Atlan - Der Held von Arkon Nr. 178
Atlan und der Ungeborene Der Kristallprinz auf dem Planeten der Stürme - der Sohn d...
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Atlan - Der Held von Arkon Nr. 178
Atlan und der Ungeborene Der Kristallprinz auf dem Planeten der Stürme - der Sohn der Goldenen Göttin ist in Gefahr von Marianne Sydow Im Großen Imperium der Arkoniden schreibt man eine Zeit, die auf Terra dem 9. Jahrtausend v. Chr. entspricht. Imperator des Reiches ist Orbanaschol III. ein bruta ler und listiger Mann, der seinen Bruder Gonozal VII. töten ließ, um selbst die Nach folge antreten zu können. Auch wenn Orbanaschol seine Herrschaft inzwischen längst gefestigt hat – einen Gegner hat der Imperator von Arkon besonders zu fürch ten: Atlan, den rechtmäßigen Thronerben und Kristallprinzen des Reiches, der nach der Aktivierung seines Extrahirns den Kampf gegen den unrechtmäßigen Herrscher aufgenommen hat und – zusammen mit einer stetig wachsenden Zahl von Getreuen – den Sturz Orbanaschols anstrebt. Doch gegenwärtig – eigentlich schon seit dem Tag, da er erstmals Ischtar begeg nete, der schönen Varganin, die man auch die Goldene Göttin nennt – hat er noch mehr zu tun, als sich mit Orbanaschols Schergen herumzuschlagen oder nach dem »Stein der Weisen« zu suchen, dem Kleinod kosmischer Macht. Atlan – er liebt Ischtar und hat mit ihr einen Sohn gezeugt, der sich im embryona len Zustand in einem Lebenserhaltungssystem befindet – muß sich auch der Nach stellungen Magantillikens, des Henkers der Varganen erwehren, der die Eisige Sphä re mit dem Auftrag verließ, Ischtar zu töten. Bereits einmal konnte die Varganin dank Atlans Hilfe dem Henker entgehen. Und als Magantilliken erneut zuschlägt, um sich Ischtars zu bemächtigen, begibt sich der Kristallprinz in tödliche Gefahr. Ein gefährliches Spiel beginnt auf dem Planeten der Stürme. Der Jäger ist Magan tilliken – die Gejagten sind ATLAN UND DER UNGEBORENE …
Atlan und der Ungeborene
3
Die Hautpersonen des Romans:
Atlan - Der Kristallprinz flüchtet sich auf den Planeten der Stürme.
Chapat - Ein Ungeborener ist in Gefahr.
Fartuloon - Atlans väterlicher Freund und Lehrmeister.
Ischtar - Die Goldene Göttin wird erpreßt.
Magantilliken - Der Henker der Varganen wird getäuscht.
1. Ischtars goldene Augen blitzten mich un willig an. »Ich muß fort«, behauptete sie. »Begreifst du das denn nicht? Glaubst du wirklich, ich wäre hier auf Kraumon sicher?« Ich setzte zu einer Antwort an, aber die Varganin ließ mich nicht ausreden. »Magantilliken ist nicht gekommen, um mit uns Versteck zu spielen«, fuhr sie ärger lich fort. »Er muß mein Schiff bemerkt ha ben, als er mit den fünf Alten hier landete. Du darfst dich darauf verlassen, daß er keine Sekunde Zeit verlieren wird. Der einzige Weg, der mir bleibt, ist die Flucht. Wenn ich erst an Bord bin, kann er mir nicht mehr so leicht etwas anhaben. Wirklich sicher werde ich mich allerdings erst fühlen, wenn ich einen neuen Stützpunkt gefunden habe.« Wir standen am Rand des Landefelds. Das Beiboot, mit dem Ischtar zu ihrem im Orbit um Kraumon kreisenden Raumschiff hinauffliegen wollte, war bereits startklar. Alles, was jetzt gesprochen wurde, hatten wir bereits mehrmals beredet. Magantilliken, der varganische Henker, befand sich auf Kraumon. Ischtar schwebte in höchster Ge fahr. Sie war nirgends besser aufgehoben als in ihrem eigenen Schiff. Dennoch versuchte ich, sie zurückzuhalten. Die hochgewachsene Varganin schlug mich völlig in ihren Bann. Wie sie jetzt vor mir stand, wäre ich bedenkenlos bereit ge wesen, mein Leben für sie hinzugeben. Der sanfte Wind, der von den Bergen herüber wehte, spielte mit ihrem langen, roten Haar, Das ebenmäßige Gesicht leuchtete in der Sonne, als hätte ein begnadeter Künstler es aus purem Gold geformt. Alles in mir
sträubte sich dagegen, sie jetzt gehen zu las sen, noch dazu allein. Aber so groß die Anziehungskraft auch sein mochte, die diese Frau auf mich ausübte – ich hatte noch andere Pflichten zu erfüllen. Ich konnte Ischtar nicht begleiten. Zu viele Dinge stellten sich dagegen. Abgesehen davon war ich mir sehr wohl der Tatsache bewußt, daß Ischtar ganz gut ohne meine Hilfe auskam – eine Erkenntnis, die nicht gerade erhebend auf mich wirkte. Und sie wollte nicht bleiben. Meine Argumente hat ten sie nicht überzeugen können. Dieser Stützpunkt war in ihren Augen nicht geeig net, Magantilliken von einem direkten An griff zurückzuhalten. Wenn ich an unsere bisherigen Erfahrungen mit dem vargani schen Henker zurückdachte, mußte ich ihr sogar recht geben. Widerstrebend rang ich mich zu der Er kenntnis durch, daß es für uns alle besser war, wenn ich endlich nachgab. Aber ehe ich noch dazu kam, ihr das mitzuteilen, sah ich Fartuloon. Der Bauchaufschneider stürz te aus dem Gebäude und rannte auf uns zu, als wären Dämonen hinter ihm her. Beunruhigt trennte ich mich von der Var ganin und lief ihm entgegen. »Magantilliken hat sich gemeldet«, keuchte er, als wir uns gegenüberstanden. »Er ist in Ischtars Schiff!« Die Varganin war mir gefolgt. Als ich mich umdrehte und ihre vor Schreck gewei teten Augen sah, kam auch mir die ganze Tragweite dieser Botschaft zu Bewußtsein, Chapat, unser Sohn, befand sich ebenfalls auf dem Doppelpyramidenschiff Ischtar hat te ihn dort zurückgelassen, als sie mit uns nach Kraumon hinabflog. Er lag in einem Lebenserhaltungssystem. Er war winzig klein, nichts als ein Embryo, und somit ab
4 solut hilflos. Ich wußte, wie sehr Ischtar dieses Ge schöpf liebte, und obwohl der Anblick eines unentwickelten Embryos nicht unbedingt da zu geeignet ist, in einem Mann väterliche Gefühle zu erwecken, bestand auch zwi schen Chapat und mir eine gewisse Bin dung. Es versetzte mir einen Schock, zu wis sen, daß sich dieses wehrlose Wesen nun in der Gewalt des Henkers befand. »Was hat er gesagt?« fragte Ischtar. »Bisher nichts Wesentliches«, erklärte Fartuloon, der inzwischen wieder einigerma ßen zu Atem gekommen war. »Er teilte uns nur mit, daß er Sie zu sprechen wünscht. Al lerdings klang das eher nach einem Befehl als nach einer Bitte!« »Wie mag er in das Schiff gekommen sein?« fragte ich Fartuloon bedrückt, wäh rend wir in das Gebäude zurückkehrten. »Es gibt nur eine logische Möglichkeit«, erwiderte mein Lehrmeister. Fartuloon hatte recht. Seit der Landung des Sofgart-Raumers war kein Schiff mehr von Kraumon gestartet. Magantilliken je doch war schon von Anfang an unauffindbar geblieben. Er mußte noch vor der Landung in den Varganenraumer hinübergewechselt sein. Die fünf Greise waren vermutlich mit dem Manöver und ihrem heißgeliebten Vur gizzel so beschäftigt gewesen, daß niemand auf den vermeintlich harmlosen Mitreisen den geachtet hatte. Magantilliken hatte Isch tars Schiff bemerkt und sich mit einem Raumanzug aus dem Staub gemacht. Ischtar schwieg immer noch, als wir den Funkraum betraten. Meine Getreuen halten sich inzwischen hier versammelt. Ein Blick auf ihre bedrückten Gesichter verriet mir, daß sie die Realität erkannten. Magantilliken war kein Gegner, den man unterschätzen durfte. Und mit Chapat besaß er ein Druck mittel, dem wir nichts entgegenzusetzen hat ten. Die Verbindung zu dem varganischen Henker bestand noch. »Was willst du?« fragte Ischtar ohne jede Begrüßung.
Marianne Sydow »Dich!« erwiderte Magantilliken genauso formlos. Die Goldene Göttin schwieg sekunden lang. Nur an der Art, wie ihre Hände sich öffneten und schlossen, ließ sich erkennen, wie aufgewühlt sie innerlich war. »Und wenn ich nicht komme?« »Dann töte ich zuerst deinen Sohn«, er öffnete Magantilliken ihr gelassen. »Anschließend werde ich dafür sorgen, daß dieser Planet untergeht!« »Welche Sicherheit gibst du mir, daß Chapat am Leben bleibt, wenn ich mich er gebe?« »Du hast mein Wort. Das muß genügen!« Ich glaubte, das zynisch lächelnde Gesicht des Henkers vor mir zu sehen. Ohnmächtige Wut stieg in mir auf. Ich wollte neben Ischt ar treten, aber Fartuloon hielt mich zurück. »Wann?« fragte Ischtar flüsternd, als sie ihre Beherrschung zurückgewonnen hatte. »In einer halben Stunde!« lautete die Ant wort des Henkers.
* Als der Vargane die Verbindung unter brach, war es totenstill im Raum. Niemand von uns regte sich. Ischtar war die erste, die aus dieser Erstarrung erwachte. Sie wandte sich mit eckigen Bewegungen um und woll te zur Tür gehen. Ich sah, wie Ra sich mit ei nem wilden Schrei auf sie stürzte und sie festzuhalten versuchte. Die Goldene Göttin schüttelte ihn ab, als wäre er ein lästiges Tier. Dieses Ereignis brachte auch mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Bisher hatte ich eigentlich nur an Chapat gedacht. Jetzt kam mir erst eindringlich zu Bewußt sein, daß Ischtar drauf und dran war, in den Tod zu gehen. Ich hechtete vor, und es gelang mir, sie am Arm zu packen. »Du darfst nicht gehen!« stieß ich hervor. »Glaubst du im Ernst, daß Magantilliken Wort hält? Sobald er dich umgebracht hat, wird er auch Chapat töten!«
Atlan und der Ungeborene Sie schien gar nicht zuzuhören, und ich warf einen hilfesuchenden Blick in die Run de. »Wir haben noch etwas Zeit«, ließ Fartu loon sich vernehmen. »Es muß uns etwas einfallen, wie wir Magantilliken ausschalten können, ehe er sich an dem Embryo ver greift.« Ischtar lachte schrill auf. »Ausschalten?« rief sie »Niemand kann das!« »Wir könnten versuchen, ihn aus dem Schiff zu locken«, schlug Fartuloon vor. »Dann hätten wir Gelegenheit, Chapat in Si cherheit zu bringen und …« »Das ist unmöglich!« unterbrach Ischtar ihn heftig. »Er wird sich nicht auf irgend welche Tricks einlassen. Es ist sinnlos, noch weiter darüber zu reden. Ich muß zu ihm. Vielleicht gelingt es mir wenigstens, unseren Sohn zu retten.« Ischtar hatte offensichtlich nicht die Ab sicht, sich auf weitere Diskussionen einzu lassen. Ihr Entschluß stand fest, und als ich sie mit Gewalt daran hindern wollte, hinaus zulaufen, bekam ich deutlich zu spüren, daß man die körperlichen Kräfte einer Varganin nicht unterschätzen durfte. Mit einem verzweifelten Ruck riß sie sich los und rannte davon. Ich setzte ihr augen blicklich nach, aber ich ahnte, daß es sinnlos war. Draußen stand ein Gleiter bereit. Ischt ar hatte zwar nur einen geringen Vorsprung, aber der mochte durchaus genügen. Sie wür de das Beiboot auf jeden Fall früher als ich erreichen. Saß sie erst einmal darin, so konnte sie niemand mehr von diesem sinnlo sen Opfergang abhalten. Wieder einmal war es Fartuloon, der kon sequenter und schneller handelte als ich. Er schrie mir etwas zu, ich warf mich fast auto matisch zur Seite, und dann hörte ich auch schon das Zischen eines Paralysators. Ischtar brach mitten im schnellen Lauf zusammen. Ich wandte mich um und sah Fartuloon an. Der Bauchaufschneider steckte eben die Waffe wieder ein. Sein Gesicht war düster. Er traute den Varganen insgesamt nicht,
5 und selbst Ischtar genoß keineswegs sein volles Vertrauen, aber als echter Freund ach tete er meine Gefühle. Er hatte verhindert, daß die Goldene Göttin unüberlegt handelte, Wir wußten jedoch beide, daß damit nicht viel gewonnen war. Chapat befand sich nach wie vor in der Gewalt des Henkers, und die Drohung, Kraumon zu vernichten, blieb ebenfalls bestehen. Es sei denn … Ein verwegener Plan schoß mir durch den Kopf. Es war purer Wahnsinn, eine Ver zweiflungstat und nichts weiter. Aber im merhin war ich Chapats Vater. Fartuloon hatte mich beobachtet. Als un sere Blicke sich trafen, wußte ich, daß er zu demselben Schluß gekommen war. »Nun geh schon!« nickte er grimmig.
2. Für eine genaue Planung meines Vorge hens blieb keine Zeit mehr. Wir mußten da mit rechnen, daß Magantilliken sich kurz vor Ablauf der von ihm gestellten Frist noch einmal meldete. War Ischtar dann unerreich bar, ohne daß er den Start eines Beiboots festgestellt hatte, so mußte er zwangsläufig mißtrauisch werden. Abgesehen davon kannten wir den varganischen Henker nicht gut genug, um seine Reaktionen vorherzuse hen. Damit der Schwindel nicht sofort aufflog, stieg ich in einen schweren Schutzanzug. Das Ding war so klobig, daß es keine Rück schlüsse auf die Figur seines Trägers zuließ. Der Helm war massiv. Nur ein schmaler Sichtschlitz gestattete mir einen ziemlich eingeengten Ausblick auf meine Umgebung. Dafür hatte ich den Vorteil, daß Magantilli ken selbst auf kürzeste Entfernung nicht er kennen würde, daß es nicht Ischtar war, die vor ihm stand. Ich fuhr allein hinaus. Von Fartuloon und den anderen hatte ich mich im Innern des Gebäudes verabschiedet. Wir wußten nicht, welche Beobachtungsmöglichkeiten dem Varganen zur Verfügung standen und ver mieden daher selbst das kleinste Risiko.
6 Ischtar wußte ich unter sicherer Bewachung. Unter anderen hielt sich Chretkor in ihrer Nähe auf. Eiskralles unheimliche Fähigkei ten waren ihr bekannt. Überwand sie die Lähmung, bevor ich gestartet war, und schaffte es sonst niemand, mit ihr fertig zu werden, so würde gerade sein Anblick sie am ehesten vor Unbesonnenheiten zurück halten. Die Hälfte der Frist war gerade verstri chen, als ich das Beiboot startete. Ich hielt die Funkanlage auf Empfang, und nach kur zer Zeit drang Fartuloons Stimme aus dem Lautsprecher. »Ischtar ist soeben gestartet«, teilte er dem varganischen Henker mit. »Warum meldet sie mir das nicht selbst?« wollte Magantilliken misstrauisch wissen. »Sie brach in höchster Eile auf«, log Far tuloon grimmig. »Genauer gesagt, sie ver läßt Kraumon gegen unseren Willen, Ihr Sohn ist ihr wichtiger als alles andere. Sie nahm sich ein Beiboot, dessen Funkgerät überholt werden sollte. Der Empfangsteil ist in Ordnung, also hört sie vermutlich unsere Unterhaltung mit. Aber sie kann nicht sen den!« Ich wartete gespannt auf Magantillikens Entgegnung, aber zu meiner Überraschung schluckte der Vargane diese Lüge anstands los. Er schien von unseren technischen Kenntnissen keine hohe Meinung zu haben und hielt es wohl für selbstverständlich, daß solche Pannen vorkamen. Ich war sehr er leichtert, denn nun war ich der Notwendig keit enthoben, mich vor dem direkten Zu sammentreffen mit dem Henker auf Gesprä che einzulassen. Die Gefahr einer vorzeiti gen Aufdeckung des Täuschungsmanövers war somit etwas geringer geworden. Den noch fühlte ich mich nicht besonders wohl in meiner Haut. Ich wußte nur zu gut, daß ich in einem direkten Kampf mit diesem Varganen nur wenig Chancen hatte. Daher war ich auch nicht so vermessen, anzuneh men, ich könnte Ischtars Erzfeind ein für al lemal aus dem Verkehr ziehen. Es kam le diglich darauf an, daß ich Chapat in Sicher-
Marianne Sydow heit brachte. Je höher das Beiboot stieg, desto nervöser wurde ich. Der Verdacht, daß die Varganen sich über eine gewisse Distanz auf eine mir unerklärliche Weise gegenseitig erspürten, hatte mich schon oft beschäftigt. Jetzt konn te ich nur hoffen, daß ich mich irrte. Ich erreichte die Umlaufbahn, ohne daß der Henker sich noch einmal meldete. Die Position des Doppelpyramidenschiffs war bekannt, und die zur Handhabung des Bei boots notwendigen Handgriffe waren mir längst so vertraut, daß ich mich auf sie nicht mehr zu konzentrieren brauchte. Das war in dieser Situation eher ein Nachteil – ich hatte viel zu viel Zeit zum Nachdenken. Die Auf regung ließ meine Augen tränen, und ich fluchte über den schweren Helm, der mich daran hinderte, das salzige Sekret wegzuwi schen. Eine der üblichen, zynischtrockenen Bemerkungen meines Extrahirns wäre mir jetzt willkommen gewesen, aber die lautlose Stimme in meinem Kopf schwieg sich aus. Wahrscheinlich hielt dieser streng logisch denkende Teil meines Gehirns das ganze Unternehmen für so verrückt, daß er sich jeden Kommentars enthielt. Endlich sah ich Ischtars Schiff vor mir. Die gewaltige Doppelpyramide schwebte wie ein gigantischer Kristall vor dem ster nenblitzenden Hintergrund. Auf einem ande ren Schirm zeichnete sich die braungelbe Oberfläche Kraumons ab. Dort unten hielten meine Freunde jetzt wahrscheinlich genau wie ich den Atem an. Automatisch paßte ich die Geschwindig keit des Beiboots der des Varganenschiffs an. Eine schier endlos erscheinende Zeit ver strich, ehe sich in der ungeheuren Wandung eine Öffnung bildete. Ich manövrierte das kleine Boot in den vor mir liegenden Hangar, und als es zum Stillstand gekommen war, warf ich doch noch einen Blick auf Kraumon. Durch das sich schnell schließende Schott sah ich den Wüstenplaneten seitlich weggleiten. Magan tilliken beschleunigte also bereits. Er schien es sehr eilig zu haben, aus dieser Gegend zu
Atlan und der Ungeborene verschwinden. Während wir Kraumon rasch hinter uns ließen, kletterte ich aus dem Beiboot und un tersuchte den Hangar. Den Empfangsteil des Helmfunkgeräts stellte ich auf die Wellen länge ein, die Magantilliken vorher benutzt hatte. Ich rechnete damit, daß er sich bald mit genauen Anweisungen melden würde. Mein eigentlicher Plan lief darauf hinaus, den Henker aus der Zentrale zu locken. Ich hoffte, daß er sich jetzt sicher genug fühlte, um Chapat wenigstens für kurze Zeit aus den Augen zu lassen. Er hielt mich für Ischt ar, und wenn die Varganin sich auch in die sem riesigen Schiff ausgezeichnet zurecht fand, so konnte sie ihrem Jäger doch auf kei nen Fall entwischen. Der Hangar war be stens für mein Vorhaben geeignet. Mehrere Schotte führten in das Innere des Raumers, und es gab unzählige Verstecke. Magantilli ken würde, wenn er diese Halle betrat, lange suchen müssen, ehe er genau wußte, daß sein Opfer sich bereits entfernt hatte. Inzwi schen – so hoffte ich – würde ich zu der Le benserhaltungsanlage vordringen können. Ich öffnete also alle Zugänge zum Han gar, um meine Spur zu verwischen, und dann betrat ich einen Gang, der in die Rich tung der Zentrale führte. Es war beileibe nicht die kürzeste Verbindung, aber ich legte ja auch keinen Wert darauf, Magantilliken direkt in die Arme zu laufen. Leider unterschätzte ich meinen Gegner. Der Vargane hütete sich wohlweislich da vor, seine wertvolle Geisel allein zu lassen. Ich hatte schätzungsweise die Hälfte der Entfernung zurückgelegt; als er sich über Funk meldete. »Ich warte, Ischtar! Mir scheint, du bist dir nicht bewußt, wie ernst die Lage für dei nen Sohn ist. Ich halte die Waffe bereits auf ihn gerichtet. Wenn du nicht innerhalb von fünf Minuten in der Zentrale erscheinst, wird das Kind sterben!« Es hatte keinen Sinn, diesem brutalen Ab gesandten aus der Eisigen Sphäre mitzutei len, was ich persönlich von Leuten hielt, die mit dem Mord an einem wehrlosen Kind
7 drohen. Ich ballte die Hände zu Fäusten und riß mich zusammen. Auch in meinem Volk gab es Verbrecher – das hatte ich am eige nen Leibe erfahren. Aber die kalte Berech nung, mit der Magantilliken handelte, brach te mich zur Weißglut. Dieser Vargane hatte anscheinend überhaupt kein Gefühlsleben. Immerhin waren die Fronten jetzt endgül tig geklärt. Mein schöner Plan nützte mir nichts mehr. Es würde zum direkten Kontakt kommen, und das warf eine Menge Proble me auf. Sobald der Henker erkannte, daß er genarrt worden war, ging es um mein Leben. Wie ich unter diesen Umständen Chapat be freien sollte, war mir rätselhaft. Immer be drückender kam mir zu Bewußtsein, daß ich mich auf ein nahezu aussichtsloses Unter nehmen eingelassen hatte. Trotzdem kam mir nicht einmal der Ge danke, einfach aufzugeben. Auch ein Varga ne mußte irgendeinen wunden Punkt haben, an dem man ihn packen konnte. Es gibt kei nen Gegner, der absolut unbesiegbar ist. Kurz vor Ablauf der Frist erreichte ich die Zentrale. Das Schott stand offen. Drinnen konnte ich Magantilliken erkennen. Der Henker stand in der Mitte des Raumes. Er hielt eine Waffe in der Hand und sah sich aufmerksam nach allen Seiten um. Durch ei ne offene Tür im Hintergrund erkannte ich die Lebenserhaltungsanlage, in der Chapat untergebracht war. Die Versuchung war groß. Ich tastete be hutsam nach dem Paralysator, um Magantil liken gleich jetzt auszuschalten. Noch hatte er mich nicht gesehen. Nur kurz kam mir der Gedanke, der Henker könne gegen die Lähmstrahlen immun sein, und ich sollte lie ber den Blaster benutzen. Aber das erschien mir als zu gefährlich. Zu leicht konnte ich bei aller Zielsicherheit, die ich mir zutraute, schwerwiegende Zerstörungen an den Gerä ten anrichten. Außerdem war Ischtar nach Fartuloons Lähmschuß zusammengebro chen, und wenn Magantilliken auch nach ih ren eigenen Worten nur eine Art Geist war, der einen uralten Körper als Werkzeug be nutzte, so mußte er doch in dem Augenblick
8 handlungsunfähig werden, in dem ich eben diesen Körper ausschaltete. Magantilliken stand günstig. Ich hob die Waffe – und hatte für einen Augenblick ver gessen, in welchem Monstrum von Schutz anzug ich steckte. Es gab ein leises Klirren, als ich mit der Waffe gegen ein Metallteil in Brusthöhe stieß. Magantilliken hörte das Ge räusch und reagierte sofort. Ein einziger Sprung, bei dem sein tief blauer Umhang sich gespenstisch aufblähte, brachte ihn in die Nähe der Tür, hinter der ich Chapat wußte. Ich steckte die Waffe weg, Es war klar, daß ich die winzige Chance verpaßt hatte. Wenn ich jetzt auf den Henker schoß, würde auch der Embryo die Auswirkungen zu spü ren bekommen. Ich wußte nicht, wie ein solch winziges Wesen darauf reagieren wür de. Die Gefahr, daß ich Chapats Leben ge fährdete, war zu groß. Narr, teilte mir mein Extrahirn zu allem Überfluß mit. Jetzt weiß er, wo du bist! Es gab Augenblicke, in denen ich dieses Ding zum Teufel wünschte. Es entwickelte zeitweilig eine geradezu beleidigende Fähig keit, das Offensichtliche festzustellen. »Ischtar!« An der Art, wie Magantilliken sich bei diesem Ruf umsah, erkannte ich, daß er mei nen genauen Standort doch nicht kannte. Ich hütete mich zu antworten. Statt dessen duckte ich mich in den Schatten in der Nähe des Schotts und beobachtete den Henker an gespannt. »Komm her!« Ich biß mir auf die Lippen. Gab es denn keinen Weg, diesen Kerl aus Chapats Nähe zu locken? »Komm!« forderte Magantilliken erneut, und diesmal ließ er keinen Zweifel mehr daran, daß seine Geduld am Ende war. Er richtete die Waffe auf das Lebenserhaltungs gerät. Es hatte keinen Sinn, noch länger zu war ten. Wenn ich es überhaupt noch schaffte, Magantilliken zu verwirren und von dem Embryo abzulenken, dann konnte das nur im
Marianne Sydow Moment meiner Demaskierung geschehen. Entschlossen richtete ich mich auf und marschierte geradewegs auf ihn zu. Magan tilliken blickte mir entgegen. Sein bronzefar benes Gesicht war ruhig und beherrscht. Nur die goldenen Augen glitzerten triumphie rend. »Du hast mich lange warten lassen«, be merkte er spöttisch. Ich beobachtete ihn auf merksam und wartete auf den günstigsten Moment. »Wie ich sehe, hast du dich bis zur Un kenntlichkeit vermummt«, fuhr Magantilli ken unwillig fort, und ich registrierte zufrie den, daß mein beharrliches Schweigen ihn nervös machte. »Was soll das? Glaubst du, der Anzug und die Waffen, die du bei dir trägst, würden dich vor mir schützen? Du solltest es eigentlich besser wissen!« Ich sagte noch immer nichts. Regungslos stand ich vor dem varganischen Henker, der mich seinerseits mit steigender Nervosität beobachtete. »Worauf wartest du?« fuhr er mich nach einer Weile an. »Auf ein Wunder? Es wird keines geschehen! Nimm endlich diesen al bernen Helm ab und laß uns zur Sache kom men!« Langsam hob ich die Hände. Magantilli ken legte zwar die Waffe nicht weg, aber er ließ sie sinken. Ich hätte an seiner Stelle das Gegenteil getan. Dann erinnerte ich mich an jenen Zweikampf zwischen ihm und Ischtar, den ich auf Tabraczon beobachtet hatte. Die Erkenntnis, daß der Henker auch ohne Waf fe zu töten vermochte, ließ mich kurz zö gern, aber ich riß mich zusammen. Ich wuß te nicht, wie die Goldene Göttin in dieser Si tuation reagiert hätte, aber ich kannte ihre Selbstbeherrschung. Daß sie mit zitternden Fingern am Helmverschluß herumgefum melt hätte, war kaum anzunehmen. Betont langsam lockerte ich die Ver schlüsse. Magantilliken wurde zusehends ru higer. Er sah sein Ziel vor Augen. Und ge nau in diesem Augenblick schlug ich mit ei nem Ruck die Maske zurück. Ich sah, wie seine Augen sich vor Überra
