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Auf den Strassen von Indochina Diese Version meines Romans, ist mit der neuen deutschen Schreibweise geschriebe...
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(8D-FK)
Auf den Strassen von Indochina Diese Version meines Romans, ist mit der neuen deutschen Schreibweise geschrieben worden, die seit Herbst 1998 eigentlich gültig ist, aber immer noch reichlich diskutiert wird in der Öffentlichkeit und selbst im Bundestag. Ob diese neue Rechtschreibreform so bestehen bleibt, steht noch in den Sternen und darüber streiten sich die Götter und Experten
Copyright : by Friedrich Kleinehr, Germany, Dortmund, 1995/97 geändert und ergänzt Oktober 1997 neu Überarbeiten wegen Layoutsänderung April-Mai-September 1998
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Personen der Handlung : Rene Latour : Lie Bang : Tho Han : Bin Hoa : Custeau : Clorant : Sabreé : Bustier; Gouierire ; Dubreou ; Burtôn ; und Blavin : My-Lie : Brujeré, Jaques : Cardin : Dupoint : Loung Ming : You Long : Chartiér, Frédéric
ein Zivilfranzose als Lastwagenunternehmer in Indochina. Da er einige Semester an der Sorbonne in Paris Medizin studiert hat, gibt er sich zeitweise als Arzt aus und versteht aber einiges von seinem Fach Seine Freundin in Pak Bena aber in Wirklichkeit lebten sie in Tchepone Ihre jüngere Schwester Ihr Bruder, den Latour in Notwehr getötet hat Kumpel und bester Freund von Latour Transportführer eines LKW Convoi Françoise, Fahrer bei Latour Alles Fahrer eines eigenen LKW oder fahren als Sub-Unternehmer und alles Freunde von Latour Junge Vietnamesin mit einem herzkranken französischen Begleiter, ihr Mann, mit Namen Brujeré Mann von My-Lie, Besitzer eines alten Citreön Junger Franzose, Kommunist, belgischer Nationalität der als Légionair zu den Vietminh übergelaufen ist und jetzt dort als Ausbilder tätig ist Anwalt von Latour und Bekannter von Brujeré Eine junge Vietnamesin, die sich als Taxigirl durchschlägt und die Latour vor Jahren in Saigon kennengelernt hat Eine junge Thailänderin aus Bangkok, die Schwester eines chinesischen Geschäftsfreund von Latour Ein alter Freund aus Frankreich mit dem er zusammen nach Indochina kam
Beruf :
Nach 1967 : 20 Jahre Bauleiter als Betriebsingenieur bei der VEBA
Techn. Bauzeichner mit Prüfung und 3 Semester Baugewerbeschule und Technikerabschluß
Nach der Pensionierung im April 1988 habe ich meine Aufzeichnungen die ich im laufe von über 40 Jahre gemacht habe, geordnet und angefangen zu schreiben.
Maurer mit Gesellenbrief Bergmann mit Hauerbrief
Der Autor : geb.: 28.03.1928 in Neheim-Hüsten, heute Arnsberg 1
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achdem er den Motor abgestellt hatte, stieg Latour aus dem LKW. Er warf die Tür mit einem Ruck zu und bemerkte dabei das große >E<, den Anfangsbuchstaben von >Essence<, das die Militärbehörde, die diesen Convoi in Saigon zusammengestellt, auf die Seitenbeplankung mit Kreide geschrieben, hatte. Aus einer seiner Taschen, es handelte sich um eine grau-grüne Kampfanzughose, holte er einen schmutzigen Lappen, womit er die Kreidezeichen sorgfältig entfernte. Bei jedem ersten Stop, wenn Sie Saigon verlassen hatten, machte er das, damit keiner von vorne herein erkannte konnte, was er geladen hatte. Am Kotflügel des nachfolgenden Wagens, lehnte sein Kumpel Custeau, der mit einem Taschenmesser in einer Sardinenbüchse herumstocherte, und den Inhalt sofort mit der Messerspitze zum Mund führte. >Willst du auch etwas zu Trinken haben ?< rief er Latour zu. Die Antwort wartete er gar nicht ab, und winkte einer kleinen Vietnamesin zu, die sich mit ihrer Fahrrad-Rikschah durch die eng stehenden Fahrzeuge hindurchjonglierte. Auf ihrem Gefährt hatte sie einen Bottich montiert, in dem sich Flaschen und Eisstücke befanden. Sie blieb vor den beiden Fahrzeugen stehen, und mit einer Kopfbewegung und indem sie sich mit der Hand über das Haar strich, versuchte sie ihr strähnige Frisur etwas zu glätten. Custeau verlangte eine Flasche Orangeade. Er öffnete diese, in dem er den Verschluß mit den Zähnen öffnete und setzte sie an den Mund um sie mit einem Zug zu entleeren. Latour verlangte eine gleich solche Flasche. Er entnahm einer seiner Hosentaschen einen Becher aus Blech, und goß in diesen, gleichfalls aus einer der Taschen entnommenen kleinen Flasche, einen großen Schluck Pernod hinein, um diesen mit der kalten Orangeade zu mischen. Das Mädchen verfolgte die Bewegungen der beiden Franzosen und schätzte wortlos ab, wieviel jeder in seinen Becher goß, denn nun bediente sich Custeau auch aus der Flasche von Latour. Wenn einer der Männer den Inhalt ausgetrunken hatte und einen neuen Drink verlangte, nannte sie kurz den Preis, worauf die beiden nur mit einem Kopfnicken antworteten. Es gab kein Wort des Widerspruches. Die Münzen, die das Mädchen den beiden jeweils zurückgeben mußte, als Wechselgeld, entnahm sie einem schmutzigen Taschentuch. Das Trinkgeld aber, das beide ihr immer gaben, steckte sie in den Ausschnitt ihrer typisch schwarzleinenen Bluse, die den mageren Oberkörper bekleidete und verwahrte das mit Piastern und Franc gefüllte Taschentuch in ihrem Gürtel auf, bevor sie die Rikschah weiterfuhr um auch noch andere der Fahrer in der Kolonne zu bedienen, denn mit dem Verkauf bestritten sie meistens ihren einzigen Lebensunterhalt und vielleicht auch den ihrer Kinder, denn bekanntlich wurden diese jungen Dinger schon mit 10-12 Jahren von ihren Eltern verheiratet. Latour setzte sich auf den Kotflügel seines Renaults und leerte seinen Becher in kleinen Schlucken. Custeau tauchte ein Stück Baguette in die Sardinendose, steckte es in den Mund, und kaute genüßlich daran; dann reinigte er sich seine Zähne mit der Messerklinge. Die dreiundachtzig Wagen des Convois streckten sich wie ein langer Lindwurm durch das Dorf, in dem Rast gemacht wurde. Es war noch ziemlich früh am Morgen, man hatte Saigon bereits um drei Uhr in der Nacht verlassen. Zu dieser Zeit, war die Sonne noch zu ertragen. Ab und zu wirbelte ein leichter Windstoß den Straßenstaub auf und ließ die Fahrzeuge in einer Dunstwolke versinken. In dem von Küchenabfällen fettigen Straßengraben, zankten sich kreischend junge Vietnamesinnen in fast bis zum Gürtel aufgeschürzten schwarzen Hosen, um die noch wenigen verwertbaren Abfälle. Andere standen um den Dorfbrunnen, aus dem frisches klares Wasser sprudelte. Eine Gruppe der uns begleitenden Légionaire rief ihnen derbe Scherzworte zu, deren Sinn aus der sie begleitenden, und dazu sehr eindeutigen Mimik nicht mißzuverstehen waren. Sie lachten mit spitzen kleinen Schreien, und die Männer ließen ihre kräftigen weißen Schenkeln nicht aus den Augen. Latour leerte seinen Becher und gab der kleinen Vietnamesin gleichzeitig die geleerte Flasche zurück, die nur einige Meter weiter mit ihrer Rikschah Halt gemacht hatte. Clorant, der Transportleiter der Transindochina Compagnie, rief >Nun wie ist es heute ? Gibt es heute einen großen Wirbel ? Hast du die Ladung schon gesehen ?< Latour zuckte mit den Achseln, Custeau brummte, indem er sein Taschenmesser zuklappte : >Du könntest recht behalten. Lange genug fühlt man schon, das etwas auf uns zukommt.....< Aus der Zigarettenschachtel die ihm Latour entgegenhielt, entnahm er eine Zigarette. >Wenn die Viet´s es sich etwas kosten lassen, kann das ein schönes Feuerwerk werden ! Allein neunzehn Lastwagen voll Benzin und noch einiges dazu, ohne die Munitionswagen, das wird -4-
hübsch weit zu sehen sein !< >Wieviel hast du geladen ?< >Zwölf Fässer mit je 250 Liter, und zwei Kleinere á 100 Liter.< >Alle voll beladen. Ich auch, und dazu habe ich noch zwanzig Kanister Öl für den Posten III bei Danáng dazu bekommen.< >Na, vielleicht lassen uns die Viet´s heute mal in Ruhe.< >Ich traue ihnen nicht. Jetzt machen sie schon zum zweitenmal ihre Löcher in der Straße von Kontum und Danáng zu. Vorige Woche Freitag haben wir fast vier Stunden gebraucht, um die Gräben wieder zuzuschütten. Die hatten sie im Zickzack quer über die Straße ausgehoben. Während wir den Graben zuschaufelten, hatten die Brüder reichlich Zeit gehabt, die Zusammenstellung der Convois zu studieren und sich unsere Schutzeskorte anzusehen, und können daraus für das nächste Mal ihre Schlüsse ziehen.< >Macht denn das Militär in der Umgebung keine Patrouillen ?< >Wie willst du in dieser Gegend den Dschungel durchforsten ? Du kannst zigmal an einem Viet vorbeigehen, der im Dickicht versteckt ist oder unter den Bambusrohren liegt, und du siehst ihn nur, wenn er gesehen werden will.< >Welchen Schutz hattet ihr den in der vorigen Woche ?< >Vorne und hinten je einen Scout-car, sowie gepanzerte Half-Trucks, und zwei vollbesetzte GMCis mit Drehkranz, worauf je ein 12,7 mm schweres MG montiert, und außerdem vollbesetzt mit Marokkanern als Begleitschutz war.< >Das war ja nicht überwältigend.< Für einen kleinen Angriff der Viet´s war es aber genug. Und das um so mehr, als es fast hunderfünfundzwanzig Wagen waren und außerdem alle Kameraden voll bewaffnet gewesen sind. Latour runzelte die Stirn, denn sofort dachte er an seine drei Tonnen Benzin, die er geladen hatte. Das würde ein herrliches Feuer geben, wenn man sein Fahrzeug treffen würde ! Sein Renault war das zwölfte in der Kolonne. Der Viet würde wie gewöhnlich den militärischen Schutz vorbeilassen und dann erst losschlagen. Es war immer wieder dasselbe Schema, nachdem die Rebellen vorgingen. Nachdem er sich eine neue Zigarette angezündet hatte, erhob er sich und ging nach vorne an den Fahrzeugen entlang, um zu sehen von welchen Fahrern diese gefahren wurden. Vor ihm fuhren an Privatwagen, vier rote Lastwagen, der Peugeot aus Barleys Produktion, und drei Renaults. Die Fahrer dieser Wagen würden ihre Fahrzeuge verteidigen, aber die drei des Renaultteam wohl nicht, weil sie monatlich bezahlte Angestellte, und nicht, wie sie Eigentümer ihrer Fahrzeuge waren. >Fährt dein Ford immer noch die Strecke nach Pnom-Penh ?< fragte Custeau. >Ja, gestern habe ich den Ford Sabreé übergeben und mir den Renault wieder genommen. Ich fuhr nun schon seit drei Monaten, Woche für Woche nach Kambodscha und hatte es satt immer wieder dieselbe Landschaft zu sehen.< >Sabreé war das sicher recht. Ich traf ihn letzte Woche in Danáng und er sagte mir, die Strecke Saigon nach Hué liege ihm schon im Magen.< >Ja, ich weiß. Er beklagte sich mehrmals bei mir, wenn wir uns an den freien Wochenenden trafen. Seine Kinder und seine vietnamesische Frau könne er wegen dieser Tour nur jedesmal zum Wochenende sehen. < >Ich glaube, er fing an zu denken, das es auf dieser Tour in der letzten Zeit wenig Überfälle gegeben und er Bedenken hatte, dieses könne sich bald ändern. Er ist eben wie alle anderen, bei seinen zwei letzten Fahrten hat er die Splittergräben gesehen, und jedesmal, wenn er jetzt.....< Latour hörte nicht mehr zu. Custeau drehte sich wie er um, und blickte in die gleiche Richtung, um auch im selben Moment ohne großer Begeisterung seine Würdigung abzugeben : >Ist nicht übel das kleine Püppchen. Offenbar hat sie keine Angst sich irgendwie dreckig zu machen.< Eine junge Vietnamesin näherte sich, und Custeau verstummte. Bei einer Obstverkäuferin, blieb sie am Straßenrand stehen. Diese hatte ihre beiden Körbe, die sie auf einer langen Stange balancierte, in den Straßenstaub gestellt. Nun beugte sich die jungen Frau und betastete die Früchte, bevor sie sich zu einer großen Ananasfrucht entschloß, die sie dann gleich anfing mit einem Messer abzuschälen. Ihr angeschlossen hatte sich ein junger Mann. Zwei sehr lichte, zärtliche, frohe Augen, erhellten sein sonst müdes Gesicht, das zu seinem sonstigen Körper, nicht recht passen wollte. Custeau flüsterte ohne Ironie, eher erstaunend : >Mein Gott, den hat es aber erwischt ! Sein Mädchen ist dagegen blitzsauber.< Im gleichen Augenblick lachte das Mädchen, und steckte dem neben ihr stehen Mann mit strah-5-
lenden Augen ein Stückchen der Frucht in den Mund. Wenn sie nur eine Ahnung gehabt hätte, was in einer Stunde passieren würde, wäre sie im Moment nicht so lustig gewesen. >Eines verstehe ich nicht,< sagte Custeau, das man die beiden vor der Abfahrt in Saigon nicht vor dieser Strecke gewarnt hat.< >Vielleicht haben sich die beiden erst in letzter Minute dem Convoi angeschlossen,< sagte Latour. >Das kann möglich sein. Wo ist denn ihr Wagen, oder fahren sie mit einem der anderen Wagen mit ?< Latour trat einen Schritt zurück um die Fahrzeuge die auf der Straße standen, besser übersehen zu können. >Wahrscheinlich gehört ihnen dort hinten der alte Citroën, der vor der Gendarmerie steht.< * Langsam erwachte in dem kleinen Dorf, das noch in der schwachen Morgensonne lag, nun auch das allgemeine Leben. Neben der Straße spielten bereits halbnackte, nicht gerade saubere Kinder, an einem von Wasserlilien bedeckten Teich. Beim Brunnen drängten sich noch immer die jungen Vietnamesinnen um der Reihenfolge nach Wasser zu schöpfen und machten sich besonders bemerkbar durch das Ausstoßen von spitzen Schreien. Eingehend betrachtete Latour die junge Frau, die am Rande der staubigen Straße mit ihrem Begleiter stand. Ihr langer, tiefblauer Sarong glänzte in der Augustsonne. Sie sagte etwas zu ihrem Begleiters und ihre Gesten glichen einer leichten Grazie. Dabei lachte sie, ein unbeschwertes Lachen, das ihr Gesicht durch ihre etwas geschlitzten Augen noch länger erscheinen ließen. Custeau schüttelte den Kopf und wiederholte : >Unbedingt hätte man ihnen vor der Abfahrt sagen müssen, was sie auf dieser Reise erwarten könnte. Schade wäre es um das hübsche Geschöpf, wenn man ihr Gesicht verunstalten würde, wie es an der Tagesordnung der Rebellen ist, wenn ihnen Personen in die Hände fielen, die mit dem Feind sympathisierten.< Ihr Begleiter schob eine Scheibe Ananas zwischen seine Zähne die ihm die junge Vietnamesin gegeben hatte. Damit ihm der Saft nicht seine Bekleidung beschmutzte, bog er sich etwas nach hinten und zog dabei ein Taschentusch aus seiner Hosentasche.. Latour ging zurück zu seinem Camion und lehnte sich wieder an den vorderen Kotflügel. In den Eingängen der kleinen Hütten, die aus Bambusrohr gebaut waren, mit einem tief heruntergezogenen Dach, hockten ein paar Vietnamesen und sahen dem Aufmarsch der Fahrzeuge gelassen zu. Ein Händler, chinesischer Herkunft, fuhr mit seinem Verkaufskarren an den Fahrzeugen entlang, und bot lauthals seine Waren an. Es pries mit einem alten, lauten, aber freudlosen Ton der durch das kleine Dorf hallte, immer wieder seine Ware an. Latour schaute immer noch zu der jungen Vietnamesin hin, auf ihre Bewegungen, auf ihre langen Finger und ein wenig geschminkten Mund, die er bisher nur bei einer Tempeltänzerin gesehen hatte. Wo würde der Vietminh heute angreifen? Custeau hatte wohl dasselbe gedacht, denn jetzt sagte er : >Wenn die Halunken ihr Geschäft verstehen, werden sie uns zwischen Kilometer 105 - 108 angreifen. Dort ist die Straße nicht breit, links der dichte Dschungel und rechts, etwas vertieft der kleine Fluß, der dem nahem Meer zustrebt.< Latour verließ seinen Wagen und ging nach hinten an den einzelnen Fahrzeugen entlang und nachzusehen, was die einzelnen geladen hatten. Einige Wagen hinter ihm, stand der Wagen seines Kollegen Bustiere, der ihm im Vorbeigehen zurief : >Hast du deine Knarre schon geölt ?< Latour lachte nur, und Bustiere wandte sich sofort wieder seinem Wagen zu, unter dessen Motorhaube er sich am Motor zu schaffen machte. * Nachdem der Transportführer das Signal zur Weiterfahrt gegeben hatte, kletterten die Fahrzeuge unter lauten Motorgeräusch die ansteigende Straße empor, die sofort hinter dem Dorf begann. An der Spitze des Convois fuhr das zwölf Tonnen schwere Panzerkettenfahrzeug, das eine 8,8 cm Ka-6-
none an Bord hatte. Aus dem Turm ragte der mit einem Helm versehene Kopf des Panzerkommandanten, und er schrie einem neben ihm fahrenden Kradfahrer zu : >Nach Kilometer 105 fährt alles 50 Km/h und zwischen jedem Fahrzeug sollen mindestens 50 Schritte Abstand gehalten werden.< Nachdem der Kradfahrer alle Fahrzeuge an sich vorbeigelassen, und die Meldung weiter gegeben hatte, bekam er als Antwort von den meisten Privatfahrern : >Die dicke Sau da vorne in seinem Privatsarg braucht ja keinen Staub zu schlucken, wir sind doch die armen Schweine die das müssen.< >Im nächsten Ort, wenn wir ihn heile erreichen, kannst du den Staub dann herunterspülen, oder ihn am Brunnen abwaschen.< Zwei, mit Marokkanern vollbesetzte Camion´s, es waren GMCis Wagen, fuhren mit kurzen Abständen voneinander dem Convoi nach. Als sie den Brunnen passierten, wo die jungen Vietnamesinnen mit ihren weißen Schenkel das Wasser schöpften, riefen sie diesen einige unflätige Worte zu. Dabei ließen sie ihre Zähne blitzen und blickten gierig mit ihren safran-farbenen Gesichtern, mit den kleinen pomadisierten Schnurrbärten, den meisten der hübschen Mädchen nach. Sie riefen ihnen Worte, auf arabisch, französisch und anamitisch zu, begleitet von einem dröhnenden Gelächter, das man meinen konnte, der Camion würde davon durchgerüttelt. Die beiden Wagen fuhren an der Kolonne vorbei um sich hinter dem gepanzerte Kettenfahrzeug einzuordnen. Latour ging zu seinem Renault zurück. Unter seinem Arm hatte er zwei eben gekaufte, und gut belegte Casse-croûte. Auf diesem Weg kreuzte die junge Vietnamesin seinen Weg und beider Augen schauten sich durchdringend an. Ihrer war wie ein Raubtierblick, den viele der anamitischen Mädchen Vietnams zu eigen hatten. In ihrem Windschatten folgte der junge Mann, unter dem Arm eine kleine Honigmelone tragend. Latour verfolgte die beiden mit seinem Blick und sah sie vor der Gendarmerie in den kleinen, alten Citroën einsteigen. >Interessiert dich die Kleine, ja ?< rief ihm Custeau zu, der schon hinter dem Steuer seines Wagens saß und sich nach vorne aus der Tür lehnte. Dann rief er Latour noch zu : >Fahr vorsichtig, und wirbele nicht soviel Staub auf, denn ich bin es, der hinter dir fährt.< Latour stieg ebenfalls in seinen Wagen und nickte Custeau, wie zustimmend zu. Auf dem Beifahrersitz schlief wie immer sein Begleiter, ein Thai. Er startete den Motor und kuppelte ein, und langsam setzte sich die große Kolonne, ein Fahrzeug dem anderen folgend, mit einem gebührlichen Abstand voneinander, in Bewegung. Sein Blick folgte dem Wagen vor ihm, der gerade anfuhr, und im gleichen Augenblick dachte er an Kilometer 105 und an Colonel Goutiere´s, der in Fort III auf sein Benzin wartete. Plötzlich fiel ihm an dem gerade vor ihm anfahrenden Wagen etwas auf, und er hupte wie wild, das dieser sofort stehen blieb. Eilig kletterte er aus seinen Wagen, wobei er den Motor laufenließ. >Dubreou ! Dein Trittbrett !< Dieser hatte sein Hupen gehört und beugte sich aus den Fond und fluchte : >Verdammt ! Das hatte ich doch glatt vergessen.< Latour löste das Brett mit einem Fußtritt, und befestigte es mit einer Stahlklammer an der seitlichen Bordwand. Dubreou bedankte sich brummend. >Danke dir, das Du es gesehen hast. Ich habe auch das Gefühl, als wenn es gerade heute was gibt. Hast du dir die beiden Wagen mit den Marokkanern angesehen, die hatten sogar extra einige Maschinengewehre und noch zwei leichte Mörser geladen. Heute scheint man die Angriffe der letzten Zeit, ernster zu nehmen zu nehmen in der Militärverwaltung in Saigon.< Latour war fertig mit der Befestigung des Trittbretts und rief Dubreou zu: >Hinten bei der Légionairen sind noch drei weitere MGs und zwei gepanzerte Half-Trucks.< Er bestieg wieder seinen Wagen, und folgte dem vor ihm bereits angefahrenen Fahrzeug. Als die Kolonne das Dorfende erreicht hatte, wurde die allgemeine Geschwindigkeit der Fahrzeuge erhöht. Zur linken Seite der Straße befanden sich die riesigen Vierecke und bogenförmigen Terrassen-Reisfelder, die jetzt kurz vor der Erntezeit nicht mehr bewässert waren, und mit rissiger und borkiger Haut den Eindruck eines Schuppentiers aus grauer Vorzeit machten. Zur rechten Seite hin dehnte sich ein kleines Zuckerrohrfeld aus. Dort waren ein paar Bauern mit ihren typischen schwarzleinenen Kniehosen bekleidet, damit beschäftigt, das Rohr zu schneiden. Beim Vorbeifahren ließen sie müßig ihre Hände hängen, die die zum Zuckerohr schneiden benötigten Coup-Coup hielten. Bis hierher waren die Kinder des Dorfes schreiend neben uns her gelaufen, begleitet von den Hunden, die mit erhobener Schnauze die Fahrzeuge ankläfften Latour dachte noch immer an den Kilometer 105. Es wäre eine üble Sache, wenn die Viet´s gerade heute angreifen würden, denn gerade hatte er sich entschlossen, nach dieser Fahrt seinen -7-
Renault zu verkaufen, und nur noch mit einem Fahrzeug das Fahrgeschäft weiterzubetreiben, denn gerade diese Strecke nach Danáng wurde immer gefährlicher. Auch von den anderen Kollegen war in der letzten Zeit schon mancher abgesprungen und hatte sich. Reis-Terassenfelder in Indochina (Bild 173)
nach einer anderen Tätigkeit umgeschaut. Die sie begleitenden Militärfahrzeuge, hatten bei einem Angriff meistens mit sich selber zu tun und konnten, besonders die mit Treibstoff beladenen Wagen nicht, oder nur wenig schützen. Bei einem Angriff der Viet´s, war in den Treibstoffahrzeugen ein guter Platz, gegrillt zu werden. Nachdem er sich eine Zigarette angezündet hatte, strengte er sich an, den nächsten Kilometerstein zu sichten. Bis die nächste Biegung kam, mußt er warten. Mê Thuôt, 205 Kilometer, las er als er diesen passierte. War man also erst bei Kilometer 90. Somit blieben einem noch etwa 20 Minuten Ruhe..... Diese gutgekleidete, junge Vietnamesin, ließ ihn mit seinen Gedanken nicht zur Ruhe kommen. Ihren Blick, aus den etwas schräg stehenden Augen, ihre lackschwarze Lockenpracht, die bis auf die Schultern herunter. Sie war wie für ein Gartenfest angezogen, doch sie gab den Anschein, als wenn sie sich jeden Tag so adrett kleiden würde. Dubreou vor ihm fuhr plötzlich langsamer. Latour blickte in den Rückspiegel und streckte den Arm aus dem Fenster, um dem nach ihm fahrenden Custeau zu warnen der ihm dicht auf folgte. Mit gedrückter Hupe, drängte sich ein Jeep auf der Straße an der fahrenden Kolonne vorbei. Ein Soldat der mit in dem Jeep saß, offenbar ein Senegalese, forderte die Fahrer auf, dichter aufzuschließen und mit nur zehn Schritten Abstand voneinander noch schneller zu fahren. Nur zehn Schritte Abstand ! Und dann auch noch beschleunigen ! Welcher Idiot hatte das wohl wieder angeordnet. Dubreou hielt seinen Wagen an, und nachdem Latour ihn überholt hatte, hielt dieser kurz neben ihm an. Dubreou schimpfte wie ein Besessener über seinen Motor, der wahrscheinlich einen Kolbenfresser hatte, oder auch nicht, denn es konnte auch sein, das er die Panne nur vortäuschte um wieder zurückfahren zu können, weil er das Gefühl nicht loswerden konnte, heute in einen Hinterhalt der Vietminh zu geraten. Es gab solche Tage, an denen selbst die sonst Waghalsigsten, die Flinte eher ins Korn warfen als die anderen, denn gerade heute rechneten alle, bei Kilometer 105 mit einem Angriff der Viet´s. Die Kolonne näherte sich Kilometer 105. Hier verengte sich die Straße. Der Dschungel, bisher nur in weiter Ferne zu sehen, kam plötzlich näher, und begleitete sie nun an der linken Straßenseite. Latour war nun noch näher an seinen neuen Vordermann herangefahren, und keine vierhundert Meter vor ihnen fuhren die beiden mit den Marokkanern besetzten GMCis mit den überschweren MGs an Bord und das gepanzerte Kettenfahrzeug mit seiner 8,8 cm Kanone. Wiederum wurde die Kolonne von der Spitze aus beschleunigt, so das der rote Staub der Piste hoch aufwirbelte und alles in einer dunstigen Wolke verschwinden ließ. Die junge Vietnamesin mit ihrem Begleiter, in dem weit hinter ihm fahrenden Citroën, ging ihm nicht aus den Sinn, so sinnlich mit ihren schmalen Augen und die im Lächeln weiß entblößten Zähnen. Wie alt konnte Sie sein? Nicht mehr so jung wie er zuerst angenommen hatte. Fünfundzwan-8-
zig, oder sechsundzwanzig..... Auf keinen Fall älter, nach ihren ein wenig müde wirkenden Augenlidern und dem Blick, den er über ihren Körper hatte streifen lassen, als er ihr vorhin zum ersten Mal begegnete. Durch die Kronen der Dschungelbäume schimmerte blau der Himmel..... Sie war ein schönes Mädchen. Nur der sie begleitende junge Franzose, der sie immer mit einer abgöttischen Ergebenheit anblickte, störte ihn ein wenig. In seinem Blick lag eher etwas Frauliches als in einem Männerblick. Das war Latour sofort an ihn aufgefallen und noch eines war ihm an ihm aufgefallen, der fahle, blasse Teint eines nicht gesunden Menschen und der Bewegung eines Mannes, der sich den ganzen Tag in den vier Wänden eines Büros aufhielt. Doch sonst waren es die Augen eines an und für sich glücklichen Menschen und man war geneigt ihm Ehrerbietung entgegenzubringen und ihm in jeder Art behilflich zu sein. In seinem Rückspiegel suchte er den Citroën, der aber in der Masse der mit Planen bespannten Fahrzeuge verschwand. Oder war Sie nicht weiter mitgefahren als der Jeep mit den letzten Instruktionen vorbeigefahren war. Latour hoffte es, allein schon wegen des Mädchens. Der Jeep des Transportführers war jetzt vorne bei dem Kettenfahrzeug, als die ganze Kolonne in den dichten Wald eindrang. Bei Kilometer 108 holte Latour zwei Eierhandgranaten unter dem Sitz hervor und hakte sie in seinen um dem Leib gebundenen Militärgürtel ein. Seine Mpi, die er immer hinter sich hängen hatte, legte er neben sich und weckte den noch immer schlafenden vietnamesischen Beifahrer, dessen Kopf im Rhythmus des Wagens, hin und her pendelte. Im gleichen Augenblick geschah in den anderen Fahrzeuge das gleiche, denn alle rechneten jetzt jede Minute mit einem Angriff. Latour beobachtete mehr das an ihm vorbeihuschende Dickicht mit seinem Hirschzungen-Farnkraut und den mit Lianenflechten durchzogenen rötlichen Hraychs, als die vor ihm liegende Straße. Vereinzelt standen dort auch mit Ringen, wie um einen Bienenkorb versehene, Blaßweiße DanBäume, durch dessen Baumkronen die Sonnenstrahlen auf die Straße fielen. Kreischende Vögel hüpften in den Bäumen herum und ihr Gezeter, gestört in ihrer Ruhe, konnte man sogar durch den Motorenlärm heraushören. Das Panzerfahrzeug hielt dort an, wo der Dschungel lichter wurde, um die nachfolgenden Fahrzeuge an sich vorbeifahren zu lassen. Die drohende Kanone richtete sich gegen den Dschungel und die Marokkaner auf den vorne in der Kolonne fahrenden Mannschaftsfahrzeugen duckten sich auf ihren Sitzen hinter die Ladeplanken. Dort wo der Dschungel zurückwich begann eine große Kurve und danach das winzige mit elenden Strohhütten versehenes Dorf Bai-Don. Wenn man nur bis dort hingelangen konnte..... Inzwischen war die Straße noch schmaler geworden, zu einer engen Schlucht. Links der Urwald und rechts etwas tiefer der kleine Fluß und eine steile Felswand, in die sich die dichte grüne Masse wie eingekerbt befand. Wenn man Bai-Don hinter sich hatte, würde man aufatmen können. Dann konnte man auch die zwei Handgranaten wieder in den Kasten unter dem Sitz legen und die Maschinenpistole an den Haken hängen. Nochmals stieß Latour seinen vietnamesischen Beifahrer an, der nun endlich munter zu werden schien. Er blickte aus dem Seitenfenster und fragte Latour : >Vietminh sein da, Herr ?< >Das werden Sie dir bald selber sagen, antwortete ihm darauf Latour.< Vorsichtig, seinen Kopf eben über die Seitenbekleidung der Wagentür hebend, spähte er in das dichte Bambusgebüsch, das an der Uferböschung stand. Dann erblickte er vorne das gepanzerte Fahrzeug, das bisher in der Kurve stehend, für alle unsichtbar gewesen war, und stellte sachlich fest : >Franzose fahren heute mit dicken Panzerwagen aus Eisen, mit dicke Kanone.< Dazu kommentierte er weiter, mit wachsendem Pessimismus, und eindrucksvoller Mine : >Das sein nicht gut für uns, Herr.< Lachend, immer wieder amüsiert über die seltsame Ausdrucksweise, stimmte ihm Latour zu. * Der Konvoi hatte seine Fahrt inzwischen noch beschleunigt. Jetzt durchjagte man den Wald im Achtzigkilometertempo. Eine schwere Detonation, ein Geräusch von brechendem Holz, erklang plötzlich und übertönte noch das starke Brummen der Motoren. Einer der großen, starken Dan-Bäume, fast so hoch und dick wie ein großer Schornstein war durch eine Sprengung quer über die Straße gelegt worden und -9-
hatte die Privatfahrzeuge von den vorderen Militärfahrzeugen getrennt. Mit der Detonation, setzte hüben und drüben starkes Gewehr-, MG-, und Mpi-Feuer ein, wobei die Fahrzeuge alle stoppten, denn der Baum hatte sich so über die Straße gelegt, das ein Vorbeifahren nicht mehr möglich war und sich eines der Fahrzeuge im Geäst des niederstürzenden Baums, verfangen hatte. Mit der Detonation und dem fallen des Baumes, setzte auch das Feuer der starken 12,7 mm Maschinengewehre, die auf den Drehkränzen der GMCis montiert waren, sowie auch des 8,8 cm Geschützes des Panzerwagens ein, die alle drei blindlings in den Dschungel schossen, denn ein Mündungsfeuer des Feindes war nicht auszumachen. Durch den plötzlichen Stop der Kolonne, war es bei der hohen Geschwindigkeit zu einigen Auffahrunfällen gekommen, wobei der ein oder andere Lastwagen sich mit dem vorausfahrenden Wagen verkeilte hatte und ein anderer so sehr ins Schlingern geraten war, das er mit einem an der Uferböschung stehenden, starken Baum, zusammenstieß, wobei der Kühler des Wagens so stark beschädigt wurde, das eine riesige Dampfwolke aufquoll. Eine Salve aus einer Mpi, die von den angreifenden Viet´s abgegeben worden war, traf zuerst die Reifen eines vor Latour fahrenden Lkws, und dann die aus vollen Benzinfässern bestehende Ladung, die sofort explodierte und die Umgebung in ein einziges Flammenmeer verwandelte. Der Fahrer hatte keine Chance dem Inferno zu entrinnen. Als brennend Fackel entkam er dem Flammenmeer, wo er sofort von einer Salve des Viet´s empfangen und niedergestreckt wurde. Fast zur gleichen Zeit hörte man auch vom Ende des Konvois, Schüsse aus Maschinengewehren und auch hier und da das Detonieren geworfener Handgranaten der Begleitmannschaften, sowie die trockenen Abschüsse aus den Revolvern. Ein Kugelhagel zerfetzte die Plane seines Renaults und schlug in das Holz der verstärkten Seitenplanken ein, die etwas höher waren als die Benzinfässer. Latour hatte seinen Lastwagen mit einem Blick in den Rückspiegel, sowie einer Handbewegung, die sofort von Custeau gesehen worden war, abgebremst, und beide, der Beifahrer und er brachten sich durch einen Sprung aus dem Fahrzeug, an der Böschung des kleinen Flusses in vorläufige Sicherheit. Auch Custeau lag etwas weiter hinten mit seinem Kumpel im Graben. Jetzt schießen sie auch hinten bei den Légionairen, schrie Custeau, Latour zu. Gleichsam als Antwort kamen sie in den Bereich mehrerer Maschinengewehrgarben, die der Vietminh aus dem Dschungel in ihre Richtung abfeuerte. Alle lagen gepreßt auf dem Boden. Latour hatte seine Mpi unter sich liegen, die Mündung zeigte auf den gegenüberliegenden Dschungel. Das Schießen von Freund und Feind konnte man genau unterscheiden, denn der Vietminh schoss mit russischen oder chinesischen Waffen, die sich im Klang härter anhörten als die eigenen. Nun waren auch die Marokkaner ausgestiegen und schwärmten aus. Aber schon nach kurzer Zeit war niemand mehr von ihnen zu erblicken und Custeau brummte : >Ob die sich endlich entschließen aus ihren Löchern zu kommen ?< Immer wieder hörte man die eng aufeinanderfolgenden Abschüsse und Einschläge des schweren Panzergeschützes, sowie das dumpfe Wummern der beiden schweren Maschinengewehre, wovon jede vierte Patrone ein Leuchtspurgeschoss war, und man daher die Richtung der Geschosse gut verfolgen konnte. Sie spuckten eine Serie von fast sechshundertfünfzig Schuß in der Minute aus ihren Rohren, die klatschend das Gebüsch niedermähten oder trocken in die dicken Urwaldbäume einschlugen, aber sonst keinen großen Schaden anrichteten. Und dann stand plötzlich der Feind, die Vitminh-Truppen auf der Straße. Latour hatte vorher noch eingehend den gegenüberliegenden Dschungelabschnitt beobachtet, und wußte nicht einmal zu sagen, woher die in zwei Gruppen erschienene etwa fünfzig Mann starke Truppe hergekommen war. Sie waren einfach da. Die eine Gruppe hatte sich am fünften Wagen und die andere am vierzehnten Fahrzeug, formiert. Man hörte das deutliche Einschlagen der abgefeuerten Granatwerfer, aber auch der Feind hatte welche eingesetzt und sofort mit den ersten Salven den Panzerwagen so getroffen, das seine Kanone für ein weiteres Abfeuern, stumm blieb. Inzwischen hatten die Marokkaner die erste Gruppe der Vietminh soweit eingekreist, das diese sofort die Hände erhoben und sich gefangennehmen ließ. Ein Gebrüll in arabisch und französisch begleitete die Szenerie. Der Lieutenant, der die Marokkaner kommandierte, befahl einem Teil von ihnen einen weiteren Angriff auf die Rebellen. Diese hatten nun auch den fünften Lastwagen in ein loderndes Flammenmeer verwandelt und ein Benzinfaß nach dem anderen explodierte mit lautem Knall. Custeau kam auf dem Bauch angekrochen und als er neben Latour lag, schüttelte er nur noch mit dem Kopf. -10-
>Zweihunderzwanzigtausend Piaster futsch ! einfach explodiert.< Schon wieder drang mit einer tönenden Stimme ein neues Kommando aus dem Busch, und einige Vietminh stürzten auf den nächsten Lastwagen zu, um auch diesen in Brand zu schießen. Nun kamen sie auch schon auf die Gruppe von Latour zu und Custeau hob seine Maschinenpistole, um auf sie zu feuern. Latour rief ihm zu, dieses zu unterlassen, da man die Brüder nur auf sie aufmerksam machen würde. Nun standen die Viet´s bereits vor Latours Renault. Latour brüllte : >Schmeiß dich hin, du Crétin ! (Idiot)< Burtôn, der Beifahrer von Custeau gab aus seiner Mpi einen Feuerstoß ab, fiel aber während er den Abzug bediente sofort zu Boden, von einer Salve aus der Mpi eines Viet´s tödlich getroffen. Indessen hatte Latour eine Handgranate geworfen, die mitten zwischen den Viet´s explodierte. Einzelne Viet´s krochen auf das Dickicht zu ; manchen sah man an, das sie ein verletztes Bein nachschleppten oder bei einem anderen, wie er mit seinen Händen versuchte, die Eingeweide in seinen aufgerissenen Bauch zurückzudrängen. Die Feuersglut des zuletzt explodierenden Wagens erreichte den Rand des Dschungels und entzündete dort sofort die bereits trockenen Sträucher, und die Flammen zündelten weiter in den Busch hinein, so das ein Funkenregen auf die zu roter Glut gewordenen Sträucher zurückfiel. >Kommt ! Wir hauen hier ab !< Sofort standen sie auf, um weiter, an der Böschung entlang zurückzulaufen. Gerade tauchten die Marokkaner an der Stelle auf, an dem Burtôn tödlich zu Boden gesunken war. Einige Granaten detonierten um sie herum und von allen Seiten zirpten die Geschosse, wie eine Horde wildgewordener Hummeln. Am Ende eines jeden Lastwagen verharrten sie einige Sekunden um den freien Raum zwischen den einzelnen Lastwagen vor sich zu erkunden und den günstigsten Augenblick abzuwarten, um weiter zurückzulaufen. Sie legten auf diese Art und Weise schnell einige hundert Meter zurück. Custeau und die anderen folgten ihnen keuchend, besonders Custeau atmete schwer, bedingt durch sein starkes Rauchen. Plötzlich stand, nur einige Schritte vor ihnen, einer der VietminhRebellen mit einem grünen Helm auf dem Kopf, wo vorne ein gelber Stern aufgemalt war und hell leuchtete. Custeau hob seine Mpi und wollte feuern, doch der Vietnamese war schneller als er, und mit einer Salve mähte er ihn nieder, so das er sofort auf den Bauch fiel. Im Fallen rief er noch >Latour !< Doch als sein Körper den Boden berührte, war er schon im Jenseits angekommen. Latour drehte sich um, und mit einer gezielten Salve, rächte er den Tod seines Freundes. Mit seinem toten Körper deckte der Viet, Custeau´s Leichnam zu. Zum Trauern blieb ihnen keine Zeit, und hastig setzten sie ihren Weg fort. >Kannst du nicht aufpassen wohin du trittst<, sagte plötzlich einer der Fahrer, den Latour vom Sehen her kannte. Es war die brummige Stimme von Blavins. >Leg dich auf die Schnauze, und sieh zu, das Du wieder zum Atmen kommst, du wirst ihn noch brauchen.< Sie lagen hinter einem großen Busch, wo man durch ein kleines Loch, alles so ziemlich überblicken konnte. Angestrengt schaute er zur Straße und rief plötzlich erfreut : >Und das war Nummer dreizehn.....< Es dauerte nicht lange und er schoss erneut eine Salve : >Vierzehn, und Fünfzehn.....< Zu Latour gewandt sagte er : >Wenn das so weiter geht, bekommen ich noch die zwanzig voll, denn da draußen laufen hunderte von den grünen Teufeln herum. Es ist bestimmt ein ganzes Bataillon, was uns angegriffen hat, und alle sind sehr gut bewaffnet und gut gedrillt.< >Weißt du was da vorne passiert ist bei dem Panzerwagen ?< fragte Blavins. >Eine Mörsergranate der Viet´s muß genau in den offenen Turm des Panzers eingeschlagen sein, glaube ich, denn auf einmal hat er aufgehört zu schießen.< >Du blutest ja, bist du verletzt ?< >Ist nicht weiter schlimm. Ein Streifschuß hat mich etwas an der Hüfte verletzt.< Die Verletzung blutete stark, so das ihm das Blut an den Beinen herunterlief. Latour riß einen Streifen von seinem Hemd, entnahm seiner Brusttasche ein steril verpacktes Verbandspäckchen, öffnete es und legte es auf die stark blutende Wunde und wickelte den abgerissenen Streifen um seinen Bauch. Blavins lag schon wieder auf der Lauer. Brummig sagte er zu Latour : >Was die Marokkaner bloß dort vorne machen, die sind sicher am Teppich knüpfen, damit die -11-
Zeit schneller vergeht, anstatt die Viet´s anzugreifen und zu vertreiben.< Latour antwortete : >Soweit ich sehen kann, befinden sie sich da vorne im Nahkampf mit dem Vietminh´s.< >Das hätte mich auch gewundert, wenn das nicht so wäre, antwortete Blavins, aber ich habe heute ihr übliches Geschrei nicht gehört.< >Dafür brüllen die Viet´s um so lauter.< >Da wäre es doch an der Zeit, ihnen das Maul zu stopfen.< >Wo ist dein Wagen, Blavins ?< >Dort steht er doch, bist du blind ?< >Ich habe ihn gar nicht erkannt,< weil die Windschutzscheibe zu Bruch gegangen ist. >Ja.< Die Schweine haben voll mit der Mpi draufgehalten. Hoffentlich ist nicht mehr beschädigt, und ich kann weiterfahren, wenn der Spuk hier vorbei ist. Latour setzte sich neben Blavins und blickte durch das Loch im Gebüsch. Dort erblickte er die junge Vietnamesin in dem blauen Sarong und sah auch ihren alten Citroën, in den die Frau beim letzten Halt eingestiegen war. Blavins bemerkte : >Hoffentlich kommen sie nicht, und schießen auch meinen Truck zu Brei, bisher konnte ich sie ja davon abhalten und schon Einige haben ihr Vorhaben mit dem Leben bezahlen müssen.< >Wo ist denn der Begleiter der bei der Frau war ?< >Den habe ich in den Dschungel laufen sehen, der hatte noch nicht einmal eine Waffe bei sich.< Er schob Latour zur Seite, weil zwei Viet´s sich ganz unbekümmert, nach der allgemeinen Verwirrung, auf der Straße, Blavins Lastwagen näherten, jeder eine brennende Fackel in der Hand. Als er sie voll im Visier hatte, zog er den Abzug seiner Mpi durch, und beide fielen sofort tot um, und die brennenden Fackel entzündeten ihre Uniformen. >Wenn das so weitergeht, bekommen ich auch noch die fünfzig zusammen,< meinte Blavins nach diesem erneuten Erfolg seinen Lastwagen zu verteidigen. Latour versuchte, soweit er zurückblicken konnte, seinen Wagen mit der gelben Plane auszumachen. Soweit er sehen konnte, stand er noch unversehrt in der Kolonne, in der schon manches der Fahrzeuge ein Raub der Flammen geworden war. >Man sieht und hört heute gar nichts von den Légionairen.< Wahrscheinlich wird man die Nachhut von der übrigen Kolonne isoliert haben, denn nach dem Gefechtslärm zu schließen, muß dort hinten allerhand los sein. >Vielleicht versuchen sie nun zu Fuß vorzustoßen,< meinte Blavins. >Das werden bestimmt nicht viele überleben.< >Wer kommandiert eigentlich heute die Légionaire ?<, fragte Latour. >Ich glaube Capitain Orsini, von der 13em D.B.L.É.< >Das ist schon etwas anderes, dann räume ich ihnen bessere Überlebenschancen ein. Ich kenne den Capitain von einem früheren Einsatz her, hier fast in derselben Gegend, wurden wir damals auch überfallen. Liegt aber schon einige Monate zurück.< >Hörst du die 12,7 mm MG´s ? dort von hinten.< >Dort muß es schaurig rund gehen ! Dagegen ist es hier richtig ruhig geworden in den letzten Minuten.< Blavins schaute angestrengt durch das Gebüsch. >Gibt es dort irgend etwas interessantes zu sehen ?<, fragte Latour. >Ja. Dort kommen gerade drei Vietnamesen, und einer von ihnen mit einer großen roten Fahne mit dem gelben Stern in der Mitte<, sagte Blavins leise. Sofort legte Blavins erneut seine Mpi an, nachdem er sich vergewissert hatte, das noch genügend Munition im Magazin war. >Wartet nur, gleich seit ihr im Jenseits bei eueren Kameraden<, sagte er leise zu Latour. >Lass sie doch in Ruhe, du machst ja nur die anderen auf uns aufmerksam.< Diese beschützen ja nur ihre Fahne. Nach einem Augenblick des Nachdenkens, senkte Blavins die Mpi, und sagte : >Du hast recht, lassen wir sie leben.< >Schau mal, wie sauber die angezogen sind, nicht wie sonst in halbzerrissenen Klamotten, sondern in halben Paradeuniformen und wenn ich es genau erkenne, sind diese amerikanischer Herkunft. -12-
>Man könnte sie eigentlich ernst nehmen, wenn sie nicht so schlecht schießen würden, noch schlechter als einige unserer Rekruten, die zum ersten Mal in ihrem Leben eine Waffe in der Hand haben.< >Wir sind ja Zivilisten, und haben nicht all zuviel zu befürchten, wenn man uns nicht mit der Waffe in der Hand antrifft.< >Am besten ist es, wir verziehen uns hier und gehen noch weiter nach hinten.< Von Busch zu Busch arbeiteten sie sich weiter nach rückwärts. Plötzlich hörte Latour, der dem kleinen Zug als erster voran ging, ein leises Flüstern : >Monsieur.....< Es war die junge Frau aus dem Citroën. Hinter einem großen Termitenhaufen hatten sie und ihr Begleiter Deckung genommen. Latour warf sich neben sie. Die Frau hielt die Hand des Mannes, der am ganzen Körper zitterte wie Espenlaub. Es war nicht die Angst, die ihn zittern ließ, sondern bei ihm versagten die Nerven ihren Dienst, und ließen ihn so schlottern. Mehr aus Schamgefühl entzog der junge Mann ihr seine Hand, weil Latour sie beide aufmerksam betrachtete. Nun griffen auch krepierende Artilleriegranaten, abgeschossen von leichten Feldgeschützen der Vietminh in das Gefecht ein, und sofort wurden einige noch nicht beschädigte Lastkraftwagen getroffen und gingen in Flammen auf. >Das müssen mindestens zwei Bataillone sein, die uns hier überfallen haben<, meinte Latour, >wovon sie noch ein Bataillon in Reserve haben, sonst würden sie nicht so massiert auftreten. Wir befinden uns hier quasi zwischen zwei Fronten.< >Was sollen wir tun als uns hier zu verstecken und alles abwarten ?<, meinte die junge Frau. >Sollen wir uns etwa tiefer in den Wald verstecken, oder auf eine Baum klettern.< >Wir werden hier wohl noch eine Weile ausharren müssen, denn wenn wir weiter gehen, laufen wir ihnen direkt in die Arme.< Immer noch zitterte der Mann, so das Latour zu glauben vermeinte, das der Mann herzkrank sei. Plötzlich ein Geräusch, das sie alle aufhorchen ließ. Eine Gruppe der Viet´s, die einige Verwundeten bei sich hatten, kam direkt auf den Termitenhügel zu. Jeden Moment mußte man sie sehen. Latour und auch Blavins hoben schon ihre Maschinenpistolen und hatten den Finger am Abzug. Die junge Frau hinderte sie aber, indem sie ihnen ein Zeichen gab, die Mpi verschwinden zu lassen, denn auch von der anderen Seite näherten sich einige Viet´s. Alle waren schwer bewaffnet und Latour schaute sich in der Runde um, um noch einen Fluchtweg zu entdecken. Inzwischen waren sie aber schon von den beiden sich nähernden feindlichen Gruppen bemerkt worden, und nachdem die junge Frau ihnen auf Vietnamesisch einige Worte zugerufen hatte, senkten sie ihre Waffen, die sie bereits zum Schuß erhoben hatten. Gerade noch im letzten Moment konnten Latour und Blavins ihre Mpi in ein Loch des Termitenhaufen schieben und hastig mit einigen Farnblättern abdecken, als die Vietminh sie erreicht hatten. * Die junge Frau erhob sich. Die angreifenden Vietnamesen brüllten und rings um sie herum hörte man das Geräusch abbrechender Zweige. >Machen sie´s wie ich< und hob die Hände über den Kopf. Ein, wahrscheinlich ein Unteroffizier, trat vor und sagte in reinem französisch : >Bitte geben sie ihre Waffen ab.< >Wir haben keine.< Auf sein Zeichen, durchsuchten einige seiner Soldaten sie alle nach Waffen und fanden außer ein paar normalen Taschenmessern, die ihnen weggenommen wurden, keine. >Bindet sie.< Mit Pflanzenfaser wurden ihnen Hände und Füße gefesselt, jedoch die Füße nur soweit, das sie am Gehen nicht gehindert waren. Der das Kommando führte, er sprach in einem ihnen unbekannten Thai-Dialekt, beorderte fünf seiner Soldaten uns abzuführen, hinein in den Dschungel. Er sagte : >Meine Leute haben den Befehl, Sie alle beim geringsten Fluchtversuch zu erschießen.< >Wohin führen sie uns ?< fragte die junge Frau. >Wir haben nichts getan.....< >Das werden Sie schon noch früh genug sehen.< Weil er ihr verängstigtes Gesicht sah, fügte er hinzu : >Madame, wir töten keine Zivilpersonen und fügen ihnen auch sonst kein Leid zu.<..... -13-
Dann grüßte er mit einem verschlossenem Gesicht und wandte sich ab, nicht ohne den Begleitsoldaten noch einen kurzen Befehl zu geben...... Sie wurden von den Soldaten in die Mitte genommen, und die Verwundeten der anderen Gruppe folgten ihnen, wobei sie von ihren eigenen Kameraden gestützt wurden. Latour meinte : >Lieber wäre es mir gewesen, der Unteroffizier wäre bei uns geblieben.< Dieser war aber mit den neu hinzugekommenden Vietnamesen, die von rückwärts auf sie gestoßen waren, zur Straße zurückgegangen. Rasch gelangten sie immer tiefer in den Dschungel hinein. Der eng geschlagene Pfad durch das Dickicht zwang sie, einer hinter dem anderen zu laufen, und ihre Bewacher trieben sie immer wieder an, nicht Halt zu machen und unterstrichen ihre Befehle, indem sie die Gefangenen mit dem Gewehrkolben in den Rücken stießen. Des öfteren stolperte der ein oder andere, und ganz besonders die junge Frau, die noch ihren hohen Stöckelschuhe an den Füßen hatte, die für einen Dschungelausflug bestimmt nicht geeignet waren. Ihr Begleiter, der junge Franzose, er ging vor ihr, blieb plötzlich stehen, und blieb es auch, als die Bewacher mit dem Gewehrkolben auf ihn einschlugen, um ihn zum Weitergehen zu zwingen. Die Gruppe mit den Verwundeten war inzwischen auch herangekommen und ein brutal aussehender, stämmiger Mann aus dem Volksstamm der Lisu, das sind die Männer aus den nördlichen Reisbergen in Laos, die neben dem Reis auch das Opium anbauen, zog seine Pistole und legte an und wollte ihn erschießen, und meinte : >Was sollen wir Sie erst ins Lager führen, wenn sie doch später erschossen werden.< Da mischte sich der, der die kleine Gefangenengruppe kommandierte ein, und sagte : >Der Sergent hat mir die Order gegeben, die Gefangenen sicher und lebend ins Lager zu bringen, und wenn du jetzt diesen Mann erschießt, werde ich dich auch erschießen. Die anderen Verwundeten knurrten, ergriffen aber für keinen der beiden Partei. Ihre hasserfüllten Blicke ruhten aber auf den drei weißen Männern.< Die junge Vietnamesin wies auf ihre gefesselte Knöchel. Der Wächter, der hinter ihr stand zuckte aber mit den Schulter, bückte sich dann doch und zog ihr die hochhackigen Schuhe aus und warf sie im weitem Bogen ins Gebüsch. Dann hob er ihren Sarong und steckte ihr die Schöße in ihren Gürtel, damit die Beine mehr Bewegungsfreiheit bekamen. Freiwillig, seinen Willen durchgesetzt, setzte sich ihr Begleiter wieder von selbst in Bewegung. Blavins und Latour hatten zu dieser ganzen Geschichte nichts gesagt und waren auch eingehend damit beschäftigt gewesen, heimlich die Festigkeit ihrer Fesselung zu begutachten. Der Trott ging weiter. Zeitweise war der Pfad so schmal, das man von dem am Weg stehenden Gebüsch, mit Dornensträuchern versetzt, ordentlich zerkratzt wurde. Hier und da hielt die ganze Gruppe an, und erst wenn ein Ruf von hinten erscholl, setzte sich die ganze Kolonne wieder in Bewegung. Der Urwald lichtete sich, und sie gelangten auf ein größeres, mit einigen Palmen, Hibuskusbüschen und wilden Bananen bestandenes Plateau. Das hohe, breitförmige Gras mit den messerscharfen Halmen knirschte unter ihren Füßen wie trockenes Heu. An den Bananenbüschen hingen, wie violette Flecken, Blütentrauben, und die am Rande stehenden Büsche und Bäume waren voll hakenförmiger Dornen, die einem im vorübergehen, Hemd und Hose zerrissen. Vögel und Insekten schienen hier ausgestorben zu sein, nur hier und da summten ein paar buntschillernde Hornissen, deren Nester, wie grüne Kugeln in den niedrigen Ästen der Brechnußbäume hingen. Mit jedem Schritt entfernten sie sich mehr und mehr vom Kampfgeschehen. Bald war nur noch die Stille des Dschungels um sie, die nur durch die Tritte der sich bewegenden Menschen gestört wurde. Die Tropensonne brachte sie jetzt zum Schwitzen. Jetzt durchdrang zum ersten Mal der Ruf eines Vogels die Stille, es war das >tahüy< des Goldhuhns, und der Ruf dieses auch hier schon seltenen Vogels, schreckte auch einen Schwarm goldgefiederter Kolibris auf, die in den Blüten der Hibiskusbüsche ihre Nahrung suchten. Der Dschungel schien auf einmal zu erwachen, denn von den hohen Palmen segelten, von Palme zu Palme, mit weit geöffneten Flughäuten, fliegende Hunde durch die Lüfte. Der bisher gegangene Pfad verbreiterte sich, und der Soldat, der die beiden Gruppen anführte, und sich vorhin gegen das Erschießen des jungen Franzosen so gewehrt hatte, befahl, allen Gefangenen die Augen zu verbinden. Sofort, als dies geschehen war, setzte sich der Trupp wieder in Bewegung, jeder der Gefangenen wurde nun von einem vietnamesischen Soldaten, recht oder schlecht geführt, wobei es nicht ausblieb, das der eine oder andere hier und da mal stolperte und dann meistens den Soldaten mit zu Boden riß. Mit Fußtritten und Kolbenschlägen bedankten sich dann meistens die Bewacher bei ihren Gefangenen. -14-
