszuschließen (vgl. dazu die im Erkenntnis VfGH 4. 10. 2000, V 91/99, unter Pkt. III. 3. 1. 1. angestellten Erwägungen zur korrespondierenden Bestimmung der Verordnung BGBl. 1977/307 betreffend die Zulassung der slowenischen Sprache zusätzlich zur deutschen Sprache als Amtssprache vor den Gemeindebehörden und Gemeindedienststellen im politischen Bezirk Völkermarkt; was die hier in Prüfung gezogene Bestimmung in § 2 Abs. 1 Ziff. 2 VolksgruppenG betrifft, so dürfte insoferne sinngemäß das Gleiche zutreffen, als danach das Anbringen zweisprachiger topographischer Bezeichnungen ausdrücklich auf Gebietsteile beschränkt wird, in denen eine ,verhältnismäßig beträchtliche Zahl [ein Viertel]‘ – hier: der slowenischen Volksgruppe – wohnt [in dieser Hinsicht dürfte sich somit § 2 Abs. 1 Ziff. 2 VolksgruppenG von der die Zulassung u.a. des Slowenischen als Amtssprache zusätzlich zum Deutschen betreffenden Regelung des § 2 Abs. 1 Ziff. 3 VolksgruppenG unterscheiden, auf die die mit dem oben erwähnten Erkenntnis vom 4. 10. 2000, V 91/99, aufgehobene Bestimmung in § 2 Abs. 2 Ziff. 3 der Verordnung BGBl. 1977/307 gestützt war])‘.“ „Bloß der Vollständigkeit halber wird auch noch auf Folgendes hingewiesen: Der Annahme, dass im Anlassbeschwerdeverfahren auch die in ____________________
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G 213/03, V 62, 63/01, vom 13. Dezember 2001, VfSlg. 16.404.
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Prüfung gezogenen Bestimmungen des VolksgruppenG und der darauf gestützten Verordnung BGBl. 1977/306 präjudiziell sein dürften, scheint auch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht entgegenzustehen, dass es kein subjektives Recht auf Anbringung eines Hinweiszeichens (einer Ortstafel) gemäß § 44 Abs. 1 und § 53 Ziff. 17a und 17b StVO in deutscher und slowenischer Sprache gebe (VfSlg. 10.209/1984). Im vorliegenden Fall scheint es nämlich um die – gegebenenfalls von Amts wegen zu prüfende – Frage zu gehen, ob die – wie der Verfassungsgerichtshof vorläufig annimmt – von der belangten Behörde bei Erlassung des mit Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpften Bescheides angewendete Bestimmung der diesbezüglichen Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt ordnungsgemäß kundgemacht wurde und somit rechtmäßig ist oder nicht. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorzuliegen scheinen, dürfte das hiemit eingeleitete Gesetzesund Verordnungsprüfungsverfahren zulässig sein.“ Unter Bezugnahme auf das Erkenntnis vom 4. Oktober 2000, V 91/ 99, VfSlg. 15.970 zur Amtssprachenverordnung führte der VfGH zur straßenpolizeilichen Verordnung für St. Kanzian Folgendes aus: „1. 3. 2. 1. Es ist evident, dass sich die im Anlassbeschwerdeverfahren belangte Behörde bei Erlassung des bekämpften Bescheides ausdrücklich auf die in Prüfung gezogene Bestimmung der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt betreffend Straßenverkehrszeichen im Verlauf der St. Kanzianer Straße L 116 gestützt hat (vgl. die entsprechenden, im Prüfungsbeschluss – im dortigen Pkt. II. 2. 2. 1. – wiedergegebenen und hervorgehobenen Passagen der Begründung dieses Bescheides); es weist auch nichts darauf hin, dass dies geradezu denkunmöglich geschehen sei. Schon im Hinblick darauf ist aber diese Verordnungsbestimmung – nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zusammenfassend dazu zuletzt VfGH 28. 6. 2001, G 103/00, Pkt. II. 2. 2. 4. 1) – im vorliegenden Zusammenhang präjudiziell iSd. Art. 139 Abs. 1 B-VG (zum Umfang der Aufhebung der als rechtswidrig erkannten Bestimmung s. unten Pkt. 4. 3.). Dies unabhängig davon, ob die allfällige Rechtswidrigkeit dieser Bestimmung im verfassungsgerichtlichen Bescheidprüfungsverfahren überhaupt zum Tragen kommt (vgl. VfSlg. 9755/1983, 11.190/1986, 13.015/1992), also zur Aufhebung des bekämpften Bescheides führt (s. auch dazu unten Pkt. 4. 3.); in Wahrnehmung seiner durch Art. 139 Abs. 1 erster Satz B-VG auferlegten Rechtsbereinigungsfunktion ist der Verfassungsgerichtshof – bei Vorliegen entsprechender Bedenken – nämlich verpflichtet, jede in einer bei ihm anhängigen Rechtssache anzuwendende Verordnungsbestimmung auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu prüfen.“
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„Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit dieser Verordnungsbestimmung ist aber auch der Umstand von Bedeutung, dass gemäß § 53 Abs. 1 Ziff. 17a StVO auf den Hinweiszeichen „Ortstafel“ und „Ortsende“ der „Name des Ortes“ anzugeben ist. Insoweit dieser Name durch Rechtsvorschriften näher geregelt ist, sind daher auch diese Rechtsvorschriften bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der das Anbringen der Ortstafel regelnden Verordnung iSd. Art. 139 Abs. 1 erster Satz B-VG vom Verfassungsgerichtshof „anzuwenden“. Im vorliegenden Zusammenhang trifft dies insbesondere für die in Prüfung gezogene Bestimmung der Verordnung der Bundesregierung über die Bestimmung von Gebietsteilen zu, in denen topographische Bezeichnungen in deutscher und slowenischer Sprache anzubringen sind; und zwar insoferne, als sie u. a. für die – in der Gemeinde St. Kanzian am Klopeiner See im politischen Bezirk Völkermarkt gelegene – Ortschaft St. Kanzian eine Ortsbezeichnung in slowenischer Sprache ausschließt (in diesem Sinne in vergleichbarem Zusammenhang das Erkenntnis VfGH 4. 10. 2000, V 91/99, Pkt. III. 3. 1. 1.)“ Kommentar: Wie diese Ausführungen des VfGH zur Präjudizialität für die Prüfung von Amts wegen im Jahr 2001 zeigen, nahm der VfGH eine Bescheidbeschwerde zum Anlass, über die Frage der Ortsnamen auf den Verkehrszeichen der Straßenpolizeibehörde ein mehrschichtiges Prüfungsverfahren von Amts wegen durchzuführen: Die Überprüfung einer Straßenpolizeiverordnung für St. Kanzian, weil in dieser Verordnung ein entsprechender slowenischer Ortsname fehlte, ferner die Überprüfung einer Wortfolge in der Topographieverordnung für Kärnten, weil dafür die Gebietsabgrenzung fraglich war. Diese Verordnungsprüfungen nahm der VfGH zum Anlass, eine Wortfolge im VolksgruppenG, die den Minderheitenprozentsatz mit 25 % festlegte, „wegen Widerspruchs“ zum Art. 7 des Staatsvertrages aufzuheben. Auf die Aufhebung der Wortfolge im VolksgruppenG gründete er die Aufhebung einer Wortfolge in der TopographieV. Darauf gründete er die Aufhebung von zwei deutschen Ortsnamen in der straßenpolizeilichen Verordnung für St. Kanzian wegen eines scheinbaren „Widerspruchs“ mit Art. 7 des Staatsvertrages. Die belangte Behörde hatte für ihren Strafbescheid nur die straßenpolizeiliche Verordnung anzuwenden. Anlass war nämlich eine Beschwerde gegen eine rechtmäßige Bestrafung wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung in dem gemäß der straßenpolizeilichen Verordnung durch Verkehrszeichen gesetzmäßig begrenzten und durch amtliche Ortsnamen bezeichneten Ortsgebiet von St. Kanzian. Das gilt auch für den VfGH. Ziel seiner Verordnungsprüfung war jedoch die Herbeiführung von zusätzlichen slowenischen Ortsnamen auf den betreffenden Ortstafeln.
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Wie die Feststellungen des VfGH im Erkenntnis über die Bescheidbeschwerde zeigen, waren die aufgehobenen und die als fehlend angenommenen Ortsnamen auch nach der Meinung des VfGH weder eine zwingende Voraussetzung für den Strafbescheid noch für die Entscheidung des VfGH über die Bescheidbeschwerde. Der VfGH hatte zwar die geprüfte Verordnung anzuwenden, nicht jedoch die noch nicht bestehenden slowenischen Ortsnamen. Die zu Recht bestehenden deutschen Ortsnamen waren weder für den Strafbescheid noch für das abweisende Erkenntnis über die Bescheidbeschwerde erheblich. Sowohl die aufgehobenen deutschen Ortsnamen als auch die vom VfGH reklamierten slowenischen Ortsnamen konnten also für das Bescheidprüfungsverfahren (für die beim VfGH anhängige Rechtssache) im Rechtssinn nicht präjudiziell sein. Hinzu kommt noch der Umstand, dass die aufgehobenen deutschen Ortsnamen in der geprüften Verordnung rechtmäßig bestehende amtliche Namen sind. b. Zur Präjudizialität im Erkenntnis aus dem Jahr 2005 36 Aus den Entscheidungsgründen: „III. 1. 1. Der Verfassungsgerichtshof ging in seinem Prüfungsbeschluss ... davon aus, dass die Beschwerde zulässig sei. Ferner nahm der Verfassungsgerichtshof – unter Hinweis auf die entsprechenden Erwägungen im Erkenntnis VfSlg. 16.404/2001, S. 1003, Pkt. 1. 3. 2. 1. ... an, dass die im Spruch bezeichneten Verordnungsbestimmungen im vorliegenden Zusammenhang präjudiziell sind und – da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorzuliegen scheinen – das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig ist.“ „1. 3. 2. 2. § 2 Abs. 1 Ziff. 2 VolksgruppenG sieht (nach Aufhebung der Wortfolge ‚wegen der verhältnismäßig beträchtlichen Zahl (ein Viertel) der dort wohnhaften Volksgruppenangehörigen‘ mit dem Erkenntnis VfSlg. 16.404/2001 vor, dass durch Verordnung der Bundesregierung festzulegen sind: ‚Die Gebietsteile, in denen topographische Bezeichnungen zweisprachig anzubringen sind.‘ § 12 Abs. 2 erster Satz VolksgruppenG sieht vor: ‚In der Verordnung nach § 2 Abs. 1 Ziff. 2 sind auch die Örtlichkeiten, die für eine zweisprachige Bezeichnung in Betracht kommen, sowie die topographischen Bezeichnungen in der Sprache der in Betracht kommenden Volksgruppe festzulegen; die neben der deutschsprachigen Bezeichnung anzubringen sind. Die im zweiten Satzteil getroffene Regelung betreffend die Festlegung der topographischen Bezeichnungen in der Sprache der in Betracht kommenden Volksgruppen gilt im Hinblick sowohl auf ihren eindeutigen Wortlaut als auch wegen ihres Zusammenhanges mit der restlichen Be____________________
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V 64/05-11 vom 12. Dezember 2005.
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stimmung des § 12 Abs. 2 erster Satzteil sowie des § 2 Abs. 1 Ziff. 2 VolksgruppenG für solche Fälle, in denen durch eine auf das VolksgruppenG gestützte Verordnung ein Gebietsteil als ein solcher bestimmt wurde, in dem topographische Bezeichnungen zweisprachig anzubringen sind. Für die im vorliegenden Zusammenhang allein maßgebliche Frage, ob die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen dem Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz StV Wien widersprechen, weil in der Ortschaft Bleiburg die straßenpolizeilichen Hinweiszeichen ‚Ortstafel‘ und ‚Ortsende‘ – wie es in Art. 7 Ziff. zweiter Satz StV Wien heißt – ‚sowohl in slowenischer Sprache wie in Deutsch‘ zu verfassen gewesen wären, ist hingegen die Verordnung BGBl. 1977/308 ohne Bedeutung. (in diesem Sinne schon VfSlg. 16.404/2001, S. 1004, Pkt. 1. 3. 2. 1., letzter Absatz)“37 „III. 1. 3. 3. Damit erweisen sich aber die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen im vorliegenden Zusammenhang als präjudiziell iSd. Art. 139 Abs. 1 B-VG.“ „2. 3. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich ... nicht veranlasst, von seiner im Erkenntnis VfSlg. 16.404/2001, das ua. ein Verordnungsprüfungsverfahren betraf, das in allen wesentlichen Belangen mit dem hier vorliegenden vergleichbar ist, vertreten und dort ausführlich (insbesondere mit zahlreichen Hinweisen auf die Vorjudikatur) begründeten Rechtsauffassung abzugehen, derzufolge eine Ortschaft, die über einen längeren Zeitraum betrachtet bei den Volkszählungen einen Minderheitenprozentsatz von mehr als 10 % aufweist, als Verwaltungsbezirk mit gemischter Bevölkerung iSd. Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz StV Wien zu qualifizieren ist. Ergänzend dazu wird mit Blick auf die Äußerung der Kärntner Landesregierung auf Folgendes hingewiesen: Dass im vorliegenden Zusammenhang auf ‚Ortschaften‘ und nicht auf ‚Gemeinden‘ oder ‚Verwaltungsbezirke‘ abzustellen ist, erklärt sich – wie im Erkenntnis VfSlg. 16.404/ 2001 ausführlich dargelegt wurde (s. S 1023 bis 1026) – aus Folgendem: Zum einen geht es hier mit den Worten des Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz StV Wien gesprochen: – um das Verfassen von Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur, die sich auf das ‚Ortsgebiet‘ iSd. straßenpolizeilichen Regelungen (bzw. auf die jeweils korrespondierende [Unter] Gliederung des Gemeindegebietes gemäß den gemeinderechtlichen Vorschriften) beziehen. Zum anderen ist auch in dieser Hinsicht – im Übrigen durchaus im Einklang mit der von der Kärntner Landesregierung im Normenprüfungsverfahren zu G 213/01, V 62/01 ua., das zum Erkenntnis VfSlg. 16.404/2001 führte, vertretenen Auffassung – wegen der spezifischen Siedlungsstruktur der slowenischen Volksgruppe bei der Auslegung ____________________
37 Gemeint ist damit die Verordnung der Bundesregierung über slowenische Ortsnamen, in welcher St. Kanzian und Bleiburg nicht enthalten sind.
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des Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz StV Wien von einem – wie es im genannten Erkenntnis heißt – ‚ortschaftsbezogenen Topographieregelungsansatz auszugehen. Der Minderheitenprozentsatz, der sich aus dem Begriff „gemischte Bevölkerung“ iSd. Art. 7 Ziff. 3 StV Wien ergibt, ist – vor allem mangels einer diesbezüglich differenzierenden Regelung in der genannten Staatsvertragsbestimmung – ein einheitlicher, gleich, ob es um die Frage der Zulassung des Slowenischen als Amtssprache zusätzlich zum Deutschen geht (Art. 7 Ziff. 3 erster Satz StV Wien) oder um das Verfassen von Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur sowohl in slowenischer Sprache als auch in Deutsch (Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz StV Wien), und gleich welche territoriale Gliederung (auf Grund der vorstehend genannten Überlegungen) jeweils als ‚Verwaltungsbezirk‘ in Betracht kommt. Die dafür maßgeblichen Überlegungen sind vor allem im Erkenntnis VfSlg. 16.404/2001 (im Besonderen S 1027 bis 1030) ausführlich dargelegt, und zwar insbesondere auch unter Bezugnahme auf die Ergebnisse der Beratungen der Studienkommission für Probleme der slowenischen Volksgruppe in Kärnten, Bundeskanzleramt GZ 601.167/43-VI/1/75, sowie unter Hinweis auf die bis in die 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurück reichenden Vorjudikatur.“ (Hervorhebungen vom Verfasser) Kommentar: Wie diese Begründung zur Präjudizialität für die Prüfung von Amts wegen zeigt, ging der VfGH im Jahr 2005 von der durch ihn im Jahr 2001 im Weg der Aufhebung von Wortfolgen im VolksgruppenG und in der TopographieV „bereinigten Rechtslage“ aus. Das Verfahren zur Überprüfung der Straßenpolizeiverordnung für St. Kanzian über die Aufhebung von zwei deutschen Ortsnamen nahm er auch für die Prüfung der straßenpolizeilichen Verordnung für Bleiburg zum Vorbild, weil auch in dieser Verordnung entsprechende slowenische Ortnamen fehlten. Ziel der Aufhebung der amtlichen deutschen Ortsnamen war abermals die Herbeiführung von zusätzlichen slowenischen Ortsnamen auf den betreffenden Ortstafeln. Die Bescheidbeschwerde bewog den VfGH im Jahr 2005 jedenfalls, die rechtmäßig verwendeten deutschen Ortsnamen im Hinblick auf das Fehlen von entsprechenden slowenischen Ortsnamen wegen „Widerspruchs“ mit dem Staatsvertrag als verfassungswidrig aufzuheben. Wie der Hinweis des VfGH im Erkenntnis über die Bescheidbeschwerde aus dem Jahr 2005 auf sein Erkenntnis über die Bescheidbeschwerde des Jahres 2001 zeigt, waren jedoch die aufgehobenen zwei Ortnamen auch nach der erklärten Auffassung des VfGH weder eine zwingende Voraussetzung für den Strafbescheid noch für seine Entscheidung über die Bescheidbeschwerde. Der VfGH hat also die Ortsnamen in der geprüf-
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ten Verordnung aufgehoben, ohne dass er sie in der anhängigen Rechtssache für sein Erkenntnis über die Bescheidbeschwerde anzuwenden hatte. Die aufgehobenen deutschen Ortsnamen und die vom VfGH reklamierten slowenischen Ortsnamen waren also auch für dieses Bescheidprüfungsverfahren (für die beim VfGH anhängige Rechtssache) im Rechtssinn nicht präjudiziell. Hinzu kommt noch der Umstand, dass die aufgehobenen deutschen Ortsnamen in der geprüften Verordnung rechtmäßige amtliche Namen sind. Durch die Aufhebung der rechtmäßigen deutschen Ortsnamen hat der VfGH die beiden Verordnungen im Hinblick auf die StVO ohne einen zwingenden Rechtsgrund fehlerhaft gemacht.
6. Problemperspektiven Die Behauptung des Beschwerdeführers, wegen der Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung oder eines verfassungswidrigen Gesetzes durch die zwei Strafbescheide in seinen Rechten verletzt zu sein, war also in den beiden Rechtsfällen für die Zulässigkeit der Beschwerde zwar eine theoretisch mögliche aber keine konkret notwendige Voraussetzung. Der Beschwerdeführer kann eine einfache Rechtsverletzung durch ein verfassungswidriges Gesetz bzw. durch eine gesetzwidrige Verordnung zwar behaupten und dadurch den VfGH zu einem Prüfungsverfahren von Amts wegen veranlassen, doch die Beschwerde muss auch materiell zulässig sein, damit der VfGH auch materiell zuständig wird. Zu dieser Frage hat sich der VfGH in den zwei Erkenntnissen allerdings nicht geäußert. In beiden Erkenntnissen fehlt eine Auseinandersetzung mit der Frage der materiellen Legitimation und der objektiven Rechtfertigung der Beschwerde gemäß den Kriterien des Art. 144 B-VG. Der Beschwerdeführer behauptete zwar, in „seinem“ verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf zweisprachige Ortstafeln sowie in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen verletzt zu sein. Der VfGH sprach dem Beschwerdeführer aber das von ihm behauptete verfassungesetzlich gewährleistete Recht ab und nahm auch zur Kenntnis, dass dieser die Verletzung anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Recht nicht behauptet hat. Darüber hinaus stellte der VfGH aber auch fest, dass der Beschwerdeführer gemäß der Straßenverkehrsordnung und der dazu ergangenen Ortstafelverordnungen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung zu Recht bestraft wurde und daher auch in keinem Recht durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes oder einer gesetzwidrigen Verordnung verletzt sein konnte. Das bedeutet, dass die Voraussetzungen für eine materielle Legitimation des Beschwerdeführers und damit auch für eine materielle Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs zu einer Verordnungs- und Gesetzesprü-
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fung von Amts wegen infolge des Fehlens einer zu Recht anhängigen Rechtssache von vornherein nicht gegeben waren. Der Verfassungsgerichtshof hätte die Beschwerde wegen Unzulässigkeit zurückweisen müssen. Stattdessen bejahte der VfGH die Erfüllung der Prozessvoraussetzungen und damit auch die Zulässigkeit der Beschwerde und leitete in beiden Fällen von Amts wegen die Prüfung der dem Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften ein. Damit machte er den betreffenden Rechtsfall ohne entsprechende verfahrensrechtliche Voraussetzungen zu einer bei ihm selbst anhängigen Rechtssache. Auf diese Weise versetzte er sich selbst in die Lage, vor allem über die betreffenden Ortstafelverordnungen der Bezirksverwaltungsbehörde Verordnungsprüfungsverfahren von Amts wegen einzuleiten und durchzuführen. Dabei ging der VfGH zwar zutreffend davon aus, dass diese Verordnungen von der belangten Behörde in beiden Fällen ebenso anzuwenden waren, wie die Straßenverkehrsordnung. Damit geriet er jedoch auf einen Holzweg. Denn diese Vorschriften wurden in verkehrsrechtlicher Hinsicht auch nach seiner Meinung korrekt angewendet und die Verordnungen waren, ungeachtet der möglicherweise noch fehlenden slowenischen Ortsnamen, auch im Hinblick auf die rechtmäßig bestehenden deutschen Ortsnamen, eine verfassungskonforme Grundlage der Bestrafung. Daher bestand für die bei ihm anhängigen, rein verkehrsrechtlichen Rechtssachen kein Anlass zur Aufhebung der deutschen Ortsnamen von Amts wegen. Im Zusammenhang mit den Prüfungsverfahren stellte der VfGH zwar ausführlich dar, dass und warum die belangte Behörde die Straßenverkehrsvorschriften angewendet hat und dass und warum er aus diesem Grund zur Einleitung der Prüfung der Verordnungen zuständig sei. Doch Entscheidungsgrundlagen, Prüfung, Prüfungsziel und Prüfungsergebnis sind nicht dasselbe. Die Zweifel an der Gesetzmäßigkeit konnten sich auf die ganze Verordnung erstrecken, sie konnten aber auch auf eine Wortfolge oder bloß auf einzelne Worte beschränkt sein. Das Prüfungsziel des VfGH war aber nicht auf die anhängige verkehrsrechtliche Problematik gerichtet, sondern ausschließlich auf die für die Ortstafeln zu Recht verwendeten deutschen Ortsnamen, deren Anwendung für die zwei Anlassfälle vom VfGH selbst als unerheblich befunden wurde. Gegenstand der Prüfung waren in Wahrheit nicht die amtlich feststehenden deutschen Ortsnamen, sondern die nach der Meinung des VfGH fehlenden slowenischen Ortsnamen. Für das Prüfungsergebnis bezogen auf den Anlassfall waren diese Namen jedoch unerheblich Die Ortsnamen waren für den VfGH also keine unerlässliche Entscheidungsgrundlage. Das wird durch das Prüfungsergebnis klar bestätigt. Der VfGH hob die rechtmäßigen deutschen Ortsnamen bloß deshalb auf, weil slo-
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wenische Ortsnamen fehlten, obwohl diese Prüfung und Aufhebung für die Entscheidung über die Bescheidbeschwerden von ihm selbst als unerheblich befunden wurde. Er prüfte auch nicht die anzuwendenden Verordnungen schlechthin materiell, sondern nur die für die Strafbarkeit unerheblichen deutschen Ortsnamen im Hinblick auf fehlende slowenische Ortsnamen. Die Entscheidungsgründe sind hauptsächlich auf die rechtliche Begründung dieses Zieles abgestellt. Jenseits der darin gelegenen materiell-rechtlichen Problematik ist für die vorliegenden Bescheidbeschwerden jedenfalls von zentraler Bedeutung, dass der VfGH die Aufhebung der deutschen Ortsnamen für die Beurteilung der Bescheidbeschwerde unerheblich fand. Er bestätigte die bekämpften Bescheide und wies beide Beschwerden ab. Für die zwei Bescheidprüfungsverfahren konnte die Aufhebung der deutschen Ortsnamen also auch im Sinn des VfGH keine rechtliche Bedeutung haben. Das heißt, die wegen Fehlens der slowenischen Ortsnamen als verfassungswidrig befundenen deutschen Ortsnamen waren für seine beiden Entscheidungen über die Bescheidbeschwerden in Wahrheit gar nicht präjudiziell. Darin liegt eine indirekte Bestätigung der Unzulässigkeit nicht nur der Beschwerde, sondern auch der Einleitung und Durchführung der Verordnungs- und Gesetzesprüfungen von Amts wegen („in einer anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte“ Art. 139 Abs. 1 und 140 Abs. 1 B-VG). Gemäß diesem Zusammenhang gab es vor allem für die Verordnungsprüfungsverfahren von Amts wegen nach Art. 139 B-VG keinen rechtlich begründeten Anlass. Die Verwendung der deutschen Ortsnamen und das Fehlen slowenischer Ortsnamen in der geprüften Verordnung waren für die Entscheidungen über die Bescheidbeschwerden nicht präjudiziell. Die Beweisführung dafür ist einfach. Sie wird durch den VfGH sogar selbst dargeboten. Trotz der Aufhebung der rechtmäßigen deutschen Ortsnamen in den zwei Verordnungen der Bezirkshauptmannschaft von Völkermarkt über die Geschwindigkeitsbeschränkung auf den durch die Verordnung geregelten zwei Straßen und ungeachtet der Vorschrift des B-VG über die Rechtswirksamkeit einer Aufhebung für den Anlassfall wies der Verfassungsgerichtshof beide Beschwerden wegen Rechtmäßigkeit der Bescheide der Berufungsinstanz mit der Feststellung als unbegründet ab, dass der Beschwerdeführer durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch in Rechten durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden war. Die Aufhebung der zwei Ortsnamen betrachtete er als für seine zwei Erkenntnisse über die Bescheidbeschwerden unerheblich. Der Verfassungsgerichtshof benötigte im Grunde sogar die Fortgeltung der Verordnungen für die Anlassfälle, um die Rechtmäßigkeit der letztin-
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stanzlichen Entscheidungen bestätigen und die Beschwerden abweisen zu können. Andernfalls hätte der VfGH im Zug der Bescheidprüfungsverfahren, die angefochtenen Bescheide gemäß der befristeten Aufhebung der „Rechtsgrundlage“, aufheben müssen. Der VfGH spricht in seinen Erkenntnissen zur Verordnungsprüfung zwar von „Präjudizialität“ und von „präjudiziell“, die Begründung zu dieser Frage ist aber rein formal und inhaltsleer. Die zwei Verordnungen waren zwar von der belangten Behörde anzuwenden und wurden auch angewendet (auch vom VfGH), doch sowohl die deutschen als auch die slowenischen Ortsnamen waren für die Entscheidung des VfGH unerheblich. Maßgeblich für die zwei Strafbescheide war die Gesetzmäßigkeit der straßenpolizeilichen Verkehrszeichen. Hierzu kann man den VfGH selbst zitieren: „Es ist offenkundig, dass die Art. 139 Abs. 1 und 140 Abs. 1 B-VG den VfGH nicht dazu ermächtigen, jede generelle Norm von Amts wegen zu prüfen, die für seine Entscheidung auch nur irgendwie von Bedeutung sein kann; denn irgendwie bedeutsam kann letztlich jede Norm, dh. die ganze Rechtsordnung sein. Der Sinn dieser bundesverfassungsgesetzlichen Vorschriften ist es vielmehr, den Umfang jener generellen Rechtsnormen, die der VfGH zu prüfen befugt ist, einzugrenzen. Die Schranken lassen sich nicht allgemein umschreiben. Vielmehr hat der VfGH unter Bedachtnahme auf die Besonderheiten des jeweiligen Falles zu entscheiden, wo die Grenze zu ziehen ist.“38 Der VfGH verallgemeinerte und formalisierte in beiden Verordnungsprüfungen seine Zuständigkeit zur Entscheidung über den Anlassfall hinaus. Er wollte sichtlich für die Zukunft einen einheitlichen Maßstab festsetzen. Die Notwendigkeit, eine Vorschrift auf den Anlassfall anzuwenden („anzuwenden hat“) wurde entgegen seiner eigenen Judikatur auf ein bloßes Betreffen reduziert. Kriterium war nicht die Notwendigkeit der Überprüfung für den konkreten Beschwerdefall zur Klärung einer entscheidungsrelevanten Vorfrage, sondern die bloße Tatsache der Anwendung der Verordnung und die abstrakte Zuständigkeit des VfGH zur Verordnungsund Gesetzesprüfung von Amts wegen. In Verbindung damit nahm der VfGH für sich eine allgemeine, vom Anlassfall abgehobene Zuständigkeit zur Rechtsbereinigung in Anspruch. Wie alles, was König Midas berührte, zu Gold wurde, so scheint alles, was der VfGH berührt, rechtserheblich zu werden. Mit einer derart allgemeinen Rechtfertigung seiner Zuständigkeit zur Rechtsbereinigung gerät der VfGH zwangsläufig in die Rolle eines positiven Gesetzgebers, die ihm nach der Verfassung nicht zukommt. Seine Rechtsmeinung zur Frage der Ortstafeln konnte der VfGH allerdings nicht als einen verbindlichen Spruch festlegen, sondern nur in ____________________
38
VfSlg. 9.751, 10.816, 11.394, 12.067, 14.078; Ö-H 94.
Die Präjudizialität
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den Entscheidungsgründen, als seine Rechtsauffassung für den Spruch über die Aufhebung. Eine solche Rechtsmeinung erwächst nicht in Rechtskraft. Sie bindet auch den VfGH nur faktisch. Dieser könnte seine Rechtsmeinung jederzeit auch ändern. Im Zusammenhang mit den oben zitierten Leitsätzen aus den Erkenntnissen des VfGH erscheint daher nicht nur die Frage der Präjudizialität von Rechtsvorschriften für Verfahren über Bescheidbeschwerden beachtlich, sondern auch die Präjudizialität von derart verallgemeinerten Leitsätzen (bzw. „Rechtsätzen“) in den Begründungen seiner Einzelfallentscheidungen für spätere Erkenntnisse. Die Präjudizialität von Einzelfallentscheidungen spielt nicht nur in der Judikatur des VfGH zum Art. 7 Staatsvertrag von Wien eine entscheidende Rolle. Wichtige Feststellungen zu Rechtsfragen in älteren Erkenntnissen werden in jüngeren Erkenntnissen zur Begründung teilweise wörtlich wiederholt, teilweise wird auf sie nur verwiesen. Eine einmal gefällte Entscheidung des VfGH entfaltet durch die „Leitsätze“ bzw. „Rechtssätze“ eine normative Beispielswirkung für gleichartige Fälle in der Zukunft (Präzedenzfall). Gibt es einmal einen entsprechenden „Leitsatz“ bzw. „Rechtssatz“, dann prüft der VfGH die Kriterien der Präjudizialität nicht mehr. Er begnügt sich damit, auf die in ähnlichen Fällen gefällten Vorentscheidungen zu verweisen und ohne Bedachtnahme auf die verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Schranken zu dogmatisieren, wie im Besonderen in seinem Erkenntnis aus dem Jahr 2001. (Näheres dazu weiter unten, im Vierten Teil)
Dritter Teil
Verfassungsrechtliche Perspektiven I. Die föderalistischen Kompetenzen zur Durchführung von Staatsverträgen in Gesetzgebung und Vollziehung 1. Die Rechtsgrundlagen Das B-VG enthält dazu folgende maßgebliche Vorschriften: Art. 2 (1) B-VG Österreich ist ein Bundesstaat. (2) Der Bundesstaat wird gebildet aus den selbständigen Ländern: Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg, Wien. Art. 10 (1) B-VG Bundessache ist die Gesetzgebung und die Vollziehung in folgenden Angelegenheiten. 1. Bundesverfassung, insbesondere Wahlen zum Nationalrat, Volksabstimmungen aufgrund der Bundesverfassung; Verfassungsgerichtsbarkeit; 2. äußere Angelegenheiten mit Einschluss der politischen und wirtschaftlichen Vertretung gegenüber dem Ausland, insbesondere Abschluss von Staatsverträgen, unbeschadet der Zuständigkeit der Länder nach Art. 16 Absatz 1. Art. 15 (1) B-VG Soweit eine Angelegenheit nicht ausdrücklich durch die Bundesverfassung der Gesetzgebung oder auch der Vollziehung des Bundes übertragen ist, verbleibt sie im selbständigen Wirkungsbereich der Länder. Art. 16 (1) B-VG Die Länder können in Angelegenheiten, die in ihren selbständigen Wirkungsbereich fallen, Staatsverträge mit an Österreich angrenzenden Staaten oder deren Teilstaaten abschließen. … (4) Die Länder sind verpflichtet, Maßnahmen zu treffen, die in ihrem selbständigen Wirkungsbereich zur Durchführung von Staatsverträgen erforderlich werden; kommt ein Land dieser Verpflichtung nicht rechtzeitig nach, so geht die Zuständigkeit zu solchen Maßnahmen, insbesondere zur Erlassung der notwendigen Gesetze auf den Bund über. Eine gemäß dieser Bestimmung vom Bund getroffene Maßnahme, insbesondere ein solcherart erlassenes Gesetz oder eine solcherart erlassene Verordnung, tritt außer Kraft, sobald das Land die erforderliche Maßnahme getroffen hat.
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Verfassungsrechtliche Perspektiven
(5) Ebenso hat der Bund bei Durchführung völkerrechtlicher Verträge das Überwachungsrecht auch in solchen Angelegenheiten, die zum selbständigen Wirkungsbereich der Länder gehören. Hiebei stehen dem Bund die gleichen Rechte gegenüber den Ländern zu wie bei den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung (Art. 102). Art. 50 (1) B-VG Politische Staatsverträge, andere nur, sofern sie gesetzändernden oder gesetzesergänzenden Inhalt haben und nicht unter Art. 16 Absatz 1 fallen, dürfen nur mit Genehmigung des Nationalrats abgeschlossen werden. Soweit solche Staatsverträge Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regeln, bedürfen sie überdies der Zustimmung des Bundesrates. (2) Anlässlich der Genehmigung eines unter Absatz 1 fallenden Staatsvertrages kann der Nationalrat beschließen, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist. (3) Auf Beschlüsse des Nationalrates nach Absatz 1 und Absatz 2 sind Artikel 42 Absatz 1 bis 4 und, wenn durch den Staatsvertrag Verfassungsrecht geändert oder ergänzt wird, Artikel 44 Absatz 1 und 2 sinngemäß anzuwenden; in einem gemäß Absatz 1 gefassten Genehmigungsbeschluss sind solche Staatsverträge oder solche in Staatsverträgen enthaltene Bestimmungen ausdrücklich als „verfassungsändernd“ zu bezeichnen. Art. 102 (1) B-VG Im Bereich der Länder üben die Vollziehung des Bundes, soweit nicht eigene Bundesbehörden bestehen (unmittelbare Bundesverwaltung), der Landeshauptmann und die ihm unterstellten Landesbehörden aus (mittelbare Bundesverwaltung). (2) ... (3) Dem Bund bleibt es vorbehalten, auch in den im Absatz 2 aufgezählten Angelegenheiten den Landeshauptmann mit der Vollziehung des Bundes zu beauftragen. (4) ... (5) Wenn in einem Land in Angelegenheiten der unmittelbaren Bundesverwaltung die sofortige Erlassung von Maßnahmen zur Abwehr eines offenkundigen, nicht wieder gutzumachenden Schadens für die Allgemeinheit zu einer Zeit notwendig wird, zu der die obersten Organe der Verwaltung des Bundes wegen höherer Gewalt dazu nicht in der Lage sind, hat der Landeshauptmann an deren Stelle die Maßnahmen zu treffen. Art. 115 (1) B-VG Soweit in den folgenden Artikeln von Gemeinden die Rede ist, sind darunter die Ortsgemeinden zu verstehen. (2) Soweit nicht ausdrücklich eine Zuständigkeit des Bundes festgesetzt ist, hat die Landesgesetzgebung das Gemeinderecht nach den Grund-
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sätzen der folgenden Artikel dieses Abschnittes zu regeln. Die Zuständigkeit zur Regelung der gemäß den Art. 118, 118a und 119 von den Gemeinden zu besorgenden Angelegenheiten bestimmt sich nach den allgemeinen Vorschriften dieses Bundesverfassungsgesetzes. (Hervorhebungen vom Verfasser)
2. Zuständigkeiten zur Durchführung von Staatsverträgen In der Terminologie des B-VG findet man zu den Staatsverträgen das Begriffspaar „Abschluss“ und „Durchführung“. Der Begriff „Abschluss“ bedeutet die Zuständigkeit zur Erzeugung, die Herbeiführung der innerstaatlichen Geltung eingeschlossen. Der Begriff „Durchführung“ bedeutet die Herstellung der innerstaatlichen Anwendbarkeit eines Staatsvertrages durch die erforderlichen Gesetze und Verordnungen des Bundes und der Länder sowie die konkrete Vollziehung im Bundes- und Landesbereich. Der Begriff „Durchführung“ ist also nicht identisch mit dem verfassungsrechtlichen Allgemeinbegriff „Vollziehung“; er umfasst neben der Gesetzgebung auch die Verordnungsgebung und die individuell-konkrete Vollziehung. Der verfassungsrechtliche Begriff „Vollziehung“ umfasst die „Regierung“ mit der Verwaltung und die Gerichtsbarkeit, die Verwaltungs- und Verfassungsgerichtsbarkeit eingeschlossen. Der Abschluss von Staatsverträgen ist gemäß Art. 10 Abs. 1 Ziff. 2 B-VG primär Bundessache; in diesem Bereich gemäß Art. 16 B-VG sekundär auch Landessache. Dem Bund kommt also bei der Erzeugung und Durchführung von Staatsverträgen vor den Ländern ein Vorrang zu. Die Durchführung von Staatsverträgen des Bundes durch Gesetze ist dennoch gemäß den Kompetenzvorschriften des B-VG zwischen dem Bund und den Ländern geteilt; und zwar gemäß den Besonderheiten der Vorschriften der Art. 16 Abs. 5 B-VG, bedingte Eingriffsmöglichkeiten des Bundes in Landeskompetenzen eingeschlossen. Daraus folgt, dass gemäß der Bundesverfassung neben dem Bund auch die Länder berufen sind, für die Staatsverträge des Bundes „Maßnahmen zu treffen, die in ihrem selbständigen Wirkungsbereich zur Durchführung von Staatsverträgen erforderlich werden“; also auch die erforderlichen Gesetze zu erlassen. Für den Fall der Untätigkeit eines Landes ist eine Devolution der Zuständigkeit des Landes zu entsprechenden Maßnahmen auf den Bund vorgesehen, „insbesondere zur Erlassung der notwendigen Gesetze“. Die Zuständigkeit der Länder zur Gesetzgebung bleibt dabei grundsätzlich gewahrt. Das bedeutet, dass ein Land, ungeachtet einer möglichen Devolution seiner Zuständigkeit auf den Bund, von der ihm zukommenden Zuständigkeit zur Gesetzgebung jederzeit Gebrauch machen und die erforderlichen Landesgesetze erlassen kann.
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Der Staatsvertrag von Wien enthält in dieser Hinsicht keine abweichenden Vorschriften. Das bedeutet, dass die Landeskompetenzen zur Durchführung der Ziff. 3 im Art. 7 des vom Bund abgeschlossenen Staatsvertrages von Wien grundsätzlich nicht beeinträchtigt sind. Das gilt sowohl für Maßnahmen zur Durchführung auf dem Gebiet der Gesetzgebung als auch auf dem Gebiet der Vollziehung. Der Bund ist zwar zuständig, durch Staatsverträge auch Materien zu erfassen, die in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fallen. Die Setzung von Maßnahmen zu ihrer Durchführung (Gesetze, Verordnungen und Vollzugsakte) erfolgt jedoch gemäß der Kompetenzverteilung geteilt und kooperativ. Das bedeutet, dass ein Staatsvertrag, der zu seiner Anwendbarkeit noch einer gesetzlichen Ausführung bedarf, weil er nicht unmittelbar anwendbar ist, im Bereich der Landeskompetenzen im Bedarfsfall auch durch Landesgesetze durchzuführen ist.39 Dazu schreibt Öhlinger:40 „Um die Erfüllung der durch Bundesorgane begründeten völkerrechtlichen Verpflichtungen zu sichern, räumt Art. 16 Abs. 2 B-VG dem Bund ein Überwachungsrecht auch in solchen Angelegenheiten ein, die in die Kompetenz der Länder fallen. Dabei stehen dem Bund die gleichen Befugnisse gegenüber den Ländern zur Verfügung wie im Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung. Dies schließt vor allem ein Recht zur Erteilung von Weisungen ein.“ „Anlässlich der Beratungen der Bundesverfassungsnovelle 1964 wurden allerdings im Nationalrat und im Bundesrat gleich lautende Entschließungen gefasst, mit denen die Bundesregierung aufgefordert wurde, diese Rechtslage zu prüfen. In einem daraufhin ergangenen Bericht empfahl die Bundesregierung eine Ergänzung des Art. 16 Abs. 1 B-VG in der Richtung, dass ein gemäß dieser Bestimmung erlassenes Gesetz oder auch eine gemäß dieser Bestimmung erlassene Verordnung wieder außer Kraft tritt, sobald ein Land seinerseits den entsprechenden Akt zur Erfüllung des Staatsvertrages setzt. Darin wird eine Stärkung des föderalistischen Elementes der österreichischen Bundesverfassung erblickt.“ Die Frage der innerstaatlichen Verbindlichkeit von Staatsverträgen hängt also mit der Frage ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit eng zusammen. In dieser Hinsicht ist im Folgenden vor allem die Frage der „Durchführung“ der Ziff. 3 im Art. 7 des Staatsvertrages von Wien zu klären. ____________________
39 Zum Verhältnis von Bundes- und Landeskompetenzen bei der Vollziehung von Staatsverträgen siehe Öhlinger, Der völkerrechtliche Vertrag im staatlichen Recht (1973) 133 ff und 163 ff, insbes. 163 ff. 40 Öhlinger, 164 f. – Die Neufassung des Abs. 4 erfolgte durch die Bundesverfassungsgesetz-Novelle BGBl. 685/1988 in der Fassung der Bundesverfassungsesetz-Novelle, BGBl. 276/1992. Für die Durchführung des Art. 7 StV von Wien in diesem weiteren Sinn ist grundsätzlich ein koordiniertes Vorgehen von Bund und Ländern erforderlich.
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Die „Durchführung“ des Staatsvertrages ist ohne Zweifel keine ausschließliche Bundessache, sondern zwischen Bund und Ländern gemäß ihren Materienkompetenzen aufgeteilt. Dabei gebietet die Rücksichtnahmepflicht „jedem Gesetzgeber, auf die vom Gesetzgeber der gegenbeteiligten Gebietskörperschaft kompetenzmäßig wahrgenommenen Interessen Bedacht zu nehmen. Die Pflicht besteht freilich nur dann und nur insoweit, als die Gesetze der gegenbeteiligten Gebietskörperschaft ihrerseits die Rücksichtnahmepflicht nicht verletzen. Die Gesetze beider stehen demnach in einem solchen Abhängigkeitsverhältnis zueinander, dass es ausgeschlossen ist, die eine ohne die andere Norm zu prüfen.“41 Die Vorschriften über die geteilten Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Gesetzgebung und der Vollziehung gemäß Art. 11 bis 15 B-VG gelten vorbehaltlich verfassungsgesetzlicher Besonderheiten allerdings nur grundsätzlich. Für den Minderheitenschutz gibt es solche verfassungsrechtliche Besonderheiten. Der Schutz der Minderheiten ist nämlich gemäß Art. 10 Abs. 1 Ziff. 1 und Art. 8 B-VG Bundessache in Gesetzgebung und Vollziehung. Deshalb und wegen der Anhebung der Schutzvorschriften des Staatsvertrages von St. Germain und des Staatsvertrages von Wien für sprachliche Minderheiten in den Verfassungsrang bleibt den Ländern nur wenig Raum für Gesetzgebung und Vollziehung im selbständigen Wirkungskreis. Für die innerstaatliche Durchführung des Art. 7 StV von Wien ist aber dennoch ein koordiniertes Vorgehen von Bund und Ländern unerlässlich. Auf dem Gebiet der Unterrichtssprache hat man in Abweichung von der Kompetenzverteilung der Art. 10 bis 15 B-VG den Weg von besonderen Verfassungsbestimmungen gewählt. Auf den Gebieten der Amtssprache und der topographischen Bezeichnungen und Aufschriften begenügte man sich – von einer Ausnahme abgesehen – mit einem einfachen Bundesgesetz. In diesem Sinn wurde im Einvernehmen zwischen dem Bund und den Ländern, vor allem mit dem Land Kärnten, vom Bund das VolksgruppenG erlassen. Dieses beinhaltet im § 23 Abs. 2 ausnahmsweise eine Verfassungsbestimmung, um die Gebührenfestsetzung zu vereinheitlichen. Die Zuständigkeit des Gemeinderates zur Namensgebung für Ortschaften wurde nicht erwähnt, obwohl sie zufolge ihrer Allgemeinheit die Frage der zweisprachigen topographischen Bezeichnungen und Aufschriften überschreitet. Eine Einbindung des Landes Kärnten in die Durchführung des zweiten Satzes der Ziff. 3 des Art. 7 StV von Wien war und ist daher unerlässlich. Wegen der grundsätzlich uneingeschränkt geblieben allgemeinen Landeskompetenz für Ortsnamen, muss auch das Land Kärnten wegen seiner verfassungsgesetzlich gewährleisteten Zuständigkeiten gemäß ____________________
41
VfSlg. 10.292, zitiert nach Öhlinger – Hiesel, aaO. 172.
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Art. 16 Abs. 6 B-VG in die Durchführung des Staatsvertrages für zweisprachige Ortsnamen in den Willensbildungsprozess auf Bundesebene verfassungskonform eingebunden werden. Die Bundesregierung erließ dazu aufgrund des VolksgruppenG für Kärnten die erforderlichen Durchführungsverordnungen; im Einvernehmen mit dem Nationalrat und nach Anhörung der Landesregierung von Kärnten. Für die topographischen Bezeichnungen und Aufschriften wurden dadurch die geltenden Vorschriften über die Straßenpolizei (Straßenpolizeiordnung und Ortstafelverordnungen der Bezirkshauptmannschaften) und die Vorschriften der Kärntner Allgemeinen Gemeindeordnung über das Namensgebungsrecht des Gemeinderates für Ortschaften in der Reichweite dieser Bundesvorschriften präjudiziert. Das bedeutet, dass die Bezirkshauptmannschaften als Vollzugsbehörden des Landes Kärnten auf dem Gebiet der Straßenpolizei und die Gemeinderäte der in Betracht kommenden Ortschaften bei der Wahrnehmung der ihnen zukommenden Kompetenzen nach Maßgabe des VolksgruppenG und der Durchführungsverordnungen des Bundes zur Bedachtnahme auf diesen Rechtszustand verpflichtet sind. Der VfGH hat in seinem Erkenntnis aus dem Jahr 1958 zur Kompetenzfeststellung für Fragen der Minderheit gemäß Art. 138 Abs. 2 B-VG und § 56 Abs. 4 VfGG einen verbindlichen Rechtssatz erlassen: „Die Regelung der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit fällt nach Art. 10 Abs. 1 Z. 1 (‚Bundesverfassung‘) B-VG in der Fassung von 1929 in Gesetzgebung und Vollziehung in die Zuständigkeit des Bundes.“42 In den Entscheidungsgründen wurde dazu Folgendes ausgeführt: „Durch Art. 10 Abs. 1 Ziff. 1 B-VG werden die Angelegenheiten der ,Bundesverfassung‘, unter beispielsweisem Hinweis auf die Wahlen zum Nationalrat und auf die Volksabstimmungen auf Grund der Bundesverfassung, in Gesetzgebung und Vollziehung dem Bunde zugewiesen. Auch Art. 138 Abs. 2 B-VG zitiert die Kompetenzartikel (Art. 10 bis 15), ohne Art. 10 Abs. 1 Ziff. 1 auszunehmen. Allerdings sind die Kompetenzartikel lediglich dazu bestimmt, die Zuständigkeitsbereiche der einfachen Gesetzgeber (Bund und Länder) voneinander zu scheiden. Hingegen kann grundsätzlich jede Materie durch ein Verfassungsgesetz oder eine Verfassungsbestimmung des Bundes geregelt werden. Dies hebt zu Recht das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Juni 1953, Slg. Nr. 2527, hervor. Gleichwohl geht dem Art. 10 Abs. 1 Ziff. 1 B-VG nicht jegliche Bedeutung als Kompetenztatbestand ab, denn aus ihm ist jedenfalls abzuleiten, dass, soweit er reicht, die Länderzuständigkeit ausgeschlossen ist. Dieser Kom____________________
42
VfSlg. 3314/1958.
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petenztatbestand fällt aber keineswegs mit den vom Bund erlassenen Verfassungsgesetzen (Verfassungsbestimmungen) zusammen. Er ist vielmehr, wie auch die übrigen Kompetenztatbestände, historisch auszulegen und umfasst jene Angelegenheiten, die stets und insbesondere im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kompetenzverteilung unter ‚Bundesverfassung‘ verstanden worden sind. Dazu gehören das Bundes-Verfassungsgesetz selbst und die Ausführungsgesetze zu ihm, soweit ihre Erlassung, wie die der Landesverfassungsgesetze, nicht in die Zuständigkeit der Länder fällt. Im Umfange der Geltung des Kompetenztatbestandes ‚Bundesverfassung‘ (Art. 10 Abs. 1 Ziff. 1) ist nur der Bundesgesetzgeber zu Normsetzungsakten und zu deren Vollziehung zuständig, wobei allerdings auf Gebieten die durch Verfassungsgesetze geregelt sind, zur Vermeidung einer Verfassungswidrigkeit ebenfalls die Form eines Verfassungsgesetzes gewählt werden muss. Den Ländern fehlt somit die Zuständigkeit, auf dem Gebiete ‚Bundesverfassung‘ Gesetze zu beschließen.“ (Siehe dazu jedoch die Einschränkung weiter unten) „Zum Begriff ‚Bundesverfassung‘ gehören nun auch die Grundrechte und damit auch das Nationalitätenrecht. Dies ergibt sich aus Art. 19 StGG, wobei seine konkrete Anwendbarkeit in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung ist (im Erkenntnis Slg. Nr. 2459/1952 ist sie verneint worden). Bestimmungen über das Recht der nationalen Minderheiten enthält auch der Abschnitt V des III. Teiles des Staatsvertrages von St. Germain, welcher als Verfassungsgesetz im Sinne des B-VG gilt (Art. 149 B-VG). Auch Art. 8 B-VG gedenkt der sprachlichen Minderheiten im Zusammenhang mit der Regelung der Staatssprache. Die Bestimmungen des Art. 7 des österreichischen Staatsvertrages 1955 betreffen ebenfalls Angelegenheiten des nationalen Minderheitenrechtes, sie fallen daher systematisch unter den Begriff ‚Bundesverfassung‘ nach Art. 10 Abs. 1 Ziff. 1. Für die Länder kann sich allerdings aus Art. 16 B-VG ergeben, dass sie in ihrem selbständigen Wirkungskreis in Durchführung eines Staatsvertrages Maßnahmen auch für nationale Minderheiten zu treffen haben. Aus Art. 7 des österreichischen Staatsvertrages folgt aber, dass es um Maßnahmen geht, die jedenfalls auch in den Zuständigkeitsbereich des Bundes, wenngleich nur für die Länder Kärnten, Burgenland und Steiermark, fallen, und dass in den drei Ländern nicht verschiedenes Recht gelten kann. Vor allem muss die Frage, was unter dem Begriff der slowenischen oder kroatischen Minderheit zu verstehen ist, für den gesamten Rechtsbereich einheitlich geregelt werden. Sohin erlaubt es auch Art. 16 B-VG im Zusammenhang mit dem österreichischen Staatsvertrag 1955 den Ländern nicht, den Begriff der Minderheiten selbständig zu bestimmen und damit die Frage zu regeln, wer als ihr Angehöriger anzusehen ist.“ (Hervorhebungen vom Verfasser)
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Für die Festlegung der Ortsnamen liegt die Bedeutung dieser Auslegung auf der Hand. Dabei ist zu bedenken, dass der vom Begriff „Bundesverfassung“ umschlossene Begriff „Minderheitenschutz“ einen Grundrechtsschutz bedeutet, der die institutionellen Vorkehrungen zu dessen Gewährleistung nicht selbstredend mit umfasst. Zu bedenken ist ferner, dass Art. 7 des Staatsvertrages von Wien nicht nur die Gewährung eines Grundrechtes auf die eigene Sprache betrifft, sondern auch institutionelle Vorkehrungen voraussetzt, die einer gesetzlichen Durchführung bedürfen, um diese Vorschrift für die Vollziehung in einer rechtsstaatlichen Weise anwendbar zu machen.
3. Die Rechtsgrundlagen für Ortsbezeichnungen und Ortsnamen a. Die Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. 159/1960 idgF. 43 § 2 Ziff. 15 Ortsgebiet: das Straßennetz innerhalb der Hinweiszeichen „Ortstafel“ (§ 53 Ziff. 17a) und „Ortsende“ (§ 53 Ziff. 17b). § 53 (1) Die Hinweiszeichen weisen auf verkehrswichtige Umstände hin. Hinweiszeichen sind die folgenden Zeichen: ORTSTAFEL Ziff. 17a Dieses Zeichen gibt den Namen eines Ortes an und ist jeweils am Beginn des verbauten Gebietes anzubringen. Ein Gebiet ist dann verbaut, wenn die örtliche Zusammengehörigkeit mehrerer Bauwerke leicht erkennbar ist. Auf Autobahnen, ausgenommen am Ende einer Ausfahrtsstraße, darf dieses Zeichen nicht angebracht werden. Bei Orten, die berechtigt sind, die Bezeichnung Erholungsdorf zu führen, kann eine grüne Tafel mit der weißen Aufschrift „Erholungsdorf“ unterhalb der Ortstafel angebracht werden. ORTSENDE Ziff. 17b. Dieses Zeichen ist auf der Rückseite des Zeichens „Ortstafel“ anzubringen; dem Zeichen kann ein Hinweis auf die Entfernung bis zum nächsten Ort mit Verkehrsbedeutung beigefügt werden. ... § 20 (2) StVO Sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erlässt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren. ____________________
43 Bundesgesetz vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960). Stammfassung: BGBl. Nr. 159/ 1960 idgF.
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§ 43 Abs. 1 StVO mit „Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise“ überschrieben sieht u.a. Folgendes vor: (1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung, … b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert, 1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen, ... § 44 (1) (Kundmachung) Die im § 43 bezeichneten Verordnungen sind, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§ 16 AVG) festzuhalten. … Als Straßenverkehrszeichen zur Kundmachung von im § 43 bezeichneten Verordnungen kommen die Vorschriftszeichen sowie die Hinweiszeichen „Autobahn“, „Ende der Autobahn“, „Autostraße“, „Ende der Autostraße“, „Einbahnstraße“, „Ortstafel“, „Ortsende“, „Internationaler Hauptverkehrsweg“, „Bundesstraße mit Vorrang“, „Bundesstraße ohne Vorrang“, „Landes- oder Bezirksstraße“, „Straße für Omnibusse“ und „Fahrstreifen für Omnibusse“ in Betracht. ... § 94b Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde (1) Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, sofern der Akt der Vollziehung nur für den betreffenden politischen Bezirk wirksam werden soll und sich nicht die Zuständigkeit der Gemeinde oder der Bundespolizeibehörde ergibt, die Bezirksverwaltungsbehörde a) für die Verkehrspolizei, das ist die Überwachung der Einhaltung straßenpolizeilicher Vorschriften und die unmittelbare Regelung des Verkehrs durch Arm- oder Lichtzeichen, nicht jedoch für die Verkehrspolizei auf der Autobahn, b) für die Erlassung von Verordnungen und Bescheiden … Anmerkung: Die Erlassung der Ortstafelverordnungen gemäß Art. 44 Abs. 1 StVO weist eine bemerkenswerte Besonderheit auf, die dem Text noch entnommen werden kann. Sie erfolgt in einem zweistufigen Verfah-
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ren der Kundmachung. Einerseits ist die Verordnung durch Anschlag auf der Amtstafel der Bezirksverwaltungsbehörde kundzumachen. Aufgrund des Aushanges auf der Amtstafel tritt sie mit dem in ihr ausdrücklich festgelegten Tag für den Behördenbereich in Kraft. Gemäß der kundgemachten Verordnung wird das Straßenbauamt beauftragt, die entsprechenden Ortstafeln aufzustellen. Mit der Aufstellung der Ortstafeln tritt die Verordnung gemäß Art. 44 Abs. 1 StVO auch für die Verkehrsteilnehmer in Kraft. Die Bezirksverwaltungsbehörde ist vom Vollzug zu benachrichtigen und muss einen entsprechenden Aktenvermerk machen. Der Zusammenhang zwischen den zwei Kundmachungen ist ein notwendiger. Ohne die Kundmachung der Verordnung auf der Amtstafel erlangen die Verkehrszeichen keine rechtmäßige Rechtsverbindlichkeit. Ohne Aufstellung der in der Verordnung angeordneten Verkehrszeichen ist die Verordnung auf den Straßenverkehr in dem durch Ortstafeln gekennzeichneten Ortsgebiet nicht anwendbar, sie steht nur in Geltung. Die ausdrückliche Regelung des § 44 Abs. 1 StVO über die Folge der Kundmachung durch Aufstellung der Ortstafeln macht also nur einen Teil der Kundmachung aus. Sie ist sichtlich der Regelung des Art. 49 B-VG über das aufschiebend bedingte Inkrafttreten von Bundesgesetzen und mit der darauf gegründeten Unterscheidung zwischen Geltung und Verbindlichkeit von Gesetzen nachgebildet. Durch den Aushang auf der Amtstafel wird eine Verordnung für Verkehrszeichen ähnlich geltendes Recht, dh. sie wird Bestandteil der Rechtsordnung, wie Bundesgesetze durch die Kundmachung im Bundesgesetzblatt vorbehaltlich der Erfüllung einer Bedingung. Sie ist von den zur Durchführung berufenen Organen entsprechend anzuwenden: Auftrag an das Straßenbauamt, Aufstellung der Ortstafeln durch diese, Mitteilung von der erfolgten Vollziehung an die BH und Aktenvermerk durch die BH. Für die Verkehrsteilnehmer tritt die durch Anschlag kundgemachte Verordnung aber erst durch die Aufstellung der Verkehrszeichen als weiteren Kundmachungsakt in Kraft. Durch die Anbringung der entsprechenden Verkehrszeichen gemäß der Verordnung erlangt die Verordnung aufgrund der StVO allgemeine Verbindlichkeit für die Verkehrsteilnehmer und für die Organe der Verkehrspolizei. Für die Erlassung von gleich lautenden Verordnungen anstelle der durch den VfGH aufgehobenen Verordnungen kann sich die Frage nach der Verbindlichkeit, bzw. Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der unterdessen unberührt gebliebenen Verkehrszeichen ergeben. Sind diese Verkehrszeichen aufgrund der neuen Verordnung neu zu setzen, um dieser Verordnung auch für die Verkehrsteilnehmer Verbindlichkeit zu verschaffen oder genügt der mit dem Inhalt der Verordnung übereinstimmende
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äußere Tatbestand der Fortdauer des Vorhandenseins der bisherigen Ortstafeln als Kundmachungsakt anstelle einer neuen Aufstellung? b. Die erste Verordnung für St. Kanzian 44 Auf Grund der Bestimmung des § 96 Abs. 2 in Verbindung mit § 94b der StVO werden die seit dem Inkrafttreten der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, in der derzeit geltenden Fassung, verfügten und angebrachten Straßenverkehrszeichen generell neu erfaßt und der geltenden Gesetzeslage gemäß §§ 43 und 44 leg. cit. neu verordnet: § 1 Im Verlauf der St. Kanzianer Straße L 116 ab der Grafensteiner Straße (L 107) ab Bezirksgrenze der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt über Dullach und St. Kanzian am Klopeiner See zur Seeberg Straße (B 82) in Kühnsdorf werden nachstehende dauernde Verkehrsbeschränkungen und Verkehrsverbote verfügt: B) HINWEISZEICHEN: 1. Bei km 9,795 und km 10,510 „Ortstafel“ und „Ortsende“ mit der Ortsbezeichnung „St. Kanzian•“, gemäß § 53 Zl. 17a und 17b leg. cit. ... § 2 Diese Verordnung tritt betreffend der im § 1 angeführten und bereits angebrachten Verkehrszeichen am 1. 9. 1982 in Kraft. Mit Inkrafttreten dieser Verordnung treten sämtliche Verordnungen gemäß §§ 43 und 44 der StVO in der derzeit geltenden Fassung im Verlauf der St. Kanzianer Straße L 116, die dauernd erlassen wurden, außer Kraft. Temporär erlassene Verordnungen werden durch diese Verordnung nicht berührt. § 3 Übertretungen dieser Verordnung werden als Verwaltungsübertretungen in Entsprechung des § 99 der StVO 1960 in der derzeit geltenden Fassung bestraft. c. Die zweite Verordnung für St. Kanzian 45 § 1 Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 17.08.1982, Zahl: 4642/1/81, wird hinsichtlich § 1, Abschnitt B) HINWEISZEICHEN, Punkt 1., wie folgt geändert: Punkt 1. lautet: Bei km 9,795 „Ortstafel“ und „Ortsende“ mit der Ortsbezeichnung „St. Kanzian“ ____________________
44 Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 17. August 1982, Zl. 4642/1/81, betreffend Straßenverkehrszeichen im Verlauf der St. Kanzianer Straße L 116. 45 Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 30. September 1992, Zahl 2856/1/92, gemäß §§ 43 Abs. 1 und 44 Abs. 1 in Verbindung mit § 94b der StVO 1960, BGBl. Nr. 159 in der derzeit geltenden Fassung, mit Verkehrsbeschränkungen für die St. Kanzianer Landesstraße.
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und bei km 10,950 „Ortstafel“ und „Ortsende“ mit der Ortsbezeichnung „St. Kanzian, Klopein“ gemäß §53, Z17a und 17b leg. cit.46 d. Die erste Verordnung für Bleiburg 47 § 1 Im Verlauf der Bleiburger Bundesstraße B 81 werden ab Sittersdorf – Bleiburg – Lavamünd nachstehende dauernde Verkehrsbeschränkungen und Verkehrsverbote verfügt: ... B) HINWEISZEICHEN: 3. bei km 16,834 und km 18,615 „Ortstafel“ und „Ortsende“ mit der Ortsbezeichnung „Bleiburg“ gemäß § 53, Zl. 17a und 17b leg. cit.; ... § 2 Diese Verordnung tritt betreffend der im § 1 angeführten und bereits angebrachten Verkehrszeichen am 1. 8. 1982 in Kraft. Mit Inkrafttreten dieser Verordnung treten sämtliche Verordnungen gemäß §§ 43 und 44 der StVO in der derzeit geltenden Fassung im Verlauf der Bleiburger Bundesstraße B 81, die dauernd erlassen wurden, außer Kraft. Temporär erlassene Verordnungen werden durch diese Verordnung nicht berührt. § 3 Übertretungen dieser Verordnung werden als Verwaltungsübertretungen in Entsprechung des § 99 der StVO 1960 in der derzeit geltenden Fassung bestraft. e. Die zweite Verordnung für Bleiburg 48 § 1 Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 15. 07. 1982, Zahl 4600/1/81, wird hinsichtlich Abschnitt B), Punkt 3. wie folgt geändert: a) Bei Straßenkilometer 16.708 „Ortstafel“ gemäß § 53 Ziff. 17a leg. cit. und „Ortsende“ gemäß § 53 Ziff. 17b leg. cit. mit der Ortsbezeichnung „Bleiburg-Ebersdorf“ ____________________
46 Im § 1 dieser Verordnung hat der VfGH die deutschen Ortsbezeichnungen „St. Kanzian“ und „St. Kanzian, Klopein“ wegen Widerspruchs zum Art. 7 des Staatsvertrages von Wien als verfassungswidrig aufgehoben. Diese Verordnung wurde mehrmals unverändert neu erlassen, zuletzt mit Datum vom 1. Oktober 2004, unter der Zl. VK7-StV294/1-2004. Die Ortstafeln blieben mit den deutschen Ortsnamen unverändert stehen. 47 Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 15. Juli 1982, zu Zahl 4600/1/81, gemäß den §§ 43 Abs. 1 und 44 Abs. 1, in Verbindung mit § 94b und § 96 Abs. 2 StVO 1960, BGBl. Nr. 159, für den Verlauf der Bleiburger Bundesstraße. 48 Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 11. November 1998, Zahl 1830/1/98, gemäß den §§ 43 Abs. 1 und 44 Abs. 1, in Verbindung mit § 94b der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, für den Verlauf der Bleiburger Bundesstraße.
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b) Bei Straßenkilometer 18.975 „Ortstafel“ gemäß § 53 Ziff. 17a leg. cit. und „Ortsende“ gemäß § 53 Ziff. 17b leg. cit. mit der Ortsbezeichnung „Bleiburg“. § 2 Diese Verordnung tritt mit der Anbringung der verfügten Verkehrszeichen in Kraft.49 f. Die Kärntner Allgemeine Gemeindeordnung (KAG) 50 § 3 (1) Die Landesregierung kann durch Verordnung auf Antrag des Gemeinderates den Namen der Gemeinde ändern. Hierbei ist auf die historischen und örtlichen Gegebenheiten Bedacht zu nehmen. Der geänderte Name darf mit dem Namen einer anderen Gemeinde Osterreichs nicht gleichlautend oder zum Verwechseln ähnlich sein. (2) Die Namen der Ortschaften, das sind Siedlungen mit geschlossener Nummerierung, der Ortsteile und die Bezeichnung der Straßen, Gassen oder Plätze, dürfen vom Gemeinderat festgelegt und geändert werden. Abs. 1 zweiter Satz gilt sinngemäß. (3) Die Bildung oder Auflassung von Ortschaften bedarf der Genehmigung der Landesregierung. Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn öffentliche Rücksichten, insbesondere im Hinblick auf das soziale, wirtschaftliche oder kulturelle Gefüge in der Gemeinde, entgegenstehen. (4) Die Festlegung oder die Änderung der Namen der Ortschaften bedarf der Genehmigung der Landesregierung. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn öffentliche Rücksichten entgegenstehen oder wenn auf die historischen und örtlichen Gegebenheiten nicht Bedacht genommen wurde. (5) Zur Beurteilung der historischen Gegebenheiten nach Abs. 1 und 4 ist eine Stellungnahme des Kärntner Landesarchivs einzuholen. (Hervorhebungen vom Verfasser).
4. Die Festlegung von Ortsnamen durch die Bundesregierung Diese Rechtsgrundlagen vermitteln den Eindruck von Klarheit und Vollständigkeit. Doch seit den Erkenntnissen des VfGH aus den Jahren 2001 und 2005 entstanden Rechtsprobleme auf Gesetzes- und Verord____________________
49 Im § 1 lit. a) und b) dieser zweiten Verordnung hat der VfGH die Ortsbezeichnungen „Bleiburg-Ebersdorf“ und „Bleiburg“ aufgehoben. Diese Verordnung wurde mit Datum vom 7. Februar 2006 unter der Zl. VK6-StV-1091/2005 (017/2006) neu erlassen und die Ortstafeln wurden nach veränderten Ortsgrenzen mit denselben Ortsnamen neu versetzt. 50 LGBl. Nr. 66/1998 idgF.
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nungsebene, denen vor allem im Hinblick auf den Handlungsbedarf der zuständigen Organe des Bundes und des Landes Kärnten nachfolgend, unter Bedachtnahme auf eine künftige Fortsetzung Judikatur durch den VfGH auf den Grund gegangen wird. Der VfGH hat den gesetzlichen Prozentsatz zur Bestimmung der Minderheit und der dafür in Betracht kommenden Gebietseinheiten aufgehoben. Er hat aber auch eine Wortfolge in der TopographieV zur Festlegung der in Frage kommenden Gebiete aufgehoben. Die Topographieverordnung erfasst, gemessen an der vom VfGH unterdessen aufgehobenen Wortfolge, seither nicht mehr die Gebiete der für diese Ortschaften in Betracht kommenden Gemeinden. In der von der Aufhebung nicht betroffenen Ortsnamenverordnung der Bundesregierung für Kärnten gab es bisher keine slowenischen Ortsnamen für St. Kanzian, Bleiburg und Bleiburg – Ebersdorf. Diese Verordnung blieb außerhalb der Judikatur des VfGH, obwohl sie im Hinblick auf noch fehlende slowenische Ortsnamen dieselben Problemperspektiven darbietet, wie die zwei vom VfGH bisher aufgehobenen Ortstafelverordnungen. Gemäß dem Volksgruppengesetz ist zwar die Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates nach Anhörung der Landesregierung von Kärnten an und für sich zuständig, die für topographische Bezeichnungen und Aufschriften in Betracht kommenden Gebietseinheiten zu bestimmen und demgemäß zu den bestehenden deutschen Ortsnamen auch die entsprechenden slowenischen Ortsnamen festzulegen. Angesichts der Aufhebung der Wortfolge im VolksgruppenG fehlt nun aber die gesetzliche Grundlage für die in Frage kommenden Gebiete und damit auch für zusätzliche slowenische Ortsnamen. Mit dem Wegfall der gesetzlichen Grundlage fehlt nun vor allem die notwendige Voraussetzung für das Verordnungsrecht der Bundesregierung gemäß Art. 18 Abs. 2 B-VG. Im Sinn der Kompetenzfeststellung des VfGH aus dem Jahr 1958 bedarf es dafür eines allgemeinen gesetzlichen Kriteriums, welches eine Gleichbehandlung aller betroffenen Gemeinden und Ortschaften in den drei vom Art. 7 StV Wien erfassten Bundesländern gewährleistet. MaW für die Gewährleistung der Gleichbehandlung fehlt die bundesgesetzliche Festlegung von eindeutigen allgemeinen Kriterien zur Bestimmung der Minderheit. Verordnungen der Bundesregierung zur Ergänzung der Topographieverordnung und der Ortsnamenverordnung bedürfen einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage. Nur auf eine entsprechende gesetzliche Regelung könnten sich alte und neue territoriale Festlegungen sowie alte und neue slowenische Ortsnamen im Sinn des Art. 18 Abs. 2 B-VG gründen. Die Zuständigkeit der Bundesregierung zur Erlassung ergänzender
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Verordnungen ist gemäß dem VolksgruppenG zwar nach wie vor grundsätzlich gegeben. Sie ist aber für die Erfassung neuer Gemeinden und Ortschaften nicht aktuell, solange der Gesetzgeber dafür nicht eine für alle betroffenen Bundesländer einheitliche Rechtsgrundlage schafft. Die Konsequenzen für die Zuständigkeit der Straßenpolizeibehörde zur Anordnung von Verkehrszeichen für St. Kanzian und für Bleiburg liegen danach auf der Hand: Die Verwendung von zweisprachigen Ortsbezeichnungen auf den Ortstafeln für St. Kanzian, für Bleiburg (und „Bleiburg – Ebersdorf“) setzt auf jeden Fall amtlich bestehende slowenische Ortsnamen voraus. Die deutschen Ortsnamen stehen für beide Ortschaften amtlich fest. Etwa noch fehlende slowenische Ortsnamen sind bisher aber noch nicht auf Grund der Gesetze amtlich festgelegt. Die Bezirksverwaltungsbehörde kann als Straßenpolizeibehörde für ihre Verkehrszeichen aber nur amtlich bereits bestehende deutsche Ortsnamen verwenden. Sie hat keine Eigenkompetenz zur Festlegung von deutschen und slowenischen Ortsnamen als topographische Bezeichnungen und Aufschriften für Ortstafeln im Sinn des VolksgruppenG und der Ziff. 3 im Art. 7 des Staatsvertrages. Amtlich bestehende Ortsnamen verwenden und neue Ortsnamen amtlich schaffen, ist in der Zuständigkeit, amtliche Ortsnamen zu verwenden, nicht eingeschlossen. Namensgebung und Bezeichnung von Ortschaften gründen sich auf verschiedene behördliche Kompetenzen. Die nach der Auffassung des VfGH noch fehlenden slowenischen Ortsnamen wären angesichts der durch den VfGH verursachten Gesetzesund Verordnungslücken also erst nach einer Ergänzung des VolksgruppenG durch den Gesetzgeber und nach einer Ergänzung der TopographieV durch die aufgrund des reparierten Gesetzes dafür auch materiell zuständig gemachte Bundesregierung festzulegen. Ohne Festlegung eines festen (günstigeren) Prozentsatzes durch den Gesetzgeber und ohne die dadurch gewährleistete Klarstellung des territorialen Anwendungsbereiches fehlt der Bundesregierung für ihre Durchführungsverordnungen im Sinn des Art. 18 Abs. 2 B-VG die gesetzliche Grundlage. Die vom VfGH in den zwei straßenpolizeilichen Verordnungen aufgehobenen deutschen Ortsbezeichnungen „St. Kanzian“ und „Bleiburg“ bestehen als Ortsnamen ohne jeden Zweifel zu Recht.51 Ihre Verwendung als Ortsbezeichnungen auf den Verkehrszeichen kann daher nicht rechtswidrig sein. Ungeachtet einer amtlichen Festlegung von neuen slowenischen Ortsnamen durch die Bundesregierung auf einer vom Gesetzgeber bereinigten Rechtslage käme aber noch die Zuständigkeit des jeweiligen Gemeinderates hinzu, auf dieser Rechtsgrundlage neben den amtlich be____________________
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„Bleiburg – Ebersdorf“ heißt amtlich nur „Ebersdorf“.
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reits bestehenden deutschen Ortsnamen entsprechende slowenische Ortsnamen festzulegen, die neben den deutschen Ortsnamen für die Ortstafeln sodann von der Straßenpolizeibehörde auch rechtmäßig verwendet werden könnten.
5. Feststellungen des Verfassungsgerichtshofs zur Kompetenzlage Der VfGH nahm in seinen Erkenntnissen aus den Jahren 2001 und 2005 auf die geteilten Kompetenzen gemäß dem B-VG nicht Bedacht. Er begnügte sich mit der Feststellung, dass dem Art. 7 des Staatsvertrages von Wien Verfassungsrang zukommt. Dazu empfiehlt sich jedenfalls ein Blick auf das Erkenntnis VfSlg. 3314/1958, in dem für den Minderheitenschutz neben der Kompetenz des Bundesgesetzgebers auch eine Kompetenz der Landesgesetzgeber angenommen wird. In den Entscheidungsgründen zu seinem Erkenntnis aus dem Jahr 2001 nahm der VfGH nur zu den Zuständigkeiten des Bundesgesetzgebers und der Verordnungsgeber Stellung: „Der jeweilige Ausspruch über das Inkrafttreten der Aufhebung stützt sich auf Art. 139 Abs. 5 dritter Satz bzw. Art. 140 Abs. 5 dritter und vierter Satz B-VG. Die Einräumung einer Frist schien dem Verfassungsgerichtshof erforderlich, um sowohl dem Gesetzgeber als auch den in Betracht kommenden Verordnungsgebern die Erlassung von (Ersatz-)Regelungen zu ermöglichen, die dem Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien entsprechen.“ In den Entscheidungsgründen seines Erkenntnisses aus dem Jahr 2005 stellte der VfGH darüber hinaus auch autoritativ fest: „Im vorliegenden Zusammenhang ist die Verfassungsbestimmung des Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz StV Wien unmittelbar anwendbar (vgl. dazu schon VfSlg. 16.404/ 2001, S. 1032, Pkt. 4. 3. und 6.) Daraus ergibt sich für die Bezirkshauptmannschaft die Rechtspflicht, bei Erlassung der hier in Rede stehenden verkehrspolizeilichen Verordnung die Ortsbezeichnung sowohl in deutscher als auch in slowenischer Sprache festzulegen. Was die slowenische Ortsbezeichnung anlangt, ist diese – solange eine diesbezügliche Verordnung der Bundesregierung gemäß § 12 Abs. 2 Volksgruppengesetz nicht gilt – von der Bezirkshauptmannschaft in eigener Verantwortung festzulegen.“ (Hervorhebungen vom Verfasser) Vom Gesetzgeber ist in diesem Erkenntnis nicht mehr die Rede. In den Entscheidungsgründen seines Erkenntnisses aus dem Jahr 2001 führte der VfGH betreffend die Zuständigkeit der Gemeinden zur Festlegung von Ortschaften und deren Namen unter III. 3. 2. 1. 2, 3. Absatz Folgendes aus: „In den Gemeindeordnungen, u. zw. auch der nach Art. 7
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Ziff. 3 des Staatsvertrages in Betracht kommenden Länder, ist nun aber die – von der Bundesverfassung vorgefundene und als weiterhin zulässig erachtete (vgl. dazu va. 639 BlgNR 9. GP 14) – (Unter-)Gliederung des Gemeindegebietes in Ortschaften und (Gemeinde-)Verwaltungssprengel vorgesehen … So trifft etwa § 3 Abs. 2 bis 5 der Kärntner Allgemeinen Gemeindeordnung, LGBl. 1998/66, nähere Regelungen über die Bildung oder Auflassung von Ortschaften, worunter Siedlungen mit geschlossener Nummerierung verstanden werden, sowie die Festlegung oder Änderung der Namen von Ortschaften.“ „Mit Blick auf den hier vorliegenden Fall ist schließlich auch noch Folgendes zu bedenken: Es geht um das ‚Anbringen‘ der Hinweiszeichen ‚Ortstafel‘ und ‚Ortsende‘ iSd. § 53 Abs. 1 Ziff. 17a und 17b StVO, die der Kundmachung straßenverkehrspolizeilicher Verordnungen (§ 43 Abs. 1 StVO), im Besonderen der normativen Festlegung des Ortsgebietes iSd. § 2 Abs. 1 Ziff. 15 iVm. § 20 Abs. 2 StVO, dienen. Wie oben erwähnt unterfällt das Anbringen solcher Hinweiszeichen in geradezu typischer Weise dem Tatbestand des Verfassens von ‚Bezeichnungen und Aufschriften ... topographischer Natur‘ iSd. Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien. Nun besteht aber zwischen den soeben genannten Bestimmungen der StVO und den oben erwähnten gemeinderechtlichen Regelungen über die (Unter-)Gliederung des Gemeindegebietes in Ortschaften bzw. Gemeindeverwaltungsteile folgender normativer Zusammenhang: Gemäß § 53 Abs. 1 Ziff. 17a StVO hat das Hinweiszeichen den Namen des Ortes anzugeben. Dabei handelt es sich um den ,amtlichen Namen‘ des jeweiligen Ortes, der ,nicht identisch sein (muss) mit dem Namen der ... Gemeinde‘ (Messiner, Straßenverkehrsordnung10, 988). Damit ist aber – gegebenenfalls – nichts anderes gemeint, als die Bezeichnung der jeweiligen (Unter-)Gliederung des Gemeindegebietes, die sich auf Grund der oben genannten gemeinderechtlichen Vorschriften ergibt. Auch der Umstand, dass das damit bezeichnete Gebiet der Ortschaft bzw. des Gemeindeverwaltungsteiles im gemeinderechtlichen Sinn nicht notwendiger Weise kongruent mit dem in derselben Weise bezeichneten „Ortsgebiet“ im straßenverkehrsrechtlichen Sinn ist, ändert an diesem normativen Zusammenhang nichts.“ (Hervorhebungen und Aussparungen vom Verfasser) Diese heterogenen Feststellungen des VfGH in den Entscheidungsgründen seiner Erkenntnisse zu den Ortstafelverordnungen der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt und zur Zuständigkeit des Gemeinderates zur Namensgebung für Ortschaften machen deutlich, dass im Sinn der bisherigen Praxis und unter Bedachtnahme auf die differenzierte Kompetenzlage eigentlich der Bundesverfassungsgesetzgeber gefordert ist, die durch den VfGH aufgerissene Gesetzeslücke zu schließen; und zwar unter Be-
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achtung der Prinzipien der Rechtsgleichheit, Rechtsklarheit und Rechtssicherheit und unter Bedachtnahme auf eine zeitgemäße staatspolitische Verträglichkeit. Auf dieser Grundlage können dann durch den einfachen Bundesgesetzgeber und durch die Bundesregierung (im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats und nach Anhörung der Kärntner Landesregierung und der betreffenden Gemeinden) die dann noch erforderlichen zusätzlichen slowenischen Ortsnamen festgelegt und sodann durch die Bezirkshauptmannschaft in ihren Ortstafelverordnungen auch gesetzmäßig und verfassungskonform verwendet werden.
6. Ortsnamen und topographische Ortsbezeichnungen Gemäß Art. 11 Abs. 1 Ziff. 4 B-VG ist die Straßenpolizei Bundessache in Gesetzgebung und Landessache in Vollziehung. für die Erlassung von Verordnungen heißt es dazu im Absatz 3: „Die Durchführungsverordnungen zu den nach den Absätzen 1 und 2 ergehenden Bundesgesetzen sind, soweit in diesen Bundesgesetzen nichts anderes bestimmt ist, vom Bund zu erlassen. Die Art der Kundmachung von Durchführungsverordnungen, zu deren Erlassung die Länder in den Angelegenheiten des Absatzes 1 Z. 4 … bundesgesetzlich ermächtigt werden, kann durch Bundesgesetz geregelt werden.“ Die Vollziehung der Angelegenheiten der Straßenpolizei ist gemäß Art. 11 Abs. 1 Ziff. 4 B-VG also zwar Landessache. Für die Erlassung von Durchführungsverordnungen besteht aber eine differenzierte Kompetenzlage. Zur Vollziehung des Landes im Sinn der Straßenverkehrsordnung (ein Gesetz des Bundes) gehört jedenfalls die Aufstellung von Verkehrszeichen (Ortstafeln) zur Festlegung der verbauten Ortsgebiete; auch zum Zweck der Geschwindigkeitsbeschränkung. Gemäß § 94b StVO ist zur Erlassung von entsprechenden Verordnungen für Bundesstraßen, für Landesstraßen und für die Gemeindestraßen grundsätzlich die jeweilige Bezirksverwaltungsbehörde zuständig. Bei der Erlassung der Verordnungen zur Anordnung und Aufstellung von Ortstafeln als Verkehrszeichen muss sich die Bezirksverwaltungsbehörde jedenfalls an die kompetenzmäßigen Vorgaben halten. Für die Ortstafeln darf und muss sie die amtlich bereits bestehenden Ortsnamen als Bezeichnungen für die betreffenden Ortschaften verwenden. Der Verfassungsgerichtshof erkannte im Jahr 2001 zwar die Zuständigkeit der Gemeinden zur Namensgebung und Namensänderung von Ortschaften und die Bedeutung des notwendigen Zusammenhangs mit der Straßenverkehrsordnung. Im Mittelpunkt seines Interesses stand damals aber der normative Zusammenhang der Vorschriften der Allgemeinen
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Kärntner Gemeindeordnung mit der Straßenverkehrsordnung, im Hinblick auf die Zuständigkeit der Straßenpolizeibehörde, auf der Grundlage der bestehenden Ortsgrenzen gemäß ihrem Bedarf durch die Anordnung von Ortstafeln auch davon abweichende Ortsgrenzen festzulegen. Die Zuständigkeit zur Einteilung von Ortschaften und zur Namensgebung für Ortschaften kommt gemäß § 3 der Kärntner – Allgemeinen Gemeindeordnung (K-AGO) an und für sich dem Gemeinderat zu. Dieser entscheidet über den Namen einer Ortschaft der Gemeinde mit Genehmigung der Landesregierung.52 Diese Zuständigkeit ist für die slowenischen Ortsnamen durch die Regelung des Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz StV von Wien und durch die im Konsens zwischen dem Bund und dem Land Kärnten dazu ergangenen Ausführungsvorschriften überlagert. Deren Geltungsbereich erstreckte sich ursprünglich aber nicht auf Bleiburg. Durch die Aufhebung des VfGH im Jahr 2001 entstanden Rechtslücken im VolksgruppenG und in der Topographieverordnung der Bundesregierung. Nun fehlt nicht nur für St. Kanzian, sondern auch für Bleiburg und andere Ortschaften die gesetzliche Grundlage für Verordnungen der Bundesregierung gemäß Art. 18 B-VG. Der zweite Satz in der Ziff. 3 Art. 7 des StV verlor dadurch die gemäß dem im Jahr 1955 erklärten Willen des Gesetzgebers (Verfassungsgesetzgebers) seine Anwendbarkeit. Seit dem Jahr 2001 ist die Rechtslage zur Durchführung der Ziff. 3 im Art. 7 also wieder bedeutungsoffen und unbestimmt und daher objektiv und subjektiv unanwendbar geworden. Die Möglichkeit zur Auffüllung der Gesetzeslücke kommt nur dem Gesetzgeber (Verfassungsgesetzgeber) zu, der die Grundlage für die Vollziehung durch die Bundesregierung im Einvernehmen mit der Landesregierung von Kärnten im Sinn des Art. 18 B-VG herzustellen hat. Die Rechtsmeinung des VfGH kann eine solche gesetzliche Regelung nicht ersetzen. (Näheres dazu unten, zur unmittelbaren Anwendbarkeit von Staatsverträgen, zur Unbestimmtheit des Art. 7 des Staatsvertrages von Wien, zum Rechtsstaat und zum Legalitätsprinzip) Neue Ortsnamen, vor allem in slowenischer Sprache, bedürfen zu allererst ihrer rechtmäßigen Festsetzung durch das zuständige Organ. Danach können sie als topographische Bezeichnungen und Aufschriften durch die Straßenpolizeibehörde entsprechend verwendet werden. Nicht zuletzt infolge der durch die Aufhebung unbestimmt gewordenen Rechtslage wurden durch die Bundesregierung für die Ortschaften St. Kanzian, Bleiburg und Ebersdorf bisher keine slowenischen Ortnamen festgesetzt. Diese Ortschaften waren bisher noch nicht durch die Verordnungen der ____________________
52 Siehe dazu: Sturm, Die Kärntner Allgemeine Gemeindeordnung. Kommentierte Gesetzesausgabe, 3. Auflage (2003) zu § 3 S. 9 ff.