Atlan und der Ungeborene schung weiteten. Der Schock mußte unge heuer stark sein, denn seine Waffe polterte zu Boden. Das war der Augenblick, auf den ich gewartet hatte. So schnell ich konnte, wirbelte ich herum und brachte mich mit wenigen Sprüngen in Sicherheit. Magantilliken stieß einen Laut der Enttäuschung aus, dann jedoch fing er sich mit einer geradezu unmenschlichen Ge schwindigkeit. Der Sprung, mit dem auch er sich in Deckung begab, war genau berech net. Noch im Abrollen erwischte er seine Waffe wieder. Dann steckte er hinter einem der zahlreichen Instrumentenpulte. Noch im mer befand er sich zwischen Chapat und mir, aber seine jetzige Position hatte für ihn einen großen Nachteil: Die Lebenserhal tungsanlage war auch für ihn außer Reich weite geraten. Er hätte schon die Fähigkeit besitzen müssen, um die Ecke zu schießen, wollte er den Embryo zerstören. Aber auch ich hatte noch nichts gewon nen. Genau wie Magantilliken benutzte ich ein Gerät als Deckung, von dem ich hoffte, daß es nicht allzu unwichtig war. Die Tatsa che, daß der Henker bisher noch keinen Schuß auf mich abgefeuert hatte, sprach da für. Die Tür zum Nebenraum lag jedoch fast auf der anderen Seite der Zentrale. Ich muß te den Varganen also unbedingt aus seinem Versteck locken. Aufmerksam betrachtete ich meine nähere Umgebung. Ich stellte fest, daß ich wieder einmal Glück hatte. Keine zehn Schritte ent fernt gab es eine Tür. Die meisten Räume in der Umgebung der Zentrale standen unter einander in Verbindung, das wußte ich be reits. Wenn es mir gelang, diese Tür zu er reichen, hatte ich einen großen Pluspunkt gewonnen. Ischtars Schiff war ein uner gründliches Labyrinth. Es mußte mir einfach gelingen, Magantilliken in die Irrezuführen. Aber wie? Der Schutzanzug, der mir bis hierher gute Dienste geleistet hatte, erwies sich nun als Hemmschuh. Ich mußte das ungeschlachte Ding schleunigst loswerden. In einem nor malen Kampf hätte es mir nichts ausge
9 macht, in dieser Rüstung herumzulaufen, aber gegen den Henker halfen nur Schnellig keit und List. Während ich so lautlos wie möglich die Magnetverschlüsse lockerte, wartete ich an gespannt darauf, daß der Vargane die Initia tive ergriff. Ich vermochte mir nicht vorzu stellen, daß Ischtars Todfeind einfach ab wartete, bis mir die Geduld ausging. Der ge fährlichste Augenblick kam dann, wenn ich mich aus dem Anzug schälte. Das ging unter Garantie nicht ohne Geräusche ab. Der Hen ker würde sie mit Bestimmtheit richtig inter pretieren und wissen, daß ich in diesem Au genblick nahezu wehrlos war. Die Verschlüsse waren offen. Ich maß noch einmal mit den Blicken die Entfer nung, die ich zurückzulegen hatte, dann at mete ich tief durch. Meine Waffen – der Pa ralysator und der Strahler – lagen griffbereit vor mir. Bis jetzt war alles geräuschlos ver laufen. Vorsichtig befreite ich meine Arme von der lästigen Hülle. Dann kam das Brustteil an die Reihe, und ein hauchfeines Klirren entstand Ich hörte aus der Richtung, in der ich Magantilliken wußte, ein kurzes Ra scheln und vergaß alle Vorsicht. Mit einem einzigen Ruck warf ich mich nach vorne und befreite mich so von dem Rest der klobigen Schutzkleidung. Im gleichen Bewegungsab lauf hatte ich meine Waffen ergriffen, und indem ich mich noch einmal kräftig abstieß, rutschte ich auf dem Bauch hinter das näch ste Pult. Blitzschnell war ich wieder auf den Beinen. Ich sah Magantilliken wie ein Ge schoß auf mich zufliegen. Sein seltsamer Umhang breitete sich in der Form gespensti scher Gleitflügel um ihn aus. Es wäre mir sicher gelungen, ihn im Sprung zu treffen. Aber auch er hielt die Waffe im Anschlag. Ich hatte keine Zeit, mir das merkwürdige Ding anzusehen, hinter dem ich mich befand. Es war jedoch offen sichtlich, daß der Henker es nicht zu zerstö ren wagte. Erst wenn er sicher sein konnte, nur mich zu treffen, würde er abdrücken. Das verschaffte mir einen winzigen Zeit
10 vorteil. Ich überlegte nicht lange, sondern sprang los. Wenn Magantilliken mit einem nicht ge rechnet hatte, dann war es die Tatsache, daß ich ihm entgegenkam, statt vor ihm zu flie hen, Sein Sprung fiel infolge meines überra schenden Hervorschießens zu weit aus. Hin zu kam, daß er immer noch zögerte, hier in der Zentrale Energiestrahlen einzusetzen. Er rechnete auch nicht damit, daß ich einen Waffeneinsatz riskierte. Hätte ich um den Bruchteil einer Sekunde gezögert, so wäre er direkt neben mir gelandet, und wie ein Handgemenge mit dem Henker ausgefallen wäre, vermochte ich mir lebhaft vorzustel len. Er landete mit ausgebreiteten Armen an genau der Stelle, die ich vorausgesehen hat te. Nur befand ich mich zu diesem Zeitpunkt etwa zwei Schritte weiter seitlich. Der Au genblick, den er brauchte, um sein Gleichge wicht wiederzufinden und sich auf die ver änderten Verhältnisse umzustellen, reichte völlig. Ich holte aus und schlug mit der Strahlwaffe zu. Es war ein Hieb, der einen Arkoniden voll zu Boden geschickt hätte. Ich traf genau den Nacken. Magantilliken wankte, und ich dachte bereits, ich hätte es geschafft. Aber zu meinem Entsetzen blieb der Henker auf den Beinen. Er schien leicht betäubt, aber das war auch alles. Ich fand noch Zeit, end lich die längst anvisierte Tür aufzureißen, mich in den Raum zu werfen, der dahinter lag, und blitzschnell den Eingang wieder zu schließen. Dann hörte ich den Körper des Henkers gegen die andere Seite prallen und wußte, daß er die Folgen des Schlages be reits überwunden hatte. Ich stemmte mich gegen die geschlossene Tür und wunderte mich verschwommen dar über, daß ich noch lebte. An Magantillikens Stelle hätte ich jetzt geschossen. Dann er blickte ich die zahlreichen Bildschirme. Durch Zufall hatte ich einen Raum gewählt, der nicht ohne Bedeutung für die Sicherheit des Schilfes zu sein schien. Das änderte nichts an der Tatsache, daß meine Kräfte
Marianne Sydow bald erlahmen würden. Es war, als besäße Magantilliken die Stärke von drei ausge wachsenen Männern. Lange vermochte ich ihn nicht davon abzuhalten, endlich doch einzudringen und sein Vorhaben zu vollen den. Benutze seine Kraft zu deinem Vorteil! riet mir mein Logiksektor, und ich begriff sofort. Bisher stemmte sich der Vargane nur mit aller Kraft gegen die Tür, in der Hoffnung, ich möge recht bald schlappmachen. Er soll te nicht umsonst gehofft haben. Vielleicht gelang es mir, ihn zu etwas mehr Anstren gung zu verleiten. Rechts von mir gab es ein Schott mit Sicherheitsverriegelungen. Was auf der einen Seite war, mußte auf der ande ren auch vorhanden sein. Wenn es mir ge lang, in dieser Richtung einen Halbkreis um die Zentrale zu schlagen, mußte ich zu Cha pat gelangen … Aber soweit war es noch nicht. Ich gab ein wenig nach, und die Tür öff nete sich um einige Millimeter. Es kostete mich tatsächlich fast die letzten Reserven, um Magantilliken wieder zurückzudrängen, aber es lohnte sich. Der Vargane war nicht nur ungeheuer stark, er war vor allen Dingen auch ungeduldig. Je eher er mich beseitigte, desto schneller konnte er umkehren und Ischtar erneut unter Druck setzen – wobei er wohl um einiges mißtrauischer vorgehen würde als beim erstenmal. Diesmal hatte ich das Gefühl, es gäbe statt eines Varganen ein halbes Dutzend auf der anderen Seite. Magantilliken warf sich mit derartiger Wucht gegen die Tür, daß er mich auch dann überrannt hätte, wäre ich davor stehengeblieben. Ich war jedoch genau im richtigen Moment zur Seite gesprungen. Diesmal krachte er mit voller Wucht zu Boden, und der Schwung trug ihn über die spiegelglatte Fläche mit dem Kopf voran ge gen den Sockel eines Schaltpults. Die Erfahrung von vorhin hatte mich ge lehrt, daß der Henker auf Zusammenstöße dieser Art nicht viel anders reagierte als ein Roboter. Darum wartete ich gar nicht erst
Atlan und der Ungeborene ab, ob er sich auch von den Folgen dieses Aufpralls erholte, sondern spurtete los. Ich riß das Schott auf und entdeckte, daß es auch hier von technischen Einrichtungen wimmelte. Als die Verriegelungen einrasteten, fühlte ich mich beinahe sicher. Der Vargane brauchte hoffentlich ein paar Sekunden, um wieder zu sich zu kommen. Bis er dieses Schott geöffnet hatte, mußte ich mich aus der direkten Gefahrenzone entfernt haben. Ich hastete durch den dämmerigen Raum. Wie überall in diesem unheimlichen Schiff war es absolut still. Ich hörte nur meine ei genen Schritte und meine keuchenden Atemzüge. Die nächste Tür brachte mich in eine sechseckige Zelle, deren Sinn für mich rät selhaft blieb. Dann kam ein kurzer Korridor mit abgeschrägten Wänden, und endlich ein Zimmer, das mir vertraut war. Die in sanften Farben schimmernden Wände, die zierlichen Möbel und das breite, von seidigen Fellen überzogene Lager in der Nische mit den ständig die Farben wechselnden Vorhängen – kein Zweifel, hier hatte ich mich schon einmal aufgehalten. Ischtars Zimmer! Ich schritt über die weichen Teppiche, die das Geräusch meiner Schritte schluckten, und für einen Moment flackerten Erinnerungen in mir auf. Ischtar! Würde ich die Goldene Göttin je mals wiedersehen? Ich riß mich zusammen. Es war keine Zeit für melancholische Sehnsüchte. Immerhin wußte ich jetzt, wo ich mich befand. Die Tür mir gegenüber führte auf einen Gang hinaus, Der Zugang zur Zentrale lag hinter dem sich ständig bewegenden Vorhang direkt rechts neben mir. Es gab zwei Möglichkeiten, zu Chapat zu gelangen. Entweder kehrte ich in die Zentrale zurück, dann kam ich etwa fünf Schritte von der fraglichen Tür entfernt heraus. Oder ich durchquerte den Gang, der Ischtars Zimmer von dem ihres Sohnes trennte. Infolge der merkwürdigen Raumaufteilung innerhalb des Doppelpyramidenschiffes war dieser
11 Weg ein wenig länger. Dafür schien er mir auch sicherer. Während meines Weges durch die ver schiedenen Nebenräume hatte ich von Ma gantilliken nichts mehr gehört. Das war er staunlich. Die Hoffnung, er hätte seinem Dickschädel bei dem harten Aufprall doch zuviel zugetraut, wies ich energisch von mir. Ich war überzeugt davon, daß der Henker quicklebendig war. Wenn er dennoch darauf verzichtete, mir nachzusetzen, dann konnte das nur einen Grund haben: Er hatte sich er neut auf seine Geisel besonnen. An seiner Stelle wäre ich auf schnellstem Wege zu Chapat geeilt. Solange dieser Var gane mit gezogener Waffe neben dem Em bryo stand, war ich zur Untätigkeit ver dammt. Es war der einfachste Weg, mich zur bedingungslosen Kapitulation zu bele gen. Ich mußte also damit rechnen, daß Ma gantilliken entweder in der Zentrale oder ne ben der Lebenserhaltungsanlage auf mich wartete. Benutzte ich den hinteren Eingang, dann gelang es mir vielleicht noch einmal, den Henker zu überraschen. Vorsichtig öffnete ich die Tür. Der Gang war still und leer. Ich huschte auf die andere Seite hinüber und legte die Hand auf die Druckplatte. Die Tür schwang zurück. Ich sah noch, daß die Lebenserhaltungsanlage offenbar unbeschä digt war, dann kam ich für einige Zeit nicht mehr dazu, auf meine Umgebung zu achten. Selbstverständlich hätte ich mir von vorn herein sagen müssen, daß man einen varga nischen Henker nicht so leicht für dumm verkaufen konnte. Als ich durch das bewuß te Schott verschwand, mußte er sofort die richtigen Schlußfolgerungen gezogen haben. Er hatte auch ganz richtig erkannt, daß mein eigentliches Ziel Chapat war. Da es nur zwei Eingänge zu diesem Raum gab, war es für ihn leicht, den Ort meines Erscheinens vor herzusagen. Ich wäre allerdings auch dann nicht besser beraten gewesen, wenn ich all seinen Überlegungen zum Trotz den un wahrscheinlicheren Weg durch die Zentrale gewählt hätte. Das hätte lediglich zu einer
12 Neuauflage jener Situation geführt, mit der dieser Kampf begonnen hatte. Im Augenblick überlegte ich mir das al lerdings kaum. Ich hatte genug damit zu tun, den wuchtigen Schlägen des Varganen aus zuweichen. Magantilliken hatte sich die Zeit genommen, seine Bewaffnung grundlegend zu ändern. Wahrscheinlich war er es leid, selbst in günstigster Position nicht schießen zu können, weil er Rücksicht auf irgendwel che Geräte zu nehmen hatte. Ich wünschte, ich wäre seinem Beispiel gefolgt. Noch nie hatte ich einen Varganen so kämpfen sehen, aber das sagte nichts. Schließlich kannte ich nur sehr wenige An gehörige dieses Volkes. Jedenfalls bewies Magantilliken mir hinreichend, daß er auch mit einer primitiven Waffe hervorragend umzugehen verstand. Er schwang ein langes Schwert, daß er irgendwo in der Nähe der Zentrale aufgetrieben haben mochte. Mit meinen Strahlern in der Hand kam ich mir vor, wie ein Mann, der mit einer Nadel einen Saurier zu erlegen versucht. Der erste Streich ging daneben, weil ich kurz einen Schatten auf dem Boden sah und völlig instinktiv reagierte. Beim zweiten war Magantilliken so dicht bei mir, daß mich nur ein wilder Sprung rettete. Für einen Augen blick war ich außer Gefahr, aber ich merkte, daß es keinen Sinn hatte, noch einmal das Manöver mit dem Versteckspiel zu begin nen. Obwohl in den Augen des Henkers eine wilde Wut loderte, beherrschte er sich mei sterhaft. Er blieb im Türrahmen stehen, das Schwert erhoben, und wartete ab. Er wußte genau, daß ich keinen Schuß riskieren durf te, wollte ich Chapat nicht in Gefahr brin gen. Diesmal hatte er in allen Punkten die Übermacht, und er war sich dessen bewußt. Chapat war verloren, wenn ich ihn nicht doch noch ausschaltete. Aber wie? Er stand vor mir wie ein Dämon. Sein wallendes, rot blondes Haar leuchtete unwirklich. Die bronzefarbene Hand hielt das Schwert so sachkundig, daß ich keine Hoffnung hatte, es ihm mit einem Trick abzunehmen und so mit den Spieß umzudrehen.
Marianne Sydow Seltsamerweise sprach er nicht. Erstand einfach nur da, bereit, zuzuschlagen, sobald ich mich in seine Reichweite begab. Er drohte nicht – und er hatte das auch nicht nötig. Als ich unwillkürlich nach dem Para lysator tastete, kräuselten sich seine Lippen zu einem verächtlichen Lächeln. Ich ließ die Hand sinken, überlegte es mir dann jedoch anders. Mit einem Ruck riß ich die Waffe heraus. Magantilliken reagierte blitzschnell. Mein Wurfgeschoß verfehlte seinen Kopf nur um Zentimeter. Aber ich hatte ohnehin nicht damit gerechnet, ihn auf diese Weise auszuschalten. Fast gleichzeitig sprang ich ihn an. Sein Schwert nutzte ihm jetzt wenig. Auf diese Distanz vermochte er es nicht einzu setzen. Ich krallte mich in seinem Umhang fest, stieß den Kopf von unten gegen sein Kinn und trat gleichzeitig nach seinem Schienbein. Er wankte kurz, fing sich jedoch schnell. Ehe ich die Wirkung meines An griffs ausnutzen konnte, fühlte ich den Griff seiner linken Hand an meinem Arm. Es war, als hätte ich mit der stählernen Klaue eines Roboters Bekanntschaft gemacht. Es gelang mir noch, ihm einen weiteren Tritt zu versetzen, dann wurde ich mit un heimlicher Kraft zu Boden geschleudert. Trotz der Schmerzen, die wie flüssiges Feuer durch meine Muskeln rannen, gelang es mir, mich noch rechtzeitig zur Seite zu rollen. An der Stelle, an der sich eben noch mein Hals befunden hatte, schlug das Schwert klirrend am Boden auf. Aber schon hob Magantilliken die Waffe von neuem. Der Henker hatte inzwischen begriffen, daß er sich mir gegenüber keine Blöße geben durfte. Das lange Schwert versetzte ihn in die Lage, nach mir zu schlagen, ohne sich in gefährliche Nähe meiner Hände oder Füße zu begeben. Meine eigenen Waffen hatte ich verloren – sie lagen außerhalb meiner Reich weite. Ich sah die Klinge herabzucken, und ob wohl es scheinbar sinnlos war, wich ich noch einmal dem tödlichen Schlag aus. Ich bereitete mich auf den nächsten Versuch
Atlan und der Ungeborene vor, da geschah es. Ich hatte es schon einmal erlebt – auf Ta braczon. Magantilliken hatte das Schwert bereits erhoben, als er plötzlich zu schwanken be gann. Mit letzter Kraft schleuderte er die Waffe nach mir, aber sie verfehlte mich. Als sie scheppernd am Boden aufschlug, fiel Magantilliken bereits. Er sank in sich zu sammen, als wäre sein Körper ein Bündel nasser Lappen.
3. Mühsam erhob ich mich. Der rechte Arm, an dem Magantilliken mich herumgeschleu dert hatte, schmerzte höllisch, aber er war nicht gebrochen, und das war die Hauptsa che. Ich hob das Schwert auf, ehe ich mich dem Henker vorsichtig näherte. Der Vargane lag regungslos in der Gangmitte. Hastig untersuchte ich ihn. Es gab keinen Zweifel, die Symptome waren dieselben, wie damals. Wie hatte Ischtar diesen Zu stand erklärt? Magantilliken war nicht körperlich aus der Eisigen Sphäre in unser Universum ge kommen. Er hatte sich lediglich den Körper eines jener Varganen angeeignet, die noch immer auf den Versunkenen Welten in den Lebenserhaltungsanlagen ruhten. Von Zeit zu Zeit mußte der Geist, der diesem Körper neues Leben gab, in das geheimnisumwitter te Reich der Varganen zurückkehren, um sich dort mit neuer Energie zu versorgen. Wie lange dieser Zustand anhielt, ließ sich nicht genau sagen. Offensichtlich war je doch, daß Magantilliken selbst auf den Zeit punkt einer solchen »Aufladung« keinen Einfluß besaß. Sonst hätte er sich nicht aus gerechnet jetzt in diesen hilflosen Zustand begeben. Ich sah das Schwert an – dann ließ ich es wieder sinken. Es hatte keinen Sinn, Magan tillikens verlassenen Körper jetzt zu töten. Er vermochte es jederzeit, sich einen neuen zu besorgen. Diese Erscheinung des vargani schen Henkers kannten wir. Wechselte er je
13 doch in einen anderen Varganen über, so standen uns höchstens neue Schwierigkeiten bevor. Abgesehen davon brachte ich es nicht fertig, mich an einem Wehrlosen zu vergrei fen. Ich sammelte meine Waffen ein und ging endlich in den Raum, den der Henker so hartnäckig verteidigt hatte. Während ich vor die Lebenserhaltungsanlage trat, zerbrach ich mir den Kopf darüber, was ich nun mit Chapat anstellen sollte. Der Behälter, in dem Chapat sich befand, war klein und transparent. Ich hätte ihn mir leicht unter den Arm klemmen können. Die Schwierigkeit bestand darin, daß der Kasten mit schiffseigenen Anlagen verbunden war. Soweit ich darüber informiert war, mußte Chapat zugrunde gehen, sobald er von die sem Versorgungssystem abgeschnitten wur de. Ich starrte den winzigen Körper an. Die Haut war noch durchsichtig, schemenhaft zeichneten sich darunter Adern, Muskeln und zierliche Knochen ab, die sich jedoch erst am Beginn ihrer Entwicklung befanden. Deutlich war das Herz zu sehen. Es hatte noch nicht die richtige Form, aber es pochte regelmäßig und kraftvoll. Die im Verhältnis viel zu kleinen Arme und Beine bewegten sich langsam. Auch die Augen waren bereits erkennbar, kleine, dunkle Flecken in einem Gesicht, das in erster Linie aus einer vorge wölbten Kugelstirn und einer kaum ange deuteten Nase bestand. Wie sollte ich dieses hilflose Wesen schützen? Immer wieder landete ich bei demselben Problem: Chapat selbst mußte weggeschafft werden. Im Hangar lag noch immer mein Beiboot. Ich wußte nicht, wie groß die Strecke war, die das Varganenschiff, das ich nicht steuern konnte, inzwischen zurückge legt hatte, aber befand ich mich erst einmal im freien Raum, so würde ich auch Hilfe finden. Zweifelnd betrachtete ich die Anschlüsse, die von Chapats derzeitiger Behausung weg führten, aber immer wieder glitten meine
14 Blicke zu dem Embryo zurück. Es war selt sam – fast wie ein Zwang! Ich wußte, daß ich keine Zeit zu verlieren hatte, daß Magantilliken jederzeit aufsprin gen und erneut gegen mich kämpfen konnte. Und doch verschwendete ich wertvolle Au genblicke damit, einfach nur dazustehen und meinen geheimnisvollen Sohn anzustarren. Immer deutlicher wurde das Gefühl einer so tiefen Verbundenheit mit Chapat, wie ich es nie zuvor erlebt hatte. Und plötzlich war der Kontakt geschlossen. »Du hast mich vor dem Tode bewahrt«, flüsterte eine zarte Stimme in meinen Ge danken. »Aber die Gefahr ist noch nicht vor über!« »Chapat?« stieß ich unsicher hervor. Ich kannte diese Art innerer Stimme. Mein Ex trahirn machte sich auf ähnliche Weise be merkbar. Dennoch bestand ein großer Unter schied. Nur vermochte ich mir nicht vorzu stellen, daß dieser Embryo, der aus der Ver bindung zwischen mir und Ischtar entstan den war, die unglaubliche Fähigkeit besaß, mir seine Gedanken mitzuteilen. Er besaß ja noch kaum ein Gehirn, er konnte einfach noch nicht einmal logisch denken, geschwei ge denn die Gabe der Telepathie besitzen! »Aber es ist so!« hörte ich die Stimme er neut, ohne daß ein Geräusch an meine Ohren drang. Ich wirbelte herum – Magantilliken lag noch immer leblos da. Die Gefahr, daß ich einem Trick des Henkers auf den Leim ging, schied somit aus. »Es ist nicht so erstaunlich, wie du denkst«, teilte der Embryo mir gelassen mit. »Eine Schutzmaßnahme, die Ischtar für mich traf. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Ich weiß, mit welchem Problem du dich be schäftigt hast. Es ist sehr leicht zu lösen. Der Behälter, in dem ich mich befinde, verfügt über ein eigenes Versorgungssystem. Die Vorräte sind natürlich nicht groß, aber für einige Zeit geht es. Jedenfalls lange genug, bis wir aus dem Schiff geflohen sind und ei ne andere Anlage gefunden haben.« »Moment«, wandte ich hastig ein, ohne
Marianne Sydow mir bewußt Rechenschaft darüber abzule gen, daß ich mit einem Embryo diskutierte. »Solche Anlagen stehen nicht einfach über all herum. Wir müssen zuerst einen Planeten erreichen …« »Das ist bereits geschehen«, unterbrach Chapat mich. »Das Schiff ist inzwischen ge landet. Ich weiß, daß Magantilliken eine der Versunkenen Welten ansteuerte. Er wollte zu einem fast vergessenen Stützpunkt, um dort seinen Plan zu Ende zu führen. Die Sta tion dürfte nicht weit vom Landeplatz ent fernt liegen – sobald wir uns im Freien be finden, werde ich dir den Weg zeigen kön nen.« Ich weiß, es klingt verrückt. Aber die Ein dringlichkeit, mit der dieses Wesen sich mir mitteilte, verdrängte jeden Zweifel. Ich un terhielt mich auf telepathischem Wege mit meinem ungeborenen Sohn – und ich akzep tierte diese Tatsache! Chapats Wissen umfaßte auch die nötigen Kenntnisse, um unser Vorhaben zu ermögli chen. Nach seinen Anweisungen betätigte ich Schalter, deren Bedeutung ich erst durch ihn erfuhr, löste Verbindungen und stellte andere her, bis ich schließlich den kleinen Behälter anhob. Es erschien mir als absolut selbstverständ lich, daß Chapat auch die Richtung angab, in die ich mich zu wenden hatte. Einmal raffte ich mich noch zu einer Frage auf. »Könntest du mir notfalls auch erklären, wie ich dieses Raumschiff zu steuern hätte?« »Ja«, erwiderte das Wispern in meinem Schädel. »Aber es würde uns nichts nützen. Wir wären nicht sicher genug. Sobald Ma gantilliken zu sich käme, würde er mich tö ten.« Im Unterbewußtsein entstand in mir der Einwand, auch die Flucht in eine fremde, uns unbekannte Umwelt wäre ein sehr frag licher Ausweg. Seltsamerweise sprach ich diesen Gedanken nie aus. Bald vergaß ich ihn sogar völlig. Wir durchquerten die Zentrale, die noch stiller war als sonst. Die Bildschirme blick ten wie erloschene Augen auf uns herab. Ich
Atlan und der Ungeborene hätte gerne einen von ihnen in Betrieb ge setzt, was mit Chapats Hilfe wohl kein Pro blem darstellte. Mir wäre bedeutend wohler gewesen, hätte ich wenigstens einen kurzen Blick auf die Umgebung werfen können, in der das Schiff sich befand. Aber das winzige Geschöpf in dem Behälter ließ eine solche Zeitverschwendung nicht zu. Die Flucht durch Ischtars Schiff glich ei nem Alptraum. Nicht, daß sich uns Gefahren entgegenstellten. Im Gegenteil. Es gab nichts als die leeren, sterilen Gänge, alle in dämmeriges Licht getaucht. Nirgends eine Bewegung oder ein Laut. Nur die wispernde Stimme in meinen Gedanken, die mir mit teilte, wohin ich gehen sollte. Ständig verfolgte mich der Gedanke an Magantilliken, der irgendwo hinter mir in seinem scheintoten Zustand lag. Das bloße Vorhandensein des Henkers war wie ein dunkler Schatten, der drohend über mir hing und mich vorwärtstrieb. Erst als die Schleu se vor uns lag, erwachte ich wie aus einer Betäubung. Ich begriff, daß es eigentlich Chapats Angst war, die mir so zu schaffen machte. Ich öffnete das innere Schott. Als es fast lautlos hinter uns zuglitt und ich mit dem Behälter in der geräumigen Kammer stand, zögerte ich einen Augenblick. Aber dann überwog wieder der Gedanke an den Henker und an Chapats Sicherheit. Ich betätigte einen Kontakt, und die Schleuse öffnete sich.
