Springer-Lehrbuch
M. Goebeler P. Walter M. Westhofen
Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN Unter Mitarbeit vo...
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Springer-Lehrbuch
M. Goebeler P. Walter M. Westhofen
Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN Unter Mitarbeit von K. Hartmann, M. Hermel, J. Ilgner, A. Jung, P. Mayser, N. Plange
Mit 98 Abbildungen und 70 Tabellen
123
Prof. Dr. med. Matthias Goebeler Zentrum für Dermatologie, Venerologie und Allergologie Universität Gießen Gaffkystr. 14 35392 Gießen
Prof. Dr. med. Peter Walter Augenklinik der RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
Prof. Dr. med. Martin Westhofen Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
ISBN 978-3-642-20411-1 Springer Medizin Verlag Heidelberg Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer Medizin Verlag springer.de © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011 Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Planung: Christine Ströhla, Heidelberg Projektmanagement: Axel Treiber, Heidelberg Lektorat: Ursula Illig, Gauting Titelbild: Sonja Werner, Köln Layout und Umschlaggestaltung: deblik Berlin Satz und Reproduktion der Abbildungen: Fotosatz-Service Köhler GmbH – Reinhold Schöberl, Würzburg SPIN 80023662 Gedruckt auf säurefreiem Papier
15/2117 – 5 4 3 2 1 0
V
Vorwort Augenheilkunde, HNO und Dermatologie in 5 Tagen für das sogenannte Hammerexamen zu lernen, stellt gewiss eine große Herausforderung dar. Das vorliegende Buch soll Medizinstudierende dabei unterstützen, Ihre Prüfungsvorbereitung so effizient wie möglich zu gestalten. In 38 Kapiteln haben wir den prüfungsrelevanten Stoff dieser drei Fächer so aufgearbeitet, dass Sie nach intensiver Lektüre und Lernen den Anforderungen des Staatsexamens mehr als genügen sollten. Dieses Buch kann und will Lehrbücher und den Unterricht vor Ort nicht ersetzen; es erhebt keinen Anspruch, das jeweilige Fach vollständig und in der Tiefe darzustellen. Manche Themen, über die man jeweils ganze Bücher verfassen könnte, werden nur kurz angerissen. Das »5-Tage-Buch« konzentriert sich vielmehr auf die prüfungsrelevanten Inhalte und versteht sich als Intensivrepetitorium oder kommentierten Index der jeweiligen Fächer. Die in diesem Buch gemeinsam auftretenden Disziplinen Augenheilkunde, Dermatologie und HNO gelten im medizinischen Fächerkanon gemeinhin als »kleine Fächer«. Im Vergleich zur Inneren Medizin oder Chirurgie werden sie im Staatsexamen mit einer kleineren Zahl von Fragen bedacht; der Umfang des Repetitoriums trägt dieser Situation Rechnung. In der klinischen Realität der Aus- und Weiterbildung werden jedoch diejenigen von Ihnen, die sich nach dem Examen in einem dieser Fächer weiterbilden, feststellen, dass es sich tatsächlich um große, inhaltsreiche Fächer mit mehreren Subdisziplinen handelt. Die Herausgeber und Autoren dieses Repetitoriums wünschen Ihnen für die Prüfungsvorbereitung das notwendige Durchhaltevermögen, einen klaren Durchblick, offene Ohren, einen guten Riecher und, bei aller Lernerei, trotzdem etwas Spaß. Für die Prüfung wünschen wir Ihnen viel Erfolg!
Aachen und Gießen, im Sommer 2011
Matthias Goebeler Peter Walter Martin Westhofen
VII
Inhaltsverzeichnis Tag 1 – Augenheilkunde
9
Sehnerv und Sehbahn . . . . . . . . . . .
70
Optikusatrophie . . . . . . . . . . . . . . . . . Anteriore ischämische Optikusneuropathie (AION) . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungsanomalien des Sehnerven . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hereditäre Optikusneuropathie . . . . . . . Toxische Optikusneuropathien . . . . . . . Differenzialdiagnose Papillenschwellung . Sehbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neuritis nervi optici: Retrobulbärneuritis, Papillitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
1
Anamnese und Untersuchung . . . . . .
1
9.1 9.2
1.1 1.2
Anamnese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2 2
9.3
2
Lider und Tränenwege . . . . . . . . . . .
7
2.1 2.2 2.3
Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologie der Lider . . . . . . . . . . . . . . Erkrankungen der ableitenden Tränenwege . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8 8 14
3
Bindehaut und Hornhaut . . . . . . . . .
17
3.1 3.2 3.3
Bindehaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hornhaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verätzungen und Trauma der Hornhaut und Bindehaut . . . . . . . . . . . . . . . . Hornhautchirurgische Verfahren . . . . .
. .
18 25
. .
34 34
3.4
4
Sklera, Iris, Uveitis . . . . . . . . . . . . . .
36
4.1 4.2
Sklera . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Iris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37 38
5
Linse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6
Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . Presbyopie (Alterssichtigkeit) . . . . . Ectopia lentis (Verlagerung) . . . . . . Entwicklungsstörungen . . . . . . . . . Linsentrübung (Katarakt, grauer Star)
. . . . . .
45 45 45 45 46 46
6
Glaukom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
. . . . . .
. . . . . .
7
Glaskörper und Netzhaut . . . . . . . . .
55
7.1 7.2
Glaskörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Netzhaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56 57
8
Aderhaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
8.1 8.2 8.3
Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fehlbildungen – Aderhautkolobome . . . Entzündungen der Aderhaut (Uveitis posterior) . . . . . . . . . . . . . . . . Lymphome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aderhautmelanom . . . . . . . . . . . . . . . Aderhautnävus . . . . . . . . . . . . . . . . .
67 67
8.4 8.5 8.6
67 68 68 69
9.4 9.5 9.6 9.7 9.8
71 72 72 72 73 73 75
10
Orbita . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
10.1 10.2 10.3 10.4
Anatomie . . . . . . . . . Stumpfes Trauma . . . . Tumoren . . . . . . . . . Endokrine Orbitopathie
. . . .
78 78 79 81
11
Strabismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
11.1 11.2 11.3 11.4
Definitionen . . . . . Grundlagen . . . . . Begleitschielen . . . Paretisches Schielen
. . . .
85 85 85 89
12
Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92
12.1 Lidverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2 Verletzungen des Augapfels . . . . . . . . . 12.3 Verätzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93 93 95
13
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
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. . . .
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. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
Augenerkrankungen bei Allgemeinleiden . . . . . . . . . . . . .
97
14
Tropenophthalmologie . . . . . . . . . . 100
14.1 14.2 14.3 14.4 14.5
Trachom . . . . . . . . . . . . . . . Lepra . . . . . . . . . . . . . . . . . . Onchozerkose . . . . . . . . . . . . Vitamin-A-Mangelerkrankungen Katarakt . . . . . . . . . . . . . . . .
15
Sehbehinderung, Rehabilitation und rechtliche Grundlagen . . . . . . . . 103
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
101 101 101 102 102
15.1 Sehbehinderung und Erblindung . . . . . 104 15.2 Verkehrmedizin . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
VIII
Inhaltsverzeichnis
15.3 Entschädigungsrecht . . . . . . . . . . . . . 104 15.4 Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 15.5 Frühförderung, Förderschulen . . . . . . . . 105
16
Leitsymptome . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
Tag 2 – Dermatologie 17
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
17.1 17.2 17.3 17.4 17.5
Aufbau der Haut . . . . . Hautanhangsgebilde . . Effloreszenzenlehre . . . Befundbeschreibung . . Weitere wichtige Begriffe
18
Erkrankungen durch physikalische und chemische Noxen . . . . . . . . . . . 120
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
18.1 Dermatitis solaris (Sonnenbrand) . . . . . 18.2 Hautläsionen durch chronische UV-Strahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.3 Polymorphe Lichtdermatose . . . . . . . . 18.4 Verbrennung (Combustio), Verbrühung (Ambustio) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.5 Erfrierung (Congelatio) . . . . . . . . . . . 18.6 Verätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.7 Dekubitus . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
112 114 115 117 118
. 121 . 122 . 123 . . . .
124 125 125 126
20
Infektionskrankheiten der Haut . . . . . 154
20.1 20.2 20.3 20.4 20.5 20.6 20.7 20.8 20.9 20.10 20.11 20.12 20.13 20.14 20.15 20.16
20.20 20.21 20.22 20.23 20.24
Erysipel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erysipeloid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Impetigo contagiosa . . . . . . . . . . . . . . Ostiofollikulitis, Furunkel, Karbunkel . . . . Phlegmone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gramnegativer Fußinfekt . . . . . . . . . . . Erythrasma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Borreliose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Syphilis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gonorrhö . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulcus molle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lymphogranuloma venereum . . . . . . . . Superfizielle Mykosen (Dermatomykosen) Infektionen mit Herpes-simplex-Viren . . . Varizella–Zoster-Virus-(VZV)-Infektionen . Infektionen mit humanen Papillomviren (HPV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Molluscum contagiosum . . . . . . . . . . . Erythema infectiosum . . . . . . . . . . . . . Hauterscheinungen bei HIV-Infektion und AIDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trichomoniasis . . . . . . . . . . . . . . . . . Leishmaniose . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pedikulose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cimikose (Wanzenbefall) . . . . . . . . . . . Skabies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20.17 20.18 20.19
156 156 157 158 159 159 160 160 162 167 168 169 170 181 183 186 189 189 190 191 192 193 195 196
19
Intoleranzreaktionen . . . . . . . . . . . . 127
21
Entzündliche Hauterkrankungen . . . . 198
19.1 19.2 19.3 19.4 19.5 19.6 19.7 19.8 19.9 19.10 19.11 19.12 19.13 19.14 19.15 19.16
Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . Allergietestung . . . . . . . . . . . Rhinoconjunctivitis allergica . . . Nahrungsmittel-Typ-I-Allergie . . Bienen- und Wespengiftallergie . Latexallergie . . . . . . . . . . . . . Urtikaria . . . . . . . . . . . . . . . . Hereditäres Angioödem . . . . . Atopisches Ekzem . . . . . . . . . Kontaktekzem . . . . . . . . . . . . Nummuläres Ekzem . . . . . . . . Seborrhoisches Ekzem . . . . . . Weitere Ekzemerkrankungen . . Pruritus (Juckreiz) . . . . . . . . . . Prurigo-Erkrankungen . . . . . . . Arzneimittelreaktionen . . . . . .
21.1 21.2 21.3 21.4 21.5
Psoriasis (Schuppenflechte) . . . Lichen ruber . . . . . . . . . . . . . Pityriasis rosea . . . . . . . . . . . . Erythema multiforme . . . . . . . Nicht-infektiöse granulomatöse Erkrankungen . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . .
129 130 131 132 133 134 134 137 137 140 144 144 145 146 147 148
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
199 204 207 207
. . . . . . 209
Tag 3 – Dermatologie 22
Autoimmunerkrankungen der Haut . . 215
22.1 22.2 22.3 22.4 22.5
Blasenbildende Autoimmundermatosen Lupus erythematodes . . . . . . . . . . . . Dermatomyositis . . . . . . . . . . . . . . . Progressive systemische Sklerodermie . Kryoglobulinämie . . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
216 224 227 229 231
IX Inhaltsverzeichnis
23
Hereditäre Erkrankungen der Haut . . 232
23.1 23.2 23.3 23.4
Ichthyosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Palmoplantarkeratosen . . . . . . . . . . . Dyskeratosis follicularis (Morbus Darier) Neurokutane Erkrankungen (Phakomatosen) . . . . . . . . . . . . . . . . 23.5 Marfan-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . 23.6 Epidermolysis bullosa hereditaria . . . . . 23.7 Xeroderma pigmentosum . . . . . . . . .
