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Auferstehung· Ein jüdisches Glaubenserlebnis
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Calwer Verlag · Kösel-Verlag
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236.g Pinchas Lapide ./
Auferstehung· Ein jüdisches Glaubenserlebnis
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Calwer Verlag · Kösel-Verlag
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CIP-Kurztitelaufnahme de'r Deutschen Bibliothek
Lapide, Pinchas E. Auferstehung: e. jüd. Glaubenserlebnis. Stuttgart: CalWer Verlag; München: Kösel, 1977. ISBN 3-7668-0545-2 (Calwer) ISBN 3-466-20131-4 (Kösel)
ISBN 3-7668-0545-2 (Calwer) ISBN 3-466-20131-4 (Kösel) 1977 by Calwer Verlag, Stuttgart, und Kösel-Verlag GmbH & Co., München. Printed in Germany. Alle Rechte vorbehalten.
©
Satz und Druck: atto Bauer, Winnenden. Bindung: Ernst Riethmüller, Stuttgart. . Umschlaggestaltung: Günther Oberhauser, München.
Inhalt
Prolog "Ist aber Christus nicht erweckt worden ... " Auferstehung im Judentum Pascha - Sinai - Golgota Das Muß der Auferstehung Spuren jüdischer Glaubenserfahrung Fehlübersetzungen? Die Pädagogik Gottes Das "kleinere Übel" Ein messianischer Midrasch Das Zeugnis des Maimonides Unsere gemeinsame Hoffnung Epilog Li tera turverzeichnis
9 11 19 33 46 52 65 68 73
79 85 90. 93 95
"Mein Gott, die Seele, die Du mir gegeben hast, ist rein. Du' hast sie geschaffen, Du hast sie gebildet, Du hast sie mir eingehaucht, und Du bewahrst sie in meiner Mitte, Du wirst sie künftig von mir nehmen und sie mir wieder geben in der kommenden Zukunft. Alle Zeit, da die Seele in ~einer Mitte ist, lobe ich· Dich, Ewiger, mein Gott und Gott meiner Väter, Meister aller Werke, Herr aller Seelen. Gepriesen seist Du, Ewiger, der die Seelen zurückkehren läßt in tote Körper. tt
Auszug aus dem Schacharith-Gebet, der täglichen " Morgenandacht der Synagoge
Prolog
Wenn wir die Grundfrage stellen, was Juden und Christen voneinander trennt, so ist die unumgehbare Antwort: Ejn Jude. Zwischen uns steht seit fast zwei Jahrtausenden ein frommer, gottesfürchtiger Jude, der das Himmelrei~h bringen wollte, in Eintracht und in Frieden - sicherlich nicht Haß, Spaltung oder gar Blutvergießen. Vielleicht das J üdischste am Nazarener ist seine unsterbliche Hoffnungskraft, die, über Kreuz und Grab hinweg, ihre Krönung im Glauben an seine Auferstehung fand - ein Glaube, der in den unerforschlichen Heilswegen Gottes zur Geburt des Christentums geführt hat. Die~e Auferstehung, die' im Laufe des Auseinandergehens unserer Glaubenswege zum Skandalon zwischen den Brüdern J esu und seinen Jüngern geworden ist, kann, wie viele unserer Trennungen, entschärft werden, wenn sie auf ihre Ursprünge zurückgeführt wird. f)enn in dem, was »'!.ffi dritten Tage« einst in Jerusalem geschah, geht es letzten Endes um eine Gotteserfahrung, die, wie Gott selbst, ins Unbeweisbare weicht, um sich nur dem Glauben zu erschließen; Qelebter Glaube aber läßt sich weder bestreiten noch beweisen; ihm kann man nur einfühlsam nachsinnen, denn »wir haben Einen Gott, der da hilft, und den Herrn, der vom Tode errettet«. Psalm 68,21.
»Ist aber Christus nicht erweckt worden ... «
Als geschichtliche Offenbarungsreligion fußt das Christentum auf zwei fundamentalen Ereignissen: dem Kreuzestod und der Auferstehung Jesu von, Nazaret. Während das erste 'als historisch gesichert gelten kann, sowohl aus fundamental übereinstimmenden Aussagen der Evangelisten als auch aus außerchristlichen Quellen, ist das letztere bis heute umstritten, historisch nicht faßbar und hat von Anfang an zu Zweifel, Zwist und Zwiespalt geführt. Während in der Passionsgeschichte alle Evangelien, unbeschadet vieler, Abweichungen im einzelnen, einem einzigen Hauptstrang der Überlieferung folgen, kann in den Ostergeschichten nicht einmal von einem gemeinsamen literarischen Gerüst die Rede sein. Hinzu gesellt sich die Tatsache, daß die Kreuz,igung Jesu sowohl in der rabbinischen Literatur als auch im römisch~griechischen Schrifttum Widerhall findet. Das Neue Testament hingegen bleibt die einzige Quelle für die Auferstehung, die außer halb des Kirchenkanons nirgendwo erwähnt wird - wobei »Auferstehung«, »Erhöhung« und »Verherrlichung« nicht als Jesu eigenmächtige Tat, sondern, gut jüdisch, als Auferweckung durch Gott, als Gnadentat Gottes am Gekreuzigten verstanden wird. Von den beiden christlichen Grundsäulen ist die Auferstehung bei weitem die wichtigere. Die Kreuzigung war im Grunde nur ihre notwendige Vorbedingung, die dann später, in der nachösterlichen Rückschau, verklärt und heilsgeschichtlich umgedeutet werden konnte. Ohne das Erlebnis der Auferstehung wäre die Kreuzigung Jesu höchstwahrscheinlich so folgenlos und unbesungen geblieben wie die unzähligen Kreuzigungen gottesfürchtiger Juden, die die Römer vor Jesus,.zu Jesu' Lebzeiten und bis zur Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 begangen haben. 11
In den W~rten des Flavius Josephus, eines Augenzeugen, die lebhaft an Golgota erinnern: "Wenn sie Uüdische Flüchtlinge) gefangen wurden ... wurden sie gegeißelt und mit Mißhandlungen jeder Art vor ihrem Tod gefoltert, um dann der Stadtmauer gegenüber gekreuzigt zu werden ... Er (Titus) hoffte, daß dieser Anblick die Juden zur Kapitulation veranlassen könnte, da sie das gleiche Schicksal zu erwarten hätten, wenn sie sich nicht ergeben wollten.· Die Soldaten trieben voller Wut und Haß ihren Spott mit den Uüdischen) Gefangenen, indem sie sie in verschiedenen Stellungen ans Kreuz nagelten, und bald fehlte es an Platz für die Kreuze und an Kreuzen für die Leiber - so viele waren es« (Der jüdis.che Krieg V, 11, 1-2). Der christliche Glaube steht und fällt also nicht mit Golgota, der berüchtigten »Schädelstätte«, wo Tausende von Jesu Brüdern grausam von römischen Söldnern ermordet wurden, sondern mit dem Erlebnis »am dritten Tage« danach, das für die Jüngergemeinde diesen Kreuzestod zu entschärfen, zu widerlegen, ja sogar sinnvoll zu machen vermochte. »Ist aber Christus nicht aufgeweckt worden«, schreibt Pauhis an die Korinther, ~)so ist damit unsere Predigt vergeblich, und nichtig ist euer Glaube« (1 Kor 15,14). Dieses eindeutige Bekenntnis beweist nicht nur, wie früh der Glaube an die Auferstehung des Nazareners zum Eckstein des Christentums geworden ist, wie zentral und unverzichtbar d:as Ostergeschehen für die Kirche ist und bleibt, sondern auch die Drastik der paulinischen Alternative. Seit fast zwei Jahrtausenden haben sowohl Päpste, Bischöfe und Kirchenkonzile als auch Pragmatiker - vorerst ungetaufte, letzthin auch getaufte - den Heidenapostel beim Wort genommen. Die Osterzuversicht blieb während der ersten Jahrhunderte der Zeitrechnung ein Glaube der wenigen, dem gegenüber sich die überwiegende Mehrheit, sowohl Juden als Heiden, mit Skepsis, oft sarkastisch, zuweilen auch mit beißender Ironie verhielt. Kein Wunder. Denn auf keinem anderen Gebiet der neutestamentlich~n Erzählung häufen sich die Widersprüche so auffallend; nirgends sind die Gegensätze so offensichtlich und die 12
kontrastierenden Schilderungen so fragwürdig wie gerade im Bereich der Auferstehung Jesu. Eduard Schweizer stellt mit Bedauern fest~ »So bald wir näher zugreifen wollen und nach den Einzelheiten fragen, lassen uns die Quellen im Stich ... Zunächst müssen wir feststellen, daß schon unsere Evangelien von all dem nichts mehr wissen, abgesehen von der Erscheinung Jesu vor den elf Jüngern. Zwar berichten nach Lk 24,34 die Jünger in J erusalem noch von einer Ersterscheinung vor Petrus; aber gerade diese Stelle beweist, daß man nur noch eine Formel kannte, .. aber nichts mehr davon erzählen konnte. Nochschwerer wiegt, daß nach MatthäuS die Erscheinung in Galiläa stattfand, und zwar muß es die erste gewesen sein, da die Jünger ja noch zweifeln, offenbar auch die einzige, da 'er von keiner anderen berichtet ... Nach Lukas fand sie aber am Ostersonntag in Jerusalem statt, und den Jüngern wurde ausdrücklich verboten, die Stadt vor Pfingsten zu verlassen. Nach J ohannes gilt das gleiche, wenn die Erscheinung auch ganz anders erzählt wird, nur daß sie sich eine Woche später in Jerusalem und nochmals später in Galiläa wiederholte. Abe~ die Schwierigkeiten werden noch größer. Paulus denkt sich offenkundig alle Erscheinungen ... als Erscheinungen vom Himmel her ... Zwar stellt sich Matthäus die Szene auf Erden vor; denn er hat hinzugefügt )und J esus trat hinzu' und redete zu ihnen<. Daß dies aber erst Matthäus in die ihm überlieferte Tradition eingeschoben hat, ist deutlich ... Nach Lukas aber wanderte der Auferstandene mit >Fleisch und Knochen< auf Erden und aß mit seinen Jüngern« (Jesus Christus im vielfältigen Zeugnis des Neuen Testaments, München 1968, S.49f.). Joachim Jeremias schließt betreffs der evangelischen Ostergeschichten: »Das Bild ist ganz bunt«, worauf er erläutert: »Das gilt zunächst von dem Personenkreis. Der Auferstandene erscheint bald einem einzelnen, bald einem Jüngerpaar, bald einem geschlossenen Kreis, bald einer riesigen Menge .. Die Zeugen sind meist Männer, aber auch Frauen;' es. sind Angehörige des engsten- Jüngerkreises ... aber auch Skeptiker ... mindestens in einem Fall ist es ein fanatischer G.egner ... So vielschichtig der Personenkreis der Zeugen ist, so bunt sind die 13
wechselnden Schauplätze: Bald erfolgt die Christophanie im Freien, bald in einem Haus, wiederholt vor den Toren der Heiligen Stadt, dann wieder innerhalb von Jerusalem, in einem judäischen Dorf, am Ufer des Sees Genezareth, im galiläischen Bergland, einmal auch außerha1b Palästinas« (Neutestamentliche Theologie I, Güters10h 1973, S. 285 f.). Unter dem Titel »Legenden?« schreibt Hans Küng: »Die Geschichte der Auferweckungsüberlieferung läßt problematische Erweiterungen und Ausgestaltungen, eventuell auch Lücken sichtbar werden: Das älteste Osterzeugnis des Neuen Testaments ~ die genannte alte Glaubensformel im ersten Korintherbrief - ist von geradezu protokollartiger Knappheit: Ein Minimum an Information, ohne jegliche Beschreibung, ohne Angabe eines Wann und Wo der Erschein ungen. Auch der älteste Osterbericht der ... Evangelien ist von .erstaunlicher Kargheit: Dieser Bericht des Markus ... bringt außer der Überlieferung vom leeren Grab und dem Hinweis auf Jesu Erscheinung in Ga1iläa nicht Neues ... Bei Matthäus ... finden sich neu: zuerst das Erdbeben; dann die Geschichte vonden Grabeswächtern und die Ausführung des Auftrages des Engels und Jesu, nach Galiläa zu gehen; schließlich die Erschein ung vor den Elf auf dem Berg in Galiläa .... Bei Lukas, der den Auftrag, nach Galiläa zu gehen, kurzer hand streicht, die galiläische Erscheinung verschweigt und das ganze Ostergeschehen örtlich und zeitlich auf das für ihn theologisch und kirchlich wichtige Jerusalem konzentriert, werden hinzugefügt: die künstlerisch gestaltete ·Erzählung von den Emmausjüngern, die Erscheinung vor den Elf in Jerusalem, eine kleine Abschiedsrede und ein kurzer Bericht von einer Himmelfahrt Jesu ... -Das wiederum beträchtlich spätere Evangelium des Johannes enthält ... ebenfalls neue Elemente und Motive: das Gespräch mit tv1aria Magdalena, den Wettlauf Petri und des ungenannten Lieblingsjüngers, die Versammlung im Saal in Jerusalem mit der Geistmitteilung am Osterabend, die· Geschichte vom ungläubigen Thomas ... Hinzugefügt wurde später ... ein Nachtragskapitel mit der Erscheinung am See Gennezareth, einem wunderbaren Fischfang mit Mahl und einem Sonderauftrag an Petrus« (Christ sein, München 61975, S 351 f.). 14
Typisch für diese Ungereimtheiten ist das leere Grab, von dem /~ Paulus; der älteste christliche Schriftsteller, noch nichts weiß. Um dem Vorwurf des Betruges zu entgegnen, erzählt Mattäus von einer Grabeswache, die dem Markus unbekannt ist. Bei ihm treffen die Frauen einen Engel, der still im leeren Grabe sitzt. Bei Mattäus hingegen fährt der Engel vom Himmel herab, worauf die Wächter, die bei Markus fehlen, wie tot umfallen. Bei Markus kommen drei Frauen ans Grab, bei Mattäus nur zwei - die den Engel vor dem Grab treffen, während sie ihm bei Markus innerhalb der-Gruft begegnen. Auch wenn die Erzählung vom leeren Grab einen hist~rischen . Kern haben sollte, wurde dadurch für manche der Glaube an die Auferstehung eher erschwert. Denn ein Grab, das so leer ist, daß der Zweifel darin niste I) kann, mußte Anstoß zu üblen Mißdeutungen geben, wie z. B. Jüngerbetrug, Leichenraub, Verwechslung oder Scheintod, wie schon die Evangelisten zu berichten wissen :und unzählige Schriftsteller seither mit Ironie oder trockener Faktizität zu rekonstruieren versuchen. Der Hang zur »sekundären Ausgestaltung«, wie ihn J oachim Jer~mias nennt, läßt sich sogar quantitativ belegen: Während Paulus, der den Ereignissen am nächsten stand, nur vier Sätze benötigt (1 Kor 15,3-7), um seinem Auferstehungsglauben Ausdruck zu verleihen, braucht Markus, Jahrzehnte später, bereits acht. Mattäus, nach ihm, erweitert den Bericht auf zwanzig Verse, gefolgt von Lukas, der später mehr als das doppelte - 53 Verse - zu berichten weiß. Das vierte Evangelium, zwei Generationen nach Ostern redigiert, lange nachdem die letzten Augenzeugen entschlafen waren, widmet dem Thema zwei volle Kapitel von insgesamt 56 Versen, um zu beschreiben, was sein Autor nur vom Hörensagen wissen konnte. Je später der Bericht, um so mehr glaubt man erzählen zu müssen; je weiter der Abstand vom Erlebnis selbst, um so farbenprächtiger wird die Ausmalung. Zweifel und Unglaube gegenüber der Auferstehungsbotschaft sind schon so alt wie diese selbst. Unter den Aposteln gab es einige, die nicht an Jesu Auferstehung glauben konnten, wie Mattäus ausdrücklich, auch nach der Erscheinung des Nazare15
ners in Galiläa, bezeugt: »Etliche aber zweifelten« (Mt 28,17). Schon bei Markus (16,14) lesen wir: »Später offenbarte er sich den Elfen selbst, während sie zu Tische lagen, und schalt ihren Unglauben ... weil sie denen, die ihn als den Auferweckten gesehen, nicht geglaubt hatten.« Von der gesamten Apostelschar , die eben den Bericht der Frauen vom leeren Grab gehört hatte, sagt Lukas (24,11): »Und ihnen· kamen diese Worte vor wie leeres Gerede, und sie glaubten ihnen nicht.« Ja, sogar nachdem der Auferstandene sich ihnen gezeigt und seine leibliche Identität bezeugt hatte, heißt es.von den Jüngern, daß sie »noch nicht .glaubten« (Lk 24,41). Danach mußte der »ungläubige« Thomas außerdem noch persönlich überzeugt werden (Joh 20,24-29). Die Leugnung der Auferstehung scheint sich innerhalb des frühesten Heidenchristentums sogar.zu ei.ner Irrlehre herausgebildet zu haben, die genügend Anhänger finden Illußte, so daß Paulus ihrer Widerlegung ein ausführliches Kapitel im ersten Korintherbrief (15) zu widmen gezwungen war. »Wenn aber verkündigt wird, daß Christus von den Toten auferstanden ist, wie können dann einige von euch behaupten, es gebe keine Auferstehung von den Toten?« (1 Kor 15,12), hei~t es ·da unter anderem. Wenn all diesen Störfaktoren hinzugefügt wird, daß es in der Antike nicht weniger als ein rundes Dutzend von Naturgotth~i ten, Heroen, Philosophen und Herrschern gegeben hat, die· alle lange vor Jesus gelitten, gestorben und am dritten Tage wieder auferstanden sind, dann ist der Skeptizismus der meisten Nicht.christen nur allzu leicht zu verstehen. So z. B. berichtet J oachim Jeremias zur heidnischen Auferstehung »am dritten Tage«: »Osiris stirbt am 17. Athys; die Auffindung und Wiederbelebung seines Körpers erfolgt in der Nacht zum 19 ... Attis' Tod wird am 22. März gefeiert, sei,ne Wiederkehr zum Leben wahrscheinlich am 25. März ... Der Tag der Auferstehung des Adonis ist nicht sicher, aber der dritte Tag ist wahrscheinlich« (a. a. 0., S. 288.). Der babylonische Thamus, dessen Kult sich bis nach Jerusalem ausgebreitet hatte, der syrische Adonis, der phrygische Attis, der ägyptische Osiris, der thrakische Dionysos - um nur die wichtig16 .