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Bundesregierung über die slowenischen Ortsbezeichnungen und über Gebietsabgrenzungen erfasst und sind daher auch nicht in der Verordnung über slowenische Ortsnamen enthalten. Da seit der Aufhebung der Rechtsgrundlagen durch den VfGH keine Ersatzregelungen geschaffen wurden, sind vorderhand nur die in Betracht kommenden Gemeinderäte zur Namensgebung zuständig. Diese sollten sich bei der Wahrnehmung ihrer Zuständigkeit aber am Art. 7 StV und am Volksgruppengesetz orientieren. Doch für die Festlegung slowenischer Ortsnamen fehlt ihnen dafür, infolge der Aufhebung des eindeutigen Kriteriums im VolksgruppenG durch den VfGH, ein allgemein verbindliches einheitliches Kriterium, das gemäß Art. 18 B-VG und im Sinn des Erkenntnisses des VfGH aus dem Jahr 1958 für alle drei Bundesländer gleichermaßen verbindlich wäre.
7. Kompetenzrechtliche Folgen der Aufhebung einer Wortfolge im VolksgruppenG und in der TopographieV Im Zeitpunkt des Inkrafttretens der B-VG-Novelle des Jahres 1964 war der Staatsvertrag von Wien gemäß seiner Eigenart bereits in Kraft. Seine unmittelbare Anwendbarkeit wurde im Geltungsbereich des Art. 7 StV durch Ausführungsgesetze des Bundes hergestellt (MinderheitenSchulgesetz für Kärnten und Volksgruppengesetz für die Amtssprache und für die topographischen Bezeichnungen und Aufschriften). Art. 7 StV hat zwar Verfassungsrang, doch – wie die Verfassungsbestimmungen im Minderheiten-Schulgesetz und im VolksgruppenG zeigen – wurde die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern zur gesetzlichen Durchführung dadurch nur teilweise beeinträchtigt. Als man im Jahr 1977 das VolksgruppenG beschloss, gab es über die Kompetenzfrage keine Meinungsverschiedenheiten. Der Bund und das Land Kärnten suchten und fanden in Kenntnis ihrer geteilten Zuständigkeiten im Sinn der Kompetenzfeststellung des VfGH aus dem Jahr 195853 einen verfassungsmäßigen Konsens für ein koordiniertes Vorgehen auf der Grundlage von Bundesgesetzen, teilweise sogar mit Verfassungsbestimmungen. Daher musste man sich mit Abgrenzungsfragen nicht gesondert befassen. In den Materialien zur Ziff. 3 erster und zweiter Satz im Art. 7 des Staatsvertrages, betreffend die Amtssprache einerseits und die topographischen Bezeichnungen und Aufschriften andererseits, findet man zwar einen klaren Hinweis auf die zwischen Bund und Ländern geteilten Kompetenzen zur Gesetzgebung. Dennoch beschritt man für die Festlegung der Ortsnamen den Weg der vorrangigen Bundesgesetzgebung und der Erlassung von Durchführungsverordnungen durch den Bund, im Einver____________________
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VfSlg. 3314/1958.
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nehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats und in Absprache mit der Landesregierung von Kärnten. Die Erklärung dafür liegt sichtlich auch in den damals gleichgerichteten politischen Mehrheitsverhältnissen im Bund und im Land Kärnten sowie in der Tatsache, dass der Bund und das Land Kärnten einen Konsens zur Vereinheitlichung der Regelung erzielen konnten, der im Jahr 1977 im VolksgruppenG und in den Durchführungsverordnungen der Bundesregierung seinen Niederschlag gefunden hat. Insofern sind die derzeit in Geltung stehenden bundesgesetzlichen Regelungen zum Schutz der sprachlichen Minderheiten aus dem Gesichtspunkt des Art. 16 Abs. 5 B-VG für die Durchführung des Staatsvertrags von Wien in Gesetzgebung und Vollziehung auch verfassungskonform. Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages wurde im Jahr 1977, mit Zielvorgaben auch für den Landesbereich, durch das VolksgruppenG unmittelbar anwendbar gemacht. Im Bereich der Landeszuständigkeiten hätte diese Vorschrift des StV für die slowenische Minderheit im Land Kärnten im kompetenzmäßigen Umfang (Namensgebung für Ortschaften) auch durch die Landesgesetzgebung unmittelbar anwendbar gemacht werden können. Der Bundesgesetzgeber hat im Jahr 1977 im vollen Konsens mit dem Land Kärnten aber einen vereinfachten Weg beschritten. Er hat durch das VolksgruppenG die Unbestimmtheiten des Art. 7 Ziff. 3 im Sinn des Art. 16 Abs. 5 B-VG allein gesetzlich „durchgeführt“ und dadurch für die Vollziehung anwendbar gemacht. Zur Gewährleistung einer einheitlichen Vollziehung in allen drei in Frage kommenden Bundesländern hat er gemäß den §§ 2 und 12 des VolksgruppenG die Erlassung der entsprechenden Durchführungsverordnungen der Bundesregierung übertragen. Im Geltungsbereich des Volksgruppengesetzes konnten demnach gemäß Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz für näher bestimmte Gebiete und gemäß einem eindeutigen Prozentsatz die slowenischen Ortsnamen für die topographischen Bezeichnungen und Aufschriften durch Verordnung der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats und der Kärntner Landesregierung verfassungskonform, allgemein verbindlich und einheitlich festgelegt werden. Infolge der Aufhebung der Vorschreibung von 25 % (ein Viertel) im VolksgruppenG und der Aufhebung einer Wortfolge in der Topographieverordnung der Bundesregierung über Gebietsbegrenzungen innerhalb der in Betracht kommenden Verwaltungs- und Gerichtsbezirke Kärntens ist die Regelung des zweiten Satzes in der Ziff. 3 Art. 7 StV nun wieder unbestimmt geworden. Die durch die Aufhebung herbeigeführte Unbestimmtheit der Regelung des zweiten Satzes in der Ziff. 3 im Art. 7 StV kann durch die unbestimmt gehaltene und in letzter Konsequenz auch
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völkerrechtlich unbegründbare Rechtsauffassung des VfGH über irgend einen niedrigeren Prozentsatz nicht abgedeckt werden. Infolge der Aufhebung der Rechtsgrundlagen ist Art. 7 StV Ziff. 3 zweiter Satz für die Vollziehung wieder unanwendbar geworden. Er bedarf daher einer neuen bundesgesetzlichen (und landesgesetzlichen) Durchführung im Sinn des Art. 16 Abs. 5 B-VG. Der VfGH vertritt zwar die Auffassung, dass seine Rechtsmeinung für die unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz Staatsvertrag von Wien genüge, er schließt aber ein Handeln des Gesetzgebers nicht aus. Aus der Aufhebung des festen Prozentsatzes im VolksgruppenG und der Gebietsabgrenzung in der Topographieverordnung der Bundesregierung für Kärnten ergeben sich für die Zukunft jedenfalls unterschiedliche Rechtsfragen. Durch die Aufhebung der Wortfolge in der Ziff. 2 im § 2 Abs. 1 des VolksgruppenG wurde der Bundesgesetzgeber zuständig, eine Ersatzregelung zu schaffen. Auf der dadurch reparierten gesetzlichen Grundlage kann die Bundesregierung die Topographieverordnung entsprechend ergänzen. Auf dieser Grundlage können dann durch die Bundesregierung weitere slowenische Ortsnamen festgelegt werden. Der Bundesverfassungsgesetzgeber, der Bundesgesetzgeber, die Bundesregierung, der Hauptausschuss des Nationalrats, die Kärntner Landesregierung und die zuständigen Gemeinden Kärntens sind nunmehr gemäß Art. 16 Abs. 5 B-VG gefordert, die durch die Judikatur des VfGH herbeigeführte Unbestimmtheit des Art. 7 StV durch entsprechende Akte im Gesamtkonsens wieder zu beseitigen. Sollte der Bundesgesetzgeber die durch den VfGH geschaffene Gesetzeslücke schließen, dann bedürfte es für das Zustandekommen einer neuen Wortfolge im Volksgruppengesetz mit einem günstigeren Prozentsatz einer Erneuerung des Grundkonsenses zwischen dem Bund und dem Land Kärnten. Zur Neuregelung eines günstigeren Prozentsatzes innerhalb der Bandbreite des völkerrechtlichen Standards würde an und für sich ein einfaches Bundesgesetz genügen. Für die im Sinn des VfGH aufgrund der gesetzlichen Neuregelung zusätzlich betroffenen Ortschaften wäre damit im Sinn des Erkenntnisses VfSlg. 3314/1958 auch die Frage nach der Zuständigkeit zu einer einheitlichen Vollziehung des Volksgruppengesetzes geklärt. Die Bundesregierung wäre wieder gemäß einer neuen gesetzlichen Grundlage berufen, in der Reichweite der neuen Vorschrift die Topographieverordnung für Kärnten zu ergänzen und eine ergänzende Verordnung mit weiteren slowenischen Ortsnamen zu erlassen. Dafür wäre vorher das Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates herzustellen. Im Sinn des Art. 16 Abs. 5 B-VG wäre aber auch ein Konsens mit dem Land Kärnten herzustellen.
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Der VfGH ist der Auffassung, dass durch seine Rechtsmeinung über „mehr als 10 % über einen längeren Zeitraum“ Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages unmittelbar anwendbar geworden sei und daher aufgrund der Straßenverkehrsordnung von der Bezirkshauptmannschaft als Straßenpolizeibehörde auch ohne ergänzende Verordnung der Bundesregierung unmittelbar angewendet werden könnte und sollte. Darin erliegt er jedoch einem fatalen Irrtum. Mangels Zuständigkeit des VfGH zur materiellen Gesetzgebung vermag seine Rechtsmeinung einen Akt des Gesetzgebers nicht zu ersetzen. Die Kompetenz des VfGH erstreckt sich nur auf die Aufhebung eines Gesetzes bzw. einer Verordnung, nicht jedoch auf die Schaffung neuen Rechts. Bei Gesetzes- und Verordnungsprüfungen von Amts wegen kann sein Spruch nur auf Aufhebung lauten. Den Entscheidungsgründen zum Spruch kommt aber keine Gesetzeskraft zu. Darüber hinaus ist aber auch noch zu veranschlagen, dass die vom VfGH vorgeschlagene Lösung von „mehr als 10 % über einen längeren Zeitraum“ und die Unklarheit über das Verhältnis der verschiedenen Zuständigkeiten des Bundesgesetzgebers, der Bundesregierung, im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats und mit der Landesregierung von Kärnten, sowie mit den jeweiligen Gemeinderäten zur Durchführung und Vollziehung der Ziff. 3 im Art. 7 des Staatsvertrages auch wegen ihrer Unbestimmtheit eine gesetzliche Regelung nicht zu ersetzen vermag. Im Hinblick auf die Unbestimmtheit des Art. 7 des Staatsvertrages von Wien, auf die Unbestimmtheit des Kriteriums des VfGH und auf die daraus entstandenen tief reichenden Meinungsverschiedenheiten über das was Rechtens ist, erscheint nun die Festlegung eines neuen (günstigeren) Prozentsatzes durch den Verfassungsgesetzgeber dringend empfehlenswert. Das sei im Folgenden näher dargetan.
II. Die unmittelbare Anwendbarkeit von Staatsverträgen 1. Die Vorschriften des B-VG Art. 48 Bundesgesetze und die im Art. 50 bezeichneten Staatsverträge werden mit Berufung auf den Beschluss des Nationalrates, Bundesgesetze, die auf einer Volksabstimmung beruhen, mit Berufung auf das Ergebnis der Volksabstimmung kundgemacht. Art. 49 (1) Die Bundesgesetze und die im Art. 50 bezeichneten Staatsverträge sind vom Bundeskanzler im Bundesgesetzblatt kundzumachen. Ihre verbindende Kraft beginnt, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nach Ablauf des Tages, an dem die Nummer des Bundesgesetzblattes, das die Kundmachung enthält, herausgegeben und versendet
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wird, und erstreckt sich, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist auf das gesamte Bundesgebiet. Art. 50 (1) Politische Staatsverträge, andere nur, sofern sie gesetzändernden oder gesetzesergänzenden Inhalt haben und nicht unter Art. 16 Absatz 1 fallen, dürfen nur mit Genehmigung des Nationalrats abgeschlossen werden. Soweit solche Staatsverträge Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regeln, bedürfen sie überdies der Zustimmung des Bundesrates. (2) Anlässlich der Genehmigung eines unter Absatz 1 fallenden Staatsvertrages kann der Nationalrat beschließen, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist. (Hervorhebung vom Verfasser) (3) Auf Beschlüsse des Nationalrates nach Absatz 1 und Absatz 2 sind Artikel 42 Absatz 1 bis 4 und, wenn durch den Staatsvertrag Verfassungsrecht geändert oder ergänzt wird, Artikel 44 Absatz 1 und 2 sinngemäß anzuwenden; in einem gemäß Absatz 1 gefassten Genehmigungsbeschluss sind solche Staatsverträge oder solche in Staatsverträgen enthaltene Bestimmungen ausdrücklich als ,verfassungsändernd‘ zu bezeichnen.
2. Allgemeiner Kommentar zu den Vorschriften des B-VG Staatsverträge gemäß Art. 50 B-VG sind grundsätzlich den staatlichen Gesetzen (Verfassungsgesetzen) gleich gestellt. Sie sind gleich diesen generell-abstrakt formuliert und unterliegen gleichermaßen den Vorschriften des B-VG; sowohl betreffend die Beschlussfassung, Beurkundung und Kundmachung als auch die Geltung und Verbindlichkeit. Aufgrund der Beschlussfassung des Nationalrates und des Bundesrates, nach der Beurkundung durch den Bundespräsidenten und der Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler, werden Staatsverträge wie Gesetze des Bundes im Bundesgesetzblatt kundgemacht. Aufgrund der Kundmachung gemäß Art. 49 B-VG treten sie vorbehaltlich möglicher Befristungen, Bedingungen oder sonstiger Vorbehalte in Kraft. Danach kann man zwischen einem unbedingten (unbefristeten) und einem bedingten (oder befristeten), jedenfalls aufgeschobenen Inkrafttreten eines Staatsvertrages (Gesetzes) unterscheiden. Die Lehre hat für das differenzierte Inkrafttreten die Begriffe „Geltung“ und „Verbindlichkeit“ entwickelt. Staatsverträge werden wie Gesetze mit ihrer Kundmachung Bestandteile des positiven Rechts; dh. sie erlangen innerstaatliche Geltung. Ihre Verbindlichkeit kann aber auch erst später eintreten. Diese Begriffe stehen in einem engen Zusammenhang mit der Frage nach der unmittelbaren Anwendbarkeit von Staatsverträgen und Gesetzen (Verfassungsgesetzen). Während die einfachen Gesetze des Bundes
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eine Materie meistens zureichend ausführlich regeln und daher unmittelbar anwendbar sind, haben Staatsverträge nach Art. 50 B-VG – wie Verfassungsgesetze – mitunter einen programmatischen und richtungweisenden Charakter und sind daher nicht unmittelbar anwendbar. Staatsverträge richten sich in erster Linie an den Gesetzgeber. Diesem obliegt es als innerstaatlicher Verantwortungsträger für die Durchführung eines Staatsvertrages, einen nicht unmittelbar anwendbaren Staatsvertrag durch Gesetz (Verfassungsgesetz) innerstaatlich „durchzuführen“ und dadurch für die Vollziehung konkret anwendbar zu machen. Gesetze schaffen für nicht unmittelbar anwendbare Staatsverträge die für ihre Vollziehbarkeit rechtsstaatlich geforderte Bestimmtheit. Sie vermitteln den Vollzugsorganen Maßstäbe der Rechtsgleichheit, Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Staatsverträge beziehen sich seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zunehmend auch auf den Einzelnen. Daher kommt es nicht von Ungefähr, dass im Zusammenhang mit den Staatsverträgen nach Art. 50 B-VG die Frage des Auseinanderfallens von Geltung und Verbindlichkeit – wie bei staatlichen Gesetzen (Verfassungsgesetzen) – aktuell wurde. Dabei ist zwischen der subjektiven und der objektiven Komponente zu unterscheiden. Einerseits kann die Verbindlichkeit von Staatsverträgen nämlich ausdrücklich auf innerstaatliche Durchführungsregelungen abgestellt sein. In solchen Fällen schließt der Wille der Vertragspartner (die subjektive Komponente) die unmittelbare Anwendbarkeit aus. Andererseits können Staatsverträge wegen ihrer Beschaffenheit (programmatischer Charakter und Unbestimmtheit der Regelungsinhalte in organisatorischer, verfahrensrechtlicher und materiellrechtlicher Hinsicht) aber auch ungeeignet sein, durch Gerichte und Verwaltungsbehörden gegenüber dem Einzelnen unmittelbar angewendet zu werden (die objektive Komponente). Das bedeutet, dass Staatsverträge wegen ihrer inhaltlichen Beschaffenheit so lange nicht unmittelbar angewendet werden können, als sie nicht durch staatliche Gesetze organisationsrechtlich, verfahrensrechtlich und materiellrechtlich näher ausgeführt und dadurch für die Vollzugsorgane unmittelbar anwendbar gemacht sind. In diesem Sinn können Staatsverträge entweder aus subjektiven und objektiven Gründen – gleich den innerstaatlichen Gesetzen (Verfassungsgesetzen) – zwar in Geltung stehen, sie sind dann aber nicht verbindlich und dürfen daher durch die Vollziehung nicht angewendet werden. Zu dieser Frage meint Öhlinger54: „Die Judikatur der österreichischen Gerichte hat verschiedene Kriterien entwickelt, die sich mit Winkler in subjektive und objektive Voraussetzungen der Anwendbarkeit gliedern lassen. Das subjektive Kriterium ist dann gegeben, wenn der Wille ____________________
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Öhlinger, Der völkerrechtliche Vertrag 141.
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der Vertragsparteien die Anwendung des Vertrages durch Gerichte oder Behörden intendiert. Diese Intention liegt eindeutig nicht vor, wenn sich ein Vertrag ausdrücklich oder erkennbar an die gesetzgebenden Organe richtet. In der Mehrzahl der Fälle bleibt freilich ... der Adressat eines Staatsvertrages unbestimmt und der Bestimmung durch die nationale Rechtsordnung überlassen, so dass dieses Kriterium gerade dann versagt, wenn die unmittelbare Anwendbarkeit eines Vertrages zum Problem wird.“ Bei Winkler55 liest man dazu folgendes: „Der Geltungsumfang eines Staatsvertrages oder einzelner seiner Bestimmungen richtet sich nach dem im Vertrag enthaltenen Geltungsbereich. Die Reichweite der Geltung kommt besonders dann unzweifelhaft zum Ausdruck, wenn ein Staatsvertrag oder eine seiner Vorschriften expressis verbis von einem weiteren völkerrechtlichen Vertrag (Durchführungsvertrag) oder einer einseitigen innerstaatlichen näheren Ausführung abhängig gemacht werden. Unter solchen Voraussetzungen ist anzunehmen, dass die Geltungsbereiche nur für die Vertragspartner (Regierungen), für den innerstaatlichen Gesetzgeber oder für die sonst zur näheren Ausführung berufenen Vollzugsorgane aktuell sind. Für die Normadressaten im engeren Sinn werden die Geltungsbereiche erst mit der angekündigten Ausführungsmaßnahme oder mit dem Durchführungsvertrag aktualisiert. Sie sind wohl im transformierten Staatsvertrag bereits allgemein umschrieben; es fehlt ihnen aber bis zur Erlassung der angekündigten Vorschriften oder Maßnahmen die Verbindlichkeit für die Normadressaten und für die zur Anwendung berufenen Organe (Hervorhebung vom Verfasser). Ein solcher Vertrag berechtigt und verpflichtet vorderhand nur den Staat, nicht aber Einzelpersonen. MaW., er ist nicht unmittelbar anwendbar, weil seine Geltung (Verbindlichkeit, Anmerkung des Verfassers) für jenen Adressatenkreis aufgeschoben ist, auf den bzw. durch den er unmittelbar angewendet werden soll. In diesem Sinn kann man auch sagen, dass der Geltungsumfang bedingt beschränkt ist.“56 „Doch weder der innerstaatliche Gesetzgeber noch die völkerrechtlichen Vertragspartner pflegen sich immer über die Anwendbarkeit oder Geltungsaktualität ihrer Regelungen expressis verbis festzulegen. In solchen Fällen darf keineswegs schlechthin der Schluss auf die unmittelbare Anwendbarkeit gezogen werden. Denn selbst unter der Voraussetzung, dass die Kontrahenten die unmittelbare Anwendbarkeit des Vertrages wollten, kann sich aus der Art der Regelung ihre Unanwendbarkeit ergeben. Die unmittelbare innerstaatliche Anwendung von Staatsverträgen setzt nämlich ihre Eignung zur Anwendung voraus. Das ist übrigens ein Grundsatz, der ____________________
55 Zur Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit von Staatsverträgen (Winkler, Orientierungen im öffentlichen Recht, Forschungen aus Staat und Recht 46 [1979] 93 ff ). 56 In diesem Sinn kann man auch zwischen Geltung und Verbindlichkeit unterscheiden.
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das ganze Recht durchzieht, meistens allerdings nicht unter der hier gebrauchten Terminologie. In diesem Zusammenhang sei nur an die Fälle der rechtlichen Unmöglichkeit erinnert, die im Vollzugsbereich mancher Rechtsordnungen Nichtigkeit zur Folge haben können. Ganz ausnahmsweise hat der Verfassungsgerichtshof auch für Gesetze Feststellungen in diese Richtung gemacht, ohne allerdings eine echte Nichtigkeit anzunehmen (VfSlg. 3130/1956: ,Eine Vorschrift, zu deren Sinnermittlung subtile verfassungsrechtliche Kenntnisse, qualifizierte juristische Befähigung und Erfahrung und geradezu archivarischer Fleiß vonnöten sind, ist keine verbindliche Norm. ... Der Verfassungsgerichtshof gelangt zum Ergebnis, dass dadurch, dass die Normen, deren Inkraftsetzung beabsichtigt war, bloß generell durch ein Sachgebiet und einen bestimmten Geltungstag beschrieben worden sind, eine Individualisierung des Gesetzesbefehles, wie sie von einem rechtsstaatlichen Gesetzgeber verlangt werden muss, nicht erfolgt ist. Der festgestellte hohe Grad der Unbestimmtheit benimmt der Vorschrift die rechtliche Eigenschaft der Norm‘).57 Auch bei der rechtlichen Unmöglichkeit handelt es sich um Grenzen der Geltung (im Sinn von Verbindlichkeit, Anmerkung des Verfassers), die in der Rechtsvorschrift selbst vorgegeben sind. Bei dieser stehen aber mehr das objektive Element und die Fehlerhaftigkeit im Vordergrund (die objektive Eignung zur unmittelbaren Anwendung), bei der ausdrücklichen Beschränkung mehr das subjektive Element (der erklärte Wille der Kontrahenten oder des Gesetzgebers).“ (Hervorhebung vom Verfasser) „In der Praxis kommen wohl immer wieder Fälle vor, in denen die unmittelbare Anwendbarkeit in der Form von Durchführungs- oder Vorbehaltsklauseln ausdrücklich ausgeschlossen ist. Die Klausel, dass ein Vertrag unmittelbar anwendbar ist, kommt kaum vor. In der Mehrzahl der Fälle ist über diese Frage keine ausdrückliche Regelung enthalten.“ „In solchen Fällen, in denen die Vorschriften den persönlichen Geltungsbereich (für die Organe und für die Normadressaten im engeren Sinn) nicht ausdrücklich umgrenzen, können nur allgemeine Kriterien für die unmittelbare Anwendbarkeit angegeben werden. Sie richten sich in gleicher Weise nach dem Gegenstand der Regelung und nach dem Systemzusammenhang der einzelnen Vertragsbestimmungen im Vertragswerk wie nach der Rechtsordnung, für die der Vertrag Geltung haben soll. Immer wieder stehen vier entscheidende Fragen im Vordergrund: 1. die nach dem zuständigen Vollzugsorgan; 2. die nach der einzuhaltenden Vorgangsweise bei der Durchsetzung des Anspruchs; ____________________
57 Vgl. dazu auch VfSlg. 2750/1954 und Winkler, Überleitung und Rezeption des deutschen Elektrizitätsrechtes, JBl (1956) 576 ff.
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3. die nach dem konkreten Adressatenkreis von Normunterworfenen im engeren Sinn und schließlich; 4. die nach der ausreichenden inhaltlichen Bestimmtheit der Regelung.“ „Gleichgültig, ob die unmittelbare Anwendbarkeit ausdrücklich geregelt ist oder nicht, immer kommt es sowohl auf den subjektiven als auch auf den objektiven Aspekt zugleich an: 1. Die Kontrahenten müssen die unmittelbare Anwendbarkeit eines Vertrages gewollt haben (Bernhardt, Verdross). Es ist dabei gleichgültig, ob sie diesen Willen expressis verbis zum Ausdruck gebracht oder nur durch die Art der Regelung erkennbar gemacht haben. Die Tatsache des Vertragsabschlusses ist allerdings kein ausreichendes Indiz. Vielfach wird die Feststellung des Parteiwillens schwierig sein. Mit Recht meint der OGH, dass es dabei auf den Wortlaut und den Zweck der einzelnen Bestimmungen ankommt. In zweifelhaften Fällen sind wohl die oft unzureichenden Materialien heranzuziehen uzw. nicht nur jene der Vertragsverhandlungen, sondern auch jene der innerstaatlichen Transformation. 2. Unabhängig davon muss aber der Vertrag bzw. die Vertragsbestimmung auch objektiv geeignet sein, innerstaatlich unmittelbar angewendet zu werden. Was hilft der erklärte Parteiwille, wenn das Vollzugsorgan unbestimmbar ist oder wenn nicht feststellbar ist, wie das Organ bei der Vollziehung vorgehen soll. Ganz besonders für Österreich ist die Frage der objektiven Eignung zur unmittelbaren Anwendung durch den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 18 (1) und 83 (1) B-VG) weitgehend vorbestimmt. Da die Vollziehung streng an die Gesetze gebunden ist, müssen die Kompetenzen und das Verfahren genau so geregelt sein, wie die Sache selbst. In diesem Zusammenhang sei nur auf die umfangreiche Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zum Problem der Durchführungsverordnung nach Art. 18 (2) B-VG, zum unbestimmten Gesetzesbegriff und zur Beschränkung der Ermessensklauseln in den Gesetzen hingewiesen. (Hervorhebungen vom Verfasser) Wenn subjektive und objektive Voraussetzungen maßgeblich sind, dann müssen vier Fälle unterschieden werden: 1. Die Kontrahenten wollen die unmittelbare Anwendbarkeit, und es ist auch die objektive Eignung zur unmittelbaren Anwendbarkeit gegeben; dann ist unmittelbare Anwendbarkeit anzunehmen. 2. Die Kontrahenten wollen zwar die unmittelbare Anwendung, es fehlt jedoch die objektive Eignung; dann darf keine unmittelbare Anwendbarkeit angenommen werden. 3. Die Kontrahenten wollen die unmittelbare Anwendung nicht, die objektive Eignung ist jedoch gegeben; hier fehlt dennoch die unmittelbare Anwendbarkeit.
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4. Wenn weder der Wille noch die Eignung zur unmittelbaren Anwendung vorliegen, fehlt die unmittelbare Anwendbarkeit ebenfalls. Nur im ersten Fall, wenn subjektive und objektive Voraussetzungen gleichermaßen erfüllt sind, kann die unmittelbare Anwendbarkeit angenommen werden, weil nur in diesem Fall ein einheitlicher, in sich geschlossener, objektiv erkennbarer Wille des Gesetzeswille gegeben ist.“
3. Der Kommentar Öhlingers Öhlinger schildert die mit der Frage nach der Anwendbarkeit eines Staatsvertrages verbundenen Aspekte noch anschaulicher und in einer gefestigten Terminologie. Er stellt die bei Winkler angesprochene Unterscheidung zwischen „Geltung“ und „Verbindlichkeit“ in Verbindung mit der Frage nach der „Anwendbarkeit“ klar und hält sich konsequent an das Begriffspaar. Zweifellos ist das Begriffspaar „Geltung“ und „Verbindlichkeit“ sinnvoller, als die Unterscheidung zwischen „Geltung“ und „Geltungsaktualität“ im Sinn von „Verbindlichkeit“ bei Winkler. Im Folgenden werden die wichtigsten seiner – vom Verfassungsgerichtshof in den Ortstafelerkenntnissen gänzlich vernachlässigten – Gedanken in ihren Schwerpunkten wörtlich wiedergegeben: „Dass Staatsverträge ... unverändert in das staatliche Rechtssystem inkorporiert werden und in seinem Rahmen ,Geltung‘ erlangen, bedeutet, dass sie im innerstaatlichen Bereich Rechtswirkungen entsprechend ihrem Inhalt entfalten können, ohne dass sie zuvor in eine originär staatliche Rechtsquelle (Gesetz, Verordnung udgl) umgeformt werden müssten. Die wichtigste Konsequenz (gemeint ist wohl Voraussetzung, Anmerkung des Verfassers) dieser Adoption der Staatsverträge ist es, dass diese geeignet sind, nicht nur die Regierung oder die gesetzgebenden Organe, sondern auch nachgeordnete Behörden und Gerichte sowie Privatpersonen rechtlich zu binden. Das heißt selbstverständlich nicht, dass jeder Staatsvertrag eine Bestimmung enthalten muss, auf Grund welcher eine Privatperson einen Anspruch gegen den Staat oder eine andere Person durchsetzen kann. Solche Bestimmungen sind in der Masse der von Österreich abgeschlossenen Staatsverträge auch in der Gegenwart selten, fast Ausnahmen. Denn völkerrechtliche Verträge werden in überwiegendem Maße so formuliert, dass die Art und Weise ihrer Erfüllung erst durch die einzelstaatliche Rechtsordnung präzisiert werden muss.“ „Staatsverträge lassen daher in den meisten Fällen offen, welches staatliche Organ zu ihrer Ausführung berufen ist. (Hervorhebung vom Verfasser) Wird ein solcher Staatsvertrag zum Bestandteil der einzelstaatlichen ... Rechtsordnung, so kann sich dieses Organ aus dem Zusammenhang der Gesamtrechtsordnung manchmal eindeutig, manchmal nach Durchführung schwieriger interpretativer Operationen bestimmen lassen. Lässt sich auf
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diese Weise nicht die Zuständigkeit eines Verwaltungsorgans oder eines Gerichtes ermitteln, bedarf es jedenfalls eines Aktes der Gesetzgebung, gemäß dem – in Österreich auch grundrechtlich geschützten – Grundsatz, dass die Zuständigkeit aller staatlichen Organe durch Gesetz zu begründen ist. Aber auch in anderen Fällen kann, um den im Staatsvertrag völkerrechtlich intendierten Erfolg zu erreichen, eine Änderung oder Ergänzung der Rechtsordnung auf der Stufe des Gesetzes oder sogar der Verfassung notwenig sein.“ „Staatsverträge enthalten aber nicht nur selten klare Aussagen über die zu ihrer Ausführung berufenen staatlichen Organe, sondern bleiben auch in ihrem materiellen Gehalt, gemessen am Standard der innerstaatlichen Gesetzgebung, vielfach unbestimmt. ... In vielen Fällen muss es daher zweifelhaft bleiben, ob durch einen Staatsvertrag die Tätigkeit eines Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde, dessen oder deren Zuständigkeit zur Ausführung eines Staatsvertrages formal vielleicht eindeutig feststellbar ist, auch materiell so eindeutig bestimmt wird, wie es innerstaatlichen Rechtsgrundsätzen entspricht.“ (134 f ) „Der Wille der Vertragsparteien kann daher bei der Beurteilung der unmittelbaren Anwendbarkeit eines Vertrages einen Anhaltspunkt ergeben, als das entscheidende Kriterium wurde jedoch von der Judikatur richtig die objektive Voraussetzung seiner hinreichenden Bestimmtheit erkannt. Den Maßstab dieser Bestimmtheit liefert die Rechtsprechung des VfGH zu Art. 18 B-VG. Aus dieser Bestimmung hat der VfGH abgeleitet, dass die Tätigkeit der Organe der Vollziehung durch Gesetz in ausreichendem Maße bestimmt werden muss. Um diesem Grundsatz zu entsprechen, hat das Gesetz die Zuständigkeit, den Inhalt eines Vollzugsaktes und das Verfahren, in dem der Vollzugsakt festgesetzt wird, in einem Maße zu regeln, das eine Überprüfung des Vollzugsaktes am Inhalt des Gesetzes durch den VwGH oder den VfGH ermöglicht.“ (144) „Die Judikatur der österreichischen Gerichte zum Problem des selfexecuting treaty hat internationale Beachtung gefunden. Mit der wachsenden Flut internationaler Vereinbarungen in der Mitte des 20. Jhdts. wurde allerdings die Methode, die unmittelbare Anwendbarkeit eines Vertrages ausschließlich interpretativ zu ermitteln, aufs schärfste in Frage gestellt. Eine heftige literarische Kontoverse, die durch Erkenntnisse des OGH und des VfGH ausgelöst wurde, endete schließlich mit der Bundesverfassungsnovelle 1964, mit der die Bestimmungen des B-VG idF. von 1929 über Staatsverträge abgeändert wurden. In ihrem Mittelpunkt stand das Bemühen um eine verfassungsrechtliche Lösung des Problems der unmittelbaren Anwendbarkeit der Staatsverträge.“ (144; Hervorhebungen vom Verfasser)
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„In den im Verfassungsdienst des BKA entworfenen Erläuterungen zur Regierungsvorlage heißt es dazu, dass durch eine solche Anordnung die „generelle Transformation“ im Einzelfall zugunsten der „speziellen Transformation“ ausgeschlossen werde. Ähnlich heißt es im Einführungsschreiben des Verfassungsdienstes zu dieser Verfassungsnovelle: ,Um die Nachteile der generellen Transformation in jenen Fällen auszuschließen, in denen die direkte und unveränderte Übernahme einer staatsvertraglichen Norm in die innerstaatliche Rechtsordnung eine eminente Gefahr für die Einheit der österreichischen Rechtsordnung und damit für die Rechtssicherheit darstellen würde, hat der Verfassungsgesetzgeber durch die Neufassung der Art. 50, 65 Abs. 1 und 66 Abs. 2 B-VG die Möglichkeit geschaffen, im Einzelfall zur Methode der speziellen Transformation überzugehen.‘ In diesem Sinn wird auch in der parlamentarischen Praxis die Anwendung des Art. 50 Abs. 2 B-VG häufig als „spezielle Transformation“ oder als „Ausschluss der generellen Transformation“ bezeichnet.“ (145) „,Generelle Transformation‘ als Institut des österreichischen Verfassungsrechtes bedeutet, dass der Staatsvertrag eine selbständige Rechtsquelle im innerstaatlichen Recht ist und in diesem Sinn Geltung, d.h. rechtliche Existenz im Rahmen der österreichischen Rechtsordnung besitzt. Das bedeutet nichts anderes, als dass damit die Grundlage dafür geschaffen ist, dass der Staatsvertrag im innerstaatlichen Bereich rechtliche Wirkungen entfaltet, die mannigfaltiger Art sein können. Nur eine davon, wenn auch die intensivste und daher wichtigste, ist seine unmittelbare Anwendbarkeit durch Gerichte und Verwaltungsbehörden. Sie wird durch einen Beschluss im Sinne des Art. 50 Abs. 2 B-VG oder eine Anordnung gemäß den Art. 65 Abs. 1 2. Satz oder 66 Abs. 2, 2. Halbsatz B-VG jedenfalls ausgeschlossen.“ (146 f ) „Die Einrichtung des Erfüllungsvorbehaltes erfolgte zu dem Zweck, der Problematik, welche die unmittelbare Anwendbarkeit eines generell transformierten Staatsvertrages durch Gerichte oder Verwaltungsbehörden aufwirft, zu steuern.“ (148) „Aus diesem Telos heraus lässt sich der Gehalt des Art. 50 Abs. 2 B-VG und der analogen Regelung in den Art. 65 und 66 B-VG näher bestimmen. Durch einen im Sinne dieser Regelungen abgegebenen Erfüllungsvorbehalt wird jedenfalls die unmittelbare Anwendbarkeit eines Staatsvertrages in dem bereits präzisierten Sinne, dass nämlich auf solchen Staatsvertrag ein gerichtliches Urteil oder ein verwaltungsbehördlicher Bescheid, bzw. gleichwertige Rechtsakte gestützt werden können, ausgeschlossen. Der Erfüllungsvorbehalt ermöglicht so eine authentische Interpretation der Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit eines Staatsvertrages.“
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„Da das Verordnungsrecht der Exekutive nach österreichischem Verfassungsrecht (Art. 18 Abs. 2 B-VG) prinzipiell den gleichen Beschränkungen wie die Befugnis zur Setzung individueller Vollzugsakte (Art. 18 Abs. 1 B-VG) unterliegt, muss ferner angenommen werden, dass auch die Erlassung von Durchführungsverordnungen durch einen Erfüllungsvorbehalt zu einem vom Parlament genehmigten Staatsvertrag ausgeschlossen wird.“ (Hervorhebung vom Verfasser) „Es werden aber durch einen solchen Erfüllungsvorbehalt nicht sämtliche Rechtswirkungen eines Staatsvertrages im Staatsinneren gelöscht. Das gilt selbstverständlich für „die Anwendung“ eines Vertrages durch den Gesetzgeber (einschließlich des Verfassungsgesetzgebers) selbst.“ (149) „Das Prinzip der ,generellen Transformation‘ (= Adoptionsprinzip) wird somit durch das Institut des Erfüllungsvorbehaltes nicht beseitigt, sondern nur in seinen Auswirkungen modifiziert. Diese Auffassung findet eine Bestätigung auch darin, dass das Verfahren des Abschlusses der Staatsverträge einschließlich ihrer Kundmachung durch die Bundesverfassungsnovelle 1964 nicht strukturell verändert wurde. ... Durch dieses Institut wird somit das Vertragsschließungsverfahren, das nach der vor der Bundesverfassungsnovelle 1964 einhellig vertretenen Auffassung die generelle Transformation (= Adoption) eines Staatsvertrages im österreichischen Recht impliziert, nicht geändert, sondern nur ergänzt.“ (151)
4. Die unmittelbare Anwendbarkeit der Ziff. 3 im Art. 7 des Staatsvertrages in der Judikatur des VfGH a. Das Erkenntnis des Jahres 1987 58 In diesem Erkenntnis stellte der VfGH unter Berufung auf ausgewählte Literatur zunächst allgemein fest: „Eine Bestimmung eines Staatsvertrages ist unmittelbar anwendbar, wenn sie sich „ihrem Inhalt nach an die Rechtsunterworfenen oder an die Vollzugsorgane des Staates“ richtet (Walter, Die Neuregelung der Transformation völkerrechtlicher Verträge in das österreichische Recht, ÖJZ 1964, 449 ff, insbesondere 450). Sie muss unmittelbare Grundlage für einen individuellen Verwaltungsakt oder für ein Urteil sein können. Hiezu bedarf es eines gewissen Maßes an Präzision (vgl. Khol, Die europäische Sozial-Charta und die österreichische Rechtsordnung, JBl 1965, 75 ff, insbesondere 81; Öhlinger, Die Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen, Wien 1978, 55; Gröhs – Herbst, Die Interpretation von Doppelbesteuerungsabkommen als Problem der Auslegung von völkerrechtlichen Verträgen im nationalen Recht, ZfV 1986/1, ____________________
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G 55/87, G 56/87, G 57/87, G 58/87, vom 12. Dezember 1987, VfSlg. 11.585.
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16 ff; ua). Im Schrifttum wird auch auf den subjektiven Aspekt des Problems hingewiesen. Hiebei kommt es darauf an, dass ‚der Wille der Vertragsparteien auf die Anwendung des Vertrages durch Gerichte und Verwaltungsbehörden ohne Einschaltung staatlicher Rechtssetzung gerichtet ist‘ (Verdross – Simma, Universelles Völkerrecht, 2. Auflage, 442; vgl. auch Gröhs – Herbst aaO, 20).59 Dieser Wille der Vertragspartner ist aus den Materialien zum Staatsvertrag erkennbar. In den EB zur RV (517 BlgNR VII. GP, S 3) heißt es zum ersten Satz in der Ziff. 3 des Art. 7: ‚Diese Bestimmung bedarf keiner näheren Ausführungsgesetzgebung mehr; sie ist unmittelbar anwendbar‘.“ (Hervorhebungen vom Verfasser.) Zum ersten Satz in der Ziff. 3 des Art. 7 des Staatsvertrages, betreffend die Amtssprache, ging der VfGH ungeachtet seines Hinweises auf die Materialien zum Staatsvertrag, im Hinblick auf die Unterscheidung in den oben zitierten Studien zwischen subjektiven und objektiven Kriterien auch auf die Frage der objektiven Bestimmtheit bzw. Unbestimmtheit des Staatsvertrages für die Amtssprache ein und führte dazu Folgendes aus: „Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, dass die Anwendung des ersten Satzes des Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien im Einzelfall schwierig sein kann.60 Diese Schwierigkeiten sind jedoch nicht derart gravierend, dass diese Bestimmung unvollziehbar wäre. Dies zeigen auch die Ausführungen Unkarts (in: Ein Beitrag zur Auslegung des Art. 7 des Staatsvertrages 1955, ÖJZ 1974, 91 ff, insbesondere 94), der zwar auf Auslegungsschwierigkeiten hinweist, aber bestätigt, dass die unmittelbare Anwendung dieser Bestimmung des Staatsvertrages ‚seit 1955 der Verwaltungspraxis der Kärntner Landesverwaltung und seit einigen Jahren auch der der Bundesverwaltung‘ entspricht. Die Feststellung, ob im Einzelfall ein Verfahrensbeteiligter, der die Verhandlung in einer Minderheitensprache verlangt, Angehöriger einer Minderheit ist, erübrigt sich. Es kann sich nämlich in den in Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien bezeichneten Gebieten jedermann, der in der Sprache der Minderheit verhandeln will, ohne Nachweis seiner Zugehörigkeit zu einer Minderheit der Sprache der Minderheit bedienen. Diese Auslegung entspricht auch dem Grundgedanken des Minderheitenschutzes, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe nicht in jedem einzelnen Verfahren nachweisen zu müssen, was unter Umständen zu einer Diskriminierung führen könnte. Das VolksgruppenG geht von dem gleichen Verständnis aus. In unmittelbarem Zusammenhang mit dem ____________________
59 Die eingehende Studie von Öhlinger, Der völkerrechtliche Vertrag im staatlichen Recht (1973), wird mit keinem Wort erwähnt. 60 Siehe zu Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien auch die ältere Judikatur des Verfassungsgerichtshofs, VfSlg. 9224/1981, 9744/1983, 9752/1983, 9801/1983; B 482/ 82 vom 29. 9. 1983.
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Diskriminierungsverbot (§ 1 Abs. 3, zweiter Satz) bestimmt das VolksgruppenG, dass keine Person verpflichtet ist, ihre Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe nachzuweisen (§ 1 Abs. 3, dritter Satz). Die RV zum VolksgruppenG (217 B1gNR XIV. GP) weist ausdrücklich darauf hin, dass die Bestimmung (§ 1 Abs. 4 der RV) ‚im Sinne der Nichtdiskriminierung‘ zu verstehen sei.“ Kommentar: Die Regelung des ersten Satzes der Ziff. 3 über das subjektive Recht des Einzelnen kann keineswegs selbstredend bedeuten, dass es keiner gesonderten amtlichen Feststellung der Minderheit in den gemäß Art. 7 des Staatsvertrages in Frage kommenden Verwaltungs- und Gerichtsbezirken bedarf, in welchen Bezirken und vor welchen Behörden und Dienststellen der Einzelne sein Recht auf Gebrauch seiner Muttersprache als Amtssprache ausüben darf. Die Bestimmung der Territorien und der in Betracht kommenden Minderheit setzt für eine rechtsstaatliche Durchführung jedenfalls gesetzliche Regelungen über Zuständigkeiten und Verfahren voraus. Dem trägt das VolksgruppenG Rechnung. In seinem Mittelpunkt steht das objektive Erfordernis eines festen Prozentsatzes für die Festlegung der Gebiete und der in Betracht kommenden Minderheit. Das VolksgruppenG zeichnet der Zuständigkeit der Bundesregierung zur Regelung durch Verordnung weitere Bestimmungsgründe vor. Daneben gibt es noch die gesetzlichen Vorschriften über Zuständigkeiten und Verfahren zur Durchführung von Volkszählungen. Das subjektive Recht des Einzelnen auf seine Muttersprache bedarf gewiss keiner gesetzlichen Durchführung, wohl aber die institutionellen Vorkehrungen für die Feststellung der Minderheit zu ihrer rechtsstaatlichen Gewährleistung. Der VfGH meint dazu: „Nur auf den ersten Blick erscheint es, als sei die Feststellung, was ein Gebiet mit gemischter Bevölkerung ist, nur bei Nachweis der Zugehörigkeit einer größeren Zahl der dort wohnenden Personen zur Minderheit möglich. In Wahrheit kann und muss bei dieser Feststellung von einer vergröberten statistischen Erfassung ausgegangen werden, die Einzelnachweise nicht erfordert. Eine Behörde, die bei unmittelbarer Anwendung des Staatsvertrages von Wien festzustellen hätte, ob sie in einem gemischtsprachigen Gebiet liegt, steht vor demselben schwierigen, aber nicht unlösbaren Problem, wie der Verfassungsgerichtshof, wenn er eine nach § 2 Abs. 1 VolksgruppenG erlassene Verordnung nach Art. 139 B-VG auf ihre Gesetzmäßigkeit überprüfen müsste, zumal das VolksgruppenG auch keine Bestimmung darüber trifft, was unter einem Verwaltungs- oder Gerichtsbezirk mit gemischter Bevölkerung zu verstehen ist. Es heißt in § 2 Abs. 2 VolksgruppenG bloß, dass ‚bestehende völkerrechtliche Verpflichtungen‘, also im wesentlichen die Bestimmungen des Staatsvertrages von Wien, zu
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berücksichtigen sind. Damit hatte auch die Bundesregierung bei Erlassung der Verordnung BGBl. 307/1977 in Bezug auf wesentliche Determinanten für die Verordnungserlassung, insbesondere auch in Bezug auf die Feststellung des Gebietes mit gemischter Bevölkerung, unmittelbar Art. 7 Ziff. 3 erster Satz des Staatsvertrages angewendet.“ (Hervorhebung vom Verfasser) „Die Bestimmung des VolksgruppenG, wonach ,auf die zahlenmäßige Größe der Volksgruppe, die Verbreitung ihrer Angehörigen im Bundesgebiet, ihr größenordnungsmäßiges Verhältnis zu anderen österreichischen Staatsbürgern in einem bestimmten Gebiet sowie auf ihre besonderen Bedürfnisse und Interessen zur Erhaltung und Sicherung ihres Bestandes Bedacht zu nehmen‘ ist, ist in Bezug auf die hier zu beantwortende Frage von keinem höheren Bestimmtheitsgrad als der Staatsvertrag selbst.“ Kommentar: Das ist unzutreffend. Die Begriffe Verwaltungs- und Gerichtsbezirke sind gesetzlich feststehende Begriffe. Sie sind eindeutig. Dazu gehört eine gesetzlich geregelte Feststellung der Minderheit. Das Volksgruppengesetz vermittelte durch Festlegung eines festen Prozentsatzes der Bundesregierung eine ausreichende Bestimmtheit für die Auswahl der in Betracht kommenden Verwaltungs- und Gerichtsbezirke. Daher hielt sich die Bundesregierung in ihren Durchführungsverordnungen an den im Volksgruppengesetz eindeutig festgelegten Prozentsatz von einem Viertel (25 %) und nicht unmittelbar an die Unbestimmtheiten im Art. 7 des Staatsvertrages. In seinem Erkenntnis über die Aufhebung dieses Prozentsatzes war auch der VfGH indirekt dieser Meinung. Er erklärte nämlich, dass der Staatsvertrag durch die Aufhebung „wieder unmittelbar anwendbar“ geworden sei. Also muss er es vorher nicht gewesen sein. Aus einem bloßen Hinweis des Gesetzgebers in den Motiven auf die Selbstverständlichkeit der völkerrechtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit einem Staatsvertrag gewinnt man kein ausreichendes Kriterium für die Anwendbarkeit des Art. 7 Staatsvertrag, sondern – wie der Gesetzgeber durch Erlassung des VolksgruppenG selbst dargetan hat – nur eine allgemeine Wegweisung, die gemäß Art. 16 Abs. 5 B-VG der Konkretisierung durch Gesetz bedarf. Das war dem Gesetzgeber des Jahres 1977 voll bewusst. Er setzte nämlich im VolksgruppenG zur Ermöglichung einer rechtsstaatlichen Durchführung des Art. 7 Ziff. 3 durch die Bundesregierung ein klares materielles Kriterium fest (ein Viertel bzw. 25 %), welches im Zeitpunkt der Schöpfung dieses Erkenntnisses des VfGH im Jahr 1987 noch geltendes Recht war. Die für die Amtssprache in Betracht kommenden Typen von Behörden und Dienststellen sind danach zwar relativ einfach zu ermitteln, doch auch sie bedürfen einer allgemeinen Fest-
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legung. Die Benutzung der Amtssprache durch die Behörden setzt nämlich nicht nur die verbindliche Festlegung der in Frage kommenden Verwaltungs- und Gerichtsbezirke entweder unmittelbar durch Gesetz oder aufgrund des Gesetzes, gemäß einer rechtsstaatlich einwandfreien Ermächtigung voraus, wie sie im § 2 des VolksgruppenG gegeben war. Der VfGH setzte seine Argumentation wie folgt fort: „Die Schwierigkeiten bei der Auslegung des Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien mögen es zweckmäßig erscheinen lassen, Ausführungsbestimmungen in Gesetzen oder Verordnungen zu erlassen. Dieser Umstand nimmt der staatsvertraglichen Bestimmung jedoch nicht den Charakter der unmittelbaren Anwendbarkeit in jenen Bereichen, die nicht von Ausführungsbestimmungen umfasst sind. Es ist dem Gesetzgeber unbenommen – auch bei unmittelbarer Anwendbarkeit von Bestimmungen des Staatsvertrages – gesetzliche Regelungen zu beschließen, die der Sicherstellung einer gleichmäßigen und effektiveren Gewährleistung der im Staatsvertrag normierten Minderheitenrechte dienen. Insoweit also das VolksgruppenG die sich aus dem Staatsvertrag für die Minderheiten ergebenden Rechte wiederholt und bestärkt, ist es als AusführungsG zum Staatsvertrag zu werten und steht mit diesem nicht in Widerspruch.“ Kommentar: Der Gesetzgeber hat diesen Hinweisen des VfGH verständlicher Weise keine Beachtung geschenkt. Er hatte doch die erforderliche Durchführungsbestimmung bereits getroffen und damit im Sinn des B-VG die unmittelbare Anwendung des Art. 7 Staatsvertrag für alle staatlichen Vollzugsorgane verbindlich versperrt, den VfGH eingeschlossen. Im Sinn des im Verfassungsrang stehenden Art. 68 des Staatsvertrages von St. Germain und des Art. 7 Staatsvertrag von Wien (Motivenbericht) hatte er im Volksgruppengesetz „eine verhältnismäßig beträchtliche Zahl (ein Viertel)“ als ein materielles Kriterium zur Bestimmung der Minderheit festgesetzt. Der VfGH erkannte damals sichtlich, dass ihm dadurch der Weg zur Herbeiführung eines günstigeren Prozentsatzes solange verschlossen war, als diese Vorschrift in Geltung blieb. Vorsorglich stellte er jedenfalls damals fest, dass Art. 7 des Staatsvertrages im Fall einer Aufhebung einer gesetzlichen Durchführungsvorschrift, ungeachtet seiner objektiven Unbestimmtheit, unmittelbar anwendbar werde. Im Jahr 1987 bereitete sich also der VfGH selbst argumentativ den Weg zur Annahme einer unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 7 für den Fall einer Außerkraftsetzung des materiellen Kriteriums des VolksgruppenG. Die Tragweite dieses zweideutigen Kommentars des VfGH zur unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 7 des Staatsvertrages wird erst durch die späteren Erkenntnisse klar.
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Das Erkenntnis aus dem Jahr 1987 wurde für den VfGH zu einem problematischen Wegweiser für seine späteren Stellungnahmen zur Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit des gesamten Inhalts der Ziff. 3 im Art. 7 des Staatsvertrages. Dieser ambivalente Leitsatz des VfGH im Erkenntnis des Jahres 1987 gemahnt an § 8 ABGB: „Nur dem Gesetzgeber steht die Macht zu, ein Gesetz auf eine allgemein verbindliche Art zu erklären. Eine solche Erklärung muss auf alle noch zu entscheidenden Fälle angewendet werde, dafern der Gesetzgeber nicht hinzufügt, dass seine Erklärung bei Entscheidungen solcher Rechtsfälle, welche die vor der Erklärung unternommenen Handlungen und angesprochenen Rechte zum Gegenstand haben, nicht bezogen werden solle.“ In diesem Sinn empfiehlt sich ein Blick auf die vom Bundesgesetzgeber zur „Durchführung“ des Staatsvertrages gemäß Art. 16 Abs. 5 B-VG erlassenen Gesetze. 1. Das Bundesgesetz vom 19. März 1959, BGBl. Nr. 101, womit für das Bundesland Kärnten Vorschriften zur Durchführung der Minderheiten-Schulbestimmungen des Österreichischen Staatsvertrages getroffen werden (Minderheitenschulgesetz für Kärnten). Dieses Gesetz ist durch seine verfassungsgesetzlichen Sonderregelungen zur Kompetenzverteilung der Art. 10 bis 15 B-VG und durch seine differenzierten Ausführungsvorschriften ein schlagender Beweis für die Überzeugung des Gesetzgebers von der Notwendigkeit von kompetenzgerechten gesetzlichen Durchführungsvorschriften zu den Unbestimmtheiten im Art. 7 des Staatsvertrages. 2. Das Bundesgesetz vom 7. Juli 1976, BGBl. 396, über die Rechtsstellung der Volksgruppen in Österreich (VolksgruppenG), als Ausführungsgesetz zu den Verfassungsbestimmungen des Art. 7 des Staatsvertrages von Wien und des Art. 68 im Abschnitt V des III. Teiles des Staatsvertrages von St. Germain, mit einer Verfassungsbestimmung im § 22 Abs. 2. Auch das VolksgruppenG ist Ausdruck für die Überzeugung des Gesetzgebers gemäß Art. 16 Abs. 5 B-VG von der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit der „Durchführung“ des Art. 7 des Staatsvertrag auf der Gesetzesebene. b. Das Erkenntnis des Jahres 2000 zur Amtssprachenverordnung 61 In diesem Erkenntnis heißt es unter 5. 2. zur Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 7: „Die Bundesregierung hat die unmittelbare Anwendbarkeit dieser Bestimmung des Staatsvertrages von Wien bestritten. ____________________
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V 91/99 vom 4. Oktober 2000, VfSlg. 15.970.
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Im Erkenntnis VfSlg. 9.744/1983 meinte der Verfassungsgerichtshof unter Hinweis auf die Vorjudikatur, dass ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht dann vorliegt, wenn an der Einhaltung einer objektiven Verfassungsnorm ein hinlänglich individualisiertes Parteiinteresse besteht. Er ging weiters davon aus, dass es sich bei der Verfassungsvorschrift des Art. 7 Ziff. 3 Satz 1 des Staatsvertrages von Wien um eine – Art. 8 B-VG ergänzende – Sonderregelung zugunsten und zum Schutz sprachlicher Minderheiten handelt, so dass „sich diese staatsvertragliche Bestimmung – wie grundsätzlich die Überschrift des Art. 7 1. c. lautend: ,Rechte der slowenischen und kroatischen Minderheiten‘, zeigt – nicht in einem bloßen Auftrag an Staatsorgane erschöpfen (kann); sie garantiert vielmehr darüber hinaus ua. österreichischen Staatsbürgern, die der slowenischen Minderheit (Volksgruppe) angehören, (ua. in den Verwaltungs- und Gerichtsbezirken Kärntens mit slowenischer oder gemischter Bevölkerung) das Recht auf Gebrauch der slowenischen Sprache im Verkehr mit Behörden. Diese Ausführungen wurden in den Erkenntnissen VfSlg. 9.752/1983 und 9.801/1983 und B 482/82 vom 29. 9. 1983 fast wörtlich wiederholt. In diesen Erkenntnissen geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass Art. 7 Ziff. 3 erster Satz unmittelbar anwendbar ist. Die Ausführungen der Bundesregierung, die sich in ihrer schriftlichen Äußerung mit der obzitierten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nicht befasste, vermochten den Verfassungsgerichtshof nicht zu überzeugen.“ (Hervorhebung vom Verfasser) In der Folge wiederholte der VfGH seine Hinweise auf ausgewählte Literatur aus dem Erkenntnis vom 4. Oktober 2000 zur Amtssprachenverordnung, V 91/99, VfSlg. 15.970, in ihrem vollen Wortlaut. Die Zielvorstellung des VfGH kommt in ihrer konkreten Tragweite für Art. 7 des Staatsvertrages in den folgenden Feststellungen zum Ausdruck: „Im Schrifttum wird auch auf den subjektiven Aspekt des Problems hingewiesen. Hiebei kommt es darauf an, dass, der Wille der Vertragsparteien auf die Anwendung des Vertrages durch Gerichte und Verwaltungsbehörden ohne Einschaltung staatlicher Rechtssetzung gerichtet ist‘ (Verdross – Simma, Universelles Völkerrecht, 2. Auflage, Seite 442; vgl. auch Gröhs – Herbst, a.a.O. Seite 20).“ „Dieser ,Wille der Vertragsparteien‘, jedenfalls der Wille des österreichischen Gesetzgebers, ist in den Materialien zum Staatsvertrag nachzulesen. In den EB zur RV (517 B1gNR VII. GP., S. 3) heißt es zu Art. 7 Ziff. 3 erster Satz: ,Diese Bestimmung bedarf keiner näheren Ausführungsgesetzgebung mehr; sie ist unmittelbar anwendbar‘.“ „Der Verfassungsgerichtshof weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine von der Bundesregierung aufgezeigte wesentliche Schwie-
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rigkeit, nämlich die Feststellung, ob im Einzelfall ein Verfahrensbeteiligter, der die Verhandlung in einer Minderheitensprache verlangt, Angehöriger einer Minderheit ist, nicht besteht. Entgegen der Ansicht, die der Vertreter der Bundesregierung in der Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof äußerte, kann sich in den in Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien bezeichneten Gebieten jedermann, der in der Sprache der Minderheit verhandeln will, ohne Nachweis seiner Zugehörigkeit zu einer Minderheit der Sprache der Minderheit bedienen. Diese Auslegung entspricht auch dem Grundgedanken des Minderheitenschutzes, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe nicht in jedem einzelnen Verfahren nachweisen zu müssen, was unter Umständen zu einer Diskriminierung führen könnte. Das Volksgruppengesetz geht von dem gleichen Verständnis aus.“ „In unmittelbarem Zusammenhang mit dem Diskriminierungsverbot (§ 1 Abs. 3, zweiter Satz) bestimmt das Volksgruppengesetz, dass keine Person verpflichtet ist, ihre Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe nachzuweisen (§ 1 Abs. 3, dritter Satz). Die RV zum Volksgruppengesetz (217 B 1g NR XIV. GP) weist ausdrücklich darauf hin, dass die Bestimmung (§ 1 Abs. 4 der RV) ,im Sinne der Nichtdiskriminierung‘ zu verstehen sei. Nur auf den ersten Blick erscheint es, als sei die Feststellung, was ein Gebiet mit gemischter Bevölkerung ist, nur bei Nachweis der Zugehörigkeit einer größeren Zahl der dort wohnenden Personen zur Minderheit möglich, so dass sich die aufgezeigte Schwierigkeit des Nachweises vervielfachen würde. In Wahrheit kann und muss bei dieser Feststellung von einer vergröberten statistischen Erfassung ausgegangen werden, die Einzelnachweise nicht erfordert. Eine Behörde, die bei unmittelbarer Anwendung des Staatsvertrages festzustellen hätte, ob sie in einem gemischtsprachigen Gebiet liegt, steht vor demselben schwierigen, aber nicht unlösbaren Problem, wie der Verfassungsgerichtshof, wenn er eine nach § 2 Abs. 1 Volksgruppengesetz erlassene Verordnung nach Art. 139 B-VG auf ihre Gesetzmäßigkeit überprüfen müsste, zumal das Volksgruppengesetz auch keine Bestimmung darüber trifft, was unter einem Verwaltungs- oder Gerichtsbezirk mit gemischter Bevölkerung zu verstehen ist. Es heißt in § 2 Abs. 2 Volksgruppengesetz bloß, dass ,bestehende völkerrechtliche Verpflichtungen‘, also im Wesentlichen die Bestimmungen des Staatsvertrages von Wien, zu berücksichtigen sind. Damit hatte auch die Bundesregierung bei Erlassung der Verordnung BGB1.Nr. 307/1977 in Bezug auf wesentliche Determinanten für die Verordnungserlassung, insbesondere auch in Bezug auf die Feststellung des Gebietes mit gemischter Bevölkerung, unmittelbar Art. 7 Ziff. 3 erster Satz des Staatsvertrages angewendet. Die Bestimmung des Volksgruppengesetzes, wonach ,auf die zahlenmäßige Grö-
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ße der Volksgruppe, die Verbreitung ihrer Angehörigen im Bundesgebiet, ihr größenordnungsmäßiges Verhältnis zu anderen österreichischen Staatsbürgern in einem bestimmten Gebiet sowie auf ihre besonderen Bedürfnisse und Interessen zur Erhaltung und Sicherung ihres Bestandes Bedacht zu nehmen‘ ist, ist in Bezug auf die hier zu beantwortende Frage von keinem höheren Bestimmtheitsgrad als der Staatsvertrag selbst. 5. 3. Die Schwierigkeiten bei der Auslegung des Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages mögen es zweckmäßig erscheinen lassen, Ausführungsbestimmungen in Gesetzen oder Verordnungen zu erlassen. Dieser Umstand nimmt der staatsvertraglichen Bestimmung jedoch nicht den Charakter der unmittelbaren Anwendbarkeit in jenen Bereichen, die nicht von Ausführungsbestimmungen umfasst sind. Es ist dem Gesetzgeber unbenommen – auch bei unmittelbarer Anwendbarkeit von Bestimmungen des Staatsvertrages – gesetzliche Regelungen zu beschließen, die der Sicherstellung einer gleichmäßigen und effektiveren Gewährleistung der im Staatsvertrag normierten Minderheitenrechte dienen. Insoweit also das Volksgruppengesetz die sich aus dem Staatsvertrag für die Minderheiten ergebenden Rechte wiederholt und bestärkt, ist es als Ausführungsgesetz zum Staatsvertrag zu werten und steht mit diesem nicht in Widerspruch. Da die Bestimmung des Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien jedoch Verfassungsrang genießt, ist es dem einfachen Gesetzgeber verwehrt, eine dieser Bestimmung widersprechende Regelung zu treffen.“ „5. 4. Im Gesetzesprüfungsverfahren haben sich die im Prüfungsbeschluss geäußerten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, dass die in Prüfung gezogenen Stellen des § 13 Abs. 1 und 2 des Volksgruppengesetzes nicht im Einklang mit Art. 7 Ziff. 3 erster Satz des Staatsvertrages von Wien stünden, erhärtet. Während die Verordnungsermächtigung des § 2 Abs. 1 des Volksgruppengesetzes zunächst – isoliert betrachtet – nur eine nähere Präzisierung der Minderheitenrechte in Bezug auf die Verwendung dieser Sprache als Amtssprache ermöglicht, wird sie durch den Zusammenhang mit § 13 des Volksgruppengesetzes in Wahrheit zu einer Einschränkung dieser Rechte. Nach § 13 Abs. 2 leg. cit. ist der Gebrauch der Sprache oder Volksgruppe nämlich von der Erlassung einer Verordnung der Bundesregierung abhängig, die die Behörden und Dienststellen bezeichnet, bei denen man sich einer Minderheitensprache bedienen kann. Solange eine solche Verordnung nicht erlassen wird, ist die in Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien angeordnete Zulassung der Minderheitensprache als Amtssprache ausgeschlossen.“ (Hervorhebungen vom Verfasser) Kommentar: Das subjektive, verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht des Einzelnen ist nur eine Seite des Themas. Die andere Seite ist die insti-
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tutionelle Gewährleistung und die rechtliche Absicherung der Ausübung dieses Rechtes. Dem VfGH scheint dabei entgangen zu sein, dass der Gesetzgeber allein schon durch die Erlassung des VolksgruppenG hinsichtlich des materiellen Kriteriums und der institutionellen Gewährleistung dieses subjektiven Rechtes nicht zufällig gegenteiliger Auffassung war. Der Gesetzgeber musste wegen der objektiven Unbestimmtheit des ersten Satzes der Ziff. 3 des Art. 7 zumindest den Prozentsatz als materielles Kriterium vorschreiben, um der Bundesregierung die konkrete Auswahl aus den bundesweit gleichartig vorhandenen Verwaltungs- und Gerichtsbezirken und die Bestimmung der in Frage kommenden Behörden und Dienststellen einwandfrei zu ermöglichen. Im Übrigen ist hier festzuhalten, dass jede gesetzliche Regelung zur Durchführung einer Verfassungsvorschrift zwangsläufig eine Einschränkung eines Grundrechtes im Sinn des diesem inhärenten Gesetzesvorbehaltes sein muss. c. Das Erkenntnis des Jahres 2001 62 In seinem Erkenntnis aus dem Jahr 2001 bezog sich der Verfassungsgerichtshof mit einigen wenigen Worten auf dieses ausführliche Erkenntnis, VfSlg. 15.970 vom 4. Oktober 2000, V 91/99 zur Amtssprachenverordnung, BGBl. 307/1977. Dem VfGH scheint dabei entgangen zu sein, dass er es gegenüber der Zweiseitigkeit der Materie der Amtssprache, nämlich einerseits der Gewährung eines subjektiven Rechtes und andererseits der Schaffung der zu ihrer Gewährleistung erforderlichen institutionellen Vorkehrungen, bei den topographischen Bezeichnungen und Aufschriften gemäß dem zweiten Satz der Ziff. 3 im Art. 7 StV mit einer grundsätzlich anders gearteten Materie zu tun hatte. Mit einer befremdlichen Selbstverständlichkeit übertrug er seine Annahme von der unmittelbaren Anwendbarkeit des ersten Satzes in der Ziff. 3 unter dem Gesichtpunkt des nur darin gewährleisteten subjektiven Rechts des Einzelnen auch auf den zweiten Satz in der Ziff. 3 des Art. 7, obwohl diesem nur eine institutionelle Bedeutung und nicht die Gewährung eines subjektiven Rechtes zukommt: „Sollten die … dargelegten Bedenken zutreffen und daher die in Prüfung gezogene Wortfolge in § 2 Abs. 1 Ziff. 2 des VolksgruppenG aufzuheben sein, so dürfte – gemessen an der dann bestehenden Gesetzeslage – die in Prüfung gezogene Bestimmung der Verordnung BGBl. 1977/306 aus den selben Erwägungen gegen § 2 Abs. 2 VolksgruppenG verstoßen und somit gesetzwidrig sein wie dies für die mit dem Erkenntnis vom 4. 10. 2000, V 91/99, aufgehobene Bestimmung in § 2 Abs. 2 Ziff. 3 der Verordnung BGBl. 1977/307 zutraf (vgl. va. Pkt. III. 3. 3. dieses Erkenntnisses).“ ____________________
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G 213/01, V 62, 63/01vom 13. Dezember 2001, VfSlg. 16.404.
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„Für den Fall des Zutreffens auch dieses Bedenkens und der daraus folgenden Aufhebung der in Prüfung gezogenen Bestimmung in § 1 Ziff. 2 der Verordnung BGBl. 1977/306 dürfte aber – gemessen an der dann bestehenden Rechtslage, nämlich der dann (wieder) unmittelbar anwendbaren Bestimmung des Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien (vgl. in eben diesem Sinne VfGH 4. 10. 2000, V 91/99, Pkt. III. 3. 4.) – auf Grund der soeben angestellten Erwägungen auch die in Prüfung gezogene Bestimmung in der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt als dem Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien widersprechend rechtswidrig sein.“ Gemäß diesen Erwägungen kam der VfGH zum folgenden Schluss: „4. 3. Auf Grund derselben Erwägungen (s. dazu auch oben Pkt. III. 1. 3. 2. 1.) erweist sich schließlich auch die in Prüfung gezogene Bestimmung der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt als dem Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien widersprechend.“ Kommentar: Die Entscheidung des VfGH über die Aufhebung gründet sich als auf die bereits Jahre vorher vorbereitete und bei der Prüfung der Amtssprachenverordnung im Jahr 2000 auch angewendete Auffassung von der unmittelbaren Anwendbarkeit der ganzen Ziff. 3 des Art. 7 Staatsvertrag von Wien. Im umfangreichen Erkenntnis aus dem Jahr 2001 fehlt aber eine schlüssige quellengerechte Beweisführung zur unmittelbaren Anwendbarkeit des zweiten Satzes in der Ziff. 3 des Art. 7. Der VfGH begnügte sich mit einer unkritischen Verweisung auf seine ältere Judikatur, im Besonderen zur Amtssprache. Dadurch reiht sich seine schematisierte Auffassung von der unmittelbaren Anwendbarkeit auch des zweiten Satz in die Kette der Erkenntnisse zum Thema „Amtssprache“ gemäß dem ersten Satz der Ziff. 3 im Art. 7 des StV, als wäre nicht ein anderes Thema Gegenstand dieses Erkenntnisses. Mit der Aufhebung der Vorschrift im Volksgruppengesetz, im Sinn der Vorentscheidungen des VfGH zum verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Amtssprache, wurde die an und für sich nicht gegebene unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz für die topographischen Bezeichnungen und Aufschriften nach den Worten des VfGH sogar „wieder“ hergestellt: „Die Schwierigkeiten bei der Auslegung des Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien mögen es zweckmäßig erscheinen lassen, Ausführungsbestimmungen in Gesetzen oder Verordnungen zu erlassen. Dieser Umstand nimmt der staatsvertraglichen Bestimmung jedoch nicht den Charakter der unmittelbaren Anwendbarkeit in jenen Bereichen, die nicht von Ausführungsbestimmungen umfasst sind. Es ist dem Gesetzgeber unbenommen – auch bei unmittelbarer Anwendbarkeit von
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Bestimmungen des Staatsvertrages – gesetzliche Regelungen zu beschließen, die der Sicherstellung einer gleichmäßigen und effektiveren Gewährleistung der im Staatsvertrag normierten Minderheitenrechte dienen. Insoweit also das VolksgruppenG die sich aus dem Staatsvertrag für die Minderheiten ergebenden Rechte wiederholt und bestärkt, ist es als AusführungsG zum Staatsvertrag zu werten und steht mit diesem nicht in Widerspruch.“63 Der VfGH deutete hier die einfachgesetzliche Durchführung des Staatsvertrages anscheinend als eine bloße Fleißaufgabe, obwohl die verfassungsrechtliche und völkerrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers zur Durchführung des zweiten Satzes der Ziff. 3 eindeutig dokumentiert war. Durch das Erkenntnis des VfGH aus dem Jahr 2001 ist mit der Aufhebung einer Wortfolge im Volksgruppengesetz in diesem Sinn auch die gesetzliche Barriere für die Annahme der unmittelbaren Anwendbarkeit des zweiten Satzes über die topographischen Bezeichnungen und Aufschriften weggefallen. Durch die Aufhebung des festen Prozentsatzes aufgrund seiner Kommentare zum ersten Satz der Ziff. 3 im Art. 7 StV machte sich der VfGH auf diese Weise den Weg frei, selbst einen Prozentsatz festzulegen und gemessen daran – und nicht unmittelbar am Art. 7 des Staatsvertrages – die zwei straßenpolizeilichen Verordnungen über die Festlegung von Verkehrszeichen (Ortstafeln) zu überprüfen und die rechtmäßigen deutschen Ortsbezeichnungen wegen eines angeblichen Widerspruchs zum Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages aufzuheben. d. Das Erkenntnis des Jahres 2005 In diesem Erkenntnis begnügte sich der VfGH hinsichtlich der Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit des zweiten Satzes unter 2. 3. letzter Absatz mit einem bloßen Hinweis auf sein Erkenntnis aus dem Jahr 2001 und damit auch auf die diesem zugrunde gelegten Vorentscheidungen zur unmittelbaren Anwendbarkeit des ersten Satzes: „Im vorliegenden Zusammenhang ist die Verfassungsbestimmung des Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz StV Wien unmittelbar anwendbar (vgl. dazu schon VfSlg. 16.404/2001, S. 1032, Pkt. 4. 3. und 6.).“ Darauf folgt die lapidare Aussage: „Daraus ergibt sich für die Bezirksverwaltungsbehörde die Rechtspflicht, bei Erlassung der hier in Rede stehenden verkehrspolizeilichen Verordnung die Ortsbezeichnung sowohl in deutscher als auch in slowenischer Sprache festzulegen. Was die slowenische Ortsbezeichnung anlangt, ist diese – solange eine diesbezügliche Ver____________________
63 Erkenntnis des VfGH vom 12. Dezember 1987, G 55/87, 58/87, 57/87, 58/87, VfSlg. 11.585.
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ordnung der Bundesregierung gemäß § 12 Abs. 2 VolksgruppenG nicht gilt – von der Bezirkshauptmannschaft in eigener Verantwortung festzulegen.“ Die hier erwähnten Punkte 4. 3. und 6. des Erkenntnisses aus dem Jahr 2001 beinhalten über die unmittelbare Anwendbarkeit des zweiten Satzes jedoch keine näheren Ausführungen, sondern nur eine selbstverständliche Annahme davon.
5. Der „Wille des Gesetzgebers“ und der fundamentale Irrtum des Verfassungsgerichtshofs In den Erkenntnissen aus den Jahren 2001 und 2005 ging der VfGH für seine Antwort auf die Frage nach der unmittelbaren Anwendbarkeit des zweiten Satzes der Ziff. 3 des Art. 7 des Staatsvertrages, unter Hinweisen auf seine ältere Judikatur zur Amtssprache, auch für die topographischen Bezeichnungen und Aufschriften vom Kommentar in den Motiven zur Regierungsvorlage zum StV aus. In den zitierten älteren Erkenntnissen ist durchwegs von der unmittelbaren Anwendbarkeit des ersten Satzes Ziff. 3 des Art. 7 die Rede. Der Hinweis des VfGH auf seine Judikatur vor dem Jahr 2001 und auf den darin zitierten Satz aus der Regierungsvorlage zum Staatsvertrag konnte sich allerdings nur auf die im ersten Satz der Ziff. 3 im Art. 7 des StV geregelte Amtssprache beziehen, nicht jedoch auch auf die im zweiten Satz der Ziff. 3 geregelten „Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur“. In den EB zur RV (517 d. Blg. NR. 7. GP Besonderer Teil) heißt es nämlich vollständig: „Paragraph 3 dieses Artikels geht über die bisherigen Regelungen des Artikels 66 des Staatsvertrages von Saint Germain hinaus, der den nicht deutschsprachigen österreichischen Staatsangehörigen angemessene Erleichterungen beim Gebrauch ihrer Sprache vor Gericht in Wort oder Schrift garantiert. Nun wird die kroatische und slowenische Sprache in den Verwaltungs- und Gerichtsbezirken Kärntens, des Burgenlandes und der Steiermark mit slowenischer, kroatischer oder gemischter Bevölkerung zusätzlich zur deutschen Amtssprache als Amtssprache zugelassen. Diese Bestimmung bedarf keiner näheren Ausführungsgesetzgebung mehr; sie ist unmittelbar anwendbar. Hinsichtlich der Bezeichnung der Ortsnamen und Ortsaufschriften wird eine entsprechende gesetzgeberische Maßnahme des Bundes bzw. der Länder erforderlich sein“. (Hervorhebungen vom Verfasser) Dieser enge sprachliche Zusammenhang zeigt, dass der VfGH den Kommentar der Regierung in den Motiven zum ersten Satz zwar zutreffend zitiert, den unmittelbar daran anschließenden Kommentar zum
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zweiten Satz offensichtlich aber übersehen hat. Er erwähnte ihn auch mit keinem Wort. Daher blieb ihm verborgen, dass die wörtliche Übernahme der Begründung zum ersten Satz, aus den Vorentscheidungen betreffend die Amtssprache, auf seine Erkenntnisse zum zweiten Satz, betreffend die topographischen Bezeichnungen und Aufschriften, nicht nur verfehlt, sondern sogar gegen seine eigene Meinung über die subjektiven Voraussetzungen der unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 7 gerichtet ist: Für den ersten Satz meinte der VfGH nämlich, dass der Wille der Vertragsparteien auf die Anwendung des Vertrages durch Gerichte und Verwaltungsbehörden ohne Einschaltung staatlicher Rechtssetzung gerichtet war: „Dieser Wille der Vertragspartner ist für den ersten Satz aus den Materialien zum Staatsvertrag erkennbar. In den EB zur RV (517 B1gNR VII. GP S 3) heißt es zum ersten Satz in der Ziff. 3 des Art. 7: ‚Diese Bestimmung bedarf keiner näheren Ausführungsgesetzgebung mehr; sie ist unmittelbar anwendbar‘.“ Zum zweiten Satz hat der Gesetzgeber (Verfassungsgesetzgeber) jedoch das Erfordernis einer gesetzlichen Durchführung ausdrücklich festgestellt und damit die unmittelbare Anwendbarkeit zweifelsfrei verneint. Das ist nicht nur für die Beurteilung der hinkenden Beweisführung des VfGH in seinen Erkenntnissen aus den Jahren 2001 und 2005 aufschlussreich, sondern auch von grundsätzlicher Bedeutung für die Erfordernisse einer Interpretation des Staatsvertrages von Wien. Die zwei Sätze der Ziff. 3 im Art. 7 StV beziehen sich nämlich auf zwei voneinander wesentlich verschiedene Materien. Der erste Satz betrifft die Amtssprache und mit dieser primär die Gewährleistung subjektiver Rechte für die Staatsbürger, sekundär auch entsprechende institutionelle Vorkehrungen. Der zweite Satz hingegen betrifft die topographischen Aufzeichnungen und Aufschriften. Dieser Satz vermittelt kein subjektives Recht, sondern regelt nur institutionelle Vorkehrungen. Daraus entstehen für den föderalistisch gegliederten Staat gemäß Art. 16 Abs. 5 B-VG unterschiedliche Handlungspflichten des Bundes und der betreffenden Länder auf Gesetzesebene. Wenn daher der VfGH in seinen Erkenntnissen aus den Jahren 2001 und 2005 zu den zweisprachigen Ortstafeln, betreffend die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit, nur auf seine Äußerungen zum subjektiven Recht auf die Amtssprache aus dem Jahr 2001 und damit auch auf seine Vorentscheidungen mit folgenden Worten verweist: „Im vorliegenden Zusammenhang ist die Verfassungsbestimmung des Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz StV Wien unmittelbar anwendbar (vgl. dazu schon VfSlg. 16.404/2001, S. 1032, Pkt. 4. 3. und 6.)“ dann ist das ebenso unrichtig wie fatal. Die unkritische Verweisung auf den Motivenbericht zum ersten Satz der Ziff. 3 für den zweiten Satz der Ziff. 3 hatte sichtlich verhängnisvolle Folgen.
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Für die topographischen Zeichen und Aufschriften war der zur innerstaatlichen Durchführung des StV in erster Linie berufene Bundesgesetzgeber ohne jeden Zweifel anderer Meinung. Wie die anhaltenden Meinungsverschiedenheiten zur Durchführung dieser Vorschrift zeigen, mit gutem Grund. Die Regelung des Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz StV über die topographischen Zeichen und Aufschriften, innerhalb der in Betracht kommenden Gerichts- und Verwaltungsbezirke, ist nämlich nicht nur wegen des erklärten Willens des „Gesetzgebers“ nicht unmittelbar anwendbar, sondern allein schon wegen der organisationsrechtlichen, verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Unbestimmtheit ihrer Voraussetzungen. Wie die im nächsten Kapitel dargestellten Interpretationsvarianten des VfGH zum Kriterium der Unbestimmtheit anschaulich zeigen, bedarf Art. 7 Ziff. 3 allein schon wegen der Unbestimmtheit der darin verwendeten Rechtsbegriffe „gemischte Bevölkerung“ und „Minderheit“, vor allem im Hinblick auf die dafür in Betracht kommenden Ortschaften, in materieller und in institutioneller Hinsicht einer Durchführung durch Bundes- und Landesgesetz und kann nur dann – gemäß den Gesetzen – auch von den jeweils zuständigen Organen innerhalb ihrer gesetzlichen Zuständigkeiten homogen vollzogen werden. Die verfehlten Schlussfolgerungen aus den unkritisch übernommenen Thesen in den Entscheidungsgründen der Vorentscheidungen zur Amtssprache, auf die topographischen Bezeichnungen und Aufschriften wurden durch den VfGH zwar normativ formuliert, sie sind aber nicht als ein verbindlicher Spruch und Rechtssatz beschlossen und verlautbart. Ihnen kann, gemessen am mehrfach erklärten Willen des Gesetzgebers, nur die Qualität einer irrigen Rechtsauffassung des Höchstgerichtes zukommen. Der zweite Satz im Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages ist auch gemäß dem in der RV zum Staatsvertrag und im VolksgruppenG erklärten Willen des Gesetzgebers, der auch vom VfGH als ein maßgebliches Kriterium zur Beurteilung der unmittelbaren Anwendbarkeit erachtet wird, nicht unmittelbar anwendbar. Die nähere Bestimmung der territorialen Reichweite der Regelung des Staatsvertrages über die topographischen Bezeichnungen und Aufschriften bedarf aber sowohl aus subjektiver als auch aus objektiver Sicht der näheren Bestimmung durch den Gesetzgeber. Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz ist wegen seiner Unbestimmtheit und im Hinblick auf die komplexe föderalistische Kompetenzlage zur unmittelbaren Anwendung durch die staatlichen Vollzugsorgane objektiv nicht geeignet. Das gilt auch für den gesetzesgebundenen VfGH. Für ein freies Ermessen des VfGH, zur Ermöglichung eines günstigeren und dennoch unbestimmten Prozentsatzes, als maßgebliches Kriterium für die unmittelbare Anwendbarkeit fehlt jede
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verfassungsrechtliche und völkerrechtliche Ermächtigung (Öhlinger).64 Der zweite Satz in der Ziff. 3 des Art. 7 StV setzt zwar die allgemeinen völkerrechtlichen Standards voraus. Diese sind in ihrer Bandbreite aber unbestimmt und nicht unmittelbar anwendbar, weil sie einer prozentualen Bestimmung der „gemischten Bevölkerung“ bzw. der „Minderheit“ und einer amtlichen Festsetzung der slowenischen Ortsnamen für die nach den gesetzlich bestimmten Kriterien in Betracht kommenden Ortschaften durch den jeweiligen Staat bedürfen. Art. 7 Ziff. 3 StV kann gemäß der Verfassung und, in Verbindung mit dem völkerrechtlichen Standard, dem Gesetzgeber nur zur Orientierung dienen. Er kann keinesfalls einem Organ der Vollziehung als eine Rechtsgrundlage zur unmittelbaren Anwendung dienen, sei es auch der VfGH. (Näheres dazu unten, insbesondere zur Unbestimmtheit des Art. 7 StV und zum bundesstaatlichen Prinzip). Aus verfassungsrechtlicher Sicht kann die unbestimmte Festlegung von „mehr als zehn Prozent über einen längeren Zeitraum“ durch den Verfassungsgerichtshof in den Entscheidungsgründen zur Gesetzes- bzw. Verordnungsaufhebung aus dem Jahr 2001 nicht von derselben rechtlichen Qualität sein, wie koordinierte Gesetzgebungs- und Vollzugsakte des Bundes und des Landes Kärnten zur Durchführung des Staatsvertrages gemäß der Kompetenzverteilung des B-VG.