. 233 . 235 . 236 . . . .
237 239 239 241
24
Zysten, Nävi und Tumoren der Haut . . 243
24.1 24.2 24.3 24.4 24.5
24.10 24.11 24.12 24.13 24.14 24.15
Zysten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicht-melanozytäre Nävi . . . . . . . . . . . Verruca seborrhoica . . . . . . . . . . . . . . Basalzellkarzinom . . . . . . . . . . . . . . . Aktinische Keratose, Cheilitis actinica, Leukoplakie und spinozelluläres Karzinom Keratoakanthom . . . . . . . . . . . . . . . . M. Bowen und Bowen-Karzinom . . . . . . Merkel-Zellkarzinom . . . . . . . . . . . . . . Lentigines und melanozytäre Nävuszellnävi . . . . . . . . . . . . . . . . . . Malignes Melanom . . . . . . . . . . . . . . . Tumoren der Gefäße . . . . . . . . . . . . . . Tumoren des Binde- und Fettgewebes . . Primär kutane Lymphome . . . . . . . . . . Mastozytosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kutane Paraneoplasien . . . . . . . . . . . .
25
Erkrankungen des Pigmentsystems . . 277
24.6 24.7 24.8 24.9
245 246 248 249 251 254 254 255 256 260 264 268 269 273 275
25.1 Vitiligo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 25.2 Melasma (Chloasma) . . . . . . . . . . . . . . 279 25.3 Postinflammatorische Hyperpigmentierungen . . . . . . . . . . . . 280
27.4 27.5 27.6 27.7 27.8 27.9 27.10 27.11
Alopecia areata . . . . . . . . . . . . . Trichotillomanie . . . . . . . . . . . . Vernarbende Alopezien . . . . . . . . Hirsutismus . . . . . . . . . . . . . . . . Nagelerkrankungen . . . . . . . . . . Chronisch-rezidivierende Aphthen . Morbus Behçet . . . . . . . . . . . . . Leukoplakie . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
28
Erkrankungen der Talg- und Schweißdrüsen . . . . . . . . . . . . . . . . 298
28.1 28.2 28.3 28.4 28.5 28.6 28.7
Seborrhö . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Acne vulgaris . . . . . . . . . . . . . . . . . Acne inversa (Hidradenitis suppurativa) . Rosacea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Periorale Dermatitis . . . . . . . . . . . . . Hyperhidrose . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypohidrose und Anhidrose . . . . . . . .
29
Erkrankungen des Gefäßsystems . . . . 306
29.1 29.2 29.3 29.4 29.5 29.6 29.7
Raynaud-Phänomen und Morbus Raynaud Livedoerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . Vaskulitiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pyoderma gangraenosum . . . . . . . . . . Erkrankungen der Venen . . . . . . . . . . . Erkrankungen der Lymphgefäße . . . . . . Diabetische Ulzera . . . . . . . . . . . . . . .
30
Proktologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322
. . . . . . .
289 291 292 293 294 295 295 297
299 299 301 302 303 304 305
307 307 309 314 316 318 320
30.1 Hämorrhoidalleiden . . . . . . . . . . . . . . 323 30.2 Fissuren und Fisteln der Analund Rektalregion . . . . . . . . . . . . . . . . 324
31
Andrologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326
31.1 Infertilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327
26
Erkrankungen des Bindegewebes und der Subkutis . . . . . . . . . . . . . . . 281
26.1 26.2 26.3 26.4 26.5
Zirkumskripte Sklerodermie (Morphaea) Lichen sclerosus et atrophicus . . . . . . . Narben und Keloide . . . . . . . . . . . . . Striae distensae . . . . . . . . . . . . . . . . Pannikulitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
Erkrankungen von Haaren, Nägeln und Schleimhäuten . . . . . . . . . . . . . 287
. . . . .
282 283 284 285 285
27.1 Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 27.2 Trichogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 27.3 Androgenetische Alopezie . . . . . . . . . . 288
Tag 4 – HNO 32
Ohr, Otobasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331
32.1 Erkrankungen des äußeren Ohrs . . . . . 32.2 Erkrankungen des äußeren Gehörgangs 32.3 Erkrankungen des Mittelohrs, des Trommelfells und der Otobasis . . . . 32.4 Erkrankungen des Innenohrs . . . . . . . 32.5 Erkrankungen des Felsenbeins . . . . . .
. 333 . 341 . 342 . 350 . 361
X
Inhaltsverzeichnis
33
Nase, Gesicht, Mittelgesicht, Rhinobasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366
33.1 Erkrankungen der äußeren Nase und des Gesichts . . . . . . . . . . . . . . 33.2 Erkrankungen der inneren Nase . . . . . 33.3 Erkrankungen der Nasennebenhöhlen 33.4 Erkrankungen der Rhinobasis und des Mittelgesichts . . . . . . . . . . 33.5 Erkrankungen der Orbita und periorbitalen Rhinobasis . . . . . .
. . 368 . . 375 . . 391 . . 409
38
. . 417
Mund, Mundhöhle, Pharynx . . . . . . . 421
34.1 Fehlbildungen der Mundhöhle und des Gaumens . . . . . . . . . . . . 34.2 Verletzungen der Mundhöhle und des Rachens . . . . . . . . . . . . . 34.3 Entzündungen der Mundhöhle und Lippen . . . . . . . . . . . . . . . . . 34.4 Rhonchopathie und obstruktives Schlafapnoe Syndrom (OSAS) . . . . . 34.5 Entzündungen des Pharynx . . . . . . 34.6 Tumoren der Lippe (Lippenrot), der Mundhöhle und der kleinen Speicheldrüsen . . . . . . . . . . . . . . 34.7 Tumoren des Pharynx . . . . . . . . . . 34.8 Sonstige Erkrankungen des Pharynx
35
. . . 422
Hals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493
38.1 Fehlbildungen des äußeren Halses und der Halsweichteile . . . . . . . . . . . . 38.2 Verletzungen der Halsweichteile, der Halsnerven und der extrakraniellen hirnversorgenden Gefäße . . . . . . . . . . 38.3 Entzündungen der Halsweichteile und Halslymphknoten . . . . . . . . . . . . . 38.4 Tumoren des Halses . . . . . . . . . . . . . . 38.5 Knöcherne und muskuläre Fehlstellungen des Halses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
494
496 497 502 510
. . . 424
Abbildungsteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 . . . 425
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . 529 . . . 428 . . . 430
. . . 435 . . . 440 . . . 445
Larynx, Stimme, Sprechen . . . . . . . . . 447
35.1 35.2 35.3 35.4 35.5 35.6 35.7
Fehlbildungen des Larynx . . . . . . . . . . Verletzungen des Larynx . . . . . . . . . . . Larynxödem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündungen des Larynx . . . . . . . . . . Sonstige Erkrankungen der Stimmlippen Tumoren des Larynx . . . . . . . . . . . . . . Lähmungen des Kehlkopfs und Stimmstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35.8 Sonstige Erkrankungen des Larynx . . . .
36
Speicheldrüsen . . . . . . . . . . . . . . . . 481
37.1 Verletzungen der großen Kopfspeicheldrüsen . . . . . . . . . . . . . . 482 37.2 Sekretionsstörungen und Entzündungen der Speicheldrüsen . . . . . . . . . . . . . . . 482 37.3 Tumoren der Speicheldrüsen . . . . . . . . 488
Tag 5 – HNO 34
37
448 450 450 452 455 457 467 468
Trachea, Ösophagus . . . . . . . . . . . . . 471
36.1 Fehlbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36.2 Verletzungen der Trachea, des Bronchialbaums und des Ösophagus 36.3 Entzündungen der Trachea und des Ösophagus . . . . . . . . . . . . . . 36.4 Tumoren der Trachea und des Ösophagus
472 473 476 477
XI
Autorenverzeichnis Prof. Dr. med. Matthias Goebeler
Prof. Dr. med. Peter Mayser
Zentrum für Dermatologie, Venerologie und Allergologie Universität Gießen Gaffkystr. 14 35392 Gießen
Zentrum für Dermatologie, Venerologie und Allergologie Universität Gießen Gaffkystr. 14 35392 Gießen
Dr. med. Kathi Hartmann
PD Dr. med. Niklas Plange
Augenklinik der RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
Augenklinik der RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
Dr. med. Martin Hermel
Prof. Dr. med. Peter Walter
Augenklinik der RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
Augenklinik der RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
Dr. med. Justus Ilgner
Prof. Dr. med. Martin Westhofen
Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
Prof. Dr. med. Andreas Jung
Zentrum für Dermatologie, Venerologie und Allergologie Universität Gießen Gaffkystr. 14 35392 Gießen
1 Tag 1 – Augenheilkunde
1
Anamnese und Untersuchung P. Walter
1.1
Anamnese – 2
1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.1.5
Aktuelle und organzentrierte Anamnese – 2 Frühere Augenleiden und deren Behandlung – 2 Allgemeine Anamnese – 2 Sozialanamnese – 2 Familienanamnese – 2
1.2
Untersuchung – 2
1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5
Äußere Untersuchung – 3 Funktionstests – 3 Farbensehen – 4 Elektrophysiologische Untersuchungen – 4 Spaltlampenuntersuchung des vorderen und hinteren Augenabschnitts – 5 Ophthalmoskopie – 5 Druckmessung – 5 Bildgebende Diagnostik – 6
1.2.6 1.2.7 1.2.8
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_1, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
2
1
Kapitel 1 · Anamnese und Untersuchung
Eigene Notizen
1.1
Anamnese
1.1.1
Aktuelle und organzentrierte Anamnese
4 akute Beschwerden, seit wann welche Beschwerden 5 Sehstörungen, Schmerzen 4 aktuelle Behandlung 5 Augentropfen, -salben, sonstige Augenmedikamente, Augenoperationen 4 derzeitige Korrektur der Fehlsichtigkeit (Brille, Kontaktlinse, chirurgisch)
1.1.2
4 4 4 4 4
Waren beide Augen früher gleich gut? Wann erfolgte die erste Brillenkorrektur? Gab es frühere Augenerkrankungen (Schielen etc.)? Gab es frühere Augenoperationen (Katarakt etc.)? Gab es Verletzungen am Auge?
1.1.3
4 4 4 4
Frühere Augenleiden und deren Behandlung
Allgemeine Anamnese
Organsysteme Allergien Medikamente Operationen
1.1.4
Sozialanamnese
4 familiäre Situation 4 berufliche Situation (Exposition mit ggf. toxischen Stoffen u. a.)
