KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
KULTURKUNDLICHE
HEFTE
KURT VETHAKE
Albert Ballin S C H ...
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KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
KULTURKUNDLICHE
HEFTE
KURT VETHAKE
Albert Ballin S C H I F F E F A H R E N IN ALLE WELT
2006 digitalisiert von Manni Hesse
V E R L A G S E B A S T I A N LUX MURNAU • M Ü N C H E N . I N N S B R U C K . BASEL
Aus der gähnenden Schwärze der Nacht kam es heran . . . Motoren dröhnten, Räder polterten über das Pflaster, Scheinwerfer warfen gespenstiges Licht über graue Häuserwände. Von der Straße herauf drang im Marschrhythmus der Revolutionsruf: „Völker, hört die Signale .. ." und versank nach Minuten wieder in der Ferne. Der Mann am Fenster trat ins Zimmer zurück und ließ sich schwer in den Sessel fallen. In dem Haus war es still; so still, daß man bei jedem Geräusch erschrak. Mit brennenden Augen blickte Albert Ballin in das Dunkel. Mit dem, was fetzt in Deutschland geschah, kam der Einundsechzigjährige nicht mehr zurecht. Vor wenigen Stunden noch hatte er mit Berlin telephoniert und mit dem Kaiser gesprochen. Alles war zu Ende, der Krieg verloren, die Truppen fluteten zurück. Durch die Städte raste der Hunger. Verzweiflung kam über ihn. Die bis zum heutigen Tage in rastloser Arbeit verzehrten Kräfte versagten sich nun endgültig diesem Manne. In einem Anfall tödlicher Angst taumelte er zum Schreibtisch und griff nach einem Glasröhrchen . . . Als spät in der Nacht der Diener heimkehrte, fand er seinen Herrn niedergesunken an seinem Arbeitsplatz. Albert Ballin lebte noch. Der Diener stürzte ans Telephon und alarmierte den Hausarzt Professor Dr. Schottmüller. Er komme sofort herüber, sagte der Arzt, man möge einen Krankenwagen herbeibeordern. Aber alle Fahrzeuge Hamburgs sind beschlagnahmt. Vergebens ist jeder Anruf. Schottmüller und der Diener heben den Bewußtlosen behutsam auf und tragen ihn durch die finsteren Straßen zur Klinik am Mittelweg. Die Bemühungen der Ärzte sind vergebens. An diesem Tage, da das Alte zusammenstürzt und die Umrisse des Neuen noch nicht sichtbar sind, endet das Leben Albert Ballins, der sich vergeblich bemüht hatte, der Tragödie des Kaiserreiches Einhalt zu gebieten ... 2
J L / e r Vater, Samuel Joel Ballin,' stammte aus Dänemark und war als Dreißigjähriger in Hamburg eingewandert. Der unternehmungslustige Mann verstand sich auf vielerlei Geschäfte, aber bei allem, was er anfaßte, hatte er nur wenig Glück. Zuerst hatte er eine Dekatier-Werkstatt eröffnet. Dekatieren nennt man die Kunst, Stoffe, Gewebe zu verfeinern oder alte Kleider wieder aufzufrischen. Dieses Geschäft ging so lange gut, bis Ballin durch ein paar Unglücks- und Todesfälle seine besten Kunden verlor. Darauf übersiedelte Samuel Joel Ballin für zwei Jahre nach England, wo er sich ein neues Geschäft einrichtete. Aber auch hier war ihm das Glück nicht hold. So kehrte er nach Hamburg zurück und versuchte es mit einer Firma, die mit Kohlen, Messing und Eisen handelte. Als er auch damit keinen Erfolg halte, tat er sich mit einem Geschäftsfreund zusammen und wurde Auswanderer-Expedient, das heißt, er beriet Leute, die auswandern wollten, und besorgte die Schiffskarlen. Er warb für bestimmte Schiffe die Fahrgäste und erhielt dafür eine Vergütung. Die Firma, sie nannte sich Morris & Co., arbeitete hauptsächlich für englische Schiffahrtslinien. In dieser Zeit waren es meist Auswanderer, die man als Fahrgäste gewinnen konnte. Samuel Joel Ballin war dreiundfünfzig Jahre alt, als sein Sohn Albert als dreizehntes Kind geboren wurde. Die Ballins wohnten damals, am 15. August 1857, im Stubbenhuk, einer kleinen Hafengasse Hamburgs. Später zog die Familie in ein Geschäftshaus auf dem Bavimwall. Hier, unmittelbar am Hafen, verlebte Albert seine Kindheit. Schon früh gewöhnte er sich an das Gewimmel von Menschen, Fahrzeugen und Frachtgütern. In Manchesterhosen und Samtrock, eine große Schleife um den Hals geknotet, stand er am Ufer und blickte mit neugierigen Augen auf die ein- und auslaufenden Schiffe aus aller Welt. 3
Dann eines Tages war diese schöne Zeit vorüber. Albert besuchte die Schule an den Hohen Bleichen. Er war kein guter Schüler. Der Vater hatte manchmal seine Sorgen mit ihm. Für Albert blieb das bunte Leben im Hafen die große Verlockung. Er konnte es nicht erwarten, bis die Schule aus war. Gleich nach dem Essen lief er zum Kai. Die Schulaufgaben machte er kurz vor dem Schlafengehen in einer Ecke des Kontors. Währenddes lauschte er oft mit einem Ohr den Gesprächen, die der Vater mit Kunden und Geschäftsfreunden führte. Kein Wunder, daß es Albert, zur großen Enttäuschung seines Vaters, nicht einmal bis zur „mittleren Reife'' brachte. Seine Lebensinteressen galten zunehmend dem tätigen Leben, wie es die große Kaufmannsstadt durchpulste. Die Mutter hatte am ehesten Verständnis für seine Sehnsüchte. Ihre Liebe gab ihm ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, das ihn viele Herbheiten der Jugend ertragen ließ. Als Samuel Joel Ballin im Herbst 1874 starb, bestimmte er Albert zu seinem Nachfolger. Plötzlich, als der Siebzehnjährige nicht nur für sich, sondern auch für seine Mutter und ein paar unverheiratete Schwestern sorgen mußte, geschah, was die wenigsten erwartet hatten: Albert ging mit der Umsicht eines Erwachsenen an die gestellte Aufgabe. Bald wußte er, daß ihm ein schwerer Beruf auferlegt war, bar aller Romantik. Ein guter Auswanderer-Expedient mußte im Inund Ausland bezahlte Helfer haben, die bei Auswanderungslustigen vorsprachen, um sie wegen der überfahrt an ihre Firma zu verweisen. Die Fahrpreise mußten niedriger sein als die der Konkurrenten. Damals machten die meisten Hamburger Passagiere noch den Umweg über einen englischen Hafen; denn die Verschiffung von Personen lag in Hamburg durchweg in den Händen ausländischer Reedereien, die durch Expedientenfirmen wie Morris & Co. vertreten wurden. Das Geschäft hatte seit über zwanzig Jahren die Familie Bal4
Das älteste Schiff der Hapag, der Segler „Deutschland", aus dem Jahre 1848
lin recht und schlecht ernährt. Zu Ersparnissen hatte es freilich nicht gelangt, und Albert überlegte, wie er den Umsatz steigern könne. Soviel wußte er bereits: Der Erfolg stand und fiel mit der Tüchtigkeit und Gewandtheit des Geschäftsführers. Lernen! dachte Albert Ballin; den andern überlegen sein! Plötzlich holte er alles nach, was er früher versäumt hatte. Er nahm Nachhilfestunden in Englisch, weil die Beherrschung dieser Sprache für den Verkehr mit den englischen Reedern unbedingt erforderlich war, und er saß oft bis spät in die Nacht über den Mathematikbüchern, weil er die Rechenkünste für Kalkulation und Buchführung brauchte. Mit Lust und Liebe las er geschichtliche und politische Bücher. Auch die Zeitung studierte er aufmerksam. Die Beobachtung des politischen und wirtschaftspolitischen Ge-
schehens war besonders wichtig; denn nach jedem politischen Umschwung und je nach der wirtschaftlichen Lage wuchs die Zahl der Auswanderer. Wohl dem, der diese Entwicklung richtig voraussah. Alles in allem hatte in diesen Jahrzehnten das Reedereigeschäft eine Zukunft. Die Verhältnisse hatten sich gegenüber dem Beginn des Jahrhunderts grundlegend gewandelt.