6. Der Wille des Verfassungsgesetzgebers Für die Erkundung des Willens des Gesetzgebers betreffend die vom VfGH reklamierte unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 7 des Staatsvertrages empfiehlt sich aber nicht nur ein Blick auf die vom Bundesgesetzgeber zur „Durchführung“ des Staatsvertrages erlassenen Gesetze. In erster Linie sind dazu nämlich die verfassungsrechtlichen Implikationen des Art. 7 des Staatsvertrages von Wien zu bedenken. Diese Vorschrift betrifft den Minderheitenschutz in Ergänzung zum Art. 8 B-VG und zur Verfeinerung der Verfassungsbestimmung des Art. 68 des Staatsvertrages von St. Germain. Der Gesetzgeber des Jahres 1955 ging mit Selbstverständlichkeit davon aus, eine Materie des Verfassungsrechtes zu beschließen, die jedenfalls zum Teil einer gesetzlichen Durchführung bedarf. Man unterließ damals nur einen formellen Beschluss und die Bezeichnung als Verfassungsbestimmung, weil man es für Staatsverträge nicht als verfassungsrechtlich geboten erachtete. Dieser formale Mangel wurde aber mit der Verfassungsnovelle des Jahres 1964, BGBl. 59 saniert. Der Verfassungsgesetzgeber stellte dazu im Art. II durch eine authentische Interpretation ausdrücklich fest: „Die nachstehenden Staatsverträge und in Staatsverträgen enthaltenen Bestimmun____________________
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Interview im Standard vom 20. Januar 2006.
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gen, die vom Nationalrat als verfassungsändernd behandelt und in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegeben Stimmen genehmigt worden sind, (werden) gemäß Artikel 50 Absatz 2 in Verbindung mit Art. 44 Absatz 1 des BundesVerfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 genehmigt: … 3. Artikel 7 Ziffern 2, 3 und 4 … des Staatsvertrages … BGBl. Nr. 152/1955.“ Durch diese authentische Interpretation hat der VfGH den seinerzeitigen Gesetzesbeschluss mit den Materialen rückwirkend in den formellen Verfassungsrang gehoben. (Hervorhebung vom Verfasser) Dabei kommt dem ausdrücklichen Hinweis auf Art. 50 Abs. 2 B-VG eine besondere Bedeutung zu. Dort heißt es nämlich: „Anlässlich der Genehmigung eines unter Absatz 1 fallenden Staatsvertrages kann der Nationalrat beschließen, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist.“ In diesem Sinn erhält die dem Nationalrat vorgelegene Feststellung im Motivenbericht zum Staatsvertrag gleichfalls einen höheren Stellenwert: „Hinsichtlich der Bezeichnung der Ortsnamen und Ortsaufschriften wird eine entsprechende gesetzgeberische Maßnahme des Bundes bzw. der Länder erforderlich sein.“
7. Schlussfolgerungen Was folgt aus Öhlingers Thesen für die vorliegende Problematik? Sie sind doch weitgehend auf die Bundesverfassungsnovelle des Jahres 1964 abgestellt, durch welche die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit eine abschließende Klarstellung erfahren zu haben scheint? Öhlinger stellt dazu mit Recht fest, dass die Verfassungsnovelle zwar eine verbindliche Klarstellung, aber dennoch keine grundlegende Veränderung gebracht hat. Die Frage nach der unmittelbaren Anwendbarkeit (Geltung und Verbindlichkeit) bzw. nach den Voraussetzungen für die Vollziehbarkeit von Staatsverträgen durch Gerichte und Verwaltungsbehörden war vor der Verfassungsnovelle gleich bedeutsam. Sie war allerdings nicht ausdrücklich geregelt, sondern wurde im Hinblick auf die unterschiedliche Qualität von Staatsverträgen und Gesetzen durch die Wissenschaft aufgeworfen und von Fall zu Fall auch in der Judikatur – vor allem des Verfassungsgerichtshofs – geprüft und entsprechend der Eigenart des jeweiligen Staatsvertrages positiv oder negativ beantwortet. Die Bundesverfassungsnovelle des Jahres 1964 hat jedenfalls in dem vor ihrer Erlassung in der Lehre und in der Rechtssprechung aufgekommenen differenzierten Problembewusstsein und nicht in der Veränderung der Regelung ihren zentralen Erklärungsgrund. Das erkannte auch der VfGH bei seinen zwei Normenprüfungen der Jahre 2001 und 2005 und in den Vorentscheidungen dazu grundsätzlich richtig. Bei der Veranschlagung der Bedeutung des Art. 7 des StV von
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Wien für die Prüfung des Volksgruppengesetzes sah er im Willen der Vertragspartner, erkennbar aus dem Kommentar des staatlichen Gesetzgebers (Verfassungsgesetzgebers) in der Regierungsvorlage, ein maßgebliches Kriterium für seine Aufhebungen. Bedauerlicher Weise stützte er seine Meinung über die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 7 des Staatsvertrages von Wien aber nur auf den Kommentar zum ersten Satz der Ziff. 3 des Art. 7, wo die unmittelbare Anwendbarkeit des Staatsvertrages für die Amtssprache ausdrücklich, wenn auch zu allgemein bejaht wurde. Dass vom Gesetzgeber, im vorliegenden Fall sogar vom Verfassungsgesetzgeber, für die unmittelbare Anwendbarkeit im Kommentar zum zweiten Satz der Ziff. 3 Art. 7 für die topographischen Bezeichnungen und Aufschriften ausdrücklich auf das Erfordernis der Ausführung durch Bundes- und Landesgesetze hingewiesen wurde, blieb ihm sichtlich verborgen. Der VfGH pflegte für seine schon im Ansatz verfehlte Beweisführung zwar einen erheblichen argumentativen Aufwand, er unterließ aber eine ausreichende Nachforschung in den Materialien zum Staatsvertrag und eine Bedachtnahme auf den ausdrücklich erklärten Willen des Verfassungsgesetzgebers im Jahr 1964. Er nahm weder auf die ausdrückliche Feststellung des Gesetzgebers (Verfassungsgesetzgebers) in der Regierungsvorlage Bezug, dass der zweite Satz noch der Ausführung durch Bundes- und Landesgesetze bedarf, noch schenkte er dem Willen des Verfassungsgesetzgebers des Jahres 1964 im Hinblick auf den Art. 7 des Staatsvertrages von Wien eine entsprechende Beachtung. Die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit von Staatsverträgen umschließt eine subjektive und eine objektive Komponente: den Willen der Vertragspartner (des Gesetzgebers) und die objektive Eignung zur unmittelbaren Anwendbarkeit. Die subjektive Komponente wurde bereits klargestellt: Der Gesetzgeber hielt ohne Zweifel eine Durchführung des zweiten Satzes der Ziff. 3 im Art. 7 in Gesetzesform für erforderlich. Der Überprüfung der objektiven Komponente, nämlich der Eignung der Regelung im Art. 7 des Staatsvertrages zur unmittelbaren Anwendung, dienen die unmittelbar nachfolgenden Ausführungen.
III. Unbestimmtheiten im Art. 7 des Staatsvertrages in der Judikatur des VfGH 1. Die Rechtsquellen Art. 7 des Staatsvertrages von Wien 1. Österreichische Staatsangehörige der slowenischen und kroatischen Minderheiten in Kärnten, Burgenland und Steiermark genießen dieselben
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Rechte auf Grund gleicher Bedingungen wie alle anderen österreichischen Staatsangehörigen einschließlich des Rechtes auf ihre eigenen Organisationen, Versammlungen und Presse in ihrer eigenen Sprache. 2. Sie haben Anspruch auf Elementarunterricht in slowenischer oder kroatischer Sprache und auf eine verhältnismäßige Anzahl eigener Mittelschulen; in diesem Zusammenhang werden Schullehrpläne überprüft und eine Abteilung der Schulaufsichtsbehörde wird für slowenische und kroatische Schulen errichtet werden. 3. In den Verwaltungs- und Gerichtsbezirken Kärntens, des Burgenlandes und der Steiermark mit slowenischer, kroatischer oder gemischter Bevölkerung wird die slowenische oder kroatische Sprache zusätzlich zum Deutschen als Amtssprache zugelassen. In solchen Bezirken werden die Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur sowohl in slowenischer oder kroatischer Sprache wie in Deutsch verfasst. (Hervorhebungen vom Verfasser) Art. 68 des Staatsvertrages von Saint Germain Was das öffentliche Unterrichtswesen anlangt, wird die österreichische Regierung in den Städten und Bezirken, wo eine verhältnismäßig beträchtliche Zahl anderssprachiger österreichischer Staatsangehöriger wohnt, angemessene Erleichterungen gewähren, um sicherzustellen, dass in den Volksschulen den Kindern dieser österreichischen Staatsangehörigen der Unterricht in ihrer eigenen Sprache erteilt werde. Diese Bestimmung wird die österreichische Regierung nicht hindern, den Unterricht der deutschen Sprache in den besagten Schulen zu einem Pflichtgegenstand zu machen. (Aufgrund der Regelung des Art. 149 (1) B-VG hat Art. 68 Verfassungsrang, Anmerkung des Verfassers) Art. 8 B-VG (1) Die deutsche Sprache ist unbeschadet der den sprachlichen Minderheiten bundesgesetzlich eingeräumten Rechte, die Staatssprache der Republik. (2) Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zu ihrer gewachsenen sprachlichen und kulturellen Vielfalt, die in den autochthonen Volksgruppen zum Ausdruck kommt. Sprache und Kultur, Bestand und Erhaltung dieser Volksgruppen sind zu achten, zu sichern und zu fördern. Das Volksgruppengesetz, BGBl. 1976/396 § 1 (1) Die Volksgruppen in Österreich und ihre Angehörigen genießen den Schutz der Gesetze; die Erhaltung der Volksgruppen und die Sicherung ihres Bestandes sind gewährleistet. Ihre Sprache und ihr Volkstum sind zu achten.
Unbestimmtheiten im Art. 7 des Staatsvertrages
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(2) Volksgruppen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind die in Teilen des Bundesgebietes wohnhaften und beheimateten Gruppen österreichischer Staatsbürger mit nicht deutscher Muttersprache und eigenem Volkstum. (3) Das Bekenntnis zu einer Volksgruppe ist frei. Keinem Volksgruppenangehörigen darf durch die Ausübung oder Nichtausübung der ihm als solchem zustehenden Rechte ein Nachteil erwachsen. Keine Person ist verpflichtet, ihre Zugehörigkeit zur Volksgruppe nachzuweisen. § 2 (1) Durch Verordnungen der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates sind nach Anhörung der in Betracht kommenden Landesregierung festzulegen: 1. Die Volksgruppen, für die ein Volksgruppenbeirat eingerichtet wird, sowie die Zahl der ihm angehörenden Mitglieder. 2. Die Gebietsteile, in denen wegen der verhältnismäßig beträchtlichen Zahl (ein Viertel) der dort wohnhaften Volksgruppenangehörigen topographische Bezeichnungen zweisprachig anzubringen sind.65 3. Die Behörden und Dienststellen, bei denen zusätzlich zur deutschen Amtssprache die Verwendung der Sprache einer Volksgruppe zugelassen wird, wobei jedoch das Recht der Verwendung dieser Sprache auf bestimmte Personen oder Angelegenheiten beschränkt werden kann. (2) Bei Erlassung der in Abs. 1 vorgesehenen Verordnungen sowie bei der Vollziehung des Abschnittes III dieses Bundesgesetzes sind bestehende völkerrechtliche Verpflichtungen zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist auf die zahlenmäßige Größe der Volkgruppe, die Verbreitung ihrer Angehörigen im Bundesgebiet, ihr größenordnungsmäßiges Verhältnis zu anderen österreichischen Staatsbürgern in einem bestimmten Gebiet sowie auf ihre besonderen Bedürfnisse und Interessen zur Erhaltung und Sicherung ihres Bestandes Bedacht zu nehmen. Hiebei sind die Ergebnisse amtlicher statistischer Erhebungen mitzuberücksichtigen. § 12 (1) Im Bereiche der gemäß § 2 Abs. 1 Ziff. 2 bezeichneten Gebietsteile sind Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur, die von Gebietskörperschaften oder von sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts angebracht werden, in deutscher Sprache und in der Sprache von in Betracht kommenden Volksgruppen zu verfassen. Diese Verpflichtung gilt nicht für die Bezeichnung von Örtlichkeiten, die außerhalb des Bereiches solcher Gebietsteile liegen. (2) In der Verordnung nach § 2 Abs. 1 Ziff. 2 sind auch die Örtlichkeiten, die für eine zweisprachige Bezeichnung in Betrachtkommen, so____________________
65 Der VfGH hat mit Erkenntnis VfSlg. 16.404/2001 vom 13. Dezember 2001 die Wortfolge wegen der verhältnismäßig beträchtlichen Zahl (ein Viertel) der dort wohnhaften Volksgruppenangehörigen in der Ziff. 2 wegen „Widerspruchs“ zum Art. 7 des StV aufgehoben (Kundmachung des Spruchs im BGBl. I 2002/35).
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wie die topographischen Bezeichnungen in der Sprache der in Betracht kommenden Volksgruppen festzulegen, die neben der deutschsprachigen Bezeichnung anzubringen sind. Hiebei ist auf die örtliche Übung und auf die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung Bedacht zu nehmen. (3) Topographische Bezeichnungen, die nur in der Sprache einer Volksgruppe bestehen, sind von Gebietskörperschaften unverändert zu verwenden. (Hervorhebung vom Verfasser)
2. Die objektiven Unbestimmtheiten im Staatsvertrag Zu den zentralen Fragen nach der Unbestimmtheit des Art. 7 des Staatsvertrages und damit nach der unmittelbaren Anwendbarkeit des ersten und des zweiten Satzes der Ziff. 3 zählt die Frage nach dem territorialen Anwendungsbereich gemäß der Formulierung: „in den Verwaltungs- und Gerichtsbezirken“. Diese territoriale Grundlegung entspricht dem Aufbau des österreichischen Staates. Sie ist allgemein und abstrakt Für die Verwirklichung der unterschiedlichen Regelungszwecke des Art. 7 StV durch die Verwaltung ist sie zu unbestimmt. Sie schafft nur eine formale Charakteristik aber keine konkrete Festlegung für die Amtssprache einerseits und für die topographischen Bezeichnungen und Aufschriften andererseits. Sie bedarf daher einer näheren, allgemein verbindlichen Bestimmung der in Frage kommenden Bezirke und der Behörden und Ämter sowie der betreffenden Ortschaften in diesen Bezirken. Der unbestimmte Begriff des Art. 7 StV „in den Verwaltungs- und Gerichtsbezirken“ hat für die Amtssprache vor den Behörden und Dienststellen eine andere territoriale Bedeutung als für die topographischen Bezeichnungen und Aufschriften in den Ortschaften. Für die Amtssprache kommen Ämter und Dienststellen des Bundes und des Landes in bestimmten Bezirken und deren Amtssprengel in Frage. Welche Arten von Behörden und Dienststellen in Frage kommen, muss generell-abstrakt festgelegt werden. Für die topographischen Bezeichnungen und Aufschriften kommen jedoch bestimmte Ortschaften in bestimmten Bezirken (Gemeinden) in Frage. Welche Ortschaften in welchen Gemeinden und Bezirken für beide Regelungszwecke in Betracht kommen, ist gemäß den unbestimmten Begriffen des Art. 7 durch den Gesetzgeber zumindest grundsätzlich eindeutig zu bestimmen, um durch die Vollziehung konkret festgelegt werden zu können. Das Kriterium für die in beiden Hinsichten in Betracht kommenden Gebietseinheiten ist gemäß den unbestimmten Begriffen „gemischte Bevölkerung“ in der Ziff. 3, „slowenische ... Minderheit(en) in Kärnten ...“ in der Ziff. 1 und im Hinblick auf das dem Art. 7 des Staats-
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vertrages von Wien und dem Art. 68 des Staatsvertrages von St. Germain gleichermaßen zugrunde liegende Prinzip der „Verhältnismäßigkeit“ eindeutig festzulegen. Das vermag nur der Gesetzgeber in einer rechtsstaatlich einwandfreien Weise zu leisten. Der Gesetzgeber muss anhand der unbestimmten Begriffe des Art. 7 StV für die in Frage kommenden Bezirke und Ortschaften eindeutige Maßstäbe bereitstellen, die eine gleiche Vollziehung in beiden Rechtsmaterien und damit auch Rechtssicherheit gewährleisten. Er muss also einerseits ein sachgerechtes Kriterium als Maßstab für die Auswahl der für die Amtssprache in Betracht kommenden Behörden und Dienststellen festlegen, andererseits muss er aber auch ein Kriterium als Maßstab für die topographischen Bezeichnungen und Aufschriften der in Frage kommenden Ortschaften anordnen. Diese Maßstäbe können im Hinblick auf die verschiedenen Regelungsziele vor allem deshalb unterschiedlich sein, weil sie für die Feststellung der Minderheit unterschiedliche territoriale Auswirkungen haben können. Dabei spielt auch der Zeitfaktor eine Rolle. Es muss eine gesetzliche Regelung über einen Stichtag und die Dauer der Voraussetzungen geben. Insgesamt muss die gesetzliche Regelung gemäß den Anforderungen des Rechtsstaates eine geeignete Grundlage für eine dem Gleichheitssatz entsprechende homogene Vollziehung durch die Behörden des Bundes und des betroffenen Landes Kärnten sein. Ohne eine klare materielle gesetzliche Grundlage gemäß den zwei verschiedenen Regelungszwecken sind Rechtsgleichheit, Rechtsklarheit und Rechtssicherheit nicht erzielbar. Daraus wird deutlich, dass dem Begriff „verhältnismäßig“ zur Bestimmung der Relation von Behörden in Verwaltungs- und Gerichtsbezirken und Ortschaften mit „gemischter Bevölkerung“ (Angehörigen der slowenischen Minderheit in Kärnten) durch den Gesetzgeber gemäß dem ersten und dem zweiten Satz der Ziff. 3 im Art. 7 des Staatsvertrages und des Art. 68 des Staatsvertrages von St. Germain eine essentielle Bedeutung für die Bestimmung der Mindestanzahl von Angehörigen der Minderheit und für die Auswahl der Gebiete zukommt. Die Lösung dafür kann gemäß dem Differenzierungsgebot des Gleichheitssatzes zur Angemessenheit und Sachlichkeit nur der Gesetzgeber treffen. Dabei ist zu veranschlagen, dass zwischen der Regelung des ersten und jener des zweiten Satzes nicht nur in der Anknüpfung des territorialen Geltungsbereiches an den Behörden und Dienststellen einerseits und an den Ortschaften andererseits ein qualitativer Unterschied besteht, sondern auch im persönlichen Geltungsbereich. Der erste Satz gewährleistet einerseits ein Grundrecht, andererseits erfordert er aber auch institutionelle Vorkehrungen zu dessen Gewährleistung. Er hat daher neben den Einzelnen auch
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staatliche Organe zum Adressaten. Der zweite Satz hat hingegen nur einen administrativen (institutionellen) Sachbezug zum Gegenstand. Dieser richtet sich nicht an den Einzelnen, sondern nur an die in Betracht kommenden Organe des Bundes und der Länder. Die Sinnhaftigkeit einer differenzierten „Durchführung“ der unbestimmten Vorschriften in der Ziff. 3 des Art. 7 durch den Gesetzgeber zur Herstellung einer sachgerechten und gleichen Anwendbarkeit durch die für die Vollziehung in Frage kommenden Organe liegt auf der Hand: „Für die Länder kann sich allerdings aus Art. 16 B-VG ergeben, dass sie in ihrem selbständigen Wirkungskreis in Durchführung eines Staatsvertrages Maßnahmen auch für nationale Minderheiten zu treffen haben. Aus Art. 7 des österreichischen Staatsvertrages folgt aber, dass es um Maßnahmen geht, die jedenfalls auch in den Zuständigkeitsbereich des Bundes, wenngleich nur für die Länder Kärnten Burgenland und Steiermark, fallen, und dass in den drei Ländern nicht verschiedenes Recht gelten kann. Vor allem muss die Frage, was unter dem Begriff der slowenischen oder kroatischen Minderheit zu verstehen ist, für den gesamten Rechtsbereich einheitlich geregelt werden.“66
3. Die Sichtweise des Verfassungsgerichtshofs Der VfGH sah dies zwar ähnlich, kam aber zu anderen Schlussfolgerungen. In seinem Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, G 213/01, V 62, 63/01 nahm er zur Problematik einer einheitlichen Festlegung der Minderheit wie folgt Stellung: „3. 2. 2. 1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. dazu zuletzt VfGH 4. 10. 2000 V 91/99) ist unter dem Begriff (des Verwaltungsbezirkes mit) ‚gemischte(r) Bevölkerung‘ iSd. Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien ein Gebiet zu verstehen, in dem ‚eine größere Zahl der dort wohnenden Personen zur Minderheit gehören müsse‘ bzw. für das ein ‚nicht ganz unbedeutender (Minderheiten) Prozentsatz‘ vorliege, wobei den diesbezüglichen Feststellungen ‚bloß eine vergröberte statistische Erfassung zugrunde zu legen‘ sei, wie sie sich va. aus den einschlägigen statistischen Erhebungen im Rahmen der Volkszählungen ergebe.“ „3. 2. 2. 2. Der Verfassungsgerichtshof ist der Auffassung, dass dem Begriff (des Verwaltungsbezirkes mit) ‚gemischte(r) Bevölkerung‘ in Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien keine andere Bedeutung zukommt als im ersten Satz dieser Bestimmung. Schon der diesbezüglich identische Wortlaut (arg.: ‚In solchen Bezirken ...‘ (Hervorhebung nicht im Original) legt diese Auslegung nahe. Vor allem aber führt in dieser (das Tatbestandselement: ‚gemischte Bevölkerung‘ betreffenden) Hinsicht ____________________
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VfSlg. 3314/1958.
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(anders als bei der Auslegung des Begriffes ‚Verwaltungsbezirk‘) auch eine an ‚Ziel und Zweck‘ des Staatsvertrages von Wien orientierte Auslegung (vgl. Art. 31 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 4 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge, BGBl. 1980/40) zu keinem anderen Ergebnis: Aus der Entstehungsgeschichte des Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien (s. dazu auch die von der Kärntner Landesregierung diesbezüglich vorgelegte Darstellung, die sich ebenso wie der Verfassungsgerichtshof im oben zitierten Erkenntnis VfGH 4. 10. 2000 V 91/99 auf Stourzh, Einheit, stützt) ergibt sich nämlich unbestrittener Maßen, dass die im Zuge der Verhandlungen über den Staatsvertrag von Wien ursprünglich – seitens des Vereinigten Königreiches – ventilierte Beschränkung auf Verwaltungs- und Gerichtsbezirke mit einem ‚beträchtlichen Anteil‘ (‚considerable proportion‘) von Angehörigen der Minderheiten letztlich zu Gunsten des – gerade nicht in dieser Weise spezifizierenden – sowjetischen Textvorschlages: ‚(Verwaltungs- und Gerichtsbezirke) mit gemischter Bevölkerung‘ fallen gelassen wurde und dass die österreichische Seite bereit war, diesen sowjetischen Vorschlag zu akzeptieren, um den Abschluss des Staatsvertrages zu fördern (eingehend dazu Stourzh, Einheit, 159 f.). Auch wenn man nun – ganz im Sinne der von der Kärntner Landesregierung in ihrer Äußerung (unter Berufung auf Matscher, Art. 7 des Österreichischen Staatsvertrages 1955 und die slowenische Minderheit in Kärnten, Europa Ethnica 1976, 116 [120]) vertretenen Argumentation – meint, daraus ließe sich bloß der Schluss ziehen, ‚bei den Alliierten habe Konsens darüber bestanden, dass der maßgebende Prozentsatz nicht zu hoch angesetzt werden dürfe, mehr gebe diese historische Interpretation nicht her‘, wird daraus doch zumindest eines deutlich: In der internationalen Praxis hat sich – was für die völkerrechtskonforme Auslegung der im Verfassungsrang stehenden Bestimmung des Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien von besonderer Bedeutung ist – für die Einräumung von Minderheitenrechten ein relevanter Prozentsatz von 5 bis 25 % (vgl. etwa Beilage II S 2 zum Schlussbericht der Studienkommission für Probleme der slowenischen Volksgruppe in Kärnten, Bundeskanzleramt – GZ 601.167/43-VI/1/75), äußerstenfalls von 30 % herausgebildet (so der Vertreter der Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung unter Berufung auf Hilpold, Modernes Minderheitenrecht, 2001, 281 f.; vgl. dazu insb. auch Matscher, Die slowenische und die kroatische Volksgruppe in Osterreich, in: Bundeskanzleramt [Hrsg.], Die rechtliche Stellung der Volksgruppen in Österreich, 1977, 7, 13; dagegen jedoch [‚nirgendwo in der Staatenpraxis kommt ein so hoher Prozentsatz wie 30 % vor‘] Veiter, Das neue österreichische Volksgruppenrecht, in: Veiter, System eines internationalen Volksgruppenrechts, 3. Bd., 1978, 300, 335). Ausgehend davon ist es aber angesichts der Zwecksetzung und der Entstehungsge-
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schichte der in Rede stehenden staatsvertraglichen Regelung, die nicht nur eine völkerrechtliche Verpflichtung Österreichs konstituiert, sondern auch einen Maßstab des Verfassungsrechtes bildet, ausgeschlossen, diese Vorschrift im Sinne des Erfordernisses eines Minderheitenprozentsatzes von wenigstens 25 % – somit im obersten Bereich des erwähnten Rahmens – zu deuten.“ Kommentar: Diese Feststellungen sind zutreffend, aber ohne Aussagekraft für ein bestimmtes Kriterium. Das Kriterium ist auch bei Streichung der nach oben und unten bedeutungsoffenen Formel über den „beträchtlichen Anteil“ unbestimmt. Die Bandbreite des völkerrechtlichen Maßstabes bleibt davon unberührt; ebenso unberührt bleibt davon der gleiche Begriff im Art. 68 des Staatsvertrags von St. Germain, aus dem wegen seiner Unbestimmtheit kein fester Prozentsatz abgeleitet werden kann. Ein solcher Prozentsatz kann nur durch den Gesetzgeber festgelegt werden. Die Schlussfolgerung des VfGH ist überdies eine bloße Behauptung, die durch keine staatsrechtliche oder völkerrechtliche Rechtsvorschrift abgestützt werden kann. Dabei ist bemerkenswert, dass der VfGH die von Veiter zutreffend als unverhältnismäßig hoch kritisierten 30 % mit den 25 % des Volksgruppengesetzes zu einer Einheit verbindet und daraus die Schlussfolgerung einer Unvertretbarkeit der 25 % Klausel zieht. Darüber hinaus scheint ihm unerheblich, dass die 25 % Klausel nach dem II. Weltkrieg auch durch die angrenzenden Nachbarländer Italien und Jugoslawien völkerrechtskonform verwendet wurde. Von einem Protest der Signatarmächte dazu wurde nichts vernommen. Dass auch 25 % minderheitenpolitisch als sehr hoch befunden werden können, sei unbestritten. Die Folgerung des VfGH aus der zutreffenden Kritik Veiters an der 30 % Grenze ist aber für die österreichische Lösung ebenso wenig zwingend wie für die italienisch-jugoslawische. Die Weglassung der Formel „beträchtlicher Anteil“ hat daher für den Staatsvertrag kein Rechtslage geschaffen, die gegen den völkerrechtlichen Standard ins Treffen geführt werden könnte. Von einer Völkerrechtswidrigkeit kann daher keine Rede sein. Der VfGH übersieht bei seiner Argumentation auch das im Art. 7 des Staatsvertrages von Wien und im Art. 68 des Staatsvertrages von St. Germain verankerte Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Dieses ist ein maßgebliches Kriterium für alle Regelungen des Minderheitenschutzes. Der VfGH setzt sich nicht mit der Frage auseinander, aus welchen zwingenden rechtlichen Gründen er den aus dem Staatsvertrag von St. Germain stammenden, im Volksgruppengesetz verwendeten unbestimmten Begriff „verhältnismäßig beträchtliche Zahl“, der auch im Verfassungsrang steht, wegen angeblicher Verfassungswidrigkeit aufgehoben hat. Die Weglassung aus
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dem unbestimmten Text des Art. 7 StV von Wien hatte keine Derogationskraft. Dem Begriff „verhältnismäßig beträchtlich“ im Staatsvertrag von Wien, konnte infolge Fehlens einer gegenteiligen oder anders gearteten ausdrücklichen Regelung, nicht derogiert wurde, weil diesem Begriff infolge seiner Unbestimmtheit auch vor dem Inkrafttreten des Staatsvertrages von Wien keine feste Grenzziehung gegen eine günstigere Lösung entnommen werden konnte. Dabei ist bemerkenswert, dass der VfGH zur Begründung seiner Auffassung auch im Jahr 2001 unbestimmte Begriffe verwendete, die ebenso gut einer Lösung von 25 % dienlich sein könnten: „3. 2. 2. 3. 1. Das von der Kärntner Landesregierung vertretene ‚differenzierte Verständnis des Begriffes ‚gemischte Bevölkerung‘ im Art. 7 Ziff. 3 erster und zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien‘ lässt sich auch nicht auf das Erkenntnis VfSlg. 12.836/1991 stützen. Darin hat der Verfassungsgerichtshof nämlich ua. Folgendes ausgeführt: ‚Der Verfassungsgerichtshof ging bereits im Erkenntnis VfSlg. 11.585/1987 davon aus, dass in einem Gebiet mit ‚gemischter Bevölkerung‘ eine größere Zahl der dort wohnenden Personen zur Minderheit gehören müsse, und dass dieser Feststellung bloß eine ‚vergröberte statistische Erfassung‘ zugrunde zu legen sei (S. 751).“ „Zu diesem Normverständnis führt vor allem auch Art. 7 Ziff. 3 z w e i t e r Satz StV 1955, der vorschreibt, dass ‚in solchen Bezirken‘, dh. in Verwaltungs- und Gerichtsbezirken mit kroatischer oder gemischter Bevölkerung iSd. Art. 7 Ziff. 3 e r s t e r Satz StV 1955, die Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur in kroatischer Sprache und in Deutsch verfasst werden. Da topographische Aufschriften der in Rede stehenden Art nach dem Sinn und Zweck der Norm nicht einzelnen Minderheitsangehörigen Erleichterung bringen, vielmehr der Allgemeinheit Kenntnis geben sollen, dass hier eine ins Auge springende – verhältnismäßig größere – Zahl von Minderheitsangehörigen lebt, muss nach der Wortsinnauslegung auch für Art. 7 Ziff. 3 e r s t e r Satz StV 1955 ein zumindest nicht ganz unbedeutender (Minderheiten-)Prozentsatz gefordert werden; eine Auslegung, die durch die in VfSlg. 9801/1983 (S. 147) enthaltene Aussage gestützt wird, dass nicht etwa nur die Unverständlichkeit der Staatssprache für die Minderheit, sondern die Möglichkeit der Bewahrung und Pflege der eigenen (Minderheiten) Sprache Grund für die Zulassung des Kroatischen als Amtssprache sei.“ „Anders als die Kärntner Landesregierung meint, ergibt sich daraus kein Hinweis darauf, dass der Verfassungsgerichtshof den Begriff (des Verwaltungsbezirkes mit) ‚gemischte(r) Bevölkerung‘ in Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages im Verhältnis zu jenem im ersten Satz dieser Bestimmung ‚differenziert‘ gesehen hätte. Im Gegenteil: Das einheitliche Ver-
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ständnis dieses Begriffes in beiden Bestimmungen wird geradezu aus Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien entwickelt und – ausgehend davon – auf den ersten Satz dieser Bestimmung übertragen, und zwar auf Grund der Überlegung, dass es in beiden Bestimmungen nicht (nur) darum geht, einzelnen Minderheitsangehörigen Erleichterungen zu bringen, sondern – in Bezug auf den zweiten Satz – der Allgemeinheit Kenntnis zu geben, dass hier eine größere Zahl von Minderheitsangehörigen lebt bzw. – in Bezug auf den ersten Satz – einer solchen Gruppe von Minderheitsangehörigen die Bewahrung und Pflege der eigenen (Minderheiten-)Sprache zu ermöglichen.“ Kommentar: Wenn der Gesetzgeber zur Bestimmung der in Frage kommenden Verwaltungs- und Gerichtsbezirke im VolksgruppenG einen einheitlichen Prozentsatz festgelegt hat, bedeutet dies keineswegs, dass er hinsichtlich der zwei unterschiedlichen Materien in der Ziff. 3 überhaupt keine Differenzierung für zulässig erachtete. Wie seine Gesetze zur Durchführung des Art. 7 StV von Wien zeigen, ist das Gegenteil der Fall. Die verfassungsrechtliche Frage auf die es ankommt, ist nicht nur was der Gesetzgeber gemacht oder nicht gemacht hat, sondern was er im Dienst an der Sachlichkeit gemäß dem Differenzierungsgebot des Gleichheitssatzes tun sollte. „3. 2. 2. 3. 2. Insoweit die Kärntner Landesregierung bei der Auslegung des Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien aber auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des – mehr als ein Jahrzehnt nachdem Abschluss dieses Staatsvertrages erlassenen – Volksgruppengesetzes (217 BlgNR 14. GP 9; s. dazu oben Pkt. II. 1. 2. 1.) abstellt, ist insbesondere auf Folgendes hinzuweisen: Gerade angesichts des von Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien in der hier maßgeblichen Hinsicht deutlich abweichenden Wortlautes des Art. 68 des Staatsvertrages von St. Germain (arg.: ‚... eine verhältnismäßig beträchtliche Zahl anderssprachiger als deutscher österreichischer Staatsangehöriger ...‘) ist nicht zu sehen, inwiefern ausgerechnet diese Bestimmung für die Auslegung des Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien Bedeutung haben sollte. Auch der Hinweis in den erwähnten Erläuterungen auf den ‚Entwurf von dem dem italienisch-jugoslawischen Memorandum vom 5. Oktober 1954 angeschlossenen ‚statuto speziale per le minoranze‘ geht angesichts der – wie soeben erwähnt – spezifischen Entstehungsgeschichte des Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien völlig ins Leere.“ Kommentar: Das ist eine bloße Behauptung, ohne eine zwingende verfassungsrechtliche und völkerrechtliche Begründung. Mit welcher zwingenden rechtlichen Begründung sollte eine unbestimmte Formel durch eine andere unbestimmte Formel verdrängt werden können? Die Unbe-
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stimmtheit der Regelung im Art. 7 des Staatsvertrages kann doch sinnvoller Weise nur bedeuten, dass der zur Durchführung des Staatsvertrages gemäß Art. 16 Abs. 5 B-VG berufene Gesetzgeber einen beachtlichen Entscheidungsspielraum hat. Warum sollte ein Hinweis auf die gleichartige, unbestrittenermaßen völkerrechtskonforme Praxis der Nachbarländer für die Orientierung des Gesetzgebers an der völkerrechtlichen Praxis „völlig ins Leere gehen“? Die zitierte Lösung der Nachbarländer, könnte gemäß der völkerrechtlichen Bandbreite zwar günstiger sein, sie hat aber ihren Entstehungsgrund gleichfalls in den Spannungen zwischen dem Nachkriegsjugoslawien und seinen Nachbarn, die in den allseits bitteren Geschehnissen des II. Weltkrieges ihre Wurzeln haben. „3. 2. 2. 4. Der Gerichtshof ist daher der Auffassung, dass dem Begriff ‚gemischte Bevölkerung‘ im Zusammenhang mit dem zweiten Satz des Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages von Wien keine andere Deutung gegeben werden kann als im ersten Satz (so schon Kolonovits, Einige Überlegungen zum aktuellen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zur Amtssprache, JBl. 2001, 356, 361), hier allerdings auf Grund der oben angestellten Überlegungen im Sinne der Äußerungen der Kärntner Landesregierung und der Bundesregierung auf ‚Ortschaften‘ bezogen.“ „3. 2. 3. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich aber auch nicht veranlasst, von seiner ständigen Rechtsprechung abzugehen, der zu Folge bei Beurteilung der Frage, ob in einem bestimmten Gebiet eine größere Anzahl der dort wohnenden Personen zur Minderheit gehört, va. von einschlägigen statistischen Erhebungen auszugehen sei, die sich im Rahmen der Volkszählungen ergeben.“ Kommentar: Wer bestimmt, welches Ergebnis aus welcher Volkszählung maßgeblich ist? Ist nicht das Ergebnis der jeweils letzten Volkszählung verbindlich? Ist den Volkszählungen ein dynamischer oder statischer, ein historischer oder ein aktueller Begriff der Minderheit vorauszusetzen? Warum hat der VfGH im Jahr 2001 nicht das Ergebnis der in diesem Jahr durchgeführten Volkszählung abgewartet? Die Entscheidung über die maßgeblichen Zeitfaktoren kann wohl nur der Gesetzgeber verlässlich treffen.
4. Die Unbestimmtheiten der Kriterien des VfGH Laut Verfassungsgerichtshof sind die unbestimmten Begriffe: „Minderheit“ und „gemischte Bevölkerung“, in Verbindung mit den Begriffen „Amtssprache“ und „Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur“, sowie „in den Verwaltungs- und Gerichtsbezirken Kärntens“ „in den verschiedenen authentischen Texten des Staatsvertrages sehr allgemein
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und unbestimmt gehalten“ und „in verschiedenen Richtungen deutbar“ (VfSlg. 11.585/1987 und 12.836/1991). Sie waren vor der durch den VfGH im Jahr 2001 verfügten Aufhebung der 25 %-Grenze im VolksgruppenG allerdings einheitlich bestimmbar, obgleich nicht allzu großzügig bemessen. Infolge der Aufhebung der klaren gesetzlichen Grundlage durch den VfGH im Jahr 2001 wurde die Regelung des Staatsvertrages wieder unbestimmt. Damit wurde die Frage nach der objektiven Eignung des Art. 7 zur unmittelbaren Anwendung jedenfalls höchst aktuell. Die Bestimmtheit des tragenden Kriteriums der Minderheitenregelung mit einer zwar weniger günstigen, aber innerhalb der völkerrechtlich anerkannten Bandbreite von 5 % bis 25 % liegenden Klausel im VolksgruppenG von 25 %, wurde durch den VfGH im Jahr 2001 mit der Aufhebung der erwähnten Wortfolge beseitigt. Durch die Aufhebung einer klaren Gesetzesbestimmung gegen den erklärten Willen des Gesetzgebers betreffend die Notwendigkeit gesetzlicher Durchführung machte sich der VfGH selbst den Weg zur eigenen Ermessensübung frei. In einer rechtlich unzulässigen Gleichsetzung mit dem ersten Satz erklärte der VfGH den zweiten Satz in der Ziff. 3 des Art. 7 StV mit der Regelung über die topographischen Aufschriften für ausreichend bestimmt, um unmittelbar anwendbar zu sein und unter dem Titel eines von ihm in Anspruch genommenen „Ermessensspielraums“ ein nach seiner Meinung erforderliches günstigeres Kriterium als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des zweiten Satzes durch die Vollziehung zu ermöglichen. Mit seinem Credo auf den erklärten Willen des Gesetzgebers (Verfassungsgesetzgebers) bestätigte er aber in Wahrheit nur die mangelnde Eignung des zweiten Satzes in der Ziff. 3 Art. 7 zur unmittelbaren Anwendung durch die Vollziehung. Der erklärte Wille des Gesetzgebers (gemäß den historischen Dokumenten zum Staatsvertrag sogar des Verfassungsgesetzgebers) wurde mit der Aufhebung des verfassungsgesetzlichen Begriffs „beträchtlich größere Zahl“ in Verbindung mit den 25 % im Volksgruppengesetz als ein für die Vollziehung brauchbares und völkerrechtskonformes Regulativ beiseite geschoben. Zur Begründung wurde zwar mit allem Nachdruck auf die parlamentarischen Materialien zum StV von Wien verwiesen, dort ist aber nur für die im ersten Satz geregelte Amtssprache die unmittelbare Anwendbarkeit ausdrücklich festgestellt, für den zweiten Satz mit den topographischen Bezeichnungen und Aufschriften ist jedoch das Gegenteil ausgesprochen. Aufgrund dieses Irrtums sah sich der VfGH berufen, selbst ein Kriterium für die Feststellung der Minderheit zu suchen und festzulegen. Er erklärte die unbestimmten Begriffe „gemischte Bevölkerung“ und „Minderheit“ im Art. 7 durch „eine ins Auge springende – verhältnismäßig größere –
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Zahl von Minderheitenangehörigen“. Darin erblickte er eine Abkehr vom unbestimmten Begriff des Gesetzgebers (Verfassungsgesetzgebers) „beträchtlicher Anteil“ und glaubte die im Volksgruppengesetz verwendete Wortfolge „eine verhältnismäßig beträchtliche Zahl anderssprachiger österreichischer Staatsangehöriger“ (im Sinn des StV von St. Germain) aufheben zu sollen. Aus im Grunde gleichwertigen unbestimmten Begriffen leitete er anhand von vergröberten statistischen Daten „mehr als 10 % über einen längeren Zeitraum“ als ein reichlich unbestimmtes Kriterium für die Festlegung von slowenischen Ortsnamen ab. Die Kriterien des Verfassungsgerichtshofs zur Herbeiführung einer seinem Ermessen entspringenden, für die Vollziehung angeblich ausreichenden Bestimmtheit der Ziff. 3 im Art. 7, lauten also für die Amtssprache und für die topographischen Bezeichnungen und Aufschriften undifferenziert: „mehr als zehn Prozent über einen längeren Zeitraum“. (Könnten es nicht ebenso gut 15 Prozent oder mehr sein? Über wie viele Jahre und gemäß welcher Statistik, zu welchem Stichtag?) Die unbestimmte Formel des VfGH gemahnt an die rechtsstaatlichen Bedenken des VfGH zu einer vergleichbaren Rechts- und Sachlage. Die Ermittlung des in Betracht kommenden „längeren Zeitraums“ und die Berechnung von „mehr als 10 %“ für die einzelnen Ortschaften erfordert nämlich Rechtfertigungen und einen archivarischen Fleiß, den der VfGH in der Suche nach Entscheidungsgründen für die Amtssprache auch reichlich aufbrachte (siehe dazu oben), der jedoch den Vollzugsorganen – wie etwa der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt – allein schon wegen der Fülle täglicher Arbeit gar nicht zumutbar ist. Jede einzelne Ortschaft erfordert anspruchsvolle Berechnungen und Wertungen, die nur in einer verbindlichen Vorschrift des Gesetzgebers rechtsstaatlich vertretbar vorgeschrieben werden können. Das hat der VfGH in seinem Erkenntnis aus dem Jahr 2001 anschaulich vor Augen geführt. Dabei ist auch zu veranschlagen, dass es für manche Ortschaften unterschiedliche slowenische Ortsnamen gibt, deren eindeutige Feststellung sich sogar dem archivarischen Fleiß des VfGH entzieht. Auch aus der Sicht des durch den VfGH zur Ermittlung des Prozentsatzes entfalteten archivarischen Fleißes für seine eigenen Überlegungen erweist sich Art. 7 StV organisationsrechtlich, verfahrensrechtlich und materiellrechtlich als zu unbestimmt und daher als nicht unmittelbar anwendbar; das gilt insbesondere für das unerlässliche bestimmte Kriterium zur Ermittlung der in Frage kommenden Minderheit und für die Festsetzung von slowenischen Ortsnamen. Betreffend den Prozentsatz zur Bestimmung der „gemischten Bevölkerung“ bzw. „Minderheit“ führte der VfGH in der Begründung zur Auf-
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hebung selbst zwei unbestimmte Begriffe ein: „mehr als 10 %“ und „über einen längeren Zeitraum“, ohne einen bestimmten Anfang und ohne ein bestimmtes Ende, die ohne eine einheitliche, generell-abstrakte Festsetzung des Prozentsatzes durch den Gesetzgeber und ohne eine allgemein verbindliche Festlegung der entsprechenden slowenischen Ortsnamen durch die zuständige Behörde (Bundesregierung und/oder Gemeinderat) und ohne eine verlässliche Feststellung der Minderheit nicht sachangemessen zu bewältigen sind. Was folgt daraus für die Bezirksverwaltungsbehörden bei der Verwendung von Ortsnamen für ihre Straßenverkehrszeichen? In den Erkenntnissen des VfGH zur Verordnungsprüfung bleibt die Frage ungeprüft, ob die Ortsnamen in deutscher und in slowenischer Sprache auf einer einzigen Tafel angebracht sein müssen; ferner ob man zur Anordnung der Geschwindigkeitsbeschränkung für eine Ortschaft eine Ortstafel und zur Kennzeichnung der gemeinderechtlichen Ortsgrenze auch eine zweite Ortstafel aufstellen darf. Hinzu kommt noch die Unbestimmtheit hinsichtlich der Zuständigkeiten und des Verfahrens zur Durchführung des Staatsvertrages aus der Sicht der Kompetenzverteilung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß den Art. 10 bis 15 (bzw. 16) B-VG. Was bedeutet die Formel „mehr als zehn Prozent“? Um wie viel mehr könnte der Prozentsatz von der Bezirkshauptmannschaft, von der Bundesregierung oder vom Bundesgesetzgeber angesetzt werden? Bedeutet mehr auch mindestens? Welche Konsequenzen zieht der Umstand nach sich, dass St. Kanzian bei der Volkszählung des Jahres 1991 mit 9,9 % und bei der Volkszählung des Jahres 2001, verlautbart im Jahr 2002, mit 8,7 % das Kriterium „mehr als 10 %“ nicht mehr erfüllt hat? Eine andere Unbestimmtheit liegt auch noch im Zeitfaktor: über eine längere Zeit. Wie wird diese Zeit bemessen und nach welchen Kriterien? Welcher Stellenwert kommt dem Ergebnis der jeweils letzten Volkszählung zu? Seit der letzten Volkszählung sind fünf bzw. vier Jahre verstrichen. Ist das bereits ein längerer Zeitraum? Auf wie viele Jahre mehr kommt es dann an? Woher stammt die unbestimmte zeitliche Begrenzung? Kann eine Ortschaft einen einmal erworbenen Rechtstitel auf einen slowenischen Ortsnamen wieder verlieren, wenn die Zahl der Angehörigen der Minderheit auf Grund der amtlichen Volkszählung unter den vom VfGH mit „mehr als 10 %“ angegebenen Prozentsatz fällt; innerhalb welches Zeitraums? Eine Problematik von großer Tragweite liegt schließlich in der Tatsache, dass der VfGH seine Rechtsauffassung nur in den Entscheidungsgründen seines Erkenntnisses und nicht im Spruch festschreiben kann. Er kann nur eine Rechtsauffassung äußern. Das Problematische daran ist
Unbestimmtheiten im Art. 7 des Staatsvertrages
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aber, dass er diese Rechtsauffassung in seinem Erkenntnis aus dem Jahr 2005 wie einen Rechtssatz imperativ formulierte; geradeso als wäre er tatsächlich zuständig, der Straßenpolizeibehörde des Landes oder der Bundesregierung konkrete Vollzugsanweisungen zu erteilen. Daraus entstand eine beachtliche Verwirrung; nicht nur in der politischen und medialen Öffentlichkeit, sondern auch unter den obersten Staatsorganen. Was bedeutet die Tatsache, dass der Verfassungsgerichtshof seine Rechtsmeinung nicht in den Spruch, sondern nur in die Entscheidungsgründe seines Erkenntnisses aus dem Jahr 2005 aufnehmen konnte? Wie weit reicht die Rechtswirkung der Entscheidungsgründe eines Erkenntnisses? Gilt die Rechtsmeinung des VfGH nur für die Anlassfälle, für welche die Aufhebungen durch den VfGH gar nicht erheblich waren? Gilt die Aufhebung für alle Ortstafeln der Gemeinden St. Kanzian und Bleiburg? Gilt sie für die Bundesregierung hinsichtlich aller möglichen Ortstafeln? Präjudiziert die Rechtsmeinung des VfGH auch den Gesetzgeber? Zu den begrifflichen Unbestimmtheiten im Art. 7 des StV von Wien und des Staatsvertrages von St. Germain kommen also noch die Unbestimmtheiten der vom VfGH eingeführten Formel: „mehr als 10 % über einen längeren Zeitraum“. Das bedeutet richterliche Rechtsfindung durch Schaffung von unbestimmten Rechtsbegriffen ohne Rechtssetzungsautorität. Solche vagen Begriffe können kein rechtsstaatliches Maß für die Vollzugsorgane sein. Sie vermitteln nämlich selbst nur einen unbestimmten Richtwert, der Ungleichheiten zur Folge haben muss.67 Dabei ergibt sich die Frage, welche staatlichen Organe an dieses unbestimmte Kriterium des Verfassungsgerichtshofs gebunden sind. Die durch die Erkenntnisse des VfGH hervorgerufenen Fragen liegen auf der Hand. Wer ist im Allgemeinen und im Besonderen gesetzlich dazu berufen, über die Ortsnamen zu entscheiden? Der Gemeinderat, der Bezirkshauptmann, die Landesregierung, die Bundesregierung, der Gesetzgeber? Welche Rechtsverbindlichkeit kann den durch den VfGH hervorgehobenen unbestimmten quantitativen und zeitlichen Kriterien zur Festlegung eines entsprechenden Prozentsatzes objektiv zukommen? Folgt aus der Nichtbeachtung der rechtlich unhaltbaren Rechtsanschauung des VfGH die Strafbarkeit staatlicher Organe wegen Zuwiderhandelns bzw. wegen Untätigkeit? Wenn ja, welcher Organe? Nur des Bezirkshauptmanns oder auch der Landesregierung, des Landeshauptmanns, der Bundesregierung und des Bundeskanzlers? Sind Entscheidungsgründe eines ____________________
67 Nach Adamovich, dem früheren Präsidenten des VfGH, könnten es auch 15 % sein, zuletzt in der Kleinen Zeitung vom 19. Januar 2006, Seite 5: „Auch wenn im Erkenntnis zehn Prozent stehen, hielte ich es für vertretbar, wenn bei Ortschaften ab 15 Prozent zweisprachige Ortstafeln stehen.“
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Erkenntnisses des VfGH vollstreckbar? Wenn ja, gegen wen und durch wen? Warum nicht auch gegen den untätigen Gesetzgeber?
5. Fazit Mit seinem Erkenntnis VfSlg. 16.404/2001 (vgl. BGBl. I 2002/35) vom 13. Dezember 2001, hat der VfGH die Wortfolge „wegen der verhältnismäßig beträchtlichen Zahl (ein Viertel) der dort wohnhaften Volksgruppenangehörigen“ in der Ziff. 2 wegen „Widerspruchs“ zum Art. 7 des StV aufgehoben. Dadurch hat er eine Gesetzeslücke erzeugt und anstelle des Gesetzgebers nach eigenem Ermessen einen niedrigeren, aber unbestimmten Richtwert von „mehr als 10 % über einen längeren Zeitraum“ als verbindlich angenommen. Obwohl der VfGH bei Gesetzesprüfungen nur eine kassatorische Zuständigkeit hat – er darf ein Gesetz nur aufheben und nicht an dessen Stelle ein neue Regelung schaffen – wurde er auf diese Weise wie ein Gesetzgeber tätig. Er wollte durch seine eigene Rechtsmeinung eine durch ihn ohne zwingenden völkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen Grund erzeugte Gesetzeslücke füllen und die Unbestimmtheit der Vorschrift des Staatsvertrages ohne gesetzliche Durchführungsvorschrift selbst konkretisieren. In der Meinung, dass die Ziff. 3 im Art. 7 des Staatsvertrages infolge der Aufhebung dieser Wortfolge im VolksgruppenG für ihn selbst „wieder unmittelbar anwendbar“ geworden sei, konkretisierte er den Staatsvertrag wie ein Gesetzgeber und schuf durch seine Rechtsmeinung einen Richtwert, der seinerseits die unmittelbare Anwendbarkeit des Staatsvertrages durch die Vollzugsbehörden des Bundes und der Länder in Frage stellt. Diese wären nun ungeachtet ihrer gesetzlich geregelten Zuständigkeiten gefordert, der Rechtsmeinung des Verfassungsgerichtshofs zu folgen. Die Minderheitenvorschriften im Art. 7 des Staatsvertrages sind also auch für den VfGH durch unbestimmte Begriffe gekennzeichnet. Diese Begriffe sind für den VfGH zwar „in verschiedene Richtungen hin deutbar“, aber dennoch unmittelbar anwendbar.68 Im Erkenntnis V 64/05 – 11, vom 12. Dezember 2005, meinte der VfGH, der Bezirkshauptmann habe unter diesen vom VfGH durch die Gesetzesaufhebung herbeigeführten Unbestimmtheiten und ungeachtet der Vorschrift des VolksgruppenG, wonach die Bundesregierung Näheres durch Verordnung bestimmen soll, die slowenischen Ortsnamen kraft eigener Zuständigkeit festzulegen. Das ist unzutreffend. Der Bezirkshauptmann hat als Straßenpolizeibehörde des Landes Kärnten keine Kompetenz zur Festlegung von Ortsnamen. Er hat nur verkehrspolizeiliche territoriale ____________________
68 Siehe im Gegensatz dazu neuerdings wieder Matscher, Die Minderheitenregelungen im Staatsvertrag (2005) 801, 805, 807 ff, 814, als Zeitzeugen für das Zustandekommen des Staatsvertrages.
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Begrenzungen für die Ortsgebiete festzulegen. Dabei darf er nur Rechtens bereits bestehende Ortsnamen verwenden. Die Festlegung von neuen slowenischen Ortsnamen kann durch ihn auch nicht mit Hilfe des Kärntner Landesarchivs erfolgen. Dieses hat nur die urkundlich verbrieften, mitunter verschiedenen slowenischen Ortsnamen aufzufinden und das Ergebnis dem Gemeinderat bzw. der Landesregierung bekannt zu geben. Die vom VfGH neu reklamierten slowenischen Ortsnamen stehen amtlich noch nicht fest, nur die deutschen. Daher darf der Bezirkshauptmann, solange keine gesetzmäßige Entscheidung des gemäß dem VolksgruppenG zuständigen Organs vorliegt, nur die deutschen Ortsnamen verwenden. Mit den Aufhebungen der deutschen Ortsnamen in den zwei Verordnungen aufgrund einer auf Rechtsetzung durch den VfGH gerichteten Bescheidbeschwerde sprach der VfGH auch unbestimmten anderen, zum Zweck der Verkehrsregelung aufgestellten weiteren Ortstafeln nicht nur im selben Bezirk, sondern auch in anderen Kärntner Bezirken für die Zukunft implizit ihre Rechtmäßigkeit ab. Seine Entscheidungen können praktische Auswirkungen auf alle jene Ortschaften haben, für die man im Hinblick auf sein unbestimmtes Kriterium der Meinung sein kann, dass sie durch die Minderung des Prozentsatzes unter die Vorschrift des zweiten Satzes in der Ziff. 3, Art. 7 des Staatsvertrages fallen. Welche Ortschaften fallen nun tatsächlich unter die unbestimmten Kriterien des VfGH? Welchen Verwaltungsorganen obliegt die Feststellung der weiteren Ortschaften und aufgrund welcher rechtsstaatlich einwandfreien gesetzlichen Grundlage?
IV. Die Prinzipien des Rechtsstaates und der Legalität 1. Die Rechtsgrundlagen a. Das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) Art. 1 Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus. Art. 18 (für die gesamte staatliche Verwaltung) (1) Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden. (2) Jede Verwaltungsbehörde kann auf Grund der Gesetze innerhalb ihres Wirkungsbereiches Verordnungen erlassen. Art. 83 (für die gesamte Gerichtsbarkeit) (1) Die Verfassung und die Zuständigkeit der Gerichte wird durch Bundesgesetz festgelegt. (2) Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.
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Art. 148 (nur für den Verfassungsgerichtshof ) Die näheren Bestimmungen über die Organisation und das Verfahren des Verfassungsgerichtshofs werden durch ein besonderes Bundesgesetz und auf Grund dieses durch eine vom Verfassungsgerichtshof zu beschließende Geschäftsordnung geregelt. b. Das Verfassungsgerichtshofsgesetz Das Verfassungsgerichtshofsgesetz (VfGG) regelt die Organisation (§ 1 ff ) und die Verfahren vor dem VfGH gemäß den Tatbeständen seiner Kompetenzen (§ 15 ff und § 36a ff ). Da die Verfassungsvorschriften der Art. 137 bis 145 B-VG gemäß Art. 148 B-VG nicht unmittelbar anwendbar sind, darf der VfGH nur aufgrund dieses Gesetzes tätig werden. Bei der Ausübung seiner Befugnisse ist der VfGH an die Verfassung und an die einfachgesetzliche Ordnung gebunden. Diese Bindung an die gesetzliche Ordnung des Staates wird durch den Amtseid gewährleistet, den sie vor ihrem Amtsantritt schwören müssen. § 8 (1) Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs geloben vor dem Antritt ihres Amtes die unverbrüchliche Beobachtung der Verfassung und aller anderen Gesetze der Republik sowie die gewissenhafte Erfüllung ihrer Pflichten. (2) Der Präsident und der Vizepräsident legen das Gelöbnis in die Hand des Bundespräsidenten, die Mitglieder und Ersatzmitglieder in die Hand des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs ab. Diese rechtlichen Zusammenhänge sind auch von Bedeutung für die Antragsteller vor dem VfGH. § 28 (1) ... (2) Gegen Personen, die die Tätigkeit des Verfassungsgerichtshofes offenbar mutwillig in Anspruch nehmen oder in der Absicht einer Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, kann der Verfassungsgerichtshof eine Mutwillensstrafe bis 109 EURO und im Falle der Uneinbringlichkeit Haft bis zu neun Tagen verhängen.
2. Das Prinzip des Rechtsstaates aus historischer und heutiger Sicht Der moderne Staat ist ein Gesetzesstaat. Seine geistigen Wurzeln führen zu Montesquieu’s Werk „De l’Esprit des lois“. Das XI. Buch trägt den Titel „Über die Gesetze, welche die politische Freiheit formen, und ihren Bezug zur Verfassung“. Der neuzeitliche Begriff des Gesetzes ist al-
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so untrennbar mit dem Begriff der politischen Freiheit verbunden. Die politische Freiheit des Bürgers im Rechtsstaat charakterisierte Montesquieu wie folgt: Freiheit kann lediglich bedeuten, dass man zu tun vermag was man wollen soll, und man nicht zu tun gezwungen wird, was man nicht wollen soll. Dabei müsse man sich vor Augen halten, was Unabhängigkeit und was Freiheit sei. Freiheit ist das Recht, all das zu tun, was die Gesetze gestatten. Wenn ein Bürger machen dürfte, was diese untersagen, so gäbe es keine Freiheit, denn die anderen hätten diese Möglichkeit dann ebenso gut. Die Freiheit durch Gesetze ergibt sich aus der maßvollen Benutzung der Macht. Die Staatsmacht muss durch Gesetze beschränkt und durch Gerichte kontrolliert werden, weil sie ihren Inhaber zum Missbrauch verleitet. Dabei ist zu trachten, dass niemand in einem Staat gezwungen wird, etwas zu tun, wozu er nach den Gesetzen nicht verpflichtet ist, und niemand gezwungen wird, etwas zu unterlassen, was die Gesetze gestatten. Die politische Freiheit ist für jeden Bürger „jene geistige Beruhigung, die aus der Überzeugung hervorgeht, die jedermann von seiner Sicherheit hat. Damit man diese Freiheit genießen kann, muss die Regierung so beschaffen sein, dass kein Bürger einen anderen“ [wohl auch den Staat] „zu fürchten braucht“. Daher muss es Gesetze geben und die Teilung der Staatsmacht durch Trennung und Verbindung der Gewalten.69 Ein solcher Rechtsstaat ist gleichermaßen aus seiner Funktion für den Einzelnen zu verstehen wie aus der Organisation und aus dem Funktionieren des Staates gemäß der Verfassung des Staates. Gesetzesbindung und Verantwortung der zum Rechtsschutz berufenen Staatsorgane (Gerichte) sind notwendige Gegenstücke zur gesetzlich gewährleisteten Freiheit des Einzelnen. „Demokratie“, „Gesetz“, „Legalität“, „Verwaltung“, „Gerichtsbarkeit“ und „Garantien der Verfassung“ sind Grundbegriffe des an das formelle Gesetz gebundenen modernen demokratischen Rechtsstaates. Die Idee des Rechtsstaates ist geprägt vom Gegensatz zwischen Freiheit und Ordnung. Der Mensch ist zwar frei geboren, in einer staatlichen Rechtsgemeinschaft ist er aber der Ordnung des Rechtes verpflichtet, soweit es die Gesetze vorsehen. Außerhalb der gesetzlichen Bindungen, mit ihren Antagonismen von Rechten und Pflichten, von staatlicher Handlungsmacht als Befugnis, Auftrag und Verantwortung, soll der Mensch frei sein. Die Gesetze räumen einerseits dem Einzelnen dem Staat gegenüber Rechtsmacht ein, andererseits aber beschränken sie den Staat auch durch Freiheitsrechte des Einzelnen und durch den Rechtsschutz. Das Gesetzesrecht kann daher nur rechtlich gewährte und eingeschränkte Freiheiten bedeuten. In ____________________
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Walter Antoniolli, Allgemeines Verwaltungsrecht (1954) 47 ff, 102 ff.
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diesem Sinn gibt es zwar verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte, doch sie sind zugunsten der Allgemeinheit von Gesetzesvorbehalten beherrscht. Die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Freiheiten des Einzelnen sind im Rechtsstaat durch mehrere Faktoren verbürgt: durch die Organisation des Staates aufgrund der Gesetze, durch kundgemachte Gesetze, durch die Bindung der Tätigkeiten aller Staatsorgane an die Gesetzesinhalte (Legalitätsprinzip), durch gesetzliche Verfahrensvorschriften für die Willensbildung aller Staatsorgane. Diese Grundkomponenten staatlicher Organisation sind durch die Gewaltenteilung zwischen den obersten Staatsorganen, dh. durch Kompetenzaufteilung, durch Trennung und Verbindung der Ausübung der Kompetenzen gemäß dem staatspolitischen Konzept von Checks and Balances verbürgt. Seit seinem Aufkommen im 19. Jahrhundert erfuhr der Rechtsstaat schrittweise seinen Ausbau und ein hohes Maß an Vervollkommnung in der Gewährleistung der Einhaltung der Gesetze durch richterlichen Schutz. Im Mittelpunkt des Gesetzesrechtes steht nach wie vor der freie Mensch. Er ist im Staat durch die demokratischen Gesetze in die Rechtsordnung aber auch unentrinnbar eingebunden. Das Recht soll zwar dem Einzelnen dienen. In Wahrheit steht dieser, ungeachtet seiner natürlichen Freiheit, zunehmend im Spannungsfeld von gesetzlich gewährleisteten Freiheiten und gesetzlich gebundenen Verpflichtungen gegenüber dem Staat in Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit und Verwaltung. Gesetze des heutigen Rechtsstaates, erzeugt durch einen demokratisch legitimierten Urheber, sind allgemein verbindlich kundgemacht. Gesetze regeln die Organisation des Staates, die Kompetenzen als Aufgaben und Befugnisse der Staatsorgane. Sie regeln die Verfahren zur Erzeugung und Durchsetzung des in ihnen festgelegten Staatswillens. Gesetze binden die Staatsmacht an das Recht, berechtigen und verpflichten den Einzelnen. Gesetze dienen dem Einzelnen und der Allgemeinheit gleichermaßen. Sie sollen durch ihre Publizität, allen Adressaten des Rechts in der Ordnung des Staates Klarheit und Bestimmtheit Sicherheit in Gleichheit und Freiheit gewährleisten. Gemessen an seiner Idee erweist sich der Rechtsstaat unserer Zeit als problematisch. Die Freiheit des Einzelnen wird durch die Vermehrung von Gesetzen zunehmend vermindert. Während der Bürger im Polizeistaat mit einem gesetzlich ungebundenen Belieben der Regierung konfrontiert war, ist er nunmehr den Totalitätstendenzen einer ausufernden bürokratischen Gesetzgebung ausgesetzt. Mehr und mehr Lebensbereiche werden durch die Gesetze immer detaillierter erfasst. Der Mensch wird der moralischen Verantwortung aus Freiheit und Verantwortung gegenüber dem Nächsten und seinen Lebensgemeinschaften entfremdet und
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zunehmend den Gesetzen unterworfen. Vollziehung der Gesetze durch Verwaltungsbehörden und Gerichte einerseits und freier Mensch andererseits werden in gleicher Weise zunehmend „Opfer“ der hypertrophen Reglementierungen durch den Gesetzgeber. Freiheit und Verantwortung – vom Grundkonzept des demokratischen Rechtsstaates aus gesehen komplementäre Begriffe – verschmelzen mehr und mehr ineinander. Infolge der Überlagerung seiner angeborenen Rechte durch die Gesetze erhält der Einzelne zunehmend die Verantwortung eines staatlichen Organs. Der Rechtsstaat wird mehr und mehr zum bürokratischen Gesetzesstaat.70
3. Der Rechtsstaat, die Legalität und der gesetzliche Richter in der Literatur und in der Rechtsprechung Die Bestimmungsgründe des demokratischen Rechtsstaates fanden in der Lehre und in der Judikatur des VfGH einen reichhaltigen Niederschlag. Die Lehrbücher zum Verwaltungsrecht und zum Verfassungsrecht bieten dafür besonders anschauliche Nachweise. a. Der Rechtsstaat Antoniolli wurde nach dem II. Weltkrieg, in Gefolgschaft nach seinen Lehrern Merkl und Adamovich sen, vor allem durch sein Lehrbuch „Allgemeines Verwaltungsrecht“ zur Leitfigur für eine wissenschaftliche Lehre vom Rechtsstaat. Mit einem historischen Rückblick auf den gerade erst untergegangenen totalitären Staat charakterisierte er in schlichten Worten die Eckdaten des demokratischen Rechtsstaates nach dem Beispiel der Gerichtsbarkeit, vor allem im Hinblick auf die staatliche Verwaltung. Dabei erklärte er den Rechtsstaat als einen Gegensatz zum Polizeistaat: „Wir haben die ‚dunkle Vorstellung, dass Rechtsstaat ein Staat ist, der seinen Bürgern niemals Unrecht tut‘. Und das ist es auch wirklich, was man will. ‚Der Staat soll nicht Unrecht tun. Unrecht kann aber eine Handlung nur sein gemessen an einem von der Handlung unabhängigen Beurteilungsmaßstab.‘ Man hat als Maßstab das Gesetz angenommen, wie es Montesquieu … ausgesprochen hat: Eine Verfassung könne so sein, dass niemand zu Handlungen gezwungen werde, zu denen ihn das Ge____________________
70 Winkler, Freiheit in der Ordnung des Rechts, in: Symbiose von Politik und Wissenschaft. Aktion 20. Hg Österreichische Gesellschaft für Politik (1968) 186 ff; Winkler, Gesetzgebung und Verwaltung im Wirtschaftsrecht (1970), Forschungen aus Staat und Recht 85 (1989) 75 ff; Winkler, Gesetzgebung und Verwaltungsrecht, (1980), Forschungen aus Staat und Recht 85 (1989) 40 ff; Winkler, Der Rechtsstaat als Gesetzesstaat, in: Rechtswissenschaft und Politik. Die Freiheit des Menschen in der Ordnung des Rechts, Walter Antoniolli zum 90. Geburtstag gewidmet; Forschungen aus Staat und Recht 110 (1998) 67 ff.
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setz nicht verpflichte oder zur Unterlassung von Handlungen, die ihm das Gesetz erlaube. Die Bindung des Staates an das Gesetz ist wesentlich für den Rechtsstaat. Die Bindung des Richters an das Gesetz stand außer Streit, die Forderung ging nach Bindung auch der Verwaltung. Wir können daher als Rechtsstaat jenen Staat bezeichnen, ‚dessen Verwaltung gesetzlich gebunden ist.‘ Der Ausdruck Rechtsstaat ist vieldeutig. Hier ist gemeint Bindung des Staats an das Gesetz, man müsste also richtiger vom Gesetzesstaat sprechen. Eine solche Bindung der Verwaltung an das Gesetz ist nur wirksam, wenn der Staat in bestimmter Form aufgebaut ist. Verwaltung und Gesetzgebung müssen getrennt sein. Der Staat muss also nach dem Grundsatz der Gewaltentrennung organisiert sein. … Der Rechtsstaat setzt den rechtstechnischen Dualismus von genereller Norm und individuellem Befehl voraus. Und in der Tat bedeutete das Aufgeben der Gewaltentrennung in den autoritären und totalitären Staaten unserer Zeit, etwa durch Einführung der Regierungsgesetzgebung, die Preisgabe des Rechtsstaates. Auch wenn man die Gewaltentrennung aufrecht erhält, könnte das Gesetz so allgemein gehaltene Ermächtigzungen an die Verwaltung enthalten, dass dadurch der Grundsatz wieder aufgehoben wäre. Daraus ergibt sich die Forderung nach genauer und enger Umschreibung der Ermächtigungen der Art, dass schon im Gesetz alle wesentlichen Merkmale der Regelung enthalten sind. Von einem Rechtsstaat wäre auch nicht mehr die Rede, wenn die Gesetze die Verwaltungsbehörden regelmäßig zum Handeln nach Ermessen ermächtigen. Gewiss kann Ermessen nicht ausgeschlossen werden, doch muss der Spielraum des Ermessens gegenüber der Bindung zurücktreten. Ferner müsste die Rechtsordnung eines Rechtsstaates Vorkehrungen für die Überprüfung der Verwaltungsakte treffen, um die Übereinstimmung zwischen generellem und individuellem Staatsakt zu sichern und um dem Staatsbürger die Möglichkeit zu geben, seinen Anspruch durchzusetzen.“71 Für die Gerichtsbarkeit kann nichts anderes gelten. Denn der Rechtsstaat ist ein Staat, der über eine dem Justizrecht ebenbürtig entwickelte Verwaltungsrechtsordnung verfügt.72 Walter – Mayer charakterisieren den Rechtstaat wie folgt: „Unter einem Rechtsstaat im hier gemeinten, formellen Sinn ... ist ein Staat zu verstehen, dessen Rechtsordnung inhaltlich relativ bestimmt ist und der entsprechende Einrichtungen zur Sicherung der Einhaltung der Rechtsvorschriften vorsieht. Insbesondere müssen die Rechte und die Pflichten des ____________________
71 Antoniolli, Allgemeines Verwaltungsrecht (1954) 50 ff und 52 ff, mit Hinweisen auf gleichgerichtete Thesen vor allem bei Walter Jellinek und Adolf Merkl. 72 Antoniolli, aaO, 51.
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einzelnen gesetzlich relativ präzise festgelegt und deren Durchsetzung durch entsprechende Institutionen garantiert sein. Durch die Bestimmtheit – genauer: Vorausbestimmtheit – der Rechte und Pflichten durch Gesetz unterscheidet sich der Rechtsstaat von seinem Gegentyp, dem Polizeistaat; der Rechtsstaat ist ,berechenbar‘. Der – am Gedanken der Rechtssicherheit orientierte – Rechtsstaat muss also ein Verfassungsstaat sein, dh. Normen aufweisen, die die Gesetzgebung regeln; er muss ein Gesetzesstaat sein, dh Normen enthalten, die dem einzelnen sein Verhalten vorschreiben und an die Nichteinhaltung Zwang knüpfen (materielles Recht), Organe zur Vollziehung berufen und ihr Vorgehen regeln (Organisationsund Verfahrensrecht); und er muss ein Rechtsschutzstaat sein, dh die Einhaltung von Verfassung und Gesetz durch entsprechende Einrichtungen sichern.“73 Öhlinger schreibt zum Rechtsstaat: „Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die verbindliche Gestaltung von Rechtsverhältnissen und die behördliche Festlegung von Rechtsfolgen an jene Rechtsformen zu binden, die einen verfassungsgesetzlich vorgesehenen Rechtsschutz (insbes. iSd. Art. 129 ff B-VG) ermöglichen. Verwaltungsentscheidungen, die erhebliche Rechtswirkungen haben, dürfen daher nicht als rechtlich nicht bekämpfbare Verwaltungsakte konstruiert werden.“74 „Das Rechtsstaatsprinzip verlangt ... ein Mindestmaß an Zugänglichkeit und Verständlichkeit der Rechtsnormen. Der Gesetzgeber hat den Inhalt seiner Regelungen der breiten Öffentlichkeit in klarer und erschöpfender Weise zur Kenntnis zu bringen, damit sich die Adressaten normgemäß verhalten können; dem genügt eine Vorschrift nicht, zu deren Sinnermittlung subtile verfassungsrechtliche Kenntnisse, qualifizierte juristische Befähigung und Erfahrung und geradezu archivarischer Fleiß von Nöten sind (so schon VfSlg. 3130/1956 zu einem pauschalen Verweis auf deutsche Rechtsvorschriften). Aber auch die Formulierung von Gesetzen und Verordnungen muss diesen Anforderungen genügen. Dem Rechtsstaatsprinzip widerspricht daher eine Vorschrift, die nur mit ‚subtiler Sachkenntnis, außerordentlichen methodischen Fähigkeiten und einer gewissen Lust zum Lösen von Denksportaufgaben‘ verstanden werden kann (VfSlg. 12.420/1990).“75 Pernthaler bezieht zum Rechtsstaat wie folgt Stellung: „Im Gegensatz zum demokratischen und bundesstaatlichen Prinzip ist der Rechtsstaat als solcher nicht ausdrücklich in der Bundesverfassung – wohl aber ____________________
73 VfSlg. 11.196/1988, 13.223/1992, 13.699/1994, 13.834/1994; Walter – Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts (2000) Rz. 165, S. 82. 74 Öhlinger , Verfassungsrecht (2005), Rz. 81, S. 61. 75 Öhlinger, Verfassungsrecht, aaO.
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in einigen Landesverfassungen – normiert. Dennoch sind die Lehre und Verfassungsrechtsprechung übereinstimmend der Auffassung, dass die Bundesverfassung als Ganzes das rechtsstaatliche Prinzip als ein Baugesetz im Sinn des Art. 44 Abs. 3 B-VG verankert. Seine wesentlichen Elemente, die am Schutz der Gesamtänderung im Sinne dieser Verfassungsnorm teilhaben, sind auf Grund eines theoretischen Vorverständnisses des Begriffes Rechtsstaat aus den dafür in Betracht kommenden Einrichtungen der Verfassung abzuleiten. Entsprechend der historischen Entwicklung und dem heute herrschenden europäischen Verfassungsstandard lassen sich … untrennbar miteinander verknüpfte Wesensmerkmale des Rechtsstaates eindeutig erkennen.“ „Der Rechtsstaat setzt voraus, dass Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit voneinander unabhängige Staatsfunktionen sind, die auf unterschiedliche Organkomplexe verteilt werden. Wenn dies nicht der Fall ist, hat nämlich weder die Bindung der Verwaltung und Gerichtsbarkeit an das Gesetz (Legalitätsprinzip), noch die Rechtskontrolle der Gesetzmäßigkeit des Staatshandelns durch Gerichte oder unabhängige Tribunale (zB. unabhängige Verwaltungssenate) einen Sinn. Historische Beispiele zeigen, dass der Abbau des Rechtsstaates durch Diktaturen (totalitäre Regime) mit der Aufhebung der Gewaltenteilung furch die Einführung der Regierungsgesetzgebung und Ausschaltung der unabhängigen Rechtskontrolle der Gerichte beginnt und sich vollendet. Die Bindung der Verwaltung an das Gesetz gehört aus drei Gründen zum Kern des Rechtsstaates: Einerseits soll dadurch selbständige Rechtsetzung durch die Verwaltung verhindert werden, weil diese der Gewaltenteilung widerspricht (keine Regierungsgesetzgebung durch Verordnung). Andererseits soll die Freiheit des Bürgers dadurch gesichert werden, dass staatliches Handeln einer gesetzlichen Grundlage bedarf, während die Privatautonomie auf dem Prinzip der Freiheit beruht. Schließlich soll die Allgemeinheit das Gesetz auch verbürgen dass alle Bürger gleich behandelt werden und nicht staatlicher Willkür ausgeliefert sind.“76 Berka lehrt zum Rechtsstaat: „Der Rechtsstaat ist eine Antwort auf die Frage nach dem Verhältnis des einzelnen Menschen in der Gemeinschaft zur Macht des Staates. Im Rechtstaat soll an die Stelle der Herrschaft der Macht die verbindliche Kraft des Rechts treten: „Die ‚rule of law‘ bedeutet, dass der Mensch nur dem Recht, nicht aber der Willkür der Macht unterworfen ist. Ein Rechtsstaat ist daher ein Staat, in dem die gesamte Staatsmacht auf dem Recht beruht und die Einhaltung dieser rechtlichen Bindung durch entsprechende Verfahren kontrolliert werden kann. Wenn man diese Bindung des Staates an das Gesetz im Auge hat, ____________________
76
Pernthaler, Österreichisches Bundesstaatsrecht (2004) 556 f.
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spricht man gelegentlich auch von einem formalen Rechtsstaat. Zugleich ist im Rechtsstaat die Staatsmacht immer auch eine begrenzte Macht. Dem Einzelnen stehen bestimmte grundlegende Rechte zu, die der Staat achten muss und in die er nicht eingreifen darf. In der Regel werden diese unveräußerlichen Rechte in einem Katalog von Grundfreiheiten und Menschenrechten zusammengefasst. Sie zeigen dass der Rechtsstaat die Freiheit, Gleichheit und Würde des einzelnen Menschen als seinen höchsten Wert respektieren muss. Das ist die inhaltliche (materielle Seite) des Rechtsstaates.“77 Darauf folgen thesenhafte Charakteristiken: „Der Rechtsstaat ist zunächst ein Gesetzesstaat: der Staatswille soll in der Form des allgemein geltenden Gesetzes in Erscheinung treten, das ordnungsgemäß kundgemacht ist und Gerechtigkeit, Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit des Staatshandelns verbürgt. Die gesamte Vollziehung (Verwaltung und Gerichtsbarkeit) ist an das Gesetz gebunden: Das bedeutet in erster Linie, dass kein staatliches Handeln dem Gesetz widersprechen darf, was man als ‚Vorrang des Gesetzes‘ bezeichnet. Im entwickelten Rechtsstaat darf es aber auch kein staatliches Handeln geben, das nicht eine Grundlage im Gesetz findet. Dies wird als ‚Vorbehalt des Gesetzes‘ bezeichnet. Während der Vorrang des Gesetzes sich gegen gesetzwidriges Staatshandeln richtet, verbietet ein Vorbehalt des Gesetzes sehr viel weitergehend jeden Eingriff des Staates, der nicht auf eine gesetzliche Ermächtigung zurückgeführt werden kann.“78 „Der VfGH hat die Grundidee der Rechtsstaatlichkeit wiederholt in einer einprägsamen Formulierung zum Ausdruck gebracht: dass alle Akte staatlicher Organe im Gesetz und mittelbar letzten Endes in der Verfassung begründet sein müssen und ein System von Rechtsschutzeinrichtungen die Gewähr dafür bietet, dass nur solche Akte in ihrer rechtlichen Existenz als dauernd gesichert erscheinen, die in Übereinstimmung mit den sie bedingenden Akten höherer Stufe erlassen wurden (VfSlg. 2929/ 1955, 8279/1978, 11.196/1986 ua.).“79 Der Verfassungsrichter Oberndorfer trifft zum Rechtsstaat folgende kritische und konstruktive Feststellungen: „Der Rechtsstaat ist für viele zum Modebegriff geworden. Wer allgemein wünschenswerte, mit Anspruch auf Gerechtigkeit auftretende rechtspolitische Anliegen vortrage und gleichzeitig verfassungspolitische Verantwortung zeigen will, spricht vom Rechtsstaat. Der Rechtsstaat genießt eine Aura des Feierlichen, des stets Bewahrenswürdigen und als Ideal Erstrebenswerten. Erst recht gilt ____________________
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Berka, Verfassungsrecht (2005), Rz. 174, 175, 44 f Berka, Rz. 178, 45. Berka, Rz. 187, 47.
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für den Juristen: Wer sich verfassungsrechtlichem Denken verpflichtet fühlt, tritt auch für den Rechtsstaat ein. Zweifelsohne ist ein derartiger Begriff offen für rechts- und verfassungspolitische Anliegen, die sich angesichts neuer gesellschaftlicher, wirtschaftlicher, heute insbesondere auch ökologischen Anforderungen und Problemlagen stellen. Damit ist aber zwangsläufig auch die Gefahr der Leerformel verknüpft, so zwar, dass recht unterschiedliche, in keinem zwingenden Zusammenhang stehende rechtspolitische Anliegen aus dem Postulat des Rechtsstaates abgeleitet werden. Der Rechtsstaat läuft Gefahr, sich in ein Programm scheinbarer Beliebigkeit aufzulösen, in dem formelle und materielle Gesichtspunkte und Institutionen Platz finden: Herrschaft des formellen Gesetzes, Beseitigung von Ermessensspielräumen der Exekutive, Gewährleistung subjektiver öffentlicher Rechte, Rechtsschutz durch grundsätzliche Anfechtbarkeit aller staatlichen rechtsbeeinträchtigenden Akte, Gewaltenteilung, Effizienz der Rechtsdurchsetzung und damit des Rechtsschutzes, unabhängige Gerichtsbarkeit, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Verfassungsgerichtsbarkeit, Amtshaftung, Staatsabwehr, insbesondere durch Grundrechte, Publikationsgebot für generelle Normen, Verbot der Rückwirkung von bürgerbenachteiligenden (insbesondere Straf- und Steuer-)Gesetzes, Vertrauensschutz, Rechtssicherheit, klare und unmissverständliche gesetzliche Grenzzeihung zwischen der Freiheit des Einzelnen und dem Bereich des Unerlaubten. Niemand, der sich rechtlichem Denken verhaftet weiß, wird der kursorischen Aufzählung widersprechen. Das ändert nichts daran, dass die Reichweite und der verfassungsrechtliche Schutzgehalt der einzelnen rechtsstaatlichen Institutionen durchwegs von großer Unbestimmtheit ist: Die Diskussion um die ‚Kontrolldichte‘ verwaltungsgerichtlicher Entscheidungspraxis zeigt dies ebenso wie etwa die komplizierte, zur Rückwirkung von Gesetzen, insbesondere Steuergesetzen, in der verfassungsgerichtlichen Judikatur entwickelte Dogmatik: Die Grenzziehung zwischen dem inhaltlich noch ausreichend bestimmten, weil einer Vollziehung im Wortsinn zugänglichen Gesetz und einer bloß formalgesetzlichen Delegation erweist dies in gleicher Weise.“80 „Dass eine wesentliche Veränderung oder gar Abschaffung des rechtsstaatlichen Prinzips ebenso wie der Eingriff in das demokratische oder das bundesstaatliche Prinzip als ‚Gesamtänderung der Bundesverfassung‘ einer Volksabstimmung bedarf, wird … vom Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 2455/1952 ausgesprochen und gleichzeitig eine an Adamovich sen. angelehnte Definition des rechtsstaatlichen Prinzips versucht: ‚Dem rechts____________________
80 Oberndorfer, Der Rechtsstaat auf der Probe oder der Versuch der Legalisierung von Unrecht, in: FS G. Winkler (1997) 707 f.