1.1.5
Familienanamnese
4 erbliche Erkrankungen 4 Augenleiden in der Familie
1.2
4 4 4 4
Untersuchung orientierende Betrachtung der Augen und der Augenumgebung Augenbewegungen Achsabweichungen, Schielstellungen, Nystagmus Lidtumoren
3 1.2 · Untersuchung
4 funktionelle Untersuchungen 4 Spaltlampenuntersuchungen 4 bildgebende Diagnostik
1.2.1
4 4 4 4 4 4 4 4 4
Äußere Untersuchung
Bulbusposition und Größe, Symmetrie, Position in der Orbita Augenumgebung, Gesichtshaut, Lidstellung Farbauffälligkeiten des Bulbus oder der Lider Schwellungen Sehachse, Parallelstand spontane Augenbewegungen, Augenzittern (Nystagmus) Folgebewegungen in die neun Blickrichtungen Abdecktests mit und ohne Prismenleiste Pupillenweite, Pupillenreaktionen (direkt, indirekt, konsensuell)
1.2.2
Funktionstests
4 Refraktionsuntersuchung: 5 objektive Messung am Autorefraktometer 5 subjektive Messung am Phoropter oder an der Probebrille J beste sphärische Korrektur, astigmatische Korrektur J beste monokulare Werte, dann binokularer Abgleich J Bestimmung der Akkomodation J Bestimmung des erforderlichen Presbyopieausgleichs 4 Visusbestimmung 5 erfolgt mit der besten Korrektur für die Ferne in 4–6 m 5 Optotypenprojektor oder Tafel 5 Zahlen, E-Haken, Buchstaben, Kinderbilder, Landolt-Ring 5 Visus ist ein Maß für den Sehwinkel, unter dem zwei Objekte getrennt wahrgenommen werden können 5 normal: 1/60 Grad = 1 Bogenminute entsprechend 1,0 5 Visus ist eine Funktion der Makula 5 Nahvisusprüfung erfolgt mit speziellen Nahsehprobentafeln in 30 cm 4 Gesichtsfelduntersuchung (Perimetrie) 5 das Gesichtsfeld beschreibt quantitativ die Empfindlichkeit des Sehsystems in einem bestimmten Punkt des Sehraumes 5 es werden absolute und relative Gesichtsfeldausfälle (Skotome) entdeckt 5 Patient fixiert monokular eine zentrale Marke 5 Wahrnehmungsschwellen einzelner Punkte im Gesichtsfeld werden registriert 5 statische und kinetische Verfahren 5 wichtig für die Verlaufskontrolle vieler Erkrankungen
1
Eigene Notizen
4
1
Kapitel 1 · Anamnese und Untersuchung
Eigene Notizen
1.2.3
Farbensehen
4 Farbtafeltest nach Ishihara 5 Tafeln mit Farbpunkten auf denen Zahlen oder Linien erkannt werden müssen 5 Schnelltest zur Identifikation von Rot-Grün Blinden 4 Farnsworth-Farblegetests 5 Farbproben müssen nach Ähnlichkeit sortiert werden 5 Farbsinnstörungen können einer Farbachse zugeordnet werden 5 quantitative Aussagen möglich 5 Verlaufskontrollen möglich 4 Anomaloskop 5 Farbproben müssen aus spektralen Reinfarben gemischt werden 5 Anteil der verwendeten Reinfarben lässt genaue Diagnose zu 5 Quantitative und qualitative Aussagen 5 große Bedeutung für die Verkehrsmedizin
1.2.4
Elektrophysiologische Untersuchungen
4 neuronale Aktivität der Netzhaut ist Quelle für ableitbare Biosignale vom Auge 4 Elektrookulogramm (EOG) 5 erfasst das Bestandspotenzial des Auges 5 Dipol zur Hornhaut hin positiv geladen 5 nimmt zu beim Wechsel von Dunkel- zur Helladaptation 5 pathologisch bei Netzhautdystrophien, Trauma, Uveitis, Medikamentenschäden (z. B. Resochin) u. a. 4 Elektroretinogramm (ERG) 5 Signale nach kurzen Lichtreizen 5 spezifische Analyse nach Stäbchen und Zapfen möglich 5 Unterscheidung von Rezeptorenschaden oder postsynaptischer Läsion 5 Varianten sind Ganzfeld-ERG, multifokales ERG und Muster-ERG 5 pathologische Befunde bei Dystrophien, Perfusionsstörungen, Trauma diabetischer Retinopathie u. a. 4 visuell evozierte Potenziale (VEP) 5 Ableitung erfolgt vom Hinterhaupt 5 kortikale Funktionen über der Sehrinde werden registriert 5 Differenzialdiagnostik von Sehnervenerkrankungen 5 Diagnose der Retrobulbärneuritis insbesondere auch zur Verlaufskontrolle
5 1.2 · Untersuchung
1.2.5
Spaltlampenuntersuchung des vorderen und hinteren Augenabschnitts
4 4 4 4
differenzierte Untersuchung aller Abschnitte des Auges Beobachtungsstrahlengang getrennt vom Beleuchtungsstrahlengang Beleuchtung erfolgt mit Lichtspalt Optischer Schnitt durch Hornhaut, Vorderkammer, Linse und Glaskörperraum 4 Kammerwinkeluntersuchung mit Gonioskop 4 Netzhautuntersuchung mit einer 90- oder 78-D-Lupe (indirekte Funduskopie) 4 Netzhautuntersuchung mit einem Kontaktglas (direkte Funduskopie)
1.2.6
Ophthalmoskopie
4 direkte Ophthalmoskopie mit dem Augenspiegel im Abstand von wenigen Zentimetern 5 Refraktionsfehler werden mit Recoss-Scheiben korrigiert 5 Untersucher und Patient schauen in die Ferne 5 16-fach vergrößertes Bild der Netzhaut 5 Bild ist seitengleich und aufrecht 5 nur zentrale Anteile der Netzhaut 4 indirekte Ophthalmoskopie mit dem Augenspiegel und einer 20-DLupe 5 Untersuchung erfolgt in größerem Abstand 5 Bild spiegelverkehrt und umgekehrt 5 binokulare Kopfophthalmoskope werden heute typischerweise eingesetzt 5 Überblick über die gesamte Netzhaut
1.2.7
Druckmessung
4 Bestimmung des Augeninnendrucks 4 Applanationstonometrie als häufigstes Verfahren 4 es wird hierbei die Kraft registriert, die notwendig ist, die Hornhaut eine definierte Fläche abzuflachen. Diese Kraft korreliert mit dem intraokularen Druck 4 Non-Contact-Tonometer eingesetzt arbeiten nach ähnlichem Prinzip 4 Impressionstonometrie nach Schiötz als zweites Prinzip 4 es wird bestimmt, wie weit ein Stempel mit einer definierten Masse in die Hornhaut eindringt. Die Eindringtiefe ist proportional zum intraokularen Druck 4 die Messung des Augendrucks hat wesentliche Bedeutung für die Diagnose und Verlaufskontrolle des Glaukoms
1
Eigene Notizen
6
1
Kapitel 1 · Anamnese und Untersuchung
Eigene Notizen
1.2.8
Bildgebende Diagnostik
Fluoreszeinangiographie 4 4 4 4
i.v. Applikation von Natriumfluoreszein Anregung der Fluoreszenz und Sequenzphotographie mit Filtern normalerweise bleibt das Fluoreszein in den retinalen Gefäßen pathologische Phänomene 5 konstante Hyperfluoreszenz, z. B. Defekte des retinalen Pigmentepithels 5 zunehmende Hyperfluoreszenz, z. B. Gefäßmembranen bei AMD 5 Hypofluoreszenz, z. B. Blutungen oder Aderhauttumoren 4 Farbstoffe 5 Natriumfluoreszein und/oder Indocyaningrün (ICG) 5 Fluoreszein markiert retinale Gefäße 5 ICG markiert Aderhautgefäße 5 Bedeutung für die Diagnostik von Netzhaut- und Aderhauterkrankungen
Optische Kohärenztomographie (OCT) 4 4 4 4
Streulichtverfahren zur Schnittbilddarstellung nicht-invasiv hohe Auflösung wichtig für Krankheitsprozesse an der vitreoretinalen Grenzfläche und innerhalb der Netzhaut 4 OCT-Verfahren auch für die vorderen Augenabschnitte möglich, z. B. für Diagnostik von Iristumoren
Ultraschalldiagnostik 4 A-Bild-Sonographie 5 meist zur Biometrie 5 zur Bestimmung der Stärke einer Intraokularlinse für die Kataraktchirurgie 4 B-Bild-Sonographie 5 zur Abklärung der intraokularen Situation, wenn durch Medientrübungen ein Einblick in das Auge nicht besteht 5 zur Bestimmung der Ausdehnung von Augentumoren oder zur Identifikation von intraokularen Fremdkörpern
Hornhauttopographie 4 Reflexbilder der Hornhaut zur ortsaufgelösten Bestimmung der Krümmungseigenschaften der Hornhaut 4 Farbkodierte zweidimensionale Darstellung
Endothelmikroskopie 4 4 4 4
mikroskopisches Verfahren zur Darstellung aller Schichten der Hornhaut Darstellung einzelner Zellen in der Hornhaut beim Patienten möglich Differenzialdiagnose von Hornhauterkrankungen Verlaufsdiagnostik nach Kataraktoperationen, aber auch vor und nach Keratoplastik
2 Tag 1 – Augenheilkunde
2
Lider und Tränenwege M. Hermel
2.1
Anatomie – 8
2.1.1 2.1.2
Aufbau – 8 Funktion – 8
2.2
Pathologie der Lider – 8
2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.2.6
Allergische Reaktionen – 8 Bakterielle Infektionen – 9 Phthiriasis palpebrarum – 10 Virale Infektionen – 10 Lidfehlstellungen – 10 Lidtumoren – 12
2.3
Erkrankungen der ableitenden Tränenwege – 14
2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.3.6 2.3.7
Mangelnde Spontaneröffnung der Hasner-Klappe – 14 Punctumstenosen/Okklusion – 15 Kanalikuläre Stenosen – 15 Stenosen/Verschluss des Ductus nasolacrimalis – 15 Dakroyzystitis – 15 Dakroylithiasis – 16 Verletzungen der Lider und Tränenwege – 16
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_2, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
8
Kapitel 2 · Lider und Tränenwege
Eigene Notizen
2.1
Anatomie
2.1.1
Aufbau
2 4 4 4 4 4
