Nr. 507
Die SOL und der Koloß von Hans Kneifel
Es geschah im Dezember des Jahres 3586, als Perry Rhodan mit seinen Ge...
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Nr. 507
Die SOL und der Koloß von Hans Kneifel
Es geschah im Dezember des Jahres 3586, als Perry Rhodan mit seinen Gefährten die SOL verließ und zur BASIS übersiedelte, nachdem er den Solgeborenen das Generationenschiff off iziell übergeben hatte. Die neuen Herren der SOL sahen sich somit endlich in die Lage versetzt, ih re Wünsche zu realisieren. Sie trennten sich von der Menschheit, um ihre eigenen Wege zu gehen. Sie betrachteten den Weltraum als ihren eigentli chen Lebensbereich und das Schiff als ihre Heimat — und die meisten von ihnen scheuten davor zurück, das Schiff zu verlassen und einen Himmels körper zu betreten. Seit der Zeit, da die SOL unter dem Kommando der Solgeborenen auf gro ße Fahrt ging und mit unbekanntem Ziel in den Tiefen des Sternenmeeres verschwand, sird mehr als zweihundert Jahre vergangen, und niemand hat in der Zwischenzeit etwas vom Verbleib des Generationenschiffs ge hört. Im Jahr 3791 ist es jedoch soweit — und ein Mann kommt wieder in Kontakt mit dem verschollenen Schiff. Dieser Mann ist Atlan. Die Kosmokraten ent lassen ihn, damit er sich um die SOL kümmert. Die Verhältnisse an Bord des Schiffes sind chaotisch, wie Atlan zu seiner großen Bestürzung feststellen muß. Alles wird aber noch schlimmer, so bald der Fremde auftaucht. Gemeint ist die Konfrontation: DIE SOL UND DER KOLOSS . . .
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SOL näherte, erschien nacheinander in verschiedenen Ansichten und Ver Der High Sideryt warf sich unruhig größerungen. hin und her. Schweißtropfen bedeck An das Schott, das zu Chart Deccons ten seinen kahlen Schädel. Er wußte, Kabine führte, hämmerten schwere daß die SOL in kurzer Zeit aufgege Schläge. Sie mußten stählerne Werk ben werden mußte. zeuge haben oder die Kolben von Waf Das mächtige Schiff ächzte in allen fen. Verbänden. Panische Aufregung hatte Totenbleich, mit rasendem Puls die Insassen erfaßt. Die Bildschirme schlag, wachte Chart Deccon auf. der Interkome blinkten in raschem Er keuchte und schüttelte den Kopf. Wechsel und zeigten ununterbrochen Dann fluchte er. Der Traum war ein neue Bilder des Inferno gewesen. Schreckens. Jede Einzelheit der Illusion hatte ihn Der energetische zutiefst getroffen. Mahlstrom der Dle Hauptpersonen des Romans: Er stand auf. schüt „Mausefalle" hatte Atlan — Der Arkonide im Kampf gegen telte sich ein zwei seine höchste In Invasoren der SOL. tesmal und riß den tensität erreicht. Chart Deccon — Der Schiffsführer der E-kick-Akku vom Ein Schauer kosmi SOL ist ratlos. Tischchen. Schnell scher Trümmer und Homer Gerigk — Ein verräterischer befestigte er die rätselhafter Gegen Magnide. Elektroden an der stände raste langsa Arianda — Eine Ex-Pyrridin bietet At schweißnassen mer und schneller lan ihre Gastfreundschaft an. Haut. Die Haftflä als die SOL auf die Torgashuun — Ein interstellarer „Mis chen rutschten sionar". siebente Welt zu. mehrmals ab, bis Aus den Lautspre sie endlich saßen. chern gellten Ent Bevor er die Augen setzungsschreie. Die Ferraten kämpften vor den Toren wieder schloß, warf er einen langen eines Hangars um ein startbereites Blick auf die Interkomschirme. Beiboot. Vystiden und ihre Haematen Das „Ding" sah wie eine vieleckige schlugen die Ferraten zurück. Sirenen geometrische Figur aus. Der Text, den gellten durch die Korridore aller drei die Magniden auf einen anderen Schiffsteile. Schirm gespiegelt hatten, besagte fol Das riesige Objekt, das sich der SOL gendes: näherte, war so nahe herangekom Das Gebilde mit einem größten men, daß der Zusammenstoß unmit Durchmesser von zweitausendacht telbar bevorstand. Die Schutzschirme hundert Metern bestand aus dreizehn ließen sich nicht einschalten. Nie fünfeckigen Außenflächen. Aber die mand saß an den Kontrollen der Form war nicht exakt mathematisch, Triebwerke. Schüsse peitschten durch sondern in sich verschoben. Die Flä die Gänge. Der Koloß, der sich der chen und deren Kanten waren von ei1.
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nem Wust zahlloser Auswüchse be deckt. Es gab schlanke Türme und stumpfe Kuppeln, merkwürdig ge formte Antennen und unzählige scharf konturierte Luken. Sämtliche Außenflächen, auch die der Kanzeln und Tentakeln, waren marmorartig gesprenkelt und von vielen Narben, Rissen und Einschlägen gezeichnet. Die Spuren von Hitze und Brand wa ren nicht zu übersehen. Während E-kick in Deccons Körper überströmte, versuchte er, noch mehr Einzelheiten zu erkennen. Er spürte die Übertragung nicht, aber seine Stimmung hob sich ein wenig. „Ein Weltraumfort oder ein riesiges Schiff", murmelte er. „Oder eine Raumstation, die sich irgendwo losge rissen hat." Der Text flackerte auf und ver schwand. An seine Stelle trat die grafi sche Projektion der beiden Kursli nien. Leuchtpunkte markierten die Stel lung und die Geschwindigkeit des Fremden und der SOL. Die Geschwin digkeit des Objektes war im Augen blick größer als die des Schiffes. Die Linien besagten, daß der Fremde sehr nahe an der SOL vorbeirasen würde. In rund einem Tag würde die größte Annäherung stattfinden. Der High Sideryt schloß die Augen und fiel in eine Art Starre. Wie die Wir kung eines starken Alkohols breitete sich das E-kick in seinem Innern aus . . . als er wieder aufstand und sei nen Blick über die düstere Einrich tung seiner einsamen Klause schwei fen ließ, erfüllten ihn neue Spannkraft und das Bewußtsein, daß die SOL noch lange nicht in unmittelbarer Ge
7 fahr war. Ein weiterer Bildschirm zeigte das Innere der eigentlichen Zentrale. Chart berührte eine Taste. Sofort wandte sich ihm ein Techniker zu. „Wer trägt heute die Verantwortung in der Zentrale?" fragte der High Side ryt. „Arjana Joester". lautete die Ant wort. „Ich m u ß sie sprechen." Das Bild wechselte. Arjana hob den Kopf von den Kontrollen und sah Dec con an. „Neuigkeiten von dem geheimnis vollen Etwas, das uns verfolgt? " . Unter dem weißen, wallenden Kleid zeichnete sich die bemerkenswerte Fi gur Arjanas ab. Die junge Frau, nicht älter als einundvierzig Jahre, war schlank und trug rotbraunes Haar. In ihren blauen Augen erkannte der Si deryt das Funkeln ihres eiskalten Wil lens. Aber das Gesicht, dessen hohe Backenknochen asiatischen Einfluß erkennen ließen, verbarg jede tiefer gehende Regung. Leidenschaftslos er widerte sie: „Wir haben einige Kursberechnun gen machen können. Sie sind natür lich nur bedingt zu gebrauchen." Deccon verstand ihren Einwand, denn ständig änderten sich die Ge schwindigkeiten fast aller Objekte, die in den Strudel der Mausefalle hinein gezogen wurden. „Wie stellt sich die Situation jetzt dar?" „Wir haben sicherlich gravitationale Effekte zu erwarten. Möglicherweise gibt es einen Zusammenstoß." „Ich denke daran", sagte der High Sideryt, „den fremden Körper als
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Bremse oder Raumanker zu benutzen. Berechnet diese Wahrscheinlichkeit." „Du denkst tatsächlich an eine sol che Möglichkeit? " Arjanas hübsches Gesicht verzog sich zu einem skeptischen Lächeln. Sie schien an dieser Idee von Chart Deccon wenig Gefallen zu finden. Sie gehörte zu jener Gruppe der Magni den, die der Tradition stark verhaftet war. Schließlich hob sie die Schultern und antwortete: „Wir werden es auf alle Fälle einmal durchrechnen. Viel Chancen gebe ich diesem Plan nicht. Sideryt." „Ich denke deshalb an einen sol chen Versuch", grollte er voller Schär fe, „weil eine kleine Chance besser ist als gar keine. Darüber hinaus sollen einige Gruppen von Buhrlos in den Raum hinausgehen. Dazu etliche Fer raten und Ahlnaten. Sie sollen inner halb der Blase, in der die SOL frei ope rieren kann, möglichst viel Beobach tungen machen und Informationen sammeln." „Die Anordnung wird ausgeführt", bestätigte Arjana. „Das ist die nächste schwere Krise, möglicherweise der Untergang des Schiffes. Was willst du dagegen t u n ? " „Inzwischen haben wir eine Unmen ge von Krisen überstanden. Auch die sen rätselhaften Zwischenfall werden wir überleben. Die SOL ist zu gewal tig, als daß sie zerstört werden könnte." Wenn nicht die Zerstörung von in nen heraus eingeleitet wurde, dachte Chart Deccon. Aber auch sein rotes Gesicht verbarg die Gedanken, die durch seinen Kopf wirbelten. „Bedenke, daß dieser fremde Gi-
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gant — wir nennen ihn manchmal nicht ganz zutreffend ,den Quader' — einen größeren Durchmesser besitzt als eine SOL-Zelle!" „Ich habe es auf den Schirmen gese hen!" grollte er. Seine fleischige Hand legte sich, als schöpfe er neue Kraft daraus, auf das Kästchen, das er an ei ner goldenen Kette an der Brust trug. „Vergeßt nicht, die Buhrlos und die anderen hinauszuschicken!" „Keine Sorge. Wir vergessen nichts", erwiderte Arjana Joester. Der High Sideryt blickte auf den Schirm der Außenbeobachtung. Wie fast immer sah er einige Buhrlos. Aber seine Augen fingen auch einige der rätselhaften Objekte ein, von denen die SOL umgeben war. Für einen lan gen Moment hatte er den Eindruck, das Schiff schwämme in einem riesi gen, glasklaren Meer, in dem gleich der SOL andere Fremdkörper umher drifteten. Der Bruder ohne Wertigkeit schloß: „Ich will so bald wie möglich von den neuen Entwicklungen unterrich tet werden. Ist Homer Gerigk gesehen worden?" „Nein. Die Suche wird energisch be trieben." „Nicht energisch genug, wie mir scheint", knurrte Deccon. „Was habt ihr über den Fremden herausbekom men?" „Über Atlan?" „Gibt es einen anderen?" grollte der High Sideryt wütend. Er erinnerte sich an den Attentatsversuch des Mag niden und versuchte, sich zu beherr schen. Das Chaos im Innern des Schif fes, noch verstärkt durch die rätselhaf te Ankunft des Arkoniden, entsprach
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dem Chaos im kosmischen Umfeld der SOL. „Atlan ignoriert nach wie vor jede Aufforderung, sich zu stellen", ant wortete Arjana kalt. „Aber früher oder später werden wir ihn gefaßt haben." „Es ist zu hoffen. Du weißt, was da von abhängt." „Wir wissen es." Der High Sideryt schaltete die Ver bindung ab. Schweigend stapfte er vor seinen Robotern hin und her und blieb auf einem Podest stehen. Er war sicher, daß in kurzer Zeit nicht nur al le seine Fähigkeiten auf die Probe ge stellt werden würden, sondern daß es darüber hinaus einer Anspannung al ler Kräfte in sämtlichen drei Teilen der SOL bedurfte, um der Krise Herr zu werden. Tief in Gedanken stieg der High Si deryt über die Stufen des Podests und ließ sich in den schweren Sessel fallen. Seine Finger krampften sich um das schwarze Holz der Armlehnen. Er war sich seiner Einsamkeit ebenso bewußt wie der unendlich großen Schwierig keiten, die vor ihm lagen.
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Denke daran! Du und dein Begleiter werden von der SOLAG gejagt! sagte nachdrücklich der Logiksektor. Immer wieder sagte sich Atlan, daß das Innere der SOL der labyrinthische Ausdruck der chaotischen Zustände an Bord war. Zum wievielten Mal? Er erinnerte sich an zahllose Gänge und den groben Raster des inneren Auf baues. Aber immer wieder ließ ihn sei ne Erinnerung im Stich. Einbauten
9 und Umbauten, Durchbrüche und Rampen tauchten auf, die seinen Weg unberechenbar machten. „Bist du sicher, daß wir auf diesem Weg bald die Anschlußstelle von SE NECA finden?" wandte er sich an seinen Führer. „Ziemlich sicher", sagte Gerigk mürrisch. „Aber es ist schwierig, ei nen direkten Weg zu finden. Sie su chen uns. Es wird Jagd auf uns ge macht, Atlan!" Atlan nickte und erklärte lakonisch: „Ich hab's gemerkt." Ohne hundertprozentig sicher sein zu können, vermutete er, daß er Ge rigk nicht trauen konnte. Auf keinen Fall war der Magnide gut und richtig informiert. Trotzdem war er, mit allen Einschränkungen, Atlans augenblick lich einzige Bezugsperson. Atlan, Homer Gerigk und das Dut zend Roboter befanden sich in einem engen Korridor mit stählernen Wän den. Lochprofile und dicke Kabel, die in verschiedenen Farben entlang der Wände und der Decken verliefen, lie ßen erkennen, welchem Zweck diese enge Röhre einmal gedient hatte — oder heute noch diente. Überall lag dichter Staub. Rätselhafterweise hin gen in den Ecken staubbedeckte Spinnweben. Spinnen in der SOL? fragte sich Atlan, dann sagte er sich, daß es diese Tiere auch in den Gebie ten der SOL-Farmer gab. Die Spuren der beiden Männer zeichneten sich deutlich ab. Mehrere der einfachen Leuchtkörper waren noch intakt. Die Schatten der Eindringlinge und der Roboter tanzten über Wände, Decke und den Boden. Der Arkonide forschte in den riesi
10 gen Speichern seiner Erinnerung und versuchte sich zu besinnen, wo zu „seiner Zeit" sich die nächste Haupt anschlußstelle SENECAs befunden hatte. Er fand keinen Weg; dieses drei dimensionale Labyrinth überforderte ihn. Hier, im Mittelteil des Hantel schiffs, befand sich die kugelförmig geschützte Biopositronik mit der aut arken Energieversorgung. Das war si cher, denn im Lauf der langen Zeit würde es niemandem gelungen sein, SENECA zu versetzen. Seit seinen ersten Kontakten mit der vielschichtigen Gemeinschaft an Bord hatte Atlan im stillen versucht, eine Entwicklungsreihe oder einige davon zu erkennen. Sie sollte von den damaligen Solanern bis hierher füh ren. Es ist keine Gemeinschaft, Arkonide, verbesserte das Extrahirn. Es sind mehr als ein halbes Dutzend verschie dene Gruppen, die fast alle gegenein ander kämpfen. Ein Chaos, das auch du nicht wirst ändern können. Atlan dachte grimmig: Aber ich werde es mit allen Kräften versuchen. Er stapfte weiter hinter Homer her. Vor und hinter ihnen schwebten die Maschinen. In diesem Bereich des Schiffes mußten sie sich mit äußerster Vorsicht bewegen. Atlan wußte, daß die Mittelzelle eineinhalbtausend Meter maß. SENECAs kugelförmige Hülle hatte einen Durchmesser von rund fünfhundert Metern. Also wür den sie in gerader Linie schätzungs weise weniger als fünfhundert Meter zurücklegen. Aber diesen geraden Weg gab es nicht, beziehungsweise war er zu riskant. Sie näherten sich der
Peripherie des kugelförmigen Hohl raumes im Zickzack und auf dreidi mensionalen Umwegen. Selbst Ge rigk kannte den Weg nicht sehr genau. Atlan fragte prüfend: „Du weißt auch nicht, Homer, wie wir an die Hauptanschlußstelle kom men?" „Ich kenne diese Stelle", gab Gerigk verärgert zurück. „Aber ich riskiere nicht, daß sie uns dicht vor dem Ziel fassen." „Sind wir denn dicht davor?" Gerigk gab keine Antwort und schlich den Robotern nach. Die Scheinwerfer der Maschinen durch schnitten das fahle Halbdunkel. In den Lichtkegeln tanzten dicke Wol ken von Staubteilchen. Hin und wie der hörten die Männer aus abzweigen den Röhren und Schächten verschie dene Geräusche und menschliche Stimmen. Da Gerigk und er aus der SOL-1 ge kommen waren, konnten sie von der Hauptzentrale auf keinen Fall weit entfernt sein. Es sei denn, Gerigk hat te ihn an ihr und an SENECA vorbei in Richtung auf die SOL-2 geführt. Das Stimmengewirr wurde lauter. Wieder wandte sich Atlan an den Magniden. Die geradeausführende Röhre hörte auf und ging in ein großes Schott über. Es schien für Montageoder Reparaturzwecke geplant wor den zu sein. Aber die dicke Staubkru ste ließ erkennen, daß es seit sehr lan ger Zeit nicht mehr geöffnet worden war. Der Klang der aufgeregten Stim men kam aus einigen Öffnungen, durch die kleinere, dick isolierte Röh ren und armdicke Kabel in farbiger Isolierung führten.
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„Oder befinden wir uns etwa in der Nähe der Schläfer?" wollte Atlan wis sen. „Du hast mir noch immer nicht erzählt, was es mit ihnen auf sich hat." „Eines nach dem anderen", wich Gerigk aus, „und das Nächstliegende zuerst. Wir müssen diesen Fluchtgang verlassen." Seit knapp einem Tag versteckten sie sich. Sie legten größere Strecken zurück, unterbrochen von kurzen Pausen der Rast. Je mehr Atlan über die Magniden erfuhr, desto sicherer wurde er, daß sie zwar die wahren Herrscher waren. Aber aus Gerigks Fi stelstimme sprach dieselbe Unsicher heit, die auch den anderen eigen sein müßte. Sie wußten vieles, aber längst nicht alles, und ihr Geschichtsbe wußtsein über die zurückliegenden Jahrhunderte war ebenso lückenhaft wie ihre Kenntnis von der Topologie des mächtigen Schiffes. Sie wandten zahllose technische Einrichtungen an und bedienten sich ihrer, aber vermut lich waren sie nicht einmal zu einer komplizierten Reparatur fähig. „Wir verlassen ihn durch dieses Schott?" fragte Atlan nicht ohne hör bare Ironie. „Du wirst die Hebel nicht bewegen können." Es gab keinen anderen Ausgang. Das diamantene Atomsymbol an Ge rigks schmutzigem und staubigem Gewand funkelte auf, als sich ein schwerer Roboter an ihm vorbeischob und seine Befehle entgegennahm. Die Maschine öffnete ohne die ge ringsten Schwierigkeiten und fast lautlos das schwere Montageschott. Der Arkonide mußte trotz seiner we nig beneidenswerten Lage grinsen; die gute alte terranische Raumschiffs-
11 Bautechnik war verantwortlich dafür, daß sich das Schiff noch nicht in einen Schauer von Ynkelonium-TerkonitVerbundstahl aufgelöst hatte. Ein dumpf riechender Luftstrom trieb den Staub zur Seite. Das Stim mengewirr schwoll an, als der Robot und der Magnide das Schott eine Handbreit weit öffneten. Atlan dräng te sich näher und spähte durch den Spalt. Als die Scheinwerfer des Ro bots ausgeschaltet wurden, sahen Ge rigk und Atlan in einen Aufenthalts raum hinein, der voller Buhrlos war. „ . . . befohlen, den Gegenstand aus zuforschen. Wir Buhrlos sollen . . . " „Sie nennen es ,den Quader', und er soll größer sein als die S Z - 1 . . . " „ . . . auch Ahlnaten sollen 'rausge hen . . . " Die Buhrlos waren aufgeregt. Ge rigk wandte sich halb um und fragte leise: „Riskieren wir es?" Er deutete in den Raum jenseits des Schotts. Atlan hob die Schultern und erwiderte abschätzend: „Was kann einem Magniden mit sei ner Robotleibwache schon gesche hen?" „Wir können verraten werden!" „Nicht, wenn wir es richtig anstel len", sagte Atlan. Die Wortfetzen, die er gehört hatte, alamierten ihn. Er glaubte herausgehört zu haben, daß sich ein riesenhafter Gegenstand dem Schiff näherte und man bestrebt war, Informationen über den Quader ein zuholen. Das Schott öffnete sich ge räuschlos, aber erst dann, als abermals der Robot zupackte. Einer der Menschen mit der rötlich schimmernden Glashaut blickte über
12 die Schulter eines anderen, der den Gejagten den Rücken zuwandte. Sei ne Augen, von runden Wülsten umge ben, weiteten sich. Dann stieß er auf geregt hervor: „Der Fremde! Atlan! Und Homer Gerigk, der Magnide." Drohend schob sich Gerigk hinter Atlan in den Raum und sagte mit sei ner hellen pfeifenden Stimme: „Ein Magnide mit seiner Robotleib wache. Verhaltet euch ruhig." Sofort war die Gruppe umringt. Die Maschinen bauten sich schützend um Gerigk auf. Atlan trat zur Seite und er kannte aus dem Verhalten der Frauen und Männer, daß sie sich längst un tereinander verständigt hatten. „Wir wissen, wer du bist, und was du willst", sagte einer der Buhrlos und näherte sich ihm ohne Unterwürfig keit. „Es hat sich schnell herumgespro chen!" bekräftigte Atlan. „An welcher Stelle der SOL-1 befinden wir uns?" „Nicht weit von der Hülle entfernt. Du bist sicher. Wir haben genügend Leute, um rechtzeitig gewarnt zu wer den", und nach einem giftigen Blick in die Richtung Gerigks fuhr er fort: „Gewarnt vor Magniden, die selbst auf der Flucht sind." „In der Tat", bekannte Atlan und sah wachsam um sich. Die Bewohner dieses Raumes hatten einen tiefgestaf felten Halbkreis um die Männer und die Maschinen gebildet. Einige Buhr los zerrten das Schott wieder zu und schoben die schweren Hebel in die Ausgangsstellung zurück. „Du brauchst unsere Hilfe", sagte ein anderer. „Der High Sideryt will dich unbedingt sprechen. Niemand
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kann sich vorstellen, daß er dich unge schoren läßt. Du kannst ihm seine Macht wegnehmen." Auf seine hilflose, gläubige Art hat der Buhrlo recht, sagte der Logiksek tor. Atlan sah dem Mann lange in die Augen und erwiderte dann knapp: „Ich will keinen Kampf. An Bord herrscht bereits das vollkommene Chaos. Was habt ihr von dem großen Ding, dem Quader, geredet?" Sie sagten es ihm. Auch Gerigk hör te schweigend zu. Die Buhrlos kann ten nun den Kurs, der den Quader na he an die SOL heranbringen würde. Inzwischen hatten die Befehle des High Sideryt im Schiff die Runde ge macht. Ferraten, Ahlnaten und Buhr los sollten in den Weltraum gehen und Informationen einholen. Es hieß, der Herrscher des Schiffes wolle sich an diesem Riesen festklammern und ver suchen, den Kurs des Schiffes zu än dern und es aus dem Sog von Mause falle zu befreien. Atlan sagte sich, daß dieser Plan ei ne, wenn auch geringe, Aussicht auf Erfolg haben konnte. Allerdings wuß te er nicht, über welche technischen Möglichkeiten die Magniden in der Zentrale noch verfügten. „Könnt ihr mir einen gut funktionie renden Raumanzug verschaffen?" fragte Atlan. „Wir kennen, dich. Wir vertrauen dir!" sagten einige Buhrlos laut. Atlan lächelte schmerzlich. Gerade sie, eine der Paria-Gruppen des Schiffes, wür den jeden als Retter ansehen, der sie gut behandelte. Nun, ihm vertrauten sie vielleicht ein wenig mehr, denn auch sie hatten erfahren, daß er zu sammen mit Perry Rhodan vor rund
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acht Generationen das Schiff geführt hatte . „Danke. Was hofft ihr, daß ich tun kann?" fragte er skeptisch zurück. Ich bin machtlos und werde gejagt." „Wir können jeden, der gejagt wird, bei uns verstecken. Selbst einen Mag niden!" erklärte ein anderer Spre cher. „Los! Geht zu den anderen und verschafft ihm einen Raumanzug. Sagt, ihr braucht ihn für einen Ferra ten." Eine junge Frau und zwei Männer bahnten sich einen Weg durch die Menge und verschwanden im Halb dunkel am anderen Ende des Raumes. „Du wirst eines Tages dafür sorgen, daß wir nicht die versklavten Hand langer für die SOLAG bleiben und uns frei entfalten können!" schrie je mand aus der hintersten Reihe. „Wir wollen nicht mehr länger nur die verachteten E-kick-Beschaffer sein!" „Was willst du mit dem Raumanzug, Atlan?" fragte Gerigk mit schmalem Mund. Er war sichtlich verärgert, und das nicht nur deshalb, weil ihm hier Feindschaft, Atlan hingegen Wohlwol len entgegengebracht wurde. „Ich will sehen, ob mit Hilfe des so genannten Quaders das Schiff vor dem Absturz gerettet werden kann. Oder vor der Kollision mit der Mause falle Sieben." „Und du kannst ihm nicht helfen, weü man dich dabei erwischen würde, Gerigk . . . ? " rief ein aufgebrachter Buhrlo. „Recht hat er", gab Atlan zu. „Willst du mitkommen, Homer Gerigk?" „Warum nicht?" entgegnete der Magnide mit schiefgelegtem Kopf.