sten zu nennen - all diese erduldeten Leid und Martern, einige starben am Kreuz. Der Tod etlicher Gottheiten besaß sogar Sühnekraft. Und in fast allen Fällen verknüpfte man ihre Auferstehung mit der Hoffnung auf menschliche Unsterblichkeit. Die Gefangennahme des Weltenheilands, sein Verhör, die Verurteilung, die Geißelung, die Hinrichtung zusammen mit Verbrechern, die Fahrt in die Hölle - ja, sogar das Herzblut des Sterbenden, das aus einer Speerwunde quillt, all diese Einzelheiten glaubten Millionen von Gläubigen .der Bel-MardukMysterienreligion,- deren- zentrale -Gotthei.t-als der vom -Vater - gesandte Erlöser, der Erwecker der Toten, der Herr und der gute Hirte genannt wurde. Herbert Braun, der auf die Auferstehung von Attis, Adonis, Isis und Osiris, Herakles, Pythagoras, Apollonius von Tyana, Alexander dem Großen und Kaiser Augustus hinweist, folgert daraus, daß »der Glaube an die Auferstehung ... eine altchristliche Ausdrucksform« sei, »und zwar eine umweltbedingte«, die »wir heute ... nicht als für uns verbindlich empfinden können« (Jesus. Der Mann aus Nazareth und seine Zeit, Stuttgart-Berlin 1969, S. 154).~ Wie dem auc~ sei, vielen Zeitgenossen der Frühkirche mußte es s~heinen, daß die J esusgeschichte im Grunde nichts anderes sei als noch eine Mythologie von einem Götter-Vater, der seinen Sohn sterben läßt und wieder zum Leben erweckt, um seine Gläu~igen zu erlösen. Und da diese Lawine von Einwänden keineswegs genügte, um den Glauben an die Auferstehung rationell zu Grabe zu tragen, versucht ein imposantes Kardinalargument, sie bis zum heutigen Tage zu entkräften - ein Argument, das der Rhetor Celsus s~hon im 2. Jahrhundert folgendermaßen formulierte: »Wenn Jesus tatsächlich über göttliche Wundermacht verfügte, warum erschien er dann nicht auch den Außenstehenden und Widersprechenden und zumal dem ganzen Volk?« Hermann Samuel Reimarus, dessen Schrift» Von dem Zwecke· Jesu und seiner Jünger« von Gotthold Ephraim Lessing im Jahre 1778 herausgegeben wurde, enthält eine lange Kette von »Widersprüchen«, die den Osterglauben der Jünger als raffinierten Betrug entlarven wollen. Dort heißt es u. a.: »... Wenn wir 17
auch keinen weiteren Anstoß bei der Auferstehung Jesu hätten, so wäre dieser einzige, daß er sich nicht öffentlich sehen lassen, allein genug, alle Glaubwürdigkeit davon über den Haufen zu werfen; weil es sich in Ewigkeit nicht mit dem Zwecke, warum Jesus soll in die Welt gekommen seyn, zusammen reimen läßt.« An plausiblen historischen Einwänden hat es nie gefehlt, die jener Auferstehung alle Wirklichkeit absprechen wollen. Was all diese rein »logischen« Gegenargumente jedoch beeinträchtigt, ist der Umstand, daß sie einengend »Wirklichkeit« ausschließlich als physisch greifbare oder rationell be greifbare Tatsächlichkeit verstehen wollen - ein Maßstab, der allem Menschenglauben spinnefeind ist - sowie ein Mangel an Einfühlsamkeit in den jüdischen Sitz im Leben jenes ursp~ünglichen Osterglaubens, dessen Augenzeugen und erste Bezeuger ja ausnahmslos Söhne und Töchter Israels waren. -;,
Auferstehung im Judentum
»Ist denn Christus zerteilt?« Diese provokative Frage des Paulus an die Korinther (1 Kor 1,13) scheint von vielen Theologen heutzutage bejaht zu werden. Denn sie vollziehen eine säuberliche Zweiteilung-des Nazareners' - in einen irdischen Jesus, der heilsgeschichtlich vernebensächlicht wird, 'und einen nachösterlichen Christus, der als ausschließliche Mitte aller Heilslehren gilt. Der historische Jesus, so heißt es, wurde zwar als Jude geboren, beschnitten und erzogen und lebte sein ganzes Erdenleben lang unter Juden, wo bei sein Wirken, Predigen und Lehren auf das leibliche Volk Israel beschränkt blie b. Ganz anders hingegen der nachösterliche Christus, der als himmlische Lichtgestalt, oder »verkleideter Gott«, wie Edward Schillebeeckx diese Konstruktion ironisch benennt, nicht das geringste mehr mit seinem gebürtigen Judentum noch mit unserer Erde zu tun habe. Mit den Worten Willi Marxsens: »Es geht nicht um die Sache J esu, sagt man, sondern es geht um den erhöhten Christus ... Jesus von Nazareth und der Christus sind in keiner Weise zu vergleichen. Soll es aber entscheidend auf Christus ankommen, dann steht J esus irgend wie unter einem Minuszeichen, und mit ihm natürlich auch seine Sache, also das, worum es ihm ging, worauf es ihm ankam« (Die Sache Jesu geht weiter, Gütersloh 1976, S. 14). Hier muß festgestellt werden, daß die ältesten Berichte im N euen Testament über die Auferstehung des Nazareners diese weitverbreitete Auffassung Lügen strafen. Sie betonen nämlich wiederholt nicht nur die greifbare Leiblichkeit des Auferstandenen, sondern auch seine nahtlose Identität mit demselben Jesus von Nazaret, dessen Leben und Streben seinem Volke Israel galt. Und schließlich erschien er nach seinem Kreuzestod ausnahmslos Juden, denn unter den zahlreichen Zeugen des Auferstan19
denen finden wir keinen einzigen Heiden. Das gilt sowohl für die drei Marien, die Apostelschar als auch die Emmaus-Jünger und »die mehr als 500 Brüder«, von denen Paulus später berichtet. So sagt Petrus zu seinen Volksgenossen am Tempelplatz in Jerusalem: »Und indem Gott seinen Knecht (Jesus) auferweckte, hat er ihn zuerst für euch gesandt, damit er euch segne« (Apg 3,26). Der Auferstandene kam also, um Israel zu segnen. Die unvermeidliche Schlußfolgerung, die sich aus diesem .Tatbestand aufdrängt, ist, daß das Osterereignis, wie immer man es auch verstehen will, vor allem und hauptsächlich einjüdisches Glaubenserlebnis war. Der Osterglaube kam zur Welt - gen au wie Jesus selbst -,inmitten des Volkes Israel und verbreitete sich von hier aus über die ganze Welt. Um ihm gerecht zu werden und um seine historischen Ursprünge sachgemäß ZR erörtern, bedarf es daher eines geistigen Zurücksteigens in die Zeit und Umwelt des Nazareners. Nur eine Vergegenwärtigung seines jüdischen Sitzes im Leben kann uns jene Auferstehung in J erusalem näherbringen, die zur Geburtsurkunde der Kirche geworden ist. Die Auferst~hung Jesu ist letziich nur aus jüdischen Quellen belegbar - oder widerlegbar -, da ja der Nazarener, sowohl zu Le bzeiten als auch nach Karfreitag, nur innerhalb seiner He.imat und seines Volkes Israel gewirkt hat. . Um jenem apostolischen Urglauben gerecht zu werden, der seit über anderthalb Jahrtausenden die Weltgeschichte geprägt hat, gilt es zwei Vorfragen zu klären: Wußte das Judentum um Einzelauferstehungen schon vor Jesu Zeiten? Und: Gehörte die Hoffnung auf die Auferstehung der Toten schon zum jüdischen Glaubensgut der Zeitenwende? Die hebräische Bibel kennt eine Entrückung (Henoch: Gen 5,24), eine Verklär~ng oder Transfiguration (Saul: 1 Sam 10,6) und eine Himmelfahrt (Elija: 2 Kön 2,11) sowie drei'Auferwekkungen oder Wiederbelebungen, die Gott durch Prophetenhand erwirkt hatte. Der erste Fall betrifft eine fromme Witwe zu Sarepta, der Gott zur Zeit der Hungersnot geboten hatte, den Propheten Elija zu ernähren, was sie trotz ihrer großen Armut zu tun bereit war. Als sie mit dem Propheten ihren letzten Vorrat teilte, vermehrte
Gott ihr Mehl und Öl, so daß sie, ihr Sohn und Elija während der Hungerszeit stets ausreichend zu essen hatten. Worauf die Bibel fortfährt: »Und nach diesen Ereignissen wurde der Sohn seiner Hauswirtin krank, und seine Krankheit wurde so schwer, daß kein Odem in ihm blieb. Und sie sprach zu Elija: Was habe ich mit d~r zu schaffen, du Mann Gottes? Du bist zu mir gekommen, daß meiner Sünde gedacht und mein Sohn getötet würde. Er sprach zu ihr: Gib mir deinen Sohn! Und er nahm ihn von ihrem Schoß -uäd gIng hinauf insODergemach, Wb er wohnte, und legte ihn auf sein Bett und rief den Herrn an und sprach: Herr, mein Gott, tust Du sogar der Witwe, bei der ich ein Gast bin, so Böses an, daß Du ihren Sohn tötest? Und er legte sich auf das Kind dreimal und rief den Herrn an und sprach: Herr, mein Gott, laß sein Leben in dies Kind zurückkehren! Und der Herr erhörte die Stimme Elijas, und das Leben kehrte in das Kind zurück, und es wurde wieder lebendig. Und Elija nahm das Kind und brachte es hinab vom Obergemach ins Haus und gab es seiner Mutter und sprach: Sieh da, dein Sohn lebt! Und die Frau sprach zu Elija: Nun erkenne ich, daß du ein Mann Gottes bist, und des Herrn Wort in deinem Munde ist Wahrheit« (1 Kön 17,17-24). Im zweiten Fall geht es um eine reiche Frau in der O~tschaft Sunem bei Megiddo, die den Propheten Elischa, den Nachfolger Elijas, in ihrem Hause aufnahm und ihm ein Obergemach - ein »Prophetenstübchen« - auf dem Dach ihres Hauses einrichten ließ. Als Dank für ihre Gastfreundschaft verhieß Elischa der Kinderlosen die Geburt eines Sohnes, der »übers Jahr« zur Welt kam. In der Folge lesen wir: »Als aber das Kind groß w\lrde, begab e~ sich, daß es hinaus zu seinem Vater zu den Schnittern ging und sprach zu seinem Vater: Oh, mein Kopf, mein Kopf! Er sprach zu einem Knecht: Bringe ihn zu seiner Mutter! Und der nahm ihn und brachte ihn hinein zu seiner Mutter, und sie setzte ihn auf ihren Schoß bis zum Mittag~ da starb er. Und sie ging hinauf und legte ihn auf das Bett des Mannes Gottes, schloß zu und ging hina~s ... Und als Elischa ins Haus kam, siehe, da lag der Knabe tot auf seinem Bett. Und er ging hinein und schloß die Tür hinter sich zu und 21
betete zu dem Herrn und stieg aufs Bett und legte sich auf das Kind und legte seinen Mund auf des Kindes Mund und seine Augen auf dessen Augen und seine Hände auf dessen Hände und breitete sich so über ihn; da wurde des Kindes Leib warm ... Da nieste der Knabe siebenmal! Danach tat der Knabe seine Augen auf. Und Elischa 'rief Gehasi und sprach: Ruf die Sunamiterin! Und als er sie rief, kam sie hinein zu ihm. Er sprach: Da, nimm hin deinen Sohn! Da kam sie und fiel nieder zu seinen Füßen und neigte sich zur Erde und nahm ihren Sohn und ging hinaus« (2 Kön 4,18-37). Die dritte Auferstehung bezieht sich auf einen unbekannten Mann, dessen Leiche im Grab mit den Gebeinen Elischas in Berührung kam, worauf der Prophet, sogar nach seinem Tode, einen Toten zum Leben zu erwecken vermochte: »Als aber Elischa gestorben war, begrub man ihn. Es pflegten' aber moabitische Streifscharen Jahr für Jahr ins Land einzufallen. Nun begab es sich, als man gerade einen Mann begraben wollte, daß man plötzlich eine Streifschar herankommen sah; da warf man den Mann in das Grab Elischas und ging weg. Sobald aber der Mann hineinkam und mit den Gebeinen Elischas in Be~ rührung kam, wurde er wieder lebendig und stellte sich aufrecht auf s'eine Füße« (2 Kön 13,20-21). In allen drei Erweckungen handelt es sich um leibliche Auferstehungen, über die mit bedeutsamer Nüchternheit berichtet wird, wobei kein einziger Fall auf Unglauben in Israel gestoßen zu sein noch zu irgendwelchen übernatürlichen Folgen im Weiterleben der Auferstandenen geführt zu haben scheint. Ähnliches gilt für das nach-biblisch-rabbinische Schrifttum, das sowohl über etliche Wunderheilungen (Chanina, Dossas Sohn; Eleasar; Rabbi usw.), die Teilung der Fluten eines Flusses (Rabbi) Pinchas Jairs Sohn), den Sieg eines Gerechten über Dämonen (Chanina, Dossas Sohn), eine wunderbare Brotvermehrung (die FrauChaninas), die Erwirkung von Regen durch Gebet (Choni, der Kreiszieher), zwei Stillungen stürmischer Meereswogen (Rabban Gamliel und Rabbi Tanchuma) und eine Anzahl von Wiederbelebungen berichtet, deren Tragweite oder Heilsbedeutung jedoch mit Absicht - so mutet es an - eingeschränkt wird. 22
So heißt es zum Beispiel in einem Midrasch zu Levitikus: »Antoninus der Kaiser ... kam zu Rabbi; er traf ihn, wie er dasaß und seine Schüler vor ihm. Antoninus sprach zu ihm: Sind das die, von denen du so rühmend sprichst: Er antwortete: Ja ... Der Kleinste unter ihnen kann Tote erwecken. Nach einigen Tagen wurde ein Diener des Antoninus zum Tode krank. Er ließ Rabbi sagen: Sende mir einen von deinen Schülern, daß er mir diesen Toten wieder le bendig mache! Er sandte ihm einen von seinen Schülern ... Dieser ging hin und f~nd den Diener hingestreckt. - Er sprach zu ihm: Was liegst du da hingestreckt, während dein Herr auf seinen Füßen steht? Sofort bewegte er sich und stand auf« (Lev R 10 [111 d]). Der Talmud berichtet (Meg 7b), daß zwei Rabbinen, Rabba und Rabbi Sera, sich einst zu Ehren des Purim-Freudenfestes so sehr berauschten, daß Rabba seinen Lehrkollegen unversehens tötete. So bald er am nächsten Morgen nüchtern wurde, flehte er inbrünStlgum Gottes Vergebung, worauf Rabbi Sera wieder zum Leben erwachte. Als er übers Jahr Rabbi Sera wieder zur Purimfeier einlud, lehnte dieser mit den Worten ab: »Nicht zu jeder Stunde geschieht ein Wunder!« Was die allgemeine Auferstehung der Toten betrifft, finden wir etliche Anspielungen und Hinweise in der hebräischen Bibel, wie z. B. im Buche .Ijob, wo jener Glaubensheld seinen falschen Freunden zuruft: »Ich weiß, daß mein Erläser lebt, und als der letzte wird Er auf der Erde stehen; und ist meirie Haut noch so zerschlagen, so werde ich aus meinem Fleische Gott sehen. Ich selbst werde Ihn sehen, meine Augen werden Ihn schauen und kein anderer« (Ijob 19,25-27). In ähnlicher Weise, mit einem sprachlich deutlicheren Hinweis appelliert der Prophet Hosea an sein Volk: »Kommt und laßt uns umkehren zum Ewigen! Denn Er hat uns zerrissen, Er wird uns auch heilen ... Er wird uns genesen lassen nach zwei Tagen, am dritten Tage wird er uns aufstehen heißen, und wir werden leben vor Seinem Angesicht« (Hos 6,1-2). . Ezechiel durfte in einer einzigartigen Vision die nationale, geistige und leibliche Auferstehung von ganz Israel schauen: »Hierauf sagte Er (Gott) zu mir: Menschensohn, diese Gebeine hier 23
sind das ganze Haus Israel ... So hat Gott der Herr gesprochen: Wisset wohl: Ich will eure Gräber öffnen und euch, Mein Volk, aus euren Gräbern hervorgehen lassen und euch in das Land Israel zurückbringen; dann werdet ihr erkennen, daß Ich der Herr bin, wenn Ich eure Gräber öffne und euch, Mein Volk, aus euren Gräbern hervorgehen lasse. Ich will also Meinen Geist in euch kommen lassen, daß ihr lebendig werdet« (Ez 37,11-14). Daniel erhielt eine Verheißung seiner eigenen Auferstehung: »Du aber (Daniel) g~he hin, der Endzeit entgegen! Du darfst nun ruhen und wirst zu deinem Erbteil auferstehen am Ende der Tage« (Dan 12,13) und kündet uns auch das endzeitliche Kommen des Jüngsten Gerichtes, in dem die Gerechten zum ewigen Leben, die Ungerechten hingegen zur Verdammnis auferstehen werden: »Und viele aber, die unter der Erde schlafen, werden aufwachen - die einen zum,ewigen Leben, die anderen zu ewiger Schmach und Schande« (Dan 12,2). Die Frage, was vom Menschen nach seinem Tode bleibe, ist ein Rätsel, das Juden seit eh und je beschäftigt hat. Die Hoffnung über den Tod hinaus taucht ansatzweise schon im Babylonischen Exil auf, aber gewinnt erst seit Makkabäerzeiten an_ Raum. Es war eine Zeit beispielloser Verfolgungen und religiösnationaler Unterdrückung durch die syris~h-griechis~he Heidenwelt, die zum Generalangriff auf das Judentum übergegangen war - und es bedurfte einer beispiellosen Erlösung oder einer Zuflucht, die nur der Glaube zu erstellen vermochte. . Während früher Patriarchen, Priester und Propheten im Stande waren, jedes Unglück als eine Strafe Gottes für Missetaten Israels zu erklären, waren es jetzt vor allem die Frommen, die die Gotteslehre in Ehren hielten, die zu leiden hatten während es den Assimilanten, Hellenisten und Apostaten, die den -Heidenkulten frönten, gut erging. »Warum geht es doch den Gottlosen so gut, und die Abtrünnigen haben alles in Fülle?« Diese tiefschürfende Frage Jeremias (12,1) war um 168 v. Chr., als Kaiser Antiochus eine Sau im Allerheiligsten opfern und im Tempel einen Altar für Zeus errichten ließ, auf aller Lippen :- quch im Gedankengang des Psalmisten, der noch weiter ging: 24
»Ich ereiferte mich über die Ruhmredigen, als ich sah, daß es den Gottlosen so gut' ging. Denn für sie gibt es keine Qualen, gesund und feist ist ihr Leib ... Darum prangen sie in Hoffart und hüllen sich in Frevel ... Siehe, das sind die Gottlosen, die sind glücklich in der Welt und werden reich. '.' Sollte es denn umsonst sein, daß ich mein Herz rein hielt und meine Hände in Unschuld wasche? Ich bin doch täglich geplagt, und meine Züchtigung ist alle Morgen da ... « (Ps 73,3-14). -
Da es sich diesmal nicht um eine allgemeine Züchtigung des Volkes handelte, wie sie früher von den Frommen als »Läuterung« verstanden werden konnte, noch die Heidenherrscher, wie zu Kyros' Zeiten, als Werkzeug des Zornes Gottes erachtet~er den konnten, weil ihre selektiven Verfolgungen hauptsächlich den Gerechten und Recht Schaffenden in Israel galten, wurde es zum festen Glaubensgut jener gepeinigten Generation, daß das Heil und Wohl der Gert"chten und die Verdammung der Frevler im bald kornm.enden KönigreichGottes: die Gerechtigkeit auf 1;:rden wieder herstel~en würde. Das apokalyptische Schrifttum jener Schmerzensjahre ist so gut wie ausschließlich der Art und Zeit gewidmet, in denen diese heiß-ersehnte Erfüllung zu erwarten sei~ Da es die Gerechtigkeit Gottes jedoch zwangsläufig erforderte, daß diese Rechtfertigung insbesondere jenen Frommen zugute kommen mußte, die ihr Leben für den Glauben dahingegeben hatten, mußten alle, »die unter der Erde schlafen«, vor dem künftigen Gericht erscheinen, das ihr Schicksal, eines jeden nach seinen irdischen Taten, für alle Ewigkeit entscheiden würde. Wesentlich für dieses theologische Weiterdenken sind ur-biblische Grundgedanken, wie die Allmacht Gottes über Leben und Tod, die Zuversicht auf Gottes Gerechtigkeit, die, wenn auch verborgen und menschlich unfaßbar, früher oder später für alle offenbar werden mußte - und die Hoffnung auf die Endzeit, in der das Gottesreich alle prophetischen Verheißungen in Erfüllung gehen lassen werde. Daß in solch einer krönenden Verwirklichung die Rückkehr aller Martyrer und die Wiederherstellung des gesamten Bundesvolkes einbeschlossen sein mußten, war für
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gläubige-denkende Juden seit eh und je eine Selbstverständlichkeit. Die historische Tatsache, daß die Wiederauferstehung von den Toten erst relativ spät zu einer Lehre des Judentums erhärtet wurde, erklärt auch ihre Vernunftmäßigkeit. Ungleich den Mysterienkulten Ägyptens, Griechenlands und Vorderasiens, die auch an eine Auferstehung glaubten, ist sie frei von Zauberei,. Mystik, :Mirakulismus und langwierigen Begräbnisriten, die häufig in Totenverehrung entarteten. Wenn Gott allgerecht und all barmherzig ist, kann der Tod in dieser Welt kein Schlußpunkt sein. Diese Folgerung wurde zur schlichten, unumstößlichen Theo-Iogik für die meisten in Israel. Von mehr als historischer Bedeutsamkeit ist wohl die Tatsache, daß die kleine Schar der Makkabäer, die zum ersten Mal in der Geschichte des biblischen Glaubens fest und unerschütterlich an die Auferstehung von den Toten glaubten, es fertigbrachten, eine gewaltige Übermacht von Feinden zu besiegen und nach mehr als vierhundertjähriger Unterjochung wi,eder ein unabhängiges Israel zu errichten. So erwies sich die Macht des Glaubens an ein Jenseits als unüberbietbarer Antrieb zur bibelgetreuen Verbesserung des Diesseits. "Ganz Israel hat Anteil an der künftigen Welt" (Sanh XI,l und Abot 1,1) ist eine der ersten verbindlichen Aussagen der frührabbinischen Mischnah, und da die griechische Trennung von Leib und Seele dem jüdischen Denken fern lag, und die Auferweckung durch Gott meistens als eine Rückkehr auf die von Sünde und Unheil gereinigte Erde betrachtet wurde, war die Leiblichkeit der Auferstehung, auch vom Ort des ewigen Lebens her, für die meisten Lehrer schon im vorchristlichen Judent,um kein unlösbares Problem. Das wurde sie auch nicht, als manche jüdische Kreise dazu neigten, die Welt als unheilbar schlecht zu erachten und daher auf einen neuen Himmel und eine neue Erde hofften beziehungsweise das Auferstehungsleben in ein Paradies oder in den Himmel verlegten, dajegliches Leben im allgemeinen ja leiblichräumlich vorgestellt wurde.
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In einer anderen Entwicklungslinie, die mehr vom göttlichen . Vergeltungsgedanken bestimmt war, kam es zur 'Vorstellung einer allgemeinen Auferstehung. »Die Gerechten aller Weltvölker haben Anteil an der künftigen Welt«, heißt es (Sanh X,2), was im Hochmittelalter ausdrücklich auf alle gläubigen Christen und Moslems angewandt wurde. Eine Kombination beider Vorstellungen begegnet in der Lehre von den zwei Auferstehungen - einer aller Israeliten' für das _~esß~an~sche R.~ich~ nach dessen Vollendung alle Menschen. zum Gericht auferstehen würden. So konnte Rabbi Joseph Jaawetz, ein Opfer der Judenvertreibung aus Spanien, um 1495 schreiben: »Die Christen glauben wie wir an die Weltschöpfung, andie Erzväter, an die Offenbarung, Vergeltung und an die Auferstehung der Toten. Gesegnet sei der Herr, der Gott Israels, der uns diesen Rest überließ ... Denn gäbe es nicht diese christlichen Nationen, so hätte unser Glaube, Gott behüte, ins Wanken kommen können.« Die Fülle der versphiedenen Auferstehungsvorstellungen zu jenen Zeiten - aller Menschen, oder nur der Gerechten; auf Erden oder im Himmel; vor-messianisch oder end zeitlich usw. stemmt sich .gegen jedwede Systematisierung. Allen Schulen gemeinsam ist, daß Auferstehung die durch Gott erwirkte Wiederbelebung der Toten ist; wobei das Wann, das Wer und das Wo offenbleibt. Im Glaubenspluralismus des Judentums war und ist - eben das Spektrum der verschiedenen Messiaserwartungen nicht weniger breit als die Skala der erhofften Wiedererweckungen. Ähnliches gilt für die Exegetendemokratie der Rabbinen, deren axiomatischer Grundsatz es war, daß »jedem Bibelwort siebzig verschiedene Auslegungsmöglichkeiten innewohnen«. So glaubten schon zu An.6ng des 1. J ahrh~nderts die beiden pharisäischen Großschul~n HilleIs und Schammais an die leibliche Auferstehung (Gen R. XIV und Lev R. XIV), wobei sie die verschiedensten Schrifthinweise in diesem Sinne auszulegen wußten. Um nur drei Beispiele zu nennen: »Unsere Meister lehrten: >Ich bin's, der tötet und belebt'.( (Dtn
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32,39). Man könnte meinen, daß an einem die Tötung und an einem anderen die Belebung geschehe, wie es in der Welt gang und gäbe ist, so besagt doch der Text: >Ich verwunde, und Ich bin's, der heilt< (Dtn 32,39). Wie Verwundung und Heilung an ein und demselben, so geschieht auch Tötung und Belebung an ein und demselben. Hieraus ergibt sich eine Antwort für diejenigen, die sagen: Die Belebung der Toten läßt sich nicht aus der Torah belegen« (Sanh 91 b). Einige Zeilen weiter hören wir von einem anderen Beleg: »Rabbi Jehoschua, Levis Sohn, sagte: Woher läßt sich die Belebung der Toten aus der Torah belegen? Es heißt nämlich: >W ohl den~n, die in Deinem Hause weilen, sie werden Dich noch loben, Selah< (Ps 84,5). Es heißt nicht: Sie lobten Dich, sondern: Sie werden Dich loben. Die Belebung der Toten läßt sich von hier aus der Torah belegen« (Sanh 9Ib). Das Schulhaupt der Pharisäer erbrachte auc~. ei;ne.n Beweis aus der Vernunft: »Der Kaiser sagte zu Rabban Gamliel: Ihr sagt, daß die Entschlafenen lebendig werden. Aber sie werden doch zu Staub; und kann denn St~ub lebendig werden? Seine Tochter sagte zu ihm: Laß ihn, so will ich ihm entgegnen: Zwei Töpfer gibt es in unserer Stadt. Einer töpfert aus Wasser und ~iner ' töpfert aus Lehm. Welcher von beiden ist rühmenswerter? Der Kaiser sagte zu ihr: Der aus Wasser töpfert. Sie sagte zu ihm: Wenn er schon aus Wasser bildet, sollte er·es nicht erst recht aus Lehm können?« (Wenn Gott Menschen aus dem Samentropfen, der dem Wass.er gleicht, erschaffen kann, um wieviel mehr aus dem Staub der Toten.) (Sanh 90b /91 a). .So hoch wurde der Auferstehungsglaube geschätzt, daß seine Leugner als heil-los erachtet wurden: »Aber diese haben keinen Anteil an der künftigen Welt: Derjenige, der sagt, daß die Wiederaufstehung der Toten nicht in der Torah gelehrt werde; derjenige, der sagt, daß die Torah nicht vom Himmel gekommen sei, und ein Religionsverächter« (Sanh XI,I). Obgleich spätere Schriften verschiedene Ansichten darüber en~ halten, welche Verfehlungen den Menschen die Hoffnung aufs Jenseits nehmen, ist die einzige Stelle, die kanonischen Status
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besitzt, dieser anonyme Passus in der Mischnah. Er allein ist zum Gegenstand religionsgesetzlicher Diskussion geworden und hat zu Verfahren wegen Ketzerei, zur Ächtung und dem Ausspruch des Bannfluches geführt. Von den drei Gruppen, denen die ewige Seligkeit abgesprochen wird, bezieht sich die letzte auf Atheisten, die zweite auf Sektierer ünd die e~ste - und wichtigste - hauptsächlich' auf die Sadduzäer. Diese konservative Priesterelite, deren Einfluß fast ausschließlich auf Jerusalem beschränkt blieb,. war theozen- _ trisch in ihrer Lehre; aristokratisch in ihrer Weltauffassung und pedantisch literalistisch in ihrem Schriftverständnis: Was über den buchstäblichen Wortsinn der Bibel hinausging, galtihnenals schriftwidrig. Und da die Auferstehung der Toten nirgends in der hebräischen Bibel ausdrücklich erwähnt wird, wurde sie von ihnen abgelehnt. Was die vorherrschenden Kreise der Pharisäer darüber dachten, lernen wir aus der sadduzäischen Streitfrage, welchem Manne eine Frau, dieaufErdenmit sieben Brüdern nacheinariderin Leviratsehe verheiratet ,war, nun im Himmel angehören würde*, worauf J esus mit betonter Schroffheit antwortet: »Seid ihr nicht .deshalb im Irrtum, weil ihr weder die Schrift versteht noch die Macht Gottes? Denn wenn die Men~chen von den Toten auferstehen, nehmen sie nicht mehr zur Ehe, noch werden sie zur Ehe genommen, sondern sie sind wie die Engel im Himmel« (Mk 12,24f.). In der Folge verbindet Jesus, nach landläufiger Pharisäerpraxis, zwei verschiedene Schriftstellen, um aus ihnen die bibelgetreue, wenn auch ungeschriebene Schlußfolgerung zu ziehen: »Was aber die Toten angeht, daß sie auferweckt werden, habt ihr nicht im Buch Mose, in der Geschichte vom Dornbusch, gele-
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Die Frage will natürlich den Auferstehungsglauben ins Lächerliche ziehen und ist typisch für Sadduzäer-Spott, wie wir ihn auch aus ähnlichen antipharisäischen Streitgesprächen im Talmud kennen. So zum Beispiel (p lebamot 4,6 b) wird ein Fall geschildert, wo angeblich einer von dreizehn Brüdern auf dem Wege derselben Leviratsehe die zwölf Witwen all seiner verstorbenen Brüder geehelicht hat.