Haut mit Hautanhangsgebilden, Drüsen und Wimpern M.-orbicularis-Schicht Tarsusplatte mit den Meibom-Drüsen tarsale/palpebrale Bindehaut medial: Tränenpünktchen des Ober-Unterlides 5 fortgesetzt in die Tränenkanälchen der Ober- und Unterlides, die als Canaliculus communis im Tränensack münden 5 der Tränensack mündet über den Ductus nasolacrimalis in der Nase 4 seitliche Lidaufhängung auf Lidbändchen 5 lateral 5 medial, dort Umgreifen und Einstrahlen des Lidbändchenfasern und der Orbicularisfasern in die Wand des Saccus lacrimalis → komprimiert den Sack beim Lidschluss und vermittelt so die Tränenpumpfunktion 4 Oberlidanhebung durch 5 M. levator palpebrae (willkürlich) 5 Müller-Muskel (unwillkürlich)
2.1.2
Funktion
4 Schutz des Bulbus 4 Benetzung mit Tränenfilm beim Lidschlag 4 Abtransport der Tränen in die Nase
2.2
Pathologie der Lider
2.2.1
Allergische Reaktionen
4 allergisches Lidödem, u. U. massiv, schnell auftretend, meist mit Bindehautbeteiligung (7 Abschn. 3.1.4) 5 ggf. systemische Antihistaminika 4 atopische Dermatitis 5 Atopie-assoziierte Lidentzündung bei Hautbeteiligung 5 oft Staphylokokken-Superinfektion 5 Therapie: Hautpflege, Allergenkarenz, ggf. milde Kortikoide, ggf. Behandlung der Begleitinfektion 4 Kontaktdermatitis (Typ IV) 5 Medikamente (Augensalben), Kosmetika etc. 5 Lidrötung, Hautinduration pergamentartig, ggf. Verkrustung und Aufbrechen 5 Bindehautbeteiligung, Juckreiz
9 2.2 · Pathologie der Lider
5 Therapie: Allergenkarenz, kalte Umschläge, ggf. lokale Kortikoide, ggf. systemische Antihistaminika
2.2.2
Bakterielle Infektionen
4 Hordeolum (Gerstenkorn) 5 Superinfektion und Sekretstau einer Lidranddrüse 5 Therapie: topische Antibiose, warme Umschläge, ggf. bei Persistenz Inzision und Ausräumen 4 Abszess des Lides 5 nach einschmelzender Entzündung einer Hautdrüse, nach Trauma etc. 5 Antibiose lokal, ggf. systemisch, ggf. Inzision 4 Phlegmone des Lides 5 ausbreitende infektiöse Entzündung des Lides 5 ! Cave Gefahr der Fortleitung über die V. angularis in den Sinus cavernosus! 5 bei Kindern wegen des nicht voll entwickelten Septum orbitale auch Gefahr der Ausbildung einer Orbitaphlegmone (7 Kap. 10)! 5 Therapie J obligate systemische (i.v.) Antibiose J lokale Antibiose J engmaschige Überwachung 4 Blepharitis chronica 5 häufige Liderkrankung, in der Regel symmetrisch bilateral 5 oft Mischbild aus J seborrhoischer Komponente mit Hyperämie der Lidkante, Verkrustung der Basis der Wimpern, Sekretstau in den Liddrüsen J infektiöser Komponente durch Staphylokokken J chronischer Meibom-Drüsendysfunktion 5 Augenbrennen, Symptome der begleitenden Konjunktivitis 5 Therapie: mühsam J Lidrandhygiene: Warme Umschläge, Reinigung der Wimpernbasis z. B. mit Babyshampoo J Ausmassieren der Liddrüsen zur Lidkante hin J antibiotische Eradikation der Superinfektion lokal, ggf. systemisch; oft Rezidive J ggf. Tränenersatzmittel 4 Chalazion (Hagelkorn) 5 Stauung und Superinfektion einer Meibom-Drüse am Boden der chronischen Blepharitis mit Meibomdrüsendysfunktion 5 Therapie: J wie Blepharitis J bei Persistenz: chirurgische Exzision der Drüse, histologische Kontrolle
2
Eigene Notizen
10 Kapitel 2 · Lider und Tränenwege
Eigene Notizen
2
2.2.3
Phthiriasis palpebrarum
4 Befall mit Läusen und deren Nissen 4 Therapie 5 mechanische Entfernung der Läuse und der Nissen 5 Entlausung und Hygienemaßnahmen am ganzen Körper und im Umfeld
2.2.4
Virale Infektionen
Herpes simplex 4 bläschenartige Effloreszenzen, als Primärinfektion oder Reaktivierung möglich 4 assoziierter Bindehaut-/Hornhautbefall (7 Abschn. 3.2.12) 4 Therapie: topisch antiviral, ggf. systemisch
Herpes zoster ophthalmicus 4 Hauteffloreszenzen im Einzugsbereich des N. V1 durch Reaktivierung des VZV-Virus um Trigeminusganglion 4 ggf. Augenbeteiligung (Hutchinson-Zeichen = Nasoziliarisbefall), 7 Abschn. 3.2.12
Molluscum contangiosum 4 humanspezifischer Pockenvirus, befällt vor allem kleine Kinder, Kontaktübertragung und Autoinokulation 4 Knötchen mit eingesenkter Grube, ca. 3–4 mm 4 Therapie: ggf. Exzision, Kryotherapie, Laser
2.2.5
Lidfehlstellungen
Ektropium (. Abb. 1a, Farbteil) 4 Auswärtsdrehung des Lides 5 ggf. Keratinisierung der exponierten Bindehaut (7 Abschn. 3.1.3) 5 ggf. Expositionskeratopathie (7 Abschn. 3.2.16) 5 ggf. Epiphora (Tränenlaufen) durch Auswärtsdrehen der Puncti und chronischen Reiz 4 Ätiologie 5 involutives Ektropium durch Erschlaffung des Lidhalteapparates J Therapie: verschiedene Strategien der Lidstraffung, z. B. laterale Zügelplastik 5 Narbenektropium – durch mechanischen Zug J Therapie: operative Korrektur der Narbenzüge 5 Fazialisparese J Erschlaffung des Orbicularis, dadurch Ektropium des Unterlides, Retraktion des Oberlides J ! Cave Gefahr der Expositionskeratopathie!
11 2.2 · Pathologie der Lider
J Therapie: je nach Ursache und Dauer der Fazialisparese (spontane Paresen können sich weitgehend zurückbilden): Stufentherapie konservativ und chirurgisch (7 Abschn. 3.2.16)
Entropium (. Abb. 1b, Farbteil) 4 Einwärtsdrehung des Lides 5 Trichiasis, dadurch Reizung und Epiphora, Gefahr der Hornhautverletzung mit weiteren Folgen 4 involutiv 5 Erschlaffung des Lidhalteapparates, aber zusätzlich Überreiten des unteren Orbicularisanteil bewirkt ein Eindrehen des Lides 5 Therapie J durch evertierende Naht: bei guter Lidspannung und spastischem Orbicularis oder als Erstmaßnahme (Bedside-Prozedur möglich) J tarsusverkürzende Maßnahmen wie oben, aber zusätzlich Schwächung des spastischen Orbicularis 4 Narbenentropium 5 durch Vernarbung der Bindehaut Synblepharon, z. B. Trachom, Verätzung etc. 5 Therapie: schwierig J chirurgische Auflösung der Narbenzüge J Transplantation von Bindehaut/Mundschleimhaut/Amnion J chirurgisches Ausdrehen der Lidkante, ggf. Destruktion oder Exzision der fehlstehenden Wimpern, vgl. Trichiasis
Trichiasis 4 Wimpernkratzen 4 einzelne/gruppiert fehlstehende Wimpern 5 bei einzelnen Wimpern: Elektroepilation, Kryodestruktion 5 bei Gruppen vom Wimpern: ggf. tarsokutane Verschiebeplastik (Verschiebung der vorderen Lamelle des Lides incl. Wimpernboden in Bezug auf die Tarsusplatte, weg vom Auge) 4 Entropium, involutiv oder narbig 5 Therapie s. oben 4 Distichiasis 5 fehlangelegte zweite Wimpernreihe 5 oft jahrelang durch die Kinder gut toleriert (Kontrollen!) 5 ggf. chirurgische Resektion der hinteren Wimpernreihe
Ptosis 4 Herabhängen des Oberlides 4 senile Ptosis 5 Desinsertion der Sehne des M. levator palpebrae vom Tarsus 5 Therapie: Reinsertion der Sehne an den Tarsus, sollte immer bilateral vorgenommen werden, da bei unilateraler Korrektur der weniger ausgeprägte, aber immer vorhandene kontralaterale Befund zum Vorschein kommt
2
Eigene Notizen
12 Kapitel 2 · Lider und Tränenwege
Eigene Notizen
2
4 kongenitale Ptosis 5 durch fehlangelegten und degenerierten M. levator 5 bei Restfunktion: Resektion oder Faltung der Sehne des Levators 5 ohne Restfunktion: Suspension des Oberlides an den M. frontalis oberhalb der Augenbraue z. B. mittels subkutan geführten Streifen Fascia lata. Die Kinder lernen schnell, die Oberlidanhebung mit Hilfe des M. frontalis auszuüben 4 neurogene Ptosis (bei Okulomotoriusparese, Horner-Syndrom, Fehlinnervationssyndromen) 4 andere myogene Ursachen, z. B. Myasthenie (Therapie der Grunderkrankung!) 4 mechanische Ptosis durch mechanische Ursachen (Tumoren, Narben, Ödem etc.)
Dermatochalasis 4 altersbedingte Erschlaffung der Haut der Ober- bzw. Unterlider 4 Therapie: Blepharoplastik (Resektion des Hautüberschusses)
Blepharochalasis 4 Erschlaffung der Haut der Lider als Folge chronisch rezidivierender Lidödeme, auch schon in der Jugend 4 Therapie 5 ggf. Lymphdrainagen 5 Blepharoplastik (Resektion des Hautüberschusses) nach Abschwellen
2.2.6
Lidtumoren
Benigne Lidtumoren 4 Xanthelasmen 5 gelbe, prominente Ablagerung von Lipiden in der Haut der medialen Oberlider, auch Unterlider 5 ältere Menschen 5 bei Jüngeren ggf. Assoziation mit Fettstoffwechselstörung (abklären!) 5 ggf. Therapie: J Lasertherapie J Exzision J Rezidive sind die Regel 4 Zysten/Knoten 5 Chalazion (7 Abschn. 2.2.2) 5 Epidermoidzysten; Einschlusszysten der diversen Drüsen 5 Dermoide 5 ggf. Exzision 4 Papillome 5 Plattenepithelpapillome, variables Aussehen 5 Basalzellpapillome (»senile Warzen«) 5 ggf. Exzision
13 2.2 · Pathologie der Lider
4 aktinische Keratose 5 lichtexpositionsabhängig 5 Präkanzerose 5 (exzisionelle oder inzisionelle) Biopsie, dann Exzision oder Kryotherapie 4 Keratoakanthom 5 sonnenexpositionsabhängiger, schnellwachsender Tumor, keratingefüllter Krater 5 selbstlimitierend und Ausbildung von Narben 5 DD: Plattenepithelkarzinom, Basaliom 5 Therapie: Exzision, evtl. Radiotherapie, Kryotherapie 4 Hämangiome, Nävi u. a.