* W e r fuhr denn zu Beginn des 19. Jahrhunderts schon nach Übersee? Es waren Kaufleute, Diplomaten, Missionare, Abenteurer. Auswanderer, die sich in der weiten Welt eine neue Existenz gründen wollten, gab es wenige. Das lag an den politischen Verhältnissen, an der Beschränkung der persönlichen Freiheit und dem Bestreben der Staaten, ihre Untertanen, die man für militärische Zwecke festzuhalten bemüht war, nicht so leicht außer Landes gehen zu lassen. Aber der Strom der Auswanderer wuchs, je weiter das J a h r hundert fortschritt; er stieg vor allem nach der Revolution von 1848 mächtig an. Die lockende Freiheit der Neuen Welt ließ viele die Reise über den großen Teich wagen. Trotzdem mochten die stolzen Hamburger Reeder, vor allem die im Jahre 1847 gegründete Hamburg-Amerika-PaketfahrtAktiengesellschaft, später kurz Hapag genannt, nichts mit den Auswanderer-Expedienten zu schaffen haben. Sie bevorzugten hesser zahlende Fahrgäste. So blieb auch Albert Ballin nichts anderes übrig, als die Verbindung mit den englischen Reedern aufrechtzuerhalten, obgleich er die von ihm betreuten Auswanderer viel lieber deutschen Schiffen zugeführt hätte. Zu seinen Aufgaben gehörte es, diese Menschen zunächst nach England zu leiten und für einen angenehmen Aufenthalt und gute Behandlung im englischen Ubergangshafen zu sorgen. Leider ging man drüben auf der Insel nicht immer gerade sanft mit den Auswanderern um. Eine Zeitlang mieden deshalb die Amerikafahrer den Umweg über die britischen Häfen und schiff6
ten sich auf deutschen Seglern und Dampfern ein. Als aber in den sechziger Jahren die soziale Fürsorge für die Auswanderer sich besserte, bevorzugte man wieder die englischen Linien. In diesen Wettbewerb wurde Albert Ballin hineingestellt, als er im Jahre 1874 die väterliche Firma übernahm. Er mußte lernen, geschickt zu arbeiten und der „Paketfahrt" so viele Kunden wie möglich abzulotsen. Er mußte werben und verhandeln,' aber auch kalkulieren und abschätzen lernen. In den ersten Jahren freilich blieb wenig Zeit für das Kontor. Ballin sah sich die Welt und die Menschen gründlich an. Er ließ sich gehörig den Wind um die Nase wehen und lernte, was zu lernen war. Danach begann er mit dem Ausbau des väterlichen Geschäftes. Bisher hatte die Firma Morris & Co. fast ausschließlich Auswanderer aus osteuropäischen Staaten vermittelt. Jetzt richtete Albert Ballin auch in den westeuropäischen Städten Agenturen ein. ,,Wie kommt dieser junge Mann an die guten Verbindungen zur Schweiz?" überlegten seine Konkurrenten, als er auch in der Schweiz arbeiten ließ. Bald darauf hatten sie noch mehr Grund zum Staunen. Ballin hatte die Auswanderungswelle, die auf die wirtschaftlich schlechten Jahre von 1875 bis 1877 folgte, vorausgeahnt und sein Geschäft darauf eingerichtet. „Wie macht dieses Greenhorn das?", fragte man sich. „Glück!" sagten die einen. „Zufall!" die andern. Bald jedoch war nicht mehr zu übersehen, daß in der Hamburger Firma Morris & Co. eine Kraft am Werke war, die man beachten mußte. Bereits im Jahre 1881 vermittelte die Firma 15 000 Fahrgäste, das war etwa ein Drittel aller Auswanderer, die über Hamburg in die Neue Welt fuhren. Aber die Pläne des Vierundzwanzigjährigen gingen noch weiter. Das Ziel, das ihm vor Augen schwebte, waren eigene Passagierdampfer. Zu diesem Zweck brauchte er einen Kompagnon.
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Als er hörte, daß Edward Carr, ein Neffe des bekannten H a m burger Reeders Robert Miles Slomann, zwei Frachtdampfer baute,' unterbreitete er ihm brieflich seine Ideen. Aber Carr lehnte höflich ab, das Ganze interessierte ihn nicht. Kurz danach jedoch schien Carr es sich anders überlegt zu haben, und überraschend tauchte er im Kontor der Firma Morris & Co. auf . . .