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sen, wie Gott zu ihm sprach: >Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs Er ist kein Gott von Toten, sondern von Lebendigen. Ihr seid sehr im Irrtum« (Mk 12,26f.). Es handelt sich hier um die oft wiederholte Stelle in Ex 3,6, die J esus in Zusammenhang bringt mit J er 10,10, wo es heißt: "Der Herr ist der Wahrhaftige Gott, der Ewige König, der Lebendige Gott«, - wobei die letzten drei Worte auch als »Gott der Lebendigen« umgedeutet werden können. Diese etwas frei anmutende Deutung untermauert auch die uralte Überlieferung, der gemäß die Erzväter, in den Worten des Paulus, »den Tod nie geschmeckt hatten«, sondern von Gott aus diesem Leben ins ewige Leben geholt worden seien. In seiner Widerlegung der überwärtlichen Sadduzäerlehre übertrumpfte Ra b ban Gamliel um das Jahr 90 den Nazarener, indem er drei »Schriftbeweise« für die Auferstehung zu kombinieren wußte: »Die Sadduzäer fragten den Rab ban Gamliel: Woher läßt sich beweisen, daß Gott die Toten wieder beleben wird? Er antwortete: Aus der Torah, aus den Propheten und aus den Hagiographen. Aus der Torah: Gott sprach zu Mose: >Siehe, du legst dich nun zu deinen Vätern und wirst aufe.rstehen< (Dtn 31,16, nach pharisäischer Lesart !). Aus den Propheten: >Leben werden deine Toten, deine Leichen werden auferstehen< (Jes 26,19, nach pharisäischer Lesart). Aus den Hagiographen: >Deine Gaumen wie der beste Wein, der meinem Lieben glatt eingeht und die Lippen der Schlafenden (oder: Entschlafenen) murmeln läßt (Hld 7,10)< « (Sanh 90 b). Wie steht es nun um den Zusammenhang zwischen den beglaubigten Einzelauferstehungen in der Bibel und der erhofften Auferweckung aller Toten? Gerade auf die ersteren stützt sich die rabbinische Beweisführung häufig, um die letztere zu erhärten. Die Lie besgnade, die Gott Einzelnen erwies, verbürgt, sozusagen, die allgemeine Hoffnung auf ein Weiterleben nach dem Tode. So heißt es z. B. in einem Midrasch zu Koh 3,15: »Gott sagt: Ich habe gesagt, daß Ich die Toten in der Zukunft wiederbeleben werde, und. die Menschen fragen verwundert: 30
Sollte Er sie wohl wieder beleben können? Gott antwortet ihnen (den Sadduzäern!): Was wundert ihr euch darüber, daß Ich die Toten wiederbeleben will? Habe ich nicht längst schon Tote in dieser Welt wiederbelebt durch Elija und Elischa und Ezechiel? Was sein wird, war schon längst in dieser Welt.« So tief war dieser Glaube im Pharisäertum verwurzelt, daß Paulus unschwer Pharisäer gegen Sadd uzäer ausspielen konnte, als er sich in J erusalem vor dem Hohen Rat zu verteidigen hatte: . - »Da Paulus 'wußte, daß der -eine Teil Sadduzäer, der andere Pharisäer war, rief er in die Versammlung hinein: >Brüder, ich bin ein Pharisäer und aus einer Pharisäerfamilie. Wegen der Hoffnung und der Auferstehung der Toten stehe ich vor Gericht. < Bei diesen Worten brach zwischen den Pharisäern und . Sadduzäern ein Streit aus; die Versammlung spaltete sich. Die Sadduzäer leugnen nämlich die Auferstehung sowie das Dasein von Engeln und Geistern, die Pharisäer dagegen nehmen beides an« (Apg 23,6-8). Ein und derselbe ,Glaube an die ·Auferstehung erfüllte hier zwei Funktionen: Er war die Vorbedingung für das Damaskuserlebnis des Paulus - und er brachte einige der Pharisäer dazu, diese Vision des Heidenapostels als ~ottgewollt anzuerkennen: »Einige Schriftgelehrte von der Partei der Pharisäer erhoben sich und mischten sich in den Streit mit den Worten: >Wir finden an diesem Mann nichts Böses. Wie, wenn ein Geist oder ein Engel mit ihm geredet hätte?< « (Apg 23,9). Wie dem auch sei, Jesus (und seine.n Mitpharisäern) gelang es, »den Sadduzäern den Mund zu stopfen« (Mt 22,34), denn die Erwartung der Auferstehung wurde schon vor 2000 Jahren zur Gemeinüberzeugung und ~eifte alsbald zur Heilsgewißheit aller gläubigen Juden heran. So heißt es in den Dreizehn Glaubenswahrheiten des Maimonides, die zur ständigen Liturgie der Synagoge gehören: »Ich glaube mit voller Überzeugung, daß eine Auferstehung der Toten zu der Zeit stattfinden wird, die dem Schöpfer wohlgefallen wird.« Dreimal am Tag betet jeder fromme Jude im Achtzehngebet: 31
»Du bist mächtig in Ewigkeit, Herr, der die Toten lebendig macht und Treue hält denen, die im Staub schlafen ... Der tötet und lebendig macht und das Heil ersprießen läßt. Getreu bist . Du,. die Toten wieder zu beleben. Gepriesen seist Du, der die Toten lebendig macht.« Im Morgengebet des Sabbat heißt es: »Er, der die Schlafenden erweckt und die Entschlafenen aufwachen läßt, den Stummen die Sprache gibt, Gefangene befreit und Strauchelnde stützt ... Dir allein sprechen wir Dank.« Im alltäglichen Tischgebet bitten wir Gott, »Er möge uns der Zeiten des Messias und des Lebens der künftigen Welt würdigen«. Diese gleichsam weltanschauliche Gewißheit einer künftigen Auferstehung aller und einer möglichen vorherigen Auferstehung Einzelner, von Gott begnadeter Menschen, war die Vorbedingung für den Osterglauben der Jünger, deren Glaubenswelt, wie die ihres Meisters, weitgehend pharisäisch geprägt war. Wären sie nämlich Sadduzäer gewesen, so hätte Karfreitag:für sie das Verlöschen all ihrer Hoffnung und den endgültigen Untergang der Sache J esu bedeutet. Wären sie - um noch kühner zu spekulieren - Buddhisten gewesen, so hätten sie die Auferstehung als eine Strafe Gottes empfunden, da i~r Endheil ja im Nichtsein des Nirwanas zu suchen wäre. Als Gnostiker hin- . gegen hätten sie Karfreitag als Jesu Erlösung vom lästigen Leib, dem Gefängnis seiner Seele, begrüßt und hätten den leiblich Auferstandenen höchstwahrscheinlich verflucht (1 Kor 12,3). ~/ Nur als pharisäisch geschulte Juden war ihre felsenfeste Auferstehungsüberzeugung der erste Schritt hin zum späteren Osterglauben; die unverzichtbare Grundlage ihrer gemeinsamen Zuversicht, daß dieses Erdenleben, allen Qualen und Enttäuschungen zum Trotz, nicht zur Sinnlosigkeit bestimmt war; daß also ihr geliebter Meister auch im Tode nicht vom Gott Israels verlassen worden sei.
Pascha - Sinai - Golgota
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Was wissen wir vom irdischen Jesus von Nazaret? Die Kenntnisse der Wissenschaft lassen sic~ ~n wenigen Zeilen zusammen-- fassen. Mit deri Worten von Fritz Leist: »Zwischen den Jahren 9 v. Chr. und 4 n. Chr. wurde einem Tischler in N azareth ein Sohn geboren, der mit seiner Bußpredigt und Heilsbötschaft schon in jungen Jahren die öffentliche Aufmerksamkeit in Galiläa auf sich zog. Binnen kurzer Zeit gewann er Jünger, die ihm folgten, und einen wachsenden Kreis von Anhängern, von denen viele hofften, er sei der heiß-ersehnte Messias Israels .. Um das Jahr 29 oder 30 begab er sich von Galiäa nach Jerusalern, wo er von den ~ömern, wahrscheinlich mit Hilfe führender Sadduzäer, die die Radikalität seiner Botschaft als gefährlich erachteten, als politischer Umstürzler gekreuzigt wurde.« Einen anderen möglichen Ablauf de~ historischen Jesusdramas versucht Albert Schweitzer in seiner konsequenten Es.chatologie »zu rekonstruieren«. Die hauptsächlichen Meilensteine in der irdischen Karriere des Nazareners sind mit den Worten dieses Historiographen der Leben-Jesu-Forschung: »Am Anfang ... bei der Aussendung sagt Jesus den Jüngern in kargen Worten, daß er sie in diesem Äon nicht mehr zurückerwartet (Mt -10,23). Die Parusie des .Menschensohnes, die mit dem Einbruch des Reiches logisch und zeitlich identisch ist, wird stattfinden, ehe sie mit ihrer Verkündigung die Städte Israels durcheilt haben ... Ebenso klar ist aber ... , daß diese Weissagung nicht in Erfüllung ging ... die Erscheinung des Menschensohnes fand nicht statt. .. Man beachte, daß die NichtErfüllung von Mt 10,23 die erste Parusie-Verzögerung bedeutet ... « Kurz darauf heißt es nach Jesu Leidensankündigung: »Wederdie 33
Leiden noch die Geistesausgießung, noch die Parusie des Menschensohnes traten ein ... beim Verlassen des' galiläischen Bodens gibt er die Hoffnung, daß die (vormessianische) Drangsal ... sich von sich aus einstellen werde, endg~ltig auf ... die Bußbewegung hat nicht ausgereicht ... Als erden Feuerbrand, der die Drangsal zum Auflodern bringen sollte, in die Welt schleuderte, erlosch er ... seine Parusie sollte ja erst am Ende der von ihm mitzuerlebenden messianischen Drangsal stattfinden. Das Leiden, Sterben und Auferstehen im Leidensgeheimnis Jesu zu Cäsaräa ist also an sich nicht überraschend. Fraglich bleibt nur, wie J esus sich die Aufeinanderfolge von Sterben, Auferstehen und Kommen als Menschensohn denkt. An sich wäre es möglich, daß er sich die drei Geschehnisse in einem Akt verlaufend vorstellte, etwa in der Art, daß im Sterben ... der überirdische Lauf der Ereignisse einsetzte und er in seiner Herrlichkeit als Menschensohn offenbart würde. Für diese Annahme spräche der Verzweiflungsruf am Kreuz (Mk 15,34). Die Gött~ liche Intervention, die der Herr für den Augenblick der höchsten Not erwartet hatte, blieb aus« (Geschichte der Leben-Jesu-For- . schung, Hamburg 1966, S: 416 ff.). Auch dies könnte den panischen Schrecken der Jünger erklären, den sowohl Markus als auch Mattäus als eine Hals-über-KopfFlucht schildern - ·wobei entweder der Kreuzestod ihres Meisters ihnen das eindeutige Gefühl des Scheiterns vermittelte oder aber die Tatsache, daß es auf Golgota nicht zur Verwandlung. Jesu in den messianischen Menschensohn gekommen war, wie sie aus seinen Leidensvoraussagungen höchstwahrscheinlich erwartet hatten. Es mag also sein, daß der Grund ihrer Flucht nicht das Ereignis seines Todes war, sondern das, was auf Golgota nach seinem Tode nicht geschah. Wie dem auch sei, in beiden Fällen hätte es sich um einen Propheten gehandelt, dessen Weissagungen sich wiederholt nicht erfüllt hatten; um eine Bußbewegung, die ihr Ziel nicht erreichen konnte; und eine Glaubensgemeinschaft, deren Gründer eines tragischen Todes sterben mußte - wie es schon so oft vor Jesus und auch n'ach Jesus in der Geschichte Israels geschah. 34
wie kam es aber dann, aller Plausibilität zum Trotz, dazu, daß seine Anhänger sich "nicht endgültig zerstreuten, nicht in Vergessenheit gerieten und die Sache] esu nicht am Kreuze ihr unrühmliches Ende fand? Wie konnte ein dreimal Enttäuschter, ein dreimal enttäuschender Heilsverkünder zum Ausgangspunkt der größten und einflußreichsten Weltreligion werden? Wie war es möglich, daß seine Jünger, die keineswegs durch __ Jntelligenz,B~redsaIIlkeit Ocl~r Glaubensstärke hervorragten, erst nach dem zerschmetternden fiasko zu Golgota ihren siegreichen Bekehrungszug antreten konnten" - ein Zug, der all ihre vorösterlichen Erfolge völlig in den Schatten stellte? Die Antwort der Apostel war kurz und eindeutig: die Auferstehung] esu von den Toten." Mit anderen Worten: Wie kam es trotzdem dazu, daß die Anhänger Jesu diese schrecklichste aller Enttäuschungen über- . winden konnten, daß ] esus, dessen Voraussagen sich nicht erfüllt hatten, dessen heißersehnte Parusie nicht stattfand, dennoch zum Heiland oer Kirche werden konnte? Kurze Zeit nach jenem Paschafest - auf jeden Fall zu Pfingstenwurden Petrus und die Seinen »vom Heiligen Geist erfüllt«, wie es in der Apostelgeschichte heißt - was sicherlich bedeutet, daß sie die Sache Jesu in einer neuen, Art und Weise zu verstehen lernten, die sie einmütig mit dem Worte AUFERSTEHUNG beschrieben. Warum sie gerade diesen Audruck wählten, um ihrem Ostererlebnis Ausdruck zu verleihen, kann ich mir aus ihrem jüdischen Sitz im Leben jener Tage vorstellen. Ein Wissen darf ich hier natürlich nicht beanspruchen, wohl aber eine Intuition, die auf einer gewissen Vertrautheit mit ~er Umwelt Jesu beruht. Zuerst muß betont werden, daß die allgemeine Stimmung in' ganz Israel während des Paschafestes von Erlösungsdurst und unmittelbarer Heilserwartung durchtränkt sind. Was sind die Grundzüge des jüdischen Paschafestes? Sein Leitmotiv ist die Erinnerung an die Rettertat Gottes beim Auszug aus der Knechtschaft. Diese Heilstat, die den Ausgangspunkt " zum Sinaierlebnis und zur späteren Landnahme Kanaans dar-
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stellt, soll nicht nur im Volksgedächtnis verewigt werden, sondern - in vqller Vergegenwärtigung - von Generation zu Generation weiterleben. Der wichtigste Torah-Text, der das Paschafest behandelt, gehört zum sogenannten Bundesbuch, eine der ältesten Schichten jüdischer Gesetzgebung. Er nimmt klar Stellung zugunsten der geschichtlichen Interpretation des Festes und gebietet den Doppelritus der Mazzot und des Lammopfers: »Achte genau auf den Monat Abib und feiere das Pascha für den Herrn, deinen Gott; denn im Monat Abib hat dein Gott dich in der Nacht aus Ägypten herausgeführt. Du sollst das Pascha für deinen Gott schlachten ... an der Stätte, die der Herr erwählen wird ... Du darfst dazu nichts Gesäuertes essen. Sieben Tage lang sollst du dazu "ungesäuerte Brote als Brot der Bedrängnis essen, denn in hastiger Eile bist du aus dem Lande Ägypten ausgezogen - damit du eingedenk bleibst deines Auszuges aus dem Lande Ägypten, solange Du lebst« (Dtn 16,1-7). Die Mazza - das Brot der.Bedrängnis, aber auch der Freiheit ist geschmacklos und hart. Hart soll es .auch sein - im Kontrast zu den üppigen Fleischtöpfen Ägyptens, denn der Weg in die Unabhängigkeit führte Israel durch 40 Jahre Wüste, Hunger und Kampf. Das Lammopfer, der zentrale und anscheinend älteste Ritus des Paschafestes, existiert seit dem Fall des zweiten Tempels nicht mehr, da die Lämmer im Tempelhof geschlachtet wurden, um dann von vielen Tausenden von Pilgern am Abend im Familienkreis verzehrt zu werden. Bis heute ist es symbolisch durch einen Lammknochen am Sedertisch vertreten, da dieses Opfer ja schon seit Bibelzeiten als Zeichen des Ewigen Bundes verstanden wurde. Die Haggadah erinnert uns dabei sowohl an den Bund Abrahams »zwischen den Opferstücken« (Gen 15,10) als ~uch an den wiederbestätigten Bund mit allen drei Erzvätern: »Gott"' erhörte unser Jammern (in Ägypten) - und Er gedachte Seines Bundes mit Abraham, Isaak und Jakob.« Und Rabbi Matteya Ben Cheres kommentiert hierzu: »Das Blut des Paschas und das Blut der Beschneidung sind beide Blut des 36
Bundes, um dessentwillen die Erlösung aus Ägypten gewährt wurde« - wobei die enge Verknüpfung von Blutzoll und Erwählung erneut betont wird. »Du bist es, der aus Ägypten ausgezogen ist!« Dieser Satz ist Kern und Seele der ganzen Paschazeremonie und 30 Jahrhunderte jüdischer Leidensgeschichte haben diese tiefe Wahrheit jeder Generation leider nur allzu deutlich bewiesen. In der Haggadah schreibt das Ritual noch diese Mahnung hinzu: »Nicht nur unsere Vorfahren hat Er befreit, sondern auch uns, zugleich mit ihnen, hat Er befreit: Denn da ist kein einziger Feind, der sich gegen uns erhebt, um uns zu vernichten, aus dessen Hand der Heilige - Er sei gesegnet - uns nicht errettet.« Und noch klarer: »Das geschieht um dessentwillen, was der Herr an mir getan hat, als ich aus Ägypten zog« - was jedem Juden seit Jahrtausenden die allgegenwärtige Gnadenliebe Gottes zur persönlichen Hoffnung auf Wohl und, Heil verwandeln läßt. Das 4. Buch Mose (Num 9,11) fügt dem Doppelritus des Lammes und der Mazza noch das Bitterkraut hinzu. »Dieses bittere Kraut, das wir essen, warum geschieht es?«, fragt die Haggadah - und antwortet: »Es deutet darauf, daß die Ägypter das Leben unserer Väter in Ägypten verbitterten. So sagt auch die Schrift: Sie verbitterten ihnen das Leben durch harte Arbeit in Lehm und Ziegel und in allerlei Feldarbeiten.« Ein Satz, der durch das leibliche Verzehren der »Bitterkeit« sowie durch die jüdische Leidenserfahrung nie an persönlicher Aktualität eingebüßt hat. Hinzu kommen noch die bereits in der Mischnah vorgeschriebenen vier Becher Wein - gemäß dem Buche Exodus (6,6-7): »Ich bin der Herr und will euch herausführen von den Lasten, die euch die Ägypter auferlegen, und will euch erretten von eurem Frondienst und will euch erlösen mit ausgestrecktem Arm und durch große Gerichte. Ich will euch annehmen als Mein Volk und will euer Gott sein.« Die vier Gnadenerweise sind also: Das Wegführen, die Erret-
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tung, die Erlösung und die Annahme oder Erwählung, zu deren Ehren die vier Becher Rotwein getrunken werden. Interessant ist hier der Brauch, den ersten Teil des Halleis - die Lobpreisungen der Psalmen 113-118 -, deren Abschluß über den vierten Becher gesprochen wird, vor dem zweiten Becher zu zitieren. Sie vereinen Danksagung und Heilshoffnung melodisch miteinander. Wie zentral diese Thematik der göttlichen Erlösung im Paschafest eingebettet ist, bezeugt der Umstand, daß im Laufe der Zeit immer mehr und mehr analoge Befreiungstaten zu PaschaGeschehnissen gestempelt worden sind. Schon im 8. Jahrhundert sah J esajaallem Anschein nach in der wundersamen Errettung J erusalems aus den Händen Senaheribs eine neue Pascha-Heilstat (Jes 30,29; 31,5). Spätere Zeiten verlegten dieses Ereignis ausdrücklich in die Paschanacht, wobei sie sich auf den Wortlaut der biblischen Erzählung berufen konnten: Wie einstmals der Verderber in Ägypten einzog, so ging »in derselben Nacht« Gottes Engel aus, um durch sein Strafgericht Jerusalem zu befreien und dem sicheren Untergang zu entreißen. Aber auch die Befreiung der drei Jünglinge aus Nebukadnezars Feuerofen (Dan 3), die Erlösung Daniels a'us der Löwengrube, die Errettung Esters und ganz Israels vor dem durch Haman geplanten Völkermord und der unglaubliche Sieg der Makkabäer - all dies wurde zusammen mit anderen biblischen Heilsereignissen schon in vorchristlicher Zeit in die Paschanacht verlegt. »Pascha« in seiner Urbedeutung heißt ja auf hebräisch: Übergang. Es sollte vorerst an das schonende Vorübergehen des Würgengels an den Häusern der Hebrä~r in Ägypten un~ an den Durchzug durch das Rote Meer erinnern. Dieser Übergang wurde jedoch bald auch vergeistigt und vertieft zum österlichen Grundthema des Auszuges aus der Bedrückung - in die Freiheit; aus der Trauer in die Freude; aus dem Tode: zum ewigen Leben. Jesu Bestreben, seinen letzten Seder-Abend in Jerusalem zu 38
feiern, kommt bei J ohannes zum Ausdruck (J oh 12,1), der betont, daß Jesus schon sechs Tage vor dem Fest in der Hauptstadt ankam; doch auch Markus und Lukas unterstreichen J esu sorgfältige Vorbereitung zum Fest (Mk 14,12-16; Lk 22,8-14): »Mit Verlangen habe ich begehrt, dieses Pascha mit euch zu essen vor meinen Leiden«, sagt er zu seinen Jüngern am Rüsttage (Lk 22,15). Das Leitmotiv des Festes ist also das Gedächtnis an die Retter_ ~atGottes be.il!1 Auszug aus Ägypt~n. Dieser Leitgedanke klingt nach in den Wor~~~..1esu: »Dies t~~ zu meinem Gedächtnis« (Lk 22, 19), wobei ebenfalls an die göttliche Erlösung gedacht werden konnte, die unmittelbar bevorstand oder erwartet wurde - ganz im Sinne eines uralten Pascha-Sprichwortes: »In dieser Nacht wurden wir gerettet; in dieser Nacht werden wir erlöst werden« (Mech. Ex 12,42). Was auch Hieronymus, 300 Jahre später, in seinem Kommentar zu Exod~s bestätigt: »Es ist die Tradition der Juden, den Messias um Mitternacht (des Paschaabends), zu erwarten - zur selben Zeit, als das erste Pascha in Ägypten gefeiert wurde.« Kein Wunder, daß die Römer am Rüsttage jedes Paschafestes ihre Besatzungsmacht in Jerusalem. wesentlich verstärkten, da sie, wie Flavius j osephus betont, berechtigte Angst vor messianischen Unruhen am Fest der jüdischen Volksbefreiung hatten. Wie dem auch sei, die Evangelien bestätigen, daß J esus, als bibeltreuer Jude, den »Seder« in der Paschanacht in Jerusalem feierte, den vorschriftsmäßigen Segen, stellvertretend für alle Tischgenossen, über das »Brot der Bedrängnis« sprach, es brach, davon aß und den Rest unter seine Jünger verteilte, die es alle, wie es befreiten Sklaven geziemt, »angelehnt« verzehrten. Ebenso tranken:si~ den ersten der vier Becher - den Kidduschbecher (vgl. 1 K'or 10,16) -, über den Jesus als Hausvater den Wein segen sprach und aus dem er allen Aposteln zu trinken gab, wie es bis heute im Judentum üblich ist, um so Anteil an seinem Segensspruch zu geben. Gewiß aßen sie auch vom Bitterkraut, wie es die Torah befiehlt, was J esus den Gedanken an die 39