Maligne Lidtumoren 4 Basalzellkarzinom (Basaliom; . Abb. 2, Farbteil) 5 häufigster maligner Tumor J älteres Lebensalter J helle Haut, Sonnenexposition J vor allem Unterlid, medialer Kanthus 5 langsam wachsend J lokal-invasiv, respektiert keine Strukturen! J z. B. lokaler Wimpernverlust J keine Metastasierung 5 noduläres Basaliom J ggf. zentrale Ulzeration J histologisch recht scharf begrenzt 5 sklerodermiformes Basaliom J wächst fingerförmig unter der Epidermis, klinisch schlecht einschätzbar! 5 Therapie: Resektion unter histologischer Kontrolle, dann Überwachung auf Rezidive 5 ! Cave: Prädisponierte Patienten entwickeln oft im Laufe der Zeit multiple Basaliome! 4 Plattenepithelkarzinom 5 Sonnenexposition 5 entsteht de novo oder aus Präkanzerosen Hautläsionen 5 Regionale Lymphknoten nicht selten befallen, perineurale Ausbreitung 5 Formen J Cornu cutaneum: Präkanzerose, oft an der Basis entartet! J nodulär J ulzerierend 5 Exzision, ggf. interdisziplinäre Behandlung 4 Merkelzellkarzinom 5 seltener neuroendokriner Tumor des Älteren 5 Schnellwachsend, hochmaligne, intakte Haut 5 Exzision, Radiotherapie
2
Eigene Notizen
14 Kapitel 2 · Lider und Tränenwege
Eigene Notizen
2
4 Talgdrüsenkarzinom 5 selten 5 manchmal schwer vom Chalazion zu unterscheiden! 4 malignes Melanom 5 oft auch nicht-pigmentiert! 5 Lentigo maligna = Melanoma in situ
Diagnostik und Therapie der Lidtumoren 4 chirurgische Exzision 5 exzisionelle Biopsie, sofern möglich, vor allem bei Malignitätsverdacht 5 inzisionelle Biopsie bei potenziell gutartigen Tumoren oder unklaren Befunden möglich 5 Vorgehen u. U. mehrzeitig – kein Wundverschluss, bis die histologische Kontrolle der Wundränder abgeschlossen ist 4 Lidrekonstruktion 5 verschiedene Verfahren, bei bis zu 30% Liddefekt primärer Verschluss oft möglich 5 Tarsusrekonstruktion erfolgt oft separat von der Hautrekonstruktion 5 freie Transplantationen (Tarsus, Haut) sind im Lidbereich mit gutem Erfolg durchführbar 4 Radiotherapie/Kryotherapie 5 gelegentlich bei Inoperabilität oder Operationsablehnung möglich
2.3
Erkrankungen der ableitenden Tränenwege
4 Leitsymptom: Epiphora (Tränenträufeln) 4 Lidfehlstellung und funktionelle Störung der Tränenpumpe ausschließen 4 anterograde Tränenwegssondierung nach Bougierung der Puncti, sowie Spülung ist wegweisend 4 ggf. Farbstoffabflusstest
2.3.1
Mangelnde Spontaneröffnung der Hasner-Klappe
4 membranöser Verschluss des Ductus nasolacrimalis am Übergang zur Nase 4 Epiphora im Kleinkindesalter 4 Sondierung und Spülung (ggf. in Kurznarkose) eröffnet die Klappe, sofern Spontaneröffnung in angemessener Zeit (12–18 Monate) nicht eingetreten ist
15 2.3 · Erkrankungen der ableitenden Tränenwege
2.3.2
Punctumstenosen/Okklusion
4 kongenital 4 erworben, z. B. nach vernarbenden Bindehauterkrankungen 4 Therapie: chirurgische Eröffnung
2.3.3
Kanalikuläre Stenosen
4 meist nach Virusinfekten oder posttraumatisch 4 Therapie 5 Sondierung, Spülung 5 ggf. Tränenwegsendoskopie mit Aufbougieren oder Laserung der Stenose 5 anschließend Schienung der Kanalikuli mittels Silikonstent für mehrere Monate (Rezidivprophylaxe)
2.3.4
Stenosen/Verschluss des Ductus nasolacrimalis
4 Epiphora 4 oft Ursache für rezidivierende Dakryozystitis 4 Therapie 5 Dakryozystorhinostomie (Schaffung einer künstlichen knöchernen Öffnung vom Saccus lacrimalis in die Nase J transkutan (nach Toti) J endoskopisch J endonasal 5 dabei Schienung der Tränenwege und der neuen Knochenöffnung für mehrere Monate mit einem Silikonstent
2.3.5
Dakroyzystitis
4 Risikofaktor: Abflussstenose 4 Infektion des Tränensackes mit eitrigem Hydrops 4 bei akutem Verlauf schmerzhaft 5 systemische Antibiose 5 Spülversuche über die Tränenwege bleibt oft erfolglos, können den Zustand auch verschlechtern 5 ggf. spontane Eröffnung transkutan, oder transkutane Inzision zur Eröffnung 4 chronische Dakryozystitis 5 Hydrops des Tränensackes mit Prominenz 5 Ursache für Rezidive 4 Therapie: Dakroyzystorhinostomie nach Abklingen der akuten Entzündung
2
Eigene Notizen
16 Kapitel 2 · Lider und Tränenwege
Eigene Notizen
2
2.3.6
Dakroylithiasis
4 Dakryolithen (Tränenwegssteine) können überall im Tränensystem entstehen 4 Abflussstörung mit Risiko der Superinfektion 4 chirurgische Entfernung, meist kombiniert mit Dakryozystorhinostomie
2.3.7
Verletzungen der Lider und Tränenwege
7 Kap. 12
3 Tag 1 – Augenheilkunde
3
Bindehaut und Hornhaut M. Hermel
3.1
Bindehaut – 18
3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5 3.1.6 3.1.7 3.1.8 3.1.9 3.1.10
Anatomie – 18 Funktion – 18 Generelle Reaktionsweisen und Pathologien – 18 Diagnostik der Bindehaut – 19 Konjunktivitis (Bindehautentzündung) – 19 Vernarbende Schleimhauterkrankungen – 22 Tränenfilm des Auges – 22 Keratoconjunctivitis sicca (»trockenes Auge«) – 23 Degenerationen der Bindehaut – 24 Tumoren der Bindehaut – 24
3.2
Hornhaut – 25
3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.2.6 3.2.7 3.2.8 3.2.9 3.2.10 3.2.11 3.2.12 3.2.13 3.2.14 3.2.15 3.2.16
Anatomie – 25 Funktion und besondere Eigenschaften – 25 Diagnostik – 26 Kongenitale Hornhautveränderungen – 26 Keratektasien – 26 Hornhautdegenerationen – 27 Hornhautdystrophien – 28 Bakterielle Keratitis/Ulkus – 28 Fungale Keratitis/Ulkus – 29 Therapie der infektiösen Keratitis – 29 Akanthamöben-Keratitis – 30 Viruskeratitis – 31 Hypersensitivitätsbedingte Marginalkeratitis – 32 Periphere ulzerierende Hornhauterkrankungen – 32 Neurotrophische Keratitis – 33 Expositionskeratopathie – 34
3.3
Verätzungen und Trauma der Hornhaut und Bindehaut – 34
3.4
Hornhautchirurgische Verfahren – 34
3.4.1 3.4.2
Refraktive Hornhautchirurgie – 34 Keratoplastik (Hornhauttransplantation) – 35
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_3, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
18 Kapitel 3 · Bindehaut und Hornhaut
Eigene Notizen
3
3.1
Bindehaut
3.1.1
Anatomie
4 Schleimhaut 4 bedeckt Lidinnenseite und Auge (außer Hornhaut), Umschlagsfalten in den Fornices der Lider 4 nicht-verhornendes Plattenepithel mit Becherzellen 4 Immunzellen
3.1.2
Funktion
4 Beitrag zur Tränenfilmproduktion 4 Schutz des Auges 4 Immunorgan (Teil des Mukosa-assoziierten lymphatischen Systems)
3.1.3
Generelle Reaktionsweisen und Pathologien
4 Hyperämie = Injektion 5 oberflächlich bei oberflächlicher Irritation oder Entzündung 5 tief limbusbetont bei intraokularem Reiz 4 Chemosis (Ödem) 5 glasige Schwellung 5 subtarsal als Papillen (klein, samtartig, Zentralgefäß) 5 Riesenpapillen bei Zerstörung der bindegewebigen Septen durch chronischen Reiz 4 Follikel 5 lymphatische Zellansammlungen, fornixbetont 5 größer als Papillen, Randgefäße 4 Hyposphagma = Einblutung 5 (Bagatell-)Trauma, Blutdruck, Gerinnungsstörung abklären, Alter 5 i. d. R. kein Behandlungsbedarf 4 Pseudomembran = fibrinöse Auflagerung, blutet nicht beim Abziehen 4 Membran = Fibrinnetz verwachsen mit Schleimhaut 5 blutet beim Abziehen 5 z. B. bei Diphtherie 4 Metaplasie, meist in verhornendes Epithel (Keratinisierung), durch chronische Exposition 4 Vernarbung 5 bis hin zum Synblepharon (Lidverwachsung) 5 u. U. Trichiasis durch Einwärtsdrehen des Lides, dadurch Erblindungsgefahr 4 Degenerationen: Kalkinfarkte, Zysten etc.