* „Hören Sie, junger Mann . . .", sagte Edward Carr,' ;,ich will den Inhaber sprechen! Nicht den Lehrling!" Er blickte mißbilligend auf den Jüngling hinter dem Schreibtisch. „Ich fürchte, Sie werden mit mir vorlieb nehmen müssen!" lächelte Albert Ballin. Er sah, wie sich das Gesicht seines Besuchers vor Zorn rötete und fügte schnell hinzu: „Ich bin nämlich der Inhaber!" „ S i e ? " In Edward Carrs Zügen zeigte sich Überraschung. Er starrte sein Gegenüber fassungslos an: „Sie sind Albert Ballin?" „Zu dienen, Herr Carr!", „Entschuldigen Sie", sagte der Reeder, nachdem er sich von seinem Staunen erholt hatte, „aber ich hatte Sie mir anders v o r g e s t e l l t . . . nicht ganz so jung! Immerhin. Was Sie aus der Firma gemacht h a b e n . . . Alle Achtung!" Edward Carr legte seinen Hut und den Stock mit dem Silbergriff auf den Schreibtisch und ließ sich im Besuchersessel nieder. Unter dem braunen Überrock leuchtete die gelbe Pikeeweste hervor. Carr bot den Anblick eines eleganten Mannes. „Darf ich erfahren, was Sie zu mir f ü h r t ? " fragte Albert Ballin. „Sie haben mir einen Brief geschrieben!" erklärte Edward Carr. „Ich habe Ihren Vorschlag geprüft." „Und Sie haben ihn abgelehnt!" „Ich habe mir die Sache noch einmal durch den Kopf gehen lassen", gestand der Reeder. „Sehen Sie, Ballin . . . das Frachtgeschäft ist eine sichere Sache. Wozu soll ich meine Dampfer zum Personenverkehr einrichten?", 8
Einer der ersten Dampfer der Hamburg-Amerika-Linie
„Sie sind Kaufmann, Herr C a r r ! " sagte der Auswanderer-Expedient. „Wenn man in dieser Branche Erfolg haben will, muß man den Verhältnissen Bechnung tragen!" „Sie denken an die ständig wachsende Zahl der Auswanderer?" fragte Edward Carr. „Ich finde, es wird höchste Zeit, daß wir dafür Sorge tragen, daß diese Leute nicht um unsere Stadt herumgehen, sondern von hier aus die Reise nach Übersee antreten!" erklärte Albert Ballin mit Nachdruck. „Und zwar ohne den Umweg über L o n d o n ! " „Nehmen wir einmal an, ich würde Ihren Vorschlag akzeptieren", entgegnete der Reeder, „wer besorgt mir die Passagiere?" „Ich, Herr C a r r ! " „Alles schön und gut, Herr Ballin. Wenn aber die Fahrgäste einmal ausbleiben, was d a n n ? " „Dann zahle ich Ihnen eine Entschädigung!", erwiderte der Expedient. „Wissen Sie auch, was das bedeutet, Ballin?" Albert Ballin lächelte zuversichtlich. 9
7,Es bedeutet, daß ich das Risiko allein trage!'' sagte er. „Aber es ist kein Risiko! Glauben Sie mir!" Ob Edward Carr dem jungen Geschäftsmann glaubte oder nur ein, sicheres Geschäft witterte: Der Vertrag kam zustande. Ballin verpflichtete sich, für die volle Fahrt-Besetzung der Carrschen Dampfer zu sorgen und eine Entschädigung zu zahlen, falls Plätze freiblieben. Wenn möglich, sollte er auch Frachtgut beschaffen. Dafür erhielt er zusätzliche Prozente. Zunächst war Ballins Gewinn nicht allzu groß, denn er hatte viele Unkosten. Zudem mußte der Fahrpreis so niedrig gehalten werden, daß Carr mit den anderen Reedern wetteifern konnte. Darüber hinaus vermittelte Ballin im beiderseitigen Einverständnis auch weiterhin Fahrgäste an die englischen Reedereien, insgesamt 11 350 unmittelbare und 7927 mittelbare Passagiere im Jahre 1882. Das waren 17 Prozent aller von Hamburg abfahrenden Reisenden. Im gleichen Jahr mußte Edward Carr bereits vier weitere Dampfer bauen, so erfolgreich hatte Albert Baliin gearbeitet. Dank seinem Eifer nahm die Carr-Linie eine Entwicklung, die die anderen Reeder mit berechtigtem Unbehagen verfolgten. Aus dem kleinen Auswanderer-Expedienten war ein allseits geachteter und von seinen Konkurrenten gefürchteter Kaufmann geworden, als Albert Baliin im Januar 1883 Marianne Rauert, die Tochter eines bekannten Hamburger Tuchhändlers, heiratete. Von nun an_ verfolgte er seine weitreichenden Pläne mit noch größerer Energie. Er wurde zur treibenden Kraft der Carr-Linie und scheute auch vor dem Wettbewerb mit der allmächtigen Hapag nicht zurück. So kam das Jahr 1886 heran . . .
* Die Hamburg-Anierika-Pakctfahrt-Aktiengescllschaft, die Hapag, hatte zu einer außerordentlichen Generalversammlung eingeladen. Einziger Punkt der Tagesordnung war der Rechenschaftsbericht des geschäftsführenden Direktors. 10
Die Aktionäre waren unzufrieden. Die Hapag, die seit ihrer Gründung im Jahre 1847 unter der umsichtigen Leitung von Adolphe Godeffroy und Carl Woermann einen triumphalen Aufstieg erlebt hatte, schüttete seit dem Jahre 1881 keine Dividende mehr aus. Adolphe Godeffroy hatte es von sieben auf achtundzwanzig Überseedampfer gebracht. Nun war plötzlich kein Geld für den Bau neuer Schiffe vorhanden. Zwar ging das Geschäft nicht zurück, aber alle Einnahmen flössen erneut in die Firma. Das lag vor allem daran, daß die Hapag keinen überragenden Geschäftsführer besaß. Adolphe Godeffroy war im Jahre 1880 wegen zu hohen Alters ausgeschieden, Carl Woermann im gleichen Jahr gestorben. Ein würdiger Nachfolger fehlte, so daß die aufsteigende Entwicklung jäh unterbrochen wurde. Zu allem Unglück entwickelte sich zur gleichen Zeit die CarrLinie unter Albert Ballin zu einer gefährlichen Konkurrenz. Kein Wunder, daß die Aktionäre um ihr Geld bangten und eine Änderung des bisherigen Zustandes forderten. So sah sich die Geschäftsführung zu einem entscheidenden Schritt gezwungen, der vom Aufsichtsrat einstimmig gebilligt wurde. Heute sollte das Ergebnis bekanntgegeben werden. Gespannt sahen die Aktionäre der Erklärung des geschäftsführenden Direktors entgegen. Allein, schon die ersten Worte des Sprechers machten alle ihre Hoffnungen zunichte. ,,Meine Herren . . .", erklärte Direktor Heitkamp, „Sie haben mich beauftragt, gewisse Vereinbarungen mit der Carr-Linie zu treffen. Leider bringe ich Ihnen keine Erfolgsmeldung. Die Verhandlungen sind . . . gescheitert!" Auf den Gesichtern der Aktionäre spiegelte sich Bestürzung. Sie redeten erregt aufeinander ein. Ihr Interesse an der weiteren Verlesung des Geschäftsberichtes schien erloschen. Vergeblich versuchte Heitkamp sich Gehör zu verschaffen. Erst nach einer längeren Pause konnte er fortfahren:
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„Gescheitert, obgleich Edward Carr grundsätzlich damit einverstanden war, den Fahrpreis beider Linien auf gleicher Höhe zu halten. Ballin verlangte für seine Dampfer einen niedrigeren Fahrpreis, weil sie nicht den gleichen Komfort wie die HapagDampfer aufweisen. Ich habe indes Ihren Auftrag so aufgefaßt, daß für uns nur der gleiche Fahrpreis bei beiden Linien von Interesse ist." „Kaufen wir doch einfach die Carr-Linie auf!" rief eine erregte Stimme. „Auch das wurde in Erwägung gezogen!" erwiderte Direktor Heitkamp dem Zwischenrufer. „Leider zu spät! Carr und Slomann haben sich heute zur Union-Linie zusammengeschlossen!" Die Nachricht schlug wie eine Bombe ein. Eine Panik ergriff die Aktionäre. „Da es unsere Mittel übersteigt, auch die Union-Linie aufzukaufen, bleibt nur noch eine Möglichkeit. . .", rief Heitkamp in das Stimmengewirr, „die Möglichkeit einer lockeren Vereinigung zwischen der Union-Linie und der H a p a g . . . einer Interessengemeinschaft, wenn Sie wollen . . . mit dem Ziel der gemeinsamen Fahrgastwerbung." Die Aktionäre horchten auf. „Und was springt für uns dabei h e r a u s ? " fragte einer. „Von den anfallenden Passagieren würden wir fünfundsiebzig Prozent, die Union-Linie würde fünfundzwanzig Prozent zugewiesen bekommen. Voraussetzung wäre allerdings eine gemeinsame Verkehrsvertretung, als deren Leiter Herr Slomann Albert Ballin vorschlägt. . ." „Niemals!" Wieder schien sich ein Tumult anzubahnen. „Aber meine Herren", Direktor Heitkamp lächelte gewinnend, ^dieser Vorschlag ist doch ganz in unserem Sinne! Gewiß, wir haben in letzter Zeit durch Herrn Ballin große Verluste erlitten . . . Um so mehr sollten wir uns freuen, daß dieser tüchtige, junge Mann in Zukunft für uns arbeitet!" Die Aktionäre ließen sich überzeugen und stimmten zu. 12
Albert Ballin wurde zunächst auf fünf Jahre als Leiter der gemeinsamen Verkehrsvertretung verpflichtet. Er erhielt dafür ein Gehalt von jährlich 60 000 Mark.