Latour dachte an die junge Frau, von der er bis jetzt noch nicht einmal einen Klagelaut oder Wort der Entrüstung gehört hatte. Er bewunderte ihren Mut. Ihr Begleiter, offensichtlich ihr Mann, rief manchmal ihren Namen: >My-Lie!< Jedes Mal antwortet sie : >Ich bin hier. Bist du schon sehr müde ? Halte durch, wir werden bald dasein. Jedes Mal wurde das Rufen des Mannes mit Drohungen der Wächter beantwortet, die ihn deshalb auch wohl unsanft behandelten. So ging es nun noch Stunden weiter. Die beiden, Latour und Blavins, trotteten den anderen nach, automatisch, die Füße hoch hebend, nur nicht stolpern, denn ein Stolpern hätte wieder einen Stoß mit dem Gewehrkolben bedeutet. Sie schwitzten, und die Haut brannte von den Abschürfungen, die sie sich an den Sträuchern und Dornenbüschen zugezogen hatten. Die Hemden klebten an den Körpern und plötzlich prallte Latour gegen eine Menschenwand, so das viele zu Boden stürzten. Latour war gegen die junge Frau gestürzt, das roch er sofort an dem dezenten Parfümduft, der an ihr haftete. Die Frau war auf ihn gestürzt und er spürte ihre Wange an seiner Haut. Sofort rappelte er sich wieder auf, wobei er, blind durch die Augenbinde, der Frau beim Aufstehen half, so gut er konnte. >Steht auf ihr dreckigen Franzosen !< schrien einige der Bewacher. Der junge Franzose, der Begleiter der jungen Vietnamesin stöhnte mit erstickender Stimme : >Ich kann nicht mehr.....< Dieses hörte die junge Frau, und schrie auf vietnamesisch : >Er kann nicht mehr gehen. Er ist schwer herzkrank. Ihr bringt ihn um wenn er weiter gehen muß!< Latour unterstützte die Frau in ihrer Bemühung um den Mann, und sagte auf Vietnamesisch, so gut er dieser Sprach mächtig war : >Dieser Mann kann mit der Augenbinde unmöglich weitergehen. Nehmt ihm doch die Binde ab und lasst ihn ein wenig rasten.< >Wir haben Befehl, euch mit verbundenen Augen ins Lager zu bringen.< >Wir können den Weg doch ohnehin nicht mehr erkennen, dazu sind wir doch nun schon lange genug blind gelaufen<, mischte sich Latour erneut ein, und erhielt dafür, vom nächststehenden Bewacher, sofort wieder einen Stoß mit dem Gewehrkolben in den Rücken. Die Bewacher diskutierten untereinander, dann mußten sie sich zu etwas entschlossen haben, denn man hörte plötzlich einen Schrei : >My-Lie, hat man dich verletzt !< Im gleichen Augenblick sah auch Latour wieder seine Umgebung, weil man ihm wie auch alle anderen die Augenbinden abgenommen hatte. Nun erst begriff Latour, warum der Begleiter der jungen Frau einen so gewaltigen Schreckensschrei ausgestoßen hatte. Ihr Gesicht war blutüberströmt und ein großer Teil ihres Sarong´s und der weißen Seidenhose war blutverkrustet. >Sie rief ihm zu : >Es ist weiter nichts, ich habe mich vorhin nur an einem Dornenzweig verletzt und dabei die Stirn aufgerissen.< Nachdem Latour den neben ihm stehen Viet gebeten hatte, ihr das Blut aus dem Gesicht zu wischen, nahm dieser die eben abgenommene Augenbinde und wischte ihr damit das schon angetrocknete Blut so gut es ging aus dem verschmierten Gesicht. Er ging dabei sehr behutsam vor, um ihr nach Möglichkeit nicht extra weh zu tun. Durch Zurufen beruhigte Latour den jungen Mann, der besorgt dieser Operation zusah. Nach einigen Minuten des Ausruhens, setzte sich der Zug erneut in Bewegung, dieses mal aber in einer langsameren Gangart. Latour, jetzt wieder sehend können, bemühte sich seine erlittene Verletzung auf dem Marsch zu versorgen. Trotzdem er sich bemühte, soweit es ging einen Druckverband anzulegen an der Hüftverletzung, fing die Wunde aber immer wieder an zu bluten. Eine Blutspur, teilweise schon eingetrocknet, lief bis in seine Schuhe. Das Gelände stieg nun stetig an, und auch der Dschungel wurde mit der Weile spärlicher und machte schließlich einem felsigen Plateau Platz. Zuletzt waren die Bäume immer seltener geworden, man hatte nur noch mickrige, dornige Pandamuspalmen und Strychninbäume gesehen, deren lange, kriechenden Wurzeln sich auf dem steinigen, fast kieselähnlichen Boden, ineinander verknoteten. Der Boden wechselte die Farbe von Schritt zu Schritt, von blau zu rosa, von gelb wieder -15-
ins blaue, wobei der kieselhaltige Boden unter den Schuhsohlen knirschte. Gegen Mittag, erreichten sie das Zentrum des Plateaus, und am Rande begann auch wieder der Dschungel mit sonnenschirmartigen Laubbäumen, sogenannten Benzoebäumen. Ein schmaler Pfad zwängte sich durch das dichte Gebüsch. Um sich vor den peitschenden Zweigen mit ihren Dornen, etwas zu schützen, gingen sie mit gesenktem Kopf und eingezogenen Schultern weiter. Der kieselartige Boden hatte aufgehört und eine dicke verfaulende Blätterschicht bedeckte den Boden. Der Dschungel verdichtete sich immer mehr und wäre der kleine ausgetretene Pfad nicht gewesen, wäre ohne eine Schneise mit den Coup-Coup zu schlagen, es nicht möglich gewesen, den Dschungel zu durchqueren. Keiner sprach ein Wort, denn jeder mußte durch die Anstrengung des Marsches mit seinem Atem haushalten. Auf einmal erscholl ein lauter Ruf von vorne. Die ersten der Bewacher hatten das Camp der Rebellen erreicht. Zuvor waren noch alle einen Abhang heruntergerutscht, der mit gelb blühenden Kurkumabüschen bewachsen war. Vor ihnen tat sich eine große Höhle auf, in die sie von den Bewachern hineingestoßen wurden, die jetzt ihre ganze Spannkraft wiedergefunden hatten. Überall lehnten oder saßen oft wild aussehende Männer an den Höhlenwänden. Alle betrachteten uns neugierig und besonders die drei Weißen und die vietnamesische Frau. An der Höhlendecke hingen einige nackte Glühbirnen die den weiten Raum erleuchteten. Draußen im Vorbeigehen hatten sie ein Dieselaggregat gesehen, das den nötigen Strom, auch wohl für das vorhandene Funkgerät erzeugte. Sie konnten sich alle niedersetzen, doch die Fesselung wurde ihnen nicht abgenommen. Ein junger Vietnamese saß Latour gegenüber und aß aus einer Konservendose und aus einer gleichen Dose trank er etwas. Latour sah in eindringlich an und machte ihm ein Zeichen auch etwas trinken zu wollen. Auf einmal stand der junge Soldat auf und wollte Latour aus seiner Dose etwas zu trinken geben und setzte ihm die Dose an die Lippen. Da erscholl ein lauter Befehl : * >Gebe ihm nichts zu trinken !< Der Junge machte ein verlegenes Gesicht, ging etwas abseits zu seinen Kameraden und setzte sich dort nieder, ohne weiter die Gefangenen zu beachten. Der Sergent, man sah es jetzt auch an seiner Uniform, der das Kommando hatte bei dem Marsch, kam auf die junge Frau zu und fragte : >Ist das ihr Mann ?< und wies mit den Fingern auf den kranken Mann neben ihr. Dieser lag lang ausgestreckt und schwer atmend und röchelnd auf dem Boden der Höhle. >Ist er verwundet ?< >Nein, er ist nur müde, denn er ist schwer herzkrank.< Der Viet sah sich weiter in der Runde um, und betrachtete alle eingehend, und besonders Latour, der noch gegen die anderen frisch und wohlauf war, trotz seiner Verwundung. Als er diese bemerkte, fragte er : >Haben Sie sich verletzt ?< >Ja.< Er rief nach hinten in die Höhle, wo ein paar Kartenspielende Soldaten saßen : >Hon-Bien, machen Sie dem Mann hier einen richtigen Verband.< Der Mann legte seine Karten auf die kleine Kiste die als Kartentisch diente und verschwand im hinteren, dunklen Teil der Höhle, wo kurz darauf eine Taschenlampe aufleuchtete. Der Viet kam mit einer Flasche Wasser und einem Verbandskasten zu Latour, und kniete sich neben ihm nieder und befahl ihm auf vietnamesisch : >Legen Sie sich auf die Seite.< Ohne großes Theater zu machen, löste er Latour den Gürtel seiner Hose und entfernte behutsam den angebrachten Verband, sowie die festgeklebten Hemdfetzen. Ab und zu warf er bei dieser Prozedur einen Blick auf Latour, der ihm aufmerksam zusah, aber kein Sterbenswörtchen sagte. Sachgemäß behandelte er die Wunde, schnitt die zerfransten Wundränder sauber und bestreute das ganze mit Penicilinpulver das er einem Plastikbeutel entnahm mit amerikanischer Aufschrift. Dann legte er einen großen sterilen Mulltampon darauf, den er ebenfalls aus einer sterilen Blechdose entnahm, und klebte das ganze mit Heftpflaster kreuzweise zu. Der Mann von My-Lie hatte sich noch immer nicht beruhigt und rang noch immer nach Luft, und das besonders, nachdem er sich erneut aufgeregt hatte, weil ihm einer der Rebellen ein Gespräch -16-
mit seiner Frau verboten hatte. Der Soldat, der Latour behandelt hatte, ging zurück zu seinen Kameraden um denen beim Kartenspiel zuzuschauen. Aus dem hinteren Teil der Höhle, erklang hier und da mal ein Hustengeräusch. Demnach mußten sich dort im Dunklen auch noch Leute befinden. Latour mußte einige Stunden geschlafen haben, denn als er wach wurde, war der Eingang der Höhle nur noch ein schwarzes Loch. Das elektrische Licht brannte nicht mehr, dafür brannten einige Kerzen, die die Umgebung nur sehr schwach beleuchteten. Die Kartenspieler waren auch verschwunden, nur drei ihrer Bewacher waren noch da, und einer von ihnen legte jedem der Gefangenen eine Reisfrikadelle auf die Knie. Latour ergriff mit den beiden gefesselten Hände seine Portion und führte sie, so schlecht es auch ging, sofort zum Mund und würgte mit großem Hunger die Bissen herunter. Die neben ihm sitzenden My-Lie würgte schwer an ihrer Zuteilung, und erst als er Sie ansah, bemerkte er, das sie und die anderen außer ihm keine Handfesseln mehr trugen. Hatte man ihn vergessen, oder ihm extra die Handfesseln gelassen? Latour hatte schnell seine Ration aufgegessen, doch der Mann von My-Lie würgte an dem Reisklos, so das ihn seine Frau ermutigen mußte : >Eß doch René, auch wenn du keinen Hunger hast, du mußt etwas essen.< Latour wandte sich an einen der Wächter und zeigte auf seine Handfesseln und machte eine Handbewegung, das er durstig sei. Der Soldat nickte und reichte ihm eine Konservendose mit Wasser, die er sofort zum Munde führte und mit einem Zug leerte. Auch den anderen gab der Soldat Wasser, die jeder mit großen Durst tranken. Jetzt kam auch einer der Soldaten mit einem Messer zu Latour und schnitt ihm die Handfesseln durch. Die Palmenfasern hatten ihm tief ins Handgelenk geschnitten und sofort begab sich Latour daran, seine Gelenke zu massieren um das gestaute Blut wieder richtig zirkulieren zu lassen. Einer der Wächter drehte sich aus grobem Tabak eine Zigarre in einem getrockneten Bananenblatt. Als ihn Latour intensiv anschaute, kam der Mann zu Latour, lachte, und steckte ihm die gedrehte Zigarre in den Mund und reichte ihm dazu Feuer. Die zwei anderen schauten dem gelassen zu, wie Latour den Rauch der starken Zigarre, genüßlich inhalierte. Einer der Wächter hatte sich bis jetzt noch nicht gerührt, saß auf einer Kiste und las intensiv in einer Zeitung. Latour rauchte die Zigarre bis zur bitteren Neige und spuckte dann den Stummel weit von sich, wo einer der Bewacher den Stummel mit dem Fuß austrat. Dann schloß Latour die Augen. Es mußte eine ganze Zeit vergangen sein, aber noch immer war es zum Höhleneingang, stockfinster. Neben My-Lie lag jetzt ihr Mann und das Umwechseln mußten selbst die Wächter beobachtet haben, sagten dazu aber kein Wort. Es mußte mitten in der Nacht sein, als ein Gewirr von Stimmen und das Schleifen von Gegenständen auf dem Boden ihn weckte. Jetzt brannte auch das elektrische Licht wieder und im Schein der kläglich brennenden Birnen, diskutierten lebhaft ein paar Dutzend Viet´s. Diese hatten erneut Gefangene mitgebracht, die noch brutaler behandelt wurden als Sie am Tage zuvor. Alle waren dreckverkrustet und einige bluteten aus mehreren Wunden. Doch das alles störte die Vietnamesen nicht sonderlich. Einen der neuen Gefangenen kannte Latour, und sagte : >Ach, du bist ja auch hier ! Ich dachte, du hättest dich davon machen können !< Dafür mußte er einen Fußtritt ins Kreuz hinnehmen, und mit schmerzverzerrtem Gesicht entgegnete er : >Kusch du selber, du dreckiges Affenschwein !< Unter einer Reihe von weiteren Fußtritten wurde er schließlich still, wenn er sich auch mit vorgeschnellten eigenen Fußtritten zuerst gewehrt hatte. Die neu angekommene Gruppe vermischte sich mit der ersten und sie erzählten von den Erlebnissen, die sie beim Angriff erlebt hatte. Einer zeigte dem anderen seine erbeuteten Gegenstände, wie Eheringe, Uhren und andere für sie wertvollen Dingen. Latour entnahm ihrem Gespräch, das sie mehrere Lastwagen, besonders die mit Treibstoff beladenen, in Brand gesteckt, und auch manchen anderen Wagen geplündert hatten. Auch entnahm er, soweit er die in ihrem vietnamesischen Dialekt gesprochene Worte verstehen konnte, das sie mehr als 300 Franzosen getötet hätten. Von diesem Augenblick an wußte er, das sie enorm aufschnitten, und der Prahlgeist, der besonders ihrer Rasse zu eigen war, mit ihnen durchgegangen war. Einer der neu angekommenen Gefangenen erkannte den Begleiter der Frau und sagte zu ihm : >Dein Citroën ist nicht mehr, mein lieber ! Er hat einen Volltreffer bekommen und ist verbrannt.< Die Spazierfahrt habt ihr beiden euch auch wohl anders vorgestellt. Sie lächelte den Mann dankend an, das er es gewagt hatte, ihnen dieses mitzuteilen. Latour sagte dazu warnend : >Seid still, sonst traktieren sie euch wieder mit Fußtritten.< -17-
Mit einem Blick auf die Soldaten, die im Moment mit sich und ihren Problemen selbst genug beschäftigt waren, flüsterten sie alle leise miteinander und tauschten ihre einzelnen Erlebnisse und Befürchtungen gegenseitig aus. Foltern werden sie uns wahrscheinlich nicht, denn außer einen hat man keinen von uns mit der Waffe in der Hand angetroffen. Und es ist schon ein gutes Zeichen, das man den nicht sofort erschossen hat. Ein noch sehr junger Mann meldete sich, und fragte : >Was werden sie wohl mit uns machen ?< >Ich habe ihnen doch nichts getan und meine Familie, die in Nordvietnam schon seit drei Generationen im Land lebt, ist immer gut mit den Vietnamesen ausgekommen, und wir haben ihnen nie ein Leid zugefügt. Die Leute, die für uns gearbeitet haben, haben dieses gerne getan weil wir eine große Familie waren. Und nun wollen sie uns umbringen.< Blavins beruhigte ihn und sagte : >So schnell bringen sie uns nicht um. Wenn, dann hätten sie es sofort getan.< >Wie alt bist du eigentlich ?< fragte Blavins. Er antwortete : >Fast siebzehn.< >Na, bist du nicht zu jung um allein auf der Landstraße zu sein ?< >Ich war bei Verwandten in Saigon in den Ferien.< >Na dich lassen sie bestimmt bald wieder frei<, sagte die junge Frau ermunternd zu ihm. In diesem Moment betrat ein Offizier die Höhle. Bei der jungen Frau hatte die Stirnwunde wieder angefangen zu bluten und das Blut lief ihr in kleinen Bächlein das Gesicht herunter und tropfte auf ihren Sarong. Der Offizier, ein Vietminh-Colonel, trug keinen Helm sondern nur eine einfache Feldmütze. Das Rangabzeichen blitzte an seiner Mütze und seine Uniform schlotterte um seinen hageren Körper. Seine linke Wange war blutverkrustet und das Ohr war nur noch ein zerfetztes etwas. Dieses war im Schein der Glühlampe deutlich zu erkennen. Latour schätzte ihn auf höchstens siebenundzwanzig Jahre und er schien im Zivilberuf nicht über das Studentendasein hinausgekommen zu sein. Seine Hände, der Daumen der linken Hand hatte er am Uniformgürtel eingehakt, zitterten, und schien die welke Hand eines Greises zu sein. Auf vietnamesisch befahl er : >Gruppe zwei, drei und vier von der ersten Sektion, sofort mit Tragbahren bewaffnen und vor dem Eingang warten. Die anderen, die gerade vom Einsatz wieder gekommen sind, legen sich schlafen.< >Sergent Muho.....<, rief er nach hinten zum Höhlenende. Einer der Männer kam aus der Höhle, baute sich vor dem Colonel auf, machte salutierend sein Männchen, und sagte, wenn auch auf vietnamesisch, aber im selben Wortlaut wie bei der französischen Armee es üblich war : >á vôtre service mon Colonel.< Der Colonel tippte als Gegengruß ansein Käppi. >Sobald es hell geworden ist, brechen Sie mit der zweiten und dritten Sektion auf, und marschieren ins Laos-Lager.< >Müssen wir die Weißen mitnehmen, mon Colonel ?< Der Colonel betrachtete die Gefangenen eingehend und überlegte einen Augenblick, indem sein Blick einen Moment länger an der jungen Frau haften blieb. Dann antwortete er: >Gibt es Verwundete unter den Gefangenen ?< >Ja, der eine da, aber der kann gehen.< Der Unteroffizier wies auf Latour, der an der Hüfte verletzt war. >Und ich am Knöchel<, meldete sich Blavins auf vietnamesisch. Der Colonel bückte sich zu ihm und betrachte das Bein von Blavins. >Können Sie damit gehen ?< >Zur Not ja, wenn ihre Leute nicht so rennen wie gestern, und auch öfter mal eine Pause einlegen.< >Man wird ihnen helfen.< Der Colonel wischte sich das Blut von seiner Backe, was immer noch in dünnen Fäden aus der Wunde am Ohr floß. Versuchen Sie nicht zu fliehen, - wie es gestern schon der Sergent gesagt hat , sonst müssen meine Leute Sie erschießen. Man wird sie nicht mißhandeln und das Sanitätspers-18-
onal wird sich sofort um ihre Verletzungen und Krankheiten kümmern, soweit es uns hier möglich ist. Später im Hauptlager werden Sie ärztlich betreut werden, das kann ich ihnen jetzt schon versprechen. Er wollte noch etwas zu My-Lie sagen, wandte sich aber abrupt ab und tupfte erneut, das noch immer laufende Blut an seiner Wange mit einem Tuch ab. Der Offizier wandte sich zum Ausgang der Höhle und der Unteroffizier trat zu den Gefangenen und sagte ihnen auf französisch : >Schlaft erst einmal, bevor wir abmarschieren kümmern sich die beiden Sanitäter um euch, die sind jetzt auch am Schlafen.< Blavins schaute dem nach dem Ausgang der Höhle gehenden Colonel nach und nach den wohlwollenden Worten des Sergenten diesem, der in den hinteren Teil der Höhle ging und sich wahrscheinlich auch noch für den Rest der Nacht auf´s Ohr legen wollte. Blavins grunzte ein wenig und sagte zu Latour, der sich schon auf die Seite gelegt hatte : >Morgen nun werde ich achtundzwanzig und wir können das noch nicht einmal mit einem Schluck begießen.< Latour gab darauf keine Antwort mehr, weil er inzwischen eingeschlafen schien. * Als der Morgen graute, wurden alle, die verwundet waren oder sich krank fühlten, von den zwei Sanitätern behandelt. Draußen vor der Höhle zog der Tag herauf, grau und noch fahl in der Farbe. Man hatte ihnen erneut einen Becher Wasser gereicht und dazu, wie am Vortag eine Reiskugel, die aus halbgegarten Reiskörner bestand. Bald darauf erfolgte der Aufbruch und es ging weiter immer tiefer in den Urwald hinein. Der Wärter, der Latour die Zigarre gegeben hatte, hatte sich dazu verleiten lassen, Latour ein wenig die Fußfesseln zu lösen, und so konnte er sich besser bewegen auf dem mit schleimigen Wurzeln bedeckten, und den sich unter den Fußsohlen zerdrückenden Pflanzen versehenen Dschungelpfad. Latour war der letzte in der Reihe der Gefangenen und vor ihm ging die junge Vietnamesin, die Mühe hatte sich auf ihren, nun schon zerrissenen Strümpfen fortzubewegen, denn ihre Schuhe hatte ja einer der Wächter am Tage zuvor in das Dickicht geworfen. Hinter ihnen folgten einige der Soldaten als Schlußbewachung, denn die beiden Sektionen waren der Truppe schon vorausgeeilt. Die Soldaten unterhielten sich vom gestrigen Angriff, von den gefallenen Kameraden und von einem Lastwagen, der einige tausend Meter Stoffe geladen hatte. Mitunter blieb die ganze Truppe stehen und man hörte von vorne das Schlagen der Coup-Coup, die den Weg von den Lianen und Dornenzweigen befreiten, so das ein passieren des Pfades überhaupt möglich war. Zwei Tage später war der Pfad wieder zugewachsen, so schnell wucherten die Pflanzen hier im tropischen Dschungel. Überall hingen Lianen von den Bäumen, und an den Bäumen kletterten Schmarotzerpflanzen in reicher Anzahl empor. In dem dichtem Gebüsch schwirrten bunte Vögel, und grünliche Tauben und Tropenrebhühner wurden durch den Lärm der Buschmesser aufgescheucht. Langsam lichtete sich der Wald wieder und kurzstämmige Sagopalmen mit flachen kronenartigen Wipfeln sah man im Gelände stehen. Oben in den Kronen, mitten im Spinngewebe von Orchideen umgeben, krächzten Nashornvögel ihr kreischendes >kat-kat<. Langsam verwandelte sich der Weg, der nun stetig bergab ging in einen dicken mit bindfadendünnen Blutegeln bevölkerten Morast und Sumpf, und Kammeidechsen mit gelbrötlichen, langen Schwänzen tauchten in grünschimmernden Pfützen auf. Jedesmal wenn man in ein Wasserloch trat, zuckten die meisten der Gefangenen vor Ekel zusammen, und die begleitenden Wächter quittierten dieses mit spöttischen Blicken. Latour sah den hinkenden Blavins weit vor sich gehen, der sich aber nicht einmal in der ganzen Zeit umgedreht hatte. War er etwa beleidigt, das er ihm heute morgen nicht zu seinem Geburtstag gratuliert hatte ? Er hatte es einfach vergessen, und jetzt auf dem Marsch erinnerte er sich daran. Gegen Mittag wurde Rast gemacht und einer der Wächter, ein schmales Kerlchen, hatte versuchte Latour seine Armbanduhr abzunehmen. Er war ganz ruhig auf ihn zugekommen, hatte sein Armgelenk umfaßt und versucht die Armbanduhr zu lösen. Latour packte ihn mit der Hand und schleuderte ihn von sich, soweit es seine verletzte Hüfte erlaubte, wo der Vietnamese laut jammernd auf dem Boden liegenblieb. Fluchend erhob er sich und wollte erneut auf Latour eindringen, doch ein zugerufener Befehl des Unteroffizier stoppte sein Vorhaben, und er sagte nur : >Denk daran was der Colonel gesagt hat, die Gefangenen werden nicht mißhandelt und schika-19-
niert.< Brummend setzte er sich wieder auf seinen Platz. Den Spott seiner Kameraden mußte er auch noch ertragen, weil diese ihn auslachten, das er sich so dämlich angestellt hatte und nun ohne das begehrte Objekt war, das ihm so ins Auge gestochen hatte. Blavins hatte sich neben Latour niedergelassen mit schmerzverzerrtem Gesicht. >Warum hast du die Sanitäter heute morgen nicht nach dem Fuß sehen lassen ?<, machte Latour ihm Vorwürfe. >Mir graut einfach vor den Kerlen, ich wollte nicht, das sie mich berühren.< >Wenn wir im Lager sind, werde ich darum bitten, das ich deinen Fuß behandeln kann, denn du weißt ja, das ich das kann. Ich habe ja schließlich nicht umsonst einige Semester Medizin studiert.< Er legte sich auf den Bauch, nur das er sein schmerzverzerrtes Gesicht nicht sehen konnte. My-Lie hatte mit ihrem Begleiter jetzt erst ihren, den am Morgen erhaltenen Reisballen verzehrt, und reinigte ihre Zähne mit einem Bambussplitter. Durch ihren von Dornen zerrissenen Sarong sah man ihre goldbraune Haut und auch, das sie vom Kopf bis zu den Füßen mit Schmutz überdeckt war. Wahrscheinlich, weil sie des öfteren auf dem Marsch gestern mit verbundenen Augen gefallen war. Oben vor der Stirn klebte ein Kreuz aus hellrosa Pflaster, das der Sanitäter ihr eben erneuert hatte, wahrscheinlich nur, um Sie berühren zu können, denn er hatte sie mit lüsternen Blicken dabei betrachtet. Kaum das sie sich im dichten satten Gras hinsetzen konnten, begann die Jagd auf die Blutegel, die sich bei jedem, mehr oder weniger, an den Füßen und Beinen festgesaugt hatten. Die meisten dieser Quälgeister hatte sich schon mit Blut vollgesogen und hingen wie kleine Trauben an der Haut. My-Lie, die Latour bei dieser Tätigkeit beobachtete, verzog jedes Mal, wenn sie einen der vollgesogenen Egel entfernte, voller Ekel ihr Gesicht, und er sah auch zum ersten Mal, das sie reichlich mit Schmuck behangen war, den ihr bisher keiner weggenommen hatte. Neben ihr, an einer Schwertakazie gelehnt, saß ihr leichenblaßer Mann mit geschlossenen Augen. Ab und zu hielt sie in ihrer Tätigkeit inne, und streichelte mit ihrer Hand über sein Gesicht. Dabei öffnete er jedes Mal die Augen und lächelte ihr gequält zu. Nach einer reichlichen Stunde gab der Sergent den Befehl zum Aufbruch. * Die Nacht brach herein, als sie das zweite Camp der Rebellen erreichten, die Stunde wo die ersten Fledermäuse ihren nächtlichen Flug aufnahmen, die nun schon kreuz und quer durch den nächtlich werdenden Himmel huschten, auf der Jagd nach Insekten. Selbst den Soldaten war der heute fast zehnstündige Marsch schwergefallen, denn sie hatten neben ihren Waffen auch noch die reichlich erbeuteten Gegenstände zu tragen. Kurz bevor man das Camp erreichte, war Blavins mit einem Sprung im Dickicht verschwunden und hatte sich fest an den Boden gepreßt, als Latour vorbeiging. Von den Bewachern war diese Flucht zuerst nicht bemerkt worden. Blavins war deshalb die Flucht gelungen, - der ganze Trupp war stehen geblieben -, weil einer der Soldaten eine riesige Eidechse, einen großer Waran, gefangen hatte, diesen tötete um ihn mitzuschleppen, weil das Fleisch dieses Tier, eine Delikatesse sein sollte. Als man nun weiter marschieren wollten, bemerkte man das Fehlen von Blavins und entdeckte ihn bald darauf im Dickicht liegend. Nun wurde er wieder an Händen gefesselt und die Fußfesseln wurden auch erneuert, so das er in seiner Bewegungsfreiheit, - noch dazu mit dem verwundeten Fuß -, noch mehr eingeschränkt war. Als sie Blavins im dichten Busch entdeckt hatten, wollte einer der Bewacher auf ihn schießen und hatte sein Gewehr auch schon auf ihn angelegt. Der Sergent rief ihm aber zu : >Nein, lass ihn in Ruhe !< Blavins mußte seinen Platz jetzt direkt vor einem der Bewacher einnehmen, der ihn nicht mehr aus den Augen ließ, bis sie im Camp angelangt waren. Auf dem Weg ins Camp hatte der ihn extra bewachende Soldat in einem sehr schlechten französisch zu ihm gesagt : >Wir nicht schlecht, dir tun....., Du wissen, der Krieg.....< Weil er wahrscheinlich keine Worte mehr fand, ihm dieses zu sagen, war er verstummt. Einer, ihnen entgegenkommenden Patrouille erzählten sie vom gestrigen Angriff und verdoppelten dabei die entstandenen Verluste, die die Franzosen erlitten hätten. Was würden Sie in einigen Monaten erzählen? Dann würden die Verluste dieses Angriffs größer sein, als der bisherige Krieg gekostet hatte, der seit Ende des 2. Weltkriegs herrschte. -20-
Auch My-Lie hatte das Aufschneiden der Soldaten mitbekommen, sagte aber nichts dazu, weil sie die Mentalität ihrer Rasse kannte. Sie bemühte sich immer intensiver um ihrem Mann, der von Schritt zu Schritt, je näher sie dem Camp kamen, immer hinfälliger wurde und matter wurde und daher die letzten Schritte nur noch taumelte, so das einer der Bewacher ihm unter die Arme greifen wollte, nachdem ihm der Sergent dazu abkommandiert hatte. Dagegen wehrte er sich aber, und wies ihn mit Entschiedenheit zu Seite und ging jetzt, mit gesenktem Kopf taumelnd den Dschungelpfad entlang. Dieses Lager, was sie nun erreicht hatten, lag völlig vom Wald eingeschlossen auf einer Lichtung. Es bestand aus Stroh- und Bambushütten, und diese duckten sich unter einigen riesigen Feigen- und Kapokbäumen. Das übrige freie Gelände bestand aus hohen Farnkräutern und Elefantengras, das so hoch stand, das man einen erwachsenen Mann, der sich dort verbarg, nicht hätte entdecken können. Die Gefangenen wurden einzeln oder zu zweit, in eine dieser Hütten eingesperrt und eine dicke eiserne Kette mit einem Vorhängeschloß riegelte das ganze von der Außenwelt ab. Eine Tür schlug hinter Latour zu, und er befand sich allein in einem Raum der nicht größer als fünf Quadratmeter war. Dieses hatte er bald durch tasten, auf den Knien kriechend, auf dem festgestampften Lehmboden, erkannt. Aufrecht stehen konnte er nicht gut, dafür war die Hütte zu niedrig, denn als er aufstehen wollte, knallte er mit dem Kopf an das Dach und holte sich eine kleine Beule. Er nahm auf dem Boden Platz und entledigte sich seiner Sandalen. Noch immer quälten ihn einige Blutegel, die er nun, so gut er sie in der Dämmerung ertasten konnte, die weiche quabbelige Masse zwischen die beiden Fingern nahm und mit einem Ruck von der Haut abzog. Mit der Sohle seiner Sandale zerdrückte er sie dann auf dem Boden. Er hatte erst Ruhe, als er den letzten Egel entfernt hatte, der schon fast bis zum oberen Teil des Oberschenkels gewandert war. Erst dann wollte er sich Ruhe gönnen und sich gerade auf die Seite legen, als er eine Bewegung aus dem Nebenraum vernahm. Er sagte : >Ist dort jemand ?< >Wer sind Sie ?< >Man hat mich, und meine Frau, mit ihnen gemeinsam gefangengenommen.< >Ach, Sie sind es.< >Ist ihre Frau auch bei ihnen ?< >Nein. Ich weiß nicht wohin man sie gebracht hat. Nachdem wir im Camp angekommen sind, hat man uns sofort voneinander getrennt.< >Befindet sich neben ihnen noch eine andere Hütte ?< >Nein, ich glaube nicht.< Latour versuchte zu schlafen, und suchte in dem kahlen Raum nach einer Erhöhung im Boden, worauf er seinen Kopf legen konnte. Als er schließlich nichts fand, lehnte er den Kopf gegen die Bambuswand, die durch den Druck fürchterlich quietschte wie ein abgestochenes Schwein. Nebenan hörte er Brujeré sich geräuschvoll bewegen. Offensichtlich entfernte er auch die an ihm haftenden Blutegel, denn hier und da konnte man ein Stöhnen und schweres Atmen nicht überhören. Im Camp herrschte Schweigen, nur die üblichen Geräusche des Urwalds waren zu hören. Aus der Ferne hörte man einen Schrei, der wie der Ruf eines Tigers klang. Ja hier in den wilde Orchidee (Bild 175) Orchiedee -21-
Bergen sollte es noch wilde Tiger geben, fiel Latour ein. Stunden vergingen. Übermüdung und ein leichtes Fieber, wahrscheinlich von der Verwundung herrührend, ließen ihn endlich einschlafen, nicht bevor er sich so gut er konnte offenen Hautstellen am Körper abgedeckt hatte, denn hier schwirrten lustig die Moskitos herum. Solange er noch wach war, schlug er mit der Hand nach ihnen, aber schnell hatten sich wieder welche auf der offenen Haut niedergelassen. Von nebenan hörte er noch immer Brujeré und dann glitt er in den Schlaf über..... Als er erwachte, war heller Morgen, dessen Sonnenstrahlen, durch die Ritzen der Bambusstangen in Latours Gesicht kitzelten. Durch diese Spalten zwischen den Bambusstangen konnte er auch die Umgebung des Camp beobachten. Nebenan stöhnte und röchelte Brujeré. Auch in der Nacht hatte er des öfteren schwer gehustet, so das Latour mehrmals davon erwachte, aber immer wieder nachdem er eine Weile wach gelegen hatte, wieder eingeschlafen war. Die Moskitos hatten ihm in der Nacht zu schaffen gemacht, denn er fühlte in seinem Gesicht lauter Beulen und auch die ungeschützten Arme und Beine waren voller roter Flecken und juckten wie verrückt, und hier und da bildeten sich einige kleine Wasserblasen. Er untersuchte seine Hüftwunde und mußte feststellen, das der daraufliegende Tampon, blutverkrustet war und sich wie eine Stahlmanschette anfühlte. Den zuvor gelösten Gürtel, um nach der Wunde sehen zu können, schnallte er wieder um seinen Leib, denn so hatte der Verband besseren Halt. Dann rief er nach nebenan : >Brujeré ?< Der antwortete mit, >Ja.< >Wie geht es ihnen ?< Blöde Frage. >Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugemacht. Zuerst habe ich die Blutegel entfernen müssen und dann haben mich diese gräßlichen Moskitos nicht zur Ruhe kommen lassen. Mein Körper ist ein einzig großer Stich von den verdammten Biestern.....< Damit hatte er wohl ein wenig übertrieben. >Haben Sie schon einmal Sumpffieber oder Malaria gehabt?< >Ja sicher. Ich merke, das ich bald wieder eine bekomme, nach dieser Nacht.< Sah er die Zukunft nicht all zu finster mit seiner Ahnung ? Latour selbst fühlte die kleinen Stiche der Moskitos jetzt an allen Körperteilen die sie erreicht hatten. Warum mußte er auch immer so leicht bekleidet fahren. Hätte er sich, für den Aufenthalt im Urwald entsprechend bekleidet, hätte er jetzt nicht mit den Moskitostichen zu kämpfen. Aber wer hatte bei der Abfahrt in Saigon auch an so etwas gedacht, und das auch noch bei der schwülen Hitze. Auf einmal jammerte Brujeré von nebenan : >Ich glaube ich habe schon Fieber.....< >Was die dreckigen Viet´s wohl mit uns machen werden ?< Latour antwortete nicht, denn durch den Ritz in der Bambuswand beobachtete er den vor ihm liegenden Platz, der inmitten der Stroh- und Bambushütten lag. Neben einigen Soldaten, die in üblicher Art mit vor ihrem Körper hängenden Armen auf dem Boden hockten, und die aus getrockneten Reisblättern und mit groben Tabak gefüllten - wie bei den Russen der Machorka-Tabak -, Zigarren rauchten, sah er noch einige ältere Frauen in seinem Blickfeld. Diese Frauen waren bäuerlich gekleidet -, die Stoffhosen die sie trugen, waren aus schwarzglänzendem Kaliko, die halblang bis zu den Waden reichten - und als Haarschmuck trugen alle einen Dutt. Aus einem flachen Bau trat eine jüngere Frau heraus und rief den Soldaten etwas zu. Diese erhoben sich und betraten das Gebäude, aus dem lautes Stimmengewirr ertönte als die Tür sich geöffnet hatte. Neben diesem flachen Bau befanden sich drei weitere kleinere Hütten und aus einer dieser kam nun eine junge Frau, bekleidet mit einem Militärhemd der französischen Armee und einer Hose, wie sie die Parachutisten im Kampfeinsatz trugen, also eine Hose im Tarnlook mit vielen Taschen. Sie hockte sich am Stamm eines Kapokabaums nieder, holte aus einer ihren vielen Taschen ein Zigarettenpackung und steckte sich mit einem Feuerzeug eine Zigarette an. Ihr Aussehen, mit den geschlitzten Augen war eher das einer Chinesin, sie mußte daher wohl aus dem hohen Norden Vietnams stammen. Die erste Zigarette hatte sie noch nicht ganz geraucht, da griff sie schon nach der nächsten und zündetet diese an der noch brennenden an. Versonnen saß sie unter dem Baum und träumte wohl von irgend etwas Angenehmes, denn hin und wieder flog ein Lächeln über ihren sonst strengen Gesichtsausdruck. Brujeré nebenan hustete und röchelte noch immer, und als er sich ein-22mal selbst unterbrach, sagte er laut :
>Ich habe fürchterlich gefroren in der letzten Nacht, sie auch ?< Latour, noch immer die Frau beobachtend, brummte zurück : >Ja. Ich auch.< Plötzlich stand die Frau auf und schloß sich einem Trupp Soldaten, der gerade den flachen Bau verließ an, aus dem eben das Stimmengewirr kam, als dessen Tür geöffnet wurde. Sie folgte den Soldaten wie im Watschelgang einer Charlie Chaplin-Figur, und das Seitengewehr hüpfte dabei, wie wild auf ihrem wackelnden Po. Nun nahm Latour zum ersten Mal bewußt ein dumpfes Vibrieren war, das aus der Erde zu kommen schien. Gleich darauf ein zweites und sofort darauf ein drittes mal. Latour bückte sich und legte das Ohr auf den Lehmboden. Ein starkes Summen konnte er aus dem Boden kommend vernehmen. Offensichtlich befand sich Unterirdisch eine Werkstatt wohin eben die Soldaten die aus dem flachen Bau kamen, gegangen sind. Wo waren die anderen ? wo war die Frau von Brujeré ? Man hörte plötzlich schrilles Schreien und Brujeré murmelte mit angsterfüllter Stimme : >Da wird jemand geschlagen. My-Lie, murmelte er leise<, und dachte wohl an seine Frau. Latour beruhigte seinen Nachbar : >Das war die Stimme eines Mannes, das war nicht ihre Frau.< Das Schreien erklang, es hatte geklungen wie die Laute eines geschlagenen Tieres. Die Frauen, die er eben schon gesehen hatte, erschienen erneut vor der Hütte und als sie das Schreien vernahmen, schauten sie sich nur wissend an und tuschelten daraufhin lebhaft miteinander. Das öffnen einer Tür schreckte Latour aus seinen Beobachtungen auf. Ein barscher Befehl in vietnamesischer Sprache befahl den in dem Nebenraum hockenden Brujeré, mitzukommen. Bis sie hinter die Feigenbäume seinen Blicken entschwanden, konnte sie Latour von seinem Beobachtungsplatz aus verfolgen. Er sehnte sich nach frischem Wasser, als er an seinem mit Dreck überkrusteten Körper herunterschaute. Hauptsache sie lassen uns nicht verdursten, wenn es auch zum Waschen nicht reicht. Auf seine Uhr schauend, zeigte diese gerade die zehnte Morgenstunde an. Nun belebte sich die Lichtung vor ihm. Vor ihm stellte sich eine Reihe Soldaten auf, die von einem Unteroffizier angebrüllt wurden. Man machte einige Gymnastikübungen, um die Glieder ein wenig zu lockern. Einige der Soldaten waren mit sprühendem Eifer bei der Sache und andere schienen diese als lästige Beschäftigung empfinden. Bald glänzten alle Gesichter, außer die des Unteroffiziers von Schweiß. Auf dem Boden liegend vernahm er nun deutlich das Vibrieren des Bodens, und er dachte, was werden die da wohl fabrizieren ? Etwa Waffen und Munition ? Wohin hatte man Brujeré geschleppt ? Alle diese Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Es war mehr als eine Stunde vergangen als man My-Lie´s Mann, Brujeré, zurückbrachte. Man trug ihn mehr als er sich selber fortbewegte und mit einem Kolbenstoß stieß man ihn in seinen Raum. Nun öffnete man seine Hütte und forderte ihn mitzukommen. >Folgen Sie mir !< Latour fragte ihn auf vietnamesisch : >Di Dao ?< (Wohin) Mit dem Gewehr zeigte der Soldat die Richtung an und Latour setzte sich sofort in Bewegung. Mit schußbereitem Gewehr ging der Soldat zwei Schritte hinter ihm her. Hinter den Feigenbäumen gab es noch einen zweiten, weit größeren Platz. Am Rande dieses Platzes standen ein paar auf Pfählen gebaute Hütten, unter einigen Arakapalmen und Guavabäumen. Vor der Tür einer dieser niedrigen Hütte blieben sie einen Augenblick stehen, nachdem der Soldat, durch die Bambustür sie rufend angemeldet hatte. Es dauerte eine Weile bis von innen eine Aufforderung zum Eintreten erfolgte. Latour hätte sich bald beim Eintreten an der niedrigen Tür den Kopf gestoßen, denn alles war hier bei den Viet´s, wegen ihrer kleinen Körperstruktur, kleiner zugeschnitten als es in Europa üblich ist. Im Raum, hinter dem Schreibtisch saß ein kleiner, dicklicher Offizier der mit einer Felduniform aus französischen Militärbeständen bekleidet war. Neben seinem Schreibtisch stand ein kleinerer Tisch an dem ein Soldat Schreibarbeiten erledigte. Der Offizier winkte ihn näherzutreten, und der ihn begleitende Soldat blieb mit entsichertem Gewehr hinter ihm stehen. Der Offizier fragte : >Sie heißen ?< >René Latour<, antwortete er. -23>Sind sie Tansportunternehmer ?<
>Nein , ich bin Arzt.< Der Offizier, der bislang mit seinem Füllfederhalter gespielt hatte, legte diesen zur Seite. Er war, wie die meisten Viet´s, die er bisher hier gesehen hatte aus dem Norden. Das sah man an seinen schräg stehenden Augen, die das chinesische Blut in seinen Adern durchkommen ließ. Seine Fragen waren barsch und seine verkniffenen Augen sprühten hasserfüllte Blicke. Überrascht von der Antwort Latours wiederholte er. >Sie sind Arzt ?< >Ja ich war auf dem Weg zu meiner neuen Stellung in Nord-Laos.< Diese Lüge ging Latour leicht über die Lippen, denn er hatte ja einige Semester Medizin studiert, und versprach sich von seiner Lüge einige Vorteile, solange man ihn gefangenhielt. Außerdem brauchte seine wahre Identität hier nicht bekanntzuwerden und um seinen ausgeführten Beruf wahrheitsgemäß bekanntzugeben. >Sie fuhren doch den Lastwagen mit dem Kennzeichen G.C. 334, als man Sie gefangennahm, oder irre ich mich da ? Monsieur Latour.< >Nein, Sie irren, oder man hat ihnen etwas Falsches berichtet, denn ich saß im Wagen eines Bekannten, Monsieur Custeau, der bei dem Überfall getötet wurde.< Der Soldat am kleinen Schreibtisch führte eine Art Protokoll und schrieb alles Gesagte mit. Zwischendurch schaute er den Offizier an um sich die Bestätigung geben zu lassen, das alles gesprochene genauso niedergeschrieben werden sollte. Der Offizier, ein noch junger Mann, wahrscheinlich im Range eines Capitain betrachtete Latour mit einer unverschämten Feindseligkeit. >Wann und in welcher Stadt von Laos haben Sie praktiziert ?< >In Pak Bena, im Norden, bis vor einem Jahr.< >Als Zivilarzt ?< fragte der Capitain ihn ironisch.< >Ja. Bei ihrem guten Informationsstand, können Sie das leicht nachprüfen lassen und kontrollieren.< Latour konnte diese Lüge mit ruhigem Gewissen machen, weil er wußte, das in dem kleinen Ort niemand mehr am Leben war, nachdem die Rebellen diesen Ort vor wenigen Monaten von der Bildfläche hatten verschwinden lassen. >Na, wir werden sehen.< Etwas ratlos, entsprechend dieser präzisen Antwort senkte er den Kopf und hob ihn ruckartig wieder an um zu fragen : >Wieso waren Sie denn bewaffnet, als man Sie gefangennahm ?< Das war eine plumpe Falle. >Ich hatte keine Waffen. Der Unteroffizier der mich gefangennahm, wird das bezeugen können.< Mit ihnen wurden Madame und Monsieur Brujeré gefangengenommen. Woher kannten Sie die beiden ? >Ich bin mit den beiden, als wir in den Dschungel vor dem Beschuß zurückgewichen sind, zum ersten Mal in meinem Leben zusammen getroffen. Ich selbst habe Madame Brujeré eine Stunde bevor wir überfallen wurden, bei einem Stop im letzten Dorf nur kurz vom Weitem gesehen.< >Wie hieß der Fahrer, den Sie begleitet haben wollen ?< >Custeau.< >Holen Sie mir die Akte dieses Custeau !< schnauzte er den neben ihm sitzenden Soldaten an. Der Soldat erhob sich, öffnete einer der vielen Aktenschränke. Mit einem rosa Aktenordner kam er zurück und legte diesen vor seinem Capitain auf den Tisch. >Wo haben Sie Custeau kennengelernt ?< >In Saigon.< >Sie haben in Saigon gewohnt ?< >Ja. Aber nur in den letzten Wochen, seit meiner Rückkehr aus Frankreich, wo ich ein halbes Jahr Erholungs-Urlaub bei meinen Eltern gemacht habe. Ich hatte mir hier Sumpffieber und Malaria geholt, und die mußte ich auskurieren. >Seit wann sind Sie in Indochina ?< Wenn ich das letzte Jahr nicht mitrechne, gut drei Jahre, log Latour weiter. >Weshalb sind Sie nach Indochina gekommen ?< >Um die Tropenkrankheiten besser kennenzulernen und zu studieren< >Wo haben Sie studiert in Frankreich?< >An der Sorbonne in Paris von 1937 - 1942< -24>Haben Sie schon in Frankreich praktiziert ? Waren Sie jemals Soldat ?<
>Nein. Dazu haben uns die Nazis keine Zeit gelassen.< >Sprechen Sie unsere Sprache ?< >Einige Worte, zur allgemeinen Konversation, nur.< >Woher haben Sie ihre Sprachkenntnisse?< >Hauptsächlich von den Patienten und meiner vietnamesischen Sprechstundenhilfe in Laos.< Der Soldat schrieb das alles im Protokoll auf, und der Capitain drehte vor lauter Enttäuschung den Aktendeckel von Custeau zwischen seinen Fingern. Er sagte dabei kein Wort, bis er doch schließlich sagte, Sie können für jetzt gehen, wir werden ihre Angaben sorgfältig überprüfen. Wehe wenn Sie uns an der Nase herumgeführt haben....., dann werden Sie es ausbaden müssen. Mit einem Wink bedeutete er den Bewacher, ihn abzuführen. Brujeré hatte mich wohl schon sehnsüchtig erwartet, denn sogleich als der Posten weggegangen war, fragte er : >Nun wie war es, was hat er alles gefragt ?< Latour schwieg, solange bis er sich vergewissert hatte, das der Posten nicht irgendwo auf der Lauer liegen würde, um zu horchen. Latour näherte sich der Trennwand zu Brujeré und sagte sofort : >Sprechen sie leise. Es ist möglich, das man uns belauscht.< Brujeré hauchte nur ein leises : >Ich verstehe. Was hat man Sie alle gefragt ?< >Was man bei der Polizei alles gefragt wird, Alter, Beruf, Lebenslauf.....Und wie war es bei ihnen ?< >Mir hat man nicht glauben wollen, das ich wegen eines säumigen Kunden diese Reise unternommen habe. Man hat mich sogar gefragt, warum ich My-Lie geheiratet habe. Ich habe ihnen geantwortet, das ich Sie in Frankreich kennengelernt, und mich unsterblich in Sie verliebt, und dann mit ihr nach Indochina zurückgegangen wäre. Zuvor hätten wir dann geheiratet. < >Auch nach ihnen hat man sich bei mir erkundigt, ob Sie eine Waffe gehabt hätten und ob Sie Fahrer gewesen wären. Ich habe ihnen beides mit Nein beantwortet.< >Hat man Sie geschlagen ?< >Nein, nur mit dem Gewehrkolben gestoßen, wenn ich mit einer Antwort gezögert habe.< >Ich habe auch gesagt, das ich Sie vorher nie gesehen, noch gekannt habe, bis eben bei der Gefangennahme.< Ich habe ihnen gesagt, das ich Sie auf der Straße nur bei den Fahrern gesehen hätte, >spielt das für Sie eine große Rolle ?< >Nein, keine große ! Ich bin nämlich Arzt, und das scheinen Sie mir nicht zu glauben.< Einen Augenblick blieb es still auf der anderen Seite, und schließlich fragte Brujeré von der anderen Seite : >Sind Sie wirklich Arzt ?< >Ja. Ich war in Pak Bena im Nordlaos praktizierender Arzt, bis vor kurz einem Jahr. Man wird sich jetzt wohl danach erkundigen, ob ich Sie nicht belogen habe.< Die letzten Worte hatte er lauter gesprochen wie vorher, denn Latour rechnete immer noch damit, das man ihr Gespräch belauschen würde. Wo hat man meine Frau bloß eingesperrt ? Auf meine Frage hat man mir nur geantwortet : Es geht ihr gut, antwortete Latour in etwas tröstend. >My-Lie ist so sensibel. Sie stammt aus einer reichen Kaufmannsfamilie in Saigon und ist weitläufig mit dem alten chinesischen Kaiserhaus verwandt.< Latour merkte sofort, das Brujeré hier etwas aufschnitt, denn seine Frau hatte so gar nichts an sich, was diese Mitglieder der sogenannten Bourgeoisie an sich hatten. Nach seiner Ansicht mußte Sie in dem schlammigen Flußdelta des Mekongs geboren sein und in irgendeiner der elenden Reishütten das Licht der Welt erblickt haben. Dazu bemerkte Brujeré noch : >My-Lie war es in Saigon zu langweilig - nachdem wir so ruhig dort gelebt haben -, geworden, und deshalb, um ihr ein wenig Abwechslung zu bieten, habe ich Sie auf diese Reise mitgenommen. Das die Straßen so unsicher sind, habe ich nicht gewußt, sonst wäre ich nicht gefahren. Anschließend wollten wir ein paar Tage an die See fahren.< Als Indochinesin mußte My-Lie über die gefährliche Nordstraße Bescheid gewußt haben. Warum log Brujeré ? Nach einer Weile des Schweigens, sagte Brujeré : >Ich glaube meine Temperatur steigt, ich bekomme bestimmt Fieber. Wenn ich nur meine Chi-25-
nintabletten aus dem Wagen mitgenommen hätte, dann wäre mir schon etwas wohler. Hoffentlich gibt man uns für die kommenden Nacht eine Decke, denn in der letzten habe ich fürchterlich gefroren.< Das konnte er sich doch schon jetzt denken, das die Viet´s überhaupt nicht daran dachten, ihnen Decken zu geben. * Latour bezog wieder seien Beobachtungsposten an der Außenwand. Im Augenblick rührte sich draußen nichts, und er nickte, mit dem Kopf an der Wand gelehnt, einen Augenblick ein. Es mußte wohl das Summen und Vibrieren, das aus der Erde kam gewesen sein, was ihn nach kurzem einschlummern, wieder weckte. Wie lange würde man Sie hier im Lager festhalten ? Brujeré würde man wohl bald entlassen. Man brauchte ihm nur ins Gesicht zu schauen, da konnte man sehen, das er mit dem Krieg nie etwas zu tun gehabt hatte. Mit seiner Frau, My-Lie war das etwas anderes. Sie war bestimmt nicht die kleine behütete Frau, für die sie sich ausgab. My-Lie würde auch niemanden gebrauchen, der je auf Sie aufpassen müßte. Sie würde sich immer durchbeißen. Außerdem war da auch noch dieser unangenehme Lagerkommandant, der Sie alle bisher verhört hatte. Er war einer derjenigen Tonkinesen, die für alles Unrecht was sie bisher ertragen mußten, andere büßen lassen, nur um sich zu bestätigen und zu rächen. Jeder andere hätte seinen Revolver gezogen und diesen sprechen lassen, er aber wollte seine sichtbare Rache haben und diese bis ins letzte auskosten. Auf seinem Beobachtungsposten sitzend, sah er nun einen Soldaten, in jeder Hand einen Eimer, über den Platz kommend, näherte sich der Tür zu Latours Behausung. Er öffnete die Tür und der warf ihm eine Reisballen zu, den Latour noch so eben auffangen konnte. Dann reichte ihm der Soldat eine gefüllte Konservendose mit Wasser, schloß die Tür wieder sorgfältig und wiederholte die Prozedur nebenan bei Brujeré. Dieser fragte den Soldat auf französisch : >Gibt es kein Waschwasser ?<, und dann noch, ich brauche Chinin.< Offenbar hatte ihn der Soldat nicht verstanden, denn er schloß den Käfig, anders konnte man dieses Loch nicht bezeichnen, und entfernte sich, um an einer der anderen Hütten seine Arbeit weiter zu fortzuführen. Latour aß ein wenig von seinem Reißkloß und mußte feststellen, das man den Reis nicht genügend gegart hatte, denn die Körner knirschten noch zwischen den Zähnen. Nebenan, sagte Brujeré : >Ich habe überhaupt keinen Appetit<, trank dafür aber fast seine ganze Konservendose leer. Latour rief ihm zu : >Sie müssen etwas essen, damit Sie bei Kräften bleiben.< >Ich habe einfach keinen Hunger<, war die Antwort. >Sie müssen sich zwingen, denn man weiß nicht, wie lange man uns hier festhält.< Auf einmal verstummt auch das Summen der Maschinen und das Vibrieren im Erdboden. Vor dem niedrigen Bau erschienen jetzt einige Frauen, und im gleichen Moment erklang ein Gong und diese Frauen und einige Soldaten, die Latour nicht vorher gesehen hatte, stürmten zur Kantine, die wohl mit dem Gongschlag geöffnet wurde. Latour kaute noch immer an seinem Reisballen. Nun hörte er von nebenan, das auch Brujeré von diesem Reisballen aß, denn hier und da hörte man ihn, weil er einige harte Reiskörner oder Steinchen die sich im Reis befanden ausspuckte, fluchen. Schließlich fragte er von nebenan : >Schlafen Sie ?< >Nein, antwortete Latour.< Brujeré fragte weiter, - es klang irgendwie bedrückt - : >Ich kennen noch nicht einmal ihren Namen.....< >Ich heiße Latour.....René Latour.< >Sie sind also auch der Ansicht, das man meiner Frau nichts angetan hat ?< Sicher nicht. Oder hat sich ihre Frau gegen die Interessen der Rebellen gestellt?< >Nein - nicht das ich davon wüßte.< Dieses >Nein< erfolgte aber zögernd, als wolle er etwas verbergen. -26-
Latour legte sich auf die Seite, um in der dumpfen, brütenden Hitze etwas zu schlafen, denn man konnte ja nie wissen, was die nächsten Stunden alles bringen würden. Die Mittagszeit mußte, nach dem Stand der Sonne zu rechnen, vorbei sein, als Latour aus seinem Schlummer erwachte. Seine Wunde an der Hüfte schmerzte ihn, und vermutlich hatte er sich im Schlaf auf die verwundete Seite gelegt. Der bereits dick mit Blut verkrustete Verband war wieder etwas mit frischem Blut getränkt. Er langte nach der noch halbgefüllte Konservendose und trank einen kleinen Schluck, immer etwas sparsam, denn man wußte ja nicht, wann es das nächste Mal etwas neues zu Trinken gab. Er bezog erneut seinen Beobachtungsposten und erblickte auf dem weiten freien Platz einen Reihe Soldaten, die einem in ihrer Mitte sitzendem Ausbilder gespannt zuhörten. Da dieser Ausbilder sich der französischen Sprache bediente, aus der man, so meinte er es zu verstehen, den slawischen Akzent heraushörte, - wahrscheinlich ein Russe -, konnte Latour alles verstehen. Er erklärte den Soldaten ein Maschinengewehr, offensichtlich russischer Bauart. Wie es bei einer Ausbildung in jeder Armee üblich ist, wurde die Waffe genau erklärt, auseinander genommen und neu wieder zusammenmontiert, wobei alle Einzelheiten, besonders in ihrer Funktion, ausführlich erklärt wurden. Nun, nachdem der Ausbilder sich in seine Richtung gedreht hatte, konnte er deutlich den Sprecher erkennen, einen jungen Mann mit sehr kurz geschorenen Haaren. Es konnte auch ein Légionair sein, der desertiert und zu den Rebellen übergelaufen war. Viele dieser Deserteure waren auch unter mysteriösen Umständen direkt aus der französischen Gefangenschaft nach dem Krieg in die Légion bugsiert worden und hatten hier in Indochina die Gelegenheit ergriffen, zu desertieren um dann zu den Vietminh überzulaufen. Hier wurden sie mit offenen Armen aufgenommen, wobei die meisten von ihnen sofort in den Offiziersrang übernommen wurden. Latour, den jungen Mann genauer betrachtend, erkannte in ihm plötzlich einen jungen Légionair wieder, den er vor 3 Jahren in Nord-Laos kennengelernt hatte. Ihm war damals bekanntgeworden, das dieser junge Mann plötzlich wie vom Erdboden verschwunden gewesen, und man hatte damals schon gemunkelt, das er wahrscheinlich zu den Viet´s übergelaufen war. Nun war er mehr als erstaunt, ihn hier wiederzusehen. Brujeré mußte die Szene wohl auch mitbekommen haben, denn plötzlich sagte er : >So ein Schwein, bestimmt ein Deutscher, der unser Frankreich verraten hat.< >Nein....., Sie irren !< >Er ist keine Deutscher, er ist Franzose.< >Unmöglich.< >Sie müssen sich irren.< >Doch es ist so.....Er heißt Cardin, wenn ich mich genau erinnere.< ..... >Sie kennen ihn näher.< >Ja, flüchtig aus Nord-Laos.< >Ich habe ihn einige Male dort getroffen, damals.< Er wollte weiter sprechen, doch im gleichen Augenblick öffnete einer der Bewacher das Schloß seiner Behausung und befahl im mitzukommen. Sie gingen an das andere Ende der Lichtung, also entgegengesetzt von heute morgen, und dort vor einer niedrigen Baracke blieb der Wächter stehen. Einen Augenblick später erschien derselbe Offizier von heute morgen und winkte Latour zu sich heran. Er ging einige Schritte und Latour folgte ihm wie ein Hund seinem Herrn. Sie betraten einen Raum, in dem auf Strohsäcken einige Verwundete lagen, dieses konnte Latour in dem nicht gerade hellem Raum, - die Fenster waren teilweise verhangen -, feststellen. Vor einem nicht gerade sauberen Strohsack blieb der Offizier stehen und sagte zu Latour gewandt : >Können Sie diesen Mann behandeln ?< Ein noch junger Soldat, eine Art Metzgerschürze um den Leib gebunden, offensichtlich der Sanitäter, schlug die Wolldecke, die den Verwundeten bedeckte zurück. Der Verwundete schaute ihn mit traurigen und ängstlichen Augen an und hatte offenbar etwas Fieber, denn ihm stand der Schweiß auf der Stirn. Latour sah, das ihm ein Teil eines seiner Unterschenkel fehlte. >Was hat der Mann ?< Anfang der vorigen Woche mußten wir ihm den Unterschenkel abnehmen, und jetzt hat der den Brand im Bein. Auch der Sanitäter schaute bei diesen Worten traurig drein, als trüge er die Schuld an dem Schicksal des Verwundeten. Latour besah sich den schlecht verheilten Stumpen, der in einem nicht all zu sauberen Verband -27-