19 3.1 · Bindehaut
3.1.4
Diagnostik der Bindehaut
4 Spaltlampenuntersuchung 5 ggf. subtarsale Inspektion unter Ektropionieren, am Oberlid ggf. »doppeltes Ektropionieren« 4 je nach Situation: 5 Abstriche des Sekrets 5 Tränenfilmdiagnostik (7 Abschn. 3.1.7) 5 Färbung (Bengalrosa, Fluoreszein) zur Visualisierung von Epithelläsionen 5 Dokumentation von Veränderungen, z. B. mittels Photographie, Messung der Fornixtiefen etc. 5 Impressionszytologie 5 Biopsie der Bindehaut
3.1.5
Konjunktivitis (Bindehautentzündung)
Virale Konjunktivitis 4 Keratoconjunktivitis epidemica (. Abb. 5a, Farbteil) 5 Beginn meist einseitig 5 Adenovirus (meist 8 und 19) 5 meist präaurikuläre Lymphknotenschwellung 5 hochinfektiös J !Cave: Arztpraxen, Notaufnahme, Ambulanz! J Desinfektionsmaßnahmen J Hygienemaßnahmen im häuslichen Umfeld 5 Therapie: konservativ 5 evtl. Narben der Hornhaut mit Visusminderung, Therapie ggf. mit topischem Ciclosporin A 4 pharyngokonjunktivales Fieber 5 Adenovirus 3 + 7 5 Kinder mit Pharyngitis und Lymphadenopathie 5 Therapie: konservativ/Kinderarzt, Dauer 7–14 Tage 4 akute hämorrhagische Konjunktivitis 5 Picornavirus 5 hochinfektiös 4 herpetische Konjunktivitis (7 Abschn. 3.2.12)
Bakterielle Konjunktivitis (. Abb. 3, Farbteil) 4 eitriges Sekret, Lider morgens verklebt 4 häufigste Erreger: 5 Staphylokokken 5 Streptokokken 5 Pneumokokken 4 Diagnostik: Abstrich 4 Therapie: lokale antibiotische Therapie
3
Eigene Notizen
20 Kapitel 3 · Bindehaut und Hornhaut
Eigene Notizen
3
Konjunktivitiden durch Chlamydien 4 Trachom 5 Chlamydia trachomatis, Serotypen A, B, Ba, C 5 häufigste infektiöse Erblindungsursache, über 3% der Erblindungen weltweit 5 Stadien: J I: Konjunktivitis mit papillärer Hypertrophie J II: follikuläre Konjunktivitis J III: Vernarbung J IV: Narbenzustand 5 Klinik J Synblepharon J Lidfehlstellung, Trichiasis J Xerosis (Maximalform des »trockenen Auges«) J Folge: Vernarbung und Zerstörung der Hornhautoberfläche mit Visusverlust 5 Therapie J systemische und lokale Antibiose J Chirurgie der Komplikationen J Prophylaxe und Eindämmung (Gesichts und Handhygiene, umgebungshygienische Maßnahmen) 4 »Schwimmbadkonjunktivitis« 5 »Paratrachom« 5 Chlamydia trachomatis, Serotypen D–K 5 Übertragung J Sexualkontakt J auch direkte Bindehautinokulation J Schwimmbadbesuch nur noch ausnahmsweise 5 akute Entzündung J Follikel J wässriges bis purulentes Sekret J präaurikuläre Lymphadenopathie 5 recht häufig chronifiziert J unspezifische Beschwerden J »trockenes Auge« 5 Diagnostik J Spezialabstrich (mit Epithel) für direkte Immunofluoreszenz J PCR 5 Therapie 5 Urogenitalbeteiligung abklären lassen 5 evtl. Partnerbehandlung 5 systemische und lokale Antibiose
Ophthalmia neonatorum 4 perinatale Infektion
21 3.1 · Bindehaut
Ätiologie 4 Neisseria gonorrhoae 5 gefährliche Verläufe, kann intaktes Epithel penetrieren! 5 in den Industrieländern nur noch selten 4 Chlamydia trachomatis 4 andere Bakterien und Viren
Klinik 4 wässriges, dann mukopurulentes Sekret 4 papilläre Konjunktivitis 4 evtl. Blepharopasmus (! Cave: u. U. herausspritzen des Sekretes bei forcierter Lidöffnung!) 4 bei Gonokokken evtl. Hornhautulkus bis zur Perforation, Vernarbungen im Spätverlauf
Therapie 4 lokale und systemische Antibiose, je nach Erreger
Prophylaxe 4 früher: Credé-Prophylaxe mit Silbernitrat-Augentropfen direkt nach Entbindung 4 heute in den Industrieländern: oft gar keine Prophylaxe, evtl. Desinfektion der Bindehaut mit Polyvidon-Iod bzw. lokale Antibiose
Hypersensitivitätskonjunktivitis 4 allergische Konjunktivitis 5 Symptome: Juckreiz (Leitsymptom), Hyperämie, Chemosis 5 follikuläre Schwellung 5 oft saisonal 5 Therapie J lokal Mastzellstabilisatoren bzw. Antihistaminika (H1) J evtl. systemische Antihistaminika (H1) J evtl. lokale Kortikoisteroide unter engmaschiger Kontrolle 4 Konjunktivitis vernalis und atopische Keratokonjunktivitis 5 Ätiologie: Atopie (Typ I)/unbekannt J Eosinophilie J Riesenpapillen (DD Kontaktlinsenbedingt) J bei Atopikern evtl. chronisch schwerere Verläufe mit Vernarbung, Keratinisierung und Hornhautbeteiligung 5 Therapie J wenn möglich, Antigenkarenz J antientzündlich wie oben, aber evtl. sowohl aggressiver als auch dauerhafter J Komplikationen behandeln 4 mikrobiell-allergische Keratokonjunktivitis 5 Ätiologie J Hypersensitivität bei chronisch-entzündlichem Fokus (meist Staphylokokken-Blepharitis)
3
Eigene Notizen
22 Kapitel 3 · Bindehaut und Hornhaut
J wenig Befund, starke Beschwerden J Papillen/Follikel J marginale Hornhautulzera/Infiltrate J Phlyktänen J (z. B. Tuberkulose, Akne, Rosacea) 5 Therapie J Ursache/Infektion beseitigen J Phlyktäne: evtl. lokale Kortikosteroide
Eigene Notizen
3
3.1.6
Vernarbende Schleimhauterkrankungen
4 okuläres Pemphogoid: seltene mukokutane autoimmunerkrankung des älteren Menschen 4 Stevens-Johnson-Syndrom und toxische epidermale Nekrolyse (LyellSyndrom): toxische mukokutane systemische Entzündung 4 weitere Systemerkrankungen mit Hautbeteiligung können mit vernarbender Konjunktivitis einhergehen
Klinik 4 4 4 4 4
schwere Bindehautentzündung mit starker Vernarbungstendenz Keratinisierung und Synblepharonbildung schweres trockenes Auge (7 Abschn. 3.1.7) Lidfehlstellungen und Trichiasis Komplikationen bis zur Erblindung
Diagnostik 4 Dokumentation 4 Fornixvermessung zur Progressionsbeurteilung bei chronischen Verläufen 4 ggf. Diagnosesicherung mittels Bindehautbiopsie mit dermatohistopathologischer Untersuchung
Therapie 4 4 4 4 4 4
systemische Therapie der Grunderkrankung Behandlung der Sicca (7 Abschn. 3.1.8) Behandlung der entzündlichen Komponente ggf. wiederholtes Lösen von Bindehaut-Adhäsionen Prophylaxe und Therapie evtl. Superinfektionen (lokale Antibiose) Therapie der Komplikationen (Synblepharon, Lidfehlstellung, Trichiasis, Hornhautulzera, Perforation)
3.1.7
Tränenfilm des Auges
4 Anatomie des Tränenfilms: 3 Schichten: 5 Lipidschicht (Meibom-, Zeis-Drüsen) 5 wässrige Schicht (Lysozym, Tränendrüsen) 5 Muzinschicht (Hydrophil, Becherzellen, Henle- und Mainz-Drüsen)
23 3.1 · Bindehaut
4 Diagnostik 5 Menge des Tränenfilms (Schirmer-/Jones-Test) 5 Struktur des Tränenfilms J Färbung (Bengalrosa, Fluoreszein) J »break-up time« 5 evtl. Lysozymmessung, Impressionszytologie, Biopsie der Bindehaut 4 weitere Faktoren für die Benetzung 5 Blinzelfrequenz 5 Lidapposition 5 normale Bindehaut- und Hornhautoberfläche 5 hormonelle und neurale Regulation 5 Umweltfaktoren (Klimaanlage)
3.1.8
Keratoconjunktivitis sicca (»trockenes Auge«)
Ätiologie 4 unzureichende Menge oder Zusammensetzung der Tränen mit Instabilität des Tränenfilms, Benetzungsstörung und entzündlicher Beteiligung der Augenoberfläche 4 sekretionsbedingt 5 primäre altersbedingte Hyposekretion 5 Sjögren-Syndrom J autoimmune Systemerkrankung J entzündliche Infiltration von exokrinen Drüsen und mukösen Membranen J primär oder bei Kollagenosen J Tränengewebsdestruktion 5 anderweitige Destruktion der Tränendrüsen 5 Narben mit Verschluss der Drüsenausführungsgänge und Zerstörung der Becherzellen (Xerosis = schweres trockenes Auge durch Vernarbung und Keratinisierung der Bindehaut) J Stevens-Johnson-Syndrom, okuläres Pemphigoid J Trachom Endstadium, Verätzung, Trauma 5 neurogen (Parkinson, Sensibilitätsstörungen der Oberfläche) 5 hormonelle Umstellungen 5 Vitamin-A-Mangel (Xerophthalmie) 4 evaporativ 5 Meibom-Drüsendysfunktion/-Schädigung, z. B. durch Entzündungen 5 Lidfehlstellungen, Exophthalmus 5 Kontaktlinsen, Umweltfaktoren
Klinik 4 Trockenheitsgefühl. Fremdkörpergefühl, Augenbrennen 4 verschlechtert im Tagesverlauf/beim Autofahren/bei konzentrierter Arbeit
3
Eigene Notizen
24 Kapitel 3 · Bindehaut und Hornhaut
Eigene Notizen
3
4 typischer Kreislauf: Reizung → vermehrtes Tränenlaufen → Auswaschen des Tränenfilms durch wässrige Sekretion → mehr Evaporation → mehr Reizung etc. 4 Hornhautbefunde: 5 Keratitis punctata superficialis 5 muköse Plaques 5 später Keratitis filiformis 4 Komplikationen: Neovaskularisation, Hornhauterosio, Hornhautulkus mit Folgen bis zur Erblindung möglich
Therapie 4 Noxen entfernen (toxische Medikation, Kontaktlinsenkarenz, Umweltreize) 4 benetzende Augentropfen, am besten unkonserviert 4 Behandlung der Grunderkrankung 4 Korrektur von prädisponierenden Faktoren (z. B. entzündliche Komponente, Lidfehlstellungen etc.) 4 Verschluss der Tränenpünktchen 3.1.9
Degenerationen der Bindehaut
4 Pingueculum = Lidspaltenfleck, harmlos 4 Pterygium = Flügelfell 5 progrediente Überwucherung der Hornhaut durch die Bindehaut, fast immer von nasal ausgehend, bei Fortschreiten Richtung Zentrum Visusminderung 5 Therapie: Benetzende Augentropfen, UV-Schutz. Bei signifikantem Ausmaß operative Entfernung ( ! Cave Rezidive!). Erfolgsaussichten besser bei freier Bindehauttransplantation, Verwendung von Antimetaboliten oder bei autologer Limbustransplantation 4 Bindehautkalkinfarkte 5 Entfernung bei Fremdkörpergefühl 4 Bindehautzysten 5 häufig, meist harmlos. Bei Punktion oft Rezidive, ggf. vollständige Exzision 3.1.10
Tumoren der Bindehaut
4 Beobachten auf Veränderungen 4 malignes Potenzial klinisch meist nicht zu entscheiden! 4 im Zweifel: Exzision (oder Biopsie, je nach Fall)
Epitheliale Tumoren 4 Plattenepithelpapillome 5 Genese viral (Papovavirus), neoplastisch oder UV-bedingt 5 breitbasig, gestielt, evtl. eingezogen 5 Entartung selten, oft Rezidive
25 3.2 · Hornhaut
4 Carcinoma in situ 4 Karzinome
Melanozytäre Tumoren 4 Nävi 5 häufigster Tumor der Bindehaut 4 episklerale Melanose 5 epitheliale Melanose, bei dunklen Rassen häufiger 5 kongenitale Melanose 5 primäre erworbene Melanose (PAM) J ohne Atypie: Entartung selten J mit Atypie: Entartung, je nach Atypie, 20–90% J > Memo Wegen der diffusen Verteilung müssen zur Diagnostik mindestens 10 Biopsien entnommen werden. 4 malignes Melanon (. Abb. 4, Farbteil) 5 75% aus PAM 5 20–30% aus Nävus 5 de novo
Andere Tumoren 4 vaskulär 5 Hämangiom 5 selten Lymphangiom 4 Dermoide 4 DD Fettprolaps aus der Orbita 3.2
Hornhaut
3.2.1
Anatomie
4 4 4 4 4
Epithel: nichtverhornend, mehrschichtig Stroma (mit vorderer Bowman-Lamelle) Descemet-Membran Endothel (einschichtig, hexagonale Struktur) Rand der Hornhaut = Limbus = Übergang zur Sklera
3.2.2
Funktion und besondere Eigenschaften
4 Epithel 5 Oberflächenschutz 5 Regeneration vom Limbus aus, dort limbale epitheliale Stammzellen ansässig 4 Stroma 5 Brechkraft (ca. 43 dpt) 5 Klarheit durch regelmäßige Struktur der Fasern 5 Zellarmut 5 Traumaresistenz
3
Eigene Notizen
26 Kapitel 3 · Bindehaut und Hornhaut
Eigene Notizen
3
4 Endothel 5 Dehydratation der Hornhaut durch aktive Pumpfunktion, dadurch Erhalt der regelmäßigen Struktur der Fasern, dadurch Klarheit. Bei Endothelversagen kommt es zur Stromaquellung mit Trübung, später auch zur Ablösung des Epithels (bullöse Keratopathie) 5 beim Menschen keine Regeneration, Defektheilung erfolgt durch Ausbreitung bestehender Zellen 4 immunologisches Privileg der Hornhaut 5 Abwesenheit von Vaskularisation 5 Abwesenheit von reifen Immunzellen 5 immunsuppressive Faktoren 5 vorderkammerassoziierte Immundeviation = Mechanismus zur Induktion von Immuntoleranz
3.2.3
Diagnostik
4 Spaltlampenmikroskopie/regredientes Licht 4 Färbung (Bengalrosa, Fluoreszein) zur Visualisierung von Epithelläsionen 4 Keratometrie (Hornhautradienmessung) 4 Hornhauttopographie 4 Pachymetrie (Dickenmessungen) 4 optische Kohärenztomographie (OCT) 4 konfokale In-vivo-Mikroskopie
3.2.4
Kongenitale Hornhautveränderungen
4 Megalokornea, Mikrokornea, Cornea plana, Sklerokornea, Keratektasie 5 selten 5 ggf. systemische Assoziationen 4 kongenitale Hornhauttrübungen (z. B. nach intrauterinen Infekten)
3.2.5
Keratektasien
4 Keratokonus 5 Klinik J progrediente Ausdünnung des Stromas im Zentrum bzw. parazentral unten J progressive Myopie mit zunehmendem Astigmatismus J ggf. plötzliche zentrale Dekompensation durch Deszemeteinriss und Wassereinstrom mit Eintrübung 5 Beginn in der Pubertät 5 auch systemische Assoziationen (z. B. Down-, Marfan-, TurnerSyndrom etc.)