13 „Warum eigentlich nicht, wenn die Buhrlos für meine Sicherheit garantie ren!" „Wir garantieren für nichts. Die Magniden müssen wohl sein, ein not wendiges Übel", erregte sich ein an derer Sprecher. „.Aber verlange nicht, daß wir sie lieben!" „Lieben!" schrie ein anderer, offen bar durch Atlans Anwesenheit muti ger geworden. „Wir würden dich am liebsten totschlagen — wenn du nicht deine Maschinen um dich herum hät test!" Atlan verstand m i t t l e r w e i l e von der hierarchischen Schichtung im Schiff soviel, daß er wußte: bei Buhrlos wa ren Magniden verhaßt. Gleichgültig, in welcher Eigenschaft einer der weni gen aus der herrschenden Kaste sich hier befand, und gleichgültig auch, in welcher Gruppe von Buhrlos er steckte. „Niemand wird erschlagen!" ver suchte Atlan zu beschwichtigen. „Er zählt lieber, was ihr über die letzten Stunden wißt. Genauer, was die Schiffsführung tun will, um die Ge fahr auszuschalten." Die wenigen Informationen deckten sich nahezu mit seiner Sicht des Pro blems. Vermutlich wußten die Magni den und der High Sideryt auch nicht mehr, sonst würde ihre Reaktion an ders aussehen. Schließlich ver schränkte einer der überschlanken Menschen seine Arme im Nacken und führte vor der Brust mit Fingern und der Faust einige andere Gesten aus. Dazu sagte er: „Mehr wissen wir auch nicht. Jeden falls gehen viele von uns hinaus. Wir haben uns bereits für den Einsatz ge
14 meldet." „Und ihr nehmt mich mit?"' wollte Atlan wissen. „Wir begleiten dich, Atlan." Gerigk hob die Arme und schrie in überraschender Plötzlichkeit: „Ich werde dafür sorgen, daß ihr für euer Verhalten bestraft werdet. Unter schätzt mich nicht! Ich bin noch lange Herr vieler meiner Möglichkeiten. Ihr werdet alle dafür bezahlen. Auch du, Atlan." Die Roboter handelten auf einen un hörbaren Befehl. Sie bauten starke Schutzfelder auf, die sie selbst und ihren Herrn einhüll ten. Die Maschinen bahnten sich ei nen Weg durch die aufgeregte Menge der Buhrlos. In Gerigks Gesicht stand deutlich geschrieben, daß er vor Wut kochte. Seine Fistelstimme hatte sich mehrmals überschlagen. Trotzdem konnte er Atlan und seinen Freunden schaden. Der Arkorude lehnte sich ge gen eine Art Regal und sah zu, wie der Magnide einem Ausgang entgegen eilte. Er wütet, weil er dich nicht mehr für seine Zwecke gebrauchen kann! sagte analysierend der Extrasinn. Einige Buhrlos verloren die Beherr schung und warfen Werkzeuge, her umliegende Essensbehälter und eine Vielfalt anderer Gegenstände dem Magniden und seinen Leibgardisten nach. Die Geschosse prallten von den Schirmen ab und polterten und klirr ten zu Boden. Atlan rief durchdringend: „Hört auf. Es ist sinnlos! Ihr erreicht damit nichts!" Dröhnend schloß sich ein ausge leiertes Schott. Der Magnide ver-
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schwand und rannte in ein anderes Versteck. Für den Augenblick war Atlan in Sicherheit, aber er war auch ei ner Informationsquelle beraubt, die mit Sicherheit besser war als die Buhrlos. Würde der Haß aus der Ent täuschung entstanden, so weit gehen, daß Gerigk versuchen würde, Atlan zu beseitigen? Der Arkonide hatte ab jetzt mit die ser Möglichkeit zu rechnen. Er wandte sich an die Schar von et wa dreißig Buhrlos, die jetzt unruhig durcheinanderliefen und sich leise un terhielten. Die Stimmung in diesem Raum entsprach den ersten, ver schwindend geringen Impulsen, die einer Revolution vorangingen. Atlan unterschätzte die Buhrlos keinesfalls, und schon gar nicht ihr Kommunika tionssystem innerhalb des Schiffes. Insgesamt gab es sechstausendacht hundert Buhrlos und Halbbuhrlos an Bord; eine Menge, die zwar als Ver bündete unschätzbaren Wert besaß, aber als Träger einer Revolution fast unbrauchbar waren. Atlan hatte nicht einmal daran ge dacht, eine Revolution von der Basis her in Gang bringen zu wollen. Sein Weg würde anders aussehen. Wieder entstand Aufregung. Die Buhrlos kamen wieder zurück und trugen einen Raumanzug. An der Schulter des Anzugs, der Atlans Grö ße entsprach und einigermaßen ge pflegt und intakt aussah, erkannte der Arkonide das Zeichen der Eisen rhodanid-Molekülstruktur in Gelb. „Danke", sagte er. „Ich muß mich darauf verlassen, daß ihr mich in be stimmter Hinsicht schützt Auf alle Fälle brauche ich gute Führer. Viel zu
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viel wurde im Schiff verändert. Ich finde meinen Weg nicht mehr allein." Das leise Gelächter entspannte die aufgeregte Situation. Ein älterer Buhr lo berührte Atlan freundschaftlich an der Schulter und sagte unter dem Bei fall der Versammelten: „Keine Sorge. Wir nehmen dich mit hinaus in den Raum. Vielleicht ge winnst auch du mehr innere Kraft durch das E-kick. Du mußt dich nur wie ein Ferrate verhalten, Atlan." Sie halfen dem Arkoniden in den Raumanzug. Atlan testete die ver schiedenen Funktionen und sah beru higt, daß — bis auf winzige Einzelhei ten ohne große lebenserhaltende Be deutung — die Aggregate funktionier ten. Er schloß den Anzug, aber noch nicht den Helmteil. „Gehen wir jetzt sofort?" fragte er. „Ja. Die Befehle wurden schon vor einiger Zeit gegeben." Nicht alle Buhrlos verließen den Raum. Eine Gruppe von mehr als ei nem Dutzend der Weltraumgeborenen nahm Atlan in ihre Mitte und zogen ihn mit sich. Ein anderes Schott öffne te sich, und Atlan sah sich einem brei ten, guterhaltenen Korridor gegen über. Guterhalten bedeutete in seinem Fall, daß der Korridor nahezu so aus sah, als habe er zwei Jahrhunderte oh ne Veränderungen und Schäden über standen. Zwar fehlten Beschriftun gen, die Atlan sagen konnten, wo er sich nun tatsächlich befand, aber die Beleuchtungskörper funktionierten ebenso wie mehrere Interkome, deren Schirme er sah. Einige zwanzig Meter weiter gab es auch ein funktionierendes Transportband. Die Buhrlos drängten ihn dorthin.
15 Sie wollten vermutlich möglichst schnell wieder in einen Bereich kom men, an dem ihr neuer Freund nicht auffiel. „Wir sind bald in einer Schleusenne benkammer", sagte der haarlose Mann rechts neben dem Arkoniden. „Dort kannst du dich aufs Aussteigen vorbe reiten." „In Ordnung", erwiderte Atlan me chanisch und blickte sich um. Als sie fast am Ende des Bandes waren, ka men zwei Gestalten mit feierlichen Schritten und langsamen Gesten aus einem Raum hervor. Sie trugen lange, faltig-fallende Gewänder von hellem Blau. Auf der linken Brustseite er kannte Atlan das bronzefarbene Atomsymbol. Ahlnaten! Achtung! signalisierte der Extrasinn. Einer der beiden hielt mit weit aus holender Geste die Buhrlos auf. Er leg te seine Hand auf den Griff des Paraly sators und fragte mit leiser, aber ein dringlicher Stimme: „Was wollt ihr mit dem Rostjäger, Gläserne?" Eine unechte, übertriebene Feier lichkeit ging von den Gestalten aus. Ihre Gesichter trugen einen scheinbar verinnerlichten Ausdruck. Falsche Weisheit umgab sie wie der muffige Geruch alter Kleidung. „Nach draußen. Wir gehorchen dem Befehl, mehr Informationen über den riesigen Feind der SOL zu bringen, Ahlnate!" antwortete ein Buhrlo. Die anderen gingen weiter, nachdem sie das Band verlassen hatten. Atlan senkte den Kopf und gab sich den An schein, über seinen Auftrag nachzu denken.
16 „Werdet ihr auch E-kick sammeln?" erkundigte sich sein Nachbar mit ebenso leierlicher Stimme. „Jetzt nicht. Wir erhalten unsere Ausrüstung dort vorn", lautete die Antwort. „Wir sind in Eile." „In diesem Fall werden wir euch nicht aufhalten. Tut für das Schiff, was eure Arbeit ist", schloß der Ahlnate und machte eine wedelnde Handbe wegung. Atlan atmete auf. Beide Ahl naten waren mit Paralysatoren und Vibratormessern bewaffnet, die in dem breiten Gürtel steckten. Er selbst besaß nur einen Thermostrahler, den er zu verstecken versuchte, und seinen IV-Schirm. Die Buhrlos zogen ihn wei ter mit sich. Es ging rechts um die Ek ke und auf einen Korridor hinaus, an dessen Ende unverkennbar die Schot ten eines Beiboot-Hangars zu sehen waren. Einige Ferraten standen an der schweren Metalltür. Sie winkten den Buhrlos, und einer rief: „Hierher! Holt euch die Triebwerke! Wir starten gleich!" „Nur keine unsinnige Eile, Rostjä ger!" knurrte ein Buhrlo zurück. In den Regalen der Schleusenvorkam mer herrschte eine für Atlan unge wohnte Ordnung und Sauberkeit. Die Energieversorgung arbeitete ohne Aussetzer, und die Vorratsfächer wa ren voller Werkzeuge, Tornistertrieb werke, Raumanzüge und all dem, was Atlan hier zu sehen erwartet hatte. Im großen Hangar, jenseits der Sicher heitsscheiben, stand eine Korvette. Das Raumfahrzeug sah ungewöhnlich aus. Es war mit einfachen Methoden halbwegs umgebaut worden. Wäh rend sich die Buhrlos mit Gürteln,
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Triebwerken und Sicherheitsseilen ausrüsteten, betrachtete Atlan die Korvette. Mit Griffen, die unendlich lange Übung verrieten, befestigte der Arko nide das Triebwerk und die Steuerung an seinem Rücken. Die Laderäume der Korvette waren ohne Schleusenportale. Im Licht der Tiefstrahler sah Atlan lange Stangen und Haltegriffe. Die Ferraten, die das kleine Schiff bestiegen, trugen wie er Raumanzüge. Einige Buhrlos, voll ständig ausgerüstet, verließen die Vor kammer und gingen hinüber zum Schiff. Sie wirkten halb aufgeregt, halb neugierig. Atlan begriff dieses seltsame Arrangement. Die Buhrlos brauchten keinen Schutzanzug, das wußte er. Die Ferra ten, vermutlich befehligt von einer Schwester oder einem Bruder höherer Wertigkeit, steuerten das Schiff. Die beiden Gruppen ergänzten sich be stens. Die Informationen würden zur einen Hälfte von den Geräten des Raumschiffs stammen, zur anderen von den Buhrlos, die sie auf andere Weise einholten. „Hat es einen bestimmten Grund . .. Atlan, daß du wartest?" fragte ein Buhrlo und stieß ihn an. „Nein", sagte der Arkonide. „Ich se he mich nur um. Ich versuche zu ler nen — von euch." „Komm. Sie warten nicht auf uns." Atlan ließ sich von den Solanern mit der gläsernen Haut mitziehen. Schleu sen öffneten und schlossen sich. Er glaubte sich für einen Augenblick in die Zeit zurückversetzt, zu der er und Perry aufgebrochen waren, zu einer Mission, die kein Beispiel hatte. Dann
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gab er sich einen entschlossenen Ruck und bestieg das Schiff. Die Buhrlos versammelten sich um ihn im offenen Laderaum. Einige von ihnen schienen den Moment nicht erwarten zu kön nen, an dem sie wieder im All waren, ausgesetzt dem schwachen Licht einer weit entfernten Sonne und der rätsel haften kosmischen Strahlung, von der sie sich die Wirkung von E-kick ver sprachen. Die inneren Schleusen schlossen sich. Lichtsignale und akustische War nungen — wie in alten Zeiten — berei teten die Menschen im Schleusenhan gar auf den Start vor. Der Druckaus gleich wurde ausgeführt, das Portal schob sich auf, und die Korvette hob langsam ab und startete in den Welt raum hinaus. Atlan hielt sich inmitten der Buhrlos an zwei Griffen fest und bückte durch die Sichtplatte des Hel mes hinaus. Das Weltall. Die Sonne des Planetensystems von „Mausefalle" leuchtete schwach, aber immerhin stark genug, um alles, das die Sonnenstrahlen reflektieren konn te, deutlich zu zeigen. Die Korvette schwebte langsam von der SOL fort. Atlan starrte schweigend hinaus. Er sah rund um die SOL die Gegenstände, die auf den rätselhaften Planeten zutrieben. Kleine und große Felsbrocken in allen Farben und mit jeder denkbaren Oberflächenstruktur, die sich langsam über alle Achsen drehten. Jeder davon hatte eine ande re Geschwindigkeit. Es sah aus wie der letzte Ausläufer eines Hagel schlags in Zeitlupe. Dann sah Atlan den Quader.
17 Nachdenklich betrachtete der Arko nide diesen Fremdkörper. Er war schätzungsweise noch so weit entfernt, daß zwischen der SOL und ihm ein problemloses Manövrie ren möglich sein würde. Atlan sah die verschiedenen fünfeckigen Außenflä chen und das wirre Durcheinander von Kanzeln, Nadeln, Vorsprüngen und Antennen, oder was immer dort aus dem „Quader" hervorragte. Das Objekt war riesengroß. Atlan schätzte, daß sein Durchmes ser um rund ein Drittel größer war als das einer der beiden SOL-Zellen. Mar morfarben gesprenkelt und in langsa mer Eigenrotation kam der Quader nä her. Seine Formen wirkten verscho ben, ohne mathematisch exakten Mit telpunkt. Atlan begann zu ahnen, daß dieses Objekt ihn vorübergehend mehr be schäftigen würde als die zahlreichen Probleme der SOL.
3.
Großschale war auf der Reise, ihre Botschaft (die dringende Botschaft Ergomans) zu einem Planeten der Abtrünnigen zu bringen, eingefangen worden. Die Missionare Ergomans wußten, daß sie sich in einer plane taren Falle befanden. Sie wußten nichts davon, welche Aufregung sie in der kosmischen Nachbarschaft hervorriefen. Noch nicht. Man muß gemeinsam handeln. rief eine der organischen Komponen ten. Die Besatzung von Groß schale muß
18 unbedingt gerettet werden, fügte eine andere hinzu. Es wird schwierig werden — und ge -ährlich! war der Kommentar einer dritten. Aber keinesfalls unmöglich. Fragt Missionar Torgashuun und richtet euch nach seinen Anweisungen. Von ihm wurde auch die letzte Krise ohne Aufwand gemeistert, schaltete sich eine andere Komponente ein. Die kybernetischen Zwangspartner hatten nicht so lange gebraucht, die eingehenden Informationen richtig zu verarbeiten. Innerhalb des riesigen Objekts, das sich dem anderen Großobjekt näher te, herrschte ein ununterbrochenes Summen. Fast alle Räume waren in ei nem düsteren Grau gehalten. Die Far be entsprach dem Wissen und dem Geschmack der kybernetischen Kom ponenten, die mit den organischen Teilen eine Einheit bildeten. Unzählige Hinweise, Linien, Punkte und Markierungsstreifen in sämtli chen Farben des Spektrums zeichne ten sich an den Wänden und Ecken ab. Sie waren notwendig für die Orientie rung der kybernetischen Komponen ten. Die Räume waren ausnahmslos zu groß dimensioniert. Sie strahlten eine düstere Kühle aus. Sie schienen für riesenhafte Wesen gebaut worden zu sein. Überraschend wäre für einen fremden Beobachter gewesen, daß es innerhalb des gesamten Schiffes keine einzige Sitzgelegenheit gab. Auch et was, das man als Liegen bezeichnen konnte, fehlte völlig. Die kybernetischen Komponenten wisperten:
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Wir nähern uns dem Fremden in be trächtlicher Geschwindigkeit. In zwei Zeiteinheiten werden wir dicht neben einander fliegen. Bei weiterhin wech selnden Verhältnissen besteht die Ge fahr einer Kollision. Beraten wir weiter! Die achtund zwanzig Schalen wissen, daß es um die Sicherheit von Großschale geht. Ky bernetische und organische Kompo nenten werden zusammenarbeiten. Der Fremde muß aus dem Kurs ge drängt werden. Vielleicht muß er zer stört werden. Beide Komponenten sind einver standen! Alle Missionare werden ihr Äußerstes tun, um die Lage zu klären. Einverstanden! Ergoman wurde von den Missio naren als geistige Zentrale eines unter stellaren Reiches empfunden. Eine der vielen Kolonialwelten hatte sich von der Zentrale losgesagt. Daraufhin war Großschale gestartet worden, um die Häretiker wieder den Normen der Zentrale anzupassen. Die Abtrünni gen sollten nicht vernichtet, sondern bekehrt werden. Diese Mission war jetzt in akuter Gefahr. Die Kybernetics und die Organics müssen sich zusammenschließen! Genau dies wird geschehen! Und zwar sofort! Das Objekt, das uns vorausfliegt, ist langsamer als wir. Also haben wir es in kurzer Zeit ein geholt! . Vielleicht kann Großschale durch ei ne Art Bremsversuch vor dem Absturz gerettet werden. Wir sollten noch nicht über „Ret tung" diskutieren. So dramatisch stellt sich die Situation noch nicht dar.