4. Mein erster Eindruck von der Welt, die mich draußen erwartete, war, daß Magantil liken mich geradewegs in die Hölle geflogen hatte. Durch das sich öffnende Schleusenschott schlug mir heiße, trockene Luft entgegen, Sie brachte Unmengen von Sand mit sich, der mir die Augen fast verklebte, in die Nase drang und zwischen den Zähnen knirschte. Da draußen tobte ein Sturm, wie ich ihn in dieser Heftigkeit selten zuvor erlebt hatte.
15 Von der näheren Umgebung außerhalb des Schiffes war im Augenblick so gut wie nichts zu erkennen. Sand in der Luft, Sand am Boden – es war kaum auszumachen, wo das eine begann und das andere aufhörte. Ein schrilles Kreischen mischte sich in die übrigen Sturmgeräusche. Es rührte von den scharfkantigen Sandkörnern her, die mit un vorstellbarer Wucht über die Außenflächen des Varganenschiffs getrieben wurden. Bin nen weniger Atemzüge bildeten sich am Rand der Schleuse die ersten Verwehungen. Du brauchst einen Raumanzug, meldete sich mein Extrahirn energisch. Sonst wird dir der Sand sehr schnell die Haut vom Kör per schmirgeln! Erst jetzt bemerkte ich, daß der Logiksek tor schon seit einiger Zeit versucht hatte, sich mit mir in Verbindung zu setzen. Cha pats angsterfüllte Ausstrahlungen mußten die warnende Stimme überlagert haben, sonst wäre ich gewiß nicht so kopflos da vongestürmt. Mit Schrecken stellte ich fest, daß ich bei dieser wilden Flucht sowohl meine Waffen als auch den Schutzanzug zu rückgelassen hatte. Vor der überwältigenden Furcht des Embryos hatte mein Verstand restlos kapituliert. Erst der Anblick der drau ßen herrschenden Verhältnisse hatte mich zur Ordnung gerufen. Von Chapat kam ein drängender Impuls. Das winzige Wesen war in seinem Behälter relativ sicher untergebracht und verstand nicht, warum ich zögerte. Seine Angst droh te erneut, meine gerade wieder erwachte Vernunft hinwegzuschwemmen, aber dies mal hielt ich stand. Als der Ungeborene endlich begriff, worum es ging, reagierte er sofort. »Verzeih mir!« wisperte die lautlose Stimme in meinem Gehirn. »Ich habe sehr unvernünftig gehandelt.« »Diese Einsicht kommt etwas zu spät!« erwiderte ich grimmig, nachdem ich den Sand ausgespuckt hatte, der mich am Spre chen hinderte. »Was nun? Den ganzen Weg noch einmal zurück?« Unwillkürlich schüttelte es mich bei die
16 sem Gedanken. »Das ist nicht nötig«, teilte Chapat, mir mit, »Neben der Schleuse befindet sich eine Ausrüstungskammer. Dort wirst du alles fin den, was du brauchst!« Ich fand den Raum, den Chapat meinte, auf Anhieb. Allerdings gab es dort längst nicht alles, was ich gerne mitgenommen hät te. Der Gedanke, waffenlos auf einem frem den Planeten herumzuirren, war mir unange nehm, aber von Waffen irgendwelcher Art fehlte jede Spur. Obwohl Chapat immer ungeduldiger wur de, durchstöberte ich jeden Winkel, ohne auch nur den simpelsten Strahler aufzutrei ben. Schließlich gab ich es auf. Chapat ver sicherte mir immer wieder, es gäbe auf die ser Welt keine feindlich gesinnten Lebewe sen, aber ich traute dem Frieden nicht. Immerhin stöberte ich einen Anzug auf, der mir einigermaßen paßte. Als ich die Ta schen durchsuchte, fand ich neben der übli chen Notausrüstung auch ein paar Päckchen mit Konzentraten und Wassertabletten. Ich atmete auf. Auch das war ein Problem, das der Embryo, der ja keine praktischen Erfah rungen besaß, nicht berücksichtigt hatte. In weiser Voraussicht plünderte ich auch die Taschen der anderen Anzüge aus, ob wohl der Embryo inzwischen fast die Ge duld verlor. Dann befaßte ich mich näher mit dem Anzug, den ich mir angeeignet hat te, und stellte fest, daß auch dieses Ding einen Schönheitsfehler hatte. Entweder be saß es gar keinen Schwerkraftregler, oder die Kontrollen waren so fremdartig, daß ich den betreffenden Schalter nicht fand. Das war bei dem derzeit herrschenden Sturm ein arges Hindernis. Chapat reagierte auf meine Fragen nicht. Er wurde völlig von seiner Furcht beherrscht. Mir blieb also kei ne andere Wahl, als endlich loszumarschie ren. Erneut klemmte ich mir den Behälter mit meinem Sohn unter den Arm und stapfte zur Schleuse. Der Sturm hatte unterdessen kei neswegs nachgelassen. Mir graute es bei dem Gedanken, in den treibenden Sandmas-
Marianne Sydow sen umherzuirren, und ich hielt es für siche rer, noch ein wenig zu warten – aber diesmal siegte Chapat. Ich sprang aus der Schleuse. Der Boden lag etwa einen Meter tiefer. Der kurze Mo ment, in dem ich mich in der Luft befand, reichte dem Sturm aus, um mir zu zeigen, wer der Herr auf diesem Planeten war. Eine Bö erfaßte mich, wirbelte mich herum, als wäre ich ein welkes Blatt und schleuderte mich dann mitten in eine der Sandverwehun gen hinein, die sich inzwischen am unteren Rand des Schiffes gebildet hatten. Ein Schauer von kleinen Steinen prasselte auf meinen Rücken herab. Das Doppelpyramidenschiff, dessen größ te Länge immerhin einen Kilometer betrug, bildete ein Hindernis in der Bahn des Or kans, Die dadurch entstehenden Luftwirbel stellten sich mir wie Mauern entgegen. Ver bissen kämpfte ich um mein Gleichgewicht, aber sobald ich einen neuen Vorstoß machte, um aus der Nähe des Schiffes zu gelangen, schlugen Böen und Sandmassen wie titani sche Fäuste auf mich ein und warfen mich zurück. Du mußt am Schiff entlangkriechen, bis du aus der Wirbelzone herauskommst! machte mein Extrahirn mir klar. Die eigent liche Richtung des Sturmes ist genau die, in der auch die Station liegen soll! Ich fluchte vor mich hin, als mir bewußt wurde, daß Chapats zielbewußtes Streben nach der Sicherheit der mysteriösen Station mir erneut einen ungewollt gefährlichen Streich gespielt hatte. Seine Impulse hatten mich dazu verführt, sinnlos gegen die Ge walten des Sturmes zu kämpfen und so eine Menge Kraft zu verschwenden. Ich mußte erst noch lernen, mit den Aus strahlungen des Embryos fertig zu werden. Das, was er in seiner lautlosen Gedanken sprache formulierte, ließ sich leicht ignorie ren. Die unterschwelligen Impulse, mit de nen er mich nach seinen Wünschen zu diri gieren versuchte, erkannte ich meistens erst, wenn es zu spät war. Immerhin besaß ich aber schon eine gewisse Übung darin, mit
Atlan und der Ungeborene einem »Gedankenpartner« fertig zu werden. Nach der Aktivierung meines Extrahirns hatte ich einer ähnlichen Situation gegen übergestanden. Diese Erkenntnis half mir, die nagende Ungeduld des Ungeborenen zu unterdrücken. Auch die Schiffswand bot nur wenig Schutz vor den wütenden Naturgewalten dieses höllischen Planeten, aber ich kam jetzt doch wesentlich besser voran. Ich be mühte mich, die Kraft des Sturmes zu mei nem Vorteil zu nutzen, stemmte mich nicht mehr einfach dagegen, sondern ließ mich weitertreiben, sobald die Situation günstig war. Zwar landete ich auf diese Weise im mer wieder in den Sandhaufen, aber ich sparte Kraft. Nach etlichen Bauchlandungen verrieten mir waagerecht vorbeistreichende Staubschwaden, daß es an dieser Stelle kei ne Wirbel gab. Ich überließ mich dem Sturm und torkelte in die Wüste hinaus. Dann befolgte ich wieder Chapats Anwei sungen, denn ich selbst hatte keine Ahnung, in welche Richtung ich mich wenden mußte. Schon nach wenigen Minuten hatte ich die Orientierung verloren. Ich wunderte mich, woran der Embryo den Weg erkannte, aber ich hatte zu viel mit mir selbst zu tun, um ihn jetzt danach zu fragen. Allmählich verlor ich nicht nur die Orien tierung, sondern auch jedes Zeitgefühl. Die Sicht reichte nach allen Seiten nur wenige Meter weit. Es gab keine Abwechslung, die mich aus meiner Lethargie hatte reißen kön nen. Es gab nur den Sand, der mich von al len Seiten zu umschließen schien. Automatisch setzte ich einen Fuß vor den anderen. Der Boden unter mir schien in stän diger Bewegung zu sein. Das infernalische Kreischen und Heulen des Sturmes hörte ich kaum noch. Dann buckelten urplötzlich rundgeschlif fene, pechschwarze Felsen vor mir auf. Mei ne Reaktion kam fast zu spät. Im letzten Au genblick bemerkte ich die Gefahr, schlang die Arme schützend um den gläsernen Be hälter und prallte dann schwer gegen das Hindernis. Halb benommen blieb ich liegen.
17 Ich fühlte mich unsagbar müde, aber die Fel sen boten keinen Schutz. Binnen Sekunden bedeckte der Sand meine Beine, und selbst wenn ich durch den Raumanzug vor der Ge fahr des Erstickens sicher war, so fürchtete ich doch, daß die Verwehung schnell so weit anwachsen könnte, daß ich mich aus eigener Kraft nicht mehr daraus zu befreien ver mochte. Fast willenlos folgte ich den Impul sen des Embryos, kroch um das Hindernis herum und taumelte dann weiter. Ich weiß nicht mehr, wieviel Zeit verstri chen war, als das Wüten endlich etwas nachließ. »Dort vorne sind Felsen«, bemerkte Cha pat. »Du brauchst etwas Ruhe.« Ich folgte dem Rat des Ungeborenen und suchte mir einen Platz, an dem der Sand kei ne Bedrohung für mich darstellte. Eine Handvoll Schlaf hätte mir gutgetan, aber ich wagte es nicht, der Müdigkeit nachzugeben. Nicht nur Magantilliken war eine Gefahr, sondern jetzt auch der Sturm. Allmählich wurde die Luft etwas klarer. Ich stellte fest, daß es noch mehr Felsgrup pen gab. Sie waren von dem Sandsturm zu den abenteuerlichsten Gebilden zusammen geschliffen worden. Eine plötzliche Laune des Orkans wirbel te die Staubschleier über mir auseinander, und zum erstenmal erblickte ich den Him mel dieser Welt. Düstere Wolken jagten dar über hin. Als sie einmal für Sekunden aufris sen, gaben sie den Blick auf einen rostfarbe nen Himmel frei, in dem eine bleiche Sonne wie eine silbrige Blase schwamm. Ich war verblüfft, als ich bemerkte, daß das Gestirn fast im Zenit stand. Die durch die Sandwolken bedingte tiefe Dämmerung hatte mich zu dem gefühlsmäßigen Schluß verleitet, es sei später Abend. Nachdem ich einen Konzentratriegel zer kaut und eine Wassertablette gelutscht hatte, kehrten meine Kräfte allmählich zurück. Nach einigen Minuten totaler Entspannung war ich bereit, den Kampf gegen die Wüste wieder aufzunehmen. »Wo sind wir hier eigentlich?« erkundigte
18 ich mich bei Chapat, als wir den Windschat ten der Felsen hinter uns gelassen hatten. »Auf Sogantvort«, erwiderte der Embryo lakonisch. Der Name sagte mir gar nichts. Ich wußte nur, daß es sich um eine der Versunkenen Welten handelte, die einst von Varganen be siedelt worden waren. Dieses alte Volk hatte in manchen Dingen sehr merkwürdige An sichten, aber ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, was an diesem Pla neten so verlockend war, daß man einen Stützpunkt darauf eingerichtet hatte. Aller dings war seitdem viel Zeit verstrichen, und früher mochte es hier ganz anders ausgese hen haben. Eben wollte ich Chapat danach fragen, was ihm über die Vergangenheit von So gantvort bekannt war, da geschah etwas, was mich fassungslos stehenbleiben ließ. Der Sturm mochte auf ein für hiesige Ver hältnisse mildes Format gesunken sein, aber für mich handelte es sich immer noch um einen mittleren Orkan, dessen Kräften ich mich ohne zwingenden Grund nicht ausge setzt hätte. Jetzt mußte ich feststellen, daß es Wesen gab, die darüber entschieden anders dachten. Über einer vom Sand fast begrabenen Felskuppe tauchten dunkle, schattenhafte Geschöpfe auf. Das Erstaunliche war, daß sie sich fliegend in der Luft hielten. »Was sind das für Wesen?« wollte ich von Chapat wissen. Aber der Embryo schwieg. Ich hatte den Eindruck, als sei auch er verwirrt und beun ruhigt. Aufmerksam beobachtete ich die Sche men. Es waren unzweifelhaft Lebewesen, auch wenn ich vorerst, nicht wußte, ob es sich um Tiere handelte oder um hypotheti sche Eingeborene. Sie besaßen Flughäute, mit denen sie un geheuer geschickt umgingen. Es erforderte sicher viel Kraft und Behendigkeit, um bei diesem Wetter nicht nur in der Luft zu blei ben, sondern sogar gegen den Sturm zu kreuzen. Ihr genaues Aussehen konnte ich
Marianne Sydow noch nicht erkennen, aber wenn diese We sen ihre jetzige Flugrichtung beibehielten, mußte es zwangsläufig zu einem Zusam mentreffen kommen. In Anbetracht der Tatsache, daß ich unbe waffnet war, lag mir nichts daran, die Flug häutler näher kennenzulernen. Sie waren noch ziemlich weit entfernt, und ich hoffte, daß sie mich noch nicht entdeckt hatten. Auch wenn sie mit dem Sturm scheinbar mühelos fertig wurden, trieben ihnen scharfe Sandkörner entgegen, die ihre Sicht behin dern mußten. Ich wich also von der bisheri gen Richtung ab. Chapat erhob diesmal keinen Protest. Auch er war daran interessiert, jeden Auf enthalt zu vermeiden. Der Zeitverlust, der durch einen Umweg entstand, war sicher ge ringer als der, den ein möglicher Kampf ge gen die Unbekannten uns eingebracht hätte. Leider erfüllte sich meine Hoffnung nicht. Als ich mich nach einigen Schritten umsah, folgten mir die dunkelhäutigen Flugwesen. Ich begann zu rennen, aber mein Vorsprung schrumpfte schnell. Und dann tauchte plötz lich direkt über mir ein dunkler Schatten auf. Gleichzeitig erhielt ich einen Stoß in den Rücken, der mich der Länge nach in den Sand schleuderte. Es war, als hätte ein Baumstamm mich ins Kreuz getroffen. Ich wälzte mich hastig herum, bereit, mein Leben so teuer wie möglich zu verkau fen, Aber mein Gegner befand sich bereits außer Reichweite und segelte etliche Meter über mir. Vorsichtig richtete ich mich auf. Nichts geschah. Als ich mich umsah, stellte ich fest, daß mich inzwischen etwa fünfzig dieser Flug geschöpfe eingekreist hatten. Sie gaukelten in einem seltsam schlingernden Flug um mich herum. Mißtrauisch beobachtete ich sie, aber es schien fast, als gäben sie sich da mit zufrieden, mich zu beobachten Oder warteten sie auf etwas? Da ich keine Ah nung hatte, was sie von mir wollten, setzte ich mich schließlich in meiner ursprüngli chen Marschrichtung in Bewegung.
Atlan und der Ungeborene Das ging ihnen offensichtlich gegen den Strich. Ein langgezogener, unglaublich hoher Schrei erklang. Eines der Wesen löste sich aus dem Kreis und schoß wie ein drohender Schatten auf mich zu. Geistesgegenwärtig ließ ich mich fallen und entkam so dem nächsten Schlag. Und auch diesmal zog sich der Angreifer sofort zurück. Ratlos erhob ich mich wieder. Was waren das für Wesen? Hatte ich es mit Tieren zu tun, die mit ihrer Beute spielten, ehe sie sie töteten? Oder wunderten sie sich lediglich darüber, daß ich nicht fliegen konnte wie sie? Obwohl ich sie mir jetzt aus der Nähe an sehen konnte, waren kaum Einzelheiten an ihnen auszumachen. Sie waren so eintönig dunkel gefärbt, daß alle Konturen ineinander übergingen. Ich glaubte einmal, als eines dieser Wesen vor einem helleren Hinter grund schwebte, zwischen den Flughäuten einen Körper zu sehen, der dem eines Arko niden nicht unähnlich war. Und als ein Ge fährte von ihm bedrohlich nah auf mich her abstieß und sich erst kurz vor mir wieder hochriß, blickte ich für einen Moment in dü ster glimmende Augen. Man ließ mir keine Zeit für weitere Beob achtungen. Erneut schoß einer der dunklen Segler auf mich herab, und unwillkürlich wich ich zurück. Sofort kreuzten auch einige meiner seltsamen Gegner in diese Richtung. Da begriff ich endlich. Ich sollte ihnen folgen. Sie zeigten mir den Weg, und sie lie ßen keinen Zweifel daran aufkommen, daß sie mich mit Gewalt hindern würden, mein ursprüngliches Ziel zu verfolgen. Ich machte die Probe aufs Exempel, indem ich zunächst nachgab. Umgehend zogen sich die Wesen auf die für sie anscheinend günstigste Flug höhe zurück. Als ich jedoch nur zwei Schrit te in die Richtung versuchte, die Chapat mir angab, griffen sie an. »Es hilft nichts«, teilte ich dem Embryo mit. »Wir müssen uns damit abfinden.« Ich spürte Chapats Furcht, aber ich ver schloß mich eisern seinen Impulsen. Es war
19 sinnlos, gegen diese Kreaturen zu kämpfen. Selbst wenn ich einen Strahler bei mir ge habt hätte, wäre es mir schwer geworden, auf diese Geschöpfe zu schießen. Noch wußte ich nicht, ob es sich wirklich um Tie re handelte oder um intelligente Eingebore ne. Es stand auch keineswegs fest, daß sie meine Feinde waren. Vielleicht meinten sie es sogar gut und führten uns zu einem Ort, an dem wir in Ruhe das Ende des Sturmes abwarten konnten. Träumer! warf mein Extrahirn ein, aber ich ignorierte die sarkastische Bemerkung. Unser neuer Weg führte uns wieder in die offene Wüste hinaus. Die Felsen gerieten schon bald außer Sichtweite. Unsere Führer hatten es eilig. Sie trieben mich unbarmher zig an, und sobald ich versuchte, das Tempo herabzusetzen, bekam ich Ärger mit ihnen. Trotz der kurzen Ruhepause von vorhin machten sich die Anstrengungen bei mir all mählich bemerkbar. Ich fragte mich, wie sie mich wohl weiterzutransportieren gedach ten, wenn ich schlappmachte. Um mich abzulenken, begann ich eine Unterhaltung mit Chapat. »Hast du inzwischen herausgefunden, was das für komische Gestalten sind?« erkundig te ich mich. Der Ungeborene zögerte nur kurz mit der Antwort. »Es müssen mutierte Eingeborene von Sogantvort sein«, behauptete er dann. »Ach nein!« erwiderte ich spöttisch. »Ich denke, hier draußen gibt es keine feindlichen Lebewesen?« »Ich dachte nicht, daß es noch welche von ihnen gibt«, erklärte er nüchtern. »Wie du siehst, ist es ein recht unwirtlicher Planet. Es war damit zu rechnen, daß sie aussterben würden, nachdem die Varganen sich zurück zogen. Aber wie es scheint, haben sie sich den Verhältnissen angepaßt.« »Sie sind also intelligent?« vergewisserte ich mich. »Ja, ich glaube schon. Jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, daß diese Wesen aus ei ner der Tierarten von Sogantvort hervorge
20 gangen sind. Es kann sich nur um die Einge borenen handeln. Wir werden es bald selbst sehen. Ihr Ziel scheint schon ziemlich nahe zu sein.« »Du kannst ihre Gedanken lesen?« »Leider nicht«, wisperte die Stimme des Ungeborenen in meinen Gedanken. »Ich nehme nur verschwommene Gefühle von ih nen auf.« Schade, dachte ich, denn damit war ich um eine Hoffnung ärmer. Ich hielt Ausschau, in der Hoffnung, schon jetzt das Ziel dieser Wüstenwande rung zu erkennen. Aber die eintönige Umge bung wurde durch nichts unterbrochen. »Konnten die Burschen früher auch schon fliegen?« fragte ich, und noch ehe Chapats verneinende Antwort mich erreichte, stieß ich auf ein viel wichtigeres Problem. »Woher weißt du eigentlich, daß dieser Planet Sogantvort heißt, daß es hier Einge borene gab, wo die Station liegt und all die anderen Dinge?« »Mir steht fast die gesamte Erinnerung meiner Mutter zur Verfügung«, erklärte mir der Ungeborene seelenruhig. »Und nicht nur die Erinnerungen, sondern darüber hinaus auch ein großer Teil des Wissens, das Ischt ar erworben hat.« »Dann wird mein Sohn also ein Wunder kind«, stieß ich einigermaßen erschüttert hervor. »Wenn ich mir das vorstelle! Als Te lepath geboren und noch dazu mit diesem Wissen ausgestattet …« »Das wird nicht geschehen«, unterbrach Chapat mich. »Im Augenblick meiner Ge burt werde ich diese Fähigkeiten verlieren. Ich werde auch das vergessen, was wir jetzt gemeinsam erleben. Alle meine jetzigen Kenntnisse werden ausgelöscht werden.« »Auch die Gabe der Telepathie?« »Ich weiß es nicht. Vielleicht bleibt etwas davon zurück, eine Veranlagung. Was sich daraus entwickelt, kann nur die Zukunft zei gen. Jedenfalls weiß ich, daß ich nicht als Telepath zur Welt kommen werde.« Ich schwieg. Mir war klar, daß Chapat, meine Gedanken erkennen konnte, und dar-
Marianne Sydow um bemühte ich mich, möglichst ruhig zu bleiben. Die ganze Angelegenheit verwirrte mich maßlos. Zum erstenmal wurde ich mir voll darüber bewußt, was Chapat in diesem Mo ment war, und ich mußte mich mit Gewalt an die Fremden erinnern, die ein solches Verhalten zweifellos mißverstanden hätten. Sonst wäre ich auf der Stelle stehengeblie ben, um meinen Sohn ungläubig zu betrach ten. Es schien in meinen Augen total unmög lich, eine solche Fülle von Informationen im kaum entwickelten Gehirn eines Embryos zu verstauen. Hinzu kam, daß Chapat sehr ge nau über seine nächste Zukunft orientiert war. Zumindest wußte er, was bei seiner Ge burt mit ihm geschehen würde. Geburt? Wie, bei allen Dämonen der Galaxis, ließ sich dieser Begriff auf ein Wesen anwenden, das in einem Glaskasten aufwuchs? Chapat traf keine Anstalten, mich über diese Frage aufzuklären, denn wir waren am Ziel der Eingeborenen angelangt.
5. Hinter schwarzen Felsbarrieren, die auf der uns zugewandten Seite von angewehtem Sand fast verdeckt waren, fiel der Boden ur plötzlich steil ab. Vor uns lag ein fast kreis förmiges Tal. Die Fremden führten uns am Rand des Abgrunds entlang. Erst als mich eine uner wartete Bö fast in die Tiefe geschleudert hätte, zogen sie es vor, mich hinter den stei nernen Schutzwall zu drängen. Die meisten von ihnen landeten jetzt auch auf dem Bo den, schlugen die Flughäute wie Mäntel um sich und stießen mich wie ein Stück Schlachtvieh vor sich her. Sie legten eine immer größere Hast an den Tag. Es war of fensichtlich, daß auch sie die starken Böen über den Felsen fürchteten. Ich wunderte mich darüber, daß sie es nicht vorzogen, einfach in das schützende Tal hinabzusegeln. Zehn von ihnen hätten
Atlan und der Ungeborene für meine Bewachung völlig ausgereicht. Aber es schien, als benutzten sie ihre Flügel nur draußen im freien Gelände. Mir blieb auch gar keine Zeit, Spekulationen über die Gründe für dieses Verhalten anzustellen. Ich war restlos damit beschäftigt, mich auf den Beinen zu halten. Endlich tat sich vor uns eine breite Lücke in dem steinernen Schutzwall auf. Dahinter führte ein halsbrecherisch schmaler Pfad in engen Serpentinen zu Tal. Der Steilhang mochte hier etwa einhundert Meter hoch sein. Unten erblickte ich eine Vielzahl klei ner, runder Hütten An den Hängen klebten seltsame, unregelmäßig geformte Wind schirme. Und überall wimmelte es von Ein geborenen. Die Fremden gaben mir zu verstehen, daß ich mich gefälligst beeilen sollte. Sie hätten sich ihre Bemühungen sparen können, denn fast im selben Moment packte mich der Sturm und warf mich durch das steinerne Tor, als wäre ich ein Bündel Lumpen. Ich landete auf dem Weg, aber ehe ich mich aufrichten konnte, wurde einer meiner Bewacher von der gleichen Bö erfaßt. Er schoß durch das Loch, wie die sprichwörtli che Kugel aus einer Pistole. Es gelang mir noch, den Behälter schützend in meinen Ar men zu bergen, dann prallte der Fremde mit voller Wucht gegen mich. Der Stoß warf mich über den Rand des Pfades. Jenseits der steinernen Begrenzung gab es nichts als weichen Sand. Mein Gewicht brachte ihn in eine fließende Bewegung, und ich wurde in rasender Fahrt nach unten ge rissen. Wie eine riesige Wand sah ich etwas Dunkles auf mich zukommen. Es war einer der Windschirme, und ich trieb genau in ihn hinein. Mit Entsetzen stellte ich fest, daß meine abenteuerliche Fahrt dort ein absolu tes Ende finden mußte. Ich erblickte ein dichtes Geflecht von Zweigen, an denen fin gerlange, blitzende Dornen prangten. Dar über hinaus ragten Unmengen speerartiger Stangen noch vor dieser Todesfalle aus dem Sand. Das ganze Gebilde war nur noch we nige Meter von mir entfernt.
21 Da hörte ich plötzlich über mir das Sau sen von Flughäuten. Ein stechender Schmerz zuckte durch meine Schultern, und ich wur de hochgerissen. Meine Arme wurden taub, und fast hätte ich den Behälter mit meinem Sohn fallen lassen. Dann stellte ich fest, daß ich noch längst nicht gerettet war, denn der Eingeborene, in dessen Klauen ich hing, ge wann zu wenig Höhe. Im letzten Augenblick zog ich verzweifelt die Beine an, und der Rand des Dornengeranks huschte nur um Zentimeter unter mir vorbei. Eine schräge Sandfläche folgte. Obwohl die Schmerzen fast unerträglich waren, be mühte ich mich, dem Flugwesen die Last zu erleichtern. Es hatte mich vor einem grauen haften Tod bewahrt, und mir war klar, daß es dabei auch sein eigenes Leben riskiert hatte. Relativ sanft wurde ich auf der nächst tieferen Biegung des Pfades abgesetzt. Mei ne Beine knickten unter mir weg, und meine Arme, die den wertvollen Behälter fest um klammert hielten, waren fast ohne Gefühl. Von den Schultern ging ein pochender Schmerz aus, der mich beinahe betäubte. Am liebsten wäre ich einfach liegengeblie ben, aber eine Rotte von Eingeborenen stürzte sich auf mich. Große, knochenharte Hände griffen nach mir und schleiften mich wie ein Gepäck stück weiter. Diese Transportmethode ließ mich um meine Knochen fürchten, und ich raffte mühsam meine letzten Energien zu sammen. Die Fremden bemerkten meine Be mühungen und richteten mich auf. Ein sehniger Arm, der von einer ledrigen Flughaut umflattert wurde, zeigte in einer hastigen Bewegung noch oben. Für Sekun denbruchteile sah ich, wie der Windschirm, der mir fast zum Verhängnis geworden wä re, sich durchbog, und da verstand ich. Mein Absturz hatte Sandmassen in Bewe gung gesetzt, die sich nicht mehr kontrollie ren ließen. Wir mußten schleunigst aus dem Gefahrenbereich verschwinden, ehe eine mit Dornen gespickte Lawine uns unter sich be grub.