»Wehen des Messias« nahelegen mußte. Daß die heutige Grundstruktur der Paschaliturgie, die als erstes und vielleicht auch ältestes Fest des jüdischen Jahres gilt, schon zu Jesu Zeiten landläufig war, lernen wir aus einer Erwähnung Hilleis, den eine ganze Reihe von Forschern zu den Lehrern desjungen Jesus rechnen. Mit den Worten »In Erinnerung an Hillel« beginnt eine Passage im Seder-Text, die an J esu Worte »Dies tut zu meinem Gedächtnis!« (Lk 22,19) anklingt. Jedenfalls sprachen sie am Schluß des Paschamahles den »Lobgesang« - der zweiten Hälfte des Halleis (Mk 14,26), gleichfalls nach uraltem Brauch, der schon in einer frühen Mischnah erwähnt ist (M Pessachim X, 5-7). Dieses Pascha-Hallel, das aus den Psalmen 113-118 besteht., wurde, einer sehr alten Überlieferung gemäß, schon von Mose und den Kindern Israels am Roten Meer gesungen, um später so gut wie allen Glaubenshelden Israels als Danklied für wunderbare Errettung aus Not und Tod zugeschrieben zu werden. So zum Beispiel sollen es Debora und Barak, König Hiskija, David, Hananja, Mischael und Asarja wie auch Mordechai und Königin Ester angestimmt haben, was seinen zentralen Platz in des synagogalen Festliturgie, insbesondere als Teil der Paschafeier , unterstreichen will. In diesem Kernstück jüdischer Glaubensaussagen heißt es u. a.: »Die Toten werden Dich, Herr, nicht loben, aber :wir loben den Herrn von nun an bis in Ewigkeit, Halleluja!« (115,17 f.). »T odeswehen hatten mich umfangen, des Totenreiches Schrekken hatten mich getroffen ... aber ich rief an den Namen des Herrn: Ach, Herr, errette mich ... Du hast meine Seele vom Tode errettet ... Ich werde wandeln im Lande der Lebendigen« (116,3ff.). »Kostbar in den Augen Gottes ist der Tod der Heiligen« (116,3ff.). »Ich werde nicht sterben, sondern leben und des Herrn Werke verkündigen. Der Herr züchtigt mich schwer, aber Er gibt mich dem Tode nicht preis« (118,17-18). Und wenn es dann heißt: »Das ist vom Herrn geschehen und ist 40
ein Wunder vor unseren Augen. Dies ist der Tag, den der Herr macht, laßt uns freuen und fröhlich an ihm sein! (118,23 f.), so müssen diese Worte wie ein Fingerzeig des Himmels für diejenigen klingen, die, aller Hoffnungslosigkeit zum Trotz, die Hoffnung auf eine Rettertat Gottes nicht aufgeben wollen - wie es schon so oft in den endlosen Annalen jüdischer Leiden und Drangsale geschehen ist. Eines der aramäischen Volkslieder, das wir bis heute am Paschaabend zu singen pflegen -- Chad Gadja: Ein Lämmlein heißt es ---~ ~at- zum Leitmotiv den To-d des Todes --die-Überwindung aller Sterblichkeitdurch das Eingreifen Gottes - und das in aramäischen Knüttelreimen, die auf biblische Motive zurückgreifen: »Es kaufte sich mein Vater, zwei Groschen galt der Kauf, ein Lämmlein - da. kam voll Tück und Hader die Katz - und fraß es auf. Ein Hund, den es verdroß, daß floß unschuldig Blut, kam pfeilschnell hergeschossen, zerriß die Katz in Wut. Ein Stock stand nah beim Hunde, der lang ihm schon gedroht, er schlug zur selben Stunde den Hund - den schlug er tot. Am glühenden Feuerherde . der Stock den Rächer fand, die Flamme ihn verzehrte, und schnell war er verbrannt ... « ,
Hierauf löscht die Quelle das Feuer; ein Ochse trinkt die Quelle trocken, der Metzger schlachtet den Ochsen, und der Todesengel rafft den Metzger dahil1, worauf Gott, der alle richtet, auch den Todesengel vernichtet - so daß der Schlußvers dann besagen kann: »Dem Würger gab Er Tod zum Lohn, weil er gewürgt den Menschensohn . .. « 41
Auch wenn das heutige Volkslied aus dem Mittelalter stammt, ist es doch charakteristisch für die Stimmung des jüdischen Paschafestes aller Zeiten, in der die vergangene Befreiung mit der zukünftigen Erlösung im ewigen Heute verschmilzt, um so die lebensspendende Gnadenliebe Gottes als zeitloses, immerwährendes Heilsgeschehen zu vergegenwärtigen. Zu diesem Pascha-Lied, das mit dem Tod eines ·Lammes beginnt, um mit der von Gott erwirkten Unsterblichkei~ zu enden, schrieb Hugo Bergmann am 7. Oktober 1973, einen Tag nach dem Ausbruch des Jom-Kippur-Krieges: »Auf dem letzten Blatt unserer Pascha-Haggadah stehen die Worte: >Und es komrrit Der Heilige Gelobt Sei ER, und schlachtet den Engel des Todes.< Die Erzählung der Haggadah, die mit der Erlösung unseres Volkes aus der Knechtschaft Ägyptens beginnt, klingt aus in die große Erlösung der Menschheit und der Welt, in den Tod des Todes... Wir müssen lernen, den Begriff und die Lehre von der Erlösung der Welt ernst zu nehmen; und die Erlösung ist in erster Reihe Erlösung vom. Tode. Was bedeutet sie? I?ie Antwort gibt in nicht mißzuver.:. stehender Weise Jesaja im 25. Kapitel, Vers 7-8: >Und Er wird die Hülle wegtun, womit alle Völker verhül~et sind, und das Gewebe, das alle Stämme umwebt, verschlingen läßt Erden Tod in die Ewigkeit, abwischen wird Er von jedem Antlitz die Träne.< Der Tod ist also eine >Hülle<, ein Gewebe o~er Gespinst, das Gott vom Menschen abtun wird« (Freiburger Rundbrief XXV, 1973, S. 2). Doch nun zurück zum Paschafest der jüdischen Tischgemeinde und ihrem Gottesdienst. Wesentlich für unser Osterverständnis ist auch die Festperikope der Pascha woche, die man in allen Synagogen seit undenklichen Zeiten alljährlich zu dieser »Zeit unserer Befreiung«, wie Pascha· in der Bibel heißt, vorliest: Aus dem 37. Kapitel des Propheten Ezechiel: »Die Hand des Herrn kam über mich, und der Herr führte m~ch im Geiste hinaus und ließ mich nieder mitten im Tale, und dieses war voller Gebeine. Und Er führte mich ringsherum an ihnen 42
vorüber. Und siehe, es waren sehr viele auf der Fläche des Tales, und siehe, die waren sehr verdorrt. Und Er sprach zu mir: Menschensohn, werden diese Gebeine lebendig werden? Und ich sprach: Herr, Herr, Du weißt es. Da sprach Er zu mir: Weissage über diese Gebeine, und sprich zu ihnen: Ihr verdorrten Gebeine, höret das Wort des Herrn! So spricht der Herr zu diesen Gebeinen: Siehe, Ich bring.e.. Odem in euch, daß ihr. lebendig werdet.. Und Ich werde Sehnen über euch legen und Fleisch über euch wachsen lassen und euch mit Haut überziehen, und Ich werde Odem in euch legen, daß ihr lebendig werdet. Und ihr werdet wissen, daß Ich der Herr bin. Und ich weissagte, wie mir geboten war. Da entstand ein Gerä usch, als ich weissagte, und siehe, ein Getöse, und die Gebeine rückten zusammen, Gebein an Gebein. Und ich sah, und siehe, es kamen Sehnen über sie, und Fleisch wuchs, und Haut zog sich darüber obenher. Aber es war kein Odem in ihnen. Und Er sprach zu mir: : Weissage dem Odem, weissage, Menschensohn, und sprich zu dem Odem: So spricht der Herr: Komm von den vier Winden her, d:u Odem, und hauche diese Getötete~ an, daß sie lebendig werden! Und ich weissagte, wie Er mir geboten hatte, und der Odem kam in sie, und sie wurden lebendig und standen auf auf ihren Füßen, ein pberaus großes Heer. Und Er sprach zu mir: Menschensohn, diese Gebeine sind das g~nze Haus Israel. Siehe sie sprechen: Unsere Gebeine sind verdorrt, und unsere Hoffnung ist verloren; wir sind dahin. Darum weissage und sprich zu ihnen: So spricht der Herr: Siehe, Ich werde eure Gräber öffnen und euch aus euren Gräbern heraufk0Ill:men lassen, Mein Volk, und werde euch in das Land Israel bringen. Und ihr werdet wissen, daß Ich der Herr bin, wenn Ich eure Gräber öffne und euch aus euren Gräbern heraufkommen lasse, Mein Volk. Und Ich werde Meinen Geist in euch geben, daß ihr lebet, und
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werde euch in euer Land setzen. Und ihr werdet wissen, daß ICH, der Herr, geredet und es getan habe, spricht der Herr.« Ist es bloßer Zufall, ,daß das Leitmotiv dieser Prophezeiung das dreimalige Öffnen der Gräber und die vierfach wiederholte Wiederbelebung der Toten ist, die an den »Menschensohn« ergeht? Daß also die paschaliche Festperikope die Auferstehung Israels in leiblich-greifbaren _Ausdrücken als bevorstehende Heilstat Gottes voraussagt? Wie Juden zu allen Zeiten auf diese Vision reagierten, mögen drei Beispiele erhellen. Die Bergfestung Masada, in der über 900 jüdische Männer, Frauen und Kinder den Selbstmord einer Kapitulation vor der X. Römischen Legion vorzögen, ist zu einem Symbol der Glau-benskraft in ganz Israel geworden. Jigal J adin, der die Überreste jenes letzten Aufflackerns des jüdischen Widerstandes zu Tempelzeiten vor einigen Jahren zu restaurieren vermochte, berichtete, daß jener heldenhafte Freitod am Vorabend des Paschafestes im Jahre 73 stattfand und daß das einzig wohlerhaltene Schriftfragment, das unter, dem, Fuß bpden des zerstörten Bethauses, behutsam zusammengerollt, entdeckt wurde,' Ezechieis Vision der Auferstehung der toten qebeine war. Knapp 1900 Jahre später, am Vorabend der Hitler-Katastrophe, predigte Joseph Carlebach, der Oberrabbinervon Altona, ebenfalls zur Paschazeit über dieselbe unsterbliche Frohbotschaft jüdischer Zuversicht: »Die Vision von der Auferstehung Ezechiels gehört zu dem Gewaltigsten und Großartigsten, was jemals Menschenzunge verkündet hat. Von ihr, die wir am Sabbat des Paschafestes in der Synagoge verlesen, ging das beseligende Wort aus, das noch heute unzählige Herzen in Hoffnung und Zuversicht aufatmen läßt! Der Prophet sieht ein Tal voller Totengebeine vor si,ch. Können sie wohl aufleben, diese toten Gebeine? Und wie das Wort Gottes brausend unter sie fährt und die Gebeine sich er~ heben und Sehnen über sie wachsen und Fleisch sich zwischen sie zieht und eine Haut darüber sich spannt, und wie in diese toten Leiber beseelend der Geist Gottes hineinfährt und alle
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wieder bis auf d~n letzten lebendig werden - das, sagt der Prophet, ist das Bild des jüdischen Volkes, dieses Totengebeins, ein Bild des ganzen Hauses Israels ... « Hinzuzufügen ist nur noch, daß der aussichtsloseste Verzweiflungskampf in der Geschichte des jüdischen Widerstandes - der Aufstand im Getto Warschau - am 18. April 1943 begann, genau beim Anbruch des ersten Pascha.abends. Wir fassen, zusammen: ____I?ie _~asc!"la-~offnung_auf_d!e _nah~nde _Erlösung, der Traum vom Sieg über den Tod, die Trost spendenden Psalmen des Halleis und Ezechiels Vision von der Wiederbelebung der toten Gebeine - diese vier Grundelemente prägten die Stimmung der. galiläischen Jüngerschar an jenem Karf~eitag, der zweifelsohne zur schwersten GlaubeHskrise der Jes~sgemeinde werden mußte.
Das Muß der Auferstehung
In den Evangelien fehlt es nicht an Hinweisen auf jene Talsohle der Verzweiflung. Sowohl der sogenannte Verrat und Selbstmord des 1 udas als auch die naive Schilderung der» Verleugnung« des Petrus, der Sinn der Worte: »Alle werdet ihr irre werden an mir!« (Mk 14,27), die Panik und Flucht der lünger ins heimatliche Galiläa, ja, daß die Jünger gar nicht wußten, wo lesus begraben wurde, da sie zur Zeit der Bestattung auf dem Eilweg nach Hause waren - all dies beweist eindeutig, daß am I\arfreitag alles - aber auch alles - kläglich zu Ende ging; so schien es zumindest für die meisten seiner Freunde. . Als Jesus den grausamen Rebellentod erlitt, mußten so manche seiner Anhänger befürchte!l' sie seien einem der damals zahlreichen Heilsverkünder oder Lügenpropheten aufgesessen - ein Reinfall, den sie nun durch sofortige Flucht zu korrigieren hofften. So mußte es sicherlich am Karfreitag und am Sabbat darauf zu einenl teilweisen, wenn nicht weitgehenden Abfall ge-· kommen sein. Vielleicht waren sogar die meisten seiner Jünger bereit, die Sache Jesu zusammen mit ihrem toten Meister zu begraben. Daß die Jünger später jene beschämende Erinnerung an ihre Kleingläubigkeit festhielten, spricht unüberhärbar für die Treue der Erst-Überlieferung. Sie hatten in J esus den' Mann Gottes erkannt, der den Anbruch der Erfüllung aller Gottesverheißungen bringen würde. Nun war der große Traum ausgeträumt. Der Tod Jesu war für sie der Abbruch jenes /\nbruches - er war die Vernichtung des Himmelreiches. Hatte Gott dies zugelassen, so hatte Er damit Sein Urteil gefällt über Israel, und damit über die ganze Welt - einschließlich der Jünger seI bst. Und so sagt Petrus in tiefster Resignation: »Ich gehe fischen.« Und die anderen, ein kläglicher Überrest von 46
insgesamt sieben Mann, alles, was von der großen Jesusbewegung, der gewaltigen Hoffnungsbewegung, übriggeblieben war, sagten kleinlaut »Wir gehen mit!« So endete schon oft eine messianische Wallung, ein prophetischer Sturm und Drang, eine neue Befreiungsbewegung - allzu oft, und immer blutdurchwirkt, in diesem Volk der unverbesserlichen Heilsoptimisten, dem Gott den Namen Israel gab. Als man Rabbi Akiba, ein Jahrhundert nach Golg?ta, zur Hin--:.~--~_ -- ---richtung hinausführte, we-gen desselben Messiasglaubens, ebenso durch römische Legionäre, »kämmte man sein Fleisch mit eisernen Kämmen ... er aber nahm willig das Joch der Gottesherrschaft auf sich und betete - inmitten der grausamsten Folter - das »SCHEMA ISRAEL« ... worauf der Talmud fortfährt: »Da sagten ·seine Jünger zu ihm: Unser Lehrer, sprich nicht weiter (dein Gebet), laß es genug sein ... er aber betete weiter und zog das Schlußwort:(Unser Gott ist) EINER so ,lange hin, bis seine Seele mit diesem Worte ausging. Da sprachen die Dienstengel vor Gott: Ist das die Torah / \ und das ihr Lohn? ... Da ging eine Himmelsstimme aus: Heil dir, Rabbi Akiba, denn du bist für das Leben der zukünftigen Welt bestimmt« (Berachot 61 b). Aki ba und J esus - beide.le bten in der Gotteslehre für ganz Israel, und all ihr gemeinsames S tre ben galt der Erlösung ihres Volkes. Sie starben von Heidenhand als Glaubenshelden, mit dem Namen Gottes auf ihren Lippen. Wenn Rabbi Akiba hierauf das ewige Leben verheißen wurde, war Rabbi Jeschua nicht ebenso würdig, die künftige Welt zu erleben? Im Tode beider sahen ihre Jünger - sobald neue Hoffnung ihre ,. Niedergeschlagenheit zu übermannen vermochte - weder eine Niederlage noch das Ende, sondern 'die Krönung eines vorbildlichen Lebens - und den Anfang eines neuen Lebens, das über jeden Tod erhaben ist. Beide wurden in der verklärten Rückschau der Überlieferung so edel und gottnahe verewigt, wie es Judentum und Christen-
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turn in ihren verschiedenen Vorstellungs bereichen vermochten. Im 53. Kapitel des Jesaja lesen wir: »Wenn er sein Leben zum Schuldopfer eingesetzt hat, soll er Nachkommen sehen und lange leben« (Jes 53,10) - Prophetenworte, die in der Deutung der Urgemeinde Jesus, als dem leidenden Gottesknecht, zahlreiche Nachfolger und ewiges Leben vorausgesagt haben. Nur ein gläubiger Jude kann die Tiefe der Verzweiflung erahnen, die diese Jüngerschar Jesu, gleichjener Ijobs, ~m Karfreitag durchleiden mußte. War J esu Anliegen denn wirklich gescheitert? Widerlegte das Kreuz nun endgültig alle Hoffnung auf das Gottesreich? Das konnte nicht sein! Das durfte nicht geschehen! So mußte es in vielen Herzen damal pochen. Denn hier ging es um mehr als den Tod eines Heilsverkünders, dessen strahlende Zuversicht eine -Schar von Glaubensgenossen angesteckt hatte. Nicht um Trost noch um Aufuebung der Leiden ging es ihnen vor allein, sondern um Gott und den Sinn ihres Lebens. Wenn dieser Gerechte, dessen Leben und Streben so ausschließ-lieh und vollkommen seiner Heilsgewißheit geweiht waren, so. elend verenden konnte, w·o war da die Gerech~igkeit Gottes? Als gläubige Juden konnte~ sie eher mit geschundenen Leibern, von den Römern g~demütigt und verfolgt, als mit einem ungerechten Gott leben. »Mein Gott, mein Gott, warum hast DU mich verlassen?« Hier half kein Umdeuten noch Weghören. So konnte nur ein Jude aufschreien, der sich mutterseelenallein und zu Tode enttäuscht fühlte. Und so wurde für seine Jünger an jenem Tage des Unterganges die Auferstehung Jesu zu einem theologischen Imperativ, den ihre nie ganz aufgegebene Gottesgewißheit verlangte - wie Ij 0 b einst Rechenschaft von seinem Gott zu fordern wagte, auch wenn sie dem Abgrund der Trostlosigkeit abgerungen werden mußte. Jesus mußte auferstehen, auf daß der Gott Israels als himmlischer Vater in ihren Herzen weiterleben konnte; auf daß ihr Leben im Glauben nicht Gott-los und sinnentleert werde. 48
Es war dasselbe Muß, das jenen unbekannten Juden beseelte, der inmitten des Infernos des Völkermordes auf eine Wand im belagerten Warschauer Getto kritzeln konnte: »Ich glaub', ich glaub', ich glaube ehrlich, unerschütterlich und fromm" daß der Messias komm: An den Messias glaub' ich, und wenn er auf sich warten läßt, - glaub' -ich daruni nicht weniger 'fest, selbst wenn er länger zögert noch, . an den Messias glaub' ich doch, ich glaub', ich glaub', ich glaube.« Was vermögen Kreuz, Konzentrationslager und Kriegsbarl?arei gegen solche Gott-Sicherheit auszurichten, die mit Ijob zu sagen vermag: »Mög ER mich auch töten; ich hoffe dennoch auf IHN!« (Ijob 13,15). Wenige Stunden später, noch vor Sonnenaufgang des »dritten Tages« nach dem Karfreitag, geschahjenes undefinierbare Ostererlebnis, das wir nicht weiter erklär~n können, das aber unter dem Namen »die Auferweckung« oder »die Auferstehung« Jesu von den Toten-seine Wirkungsgesyhichte in die ganze Welt getragen hat. Daß all dies »am dritten Tag« geschah, obwohl die Zeitspanne zwischen -der Kreuzigung am Karfreitag-Nachmittag bis zum Morgengrauen des Ostersonntags kaum länger als anderthalb Tage ist, hat ebenso einen unverkennbar biblisch-jüdischen Grund. Nur im Kontext der hebräischen Bibel gewinnt diese durchaus unwörtlich gemeinte Redensart der Apostel ihren ursprünglich heils geschichtlichen Unterton: »Und am dritten Tage erhob Abraham seine Augen ... « (Gen 22,4). »Als nun der dritte Tag kam ... da erhob sich ein Donnern und Blitzen und eine dichte Wolke auf dem Berge ... « (ExI9,16), womit die Erscheinung Gottes am Berge Sinai eingeleitet wird. 49
»U nd J oseph sagte zu ihnen am dritten Tage: Dies tuet und lebet!« (Gen 42,18). »Und Jona war im Bauche des Fisches drei Tage«(Jon2,1)-ehe er gerettet wurde. »Am dritten Tage geschah es, daß Ester ihre königlichen Gewänder anzog« (Est 5,1) - worauf die Erlösung Israels aus bitterster Not erfolgte. Am klarsten äußert sich hierzu der Prophet Hosea: »Nach zwei Tagen wird Er uns wiederbeleben; am dritten Tag wird Er uns auferstehen lassen« (J os 6,2). Dazu bemerken die Rabbinen im Midrasch Rabba: »Der Heilige, gesegnet sei Sein Name, läßt den Gerechten nie länger als drei Tage in Bedrängnis verharren.« »Am dritten Tage« hat also nichts mit dem Datum oder der Zeitrechnung zu tun, enthält aber für biblisch geschulte Ohren einen deutlichen heils geschichtlichen Hinweis auf Gottes Barmherzigkeit und Gnade. Die Auferstehung gehört also, meines Erachtens, zur Kategorie der wahrhaft wirklichen ~nd wirksamen Ereignisse, denn ohne, Fakt der Geschichte gibt es keinen Akt des wahren Glaubens. Ein Fakt, der sich zwar der objektiven Wissenschaft, der Photographie und dem begrifflichen Nachweis entzieht, nicht aber dem gläub~geri Geschichtsverständnis, das häufiger zu. tieferen Einsichten verhilft. Mit andere'i1 Worten: Ohne Sinai-Erlebnis - kein Judentum; ohne Ostererlebnis. - kein Christentum. Beide waren jüdische Glaubenserfahrungen, deren Ausstrahlungskraft, in verschiedentlicher Weise, für die Völkerwelt bestimmt war. Aus unerforschlichen Gründen bedurfte es des Auferstehungsglaubens von Golgota, um die Botschaft vom· Sinai in die Welt hineinzutragen. Beide sind echte Glaubenserlebnisse, die sich genauso wie die Existenz Gottes, der Mut oder die Liebe aller feststellbaren Faktizität entziehen, um'sich einzig und allein dem Glauben zu erschließen. Daß dieser Glaubensfakt später - dem Zeitgeist . jener Epoche geI?äß - von einem dichten Legendenkranz umwoben wurde, kann dem Kern seiner erlebten Tatsächlichkeit 50
keinen Abbruch tun - obwohl Zweifler aller Zeiten mit Faust sagen - oder seufzen: »Die Kunde hör' ich wohl, allein mir fehlt . der Glaube.« Faust hat viele Unglaubensgenossen, die ihre antireligiöse Munition mit Leichtigkeit dem Neuen Testament entnemen können. An textlichen Ungereimtheiten fehlt es ja in der Frohbotschaft wahrhaftig nicht - wenn man vergißt, daß Glaubenswahrheit und Wissenswirklichkeit auf zwei verschiedenen Ebenen .operieren, die nur durch. echte Einfühlsamkeitzueinanderfinden ______ -_. können. Kein Wunder also, daß die einander widersprechenden Auferstehungsberichte der Evangelisten bis heute die Skeptiker nicht zu überzeugen- vermochten; daß Agnostiker sämtliche Erzählungen als Ammenmärchen abschreiben und daß für nüchterne Wissenschaftler ihr historischer Ertrag als äußerst mager gilt. Und dennoch weiß jeder Religionswissenschaftler, daß auch Legenden Träger von Wahrheiten sein können, die keine~wegs den Kern der Erzählung seiner Historizität zu berauben vermögen.