Die SOL und der Koloß
Noch nicht! An verschiedenen Stellen des laby rinthischen Innern von Großschale befanden sich die Missionare. Sie be standen aus einer mengenmäßig ge ringen Anzahl kybernetischer Struk turen, die allerdings meisterhaft in den Organismus der schweren und kräftigen Lebewesen integriert waren. Die organischen Anteile der Groß schalen-Besatzung machten sich be reit. Aber ohne die Steuerung durch die Kybernetics konnten sie nicht agieren. Der Bordrechner begann mit erhöh ter Kapazität zu arbeiten. Der Anführer der Missionare stand auf. Es war eine umständliche Proze dur, aber sie entsprach den Umstän den, unter denen die Missionare wäh rend der Flüge in Großschale lebten. Eine amorphe Masse aus grauem, schwarzgestreiften Material, das wie feuchtes, glänzendes Leder aussah, verließ den Tank. Sie bildete Pseudo füße aus, erzeugte Muskelstränge und richtete sich schließlich zu einer Ge stalt auf, die annähernd humanoide Formen hatte .. . mit einigen Unter schieden. Sie bewegte sich auf zwei gelenklosen Beinen, hatte einen ku gelförmigen Körper mit vier langen Tentakelarmen und einen Kopf, der wie eine Halbkugel ohne Hals auf dem Körper saß. Mit wenigen Schritten war der Missionar an einer der vielen Verteilerstellen der Bordkommunika tion und des Versorgungsnetzes. Das beruhigende Geräusch des An triebs und der unzähligen Nebenag gregate nahm der ruhelose Insasse des Schiffes nur am Rand seines Bewußt seins wahr. Aber es beruhigte ihn. Das
19 Netz aller Schaltungen und Leitun gen, das in seiner Gesamtheit den Bordrechner ausmachte, verlief ent lang der Decken und Wände der inein andergreifenden Korridore, Hallen und Stollen, die das Innere von Groß schale durchzogen wie die Gänge von mathematischen Maden, die eine Frucht ausgehöhlt hatten. Großschale in ihrer Gesamtheit war der Bordrech ner und umgekehrt — ein riesengro ßer, unzählig oft verzweigter Organis mus mit seinen Nervenbahnen und Rezeptorzellen. Ein mechanischer Anschluß ver band sich mit dem Wesen. Informationen und Rechenergeb nisse strömten wie ein Sturzbach in Kaskaden in die kybernetische Kom ponente ein. Ein zweiter Anschluß öffnete sich und versorgte den organischen Teil des Missionars mit unschädlichen Drogen, die seine Reflexe schärften, nachdem sie die Masse des Körpers blitzschnell geweckt hatten. Dann strömte eine Menge an aufbauender Nahrung in den Körper, die ihn für mehrere Zeiteinheiten versorgte. Als der Missionar — sein Name war Tor gashuun II — gesättigt und mit den aktuellen Informationen ausgestattet war, löste er die beiden Verbindungen und fühlte sich, als sei ihm ein neues Leben geschenkt worden: kraftvoll, entschlossen und handlungsaktiv. Schnell verständigte er sich mit den anderen siebenundzwanzig Wesenhei ten. Missionar Torgashuun I sagte: „Brechen wir auf und sehen uns an den Sichtgeräten an, was uns erwartet. In die Zentrale, Mitbrüder!" Die Zentrale von Großschale lag im
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absoluten Mittelpunkt des Schiffes. Von achtundzwanzig verschiedenen Punkten aus machten sich die Mis sionare auf den Weg. Sie kamen an Räumen vorbei, in denen Ausrüstun gen für jeden denkbaren Zweck gela gert waren. Die Spezimen (teilweise halbintelli gent, zum anderen Teil eindeutig als tierisch einzustufen) in den abgelege nen Nebenräumen beachteten sie nicht. Für diesen Einsatz waren sie un wichtig; ihr Vorhandensein würde erst auf dem Zielplaneten wieder wichtig werden. An einer Stelle wählten sie achtundzwanzig gewisse Aggregate aus, mit denen sie sich gegenüber den Wirkungen des Weltraumvakuums schützen konnten. Andere dienten der medizinischen Versorgung. Eine drit te Sorte von Ausrüstungsgegenstän den galt der Bewaffnung. Sie war so konstruiert, daß sie jede bekannte Technologie entscheidend treffen und zerstören konnte, ohne auf mehr als zufällige Gegenwehr zu stoßen. Aller dings bestand bei dieser rechnerer mittelten Definition stets die Gefahr, daß eine andere Rasse, ein anderes Sternenvolk die Technik des missio narischen Zentrums Ergomans über treffen konnte. Eine Frage, von Torgashuun XXI gestellt, hallte eindringlich durch die Gänge und Stollen. „Das große Objekt vor uns — ist es künstlichen Ursprungs? " Diesmal antwortete der Bordrech ner. „Es ist künstlich. Wir nähern uns mit dem Vektor . . . " Es folgte eine An gabe, die niemand außer den Missio-
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naren verstand. „Ist es tot, oder befinden sich leben de Wesen darin?" „Es ist mit durcheinanderquirlendem Leben erfüllt. Aber die einzelnen We senheiten haben eine unbedeutende, in der geistigen Potenz zu vernachläs sigende Größe." „Das macht unser Vorgehen ein we nig leichter." Torgashuun I bis Torgashuun XXVIII trafen sich nach kurzer Zeit in der Zentrale von Großschale. Jeder von ihnen hatte seine Schale ohne Schäden oder Zwischenfälle verlassen können. Die Missionare barsten förm lich vor Kraft und Entschlußfreudig keit. Wieder einmal waren die organi schen Komponenten froh, einen ky bernetischen Zwangspartner zu ha ben. Lagen sonst die beiden Teile eines Missionars in gewissem intellek tuellem Kampf, so ergänzten sie sich jetzt und bildeten einen Körper, der nahezu unbesiegbar war. In der Zentrale bildeten die acht undzwanzig einen vollkommenen Kreis um das zentrale Informationsge rät. „Es wurde festgestellt, daß auch Großschale einen eingeschränkten Aktionsradius hat." „Wie?" Der Bordrechner produzierte eine Datenflut von hellen Linien auf dunk le Schirme und ließ die Felder des Mit teilungspanoramas blinken. Jedes Si gnal hatte in Verbindung mit Tausen den anderen eine bestimmte Bedeu tung. Diese Information konnten nur die kybernetischen Komponenten auffassen und verarbeiten. Sie gaben sie unverzüglich in aufbereiteter Form
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an die Missionare weiter. „Der Sog der siebenten Welt, von der sonnenfernsten Bahn aus gerech net, verhindert ein Ausweichen nach der Seite. Die Strecke ist limitiert auf..." Wieder erfolgte eine Angabe, die nur von den Kybernetics verstan den wurde. „Mehr Informationen!" Was der Bordrechner ermittelte, gab er an die kybernetischen Komponen ten weiter, die ihrerseits die organi schen Teile versorgte. Die Informatio nen waren deswegen nicht schlechter geworden, sondern wurden lediglich verändert. Schließlich sagte Torgas huun l: „Wenn wir das fremde Schiff einer Inspektion unterziehen, dann muß der Bordrechner die volle Entscheidungs gewalt über Großschale bekommen. Seid ihr einverstanden?" Nach kurzer Überlegung entschlos sen sich die Achtundzwanzig: ,, Einverstanden!" Torgashuun I fügte hinzu: „Darüber hinaus müssen unsere Ky bernetics dem Bordrechner eine Pro grammierung erteilen, die ihn befä higt, ein.. Ankermanöver und einen Bremsversuch am fremden Schiff vor zunehmen. Das ist, technisch gesehen, kein großes Problem." „Das ist logisch. Programmiert ihn!" sagten die organischen Teile. Auf dem Informationsbord schoben sich Pulte heraus. Zwei Torgashuuns ließen sich vor den Tasten nieder und wurden von den Kybernetics über nommen. Die kybernetischen Kompo nenten steuerten die Finger der Mis sionare. Das Programm wurde einge geben. Dadurch sicherten die Missio
21 nare dem Schiff die Entscheidungs autarkie und sich selbst möglicher weise den Erfolg. „Alles bereit?" Die Insassen von achtundzwanzig Schalen mußten die Mission retten, al so war es ihre Aufgabe, Großschale die Bewegungsfreiheit wiederzu geben. Da der Fremde, der zur Ret tung dienen sollte, unbekannt war, mußte eine schnelle Inspektion durchgeführt werden. Die Missionare Ergomans verständigten sich mitein ander, dann brachen sie in den Welt raum auf. Vier große Antigravgeräte schwebten summend in die Zentrale herein. Jeweils sieben Missionare in voller Ausrüstung schwangen sich auf die Sitze. Jetzt hätte ein Beobachter sehen können, warum die Korridore und Hallen so groß dimensioniert wa ren. Sie entsprachen der Größe jener Wesen, die sich als Schalen verstan den. In einer Schleuse hielten die Trans porter an. Die Schalen machten ihre Ausrü stung raumfest, checkten ihre Waffen durch und warteten auf die Schaltung des vernetzten Bordrechners. Das Tor zog sich auf, und nacheinander verlie ßen die achtundzwanzig Missionare Großschale. Sie orientierten sich schnell, fuhren die Antriebsaggregate hoch und nahmen das Ziel auf. Weit vor ihnen, aber durch die ver größerten Optiken klar zu erkennen, schwebte der Fremde. Das Raum schiff hatte eine höchst ungewöhnli che Form. Es wirkte wie zwei Kugeln, die von einem dicken, annähernd zy lindrischen Mittelstück verbunden
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Breite Wülste zogen sich um die Ku geln und um den Mittelzylinder. Die Masse des Schiffes, sagten sich die Schalen, war zweifellos größer als die von Großschale. Das Ankermanöver des Bordrechners würde durchzufüh ren sein. An einer so großen Masse würde das eigene Schiff leicht veran kert werden können. Die Missionare wußten, daß sie sich im Beobachtungsbereich ihrer eige nen Bordgeräte befanden. Sie mußten damit rechnen, daß auch das andere Schiff über derartige Einrichtungen verfügte. Aber sie rechneten auch da mit, daß man sie für Teile der treiben den kosmischen Fragmente halten würde. Schweigend trieben sie mit ausge schalteten Antrieben dahin. Unmerk lich wuchs vor ihnen die Konstruktion des Fremden. Ein winziger Punkt löste sich aus ei ner der Kugeln und kam auf Kolli sionskurs näher. War das Ziel jener fremden „Schale" das eigene Schiff?
4.
Gerigk vertraute darauf, daß sich nicht jede Nachricht gleich schnell herumsprach. Er versuchte sich zu be herrschen und das Beste aus seiner Niederlage zu machen. Was er brauch te, war ein Ahlnate, der ihm half. Er hob die Hand und sagte zu einem seiner Robots: „Suche einen Ahlnaten. Möglichst einen alten, der nicht mehr ganz rich tig im Kopf ist. Bringe ihn hierher." Der Roboter drehte sich herum und verließ das Versteck des Magniden.
Die Robotwachen vor dem Schott lie ßen ihn passieren. Gerigk war es ge lungen, in eine Kabine einzudringen. Sie gehörte, wie er an der Einrichtung erkennen konnte, einem Pyrriden. Der Inhaber war bisher nicht wieder aufgetaucht. Gerigk hoffte, daß er einige Tage lang vor ihm Ruhe haben würde. Seine Flucht hatte ihn wieder zurück in jenen Teil der SZ-1 geführt, der in der Nähe des Mittelteils lag. „Verdammt!" stieß Homer Gerigk aus. Er befand sich in einer wenig benei denswerten Lage. Nach dem fehlge schlagenen Versuch, die Macht an sich zu reißen, war er ein Gehetzter. Si cherlich würde nicht jeder der rund neunzigtausend Insassen der SOL ihn verraten, aber viele warteten nur dar auf, durch eine besondere Auszeich nung einen Rang aufwärts zu rücken. Eine Möglichkeit, seine Lage zu ver bessern, war die Möglichkeit, Atlan an den High Sideryt auszuliefern. Viel leicht ließ sich durch eine solche Ak tion Deccon umstimmen. Denn Atlan, das hatte Gerigk erkannt, bedrohte durch seine bloße Existenz die Macht des High Sideryt. „Die Gläsernen haben ihn ins All hinausgebracht", murmelte Gerigk im Selbstgespräch. „Ich m u ß verhindern, daß er wieder das Schiff betritt." Er fuhr mit den Fingerspitzen durch sein schwarzes, gekräuseltes Haar. Sein Verstand arbeitete rastlos und spielte alle im Moment denkbaren Möglichkeiten durch, weder Macht noch Einfluß oder gar sein Leben zu verlieren. Sein Ziel war, Chart Deccon zu ersetzen. Dieses Ziel lag augen blicklich in utopisch weiter Ferne.
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Aber er dachte nicht daran, aufzuge ben. Was konnte er tun? Alles lief darauf hinaus, daß er die momentane Verwirrung ausnutzte. Binnen kurzer Zeit war Atlan ein ernstzunehmender Machtfaktor ge worden. Jeder, der sich an die Vergan genheit der SOL erinnerte, entsann sich auch an Atlan. Dieser Mann konn te die Symbolfigur werden, und er war bereits auf dem besten Weg dazu. Er mußte unschädlich gemacht wer den. Abermals gab es zwei Möglichkei ten: Atlan mußte getötet werden, möglichst außerhalb der SOL. Und wenn dies nicht gelang, mußte er an Chart Deccon verraten werden. Einige Minuten lang schloß Homer Gerigk die Augen und dachte an die angefangenen Versuche, eine Serie neuer Hologramme zu schaffen. Die ser Akt künstlerischer Freizeitbe schäftigung war für ihn bereits Ver gangenheit; es wäre selbstmörderisch gewesen, in die eigene Kabine zurück zukehren. Mitten in seine verzweifelten Über legungen hinein ertönte das Signal. Er schrak auf und packte die Waffe. Aber einer seiner Roboter sagte: „Es ist die Maschine. Sie bringt ei nen Ahlnaten. Soll das Schott geöffnet werden?" Gerigk atmete keuchend aus und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß aus dem Gesicht. „Öffnet", sagte er. „Laßt sie herein." Trotzdem zog er die Waffe und rich tete die Projektormündung auf die zerschrammte, von bunten Fragmen ten irgendwelcher Klebefolien be
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deckten Innenfläche des Schottes. Die Metalltür schwang knarrend auf. Der Robot ließ einen Ahlnaten herein. Leicht irritiert bemerkte der Magnide, daß es sich um eine etwa hundertjäh rige Frau mit grauem Haar handelte. Gerigk beschloß, so zu tun, als sei er nach wie vor ein vollwertiges Mitglied der herrschenden Kaste. „Du weißt, wer ich bin?" fragte er mit scharfer Fistelstimme. Das Mitglied der SOLAG senkte den Kopf, vollführte mit den Unterarmen bedeutungsvolle Gesten und erwi derte: „Magnide Homer Gerigk. Ich bin er staunt, dich an einem Ort zu sehen, der keineswegs deiner Würde entspricht." „Ein taktisches Manöver", antwor tete Gerigk leichthin und deutete auf einen reichlich mitgenommen Sessel. „Du darfst Platz nehmen." „Danke", erwiderte die Frau mit lei ser, fast liturgischer Stimme. „Ich bin, wie du sicherlich weißt, Drana MacSachnet." „Ich glaube, ich erinnere mich an dich", sagte Homer. „Du weißt, daß ei ne Gestalt aus der Vergangenheit wie der an Bord ist. Atlan?" „Ich habe es gehört. In dieser schwe ren Zeit kursieren viele Gerüchte im Schiff." Homer Gerigk konnte das feierliche Getue der Ahlnaten auf den Tod nicht leiden. Aber er beherrschte sich und antwortete: „Mit Atlan ist eine neue Gefahr ins Schiff gekommen." Die Ahlnatin ordnete sorgfältig die Falten ihres hellblauen Gewandes und hob die Schultern. Ein wachsamer Ausdruck trat in ihr Gesicht.
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„Ich verstehe nicht, was du meinst, Magnide Gerigk." Sie ließ nicht erkennen, ob sie ihrer seits wußte, daß sein Versuch, die ab solute Macht zu erringen, fehlgeschla gen war. Höflich legte Drana den Kopf schief. „Ich habe gehört, daß die Buhrlos Atlan ausgerüstet und in den Welt raum hinausgebracht haben. Der High Sideryt — weiß er es schon?" „Das entzieht sich meiner Kenntnis. Ich selbst wußte es nicht. Du hast es mir gesagt. Was will Atlan im Raum?" „Es kann sich nur darum handeln, mit dem riesigen Schiff etwas anzu fangen, das uns einzuholen scheint." „In der Tat", antwortete Drana, und trotz des geringen Wissens über die wirklichen Eigenschaften der SOL schien sie zu erkennen, daß Atlans Ge genwart und seine Kenntnisse über das Schiff für den High Sideryt ge fährlich werden konnten. „Man sollte den High Sideryt warnen." „Das ist ein kluger Ratschlag, den du mir gibst", sagte Gerigk kurz. „Wie ist die Meinung der Lehrer der SO LAG über den Zustand innerhalb der SOL?" „Wir bemühen uns, Sorge für dieje nigen zu tragen, die sich von uns un terrichten lassen. Es ist wohl so, daß eine Krise, kaum unter Kontrolle, in die nächste übergeht." „Atlans Gegenwart steht für die nächste große Krise!" betonte der Magnide. „Du sagst es." „Dann sollten die Lehrer und Unter weiser der SOLAG sich zusam menschließen und den High Sideryt davon verständigen, daß Atlan zusam-
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men mit den Buhrlos auch ins Schiff zurückkommen wird." „Ich werde eine Gruppe Ahlnaten zusammenrufen!" versprach Drana. „Ihr solltet nicht lange zögern!" be tonte der Magnide. „Sofort breche ich auf." Homer Gerigk wies zum Schott. „Ich will, aus taktischen Gründen, euch die Anerkennung des High Side ryt zukommen lassen", fistelte er. „Warnt Chart Deccon. Ich bin si cher, er wird es euch gebührend dan ken." „Das ist nicht mehr als recht und billig", sagte Drana und stand auf. Sie vollführte eine feierliche Geste in Richtung auf den Magniden und ver ließ die unaufgeräumte Kabine. * Der riesige Mann, dessen Kahlkopf im Licht der Tiefstrahler glänzte, stand vor dem eingeschalteten Bild schirm und schwieg. Ein Gefühl tobte in ihm, das er nicht aufschlüsseln konnte. Die Muskeln an seinen Schul tern zuckten vor mühsam unterdrück ter Erregung. Die Schuppen seiner rü stungsartigen Kleidung klirrten leise, als er sich bewegte. Die Magniden in der Zentrale spürten seine Erregung. „Es ist also nicht gelungen, Atlan zu stellen!" grollte die Stimme des High Sideryt aus den Lautsprechern der Zentrale. „Er wurde in jedem Teil des Schiffes gesucht. Er m u ß sich unge wöhnlich gut versteckt haben", antwor tete Nurmer. „Uns trifft keine Schuld. Wir haben getan, was wir konnten. Aber wenn die Buhrlos ihn versteckt
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hielten, dann reichen die Mittel der SOLAG nicht aus!" „Ich weiß, daß keiner allmächtig ist", dröhnte Chart Deccon. Seine Klause schien ihm plötzlich zu eng zu werden. Er unterdrückte das Verlan gen, einen Sessel hochzureißen und in die Interkomanlage zu schmettern. „Aber ihr habt alle Macht, jeden zur Suche zu verpflichten." Nurmer schüttelte seinen Kopf. Sein silberner Kinnbart, der fadenlang bis zur Brust reichte, machte die Bewe gung mit. „Wir haben uns bemüht, aber ande res scheint uns wichtiger zu sein", kam es aus der Zentrale. „Was?" „Atlan ist mit einer Gruppe von Buhrlos und Ferraten aus dem Schiff gebracht worden. Eine Korvette ist ge startet und nähert sich dem fremden Schiff, dem Quader. Du selbst hast den Befehl gegeben." „Wie nahe ist das fremde Schiff?" „Weniger als dreitausend Kilometer. Und es kommt immer näher. Seine Geschwindigkeitist größer als unsere." „Und wir werden noch immer auf die siebente Mausefalle-Welt gezerrt", stellte Chart Deccon angewidert fest. „Atlan beobachtete also zusammen mit SOLAG-Leuten das näherkommende Schiff? Eine verblüffende Eigenschaft hat dieser Mann. Er scheint kommen und gehen zu können wie ein Ge spenst." „Daran ist etwas Wahres. Jedenfalls handelt er im Moment in unserem Sinn." Der High Sideryt überlegte schwei gend. Der Kontrolle durch SOLAGMitglieder würde sich Atlan schnell
25 wieder entziehen können, wenn er ein mal im Schiff war. Sicherlich war er nicht in der Lage sich außerhalb des Schiffes so souverän zu verhalten wie ein Buhrlo. Innerhalb des Schiffes war es etwas anderes. Als Chart Deccon sprechen wollte, bebte der Boden un ter seinen Füßen. Leichtes Klirren und metallenes Knirschen ertönten. „Was ist das?" Einen Moment lang spielte der High Sideryt mit der Versuchung, SENECA direkt zu befragen. Zuerst aber wand te er sich an die Magniden in der Zen trale. „Das Schiff bebt!" „Fremde Kräfte zerren an der SOL!" Auf den Monitoren tauchten Zei chen, Schriftreihen und Meßergebnis se auf. Voller Bestürzung mußte Chart Deccon erkennen, daß das fremde Schiff durch seine Masse auf die SOL einzuwirken begann. Ein Zugstrahl oder ein ähnliches Feld von erstaunli cher Potenz tastete ebenfalls, vom Fremden ausgeschickt, nach dem Schiff. Wieder wurde die SOL leicht er schüttert. „Atlan soll, wenn die Ferraten und die Buhrlos ins Schiff zurückkom men", dröhnte Charts Stimme, „abge fangen und verhaftet werden. Ich will ihn hier in der Zentrale sehen. Unter Bewachung!" „Wir werden deinen Befehl sofort weiterleiten!" versicherte Nurmer. „Was sollen wir gegen den Fremden unternehmen?" „Ruft das Schiff und holt Informa tionen ein!" „Sofort. Übrigens — die Nachricht, daß sich Atlan unter den Buhrlos be findet, haben wir von einer Gruppe
26 Ahlnaten bekommen." „Ich werde es nicht vergessen", ver sicherte der High Sideryt und nickte kurz. „Ist Homer Gerigk gesehen wor den?" „Auch er hält sich an unbekannter Stelle versteckt." „Der Erfolg der SOLAG ist überwälti gend", schrie der High Sideryt in plötz lich hochschießender Wut. „Beim ge ringsten Zeichen, daß der Fremde uns angreift oder etwas tut, was uns scha det, schlagen wir zurück. Bereitet alles vor. Macht die Besatzung alarmbereit! Und bringt mir Atlan so schnell wie möglich!" In der Zentrale brach fieberhafte Geschäftigkeit aus. Chart Deccon wandte sich ab und stapfte die Stufen des Podests hinauf. Er ließ sich schwer in den massiven schwarzen Sessel fallen, behielt aber die Inter komschirme und die Monitoren im Auge. Die Erschütterungen waren das erste, gefährliche Zeichen. Zusätzlich zu Mausefalle war eine zweite Bedro hung aufgetaucht. Deccon brüllte: „Bereitet alles vor, die SOL am Fremden zu verankern und dann auf Gegenkurs zu gehen!" „Verstanden!" ertönte es aus der Zentrale. Einzelne Gruppen hasteten in die Feuerleitzentralen und versuchten herauszufinden, welche Geschütze noch funktionierten. Die Schaltstellen der Traktorstrahl-Projektoren wurden bemannt. Subrechner aus dem SENE CA-Verbund versuchten, die Beein flussung des fremden Schiffes genau auszurechnen. Einzelne Teile des Schiffes erwachten vorübergehend zu
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neuem Leben. Unaufhörlich prassel ten Befehle aus der Zentrale auf die Angehörigen der SOLAG herein. Sie versuchten, einen riesigen techni schen Organismus zu beherrschen, aber die Fragen wurden immer zahl reicher. Es schien, daß nur wenige Techniker wußten, wie ihre Geräte richtig zu behandeln waren. Trotz aller Einschränkungen dieser Art sahen die Magniden in der Zentrale, daß sich die SOL mehr und mehr rüstete. Die „Be reit"-Meldungen wurden zahlreicher. Die nächste Erschütterung, die durch die SOL lief, war stärker als alle vorhergegangen. Arjana Joester rief durchdringend: „Der Quader greift an. Ein Traktor strahl hat uns getroffen — irgendwo an der Außenhülle!" Chart Deccon sprang aus dem Ses sel und war mit einigen Sätzen am In terkom. „Die kinetischen Massen der Schiffe wirken aufeinander ein. Wie hoch ist die Entfernung?" „Weniger als zweitausend Kilome ter!" Die Gefahr war da. Es lag an ihm, die SOL auch aus dieser Krise hinauszu führen.