27 3.2 · Hornhaut
5 Therapie J Brille J formstabile Kontaktlinsen J Riboflavin-UVA-Crosslinking: photochemisches Verbacken der Korneafibrillen zum Aufhalten der Progression ( ! Cave Nur bei ausreichender Dicke der Hornhaut, sonst Endothelschaden!) J evtl. intrakorneale Implantation von Ringsegmenten (bewirkt gewisse Abflachung) J Keratoplastik (Hornhauttransplantation, lamellierend oder penetrierend 4 pelluzide marginale Degeneration 5 progressive bilaterale periphere Hornhautausdünnung, vor allem unten, meist asymmetrisch, zunehmender Astigmatismus, beginn ab 50 5 Therapie J Brille J formstabile Kontaktlinsen J ggf. operative Optionen (Keratoplastik, intrastromale Ringe etc.) 4 Keratoglobus 5 selten 5 Hornhautausdünnung generell seit Geburt 5 Therapie mit Kontaktlinsen
3.2.6
Hornhautdegenerationen
4 altersabhängig, z. B. Arcus senilis (Gerontoxon = Greisenbogen) 5 oft bei Älteren 5 bei Jüngeren: Dyslipoproteinämie abklären 4 expositionsabhängig, z. B. Bandkeratopathie 5 Verkalkung der vorderen Hornhautschichten 5 Ätiologie: J Uveitis J phosphathaltige Augentropfen J Alter J Metabolisch J hereditär 5 Therapie: Auslösung mit EDTA 4 Terriensche marginale Degeneration J periphere nichtentzündliche Ausdünnung der Hornhaut, langsam fortschreitend J später mit Vaskularisation J selten Perforation 4 medikamentöse Ablagerungen 5 z. B. Cornea verticillata bei Therapie mit Amiodaron (Cordarex) – an sich kein Grund zum Absetzen der Therapie 5 z. B. Eisenpigmentlinie (Stähli) unterhalb des Zentrums – kein Krankheitswert
3
Eigene Notizen
28 Kapitel 3 · Bindehaut und Hornhaut
Eigene Notizen
3
4 metabolische Keratopathien 5 z. B. Kayser-Fleischer-Kornealring bei M. Wilson 5 Hornhautablagerungen bei Zystinose, M. Fabry, Mukopolysachharidosen etc.
3.2.7
Hornhautdystrophien
4 Gruppe von Erkrankungen 4 progressiv, meist bilateral, meist genetisch, nichtentzündlich, eintrübend 4 Einteilung in epitheliale, stromale und endotheliale Formen, nach morphologischen Kriterien, neuerdings Neueinteilung nach genetischen Untersuchungen 4 Beispiel für häufige epitheliale Dystrophie 5 mikrozystische Degeneration Cogan (Map-Dot-FingerprintSyndrom, genannt nach vielfältiger Morphologie) 5 Folge: redizivierende Erosiones 5 Therapie: benetzende Augentropfen, Verbandslinsen, Abrasio oder phototherapeutische Keratektomie 4 Beispiel für häufige endotheliale Dystrophie: 5 Fuchssche Endotheldystrophie (Cornea guttata) 5 Aspekt wie gehämmertes Metall, später Wassereinstrom durch Dekompensation der Endothelpumpfunktion, Folgen: Trübung, Epithelödem, Schmerz 5 Dekompensation nach Kataraktextraktion durch Endothelschaden möglich 5 Therapie: Keratoplastik (endothelial oder penetrierend) (7 Abschn. 3.5)
3.2.8
Bakterielle Keratitis/Ulkus
Ätiologie 4 4 4 4 4
Kontaktlinsen! Trauma/operative Eingriffe Oberflächenerkrankung der Hornhaut systemisch (Diabetes, Immunsuppression etc.) Problemkeime 5 Pseudomonas und Streptokokken – oft aggressiv 5 Akanthamöben (7 Abschn. 3.2.11) 5 Ausnahmekeime (penetrieren intaktes Epithel!): J Neisseria gonorrhoeae J Neisseria meningitidis J Corynebacterium diphtheriae J Haemophilus influenzae
29 3.2 · Hornhaut
Klinik 4 Schmerzen, Bindehautrötung, ziliare Injektion, ggf. eitriges Sekret der Bindehaut 4 weißliches Infiltrat der Hornhaut 4 Ringinfiltrat hinweisend auf Pseudomonas oder Akanthamöben 4 evtl. Beteiligung der Vorderkammer 5 Endothelbeschläge 5 Zellreiz 5 Hypopyon 5 Reizmiosis 5 Endophthalmitis durch Durchwanderung möglich 4 bei Substanzdefekt des Stromas: Ulkus 4 ! Cave Aufklaren des Infiltratzentrums im Verlauf kann eine drohende Perforation anzeigen (Deszemetozele)! 4 Progression bis zur Perforation/Endophthalmitis möglich 4 auch bei Abheilung oft Hornhautnarben mit signifikanter Visuseinschränkung!
3.2.9
Fungale Keratitis/Ulkus
4 in Zentraleuropa deutlich seltener als bakterielle Infektionen 4 bis zu 50% der Erblindungen in feuchtwarmen Regionen!
Ätiologie 4 wie bakterielle Keratitis 4 zusätzlich: Verletzung mit pflanzlichem Material Klinik 4 Candida spp. 5 dichtes, gelb-weißes Infiltrat 5 überwiegen in milderen Regionen 4 Aspergillus spp. etc. 5 progressive fädige Infiltrate, Satellitenherde 5 Überwiegen in tropischen Regionen Diagnostik 4 Spaltlampenmikroskopie 4 Abstriche, ggf. auch Direktpräparat der Hornhaut (Abkratzpräparat) 4 > Memo Kontaktlinsen und Behälter nicht wegwerfen, sondern zur Mikrobiologie einschicken!
3.2.10
Therapie der infektiösen Keratitis
4 Auswahl der Initialtherapie erfolgt nach der Anamnese und dem klinischen Bild 4 aggressive antibiotische Intensivbehandlung (stündlich) mit mehreren lokalen Antibiotika/Antimykotika und sehr hoher Tropffrequenz
3
Eigene Notizen
30 Kapitel 3 · Bindehaut und Hornhaut
Eigene Notizen
3
4 ggf. Epithelabrasio, um die Penetration von Wirkstoffen zu verbessern 4 ggf. systemische antibiotische bzw. antimykotische Therapie 4 Anpassung der Therapie nach mikrobiologischer Diagnostik und klinischem Effekt 4 bei nicht beherrschbarer Infektion oder Perforation ggf. Notfalltransplantation (Keratoplastik à chaud) 4 Therapie der Spätkomplikationen im Intervall, z. B. 5 formstabile Kontaktlinsen bei irregulärem Astigmatismus (nach ausreichender Latenz!) 5 ggf. Keratoplastik bei visuseinschränkenden Narben 5 ggf. Kataraktextraktion bei postentzündlicher Katarakt
3.2.11
Akanthamöben-Keratitis
Ätiologie 4 Acanthamoeba spp. ubiquitär vorkommende Protozoen 5 Erde, stehende Gewässer 5 Zysten sind hochresistent, Tropozoiten aggressiv 4 weiche Kontaktlinsen (Reinigung mit Leitungswasser!)
Klinik 4 nichteitrige Keratitis 4 initial unspezifische epitheliale Läsionen, ähnlich wie Dendritika (7 Abschn. 3.2.12) 4 limbale Infiltrate, Progression zum Ringinfiltrat, dann Ringabszess 4 ggf. Skleritis 4 Einschmelzung möglich 4 starke Schmerzen
Diagnostik 4 mikrobiologiche Untersuchungen (Kontaktlinsen, -behälter/-flüssigkeit, Abstrich) 4 Kultur (E. coli »Fresszellenassay« oder Suspensionskultur) 4 PCR 4 direkte Mikroskopie (Hornhautbiopsat) 4 Konfokale In-vivo-Mikroskopie der Hornhaut
Therapie 4 schwierig und langwierig 4 Epithelabrasio 4 topische Amöbizide 5 Propamidin 0,1% (Brolene = Schwimmbadreiniger) + Polyhexamethylen Biguanid 0,02% 5 Hexamidin + Chlorhexidin 0,02% 5 initial viertelstündlich, dann über Monate ausschleichend 4 begleitend antibiotische Lokaltherapie 4 Schmerzkontrolle 4 ggf. Keratoplastik im Spätverlauf, gelegentlich auch à chaud
31 3.2 · Hornhaut
> Memo: »Monatslinsen« bedürfen der gleichen Aufmerksamkeit und Hygiene wie Dauertragelinsen. Gerade bei diesen Linsen werden Hygienemaßnahmen vernachlässigt, oft mit fatalen Folgen. Auch die Kontaktlinsenbehälter und deren Deckel müssen mit desinfiziert und regelmäßig ausgetauscht werden.
3.2.12
Viruskeratitis
Herpes simplex Klinik 4 Primärinfektion meist im Kindesalter 5 Blepharitis 5 unspezifische (Kerato-)Konjunktivitis 4 Reaktivierung 5 bäumchenartige Dendritika-Figur des Epithels 5 Sensibilitätstörung 4 disziforme Keratitis (. Abb. 5b, Farbteil) 5 Befall von Keratozyten oder Endothelium bzw. Immunreaktion 5 evtl. Deszemetfalten/Ödem bei Endothelitis 5 Sensibilitätsstörung 5 selten stromale Nekrose 5 Narbenbildung 5 später evtl. Metaherpetische Ulzeration (durch Denervierung und Epitheltoxitizät)
Diagnostik 4 Sensibilitätsstörung der Hornhaut 4 Virusnachweis ggf. durch Spezialkultur oder PCR aus Biopsat/intraokularer Flüssigkeit möglich
Therapie 4 4 4 4 4 4 4 4 4
lokal antiviral lokale Antibiotikaprophylaxe bei Epithelläsion bei disziformem Befall im Zentrum zusätzlich Kortikosteroid ggf. systemisch Aciclovir/Valaciclovir langsames Ausschleichen der Therapie bei Nekrose/Ulkus: Reepithelisierungsmaßnahmen Rezidivprophylaxe evtl. mit systemischem Aciclovir/Valaciclovir ggf. Keratoplastik ! Cave Deutlich erhöhtes Risiko von Abstoßungsreaktionen und Rezidiv im Transplantat!