steckte. Das Fleisch oberhalb der Amputation war schon rötlich verfärbt und er bat den Sanitäter, den Verband zu lösen. Das Fleisch des Stumpens war bläulich angelaufen, und aus der leicht geöffneten Wunde floß eine gelbliche, wie Creme aussehende Flüssigkeit. Eiter, also Brand wie Latour vermutet hatte. Behutsam betastete er das Bein und schaute dabei dem Verwundeten ins Gesicht, ob dieser eine Reaktion zeigte. Der Offizier stand hinter ihm, eine Hand an der Pistolentasche. >Dem Mann muß das Bein bis über das Knie abgenommen werden.< Der Offizier antwortete ihm in französisch. >Können Sie das hier machen ?< Latour sah den flehenden Blick des Sanitäters und des Verwundeten, und antwortete : >Ja ! Ich bin zwar kein Chirurg, aber ich kann es versuchen.< >Wann ?< >Jetzt, sofort ! Bei dem Zustand des Mannes, können wir keine Minute damit warten.< Der Offizier sah den Sanitäter und den Verwundeten lange an und sagte schließlich : >Geben Sie dem Sanitäter ihre Befehle<, und dann verließ er den Raum.< Noch immer stand der Bewacher hinter Latour und ließ ihn auch nicht bei den Vorbereitungen zur Operation die in einem kleinen Nebenzimmer vorgenommen wurde, aus den Augen. Als das Stück Bein in die Hände des Sanitäters fiel, kippte der Bewacher um, nachdem er sich zuvor erbrochen hatte. Nach kurzer Ohnmacht wachte er wieder auf, wischte sich den Mund ab, und nahm seine Bewachertätigkeit wieder auf, als wäre nichts zuvor geschehen. Latour legte nun einen neuen Verband an, nachdem er den Stumpf sorgfältig versorgt und die Hautlappen mit sauberen Stichen über den Knochen gezogen, und vernäht hatte. Als er mit seiner Arbeit fertig war, erwachte so langsam der frisch Operierte und Latour befahl dem Sanitäter, den Verwundeten jetzt auf keinen Fall allein zu lassen und ihm auch noch eine schmerzstillenden Injektion zu verabreichen. Sollte es schlimmer mit dem Verwundeten werden, solle man ihn rufen lassen. >Passen Sie auf, wenn er sich erbricht, damit Sie seinen Zunge aus dem Mund ziehen, das er nicht erstickt.< Der Sanitäter antwortete ihm darauf : >Ich weiß Herr Doktor, ich habe drei Jahre im St. Lorenz-Hospital in Saigon gearbeitet.< Latour zeigte mit einem Blick auf die anderen Verwundeten hin, und der Sanitäter antwortete ihm auf seinen stumme Frage : >Die schaffe ich noch allein.....höchsten für den da, da könnten Sie vielleicht etwas tun ?< Latour wollte sich zu dem Verwundeten wenden, aber da trat der Bewacher dazwischen und stieß ihm den Maschinengewehrkolben in den Rücken und schob ihn in den Gang zurück. Mißbilligend, dieser groben Behandlung, protestierten die anderen Verwundeten, kümmerte sich doch wenigstens einer um sie, und hatte er doch eben mit einer guten und schnellen Operation, einem ihrer Kameraden das Leben gerettet. Der Bewacher verteidigte sich mit den Worten : >Der Kommandant hat befohlen, den Gefangenen nach der Operation sofort wider in seine Hütte zu bringen.< Erneut stieß er Latour in den Rücken und forderte ihn somit auf, den Raum zu verlassen. * Als er seine Hütte betrat, hörte er von nebenan Brujeré stöhnen. Er mußte demnach einen Anfall von Malaria oder Sumpffieber haben, denn seine Zähne klapperten so laut wie ein Hammerwerk. Latour bedauerte, das er kein Chinin aus der Lagerapotheke mitgenommen hatte, denn dort hatte in einem größeren Glas etwas gestanden. Nicht einmal eine Decke hatte man ihnen gegeben und das bei dem Krankheitszustand von Brujeré, die tödlich sein konnte in einem gewissen Stadium. Er versuchte an etwas anderes zu denken, und plötzlich überfiel es ihm siedendheiß. Wenn nun der Mann, dem er den Knochen amputiert hatte Diabetiker war ? Dieses konnte bei dem schlechten Gesundheitszustand des Mannes durchaus möglich sein. Er rief den Wächter, der ihn aber wahrscheinlich nicht hören konnte, weil im Moment eine Horde wilder Gibbons sich kreischend in den Baumwipfeln hin und her bewegten. Schließlich mußte der Wächter sein Rufen doch gehört haben und fragte auf vietnamesisch : >Was willst du, mach nicht so ein Geschrei, das tun die Affen schon für dich mit.< -28>Ich muß den operierten Mann noch einmal sehen.....Sofort !<
>Davon hat der Kommandant nichts gesagt.< >Dann geh und frag ihn. Schnell es ist für den Mann lebenswichtig !< Der Bewacher ging fort, kam aber schon sehr bald zurück und öffnete die Tür seiner Hütte. Er sagte nur : >Kommen Sie mit<, und ging voran. Als sie die Krankenstube betraten, saß der Sanitäter noch immer an dem Bett des frisch Operierten. Er verlangte vom Sanitäter eine Taschenlampe und beleuchtete die Brust des Kranken. Dann bat er den Sanitäter, ihm dabei behilflich zu sein, den Kranken vorsichtig auf den Bauch zudrehen. >Hab ich es mir doch gedacht.< Zu dem Sanitäter gewandt, fragte er ihn : >Der Mann war gar nicht verwundet ?< >Nein, war die Antwort.< >Hat er ihnen gesagt, das er besonders in der Nacht unter Hautjucken leidet ?< >Ja.< >Und da hat man dem Patienten kein Insulin gespritzt, um ihm Erleichterung zu verschaffen ? Was bekommt der Mann denn zu essen ?< >Der ißt schon einige Tage fast nichts mehr. < Latour gab dem Sanitäter seinen Anordnungen, wie er den Patienten behandeln, und was für eine genaue Diät er in Zukunft einhalten sollte, denn sonst würde der Brand weiter fortschreiten und das nächste Bein wäre auch in den nächsten Wochen fällig. Dann ging er zum Arzneischrank und entnahm aus einem der Gläser, einige Tabletten, wobei er dem Krankenpfleger sagte : >Der Mann neben mir in der Hütte hat einen Malaria- oder Sumpffieberanfall, er braucht daher unbedingt dieses Chinin. Dann nahm er eine dieser neuen Einwegspritzen, die aus amerikanischen Beständen stammte, holt eine kleine Ampulle aus einer Packung, sägte den Glaskolben ab, und zog den Inhalt dieser Ampulle in die Spritze. Diese mit Insulin gefüllte Spritze verabreichte er dem Patienten in die Bauchdecke. >So<, sagte Latour, sich an den Sanitäter gewandt, >das wiederholen Sie nun täglich drei mal.< Wir wollen mal sehen, ob wir den Mann nicht wieder auf die Beine bekommen. Der Bewacher von Latour wandte sich an den Sanitäter und sagte : >Der Gefangene hat einige Tabletten aus dem Arzneischrank genommen und sie in seine Tasche gesteckt, worauf der Sanitäter ihm entgegnete, das habe ich ihm erlaubt.< Ungläubig schüttelte der Bewacher den Kopf und sagte dann darauf : >Ich melde es dem Kommandanten.< Dann schob er Latour mit den Kolben in den Rücken stoßend, aus der Tür hinaus und brachte ihn zu seiner Hütte zurück. Als er seine Hütte betrat, hörte er nebenan Brujeré phantasieren, denn er schrie Worte die man nicht richtig verstehen konnte. Das einzige zusammenhängende Wort war immer wieder der Name seiner Frau >My-Lie<, das Latour verstand. Latour kroch dicht an die Trennwand und rief mehrere male : >Brujeré!.....Brujeré !< Ein Stöhnen von drüben antwortete ihm. Latour wartete eine ganze Zeit, ob der Sanitäter kommen würde, den er gebeten hatte nach Brujeré zu sehen, wahrscheinlich hatte ihm der Kommandant das nicht gestattet, nach dem Kranken zu schauen. Abermals rief deshalb Latour, >Brujeré !<, und als dieser sich nun endlich meldete, reichte er ihm durch einen Spalt zwischen den Bambusstäbe, die Chinintabletten, wovon dieser sofort einige mit einem Schluck Wasser herunterspülte. Latour sagte : >In ein zwei Stunden nehmen Sie erneut zwei Tabletten, dann wird es bald besser werden. Kurz darauf öffnete sich erneut die Tür und der Wächter verlangte die Konservendose und füllte diese erneut mit frischem Wasser. Auf seine Frage an den Wächter gerichtet : >Gibt es am Abend nichts zu essen ?<, gab dieser keine Antwort. Das Brummen und Vibrieren, das aus der Erde kam, hatte jetzt auch aufgehört. Offensichtlich hatte man in der unterirdischen Fabrikationsstätte Feierabend gemacht. Draußen auf dem freien Platz kam eine Kolonne Soldaten an, wovon jeder mit einem schweren Sack beladen war, und daran sah man, das sie Beute gemacht, oder von irgendwo neue Verpflegung geholt hatten. -29-
Sie mußten einen weiten Marsch hinter sich haben, denn ihre Uniformen waren verschmutzt und durchschwitzt. Ihm war kalt geworden, jetzt nachdem die Sonne untergegangen war und es allmählich Nacht wurde. Wie kalt mußte es erst Brujeré sein bei dem Fieber, das ihn erwischt hatte. Latour hörte die Posten, die in unregelmäßigen Abständen an der Hütte vorbeigingen und hin und wieder die Tür überprüften, ob diese auch gut verschlossen war. Jedes Mal rappelte der Posten an der Kette mit dem Schloß, und wenn er mal inzwischen eingeschlafen war, wurde er von diesem Geräusch jedes Mal geweckt. Einmal in der Nacht meldete sich auch Brujeré. Ihm schien es nach den Tabletten besser zu gehen, denn er sprach schon wieder zusammenhängende und vernünftige Worte, doch ganz schien das Fieber noch nicht abgeklungen zu sein. Deshalb empfahl ihm Latour, noch einmal einige Tabletten zu schlucken, dieses befolgte Brujeré sofort und sagte schließlich : >Jetzt habe ich noch zwei Stück in Reserve.< Immer wieder wurde Latour auch wach von den vielen Moskitos, die ihn plagten und vorsichtshalber nahm er auch gleich zwei Tabletten Chinin, - er hatte einige für sich selbst behalten bevor er die anderen Brujeré gegeben hatte -, zur Vorbeugung gegen einen Malariaanfall. Immer und immer wieder schlug er einige von diesen Blutsaugern tot, und um so mehr kamen nach und zerstachen seine Haut, die er teilweise nicht bedecken konnte. Von nebenan klagte Brujeré auch über die Viecher die auch ihm stark zusetzten. Einmal schrie er mitten in der Nacht auf und rief Latour zu : >Eben habe ich ein mindestens dreißig Zentimeter langes, phosphoreszierendes Tier zerdrückt, das über den Boden kroch.< Latour wiederholte überrascht : >Ein phosphoreszierenden Tier ?< >Ja. Es liegt noch hier in der Hütte neben mir.< Es muß eine Art >Skolopender< sein, hat viele Füße ? >Ja, das konnte ich eben im Mondlicht erkennen.< Ist es denn gefährlich ? >So einigermaßen. Sie können von Glück sprechen, das es Sie nicht gebissen hat, dann würden Sie nämlich ein schönes Geschwulst bekommen haben. Na, versuchen wir noch ein wenig zu schlafen.< Draußen erklang der Ruf eines wilden Tigers mit seinem >Haaaar< dieser Ruf erscholl immer, wenn er sich vor dem Sprung auf seine Beute, vorher duckte. * Abermals wurde Latour zum Kommandanten geführt, der ihm nach einigen Fragen, um die Personalien der anderen Fahrer des überfallenden Konvois, die er nicht oder nur vage beantwortete, indem er erklärte diese nicht oder nur vom letzten Transport her zu kennen. Man teilte ihm mit, das man ihn nun mit der Betreuung der vietnamesischen Kranken und Verwundeten beauftragen würde, nachdem er gute Arbeit bei dem Amputierten geleistet habe. Latour fragte sofort : >Und was ist mit den Franzosen ?< >Um die wird sich unser Sanitäter kümmern.< >Das lehne ich ab.< >Offensichtlich sind Sie sich ihrer Lage nicht bewußt, Monsieur Latour. Ich räume ihnen Bewegungsfreiheit ein, erlaube ihnen ihren Beruf auszuführen, erweise ihnen eine Gunst, und Sie wollen ablehnen. Ich weise Sie auf ihren Eid als Arzt hin, jedem Menschen zu helfen und nicht nach der Nationalität und Rasse zu fragen.< >Dann gestatten Sie mir auch die Behandlung der französischen Gefangenen.< >Gut. Ich gestatte es ihnen, auch ihre französischen Verwundeten und Kranken zu behandeln. Merken Sie sich aber eines, keine persönlichen Fragen an die Leute. Nur Fragen in Bezugnahme auf die Krankheit und Verwundung sind erlaubt. Ich gebe ihnen extra dafür einen gut französisch sprechenden Wächter mit. >Gut, damit bin ich einverstanden.< Der Offizier nickte ihm zu und sagte : >Sie können sich jetzt wieder in ihre Hütte begeben, wenn ich Sie brauche, lasse ich Sie holen.< * Von nun an wurde er in unregelmäßigen Abständen, meistens aber dann wenn die Patrouillen -30-
ins Camp zurückkehrten, und Verwundete oder Kranke bei sich hatten, von dem Bewacher in das kleine Lazarett gerufen und mußte die Patienten behandeln. Sooft ihm der kleine vietnamesische Sanitäter zur Hand ging und dabei fragte : >Und wann kommen die französischen Gefangenen in meine Behandlung ?< , schüttelte der jedes Mal den Kopf : >Man muß abwarten, bis der Kommandant den Befehl dazu gibt.< Die Befehle jedoch blieben aus, und Brujeré fiel von einem Anfall in den anderen. Wenn das so mit ihm weiterging, würde er hier im Camp noch krepieren. Der Sanitäter sagte noch : >Vielleicht in einigen Tagen kommt der Befehl, dann können Sie alle behandeln.< >In zwei bis drei Tagen, braucht Brujeré keine Hilfe mehr, dann ist er in den ewigen Jagdgründen<, antwortete ihm darauf Latour. Außerdem waren bei den Zivilgefangenen auch Verwundete, die unbedingt behandelt werden müssen, sonst bekommen Sie auch noch den Brand in ihre Wunden. Er hätte schwören mögen, das die Hütten, die am anderen Rand der Lichtung standen, ebenfalls mit Gefangenen belegt waren, aber diese waren für ihn im Augenblick unerreichbar. Vielleicht starben dort Männer und Frauen, und kein Aas kümmerte sich um sie. Am Morgen des anderen Tages, vermißte Latour seine Armbanduhr. Wahrscheinlich hatte der Bewacher sie ihm im Schlaf abgenommen, denn des öfteren hatte er schon einen begehrlichen Blick auf diese gute Uhr geworfen, wofür er vor einigen Monaten einige Tausend Piaster in Saigon bezahlt hatte und das noch bei einem Schwarzhändler, denn es war eine Schweizer Uhr. Kurz bevor der Morgen dämmerte, hatte man Brujeré aus dem anderen Teil der Hütte neben Latour fortgeschleppt. Selbst aufrecht gehen konnte er nicht mehr, dafür war er zu schlapp und man hatte ihn mit zwei Mann unter die Arme gepackt, die Füße am Boden schleifend, geschleppt. Auf einer Lichtung angekommen, erkannte My-Lie sofort ihrem Mann, und rief mit erstickender Stimme : >Jaques, du lebst !< Nun wurden beide, von ihren Wächter nach entgegengesetzter Seite fortgeschleppt. * Als man ihn wieder zu den Verwundeten holte, war es unter den Bäumen schon dunkel. Er folgte dem Wächter, als ihn dieser aufforderte mitzukommen. Mit dem Gewehrkolben wollte der Wächter seine Aufforderung untermauern, aber Latour schaute ihn nur durchdringend an, und der Mann ließ es dabei bewenden, nur eine mündliche Aufforderung auszusprechen. Latour hatte seinen Entschluß gefaßt, nicht eher einen der Vietnamesen mehr zu behandeln, bis man ihn auch zu den französischen Kranken ließ. Als er die Lazarettbaracke betrat, sah er schon, das neue Verwundete eingetroffen waren. Eine einzige Glühbirne erleuchtete schwach den hinteren Teil der Lazarettbaracke. Die nicht verwundeten Soldaten mit ihren blutbefleckten und nach Schweiß stinkenden Uniformen rückten zur Seite, als Latour an das Bett des Schwerverwundeten trat um die Verwundung zu lokalisieren. Der ihm bekannte Pfleger kam aus dem Nebenraum, wo man notdürftig die Apotheke untergebracht hatte mit einer Schüssel voll heißem Wasser. Er erklärte Latour rasch, was draußen geschehen war und versuchte dabei, so schonend wie möglich den Verwundeten soweit von der Uniform zu entkleiden. In der Nähe eines anderen Lagers ist eine Miene hochgegangen<, sagte der Pfleger. >Wollen Sie sich nicht die Hände waschen, Herr Doktor ? Ich glaube es ist eilig.< >Ich werde ihn nicht behandeln.< Einer der anwesenden Wärter mußte wohl Französisch verstehen, denn er kam kopfschüttelnd näher. Gleichzeitig hielt der Pfleger in seiner Tätigkeit an und fragte : >Warum nicht, Herr Doktor ?< >Weil ich erst die anderen gefangenen Weißen im Lager pflegen will, so wie man es mir versprochen hat.< >Sie wissen doch, das.....< Der Soldat der inzwischen an die beiden herangetreten war, zog mit einer hastigen Bewegung seine Pistole aus dem Gürtelhalfter. >Sofort werden Sie meinen schwerverwundeten Kameraden behandeln !< sagte der Wärter in einem schlechten Französisch. Latour blickte auf die Waffe und dann dem Mann ins Gesicht und sagte : -31-
>Nein!< Der wiederum sagte >Ich zähle bis drei. Wenn.....< und er richtete die Waffe auf Latour und man konnte seinem Gesicht entnehmen, das er schoss, wenn sich Latour weigern würde. Da trat der Pfleger zwischen beide und noch ein zweiter Soldat drückte den wildgewordener Soldaten zur Seite, der in diesem Moment, als er mit dem zählen bei >drei< angelangt war, abdrückte. Der Schuß ging los, doch Latour hatte ihm im selben Augenblick auf dem Arm geschlagen und somit ging der Schuß nach unten los und das Geschoss bohrte sich in den Fußboden. Latour hob die Pistole vom Boden auf und packte den Wärter, der mit dem Pfleger kämpfte an der Schulter. Mit beiden Händen hielt der Pfleger die Mpi des Wächters fest um ihn daran zu hindern, mit dieser auch zu schießen. Mit zwei kräftigen Ohrfeigen brachte Latour den Wächter wieder auf den Boden der Tatsachen zurück, der verdutzt über diese, laut schimpfend zu seinen beiden anderen Kameraden zurückwich. Latour sagte zum Pfleger : >Nehmen Sie die Waffe und bringen sie diese dem Kommandanten und sagen ihm auch, er solle sofort hierher kommen.< Im Hintergrund, schimpfte der von Latour geohrfeigte Soldat : >Verdammter französischer Schweinehund ! Ich werde mich zur gegebenen Zeit rächen.< >Nun lass es aber gut sein, sagte der andere seiner Kameraden zu ihm, er tut dir doch nichts, und du hättest ihn nicht provozieren dürfen. So ist dir recht geschehen !< Hasserfüllt schaute der Geschlagene zu Latour hinüber. Einer der Verwundeten, der auf eines der Betten lag, mit einem dicken Kopfverband, sagte zu dem Schimpfenden auf vietnamesisch : >Jetzt bist du sicherlich stolz auf dich, Bien Kiem ?< Einige lachten, und Latour merkte, das ihn alle Augen anstarrten. Alle diese Männer, die er seit einigen Tagen behandelte und pflegte schienen auf seiner Seite zu sein. Einige bewunderten ihn sogar, welchen Mut er bewiesen hatte. Der Pfleger erschien wieder und rief sofort : >Der Kommandant ist nicht im Lager, aber sofort kommt der politische Kommissar.< Latour erinnerte sich, das war der kleine dicke Zivilist, der ihn in einer der ersten Nächte verhört hatte. Er kam, in einer Hand die Mpi und der anderen Hand die Pistole haltend. >Die Mpi gehört wohl dir, du Idiot ?< Der Wächter wurde verlegen und in diesem Augenblick reichte er ihm auch noch die Pistole. >Mit Ruhm habt ihr euch ja nicht bekleckert.< Zu Latour gewandt sagte er : >Immerhin noch besser, wenn Sie.....< >Was ist überhaupt geschehen ?< fragte er nun den Pfleger, erneut. >Der Herr Doktor hat sich geweigert, den Verwundeten zu behandeln<, sagte der Pfleger wahrheitsgemäß und wies mit der Hand auf den neuen Verwundeten. Wir hatten doch vereinbart, und sie hatten versprochen, Herr Doktor, sich unserer Kranken und Verwundeten anzunehmen.< >Ja, das ist richtig, aber nur unter der Voraussetzung, das ich auch die französischen Gefangenen behandeln kann.< >Ja - das haben wir ihnen zugesagt.< >Und wie kommt es, das ich bis jetzt noch nicht einen von ihnen zu Gesicht bekommen habe ? Bisher ist es mir noch nicht gestattet worden, zu ihnen zu gehen.< Mit einer Geste wollte der Kommissar ein anderes Thema anschlagen und wies auf den geohrfeigten Wächter. >Warum haben Sie ihn geschlagen< >Er wollte uns erschießen, und da habe ich.....< Der Kommissar lächelte mokant und sagte : >Das ist mir lieber als.....< Nun setzte er aber wieder sein besorgtes Gesicht auf und sagte erneut : >Diesen neuen Verwundeten müssen Sie aber sofort behandeln, er scheint mir übel zugerichtet worden zu sein.< >Wenn Sie mir erlauben, im Anschluß nach dieser Behandlung die französischen Gefangenen zu behandeln, sage ich, Ja !< >Ich verspreche es ihnen.< -32-
>Sofort ?< >Ja ! Sobald Sie hier fertig sind.< Zu den Wächter gewandt, befahl er ihm auf Vietnamesisch, den Doktor im Anschluß nach der Behandlung, ihn zu den verwundeten und kranken französischen Gefangenen zu führen. Sie verstehen unsere Sprache gut, sagte der Kommissar zu ihm und wandte sich ab zum Gehen. Latour beugte sich über den Verwundeten, und fragte ihn : >Wo sind Sie verwundet ?< Dieser konnte ihm aber vor Schmerzen nicht antworten, und der Pfleger zeigte ihm den Bauch, der ein einziger blutiger Fleck war. Die Därme kamen an einigen Stellen schon aus der zerrissenen Bauchdecke und das linke Bein hatte offensichtlich ein Splitter halb abgetrennt. Eine Arterie war scheinbar nicht verletzt, denn Latour sah wenig Blut fließen bei den offenen Wunden. Der Pfleger ging in den Nebenraum um erneut heißes Wasser zu holen, welches inzwischen bei dem Durcheinander das geherrscht hatte, kalt geworden war. Latour begab sich gleichfalls nach nebenan, um sich die Hände zu waschen und um alles für eine Operation vorzubereiten. * Die Operation war geschafft und wenn alles gut ging, würde der junge, schwer verwundete Vietnamese überleben. Er hatte die Bauchwunde gesäubert und festgestellt, das keine weiteren Organe verletzt waren und somit die Bauchdecke geschlossen. Den Oberschenkel hatte er amputieren müssen, weil in der Wunde schon der Brand gesessen hatte. Er hatte den Verwundeten so gut es eben ging versorgt, denn zu allem Übel fehlte es hier an fast allem, besonders an guten Instrumenten und Medikamenten. Nachher mußte er sich den Verwundeten unbedingt noch einmal anschauen, ehe er sich endlich auch zu Ruhe begeben konnte. Nun ging er mit dem Pfleger und dem Wächter, den er vor ein paar Stunden geohrfeigt hatte, zu den Bambushütten, wo seine französischen Leidensgenossen untergebracht waren. Hoa, der Pfleger warnte Latour, gar nicht vom Weg abzuweichen, weil das ganze Gelände außer den Wegen vermint worden sei. Bereits in der zweiten Zelle lag Blavins mit dem Gesicht zur Wand. Er drehte sich nicht um und tat als ob er schliefe. Latour faßte ihn an die Schulter und sagte : >Blavins, ich bin es, Latour !< Dann wandte er sich zu dem Wächter und befahl ihm, seine Lampe heller zu stellen. Blavins zuckte zusammen als Latour ihn an der Schulter anfaßte, und er lächelte verzerrt als er ihn erkannte. Gleichzeitig erblickte er die beiden Vietnamesen und seine Augen sprühten nur so voller Wut, besonders auf den Wächter gerichtet. >Wie geht es deiner Schulter ?< >Na, nicht gut, aber auch nicht schlecht, die Schmerzen sind zu ertragen.< >Zeige sie mir.< Er ließ es zu, das Latour ihm das zerfetzte Hemd aufknöpfte und vorsichtig betastete Latour die entzündete Wunde. Den Wächter schnauzte er an, das Licht heller zu stellen und besser zu leuchten, damit er Blavins besser untersuchen konnte. >Wird`s bald ? oder soll ich dir noch einmal ein paar Ohrfeigen geben.< Widerwillig befolgte er Latours Anweisungen, indem er einen Schritt näher heranrückte. Die Wunde hatte eine dunkelrote Färbung angenommen, und in der Nähe der Brustmuskeln wurde es schon fast violett. Mit anderen Worten, sie war etwas brandig geworden. Es sieht zwar nicht so schlimm aus, aber ich werde dich morgen operieren. >Hat das denn einen Sinn ?< >Das glaube ich doch. Kannst du schlafen ?< >Nicht viel, aber daran ist in der Hauptsache mein Knöchel schuld<, und er zeigte Latour seinen nackten Fuß >Auch der wird wieder. Hast du sonst noch Beschwerden ?< >Nein.< Dann entnahm Latour der Tasche, die der Pfleger getragen hatte eine Spritze, und zog diese auf, um sie in die Armvene von Blavins zu injizieren. >Du arbeitest also für die Banditen ?< >Ja, ich habe eingewilligt, um auch euch helfen zu können.< -33-
Als Latour aufstand um die Hütte zu verlassen, hatte sich Blavins schon wieder mit dem Gesicht zur Bambuswand gedreht. Latour übergab dem Pfleger die Bestecktasche und fragte ihn : >Sind in den Nebenhütten auch noch kranke oder verwundete Franzosen ?< >Ich weiß es nicht.< Daraufhin meldete sich Blavins, indem er die Stimme des Pflegers nachzumachen versuchte : >Er weiß es nicht. Dann will ich es euch sagen : >In der einen Hütte liegt ein Marokkaner mit einer Kugel im Bein und in der anderen auch ein Marokkaner, der mit Granatsplitter gespickt ist. Dazu haben beide noch die Amöben-Ruhr. Im Augenblick hörst du sie nicht, aber morgen früh, wenn du kommen solltest, brüllen sie wie die Brüllaffen vor Schmerzen.< Jetzt scheinen beide in Ohnmacht zu liegen. >Gehen wir hin und schauen nach<, sagte Latour zu dem Pfleger. Der aber wich aus und sagte : >Wir haben keinen Schlüssel, Herr Doktor.< >Dann brechen wir die Türen auf< und schon stand er an der einen Tür und rüttelte an dieser mit all` seiner Kraft. Sofort kam der Wächter herbeigerannt und zog den Schlüssel aus seiner Tasche, wobei er auf Vietnamesisch wie ein Rohrspatz schimpfte. Nachdem er einige verschiedene Schlüssel versucht hatte, fand er schließlich doch den richtigen und schon war die Tür auf. In seinen Ausscheidungen lag ein bärtiger Marokkaner, dessen unteres Armgelenk Latour umfaßte, um den Puls zu prüfen. >Geben Sie mir eine Spritze mit Chinin< sagte er zum Pfleger und verabreichte Sie sofort dem Patienten. Beim Hinausgehen sagte Latour zu dem Pfleger : >Morgen früh schaffen Sie mir als erstes Blavins ins Lazarett zum Operieren, und dann geben sie den beiden Marokkanern noch je eine Chininpritze und zum Nachmittag mit ihnen ins Lazarett, dort will ich sie mir gründlich ansehen.< >Nun wollen wir uns noch die anderen Kranken und Verwundeten ansehen, Alle, auch die weniger Schwerverletzten.< >Ich werde ihnen behilflich sein, wo ich kann, Herr Doktor,< sagte fast demutsvoll der Pfleger. * Am nächsten Morgen mußte Latour bei der Operation von Blavins, das Geschoss aus Blavins Schulter ohne Betäubung entfernen; irgend ein Saukerl hatte die Chloroformflasche aus der Apotheke geklaut. Blavins mußte die Zähne ordentlich zusammenbeißen, um nicht laut zu schreien. Glücklicherweise war die Kugel fast schon durch die ganze Schulter gedrungen und lag nur noch wenige Millimeter entfernt auf der Rückseite unter der Haut. Als er fertig war, verpaßte er Blavins einen ordentlichen Verband und sagte : >In einem Monat bist du wieder OK.< Dieser blickte Latour an und erwiderte : >In einem Monat schauen wir uns die Radieschen von unten an, das heißt, wenn die Sauhunde es überhaupt für nötig halten, uns zu begraben und wir nicht von den Blutegeln gefressen werden.< >Bis dahin haben Sie uns schon freigelassen<, meinte Latour zu der bissigen Bemerkung von Blavins. >Das bildest du dir nur ein, uns so einfach freizulassen, wo sie uns als Geiseln behalten können. Man hat mich schon X mal verhört und ich sehe vor lauter Bäume keinen Wald. Du hättest mich doch gut bei der Operation verrecken lassen können, eine kleine Spritze, und.....Du hättest ja sagen können, sein Herz war nicht das beste. Das wäre mir lieber gewesen, als hier langsam zu verrecken.< Der Pfleger kam herein, und so brauchte Latour auf das Begehren von Blavins keine Antwort zu geben. >Sie können Monsieur Blavins jetzt zurücktragen lassen. Ich werde ihn mir heute abend noch einmal ansehen.< Latour ging zum Waschbecken, um sich die Hände zu waschen, dabei dachte er : >Dabei hat der Idiot von Blavins schon so eine gute Chance heile das Camp zu verlassen bei seinem guten Gesundheitszustand, und da dachte er bereits an den Tod.< -34-
Aus dem Nebenraum, als Wand diente nur eine dünne Bambuswand, hörte man die Stimme des Kommissars, der einigen Rekruten Anschauungsunterricht gab über das >Wie und Warum< der Revolution. Die Rekruten lauschten andächtig seiner Stimme und Ausführungen und wenn einer von ihnen etwas gefragt wurde, gab er begeistert Antwort. Latour lauschte eine ganze Weile diesen Ausführungen, wobei es sich nur um politische Phrasen handelte. Der Kommissar war zum Schluß seiner Ausführungen gekommen, denn mit einem Ruck standen die Rekruten in Hab-Acht-Stellung. Er hob den linken Arm mit einer geballten Faust und schrie : >Es lebe unser Ho-Chi-Minh, der Erlöser unseres Volkes!< Im Chor antworteten die Rekruten : >Hoch lebe die Revolution, hoch lebe der Vietminh !< Schnell trat im Nebenraum wieder Ruhe ein, nachdem die Rekruten den Raum verlassen hatten. Latour wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Er ging durch das Lazarett, sprach mit einigen kranken und verwundeten Vietnamesen und verließ die Lazarettbaracke um ein wenig Luft zu schnappen, denn hier in dem Raum war doch eine stickige Luft. Außerdem hatte ihm der Pfleger einige Zigaretten zugesteckt und davon wollte er eine genüßlich rauchen. Wie immer begleitete der Wächter, heute war es ein anderer als an den übrigen Tagen, Latour nach draußen. Plötzlich wurde er von irgendwoher gerufen : >Hallo, Herr Doktor.< Eines der Mädchen, das vor dem Eingang der unterirdischen Fabrik stand, winkte ihm zu und kam näher. Als sie Latour erreicht hatte, sagte sie in einem schauderhaften, aus französischen und mit englischen Worten vermischtem Gewirr : >Ich wollte ihnen danken, Herr Doktor, das Sie gestern meinen Kameraden, der sich bei der Arbeit verletzt hatte, so schnell wieder auf die Beine gebracht haben.< Latour antwortet ihr : >Das war selbstverständlich, das ich dem armen Kerl sofort geholfen habe, nur achten Sie darauf, das er in den nächsten Tagen keine, auch keinerlei der leichteren Arbeiten verrichtet. Er muß absolute Ruhe haben. Wenn er in etwa einer Woche wieder arbeitsfähig ist, sollte er in der ersten Zeit nur mit leichten Arbeiten beschäftigt werden.< >Danke, Herr Doktor, ich werde darauf achten.< Der Wächter drängte ihn das Gespräch zu beenden und rief : >Kommen Sie, Herr Doktor, sie wollten doch nach den Gefangenen sehen, der im Nebenraum ihrer Hütte liegt.< Als sie den Raum wo My-Lie´s Mann eingesperrt war betraten, merkte Latour sofort, das es Jaques Brujeré wesentlich besser ging. Offensichtlich hatten die Tabletten, die er ihm heimlich zugesteckt hatte, doch etwas geholfen. Als erstes erkundigte sich Brujeré nach seiner Frau und Latour beruhigte ihn, indem er ihm vorschwindelte : >Ich habe sie kurz gesprochen, es geht ihr soweit gut, und ich soll ihnen Grüße ausrichten.< Dieses war wirklich nur geschwindelt, aber offensichtlich war Brujeré über diese Nachricht beruhigt. Der Wächter, der nur vietnamesisch zu verstehen schien, protestierte, weil Latour mit Brujeré sich der französischen Sprache bediente. Latour beruhigte ihn und sagte : >Der Mann kann, und versteht kein Vietnamesisch.< Diese Antwort schien den Wächter zu beruhigen. Nachdem Brujére noch eine Injektion aufgezogen und injiziert, sowie ihm noch einige Tabletten gegeben hatte, verließen sie die Hütte und gingen zur Lazarettbaracke zurück, nicht bevor Latour Brujeré zugeflüstert hatte : >Hoffentlich erkennt man nicht ihre wahre Identität und die ihrer Frau<, sagte Latour : >Auf gut Glück, dann sieht es für sie schlecht aus.< Brujeré erschrak, man sah es ihm deutlich an. >Sie wissen.....?< >Ja. Das wäre dann auch ihr beider sicherer Tod.< >Ich habe immer Durst und mag gar nichts essen.< >Ich werde dafür sorgen, das Sie mehr zum Trinken bekommen, und essen Sie immer ihre Reisportion auf, das ist sehr wichtig, damit sie bei Kräften bleiben.< Dann verließen sie die Bambuszelle. -35-
Als sie vor der Lazarettbaracke kamen, stand dort der Lagerkommandant mit dem Kommissar zusammen. Latour grüßte und der Kommandant fragte ihn : >Was ist mit dem jungen Soldaten geschehen, den neu eingeliefert wurde?< >Ich habe seine Schulterwunde operiert, es geht ihm nach dem hohen Blutverlust entsprechend gut. Er wird genesen.< Der Kommissar fragte in einem ironischen Ton : >Sie haben ihre französischen Kranken besucht?< >Ja, aber nicht alle, denn wahrscheinlich hält man einige vor mir versteckt.< >Versteckt ? Das haben wir nicht nötig, ich kann ihnen wenn Sie es wünschen sogar eine Liste sämtlicher Gefangenen geben die hier im Camp sind.< >Ich bitte darum Monsieur l´Kommissar< >Haben Sie heute morgen Blavins operiert ?< >Ja. Doch dafür hätten Sie die Chloroformflasche vorher nicht verschwinden lassen brauchen, er hat es auch ohne Narkose überstanden.< Der Kommissar zuckte mit den Schultern und sagte : >Ich verwahre mich gegen ihre Beschuldigungen, ich habe nichts verschwinden lassen.< Latour merkte, das er die Verlegenheit des Kommissars ausnutzen konnte und bat ihn darum, My-Lie zu ihrem Mann zu lassen, damit sie ihn pflegen konnte, da er die Amöben-Ruhr und das Sumpffieber habe und außerdem noch stark herzkrank sein, sonst liege er in einigen Tagen unter der Erde, und das läge doch wohl nicht in seinem Interesse. >Ich werde hierüber mit dem Kommandanten sprechen<, dieser war während des Gesprächs in die Lazarettbaracke gegangen. Der Kommandant saß an einem Tisch, als sie den Raum betraten, und der Kommissar trug ihm das Anliegen des Arztes vor. Nach einigen Überlegen antwortete er : >Da es sich bei den beiden um Zivilisten handelt, will ich eine Ausnahme machen und sie zusammen einsperren.< Latour ging mit dem Kommissar vor die Tür und dabei bedankte er sich für das prompte Eingreifen. >Sie haben Glück gehabt, Herr Doktor, das der Kommandant so guter Laune ist. Nun haben Sie ja erreicht was ihnen so am Herzen gelegen hat.< Die Liste der Gefangenen bekommen Sie heute nachmittag. Latour bedankte sich und sagte : >Dann werde ich gleich heute alle Gefangene noch besuchen.< * Als Latour, es war bereits fast Mitternacht vorüber, zurück in seine Bambusbehausung vom Wächter zurückgebracht wurde, hörte er aus dem Nebenraum die flüsternden Stimmen des Ehepaares, welches nun wieder vereint war. Am nächsten Morgen, als er sich nach dem Gesundheitszustand von Brujeré erkundigen wollte, und er durch die Bambuswand mit My-Lie sprach : >Sie sind nicht verwundet, Madame ?< antwortete sie : >Nein verwundet bin ich nicht, aber man hat mich grün und blau geschlagen, so das ich den ganzen Körper voller Hämatome habe, wenn sich auch der Lagerkommandant und der Kommissar sonst korrekt verhalten haben. Es waren seine vietnamesischen Schergen die diese Mißhandlungen vorgenommen haben, nur um etwas von mir zu erfahren.< Am Abend zuvor hatten sich die beiden angeregt unterhalten, und da My-Lie hier aus dem Land stammte hatte sie mehr gehört und gesehen, auch bereits hier im Lager, als jeder andere der Gefangenen. Auch hatte sie mitbekommen, das der Lagerkommandant auf den Kommissar nicht gut zu sprechen war und das nur ihre politische Überzeugung sie einigermaßen zusammen arbeiten ließ. Der Kommissar mußte aus einer guten, reichen Familie stammen, denn er hatte wesentlich bessere Umgangsformen als der Lagerkommandant, dem man das Proletariat anmerkte. Schließlich mußte My-Lie gemerkt haben, das Latour näher an die Bambuswand gerückt war, denn sie fragte : >Können Sie auch nicht schlafen ?< >Nein<, antwortete Latour. >Was ist mit dem verwundeten Marokkaner geschehen ?< -36-
>Er ist tot.< >Der andere auch ?< >Nein.< >Dem geht es soweit gut, in einigen Tagen ist er wieder auf dem Damm.< Noch einige Fragen waren hin und her gewandert und so hatte Latour einigen erfahren, wovon er bis dahin nichts gewußt hatte. My-Lie hatte einiges von den Frauen aus der unterirdischen Fabrik erfahren, wo man sie einige Stunden hatte arbeiten lassen. Schließlich waren Latour, von der Anstrengung des Tagesablaufs, die Augen zugefallen und war eingeschlafen, nachdem er sich vorgestellt hatte, My-Lie könnte ihn mit ihren warmen Händen streicheln und liebkosen. Heute morgen, er hatte schlecht geschlafen, weil ihn das Gesumme der Moskitos, oft gestört hatte, war sein erster Gedanke wieder >My-Lie<. Er wachte mit dem Gedanken auf, ob die beiden, wenn sie am Tage allein in ihrer Hütte waren, zusammen schliefen. Brujeré hatte zwar Fieber, aber das Fieber tötet nicht die allgemeine Begierde, im Gegenteil. Er stellte sich vor, das Brujeré seine My-Lie an sich pressen durfte und ihren zarten Körper, - jetzt im Augenblick voller Hämatome, wie sie selbst gesagt hatte, welche aber in einigen Tagen abgeklungen sein würden -, liebkosen durfte. Gewaltsam riß er sich von dem Gedanken los und dachte an die Arbeit, die heute auf seinem Programm stand. Gleich würde der Wächter kommen, den üblichen Reisballen bringen und die Konservendose mit Wasser füllen und einige Zeit später ihn abholen kommen zu seiner nun täglichen Arbeit im Lazarett. Von nebenan meldete sich My-Lie und sagte zu Latour : >Wenn man Sie nachher abholt, heben sie auf dem Weg zum Lazarett eine auf der Erde liegenden >Arekanuß< auf und bringen Sie sie mir heute abend mit. Wie in unserem Dorf, will ich die Schale zum Zähneputzen benutzen.< Von der anderen Seite der Wand hatte er ein Geräusch gehört und neugierig gefragt : >Was machen sie da ?< >Ich feile mir mit einem Bambusplitter die Nägel, nachdem mir bei der Arbeit in der Fabrik einige abgebrochen sind.< Bei diesem Gespräch sagte Latour zu My-Lie; >Wenn Sie und ihr Mann miteinander sprechen, so flüstern sie nur, denn wie in der ersten Zeit könnte man die Gespräche belauschen, und ich glaube das ist auch der Grund, warum man sie zusammen gelassen hat.< My-Lie antwortet ihm darauf : >Ich gehen morgen früh von hier fort.< >Wohin ?, fragte er mit erstaunter Stimme.< >Man bringt mich zurück nach Saigon. Ich habe mich mit dem Lagerkommandant arrangiert. In Saigon kommt ein Vietminh-Agent zu mir in die Wohnung, dem ich innerhalb einiger Tage einhunderttausend Piaster übergeben muß. Als Geisel behält man meinen Mann so lange in Gewahrsam, bis ich das Lösegeld gezahlt habe. Mit diesem Arrangement sind beide Seiten abgesichert.< Aber wo wollte die Frau soviel Geld auf einmal hernehmen ? Hatten die beiden soviel Geld zur Verfügung ? Oder wollte sie sich das Geld irgendwo bei Freunden leihen? Fragen, die ihm im den Kopf herumschwirrten, aber letzten Endes nichts angingen, die ihm aber doch Kopfzerbrechen bereiteten. >War da nicht noch etwas in ihrer Stimme gewesen? Hatte sie in Wirklichkeit verraten, das Sie mich mit einer Mpi in der Hand gesehen hatte, und dieses dem Kommandant beim Verhör gestanden ?< Auch diese Frage beschäftigte ihn im Augenblick stark. Als er in die Lazarettbaracke eintrat, kam ihm der Pfleger übernächtigt mit einem blutbespritzen Uniformhemd entgegen. Er sah wirklich übernächtigt aus und nach seinen Angaben, hatte er sich unermüdlich die ganze Nacht um die Verwundeten gekümmert. Jetzt wollte er sich ein wenig ausruhen und übergab dabei, mit einigen Erklärungen was noch zu tun sei, die Arbeiten dem >Doktor Latour<. Wie ein Betrunkener verließ er die Baracke und gähnte stark. Dem Doktor rief er im hinausgehen zu : >Um 12:00 Uhr komme ich Sie ablösen.< * -37-
Einige Tage regnete es bereits. Es war ein leichter Schnürregen, wobei der Wind die Palmen und übrigen Bäume leicht durcheinanderwirbelte. Die Wege in dem Camp hatten sich in eine Schlammwüste verwandelt und überall war der Boden Morastig. Inzwischen waren erneut viele Verwundete eingetroffen, davon einige mit schlimmen Verletzungen, wovon einige die Operation die Latour an ihnen vorgenommen hatte, nicht überlebten und er konnte es der Einsicht des Kommandanten verdanken, das man ihm dafür nicht die Schuld zuschob. Heute morgen war der Lagerkommandant in der Lazarettbaracke erschienen und hatte ihn so komisch angeschaut, aber weiter nicht mehr gesagt, nur beim Hinausgehen sagte er : >Heute nachmittag kommen Sie zu mir, ich habe mit ihnen zu reden.< >Sie hatten heute im Lazarett viel zu tun ?< mit diesen Worten empfing ihn am Abend der Lagerkommandant als ihn der Wächter zur seinem Büro begleitet hatte. >Ich wollte Sie nicht eher stören in ihrer Arbeit, denn dort im Lazarett waren Sie für uns wichtiger als hier.< Vor ihm lag ein Stapel beschriebener Blätter, den er einem vor ihm liegenden Umschlag entnommen hatte. >Sie haben niemals in Pak Bena praktiziert und sind auch gar kein Doktor, Monsieur Latour<, eröffnete der Kommandant das Gespräch und schaute dabei den vor ihm Stehenden eindringlich an. Im Jahre 1945 haben Sie sich in der kleinen Stadt Tchepone in Süd-Laos etabliert. Sie kamen aus Haiphon, wo Sie von den französischen Truppen mit dem Fallschirm abgesetzt worden waren. Von Posten zu Posten sind Sie die erste Zeit gewandert und haben sich eine Zeit auch in XiengQuang aufgehalten, wo Sie aus der Armee ausgetreten sind. In der kleinen Stadt haben sie 4 Jahre praktiziert als Arzt. Latour wunderte sich über die Genauigkeit dieses Berichtes. Wie waren diese Einzelheiten, die nur der Armee bekannt gewesen sein dürften in die Hände der Vietminh gelangt, fragte er sich insgeheim. >Offensichtlich hat Monsieur Cardin diese Informationen aus erster Hand bekommen<, antwortete Latour dem Kommandanten. >Monsieur Cardin ?< fragte erstaunt der Kommandant, und schien ihn aus seiner Gleichgültigkeit aufzuwecken. >Kennen Sie ihn ?< >Ich kannte ihn in Xieng-Quang, wo ich eine kurze Zeit in einem Mädchengymnasium unterrichtet habe.< >Bis heute hat Monsieur Cardin noch nicht von ihnen gesprochen. Woher wissen Sie das Cardin hier ist ?< >Ich habe ihn in den ersten Tagen meines Aufenthaltes hier gesehen, als er einigen Rekruten Unterricht im Gebrauch von Waffen gab.< Der Kommissar sprach weiter, ohne auf die Antwort von Latour einzugehen. >Im Januar 1949 haben Sie einen Vietnamesen mit dem Namen Bien Hoa, mit dessen jüngeren Schwester Sie seit vier Jahren in wilder Ehe lebten, getötet.< >Das stimmt soweit - bis auf die Tatsache, das ich ihn aus Notwehr getötet habe. Bien Hoa gehörte den Vietminh an und beim Werfen einer Handgranate habe ich ihn erschossen.< >.....nach unseren Informationen haben Sie ihn kaltblütig ermordet.< >Nein, als die Granate explodierte, habe ich meine Waffe gezogen und geschossen und eine Kugel traf ihn tödlich in die Brust.< >Ihre Darstellung weicht entschieden von unseren Recherchen ab. Von Tchepone aus sind Sie dann nach Saigon gegangen und haben dort einen Lastwagen gekauft und später einen zweiten und haben für die französische Armee Transporte gefahren. Bei diesen Fahrten sind Sie einige Male in einen unserer Hinterhalte gefallen und haben sich nach eindeutigen Zeugenaussagen jedesmal mit der Waffe in der Hand verteidigt.< >Sollte ich mich wie ein Hase abschießen lassen ?< antwortete Latour gehässig. >Dann erkennen Sie also unsere Informationen an, nicht wahr? Dann sind wir bald am Ende und alles geht glatt über die Bühne. Ich nehme an, das Sie das Weitere nicht mehr leugnen werden ? Kommen wir also nun zum Angriff bei Kilometer 105. Ihr vietnamesischen Beifahrer, der jetzt der regulären Vietminh-Armee angehört, hat ausgesagt, das Sie mit ihrem Wagen G.C. 334 als zwölfter in der Kolonne fuhren. Bei unserem Angriff haben Sie sich hinter einem Termitenhaufen verschanzt und auf unsere Leute mit einer Mpi geschossen und nach Aussage ihres Beifahrers auch einige getötet oder zumindest verwundet.< -38-
Latour begehrte auf. >Haben ihre Leute eine Waffe bei mir gefunden als sie mich festnahmen ?< >Nein !< >Aber wir werden noch eine Aussage bekommen, das Sie eine Waffe gehabt haben, als man Sie bei den Fahrzeugen sah, Monsieur Latour<, entgegnete der Kommandant. >Wo wollen Sie eigentlich Medizin studiert haben in Frankreich ?< >In Paris, an der Sorbonne.< >Aber nicht unter ihrem jetzigen Namen, Monsieur Latour.< >Den habe ich 1940 geändert als die Deutschen Frankreich besetzten und ich wegen dem Widerstand gesucht wurde, als ich Frankreich 1941 über Spanien verlassen habe. Damals nahm ich den Namen Latour an.< >Warum haben Sie ihre Geliebte, mit der Sie in Tchepone zusammengelebt haben, nicht mit nach Saigon genommen ?< >Wir verstanden uns nicht mehr, nachdem ihr Bruder tot war.< >Wissen Sie was aus ihr geworden ist.< >Nein, ich bin nie mehr wieder in Laos gewesen.< >Sie wissen wirklich nicht was aus ihr geworden ist ?< >Nein, ich sagte es schon.< >Kurz nachdem Sie sie verlassen haben, hat sie sich das Leben genommen.< >Das tut mir leid, das hatte ich nicht gewollt, das sie sich unsere Trennung so zu Herzen genommen, und sich das Leben genommen hat.< Der Kommandant blätterte noch einen Moment in seinen Akten, bis er schließlich zu Latour sagte : >Sie können sich jetzt schlafen legen, ich werde dieses Verhör mit dem politischen Kommissar durchsprechen und von dem Ergebnis, was dann mit ihnen weiter geschehen wird, werden Sie in den nächsten Tagen erfahren. Behandeln Sie weiter die Verwundeten, denn wenn Sie auch schon nach unseren Unterlagen kein Arzt sind, verstehen Sie doch etwas von der Materie, das muß der Neid ihnen verdammt lassen.< Mit diesen Worten rief er den Wächter herein und ließ Latour zu seiner Bambushütte bringen. * Hatte er nun sein Spiel verloren? Nachdem man so ziemlich genau herausbekommen hatte wie es um ihn stand, grübelte Latour, nachdem er sich in seiner Hütte auf dem Lehmboden gesetzt hatte. Sollte er die Flucht wagen und eventuell hilflos im Dschungel herumirren, denn die nächste menschliche Behausung schien zig Kilometer entfernt zu sein und wer sagte ihm, ob dort nicht ein Agent der Vietminh sein würde. Am nächsten Morgen, als ihn der Wächter zum Lazarett abholte, sah er, das man Jaques Brujeré fortführte, und als er am Abend in seine Hütte zurückkehrte war er noch nicht wieder da. Hatten man ihn freigelassen ? Nun waren beide fort, Brujeré und My-Lie und auch Blavins hatte man inzwischen in ein anderes Camp gebracht. Nun war auch Lie-Bang tot, wie er gestern vom Kommandanten erfahren hatte. Als er Sie damals verließ, hatte er ihr noch eine Menge Geld hinterlassen und ein Dokument ausgestellt, in dem er ihr das Haus mit allem überschrieben hatte. Auf der Landstraße, die nun sein zu Hause war, hatte er die erste Zeit oft an sie gedacht, aber nachdem er einige Abenteuer in Saigon gehabt hatte, mit der Zeit dann immer weniger. Die Mitteilung, die der Kommissars ihm gestern abend gemacht hatte über den Tot von LieBang, war ihm doch an die Nieren gegangen, denn den ganzen Tag über bei der Arbeit mußte er an sie und die Vergangenheit denken, und insgeheim machte er sich nachträglich noch Vorwürfe, das er sie nicht mitgenommen hatte. Keine seiner Geliebten, die er seitdem in Saigon, oder andernorts, wo er für ein paar Tage Rast gemacht hatte, konnte es mit Lie-Bang aufnehmen, bis auf die Figur und das Aussehen von My-Lie, die er hier kennengelernt hatte, aber die Frau eines anderen war. * Mehrere Tage waren seit dem letzten Verhör, an dem Abend, wo er vom Tot von Lie-Bang -39-
erfahren hatte, ohne besondere Ereignisse vergangen. Das Lazarett hatte sich wesentlich geleert und übrigblieben knapp ein Dutzend Kranker. Die Leichtverwundeten, die jetzt wieder bei ihren Kameraden in den Wohnbaracken lebten, kamen täglich zur Wundversorgung um die Verbände zu wechseln, so das Latour bereits schon zu Mittag mit seiner Arbeit fertig war und in seine Hütte konnte. Hier verbrachte er die Zeit mit schlafen und wenn er nicht schlief, dachte er an My-Lie und wie es ihr jetzt wohl gehen möge. Eines Morgens während er die Verbände bei den Verwundeten, die nun regelmäßig ins Lazarett kamen, wechselte, kam der Kommissar in die Verbandsstube und sagte zu Latour : >Nun haben Sie ja bald nichts mehr zu tun, und die Arbeit kann von unserem Pfleger allein bewältigt werden.< Latour begriff, das seine Tage hier nun gezählt waren und sofort griff er seinen schon bereits bedachten Fluchtplan wieder auf. Die beste Zeit war kurz vor dem Morgengrauen, denn dann würden die Wachen ihre Wachsamkeit eingestellt haben. In den vergangenen Tagen hatte er sich, bedingt durch die wenige Arbeit im Lazarett, oft bereits am Nachmittag schlafen gelegt und dann meistens bis zum Morgengrauen durchgeschlafen. So war er ausgeruht und gekräftigt, denn zu essen hatte er reichlich im Lazarett bekommen, und nicht nur die üblichen Reisportionen. Aus der Lazarettapotheke hatte er sich einige Medikamente, Verbandszeug und ein kleines Fläschchen Alkohol mitgenommen und in seiner Hütte in dem Lehmboden vergraben. Eines Morgens, die Sonne war noch nicht aufgegangen, wurde er durch lauten Lärm geweckt, und als er durch die Bambusstäbe blinzelte, sah er einen Trupp Vietminh-Soldaten aus dem Dschungel kommen, die einige Bahren trugen. Offensichtlich hatten sie Verwundete oder Kranke dabei. Im Laufschritt näherte sich der Wächter Latours Hütte, die er allein bewohnte, - Brujeré war nun schon seit einer Woche nicht mehr da -, und öffnete Latour verschlossene Tür, und rief auf Vietnamesisch : >Kommen Sie sofort !, es ist eilig !< Die geplante Flucht, konnte er sich somit erst einmal abschminken. Das nun neue Verwundete eingetroffen waren, bedeutete aber für ihn einen Aufschub, dessen was in Zukunft mit ihm passieren würde. Er hatte alle Verwundeten versorgt und begab sich für einen Moment vor die Lazarettbaracke, um eine Zigarette zu rauchen, womit ihn der Pfleger jetzt immer ausreichend versorgte. Plötzlich hörte er ein fernes Brummen und irgendwo wurde anhaltend ein Gong geschlagen. Alle die sich draußen befanden, verließen fluchtartig das Gelände und aus der Baracke kam der Wächter und trieb Latour zurück in das Lazarett. Hier wurden die Kranken und Verwundeten eilig auf bereitstehenden Tragen gelegt, und ein Trupp Soldaten, der inzwischen eingetroffen war, rannte mit den Tragen gegen den Wald zu. Latour bekam von dem Wächter einen Stoß in den Rücken, um diesen zu folgen. Wie aufgescheuchte Kaninchen rannten die Soldaten in ein und dieselbe Richtung und über uns hörten man das dröhnen der französischen Geschwader, mit einem Blick zum Himmel, - schon wieder bekam er vom Wächter einen Stoß in den Rücken -, konnte er leichte Bomber und Jäger ausmachen, die er bei einem Besuch auf dem Flugplatz von Saigon dort hatte stehen sehen. >Schneller< mahnte der Wächter ! >Man darf uns nicht sehen wenn sie erst tiefer kommen.< Einige Soldaten wollten vorbeilaufen, doch der Wächter rief ihnen zu : >Bewacht den Doktor, ich muß nochmals zurück.< Irgendwoher aus dem Dschungel ertönten vietnamesische Befehle und überall herrschte ein völliges Chaos. Plötzlich stand auf dem Waldpfad eine überdimensionale Palme, und der Weg endete hier. >Hier hinein !< Zwei behelmte Soldaten zerrten ihn eine Treppe, die abwärts führte, hinunter. Er wäre gestürzt wenn ihn nicht einer der Soldaten festgehalten hätte, so steil und tief ging es nach unten. War es die unterirdische Fabrik ? Sie mußte es wohl sein und somit waren alle hier vor den zu erwartenden Bomben sicher, denn das die anfliegenden Flugzeuge das Camp entdecken würden, damit rechnete Latour und wurde angezeigt durch die Panik der Vietminh-Soldaten. Immer mehr füllte sich der Raum, - von nebenan hörte man Maschienengeräusche -, mit Soldaten, und auch die Kranken und Verwundeten hatte man hierher nach unten geschafft. -40-