Atlan blickte aus der offenen Schleuse hinaus und sah fasziniert zu, wie einer der Buhrlos nach dem ande ren Anlauf nahm und mit einem leicht und elegant wirkenden Sprung die Hangarkammer verließ. Sie handhabten die eigenen Impulse ihrer Körper, zusammen mit den An triebseinheiten, absolut souverän. Sie
28 glitten wie ein Schwärm glitzernder Fische nach allen Seiten auseinander und verständigten sich schnell mit Hilfe ihrer Gesten. Atlan hangelte sich vorsichtig von Haltegriff zu Haltegriff und blieb am Rand des Hangars wie der stehen. Denke an das fremde Objekt! warnte ihn der Logiksektor. Nachdem der Arkonide den ersten Blick auf den Quader geworfen hatte, wußte er definitiv, daß es zwischen den zwei riesigen Körpern zu Gravita tionsspannungen kommen mußte. Je näher sie sich kamen, desto gewaltiger wurden die Kräfte gegenseitiger Mas senanziehung. Und — sie würden un regelmäßig sein. Sollte der High Side ryt versuchen, die SOL mit Zugstrah len am Fremden zu verankern, wür den beide Schiffszellen in Mitlei denschaft gezogen werden. Er hob den Kopf und starrte den Quader an, als könne er ihn vor weiterer Annäherung zurückhalten. Seit dem Start der Korvette hatte sich die Distanz beider Körper noch mehr verringert. Wenn der Quader et was kleiner war als eine Solzelle, so mußte Atlan eine Entfernung von rund eineinhalb tausend Kilometern schät zen, eher weniger. Dann kniff er die Augen zusammen und blickte noch genauer hin. Es war schwierig, etwas Genaueres zu erkennen, denn die Ku lisse der zahllosen Nadeln, Antennen, Vorsprünge und Linien auf der kanti gen Oberfläche verzerrte das Bild. Der Arkonide sah trotzdem im schwachen, aber ungefilterten Licht der weit entfernten Sonne eine lang auseinandergezogene Kette von gro ßen Dingen, Wesen oder Gegenstän-
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den, die direkt auf die SOL und somit auf die ohne Antrieb schwebende Kor vette zuschwebten. An vielen Stellen dieser Fremdlinge funkelte das Licht auf Metall. Augenblicklich war Atlan beunru higt. Er versuchte, die einzelnen Gestal ten, die viel schneller näherkamen als der Quader, genauer zu erkennen. Sie waren ungewöhnlich groß und wirk ten irgendwie bedrohlich. Aber Atlan sah noch etwas anderes. Während sich die Korvette mit ei nem leichten Ruck zur Seite bewegte, veränderten die Mitglieder einer Gruppe von rund zehn Buhrlos in auf fälliger Weise ihre Lage im All. Ihre Körper knickten ein, und die Solaner wurden wie von einem leichten Wind stoß zur Seite gezogen. Atlan wäre es nicht aufgefallen, wenn nicht diese Bewegung synchron erfolgt wäre. Masseneinwirkung! sagte der Logik sektor. Atlan packte die Steuerung seines Tornistertriebwerks und stieß sich vom Rand des Hangars ab. Mit einem einzigen schwerelosen Satz schwebte er vom Schiff weg, schaltete den An trieb ein und jagte auf eine Stelle zu, an der vier Buhrlos überrascht um sich schlugen und sich aufgeregt Zei chen gaben. Als er in ihre Nähe kam und vorsichtig abbremste, spürte er, wie die Randzone eines Bremsstrahls ihn erfaßte, mehrmals herumwirbelte und auf das eigene Schiff zutrieb. Die Kraft, die auf ihn einwirkte, war groß und versetzte ihn einen Moment lang in Panik. Dann stabilisierte er seinen Körper, streckte ihn und gab volle Kraft auf
Die SOL und der Koloß
das Triebwerk. Der Bremsstrahl und die zwei Flammen goldfarbener Ener gie aus dem Tornister rissen ihn vor wärts und, als er genügend eigene Ge schwindigkeit erreicht hatte, aus dem Bereich der fremden Energie heraus. Zwischen ihm und der einzigen Lichtquelle, der Sonne, befand sich der mächtige Körper einer SOL-Zelle. Hinter der Korvette erschien jetzt die erste Gestalt aus dem Quader. Auch die Korvette wurde von einem Anker strahl oder einem Bremsstrahl ge packt und zur Seite geschoben. Sekunden später eröffnete ein Sola ner aus der Korvette das Feuer. Ein Energiestrahl zuckte gleißend und ge fährlich hinüber zum fremden Schiff. Es traf die Spitze einer Antenne und löste sie in einen Schauer von Funken auf. Atlan sah, daß eine Gruppe Buhr los wild gestikulierend diesen Zwi schenfall kommentierte. Zwei der riesigen Gestalten, halb wie metallene Kraken aussehend, halb wie Roboter, richteten lange, stabför mige Waffen auf die Korvette. Aus den Mündungen der Projektoren zuckten ebenso starke Entladungen hinüber zur Korvette. Das kleine Raumschiff erwiderte aus zwei Geschützen das Feuer und hüllte die Gestalten in Ku geln aus mehrfarbigem Feuer. Gleich zeitig fühlte Atlan in der Nähe des für ihn gigantisch großen Triebwerks wulsts die starken Kräfte, die an der SOL zerrten. „Verdammt!" sagte Atlan. „Sie wer den die SOL zugrunde richten!" Die Giganten aus dem Quader ver teilten sich blitzschnell und nahmen die Korvette unter starken, gezielten Beschuß. Das kleine Schiff zog sich
29 zurück und wehrte sich. Altan schaffte es, die Anzahl der Fremden zu bestim men. Es waren mindestens achtund zwanzig, denn von so vielen Punkten aus schlug das Gewitter in die Hülle des Schiffes ein. Bevor sich der Schirm wie eine zweite Kugel um die Korvette schloß; vereinigte sich das Feuer aus mehreren Bordgeschützen auf einen Fremden. Die Männer in der Feuerleitzentrale, mußte sich Atlan sa gen, hatten viel zu lange gebraucht, um zu zielen und richtig zu reagieren. Der Fremde löste sich in einer oran geroten Feuerkugel auf. Die Korvette nahm Fahrt auf und zog sich in die Richtung auf den offe nen Hangar zurück. Atlan beobachte te die Buhrlos und sah, daß auch sie versuchten, aus dem Raum an Bord der SOL zurückzukehren. Aber immer wieder gerieten sie in den Bereich der Felder der Massenanziehung und der Projektorstrahlen aus dem Quader. Der Quader war bedrohlich nahe ge kommen. Die Gerade seiner Flugbahn zielte an der SOL vorbei. Atlan fürchtete, daß die Zentrale der SOL versuchen würde, aus der drohenden Katastro phe herauszukommen und die Trieb werke zündete. Wenn es zutraf, was er über die Fehlfunktion vieler Steuer aggregate erfahren hatte, würde dies das Schiff unter Umständen zerrei ßen. Atlan steuerte mit seinem Gerät zu rück zur Bordwand der SOL und hak te ein kurzes Sicherungsseil in einen Griff ein. Zwischen den Fremden und der Korvette tobte ein Kampf. Einige klei ne Schleusen in der Bordwand der
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SOL waren geöffnet worden. Vor dort feuerten die Mitglieder der SOLAG mit transportablen Projektorgeschüt zen auf die Angreifer vom Quader. Der riesige Schlagschatten der SOL ver schluckte jetzt die Korvette. Trotzdem zuckten ununterbrochen die Kampf strahlen hin und her. Ein zweiter Fremder löste sich auf. „Noch sechsundzwanzig!" murmel te Atlan. In seinem Rücken spürte er, wie sich die SOL bewegte. Es waren lang wellige Schwingungen, die das Schiff schwanken ließ. Die Geräusche muß ten sich innen grauenhaft anhören. At lan sagte sich, daß es sicherer wäre, wenn er auch ins Innere der SOL zu rückkehren würde. Hin und wieder zielte ein Fremder auf die SOL selbst. Atlan vermutete, daß er auf die Ge schütze in den Hangars feuerte, die er direkt nicht sehen konnte, weil sie sich hinter dem Horizont der Schiffs hülle verbargen. Aber auch diese Gruppen waren erfolgreich. Zumin dest wehrten sie sich verbissen, wenn sie auch längst nicht die Effizienz er reichten, die an Bord einmal an der Ta gesordnung gewesen war. Ein Frem der löste sich aus seiner Gruppe und raste in einem weit ausholenden Bo gen heran. Atlan sah ihn zuerst nur, weil den metallbewehrten Tentakeln verschiedenfarbige Lampen strahlten. Ununterbrochen zuckten Glutstrah len aus der stabförmigen Waffe. Der Fremde verfolgte eine Gruppe von rund einem Dutzend Buhrlos, die mit laufenden Triebwerken flüchteten. Sie waren wirklich mehr als geschickt, denn mit einem Minimum an Auf wand veränderten sie unentwegt die
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Lage ihrer Körper und ihre Flugbah nen. Die meisten Schüsse gingen haar scharf an ihrem Ziel vorbei und verlo ren sich im Nichts. Atlan zog seine Waffe erst gar nicht, denn mit einem kleinen Thermostrah ler konnte er hier nichts ausrichten. Auch die Buhrlos wehrten sich nicht; sie waren so gut wie unbewaff net. Die Korvette, fast schon im Landeanflug dicht vor dem Hangar, schoß wild um sich. Ein dritter Feuer ball blähte sich zwischen beiden Schiffen auf. Jetzt war der Fremde keine fünfhundert Kilometer mehr von der SOL entfernt, in bezug auf Mausefalle noch immer „hinter" dem Hantelschiff. Atlan spürte, wie die Vi brationen stärker wurden. Mehrere Fremde wichen von ihrem bisherigen Kurs ab und schossen auf die SOL zu. Sie bremsten ihren Flug ab und richteten die Waffen auf die Außenhülle der SOL Der High Sideryt wagt es nicht, Schutzschirme zu projizieren, sagte der Logiksektor. Atemlos und ohn mächtig mußte Atlan mitansehen, wie die gleißenden, funkensprühenden Kampfstrahlen in die YnkeloniumTerkonit-Hülle große, runde Löcher schnitten. Er klammerte sich an dem Griff fest und fragte sich, ob er hiner den flüch tenden Buhrlos herfliegen und sich in Sicherheit bringen sollte. Jetzt spürte er die Schwingungen direkt. Dröhnende Schläge gingen durch das Schiff. Irgendwo sprangen Not schotte auf. Ein Strom von Kampfro bots ergoß sich in den Raum. Diese Robots waren richtig programmiert.
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Sie erfaßten die Ziele sofort und eröff neten blitzschnell und mit höchster Kapazität das Feuer auf die Angreifer. Die Korvette verschwand im Han gar. Aber noch während des Landevor gangs feuerten ihre Projektoren ebenso wild wie die Besatzungen in den offenen Schleusen. Ein weiterer Angreifer starb. Unweit von Atlan — ihn beachte te weder ein Buhrlo noch einer der krakenartigen Fremden — löste sich ein annähernd rundes Stück Stahl aus der Hülle und segelte mit weißglühenden Rändern, Rauchspuren hinter sich herziehend, in den Raum davon. Der Fremde schoß in das Loch hinein und schnellte sich dann hinterher. Aufmerksam beobachtete Atlan die nähere Umgebung. Er selbst befand sich auf der Schattenseite der SOL und somit in relativer Sicherheit. Er war nichts anderes als ein winziges Ortungsecho, zu klein und unwichtig, als daß man es unter Beschuß nehmen mußte. Er hakte sich los, drehte sein Rückentriebwerk auf Viertelleistung und schwebte in einem flachen Bogen auf die Öffnung zu, die der Fremde ge schaffen hatte. Er erreichte den Rand, hielt sich fest und spähte ins Innere. Der Fremde befand sich im Bereich künstlicher Schwerkraft. Er lief auf mehreren kurzen Beinen einen Korri dor entlang. Die Lampen, die Vaku umalarm signalisierten, blinkten aufgeregt. Als Atlan sich ins Schiff hineinschwang, den Tornister mit we nigen Griffen abschnallte und fallen ließ, registrierte er, daß kein Luftstoß ihm entgegenkam. Also war dieses
31 Stück Korridor bereits vorher im luft lerren Bereich gewesen. Oder sämtli che Öffnungen zwischen diesem Stück der Hülle und dem Schiffsinnern wa ren zufällig verschlossen. Kaum hatte der Fremde zwei Drittel des Korridors hinter sich gelassen, schoben sich aus den Bereitschafts kammern rechts und links vor und hinter im aktivierte Kampfroboter. Sie waren in schillernde Schutzschir me gehüllt und definierten den Frem den augenblicklich als Eindringling, der zu bekämpfen war. Rund um ihn schlugen die Kampf strahlen ein. Atlan spürte die Vibratio nen der Kugelzelle und dazwischen die Einschläge, die sich als Dröhnen durch den Raumanzug fortsetzten und Echos im Helm hervorriefen. Noch bevor der Fremde wirklich entscheidend getroffen worden war, erstarrte er. Seine Waffe kippte lang sam nach vorn. Dann gab es innerhalb des Gewirrs von schwarzer Haut und chromartigem Metall, zwischen den blinkenden Leuchtfeldern und den halbkugeligen Vorsprüngen im Kör per des Eindringlings eine Anzahl von Rauchwolken, die mit großer Wucht ausgestoßen wurden. Mitten im ver nichtenden Feuer der Maschinen fing der Körper wieder an, sich zu bewe gen. Aber als der Fremde mit bloßen Gliedmaßen den nächststehenden Ro bot angreifen wollte, verging er im Feuer der Maschinen. Als der Körper nur noch eine schmorende, rauchende Masse war, zogen sich die Robots zurück. Wenn sie Atlan gesehen hatten, dann schie nen sie ihn als menschlich und der SOL zugehörig klassifiziert zu haben.
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Atlan rannte durch den Korridor, hob die schwere Waffe auf und ver suchte sich zu orientieren. Er kannte den Punkt des Schiffes nicht, an dem er sich befand. Aber er wußte genau, wie die unmittelbar an die Hülle anschließenden Bezirke konstruiert waren. Es gab hier eine Menge von Sicherheitsschleusen, um zu verhindern, daß explosive Dekom pression eintrat und die Besatzung starb, ehe Gegenmaßnahmen getrof fen werden konnten. Er suchte nach Beschriftungen, ging hin und her und wurde immer wieder gegen eine Wand geworfen. Die Schwingungen wurden härter. Die Zeit drängte. Er fand eine Notschleuse. Sie war so klein, daß er die Waffe in dem würfel förmigen Raum schräg in gegenüber liegende Ecken schieben mußte. Die Mechanik funktionierte schon beim zweiten Knopfdruck. Die massive Tür zum Vakuum schloß sich, die innere öffnete sich knirschend. Atlan blickte sich um, ehe er die fremde Waffe aus der Schleuse zerrte. Er war in einem großen, niedrigen Raum, von dem eine Vielzahl von Schottüren abzweigte. Eine der Türen wurde aufgestoßen, und Buhrlos und Ferraten drängten herein. „Ich m u ß es riskieren", sagte sich der Arkonide, öffnete den Helm und rief ihnen entgegen: „Ich bin Atlan. Ihr m ü ß t versuchen, das Schiff zu verteidigen und abzu dichten. Holt mehr Ferraten und Ma terial. Dort draußen herrscht Vakuum. Ein Fremder hat ein Loch in die Hülle gebrannt und ist eingedrungen." „Wo ist er?"
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„Die Roboter haben ihn vernichtet. Ferraten! Ihr müßt euch Anzüge be schaffen." Nach kurzer Beratung rannten die Buhrlos auseinander. Sie hatten Atlan den Weg weiter ins zentrale Schiffsin nere gezeigt. Er hob die Waffe auf und untersuchte sie, während er weiter rannte. Jetzt spürte er die Erschütterungen und Vibrationen nicht nur — er konn te sie auch hören. Es waren gräßliche Geräusche. Langgezogenes Knarren und scharfes Knacken, ein wildes me tallisches Ächzen und ein schrilles Pfeifen, das direkt aus den stählernen Wänden zu kommen schien — Rho dans altes Schiff gab Laute von sich wie ein riesengroßer, sterbender Orga nismus. Und rund vierundzwanzig Fremde schickten sich an, das Schiff, zu er obern, dessen Insassen schlecht orga nisiert waren.
Homer Gerigk war bisher über alle Vorgänge an Bord recht gut informiert gewesen. Seit seiner Flucht aus dem Mitteilteil der SOL hatte' sich daran nicht sehr viel geändert. Er hatte seine Möglichkeiten auch noch jetzt. Er wußte, daß Chart Deccon Atlan als Gefahr einstufte, daß Magniden und Vystiden mit ihren Haematen kriegern die SOL durchstreiften, Bil der von Atlan in den Händen. Er wuß te sogar von dem vergeblichen Ver such des High Sideryt, SENECA zu ei ner Hilfeleistung zu bewegen. Daß Atlan verhaftet werden sollte, sobald er das Schiff wieder betrat, war ihm
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klar. Er hatte andere Pläne, was die se Gestalt aus der Vergangenheit der SOL betraf. Natürlich zeigte ein Spezialschirm, in einen Roboter ein gebaut, die Bilder aus den Optiken der Außenbeobachtung. Fremde mit lan zenartigen Waffen stürmten das Schiff und verwickelten die Kommandos in den Schleusen in wilde Kämpfe. Gerigk schwankte in seinem Sitz in den unkontrollierten Bewegungen der SOL. Er zwang sich dazu, die Geräu sche nicht wahrzunehmen, die aus al len Teilen des Schiffes kamen. Er ver suchte, den Alarm und das offene Chaos außerhalb der schmutzigen Ka bine zu ignorieren. Aber als er die Furcht im Gesicht des schlanken, seh nigen Mannes mit dem auffallend braungebrannten Gesicht sah, begann er innerlich auch zu zittern. „Dein Name?" fuhr er ihn an. Er strahlte noch immer die Macht der Magniden aus, auch wenn es ihm nicht danach zumute war. „Vraj Debna, Magnide!" „Ich will gar nicht die Frage erör tern, ob du einer aus den Mordkom mandos der Vystiden bist." „Was willst du von mir, Bruder der ersten Wertigkeit?" fragte der ehema lige Ferrate. „Ich will dir eine Chance geben." „Wie darf ich das verstehen?" fragte Vraj. „Du weißt, daß Atlan, der Fremde, gesucht wird." Vraj Debna senkte bejahend den Kopf. „Ich wurde von High Sideryt ge schickt, um einen verschwiegenen, qualifizierten Mann zu finden. Er soll Atlan töten, schnell und lautlos. Der
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Fremde will das Schiff ins Chaos stür zen und die Macht an sich reißen. In Wirklichkeit ist Chart Deccon viel dar an gelegen, daß kein Aufsehen erregt wird. Du traust dir diesen Einsatz zu?" „Ich denke, daß meine Vibromesser dir schon einige gute Dienste geleistet haben." „Deswegen habe ich dich auch mit diesem Auftrag betraut. Versuche zu erfahren, an welcher Stelle Atlan das Schiff betritt, und dann erledige ihn schnell. Melde dich nach vollstreck tem Urteil beim High Sideryt. Er wird dich belohnen, und nicht zu ge ring." „Das ist anzunehmen. Soll ich sofort aufbrechen?" Der Magnide nickte, dann fügte er hinzu: „Sage niemandem, daß du für den High Sideryt tötest oder gar, daß du den Auftrag von mir hast. Deccon ver traut mir, und alles muß unter uns bleiben. Verstanden?" „Ja, Bruder der ersten Wertigkeit!" Mit einer schroffen Handbewegung entließ Homer Gerigk den potentiel len Mörder. Er schätzte Debnas Ta lent, Atlan schnell und sicher zu besei tigen, hoch ein. Der High Sideryt hatte gedroht, jeden umzubringen, der Atlan beim Versuch, ihn festzunehmen, töten würde. Der Zeuge Vraj Debna würde also nicht lange genug leben, um von dem Magniden zu berichten, der ihm diesen Auftrag gegeben hatte. Und jetzt galt es, einen sicheren Platz zu finden, sagte sich Homer Ge rigk. Das Vibriren aller Flächen wurde stärker, nahm für kurze Zeit wieder ab, kam wieder und versetzte zusam men mit den Alarmsummern, den Si
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renen und den Kommandos, die aus den Interkomen dröhnten, jeden In sassen des Schiffes in Panik. Gerigk sagte zu sich selbst: „Ich denke, ein guter Platz zum Überleben ist in einem großen Bei boot. Niemand vermag es zu steuern, also wird mich auch niemand finden." Er nützte das heillose Durcheinan der aus, um sich zurückzuziehen. Wenn seine Stunde wieder kam, würde er es rechtzeitig erfahren. Solange er lebte und seine Roboter hatte, konnte er sich in das Kommunika tionsnetz zwischen dem High Sideryt und den Magniden einschalten. Mehr brauchte er nicht — vorläufig. Noch war E-kick in seinem Tank. * Zahllose Gedankensplitter wirbel ten durch Atlans Gehirn, als er sich mit der fremden Waffe in den Händen einen Weg ins Innere der SOL-Zelle-1 bahnte. Er hörte aus den Interkomen, daß sich der Quader unverändert nä herte. Inzwischen richteten sich zwei Traktorstrahlen von höchster Kapazi tät auf den Fremden. Ununterbrochen gingen die Vibrationen weiter. Ein Hilferuf kam aus den Lautspre chern. „ . . . rechts neben der Verbotenen Zone . . . " , verstand Atlan. Er folgte ei ner Menge von Ferraten und Vystiden, die schwere Waffen mit sich schlepp ten. Es ging über einige Rampen im Zickzack abwärts. Von dort ertönte der Lärm eines schweren Kampfes. Atlan sagte sich, daß die Schutz schirme der SOL vermutlich nicht mehr eingeschaltet werden durften.
Es würden gewaltige Energiemengen vergeudet werden, und gegen die ein gedrungenen Fremden schützten sie nun nicht mehr. Er ließ eine Gruppe von drei schweren Kampfmaschinen an sich vorbeischweben und folgte ih nen. Die SOL schlingerte und dröhn te, die gesamte Konstruktion federte und bog sich innerhalb der Toleran zen. Für jeden Raumfahrer waren die se Vorgänge das beste Mittel, ihn in panische Furcht zu versetzen. Seit knapp acht Wochen trieb die SOL be reits auf den Planeten zu, der seine Oberfläche unter undurchdringbaren Wolken verbarg. Atlan hoffte, daß der High Sideryt nicht noch einmal versuchte, das Schiff ohne die exakte Aussteuerung sämtlicher Triebwerke durch SENE CA zu bewegen. Vermutlich würde dieses Wagnis die SOL in ihre drei Tei le zerreißen. Daß er gejagt wurde, war ihm im Augenblick gleichgültig. Er schaltete seinen IV-Schirm ein und rannte auf die Quelle der lautesten Geräusche zu und sah, daß die Maschinen einen Fremden gestellt hatten. Hinter dem Eindringling, der sich wie rasend wehrte, sperrte ein HÜSchirm einen schmalen Korridor ab. Aus der offenen Schottür einer Ma schinenhalle nahmen Kommandos der SOLAG den Fremden unter Be schuß. Einige verkohlte Körper lagen hinter dem metallgepanzerten Kraken auf dem Boden. Atlan richtete seine Waffe auf den Fremden und drückte, nachdem er an den Robotern vorbei gezielt hatte, auf den Auslöser. Der Schuß röhrte aus dem Projektor und schmetterte dem Fremden die Waffe
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aus den Greifern. Das Magazin des lan gen Stabes explodierte in einem grel len Blitz und einer krachenden Deto nation, die sogar die schweren Robo ter einige Meter zurückschleuderte. Wieder sah Atlan, wie eine seltsame Verpuffung stattfand. Der Körper des Fremden griff waffenlos die Roboter an, aber die Bewegungen waren un koordiniert. Die schweren Waffen, die von rechts und links abgefeuert wur den, vernichteten den Rest des Kör pers. Brüder der zweiten Wertigkeit mit ihren silberschimmernden Metallfo lienanzügen, die Waffen erhoben, ka men hinter Atlan aus verschiedenen Richtungen heran. Sie sahen gerade noch das Ende des Kampfes. Die Haematen in ihren blauschwar zen Kampfkombinationen brauchten nicht einzugreifen. Ein Anführer schrie: „Hinunter in die nächste Ebene. D o r t . . . in den Antigravschacht!" Ein Lautsprecher quäkte: „Ferraten mit Reinigungsmaterial, Löschzeug und Reparaturwerkzeug auf die Ebene Nummer S i e b e n . . . ich wiederhole..." Noch immer wurde das Schiff er schüttert. Von fern hörte Atlan das Summen riesiger Maschinen. Vermut lich wurden mehr Energien auf die Projektoren der Traktorstrahlen ge fahren. Atlan lachte verzweifelt auf. Der Fremde griff nach der SOL, um sich abzubremsen und in eine neue Flugbahn einzuschwenken. Die SOLZentrale versuchte genau dasselbe Manöver. Unkontrollierbare Kräfte wirkten wechselseitig auf die Schiffe ein. Vielleicht schafften sie es, sich um
35 einen gemeinsamen Mittelpunkt zu drehen, aber es würde den Sturz beider Objekte auf Mausefalle VII nicht verhindern können. „Wir brauchen Hilfe. Hier Ende An tigravschacht Neun!" „Bringt die Geschütze mit!" Von den etwa zwei Dutzend Frem den, die ins Schiff eingedrungen wa ren, kämpften noch immer einige. Atlan glaubte, sicher sein zu können, daß sie nur in die SZ-1 eingedrungen waren. Hinter ihm schwoll der Kampf lärm auf, während sich die Verteidi ger aus diesem Teil des Schiffes zu rückzogen und die Reparatur der Ver wüstungen den Ferraten zurücklie ßen. Tatsächlich wurden selbst jetzt die Befehle befolgt. Tore und Schotte öff neten sich. Aus einer Vielzahl ver schiedener Ecken und Winkel kamen die Brüder der sechsten Wertigkeit in ihren schlichten blauen Uniformen. Auf Antigravplattformen führten sie Material und Werkzeug mit sich. Ob wohl sie nicht verstanden hatten, was hier geschehen war, arbeiteten sie schnell und gar nicht ungeschickt. Aber es waren Arbeiten für Rostjäger, keine qualifizierten Reparaturen, von denen das Schicksal des Schiffes ab hing. Atlan schaltete den IV-Schirm ab, vergewisserte sich, daß der Thermo strahler noch im Hosenbund steckte und fragte sich, was er nun tun sollte. Er beschloß, das Durcheinander aus zunutzen und zu versuchen, sich von Pol zu Pol der SZ-1 dem Mittelteil zu nähern. Dort war die Zentrale, dort herrsch te der High Sideryt, und nur an dieser
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Stelle würde er, Atlan, eingreifen kön nen. 5. Es gab nichts und niemandem, von dem er Hilfe erwarten konnte. Chart Deccon starrte schweigend auf die Bildschirme der Außenbeobachtung. Der Koloß des Quaders kam näher, unaufhaltsam und lautlos. Der Welt raum zwischen dem Raumschiff und dem war so gut wie leer. Nicht ein ein ziger Buhrlo befand sich draußen, es würde einen schweren Engpaß in der Versorgung mit E-kick geben. Aber dieses Problem belastete den High Si deryt nicht. Er war, wenigstens in die sem Augenblick, absolut ratlos. Die Rüstung an seinem Körper klirr te. Chart Deccon ging wie ein gereiztes Raubtier in seiner Zentrale hin und her. Er hatte stets eine Aufgabe ge sucht, ein neues Ziel für die SOL. Jetzt konnte er nur versuchen, das Schiff aus dem würgenden Griff von Mause falle VII zu befreien. „Was soll ich tun", stieß er mur melnd hervor, „wenn nicht einmal SE NECA mir hilft?" Die Operationsblasen beider großen Objekte hatten sich längst überschnit ten. Die letzte Messung hatte ergeben, daß der Quader nur noch fünfhundert Kilometer weit entfernt war und sich ständig näherte. Immerhin: er würde nicht direkt mit der SOL zusammen stoßen. Auch kamen keine neuen Streitkräfte mehr aus dem Schiff. Nur achtundzwanzig kämpfende Objekte waren geortet worden. „Wie viele befinden sich noch in der SOL? " rief Chart Deccon.