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staatlichen Prinzip entspricht es, dass alle Akte staatlicher Organe im Gesetz und mittelbar letzten Endes in der Verfassung begründet sein müssen, und dass für die Sicherung dieses Postulats wirksame Rechtsschutzeinrichtungen bestehen.‘ In VfSlg. 2929/1955 (vgl. auch VfSlg. 8279/1978, 11.196/1986 und 12.409/1990) wird – ausdrücklich unter Berufung auf Adamovich sen. – festgehalten, dass der Rechtsstaatsbegriff ‚darin gipfelt‘ – ohne sich mithin darin zu erschöpfen –, ‚dass alle Akte staatlicher Organe im Gesetz und mittelbar letzten Endes in der Verfassung begründet sein müssen und ein System von Rechtsschutzeinrichtungen die Gewähr dafür bietet, dass nur solche Akte in ihrer rechtlichen Existenz dauernd gesichert erscheinen, die in Übereinstimmung mit den sie bedingenden Akten höherer Stufe erlassen wurden‘.“ „Im übrigen hat der Verfassungsgerichtshof in seiner Judikatur das Rechtsstaatsprinzip im großen und ganzen herangezogen, um den Sinngehalt (verfassungs-) rechtlicher Institutionen, wie des Legalitätsprinzips, der Rechtsschutzgewährleistung durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, des Kundmachungsgebotes für generelle Normen oder des Gebotes der faktischen Effizienz des Rechtsschutzes speziell gegenüber der Verwaltung, näher zu präzisieren.“ Darauf folgen zentrale Beispiele aus der Judikatur des VfGH. Den Abschluss bilden wegweisende Ausführungen zum rechtsstaatlichen Gehalt der verfassungsrechtlichen Grundordnung. „Die verfassungsrechtliche Grundordnung ist … von Anfang an, wie es unserem Verfassungsdenken auch historisch entspricht, mit rechtsstaatlichem Geist aufgeladen. Schon die Gliederung und der Aufbau des B-VG lassen die ,Herrschaft des Gesetzes‘ als des verbindlich gewordenen Volkswillens erkennen, den Gerichtsbarkeit und Verwaltung zu vollziehen haben. Den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts ist es letztlich aufgetragen, durch Gewährleistung des Rechtsschutzes die Übereinstimmung der Vollzugsakte mit dem Gesetz, aber auch die Widerspruchsfreiheit der Gesetze gegenüber der höherrangigen Verfassung zu gewährleisten.“81 Zu einem rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahren stammen von Holzinger gehaltvolle und substanzielle Ausführungen, die auch für die Frage nach den rechtsstaatlichen Kriterien für ein Verfahren vor den Gerichten aufschlussreich sind: „Anders als das demokratische, das republikanische und das bundesstaatliche Prinzip ist das Rechtsstaatsprinzip in der österreichischen Bundesverfassung nicht ausdrücklich deklariert. Seine verfassungsrechtliche Verankerung ergibt sich jedoch aus einer Reihe von Institutionen, die im Dienst formeller und auch materieller Rechtsstaat____________________
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Oberndorfer, aaO 715 f.
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lichkeit stehen. Wesentlich für den Rechtsstaat im formellen Sinne ist eine einheitlich differenzierte und effektive, dh insb durch Kontrollmechanismen gesicherte, positiv-rechtliche Ordnung. Dagegen orientiert sich der Begriff des Rechtsstaats im materiellen Sinne an bestimmten Wertvorstellungen – die durchaus unterschiedlich sein können! –, an denen die jeweilige positiv-rechtliche Ordnung gemessen und als ,gerecht‘ oder ,ungerecht‘ qualifiziert wird. Das Rechtsstaatskonzept der österreichischen Bundesverfassung betont vor allem die formelle Seite der Rechtsstaatsidee. Seine Schwerpunkte liegen in der Legalität und in der Kontrolle staatlichen Handeln sowie im Schutz des Einzelnen vor staatlicher Willkür. Demgemäß findet das rechtsstaatliche Prinzip des B-VG seinen Ausdruck vor allem in der Bindung der gesamten Vollziehung an inhaltlich bestimmte Gesetze (Art. 18 B-VG) sowie in den entsprechenden Realisierungsgarantien für die Gesetz- bzw. Verfassungsmäßigkeit staatlichen Handeln; dazu zählen die Instrumente des prozessförmigen Individualrechtsschutzes durch die unabhängige Gerichtsbarkeit (Art. 87 und 88 B-VG), die Überprüfung von Verwaltungsakten auf ihre Gesetz- bzw. Verfassungsmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof (Art. 130 B-VG) bzw. den Verfassungsgerichtshof (Art. 144 B-VG), aber auch die Einrichtungen der Normenkontrolle in Form der Prüfung von Gesetzen, Verordnungen und Staatsverträgen auf ihre Verfassungs- bzw. Gesetzmäßigkeit durch den Verfassungsgerichtshof (Art. 139, 140 und 140a B-VG). Dazu kommen weiters die rechtliche Limitierung (jedenfalls) des hoheitlich handelnden Staats durch die verfassungsrechtliche Gewährleistung von Grund- und Freiheitsrechten, eine organisatorische und materielle Trennung der Staatsfunktionen, besondere Einrichtungen der Rechnungs- und Gebarungskontrolle sowie Missstandskontrolle (Art. 121 ff und 148a ff B-VG) und die rechtliche Verantwortlichkeit der Staatsorgane für die Einhaltung von Rechtsvorschriften (zB. Art. 23 und 142 B-VG).“ (Hervorhebung vom Verfasser) „Die gesetzliche Regelung des Verfahrens vor den Behörden der Verwaltung bildet ein wesentliches Element moderner Rechtsstaatlichkeit. Dabei ist die Erkenntnis, dass auch das Verwaltungsverfahren – ähnlich wie das gerichtliche Verfahren – einer möglichst einheitlichen, inhaltlich an rechtsstaatlichen Grundsätzen orientierten, gesetzlichen Regelung bedarf, vergleichsweise jung. Immerhin hat sie in Österreich mit der Erlassung der Verwaltungsverfahrensgesetze im Jahre 1925 eine Verwirklichung erfahren, die im In- und Ausland nach wie vor Anerkennung findet.“82 Die Wiedergabe der darauf folgenden verfahrensrechtlichen Darstellung, würde hier zu weit führen. Dem Leser wird die Lektüre jedenfalls ____________________
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Holzinger, Rechtsstaat und Verwaltungsverfahren, in: FS R. Walter (1991) 271 ff.
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mit dem Hinweis auf eine vergleichbare Bedeutung der Ausführungen auch für die Gerichtsbarkeit empfohlen. b. Die Legalität Antoniolli führt dazu aus: „Das Legalitätsprinzip, die Forderung nach Legalität, ist die Forderung nach Gesetzmäßigkeit des staatlichen Handelns, im besonderen die Forderung nach Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Historisch gesehen bedeutete das Legalitätsprinzip die Überwindung des Polizeistaates. Im Rechtsstaat soll die Verwaltung an das allgemeine, jedermann bekannte Gesetz gebunden sein. In der Demokratie hat sich die Bedeutung des Legalitätsprinzips gewandelt. Die Bindung der Vollziehung an das Gesetz bedeutet nunmehr Unterwerfung der Vollziehung unter den in der feierlichen Form erklärten Willen des Volkes. Das Legalitätsprinzip wird damit zu einem wichtigen Ausdruck der Demokratie, für den Einzelnen Voraussetzung seines Schutzes vor dem Missbrauch der Staatsgewalt.“83 „In der österreichischen Rechtsordnung ist das Legalitätsprinzip sehr streng verwirklicht, und zwar überwiegend durch ausdrückliche oder wenigstens unmittelbar aus der Verfassung abzuleitende Anordnungen.“ „Wo die Worte der Verfassung vielleicht noch einen freien Raum gelassen haben, hat die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes dem Legalitätsprinzip Schärfe gegeben.“ „In einer großen Zahl von Erkenntnissen hat der Verfassungsgerichtshof weitere Forderungen aus dem Legalitätsprinzip abgeleitet, die über den Einzelfall hinaus von größter Bedeutung für die gesamte Gestalt der Rechtsordnung wurden. a) Jedes Gesetz muss – natürlich in einem äußersten Rahmen – bestimmt sein, seinen Inhalt klar erkennen lassen, damit es im Sinn des Artikels 18 B-VG vollzogen werden kann, sonst ist es verfassungswidrig. b) Unbestimmte Gesetzesbegriffe sind zulässig. Aber sie müssen immer so weit bestimmt sein, dass sie vollzogen werden können und ihre Vollziehung durch den Verwaltungsgerichtshofs und den Verfassungsgerichtshof nachprüfbar ist. c) Ebenso darf ein Gesetz der Behörde Ermessen einräumen, Dies widerspricht nicht dem Artikel 18 B-VG; aber der Sinn der Ermessensübung muss erkennbar und überprüfbar sein. Mit dieser Rechtsprechung hat der Verfassungsgerichtshof aus dem Legalitätsprinzip heraus Anforderungen ____________________
83 Antoniolli, Probleme um das Legalitätsprinzip, Vortrag (1974), 7 f; zum Legalitätsprinzip grundlegend Antoniolli, Allgemeines Verwaltungsrecht (1954) § 7 Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, 102 ff.
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an das Gesetz entwickelt, welche die Gesetzgebung nachhaltig beeinflusst haben.“84 Anschließend daran schildert Antoniolli aus seiner reichen praktischen Erfahrung als Verfassungsrichter schwerpunktmäßig Beispiele für die Grenzen des Legalitätsprinzips und für die strenge Auffassung vom Legalitätsprinzip des damaligen Verfassungsgerichtshofs; und zwar für die verordnungsgebende Gewalt, vor allem im Bereich des Wirtschaftsrechtes, und die Grenzen der Realisierung der Legalität durch den Gesetzgeber und durch den Verfassungsgerichtshof. Daraus zieht er die nachfolgenden Schlussfolgerungen: „Die Lösung aller Schwierigkeiten muss davon ausgehen, dass das in der Verfassung verankerte Legalitätsprinzip auf allen Stufen der Rechtsordnung gilt. Weiter davon, dass die Verfassung auf verschiedenen Stufen eine verschiedene Bindung normiert. Schließlich auch davon, dass das Legalitätsprinzip auch auf derselben Stufe mit verschiedener Intensität ausgestaltet sein kann. Die Betrachtung der konkreten allgemeinen und Einzelschwierigkeiten zeigt uns überdies, dass eine Seite des Legalitätsprinzips immer vom Gegenstand her, vom Leben her bestimmt wird. So ergibt sich als wahre Einsicht, dass es keine schematische einzige Lösung, sondern nur viele differenzierte, von der Norm und vom Leben her im Einzelnen bestimmte Lösungen geben kann. Problem für Problem müssen jedes für sich in Angriff genommen und jeweils eine der Norm, aber auch dem Leben gerechte Lösung gesucht werden. Legalität ist nicht immer dasselbe. Die Verwirklichung des Legalitätsprinzips ist damit in viele Hände gelegt; sie ist dem Verfassungsgesetzgeber aufgegeben, den Gesetzgebern, weithin dem Verfassungsgerichtshof und dem Verwaltungsgerichtshof, aber auch jedem Einzelnen, dem das Schwert des Rechtes anvertraut ist. Dies bedeutet eine Absage an alle doktrinären Lösungen, eine Absage an alle jene, welche alle Fragen des Rechtes stets mit einer Antwort beantworten wollen. Dies ist freilich auch eine Absage an alle, die meinen, das Legalitätsprinzip aufgeben zu können. In unserer historischen Situation kann nichts, schon gar nicht etwa die gesellschaftliche Wirklichkeit das Legalitätsprinzip ersetzen. Immer noch ist es uns unentbehrlich. Eine gegliederte Rechtsordnung, in der Stufe für Stufe das Recht an einer höchsten Norm ausgerichtet ist, bietet sich immer noch die Chance der besten Ordnung der Gemeinschaft und des größten Schutzes des Einzelnen gegen die Übermacht des Staats. ____________________
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Antoniolli, Probleme, 10 f.
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René Marcic hat den Traum vom Richterkönig geträumt, der unbeirrt vom starren Gesetz das wahre Recht spricht. Aber wir können nicht in das Märchenland Harun al Raschids zurückkehren, der durch das nächtliche Bagdad streift, um die Guten zu belohnen und die Bösen zu bestrafen. Wir brauchen ungeachtet aller Schwierigkeiten die gegliederte Ordnung des Rechtes und die Bindung des ganzen Staatslebens an eine solche Ordnung, das Legalitätsprinzip.“85 Walter – Mayer schreiben dazu: „Den Angelpunkt für das im B-VG normierte Verhältnis zwischen Gesetz und Vollziehung bildet Art. 18 Abs. 1 B-VG, nach welcher Bestimmung ‚die gesamte staatliche Verwaltung ... nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden‘ darf. Damit ist – als wesentliches Element des rechtsstaatlichen Prinzips – die Bindung der gesamten Vollziehung (Verwaltung und Gerichtsbarkeit) an das Gesetz angeordnet (Legalitätsprinzip). Art. 18 Abs. 1 B-VG richtet sich aber auch an den Gesetzgeber: Verfassungskonforme Grundlagen der Tätigkeit der Vollziehung müssen ein gewisses Ausmaß an Bestimmtheit haben. Die jüngere Judikatur des VfGH spricht im Zusammenhang mit Art. 18 B-VG verallgemeinernd von einem Rechtsstaatsprinzip, aus dem insbesondere auch das Erfordernis des Rechtsschutzsystems abzuleiten ist.“86 Öhlinger nimmt dazu wie folgt Stellung: „Kern der rechtsstaatlichen Komponente der verfassungsrechtlichen Grundordnung ... ist das Legalitätsprinzip. Es besagt in der Formulierung des Art. 18 Abs. 1 B-VG, dass die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden darf. Neben seiner ... demokratischen Komponente besteht der spezifische rechtsstaatliche Gehalt des Legalitätsprinzips darin, die Verwaltung an feste Regeln zu binden, die ihr Handeln für den Bürger vorhersehbar und berechenbar machen.“87 Als Kriterium nennt Öhlinger die hinreichende Bestimmtheit von Gesetzen. Das richtet sich gegen formalgesetzliche Delegationen und zielt auf eine ausreichende Bestimmtheit der Gesetze.88 „Die Gerichtsbarkeit ist nach dem Verständnis der Verfassung eine gesetzesvollziehende Tätigkeit. ... Insofern gilt auch für sie der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit. In anderer Weise als in Form eines Gesetzes darf aber das Parlament auf die Gerichtsbarkeit keinen Einfluss nehmen.“89 „Bezüglich der Verordnungen normiert der Abs. 2 im Art. 18 B-VG ausdrücklich, dass jede Verwaltungsbehörde im Rahmen ihrer (gesetzlich ____________________
85 86 87 88 89
Antoniolli, Probleme, 21 f. Walter – Mayer, Rz. 569, S. 252. Öhlinger, Rz. 580, S. 253. Öhlinger, Rz. 583 – 587, S. 254 ff. Öhlinger, Rz. 604, S. 262.
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geregelten) Zuständigkeit Verordnungen erlassen kann, dies jedoch nur ‚auf Grund der Gesetze‘.“90 „Ein Grundproblem des Legalitätsprinzips liegt in der Frage des Ausmaßes der erforderlichen Bestimmtheit der Gesetze. Dass Verwaltungshandeln nicht bis ins letzte Detail gesetzlich vorbestimmt sein muss, macht verfassungsrechtlich das im Art. 130 Abs. 2 B-VG definierte Ermessen deutlich.“91 Pernthaler setzt folgende Schwerpunkte: „Verfolgt man die Rechtsentwicklung des Legalitätsprinzips im 19. und 20 Jahrhundert, so kann man eine Wellenbewegung der Intensivierung und Lockerung der gesetzlichen Bindung, des Vordringens und Zurücktretens der Legalität gegenüber anderen Formen und Äußerungen der Staatsgewalt erkennen. Parallel zu den großen staatsrechtlichen Epochen des älteren Polizeistaates im Absolutismus, der konstitutionellen Monarchie im frühen Liberalismus und der demokratischen Republik lassen sich typische Wandlungen und Entwicklungsstadien der sich verschärfenden Gesetzmäßigkeit erkennen …“ „Aber auch unter der Herrschaft der Bundesverfassung gab es Wellenbewegungen der sich zunächst ausbreitenden und intensivierenden und später relativierten Legalität: Von der Weichenstellung durch das erste Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zu Art. 18 B-VG als absoluten Gesetzesvorbehalt (VfSlg. 176/1923) ging die Entwicklung über die zunehmende Einschränkung der traditionellen Freiräume der Verwaltung (Ermessen, Polizei uA.) bis zur Wende des „differenzierten Legalitätsprinzips“ und zum Streit um die Geltung des Gesetzmäßigkeitsprinzips in der Privatwirtschaftsverwaltung.“ „Dass Art. 18 B-VG sich auch – und sogar primär – an den Gesetzgeber richtet, ist aus der sprachlichen Formulierung der Bestimmung zunächst nicht ableitbar: Sie enthält nur ein Gebot (Abs. 1) und eine Ermächtigung (Abs. 2) an die Verwaltung. Die Geltung für den Gesetzgeber ergibt sich einerseits aus rechtslogischen Erwägungen: Nur ein Gesetz, das inhaltlich bindende Regelungen enthält, ermöglicht es der Verwaltung, auf Grund des Gesetzes zu handeln. Andererseits hängt diese Auslegung mit dem System der österreichischen Verfassungsgerichtsbarkeit und der richterlichen Rechtskontrolle der Gesetze zusammen, die auch die Auslegung des Gesetzmäßigkeitsprinzips inhaltlich ganz und gar geprägt hat.“92 ____________________
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Öhlinger, Rz. 583, 255. „… soweit die Gesetzgebung von einer bindenden Regelung des Verhaltens der Verwaltungsbehörde absieht und die Bestimmung dieses Verhaltens der Behörde selbst überlässt, …“. 92 Pernthaler, aaO 583. 91
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„Unter der nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde die drei Dimensionen des Gesetzmäßigkeitsprinzips in unterschiedlicher Weise, stets aber unter Anwendung der traditionellen Auslegungsregeln des Gesetzes, auf den konkreten Sachverhalt anzuwenden: Sie muss vorweg die Zuständigkeit prüfen, in einem gesetzmäßigen Verwaltungsverfahren Tatsachen erheben und Beweismittel würdigen, die Parteirechte wahren und den Inhalt der gesetzlichen Vorschriften richtig ermitteln und entscheidungsmäßig konkretisieren.“93 „Die Kernfragen der Anwendung des Gesetzmäßigkeitsprinzips sind die ausreichende inhaltliche Determinierung des Gesetzes einerseits und die inhaltliche Begründung (Determinierung) des konkreten Verwaltungshandelns durch das Gesetz andererseits. Für beide Fragen kommt es nun nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes nicht auf eine statische und isolierte Betrachtungsweise des Gesetzes oder des Verwaltungsaktes an, sondern ausschließlich auf den Vorgang der richterlichen Rechtskontrolle des Verwaltungshandelns am Gesetz.“94 Pernthalers Ausführungen zum Rechtsstaat (553 ff ) und zum Legalitätsprinzip (581 ff ) sind reichhaltig und differenziert. Eine ausführlichere Wiedergabe seiner Gedanken würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Pernthalers Kriterien sind verhältnismäßig allgemein und bedeutungsoffen. Er verweist für ihre nähere Bestimmung im Wesentlichen auf die „dynamische“ Judikatur der Höchstgerichte; vor allem des VfGH. In ihrer Tendenz sind seine Ausführungen von einer substanziellen Orientierung seines eigenen rechtsdogmatischen Denkens an den Leitsätzen in den Entscheidungsgründen der Judikatur des VfGH geprägt, als wären diese rechtsverbindliche Inhalte des Verfassungsrechts und nicht substanzielle Substrate aus dem verfassungsrechtlichen Vorverständnis der traditionellen Staats- und Verfassungslehre unserer Zeit. Berka schreibt zum Thema ua: „Art. 18 B-VG impliziert die Verpflichtung des Gesetzgebers, das Handeln der Verwaltung inhaltlich hinreichend zu determinieren. Gesetzliche Regelungen, die zu unbestimmt sind oder in anderer Weise das Handeln der Verwaltungsorgane nicht hinreichend genau bestimmen, sondern diesen einen zu großen Spielraum belassen, sind daher verfassungswidrig.“ „Das in Art. 18 B-VG verankerte Legalitätsprinzip (‚Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden‘) verwirklicht die umfassende Bindung der gesamten Vollziehung an das förmliche Gesetz und damit den Gesetzesstaat. Dabei hat sich das B-VG für einen umfassenden Vorbehalt des Gesetzes entschieden, dem zufolge je____________________
93 94
Pernthaler, aaO 586. Pernthaler, aaO 587.
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des Handeln der Vollziehung seine Grundlage im Gesetz haben muss und nach seinem Inhalt durch das Gesetz vorherbestimmt ist.“95 „Dass die Vollziehung an das Gesetz gebunden ist, folgt an sich bereits aus dem Gesetzesbegriff und ist eine elementare Bedingung des Rechtsstaats. In der Verfassungsordnung des B-VG hat das Gesetzmäßigkeitsprinzip freilich noch eine spezifischere Ausprägung erhalten, weil es darauf hinausläuft, dass die Verwaltung und die Rechtsprechung nicht nur an das Gesetz gebunden sind (Vorrang des Gesetzes) sondern grundsätzlich auch nur auf Grund des Gesetzes handeln dürfen (Vorbehalt des Gesetzes), das Gesetz also eine notwendige Grundlage des Handeln der Vollziehung ist.“96 Zur ausreichenden Bestimmtheit von Gesetzen verweist Berka auf den zentralen Leitsatz in der Judikatur des VfGH: ‚die wesentlichen Voraussetzungen und Inhalte des behördlichen Verhaltens müssen aus dem Gesetz ersichtlich sein‘ und auf die vom VfGH aus der Lehre übernommene These von einem „differenzierten“ Legalitätsprinzp der Verfassung.97 c. Der gesetzliche Richter Walter – Mayer führen dazu aus: „Art. 83 Abs. 1 B-VG bestimmt, dass die Verfassung und die Zuständigkeit der Gerichte durch Bundesgesetz festzustellen sind. Da nach Art. 18 Abs. 1 B-VG die gesamte Vollziehung nur auf Grund der Gesetze geführt werden darf, somit auch die Organisation gesetzlicher Grundlage bedarf, erscheint die Zweckbestimmung zunächst überflüssig.“ Die Tragweite dieser Bestimmung bleibt teilweise unerkannt. Ihr heutiger Gehalt erschließt sich aber aus historischer Sicht. Die verfassungsrechtlichen Kautelen für die Gerichtsbarkeit „können im heutigen Verfassungssystem nur darin liegen, dass – während im allgemeinen die generellen Regelungen der Gesetze durch Verordnungen ausgeführt werden dürfen (Art. 18 Abs. 2 B-VG) – in Angelegenheiten der Verfassung und der Zuständigkeit der Gerichte aber die gesamte Regelung in Gesetzesform zu treffen ist.“98 „In Ausübung seines richterlichen Amtes handelt ein Richter (iSd. Art. 18 B-VG) ‚bei Besorgung aller ihm nach dem Gesetz und der Geschäftsverteilung zustehenden gerichtlichen Geschäfte mit Ausschluss der Justizverwaltungssachen, die nicht nach Vorschrift des Gesetzes durch Senate oder Kommissionen zu erledigen sind‘ (Art. 87 Abs. 2 B-VG).“99 ____________________
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Berka, Rz. 190, 47. Berka, Rz. 492, 126 f. Berka, Rz. 502, 129. Walter – Mayer , Rz. 761 S. 325. Walter – Mayer, Rz. 770 S. 329.
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Die Bindung der Organisation und des Verfahrens der Gerichte an das Gesetz im Art. 83 Abs. 1 B-VG wird durch die grundrechtliche Gewährleistung gemäß Art. 83 Abs. 2 B-VG abgestützt: ‚Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.‘ „Das Verbot, dem gesetzlichen Richter entzogen zu werden, stellte ursprünglich eine Reaktion gegen die ‚Kabinettsjustiz‘ dar; diese bestand darin, dass die Verwaltung … die Entscheidung in Angelegenheiten, die in die gerichtliche Zuständigkeit fielen, an sich zog und durch einen ‚Machtspruch‘ entschied oder zur Entscheidung ein besonderes – von ihr eingesetztes Gericht berief; das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter stand daher ursprünglich im Zusammenhang mit der Entwicklung einer unabhängigen Gerichtsbarkeit und dem Konzept der Trennung von Justiz und Verwaltung.“100 Das bedeutet, dass die Gesetzesbindung der Gerichte verfassungsgesetzlich garantiert ist. Ursprünglich lag darin nur eine Gewährleistung richterlicher Zuständigkeiten. Der VfGH erstreckte die Gewährleistung gesetzlicher Zuständigkeiten aber auch auf die Verwaltung. „Hatte der VfGH in seiner früheren Judikatur die Auffassung vertreten, dass sich das Recht auf den gesetzlichen Richter nur auf den Bereich der Vollziehung erstrecke und ,durch ein Gesetz nicht verletzt werden kann‘, so hat er erstmals im Jahr 1972 entschieden, ,dass die sachliche Zuständigkeit einer Behörde ... aus dem Gesetz festzustellen sein muss‘. Ist die Behördenzuständigkeit im Gesetz nicht exakt festgelegt, ist das Gesetz nach Auffassung des VfGH wegen Verstoßes gegen ,Art. 18 iVm. Art. 83 Abs. 2 B-VG‘ aufzuheben.“ „Der VfGH sieht im Recht auf den gesetzlichen Richter heute – abweichend vom historischen Sinn – ein ,auf den Schutz und die Wahrung der gesetzlich begründeten Behördenzuständigkeit‘ gerichtetes Recht; dieses wird nach der ständigen Rechtsprechung ,durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommenden Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt und damit eine Sachentscheidung verweigert.‘ Die extensive Interpretation des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch den VfGH hat zu einer weit verzweigten Judikatur geführt, die eine Reihe von Problemen in sich birgt.“101 Öhlinger meint dazu: „Ursprünglicher Sinn des Rechtes auf den gesetzlichen Richter war die Verhinderung der sogenannten ,Kabinettsjustiz‘, dh. der Versuche des Monarchen, Verfahren von den Gerichten an sich zu ziehen oder nach seinem Gutdünken Richter einzusetzen. Die Aufnahme dieses Grundrechtes in das B-VG ... gab jedoch den Anstoß ____________________
100 101
Walter – Mayer, Rz. 1404, S. 591. Walter – Mayer, Rz. 1406, S. 592.
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zu einer äußerst extensiven Interpretation: Unter ,Richter‘ iSd. Art. 83 Abs. 2 B-VG versteht der VfGH (erstmals in VfSlg. 1443/1932) jede staatliche Behörde, die mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet ist, also auch eine Verwaltungsbehörde. Art. 83 Abs. 2 erstreckt sich somit auf die gesetzliche Behördenzuständigkeit einschließlich gewisser Regelungen über korrekte Bildung und Zusammensetzung von Behörden.“102 Pernthaler widmet dem Richter und dem Rechtssystem eingehende Ausführungen (259 ff ). Diese führen allerdings an dem im Art. 83 B-VG für die Gerichtsbarkeit eindeutig verankerten Legalitätsprinzip vorbei, zu der ambiguenten These: „Die Subordination der Gerichtsbarkeit als „Vollziehung des Bundes“ im B-VG spiegelt deutlich die(se) legalistische Grundvorstellung über die Funktion der Justiz wider; demgegenüber ist die Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit von Anfang an rechtsfortbildend tätig gewesen, weil sie anders ihre Funktionen gar nicht erfüllen hätten können.“ 103 Berka nimmt dazu wie folgt Stellung: „Das Grundrecht des Art. 83 Abs. 2 B-VG ist auf den Schutz und die Wahrung der gesetzlich begründeten Behördenzuständigkeit schlechthin gerichtet (VfSlg. 2536/1953). ‚Gesetzlicher Richter im Sinn dieses Grundrechtes ist daher jede staatliche Behörde, dh. jedes Gericht und jede Verwaltungsbehörde, die mit hoheitlichen Kompetenzen ausgestattet ist.“104 „Für den Gesetzgeber folgt aus Art. 83 Abs. 2 B-VG die Verpflichtung, die behördlichen Zuständigkeiten bereits im Gesetz ausreichend präzise festzulegen und so sicherzustellen, dass niemand im Einzelfall durch einen Akt der Vollziehung seinem gesetzlichen Richter entzogen werden kann. Behördliche Zuständigkeiten sind daher durch den Gesetzgeber durch die Umschreibung der die Zuständigkeit begründenden objektiven Tatbestandsvoraussetzungen festzulegen und dürfen nicht von Umständen abhängen, die der einzelne Rechtsunterworfene nicht vorhersehen kann. Für die gesetzliche Regelung der Zuständigkeiten gelten besonders strenge Bestimmtheitserfordernisse: Behördenzuständigkeiten sind ‚präzise zu regeln‘ (VfSlg. 10.311/1984). … Dem Gebot strikter Zuständigkeitsgrenzen laufen ferner konkurrierende Zuständigkeiten verschiedener Behörden zuwider (VfSlg. 13.886/1994).“105 ____________________
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Öhlinger, Rz. 949, S. 422. Pernthaler, aaO 260. Pernthaler folgt hierbei, wie auch sonst oft, seinem besonderen Sinnverständnis von der Gerichtsbarkeit in der Verfassung. Im Ansatz bleibt er traditionell und setzt dann aber Akzente, die auch über das allgemein übliche Sinnverständnis hinausgehen. Siehe dazu auch die allgemeinen Ausführungen zum Ursprung des Rechtsstaates, aaO 553 ff. 104 Berka, Rz. 1574, 433. 105 Berka, Rz. 1575, 433. 103
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4. Das differenzierte Legalitätsprinzip des B-VG Zum Legalitätsprinzip gemäß dem B-VG und zum Niederschlag seines Sinngehalts in der Judikatur des VfGH setzt die Lehre also unterschiedliche Schwerpunkte. Zur Vereinfachung der Argumentation wird zumeist Art. 18 Abs. 1 B-VG in den Vordergrund gestellt. Daraus gewinnt man den Eindruck, als wäre der dort verwendete Begriff „die gesamte staatliche Verwaltung“ mit dem im B-VG an anderen Orten verwendeten weiteren Begriff „Vollziehung“ gleichzusetzen, der auch die Gerichtsbarkeit umschließt. Angesichts der ausdrücklichen Vorschriften des B-VG für die Verwaltung einerseits und für die Gerichtsbarkeit andererseits erweist sich eine solche Vereinfachung aber als verfehlt und unnötig. Das zeigt eine Zusammenschau der Vorschriften des B-VG vor dem Hintergrund der thematisch einschlägigen Ausführungen in den hier herangezogenen Lehrbüchern vom Verfassungsrecht betreffend die Verwaltung einerseits und die Gerichtsbarkeit andererseits. Den Rechtsstaat im Sinn Montesquieu’s kennzeichnet seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts das in einem Gesetzblatt für jedermann zugängliche formelle Gesetz. Den ordnungsgemäß kundgemachten Gesetzen sind Gerichte und Verwaltungsbehörden aber auch der Einzelne gleichermaßen verpflichtet. Dem formellen Gesetz in diesem Sinn war die Gerichtsbarkeit bereits vor dem Jahr 1849 unterworfen (ABGB, StG). Gemäß der Entwicklung des Gesetzesrechtes und der gesetzlichen Einrichtung einer Gerichtsbarkeit in drei Instanzen nach dem Jahr 1848 wurde im Jahr 1867 der gesetzliche Richter zum Verfassungsprinzip erhoben und das Recht des Einzelnen auf den gesetzlichen Richter (im engeren Sinn) verfassungsgesetzlich verankert. Im 19. Jhdt. war daher die Gesetzesbindung für die Gerichtsbarkeit bereits eine Selbstverständlichkeit, für die Verwaltung wurde eine entsprechende Verfassungslage jedoch erst nach und nach geschaffen. Zum Verhältnis der Verwaltung zum Gesetz, gemäß dem Vorbild der Gerichtsbarkeit und aus der Perspektive der Gewaltentrennung, schrieb Antoniolli, der Altmeister der Wissenschaft vom öffentlichen Recht: „Rechtsstaat ist also der Staat mit einer dem Justizrecht ebenbürtig entwickelten Verwaltungsrechtsordnung.“ 106 Nach dem Vorbild der Gerichtsbarkeit wurden im Lauf der Zeit die Organisation, die Rechtsmaterien und das Verfahren der Verwaltung kodifiziert und an das kundgemachte Gesetz gebunden. Ziel war im Besonderen eine justizförmige Ausgestaltung des Rechtsschutzes gegen die Verwaltung auf der Grundlage von Gesetzen. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit ____________________
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Antoniolli, Allgemeines Verwaltungsrecht (1954) 50 f.
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wurde geschaffen. Verwaltungsverfahrensgesetze entstanden, zunächst partiell und fragmentarisch, später in einem einheitlichen Kodex. Höhepunkte dieser Entwicklung verkörpern die im Jahr 1920 in die Verfassung aufgenommene Vorschrift des Art. 18 Abs. 1 B-VG: „Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur aufgrund der Gesetze ausgeübt werden“ und die Verwaltungsverfahrensgesetze des Jahres 1925. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit wurde ausgebaut. Der seit dem I. Weltkrieg tätige Verfassungsgerichtshof erstreckte seine Judikatur zum gesetzlichen Richter, mit der Gewährleistung gesetzlicher Zuständigkeiten, im Lauf der Zeit auch auf die Verwaltung. Gilt dieser Grundsatz nicht auch für ihn selbst?
5. Das Legalitätsprinzip und der Verfassungsgerichtshof Zum besseren Verständnis des die Verwaltung und die Gerichtsbarkeit beherrschenden differenzierten Legalitätsprinzips ist von den im Art. 1 B-VG grundgelegten Prinzipien der Volkssouveränität und des Parlamentarismus sowie vom Konzept der Gewaltenteilung auszugehen. Der Staatswille wird durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber in der Form von gehörig kundgemachten, allgemein verbindlichen Gesetzen festgelegt. In diesem Sinn ist die gesamte staatliche Vollziehung (Gerichtsbarkeit und Verwaltung) den verfassungsmäßig erzeugten Gesetzen unterworfen: und zwar aufgrund des Art. 18 B-VG die Verwaltung und aufgrund der Art. 82 ff B-VG auch die ordentliche Gerichtsbarkeit. Für die Gesetzesbindung der Sondergerichtsbarkeit des Verfassungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs gibt es in den Art. 136 und 148 B-VG entsprechende Spezialregelungen. Demgemäß sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden auf Grund der Gesetze eingerichtet und nur auf Grund der Gesetze zuständig, gegenüber dem Einzelnen in bestimmten Angelegenheiten und gemäß bestimmten Verfahrensgesetzen tätig zu werden. Der grundrechtliche Angelpunkt dafür ist das Prinzip: Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Dieses Prinzip setzt die Einrichtung der Gerichte und die Regelung der Zuständigkeiten und der Tätigkeiten der Richter durch Gesetz zwingend voraus. Eine Folge davon ist die den verschiedenen Arten der Gerichtsbarkeit entsprechende, differenzierte Gesetzesbindung: und zwar der Zivilgerichtsbarkeit und des zivilgerichtlichen Verfahrens einerseits, der Strafgerichtsbarkeit und des strafgerichtlichen Verfahrens andererseits und schließlich des Verwaltungsverfahrens, der Verwaltungsgerichtsbarkeit und der Verfassungsgerichtsbarkeit. Ungeachtet der Unterschiede in den materiellrechtlichen Bindungen der Adressaten des Rechts,
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etwa des Einzelnen als Träger von Rechten und Pflichten, der ordentlichen Gerichte im Hinblick auf die Privatautonomie des Einzelnen, der Strafgerichte im Hinblick auf die Schutzfunktion des Staates für die Freiheit des Einzelnen und auf die materielle Wahrheit, des Verwaltungsgerichtshofs im Hinblick auf den Einzelnen und auf das verwaltungsbehördliche Ermessen und schließlich des Verfassungsgerichtshofs im Hinblick auf den Einzelnen sowie auf die Besonderheiten der Gesetzes- und Verordnungsprüfung sowie der Kompetenzfeststellung gemäß Art. 138 Abs. 2 B-VG, bezogen auf die Gewährleistung der staatlichen Organisation.107 In diesem differenzierten Sinn sind nicht nur alle Verwaltungsbehörden, sondern auch alle Gerichte auf eine ihren Aufgaben entsprechende Weise, im Dienst an den grundrechtlich gewährleisteten Freiheiten des Einzelnen zwingend an die Gesetze gebunden.108 Alle Gerichte sind auf Grund der Gesetze eingerichtet. Sie dürfen nur aufgrund der Gesetze tätig werden. Das gilt gemäß Art. 148 B-VG auch für den Verfassungsgerichtshof. Auch er ist durch Gesetz eingerichtet und auch er darf nur aufgrund der Gesetze (des VfGG und der ZPO) tätig werden. So gesehen, erscheint einerseits die argumentative Ausweitung der Verbindlichkeit des Art. 18 B-VG durch die Lehre auf die Gerichtsbarkeit unnötig. Angesichts der Zuständigkeiten des Verwaltungsgerichtshofs bedeutet andererseits die Erstreckung des gesetzlichen Richters gemäß Art. 83 Abs. 2 B-VG durch den VfGH über die Gerichte hinaus auch auf die Verwaltungsbehörden eine überflüssige Bestätigung des der ganzen staatlichen Organisation und allen staatlichen Tätigkeiten zugrunde liegenden Legalitätsprinzips. In diesem Sinn erscheint es für das vorliegende Thema jedenfalls naheliegend festzustellen, dass der VfGH gemäß den in seiner Judikatur entwickelten zentralen Kriterien der Rechtsstaatlichkeit und des Legalitätsprinzips auch in der Ausübung seiner Kompetenzen durch Urteile an die Gesetze gebunden ist. Gemäß seiner Judikatur erfordern die Prinzipien des Rechtsstaates und der Legalität Rechtsklarheit, Bestimmtheit, Erkennbarkeit und Berechenbarkeit der Gesetzesinhalte für den Rechtsadressaten; sowohl für die staatlichen Organe als auch für die Einzelnen. Das muss auch für die Urteile der Gerichte gelten. Darauf gründet sich die dem Rechtsstaat entsprechende Rechtssicherheit. ____________________
107 Winkler, Gesetzgebung und Verwaltung im Wirtschaftsrecht (1970), Forschungen aus Staat und Recht 85 (1989) 75 ff; Winkler, Gesetzgebung und Verwaltungsrecht, Vortrag (1980), Forschungen aus Staat und Recht 85 (1989) 40 ff; in diesem Sinn auch Antoniolli, Probleme um das Legalitätsprinzip, Vortrag (1974). 108 Antoniolli, Probleme um das Legalitätsprinzip, Vortrag (1974).
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Im Vergleich zu den verfassungsgesetzlichen Prinzipien des Rechtsstaates und der Legalität erscheint also auch die Frage der zureichenden Bestimmtheit richterlicher Erkenntnisse unerlässlich. Unbestimmte Begriffe, als angeblich zureichende Voraussetzungen für die unmittelbare Anwendbarkeit des Inhaltes eines Staatsvertrages, stehen in der gegenständlichen Thematik zu den allgemeinen Vorstellungen vom Legalitätsprinzip des Verfassungsgerichtshofs in einem unverhältnismäßigen Kontrast. Das gilt insbesondere für das vom VfGH vorgeschlagene unbestimmte Kriterium: „mehr als 10 % über einen längeren Zeitraum“ in den zum Art. 7 StV von Wien ergangenen Erkenntnissen. Der Verfassungsgerichtshof hat bei der Beurteilung der rechtlichen Voraussetzungen im Staatsvertrag und bei der Festlegung eines unbestimmten Kriteriums zur Feststellung der Minderheit in seiner eigenen Judikatur den Prinzipien des Rechtsstaates und der Legalität keine zureichende Beachtung geschenkt. Die Signale der Lehre und seine eigenen Thesen stehen dazu in einem sichtbaren Kontrast. In den Erkenntnissen des VfGH zum Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages findet sich weder ein Hinweis auf die Prinzipien des Rechtsstaates und der Legalität, noch auf ihre gemäß der Verfassung geforderten Nutzanwendungen. Hinzu kommt noch ein wesentliches Missverständnis. Um die Unbestimmtheit der Regelung des Art. 7 Ziff. 3 wettzumachen, hob der VfGH eine klare Gesetzesvorschrift auf und setzte ohne einen zwingenden Rechtsgrund an deren Stelle seine eigene Rechtsmeinung. Dabei ließ er – wie auch die Lehre ganz allgemein – den wichtigen Umstand außer Acht, dass Staatsverträge nach Art. 50 B-VG, die nicht unmittelbar anwendbar sind – gleich den Gesetzen – bloß deshalb allein nicht verfassungswidrig sein können. Sie bedürfen nur der Durchführung durch innerstaatliche Gesetze, um für die Organe der Verwaltung und der Gerichtsbarkeit unmittelbar anwendbar zu sein; um Rechtsklarheit, Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit für den Einzelnen zu schaffen. Der VfGH kann in dieser Hinsicht nicht an die Stelle des Gesetzgebers treten. Er steht nicht über den Gesetzen. Gemäß der Verfassung ist er nach Maßgabe der Besonderheiten seiner Kompetenzen grundsätzlich den Gesetzen unterworfen und darf nicht Aufgaben der Gesetzgebung für sich in Anspruch nehmen.
6. Zum „Widerspruch“ des Volksgruppengesetzes und der Ortstafelverordnungen zum Art. 7 des Staatsvertrages Gemäß der im Jahr 2001 durch ihn selbst „bereinigten“ Gesetzeslage traf der VfGH in den Jahren 2001 und 2005 stereotype Feststellungen zur Frage eines von ihm angenommenen Widerspruchs zum Art. 7 des Staatsvertrages infolge der Annahme von seiner unmittelbaren Anwend-
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barkeit. In den Erwägungen zur Verordnungsprüfung des Jahres 2001 liest man Folgendes: „Für den Fall des Zutreffens auch dieses Bedenkens und der daraus folgenden Aufhebung der in Prüfung gezogenen Bestimmung in § 1 Ziff. 2 der Verordnung BGBl. 1977/306 dürfte aber – gemessen an der dann bestehenden Rechtslage, nämlich der dann (wieder) unmittelbar anwendbaren Bestimmung des Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien (vgl. in eben diesem Sinne VfGH 4. 10. 2000, V 91/99, Pkt. III. 3. 4.) – auf Grund der soeben angestellten Erwägungen auch die in Prüfung gezogene Bestimmung in der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt als dem Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien widersprechend rechtswidrig sein.“ Im Hinblick auf die Aufhebung von deutschen Ortsnamen findet man auch im Jahr 2005 die folgenden Feststellungen: „Auf Grund all dieser Überlegungen dürfte die Verfassungsbestimmung des Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz StV Wien für die – in der Gemeinde Bleiburg gelegenen – Ortschaften ,Bleiburg‘ und ,Ebersdorf‘ gebieten, dass Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur, insbesondere auch die hier in Rede stehenden Straßenverkehrszeichen, sowohl in slowenischer Sprache wie in Deutsch zu verfassen sind. Die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen scheinen somit dem Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz StV Wien zu widersprechen, wobei es zur Beseitigung dieser Rechtswidrigkeit auszureichen scheint, bloß die Anordnung der – allein deutschsprachigen – Ortsbezeichnungen ,Bleiburg‘ bzw. ,Bleiburg-Ebersdorf‘ aufzuheben.“ „Im vorliegenden Zusammenhang ist die Verfassungsbestimmung des Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz StV Wien unmittelbar anwendbar (vgl. dazu schon VfSlg. 16.404/2001, S. 1032, Pkt. 4.3. und 6.)“ „2. 4. Das Bedenken, dass die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen der Verfassungsbestimmung des Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz StV Wien widersprechen, erweist sich somit als zutreffend. Diese Verordnungsbestimmungen sind daher als gesetzwidrig aufzuheben.“ In den Entscheidungsgründen heißt es dann kurz und bündig: „4. 3. Auf Grund derselben Erwägungen (s. dazu auch oben Pkt. III. 1. 3. 2. 1.) erweist sich schließlich auch die in Prüfung gezogene Bestimmung der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt als dem Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien widersprechend. Zur Beseitigung dieser Rechtswidrigkeit reicht es jedoch aus, in dieser Bestimmung bloß die Anordnung der – allein deutschsprachigen – Ortsbezeichnungen: ,St. Kanzian‘ und ,St. Kanzian, Klopein‘ aufzuheben, nicht aber auch den sonstigen Regelungsgehalt der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung, der zu Folge – somit auch mit Wirkung für den Anlassfall –
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das Ortsgebiet iSd. § 2 Abs. 1 Ziff. 15 iVm. § 20 StVO als solches festgelegt ist.“109 Kommentar: Für die Aufhebung der Wortfolge im VolksgruppenG und für die Festsetzung eines bestimmten Prozentsatzes zur Bestimmung der Minderheit in Ortschaften mit gemischter Bevölkerung durch den VfGH gibt es weder im Staatsvertrag noch im B-VG eine zwingende Rechtsgrundlage. Staatsverträge, die wegen ihrer Eigenart nicht unmittelbar anwendbar sind, bedürfen gemäß Art. 16 Abs. 5 B-VG der gesetzlichen Durchführung. Das bedeutet, dass ein solcher Staatsvertrag für die Vollziehung nicht unmittelbar anwendbar ist. In dieser Hinsicht kann der VfGH nicht an die Stelle des Gesetzgebers treten. Im Art. 7 Ziff. 1 Staatsvertrag ist ganz allgemein von „slowenischer Minderheit“ und in der Ziff. 3 ist von „slowenischer oder gemischter Bevölkerung“ die Rede. Diese Begriffe sind unbestimmte Gesetzesbegriffe, die im Sinn der völkerrechtlichen Standards gemäß der Verfassung durch den Gesetzgeber zu konkretisieren sind. Dabei muss sich der Gesetzgeber auch an das Prinzip der „Verhältnismäßigkeit“ halten, wie es in der Verfassungsbestimmung des Art. 68 des Staatsvertrages von St. Germain und im Art. 7 B-VG enthalten ist. Die der Verhältnismäßigkeit untergeordneten unbestimmten Verfassungsbegriffe „Minderheit“ und „gemischte Bevölkerung“ hat der Gesetzgeber im Jahr 1977 durch das Kriterium von 25 % auch für die slowenische Minderheit in Kärnten konkret anwendbar gemacht. Diesen Prozentsatz befand der VfGH jedoch ohne einen zwingenden völkerrechtlichen und staatsrechtlichen Rechtsgrund als im „Widerspruch“ zur Verfassung stehend (zu dem im Verfassungsrang stehenden Art. 7 Ziff. 3 des Staatsvertrages). Für den VfGH ist die Bandbreite des völkerrechtlichen Standards von 5 – 25 % kein verbindlicher Maßstab. Sie wird von ihm als „nicht unbedingt maßgeblich“ befunden. Dem Staatsvertrag von Wien wird durch den VfGH ohne rechtliche Begründung ein nicht vorgesehenes richterliches Ermessen zur Durchführung unterstellt. Daraus wird auf einen „Widerspruch“ geschlossen. Dieser ergibt sich aber nicht aus dem Staatsvertrag, sondern nur aus den durch den VfGH selbst gesetzten Prämissen. Das kann wohl keine ausreichende Grundlage für eine Gesetzesaufhebung wegen eines logisch nicht nachweisbaren Widerspruchs zum Art. 7 des Staatsvertrages von Wien sein. ____________________
109 Siehe dazu auch das Erkenntnis des VfGH vom 11. Oktober 2001, VfSlg. 16.328, über die Bedeutung der Festlegung des Ortsgebietes durch straßenpolizeiliche Vorschriften des Landes Salzburg: „... hat Ortsgebiet nach den straßenpolizeilichen Vorschriften das ,verbaute Gebiet‘ zu sein“.
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Dabei ist zu veranschlagen, dass dem vom VfGH im VolksgruppenG aufgehobenen Begriff „verhältnismäßig beträchtlich“ im Art. 68 des StV von St. Germain Verfassungsrang zukommt. Dieser Begriff impliziert keinen festen Prozentsatz, sondern gibt in Verbindung mit Art. 7 des Staatsvertrages von Wien innerhalb der völkerrechtlichen Standards ausschließlich dem Gesetzgeber ein politisches Ermessen. Ihre Anwendung durch den einfachen Gesetzgeber innerhalb der völkerrechtlichen Bandbreite kann nicht verfassungswidrig sein. Für eine Aufhebung des verfassungsgesetzlichen Prädikates „verhältnismäßig beträchtlich“ im VolksgruppenG gibt es aber auch keinen zwingenden verfassungsrechtlichen Rechtsgrund.110 Öhlinger findet „die von den Höchstrichtern festgelegte Grenze von zehn Prozent slowenischsprachigen Bürgern in einem Ort inhaltlich diskutierenswert: „Sie steht in keinem Gesetz, auch nicht im Staatsvertrag. Da hat der Verfassungsgerichtshof seinen Entscheidungsspielraum minderheitenfreundlich ausgenützt – und das freut mich persönlich. Aber rein juristisch ist die Begründung schon sehr kühn.“ In der „Kühnheit“ der Festsetzung des Prozentsatzes durch den VfGH sieht Öhlinger eine „politische Botschaft“: „Insofern hat der Verfassungsgerichtshof Rechtspolitik gemacht.“111 Für einen Widerspruch zwischen dem festen Prozentsatz zu den unbestimmten Rechtsbegriffen „gemischte Bevölkerung“ und „Minderheit“ sowie „verhältnismäßig beträchtlich“ in der Verfassungsbestimmung des Art. 68 des Staatsvertrages von St. Germain vermitteln weder die allgemeine Logik noch der gesunde Hausverstand verlässliche Kriterien. Bei diesen Begriffen kann es sich nur um politische Wertungsunterschiede handeln, deren Auflösung nur Aufgabe des Gesetzgebers sei kann. Die Frage nach einer vertretbaren günstigeren Lösung betrifft die Staatspolitik. Sie betrifft eine Angelegenheit de lege ferenda und nicht de lege lata. Sie bedarf – im Sinn des Motivenberichtes zum zweiten Satz der Ziff. 3 im Art. 7 des Staatsvertrages von Wien letztlich einer Klarstellung durch den Verfassungsgesetzgeber, die längst schon fällig wäre. Wenn der VfGH in bestimmten, derzeit einzig amtlich festgesetzten deutschen Ortsnamen als topographische Bezeichnungen in Gebieten mit gemischter Bevölkerung (slowenischer Minderheit) seit der Aufhebung des Prozentsatzes im VolksgruppenG einen unmittelbaren Widerspruch ____________________
110 Zur Frage der Unbestimmtheit des Art. 7 Staatsvertrag von Wien den Zeitzeugen siehe Matscher, einen Mitwirkenden an der Textierung des Staatsvertrages, Die Minderheitenregelungen im Staatsvertrag, in: Der österreichische Staatsvertrag 1955, Hg. A. Suppan, G. Stourzh, W. Müller (Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften 2005) 807 ff, 809 ff und 814. 111 Interview mit Öhlinger im Standard vom 20. Januar 2006.
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zum Art. 7 des Staatsvertrages zu sehen glaubt, dann geht das an den Gegebenheiten vorbei. Kriterium der Prüfung ist für ihn nicht der durch ihn in seiner unmittelbaren Anwendbarkeit entkleidete Art. 7 des Staatsvertrages, sondern das durch ihn aus politischem Ermessen „festgesetzte“ Kriterium „mehr als 10 % über einen längeren Zeitraum“. In Wahrheit soll daher die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt das unbestimmte Kriterium des VfGH wie ein Gesetz unmittelbar anwenden und nicht den unbestimmten Art. 7 StV. Dabei scheint es ihm überlassen zu sein, auch von einem höheren Prozentsatz auszugehen. „Auch wenn im Erkenntnis zehn Prozent stehen, hielte ich es für vertretbar, wenn bei Ortschaften ab 15 Prozent zweisprachige Ortstafeln stehen“ meinte Adamovich im Januar 2006.112 Das könnte dann wohl auch für die Kärntner Straßenpolizeibehörden I. Instanz und II. Instanz ein oberer Richtwert sein. Offen ist dabei allerdings, welche anderen Kärntner Bezirkshauptmannschaften außer jener von Völkermarkt noch in Frage kämen.
7. Die Gesetzesbindungen des Verfassungsgerichtshofs a. Die Gesetzesbindung im B-VG Der Verfassungsgerichtshof ist eines von mehreren obersten Organen des Staates. Als solches ist er in der Verfassung verankert und aufgrund eines Gesetzes eingerichtet. Seine Zuständigkeiten sind in Ausführung des B-VG gesetzlich geregelt. Der VfGH wird daher nicht unmittelbar aufgrund der Verfassung tätig, sondern aufgrund des VfGG als einfaches Gesetz. Die Verfassung fungiert dabei gleichsam als ein Grundsatzgesetz, das durch ein Gesetz näher ausgeführt wird. So ist es im Art. 148 B-VG ausdrücklich vorgeschrieben: „Die näheren Bestimmungen über die Organisation und das Verfahren des Verfassungsgerichtshofs werden durch ein besonderes Bundesgesetz und auf Grund dieses durch eine vom Verfassungsgerichtshof zu beschließende Geschäftsordnung geregelt.“ Hinsichtlich dieser Art von Gesetzesbindung ist der VfGH also allen anderen Behörden des Bundes und der Länder, im Besonderen den ordentlichen und außerordentlichen Gerichten grundsätzlich gleichgestellt. Im Sinn des Konzeptes der Gewaltenteilung im demokratischen Rechtsstaat ist auch der VfGH ein den Gesetzen unterworfenes Organ der Vollziehung. Er ist aufgrund der Verfassung durch Bundesgesetz eingerichtet, seine Kompetenzen sind bundesgesetzlich näher bestimmt, seine Verfahren zur Ausübung der verschiedenen Kompetenzen sind im VfGG bundesgesetzlich geregelt. Die im Art. 148 B-VG festgeschriebene Gesetzes____________________
112 Präsident aD. Adamovich, zuletzt in der Kleinen Zeitung vom 19. Januar 2006, Seite 5.
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bindung des VfGH ist im Verhältnis zu Art. 83 B-VG als eine lex specialis zu verstehen. Die gesetzlichen Vorschriften über die Entscheidungsbefugnisse des VfGH zeigen das im Einzelnen deutlich. Das gilt im Besonderen für die zwingenden einfachgesetzlichen Kriterien, als Voraussetzungen für die Verordnungs- und Gesetzesprüfungskompetenz von Amts wegen, für die ausdrücklichen Regelungen des VfGG über den Mindestinhalt von Erkenntnissen und über die Verfahrenskosten. Diese Regelungen betreffen zwar nur die formale Seite der Entscheidungsbefugnisse des VfGH, sie gewähren aber keinen Ermessensspielraum. Anders liegt die Sache bei den materiellen Voraussetzungen der Entscheidungsbefugnisse des VfGH. Diese sind gemäß der Verfassung differenziert. Der VfGH wird nicht von ungefähr als ein Hüter der Verfassung bezeichnet. Maßstab für den letzten Grund seiner Entscheidungen ist in diesem Sinn gewiss die Verfassung. Der Verfassungsgerichtshof ist dazu berufen, die Akte der anderen Staatsorgane, wie Gesetze, Verordnungen und Bescheide, auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung und mit den Gesetzen zu prüfen. Die rechtlichen Voraussetzungen dafür sind jedoch im VfGG einfachgesetzlich näher ausgeführt. Dabei ist zu veranschlagen, dass die als Maßstäbe fungierenden Verfassungsvorschriften in organisations- und verfahrensrechtlicher Hinsicht streng determiniert, in materiellrechtlicher Hinsicht aber verhältnismäßig bedeutungsoffen sind. Letzteres gilt vor allem für die Prüfung der Gesetze, deren verfassungsrechtliche Bestimmungsgründe oft nur Grundsätze und Rahmenbedingungen sind, weil sie dem Gesetzgeber und nicht dem VfGH einen den veränderlichen Zeiterfordernissen und den sich wandelnden Staatsaufgaben entsprechenden Gestaltungsraum gewähren. Die Werte der Menschenrechte und Grundfreiheiten sind dabei grundsätzlich zu veranschlagen. Die Verfassung gibt dem Gesetzgeber für seine Gesetze keine konkreten Inhalte vor, nur allgemeine Rahmenbedingungen, Zielsetzungen und Zweckbestimmungen in den Kompetenztatbeständen und Staatszielbestimmungen. Darin liegen auch Kriterien für die Reichweite der Prüfungsbefugnisse des VfGH. Er muss den verfassungsgesetzlichen Gestaltungsraum des Gesetzgebers beachten. Im Zweifel sind Gesetze verfassungskonform zu interpretieren. Der Verfassungsgerichtshof ist kein Gesetzgeber. Es liegt also auf der Hand, dass die verfassungsrechtlichen Kriterien der Rechtsstaatlichkeit und der Legalität, die der VfGH dem Gesetzgeber immer wieder als Vorgabe für die Vollziehung „vorschreibt“, auch für ihn selbst gelten. Der VfGH hat ohne Zweifel Entscheidungsbefugnisse, die in die Gesetzgebung eingreifen können. Dem VfGH ist durch die Verfassung –
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von der Ausnahme des Art. 138 Abs. 2 B-VG abgesehen – aber keine positive Gesetzgebungsbefugnis zugewiesen. Er darf Gesetze nur aufheben oder ihre Verfassungswidrigkeit feststellen, er ist aber nicht dazu berufen, Gesetzesinhalte vorzuschreiben oder neue Gesetzesinhalte zu erzeugen; sei es praeter legem oder contra legem. In diesem Zusammenhang ist auch die Regelung des § 8 (1) VfGG beachtenswert. „Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs geloben vor dem Antritt ihres Amtes die unverbrüchliche Beobachtung der Verfassung und aller anderen Gesetze der Republik sowie die gewissenhafte Erfüllung ihrer Pflichten.“ b. Besondere Aspekte der Gesetzesbindungen des VfGH Diesen verfassungsrechtlichen Überlegungen sind die eingangs geschilderten rechtserheblichen Tatsachen zuzuordnen. Anlass für die hier in den Mittelpunkt gestellten Verordnungs- und Gesetzesprüfungsverfahren vor dem VfGH waren Beschwerden gegen verkehrspolizeiliche Strafbescheide wegen absichtlicher Geschwindigkeitsüberschreitungen in einem straßenpolizeilich geregelten Ortsgebiet. Diese Strafbescheide wurden vom VfGH zwar als rechtmäßig befunden, aber dennoch zum Anlass für Verordnungs- und Gesetzesprüfungen von Amts wegen gemacht. 1. Durch die beim VfGH angefochtenen Bescheide konnte der Beschwerdeführer weder in dem von ihm fälschlich reklamierten verfassungsgesetzlich gewährleisten Recht noch in einem anderen Recht verletzt sein. Darin liegt der erste Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der Vernachlässigung von Gesetzesbindungen durch den VfGH in seinen Verfahren über Verordnungs- und Gesetzesprüfungen. Der VfGH hat die Beschwerde zwar abgewiesen. Im Sinn des VfGG und seiner eigenen Judikatur hätte er jedoch die Beschwerden mangels materieller Beschwerdelegitimation zurückweisen sollen. Warum tat er das nicht? Eine Zurückweisung hätte ihm keinen rechtlichen Anknüpfungspunkt für die Verordnungsund Gesetzesprüfung von Amts wegen gegeben. 2. Der VfGH hat aus Anlass der zwei Bescheidbeschwerden eine Gesetzesprüfung und mehrere Verordnungsprüfungen von Amts wegen eingeleitet. Dabei hat er amtlich feststehende deutsche Ortsnamen in zwei ortspolizeilichen Verordnungen aufgehoben, obwohl diese und die fehlenden slowenischen Ortsnamen für die Entscheidung über die Bescheidbeschwerden nicht präjudiziell waren. Die Rechtmäßigkeit der deutschen Ortsbezeichnungen und eine an und für sich mögliche Ergänzungsbedürftigkeit durch slowenische Ortsnamen im Sinn des VfGG waren keine notwendigen Vorfragen für die Abweisung der Bescheidbeschwerden. Grund
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der Aufhebung durch den VfGH waren nicht vorhandene slowenische Ortsnamen. Deren Fehlen war – wie auch das Vorhandensein der deutschen Ortsnamen – auch nach der Auffassung des VfGH keine Voraussetzung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Strafbescheide. 3. Der VfGH sprach dem Beschwerdeführer für die erfolglos gebliebenen Bescheidbeschwerden über rechtmäßige Bestrafungen Verfahrenskosten zu, obwohl solche im VfGG weder für erfolglose Bescheidprüfungsverfahren noch für Verordnungsprüfungsverfahren von Amts wegen im VfGG vorgesehen sind. 4. Die Ausfertigung des Erkenntnisses 2005 über die Bescheidbeschwerde B 1307/04 entspricht nicht den gesetzlichen Vorschriften (VfGG, GO und ZPO) über die schriftliche Ausfertigung von Erkenntnissen. An Stelle der Ausführung des Sachverhaltes und der Rechtslage zum angefochtenen Bescheid in den Entscheidungsgründen begnügte sich der VfGH mit Hinweisen auf sein Erkenntnis über die Verordnungsprüfung vom selben Tag und auf die Vorentscheidung aus dem Jahr 2001. 5. Das Volksgruppengesetz machte die unbestimmten Gesetzesbegriffe „gemischte Bevölkerung“ und „Minderheit“ gemäß dem zweiten Satz der Ziff. 3 im Art. 7 des StV von Wien für die Ortstafeln unmittelbar anwendbar. Der VfGH hob diese Vorschrift des VolksgruppenG gegen den erklärten Willen des Gesetzgebers auf, ohne dafür zwingende völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Gründe angeben zu können und ohne zur Festlegung eines bestimmten Prozentsatzes (zur positiven Gesetzgebung) befugt zu sein. Dabei erlag er einer Fehldeutung des zweiten Satzes in der Ziff. 3 Art. 7 Staatsvertrag. Diese Vorschrift ist wegen ihrer Unbestimmtheit für die Vollziehung nicht anwendbar und bedarf auch gemäß dem erklärten Willen des historischen Gesetzgebers (Verfassungsgesetzgebers) aufgrund des Art. 16 Abs. 5 B-VG der näheren Ausführung durch Bundes- und Landesgesetze. 6. Durch die Aufhebung der gesetzlichen Ausführungsvorschrift im VolksgruppenG wurde der zweite Satz im Art. 7 StV wegen seiner objektiven Unbestimmtheit zur Gänze für die Vollziehung unanwendbar. Anstelle der klaren Regelung von „einer verhältnismäßig beträchtlichen Zahl (25 %)“, im Sinn des Prinzips der Verhältnismäßigkeit des Art. 68 StV von St. Germain und des Art. 7 des Staatsvertrages von Wien, erzeugte der VfGH die unbestimmte Formel „mehr als 10 Prozent über einen längeren Zeitraum“. Darin liegt eine Verletzung des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebotes der Verfassung auch gemäß der Judikatur des VfGH. 7. Der VfGH hob amtliche deutsche Ortsnamen in den straßenpolizeilichen Verordnungen auf, um die Straßenpolizeibehörde I. Instanz jen-
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seits ihrer gesetzlichen Zuständigkeit zu einem bestimmten positiven Tun zu verpflichten: die Festlegung entsprechender slowenischer Ortsnamen neben den deutschen. In seinem Erkenntnis V 64/05 aus dem Jahr 2005 meinte der VfGH in den Entscheidungsgründen, dass die Bezirkshauptmannschaft zur Festlegung von slowenischen Ortsnamen zuständig sei – solange eine diesbezüglicher Verordnung der Bundesregierung ... nicht gelte. Damit legte er unzuständiger Weise kumulativ – alternative Handlungsanweisungen fest und unterstellte der Bezirksverwaltungsbehörde als Straßenpolizeibehörde eine Kompetenz, die dem Gesetzgeber und gemäß dem Gesetz der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats nach Anhörung der in Betracht kommenden Landesregierung vorbehalten ist. Das verstößt gegen das verfassungsrechtliche Prinzip der Gewaltenteilung 8. Der VfGH unterließ eine Überprüfung der geteilten und dennoch gemeinsamen Zuständigkeiten von Bund und Ländern zu einer koordinierten „Durchführung“ des Staatsvertrages von Wien gemäß den Art. 10, 11, 15 und 16 B-VG auf den Gebieten der Gesetzgebung und Vollziehung, im Sinn der föderalistischen Kompetenzverteilung. 9. Mit seinem Kriterium „mehr als 10 % über einen längeren Zeitraum“ verstieß der VfGH gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot gemäß Art. 18 B-VG im Sinn seiner eigenen Judikatur. 10. Der VfGH hat mit der Festlegung eines Kriteriums von mehr als 10 % über einen längeren Zeitraum eine Zuständigkeit zur materiellen Gesetzgebung für sich in Anspruch genommen, die ihm verfassungsrechtlich und einfachgesetzlich vorenthalten ist.
Vierter Teil
Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung I. Der Spruch zur Aufhebung von Verordnungen und Gesetzen 1. Die Rechtsgrundlagen a. Der Spruch zur Aufhebung von Verordnungen Art. 139 B-VG (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Bundes- oder Landesbehörde auf Antrag eines Gerichtes oder eines unabhängigen Verwaltungssenates, sofern aber der Verfassungsgerichtshof eine solche Verordnung in einer anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte, von Amts wegen.113 … Er erkennt ferner über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern … (3) Der Verfassungsgerichtshof darf eine Verordnung nur insoweit als gesetzwidrig aufheben, als ihre Aufhebung ausdrücklich beantragt wurde oder als sie der Verfassungsgerichtshof in der bei ihm anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte. ... (5) Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, mit dem eine Verordnung als gesetzwidrig aufgehoben wird, verpflichtet die zuständige oberste Behörde des Bundes oder des Landes zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung. Dies gilt sinngemäß für den Fall eines Ausspruches gemäß Absatz 4. Die Aufhebung tritt am Tage der Kundmachung in Kraft, wenn nicht der Verfassungsgerichtshof für das Außerkrafttreten eine Frist bestimmt, die sechs Monate, wenn aber gesetzliche Vorkehrungen erforderlich sind, 18 Monate nicht überschreiten darf. (6) Ist eine Verordnung wegen Gesetzwidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Absatz 4 ausgesprochen, dass eine Verordnung gesetzwidrig war, so sind alle Gerichte und Verwaltungs____________________
113 Art. 148e: Auf Antrag der Volksanwaltschaft erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Bundesbehörde (Gemäß Art. 148i auch über Verordnungen einer Landesbehörde). Art. 148a B-VG beinhaltet Kriterien als Voraussetzung für die Zulässigkeit eines solchen Antrages: die Beschwerde jemandes über Missstände in der Verwaltung (nicht in der Gesetzgebung) „soweit ihm ein Rechtsmittel nicht oder nicht mehr zur Verfügung steht“. Die Volksanwaltschaft ist verpflichtet, jede solche Beschwerde zu prüfen, nicht jedoch auch jeder Beschwerde Folge zu leisten.
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behörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist jedoch die Verordnung weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Absatz 5 eine Frist gesetzt, so ist die Verordnung auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden. § 59 (2) VfGG Wird die Verordnung als gesetzwidrig erkannt, so hat das Erkenntnis auszusprechen, ob der ganze Inhalt der Verordnung oder ob bestimmte Stellen gesetzwidrig sind. § 60 (1) VfGG Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ist dem Antragsteller unverzüglich zuzustellen. Wen den Antrag ein Gericht (ein unabhängiger Verwaltungssenat, das Bundesvergabeamt) gestellt hat, so ist das Verfahren von diesem sofort weiterzuführen. Bei Entscheidung der anhängigen Rechtssache ist das Gericht (der unabhängige Verwaltungssenat, das Bundesvergabeamt) an die Rechtsanschauung gebunden, die der Verfassungsgerichtshof in dem Erkenntnis über die Gesetzmäßigkeit der Verordnung ausgesprochen hat. (2) Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ist auch der Behörde, die die Verordnung erlassen hatte zuzustellen. Lautet es auf Aufhebung einer Verordnung, so muss in der nach Art. 139 Abs. 5 des BundesverfassungsGesetzes zu erlassenden Kundmachung zum Ausdruck gebracht werden, dass die Verordnung durch das genau zu bezeichnende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes aufgehoben worden ist. § 61 VfGG Diese Bestimmungen finden sinngemäß Anwendung, wenn der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit einer Verordnung von Amts wegen (Art. 139 Abs. 1 des Bundesverfassungs-Gesetzes zu erkennen hat. § 61a VfGG Wurde das Verordnungsprüfungsverfahren auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch die Gesetzwidrigkeit der Verordnung in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, eingeleitet, so sind ihr im Fall des Obsiegens die erwachsenen Prozesskosten von dem Rechtsträger zu ersetzen, für den die Behörde bei der Erlassung der Verordnung gehandelt hat. b. Der Spruch zur Aufhebung von Gesetzen Art. 140 B-VG (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Verfassungswidrigkeit eines Bundes- oder Landesgesetzes auf Antrag des ..., sofern aber der Verfassungsgerichtshof ein solches Gesetz in einer anhängi-
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gen Rechtssache anzuwenden hätte, von Amts wegen. … Der Verfassungsgerichtshof erkennt ferner über Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern … (3) Der Verfassungsgerichtshof darf ein Gesetz nur insoweit als verfassungswidrig aufheben, als seine Aufhebung ausdrücklich beantragt wurde oder als der Verfassungsgerichtshof das Gesetz in der bei ihm anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte. ... (5) Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, mit dem ein Gesetz als verfassungswidrig aufgehoben wird, verpflichtet den Bundeskanzler oder den zuständigen Landeshauptmann zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung. Dies gilt sinngemäß für den Fall eines Ausspruches gemäß Absatz 4. Die Aufhebung tritt am Tage der Kundmachung in Kraft, wenn nicht der Verfassungsgerichtshof für das Außerkrafttreten eine Frist bestimmt. Diese Frist darf 18 Monate nicht überschreiten. (7) Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Absatz 4 ausgesprochen, dass ein Gesetz verfassungswidrig war, so sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gemäß Absatz 5 gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden. § 64 (1) VfGG Das Erkenntnis hat auszusprechen, ob der ganze Inhalt des Gesetzes oder bestimmte Stellen als verfassungswidrig aufgehoben werden. (2) Lautet das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes auf Aufhebung, so ist es auch dem Bundeskanzler oder dem zuständigen Landeshauptmann zuzustellen. In der nach Art. 140 Abs. 5 des Bundes-Verfassungsgesetzes zu erlassenden Kundmachung muss zum Ausdruck gebracht werden, dass das Gesetz durch das genau zu bezeichnende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes aufgehoben worden ist. § 65 VfGG Diese Bestimmungen finden sinngemäß Anwendung, wenn der Verfassungsgerichthof über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes von Amts wegen (Art. 140 Abs. 5 des Bundesverfassungs-Gesetzes) zu entscheiden hat. § 65a VfGG Wurde das Gesetzesprüfungsverfahren auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes in
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ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, eingeleitet, so sind ihr im Fall des Obsiegens die erwachsenen Prozesskosten im Falle eines Bundesgesetz vom Bund, im Falle eines Landesgesetzes vom betreffenden Land zu ersetzen.
2. Kommentar zur Rechtslage In diesem Zusammenhang erweist sich vorerst eine terminologische Klarstellung als sinnvoll. Im B-VG ist ganz allgemein von der „Aufhebung“ von „Gesetzen“ und „Verordnungen“ die Rede. Diese Allgemeinbegriffe bedeuten keine Unteilbarkeit des Prüfungsgegenstandes. Die Aufhebung kann auch bestimmte Stellen einer Verordnung oder eines Gesetzes betreffen, wie Abschnitte, Paragraphen, Absätze, einzelne Sätze, Wortfolgen, einzelne Wörter, Buchstaben, Ziffern etc.114 Das ergibt die ratio legis der Art. 139 und 140 B-VG, die im VfGG ihren klaren Niederschlag gefunden hat. Dieser rechtliche Unterschied kommt im B-VG und im VfGG vor allem im Erfordernis der Einschränkung des Umfanges der Prüfung und der Aufhebung auf die Reichweite der Präjudizialität einer Vorfrage für die anhängige Rechtssache zum Ausdruck. Für Verordnungen und Gesetze ist das im VfGG ausdrücklich festgelegt. (§ 59 Abs. 2: Wird die Verordnung als gesetzwidrig erkannt, so hat das Erkenntnis auszusprechen, ob der ganze Inhalt der Verordnung oder ob bestimmte Stellen gesetzwidrig sind; ebenso § 64 Abs. 1 VfGG: Das Erkenntnis hat auszusprechen, ob der ganze Inhalt eines Gesetzes oder bestimmte Stellen als verfassungswidrig aufgehoben werden.115 (Hervorhebungen vom Verfasser) Obgleich also in den Rechtsvorschriften des B-VG und des VfGG schlechthin von der Aufhebung einer Verordnung oder eines Gesetzes die Rede ist, bedeutet das in der Praxis kaum einmal ein ganzes Gesetz oder eine ganze Verordnung, sondern meistens nur bestimmte Stellen von solchen; nämlich von jenen Stellen, die ein Gericht (der VfGH) in einer bei ihm anhängigen Rechtssache anzuwenden und als Vorfrage für seine Entscheidung abzuklären hat. Die Aufhebungsbefugnis des VfGH ist auf den für die Entscheidung in der anhängigen Rechtssache notwendigen Um____________________
114 Beispiele auch bei Öhlinger, Verfassungsrecht (2005) Rz. 1004a, S. 452: VfSlg. 14.973/1997 („20“ aus § 100 StVO), 15.936/2000 („§ 17“ und „§ 20“ aus § 29 Abs. 2 Z 2 RechtspraktikantenG), 16.620/2002 („Bau- und“ aus § 14 Abs. 1 Z 3 BundesvergabeG 1997). Aktuelle Beispiele sind die Aufhebungen von deutschen Ortsbezeichnungen in den hier gegenständlichen Erkenntnissen des VfGH mit Verordnungsprüfungen („St. Kanzian“ im Jahr 2001; sowie „Bleiburg“ und „Bleiburg-Ebersdorf“ im Jahr 2005. 115 Oberndorfer, Die Verfassungsrechtsprechung im Rahmen der staatlichen Funktionen. Arten, Inhalt und Wirkungen der Entscheidungen über die Verfassungsmäßigkeit von Rechtsnormen, EuGRZ 15 (1988) 194 ff, 199 ff.
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fang eingeschränkt. In diesem Sinn kann der VfGH (das Gericht) in einem bestimmten amtswegigen Verfahren zwar ein ganzes Gesetz oder eine ganze Verordnung anzuwenden haben, seine Befugnis zur Prüfung und Aufhebung ist aber auf den notwendigen Bedarf der Klarstellung für den Anlassfall eingeschränkt. (Näheres dazu oben im zweiten Teil, zur Präjudizialität)
3. Der Spruch in den zwei Erkenntnissen a. Das Erkenntnis des Jahres 2001 Der Spruch dieses Erkenntnisses betrifft ein Bundesgesetz, eine Verordnung der Bundesregierung und eine Verordnung einer Kärntner Straßenpolizeibehörde I. Instanz. Er umfasst daher drei voneinander verschiedene aber aufeinander bezogene Teile.116 „1. Die Wortfolge ‚wegen der verhältnismäßig beträchtlichen Zahl (ein Viertel) der dort wohnhaften Volksgruppenangehörigen‘ in § 2 Abs. 1 Ziff. 2 des Volksgruppengesetzes, BGBl. 1976/396, wird als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2002 in Kraft. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet. 2. Die Wortfolge „In der Gemeinde Bleiburg in den Gebieten der ehemaligen Gemeinden Feistritz ob Bleiburg und Moos, in der Gemeinde Eisenkappel-Vellach im Gebiet der ehemaligen Gemeinde Vellach, in der Gemeinde Globasnitz und in der Gemeinde Neuhaus im Gebiet der ehemaligen Gemeinde Schwabegg.“ in § 1 Ziff. 2 der Verordnung der Bundesregierung vom 31. Mai 1977 über die Bestimmung von Gebietsteilen, in denen topographische Bezeichnungen in deutscher und slowenischer Sprache anzubringen sind, BGBl. 306, wird als gesetzwidrig aufgehoben. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2002 in Kraft. Die Bundesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt II verpflichtet. 3. 1. In § 1 Abschnitt B) Punkt 1 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 17. August 1982, Zl. 4642/1/81, betreffend Straßenverkehrszeichen im Verlauf der St. Kanzianer Straße L 116, idF der Verordnung vom 30. September 1992, Zl. 2856/1/92, werden die Ortsbezeichnungen: ‚St. Kanzian‘ und ‚St. Kanzian, Klopein‘ als gesetzwidrig aufgehoben. ____________________
116
G 213/01, V 62/01, V 63/01, vom 13. Dezember 2001.
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Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2002 in Kraft. Die Kärntner Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet. 3. 2. Im Übrigen wird die in Prüfung gezogene Bestimmung der genannten Verordnung nicht als gesetzwidrig aufgehoben.“ Kommentar: Der Spruch des Erkenntnisses zur Prüfung des VolksgruppenG lautet auf Aufhebung einer Wortfolge, also nur einer bestimmten Stelle, und nicht des ganzen Gesetzes schlechthin. Der Spruch zur Prüfung der TopographieV der Bundesregierung lautet ebenfalls nur auf Aufhebung einer bestimmten Wortfolge, also nur einer bestimmten Stelle und nicht der ganzen Verordnung der Bundesregierung. Der Spruch zur Prüfung der Straßenpolizeiverordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt für St. Kanzian (als Straßenpolizeibehörde I. Instanz des Landes Kärnten) lautet auf Aufhebung von zwei deutschen Ortsbezeichnungen, also gleichfalls nur von bestimmten Stellen und nicht der Verordnung schlechthin. Alle drei Aufhebungen sind für ein Jahr aufschiebend befristet. Entgegen der ausdrücklichen Anordnung der Art. 139 Abs. 6 und 140 Abs. 7 B-VG fehlt in den Erkenntnissen des VfGH über die befristeten Aufhebungen der Wortfolge im VolksgruppenG, der Wortfolge in der Topographieverordnung und von zwei Ortsnamen in der straßenpolizeilichen Verordnung jedoch ein Ausspruch darüber, warum die Aufhebung auf den Anlassfall keine Auswirkungen hat. In beiden Erkenntnissen fehlt auch ein Ausspruch über die Verfahrenskosten gemäß § 65a bzw. 61a VfGG. Die Gesetzmäßigkeit der straßenpolizeilichen Verordnung wurde als eine einwandfreie Grundlage für den angefochtenen Strafbescheid vom VfGH einerseits indirekt bestätigt, andererseits aber durch die Aufhebung der zu Recht bestehenden deutschen Ortsbezeichnungen, mit dem Ablauf der Frist im Sinn der StVO gesetzwidrig gemacht. Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Strafbescheides wurde, ungeachtet der Aufhebung der Ortsnamen durch Abweisung der Bescheidbeschwerde, im Umfang der Anwendbarkeit vom VfGH bestätigt. Die Anwendung der Ortsbezeichnungen in der straßenpolizeilichen Verordnung, einer Wortfolge in der TopographieV und einer Wortfolge im VolksgruppenG, waren also keine zwingende Voraussetzung für das Erkenntnis des VfGH über den straßenpolizeilichen Anlassfall. b. Das Erkenntnis des Jahres 2005 Im Sinn und auf der Grundlage des Erkenntnisses über die Gesetzesund Verordnungsaufhebung aus dem Jahr 2001 erging im Jahr 2005 das
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Erkenntnis über die Aufhebung von deutschen Ortsbezeichnungen in einer anderen straßenpolizeilichen Verordnung derselben Behörde.117 Der Spruch lautet: „In Abschnitt B) Punkt 3 lit. a und b des § 1 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 15. Juli 1982, Zl. 4600/1/81, idF der Verordnung vom 11. November 1998 Zl. 1830/1/98, werden die Worte „Bleiburg-Ebersdorf“ und „Bleiburg“ als gesetzwidrig aufgehoben. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. Juni 2006 in Kraft. Die Kärntner Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.“ Kommentar: Auch dieser Spruch über die Straßenpolizeiverordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt (als Straßenpolizeibehörde 1. Instanz) für Bleiburg lautet nur auf Aufhebung von bestimmten Stellen der Verordnung und nicht der Verordnung schlechthin. Die Aufhebung ist für sechs Monate aufschiebend befristet. Durch die Aufhebung der zu Recht bestehenden deutschen Ortsbezeichnungen sollte auch diese Verordnung mit dem Ablauf der Frist gesetzwidrig werden. (Dazu konnte es allerdings nicht kommen, da die Bezirksverwaltungsbehörde mit Datum vom 7. Februar 2006 eine gleichlautende Ersatzverordnung erließ. Diese Verordnung hatte gegenüber der früheren Verordnung derogatorische Kraft).118 Entgegen der ausdrücklichen Anordnung des Art. 139 Abs. 6 B-VG fehlt auch in diesem Erkenntnis des VfGH über die Aufhebung der zwei deutschen Ortsbezeichnungen in der straßenpolizeilichen Verordnung ein Ausspruch über die Unterlassung der Ausnahme der Auswirkungen der „Aufhebung einer Verordnung“ auf den Anlassfall. Sichtlich wohl deshalb, weil die zwei Ortsbezeichnungen in der im Übrigen als gesetzmäßig behandelten verkehrspolizeilichen Verordnung keine zwingende Voraussetzung für das Erkenntnis des VfGH über die Aufhebung der Ortsnamen waren. Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Strafbescheides und der straßenpolizeilichen Verordnung wurden in der Reichweite ihrer konkreten Anwendung durch die Abweisung der Bescheidbeschwerde auch in diesem Fall indirekt bestätigt. Diese Umstände veranlassen die Prüfung der rechtlichen Bedeutung und Reichweite eines aufhebenden Spruches des VfGH und der Entscheidungsgründe dazu. ____________________
117
V 65/05, vom 12. Dezember 2005. Siehe dazu das Erkenntnis des VfGH vom 28. Juni 1984, VfSlg. 10.091, mit dem Kommentar zur Möglichkeit einer beabsichtigten Vereitelung des Verfahrens einer anhängigen Gesetzesprüfung durch Erlassung eines rückwirkenden Ersatzgesetzes. 118
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Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung
4. Die Verbindlichkeit des Spruchs zur Aufhebung Die Verfahren zur Verordnungs- und Gesetzesprüfung sind Verfahren mit Beteiligten (Parteien). Dem VfGH können verschiedene Beteiligte (Parteien) gegenüberstehen: ein Antragsteller, ein Beschwerdeführer, eine Behörde (§§ 24, 26 VfGG). In den zwei Verfahren der Jahre 2001 und 2005 zur Prüfung von Amts wegen fehlte ein Antragsteller im Rechtssinn. Hier stand nur die vom Verfahren betroffene Behörde dem VfGH als Partei im Rechtssinn gegenüber. Dem Beschwerdeführer, der eine Verordnungs- oder Gesetzesprüfung von Amts wegen angeregt hatte, fehlte die Parteistellung im Rechtssinn, mag er durch den VfGH auch wie eine Partei behandelt werden. Erkenntnisse über die Aufhebung einer Verordnung oder eines Gesetzes sind den am Verfahren Beteiligten zuzustellen. Ein aufhebendes Erkenntnis kann den Beteiligten (Parteien) unmittelbar nach der Beschlussfassung durch den VfGH mündlich verkündet werden, es muss ihnen aber auch in schriftlicher Ausfertigung zugestellt werden. Das Erkenntnis entfaltet diesen Personen gegenüber die in ihm ausdrücklich festgelegte Reichweite der Verbindlichkeit Das Erkenntnis, betreffend die Aufhebung einer Verordnung ist jedenfalls dem Verordnungsgeber (seiner Oberbehörde), das Erkenntnis betreffend die Aufhebung eines Bundesgesetzes ist dem Bundeskanzler, das Erkenntnis betreffend die Aufhebung eines Landesgesetzes ist jedenfalls dem jeweiligen Landeshauptmann zuzustellen. Diese Zustellungen an oberste Vollzugsorgane des Bundes und der Länder erzeugen zunächst eine individuell-konkrete Rechtsverbindlichkeit: Sie verpflichten die jeweiligen Adressaten zur Kundmachung des Spruchs im betreffenden Gesetzblatt. Für Verordnungs- und Gesetzesaufhebungen ist einerseits zwischen der Erlassung (mündlichen Verkündung und Zustellung) des Erkenntnisses des VfGH an die qualitativ voneinander verschiedenen Beteiligten am Verfahren und andererseits, gemäß dem Auftrag zur Kundmachung des Spruchs an die Regierungschefs, der Kundmachung des Spruchs der Aufhebung im Bundes- oder Landesgesetzblatt andererseits zu unterscheiden. Darin liegen verschiedene, nebeneinander bestehende Arten von Erlassungen des Erkenntnisses. Diese Arten von Erlassungen eines aufhebenden Erkenntnisses betreffen verschiedene Gegenstände und Rechtsverbindlichkeiten von unterschiedlicher Qualität, aber auch qualitativ verschiedenen Adressaten; einerseits die des Erkenntnisses und andererseits jene des Spruchs der Aufhebung. a. Rechtswirkungen der Zustellung Die Zustellung des Erkenntnisses über die Aufhebung eines Gesetzes oder einer Verordnung hat zwischen den am Verfahren Beteiligten ver-
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fahrensrechtliche Rechtswirkungen zur Folge. Durch die Zustellung gilt das Erkenntnis für die am Verfahren Beteiligten und für den VfGH verfahrensrechtlich als erlassen. Mit seiner Erlassung wird das Prozessrechtsverhältnis zwischen den Beteiligten (Parteien) und dem Gerichtshof beendet. Die rechtsgültig vollzogene Erlassung zieht für den VfGH und für die Parteien des Verfahrens Rechtskraft nach sich. Das bedeutet, dass von den Parteien in derselben Sache kein neuer Prüfungsantrag Rechtens eingebracht werden kann. Für sie gelten die Prinzipien: res judicata jus facit inter partes und ne bis in idem. Die Rechtskraft bedeutet nicht nur ein Wiederholungsverbot in derselben Sache, sondern auch die Bindung der Beteiligten am Verfahren (Parteien) und des VfGH an den Spruch über die Aufhebung.119 Für das Bescheidprüfungsverfahren sieht das VfGG im § 60 Abs. 1 und gemäß § 61 auch eine Fernwirkung der Aufhebung einer Verordnung für den formellen Antragsteller und gegebenen falls auch für die bescheiderlassende Behörde vor. Dazu führte der VfGH aus: „Den Art. 139 und 140 B-VG kann der Sinn abgelesen werden, dass über bestimmte Bedenken wegen einer Gesetzwidrigkeit einer bestimmten Verordnung bzw. die Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten Gesetzes (bestimmter Teile davon, Anmerkung des Verfassers) lediglich ein einziges Mal entschieden werden kann. Eine Entscheidung über dieselben Bedenken gegen dieselben Bestimmungen einer Verordnung bzw. eines Gesetzes schafft insofern nicht nur gegenüber dem Antragsteller, sondern nach allen Seiten hin Rechtskraft. In diesem Sinn entschied der VfGH wiederholt: (VfSlg. 5872/1968, 6550/1971, 9186/1981, 9217/1981, 10.311/1984, 13.085/1992, 14.136/1995, 14.356/ 1995, 14.711/1996, 15.199/1998, 15.223/1998, 15.293/1998).“ „Der VfGH hat über bestimmt umschriebene Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes nur ein einziges Mal zu entscheiden.“120 Die Bindung des VfGH an den Spruch seines Erkenntnisses entfaltet mit seiner Erlassung unter derselben Rechtslage also auch gegenüber Anträgen Dritter Rechtswirkungen: „Wie der VfGH wiederholt erkannte, ____________________
119 Zur Judikatur des Verfassungsgerichtshofes siehe Öhlinger – Hiesel, Verfassungsgerichtsbarkeit 2 (2001) 346 f, 144 ff. Siehe dazu auch Pöschl, Die Rechtskraft von Normprüfungserkenntnissen, in: Holoubek – Lang, Das verfassungsgerichtliche Verfahren in Steuersachen (1998) 113 ff und Rohregger –Schuch, Die Rechtswirkungen aufhebender Erkenntnisse im verfassungsgerichtlichen Normenprüfungsverfahren, in: Holoubek – Lang, aaO, 141. Schäffer, in: Rill – Schäffer, Bundesverfassungsrecht (2001), Komentar zu Art 140 B-VG, Rz. 83, Seite 92 ff. Schäffer, in: Rill – Schäffer, aaO, Kommentar zu Art 140, Rz. 83, Seite 92 f, handelt von einer „erweiterten Rechtskraftwirkung“, die auch die tragenden Entscheidungsgründe umfasst, Rz. 84, Seite 93. Siehe dazu ferner die Ausführungen in der Rz. 87, Seite 96 ff: „Die Bindung des Verfassungsgerichtshofes an seine eigenen Entscheidungen“. 120 VfSlg. 5872/1968.