Jetzt kam auch der Pfleger mit dem Wächter und beide trugen einen großen Karton mit Verbandsmaterial und Medikamenten. Aus der Ecke hörte man das Klagen einiger Verwundeter, die er am frühen Morgen operiert hatte, und die jetzt durch das Nachlassen der Betäubung und das wilde Schaukeln der Tragen beim Transport hierher, über Schmerzen klagten. Aus dem Maschinensaal kommend, drängte eine junge Frau, - Latour hatte sie in den ersten Tagen des öfteren Zigaretten rauchend vor der Kantinentür gesehen, und es war auch die junge Frau, die sich bei ihm bedankt hatte -, einige Soldaten zurück, die dort offensichtlich eingedrungen waren. Als die junge Frau den Nebenraum betrat, sprangen alle Soldaten sofort auf, doch mit befehlsgewohnter Stimme, hieß die junge Frau sie alle wieder zu setzen, und sagte : >Ich habe angeordnet, das selbst bei einem Luftangriff, keiner den Maschinenraum betritt.< Einer der Soldaten, offenbar ein Chargierter, denn er trug einige Abzeichen auf dem Ärmel, trat vor und sagte : >Die Leute werden bestraft werden Madame l`Capitaine<, und schlug dabei knallend die Hacken zusammen wie auf einem Kasernenhof. >Nein, lassen sie es dieses mal dabei bewenden mit einer Rüge, aber noch einmal werde ich es nicht dulden.< Der als Frau angesprochene Capitain ging in den Maschinenraum zurück und schloß hinter sich die Tür. Latour drängte sich zum Pfleger und fragte ihn : >Wo sind die anderen Franzosen ?< Dieser antwortet ihm : >Die sind sicher in dem anderen Unterstand mit den übrigen Soldaten, dort wo sich auch der Kommandant und der Kommissar befinden.< Über diese Antwort war Latour etwas enttäuscht, denn er hatte gehofft, bei dieser Gelegenheit alle Gefangenen kennenzulernen. Er war nämlich davon überzeugt, das ihm der Kommissar einige Gefangene vorenthielt. Als sich Latour über einen der Verwundete beugte den er am Morgen operiert hatte, und der jetzt über starke Schmerzen klagte, erscholl von oben ein mächtiges Brausen, das selbst den Lärm der nebenan laufenden Maschinen übertönte. Die Wände der Unterirdischen Räume schienen zu beben und zu schwanken. Eine Glühbirne die den Raum beleuchtet fiel mit der Fassung zu Boden und zerbrach. Weitere Einschläge folgten. Draußen mußte die Hölle los sein. Die ersten Bomben mußte mitten ins Camp getroffen haben. Bedingt durch die eingetretene Finsternis, hörte man einige ängstliche Schreie junger Soldaten. Plötzlich flammte eine Taschenlampe auf und Latour sah, das sich mehrere der Soldaten ängstlich auf den Boden gelegt hatten. Mit Fußtritten brachte der Chargierte, offenbar ein Sergent, die Leute wieder auf die Beine, wo sie beschämt wieder ihren alten Platz einnahmen. Erneut ging die Tür des Maschinensaals auf und die junge Frau fragte : >Ist alles hier in Ordnung ?< Der Sergent antwortet erneut für alle anderen : >oui Madame l`Capitaine.< Die Capitainin sah, das die Glühbirne nicht mehr brannte und befahl den nächststehenden Soldaten mitzukommen, um eine neue zu holen. Als dieser zurückkehrte und die Birne in die Fassung geschraubt hatte, brannte sofort das Licht wieder und Latour kümmerte sich um den eben klagenden Verwundeten. Als er den Verband nachgeschaut hatte, stellte er fest, das der verwundete junge Soldat nur Angst gehabt, und daher gestöhnt hatte. Auch der Pfleger mußte dieses bemerkt haben und sagte zu Latour : >Es sind eben alles noch Kinder<, und konnte sich ein wehmütiges Lächeln nicht verkneifen. Noch einige Male fielen oben auf der Erdoberfläche Bomben, doch es dauerte nicht mehr lange und von oben kam jemand die Treppe herunter und gab Entwarnung. >Zuerst die Soldaten< sagte er auf Vietnamesisch >und die melden sich sofort alle in Baracke 3 bei Lieutenant Co Thach.< Als Latour mit den Verwundeten und seinem Wächter wieder an die Oberfläche kam, hing noch ein grau-schwarzer Rauch zwischen den Bäumen und Sträuchern, und je näher sie dem Lager kamen, wurde der Dunst zum Rauch. Als sie das große Rund der dort vorher stehenden Baracken erreicht h, sahen sie nur noch rauchende und brennende Gebäude. Die Kantinen- und Lazarettbaracke waren völlig zerstört und waren nur noch ein rauchender und teilweise noch brennender Trümmerhaufen. Wer hier geblieben war und nicht den Luftschutzraum aufgesucht hatte in letzter Minute, mußte in dem Bombenha-41-
gel umgekommen sein. Selbst der Kommandant und der Kommissar schienen betroffen zu sein, als wiederum, dieses mal aber anhaltend mit unregelmäßigen Schlägen, der Gong erscholl. Alle anwesenden Soldaten machten ängstlich betroffene Gesichter und der Kommandant ordnete an : >Sofort wird das Lager geräumt<, rief er. >Warum soll das Lager geräumt werden ?< fragte flüsternd Latour den neben ihm stehenden Pfleger. >Französische Truppen sind im Anmarsch, sie werden bald hier sein.< Der Kommissar wandte sich an Latour : >Herr Doktor, Sie werden die Verwundeten und Kranken mit dem Pfleger zusammen begleiten<, und zum Pfleger gewandt sagte er : >Nötigenfalls requirieren sie dafür die Mannschaft der dritten Sektion und nehmen sie alle noch vorhandenen und geretteten Medikamente mit.< Daraufhin ging der Kommandant und der Kommissar zu der kleinen Baracke, wo Latour zum letztenmal zum Verhör gebracht worden war, sie war als einziges Gebäude unversehrt geblieben. * In Reihe und Glied standen die Tragbahren vor der ausgebrannten Lazarettbaracke, wovon jetzt nur noch ein verkohlter Trümmerhaufen, aus dem noch hier und da Rauch aufquoll, übriggeblieben war. Es war jetzt früher Nachmittag und Latour fragte sich insgeheim, ob die französische Luftwaffe noch bevor es Abend wurde, erneut einen Angriff fliegen würde, um die Bodenstreitkräfte, die sich im Anmarsch befanden zu unterstützen. Ein junger Oberst war hinzugekommen und befahl : >Das Lager wird geräumt. Wo sind die Unteroffiziere ?< Einige der Soldaten traten vor. >Ihre Leute müssen in zehn Minuten feldmarschmäßig abmarschbereit sein. Lebensmittel sind für 72 Stunden mitzunehmen. Die Sektion 3 untersteht ab sofort unter dem Kommando des Pflegers und des Doktors. Allen deren Anordnungen sind folge zu leisten. Die Verpflegung der 3. Sektion und der Verwundeten ist von den anderen Sektionen mitzunehmen, sowie auch deren Waffen.< Er zündete sich eine Zigarette an, schaute dabei auf seine Armbanduhr und wandte sich an den Kommandanten, der im Weggehen war : >Sagen Sie Madame l`Capitain Hoa Chi, das sie mir ins Zentralbüro nachfolgen soll. Die Zerstörung der Anlagen hat wie vorgesehen zu erfolgen.< Ein junger Soldat rannte sofort in Richtung des unterirdischen Eingangs um die Meldung zu überbringen. Offenbar hatte er die junge Frau unten aus dem Maschinensaal damit gemeint. Das war doch der junge Oberst, der so krank aussah und dem Latour dieses schon einmal vor grauer Urzeit gesagt hatte, denn mittlerweile kam es ihm vor, als wenn er schon eine Ewigkeit hier verbracht hätte. Woher kam der Oberst, war er vor den vorrückenden Franzosen zurückgewichen ? Oder war er am Ende so krank, das er nicht mehr kämpfen konnte ? * Es dauerte nicht lange und die Capitainin Hoa Chi erschien auf der Bildfläche. Ihre unvermeidliche Zigarette hing wie immer im Mundwinkel, und sie machte sich nicht die Mühe, ihre Hände aus den tiefen Hosentaschen zu nehmen, als sie grüßend, mit zwei Fingern an die Mütze tippend sich beim Oberst meldete. Latour und der Pfleger hatten genügend damit zu tun, alles für den Transport fertig zu machen, wobei Latour der Wächter immer im Wege stand. Zu ihm gewandt sagte er : >Du könntest ruhig ein wenig mit anfassen,< - wobei sich Latour einen Stoß Decken auf seine Schultern lud -, >anstatt hier blöd herumzustehen.< >Geh aus dem Weg du Hornochse.< Die Frauen aus der Kantine stocherten derweil in der Asche herum um noch zu gebrauchende Gegenstände zu finden. Oft hatten sie Glück und riefen sich ihren Fund gegenseitig entgegen. Aus der unterirdischen Fabrik kamen Arbeiter mit schweren Kisten auf den Rücken, worin -42-
sich wahrscheinlich unersetzbares Werkzeug befand. Sie entfernten sich mit diesen in Richtung Norden, wo sich anscheinend das andere Camp befinden mußte. Dieses aber 2 - 3 Tagesmärsche entfernt. Durch ihre schweren Lasten würden sie nicht all zu schnell vorwärts kommen und diese Tatsache kam Latour entgegen, denn so wie der Befehl lautete, sollten erst alle das Lager verlassen haben, und sie mit den Kranken und Verwundeten das Schlußlicht bilden. Plötzlich fragte Latour den Pfleger der auf einem Stapel Decken saß um sich auszuruhen : >Wo sind die anderen Gefangenen ?< Der Pfleger wachte aus seiner Lethargie auf und schien überrascht zu sein über Latours Frage und er antwortete : >Die sind bereits schon seit vorgestern fort in das neue Camp wo wir sie wieder treffen werden. Wußten Sie das nicht.< >Nein, davon habe ich nichts mitbekommen.< Der Oberst erschien erneut, dieses mal mit dem Kommissar zusammen, - überraschenderweise beide in Uniform , an der aber bei beiden sämtliche Rangabzeichen und Litzen fehlten, außer einem gelben Stern auf dem Ärmel -, und der Oberst fragte den Pfleger : >Sind Sie und ihre Mannschaft abmarschbereit ? Ist alles bereit ?< >oui, Monsieur l`Kommissar.< Dabei hatte sich der Pfleger erhoben. >Werden die Verwundeten und Kranken die Strapazen der Wanderung überstehen?< >Ja, wir haben ja keine Schwerverletzten mehr.< >Prima, dann brechen Sie gegen 18:00 Uhr auf.< Sie haben dann immer noch einen guten Vorsprung, von den französischen Légionairen nicht eingeholt zu werden. Danach bliebe nur noch eine Stunde bis die Sonne unterging, grübelte Latour sofort. Auf der Lichtung erschien die Capitainin aus der Fabrik und ging direkt auf dem Kommissar zu. Es war das erste Mal, das Latour bemerkte, das sie sich schneller als sonst bewegte. Sie bebte vor Zorn, weil sie das Lager, wie befohlen in die Luft sprengen sollte und machte sich auch Luft, indem sie dem Kommissar dieses an den Kopf warf. Dieser antwortete : >Militärische Entschlüsse sind nach wie vor mir vorbehalten, unser Camp hier ist verraten worden, und wir können es nicht mehr halten.< Ich habe darüber strikte Anweisungen von oben. Und nun Schluß der Debatte, ich will keine Einwände mehr hören. >Wenn Sie jetzt zurückgehen zur Fabrik, schicken Sie sofort die Krankenträger nach hier, wie müssen aufbrechen, es wird Zeit.< Kurze Zeit später erschienen die Träger. Der Kommissar sah auf die Uhr. Er warf einen Blick auf Latour, der an den verkohlten Resten der Lazarettbaracke hockte und eine Zigarette rauchte. Er wandte sich an den Pfleger und sagte : >Es ist nun an der Zeit, wir können gehen.< Kurze Zeit später betraten sie den Pfad, der in den Dschungel führte. Jeder hatte ein mehr oder weniger großes Paket oder Kiste zu tragen. Selbst dem Wächter hatte man ein Kiste mit Flaschen aufgeladen, und er fühlte sich damit in seiner Bewegungsfreiheit behindert. Bald wurde es dunkel, und plötzlich ertönte in der Ferne wieder der Gong, und eine kurze Zeit später überflog sie schon eine Jägerstaffel der französischen Luftwaffe und hatte bald durch die lichten Bäume die marschierende Kolonne ausgemacht. Sie setzten zum Tiefangriff an und beharkten die Kolonne mit ihren Bordkanonen. Dieses war die Gelegenheit für Latour sich in ein Gebüsch zu werfen, - nicht bevor er seinen Wächter ins Kreuz geschlagen hatte, so das der seine Kiste mit Flaschen fallen ließ und Latour ihm seinen Karabiner entriß -, um die Flucht nach dorthin, woher sie gekommen waren, zu ergreifen. Seine Flucht war bemerkt worden, denn schon bald hörte er Kommandos und kurz darauf auch schon seine Verfolger hinter sich keuchen. Einige hundert Schritte war er gelaufen als man ihn eingeholt hatte. Zwei mit Mpi bewaffnete Soldaten und der Kommissar standen plötzlich hinter ihm und forderten ihn auf sich zu ergeben. Latour legte den Karabiner an und schoss auf einen der Soldaten, und mit dem nächsten Schuß streckte der den zweiten nieder, bevor diese beiden überhaupt dazu gekommen waren, sich zu wehren. Im Fallen des zweiten Soldaten lösten sich einige Schüsse aus der Maschinenpistole und plötzlich verspürte Latour am rechten Unterschenkel ein stechendes Gefühl. Ein Querschlä-43-
ger mußte ihn verwundet habe. Nun stand nur noch der Kommissar vor ihm, unbewaffnet. Dieser bat Latour doch mit ihm zurückzugehen und sich zu ergeben. Er solle deshalb mit zurückgehen, weil es bei dem erneuten Angriff der Flieger, neue Verwundete gegeben hätte. Er versprach ihm dafür auch die sofortige Freilassung, Doch auf diese Versprechungen ließ sich Latour nicht ein, und forderten den Kommissar auf zu verschwinden. Wie ein geprügelter Hund, der den Schwanz zwischen die Beine klemmt, zog der Kommissar von dannen. Latour, nun am Bein verwundet, humpelte, es war inzwischen Nacht geworden und stockfinster im Wald, in Richtung des Camps. Immer und immer wieder stolperte er auf einem Bein hüpfend, an einen Strauch oder einen Baum in der Finsternis an, denn wenn er das verletzte Bein belasten wollte, hätte er vor lauter Schmerz aufschreien mögen. So aber biß er auf die Zähne, um so wenig Geräusche wie möglich zu machen, denn noch immer mußte er mit Verfolgern rechnen. Schließlich konnte er Brandgeruch schnuppern und bald hatte er das Camp erreicht. Von der Anstrengung und dem hohen Blutverlust mußte er wohl ohnmächtig geworden sein, denn als er erwachte war heller Tag und fühlte sich elendig. >Wollen wir noch weiter marschieren ?< fragte er, und sah sich umringt von grinsenden Légionairen. >Wer sind Sie ?< wurde er gefragt auf vietnamesisch. Er antwortete auf Französisch : >René Latour.< >Sie waren Gefangener der Vietminh ?< >Ja.< >Wo sind die anderen Gefangenen?< >Außer mir ist kein Weißer mehr im Lager, und die Vietminh sind abgezogen.< >Im letzten Moment konnte ich ihnen, als eure Jäger gestern abend angriffen, entfliehen, und dabei bin ich verwundet worden.< Sofort bemühte sich ein Sanitäter um ihn, um die Verwundung zu behandeln und zu verbinden. >Wie lange hat man Sie hier festgehalten ?< >Einige Wochen, mir ist fast jedes Zeitgefühl abhanden gekommen.< Bald darauf landete ein Hubschrauber um ihn abzuholen. >Endlich wieder in Freiheit<, wie er dieses Wort herbeigesehnt hatte und noch mehr.....Würde er My-Lie in Saigon wieder treffen ? waren seine Gedanken als er in den Hubschrauben einstieg. * Nach einem achttägigen Hospitalaufenthalt war seine Verwundung soweit ausgeheilt. Er hatte weiterhin keine Beschwerden mehr, um dort länger zu verweilen wie es eben möglich war. Bevor er sich wieder in seine Arbeit stürzen würde, wollte er sich erst noch ein paar Tage der Ruhe gönnen. Sein Renault LKW hatte er ja nun bei dem Überfall der Vietminh verloren, denn er war, wie die anderen mit Kraftstoff beladenen Fahrzeuge von den Viet´s in Brand gesteckt worden. Einen entsprechenden Antrag auf eine Entschädigung durch die französischen Militärbehörden, hatte er zwar inzwischen gestellt und solange mußte er von dem Verdienst leben, den ihm das noch laufende Fahrzeug, mit seinem Fahrer Sabreé, der auf der Route Saigon nach Kambodscha fuhr, brachte. Er hatte in den letzten Monaten auch einige Rücklagen gemacht, so das er sich diesen Urlaub vom >Ich< wie er ihn nannte, gut erlauben konnte. Nach wie vor bewohnte er in einer billigen chinesischen Pension im Stadtteil Cholon, ein kleines möbliertes Zimmer und als einzigen Luxus hatte er sich eines mit einer Dusche geleistet. Bereits vor geraumer Zeit, als er vor einigen Monaten aus Frankreich zurückgekehrt war, vom Besuch seiner Eltern, und um sich von der durchgestandenen Amöbenruhr zu erholen, wollte er sich ein kleines Haus in der Stadt gekauft haben, hatte es aber dann doch vorgezogen, hier in dieser billigen Pension zu bleiben, weil ein Haus auch Kosten, und somit seine Probleme mit sich brachte. Diese kleine Pension lag fast direkt an einem der vielen kleinen Kanäle, - ähnlich wie man es in Amsterdam, sehen kann mit den Grachten und deshalb wird Saigon auch oft mit der Niederländischen Stadt verglichen -, die eine Verbindung mit dem großen Strom, dem großen Fluß, dem >Mekong< hatten. Vor der Pension befand sich ein kleiner Platz, auf dem sich das rege Leben der Umgebung abspielte. Am Tage war es sehr laut hier in und vor der Pension, aber sobald die Nacht hereinbrach, -44-
trat Ruhe ein, und da das Zimmer ziemlich saubergehalten wurde von dem chinesischen Besitzer und so oft wie möglich die Bettwäsche und Handtücher gewechselt wurden, konnte man für wenige Piaster hier angenehm leben. Schon vor seiner Gefangennahme durch die Vietminh`s hatte er einige Monate hier gewohnt und sofort nach seiner Rückkehr sein altes Zimmer wieder bezogen, wo sich auch noch alle seine Sachen befanden. Die Miete brauchte er nur für 6 Wochen nachbezahlen, da er immer für 1 - 2 Monate im voraus bezahlt hatte.
Kanäle -(Klongs) mit Dschunken oder Hausbooten- von Saigon (Bild 179)
Seinen 4 CV, ein schon etwas in die Jahre gekommener, kleiner Renault, hatte er unversehrt auf dem Parkplatz der Militärbehörde, so wie er ihn vor Antritt - wobei er von den Vietminh gefangengenommen worden war - seiner Reise, dort abgestellt hatte, vorgefunden. Nur die Batterie hatte er neu aufladen lassen müssen. Durch die lange Standzeit hatte diese sich von selbst entleert. Am heutigen Abend begab er sich ins Vergnügungsviertel von Saigon um sich ein wenig umzusehen. Im stillen hegte er die Hoffnung, My-Lie dort zu treffen, denn er hatte, nachdem er sich vorsichtig nach ihr erkundigt hatte, durch Zuträger erfahren, das sie sich in den entsprechenden Tanzlokalen fast jeden Abend, mit ihrem Mann als Begleiter, aufhielt. Im ersten Lokal hatte er kein Glück, traf aber dort einige alte Bekannte, die sich über die üblichen Geschäfte unterhielten. Das nächste Lokal, das Moulin Rouge wollte er schon wieder verlassen, nachdem auch dort nur über Preise und Geschäften gesprochen wurde. Auf einigen Tischen hatte er die kleinen Handtäschchen der tanzenden Damen entdeckt und erst als er sich beim Hinausgehen nochmals zur Tanzdiele wandte, erblickte er sie. Sie tanzte gerade mit einem großen, hageren jungen Mann dem man ansah, das er sich noch nicht lange im Land aufhielt. Noch hatte ihn My-Lie nicht gesehen und Latour setzte sich an einen der freien Tische in der Nähe der alleingelassenen Handtaschen der tanzenden Damen. Er sah, wie ihr Kavalier ihr etwas ins Ohr flüsterte, denn My-Lie stieß augenblicklich ein kreischendes Gelächter aus. Hatte er ihr einen schmutzigen Antrag gemacht oder irgend eine Zote erzählt. Man würde es wohl nie erfahren, denn so wie er My-Lie kennengelernt hatte, würde sie darüber schweigen. Ihr Mann, der an einem der Nebentische saß und sich angeregt mit einigen Geschäftsleuten, die auch Latour bekannt waren, unterhielt, wurde von diesem kreischenden Gelächter aus seiner tiefsinnigen Unterhaltung aufgeschreckt und schickte einen vorwurfsvollen Blick zu My-Lie und ihrem Tanzpartner herüber. My-Lie mußte diesen Blick sofort verstanden haben, denn hiernach tanzten sie in gesitteter Form weiter und nicht mehr so zusammengepreßt wie vorher. Die Bedienung hatte Latour einen eiskalten Pernod gebracht und die mit Eis gefüllte Wasserkaraffe zur Selbstbedienung daneben gestellt. Nun gewahrte auch Brujeré, das Latour in der Nähe seines Tisches saß und grüßte freundlich herüber. -45-
>Wenn My-Lie gleich von der Tanzfläche kommt, setzen Sie sich doch mit an unseren Tisch<, rief er freundlich herüber. >Sie müssen mir noch vieles erzählen wie es ihnen ergangen ist nach unserem Fortgehen.< Dann wandte er sich wieder seinen Geschäftspartner zu und setzte die lebhafte Unterhaltung in gedämpfter Lautstärke fort. Es dauerte noch eine Weile, denn die Kapelle spielte fleißig einen Tanz nach dem anderen bis sie sich selbst und den Tanzenden eine verdiente Pause gönnte. My-Lies Tanzpartner brachte sie an ihren Tisch zurück und mit einer Verbeugung gegenüber Brujeré bedankte er sich und nickte My-Lie mit einem Lächeln zu. Brujeré kam selbst an den Tisch von Latour um ihn an seinen Tisch zu bitten. Freundlich begrüßte My-Lie Latour, und sie ließ es sogar zu, ihr die Hand zu küssen, was sie vorher dem Tanzpartner beim Verabschieden abgelehnt hatte. Mit einer weltmännischen eleganten Geste fragte Brujeré, was der bedienende Boy, Latour zu trinken bringen sollte und als dieser nicht antwortete, sagte er dem Boy : >Bringen Sie drei Cognac-Soda, wir müssen zusammen auf unser Wiedersehen anstoßen.< Es standen bereits einige Gläser mit verschiedenfarbigen Inhalt auf dem Tisch und aus einigen stiegen träge Sodablasen auf. >Nun müssen Sie uns erzählen, wie es ihnen gelungen ist, sich zu befreien, Doktor.< >Nun, Einheiten der Légion haben das Lager angegriffen, bevor man vorher mit Flugzeugen das Lager bombardiert hatte.....< >Davon haben wir hier in den Zeitungen erfahren. Wir haben viel an Sie gedacht und waren sehr um Sie besorgt, mein Mann und ich,< sagte My-Lie, sich in die Unterhaltung mischend, da sie sich noch vorher mit einem Tischnachbarn unterhalten hatte und dafür einen vorwurfsvollen Blick ihres Mannes hatte einstecken müssen. >Als wir davon erfuhren, haben wir uns sofort mit dem Hauptquartier in Verbindung gesetzt um näheres zu erfahren und man hat uns beruhigt, das alles zum besten wäre.< >Und was hat die Presse in Saigon darüber berichtet<, unterbrach Latour mit einer Frage die Unterhaltung ? Diese Frage fegte Brujeré mit einer lässigen Handbewegung einfach aus der Unterhaltung fort. Latour erzählte, das er, kurz bevor die Franzosen das Lager gestürmt hätten, der Gefangenschaft der Vietminh entflohen sei, und sich zu dem Zeitpunkt wieder im alten Lager eingefunden hätte, bei völliger Dunkelheit, als die Légionaire in das verlassene Lager gekommen seien. Dann der Lazarettaufenthalt und nun seit ein paar Tagen bin ich wieder in der Stadt, um mich einige Tage von den Strapazen der letzten Zeit zu erholen. Latour forderte, nachdem er Brujeré um Erlaubnis gefragt hatte, die dieser ihm gerne erteilte, My-Lie zum Tanz auf. Auf der Tanzfläche wollte Latour, My-Lie für seine Befreiung danken, denn er war der Meinung, das nur Sie und ihr Mann die französischen Behörden über ihn Auskunft und seine derzeitige Lage gegeben haben konnten. >Ich bedauere es aufrichtig, Sie enttäuschen zu müssen, Doktor, aber Tatsache ist, das wir an ihrer Befreiung keinen Verdienst haben. Wir wären auch nicht in der Lage gewesen, die genaue Lage des Lagers anzugeben.< >Ich war der Meinung, das nur Sie es gewesen sein konnten, die den französischen Behörden über seine Lage informiert hatten. Nach meiner Entlassung aus dem Hospital habe ich Capitain Orsini, der die 2. Compagnie der 13em D.B.L.È. befehligte, aufgesucht. Dieser bestätigte mir nämlich, das auf Grund der Angaben eines Gefangenes, der entfliehen konnte, diese Aktion zustande gekommen sei, und ich somit befreit worden sei.< Latour hatte gelogen ; der Capitain habe ihm gesagt, das die Position des Lagers von einer Vietnamesin angegeben worden sei. An den Tisch zurückgekommen wollte er von Brujeré wissen ob er von allem gewußt habe, oder My-Lie ohne Kenntnis ihres Mannes gehandelt hatte. Es stimmte : Brujeré wußte von nichts. Erneut kam My-Lie, die sich auf der Toilette zurecht gemacht hatte, an den Tisch zurück, und ohne zu zögern griff sie zu ihrem Glas und blickte in das besorgte Gesicht ihres Mannes. >Erzählen Sie uns, wie das Ende ihres Aufenthalts im Lager verlaufen ist, nachdem wir es verlassen hatten.< >Es ist nichts weiter passiert und das ich geflohen bin, habe ich ihnen ja schon erzählt.< Das Orchester begann wieder zu spielen und mit einem Lächeln forderte er My-Lie erneut zum Tanz auf, denn offensichtlich tanzte ihr Mann nie mit ihr zusammen, und hatte also nichts dagegen wenn sie von anderen Tanzpartnern aufgefordert wurde. Die einschmeichelnde Musik eines Tangos klang durch den Raum und eine Chinesin am Mi-46-
krofon sang dazu in einem holperigen Französisch die Melodie. Nur noch wenige Paare bewegten sich auf der Tanzfläche und extra, um sie den Blicken ihres Mannes zu entziehen, tanzte er mit ihr an das andere Ende des Saales. Unentwegt mußte er sie anschauen, denn noch nie in seinem Leben hatte er eine Frau so begehrt wie My-Lie, und es kostete ihn einige Anstrengung, sie das nicht sofort merken zu lassen. Er rückte ein wenig beim Tanzen von ihr ab, nachdem er vorher sehr eng mit ihr zusammen getanzt hatte. Wortlos tanzten sie weiter und Latour fühlte ihr zartes Fleisch unter seiner Hand. Sie tanzten bis zur Tür die nach außen auf die Veranda führte, denn beiden war ein wenig warm geworden beim Tanzen. Sie lügt wenn sie nur den Mund aufmacht, dachte Latour, und eigentlich müßte ich ihr dafür ein paar Ohrfeigen geben. Aber seinem Groll fehlte die Überzeugung. Beim Tanz streiften My-Lie´s Haare seine Wange und er flüsterte ihr fragend zärtlich zu : >Warum benutzen Sie kein Parfüm ?< Ihre Antwort war : >Ich habe noch nie in meinem Leben Parfüm benutzt, noch niemals, außer damals im Lager, weil wir da keine Gelegenheit hatten, uns waschen zu können.< Beim Tanzen erzählte er ihr von den letzten Tagen im Lager und das man die Fabrik gesprengt hatte, bevor alle das Lager verlassen hatten. Die Musik endete und Latour brachte My-Lie an ihren Tisch zurück. Auf dem Weg dorthin sagte er zu ihr leise : >Ich möchte Sie wiedersehen.< >Ich komme jedes Wochenende mit meinem Mann hierher, dann können wir uns wiedersehen<, meinte sie. >Ich meine allein : und an einem anderen Ort.< Hierauf antwortete sie nicht, aber eine blitzhafte Freude spiegelte sich in ihrem Gesicht. Nur noch ein paar Schritte waren sie von ihrem Tisch entfernt, als sie sich umdrehte : >Übermorgen um 11:00 Uhr am >Place de la République,< sagte sie hastig. Lächelnd nahm sie im Korbsessel neben ihrem Mann Platz und gab ihrem Mann rasch eine Erklärung : >Wir haben uns beim Tanzen so erhitzt, das ich Monsieur Latour bitten mußte, mich ein wenig hinauszuführen<. Durch ihre Erklärung schien Brujeré erleichtert zu sein und war im Begriff etwas zu Latour zu sagen, als ein bereits etwas älterer Herr an den Tisch trat und Latour seine Hand auf die Schulter legte und die andere ihm zum Gruß reichte. >Wieder zurück, Latour ?< Es war Dupoint, einer der bekanntesten Rechtsanwälte von Saigon. Er beugte sich zu Latour und fragte : >Könntest du nächste Woche in meiner Kanzlei vorbeikommen, ich habe etwas mit dir zu besprechen ?< >Etwas Unangenehmes ?< Dupoint schüttelte mit dem Kopf, >Nein, nein, eigentlich nichts Besonderes.< Dupoint entfernte sich und rief Latour noch einmal zu : >Vergiß es aber bitte nicht!< Latour erhob sich. Zuvor hatte er sein Glas leergetrunken. Bevor er fortging sagte er : >Ich gehe zum Roulett um mein Glück zu versuchen.< My-Lie erhob sich ebenfalls sofort. >Ich werde Monsieur Latour begleiten. - Gehen wir< sagte sie zu Latour ? und zu ihrem Mann gewandt sagte sie : >Du hast schon lange keine hundert Piaster mehr verloren, Jaques. Komm geh auch mit.< Brujeré stand auf und folgte den beiden. Jetzt schien er nicht mehr so bekümmert, wie er den ganzen Abend ausgesehen hatte und schien sich auf den weiteren Verlauf des Abends zu freuen. Am großen Tisch angekommen, entnahm My-Lie ihrer Handtasche eine sorgsam gefaltetes Bündel Banknoten. >Wie spielen wir, pair ou unpair, rouge ou noir<, fragte sie ihre beiden Begleiter. >rouge< antwortet Latour und Brujeré sagte >unpair.< My-Lie hatte laut gesprochen und einige Spieler hoben für einen Augenblick ihre Köpfe, wandten sich aber sofort wieder dem Tisch zu. Die Zahlen auf dem Tisch waren mit den verschiedensten Spieljetons belegt und die Spielkugel rotierte im Spielkessel. Die junge Chinesin die das Spiel leitete, sagte : -47-
>rien n´vas plus<, (nichts geht mehr), und alle schauten gespannt auf die rollende Kugel, die langsam zum Stillstand kam. Als die Kugel in die Zahl >zehn< fiel, rief die Chinesin in einem singenden Tonfall das Ergebnis in den Raum, und die Croupiers begannen mit dem raschen Spiel, dem Verschieben der Jetons auf dem Tisch zu den Gewinnern und die verlorenen zum Bankhalter. Schnell hatte Brujeré einige hundert Piaster verloren und wandte sich zu Latour mit den Worten : >Ich höre auf, habe heute kein Glück im Spiel, und wie läuft es bei ihnen ?< My-Lie, die auch bereits einige hundert Piaster verloren hatte und auf einem Stuhl saß, hinter den Latour stand, zeigte auf den Haufen Jetons. >Er hatte jetzt bereits schon über siebzehntausend Piaster gewonnen. So ein Glück möchte ich auch einmal haben.< Latour beugte sich zu ihr hinunter, nachdem Brujeré fortgegangen war. >Sollen wir die ganzen gewonnenen Marken >á quitte ou double< spielen ?< My-Lie klatschte ihm Beifall zu, jedoch zugleich protestierte sie : >Nein, nein, das ist doch viel zuviel.< >Ich mache ihnen einen Vorschlag, wenn ich gewinne, sehen wir uns sehr oft wieder, sehr oft, und wenn ich verliere.....Außerdem teilen wir, wenn ich gewinne, denn dann haben Sie mir Glück gebracht.< Ein Lächeln stand in seinen Augen, denn sie beobachtete ihn mit großer Aufmerksamkeit. >Sie antwortete : Nein im Gegenteil.< >Sie meinen, wenn ich verliere, werden wir einander häufiger wiedersehen ?< Sie sah nun beinahe zornig aus und auf ihrer Stirn sah man einige Falten. >Ja.< Prüfend warf er einen Blick auf den Spielplan, nachdem schwarz eben fünfmal hintereinander gekommen war. Mit einer Handbewegung setzte er erneut alles auf Schwarz und My-Lie flüsterte ihm zu : >Jetzt verlieren Sie bestimmt, jetzt kommt bestimmt Rot.< Die junge Chinesin kündigte ihr : >les jeux sont faits, an< >rien n`vas plus<, nichts geht mehr sagte die Chinesin erneut und warf die Elfenbeinkugel mit einem eleganten Schwung in den Roulett-Teller. Mit trockenem Klappern zog die Kugel, immer engere Kreise ziehend im Teller, bis sie schließlich zwischen zwei Vertiefungen fiel, in die Nummer fünfzehn und dort unverrückbar liegenblieb. >Fünfzehn. Eine ungerade Zahl. Rot gewinnt.< My-Lie zuckte mit den Schultern, >perdu< sagte sie. >Da haben sie es ! Sie haben alles verloren !< Der Croupier zog mit einem Rechen den Haufen Jetons zu sich heran, und My-Lie und auch Latour sahen ihm dabei mit einem bedauernden Blick zu. >Ich glaube nicht, das ich verloren habe, denn dadurch habe ich Sie gewonnen.< Zusammen gingen sie zu ihrem Tisch zurück, an dem Brujeré mit finsterer Mine saß und den beiden mit gleichsam fragenden Blick entgegensah. * Nun wartete er bereits eine geschlagene Stunde vergebens, und es schien, als wenn ihn My-Lie, mit der er heute Vormittag verabredet war, hatte sitzen lassen. Zehn Minuten vor 12 Uhr war es nun schon, Latour gab sich selbst noch 10 Minuten und zündete sich erneut eine Zigarette an. Eine vorbeigehende Französin richtete einen Blick an ihn, mit einer einladenden Geste, aber er sah sie so verwundert an, das sie sogleich weiterging ohne sich noch einmal nach ihm umzudrehen. Er rief den Boy, um seine Zeche zu bezahlen. Wie ein Schulbub hatte er sich zum besten halten lassen. Hatte My-Lie es überhaupt ernst gemeint vorgestern Abend im Moulin Rouge oder war es nur ein Vorwand gewesen, um ihn loszuwerden ? Auf dem Weg zu seinem Auto begegneten ihm auf dem Gehweg wiederholt hübsche Vietnamesinnen, die bei ihrer eigenartigen Gangart mit eingezogenem Rückgrat, ihre stark gewölbten Brüste zeigten. Er bog mit seinem Wagen in eine lange gerade gezogene Straße ein, die vom Vergnügungsviertel weg führte. Ziellos fuhr er weiter durch die Straßen und oft vermeinte er in den Passanten an denen er langsam vorbeifuhr, My-Lie zu erkennen. In Gedanken malte er sich aus, was er alles hatte anstellen wollen, wenn sie sich getroffen hät-48-
ten, und nun war die Enttäuschung noch viel größer, das sie nicht gekommen war. In Gedanken hatte er sich mit ihr, in einem der vielen Schwimmbäder der Stadt und Umgebung, auf den Ruheliegen in der Sonne geaalt, oder hatte in einen der mehr oder weniger guten Speiselokalen mit ihr zu Mittag gegessen. Nun waren alle seine Träume, die er von ihr und in Gedanken mit ihr geträumt hatte, wie eine Seifenblase zerplatzt. Zu blöd von ihm, das er sie auch nicht nach ihrer Adresse gefragt hatte. Hätte sie ihm auch die richtige gesagt ? Oder hätte sie ihn, - die meisten Vietnamesen nahmen es mit der Wahrheit nicht so genau -, ihn am Ende angelogen ? Er hätte ja auch Brujeré unter einem Vorwand nach seiner Adresse fragen können, hatte aber daran im Moment nicht gedacht. Wer konnte das jetzt auch so genau sagen ? Ziellos fuhr er durch die Stadt, links und recht an den Straßen, meist hinter hohen Palmen verborgen lagen die Villen, fast alle im Kolonialstiel der Jahrhundertwende gebaut, der reichen oder reich gewordenen Franzosen. Vom Umherfahren ermüdet, jetzt an diesem Morgen, bog er mit seinem Wagen in die Rue d`Cannebiére ein, um vor dem Haus anzuhalten, in dem Dupoint, der Staranwalt von Saigon, seine Kanzlei hatte. Der Boy führte Latour in das Büro des Anwalts, und dieser erhob sich aus seinem Korbsessel als der Besucher den Raum betrat und reichte ihm zur Begrüßung beide Hände. >Das Du so schnell hier aufkreuzen würdest, damit habe ich nicht gerechnet, aber mir soll es recht sein, dann haben wir die leidliche Angelegenheit schnell vom Tisch.< Sie unterhielten sich einen Augenblick über die Sache, besser gesagt, Latour hörte sich die Ausführungen und Argumentation seines Anwalts mit lebhaftem Interesse an. Hier und da gab er ein Wort der Zustimmung und schließlich klappte der Anwalt mit einem Ruck die vor ihm liegende Akte zu, nachdem Latour seinen Ausführungen in allem zugestimmt hatte. Nun wollte Dupoint noch von Latour die Leidensgeschichte seiner Gefangenschaft hören, die ihm Brujeré schon teilweise erzählt haben mußte. >Was soll ich darüber groß berichten, wenn du schon alles von Brujeré gehört hast ?< Einen Lastwagen hat es mich gekostet, und ich bin froh, so mit heiler Haut davongekommen zu sein.< >Ist ja nur ein Geldverlust, den du gehabt hast, und den kannst du verschmerzen.< >So dicke habe ich es auch nicht, und für ein Ersatzfahrzeug müßte ich über 100.00 tausend Piaster hinblättern, und die habe ich im Moment nicht. Außerdem haben die mich im Lager fotografiert und wenn sie mich jetzt noch einmal erwischen sollten..... Na ja ich weiß nicht....., was man dann mit mir machen würde.< Erneut wandte er sich an Dupoint und fragte ihn : >Bist du eigentlich mit Brujeré befreundet ?< >Befreundet kann man das nicht nennen, wir sind eben damals vor dem Krieg zusammen nach Indochina gekommen und seitdem kennen wir uns.< >Ist er damals schon im Import-Export-Geschäft tätig gewesen.< >Nein, das macht er erst seit etwa 4 Jahren und das meistens noch mit wenig Erfolg.< >Was hat er denn vorher gemacht?< >Er war Distriktsadministrator in der Zivilverwaltung oben im Norden. Hast du denn nie etwas von ihm gehört ?< >Nein.< >Ach ja, du bist ja erst nach dem Krieg nach hier in die Kolonien gekommen und kannst das nicht wissen. Brujeré hat sich vor dem Krieg in Indochina einen Namen gemacht, den fast jedes Kind kannte. Er spricht und schreibt Chinesisch wie ein Mandarin. Er war es auch, der mir behilflich war, hier in Saigon, beim Aufbau meiner ersten Kanzlei. >Eine kurze Zeit haben wir auch miteinander im Konzentrationslager verbracht, nachdem uns die Japaner im Gewaltstreich gefangengenommen hatten. Später wurden wir dann wieder voneinander getrennt.< >War er damals auch schon verheiratet ?< >Nein ! Zu dieser Zeit interessierte er sich nicht besonders für Frauen, sondern hatte viel mehr Interesse an historischen Dokumenten der chinesischen Dynastie und an alten chinesischen Vasen, solche aus der Hué-Dynastie. Vor 2 - 3 Jahren mußte er seine wertvolle Sammlung notgedrungen verkaufen, weil ihm das Wasser bis zum Halse stand. Nach dem Krieg, als die Franzosen Indochina von den Japanern zurückerobert hatten, haben wir uns einige Monate nicht gesehen und dann -49-
kam er plötzlich wieder zurück nach Saigon.< >Warum ist er nach Saigon zurückgekommen ?< wollte Latour wissen, und er bekam als Antwort: >Er hatte wegen seiner Frau, My-Lie, - er hatte inzwischen nun doch geheiratet, wo er eigentlich als Junggeselle geboren worden war -, seinen Posten im Norden aufgeben müssen.< >Bei so einer Stellung läßt er sich von einer kleinen Annamitin einfangen, das ist mit unverständlich.< Dupoint schnalzte mit der Zunge. Als er sie uns als >Madame< Brujeré vorstellte, - wenn ich ihn nicht schon vorher einige Jahre gut gekannt hätte -, hätte er eigentlich seine >Tussi< vor der Tür lassen müssen, als er uns damals zum ersten Mal besuchte, als er nach Saigon zurückkehrte. Wenn ich mich richtig zurückerinnere sagte er immer, lieber aufhängen als jemals eine Eingeborene heiraten. Die haben doch nur eines im Kopf, soviel Geld zu scheffeln wie nur eben möglich, um dich dann noch an der nächsten Straßenecke mit einem anderen betrügen zu wollen. Latour sagte : >Man darf das nicht übertreiben< und fügte hinzu : >Ja, zugegeben, es gibt solche und solche<. >Seitdem er mit My-Lie verheiratet ist, kommt er mir oft vor wie ein verliebter Jüngling.< Dazu ihre Aufmachung. Sie kleidet sich immer wie eine Primadonna, und ein Flittchen wie MyLie kostet mehr, als ein halbes Dutzend Liebhaberinnen. Dabei steht Brujeré meistens das Wasser bis zum Hals. Und dazu kommt noch, das beide fast jeden zweiten Abend groß ausgehen, Tanzlokale und Spielkasinos besuchen, was ja auch einiges an Geld kostet. Kein Wunder bei dem Lebenswandel, den die beiden führen, das er seine wertvolle Sammlung verkaufen mußte, aber wozu zwingen oft die Launen einer Frau, nicht. Es wäre besser für beide, sie würde sich ein, zwei Liebhaber nehmen und sich von denen aushalten lassen, dann kämen sie besser über die Runden und er könnte am Monatsende seinen Verpflichtungen nachkommen. Im allgemeinen gebe ich nicht viel auf das Gerede und den Klatsch der Leute, aber man munkelt so einiges in der sogenannten guten Gesellschaft, das zwischen seiner Abberufung von seinem hohen Posten im Norden und seiner Heirat mit My-Lie ein Zusammenhang besteht, und sie somit an der Abberufung die Schuld trägt. Ich vermute, Sie kommt aus der ärmsten Bevölkerungsschicht, also aus den Reisfeldern des Nordens oder Südens, denn noch nie hat man etwas von ihrer Familie erfahren. >Ich habe jedenfalls noch nicht einmal gehört, das Brujeré von ihrer Familie erzählt hätte.< >Woher hat Sie denn nur so gut unsere Sprache gelernt ?< wollte Latour von Dupoint wissen. >Die kann man doch nur so akzentfrei lernen wenn man ausschließlich mit Weißen zusammen ist. >Das hat Sie wohl in den Hafenkneipen gelernt, denn dort ist sie immer zu finden, wenn Brujeré auf Reisen ist. Man hat sie dort nämlich schon des öfteren gesehen.< Etwas ähnliches hatte Latour sich schon gedacht. Dupoint plauderte munter weiter und man erkannte aus seinen Worten heraus, das er My-Lie nicht besonders mochte. Voller Verachtung sprach er von einer >durch das Gesetz sanktionierten wilden Ehe< Latour unterbrach ihn und sagte : >Merkwürdig ist nur, das eine solche Frau ihren Mann nicht betrügt.< >Ich sagte dir ja schon, in dieser Beziehung ist nichts von ihr bekannt.....< Latour fuhr fort : Sie scheint ihren Mann zu lieben. >Allem Anschein nach, ja. Wenn du mit Brujeré sprichst, lobt er sie über allen grünen Klee und mir geht seine Lobhudelei schon langsam auf die Nerven. Wenn My-Lie nicht gewesen wäre, wäre er heute zumindest Préfet der Provinz Saigon oder sogar schon Haut-Commisaire des indonesischen Zentralgebiets. Mir kann man es nicht ausreden, das er den Verwaltungsdienst wegen My-Lie aufgegeben hat, da muß eine andere Sache hinter stecken. Vor einigen Jahren wollte man ihn schon des Landes verweisen, also muß auch etwas Schwerwiegendes vorgefallen sein, das somit auch das Ende seiner Karriere bedeutet hat. Wie hat sie sich denn in der Gefangenschaft bei den Vietminh verhalten ?,< wollte Dupoint wissen. Latour zögerte mit der Antwort. >Wie ich festgestellt habe, wie eine fürsorgliche und treue Ehefrau.< -50-
>Das ist ja höchst verwunderlich.....Nach ihren Angaben war sie es, die beide hat freikommen lassen, so erzählt jedenfalls Brujeré es jedem der es hören will.< >Wann kommst du uns denn einmal wieder besuchen ?< fragte Dupoint. >Meine Frau würde sich freuen, dich wieder einmal beim Mittagstisch begrüßen zu können. Kommst du jetzt mit ?< >Nein, danke, ich komme ein anderes mal.< Latour erhob sich und ging zur Tür. Bevor er die Tür aufmachte, fragte er so beiläufig Dupoint : >Kennst du die Adresse von Brujeré ? Ich will ihn mal besuchen und noch einiges wegen unserer Gefangenschaft mit ihm bereden, denn ich soll noch einige Angaben bei der Militärbehörde machen, und die will ich kurz mit ihm absprechen, wegen der beantragten Entschädigung für meinen verlorenen Truck.< Dupoint notierte ihm die Adresse von Brujeré auf einen Zettel und überreichte ihn mit den Worten : >Mach dir um die Sache mit der >Intro<, die wir eben besprochen haben, keine Sorgen. Ich bringe das schon in Ordnung.< * Das Haus Nummer 112 stand in einer ruhigen verkehrsarmen Straße, ganz im alten Kolonialstiel erbaut. Mehrere mächtige Kokospalmen entfalteten ihre breiten Fächer vor den Fenstern des Hauses und spendeten ebenso den begehrten Schatten. Durch die kurzgeschnittenen Rasenflächen, die mit bunt schillernden Blumen bewachsen waren, führten mit weißen Kies bestreute Wege, die liebevoll von einem kundigen Gärtner angelegt sein mußten. Er wartete auf der anderen Straßenseite auf der Terrasse eines kleinen Cafés sitzend, und jedesmal wenn er Schritte auf dem knirschenden Kies hörte, dachte Latour : >Das ist sie, jetzt kommt sie.< Er saß nun hier bereits seit über 2 Stunden, wo es im Lokal nach gebratenem, heißem Fett roch, wie so meistens in jedem ostasiatischen Lokal. Bereits um 9:00 Uhr hatte er seinen Beobachtungsposten bezogen,
Brujeré´s Villa wo My-Lie mit ihm wohnte (Bild 181)
denn er war sich nicht sicher, wann My-Lie das Haus verlassen würde. Hier im Viertel, es gehörte praktisch noch zum Eingeborenen-Viertel, wunderten sich die Leute, einen korrekt und sauber gekleideten Weißen zu so früher Morgenstunde hier sitzen zu sehen und mancher mißtrauischer Blick bedachte ihn deshalb. Wieder hörte er den Kies knirschen und als er aufschaute erblickte er nur eine >boyesse< die -51-
mit einer kurzen weißen Weste bekleidet war und darunter einen dunkelblauen Sarong trug, um dem nahen Briefkasten der an der Straßenecke stand, zuzustreben. Noch einmal, wie schon so oft an diesem Morgen bestellte sich Latour einen eisgekühlten Pernod, sein Lieblingsgetränk. Am Nebentisch diskutierten zwei ältere Vietnamesinnen, die bei einer Tasse Tee ihre Neuigkeiten austauschten, soviel konnte Latour aus ihrem Wortschatz entnehmen. Der Besitzer hatte Latour genau so kritisch beäugelt wie es die vorbeigehenden Passanten taten, als hätte jeder Angst vor ihm, er könnte einer der Zuträger oder Agent des deuxiéme Büros sein. Latour entschloß sich als guter asiatischer Geschäftsmann alle anzulächeln, und tat gut damit, denn nun begegnete man ihm auch etwas freundlicher als zuvor. Plötzlich sah Latour wie My-Lie über die weit geschwungene Terrasse ihres Hauses kam und sich dem Begrenzungszaum näherte. Hastig warf er einen angemessenen Geldschein auf den Tisch und erhob sich und erreichte das Tor des Grundstückes als My-Lie gerade die Pforte öffnete. Wohl automatisch hatte sie die Hand erhoben um eines der hier auf der Straße fahrenden >Cyclo-Pousse< (Fahrradrikschahs) anzuhalten. Fast währe sie mit Latour zusammengestoßen, wenn er nicht vorher einen Schritt zurückgegangen wäre. >Guten Tag, Monsieur Latour< begrüßte sie ihn freundlich, >das ist aber eine Überraschung< Sie hier zu treffen. Das er von der anderen Straßenseite aus dem Café gekommen war, schien sie geflissentlich zu übergehen, denn sie hätte blind sein müssen, wenn sie dieses nicht bemerkt hätte. >Wollten Sie zu meinen Mann ?< fragte sie, >oder ist es Zufall, das sie hier in diesem Viertel sind, Monsieur Latour ?< eröffnete sie das Gespräch. >Hoffentlich sind Sie mit ihrem Wagen hier, denn ich muß dringend in die Stadt, um etwas einzukaufen, und nachdem Sie mich praktisch gehindert haben eine Rikschah anzuhalten, müssen Sie mich jetzt fahren. Wenn Sie aber zu meinem Mann wollten, so muß ich ihnen sagen, das Sie ihn heute und auch nicht in den nächsten Tagen erreichen können, da er in Geschäften nach Kambodscha, nach Pnom Penh gereist ist.< So schnell wie die beiden bei seinem Wagen waren, so schnell hatte My-Lie auch ihren Einkauf erledigt. Im stillen vermutete Latour, das My-Lie vom Fenster ihrer Villa, hinter den Palmen versteckt, ihn auf der Terrasse des Cafés beobachtet hatte und deshalb gar nicht groß erstaunt gewesen war, ihn auf der Straße zu treffen. Er trug es ihr weiter nicht nach und ging auf ihr Spiel ein, das sie mit keinem Wort auf die nicht eingehaltenen Verabredung der letzten Tage einging. Als sie wieder zu seinem Wagen kamen, spielten, wie überall ein paar Kinder an dem offenen Wagen, die er mit einer Handbewegung verscheuchen mußte. >Wohin fahren wir jetzt ?< fragte sie. >Wohin sie wollen, Madame.< >Dann in Richtung auf die Thru-Doc Straße. Offensichtlich hatte sie diesen Plan schon gefaßt, als sie in ihrer Wohnung vor ihrem Frisiertisch gesessen hatte, um ihr Gesicht mit etwas Make-up aufzufrischen. Latour am Steuer seines Wagens fuhr durch das tonkinesische Stadtviertel als sei er hier zu Hause. Wie immer herrschte auf der Straße ein sehr dichter Verkehr, so das sie nur Schrittweise vorwärts kamen. Eine Straßenverkehrsordnung schien man hier nicht zu kennen, denn Menschen mit Einkaufskörben bewaffnet drängten sich ebenso auf der Straße wie auf den Gehwegen. Aus den Garküchen, die in regelmäßigen Abständen sich hier angesiedelt hatten, quoll beißender Qualm und reizte beide zum Husten. Das Gedränge der Menschen erinnerte an eine politische Kundgebung, und vom Himmel prallten die Sonnenstrahlen wie prickelnder Sekt. My-Lie fragte leise : >Möchten Sie hier in diesem lebendigen Viertel wohnen ?< >Es ist der lebendigste Teil der Stadt!< >Darum habe ich auch meinen Mann gebeten, hier in der Nähe unser jetziges Haus zu kaufen, denn ich verbringe gerne einen Teil meiner Zeit hier in diesem Viertel, eben weil es so lebhaft ist.< >Ach, darum kleiden Sie sich gerne wie die hiesigen Frauen mit einer schwarzen seidenen Hose und weißen Weste und mit einer rosaroten Tunika, welches sehr hübsch gekleidet aussieht.< >Also gefällt ihnen was ich trage ? >Ja. In gewisser Hinsicht schon, wobei ich Sie mir auch richtig europäische gekleidet vorstellen kann. So etwas würden Sie gut tragen können.< Ihnen begegneten sehr viele hübsche Frauen, denn alle jungen Leute waren hier hübsch, und nur die alten Weiber hatten häßlich verschrumpelte Gesichter. -52-
>Tragen Sie auch Holzsandalen ?< fragte er mit lachenden Augen. >Was dachten Sie denn ? Meinen Sie ich würde mit hochhackigen Schuhen, wie die jungen Mädchen aus Frankreich, hier in diesem Viertel flanieren gehen. Da würde ich doch über jede Unebenheit stolpern.< Ihr Gesicht hellte sich bei seinem absurden Gedanken auf. Sie fuhren weiter durch das letzte Arbeiterviertel Gia-Durh, wo die Häuser letzten Endes immer spärlicher wurden und nach und nach Häusern, die mit vom Regen schwarzgefärbten Strohdächern bedeckt waren, Platz machten. Meistens standen diese Häuser hinter struppigen Buschwerk und vereinzelten Bananenstauden und hier und da stand auch mal eine Palme, die von der Sonne braun gefärbte Fächer trug weil sie zuwenig Wasser bekamen. Überall lagen alte Autoreifen und Abfall, sowie halb abgewrackte Autos herum in denen man fast nackte schmutzige Kinder, meist mit entzündeten Augen, spielen sah, und knurrende Hunde wühlten mit ihren Schnauzen im Kehricht herum. Das Elend schaute hier aus allen Knopflöchern. Latour beobachtet My-Lie, die aufmerksam dieses Elendsbild in sich aufnahm, und hier und da verweilte ihr Blick länger auf einer der halbverfallenen Hütten und denen dort spielenden Kindern. Ihn beeindruckte besonders, im welch sachlichem Ton sie von diesen Menschen sprach, wenn trotz der an und für sich schweigsamen langsamen Fahrt einmal die Rede auf die hier lebenden Menschen kam. Er dachte bei sich, so kann nur jemand von diesen Menschen hier sprechen, der selber einmal mit ihnen gelebt hat. Sie erreichten die große Eisenbahn- und Straßenbrücke von Binh-Loi, die über den großen Mekong führte. Hier auf der anderen Seite des Flusses wechselten sich schorfige Reisfelder mit Gemüse bestellten Feldern ab. Hier und da sah man einige schlanke Areka- oder Kokospalmen, die in den Himmel aufzuragen schienen. Nun konnte Latour auch ein wenig schneller fahren auf der gut asphaltierten Straße und der Motor seines Wagen brummte wie ein zufriedenes Tier. Immer und immer begegneten ihnen Einheimische, sonnenverbrannte Kulis, die unter der Last ihrer Zuckerrohrbündel, die sie auf den Rücken schleppten, fast zusammenzubrechen drohten. Wenn er langsamer fuhr, sah man die Gesichter der Menschen genauer, und manches greise knotige Gesicht konnte man dabei erkennen. An der Hautfarbe der Menschen erkennt man in Vietnam, und so auch anderswo in den Tropen, zu allererst den Stand der Menschen. Je dunkler die Hautfarbe, desto schwerer muß der Mensch arbeiten und so ärmer ist er. - Allein aus diesem Grund wird eine besser gestellte Person sich in den Tropen niemals der direkten Sonne aussetzten, das sollte der Autor später in Brasilien bestätigt bekommen. In diese Gedanken versonnen, beide hingen ihren Gedanken auf dieser Fahrt nach, betrachtete Latour unwillkürlich My-Lie´s Hände, und sah zum ersten Mal deren dunkle Färbung. Als er es sah, mußte er sofort an Dupoint´s Worte denken, der den vornehmen Ursprung von My-Lie bezweifelte. Sein Blick auf ihre Hände war ihr nicht entgangen und sofort sagte sie : >Nun pflege ich meine Hände schon seit Jahren sehr sorgfältig aber die braunen Innenhandflächen behalte ich wohl mein Leben lang.< Traurig fügte sie hinzu : >Ja, uns verraten immer wieder die Hände und die Haut. Dagegen kann man nichts machen.< Man sah diesen Händen an, das sie muskulös waren wie bei einer Reispflückerin. >Kann man bei ihnen in Frankreich auch den Stand eines Menschen, nach seinem Aussehen beurteilen ?< Latour zögerte mit der Antwort. Schließlich antwortete er : >Ich glaube nicht.< Vielleicht manchmal durch Gesten oder Redensarten, aber das kann auch bewußt und irreführend sein. My-Lie dachte einen Augenblick nach und sagte dann schließlich : >Ja, bei euch Weißen ist das sehr schwer zu unterscheiden, das habe ich in all den Jahren feststellen müssen und das hat mich auch immer wieder irritiert.< Um von dem Thema abzulenken, sagte Latour zu My-Lie : >Was sollen wir machen, wohin fahren wir ?< Einen Augenblick zögerte sie und antwortete : >Wenn es ihnen nichts ausmacht, dann fahren sie doch zur Küste, dort können wir uns ein wenig an den Strand legen.< >Ohne einen Badezeug dabei zu haben, macht das wenig Spaß<, antwortete Latour, >aber meinetwegen, dann haben wir aber eine gute halbe Stunde Fahrt vor uns.< -53-
Er mußte die Geschwindigkeit seines Wagens drosseln und fuhr langsam den vor ihm liegenden Polizeiposten an, wo zwei Beamte und ein Sergent alle Fahrzeuge und Passanten kontrollierten. Außerdem mußte man hier für die weitere Benutzung eine Maut entrichten. Er reichte dem Polizeiposten seine Papiere und einen 20 Piaster-Schein. Nach dem Passieren des Postens trat er auf das Gaspedal und erhöhte die Geschwindigkeit des Fahrzeugs, und beide ließen sich im offenen Volant den warmen Wind um die Nase pfeifen. My-Lie griff zu ihrer Handtasche und holte ihre Schminkutensilien heraus, um sich das Gesicht zu pudern und durch die Haare zu kämmen. Seinen Blick nicht von der Straße nehmend bei seiner schnellen Fahrt, fragte er My-Lie : >War es schwer die hunderttausend Piaster für das Lösegeld aufzutreiben?< >Ich mußte meinen ganzen Schmuck verkaufen<, und Freunde habe uns den fehlenden Betrag zur Verfügung gestellt. >Allein schon aus diesem Grund ist mein Mann jetzt auch nach Kam-bodscha gefahren, um dort deponiertes Geld freizubekommen.< >An wen haben Sie denn die Summe gezahlt ?< fragte Latour weiter, weil ihn die ganze Sache brennend interessierte >Ein Agent der Vietminh sprach eines Tages in unserer Villa vor, und wir verabredeten einen der nächsten Tage an einem neutralen Ort in Cholon für die Geldübergabe.< >Mich wundert nur, das der Lagerkommandant sein Wort gehalten hat, und später nach ihnen, ihren Mann freigelassen hat, denn ich glaube er war auf uns Franzosen nicht gut zu sprechen.< >Das glaube ich auch<, antwortete My-Lie, >und am allerwenigsten auf Sie.< Hatte sie mit dem Kommandanten für ihre Freilassung geschlafen ? Anzunehmen war das, denn Latour erinnerte sich daran, als sie eines Abend zurück von einem Verhör in die Hütte kam, wie sie mit ihrem Mann geflüstert hatte und später weinte, das er darauf sagte : >Daran ist jetzt nichts mehr zu ändern, und du hast es für unsere Freiheit getan, deshalb verzeihe ich dir.< Damals hatte er das auf etwas anderes bezogen, aber heute sah er den damaligen Abend in einem anderen Licht.