„Es sind vierundzwanzig eingedrun gen!" gab Arjana Joester zurück. „Wir wissen sicher, daß acht von ihnen ver nichtet wurden. Die Kämpfe sind in vollem Gang. Wir schlagen uns hervor ragend." Die aufeinander einwirkenden Mas sen der Schiffe ließen die SOL er beben. Vor wenigen Minuten hatte Ar jana erklärt, daß sich die Fallge schwindigkeit der SOL auf den rätselhaften Planeten vorübergehend verringert hatte. Die eingesetzten Traktorstrahlen hatten nicht sehr viel bewirkt, aber die SOL konnte sich an dem Fremden festklammern. „Noch sechzehn Fremde!" stöhnte Chart Deccon. „Beruhige dich", sagte Arjana hart. „Wir haben die volle Kontrolle. Die Roboter können sie niederkämpfen." Die düstere Einrichtung von Dec cons Zentrale entsprach haargenau seiner Stimmung. Er sah immer mehr ein, daß es unmöglich war, die SOL zu beherrschen. Wenigstens jetzt, solan ge sich nicht durch einen unglaubli chen Zufall oder ein Wunder die Lage um hundertachtzig Grad änderte. „Ist Atlan verhaftet worden?" groll te Deccon. Eine müßige Frage. Wenn es den ausgeschickten Kommandos gelun gen wäre, ihn nach der Rückkehr aus dem Weltraum zu fassen, wüßte es der High Sideryt als einer der ersten. Arja na schüttelte den Kopf. „Nein. Er war nicht in der Kor vette." „Dann muß er noch außerhalb des Schiffes sein!" „Die Ortung hat zugegeben, daß sie ihn aus den Augen verloren hat. Er
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verbirgt sich. Wahrscheinlich ist er durch eines der Löcher hereingekom men, die von den Angreifern in die Hülle gebrannt wurden." Gallatan Herts rief von seinem Pult: „Wieder wird es leichter für uns! Zwei Eindringlinge wurden vernich tet. Wenn sie sich in die Enge getrie ben sehen, verüben sie eine Art von Selbstmord!" Sie wissen wenigstens, dachte Chart Deccon, wann sie verloren haben. Nur ich kann noch nicht aufgeben. Eine Frage Arjanas riß ihn aus sei nen trüben Überlegungen. „Du erwartest dir etwas von Atlan?" „Er ist für mich ein Negativsym bol", gab der High Sideryt zu. „Aber er stammt' aus einer Zeit, in der im Schiff andere Verhältnisse herrschten. Denkt an das, was ich euch über ein zelne Stellen des Logbuchs erzählt ha be. Vielleicht gelingt es ihm, mir einen Rat zu geben." Arjana machte eine wegwerfende Bewegung, schwieg aber und bewegte ihre gepflegten Finger über die Tasten des Kontrollpultes. „Einen Reparaturtrupp nach SZ-Eins, Ebene zweiünddreißig . . . " , rief sie und gab den genauen Punkt an, an dem ein Teil des Schiffsinnern durch das Gefecht mit einem QuaderEindringling Schaden erlitten hatte. Wieder schüttelte sich das Schiff wie im Fieber. Hinter den Bildschirmen klirrten und rasselten lockere Verbindungen. Aus den Fugen zwischen Wänden, Bo den und Decke kamen knirschende Geräusche. Der Boden zitterte unter den Sohlen der Stiefel. Einige Ge schirrteile rutschten polternd über
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den Rand der Tischplatte und fielen klirrend zu Boden. Warnlichter flammten auf und flackerten. Auf ei nem Bildschirm war zu sehen, wie die Waffe eines Eindringlings ein wahres Energiegewitter ausstreute. Der Frem de wollte sich den Weg ins Zentrum der SZ-1 erkämpfen, aber von allen Seiten drangen Solaner auf ihn ein. Mit schweren Waffen feuerten sie auf den Organismus, dessen Arme mit far bigen Leuchtfeldern ausgestattet wa ren. „Schickt noch mehr Vystiden aus!" rief Chart Deccon. „Atlan muß gefun den werden!" Immer wieder wechselten unter sei nen Schaltungen die Bilder auf den Schirmen. Er versuchte, systematisch in jeden Korridor und jeden Raum hineinzusehen, in dem die Aufnahme optiken noch funktionierten. Viel leicht entdeckte er auf diese Weise ei nen Fremden, der sich so auffällig ver hielt, daß es deutlich zu sehen war. Chart wußte selbst nicht, was Atlan für ihn bedeutete: positiv oder nega tiv, Feind oder Freund — aber in jedem Fall besaß der Mann aus der Ver gangenheit Informationen über die SOL, die ihm, Deccon, noch immer fehlten. Ein weiterer Fehler war ihm unter laufen: Daran, die Schutzschirme einzu schalten und mit wenigen Schüssen aus den Transformkanonen die Gefahr aus dem Quader zu beseitigen, ehe die Kämpfer mit ihren stabförmigen Waf fen die SOL erreicht hatten, daran hat te er zu spät gedacht. Jetzt war es natürlich viel zu spät. Er durfte keine Schwäche zeigen.
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Der Diktator der SOL hatte die selbst gesetzte Pflicht, immer, und in jeder Lage überlegen zu wirken. In einer fast unmenschlichen Anstrengung be zwang Chart Deccon die in ihm toben den Gedanken über seine eigene Schwäche und sagte mit neuerwach ter Entschlossenheit in seiner grollen den Stimme: „Meine Befehle gelten weiterhin. Nichts hat sich geändert. Weiterhin sollen alle Vystidenkommandos nach Atlan suchen. Die Reparaturen im Schiff sind mit äußerster Schnellig keit weiterzutreiben. Wie stark haben wir unsere Fahrt abbremsen kön nen?" Aus der Zentrale kamen die letzten Berechnungen. „Dann schaltet den Strahl ab", be fahl er. „Unser Sturz ist auf diese Art nicht aufzuhalten." „Die Zugkräfte von Mausefalle-Sie ben sind stärker", betonte Arjana. .Außerdem gehen die Vorräte an E-kick in den Akkus langsam zur Neige." Wie ein Blitz durchzuckte es den High Sideryt. Auch sein Tank reichte nicht mehr allzu lange. „Noch muß gewartet werden. Die Buhrlos sind zu kostbar, um sie nutz los zu opfern. Dort draußen", er zeigte auf die Bilder der Raumbeobachtung, „herrschen mörderische Schwerkraft schwankungen." „Verstanden!" Ein Blitz, der auf einem Bildschirm aufflammte und für mehrere Sekun den die Optiken überlastete und blind machte, zeigte an, daß es den Kampf maschinen geglückt war, abermals ei nen Fremden zu vernichten.
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Als die Traktorstrahlenprojektoren desaktiviert wurden, ging abermals ein schwerer Ruck durch die SOL. Deccons breite Hände klammerten sich an die Kanten des Pultes. Sein massiger Körper wurde hin und her geschleudert. Dann herrschte wieder Ruhe; die Schwingungen hatten alle drei Schiffsteile durchlaufen und bau ten sich ab. Sekundenlang tauchte in Deccon die Vision eines dahinrasen den, leicht manövrierbaren Schiffes auf, dessen Besatzung in der Lage war, allen kosmischen Kräften zu trotzen und alle ihre Gedanken auf ein sinn volles, erstrebenswertes Ziel ausge richtet hatten. Er hob seine muskelbe packten Schultern. „Und falls nicht bald", rief er wü tend, „dieser Atlan gefunden wird, verlasse ich meine Zentrale und suche ihn selbst — und wehe demjenigen, der sich als Versager erwiesen hat." Nurmer vergrub die Hand in seinem Bart und riskierte ein meckerndes Ge lächter. „Ich verhafte Atlan eigenhändig, wenn er hier in der Zentrale auf taucht", rief er. „Darauf kannst du dich verlassen."
Der Mann, den sie suchten, lief in diesem Moment hinter einer Schwe beplattform her, auf der ein Strahlen geschütz montiert war. Rund um den Projektor saßen ein Vystide in seiner hautengen Silberuniform und sieben Haematen. Ein Hilferuf hatte sie er reicht. Sie rasten durch die -breiten, leergefegten Korridore, um eine Ebe ne weiter „oben" in den Kampf gegen
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einen Eindringling einzugreifen. Im Licht der Deckenbeleuchtung funkel ten die goldenen SOL-Silhouetten ih rer Rangabzeichen auf. Atlans Extrasinn faßte die Überle gungen der letzten Stunden zusam men und meinte: Wenn du das Innere der SOL als Dschungel begreifst, mit all den Ge setzmäßigkeiten des Überlebenskamp fes, dann hast du weniger Schwierig keiten, dieses Chaos zu verstehen. Der Gleiter bot, nachdem er abge bremst worden war, um eine scharfe Kurve und verschwand aus Atlans Blickfeld. Sobald sich die Aufregung gelegt hatte, würde wieder verstärkt nach ihm gesucht werden, sagte sich Atlan. Trotzdem folgte er dem Kom mando. Er wußte jetzt, wo er sich be fand — erstaunlicherweise stimmte die Wirklichkeit in diesem oberen Teil des Schiffes mit seiner Erinnerung überein. An seinem photographisch exakten Gedächtnis hatte er nicht zweifeln müssen. „Die Kosmokraten scheinen einen makabren Sinn für Humor zu haben", murmelte er. „Es überfordert meine Kräfte bei weitem, hier auch nur eine Spur Ordnung zu schaffen." Er bewegte sich auf der Höhe des Erholungsgebietes, das eine künstli che Landschaft enthielt, kleine Seen und W ä l d e r . . . enthalten hatte, rief er sich zur Ordnung. Vermutlich herrschten heute dort ganz andere Verhältnisse. In jeder Richtung, zur Schiffshülle hin, erstreckten sich die Hangars der Korvetten und Kreuzer und die vielen Zwischendecks. Er hielt sich mit der rechten Hand an ei nem Rohrbündel fest und wirbelte in
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den rechtwinklig abbiegenden Korri dor hinein. Das Gellen der Sirenen, die aufge regten Schreie, ein akustisches Chaos röhrender und peitschender Schüsse und das zischende Fauchen, das der Fremde von sich gab, schlugen ihm entgegen. Der Korridor war voller Blitze der Strahlschüsse und voller Rauch, der das obere Drittel ausfüllte und den Korridor ins Halbdunkel tauchte. Atlan blieb stehen und hob die Waffe, die er erbeutet hatte. Im Augenblick wenigstens zitterte und ächzte die SOL nicht. Ruhig zielte der Arkonide und jagte seine Schüsse an dem Gleiter der Vystiden vorbei in den aufleuchtenden Schutzschirm des fremden Wesens hinein. Zum erstenmal hörte Atlan, daß ei ner der Eindringliche Laute von sich gab. Er klang, als ob die Sicherheits ventile eines nahezu berstenden Dampfkessels fauchten, pfiffen und gurgelten. Als der Projektor des Kampfkom mandos losröhrte, als von der anderen Seite ein Kampfroboter seine Arme hochriß und auf den Fremden feuerte, war dessen Schirm überlastet. Mit ei nem Krachen, das alle Kämpfer vor übergehend taub machte, brach der Schirm zusammen. Fast im selben Moment verging der Fremde, noch ehe er sich selbst zerstören konnte. Atlan senkte seinen seltsamen Strahler und zog sich um die Korri dorecke zurück. Er blickte sich um. Über einigen Richtungspfeilen, von denen die Beschriftung und die Num mern entfernt waren, arbeitete — ein ungewohnter Anblick! — ein Bord chronometer.
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„Elfter April einundneunzig", mur Pflanzen mit phosphorn leuchtenden
Früchten in den Korridor hinein. Zwi
melte Atlan. Darunter schaltete sich eben ein In schen dieser Stelle und Atlans Stand
terkom ein. Die Linsen über dem Bild ort gab es jeweils ein Dutzend Türen.
schirm richteten sich direkt auf Atlan. Vor zwei Jahrhunderten wäre Atlan
Als das Bild sich stabilisierte, sah der , sicher gewesen, daß sie in gut ausge
Arkonide Kopf und Brustabschnitt ei stattete Mannschaftskabinen für das
Hangarpersonal führten. Jetzt konnte
nes Mannes mit kaltem, abweisendem dahinter alles nur Denkbare lauern —
Gesicht. Das wenige, was von der oder die Gefahren einer verbotenen
Uniform zu sehen war, ließ gewaltige Schultern und einen breiten Brustka Zone. sten erkennen. Hellgraue Augen, un Hier jedenfalls versteckten sich im ter eckigen Brauen verborgen, sta Augenblick alle Lebewesen. Atlan chen aus einem rotgesichtigen, haarlo wandte sich in die andere Richtung sen Schädel. und sagte sich, daß er mit dieser aussehenden Waffe Atlan wußte nicht im entferntesten, fremdartig zwangsläufig auffallen würde. um wen es sich handelte, aber aus dem aufgedunsenen Gesicht strahlten Und er durfte nicht in die Hände der Herrschsucht und Drohung aus. SOLAG-Leute fallen, ehe er seinen Atlan wirbelte in einer blitzschnel Plan in die Tat umgesetzt hatte. len Reaktion in den anderen Korridor Ratlosigkeit überfiel ihn, dann zurück, entdeckte den Eingang zu ei straffte er sich und redete sich ein, in nem kleinen Antigravschacht und dem herrschenden Chaos mit großer sprang hinein. Langsam schwebte er Wahrscheinlichkeit doch noch ein gu nach unten und schüttelte verwirrt tes Stück der Zentrale und SENECA näherzukommen. den Kopf. Es war jemand, der dir gefährlich „Also hinunter!" redete er sich werden kann, gab der Logiksektor die selbst zu. gesammelten Überlegungen wieder. Dort „unten" befand sich der Über gang zwischen der SZ-1 und dem Mit „Das war es wohl", murmelte Atlan. Er schwang sich aus dem Ausstieg, telteil der SOL. Er trabte langsam den blieb in der Öffnung stehen und späh anderen Korridor entlang und rief sich te nach rechts und links. Unmittelbar das Schema der Decks und der Ver vor dem Antigravschacht herrschten bindungen vor seine inneren Augen. Sauberkeit und Ordnung. Auch die Nach fünf Minuten etwa blieb er na Beleuchtung funktionierte. Niemand he dem Lastenantigravlift stehen, der beobachtet ihn. Aber aus anderen Tei zu den Lagerräumen für Nahrungs len des Korridorsystems kamen die mittel und Ausrüstungsgegenständen gewohnten Geräusche, wenn auch führte. Oder dorthin, wo sie sich einst durch die Entfernung gedämpft, an befunden hatten. Atlans Ohren. Rechts endete der Kor Entschlossen schwang sich der Ar ridor im Halbdunkel. Aus offenen konide in die schwach beleuchtete Schottrahmen wuchsen dunkelgrüne Röhre, die neben dem ungleich größe
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ren Schacht abwärts führte, dem Zen trum der SZ-1 entgegen. Er wußte nicht, was ihn erwartete, aber er rech nete auf jeden Fall mit dem Schlimm sten. Während er sank, konnte er hören, daß die Warnsummer und die Sirenen schwiegen. Waren die Eindringlinge etwa be siegt worden?
Missionar Torgashuun I starb in achtundzwanzig kleinen Abschnitten. Seine Kameraden und er waren eine Gruppe, die lautlos, über weite Entfer nungen und durch fast jede Materie hindurch miteinander in Verbindung stand. Als im Raum draußen die er sten Missionare starben, war es jedes mal wie eine winzige Explosion in sei nem organisch-kybernetischen Denk und Gefühlszentrum. Als ob ein Teil seines Körpers abge trennt werden würde, so traf ihn der Verlust der anderen. Zuerst einer, dann der nächste, schließlich zwei fast zur gleichen Zeit. Er sah ein, daß er in kur zer Zeit allein kämpfen würde, aber er weigerte sich als echter Missionar, die Konsequenzen zu ziehen. Wieder starb ein Kamerad. Während er sich kurz der Trauer hingab, fühlte er, wie die Masse von Großschale näher und näher kam. Er wußte, daß sich Großschale an dem Raumschiff verankerte und sich abzu stoßen versuchte, mit aller Kraft des mächtigen Antriebs, der jetzt zum Ab bremsen eingesetzt wurde. Das Schiff wenigstens würde hand lungsfähig bleiben.
41 Vor Torgashuun I erstreckte sich der glatte Boden einer großen Halle. In einem beispiellosen Siegeslauf war er bis hierher gekommen und hatte auf diesem Weg nicht nur die Hülle dieser Schale aufgebrochen, sondern auch zahlreiche zweibeinige Wesen und ihre metallisch-kybernetischen Haustiere bekehren können. Torgas huun ließ seine Lichtquellen aufstrah len, richtete seine Gelenke hierhin und dorthin und konstruierte sofort mit Hilfe seiner vielen Sehzellen ein kom plettes Bild der Umgebung. Die Dek ke des Raumes entsprach fast dem ge wohnten Maß in Großschale. Aber dann registrierte der Missionar, daß nicht nur auf einzelnen Kanzeln, son dern auch hinter den massiven Blök ken von Kraftquellen und unbelebten Stapeln von unterschiedlicher Materie zweibeinige Wesen mit Hochenergie waffen auftauchten. In der Mitte der Halle blieb Torgas huun stehen. Das Schutzfeld um seinen Körper flimmerte und lud sich neu auf. Wie der starb irgendwo in der Nähe ein Missionar. Es waren nur noch fünf üb riggeblieben, zählte die organische Komponente traurig auf. Vier Torgas huuns und er, der Anführer. Er schwang seinen Bekehrungsstrahl herum und eröffnete das Feuer auf je ne Wesen, die im hellen Rechteck ei nes sich öffnenden Wand auftauchten. Sofort schlug ihm von dort Abwehr feuer entgegen. Das Schutzfeld schluckte die entfes selten Energien mühelos. Strahlen und röhrende Blitze kamen auch von den Kanzeln in höhergelegenen Teilen der Wände. Der Raum hallte von den
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Geräuschen wider. Torgashuun hatte kurz nach Betreten dieser Schale das energetische Zentrum definiert und spannte seine organischen Muskeln. Die Kybernetics gaben ihm die zutref fende Richtung an. Dann schnellte sich der massige Körper wieder nach vorn und rannte auf ein Rohr mit ei nem Durchmesser zu, der Torgashuun entsprach. Hinter ihm ertönten summende Ge räusche, die sich mit dem Entla stungsdruck und dessen Lauten sei nes eigenen Körpers mischten, Dann, genau zum selben Moment, als wieder das Zeichen für das Ende eines weite ren Missionars einen starken Impuls auslöste, wurde das Schirmfeld zum ersten Mal überlastet. Noch leitete es die Fremdenergie ab. Züngelnde Überschlagsblitze brannten Reihen kleiner Krater in den Metallboden der Halle. Zwei Impulse: zwei Kameraden wurden getötet. Noch lebten drei Missionare! Durch ein Inferno von Blitzen, Strahlen, Einschlägen und Flammen, Feuer und Rauch rannte Torgashuun I weiter, auf sein Ziel zu. Auf einer bis her leeren kleinen Empore in der äu ßersten Ecke des Saales bewegte sich etwas. Er richtete kurz seine Waffe dorthin und feuerte. Die kyberneti sche Komponente seines Körpers machte es fast unmöglich, daß er nicht traf, worauf er gezielt hatte. Ein großes Geländer oder eine Brü stung wurde in einem Hagel von glü henden Brocken zerfetzt. Noch wäh rend des Auflösungsvorganges dieser Barriere zuckte von der Empore ein gefährlicher Glutstrahl von jener
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Energie herunter und schlug in den Schirm ein, die ihm als einzige wirk lich gefährlich werden konnte. Energien aus einer GroßschaleWaffe! Während sein Schirm flackerte und sich Torgashuun auf ernsthafte Schwierigkeiten vorbereitete, starb ein weiterer Kamerad. Die Trauer ließ den Anführer in seinem rasenden Lauf innehalten. Aus mindestens sieben unterschiedlichen Richtungen häm merte jetzt die Energie in seinen Schirm. Eine Weile lang würde er noch halten, denn vor Torgashuuns Füßen brannte die überschlagende Energie durch den massiven Stahl des Bodens. Aber es war ein Fehler gewe sen, aus Rücksicht einem sterbenden Kameraden gegenüber stehenzublei ben. Die Zweibeiner und ihre Maschi nen konnten besser zielen und da durch ihre Energie länger und kraft voller auf ihn richten. Der vorletzte Torgashuun — es war Torgashuun II — starb. Als jener Fremde, der eine Groß schale-Waffe handhabte, abermals schoß, brach der Schutzschirm von Torgashuun I zusammen. Der Missionar resignierte. Er versenkte sich in das Problem der eigenen Desintergrierung. Aber noch ehe sich seine organische Kom ponente selbst verbrennen konnte, ließ der nicht mehr existente Schirm die Energieflut hindurch, und der letz te Torgashuun aus dem Schiff ver schmorte. Er nahm in den Tod die Gewißheit mit, daß die Zweibeiner keine Ah nung hatten, ob noch weitere Kämp
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fer-Missionare sich in Großschale verbargen und den Tod ihrer Brüder rächen w ü r d e n . . .