Spuren jüdischer Glaubenserfahrung
In den Fragmenten über Offenbarung heißt es bei Martin Buber: »Das tatsächliche Offenbarungsereignis bedeutet nicht, daß sich ein göttlicher Inhalt in ein leeres menschliches Gefäß ergieße ... Wir kennen keine andere Offenbarung als die der Begegnung von Göttlichem und Menschlichem, an der das Menschliche faktisch beteiligt ist." Das Göttliche ist ein Feuer, das das menschliche Erz umschmilzt,. aber was sich ergibt, ist nicht von der Art des Feuers. Damit wird das Feuer selbst nicht greifbar, aber seine Spuren lassen sich erkennen. So verborgen und doch wirksam ist Gottes Wort im Menschenwort, Gottes Wahrheit in der schwachen, oft verzerrten menschlichen Aussage.« Unter all den Überlagerungen nacherzählender Ausschmückungen und Dichtung späterer Generationen findet der jüdische Neutestamentler solche Spuren authentisch-jüdischer Erfahrung. So sind es nach allen vier Evangelien Frauen, die als erste das Grab J esu geöffnet und leer finden. In einer rein erfundenen Geschichte hätte man sich gehütet, ausgerechnet Frauen zu Kronzeugen der Auferstehung zu machen, da sie im rabbinischen Judentum als zeugnis unfähig galten. Das Mißtrauen gegenüber Frauenaussagen in Glaubensangelegenheiten geht auf die hebräische Bibel zurück, wo es in einem alten Midrasch zum Buch der Richter (13,8 ff.) betreffs der verheißenen Geburt Samsons heißt: »Manoach sprach zum Engel: Bis jetzt habe ich es vom Weibe gehört, daß mir ein Sohn geboren werden soll ... doch man kann sich auf Worte der Frauen nicht verlassen; aber jetzt möge ein' Wort aus Deinem Munde kommen, ich mächte es hören; denn ich traue ihren Worten nicht; vielleicht hat sie daran geändert oder weggelassen oder hinzugefügt« (Nu Rabba 10). ' 52
Ähnliches gilt auch für die Stammutter Sara, die ihren Unglauben an die ihr verheißene Geburt eines Sohnes kurzerhand leugnet: »Da leugnete Sara also: Ich habe nicht gelacht« (Gen 18,15). Von dieser Stelle aus hat man gelehrt, daß die Frauen untauglich sind, vor Gericht Zeugnis abzulegen (Jalkut Schimoni 1,82). Da jedoch in Ausnahmefällen (Rosch-Haschanah 22 a) die Frau vor Gericht bezeugen durfte, daß ein Mann gestorben sei, so daß dessen Witwe sich \\'iederverheiraten "durft~,_ mußte es die Jünger wie Ironie anmuten, daß hier Frauen da"s Gegenteil bezeugen wollten, nämlich: die Auferstehung eines Toten. Hinzu kommt noch, daß die Frauen am leeren Grab in größter Erregung waren, »denn es hatte sie Zittern und Zagen überkommen« - Ekstase ist hier der griechische Ausdruck -, ja, sie flohen vorerst eiligst vom Grabe »und sagten niemand etwas, denn sie fürchteten sich«. Daß eine der Zeuginnen Ma"ria Magdalena war, der Jesus »sieben Dämonen ausgetrieben hatte« (Lk 8,2) - was zumindest Hysterie andelltet -, konnte die Glaubwürdigkeit ihrer " Berichte nur noch schmälern. So bedarf es keiner Erklärung, wenn wir hören, daß der erste Auferstehungsbericht sogar im eng~ten Jüngerkreis auf taube Ohren stieß: »Die Worte kamen ihnen wie leeres Geschwätz vor, und sie glaubten ihnen nicht« (Lk 24,11). Daß dieselben Frauen den toten J esus kurz nach "seiner Beerdigung salben wollten, wie es das jüdische Brauchtum verlangte, beweist, daß im' Grunde keiner der Jünger, noch die sicherlich leichtgläubigeren Frauen selbst, seine Auferstehung erwarteten. Daß weder diese Tatsache, die alle vorösterlichen Leidensvoraussagen in Frage stellt, noch die Engelserscheinungen aus Frauenmund, die allen männlichen Auferstehungszeugnissen vorangehen, versr.hwiegen werden, erhöht die Glaubwürdigkeit der evangelischen Kernaussagen. Wobei betont werden muß, daß nirgends in den ältesten Berichten behauptet wird, die Aussagen der Frauen und das leere Grab hätten jemand zum Glauben an die Auferstehung verholfen. 53
Noch beredsamer ist das Schweigen der Evangelisten über die Wiederbelebung des toten Nazareners .. Allen neutestamentlichen Berichten gemäß hat kein Menschenauge die Auferstehung selbst gesehen, kein Mensch war dabei zugegen, und keiner der Jünger behauptete, ihre Art und Weise wahrgenommen oder gar verstanden zu haben. Wie leicht wäre es doch für sie oder ihre unmittelbaren Nach. folger gewesen, diese skandalöse Lücke im Tatbestand durch phantasiereiche Ausschmückungen zu ergänzen! Doch gerade weil keiner der Evangelisten sich erkühnte, diese ungesehene Auferstehung nachzudichten oder auszumalen, gewinnt das evangelische Gesamtbild ebenfalls an Glaubwürdigkeit. Hier s"üllte ein dritter Faktor erwähnt werden: Nirgends in den ältesten Zeugnissen wird die Auferstehung als dingfestes Geschehnis geschildert, das sich allen erschloß. Zur Wirklichkeit wurde sie eben ursprünglich nur für die schon vorher vom lebenden Jesus Betroffenen, die von ihm das rück~ haltlose Glauben erlernt hatten - nicht für jedermann, am .. wenigsten für unbeteiligte Außenstehende. Ja die Subjektivität ihrer Wirklichkeit schwingt deutlich bei. Paulus (1 Kor 15,3 ff.) mit, wo mit beeindfucken~e.r Enthaltsamkeit und Zurückhaltung nur davon die Rede ist, daß seine Tradenten den Auferstandenen gesehen haben: »Ich habe euch vor allem weitergegeben,. was ich selbst empfan- . gen habe: daß Christus starb für unsere Sünden nach den'Schriften und daß er begraben wurde und daß er auferweckt wurde am dritten Tag nach den Schriften und daß er erschien dem Kephas, danach den Zwölfen ... « Acht sprachliche Merkmale sprechen dafür, daß Paulus in dieser ältesten Glaubensaussage über die Auferstehung nicht eigenes Gedankengut übermittelt, sondern in der Tat wortwörtlich »weitergibt«, was er selbst von Erstzeugen »empfangen hat«. 1. Wortwahl, Satzstruktur und Diktion sind eindeutig unp aulinisch. 2. Der Parallelismus membrorum der drei Einzelaussagen ist biblisch formuliert. 54
3. Das dreifache »und daß« charakterisiert die aramäische (und' Mischnah-he bräische) Erzählungsweise. 4. Das »Passivum Divinum« des »Auferwecktwerdens« umschreibt Gottes Heilshandeln, um, der jüdischen Namensscheu gemäß, Gott nicht zu erwähnen. 5. Die aramäische Namensform »Kephas«, nicht Simon, wie Lk 24,34" sie in der Parallelstelle bringt, klingt ursprünglicher. 6. Der doppelte Schrifthinweis »nach den Schriften«, untermauert zweimal in drei Zeilen sowohl den Tod als auch die Auf-----erstehung Jesu - wie 'es der Bibelgebundenheit der Urgemeinde ' entsprechen dürfte. 7. »Die Zwölf« als geschlossene Erstzeugengruppe umfaßt also auch den Judas - was sowohl dem gesamtisraelitischen Sendungsbewußtsein Jes'u entspricht als auch dem angeblichen Selbstmord des Judas (Mt 27,5) widerspricht. 8. Zu guter Letzt: die Aussage, die in ihren Grundzügen in fast allen späteren Auferstehungsberichten wiederholt wird, erzählt den Ablauf von vier Ereignissen, die als heils trächtig verstanden wurden: »Er starb für unser'e Sünden ... wurde begraben ... ist auferweckt worden ... und erschien ... « Mag diese Vierzahl der Geschehnisse nicht der Vierzahl der paschalichen Gnadenerweise Gottes entsprechen: »das Wegführen (aus Ägypten); die Errettung; die Erlösung und die Annahme als Bundesvolk« - wie sie ihren greifbar-symbolischen Ausdruck in den vier Bechern Rotwein finden, die solch eine zentrale Rolle im letzten Abendmahl Jesu spielen?! Obwohl eine Reko~struktion der Urw~rte kaum möglich ist, darf dieses einheitliche Traditionsstück, das bald zur Glaubensformel erhärtet wurde, als die Aussage von Augenzeugen ge~ten, für die das Erlebnis per Auferstehung zum Wendepunkt ihres Lebens wurde. Erst in jüngeren, leicht als sekundäre Hinzudichtungen erkennbaren »Berichten« wird sie zum öffentlichen Geschehen verallgemeinert, um noch später, als polemische Trotzreaktion gegen die Leugner des Osterglaubens, zum historischen Vorgang ver55
dinglicht zu werden, der angeblich keines Glaubens zum Wahrnehmen mehr bedarf. Daß die Doppeldeutigkeit der Auferstehung, die nur die Jünger zum Osterglauben führen, andere jedoch im Unglauben bestärken mußte, in den Kernaussagen des N euen Testaments beibe- . halten wird, bezeugt eine Ehrlichkeit, die den übertriebenen Mirakulismus der nachkanonischen Schriftsteller um so fragwürdiger erscheinen läßt. Nirgends wird das Erlebnis als» Wunder«, als Heilsgeschehen oder als Gottestat apostrophiert, was für den vorurteilslosen Leser die Plausibilität der Nachricht zu untermauern tendiert. Wir lesen nichts bei den Erstzeugen von einem apokalyptischen Spektakel, vön exorbitanten Sensationen oder der verwandelnden Macht eines kosmischen Ereignisses. Anstatt eines hinreißenden Osterjubels hören wir wiederholt von Zweifeln, Unglauben, Zögern und solch schlichten Dingen wie den leinenen Binden und dem Schweißtuch im leeren Grab, von einem Wettlauf zur Gruft, der als »Leerlauf« endet, und solch nüchternen Feststellungen wie z. B. »da gingen die Jünger wieder heim« (Joh 20,10) oder: »Petrus ... lief zum Grabe und bückte sich hinein... und ging davon« (Lk 24,12) und »da gingen sie hinaus und flopen vom Grabe weg. Denn Angst und Entsetzen hatte sie gepackt« (Mk 16,9). ' Es klingt fast, als. ob jedweder Jubelrausch gedämpft werden solle, mehr verhüllt als enthüllt werde und die Echtheit des Erlebnisses keinerlei Aufhebens benötige. Der jüdische Leser, der sich zwischen den Zeilen zum Kern der Betroffenheit zurückzutasten vermag, wird unwillkürlich an die Erscheinung erinnert, die Elija zuteil wurde: Gott war weder im »großen starken Wind, der die Berge zerriß und die Felsen zerbrach«, noch im »Erdbeben« o~er im »Feuer«, sondern im »stillen sanften Säuseln, im verschwebenden Schweigen«, wie Buber übersetzt - das Elija sofort als den Vorboten der Stimme Gottes erkannte (1 Kön -19,11 ff.). Es sind erst die viel späteren Legendenkränze des Hörensagens, die durch erfindungsreichen Wortschwall das wortkarge Erlebnis der Urzeugen zu ersetzen suchen.
Doch auch die gläubig~ Ausmalung der Nacherzählungen, deren epische Breite mit der Distanz zum Ereignis zu wachsen scheint, ist dem Juden nicht unbekannt. Sowo-,hl die literarische Gattung der Targume, die schon vor Jesu Zeiten den Bibeltext in die aramäische Volkssprache übersetzen sollten, diese Übersetzung jedoch durch Umschreibun:.. gen, Ausweitungen ~nd Erklärungen bereicherte, als auch der Midrasch - jene »Schrifterforschung«, die häufig den Bibeltext nur als Ausgangspunkt für eine Fülle von Sittenlehren, Homilien, Sagen und Erzählungen verwendete, UIP die Heilige Schrift zu vertiefen und »der Gemeinde den Himmel näherzubringen«, sind hier relevante Vorbilder. Beide kennen die künstlerische Freiheit als Lehrmethode, um jene fernen Glaubenserlebnisse der Vorväter nicht nur zu aktualisieren, sondern greifbar zu vergegenwärtigen und auch ~urch Wohlklang, Verzierung, Wortspiel und Rhetorisierung die Begeisterung und Ergriffenheit der Bibelhelden wenigstens teilweise zum Miterleben der Gemeinde werden zu lassen. Hinzu kommt die s,traffe Spannung der hebräischen Satzarchitektur , deren strenge Form weder Schmuckworte noch Überschwang kennt, sondern ihren Bericht - und der Bibel geht es ja um berichtetes Heilshandeln - auf eine lakonische Kürze beschränkt, die oft wie eine Herausforderung zum Weiterführen, Nachsinnen und Durchdenken anmutet. Nicht vergessen werden darf die Tatsache, daß heiliger Text und das gilt für beide Testamente - vorerst und hauptsäcblich mündlich überlieferter Wortlaut war, und was im Sprechen von der Gotteserfahrung entstand, kann nur im gesprochenen Nacherzählen wieder aufleben. -
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So bewußt ist die jüdische Tradition dieser ureigenen Gesprochenheit des Gotteswortes - und auch das gilt zumindest für die Frühzeit der Gesamtbibel -, "daß auch die Schrift, nachdem der Federstrich den Zungenlaut zu ersetzen begann - vorgetragen wurde, denn»lesen« bedeutet auf hebräisch vor allem »ausrufen«. Denn für Psalm, Spruch, Loblied und Evangelium wurde die wesentliche Wirklichkeit der Bibel überall dort neu erweckt, wo
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In Gottes Möglichkeit wäre es gewesen, mehrere Menschen auf einmal zu schaffen. Warum erschuf Er Adam ganz allein? Hätte Gott mehrere Menschen auf einmal geschaffen, so hätten sich die Nachkömmlinge späterer Generationen gerühmt: >Mein Vater war adeliger als deiner. ( Daher schuf Gott nur einen Menschen, damit alle Nachkommen künftighin wissen sollten, daß sie einen gemeinsamen Vater gehabt haben, daß sie alle von einem Vater abstammen und keiner einer höheren oder niedrigeren Rasse angehört. Alle Lebewesen schuf Gott durch· Sein Wort, aber den Menschen bildete Er mit Seinen eigenen Händen. Zu diesem Zwecke nahm Er Erde von allen vier Enden der Welt, damit sich der Mensch überall zu Hause fühle. Und warum schuf Gott den Menschen nach Seinem' Ebenbild? Damit der Mensch an der Welt weiterbaue und die Arbeit verrichte, die Gott vor ihm begonnen hatte. Der Mensch wurde als Einzelner erschaffen, damit du lernest: Wer einen Menschen vernichtet, der ist, als hätte er die ganze Welt vernichtet - aper wer einen Menschen errettet, der ist, als hä tte er die ganze Welt errettet. Adam wurde als Einzelner erschaffen, auch um Gottes Größe zu künden, denn der Mensch prägt vie~e Münzen mit einer Form, und alle gleichen einander, aber der König aller ~önige, der Heilige, gepriesen sei Er, prägt jeden Menschen mit der Form des ersten Adam, und dennoch gleicht keiner dem anderen.« Ähnliches gilt für den Staub, aus dem der Mensch erschaffen wurde: »Es heißt: >Ich mach' deinen Samen wie den Staub der Erde ( (Gen 13,16). Wie der.Staub der Erde von einem Ende der Welt bis zum anderen ist, so werden deine Kinder zerstreut sein von einem Ende der Erde bis zum anderen. Wie der Staub der Erde nur durch Wasser gesegnet wird, so wird Israel nur gesegnet sein durch das Verdienst der Torah, die dem Wasser verglichen wird. Wie der Staub die Gefäße angreift, aber ewig bleibt, so auch Israel: Alle Völker der Welt vergehen, aber Israel bleibt. Wie der Staub getreten wird, so werden deine Kinder von den Machthabern getreten werden; heißt es doch:
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eIn Mund SIe gläubig kündete und gläubige Ohren sie erhörten. Gesprochenheit heißt aber vor allem für die jüdische Volksfrömmigkeit d~r Prophetenjünger wie auch der Apostel und ihrer Nachfolger ein ständiges Nach-, Weiter- und Dazuerzählen eigener Einsichten, Sinndeutungen und Erleuchtungen, so daß es für die Lebendigkeit und die Belebungskraft des Textes spricht, daß er im Überliefertwerden organisch wächst und an __________________________Breite~nd Tiefe gewinnt. In der jüdischen Nacherzählung ~iblischer Geschichte wird das Wort zur Tat und die Tat zum Ereignis, das hörend nachvollzogen wird, da ja Wort, Tat und Ereignis im Hebräischen durch ein und dieselbe Vokabel - davar - versprachlicht werden. Für den Außenseiter mag dieser dann zuletzt als kanonischer Text festgeschriebene Wortlaut wie ein T~uggebilde voll Ungereimtheiten und Widersprüchen aussehen, während der einfühlsame Religionswissenschaftle~ darin ein Gesamtgefüge verschiedener Glaubensreflexionen wiedererkennt. Es. stellt sich meistens heraus, daß auch historisch fragwürdige' Ausgestaltungen theologis'ch verständlich werden und sogar üppige Zutaten nach näherer, kritischer Hinterfragung auf dem soliden Fundament urechter Glaubenserfahrung gründen. Oft hängt »ein ganzer Berg von Auslegungen an einem Haar« (Chagiga 10 a) eines kurzen Schriftvvortes, wie zum Beispiel zur Erschaffung Adams, dem das Buch Genesis nur ein paar knappe Sätze widmet, aus denen der Midrasch eine Fülle von lehrreichen Schlußfolgerungen zieht, von denen hier nur einige zitiert werden sollen: »Gott erschuf den Menschen erst am letzten Schöpfungstage. Warum schuf er ihn nicht am ersten Tag? Damit sich später keine Mäuler finden, die das Gerücht verbreiten, Gott habe die Welt nicht allein geschaffen; Adam habe Ihm dabei geholfen. Er schuf ihn auch als letzten, damit der Mensch nicht überheblich sei. Gott sagte ihm: . >VergiB nicht, daß selbst das geringste Lebewesen, ja daß der Wurm vor dir geschaffen wurde!< 58
) Du machst der Erde gleich deinen Rücken wie eine Straße den darüber Hingehenden ( (Jes 51,23). Aber das ist zu deinem Guten, denn sie reinigen dich von deinen Sünden, wie es heißt: >Mit Güssen erweiche sie ( (Ps 65,11).« Allen bekannt ist die vieldeutige, tiefsinnige Erzählung von Isaaks Fast-Opferung durch seinen eigenen Vater Abraham, deren Kern die Bibel nur vier Sätze widmet: »Und als sie an die Stätte kamen, die ihm Gott gesagt hatte, baute Abraham dort einen Altar und legte das Holz darauf und band seinen Sohn Isaak, legte ihn auf den Altar oben auf das Holz und streckte seine Hand aus und faßte das Messer, daß er seinen Sohn schlachte. Da rief ihn der Engel des Herrn vom Himmel und sprach: Abraham! Abraham! Er antwortete: Hier bin ich. Er sprach: Lege deine Hand nicht an den Knaben und tu . ihm nichts: denn nun weiß Ich, daß du Gott fürchtest und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont u~ Meinetwillen« (Gen 22,9-12). Diese wortkarge Schilderung der Versuchung des Stammvaters, sein blinder Gehorsam, G?ttes Eingriff im allerletzten Augenblick und die Anerkennung seiner fraglosen Glaubenskraft - all dies regte zahllose Generationen von jüdischen Schriftdeutern zu nimmer endendem, ewigen N eu-Befrag~n des Textes an, da sie die Seelengröße der beid~n Patriarchen und die zeitlose Bedeutung ihrer Opferbereitschaft stetig anspornte, um der schier unerschöpflichen Sinntiefe der Heiligen Schrift auf den Grund zu kommen. Und so kam es im Laufe der Zeit zu einem umfangreichen Glaubensgut, das den knappen .Bibe!bericht in ein Agglomerat von verschiedenen Glaubensmotiven ausbaute, aus dem hier nur einige Bruchstücke wiedergegeben werden sollen: »\Vieder war der Tag gekommen, an dem die Heerscharen des Himmels sich vor Gott versammelt hatten. Und unter ihnen war auch der Satan. Da fragte ihn Gott: >Hast du bei deinem Besuch auf Erden auch Abraham gesehen? Hast du bemerkt, wie gottesfürchtig er ist?< Da antwortete der Satan: >Kein Wunder! Er dient Dir nur, weil Du all~ seine Wünsche erfüllst. Soeben hast Du ihm in seinem hohen Alter einen Sohn geschenkt. Versuche 60
nur, ihn aufzufordern, Dir. diesen Sohn als Brandopfer darzubringen. Du wirst sehen, daß er sich weigern wird, Deinem Befehl zu gehorchen ... < ... Hierauf erging das Wort Gottes an Abraham: >Nimm deinen Sohn und bringe ihn Mir als Brandopfer dar.< Da sprach Abraham: >Ich habe zwei Söhne und weiß nicht, welchen von beiden ich nehmen soll.< Da sagte Gott: >Nimm deinen Sohn, deinen einzigen.< Hierauf Abraham: >Sowohl Isaak als auch _________ Ismael sind die einzigen ihrer Mütter. Sara gebar mir de-n-Isaak, und meine Magd Hagar gebar mir den Ismael.< Gott sprach: ) Nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du liebst.< Worauf Abraham antwortete: >Sowohl Isaak als auch Ismael sind mir in gleicher Weise lieb.< Worquf Gott sprach: >Nimm Deinen Sohn, deinen einzigen, deri du liebst - den Isaak - und opfere ihn Mir auf einem Berg, den Ich dir zeigen werde ... < Als Abraham und Isaak unterwegs waren, machte der Satan alle Anstrengungen, um beide von ihrem Vorhaben abzubringen. Zuerst verwandelte er sich in die Gestalt eines alten Mannes und sprach "zu Abraham: >Ich sehe, daß du deinen Sohn zum Opfer führst. Bist du denn ganz von Sinnen, bist du verrückt geworden? Wie kann ein Vater so grausam sein?< Aber Abraham erkannte sofort, daß dies der Satan war. Er schalt ihn, schrie ihn an, und der Satan verschwand. Hierauf verwandelte sich der Satan in die Gestalt eines schönen Jünglings und sprach Isaak an: >Weißt Du denn nicht, daß dieser alte dumme Greis, der sich deinen Vater nennt, dich zur Schlachtbank führt? Warum sollst du in der Blüte deiner Jahre sterben? Du hast noch die ganze schöne Welt vor dir. Flüchte von hier!< i\ber Isaak erwiderte: >Gottes Gebot und meines Vaters Wille sind für mich mein Leitstern.< ... Als Abraham mit Isaak auf der Höhe des Berges Moria in Jerusalem angekom,men war und seinen Sohn opfern wollte, streckte Abraham seine Hand aus und ergriff das" Messer, um seinen Sohn zu schlachten. Isaak erwiderte und sprach zu seinem Vater: >Mein Vater, binde meine Hände richtig fest, auf daß ich in der Stunde meines Schmerzes mich nicht wehre und 61