Am Palmenstrand von Hoa Bie bei Saigon (Bild 180)
Langsam näherten sie sich der Küste, nachdem sie lange durch Reis und Zuckerrohrfelder die links und rechts der Straße lagen, gefahren waren. Auf der gut ausgebauten Straße waren sie zügig voran gekommen und erreichten bald darauf die Küste. An einer traumhaft schönen Stelle, die Palmen reichten fast bis zum Meer, stellten sie den -54-
Wagen ab und ging zum Strand. My-Lie hatte ihre Weste ausgezogen und zog ihre Bluse über den Kopf und setzte sich nur mit einem BH bekleidet ungeniert in den weißen Sand. Sie forderte Latour auf das gleiche zu tun und mit nackten Oberkörper sich neben sie zu setzen. Unaufgefordert erzählte sie weiter von den Ereignissen, die sich im Lager abgespielt hatten. Latour fragte sie : >Was wissen Sie von meinem Kumpel Blavins ?< Ungeniert antwortete sie : >Den hat man einen Tag nachdem sie ihn operiert haben, erschossen< >Wer hat ihnen das gesagt ?< >Der Kommandant hat damit vor mir geprahlt< Ohne das Latour es wollte, rutschte es ihm so heraus : >Wahrscheinlich in eine der Nächte, die sie mit ihm verbracht und geschlafen haben< My-Lie wurde blaß und man merkte es ihr an, das sie an dieser Stelle verwundbar war. >Ja,< antwortete sie, >ich habe mich ihm hingegeben und das war besser als vergewaltigt zu werden.< Latour stand auf und sagte : >Wir sollten jetzt zurückfahren, es ist spät geworden, und ich habe heute abend noch eine geschäftliche Verabredung, die ich durch unser Zusammentreffen nicht mehr absagen konnte.< Schon wieder lachte sie und rückte nun ein Stück näher zu Latour. In der Folgezeit unterhielten sie sich über Gott und die Welt, und langsam senkte sich die Sonne und es wurde Zeit, den Heimweg anzutreten. Latour ging ein wenig abseits um sich umzukleiden. Als er zum Wagen zurückkam, saß My-Lie bereits umgekleidet auf dem Beifahrersitz, und ihr Blick, bevor auch Latour im Wagen Platz genommen hatte, schweifte noch einmal über den traumhaften Strand, von dem sie beide jetzt Abschied nahmen. >Soviel Zeit hätten Sie sich nicht nehmen brauchen, ich habe nur einige Minuten gebraucht um mich umzukleiden,< sagte sie. >Lassen sie uns jetzt fahren ich habe Hunger und möchte noch etwas essen gehen. Seit heute morgen schulden Sie mir ja noch eine Einladung, oder haben Sie diese vergessen ?< >Wie könnte ich das vergessen haben. Sie haben es ja darauf angelegt heute morgen zu gewinnen.< Trotzdem er gesagt hatte, er hätte am Abend noch eine Verabredung, fuhr Latour langsam nach Saigon zurück. Er hatte auf einmal keine Eile mehr, wie er am Strand versichert hatte. Er ärgerte sich über sein eigenes Verhalten, My-Lie so in die Enge getrieben zu haben, und er empfand den Wunsch ihr dieses auch zu gestehen. Er betrachtete ihr Profil von der Seite, ihr schön geschnittenes Gesicht mit den vollen gepflegten Lippen und mandelförmigen Augen, und dann senkte sich sein Blick auf den hohen Busen und den von der geschmeidigen Seide umschlossenen Schenkel. Im Geiste stellte er sich ihren nackten Körper vor und biß sich vor Sehnsucht nach ihr, auf die Lippen. Plötzlich endete ihr Schweigen und sie sagte : >Wollen wir nicht einfach Freunde sein ? Sie hatten doch mehr von mir erwartet, oder nicht ?< Als wenn er ihren letzten Satz nicht gehört hätte, brummte er, so das sie es kaum verstehen konnte : >Ich hatte noch nie eine so hübsche Frau nur als Freund.< Sie lächelte leicht, und schon dieses kleine Lächeln belebte ihr ganzes Profil. >Welche Art von Frauen bevorzugen Sie dann sonst, Monsieur ?< Auf ihre Frage gab Latour keine Antwort. Er steckte sich eine Zigarette an und ließ den Motor an, der wie eine wilde Katze vor sich hin schnurrte. Er fuhr auf die Hauptstraße und schnell gewann der Wagen an Geschwindigkeit. Plötzlich legte er seine rechte Hand auf ihre Knie, die sie sofort mit einer hastigen Bewegung herunter schob und ärgerlich sagte : >Lassen Sie das, ich habe das nicht gerne, so einen plumpen vertraulichen Annäherungsversuch.< Bevor sie die Brücke erreichten, bog er von der Hauptstraße ab und fuhr auf einen Feldweg in Richtung Fluß. >Wohin fahren Sie ? Das ist nicht die Richtung nach Saigon.< Latour antwortete nicht. -55-
Am Ufer des großen Stroms den sie bald erreicht hatten stellte er den Motor ab und ließ das Fahrzeug in dem sandigen Untergrund ausrollen. Rechts dieses Feldweges standen vereinzelte verkümmerte Nadel- und Brechnußbäume, und wenn der Fluß nicht gewesen wäre, hätte das ganze nicht einladend ausgesehen. Auf dem Fluß sah man Boote mit ihrem typischen gerippten Segeln durch die Wellen gleiten, und die Blätter der rosafarbene Korallensträucher durchfurchten das gelbe Wasser. >Warum halten Sie hier ?< >Sie wissen doch, das diese Gegend gefährlich ist ? Ich glaube, Sie haben erneut Sehnsucht nach dem Vietminh-Lager.< Er wandte sich zu ihr und schaute sie durchdringend an. Trotz ihrer inneren Abwehr empfand er deutlich, das sie keine Angst hatte. In diesem Moment hätte er schwören können, das sie noch nie vor einem einzelnen Mann Angst gehabt hatte. Doch in ihren Augen sah er eine mißtrauische Neugier blitzen. In den nahen Bäumen tummelten sich große meisenartige Vögel, die einen ungeheuerlichen Lärm machten mit ihren kurzen harten Tönen, als gehöre das Revier hier ihnen allein und als, wenn sie die beiden Menschen als Eindringlinge betrachteten. Als seine Hände ihren schlanken Körper umfaßten, spürte er die angespannten Muskeln. Würde Sie schreien, schoss es ihm durch den Kopf. Niemand würde sie hören, denn die nächste Behausung lag mindestens 1 Kilometer weit entfernt. Er hielt sie eng umklammert gegen seine Brust gepreßt und parierte mit einer automatischen Ellbogenbewegung eine Ohrfeige, die rasch wie der Prankenschlag eines Raubtiers kam und kämpfte langsam gegen den sich aufbäumenden Körper. Mit ihren Füßen bearbeitet sie seine Beine und Knöchel aber davon ließ er sich nicht abhalten, anzufangen sie zu liebkosen. Einen direkten Kuß auf ihre Lippen jedoch vermied er wohlweislich, denn er konnte sich vorstellen, das sie ihn sofort beißen würde. Allmählich erlosch ihr Widerstand und sie ließ sich nun von ihm ihre Hüften liebkosen und stieß mit seiner Hand über ihre biegsame Rückenlinie, doch bei allem blieb ihr Körper gespannt. Er legte seine Hände nun wieder auf den Volant und My-Lie blickte ihn darauf starr an, und er ließ sie verlegen sinken. Sie flüsterte ein wenig zornig : >Jetzt sind Sie endlich zufrieden, sicher ja ?< >Ja, < antwortet er. Es war aber nur ein widerstrebendes >Ja<, was er von sich gab. Im gleichen Augenblick dachte er daran, wie er jede Nacht sein Kopfkissen umarmte und sich vorstellte, Sie, My-Lie, zu umarmen und anschließend wenn er dann eingeschlafen war, von ihr zu träumen. Seit er in der Hütte neben ihr und ihrem Mann eingesperrt gewesen war verfolgte ihn dieser Traum. Und plötzlich überkam ihn große Traurigkeit über seinen Mißerfolg. Es war ja auch ein Mißerfolg, das sie sich nicht ihm von selbst hingegeben hatte. Natürlich war keine Liebe zu erwarten gewesen aber er hätte endlich seine angestaute Sehnsucht befriedigen können.....Trotz allem - er schämte sich, seiner Regung nicht und faßte den Entschluß mit einem brutalen Gedanken : >Heute nacht gehe ich zu einer Nutte<. Er ließ den Motor an und schaltete den Gang ein. An einer geeigneten Stelle drehte er den Wagen und fuhr zurück zur Hauptstraße. My-Lie strich sich ihr Kleid glatt, blickte aber dabei nicht auf und ließ ihren Kopf gesenkt, als müßte man einen toten Punkt aus dieser Welt schaffen. Im Spiegel der Beifahrersonnenblende überprüfte sie ihr Aussehen und sagte mit einer Stimme die nicht leiseste Erregung verriet : >Sie haben mein Haar in Unordnung gebracht.< Da er darauf nicht reagierte und sich ausschließlich mit der Straße zu befassen schien, wollte sie ihn noch empfindlicher treffen : >Vorhin fragte ich Sie, mit welchen Frauen sie gewöhnlich verkehren. Jetzt verstehe ich Sie, mit welcher Art Frauen sie es normalerweise treiben. Sie haben sich wohl geschämt es mir zu gestehen.< Wie beim letzten Zusammentreffen fragte er sie erneut : >Lieben Sie ihren Mann ?< Jetzt hatte er die Frage aber ohne jede Ironie gestellt, wie beim ersten mal. >Ja, ich sagte es ihnen schon einmal, aber das hat nichts damit zu tun, ich meine mit.....< Es weiter auszusprechen hielt sie wohl für überflüssig. Was sollte nun aus den beiden werden? Die ganzen Träume und Berge von Begierden.....Bei-56-
de wollten ihren Gedanken entrinnen und beide wägten für sich das >Wenn und Aber< innerlich ab. Mit den Tatsachen- konnten beide nicht schwindeln und sie konnten ihnen auch beide nicht entrinnen. So nahm das Schicksal seinen Lauf. * Kurz vor der Brücke, die sie bald erreichten, arbeitet einige Vietminh-Gefangene unter der Bewachung von französischen Polizeibeamten. Als sie vorbeifuhren blickten sie gleichgültig zu ihnen hin. Vor einem kleinen Restaurant bat My-Lie ihn, den Wagen anzuhalten und legte dazu ihre Hand auf Latours Arm : >Bleiben wir eine Weile hier. Ich habe Hunger und möchte auch etwas trinken.< Die Begebenheit von vorhin schien sie schon vergessen zu haben. An Kühnheit fehlte es ihr nicht, das bewiesen ihr Worte nach diesen mehr als peinlichen Zwischenfall. Dieses hatte schon Dupoint festgestellt. Was hatte Dupoint noch gesagt ? >Sie liebt es Männer zu reizen, aber Bestimmtes kann man ihr nicht nachsagen.< Das war eigentlich noch schlimmer.....Eine reizende Nutte....., so ging es Latour durch den Kopf. Sie betraten an der Straße, die in das Außenviertel der Stadt führte eines der vielen dort geführten Lokale. Der vietnamesische Wirt näherte sich ihnen mit einem unter dem Arm geklemmten Serviertuch und ihm folgte sein Boy, der die Gäste bediente. Beide wiesen auf die vor dem Lokal stehenden Tische, die jeweils mit einer Hibiskusblütenhecke umgeben waren, um dort Platz zu nehmen. Sie setzten sich an einer dieser Tische, und er gab bei dem Boy die Bestellung auf, für sie eine eisgekühlte Orangeade und für sich einen Pernod-Soda zu bringen. Als der Boy gegangen war fragte sie : >Haben Sie mich jetzt richtig eingeschätzt ?< >Das bejahte er.< Sie sagte darauf : >Wie ich Sie einschätze dürfte, halten Sie mich wohl für eine.....< Mit einer Handbewegung deutete er seine Gleichgültigkeit an, doch sie ließ nicht locker. >Ja, ich bin sicher, das denken Sie von mir, das ich eine.......< Ihr Männer wählt immer die einfachste Lösung, so das eure Eitelkeit nicht verletzt wird. Latour lenkte seine Aufmerksamkeit auf den Boy, der die Getränke brachte und bat ihn gleichzeitig die Speisekarte zu bringen. Ich hätte nicht versuchen sollen, Sie zu küssen, sagte er Wenn ich gewußt hätte, das sie einfach ein lasterhaftes Mädchen sind, das die Männer zum Narren hält, hätte ich es gar nicht versucht. Als er das Wort >lasterhaft< ausgesprochen hatte, zuckte My-Lie förmlich zusammen, und er bekam den Eindruck, das es nicht der erste mal war, das jemand dieses zu ihr gesagt hatte. Sie wollte heftig protestieren, doch er sagte gleich darauf : >Ich hatte Unrecht mit meiner Vermutung, und ich entschuldige mich dafür, wenn ich sie auch nach wie vor begehre.< Mit einem ernsten Gesichtsausdruck sagte sie hart : >Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, und wenn ich Sie weiterreden lasse, gestehen Sie mir gleich, das Sie mich lieben.< >Ja ich liebe Sie, My-Lie.< Daraufhin nahm er sein Glas und trank es mit einem Schluck leer. Offensichtlich, sagte er weiter : Der Lagerkommandant durfte weiter gehen als ich es tat, und dafür haben Sie eine gute Ausrede für sich als Entschuldigung gefunden : >Handelte es sich doch darum, ihnen und ihrem Mann die Freiheit zu geben ?< >Sie tun mir bitter Unrecht !< schrie sie, daß das nicht wahr ist, und Tränen traten dabei in ihre Augen. Es mußte sie wohl die Erinnerung erregen, denn sie bedeckte mit ihren Hände das Gesicht. Grollend dachte er, spielt sie mir schon wieder eine Komödie vor ? - nein sie will mich von ihrer Aufrichtigkeit überzeugen -. Lange schaute er My-Lie an und ihn überkam das Gefühl, erneut eine Schlappe erlitten zu haben. >Ich hatte gehofft.....<, sprach aber den Satz nicht weiter..... >Was hatten Sie gehofft ?....das ich ihren Wünschen leicht nachgebe und ihre Geliebte werde ?< >Nein, nicht nur das. Ich hatte gehofft, das auch Sie mich lieben könnten.< -57-
Er blickte sie nicht an und winkte den Boy um zu bezahlen. Ohne eine weitere Bestellung aufgegeben zu haben, stand er auf und wandte sich zum Ausgang. Ohne ein Wort zu sagen folgte sie ihm. Als sie im Wagen saßen, fragte er : >Warum wollte Sie eben, das wir hier anhielten ?< Sie antwortete : >Der Morgen hatte so schön begonnen, und der Tag war so schön, und da wollte ich ihn nicht so abrupt ausklingen lassen. Außerdem wollte ich ihnen ihre Entgleisung verzeihen.< >Und ich versichere ihnen, das es nie meine Absicht war, mich über Sie lustig zu machen.< Nachdem sie auf der Brücke den Mekong überquert hatten, ließ er, etwa in der Höhe der elenden Behausungen, erneut den Wagen ausrollen und blieb am Straßenrand stehen. Er streckte die Hand vor, jeden Moment bereit, diese wieder zurückzuziehen, und preßte sie erneut an sich. Dieses mal wehrte sie sich nicht, sondern kam ihm sogar etwas entgegen. Als ein Militärfahrzeug vorbeikam preßte er sie enger an sich. Die auf den Lkws sitzenden Soldaten stimmten im Vorbeifahren ein lautes Pfeifkonzert an. Sofort stieß sie ihn zurück, aber nicht bevor er mit seinem Mund ihre Lippen berührt hatte. In ihrem Gesicht las er eine maßlos bestürzte Verwunderung. Sie sprach erst wieder als sie den Stadtrand erreicht hatten. >Ich kenne hier in der Nähe ein gutes chinesisches Restaurant, da können wir in Ruhe zu Abend essen.< * Wie üblich, allerorts im Fernen Osten wurden sie am Eingang des Speisehauses mit vielen Verbeugungen seitens der Personals begrüßt. Der magere Empfangschef oder auch Patron, mit seinen spärlichen, langsamen, und ängstliches Bewegungen ließ erkennen, das er kurz zuvor eine Opiumpfeife geraucht haben mußte. Was wollen wir essen ?, fragte My-Lie, die hier wohl bekannt schien : >Essen wir annamitische oder chinesische Küche ?< Sie bestellte in ihrer Heimatsprache und bei jedem Wort verbeugte sich der Ober und gab nickend seine Zustimmung. Dann entfernte sich der Ober, und mit seinen Gummischuhen schleifte er schlurfend auf den blanken Fliesen. >Werden Sie ihrem Mann von unserer heutigen Begegnung erzählen ?, fragte Latour. >Nein, er wird mich auch nicht fragen, wie ich die Tage ohne ihn verbracht habe. Er stellt meistens keine Fragen, also brauche ich auch nicht zu lügen.< >.....oder Sie brauchen die Wahrheit nur teilweise erzählen.< >Ja.< Wie für alle Töchter Asiens, begann die Lüge auch bei ihr erst beim gesprochenen Wort. Die Bedienung kam mit einem Servierwagen auf dem mehrere Schüsseln und Servierteller standen, gefüllt mit den köstlichsten Speisen des Fernen Ostens. Um das Thema zu wechseln fragte Latour : >Gehen Sie gerne mit Männern aus ?< Lächelnd antwortete sie : >Aber sicher, und das am liebsten mit jungen Männern<. Dann wurde sie ernst und sagte : >Quälen Sie sich denn so gerne selbst ?< Leise flüsterte er ihr zu : >Ich glaube, ich liebe Sie doch.< >Glauben Sie es, oder wissen Sie das genau ?< Beide schwiegen und aßen genau so schweigend weiter, wobei Latour sein Glas anschaute, in dem die Soda-Perlen langsam hochstiegen. Sie streckte die Hand über den Tisch und umgriff sein Handgelenk und sagte : >Es haben mich schon viele Männer geküßt, ob gewollt oder nicht gewollt, aber keiner war so leidenschaftlich wie Sie.< Jetzt war sie es, die ihn mit ihren Worten zu überzeugen suchte. >Es ist bei ihnen das erste Mal gewesen, das ich dabei den Mann nicht ausgelacht habe. Bei ihnen habe ich nicht lachen können.....< >Bei allen anderen mußten Sie lachen ?< >Nein, nicht bei allen, aber bei den meisten brachte ich es doch zustande< -58-
Sie ließ nun sein Handgelenk los und sagte mit fast gequälter Miene, als wenn man jemandem etwas anvertraut : >Bereits im Lager habe ich Sie beobachtet, wie ich noch nie einen Mann beobachtet habe. So habe ich auch vom Kommandanten erfahren, das er sie allein wegen ihrer Gleichgültigkeit, mit der sie alles angingen und der stoischen Gelassenheit die Sie ausstrahlten, gehaßt hat. Dem politischen Kommissär waren Sie da viel ähnlicher. Ja der Kommandant haßte Sie so sehr, wie er Sie gleichzeitig beneidete. Dabei vergaß er oft, das Sie ja zu den Weißen gehörten, die er zu hassen hatte, und dazu kam die sichtbare Bewunderung des kleinen Krankenpflegers in dem kleinen Hospital. Der Kommandant neidete ihnen sogar den Haßlosen Blick dieses Krankenpflegers.< Latour schaute auf und fragte Sie : >Woran denken Sie jetzt, an ihn, an den Kommandanten ?< >Nein, an meinen Mann.< Ohne einen Blick auf sie zu richten sagte er : >Denken Sie jetzt nicht an ihn, denken Sie an uns beide.< Mittlerweile hatte sich das Lokal gefüllt und es waren fast ausschließlich einheimische Gäste, die mit ihrem Arbeitszeug den Raum betreten hatten und mit ihren Ausdünstungen die Luft verpesteten sowie einen ungeheuerlichen Lärm machten. My-Lie, die beim Nachtisch war, legte ihre angegessene Honigmelone auf den Teller zurück, stand auf, und sagte zu Latour : >Lassen Sie uns schnell hier verschwinden.< Latour warf einen Geldschein auf den Tisch, erhob sich und folgte ihr. Draußen senkte sich der Tag dem Abend zu. Die Luft flimmerte ein wenig von der schwindenden Tageshitze, und in einigen Minuten würde die Nacht hereinbrechen. Langsam fuhr Latour durch die jetzt leerer werdenden Straßen der Vorstadt. Seine Hand suchte den Nacken von My-Lie die sofort näher rückte und sich an ihn schmiegte. Er sagte zu ihr
Sonnenuntergang am Mekong (Bild 178)
>Als ich neben ihnen in der Hütte lag, habe ich stetig an Sie gedacht, aber zu jener Zeit wußte ich noch nicht, das ich Sie liebe.< Näher zu ihm rückend und fester sich an ihn schmiegend flüsterte sie : >Ich mußte auch immer an Sie denken, aber Sie waren eben da und das hat mir Mut gemacht.< Das grüne Laub der Kokospalmen und Bananenstauden hoben sich schwärzlich vom Himmel ab. Er küßte sie auf die Haare und drückte ihren Arm und wußte im gleichen Augenblick, das sie log oder sich selber belügen wollte. Vielleicht wollte sie auch nur einen Aufschub für den nächsten Augenblick ausnützen ? Als Antwort nickte sie nur. Er bog in die Straße ein, die zum Fluß führte, der hier so breit war als wäre es ein großer See. -59-
Die langen, gebogenen Schoten der Tamrindenbäume knisterten wie totes Holz als er auf dem Feldweg über sie fuhr. Latour fuhr jetzt langsamer. Rechts im Grünen zwischen Mango- und Bananenstauden, deren große Blätter bis zum Boden reichten, standen aus Schilfrohr gefertigte Häuser, meistens direkt am Wasser. Hier und da lag vor diesen Häusern ein schlankes Boot, das die Bewohner meistens zum Fischfang benötigten. Still und leer, flach wie eine glitzernde Platte lag der Strom, und von den kleinen Inseln die im Fluß waren, blinkte hin und wieder ein Licht herüber. My-Lie hatte wieder ihren Kopf an Latours Schulter gelegt. Er streichelte erneut über ihr Haar und drehte die Locken um seine Finger. Sie sah ihm gerade ins Gesicht und preßte sich plötzlich wie wild an ihn, zog mit beiden Händen seinen Kopf herunter und suchte seine Lippen. Voller Leidenschaft biß sie in seinen Mund und löste sich dann so gewaltsam wie sie ihn vorher umschlungen hatte. Ihr Atem ging kurz, ihre Brust tobte, und in ihren Augen stand die blanke Angst. Latour tastete nach seiner blutenden Lippe und nahm sie erneut in die Arme, wobei sie ihn nur traurig ansah und sich nicht wehrte. >Lass das René. Es kann nicht sein, was du gerne möchtest.< Zum ersten Mal hatte sie ihn beim Vornamen genannt. Etwas verwirrt ließ er von ihr ab und dachte flüchtig : >Will sie mich schon wieder zum Narren halten ?< Doch er sagte : >Warum,< und weil noch seine Begierde in seinem Körper tobte : >Du liebst doch deinen Mann nicht, My-Lie.< Plötzlich antwortet sie, nachdem beide eine ganze Zeit kein einziges Wort zusammen gesprochen hatten : >Du hast recht, ich habe ihn nie geliebt, aber er ist jetzt mein Mann.< Als Antwort zuckte Latour nur mit den Schultern als schien ihm das Argument von My-Lie zu grotesk. Er wollte weiteres von ihr wissen, doch sie antwortete nur : >Immer willst du alles wissen, schon einmal wolltest du alles erfahren, und dann hast du dich von mir abgewandt.< >Mir ist lieber, du sprichst jetzt<, sagte er. >Ach René, ich hatte mir so sehr eine Freundschaft mit dir gewünscht, ich hätte dir alle meine Sorgen und Freuden erzählen können, und du.....< Als Antwort sagte er : >Du redest wie ein Kind und du vergißt dabei, das ich nicht einer deiner jungen Bekannten bin.< >Wir hätten uns doch auch so lieben können, ohne.....ihn zu betrügen<, sagte sie. >Hast du denn nie das Verlangen gehabt, es zu tun ?< >Ja, aber es war nie stark genug es zu tun. Dich hätte ich vielleicht lieben können, doch nun müssen wir uns auf Nimmerwiedersehen trennen<, fuhr sie weiter fort. >Warum sollen wir uns trennen ?< sagte er spontan. >Verlange von ihm die Scheidung und komme zu mir, ich werde dich sofort heiraten, denn du liebst deinen Mann nicht.< >Ja, das stimmt, ich habe ihn nie geliebt, bin aber die ganzen vier Jahre bei ihm geblieben ohne ihn zu betrügen.< >Weiß er, das Du ihn nicht liebst ?< >Ja, zumindest fühlt er es, aber er sagt nichts dazu.< >Warum hast du ihn eigentlich geheiratet?< >Das ist eine lange Geschichte und würde es zu weit gehen, sie jetzt zu erzählen. Nur eines sollst du wissen. Er hat mir das Leben gerettet als mich die Franzosen erschießen wollten. Damals war er Administrator im Norden und konnte meine Verurteilung verhindern. Ich soll einen französischen Offizier, mit dem ich liiert war, ausspioniert haben, der dadurch sein Leben verlor und man mir an seinem Tod die Schuld gab, und da meine Familie zu den Vietminh gehört hatte, hat man mich kurzer Hand zum Tode verurteilt. Jaques, den ich durch den französischen Offizier kennengelernt hatte, hat mich damals aus meiner verzweifelten Situation gerettet, und zum Dank habe ich ihn geheiratet, und er hat dadurch wiederum seine Stellung verloren. So, nun kennst du in groben Zügen die ganze Geschichte. Sie lehnte dabei ihr warmes, mit Trä-60-
nen überströmtes Gesicht an seine Schulter. My-Lie war ein wenig unruhig geworden, nachdem sie sich von dem Tränenanfall schnell wieder erholt hatte, und fragte : >Wie spät ist es ?< >Gleich 21:00 Uhr, sagte er.< >Dann muß ich schnellstens nach Hause, denn gegen 22:00 Uhr will Jaques aus Pnom-Penh anrufen. >Lass es für heute genug sein, lass uns zurückfahren, René<, bat sie ihn. Er zog sie erneut an sich und küßte sie und My-Lie erwiderte zum ersten Mal den Kuß mit aller Zärtlichkeit. Wieder startete er den Wagen und fuhr sie langsam, immer auf den starken Verkehr achtend, nach Hause. * Drei Uhr hatte sie gesagt, gegen drei Uhr bin ich bei dir, doch Latour wurde, es war nun bereits 10 Minuten vor drei Uhr, langsam unruhig. Sollte sie ihn schon wieder versetzen wie beim ersten mal ? das würde sie doch bestimmt nicht wagen. Nein, dieses mal würde sie kommen, da war er sich sicher. Seit ihrem zweiten Strandbesuch vor einigen Tagen und der Aussprache am Fluß in der Abenddämmerung, waren sie jeden Tag zusammengewesen. Jeden Abend hatte er sie zu ihrer Villa gebracht, und die Trennung war beiden immer schwerer geworden. Jedes Mal bei der Verabschiedung im Wagen hatten sie sich immer und immer wieder geküßt und sich kaum voneinander lösen können. Während dieser Woche hatte er auch nicht daran gedacht, seine Arbeit wieder aufzunehmen. Er war einfach jetzt nicht in der Stimmung, wieder zu arbeiten. Sollte die >Transindochina Compagnie< doch noch warten bis er wieder soweit war, nach den erlittenen Strapazen der Gefangenschaft. Immer und immer wieder hatte er sie gebeten : >Komm zu mir.< In Gedanken hatte er sich ausgemalt, wenn sie in seinem abgedunkelten Zimmer nackt auf seinem Bett lag. Doch immer wieder hatte sie abgelehnt. >Ich darf deine Geliebte nicht werden, wir könnten uns sonst für immer verlieren<, hatte sie geantwortet. Dann hatte er sie in seine Arme genommen und zärtlich gestreichelt und ihr zugeflüstert : >Du willst ja nur, das er nicht unglücklich wird.< Gestern endlich hatte sie nachgegeben und zugesagt, heute zu ihm zu kommen. Ihre Zusage hatte sie aber sofort zurückgezogen als er ihr erklärte, er wohne in einer Pension im chinesischen Viertel an einem der Flußkanäle. Sie hatte Angst vor den Leuten im Haus, das diese sie schief anschauen würden, wenn sie ins Haus käme. Nachdem er ihr mehrmals versichert hatte, es würde sie niemand beachten, hatte sie dann doch zugesagt, und nun wartete er ungeduldig. Wie alle Vietnamesen mochte sie die Chinesen nicht. Sie fanden diese schmutzig und überheblich. Sie meinte, bei den Chinesen kommt man sich immer vor als wäre man im Karneval. Während er ihr erklärt hatte, wo er wohnte, hatte sie mehrfach mit dem Kopf geschüttelt und gemeint : >Eine Pension und dazu noch eine Chinesische. Nicht zu glauben, das Du dich da wohl fühlst.< Schließlich hatte sie doch zugestimmt und sich seine Zimmernummer geben lassen. Dabei hatte er an die vielen Kinder gedacht, die immer in den Fluren spielten und über die sie hinweg steigen mußte, wenn sie kam. Er hatte ihr angeboten sie abzuholen, doch das hatte sie abgelehnt : >Ich komme lieber allein<, hatte sie geantwortet, >und ich komme hatte sie hinzugefügt.< Schon zum bestimmt zwanzigsten mal schaute er in den letzten 5 Minuten auf seine Armbanduhr, und ihm kam es vor als wären seit einer viertel Stunde eine ganze Stunde vergangen. Nun war es bereit 10 Minuten über die verabredete Zeit, und My-Lie war immer noch nicht da. Das Frauen nie pünktlich sein können schoss es ihm durch den Kopf. Aus dem Nebenzimmer hörte man die plärrende Musik eines Grammophon, dessen Platte schon reichlich zerkratzt sein mußte, denn die näselnde chinesische Stimme hörte sich grauenvoll an. Er trat an Fenster und schaute durch die herabgelassenen Jalousetten. Er hatte den Eindruck, jetzt würde sie nicht mehr kommen und er hungerte doch so nach ihrem Körper. War sie doch eine -61-
Hure.....die auf diese Weise versuchte, sich zu entziehen ? Dieser Brujeré, wie hatte sie noch letztens gesagt : >Ich will nicht, das Jaques unglücklich ist.< Warum eigentlich nahm sie soviel Rücksicht auf ihn ? Alles nur weil er ihr das Leben gerettet hatte ? Gleich ist es halb vier Uhr, jetzt wird sie nicht mehr kommen, dachte er und steckte sich erneut eine Zigarette an. Es klopfte an der Tür. Mit zwei-drei schnellen Schritten war er dort und öffnete sie. Sie kam herein und hielt einen riesigen Nelkenstrauß an die Brust gedrückt. Ungestüm nahm er sie in seine Arme und sie sagte fast weinerlich : >Paß auf René, zerdrücke die Blumen nicht.< Sie stand vor ihm auf Zehenspitzen und küßte ihn zärtlich und der starke Duft der Blumen stieg zwischen ihnen hoch. Mit einem raschen Ruck löste sie sich von ihm und nahm sein Zimmer in Augenschein, trat ans Fenster, und als sie einen gefüllte Wasserkrug entdeckte tat sie einen Freudenschrei und arrangierte die Blumen einzeln hinein. Ich habe dir die Blumen nicht mitgebracht, sondern kann in einem Raum ohne Blumen nicht sein, und sie sollen uns die nächsten Stunden hier das Zimmer ein wenig verschönern helfen, das eigentlich gar nicht so trist ist, wie ich es mir vorgestellt habe. Nachdem sie das Fenster geöffnet hatte, flutete das helle Licht herein von dem Latour im ersten Moment ein wenig geblendet wurde. Im Kanal, der vor dem Haus lag, dazwischen war noch ein kleiner Platz, auf dem sich das alltägliche Leben lebhaft abspielte, glitzerte das trübe Kanalwasser in der Sonne. Kleine, mit Teerfarbe gestrichene Dschunken schaukelten Bootswand an Bootswand in dem mäßig bewegten Wasser. Vom Fenster aus sahen sie wie urzeitliche Ungetüme aus. Noch herrschte auf dem Platz um diese Zeit lebhafter Verkehr und Handel. Unter der Last riesiger Paddyballen tief gebeugt, balancierten einige Kulis über ausgelegte schmale Bretter diese auf die Dschunken, um sie dort zu verstauen. Wie auch sonst herrschte ein gewaltiger Lärm, der sich erst legte, wenn es Abend wurde. My-Lie hinter ihm, ihre Arme um ihn geschlungen, sagte : >Wie kannst du nur an einem solchen Ort leben ?< Dann drehte sie sich um und schaute in den Raum. Nachdem sie sein Zimmer eingehend begutachtet hatte, sagte sie erneut : >Sauber ist ja alles, aber trotzdem, so könnte ich nicht auf die Dauer leben.< Von nebenan erklang erneut Musik. My-Lie drehte sich zu ihm um. >Bist du hier glücklich, René ?< Sie legte ihren Arm um seinen Hals, und er flüsterte ihr zärtlich ins Ohr : >Jetzt wo du da bist bin ich endlich sehr glücklich.< Mit einer Kraft, die er nicht bei ihr vermutet hatte, zog sie seinen Kopf zu sich herunter und küßte ihn zärtlich auf seine Lippen, preßte sich an ihn und ließ sich mit ihm verschlungen auf das hinter ihnen stehende, nach französischer Art, breite Bett fallen. Mit seinen Knie drang er zwischen ihre Beine und preßte sie dabei an sich, so das sie bald nachgab und sich öffnete. Mit einer ungeschickten Bewegung versuchte er ihr die Tunika aufzuknöpfen, und man hörte leise wie der Stoff dabei Zerriß. Schließlich half sie ihm, ihren Slip auszuziehen, denn auch sie konnte es nicht erwarten, das er sie endlich nahm und in sie eindrang. Sie hatten solange zusammen gelegen und sich immer wieder vereinigt, so das man, wenn man jetzt zum Fenster heraus schaute, sah, das es langsam Abend wurde. Auch der Lärm auf dem Platz vor der Pension war abgeflaut, und nur noch vereinzelt hörte man die Rufe der spielenden Kinder. Mit seinen Fingerspitzen streichelte er zärtlich über den nackten Körper von My-Lie. Sie rührte sich nicht dabei aber aus ihrem Innern heraus spürte er, das sie vor Wollust zitterte. Ihre Brüste waren die eines ganz jungen Mädchens mit kleinen rosigen Warzen auf der dunkelen Haut. Bei seiner Berührung erbebte sie erneut und nun war sie es, die die Initiative ergriff. Sie setzte sich auf ihn und führte sein Glied in sich ein und begann ihren Ritt mit sanften rhythmischen Bewegungen. Immer und immer heftiger bewegte sie sich, und er mußte an sich halten, um sich nicht sofort in sie zu ergießen. Sie bemerkt seine Not und hörte für einen Moment mit den Bewegungen auf, beugte sich vor und küßte ihn innig. Derweil knetete er ihre Brüste, deren Brustwarzen fest wie kleine Dolche wurden, unter seinen Berührungen. Sie hörte auf in ihren Bewegungen, ließ sein Glied aber wo es war und sie spürte, wie darin das Blut pulsierte. Ihre Augen hielt sie geschlossen. -62-
>René.....< hauchte sie. Er streichelte ihre Brust weiter. Langsam setzte My-Lie mit ihren rhythmischen Bewegungen den Akt fort und sie fragte ihn flüsternd : >Liebst du mich wirklich, René ?< Als Antwort zog er sie zu sich und küßte sie innig, und sagte schlicht : >Ja ich liebe dich - My-Lie, so wie ich noch keine Frau geliebt und gleichzeitig begehrt habe.< Ihre beiderseitige Erregung wuchs mit jeder Liebkosung und den Bewegungen die nun beide langsam fortsetzten. Er streichelte weiter ihre Brüste, ihre Pobacken und mit der einen Hand die Schamhaare ihrer Vagina. Er fühlte ihre Hände zärtlich an seinen Schenkel entlang streicheln, so das My-Lie vor Wollust mit zurückgelegten Kopf und zuckenden Mundwinkeln zu seufzen begann. Mit beiden Händen packte er ihren Po und paßte sich mit seinen Bewegungen ihrem Takt an. Sie beide waren nun an dem Punkt angekommen, wo sie sich nicht mehr zurückhalten konnten, und er sagte ihr dieses auch, und wieder verströmten sich beide zur gleichen Zeit wie schon mehrmals zuvor an diesem Nachmittag, so das sie fast das Bewußtsein verlor und sich heftig an ihn klammerte. Eine Weile blieben beide wie betäubt keuchend liegen. Dann nahm sie sein Gesicht in die Hände und küßte ihn so innig, wie noch nie zuvor. >Ich danke dir, René<, sagte sie. >Ich danke dir so sehr, denn du hast mich nach langer Zeit wieder zur Frau gemacht. Wenn ich zurückdenke, weiß ich gar nicht mehr, wann ich das letzte mal einen Orgasmus hatte.< Bringt dich denn Jaques nie so weit ? >Ach Jaques, er kann doch wegen seines Herzfehler schon lange nicht mehr richtig lieben, und er erfüllt nur noch ein, zweimal im Monat seine Pflicht, und dann habe ich noch nicht einmal etwas davon.< >Bist du denn noch nie fremd gegangen ?< >Nein, mit dir habe ich dieses Tabu, was ich mir selbst auferlegt hatte, zum ersten Mal gebrochen. Und du ? Hast du viele andere Frauen vor mir gehabt und hast du wenigstens einige davon geliebt ?< Er antwortete : >Ich hatte bisher nur eine feste Verbindung, damals im Norden wo ich als Arzt tätig war, und die meine ich geliebt zu haben. Alle andere Frauen, die ich in meinem bisherigen Leben gehabt habe, waren nur lose Bekanntschaften und das meistens nur für eine Begegnung. Seit ich dich zum ersten Mal getroffen habe, weiß ich, das es die sogenannte große Liebe gibt.< >War sie schön, deine damalige Freundin ?< >Ja, sie war schön, aber doch konnte sie mit dir nicht konkurrieren.< Jetzt war der Himmel draußen vor dem Fenster schwarz, und im Haus hörte man Teller- und Besteck klappern. Es war Abendbrotzeit. Auch der Lärm der Kinder war verstummt, und hier und da hörte man von draußen das Vorbeifahren einer Motorradrikschah. My-Lie regte sich, zog ihn an sich und küßte ihn wild auf seinen Mund und sagte : >Ich danke dir lieber René, ich danke für deine Offenheit und ich danke dir für deine Liebe die du mir geschenkt hast. Doch nun muß ich gehen, denn Jaques wird sonst doch noch fragen wo ich heute nachmittag gewesen bin, und das geht ihn nun doch nichts an.< Sie stand auf und ging in die angrenzende Dusche. Er stand gleichfalls auf und ging zum Schrank, um ihr ein Badetuch zu reichen. Nackt wie sie war kam sie aus der Dusche, trocknete sich vor ihm ab und zog sich an. Dann bat sie Latour, ihr Nadel und Faden zu geben, und mit einigen schnellen Stichen nähte sie ihre etwas zerrissene Tunika. >Ich bringe dich mit dem Wagen nach Hause, dann brauchst du keine Taxi zu nehmen<, sagte er zu My-Lie. Diese nickte nur, und sagte leise : >Danke, René, das ist lieb von dir.< Als sie auf den Flur traten und an einem der Nebenappartements vorbei gingen, drang aus einem dieser Zimmer Opiumgeruch. Dort würde wohl einer der chinesischen Bewohner seine Opiumpfeife rauchen. Als sie mit seinem Wagen eine der Querstraßen vor My-Lie`s Haus erreicht hatten, bat sie ihn anzuhalten. Sie beugte sich zu ihm und küßte ihn noch einmal so zärtlich, bevor sie sich aus ihrer Umarmung vorhin getrennt hatten, auf seinen Mund. Sie ergriff ihre Handtasche und warf ihm noch eine Kußhand zu ehe sie die Wagentür öffnete und sagte : -63-
>Ich muß jetzt gehen. Wann sehen wir uns wieder ?< >Ich weiß es nicht, >antwortete er<, denn morgen muß ich zur Fahrbereitschaft und ich weiß nicht was es dort gibt.< Er hatte die Scheibe der Beifahrertür heruntergedreht und rief ihr zu : >Bitte rufe mich in der Pension in den nächsten Tagen gegen Abend an, dann verabreden wir, wann du das nächste Mal kommen kannst.< My-Lie nickte nur, und hastig, fast schon im Laufschritt, lief sie um die Straßenecke zu ihrer Wohnung, wobei seine Blicke sie verfolgten und jede Bewegung ihres Körper in sich aufnahm. * Bereits am nächsten Morgen fuhr Latour wieder zu dem Café, welches gegenüber dem Haus von Monsieur Brujeré und My-Lie lag und setzte sich dort auf die Terrasse, um zu warten, bis sie das Haus verlassen würde. Er hatte schon sehr früh im Büro der Transindochina Compagnie, beim dortigen Büroleiter vorgesprochen und den Bescheid bekommen, das ihm ab der kommenden Woche wieder ein Fahrzeug zur Verfügung gestellt werden konnte. Das nun hatte ihn veranlaßt, auf sie hier vor ihrer Villa zu warten. Als er Schritte auf dem Kiesweg hörte, ging er schnell zu seinem Wagen. Doch als er bereits die Beifahrertür geöffnet hatte, sah er, das es nur die Dienerin war, die den Briefkasten leerte. Etwas enttäuscht begab er sich wieder auf seine Warteposition und hing seinen Gedanken nach, ohne seinen Blick von dem gegenüberliegendem Haus abzuwenden. In Gedanken war er bei ihr und sah ihren nackten Körper vor sich, den er gestern so eingehend erforscht hatte. Er blickte in Gedanken zurück auf seine letzten zwei einsamen Jahre, das Zimmer in seiner ein wenig schäbigen Pension, welches er auch behalten hatte, trotzdem er sich eine bessere Behausung hätte erlauben können. In all den Jahren hatte er mit seinen beiden Lastwagen gut verdient und auch weiterhin kam mit den übriggebliebenen noch genügend Geld herein, so das er sich bestimmt hätte eine andere Unterkunft besorgen können. Und dann kam ja auch noch die zugesagte Entschädigung, er sich jedoch wieder einen neuen Laster anschaffen wollte. Er dachte : >Ich liebe sie so sehr, wie sie sich mir teilweise entzieht. Ich begehre sie, wie sie sich von sich aus verweigert, doch ich liebte sie weniger, wenn sie geheimnislos mein wäre.< Dann ließ er jede Minute wieder wach werden, die er gestern mit ihr verbracht hatte. Liebte sie ihn auch? Er wußte, das dieses Wort >Liebe< schwer zu ihr passen würde. Ihre Ausstrahlung gestern war nur reine >Lust< gewesen, darüber wurde er sich langsam klar als er seinen Gedanken nachhing. Latour erhob sich, denn es war bereits Mittag geworden. Heute würde sie das Haus nicht mehr verlassen, und er fuhr deshalb mit seinem Wagen zu seiner Pension, in seine schäbige Bude. Als er sein Zimmer betrat, beschloß er, am nächsten Tag bei der Transindochina Compagnie vorzusprechen, um den angebotenen Posten als Transportleiter des Fuhrparks anzunehmen und nicht wie bereits besprochen wieder einen Truck zu fahren. * Er lag auf seinem Bett als sie am nächsten Wochenende plötzlich zur Tür hereinkam. Er hatte sie um diese Nachmittagszeit nicht erwartet, nachdem er vergeblich fast jeden Tag in dem kleinen Café auf sie gewartet hatte. Er studierte gerade eine Straßenkarte für die Routeneinteilung, wenn er am kommenden Montag seinen Dienst antreten wollte. Er erhob sich sofort, und mit eiligen Schritten stürzte sie sich wortlos in seine Arme. Liebkosend strich er über ihren Körper und ihre Lippen fanden sich zu einem langen zärtlichen Kuß. Dann nahm er sie auf seine Arme, trug sie zum Bett und setzte sich neben sie. Um sie herum hörte man durch das geöffnete Fenster nur den übliche Lärm der spielenden Kinder, den Musiklärm der Nachbarin und den Straßenlärm, der von draußen hereindrang. >Liebling<, sagte sie..... >Ich hatte solche Sehnsucht nach dir, das ich heute unbedingt kommen mußte um dich zu sehen.< >Warum bist du nicht früher gekommen, und warum hast du nicht angerufen ? fragte er sie, und -64-
sie antwortete : >Jaques ist so krank, so das ich ihn keine Minute allein lassen konnte.< Der Arzt hat gesagt, wenn er nicht ins Hospital geht, dann muß immer jemand Tag und Nacht bei ihm sein. Heute morgen ist er nun doch endlich ins Hospital eingeliefert worden, weil sich sein Zustand mit dem Herz wesentlich verschlechtert hat. Die Tage der Gefangenschaft und die erduldeten Strapazen waren doch zuviel für ihn und dazu kam noch die erschwerliche Reise nach Pnom Penh. >Liebling verzeih mir, das ich wegen Jaques ernsthafter Erkrankung erst heute komme. Ich hätte es aber auch ohne dich keine Minute länger aushalten können.< Da war wieder ihr Geruch und der Geschmack ihrer Lippen den er nun seit einer Woche vermißt hatte. Sie lagen nebeneinander, Gesicht an Gesicht und er atmete den Geruch ihrer Haare und sie sprach, den Mund dicht an seiner Wange : >An den ersten beiden Tagen ohne dich war es noch leicht, doch bereits am zweiten Tag wurde die Sehnsucht nach dir immer stärker und steigerte sich von Tag zu Tag, und ich wurde immer trauriger weil ich nicht zu dir konnte.< Er lächelte, mir ging es genau so wie dir und sagte nun besonders leise : >Nachts....., besonders des Nachts hast du mir gefehlt.< >Du mir auch René<. >Wenn nachts Jaques endlich einmal eingeschlafen war, stieg ich wieder aus dem Bett und ging in den Garten und habe nach dir Ausschau gehalten. Ich habe in den letzten Nächten sehr wenig geschlafen und bin immer wieder aufgestanden und blickte auf die leere Straße. Ich ließ vor lauter Sehnsucht nach dir sogar die Balkontür offen.....Ich versuchte mir einen anderen Mann vorzustellen, ich konnte nicht anders und habe dann immer wieder deinen Namen ausgesprochen. Manches mal hörte das auch mein Mann und er schwieg.....< Sie zog ihn enger an sich. Mit der Hand strich sie ihm über die Wangen und fühlte sein unrasiertes Gesicht. Er sagte : >Ich hatte Angst, du würdest nicht wiederkommen und mit jeden Tag der verstrich wurde diese Angst größer. Wenn du morgen nicht gekommen wärest, wäre ich zu euch in die Villa gekommen. Ich mußte dich einfach wiedersehen.....und um den inneren Druck abzubauen.< Mit ihren Lippen berührte sie seine Stirn und seine Haare. Jeden Abend, flüsterte sie weiter, >bin ich hier vor deiner Pension gewesen um nachzusehen, ob du zu Hause warst und habe sogar nach deinem Wagen geschaut ob der auf dem reservierten Parkplatz stand, doch du warst immer in deinem Zimmer, und das wußte ich, da das Licht brannte.< Er lachte leise und streckte seinen nackten Körper neben ihr aus. >Heiß ist es heute bei dir, René.< Latour lächelte. >Ich werde den Ventilator einschalten, doch wenn dir zu heiß ist, dann mach es mir nach und lege deine Kleider auch ab.< Sofort sprang My-Lie auf und begann sich zu entkleiden, ging zum Fenster und schloß die Läden, so das sie nur noch einen Spalt geöffnet blieben, aber den Straßenlärm etwas dämpften. Als letztes schlüpfte sie aus ihren Schuhen und warf sie im hohen Bogen ins Zimmer. Ihre Mund nahe an seinen Lippen sagte sie erneut : >Ich hatte solche Eile zu dir zu kommen, ich hatte solche Sehnsucht nach dir.< Sie war es, die begann ihn am ganzen Körper mit ihren Lippen zu erkunden. Zwischen seinen Schenkeln angekommen, nahm sie sanft und zärtlich mit ihren Lippen seinen Penis in den Mund und strich mit ihrer Zunge über seine Eichel, so das er leise aufstöhnte. Sie lag so auf ihm, das sie ihr Gesäß seinem Gesicht zuwandte und er kam mit seinem Mund leicht an ihre Vagina und strich mit der Zunge sanft über ihren Kitzler. Mit seiner gekonnten und vollendeten Technik brachte er sie schnell zu ihrem ersten Orgasmus, ohne das sei dabei von seinem Penis losließ. Als sich bei ihm noch immer keine Reaktion zeigte, ließ sie von ihm ab und legte sich erneut, Backe an Backe an ihn. >Bist du heute nicht in Stimmung, René, das sich keine Reaktion bei dir zeigt ?< >Ich bin überreizt, und wenn ich überreizt bin, tut sich bei mir nichts<, antwortet er. >Ich habe Durst<, sagte My-Lie, und sofort sprang Latour auf und zog sich etwas über. Er ging nach unten und kam wenig später mit ein paar Flaschen im Arm wieder zurück. Auf der Treppe begegnete er einem Bekannte der auch in der Pension wohnte und der fragte : >Gehört die hübsche Puppe, die eben zur Treppe heraufkam zu dir ?< Latour lächelte ihn nur an, gab aber keine Antwort auf seine Frage..... -65-
* Den Kopf in die Kissen vergraben lag My-Lie auf seinem Bett als er das Zimmer betrat. Eine der mitgebrachten Flaschen öffnete er und stellte die übrigen in den Kühlschrank, der fast leer war und in dem sich nur wenige Vorräte befanden. Plötzlich richtete sie sich auf und sagte : >Morgen fahren wir wieder zum Strand René, dort ist es so einsam, das wir uns in der freien Natur lieben können, willst du ?< Er zögerte einen Moment mit der Antwort und sagte schließlich : >Nein nicht morgen.....< Ich habe in den letzten Tagen einen Vertrag mit der Transindochina Compagnie gemacht. Danach muß ich zweimal bis dreimal nach Bedarf in der Wochen für sie arbeiten, und morgen ist so ein Tag. Verschieben wir unseren Ausflug auf den nächsten Tag, wenn es dir recht ist. My-Lie antwortete : >Schade, das Du nun nicht mehr jeden Tag für mich Zeit hast, aber wenn wir uns zweimal in der Wochen nicht sehen, davon geht die Welt auch nicht unter.< Er legte sich neben sie, nachdem er sich wieder entkleidet hatte. Mit zärtlichen Bewegungen streichelt er über ihren Körper und ließ seine Finger zart um die Knospen ihrer Brustwarzen kreisen. Dieses intensive werben um den Besitz ihres Körpers veranlaßte auch My-Lie sich mit René zu befassen, und bald hatten sie sich erneut in ihrer Lust gesteigert, das sie sich zum wiederholten male an diesem Tag vereinten. Dieses mal war ihrer beiden Erfüllung so stark, das sie gemeinsam kamen, und nach einem langen Kuß, beide ermattet auf die Liegestatt zurücksanken. Nach einer Weile des Schweigens drehte sie sich zu René und suchte mit ihren Lippen seinen Mund. Auch er drehte sich zu ihr und bald fanden sich beider Lippen zu einem innigen Kuß. Schließlich sagte sie : >Erzähl mir ein wenig von dir, mon amour. Ich weiß so wenig von dir nachdem du bereits alles von mir weißt.< Er zuckte mit den Achseln, und sagte : >Was soll ich groß von mir erzählen.< >Was tatest du in deiner Jugend ?< >Ich ging zur Schule wie alle anderen, prügelte mich mit meinen Kameraden und das sehr oft.....< >Hast du bei den Raufereien immer gewonnen ?< >Nein, nicht immer.....< >War es eine große Stadt in der Deine Familie lebte ?< >Nein, eine kleine, nicht größer als dieser Vorort hier.< My-Lie fragte nach einer Zeit in der kein Wort gefallen war : >Mußtest du Frankreich verlassen ?< und fast schüchtern fragte sie weiter : >Hast du irgend etwas angestellt ?< >Nein !< antwortete er bestimmt. >Warum bist du nach Indochina gekommen.< >Weil die Deutschen hinter mir her waren. Nach meinem Studium, welches ich kurz vor dem Examen abbrechen mußte, weil die Deutschen einmarschierten, habe ich Frankreich verlassen wegen der deutschen Besatzung und bin über Algerien wo ich eine Zeit verbracht habe, hier nach Indochina gekommen. Hier bin ich dann, als die Japanern gerade ihren Rückzug antraten um das Land wieder zu verlassen nach der langen Besatzungszeit, hierher gekommen. Man hatte mich mit dem Fallschirm über Laos abgesetzt um dort eine Art Résistance (Widerstand) aufzubauen.< Du warst also bei der >Resistance nationale.< >Ja, hier und auch in Frankreich.< Das er in der Hauptsache wegen einer Frau Frankreich verlassen hatte, die er bei den französischen Widerstandskämpfern kennengelernt hatte, wollte er My-Lie nicht unbedingt erzählen. Sie hatte ihn aber auch so mit ihrer weiblichen Logik durchschaut und sagte : >Du erzählst mir nur nicht die Wahrheit, weil du lügen müßtest.< Er antwortete : >Man lügt immer ein wenig, wenn man von seinen Erinnerungen erzählen muß.....manches mal ohne es zu wollen.< René setzte sich halb auf das Bett und griff nach seiner Armbanduhr, die auf dem Nachtisch lag. My-Lie schaute ihm über die Schulter und sagte : >Es ist noch früh am Abend, wir können noch ein wenig spazierenfahren, ehe ich nach Hau-66-