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Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung
schafft eine Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes (nur) im Hinblick auf einen bestimmten Anfechtungsgrund (bestimmt umschriebene Bedenken) nach allen Seiten hin Rechtskraft.“121 b. Rechtswirkungen der Kundmachung Das B-VG und das VfGG unterscheiden den Gesetzgeber und den Verordnungsgeber als Adressaten der Aufhebung von den anderen Adressaten. Sie verpflichten den Bundeskanzler bzw. den zuständigen Landeshauptmann als Repräsentanten der rechtssetzenden Autorität (Gesetzgeber, Verordnungsgeber), aufgrund der Zustellung des Erkenntnisses und gemäß einem entsprechenden Auftrag des VfGH, zur unverzüglichen Kundmachung des Spruchs im Gesetzblatt, mit einer genauen Bezeichnung des Erkenntnisses des VfGH. Mit der Kundmachung erlangt der Spruch des durch die Aufhebung spezifizierten Erkenntnisses, neben seiner individuell-konkreten Verbindlichkeit zufolge der Zustellung für die Parteien des Verfahrens, also noch eine zweite, eine generell-abstrakte Verbindlichkeit (Art. 139 Abs. 5 und Art. 140 Abs. 5 B-VG). Der Spruch des VfGH über die Aufhebung einer Verordnung oder eines Gesetzes beinhaltet zumeist nur die Anordnung der Aufhebung von „bestimmten Stellen“ einer Verordnung oder eines Gesetzes (§ 57 Abs. 1 und § 62 Abs. 1, § 59 Abs. 2 und § 64 Abs. 1 VfGG), wie in den zwei Erkenntnissen aus den Jahren 2001 und 2005, von Wortfolgen eines Bundesgesetzes und einer Verordnung der Bundesregierung bzw. von Ortsbezeichnungen in zwei straßenpolizeilichen Verordnungen. Befristungen sind Teil des Spruchs. In ihrer sprachlich festgelegten Reichweite erlangen die aufhebenden Sprüche des Gerichtshofs infolge ihrer Kundmachung im Gesetzblatt mit Fristablauf dieselbe allgemeine Verbindlichkeit wie die aufgehobene Rechtsvorschrift. Verfügt der VfGH für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Rechtsvorschrift eine Frist, dann tritt die Verbindlichkeit der Aufhebung erst mit dem Ablauf der Frist ein. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände, mit Ausnahme des Anlassfalles, ist jedoch die Verordnung bzw. das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der VfGH nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der VfGH in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gesetzt, so ist die Verordnung auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden.122 ____________________
121
VfSlg. 13.179/1992. Oberndorfer, Die Verfassungsrechtsprechung im Rahmen der staatlichen Funktionen. Arten, Inhalt und Wirkungen der Entscheidungen über die Verfassungsmäßigkeit von Rechtsnormen, EuGRZ 15 (1988) 199 ff und 203 ff. 122
Der Verfassungsgerichtshof als „negativer Gesetzgeber“
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Die Kundmachung im Gesetzblatt schafft allerdings nur für den Spruch über die Aufhebung gegenüber allen Gerichten und Verwaltungsbehörden Rechtsverbindlichkeit (Art. 139 Abs. 6 und Art. 140 Abs. 7 B-VG). In der Bundesverfassung und im VfGG ist die allgemeine Verbindlichkeit ausdrücklich nur für den Spruch angeordnet, nicht jedoch auch für die Entscheidungsgründe. Die Entscheidungsgründe sind nicht im Gesetzblatt zu verlautbaren. Adressaten dieser verfassungsgesetzlichen Verbindlichkeitsanordnung für den Spruch sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden im Hinblick auf bereits verwirklichte und auf künftige Tatbestände nach Maßgabe des Ausspruchs des VfGH.123 Nach der Zustellung des Erkenntnisses an die vom VfGH zur Kundmachung „beauftragten“ Behörden besteht also ein erster Handlungsbedarf in der Kundmachung. Ein anderer Handlungsbedarf entsteht mit der erfolgten Kundmachung für den von der Aufhebung betroffenen Gesetzgeber und Verordnungsgeber. Diese sollen für die aufgehobene Vorschrift eine Ersatzregelung erlassen, um das von der Aufhebung betroffene Gesetz bzw. die betroffene Verordnung wieder voll anwendbar zu machen. Dabei ergibt sich die Frage nach der rechtlichen Erheblichkeit der Entscheidungsgründe für die zu schaffenden Ersatzregelungen. Bei Gesetzes- und Verordnungsaufhebungen sehen weder die Bundesverfassung noch das VfGG eine Bindung der Behörden an die Entscheidungsgründe vor.
II. Der VfGH als „negativer Gesetzgeber“ 1. Die Aufhebung von Gesetzen in der Judikatur des VfGH Gesetzes- und Verordnungsaufhebungen durch den VfGH bewirken das Außerkrafttreten der betreffenden Vorschrift. Sie wirken grundsätzlich nicht zurück, den Anlassfall ausgenommen. Der Spruch kann befristet oder unbefristet sein. Die befristete Aufhebung einer Gesetzesvorschrift kann erst aufgrund der Kundmachung und ab dem Fristablauf allgemein rechtsverbindlich werden. Das bedeutet, dass mit dem Inkrafttreten der Kundmachung bzw. mit dem Ablauf der im Spruch verfügten Frist die bisherige Regelung nur für Rechtsfälle außer Kraft tritt, die nach dem Ablauf der Frist neu konkretisiert werden; den Anlassfall ausgenommen. Der VfGH ist in diesem Sinn ein „negativer Gesetzgeber“.124 ____________________
123 Berchtold, Verwirklichte Tatbestände im Sinn des Art. 140 Abs. 7 B-VG, in: FS L. Adamovich (1992) 10 ff. 124 Oberndorfer, Die Verfassungsrechtsprechung im Rahmen der staatlichen Funktionen. Arten, Inhalt und Wirkungen der Entscheidungen über die Verfassungsmäßigkeit
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Die modifizierten Rechtswirkungen für das Außerkrafttreten einer aufgehobenen Rechtsvorschrift finden in der Judikatur des VfGH entsprechende Bestätigungen: „Die Wirkung eines Erkenntnisses des VfGH nach Art. 140 B-VG besteht in der Aufhebung des Gesetzes, das heißt in der Beendigung seiner künftigen Wirkung. Das Außerkrafttreten des Gesetzes lässt somit die unter seiner Geltung zustande gekommenen Vollzugsakte, ausgenommen die sogenannten Anlassfälle, unberührt.“125 „Nach den Bestimmungen des Art. 140 B-VG wirkt das Erkenntnis des VfGH lediglich auf den Rechtsfall zurück, der für den VfGH den Anlass zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens von Amts wegen ... gebildet hat. Im Übrigen wirkt ein Erkenntnis des VfGH, womit ein Gesetz oder eine bestimmte Stelle eines Gesetzes als verfassungswidrig aufgehoben werden, lediglich pro futuro, vom Tag des Wirksamkeitsbeginnes der Aufhebung an. Es dürfen daher die Gerichte und die Verwaltungsbehörden von der Anwendung des vom VfGH als verfassungswidrig erkannten Gesetzes nur bezüglich der Tatbestände absehen, die sich erst nach dem Wirksamkeitsbeginn des aufhebenden Erkenntnisses des VfGH ergeben haben. Hingegen sind die Gerichte und die Verwaltungsbehörden nicht nur berechtigt, sondern geradezu verpflichtet, das betreffende Gesetz, obgleich es vom VfGH als verfassungswidrig erkannt wurde, noch auf die Tatbestände anzuwenden, die vor dem Wirksamkeitsbeginn der Aufhebung liegen.“126 „Das gilt auch für den VfGH selbst (VfSlg. 3521/1959, 3575/1959) – sofern der VfGH gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG in seinem Erkenntnis nichts anderes ausspricht.“127 „Eine wegen Verfassungswidrigkeit aufgehobene Gesetzesbestimmung ist bis zum Ablauf der vom VfGH bestimmten Frist für das Außerkrafttreten zu einem verfassungsmäßig einwandfreien Bestandteil der Rechtsordnung geworden.“128 „Damit hat für den gleichen Zeitraum auch eine auf Grund eines wegen Verfassungswidrigkeit aufgehobenen Gesetzes erlassene Verordnung eine verfassungsrechtlich einwandfreie Deckung er____________________
von Rechtsnormen, EuGRZ 15 (1988) 203 ff. Siehe dazu auch Ermacora, Der Verfassungsgerichtshof (1956) 220, Pkt. 6 und FN 1, mit Hinweisen auf die Bedeutung der Verfassungsnovelle des Jahres 1929 zum Art. 140 in dieser Hinsicht und auf Äußerungen Kelsens zu diesem Begriff in den Jahren 1929 und 1931. In diesem Sinn, aus Anlass einer Gesetzesprüfung ausdrücklich auch VfSlg. 10.091/1984. 125 VfSlg. 3086/1958. 126 VfSlg. 1415/1947, 2412/1952, 2688/1954, 2839/1955, 2949/1956, 6078/1969, 7719/1975. 127 VfSlg. 8249/1978. 128 VfSlg. 4718/1964, 5310/1966, 6078/1969, 7719/1975.
Der Verfassungsgerichtshof als „negativer Gesetzgeber“
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halten, was aber ihre Gesetzwidrigkeit bis zur Kundmachung der Gesetzesaufhebung im BGBl unberührt lässt.“129 Die Reichweite der Verbindlichkeit einer Gesetzesaufhebung richtet sich nach dem Spruch. 130 Dieser hat das Außerkrafttreten der aufgehobenen Vorschrift zur Folge. Daher kann der Gesetzgeber ungeachtet einer gegenwärtigen oder künftigen Aufhebungswirkung des Spruchs, anstelle der aufgehobenen Vorschrift (von bestimmten Teilen), nach seinem Ermessen jederzeit eine Ersatzregelung beschließen. Für die Reichweite der Verbindlichkeit des Spruchs über die Aufhebung einer Verordnung (bzw. bestimmter Stellen davon) gilt gegenüber dem Verordnungsgeber Vergleichbares. Verordnungsgeber sind als verfassungsunmittelbare Rechtssetzungsautoritäten dem Gesetzgeber zugeordnet und in diesem Sinn ein eigenständiges Gegenüber zum VfGH. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass den Verordnungen im Rechtsquellengefüge der Verfassung gemäß Art. 18 B-VG ein den Gesetzen nachgeordneter Rang zukommt. Prüfungsmaßstab für Ersatzregelungen von Gesetzen ist unmittelbar das B-VG. Prüfungsmaßstab für Verordnungen ist hingegen das einfache Gesetzesrecht. Die Gesetze gehen den Verordnungen nicht nur inhaltlich sondern auch zeitlich vor. Verordnungen oder bestimmte Stellen von Verordnungen, als Ersatz für aufgehobene Vorschriften, müssen gesetzmäßig sein. Verordnungen sind gleich den Gesetzen nicht der Rechtskraft fähig. Das bedeutet aber für den VfGH keinen Unterschied. Der Verordnungsgeber ist im Sinn der Gewaltenteilung des B-VG zur abgeleiteten materiellen Gesetzgebung berufen und gemäß Art. 18 B-VG, vergleichbar dem Gesetzgeber, ein verfassungsunmittelbares Organ und ein Gegenüber zum VfGH.131 Der VfGH will den Gesetzgeber in der Ausübung seiner Kompetenz aber einschränken, wenn dieser durch wiederholtes Inkraftsetzen einer aufgehobenen Vorschrift, einem anhängigen Prüfungsverfahren des VfGH entgegenwirken will: „Im Allgemeinen hat die Anhängigkeit eines Verfahrens zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes beim VfGH keinen rechtlichen Einfluss auf die Tätigkeit des Gesetzgebers. Er kann seine Funktion ohne Rücksicht auf das pendente Prüfungsverfahren in jeder Richtung aus____________________
129
VfSlg. 5310/1966. Oberndorfer, Die Verfassungsrechtsprechung im Rahmen der staatlichen Funktionen. Arten, Inhalt und Wirkungen der Entscheidungen über die Verfassungsmäßigkeit von Rechtsnormen, EuGRZ 15 (1988) 203 f. 131 Siehe dazu die mit zahlreichen bekräftigenden Nachweisen aus der Judikatur des VfGH ausgestattete Studie von Stolzlechner, Möglichkeit und Grenzen der Bindung oberster Verwaltungsorgane bei der Verordnungserlassung, in: FS G. Winkler (1997) 1161 ff. 130
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Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung
üben, insbesondere kann er ein in Prüfung stehendes Gesetz (eine in Prüfung stehende Gesetzesbestimmung) aufheben oder abändern und dadurch auf das Normenkontrollverfahren Einfluss nehmen, etwa mit dem Ergebnis, dass der VfGH (nach Maßgabe der Art. 140 Abs. 4 B-VG) nicht die Aufhebung des geltenden Gesetzes auszusprechen, sondern bloß die Verfassungswidrigkeit des außer Kraft getretenen Gesetzes festzustellen hat. Diese Schrankenlosigkeit in der Funktionsausübung besteht jedoch jedenfalls insofern nicht, als der Gesetzgeber die mit der in Prüfung stehenden Vorschrift völlig inhaltsgleiche Bestimmung rückwirkend in der erweislichen oder doch vom Ergebnis her erschließbaren Absicht erlässt, ein anhängiges Gesetzesprüfungsverfahren ganz order teilweise zu vereiteln; in diesem Fall handelt der Gesetzgeber im Hinblick auf die Zielsetzung des Art. 140 B-VG verfassungswidrig, eine umfassende Kontrolle der Legislative auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu gewährleisten. (Hervorhebung vom Verfasser) Der VfGH nimmt hier nochmals auf Abs. 2 in Art. 140 und in Art. 139 B-VG Bezug, die … hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens Ausdruck des Grundgedankens sind, dass das Verwaltungsorgan in ein vom VfGH amtswegig eingeleitetes Gesetzes- oder Verordnungsprüfungsverfahren nicht prozeßhindernd eingreifen darf. … Umso mehr muss nach der Auffassung des VfGH der beschriebene Grundsatz jedoch dann zum Tragen kommen, wenn der auf die Prozesshinderung abzielende Eingriff verfassungswidrig ist und von jenem Staatsorgan ausgeht, dessen Akt Gegenstand der eingeleiteten Prüfung durch den VfGH ist. Aus diesen Erwägungen folgt zunächst, dass der VfGH das eingeleitete Verfahren zur Prüfung … trotz deren materieller Derogation … fortzusetzen und im Fall der Verfassungswidrigkeit der in Prüfung gezogenen Vorschriften auszusprechen hat, dass sie verfassungswidrig waren. Weiters folgt aus den vorstehenden Ausführungen, dass der VfGH, um die ihm aufgetragene Kontrollfunktion wahrnehmen zu können, in sinngemäßer Anwendung der seine Funktion als Gesetzesprüfungsgericht festlegenden Vorschriften jenen gesetzgeberischen Akt zu beseitigen hat, der zum Zweck erlassen wurde, den Weg zur amtswegig eingeleiteten Gesetzesprüfung zu versperren. Die Einleitung eines neuen, gesonderten Gesetzesprüfungsverfahrens hiezu ist nicht erforderlich. Dies einerseits deshalb nicht, weil die Absicht der Hinderung der Gesetzesprüfung feststeht, und andererseits der Gesichtspunkt der Wahrung rechtlichen Gehörs nicht zum Tragen kommt, da die Rückwirkung der erlassenen Bestimmungen … mit jenen inhaltsgleich sind, die den Gegenstand des aus Anlass der Beschwerdesache B 134/82 eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahrens bilden.“132 ____________________
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VfSlg. 10.091/1984, G 73/84, G 74/84 vom 28. Juni 1984.
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Anmerkung zu diesem Erkenntnis: Die These des letzten Satzes entbehrt einer Rechtsgrundlage im VfGG. Auch amtswegige Prüfungsverfahren sind Parteienverfahren. Diese müssen im Sinn des Art. 6 der EMRK in einer rechtsstaatlich einwandfreien Art und Weise durchgeführt werden. Gesetzlich verfügte Rückwirkungen müssen auch dann gesondert geprüft und aufgehoben werden, wenn der Gesetzgeber sich der Kontrolle des VfGH entziehen will. Ein Beharrungsbeschluss des Gesetzgebers bedeutet nicht zwangsläufig auch schon eine willkürliche Behinderung des Prüfungsverfahrens. Der VfGH kann sich nämlich auch irren und ein Irrtum des VfGH verpflichtet den Gesetzgeber nicht zu einer absoluten Gefolgschaft. Andererseits muss der Gesetzgeber dem Normadressaten Rechtssicherheit gewährleisten. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass eine rückwirkende Rechtsvorschrift wegen Verfassungswidrigkeit unter Umständen dennoch aufzuheben ist.
2. Rechtswirkungen der Aufhebung von Bescheiden Das B-VG und das VfGG regeln die Befugnisse des VfGH jeweils für sich abgeschlossen, in gesonderten Kompetenztatbeständen. Das bedeutet, dass die Vorschriften über eine bestimmte Zuständigkeit des VfGH nur für diesen Zuständigkeitsbereich gelten. Das gilt auch für die weitgehend wörtlich übereinstimmenden Parallelregelungen für Gesetzes- und Verordnungsaufhebungen gemäß Art. 139 und 140 B-VG. Für diese schreibt das B-VG die Bindung aller Gerichte und Verwaltungsbehörden nur an den Spruch ausdrücklich vor. Von einer gleichartigen Bindung der Erzeuger der Rechtsquelle an die Entscheidungsgründe ist keine Rede. Im Hinblick auf die Ausdrücklichkeit der Anordnungen des B-VG und des VfGG über die Zuständigkeiten des VfGH wäre es verfehlt, die Vorschrift des VfGG über die Bindung der belangten Behörde für den Fall der Aufhebung eines Bescheides gemäß Art. 144 B-VG ohne eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage an die in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck kommende Rechtsanschauung des VfGH oder an die Gründe der Verordnungsaufhebung zu binden und in diesem Sinn auch auf den Gesetzgeber bzw. auf den Verordnungsgeber zu erstrecken. Jedem Verordnungsgeber kommt gemäß Art. 18 Abs. 2 B-VG (vergleichbar dem Gesetzgeber) eine verfassungsunmittelbare Eigenständigkeit zu. Von den Folgen der Aufhebung eines Gesetzes (bzw. einer Verordnung) unterscheiden sich nämlich die gesetzlich geregelten Rechtswirkungen der Aufhebung von Bescheiden aufgrund von Bescheidbeschwerden wesentlich. Die Rechtswirkungen sind nur individuell-konkret. Für den Anlassfall reichen sie aber über die prozessrechtlichen Folgen einer enderledigenden letztinstanzlichen Entscheidung hinaus auch in den kon-
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Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung
kreten Prüfungsgegenstand hinein. § 87 Abs. 2 VfGG schreibt als Folgewirkung einer Bescheidaufhebung nach Art.144 B-VG vor: „Wenn der Verfassungsgerichtshof einer Beschwerde stattgegeben hat, sind die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.“133 Bei Verordnungsaufhebungen ist im § 60 Abs. 1 VfGG ein Antragsteller (Gerichtes) bei seiner Entscheidung über die anhängige Rechtssache an die Rechtsanschauung gebunden, die der VfGH in dem Erkenntnis über die Verordnung ausgesprochen hat, nicht jedoch der Verordnungsgeber. Bei Gesetzesund Verordnungsaufhebungen ist für alle Gerichte und Verwaltungsbehörden durch das B-VG die Bindung ganz allgemein nur an den veröffentlichten, generell-abstrakt verbindlichen Spruch vorgesehen. Weder für den Gesetzgeber noch für den Verordnungsgeber gibt es eine ausdrückliche oder sinngemäß anzuwendende Rechtsvorschrift des B-VG oder des VfGG über eine Bindung an die Entscheidungsgründe. Für die Aufhebung von Bescheiden gelten auch bei Verordnungsprüfungen besondere Vorschriften. Bei diesen ist die belangte bzw. antragstellende Behörde an die Rechtsanschauung des VfGH zur Aufhebung gebunden. Was für Bescheidprüfungen gemäß Art. 144 B-VG und für Anlass-Fallentscheidungen gilt, kann angesichts der speziell konzipierten Regelung über die Rechtswirkungen eines aufhebenden Erkenntnisses in den Art. 139 und 140 B-VG aber nicht als eine allgemeiner Maßstab auf die Gesetzes- und Verordnungsaufhebungen übertragen werden. Für die zwei Bescheidbeschwerden, die für die Aufhebungen in den Jahren 2001 und 2005 als Anlassfälle fungierten, ist diese Besonderheit jedoch ohne Bedeutung. Der VfGH hat nämlich den zwei Bescheidbeschwerden nicht stattgegeben. Sein Spruch lautete zwei Mal auf Abweisung. Die Aufhebung der Rechtsgrundlagen war für diesen Spruch der Abweisung unerheblich. Daraus kann weder für die am Bescheidprüfungsverfahren des VfGH beteiligte bescheiderlasssende Behörde noch für den Verordnungsgeber eine rechtliche Bindung entstehen. Das gilt auch für den vorliegenden Fall, in welchem die Bezirksverwaltungsbehörde sowohl bescheiderlassende Behörde als auch Verordnungsgeber war. Für abweisende Erkenntnisse über Bescheidbeschwerden können aus der Aufhebung der aus ihrem Anlass geprüften Rechtsvorschriften für die den Bescheid erlassende Behörde keine Rechtsfolgen abgeleitet werden. ____________________
133 Oberndorfer, Die Verfassungsrechtsprechung im Rahmen der staatlichen Funktionen. Arten, Inhalt und Wirkungen der Entscheidungen über die Verfassungsmäßigkeit von Rechtsnormen, EuGRZ 15 (1988) 204 ff.
Entscheidungsgründe und ihre Verbindlichkeit
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In diesem Sinn entstand für die Straßenpolizeibehörde, als Verordnungsgeber des Landes Kärnten, im Hinblick auf die Bestätigung des Zusammenhanges von Straftat und rechtmäßiger Bestrafung durch den VfGH, trotz der Aufhebung von Wortfolgen bzw. Worten in den geprüften Rechtsvorschriften, aus den Bescheidaufhebungen kein wie immer gearteter Handlungsbedarf. Der VfGH hat in den Entscheidungsgründen seiner Erkenntnisse über die Bescheidbeschwerden zwar auch auf die damit verbundenen Verordnungsprüfungen von Amts wegen verwiesen; im Jahr 2001 ausführlich und im Jahr 2005 bloß durch einen Hinweis auf den Inhalt des Erkenntnisses aus dem Jahr 2001. Beide Aufhebungen waren aber für die Entscheidungen des VfGH über die zwei Bescheidbeschwerden nicht rechtserheblich. Für sie war ein straßenpolizeilich erhebliches rechtswidriges Verkehrsverhalten des Beschwerdeführers der ausschließliche Gegenstand des Verfahrens, nicht jedoch die Rechtsfrage der mehrsprachigen Ortsnamen auf den Ortstafeln von St. Kanzian und Bleiburg gemäß dem VolksgruppenG. Ihre Aufhebung war keine notwendige Voraussetzung für die Entscheidungen des VfGH über die Bescheidbeschwerden. Der Spruch in den zwei Erkenntnissen über die Strafbescheide lautete auf Abweisung der Beschwerde. Das bedeutet indirekt eine Feststellung der Rechtmäßigkeit der den Erkenntnissen über die Beschwerden gegen Strafbescheide durch den VfGH als maßgeblich befundenen Rechtsgrundlage. Für die bescheiderlassende Behörde konnte aus der folgenlosen Aufhebung kein wie immer gearteter Handlungsbedarf entstehen.
III. Die Entscheidungsgründe und ihre Verbindlichkeit 1. Die Entscheidungsgründe aus dem Jahr 2001 in ihrer Bedeutung für die Entscheidungsgründe aus dem Jahr 2005 Zum Unterschied vom Spruch der Aufhebung von Verordnungen und Gesetzen werden die Entscheidungsgründe dazu nicht allgemein rechtsverbindlich. Sie sind zwar wesentliche Bestandteile eines Erkenntnisses zur Aufhebung, werden aber weder spruchförmig beschlossen noch als Spruch im Gesetzblatt kundgemacht. Daher erlangen sie nur die durch die Zustellung des Erkenntnisses ausgelöste verfahrensrechtliche Erheblichkeit gegenüber den Beteiligten am Verfahren gemäß den besonderen Vorschriften des VfGG. Entscheidungsgründe sind Ausdruck der Rechtsanschauung des VfGH zu den von einer Aufhebung betroffenen Rechtsvorschriften; und zwar bezogen auf den Anlassfall. Sie können aber dennoch für gleichartige Fäl-
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le in der Zukunft Beispielswirkungen entfalten. Der VfGH hat nämlich die Gepflogenheit, sich in gleichartigen Fällen auf seine Rechtsanschauung zu zentralen Fragen in den Entscheidungsgründen älterer Erkenntnisse zu berufen. Maßgebliche Rechtsanschauungen werden dann entweder wiederholt oder es wird auf sie bloß verwiesen und sie werden dann nicht mehr neu ausgeführt. Wie seine Erkenntnisse über Verordnungsund Gesetzesprüfungen zum Minderheitenschutz gemäß Art. 7 des Staatsvertrages aus den Jahren 2001 und 2005 zeigen, begnügte sich der VfGH damit, in den Entscheidungsgründen auf die Entscheidungsgründe einer oder mehrerer Vorentscheidungen bloß zu verweisen. „Ferner nahm der Verfassungsgerichthof – unter Hinweis auf die entsprechenden Erwägungen im Erkenntnis VfSlg. 16.404/2001, S. 1003, Pkt. 1. 3. 2. 1., – vorläufig an, dass die im Spruch bezeichneten Verordnungsbestimmungen im vorliegenden Zusammenhang präjudiziell sind und – da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorzuliegen scheinen – das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig ist.“ „Damit erweisen sich aber die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen im vorliegenden Zusammenhang als präjudiziell iSd. Art. 139 Abs. 1 B-VG.“ Oder: „Der Verfassungsgerichtshof sieht sich durch dieses Vorbringen nicht veranlasst, von seiner im Erkenntnis VfSlg. 16.404/2001, das ua. ein Verordnungsprüfungsverfahren betraf, das in allen wesentlichen Belangen mit dem hier vorliegenden vergleichbar ist, vertreten und dort ausführlich (insbesondere mit zahlreichen Hinweisen auf die Vorjudikatur) begründeten Rechtsauffassung abzugehen, der zufolge eine Ortschaft, die über einen längeren Zeitraum betrachtet bei den Volkszählungen einen Minderheitenprozentsatz von mehr als 10 % aufweist, als Verwaltungsbezirk mit gemischter Bevölkerung iSd. Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz StV Wien zu qualifizieren ist (V 64/05 vom 12. Dezember 2005).“134 Kommentar: Die Erkenntnisse des VfGH haben an und für sich den Rang von richterlichen Urteilen. Diese entfalten in aller Regel nicht die Kraft von Gesetzen. Doch so einfach ist es wiederum auch nicht. Einerseits gibt es die ständige Judikatur in vergleichbaren Einzelfällen auf derselben Rechtsgrundlage und andererseits haben die auf sie gegründeten Aussprüche des VfGH zu Verordnungs- und Gesetzesaufhebungen durch ihre Kundmachung im Gesetzblatt einen Verstärkungseffekt für sachlich und rechtlich vergleichbare spätere Anlassfälle. ____________________
134 Siehe zum Erk. VfSlg. 16.404/2001 die kritischen Anmerkungen bei Winkler, Zweisprachige Ortstafeln und Volksgruppenrecht, Forschungen aus Staat und Recht 140 (2002) 27 ff.
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Die Verfassung schreibt nur für den Spruch einer Verordnungs- und Gesetzesaufhebung mit der Kundmachung im Gesetzblatt eine über den Anlassfall hinausreichende, allgemeine Verbindlichkeit vor. Für eine rechtliche Verpflichtungskraft der Entscheidungsgründe in den Vorentscheidungen des VfGH über den Anlassfall hinaus fehlt eine derartige verfassungsgesetzliche Grundlage. Praktisch besteht aber dennoch eine Art von Fernwirkung von zentralen Rechtsanschauungen zu Gesetzes- und Verordnungsaufhebungen in den Vorentscheidungen. Dabei ist beachtlich, dass nur der Spruch über die Aufhebung einer Verordnungs- oder Gesetzesbestimmung im Gesetzblatt kundzumachen ist und die Gerichte und Verwaltungsbehörden kraft ausdrücklicher verfassungsgesetzlicher Anordnung nur daran gebunden sind. Für die Entscheidungsgründe, mögen sie als Rechtsanschauungen des VfGH auch von grundsätzlicher Bedeutung und normativ formuliert sein, fehlt eine Verfassungsvorschrift über Kundmachung und Verbindlichkeit. Die Entscheidungsgründe für Verordnungs- und Gesetzesaufhebungen sind im B-VG nicht erwähnt. Sie werden nicht im Gesetzblatt kundgemacht. Ihnen fehlt daher die Verbindlichkeit des Spruchs. Für die Erkenntnisse des VfGH zu Verordnungs- und Gesetzesprüfungen gilt, was auch auf die Erkenntnisse der anderen Höchstgerichte zutrifft. Infolge ihrer Erlassung durch Zustellung an die Verfahrensparteien erwachsen sie diesen gegenüber in Rechtskraft. Ihr Spruch wird zwar allgemein verbindlich kundgemacht, ihre Entscheidungsgründe sind aber nur für den jeweiligen Anlassfall und für diesen vor allem verfahrensrechtlich rechtserheblich. Doch höchstrichterliche Erkenntnisse sind letztinstanzlich und endgültig. Deshalb entfalten auch die in den Entscheidungsgründen ausgedrückten Rechtsanschauungen des VfGH weiterreichende Rechtswirkungen als jene in den Urteilen von unteren Gerichten. Ungeachtet der verfahrensrechtlichen Reichweite ihrer Rechtskraft für den Einzelfall kann eine Rechtsanschauung des VfGH in den Entscheidungsgründen von Erkenntnissen für die Zukunft weitreichende Beispielswirkungen entfalten. Typische Entscheidungsgründe aus Vorentscheidungen werden vom VfGH auf vergleichbare Fälle gleichartig angewendet. Mit ihrer Übernahme in die Entscheidungsgründe späterer Erkenntnisse erlangen sie eine über den Anlassfall hinausreichende Erheblichkeit. Bei vergleichbaren Rechtslagen verweist der VfGH auf signifikante rechtssatzförmige Begründungen in seinen Vorentscheidungen. Daraus entstehen im Lauf der Zeit thematisch geschlossene Ketten aufeinander bezogener Bekräftigungen und Ergänzungen von signifikanten Rechtsanschauungen, die nicht zuletzt wegen ihrer normativen Ausdrucksform zur ständigen Judikatur werden. In den Entscheidungsgründen der Erkenntnisse
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des VfGH heißt es zu solchen Formeln immer wieder: wie der VfGH bereits in seinem Erkenntnis … festgestellt hat, oder: der Verfassungsgerichtshof sieht sich nicht veranlasst, von seiner ständigen Rechtsprechung abzugehen; oder: der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner bisherigen Rechtsprechung. Für gleichartige Rechtsfragen in späteren Erkenntnissen verschafft ihnen der VfGH derart de facto die Wirkungen von Rechtsverbindlichkeit. Zwischen der Rechtslage und der Praxis zeigt sich also eine Diskrepanz: hier die Regelungen über die auf den Spruch eingeschränkten Rechtsfolgen einer durchsetzbaren Verbindlichkeit und da die allgemeinen Gepflogenheiten des VfGH, Entscheidungsgründe aus älteren Vorentscheidungen zu vergleichbaren Anlassfällen als Vorentscheidungen (Präzedenzien, Präjudizien) in Ketten miteinander zu verbinden. Diese Diskrepanz ruft substanzielle Fragen hervor: Darf der VfGH von einer einmal eingeschlagenen, ständigen Judikatur auch abgehen, wenn er zu einer anderen Rechtsauffassung gelangt? Was gilt, wenn eine rechtliche Begründung des VfGH verfehlt ist? Muss sich der Gesetzgeber bzw. der Verordnungsgeber mit einer rechtlich verfehlten Begründung abfinden, mag sie auch wie ein Rechtssatz formuliert sein? Kann die Präjudizienpraxis des VfGH, ausgedrückt in Ketten von normativ formulierten gleichartigen Entscheidungsgründen, eine ausdrückliche Verbindlicherklärung von Regelungsinhalten gegenüber dem Gesetzgeber (bzw. Verordnungsgeber) erzwingbar machen oder eine Neuregelung durch den zuständigen Rechtserzeuger etwa gar ersetzen?
2. Leitsätze und Rechtssätze Erkenntnisse des VfGH werden jährlich in einer amtlichen Entscheidungssammlung veröffentlicht. Darin sind die Erkenntnisse nach einem bewährten Schema aufgebaut: Kopf, Spruch, Sachverhalt und Entscheidungsgründe. Der „Kopf“ besteht aus einer fortlaufenden Zahl der Erkenntnisse in der Sammlung und aus Inhaltsangaben im Fettdruck. Darauf folgen der Spruch, der Sachverhalt und die Entscheidungsgründe. Die Erkenntnisse des VfGH sind aber auch über die Rechtsdatenbank des Bundeskanzleramtes (RIS)135 der Öffentlichkeit zugänglich. Für den Volltext (Text) und für die Kurzfassung eines Erkenntnisses gibt es in der Rechtsdatenbank nach einem einheitlichen Schema folgende Begriffe der Einteilung: Typ, Geschäftszahl, Norm, Leitsatz, Spruch, Begründung, Schlagworte und Dokumentennummer. ____________________
135
www.ris.bka.gv.at.
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Der „Spruch“ und die „Entscheidungsgründe“ in diesen Veröffentlichungen sind Rechtsbegriffe, die dem B-VG bzw. dem VfGG entstammen. Die in der Rechtsdatenbank des BKA überdies noch verwendeten Begriffe „Norm“, „Rechtssatz“ und „Leitsatz“ sind hingegen bloß arbeitstechnische Begriffe, die dem Benutzer der Rechtsdatenbank den Zugang zu typischen Inhalten der Erkenntnisse erleichtern sollen. Ein „Leitsatz“ beinhaltet Hinweise auf maßgebliche Inhalte eines Erkenntnisses oder Beschlusses. In einem „Leitsatz“ werden wesentliche Inhalte des Erkenntnisses dargestellt. Der Leitsatz ist vorwiegend deskriptiv formuliert. Ein rein arbeitstechnischer „Rechtssatz“ hingegen beinhaltet neben dem Spruch auch signifikante Entscheidungsgründe aus dem Erkenntnis bzw. Beschluss eher in einer normativen Ausdrucksform. Die arbeitstechnischen Kategorien „Leitsatz“ und „Rechtssatz“ führen zur Frage nach ihrer rechtlichen Bedeutung im Verhältnis zum Rechtsbegriff „Spruch“. Weder in den Vorschriften des VfGG noch in der GO sind diese Kategorien vorgesehen. Dennoch wirken solche „Rechtssätze“ bzw. „Leitsätze“ wie verbindliche Wegweiser in die Judikatur des VfGH. Ein arbeitstechnischer „Rechtssatz“ ist normativ formuliert. In einem solchen „Rechtssatz“ ist neben dem Spruch im Rechtssinn (der Stattgebung, Abweisung, Zurückweisung und Aufhebung) auch der maßgebliche Rechtsgrund dafür angegeben. Die als „Rechtssatz“ normativ formulierten tragenden Entscheidungsgründe haben aber nicht die Verbindlichkeit des Spruchs für Aufhebungen von Gesetzen und Verordnungen oder für Kompetenzfeststellungen gemäß Art. 138 Abs. 2 B-VG. Die in einem aufhebenden Erkenntnis rechtssatzförmig formulierten maßgeblichen Entscheidungsgründe sind als Bestandteile des Erkenntnisses zwar rechtserheblich, sie sind aber nicht von derselben durchsetzbaren Verbindlichkeit wie der Spruch. Zum Unterschied vom „Spruch“ im Rechtssinn kann ein „Rechtssatz“ aus den Entscheidungsgründen nicht in Rechtskraft erwachsen. Dasselbe gilt für einen „Leitsatz“. „Rechtssatz“ und „Leitsatz“, die in der Rechtsdatenbank als Einteilungsbegriffe verwendet werden, sind entweder wörtlich oder sinngemäß wiedergegebene Bestandteile von Entscheidungsgründen wegen ihrer Bedeutung für den Spruch. Ihre gesonderte Hervorhebung in den Veröffentlichungen der Erkenntnisse stammt nicht vom VfGH. „Rechtssatz“ und „Leitsatz“ sind auch nicht gesetzlich vorgesehen. Sie werden von den Bearbeitern der amtlichen Sammlung der Entscheidungen konzipiert. Sie haben die Funktion von Ordnungsbegriffen zur Systematisierung. Was mit solchen Begriffen gemeint sein kann, ist also nur die Tatsache, dass sie der beschreibenden Wiedergabe von wichtigen Sätzen oder von durch die Re-
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daktoren als wichtig erachteten Inhalten der Entscheidungsgründe eines Erkenntnisses dienen. 136 Durch das Prädikat „Rechtssatz“ oder „Leitsatz“ erhalten vor allem die normativ formulierten Hervorhebungen aus den Entscheidungsgründen den Anschein einer Rechtsverbindlichkeit, die ihnen verfassungsrechtlich nicht zugewiesen ist. Solche „Rechtssätze“ und „Leitsätze“ ähneln zwar den echten Rechtssätzen eines Gesetzes. Sie können auch generell-abstrakt, also „normativ“ formuliert sein; teilweise sind sie auch nur deskriptive Inhaltsangaben. Sie haben aber keinesfalls dieselbe Verbindlichkeit wie die Rechtsgrundlage, zu welcher sie als Rechtsanschauungen konzipiert sind. Solchen „Rechtssätzen“ und „Leitsätzen“ kommt auch dann kein Verfassungsrang zu, wenn sie der Interpretation einer bestimmten Vorschrift der Verfassung dienen. Aus Anlass der Wahrnehmung einer seiner Kompetenzen ist der VfGH nach der Bundesverfassung im Allgemeinen nur zur Auslegung und nicht zur generell-abstrakten Rechtsetzung berufen. Seine Entscheidungsgründe können als Rechtsanschauungen des VfGH zwar für vergleichbare spätere Fälle beispielhaft sein, also wegweisend wirken, ihnen fehlt aber die generell-abstrakte (Verfassungs-) Verbindlichkeit als Gesetz oder Verordnung. Verbindlichkeit als echter Rechtssatz haben nur der formale Spruch einer Verordnungs- oder Gesetzesaufhebung gemäß den Art. 139 und 140 B-VG und der Rechtssatz zur Kompetenzfeststellung gemäß Art. 138 Abs. 2 B-VG durch ihre Kundmachung im Gesetzblatt. Man kann daher generell-abstrakt und normativ formulierte Zitate aus den Entscheidungsgründen zwar umgangssprachlich „Rechtssätze“ nennen, man muss dabei aber bedenken, dass sie keine Rechtssätze im Rechtssinn sind, sondern nur als grundsätzlich bedeutsam und beispielgebend erachtete Rechtsanschauungen des VfGH. Die bloß so genannten, arbeitstechnischen Rechtssätze haben nicht selten das Erscheinungsbild von generell-abstrakten Vorschriften. Sie sind zur Erklärung von solchen ähnlich abstrakt und normativ formuliert. In dieser Qualität dienen sie nicht nur der Wissenschaft und Praxis, sondern vor allem dem VfGH selbst als Wegweisungen in die Interpretation derselben Rechtsvorschriften. Das ist an und für sich sinnvoll, doch solche Rechtssätze laden zu Verallgemeinerungen von Rechtsanschauungen zu Einzelfallentscheidungen ein, die in ihren Aneinanderreihungen, losgelöst von den Anlassfällen, wie Gesetzesrechtssätze wirken, deren Verbindlichkeit kaum einmal hinterfragt wird. Wiederholungen und Ergänzungen von Rechtssätzen zu konkreten Anlassfällen werden in kettenhaften Aneinanderreihungen zu regelhaften Vorentscheidungen (Präzedenzien, Prä____________________
136 Als Beispiel siehe dazu die Kurzfassung und den vollen Text des Erkenntnisses G 213/ 01, V 62, 63/01, vom 13. Dezember 2001, VfSlg. 16.404/2001, in der Rechtsdatenbank.
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judizien) mit der faktischen Rechtswirksamkeit von Gesetzesrecht. Begründungen in nicht wenigen Erkenntnissen des VfGH erhalten als Verselbständigungen und Verallgemeinerungen von wesentlichen Entscheidungsgründen in Rechtssatzform durch aufeinander folgende Verweisungen, weit über die konkreten Einzelfälle hinaus den Stellenwert von generell-abstrakten Regeln, mit dem Eigenleben von Rechtssätzen im Erscheinungsbild von Verordnungs-, Gesetzes- oder sogar Verfassungsrecht. Darin liegt ein stetig anwachsendes Potential einer faktischen richterlichen Rechtserzeugung durch Präzedenzfälle.137 In den Vorentscheidungen zur Ortstafeljudikatur aus den Jahren 2001 und 2005 ist die Praxis des VfGH zur Ausweitung seiner Kompetenzen im Weg der Rechtsfortbildung durch Fallrecht bereits eine Selbstverständlichkeit geworden. Eine solche Tendenz zur materiellen Gesetzgebung entspricht allerdings nicht der Verfassung. In den Zuständigkeitstatbeständen für den VfGH sind „die Kompetenzen … des Verfassungsgerichtshofes … durch das B-VG erschöpfend umschrieben“.138 Das gilt vor allem für die durch Interpretation nicht erweiterbaren Begrenzungen der Zuständigkeiten des VfGH gemäß dem VfGG und dem B-VG. Rechtssätze gemäß Art. 138 Abs. 2 B-VG sind demgegenüber erzwingbar rechtsverbindlich. Sie sind daher von den oben geschilderten „Rechtssätzen“ in den Entscheidungsgründen wesentlich verschieden. Sie ergehen als förmlicher Spruch und müssen vom Gerichtshof in seinen Erkenntnissen auch als solche beschlossen worden, formuliert und bezeichnet sein. Der VfGH ist durch die Verfassung nur ausnahmsweise dazu berufen, die von ihm interpretierten Rechtsquellen durch einen materiellen Rechtssatz entweder der Kompetenz des Bundes- oder des Landesgesetzgebers rechtsverbindlich zuzuordnen.139
3. Die „Verbindlichkeit“ von Entscheidungsgründen Die Zuständigkeit des VfGH zur Auslegung eines Gesetzes bzw. einer Verordnung anlässlich ihrer Prüfung und Aufhebung findet ihren Erklärungsgrund in der Eigenart von Gesetzen bzw. Verordnungen. Sie gipfelt im Spruch über die Aufhebung, der im Gesetzblatt kundzumachen ist. Damit tritt der Spruch in Kraft, dh. er erlangt Geltung und Verbindlichkeit wie die aufgehobene Rechtsvorschrift. Wie aber steht es mit den einem Erkenntnis zugrunde liegenden Entscheidungsgründen? Gesetze sind ____________________
137 Dazu aufschlussreich Spielbüchler, Grundrecht und Grundrechtsformel, FS H. Floretta (1983) 289 ff, 292 ff. 138 VfSlg. 1454/1932, 7376/1976. 139 VfSlg. 3314/1958.
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ihrem Inhalt nach generell-abstrakte Regelungen und als solche Ausdruck von allgemeiner Geltung und Verbindlichkeit des Rechts. Deshalb erfordern sie eine gleichförmige Interpretation und Anwendung durch den VfGH. Interpretationen beziehen sich auf die gesetzlichen Zuständigkeiten und das Verfahren des VfGH ebenso wie auf die Inhalte von angewendeten und geprüften Gesetzen und Verfassungsvorschriften. Interpretationen von Gesetzesinhalten finden in den Entscheidungsgründen der Erkenntnisse des VfGH ihren Niederschlag. Wie die vorangehenden Ausführungen über die Begriffe „Rechtsatz“ und „Leitsatz“ zu den veröffentlichten Erkenntnissen des VfGH zeigen, pflegt der VfGH wesentliche Gründe seiner Entscheidungen, abgehoben von den Besonderheiten des zu entscheidenden konkreten Anlasses, thesenhaft und abstrakt zu formulieren. Diese thesenhaften Sätze haben sprachlich das Gepräge von Gesetzesrechtssätzen. Sie entsprechen in ihrer normativen Ausdrucksform rein äußerlich nicht selten den Rechtssätzen in den interpretierten Vorschriften der Gesetze und der Verfassung. Derart vermitteln rechtssatzförmig formulierte Entscheidungsgründe der Erkenntnisse des VfGH den Anschein von materiellem Gesetzesrecht, obwohl ihnen durch die Verfassung nicht die Verbindlichkeit von Gesetzen zugewiesen ist. Sie haben nicht die rechtliche Qualität des auf sie gestützten Spruchs über die Aufhebung. Rechtssatzförmige Interpretationen von Gesetzen in den Entscheidungsgründen der Erkenntnisse des VfGH nehmen durch ihre Wiederholungen rein optisch den Rang der interpretierten Vorschrift ein, mögen sie auch ihrem Entstehungsgrund nach an einen konkreten Anlass gebunden sein. Das kann sinnvoll sein, wenn ein „Rechtssatz“ maßvoll und gesetzeskonform formuliert ist. Das kann aber auch problematisch sein, wenn ein „Rechtssatz“ im Vergleich zur Rechtsvorschrift zu allgemein und „überschießend“ formuliert ist. Die jeweils aus einem bestimmten Anlassfall konzipierten „Rechtssätze“ scheinen dann durch ihre rechtssatzförmige Formulierung vom rechtlichen und tatsächlichen Zusammenhang des Anlassfalles, für den sie bestimmt sind, abgehoben. In ihrer Abstraktheit werden sie auch vom VfGH nicht selten für sich isoliert veranschlagt und in den Entscheidungsgründen späterer Erkenntnisse wie generell-abstrakte Rechtssätze der Gesetze zitiert, mitunter sogar erweitert, als hätten sie ursprünglich nicht der rechtlichen Deutung einer bestimmte Sach- und Rechtslage gedient. Im Bereich der Gesetzesprüfung von Amts wegen entfalten derartige, in Ketten von Erkenntnissen vom Sachzusammenhang abgelöste und verselbständigte, rechtssatzförmig formulierte Entscheidungsgründe über die Besonderheiten des Anlassfalles hinaus eine verstärkte rechtspolitische Wirkkraft, vergleichbar den allgemein verbindlichen
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Rechtssätzen in Gesetzen. Sie entfalten de facto Rechtsverbindlichkeit für die Zukunft. Dieser praktische Effekt wird durch die Publikation der Judikate des VfGH in der amtlichen Sammlung und neuerdings ungleich mehr durch ihre Veröffentlichung in der Rechtsdatenbank des BKA noch verstärkt. „Rechtssätze“ und „Leitsätze“ wirken durch die Hervorhebungen in der amtlichen Entscheidungssammlung und in der Rechtsdatenbank des BKA wie amtlich kundgemachtes materielles Gesetzesrecht. Dadurch erhalten die Judikate des VfGH rein praktisch mehr und mehr Rechtserzeugungscharakter und überschreiten in ihrer Allgemeinheit mitunter die Grenzen der dem VfGH durch die Verfassung zugewiesenen Entscheidungskompetenz, aus einem konkreten Anlass und im Hinblick auf diesen Gesetze zu prüfen und für diesen rechtsverbindlich aufzuheben. Durch eine Art von Selbstbindung an seine veröffentlichten Vorerkenntnisse (Präzedenzien, Präjudizien) überschreitet der VfGH seine Zuständigkeit als „negativer Gesetzgeber“ und verschafft sich selbst die Wirksamkeit eines positiven Gesetzgebers.140 Es braucht daher nicht zu verwundern, wenn der VfGH seine Aufgabe zunehmend selbstverständlich in einer allgemeinen Rechtsfortbildung sieht.141 Beteiligte an Verfahren vor dem VfGH verweisen in ihren an den VfGH gerichteten Schriftsätzen daher mit gutem Grund auf die sogenannte ständige Judikatur des VfGH. Wie die Erfahrung zeigt, tun sie in der Regel auch gut daran, sich ihrer argumentativ zu bedienen, um ihre ____________________
140 In meiner Zeit als Assistent des damaligen Referenten und späteren Präsidenten des VfGH Antoniolli war ich damit betraut, die VfGH-Erkenntnisse für die amtliche Sammlung zu bearbeiten. Zu dieser Arbeit gehörte die „Zubereitung“ des Manuskripts für die Publikation, insbesondere die Hervorhebung des Themas eines Erkenntnisses im Fettdruck als „Kopf“ eines Erkenntnisses. In der Regel begnügte ich mich mit bloßen Hinweisen, wie „Gleichheitssatz„ oder „gesetzlicher Richter“. Mitunter erschien mir aber eine in den Entscheidungsgründen wie ein Rechtssatz formulierte Rechtsmeinung des VfGH so wichtig, dass ich sie im Fettdruck in den „Kopf“ des Erkenntnisses aufnahm. Im Lauf der Jahre erkannte ich aber, dass es ratsam ist, mit der Wiedergabe von solchen „Rechtssätzen“ sparsam umzugehen, weil sie sogar den VfGH dazu verleiten, sich in Folgeentscheidungen auf den Rechtssatz früherer Entscheidungen zu berufen und ihn auch wörtlich wiederzugeben, obwohl er zu einem bestimmten Anlassfall formuliert worden war und ihm keineswegs die allgemeine Bedeutung zugedacht war, die rein sprachlich der vom Anlassfall losgelösten abstrakten Formel abgelesen werden kann. Inzwischen scheint dieses Problembewusstsein verloren gegangen zu sein. 141 Siehe dazu Machacek, Verfahren, 36 f: „Seit der Mitte der achtziger Jahre ist der VfGH erkennbar dazu übergangen, seine Judikatur verstärkt an den materiellen Gesetzesvorbehalten der EMRK zu orientieren. Diese materielle Betrachtung strahlte in der Folge in seine ganze Rechtsprechung aus. Heute steht der VfGH mit seinen Aussagen an den Grenzen, die der Rechtsprechung gezogen sind, oder, anders ausgedrückt, vor der Aufgabe, einerseits die Verfassung gegen rechtspolitische Aushöhlung zu schützen, ohne andererseits selbst Politik zu betreiben.“
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Prozessaussichten abzusichern. Das ist allgemeine Praxis. Doch es kann auch anders sein. Solche Rechtssätze bedeuten nämlich nicht unbedingt eine beständige und einheitliche Judikatur. Auch sie können erstarren und hinter der Rechtsentwicklung zurückbleiben oder nach Maßgabe einer besseren Einsicht des VfGH einem Wandel unterliegen. Der Verfassungsrichter Oberndorfer meint dazu: „Im dargestellten Umfang der Rechtskraft verfassungsgerichtlicher Entscheidungen ist auch der VfGH selbst gebunden. Das hindert ihn nicht, zu gleichen Verfassungsfragen in neuen Fällen neue Rechtsmeinungen zu vertreten. Während jedoch die ‚ständige Judikatur‘ zu bestimmten Verfassungsproblemen häufig für sich allen bereits als tragfähiges Argument in der Begründung einer Entscheidung dient, unterliegt das Abweichen von dem selbst bei der Verfassungsauslegung gefundenen Verfassungssinn faktisch einer besonders eingehenden Begründungspflicht. Eine in sich gefestigte Rechtsprechung, von der nur begründetermaßen abgegangen wird, bildet gerade für ein mit der Verfassungsrechtsprechung betrautes Höchstgericht, an dessen Aussagen sich die anderen Verfassungsorgane zu orientieren haben, eine unumgängliche Voraussetzung für seine Tätigkeit. Der VfGH legt sich auch bei einer sogenannten ‚aktualisierenden Interpretation‘ der Verfassung große Zurückhaltung auf. Nachdem die österreichische Verfassung relativ leicht abänderbar ist, kann und muss die Anpassung des Verfassungsrechts an neue Entwicklungen oder ursprünglich nicht vorausgesehene Tatbestände dem Verfassungsgesetzgeber überlassen bleiben und darf nicht vom VfGH wahrgenommen werden.“142 Zu diesem Thema gibt es vom Verfassungsrichter Spielbüchler aufschlussreiche Erklärungen: „Diese Formeln wurden in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes erst allmählich entwickelt und nicht selten im Lauf der Zeit auch wieder verändert. Neue Erfahrungen und Einsichten hatten neue – und bessere – Formulierungen zur Folge. Oft wurden auch mehrere Formeln, ja sogar Formeln aus verschiedenen Entwicklungsstufen der Rechtsprechung nebeneinander verwendet.“143 „Gelegentlich scheint der Gebrauch verschiedener Formeln freilich weniger auf die besondere Fragestellung oder das konkrete Beschwerdevorbringen, als auf das bloße Fortschreiben eines inzwischen überholten Erkenntnisbestandes zurückzuführen sein.“144 ____________________
142 Oberndorfer, Die Verfassungsrechtsprechung im Rahmen der staatlichen Funktionen. Arten, Inhalt und Wirkungen der Entscheidungen über die Verfassungsmäßigkeit von Rechtsnormen, EuGRZ 15 (1988) 204 f. 143 Spielbüchler, Grundrecht und Grundrechtsformel, FS H. Floretta (1983) 290. 144 Spielbüchler, aaO 290 f.
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„D(ies)er gleichzeitige Gebrauch zweier Gleichheitsformeln erweckt den Eindruck barer Beliebigkeit. Er ist gewiss auch nicht immer überlegt. Aber er rührt letztlich daher, dass die zweigliedrige Formel sehr oft den praktischen Bedürfnissen genügt“145 In diesem Zusammenhang erweist sich auch der Hinweis als sinnvoll, dass die Leitsätze (Rechtssätze) einer ständigen Judikatur zur selben Rechtsfrage nicht nur Wandlungen unterliegen, sondern dass sie auch obsolet und widersprüchlich werden können. Im Hinblick auf den Anlassfall erhalten manche Leitsätze zusätzlich noch einen objektiv unvertretbaren überschießenden Akzent. Solche Leitsätze ragen wie Fremdkörper aus den zumeist homogenen Begründungsformeln heraus. Für die arbeitstechnischen Rechtssätze bzw. Leitsätze wäre es daher wohl angebracht, ihren Stellenwert innerhalb einer ständigen Judikatur zu überprüfen, zu revidieren, neu zu definieren oder aber klarzustellen, wie sie mit der ständigen Judikatur vereinbart werden können oder ob und wieweit sie wegen anderen, davon abweichenden Rechtssätzen bzw. Leitsätzen obsolet geworden sind. Einer ständigen Judikatur entspricht die Homogenität der sie tragenden Leitsätze.
IV. Der Verfassungsgerichtshof als positiver Gesetzgeber? Die Tragweite dieser Praxis zeigt sich in den kompetenzmäßigen Ausweitungen der Judikatur zur Frage der Präjudizialität von Rechtsvorschriften bei der Prüfung von Gesetzen (und Verordnungen) von Amts wegen besonders augenfällig. In diesem Bereich konstruierte der VfGH jenseits des Wortlautes des VfGG und des B-VG rechtssatzförmige Topoi. So sah er etwa für die hier paradigmatisch herausgestellten Fälle in „ständiger Rechtsprechung“ die Präjudizialität von Rechtsvorschriften bereits grundsätzlich und unabhängig davon gegeben, „ob die allfällige Rechtswidrigkeit dieser Bestimmung im verfassungsgerichtlichen Bescheidprüfungsverfahren (das Anlass für die Unterbrechung ist) überhaupt zum Tragen kommt“, ... denn „in Wahrnehmung seiner durch Art. 139 Abs. 1 erster Satz B-VG auferlegten Rechtsbereinigungsfunktion ist der VfGH – bei Vorliegen entsprechender Bedenken – nämlich verpflichtet, jede in einer bei ihm anhängigen Rechtssache anzuwendende Verordnungsbestimmung auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu prüfen.“ Was vor Jahrzehnten eine wohlbegründete Ausnahme für einen Einzelfall war, scheint der VfGH nun zum Prinzip zu machen: die Unabhängigkeit des Ergebnisses einer Bescheidprüfung vom Ausgang der Ver____________________
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Spielbüchler, aaO 292.
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ordnungs- oder Gesetzesprüfung und vice versa, die Unabhängigkeit einer Verordnungs- oder Gesetzesprüfung vom Ergebnis der Bescheidprüfung. Die Regelung des B-VG, wonach die Präjudizialität der geprüften Vorschrift für den Anlassfall eine notwendige Voraussetzung der Bescheidprüfung ist, wird dadurch zu einer rein formalen Angelegenheit. Auf solche Weise wird die anfängliche Ausnahme und Besonderheit eines einzelnen Falles zu einem allgemeinen Prinzip, das für die Verordnungs- und Gesetzesprüfungen zu den Ortstafeln sogar einer geradezu selbstverständlichen Rechtfertigung für das amtswegige Eintreten in eine Verordnungsoder Gesetzesprüfung ohne zwingende Präjudizialität für den Anlassfall dient. Das findet im Erkenntnis aus dem Jahr 2001 in der These seinen sprechenden Ausdruck, dass der VfGH „in Wahrnehmung seiner Rechtsbereinigungsfunktion“ sowohl nach Art. 139 Abs. 1 als auch nach Art. 140 Abs. 1 B-VG „verpflichtet ist, jede in einer bei ihm anhängigen Rechtssache anzuwendenden Verordnungsbestimmung (Gesetzesbestimmung) auf ihre Gesetzmäßigkeit (Verfassungsmäßigkeit) hin zu prüfen.“ Die Rechtsbereinigungsfunktion wird derart, ohne Deckung im Wortlaut der Verfassung und im VfGG, in die Wirkkraft einer verfassungsgesetzlichen Kompetenz angehoben und die an den Anlass gebundene Normenkontrolle von Amts wegen führt im Effekt zu einer Ausweitung der negativen Gesetzgebungsbefugnis des VfGH in eine materielle Gesetzgebung. Verallgemeinerungen durch rechtssatzförmige Formulierungen der Entscheidungsgründe treten zunehmend in einen Gegensatz zu den ausdrücklichen Regelungen des B-VG und des VfGG über die Zuständigkeiten des VfGH zur Aufhebung einer Verordnung oder eines Gesetzes (bzw. eines bestimmten Teiles davon). Der Spruch des VfGH hat jedoch nur auf Aufhebung zu lauten. Gemäß den Regelungen des B-VG tritt die Aufhebung mit dem Tag der Kundmachung des Spruchs in Kraft, wenn der VfGH für das Außerkrafttreten nicht eine Frist bestimmt hat (Art. 139 Abs. 5 und Art. 140 Abs. 5 B-VG). Ist eine Verordnung oder ein Gesetz in diesem Sinn spruchförmig aufgehoben, dann sind gemäß Art. 139 Abs. 6 und Art. 140 Abs. 7 B-VG mit dem Tag des Inkrafttretens der Aufhebung alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des VfGH gebunden. Diese allgemeine, verfahrensunabhängige Rechtsverbindlichkeit tritt durch seine Kundmachung im Gesetzblatt aber nur für den Spruch ein. Die Entscheidungsgründe für eine materielle Gesetzesprüfung werden nicht im Gesetzblatt verlautbart. Zum Unterschied von den Erkenntnissen des VfGH über Beschwerden gegen Bescheide (§ 87 Abs. 2 VfGG) ist bei Gesetzesprüfungen im VfGG keine materielle Bindung des Ge-
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setzgebers an die Rechtsanschauung des VfGH ausdrücklich vorgeschrieben. Eine solche Vorschrift fehlt zwar auch für den Spruch. Doch dessen von vornherein eingeschränkte Reichweite erfährt eine erzwingbare rechtliche Verbindlichkeit für den Gesetzgeber (bzw. Verordnungsgeber) betreffend die Kundmachung im Gesetzblatt. Die Verbindlichkeit der Aufhebung bedeutet für den Gesetzgeber gewiss auch inhaltlich eine Herausforderung und Chance, für die aufgehobene Vorschrift einen Ersatz zu schaffen, hingegen nicht eine Ermächtigung für den VfGH zu einer gesetzesgleichen oder verordnungsgleichen Rechtsschöpfung. Die Entscheidungsgründe für Aufhebungen sind zwar nicht vergleichbar zwingend rechtsverbindlich, sie können dem Gesetzgeber aber zur Orientierung für die Schaffung einer Ersatzregelung dienen. Die Erklärung für diese Quasi-Verbindlichkeit der Entscheidungsgründe liegt im Stellenwert der Gesetzgebung einerseits und der Verfassungsgerichtsbarkeit andererseits gemäß dem demokratischen Rechtsstaat. Die Schaffung von Gesetzen ist durch die Verfassung dem demokratischen Gesetzgeber zugeteilt und diesem auch vorbehalten. Dem demokratischen Gesetzgeber obliegt die Gesetzgebung unmittelbar aufgrund der Verfassung und nicht aufgrund von Ermächtigungen oder Wegweisungen durch den VfGH. Dafür stellt das B-VG dem Gesetzgeber im Spannungsfeld der Kompetenztatbestände und der Grundrechte, mit ihren Gesetzesvorbehalten und Eingriffsermächtigungen, einen weiten Gestaltungsrahmen zur Verfügung. Dem Gesetzgeber ist vorbehalten, gemäß seiner verfassungsrechtlichen Verantwortung gegenüber dem Volk nach Bedarf Gesetze zu schaffen. Der Gesetzgeber kann seine Gesetze jederzeit abändern oder aufheben. Gesetze sind nicht der Rechtskraft fähig. Der VfGH ist ein Gericht. Er handelt im Einzelfall individuell-konkret. Er ist dabei primär an die Gesetze gebunden, die seine Organisation und sein Verfahren regeln. Soweit Materiengesetze nicht sein Prüfungsgegenstand sind, ist er – wie alle Vollzugsorgane des Staates – auch an diese gebunden. Der Verfassungsgerichthof ist in diesem Sinn ein an die Gesetze gebundenes Gericht. Er ist gemäß dem B-VG und dem VfGG nur zu einer anlass- oder antragsgebundenen Verordnungs- und Gesetzesaufhebung berufen; insofern auch zu einer eingeschränkten negativen Gesetzgebung. Diese Kompetenz darf er in einem von Amts wegen eingeleiteten und durchgeführten Verfahren nur im Hinblick auf den Anlassfall und nur in der Reichweite der auf den konkreten Fall anzuwendenden Vorschriften ausüben. Er darf eine von ihm als gesetzwidrig befundene Verordnung und ein von ihm als verfassungswidrig befundenes Gesetz nur in der Reichweite der Anwendungsnotwendigkeit und im Hinblick auf den anhängigen Rechtsfall aufheben. Ihm ist durch die auf den
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konkreten Anlassfall eingeschränkte Zuständigkeit verwehrt, die Gesetzeslage (Verordnungslage) neu zu gestalten. Die inhaltliche Festlegung einer neuen Regelung ist ausschließlich dem Gesetzgeber (Verordnungsgeber) vorbehalten. Der VfGH ist kein positiver Gesetzgeber. Der Wortlaut des Spruchs umfasst allerdings nicht nur die Aufhebung der geprüften und als verfassungswidrig befundenen gesetzlichen Vorschrift, sondern auch Bedingungen und Befristungen. Die Aufhebung durch den VfGH kann insbesondere an eine Frist gebunden sein oder die Auswirkungen auf den Anlassfall betreffen. Die Befristung einer Gesetzesaufhebung beeinträchtigt aber nicht die Kompetenz des Gesetzgebers, jederzeit von seiner Gesetzgebungsbefugnis Gebrauch zu machen. Für den Fall einer suspensiven Befristung der Aufhebung hat der Gesetzgeber daher mehrere Möglichkeiten. Einerseits kann er innerhalb der vom VfGH festgesetzten Frist eine Neuregelung treffen. Andererseits kann er aber auch untätig bleiben und die Frist ungenutzt verstreichen lassen. Der VfGH hat zu seiner Zuständigkeit, Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen, folgende Feststellungen getroffen: „Die Aufhebung eines Gesetzes schafft Freiraum für eine verfassungsmäßige Neugestaltung der Rechtslage durch den Gesetzgeber, sie begründet aber grundsätzlich keine Verpflichtung zu gesetzgeberischem Handeln. Es ist aber die freie rechtspolitische Entscheidung des Gesetzgebers, ob er anstelle der aufgehobenen Regelung eine Ersatzregelung beschließt und wie diese inhaltlich beschaffen ist.“146 „Ein Unterlassen des Gesetzgebers kann nicht Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Überprüfung sein.“147 Dazu meinte der VfGH in jüngerer Zeit etwas einschränkend: „Eine Untätigkeit des Gesetzgebers kann aber vom VfGH dann auf ihre Verfassungsmäßigkeit geprüft werden, wenn es sich bloß um ein partielles Unterlassen handelt, wenn also ein Zusammenhang zu einer bestehenden Norm gegeben ist, der es erlaubt, diese als Bezugspunkt für die Auswirkungen anzusehen, die das gesetzgeberische Unterlassen nach sich zieht. Ein nicht bloß partielles Unterlassen, sondern ein gänzliches Untätigbleiben des Gesetzgebers kann jedoch vom VfGH nicht aufgegriffen werden: Weder Art. 140 B-VG noch eine andere Bestimmung der Bundesverfassung ermächtigt den Gerichtshof den Gesetzgeber zu einem Gesetzgebungsakt zu verpflichten.“148 „Weder aus Art. 140 B-VG noch aus einer anderen Verfassungsbestimmung ergibt sich, dass es dem Gesetzgeber verboten wäre, eine gesetzli____________________
146 Siehe dazu ausführlich Schäffer, in Rill – Schäffer, Bundesverfassungsrecht (2001), Kommentar zur Art 140 B-VG, Rz. 86, Seite 95. 147 VfSlg. 3744/1960, 4213/1962, 5169/1965, 7407/1974, 8017/1977, 12.667/1991. 148 VfSlg. 14.453/1995.
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che Regelung vor dem Inkrafttreten ihrer Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof (Art. 140 Abs. 3 B-VG) selbst wieder aufzuheben und sie durch eine neue zu ersetzen.“149 Aus den Erkenntnissen zu diesem Thema ragt ein Erkenntnis des VfGH aus dem Jahr 1984 mit noch nicht absehbaren Fernwirkungen für künftige Verordnungs- und Gesetzesprüfungen hervor. 150 Der Anlass war allerdings ein besonderer: der angebliche Versuch eines Landesgesetzgebers, ein anhängiges Gesetzesprüfungsverfahren zu behindern. Die Eingangsformel zum Thema entspricht dem üblichen Standard: „Im Allgemeinen hat die Anhängigkeit eines Verfahrens zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes beim VfGH keinen rechtlichen Einfluss auf die Tätigkeit des Gesetzgebers. Er kann seine Funktion ohne Rücksicht auf das pendente Prüfungsverfahren in jeder Richtung ausüben, insbesondere kann er ein in Prüfung stehendes Gesetz (eine in Prüfung stehende Gesetzesbestimmung) aufheben oder abändern und dadurch auf das Normenkontrollverfahren Einfluss nehmen, etwa mit dem Ergebnis, dass der VfGH (nach Maßgabe der Art. 140 Abs. 4 B-VG) nicht die Aufhebung des geltenden Gesetzes auszusprechen, sondern bloß die Verfassungswidrigkeit des außer Kraft getretenen Gesetzes festzustellen hat.“ Darauf folgt aber eine erhebliche Einschränkung: „Diese Schrankenlosigkeit in der Funktionsausübung besteht jedoch jedenfalls insofern nicht, als der Gesetzgeber die mit der in Prüfung stehenden Vorschrift völlig inhaltsgleiche Bestimmung rückwirkend in der erweislichen oder doch vom Ergebnis her erschließbaren Absicht erlässt, ein anhängiges Gesetzesprüfungsverfahren ganz oder teilweise zu vereiteln; in diesem Fall handelt der Gesetzgeber im Hinblick auf die Zielsetzung des Art. 140 B-VG verfassungswidrig, eine umfassende Kontrolle der Legislative auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu gewährleisten.“ (Hervorhebung vom Verfasser) „Der VfGH nimmt hier nochmals auf Abs. 2 in Art. 140 B-VG Bezug, die … hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens Ausdruck des Grundgedankens sind, dass das Verwaltungsorgan in ein vom VfGH amtswegig eingeleitetes Gesetzes- oder Verordnungsprüfungsverfahren nicht prozesshindernd eingreifen darf. … Umsomehr muss nach der Auffassung des VfGH der beschriebene Grundsatz jedoch dann zum Tragen kommen, wenn der auf die Prozesshinderung abzielende Eingriff verfassungswidrig ist und von jenem Staatsorgan ausgeht, dessen Akt Gegenstand der eingeleiteten Prüfung durch den VfGH ist.“ ____________________
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VfSlg. 3961/1961, 4072/1961. G 73/84, G74/84, vom 28. Juni 1984, VfSlg. 10.091/1984.
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„Aus diesen Erwägungen folgt zunächst, dass der VfGH das eingeleitete Verfahren zur Prüfung … trotz deren materieller Derogation … fortzusetzen und im Fall der Verfassungswidrigkeit der in Prüfung gezogenen Vorschriften auszusprechen hat, dass sie verfassungswidrig waren.“ „Weiters folgt aus den vorstehenden Ausführungen, dass der VfGH, um die ihm aufgetragene Kontrollfunktion wahrnehmen zu können, in sinngemäßer Anwendung der seine Funktion als Gesetzesprüfungsgericht festlegenden Vorschriften jenen gesetzgeberischen Akt zu beseitigen hat, der zum Zweck erlassen wurde, den Weg zur amtswegig eingeleiteten Gesetzesprüfung zu versperren. Die Einleitung eines neuen, gesonderten Gesetzesprüfungsverfahrens hiezu ist nicht erforderlich.“ Die Besorgnis des VfGH gegenüber gezielten Verfahrensbehinderungen kann begründet sein. Der VfGH darf und muss einem solchen Vorgehen des Gesetzgebers entgegentreten, wenn es nachweislich willkürlich ist und wenn die Beharrung auf dem Rechtsstandpunkt nicht zur Vertretung eigener legitimer Interessen des Gesetzgebers zur Abwehr einer verfassungsrechtlich unhaltbaren Rechtsanschauung des VfGH dient. Auch der VfGH kann sich irren. Doch auch im Fall eines gezielten Rechtsmissbrauchs ist der VfGH verpflichtet, die strengen Vorschriften des VfGG und des B-VG über die Gesetzesprüfung einzuhalten und jedes derartige Beharrungsgesetz einem eigenständigen Gesetzesprüfungsverfahren unter Anhörung der Verfahrensparteien zu unterziehen. Für Verordnungsprüfungen gilt Vergleichbares. Im Allgemeinen kann man danach festhalten: Erfolgt eine Neuregelung vor der Kundmachung des Spruchs im Gesetzblatt oder nach der Kundmachung, innerhalb der vom VfGH vorgeschriebenen Frist, dann wird die Befristung nach Maßgabe möglicher Übergangsbestimmungen hinfällig. Erlässt der Gesetzgeber vor dem Ablauf der Frist keine Neuregelung, dann wird der Spruch des VfGH über die Aufhebung ab dem Ende der Frist wie ein suspensiv befristet aufhebendes Gesetz rechtsverbindlich. Bei Untätigkeit des Gesetzgebers tritt die aufgehobene Gesetzesvorschrift mit dem Fristablauf ipso iure außer Kraft. Der Gesetzgeber steht dann vor der Alternative, entweder ein neues Gesetz zu erlassen oder untätig zu bleiben. Der Gesetzgeber kann durch den VfGH nicht gezwungen werden, eine Neuregelung zu erlassen. Für den Verordnungsgeber gilt Vergleichbares. Bei den vorliegenden Fällen aus den Jahren 2001 und 2005 ist im Hinblick auf die Aufhebungsbefugnis des VfGH auch noch die spezifische Verbindung von völkerrechtlichem Vertragsrecht mit dem staatlichen Recht von besonderer Bedeutung. Der Minderheitenschutz ist für Österreich im StV von Wien und im StV von St. Germain geregelt. Die Rege-
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lung des Art. 7 des StV von Wien wurde durch die Kundmachung im BGBl 1955/152 Bestandteil des innerstaatlichen Rechtes. Im Jahr 1964 wurde sie durch Art. II Z 3 des Bundesverfassungsgesetzes, BGBl. 59 durch eine verbindliche Klarstellung des Verfassungsgesetzgebers (authentische Interpretation) in den Verfassungsrang gehoben. (Art. 68 des StV von St. Germain hat gemäß Art. 149 Abs. 1 B-VG gleichfalls Verfassungsrang). Von Bedeutung ist dabei auch der Zusammenhang der spezielleren Vorschriften des Art. 7 StV von Wien mit der allgemeineren Vorschrift des Art. 68 des StV von St. Germain und der Umstand, dass die Vorschriften beider Staatsverträge vergleichbar unbestimmt und daher nicht unmittelbar anwendbar sind. Von besonderer Bedeutung ist dabei vor allem der Umstand, dass der zweite Satz der Ziff. 3 im Art. 7 sogar durch einen erklärten Willen des Gesetzgebers (Verfassungsgesetzgebers) dem Ausführungsvorbehalt durch Gesetze des Bundes und der Länder im Sinn des Art. 50 Abs. 2 B-VG und gemäß Art. 16 Abs. 5 B-VG unterstellt wurde. Im Art. 7 Ziff. 2 des StV von Wien und im Art. 68 des Staatsvertrages von St. Germain ist das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gleichbedeutend ausdrücklich ausgesprochen. Darin kommt nicht von Ungefähr ein allgemeines, den Staatsvertrag von Wien und den Staatsvertrag von St. Germain miteinander verbindendes völkerrechtliches Prinzip zum Ausdruck. Quantitative und qualitative Kriterien für topographische Bezeichnungen und Aufschriften können und sollen daher durch den Gesetzgeber auch im Sinn des Art. 7 des Staatsvertrages grundsätzlich nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit ausgerichtet werden. Derart unbestimmt gehaltene Begriffe in Staatsverträgen, die wesentliche Bestimmungsgründe ihrer Anwendbarkeit durch Vollzugsbehörden offen lassen, sind – wie vergleichbare Gesetze bzw. Verfassungsgesetze – kraft ihrer Eigenart non self-executing. Sie bedürfen daher gemäß Art. 16 Abs. 5 im Sinn des Art. 18 B-VG zu ihrer Anwendbarkeit der „Durchführung“ durch den Gesetzgeber. Dieser hat zur Anwendbarkeit die Behörden, das Verfahren und die tragenden materiellen Bestimmungsgründe der Anwendbarkeit des Staatsvertrages zu regeln. Für den Art. 7 des StV von Wien erfolgte in Verbindung mit den Abs. 1 und 2 des StV von St. Germain die Durchführung durch das Volksgruppengesetz aus dem Jahr 1976, BGBl. 396. Mit der Festsetzung von 25 % bzw. von einem Viertel durch den Bundesgesetzgeber im Jahr 1976 wurde der unbestimmte Begriff „mit gemischter Bevölkerung“ im Art. 7 des Staatsvertrages von Wien in Verbindung mit dem Begriff der „Verhältnismäßigkeit“, der für beide Staatsverträge maßgeblich ist („eine verhältnismäßig beträchtliche Zahl“ im Art. 68 des StV von St. Germain),
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durch den Bundesgesetzgeber auch für Kärnten völkerrechtskonform und verfassungsmäßig konkretisiert und anwendbar gemacht. Diesen Prozentsatz hat der VfGH als zu hoch befunden und ohne einen zwingenden Rechtsgrund aufgehoben und damit eine Gesetzeslücke geschaffen, die nur der Gesetzgeber (Verfassungsgesetzgeber) im Sinn des Art. 16 Abs. 5 B-VG betreffend die Durchführung von Staatsverträgen im VolksgruppenG im Sinn des Art. 18 B-BVG schließen kann. Die Kundmachung des Spruchs des VfGH über die Aufhebung der Wortfolge des VolksgruppenG im Bundesgesetzblatt verschaffte diesem ab dem Zeitpunkt seiner Verbindlichkeit Gesetzeskraft. In diesem Sinn erlangte die Aufhebung eine über die Rechtskraft der Verkündung und Zustellung hinausreichende allgemeine Verbindlichkeit, die nach Maßgabe der begrenzten Reichweite des Spruchs auch den Gesetzgeber bindet. Sie nahm dem Art. 7 des StV von Wien seine unmittelbare Anwendbarkeit. Im Hinblick auf die in den Entscheidungsgründen festgeschriebene materiellrechtliche Rechtsanschauung des VfGH ist seit der Aufhebung des Jahres 2001 der Gesetzgeber (der Verfassungsgesetzgeber) herausgefordert, von seiner Kompetenz gemäß Art. 16 Abs. 5 B-VG Gebrauch zu machen und im Sinn der völkerrechtlichen Erfordernisse sowie gemäß einer staatspolitischen Verträglichkeit eine Ersatzregelung zu beschließen, um das VolksgruppenG gemäß dem Rechtsstaatsprinzip für die Vollziehung durch die Gerichte und Verwaltungsbehörden wieder anwendbar zu machen. Die Bundesregierung ist solange unzuständig, neue slowenische Ortsnamen festzusetzen und die Straßenpolizeibehörde darf in ihren Ortstafelverordnungen nur die bereits amtlich bestehenden deutschen und slowenischen Ortsnamen verwenden. Daher kann auch die zur Festsetzung von Ortsnamen absolut unzuständige Bezirksverwaltungsbehörde als Verordnungsgeber bloß aufgrund einer nachweislich irrigen Rechtsanschauung des VfGH weder verpflichtet noch gezwungen werden, slowenische Ortsnamen festzulegen und auf den Verkehrszeichen als Aufschriften anzubringen.151
____________________
151 Zur Exekution der Erkenntnisse des VfGH betreffend die Verordnungs- und Gesetzesprüfung siehe vor allem die Studie von Schäffer, Die Exekution der Erkenntnisse des österreichischen Verfassungsgerichtshofs, 219 f und die Stellungnahmen zum B-VG von Kelsen, Die Bundesexekution, FG für F. Fleiner, 127 ff, und Kelsen – Froehlich – Merkl, Kommentar zum B-VG 280, ferner Pernthaler, Der Rechtsstaat und sein Heer, 165 und Berchtold, Der Bundespräsident, 303 ff, insbes. zur Ersatzvornahme gemäß Art. 139 und 140 B-VG 315 f.
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V. Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit 1. Die Auswirkungen der Judikatur des Gerichtshofs und das Prinzip des Judicial Self-restraint Der VfGH ist ein unabhängiges Gericht und gemäß der Verfassung zur Unparteilichkeit und zu politischer Zurückhaltung verpflichtet. Er zählt zum „neutralen“ Teil der Staatsgewalt (Montesquieu: pouvoir neutre). Als Höchstgericht ist er ein oberstes Organ der Vollziehung der Gesetze. Er ist gemäß der Verfassung weder ein positiver Gesetzgeber noch ein unmittelbar demokratisch bestelltes „politisches“ Staatsorgan. Ihm fehlen staatspolitische Entscheidungsbefugnisse mit einer materiellen, generell – abstrakten Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit. Solche Entscheidungsbefugnisse stehen nur dem vom Volk gewählten Gesetzgeber im formalen Weg der Gesetzgebung zu. Das gilt in einer qualifizierten Weise für den Verfassungsgesetzgeber. Dem VfGH sind nicht nur durch seine eigenen Zuständigkeiten, sondern auch durch den verfassungsrechtlichen Auftrag für den Gesetzgeber (Verfassungsgesetzgeber) zur Gesetzgebung entsprechende Grenzen gezogen. Der VfGH ist zwar berufen, staatspolitische Entscheidungen des Gesetzgebers in der Rechtsform von Gesetzen auf ihre Vereinbarkeit mit den Rahmenbedingungen der Verfassung prüfen, ihm steht dabei aber nicht die Ausübung des staatspolitischen Ermessens des Gesetzgebers (Verfassungsgesetzgebers) zu. Bei der Ausübung seiner Verordnungs- und Gesetzesprüfungsbefugnis ist er gemäß seinem verfassungsrechtlichen Rang zu einer entsprechende materiellen Zurückhaltung verpflichtet.152 In diesem Sinn hat er auch auf die Auswirkungen seiner Erkenntnisse Bedacht zu nehmen. Das gilt gemäß dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Gewaltenteilung für Verordnungen auch gegenüber jedem Verordnungsgeber, der unter dem Gesetz unmittelbar aufgrund der Verfassung (Art. 18 Abs. 2 B-VG) zur materiellen Gesetzgebung berufen ist. Die Auswirkungen eines Erkenntnisses des VfGH können von unterschiedlicher Erheblichkeit sein; einerseits für die überprüfte Rechtsvorschrift und für den Anlass im normativen Zusammenhang,153 andererseits aber für die Tragweite der Judikatur gegenüber dem Gesetzgeber, gegenüber den Behörden, gegenüber den Einzelnen (den Bürgern) und gegen____________________
152 Siehe dazu Heller, Judicial self restraint in der Rechtsprechung des Supreme Court und des Verfassungsgerichtshofes, ZÖR (1988) 89 ff. Oberndorfer, Die Verfassungsrechtsprechung im Rahmen der staatlichen Funktionen. Arten, Inhalt und Wirkungen der Entscheidungen über die Verfassungsmäßigkeit von Rechtsnormen, EuGRZ 15 (1988) 205 ff. 153 Spielbüchler, „anzuwenden hätte, …“, Über den Gegenstand von Normenprüfungsverfahren, in: FS L. Adamovich (2002) 743 ff.