22
Marianne Sydow
Während ich von zwei Eingeborenen eher getragen wurde, als daß ich wirklich lief, fragte ich mich, warum sie nicht auch jetzt von ihren Flughäuten Gebrauch machten. Erst als einer der Fremden den Kopf verlor, die Häute entfaltete und sich mit einem ver zweifelten Schrei über den von Steinen ge säumten Rand des Weges warf, begriff ich. Die Gleithäute versagten in dieser Region des Tales. Es gab hier unten nicht mehr ge nug Auftrieb, und der Fremde stürzte wie ein Stein zu Boden. Irgendwann hörte ich es hinter uns kra chen. Wir wurden mit stäubendem Sand überschüttet, aber die eigentliche Lawine ging ein Stück weiter entfernt zu Tal. Meine beiden Begleiter ließen mich einfach fallen, und ich sank zu Boden und spürte wie mein Bewußtsein schwand.
* Das Erwachen war eigenartig und beinahe traumhaft. Ich fragte mich verwundert, ob ich vielleicht unter dem Einfluß einer Droge stand. Meine Umgebung schien mit den vor angegangenen Ereignissen in keiner Weise in Verbindung zu stehen. Ich lag auf etwas sehr Weichem. Die Luft war kühl und sauber. Über mir wölbte sich eine vielfarbige, von blitzenden Juwelen durchsetzte Decke, in deren Mittelpunkt eine etwa kopfgroße Kugel ein sanftes Licht ver strahlte. Die Schmerzen waren verschwun den, und ich fühlte mich so frisch und aus geruht wie nach einem langen, erholsamen Schlaf. Ich blieb auf dem Rücken liegen und be wunderte die Farbenpracht. Nur langsam kam meine Erinnerung in Gang. Die Flug wesen, der Absturz, die Lawine … Ein eisiger Schreck durchfuhr mich und ich richtete mich hastig auf. Wo war Chapat? »Links neben dir«, wisperte zu meiner Er leichterung die feine Gedankenstimme. Ich sah den Behälter, der auf einem nied rigen, kunstvoll geschliffenen Block aus
schwarzem Gestein stand. »Wo sind wir hier?« erkundigte ich mich und schwang die Beine über den Rand des Lagers. Verwundert befühlte ich die bunte Decke, auf der ich gelegen hatte. Ich kannte das Material nicht, aus dem man sie gefertigt hatte. Sie war weich und wirkte wie ein wertvoller Pelz, obwohl ich sicher war, daß es sich nicht um die Haut eines Tieres han delte. »In einer der Hütten, die du von oben ge sehen hast«, beantwortete Chapat meine Fra ge. »Von außen wirken die Dinger wie bes sere Lehmklumpen, aber innen sind sie of fenbar recht komfortabel.« Das fand ich allerdings auch. Allein der Sockel, auf dem Chapats Behälter stand, hät te so manchen sammelwütigen Arkoniden in Begeisterung versetzt, von den Geweben an den Wänden ganz zu schweigen. »Man brachte dich hierher«, fuhr der Un geborene fort. »Einer von den Fremden be handelte dich mit einer Salbe, und seitdem hat sich niemand mehr blicken lassen. Du hast nur etwa zwei Stunden geschlafen. Ich versuchte einmal, dich durch Gedankenim pulse zu wecken, aber es gelang mir nicht. Wahrscheinlich besaß die Salbe eine betäu bende Wirkung.« Erst jetzt fielen mir die Wunden ein, die ich bei dem Rettungsmanöver des Fremden davongetragen hatte. Das äußerst wider standsfähige Material des Schutzanzugs wies auf jeder Seite vier daumendicke Lö cher auf. Verwundert bewegte ich die Arme – nur ein leichtes Ziehen in den Schultern machte sich bemerkbar. Ich öffnete vorsichtig die Magnetverschlüsse. Die Stellen, an denen die scharfen Klauen des Fremden meine Haut durchbohrt hatten, waren deutlich zu erkennen, aber die Wunden hatten sich schon fast geschlossen. Es gab keine Anzei chen für eine Entzündung. Nachdenklich schloß ich den Anzug wie der. Diese Fremden gaben mir Rätsel auf. Sie
Atlan und der Ungeborene lebten unter primitivsten Bedingungen in ei ner wilden, lebensfeindlichen Umgebung, aber ihre Hütten erwiesen sich als luxuriöse kleine Paläste. Und sie verfügten über Heil kräfte, die ich ihnen nie zugetraut hätte. »Wir müssen weiter«, machte Chapat sich bemerkbar. »Magantilliken wird bald erwa chen, wenn er nicht sogar schon auf dem Weg hierher ist.« »Er wird uns in diesem Tal kaum aufspü ren«, wandte ich ein. Schließlich waren wir von unserem eigentlichen Ziel noch weit entfernt, und das Dorf der Eingeborenen lag weit abseits der direkten Verbindung zwischen dem Varga nen-Schiff und der alten Station. »Er wird mich überall finden!« wider sprach Chapat. Ich hätte nichts dagegen gehabt, mich noch ein wenig auszuruhen. Diese eigenarti ge Hütte wirkte wie ein sicherer Hafen in der tobenden Sandhölle Sogantvorts. Ande rerseits sah ich durchaus ein, daß wir hier nicht bleiben konnten. Nicht nur der Gedan ke an Magantilliken trieb mich weiter. Cha pat würde es nicht mehr lange aushalten, oh ne frischen Nachschub aus einem großen Lebenserhaltungssystem zu erhalten. Die Frage war nur, ob die Eingeborenen mich einfach gehen ließen. Seufzend stand ich auf. Obwohl ich nur sehr kurze Zeit geschlafen hatte, fühlte ich mich ausgesprochen wohl. Die Erschöpfung war von mir abgefallen. Unternehmungslu stig sah ich mich um. Mitten in den mit prächtigen Matten aus staffierten Wänden erblickte ich eine schmutzigbraune Stelle, die wie ein Schand fleck in dieser ausgewogenen Umgebung wirkte. Das mußte der Ausgang sein. Ich nahm den Behälter und marschierte los. Die »Tür« bestand aus einer nur grob be arbeiteten Tierhaut, die einen seltsamen Kontrast zu den dicht daneben hängenden, zarten Geweben bildete. Ich schlug den pri mitiven Vorhang zur Seite – und blickte haargenau in zwei gefährlich funkelnde
23 Speerspitzen. Die beiden Eingeborenen hatten sich rechts und links des Ausgangs postiert. Da ich mich noch immer nicht daran gewöhnt hatte, meine Fragen an Chapat nur gedank lich auszudrücken, waren sie durch meine Stimme auf mein Kommen vorbereitet ge wesen. Aber auch, wenn ich mich schwei gend angeschlichen hätte, wäre meine Situa tion hoffnungslos gewesen, denn die Hütte stand fast im Zentrum des Dorfes, und drau ßen waren überall Sogantvortler unterwegs. »Was soll das?« fragte ich. »Sind wir Ge fangene?« Die beiden Fremden schwiegen, Dafür hielt es mein Logiksektor wieder einmal für angebracht, mich mit einer dummen Bemer kung an seine Existenz zu erinnern. Was sonst, du Dummkopf! spottete er. Denkst du, das ist eine Ehreneskorte? Zum erstenmal hatte ich Zeit, mir zwei dieser Eingeborenen in Ruhe anzusehen. Je länger ich sie betrachtete, desto fremdartiger erschienen sie mir. Sie sahen aus, als hätte man sie aus lauter Lederstücken zusammengeflickt. Alles an ihnen war erdfarben. Die Haut war faltig und wettergegerbt. Sie trugen keine Klei dung, aber dafür schlotterten die weiten Flughäute wie groteske Mäntel um ihre dür ren Körper. Diese Häute setzten ungefähr in Kniehöhe an und endeten kurz vor den Handgelenken. Die Arme waren von bizar rer Länge. Die Gleitflächen wurden von schmalen Sehnensträngen durchzogen. Die beiden hatten offenbar nicht die Ab sicht, mich umzubringen, solange ich nicht weiter hinausging. Ich stand regungslos in der Türöffnung, und die Eingeborenen starr ten mich aus ihren seltsam glimmenden Au gen abwartend an. Ihre ledrigen »Gesichter« blieben völlig ausdruckslos. Ich war etwas irritiert durch die Tatsache, daß sie nicht ein einziges mal blinzelten, bis ich feststellte, daß sie gar keine Augenlider hatten. Ihre Köpfe waren kahl und runzelig, und außer zwei verschließbaren Löchern, die wohl das Gegenstück zu einer Nase darstell
24 ten, und einem strichförmigen Mund ohne Lippen war nichts zu erkennen, was einem Gesicht im üblichen Sinne geähnelt hätte. Diese Anstarrerei wurde mir zu dumm. Ich wollte endlich wissen, was man mit mir vorhatte. Schließlich hatten einige der Fremden mich vorher unter Einsatz ihres eigenen Le bens gerettet. Man hatte meine Wunden be handelt und mich in diese luxuriöse Hütte gebracht. »Wie geht das eigentlich weiter!« wandte ich mich erneut an die Eingeborenen, aber die einzige Reaktion, die ich erzielte, war, daß sie die Spitzen ihrer Speere noch ein Stückchen näher schoben. »Sie verstehen dich nicht«, teilte Chapat mir beunruhigt mit. »Aber ich weiß, daß sie dich nicht töten wollen.« »Das ist mir klar«, gab ich zurück – dies mal jedoch lautlos, denn die Speerspitzen waren nur noch etwa eine Handbreite von meinem Hals entfernt. »Sie hätten es vorhin leichter gehabt. Kannst du herausfinden, wa rum man uns festhält?« »Nein. Ich fühle, daß sie sich auf etwas freuen, aber ich weiß nicht, worauf.« Unschlüssig stand ich da. Eine Verständi gung mit diesen Wesen war offensichtlich unmöglich. Einige Eingeborene, die über den freien Platz vor der Hütte eilten, unter hielten sich schnatternd miteinander. Ihre Sprache war so fremdartig, daß ich kein Wort davon verstand. Wie sollte ich friedlich mit Wesen aus kommen, mit denen ich mich nicht unterhal ten konnte? Da man mich freiwillig nicht fortließ, blieb nur die Flucht. Aber auch das war im Augenblick eine riskante Sache. Die beiden Wachen hätte ich vielleicht durch eine List ausschalten können, aber damit war nicht viel gewonnen. Ich befand mich mitten im Dorf. Überall huschten die düster wirkenden Eingeborenen umher. Ganze Trauben von ihnen hingen an den Windschirmen und be seitigten die Schäden, die der Sturm ange richtet hatte. Auf dem Serpentinenpfad, den
Marianne Sydow ich von meinem Standort aus gut sehen konnte, herrschte ständiges Kommen und Gehen. Ich hatte keine Chance, unbemerkt aus dem Dorf herauszukommen, geschweige denn das Tal zu verlassen, solange noch ein solcher Betrieb herrschte. Ganz langsam, um die Wachen nicht zu provozieren, legte ich den Kopf in den Nacken. Der Himmel war noch immer bewölkt, aber ich hatte den Eindruck, als wäre der Sturm inzwischen fast abgeflaut, von einer Sonne war nichts zu sehen, und obwohl nach wie vor eine bleierne Dämmerung über die sem Teil von Sogantvort hing, die der gan zen Umgebung etwas Alptraumhaftes ver lieh, war ich mir sicher, daß es bald Abend werden mußte. Ich fragte mich, ob die Ein geborenen auch nachts draußen herum schwirren mochten. Sie besaßen Beleuchtungskörper, wie die Kugel bewies, die in der Hütte am höchsten Punkt der Wölbung in die Decke eingelassen war. Andererseits war gerade diese Lampe ein neuer Faktor, der sich nicht in das allge meine Bild dieses Dorfes einfügen wollte. Es war unwahrscheinlich, daß dieses merk würdige Volk mit Elektrizität arbeitete. Es gab so viele Ungereimtheiten, daß mir der Kopf zu schwirren begann. Irgend etwas stimmte nicht mit diesen Fremden! Etwa zehn Minuten lang blieb ich in der Türöffnung stehen und betrachtete das Trei ben der Eingeborenen. Dann gaben die bei den Wächter mir zu verstehen, daß ich ihrer Meinung nach genug zu sehen bekommen hatte. Entmutigt ließ ich mich drinnen wie der auf das weiche Lager fallen. Chapat schien ebenfalls sehr bedrückt. »Wir müssen die Nacht abwarten«, ver suchte ich ihn zu beruhigen. »Vielleicht sieht es dann günstiger für uns aus.« Der Embryo antwortete nicht. Als ich ihn ansah, lag er ganz ruhig da. Eine eisige Hand schien nach meinem Herzen zu grei fen, Waren die Vorräte, die ihm zur Verfü gung standen, bereits verbraucht?
Atlan und der Ungeborene Ich beugte mich tiefer hinab, und da sah ich, daß sein Herz regelmäßig schlug. Er lebte also noch, aber die Unruhe in mir wuchs. Ich mußte zu der alten Station gelangen, ehe Chapat zu schwach war, um mir die nö tigen Hinweise zu geben. Die Technik der Varganen war immer noch fremdartig für mich. Allein auf mich gestellt, hatte ich kei ne Hoffnung, ein funktionierendes Lebens erhaltungssystem zu finden und den Behäl ter ordnungsgemäß anzuschließen. Ich versuchte, mich mit der Hypothese zu beruhigen, daß auch ein Embryo ab und zu eine Ruhepause brauchte, und daß Chapat bald wieder erwachen würde. Bis dahin wollte ich wenigstens ein paar Vorbereitun gen getroffen haben. Am meisten interessierte mich die ge heimnisvolle Leuchtkugel. Wenn es mir ge lang, sie zu löschen, konnte ich die Wachen vielleicht überrumpeln, Ich kletterte also auf das Lager, um mir diese Lampe genauer zu betrachten. Die Hütte war niedrig genug, daß ich die Kugel erreichen konnte. Zu meinem Erstau nen stellte ich fest, daß sie keine Wärme ausstrahlte. Zögernd berührte ich die milch glasartige Oberfläche. Sie fühlte sich kühl und glatt an. Ich glaubte, eine verschwom mene, schattenhafte Bewegung in ihrem In nern zu erkennen. Vergeblich forschte ich nach einer Energiezuleitung, Das ganze Ge bilde war fest in den Lehm, aus dem die Hüttenwand bestand, eingefügt. Aber ir gendwo mußte es doch einen Kontakt geben, der diese Kugel in Betrieb setzte! Ich kletterte wieder hinunter und suchte die Wände ab, aber es war nichts zu ent decken, Bei dieser Gelegenheit stellte ich auch fest, daß es keinen zweiten Ausgang gab. Die Wand ging fugenlos in einem sanf ten Bogen in den Fußboden über. Die ganze Hütte wirkte, als hätte jemand aus einem Lehmkloß eine perfekte Halbkugel geformt. Nirgends gab es Verstrebungen oder einen anderen Hinweis darauf, wie man diesen Bau errichtet hatte. Das, was ich vorher für
25 einzelne Matten gehalten hatte, erwies sich als ein zusammenhängendes Gespenst, das nur hier und da einige unregelmäßige Risse zeigte. Auf meiner Suche nach einem Ding, das einen Lichtschalter darstellen mochte, stieß ich gegen einen der blitzenden Steine, die mir auch vorher schon aufgefallen waren, Das Ding strömte eine Kälte aus, die mich unwillkürlich an Eiskralle, den Chretkor, er innerte. Damit war geklärt, warum es in diesem Raum so angenehm kühl war, aber das Rät sel wurde dadurch nicht geringer. Eine Kli maanlage war in dieser Umgebung genauso verwirrend wie diese Kugel, die ohne er kennbare Energiezufuhr kaltes Licht ver strömte. Ich kehrte nachdenklich zum Bett zurück und setzte mich. Es schien sinnlos, noch weiter zu suchen. Außer dem Lager und dem schwarzen Stein block gab es keine Einrichtung, Das Bett selbst bestand aus einem Rahmen, den man geschickt aus Steinplatten zusammengefügt hatte. Die eine Hälfte war mit Sand gefüllt, die andere mit diesen seidigen Decken, In der ganzen Hütte gab es nichts, was sich notfalls als Waffe verwenden ließ. »Ich habe meine Erinnerung durch forscht«, meldete Chapat sich überraschend. »Leider ist nicht viel dabei herausgekom men. Auch ich kann dir keine Lösung für das Rätsel bieten, das diese Eingeborenen umgibt.« Ich berichtete ihm, was ich inzwischen herausgefunden hatte, aber ehe er noch sei nen Kommentar dazu geben konnte, erklang von draußen ein so gräßlicher Schrei, daß ich zusammenzuckte und aufsprang. Etwas zischte heftig. Es hörte sich an, wie ein überhitzter Dampfkessel. Dann kam ein lautes Fauchen, das plötzlich abbrach. Gleichzeitig wurde der Schrei zu einem grauenvollen Wimmern, das allmählich in lautes Röcheln überging. Kurz darauf hörte ich triumphierendes Gebrüll, das nur von den Eingeborenen stammen konnte. Die
26 Tierhaut am Eingang schwankte, und ich dachte schon, ich würde Besuch erhalten, aber dann hörte ich meine beiden Wächter aufgeregt schnattern. Da sie nicht zu mir hereinsahen, nahm ich an, daß ihr Interesse den Vorgängen im Dorf galt. Die Gelegenheit war günstig. Vielleicht gab es da draußen ein solches Durcheinan der, daß ich fliehen konnte. Selbst wenn das nicht der Fall war, mußte es mir gelingen, den Grund für die Aufregung der Eingebore nen herauszufinden. Vorsichtig hob ich den Vorhang an. Obwohl inzwischen die Nacht hereinge brochen war, war es auf dem Dorfplatz er staunlich hell. Ein paar Dutzend Fackeln, die man auf hohe Stangen gesteckt hatte, warfen ihr rötliches Licht über eine Unmenge von Sogantvortlern, die sich am Rand des Plat zes drängten. Direkt vor mir befand sich ei ne Kette von etwa vierzig Eingeborenen. Ich erhaschte einen kurzen Bück auf ein halbkugeliges Gebilde, das fast wie ein ferti ges Haus der Fremden aussah. Das Ding stand genau in der Mitte des Platzes, und ich war mir sicher, daß es sich vorhin noch nicht dort befunden hatte. Dann gewahrte ich das Aufblitzen eines Speeres, und der Ring, den die Eingeborenen um etwas gebildet hatten, was vor der Halbkugel auf dem Boden lag, löste sich auf. Entsetzt schnappte ich nach Luft, als ich sah, was die düsteren Körper so lange ver borgen hatten. Das Tier war nicht einmal besonders rie sig, etwa zwei Meter lang und fast ebenso dick, aber es wirkte ungeheuer gefährlich. Der beinahe kugelförmige Leib wurde von Dutzenden von Beinen gestützt, die das We sen wie ein Zaun umgaben. Messerscharfe Krallen, jede fast so lang wie ein Unterarm, zerfurchten den Sand. Der Speer steckte im vorderen Drittel des Körpers. Er schwankte leicht hin und her, aber es schien, daß das Tier tödlich getroffen war. Sonst wäre es wohl nicht einfach an seinem Platz stehengeblieben. Ein lautes Zischen erklang. Die Beine der
Marianne Sydow Bestie knickten in den Gelenken ein. Es ver suchte, im Sand Halt zu finden, aber die Krallen peitschten hilflos durch die Luft. Qualvoll langsam rollte der schwere Körper hilflos zur Seite. An seiner Unterseite wurde eine runde, mit blitzenden Zähnen ausgestat tete Mundöffnung sichtbar, und das, was in diesem gräßlichen Maul steckte, war unver kennbar die untere Hälfte eines Eingebore nen. Er schien noch am Leben zu sein, denn seine Beine bewegten sich. Das konnte aller dings auch auf die mahlenden Mundbewe gungen des Ungeheuers zurückzuführen sein. Schweigend warteten die Sogantvortler, bis das Leben in der Riesenspinne erloschen war. Dann erst wagten sich einige in die un mittelbare Nähe der Bestie. Sie stiegen vor sichtig über die verkrampften Beine hinweg und zogen das Opfer zwischen den immer noch schnappenden Kiefern hervor. Der Fremde war grauenhaft zugerichtet. Einer der Umstehenden trat heran, wälzte ihn herum und begann, seine Wunden zu be handeln. Dabei erblickte ich die Fesseln, die man um die Handgelenke des bedauernswer ten Opfers geschlungen hatte. Die übrigen Dorfbewohner verloren jedes Interesse an ihrem halbtoten Artgenossen. Während er verarztet wurde, strömten sie zu der Hütte, warfen neugierige Blicke hinein und stießen kehlige Laute hervor, Auch die tote Bestie wurde gebührend bewundert. Meine Bewacher tauschten in ihrem unver ständlichen Geschnatter kurz ihre Meinung aus, dann endlich bemerkten sie, das der Vorhang verschoben worden war. Als sich die Speerspitzen ruckartig auf mich zubewegten, zog ich hastig den Kopf ein.
6. Meine Beobachtungen reichten aus, um meine Lage neu zu beurteilen. Der Logik sektor half mir bei der Auswertung der ge wonnenen Fakten, und das Ergebnis war
Atlan und der Ungeborene nicht dazu angetan, mich aufzumuntern. Zwar blieb vieles ungeklärt, aber das Prin zip, nach dem die Eingeborenen lebten, schi en mir jetzt klar zu sein. Diese wundervollen Hütten waren nichts anderes als die Behausungen der Bestien. Vielleicht stellten sie spezielle Bruthöhlen dar. Ich hatte keine Ahnung, wie die Tiere die Leuchtkugel und die kühlenden Kristalle fabrizierten, aber so langsam erschien es mir, als wäre auf den ehemals von Varganen bewohnten Planeten alles möglich. Die neue »Hütte« hatte nur einen sehr dünnen Lehmmantel. Den würde man wohl noch verstärken. Aber sie war bereits er leuchtet, soviel hatte ich erkennen können. Und zweifellos war das ganze Gebilde ge nauso phantastisch ausgekleidet, wie der Raum, im dem ich mich befand. Das Tier, das man draußen getötet hatte, paßte gerade noch durch die Türöffnung. Wenn es sich drinnen mit seinen Füßen fest krallte, mußte es nahezu unangreifbar sein. Selbst wenn man es mit einem vom draußen geschleuderten Speer tödlich traf, mußte es ungeheuer schwierig sein, es stückweise aus seiner eigenartigen Höhle herauszuholen. Ganz abgesehen davon konnte es den Kokon im Todeskampf zerstören. Darum waren die Sogantvortler auf einen bequemeren Aus weg verfallen. Vermutlich waren diese Biester Fleisch fresser. Man lockte sie also mit einem leben den Köder aus ihrer Höhle, und wenn das Untier seine Beute erfaßt hatte, nutzte man den Augenblick, in dem es nicht weiter auf seine Umgebung achtete. Ich fragte mich, warum man keine Tiere zu diesem Zweck verwendete. Wahrschein lich war es einfach so, daß es in der Wüste nur wenig jagdbares Wild gab. Die Sogant vortler setzten ihren unfreiwilligen Hauslie feranten nichts vor, was für sie selbst eßbar war. Obwohl ich nicht wußte, wie es um die Moral dieser Eingeborenen stand, nahm ich nicht an, daß sie ihre nächsten Nachbarn den Bestien zum Fraß vorwarfen. Wahrscheinli
27 cher war, daß sie Verbrecher auf diese Wei se bestraften, und wenn aus dieser Richtung der Nachschub ausblieb, dienten die Ange hörigen feindlicher Stämme demselben Zweck. Einer Jagdexpedition dieser Art war ich unglücklicherweise über den Weg gelau fen. Mir graute es bei dem Gedanken, dem nächst die Rolle des Lockvogels überneh men zu müssen. Der Eingeborene hatte das Drama lebend überstanden, und bei den unglaublich hoch entwickelten Heilmethoden der Fremden war es vermutlich auch zu einem zweiten Einsatz zu gebrauchen. Die Flughäute und die ledrige Haut setzten den Zähnen der Rie senspinne einigen Widerstand entgegen. Ge riet dagegen mein vergleichsweise zerbrech licher Körper in diesen mahlenden Schlund … Du wirst einen Leckerbissen abgeben, kommentierte mein Extrasinn trocken. Nur schade, daß man dem lieben Tierchen so we nig Zeit lassen wird, diese Delikatesse zu ge nießen! Wahrhaftig, das Ding in meinem Kopf hatte eine herzerfrischende Art, mich aufzu muntern! Gegen meinen Willen faszinierte mich die Lebensweise dieser Wüstenbewohner. Die Bestien lieferten ihnen vergleichsweise komfortable Behausungen. Um die Kokons mit den lebenden Riesenspinnen in das Tal zu bringen, setzten die Sogantvortler sich zweifellos großen Gefahren aus. Anderer seits hatten sie wohl auch hauptsächlich we gen der Riesenspinnen die Kunst der Wund behandlung zu einer solchen Höhe ent wickelt. Allerdings erhob sich die Frage, warum die so intensiv gejagten Bestien nicht längst ausgestorben waren. Wenn es sich bei den Hütten wirklich um Bruthöhlen handelte – und die ungeheure Mühe, die die Tiere sich mit dem Bau dieser Gebilde gaben, sprach dafür –, so gefährdeten die Eingeborenen doch ihre eigene Existenz! Die von den Tie ren irgendwie in den Leuchtkugeln und
28 Kühlkristallen gespeicherte Energie mußte sich im Lauf der Zeit verbrauchen, und dann war die Hütte relativ wertlos. Mein Blick wanderte automatisch zu der Deckenlampe. Wieder glaubte ich, hinter der glasähnlichen Oberfläche eine Bewegung wahrzunehmen, und plötzlich schnappte es bei mir ein. Es hat lange genug gedauert, bis du end lich darauf gekommen bist! lästerte der Lo giksektor, während ich auf die Kugel starrte. Ein Ei? Ich war mir nicht sicher, aber alle Indizien sprachen dafür. Ein kalter Luftzug schien mich anzuwe hen. Natürlich, nur so kam Logik in die gan ze Sache! Unwillkürlich wich ich bis zur Wand zu rück. Mißtrauisch beobachtete ich die Ku gel, und jetzt entsann ich mich auch, daß mir vorhin, als ich zum erstenmal das Treiben im Dorf beobachtet hatte, eine Gruppe von Eingeborenen aufgefallen war, der ich nur wenig Bedeutung beigemessen hatte. Auf einer Art Bahre hatten sie einen leb losen Körper zu dem Serpentinenweg trans portiert. Es war mir so vorgekommen, als hätten sie regelrechte Angst vor dem Toten. Jedenfalls hielten sie ständig Abstand und faßten die Stangen der Bahre am äußersten Ende an. Alle anderen Eingeborenen waren ihnen im weiten Bogen ausgewichen. Hatte es sich wirklich um einen gewöhnli chen Leichenzug gehandelt? Vielleicht gaukelte mir meine überreizte Phantasie Bilder vor, die grauenhafter als die Wirklichkeit waren, aber ich glaubte nicht an diese Möglichkeit. Im Gegenteil, ein Steinchen fügte sich zum anderen, und es entstand ein perfektes Bild des Kreislaufs, in dem das Leben der Eingeborenen und der monströsen Spinnen sich abspielte. Die erwachsenen Tiere wurden getötet. Ihre Brut aber mußte geschützt werden, wenn die Eingeborenen sich nicht selbst schaden wollten. Es gab auf verschiedenen Welten eine ganze Reihe von Tieren, die zu dem Zeit-
Marianne Sydow punkt abstarben, in dem ihre Jungen aus schlüpften. Der Körper der toten Mutter diente dann den eigenen Kindern als erste Nahrung, durch die sie überhaupt erst zum Überleben fähig wären. Da die Bestien diese von der Natur vorgeschriebene Rolle nicht mehr übernehmen konnten, lieferte man ih ren Sprößlingen einen Ersatz. Wieder starrte ich zur Lampe hinauf. War die Bewegung hinter der milchigen Oberfläche nicht bereits heftiger geworden? Wie lange dauerte es, bis das Ding da oben ausschlüpfte und sich meiner bemächtigte? Oder warf man den Jungen nur bereits getö tete Opfer vor? Ich hatte keine Lust, so lange zu warten, bis mir die Antwort auf diese Fragen in der Praxis demonstriert wurde. Ich mußte hier hinaus, und zwar schnell! Die Wachen … Wieder einmal hielt mich mein Logiksek tor davor zurück, unüberlegt zu handeln und mich dadurch höchstens in noch größere Ge fahr zu bringen. Natürlich war es nicht damit getan, die beiden Sogantvortler auszuschal ten, die sich vor dem Ausgang postiert hat ten. Ich war ein kostbarer Gefangener, und das ganze Dorf würde mich behüten und be schützen, damit ich einen guten Köder ab gab. Jetzt wünschte ich mir Magantilliken bei nahe herbei. Der varganische Henker würde nicht zögern, seine Waffen gegen die Einge borenen zu richten. Kam es zwischen ihm und den Fremden zum Kampf, so ergab sich vielleicht eine Chance, zu entkommen. Aber dann fiel mir ein, daß der Henker das Risiko einer blutigen Auseinanderset zung gar nicht auf sich zu nehmen brauchte. Es reichte, wenn er sich in die verlassene Station begab und sich vergewisserte, daß wir dort vor Ablauf einer gewissen Zeitspan ne nicht eintrafen, Dann hatte sich sein Pro blem von selbst erledigt, da Chapat ohne die Hilfe der Lebenserhaltungssysteme verloren war. »Er wird sich damit nicht zufrieden ge ben«, meldete sich der Embryo, der meine
Atlan und der Ungeborene Gedanken verfolgt hatte. »Erstens weiß er nicht genau, welche Sicherheitsmaßnahmen meine Mutter für mich getroffen hat. Ehe er sich nicht persönlich davon überzeugen konnte, daß ich tot bin, wird er die Jagd nicht abbrechen. Zweitens vergißt du, daß er noch andere Ziele verfolgt. Es geht nicht um mich, sondern um Ischtar. Nur wenn er mich lebend in die Hand bekommt, kann er sie er pressen.« Das winzige Geschöpf dachte logisch. Seine Erklärungen hatten Hand und Fuß. Es gab viele Unbekannte in diesem Spiel, und Magantilliken selbst war nicht weniger gefährlich als alle Bewohner dieses seltsa men Dorfes zusammengenommen. Aber es war offensichtlich der einzige Ausweg, der noch blieb. Wollte ich die geringe Chance nutzen, so mußte ich allerdings einige Vor kehrungen treffen.