se muß, dabei lachte sie heiter. Vor dem großen Ankleidespiegel blieb sie stehen, nachdem sie schnell aufgestanden war. René hatte nach einmal nach ihr gegriffen, aber mit einer schnellen Bewegung war sie ihm entwischt. Er stand hinter ihr und zärtlich zog sie ihn an sich. >Sieh doch<, sagte sie, >wie gut wir zueinander passen< und stellte sich dabei auf die Zehenspitzen damit sie ein wenig größer erschien, und dabei reichte sie ihm jetzt nur bis zu seinen Schultern. Sie nahm seinen Arm und umspannte ihn mit beiden Händen und wunderte sich, das diese den Oberarm kaum umfassen konnten. Er hob sie hoch und drehte sie zu sich herum, so das sie Gesicht an Gesicht waren und gab ihr einen herzhaften Kuß. Dann ließ er sie sanft herunter und streichelte dabei ihren Körper, ihre hohen geschweiften Hüften und ihre Brüste und Schultern. My-Lie seufzte und flüsterte ihm zu : >Wie konnte ich es nur eine Woche ohne dich aushalten ?< Sie betastete seine starken Muskeln, hob ihr Gesicht und blickte mit glänzenden Augen zu ihm empor. >Mir tat das Herz weh, wenn ich fern von dir bin, aber ich war wieder froh wenn ich nur an dich dachte. Ging es dir nicht genau so, mon amour ?< >Ja, antwortete er, auch ich war nicht glücklich in diesen Tagen und habe mich vor Sehnsucht nach dir verzehrt.< Sie versuchte, ihn in die Schulter zu beißen und als ihr das nicht recht gelang, löste sie sich sanft aus seinen Armen. >Wir sollten uns anziehen, wenn wir noch etwas spazierenfahren wollen, sonst wird es dafür zu spät, um die Abenddämmerung am Fluß zu erleben.< >Du hast etwas abgenommen. Hast du bei dieser Hitze weniger Appetit wie sonst, oder bist du krank ?< >Nur krank nach dir René, und darum hatte ich weniger Appetit als sonst.< Dieses sprach sie so ernst, das er es nicht deuten konnte ob sie log oder die Wahrheit sprach. * Es folgten wunderschöne Tage und Wochen und noch nie war beiden der Himmel über Indochina so blau vorgekommen. Es war, als ob jeden Morgen die Sonne nur für sie beide aufginge. Sie fuhren in diesen Wochen, wenn es seine Zeit zuließ, des öfteren zu dem einsamen Strand, um sich dort zu lieben und dann anschließend irgendwo einzukehren um etwas zu essen. Des öfteren hatte My-Lie auch einen Imbiß eingepackt, und immer öfter kehrten sie frühzeitig zurück, um noch in die Pension zu gehen in der René sein Zimmer hatte, um sich dort dann nochmals nach Herzenslust der Liebe zu widmen. Meistens war es spät in der Nacht, wenn er sie mit dem Wagen nach Hause brachte. Sie fuhren dann heimwärts durch die oft schmutzigen Straßen des chinesischen Viertels, und die Scheinwerfer des Wagens warfen ein weißes Licht auf die oft nur aus Bambusrohrgeflecht gefertigten Häuser. Wenn sie dann in das europäisch- gemischt mit dem Eingeborenen Viertel kamen, in dem My-Lie mit ihrem Mann wohnte, atmete sie jedes Mal erleichtert auf, denn hier kam ihr die Gegend wie ein einziger blumig duftender Garten vor. Beim Abschied, besiegelt jedes Mal durch einen langen innigen Kuß, raschelte leicht das Laub der vor der Villa stehenden Tamariskenbäume im Abendwind, und sie ersehnten dabei beide schon das nächste Wiedersehen Nie war bei ihnen in der Liebe ein Tag wie der andere, doch sie erkannten an ihrem nie erstillbaren Bedürfnis, der eine wie der andere nach dem anderen Körper, ihre Grenzen. Kampf und Widerstand lagen oft in My-Lie´s mißhandelter Liebe, denn oft sah sie darin ein Sinnesspiel der Lust und ein Maß an Abenteuer und gebrauchte oft die Worte : >Wenn wir einmal nicht mehr zusammensein sollten.....<, sprach aber nicht zu Ende, weil sie erschrocken aufblickte und in Renés Gesicht bereits ein Wetterleuchten entdeckt hatte. Wenn er später in seiner Behausung allein war, dachte er oft über ihre Liebe nach, die ihm vorkam wie ein immerwährender Kampf, weil er innerlich das Bild ablehnte, das ihm My-Lie von sich bot mit ihren Zornesausbrüchen, ihren Ausflüchten und ihrer sterotypischen Liebe oder Zuneigung zu ihren Mann, den sie ja doch nicht liebte, wie sie selber immer wieder betonte. Er hatte es sich schon lange abgewöhnt, sie mit den anderen Frauen zu vergleichen, die er vor ihr gehabt hatte, das wäre ihm wie ein Vergehen gegen ein heilige Handlung vorgekommen. Er konnte sie sich eben nicht mehr anders vorstellen als sie sich ihm gab und als sie wirklich war. Ob ihre Liebe auf Dauer Bestand hatte ? Glauben konnte er nicht daran. -67-
* >Gestern habe ich deinen Mann bei der Transindochina Compagnie getroffen< brummte er, nachdem er My-Lie nach dem Einsteigen kurz mit einem Kuß begrüßt hatte. Mit einem etwas trotzigen Gesicht hatte sie nach dem Einsteigen sofort damit angefangen ihr Aussehen in einem Taschenspiegel zu überprüfen. >Er sieht nicht gerade gut aus<, fuhr er brummig wie es immer seine Art war fort. >Nachdem er ein paar Wochen im Hospital gelegen hat, arbeitet er jetzt zuviel und ist immer müde< >Hat er denn immer noch seine Herzanfälle ?< >Ja, deshalb kann er auch oft nächtelang nicht richtig schlafen. Er macht sich große Sorgen um die Rückzahlung unserer Schulden, die wir zwangsläufig für unsere Freiheit machen mußten, und seine Gläubiger drängen ihn deshalb schon.< >Das wußte ich schon von einem Angestellten meiner Bank, antwortete er, aber er hat doch die Villa, die er als Pfand einsetzten kann.< >Die Villa gehört uns schon lange nicht mehr<, antwortete My-Lie, >die hat er bei einer anderen mißglückten Transaktion verpfänden und dann verkaufen müssen, und wir dürfen solange dort wohnen bleiben bis der neue Besitzer aus Frankreich zurückkehrt.< Während des Verlaufs des Gespräches waren sie an dem einsamen Strand angekommen, wohin es sie nun schon seit Wochen immer wieder hinzog. Wie immer war der weiße, silberne Sandstrand Menschenleer und die Wellen des südchinesischen Meers rollten mit langen, gemäßigten Wellenbewegungen heran, weil sie draußen vor dem vorgelagerten Riff ihre gewaltige Kraft verloren hatten. >Wenn Brujeré seine Schulden bald nicht zurückzahlt wird man ihn verklagen<, setzte René das Gespräch von vorhin fort. >Was willst du dann machen, wenn er ins Gefängnis kommt ?< >Das würde dich wohl freuen, wenn man ihn wirklich ins Gefängnis stecken würde<, antwortete My-Lie, >aber soweit ist es noch lange nicht.< >Wie steht es denn jetzt mit eurer Ehe ?< wechselte er das Thema. >Wie immer, er ist weiter nett zu mir, selbst nachdem er weiß, das ich etwas mit einem andere Mann habe. Du glaubst doch nicht im Ernst, das ich ihn, weil ich jetzt immer zu dir komme nicht mehr lieben könnte ?< Ironisch zuckte er mit den Achseln : >Du liebst ihn doch noch immer ?< >Ja, aber vielleicht anders als dich. Ich habe dir das nun schon so oft erklärt, das ich es nicht noch einmal wiederholen werde.< Oder willst du es nicht verstehen ? * Alles war wie bei ihrer ersten Ausfahrt ins Grüne. Mit der Hand auf die Tasche klopfend, die an ihrem Arm hing und prall gefüllt zu sein schien, sagte sie : >Heute habe ich meinen Badeanzug nicht wieder vergessen wie beim letztenmal.< Im Geist sah er ihren schlanken Körper vor sich, und ein prickelndes Wärmegefühl durchströmte seinen Körper. Wie beim ersten mal schien auch heute die Sonne wie auch an den anderen Tagen, wenn erst einmal die Monsumzeit mit seinen täglichen Regenschauern vorbei war. Jetzt gegen 10:00 Uhr war es noch angenehm frisch, doch in der Stadt herrschte bereits ein reger Verkehr, das der mit weißen Gamaschen und Handschuhen bekleidete Polizeiposten an der Kreuzung nach Binh-Loi reichlich zu tun hatte, den Verkehr zu regeln. Sie legte ihre Hand auf seinen Arm. >Nicht nach Thu-Duc, fahren wir lieber nach dem Strand wo wir das letzte mal waren. Dort ist es so schön einsam und uns schaut nicht jedermann zu.< Wie das letzte mal waren sie die Einzigen am Strand und My-Lie hatte sich hinter dem Wagen schnell ihren Badeanzug übergestreift. Züchtig hatte Latour in eine andere Richtung geschaut, und My-Lie bedankte sich dafür mit einem Lächeln. Nachdem sie ihren Sarong abgelegt hatte, breitete sie eine mitgebrachte Decke auf dem weißen Sand und legte sich mit ihrem schicken Badedreß darauf nieder. René legte sich neben sie, schloß die Augen und beide gingen ihren Gedanken nach. Plötzlich sagte My-Lie : -68-
>Morgen kannst du mich nicht abholen René. Jaques und ich sind den ganzen Tag eingeladen, und da konnte ich schlecht absagen.< René brummte nur : >Schade, gerade morgen am Sonntag wollte ich etwas schönes mit dir unternehmen.< >Das können wir auch an einem der nächsten Tage tun<, war ihre Antwort und fiel wieder in ihr Schweigen zurück. * Am Sonntag morgen fuhr Latour mit dem Wagen über die Brücke, um die große Badeanstalt von Thu-Dan-Mot, einem größeren Nachbarort von Saigon zu besuchen. Er wußte, das dort am Sonntag immer frisches Wasser im Bassin war, sonst wäre er bei den vielen Einheimischen, die dort am Wochenende immer badeten, nicht hingefahren. Nachdem er sich im Wasser abgekühlt hatte und ein paar hundert Meter geschwommen war, setzte er sich an den Beckenrand, um sich von der Sonne trocknen zu lassen. Eine junge Thai, die mit ihren Begleitern im Wasser herumalberte, und die er von früher her kannte, winkte ihm zu. Durch eine Handbewegung bedeutete er ihr, zu ihm zu kommen. Nachdem sie ein paar Worte mit ihren Begleitern gewechselt hatte, kam sie auch wirklich an den Beckenrand geschwommen. >Komm aus dem Wasser, wir gehen an die Bar etwas trinken, forderte er sie auf.< Mit einem Ruck stemmte sie sich aus dem Bassin, und René half ihr beim Aufstehen. Er nahm sein Handtuch, das auf dem Stuhl vor ihm gelegen hatte und trocknete sie behutsam ab. Wie selbstverständlich ließ sie es geschehen, so auch, das er ihre harten, spitzen Brüste, die unter dem knappen Oberteil hervorschauten, ein wenig fester drückte als das so allgemein üblich und sittsam war. Bei der ganzen Prozedur beobachtete sie ihn aus den Augenwinkeln, sagte aber kein einziges Wort. Lange Monate – das letzte mal kurz bevor er vor Monaten nach Frankreich zu seinen Eltern gefahren war -, hatte er sie nicht gesehen. Früher war er ein paar mal mit ihr ausgegangen und hatte auch in seinem Zimmer mit ihr geschlafen. Und nun traf er sie unverhofft wieder. Als sie an der Bar Platz genommen hatten, bestellt er, nachdem er nach ihren Wünschen gefragt hatte, die Drinks. Wie immer nahm er für sich einen gekühlten Pernod und Loung-Ming, er erinnerte sich das sie so hieß, hatte sich einen Bananenflip erbeten. Er kannte sie als Taxigirl in einem der vielen Nachtlokale der Stadt, und dort hatte er sie auch kennengelernt. >Bist du allein ?< >Ja.< Er rückte näher zu ihr heran. >Du hast dich verändert<, sagte er . >Ja. Wir haben uns ja auch bestimmt schon zwei Jahre nicht gesehen. Das letzte mal als du bei mir warst, war vor meinem Erholungsurlaub in Frankreich, und seitdem ist viel geschehen.< >Arbeitest du noch immer im Rialto ?< >Nein, ich habe bis vor fünf Wochen mit einem jungen Lieutenant der Légion Étrangère, ein Parachutiste zusammen gelebt, der plötzlich nach Algerien versetzt wurde und mich nicht mitnehmen konnte, also muß ich jetzt wieder arbeiten.< >Dann suchst du also bestimmt neue Arbeit.< >Ja, um so mehr, da ich einen kleinen Sohn von ihm habe. Er ist jetzt gerade drei Monate alt geworden.< >Will er sich denn um das Kind kümmern ? Versprochen hat er es ja, mir jeden Monat wenigstens 500 Piaster zu schicken, aber bis heute habe ich noch keinen müden Piaster bekommen. Ist wohl auch noch etwas zu früh, schon jetzt Geld zu erwarten, denn selbst mit einem schnellen Schiff, was ja immerhin mindestens 3 Wochen für die Überfahrt benötigt, hat er bestimmt auch noch drüben in Algerien eine Zeit gebraucht, um alles zu regeln<, verteidigte sie ihn im selben Atemzug. Da es jetzt schon bereits um die Mittagszeit war, verspürte Latour ein gewissen Raumlehre in seinem Magen und machte ihr den Vorschlag mit ihm etwas essen zu gehen. Loung-Ming war sofort einverstanden, glitt von ihrem Barhocker herunter und verabschiedete sich, um in die Umkleidekabine zu gehen. Nach einigen Minuten trafen sie sich erneut. Latour hatte draußen vor dem Bad an seinem Wagen gewartet, und schon bald, nachdem er sich eine Zigarette angezündet hatte, erschien sie, nun in ihrer typisch vietnamesischen Kleidung noch hübscher aussehend. -69-
Mit ihrem angeborenem asiatischen Lächeln in den Mundwinkeln nahm sie auf dem Beifahrersitz Platz und nahm eine der Zigaretten aus der Schachtel, die ihr Latour entgegen hielt. >Eigentlich wollte ich nicht mehr rauchen<, sagte sie. >Das kann ich mir bei dem Kind nicht mehr erlauben. Aber heute will ich eine Ausnahme machen, weil ich dich wieder getroffen habe, worüber ich mich sehr freue.< Behutsam lehnte sie sich in die weichen Polster des Wagens und genoß offensichtlich die Fahrt über die auch heute am Sonntag belebte Straße. Auch heute am Sonntag waren die Bauern mit ihren hochrädrigen Karren unterwegs, um ihre Erzeugnisse in die nahe Stadt zu bringen. Schließlich lebten sie und ihre Familien von dem Erlös ihrer Produkte, die sie dort verkaufen konnten. Schon bald hatten sie die Vororte von Saigon erreicht und kehrten in eines der vielen kleinen aber exklusiven chinesischen Restaurants ein. Hier ließen sie sich das bald servierte Essen, dessen Menügang sie mit dem Patron, einem kleinen quirligen Wirt ausgehandelt hatten, gut schmecken. Sogar eine gute Flasche Wein spendierte René und schon bald, den Alkohol nicht gewöhnt bekam Loung-Ming gerötete Wangen und ihre Zunge wurde lockerer. Vor allen Dingen erzählte sie ausführlich von ihrem Sohn, und Latour war ein eifriger Zuhörer. Schließlich fragte Loung-Ming was er in den letzten Monaten getrieben habe, und René beantwortete ihr wahrheitsgemäß, das er in Frankreich bei seinen Eltern gewesen wäre und in den letzten Wochen Gefangener der Vietminh gewesen sei. Dann stellte er die Frage an sie, ob sie schon Arbeit gefunden hätte, welches sie mit Nein beantworten mußte. >Hast du es denn schon allerwegen versucht ?< fragte er ! >Ja<, in allen bekannten Etablissements bin ich gewesen. Die meisten suchten nur Frauen für den Bordellbetrieb, und das möchte ich nicht machen. So lebe ich bis jetzt mit der Unterstützung durch meine Mutter, die abends nach Büroschluß bei zwei Firmenniederlassungen als Putzfrau tätig ist und das schon seit einigen Jahren. Dadurch verdient sie sich seit dem Tod meines Vaters ihren Lebensunterhalt. >Nun muß ich aber bald Arbeit finden denn für drei Menschen reicht der Lohn meiner Mutter nicht aus<, erzählte sie ohne kaum Atem zu holen, so losgelöst war ihre Zunge durch den genossenen Alkohol. Bald nach dem guten Essen brachen sie auf und fuhren in die Stadt zurück. Latour fragte LoungMing : >Fährst du mit mir in meine Pension< und dazu nickte sie nur. Auf der Fahrt dorthin sagte Latour zu ihr : >Morgen werde ich den Besitzer vom Moulin Rouge, den ich sehr gut kenne und der mir noch ein Gefälligkeit schuldig ist, fragen, ob du nicht bei ihm als Tanz- oder Animier-Girl anfangen kannst.< >Ach, kennst du den ?< Sie strahlte. Im selben Augenblick wurde sie aber traurig. >Das ist aber ein sehr feines Lokal, ob der Besitzer mich einstellen wird ?<>Lass das nur meine Sorge sein, der nimmt dich bestimmt<, sagte Latour mit Bestimmtheit. >Wieviel bekommen die Eintänzerinnen dort pro Stunde ?< Voriges Jahr bekamen sie hundert Piaster....., so weiß ich es von einer Freundin.< >Ich glaube es ist noch die gleiche Taxe.< Sie fing an zu rechnen und schließlich sagte sie : >Das sind nach Abzug der Steuer noch immer über 70 Piaster für mich, wenn ich nur jeden Tag eine Stunde arbeite. Davon könnte ich leben und eine Pflegerin für den Jungen bezahlen.< Latour sagte nun noch einmal : >Ich werde mit dem Besitzer sprechen, und du kannst bestimmt am Mittwoch schon anfangen.< Überschwenglich vor Freude rückte Loung-Ming näher an Latour heran und drückte ihm einen Kuß auf die Backe und sagte leise aber glücklich : >Danke, Danke das Du das für mich tun willst. * Latour taste unsicher mit der Hand nach dem, neben seinem Bett stehenden Nachtisch, doch bevor er den Finger auf den Knopf des Weckers drücken konnte, klingelte dieser schrill durch den -70-
Restaurant am Stadtrand von Saigon (Bild 176)
noch dunkelen Raum und die neben ihm liegende Loung-Ming erwachte. Es war noch mitten in der Nacht, eben 4:00 Uhr vorbei, aber um 6:30 Uhr mußte er auf dem Hof der Transindochina Compagnie sein, um die Convois abzufertigen. Die dicke, fettige abgestandene Luft im Zimmer roch nach Opium; der alte Mann, der zwei Zimmer weiter auf demselben Flur wohnte mußte wohl schon seine erste Pfeife geraucht haben. Oder hatte er vielleicht die ganze Nacht geraucht, wie er es manches mal tat wenn er seine Pension als ehemaliger Zollbeamter ausbezahlt bekommen hatte. Nachdem er richtig aufwachte, indem er sich einen Augenblick auf die Bettkante setzte, ging Loung-Ming unter die Dusche um sich zu erfrischen. Schon bald rief sie, er solle zu ihr kommen um ihr den Rücken einzuseifen. Nackend wir er war, stellte er sich mit unter die Dusche und ließ sich von dem lauwarmen Wasser überrieseln. Sie nahm die Seife aus der Schale und fing an ihn einzuseifen. Ab und zu seifte sie sich auch selber ein, hauptsächlich nahm sie sich aber seiner an. Die Rückenpartie, die Brust, unter den Armen, über den Magen bis hinunter zum Schritt seifte sie ihn ein. Ein Wohlbehagenschauer überrieselte seinen Körper und er spürte wie sein Geschlechtsteil glatt, steif und reibungslüstern wurde. Als sie sich abwandte, um die Seife in der Wandvertiefung zu deponieren legte er von hinten die Arme um sie und nahm ihr die Seife ab. Nun ließ er sie über ihren nassen Bauch gleiten, seifte darunter ihre Schamhaare ein und merkte wie sich Schaum dort bildete und ihr über die Schenkel an den Beinen herunterlief. Er führte die Seife noch weiter abwärts, und er hätte sie bald schon zwischen ihren Schamlippen verschwinden lassen, als er merkte, wie sich die Seifenblasen mit ihrer eigenen Feuchtigkeit vermengten und er sah, wie sie mit der einen Hand den Hahn der Brause weiter öffnete, während sie mit der anderen zwischen seinen Beinen nach seinem Penis suchte, der ohne viel Mühe wie ein eingeseifter Aal von hinten bis zum Schaft in sie hineinglitt. Er stieß bis auf den Grund, und während sich das Wasser mit vollen Strahlkraft über sie ergoß, umfaßte er mit beiden Händen ihre Brüste, öffnete den Mund, legte den Kopf in den Nacken, ließ Rachen und Mund mit Wasser vollaufen und gurgelte wie ein ertrinkender Stier, als wenn er schon wochenlang nicht mehr mit einer Frau zusammengewesen wäre. Dabei hatten sie die ganze Nacht, bis in die frühen Morgenstunden eine Vereinigung nach der anderen in allen möglichen Stellungen praktiziert und selbst nur knapp 2 Stunden geschlafen. Erfrischt von dem Wasser der Brause und dem Akt mit Loung-Ming trocknete er sie und sich schnell ab, küßte dankbar ihr Gesicht und sagte : >Nun wird es aber Zeit, das wie uns ankleiden und hier verschwinden, denn ich muß pünktlich auf meiner Arbeitsstelle sein.< -71-
Er öffnete seinen kleinen Kleiderschrank, sauberen Short und ein Arbeitshemd, und kleidete sich an..... Dann brachte er Loung-Ming noch mit seinem Wagen nach Cholon, dort wo sie mit ihrer Mutter zu Hause war, verabschiedete sich nicht bevor in seinem Zimmer auf ihn zu warten, wenn er sich von der Arbeit verspäten sollte. Pünktlich, noch 10 Minuten vor seiner eigentlichen Zeit war er auf dem Transporthof der Transindochina Compagnie, um seine Arbeit aufzunehmen. Heute würde er einen Transport nach Ben-Hoi begleiten müssen, um einige Unklarheiten vom letzten Transport selbst zu regeln. Er hatte sich vorgenommen sich auf der Ladung, die aus gefüllten Getreidesäcken bestand auszustrecken, um den verlorenen Schlaf der vergangenen Nacht nachzuholen. Auf der My-Tho-Straße, die nach dort führte war es ruhig, und er konnte sich diese Pause gönnen. Später auf der Fahrt, als er ruhig auf den Säcken lag, kam ihm noch einmal die vergangene Nacht in Erinnerung. Die kleine Hure hatte ihm gutgetan nach den anstrengenden Liebesstunden mit My-Lie. Er würde wohl in Zukunft des öfteren auf Loung-Ming zurückgreifen, denn sie war nicht so nervtötend und aggressiv wie My-Lie und dazu noch viel anschmiegsamer und dankbarer. Abends als er nach Hause kam, wartete Loung-Ming bereits auf seinem Zimmer. Schnell hatte er sich unter der Dusche etwas erfrischt und dabei rief er nach ihr, sie solle zu ihm unter die Dusche kommen. Loung-Ming öffnete zwar den Vorhang der Dusche, machte aber eine bedauernde Geste, das sie heute unpäßlich wäre, sie habe nach der letzten Nacht ihre Tage bekommen. Etwas enttäuscht kam Latour aus der Duschkabine, trocknete sich ab, wechselte die Unterwäsche und kleidete sich erneut an, dieses mal aber zum Ausgehen. In den eigentlich für diese Etablissements frühen Abendstunden, meistens begann hier der Betrieb erst ab 22:00 Uhr, trafen sie den Besitzer des Moulin Rouge an. Ohne lange Debatten wurden sie sich schnell einig, das Loung-Ming schon am nächsten Abend anfangen konnte, zumal Latour für die Vermittlung, die normalerweise bei so einer Transaktion üblich war, keinen Piaster haben wollte, sondern nur froh war, das die kleine Hure endlich wieder Arbeit hatte, und er somit hin und wieder auf eine neue Bettgefährtin zurückgreifen konnte, wenn er in Zukunft Bedarf hatte. Er brachte sie erneut nach Hause und verabschiedete sich mit einem zärtlichen Kuß, verabredete sich aber nicht erneut mit ihr und sagte ihr nur, das er sie an einem der nächsten Abende besuchen würde bei ihren Tanzdarbietung im Moulin Rouge. Auf der Fahrt in seine Pension suchte er noch einige Kneipen auf, um seinen Ärger über LoungMing´s Unpäßlichkeit zu ersäufen. Auf der Heimfahrt konnte er den Wagen noch kaum chauffieren so sehr hatte er sich volllaufen lassen und empfand weniger Groll als vor allem Abscheu, nicht nur vor den Frauen sondern mehr über sich selbst. Am nächsten Morgen wurde er durch das Klappernd der Pferdehufen und dem sanften Glockenklang des Milchwagens auf der Straße sanft geweckt, denn weil das Zimmer am Abend beim Betreten nach Opium geduftet hatte, hatte er das Fenster weit geöffnet um frische Luft hereinzulassen. Darüber war er eingeschlafen. Er horchte : im Gang hatte sich doch eben etwas vor seiner Tür gerührt. War es einer der neugierigen Nachbarn, oder der alte Opiumraucher..... Latour trat leise, mit auf die Tür gerichtetem Blick, nur mit seinem Slip bekleidet, vor. Mit einem einzigen Griff drehte er den Schlüssel und öffnete. Vor ihm stand My-Lie..... Vor lauter Staunen über ihre so frühe Anwesenheit wußte er im Augenblick nichts zu sagen. Sie trug dieselbe purpurrote Tunika als sie ihn das letzte mal besuchte. Sie schaute zu ihm empor, aber ihr Blick strich über seine Schulter hinweg und durchsuchte den Teil des Raumes, den sie hinter ihm sehen konnte. Sie machte einen Schritt nach vorn; er trat zurück, um sie hereinzulassen. Mitten im Zimmer blieb sie stehen und drehte sich jählings wieder zu Latour herum, der sie immer noch verwundert anstarrte. Er war über ihr Erscheinen und ihr Verhalten sehr verwundert, als sie sich an seine Brust schmiegte sie an zu weinen fing und das ihre Tränen seine behaarte Brust benetzten. >Wer war hier, René, mit wem hast du hier geschlafen ?<, schrie sie schluchzend, bebte am ganzen Körper und legte erneut ihren Kopf an seine Brust. Sanft sprach er auf sie ein; die Worte, die sein Gemüt fühlten, stiegen wie eine absonderliche -72-
Danksagung auf seine Lippen. Sie murmelte : >Ich hatte solche Angst, René !< Ohne viel Besorgnis fragte er : >Wen hattest du hier erwartet vorzufinden ?< >Ich habe geglaubt eine deiner billigen Flittchen sei heute nacht bei dir gewesen.< Instinktiv warf er einen Blick um sich; hoffentlich hatte die Kleine gestern morgen hier nichts liegengelassen. Es fiel ihm aber nichts verdächtiges auf. >Woher kommst du denn um diese frühe Morgenstunde ?< >Von zu Hause.< >Zu Fuß.< >Nein, ich habe eine Rikschah auftreiben können.< >Du bist also aufgestanden und.....< >Nein, ich hatte mich erst gar nicht richtig hingelegt. Gestern abend war ich im Kino, ich mußte mal für ein paar Stunden andere Tapeten sehen und durch einen Film auf andere Gedanken kommen und bin dann danach anschließend nach hier gekommen. Dein Wagen stand auf seinem Parkdeck.....Ich bin also heraufgekommen und habe an deine Tür geklopft. Du hattest kein Licht und nachdem ich noch mehrmals geklopft habe und immer noch nicht aufgemacht wurde habe ich bemerkt, das Deine Tür abgeschlossen war. Ja, und da habe ich geglaubt, du liegst mit einer anderen Frau im Bett und wolltest mir deshalb nicht aufmachen.< >Ich schlief, und das die ganze Nacht allein.< >Ich habe aber doch so lange geklopft, das Du es hören mußtest.< >Ich hatte viel getrunken.....und deshalb das Klopfen wohl nicht gehört. Sie sah ihn an, und sagte >ja ?< und lächelte ihm dann glücklich zu. >Ich bin dann nach Hause gegangen, Jaques war schon zu Bett, legte mich auch kurz nieder und konnte nicht schlafen weil ich immer an die Frau denken mußte, die du nun vielleicht im Arm liegen hast. Es war drei Uhr vorbei, Jaques schlief jetzt noch, weil er ein Schlafmittel genommen hatte. Ich zog mich an und hatte Glück draußen sofort eine Rikschah zu bekommen. Bin dann heraufgekommen und habe noch einmal an deiner Tür geklopft, aber keine Antwort bekommen wie nur ein unterdrücktes Murmeln. Da war ich fast sicher, das eine andere Frau in deinem Bett liegen würde und habe mich deshalb vor deine Tür gesetzt. Dort hätte ich gewartet bis ihr herausgekommen wäret.< Und dann war hier immer so ein alter Mann der dauernd über dem Flur lief und mich blöde anschaute, aber kein Wort zu mir gesprochen hat. >Was hättest du denn gemacht wenn ich eine andere Frau bei mir gehabt hätte ?< >Ich hätte dich erschossen, denn ich habe den Revolver von Jaques bei mir, den ich ihm aus seinem Nachtisch genommen habe.< >Warst du so grundlos eifersüchtig ?< >Ja.< My-Lie hatte sich auf sein Bett gelegt und mit einer Decke zugedeckt. Nur mit seinem Slip bekleidet, hatte er sich neben sie gelegt und sein Gesicht an ihre Brust gedrückt. Zärtlich streichelte sie ihn auf dem Rücken, so das ein Schauer durch seinen Körper rann den sie instinktiv bemerkte. Rasch hatte sie sich ihrer Kleidung entledigt und befaßte sich nun intensiver, von sich aus, mit seinem Körper, Gesicht und Lippen. Er ließ alles mit sich geschehen, auch das sie seinen Slip auszog und sich mit seiner Männlichkeit befaßte, die sich groß, stark und starr ihr entgegen streckte. Ihre Lippen umfaßten nun vorsichtig seine Vorhaut und genau so vorsichtig und behutsam nahm sie seinem starren, pulsierenden Penis in dem Mund und mit langsamen rhythmischen Bewegungen versetzte sie ihn bald in den Zustand des ejalkulieren. Bevor er aber zum Erguß kam, hörte sie in ihren Bewegungen auf, nahm seinen Penis aus den Mund und setzte sich mit einer gekonnten Drehung auf ihn, führte seinen Penis in ihre Scheide und setzte nun die Bewegungen langsam fort, so das er nicht mehr lange an sich halten konnte und sich bald in sie ergoß. >War es schön für dich mon amour<, fragte sie. >Ich könnte hier jetzt einschlafen.....< >Du kannst liegenbleiben, ich lasse dir den Schlüssel hier.< >Nein, das geht nicht ich muß nach Hause, Jaques wird vielleicht schon aufgewacht sein und wird mich suchen.< >Schade <, sagte René nickte nur und küßte sie dankbar auf ihre vollen Lippen. Nun hatte er es auf einmal eilig, denn er sagte ihr : -73-
>Ich muß mich beeilen, wenn ich dich erst nach Hause bringen, und dann noch pünktlich auf dem Transporthof sein will. Auch My-Lie stand auf und stellte sich mit ihm zusammen unter die Dusche, um sich den Schweiß abzuwaschen. Noch einmal wollte sie sich mit ihm intensiver befassen, doch er wehrte sie ab mit den Worten : >Dazu haben wir jetzt keine Zeit mehr mein Liebling, ich muß arbeiten, wir verschieben das auf heute abend.< >Heute abend ? Da kann ich leider nicht kommen, denn es kommen wichtige Geschäftsfreunde von Jaques zu Besuch und da kann ich sehr schlecht weg.< >Nun, verschieben wir das auf morgen, mein Liebling, dann kann ich mich etwas länger für dich ausruhen.< >Du brauchst dich nicht auszuruhen, René, du bist immer fit.< Nachdem sie beide sich angekleidet hatten, fuhr Latour sie zu ihrer Wohnung und von da aus zum Transporthof der Transindochina Compagnie. * Da Latour wußte, das heute am Abend My-Lie nicht zu ihm kommen würde, begab er sich, nachdem er seine Arbeit auf dem Transporthof erledigt hatte, in seine Pension, um sich zum Ausgehen zurechtzumachen. Als er das Moulin Rouge betrat, tanzte Loung Ming gerade einen gekonnten Solotanz nach vietnamesischer Art für die Gäste. Sie bekam großen Beifall für ihre Darbietung von den Gästen des noch spärlich besuchten Lokals. Loung Ming hatte ihm bei seinem Eintreten im Lokal Bemerkt und als sie ihren Tanz beendete, kam sie an seinen Tisch ohne Platz zu nehmen. Sie begrüße Latour mit einem Kuß auf die Backe und sagte : >Ich habe gleich noch einen Tanz und dann habe ich für dich den ganzen Abend Zeit.< Er bestellte sich wie üblich einen doppelten Pernod mit einer Karaffe Eiswasser und sah sich uninteressiert die anderen Darbietungen an. Nach einer Zeit, ihm kam es vor als wären inzwischen Stunden vergangen, kam Loung Ming noch einmal auf die Showbühne und führte ihren Tanz vor, dieses mal in einem gewagten Kostüm das mehr preisgab als es verbarg. Dieser gezeigte Tanz konnte schon die Männer in Fahrt bringen mit seinen erotischen Bewegungen. Auch für diesen Tanz bekam sie großen Applaus und nachdem sie sich mehrmals durch Verbeugen bedankt hatte, verließ sie die Bühne nach hinten um von dort in die Umkleidekabinen zu gehen. Es dauerte ein gewisse Zeit bis sie endlich erschien. Sie war noch im Büro des Manager vorbeigegangen und hatte sich ihren Lohn für diesen Abend abgeholt, denn es war üblich, das jeden Abend der verdiente Lohn sofort ausbezahlt wurde. Sie trat an den Tisch von Latour und sagte nur : >Ich habe Feierabend für heute, René, wir können gehen.< Er warf einen Geldschein auf den Tisch, erhob sich und faßte sie unter dem Arm und begleitete sie aus dem Lokal. Wortlos stiegen sie in den, in einer Seitenstraße geparkten Wagen und genauso wortlos verlief die Fahrt zu seiner Pension. Als beide die Treppe zu seinem Zimmer hochgingen, sagte er zu ihr : >Na, habe ich dir zuviel versprochen mit dem neuen Job ?< >Nein, und ich danke dir noch einmal, auch im Namen meines Jungen, das ich so schnell Arbeit bekommen habe. Dazu kommt noch, das ich mich nicht von jedem Gast betatschen lassen brauche. Dort ist die Arbeit viel angenehmer als sonst in den üblichen Lokalen.< Latour brummte nur und schloß die Zimmertür zu seiner Behausung auf. Das Bett war noch genau so in Unordnung wie er es am Morgen nach dem Besuch von My-Lie verlassen hatte. Latour fragte Loung-Ming, ob sie etwas trinken wolle, was sie sofort bejahte. Er verließ noch einmal das Zimmer und ging nach unten, um in einem der kleinen Geschäfte, die meistens bis Mitternacht geöffnet hatten, ein paar Getränke einzukaufen. Er kaufte einige Dosen Coca-Cola und dazu eine Flasche Pernod, einen Beutel Eiswürfel und eine Flasche Champagner. Mit allen diesen Getränken beladen, stieg er erneut zu seinem Zimmer empor. Loung-Ming hatte sich bereits ausgezogen und lag zugedeckt unter der leichten Decke auf seinem Bett. Sie lächelte ihm zu als er das Zimmer betrat, in dem wie fast immer ein leiser Geruch von Opium hing. Die mitgebrachte Flasche Champagner, die gut temperiert war, öffnete er sofort, nachdem er -74-
die Eiswürfel in einen Sektkühler gefüllt, und die Flasche Pernod und die Dosen im Kühlschrank deponiert hatte. In zwei Wassergläser füllte er den hier nicht gerade billigen Champagner und reichte ihr ein Glas. Sie stießen zusammen an und tranken jeder das Glas bis auf den Grund leer. Erneut füllte Latour die Gläser und Loung-Ming sagte : >Nicht so schnell hintereinander, sonst bin ich bald betrunken, denn nur dir zuliebe trinke ich heute abend Alkohol.< Die Nacht verlief genauso wie die Nacht am Sonntag die er mit ihr verbracht hatte, nur das dieses mal sie es war die die meiste Initiative ergriff um sich scheinbar für seine Vermittlung, das sie Arbeit bekommen hatte, zu bedanken. Immer und immer wieder hatte sie ihn mit ihren Händen und Zunge so erregt, das er sie ohne zu zögern nahm, und sie hatte noch Spaß dabei, das er immer und immer noch konnte und in sie eindrang, trotzdem sie noch sehr leicht ihre Periode hatte und daher das Bettlaken ein wenig blutig wurde. Der Morgen dämmerte bereits als sie sich endlich voneinander lösten. Immer und immer wieder hatten sie sich geliebt und waren nach jedem Liebesakt für einige Minuten eingeschlafen. Nachdem sich beide geduscht hatte, zog auch Latour sich an und begleitet sie mit seinem Wagen nach Hause. Dort vor dem Haus, in dem sie mit ihrer Mutter und Sohn lebte, verabschiedeten sie sich, und Latour sagte nachdem er ihr 1.000 Piaster zugesteckt hatte : >Ich besuche dich im Lokal in der nächsten Woche wieder. In dieser Woche habe ich keine Zeit mehr, ich muß mich um meine Arbeit und um mein Geschäft kümmern. Sie dankte ihm noch einmal und sie gingen mit einem Abschiedskuß auseinander. * Zwei Tage später : Langsam, mit müden Schritten ging er die Treppe hinauf in sein Zimmer. Eine angerauchte Zigarette trat er mit dem Schuhabsatz auf der letzten Stufe aus, schloß die Tür seines Zimmer auf und trat ein. Obwohl er erschöpft war und vor Müdigkeit kaum die Augen noch aufhalten konnte, sah er, das jemand im Zimmer gewesen sein mußte, denn das Bett war frisch bezogen, seine Sachen aufgeräumt und seine schmutzige Wäsche in einem Wäschebeutel verstaut. Auch verspürte er Hunger, denn seit gestern abend hatte er keinen Bissen mehr zu sich genommen außer einigen Schlucken Pernod und einem starken Kaffee als Morgenbegrüßung. Am gestrigen Nachmittag, war auf der Rückfahrt nach Saigon, nur einige Kilometer vor der Mekong-Brücke sein eingeborener Chauffeur von den Vietminh erschossen worden. Das Geschoss war ihm mitten in die Stirn eingedrungen, und er war sofort tot gewesen. Im letzten Moment, der Wagen scherte, nachdem der Fahrer getroffen worden war, sofort von der Straße aus, konnte Latour in das Lenkrad fassen und das größte Unglück verhindern, das der Truck nicht in das morastartige Reisfeld einbrach. So war er nur mit dem Chassis auf einem Baumstumpfrest an der Uferböschung hängen geblieben. Trotzdem hatten sie die ganze Nacht und den halben Morgen benötigt, das Fahrzeug wieder flott zu machen, und dann hatte er noch die traurige Aufgabe gehabt, der Frau des toten Fahrers die Nachricht vom Tot ihres Mannes zu überbringen. Sie hatte ihre beiden Kinder in den Arm genommen und still in sich hinein geweint als er ihr die Nachricht überbrachte und nur geflüstert : >Nun sieht er noch nicht einmal das neue Baby, was in den nächsten Tagen kommen wird. Was soll nur in der Zukunft aus uns werden ?< Latour hatte ihr versprochen, das die Transindochina Compagnie sich um sie kümmern werde und ihr zumindest für die erste Zeit soviel Unterstützung gewähre, damit sie über die Runde käme. Und dann war er von dort zum Hof der Compagnie gefahren um Meldung zu machen, seinen Report dort zu schreiben um dann endgültig zu seiner Wohnung zu fahren und sich endlich zur Ruhe legen zu können, denn immerhin hatte er ja nun schon zwei Nächste kein Auge zugemacht. Einen Augenblick blieb er unbeweglich in seinem Zimmer stehen und horchte angespannt. War da nicht ein Geräusch im angrenzenden Duschraum ? Vorsichtig öffnete er die Tür zum Toiletten- und Duschraum und My-Lie stand erschrocken vorm ihm. In ihrem Gesicht spiegelte sich das gequälte Gewissen der letzten Zeit. In den letzten Stunden hatte er fast nur an sie gedacht als er bis zu den Hüften im Wasser des Reisfelds gestanden und auf der Fahrt zum Transporthof und nach Hause an sie gedacht hatte. >Ich bin gestern abend schon hier gewesen, du warst nicht da und heute morgen, früh als ich hierher kam, hat eure Zimmerservice mich hereingelassen und dann versehentlich die Tür hin-75-
ter sich abgeschlossen. >Wir sind auf der Straße vom My-Tho nach Saigon überfallen worden. Mein Fahrer war sofort tot, und ich habe mich um einiges kümmern müssen und.....< Sie wollte ihn umarmen, doch Latour schob sie zur Seite und sagte : >Faß mich nicht an ich bin dreckig wie eine Sau, die sich im Schlamm gesuhlt hat.< My-Lie achtete aber nicht auf seine Worte und umfing mit ihren Armen seinen großen starken Körper und schmiegte sich zärtlich an ihn. Aus Dankbarkeit küßte er ihren Mund und dann flüchtig auf ihr Haar und sagte : >Lass mich jetzt, ich gehe erst unter die Brause.< Seinen starken Geruch, der seinem müden, fiebrigen Körper, - der nach Reisfeld, Diesel, Öl und Schweiß roch -, entströmte, atmete sie ein und strich ihn, sich auf Zehenspitzen stellend über das Haar, seinen Stoppelbart und biß ihn dann kräftig, aber doch sanft in die behaarte Brust. >Nun lass mich endlich los, My-Lie< Widerwillig löste sie sich von ihm, und ein trauriger Glanz trat in ihre Augen. Latour ging in die Duschkabine, drehte den Wasserhahn bis hinten hin auf und ließ das lauwarme Wasser, das wie immer aus der Leitung kam, über seinen Körper rieseln. >Stell den Ventilator< an, rief er ihr zu, >das der Opiumgeruch etwas verschwindet.< >Was machst du jetzt rief er erneut ?< >Nichts, gar nichts.< Traurig blickte sie aus dem Fenster. Den Kamm in der Hand, nackend wie er die Dusche verlassen hatte, trat er ins Zimmer und sah sofort ihr trauriges Gesicht. >Was ist mit dir, mein Liebling, fehlt dir etwas ?< >Jaques ist wieder krank.< Er zuckte mit der Schulter und sagte : >Seit ich dich kenne, ist Jaques krank, das ist doch nicht neues mehr.< >Er ist aber sehr krank, der Arzt hat es mir gestern morgen gesagt als er früh kam, nachdem ich ihn angerufen hatte. Schon nach der Nacht als ich bei dir war hatte er einen Herzanfall gehabt und ich war nicht da. Der Arzt hat ihm absolute Bettruhe verordnet und ich muß ihn daher pflegen.< >Das heißt mit anderen Worten wir werden uns nun tagelang nicht sehen können, nicht wahr MyLie ? Bringe ihn doch dazu ins Hospital zu gehen, dort bekommt er die Pflege die er braucht, wenn er wirklich so krank ist. Ich vermute, das er euch nur alles vorspielt, damit du dich wieder mehr um ihn kümmerst, sagte er so barsch wie es ihm eben möglich war, denn auf der einen Seite bedauerte er sie innerlich aber auf der anderen Seite meinte er, mit seiner Vermutung richtig zu liegen und wollte es ihr so nicht in aller Deutlichkeit sagen.< Mit Tränen in den Augen sah sie ihn an und sagte : >Ich muß jetzt bei ihm bleiben.< Er stieß den Rauch der Zigarette, die er sich angezündet hatte heftig aus dem Mund und antwortete : >Dann geh doch - und bleibe bei ihm - Schluß aus.< Sie ging zur Tür, und bevor sie diese öffnete, drehte sie sich noch einmal um. >Du versuchst gar nicht mich zu verstehen, René....., du willst es einfach nicht verstehen.< >Doch, My-Lie, das tue ich nun schon seit Wochen.....< Bei diesen heftigen Worten, die ihm so aus dem Mund sprudelten, zitterte die Zigarette in seiner Hand. >Du hast deinen Mann und du hast einen Liebhaber, der dich sofort heiraten würde wenn du frei wärest. Du kannst deine Zeit nicht mit zwei Männer teilen, wenn auch der eine dir Behaglichkeit, Ansehen in der Gesellschaft und Wohlstand gibt und der andere nur Geborgenheit, Glücklich sein und.....< Alle diese Worte die er ihr vorwarf, wollte er eigentlich nicht ausgesprochen haben, aber schon lange wollte er ihr alles dieses gesagt haben, und nun war es aus ihm heraus und er fühlte sich erleichtert. >Verlaß Brujeré und komm zu mir, verlaß ihn..... murmelte er.< Heftig schüttelte sie den Kopf. >Ich würde niemals zu dir kommen, selbst wenn Jaques nicht wäre.< Kurz vorher hatte er sie umfaßt, doch nun ließ er sie vor Erstaunen abrupt los. >Ich würde dir nie folgen, weil ich vor dir Angst habe, René<, sagte sie. >....Du sagst immer, das Du mich liebst und doch hast du mir das Stückchen Selbstvertrauen -76-
und Achtung genommen, das ich noch hatte, denn du willst, das ich meinen Mann hasse, und das kann ich nicht.< Erneut umfaßte er sie und zog sie an sich. Sanft legte er seine Hände auf ihre Schulter und fragte : >Warum, My-Lie, willst du dich nicht einfach in unserer Liebe fügen, wie ich es auch tue ? Du verachtest innerlich doch deinen Mann, und wenn du ihn jetzt jeden Tag pflegst, lernst du ihn jeden Tag mehr zu hassen.< >Wenn ich mich von dir trenne, werde ich nicht versucht sein, ihn zu hassen< gab sie als Antwort. Ihr Gesicht zeigte die ausdruckslose aber die immer lächelnde Miene der Asiaten. Daraufhin lachte Latour nur. >Und alles das nur für diese Jammergestalt von Brujeré!< Ohne noch ein weiteres Wort zu sagen, verließ sie das Zimmer und stürmte die Treppe hinunter. Latour hatte nicht weiter mehr versucht sie aufzuhalten, denn was zwischen ihnen beide gesprochen worden war, mußte endlich einmal gesagt werden, um die Fronten zu klären. Müde von den Strapazen und niedergeschlagen von dem Disput mit My-Lie legte er sich auf sein Bett, nachdem er das Fenster geschlossen hatte. Er sah noch vom Fenster aus, wie My-Lie in ein Cyclo-Pousse stieg und schnell seinen Blicken entschwand. Seine Augen fielen ihm von selber zu, und das letzte woran er dachte war, würde sie wieder kommen oder war es ein Abschied für immer ? * >Warum willst du die Stellung nicht, René?< Die hohe Fistelstimme You-Long´s behielt auch in dem französischen Wortlaut den singenden Tonfall der chinesischen Sprache bei. You-Long, die Schwester eines ehemaligen Geschäftspartners von Latour, für den er früher sehr viel gefahren hatte, rief ihn aus Bangkok an, wonach er sofort die Stellung eines Niederlassungsleiters in Vientiane, in Laos übernehmen konnte. Er hätte sofort seinen noch laufenden Lastwagen auf der Pnom-Penh- Saigon-Route verkaufen können, soviel hätte er dort als Leiter der großen Niederlassung verdient. Er bedankte sich bei You-Long für das Angebot und erklärte ihr warum er im Moment nicht aus Saigon fort könne. Ließ ihrem Bruder recht herzlich von ihm grüßen und ließ sich aber offen, zu einem etwas späteren Zeitpunkt auf das Angebot zurückzukommen. Wie seid ihr beiden überhaupt auf mich gekommen ?< fragte Latour noch am Telefon. >Du hast uns damals geholfen, und nun wollten wir dir helfen, nachdem du deinen zweiten Lastzug verloren hast.< >Ist das auch schon bis nach euch durchgedrungen, das mich die Viet´s gefangengenommen hatten ?<. Als Antwort bekam er : >Die Welt ist klein und bei uns in der Branche spricht sich so etwas schnell herum.< Dann legte sie auf und Latour hielt noch einen Augenblick den Hörer in der Hand und bedauerte selbst, das er so spontan >Nein< gesagt hatte. Er mußte im gleichen Moment an My-Lie denken. War das vor einer Woche ein Abschied für immer gewesen ? Im gleichen Augenblick klopfte es an seiner Tür. Er rief : >Herein !< Es war tatsächlich My-Lie, an die er gerade gedacht hatte. Latour war auf eine Flut von Vorwürfen gefaßt nachdem sie ihn vor ein paar Tagen so übereilt verlassen hatte nach dem Disput und sah My-Lie deshalb besorgt an. Es war ihm unbehaglicher zumute als bei einer Eifersuchtsszene. >Eben war der Arzt bei Jaques<, sagte sie ruhig. >Er ist soweit wieder auf dem Damm, das ich ihn nun unbesorgt für einige Stunden allein lassen kann. Ich wollte mich nur von dir verabschieden, denn wir fahren morgen früh für einige Tage zur Erholung nach Da Lat ins Gebirge in ein Herzzentrum. Der Arzt hat das dringend angeraten.< Latour hätte schwören können, das sie diese Geschichte soeben erfunden hatte, wenn sie nicht so ernst von ihr vorgetragen worden wäre. Sie erhob sich und fragte : -77-
>Was hast du jetzt vor ?< >Nichts Außergewöhnliches<, war die Antwort. >Wollen wir ein wenig spazierenfahren ?< Aufmerksam sah er sie an, sie schien das unbefangen ausgesprochen zu haben, das bei ihm der eben aufgetauchte Verdacht wieder verschwand. Sie machte sich an ihrer Kleidung zu schaffen und fragte ihn nochmals : >Kommst du, René ?< Als sie die Treppe herunter gingen dachte er für sich, das ist ja noch glimpflich für mich abgelaufen. Er hatte nach dem Wortgefecht vor einigen Tagen mit mehr Vorwürfen gerechnet, und nun glaubte er ihr auch, das das mit dem Kurzurlaub in Da Lat der Wahrheit entsprach, und der gehegte Verdacht von ihm zerstreute sich so langsam. Sie lächelt ihm zu als sie in den Wagen einstieg, als hätten sie sich nie gestritten und schon erklärte sie ihm : >Ich hätte Lust auf´s Land zu fahren, lass uns zu unserem Strand aufsuchen, dort bin ich so gerne. Ich habe Jaques nun fast 1 Woche betreut und nun will ich ein paar Stunden für mich haben, darauf habe ich ein Anrecht, denn ab morgen muß ich ihn noch einmal 1 Woche umsorgen, und das wird mir so langsam zuviel.< Auf der Landstraße, nachdem sie eine Weile geschwiegen hatte, sagte sie plötzlich : >Es muß um diese Jahreszeit schön in Da Lat, dort im Gebirge sein.< >Mir scheint, du freust dich, von hier wegzukommen.< >Es sind ja nur acht Tage, die wir fort sind - natürlich, das ist nicht lange und auch wieder sehr lang.....< Wie sie ihm jetzt auf der Fahrt zum Strand gestand, war sie jeden Abend zu seiner Pension gekommen und hatte nachgeschaut ob er zu Hause war. >Ich mußte einfach sehen, ob du in dieser Zeit allein warst< gab sie als Entschuldigung an, nachdem er ihr vorgeworfen hatte ihn zu kontrollieren und ihm nicht zu vertrauen. >Was täte ich ohne dich, René?< gestand sie ihm. >Jede Frau hört gerne, das sie geliebt wird und das man ohne..... nicht leben kann.< Latour verstand My-Lie noch immer nicht. Sah sie denn nicht, das der Trottel von Brujeré ihr nur alles mit seiner Herzkrankheit vorspielte, um sie wieder an sich zu binden? Offensichtlich wollte das My-Lie aber nicht einsehen und wahrhaben, das er seiner Meinung nach seine Krankheit nur vortäuschte. Nun sollte er nochmals 8 Tage allein ohne sie sein, und das würde eine harte Probezeit sein. Bestimmt würde er einige Nächte davon mit Loung Ming verbringen, das nahm er sich jetzt schon in Gedanken vor. Loung Ming würde nicht zögern, die Nächte mit ihm zu verbringen, dazu war sie ihm zu sehr zu Dank verpflichtet. Warum sollte er eigentlich nicht den Posten in Vientiane annehmen? Wenn das so weiter ging mit My-Lie, würde sie doch bei ihrem Jaques bleiben, und er hätte das Nachsehen. Morgen würde er mal in Bangkok anrufen und noch einmal ausführlich mit dem Bruder von YouLong sprechen und notfalls auch für ein-zwei Tage nach dort fliegen wenn etwas Spruchreif werden sollte. So wie die Sache im Moment stand mit My-Lie und ihm, würde sie sowieso nicht mit nach Vientiane gehen. Alle diese Gedanken gingen ihm im Kopf herum, derweil My-Lie wie ein Wasserfall redete von ihrer bevorstehenden Kurzurlaubsreise. Plötzlich sagte sie spontan : >Fahr schneller René, ich möchte mit dir schlafen.< >Hast du es denn so eilig, wieder zu deinem Jaques zu kommen ?< war seine Antwort. >Nein, wir haben den ganzen nachmittag Zeit für uns< und sie rückte nahe an seine Seite, so das sich beider Schultern berührten. >Ich habe dich nur gebeten schneller zu fahren, weil es so drückend heiß ist heute, und wir durch den stärkeren Fahrwind etwas mehr Kühlung bekommen.< Er freute sich, das sie nun doch mehr Zeit für ihn hatte, als er zuerst angenommen hatte und murmelte aus seinen Gedanken heraus plötzlich : >Wenn du nur wolltest.....< >Wenn ich was wollte ?< Kampflustig und mit der gleichen Aggression wie My-Lie, antwortete er : >Mit mir nach Vientiane gehen, dort hat man mir eine prima Stellung angeboten mit einem -78-