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über dem VfGH selbst, schließlich aber auch im Hinblick auf aktuelle staatspolitische Situationen. Dabei kann dem Zeitfaktor der Entscheidung, also ihrer zeitgerechten Veröffentlichung eine große Bedeutung zukommen. Im Hinblick auf die Auswirkungen seiner Gesetzesprüfungsentscheidungen auf den Prüfungsgegenstand und auf den Anlassfall hat der VfGH im Lauf der Zeit eine mehrgesichtige Judikatur entwickelt. Einerseits stellte er nämlich fest: „Jede Aufhebung von einzelnen Gesetzesstellen durch den VfGH bewirkt notwendig eine Änderung des geprüften Gesetzes. Wie sich diese Änderung nach Art und Bedeutung im konkreten Einzelfall auswirkt, ist vornehmlich von der legistischen Systematik, also von den Umständen abhängig, auf die der VfGH keinen Einfluss hat. Der VfGH teilt jedoch nicht die Auffassung ..., dass es für die Beurteilung der Präjudizialität einer Bestimmung auf die Auswirkungen einer etwa erfolgenden Aufhebung der geprüften Rechtsvorschrift nicht ankommen könne; er hält es vielmehr für seine Aufgabe, den Umfang der zu prüfenden und im Fall ihrer Rechtswidrigkeit aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall ist, dass aber andererseits der verbleibende Text keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt. Es liegt auf der Hand, dass beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können. Der VfGH hat daher in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg. 6674/1972, 7376/1974, 7726/1975, 7786/1986).“154 „Diese Rechtsprechung des VfGH beruht auf dem Grundgedanken, dass ein Gesetzesprüfungsverfahren dazu führen soll, die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit – wenn sie tatsächlich vorliegt – zu beseitigen, dass aber der nach der Aufhebung verbleibende Teil des Gesetzes möglichst nicht mehr verändert werden soll, als zur Bereinigung der Rechtslage unbedingt notwenig ist, dass also möglichst wenige Regelungen aufgehoben werden sollen, gegen die sich die vorgebrachten Bedenken nicht richten.“155 „Wirkt die Entscheidung nämlich nur auf Anlassfälle, so muss dabei – anders als sonst – auf die Auswirkung in den Anlassfällen gesehen werden“. Ferner: „Der VfGH soll niemals mehr aus dem Gesetzestext ausscheiden, als Voraussetzung für den Anlassfall ist.“156 Andererseits stellte der VfGH aber auch fest: „Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH ist eine Rechtsnorm für den VfGH nicht nur dann präjudiziell, wenn durch deren Anwendung oder Nichtanwendung ____________________
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Siehe dazu auch VfSlg. 8461/1978, 10.834/1986 und 11.190/1986. VfSlg. 13.739/1994. In diesem Sinn auch VfSlg. 8155/1977, 8461/1978, 12.410/ 1990, 12.465/1990, 13.739/1994. 156 VfSlg. 10.834/1986. 155
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ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht unmittelbar berührt wird, d.h. also ein direkter Zusammenhang zwischen angewendeter Rechtsnorm und der durch diese bewirkten Verletzung besteht, sondern überhaupt ganz allgemein dann, wenn eine Vorschrift Voraussetzung für das Erkenntnis des VfGH ist. Das ist immer dann der Fall, wenn eine Rechtsnorm von der Behörde angewendet wurde oder auch nur anzuwenden war, weil der VfGH seiner Pflicht auf Überprüfung, ob ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht verletzt worden ist, gar nicht nachkommen kann, ohne den Bescheid anhand dieser Rechtsnormen zu prüfen. Damit aber wendet sie der Gerichtshof selbst an, er darf sie aber erst dann anwenden, wenn gegen sie keine Bedenken bestehen. Die Auswirkung des Normenprüfungsverfahrens auf den Einzelfall ist unerheblich (vgl. Erk. Nr. 2072/1950, 2073/1950, 2683/1954, 2684/1954, 3487/1958, 3488/1958).“157 „Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlass der gegen den Bescheid gerichteten Beschwerde ua ein Verfahren zur Prüfung dieser Verordnungsbestimmung eingeleitet. Dies musste – in Wahrnehmung der dem Verfassungsgerichtshof obliegenden Rechtsbereinigungsfunktion, der zu Folge er bei Vorliegen entsprechender Bedenken jede in einer bei ihm anhängigen Rechtssache anzuwendende Verordnung auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu prüfen hat, – unabhängig davon geschehen, ob die allfällige Rechtswidrigkeit dieser Bestimmung im verfassungsgerichtlichen Verfahren überhaupt zum Tragen kommt (vgl. das Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, G 213/01, V 62, 63/01, Pkt. 1. 3. 2. 1.).“158 „Es ist evident, dass sich die im Anlassbeschwerdeverfahren belangte Behörde bei Erlassung des bekämpften Bescheides ausdrücklich auf die in Prüfung gezogene Bestimmung der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt ... gestützt hat; es weist auch nichts darauf hin, dass dies geradezu denkunmöglich geschehen ist. Schon im Hinblick darauf ist aber diese Verordnungsbestimmung – nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zusammenfassend zuletzt VfGH 28. 6. 2001, G 103/00, Pkt 11. 2. 2. 4. 1.) – im vorliegenden Zusammenhang präjudiziell iSd. Art. 139 Abs. 1 B-VG. ... Dies unabhängig davon, ob die allfällige Rechtswidrigkeit dieser Bestimmung im verfassungsgerichtlichen Bescheidprüfungsverfahren überhaupt zum Tragen kommt (vgl. VfSlg. 9755/1983, 11.190/1985, 13.015/1992), also zur Aufhebung des bekämpften Bescheides führt ...; in Wahrnehmung seiner durch Art. 139 Abs. 1 erster Satz B-VG auferlegten Rechtsbereinigungsfunktion ist der Verfassungsgerichtshof – bei Vorliegen entsprechender Bedenken – nämlich verpflichtet, jede in einer bei ihm anhängigen Rechtssache anzuwen____________________
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VfSlg. 3719/1960. VfGH vom 13. 12. 2001, B 2075/99-11.
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denden Verordnungsbestimmung auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu überprüfen.“ In seinen Erkenntnissen unterscheidet der VfGH also verschiedene Arten von Auswirkungen seiner Gesetzesprüfungen. Eine Art betrifft jedenfalls die allgemeinen Auswirkungen der Aufhebung eines Gesetzes auf den Kontext im betreffenden Gesetz. Die andere Art betrifft die konkreten Auswirkungen auf den Anlassfall. Eine andere betrifft die rechts- und staatspolitischen Auswirkungen im Entscheidungszeitpunkt. Zur ersten Art argumentierte der VfGH bis zu den Ortstafelerkenntnissen vorwiegend restriktiv. Seine Gesetzesprüfungsfunktion ist so eingeschränkt wie möglich auszuüben. Aufhebungen dürfen nur soweit in die Gesetzesmaterie eingreifen, wie es für die Entscheidung in der anhängigen Rechtssache notwendig ist. Zur zweiten Art von Auswirkungen argumentierte der VfGH teils restriktiv teils aber extensiv. Zur dritten Art verhielt sich der VfGH unter den meisten seiner Präsidenten bewusst restriktiv. In jüngerer Zeit scheint ihm hingegen eine Bedachtnahme auf die politischen Auswirkungen eines Erkenntnisses im Zeitpunkt der Fällung nicht mehr geboten zu sein. In der Judikatur zum Ortstafelproblem ist die zweite Art von Auswirkungen im Hinblick auf den Anlassfall bereits so allgemein gefasst, dass eine den Standard überschreitende, extensiv formulierte Rechtsanschauung zu einem allgemeinen „Rechtssatz“ wurde: der VfGH habe ein Gesetz ohne Rücksicht darauf zu prüfen, wie sich das auf den konkreten Fall auswirkt und es genüge für die Prüfung und Aufhebung, dass eine Rechtsvorschrift tatsächlich angewendet wurde, ohne konkret präjudiziell sein zu müssen. Bedeutet das auch, dass das Ergebnis einer amtswegigen Gesetzesprüfung jede Erheblichkeit für die Entscheidung in der Rechts- und Sachlage eines Anlassfalles letztlich vielleicht sogar überflüssig macht und das Prüfungsergebnis denselben generell-abstrakten Stellenwert haben soll, wie die aufgehobene Rechtsvorschrift? In einer solchen Allgemeinheit des an und für sich doppeldeutigen Begriffs der Auswirkungen einer Gesetzes- bzw. Verordnungsaufhebung von Amts wegen, eingekleidet in einen dogmatisierten Rechtssatz, liegt die gedankliche Brücke zur dritten Art von Auswirkungen eines Erkenntnisses: nämlich zu den Auswirkungen eines Erkenntnisses auf eine allgemeine, insbesondere auf eine aktuelle kulturell-soziale und staatspolitische Lage, in welche ein Erkenntnis ab dem Zeitpunkt seiner Veröffentlichung hineinwirken kann. Das tritt im Kontext der Ortstafeljudikatur der Jahre 2001 und 2005 mit der von ihr betroffenen rechtlichen, kulturell-sozialen,
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staatspolitischen und parteipolitischen Wirklichkeit in Kärnten sowohl aus historischer als auch aus gegenwärtiger Sicht deutlich zutage. Im Hinblick auf die Auswirkungen der Ausübung seiner eigenen Zuständigkeit im Verhältnis zur Gesetzgebung (Verordnungsgebung) nahm der VfGH aber auch eine wichtige einschränkende Grenzziehung vor. Er soll und will nicht zum Instrument eines Einzelnen gegen den Gesetzgeber benutzt werden. In diesem Sinn hat der VfGH im Jahr 1980 in insgesamt 46 Fällen Anträge und Beschwerden mangels Legitimation des Antragstellers und Beschwerdeführers gemäß § 19 Abs. 3 Ziff. 1 lit. e VfGG 1953 a limine zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 17. Dezember 1980, hat der VfGH abermals drei Anträge und zwei Beschwerden des XY mangels Legitimation zurückgewiesen.159 „Der VfGH hat diesen Beschluss damit begründet, dass der Antragsteller und Beschwerdeführer seine Rechtsmittel an den VfGH in Wahrheit nicht deshalb erhoben habe, weil er sich in seinen Rechten verletzt erachte. Aus dem Gesamtverhalten des Antragstellers und Beschwerdeführers ergebe sich, dass er nicht aus Gründen des Rechtsschutzes an den VfGH herantrete, sondern um einerseits rechtswissenschaftliche Experimente im Bereich des Abgabenrechtes anzustellen und um andererseits – wie er wiederholt hervorgehoben habe – ,den Zusammenbruch der Steuererhebung nach kapitalistischen Besteuerungsgrundsätzen‘ und ,den Zusammenbruch unseres gegenwärtigen kapitalistisch-faschistischen Regimes‘ herbeizuführen. Die Anträge und Beschwerden hätten somit nicht der Erzielung eines Zweckes gedient, dessen Schutz durch die Anrufung des VfGH erreicht werden könnte. Mit Beschluss vom 3. März 1982160, hat der VfGH über die Anfechtung von vier Abgabenbescheiden, über die Anträge auf Aufhebung von vier gesetzlichen Bestimmungen und über Wiederaufnahmeanträge in 54 Fällen entschieden und die Anträge und Beschwerden mangels Legitimation zurückgewiesen. Der VfGH hat sich hiebei auf seine Beschlüsse vom 25. Oktober 1980 und vom 17. Dezember 1980 gestützt und ausgeführt, alle hier zu beurteilenden Anträge und Beschwerden gingen abermals ausschließlich auf den Sachbereich und damit auf den Bereich des wissenschaftlichen Experimentierens zurück, der auch Gegenstand jener Beschwerden und Anträge gewesen sei, welche mit den genannten Beschlüssen des VfGH … zurückgewiesen worden seien.“ „Die vorliegenden Anträge verfolgen ebenfalls den vom Beschwerdeführer seit vielen Jahren gezielt, planmäßig und mittels einer überaus großen Zahl von Anträgen angestrebten Zweck, der in den genannten Vorer____________________
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Beschluss vom 25. Oktober 1980, G 91/78 ua., VfSlg. 8951/1980. Beschluss vom 3. März 1982, B 581/80 ua., VfSlg. 9344/1982.
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kenntnissen zur Verneinung der Antragslegitimation geführt hat. … Zielrichtung und Erscheinungsform der bisherigen Anträge des Beschwerdeführers sind auch in den vorliegenden Anträgen unverändert geblieben.“161 Bei seinen Ortstafelerkenntnissen aus dem Jahr 2001 und aus dem Jahr 2005 ist dem VfGH die Analogie zu dieser Judikatur sichtlich entgangen. Auch in diesen Fällen hat der Beschwerdeführer durch ein rechtswidriges Verhalten mehrere Verfahren vor dem VfGH provoziert, um aufgrund von gleichartigen Bescheidbeschwerden Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahren von Amts wegen auszulösen, die zur Aufhebung von Rechtsvorschriften führen sollen, obwohl er darauf keinen Rechtsanspruch hatte und obwohl dem Gerichtshof klar war, dass der Beschwerdeführer mit seinen von vornherein aussichtslosen Bescheidbeschwerden nur ein rechtspolitisches Ziel verfolgt: die Aufhebung von straßenpolizeilichen Verordnungen zur Herbeiführung von zusätzlichen slowenischen Ortsbezeichnungen. Nach dem Vorbild seiner Beschlüsse aus den Jahren 1980 und 1982 und im Hinblick auf die zu erwartenden weiteren Auswirkungen seiner Judikatur hätte der VfGH bereits die Bescheidbeschwerde des Jahres 2001, die in Wahrheit nur auf die Bekämpfung von zahlreichen einsprachigen Ortstafeln gerichtet war, a limine zurückweisen müssen. Warum tat er das nicht? War ihm nicht bewusst, dass er damit seiner eigenen Judikatur untreu wurde? Unterdessen wurden in anderen Ortschaften zahlreiche gleichartige Geschwindigkeitsüberschreitungen begangen, um den VfGH in einer größeren Zahl von Fällen zu gleichartigen Verordnungsaufhebungen zu veranlassen. Im Juni 2006 waren bereits weitere 13 gleichartige Beschwerden bei ihm anhängig. Zahlreiche weitere Geschwindigkeitsüberschreitungen sind bereits verfahrensanhängig und zahlreiche andere sollen noch folgen.
2. Die Bindung des Verfassungsgerichtshofs an seine Judikatur? Zu dieser Frage ist zwischen dem Spruch und den Entscheidungsgründen eines Erkenntnisses zu unterscheiden. Im Zug eines Verfahrens zur Gesetzes- bzw. Verordnungsprüfung darf der VfGH die als verfassungswidrig befundene Vorschrift aufheben und diese Aufhebung eventuell aufschiebend befristen. Die (befristete) Aufhebung wird durch einen Spruch formuliert, der mit der Aufhebung im Gesetzblatt kundzumachen ist. Der ____________________
161 VfGH Beschluss vom 4. März 1985, G 32/82, G 33/82, G 34/82, G 35/82, G 19/ 83, G 58/83, G 59/83, G 60/83, G 69/83, G 70/83, G 71/83, G 84/84, G 85/84, G 86/ 84, G 87/84, G 88/84, G 89/84, G90/84, G 91/84, G 92/84, G 93/84, G 94/84, G 95/ 84, G 96/84, G 97/84, G 118/84, G 119/84, G 120/84, G 121/84, G 122/84, G 123/84, G 124/84, G 126/84, G 160/84, G 170/84, VfSlg. 10.383/1983.
Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit
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VfGH hat bei Verordnungs- und Gesetzesprüfungen nur eine kassatorische (bzw. deklaratorische) und keine meritorische oder reformatorische Entscheidungsbefugnis. An diesen Spruch ist auch der Verfassungsgerichtshof gebunden. Die Entscheidungsgründe sind von einer anderen rechtlichen Qualität als der Spruch. Der Spruch einer Aufhebung wird als ein solcher beschlossen und im Gesetzblatt kundgemacht. Er ist daher auch allgemein verbindlich. Die tragenden Entscheidungsgründe werden nicht als Spruch beschlossen und sie werden auch nicht kundgemacht. Daher können sie nicht von derselben rechtlichen Qualität sein wie der Spruch, mögen sie auch in der sprachlichen Ausdrucksform eines „Rechtssatzes“ oder „Leitsatzes“ formuliert sein. Der VfGH hält sich in späteren Erkenntnissen in aller Regel an die Entscheidungsgründe früherer Erkenntnisse. Diese werden mitunter wörtlich wiederholt. Häufig wird auf sie nur verwiesen. In der Judikatur des VfGH herrscht im Allgemeinen die Gepflogenheit, maßgebliche Entscheidungsgründe von einschlägigen Vorentscheidungen beizubehalten. Daraus entsteht die „ständige Judikatur“. Die damit für den VfGH verbundenen Selbstbindungen bedeuten aber weder zwingendes Recht noch unveränderliche Praxis. Der VfGH kann von seiner Rechtsmeinung mit einfacher Mehrheit abgehen, sofern und soweit es ihm sinnvoll erscheint und er tut dies auch nicht selten. Im Unterschied zum OGH und zum VwGH gibt es für ein Abgehen des VfGH von seiner ständigen Judikatur keine besonderen Erschwerungen der Willensbildung. 162 Der VfGH ist zwar, gleich den Gerichten und Verwaltungsbehörden, bezogen auf den Anlassfall und dessen Identität an seinen eigenen Spruch gebunden. Die in den Erkenntnissen normativ als „Rechtssatz“ bzw. „Leitsatz“ formulierten Entscheidungsgründe sind entfalten gegenüber dem VfGH selbst nicht zwangsläufig auch eine Verbindlichkeit von anhaltender Dauer. Dazu seien aus der Judikatur des VfGH einige Beispiele näher ausgeführt. Aus dem Anlass einer Kompetenzfeststellung führte der VfGH im Jahr 1953 zum Kompetenztatbestand „Bundesverfassung“ im Art. 10 Abs. 1 Ziff. 1 B-VG Folgendes aus: „ Nach Art. 138 Abs. 2 B-VG stellt der VfGH auf Antrag der Bundesregierung oder einer Landesregierung fest, ob ein Akt der Gesetzgebung oder der Vollziehung gemäß Art. 10 bis 15 in die Zuständigkeit des Bundes oder der Länder fällt. Aufgabe eines Verfahrens ____________________
162 Oberndorfer, Die Verfassungsrechtsprechung im Rahmen der staatlichen Funktionen. Arten, Inhalt und Wirkungen der Entscheidungen über die Verfassungsmäßigkeit von Rechtsnormen, EuGRZ 15 (1988) 204 f.
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Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung
nach Art. 138 Abs. 2 ist es also, den Begriffsinhalt eines der in den Artikeln 10 bis 14 B-VG umschriebenen Kompetenztatbestände zu ermitteln, um auf diese Weise festzustellen, ob ein Akt der Gesetzgebung oder der Vollziehung unter einen dieser Kompetenztatbestände fällt und dadurch aus der generellen Länderkompetenz des Art. 15 Abs. 1 B-VG herausgehoben ist. Eine solche Feststellung erscheint in Ansehung der im § 1 und 2 des vorgelegten Gesetzentwurfes vorgesehenen Maßnahmen nicht möglich. Zwar weist Art. 10 Abs. 1 B-VG in der Ziff. 1 auch den Kompetenztatbestand ‚Bundesverfassung‘ auf. Allein dieser Kompetenztatbestand besagt nichts anderes, als dass die Verfassungsgesetzgebung des Bundes ausschließlich dem Bunde vorbehalten ist. Sein Begriffsinhalt erschöpft sich daher in der Übertragung der Befugnis zur Erlassung von Verfassungsgesetzen und Verfassungsbestimmungen des Bundes, welche die Befugnis durch die Verpflichtung zur Beobachtung der Bestimmungen des Art. 44 B-VG lediglich an formelle Voraussetzungen gebunden wird, inhaltlich aber unbeschränkt ist. Der Kompetenztatbestand ‚Bundesverfassung‘ des Art. 10 kann daher niemals den Gegenstand eines Feststellungsbegehrens nach Art. 138 Abs. 2 B-VG bilden, da eben grundsätzlich jede Materie durch ein Verfassungsgesetz oder eine Verfassungsbestimmung des Bundes geregelt werden kann und daher im konkreten Fall höchstens das verfassungsmäßige Zustandekommen einer solchen Regelung mit der Behauptung bezweifelt werden könnte, es seien die Formvorschriften des Art. 44 B-VG nicht beobachtet worden.“163 Im Jahr 1958 stellte der VfGH, gleichfalls aus Anlass einer Kompetenzfeststellung gemäß Art. 138 Abs. 2 B-VG, demgegenüber fest: „Durch Art. 10 Abs. 1 Z. 1 B-VG werden die Angelegenheiten der „… ‚Bundesverfassung‘, … in Gesetzgebung und Vollziehung dem Bunde zugewiesen. Auch Art. 138 Abs. 2 B-VG zitiert die Kompetenzartikel (Art. 10 bis 15), ohne Art. 10 Abs. 1 Ziff. 1 auszunehmen. Allerdings sind die Kompetenzartikel lediglich dazu bestimmt, die Zuständigkeitsbereiche der einfachen Gesetzgeber (Bund und Länder) voneinander zu scheiden. Hingegen kann grundsätzlich jede Materie durch ein Verfassungsgesetz oder eine Verfassungsbestimmung des Bundes geregelt werden. Dies hebt das Erkenntnis des VfGH vom 17. Juni 1953, Slg Nr. 2527, hervor. Gleichwohl geht aus dem Art. 10 Abs. 1 Ziff. 1 B-VG nicht jegliche Bedeutung als Kompetenztatbestand ab, denn aus ihm ist jedenfalls abzuleiten, dass, soweit er reicht, die Länderzuständigkeit ausgeschlossen ist. Dieser Kompetenztatbestand fällt aber keineswegs mit den vom Bund erlassenen Verfassungsgesetzen (Verfassungsbestimmungen) zusammen. Er ist vielmehr, wie auch die ____________________
163
VfSlg. 2527/1953.
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übrigen Kompetenztatbestände, historisch auszulegen und umfasst jene Angelegenheiten, die stets und insbesondere im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kompetenzverteilung unter ‚Bundesverfassung‘ verstanden worden sind. Dazu gehören das Bundes-Verfassungsgesetz selbst und die Ausführungsgesetze zu ihm, soweit ihre Erlassung, wie die der Landesverfassungsgesetze, nicht in die Zuständigkeit der Länder fällt. Im Umfang der Geltung des Kompetenztatbestandes ‚Bundesverfassung‘ (Art. 10 Abs. 1 Ziff. 1) ist nur der Bundesgesetzgeber zu Normsetzungsakten und zu deren Vollziehung zuständig, wobei allerdings auf Gebieten, die durch Verfassungsgesetze geregelt sind, zur Vermeidung einer Verfassungswidrigkeit ebenfalls die Form eines Verfassungsgesetzes gewählt werden muss. Den Ländern fehlt somit die Zuständigkeit, auf dem Gebiete ‚Bundesverfassung‘ Gesetze zu beschließen. Die Formulierung in dem erwähnten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg. Nr. 2527/1953, dass der Kompetenztatbestand ‚Bundesverfassung‘ des Art. 10 niemals den Gegenstand eines Feststellungsbegehrens nach Art. 138 Abs. 2 B-VG bilden könne, ist daher zu eng gefasst, weil sie vor allem die aus diesem Kompetenztatbestand für die Länderzuständigkeit abzuleitende Folgerung unberücksichtigt gelassen hat.“164 (Hervorhebungen vom Verfasser) Aus Anlass einer Gesetzesprüfung von Amts wegen distanzierte sich der VfGH gleichfalls von einer Bindung an die Entscheidungsgründe eines früheren Erkenntnisses zur Kompetenzfeststellung: „Eine nähere Betrachtung der Rechtsprechung in den einschlägigen Normenprüfungsverfahren zeigt ..., dass der 1953 und 1954 eingenommene Standpunkt vereinzelt geblieben ist und der Gerichtshof zwar an der im Rechtssatz des Jahres 1954 festgestellten Zuständigkeit der Länder im Bereich des land- und forstwirtschaftlichen Grundverkehrs festhält, auf dessen Begründung aber nicht wieder zurückgreift, sondern den im Rechtssatz den Ländern zugeordneten Bereich wie einen namentlich umschriebenen Kompetenztatbestand behandelt und den Umfang dieses Tatbestandes im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kompetenzartikel für maßgeblich erachtet, andere Beschränkungen des Liegenschaftsverkehrs aber grundsätzlich als Angelegenheiten des Zivilrechts behandelt (s. dazu schon Melichar, Verfassungsrechtliche Probleme des Agrarrechtes, JBI. 1968, 285 ff., 290; die kritischen Ausführungen Miehslers, Ausländergrundverkehr in Österreich, FS Verdross (1971) 309 ff., 318 ff., vernachlässigen den Umstand, dass der Gerichtshof sich nur mit Beschränkungen des Rechtsverkehrs beschäftigt hat).“ ... „Es ist ... einzuräumen, dass die angeführten Entscheidungen von Anschauungen ausgehen, die mit der zuerst beschriebenen Entwicklung der ____________________
164
VfSlg. 3314/1958.
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Rechtsprechung zur Kompetenzfrage unvereinbar sind. Zu beachten ist freilich, dass die Kompetenzfrage nicht ihr eigentliches Thema dargestellt hat und dass offenbar frühere Entscheidungen (Sog. 3031/1956) nachgewirkt haben, deren Verträglichkeit mit der inzwischen geänderten Rechtsprechung in Kompetenzfragen der Gerichtshof lange Zeit nicht nachgegangen ist. Überlegungen, die Zweifel an der Richtigkeit dieser Rechtsprechung erwecken könnten, enthalten diese Entscheidungen zwar nicht, sie zeigen aber einige Fragen auf, die bisher noch nicht befriedigend beantwortet sind und bei neuerlicher Prüfung der Frage bedacht werden müssen.“ ... „Für die Kompetenzfrage darf nicht davon abgesehen werden, dass die Vorschriften in ihrer Gesamtheit auf das zivilrechtliche Verhältnis einwirken sollen. Der Gerichtshof kann daher am dort vertretenen kompetenzrechtlichen Ergebnis nicht mehr festhalten. Die Behauptung der Kärntner Landesregierung, das WSG 1976 habe gegenüber dem Gesetz über die Aufschließung von Wohnsiedlungsgebieten aus 1933 nichts wesentlich Neues gebracht, kann deshalb die Bedenken nicht zerstreuen.“165 (Hervorhebungen vom Verfasser) In jüngster Zeit hat der VfGH seine Rechtsauffassung zum Begriff des „Anlassfalles“ gemäß den Art. 139 und 140 B-VG neu formuliert und damit ein anderes Beispiel für die Änderung seiner Rechtsauffassung im Hinblick auf die Auswirkungen seiner Judikatur geliefert.166 In den Entscheidungsgründen des Erkenntnisses heißt es: „Die Beratungen in den Normenprüfungsverfahren begannen am 27. September 2005 um 8.30 Uhr. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes seit VfSlg. 10.616/1985 wäre der vorliegende (am 5. August anhängig gewordene) Fall daher als im Zeitpunkt des Beratungsbeginns anhängig gewesen einem Anlassfall gleichzuhalten. In dieser Allgemeinheit kann der Verfassungsgerichtshof an seiner Rechtsprechung aber nicht mehr festhalten. Sie führt nämlich – wie sich zeigt – unter Umständen dazu, dass die Einleitung eines Normenprüfungsverfahrens, also das Aufgreifen der im (führenden) Anlassfall entstandenen Bedenken durch den Verfassungsgerichtshof, die Antragstellung in jenen Verwaltungsverfahren überhaupt erst auslöst, deren Ergebnisse dann Anlassfällen eben dieses Normenprüfungsverfahrens gleichzuhalten wären. Zur Rechtsbereinigung tragen solche Verfahren von vornherein nicht mehr bei. Es kann aber nicht der Sinn der verfassungsrechtlichen Privilegierung des Anlassfalles im Verhältnis zu anderen, von der Aufhebung nicht betroffenen Fällen sein, dass die amtswegige Einleitung des Normenprüfungsverfahrens Verwaltungsverfahren mit dem Ziel auslöst, der in Art. 139 ____________________
165 166
VfGH Erkenntnis vom 9. Dezember 1982, G 47/81, G 39/82, VfSlg. 9580/1982. Erkenntnis B 844/05, vom 15. Oktober 2005 zu G 39/05 vom 13. Oktober 2005.
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Abs. 6 und Art. 140 Abs. 7 B-VG – je zweiter Satz – vorgesehenen Weitergeltung der aufgehobenen Vorschriften für die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände zu entgehen, sodass die verfassungsrechtliche Regelung in ihr Gegenteil verkehrt wird. Der vom Verfassungsgesetzgeber mit der B-VG-Novelle 1975 aus der früheren Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes übernommene Begriff des Anlassfalles ist zunächst (VfSlg. 8234/1978) auf jene Fälle beschränkt verstanden worden, die tatsächlich zur Einleitung eines Normenprüfungsverfahrens geführt haben. Zwecks Loslösung von ‚Zufälligkeiten des Geschäftsganges und insbesondere von der Menge und Art der anfallenden Rechtssachen, also ausschließlich von Umständen im Schoße des Gerichtshofes selbst,‘ hat ihn der Verfassungsgerichtshof jedoch später dahin ausgelegt, dass er alle im Zeitpunkt der Ausschreibung der Verhandlung anhängig gewordenen Fälle erfasst (VfSlg. 10.067/1984); nach Eröffnung der Möglichkeit (durch die Änderung des Verfassungsgerichtshofgesetzes im Gefolge der B-VG-Novelle 1984), auch im Normenprüfungsverfahren von einer mündlichen Verhandlung abzusehen, hat er schließlich der Ausschreibung der Verhandlung den Beginn der nichtöffentlichen Beratung gleichgesetzt (VfSlg. 10.616/1985). Bei diesem Verständnis werden aber auch Fälle dem Anlassfall gleichgestellt, für die das weder wegen eines möglichen Beitrages zur Rechtsbereinigung noch zur Ausschaltung von Zufälligkeiten im Geschäftsgang des Verfassungsgerichtshofes gerechtfertigt ist. Solche Fallgestaltungen waren bisher noch nicht zu beurteilen. (Hervorhebungen vom Verfasser) Der Verfassungsgerichtshof sieht sich darum veranlasst, diese Gleichstellung in jenen Fällen nicht vorzunehmen, in denen der ein Verwaltungsverfahren einleitende Antrag erst nach Bekanntmachung des Prüfungsbeschlusses gestellt wurde (mag auch die Beschwerde gegen den letztinstanzlichen Bescheid dann noch vor dem Beginn der Beratung beim Verfassungsgerichtshof eingelangt sein). Der vorliegende Fall ist ein solcher: Die Zustellung des Prüfungsbeschlusses erfolgte am 7. April 2005; zugleich wurde er vom Verfassungsgerichtshof ins Internet gestellt und solcherart bekannt gemacht. Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse hat ihren Antrag erst am 6. Juli 2005 gestellt. Nach dem Gesagten ist ihre Beschwerde nicht einem Anlassfall gleichzuhalten. Daher sind nach den oben genannten Verfassungsbestimmungen auf die in dem Antrag erfassten, vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände die aufgehobenen Normen weiterhin anzuwenden. Insoweit sind sie durch die Aufhebung verfassungsrechtlich unangreifbar geworden (VfSlg. 15.978/2000, 13.297/1992).“ In diesem Zusammenhang ist auch Ambiguität der oben dargestellten „Rechtssätze“ des VfGH zu den Fragen der Präjudizialität bei Prüfungen
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von Amts wegen und der fehlenden materiellen Beschwerdelegitimation, in Verbindung mit der fehlenden materiellen Zuständigkeit des VfGH zur Bescheidprüfung aufgrund von Beschwerden Einzelner und zur Reichweite der Prüfungszuständigkeit für eine Rechtsvorschrift von Amts wegen aufschlussreich. Weiteren Fällen von Abänderungen der ständigen Judikatur nachzugehen wäre gewiss aufschlussreich, würde aber den Rahmen dieser Studie sprengen. Festzuhalten ist hier jedoch, dass nur der Spruch über den Anlassfall hinaus allgemein verbindlich ist, nicht jedoch die Begründung eines Erkenntnisses. Der VfGH behandelt durch seine ständige Judikatur aber auch Entscheidungsgründe wie allgemein verbindliche Aussprüche über Aufhebungen. Es sei denn, er fände einen triftigen Grund, von seiner ständigen Judikatur abzugehen und altbewährte Entscheidungsgründe zu erweitern oder vielleicht sogar aufzugeben, weil er sich entweder geirrt hat, oder die Auswirkungen seiner Rechtsmeinung entweder nicht bedacht hat oder nicht vorhersehen konnte, weil er seine Rechtsanschauung ändern zu sollen glaubte oder weil er seine eigene Zuständigkeiten ausweiten oder einschränken wollte. Dazu ergeben sich für die Ortstafeljudikatur des VfGH folgende erhebliche Fragen: Wie weit können Entscheidungsgründe für Verordnungsund Gesetzesprüfungen gemäß dem B-VG und dem VfGG ohne Gesetzesänderungen für einen Antragsteller verlässlich von Dauer sein? Was wäre zu erwarten, sollte der VfGH seinen fundamentalen Irrtum über die uneingeschränkte unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 7 des Staatsvertrages von Wien erkennen und die unverhältnismäßigen Auswirkungen seiner zur materiellen Gesetzgebung tendierenden Judikatur auf die staatspolitische Wirklichkeit bedenken und vielleicht sogar revidieren? Normativ formulierte Rechtsanschauungen in den Entscheidungsgründen von Erkenntnisses des VfGH stehen durch ihr sprachliches Erscheinungsbild, durch stereotype Wiederholungen, dogmatisierende Bekräftigungen und Erweiterungen wie echte Rechtssätze im Raum. Sie richten sich materiell nicht nur an die Vollziehung, sondern auch an den Gesetzgeber. Ist dieser nun rechtlich oder bloß faktisch daran gebunden? Wie weit reicht die materielle Gesetzgebungsbefugnis des Gesetzgebers? Hat sie, konfrontiert mit einer ständigen Judikatur des VfGH, einen Vorrang vor den Entscheidungsgründen in den Erkenntnissen über Gesetzesaufhebungen des VfGH? Solche Fragen weisen auf den Kern der Problematik. Die Verfassungsgerichtsbarkeit hat an der gemäß der Verfassung dem Gesetzgeber vorbehaltenen staatspolitischen Gestaltung einer Rechtsmaterie in der Form von Gesetzen ihre Grenzen. Die Rechtsgestaltung durch Gesetz bedeutet Staatspolitik. Diese ist innerhalb der Rahmenbedingun-
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gen der Verfassung als Aufgabe ausschließlich dem Gesetzgeber vorbehalten und dem VfGH verwehrt. Die Rechtsanschauung des VfGH in den Entscheidungsgründen der Erkenntnissen zum Minderheitenschutz gemäß Art. 7 StV von Wien, im Besonderen zu den Ortstafelverordnungen und die mit ihnen verknüpften Selbstbindungen des VfGH an einschlägige Vorentscheidungen, etwa zu Fragen der Präjudizialität von Rechtsvorschriften ebenso wie der unmittelbaren Anwendbarkeit von Staatsverträgen hinsichtlich der Amtssprache und der topographischen Bezeichnungen und Aufschriften, mahnen im Hinblick auf die Vorschriften des ABGB jedenfalls zur Nachdenklichkeit: „§ 8 Nur dem Gesetzgeber steht die Macht zu, ein Gesetz auf eine allgemein verbindliche Art zu erklären. Eine solche Erklärung muss auf alle noch zu entscheidenden Fälle angewendet werde, dafern der Gesetzgeber nicht hinzufügt, dass seine Erklärung bei Entscheidungen solcher Rechtsfälle, welche die vor der Erklärung unternommenen Handlungen und angesprochenen Rechte zum Gegenstand haben, nicht bezogen werden solle. § 9 Gesetze behalten solange ihre Kraft, bis sie von dem Gesetzgeber abgeändert oder ausdrücklich aufgehoben werden. § 12 Die in Einzelfällen ergangenen Verfügungen und die von Richterstühlen in besonderen Rechtsstreitigkeiten gefällten Urteile haben nie die Kraft eines Gesetzes, sie können auf andere Fälle oder auf andere Personen nicht ausgedehnt werden.“ Zu diesen Vorschriften des ABGB ist allerdings für die Erkenntnisse des VfGH gemäß den Verschiedenheiten der Kompetenzen eine grundsätzliche Einschränkung zu machen: sofern die Verfassung dazu keine Besonderheiten vorsieht. Das ist nämlich gemäß den Art. 139 und 140 B-VG für den Spruch über Gesetzesaufhebungen und gemäß Art. 138 Abs. 2 B-VG für den Rechtssatz zur Kompetenzfeststellung der Fall. Aussprüche gemäß den Art. 139 und 140 B-VG sowie Rechtssätze gemäß Art. 138 Abs. 2 B-VG sind allgemein rechtsverbindlich.167 Diese Entscheidungsfor____________________
167 Siehe dazu Morscher, Zur Kompetenzfeststellung gemäß Art. 138 Abs. 2 B-VG, ÖJZ (1996) 881 ff. Morscher vertritt mit ausführlichen Hinweisen auf die Lehre allerdings die Meinung, dass die Kompetenzfeststellung gemäß Art. 18 Abs. 2 B-VG „authentischen“ Charakter habe. Das kann wohl nur bildlich gemeint sein. Authentisch ist eine Interpretation der Verfassung nämlich nur dann, wenn sie vom Verfassungsgesetzgeber selbst stammt. Die Interpretation eines Kompetenztatbestandes gemäß Art. 138 Abs. 2 B-VG kann nur Verbindlichkeit im Sinn der Verfassung bedeuten. Diese Verbindlichkeit ist zwar verfassungsrechtlich erheblich. Sie ist aber nur akzessorisch und suppletorisch. Der Verfassungsgesetzgeber kann einen vom VfGH interpretierten Kompetenztatbestand jederzeit selbst (authentisch) interpretieren oder neu und daher auch anders regeln, als es der VfGH zur bisherigen Rechtslage meinte.
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Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung
men ergehen in der durchsetzbaren, verbindlichen Rechtsform einer normativen Anordnung und müssen vom Gerichtshof in seinen Erkenntnissen auch als solche beschlossen und formuliert sein. Sie sind daher von den bloß so genannten, gleichfalls normativ formulierten „Rechtssätzen“ bzw. „Leitsätzen“ in den Entscheidungsgründen eines Erkenntnisses wesentlich verschieden. Für solche Rechtssätze bzw. Leitsätze als Entscheidungsgründe gilt nichts anderes als für die Entscheidungsgründe von Erkenntnissen des VfGH im Allgemeinen. Die Erkenntnisse des VfGH aus den Jahren 2001 und 2005 sind in dieser Hinsicht weder Einzelfälle, noch etwas Besonderes. In ihnen tritt aber die Möglichkeit einer Wegweisung der wesentlichen Entscheidungsgründe für die nachfolgende Judikatur des VfGH als Höchstgericht geradezu herausfordernd zutage. Dieser Möglichkeit einer faktischen Verbindlichkeit von Rechtsanschauungen des VfGH sei im Folgenden auf den Grund gegangen.
3. Verfassungsgerichtsbarkeit und Politik Die Forderung des VfGH nach „Festlegung“ von zusätzlichen slowenischen Ortsnamen durch die Bezirkshauptmannschaft bzw. durch die Bundesregierung, bloß auf Grund seiner unbestimmten Rechtsanschauung und ohne eine bindende gesetzliche Grundlage führt zur grundlegenden Frage nach einer klaren Grenzziehung zwischen Recht und Politik für den VfGH; und zwar gemäß den Prinzipien der Demokratie, des Rechtsstaates, der Legalität und des Föderalismus, hier im Besonderen im Hinblick auf die Durchführung von nicht unmittelbar anwendbaren Staatsverträgen durch den Gesetzgeber. Die genannten Prinzipien der Verfassung bedeuten in den gegenständlichen Fällen verfassungsrechtliche Kernpunkte. Dabei tritt die Frage nach der Rechtsstellung des VfGH gegenüber der Gesetzgebung (Verfassungsgesetzgebung) und damit auch gegenüber der legitimen Staatspolitik des Gesetzgebers aufgrund seiner verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten beunruhigend in den Vordergrund. Diese Frage wurde in der Literatur eingehend erörtert. Man vertritt allgemein die Meinung, dass die Staatspolitik dem VfGH verwehrt ist. Sie ist dem Gesetzgeber vorbehalten, der sich zu ihrer Ausübung der Rechtsform der Gesetze bedienen muss. Andererseits ist man aber auch der Meinung, dass vor allem die Verordnungs- und Gesetzesaufhebungen des VfGH zwangsläufig auch einen (staats-)politischen Stellenwert haben.168 ____________________
168 Barfuss, Die „politische“ Komponente des österreichischen Verfassungsgerichtshofs, in: FS L. Adamovich (1991) 1 ff; Korinek, Betrachtungen zur österreichischen Verfassungsgerichtsbarkeit, in: FS L. Adamovich (1992) 253 ff; Oberndorfer, Die Verfassungs-
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Das ist verständlich, weil sich ein solcher aus den Zuständigkeiten des VfGH innerhalb der Struktur und Funktion der Gewaltenteilung der Verfassung ergibt. Die Verfassung regelt die Organisation, die Aufgaben und das Funktionieren des Staates. Durch die Vorschreibung von Grundprinzipien, Zuständigkeiten und Verfahren gibt sie den verfassungsmäßig bestellten obersten Staatsorganen rechtliche Rahmenbedingungen für ihr kompetenzgebundenes staatspolitisches Verhalten vor; vor allem dem Gesetzgeber (Verfassungsgesetzgeber). Diesem kommt als unmittelbarem Vertreter des Volkes in der Ausübung seiner Gesetzgebungsfunktion (Verfassungsgesetzgebungsfunktion) ein Vorrang vor den Funktionen der anderen obersten Vollzugsorgane des Staates zu. Jedes der obersten Organe ist durch die Verfassung zur Ausübung der ihm zugewiesenen „Staatsgewalt“ (Staatsfunktion) gemäß den Vorschriften der Verfassung auf Grund der Gesetze berufen: Der Gesetzgeber zur Gesetzgebung, die Gerichte zum unabhängigen Vollzug der Gesetze, die Regierung zum weisungsgebundenen Vollzug der Gesetze. Den anderen obersten Organen kommt gegenüber dem Gesetzgeber eine nachgeordnete Funktion zu. Das gilt mutatis mutandis auch für den VfGH. Die entscheidungsförmige Ausübung verfassungsrechtlicher Kompetenzen durch eines dieser obersten Staatsorgane hat aber ungeachtet ihres den Gesetzen nachgeordneten Ranges eine zukunftsweisende gestaltende Verbindlichkeit und ist insofern „politisch“. Das gilt auch für Erkenntnisse des VfGH. Dass die Grenzen zwischen Gerichtsbarkeit und Gesetzgebung unter der Perspektive der Staatspolitik nicht leicht zu ziehen sind, liegt auf der Hand. Es kann aber nicht Sache des VfGH sein, diese Grenzziehung nach freiem Ermessen vorzunehmen und zur Ausdehnung seiner Kompetenzen immer weiter hinauszuschieben. Infolge der Dynamik und Veränderlichkeit des staatspolitischen Geschehens erweist sich jedenfalls eine immer wieder erneuerte Besinnung auf die Grenzen zwischen der Verfassungsgerichtsbarkeit und der Gesetzgebung als eine Herausforderung zur Wachsamkeit für alle obersten Staatsorgane. Rudolf Machacek, ein langjähriges Mitglied des VfGH, schreibt dazu in seiner Darstellung des Verfahrens vor dem VfGH: „Der Rechtsstaat ____________________
rechtsprechung im Rahmen der staatlichen Funktionen, EuGRZ (1988) 193 ff; Öhlinger, Verfassungsgerichtsbarkeit und parlamentarische Demokratie, in: FS E. Melichar (1983) 125 ff; Merten, Verfassungsgerichtsbarkeit und Politik, FS L. Adamovich (2002) 463 ff; Pelinka, Die Wächter und die Demokratie. Demokratietheoretische Anmerkungen zur Wächterrolle von Höchstgerichten, in: FS L. Adamovich (2002) 617 ff uam. Oberndorfer, Die Verfassungsrechtsprechung im Rahmen der staatlichen Funktionen. Arten, Inhalt und Wirkungen der Entscheidungen über die Verfassungsmäßigkeit von Rechtsnormen, EuGRZ 15 (1988) 205.
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ist dadurch gekennzeichnet, dass die politische Macht verteilt ist. Verfassungsgerichte haben grundsätzlich keine besondere politische Macht. Ihre Macht ist eine bloß rechtlich korrigierende. Die politische Macht der Bürokratie, des Parlamentarismus und die politische Macht der Parteien und Interessengruppen ist den Möglichkeiten, die die Verfassung dem VfGH einräumt, aus vielen Gründen grundsätzlich weit überlegen. Den genannten politischen Mächten steht der gesamte Spielraum offen, den die Verfassung der Gesetzgebung einräumt; der VfGH kann bestenfalls quasi nur die Zügel kürzer nehmen, wenn die Gewährleistungen die die Verfassung verbürgt, gefährdet werden.“ (42) „Die Vorwerfbarkeit, das Verfassungsgericht hätte sich in der Rechtsprechung als Ersatzgesetzgeber verstanden,169 wird aber minimiert, wenn die rechtliche Begründung der verfassungsgerichtlichen Entscheidung deutlich macht, aus welchem spezifischen Grund dem einfachen Gesetzgeber ein verfassungswidriges Verhalten vorzuwerfen ist. ... Die Rationalität des Begründungsstils ist daher bei Verfassungsgerichten besonders wichtig. Zur Rationalität verfassungsgerichtlicher Entscheidungen gehört es daher immer, dass sie logisch einwandfrei zu den entscheidenden Aussagen hinführen, dem Gesetzgeber aber auch mit erforderlicher Klarheit seinen legistischen Freiraum aufzeigen. Das bedeutet auch, dass politische Problemlösungen dem einfachen Gesetzgeber nicht abgenommen werden können. Was das Verfassungsgericht machen kann, ist lediglich, die rechtlichen Grenzen aufzuzeigen, die in der Verfassung selbst grundgelegt sind, und politische Streitfragen in Rechtsstreite zu wandeln und damit die Gelegenheit zu schaffen, das politische Leben von Machtkonflikten zu befreien.“ (43 f) „Die Verfassung ... hat zum Ziel, die politische Macht zu begrenzen und die Gewalten zu teilen und damit letztlich die Freiheit des Bürgers zu gewährleisten. Die Rechtsprechung der Verfassungsgerichte setzt bei dieser Bedeutung der Verfassung an und nimmt in Anspruch, die Ausübung politischer Macht an der Verfassung selbst zu messen. Es ist dabei nicht schwer zu erkennen, dass Verfassungsgerichte und Politiker oft nicht ganz dasselbe meinen, wenn sie von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und von Wertentscheidungen der Verfassung sprechen. Entscheidend dafür, ob Verfassungsgerichte zuständig sind einzugreifen, ist jeweils die Justiziabilität der Verfassungsaussagen. Justiziable Aussagen der Verfassung werden von Verfassungsgerichten dadurch gewonnen, dass sie die Bestimmungen der Verfassung rational teleologisch auf präzise Aussagen reduzieren. Auch für die Politik wird die Verfassung legitimierend ver____________________
169 Sie dazu den Hinweis bei Korinek, Betrachtungen zur österreichischen Verfassungsgerichtsbarkeit, in: FS L. Adamovich (1992) 267.
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standen: Das wird durch ein politisches Verständnis der Aussagen der Verfassung, also dem Abgewinnen vieler Bedeutungsvarianten, erzielt. Die gebotene Kontrolldichte wird nach den beiden Positionen oft sehr unterschiedlich gesehen. Tatsächlich wird auch von den jeweiligen Verfassungsbestimmungen keineswegs immer ein gleicher Kontrollmaßstab vorgegeben. Der für eine Justiziabilität von Bestimmungen vorausgesetzte rechtliche Gehalt kann sich auf einen Wesensschutz beschränken, sodass der einfache Gesetzgeber alles darf, solange er nicht exzessiv vorgeht und damit ein Grundrecht an sich gefährdet. Es kann sich aber auch um eine Vertretbarkeitskontrolle handeln, die den einfachen Gesetzgeber zwingt, sich an ein Verständnis der Verfassungsbestimmung zu halten, das vernünftigerweise dem Verfassungsgesetzgeber zusinnbar ist. Schließlich kann aber auch eine Inhaltskontrolle vom Verfassungsgericht in Anspruch genommen werden, wenn es um Normen geht, die gebieten, dass sich der einfache Gesetzgeber materiell verfassungsrichtig verhält.“ (43 f ) Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen erhalten die Äußerungen Machaceks zu den Grundrechten, insbesondere zum Minderheitenschutz eine besonderen Stellenwert: „Seit der Mitte der achtziger Jahre ist der VfGH erkennbar dazu übergangen, seine Judikatur verstärkt an den materiellen Gesetzesvorbehalten der EMRK zu orientieren. Diese materielle Betrachtung strahlte in der Folge in seine ganze Rechtsprechung aus. Heute steht der VfGH mit seinen Aussagen an den Grenzen, die der Rechtsprechung gezogen sind, oder, anders ausgedrückt, vor der Aufgabe, einerseits die Verfassung gegen rechtspolitische Aushöhlung zu schützen, ohne andererseits selbst Politik zu betreiben. ... Das Schwergewicht der Rechtsprechung des VfGH liegt zwar in seinen Normenprüfungserkenntnissen. Aber auch Erkenntnisse über Beschwerden gegen Bescheide können einen weit über den Einzelfall hinausgehendes Gewicht besitzen.“ (36 f ) „Der Minderheitenschutz in Österreich war wohl in der Verfassung und in den Staatsverträgen 1919 und 1955 gewährleistet, aber nicht hinreichend durch einfache Gesetze ausgeführt. Der österreichische VfGH wurde von den Minderheiten daher wiederholt angerufen. In einer grundlegenden Entscheidung leitete der VfGH 1983 aus der Verfassung selbst den Minderheitenschutz auch in den Fällen ab, in denen der einfache Gesetzgeber nicht hinreichend tätig geworden war (VfSlg. 9224/1981, 9752/ 1983, 9744/1983). Das Erkenntnis hat logisch-rational ausgefüllt, was der einfache Gesetzgeber auszufüllen unterlassen hat.“ (36 f ) „Die zentrale Bedeutung dieses Grundrechtsbereiches (Art. 14 EMRK) drängt nach einem besonderen Schutz durch den Europarat, ebenso aber auch nach einer vertieften Judikatur durch die nationalen Verfassungsge-
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richte und fordert gleiches von der EU und dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. In einer Grundrechtsdemokratie muss jeder in seinem Staat wie in einem Haus wohnen können. Das muss das Ziel und die Aufgabe der Verfassungen aller Europaratsstaaten sein. Die Verfassungsgerichte haben diese Auffassung daher gegen andere Meinungen der Politik zu verteidigen und was bisher viel zu selten der Fall ist – in favorem von Minderheiten unmissverständlich erkennbar zu judizieren.“ (48) „Die höchste Aufgabe des Verfassungsgerichts ist es dabei, die Verfassung in diesem Sinne – wenn nötig, selbst vor dem Gesetzgeber zu schützen und sie im Bewusstsein der Bürger zu verankern.“ (48) Diese Worte eines erfahrenen Mitgliedes und Referenten des VfGH sprechen für sich. Sie führen nicht nur zur Frage nach einer verfassungsrechtlichen Erklärung, sondern auch einer staatspolitischen Rechtfertigung der Grenzüberschreitungen des VfGH zur Staatspolitik in seiner Ortstafeljudikatur.
VI. Gesetzgeber und Verfassungsgericht 1. Die Aufgabe des Gesetzgebers Mit der Erlassung des Volksgruppengesetzes ist der Gesetzgeber im Jahr 1976 seiner verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Verpflichtung nachgekommen. Innerhalb der verfassungsgesetzlichen Rahmenbedingungen hat er in der vom VfGH unterdessen aufgehobenen Wortfolge im § 2 Ziff. 2 gemäß den allgemeinen internationalen Gepflogenheiten einen Richtwert von 25 % innerhalb der oberen Grenze der völkerrechtlichen Bandbreite festgesetzt. Gemessen am internationalen Standard nach dem II. Weltkrieg, der im Allgemeinen von 5 % bis 25 % reichte,170 erscheint diese Regelung jedenfalls vertretbar. Sie lag innerhalb des Rahmens eines anerkannten internationalen Standards und entsprach auch der Praxis der südlichen Nachbarstaaten Österreichs. Die Regelung könnte nach dem Beispiel anderer europäischer Länder allerdings auch günstiger sein als 25 %. Hilpold führt dazu Folgendes aus: „Dass diese Schwelle hoch angesetzt wurde, wurde bereits erwähnt. Die entscheidende Frage lautet nun, ob die 25 %-Klausel des § 2 Abs. 1 Ziffer 2 des Volksgruppengesetzes eine ____________________
170 Hilpold, Modernes Minderheitenrecht (2001) 346 ff. Dazu vor allem Matscher, Die slowenische und die kroatische Volksgruppe in Österreich, in: BKA (Hg), Die rechtliche Stellung der Volksgruppen in Österreich (1977) 7, 13; Matscher, Die Minderheitenregelungen im Staatsvertrag, in: Der österreichische Staatsvertrag 1955. Internationale Strategie, rechtliche Relevanz, nationale Identität (2005) 783 ff.
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Einschränkung gegenüber der verfassungsrechtlichen Vorgabe in Art. 7 Ziffer 3 darstellt, und nicht bloß eine Konkretisierung. Wie der Verfassungsgerichtshof im Zusammenhang mit den Amtssprachenbestimmungen festgestellt hat, ist eine nähere Ausführung verfassungsrechtlicher Vorschriften in diesem Bereich durchaus zulässig, soweit dadurch keine Einschränkung erfolgt. Eine Einschränkung durch eine einfachgesetzliche Bestimmung wäre dagegen auf jeden Fall verfassungswidrig und die faktische Nichterfüllung würde auf der Völkerrechtsebene Staatenverantwortlichkeit auslösen. Dass eine 25 %-Klausel eine unzulässige Einschränkung darstellt, lässt sich aber kaum pauschal behaupten. Die restriktive Haltung, die in dieser Hürde zum Ausdruck kommt, reicht für sich genommen nicht so weit, dass die Verwirklichung von Ziel und Zweck der Bestimmung vereitelt würde(n). Das Volksgruppengesetz konkretisiert hier in erster Linie die verfassungsrechtliche Vorgabe; dass dies in großzügigerer Form zu erfolgen hätte, kann wohl kaum im Rechtswege geltend gemacht werden.“ 171 Der Gesetzgeber bestimmte im VolksgruppenG 1976 auf der Grundlage des Art. 7 des StV von Wien, im Zusammenhalt mit dem Art. 68 des StV von St. Germain, innerhalb seiner Kompetenz den Richtwert für die „gemischte Bevölkerung“ jedenfalls einheitlich und eindeutig mit einem Viertel. Diese Regelung von 25 % ist im Jahr 1976 auch sonst verfassungskonform und gemäß dem Völkerrecht zustande gekommen. Sie wurde aufgrund eines Konsenses zwischen der Bundesregierung und der Kärntner Landesregierung festgeschrieben und von den Signatarmächten und Vertragspartnern des Staatsvertrages ohne einen förmlichen Einspruch zur Kenntnis genommen. Dass dieser Prozentsatz durch den Gesetzgeber auch niedriger angesetzt werden könnte, versteht sich von selbst. Eine günstigere Festsetzung kann aber niemals durch den VfGH erfolgen. Für die Bestimmung eines annähernden, letztlich sogar unbestimmten Richtwertes von „mehr als 10 % über einen längeren Zeitraum“, wie es im Erkenntnis des VfGH aus dem Jahr 2001 festgelegt ist, gibt es weder eine Verfassungsvorschrift noch eine entsprechende völkerrechtliche Rechtsgrundlage (Öhlinger)172. In Ermangelung einer verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Rechtsvorschrift fehlte daher dem VfGH die Kompetenz, anstelle des Gesetzgebers einen günstigeren Prozentsatz als Kriterium für die territoriale Gewährung von Rechten der Minderheiten zu bestimmen. Für Staatsvertragsvorschriften, die nicht unmittelbar anwendbar sind, gelten überdies die Besonderheiten des Art. 16 Abs. 5 B-VG über die ____________________
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Hilpold, Modernes Minderheitenrecht (2001) 349. Interview im Standard vom 20. Januar 2006.
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„Durchführung“ von Staatsverträgen. Dafür sind die Gesetzgeber des Bundes und der Länder zuständig. Der VfGH ist nicht zuständig, von einem in nicht unmittelbar anwendbaren Vorschriften eines Staatsvertrages gelegenen verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Handlungsauftrag an den Gesetzgeber Gebrauch zu machen und aus freiem Ermessen zur „Durchführung“ gemäß Art. 16 Abs. 5 B-VG einen verfassungskonformen Inhalt aufzuheben und anstelle dessen einen neuen Gesetzesinhalt mit Rechtsverbindlichkeit festzulegen. Im vorliegenden Fall war es ihm aber auch ganz allgemein verwehrt, innerhalb der völkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen einen neuen Prozentsatz als Richtwert zu bestimmen. Doch abgesehen davon, kann eine bloß in den Entscheidungsgründen ausgesprochene Rechtsanschauung des VfGH über einen günstigeren Prozentsatz keineswegs genügen, um diese Vorschrift unmittelbar anwendbar zu machen. Im Hinblick auf Art. 16 Abs. 5 B-VG und auf Art. 18 B-VG bedarf es zur ordnungsgemäßen Durchführung des nicht unmittelbar anwendbaren zweiten Satzes in der Ziff. 3 des Art. 7 StV von Wien jedenfalls einer entsprechenden Regelung durch den Gesetzgeber. Ihm allein kommt das staatspolitische Ermessen zu, innerhalb der allgemein anerkannten völkerrechtlichen Bandbreite und der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen auch günstigere Kriterien für die mengenmäßige und territoriale Feststellung der Minderheit anzuordnen und dazu entsprechende Regelungen über die dafür notwendigen administrativen Vorkehrungen durch die zuständigen Behörden zu erlassen.
2. Die Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs Der VfGH ist gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG fallbezogen und anlassbedingt grundsätzlich zuständig, von Amts wegen auch die Einhaltung der Regelungen des ersten und des zweiten Satzes der Ziff. 3 im Art. 7 des StV von Wien, in Verbindung mit den Regelungen des StV von St. Germain, durch den Gesetzgeber zu prüfen und die einschlägigen Vorschriften des VolksgruppenG für den Fall ihrer Verfassungswidrigkeit und in der Reichweite ihrer Präjudizialität zu prüfen, wegen Verletzung einer zwingenden Verfassungsvorschrift erforderlichenfalls auch aufzuheben. Er hat zur Beurteilung der konkreten Anlassfälle und zur Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes aber alle einschlägigen Verfassungsvorschriften heranzuziehen. Dazu gehört nicht nur die Verfassungsbestimmung des Art. 7 StV von Wien im Sinn der Erklärung des Verfassungsgesetzgebers des Jahres 1964, sondern auch die Verfassungsbestimmung des Art. 68 des StV von St. Germain. Ohne einen sich aus dem Verfassungs-
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recht ergebenden zwingenden Rechtsgrund darf der VfGH für ein Gesetz keine Verfassungswidrigkeit annehmen und es ist ihm verwehrt, ein auf bloßen Verdacht hin einer Prüfung unterzogenes Gesetz auch aufzuheben. Wäre jedoch ein zwingender verfassungsrechtlicher Grund zur Aufhebung gegeben, dann könnte und müsste der VfGH das Gesetz im Umfang der für den Fall erheblichen Verfassungswidrigkeit aufheben. Bei seinem Ortstafelerkenntnis des Jahres 2001 ließ sich der VfGH auch durch die Feststellungen von angesehenen Fachleuten nicht „beirren“ und trat im Jahr 2001 ungeachtet der begründeten Meinung von Zeitzeugen und Mitwirkenden am Staatsvertrag173 in die Gesetzesprüfung ein. Der VfGH durfte die geprüften Vorschriften vor allem nicht deshalb aufheben, weil der Gesetzgeber durch die Festlegung eines Viertels als Richtwert von der nur ihm zukommenden Zuständigkeit nicht großzügiger Gebrauch gemacht und innerhalb der unbestimmt formulierten Rahmenbedingungen des Art. 7 Ziff. 3 des StV von Wien und des Art. 68 des StV von St. Germain, sowie innerhalb des unbestrittenen internationalen Standards von 5 % – 25 % seine Regelungen über die Ortstafeln nicht an einen geringeren Prozentsatz gebunden hat. Dass der VfGH nicht nur den Prozentsatz von einem Viertel, sondern auch das vom Gesetzgeber dem StV von St. Germain entnommene Kriterium „verhältnismäßig beträchtliche Zahl“, in Verbindung mit den Worten „der dort wohnhaften Volksgruppenangehörigen“, aus eigenem Ermessen aufgehoben hat, spricht angesichts dieser Zusammenhänge für sich selbst. Der VfGH ist gewiss dazu berufen, ein als verfassungswidrig befundenes Gesetz (bzw. bestimmte Teile davon) im Umfang der Notwendigkeit für den konkreten Fall aufzuheben und für die Aufhebung eines Gesetzes (von Teilen oder Wortfolgen) wegen Verfassungswidrigkeit eine Begründung zu formulieren. Diese kann für die durch die Aufhebung erforderlich gewordene Neuregelung durch den Gesetzgeber aber nicht die Funktion einer rechtlich erzwingbaren Vorschreibung haben. Sie muss überdies auch ihrerseits verfassungskonform sein. Das trifft aber nur dann zu, wenn sich der VfGH formell und materiell innerhalb seiner verfassungsgesetzlichen Kompetenzen zur Gesetzesprüfung von Amts wegen hält und diese nicht überschreitet. Das gilt sinngemäß auch für Verordnungen. ____________________
173 Dazu vor allem Matscher, Die slowenische und die kroatische Volksgruppe in Österreich, in: BKA (Hg), Die rechtliche Stellung der Volksgruppen in Österreich (1977) 7, 13; Matscher, Die Minderheitenregelungen im Staatsvertrag, in: Der österreichische Staatsvertrag 1955. Internationale Strategie, rechtliche Relevanz, nationale Identität (2005) 783 ff. Hilpold, Modernes Minderheitenrecht (2001) 346 ff.
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Im Allgemeinen darf der VfGH die von ihm für verfassungswidrig befundenen Gesetze nach Maßgabe der Erforderlichkeit nur aufheben, es ist ihm aber verwehrt, darüber hinaus eine materielle Rechtsgestaltung vorzunehmen. Denn, wie Korinek zutreffend feststellte: „Unzulässig wäre es, wollte das Verfassungsgericht seine Entscheidung dort an die Stelle des Gesetzgebers setzen, wo diesem Gesetzgeber ein autonomer Rechtsgestaltungsspielraum offen gelassen ist. Die Prüfungskompetenz des Gerichtshofs reicht eben so weit, als die rechtliche Gebundenheit reicht – nur so weit, so weit aber in jeder Beziehung. Der Bereich der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit ist hingegen der verfassungsgerichtlichen Prüfung entzogen.“174 „Der Verfassungsgerichtshof bemüht sich, diese Grenze nicht zu überschreiten; er vermeidet es, eine Gesetzesvorschrift aufzuheben, wenn es eine ‚verfassungsgerechtere Lösung‘ gäbe und hütet sich davor, dem Gesetzgeber eine bestimmte Regelung vorzuschreiben oder auszusagen, dies und nichts anderes gebiete die Verfassung: Nur selten ergibt sich nämlich aus den Grundrechten die einzig verfassungsmäßige Lösung. Auch hält sich der Verfassungsgerichtshof zu Recht nicht für legitimiert, Sinnhaftigkeit, Zweckmäßigkeit, sozusagen ‚Richtigkeit‘ der politischen Willensentscheidung des Gesetzgebers zu überprüfen. Derartiges griffe in die Kompetenz des Gesetzgebers ein. Zurückhaltung ist somit am Platz. Gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit ist anzuerkennen. Aber andererseits ziehen die Grundrechte dem Gesetzgeber nicht nur äußerste Schranken. Der Rahmen, den die Verfassung dem Gesetzgeber zieht, ist nicht erst dann verletzt, wenn der Gesetzgeber eine verfassungsrechtliche Position vollständig beseitigt.“ 175 Oberndorfer meint dazu: „Angesichts der bisherigen, auch in dieser Frage von großer Zurückhaltung geprägten Judikatur des VfHG erscheint es … nicht gerechtfertigt, dem VfGH im politischen Entscheidungsprozess geradezu die Rolle eine ‚Katalysators gesetzlicher Reformen‘ zuzumessen, ‚die gesellschaftspolitisch dringend erforderlich sind. Von seiner verfassungsrechtlichen Aufgabenstellung ebenso wie von seinem Selbstverständnis her liegt dem VfGH vielmehr die Rolle des (gesellschafts-)politischen Reformers völlig fern.“176 ____________________
174 Korinek, Die Verfassungsgerichtsbarkeit im Gefüge der Staatsfunktionen, VVDStRL 39 (1981) 41. 175 Korinek, Betrachtungen zur österreichischen Verfassungsgerichtsbarkeit, FS L. Adamovich (1992) 272. 176 Oberndorfer, Die Verfassungsrechtsprechung im Rahmen der staatlichen Funktionen. Arten, Inhalt und Wirkungen der Entscheidungen über die Verfassungsmäßigkeit von Rechtsnormen, EuGRZ 15 (1988) 205.
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Schäffer verdeutlichte diese wichtigen Einsichten in den Stellenwert der Verfassungsgerichtsbarkeit im demokratischen Rechtsstaates wie folgt: „Ob an Stelle einer ... aufgehobenen Regelung eine – verfassungsmäßige – Ersatzregelung geschaffen wird oder künftig unterbleibt, ist freilich die freie rechtspolitische Entscheidung des Gesetzgebers. Keinesfalls kommt es dem VfGH zu, an den Gesetzgeber zu appellieren, den Rechtszustand – eventuell innerhalb eines bestimmten Zeitraumes – in bestimmter Weise zu ändern (,Appellentscheidung‘), an den Gesetzgeber Gesetzgebungsaufträge zu formulieren oder gar wie ein positiver (Ersatz-)Gesetzgeber tätig zu werden (also etwa die Rechtslage vorläufig zu gestalten oder den Gerichten die Ermächtigung zur freien Rechtsfortbildung zu erteilen).“177 Mit der Festlegung eines Richtwertes für die Zuerkennung von Rechten an die Minderheit von „mehr als 10 % über einen längeren Zeitraum“, ohne zwingende verfassungsgesetzliche oder völkerrechtliche Vorschriften, hat der VfGH materiell aber wie ein Gesetzgeber gehandelt. Diese Festlegung traf der VfGH allerdings nur in den Entscheidungsgründen seines Erkenntnisses und nicht im Spruch der Aufhebung der Wortfolge des Volksgruppengesetzes. Sie erlangte daher auch nicht die allgemeine Verbindlichkeit des im Bundesgesetzblatt kundzumachenden Spruchs. Eine rechtspolitisch verhältnismäßig ungünstige Regelung des Gesetzgebers legitimiert den VfGH nicht zur positiven Gesetzgebung (dh. zur materiellen Rechtssetzung). Das gilt auch im Hinblick auf die Untätigkeit des Bundesgesetzgebers seit der im Jahr 2001 erfolgten Aufhebung. Der Bundesgesetzgeber hätte wegen der Unbestimmtheit der Regelung des Art. 7 Ziff. 3 über die topographischen Bezeichnungen gewiss längst schon tätig werden können und sollen: „Hinsichtlich der Bezeichnungen der Ortsnamen und Ortsaufschriften wird eine entsprechende gesetzgeberische Maßnahme des Bundes bzw. der Länder erforderlich sein,“ 178 meinte noch im Jahr 2001 der VfGH, als er für den Ersatz der aufgehobenen Vorschriften zuallererst dem Gesetzgeber eine Frist einräumte.179 Der Gesetzgeber nahm jedoch das Signal nicht auf und blieb untätig. Der VfGH darf aber dennoch nicht dessen Stelle einnehmen. ____________________
177 Schäffer, in: Rill – Schäffer, Bundesverfassungsrecht (2001), Kommentar zu Art 140 B-VG, Rz. 31, Seite 44, dazu des Näheren in den Rz. 79, 80 und 81, Seite 90 f. Siehe dazu auch Oberndorfer, Die Verfassungsrechtsprechung im Rahmen der staatlichen Funktionen. Arten, Inhalt und Wirkungen der Entscheidungen über die Verfassungsmäßigkeit von Rechtsnormen, EuGRZ 15 (1988) 202. 178 EB zur RV – Besonderer Teil 517 der Beilagen, 7. GP, zum zweiten Satz der Ziff. 3 im Art. 7 des StV von Wien. 179 In diesem Sinn vor allem Matscher aaO.
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Der Gesetzgeber war durch das VolksgruppenG zwar im Jahr 1976 tätig geworden, doch der VfGH hob die Regelung auf und erzeugte dadurch eine Rechtslücke, die er anstelle des Gesetzgebers nach seinem eigenen Ermessen durch die Entscheidungsgründe schließen wollte. Er versuchte dies zur Interpretation des vagen Begriffes „gemischte Bevölkerung“ im Art. 7 Ziff. 3 des StV durch die unbestimmten Begriffe „mehr als zehn Prozent“, und „über einen längeren Zeitraum“ und empfahl damit der Vollziehung einen Richtwert, dem Bestimmtheit, Rechtsklarheit und sachgemäße Einheitlichkeit fehlen und der dem Bestimmtheitsgebot des Rechtsstaatsprinzips nicht Rechnung trägt, der aber auch den Postulaten der Verhältnismäßigkeit und der Sachbezogenheit des Gleichheitssatzes nicht genügt. Amtssprache, Unterrichtssprache und topographische Bezeichnungen erfordern im Hinblick auf die unterschiedlichen Bedeutungen der Bezirke, der Gemeinden und der Ortschaften einerseits, der Behörden und Dienststellen in den Verwaltungs- und Gerichtsbezirken im Hinblick auf die Anzahl der in Betracht kommenden Minderheit unterschiedliche Bestimmungsgründe und administrative Durchführungen. In seinem Erkenntnis aus dem Jahr 2001 lehnte der VfGH eine Differenzierung im Prozentsatz zwischen der Regelung der Sprache und der topographischen Bezeichnungen gemäß seiner irrtümlichen Gleichstellung der beiden Sätze in der der Ziff. 3 des Art. 7 StV von Wien ab. Anstelle des allgemein vollziehbaren, wenn auch nicht besonders günstigen Richtwertes von 25 % (ein Viertel) des VolksgruppenG schlug er in irriger Übertragung seiner Judikatur für Amtssprachen auf die topographischen Bezeichnungen und Aufschriften einen einheitlichen Richtwert von „mehr als 10 % über einen längeren Zeitraum“ vor. Dieser Richtwert ist zwar relativ unbestimmt, lässt aber für sachangemessene Differenzierungen kaum einen Raum. Ein derart vager Richtwert bedarf nun erst recht einer verbindlichen Festlegung für die unterschiedlich gemischt bevölkerten Ortschaften. Das zeigt, dass die organisatorische, verfahrensmäßige und materielle Ausführung der unbestimmten Regelungen des StV von Wien, in Verbindung mit den Vorschriften des StV von St. Germain, nur eine Sache des Gesetzgebers (Verfassungsgesetzgebers) sein kann. Nur der Gesetzgeber (Verfassungsgesetzgeber) kann eine dem Gleichheitssatz entsprechende einheitliche und allgemein verbindliche Regelung schaffen, die dem Sachlichkeitsgebot entsprechende territoriale und personelle Grenzziehungen ermöglicht. Der VfGH ist zu einer derart gestaltenden Rechtsetzung weder berufen noch in der Lage. Dazu ist auch noch kritisch festzuhalten, dass der VfGH für das Volksgruppengesetz nicht entsprechend zwischen dem subjektiven Recht des einzelnen Angehörigen einer gemäß Art. 7 des Staatsvertrages anerkann-
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ten Minderheit auf den Gebrauch seiner Muttersprache vor Ämtern und Behörden und der objektiven Verpflichtung des Staates zur Aufstellung von zweisprachigen topographischen Bezeichnungen unterschied. Gemäß seiner ständigen Judikatur fand er, ungeachtet der sachlichen Verschiedenheit zwischen dem subjektiven Recht des Einzelnen auf den Gebrauch seiner Muttersprache vor Behörden und Dienststellen und der objektiven Pflicht des Staates zur Schaffung von institutionellen Vorkehrungen, die Regelung des Art. 7 StV von Wien betreffend die Amtstafeln, ungeachtet ihrer Unbestimmtheit und unterschiedlichen Ausführungsbedürftigkeit, schlechthin auch auf die topographischen Bezeichnungen und Aufschriften als unmittelbar anwendbar.180 Darin erblickte er für sich selbst die Ermächtigung, nach freiem Ermessen einen günstigeren Prozentsatz festzulegen. Bei der Konkretisierung dieser im Verfassungsrang stehenden, unbestimmt gehaltenen, sachlich aber dennoch erkennbar in Amtssprache und topographische Bezeichnungen zweigeteilten und daher auch unterschiedlich anzuwendenden Vorschrift des Art. 7 Ziff. 3 StV von Wien „hat der VfGH eine dynamische Rolle übernommen“,181 die ihm verfassungsrechtlich nicht zukommt. Zum Begriff der „Minderheitenfeststellung“ bezogen auf die Amtssprache kritisierte daher auch Kolonovits die Praxis des VfGH zu Recht wie folgt: „Der VfGH versucht mit bedenklichen systematischen Argumenten und Abstellen auf die Teleologie der Bedeutung der Bestimmung diesen Begriff zu konkretisieren.“182 Die Festsetzung des Prozentsatzes weist Kolonovits, „wenn sie für erforderlich erachtet wird“, zutreffend dem Gesetzgeber zu.183 In diesem Zusammenhang postuliert er, staatspolitisch wertend: „Der Prozentsatz darf nicht zu hoch angesetzt werden.“184 Der Gesetzgeber müsste auf jeden Fall tätig werden, um für die Aufstellung von Ortstafeln einen einheitlichen und allgemein verbindlichen Richtwert als Kriterium für die von der Regelung des Art. 7 StV betrof____________________
180 Stillschweigend: VfSlg. 9744/1983, 9752/1983, 9801/1983, problematisch und in sich unschlüssig ausdrücklich vor allem VfSlg. 11.585/1987; daran anschließend VfSlg. 12.245/1989, 12.836/1991, 13.998/1994, 14.452/1996, VfGH vom 2. 10. 1999, B 2611/ 96, ferner vom 13. 12. 2001, G 213/01-18, V 62, 63/01-18 und zuletzt vom 12. 12. 2005, V 64/05. 181 Kolonovits, Sprachenrecht in Österreich (1999) 137, 176 ff. 182 AaO., 153. 183 AaO., 152. 184 AaO., 151, 153. Das Vorliegen eines subjektiven Rechtes auf die Muttersprache als Amtssprache ist durch den Mangel an unmittelbarer Anwendbarkeit keineswegs ausgeschlossen. Bis zur Herstellung der gesetzlichen Voraussetzung ist dieses Recht eben nicht durchsetzbar. Siehe dazu das Erkenntnis VfSlg. 12.838/1991. Danach korrespondiert der Pflicht der Behörden zur Auskunftserteilung kein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht des Einzelnen. Zu dessen Gewährleistung bedarf es eines Gesetzes (Art. 20 Abs. 4 B-VG).
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fenen Länder festzusetzen und die Zuständigkeiten zur Anwendung allgemein verbindlich klarzustellen.185 Das Erfordernis des Art. 7 Ziff. 3 StV von Wien für ein Tätigwerden des Gesetzgebers zur Ausführung der organisatorischen, verfahrensrechtlichen und materiellen Unbestimmtheiten, im Dienst an einer rechtstaatlich erforderlichen Anwendbarkeit der Regelung, trifft jedenfalls ohne Einschränkung auf die Verpflichtung zur zweisprachigen topographischen Bezeichnung von Ortschaften zu. Im Hinblick auf Ortstafeln muss der Gesetzgeber mehrfach vorsorgen: für eine aktuelle demographische Erfassung der Minderheit, für organisatorische Regelungen über Ortsbezeichnungen, für die Festlegung der Gebiete und Orte in den gesetzlich zu bestimmenden Verwaltungs- und Gerichtsbezirken, für die budgetäre Bedeckung der anfallenden Kosten im Staatshaushalt, die auf Bund, Länder und Gemeinden aufgeteilt sind etc. Darin wird das Dilemma der irrigen Vorstellung des VfGH von einer undifferenzierten unmittelbaren Anwendbarkeit der Ziff. 3 des Art. 7 StV von Wien und der noch immer anhaltenden Untätigkeit des Gesetzgebers in ihrer vollen Tragweite ebenso sichtbar, wie die daraus resultierende Kompetenzüberschreitung des VfGH zu einer materiellen Gesetzgebung. Der VfGH interpretiert die Unbestimmtheit von zwei Regelungen im Verfassungsrang durch weitere Unbestimmtheiten, um dann auf eine unbestimmte Weise für eine quantitative Bestimmung der Minderheit dennoch nur zu einem annähernd bestimmten Prozentsatz zu gelangen, den festzusetzen trotz und infolge des vorliegenden Erkenntnisses allein Sache des Gesetzgebers ist. Dabei ist bemerkenswert, dass St. Kanzian wegen des abnehmenden Prozentsatzes der Minderheit bereits erheblich unter dem vom VfGH erstellten Grenzwert von mehr als 10 % liegt. Unbestimmte Rechtsbegriffe wurden für den VfGH aus einem problematischen Anlass in einer Reihe von chronologisch aufeinander folgenden Erkenntnissen zur Frage der Rechte der Minderheiten gemäß Art. 7 des Staatsvertrages zu topischen (argumentativen, dialektischen) Ansatzpunkten für eine quasi-rechtliche, in Wahrheit aber staatspolitische Begründung nach freiem Ermessen.186 Dabei ist noch zu veranschlagen, dass die Dauerhaftigkeit der teilweise inhomogenen Judikatur zur Präjudizialität durch den VfGH selbst nicht mit Verlässlichkeit gewährleistet ist, weil der VfGH im Lauf der Zeit seine Rechtsauffassung ergänzen, mitunter ____________________
185 In diesem Sinn auch Matscher, aaO. 810. Siehe dazu auch das Erkenntnis des VfGH, zur Kompetenzfeststellung für Minderheiten, VfSlg. 3314/1958, vom 14. März 1958. 186 VfSlg. 9744/1983, 9801/1983, 10.209/1984, insbesondere VfSlg. 11.585/1987, 12.836/1991, ferner VfGH vom 4. 10. 2000, V 91/99 und schließlich noch VfGH vom 13. 12. 2001, G 213/01-18, V 62, 63/01-18 sowie B 2075/99-11.
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wesentlich modifizieren kann, wie nicht zuletzt auch die Beispiele seiner „dynamischen“ Judikatur zum Minderheitenrecht zeigen. Bei der Frage der Gesetzesprüfung von Amts wegen, unter der Voraussetzung der Präjudizialität, ist auch noch zu bedenken, dass sich diese Kompetenz des VfGH zur Prüfung von Gesetzen von Amts wegen von seiner Gesetzesprüfungskompetenz auf Antrag einer Regierung, der Volksanwaltschaft oder einer parlamentarischen Minderheit wesentlich unterscheidet. Die amtswegige Prüfung kraft eigener Kompetenz ist streng fallbezogen, die Prüfung aufgrund eines formellen Antrages ist nicht fallbezogen. Bei einer vergleichenden Untersuchung der amtswegigen Prüfung ist daher jedenfalls darauf Bedacht zu nehmen, dass diese Fälle der Gesetzesprüfung und die Fälle der Prüfung von Amts wegen bzw. auf Antrag eines Gerichtes, mangels Vergleichbarkeit der Voraussetzungen und im Hinblick auf die unterschiedliche Reichweite der Gesetzesprüfungsbefugnisse des VfGH, streng auseinander zu halten sind.187
3. Grenzen der Gesetzgebung und Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit Die Rechtsanschauungen des VfGH in den Entscheidungsgründen des Erkenntnisses aus dem Jahr 2001 und in den Vorentscheidungen dazu reichen tief in die Gesetzgebungsbefugnis des Gesetzgebers. Ist der Gesetzgeber daran gebunden? In der Praxis ereigneten sich mitunter Fälle, in denen der Gesetzgeber Gesetzesaufhebungen durch den VfGH unterlief, indem er ungeachtet der Rechtsanschauung des VfGH, mitunter sogar wegen dieser, einen mehr oder weniger inhaltsgleichen Gesetzesbeschluss fasste und diesem sogar Verfassungsrang zusprach, um ihn für den VfGH unangreifbar zu machen. In einer Praxis des Gesetzgebers der bloßen Hinwegsetzung über die Rechtsanschauung des VfGH zu einem Spruch über eine bestimmte Gesetzesaufhebung kann man unter Umständen einen Verstoß gegen Art. 44 Abs. 3 B-VG sehen, wonach Gesamtänderungen der Bundesverfassung einer Volksabstimmung bedürfen.188 Doch damit ist nicht alles Erhebliche gesagt. ____________________
187 Siehe dazu die niveauvollen Ausführungen in den verschiedenen Berichten zum Thema der Normenprüfung, in: Houloubek – Lang (Hg), Das verfassungsgerichtliche Verfahren in Steuersachen, verdienen kritisch gelesen zu werden. Reichweite und Rechtswirkungen der Normenprüfungen von Amts wegen und auf Antrag eines Gerichtes sind gemäß den unterschiedlichen Verfahrenvoraussetzungen und Parteistellungen grundlegend voneinander verschieden. Vergleiche dazu auch die sachgemäße Gliederung bei Schäffer, in: Rill – Schäffer, Bundesverfassungsrecht (2001), Kommentar zu Art 140 B-VG, Rz. 39 Seite 52 ff. 188 Walter – Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts (2000), Rz. 146, Seite 71, mit Hinweisen auf Loebenstein, Von der Verfassungskultur zur Verfas-
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Eine Reaktion des Gesetzgebers auf Gesetzesaufhebungen durch den VfGH in der Rechtsform eines Verfassungsgesetzes sollte nämlich in erster Linie zu einer Besinnung auf den Kompetenztatbestand „Bundesverfassung“ im Art. 10 Abs. Ziff. 1 B-VG veranlassen. Danach ist der Bund zur Verfassungsgesetzgebung zuständig. Das bedeutet Kompetenz-Kompetenz oder Zuständigkeit zur Regelung verfassungsrechtlicher Zuständigkeiten. Aus dem Anlass einer Kompetenzfeststellung führte der VfGH im Jahr 1953 dazu Folgendes aus: „ … dieser Kompetenztatbestand besagt nichts anderes, als dass die Verfassungsgesetzgebung des Bundes ausschließlich dem Bunde vorbehalten ist. Sein Begriffsinhalt erschöpft sich daher in der Übertragung der Befugnis zur Erlassung von Verfassungsgesetzen und Verfassungsbestimmungen des Bundes, welche Befugnis durch die Verpflichtung zur Beobachtung der Bestimmungen des Art. 44 B-VG lediglich an formelle Voraussetzungen gebunden wird, inhaltlich aber unbeschränkt ist. Der Kompetenztatbestand ‚Bundesverfassung‘ des Art. 10 B-VG kann daher niemals den Gegenstand eines Feststellungsbegehrens nach Art. 138 Abs. 2 B-VG bilden, da eben grundsätzlich jede Materie durch ein Verfassungsgesetz oder eine Verfassungsbestimmung des Bundes geregelt werden kann und daher im konkreten Fall höchstens das verfassungsmäßige Zustandekommen einer solchen Regelung mit der Behauptung bezweifelt werden könnte, es seien die Formvorschriften des Art. 44 B-VG nicht beobachtet worden.“189 (Hervorhebungen vom Verfasser) Im Jahr 1958 stellte der VfGH, gleichfalls aus Anlass einer Kompetenzfeststellung gemäß Art. 138 Abs. 2 B-VG, in dieser Hinsicht modifiziert bekräftigend fest: „Durch Art. 10 Abs. 1 Z. 1 B-VG werden die Angelegenheiten der … ‚Bundesverfassung‘, … in Gesetzgebung und Vollziehung dem Bunde zugewiesen. Auch Art. 138 Abs. 2 B-VG zitiert die Kompetenzartikel (Art. 10 bis 15), ohne Art. 10 Abs. 1 Z. 1 auszunehmen. Allerdings sind die Kompetenzartikel lediglich dazu bestimmt, die Zuständigkeitsbereiche der einfachen Gesetzgeber (Bund und Länder) voneinander zu scheiden. Hingegen kann grundsätzlich jede Materie durch ein Verfassungsgesetz oder eine Verfassungsbestimmung des Bundes geregelt werden. Dies hebt das Erkenntnis des VfGH vom 17. Juni 1953, Slg. Nr. ____________________
sungsunkultur, ÖJZ (1993) 433; Loebenstein, Nochmals: Von der Verfassungskultur zur Verfassungsunkultur – ein Nachwort, ÖJZ (1994), 361, mit weiteren Nachweisen. Siehe ferner Adamovich jun, Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, LJZ 12 (1993) 139 f, mit zahlreichen Beispielen von Verfassungsgesetzen und in einfachen Gesetzen enthaltenen Verfassungsbestimmungen. Für die jüngste Zeit siehe auch Schäffer, in: Rill – Schäffer, Bundesverfassungsrecht (2001), Kommentar zu Art. 140 B-VG, Rz. 86, Seite 95 f; schließlich noch Rill –Schäffer, aaO, Kommentar zu Art. 44 Abs. 3, Rz. 10, Seite 19 ff und Rz. 11 ff, Seite 21 ff. 189 VfSlg. 2527/1953.