* Was Ballin leisten konnte, bewies er schon bald. Allein die Geschicklichkeit, mit der er seine Pläne bei den Aktionären durchzusetzen verstand, verdiente Bewunderung. Er ließ sich niemals von kleinlichen Gesichtspunkten leiten, sondern hatte stets das große Ganze im Auge. Als erstes forderte er für die Abfertigung der Fahrgäste neue," würdig ausgestattete Räume. Das war eine sehr kostspielige Forderung, denn die Miete für die neue Empfangs- und Sehalterhalle sollte fünftausend Mark kosten. Aber Ballin vertrat die Ansicht, daß eine Reederei bereits vor Antritt der Reise das Vertrauen der Passagiere gewinnen mußte. Die Reisenden sollten von vornherein das Gefühl haben, daß es bei der Hapag angenehm, behaglich und großzügig zuging. Daß diese Überlegung richtig war, zeigte sich schon bald in den immer länger werdenden Passagierlisten. Die Großzügigkeit, an der Ballin sein Leben lang festhielt, trug reiche Zinsen, so daß die Aktionäre keine dieser Mehrausgaben zu bereuen brauchten. Nachdem er seine erste Forderung durchgesetzt hatte, nahm Ballin eine weitaus schwierigere Aufgabe in Angriff. Er war entschlossen, den Einfluß der englischen Reeder im Hamburger Hafen zu schwächen. Allerdings — und das war bezeichnend für ihn — ohne die Engländer vor den Kopf zu stoßen. Um dieses Ziel zu erreichen, gab es für Ballin nur einen Weg: Er mußte mit den Engländern verhandeln! Zuvor aber galt es, die eigene Stellung möglichst stark zu machen. Wie ein Schachspieler tat er Zug um Zug; jeder brachte ihn der Verwirklichung seiner Pläne näher. Selbst die Aktionäre ahnten die wahren Hintergründe nicht. Sie billigten einstimmig Ballins Vorschlag,' eine Stettiner Ree13
derei aufzukaufen und von Stettin über Gotenburg eine Auswandererlinie nach New York einzurichten. Das war ein weiterer Schritt zur Selbständigkeit; bisher wurden fast alle skandinavischen Auswanderer auf englischen Schiffen befördert. Aber Ballins Pläne gingen noch weiter. Er dachte an den Bau von Schnelldampfern, die den Ozean in noch kürzerer Zeit überqueren sollten. Im Gegensatz zum Norddeutschen Lloyd in Bremen hatte die Hapag bisher keine Schnelldampfer gebaut, weil die 120 Kilometer lange Nieder-Elbe von Hamburg bis zur offenen See für größere Schiffe zu gefährlich war. Bei Ballin, der sich nie etwas Unmögliches vornahm, entwikkelten sich alle Dinge behutsam. Er setzte zunächst beim Hamburger Staat die Verbesserung der Fahrrinne durch, bevor er die Hapag zum Bau von zwei Schnelldampfern bestimmte. Diese Schnelldampfer sollten bereits mit einer überragenden technischen Neuerung, den Doppelschrauben, ausgerüstet werden; sie ermöglichten größere Geschwindigkeit und eine weit bessere Steuerfähigkeit der Schiffe. Dann ging Ballin daran, in allen großen deutschen Städten Zweigniederlassungen einzurichten; es folgten Agenturen in Wien und Amerika. Schließlich reiste er im Jahre 1887 zum ersten Mal nach New York, um den Deutschamerikaner Carl Schurz* zum dortigen Generalvertreter zu ernennen. Alle diese Maßnahmen waren dazu angetan, der deutschen Schiffahrt ein immer weiteres Feld zu eröffnen. Natürlich blieben die ausländischen Reeder die Antwort nicht schuldig. Sie schickten sich an, der Hapag einen erbitterten Erwerbskampf zu liefern. Bevor es jedoch dazu kam, tat Ballin den nächsten S c h r i t t . . .
* Vgl. Lesebogen 5, ,.Flucht in die Freiheit" (Carl Schurz).
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Mittelgroß, mit dichtem, schwarzem Haar, großem Schnurrbart und goldgefaßtem Kneifer, stand Albert Ballin vor dem Aufsichtsrat. „Meine Herren . . ., vielleicht hat es Sie überrascht, daß die Hapag auf meinen Vorschlag die Stettiner Reederei aufgekauft h a t . . ., vielleicht haben Sie sich auch gewundert, warum wir die Skandia-Linie gegründet haben . . ." Die Natur hatte Ballin eine sehr gewinnende Stimme verliehen. Verbunden mit der maßvollen Ruhe seiner Gesten gab sie seinen Worten etwas überzeugendes. Er war sich des Erfolges sieher, als er mit Nachdruck erklärte: „Inzwischen hat sich herausgestellt, daß diese neue Linie, die von Stettin über Gotenburg nach New York führt, ein gutes Geschäft ist. Und nicht nur das! Unsere Skandia-Linie, die hauptsächlich von skandinavischen Auswanderern benutzt wird, ist verständlicherweise den Engländern nicht gerade angenehm." „Sie wollen sich partout den Zorn der Engländer zuziehen!" rief ein sonorer Baß in den Verhandkingsraum. „Nicht mit unserm Geld!" rief ein anderer. Auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches schnellte eine spindeldürre Gestalt in die Höhe. Eine knochige Hand fuhr aufgeregt durch die Luft. „Wenn ich Sie recht verstehe, so legen Sie es auf einen Konkurrenzkampf mit den Engländern a n ? " Die um den Tisch versammelten Aktionäre blickten mißbilligend auf den Leiter der Verkehrsabteilung. „Aber, meine Herren", Ballin lächelte belustigt, „nichts liegt mir ferner, als mit den Engländern in Konkurrenz zu treten!" „Ja, was wollen Sie denn dann?", fragte einer der verdutzten Aufsichtsräte. „Ich will ein Abkommen mit den Engländern!" erklärte Ballin. „Ein Abkommen, das . . .". „Das ist eine Utopie!" hörte man eine Stimme. „Niemals werden die Engländer freiwillig auf das skandinavische Geschäft verzichten!" rief ein anderer. Sein dickes, bur15