* Die Nacht verging qualvoll langsam, ob wohl ich ausreichend beschäftigt war. Im mer wieder trat ich an die Tür und lauschte nach draußen. Ich rechnete damit, daß Ma gantilliken noch im Laufe der Nacht angriff. Aber der Vargane ließ sich Zeit. er wichtigste Punkt in meinem Flucht plan war es, einen zweiten Ausgang aus dem Tal zu entdecken. Da Magantilliken vermut lich in gerader Linie auf uns zustrebte, gelei tet von dem eigenartigen Instinkt, der auch meinem Sohn zur Verfügung stand, würde er meiner Berechnung nach auf den Pfad treffen, der mir schon einmal beinahe zum Verhängnis geworden wäre. Ich wollte nicht warten, bis Magantilliken bereits im Dorf beschäftigt war, sondern mich schon bei Be ginn des Kampfes aus dem Staube machen. Aber auch wenn der Henker die Serpentinen bereits hinter sich gelassen hatte, ehe ich dort eintraf, konnte dieser Pfad sehr leicht zu einer Falle werden. Ich würde ihn nur im äu ßersten Notfall benutzen. Ich glaubte nicht daran, daß es nur diesen einen Aufstieg gab. beiden Wächter ließen keinen
29 daran aufkommen, daß ich mich von der Tür fernzuhalten hatte. Außerdem war mir der Teil des Tales, den ich von dort aus überblicken konnte, bereits einigerma ßen bekannt. Fenster besaß die eigenartige Hütte nicht. Ich mußte mir also selbst eine Gelegenheit verschaffen, die Umgebung ei ner näheren Betrachtung zu unterziehen. War Magantilliken erst einmal eingetroffen, blieb mir bestimmt nur noch wenig Zeit. tut mir so leid!« bekannte Chapat be drückt. »Hätte ich dich im Schiff nicht zur Eile gedrängt, so könntest du jetzt die Waf fen einsetzen, die du bei dir hattest!« hatte natürlich recht, aber mit Selbst vorwürfen war uns auch nicht gedient. untersuchte ich noch einmal jeden Quadratzentimeter der Hütte. Vielleicht hätte ich eine Öffnung in der Wand schaffen können, indem ich den Steinblock dagegen warf. Aber erstens wäre ein solcher Versuch nicht ohne verräterische Geräusche abgegan gen, und zweitens war das Ding ungeheuer schwer. blieb mein Blick an einem der Kristalle hängen. Er hatte sehr scharfe Kan ten. Es erschien fraglich, ob ich mich damit durch die Lehmwand kratzen konnte, aber ein Versuch konnte nicht schaden. zog einen der Schutzhandschuhe an, die am Gürtel des varganischen Rauman zugs hingen, und berührte den eigenartigen Stein vorsichtig. Wie ich es erwartet hatte, hielt die Isolierschicht die Kälte von meinen Händen fern. Es kostete einige Mühe, den Stein aus dem Gespinst zu lösen. Als ich ihn endlich in der Hand hielt, bemerkte ich et was Seltsames. Jene Spitze, die in den In nenraum der Hütte ragte, strahlte die meiste Kälte ab. Die Fläche des Steines, die ur sprünglich der Wand zugekehrt war, fühlte sich dagegen fast normal an. brachte mich auf eine Idee, und ich unternahm sofort einen Versuch. Gewebe war zäh und ließ sich nur schwer zerreißen, aber nach einiger Anstren gung lag die Lehmwand vor mir. Ich drückte die eisige Spitze des Kristalls dagegen – und
30 prompt, veränderte die Wand ihr Aussehen. Der Lehm durchzog sich mit unzähligen fei nen Rissen. Als ich den Kristall zur Seite legte und mit der Hand über die »vereiste« Stelle strich, bröckelte das Zeug unter mei nen Fingern ab. Ich grinste triumphierend. Die Falle der Eingeborenen war also doch nicht so stabil gebaut! Der Erfolg gab mir neuen Auftrieb. Grim mig machte ich mich an die Arbeit. Ich hatte nach etwa einer halben Stunde vier Gucklö cher in die Lehmwand gebohrt. Draußen war es stockfinster. Nur an den Stellen, an denen die Eingeborenen immer noch damit beschäftigt waren, die Auswir kungen des Sturmes zu beseitigen, blakten primitive Fackeln. In ihrem unruhigen Licht beobachtete ich, daß das Dorf kaum bewacht war, und ich registrierte auch, daß der Sturm sich jetzt anscheinend völlig gelegt hatte. Je denfalls arbeiteten schon bald nur noch we nige Eingeborene. Die anderen zogen sich nach und nach in ihre Behausungen zurück. Nur von einem anderen Zugang zum Talkes sel sah ich noch immer nichts. Dafür ent deckte ich, daß man den Serpentinenpfad abgesichert hatte. Ein paar Eingeborene hockten an seinem unteren Ende im Schutz eines aus Ranken geflochtenen Daches. Sie hatten eine Fackel neben sich in den Sand gesteckt, und ich sah deutlich die Speere, die sie griffbereit bei sich liegen hatten. Dennoch schien mir die Gelegenheit zur Flucht günstig. Mit Hilfe des Kristalls war es nicht schwierig, ein Loch in die Wand zu bohren, durch das ich hinauskriechen konn te. Die Wachen vor der Tür würden mit ei nem Angriff aus dieser Richtung nicht rech nen, und hatte ich erst ihre Speere, so würde ich irgendwie auch mit den Posten am Auf stieg fertig werden. Ich wollte gerade mit der Arbeit begin nen, da fühlte ich eine ungeheure Schwäche in mir aufsteigen. Ich taumelte und schaffte es gerade noch, bis zu dem Bett zu kriechen, ehe ich die Gewalt über meinen Körper ver lor.
Marianne Sydow Verzweifelt kämpfte ich gegen den mir unerklärlichen Anfall, bis endlich Chapats Stimme zu mir vordrang. »Es ist das Mittel, mit dem man deine Wunden behandelt hat«, behauptete er. »Die Wirkung ist jetzt vorbei. Es ist besser, du ruhst dich aus. Dein Körper braucht Schlaf!« »Und wenn Magantilliken inzwischen eintrifft?« »Ich werde es spüren, wenn er näher kommt«, versuchte der Ungeborene mich zu beruhigen. »Wenn es soweit ist, werde ich dich durch Gedankenimpulse wecken. Schlaf jetzt!« Ich wehrte mich noch immer. Aber die Müdigkeit war stärker, und schließlich gab ich auf. Auch der Logiksektor war der Mei nung, es sei besser, wenn ich mich jetzt schonte. Es konnte sein, daß der Henker uns noch bis zum nächsten Abend warten ließ, und so lange hielt ich es ohne Ruhepause nicht aus. Vor allem mußte ich bedenken, daß ich nach der Flucht aus dem Tal noch einen weiten Weg durch die Wüste zurückzulegen hatte.
* Zu behaupten, ich hätte in dieser Nacht schlecht geschlafen, wäre eine schlichte Un tertreibung. In meinen Träumen kämpfte ich abwechselnd gegen eine Riesenspinne und den varganischen Henker, manchmal auch gegen beide gleichzeitig. Mehrere Male schrak ich schweißbedeckt hoch, glaubte Kampflärm von draußen zu hören und wankte schlaftrunken zu meinen Gucklö chern, nur um festzustellen, daß im Dorf al les ruhig war. Erst gegen Morgen fiel ich in festen, traumlosen Schlaf. Schnatternde Eingeborenenstimmen weckten mich. Ich setzte mich verwirrt auf. Die Hütte war leer, aber die Stimmen der Fremden waren ganz nahe, so als fände die Unterhaltung direkt neben der Lehmwand statt. Erschrocken sprang ich auf und sah hinaus. Ich hätte mir die Aufregung sparen kön
Atlan und der Ungeborene nen. Meine Gucklöcher waren noch nicht entdeckt worden. Es handelte sich nur um ein paar Dorfbewohner, die sich mit meinen Wächtern auf ein Schwätzchen eingelassen hatten. Es war noch sehr früh, soweit sich das bei der ständigen Dämmerung beurteilen ließ. Ich fühlte mich wie zerschlagen, verzichtete jedoch darauf, mich noch einmal hinzule gen. Nach einem knappen Konzentratfrüh stück bezog ich erneut Posten und beobach tete das Dorf. Allmählich wurde es etwas heller. Meine Nervosität wuchs. Zwar waren die Löcher in der Wand nur etwa daumendick, aber einem aufmerksamen Beobachter mußten sie auf fallen. Außerdem fürchtete ich, ein Eingebo rener könnte hereinkommen und mich bei meinen Beobachtungen überraschen. Es er schien mir schon seltsam genug, daß man sich bisher überhaupt nicht um mich geküm mert hatte. Ich verfluchte die Müdigkeit, die mich daran gehindert hatte, im Schutz der Nacht zu fliehen. Inzwischen waren die Sogant vortler wieder auf den Beinen, und unsere Lage hatte sich in keiner Weise verbessert. Chapat versicherte mir, es ginge ihm gut und er würde es noch bis zum nächsten Tag aushalten. Das beruhigte mich etwas. Der Ungeborene drängte auch nicht mehr zum Ausbruch, wie er es anfangs immer wieder versucht hatte. Die Eingeborenen waren weit in der Überzahl. Ihre körperlichen Kräfte hatte ich gestern am eigenen Leibe zu spüren bekom men. Unbewaffnet konnte ich ihnen tagsüber kaum entwischen, solange sie nicht ander weitig stark beschäftigt waren. Kaum war der während der Nacht nur schwach bewölkte Himmel einigermaßen hell geworden, da tauchten auch schon die mir wohlbekannten Vorboten des Sturmes auf, der auf Sogantvort täglich zu toben schien. Lange Sandfahnen wehten über die Ränder des Steilhangs, aber die Windschir me, die überall wie seltsame, flache Pilze an den Wänden verteilt waren, fingen das mei
31 ste auf. Die Eingeborenen waren an die Zustände in diesem Tal offensichtlich gewöhnt. Sie nahmen seelenruhig ihre Arbeiten wieder auf. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß sie das Tag für Tag durchhielten. Aber viel leicht gab es auch günstigere Jahreszeiten. Für den Bau ihrer Befestigungen verwende ten sie Holz, also mußten auch irgendwo Pflanzen gedeihen. Es war mir ein Rätsel, warum sie sich nicht längst in diese freundli cheren Gefilde zurückgezogen hatten. Während mir diese Überlegungen durch den Kopf wanderten, suchte ich immer wie der nach einem Ausweg aus diesem Talkes sel. Je länger ich die steilen Hänge betrach tete, desto merkwürdiger erschienen sie mir. Es gab Stellen, die aus glatten, wie glasiert aussehenden Felsen bestanden. Irgendwie wirkte dieser Zufluchtsort künstlich. Die obere Begrenzung des Tales war so regelmä ßig, als hätte man hier einen gigantischen Krater in die Wüste geschmolzen. Aber das war nebensächlich. Auf jeden Fall war es unmöglich, ohne Hilfsmittel den Hang hinaufzukommen. Weder die Felsen noch die Sandflächen hätten mir einen Halt geboten. Ich dachte schon, es gäbe tatsächlich nur den einen Weg, da bemerkte ich auf der ent gegengesetzten Seite zum Dorfplatz eine Gruppe von Eingeborenen, die aufgeregt nach oben deuteten. Der Henker? Ich verrenkte mir fast den Hals, aber dann stellte ich fest, daß die Erregung der Frem den eine andere Ursache hatte. Oben, auf dem steinernen Rand des Tales, standen einige Sogantvortler. Sie gaben de nen, die unten warteten, offensichtlich be stimmte Zeichen, denn ein lautes Freudenge heul drang zu mir herüber. In aller Eile rann ten einige der Wesen zu einer Anlage, die ich bisher für einen Teil der Schaufelräder gehalten hatte, die den angewehten Sand wieder wegbeförderten. Es stellte sich je doch heraus, daß es sich um eine Plattform
32 von schätzungsweise zehn Schritt Durch messer handelte. Als ich das mißtönige Quietschen hörte und sah, wie diese Platte sich allmählich hob, wußte ich Bescheid. So also transportierten sie die Kokons mit den Riesenspinnen in das Tal! Die Seile, an denen die Plattform hing, sah ich erst jetzt. Man hatte sie oben an den Felsen verankert. Wahrscheinlich funktio nierte die ganze Sache nach dem Prinzip ei nes Flaschenaufzugs. Die eigentliche Appa ratur blieb hinter den Körpern der Fremden verborgen. Sie hatten alle Hände voll zu tun, die Plattform zu bewegen. Ich hielt den Atem an, als ich sah, wie der schwere Kokon über den Felsrand geschoben wurde. Die Platt form schwankte, aber die Eingeborenen hin gen in Trauben an den Seilen, und sie schafften es tatsächlich, die schwere Last si cher herabzuholen. Das Ganze spielte sich in etwa zweihundert Metern Entfernung ab. Bis in die Hütte hinein hörte ich deutlich ein wildes Zischen – die Bestie schien zu ahnen, was ihr bevorstand. Du ahnst es hoffentlich auch! bemerkte mein Extrahirn lakonisch. Ich schrak zusammen. Über meinen ange strengten Beobachtungen hatte ich fast ver gessen, welche Folgen das Jagdglück der Fremden für mich haben mußte. Mir blieb nicht mehr viel Zeit. Im Augen blick nahm der Sturm noch an Kraft zu. Die Fremden hatten ihre liebe Mühe mit dem Abseilen des Kokons, und überall waren Sandmassen zu beseitigen, die trotz der Schutzvorkehrungen in das Tal eingedrun gen waren. Aber sobald die Lage wieder we niger kritisch wurde, mußte ich mich darauf gefaßt machen, daß man mich als Köder prä parierte. Unter diesen Umständen durfte ich nicht mehr auf Magantilliken warten. Ehe ich mich abschlachten ließ, wollte ich lieber die gefährliche Flucht riskieren. An der Stelle, an der sich der Flaschenzug befand, bestand die Steilwand zum größten Teil aus glattem Fels. Die Seile verliefen
Marianne Sydow schräg nach oben, und einige waren dem Gestein sehr nahe. Wenn ich mich an ihnen hochhangelte, konnte ich mich zumindest stellenweise mit den Füßen abstützen. Entschlossen begann ich, meinen Aus bruch vorzubereiten. Die Plattform war unterdessen am Boden angekommen. Über ein weiteres System von Seilen zog man den Kokon samt seinem zi schenden und fauchenden Bewohner weiter auf das Dorf zu. Ab und zu unterbrach ich meine Arbeit, um die weiteren Vorgänge draußen zu beobachten. Die Bestie, deren Opfer ich vermutlich werden sollte, war äu ßerst gereizt. Immer wieder langte eines der langen, schwarzen Beine aus der Öffnung. Klauenfüße mit stählern blinkenden Krallen schlugen nach den Arbeitern. Aber die Eingeborenen hielten sich in si cherer Entfernung. Sie waren an den Um gang mit diesen Tieren gewöhnt. Die jünge ren unter ihnen schienen sogar ihren Spaß an der sinnlosen Wut der Riesenspinne zu fin den. Sie versuchten, ihre Geschicklichkeit zu beweisen, indem sie das Tier mit langen Stangen reizten. Wäre das Biest plötzlich aus der Öffnung seines Nestes gekrochen und über sie hergefallen, so wäre ihr Über mut wohl rasch gesunken. Aber es war wohl eine Eigenart dieser Tiere, selbst bei großer Gefahr in ihrer Höhle zu verharren. Ich kannte jetzt die Dicke der Lehmwand und arbeitete deshalb schnell und zielstrebig. Auf einer Fläche, die groß genug war, um mir ein müheloses Hindurchspringen zu er möglichen, zerbröckelte ich mit Hilfe des eiskalten Kristalls den Lehm. Ich ließ nur ei ne dünne Kruste stehen, damit man von au ßen nichts sah. Ein Fußtritt würde ausrei chen, um dieses Hindernis zu beseitigen. Angespannt beobachtete ich die Fremden weiter. Chapats Behälter hielt ich griffbereit, um keine Sekunde Zeit zu verlieren. Ich wollte fliehen, sobald die Eingebore nen sich auf dem Platz versammelten. Es schien sich bei der Überwältigung der Besti en um eine Art Volksbelustigung zu han deln, und ich hatte vor, die allgemeine Vor
Atlan und der Ungeborene freude auf das Schauspiel auszunutzen. Aber dann kam alles ganz anders. Das erste Anzeichen bildeten einige Ein geborene, die in wilder Hast den Pfad herun tergeeilt kamen. Erst dachte ich, es wäre wieder einmal eine Lawine im Anzüge, aber dann bemerkte ich, daß sie verletzte Artge nossen mit sich schleppten. Kaum waren sie im Dorf angekommen, da ertönten schrille Rufe, die alle Eingebore nen zusammeneilen ließen. Nach einigen Augenblicken spritzten sie aufgeregt wieder auseinander. Manche rannten in ihre Hütten und liefen dann – mit Speeren bewaffnet – auf das Ende des Pfades zu. Die Kinder, die sich außer in der Größe durch nichts von den Erwachsenen unterscheiden ließen, wurden in die Hütten geschickt. Nachdem diese Vorbereitungen getroffen waren, breitete sich lähmendes Schweigen über dem Dorf aus. Ich wechselte meinen Standort und bekam einen der Verletzten zu sehen, den man auf dem Dorf platz behandelte. Ich erkannte deutlich die Spuren eines Strahlschusses. Aus den Gesten der Dorfbewohner, die sich um die Verwundeten kümmerten, glaubte ich, Entsetzen herauszulesen. Das war leicht zu begreifen. Diese Wesen kann ten keine besseren Waffen als ihre Speere. Energiestrahlen mußten ihnen wie die ver nichtenden Kräfte böser Dämonen erschei nen. Für mich dagegen ließen diese Vorfälle nur eine Schlußfolgerung zu: Magantilliken war im Anmarsch. Im nächsten Moment konnte ich feststel len, wie nahe er bereits war. Ein greller Blitz zuckte durch die be drückende Dämmerung, dann fiel eine der Hütten in sich zusammen. Die Gewebe im Innern fingen Feuer. Mannshohe Flammen schlugen aus den Lehmtrümmern. Die Schreie verletzter und sterbender Ein geborener erfüllte plötzlich das Tal. Inner halb von Sekunden brach eine Panik aus. Die Erkenntnis, daß ihre Behausungen ihnen diesem Feind gegenüber nicht den gering sten Schutz boten, mußte für die Sogantvort
33 ler furchtbar sein. Einige versuchten, sich in die Luft zu er heben, aber der Sturm trieb sie wie welke Blätter vor sich her und drückte sie wieder zum Boden zurück. Die meisten rannten kopflos durcheinander. An Gegenwehr schi en keiner mehr zu denken. Und dann kam einer der eben herbeitransportierten Behau sung der Riesenspinne zu nahe. Das Tier mußte bis aufs Blut gereizt sein. Ohnmächtig hatte es alles über sich ergehen lassen müssen. Hinzu kamen der plötzliche Lärm, das Geschrei der Verwundeten, der grelle Energieblitz und die Flammen in der Nähe. Und zu allem Überfluß rannte einer seiner Todfeinde ihm fast in die Arme. Ich sah, wie der schwere Körper durch die Öffnung katapultiert wurde, und schloß für einen Augenblick unwillkürlich die Augen. Als ich wieder hinsah, wälzte sich die Riesenspinne wie ein Panzerfahrzeug durch die Reihen der vor Entsetzen erstarrten Ein geborenen. Die scharfen Klauen schlugen zielbewußt zu. Das Tier mähte Dutzende seiner Peiniger nieder, ehe diese überhaupt begriffen, wel ches Unheil über sie hereingebrochen war. Die Kraft und die Geschwindigkeit, die diese Bestie an den Tag legte, waren er staunlich, Im Vergleich dazu hatte das Biest, das man gestern abend so elegant erledigte, geradezu verschlafen gewirkt. In wilder Wut tobte es über den Platz. Die beiden Wachen vor meiner Tür warfen sich dem Ungeheuer in den Weg, Ihre Speere flo gen fast synchron durch die Luft. Aber die scharfen Spitzen blieben im glänzenden Panzer der Riesenspinne stecken, ohne ihr ernsthaften Schaden zuzufügen. Die Bestie warf sich herum und wandte sich den neuen Angreifern zu. Ein einziger Schlag mit einem der riesigen Beine reichte, dann lagen zwei zerfetzte Körper im Sand. Die anderen Sogantvortler wandten sich schreiend zur Flucht. Direkt in meiner Nähe ging eine zweite Hütte in Flammen auf. Glühende Fetzen wirbelten durch die Luft. Einer traf die Be
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Marianne Sydow
stie und blieb auf ihrem Rücken hängen. Halb wahnsinnig vor Wut und Schmerzen raste sie auf die Behausung zu, in der ich steckte, eine breite Spur von Tod und Ver nichtung hinter sich lassend. Damit war die Entscheidung gefallen. Ich hätte Magantilliken lieber noch etwas Zeit gelassen. Je tiefer er in das Tal kam, je intensiver er sich mit den Flugwesen befas sen mußte, desto leichter mußte es mir wer den, unbemerkt zu fliehen. Aber das heran rasende Ungeheuer zwang mich, meine Plä ne zu ändern. Ich trat die dünne Lehmkruste ein, die mich noch von der Freiheit trennte. Als ich mich durch die entstehende Öffnung warf, sah ich aus den Augenwinkeln heraus, wie die Tierhaut vor dem Eingang von einer me tallisch blitzenden Kralle zerfetzt und zur Seite geschleudert wurde. Dann rollte ich mich im Sand ab und duckte mich in den Schatten der Hütten wand.
7. Erst draußen roch ich den entsetzlichen Gestank. Der Qualm, der aus den brennen den Hütten aufstieg, mischte sich mit dem Geruch nach verbranntem Fleisch. Von der anderen Seite der Behausung schrillten die Schreie der Eingeborenen herüber. Nur eine Hütte lag zwischen mir und dem freien Gelände, das bis an die Seilwinde her anreichte. Der Weg war frei, aber obwohl mein Instinkt mich dazu drängte, in wilder Flucht davonzustürmen, beherrschte ich mich mühsam. Ich mußte wissen, was im Dorf vorging, und was Magantilliken tat. Lautlos schob ich mich an der Wand ent lang. Jenseits der Lehmkruste zischte und fauchte die Bestie. Der Rauch, der aus den von mir gebohrten Luftlöchern drang, verriet mir, daß das Tier geradewegs in neue Schwierigkeiten gestolpert war. Offenbar hatte es den glimmenden Fetzen mit sich ge schleppt, und die von seinen Artgenossen gesponnenen Matten entflammten leicht.