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2527, hervor. Gleichwohl geht aus dem Art. 10 Abs. 1 Ziff. 1 B-VG nicht jegliche Bedeutung als Kompetenztatbestand ab, denn aus ihm ist jedenfalls abzuleiten, dass, soweit er reicht, die Länderzuständigkeit ausgeschlossen ist. Dieser Kompetenztatbestand fällt aber keineswegs mit den vom Bund erlassenen Verfassungsgesetzen (Verfassungsbestimmungen) zusammen. Er ist vielmehr, wie auch die übrigen Kompetenztatbestände, historisch auszulegen und umfasst jene Angelegenheiten, die stets und insbesondere im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kompetenzverteilung unter ‚Bundesverfassung‘ verstanden worden sind. Dazu gehören das Bundes-Verfassungsgesetz selbst und die Ausführungsgesetze zu ihm, soweit ihre Erlassung, wie die der Landesverfassungsgesetze, nicht in die Zuständigkeit der Länder fällt. Im Umfang der Geltung des Kompetenztatbestandes ‚Bundesverfassung‘ (Art. 10 Abs. 1 Z. 1) ist nur der Bundesgesetzgeber zu Normsetzungsakten und zu deren Vollziehung zuständig, wobei allerdings auf Gebieten, die durch Verfassungsgesetze geregelt sind, zur Vermeidung einer Verfassungswidrigkeit ebenfalls die Form eines Verfassungsgesetzes gewählt werden muss.“190 (Hervorhebungen vom Verfasser) In seinem Erkenntnis vom 11. Oktober 2001191 folgte der VfGH demgegenüber einer materiellen Betrachtungsweise. Er hob nämlich den einem Erkenntnis des VfGH entgegen gestellten, ausdrücklich als Verfassungsbestimmung bezeichneten § 126a des Bundesvergabegesetzes 1997, BGBl I Nr. 56/1997 idf BGBl I Nr. 125/2000 auf. Diese Verfassungsbestimmung war aufgrund des Erkenntnisses VfSlg. 15.578/1999 vom Bundesverfassungsgesetzgeber erlassen worden, weil der VfGH die damals einfachgesetzlich geregelte Zuständigkeit des Bundesvergabeamtes zur Kontrolle der Akte oberster Organe (§ 78 BVergG 1993) als verfassungswidrig aufgehoben hatte. Obwohl diese Ersatzregelung nur kurzfristig gelten sollte und nur einen untergeordneten Teilbereich der Rechtsordnung betraf, sah der VfGH unter Hinweis auf sein Vorerkenntnis VfSlg. 15.373/ 1998 und auf andere Erkenntnisse, wie VfSlg. 2455/1954, 11.829/1988 und 15.215/1998, darin eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips und damit eine Durchbrechung der Verfassung, die eine „Gesamtänderung“ der Bundesverfassung bedeutet. Er erblickte darin aber auch einen schwerwiegenden Eingriff in seine eigene Kompetenz zur Wahrung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen gemäß Art. 140 B-VG. Mit diesem Erkenntnis hat der VfGH sichtlich übertrieben. Die aufgehobene Regelung war nämlich weder von anhaltender Verbindlichkeit noch von einer erheblichen verfassungsrechtlichen Bedeutung. Von einer ____________________
190
VfSlg. 3314/1958. G 12/00-7, G 48/00-19, G 49/00-18, G 50/00-19, G 51/00-19, G 132-135/01-18, VfSlg. 16.327/2001. 191
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Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung
Gesamtänderung der Bundesverfassung durch Erlassung einer Verfassungsbestimmung, zur Vermeidung der Aufhebung einer ephemeren Regelung durch den VfGH kann unter solchen Umständen wohl keine Rede sein.192 Dennoch sind die kritischen Stellungnahmen des VfGH zur Frage nach einem gezielten Missbrauch der Rechtsform eines Verfassungsgesetzes, bloß um einer Judikatur des VfGH entgegenzuwirken Signale, die der Verfassungsgesetzgeber beachten sollte.193 Doch der Kompetenztatbestand „Bundesverfassung“ im Art. 10 Abs. 1 Ziff. 1 B-VG bietet noch andere Aspekte dar. Einerseits sind dem Verfassungsgesetzgeber durch die Regelungen seiner Kompetenzen objektive Grenzen gesetzt, die er ohne Volksabstimmung nicht überschreiten darf und kann. Andererseits hat er durch diesen Kompetenztatbestand aber auch den Verfassungsauftrag die Funktionsfähigkeit der Verfassung gemäß den durch Art. 44 Abs. 3 in einen höheren Verfassungsrang gehobenen verfassungsrechtlichen Grundprinzipien zu gewährleisten. Die Form eines Verfassungsgesetzes oder einer Verfassungsbestimmung sollte durch den Gesetzgeber tunlichst vermieden werden und den typischen Verfassungsinhalten vorbehalten bleiben. Sie sollte vor allem nicht durch eine vordergründige Verwendung, bloß zur Beendigung von Meinungsverschiedenheiten mit dem VfGH abgewertet werden. Die Rechtsform des einfachen Gesetzes genügt dafür allemal. Denn, wie der VfGH zu Recht feststellte: „Weder aus Art. 140 B-VG noch aus einer anderen Verfassungsnorm ergibt sich, dass es dem Gesetzgeber verboten wäre, eine gesetzliche Regelung vor dem Inkrafttreten ihrer Aufhebung durch den VfGH (Art. 140 Abs. 3 B-VG) selbst aufzuheben und sie durch eine neue zu ersetzen. Dem Gesetzgeber ist es auch nicht verwehrt, diese neue Regelung – so wie ein sonstiges Gesetz, daher selbstverständlich unter Beachtung des Gleichheitsgebotes – mit rückwirkender Kraft auszustatten, wobei hiefür auch ein Zeitpunkt bestimmt werden kann, der vor dem Datum der Kundmachung der Aufhebung der alten Bestimmung im Gesetzblatt (Art. 140 Abs. 3 B-VG) liegt.“ (Das gilt in Unterordnung unter das Gesetzesrecht mutatis mutandis auch für die Aufhebung von Verordnungen.) Andererseits stellte der VfGH fest: „… eine mögliche Rückwirkung der Aufhebung auf den Anlassfall schafft keine Verschiedenheit, die über ____________________
192 Schäffer, in: Rill – Schäffer, aaO, Rz. 86, Seite 96, FN 315, qualifiziert diese Aufhebung als „verfehlt und völlig überzogen“. Siehe auch den Kommentar zu Art. 44 Abs. 3 B-VG, Rz. 10, Seite 19 ff. 193 Angesichts der Erlassung einer einfachgesetzlichen Regelung im Verfassungsrang zur Vermeidung weiterer Aufhebungen durch den Verfassungsgerichtshof hätte der Verfassungsgerichtshof diese Verfassungsbestimmung überzeugender wegen eines Rechtsformenmissbrauchs beanstanden können. Siehe dazu Winkler Verfassungsrecht und Verfassungsrechtsdenken, 53 ff, zum Verfassungstag des Jahre 1991.
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den Bereich des aufgehobenen Gesetzes hinausgeht. Außerhalb dieses Bereiches liegt also keine Verschiedenheit vor. Das Inkrafttreten der neuen Bestimmungen ... gilt für alle von der Regelung betroffenen Personen gleich.“194 Dabei ist zu bedenken, dass Grenzüberschreitungen des VfGH gegenüber dem Gesetzgeber und gegenüber dem Verordnungsgeber nicht durch Rechtsmittel an eine höhere Instanz bekämpft werden können, sondern nur durch eine verfassungsmäßige Inanspruchnahme der Kompetenz durch das gemäß dem Konzept der Gewaltenteilung primär zuständige Organ; im vorliegenden Fall durch den Gesetzgeber in der Form eines neuen Gesetzesbeschlusses oder durch den Verordnungsgeber durch Erlassung einer neuen Verordnung. Für den Fall einer verfassungswidrigen Gesetzes- oder Verordnungsaufhebung durch den VfGH, in materieller Überschreitung seiner Prüfungskompetenz, würde daher für den Gesetzgeber (Verordnungsgeber) zur Beharrung bei einer verfassungskonformen Rechtsmeinung die Erlassung einer neuen Rechtsvorschrift im selben Rang genügen. Ein bloßer Missbrauch dieser Zuständigkeit zur willkürlichen Verfahrensbehinderung vor dem VfGH wäre allerdings verfassungswidrig.195 Gegenüber der Möglichkeit der Verfassungswidrigkeit von Verfassungsgesetzen wird der Möglichkeit einer Verfassungswidrigkeit von Rechtsanschauungen in Erkenntnissen des VfGH nicht genug Beachtung geschenkt. Das sollte sich seit dem Erkenntnis des VfGH über die Aufhebung einer Wortfolge im Volksgruppengesetz und in einer Durchführungsverordnung dazu bald ändern. Auch Gesetzes- und Verordnungsaufhebungen durch den VfGH können verfassungswidrig sein. Auch der VfGH kann sich fundamental irren. In solchen Fällen erscheint es nicht nur sinnvoll, sondern sogar geboten, zur Bereinigung des Dilemmas ein Verfassungsgesetz zu erlassen. Die kritikwürdige Praxis des Gesetzgebers, Gesetze die der VfGH aufgehoben hat, mit demselben Inhalt bloß deshalb wieder zu beschließen, um es in den Verfassungsrang zu heben, um der Kontrolle durch den VfGH zu entrinnen, verdeckt diese Thematik. Ein Rechtsformenmissbrauch durch den Gesetzgeber schließt die Möglichkeit eines Rechtsirrtums seitens des VfGH nicht aus. Eine erhebliche irrige Rechtsanschauung des VfGH sollte auf jeden Fall den Verfassungsgesetzgeber auf den Plan rufen. Rechtsirrige Rechtsanschauungen des VfGH als Begründung von Gesetzes- und Verordnungsaufhebungen können weder den Gesetzgeber noch den Verfassungsgesetzgeber in ihrer verfassungsrechtlichen Gesetzgebungsbefugnis einschränken. Verfassungsrechtlich unhaltbare Rechtsanschauungen, Rechtsirrtümer und Kompetenzüberschreitungen des VfGH ____________________
194 195
VfSlg. 3961/1961, 4072/1961. Siehe jedoch VfSlg. 10.091/1984. VfSlg. 10.091/1984.
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Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung
in den Entscheidungsgründen von Gesetzes- und Verordnungsaufhebungen vermögen die originären Zuständigkeiten des Gesetzgebers weder schlechthin aufzuheben noch zu ersetzen. Die Einhaltung dieses Konzeptes der Verfassung hat der Verfassungsgesetzgeber zu gewährleisten. Gemäß dem Konzept der Gewaltenteilung kommt dem Verfassungsgesetzgeber zwischen dem Gesetzgeber und dem VfGH die Funktion einer Schiedsinstanz zu. Dafür sind allerdings noch einige Umstände klarzustellen.
4. Die Fehlerhaftigkeit von Akten oberster Staatsorgane aus den Perspektiven der Gewaltenteilung Staatsakte können rechtlich einwandfrei, sie können aber auch rechtlich fehlerhaft sein. In der Lehre wurde im Hinblick auf die rechtsstaatliche Unterordnung der Gerichtsbarkeit und der Verwaltung unter die Gesetze bei Fehlerhaftigkeit, vor allem für individuell-konkrete Staatsakte, zwischen relativer Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit und absoluter Nichtigkeit oder Unverbindlichkeit unterschieden. Die absolute Nichtigkeit bedeutet die Unverbindlichkeit eines Staatsaktes infolge einer schwerwiegenden und – nach dem sprachlichen Erscheinungsbild des Aktes – zumeist auch offenkundigen Fehlerhaftigkeit; im Hinblick auf die Einrichtung eines gesetzlich geregelten Rechtsschutzes allerdings nur unter der Voraussetzung des Fehlens einer gesetzlich verbürgten Anfechtungsmöglichkeit. Diese Lehre war ursprünglich zwar für richterliche Urteile und Akte von Verwaltungsbehörden entwickelt worden.196 Sie wurde aber noch im 19. Jahrhundert, vor allem unter dem Gesichtspunkt mangelnder Kundmachung, auch auf Gesetze und Verordnungen erstreckt. Kelsen stellte im Jahr 1922 im Hinblick auf die Zuständigkeit des VfGH zur Gesetzesprüfung noch fest: „Ausgeschlossen ist auch für den Verfassungsgerichtshof nicht die Möglichkeit, einen Akt, der sich als Gesetz ausgibt, a priori als nichtig zu behandeln, ohne eine ausdrückliche Aufhebung dieses Aktes für notwendig zu erachten.“197 Der VfGH pflegt in seiner Judi____________________
196 Siehe dazu Winkler, Die absolute Nichtigkeit von Verwaltungsakten, Recht und Staat 223 (1960); ferner: Orientierungen im öffentlichen Recht, Forschungen aus Staat und Recht 46 (1979) 25 ff. 197 Siehe dazu Kelsen – Froehlich – Merkl, Die Bundesverfassung vom 1. Oktober 1920 (1922) Kommentar zu Art 140 B-VG 258 ff. Zur absoluten Nichtigkeit nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes siehe VfSlg. 6277/1970 (Interner Landtagsbeschluss, der vor dem Verfassungsgerichtshof nicht bekämpft und durch diesen daher nicht aufgehoben werden kann); ferner VfSlg. 7607/1975 und 12.262/1990 („Die GO ist nicht in Form eines Gesetzes gemäß den Verfahrensvorschriften der Art. 96 und 97 B-VG erlassen worden. Sie basiert auf einem bloßen Landtagsbeschluss. Eine derartige GO ist absolut nichtig, wenn sie gegen die Verfassung oder gegen ein Gesetz verstößt“).
Aufgaben und Grenzen des Gesetzgebers
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katur gegenüber der absoluten Nichtigkeit jedoch eine ablehnende Haltung.198 Bei Gesetzen und Verordnungen sind die Kriterien für eine Abgrenzung zwischen relativer und absoluter Nichtigkeit andere als bei individuell-konkreten Akten von allgemeinen Gerichten und Verwaltungsbehörden. Fehlerhafte Gesetze sind trotz schwerer und offenkundiger Fehlerhaftigkeit rechtsverbindlich. Sie können als eigenständige Rechts- und Staatsakte oberster Staatsorgane wegen Fehlerhaftigkeit vor dem VfGH angefochten oder durch den VfGH von Amts wegen einer Überprüfung unterzogen werden. Nur schwerste und offenkundige Mängel eines Gesetzes, wie etwa das Fehlen eines Gesetzesbeschlusses, das Fehlen der Kundmachung einer Willensbildung und das Fehlen der Organstellung zur Gesetzgebung wegen Nichterreichen der zwingend vorgeschriebenen Abstimmungsquoten können zur absoluten Nichtigkeit führen. In der Regel ist also für Gesetze und Verordnungen die absolute Nichtigkeit auszuschließen. Für eine zureichende Antwort muss man allerdings zwischen dem Spruch einer Aufhebung und der Rechtsanschauung des VfGH in den Entscheidungsgründen eines Erkenntnisses unterscheiden. Der Spruch einer Aufhebung kann vom Gesetzgeber und vom Verordnungsgeber jederzeit ersetzt werden. In diesem Sinn ist eine rechtsstaatlich und demokratisch einwandfreie Korrekturmöglichkeit gegeben, die eine absolute Nichtigkeit erübrigt. Anders liegt die Sache bei den Rechtsanschauungen in den Entscheidungsgründen von Erkenntnissen des VfGH. Sind diese verfassungskonform, dann gibt es kein Problem. Sind sie hingegen auf eine verfassungsrechtlich unzulässige, materielle Rechtssetzung gerichtet oder beruhen sie auf einem Rechtsirrtum des VfGH, dann können sie nicht stärker sein als die Kompetenz des Gesetzgebers oder des Verordnungsgebers zur Erlassung der Rechtsquelle. Rechtsanschauungen des VfGH unterliegen nämlich keiner nachprüfenden innerstaatlichen Kontrolle.199 Dafür sind vor allem allgemeine kompetenzrechtliche Bestimmungsgründe gemäß dem Konzept der Gewaltenteilung von Bedeutung. Feh____________________
198 VfSlg. 4497/1963, 5996/1969. Dasselbe nimmt der Verfassungsgerichtshof auch für schwerwiegend fehlerhafte Gemeinderatsbeschlüsse an. Zur absoluten Nichtigkeit siehe auch VfSlg. 6277/1970 und VfSlg. 7607/1975 und 12.262/1990. Siehe dazu die Stellungnahmen in den Monographien von Adamovich sen, Novak und Haller; für die jüngere Zeit Morscher, Die absolute Nichtigkeit von Staatsakten, in: FS G. Winkler (1997) 655 ff und Schäffer, in: Rill – Schäffer, Bundesverfassungsrecht (2001), Kommentar zu Art. 140 B-VG, Rz. 17, 18 und 19, Seite 25 ff, 28 f und 29 ff. 199 Rechtsauffassungen in Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes, die schlechthin ultra vires ergehen, das heißt die außerhalb jeder abstrakten und konkreten Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes liegen, können nur absolut nichtig sein. Vergleiche dazu die parallele Fragestellung für den Europäischen Gerichtshof bei Raschauer, Ultra-Vires-Akte der europäischen Gemeinschaften, ÖJZ (2000) 241.
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Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung
lerhaftigkeiten von endgültigen Akten oberster Staatsorgane können nicht nach den allgemeinen Kriterien eines gerichtlichen Rechtsschutzes gemessen werden. Sie unterliegen gemäß dem Konzept der Gewaltenteilung den in den Kompetenzregelungen begründeten Korrekturmöglichkeiten der obersten Staatsorgane durch eine verfassungsmäßige Ausübung ihrer eigenen Kompetenzen auf Grund der darin gelegenen Organautonomie. Das zeigt sich anschaulich im gewaltenteilenden und gewaltenverbindenden Verhältnis der Kompetenzen der obersten Staatsorgane, vor allem des Gesetzgebers (Verfassungsgesetzgebers) einerseits und des VfGH andererseits. Die Gesetzgebung steht der Höchstgerichtsbarkeit des VfGH eigenständig gegenüber und vice versa. Der Gesetzgeber kann dem VfGH seine Kompetenz weder nehmen noch ersetzen. Ebenso kann der VfGH dem Gesetzgeber seine Kompetenz weder nehmen noch ersetzen. Der Gesetzgeber kann die Aufhebung eines Gesetzes durch den VfGH jederzeit durch die Erlassung einer Ersatzregelung kompensieren. Er kann dabei auch problematische Rechtsanschauungen des VfGH in den Entscheidungsgründen zu Gesetzesaufhebungen bei seinen Neuregelungen außer Acht lassen und eine Rechtsmaterie völlig neu gestalten. Gemäß dem B-VG ist der VfGH nur zur Aufhebung von Gesetzen und Verordnungen zuständig. Daher erlangt bloß sein Spruch über die Aufhebung eines Gesetzes eine gesetzesähnliche Verbindlichkeit. Doch auch die Verbindlichkeit des Spruchs über die Aufhebung hat ihre Grenzen. Sie ist ebenso wenig der materiellen Rechtskraft unterworfen wie ein Gesetz. Sie nimmt dem Gesetzgeber nicht die ihm grundsätzlich zustehende Kompetenz zur Erlassung eines neuen Gesetzes. Ungeachtet einer Gesetzesaufhebung durch den VfGH kann der Gesetzgeber seine eigenen Gesetze jederzeit abändern oder aufheben. Wegen oder trotz eines aufhebenden Spruchs des VfGH kann der Gesetzgeber jederzeit eine Neuregelung treffen, die seiner Rechtsauffassung entspricht; sogar innerhalb einer vom VfGH vorgesehenen aufschiebenden Frist für das Außerkrafttreten des geprüften Gesetzes. Andererseits unterliegt jedes Gesetz der Kontrolle des VfGH. Daher kann der VfGH auch Gesetze überprüfen, die auf Grund seiner Aufhebung vom Gesetzgeber neu erlassen werden. In der Reichweite des Spruchs der Aufhebung gibt es daher keinen Rechtsgrund für die absolute Nichtigkeit eines Erkenntnisses des VfGH. Das hat unterschiedliche Auswirkungen auf die rechtssatzförmig formulierten Rechtsanschauungen des VfGH in den Entscheidungsgründen zum Spruch der Aufhebung eines Gesetzes. Ist die Rechtsanschauung in einem gesetzesaufhebenden Erkenntnis als Begründung der Aufhebung verfassungskonform, dann sollte sie der Gesetzgeber jedenfalls be-
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achten. Ist die Rechtsanschauung jedoch fehlerhaft, weil der VfGH – wie bei den Ortstafelerkenntnissen – zu Unrecht einen Aufhebungsgrund angenommen und zu Unrecht eine materielle Gesetzgebungsbefugnis für sich beansprucht hat, dann kann sie für den Gesetzgeber (Verfassungsgesetzgeber) nicht maßgeblich sein. Der Gesetzgeber kann an eine schwerwiegende und im Rechtsweg unbehebbare, fehlerhafte Rechtsanschauung des VfGH in der Begründung eines aufhebenden Erkenntnisses des VfGH nicht gebunden sein. Der VfGH kann dem Gesetzgeber durch eine derart schwerwiegende Fehlerhaftigkeit seiner Rechtsanschauung die ihm zukommende Zuständigkeit zur Gesetzgebung nicht nehmen. Das meint letztlich auch der VfGH selbst: „Hebt ... der Verfassungsgerichtshof ein Gesetz als verfassungswidrig auf, so ergibt sich hieraus noch keine Verpflichtung des Nationalrates und Bundesrates für eine spätere Tätigkeit. Die Kompetenzen der gesetzgebenden Körperschaften und die Kompetenzen des VfGH stehen nebeneinander. Sollte der Nationalrat im Zusammenwirken mit den übrigen zur Gesetzgebung berufenen Organen ein vom VfGH aufgehobenes Gesetz neuerlich beschließen, so ist nicht die Beschlussfassung als solche wegen Widerspruches zum Erkenntnis des VfGH verfassungswidrig, denn in einem Erkenntnis nach Art. 140 B-VG ist nicht von Verfassungs wegen ein dem § 87 Abs. 2 VfGG 1953 und § 50 Abs. 1 VwGG 1952 [jetzt § 63 Abs. 1 VwGG 1965] entsprechender Vollstreckungsbefehl enthalten. Der VfGH hat vielmehr in einem solchen Fall lediglich das Ergebnis der neuerlichen Beschlussfassung selbständig und von neuem zu prüfen.“200 Dabei ist allerdings zu bedenken, dass der VfGH den Gesetzgeber nicht rechtswirksam verpflichten kann, einem Rechtsirrtum zu folgen. Diese verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte zu den möglichen Folgen der Fehlerhaftigkeit eines Gesetzes bzw. einer Verordnung einerseits und eines fehlerhaften gesetzesaufhebenden Erkenntnisses des VfGH andererseits finden ihre Begründung vor allem in dem Umstand, dass der Gesetzgeber und der VfGH oberste Staatsorgane sind, die gemäß dem Konzept der Gewaltenteilung bei der Wahrnehmung ihrer Kompetenzen im Rangverhältnis von Gesetzgebung und richterlicher Gesetzesanwendung voneinander getrennt und in einer organisatorischen Selbständigkeit zugleich miteinander verbunden sind. Die Kompetenzzuweisungen im Sinn der Gewaltenteilung ermöglichen den obersten Staatsorganen durch die Ausübung ihrer Befugnisse gegenseitige, spezifische verfassungsunmittelbare Kontrollen, Korrekturen der eigenen Fehlerhaftigkeiten aber auch jener von anderen obersten Organen, weil sie nach dem Konzept der Gewaltenteilung als oberste Staatsorgane gewaltentrennend und gewaltenverbin____________________
200
VfSlg. 4126/1961. Siehe demgegenüber mit Einschränkungen VfSlg. 10.091/1984.
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dend kraft Eigenkompetenz zur autonomen Ausübung ihrer eigenen Kompetenz und zur Bedachtnahme auf die Kompetenzen des jeweils anderen obersten Organs berufen sind. Die obersten Staatsorgane sind innerhalb ihrer Kompetenzen auch zu einer gegenseitigen Gewährleistung berufen. Sie sind „Wächter, die einander bewachen“. Auf die Frage, wer die obersten Staatsorgane auf die Verfassungsmäßigkeit ihres Handelns überprüft und bewacht, lautet daher die Antwort: diese selbst; durch Wahrnehmung und Behauptung ihrer eigenen Kompetenzen gegen Kompetenzüberschreitungen der anderen obersten Organe, soweit nicht wirksame rechtschutzförmige Abhilfen verfassungsgesetzlich ausdrücklich vorgesehen sind, aber auch zur Überwachung der verfassungsmäßigen Kompetenzausübung durch die anderen. Wenn und soweit gegen grob fehlerhafte Akte oberster Staatsorgane ein Rechtsschutz fehlt, gilt daher das Konzept von Checks und Balances der Gewaltenteilung; der eigenständigen Ausübung von Kompetenzen nach eigener Rechtsüberzeugung gemäß der Verfassung. In der Reichweite der jeweiligen Zuständigkeiten und der gegenseitigen Mitwirkungsmöglichkeiten der obersten Staatsorgane ist in diesem Sinn kraft verfassungsgesetzlicher Kompetenzzuweisungen gemäß dem Konzept der Gewaltenteilung, eine absolute Nichtigkeit auszuschließen; und zwar sowohl von Gesetzen, die einer erklärten Rechtsanschauung des VfGH widersprechen als auch von aufhebenden Sprüchen in den Erkenntnissen des VfGH, die der Rechtsanschauung des Gesetzgebers widersprechen. Die Rechtsanschauungen des VfGH in seinen Erkenntnissen liegen jenseits dieses Maßstabs. Weil dem VfGH eine Zuständigkeit zur materiellen Gesetzgebung grundsätzlich fehlt, können seine Fehler im Bereich der Gesetzes- und Verordnungsprüfung gemäß dem Konzept der Gewaltenteilung nur indirekt oder gar nicht korrigiert werden. Vergleichbares gilt für den Gesetzgeber gegenüber dem VfGH. Bei unlösbaren Konfliktsfällen bedarf es daher einer höheren Instanz. Schiedsrichter und Vermittler in einem unlösbaren Bindungskonflikt zwischen dem Gesetzgeber und dem VfGH kann letzten Endes nur der Verfassungsgesetzgeber sein. Bei einem offenen Konflikt zwischen dem Gesetzgeber und dem VfGH von Dauer, wie beim Ortstafelkonflikt, muss der Verfassungsgesetzgeber einschreiten. Der Verfassungsgesetzgeber steht über dem Gesetzgeber und über dem VfGH. Seine Zuständigkeit gemäß Art. 10 Abs. 1 Ziff. 1 B-VG „Bundesverfassung“ bedeutet angesichts des durch Art. 44 Abs. 3 B-VG gewährleisteten Wesensgehaltes der Bundesverfassung nicht nur eine Schranke, sondern auch eine Ermächtigung zur Gewährleistung einer Einhaltung der Grundprinzipien der Verfassung durch alle obersten Staatsorgane; im konkreten Fall vor allem durch den VfGH. Der Verfassungs-
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gesetzgeber ist zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Grundprinzipien der Verfassung: Demokratie, Republik, Bundesstaatlichkeit und Rechtsstaatlichkeit berufen. Nur der Verfassungsgesetzgeber kann die Verfassungsrechtslage allgemein verbindlich klarstellen, Rechtssicherheit schaffen und damit einen anhaltenden und zunehmend tiefer reichenden Streit staatspolitisch beenden und damit auch einen Verfassungsfrieden von Dauer herbeiführen.
Fünfter Teil
Der demokratische Rechtsstaat im Wandel? I. Rechtshandlungen in ihrem Zusammenwirken 1. Aktivitäten oberster Staatsorgane aufgrund der Judikatur Die Judikatur des VfGH zur Aufhebung von deutschen Ortsnamen in straßenpolizeilichen Verordnungen Kärntens zur Herbeiführung von zusätzlichen zweisprachigen Ortstafeln und die seit Jahren anhaltende Weigerung der staatspolitisch Verantwortlichen, der Rechtsanschauung des VfGH zum Durchbruch zu verhelfen, führten seit dem Erkenntnis des Jahres 2005 zu verstärkten Reaktionen von obersten Staatsorganen: der Volksanwaltschaft, des Präsidenten des VfGH und des VfGH, des Bundeskanzlers, des Präsidenten des Nationalrates und des Bundespräsidenten. Diese höchsten Repräsentanten des Staates befürworteten in der Öffentlichkeit die Beachtung der Rechtsanschauung des VfGH. Es wäre wohl unangebracht, diesen obersten Organen eine Art von Teilnehmerschaft an den Bemühungen von Beschwerdeführern zu unterstellen, über ein strafbares Verhalten den VfGH als einen materiellen Gesetzgeber zu aktivieren. Die Konkordanz der Stellungnahmen der genannten obersten Staatsorgane mit der Zielsetzung des Initianten und mit der Rechtsanschauung des VfGH vermittelt allerdings den Eindruck, als würden die in Rechtsbrüchen verwurzelten Initiativen für Verordnungsprüfungsverfahren und die Praxis des VfGH zu einer materiellen Gesetzgebung auf Grund von Verordnungsprüfungsbegehren eines politischen Aktivisten, in ihrer ungewöhnlichen verfassungsrechtlichen und staatspolitischen Tragweite nicht erkannt. Dem VfGH politisch Recht zu geben ist eine Sache, sein minderheitenpolitisches Bestreben gut zu heißen, aufgrund von geplanten Gesetzesverletzungen über Verordnungsprüfungsverfahren von Amts wegen, ohne eine zureichende gesetzliche Grundlage, von Fall zu Fall wie ein materieller (positiver) Gesetzgeber zu wirken, ist eine andere Sache. Was verfassungsrechtlich nicht erzwingbar ist, soll anscheinend mit staatspolitischer Unterstützung oberster Staatsorgane herbeigeführt werden. Doch auf welche Art und Weise und mit welcher verfassungsrechtlichen und staatspolitischen Rechtfertigung? Rechtsanschauungen des VfGH haben doch nicht die Verbindlichkeit von Gesetzen; zumal dann wenn sie auf Irrtümern beruhen.
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Der demokratische Rechtsstaat im Wandel?
Die leitenden Rechtsanschauungen des VfGH zu den zweisprachigen Ortstafeln in Kärnten sind in den Entscheidungsgründen seines Erkenntnisses zur Aufhebung des Prozentsatzes zur Feststellung der Minderheit im VolksgruppenG aus dem Jahr 2001 grundlegend formuliert. Sie sind als solche nicht vollstreckbar. Sie werden aber auch durch die Verordnungsaufhebungen der Jahre 2001 und 2005 nicht vollstreckbar, mögen sie auch durch den VfGH in seinen Erkenntnissen zur Aufhebung von deutschen Ortsnamen in straßenpolizeilichen Verordnungen für Bleiburg im Jahr 2005 der Bezirksverwaltungsbehörde zur Pflicht gemacht oder – wie bei der jüngsten Aufhebung vom 26. Juni 2006 – in Verbindung mit der Aufhebung der deutschen Ortsnamen in der Verordnung für Bleiburg der Bezirksverwaltungsbehörde die Entfernung der Ortstafeln aufgetragen worden sein. Zur Veranschaulichung der in der Ortstafelproblematik gelegenen verfassungsrechtlichen und staatspolitischen Problematik werden im Folgenden jüngere Reaktionen von obersten Staatsorganen auf die Rechtsanschauung des VfGH aus dem Jahr 2001 und auf das oppositionelle Verhalten von politisch Verantwortlichen geschildert. Daran anschließend erfolgen verfassungsrechtliche und staatspolitische Überlegungen zum Thema. a. Die Volksanwaltschaft Bei der Volksanwaltschaft wurden zur Ortstafelproblematik im Lauf der Zeit verschiedene Beschwerden eingebracht. Sie sah sich daher zur Prüfung von Missständen in der Verwaltung und zu entsprechenden Folgemaßnahmen veranlasst. aa. Missstandsfeststellungen und Empfehlungen Mit Datum vom 31. März 2006 richtete die Volksanwaltschaft an die Kärntner Landesregierung und an die Bundesregierung aufgrund von Missstandsfeststellungen zwei Empfehlungen: 1. gemäß Art. 148 B-VG iVm. Art. 148i B-VG iVm. Art. 72a Abs. 1 K-LVG an die Kärntner Landesregierung, bzw. an das nach der Geschäftsordnung zuständige Mitglied der Landesregierung: „die Anbringung zweisprachiger Wegweiser für die Ortsumfahrung St. Michael/Smichel nad Pliberkom entsprechend den Vorschlägen des Kärntner Volksgruppenbüros vom 6. September 2003, Zl. 1-LAD-VGB-165/13-2003, zu veranlassen; 2. gemäß Art. 148c B-VG an die Bundesregierung: „die Verordnungen BGBl. Nr. 306/1977, idF BGBl. Nr. 37/2002, und BGBl. 308/1977 zur Herstellung einer verfassungskonformen Rechtslage unverzüglich dahingehend zu ändern, dass alle jene Gebietsteile bezeichnet werden und für
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alle jene Ortschaften eine slowenische Bezeichnung festgelegt wird, für die nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes topographische Bezeichnungen auch in slowenischer Sprache anzubringen sind.“ In den Erwägungen, bezogen auf „Missstände im Bereich der Kärntner Landesregierung“, verwies die Volksanwaltschaft unter anderem auf die VfGH Erkenntnisse, VfSlg. 15.970/2000 und VfSlg. 16.404/2001, sowie auf das Erkenntnis V 64/05 aus 2005. Sie erinnerte an den vom Amt der Kärntner Landesregierung seinerzeit zustimmend zur Kenntnis genommenen Erlass des BMfWA vom 6. Juli 1990, wonach bei künftig notwendigen Erneuerungen von Straßenverkehrszeichen auf Bundesstraßen topographische Bezeichnungen zweisprachig anzubringen seien. Darüber hinaus verwies sie auf den Umstand, dass gemäß der Judikatur des VfGH der Schutz von Minderheiten als eine Wertentscheidung des Verfassungsgesetzgebers zugunsten der Minderheit verstanden werden müsse. In diesem Zusammenhang brachte sie auch einen über Jahre reichenden Schriftverkehr mit dem Amt der Kärntner Landesregierung über die Rechtsfrage in Erinnerung und bemängelte die restriktive Haltung der Kärntner Landesregierung in der Praxis. Im Hinblick auf das Erkenntnis VfSlg. 16.404/ 2001 brachte sie die minderheitenschutzfreundliche Judikatur des VfGH in Erinnerung. Sie beanstandete die Rechtswidrigkeit der Weisung des zuständigen Landesrates an die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt, die aufgehobenen deutschen Ortsbezeichnungen durch eine gleichartige Verordnung zu erneuern und darauf gestützt, bloß einsprachige Hinweiszeichen auf der Bleiburger Bundesstrasse aufzustellen. Die Volksanwaltschaft forderte die Herstellung eines der Rechtsanschauung des VfGH entsprechenden Zustandes. Kommentar: Die Forderung der Volksanwaltschaft an die Kärntner Landesregierung richtet sich auf die Anbringung zweisprachiger Wegweiser entsprechend den Vorschlägen des Volksgruppenbüros und nicht des VfGH. Sie bezog sich jedoch nicht auf die Festlegung von slowenischen Ortsnamen in der entsprechenden straßenpolizeilichen Verordnung, gemäß der Vorschreibung des VfGH an die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt. Ohne eine Festlegung slowenischer Ortsnamen durch die dafür zuständige Behörde und ohne eine damit übereinstimmende Korrektur der straßenpolizeilichen Verordnungen wären zweisprachige Wegweiser aber weder rechtmäßig noch rechtsverbindlich. Das wird auch durch die Forderung der Volksanwaltschaft an die Bundesregierung indirekt bestätigt. Die Verordnung und die Verkehrszeichen bedingen einander für die Verbindlichkeit beider Akte, einerseits gegenüber den Vollzugsorganen und andererseits gegenüber den Verkehrsteilnehmern durch ihre gemäß der StVO aufeinander abgestellten Kundmachungen.
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Der demokratische Rechtsstaat im Wandel?
In der Begründung der Volksanwaltschaft gegenüber der Bundesregierung heißt es unter anderem: „Der Verfassungsgerichtshof hat ausgeführt, dass – solange eine diesbezügliche Verordnung der Bundesregierung gemäß § 12 Abs. 2 VolksgruppenG nicht gilt – angesichts der unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien die örtlich zuständige Bezirkshauptmannschaft die Rechtspflicht trifft, slowenische Ortsbezeichnungen auf Hinweiszeichen iSd. § 53 Ziff. 17a und 17b StVO mit all den damit verbundenen Schwierigkeiten in eigener Verantwortung festzulegen (siehe dazu näher VfGH 12. 12. 2005, V 64/05, S. 30 f ). Dies vermag jedoch an der Verfassungswidrigkeit der Verordnung BGBl. Nr. 308/1977 nichts zu ändern.“ „Wie der Verfassungsgerichtshof schon im Erkenntnis 11.585/1987 dargelegt hat, ist es dem einfachen Gesetzgeber verwehrt, eine der in Rede stehenden Verfassungsbestimmung widersprechende Regelung zu treffen; gleiches gilt im Lichte des Stufenbaus der Rechtsordnung aber selbstredend auch für den Verordnungsgeber. Deshalb führt die unterbliebene Umsetzung verfassungsrechtlicher Verpflichtungen zur Verfassungswidrigkeit einer solcherart mangelhaften Verordnung. In diesem Zusammenhang ist auch aus der Wortwahl des § 12 Abs. 2 Volksgruppengesetz ableitbar, dass der Gesetzgeber der Bundesregierung hinsichtlich der in slowenischer Sprache zu bezeichnenden Örtlichkeiten den Auftrag zu einer taxativen Normierung gegeben hat (arg. ‚… die für die zweisprachige Bezeichnung in Betracht kommen‘).“ Die Volksanwaltschaft schloss ihre Erwägungen gegenüber der Bundesregierung mit den Worten: „In unserem Verfassungssystem kommt dem Verfassungsgerichtshof die Letztinterpretationskompetenz hinsichtlich der Bundesverfassung201 – und somit auch des im Verfassungsrang stehenden Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien – zu. Verfassungsrechtlich unzulässig ist daher jedenfalls, die Umsetzung der vom VfGH formulierten verfassungsrechtlichen Verpflichtungen von einer ‚möglichst breiten Akzeptanz‘ oder gar einem politischen Konsens abhängig zu machen. Das rechtsstaatliche Prinzip der Bundesverfassung wird in Frage gestellt, wenn die Umsetzung von Erkenntnissen des VfGH und der darin ____________________
201 Der Verfassungsgerichtshof ist im Rahmen seiner Kompetenzen gewiss auch zur Interpretation der Bundesverfassung berufen, doch die „Letztinterpretation“ der Bundesverfassung steht gemäß Art. 10 Abs. 1 Ziff. 1, Art. 41 B-VG ff insbes. aber Art. 44 B-VG ausschließlich dem Verfassungsgesetzgeber und nicht dem Verfassungsgerichtshof zu. Die Zuständigkeit des Verfassungsgesetzgebers ist auch nicht durch die akzessorische Zuständigkeit des VfGH gemäß Art. 138 Abs. 2 B-VG eingeschränkt. Siehe dazu beispielsweise die Erkenntnisse VfSlg. 2527/1953 und 3314/1958.
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festgestellten verfassungsrechtlichen Verpflichtungen – aus welchen Gründen auch immer – über Jahre beliebig lange hinausgeschoben wird.202 Die Säumigkeit der Bundesregierung dauert fort, obwohl sich die Rechtspflicht zur Erlassung der Verordnungen zufolge der bereits mehrfach zitierten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung unmittelbar aus der Verfassungsbestimmung des Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz Staatsvertrag von Wien ergibt und § 2 Abs. 1 Ziff. 2 iVm. § 12 Abs. 2 Volksgruppengesetz die Festlegung solcher Gebiete durch eine Verordnung der Bundesregierung ausdrücklich anordnete. Deshalb war von der Volksanwaltschaft die Feststellung zu treffen, dass die Säumigkeit der Bundesregierung in Bezug auf die verfassungsgesetzlich gebotene Anpassung der Verordnungen BGBl. Nr. 306/1977 und BGBl. Nr. 308/1977 an die im Erkenntnis VfSlg. 16.404/2001 dargelegten verfassungsrechtlichen Erfordernisse jeweils für sich einen Missstand im Bereich der Verwaltung darstellt.“ (Hervorhebungen vom Verfasser) bb. Die Anträge an den Verfassungsgerichtshof Zugleich mit den Missstandsfeststellungen gegenüber der Landesregierung von Kärnten und gegenüber der Bundesregierung beantragte die Volksanwaltschaft beim VfGH die Überprüfung der straßenpolizeilichen Verordnungen für St. Kanzian, Ebersdorf und Bleiburg: „Die zufolge Art. 72a Abs. ?? K-LVG auch für den Bereich des Landes Kärnten zuständige Volksanwaltschaft hat im Jänner 2006 davon Kenntnis erlangt, dass die Ortsbezeichnungen ‚St. Kanzian‘ und ‚St. Kanzian-Klopein‘ auch nach mehr als drei Jahren Wirksamkeit der vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 16.404/2001 ausgesprochenen Aufhebung nach wie vor lediglich in deutscher Sprache angebracht sind.“ In Anbetracht der von der Bezirksverwaltungsbehörde seit dem Jahr 2002 erlassenen gleich lautenden Ersatzverordnungen für die vom VfGH in den Jahren 2001 und 2005 aufgehobenen Ortsnamen leitete die Volksanwaltschaft von Amts wegen ein Prüfungsverfahren ein. Mit Datum vom 31. März 2006 richtete sie gemäß Art. 148e und 148i Abs. 1 zweiter Satz B-VG iVm. Art. 72a Abs. 1 K-LVG an den VfGH folgende Anträge auf Verordnungsprüfungen: „I. auf Aufhebung der Ortsbezeichnungen: ‚St. Kanzian‘ in § 1 Abschnitt B) Punkt 1, 3, 4 und 5 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 1. Oktober 2004, Zl. VK7-STV-294/1-2004, betreffend Verkehrsbeschränkungen für die L 116 St. Kanzianer Straße, ____________________
202 Die Volksanwaltschaft verkennt das in der Kompetenzverteilung der Art. 10 bis 15 B-VG angelegte Konzept der Kooperation von Bund und Ländern, das vor allem über Gesetze realisiert wird. Diese werden in der Regel mehrheitlich beschlossen. Das Prinzip der Mehrheit entspricht dem Wesen der Demokratie.
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II. auf Aufhebung der Ortsbezeichnungen Ebersdorf in Abschnitt B), Punkt 3 Rubrik ‚In Fahrtrichtung Lavamünd‘, lit. a und b sowie Rubrik ‚In Fahrtrichtung Sittersdorf‘, lit. c und d des § 1 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 15. Juli 1982, Zl. 4600/1/81, in der Fassung der Verordnung vom 7. Februar 2006, Zl. VK6-STV1091/2005 (017/2006), III. auf Aufhebung der Ortsbezeichnungen ‚Bleiburg‘ in Abschnitt B), Punkt 3 Rubrik ‚In Fahrtrichtung Lavamünd‘, lit. c und d sowie Rubrik ‚In Fahrtrichtung Sittersdorf‘ lit. a und b des § 1 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 15. Juli 1982, Zl. 4600/1/81, in der Fassung der Verordnung vom 7. Februar 2006, Zl. VK6-STV-1091/ 2005 (017/2006), jeweils wegen Gesetzwidrigkeit infolge Widerspruchs zu Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz Staatsvertrag Wien.“ (Hervorhebung vom Verfasser) In der Begründung dazu heißt es unter anderem: „Die Volksanwaltschaft ist der Auffassung, dass jede Verwaltungsbehörde ausnahmslos verpflichtet ist, der in einem aufhebenden Erkenntnis dargelegten Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes Rechnung zu tragen. Da dies im vorliegenden Fall nicht geschehen ist, sieht sich die Volksanwaltschaft im Interesse der Herstellung einer verfassungskonformen Rechtslage veranlasst, gemäß Art. 148e und Art. 148i Abs. 1 zweiter Satz B-VG iVm. Art. 72a Abs. 1 K-LVG die Aufhebung der aus den vorstehend dargelegten Erwägungen angefochtenen Verordnungsbestimmungsteilen wegen Gesetzwidrigkeit infolge Widerspruchs zu Art. 7 Z 3 zweiter Satz Staatsvertrag von Wien zu beantragen.“ cc. Die Begründung der Anträge In der Darlegung ihrer Bedenken führte die Volksanwaltschaft nach einer ausführlichen Schilderung des Sachverhaltes und der Rechtslage, mit einem Hinweis auf die vom VfGH behauptete unmittelbare Anwendbarkeit des zweiten Satzes der Ziff. 3 im Art. 7 des StV von Wien, zu ihren Anträgen auf Aufhebung deutscher Ortsnamen in den betreffenden Verordnungen unter anderem Folgendes aus: „Da die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt im vorliegenden Zusammenhang bereits … am 7. Februar 2006 neue (einsprachige) Ortsbezeichnungen verordnet hat, sind diese uneingeschränkt an den verfassungsrechtlichen Anforderungen, insbesondere des Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz Staatsvertrag von Wien im Sinne des Erkenntnisses vom 12. Dezember 2005, V 64/ 05, zu messen. Entgegen den Ausführungen des VfGH in diesem Erkenntnis wurde dem aus dem Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz Staatsvertrag Wien abzu-
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leitenden Gebot, die Ortsbezeichnungen auch in slowenischer Sprache festzusetzen und anzubringen, durch die neue Verordnung nicht Rechnung getragen. Diese Säumigkeit wiegt umso schwerer, als der Verfassungsgerichtshof in der Begründung der Entscheidung vom 12. Dezember 2005, V 64/05 ausdrücklich die Rechtspflicht der Bezirkshauptmannschaft betont hat, ‚bei Erlassung der hier in Rede stehenden verkehrspolizeilichen Verordnung die Ortsbezeichnung sowohl in deutscher als auch in slowenischer Sprache festzulegen‘.“ Zur Fristsetzung des VfGH stellte die Volksanwaltschaft fest: „Die Frist für das Inkrafttreten der Aufhebung sollte also der zuständigen Verwaltungsbehörde, im konkreten Fall der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt, ausreichend Vorbereitungszeit ermöglichen, um eine gesetzes- und verfassungskonforme ‚Ersatzverordnung‘ zu erlassen. Erlässt die zuständige Verwaltungsbehörde aber innerhalb der Frist gemäß Art. 139 Abs. 5 letzter Satz B-VG nach Zustellung des Verfassungsgerichtshoferkenntnisses und Kundmachung der Aufhebung eine neue Verordnung, muss auch diese neu verordnete Rechtslage den gesetzlichen und verfassungsgesetzlichen Anforderungen aufgrund des einschlägigen aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes Rechnung tragen.“ „Im Lichte der Chronologie der hier relevanten Ereignisse möchte die Volksanwaltschaft an dieser Stelle noch einmal auf das Erkenntnis VfSlg. 12.927/1991 hinweisen, wo der Verfassungsgerichtshof Folgendes festgestellt hat: ‚Wenn das … handelnde Organ bei unveränderter Sachlage eine Verordnung erlässt, die der im aufhebenden Erkenntnis dargelegten Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes nicht im geringsten Rechnung trägt, belastet es nicht nur die … Verordnung neuerlich mit Rechtswidrigkeit, sondern bringt sich darüber hinaus in die Nähe des Verdachtes bewusster Rechtsbeugung‘. Ein solcher Fall liegt hier hinsichtlich der angefochtenen Verordnungsteile nach Auffassung der Volksanwaltschaft aus den vorstehend dargelegten Gründen vor, wobei zu bemerken ist, dass die seitens der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt zur Herstellung einer verfassungskonformen Rechtslage eingeleiteten Schritte auf Grund der … Vorgangsweise von Mitgliedern der Kärntner Landesregierung (bisher) erfolglos geblieben sind.“ „Die Volksanwaltschaft ist der Auffassung, dass jede Verwaltungsbehörde ausnahmslos verpflichtet ist, der in einem aufhebenden Erkenntnis dargelegten Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes Rechnung zu tragen. Da dies im vorliegenden Fall nicht geschehen ist, sieht sich die Volksanwaltschaft im Interesse der Herstellung einer verfassungskonformen Rechtslage veranlasst, gemäß Art. 148e und 148i Abs. 1 zweiter Satz B-VG iVm. Art. 72a Abs. 1 K-LVG die Aufhebung der aus den vorstehend dargeleg-
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ten Erwägungen angefochtenen Verordnungsbestimmungsteilen wegen Gesetzwidrigkeit infolge Widerspruchs zu Art. 7 Ziff. 3 zweiter Satz Staatsvertrag von Wien zu beantragen.“ (Seite 19) (Hervorhebungen vom Verfasser) dd. Kommentar zur Begründung der Anträge Die Volksanwaltschaft unterscheidet nicht zwischen einer bescheiderlassenden Verwaltungsbehörde und dem durch das B-VG und das VfGG grundlegend anders behandelten Verordnungsgeber. Der Verordnungsgeber ist – gleich dem Gesetzgeber – nur an den kundgemachten Spruch über die Aufhebung gebunden, nicht jedoch an die Entscheidungsgründe. Der bescheiderlassenden Behörde hat der VfGH infolge der Bestätigung ihres Strafbescheides und der Abweisung der Bescheidbeschwerde keine Rechtsanschauung vorgegeben, die von dieser auch zu beachten wäre. In den Missstandsfeststellungen für den Bereich der Bundesregierung führte die Volksanwaltschaft zur Begründung für ihre Empfehlung, gleichsam als Motiv für ihren Antrag an den VfGH, Folgendes aus: „Sowohl Mitglieder der Kärntner Landesregierung als auch Mitglieder der Bundesregierung haben zuletzt Kritik am ,rasenden Rechtsbrecher‘ geübt, der zu schnell durch Ortschaften fährt, um die Aufstellung zusätzlicher zweisprachiger Ortstafeln zu erzwingen. De facto besteht jedoch für die slowenische Minderheit nur durch die Provokation von Strafbescheiden wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen die Möglichkeit, eine verfassungsgerichtliche Überprüfung von bloß einsprachigen Wegweisern und Vorwegweisern in jenen Ortschaften mit einem länger andauernden Minderheitenprozentsatz zwischen mehr als 10 % und weniger als 25 % zu erwirken.“ (Hervorhebung vom Verfasser) Diese Feststellung mutet merkwürdig an, wenn man bedenkt, dass die Volksanwaltschaft, im Sinn der an sie gerichteten Beschwerden von Angehörigen der slowenischen Minderheit in Kärnten, unter demselben Datum entsprechende Verordnungsprüfungen beim VfGH förmlich beantragt hat. Es gibt aber auch noch andere legale Wege, die Interessen der Minderheit vor dem VfGH geltend zu machen. Dazu zählen Gesetzesinitiativen ebenso wie Antragsrechte beim VfGH gemäß Art. 139 und 140 B-VG. Ihre Nichtausübung durch die zuständigen Organe bedeutet keineswegs einen Untergang der verfassungsgesetzlich geregelten Zuständigkeiten. Die Formel der Volksanwaltschaft „Herstellung einer verfassungskonformen Rechtslage“ trifft überdies genau den Punkt, auf den es in der Sache ankommt; allerdings mit einer anderen Bedeutung. Der zweite Satz in der Ziff 3, Art. 7 des Staatsvertrages ist nämlich entgegen der Annahme der Volksanwaltschaft nicht unmittelbar anwendbar. Der gesetzliche
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Prozentsatz des Volksgruppengesetzes, welcher den Art. 7 StV anwendbar machte, wurde durch den VfGH im Jahr 2001 aufgehoben. Seither gibt es keine unmittelbar anwendbare und die verordnungsgebenden Behörden des Bundes und der Länder verpflichtende gesetzliche Grundlage im Sinn des Art. 18 B-VG. Doch die Volksanwaltschaft folgt in ihrer Meinung über die unmittelbare Anwendbarkeit des zweiten Satzes in der Ziff. 3 im Art. 7 des Staatsvertrages unkritisch der in den Erkenntnissen aus den Jahren 2001 und 2005 festgeschriebenen, in mehrfacher Hinsicht verfehlten Rechtsanschauung des VfGH. Sie ersparte sich – wie der VfGH – eine Nachprüfung in dem vom VfGH für maßgeblich erachteten Motivenbericht der Bundesregierung zur Ziff. 3 im Art. 7 des Staatsvertrages von Wien. Dort ist nämlich nur für den ersten Satz von der unmittelbaren Anwendbarkeit die Rede. Für den zweiten Satz wird hingegen zur Durchführung gemäß Art. 16 Abs. 5 B-VG ausdrücklich auf das Erfordernis von Bundes- und Landesgesetzen hingewiesen. Zur Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit der Ziff. 3 findet man in den Bedenken zur Anfechtung der Verordnung überdies folgende aufschlussreiche Feststellungen: „3. 1. 4. Die Volksanwaltschaft räumt ein, dass die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 7 Z 3 zweiter Satz Staatsvertrag für die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt auch nach Fällung des Erkenntnisses VfSlg. 16.404/2001 noch zweifelhaft sein konnte (in diesem Sinne insbesondere Holzinger203: Für Art. 7 Z 3 zweiter Satz StV Wien fehlt dagegen bisher eine diesbezügliche Aussage in der Rechtsprechung des VfGH; vgl. aber auch die Ausführungen in VfSlg. 16.404/2001, S. 1032, Pkt. 4. 3. und 6., die eine unmittelbare Anwendbarkeit zu implizieren scheinen). Im Erkenntnis vom 12. Dezember 2005, V 64/05, in dem der Verfassungsgerichtshof, ausgehend von der unmittelbaren Anwendbarkeit der Verfassungsbestimmung des Art. 7 Z 3 zweiter Satz Staatsvertrag von Wien … die Rechtspflicht der Bezirkshauptmannschaft betont, ‚bei Erlassung der … verkehrspolizeilichen Verordnung die Ortsbezeichnung sowohl in deutscher als auch in slowenischer Sprache festzulegen‘ und ‚die slowenische Ortsbezeichnung … in eigener Verantwortung festzulegen‘, sind die die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt treffenden Rechtspflichten jedoch eindeutig festgestellt.“ Das Zitat der Volksanwaltschaft aus der besagten FN ist unvollständig. Im Original heißt es nämlich noch: „hinzuweisen ist auf die im Prüfungsbeschluss zu VfGH 13. 12. 2001 G 21/213/01 ua. angestellte Er____________________
203 Holzinger, Die Rechte der Volksgruppen in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, in FS Adamovich (2002) 201 (203 bei FN 25): Für Art. 7 Z 3 zweiter Satz StV Wien fehlt dagegen bisher eine diesbezügliche Aussage in der Rechtsprechung des VfGH.
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wägung „dass es kein subjektives Recht auf Anbringung eines Hinweiszeichens (einer Ortstafel) … in deutscher und slowenischer Sprache gebe (VfSlg. 10.209/1984). Für Sturm, Minderheiten- und Volksgruppenschutz, 109 f, stellt Art. 7 Z 3 zweiter Satz StV ein unmittelbar anwendbares Recht dar.“ Unter 2. 1. (e) seiner Erwägungen zur Verordnungs- und Gesetzesprüfung des Jahres 2001 begründete der VfGH seine Rechtsauffassung von der unmittelbaren Anwendbarkeit des zweiten Satzes nämlich mit einer Gleichstellung des zweiten Satzes mit ersten Satz in der Ziff. 3 des Art. 7 StV. Im Hinblick auf Aufhebung der Wortfolge im VolksgruppenG stellte er im Sinn seines Erkenntnisses aus 1987 die unmittelbare Anwendbarkeit ausdrücklich fest: „die dann (wieder) unmittelbar anwendbare Bestimmung des Art. 7 Z 3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien“. Diese Feststellung begründete er mit einem Hinweis („in diesem Sinne“) auf das VfGH Erk. vom 4. 10. 2000, V 91/99, Pkt. III. 3. 4. zur Prüfung der Amtssprachenverordnung, wo er die unmittelbare Anwendbarkeit des ersten Satzes der Ziff. 3 im Art. 7 StV des ersten Satzes ohne jede Einschränkung bejaht hatte. Die beabsichtigte Analogie ist offenkundig, wenn auch verfehlt. (Siehe dazu auch die entsprechenden Ausführungen oben, im Dritten Teil) Weil sie die in der besagten Fußnote fehlende klare Aussage des VfGH über die unmittelbare Anwendbarkeit des zweiten Satzes in (e) der Erwägungen zum Prüfungsbeschluss nicht überprüfte, hielt die Volksanwaltschaft die Annahme von der unmittelbaren Anwendbarkeit für das Erkenntnis des Jahres 2001 bloß für möglich. Es kann aber kein Zweifel daran bestehen, dass der VfGH in den Erwägungen zur Gesetzesprüfung die unmittelbare Anwendbarkeit des zweiten Satzes, unter Berufung auf seine Vorentscheidungen zur Amtssprache, im Erkenntnis des Jahres 2001 mit einem Hinweise auf die vorangehende Judikatur unzweifelhaft bejahte und unter 4. 3 und 6 der Entscheidungsgründe entsprechende Konsequenzen zog. Dabei ist auch beachtenswert, dass im Fall der Verneinung der unmittelbaren Anwendbarkeit des zweiten Satzes sowohl der VfGH als auch die Volksanwaltschaft hinsichtlich ihrer eigenen Zuständigkeit zur gegenständlichen Verordnungs- und Gesetzesprüfung in einen Begründungsnotstand geraten wären. Die Volksanwaltschaft verabsäumte darüber hinaus, auch die Frage der Zuständigkeit zur Festlegung von Ortsnamen anhand der Allgemeinen Kärntner Gemeindeordnung zu prüfen. Sie unterließ vor allem aber Nachforschungen über die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit des zweiten Satzes der Ziff. 3 im Art. 7 in den vom VfGH zum zweiten Satz der Ziff. 3 vernachlässigten Materialien zum Staatsvertrag und zu der auch
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den Art. 7 des Staatsvertrages einschließenden großen Verfassungsnovelle des Jahres 1964. Gemäß dem erklärten Willen des Gesetzgebers, der sich im Jahr 1955 zum Art. 7 des StV von Wien materiell auch als Verfassungsgesetzgeber verstand,204 bedarf der zweite Satz der Ziff. 3 im Art. 7 des Staatsvertrages von Wien nämlich der Durchführung durch Gesetz. Diese Vorschrift ist infolge ihrer Unbestimmtheit aber auch objektiv nicht zur unmittelbaren Anwendung geeignet. Das bestätigte der Bundesgesetzgeber nicht zuletzt durch die Erlassung des VolksgruppenG; in einer qualifizierten Weise aber durch die Bundes-Verfassungsgesetznovelle des Jahres 1964.205 (Näheres dazu siehe oben, im Dritten Teil) Mit einem Hinweis auf eine entsprechende Feststellung des VfGH im Erkenntnis VfSlg. 11.585/1987 meinte die Volksanwaltschaft, dass es dem einfachen Gesetzgeber verwehrt sei, eine der Verfassungsbestimmung des Art. 7 StV widersprechende Regelung zu treffen. Dabei verabsäumte sie allerdings, eine nähere Begründung dafür zu geben. Dadurch erweckte sie den Eindruck, als dürfte der Gesetzgeber keinen neuen Prozentsatz festlegen, der von der Rechtsanschauung des VfGH abweichen könnte. Dabei ist bemerkenswert, dass das unbestimmte Kriterium des VfGH für die Feststellung der Minderheit: „mehr als 10 % über einen längeren Zeitraum“, durch die Volksanwaltschaft sogar noch unbestimmter gedeutet wurde: „Ortschaften mit einem länger andauernden Minderheitenprozentsatz zwischen mehr als 10 % und weniger als 25 %“.206 Wer sonst als der Gesetzgeber sollte eine allgemein verbindliche Klarstellung der Unbestimmtheiten in der Rechtsanschauung des VfGH und der Volksanwaltschaft vornehmen? Doch abgesehen davon ist festzuhalten, dass angesichts der ausdrücklichen Feststellung zum zweiten Satz der Ziff. 3 des Art. 7 in der RV zum Staatsvertrag jedenfalls der Gesetzgeber (Verfassungsgesetzgeber) gefordert ist, den für die Feststellung der Min____________________
204 Bundesverfassungsgesetz vom 4. März 1964, mit dem Bestimmungen des BundesVerfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 über Staatsverträge abgeändert und ergänzt wird, BGBl 59/1964, Art. II: „Die nachstehenden Staatsverträge und in Staatsverträgen enthaltenen Bestimmungen, die vom Nationalrat als verfassungsändernd behandelt und in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen genehmigt worden sind, obwohl sie weder im Beschluß des Nationalrates noch anlässlich ihrer Kundmachung im Bundesgesetzblatt ausdrücklich als verfassungsändernd bezeichnet wurden, gemäß Art. 50 Absatz 2 in Verbindung mit Art. 44 Absatz 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 genehmigt: 3. … Artikel 7 Ziffern 2, 3 und 4 … des Staatsvertrages betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich, BGBl. 152/1955 …“. 205 Siehe dazu auch die grundlegenden Feststellungen des Verfassungsgerichtshofs, VfSlg. 3314/1958, zum Erfordernis einer bundeseinheitlichen gesetzlichen Regelung auf dem Gebiet des Minderheitenschutzes, Seite 39. 206 Auf Seite 11 der Misstandsfeststellungen.
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derheit maßgeblichen Prozentsatz im VolksgruppenG neu festzulegen. Das schloss im Jahr 2001 wohl auch der VfGH nicht aus, da er dem Gesetzgeber eine Frist zur Erlassung einer Ersatzregelung einräumte. Da die Volksanwaltschaft – gleich dem VfGH – irrigerweise von der unmittelbaren Anwendbarkeit des zweiten Satzes der Ziff. 3 im Art. 7 des Staatsvertrages ausging, kam ihr sichtlich nicht in den Sinn, gemäß dem Legalitätsprinzip des Art. 18 B-VG und der Fristsetzung des VfGH im Erkenntnis des Jahres 2001 auch eine Novellierung des VolksgruppenG durch den Bundesgesetzgeber in Erwägung zu ziehen. Damit würde nämlich die durch den VfGH geschaffene Gesetzeslücke geschlossen und die Anwendbarkeit des Art. 7 des Staatsvertrages von Wien durch ein verbessertes VolksgruppenG gemäß Art. 18 B-VG auch für den Verordnungsgeber in einer rechtsstaatlich einwandfreien Weise wieder hergestellt. Die durch die Judikatur des VfGH hervorgerufene Rechtsunsicherheit würde dadurch ein verfassungskonformes Ende finden. ee. Die Rechtsgrundlagen für die Anträge auf Verordnungsprüfung Artikel 148a (1) Jedermann kann sich bei der Volksanwaltschaft wegen behaupteter Missstände in der Verwaltung des Bundes einschließlich dessen Tätigkeit als Träger von Privatrechten beschweren, sofern er von diesen Missständen betroffen ist und soweit ihm ein Rechtsmittel nicht oder nicht mehr zur Verfügung steht. Jede solche Beschwerde ist von der Volksanwaltschaft zu prüfen. Dem Beschwerdeführer sind das Ergebnis der Prüfung sowie die allenfalls getroffenen Veranlassungen mitzuteilen. (2) Die Volksanwaltschaft ist berechtigt, von ihr vermutete Missstände in der Verwaltung des Bundes einschließlich dessen Tätigkeit als Träger von Privatrechten von Amts wegen zu prüfen. (3) Der Volksanwaltschaft obliegt ferner die Mitwirkung an der Erledigung der an den Nationalrat gerichteten Petitionen und Bürgerinitiativen. Näheres bestimmt das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates. (4) Die Volksanwaltschaft ist in Ausübung ihres Amtes unabhängig. Artikel 148e. Auf Antrag der Volksanwaltschaft erkennt der Verfassungsgerichtshof über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Bundesbehörde. Artikel 148i (1) Durch Landesverfassungsgesetz können die Länder die Volksanwaltschaft auch für den Bereich der Verwaltung des betreffenden Landes für zuständig erklären. In diesem Fall sind die Artikel 148e und 148f sinngemäß anzuwenden. Kommentar: Aufgrund von Beschwerden hat die Volksanwaltschaft beschlossen, „in dieser Angelegenheit gemäß Art. 148a Abs. 2 iVm. Artikel
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148i Abs. 1 erster Satz B-VG von Amts wegen ein Prüfungsverfahren einzuleiten“. Die Volksanwaltschaft nahm also bloß auf Grund der Tatsache von Beschwerden mit einer Selbstverständlichkeit ihre Zuständigkeit zur Antragstellung an den VfGH an. Sie unterließ eine nähere Prüfung der verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für ihre abstrakte und konkrete Zuständigkeit. Die Vorschriften über die abstrakte Zuständigkeit setzen die konkrete Zulässigkeit ihrer Ausübung aus einem entsprechenden Anlass voraus. Zu den Kriterien des Anlasses gehört nicht nur die Tatsache einer Beschwerde und die begründete Annahme eines Missstandes in der Verwaltung, sondern auch ein objektiv begründbares Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Zuständigkeit der Volksanwaltschaft. Darauf hat die Volksanwaltschaft mit keinem Wort Bedacht genommen. Der Schlüssel zu dieser Frage liegt in den Worten des B-VG: „Jedermann kann sich bei der Volksanwaltschaft wegen behaupteter Missstände in der Verwaltung des Bundes einschließlich dessen Tätigkeit als Träger von Privatrechten beschweren, sofern er von diesen Missständen betroffen ist und soweit ihm ein Rechtsmittel nicht oder nicht mehr zur Verfügung steht.“ (Hervorhebung vom Verfasser) Der bloße Wortlaut scheint der Volksanwaltschaft Recht zu geben. Dem Beschwerdeführer steht in der Frage der Aufstellung von zweisprachigen Ortstafeln kein Rechtsmittel zur Verfügung. Das hat im vorliegenden Fall aber eine ganz besondere Bedeutung. Dem Beschwerdeführer steht nämlich gemäß der Rechtslage und den Kompetenzvorschriften des VfGH an und für sich kein subjektives Recht auf zweisprachige Ortstafeln zur Verfügung. Er hat kein subjektives Recht auf Anbringung von zweisprachigen Ortsnamen auf straßenpolizeilichen Verkehrszeichen. Das hat der VfGH in ständiger Rechtsprechung wiederholt festgestellt. Aus diesem Grund hat er bisher alle Individualanträge von Angehörigen der slowenischen Minderheit auf Verordnungsprüfung mangels materieller Beschwerdelegitimation zurückgewiesen. Nun will die Volksanwaltschaft, gleichsam stellvertretend, dem Beschwerdeführer im Effekt den aufgrund der Verfassung auch für den VfGH objektiv ausgeschlossenen Rechtsweg gemäß Art. 139 Abs. 1 letzter Satz B-VG im Weg einer Rechtsumgehung eröffnen. Die Verfassung ist als eine homogene Einheit zu verstehen. Das hat zur Folge, dass den obersten Staatsorganen durch die Reichweite der Zuständigkeiten der anderen Staatsorgane feste Grenzen gesetzt sind. In der Reichweite der Unzuständigkeit des VfGH zur Verordnungsprüfung kann auch die Volksanwaltschaft nicht antragsberechtigt sein. Dabei mutet es befremdlich an, dass die Volksanwaltschaft in ihren Missstandsfeststellungen gegenüber der Bundesregierung auch eine prob-
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lematische Begründung für ihre Anträge an den VfGH formulierte: „Sowohl Mitglieder der Kärntner Landesregierung als auch Mitglieder der Bundesregierung haben zuletzt Kritik am ,rasenden Rechtsbrecher‘ geübt, der zu schnell durch die Ortschaften fährt, um die Aufstellung zusätzlicher zweisprachiger Ortstafeln zu erzwingen. De facto besteht jedoch für die slowenische Minderheit nur durch die Provokation von Strafbescheiden wegen Geschwindigkeitsübertretungen die Möglichkeit, eine verfassungsgerichtliche Überprüfung von bloß einsprachigen Wegweisern und Vorwegweisern in jenen Ortschaften mit einem länger andauernden Minderheitenprozentsatz zwischen mehr als 10 % und weniger als 25 % zu erwirken.“ b. Der Verfassungsgerichtshof Der VfGH zeigte sich darüber beunruhigt, dass seiner in mehreren Erkenntnissen zum Ausdruck gebrachten Rechtsanschauung über die Ortstafelproblematik nicht Folge geleistet wird. Kaum einmal zuvor wurde er so oft und ohne Vorbehalt in medialen Berichterstattungen und Stellungnahmen unterstützt. Der Präsident des VfGH versuchte für seine Bemühungen um die Umsetzung der Rechtsanschauung des VfGH durch Presseerklärungen sowie durch Interventionen beim Bundeskanzler und beim Bundespräsidenten Unterstützung zu erlangen. Über eine Vorsprache beim Präsidenten des Nationalrates zur Herbeiführung eines den Rechtsstreit endgültig bereinigenden Bundesgesetzes war den Medien bisher kein Bericht zu entnehmen. Dem Bezirkshauptmann von Völkermarkt, als Erzeuger der vom VfGH als verfassungswidrig befundenen straßenpolizeilichen Verordnungen, wurde auf seine Frage, ob er zum Handeln verpflichtet sei (oder die Bundesregierung), durch den Präsidenten des VfGH mitgeteilt, dass er eine der Rechtsanschauung des VfGH im Erkenntnis aus dem Jahr 2005 entsprechende Verordnung zu erlassen habe. Auf Grund einer Weisung des zuständigen Mitgliedes der Landesregierung weigerte sich der Bezirkshauptmann jedoch, der Rechtsanschauung des VfGH Rechnung zu tragen. Er erließ eine gleich lautende Ersatzverordnung. Dieser Umstand erscheint im Hinblick auf die Rechtsanschauung des VfGH zweifellos unbefriedigend. Vor einigen Wochen wurden dem VfGH zwei Anträge der Volksanwaltschaft auf Aufhebung von deutschen Ortsnamen in den straßenpolizeilichen Verordnungen der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt für St. Kanzian und für Bleiburg und Ebersdorf vorgelegt. Der VfGH setzte dafür umgehend eine öffentliche Verhandlung an. Dazu hieß es in der
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Presseinformation des VfGH vom 30. Mai 2006: „Den Parteien des Verfahrens – das sind die Kärntner Landesregierung und die Volksanwaltschaft – wurden … Fragen für diese Verhandlung übermittelt, die Gegenstand der öffentlichen mündlichen Verhandlung sein werden und die sich mit folgender Thematik beschäftigen: 1) Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis VfSlg. 10.091/ 1984 (Kärntner Dienstrechtsgesetz) festgestellt, dass gesetzliche Bestimmungen, die nach einer Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof nur aus einem Grund erlassen wurden, nämlich, um den Verfassungsgerichtshof in seiner Kontrollfunktion im Gesetzesprüfungsverfahren zu beeinträchtigen, von der Aufhebung miterfasst sein können. In der Verhandlung wird erörtert werden, ob die neuen, von der Volksanwaltschaft angefochtenen Verordnungen der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt in diesem Sinn schon von früheren aufhebenden Erkenntnissen mitbetroffen sind und ob deshalb lediglich die Exekution der jeweiligen Erkenntnisse (nicht aber ein neues Verordnungsprüfungsverfahren) in Frage kommt. 2) Bei der letzten Volkszählung 2001, deren Ergebnis zum Zeitpunkt des ersten Erkenntnisses zu den Ortstafeln in St. Kanzian noch nicht vorlagen, zeigt sich ein Anteil von 8,7 Prozent österreichischer Staatsbürger mit slowenischer Umgangssprache in St. Kanzian. (In diesem Zusammenhang ist erscheint bedeutsam, dass St. Kanzian bei der vorletzten Volkszählung im Jahr 1991 einen Prozentsatz von 9,9 aufwies). In der Verhandlung wird erörtert werden, ob und wenn ja, welche Rolle dieser Umstand für die Gesetzmäßigkeit der Verordnung spielt.“ Die öffentliche Verhandlung zu den gestellten Fragen fand programmgemäß am 14. Juni 2006 statt. Die Volksanwaltschaft und die Kärntner Landesregierung nahmen dazu mehr oder weniger ausführlich Stellung. Am 26. Juni 2006 um 12.00 Uhr erfolgte die ebenfalls öffentliche Verkündung der Entscheidungen des VfGH über die Anträge der Volksanwaltschaft, betreffend die Ortsbezeichnungen „Bleiburg“ und „Ebersdorf“ in der VO der BH Völkermarkt vom 15. Juli 1982, Zl. 4600/1/81, idF der VO vom 7. Februar 2006, Zl. VK6-StV-1091/2005: Dem Antrag der Volksanwaltschaft wurde stattgegeben. Die entsprechenden Verordnungsbestimmungen, die lediglich einsprachige Ortsbezeichnungen festlegen, wurden als gesetzwidrig aufgehoben. Bei der Verkündung dieses Erkenntnisses führte der VfGH Folgendes aus: „Die Ortstafeln für Bleiburg und Ebersdorf sind aufgrund der Verpflichtungen, die sich aus dem Staatsvertrag von Wien ergeben, in Slowenisch als auch in Deutsch zu verfassen.“
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„Der VfGH sieht keinerlei Anlass dafür, von seiner ständigen Rechtsprechung abzugehen, nämlich, dass als Kriterium für ein gemischtsprachiges Gebiet ein Minderheitenprozentsatz von mehr als zehn Prozent über einen längeren Zeitraum betrachtet gilt. Der VfGH bleibt weiters bei seiner Auffassung, dass es dabei auf die Ergebnisse der Volkszählung und nicht auf andere Parameter ankommt. Maßgeblich ist dabei die Situation in den Ortschaften und nicht etwa in Gemeinden oder Verwaltungsbezirken. Eine Frist zur Reparatur der gesetzwidrigen Verordnung hält der VfGH für nicht angebracht. Die Aufhebung tritt mit Kundmachung in Kraft, die „unverzüglich“ zu erfolgen hat. Der VfGH hält zudem nunmehr ausdrücklich fest: Die Konsequenz der Aufhebung durch den VfGH ist auch, dass für die verordnungserlassende Behörde die Rechtspflicht besteht, jene – einsprachigen – Straßenverkehrszeichen zu entfernen, die zur Kundmachung und Inkrafttretung der – nunmehr aufgehobenen – Verordnung angebracht worden sind.“207 Dem Antrag der Volksanwaltschaft auf Aufhebung der Ortsbezeichnungen „St. Kanzian“ in der VO der BH Völkermarkt vom 12. Mai 2005, Zl. VK6-StV-911/2-2005 wurde hingegen keine Folge gegeben. Der VfGH betrachtete St. Kanzian nicht mehr als gemischtsprachig. Das Verordnungsprüfungsverfahren wurde vom VfGH mit folgender Begründung eingestellt: „Das abschließende Ergebnis der Volkszählung 2001, das dem VfGH nach Aufforderung von der Statistik Austria übermittelt wurde, zeigt in St. Kanzian einen Anteil von 8,7 Prozent österreichischer Staatsbürger mit slowenischer Umgangssprache. 1991 betrug dieser Anteil 9,9 Prozent. Das vorliegende Ergebnis der Volkszählung zeigt, dass der Minderheitenanteil in St. Kanzian seit nunmehr zwei Volkszählungen unter zehn Prozent liegt – das ist ein Wert, von dem der VfGH bei der Beurteilung stets ausgegangen ist. Es ist zudem eine fallende Tendenz zu erkennen. St. Kanzian ist daher nicht weiter als „gemischtsprachiges Gebiet“ zu qualifizieren, für das eine verfassungsrechtliche Verpflichtung besteht, Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur sowohl in Slowenisch als auch in Deutsch zu verfassen.“ In der Juni Session des Jahres 2006 waren beim VfGH noch 14 weitere gleichartige Beschwerden anhängig. Dazu stellte der VfGH fest: „Basierend auf seiner Rechtsprechung, also auf den vom VfGH herangezogenen Kriterien für ein „gemischtsprachiges Gebiet“, sind für die weiteren anhängigen Verfahren zu Ortstafeln in Kärnten Entscheidungen ____________________
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Presseinformation des VfGH vom 26. Juni 2006.
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getroffen worden. Folgende Ortschaften sind nach den Kriterien der Judikatur nicht als gemischtsprachig zu qualifizieren: Mittlern, Diex, Ferlach und Görtschach. Der VfGH hat bei folgenden Ortschaften Bedenken, dass die lediglich in Deutsch verfasste Ortstafel den Verpflichtungen aus dem Staatsvertrag von Wien widersprechen und die entsprechende Verordnung daher gesetzwidrig sein dürfte: (es folgen die Namen von zehn weiteren Ortschaften). In diesen Fällen hat der VfGH, da bei der Behandlung der Beschwerden Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung entstanden sind, ein Verordnungsprüfungsverfahren eingeleitet. … Mit einer Entscheidung ist etwa in einem halben Jahr zu rechnen.“208 Aufgrund seiner Ortstafelentscheidungen wollte der VfGH in der Juni Session des Jahres 2006 auch über einen Antrag an den Bundespräsidenten auf Verfassungsexekution der Rechtsanschauung des VfGH in seinen Ortstafelerkenntnissen beraten und beschließen. Der neue Auftrag des VfGH an die Bezirksverwaltungsbehörden in den Entscheidungsgründen seines jüngsten Erkenntnisses vom 26. Juni 2006 scheint dem VfGH eine neue Handhabe zu geben, vom Bundespräsidenten die Beseitigung und vielleicht sogar die Aufstellung der zweisprachigen Ortstafeln für Bleiburg und Ebersdorf einzufordern, falls die Bezirksverwaltungsbehörde diesem als Rechtsanschauung zu verstehenden Auftrag des VfGH nicht nachkommen sollte. Wäre ein solcher Antrag wirklich ein verfassungsrechtlich einwandfreies und staatspolitisch richtiges Mittel zur Sanktionierung einer problematischen Rechtsanschauung des VfGH? c. Die Bundesregierung Auf Grund der §§ 2 und 12 des VolksgruppenG ist die Bundesregierung grundsätzlich zur Erlassung entsprechender Verordnungen im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats nach Anhörung der Kärntner Landesregierung berufen; gemäß der Vorschrift des Art. 18 B-VG allerdings nur auf Grund eines Gesetzes, das auch unmittelbar anwendbar ist. Eine solche gesetzliche Grundlage fehlt aber seit der Aufhebung der Wortfolge im VolksgruppenG durch den VfGH im Jahr 2001. Die Bundesregierung unternahm daher in den letzten Jahren verschiedene Schritte zur Herbeiführung einer politischen Lösung des Problems. Eine Missstandsfeststellung durch die Volksanwaltschaft, die eigentlich dem Gesetzgeber gilt – führte nun zu einer neuen Initiative der Bundesregierung. Aufgrund einer Kritik der Volksanwaltschaft erstellte das Bundeskanzleramt den Entwurf einer „Verordnung der Bundesregierung über die Be____________________
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Presseinformation des VfGH vom 26. Juni 2006.
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stimmung von Gebietsteilen, in denen topographische Bezeichnungen und Aufschriften sowohl in deutscher als auch in slowenischer Sprache anzubringen sind (Topographieverordnung-Kärnten)“. Durch diese Verordnung, sollen die von der Topographieverordnung und von der Verordnung für slowenische Ortsnamen des Jahres 1977 betroffenen politischen Bezirke und Gemeinden vermehrt werden. Im Sinn der unbestimmt formulierten Rechtsanschauung des VfGH und aufgrund von wissenschaftlichen Wegweisungen eines Historikers sollen in diesen Gebieten insgesamt 158 Ortschaften mit amtlichen deutschen Ortsnamen auch mit den entsprechenden amtlichen slowenischer Ortsnamen versehen werden. Dieser Entwurf erging im Sinn der Rechtsanschauung des VfGH aus dem Jahr 2001 unmittelbar aufgrund des Art. 7 des Staatsvertrages. Er wurde mit Datum vom 10. Mai 2006 und an 132 Ämter, Dienststellen und Interessenvertretungen, ferner an alle Ämter der Landesregierungen, an alle Sektionen des BKA, an alle Abteilungen des Verfassungsdienstes und an alle unabhängigen Verwaltungssenate etc auf elektronischem Weg versandt. Die Spannweite der mehr als 140 Adressaten des Verordnungsentwurfs reicht von der Präsidentschaftskanzlei bis zum Kärntner Heimatdienst. Die Landesregierung von Kärnten und die von der Neuregelung betroffenen Kärntner Gemeinden scheinen unter den Adressaten nicht auf. Für die Abgabe von Stellungnahmen wurde eine Frist bis 7. Juni 2006 vorgesehen. Ein Beschluss der Bundesregierung war für Ende Juni geplant. Die vom VfGH in seinem Erkenntnis zur Auslegung des Kompetenztatbestandes „Minderheitenschutz“ aus dem Jahr 1958 geforderte einheitliche bundesgesetzliche Regelung für die in Betracht kommenden drei Bundesländer fehlt jedoch als eine dem Art.18 B-VG entsprechende Rechtsgrundlage für eine solche Verordnung. d. Der Nationalrat Ungeachtet einer ausdrücklichen Fristsetzung im Spruch des Erkenntnisses des VfGH aus dem Jahr 2001 für den Gesetzgeber (Verfassungsgesetzgeber) blieb dieser bisher untätig. Weder die Bundesregierung noch einzelne Abgeordnete ergriffen bisher eine Gesetzesinitiative (Verfassungsgesetzesinitiative). Der Präsident des Nationalrats plädierte für die Umsetzung der Rechtsanschauung des VfGH durch die Anbringung von entsprechenden topographischen Bezeichnungen und Aufschriften. e. Der Bundespräsident Gemäß den Medienberichten mahnte der Bundespräsident wiederholt zur Beachtung der Ortstafel – Erkenntnisse des VfGH und zur vollen Erfüllung des Art. 7 des Staatsvertrages von Wien.