gunderrot gefärbtes Gesicht sah sich Zustimmung heischend im Kreise um. Unberührt von der wachsenden Erregung seiner Zuhörer erklärte Ballin: „Meine Herren . . . ich habe den Engländern inzwischen ein Angebot unterbreitet!'' Es war schwer, das Stimmengewirr zu übertönen. „ W a s für ein Angebot?" Die Blicke der Anwesenden richteten sich erwartungsvoll auf Ballin. „Ich habe den Engländern folgendes Angebot gemacht: Die Hapag ist bereit, in Zukunft auf der Skandia-Linie nur noch Frachtgut zu befördern, wenn sich die englischen Reeder mit einer uns genehmen Regelung der Verhältnisse im Hamburger Hafen einverstanden erklären . . ." Die Aktionäre machten ungläubige Gesichter. '„Und Sie glauben im Ernst, daß die Engländer dazu bereit s i n d ? " fragte die Baßstimme. „Meine Herren", sagte Ballin, „die Entscheidung ist bereits gefallen. Ich kann Ihnen zu meiner Freude mitteilen, daß die englischen Reeder unser Angebot angenommen haben!" • Das war die Grundlage, auf der weiter aufgebaut werden konnte. Ballin hatte einen neuen großen Erfolg errungen. Bald darauf liefen die beiden ersten Schnelldampfer vom Stapel. Sie wurden auf die Namen „Auguste Viktoria", und „Columbia" getauft. Im gleichen Jahr ernannte der Aufsichtsrat Ballin zum Vorstandsmitglied. Endlich stand der richtige Mann am richtigen Platz. In dieser Zeit begann der Auswandererstrom immer spärlicher zu fließen. Das Geschäft ließ nach. Besonders im Winter zählten die Schnelldampfer oft nur wenige Passagiere und mußten doch die Fahrtermine einhalten. Und wieder hatte Ballin eine Idee . . . 16
Albert Ballin: Schiffe sollen nicht nur „Beförderungsmittel", sondern auch behagliche Aufenthaltsorte sein. Blick in den Wintergarten des HapagSchiffes „Imperator"
Bisher waren Menschen meist nur über den Ozean gefahren, die Not litten und drüben eine neue Heimat suchten, oder Kaufleute, die in Amerika Geschäfte machen wollten, oder Diplomaten, die in amtlicher Mission reisten, oder Missionare, die in ihre Missionsgebiete fuhren oder von dort zurückkehrten. Aber es gab noch andere: die große Zahl derer, die die Welt kennenlernen wollten, Leute, die genügend Geld besaßen, um solche Ausflüge zu unternehmen. Diesem Bedürfnis wollte Ballin jetzt Rechnung tragen. In Zukunft sollte das Schiff nicht nur ein Verkehrsmittel sein, sondern auch eine Stätte der Erholung und des Vergnügens. Sogar Studienreisen für nicht allzu vermögende Leute sollten möglich sein. Man mußte die Schiffe nur bequem und behaglich einrichten, damit sich die Passagiere wie in einem schwimmenden Hotel fühlten; es durfte ihnen an nichts fehlen. 17
Zunächst freilich nahm man Ballin nicht ernst, als er seine Pläne bekanntgab. Niemand glaubte daran, daß es Leute gab, die ihren Urlaub gern auf See verbrachten. Die Herren vom Vorstand machten bestürzte Gesichter. '..Ausflugsreisen? Aber, lieber B a l l i n . . . wohin d e n n ? " „Wohin die Leute wollen!" sagte Ballin. „Zum Beispiel in den Orient!" „ W a r u m nicht gleich auf den Mond?". Der Sprecher lachte vergnügt auf. Aber Ballin ließ sich nicht entmutigen. Er setzte seine Gedanken auch diesmal in die Tat um. Später sehrieb er darüber: „Es fehlte selbst in meiner allernächsten Umgebung nicht an Leuten, die glaubten, es sei in meinem Oberstübchen nicht ganz richtig, als ich im Januar des Jahres 1891 an der Spitze von 241 kühnen Beisenden mit der ,Auguste Viktoria' die erste Vergnügungsreise in den Orient unternahm . . ." Ballin fuhr selbst mit. Er überzeugte sich an Ort und Stelle, was alles für eine solche Ausflugsfahrt nötig war, und tat sein Bestes, um den Passagieren Abwechslung und Erholung zu bieten. „Man muß mit Ballin auf einem der schönen Hapagdampfer den Ozean überquert haben, um seine vornehme Gastfreundschaft, sein bezauberndes Wesen und seine blendende Unterhaltung voll zu würdigen", sagt Graf Bernstoff in seinen Erinnerungen. So ist es kein Wunder, daß bereits diese erste Vergnügungsreise ein großer Erfolg wurde. Wieder einmal hatte Ballin richtig gesehen: Die Ausflugsfahrten wurden bei der Hapag zu einer festen Einrichtung und — was für die Aktionäre viel wichtiger war — zu einem guten Geschäft. Ballin jedoch trug sich bereits mit neuen Plänen. Er war die oft verheerenden und für manche Schiffahrtsunternehmungen tödlichen Konkurrenzkämpfe zwischen den verschiedenen Beedereien leid. Darum ging er daran, die großen europäischen Schiffahrtsgesellschaften unter ein Dach zu bringen. Viele Beisen und Verhandlungen waren nötig, bis sich im Jahre
1892 die Hapag, der Norddeutsche Lloyd und je eine holländische und belgische Reederei zum ~,Nordatlantischen Dampferlinien-Verband' ' zusammenschlössen. Alle diese Firmen erklärten sich bereit, die Fahrpreise gemeinsam für alle Mitglieder verbindlich festzulegen und die Zahl ihrer Passagiere nach einem vorher bestimmten Prozentsatz untereinander aufzuteilen. Aber auch jetzt war Ballin keine Ruhepause vergönnt. Fast zur gleichen Zeit trat ein neuer Konkurrent auf. In Kanada wurde eine Dampferlinie nach Europa gegründet, die der Hapag schweren Schaden zufügte. Wieder bedurfte es zahlreicher Verhandlungen, bevor Ballin mit der ihm eigenen Geschicklichkeit zu einer günstigen Einigung mit der neuen Linie kam. Kaum war diese Schwierigkeit überwunden, fiel es der ungarischen Regierung plötzlich ein, daß sie aus der Auswanderung ihrer arg geplagten Untertanen noch eine Menge Geld herausschlagen könne. Bisher waren die Ungarn zum größten Teil in Hamburg an Bord gegangen. Nun sollten sie von Fiume, das damals zu Ungarn gehörte, die Reise nach Übersee antreten. Zu diesem Zweck verhandelte die ungarische Regierung mit verschiedenen Reedereien über die Einrichtung einer Dampferliiiie von Fiume nach New York. Ballin und der Norddeutsche Lloyd lehnten ab. Aber die englische Cunard-Linie ging auf das Angebot ein. Als Antwort gründeten Hapag und Norddeutscher Lloyd im österreichischen Adria-Hafen Triest ebenfalls eine Amerika-Linie. Die Folge war ein unerbittlicher Konkurrenzkampf. Beide Linien unterboten laufend ihren Fahrpreis, um möglichst viele Passagiere zu gewinnen. Bald konnte der Fahrpreis die Selbstkosten nicht mehr dekken. Trotzdem kam es erst zu einer Einigung, als beide Reedereien erschöpft waren. 19