dich störe und dein Opfer untauglich befunden werde. Die Augen Abrahams wandten sich gegen die Augen Isaaks, und die Augen Isaaks blickten auf die seines Vaters. In dieser Stunde kamen die Engel in der Höhe des Himmels hervor und sagten zueinander: ) Kommt, seht, die beiden ejnzigen Gerechten, die es inmitten der Welt gibt. Der eine opfert und zögert nicht - und der geopfert wird, streckt" willig seinen Hals hin. ( « Bei dieser Erweiterung des -Urtextes handelt es sich keineswegs um die private Angelegenheit irgendeines begabten MidraschGelehrten. Dieser Text stammt vielmehr aus dem jüdischen Synagogen-Gottesdienst, wie ihn auch die jesuanische U rgemeinde zeitlebens zu halten pflegte. Nachdem nämlich das Aramäische zur jüdischen Umgangssprache geworden war, verstanden schon vor Jesu Zeiten keineswegs alle Juden die hebräische Muttersprache der Bibel. So mußte also der Bibeltext in der ~ynagoge in die Volkssprache übersetzt werden, wobei der amtliche Dolmetscher den Text so anschaulich wie möglich zu gestalten" versuchte, inde~ er häufig vom Legendengut der rabbinischen Midraschim in seine hermeneutische Interpretation hineinfließen ließ. Daß es dabei weder an Himmelsstimmen und Wundertaten noch an Engeln und anderen Deute-Visionen fehlte, tat der Glaub-Würdigkeit der erweiternden Verdeutlichung keineri Abbruch. Im Gegenteil: Sie verhalf den gläubigen Hörern, die nicht auf Tatsächlichkeiten versessen waren, wie wir Heutigen, noch auf historische Präzision pochten, wie die griechisch geschulten Abendlärider, zu einem besseren, bibelgetreueren Begreifen der eigentlichen Bedeutung, des »metaphysischen«, gottgewollten Sinnes der Geschichte, für die alle Greifbarkeiten nur Mittel sind, um die, Heilswahrheit hinter den Dingen zu erahnen. So stehen also "der biblische Urtext von Isaaks Fast-Aufopferung und die rabbinische Erweiterung desselben Ereignisses in einem sehr ähnlichen Verhäitnis zueinander wie das älteste Zeugnis der Auferstehung J esu, das in vier knappen Sätzen (1 Kor 15,3-7) dasselbe aussagen will, was der vierte Evangelist,
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zwei Generationen später, in midraschartiger Weise in zwei langen Kapiteln zum Ausdruck bringt - nämlich: Hier hat Gott, allem Anschein und Unglauben zum Trotz, eingegriffen und Seinen Heilswillen offenbart. Den Rabbinen und Evangelisten Täuschung vorzuwerfen oder sie der Lüge zu bezichtigen lag den damaligen Juden und Judenchristen so fern ~~~. :':Ins die Ankl~ge der »Schönmalerei« geg,en van Gogh oder der Geschichtsklitterung gegen Schillers »Don Carlos«. Der beste Beweis für den felsenfesten Glauben an die Auferstehung ist wohl die realistische Weise, in der die beiden ältesten Evangelien den qualvollen Tod und die Verzweiflungsschreie J esu am Kreuze schildern: »Jesus a~er stieß einen lauten Schrei aus und verschied« (Mk 15,37). Mit den Worten des Dominikanerpaters Gonsalv Mainberger, der in seiner Karfreitagspredigt »Starb, J esus umsonst?« (gehalten 1968 in der St.-Joseph-Kirche zu Luzern) auf die Frage »Wozu starb Jesus?,« als erste Möglichkeit die Antwort: »Jesus litt und starb, um etwas zu verdienen« unter die Lupe nimmt, um sie zu verwerfen. Worauf er fortfährt: »Es gibt eine zweite Antwort: Jesus starb in der Verzweiflung ... die Verzweiflung klingt an inlletzten Schrei Jesu, wenn er ruft: Mein Gott, warum hast Du mich verlassen? Auch die Verzweiflung wäre ein mögliches Ende« (Freib. Rundbrief 19,1967, S. 85.). Mit den Worten Eduard Schweizers: »Ohne jede Beschönigung wird die ganze Härte des Sterbens J esu mit dem einzigen, bei Markus überlieferten Wort >Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?< und der Bemerkung, daß Jesus >mit lautem Schrei< verschieden sei, geschildert« (Jesus Christus, a.a.O., S. 132). Auch Joseph Klausner ist ähnlicher Meinung: »Der Messias ward gekreuzigt, der Menschensohn durch unbeschnittene Heiden gehängt - und der Himmel sandte keine Hilfe. Der große und barmherzige Gott ... erlöste ihn nicht von seinen Schmerzen, half ihm nicht durch ein Wunder ... und in seiner schrecklichen Herzensnot rafft er seine letzten Kräfte zusammen und ruft in seiner Muttersprache und' mit den Worten des 63
Buches, das ihm am teuersten war: >Mein Gott, meIn Gott, warum hast Du mich verlassen?< Diese Worte finden sich bei Markus und Matthäus ... Es ist unwahrscheinlich, daß die christliche Kirche Jesus gerade diesen Vers zugeschrieben hätte, wenn er ihn nicht wirklich geäußert hätte: Steht er doch im Widerspruch zu ihrer ganzen Anschauung von Jesus und seinen Leiden« (Jesus von Nazareth, Jerusalem 1952, S.491). Es ist schwer, die Gewichtigkeit dieser Argumentation zu entkräften. Denn im Grunde ist das gänze Neue Testament nichts anderes als ein einziges grandioses Bemühen, J esu Tod im Sinne des Glaubens zu enträtseln. Es wäre nie geschrieben worden, gäbe es nicht das quälende Mysterium seines Todes. Daß dieser so sinnlos und nutzlos scheinende Tod ursprünglich mit solch schlichten und trostlosen Worten beschrieben. werden konnte, spricht sowohl für die Ehrlichkeit als auch für die Glaubenskraft der ersten jüdischen Tradenten. Denn so brutal-konkret ka,nn nur ein geschworener Feind J esu sein Lebensende beschreiben - oder ab~r Männer, die zutiefst überzeugt sind, daß dieses jämmerliche Verscheiden des Nazareners nicht das letzte Wort Gottes war noch ist - daß sein Ausgang aus dieser Welt zum Eingang in die Seligkeit wurde.
Fehlü bersetzungen?
Wir dürfen auch annehmen, daß zumindest ein Teil der Widersprüche in den Auferstehungsberichten der Evangelisten a uf _Üb~rsetzungsfehlern ihrer semitischen -Grundte*te-und -V Oflagen beruhen. Aus zahlreichen Stellen des griechischen Neuen Testaments, deren Rätselhaftigkeit oder Implausibilität durch Rückhebraisierung gelindert, wenn nicht gelöst werden können, wissen wir, daß es vorsynoptische lesusberichte - schriftlicher und mündlicher Natur - innerhalb der jüdischen Urkirche gegeben haben muß. Noch fehlt es an textlichen Beweisen, daß die griechischen Evangelisten weder mit den semitischen Muttersprachen Jesu (Hebräisch und Aramäisch) noch mit seinem jüdischen Sitz im Leben genügend vertraut waren. Zwei Fehlübersetzungen, die Ort und Zeit der Auferstehungserscheinungen betreffen, mögen diese Annahme erhärten. Der Schauplatz der Auferstehungserscheinungen war laut Markus und Mattäus in Galiläa; laut Lukas in Jerusalem. Einige Forscher erklärten dann die galiläische Erscheinung Christi aus" einem alten Irrtum des Markus, womit der fatale Widerspruch beseitigt gewesen wäre, hätter:t nicht ande"re Ge-lehrte von einem zweifellosen und noch dazu absichtlichen Fehler des Lukas gesprochen. Darüber hinaus sprechen weder Markus noch Mattäus von "Erscheinungen in Jerusalem noch Lukas von solchen in Galiläa; und in der ebenfalls dem Lukas zugeschriebenen Apostelgeschichte gebietet der Auferstandene den Jüngern ausdrücklich. »sich von J erusalem nicht zu entfernen. sondern dort die Erfüllung der Verheißung des Vaters abzuwarten« (Apg I. I ff.). Lukas kennt somit nur Erscheinungen in und bei Jerusalem: von Erscheinungen in Galiläa weiß er nichts. 65
Dieser Widerspruch kommt einer Lösung näher, wenn wir uns erinnern, daß »Galil« und die weibliche Form »Galilah« auf hebräisch nichts anderes als: Umkreis, Landstrich bedeuten. Seit les 9,1, der vom »Bezirk der Heiden« (Galil ha-gojim) spricht, pflegt man zwar die nördliche Bergprovinz als »Galiläa« zu bezeichnen, was der griechischen Transkription von »Galilah« gleichkommt, jedoch kennt Ezechiel 47,8 eine »Galilah Kadmonah« (östlicher Umkreis), die dem Landstrich östlich vom Tempelplatz in oder bei 1 erusalem entspricht. Dies könnte mit großer Wahrscheinlichkeit die Umgebung von Bethanien bezeichnen, die dem lüngerkreis als die Stadt Marias und ihrer Schwester Marta« (Joh 11), als Raststätte nach dem feierlichen Einzug in lerusalem (Mk 11,11), als Ort der Wiederbelebung des Lazarus (loh 11,43ff.) und als Ort der Salbung Jesu (Mt 26,6-13 par) wohlbekannt war. Dieser »Bezirk lerusalem« (Galilah leruschalajim) konfrontierte anscheinend die späteren Griechen-Evangelisten, die mit den topographischen Bezeichnungen ihrer jüdischen Vorlagen nicht vertraut waren, mit einem, Rätsel, das Lukas durch die Verlegung der Begegnungen des Auferstandenen nach lerusalem, Mattäus und lohannes hingegen nach Galiläa zu lösen versuchten. Diese Hypothese gewinnt an Plausibilität sowohl durch den Hinweis Tertullians (2.1ahrhundert) in seinem »Apologeticum« auf »Galiläa, eine Gegend in Judäa«, als auch durch die landläufige Verwendung des Wortes »Galil« im heutigen Israel zur Bezeichnung jedweden Landkreises. Diese Lösung eines mißverstandenen »Ostbezirkes« bei Jerusalern entspräche sowohl dem vermutlichen Standort der Jünger am Ostersonntag als auch dem Auftrag Jesu an die Apostel, Jerusalern bis Pfingsten nicht zu verlassen. Hinzuzufügen wäre noch, daß Jerusalem als Stadt der letzten Predigt Jesu, seiner Kreuzigung und der erwarteten Parusie (Apg 1,11) auch der einleuchtendste Ort seiner Auferstehungserscheinung sein müßte. Ähnliches gilt für den Zeitpunkt der Auferstehungsbotschaft am leeren Grab, die Mattäus noch, auf die Nachtzeit, gleich nach
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Ausgang des Sabbats, Markus und Lukas aber erst auf den frühen Ostersonntagmorgen datieren. Die obskure, dem Griechischen unbequeme Formulierung des Mattäus (28,1) »nach dem Sabbat, beim Aufleuchten zum Ersten (Tag) der Woche (oder: des Sabbats)« oder, nach der ElberfelderÜbersetzung:"» Spät am Sabbat (griech.: opse de sabbaton) in der Dämmerung des ersten Wochentages ... « scheint auf einer im Mischnah-hebräisehen geläufigen Redewendung zu beruhen: _ _ _ Bemotzaej-Schahbath or le . .ächad. be-Schabbath, d-iezwar wört- ... . . lieh besagt: »Am. Ende des Sabbats (im) Licht zum Ersten Tag" .. «, jedoch mittels eines Euphemismus (Licht = Nacht) nichts anderes sagen will als: »am Sabbat-Ausgang, in der Nacht vor dem Sonntag«. Grundlegend ist die Tatsache, daß der Sabbat seit Gen 1,5 am Freitagabend beginnt und am nächsten Abend endet, wie auch jeder neue Tag »von Abend bis wieder zu Abend« dauert (Lev 23,32). U nvertrautheit mit diesem He braismus scheint zu widersprüchlichen Zeitangaben in den Evangelien geführt zu haben. Die Seelennot des Jüngerkreises seit Karfreitag spricht auf jeden Fall für einen baldmöglichsten Besuch der Grabstätte, also mit Anbruch der Nacht, die dem Sabbatausgang gleichkommt, wie es die Rückhebraisierung der im Griechischen obskuren Stelle bezeugt. ~.
Die Pädagogik Gottes
Zwei Umstände müssen noch erörtert werden, die bis heute alle Kleingläubigen zu bestärken scheinen: Die Unöffentlichkeit und die U noriginalität der Auferstehung. Schon im 2.Jahrhundert hat der Rhetor Celsus die erstere als Grundfrage gestellt, die so manchen Neuchristen der Frühkirche in Verwirrung gebracht haben muß: »Wenn Jesus tatsächlich über göttliche Wundermacht verfügte, warum erschien er dann nicht auch den Außenstehenden und Widersprechenden und zumal dem ganzen Volk?« Die Frage der Unöffentlichkeit jener Auferstehung als Infragestellung des Christentums ist bis heute nicht verstummt. Mit den Worten von Hermann Samuel Reimarus in seiner »Auferstehungsgeschichte«, die im ,Jahre 1778 posthum von Gotthold Ephraim Lessing aus seinem Nachlaß veröffentlicht wurde: » ... Wenn wir auch keinen weiteren Anstoß bei der Auferstehung J esu hätten, so wäre dieser einzige, daß er sich nicht öffentlich sehen ließ, allein genug, alle Glaubwürdigkeit davon über den Haufen zu werfen; weil es sich in Ewigkeit nicht mit dem Zwecke, warum Jesus soll in die Welt gekommen seyn, zusammenreimen läßt.« Dieser Einwand vermag keinen Religionswissenschaftler zu beeindrucken .. Schließlich und endlich war es nur der Glaube allein, der dazu befähigte, das zu erfahren, was die Apostel die Auferstehung nannten. Und Glaube ist nicht Wissen, wohl aber Gewißheit, die nur echte Gläubigkeit zu schenken vermag. Das gilt nicht nur für Ostern, sondern für alle grundlegenden Glaubenserfahrungen in beiden Testamenten. Wenn Wissenschaft und Religion sich decken ließen, wo bliebe dann das Wagnis des Glaubens? Des Glaubens, der im Grunde immer ein Aber-dennoch-Glauben ist - der Mut, alle Zweifel 68
durchzustehen und zu überwinden, und ein Sich-der-WahrheitAnvertrauen, das auf Garantien und Dingfestigkeit zu verzichten bereit ist. Weder das Geheimnis Gottes noch der Liebe, des Glaubens und der Hoffnung läßt sich durch Rechena~fgaben lösen - eine Unmöglichkeit, die gläubige Menschen mit ganzem Herzen bejahen, denn das Sichvergewissernwollen und Sicherstellen des Glaubens ist doch nichts anderes als Unglaube, der sich an irdische Greifbarkeiten klammert. Der Gott, an den Jud@n u n d - - - - - - - Christen glauben, läßt sich weder mit Worten einfangen noch in sichtbaren Realitäten konstatieren, denn wie Karl Jaspers sagt: »Ein bewiesener Gott ist kein Gott«, was auch für viele seiner Heilstaten gilt. »Ich will Mich nicht von euch erforschen lassen, spricht Gott, der Herr« (Ez 20,3) gilt sowohl für den Weltenherrn als auch für Seine Offenbarungsweisen und Heilswege, deren Unaufspürbarkeit Jesaja, der Psalmist und Paulus mit Nachdruck unterstreichen. Mit den Worten Eduard Schweizers: »Ein Bew"eis für die Auferstehung läßt sich nicht erbringen. Auch hier, nicht viel anders als bei der Kreuzigung Jesu, liefert Sich Gott der Skepsis, den Zweifeln, dem Unglauben aus und v~rzichtet darauf, Glauben zu erzwingen« (Jesus Christus, a.a.O., S.51.f.). Wahre Glaubenserfahrung ist seit eh und je keine Massenerscheinung, wohl aber das Sondergut der Wenigen, der Hellhörigen, der metaphysisch Begabten und der Feinfühligen. Keine der Großreligionen unserer Erde begann als Massenbewegung. Es waren stets die Einzigartigen, eine Handvoll von Sehern, wie die hebräische Bibel sie nennt, die da sahen, was sich hinter den bloßen Tatsächlichkeiten verbirgt, die nicht nur Augen hatten für die groben Greifbarkeiten, sondern imstande waren, den Sinn der Ereignisse zu durchschauen, um ihn für die glaubende Deutung zu erschließen. Warum hat Gott ausgerechnet Mose. der nicht wortgewandt war und sogar stotterte, dazu auserwählt. Israel aus Pharaonenhand zu befreien? So fragte einst der Rabbi von Mohilev - um selbst darauf zu antworten:
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· Der Ewige habe absichtlich einen Stammler erkoren, um Seine Botschaft zu künden, auf daß jedermann einsehen .möge, daß das, was Mose zu sagen hatte, nicht aus seiner eigenen Beredsamkeit stamme, sondern das Gotteswort selbst sei. Abel, Noach, Isaak, Jakob und Josef, um nur einige zu nennen, beweisen, daß Gott die Schwächeren liebt und den Schlüssel zu Seinen Wundern häufig in die Hand der Demütigen und Kleinen legt - vielleicht als Mahnung, daß Verheißung und Erfüllung »nicht durch Heeresmacht noch Menschenkraft, sondern durch Meinen Geist geschehen, spricht der Herr« (Sach 4,6). So erschien der Ewige nur dem Abraham; Jakob allein kämpft miLdem Engel des Herrn, niemand außer Mose sieht den brennenden Dornbusch, und Elija - in völliger Vereinsamung - hört die Stimme Gottes »weder im starken Wind, der die Berge zerriß ... noch im Erdbeben oder im Feuer, ... sondern im stillen sanften Säuseln« (1 Kön 19,11 ff.). Ebenso geschahen alle Auferstehungen und Wiederbelebungen, von denen die Bibel und die rabbinische Literarur berichten, nur in Gegenwart von einzelnen oder wenigen, die persönlich betroffen waren. So ist also die geringe Anzahl der Auferstehungszeugen Jesu keine Beeinträchtigung für den Osterglauben, sondern im Gegenteil: . Sie spricht eher für die Authentie jener heilsgeschichtlichen Erfahrung in Jerusalem vor fast zwei Jahrtausenden. Alles schön und gut, mögen nun die Nur-Historiker sagen, aber wie steht's um die Auferstehungen von Osiris, Attis, Adonis und Isis, die alle viel älter sind als die Kirche und Jahrhunderte vor Jesus Millionenen von Heiden zu beseelen wußten? Ein gewichtiger Einwand in der Tat! Wenn die Auferstehung keine »Erfindung« der Bibelreligiorien ist, sondern, wie schon angedeutet, ein wesentlicher Bestandteil der meisten Mysterienkulte und Naturreligionen war, mögen dann die Auferstehungsberichte Jesu nicht bloße Nachahmungen ähnlicher Heidenmythen gewesen sein? Ist diese» U noriginalität« des Ostergeschehens kein schlagender Beweis gegen seine Authentizität? 70
Eine Antwort des Glaubens auf diesen Einwand findet der Jude bei Maimonides (1135-1204), jenem größten Religionsphilosophen des Judentums, der in seinem Meisterwerk »Führer der Schwankenden« nicht nur auf seine Glaubensgenossen, sondern auch auf die christliche Scholastik und insbesondere auf Thomas von Aquin nachhaltig eingewirkt hat. Wie schon der Titel des Buches besagt, ist es sein Anliegen, den Zweiflern und Unschlüssigen beizustehen, indem es versucht, Glauben und Wissen, Religion und Philosophie auf biblischer Bas~_zu y~r- __________ - - - - - s-öhn-en.tm-(fiitieii·t~il, -der si~hu~' ~.- riIitd~~-Ti~~opierdienst im vorexilischen Tempel beschäftigt, lesen wir: »Wenn du die Werke Gottes betrachtest ... wird dir aus ihnen der planmäßige Vorgang ... die Abstufung in ,der verschiedenen Bewegung offenbar. ,', Daß es unmöglich ist, unvermittelt von einem Extrem in das entgegengesetzte überzugehen, .. Infolgedessen kann der Mensch, seiner Natur gemäß, nicht alles aufgeben, was er zu tun gewohnt war ... Gott sandte unseren Lehrer Mose, um Israel durch die Erkenntnis Gottes zu einem Priesterreich und zu einem heiligen Volk zu machen. , . Damals bestand die allgemeine »G,9ttesverehrung darin, , . gewisse Tierarten zu opfern, sich vor Bildern niederzuwerfen und ihnen Weihrauch darzubringen ... So hat Gottes Wei,sheit es nicht so gefügt, uns das Aufgeben all dieser Arten von Verehrung zu befehlen, denn das wäre infolge der menschlichen Natur, die stets zum Gewohnten neigt, etwas gewesen, das anzunehmen niemand in den Sinn gekommen wäre ... Und deshalb ließ Gott diese Arten des Dienstes noch fortbestehen,.. und übertrug sie auf Seinen Namen. " Diese weise Einrichtung (von Tempel, Altar und Priestern) erreichte es, den Götzendienst auszutilgen ... und die Lehre von der Einheit Gottes in unserem Glauben aufzurichten, ohne die Gemüter dadurch abzustoßen oder abzuschrecken ... Und was hätte Gott gehindert, uns das zu befehlen, was Er zuerst gewollt hat? ,. Vernimm nun meine Antwort: Es kommt nämlich schon etwas Ähnllches in der Heiligen Schrift vor: »Gott führte sie nicht auf dem Wege durch das Philisterland ... Er ließ das Volk auf einem Umweg durch die Wüste zum Schilfrneer hinziehen« (Ex 13,17 f.) ... 71
»Und so, wie Gott, mit Rücksicht auf ihre Furcht vor etwas, was sie, ihrer Natur zufolge, nicht aushalten konnten, von dem anfänglich ins Auge gefaßten richtigen Wege abweichen ließ, damit auf einem anderen Wege Seine erste Absicht erreicht werde, so hat er das Opfergebot, um den ersten Zweck, nämlich die Erkenntnis Gottes und die Unterlassung des Götzendienstes, zu erreichen, mit Rücksicht darauf gegeben, daß ihre Seele nicht die Fähigkeit besaß, dieses unmittelbar anzunehmen ... Ebenso liegt es nicht in der Natur des Menschen, die zahlreichen Arten der Götterverehrung ... alle mit einemmal aufzugeben ... « Wäre es angesichts dieser »Pädagogik Gottes« nicht denkbar, daß Sich der Weltenherr des allen Heiden bekannten Auferstehungsmythos bediente, um durch die wahrhafte Auferstehung eines Gerechten in Israel »den Götzendienst in der Völkerwelt auszutilgen« und mittels des Osterglaubens »die Erkenntnis Gottes« bis an die vier Enden der Erde tragen zu lassen? - - -
Das »kleinere Übel«
Die Auferstehung Jesu an jenem Ostersonntag und seine Erscheinungen in den Tagen darauf waren reinjüdische Glaubense!lebnisse. _~_~in einzig~r N"ich_til.l_de ha!il?n.Ila.ch Karfreit~ggesehen. Alles, was die Heidenkirche über die Auferstehung erfahren konnte, kann nur aus jüdischen Quellen stammen, weil er vom Ostersonntag an als Auferstandener ausschließlich Juden erschienen ist. Von diesem historischen Faktum aus teilt sich die wissenschaftliche Analyse in drei Möglichkeiten: Die Auferstehung ist ein historisches Ereignis gewesen, das im Raum dieser Welt und in der Zeit des 1. Jahrhunderts in Jerusalern geschah. Dies wäre die erste Möglichkeit. Hier muß unterschieden werden, ob solch ein Ereignis nach so langer Zeit und so vielschichtiger Verkrustung durch einen stetig wachsenden Legendenkranz hindurch noch überhaupt erkennbar ist - oder bis ins U nauffind bare verschüttet bleibt.