modernen Bungalow und allem anderem Drum und Dran< und er erzählte ihr das ganze Angebot in alles Details. >Nein, du kennst meine Antwort schon im voraus, René.< >Ich hätte es mir nach unserer letzten Aussprache denken können und könnte mich jetzt vor die Hörner hauen, das ich davon überhaupt gesprochen habe und dir von diesem Angebot erzählt habe. Mit aller Gewalt faßte sie ihm ins Steuer, und er hatte Mühe den Wagen zum Stehen zu bringen, konnte es aber nicht verhindern das er über den Straßenrand über einige Steine fuhr und schließlich am Grabenrand zum Halten bekam. >Bist du verrückt, My-Lie! Willst du uns beide umbringen, schrie er sie heftiger an<, als er eigentlich wollte. >Fast hätten wir beide daran glauben müssen, wenn ich den Wagen nicht in meine Gewalt bekommen hätte.< Ohne eine Antwort zu geben öffnete sie die Wagentür und stieg aus. Gleichfalls wortlos zuckte er mit den Achseln und sagte schließlich : >Steig wieder ein, ich bringe dich zurück zu deinem Jaques.< Sie folgte seiner Bitte und stieg wieder ein. Wortlos wendete er den Wagen auf der offenen Strecke und fuhr langsam zur Stadt zurück. Aufmerksam blickte er sie von der Seite an und hätte sie im Moment gerne in die Arme geschlossen. Er beherrschte sich jedoch, da er wußte, das es vergeblich gewesen wäre sie jetzt nach diesem Eklat umzustimmen. Als sie die Brücke passiert hatten und wegen eines kleinen Verkehrstau stehen bleiben mußten, öffnete sie dir Tür und stieg ohne ein Wort zu sagen aus und in das vor dem Wagen haltende leere Cyclo-Pousse. Latour beobachte, wie sie etwas zu dem Fahrer sagte, und dieser fuhr sofort los, sich zwischen den halten Fahrzeugen durchschlängelnd. Schnell war sie seinen Blicken entschwunden und das wohl für immer ? Da er sich nun einmal in Cholon befand, faßte er den Entschluß an der Wohnung von Loung Ming vorbeizufahren. Als er die Wohnung betrat, ein großer, aber sauberer Raum der noch einen Nebenraum habe mußte, sowie einen Baderaum, war Loung Ming sehr erstaunt und zugleich glücklich, das er sie besuchte. Ihre Mutter hatte ihren kleine Sohn auf dem Arm, der lauthals schrie, so das man kaum sein eigenes gesprochenes Wort verstand. Soviel er der vietnamesischen Sprache mächtig war, verstand er, das ihre Mutter zu ihr sagte, sie solle mit ihm gehen, sie würde schon auf den Kleinen aufpassen, und sie hätte ja eine Dankesschuld bei ihm abzutragen. Schnell hatte sich Loung-Ming zurechtgemacht, und höflich verabschiedete sich Latour auf asiatische Art von ihrer Mutter. Sie war richtig glücklich, das er sie abholte und sofort sagte sie : >Lass uns zu dir fahren, ich möchte mit dir allein sein. Noch eben, kurz bevor du kamst, habe ich mit meiner Mutter über dich gesprochen, und sie hat mir versichert, oft glaube ich das sie das zweite Gesicht hat, das Du heute kommen oder dich bald melden würdest und schon kommst du zur Tür herein. Ich freue mich sehr und hatte schon richtige Sehnsucht nach dir, denn du hast mir in den letzten Tagen gefehlt. Zwar haben im Moulin Rouge mehrere Männer versucht mich anzumachen, aber ich verdiene dort gut, das ich es nicht nötig habe mit solch hergelaufenen Kerlen zu schlafen.< Er bog mit dem Wagen um die Ecke in die Straße ein, die zu seiner Pension führte. Als er fast an der Pension angelangt war, sah er im letzten Augenblick My-Lie in der Eingangstür verschwinden. Sofort bog er in die nächste Nebenstraße ein, um Loung Ming wieder zurückzubringen. Zum Schein ihr gegenüber sagte er : >Bitte entschuldige, das ich dich wieder nach Hause bringen muß, aber mir ist eben eingefallen, das ich noch einmal zum Transporthof muß um die Nachtschicht einzuteilen.< Loung Ming zeigte sofort Verständnis und mußte wohl sein Erschrecken, als er My-Lie in der Tür der Pension hatte eintreten sehen, nicht bemerkt haben. Da der Rückweg am Moulin Rouge vorbei führte, sagte sie : >Lass mich hier aussteigen, ich habe noch an meinem Kostüm ein wenig zu ändern, dazu habe ich ja jetzt Zeit.< Er verabschiedete sich von ihr mit einem hastigen Kuß und versprach, sie an einem der nächsten Abend nach ihrer Vorstellung abzuholen. -79-
Mit erhöhter Geschwindigkeit fuhr er zurück und erreichte die Pension in dem Moment als My-Lie gerade das Haus verlassen wollte. Sie sah ihn und wartete bis er seinen Wagen abgestellt hatte. >Woher kommst du jetzt so spät ?< empfing sie ihn nicht gerade freundlich. Du müßtest doch schon seit zwei Stunden hier sein. Latour brummte, ich war erst noch auf dem Transporthof und bin dort aufgehalten worden. Obwohl viele Leute auf der Straße waren, legte sie nun, für ihn unverhofft die Arme um seine Hals und küßte glücklich sein Gesicht. Er ließ ihre spontane Anwandlung über sich ergehen. >Was machen wir jetzt, René ?< >Ich gehe kurz nach oben und ziehe mich um weil ich zum Abendessen gehen möchte.< >Lädst du mich ein ?< >Ja, unter der Bedingung, das Du nachher mit mir tanzen gehst und anschließend zu mir.< Als sie oben auf seinem Zimmer waren, legte sie erneut ihre Arme um seinen Hals. >Ja, ich bin mit allem einverstanden und bitte verzeih mir mein Benehmen von heute mittag.< >Habe ich schon vergessen< sagte er und küßte sie herzhaft auf den Mund. Schnell hatte er sich umgekleidet und sagte : >Wir können gehen, hoffentlich hast du auch so großen Hunger wie ich.< Hunger habe ich in zweierlei Hinsicht. Einmal richtigen Hunger auf ein gutes Mahl und zweitens auf >Dich< und dabei schmiegte sie sich eng an ihn, so das er meinte sie wolle ihn jetzt wo er fertig angekleidet war verführen. Deshalb sagte er : >Lass uns erst etwas Essen gehen, dann tanzen wir ein wenig und bringen uns richtig in Stimmung. Danach kannst du mich haben, denn morgen früh brauche ich nicht zur Transindochina Compagnie und habe deshalb viel Zeit für dich.< * Auf der Terrasse eines der besten Speiselokals der Stadt, im sechsten Stockwerk eines Hochhauses am Place de Concorde saßen sie beim Speisen und blickten auf die aufflammenden Lichter der sich in der, hereinbrechenden Abenddämmerung befindlichen Großstadt. Hatte My-Lie ihm doch etwas vorgeschwindelt, das sie morgen früh nicht mich Brujeré, ihrem Mann nach Da Lat fahren würde. Sicherlich hatte sie Latour diese Szene nur vorgeschwindelt, um ihn noch eifersüchtiger zu machen, als er im stillen schon war, denn sonst wäre er nicht so aggressiv gewesen in den letzten Tagen. >Du denkst immer an die Zukunft René<, sagte sie, denke doch nur einmal an das Heute und vielleicht auch an das Morgen, das reicht doch schon in dieser Zeit der allgemeinen Unruhe. Man weiß ja nie im voraus, was der >Morgen< bringt und deshalb lass uns leben für das >Heute<.< Wieder schweifte er vom allgemeinen Thema ab und kam auf Brujeré zu sprechen und My-Lie lehnte sich nicht mehr auf und sagte nur : >Du machst dich zum Richter über Jaques, du verurteilst, wo du ihn kaum kennst, und nun lass ihn in Ruhe, er tut dir ja nichts, verteidigte sie ihn schon wieder.< Als sie mit dem Essen fertig waren, gingen sie noch in die angrenzende Bar, um etwas zu trinken, doch schon nach dem ersten eingenommenen Drink fuhren sie mit dem Fahrstuhl in die zweite Etage, wo sich ein großer Tanzsaal befand. Es waren nicht viele Tänze, die sie zusammen machten, denn die Musikkapelle war dieses mal nicht die beste, und auch die ganze Atmosphäre paßte beiden nicht recht. Verliebt wie nie zuvor hatte sich My-Lie aber beim Tanzen an Latour gedrängt und er konnte beim Tanzen mit dem Knie ihren pochenden Venushügel spüren. Wie auf Kommando sagten beide wie aus der Pistole geschossen : >Wir wollen gehen, wir fahren zu dir nach Hause in dein kleines Zimmer.< >Ich möchte mit dir jetzt nun noch allein sein.< Bald schon erreichten sie durch die vom Abendverkehr sehr belebten Straßen seine Pension, und es wurde eine schöne und für beide glückbringende Liebesnacht. * >René ! eben war eine junge Vietnamesin hier, die nach dir gefragt hat. Ich soll dir bestellen, das sie drüben in dem kleinen Café auf dich wartet<, sagte der Pförtner ihm, als er mit dem Truck, den er heute begleitet hatte zum Tor herein fuhr. Sie war ganz aufgeregt und wollte dir unbedingt -80-
etwas mitteilen. Nachdem er sich ein wenig frisch gemacht hatte, ging er auf die andere Straßenseite wo sich das Café befand. My-Lie mußte ihn wohl schon gesehen haben, denn als er das Lokal betreten wollte kam sie ihm schon entgegen. >Was hast du mir so Wichtiges und Dringendes zu erzählen ?< fragte er sie, indem er ihr zur Begrüßung einen herzhaften Kuß auf die Backe drückte. >Jaques hat versucht Selbstmord zu begehen.< Ärgerlich antwortete Latour auf ihre besorgte Äußerung : >Damit hatte ich schon lange gerechnet, das er dir eines Tages so etwas antun würde, damit du dich wieder mehr an ihn bindest.< >Etwas ähnliches hat mir der Arzt im Krankenhaus auch gesagt<, antwortete sie, und fuhr fort : >Das die genommene Dosis Tabletten in der eine Hinsicht zu groß und in anderer Hinsicht zu klein gewesen sei für einen Selbstmord. Man hat ihm den Magen ausgepumpt und morgen ist er bereits wieder zu Hause. Der Arzt befürchtet nur, das dieser dumme Selbstmordversuch für sein Herz nicht gut war und er davon vielleicht in naher Zukunft als Nachfolgeerscheinung einen Herzinfarkt bekommen könnte. Das wäre bei seinem allgemein schlechten Gesundheitszustand nicht auszuschließen. Er hat uns auch noch einmal dringend angeraten, wenigstens einige Tage der Ruhe einzulegen und an einen geeigneten Kurort hier im Land zu fahren.< Latour zuckte erneut mit den Achseln nachdem My-Lie ihr Herz ausgeschüttet hatte und sagte erneut : >Brujeré macht das alles nur um dich an sich zu fesseln.< Sie seufzte und schüttelte den Kopf : >Es war aber sehr schlimm, René, sie haben im Hospital über eine Stunde benötigt, um ihn wiederzubeleben. Zum Glück war die Dosis eben nicht stark genug, oder.....Er hatte sicher eben seine Gründe.< Gründe ? fragte er barsch : >Was für Gründe ?< >Ich meine die Lage seiner Geschäfte. Du vergißt wohl, das er über achtzigtausend Piaster Schulden hat.< Latour richtete sich auf seinem Stuhl auf und sagte : >Wenn alle Leute die Schulden haben, Selbstmord begingen....., wäre die Menschheit schon lange ausgerottet oder zumindest dezimiert.< Erleichtert sagte sie aber : >Nun scheint es ihm wieder besser zu gehen, und er läuft schon wieder herum. Er läßt sich eben nicht unterkriegen.< Das es mit Brujeré so weit kommen mußte, hatte Latour schon lange geahnt, denn eines Nachts, es war schon gegen morgens früh, hatte er sie nach Hause gebracht mit dem Wagen. Unterwegs sagte My-Lie : >Ich habe fürchterlichen Hunger, lass uns etwas essen gehen, ich habe zuletzt gestern morgen etwas zu mir genommen.< An einem der vielen kleinen aber guten Restaurants der Stadt hielt er den Wagen an und betrat ein Lokal. Er bestellte gebratene Langusten mit einer raffinierten Sauce, die My-Lie so gerne aß wie er wußte. Als er seinen Blick in dem weiträumigen Lokal umherschweifen ließ, sah er auf einmal Brujeré wie dieser etwas Abseits an einem anderen Tisch Platz nahm. Ihre Blicke kreuzten sich und sofort stand Brujeré wieder auf und verließ das Lokal. My-Lie hatte von dem ganzen Vorfall nichts mitbekommen, und er hatte ihr auch davon nichts erzählt um sie nicht zu beunruhigen. Also wußte Brujeré mit Bestimmtheit, mit wem seine Frau ihre Mußestunden verbrachte und das mußt ihn schwer ärgern, denn allerwegen wo er Brujeré in der Folgezeit getroffen hatte, war dieser ihm wissentlich aus dem Weg gegangen. Zufällig war er doch wohl nicht in dem Lokal aufgetaucht. Hatte er sie beide am Ende schon seit längerem beobachtet und ihnen nachspioniert und aus Frust deshalb den Selbstmordversuch selbst inszeniert ? Zuzutrauen war ihm das. Nach dem Essen hatten sie sich noch eine ganze Zeit in dem Lokal aufgehalten, und als sie dieses verließen, sah er, das er draußen in seinem Wagen, der etwas Abseits im Dunkeln stand wartete. Neugierig geworden fragte My-Lie : >Beunruhigt dich etwas ?< >Ich dachte, etwas Verdächtiges gesehen zu haben.< Sie lachte nur. -81-
>Jetzt siehst du schon allerwegen Vietminh-Männer.< Am Tage nach diesem Vorfall, den My-Lie nicht mitbekommen hatte, hatte er sie gefragt : >War etwas zu Hause ?< >Nein<, hatte sie geantwortet. Also hatte Brujeré über den Vorfall nichts zu ihr gesagt, und einige Tage später unternimmt er diesen Eklat. Nun hatte Brujeré als neue Variante einen kleinen Selbstmordversuch gestartet der gründlich daneben gegangen war, was selbst My-Lie aufgefallen war. >Eigentlich wollte ich etwas mit dir besprechen<, sagte sie nach einer Weile des Schweigens. >Willst du mir vielleicht erzählen, das es dir gelungen ist, ihn zu einem Urlaub zu überreden, das ihr beide jetzt ans Meer fahrt ?< >Nein, ich will darüber in der Pension mit dir sprechen, nicht hier.< Sie stiegen beide in Latours Wagen, und dieser brachte sie schweigend, jeder seinen Gedanken nachhängend, zu seiner Pension. Kaum hatte sie sein Zimmer betreten, fing sie schon wieder an zu klagen : >Weißt du warum Jaques sich das Leben nehmen wollte ?< fragte sie ihn. >Sicher um dich zurückzugewinnen.< >Nein ! Weil ihm das Wasser bis zum Halse steht. Selbst die Staatsanwaltschaft ermittelt bereits gegen ihn, weil er ungedeckte Schecks ausgestellt hat, um seine Gläubiger hinzuhalten.< >So etwas darf man auch nicht machen<, sagte Latour und setzte sich auf sein Bett, wo auch My-Lie Platz genommen hatte. >Und weshalb wolltest du mich hier in meinem Zimmer sprechen ?< >Weil ich dich fragen wollte, ob du ihm nicht mindestens 90.000 Piaster leihen kannst, denn alle seine ehemaligen Freunde bei denen er hoch verschuldet ist und so auch seine Gläubiger haben einen weiteren Kreditaufschub abgelehnt und wollen sofort ihr Geld haben. Du bist der einzige der Jaques noch retten könnte.< >Das fällt mir im Traum nicht ein, soll er doch ins Gefängnis kommen und möglichst lange. Du glaubst doch wohl nicht im Traum daran, wo ich mir seit Wochen wünsche, das ihn eines Tages der Schlag treffen müsse, das ich ihm noch helfen werde.< My-Lie schwieg über seinen zornigen Ausbruch und sie verstand sofort, das jedes weitere Wort in dieser Angelegenheit zwecklos war. Sie sagte nur noch : >Den ganzen Tag hatte ich die stille Hoffnung, das Du uns helfen würdest.....Dir ist Geld doch egal, und du könntest es flüssig machen.< >Ja, da hast du recht, aber Brujeré ist mir in diesem Fall scheißegal.< Nun gestand sie ihm, was sie bisher nicht zugegeben hatte in all den Wochen : >Das es soweit gekommen ist mit Jaques, ist doch auch zum Teil meine Schuld.< Im stillen bewunderte er ihre Aufrichtigkeit, sagte aber noch einmal, das er ihr nicht helfen könne, weil er außer seinem Truck auf der Phnom-Penh-Route keine weiteren Barmittel besäße. >Und wenn du dir das Geld leihst ?< fragte sie ihn zögernd. >Nein, das kommt überhaupt nicht in Frage, für jemanden den ich im Grunde hasse, mir Geld zu leihen. Das heißt, außer....., außer du würdest sofort Brujeré verlassen, in diesem Falle.....< >Das kannst du nicht von mir verlangen, René, du weißt, das ich ihn nicht verlassen kann und will.< Sie nahm ihre Tasche, die auf dem kleinen Tisch stand und wollte das Zimmer verlassen. Bevor sie die Tür öffnete, drehte sie sich noch einmal um : >Du willst uns also das Geld nicht leihen, René ?< >Nein.< Wortlos betrachtet sie ihn und sagte : >Und wenn ich mit dir nach Vientiane gehe ? Spontan antwortete er : >Abgemacht, in drei Tagen kannst du das Geld haben, aber komme mir nicht mit Ausflüchten, nicht mit mir gehen zu wollen wenn ich in der nächsten Zeit wirklich nach Vientiane gehe.< >Ich werde mein Wort halten, nur das Jaques nicht ins Gefängnis braucht.< >Was willst du ihm sagen, das Du nun doch das Geld bekommst ?< Zögernd antwortet sie, nach Worten suchend : >Ich werde ihm erzählen, das mir eine ehemalige Freundin das Geld vorstrecken wird, welches er dann innerhalb 2 - 3 Jahren zurückzahlen muß. Er hat dann wenigstens ein Ziel.< >Wenn du mit mir für immer nach Vientiane gehst, Schenke ich dir sogar das Geld, dann braucht er es nie zurückbezahlen.< -82-
Woher kannst du auf einmal und so schnell über soviel Geld verfügen ?< wollte sie wissen, und er sagte nur : >Ich lassen mir das Geld von meinen Eltern aus Frankreich anweisen und dann habe ich es spätestens übermorgen zu meiner Verfügung. Dafür muß ich gleich ein Gespräch anmelden und das dauert bekanntlich 3 - 4 Stunden und da treffe ich sie gerade wegen der Zeitverschiebung beim Mittagessen an.< Alles dieses hatte er, seit er wußte, das sie ihm nun nach Vientiane folgen würde, ohne die vorherigen Bitternis die in ihrem Gespräch vorherrschte, gesagt. >Bleibst du noch hier ?< fragte er sie. >Ja, wo ich doch jetzt weiß, das er mit dem Geld gerettet ist.< Latour stand auf und ging zur Tür. >Wohin gehst du, René ?< >Ich muß erst einmal telefonieren< und ging zur Tür hinaus. Es dauerte ein ganze Weile als er wieder zur Tür hereinkam und lachte froh. >Hast du deine Eltern schon so schnell erreicht ? fragte sie : >Nein, aber ich habe mit Bangkok gesprochen, die Stellung ist noch frei für mich. Wir können sofort in der nächsten Woche fahren. Ich treffe mich am kommenden Wochenende mit meinem ehemaligen Geschäftspartner und seiner Schwester in Vientiane, das haben wir eben verabredet. Mit dem versprochenen Bungalow bereitet er schon alles vor, und wir können sofort einziehen, denn ich habe ihm gesagt, das ich nicht allein kommen werde. Außerdem habe ich das Gespräch nach Frankreich angemeldet und der Pensionswirt wird mich rufen, wenn das Gespräch ankommt, denn ich habe es mit Voranmeldung angemeldet. Sei ohne Sorge, du wirst das Geld bekommen.< Sie lächelte ihm vertrauensvoll zu, küßte ihn innig auf seine Lippen, stand auf und ging zur Tür. Beim hinausgehen sagte sie zu ihm : >Bis gleich mein Liebling, in etwa zwei Stunden bin ich zurück, ich werde Jaques die frohe Botschaft selbst überbringen und dann bleibe ich die ganze Nacht und wenn du willst, jetzt schon für immer bei dir.< >Nein, komme heute nicht zurück<, sagte er, >ich habe noch einiges zu erledigen. Komm morgen, zu jeder Tageszeit, wenn du willst, aber nicht mehr heute.< Ihm eine Kußhand zuwerfend aber nicht mehr weiter fragend, verließ sie den Raum und ging, ihrem Jaques die frohe Botschaft über seine Rettung zu überbringen * Als er allein war, kamen ihm doch einige Bedenken über seine schnelle Zusage. Würden seine Eltern das Geld so schnell flüssig machen können ? Gegen 23:00 Uhr kam der Patron der Pension hastig die Treppe herauf. Latour hatte ihn schon gehört als er noch ein Stockwerk tiefer war, weil er beim Steigen der Treppe immer wie ein Lokomotive schnaufte. Noch bevor er die letzte Treppe heraufstieg rief er schon : >Monsieur Latour, schnell in 10 Minuten kommt ihr Gespräch aus Frankreich.< Latour, der auf seinem Bett lag, wo er sich hingelegt hatte als My-Lie das Zimmer verließ, erhob sich, stand auf, ging zur Tür und schloß diese wie er es immer tat wenn er seine Wohnung verließ, sorgfältig ab. Er hatte sich extra aus Frankreich aus seinem letzten Urlaub ein Sicherheitsschloß mitgebracht und dieses bei seinem Einzug eingebaut, denn er wußte, das in anderen Pensionen und Hotels, das Personal oder auch die lieben Nachbarn des öfteren einen Nachschlüssel benutzten, um im fremden Eigentum herumzuschnüffeln oder es gar zu entwendeten. Er mußte in der kleinen Rezeption der Pension noch einige Minuten warten bis endlich das Gespräch mit Frankreich zustande kam. Sein Vater am anderen Ende der Leitung, wunderte sich schon, das sein Sohn außer an einem Feiertag oder Geburtstag anrief. Latour erklärte ihm schnell seine Situation und sagte ihm dabei nur die halbe Wahrheit : >Die Viet´s haben meinen Truck in die Luft gejagt und mich für einige Wochen gefangengehalten. Nun muß ich, um weiter existieren zu können, mir einen neuen Truck kaufen und dazu benötige ich dringend 100.000 Piaster.< Nachdem er noch einige Worte mit seiner Mutter gesprochen hatte, kam sein Vater noch einmal an den Apparat und sagte ihm das Geld zu, mit den Worten : >Ich gehe noch gleich zur Bank und lasse dir das Geld anweisen, dann hast du es morgen schon zu deiner Verfügung.< Hocherfreut über die schnell Zusage ohne Komplikationen, denn er wußte, das sein Vater -83-
genügend Geld besaß, aber nie davon etwas flüssig hatte, beendete er das Gespräch und ging zufrieden in sein Zimmer zurück. Er schloß dieses mal die Tür nicht von innen ab, da ja My-Lie versprochen hatte, noch einmal wieder zu kommen. Lange brauchte er auch nicht zu warten und es klopfte an seiner Tür. >Herein !< rief er, und My-Lie stand erneut in der Tür mit einem kleinen Koffer in der Hand und strahlendem Gesicht. Die ersten Worte die sie sagte waren : >Ich habe mir für die ersten Tage ein paar Wäsche- und Kleidungsstücke mitgebracht. Wenn wir nach Vientiane fahren, hole ich meine anderen Koffer ab, die inzwischen von meiner Bediensteten gepackt werden.< >Hast du es ihm gesagt ? >Ja.< >Und wie hat er reagiert ?< >Freudig, dankend und traurig zugleich.< >Wieso?< >Freudig, das ich das Geld geliehen bekomme und traurig, das ich ihn nun doch verlassen will.< Er zerdrückte seine angerauchte Zigarette im Aschenbecher aus, den er auf seinem Nachtisch stehen hatte, nahm My-Lie, die sich neben ihm auf das Bett gesetzt hatte in seine Arme. Nun sei nicht traurig mein Liebling, ich werde dir alles mit Gutem vergelten, wenn du nun endlich mit mir kommst. Morgen gehe ich zur Transindochina Compagnie und gebe sofort meinen dortigen Job auf. Bis Ende nächster Woche können wir dann die Tage zusammen verbringen, bummeln und einkaufen gehen, oder sonst etwas unternehmen, was du gerne möchtest.< Begeistert wie ein kleines Schulmädchen klatschte sie in die Hände und drückte ihm dankend einen Kuß auf seine Lippen. Noch bevor My-Lie das Zimmer betrat, hatte er ausgiebig geduscht und da es nun am Abend etwas kühler geworden war hatte er sich wieder angekleidet. Er begann, sich auszukleiden, denn mittlerweile war es nach Mitternacht, und Zeit das Bett aufzusuchen. Auch My-Lie zog ihre Bluse aus, stand auf und ging in den Duschraum ihren Koffer mit sich nehmend. Er hörte, das sie unter die Dusche ging, doch nur einen Augenblick später stand sie in der Tür mit einem verführerischen Negligé bekleidet, das mehr Reize zeigte als es eigentlich verbergen sollte. >Wauh.....<, sagte Latour nur, >das ist ja eine Wucht. Willst du mich alten Mann auf seine alten Tage vielleicht verführen ?< >Du und alt, das ich nicht lache.....<, sagte My-Lie und kam näher. Auch er hatte sich inzwischen ganz ausgezogen und stand nun, nur noch mit einem Slip bekleidet vor ihr. Er nahm sie erneut zärtlich in seine Arme und liebkoste ihren ganzen Körper durch das leichte, fast nur aus echten seidenen Spitzen bestehende Nachgewand. Sie genoß seine zärtlichen Liebkosungen und dabei streifte sie seinen Slip herunter, der nun seine ganze männliche Pracht preisgab. Intensiver befaßte sie sich jetzt mit ihm, kniete vor ihm nieder und umfaßte, wie schon so oft in der letzten Zeit, sanft mit ihren Lippen seinen starren Penis der vor lauter Erregung pulsierte wie die Lava im Trichter eines Vulkans. Latour, seine Erregung gut beherrschend, küßte ihr Haar und zog sie, als er das Ejalkulieren gerade noch zurückhalten konnte, nach oben und küßte wie ein brünstiger Stier ihre vollen Lippen. Sanft fielen sie beide zusammen rückwärts auf das Bett in inniger Umarmung verschlungen. Sie nahm seinen steifen Penis in die Hand und führte ihn in ihre Vagina ein, wo dieser mit leichten Bewegungen immer noch stärker wurde. Zwischendurch, immer wieder den Akt unterbrechend, weil beide ihrem Höhepunkt immer näher kamen, wechselte sie die Stellung. Einmal war sie über und einmal unter ihm. Als er nun die Initiative ergriff und sie, wie ein Hengst eine Stute von hinten nahm, konnte beide ihren Orgasmus nicht mehr zurückhalten und ejakulierten im gleichen Augenblick. Ermattet und völlig ausgepumpt von dem lange andauernden Liebesakt sanken beide in die Kissen zurück und deckten sich mit der leichten Decke zu. Die Augen geschlossen, doch schon bevor sie den Akt begonnen hatten, hatte sie ihr Nachthemd ausgezogen, lag sie nun nackt in seinem Schoß und glitt sanft in das Land der Träume hinüber. Auch Latour schlummerte sanft ein, und nur noch einmal wurden beide wie auf Kommando mitten in der Nacht wach, schliefen noch einmal so intensiv zusammen wie einige Stunden zuvor, bevor sie erneut einschliefen. -84-
* Es war für ihn, der nie spät aufstand schon reichlich spät am Morgen, als beide endgültig erwachten. Zärtlich und voller Liebe und wohl auch Dankbarkeit küßte sie Latour zur Morgenbegrüßung auf seine harten Lippen, die unter ihrem Speichel anfingen, weicher zu werden. >Lass uns aufstehen< sagte sie, >ich habe großen Hunger.< Latour brummte wie immer nur und begab sich sofort unter die Dusche, wobei sie sich fast gleichfalls erhob und ihm sofort folgte. Hier unter dem Brausestrahl mit dem lauwarmen Wasser vereinigten sie sich erneut bis My-Lie zu ihm sagte : >Nun müssen wir aber 1 - 2 Tage warten, ich bin schon richtig wund von deinem starken Glied.< Von dem Brausestrahl und der erneuten Vereinigung erfrischt, zogen sie sich beide an, um Frühstücken zu gehen. Mit dem Wagen fuhren sie in ein kleines Lokal, das sich in der Nähe von Brujeré´s Villa befand und für ein echtes französisches Déjeuner bekannt war. Der Besitzer des Lokals war ein ehemaliger Légionair, der nach seiner Entlassung nach Indochina zurückgekehrt war, weil hier Frau und Kinder auf ihn warteten. Im Verlauf des Frühstücks, sagte My-Lie plötzlich : >Ich gehe gleich die paar Schritte zu Brujeré, ich habe noch einiges mit ihm zu besprechen und vor meiner Abreise mit dir, muß das noch geklärt werde.< Latour nickte nur und fragte : >Soll ich hier auf dich warten ?< >Nein, fahr nur nach Hause, ich komme dann im Laufe des Nachmittags zu dir zurück, denn solange dauert es bis ich die Angelegenheit mit Jaques besprochen habe und danach gehöre ich für immer zu dir.< Es war schon gegen Abend als sie endlich wieder zurückkam und das sehr traurig, so das Latour sie fragte : >Was ist denn jetzt schon wieder passiert, das Du so traurig bist?< >Jaques hat mit eine Szene gemacht, weil ich ihn, wenn er das Geld zur Begleichung seiner Schulden bekommen hat, für immer verlassen will. Er will das nicht einsehen und verspricht hoch und heilig, das geborgte Geld auf Heller und Pfennig mit Zinsen zurückzubezahlen. Er hat mir auch auf den Kopf zugesagt, das das Geld von dir kommt und nicht, wie ich ihm vorgeschwindelt habe von einer alten Freundin. >Und du hast dich wieder bereden lassen, nicht mit mir zu gehen,< sagte Latour ärgerlich zu ihr. >Du hast es versprochen, My-Lie, wenn du das Geld bekommst für immer mit mir zu gehen !< >Ja, ich werde mein Versprechen halten, René.< >Dann ist es ja gut und wir brauchen darüber nicht mehr zu sprechen.< Schließlich, nachdem sie beide ein Weile geschwiegen hatten und ihren Gedanken nachgegangen waren wie so oft in der letzten Zeit, sagte Latour: >Es gibt noch einen andere Weg, deinen Mann zu retten, My-Lie.< Fassungslos schaute sie ihn an. >Ich werde es dir erklären, wenn du es willst.....< >Rede schon, ich bin gespannt wie ein Flitzebogen,< sprach sie ein, für ihre angeborene Sprache fremdes Wort aus, was sie nur von einem Franzosen gelernt haben konnte. >Rück endlich heraus mit deinem Geheimnis, René,< Sie konnte es gar nicht abwarten bis er endlich sprach, und sie zappelte vor lauter Ungeduld. In allen Einzelheiten erzählte er ihr den Plan, der ihm eingefallen war, als er auf sie wartete. Als er fertig war, fragte sie vorwurfsvoll : >Warum hast du das nicht früher vorgeschlagen ? Hast du erst meine Zusage, mit dir zu gehen abgewartet ?< >Nein, das ist mir wirklich erst heute eingefallen, aber wenn ich mehr darüber nachdenke, gefällt mir die ganze Sache nicht sehr.< >Ach was<, gab My-Lie zur Antwort, >Chinesen<, die sie wie alle Vietnamesen nicht mochte, >sind ohnehin reich genug.< Er legte sich auf die Seite weil sie versuchte, mit ihm zu schmusen und sagte : >Lass mich jetzt schlafen, ich spreche morgen nachmittag mit dem Direktor des Spielkasinos, denn nun dürfen wir keine Zeit mehr verlieren wenn die Sache klappen soll.< Sie schmiegte sich eng an ihn, schloß die Augen und war bald, genau wie er eingeschlafen. * -85-
Am nächsten Tag gegen 18:00 Uhr betrat er das große staatliche Spielkasino >La Petit Monde< und fragte sofort nach dem Direktor. Das riesige Lokal mit seinen rund fünfzig Tischen, die von 21:00 Uhr bis früh um 4:00 Uhr zur Verfügung standen, waren um diese Zeit nicht besetzt. Nur einige Leute, meistens chinesischer Abstammung lungerten im Lokal an der Bar herum. An den Tischen saßen schon einige Croupiers bei einer Tasse Tee und rauchten ihre Zigarette. >Der Direktor ist im Büro< sagte einer der Angestellten, nachdem er nach ihn gefragte hatte. Das öffentliche, staatliche Spiellokal war an eine Gruppe reicher chinesischer Kaufleute verpachtet. Man spielte hier neben allen asiatischen und europäischen Spielen auch Trete-six bêtes, BaQuan, Thai-Xieu und asiatisches Roulette.. Dieses große Haus beherbergte neben dem großen Spielsaal außerdem noch ein Kino, mehrere Restaurant, einige Bars, Kioske für Obst, Zigaretten, Backwerk und Süßigkeiten. Hier befand sich auch eine eigene Bank, ein eigenes Kraftwerk und sogar ein eigener Ordnungsdienst, der die Funktion einer eigenen Polizeigewalt ausübte. Täglich wechselten hier mehrere Millionen Piaster den Besitzer. Oft kam es zu Raubüberfällen auf die Spieler, die gewonnen oder sogar verloren hatten, und manches mal wurden auch die Croupiers grün und blau geschlagen wenn einer der Spieler zuviel verloren hatte. Die sogenannte Hauspolizei trug keine Uniform. Man erkannte sie daran, das jeder einen kleinen golden Drachen am Rockaufschlag trug. In unregelmäßigen Abständen wurde dieses Abzeichen gewechselt, damit kein Unbefugter damit groben Unfug machen konnte. Als er das Büro des Direktor betrat, war dieser durch ein Telefonat von dem Mann an der Bar, von seinem Erscheinen schon unterrichtet worden, und fragte gleich : >Kann ich etwas für Sie tun, Monsieur, ist etwas nicht in Ordnung ?< Er wies auf dem vor dem Schreibtisch stehen Ledersessel und Latour nahm dankend Platz. Er kannte den Direktor flüchtig und auch dieser erinnerte sich, das sie sich einmal auf einer Party kennengelernt hatten. >Wollen Sie sich über einen unserer Croupiers beklagen, ich werde ihn sofort rufen lassen<, eröffnete der Direktor die Unterhaltung. >Nein, ich besuche Sie aus einem anderen Grund, Herr Direktor.< Er wollte schon wieder aufstehen und den dann sicher verblüfften Direktor allein lassen und die ganze Sache aufgeben, aber in diesem Moment dachte er wieder an My-Lie und sagte : >Heute habe ich Besuch aus Frankreich bekommen. Mein Freund, der ein sehr reicher Mann in Frankreich ist, möchte in einem guten Spielkasino der Stadt gerne spielen, und er spielt immer mit sehr hohen Einsätzen. Ich habe beabsichtigt, und meinem Freund empfohlen morgen abend hier ihr Etablissement aufzusuchen. Mein Freund spielt nicht nach bestimmten Regeln, sondern nur zum Zeitvertreib und wird wahrscheinlich sehr viel verlieren, und.....< Der Direktor dachte den Gedanken von Latour laut zu Ende, so das Latour über dessen Schlauheit direkt zusammenzuckte. >Und da möchten Sie, das ich ihnen einen Prozentsatz seines Verlustes gutschreibe und später auszahlen lasse ?< >Ja, Herr Direktor sie sind meinem Gedankengang direkt gefolgt.< Der Direktor lächelte süffisant und Latour meinte schon, er würde das alles nicht für bare Münze nehmen. Sie sind nicht der erste, der mir einen solchen Vorschlag macht, und bisher bin ich mit allen zurecht gekommen. >Was glauben Sie, wird ihr Freund morgen abend einsetzen ?< >Ich weiß es nicht ; aber wahrscheinlich hundertfünfzig- bis zweihunderfünfzigtausend Piaster.< >Das ist eine schöne Summe.....und was hätten Sie gerne als Provision gutgeschrieben ?< >Mindestens 50 Prozent des Verlustes.< >Das ist unmöglich. Ich biete ihnen dreißig und das .....auch.....< Latour erhob sich. >Nein, aus unserem Geschäft wird nichts, denn in einem anderen Spielsaal hat man mir schon 50 Prozent geboten.< >d`accord<, (Einverstanden) näselte er in seinem chinesischen Tonfall. Wenn hr Freund aber gewinnt ?< >Dann bekomme ich eben nichts, aber Sie wissen doch am besten selber, das ein Spieler, der ohne System spielt und nur auf gut Glück setzt, meistens nie Gewinne erzielt.< Der Direktor gab sich zufrieden, denn er kannte die Spieler, die jeden Abend seinen Spielsaal -86-
besuchten besser als sich selbst und gab Latour in allem recht. >Also abgemacht, ich riskiere es mit ihnen. Wann kommen Sie morgen abend mit ihrem Freund ?< >Ich will versuchen gegen 22:00 Uhr hier zu sein, weil wir vorher noch zum Essen eingeladen sind.< >d´accord, ich erwarte Sie dann mit ihrem Freund. Ich werde extra einen Inspektor neben ihren Freund stellen der Gewinn und Verluste notieren wird. Wenn er verliert, kommen sie nach dem Spiel zu mir, und wir rechnen zusammen ab.< >Ihre Bedenken können Sie fallen lassen<, sagte der Direktor zu Latour, dessen Gedanken erratend. >Der Inspektor ist sehr genau und unbestechlich, seien Sie deshalb unbesorgt. Als er das Spielkasino verließ dachte Latour für sich : >Dieses war der erste Streich, doch der zweite folgt sogleich.<
Chatgiér, ein alter Freund, mit dem er zusammen von Frankreich und Algerien nach Indochina gekommen war, war noch in seinem Geschäft. Sein Geschäftsführer, der Latour gut kannte, führte ihn in sein Büro wo dieser hinter seinem Schreibtisch saß und die Post durchsah, wozu er am Morgen nicht gekommen war, weil er einige Geschäftspartner zu Besuch gehabt hatte. Sofort, als Latour sein Büro betrat, erhob er sich und rief seiner Sekretärin zu : >Bitte schnell einen eisgekühlten Pernod mit etwas Eiswasser<. Ja, Chatgiér kannte die Trinkgewohnheiten von Latour noch genau von früher, wenn sie sich in den letzten Zeit auch weniger gesehen hatten. >Was führt dich zu mir, René ? Was hast du auf dem Herzen, denn sonst wärst du doch nicht so unverhofft hier bei mir aufgekreuzt. Dupoint, den ich vor kurzen traf, erzählte mir, das Du bei den Viet´s zu Gast warst.< Zu Gast ist gut formuliert, Frédéric<, antwortete Latour. >Die haben mich ganz schön in die Mangel genommen in den Wochen, die ich bei denen war, und meinen großen neuen Truck habe ich auch dabei verloren.< Die Sekretärin brachte das Tablett und für ihren Chef sogleich einen Cognac-Soda und stellte beides zur Selbstbedienung auf den kleinen Tisch worum drei große schwere Ledersessel gruppiert waren. Die beiden Herren hatten dort inzwischen Platz genommen und unterhielten sich angeregt, das sie das erscheinen der jungen hübschen anamitischen Sekretärin gar nicht richtig mitbekommen hatten. Als diese die Getränke auf den Tisch stellte, bemerkte Latour sie zum ersten Mal und sagte als sie hinausgegangen war : >Das Du so etwas Anmutiges beschäftigst, hätte ich dir gar nicht zugetraut, hast du da nicht Schwierigkeiten mit deiner so sehr eifersüchtigen Frau ?< >Ach, Janette hat es sich schon längst abgewöhnt, hierher zu kommen, und diese neue Puppe ist noch nicht lange bei mir.< >Gehst du mit ihr ins Bett ?< >Ja, ab und zu mal, wenn ich es einrichten kann, denn praktisch muß ich bei Janette über jede Minute Rechenschaft ablegen. Ich habe ihr auch eine kleine Wohnung in einem der modernen Hochhäuser eingerichtet und die arbeitet sie dankbar ab. So nun erzähl mal weshalb du bei mir aufkreuzt, alter Junge, ich freue mich, dich hier zu sehen. >Wie geht es dir, altes Haus ?< Ehrlich gesagt, schlecht, und deshalb bin ich auch zu dir gekommen. Ich brauche Geld, viel Geld !< Chatgiér lächelte. >Sofort, wieviel ? Ich lasse dir sofort aus der Kasse etwas holen.< >Nein, nicht von dir, Frédéric. Ich benötige Vier- bis Fünfhunderttausend Piaster< Chatgiér pfiff leise durch die Zähne. Über so eine hohe Summe war er doch mehr als überrascht. Latour fragte ihn besorgt : >Zuviel, Frédéric ?< >Nein, aber mir war unbekannt, das Du mit solch hohen Summen jonglierst.< Ich brauche das Geld nur für ein paar Tage, dann bekommst du es sofort wieder zurück.>d´accord, geht schon in Ordnung, ich weiß das ich mich auf dich verlassen kann. Schließ-87-
lich kennen wir uns schon einige Jahre und ich bin dir noch einiges Schuldig. Er griff in seine Schreibtischschublade und entnahm dieser das Scheckbuch und schrieb einen Scheck über 500.000 Piaster aus, den er Latour übergab, und während er schrieb erzählte er von der Reise, die er mit seiner Frau zum Weihnachtsfest nach Frankreich geplant hatte. >dieses war nun der zweite Streich dachte er, und nun folgt der dritte<
Schon bald nach der kurzen Unterredung, verabschiedete er sich von seinem alten Freund Chatgiér, indem er dringende Geschäfte vortäuschte. Von François, seinem Fahrer der seinen übriggebliebenen Truck auf der Strecke Pnom-Penh fuhr, wußte Latour, das er bei ihm auf keinerlei Schwierigkeiten stoßen würde. Er wußte, das er in dieser Woche, da sich der Truck wegen eines Getriebeschaden in der Werkstatt befand, zu Hause war. Er erklärte ihm seinen Plan, was er am nächsten Abend im Spielkasino vorhatte eingehend und fragte, ob er einen eleganten Abendanzug besäße, um glaubwürdig als sein reicher Freund aufzutreten. >Eine passende Hose und weiße Weste habe ich und ein passendes Jackett werde ich mir morgen früh leihen und ein paar passende Schuhe dazu kaufen. Latour griff in die Innentasche seines Blousons, zog einen tausend Piaster Schein heraus und übergab diesen seinem Fahrer mit den Worten : >Hier nimm erst einmal für deine Auslagen und gehe auch zum Friseur und lass dir die Haare schneiden.< In Gedanken an die Chinesen, die er wie die meisten Franzosen in sein Herz geschlossen hatte, rieb er sich die Hände und sagte : >Es macht mir große Freude, so eine gelbe Haut hereinzulegen.< * Für den nächsten Tag hatten sich die beiden gegen 21:00 Uhr verabredet. Latour holte seinen Fahrer Françoise von seiner Wohnung ab, die er im Stadtteil Dakoa bewohnte. Er begutachtete sein Aussehen von Kopf bis Fuß und hatte daran nichts auszusetzen. >Dein Aussehen geht in Ordnung, du siehst reicher als ein Millionär aus<. Die Frau von Françoise stand dabei mit ihrem dreijährigen Sohn und lächelte beiden zu. Während der Fahrt zum Spielkasino übergab Latour seinem Fahrer, der ja von jetzt an den reiche Freund spielen mußte, zwei Bündel Banknoten mit je hunderttausend Piaster und erklärte ihm nochmals alle Details wie er diese ihm schon am Vortag erklärt hatte. >Du wirst nur Schwarz oder Rot spielen. Wenn du Schwarz spielst, kreuzt du die Arme über der Brust, nachdem du gesetzt hast und passe genau auf, das dich das Mädchen im dunkelroten Kleid mit einer weißen Orchidee auf der linken Brustseite sieht, wenn du gesetzt hast. Wenn die Sicht zu ihr gestört ist, setz besser für das Spiel nichts.< >Also ein dunkelrotes Kleid trägt sie.< >Ja. Sieh sie so wenig wie möglich an, damit nichts auffällt.< >d`accord, René, geht schon in Ordnung.< >Ich bin sicher, das Du bei dem vielen Farbenwechsel sicher verlieren wirst.< >Soll ich immer dreitausend Piaster setzen ?< >Ja, und ich rate dir mit den Farben kontinuierlich zu spielen wenn gerade eine lange Serie herauskommt und gegen diese Farbe in der neuen Serie. Dabei ist es sicher, das Du verlierst.< Françoise lachte. >Dazu brauche ich keine besonderen Ratschläge.....Wenn ich nach meinem Schema spiele, besitze ich nach einer Stunde nur mehr noch meinen Anzug am Leibe, und der gehört mir ja noch nicht einmal ganz.< Zu sehr war Latour nicht davon überzeugt. Ihm selbst war zwar nicht bekannt, wie man beim Roulett vorzugehen hatte, um zu gewinnen, doch was man tun mußte um permanent zu verlieren, das wußte er zu genau. * Beide mit dem Wagen am Spielkasino angekommen, ließ sich Latour beim Direktor melden und stellte diesem seinen Fahrer Françoise als seinen angebliche Freund aus Frankreich vor. Er ließ sofort den Inspektor kommen, dem sie gemeinsam an einen der gut besetzten Tische folgten. -88-
Latour blieb im Hintergrund an einer Säule stehen, um das Spielgeschehen von dieser Warte aus zu verfolgen. Einen Blick in die Runde werfend, stellte er fest, das My-Lie ihren Posten eingenommen hatte und gegenüber von Françoise Platz genommen hatte. Durch das Gesumme der Stimmen im Saal hörte man die näselnde Stimme der jungen Chinesin, die die Kugel in die rotierenden Scheibe warf. >les jeux sont faits.< >rien n´vas plus< Die Kugel rollte immer langsamer. Die Croupier hatten genügend damit zu tun, die nach dem >n´vas plus< noch eingesetzten Jetons wieder zurückzuschieben. >Fünfzehn. Rot zieht, ungerade Ziffer.< Der Croupier nahm die von Françoise gesetzten dreitausend Piaster mit dem Schieber und warf sie in eine Vertiefung im Tisch. Das Spiel ging weiter und selbst der zugewiesene Inspektor riskierte einige kleine Beträge, notierte sich aber jeden Gewinn und jeden Verlust von Françoise peinlich genau. Über seine Schulter schauend sah er den Eintrag 8.000 Piaster verloren. Der Chinese wandte sich zu Latour und lächelte ihm wissend zu. Gedankenlos lächelte er und ging wieder zu der Säule auf seinen Beobachtungsposten, von dem er alles überblicken konnte, zurück. Nach Möglichkeit schaute er nie zu My-Lie herüber, doch sooft die Kugel fiel brüllte ihr Nachbar auf und der andere Nachbar von ihr klopfte ihr jedes Mal auf die Schulter wenn sie gewann. Spiel folgte auf Spiel, Minuten reihten sich zu Stunden. Gegen 22:00 Uhr drehte sich Françoise zu Latour herum und sagte mit gespielter Befriedigung : >Ich habe bis jetzt sechzigtausend Piaster gewonnen.< Latour zwang sich zu einem Lächeln und sagte nur : >Spiel weiter.< Kurz nach 23:00Uhr, das Spiel hatte sich gewaltig zu Françoise Ungunsten gewendet, mußte er Latour sagen : >Ich habe hunderfünfzigtausend Piaster verloren.< Hoffentlich hatte My-Lie die Zeichen nicht verwechselt. Zu Françoise gewandt sagte er : >Warte im Wagen auf mich, ich komme gleich nach.< Auch My-Lie hatte sich erhoben und ging auf ein Zeichen von Latour hinaus, wie verabredet zu seinem Wagen. Latour begab sich in der Büro das Direktors und dieser schien schon auf ihn gewartet zu haben. >Sie haben mir mit ihrem Freund nicht zuviel versprochen, er hat zweihundertsechzigtausend Piaster verloren.< Er schob ihm eine Bündel Banknoten über den Schreibtisch und sag- te : >Zählen Sie nach es müssen genau wie verabredet 130 tausend Piaster sein.< Bei der Nennung der Summe verbarg Latour seine Überraschung gekonnt, denn er hatte François nur 200.000 Piaster übergeben. Der Inspektor mußte sich geirrt haben. Der Direktor erhob sich als Latour das Geld an sich genommen hatte und sagte : >Wenn ihr Freund das nächste Mal Lust hat zum Spielen, bringen Sie ihn ruhig zu uns, wir beide werden schon klar miteinander, genau so wie heute.< Als er das Büro des Direktors verließ, wartete der Inspektor auf ihn und sagte : >Ist alles klar gegangen, ihr Freund hat zweihunderttausend verloren.< >Und nun willst du deinen Anteil kassieren.< Unterwürfig verbeugte er sich gegenüber Latour und dieser reichte ihm ein Bündel mit Banknoten, es waren 10.000 Piaster. Man weiß ja nicht ob man den Mann noch einmal benötigt, dachte er, als er ihm das Geld reichte. Im Wagen warteten die beiden schon sehnsüchtig auf ihn, und er fuhr sofort in den Stadtteil Dakoa, um Françoise nach Hause zu bringen. Bevor dieser den Wagen verließ drückte er ihm 5.000 Piaster in die Hand und sagte : >Kaufe deiner Frau und dem Jungen morgen etwas schönes, dann hast du für die Zukunft etwas Gut bei ihr.< * -89-
Er hatte den Wagen abgestellt und folgte My-Lie, die schon in sein Zimmer vorgegangen war. >Sieh einmal hierher, René< sagte sie, als er den Raum betrat. Sie wies auf die Banknotenbündel, die auf dem Bett in kleinen gleichmäßigen Bündeln aufgestapelt waren. Ich habe es schon gezählt : Es sind vierhunderttausend Piaster.< Schnell rechnete er : >Mit meinen 100.000, die ich noch in der Tasche habe, haben wir einen Gewinn von 165.000 Piaster. Warum hast du noch weiter gespielt, nachdem Françoise schon aufgehört hat ?< fragte Latour. >Ich habe danach noch fast 100.000 Piaster gewonnen, und das schien mir die Sache wert.< >Du hast eben Glück gehabt, und deshalb kannst du diese 100.000 Piaster auch behalten<, und legte noch 20.000 Piaster dazu und sagte zu ihr : >Hier ein kleines Trostpflaster für dich, und nun brauche ich das Geld ja nicht mehr von der Bank zu holen, was meine Eltern mir angewiesen haben. Das Geld lasse ich auf der Bank arbeiten und lege es zurück für einen neuen Truck, wenn die Sache in Vientiane nicht laufen sollte.< My-Lie protestierte als er ihr die zwanzigtausend extra gab und sagte : >Behalte das Geld, das ist für uns beide, René, wenn wir wegfahren.< >Nein, bringe es wieder mit wenn du mitfährst, Es gehört dir. Lieber ist mir aber, du läßt das Geld Brujeré als Startkapital für einen neuen Anfang.< Sie schüttelte ihre schwarzen Locken, umarmte ihn dabei und sagte : >Du bist komisch, René, warum sagst du, falls du mitkommst ? Ich habe versprochen mitzukommen und ich komme mit.< Er erzählte er ihr auch kurz von dem Zwischenfall mit dem Inspektor, und das er Françoise 5.000 Piaster gegeben habe. >Weitere 5.000 werde ich ihm auf ein Sparbuch legen, dann hat er etwas für schlechtere Zeiten<, fügte er hinzu. >Und du ?< fragte sie. >Ich habe ja nicht gespielt und ich wollte aus dieser Sache ja auch keinen Profit herausschlagen und nun bleiben mir doch noch 30.000 Piaster übrig, die ich für uns beide verwenden werde. Das Gesicht des Chinesen möchte ich jetzt sehen wenn sie abrechnen und Kassensturz machen. Chinesen lassen sich nicht gerne betrügen und der Direktor ist kein Dummkopf. Die werden bei einem täglichen Umsatz von ungefähr hundert Millionen Piaster am Abend, den Verlust von hundertfünfundsechszigtausend gar nicht bemerken, und das ist auch besser so.....< Latour brach das Gespräch ab und hob My-Lie empor. Sie schlang die Arme um seinen starken Nacken. >Fährst du mich nach Hause ?< >Ja<. >Ich bin aber hungrig und fürchterlich durstig.< >Wollen wir in das Restaurant vom letztenmal gehen ?< >Nein lieber in ein anderes.< Latour dachte an Brujeré, was würde er wohl zu dem Geld sagen, was My-Lie ihm mitbrachte ? Er schloß sein restliches Geld und die 500.000 Piaster von Chatieré in den Wandtresor, den er sich schon vor langer Zeit hatte einbauen lassen. My-Lie, schloß die Kleiderschranktür und die Fensterläden und kam zu Latour zurück. >Komm, ich bin fertig zum Gehen.< Glücklich summte sie vor sich hin und tanzte dabei beschwingt durch das Zimmer. Er dachte : übermorgen sind wir in Vientiane. War sie deshalb so glückselig oder wegen den 120.000 Piaster, die ihr nun zur Verfügung standen, die ihre Tasche prall aufquellen ließen. Er fragte nicht und freute sich mit ihr, das sie so glücklich war. * Am nächsten Tag, beide erwachten erst als es bereits Mittag war, sie hatten am Abend zuvor noch ausgiebig gegessen und waren dann zurück in Latours Zimmer gegangen, um den Triumph, den sie beide erzielt hatten, ausgiebig im Bett zu feiern und waren daher erst in den Morgenstunden glücklich eingeschlafen. Nun hatte Latour bereits am Vortag einen Termin beim Sicherheitsdienst vereinbart, um für die Einreise nach Laos für My-Lie und für sich einen Passagierschein zu bekommen. In ganz Indochina herrschte ja ein Ein-und Ausreiseverbot, sowie auch ein Ein-und Ausgangsverbot zu bestimm-90-
ten Zeiten. Zwar wurde das regional verschieden gehandhabt, aber für die feste Einreise in eine andere Provinz benötigte man aber solch eine Bewilligung. Nachdem er die nötigen Papiere vorgelegt hatte, er hatte auch eine schriftliche Bestätigung seines ehemaligen Geschäftspartners aus Bangkok, für den er nun in Vientiane tätig sein sollte, zugeschickt bekommen, war die Ausstellung eines Einreisevisum nur noch eine Formsache. Auf dem Weg zum Sicherheitsdienst entledigte er sich der geliehenen 500.000 Piaster und gab diese an seinen alten Freund zurück. Am nächsten Morgen stand Latour pünktlich zur verabredeten Zeit in einer Nebenstraße von Brujeré´s Villa und wartet auf My-Lie. Er stand neben seinem Wagen, den er am Vortag für einige Stunden in der Werkstatt zur Überprüfung hatte. Im stillen hatte er befürchtet sie würde ihn sitzen lassen, doch ruhig und gelassen bog sie um die Ecke, jedoch nur mit zwei Handkoffern bewaffnet, die er ihr abnahm und auf dem Rücksitz verstaute. >Du hast nicht viel Gepäck dabei< sagte er zur Begrüßung. >Bist du noch immer besorgt, René ?< Er zog sie an seine Schulter nachdem er den Wagen gestartet hatte und sagte : >Ich hatte befürchtet, du würdest doch letzten Endes bei ihm bleiben. Wie hat er es aufgenommen, das Du nun doch von ihm gehst ?< wollte er wissen. >Er schien etwas enttäuscht.....freute sich aber über die100.000 Piaster, die ich ihm gegeben habe und hat sofort gesagt : >Sag Latour ich werde sie ihm auf Heller und Pfennig zurückzahlen und mit dem Rest baue ich mir ein neues Leben auf.< Was hat man bei der Transindochina Compagnie gesagt, als du gekündigt hast ? wollte sie wissen. Er sagte ihr nicht, das er aus Angst sie würde nicht mit ihm kommen den Direktor nur um einige Tage Urlaub gebeten hatte und die Kündigung von Vientiane nun schriftlich nachreichen würde. Zwei Tage benötigten sie für die lange Autofahrt von Saigon nach Vientiane, und vorsichtshalber hatte er sich eine Maschinenpistole, und einige Handgranaten als Sicherheit gegen einen Überfall mitgenommen. Zur Sicherheit hatten sie die Strecke durch Kambodscha und Thailand gewählt und dadurch die lange Strecke durch die von Viet´s verseuchte Straßen durch den Dschungel von Laos am Mekong entlang vermieden. Diese jetzt gefahrene Route war zwar entschieden weiter, aber dafür auch wesentlich sicherer. Nur die Strecke durch Kambodscha war gefährlich gewesen, und sie hatten höllisch aufpassen müssen. Nun waren sie am Ziel und wurden bereits dort von seinem neuen Chef in Empfang genommen, der es sich nicht hatte nehmen lassen persönlich mit seiner Schwester zu erscheinen.