20 Millionen Mark hatte dieser Kampf gekostet. Und schon wurde Ballin vor neue Entscheidungen gestellt. . .
* Mit dem Einzug der Dampfmaschine in die Fabriken hatte es begonnen. Eisenbahn und Schiffahrt waren gefolgt. Nun jagte eine Erfindung die andere: Telegraph, Fernsprecher, Dynamomaschine, Elektromotor, elektrisches Licht. Auch Ballin mußte entscheiden, welche Erfindungen eine Zukunft hatten und sich auf seinen Schiffen verwenden ließen. Und er durfte keine Zeit verlieren. Je eher eine technische Neuerung auf den Schiffen seiner Gesellschaft angewendet wurde, desto größer war der Nutzen, weil die Passagiere die technisch am besten ausgerüsteten Schiffe bevorzugten. Darum scheute Ballin keine Kosten, wenn ihm eine Erfindung aussichtsreich erschien. Auch sonst erleichterte der technische Fortschritt Handel und Wandel. Der Frachtverkehr zwischen den Erdteilen nahm immer mehr an Bedeutung zu. Bisher waren aus fernen Ländern nur haltbare Güter mit Schiffen nach Europa gekommen: Wolle aus Australien, Holz aus Afrika, Tee und Pfeffer aus Indien. Bald konnten sich die Menschen auf beiden Seiten der Ozeane durch Kabel und Telegraphie schneller verständigen; Bestellungen erfolgten in kürzester Frist. Eisenbahnzüge brachten die erbetenen Frachtgüter bald schon zu den Häfen; und die Dampfschiffe beförderten sie in wenigen Tagen über das Weltmeer. So konnten, dank dem technischen Fortschritt, auch empfindlichere Nahrungsmittel aus den Kolonien in dje europäischen Mutterländer gebracht werden. In immer größeren Mengen kamen Bananen aus Indien, Getreide aus Kanada und Fleisch aus Nordamerika nach Hamburg. Das war ein Segen für Europa, dessen Bevölkerung sich so schnell vermehrt hatte, daß selbst die notwendigsten Nahrungs20
Die Hamburger Villa des Reeders
mittel nicht mehr auf dem Festland in genügender Menge beschafft werden konnten. So griff eins ins andere; und derjenige war der erfolgreichste Reeder, der rechtzeitig allen Erfordernissen der Zeit Rechnung trug. Da Ballin auch das Ansteigen des Frachtverkehrs vorausgesehen und früh genug für ausreichenden Laderaum gesorgt hatte, tat die Hapag in diesen Jahren wieder einen großen Schritt vorwärts. Aber nicht nur der technische Fortschritt bestimmte die Zukunft einer Reederei, auch die politischen Verhältnisse mußten in jede Überlegung einbezogen werden. Um die Jahrhundertwende wurde die Welt von einer fieberhaften Unruhe ergriffen. Immer wieder kam es zu kritischen Verwicklungen zwischen den Völkern, die normale Handelsbeziehungen unmöglich machten. In den Jahren von 1894 bis 1895 gab es Krieg zwischen Chinesen und Japanern. Drei Jahre später kam es im Sudan zu einem 21
Konflikt zwischen Engländern und Franzosen,' weil eine französische Militärabteilung plötzlich bei Faschoda am Nil erschien und die Engländer sich in ihrem Interessengebiet bedroht fühlten. Das Blutvergießen konnte im letzten Augenblick verhindert werden. Zwölf Monate später standen sich in Südafrika Engländer und Buren erbittert gegenüber. Zur gleichen Zeit entflammte in China der H a ß gegen alles Europäische. Um den Aufstand zu unterdrücken, griff eine Armee aus verschiedenen europäischen Staaten ein. Auch Deutschland war dabei. Zwei Jahre zuvor hatte das Reich einen Zipfel Chinas, das Gebiet Kiautschou mit der Stadt Tsingtau, als Pachtbesitz auf 99 Jahre erworben. Albert Ballin war mit solchem Landerwerb ohne Rücksicht auf die Bevölkerung gar nicht einverstanden. „ W a s wir in China brauchen, sind Konzessionen, nur Handelsrechte und kein Land. Wenn die Regierung das nur einsehen wollte und sich nicht auf den Landerwerb begeben möchte. Ja,' wenn man eine menschenleere Provinz bekommen könnte, das wäre eine große Sache." Der große Reeder fürchtete zudem, daß Deutschland durch solchen Streubesitz allzuleicht in internationale Verwicklungen hineingezogen werden könnte. Aber man hörte nicht auf diesen Fachmann des ausgewogenen zwischenstaatlichen Lebens. Um so mehr profitierte die Hapag von seinen weltweiten Erfahrungen. Dabei wurde die Last, die Ballin auf seinen Schultern trug, immer schwerer. Baustein um Baustein fügte er zu seinem Werk. Allein, er tat es nicht in erster Linie des Geldes wegen, sondern vor allem in dem Bewußtsein, daß er der Wohlfahrt der Menschheit diente. Unter seiner Leitung hatte sich die Hapag in wenigen J a h r zehnten zur größten deutschen Reederei entwickelt. Gleichsam als Herold dieses Erfolges lief im Jahre 1900 der Dampfer „Deutschland" vom Stapel. Mit diesem Riesen besaß die Hamburg-AmerikaLinie 113 Seedampfer mit 585 000 Bruttoregistertonnen und war zum größten Schiffahrtsunteriiehmen der Welt geworden. Es war die Zeit, in der Amerika als Konkurrent auf den Plan trat.
Im Jahre 1903 schuf der amerikanische Millionär John Pierpont Morgan im Handumdrehen eine riesige Welthandelsflotte. Zunächst kaufte er für 45 Millionen Mark die englische LeylandLinie. Dazu erwarb er nach und nach weitere Schiffe, bis die Morgan-Gesellschaft über 133 Schiffe mit 922 000 Bruttoregistertonnen verfügte. Niemand in Europa hatte das für möglich gehalten. Nur Ballin hatte diese Entwicklung vorausgesehen. Während die meisten europäischen Reeder um ihre Existenz bangten, stand Ballins Entschluß bereits fest: Er, der zeit seines Lebens alle wichtigen Fragen auf friedlichem Wege am Konferenztisch gelöst hatte, war entschlossen, mit Morgan zu verhandeln. Leider stand er in Deutschland mit seiner Meinung allein. Selbst der Generaldirektor des Norddeutschen Lloyd schüttelte verständnislos den Kopf: „Ich verstehe Sie nicht, Ballin . . . W a s gehen uns die Amerikaner a n ? " „Und wenn sie eines Tages auf den Gedanken kommen, auch deutsche Schiffe zu kaufen?" fragte Ballin. „Wenn sie womöglich ganze deutsche Reedereien erwerben? Was d a n n ? " „Auch der Kaiser ist der Ansicht, daß wir die Amerikaner nicht zu fürchten brauchen!" „Die Amerikaner nicht!" sagte Ballin. „Aber das amerikanische Kapital! Davor müssen wir uns schützen!" „Und wie, wenn ich fragen d a r f ? " „Durch Verträge! So wie wir uns zum ,Nordatlantischen Dampferlinien-Verband/ zusammengeschlossen haben, so .. ." „Sie denken an einen Pool, einen Unternehmerring, mit Morgan?" „Die Amerikaner nennen es Trust!" Der Generaldirektor des Lloyd glaubte nicht an eine Verständigung. „Pool oder Trust! Diesmal erleiden Sie Schiffbruch, Ballin! Ich bezweifle, daß Morgan Sie überhaupt empfängt! 1 ' „Sie vergessen meine englischen Beziehungen! Ich habe bereits vorgefühlt. Morgan ist bereit, mich anzuhören!"