Es gab zwei Möglichkeiten. Entweder kam die Bestie m der Hitze um, oder sie verließ die Hütte rechtzeitig und führte ihren Kampf gegen die Eingeborenen weiter. Ich blickte um die gekrümmte Wand der Hütte auf den Platz hinaus, Niemand schien sich mehr um mich zu kümmern. Die Einge borenen mußten annehmen, daß ich längst ums Leben gekommen war – sofern sie überhaupt noch einen Gedanken an mich verschwendeten. Die meisten hatten sich in zwischen zurückgezogen, denn sie begriffen wohl, daß sie es mit einer voll leistungsfähi gen Riesenspinne nicht aufzunehmen ver mochten. Am Rande des Platzes sah ich eine Grup pe bewaffneter Männer vorbeieilen. Sie lie fen in Richtung auf den Pfad davon. Dort mußten sich jetzt schon eine ganze Menge von Dorfbewohnern versammelt haben. Wenn sie sich geschickt in der Deckung der Felsen hielten, hatten sie durchaus die Chan ce, Magantilliken beträchtliche Schwierig keiten zu bereiten. Den Standort des Henkers erkannte ich, als der Vargane den nächsten Schuß abgab. Er war bereits etwa auf der Hälfte des Han ges angelangt. Die Hütte, die er diesmal traf, explodierte förmlich, und ein Regen flam mender Fetzen ergoß sich über die Siedlung. Ein paar Eingeborene hielten sich im Be reich des Feuerregens auf. Ihre Flughäute gerieten sofort in Brand. Obwohl diese Wesen mir ein nicht gerade erfreuliches Schicksal zugedacht hatten, biß ich die Zähne zusammen, als ich die armen Kreaturen sah, die sich schreiend im Sand wälzten, während das Feuer sich rasend schnell über ihre Körper ausbreitete. Ich verstand Magantilliken nicht. Warum entfesselte er eine solche Hölle? Keiner der Eingeborenen wäre auf Speer wurfweite an ihn herangekommen, solange er den Strahler in der Hand hielt. Er hätte Chapat und mich in aller Ruhe holen kön nen, ohne daß einer der Fremden ihn anzu gehen gewagt hätte. Statt dessen schien er es
Atlan und der Ungeborene darauf anzulegen, dieses Dorf völlig zu ver nichten. Wie konnte er der Tatsache gewiß sein, daß der Embryo sich nicht in einer der ver nichteten Hütten befand? Oder irrten wir uns, wenn wir annahmen, daß er Chapat auch weiterhin als Druckmit tel gegen Ischtar einzusetzen gedachte? Ich hatte keine Zeit, mir darüber den Kopf zu zerbrechen. Die Gelegenheit zur Flucht würde nie wieder so günstig sein wie jetzt. Gerade als ich aufspringen und in Richtung auf die Seilwinde davoneilen wollte, wurde ich jedoch noch einmal durch das wütende Monstrum in meinem Vorhaben gehindert. Die Hitze innerhalb der Hütte mußte in zwischen beträchtlich sein. Die Lehmwand fühlte sich außen bereits sehr warm an. Ich rechnete schon damit, daß die Riesenspinne in ihrem selbstgewählten Gefängnis veren den würde, aber das Biest war widerstands fähiger als ich dachte. Ich zuckte zurück, als ich nur etwa zwei Meter vor mir eine der scharfen Klauen auf blitzen sah. Der Körper folgte mit ungeheu rer Wucht nach. Das Ding zischte wie ein Dampfkessel kurz vor der Explosion. Seine Wut mußte unvorstellbar sein. Mit untrüglichem Instinkt raste es auf eine Gruppe von Eingeborenen los, die sich in der fragwürdigen Deckung einer Hütte verborgen hatten und wohl auf den Tod des Ungeheuers warteten. Das Ende ereilte sie nun selbst, und so tragisch das für die Eingeborenen sein mochte, für mich brachte es einen unschätzbaren Vorteil mit sich. Magantilliken mußte inzwischen bemerkt haben, daß die Panik im Dorf einen Punkt erreicht hatte, an dem sie kaum noch zu stei gern war. Er gab im Augenblick keinen wei teren Schuß ab, und die Dorfbewohner ver gaßen beim Anblick der wütenden Spinne prompt den Gegner, der ihnen das ganze Un glück eingebrockt hatte. Die letzten Überle benden flohen aus der Umgebung des Dorf platzes, und die Bestie, die sich jetzt durch alles reizen ließ, was sich bewegte, verfolgte
35 sie unter lautem Fauchen. Schon vorher hatte ich den Speer be merkt, der vor dem Eingang lag. Die Spinne mußte die Waffe abgestreift haben, als sie sich durch das Loch schob. Solange das Biest noch in der Hütte hockte, hatte ich es nicht gewagt, mir diese willkommene Beute anzueignen. Mit einem letzten Blick vergewisserte ich mich, daß niemand mich beobachtete, dann hechtete ich vorwärts. Als ich die Stange aus erstaunlich hartem, elastischem Holz in der Hand spürte, fühlte ich mich wohler. Wenig stens war ich nun nicht mehr ganz wehrlos. Jetzt gab es für mich keinen Grund mehr, auch nur eine Sekunde länger zuwarten. Im Laufen befestigte ich Chapats Behälter mit Hilfe des Gürtels und der Magnetver schlüsse so vor meiner Brust, daß er auch bei der Turnerei an den Seilen nicht herab fallen konnte. Den Speer behielt ich in der Hand, Selbst wenn es so aussah, als wären die Eingeborenen vor lauter Panik unfähig, auch nur die einfachsten Überlegungen an zustellen, mußte ich doch damit rechnen, ei nige von ihnen bei der Winde anzutreffen. Es war der einzige Fluchtweg aus dem Tal, nachdem Magantilliken den Serpentinenpfad versperrte. Meine Vorsicht erwies sich als berechtigt, Ungefähr ein Dutzend der Sogantvortler drängten sich um die primitive Apparatur. Einer turnte bereits an einem Seil hinauf. So geschickt diese Eingeborenen jedoch sonst waren – das Klettern schien nicht ihre Stärke zu sein. Der Fremde kam nur langsam voran. So zusagen in der Luft zu hängen und doch nicht zu fliegen, war für ihn sicherlich ein ungewohnter Zustand. Instinktiv entfaltete er die Flughäute, als das Seil ins Schwanken geriet, und gerade damit besiegelte er sein Schicksal. Der Sturm, der sich heulend an den obe ren Felsen brach, bildete entlang der Hänge unberechenbare Luftströmungen, In den eigentlichen Talkessel drang er nur gedämpft vor, aber in halber Höhe, wo der Fremde
36 sich inzwischen befand, besaßen die Wirbel bereits verheerende Kräfte. Ich sah, wie sich die Flughäute unter dem Ansturm der Luft durchbeulten. Nur kurz vermochte der Frem de sich noch an das Seil zu klammern, dann wurde er davongeweht. Das alles ging so schnell, daß er nicht mehr dazu kam, seine Geschicklichkeit im Fliegen einzusetzen. Wie ein Stoffetzen schleuderte die Bö ihn herum und warf ihn gegen die Felsen. Kein lebendes Wesen konnte einen sol chen Aufprall und den nachfolgenden Sturz überstehen. Als der Körper des Fremden mit einem dumpfen Laut in den Sand neben der Winde fiel, begriffen seine Artgenossen, daß dieser Ausweg genauso gefährlich war wie die Vorgänge, die sich hinter ihnen im Dorf abspielten. Sie kannten Sogantvort besser als ich und hatten vermutlich schon vorher an einem Erfolg gezweifelt. Bis auf einen wandten sie sich ab. Eine kleine Gruppe lief ins Dorf zurück. Andere hasteten weiter zu dem nächstliegen den Sandschaufelgerät. Was sie dort woll ten, wußte ich nicht, denn die beiden dünnen Seile, an denen in etwa über zwei Schritt Abstand aus Holzstücken zusammengefügte Eimer hingen, boten nun schon gar keinen Fluchtweg. Der letzte lief direkt auf mich zu. Er bemerkte mich erst, als es für ihn schon zu spät war. Die überall aufflackernden Brände und der unbeschreibliche Lärm mußten ihn restlos verwirren. Hinzu kam, daß er sich noch immer nicht an den Gedan ken gewöhnt hatte, er könne innerhalb des Tales einem Feind begegnen. Es widerstrebte mir, einen Wehrlosen zu töten. Aber der Kerl mußte den Verstand verlo ren haben. Obwohl er unbewaffnet war, sprang er mich an. Dabei spreizte er die Ar me etwas ab, um mit seinen Flughäuten sei ne Richtung korrigieren zu können. Dadurch wurde er jedoch auch etwas langsamer, und so erhielt ich Zeit, mich auf seinen Angriff vorzubereiten.
Marianne Sydow Eines war klar: Genau wie bei dem varga nischen Henker durfte ich mich auf einen di rekten Kampf nicht einlassen. Auch wenn die Wunden an meiner Schulter inzwischen praktisch verheilt waren, erinnerte ich mich noch zu gut an die Kraft, die in diesen sehni gen, dürren Armen wohnte. Ich wich mit einem Sprung zur Seite, in der Absicht, ihm nach der Landung den Speer über den Kopf zu schlagen und ihn so zu betäuben, wie ich es auch mit Magantilli ken versucht hatte. Aber der Fremde änderte blitzschnell sei ne Flugbahn. Seine Berechnungen waren je doch in der Hast des Angriffes nicht gut ge nug, um mich doch noch zu erwischen. Statt dessen raste er genau in den Speer hinein und starb auf der Stelle. Ich riß den Speer aus dem Körper meines Gegners. Ich rannte weiter und bemerkte, daß ein anderer Eingeborener inzwischen an den Seilen entlangturnte. Er entdeckte mich, als ich an einem ande ren Seil hinauf hangelte, und sofort verdop pelte er seine Bemühungen. Gelangte er aus dem Tal hinaus, wo er seine Flugkünste wie der einsetzen konnte, so hatte ich es mit ei nem Gegner zu tun, der mir zumindest einen neuen Aufenthalt bescherte. Auch wenn ich gegen meine Prinzipien verstieß, niemals ein intelligentes Wesen an zugreifen, ohne daß es mich direkt angriff, blieb mir nichts anderes übrig, als mir diesen potentiellen Feind vom Hals zu schaffen. Es ging nicht nur um mein Leben, sondern auch um das meines Sohnes. Die beiden Seile waren nur etwa einein halb Schritt voneinander entfernt. Die Arme des Eingeborenen waren lang genug, daß er mich packen konnte, sobald ich in seine Reichweite kam. Ich hing ein paar Meter un ter ihm, den Speer zwischen den Zähnen. Er kam langsamer voran als ich. Mir war klar, daß es zum Kampf kommen mußte, und ich wußte auch, wie ich den Fremden loswurde. Aber noch immer zögerte ich. Bis schließ lich der Eingeborene selbst durch sein Ver
Atlan und der Ungeborene halten den Ausschlag gab. Er hielt im Klettern inne und streckte vor sichtig den linken Arm aus, bemüht, seine Flughaut nicht zu weit auszubreiten. Ich wußte, was er vorhatte. Gelang es ihm, das benachbarte Seil zu packen, so konnte er es in Schwingungen versetzen, denn es war nicht gerade straff gespannt. Selbst wenn es mir gelang, mich trotzdem zu halten – was ich stark bezweifelte – ver schaffte er sich einen Vorsprung. Auch ich spürte jetzt den Sog des Sturmes. Der Frem de hatte nur noch wenige Meter zurückzule gen, dann konnte er sich wieder auf seine Flughäute verlassen. In diesem Fall waren meine Chancen, nach oben zu kommen, gleich Null. Ich klammerte mich mit einer Hand und den Beinen an das rauhe, aus zähen Pflan zenfasern geflochtene Seil und griff mit der Rechten nach dem Speer. Die Spitze war lang und besaß drei rasiermesserscharfe Schneiden. Während der Wind an meinem Körper zerrte und unten im Dorf erneut eine Hütte in Flammen aufging, setzte ich die ei ne Kante gegen das Seil. Nur wenige Schnit te waren notwendig, dann zerriß das Ge flecht. Die Hand des Fremden hatte meinen schwankenden Halt fast erreicht. Als das Seil plötzlich unter ihm schlaff wurde und er auf die Felsen zufiel, gingen seine Nerven mit ihm durch. Der Sturm fuhr unter seine ausgebreiteten Flughäute, und ich hörte sei nen schauerlichen Schrei, als er davongewir belt wurde. Ich klemmte den Speer wieder zwischen meine Zähne und kletterte hastig weiter. Aber meine Flucht war offensichtlich doch nicht unbemerkt geblieben. Ich hörte das Sausen eines Speeres, der verdammt gut ge worfen worden war. Zum Glück änderte der Wind die Flugbahn etwas ab, sonst hätte mein Ausbruchsversuch in diesem Moment ein jähes Ende genommen. Ich sah nach unten. Zwei Sogantvortler standen dort. Beide starrten zu mir hinauf. Eben wollte der eine
37 nun ebenfalls sein Glück im Speerwerfen probieren, da kam sein Gefährte auf eine bessere Idee. Ich sah die Schneide kurz vor dem Seil aufblinken und änderte blitzschnell meine Haltung. Als die Felswand auf mich zukam, hatte ich bereits die Beine ausgestreckt und konnte den Aufprall einigermaßen abfangen. Bis jetzt hatte sich die Wand einige Meter entfernt befunden. Nun jedoch fanden meine Füße einen sicheren Halt. Der Plan der beiden Eingeborenen, mich an den Felsen zerschmettern zu lassen, hatte somit genau die entgegengesetzte Wirkung. Ich kam jetzt viel schneller voran, und ehe sie sich von ihrer Überraschung erholt hat ten, befand ich mich außerhalb der Reich weite des Speeres. Mir lief der Schweiß aus sämtlichen Po ren, als ich endlich die Felsbarriere am Rand des Tales erreichte. Hier oben erfaßte mich der Sturm mit vol ler Kraft und trieb mich immer wieder von meinem Ziel weg. Ich mußte den Speer fal len lassen und den Helm des Raumanzugs schließen, denn der Sand trieb mir ins Ge sicht und ließ meine Augen so stark tränen, daß ich fast blind war. Außerdem hatte ich genug zu tun, um nicht doch noch an den Felsen zu scheitern. Die Wirbel waren unbe rechenbar. Im einen Augenblick zogen sie mich in die Luft hinaus, im nächsten Mo ment schon schleuderten sie mich wieder ge gen die Wand. Meine Hände schmerzten. Das rauhe Seil riß sie blutig, und die Sandkörner stachen wie Nadeln auf meiner Haut. Ich klammerte mich fest und arbeitete mich in den kurzen Sekunden, in denen ich Halt unter den Fü ßen fand, Zentimeter um Zentimeter nach oben. Für die Vorgänge im Tal hatte ich jetzt keinen Blick mehr übrig. Dann kam der Punkt, an dem das Tau über den Felsen lief, und ich holte die letz ten Reserven aus meinem geschundenen Körper, denn hier oben war die Hölle los, Ir gendwie schaffte ich es, mich über den Kamm zu ziehen, und plötzlich lag ich in ei
38 ner windgeschützten Mulde. Über mir kreischten die Sandkörner auf den Felsen. Halb besinnungslos blieb ich liegen. Erst nach etwa fünf Minuten fand ich die Kraft, um weiterzukriechen. Ich bewegte mich in einer Rinne zwischen zwei parallel zueinander stehenden Steinwällen. Ich machte mir Sorgen um Chapat, der bei die ser Flucht kräftig durchgerüttelt worden war. Aber der Embryo beruhigte mich schnell. »Es geht mir gut«, behauptete er. »Allerdings wird es Zeit, daß wir uns auf den Weg machen. Meine Reserven werden bald erschöpft sein.« »Kannst du feststellen, was Magantilliken jetzt macht?« fragte ich. »Leider nein«, kam die lautlose Antwort. »Aber ich fühle seinen Haß. Er ist uns ziem lich nahe.« »Gib mir ein Zeichen, wenn wir uns in gerader Linie zwischen dem Tal und der Station befinden«, bat ich erschöpft. »Ich möchte so lange wie möglich im Windschat ten bleiben, um Kräfte zu sparen.« Der Weg schien endlos lang. Einmal kam ich an einer Stelle vorüber, an der die Fels barriere zum Tal hin eine schmale Lücke aufwies. Unten im Dorf brannte es immer noch. Die meisten Hütten waren zerstört. Von den Eingeborenen sah ich nichts mehr. Die Überlebenden waren in panischer Angst ge flohen. Die Riesenspinne, der ich als Köder hatte dienen sollen, lag in der Nähe des Ser pentinenpfades regungslos am Boden. Im Feuerschein sah ich jedoch eine Gestalt im schimmernden Raumanzug, die von Hütte zu Hütte eilte. Magantilliken! Er suchte uns noch immer zwischen den rauchenden Trümmern des fast zerstörten Dorfes. »Er weiß, daß ich noch lebe und in der Nähe bin«, erklärte Chapat sofort. »Aber er kann mich nicht genau lokalisieren. Sobald wir uns von dem Tal entfernen, wird er auf merksam werden.« Ich biß die Zähne zusammen, kroch von
Marianne Sydow der Lücke weg und legte eine kurze Pause ein. Ich durchsuchte die laschen meines An zugs und fand unter der Notausrüstung einen kleinen Medikamentenkasten, Eine Büchse erregte meine Aufmerksamkeit. »Wundspray!« teilte Chapat mir lakonisch mit. Hastig säuberte ich meine schmerzenden Hände, so gut es ging, und sprühte sie dann mit dem Zeug ein. Dann sah ich nach den Befestigungen des Behälters und zog an schließend die Schutzhandschuhe an. Im Weiterkriechen zerkaute ich einen Konzen tratriegel und lutschte eine Wassertablette. Wahrscheinlich befanden sich unter den Medikamenten auch Anregungsmittel, die ich jetzt dringend hatte brauchen können. Aber ich zögerte, eine solche Droge zu neh men. Was in diesem Anzug steckte, war für den Körper eines Varganen bestimmt – auf mich haften diese Mittel vielleicht eine ganz andere Wirkung ausgeübt. Etwa zehn Minuten später kam Chapats Zeichen. Ich kroch über die Felsen hinweg, und vor mir öffnete sich erneut die Holle aus Sturm und fliegendem Sand.
8. Ich rannte um mein Leben. Nur die Ge wißheit, daß der varganischc Henker uns im Nacken saß, trieb mich weiter. Ich war so er schöpft, daß ich mich am liebsten an Ort und Stelle in den Sand geworfen hätte, um zu schlafen. Aber dem übermächtigen Drang nach Ruhe nachzugeben, wäre zweifelsohne eine andere Form von Selbstmord gewesen. Seit Stunden folgte ich den Hinweisen, die der Embryo mir gab. Ich selbst hatte kei ne Ahnung, wo wir uns befanden. Ich hätte niemals zum Tal, geschweige denn zu Ischt ars Schiff zurückgefunden. Der Sturm hielt unvermindert an. Nur selten gönnte ich mir eine kurze Rast. Es kostete mich jedesmal mehr Selbstüberwindung, aufzustehen und weiterzulaufen. Längst, war ich so abge stumpft, daß ich an etwaige Gefahren gar nicht mehr dachte.
Atlan und der Ungeborene Und dann kam die Nacht. Zum Glück wa ren die Sandflächen hell genug, mich wenig stens die gröbsten Hindernisse rechtzeitig erkennen zu lassen. Aber die Dunkelheit stellte ein weiteres Problem dar. Ich hatte bisher nicht feststellen können, wie lange ei ne Nacht auf Sogantvort dauerte. »Wie weil, ist es noch?« erkundigte ich mich bei Chapat, als ich mich für einige Mi nuten im Windschatten eines Felsens aus ruhte. »Ich weiß es nicht«, erwiderte der Em bryo niedergeschlagen. »Ich kenne die Rich tung, nicht aber die Entfernung.« Das waren ja herrliche Aussichten! Magantilliken ist nicht ohne Grund auf Sogantvort gelandet, mischte mein Extrahirn sich ein. Er hat sich von der alten Station einen Nutzen versprochen. Schon deshalb ist anzunehmen, daß der Stützpunkt nicht allzu weit vom Schiff entfernt liegt! Das mochte durchaus richtig sein. Der wunde Punkt war nur, daß uns die Eingebo renen zu einem großen Umweg gezwungen hatten. Jede Minute war kostbar. Zwar waren Chapats Reserven noch nicht erschöpft, aber der Augenblick, in dem es für den Embryo zu spät war, mußte unweigerlich kommen. Magantilliken hatte zwar im Tal eine Menge Zeit verloren, aber wie mein Sohn mir be richtete, hatte er unsere Spur inzwischen wiedergefunden. Also marschierte ich wei ter. Es war irgendwie merkwürdig. Ich war al lein – und doch in gewisser Weise zu dritt. Chapat war bei mir. Ein Embryo, nichts wei ter, und dennoch das einzige Wesen, das mir den Weg zu zeigen vermochte. Und dann gab es noch mein Extrahirn, das sich auf in tellektueller Basis wie ein selbständiges We sen verhielt. Als ich merkte, daß der Boden zu steigen begann, warf ich einen Blick auf die Uhr, Wie lange dauerte diese Finsternis noch? Die Steigung wurde stärker, Sand rutschte unter meinen Füßen weg. Mir wurde klar, daß wir in ein Gebiet geraten waren, in dem
39 es Wanderdünen gab, Hier in der Dunkelheit herumzuirren, war auf jeden Fall lebensge fährlich. Chapat war beunruhigt, aber nach dem er mit seinen seltsamen Sinnen ge lauscht hatte, erklärte er sich mit einer Pause einverstanden. Magantilliken war uns in der letzten Zeit nicht näher gekommen. Entwe der legte auch er eine Rast ein, oder etwas hielt ihn auf. Ich hockte mich am Fuß der Düne hin. Der Wind stand günstig – hier drohte mir keine Gefahr. Aber die Ruhe war auch ge fährlich. Ehe ich es merkte, war ich einge nickt, und nur die energischen Impulse des Embryos rüttelten mich wieder auf. Es war absolut verrückt, aber ich begann, dem Em bryo alles mögliche zu erzählen. Ich sprach über alles, was mir gerade einfiel, nur um wachzubleiben. Als endlich eine leichte Dämmerung den Sand erhellte, atmete ich erleichtert auf. Es war zwar immer noch fast dunkel, aber ich erkannte die Dünen deut lich. Es waren riesige Gebilde, gar nicht mal besonders hoch, aber von ungeheurer Aus dehnung. Nachdem ich die erste erklettert hatte, wußte ich, daß ich diese Hindernisse nicht umgehen konnte. Also stolperte ich stur die unter mir weggleitenden Hänge hin auf, ließ mich vom Wind über die Kämme treiben und rutschte auf der anderen Seite hinunter. Chapat drängte mich nicht mehr zur Eile. Er spürte wohl, daß ich an der Grenze mei ner Leistungsfähigkeit angekommen war. Aber ich merkte seine ständig wachsende Furcht und wußte, daß Magantilliken näher kam. Eigentlich wunderte es mich nur, daß er uns nicht längst eingeholt hatte. Er war besser ausgerüstet als ich, und nachdem er in seiner rätselhaften Weise in der Eisigen Sphäre frische Kräfte getankt hatte, mußte er mir auch körperlich weit überlegen sein. Einmal wäre ich bei meiner Rutschfahrt an einem Dünenhang hinunter fast einer Rie senspinne direkt ins Maul gerast. Im letzten Moment sah ich den schwachen Lichtschim mer direkt vor mir und warf mich in einer
40 verzweifelten Reaktion zur Seite. Ein klau enbewehrtes Bein zischte durch die Luft und verfehlte mich nur um etwa einen Meter. Deutlich hörte ich das wohlbekannte Zi schen, mit dem die Bestie ihre Enttäuschung ausdrückte. Hätte sie sich zu einer Verfol gungsjagd entschlossen, so wäre ihr die Beute sicher gewesen. Aber die Spinne blieb, wo sie war, und Sekunden später lag der Kokon bereits weit hinter mir. Ich fand nicht einmal mehr die Kraft, mich über mein Glück zu freuen, oder mich darüber zu wundern, wie diese Tiere hier draußen überlebten. Die Wüste war leer. Ich sah weder Pflanzen noch Tiere. Was aber bildete dann die Beute für diese Wesen? Ich erfuhr es etwas später, als ich von ei ner ungewöhnlich heftigen Bö gegen den Hang einer anderen Düne geworfen wurde. Ein Teil des Sandes glitt herab. Nachdem ich mich freigearbeitet hatte, erblickte ich zu meinem Erstaunen ein Geflecht dunkelbrau ner Stämme, zwischen denen einige kleine, bepelzte Tiere herauskletterten. Pflanzen, die sich in dieser Jahreszeit ein wehen lassen, bemerkte mein Extrahirn. An ders konnten diese riesigen Bodenerhebun gen in einer solchen Umgebung gar nicht entstehen. Ich akzeptierte diese Erklärung, ohne wei ter darüber nachzudenken. Kommentarlos machte ich mich an einer anderen Stelle an den Aufstieg. Das Gebiet der Dünen endete so plötzlich, wie es begonnen hatte, Ich stolperte den letzten Hang hinunter und lief wie ein Robo ter weiter. Und dann tauchten plötzlich Dinge auf, die es in dieser Wüste nicht hätte geben dür fen. Steine lagen im Sand. Sie wurden zahlrei cher, und ich suchte mir mühsam meinen Weg zwischen ihnen hindurch. Niedrige, vom Wind zerfressene Mauerreste stellten sich mir in den Weg. »Schneller!« mahnte Chapat angsterfüllt. »Wir sind fast am Ziel, aber Magantilliken ist uns jetzt ganz nahe!«
Marianne Sydow Ich verzichtete darauf, einen Blick in die Richtung zu werfen, aus der wir gekommen waren. Die Luft war von Staub durchsetzt, und wenn Magantilliken mich bereits hätte sehen können, dann wäre ich jetzt nicht mehr fähig gewesen, nach dem Eingang zu suchen, von dem Chapat sich die Rettung versprach. Flüchtig kam mir zu Bewußtsein, wie trü gerisch diese Hoffnung war. Gesetzt den Fall, wir kamen tatsächlich vor Magantilliken in der Station an – was sollte dann geschehen? In den alten Anlagen kannte sich der Henker besser aus als ich, und ich war noch dazu unbewaffnet. Dennoch ging ich weiter, über die halb verwehten, geborstenen Reste einer einst mals vermutlich prächtigen Anlage, bis ein Gebäude in Sicht kam. Es handelte sich um eine niedrige, stump fe Pyramide, die nur aus Sand zu bestehen schien. Erst als ich näher kam, bemerkte ich, daß ich einen terrassenförmig angelegten Bau vor mir hatte, der vom Sturm fast zuge weht worden war. Nur einige steinerne Kan ten ragten noch hervor. Auf eine davon führte Chapat mich zu. Kurz darauf stand ich am Grund einer etwa fünf Meter hohen Verwehung, die die unter ste Stufe der Pyramide zu mehr als zwei Dritteln verdeckte, Nach den Aussagen des Embryos mußte der Eingang zur Station ge nau hinter dem Sand liegen. Entmutigt schüttelte ich den Kopf. Selbst wenn es mir gelang, mich da hindurchzugraben, ehe der Henker uns einholte, mußte der Gang ins In nere des Gebäudes längst verschüttet sein. »Es gibt ein Schott«, bemerkte Chapat. Ich seufzte. Dann dachte ich an Magantil liken und sah mir den Sandberg genauer an. Der Sand war sehr feinkörnig – hier einen Erdrutsch auszulösen, war ein Kinderspiel. Das Risiko bestand darin, daß ich nicht auch das Zeug in Bewegung setzen durfte, das auf der nächsten Stufe lagerte. Mühsam kroch ich den ständig unter mir weggleitenden Hang hinauf, bis ich mich laut Chapat direkt über dem verschütteten
Atlan und der Ungeborene Eingang befand. Ich wußte, daß es ein sehr gefährliches Spiel war, das ich da trieb. Eine einzige falsche Bewegung, und die Lawine würde ins Rollen kommen. Unter mir bildete sich eine Rille, in die der Sand von allen Seiten her sofort nach strömte. Immer wieder warf ich ängstliche Blicke zu den lockeren Massen auf der nächsthöheren Stufe, bereit, mich zurückzu werfen, sobald die Katastrophe begann. Aber noch war es nicht soweit, und wenn es geschah, ehe ich mich innerhalb der Station befand, so würde auch die schnellste Reakti on mich nicht mehr retten. Endlich erreichte ich die rauhe Steinwand. Vorsichtig richtete ich mich auf. Umgehend rutschte ich ein Stück tiefer, aber ich krallte die Hände in das Mauerwerk und hielt mich fest. Behutsam zog ich die Füße aus dem Sand, der immer stärker in Bewegung kam. Wahrscheinlich war dieses Gebäude im Laufe der Zeit schon oft restlos begraben worden, aber die immer wiederkehrenden Stürme von Sogantvort begannen das grau same Spiel jedesmal von neuem. Es war ein glücklicher Zufall, daß wir einen Zeitpunkt erwischt hatten, zu dem wenigstens ein Teil der Anlage zugänglich war. Ich hielt den Atem an, als von oben eine staubfeine Sandfahne herunterkam. Wie Wasser rieselte das Zeug direkt neben mir herab. Aber unterdessen rutschte auch der Hang unter mir immer tiefer, und ich hatte Mühe, in der Nähe der Wand zu bleiben. Verbissen klammerte ich mich mit beiden Händen an die Steine und trat mit den Füßen auf den Sand ein. Plötzlich glitt der Boden unter mir weg, und ich hing für einen Mo ment nur mit den Händen an der Wand. Ich ließ mich fallen, wurde nach unten gerissen und spürte, wie der Sand über mir zusam menschlug. Nur mühsam arbeitete ich mich heraus. Zum Glück lag die Mauer dicht vor mir. Und dann sah ich das Schott, das sich seit lich in der Wand abzeichnete. Aber die leichte Erschütterung, die der Erdrutsch durch das alte Gemäuer geschickt
41 hatte, ließ nun auch das staubfeine Zeug auf den anderen Stufen reagieren. Die wasser ähnlichen Rinnsale verstärkten sich. Ich wußte, daß mir wahrscheinlich nur noch Se kunden blieben und warf mich nach vorne. Ein Hebel ragte aus der Wand, und ich klammerte mich daran fest. Verzweifelt suchte ich mit der freien Hand nach dem Öffnungsmechanismus. Ich fühlte die Kon taktfläche und schlug darauf. Im selben Augenblick gellte hinter mir ein Schrei durch das Tosen des Sturmes. Chapat hätte sich seine angsterfüllte Warnung spa ren können, denn es war klar, worum es ging. Im Grunde genommen war es völlig gleichgültig, ob Magantilliken eingetroffen war oder nicht. Wenn der uralte Mechanis mus versagte, war ich so oder so verloren. Das Schott rührte sich nicht. Wütend trom melte ich mit der Faust gegen die Kontakt platte, dann sah ich den Spalt, der sich über mir bildete. Keine Zeit mehr, zu warten, bis das Ding sich endlich ganz geöffnet hatte. Ich zwang meinen Körper zu einer letzten Anstren gung, bekam den oberen Rand des Schotts zu fassen und zog mich hoch. Als ich gerade über die Kante glitt und mich fallen lassen wollte, zischte eine Energiewaffe. Eine glü hende Bahn erhitzter Staubkörner bildete sich zwischen der Gestalt auf einem etwa hundert Schritt entfernten Mauerrest und dem Schott. »Vorbei«, dachte ich – und dann fiel ich zufällig doch auf die richtige Seite.