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Aufgrund des Art. 146 B-VG steht die Exekution der Erkenntnisse des VfGH im Bereich der Kompetenzen der Art. 138 bis 145 B-VG dem Bundespräsidenten zu. Dabei wäre jedenfalls zu beachten, dass gemäß dem Kommentar zur Bundesverfassung aus dem Jahr 1922 und wissenschaftlichen Stellungnahmen bei Gesetzes- und Verordnungsaufhebungen gemäß Art. 139 und Art. 140 B-VG nur die Kundmachung des Spruchs vollstreckbar wäre.209 Die durch die Aufhebung erforderlichen Kundmachungen in den Gesetzblättern sind jedoch längst erfolgt. Die Entscheidungsgründe liegen außerhalb des Spruchs. Das bedeutet, dass die in einem Erkenntnis zur Aufhebung formulierten Rechtsanschauungen des VfGH infolge Fehlens eines gesetzeskräftigen Rechtssatzes einer Exekution von Erkenntnissen zu Verordnungs- und Gesetzesaufhebungen durch den Bundespräsidenten nicht zugänglich wären. Die Anordnung der Exekution durch den Bundespräsidenten ist jedenfalls an einen Antrag des VfGH gebunden. Ein solcher Antrag wurde vom VfGH bisher noch nicht beschlossen. Laut Pressemeldungen könnte ein solcher Antrag zur Folge haben, dass der Bundespräsident „neue Wege“ beschreitet.210 „In der Verhandlung wird erörtert werden, ob die neuen, von der Volksanwaltschaft angefochtenen Verordnungen der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt in diesem Sinn von früheren aufhebenden Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs mitbetroffen sind und ob deshalb lediglich die Exekution der jeweiligen Erkenntnisse (nicht aber ein neues Verordnungsprüfungsverfahren in Frage kommt).“211 In seinem Erkenntnis vom 26. Juni 2006 bezog sich der VfGH auf die Pflicht der Bezirksverwaltungsbehörde zur Aufstellung der Ortstafeln als einen Akt der Kundmachung im Sinn der StVO. Sollte darin ein neuer Anknüpfungspunkt für eine Exekution durch den Bundespräsidenten gesucht und gefunden werden? ____________________
209 Kelsen – Froehlich – Merkl, Die Verfassungsgesetze der Republik Österreich, 5. Teil. Die Bundesverfassung vom 1. Oktober 1920. Mit Anhängen: 1. Die derzeit geltenden Bundesverfassungsgesetze samt Nebengesetzen, 2. Materialien zur Bundesverfassung (1922, Neudruck 2005) 281; Kelsen, Die Bundesexekution, 127 ff, insbes. 184 f; Pernthaler, Der Rechtsstaat und sein Heer, 165; Pernthaler, Österreichisches Bundesstaatsrecht (2004) 548 f; Schäffer, Die Exekution der Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes, 185 ff; Berchtold, Der Bundespräsident, (1969) 303, insbes. 311 ff und 315 f 210 Laut Presseberichten vom 30. und 31. März 2006 (Die Presse, Der Standard) schlägt der Präsident des VfGH für den Fall des Ausschlusses der Möglichkeit einer Exekution durch den Bundespräsidenten eine Verfassungsänderung vor: „Auch Entscheidungen, die man kritisiert, müssen befolgt werden.“ 211 Presseinformation des VfGH vom 30. Mai 2006, Seite 2. Anscheinend ist dabei an einen gesonderten Auftrag zum Entfernen der bloß mit amtlichen deutschen Ortsnamen versehenen Verkehrszeichen gedacht, weil durch § 44 der StVO mit der Aufstellung dieser Straßenverkehrszeichen für das Inkrafttreten der Verordnung gegenüber den Verkehrsteilnehmern ein zweiter Kundmachungseffekt verbunden ist. (Näheres dazu oben im Dritten Teil)
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Wenn ein entsprechender Antrag an den Bundespräsidenten zustande kommen und der Bundespräsident einem solche Antrag Folge leisten sollte, dann würde das bedeuten, dass künftig nicht nur die Kundmachung der Aussprüche des VfGH über die Aufhebung eines Gesetzes oder einer Verordnung im Gesetzblatt exekutierbar sein sollen, sondern auch die Aufstellung von Verkehrszeichen als zusätzlicher Akt der Kundmachung. Derart würde den für einen Einzelfall formulierten Rechtsanschauungen des VfGH die Wirkkraft von materiellen Rechtssätzen zuteil.
2. Neuartige Wege zur Gesetzgebung? Die verfassungsrechtliche und staatspolitische Tiefenwirkung dieser Angelegenheit wird aus den Perspektiven von Handlungen und Meinungsäußerungen der genannten obersten Staatsorgane, vor allem der Volksanwaltschaft grell beleuchtet. Ein politisch aktiver Angehöriger der slowenischen Minderheit Kärntens will über den VfGH die Errichtung von zweisprachigen Ortstafeln in bestimmten Ortschaften mit „gemischter Bevölkerung“ durchsetzen. Zu diesem Zweck beging er seit dem Jahr 1994 innerhalb der verbauten Ortsgebiete von bestimmten Ortschaften unter Gefährdung der öffentlichen Sicherheit strafbare Geschwindigkeitsüberschreitungen und provozierte dadurch Strafbescheide. Gegen die Strafbescheide wandte er sich nach Erschöpfung des Instanzenzuges mit Bescheidbeschwerden an den VfGH und regte amtswegige Überprüfungen der den Strafbescheiden zugrunde liegenden Ortstafelverordnungen an. Ungeachtet der notorischen politischen Zielsetzungen des Beschwerdeführers, des Fehlens einer Rechtsverletzung durch die Straßenpolizeibehörde und des Fehlens eines subjektiven Rechtes wies der VfGH die Beschwerden nicht zurück, sondern eröffnete in den Jahren 2001 und 2005 von Amts wegen die durch den Beschwerdeführer angeregten Verordnungsprüfungen. Im Jahr 2001 nahm der VfGH aber auch eine Gesetzesprüfung von Amts wegen vor und verfügte über das Begehren des Beschwerdeführers hinaus auch noch die Aufhebung einer Wortfolge im VolksgruppenG und einer Wortfolge in der Topographieverordnung der Bundesregierung. Wegen der Rechtmäßigkeit des Strafbescheides und mangels Verletzung subjektiver Rechte wies der VfGH die diesen Verfahren zugrunde liegenden Bescheidbeschwerden dennoch ab. Im Hinblick auf die durch die Beschwerden ermöglichte Aufhebung sprach er dem Beschwerdeführer für sein von vornherein aussichtsloses Bescheidprüfungsverfahren ohne eine entsprechende gesetzliche Ermächtigung einen Kostenersatz zu. Auf die Frage des im Verhalten des Beschwerdeführers erkennbaren Rechtsmissbrauchs und auf eine mögliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit wurde we-
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der im Vorverfahren noch im Verfahren vor dem VfGH Bedacht genommen. Heiligt hier der Zweck die Mittel? Im Hinblick auf die Judikatur des VfGH kündigte der Beschwerdeführer weitere Geschwindigkeitsüberschreitungen in anderen Ortschaften an. Dem VfGH lagen vor Beginn der Juni-Session 2006 bereits vierzehn weitere gleichartige Bescheidbeschwerden zur Entscheidung vor. Für vier Ortschaften wurde „eine Behandlung der Beschwerden abgelehnt“. Für zehn Ortschaften wurde das Bescheidprüfungsverfahren unterbrochen und Verordnungsprüfungsverfahren eingeleitet. Die Entscheidungen sollen nach einem halben Jahr zu erwarten sein. Geschwindigkeitsüberschreitungen in anderen Ortschaften sind in Strafverfahren bereits anhängig. Diese ziehen dann wohl noch weitere Beschwerden an den VfGH nach sich; vermutlich mit einer langen Reihe von Aufhebungen deutscher Ortsnamen zur Herbeiführung von zweisprachigen Ortsnamen. Nun mag sich wohl Aufhebung an Aufhebung reihen und die Rechtsanschauung des VfGH, in der Ausdrucksform von stereotyp wiederholten „Rechtssätzen“ bzw. „Leistätzen“ und stereotypen Verweisungen auf seine eigene Judikatur, wird sich im Effekt zu einer allgemeinen materiellen Gesetzgebung des VfGH verfestigen. Die Praxis des VfGH, sich an die eigene Rechtsanschauung in Vorentscheidungen zu Präzedenzfällen zu halten, bedeutet in der Ortstafelfrage bereits eine ständige Judikatur. Strafbare Handlungen wurden derart zu einem „rechtsstaatlichen“ Werkzeug für individuelle politische Zielsetzungen. In den Massenmedien wurde über solche Geschwindigkeitsüberschreitungen mit positiven Kommentaren berichtet. Oberste Staatsorgane verteidigten die Rechtsanschauung des VfGH. Die Bescheidbeschwerden aus konkreten Anlassfällen erlangten mit Unterstützung der Öffentlichkeit die Bedeutung von außerparlamentarischen Initiativen für Verordnungs- (und Gesetzesprüfungen) durch den VfGH von Fall zu Fall. Dadurch erhielt die Rechtsfrage eine verfassungsrechtliche und staatspolitische Dimension von größter Bedeutung. Ein neuer Weg zur materiellen Gesetzgebung durch den VfGH von Fall zu Fall könnte nun auch für andere Arten von Beschwerden beispielgebend werden. Der parlamentarischen Demokratie erwächst derart aus geplanten Rechtswidrigkeiten in Konkurrenz zum Gesetzgeber eine materielle Gesetzgebung durch ein Höchstgericht. Dabei ist bemerkenswert, dass der VfGH nicht nur amtliche deutsche Ortsbezeichnungen in gesetzmäßigen straßenpolizeilichen Verordnungen von Fall zu Fall aufhob, sondern dem Beschwerdeführer als Belohnung für die Ermöglichung der von ihm für erforderlich gehaltenen „Rechtsbereinigung“ von Amts wegen, ohne eine entsprechende gesetzliche Ermächtigung, für die von vornherein aussichtlosen Beschwerdeverfahren sogar
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einen Kostenersatz als „Prämie“ zusprach. Derart wurde der Beschwerdeführer für seine geplanten Rechtsbrüche nicht nur finanziell belohnt, sondern auch ermutigt, seine Rechtsverletzungen zu wiederholen, um dem VfGH weitere „Rechtsbereinigungen“ zu ermöglichen. Die zur Erlassung von straßenpolizeilichen Verordnungen zuständige Verwaltungsbehörde soll nun aufgrund der Rechtsanschauung des VfGH und gemäß seinen ohne gesetzliche Grundlage erteilten Aufträgen aus den Jahre 2005 und 2006, auch im Sinn der Anträge der Volksanwaltschaft immer wieder von neuem genötigt werden, zweisprachige Ortsnamen „festzulegen“, obwohl sie für Namensgebungen nicht zuständig ist. Aufgrund von immer neuen Beschwerden gegen rechtmäßige Strafbescheide scheint nun der VfGH für eine längere Zeit zu einem materiellen Gesetzgeber zu werden. Außerparlamentarische Initiativen münden über eine unbegrenzt scheinende Reihe von Einzelfällen in eine Art von anhaltender Maßnahmengesetzgebung durch den VfGH, ohne dass diese einen echten Gesetzesrang erlangen könnte. Rechtssatzförmige Entscheidungsgründe seiner eigenen Vorentscheidungen wurden für den VfGH de facto zur Rechtsgrundlage seiner gegenwärtigen und künftigen Judikatur, weil ihnen im Hinblick auf ihre Gleichartigkeit die „Bindungskraft“ von Präjudizien zuerkannt wird. Der VfGH scheint sich dabei sogar an seine eigene Rechtsanschauung in einer vergleichbaren Reihe von Beschwerden nicht gebunden zu erachten. Zu einer vergleichbaren Anhäufung von Beschwerden und Initiativen zur Gesetzesprüfung aus politischen Motiven stellte er in den achtziger Jahren nämlich Folgendes fest: „Der VfGH hat diese Beschlüsse damit begründet, dass der Antragsteller und Beschwerdeführer seine Rechtsmittel an den VfGH in Wahrheit nicht deshalb erhoben habe, weil er sich in seinen Rechten verletzt erachte. Aus dem Gesamtverhalten des Antragstellers und Beschwerdeführers ergebe sich, dass er nicht aus Gründen des Rechtsschutzes an den VfGH herantrete, sondern um einerseits rechtswissenschaftliche Experimente im Bereich des Abgabenrechtes anzustellen und um andererseits – wie er wiederholt hervorgehoben habe – ‚den Zusammenbruch der Steuererhebung nach kapitalistischen Besteuerungsgrundsätzen‘ und ‚den Zusammenbruch unseres gegenwärtigen kapitalistisch-faschistischen Regimes‘ herbeizuführen. Die Anträge und Beschwerden hätten somit nicht der Erzielung eines Zweckes gedient, dessen Schutz durch die Anrufung des VfGH erreicht werden könnte.“212 ____________________
212 Siehe dazu den Beschluss des VfGH vom 4. März 1985, VfSlg. 10383, G 32/82, G 33/82, G 34/82, G 35/82, G 19/83, G 58/83, G 59/83, G 60/83, G 69/83, G 70/83, G 71/83, G 84/8 4, G 85/84, G 86/84, G 87/84, G 88/84, G 89/84, G 90/84, G 91/84, G 92 /84, G 93/84, G 94/84, G 95/84, G 96/84, G 97/84, G 118/84, G 119/84, G 120/ 84, G 121/84, G 122/84, G 123/84, G 124/84, G 126/84, G 160/84, G l70/84 und die Vorerkenntnisse dazu.
Abhängigkeiten und Verantwortlichkeiten der Staatsorgane
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Die verfassungsrechtlichen und staatspolitischen Implikationen dieser Zusammenhänge eröffnen den Ausblick auf einen grotesken Einbruch in die Verfassungsstrukturen des demokratischen Rechtsstaates durch außerparlamentarische Initiativen aufgrund von Rechtsbrüchen. In der damit verbundenen Popularisierung der parlamentarischen Demokratie zeichnet sich eine neuartige Form materieller Rechtserzeugung ab, die ein Tätigwerden des Gesetzgeber überflüssig gemacht zu haben scheint. Derart droht das verfassungsrechtliche Beziehungsgefüge gemäß dem Konzept der Gewaltenteilung nicht nur zwischen dem VfGH und dem Gesetzgeber und dem Verordnungsgeber, sondern auch zwischen den anderen obersten Staatsorganen in eine groteske Schieflage zu geraten. Auf den Gesetzgeber bezogen hat Oberndorfer für eine solche Richtungsänderung warnende Worte geschrieben: „Jeder in der juristischen Praxis Tätige weiß, dass auch der Rechtsvollzug ein Menschenwerk ist, dass Rechtsbrüche unterlaufen und dass so manche auch faktisch folgenlos bleiben. Aber noch kaum einmal hat der Gesetzgeber die Illegalität zum neuen Ordnungsprinzip erhoben und den rechtswidrig handelnden geradezu belohnt. Ob ein Staat, der solches zulässt, das Epitheton ornans „Recht“ überhaupt verdient.“213 Sollte diese Kritik am Gesetzgeber nicht auch den Verfassungsgerichtshof nachdenklich stimmen? Das Schlagwort „Vom Gesetzesstaat zum Richterstaat“214 scheint nun durch außerparlamentarische Initiativen zur Verordnungs- und Gesetzesprüfung von Amts wegen aufgrund von Rechtsbrüchen einzelner Staatsbürger mit Hilfe des VfGH und der Volksanwaltschaft in einer Besorgnis erregenden Weise Wirklichkeit zu werden. Videant consules ne quid detrimenti res publica capiat!215
II. Staatsfunktionen, Organpositionen und Amtswalter 1. Gegenseitige Abhängigkeiten und Verantwortlichkeiten der obersten Staatsorgane Gemäß dem verfassungsrechtlichen Konzept der Gewaltenteilung des B-VG sind zur Betreuung der Bereiche der Legislative (Gesetzgebung), der Judikative (Gerichtsbarkeit) und der Exekutive (Regierung und Verwaltung) ____________________
213 Oberndorfer, Der Rechtsstaat auf der Probe oder der Versuch der Legalisierung von Unrecht, in: FS G. Winkler (1997) 729. 214 Marcic, Vom Gesetzesstaat zum Richterstaat (1957); Leser, Überlegungen zur Aktualität des Richterstaates. 35 Jahre nach dem Erscheinen des Buches von René Marcic, in: FS Ludwig Adamovich (1992) 331 ff. Siehe dazu auch Antoniolli, Probleme um das Legalitätsprinzip (1973 (22). 215 Senatus Consultum Ultimum des Konsuls Cicero aus dem Jahr 64 v. Chr.
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drei Gruppen von obersten Staatsorganen berufen. Diese obersten Staatsorgane stehen in ihrer Pluralität im Hinblick auf den ihnen zugewiesenen Teil der Staatsgewalt (Staatsfunktion) einander gleichrangig gegenüber. Gemäß ihren Zuständigkeiten sind sie jeweils für ihren Bereich der Staatsgewalt primär verantwortlich und zur gegenseitigen Mitwirkung an den Aufgaben der Organe des jeweils anderen Bereiches berufen. Die Zuständigkeiten der obersten Staatsorgane bedeuten kompetenzmäßige Handlungsmacht, als Auftrag und Befugnis. Diese Zuständigkeiten sind gemäß den Vorschriften der Verfassung in einer besonderen staatsrechtlichen Verantwortung im Sinn der Verfassung und gemäß den Gesetzen auszuüben. Die meisten obersten Staatsorgane des B-VG sind Kollegialorgane: das Volk, die Bundesversammlung, der Nationalrat, der Bundesrat, die Landtage, die Bundesregierung, die Landesregierungen, die Höchstgerichte und die Volksanwaltschaft; andere, wie der Bundespräsident, der Bundeskanzler, die Bundesminister, die Landeshauptmänner, die Mitglieder der Landesregierungen und der Rechnungshofspräsident sind monokratische Organe. Die Repräsentanten und Mitglieder der Kollegialorgane tragen für die Ausübung der Organkompetenzen eine gemeinschaftliche und eine individuelle Verantwortung. Repräsentanten monokratischer Organe sind nur individuell verantwortlich. In der Ausübung ihrer Kompetenzen nach außen, gegenüber den anderen obersten Organen, wirken jedoch auch die Kollegialorgane durch ihre zumeist mehrheitliche Willensbildung nach außen wie Einzelorgane. Für beide Arten von obersten Organen sind gemäß dem Konzept der Gewaltenteilung die verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten vielfach durch gegenseitige Antragsrechte gekennzeichnet. Ein Tätigwerden aus eigener Initiative (von Amts wegen und allein) ist für die Tätigkeiten oberster Staatsorgane kein allgemeines verfassungsrechtliches Prinzip. Sie sind zumeist von Anträgen der Organe einer anderen Gewalt abhängig. Deshalb kommen formelle Staatsakte, wie Gesetze, im Zusammenwirken der Organe verschiedener Staatsgewalten rechtsverbindlich zustande. Die daraus folgenden Verflechtungen der Gewalten bedeuten gegenseitige Abhängigkeiten und Verantwortlichkeiten. Das zeigt sich deutlich auch in den Kompetenzen des VfGH gegenüber dem Gesetzgeber und dem Verordnungsgeber. Im Hinblick darauf müssen die obersten Organe ihre verfassungsrechtlichen Kompetenzen zunächst selbst interpretieren. Das gilt auch für den Gesetzgeber. Insbesondere ist gemäß Art. 10 Abs. 1 Ziff. 1 „Bundesverfassung“ der Verfassungsgesetzgeber berufen, die Verfassung zu interpretieren. Auch der VfGH ist dazu berufen, seine eigenen Zuständigkeiten selbst zu interpretieren. Dem VfGH kommt infolge seiner Aufgaben aber auch
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noch eine besondere Rechtsstellung zu: er ist entweder auf Antrag oder aus einem antragsgebundenen Anlass auch zur Auslegung der Kompetenzen der anderen obersten Staatsorgane berufen. Dennoch ist seine Zuständigkeit zur Interpretation der Zuständigkeit der anderen Staatsorgane der Selbstinterpretation ihrer Kompetenzen nicht schlechthin übergeordnet. Dem VfGH steht nur ausnahmsweise auch die Befugnis zu einer verbindlichen Interpretation der Verfassung zu.216 Kein oberstes Staatsorgan darf seine Kompetenzen eigenmächtig ausweiten oder überschreiten. Keines der obersten Staatsorgane ist für die Ausübung seiner Kompetenzen einem anderen obersten Organ gegenüber weisungsgebunden oder gehorsamspflichtig. Jedem der obersten Organe steht zur Wahrung der Verfassung das Recht zur Verweigerung der Ausübung seiner Kompetenzen gemäß unzulässigen den Forderungen eines anderen zu. Das gilt auch für den Gesetzgeber gegenüber dem VfGH und für den VfGH gegenüber dem Gesetzgeber. Der Verfassungsgesetzgeber nimmt allen obersten Staatsorganen gegenüber einen höheren Rang ein; also auch gegenüber dem VfGH. Zumeist stehen oberste Staatsorgane entweder als kollegiale Einheiten von Personen oder als einzelne Personen einander gegenüber: Die Bundesregierung gegenüber dem Nationalrat, der Nationalrat gegenüber der Bundesregierung, die Bundesregierung gegenüber einer Landesregierung, der VfGH gegenüber der Regierung und dem Gesetzgeber des Bundes und der Länder und umgekehrt. Auf diese Weise werden die meisten Staatstätigkeiten der obersten Organe auf Grund von Mehrheitsbeschlüssen von Kollegialorganen gegenseitig gefördert, kontrolliert oder sogar behindert. Die Bildung des Staatswillens ist unter dieser Voraussetzung von den obersten Organen in ihrem Zusammenwirken abhängig. Daraus entstehen Gegensätze, etwa zwischen dem VfGH und dem Gesetzgeber, zwischen der Bundesregierung und dem Gesetzgeber. Diese können letzten Endes nur aus dem kooperativen Zusammenwirken der obersten Organe im Interorganverhältnis über einen verfassungskonformen Konsens gelöst werden oder sie führen in eine Pattstellung, die nur der Verfassungsgesetzgeber bereinigen kann. Das ist bedeutsam für die gegenseitige Verantwortlichkeit der obersten Staatsorgane im Gefüge der Gewaltenteilung. Ein oberstes Organ ist ____________________
216 Diese Kompetenz der VfGH ist suppletorisch. Der VfGH kann aufgrund des Art. 138 Abs. 2 B-VG die Zuständigkeit des Verfassungsgesetzgebers weder einschränken noch schlechthin ersetzen. Siehe dazu mit der entsprechenden Einschränkung die ausführlichen Nachweise und Kommentare von Morscher, Zur Kompetenzfeststellung gemäß Art. 138 Abs. 2 B-VG, ÖJZ (1996) 881 ff. Eine authentische Interpretation der Verfassung steht nur dem Verfassungsgesetzgeber zu. Siehe dazu das herausragende Beispiel in der Verfassungsnovelle des Jahres 1964.
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weder an den Auftrag eines anderen obersten Organs gebunden noch muss es darauf verzichten, den Verfassungsverletzungen durch ein anderes oberstes Organ infolge von Zuständigkeitsüberschreitungen entgegen zu wirken. Im demokratischen Rechtsstaat gibt es keine absolute Handlungspflicht eines obersten Staatsorgans gemäß dem Wollen eines anderen obersten Staatsorgans. Es gibt aber auch kein absolutes Handlungsverbot. Dabei spielt die individualrechtliche Stellung der einzelnen Repräsentanten bzw. Mitglieder der obersten Staatsorgane eine maßgebliche Rolle. Zwar muss jedes oberste Staatsorgan verfassungskonform handeln, doch die Pflicht dazu und die Verantwortung dafür treffen die einzelnen Repräsentanten und Mitglieder der Kollegialorgane und die Repräsentanten der monokratischen Organe persönlich. Das hat seinen Erklärungsgrund in der Eigenart des Aufbaus und des Funktionierens einer juristischen Person, deren Organkompetenzen nur durch Repräsentanten als Amtsinhaber ausgeübt werden können. Organverhalten bedeutet kraft der Kompetenzen das Tätigwerden einer zur Vertretung der juristischen Person berufenen physischen Person. Die Berufung eines Amtsinhabers in sein Amt erfolgt aufgrund der Verfassung entweder durch Wahl oder durch Ernennung. Anlässlich der Bestellung als Amtsinhaber leisten alle Repräsentanten von Staatsorganen einen entsprechenden Amtseid.217 Daraus folgt für einen Amtsinhaber, entweder als Einzelner oder als Mitglied eines Kollegialorgans, dass er für die verfassungskonforme Ausübung seiner Kompetenzen aufgrund der Gesetze eine persönliche Verantwortung trägt; bei Kollegialorganen in erster Linie gegenüber dem Kollegium, sodann gegenüber anderen obersten Organen und schließlich gegenüber dem VfGH als Staatsgerichtshof. Mitglieder von Kollegialorganen sind in der Ausübung ihrer Amtsbefugnisse autonom und an keine Weisungen gebunden. Entsprechend ihrem Amtseid auf die Verfassung müssen einzelne Amtsinhaber (Organ) gleichwohl nicht darauf verzichten, nach Maßgabe verfassungsrechtlicher Möglichkeiten und Erfordernisse auf Verfassungsverletzungen von anderen obersten ____________________
217 Für den Verfassungsgerichtshof siehe Art. 148 B-VG: Die näheren Bestimmungen über die Organisation und das Verfahren des Verfassungsgerichtshofes werden durch ein besonderes Bundesgesetz und auf Grund dieses Gesetzes durch eine vom Verfassungsgerichtshof zu beschließende Geschäftsordnung geregelt. Ferner: § 8 VfGG (1) Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes geloben vor dem Antritt ihres Amtes die unverbrüchliche Beobachtung der Verfassung und aller anderen Gesetze der Republik sowie die gewissenhafte Erfüllung ihrer Pflichten. (2) Der Präsident und der Vizepräsident legen das Gelöbnis in die Hand des Bundespräsidenten, die Mitglieder und Ersatzmitglieder in die Hand des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes ab. (3) Die Beifügung einer religiösen Beteuerung zu den nach den Abs. 1 und 2 abzulegenden Gelöbnissen ist zulässig.
Organkompetenzen, Amtsbefugnisse und Amtspflichten
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Organen entsprechend zu reagieren. Sie sind zwar einer einmal Rechtens erzielten Mehrheitsentscheidung ihres Kollegiums verpflichtet, bei jeder neuen Willensbildung sind sie aber kraft ihrer Rechtsstellung, als eidlich verpflichtete Amtsinhaber, in ihrem Staatshandeln immer wieder von neuem autonom und für die Gesetzmäßigkeit ihres Handelns persönlich verantwortlich. Das mutet aus der Sicht der Zuständigkeiten des VfGH als Staatsgerichtshof gemäß Art. 142 B-VG218 für die meisten obersten Staatsorgane allerdings wie ein circulus vitiosus an, weil und soweit sie vor dem VfGH als Staatsgerichtshof angeklagt werden können und weil die Mitglieder des VfGH hauptsächlich ihrem eigenen Kollegium verantwortlich sind. Dieser circulus vitiosus ist aber sowohl verfassungsrechtlich als auch staatspolitisch über ein entsprechendes individuelles Pflichtbewusstsein weitgehend auflösbar. Dass der VfGH seine eigenen Kompetenzen nicht nur zunehmend ausdehnend interpretiert, sondern vor allem auf Kosten des Gesetzgebers zunehmend auch überschreitet, ist dafür allerdings nicht förderlich.
2. Organkompetenzen, Amtsbefugnisse und Amtspflichten Amtsinhaber vertreten für eine juristische Person die den Organen zugeteilten Kompetenzen nach außen und nach innen. Diese Kompetenzen bedeuten für die Amtsinhaber Handlungsmacht, als Handlungsauftrag und Handlungsbefugnis. Amtsinhaber sind zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben persönlich berufen und für die Ausübung dieser Aufgaben aus entsprechenden konkreten Anlässen auch persönlich verantwortlich. Das be____________________
218 Art. 142 B-VG (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über die Anklage, mit der die verfassungsmäßige Verantwortlichkeit der obersten Bundes- und Landesorgane für die durch ihre Amtstätigkeit erfolgten schuldhaften Rechtsverletzungen geltende gemacht wird. (2) Die Anklage kann erhoben werden: a) gegen den Bundespräsidenten wegen Verletzung der Bundesverfassung: durch Beschluss der Bundesversammlung; b) gegen die Mitglieder der Bundesregierung und die ihnen hinsichtlich der Verantwortlichkeit gleichgestellten Organe wegen Gesetzesverletzung: durch Beschluss des Nationalrates; c) … d) gegen Mitglieder einer Landesregierung und die ihnen hinsichtlich der Verantwortlichkeit durch dieses Gesetz oder die Landesverfassung gleichgestellten) Organe wegen Gesetzesverletzung: durch Beschluss des zuständigen Landtages; e) gegen einen Landeshauptmann, dessen Stellvertreter (Art. 105 Absatz 1) oder ein Mitglied der Landesregierung (Art. 103 Absatz 2 und 3) wegen Gesetzesverletzung sowie wegen Nichtbefolgung der Verordnungen oder sonstigen Anordnungen (Weisungen) des Bundes in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung, wenn es sich um ein Mitglied der Landesregierung handelt, auch der Weisungen des Landeshauptmanns in diesen Angelegenheiten: auf Antrag der Bundesregierung.
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deutet, dass generell-abstrakt geregelte Organbefugnisse zum Amtshandeln für sich allein keine Rechtfertigung sein können. Das Handeln von Amtsinhabern darf Rechtens nur für eine bestimmte Zeit, für ein bestimmtes Gebiet, für eine bestimmte Angelegenheit und gegenüber bestimmten Einzelnen erfolgen, um im Sinn der Kompetenzen konkret verbindlich zu werden. Dabei müssen Sachlage und Rechtslage einander entsprechen. Für das Handeln eines Organs genügt es nicht, dass der jeweilige Amtsinhaber an und für sich zur Ausübung der Zuständigkeiten seiner Organposition berufen ist (durch Wahl oder Ernennung). Zur Rechtfertigung seiner Tätigkeit braucht er auch einen rechtlich begründeten, konkreten Anlass; einen den konkreten Tatsachen entsprechenden konkreten Rechtsgrund aufgrund der Gesetze. Daraus folgt, dass die Organverantwortlichkeiten im Gefüge der Gewaltenteilung der Verfassung von den Verantwortlichkeiten der einzelnen Amtsinhaber für die Ausübung ihrer Amtsbefugnisse innerhalb der Grenzen ihrer Kompetenzen voneinander wesentlich verschieden sind. Das zeigt sich anschaulich im Gegenüber der verfassungsgesetzlichen Regelungen über die Kompetenzen der obersten Organe einerseits und der Bestellung der Amtsinhaber zur Ausübung dieser Organkompetenzen andererseits. Dieser Unterschied wird deutlich sichtbar aus der rechtlichen Verbindung des staatsrechtlichen Gelöbnisses der Amtsinhaber bei Amtsantritt, mit der daraus folgenden persönlichen (staatsrechtlichen) Verantwortlichkeit für eine ordnungsgemäße Amtsausübung. Alle Inhaber von Organpositionen oberster Staatsorgane leisten vor ihrem Amtsantritt ein förmliches Gelöbnis auf den Staat und auf ihr Amt. Sie verpflichten sich zur Achtung der Verfassung und der Gesetze. Sie verpflichten sich vor allem aber zur Ausübung ihres Amtes gemäß den Gesetzen. In diesem Sinn vermittelt nur die ordnungsmäßige Amtsausübung die Verfassungsmäßigkeit eines konkreten Organhandelns. Darin zeigen sich für alle Staatstätigkeiten zwei Arten von verfassungsrechtlichen Verpflichtungsgründen. Einerseits sind die Organe in ihren institutionellen Einheiten staatsrechtlich und staatspolitisch einander verantwortlich, andererseits unterliegen die Amtsinhaber für die Ausübung ihrer Befugnisse innerhalb ihrer Organkompetenzen einer besonderen staatsrechtlichen Verantwortung und Kontrolle. Diese Verantwortlichkeit der Amtsinhaber gründet sich auf ihre Verantwortlichkeit aufgrund der Verfassung. Alle Amtsinhaber eines obersten Staatsorgans sind innerhalb der Kompetenzen für die gesetzmäßige Ausübung der ihnen gemäß ihrer Organposition zugewiesenen Aufträge und Befugnisse persönlich verantwortlich. Sie sind verpflichtet, bei der Amtsausübung ihre eigenen verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten selbst zu interpretieren und auf die ver-
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fassungsmäßige Ausübung von Zuständigkeiten durch die anderen obersten Organe entsprechend zu achten. Für die gegenständlichen Rechtsfälle zeigen sich im Hinblick auf das gewaltentrennende und gewaltenverbindende Zusammenwirken der obersten Staatsorgane für die verfassungsrelevanten Tätigkeiten der einzelnen Amtsinhaber darin mehrere Aspekte. Einerseits sind die Amtsinhaber aller obersten Organe dem VfGH staatsrechtlich verantwortlich; andererseits kann die Verantwortlichkeit jedes Einzelnen von ihnen aber nur durch ein anderes oberstes Staatsorgan geltend gemacht werden und nicht vom VfGH von Amts wegen aufgegriffen werden. In diesem Sinn empfiehlt sich eine Zusammenschau der Zuständigkeiten der Organe und der Befugnis ihrer Amtswalter: der Bundesregierung, des VfGH, der Kärntner Landesregierung, der Volksanwaltschaft, des Bundeskanzlers, des Landeshauptmanns von Kärnten, des Präsidenten des VfGH, des Präsidenten des Nationalrats und des Bundespräsidenten, um die Möglichkeit einer Effektuierung der unterschiedlichen staatsrechtlichen Verantwortlichkeiten verfassungsrechtlich beurteilen zu können. Die doppelte Kontrollmöglichkeit von Handlungen der obersten Staatsorgane und der Amtsinhaber von Befugnissen oberster Staatsorgane durch den VfGH: einerseits als Kontrollorgan für formelle Staatsakte der obersten Staatsorgane und andererseits als Staatsgerichtshof für persönliches Verhalten der Amtswalter, zeigt sich vor dem Hintergrund der Ortstafelerkenntnisse und der Bestrebungen oberster Staatsorgane zu ihrer Durchsetzung oder Verhinderung beizutragen, reichlich problembeladen. Sollte einer der Amtsinhaber wegen seiner Verantwortung für die Aufstellung von zweisprachigen Ortstafeln oder für sein Verhalten gegenüber den Erkenntnissen des VfGH vom zuständigen Kollegialorgan vor dem VfGH angeklagt werden und der VfGH dadurch zur staatsrechtlichen Kontrolle konkret berufen sein, dann ergäbe sich daraus möglicher Weise die Frage nach dem Richter in eigener Sache. Das wäre solange und soweit unproblematisch, als der VfGH in der betreffenden Sache verfassungsmäßig gehandelt hat. Unter der Voraussetzung einer Verfassungswidrigkeit bzw. Gesetzwidrigkeit seines Handelns könnte ein solcher Zusammenhang jedoch problematisch werden.
3. Verfassungsrechtliche und staatspolitische Konstellationen Wie konnte es dazu kommen, dass der VfGH seine verfassungsrechtlich problematische und politisch brisante Judikatur, gegen den erklärten Willen des Gesetzgebers und an diesem vorbei, so tief reichend entfalten und dafür auch die öffentliche Unterstützung anderer oberster Staatsor-
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gane erlangen konnte? Die Erklärungsgründe dafür sind vielfältig und reichen mit ihren Wurzeln über Jahrzehnte, bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts. Vertreter der Zeitgeschichte und der Politikwissenschaft werden vielleicht einmal nähere Untersuchungen über die Entwicklung der wechselseitigen Beziehungen von Gesetzgebung, Regierung und Verfassungsgerichtsbarkeit unter dem Aspekt von Recht und Wirklichkeit anstellen. Hier werden nur allgemeine institutionelle Zusammenhänge veranschlagt, die auch personelle Komponenten erkennbar machen können. Im Jahr 1920, als das B-VG in Kraft trat, bestand keine Absicht, dem VfGH gegenüber dem Gesetzgeber im Allgemeinen einen höheren Rang einzuräumen. Im Gegenteil, der VfGH wurde selbst den Gesetzen unterworfen, im Besonderen dem VfGG. Zwischen dem Gesetzgeber und dem VfGH entstand aber vor allem nach dem II. Weltkrieg aus der Praxis ein zunehmend vertiefter Gegensatz. Gesetzesaufhebungen durch den VfGH waren bis in die siebziger Jahre eher selten. Nach und nach nahmen sie jedoch zu. Eine stärkere Besinnung des VfGH auf die Grundrechte219, etwa auf den Gleichheitssatz aus Gründen der Wirtschaftsfreiheit und der Verschiedenheit der Geschlechter, aber auch auf ein differenziertes Legalitätsprinzip im Hinblick auf die Vollziehung220, im Besonderen auf das Verordnungsrecht, nicht zuletzt aber auch auf den Minderheitenschutz, veranlasste den VfGH verstärkt zu Eingriffen in Gesetze (und Verordnungen) von Amts wegen. Der VfGH zeigte aber auch gegenüber den Kompetenztatbeständen ein zunehmend differenziertes Verständnis. Er entwickelte zB. die Begriffe “Versteinerungsprinzip“, „Adhäsionsprinzip“, „Gesichtspunkteprinzip“, „Kumulationsprinzip“ und „Berücksichtigungsprinzip“ als Kriterien für eine Auslegung der Verteilung der Zuständigkeiten zur Gesetzgebung und Vollziehung zwischen dem Bund und den Ländern nach Gesichtspunkten. Im Dienst am Parlamentarismus und zur Gewährleistung der Grund- und Freiheitsrechte forderte der VfGH vom Gesetzgeber auch eine stärkere inhaltliche Determinierung der Gesetzesinhalte, insbesondere die Unterlassung von so genannten formalgesetzlichen Delegationen für Verordnungen. Der Gesetzgeber leistete diesen, mitunter auch zu weit gehenden Forderungen des VfGH im Allgemeinen auch Folge. Auf einzelne Gesetzesaufhebungen reagierte er aber auch ablehnend, manchmal durch Beschluss einer Verfassungsbestimmung. Die Erklärung für die spannungsreichen Beziehungen zwischen dem Gesetzgeber und dem VfGH liegt einerseits im Konzept der Bundesver____________________
219 Winkler, Die Grundrechte Österreichs in ihrem Werden und Wandel, in: FS G. Ress (2005) insbes. 1396 ff. 220 Winkler, Gesetzgebung und Verwaltung im Wirtschaftsrecht (1970). Antoniolli, Probleme um das Legalitätsprinzip (1973).
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fassung über den demokratischen Rechtsstaat und andererseits im politischen Konzept eines ausgeprägten Parlamentarismus in den Verfassungsprovisorien der Jahre 1918 und 1919. Zur Zeit der großen Koalition von 1945 bis 1966 erwuchs daraus ein erstarktes Selbstbewusstsein des Parlamentes (des Nationalrates) gegenüber der Regierung und gegenüber dem VfGH. Im Nationalrat besann man sich auf das Gesetzgebungsmonopol des Parlamentes gemäß dem Legalitätsprinzip des Art. 18 B-VG und forderte eine stärkere Einschränkung der Verwaltung (Regierung) auf Durchführungsverordnungen. Eine Folge davon war die Vermehrung der Gesetze und die Ausweitung ihrer Inhalte. Gesetze wurden bestimmter, detaillierter und ausführlicher. Fachlichkeit, Bürokratismus und Misstrauen gegenüber der Verwaltung hatten in ihrem Zusammenwirken eine enorme Zunahme und Detailliertheit der Gesetzesinhalte zur Folge. In dieser Hinsicht hatte der Gesetzgeber den VfGH mit seiner Judikatur zur formalgesetzlichen Delegation weitgehend auf seiner Seite. Andererseits setzte sich der Nationalrat dann und wann gegen Gesetzesaufhebungen durch den VfGH auch auf eine qualifizierte Weise zur Wehr. Anstelle der aufgehobenen Vorschriften beschloss er eine durch ein Erkenntnis des VfGH erforderlich gewordene Neuregelung im Verfassungsrang, um sie der Kontrolle durch den VfGH zu entziehen. Der Nationalrat erhob aber auch unabhängig davon, rein präventiv, zahlreiche einzelne Vorschriften in den Rang von Verfassungsbestimmungen. Der Verfassungsgesetzgeber beschloss auch in einfachen Gesetzen geradezu verschwenderisch Verfassungsbestimmungen, um die Zuständigkeitsordnung der Art. 10 bis 15 B-VG zu durchbrechen oder stärker zu differenzieren oder um den VfGH in Schranken zu halten. Dabei leitete ihn die Wegweisung des VfGH durch die auf Kelsen zurückgehende Rechtsanschauung, dass die Zuständigkeit des Bundes zur Verfassungsgesetzgebung gemäß Art. 10 Abs. 1 Ziff. 1 B-VG „lediglich an formelle Voraussetzungen“ gebunden, „inhaltlich aber unbeschränkt ist“.221 Der Nationalrat verzichtete mitunter aber auch auf eine ausreichende Klarheit und Bestimmtheit von Gesetzesvorschriften, in der ausgesprochenen Erwartung, dass der VfGH durch seine Judikatur Klarheit schaffen werde. Insgesamt kann man feststellen, dass die Gesetze zunehmend detaillierter, umfangreicher und zahlreicher geworden sind. Der Rechtsstaat wurde zu einem monströsen Gesetzesstaat. Der Gesetzgeber scheint selbst zunehmend Opfer eines intensiver werdenden Bürokratismus geworden und dem Wahn erlegen zu sein, die Gesetze müssten und könnten eine ____________________
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VfSlg. 2527/1953 und 3314/1958; siehe demgegenüber jedoch VfSlg. 11.829/1988.
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Materie bis in die letzten praktischen Einzelheiten regeln, als könnte man ohne ausreichend detaillierte gesetzliche Regelungen die Lebensaufgaben des Staats nicht bewältigen. Dem Gesetzgeber fehlt zunehmend der Blick für das Wesentliche. In einer bürokratischen Manier erfasste er die Gesetzesmaterien mehr und mehr analytisch aufbereitend und weniger grundsätzlich und wegweisend. Zu diesem Dilemma des gesetzesgebundenen Rechtsstaates hat der VfGH mit seinem Bestimmtheitsgebot aufgrund des Art. 18 B-VG immer wieder nicht unwesentlich beigetragen. (Bei den Ortstafelerkenntnissen scheint er allerdings sich selbst an das Legalitätsprinzip nicht gebunden zu verstehen).
4. Der Verfassungsgesetzgeber ist herausgefordert Trotz der Aufhebung einer Wortfolge im Volksgruppengesetz, betreffend den Prozentsatz der Minderheit im Jahr 2001, ist der Gesetzgeber untätig geblieben. Das parlamentarische Bewusstsein vom Monopol des demokratisch gewählten Gesetzgebers scheint angesichts der Jahrzehnte währenden Judikatur des VfGH, vor allem im Bereich des Minderheitenschutzes gemäß Art. 7 des Staatsvertrages von Wien gegenüber dem VfGH verloren gegangen zu sein. Dem Gesetzgeber scheint nicht ins kritische Bewusstsein gedrungen zu sein, dass der VfGH vor allem in den Fragen des Minderheitenschutzes im Allgemeinen, zur Amtssprache und zu den topographischen Bezeichnungen und Aufschriften im Besonderen, mit seiner anhaltend tiefer in die Rechtsmaterien hineinwirkenden Judikatur die Position des Gesetzgebers einzunehmen begonnen hat. Dabei ist bemerkenswert, dass durch die Einstellung des Verordnungsprüfungsverfahrens für St. Kanzian mit Datum vom 26. Juni 2006 der Rechtsgrund für die Aufhebung der Wortfolge im VolksgruppenG aufgrund des Ergebnisses der Volkszählung des Jahres 2001 gleichsam rückwirkend weggefallen ist. Der Streit um St. Kanzian ging aus wie das „Hornberger Schießen“, doch die Gesetzesaufhebung und die dadurch hervorgerufene Rechtsunsicherheit bleibt weiter bestehen. Für den Nationalrat wäre es nun vor allem auf dem Gebiet des Minderheitenschutzes hoch an der Zeit, sich auf seine verfassungsrechtliche Aufgabe zur Gesetzgebung zu besinnen und die durch den VfGH mit seiner Entscheidung aus dem Jahr 2001 aufgerissene Lücke des VolksgruppenG durch einen Akt der Gesetzgebung zu schließen. Das meinte im Jahr 2001 auch noch der VfGH. Im Jahr 2006 sprach sich die Volksanwaltschaft in einer irrigen Festlegung auf eine verallgemeinerte Rechtsanschauung des VfGH in dieser Hinsicht im Grund allerdings warnend aus: „Wie der Verfassungsgerichtshof schon im Erkenntnis VfSlg. 11.585/1987 dargelegt hat, ist es dem
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einfachen Gesetzgeber verwehrt, eine der in Rede stehenden Verfassungsbestimmungen widersprechende Regelung zu treffen; …“. Derart richtete die Volksanwaltschaft, unter Berufung auf den VfGH, sogar selbst indirekt eine Herausforderung an den Verfassungsgesetzgeber, zur Ermöglichung einer einheitlichen und sachgemäßen Feststellung der Minderheit einen bestimmten Prozentsatz im Verfassungsrang festzulegen. Durch die Festlegung eines neuen, für die Amtssprache einerseits und für die topographischen Bezeichnungen und Aufschriften andererseits differenzierten Prozentsatzes innerhalb des völkerrechtlichen Standards über 10 % und unter 25 %, der jedenfalls günstiger als 25% sein soll, würde der Verfassungsgesetzgeber den VfGH nicht nur auf dem Gebiet des Minderheitenschutzes in die Schranken seiner gesetzesgebundenen Zuständigkeiten verweisen, sondern ihm auch ein unmissverständliches Signal setzen, sich im Sinn des Prinzips des judicial self-restraint auf die Grenzen seiner verfassungsgesetzlichen Zuständigkeiten zu besinnen, seine Ambitionen zur materiellen Rechsetzung in einer offenen Konkurrenz mit dem Gesetzgeber einzudämmen und auf den durch die Verfassung dem Gesetz zugewiesenen Vorrang vor der Vollziehung entsprechend Bedacht zu nehmen. Der im Jahr 2001 ohne zwingenden Anlass durch eine Gesetzesaufhebung aufgeflammte innenpolitische Streit um zweisprachige Ortstafeln würde dadurch auch für die Zukunft allgemein rechtsverbindlich beigelegt und die außerparlamentarischen „Rechtsetzungsinitiativen“ vor dem VfGH durch rechtswidriges Handeln von politischen Aktivisten würden ein Ende finden. Infolge der zunehmenden Beteiligung oberster Staatsorgane an der Herbeiführung der Umsetzung der Rechtsanschauung des VfGH in die staatspolitische Wirklichkeit erhielt die Kärntner Ortstafelfrage eine verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Dimension, die über die bisherigen Bescheidprüfungs- und Verordnungsprüfungsverfahren weit hinausreicht. Grundsätzliche verfassungsrechtliche und staatspolitische Fragen harren einer Beantwortung und endgültigen Lösung: Diese können nunmehr ohne eine klare Entscheidung des Verfassungsgesetzgebers nicht mehr bewältigt werden. Angesichts der tief reichenden, im Hinblick auf die Beharrung des VfGH auf seinem fundamentalen Rechtsirrtum und des Landes Kärnten auf seiner Ablehnung der irrigen Rechtsanschauung des VfGH und die Untätigkeit des Gesetzgebers unlösbar gewordenen verfassungsrechtlichen Problematik, ist nun die Erlassung eines Verfassungsgesetzes unerlässlich geworden. Ein dem Rechtsstaat entsprechender Rechtsfrieden um Ortstafeln und die Judikatur des VfGH dazu kann angesichts der bereits unüberbrückbar gewordenen verfassungsrechtlichen, staatspolitischen und partei-
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politischen Gegensätze durch eine Verordnung der Bundesregierung oder durch ein einfaches Bundesgesetz für die Zukunft nicht mehr verlässlich gewährleistet werden. Auf dem Gebiet des Minderheitenschutzes wäre ein Verfassungsgesetz nicht unverhältnismäßig. Der Minderheitenschutz hat gemäß Art. 8 B-VG bereits Verfassungsrang und in einfachgesetzlichen Durchführungsvorschriften zum Art. 7 des Staatsvertrages gibt es bereits Verfassungsbestimmungen (Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten und VolksgruppenG). Der Verfassungsgesetzgeber ist nun unentrinnbar herausgefordert, eine Entscheidung zu treffen, die staatspolitisch ausgewogen ist, die dem Minderheitenschutz gerecht wird, die den überschießenden Ambitionen des VfGH entgegenwirkt, die gegenüber der verfehlten Rechtsanschauung des VfGH Bestandskraft hat und einen anhaltenden Rechtsfrieden ermöglicht. Quidquid agis prudenter agas et respice finem, ist für den Verfassungsgesetzgeber ein Gebot der Stunde.
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Winkler Günther, Zeit und Recht. Kritische Anmerkungen zur Zeitgebundenheit des Rechts und des Rechtsdenkens, Forschungen aus Staat und Recht 100 (1995) Winkler Günther, Raum und Recht, Dogmatische und theoretische Perspektiven eines empirisch-rationalen Rechtsdenkens, Forschungen aus Staat und Recht 120 (1997) Winkler Günther, Zweisprachige Ortstafeln und Volksgruppenrechte. Kritische Anmerkungen zur Entscheidungspraxis des Verfassungsgerichtshofs bei Gesetzesprüfungen von Amts wegen aus den Perspektiven seines Ortstafelerkenntnisses, Forschungen aus Staat und Recht 140 (2002); auch in: ZÖR 57 (2002) 129 ff
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Forschungen aus Staat und Recht Bis Band 133 herausgegeben von Univ.-Prof. Dr. DDr. h. c. Günther Winkler, nunmehr herausgegeben von Univ.-Prof. Dr. Bernhard Raschauer, Universität Wien, im Zusammenwirken mit Univ.-Prof. Dr. DDr. h. c. Günther Winkler und Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. Walter Antoniolli. 1: Das Verfassungsrecht der österreichischen Bundesländer. Von Univ.-Prof. DDr. Friedrich Koja. XIV, 389 Seiten. 1967. Vergriffen 2: Die Weisung. Eine verfassungs- und verwaltungsrechtliche Studie. Von Univ.-Prof. DDr. Walter Barfuss. VIII, 117 Seiten. 1967. Vergriffen 3: Die Problematik der Reinen Rechtslehre. Von Dr. Karl Leiminger. VIII, 102 Seiten. 1967. Vergriffen 4: Die Entscheidungsbefugnis in der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Eine rechtsvergleichende Studie zum österreichischen und deutschen Recht. Von Univ.-Prof. DDr. Georg Ress. XII, 282 Seiten. 1968. Geheftet € 31,– 5: Die Fehlerhaftigkeit von Gesetzen und Verordnungen. Zugleich ein Beitrag zur Gesetzes- und Verordnungskontrolle durch den Verfassungsgerichtshof. Von Univ.-Prof. Dr. Richard Novak. VIII, 218 Seiten. 1967. Geheftet € 23,– 6: Norm, Recht und Staat. Überlegungen zu Hans Kelsens Theorie der Reinen Rechtslehre. Von DDr. Raimund Hauser. 7 Abbildungen. VIII, 168 Seiten. 1968. Geheftet € 19,– 7: Ressortzuständigkeit und Vollzugsklausel. Eine verfassungs- und verwaltungsrechtliche Untersuchung zur Zuständigkeit der Bundesminister. Von Univ.-Prof. DDr. Walter Barfuss. VIII, 130 Seiten. 1968. Geheftet € 15,– 8: Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit internationaler Organisationen gegenüber Drittstaaten. Von Univ.-Prof. Dr. Konrad Ginther. VII, 202 Seiten. 1969. Geheftet € 23,– 9: Der Bundespräsident. Eine Untersuchung zur Verfassungstheorie und zum österreichischen Verfassungsrecht. Von Univ.-Doz. Dr. Klaus Berchtold. XIV, 354 Seiten. 1969. Geheftet € 38,– 10: Die öffentliche Unternehmung. Ein Beitrag zur Lehre von der Wirtschaftsverwaltung und zur Theorie des Wirtschaftsverwaltungsrechts. Von Univ.-Prof. DDr. Karl Wenger. XVII, 673 Seiten. 1969. Vergriffen 11: Die Identität der Tat. Der Umfang von Prozeßgegenstand und Sperrwirkung im Strafverfahren. Von Univ.-Prof. Dr. Christian Bertel. X, 208 Seiten. 1970. Geheftet € 24,– 12: Wertbetrachtung im Recht und ihre Grenzen. Von Univ.-Prof. Dr. DDr. h. c. Günther Winkler. VIII, 59 Seiten. 1969. Vergriffen 13: Rechtslogik. Versuch einer Anwendung moderner Logik auf das juristische Denken. Von Univ.-Prof. DDr. Ota Weinberger. 21 Abbildungen. XVIII, 396 Seiten. 1970. Vergriffen __________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________ 14: Umfassende Landesverteidigung. Eine verfassungsdogmatische und verfassungspolitische Grundlagenuntersuchung für den Bundesstaat Österreich. Von Univ.-Prof. Dr. Peter Pernthaler. VIII, 172 Seiten. 1970. Vergriffen 15: Materiales Verfassungsverständnis. Ein Beitrag zur Theorie der Verfassungsinterpretation. Von Univ.-Prof. Dr. Norbert Wimmer. VIII, 141 Seiten. 1971. Geheftet € 20,– 16: Versicherungsaufsichtsrecht. Eine Studie zum deutschen und zum österreichischen Recht. Von Dipl.-Ing. Dr. Heinz Kraus. XVIII, 329 Seiten. 1971. Vergriffen 17: Gliedstaatsverträge. Eine Untersuchung nach österreichischem und deutschem Recht. Von Univ.-Prof. Dr. Heinz Peter Rill. XIX, 711 Seiten. 1972. Geheftet € 79,– 18: Verfassungsinterpretation in Österreich. Eine kritische Bestandsaufnahme. Von Univ.Prof. Dr. Heinz Schäffer. XI, 228 Seiten. 1971. Geheftet € 30,– 19: Gemeindeaufsicht. Von Univ.-Doz. Dr. Klaus Berchtold. X, 223 Seiten. 1972. Geheftet € 25,– 20: Vereine als öffentliche Unternehmen. Voraussetzungen und Folgen organisatorischer Beherrschung öffentlicher Unternehmen durch den Staat; dargestellt am Beispiel der Landesversicherungsanstalten. Von Univ.-Prof. Dr. Gerhardt Plöchl. XXIII, 387 Seiten. 1972. Geheftet € 47,– 21: Parlamentarische Kontrolle im politischen System. Die Verwaltungsfunktionen des Nationalrates in Recht und Wirklichkeit. Von Univ.-Prof. Dr. Peter Gerlich. XV, 354 Seiten. 1973. Geheftet € 46,– 22: Handbuch des Gemeinderechts. Organisation und Aufgaben der Gemeinden Österreichs. Von Univ.-Prof. Dr. Hans Neuhofer. XVIII, 449 Seiten. 1972. Vergriffen 23: Der völkerrechtliche Vertrag im staatlichen Recht. Eine theoretische, dogmatische und vergleichende Untersuchung am Beispiel Österreichs. Von Univ.-Prof. Dr. Theo Öhlinger. XV, 397 Seiten. 1973. Geheftet € 53,– 24: Förderungsverwaltung. Gesamtredaktion: Univ.-Prof. DDr. Karl Wenger. XVII, 434 Seiten. 1973. Geheftet € 68,– 25: Ordinale Deontik. Zusammenhänge zwischen Präferenztheorie, Normlogik und Rechtstheorie. Von Univ.-Prof. Dr. Thomas Cornides. 41 Abbildungen. X, 210 Seiten. 1974. Geheftet € 45,– 26: Die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden im Vollstreckungsverfahren. Von Univ.-Prof. DDr. Heinz Mayer. XII, 120 Seiten. 1974. Geheftet € 20,– 27: Die internationale Konzession. Theorie und Praxis der Rechtsinstitute in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Von Univ.-Prof. Dr. Peter Fischer. 2 Abbildungen. XXI, 594 Seiten. 1974. Geheftet € 94,– 28: Der verfahrensfreie Verwaltungsakt. Die „faktische Amtshandlung“ in Praxis und Lehre. Eine Integration von Ordnungsvorstellungen auf dem Gebiete des Verwaltungsaktes. Von Univ.-Prof. Dr. Bernd-Christian Funk. XV, 247 Seiten. 1975. Geheftet € 45,– __________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________ 29: Repräsentation und Identität. Demokratie im Konflikt. Ein Beitrag zur modernen Staatsformenlehre. Von Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Mantl. X, 391 Seiten. 1975. Geheftet € 71,– 30: Die Gehorsamspflicht der Verwaltungsorgane. Eine verfassungsrechtliche Untersuchung zum Dienstrecht. Gleichzeitig ein Beitrag zur Lehre vom Verwaltungsakt. Von DDr. Karl Lengheimer. X, 124 Seiten. 1975. Geheftet € 23,– 31: Neutralität und Neutralitätspolitik. Die österreichische Neutralität zwischen Schweizer Muster und sowjetischer Koexistenzdoktrin. Von Univ.-Prof. Dr. Konrad Ginther. X, 168 Seiten. 1975. Geheftet € 35,– 32: Rechtstheorie und Rechtsinformatik. Voraussetzungen und Möglichkeiten formaler Erkenntnis des Rechts. Gesamtredaktion: Univ.-Prof. Dr. DDr. h. c. Günther Winkler. 39 Abbildungen. XVI, 248 Seiten. 1975. Geheftet € 36,– 33: Die Völkerrechtssubjektivität der Unionsrepubliken der UdSSR. Von Univ.-Prof. Dr. Henn-Jüri Uibopuu. XV, 341 Seiten. 1975. Geheftet € 65,– 34: Staatsmonopole. Von Univ.-Prof. DDr. Heinz Mayer. XVI, 424 Seiten. 1976. Geheftet € 48,– 35: Logische Verfahren der juristischen Begründung. Eine Einführung. Von Univ.-Prof. Mag. Dr. Ilmar Tammelo und Dr. Gabriël Moens. VIII, 111 Seiten. 1976. Vergriffen 36: Rechtsphilosophie und Gesetzgebung. Überlegungen zu den Grundlagen der modernen Gesetzgebung und Gesetzesanwendung. Gesamtredaktion: Univ.-Prof. DDDr. Johann Mokre und Univ.-Prof. DDr. Ota Weinberger. 4 Abbildungen. VII, 199 Seiten. 1976. Geheftet € 46,– 37: Internationale Konflikte – verbotene und erlaubte Mittel ihrer Austragung. Versuche einer transdisziplinären Betrachtung der Grundsätze des Gewalt- und Interventionsverbots sowie der friedlichen Streitbeilegung im Lichte der UN-Prinzipiendeklaration 1970 und der modernen Sozialwissenschaften. Von Univ.-Prof. Dr. Hanspeter Neuhold. XX, 598 Seiten. 1977. Geheftet € 67,– 38: Juristische Entscheidung und wissenschaftliche Erkenntnis. Eine Untersuchung zum Verhältnis von dogmatischer Rechtswissenschaft und rechtswissenschaftlicher Grundlagenforschung. Von Univ.-Prof. DDr. Werner Krawietz. XXI, 316 Seiten. 1978. Geheftet € 70,– 39: Grundfragen der Philosophie des Rechts. Von Univ.-Prof. Dr. Vladimír Kubeš. VIII, 87 Seiten. 1977. Geheftet € 19,– 40: Dauernde Neutralität und europäische Integration. Von Univ.-Prof. Dr. Michael Schweitzer. XVI, 347 Seiten. 1977. Geheftet € 66,– 41: Politische Planung im parlamentarischen Regierungssystem. Dargestellt am Beispiel der mittelfristigen Finanzplanung. Von Univ.-Prof. Dr. Christian Brünner. XVI, 395 Seiten. 1978. Geheftet € 76,– 42: Freiheit und Gleichheit. Die Aktualität im politischen Denken Kants. Von Univ.Prof. Dr. Gerhard Luf. VII, 197 Seiten. 1978. Geheftet € 41,– __________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________ 43: Strukturierungen und Entscheidungen im Rechtsdenken. Notation, Terminologie und Datenverarbeitung in der Rechtslogik. Gesamtredaktion: Univ.-Prof. Dr. Ilmar Tammelo und Dr. Helmut Schreiner. 6 Abbildungen. VIII, 316 Seiten. 1978. Geheftet € 31,– 44: Die Staatslehre des Han Fei. Ein Beitrag zur chinesischen Idee der Staatsräson. Von Univ.-Prof. Dr. Geng Wu. X, 108 Seiten. 1978. Geheftet € 26,– 45: Namensrecht. Eine systematische Darstellung des geltenden österreichischen und des geltenden deutschen Rechts. Von Univ.-Prof. Dr. Bernhard Raschauer. XIX, 356 Seiten. 1978. Geheftet € 76,– 46: Orientierungen im öffentlichen Recht. Ausgewählte Abhandlungen. Von Univ.-Prof. Dr. DDr. h. c. Günther Winkler. 2 Abbildungen. VII, 300 Seiten. 1979. Geheftet € 35,– 47: Die Prüfung von Gesetzen. Ein Beitrag zur verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle. Von Univ.-Prof. Dr. Herbert Haller. X, 300 Seiten. 1979. Geheftet € 54,– 48: Denkweisen der Rechtswissenschaft. Einführung in die Theorie der rechtswissenschaftlichen Forschung. Von Univ.-Prof. Dr. Aulis Aarnio. XVI, 246 Seiten. 1979. Geheftet € 46,– 49: Grundrechtsverständnis und Normenkontrolle. Eine Vergleichung der Rechtslage in Österreich und in Deutschland. Kolloquium zum 70. Geburtstag von H. Spanner. Gesamtredaktion: Univ.-Prof. Dr. Klaus Vogel. 1 Porträt. XX, 106 Seiten. 1979. Geheftet € 26,– 50: Gesetzgebung. Kritische Überlegungen zur Gesetzgebungslehre und zur Gesetzgebungstechnik. Gesamtredaktion: Univ.-Prof. Dr. DDr. h. c. Günther Winkler und Univ.-Prof. Dr. Bernd Schilcher. IX, 285 Seiten. 1981. Geheftet € 51,– 51: Der Staat als Träger von Privatrechten. Von Univ.-Prof. Dr. Bruno Binder. XIX, 400 Seiten. 1980. Geheftet € 54,– 52: Verfassungswirklichkeit in Osteuropa. Dargestellt am Beispiel der Präsidia der obersten Vertretungsorgane. Von Univ.-Prof. Dr. Hans-Georg Heinrich. 2 Abbildungen. XII, 389 Seiten. 1980. Geheftet € 60,– 53: Perspektiven zur Strafrechtsdogmatik. Ausgewählte Abhandlungen. Von Univ.-Prof. Dr. Friedrich Nowakowski. VII, 327 Seiten. 1981. Geheftet € 49,– 54: Die Vertretung der Gebietskörperschaften im Privatrecht. Von Univ.-Prof. Dr. Georg Wilhelm. XVI, 295 Seiten. 1981. Geheftet € 55,– 55: Rundfunkfreiheit. Öffentlichrechtliche Grundlagen des Rundfunks in Österreich. Von Univ.-Prof. Dr. Heinz Wittmann. XVI, 246 Seiten. 1981. Geheftet € 61,– 56: Das Ermessen im Spannungsfeld von Rechtsanwendung und Kontrolle. Von Univ.Prof. Dr. Herbert Hofer-Zeni. VIII, 179 Seiten. 1981. Geheftet € 39,– 57: Methodik der Gesetzgebung. Legistische Richtlinien in Theorie und Praxis. Gesamtredaktion: Univ.-Prof. Dr. Theo Öhlinger. 1 Abbildung. XIV, 260 Seiten. 1982. Geheftet € 39,– __________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________ 58: Die Rechtspflicht. Von Univ.-Prof. Dr. Vladimír Kubeš. VIII, 140 Seiten. 1981. Geheftet € 31,– 59: Mehrdeutigkeit und juristische Auslegung. Von Univ.-Prof. Dr. Michael Thaler. VII, 187 Seiten. 1982. Geheftet € 44,– 60: Öffentliche Fonds. Eine Untersuchung ihrer verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Hauptprobleme. Von Univ.-Prof. Dr. Harald Stolzlechner. XVII, 389 Seiten. 1982. Geheftet € 63,– 61: Der internationale Regionalismus. Integration und Desintegration von Staatenbeziehungen in weltweiter Verflechtung. Von Univ.-Doz. Dr. Winfried Lang. XIII, 217 Seiten. 1982. Geheftet € 54,– 62: Rechtsstaat und Planung. Gesamtredaktion: Dr. Josef Azizi und Univ.-Prof. Dr. Stefan Griller. XII, 124 Seiten. 1982. Geheftet € 27,– 63: Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz. Die Freiheit der Medien und ihre Verantwortung im System der Grundrechte. Von Univ.-Prof. Dr. Walter Berka. XIII, 375 Seiten. 1982. Geheftet € 75,– 64: Grundlagen der juristischen Argumentation. Von Univ.-Prof. Dr. Aleksander Peczenik. 5 Abbildungen. XIII, 266 Seiten. 1983. Geheftet € 67,– 65: Evolution des Rechts. Eine Vorstudie zu den Evolutionsprinzipien des Rechts auf anthropologischer Grundlage. Von Univ.-Prof. Dr. Herbert Zemen, M. C. L. (Columbia). XIII, 135 Seiten. 1983. Geheftet € 31,– 66: Bereicherung im öffentlichen Recht. Von Univ.-Prof. Dr. Ferdinand Kerschner. XVI, 158 Seiten. 1983. Geheftet € 38,– 67: Das Disziplinarrecht der Beamten. Von Univ.-Prof. Dr. Garbiele Kucsko-Stadlmayer. XVII, 622 Seiten. 1985. Vergriffen 68: Freiheit und Gleichgewicht im Denken Montesquieus und Burkes. Ein analytischer Beitrag zur Geschichte der Lehre vom Staat im 18. Jahrhundert. Von Hon.Prof. DDr. Thomas Chaimowicz. XI, 202 Seiten. 1985. Vergriffen 69: Rohstoffgewinnung in der Antarktis. Völkerrechtliche Grundlagen der Nutzung Nichtlebender Ressourcen. Von Dr. Ulrich J. Nussbaum. 1 Abbildung. XIII, 236 Seiten. 1985. Geheftet € 54,– 70: Theorie der Direktiven und der Normen. Von Univ.-Prof. Dr. Kazimierz Opałek. VII, 178 Seiten. 1986. Geheftet € 47,– 71: Die seerechtliche Verteilung von Nutzungsrechten. Rechte der Binnenstaaten in der ausschließlichen Wirtschaftszone. Von Univ.-Prof. Dr. Gerhard Hafner. XV, 533 Seiten. 1987. Geheftet € 95,– 72: Der Landeshauptmann. Historische Entwicklung, Wesen und verfassungsrechtliche Gestalt einer Institution. Von Univ.-Doz. Dr. Wolfgang Pesendorfer. 1 Abbildung. XIV, 243 Seiten. 1986. Geheftet € 58,– 73: Das Bewegliche System im geltenden und künftigen Recht. Gesamtredaktion: Univ.-Prof. Dr. Franz Bydlinski, Univ.-Prof. Dr. Heinz Krejci, Univ.-Prof. Dr. Bernd Schilcher und Univ.-Prof. Dr. Viktor Steininger. X, 327 Seiten. 1986. Geheftet € 62,– __________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________ 74: Rechtsregeln und Spielregeln. Eine Abhandlung zur analytischen Rechtstheorie. Von Univ.-Prof. Dr. Gregorio Robles. Aus dem Spanischen übersetzt von Dr. Ulrike Steinhäusl und Hedwig Ciupka. IX, 230 Seiten. 1987. Geheftet € 53,– 75: Rechtslogik und Rechtswirklichkeit. Eine empirisch-realistische Studie. Von Sen.Präs. tit. a. o. Univ.-Prof. Hofrat Dr. Friedrich Tezner. Unveränderter Nachdruck der ersten Auflage 1925. Mit einem Geleitwort von Univ.-Prof. Dr. DDr. h. c. Günther Winkler. XI, 194 Seiten. 1986. Geheftet € 45,– 76: Theorie der Gesetzgebung. Materiale und formale Bestimmungsgründe der Gesetzgebung in Geschichte und Gegenwart. Von Univ.-Prof. Dr. Vladimír Kubeš. XII, 299 Seiten. 1987. Geheftet € 71,– 77: Die Sicherheitspolizei und ihre Handlungsformen. Von Dr. Wolfgang Blum. XII, 181 Seiten. 1987. Geheftet € 45,– 78/ Politische Grundrechte. Von Univ.-Prof. Dr. Manfred Nowak. XXIV, 585 Seiten. 79: 1988. Geheftet € 110,– 80: Die Rechtspersönlichkeit der Universitäten. Rechtshistorische, rechtsdogmatische und rechtstheoretische Untersuchungen zur wissenschaftlichen Selbstverwaltung. Von Univ.-Prof. Dr. DDr. h. c. Günther Winkler. XVI, 451 Seiten. 1988. Geheftet € 66,– 81: Reine Rechtslehre im Spiegel ihrer Fortsetzer und Kritiker. Gesamtredaktion: Univ.Prof. DDr. Ota Weinberger und Univ.-Prof. DDr. Werner Krawietz. VII, 393 Seiten. 1988. Geheftet € 95,– 82: Organgewinnung zu Zwecken der Transplantation. Eine systematische Analyse des geltenden Rechts. Von Univ.-Prof. DDr. Christian Kopetzki. XIV, 294 Seiten. 1988. Geheftet € 46,– 83: Rechtsphilosophie zwischen Ost und West. Eine vergleichende Analyse der frühen rechtsphilosophischen Gedanken von John C. H. Wu. Von Dr. Matthias Christian. VIII, 220 Seiten. 1988. Geheftet € 55,– 84: Islam und Friedensvölkerrechtsordnung. Die dogmatischen Grundlagen der Teilnahme eines islamischen Staates am modernen Völkerrechtssystem am Beispiel Ägyptens. Von Dr. Dietrich F. R. Pohl. XXI, 174 Seiten. 1988. Geheftet € 41,– 85: Theorie und Methode in der Rechtswissenschaft. Ausgewählte Abhandlungen. Von Univ.-Prof. Dr. DDr. h. c. Günther Winkler. XII, 282 Seiten. 1989. Geheftet € 38,– 86: Die einstweilige Verfügung im schiedsgerichtlichen Verfahren. Von Univ.-Doz. Dr. Christian Hausmaninger. XII, 182 Seiten. 1989. Geheftet € 30,– 87: Reine Rechtslehre und Strafrechtsdoktrin. Zur Theorienstruktur in der Rechtswissenschaft am Beispiel der Allgemeinen Strafrechtslehre. Von Dr. Rainer Lippold. XII, 458 Seiten. 1989. Geheftet € 64,– 88: Die Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen. Eine Untersuchung zu Art 9 Abs 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes. Von Univ.-Prof. Dr. Stefan Griller. XXVIII, 558 Seiten. 1989. Geheftet € 74,– __________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________ 89: Entwicklungstendenzen im Verwaltungsverfahrensrecht und in der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Rechtsvergleichende Analysen zum österreichischen und deutschen Recht. Gesamtredaktion: Univ.-Prof. DDr. Georg Ress. V, 333 Seiten. 1990. Geheftet € 58,– 90: Rechtstheorie und Erkenntnislehre. Kritische Anmerkungen zum Dilemma von Sein und Sollen in der Reinen Rechtslehre aus geistesgeschichtlicher und erkenntnistheoretischer Sicht. Von Univ.-Prof. Dr. DDr. h. c. Günther Winkler. XXI, 249 Seiten. 1990. Geheftet € 38,– 91: Gefahrenabwehr im Anlagenrecht. Von Univ.-Prof. Dr. Benjamin Davy. XXV, 865 Seiten. 1990. Geheftet € 99,– 92: Rechtswissenschaft als Sozialwissenschaft. Juristisches Denken und Sozialdynamik des Rechts. Von RA Dr. Karl Georg Wurzel. XI, 223 Seiten. 1991. Geheftet € 38,– 93: Devisenbewirtschaftung. Eine verfassungs- und verwaltungsrechtliche Untersuchung unter Berücksichtigung des Völker- und Europarechts. Von Univ.-Doz. DDr. Michael Potacs. XVIII, 566 Seiten. 1991. Geheftet € 64,– 94: Das Wesensgehaltsargument und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Von Univ.-Prof. Dr. Manfred Stelzer. VIII, 333 Seiten. 1991. Geheftet € 45,– 95: Studien zum Verfassungsrecht. Das institutionelle Rechtsdenken in Rechtstheorie und Rechtsdogmatik. Von Univ.-Prof. Dr. DDr. h. c. Günther Winkler. XVIII, 455 Seiten. 1991. Geheftet € 60,– 96: Jadgrecht. Von Dr. Helmut Binder. XV, 145 Seiten. 1992.
Vergriffen
97: Ladenschlußrecht. Von Univ.-Prof. DDr. Christoph Grabenwarter. XV, 236 Seiten. 1992. Geheftet € 39,– 98: Rechtssystem und Republik. Über die politische Funktion des systematischen Rechtsdenkens. Von Univ.-Prof. Dr. Alexander Somek. XIV, 622 Seiten. 1992. Geheftet € 59,– 99: Der Rechtsträger im Verfassungsrecht. Das Zurechnungssubjekt von Handlungen und Rechtsfolgen in der Amtshaftung und in der Rechnungskontrolle. Von Dr. Wilhelm Klagian. XII, 133 Seiten. 1992. Geheftet € 25,– 100: Zeit und Recht. Kritische Anmerkungen zur Zeitgebundenheit des Rechts und des Rechtsdenkens. Von Univ.-Prof. Dr. DDr. h. c. Günther Winkler. XVI, 610 Seiten. 1995. Vergriffen 101: Der Umweltschutz als Staatsaufgabe. Möglichkeiten und Grenzen einer verfassungsrechtlichen Verankerung des Umweltschutzes. Von Dr. Doris Hattenberger. XVI, 213 Seiten. 1993. Geheftet € 35,– 102: Juristisches Verstehen und Entscheiden. Vom Lebenssachverhalt zur Rechtsentscheidung. Ein Beitrag zur Argumentation im Recht. Von Univ.-Prof. Dr. Marijan Pavœnik. XI, 182 Seiten. 1993. Geheftet € 33,– 103: Das Vorsorgeprinzip als vorverlagerte Gefahrenabwehr. Eine rechtsvergleichende Studie zur Reinhaltung der Luft. Von Dr. Matthias Germann. XIV, 263 Seiten. 1993. Geheftet € 42,– __________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________ 104: Rechtserfahrung und Reine Rechtslehre. Gesamtredaktion: Univ.-Prof. Dr. Agostino Carrino und Univ.-Prof. Dr. DDr. h. c. Günther Winkler. VII, 181 Seiten. 1995. Geheftet € 22,– 105: Rechtswissenschaft und Rechtserfahrung. Methoden- und erkenntniskritische Gedanken über Hans Kelsens Lehre und das Verwaltungsrecht. Von Univ.-Prof. Dr. DDr. h. c. Günther Winkler. IX, 147 Seiten. 1994. Geheftet € 30,– 106: Berufliche Selbstverwaltung und autonomes Satzungsrecht. Von Dr. Georg Stillfried. X, 223 Seiten. 1994. Geheftet € 33,– 107: Öffentliche Nutzungsrechte und Gemeingebrauch. Von Univ.-Prof. Dr. Franz Merli. XIII, 483 Seiten. 1995. Geheftet € 54,– 108: Unterbringungsrecht. Erster Band: Historische Entwicklung und verfassungsrechtliche Grundlagen. Von Univ.-Prof. DDr. Christian Kopetzki. XXXIV, 429 Seiten. 1995. 109: Unterbringungsrecht. Zweiter Band: Materielles Recht. Verfahren und Vollzug. Von Univ.-Prof. DDr. Christian Kopetzki. XV, 663 Seiten. 1995. Band 108 und 109 gemeinsam: Geheftet € 71,– 110: Rechtswissenschaft und Politik. Die Freiheit des Menschen in der Ordnung des Rechts. Von Univ.-Prof. Dr. DDr. h. c. Günther Winkler. XX, 466 Seiten. 1998. Geheftet € 59,90 111: Bundesrecht und Landesrecht. Zugleich ein Beitrag zu Strukturproblemen der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung in Österreich und in Deutschland. Von Univ.Prof. Dr. Ewald Wiederin. XXII, 455 Seiten. 1995. Geheftet € 47,– 112: Wirtschaftslenkung und Verfassung. Gesetzgebungskompetenz und grundrechtliche Schranken direkter Wirtschaftslenkung. Von Dr. Eva Schulev-Steindl. XVII, 223 Seiten. 1996. Geheftet € 38,– 113: Über den Begriff der juristischen Person. Kritische Studien über den Begriff der juristischen Person und über die juristische Persönlichkeit der Behörden insbesondere. Von o. Prof. Dr. Edmund Bernatzik. XV, 116 Seiten. 1996. Geheftet € 27,– 114: Grundrechtliche Gewährleistungspflichten. Ein Beitrag zu einer allgemeinen Grundrechtsdogmatik. Von Univ.-Prof. Dr. Michael Holoubek. X, 416 Seiten. 1997. Vergriffen 115: Verfahrensgarantien in der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Eine Studie zu Artikel 6 EMRK auf der Grundlage einer rechtsvergleichenden Untersuchung der Verwaltungsgerichtsbarkeit Frankreichs, Deutschlands und Österreichs. Von Univ.-Prof. DDr. Christoph Grabenwarter. XXV, 758 Seiten. 1997. Vergriffen 116: Über die juristische Methode. Kritische Studien zur Wissenschaft vom öffentlichen Recht und zur soziologischen Rechtslehre. Von o. Prof. Dr. Felix Stoerk. XXX, 197 Seiten. 1996. Geheftet € 38,– 117: Der Staatssekretär. Eine Untersuchung zum Organtypus des politischen Ministergehilfen. Von Univ.-Prof. DDr. Bernd Wieser. XVIII, 407 Seiten. 1997. Geheftet € 49,90 __________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________ 118: Theorie und Methode im Staatsrecht. Studien zu einem soziologisch fundierten Staatsrechtsdenken. Von Univ.-Prof. Dr. Gustav Seidler. XXVII, 129 Seiten. 1997. Geheftet € 29,90 119: Der autoritäre Staat. Ein Versuch über das österreichische Staatsproblem. Von Univ.Prof. Dr. Erich Voegelin. XXXV, 292 Seiten. 1997. Geheftet € 44,90 120: Raum und Recht. Dogmatische und theoretische Perspektiven eines empirisch-rationalen Rechtsdenkens. Von Univ.-Prof. Dr. DDr. h. c. Günther Winkler. X, 314 Seiten. 1999. Geheftet € 39,90 121: Die Normenordnung. Staat und Recht in der Lehre Kelsens. Von Univ.-Prof. Dr. Agostino Carrino. XI, 174 Seiten. 1998. Geheftet € 32,– 122: Vereinsfreiheit. Eine rechtsdogmatische Untersuchung der Grundfragen des Vereinsrechts. Von Univ.-Ass. Dr. Johannes Bric. XI, 363 Seiten. 1998. Geheftet € 49,90 123: Die sozialwissenschaftliche Erkenntnis. Ein Beitrag zur Methodik der Gesellschaftslehre. Von Kabinettschef i.R. tit. o. Universitätsprofessor Dr. Ernst Seidler. LI, 283 Seiten. 1999. Geheftet € 49,90 124: Rechtsinformatik und Wissensrepräsentation. Automatische Textanalyse im Völkerrecht und Europarecht. Von Univ.-Prof. Mag. DDr. Erich Schweighofer. XX, 440 Seiten. 1999. Geheftet € 65,– 125: Das Elektrizitätsrecht. Die Gesetzgebung als Instrument der staatlichen Wirtschaftspolitik. Von Univ.-Prof. Dr. DDr. h.c. Günther Winkler. XXVII, 214 Seiten. 1999. Geheftet € 44,90 126: Verfassungsfragen einer Mitgliedschaft zur Europäischen Union. Ausgewählte Abhandlungen. Von Univ.-Prof. Dr. Theo Öhlinger. XVI, 238 Seiten. 1999. Geheftet € 39,90 127: Kapitalmarktrecht. Eine Untersuchung des österreichischen Rechts und des Europäischen Gemeinschaftsrechts. Von Univ.-Doz. Dr. Stefan Weber. XIX, 485 Seiten. 1999. Geheftet € 69,90 128: Methodenlehre der Sozialwissenschaften. Von Priv.-Doz. Dr. Felix Kaufmann. LXX, 325 Seiten. 1999. Geheftet € 55,– 129: Das Intertemporale Privatrecht. Übergangsfragen bei Gesetzes- und Rechtsprechungsänderungen im Privatrecht. Von Univ.-Ass. Dr. Andreas Vonkilch. XXI, 407 Seiten. 1999. Geheftet € 55,– 130: Die Rechtswissenschaft als empirische Sozialwissenschaft. Biographische und methodologische Anmerkungen zur Staatsrechtslehre. Von Univ.-Prof. Dr. DDr. h.c. Günther Winkler. XLIV, 240 Seiten. 1999. Geheftet € 39,90 131: Ruhe, Ordnung, Sicherheit. Eine Studie zu den Aufgaben der Polizei in Österreich. Von Univ.-Prof. Dr. Andreas Hauer. XX, 493 Seiten. 2000. Geheftet € 68,– 132: Rechtsetzung und Entscheidung im Völkerrecht. English Summary: Law-Making and Decision-Making in International Law. Von Dr. Georg Potyka. X, 133 Seiten. 2000. Geheftet € 28,– __________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________ 133: Rechtsaufsicht über Versicherungsunternehmen. Eingriffsmöglichkeiten der österreichischen Versicherungsbehörde. Von Univ.-Ass. Dr. Stephan Korinek. XXI, 271 Seiten. 2000. Geheftet € 55,– 134: Grundrechte und Verfassungsgerichtsbarkeit. Von Univ.-Prof. Dr. Karl Korinek. X, 348 Seiten. 2000. Geheftet € 65,– 135: Verfassungsrecht in Liechtenstein. Demokratie, Parlamentarismus, Rechtsstaat, Gewaltenteilung und politische Freiheit in Liechtenstein aus verfassungsrechtlichen, verfassungsrechtsvergleichenden, verfassungsrechtspolitischen und europarechtlichen Perspektiven. Von Univ.-Prof. Dr. DDr. h.c. Günther Winkler. X, 226 Seiten. 2001. Geheftet € 35,20 137: Das Islamgesetz. An den Schnittstellen zwischen österreichischer Rechtsgeschichte und österreichischem Staatsrecht. Von Univ.-Ass. Dr. Johann Bair. XV, 176 Seiten. 2002. Geheftet € 39,90 138: Regulierung der Kommunikationsmärkte unter Konvergenzbedingungen. Von Univ.-Ass. Dr. Dragana Damjanovic. XVI, 219 Seiten. 2002. Geheftet € 39,90 140: Zweisprachige Ortstafeln und Volksgruppenrechte. Kritische Anmerkungen zur Entscheidungspraxis des Verfassungsgerichtshofs bei Gesetzesprüfungen von Amts wegen aus den Perspektiven seines Ortstafelerkenntnisses. Von Univ.-Prof. Dr. DDr. h.c. Günther Winkler. XI, 104 Seiten. 2002. Geheftet € 19,90 141: Integrationsverfassungsrecht. Das österreichische Verfassungsrecht und das Recht der Europäischen Union – Koordination, Kooperation, Konflikt. Von Univ.-Ass. Dr. Roland Winkler. XVI, 213 Seiten. 2003. Geheftet € 34,90 142: Natura 2000. Auswirkung und Umsetzung im innerstaatlichen Recht. Von Dr. Erich Pürgy. XIV, 398 Seiten. 2005. Geheftet € 78,– 143: Privater Befehl und Zwang. Verfassungsrechtliche Bedingungen privater Eingriffsgewalt. Von ao. Univ.-Prof. Dr. Benjamin Kneihs. XIX, 531 Seiten. 2004. Geheftet € 85,– 144: Der öffentliche Personennahverkehr auf dem Weg zum Wettbewerb. Zugleich ein Beitrag zur Liberalisierung kommunaler Daseinsvorsorgeleistungen. Von ao. Univ.Prof. Dr. Arno Kahl. XXVIII, 555 Seiten. 2005. Geheftet € 85,– 145: Die Verfassungsreform in Liechtenstein. Verfassungsrechtliche Studien mit verfassungsrechtsvergleichenden und europarechtlichen Perspektiven. Von Univ.-Prof. Dr. DDr. h.c. Günther Winkler. XXIII, 523 Seiten. 2003. Geheftet € 78,– 146: Der verwaltungsrechtliche Vertrag. Ein Beitrag zur Handlungsformenlehre. Von Univ.-Ass. Dr. Harald Eberhard. XVII, 493 Seiten. 2005. Geheftet € 85,– 149: Ausgliederung und öffentlicher Dienst. Von ao. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Baumgartner. XXIII, 578 Seiten. 2006. Geheftet € 118,– 150: Der Europarat und die Verfassungsautonomie seiner Mitgliedstaaten. Eine europarechtliche Studie mit Dokumenten und Kommentaren, veranschaulicht durch die Aktionen des Europarates gegen die Verfassungsreform von Liechtenstein Von Univ.Prof. Dr. DDr. h.c. Günther Winkler. XV, 592 Seiten. 2005. Geheftet € 98,– __________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________ 152: Die Grundrechte der Europäischen Union. System und allgemeine Grundrechtslehren. Von ao. Univ.-Prof. Dr. Roland Winkler. XXVI, 596 Seiten. 2006. Geheftet € 105,– 153: Handbuch Energierecht. Von Univ.-Prof. Dr. Bernhard Raschauer. XI, 254 Seiten. 2006. Geheftet € 59,– 155: Begnadigung und Gegenzeichnung. Eine praxisorientierte verfassungsrechtliche und staatstheoretische Studie über Staatsakte des Fürsten von Liechtenstein. Von Univ.Prof. Dr. DDr. h.c. Günther Winkler. IX, 105 Seiten. 2005. Geheftet € 24,90 160: Die Prüfung von Verordnungen und Gesetzen durch den Verfassungsgerichtshof von Amts wegen. Die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs im Spannungsfeld von Recht und Politik. Dokumentation und Kommentar. Von Univ.-Prof. Dr. DDr. h.c. Günther Winkler. XVII, 310 Seiten. 2006. Geheftet € 58,–
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