7,Sie werden eine Enttäuschung erleben, Ballin'" wiederholte sein Gegenüber. „Morgan hat es nicht nötig, Zugeständnisse zu machen!", „Das soll mich nicht davon abhalten, schon morgen nach New York zu reisen!", erklärte Ballin. „Mein Kabinenplatz auf der ,Deutschland' ist schon gebucht!" Ein Pool mit Morgan kam nicht zustande. Dafür schloß Ballin mit der amerikanischen Beederei einen Vertrag auf zwanzig Jahre, in dem sich die Vertragspartner in allen Seeverkehrsfragen gegenseitige Unterstützung zusicherten. Da Ballin stets das große Ganze im Avige hatte, verhandelte er nicht nur im Namen der Hapag, sondern auch für den Norddeutschen Lloyd, der von dem Vertrag mit Morgan später noch größere Vorteile hatte als die Hamburg-Amerika-Linie. Ballin hatte Morgans Flotte von den deutschen Häfen ferngehalten und ihn überzeugt, daß ihm ein Ankauf deutscher Schiffe keinen großen Gewinn, wohl aber große Scherereien bringen würde. Er hatte erreicht, was unter den gegebenen Umständen zu erreichen war. Trotzdem gab er den Gedanken an eine engere Geschäftsverbindung nicht auf. Sechs Jahre später konnte er seinen Plan verwirklichen. Dank seiner Initiative schlössen sich im Jahre 1908 die großen amerikanischen, englischen, holländischen, belgischen und deutschen Beedereien zur „Atlantik-Conference" zusammen. Von nun an setzten die Vertragspartner gemeinsam den Min-' dest-Fahrpreis fest. Keiner durfte billigere Fahrkarten ausgeben, so daß das Unterbieten um jeden Preis fortfiel und die Einnahmen aller angeschlossenen Beedereien gesichert waren. Im Alter von fünfundvierzig Jahren trat Ballin aus den engen Grenzen des Wirtschaftslebens in das Licht einer breiten Öffentlichkeit. Er wurde auch politisch ein bedeutender Mann. Kaiser Wilhelm IL lud John Piermont Morgan zusammen mit Albert Ballin zu der großen internationalen Segelregatta der Kieler Woche ein.
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Der Hapagdampfer „Albert Ballin"
Seitdem war Ballin häufig Gast im Berliner Schloß . . ;
• „ W a s alles aus einem Menschen werden kann!* schrieb Ballin während eines Besuches beim Kaiser an seine Familie. „Ich bin von einem kaiserlichen Wagen abgeholt worden, habe hier ein prächtiges Zimmer ini Schloß und bleibe wohl bis gegen Abend. Um 1 Uhr nehme ich an der Familientafel teil." Und scherzend fügte er hinzu: „Ob ich überhaupt noch mit Euch umgehen kann?", Obgleich Ballin immer häufiger mit dem Kaiser zusammenkam, hat Wilhelm II. leider nie ganz erkannt, welch bedeutender und kluger Freund und Berater Ballin für ihn hätte sein können. Sonst hätte er sich wohl mehr Rat bei ihm geholt und seine Erfahrungen in der Welt mehr zunutze gemacht. Vor allem in der Aufrüstungspolitik zur See, der sogenannten "„Flottenpolitik", wäre das Urteil des Hamburger Reeders von größter Bedeutung gewesen. Ballin war ein Gegner der hemmungslosen Flottenpolitik, da er die Belange der Flotte den Beziehungen zu England unterzuordnen wünschte. Ballin war für eine Annäherung zwischen Deutschland und England. 25
Leider hörte der Kaiser nicht auf ihn und folgte anderen Ratgebern, vor allem dem Reichskanzler Bülow, der nicht willens war, für eine deutsch-englische Verständigung fühlbare Opfer zu bringen. „Bülow ist ein Unglück für u n s " , schrieb Ballin am 16. November 1903, „er verdirbt den Kaiser völlig, indem er ihm dauernd Schmeicheleien sagt, welche ihn so allmählich zu maßloser Selbstüberschätzung bringen . . ." Ballin bewies, daß er die Verhältnisse richtig beurteilte. Er befürchtete eine Verschlechterung der außenpolitischen Lage Deutschlands, das immer mehr isoliert wurde. Nur die allergrößte Vorsicht in der Politik könne das deutsche Schiff glücklich durch die Brandung steuern. Es bleibt allerdings fraglich, ob ein einzelner überhaupt in der Lage gewesen wäre, einer verhängnisvollen Entwicklung Einhalt zu gebieten. England begann, dem Hinausgreifen der deutschen Politik in die Welt überall entgegenzutreten und zur Eindämmung des deutschen Einflusses militärische Bündnisse zu schmieden. Es entstanden im Westen der Pakt mit Frankreich, im Osten das Bündnis mit Rußland. Ballin beobachtete Deutschlands Lage mit größter Sorge. Seine Haare waren grau geworden; tiefe Falten hatten sich in sein Gesicht eingegraben; er ging leicht nach vorn gebeugt, so, als könnten seine Schultern die ihm aufgebürdete Last nicht mehr tragen. Im Verkehr mit den Menschen war er zuvorkommend, hilfsbereit und bescheiden. Nur manchmal, wenn die Nerven der dauernden Anspannung nicht mehr gewachsen waren, brauste er auf. Noch immer aber hatte er ein feines Gefühl dafür, was Augenblick gerade notwendig war. Blitzartig durchschaute er schwierigsten Zusammenhänge, um dann seine Entscheidung treffen. So brachte Ballin die Hapag über fette und magere Jahre 26
im die zu im-
Luxus-Schlafkabine des „Albert Ballin"
mer weiter vorwärts. Und die Schiffe, die den Ozean auf der Jagd nach dem „Blauen Band" überquerten, wurden immer größer. Es gab herrliche Kabinen an Bord, behagliche Speisesäle, Konzerträume und Salons. Fahrstühle fuhren zwischen den verschiedenen Decks. Auf manchen Dampfern fand der Reisende Turnhallen, Schwimmbäder, Blumen- und Bücherläden. Obwohl Ballin ein anerkannter Wirtschaftsführer war, blieb er zeit seines Lebens Angestellter; mit hohem Gehalt zwar und von mächtigem Einfluß, aber er war eben nicht der Besitzer. Daß nicht nur der Firmeninhaber, sondern auch ein leitender Angestellter so großes Ansehen erringen konnte, war damals in Deutschland etwas ganz Neues. Erst allmählich entwickelte sich daraus der Stand des Generaldirektors, der aus dem heutigen Wirtschaftsleben nicht mehr wegzudenken ist. Ballin genoß nicht nur in Deutschland großes Ansehen. Man sehätzte ihn in der ganzen Welt. Nur so war es möglich, daß er im Jahre 1911 trotz der wachsenden internationalen Spannungen den Vertrag der „Atlantik-Conference", auf weitere drei Jahre verlängern konnte. Als der Vertrag im Jahre 1914 zum dritten Mal verlängert werden sollte, war der Krieg bereits ausgebrochen. Kein HapagDampfer durfte mehr ausfahren. Alle Schiffe, die auf See waren, mußten einen neutralen Hafen anlaufen. „Das W e r k meiner dreißigjährigen Arbeit liegt vorläufig in Trümmern", schrieb Ballin im August 1914. „Ob ich noch wieder an den Aufbau gehen kann, ist eine Frage an das Schicksal . . .",