* Ich schlug hart auf. Hinter dem Schott war es dunkel, und das Dämmerlicht, das durch den schmalen Schlitz hereindrang, reichte nicht aus, um Einzelheiten in meiner Umgebung zu erhellen. Ich hatte das Gefühl, daß mein ganzer Körper nur noch aus blauen Flecken bestand, aber mein Extrahirn ließ mir keine Zeit, mich dem Selbstmitleid hin zugeben.
42 Das Schott! meldete es sich energisch. Taumelnd kam ich hoch. Vor meinen Au gen tanzten feurige Punkte, aber ich igno rierte die entsetzliche Schwäche, die nach meinem Körper griff. Verbissen tastete ich die Wände ab. Ich mußte das Schott schlie ßen. Danach konnte ich ausruhen – hoffent lich! Ich fand die Druckplatte. Von draußen drang ein Rauschen zu mir herein, das zu ohrenbetäubendem Lärm anschwoll. Ge waltsam riß ich mich zusammen. Meine Faust traf die Platte, dann sprang ich zurück. Gleichzeitig wurde es stockfinster. Ich hörte den Sand hereinrauschen. Das alte Schott knirschte und ächzte, und die Körner pras selten wie ein feiner Hagel auf mich herab. Aber noch ehe das Zeug mir gefährlich wer den konnte, trat Ruhe ein. Ich taumelte ein Stück weiter in den Gang hinein, dann gab ich den Kampf auf. Ich ließ mich auf den harten Boden sinken und schloß die Augen. Irgendeine lästige Stimme wisperte durch mein Gehirn und ließ mich nicht schlafen. Dabei war Schlaf das einzige, was ich mir jetzt wünschte. Liegenbleiben, keinen Schritt mehr gehen müssen, einfach ausruhen … »Noch nicht!« Diesmal war die Stimme von solch zwin gender Kraft, daß ich fast gegen meinen Willen aufstand. Als zögen mich unsichtbare Fäden, ging ich auf die Wand zu, die ich in der totalen Finsternis gar nicht sehen konnte. Mein Arm hob sich fast von allein, als gehö re er mir gar nicht. Meine Finger fuhren über eine Erhöhung und drückten automa tisch darauf. Licht flammte auf, und ich blinzelte erstaunt in die plötzliche Hellig keit. Etwas zwang mich, mich wieder zu set zen. Auf einmal hielt ich den kleinen Kasten mit den Medikamenten in der Hand. Ich starrte auf eine winzige, weiße Tablette, be merkte, daß ich inzwischen den Helm geöff net hatte, und würgte das Ding herunter. Dann erst rutschte ich endgültig zu Bo den.
Marianne Sydow Als ich wieder zu mir kam, fühlte ich mich frisch und klar. Ich erschrak, als ich er kannte, daß ich tatsächlich geschlafen hatte. Der Henker … »Du hast nur wenige Minuten geruht«, machte Chapat sich bemerkbar. »Wir haben nicht viel Zeit verloren. Aber es ist trotzdem besser, wenn du jetzt weitergehst. Noch sind wir nicht ganz in Sicherheit.« Jetzt, im hellen Licht einer rechteckigen Deckenlampe, erkannte ich, wie knapp wir dem Tod entronnen waren. Wir befanden uns in einer geräumigen Kammer, die fast zur Hälfte von einem Sandberg ausgefüllt war. Das Schott, das ins Innere der Station führte, stand offen. Der Gang dahinter war dunkel. Wie mochte es draußen aussehen? War tatsächlich die ganze Pyramide freigelegt worden? Wenn ja, dann gab es da vorne ein Hindernis, das selbst den Varganen vor un lösbare Probleme stellen mußte. »Eben nicht«, behauptete Chapat nach drücklich. »Gut, dieser Eingang ist blockiert. Aber dem Henker stehen viele Wege offen.« Gab es noch andere Möglichkeiten, in die Station einzudringen? Warum hatten wir dann den Eingang gewählt, der die meisten Gefahren für uns barg? »Ich meine das etwas anders«, antwortete Chapat. »Du wirst es bald selbst sehen. Komm!« Ich folgte seinen Anweisungen und betrat den stockfinsteren Gang. Schon nach etwa einer Minute gab der Ungeborene mir ein Zeichen. Ich blieb stehen, suchte die Wand zur Rechten ab und fand eine Tür. Der da hinterliegende Raum war nur schwach be leuchtet. Es handelte sich um ein kleines La ger, in dem es allerlei Werkzeuge und Er satzteile gab. Der Ungeborene machte mich auf eine Handlampe aufmerksam, deren Speicherteil an die Energiezufuhr für die Deckenlampen angeschlossen war. »Der obere Teil der Anlage ist restlos zer stört«, erklärte er. »Auch auf dieser Etage gibt es nur wenige Einrichtungen, die noch funktionieren. Erst weiter unten werden wir
Atlan und der Ungeborene in Regionen kommen, die noch gut erhalten sind. Ich kann dich zwar auch im Dunkeln dorthin führen, aber es ist leichter, wenn du etwas siehst.« Zu meinem Erstaunen funktionierte die Lampe. Ich fragte mich, wie es möglich war, daß es in dieser uralten Anlage überhaupt noch Energie gab, aber ich gab es schnell auf, mir den Kopf darüber zu zerbrechen. Alles, was mit den Varganen zusammen hing, hatte einen gewissen Schimmer von Unwirklichkeit. Chapat dirigierte mich durch leere, oft halb zusammengebrochene Gänge zu einer steilen Rampe, die uns tiefer in die Station hineinführte. Im hellen Schein meiner Lam pe sah ich, daß das Material, aus dem die Wände bestanden, an vielen Stellen gebor sten war. Sand und Schuttmassen füllten ei nige Gänge fast völlig aus. Ich schwitzte Blut und Wasser, als ich mich durch die schmalen Spalten schob. Was für mich eine Gefahr bedeutete, mußte jedoch auch Magantilliken Hindernis se in den Weg stellen. Falls er es doch noch schaffte, den verschütteten Eingang freizule gen, so bedeutete das noch lange nicht, daß er auch zu uns vordrang. Dieser Teil der An lage jedenfalls war eine einzige Todesfalle. Die geringste Erschütterung mochte reichen, um den Weg in die Tiefe oder zurück end gültig abzuschneiden. Chapat reagierte nicht auf diese Gedan ken. Entweder war er zu sehr damit beschäf tigt, den richtigen Weg zu finden, oder er wußte, daß ich mir unnötige Sorgen machte. Die Station war riesig, und die Anlage ge nauso unübersichtlich wie das Innere von Ischtars Schiff. Es mochte Dutzende von Fluchtwegen geben. Unwillkürlich atmete ich auf, als ich vor mir einen schwachen Lichtschimmer sah. Nur ein kurzes Gangstück, dessen Boden von Steinen übersät war, trennte mich noch von einer steil nach unten führenden Rampe. Vorn nächsttiefer gelegenen Stockwerk leuchtete eine Lampe herauf. Als ich unten angelangt war, merkte ich,
43 daß wir den gefährlichsten Teil unseres Weges hinter uns hatten. Die Rampe endete in einem kreisrunden Raum, von dem mehrere Gänge abzweigten. Einige waren beleuchtet, andere lagen im Dunkeln. Automatisch wollte ich mich an unsere bisherige Richtung halten, aber Cha pat machte mich auf einen Korridor zur Rechten aufmerksam. Dort war die Beleuch tung besonders hell. Am Ende erkannte ich ein graues Schott, in dessen Mittelpunkt ein Symbol eingraviert war, das mir bekannt vorkam. »Was gibt es dort?« erkundigte ich mich. »Eine Aufgabe für dich«, erwiderte Cha pat rätselhaft. »Geh hinein!« Zögernd öffnete ich die schwere Tür. Als ich den dahinterliegenden Saal überblicken konnte, stockte mir der Atem. Varganen! Dutzende von ihnen! Erst nach Sekunden überwand ich den Schock. Es war tatsächlich dumm von mir, mich so überraschen zu lassen. Natürlich handelte es sich nicht um lebendige Angehö rige dieses Volkes, sondern um Schläfer. Sie ruhten in den Nischen entlang der Wände. Obwohl sie schon seit undenkbaren Zeiten dort liegen mochten, waren ihre Körper ein wandfrei erhalten. »Nicht nur das«, machte Chapat sich er neut bemerkbar. »Diese Körper sind auch je derzeit einsatzfähig!« Ich wollte nicht verstehen, was er damit meinte. Diesem Raum haftete die Stille des Todes an. Auch wenn die reglosen Körper in den Nischen durch das Wirken der Lebens erhaltungsanlage in biologischer Hinsicht noch immer lebten, so waren diese Varga nen für mich doch Tote, deren Ruhe man zu achten hatte. Vielleicht gelang es Ischtar oder Magan tilliken sie wieder zu erwecken. Ich wußte, daß ein solcher Vorgang sich auch nach sehr langer Zeit noch einleiten ließ. Aber instink tiv bezweifelte ich, daß jemand einen so un endlichen Schlaf hinter sich bringen konnte, ohne daß dabei sein Verstand litt. »Darauf kommt es nicht an!« konterte
44 Chapat erbarmungslos. »Magantilliken wird den fehlenden Geist mühelos ersetzen. Du mußt diese Körper vernichten, sonst war al les umsonst. Sobald der Henker feststellt, daß er auf normalem Wege nicht zu uns ge langen kann, wird er einen der Schläfer übernehmen. Was glaubst du wohl, wie er zu seinem jetzigen Körper gekommen ist?« »Ich kann diese Wesen nicht töten!« fauchte ich ihn an. Die mit Ornamenten in leuchtenden Farben bedeckten Wände war fen meine Stimme als dumpfes Echo zurück. »Sie sind hilflos. Vielleicht gibt es noch eine Rettung für sie.« »Sie sind in deinem Sinne schon sehr lan ge tot«, kam die etwas unwillige Antwort des Ungeborenen. »Es wird ohnehin nicht mehr lange dauern, bis die Energie ver braucht ist. Sobald die Lebenserhaltungsan lage sich abschaltet, werden diese Körper zerfallen.« Ich versuchte, seine Argumente zu igno rieren. Auch wenn er aus rein logischer Sicht recht hatte, brachte ich es nicht fertig, mich an diesen wehrlosen Schläfern zu ver greifen. Außerdem – wie hätte ich diese hilflosen Wesen überhaupt vernichten sol len? Mit meinen bloßen Händen? Dieser Raum war sehr groß. Es mochten an die hundert Varganen sein, die hier ihre letzte Zuflucht gefunden hatten. Sie sahen wirklich aus, als schliefen sie nur für kurze Zeit. Viele lächelten, als träumten sie von einer herrlichen Vergan genheit. Es war für mich unvorstellbar, daß ich etwas gegen sie unternehmen sollte. Al lein meine Anwesenheit schien ihre Ruhe zu stören. Ich fühlte mich wie ein Grabschän der. Aber noch während ich mich gegen das wehrte, was der Embryo plante, setzte ich mich wie unter Zwang in Bewegung. Ich schritt auf ein Schaltpult zu, und genau wie vorhin, als Chapat mich dazu gebracht hatte, ein Aufputschmittel aus Ischtars Vorrat zu schlucken, entwickelten meine Hände eine Art Eigenleben. Ich begriff, was ich tat, aber ich konnte es nicht verhindern. Die Befehle,
Marianne Sydow die mein Gehirn erteilte, schienen meine Muskeln gar nicht zu erreichen. Meine Finger glitten über Schalter und Tasten, deren Funktion mir unbekannt war. Ich nahm Veränderungen vor, sah das hekti sche Blinken von Kontrollampen, bewegte endlich einen letzten Hebel, und dann erlo schen die kleinen, bunten Lichter. Noch immer stand ich unter dem unheim lichen Einfluß, den der Embryo auf mich ausübte. Wie eine Marionette drehte ich mich und schritt auf eine der Nischen zu. Als ich davor stand, hätte ich am liebsten aufgeschrien, aber eine eisige Klammer in meinem Gehirn hielt mich fest und zwang mich dazu, das grausige Schauspiel zu ver folgen. Natürlich war es nicht wirklich Ischtar, die ich vor mir hatte, aber die Varganin in der Nische sah der Goldenen Göttin gerade zu verblüffend ähnlich. Nur allmählich ent deckte ich einige kleine Unterschiede. Sie war jünger als Chapats Mutter. Auf ihrem Gesicht lag ein leichtes, friedliches Lächeln. Sie hatte die rechte Hand auf ihre Brust gelegt. Zwischen den schlanken Fin gern hatte sich eine dünne Haarsträhne ver fangen, die golden aufblitzte, als das Licht aus meiner Lampe darauffiel. Ich blickte wieder auf das Gesicht. Die Augen waren geschlossen, aber es schien nur eines Zauberwortes zu bedürfen, um die Varganin zu wecken. Und gerade, als ich das dachte, begannen die Veränderungen. Runzeln bildeten sich auf der glatten Haut der Stirn und der Wangen. Die Augenhöhlen wurden tiefer. Mit einem kaum hörbaren Ra scheln fiel das rotblonde Haar zur Seite, Die Lippen schrumpften ein und gaben den Blick auf die sich verfärbenden Zähne frei. Die Hand auf der Brust der Schläferin schi en zu zucken, aber als ich genauer hinsah, bemerkte ich, daß die scheinbare Bewegung nur dadurch entstand, daß auch der übrige Körper mit ungeheurer Geschwindigkeit verfiel. Der von Chapat ausgehende Zwang war
Atlan und der Ungeborene bereits bei Beginn des schrecklichen Vor gangs erloschen. Er war vollauf damit zu frieden, sein Ziel erreicht zu haben. Ich da gegen wurde durch mein Entsetzen noch im mer an diesen Ort gebannt. Ich vermochte es nicht, mich von diesem grauenhaften Zerr bild der Goldenen Göttin loszureißen. Erst als mir nur noch ein von dünner Haut umspannter Totenschädel entgegengrinste, fuhr ich mit einem Schrei herum und stürzte in wilder Flucht dem Ausgang dieser Grab kammer entgegen. Im Vorbeilaufen sah ich, daß auch die anderen Schläfer sich rapide veränderten. Was vorher wie eine Versamm lung friedlich ruhender Varganen gewirkt hatte, sah jetzt eher wie eine makabre Aus stellung von Mumien aus. Bleib stehen, du Narr! Der schmerzhaft intensive Impuls meines Extrahirns brachte mich zur Vernunft. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und ging langsamer. Ohne mich noch ein einzi gesmal nach den Nischen umzusehen, ver ließ ich das Mausoleum. Chapat schwieg. Ich selbst verspürte auch keine Lust, mich jetzt mit ihm zu unterhal ten. Er hatte mich gegen meinen Willen ge zwungen, die Schläfer zu vernichten, und meine eigene Tat stieß mich ab, auch wenn ich keine Verantwortung für das Geschehene trug. Chapat einen Vorwurf zu machen, wäre jedoch ebenfalls verfehlt gewesen. Er folgte seinem Selbsterhaltungstrieb, und mein Logiksektor klärte mich Punkt für Punkt darüber auf, daß es auch in meinem Interesse lag, Magantilliken an der weiteren Verfolgung zu hindern. Außerdem, so setzte das Extrahirn mir auseinander, war meine extrem gefühlsmäßige Reaktion hauptsach lich auf das Medikament zurückzuführen, das in meinen Adern kreiste. Das war alles schön und gut, aber das Bild der zum Skelett zerfallenden Varganin verfolgte mich trotzdem noch lange Zeit. Unsere Probleme waren noch längst nicht gelöst. Ein ängstlicher Hinweis Chapats überzeugte mich davon, daß wir uns beeilen mußten. Seine Vorräte waren fast erschöpft.
45 Gelang es mir nicht, schnellstens eine funk tionierende Anlage zu finden, an die ich den Behälter anschließen konnte, so war der Er folg dieser Rettungsaktion tatsächlich in Frage gestellt. Mein erster Gedanke galt dem Mausole um. Auch wenn sich alles in mir dagegen sträubte, noch einmal in diesen Raum zu rückzukehren, so hätte ich es um meines Sohnes willen schließlich doch getan. »Sinnlos«, kommentierte Chapat. Täuschte ich mich, oder waren seine Im pulse wirklich schon schwächer geworden? »Diese Anlage ist abgeschaltet. Um sie wieder in Gang zu setzen, brauchen wir mehr Energie, als uns zur Verfügung steht.« Ich eilte durch die uralten Korridore. Der Ungeborene gab mir nur noch selten Hin weise. Er schien sich verausgabt zu haben, als er mich zum Abschalten des riesigen Sy stems gezwungen hatte. Um mich herum war die fremdartige Technik eines Volkes, von dem ich noch immer fast nichts wußte. Es gab unzählige Geräte, die ich nicht kann te. Ohne die Hinweise des Embryos war ich hier unten so hilflos wie ein Kind in der Zentrale eines Großraumschiffs. Wenn er selbst mir nicht sagen konnte, wo ich seinen Behälter anschließen sollte, würde ich den rettenden Ort niemals finden. Dann war Chapat nach all den Strapazen doch noch verloren. Und du mit ihm! stellte der Logiksektor sarkastisch fest. Wie willst du ohne Hilfe je mals hier herausfinden? »Halt den Mund!« knurrte ich unwillkür lich, obwohl ich wußte, daß das Extrahirn sich durch solche Bemerkungen nicht beein drucken ließ.
9. Ich hatte meinen Sohn unterschätzt. Ob wohl er mir jetzt, um Kräfte zu sparen, keine direkten Hinweise mehr gab, wirkte er doch auf mein Unterbewußtsein ein und lenkte meine Schritte genau in die Richtung, in der er sich Erfolg versprach.
46 Wir eilten durch düstere Etagen, in denen es nichts mehr zu geben schien, das die lan ge Zeit unbeschadet überstanden hatte. Mehr als einmal wollte ich umkehren, um wieder in den relativ gut erhaltenen Teil der Station zu gelangen, aber ein unbestimmbares Ge fühl trieb mich voran. Ich hatte früher schon ähnliche Situatio nen erlebt. Rein verstandesmäßig hat man unzählige Argumente dafür, daß ein gesuch ter Gegenstand sich an einem bestimmten Platz gar nicht befinden kann. Aber es gibt immer Informationen, die nicht zum Be wußtsein aufsteigen, sondern sozusagen un terwegs steckenbleiben. Folgt man solchen »Ahnungen«, dann ist man oft besser dran, als wenn man sich einzig und allein auf die Logik verläßt. So war es auch hier. Über Rampen, die bröckelnden Abhängen glichen, drang ich tiefer in die unterirdi schen Anlagen ein. Zielstrebig durcheilte ich die nach einem mir unbekannten Schema an gelegten Verbindungsgänge. Ab und zu zweifelte ich daran, daß meine Suche einen Sinn erfüllte, und Chapat antwortete auf kei ne meiner Fragen. Bis ich endlich erkannte, daß ich praktisch schon am Ziel war. Am Ende einer Rampe lag ein Raum, der dem vor dem Mausoleum bis auf Kleinigkei ten glich. Es gab sogar funktionierende Deckenlampen. Sie spendeten weniger Licht als die, die es oben gab, aber ich erkannte deutlich die Tür, hinter der der Saal mit den Lebenserhaltungsanlagen liegen mußte. Als ich den Raum betrat, stöhnte ich vor Enttäuschung auf. Chapat mußte sich letzten Endes doch geirrt haben. Nur wenige Leuchtkörper brannten. Ihr Licht enthüllte ein wahres Chaos. Ein Teil der Wand hatte der Belastung nicht standge halten und war zusammengebrochen. Berge von Schutt türmten sich rechts neben mir auf. Links gab es noch einige der mir bereits bekannten Nischen, aber diesmal lagen kei ne Schläfer darin. Staub und Schmutz be deckten die Lager. An einer Stelle sah ich blanke Knochen hell aufleuchten, und ich
Marianne Sydow wandte mich hastig ab. Allmählich waren meine Nerven ziemlich überanstrengt. »Was nun?« fragte ich den Embryo, in der Hoffnung, doch noch einen Hinweis zu er halten. Aber Chapat meldete sich nicht. Ein furchtbarer Verdacht keimte in mir auf, und hastig zog ich den Behälter hervor. Ich richtete den Lichtstrahl der Lampe auf den durchsichtigen Deckel. Der Ungeborene lebte noch. Sein Herz schlug deutlich erkennbar, aber noch immer wartete ich vergebens auf den telepathischen Kontakt. Qualvoll langsam bewegte das winzige Wesen einen der Miniaturarme und streckte ihn mir wie anklagend entgegen. Es dauerte Sekunden, ehe ich begriff, was Cha pat meinte. Hinter mir befand sich eine der Nischen. Sie war leer, bis auf einige kleine Steine, die auf einer dicken Staubschicht lagen. In der Wand konnte ich Schaltelemente und An schlüsse erkennen, wie ich sie auch in Ischt ars Schiff schon gesehen hatte. Unschlüssig trat ich näher. Bei all der Zerstörung hielt ich es für un möglich, daß diese Anlage noch in Betrieb war. Aber Chapat wurde immer unruhiger. Und endlich, als hätte er seine letzten Kräfte zusammengerafft, stand eine deutliche Gra fik vor meinem inneren Auge. Ich wußte, wie und wo ich den Behälter anzubringen hatte. Ob es für Chapat die Rettung war, blieb unklar. Aber was hätte ich tun sollen? Der Em bryo war offensichtlich am Ende. Entweder lieferte dieses System das, was er so drin gend brauchte, oder … Ich riß mich zusammen und verbannte die düsteren Gedanken in den letzten Winkel meines Gehirns. Statt dessen konzentrierte ich mich auf meine Arbeit. Das Aufputschmittel aus dem Medika mentenkasten ließ allmählich in seiner Wir kung nach. Die Müdigkeit machte mir zu schaffen. Meine Finger begannen unkontrol liert zu zittern, als ich Chapats Behälter in die richtige Position rückte. Unwillkürlich griff ich in die Tasche des
Atlan und der Ungeborene Anzugs, in der ich das Mittel wußte, das auch diesmal meine Kräfte mobilisieren würde. Aber Chapat schien immer noch über einige Reserven zu verfügen. »Nein!« wisperte die Stimme in meinem Gehirn. Ich wartete auf eine Erklärung, aber es kam nichts mehr. Dafür meldete sich der Lo giksektor. Das Mittel ist zu stark für dich. Noch eine solche Dosis würde deinen Zusammenbruch herbeiführen, vielleicht sogar tödlich wir ken. Reiß dich zusammen. Du schaffst es noch! Die Zeit schien stillzustehen. Ich tastete wie ein Betrunkener nach He beln und Schaltern, ließ irgendwelche Ver schlüsse einrasten und hatte dabei das Ge fühl, in einer dicken Watteschicht zu liegen und eher einen Traum als die Wirklichkeit zu erleben. Als dicht vor mir ein kleines, violettes Licht aufflammte, sank ich neben dem Be hälter zu Boden. Den Aufprall spürte ich schon nicht mehr.
* »Guten Morgen!« begrüßte mich eine wispernde Stimme. Ich schlug die Augen auf. Direkt über mir brannte eine violette Kontrollampe. Staub drang mir in die Nase, und ich nieste heftig. »Ich bin sehr froh, daß du endlich wach bist«, bemerkte Chapat, und ruckartig kehrte die Erinnerung zurück. Ich richtete mich hastig auf und sah den Behälter an. Das kleine Geschöpf hinter der Glasplatte bewegte sich unruhig. Ich erblick te die Leitungen, die den Kasten mit der Wand verbanden, und atmete erleichtert auf. Wir hatten es also doch noch geschafft. »Ja«, bestätigte Chapat. »Es war knapp.« »Wie lange habe ich geschlafen?« fragte ich, dann fiel mir ein, daß der Embryo mir darüber kaum Auskunft geben konnte. Ein Blick auf die Uhr an meinem Handgelenk ließ mich zusammenschrecken. Fast zehn
47 Stunden waren vergangen, seit ich diesen Raum betreten hatte. Kein Wunder, daß mir sämtliche Knochen weh taten. »Es ist kein weiches Lager«, gab Chapat zu. »Aber diese Pause war dringend notwen dig.« Ich verzog das Gesicht, wischte mir den Staub aus den Augen und richtete mich vor sichtig auf. Meine Muskeln protestierten zwar, aber das würde vergehen. Wir hatten einen Ort erreicht, an dem ich mich ausru hen durfte, und das allein zählte. Mochte Magantilliken da oben im Sturm herumsu chen, solange er wollte. Wenn ich nur einen Tag lang Rast machen durfte, würde ich es dem Varganen schon zeigen! Vielleicht fand ich irgendwo eine brauchbare Waffe. Zum Glück verfügte ich noch über einen ausrei chenden Vorrat an Konzentraten. Ich würde jetzt erst einmal in aller Ruhe frühstücken und mir dann die Umgebung der Halle anse hen. »Genau das wirst du tun«, stimmte Cha pat zu. »Allerdings mit einem anderen Ziel, als du jetzt denkst.« »Was soll das nun wieder bedeuten?« fragte ich ärgerlich. Ich war immer noch et was benommen, und der bloße Gedanke, schon wieder Pflichten vorgesetzt zu be kommen, machte mich ungeduldig. »Wir müssen Hilfe herbeirufen!« erklärte Chapat seelenruhig. »Gute Idee!« knurrte ich. »Was darf es denn sein? Rauchzeichen? Oder vielleicht lieber eine große Flagge?« Chapat seufzte gedanklich. »Es gibt Funkgeräte«, bemerkte er. »Ja, natürlich. In Ischtars Schiff zum Bei spiel. Magantilliken wird uns sicher mit Vergnügen hinführen!« Halt den Mund und iß etwas! befahl mein Extrahirn, ehe die Antwort des Embryos mich erreichte. Du bist im Augenblick zu lo gischem Denken nicht fähig! Der Verweis machte mich wütend, aber schon im selben Moment wurde mir klar, daß ich mich wirklich unmöglich verhielt. Dieses Varganenmedikament hinterließ bei
48 mir offensichtlich sehr seltsame Nachwir kungen. Ich befolgte den Rat. Mein Hunger war maßlos. Die Flucht und das aufreibende Umherirren in diesen Anlagen hatten mich völlig ausgelaugt. Trotz des langen Schlafes fühlte ich mich noch immer wie zerschla gen. Ich erinnerte mich an das, was Fartuloon mir beigebracht hatte, legte mich flach auf den Rücken und zwang mich, ruhig und konzentriert zu atmen. Nur langsam wich die Verkrampfung aus meinem Körper. Und allmählich lösten sich auch meine Gedanken von der unmittelbaren Vergangenheit und schlugen neue Wege ein. Vorsichtig richtete ich mich nach einigen Minuten auf. Ich fühlte mich noch etwas schwindelig und war mir klar darüber, daß ich noch längst, nicht wieder fit war. Die varganische Droge hatte die natürli chen Grenzen meines Körpers aus meinem Bewußtsein gelöscht. Ohne dieses Zeug hät te ich mich niemals so voll verausgabt. Ich hatte tatsächlich das Letzte aus mir heraus geholt, und nun dauerte es seine Zeit, bis die Reserven sich wieder auffüllten. Erst jetzt war ich bereit, über Chapats Worte nachzudenken. Wir saßen hier unten fest. Der Zugang zur Station war verschüttet. Aber es gab be stimmt noch weitere Eingänge, die dem Henker natürlich bekannt sein mußten. Die meisten konnten kaum besser begehbar sein als das Schott, durch das wir gekommen wa ren. Andere mochten längst zerstört sein. Was also würde der Vargane unterneh men? Er hatte zwei Möglichkeiten zur Auswahl. Entweder wartete er ab, bis wir von selbst wieder an die Oberfläche kamen. Oder er legte einen der Eingänge frei und suchte uns. Wahrscheinlich würde er beide Möglichkei ten kombinieren. Während er uns auf dem am besten erhaltenen Weg verfolgte, konnte er die anderen in Frage kommenden Stellen mit Fallen spicken, in denen wir uns fangen mußten.