Auf dem Mekong (Bild 174)
Sofort nach ihrer Ankunft zeigte man beiden den schönen Bungalow, auf dessen Terrasse man auf den großen Fluß hinaussah. -91-
Nach dem gewohnten, schon vom westlichen Rhythmus angehauchten Saigon fand My-Lie die Lässigkeit von Laos, und die Nähe von Thailand als angenehm. Bereits am zweiten Tag ihres Hierseins, hatte My-Lie eine junge Thai aus dem Norden, dem goldenen Dreieck, dort wo man neben dem üblichen Reis auch Opium auf den Terrassenfelder anbaute, als Dienerin eingestellt, die sie die vietnamesische sowie französische Küche lehrte. Jeden Morgen verließ Latour das Haus, sobald My-Lie mit ihrer Dienerin vom Markt zurückgekehrt war, wo sie beide jeden Morgen schon vor 7:00 Uhr für den Tag einkauften. Jedes Mal wenn sie zurückkam, liebkoste sie ihn zärtlich, begleitete ihn zum Wagen, ging zurück ins Haus und nahm ihre Hausfrauenrolle so ernst, das nach kurzer Zeit schon unter der Mithilfe ihrer neuen Perle die Haus nur so blitzte vor Sauberkeit. Erst wenn alles fertig war, zog sie sich um, verließ das Haus, rief eine vorbeifahrende Fahrrad-Rikschah und fuhr in die Stadt. Latour hatte bereits nach einigen Tagen in Vientiane, einen seiner alten Kameraden wieder getroffen, der jetzt den Fährbetrieb leitete der von der Hauptstadt Laos, also Vientiane zu der etwas flußabwärts gelegenen thailändischen Provinzstadt Nong Khai betrieben wurde. Dieser alte Freund wohnte in Nong Khai und hatte Latour den Vorschlag gemacht sein künftiges Domizil dort auch aufzuschlagen, weil die Kommunistisch-Maoistische Bewegung in Gesamtindochina immer stärker wurde bald auch ganz Laos erfassen, und die Zukunft eben auf Thailändischen Gebiet liegen würde. Zu dieser Zeit der Geschichte verloren die Franzosen im ganzen Land immer mehr an Boden, und die Viet´s gewannen immer mehr die Oberhand. Latour war dem auch nicht abgeneigt, hatte aber über diesen Vorschlag noch nicht mit My-Lie sprechen können, weil sie sich innerlich noch immer nicht von Brujeré gelöst hatte. In Bangkok wäre My-Lie weit weg von Brujeré. >Würde sie sich auf Dauer überhaupt von ihm trennen können ?< war im Stillem seine bange Frage. Außerdem wollte er dieses auch erst mit seinem neuen Chef in Bangkok besprechen, ehe er zu einem konkreten Entschluß kam. Er hatte die Überlegung angestellt, je näher My-Lie in der Reichweite ihres Mannes war, würde sie zu ihm zurückkehren und sein Ziel war, sich nach Bangkok selbst abzusetzen und dort mit oder ohne sie eine neue Existenz aufzubauen, und Vientiane sollte nun eben das Sprungbrett dazu sein. Gerade als sich My-Lie nach ihrem Bummel durch die Stadt umgezogen hatte, kam Latour am Mittag zum Essen nach Hause. Die domestique, das Hausmädchen, wie My-Lie sie oft nannte, hatte auf der Terrasse den Tisch gedeckt, und mit leichten fast tänzerischen Bewegungen servierte sie die Vorspeise des feudalen Mahls. Sobald sie die Terrasse verlassen hatte und sich im Haus befand, summte sie ein schwermütiges Lied aus den laotischen Bergen vor sich hin. Latour stand auf und ging ins Haus, lehnte sich gegen den Türrahmen und hörte sich die Melodie an die ihm bekannt vorkam, dabei sah er dem neuen Hausmädchen zu, das die gebratene Ente in der Bratröhre die es als Hauptgericht geben sollte, noch einmal drehte und mit dem Bratfett begoß. Dann nahm sie den Vogel aus der Kasserolle, legte ihn auf ein Tablett, drapierte gekonnt gegartes Gemüse rundherum und trug, an Latour vorbeigehend, das Gericht auf die Terrasse. Die ganze Zeit hatte Latour sie beobachtet und auf einmal viel es ihm wie Schuppen von den Augen, das mußte die Schwester von Lie-Bang sein, seiner ehemaligen Freundin hier oben im Norden von Laos, in Pak-Beng. Ohne zu zögern fragte er sie nach ihrer Schwester und bekam als Antwort : >Ja ich hatte eine Schwester, aber die ist bei einem Vietminh Überfall auf Pak-Beng ums Leben gekommen.< Latour sagte darauf : >Ich kannte deine Schwester gut, sie hat eine Zeit mit mir zusammen gelebt in Pak-Beng und dann habe ich sie aus den Augen verloren als ich nach dem Süden ging. Schon am ersten Tag kamst du mir bekannt vor, denn deine Ähnlichkeit mit deiner älteren Schwester ist sehr groß.< Man hat mir erzählt, das sie sich das Leben genommen hätte. >Nein, Monsieur<, wie ich schon sagte, sie ist von den Vietminh umgebracht worden. My-Lie die diesen Vorgang zuerst kritisch beobachtet hatte, beruhigte sich sofort, das er kein weiteres Interesse an dem Mädchen hatte und auch zeigte und in ihr nur die Schwester einer ehemaligen Bekannten erkannt hatte. Nach dem Essen drängte sie ihn in den Salon. >Setz dich Liebster. Ich wasche mir noch die Hände und dann komm ich zu dir.< Sie rief das Hausmädchen und diese näherte sich ihr mit auf der Brust gefalteten Händen – wie es sich gehörte zum Zeichen der Verehrung und der Ergebenheit. -92-
Als Latour Platz genommen hatte, dachte er an die Zukunft und nahm sich vor innerhalb der nächsten 14 Tage das Thema Bangkok spruchreif zu machen. Wenn My-Lie sich weigern würde mitzukommen würde er auch noch in Betracht ziehen, nach Nong-Khai überzusiedeln, denn keiner konnte ihn je noch in Indochina auf Dauer binden. Er hatte von der politischen Lage in Indochina endlich die Schnauze voll und würde sich auch in den nächsten Tagen mit Dupoint seinem Anwalt in Verbindung setzen, das dieser seinen Truck verkaufen und Françoise das bei ihm deponierte Sparbuch aushändigen sollte. Alles dieses ging ihm durch den Kopf und schob diese Sorgen mit einem Achselzucken von sich als My-Lie n sich neben ihn setzte. >Heute morgen war ich in der Stadt< eröffnete sie das Gespräch. Dabei habe ich alte Bekannte getroffen aus Saigon. Obwohl sie mich erkannt haben, haben sie sich abrupt von mir abgewandt. In den letzten Tagen habe ich schon des öfteren Leute getroffen die ich persönlich aus Saigon kenne aber alle haben durch mich hindurch gesehen..... als wenn sie mich nicht erkannt hätten. Jetzt wo ich Jaques verlassen habe, halten mich alle wohl für eine Dirne, die.....ach hätte ich ihn doch nicht verlassen, dann wäre mir eine solche Demütigung erspart geblieben. Alle meine Bekannten wissen inzwischen, das wir nicht verheiratet sind und nennen mich daher deine „congaÏe„. (Maîtresse) Er erklärte ihr, das man solche Menschen mit so einem kleinen Horizont mit gleicher Verachtung strafen müßte, sie würden schon nach einigen Wochen von selber wieder zu sich finden. Nun wohnten sie bereits einen Monat in Vientiane und Latour hatte sich immer noch nicht entschließen können, My-Lie von der Umsiedlung nach Bangkok zu erzählen. Dabei war nun die Sache so langsam spruchreif geworden, denn auch sein neuer Chef hatte eingesehen, das über kurz oder lang die Franzosen die Herrschaft über Gesamt-Indochina nicht aufrechterhalten konnten. In den nächsten Jahren würde es einen gewaltigen Umschwung geben und dann waren alle Investitionen unwiderruflich verloren. So hatte man nun endlich beschlossen, das Geschäft ganz nach Thailand zu verlegen und das Gebiet Laos nur noch solange von Nong-Khai zu bearbeiten, wie die Franzosen im Lande waren und dort die Oberherrschaft behielten. Wahrscheinlich hatte er wegen der Diskriminierung durch ihre alten Bekannten noch nicht von Bangkok mit ihr gesprochen, denn ihn ließ das Gefühl nicht los, wenn sie auch jeden Tag oft mehrmals miteinander schliefen, das sie doch noch eines Tages zu ihrem Jaques nach Saigon zurückkehren würde. Es war kindisch von ihr, aber er konnte im Moment nichts daran ändern, und selbst ein ernstes Gespräch hätte für ihn nichts gebracht, das wußte er innerlich im voraus. Er merkte ihr an, das sie sich innerlich Vorwürfe machte, sagte aber nichts dazu. Eines Morgens, er war noch einmal aus dem Geschäft nach Hause gekommen weil er sich umziehen wollte, er hatte sich im Warenlager schmutzig gemacht, war My-Lie schon ausgegangen. Tho-Han war im Schlafzimmer am saubermachen. Seelenruhig entkleidete er sich ohne zu beachten, das die Hausangestellte im Zimmer war. Nur mit dem Slip bekleidet ging er ins Badezimmer, um kurz zu duschen. Als er unter der Dusche stand, huschte Tho-Han in die Duschkabine und schmiegte sich zärtlich an ihn. Er ließ es geschehen, denn sie sagte : >Ich habe euch schon einige Male, bei Tag und bei Nacht beobachtet und mir ist heiß und kalt dabei geworden, und einmal möchte ich auch mit dem ehemaligen Liebhaber meiner Schwester schlafen.< So kam es, das er mit ihr schlief und er merkte dabei, das sie ein wesentlich stärkeres Temperament besaß als My-Lie und dazu noch weniger erfahren war als sie. Als er das Blut sah was an ihren Beinen herunterlief, merkte er, das er bei ihr der erste gewesen war und er ihr somit die Unschuld geraubt hatte. Das andere die kleinen Tricks und die Raffinesse könnte man sie ja lehren dachte er als er seinen Höhepunkt erreicht hatte und auch Tho-Han bereits mehrmals einen Orgasmus gehabt hatte. Das er ihre Schwester geliebt und auch ihren Bruder getötet hatte, wenn auch in Notwehr, schien sie gar nicht zu interessieren. Schnell, bereits nach einer guten Stunde war er wieder im Geschäft als wäre nichts passiert und er war überzeugt, das My-Lie von dieser Sache nichts mitbekommen hatte. Er sollte sich gründlich geirrt haben. Als er am Abend nach Hause kam, war My-Lie nicht wie üblich im Salon. Oft hatte er sie halbversunken in einen spannenden Roman dort in dem schweren Ledersessel sitzen sehen wenn er nach Hause kam. Heute nun war sie nicht da. Das junge Mädchen saß in der Küche und spielte mit einer Siamkatze die sich My-Lie zuge-93-
legt hatte. Sie beachtete ihn kaum und war nicht freundlicher als sonst, trotzdem er am Morgen mit ihr geschlafen hatte. >Wo ist die Frau ?< >Die gnädige Frau ist nach dem Mittagessen ausgegangen.< Enttäuscht ging er in den Salon zurück, stellte das Radio an und suchte nach einem französischen Kurzwellensender, um Nachrichten aus der Heimat zu hören, die doch immer ein paar Stunden frischer waren als die, die von den Sendern im Lande verbreitet wurden. Er nahm ein Buch von dem vor ihm stehenden Tisch und blätterte darin, wobei auf einmal ein leerer Briefumschlag herausfiel auf dem stand : >Madame Brujeré, 11. Rue d`Marshall Foyer, Vientiane.< Mit zusammengekniffenen Augen entzifferte er, das der Brief vor 2 Tagen in Saigon zu Post gegeben worden war. Erneut ging Latour in die Küche wo die boyesse noch immer mit der Katze spielte. >Hat Madame einen Brief erhalten ?< >Ja, schon heute morgen.< >Wann ist Madame weggegangen ?< >Sofort nach dem Mittagessen, nachdem sie ins Geschäft gefahren sind.< Also hatte My-Lie schon den Brief als er zum Mittag nach Hause kam und hatte ihm davon nichts erzählt. Wenn er sich die Handschrift auf dem Umschlag genau betrachtete, kam ihm diese bekannt vor und vermeinte diese sei die von Brujeré. Aber wieso kannte er seine und ihre Adresse ? Im Geist sah er ihr sorgenvolles Gesicht, das sie auch in der letzten Zeit immer gemacht hatte wenn sie sich unbeobachtet glaubte. Er ging auf die Terrasse, setzte sich dort in den Lehnstuhl und grübelte weiter über seine Beziehung mit My-Lie und das gehabte Abenteuer am Morgen mit Tho-Han. Auf einmal hörte er, das die Haustür geöffnet wurde. Schnell stand auf und schon stand auch My-Lie vor ihm und schlug ihn direkt ins Gesicht und sagte : >Das ist für heute morgen, das Du mit der boyesse geschlafen hast.< Verdutzt doch sich nicht verteidigend nahm er die Ohrfeige widerstandslos hin und erwiderte kein Wort der Verteidigung. Ich hatte heute morgen noch etwas vergessen und bin noch einmal zurückgekommen, da sah ich deinen Wagen vor der Haustür stehen und habe mir sofort gedacht, da ist etwas nicht in Ordnung und habe euch dann wirklich in unserem Bett überrascht. >Wo kommst du jetzt her wollte er wissen, die Ohrfeige wissentlich übergehend.< >Ich hatte etwas zu erledigen<, sagte sie.< >Du hast Post von Brujeré bekommen ? >Nein. Du meinst wohl wegen des Umschlags der in dem Buch lag ?< >Ich hatte einer Freundin geschrieben sie solle etwas für mich erledigen wozu ich vor meiner Abreise nicht mehr gekommen bin, und die hat geantwortet.< Jetzt war Latour überzeugt, das der Brief von Brujeré war und wußte, das sie gelogen hatte. >Du glaubst mir offensichtlich nicht ? Soll ich dir den Brief zeigen ?< Sie wußte, das er das nie von ihr verlangen würde und sagte nur : >Ich lasse jetzt den Tisch decken, ich habe Hunger und dann gehen wir noch ein wenig aus zum Tanzen, mir ist heute abend nach Gesellschaft und Vergnügen.< Ein wenig Müde, doch innerlich erfreut, das er das eben angeschnittene Thema hatte fallen gelassen, bemühte sie sich, schnell seine Wünsche zu erfüllen und bald darauf saßen sie gemeinsam am Abendbrottisch und ließen sich die frisch zubereiteten Salate und anderen Köstlichkeiten der asiatischen Küche schmecken. Nach dem Essen setzte er sich, die Abenddämmerung die über dem Fluß schön anzusehen war, betrachtend, auf der Veranda in einem bequemen Sessel nieder und zündete sich eine der schweren französischen Zigaretten der Marke „Gitanne„ an, die er immer Stangenweise als Vorrat kaufte. My-Lie kam auf ihn zu. >René, heute habe ich doch keine Lust mehr auszugehen, Morgen wenn du willst.< >Müde ?< fragte er. >Ja.< Ich lege mich nieder, ich habe meine Tage bekommen und deshalb nehme ich es dir auch nicht sonderlich übel, das Du heute morgen mit Tho-Han geschlafen hast, ich hätte dir sowieso heute nichts bieten können denn am ersten Tag ist es bei mir ja immer sehr schlimm wie du weißt. Er küßte sie flüchtig auf die vollen Lippen : -94-
>Geh schlafen, und ruh dich aus mon amour.< * Als er erwachte, mußte es schon Tag sein. Am Abend nachdem My-Lie zu Bett gegangen war hatte er noch etwas getrunken und war dann auch ins Bett gegangen, doch hatte er wegen des genossenen Alkohols doch länger geschlafen als es allgemein üblich bei ihm war. My-Lie lag nicht neben ihm und er dachte, sie ist bestimmt schon einkaufen gegangen mit ThoHan. Plötzlich hörte er ein Geräusch, es war ein zögerndes Klopfen an der Schlafzimmertür. Nachdem er >herein< gesagt hatte, stand die junge boyesse in der Tür, wich aber diskret zurück, weil Latour sich halbnackt im Bett sich aufgerichtet hatte. >Was ist los ? Komm herein !< Tho-Han trat zwei Schritte ins Zimmer, und blieb stehen und sagte auf laotisch : >Es ist wegen dem Einkauf, Herr. Es ist schon neun Uhr vorbei und die gnädige Frau hat heute morgen früh nichts gesagt als sie fortging.< >Sie ist fortgegangen ? Wann, wieviel Uhr ?< >Schon vor 6:00 Uhr hat sie ein Taxi gerufen und hat das Haus mit einem kleinen Koffer verlassen.< Sofort verließ er das Haus und fuhr zum Flugplatz. Dort angekommen erkundigte er sich am Flugschalter ob My-Lie am Morgen mit einer Linienmaschine nach Saigon geflogen sei. Erst zögernd, doch dann bereitwillig, nachdem er sich legimentiert hatte, gab man ihm Auskunft, das eine kleine Vietnamesin, die auf den Namen Brujeré gestern telefonisch ein Ticket gebucht hatte und die eine Aufenthaltsgenehmigung vorweisen konnte, mit der 9:30 Uhr Maschine, also vor einer knappen Stunde Vientiane verlassen hatte. >Wann geht die nächste Maschine ?< fragte er. >Morgen früh um dieselbe Zeit, Monsieur, denn heute am Freitag fliegt nur eine Maschine und das war eben die letzte.< Er buchte sofort ein Ticket und fuhr dann innerlich vor Wut kochend, zu seinem Bungalow zurück. Hier zu Hause führte er einige Telefonate mit den verschiedensten Leute und so auch mit der Schwester seines Chefs in Bangkok weil sich dieser selbst auf Geschäftsreisen befand. Mit You-Long der Schwester seines Chefs, vereinbarte er erst einmal einen 2 wöchigen Urlaub und danach eine direkte Übersiedlung nach Bangkok. Er hinterließ, wo man ihn in Saigon erreichen konnte und versprach alles im Sinne ihres Bruders hier in Vientiane vor seiner Abreise zu erledigen. Als er alles in die Wege geleitet hatte, rief er Tho-Han zu sich, sie solle ihm einen kleinen Imbiß im Schlafzimmer servieren. Er lag, nur mit einem Slip bekleidet, nachdem er vorher lange unter der Dusche gestanden hatte, auf seinem Bett, als Tho-Han das Zimmer betrat. Als sie in der Tür stand, war sie einen Moment stehen geblieben als sie ihn halbnackt auf dem Bett liegen sah, doch Latour, der ihr Erschrecken bemerkt hatte, forderte sie in ihrer Sprache auf näher zu treten. >Bitte stell das Tablett hierher auf den Nachtisch, sagte er zu ihr.< Sie folgte seiner Bitte und wollte sich sofort wieder umdrehen und das Zimmer verlassen. Er hielt sie, ehe sie es verhindern konnte am Handgelenk fest und zog sie sanft zu sich herab, ohne das sie zu eine Gegenwehr fähig war. Vielleicht wollte sie sich auch nicht wehren und hatte das was nun kommen sollte, erwartet. Sie ließ sich von ihm behutsam entkleiden und erwiderte sofort seine Küsse und Liebkosungen. Er merkte sofort, das sie bereit war mit ihm zu schlafen und als sie nur noch mit einem winzigen Slip bekleidet vor ihm lag überschüttete er sie mit Küssen am ganzen Körper. Abrupt hörte er auf und bat sie unter die Dusche zu gehen, da er immer schon sehr empfindlich auf fremden Schweißgeruch reagiert hatte, der in den Tropen oft nicht zu vermeiden war. Folgsam fügte sie sich seiner Bitte und als sie unter der Dusche stand folgte er ihr um auch noch einmal zu duschen, damit sie keine Abscheu empfand, was er im stillen gedachte mit ihr zu tun und was er mit ihr vor hatte. In der Duschkabine seifte er sie ein und sie tat das gleiche mit ihm und nahm sich insbesondere seiner Männlichkeit an. Latour merkte sofort, das sie noch sehr unerfahren in der körperliche Liebe war und bat sie daher, seinen Penis mit ihren Lippen zu liebkosen. Dafür, das sie dieses zum ersten Mal machte, stellte sie sich sehr geschickt an und war folg-95-
sam wie eine treue Hündin und befolgte jede seiner Bitten, mehr dies und mehr das zu tun. Schließlich mußte er an sich halten um nicht in ihren Mund zu ejakulieren. Beide von dem Vorspiel etwas außer Atem, trockneten sich sorgfältig ab und setzten nun das Liebesspiel im Bett fort. Sie war wesentlich enger gebaut als alle Frauen, die er vor ihr und auch My-Lie gehabt hatte und es war ein reines Vergnügen für ihn diese >Enge< einer Frau zu kosten. Tho-Han gab sich alle Mühe ihn einige Male ihn in sich ergießen zu lassen und hatte dabei mehrmals selbst auch einen Orgasmus. Es waren mindestens zwei Stunden vergangen als sie sich endlich voneinander lösten, und sofort wollte sie das Zimmer verlassen, doch Latour hielt sie zurück und bedeutet ihr, sie solle heute nacht bei ihm schlafen und das auch besonders für den Fall wenn er mitten in der Nacht noch einmal Verlangen nach ihr verspürte. Eingerollt wie ein Igel, legte sie sich an seine Seite und war bald darauf eingeschlafen. Es war noch früh, die Sonne war noch nicht aufgegangen, als er erwachte und Tho-Han neben ihm schlief noch. Sie hatte sich in seinen Schoß gekuschelt und da beide nackt waren und er ein erneutes Verlangen verspürte führte er behutsam seinen steifen Penis von hinten in ihre feuchte Vagina. Sofort erwachte sie, als sie den harten Stab in sich verspürte und setzte mit rhythmischen Bewegungen ein. Schon sehr bald, schon gut aufeinander abgestimmt, kamen beide zusammen zum Orgasmus. Bald nach dem Liebesakt ohne ein zärtliches Nachspiel, erhoben sie sich beide und gingen erneut gemeinsam unter die Dusche. Hier fragte er sie : >Tho-Hai, willst du mit mir kommen nach Bangkok und meine Frau werden ?< Sie nickte nur und nachdem er die Brause abgedreht hatte sagte sie nur ein schlichtes >Ja.< Beide zogen sich an, Tho-Hai ging nach unten in die Küche um das Frühstück vorzubereiten. Als er nach unten kam, hatte sie den Tisch gedeckt aber nur für eine Person. Als er sie fragte warum nur für eine Person, antwortete sie : >Du bist der Herr, und ich nur eine Hausangestellte, eine >Boyesse< und die gehört nicht zu der Herrschaft.< Latour bat sie, bei ihm Platz zu nehmen und mit ihm zu frühstücken. Wie immer gab es frische Croissants, die jeden Morgen von den Bäckerjungen in einem Beutel an die Tür gehängt wurden. Frisch, mit dicker guter Butter beschmiert, schmeckten sie am besten und auch Tho-Han hatte sich an diese Art von Frühstücken schon mittlerweile gewöhnt. Während des Essen sagte er zu ihr : >Ich fliege gleich für einige Tage nach Saigon und bin spätestens in vier Tagen wieder zurück. Behüte das Haus solange und wenn ich zurück bin, fahren wir einige Tage später nach Bangkok. Besorg dir inzwischen deine Papiere und verabschiede dich von deinen Eltern. Dann übergab er ihr 5.000 Piaster und sagte, wenn du damit nicht auskommst, bezahle ich nach meiner Rückkehr den Rest.< Traurig blickte sie ihn an und konnte es nicht verschweigen zu fragen : >Und die gnädige Frau, kommt die auch mit uns ?< >Nein, habe keine Sorge, wir beiden fahren allein, und ich werde dich heiraten wie ich es dir versprochen habe.< Zärtlich schmiegte sie sich an ihn, und dabei kullerten ihr die Tränen vor Glück über die Wangen. >Mußt du denn nach Saigon, wegen My-Lie ?< >Nein, nicht nur wegen My-Lie, ich habe auch noch etwas anderes dort zu erledigen, den Verkauf meines Geschäftes, das Verabschieden von meinen alten Freunden, die es mir ewig übelnehmen würden wenn ich es nicht tun würde, und damit will ich alle Brücken in Indochina endgültig hinter mir abbrechen. Dann verabschiedete er sich mit einem Kuß von ihr und schärfte ihr nochmals ein, alles zu erledigen was er ihr aufgetragen hatte. Nachdem das bestellte Taxi erschienen war, fuhr er zum Flughafen, wo er eine halbe Stunde später mit einer Turboprob in Richtung Saigon startete. * Nach vier Stunden Flug landete die Maschine ohne große Verspätung auf dem Flughafen von -96-
Saigon, und sofort ließ er sich mit einem Taxi in seine alte Pension fahren, wo er vor einigen Wochen als er die Stadt verlassen hatte sein Zimmer für ein viertel Jahr im voraus bezahlt hatte, was nun auf ihn wartete. In der kleinen Rezeption lagen einige Briefe für ihn, die er mit auf sein Zimmer nahm und dort flüchtig durchsah. Ein Brief seiner Eltern den er später lesen würde, ein Brief von seinem Rechtsanwalt der ihm mitteilte, das er seine damals besprochene Angelegenheit zu seiner völligen Zufriedenheit erledigt hätte, ein Brief der Militärverwaltung, das man seinem Antrag auf Entschädigung für den verlorengegangenen Truck stattgegeben hatte und ihm auf sein Konto 197.000 Piaster überwiesen hätte, für den Truck und die verlorengegangene Ladung. Den ganzen Schaden könne man beim besten Willen nicht ausgleichen, teilten sie mit. Und dann noch ein Brief von Brujeré, der sich für die geliehene Summe bedankte und einen Ratenplan anbot, wie er das Geld zurückbezahlen würde. Wie schon gesagt, eine umfangreiche Korrespondenz wartete auf ihn, ausführlich gelesen zu werden und darüber letzten Endes zu entscheiden. Im Moment hatte er aber andere Sorgen, und zwar mit My-Lie. Wenn er sich auch schon innerlich von ihr entfernt hatte, so wollte er doch von ihr persönlich wissen, warum sie Hals über Kopf von ihm gegangen war, ohne ihn zu informieren, und zum anderen warum sie überhaupt erst mit ihm gekommen war nach Vientiane, wo sie genau gewußt haben mußte, ihn eines Tages wieder zu verlassen. Das sie dieses gewußt hatte, davon war er zu hundert Prozent überzeugt. Drüben in dem kleinen Café, gegenüber der Villa von Brujeré nahm er an einem Tisch draußen vor dem Lokal seine Stellung ein. Es war schon später Nachmittag, und Latour hoffte, er würde Brujeré oder My-Lie sehen, wenn sie nach Hause kommen würden oder das Haus verließen. Dieses mal setzte er sich ganz hinten an einen Tisch, von dem er ungesehen das Tor der Villa beobachten konnte. Zuerst hatte er daran gedacht, geradewegs zu Brujeré zu gehen und My-Lie zu Rede zu stellen. Diesen Entschluß hatte er im ersten Zorn gefaßt aber nach den Liebesstunden die er mit Tho-Han verbracht und genossen hatte, wieder verworfen und wollte nun nur noch das Herauskommen einer der beiden abwarten. Kurz nach Sonnenuntergang erblickte er sie auf der Veranda. Gerade war ein schwerer Renault am Straßenrand stehen geblieben dem ein ihn bekannter Arzt entstieg. Latour erkannte in ihm den bekannten Internisten Dr. Grenault, der in Saigon auch als Herzspezialist bekannt war. Bei sich dachte Latour : >Geht es mit Brujeré zu Ende ?< Nach etwa einer halben Stunde erschien der Doktor wieder, stieg in seinen Wagen und fuhr fort. Nochmals war er versucht sofort in die Villa zu gehen, ließ es aber dann und fuhr mit einer Fahrrad-Rikschah zum Moulin Rouge um Loung Ming guten Abend zu sagen und sie gleich als Betthupferl für die Nacht mitzunehmen. Loung Ming war hocherfreut ihn nach so langen Wochen wieder zu sehen und freute sich, als er sie gefragt hatte ob sie heute abend mit ihm kommen würde, schon sehr auf die kommende Nacht. Für das Geld, was er ihr durch seinen Rechtsanwalt vor seiner überstürzten Abreise hatte übergeben lassen, wollte sie sich schon im Lokal bedanken, doch er schob sie in ihre Garderobe ab mit der Bemerkung : >Dazu hast du die ganze Nacht Zeit.< Es wurde eine stürmische Nacht und bisher hatte sich Latour über eine ausreichende Potenz nicht beklagen können und so wägte er die ein Frau mit der anderen ab, womit er in den letzten Monaten zusammen im Bett war. Eindeutig ging dabei Tho-Han, seine neue laotische Eroberung als Siegerin hervor. Keine seiner Geliebten der letzten Monate konnte es mit ihrer jugendhaften Grazie, Unverdorbenheit, Anmut und Lernbegierde aufnehmen. Und im stillen entschied er sich nur für sie allein. Noch einmal schenkte er Loung-Ming zum Abschied 5.000 Piaster mit den Worten : >Jetzt werden wir uns einige Monate nicht sehen, denn ich siedele nach Bangkok über und werde dort in Zukunft leben. Vielleicht sehen wir uns eines Tages wieder und ich komme mal nach Saigon zu Besuch.< Loung Ming wußte, das dieses ein Abschied für immer war und befriedigte ihn zum Abschied noch einmal wie so oft vorher mit ihren Lippen. * -97-
Am nächsten Morgen, er hatte Loung-Ming erneut mit einer Fahrrad-Rikschah nach Hause gebracht, nahm er schon vor 9:00 Uhr seinen Beobachtungsposten wieder auf der Terrasse des kleine Cafés ein und ließ sich dort das Frühstück servieren. Er hatte gerade sein Croissant mit Butter beschmiert, als er My-Lie, schwarz gekleidet die Stufen der Freitreppe am Haus herunter kommen sah, über den Kiesweg gehen und das Außengatter öffnen. Sie überquerte die Straße und kam geradewegs auf das kleine Café zu. Sie mußte wohl vom Hause aus gesehen haben, das er hier saß, denn sie steuerte geradewegs auf seinen Tisch zu. Er rührte sich nicht, sosehr war er verblüfft. Nun stand sie dicht vor ihm. Ihre vom Weinen verquollenen Augen glänzten im Gegenlicht der Morgensonne. >Jaques ist heute nacht gestorben,< sagte sie. Jetzt erhob er sich. Er wußte aber nichts zu sagen, kein Beileid, kein Trostwort und seine Hand fuhr flüchtig durch die Luft. Sie wandte sich um, um zu gehen und trat schon einen Schritt zurück, als er fragte : >Was wirst du jetzt tun ?< >Kommst du mit mir zurück nach Vientiane.< Ihre Lippen öffneten sich, aber sie sprach kein Wort. Noch immer fand Latour nicht die richtigen Worte des Trostes. >Höre My-Lie, wenn du es willst, werde ich in Saigon bleiben, und sobald du.....< >Nein René, geh fort für immer, ich kann und will nicht mehr bei dir bleiben<, und dann ging sie ohne sich noch einmal umzublicken. Als sie fast die andere Straßenseite erreicht hatte, rief er ihr noch einmal nach : >Ich warte bist du.....< Sie schien ihn nicht gehört zu haben und betrat ihr Grundstück. Sie schloß die Gartentür, und die Eingangstür der Villa fiel mit einem lauten Knall hinter ihr zu. Latour setzte sich wieder, aß in aller Ruhe sein Croissant und trank seine Tasse Kaffee aus. Als er fertig war, legte er einen angemessenen Geldschein auf den Tisch, verließ das Lokal und rief ein vorbeifahrendes Taxi an, welches sofort mit kreischenden Bremsen hielt. In seinem Zimmer packte er seine restlichen Sachen in einige Kartons, die der Pensionswirt ihm besorgt hatte, schnürte diese sorgfältig zu und ging in die kleine Rezeption, um sich telefonisch ein Taxi zu bestellen. Gleichzeitig telefonierte er mit dem Flughafen und buchte einen Platz für die Maschine die am nächsten Tag nach Vientiane flog. Der Pensionswirt half ihm die vollen Kartons die Treppe herunter zu tragen, und als diese unten auf der Straße standen, erschien auch schon das Taxi. Schnell waren die Kartons darin verstaut, und Latour sagte dem jungen Fahrer, der mit angefaßt hatte und den Wagen fuhr, sich gerade den Schweiß von der Stirn putzte, die Adresse, wohin er zu fahren hatte. Als er an dem Haus ankam, in dem Loung Ming mit ihrer Mutter lebte, bat er den Fahrer, noch einmal mit anzufassen, die Kartons hineinzutragen. Loung Ming schlief um diese Zeit und wurde sofort von ihrer Mutter geweckt. Etwas verschlafen doch mit einem bezaubernden Lächeln auf den Lippen nahm sie dankend die vielen Sachen an, die ihr Latour zum Selbstgebrauch überlassen wollte, weil er alle diese Sachen an Wäsche und gebrauchter Kleidung und sonstigen Gegenständen nicht mitnehmen wollte. Hastig konnte Loung-Ming noch mitteilen, das gerade gestern das erste Geld aus Algerien von ihrer Parachutisten Lieutenant eingetroffen sei, und somit er sein Wort gehalten hätte. Schnell verabschiedete er sich und fuhr mit dem Fahrer zurück in die Stadt, um dort in einem netten Restaurant etwas zu essen. Erneut ließ er sich zu seiner Pension fahren, setzte sich an den kleinen Tisch im Zimmer und schrieb einen langen Abschiedsbrief an My-Lie. Nachdem er dieses erledigt hatte, er benötigte eine ganze Weile dazu, weil er nie den rechten Anfang fand und deshalb mehrere Bögen Briefpapier angefangen in den Papierkorb warf, stand er auf und ging zu seinem Pensionswirt und kündigte sein Zimmer. Er hinterließ ihm seine Adresse für den Fall, er würde noch Post bekommen, ließ einen angemessenen Betrag in seiner Obhut, damit er seine Post nachschicken sollte. Dann ging er wieder auf sein Zimmer und legte sich auf sein Bett und schlief ein. Er erwachte weil es an der Tür klopfte, die er von innen abgeschlossen hatte. Er stand auf und öffnete und vor ihm stand Loung- Ming, die von ihrer Arbeitsstätte kam um sich noch einmal zu bedanken. -98-
Nach einer stürmischen Nacht, dieses mal nicht achtend, das sie erneut schwanger würde, wachten beide am frühen Morgen auf, duschten sich gemeinsam und verließen die Wohnung, nachdem er ein Taxi gerufen hatte. In einem der vielen kleinen Restaurants nahmen sie ihr Frühstück ein, und erneut brachte sie ein Taxi zu Loung-Ming´s Wohnung und ihn sofort weiter zum Flughafen. Im Restaurant des Flughafens nahm er noch einen Pernod zu sich. Dann ging er in die nächste Telefonzelle und wählte die Nummer seines Anwalts, den er damit betraute seinen Lkw zu verkaufen, seinem Fahrer nochmals als Abfindung 10.000 Piaster zu übergeben, sein Konto aufzulösen und ihm den Betrag nach Bangkok, - die Adresse werde ich dir noch frühzeitig bekanntgeben sagte er ihm am Telefon -, zu überweisen. Und dann war es auch an der Zeit sich einzuchecken zum Flug nach Vientiane Der Flug verlief ruhig, denn noch herrschte klares Wetter, jetzt so kurz vor dem zu erwartenden Monsum. Als er bereits nach 3 Tagen wieder an der Haustür klingelten, öffnete ihm eine ältere Frau, die, wie sich schnell herausstellte, die Mutter von Tho-Han war. Tho-Han selbst fiel ihm mit Tränen in den Augen um den Hals und war glücklich, ihn sobald wieder zu sehen. Wie sie bald erzählte, hatte sie sofort ihre Eltern verständigt und diese von ihren großem Glück, mit einem Mann nach Thailand überzusiedeln, erzählt. Daraufhin war ihre Mutter, ihr Vater war krank, aus einem kleinen Dorf, das in der Nähe des Barthélemypaß oben in der Nähe der Grenzberge zu Nord-Vietnam gelegen, angereist, um sich von ihrer Tochter zu verabschieden. Beide Frauen umsorgten Latour fürsorglich wie einen kleinen Jungen, und als es Abend wurde, zog sich die Mutter diskret auf den bescheidenen Schlafplatz zurück, den sonst ihre Tochter benutzt hatte. Wie selbstverständlich zog Tho-Han in das Schlafzimmer von Latour ein, denn jetzt wo er allein zurückgekommen war, betrachtete sie sich endgültig als neuen Herrin im Haus. Bevor sie schlafen gingen, öffnete er die Vorhänge am Fenster und schaute sich den vollen Mond an, der am Himmel stand..... Einige Tage später, er hatte alle Formalitäten erledigt und ein Einreisevisum bekommen für die Einreise nach Thailand für Tho-Han und sich selbst, bestiegen sie den Wagen der sie zur Fähre bringen sollte, die über den großen Mekong führte, zur Straße nach Bangkok. Ihre Mutter hatte sich schon am Vortag wieder auf den Weg gemacht um nach Hause zu fahren. Bevor sie abfuhr, hatte sie ihre Tochter nach buddhiistischer Gewohnheit gesegnet, und auch Latour den sie in den Arm nahm zu ihm gesagt : >Mache meine Tochter glücklich.< Sie wurden beide glücklich und heirateten schon bald in Bangkok. Als Hochzeitsreise fuhren sie nach Frankreich zu seinen Eltern, um ihnen die neue Schwiegertochter vorzustellen und ihr das Land seiner Väter.....zu zeigen.
Ende
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Lesen Sie auch meine anderen Romane, und zwar : 1. Gedichte 2. Autobiographie Teil 1 – 4 3. Arzt auf weiter Flur 4. Herzoperation 5. Einmal Légionair immer Légionair 6. Endlose Sahara 7. Auf den Straßen von Indochina 8. Algerien, der Krieg der keinen Namen hat 9. Liebe in der Bretagne 10. Bettinas Tochter 11. Liebe auf heißem Wüstensand 12. Ein Toter kehrt heim 13. Kur Romanze 14. Ein große aber hoffnungslose Liebe *15. Maria und dann folgte nur noch Liebe *16. Die letzten Tage vor der Schlacht von Diên-Biên-Phú * noch in Arbeit Die Romane selbst sind kostenlos, nur für die Druckkosten bitte ich um eine Kostenbeteiligung wegen der hohen Tonerkosten und betragen für die Titel : Titel : 1 + 3 - 5 + 8 – 11 einen Druck-Kostenbeitrag von DM 6,00 Titel : 2 einen Beitrag von DM 15,00 Titel : 6 – 7 + 12 – 15 einen Beitrag von DM 12,00 und können beim Autor Friedrich Kleinehr Ritsartweg 1 44359 Dortmund 0231 356402 bezogen werden. Konto bei der Citibank, Konto Nr. 2803282558 Bankl.-Zahl 300 209 00 Wenn ihnen die Erzählung gefallen hat, erzählen Sie es weiter, sonst wenden Sie sich vertrauensvoll an den Autor, der ein Anfänger ist und deshalb jede Kritik vertragen kann und dankbar ist für jede Anregung, auch in bezug auf Satzzeichen und Orthographischen Fehlern. Trotzdem das geschriebene Werk mehrmals das automatische Rechtschreibprofil von Microsoft Word-Office 97 durchlaufen hat, sind bestimmt noch immer Fehler, Satzzeichen-Satzstellung und vieles andere zu entdecken und zu verbessern.
Ich bitte daher Nachsicht zu üben.
typische Küstenlandschaft in Indochina (neu Bild 145)