Als Atlan mit einem Hechtsprung durch die schmale Pforte schoß, deren metallene Ränder weißglühend wa ren, brannten und dicken schwarzen Rauch absonderten, schlug der untere Teil der fremden Waffe gegen eine Kante. Der Stab wurde aus den Fin gern des Arkoniden gerissen, polterte gegen die Wand und schlug krachend zu Boden. Atlan kam auf die Füße, wischte sich Ruß und Flugasche aus dem Gesicht und atmete tief ein und aus. „Das war knapp", flüsterte er und bückte sich. „Als Kämpfer für den High Sideryt — eine unerwartete Rolle." Da er seit Betreten der SOL bereits höchst unterschiedliche Rollen hatte spielen müssen, trug er diese neue Bestimmung mit Fassung. Hinter dir! zischte der Logiksektor. Er fuhr herum. Ein Vystidenanfüh rer und sechs Haemten kamen durch den Korridor auf ihn zu. Ihre Gesich ter glühten förmlich im Bewußtsein, soeben einen Sieg errungen zu haben. Kochende Luft stieg von den Projek toren ihrer schweren Waffen auf. Der Anführer riß den Arm hoch, deutete auf Atlan und fragte mit schneidender Stimme: „Halt. Was willst du mit dem . . . Ding?" Atlan versuchte, aus seiner Überra schung blitzschnell halbwegs demüti ge Bereitschaft werden zu lassen. Er
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gab seinem Gesicht und seiner Hal tung einen unsicheren Ausdruck und erwiderte: „Ich bin Esen Boga, Bruder der sechsten Wertigkeit. Das ist eine Waf fe, sagte man mir!" Augenblicklich war er von den Sol daten umringt. Der Vystide baute sich vor ihm auf und schnarrte: „Eine Waffe? Erkläre." „Man hat mich hierhergeschickt, weil ich Material holen sollte. Dort im Korridor haben wir die Kampfspuren zu beseitigen." „Schon gut! Schneller. Das ist eine Waffe. Woher hast du sie?" Ein Haemate stieß Atlan hart mit der Schulter an. Der Arkonide ent spannte seinen Körper und schlug schwer gegen die Wand des Korridors. Er ließ die Waffe los. Das Ende des lan gen Stabes sackte auf den Boden, der Stab kippte um. Ein Haemate fing ihn auf und verbrannte sich die Hände an der heißen Mündung. Er schrie auf und fluchte laut. Schützend hob Atlan die Unterarme vor sein Gesicht. „Woher hast du die Waffe?" schrie der Vystide. Er kümmerte sich nicht um den Mann, der auf einem Bein sprang und auf seine Handflächen blies. Leider, dachte Atlan wütend, war es nicht derselbe, der ihn ange rempelt hatte. „Ein Ahlnate — er hat mir befohlen, sie euch, den Brüdern der zweiten Wertigkeit zu bringen." „Uns?" Atlan hob die Schultern und sagte mit halb offenem Mund: „Ich wäre solange in diese Richtung gegangen, bis ich einen von euch ge troffen hätte. Nun habt ihr sie. Kann
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ich zurück an meine Arbeit? " Der Vystide streckte die Finger aus, packte die Waffe am richtigen Ende und hätte beinahe den Auslöser be rührt. Abwartend und ehrfurchtsvoll stand Atlan an der Wand und sah be griffsstutzig zu, wie der Anführer mit der Waffe hantierte. „Hau ab, Rostjäger", sagte er halb laut. „Dort unten habt ihr auch ganz hübsch 'was zu tun, Los, ver schwinde." Atlan senkte den Kopf und ging in die Richtung weiter, die er hatte ein schlagen wollen. Hinter ihm diskutier ten die Haematen über die seltsame Waffe. Sie hatten ganz richtig erkannt, daß sie von einem Fremdling stamm te. Immerhin glaubten sie die Ge schichte, die ihnen Atlan erzählt hatte. Es war aber sicher, daß auch sie das holografische Bild kannten, das der High Sideryt verbreitet hatte. „Etwas Ruß als Tarnung", sagte sich Atlan zufrieden, „verändert jede Per sönlichkeit." Zu spät fiel ihm ein, daß die Haema ten den Thermostrahler übersehen hatten, der in seinem Hosenbund steckte. Siedendheiß überfiel ihn die Erkenntnis, daß ihm diese Unacht samkeit ernsthafte Schwierigkeiten hätte bereiten können. Er fand, nachdem er an einer Grup pe narbenbedeckter Halbbuhrlos vor beigekommen und einen von ihnen gefragt hatte, den nächsten funktio nierenden Antigravschacht und sank ein Deck tiefer. Als er aus der gerundeten Öffnung stieg und seine Füße auf den Boden setzte, ächzte um ihn herum das Me tall der Verbände wieder auf. Die Er-
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schütterung war nicht heftig, aber sie dauerte dreißig Sekunden oder län ger. Atlan war sicher, daß der Koloß des fremden Schiffes abermals näher ge kommen und diese Vibrationen aus gelöst hatte. Es würde nur noch schlimmer wer den.
Niemand an Bord wußte, wie sie zu dem Namen poor people gekommen waren. Die Mitglieder ahnten nicht einmal, was diese Bezeichnung bedeu tete. Sie waren froh, noch am Leben zu sein und sich verstecken zu kön nen. Yoff, der einarmige, hinkende Halbbuhrlo, zuckte bei jedem Schuß und jedem Geräusch zusammen. Er wußte nicht, was vor sich ging, aber er hatte erbärmliche Angst. „Es sind Troiliten, die gegeneinan der kämpfen", stotterte er. „Sie ma chen alles kaputt." „Es ist 'was anderes", murmelte Oto. Der mißgestaltete Ferrate duckte sich unter dem Dröhnen irgendwelcher Rammen oder Strahlschüsse, die das Metall in der unmittelbaren Nähe ih rer Höhle trafen. „Egal", meinte Yoff. „Sie werden uns finden!" „Niemand wird uns finden!" „Yum-yum weg?" jammerte der Ma teyvo, der bald sterben würde. Seine Stielaugen waren zu kleinen Spiralen zusammengerollt. „Sie werden dir dein Yum-yum wegnehmen, wenn sie uns finden!" Der Paria ohne Namen hob den Kopf. Die Geräusche wurden vorüber
46 gehend leiser. Direkt über dem Ver steck klangen harte, metallische Ge räusche auf. Unentwegt schienen sich die Verbundplatten und die senkrech ten Versteifungen zu biegen und zu federn. Staut) und hartgewordene Isoliermasse rieselte aus den Dichtfu gen. Aus dem Tropfen des Wasser rohrs wurde ein feines Zischen. Das Wasser trat jetzt in einer pfeifenden winzigen Fontäne aus, schlug sich am Metall nieder und tropfte auf das wil de Durcheinander von leeren Verpak kungen, Abfällen, Pflanzenresten und zerschlissenen Decken. „Das war ein Kampf!" sagte der Halbbuhrlo. „Ich habe die Sirenen ge hört." „Immer ist hau-hau!" klagte der Ma teyvo. Sie nannten ihn Schüssel Sein Körper, der entfernt einem großen Napf glich, gab einen stechenden Ge ruch von sich. Er rollte seine Augen aus und richtete eines auf Yoff, das an dere auf die Lichtquelle. „Nicht immer", tröstete ihn der Pa ria. Torso saß nur da und sagte nichts. Aber seine offenen Lippen zitterten. Auch er fürchtete sich. Yoff kroch von seinem Lager herunter, duckte sich durch den kreisförmigen Ausschnitt einer Spantplatte und sagte voller Entschlossenheit: „Ich sehe nach." Die poor people waren die Ärmsten an Bord. Ihr Leben verlief seit Jahren unter Minimalbedingungen. Die Mag niden und Ahlnaten würden sie als die „Ratten der SOL" bezeichnet ha ben, wenn sie von ihrer Existenz ge wußt hätten. In einem Hohlraum zwi schen zwei Hauptdecks hatte ein frü-
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herer Angehöriger der Gruppe diesen Hohlraum entdeckt. Es gab — bis vor einer Stunde — ein Wasserrohr, das quer durch das Versteck führte. In der Sekunde waren zwei Tropfen aus ei ner undichten Stelle gefallen und auf gefangen worden. Von 172 800 Trop fen pro Tag konnten die poor people bequem existieren. Bis vor kurzem. Jetzt hatten sie Wasser im Überfluß. Ein früheres Mitglied hatte ein Ka bel angezapft, eine Leuchte und eine einfache Entladungskugel mit Schraubgewinde gestohlen oder ge funden. Im Zentrum des Verstecks leuchtete die Helligkeit von sechzig Watt. Das Licht reichte aus, um alle Einzelheiten der schmutzstarrenden Behausung erkennen zu lassen. Der Halbbuhrlo, dessen Narben heute stärker schmerzten als je zuvor, kroch durch ein elf Meter langes Rohr von siebzig Zentimetern Durchmesser. Dann befand er sich in ihrer „Luft schleuse"; einem kastenförmigen Ele ment, das aus Pappe, Plastik und me tallenen Klammern bestand. Im Licht eines Tiefstrahlers hätte jeder, der lesen konnte, folgende Worte er kannt: SOL-Grundausstattung I. NICHT STÜRZEN. HIER OBEN. In halt: 6000 Stück Notrationen, raum fest. Verfallsdatum: Mai 3600 Vor Hitze über 350 K und Nässe schützen. Licht empfindlich. Der Kasten verschloß auf der einen Seite das Rohr und war mit einer klebrigen Masse an der Wand befestigt. Natürlich war er seit einer Ewigkeit leer. Durch ein Gitter, das zertreten und rostzerfressen war, leuchtete von der rund fünfundzwan zig Meter weit entfernten Decke einer Lagerhalle der Tiefstrahler bis hier
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her. Yoff öffnete das Vorderteil des Ka stens und spähte nach oben. Das Gitter war noch da. Er sah die Füße von Ferraten hin und her lau fen. Eine harte Stimme gab unver ständliche Kommandos. Vorsichtig richtete er sich auf und starrte schwei gend schräg durch das Gitter. Ein sehr schweres Wesen war darauf getreten, oder eines der Lastenfahrzeuge hatte das einst massive Gitter in der Mitte zerstört. Yoff sah die riesigen Stapel der Pakete in verschiedenen Farben, mit Streifen und unverständlichen Buchstaben darauf. Jeder Stapel war unvollständig, buchstäblich vor jedem standen ein Vystide oder ein schwer bewaffneter Haemate. Ferraten, unterstützt von Buhrlos, machten sich daran, irgendwelche großen Zerstörungen zu beseitigen. Als sich Yoff wieder bückte, sah er... „Das darf nicht sein!" stieß er her vor. Eine wilde Hoffnung erfüllte ihn. Er kroch im halb mannshohen Raum zwischen den Decks weiter und streif te den Staub von dicken Kabelsträn gen, von Verteilerkästen und anderen, seltsamen technischen Formen. Eine starke Wärme strömte von den Rän dern eines unregelmäßigen Loches aus, das von einem Strahlgeschütz ge schnitten worden war. Die Metallplat te hing nur noch an einer fingerlangen Verbindung und hatte sich nach unten gesenkt. Yoff blickte fassungslos seinen Fund an. Das Loch, fast einen Meter im Durchmesser, befand sich direkt unter einem Stapel. Etwas hatte nach dem
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Schuß die kistenförmige Verpackung nachsacken lassen. Ein Paket, so groß, daß er es gerade noch tragen konnte, war senkrecht heruntergefallen. Dann erfaßte Yoff die volle Tragwei te dessen, was er wirklich gefunden hatte. Einen Zugang zu der versiegelten Lagerhalle. Sie mußte zu einer der we nigen Verteilerstationen der SZ-1 ge hören. Die poor people konnten hier ein- und ausgehen, wie es ihnen paßte. Yoff packte das rot eingeschlagene Paket und schleppte es zurück zur Gruppe. Der Mateyvo richtete beide Augen auf den auffallenden Fund und fragte wimmernd: „Yam-yam?" „Werden wir gleich sehen", antwor tete der Halbbuhrlo. „Gib mir das Mes ser, Oto." Mit den beiden Fingern der linken Hand, die ihm noch verblieben waren, zog Oto ein sichelförmiges Stück Me tall aus dem Schutt. Sie hatten es in ta gelanger Arbeit geschnitten und ge schliffen. Yoff ritzte vorsichtig die pla stikartige Verpackung auf. Keiner von ihnen konnte lesen, schon gar nicht der Torso, der sich auf seinen Bein stumpen summend hin und her be wegte wie ein Pendel. Während das Schiff wieder und wie der zitterte, während über den Köpfen der Gruppe schwere Schritte zu hören waren und hämmernde, schleifende und bohrende Arbeitsgeräusche er tönten, öffnete Yoff in zeremonieller Langsamkeit das Paket. Es war uner wartet schwer gewesen. Er entfernte eine zweite Plastikschicht und eine fe dernde Matte, dann sahen sie rechtek kige, etwa handgroße Platten.
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Sie waren in verschweißte Vakuum folie verpackt. Breite Bänder zogen sich über die raumsichere Verpak kung. Schriften und Bilder, die Dinge darstellten, von denen keiner etwas wußte, waren in leuchtenden Farben dargestellt. Wieder schnitt das Messer die Verpackung auf. Es gab rote, brau ne, weiß gestreifte und gelbe Platten. „Yam-yam? Gut?" Der Mateyvo konnte seine Erregung nicht mehr bändigen. Auf seinen Laufborsten kroch er näher, den napf förmigen Körper nach vorn gereckt. Der Torso riß die Augen auf und zog die Luft scharf durch die großen Na senlöcher. Der Paria schmatzte wort los vor sich hin. Yoff brach eine Ecke der Tafel ab. Er sah, daß das Innere der Platte in Streifen geschichtet war. In einigen Schichten steckten harte, dunkle Brocken. „Es kann tatsächlich Essen sein", meinte Yoff und probierte die Ecke. Sie hatte sich teilweise aufgelöst und auf seinen Fingern schmutzige Flecken hinterlassen. Dann explodierte auf Yoffs Zunge förmlich ein nie gekannter Ge schmack. Süß, schwer, fett, hart und weich zugleich, streng riechend und völlig unbekannt. Vielleicht giftig, sagte er sich, aber gut. Torso hörte auf, sich zu wiegen. Er war eine Mißge burt, von unbekannten Eltern ausge setzt, von einem Mitleidigen aufgezo gen, und vor langer Zeit schien jener Solaner gestorben zu sein. Der Paria hatte Torso aufgelesen und eines Ta ges mitgebracht. Yoff schnitt ein schmales Stück von der Platte ab und schob sie zwischen Torsos trockene Lippen.
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Sekunden später sahen sie alle zum erstenmal Torso lächeln. Schnell zählte Buhrlo nach. In die sem Paket befanden sich zehnmal zehn plus zweimal zehn plus acht Plat ten. Er warf den Rest der Platte in die Öffnung von Schüssel. Der Napf schloß sich sofort. Der Körper geriet in Zuckungen, als er die Nahrung auf löste. „Yam-yam gut. Dankedanke." Yoff sagte: „Wir haben genug davon. Irgendwann werden sie das Loch schließen. Wir können diese Platten tauschen — gegen alles, was wir brauchen." „Tauschen!" sagte Oto. Er lutschte und kaute an der Hälfte der zweiten Tafel. Der Halbbuhrlo nickte und gab die andere Hälfte dem Paria, der seine Finger gierig ausstreckte. Zwischen ihm und Yoff lief das schmale Rinnsal des Wassers vorbei. Als jeder von ihnen kaute und aß, sagte Yoff undeutlich: „Wir müssen hier verschwinden." Torso lächelte ihn an. „Warum?" fragte Schüssel brum mend. „Das Wasser", sagte Yoff. „Es zischt und läuft. Irgendwann läuft es nach unten. Dann wird man kommen und uns finden." „Vielleicht. Die Rostjäger", pflichte te ihm Oto bei. „Das Loch dort vorn?" Der Buhrlo war so etwas wie der An führer dieser Ausgestoßenen. Zwar konnte er nur langsam zählen und nicht lesen, aber er war gesund und auf seine Weise schlau und geschickt. Mehrmals hatte er die Gruppe vor dem Verhungern gerettet, stets in der Ge
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fahr, bei seinen nächtlichen Streifen gängen ertappt zu werden und sie alle zu verraten. Sie würden augenblick lich die Opfer der Jäger werden, der Vystiden und ihrer Soldaten. „Auch das Loch wird man entdek ken. Dann weiß man, daß wir die Plat ten haben. Aber der Lagerraum ist voll." „Yam-yam mehr", bettelte Schüssel „Warum nicht? Es gibt genug", sag te Oto, öffnete eine Platte mit gelbem Band und ließ sie in die Körperöff nung des Planetariers fallen. Pyrriden hatten den Extra irgendwann von ei nem Planeten mitgebracht, weil sie ihn für eine Pflanze oder ein Tier ge halten hatten. Er hatte mit seinem In stinkt den Weg hierher selbst gefun den und war zuletzt in einer SOLFarm herumgekrochen. Auch Torso bekam noch ein Stück der seltsamen Nahrung. Sie schlangen mehrere Platten herunter. Im Inhalt der verschiedenfarbigen Packungen gab es Unterschiede. Seit einer so lan gen Zeit, daß sie sich nicht mehr erin nern konnten, waren sie alle einmal wieder satt geworden. Die Schüssel mit Wasser wurde herumgereicht. Sie saßen im Kreis um die geöffnete Kiste. Yoff deutete auf den Paria. „Du suchst, ganz weit weg, einen neuen Platz. Er muß einen Ausgang ins Schiff haben." „Klar. Finde ich." „Oto und ich holen, was wir finden können. Wir klettern, wenn sie weg sind", er deutete nach oben, zur Quelle der Geräusche, „in den Stapel." „Wir beide", bestätigte Oto. Eine starke Unruhe, gemischt mit Hoff nung auf ein besseres Leben, ergriff
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sie. Sie waren wie blinde Maulwürfe, als sie durch das nasse Zeug robbten und durch die Schleuse aus Karton und Plastik kletterten. Der Kampf war vorbei, und durch das Gitter sahen sie die Ferraten schuften. Als sie gerade weiterkriechen wollten, kam ein Ahl nate heran, richtete den Handschein werfer auf das zerstörte Gitter und schaltete ihn ein. , Die Helligkeit endete eine Hand spanne vor Yoffs Fuß. Er erstarrte und drückte Oto fest an einen Spant. „Dieses Gitter hier — es ist zu erset zen und gut zu befestigen", rief der Ahlnate. „Und zwar schnell." Der Lagerraum mußte so bald wie möglich versiegelt und vor unbefug tem Eindringen gesichert werden. Schon wurden an vielen Stellen die Spuren des fremden Eindringlings und des Abwehrfeuers beseitigt. Nur wenige Vorräte hatten Feuer gefangen und befanden sich jetzt unter einer dicken Schicht Löschschaum. „Hier!" Yoff zeigte nach oben. Über dem Loch und dem schräg hängenden Stück des Bodens war im Stapel ein Hohlraum. Hier war das Paket gewe sen. Oto begriff, was Yoff meinte. Sie konnten, wenn die Halle endlich leer war, von innen in den Stapel eindrin gen, ihn aushöhlen und eine Öffnung schaffen, durch die sie ständig einund aussteigen konnten, schwer bela den mit dem, was sie hier fanden. Der Paria kroch an ihnen vorbei, ein Stück Tau aus Pflanzenfasern in einer Hand. Die Fasern glommen und brannten mit kleinen Flammen. In diesem schwachen Licht fand er sei nen Weg, vielleicht in ein neues, besse
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res Versteck. „Weg hier. Sie riechen den Rauch!" zischte Yoff. Der Paria kroch schneller. Yoff und Oto sahen sich an und nickten. Für alle Zeiten waren sie reich und würden alles haben, was man ihnen bisher verweigert hatte. Sie dachten nicht daran, daß der La deraum durch eine Infrarotkamera kontrolliert wurde. Allerdings: es war nicht sicher, ob sie auch funktionierte.
6.