Marianne Sydow Wieder fiel Fartuloon mir ein. Der Bauch aufschneider hatte mir einmal einen langen Vortrag darüber gehalten, was man zu tun hat, wenn man in einer Falle sitzt. Es ist in solchen Lagen unsinnig, tatenlos auf Hilfe von draußen zu warten, hatte er behauptet. Die meisten Fallen sind so beschaffen, daß sie den Schlüssel zur Freiheit bereits enthal ten. Das Problem besteht einzig und allein darin, ihn auch zu finden. Auf unseren Fall übertragen, hieß das nichts anderes, als daß Chapat recht hatte. Meine Reaktion von vorhin tat mir leid. Sie war unvernünftig gewesen. »Bist du sicher, daß es hier irgendwo ein Funkgerät gibt?« erkundigte ich mich. Das Durcheinander in dieser Halle war wenig ermutigend. Aber das System, an das ich den Behälter angeschlossen hatte, funk tionierte reibungslos. Damit war bewiesen, daß die Zerstörung längst nicht so groß war, wie es dem ersten Anschein nach aussah. »Ich kenne das Schema, nach dem die Varganen ihre Stationen anlegten«, erklärte Chapat. »Daher weiß ich, daß es in jeder mehrere Notrufstellen gibt. Es sind autarke Geräte, die von der allgemeinen Energiever sorgung unabhängig sind. Selbstverständlich weiß ich nicht, ob sich ein betriebsbereites Gerät in unserer unmittelbaren Nähe befin det. Viele mögen im Laufe der Zeit entwe der ausgefallen sein, oder sie wurden unter den Steinen begraben. Aber ich kann dich zu den betreffenden Stellen führen, an denen die Dinger stehen. Eines von ihnen muß in Ordnung sein. Magantilliken wäre niemals hierhergeflogen, wenn diese Station völlig unbrauchbar wäre.« Mein strapaziertes Gehirn war momentan nicht in der Lage, die Logik in Chapats Aus führungen voll zu würdigen. Ich wußte nur eines: selbst wenn es mir gelang, einen der Sender in Betrieb zu setzen, waren wir damit noch längst nicht gerettet. Auch Chapat vermochte mir keine Aus kunft darüber zu geben, wie weit Sogantvort von Kraumon entfernt war. Ich zweifelte nicht daran, daß Fartuloon und die anderen
Atlan und der Ungeborene Himmel und Hölle in Bewegung setzten, um mich wiederzufinden. Aber die Reichweite des Notsenders mußte begrenzt sein. Auf ei nem Varganenschiff gab es sicher die Mög lichkeit, einen solchen Notruf an jedem be liebigen Punkt der Galaxis zu empfangen. Nur – Ischtars Schiff befand sich ebenfalls auf Sogantvort. Der Goldenen Göttin stan den somit nur noch die technischen Einrich tungen unseres Geheimstützpunkts zur Ver fügung. »Meine Mutter wird den Ruf empfan gen!« behauptete Chapat, der meine Gedan kengänge verfolgte. »Und sie wird uns hier herausholen!« »Vielleicht«, murmelte ich deprimiert. »Aber ohne ihr Raumschiff und die Dinge, die sich darin befinden, wird auch sie mit Magantilliken kaum fertig werden!« Chapat antwortete nicht. Seufzend stand ich auf. Auch wenn es tausend Argumente und Einwände gab, es war sinnlos, lange darüber zu diskutieren. Schlug der Versuch fehl, oder traf Ischtar zu spät ein, dann waren wir ohnehin verloren. Meine Vorräte reichten nur noch für ein paar Tage. In der Station gab es sicher keinen Nachschub für mich. Nur kurz dachte ich an die Lebenserhal tungsanlage, aber ich vorwarf diese Idee so fort. Selbst wenn es mir gelang, eine der Ni schen so herzurichten, daß sie auch mir ein Überleben garantierte, war ich im konser vierten Zustand völlig wehrlos jedem An griff ausgesetzt. Die grenzenlose Erschöpfung, in die das varganische Medikament mich getrieben hatte, rief eine tiefe Mutlosigkeit in mir her vor. Es schien alles so sinnlos zu sein. Schön, ich hatte einiges geschafft, hatte dem Henker ein Schnippchen geschlagen – und war dadurch nur noch tiefer in die Falle hin eingerannt. Die Rache an Orbanaschol und seinen Spießgesellen, der Kampf um mein Erbe als Kristallprinz des Großen Imperiums – das schien so weit entfernt, daß ich mich kaum noch daran erinnerte.
49 Nichts existierte – außer der verfallenen Station und dem unerbittlichen Henker. Armer Atlan! spottete mein Extrahirn. Nimm dir einen Strick und häng dich auf. Dann sind alle Probleme gelöst, und mir bleibt dein Selbstmitleiderspart! Ich zuckte zusammen. »Verdammtes Teufelszeug!« murrte ich vor mich hin. »Zeig mir den Weg«, wandte ich mich dann entschlossen an den Embryo.
10. Ich kam mir merkwürdig nackt vor, seit ich den Behälter nicht bei mir trug. Aber Chapat hatte darauf bestanden, daß ich ihn zurückließ und mich alleine auf die Suche begab. Mir war nicht wohl dabei, aber es blieb mir nichts anderes übrig. Die Vorräte in der separaten Anlage des Behälters waren noch immer nicht voll ergänzt. Im übrigen sah ich auch bald selbst ein, daß es besser war, wenn ich nicht, mehr auf das zerbrech liche Gerät achtgeben mußte. Ich kam ohne Chapat schneller und leichter voran, zumal er auch weiterhin in telepathischer Verbin dung mit mir stand. Er leitete mich zielstre big durch die halbzerfallenen Korridore. Ich untersuchte zuerst die Etage, auf der wir uns befanden. Einige Gänge waren sehr gut erhalten. Überall brannten Leuchtplatten, und einmal kam ich an einem Gitter vorüber, aus dem frische Luft strömte. Also war so gar noch ein Teil der Klimaanlage in Be trieb. Es reizte mich, die Türen zu öffnen, die ich in den Wänden bemerkte, aber Cha pat kam mir zuvor. »Dafür hast du später noch Zeit«, behaup tete seine geisterhaft wispernde Gedanken stimme. »Ich weiß, daß Magantilliken fie berhaft nach einem Eingang sucht. Jede Se kunde, die wir gewinnen, kann kostbar sein.« Das war richtig. Der Notruf ging vor. Chapat schien überhaupt immer recht zu ha ben. Die Vorstellungen, die ich mir von ei nem gerade entstehenden Baby machte,
50 stimmten keineswegs mit dem Verhalten dieses Wesens überein, das noch dazu mein Sohn war. Natürlich war das eine der Fragen, die er mir nicht beantwortete. Schon nach ziemlich kurzer Zeit gelangte ich in die Region, in der sich das Funkgerät befinden sollte. Hier sah es schon weniger erfreulich aus. Ein Teil der Leuchtplatten war ausgefallen, und im ungewissen Däm merlicht bemerkte ich breite Risse in den Wänden und Decken der Gänge. Ich hatte noch nie unter Platzangst gelitten, aber jetzt wurde mir doch etwas merkwürdig zumute. Vorsichtig schlich ich weiter. Einmal spürte ich, wie ein sanftes Vibrieren durch das alte Gemäuer ging. Ich blieb stehen und hielt den Atem an. Nur wenige Meter von mir entfernt erlosch eine Lampe, und gleich darauf hörte ich lautes Klirren. Hoffentlich wandte Magantilliken keine allzu rabiaten Mittel an, um sich den Zugang zu erzwingen. Sonst löste er am Ende Zer störungen aus, die diesen Teil der Anlage in einen Trümmerhaufen verwandelten. »Er will mich lebend!« erinnerte Chapat mich an die Behauptung, die er auch früher schon aufgestellt hatte. Ich schnitt eine Grimasse und stieg vor sichtig über die Reste der zerbrochenen Deckenlampe hinweg. Meinen Scheinwerfer wollte ich erst dann einsetzen, wenn mir kei ne andere Lichtquelle mehr zur Verfügung stand. Einmal mußte die Batterie erschöpft sein, und der Gedanke, im Finstern durch diese Gänge zu irren, war nicht gerade er mutigend. Wenig später gelangte ich in einen lang gestreckten, niedrigen Raum, in dem es ver schiedene Geräte gab. Da Chapat der Mei nung war, ich hätte mein Zielgebiet erreicht, begann ich, ihm die technischen Einrichtun gen zu schildern. Einige wiesen deutliche Spuren von Zerstörung auf, was ein wenig rätselhaft war, denn der Raum an sich war in Ordnung. Schon beim vierten Schaltpult schickte Chapat mir einen triumphierenden Impuls.
Marianne Sydow »Das ist es!« Ich betrachtete das unscheinbare Ding ge nauer, und da erst sah ich das faustgroße Loch, das in seiner Seitenwand klaffte. Lose Drähte hingen daraus hervor. Der Lichtkegel meiner Lampe enthüllte mir eine Vielzahl von Schaltelementen. Ich leuchtete die Kon trollfläche ab – mehrere Hebel waren abge brochen. »Das war es!« kommentierte ich grimmig. »Das sieht nach Sabotage aus.« Da der Embryo darauf bestand, nahm ich einige Kontrollschaltungen vor, aber das Ge rät war tot. Widerstrebend befolgte ich Chapats An weisung, mich in die nächsttiefere Etage zu begeben. Ich hätte lieber weiter oben ge sucht. Zwar erinnerte ich mich daran, daß wir auf unserer Flucht durch völlig verwahr loste Regionen der Station gerannt waren, aber zumindest in der Nähe des Mausoleums mußte es noch um einiges besser aussehen. Der Embryo überging meinen Protest, und da ich zugeben mußte, daß er besser orien tiert war als ich, schlug ich mich bis zur nächsten Rampe durch. Unten herrschte totale Finsternis. Ich schaltete meine Lampe an und musterte mein neues Betätigungsfeld mißtrauisch. Die Gänge waren leer und tot. Hier gab es keinen Funken Energie mehr. »Das hat nichts zu sagen«, stellte Chapat ungerührt fest. »Geh weiter!« Gänge, Verteilerhallen, Maschinenräume, die still und verlassen vor mir lagen, dann neue Gänge – ich wußte, daß ich alleine kaum wieder herausgefunden hätte. Meine größte Sorge war die Lampe. Ohne sie fand ich das Gerät auf keinen Fall. Einmal hörte ich es aus einem der Seiten gänge tropfen, und unwillkürlich blieb ich stehen. Das Geräusch alleine genügte, um mich durstig zu machen. Die Wassertablet ten waren nur ein unvollkommener Ersatz für ein echtes Getränk. Vielleicht gab es hier unten tatsächlich noch Rohre, die Wasser führten. Eines davon mochte gebrochen sein. Die Versuchung, nach dem kostbaren
Atlan und der Ungeborene Naß zu fahnden, war riesig. »Später!« mahnte Chapat schon wieder. Endlich stand ich in einem ähnlichen Raum, wie es ihn auch oben gab. Ich ließ den Lichtkegel über die Geräte wandern – es gab keine Spuren von Zerstörung. Nur die Anordnung war anders, und da für mich die se Schaltpulte alle gleich aussahen, fing das mühsame Geschäft von vorne an. Das erste, was ich Chapat beschrieb, ent puppte sich als zuständig für die Inbetrieb nahme von Reinigungsmaschinen. Ich muß te lachen, als ich mir vorstellte, wie vollau tomatische Staubsauger durch diese Trümm erstation schnurrten. Die Heiterkeit verging mir, als mein Extrahirn mich darauf auf merksam machte, daß ich mich wieder ein mal ziemlich irrational benahm. Die lästigen Nachwirkungen des Aufputschmittels hiel ten also noch immer an. Vielleicht waren sie auch für den brennenden Durst verantwort lich, den ich verspürte. Nur mit Mühe konzentrierte ich mich wie der auf meine Arbeit, und endlich kam das erlösende Signal. Ich konnte es kaum glauben. Noch weißt du nicht, ob es auch funktio niert! brachte der Logiksektor mich schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Ernüchtert lauschte ich Chapats Erklärun gen. Wieder betätigte ich die Kontrollschal tungen, und diesmal fand der Embryo die kaum wahrnehmbaren Reaktionen zufrie denstellend Der Rest war überraschend ein fach. Ein einziger Hebel mußte betätigt wer den. Alles andere passierte laut Chapat auto matisch. Ich fragte erst gar nicht danach, wie das Gerät überhaupt arbeitete, und woran Ischtar erkennen sollte, daß wir es waren, die da um Hilfe riefen. Ich sah nichts, was mit einem unserer Funkgeräte etwas gemein hatte. Aber ich konnte mir vorstellen, daß Chapats Auskunft alles andere als erschöpfend aus fallen mußte. Ich wandte mich zufrieden ab, um zu mei nem Sohn zurückzukehren – und da ging die Lampe aus.
51 Ich saß im Dunkeln in den unbekannten Gewölben einer uralten Station, auf die Im pulse Chapats angewiesen, der als einziges Wesen imstande war, mich wieder an den Ausgangsort dieses Unternehmens zurück zuführen. Nach etwa einer Stunde hörte ich auf, die Beulen zu zählen, die ich mir an den Wän den holte. Erst als ich wieder an die Stelle kam, an der man deutlich das Wasser trop fen hörte, wurde ich wieder munter. Das Ge räusch zog mich fast magisch an. Ich über legte hin und her. Von hier aus war es nicht mehr weit bis zu der Rampe, die mich in be leuchtete Regionen führte. Wenn es hier un ten noch Wasser gab, mußte oben erst recht welches zu finden sein. Aber das Durstgefühl war stärker als die Vernunft. Ich tastete mich an den Wänden entlang. Um die Spuren der Feuchtigkeit zu finden, hatte ich meine Handschuhe abgelegt. Chapat konnte mir keinen Rat geben. Er kannte das Gewirr von Gängen, aber wo sich hier ein geborstenes Wasserrohr befinden sollte, entzog sich seiner Kenntnis. Ich zuckte zurück, als ich in eine weiche, schwammige Masse hineinlangte, die sich genau zwischen mir und dem Klatschen der auf Stein treffenden Tropfen befand. Unsi cher wartete ich ab, aber nichts rührte sich. Die absolute Finsternis machte mich nervös. Ich sah buchstäblich nicht die Hand vor Au gen, und ich fühlte mich hilflos und ver wundbar. Mit angehaltenem Atem lauschte ich. Ich glaubte, ein schmatzendes Saugen zu hören, so, als schiebe sich ein Schleimwesen über den Stein. Aber je angestrengter ich die Oh ren aufsperrte, desto lauter rauschte das Blut in meinem Kopf. Ich überlegte, ob ich einer Täuschung zum Opfer gefallen war. Viel leicht hatte sich gar nichts bewegt. Es moch te sich bei der seltsamen Masse um irgendei nen Fäulnispilz handeln, der sich am Wasser festgesetzt hatte. Endlich überwand ich meinen Ekel und streckte die Hand wieder aus. Meine Finger
52 trafen auf kahlen Fels. Das schleimige Ding war verschwunden. Mein Instinkt warnte mich davor, noch weiter nach dem Wasser zu suchen, das so verheißungsvolle Geräusche zu mir herüber sandte. Unschlüssig blieb ich stehen. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß es hier un ten noch Leben gab, aber das Gegenteil wur de mir drastisch bewiesen, als ein dünner Faden über mein Gesicht tastete. Ich wich einen Schritt zurück, stolperte über einen Stein und fiel zu Boden. Hinter mir hörte ich etwas klatschen, dann folgte ein leises Zischen, als würde die Luft lang sam aus einem beschädigten Ballon entwei chen. Meine Nackenhaare sträubten sich, und ich zog vorsichtig die Füße an. Wieder tastete einer dieser Fäden nach mir, und diesmal hörte ich ganz deutlich das leise Schleifen, mit dein sich ein unbekann tes Etwas den Gang entlangbewegte. Mir fielen die Riesenspinnen ein und die Versuchung, aufzuspringen und zu fliehen, wuchs. Nur die Erkenntnis, daß ich mir auf diese Weise sehr schnell den Schädel einren nen würde, zwang mich, an Ort und Stelle zu bleiben. Etwas Schleimiges wischt über mein Ge sicht, und ich ärgerte mich darüber, daß ich den Helm nicht geschlossen hatte. Ich hob die Hand, um das Ding wegzuwischen, da erreichte mich eine Warnung von Chapat. »Bleib ganz still sitzen!« flüsterte die Stimme in meinem Kopf. »Keine Bewe gung, hörst du?« »Was ist das für ein Tier?« fragte ich laut los. »Ich weiß es nicht. Vielleicht stammt es von der Oberfläche und mutierte. Aber ich spüre schwache Impulse, die mir verraten, daß es nicht angriffslustig ist. Du scheinst nur eine Art Hindernis darzustellen, das die sem Wesen unbekannt ist. Es scheint neu gierig zu sein. Wenn es dich untersucht hat, kriecht es vermutlich weiter.« »Und wenn es nun bei seiner Untersu chung feststellt, daß ich eßbar bin?« wandte ich ein.
Marianne Sydow »Ich werde dich rechtzeitig warnen!« »Zu freundlich!« dachte ich sarkastisch, aber ich hatte keine andere Wahl, als Cha pats Ratschlag zu befolgen. Es dauerte eine Ewigkeit. Dünne Fäden glitten über mein Gesicht und meine Hände und hinterließen klebrigfeuchte Spuren, von denen ein schier unerträglicher Juckreiz aus ging. Da der Embryo aber immer noch be hauptete, weder Hunger noch Angriffslust in dem unbekannten Geschöpf zu spüren, riß ich mich zusammen. Ich hatte keine Ahnung, wieviel Zeit tat sächlich verstrichen war, ehe sich die Tenta kel zögernd zurückzogen. Widerwärtiges Schmatzen ertönte, dann plumpste vor mir etwas auf den Boden. Kurz darauf veränder te sich die Geräuschkulisse. Die Wassertrop fen, um derentwillen ich diesen Gang betre ten hatte, fielen nicht mehr auf harten Stein, sondern auf eine weiche Unterlage. »Es trinkt!« bemerkte Chapat mit messer scharfer Logik. »Ich denke, jetzt kannst du es wagen.« Ich erhob mich zentimeterweise und wich langsam zurück. Der Durst war mir inzwi schen vergangen. Ich hatte nur noch den Wunsch, diesen Ort schleunigst zu verlas sen. Ich war so auf das trinkende Schleimwe sen konzentriert, daß ich das Zischen von vorhin völlig vergaß. Erst als ich auf einer schleimigen Unterlage ausrutschte, kam ich auf die Idee, daß ich es möglicherweise mit zwei von diesen Kreaturen zu tun hatte. Chapats Warnruf gellte in meinem Ge hirn. Ich versuchte mich hochzuschnellen, aber etwas hielt mich an den Fußknöcheln fest. Um mich herum zischte es empört, und ich ahnte, daß ich in ein regelrechtes Nest dieser Wesen hineingetappt war. Ich schlug wild mit den Armen um mich, traf auf einen Wulst von schleimigen Fäden und erwischte endlich den Stein, über den ich zuvor gestolpert war. Ich faßte ihn wie einen Faustkeil und schlug auf die weiche Masse ein, auf der ich hilflos zappelte. Aber das seltsame Körpermaterial des fremden
Atlan und der Ungeborene Tieres gab wie Gummi nach. Neue Tentakel schlugen nach mir und schlangen sich um meine Arme. Rechts neben mir war das Zi schen noch lauter geworden, und in der Hoffnung, wenigstens einen dieser unheim lichen Gegner unschädlich zu machen, schleuderte ich den Stein in diese Richtung. Ich verfehlte mein Ziel, wie ich an dem lauten Krachen hören konnte, mit dem der Stein auf die Mauer traf. Aber gerade das führte unerwarteterweise meine Befreiung herbei. Vielleicht hatten die Wesen bereits schlechte Erfahrungen mit niederprasselnden Steinen gemacht, oder sie reagierten einfach nur auf das ungewohnt laute Ge räusch, während gleichzeitig der Druck von meinen Armen und Beinen wich. Ich begriff, daß das Wesen sämtliche Protuberanzen ein gezogen hatte, um sich mit Höchstgeschwin digkeit von dem Gefahrenort zu entfernen. Ich wurde dabei einfach mitgeschleift. Ich warf mich nach vorne und kullerte kopfüber auf den Steinboden. Was auch immer diese Wesen darstellten, sie würden schnell feststellen, daß ihnen kei ne Gefahr drohte, und dann zu ihrer Wasser stelle zurückkehren. Ich tastete mich so rasch wie möglich vom Ort des Geschehens weg, während hinter mir das aufgeregte Zi schen allmählich verklang. In höchster Eile kehrte ich in den Haupt gang zurück, und von da an vermied ich jeden Aufenthalt. Keine zehn Pferde würden mich in diese Region zurückbringen, solan ge ich nicht wenigstens über eine Lampe und eine Waffe verfügte, das schwor ich mir! Wenig später tauchte ein kleiner Licht fleck vor mir auf, und ich rannte fast darauf zu. Erst als ich in einem beleuchteten Gang stand, in dem weit und breit kein Schleim wesen zu erblicken war, widmete ich mich der Tätigkeit, nach der es mich seit meiner Begegnung mit den Bewohnern dieser Un terwelt am meisten verlangte. Ich schälte mich aus dem Anzug und kratzte mich mit wahrer Wonne mindestens
53 zehn Minuten lang. Zum Glück erwiesen sich die klebrigen Sekrete der schleimigen Geschöpfe als recht ungefährlich. Wo die Tentakel mich berührt hatten, bildeten sich rote Flecken auf der Haut, die jedoch bald wieder verschwanden. Dennoch mußte etwas von dem Zeug von der Haut aufgenommen und in die Blutbahn geleitet worden sein. Jedenfalls juckte es mich tatsächlich überall. Eine harmlose, allergische Reaktion be hauptete der Logiksektor. Vergiß es. Es ver geht bald wieder. Das Ding hatte leicht reden. Schmerzen sind eine Sache, Juckreiz eine andere. Noch lange Zeit kämpfte ich immer wieder gegen das Verlangen an, eine wahre Kratzorgie zu veranstalten. Noch einmal mußte ich ein Gebiet durch queren, in dem die Leuchtplatten außer Be trieb waren, aber diesmal war ich gewarnt. Alle paar Schritte blieb ich stehen und lauschte. Aber ich hörte weder ein Zischen, noch ein Schmatzen, das mir die Anwesen heit von Schleimwesen verkündet hätte. Ent weder gab es sie nur in den untersten Eta gen, oder sie versammelten sich an den we nigen Orten, an denen sie Wasser fanden. Der Embryo ließ mir Zeit. Er schien vol lauf damit zufrieden zu sein, daß der Notruf hinausging. Selbst die Tatsache, daß es in der Station Leben gab, interessierte ihn nicht weiter. »Ich bin sicher, daß es sich um harmlose Geschöpfe handelt«, teilte er mir mit. »Sonst wärst du nicht so leicht entkommen.« Ich schwieg und versuchte, an etwas an deres zu denken, um den lästigen Juckreiz loszuwerden. Kurze Zeit später stand ich in der alten Halle vor Chapats Behälter. »Magantilliken sucht uns noch immer«, teilte der Embryo mir übergangslos mit. »Das kann ich mir denken«, erwiderte ich. »Wie lange wird es deiner Meinung noch dauern, bis wir Hilfe erhalten?« »Ich weiß es nicht.« Ich war todmüde, aber die Aussicht, wie der auf dem harten Boden zu schlafen, lock
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Marianne Sydow
te mich nicht besonders. Ich entsann mich der guterhaltenen Korridore in der Nähe der Lebenserhaltungsanlage. »Hast du etwas dagegen, wenn ich mir einen etwas gemütlicheren Platz suche?« wollte ich wissen. »Keineswegs«, kam die lautlose Antwort. »Meine Vorräte sind ergänzt. Ich komme wieder ein paar Tage lang damit aus. Es be steht kein Grund, weshalb wir in dieser halb zerfallenen Halle bleiben sollten!« Ich durchsuchte die Räumlichkeiten und fand heraus, daß es sich um Mannschaftska binen gehandelt zu haben schien. In einigen Zimmern gab es sogar noch Überreste der Möblierung. Das Wertvollste jedoch ent deckte ich, als ich ohne große Hoffnung ein aus der Wand ragendes Ding betätigte, das eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Wasser hahn aufwies. Die Flüssigkeit, die daraus hervorrann, war nicht unbedingt mit Quellwasser zu ver gleichen. Immerhin erwies sie sich als trink bar. Das gab den Ausschlag. Ich schleppte etwas von dem Gerumpel aus den angren zenden Kabinen in diesen Raum, bereitete mir ein primitives Lager und stellte Chapats Behälter daneben. Ich genoß die Wohltat, still dazuliegen, bis es mich wieder zu jucken begann. Wahrend ich mich gedan-
kenverloren kratzte, kreisten meine Gedan ken um Magantilliken. Gab es für mich wirklich keine andere Möglichkeit, als tatenlos auf Hilfe zu war ten? Ich nahm mir vor, nach Waffen zu su chen, sobald ich etwas geschlafen hatte. Es mußte mir einfach gelingen, den Weg in die Freiheit zu erzwingen. Auch ein vargani scher Henker war nicht völlig unverletzbar. Es gab noch andere Eingänge, hatte Chapat behauptet … »Eingänge ja«, mischte mein Sohn sich in meine Gedanken. »Dem Henker stehen die technischen Mittel des Raumschiffs zur Ver fügung. Er kann sich damit durch Sand und Stein bohren. Wir haben diese Möglichkeit nicht. Wir können nur warten.« Ich schwieg. Was hätte ich auch noch sa gen können? Es gab keinen Weg nach oben. Wir muß ten warten, bis uns jemand herausholte. Wer würde zuerst kommen? Ischtar – oder Ma gantilliken …
E N D E
ENDE