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Die zweite Möglichkeit ist, daß die Auferstehung ein religiöser Mythos sei - wie in all den Mysterienkulten des antiken Orients; eine mythisch gefärbte Sage, die jeder Wirklichkeit ent~ehrt. Mit den halb-spöttischen Worten Friedrich Schillers, in seinem »Lied an die Freunde«, das etliche dieser Freunde' auf die Auferstehung bezogen haben mögen: »Alles wiederholt sich nur im Leben, ewig jung ist nur die Phantasie, was sich nie und nirgends hat begeben, das allein veraltet nie.« Hiermit wird Jesus zwar die mythische Unsterblichkeit eines Prometheus, eines Faust oder König Lears zugestanden, jedoch wird er gleichzeitig aus aller historischen Realität entrückt. 73
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·Der jüdische Gottesmann aus Galiläa wird so zur griechischen Sagengestalt entkörpert - im krassen Widerspruch zum Glauben an göttliche Offenbarungen im innerweltlichen Diesseits, der die Gesamt-Bibel charakterisiert. Die dritte Möglichkeit wäre, daß die Berichte von der Auferstehung auf Visionen von Einzelpersonen beruhen, die sie als reale Erfahrungen erlebten, aber die sich der objektiven Nachprüfung der Wissenschaften gänzlich entziehen. Die meisten . jüdischen Forscher erachten die dritte Möglichkeit als die einleuchtendste: Es sei ein Fall von ehrlicher Autosuggestion gewesen - wie wir ihr im Talmud des öfteren begegnen: Jünger sehen ihren verstorbenen Meister im Traum. Eine Frau spricht zu ihrem verstorbenen Mann in einem Gesicht. Eine ganze Tischgemeinde glaubt fest an den Propheten Elija, sieht ihn vor sich und spricht mit ihm. Wo Glaubensrnachtim Spiel ist, haben Juden eine ·Vorstellungskraft, die manchmal an das übernatürliche grenzt - wobei die subjektive Ehrlichkeit des Erlebten nicht im geringsten in Zweifel gezogen werden kann. In bezug auf die künftige Auferstehung der Toten bin und bleibe ich Pharisäer. Was die Auferstehung Jesu am Ostersonntag betrifft, war ich jahrzehntelang »Sadduzäer«. Ich bin es nicht mehr, seit folgende Überlegung mich zum Neu-Durchdenken zwang: In keinem der Fälle, wo in der rabbinischen Literatur von solchen Visionen die Rede ist, kam es in der Folge zu einer wesentlichen Änderung im Lebenslauf der Wiederbelebten oder derer, die Gesichter erlebt hatten. Es blieb bei der Vission, die in gläubiger Verwunderung nacherzählt und manchmal auch aufgebauscht wurde; sie hatte aber keine feststellbaren Folgen. Anders bei den Jesusjüngern an jenem Ostersonntag. Allen legendären Verschönerungen zum Trotz bleibt in den ältesten Berichten ein erkennbar historischer Kern übrig, der sich einfach nicht entmythologisieren läßt. Wenn diese aufgescheuchte, verängstigte Apostelschar, die eben dabei war, alles wegzuwerfen, um in heller Verzweiflung nach Galiläa zu flüchten; wenn diese Bauern, Hirten und Fischer, die ihren Meister ver·74
rieten, verleugneten und dann kläglich versagten, plötzlich über Nacht sich in eine selbstsichere und heilsbewußte, überzeugte Missionsgesellschaft verwandeln konnten, die viel erfolgreicher nach Ostern als vor Ostern wirkte, so genügt keine Vision oder Halluzination, um solch einen revolutionären Umschlag zu erklären. Für eine Sekte, eine Schule oder einen Orden hätte vielleicht eine Einzelvision genügt - nicht aber für eine Weltreligion, die dank dem Osterglauben das Abendland erobern konnte. !?rof. _~lau.sne~ sagte eins_t i!?- Jerl!salem aJsA.ntwortaJlf __________ die Frage, ob Jesus'überhaupt gelebt habe: »We!1n die vier Evangelisten derart glaubwürdige und weitgehend übereinstimmende Berichte über den Nazarener frei erfunden haben sollten, so ist das ein größeres Wunder als alle Wundertaten Jesu insgesamt.« Ähnliches gilt wohl auch für die Auferstehung: Wenn die geschlagene und zermürbte Jüngerschar sich über Nacht in eine siegreiche Glaubensbewegung verwandeln konnte, lediglich auf Grund von Autosuggestion oder Selbstqetrug - ohne ein durchschlagendes Glaubenserlebnis -, so wäre das im Grunde ein weit größeres Wunder als die Auferstehung selbst. Rein logisch analysiert, ist also die Auferstehung Jesu »das kleinere Übel« für, all diejenigen, die ~ine rationale Erklärung für die weltweiten Konsequenzen jenes Osterglaubens suchen. Das eigentliche Wunder ist das Zum-Glauben-Kommen jener jüdischen Jesuanerschar, das sich, wie alle Wunder, aller exakten Beschrei bung oder mathematischen Beweisführung entzieht. Ausgeschlossen bleibt auf jeden Fall jedwede Art von Täuschung, sei es nun Leichenraub, Scheintod oder eine WunderInszenierung, denn - so betont Joseph Klausner - »dann wäre ihr ganzer späterer Glaube ja "nichts als Betrug und Blendwerk und das ist unmöglich. Eine Religion, an der Millionen festhalten, kann nicht durch absichtlichen Betrug geschaffen worden sein« (Jesus von Nazareth, a. a. 0., S. 496). Auch von J ohannes dem Täufer, »der ein frommer und heiliger Mann war«, heißt es, er sei, nach seinem Martertod durch Herodes, »von den Toten auferstanden« - worauf seine Gegner behaupteten, seine Jünger seien gekommen, hätten seinen 75
Leichnam aufgehoben und in einem Grab bestattet (Mk 6,14 bis 29). Dies erinnert nicht nur an das »Gerede«, daß lesu »lünger des Nachts kamen und ihn stahlen« (Mt 28,11 ff.), sondern auch an die Himmelfahrt Elijas, die sogar unter den Prophetenjüngern auf breiten Unglauben stieß: »Und sie sandten hin fünfzig Männer, und diese suchten Elija drei Tage, aber sie fanden ihn nicht. Und sie kamen zu Elischa zurück .. ~ Und er sprach zu ihnen: Sagte ich euch nicht, ihr solltet nicht hingehen?« (2 Kön 2,16 ff.). Glaube und Zweifel laufen wie Zwillingsfaden quer durch die ganze Geschichte Israels. Das Wie der Auferstehung ist heute so ungewiß wie zu Hillels Zeiten, als die Streitfrage über die allgemeine Auferstehung der Toten zwar zahlreiche Schriftgelehrte beschäftigte (Gen Rabba XIV und Lev Rabba XIV), aber wohlweislich offengelassen wurde. In ,Worten des lesuitenpaters F. Letzen-Deis: »Man kann bei der gegenwärtigen Forschungssituatiön ... nicht behaupten, die Ev~ngelisten wollten uns auferlegen, anzunehmen, die Worte und Taten des Auferstandenen seien genau so verlaufen, wie es dort ausgemalt wird ... das ganze »Wie« der Erscheinungen bleibt uns verschlossen« (Auferstehungserfahrung und Ost'erglaube, in: »Theologische Akademie«, Bd. VII, Frankfurt a.M. 1970, S. 84 ff.). Wie de,m auch sei, hier muß etwas geschehen sein, das wir als historisches Ereignis bezeichnen können, da seine Folgen historisch waren - obwohl wir völlig außerstande sind, die genaue Natur des Widerfahrnisses zu erfassen. Mir fällt ein altes Volkslied ein, das ich unlängst in Berlin gehört habe: »Zu Ostern in lerusalem, da ist etwas geschehen. Das ist noch heute wunderbar, nicht jeder kann's verstehen.« An solch ein reales Etwas, das sich weder rein rational beweisen noch bestreiten läßt, aber weder auf Wunschdenken beruht noch 76
eIne Fata Morgana ist, kann ich glauben. Nicht an das leere Grab noch an die "W'eißgekleideten Engel oder die Himmelsöffnung und den absurden Mirakulismus des sogenannten Petrusevangeliums. All das gehört zum frommen Betrug späterer Generationen, die selber nicht mehr ergriffen waren - aber andere mittels Wahrheitsverschänerung zu begeistern v'ersuchten. Wenn man all diese literarischen Zutaten behutsam entfernt, bleibt uns ein »etwas« übrig, das in der schlichten Aus_ _ _ _ _ drucksw-eise der Apostel als Auferstehung versprachlicht-wor-- - - - - - - - den ist. Die modernen Theologen bedienen sich .häufig seltsamer Umschreibungen für die Auferstehung Jesu. »Jesus ist in das Kerygma hinein auferstanden«, sagt Rudolph Bultmann. »Er ist auferstanden, weil er die innerste Mitte alles irdischen Seins im Tode für ewig erobert hat«, sagt Kar! Rahner. »Der Glaube an die Auferstehung ist eine altchristliche Ausdrucksform ... die wir heute nicht als für uns verbindlich empfinden können«, schreibt Herbert Braun. »Ostern bedeutet: Die Sache Jesu geht wei~er«, erklärt Willi Marxsen, für den die Auferstehung »ein Interpretament« der U rgemeinde ist. »Das Ereignis, das wir nach spät-jüdischer Tradition mit der Metapher >Auferstehung von den Toten< bezeichnen, bedeutet keine Verwandlung. sondern eine Bestätigung Jesu.« So Heinz Zahrnt. »An die Auferstehung Jesu glauben heißt, das überraschende Wagnis zu unternehmen, mit Jesus Christus als einer gegenwärtigen Wirklichkeit zu rechnen«. meint Meinrad Limbeck. Das mag alles wahr und richtig sein. Ich weiß es nicht. Mich dünken jedoch die meisten dieser und ähnlicher Vorstellungen allzu abstrakt und gelehrt. um aus. handfesten Hinterwäldlern aus Galiläa. die aus dem sehr realen Grund der Kreuzigung ihres Meisters zu Tode betrübt waren. binnen kurzer Zeit eine himmelhoch jauchzende Heilsgemeinde zu machen. Solch eine nachästerliche Verwandlung, die nicht weniger real als plötzlich und unverhofft war, bedurfte wohl eines konkreten
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Grundes, der die Möglichkeit einer leiblichen Auferstehung keineswegs ausschließen kann. Eines dürfen wir mit Sicherheit annehmen: An ausgeklügelte Theologenweisheit haben weder der Zwölferkreis noch die Urgemeinde geglaubt. Wenn Gottes Macht, die in Elischa wirkte, groß genug ist, um sogar einen Toten, den man in das Grab des Propheten geworfen hatte, wiederzubeleben (2 Kön 13,20 ff.) , so wäre auch die leibliche Auferstehung eines gekreuzigten Juden nicht unvorstellbar. »Oder ist bei Mir keine Kraft mehr, zu erretten?« (Jes 50,2), fragt der Herr allen Lebens die Schwergläubigen. - - -
Ein messianischer Midrasch
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»Ihr sucht J esus, den Gekreuzigten?« heißt es im Evangelium: »Er ist nicht hier; denn er ist aufgeweckt worden von den Toten.« Dies~_!!r!"~e, __a_I!1 l~~I'enGr~b, waren eine durchaus jüdische Antwort, deren geistige Heimat· im Spannungsfeld zwischen Prophetie und Apokalyptik liegt. Sühneleiden, Märtyrertod und Auferstehung gehören zu jener jüdischen Heilslehre, die sich bis heute in. den Vorbildern des sich freiwillig opfernden Stammvaters Isaak, d.es leidenden Gottesknechtes Jesajas und der Todesverachtung der Makkabäer-Blutzeugen ausdrückt. »Sei gnädig Deinem Volke, 0 Gott«, sagt Eleasar, der Priester, auf der heidnischen Folterbank. »Laß genügen die Strafe, die wir um sie erdulden. Zu einer Läuterung laß ihnen mein Blut dienen; als Ersatz für ihre Seele nimm meine Seele ... Nach diesen Worten starb der edle Mann in den Martern«, so lesen wir im 4. Makkabäerbuch (6,28). »Und Abraham nahm das Opferholz«; diese Worte aus Gen 22,6 ff., die von der Opferbereitschaft Abrahams erzählen, »der seines eigenen Sohnes nicht geschont«, ergänzt der Midrasch Rabba: »wie einer, der sein Kreuz auf seine Schultern nimmt«. »Gott . .. hat seines eigenen Sohnes nicht verschonet, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben«, schreibt später Paulus (Röm 8,31 f.) - eine Umdeutung, die er wahrscheinIch aus dem Munde derselben Urzeugen »überliefert erhielt«, die ihm von der Auf~r stehung erzählten (1 Kor 15,3 ff.). Nicht weniger jüdisch war der ethische Enthusiasmus, der. messianische Heilsdurst und die ungeduldige Sehnsucht nach dem Himmelreich, die Männer Gottes wie J esus dazu brachten, im eigenen Untergang die Erlösung für ganz Israel zu suchen. Geradezu traditionell jüdisch war schließlich auch die Auseinandersetzung zwischen den Anhängern und Gegnern Jesu umdie Bedeutung von Golgota.
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Während Leiden und Kreuzestod für die einen der letzte Beweis des Scheiterns und des Fehlschlages waren, wurden sie für die anderen zum Zeichen der Annahme des Selbstopfers Jesu durch Gott. Dieselben Ereignisse, die die einen zur Verzweiflung brachten, erfüllten die anderen mit Heilsgewißheit. War jene Auferstehung, von der die Jünger berichteten, eine menschliche Vorwegnahme - oder eine göttliche Vorweggabe des Lebens in der kommenden Welt? Das war die Streitfrage, die Juden und Judenchristen damals in Israel teilte. »Du bist der Gesalbte!« sagt Petrus zu Jesus (Mk 8,29). »Dieser ist der König Messias!« sagte Rabbi Akiba zu Bar-Koseba ein Jahrhundert später (Taanit 68 b). Als jedoch die beiden als Erlöser Israels scheiterten, teilten sich ihre zahlreichen Anhänger - je nach der Stärke des Glaubens: »B&r Kochba« - den Sternensohn - nannten ihn die Unverzagten, nach der mess.ianischen Deutung von Num 24,17 (»Ein Stern geht auf in Jakob«). »Bar Kosiba« - d.en Lügens~hn - nannten ihn die Enttäuschten in der Erbitterung der Niederlage. »Einen Propheten, mächtig in Tat und Wort«, nannten die unentwegten Jünger zu Emmaus ·Jesus - auch n~ch der Kreuzigurig. »Einen Zauberer, der Israel verführt hat«, 'nannten ihn diejenigen in Israel (Baraitha zu Sanhedrin 43 a), die ihm den Zusammenbruch der auf ihn gesetzten messianischen Hoffnungen nicht verzeihen konnten. Im Grunde waren beide Schulen »Gefangene der Hoffnung«, wie der Prophet Sacharja (9,12) mit Recht seine unverbesserlichen Heilsoptimisten benennt. Ein Volk, das Leiden und Erwählung so oft als eng verwandt erfahren hatte, konnte schon zu Makkabäerzeiten sagen: »Wen Gott liebt, den läßt Er leiden« (vgl. Spr 3,11 f.). Von dieser Wahrheit bis hin zur Verknüpfung von Messianität und Martertod am Römerkreuz war für so manchen frommen Juden nur ein kleiner Schritt. Es war diese Vorstellung, daß er »unsere Schmerzen auf sich lud«, so daß »wir durch seine 80
Wunden geheilt« sind, die den Wegzum Auferstehungsglauben bahnte. Aus rabbinischer Sicht ist die Auferstehung im Grunde ein messianischer Midrasch der ersten J esusgemeinde, der aus der Zuversicht auf Gottes liebende Gerechtigkeit und aus dem Glauben an Jesus als den von Gott gesandten Heilskünder entsproß. Wie es dazu kam, ist historisch nicht schwer zu verstehen. Vom _~rstt;Il_ Lagt! _aJlmußte_j~ne_s __ Tadespascha samt-der er-drückenden Gegebenheit des Kreuzes wie ein Fluch auf den Jüngern Jesu gelastet haben. Mit ihm fertig zu werden war für sie eine Frage des gläubigen Überlebens, denn· Sinn-Suche und Deutungs-Drang gehören, . wie die Beschneidung, zur. Seele des Judentums. Sie mußten die geschichtlichen Ereignisse als das Wirken Gottes verstehen lernen, wie Israel es seit dem Exodus tut - um sie verstehend und deutend bewältigen zu können. Was ihnen wie ein Lichtstrahl aufging, war dann eine Neuauslegung der Schrift, ,die Jes 53 und Ez 37 erhellend verband: »Der Gerechte trägt bewußt das Unrecht, das ihm unschuldig widerfährt, um durch sein stellvertretendes Sühneleiden Gottes Vergebung und Gnade für seine pußfertigen Nachfolger zu erwirken.« Eine neue·, trostspendende Deutung des leidenden Gottesknechtes im Lichte der Vision von den toten Gebeinen. Und so gelang es ihnen, ihr eigenes lesuserlebnis prophetisch so zu durchleuchten, daß nun der Opfertod, die Entsühnung und die Erlösung zu einer gewaltigen Gotteserfahrung zusammenschmolzen - eine Gottes-Erfahrung, die ihnen dazu verhalf, den Tod -als übergang, das Kreu~ als Prüfstein und die Auf~rstehung als Angeld auf das ewige Leben auszulegen. Nicht als die Erlösung - denn dem widersprachja die offensichtliche Wirklichkeit -, wohl aber als Faustpfand Gottes, sozusagen als Angeld des Weiterhoffens, für die ersehnte Vollerlösung, die wir alle noch immer erwarten. Wie immer auch die ersten lesuaner ihren Meister verstanden haben mögen - als Propheten, Messias oder Künder der anbre-
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·chenden Gottes-Herrschaft -, einmütig scheint in der Rückschau .ihre Erfahrung der Auferstehung des Gekreuzigten als »das JA auf Gottes Verheißungen« (2 Kor I ,20), das es ihnen ermöglichte, gläubig durchzuhalten, bis »der Gott der Hoffnung« (Röm 15; 13) ihnen die Erfüllung schenken würde. Die Jünger Jesu standen mit beiden Füßen fest in ihrem gebürtigen Judentum, zu dem ganz eindeutig auch der Au~erstehungs glaube gehört. . So war das Pfinstzeugnis der Apostel, daß dieser ermordete Jesus wiederauferstanden sei (Apg 2,23 f.), zwar für die Sadduzäer nichts anderes als ein peinliches Ärgernis (Apg 4,1 f.; 5,17 ff.); für die Pharisäer wie die Mehrzahl aller Juden hingegen war es ein ernsthaft zu prüfendes Problem (Apg 5,34 ff.; 23,6 ff.), da für sie die Auferweckung - auch einzelner Toter durchaus im Bereich des Möglichen lag (Sanhedrin 90 b). Auch jüdische Bibelforscher und Rabbinen unserer Zeiten, die ja die geistigen Erben jener Pharisäer sind, haben dieser Meinung in verschiedener Weise Ausdruck verliehen. So schrieb zum Beispiel ,Rabbiner Samuel Hirsch schon im Jahre 1842: »Auf daß Jesu Hoffnungskraft und Seelengröße nicht mit seinem Tode ende, hat Gott in seiner Jüngers,char die Vorstellung erweckt, er sei vom Tode auferstanden und lebe weiter. In der Tat lebt er in all denen fort, die echte Juden sein wollen.« Der Rabbiner Leo Baeck sah im Auferstehungsglauben einen integralen Bestandteil von Jesu jüdischem Sitz im Leben und der Gedankenwelt seiner Anhänger. Im Jahre 1938 schrieb er über Jesus: »Vor uns steht ein Mann, der in seinem Volke seine Jünger gewonnen hat, die den Messias, den Sohn Davids, den Verheißenen, suchten und in ihm fanden und festhielten. Diese Jünger hat er hier in Israel besessen, die über seinen Tod hinaus an ihn glaubten, so daß es ihnen Gewißheit ihres Daseins wurde, daß er - wie der Prophet gesprochen - am dritten Tage von den Toten auferstanden sei.« Rabbiner Samuel Sandmel sieht im Auferstehungsglauben eine Bestätigung der Unvergleichbarkeit Jesu: »Nur von einem Ju82
den, dessen einzigartige Kombination von Eigenschaften außergewöhnlich war, konnten andere Juden glauben, ihm sei eine besondere Auferstehung gewährt worden« (A Jewish Understanding.of the New Testament, Cincinnati 1957, S.283 f.) J. Carmel, der israelische Lehrer und Schriftsteller, der es bedauert, daß die Evangelien nicht im Rahmen der jüdischen Literatur beheimatet sind, schreibt: »Wenn der Prophet Eliah in einem Feuerwagen in den Himmel ----gefa-hF€ll ist, w-arum sollte Jesus- nicht auferstehen- und in den Himmel fahren ?«* . Und der unlängst in Jerusalem verstorbene Religionsphilosoph Samuel Hugo Bergmann, schrieb in bezug auf Martin Bubers B\lch »Zwei Glaubensweisen<<: »Nicht der lebendige, sondern der tote und auferstandene Jesus ist der Stifter des Christentums« (Freiburger Rundbrief XXVII, 1975, Nr.l0 1/ 104, S.3). In· einem seiner Briefe an Martin Buber, datiert vom 30.Mai 1949, lesen wir: »Es ist mir nicht gelun~en, den Unterschied zwischen dem Glauben an den Sinai und dem Glauben des Paulus·. als die '>Annahme der Tatsächlichkeit eines Vorgang·s, der nicht aus der angestammten Wirklichkeit fließt<, zu verstehen. \Vas bedeutet hier >angestammt Warum gehören die >Legenden< von Wiederbelebungs-Wundern nicht hierher? Den Juden in der Zeit Jesu erschienen sie sicher nicht als Legenden. Wenn der >harte Realismus< der Juden in Sachen des Leibes nur" von einer eschatologischen Gesamtschau aus sich durchbrechen läßt, so muß doch andererseits gesagt werd~n, daß der Messias für jede Stunde erwartet wurde und also die Möglichkeit der Auferstehung in jeder Stunde sehr real war. Zum Beispiel gibt Rabbi Jeremiahu (j Kllayim 9,4) genaue Anweisungen, wie man ihn begraben soll, damit er bereit sei, wenn der Messias kommt. Wäre es wirklich so, daß die Juden sich nicht vertraut machen konnten mit der Auferstehung eines Einzelnen. so wäre die Art, '" Zu L. Baeck, S. Sandmel und J. Carmel, s. mein Buch, Ist das nicht Josephs Sohn?, München-Stuttgart 1976.