Atlan widerstand der Versuchung, sich hinzusetzen oder wenigstens an die Wand des Korridors zu lehnen. Er hatte vor kurzer Zeit die Jacke eines Ferraten gefunden und übergestreift. Auf diese Weise versteckte er seinen Thermostrahler leichter. Nachlassende Wachsamkeit bedeu tet gesteigerte Gefährdung, flüsterte das Extrahirn. Dreißig Schritt vor ihm befand sich ein Interkomanschluß. Ein Ahlnate stand neben dem ausge schalteten Gerät, bewachte es und ver hinderte einen Mißbrauch. Die Hand des Ahlnaten — als Atlan näherkam, sah er, daß es eine Schwester der drit ten Wertigkeit war — lag am Kolben eines kleinen, schwarzen Strahlers. Atlan ging ruhig weiter und bemüh te sich, wie ein gleichgültiger Ferrate zu wirken. Der Ruß in seinem Haar und die Asche in Gesicht und Händen wiesen ihn als einen Rostjäger aus, der mit einem klaren Arbeitsauftrag un terwegs war. Wenn er keinen Zusam menstoß provozierte, konnte er ein
weites Stück seines Weges zurückle gen. Der Kampf mit den fremden Ein dringlingen war vorbei. Die Wesen, die aus dem Quader gekommen wa ren, hatten nicht einmal den Versuch einer Verständigung unternommen. Sie näherten sich, griffen schweigend an, bahnten sich einen Weg durch das Schiff und starben ebenso schwei gend. Vielleicht war von ihnen bereits der Versuch der SOL-Führung, das Hantelschiff abzubremsen, als Einlei tung der Feindlichkeiten definiert worden. Die SOL selbst wurde immer hefti ger erschüttert. Allerdings gab es seit etwa drei Stunden zwischen den einzelnen Pha sen der Vibrationen Pausen, in denen das Schiff geradezu beängstigen still war. Diese Unterbrechungen hatten unterschiedliche Dauer. Die längste Stille seit der Annäherung des Qua ders schien etwa eine Stunde gedauert zu haben. Atlan wußte, daß die Schiffe im Au genblick kurz davor waren, nebenein ander auf Mausefalle VII zuzudriften. Für eine kurze Zeitspanne würden die Fallgeschwindigkeiten der SOL und des Quaders scheinbar gleich groß sein. Wann dieser Moment eintrat, konnte Atlan nicht wissen. Er ging an der grimmig dreinblik kenden Ahlnatin vorbei. Sie hatte ein hageres, zerfurchtes Gesicht mit ei nem Pferdegebiß. In diesem Hauptkorridor herrschte reger Verkehr. Atlan wählte die Mas se, um darin anonym bleiben zu kön nen. Ein Magnide mit seiner Roboter
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schutzmacht kreuzte Atlans Weg. Was er an dieser Stelle des Schiffes suchte, blieb rätselhaft. Ein Rudel Ferraten, schwer bepackt mit Werkzeugen und Ersatzteilen, die auf Schwebeplattfor men aufgetürmt waren, kam ihm ent gegen, von zwei aufgeregt schnatternden Ahlnaten begleitet. Sie hielten große Folien mit grob ausgeführten Zeichnungen in den Händen und deu teten immer wieder auf diese oder jene Linie des Schemas. Rücksichtlos schwebte ein Gleiter voll grimmig dreinblickender Haema ten durch den langen Korridor. Neben dem Piloten des offenen, einfachen Gefährts saß, hochmütig und mit fun kelnden Augen, ein Vystiden-Offizier. Atlan drückte sich an die Wand und ließ das Gespann an sich vorbei. „Wenn die hierarchische Schich tung wenigstens funktionieren wür de", sagte er sich. „Aber in der kurzen Zeit mußte ich erkennen, daß hier an Bord buchstäblich jeder seine eigene Suppe kocht." Fast hunderttausend Individuen, die bestrebt waren, ihre eigenen Inter essen über alles andere zu stellen. Nur in Augenblicken höchster Gefahr han delten sie einigermaßen gemeinsam. Wieder entdeckte Atlan, auf einem erhöhten Rampenteil, eine Gruppe von rund fünfzehn Angehörigen der Kriegerkaste. Zwei Vystiden sprachen mit anderen Solanern und hielten die Bildträger für holografische Darstel lungen in den Händen. Augenblick lich alarmierte ihn der Logiksektor: Sie suchen dich, Arkonide! Ohne seine Geschwindigkeit zu ver ringern, änderte Atlan die Richtung. Er bog nach links ab und verließ den
51 breiten, gut beleuchteten Korridor. Mehrmals hatte sich im Verlauf der letzten Stunden seine Erinnerung mit der Wirklichkeit gedeckt. Die Über einstimmung war äußerlich, denn jen seits der Hauptkorridore herrschte, wie erwartet, das Chaos in allen seinen Erscheinungsformen. Zweihundert Jahre hatten genügt, um aus einem zweckmäßig und großzügig eingerich teten Raumschiff eine Mischung aus Ruinen und Dschungel, willkürlichen Neubauten und zerfallenden techni schen Einrichtungen zu machen. Was ihn verblüffte, war der Umstand, daß auf allen seinen bisher zurückgelegten Teilstrecken die künstliche Anzie hungskraft weiterhin bestand. Die Ge neratoren schienen tatsächlich war tungsfrei zu arbeiten. Das Hauptübel am gegenwärtigen Zustand war der Ausfall von SENE CA. Ein Teilausfall war ebenso schlimm, ja verheerend, wie es ein To talausfall gewesen wäre. Die Sach zwänge, die von einer perfekt funktio nierenden Zentralbiopositronik auf gebaut wurden, hätten die Entwick lung nicht bis zu diesem abstrusen Punkt gelangen lassen. Atlan sah sich um, entdeckte weder Solaner noch irgendwelche Linsen und beschleunigte seine Schritte. Der abzweigende, weniger große und we niger gepflegte Korridor endete blind an einem Schott. Atlan wandte sich nach rechts. Er plante, das Suchkom mando in der klassischen DreimalNeunzig-Grad-Weise zu umgehen. Ein schmaler Gang nahm ihn auf. An beiden Seiten befanden sich die leichten, aber — damals! — luftdicht abzuschließenden Eingänge zu Ein
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zelkabinen. Atlan wollte gar nicht wis sen, wer oder was sich hinter den zer schrammten, von Brandspuren über säten, mit einer breiten, aber ge schmacklosen Auswahl von Klebefo lien, Ziffern, sogenannten Kunst werken und anderem Zubehör über säten Schottüren verbarg. Er eilte weiter. Etwa fünfzig Meter führte der Gang geradeaus. Die Spuren des Ver falls wurden stärker, je weiter Atlan in das Scheinlabyrinth von abzweigen den Gangenden eindrang. Ganz weit vorn, am Ende des geradeausführen den Ganges, leuchtete ein starkes ro tes Licht. Eine Rampe führte, rot beleuchtet und in gefährlich wirkendes Glühen getaucht, aufwärts. Ein kleiner Platz, an dem mehrere Korridore abzweigten und die beiden Öffnungen von Antigravlifts zu se hen waren, schloß sich an. Atlan lief geradeaus und ließ den von Unrat übersäten Platz hinter sich. Er geriet in das Gewimmel einer Versammlung von Buhrlos, die ihn nicht erkannten. Als er sie passiert hatte, bemerkte er rechts von sich das Funkeln einer sil bernen Uniform. Ein Vystide! Er hatte sich verdächtig gemacht, weil er auffallende Schnelligkeit an den Tag gelegt hatte. Der Vystide feu erte aus einem Lähmstrahler, ohne ihn anzurufen. Atlan hörte das dröhnende Sirren des Spurstrahls und fing zu ren ne an. Jetzt lief er im Zickzack, soweit ihm dies in dem Bereich der Kabinen gänge glückte. Eine Treppe — hinauf. Ein kurzes Stück Korridor mit schmutzigen Handgriffen rechts und links — hindurch! Eine spiralige Ram-
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pe, blau beleuchtet — abwärts. Wieder schüttelte sich die SOL. Knirschen, Ächzen und Poltern aus al len Teilen des Schiffes schlugen über Atlan zusammen. Er hörte hinter sich Schreie und schnelle, harte Schritte. Vor ihm öff nete sich wieder ein Verteiler. Er blickte kurz auf den „Abwärts"-Pfeil und sprang in vollem Lauf in die Anti gravröhre. Langsam glitt er nach unten, wäh rend seine Hand nach dem Gürtel ta stete und den Strahler herauszog. Niemand verfolgte ihn — bis jetzt. Er sank bis auf den Boden des Schachtes. Dort schwang er sich vor sichtig aus der Liftöffnung. Er stand mitten in einem stickig riechenden Dschungel aus Pflanzen, die sich an dünnen Stahlsäulen aufwärts rankten. Der weiße Nebel, der aus dem federnden, von Pflanzenabfällen bedeckten Boden aufstieg, reichte bis an seine Knie. In den Zweigen zirpten und summten Insekten in großer Anzahl. Atlan schüttelte, vollständig verblüfft und verwirrt, den Kopf. Aus dem Schacht dröhnte eine me tallisch klingende Stimme: „Das war der Gesuchte! Er muß hier sein! Sucht in allen Richtungen." Der Arkonide erinnerte sich, daß er im Abwärtsgleiten sieben Öffnungen an sich hatte vorbeiziehen sehen. Noch hatte er eine kleine Gnadenfrist. Er kämpfte sich durch das verwüderte Vielerlei der Pflanzen. Sie füllten die kleine Halle mit der Kantenlänge von etwa vierzig Meter vollständig aus. Nach fünfzehn Schritten bemerkte Atlan vor sich einen schmalen Pfad, der nicht häufig begangen worden
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war. Er hastete vorwärts, entsicherte den Strahler und duckte sich, als ein Kör per schräg abwärts dicht über seinem Kopf wie ein Meteorit durch die Zwei ge fetzte. Unter seinen Füßen öffnete sich eine Platte oder ein Loch. Es gab ein stählern klingendes, hartes Ge räusch. Atlan fiel, die Arme hochgeris sen und einen leisen Schrei aussto ßend, zehn Meter tief. Ihn fing ein Feld ab, das den Aufprall verhinderte. Zu spät merkte er, daß es kein Bremsfeld war, sondern daß er sich in einer Zone der Schwerelosigkeit be fand. Er wirbelte herum, drehte sich hilf los, zog die Arme an und versuchte, seinen Körper zu stabilisieren. Nur am Rand seines aufgeregten Bewußtseins registrierte er den Ablauf der eben ge hörten Geräusche — in umgekehrter Reihenfolge. Die Falltür schloß sich also wieder. War er vom Regen unter Umgehung der Traufe direkt in die Überschwem mung geraten? * Die grauen Augen, tief verborgen in den Höhlen aus aufgeschwemmtem, rotgeädertem Fleisch, richteten sich auf den Schirm der Außenbeobach tung. Chart Deccons Wut hatte einen Höhepunkt erreicht. Seine Stimme klang wie der Lärm eines sich nähernden Gewitters. „Der Kampf ging vorbei. Ich habe selbst gesehen, daß ein Fremder mit der Waffe eines Eindringlings in den Kampf eingegriffen hat. Es muß Atlan gewesen sein! Ihr seid allesamt halb
blind, schwerhörig und geistig träge in ungewöhlichem Ausmaß!" „High Sideryt! Wir haben nur noch die Möglichkeit, selbst durch die SZ-Eins zu streifen!" „Wo ist Atlan?" schrie er. „Atlan ist die zweitrangig wichtige Frage", gab Brooklyn zurück. Sie wirkte kalt, entschlossen und ganz auf ihre Aufgabe konzentriert. Von Ver bindlichkeit oder Charme war nichts zu spüren. „Die beiden Schiffe beein flussen sich gegenseitig. Wir können nicht mehr ausweichen. Der Quader reagiert nicht. Er bedroht die Existenz der SOL." „Ihr habt es nicht einmal geschafft, zu erkennen und zu orten, was auf dem siebenten Planeten dieses ver fluchten Sonnensystems vor sich geht!" tobte Chart Deccon. „Und wo bleibt mein voller Tank mit E-kick?" „Der Tank ist unterwegs. Ein Teil unseres letzten Vorrats. Alle Ortungs geräte richten sich seit Wochen auf diese Welt. Du weißt es genau — sei nicht ungerecht. Wir wissen so gut wie nichts über den Planeten. Eben nur, daß er dort ist und ein Planet ist." „Das Schiff bricht auseinander!" Brooklyn gab kühl, aber mit einer zitternden Stimme, die einen Teil ih rer eigenen Furcht erkennen ließ, zu rück: „Wir warten nur auf eine Anordnung oder einen Vorschlag des High Side ryt, der uns sagt, wie wir diesen Um stand ändern sollen." In ohnmächtiger Wut und im Be wußtsein, daß niemand an Bord auch nur den Ansatz einer Lösung kannte, ballte Deccon seine Fäuste. Schließ lich verstieg er sich zu der Aufforde
54 rung: „Bringt mir Atlan! Die SOL ist machtlos gegen diesen Quader. Ich ha be keine Lösung für unsere Probleme . . . außer kollektivem Selbstmord." Kühl wie eine Statue gab Brooklyn zurück: „An diesem Ausweg ist uns allen zur Zeit nichts gelegen." Ihre Augen unter dem grauen Haar musterten ihn zurückhaltend und auf fordernd, als ob sie ihn heute zum er sten Mal sähe. Chart Deccon, der High SiderytDiktator der SOL, schwieg.
Atlan schwebte in einer großen Ka bine. Der Raum hatte allerdings vor langer Zeit einem anderen Zweck ge dient gehabt. Jetzt befanden sich Mö bel darin, und die Wände waren mit ei ner Art Teppich beklebt. Als sich die Gestalt der Frau in sein Blickfeld schob, merkte er, wie unter ihm der Boden näherkam. Er sank ab, die An ziehungskraft nahm zu. Atlan ver suchte, trotz der schlecht kontrollie renden Bewegungen den Strahler auf die Frau zu richten. „Wer bist du?" fragte er. „Warum hast d u . . . ? " Sie lächelte knapp und ließ zwei Reihen schneeweißer Zähne sehen. Für Atlan war sie an dieser Stelle ein überraschender Anblick. Jung, ge pflegt, selbstsicher und hübsch. Auch ihre Stimme klang sympathisch. „Ich weiß, daß du in Schwierigkei ten bis. Deshalb verstecke ich dich. Du mußt jener Fremde aus der Ver gangenheit der SOL sein, von dem die
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Buhrlos sprechen." Atlans Sohlen berührten den wei chen Boden. Er senkte den Strahler, dann zuckte er die Schultern und steckte ihn in den Hosenbund. „Du hast recht", gab er zu. „Danke für die Rettung. Sie ist etwas überra schend abgelaufen. Wer bist du:"' Jetzt stand er sicher. Die Frau hatte sich in der anderen Hälfte des Raumes aufgehalten gehabt. Dort herrschten also normale Schwereverhältnisse. „Ich heiße Arlanda." „Das ist ein schöner Name", sagte Atlan steif. „Aber er besagt für mich nicht viel. Was bist d u ? " Wieder lächelte sie und deutete auf einen Sessel. Das Mobiliar dieses Rau mes schien aus verschiedenen Kabinen zusammengeholt worden zu sein. Zö gernd setzte sich Atlan. Hier herrschte völlige Ruhe, und er riskierte es. sich zu entspannen. Die Frau setzte sich ihm gegenüber und erklärte: „Man könnte mich als Anti-Pyrridin bezeichnen. Ich war bei den Brüdern und Schwestern der vierten Wertig keit. Mich widerten ihre rohen Späße an, und überdies ist die SOL schon seit Urzeiten an keinem Planeten vor beigeflogen, auf dessen Oberfläche Kommandos landen konnten. Ich zog mich zurück." Atlan zuckte die Schultern. „Du hast sämtliche Privilegien ver loren", stellte er fest. „Nein. Ich habe Möglichkeiten, zu rückgezogen und dennoch angenehm zu leben. Niemand sucht mich. Ich werde nicht belästigt. Ich habe alles, was ich brauche." ..Auch Informationen''" „Nicht alle. Aber es reicht aus, um
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zu überleben." „Seltsam", murmelte Atlan und sah sich um. In einem Regal standen Lese spulen. Ein passiver Interkoman schluß war vorhanden, aber die Bild scheibe war grau. Von hier aus konnte man niemanden rufen, sondern war darauf angewiesen, zu sehen und zu hören, was an anderen Stellen gespro chen wurde. Viele Teile der Einrich tungen wirkten auf durchaus positive und geschmackvolle Weise, als wären sie in Handarbeit hergestellt. Decken, die Bezüge der Konturliegen aus Räu men, die einst anderen Zwecken ge dient hatten, die Bilder an den Wän den waren pseudoholografische Auf nahmen einer Reihe fremder Plane t e n . Der Raum war angenehm warm, es roch nicht nach Abfällen oder Schmutz, und Arlanda trug die Uni form der Pyrriden ohne die metall grauen Atomsymbole auf den Oberar men. Ihr weißblondes Haar war nicht län ger als zwei Fingerbreiten. Mit großen und dunklen Augen sah sie Atlan mit unverhüllter Neugierde an. Ihre Hän de waren kräftig, aber mit sauberen Fingernägeln. Atlan kam diese ganze Szene wie ein Traum vor. „Was ist seltsam?" fragte Arlanda. Sie stand auf, ging zu einem Kühl schrank und holte eine Weichpackung hervor. Sie verteilte den Inhalt in zwei Becher, die den Aufdruck SZ-1 Feuer leitzentrale trugen. „Danke", sagte Atlan und roch Fruchtsaft mit starkem Alkoholanteil. „Ich sehe, du bist wohlversorgt. Selt sam ist vieles. Ich habe nicht gewußt, daß es Möglichkeiten gibt, auf die Weise in der SOL zu leben, wie du es
55 mir zeigst." „Diese Möglichkeit gibt es nur an sehr wenigen Stellen, für nur wenige Individuen", sagte Arlanda. „Wenn Chart Deccon es schaffen sollte, der Besatzung eine attraktive Aufgabe zu geben und sie mitzureißen, werden die Möglichkeiten eingeschränkt. Dann stelle ich mich der Allgemein heit wieder zur Verfügung." „Ich bezweifle, daß er es schafft. Oh ne SENECA schafft es niemand." „Nicht einmal du — wenn es stimmt, daß du der legendäre Atlan bist, der arkonidische Kristallprinz?" „Ich sehe im Augenblick nicht so aus, als wäre ich der Retter der SOL. Ich fühle mich auch keineswegs so. Mich foltert die Sorge um das Schiff. Darüber hinaus habe ich einen festen Auftrag erhalten, von Wesen, die ein wenig jenseits unseres Verständnis ses stehen. Überdies bin ich der Ge hetzte der SOL." Er lachte freudlos, und Arlanda deu tete auf die breite Liege. „Hier kannst du eine Weile ausru hen. Ich habe heißes Wasser ebenso wie genügend Nahrung." „Woher die Nahrung? " „Früchte ziehe ich oben", sagte sie und deutete auf die Falltür. „Hin und wieder tausche ich mit Ferraten und Buhrlos. Ich bin als Arzt recht ge schickt, und überdies habe ich einen Rest von Vorräten." Sie wies auf eine der drei Metalltü ren des Raumes. Dahinter schien sich eine Krankenstation zu verbergen. Auf Atlans Frage nickte sie und fügte hinzu: „Aber niemandem ist es gelungen, den rostenden Medorobot zu reparie
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ren. Er stand schon da, als ich diesen Raum fand und auszubauen be schloß." „Ich verstehe", sagte Atlan und gähnte. „Wenn ich dich recht verstan den habe, bietest du mir vorüberge hend deine Gastfreundschaft an. Ich werde sie gern annehmen. Hast du keine Angst, daß man uns findet?" Wortlos schüttelte sie den Kopf. Dann lachte sie. „Es wäre interessant, zu sehen, wie du unter dem Schmutz aussiehst. Und ich bin sicher, deine Erzählungen aus der Vorzeit der SOL sind span nend und unterhaltsam." Atlan lachte grimmig und erwiderte: „Du überforderst mich, Arlanda. Mir schwirrt der Kopf, wenn ich an den Zustand des Schiffes denke. Trotz dem: eine kurze Rast klärt vielleicht einen Teil des Wirrwarrs in meinen Gedanken. Ein heißes Bad, beispiels weise." „Es gibt nur eine Dusche", schränk te sie ein. „Bediene dich. Hungrig?" Er nickte, stand auf und leerte den Becher. Mit dem Geschick einer Frau verwandelte sie den Raum binnen kurzer Zeit. Leise Musik erklang plötzlich. Auf einem Tisch erschienen die Teile einer Mahlzeit. Der Geruch von Alkohol durchzogen denRaum. At lan sah an unzähligen Stellen, daß Ar landa den Räumen ihren unverkenn baren Stempel aufgedrückt hatte. Mochte der Henker wissen, woher sie Farbe und wohlriechende Seife hatte, woher die weichen Tücher und all die vielen Kleinigkeiten. Er gab sich den entspannenden Wonnen einer Dusche hin, wusch sich mit heißem und eis kaltem Wasser, ließ sich massieren.
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trocknen, einsprühen — und fühlte sich aufgemuntert und todmüde gleichzeitig. Dann wickelte er sich in ein weißes Handtuch, knapp drei Quadratmeter groß, und kam kopfschüttelnd zurück in den Wohnraum. „Ich bin mehr als verblüfft", sagte er in ehrlichem Staunen. ..Entweder bist du eine erstaunliche Frau, oder es ist eine der angenehmsten Fallen, die ich mir erträumen konnte." „Ersteres trifft zu", sagte Arlanda. „Du siehst wirklich so aus wie die Bü der . . . bis auf das Haar." „Ein Teil der Tarnung", sagte Atlan und folgte ihrer einladenen Geste. Sie setzten sich an den Tisch, aßen und tranken ruhig und unterhielten sich. Atlan gab nicht viel mehr von dem preis, was innerhalb des Schiffes über seine Person bekannt war, natür lich ahnte er, daß Chart Deccon und die Magniden logischerweise mehr wußten. Aber die Fragen die Arlanda stellte, verrieten, daß sie sich aus vie len unterschiedlichen Quellen inten siv mit der Geschichte der SOL be schäftigt hatte. Atlan jedenfalls, ebenso wie Perry Rhodan, waren ihr durchaus Begriffe. Seit Atlan in diesem Raum saß. hat ten nur drei kurze Vibrationen das Schiff erschüttert. Jetzt, als er den Tel ler zurückschob und nach dem < greifen wollte, bebten wieder Boden und Wände. „Diese Erschütterungen", sagte Ar landa. „Wann werden sie aufhören? Ich weiß, daß sie von einem Körper kom men, den sie Quader nennen." Atlan schilderte ihr seine Sorgen. Dann sagte er abschließend:
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„Ich weiß auch nicht, wie dem Schiff zu helfen ist. Wenn der Quader die SOL überholt hat, was in einigen Tagen der Fall sein wird, hören diese Erschütterungen auf. Aber bis dahin können Schäden auftreten, die nie mand an Bord je reparieren kann." „Meinst du?" fragte sie unsicher, „daß die SOL auseinanderbricht?" „In drei Teile!" sagte Atlan. „Die Verbindungen zwischen den Zellen und dem Mittelteil werden auf die Dauer die Belastungen nicht aushal ten." „Wie?" Ihre Miene drückte völliges Unver ständnis aus. Atlan fragte: „Ihr landet doch mit Beibooten auf Planeten. Wer fliegt sie?" „Wir. Ahlnaten sagen uns, was zu ge schehen hat." „Dann wissen die Pyrriden nicht, daß die SOL in Wirklichkeit aus drei Teilen besteht, die einzeln manövrier bar sind?" „Nein. Wir haben keine technische Ausbildung. Aber viele von uns sind gute Steuerleute für die Beiboote." Schweigend nickte Atlan und er klärte ihr in groben Umrissen, daß frü her einmal drei Teile des Schiffes un abhängig voneinander im Weltraum operiert hatten. Als sie hörte, daß es möglich war, sogar mit der SOL-Zelle auf einem Planeten zu landen, schien ihre Phantasie überfordert zu sein. Atlan leerte das Glas und deutete auf das Lager. „Ich werde einige Stunden, wenn du es mir erlaubst, schlafen. Vielleicht fällt mir im Traum etwas ein. Das Schiff und die Solaner müssen geret tet werden. Darf ich? "
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„Natürlich. Und wenn es wieder Vi brationen gibt? Starke Erschütterun gen?" Dann wird mein Extrasinn mich wecken, wollte der Arkonide sagen, aber er entschied sich, zu schweigen. Er machte eine abwägende Geste und murmelte: „Ich werde von selbst wach." Er warf sich auf die Liege und ver schränkte die Arme im Nacken. Tief in Gedanken versunken betrachtete er die Nietenreihen der Decke und die vielfarbigen Kabelstränge. Wenn es nicht gelang, das Schiff mit seinen stark eingeschränkten technischen Möglichkeiten aus der Zentrale heraus zu steuern, und zwar aus dem gerade zu lächerlich geringen Bereich hinaus, dann mußte ein Kommando auf dem Mausefalle-Planeten alles zerstören oder ausschalten, wovon die SOL — und zahllose andere Körper — mit un widerstehlicher Kraft angezogen wur den. Mitten in seinen Überlegungen schlief er ein. Der Aktivator sandte wohltuende Wellen heilender Wärme durch seinen Körper. Atlan ent krampfte sich und merkte nicht, daß ihn Arlanda zudeckte und einige Be leuchtungskörper ausschaltete.