* In diesen Kriegstagen führten Generale und Admirale das Kommando. Aber auch Ballin tat sein Bestes für die deutsche Sache. Er nutzte die weltweiten Beziehungen, die er als führender Mann der Hapag geknüpft hatte, und gründete in Hamburg den '„Reichseinkauf", eine Gesellschaft, die Lebensmittel aller Art in den neutralen Ländern einkaufte. 28
Später wurde daraus die J^entral-Einkaufs-Gesellschaft" mit dem Sitz in Berlin, so daß auch während der Kriegsjahre eine ungeheure Arbeitslast auf Ballin lag. Anfangs glaubte er noch an einen deutschen Sieg. Aber diese Hoffnung schwand, je länger der Krieg dauerte. Als sich im Jahre 1917 die Lage zwischen Deutsehland und den Vereinigten Staaten zuspitzte, erklärte er: j , W i r werden genötigt sein, auf dem Wege der mündlichen Verhandlung durch den deutschen Botschafter in Washington eine Dberbrückung der großen Kluft, die sich zwischen uns und Amerika aufgetan hat, zu versuchen. Gleichzeitig sollte man den amerikanischen Präsidenten bitten, den Versuch einer Friedensvermittlung zu unternehmen. Es wird allmählich hohe Zeit» an den Frieden zu denken, wenn wir Deutschland nicht am Schlüsse dieses Krieges in völlig erschöpftem Zustand sehen wollen . . .* Aber seine Stimme verhallte ungehört. Als wenig später Amerika in den Krieg gegen Deutschland eintrat, war das deutsche Schicksal besiegelt, und Ballin prophezeite: „Wenn der Friede nicht bald von oben kommt, dann kommt er von unten . . ." Mit tief verletztem Herzen hatte Albert Ballin zusehen müssen, wie all seine Warnungen in den Wind geschlagen worden waren. Die Katastrophe war unaufhaltsam. Der Opfertod von Millionen hatte dem Unheil nicht wehren können. Albert Ballin verfiel mehr und mehr. Eine ganze Welt brach für ihn zusammen. Aber noch einmal forderte der Augenblick all sein Denken. In den letzten Kriegstagen wandte der Kranke seine, ganze Aufmerksamkeit der Frage zu, wie den notleidenden Menschen auf schnellste Weise geholfen werden könne, wenn die Waffen niedergelegt waren. Auf einer Sitzung des Verwaltungsrates des Vereins Hamburger Reeder am 8. November 1918 forderte er die sofortige Aufhebung der Beschlagnahmung der Schiffe durch die Kriegsmarine, damit der in den Häfen liegende Frachtraum so bald als möglich 29
auslaufen könne,' um auf dem Seeweg Nahrungsmittel aus Skandinavien in das fast verhungernde Deutschland zu holen. In seinem Arbeitszimmer, im Gespräch mit Doktor Stubmann, dem Syndikus des Vereins Hamburger Reeder, trieb Ballin diesen Plan weiter. ,,Hören Sie, Stubmann . . .", sagte er, J,was die Beschlagnahmimg der Schiffe angeht, so müssen wir schon morgen mit wirksamen Ergebnissen aufwarten . . ." „Ich sehe da keine Möglichkeit, Herr Ballin", entgegnete öer Syndikus. „Wie Sie wissen, habe ich vergeblich versucht, Senator Dr. Sthamer zu erreichen. Außerdem hat die Revolution bereits auf Hamburg übergegriffen. Der Soldatenrat. . ." „Nun gut! Dann werden wir eben mit dem Soldatenrat verhandeln'", rief Ballin entschlossen. „Er hat die Macht in Händen . . .", „Verzeihung!" unterbrach ihn Doktor Stubmann. ",Aber unter diesen Umständen halte ich es für besser, wenn ein Mitglied des Senats . . ." „Vorausgesetzt, daß Sie in Hamburg noch einen Senator finden, Stubmann! Vergessen Sie nicht, daß die Sache eilt! Die Bevölkerung h u n g e r t . . ." Ballin stöhnte auf. Schweiß trat ihm auf die Stirn. „Um Gottes Willen, Herr Ballin . . .", Doktor Stubmann blickte besorgt auf den Hausherrn, „ist Ihnen nicht w o h l ? " „Ich glaube", erwiderte Ballin, „ d a ß ich das alles nicht mehr ertrage . . ." Eine Weile saß er schweigend da. Dann wandte er sich noch einmal an seinen Mitarbeiter. „ S t u b m a n n . . .", sagte er, „eines müssen Sie mir versprechen!" Er sah den Syndikus beschwörend an. „Für den Fall, daß ich durch meine Krankheit verhindert bin, werden Sie morgen wegen der Aufhebung der Schiffssperre mit dem Soldatenrat verhandeln. Es müssen sofort Lebensmittel heran 1" „Ich verspreche es Ihnen!" nickte der Syndikus. 30
Ballin reichte ihm die Hand. '„Leben Sie wohl, Stubmann! Und vergessen Sie nicht, ich habe Ihr W o r t ! ' ; Albert Ballin war tot! Er starb am 9. November 1918, mittags 1 Uhr in der Wünschschen Klinik; am gleichen Tage, an dem Kaiser Wilhelm II. sich anschickte, Deutschland zu verlassen und nach Holland ins Exil zu gehen. Sein Werk aber lebte weiter, sein Geist wirkte in der Hapag fort; und es zeigte sich, daß es ein guter Geist war. Zwar wurde im Friedensvertrag von Versailles die deutsche Handelsflotte fast vollständig zerschlagen. Auch die HamburgAmerika-Linie mußte den größten Teil ihrer Schiffe an den Feind abliefern und erleben, wie die deutschen Dampfer „ I m p e r a t o r " , „Vaterland" und „Bismarck" unter anderen Namen für englische und amerikanische Reedereien über den Ozean fuhren. Dennoch stieg die Hapag wie ein Phönix aus der Asche empor. Auch das war Ballins Verdienst. Er hatte noch in den letzten Jahren für alle Fälle einen geldlichen Grundstock gesichert. Sein Name, der unlöslich mit seinem W e r k verbunden war, öffnete seinen Nachfolgern die Türen zu den internationalen Konferenzen, so daß die Hapag schon bald wieder in den Kreis der amerikanischen und englischen Reeder aufgenommen wurde. Zum Zeichen ihrer Dankbarkeit taufte die Hapag im Jahre 1923 ihren ersten großen Dampfer auf den Namen „Albert Ballin". Umschlaggestaltung: Karlheinz Dobsky Bilder: Ullstein-Bilderdienst
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