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wie in Apg Kapitel 2 die Erzählung Petri von der Auferstehung durch die versammelte jüdische Gemeinde aufgen~mmen wurde, völlig unverständlich. Mir scheint daher der Satz, daß in der jüdischen Glaubenswelt die Tatsache, daß ein Einzelner als Einzelner auferstanden ist, keinen Raum findet, unbegründet. Es handelt sich ja nicht um einen beliebigen Einzelnen, sondern um den Messias« (Freiburger Rundbrief, ebd., S.4).
Das Zeugnis des Maimonides
Seit dem ersten Jahrlundert wird vielfach versucht, alles Über- - - - _. natürliche dieses Ostererlebniss"es zu-entkräften:- - - -Die Jünger haben den Leichnam selbst gestohlen, um die Auferstehung zu erdichten; »Juda, der Gärtner«, habe ihn in ein anderes Grab umgebettet; es habe sich um einen Scheintod gehandelt; ein anderer sei statt J esu ans Kreuz ,genagelt worden, oder: es handle sich einfach um einen Fall von Massenpsychose oder ekstatischer Halluzinationen. All das ist bekannt und breitgedroschen worden seit jenem ersten Ostern - bis zum heutigen Tage. Zum »Leichenraub« sagt Joseph Klausner: »Es ist kaum anzunehmen, daß die Jünger selbst den Leichnam gestohlen haben. Sie waren noch so bestürzt und niedergeschlagen über den schrecklichen Tod ihres Meisters, daß sie nicht gewagt hätten, den Toten aus seinem Grab zu nehmen« (a.a.O., S. 496). Zu allen Arten von Schwindel oder arglistiger Täuschung fügt derselbe jüdische Gelehrte hinzu: »Es ist durchaus unmöglich ... Betrug anzunehmen. Zweifelsohne hatten einige der begeisterten Galiläer die Vision ihres Meisters und Messias ... diese Vision wurde als beglaubigtes Zeugnis für die Auferstehung Jesu ... die Grundlage des ganzen Christentums« (a.a.O., S.498 f.). Die, Frage, die sich nun nicht mehr vermeiden läßt, lautet: Können Betrüger oder Selbstbetrüger einen Glauben gründen, der die Welt erobert? Können Schwindler sich im Namen einer Illusion foltern und verfolgen lassen - bis hin zum freudigen Martyrium? Oder ist das alles nur ein monumentaler Irrtum? Gibt es tausendjährige Irrtümer, die imstande sind, weltumfassende Glaubensinstitutionen aus dem Boden zu stampfen? 85
,,:\,äre ich eil?- überzeugter Atheist, dann könnte ich diese Fragen unschwer ~ejahen. Schließlich regiert ja im gottlosen Weltsystem der Agnostiker jener blinde Zufall, der keinen Heilsplan noch die gö~tliche Vorsehung anerkennen will. Ob Petrus in sich selbst die Tragödie und die Absurdität von Golgota überwand und sich die Kreuzigung als Jesu Sieg über seine Sieger und als Übergang zum Königreich Gottes erklären konnte, wie Machovec in seinem atheistischen J esusbuch zu begründen sucht, o'der ob äußere Umstände in ihm die beglückende Erkenntnis aufleuchten ließen, da:ß der Martertod nicht das letzte Wort Gottes sei, ist heute kaum mehr zu entscheiden. Wie dem auch sei: Als gläubiger Jude kann ich eine historische Entfaltung, die, ungeachtet vieler Verirrungen und Verwirrungen, von Jerusalem aus die Kernbotschaft Israels in die Völkerwelt hineingetragen .hat, weder dem ·blinden Zufall, einem. menschlichen Irrtum noch dem materialistischen Determinis-· mus zuschreiben - obwohl alle diese Faktoren möglicherweise mitzuwirken hatten, um das göttliche Heilsvorhaben zu fördern. Die Erfahrung der Auferstehung als Gründungsakt der Kirche, die den Glauben an den Gott Israels in das ganze Abendland getragen hat, muß also zum Heilsplan Go~tes gehören. Bestätigung für diese Annahme kommt von einer maßgebenden rabbinischen Autorität: »Alle diese Angelegenheiten, die sich auf Jesus von Nazaret ... beziehen, dienten nur dazu, um den Weg für den König Messias freizumachen und die ganze Welt auf die Verehrung Gottes mit vereintem Herzen vorzu bereiten, wie es geschrieben steht: >Dann aber will Ich den Völkern reine Lippen geben, daß sie alle des Herrn Namen anrufen sollen, um Ihm einträchtig zu dienen!< (Zef 3~9). Auf diese Weise sind die messianische Hoffnung, die Torah und die Gebote allgemein verbreitetes Glaubensgut geworden - unter den Einwohnern der fernen Inseln und unter vielen Völkern, unbeschnitten an Herz und Fleisch.« So schrieb Maimonides in seinem Monumentalwerk »Mischneh Torah« (Hilchot Melachim XI,4).
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Auch andere Lehrautoritäten im Judentum, wie Juda Haievi, Menachem Meiri, Leon Modena, Moses Rivkes und Jakob Emden, sahen im Christentum nicht nur einen gültigen Heilsweg, sondern auch eine »Praeparatio messianica«*, ganz im Sinne Jesajas (42,6 u. 49,6), Jeremias (4,2). und Zefanjas' (3,9). Wenn die global-ökumenische Prophezeiung Zefanjas zur zentralen Hoffnung von Juden und Christen gehÖrt, was sowohl der Talmud, das 11. Vaticarium als auch dieSynagogenliturgie be_ _ _ _ zeugen,dannjsLdie Christianisierung einer Milliarde Menschen eine b~deutsame Zwischenstation auf dem Weg zur Weltbekehrung zu Gott. Da diese Christianisierung unwiderruflic'h auf der Auferstehung· Jesu fußt, muß der Osterglaube als Teil dergöttlichen Vorsehung anerkannt werden. »All diese Angelegenheiten, die sich auf Jesus beziehen«,. wie Maimonides sagt, müssen also auch seine Auferstehung einschließen, denn ohne sie wären ja »die messianische Hoffnung, die Torah und die Gebote« nie »allgemein verbreitetes Glaubensgut. geworden«. Zweifellos umhüllt ein Mysterium diese Auferstehung, vor dem alle Klügelei zerstiebt. »Es gibt mehr Dinge zwischen HiJ?mel und Erde, als unsere Schulweisheit sich träumen läßt.« Dieses Wort Hamlets gilt insbesondere für alle ehrliche Theologie, deren Anfang und Ende im demütigen Wissen um unser Nicht-Wissen, im Gott-nie-erfassen-Können liegt. Ganz abgesehen von dieser »docta ignorantia« aller Theologen, die die Unverfügbarkeit Gottes und Seiner Heilswege zur biblischen Binsenwahrheit macht, wäre es nicht bibelwidrige Arroganz, unzähligen Millionen von gottesgläubigen Christen zu unterstellen, ihr Zum-Glauben-Kommen beruhe auf einer Fälschung, einem Irrtum oder der Einbildung von ein paar Juden aus Galiläa? Die Auferstehung Jesu war zweideutig in ihrem Ereignischarak• Vgl. »Rabbinen über Jesus«, in meinem Buch: »Ist das nicht Josephs Sohn?«, S. 81-167.
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ter, aber eindeutig in ihrer Wirkungsgeschichte. Denn unbestritten bleibt die Tatsache, daß die von J esus ausgehende Weltkirche aus seinem Tod erstand. Wo die [ebensgeschichte J esu schließt, beginnt die Geschichte des Christentums. Doch das ist nicht genug. Der Tod eines Martyrers allein kann zwar zur Bewunderung und zur Nachfolge anregen, aber einen religiösen Sinn an sich hat er nie gehabt- am wenigsten im lebensbejahenden Judentum, das nie die Leiden noch den Tod verherrlicht hat. Erst was nach diesem Erdentod kommt, sein Lebendig-gemachtWerden durch Gott, sein Anteil an der »künftigen Welt«, sein ewiges Leben bei Gott, durchleuchtet diesen so unnütz erscheinenden qualvollen Tod mit Glaubensbedeutung - wobei Juden wie Christen dem Sterben ihrer Glaubenszeugen auch einen für sie selbst gemeinten Sinn abgewinnen können: Er starb als »Sühnopfer«, als »Entsühnung für andere«, als selbstlose Aufopferung »für uns« - so heißt es häufig in den Martyrologien beider Religionen, in Begriffen, die aus dem jüdischen Glaubensbereich .stammen. Im Grunde war die Auferstehung für die Jünger ein Finger:?:eig, daß ihr Meister durch seinen Martertod, erreicht hatte, was Juden seit Makkabäerzeiten von ihren gro'ßen Blutzeugen erhofft hatten. In den Worten der vielleicht ältesten judenchristlichen Deutung' des Kreuzes: »Es ist ja auch Christus einmal um unserer Sünden willen . gestorben, ein Gerechter für Ungerechte; damit er uns zu Gott führe; getötet ward er nach dem Fleisch, aber zum Leben erweckt nach dem Geist« (1 Petr 3,18). Hier wird Jesus noch »ein Gerechter« - unter anderen - genannt, der auch - wie so viele Juden vor und nach ihm - sein Leben für Gott und sein Volk dahingab. Wenn Gottverlassenheit und Todesqualen das Ende eines großen Hoffenden sind, wer darf da noch inmitten einer gottentfrem-' deten, unmenschlichen Welt auf Güte und Gerechtigkeit hoffen? So mußten viele fragen, die damals in Israel um Golgota wußten - bis das Auferstehungszeugnis der Jünger so manche zerstörte 88
Hoffnung wieder auferstehen ließ, so daß sie aller Infragestellung gewachsen war. Erst die Auferstehung öffnete ihre Augen und Herzen für das Paradoxon, das allem Glauben zugrunde liegt: Der Tod war weder eine Niederlage noch ein Untergang, sondern ... Hier gingen ihre Deutungen auseinander, obwohl alle sein Kreuz in der Rückschau als Konsequenz seines selbstlosen Wirkens und seines Vorlebens der gerechten Gottesherrschaft _ _ _ empJanden.___ _ »Seid heilig, denn Ich bin heilig, der He,rr, euer Gott!« (Lev 19,2) In der Paraphrase des Nazareners: »Seid ihr also vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist!« (Mt 5,48). Um die Nachahmung Gottes ging es ihm, ,die die Erlösung herbeizwingen oder beschleunigen sollte - wenn sie, in einer aus den Fugen geratenen Welt, zur Verhaltensregel aller Gläubigen werden konnte. Freilich ble~bt diese Welt noch unerlöst, und wir alle leiden weiter an' ihr, genau wie wir weiterhin für sie verantwortlich bleiben. Aber jenes Widerfahrnis einer Handvoll bibelfester Juden, das den Glauben an Gott in die Völkerwelt hineinzutragen vermochte - wie kann man es wohl deuten, wenn nicht als gottgewolltes Mutmachen in einer nur allzu oft trostlos erscheinenden Welt?
Unsere gemeinsame Hoffnung
Sicher ist vor allem, daß das Weizenkornwort J esu zur historischen Wirklichkeit gew,orden ist: »W~nn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, sobleibt's allein. Wenn es aber erstirbt, so bringt es viele Frucht« (Joh 12,24). Mit den Worten Rabbi Chijas, des Sohnes J osephs: »Wenn ein Weizenkorn, das nachts begraben wird, mit so vielen prächtigen Kleidern aufersteht, so und noch vielmehr die Gerechten« (Ketubot 111 a). Man fragte ~ab bi Pinchas von Koretz: »Warum soll, wie uns überliefert ist, der Messias am Jahrestag der Zerstörung Jerusalems geboren werden?« Rabbi P~nchas antwortete: »Das Korn, das in die Erde gesät ist, muß zerfallen, damit die neue Ähre sprieße. Die Kraft kann nicht auferstehen, wenn sie 'nicht in die große Verborgenheit eingeht« (M. Buber, Die chassidischen Bücher, Hellerau 1928, S. 654). Wie viele solcher »Weizenkörner« wurden in Israel nicht zu Grabe getragen und starben' dahin - ohne irdische Frucht zu bringen! Nur dieses Weizenkorn, so scheint es, fiel in fruchtbare GlaUbenserde, so daß sein Tod unzähligen Menschen in aller Welt zu einem besseren Leben und einer unsterblichen Hoff-nung verhalf. Alle ehrliche Theologie ist zutiefst gesehen Katastrophen-Theologie, die ihren Antrieb aus dem Elend und dem- Adel unseres Menschentums erhält: aus der Todesangst, dem Lebenswillen und der großen Hoffnung, daß mit dem Tod nicht alles zu Ende geht; einer Hoffnung, die einer Vorahnung jener unfaßbaren U nendlichkeit und letzten Wirklichkeit entspringt, die wir Gott benennen; einer Hoffnung, die sich nicht damit begnügen kann, daß unser 90
Dasein mit Geburtswehen beginnt und in einem letzten Röcheln ausklingt; einer Hoffnung, daß Tränen, Tod und Trauer nicht das letzte Wort behalten; einer Hoffnung, die aus dem Vertrauen »nach oben« den Mut »nach vorne« schöpft; Mut über das Sterben hinaus auf ein . Weitersein, das dem Tod seinen Stachel nimmt, um unserem Leben einen Sinn zu geben, der nicht vergehen noch verwesen _ _ _ kann_; __ einer Hoffnung, die die Kraft verleiht, sich fraglos auszuliefern an den Gott, ~)der tötet und lebendig macht« (Dtn 32,39) und Seiner Gerechten nicht vergißt (Ps 37,25).Das ist die Quintessenz des biblischen Auferstehungsglaubens von Juden und Christen. Und sonst nichts. Wenn man Einblick in die Volksseele des heutigen Rest-Is,raels gewinnen könnte, um seinem Selbstverständnis auf den Grund zu kommen, käme man höchstwahrscheinlich .zur Schlußfolgerung, daß Auschwitz und die Staatsgründung in demselben geistigen Verhältnis zueinander stehen wie Karfreitag und Ostersonntag im Herzen gläubiger Christen. Derselbe Abgrund gähnt zwischen dem Kreuz und der Auferstehung wie zwischen dem Massen-qolgota der Hitlerjahre und der nationalen Auferstehung im Jahre 1948. Ohne die Auferstehung Jesu, nach Golgota, hätte es kein Christentum gegeben - so, wie Auschwitz ohne die darauf folgende Neugründung Israels das Ende des Judenvolkes hätte sein können. Denn wer von euch Christen weiß, wieviel unbegründeter Zuversicht und Zukunftsglauben es bedarf, um nach 1945 jüdische Kinder in die Welt zu setzen? So ist die Sache Jesu im Grunde die Sache Israels. Sowohl die Lehre als die Leiden, das gläubige Erleben Gottes, das überleben des Martertodes und das ewige Leben, das wir erhoffen. Hier sehe ich das Eigentliche und den U rsinn jenes Heilsgeschehens am Pascha - Ostersonntag in J erusalem. Eine Auferstehung unserer Lebenshoffnung, die Juden und Christen gemeinsam bejahen: 91
»Aber deine Toten werden leben, Deine Leichname werden auferstehen. Wachet auf und jubelt, die ihr liegt unter der Erde! Denn ein Tau der "Lichter ist dein Tau, Und die Erde wird die Toten herausgeben.« Jes 26,19
Epilog
J esus gehört dah~r zweifelsohne zur »praeparatio messianica« der noch immer ausstehenden Vollerlösung; er war ein »Weg_ _ _ bereiteL des Königs- Messias«,--wie ihn Maimonides nennt, aber---für Juden macht ihn seine Auferstehung nicht zum Messias Israels. Mit den Worten des katholischen Theologen Clemens Thoma: »Für jüdische Schriftgelehrte war das Zeugnis der Auferstehung kein Beweis für die Messianität Jesu, weil bei ihnen der Auferstehungsgedanke nicht mit der messianischen Heilserw~rtung verknüpft war.· Zur Zeit Jesu erwartete man im Judentum die Wiedererstehung verschiedene-r Gestalten: des Henoch, des Mose, des Elia,· des Jeremias ... , nicht aber die Auferstehung des Messias ... Den Heiden wurde durch die Auferstehung Jesu ein Zugang zum Glauben an den einen, ihnen bis dahin unbekannten Gott Israels geöffnet. Hingegen war im Judentum der Glaube an Gott nicht erst grund zulegen und zu begründen; er stand außer Frage ... Für Israel war Gott schon vor Christus auf Erden« (Kirche aus Juden und Heiden, Freiburg i. Br., S. 45).
· Literaturverzeichnis
Braun, Herber!: Jesus. Der Mann aus Nazareth und seine Zeit, Stuttgart 1969 Freiburger Rundbrief, Beiträge zur christlich-jüdischen Begegnung, Schriftleitung: Dr. Gertrud Luckner, Freiburg i. Br.
Jeremias, Joachim: Neutestamentliche Theologie; I. Teil: Die Verkündigung Jesu, Gütersloh 1973 Josephus, Flavius: Dei' jüdische Krieg, 2 Bde., München 1974 Klausner, Joseph: Jesus von Nazareth, Jerusalem 1952 "Küng, Hans: Christ sein, München 1974 Lapide, Pinchas: Ist das nicht Josephs Sohn?, Stuttgart/ München 1976 Lentzen-Deis, Fritzleo: Auferstehungserfahrung und Qsterglaube, in: Theologische Akademie«, Bd. VII. Hrsg. von Kar! Rahner und Qtto Semmelroth, Frankfurt a. M. 1970 Lessing, Gotthold Ephraim: Eine Duplik (1778), Lessings Werke in 6 Bdn., Leipzig, 6. Bd., S. 240 ff. Marxsen, Willi: Die Sache Jesu geht weiter, Gütersloh 1976 Schweitzer, Albert: Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, 2 Bde., Hamburg 1966 Schweizer, Eduard: Jesus Christus, Hamburg 1968 Thoma, Clemens: Kirche aus Juden und Heiden, Biblische Informationen über das Verhältnis der KirChe zum Judentum, Wien 1970
.Hans Küng/Pinchas Lapide
J esus im Widerstreit Ein jüdisch-christlicher Dialog . . -52 Seiten.-Paperback•.
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JÜdisch.;.christliche Dialoge sind in jüngster Zeit viele geführt worden. Den entscheidenden Punkt hat man aber in der· Diskussion meist ausgespart, weil man keine Verständigungsmöglichkeit sah. Hier wurde gewagt, den jüdischchristlichen Dialog direkt über den entscheidenden Punkt zu führen: den Juden Jesus von Nazaret, der zwischen Juden . und Christen steht.
Pinchas Lapide Ist das nicht· Josefs Sohn? Jesus im heutigen Judentum. 167 Seiten. Paperback.
Ein Jahrtausend kirchlicher Judenpolitik hat den Nazarener seinen Landsleuten entfremdet. Erst jetzt in der freien Atmosphäre des Judenstaates kommt es zu einer schrittweisen Neubewertung des berühmtesten Sohnes Israels. Pinchas Lapide, der seit zwei Jahrzehnten' der jüdischchristlichen Bibelökumene dient, berichtet in seinem Buch über das neue Interesse des Judentums an Jesus.
Kösel Verlag · Calwer Verlag
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