Als Paya den Haematen sah, hob sie nur zwei Finger der rechten Hand. GeJahr, signalisierte sie. „Was gibt es?" fragte Yake unruhig. „Woran denkst d u ? " Beide Buhrlos waren hierher geru fen worden. Wenn ein Ahlnate einen Buhrlo brauchte, dann sicher nicht,
58 um etwas zu reparieren, sondern um ihn in den Weltraum hinaus zuschicken. E-kick lautete das Stichwort. Der Haemate blieb vor ihnen stehen und deutete in die Richtung der Schleuse. Ein Schott öffnete sich. Der Ahlnate, der ihnen den Befehl gege ben hatte, hierher zu kommen, kam aus der Kabine. „Da seid ihr", sagte er zufrieden und rieb sich die Hände. „Die Magniden in der Zentral brauchen E-kick. Ihr sollt hinaus." Paya schüttelte den Kopf und fragte: „Willst du uns umbringen?" Ruzyno, der Ahlnate, Bruder dritter Wertigkeit, starrte die Sprecherin wü tend an und rief: „Umbringen? Einen Buhrlo im Weltraum? Bist du verrückt?" „Sie meint, daß sie nicht will!" droh te der Soldat und langte nach seiner Waffe. Die beiden Buhrlos mit ihren schlanken Körpern blickten von ihm zum Ahlnaten und wieder zurück. Drei andere Männer mit gläsern schimmernder, rötlicher Haut kamen heran und vergrößerten die Gruppe. Sie hatten die letzten Worte gehört. Ei ner warf ein: „Normalerweise tun wir nichts lie ber, als auszusteigen." „Aber nicht jetzt. Es würde unser sichere Tod sein." „Die Magniden haben es befohlen. Ihr Vorrat an E-kick geht zur Neige. Ihr sollt euch auftanken." „Du hast keine Ahnung", wider sprach Paya. „Zwischen dem Quader und der SOL. herrschen tödliche Schwerkraftturbulenzen." „Mehr als fünf Stunden", schränkte
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Yake ein. „Das ist zu lange. Wir kön nen uns vielleicht an der Schleuse festbinden. Aber wenn wir wirklich aus dem Schatten der SOL hinaus und in die Sonnenstrahlung gehen, wer den wir zerrissen und zermalmt." „Unsinn!" Der Ahlnate und der Krieger warfen sich unsichere Blicke zu. Zwar wür den die Buhrlos gehorchen, aber ein toter Buhrlo liefert kein E-kick. Mindestens fünf Stunden lang, besser noch länger, mußten sich die Gläser nen im All aufladen, dann erst konnte unmittelbar nach ihrer Rückkehr das E-kick in die bereitgestellten leeren Akkus transformiert werden. Der Haemate zuckte die Schultern und ver suchte, das Problem auf andere Weise zu lösen. Inzwischen waren sechs wei tere Buhrlos eingetroffen. Schnell klärte Paya sie auf, was der Ahlnate von ihnen verlangt hatte. Die mei sten Buhrlos aus dieser größer wer denden Versammlung waren im All gewesen, als der Quader und dessen Kämpfer nähergekommen waren. Sie redeten aufgeregt miteinander. Sie schienen entschlossen zu sein, das Schiff unter diesen Umständen nicht zu verlassen. Der Bruder der zweiten Wertigkeit hatte einen Vystiaen herbeigerufen. Der Offizier in seiner engsitzenden Sil beruniform stemmte die Fäuste in die Seiten und erklärte nach kurzer Über legung: „Die Magniden haben es befohlen. Ihr sollt hinaus in den Raum gehen und E-kick sammeln. Wir treiben euch hinaus, wenn ihr nicht freiwillig geht!" Wieder war es Paya, die es riskierte,
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lautstark und nachdrücklich zu wider sprechen. „Selbst wenn wir hinaus in den Raum gehen", stieß sie hervor und hob die Arme, „dann werden wir mit einiger Sicherheit sterben. Wer soll dann das E-kick holen? Was wollt ihr mit toten Buhrlos?" „Davon verstehe ich nichts", sagte der Vystide scharf. „Ich kenne nur meine Befehle. Macht euch bereit." „Wir wollen mit den Magniden spre chen!" beharrte ein anderer Buhrlo. „Die Magniden sprechen mit uns, nicht umgekehrt", schnarrte der Ahl nate. „Wir haben zu gehorchen. Los, macht euch auf den Weg. Ich werde eure Antwort in der Zentrale vortra gen." „Ich kann mir nicht vorstellen", sagte Paya, „daß den Magniden sehr viel an toten Buhrlos gelegen ist. Abgesehen davon, daß Tote kein E-kick erbrin gen." Der Ahlnate rannte zum nächsten Interkom. Er drückte einige Knöpfe und sprach aufgeregt ins Mikrophon. Was von der Zentrale der SOL entgeg net wurde, verstand keiner. Der Ahl nate kam zurück und rief: „Ich habe eure Argumente der Zen trale vorgetragen." „Dann können wir ja wieder in unse re Betten gehen", sagte ein Buhrlo aufgebracht. „Ich bin kein Feigling. Ich war schon unter ganz anderen Be dingungen draußen. Aber ich schwöre euch, daß wir zwischen den beiden Schiffen aufgerieben werden." ..Die Magniden befahlen, daß wir euch dazu bringen sollen E-kick zu sammeln!" sagte der Vystide schroff. „Es wird nicht mehr diskutiert. Geht
59 hinaus, und zwar sofort. Sonst setzen wir die Waffen ein." „Du bist auch nur ein Befehlsemp fänger!" schrie ein Buhrlo. „Wir gehor chen der Gewalt." „Euch bleibt nichts anderes übrig." „Wir warnen euch — die meisten von uns werden sterben. Ohne E-kick für die Bonzen!" „Soll ich etwa dem High Sideryt Vorschriften machen, welche Befehle er erteilt", schrie in kochender Wut der Vystide. „Ich selbst brauche nichts von dem verdammten Zeug." Langsam und unwillig gingen etwa fünfundzwanzig Buhrlos, von den drei SOLAG-Leuten geschoben und ge trieben, auf die Schleuse zu. Jede Sei te hatte auf ihre Weise recht: die Buhr los gehorchten der Gewalt, und nicht einmal der Vystide konnte sich gegen die klaren Befehle der Brüder der er sten Wertigkeit stellen. Das Schott der Schleusenneben kammer wurde geöffnet. Schweigend schnallten sich die Buhrlos die Tornister mit den Rücken triebwerken an. In einer langen Rei he standen hier die leeren Kanister und Akkus für das E-kick, das nach fünf Stunden eingesammelt werden sollte. Dann gingen die Bewacher aus dem Raum. Der Druckausgleich wur de durchgeführt. Die Buhrlos gingen mit vorsichtigen Schritten auf den Rand des Hangars zu. Sie waren si cher, daß es dort draußen gefährlich war. Die Sol kreuzte die Bahn des ach ten Planeten, von außen gezählt. Der Weltraum schien — bis auf den Quader — leer zu sein. Die vielen trei benden Objekte waren zu klein und zu weit entfernt. Niemand konnte sie mit
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bloßem Auge sehen. Sie zeichneten sich nur auf den Ortungsschirmen der Zentrale ab. Die Buhrlos verständigten sich blitzschnell mit ihren Handzeichen. Paya war die Mutigste von allen und schwang sich aus dem Schiff. Die bei den goldfarbenen Feuerzungen des Triebwerks stachen aus den Düsen. In einer eleganten Kurve entfernte sich Paya vom Schiff und stieg hinauf in den Bereich zwischen Schlagschatten und dem Licht der Mausefalle-Sy stem-Sonne. Die anderen folgten, in langen Ab ständen und zögernd, aber entschlos sen, ihren Auftrag so gut wie möglich zu erfüllen. Einige dreißig Sekunden später, als der Körper Payas im Son nenlicht aufleuchtete, sahen die Buhr los hinter der gekrümmten Schale der Zelle den Quader. Seine Geschwindig keit war identisch mit derjenigen der SOL. Der Fremde war weniger als drei hundert Kilometer entfernt. Die Unmengen von bizarren Gegen ständen auf den eckigen Flächen sei ner Hülle leuchteten, funkelten und blitzten im Sonnenlicht. Zwischen Quader und SOL schienen sich im Va kuum des Weltalls Teile von hauch dünnen Blasen zu spannen. Sie sahen aus wie losgerissene Reste von Ener gieschirmen und veränderten unun terbrochen ihre Lage zueinander. Schlieren und Schleier berührten ein ander, verschwanden und tauchten wieder auf, lösten sich auf und ent standen an anderen Stellen wieder neu. Sie leuchteten fahl im Licht des Zentralfeuers dieses tödlichen Son nensystems.
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Paya signalisierte: Es ist voller Risiko! Hierher. Wir sind sicher— noch! Mehrere Buhrlos folgten ihr. Sie hielt sich dicht an der Bordwand der SOL. Hier draußen waren sie befreit von den Ängsten im zitternden und ächzenden Raumschiff. Absolute Stil le umgab die Buhrlos. Sie badeten mit ihren Körpern förmlich im Licht der Sonne. Diesmal kurvten sie nicht im Überschwang ihrer Gefühle durch das Vakuum, sondern versuchten, gefähr liche Stellen zwischen den Schiffen zu meiden. Quader hatte die SOL fast eingeholt. Beide Schiffe befanden sich in ge ringfügiger Eigenrotation. Vor den Sternen wanderten ihre Silhouetten langsam vorbei. Wieder tauchten Li nien, Spiralen und schalenförmige Strukturen auf. Paya hatte sich am weitesten von der SOL entfernt. Sie trieb ohne ge zündeten Antrieb dahin und driftete langsam von der SOL weg. Plötzlich erhielt ihr Körper einen kurzen Be schleunigungsimpuls, einen Ruck, der sie über die Körperachse wirbelte und in die Richtung auf Quader fortzog. Sie gab das Zeichen: Gefahr'. Ein anderer Buhrlo folgte ihr unfrei willig. Beide Körper drehten sich und überschlugen sich ununterbrochen. Sie wurden auf einen Punkt zu gezo gen, der zwischen SOL und Quader lag, aber nicht entlang einer Geraden zwischen den Massezentren beider Körper. Die anderen Buhrlos spürten die Todesangst der beiden Gefährten. Ein dritter wurde mitgerissen, gerade in dem Augenblick, an dem die ande ren ihre Triebwerke zündeten und ver
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suchten, in den beleuchteten Hangar zurückzukehren. Was nützte es den Buhrlos, wenn sie über die Linsen der Außenbeobach tung in der Zentrale gesehen wurden? Paya, dicht hinter ihr die beiden an deren Gläsernen, wurden ohne die ge ringste Chance mitgerissen. Ihre Triebwerke flammten immer dann mit voller Kraft auf, wenn sie sich dem Quader zuwandten. Aber der Rück stoß reichte nicht einmal aus, um die wirbelnde Bewegung ihrer Hilflosen Körper nennenswert abzubremsen. Sie wurden in den Weltraum hinein gerissen. Die anderen Buhrlos, die die Signale ihrer Kameraden gesehen und richtig verstanden hatten, flüchteten mit wild feuernden Triebwerken zurück in die Schleuse. Schweigend und fassungslos vor Schrecken sahen sie zu, wie Paya und ihre Begleiter in den Tod rasten. Viele Kilometer von der Bordwand der SOL entfernt packten die aufein andertreffenden Wellen der gegensei tigen Anziehungskräfte und der Strahlen und Felder, die aus dem Qua der kamen, die Buhrlos. Zuerst wur den die Körper der Gläsernen wie un ter einer Walze zusammengepreßt, dann zerrten wechselnde Kräfte an den Gliedmaßen und zerrissen die Buhrlos. Die Triebwerke der Torni ster, ebenfalls in den Bereich von wechselnden Beeinflussungen gera ten, flammten auf und arbeiteten mit voller Energie, bis sie schließlich deto nierten. In Sekundenabständen er schienen auf den Ortungsgeräten der Zentrale stechende Feuerbälle, die sich langsam ausdehnten.
61 Die Magniden begriffen, daß die drei Buhrlos gestorben waren, getötet von den entsetzlichen Kräften zwi schen beiden Schiffen. Drei Buhrlos, drei Gläserne — die Zahl bedeutete nichts, dachten die wahren Herrscher der SOLAG. Aber wer sollte unter diesen Umständen E-kick holen? Als sich alle anderen Buhrlos in der Schleuse befanden und auf die Kam mer zurannten, in der sie die Tornister ablegten, erschütterte eine neue Serie von Vibrationen und Schwingungen die SOL.
7. Atlan zog Arlanda an sich, küßte sie lange und riß sich dann los. „Danke", sagte er einfach. Sie sah ihn unter langen Wimpern hervor an. „Wofür?" „Dafür, daß ich mich ausruhen durf te. Und für alles andere." Seine Geste galt zuerst ihr und dann dem Raum mit seiner friedvollen Ru he. Atlan allerdings war unruhig. Die Schwankungen, das unheilvolle Äch zen und die Vibrationen hatten ihn ge weckt. Sein Entschluß stand jetzt fest. „Sehen wir uns jemals wieder?" fragte die ehemalige Pyrridin leise. „Wenn das alles vorbei ist, wenn ich dann noch lebe und das Schiff wieder unter einem Befehl arbeitet, und wenn du dann noch zu finden bist — ja!" antwortete der Arkonide. „Ich ver suche, meinen Entschluß in die Tat umzusetzen." „Ich werde um dich zittern", sagte sie. „Viel Glück. Ich zeige dir, auf wel
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chem Weg mein stilles Reich zu verlas sen ist." Wieder bebte der Boden unter ihren Sohlen. Das Schiff gab die Geräusche dieser Folterung von sich, es ächzte und knirschte, als wolle es sich in sei ne Einzelteile auflösen. „Schnell", drängte Atlan. „Ich wür de gern bei dir bleiben, wenigstens für eine Weile. Aber ich m u ß versuchen, diesen Zustand zu beenden." Sie hatten sich in der kurzen Nacht über alles unterhalten, ohne miteinan der Versteck zu spielen, voller Offen heit von Seiten des Arkoniden. Ar landa wußte Bescheid über seine Plä ne, die aus der Verzweiflung geboren waren. „Komm!" Sie führte ihn durch die Kranken station, an dem bewegungslosen Me dorobot vorbei, zu einer Montageplat te im Boden. Er löste die großen Flü gelschrauben und kletterte hinter Ar landa her. Sie kamen wieder in dem kleinen Garten der Frau heraus, den Atlan für einen entarteten Dschungel gehalten hatte. Vor dem Antigrav schacht zog er sie ein letztesmal an sich und sprang dann in das Trans portfeld. „Nochmals: viel Glück!" rief sie ihm unterdrückt nach. Er schwebte nach oben. Es war Nacht, alle Beleuch tungskörper waren auf halbe Leistung oder weniger geschaltet. Die wenigen Korridore, durch die er lautlos husch te, waren fast leer. Nur die Schritte von Patrouillen waren ab und zu als Echo zu hören. Am Knick des tiefer gelegenen breiten Korridors sah Atlan eine Gestalt. Sie saß auf einem Klappstuhl, des-
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sen Lehne an der Wand anschlug. Über dem Kopf des Wächters schim merte der Bildschirm des großen In terkoms. Dein Ziel. Schnelligkeit ist Trumpf. flüsterte der Logiksektor. Atlan drückte sich tief in den Schat ten und zog seine Waffe. Schweigend sicherte er nach allen Seiten. Bis zum Interkom waren es schät zungsweise knapp hundert Schritte! Er überlegte. Rund um ihn herum regte sich nichts und niemand. Trotz dem vermeinte er zu spüren, daß ihn Hunderte von Augenpaaren beobach teten. Er schätzte seine Chancen ab und sagte sich, daß er es hier ebenso gut wie an jeder anderen Stelle versu chen konnte — jeder funktionierende Interkomanschluß in allen Schiffstei len wurde von Angehörigen der SO LAG bewacht. Warum eigentlich? Er lief los. Zwanzig lautlose Sprün ge brachten ihn bis hinter einen fla chen Vorsprung. Er drückte sich eng gegen die Wand und spähte um die Ek ke. Unter seinen Füßen und in seinem Rücken spürte er die Vibrationen, die das Schiff heimsuchten. Der Wächter rührte sich nicht. Viel leicht schlief der Mann sogar. Bei die sem gespenstischen Stöhnen des Me talls? Ausgeschlossen. Der Arkonide visierte sein nächstes Teilziel an und lief an der Wand ent lang. Hinter einer kantigen Säule mit abgewetzten Ecken blieb er stehen. Noch rund fünfzig Schritt. Zwischen ihm und dem Interkom war nichts als schwach beleuchteter, freier Raum. Atlan entschloß sich, trat aus dem Schatten hinaus und ging schwan
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kend und stolpernd weiter. Aber er vermied jedes auffällige Geräusch. Zehn Schritt legte er zurück, ohne daß der Wächter auf ihn aufmerksam wurde. Die Geräusche schützten ihn ein we nig. Als er noch zwanzig Schritt vom In terkom entfernt war. wurde der Wäch ter auf ihn aufmerksam. Er ließ den Stuhl nach vorn kippen, sprang auf die Beine und starrte dem Arkoniden argwöhnisch entgegen. Noch ein Dutzend Schritte. Atlan wurde etwas schneller, gleich zeitig torkelte er noch stärker hin und her. Die starken Schwingungen des Bodens schüttelten ihn. Die Geräu sche machten seine Antwort unver ständlich. Die Waffe des Wächters senkte sich. Noch vier Schritte. „Was hast du gesagt?" fragte der Ahlnate voller Mißtrauen. Er richtete einen Schockstrahler auf Atlan. Der Arkonide schwankte von ihm weg, auf ihn zu, und dann bewegte er sich plötzlich blitzschnell und außeror dentlich zielbewußt. Er packte die Hand des Wächters und drückte sie zur Seite und nach unten. Gleichzeitig hob er seine Waffe und preßte sie ge gen den Hals des Ahlnaten. „Keine Bewegung! Kein Schrei!" warnte er. „Oder du stirbst. Mich schickt Homer Gerigk. Schalte den In terkom in die Zentrale. Ich muß mit dem High Sideryt sprechen." Mit einem komplizierten Griff dreh te er das Hangelenk des Gegners, der ihn starr vor Schrecken in die Augen blickte. Die Waffe polterte dumpf zu Boden. Atlan verstärkte den Druck
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der eigenen Waffe. „Schnell!" sagte er. „Es geht um das Leben aller Solaner!" Der Ahlnate riß, als er Atlan im schwachen Licht erkannte, weit die Augen auf und stotterte: „Du bist der Mann, den sie suchen. Atlan." Atlan senkte die Waffe und schoß ei nen glühenden Strahlenbalken dicht vor die Zehen des Ahlnaten. Ein Teil der Uniform begann zu schwelen, mit einem Schmerzenslaut riß der Wäch ter den Fuß zurück. Dann streckte er den Arm aus. „Ich kenne nur . . . die Kennziffer der Zentrale." „Schalte den Interkom ein!" sagte Atlan drohend. Der Ahlnate tastete eine einfache Zahlenkombination ein. Atlan durch forschte sein Gedächtnis und erkann te, daß sie sich seit seiner Zeit geän dert hatte. Zusammen mit dem Verfall kollektiver Intelligenz war auch dies ein Zeichen für vergange Zeit, für nutzlos verstrichene Jahrhunderte. Der Bildschirm wurde hell. Eine Darstellung baute sich auf. Die Zen trale wurde sichtbar und mit ihr eine Gruppe von mehreren Magniden. „Ausgezeichnet!" sagte Atlan, dann schob er sich in den Erfassungsbe reich der Linsen. Er sprach laut und deutlich, aber noch immer lag der Pro jektor seiner Waffe an der Kehle des Ahlnaten. „Ich bin der gesuchte Atlan", sagte er dicht vor dem Mikrophon, nachdem er den Regler auf volle Stärke gescho ben hatte. Seine Stimme dröhnte aus den Lautsprechern der SOL-Zentrale. „Ich will sofort den High Sideryt spre
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chen. Ich weiß, wie das Schiff zu ret ten ist." Eine schlanke Frau blickte ihn di rekt an. Sie schien zu überlegen. Atlan holte Atem und fuhr fort: „Schnell. Sonst sterben einige Magniden. Ich kenne genügend Wege, euch alle in entsetzliche Schwierigkei ten zu stürzen." Niemand antwortete, aber das Bild wechselte abermals. Ein Gesicht er schien. Atlan zuckte unmerklich zu sammen. Es war jener Mann gewesen, der ihm schon einmal vom Bildschirm aus nachgestarrt hatte. „Du bist Chart Deccon?" fragte Atlan. „Spreche ich mit Atlan? Wir haben dich seit langem gesucht." „Ich habe achttausend Freunde an Bord", sagte Atlan schneidend. „Sie alle wissen, daß du und das Schiff in Schwierigkeiten seid. Sie sind so groß, daß niemand richtig reagieren kann. Probleme können nur von Männern gelöst werden, die das Schiff gut ken nen. Ein solcher Mann bin ich. Ich muß mit dir sprechen." Die Stimme des High Sideryt kam grollend und polternd. Er schien aus einem tiefen Schlaf gerissen worden zu sein. Er schüttelte sich, und die Platten seiner rüstungsartigen Uni form klirrten leise. „Du kannst helfen?" fragte er stok kend. „Ich bin bereit, euch zu helfen. Da durch helfe ich auch mir. Lasse mich abholen und in deine Zentrale brin gen. Wie du am Zustand der SOL er kennen kannst, eilt es sehr — bald wird das Schiff auseinanderbrechen." Wie zur Untermalung seiner Dro-
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hung durchlief eine Serie schwerer Vi brationen die SOL. Fassungslos starr te ihn Chart Deccon an. Noch immer hielt Atlan den Ahlnaten mit der Waffe in Schach. „Ich werde mit dir sprechen!" sagte Chart Deccon nach einigen Sekun den. „Warte am Interkom." „Ich warte nur drei Minuten. Dann bin ich wieder im Untergrund ver schwunden!" antwortete Atlan hart. „Du solltest dich beeilen, Diktator Deccon." „Ich schicke eine Eskorte!" „Eine Eskorte, deren Mitglieder zu rückhaltend genug sein sollten, um ein gräßliches Blutbad zu vermeiden", bluffte der Arkonide. „Überall sind Leute mit Waffen, die nicht zur SO LAG gehören." „Du brauchst keine Angst zu ha ben", versicherte Deccon. „Ich werde entsprechende Befehle geben." Er hielt Wort, wenn auch auf seine Art. Dreißig Sekunden später stürm ten aus allen Richtungen Vystiden und Haematen auf Atlan zu. Roboter und Ahlnaten folgten und blockierten die Korridore nach mehreren Richtungen. Ferraten rannten herbei und wußten nicht, was sie unternehmen sollten. Eine beispiellose Aufregung herrschte unter den Wachen. Sie bildeten einen dichten Kreis um Atlan und den ein zelnen Bruder der dritten Wertigkeit, dem noch immer die Waffe am Hals saß. Dann befahl der High Sideryt laut und deutlich. „Dieser Mann ist Atlan. Vielleicht hilft er dem Schiff, aus der Fessel zu entkommen. Bringt ihn auf schnell stem Weg in meine persönliche Zen
65 trale. Eskortiert ihn und macht so schnell wie möglich. Niemand soll ihn anrühren. Verstanden?" Ein Vystide trat vor den Interkom und antwortete, während Atlan die Waffe senkte und sich umdrehte:
„Ich garantiere mit meinem Kopf, High Sideryt. In einer halben Stunde etwa sind wir bei dir." Das Verstecken war zu Ende. Atlan hatte sich kopfüber in ein Abenteuer gestürzt, das tödlich ausgehen konnte.
Atlan, der aufgrund der drohenden allgemeinen Gefahr das Versteckspiel aufge geben hat, erfährt nun, da er dem High Sideryt begegnet, ein Kapitel aus der bis lang unbekannten Historie der SOL. H. G. Winter schreibt diesen zweiten Bericht aus dem Logbuch der SOL. Der Re port widmet sich dem Geschehen im Jahr 3608 und erscheint unter dem Titel: DIE SCHLÄFER ENDE
ATLAN erscheint wöchentlich im Moewig Verlag. 8000 München. Redaktion: Pabel Verlag KG. Falkweg 51, 8000 München 60 Druck und Vertrieb: Erich Pabel Verlag KG. 7550 Rastatt Anzeigenleitung: Verlagsgruppe Pabel-Moewig, Pabelhaus, 7550 Rastatt. Anzeigenleiter und verantwortlich: Rolf Melbeicker. Zur Zeit gilt Anzeigenpreisllste Nr. 4. Verkaufspreis inkl. gesetzt MwSt. Unsere Romanserien dürfen in Leihbüchereien nicht verliehen und nicht zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden; der Wiederverkauf ist verboten. Alleinvertrieb und Auslieferung in Osterreich: Pressegroßvertrieb Salzburg. Nieder alm 300. A-5081 Anif Nachdruck, auch auszugsweise, sowie gewerbsmäßige Weiterverbreitung in Lesezirkeln nur mit vorhe riger Zustimmung des Verlages Für unverlangte Manuskriptsendungen wird keine Gewähr übernommen. Abonnements- und Einzelbestellungen an PABEL VERLAG KG Posttach 1780 7550 RASTATT • Telefon (0 72 22) 1 32 4t Printed in Germany Juni 1981