Herpes Zoster Klinik 4 direkte Invasion: Konjunktivitis/epitheliale Keratitis 4 sekundäre Entzündung: Keratitis, Episkleritis, Skleritis, Uveitis 4 Reaktivierung, Zoster ophthalmicus (7 Kap. 2)
3
Eigene Notizen
32 Kapitel 3 · Bindehaut und Hornhaut
Eigene Notizen
5 ggf. neurotrophische Keratitis 5 ggf. intraokulare Beteiligung, Druckanstieg durch Trabekulitis 5 Folgen: Hornhautnarben, neurologische Probleme
Diagnostik
3
4 klassischer segmentaler Hautbefall bei Zoster 4 Sensibilitätsstörung der Hornhaut 4 Hutchinson-Zeichen (Nasoziliarisbefall der Hautläsionen) hinweisend auf Augenbefall
Therapie 4 lokal antiviral und systemisch antiviral 4 Schmerztherapie 4 Behandlung der Komplikationen (Drucksenkung, antientzündlich etc.)
Masern- und Rubella-Keratitis 4 wichtige Erblindungsursache in den Entwicklungsländern
3.2.13
Hypersensitivitätsbedingte Marginalkeratitis
7 Abschn. 3.1.5
3.2.14
Periphere ulzerierende Hornhauterkrankungen
Rosazea-Keratitis Klinik 4 assoziiert mit Acne rosazea 4 Konjunktivitis, evtl. Vernarbend 4 peripher betonte Keratitis bis hin zur Einschmelzung
Therapie 4 Blepharitisbehandlung mit lokaler Antibiose/Fusidinäure, ggf. lokale Kortikoide 4 systemisch Doxycyclin oder Tetracyclin 4 ggf. Immunsuppression
Ulkus Mooren Klinik 4 idiopathische Hornhauteinschmelzung von peripher aus, »unterwanderter« Rand, vor allem oben 4 Neovaskularisation und Abheilen des Ulkus mit bleibender Ausdünnung 4 Perforation möglich
33 3.2 · Hornhaut
Therapie 4 4 4 4 4 4 4
kaum kausale Therapie möglich lokale Kortikoide oder Ciclosporin A Tränenersatz Kollagenasehemmung (Azetylzystein) systemische Immunsuppression (auch wenn meist frustran) evtl. Bindehautresektion limbal Chirurgie der Komplikationen (periphere lamelläre Keratoplastik)
Periphere ulzerative Keratitis Klinik 4 assoziiert mit systemischen Autoimmunerkrankungen (v. a. M. Wegener und rheumatoide Arthritis) – potenziell lebensgefährlich 4 auch Beteiligung des Limbus/Sklera 4 Perforationsgefahr
Therapie 4 systemische hochdosierte Immunsuppression im Rahmen der Behandlung der Grunderkrankung, in Kooperation mit Rheumatologen 4 lokale Kortikoide oder Ciclosporin A 4 evtl. Tränenersatz, Kollagenasehemmung 4 Chirurgie der Komplikationen (Notfallkeratoplastik bei Perforation, evtl. später elektive Keratoplastik)
3.2.15
Neurotrophische Keratitis
Ätiologie 4 Denervierung der Hornhaut durch 5 Systemerkrankung (Diabetes, Lepra) 5 Herpesinfektion 5 toxische Medikation
Klinik 4 schmerzlose Keratitis/Ulkus 4 Sensibilitätsstörung
Therapie 4 supportiv 4 Benetzung/Schutz/Verbandslinsen/Amnionmembrandeckung/Blepharorhhaphie 4 evtl. Behandlung von Komplikationen
3
Eigene Notizen
34 Kapitel 3 · Bindehaut und Hornhaut
Eigene Notizen
3.2.16
Expositionskeratopathie
Ätiologie und Klinik
3
4 Lidschlussdefekt 5 Fazialisparese 5 Muskeltonusverminderung 5 Mechanisch (z. B. Narben) 5 Bulbusverlagerung/Exophthalmus 5 besonders gefährlich, wenn Bell-Phänomen (Wegdrehen des Bulbus bei Lidschlussversuch) schwach oder nicht vorhanden 4 durch Austrocknung der Hornhaut 5 Symptome des »trockenen Auges« 5 nicht abheilende Erosio/Hornhautulkus
Diagnostik 4 Lidspaltenmessung, Lidschlussprüfung 4 Bell-Phänomen prüfen 4 Tränenfilmdiagnostik
Therapie 4 4 4 4 4
regelmäßige Kontrollen Behandlung der Grunderkrankung intensive Benetzung, bei Epitheldefekt lokale Antibiothikaprophylaxe Schutz (Uhrglasverband) evtl. chirurgische Verkleinerung der Lidspalte, Verminderung des Lidschlussdefektes und der Evaporationsfläche (z. B. Blepharorrhaphie, laterale Zügelplastik, Unterlidsuspension an das Oberlid)
3.3
Verätzungen und Trauma der Hornhaut und Bindehaut
7 Kap. 12
3.4
Hornhautchirurgische Verfahren
3.4.1
Refraktive Hornhautchirurgie
4 Prinzip 5 Veränderung der Hornhautbrechkraft, um die Refraktion zu verbessern bzw. eine Unabhängigkeit von Brille bzw. Kontaktlinse zu erreichen 5 meist ein »Lifestyle-Eingriff« 4 Beispiele 5 Schwächung der Krümmung durch Hornhautinzisionen J limbale Inzisionen zur Astigmatismuskontrolle, schwer dosierbar J radiäre Keratotomien zur Myopiebehandlung (nicht mehr üblich)
35 3.4 · Hornhautchirurgische Verfahren
5 Modifikation der Brechkraft durch Laserkeratektomie J Excimer-Laser verdampfen das Gewebe J »Einbrennen« einer Minuslinse (bei Myopen) bzw. einer Pluslinse (bei Hyperopen) in das Hornhautstroma innerhalb gewisser Dioptrienbereiche möglich J grundsätzliche Prinzipien: J Behandlung auf der Augenoberfläche: phototherapeutische Keratektomie (bei Entfernung des Epithels, das bei manchen Verfahren wieder aufgebracht wird) J anschneiden und wegklappen einer vorderen Stromalamelle, um die Behandlung in der tieferen Schicht durchzuführen, anschließende Reposition der Lamelle (LASIK = Laser-in-situ-Keratomileusis); das Anschneiden erfolgt mechanisch oder mittels Femtosekundenlaser 5 Implantation von intrastromalen kornealen Ringsegmenten aus Kunststoff
3.4.2
Keratoplastik (Hornhauttransplantation)
4 Formen 5 penetrierende = perforierende Keratoplastik: alle Schichten 5 lamelläre Keratoplastiken: nur bestimmte Schichten J vordere lamelläre (inbesondere tiefe vordere lamelläre bei stromaler Pathologie und intaktem Endothel des Empfängers J hintere lamelläre (endotheliale) Keratoplastik zum Ersatz des Endothels und weitgehendem Erhalt des Empfängerepithels/ Stromas 5 Limbustransplantation/Transplantation von kornealen epithelialen Stammzellen (bei Regenerationsinsuffizienz des Hornhautepithels) 4 besondere Situation: immunologisches Privileg der Hornhaut (7 Abschn. 3.2.2) 5 erste erfolgreiche Keratoplastik 1905 durchgeführt 5 in Normalrisikofällen ohne systemische Immunsuppression gut möglich 5 bei erhöhtem Operationsrisiko evtl. dauerhafte Immunsuppression (bei Diabetes, Herpes, Hornhaut-Neovaskularisation, Oberflächenerkrankung, Vortransplantationen ist das Immunprivileg vermindert bzw. aufgehoben). 5 HLA-Matching vermindert Risiko von Abstoßungsreaktionen, vor allem bei Hochrisikopatienten 4 Spendermaterial: postmortale Hornhautspende (Gewebespende) 5 Frischtransplantation (heute kaum praktiziert wegen mangelnder Möglichkeit zur Qualitätskontrolle und Infektionsdiagnostik sowie wegen der Logistik) 5 Kältelagerung (v. a. USA) bis 12–14 Tage 5 Organkultur (v. a. Europa) bis 4 Wochen
3
Eigene Notizen
4 Tag 1 – Augenheilkunde
4
Sklera, Iris, Uveitis P. Walter
4.1
Sklera – 37
4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4
Anatomie – 37 Farbänderungen – 37 Episkleritis – 37 Skleritis – 37
4.2
Iris – 38
4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.2.6 4.2.7 4.2.8 4.2.9
Anatomie – 38 Aniridie – 38 Kolobome – 38 Iritis – Iridozyklitis – 38 Uveitis – 39 Endophthalmitis – 41 Sympathische Ophthalmie – 42 Iristumoren – 42 Gefäßneubildung der Iris – 43
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_4, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
37 4.1 · Sklera
4.1
Sklera
4.1.1
Anatomie
4 4 4 4 4
die Sklera (Lederhaut) ist die feste weiße Hülle des Auges hier inserieren die Ansätze der Augenmuskeln vorne Übergang in die transparente Hornhaut besteht aus zellarmen kollagenem Bindegewebe Spaltlampe: Sklera scheint weißlich durch die durchsichtige Bindehaut durch und man erkennt die auf der Sklera liegenden episkleralen Gefäße
4.1.2
Farbänderungen
4 dunkel, bläulich 5 sehr dünne Sklera bei Myopie 5 Sklerastaphylom 5 rheumatische Erkrankungen 5 Verletzungen 4 gelb beim Ikterus 4 rot bei Entzündungen durch die Hyperämie der Gefäße
4.1.3
Episkleritis
4 oft lokale Rötung und Schmerzhaftigkeit 4 meist einseitig 4 manchmal im Rahmen rheumatischer Erkrankungen (z. B. rheumatoider Arthritis, Vaskulitis etc) 4 oder bei allgemeinen Infektionen (Tbc, Lues u. a.) 4 oft findet man keine wirkliche Ursache 4 Therapie mit steroidhaltigen Augentropfen oder nicht-steroidalen antiphlogistischen Augentropfen 4 bei Allgemeinerkrankungen immer auch Therapie der Grunderkrankung
4.1.4
4 4 4 4
Skleritis
gesamte Sklera entzündet Sklera feuerrot sehr schmerzhaft meist immunologische oder rheumatologische Allgemeinerkrankungen die Ursache 4 Folgeerscheinung: Ausdünnung der Sklera mit Entwicklung eines Sklerastaphyloms 4 selten: hintere Skleritis mit erheblichem Bewegungsschmerz, Exophthalmus, entzündliche Lidschwellung
4
Eigene Notizen
38 Kapitel 4 · Sklera, Iris, Uveitis
Eigene Notizen
4
4 Therapie: antientzündliche lokale und systemischen Therapie 4 bei Allgemeinerkrankungen immer auch Therapie der Grunderkrankung
4.2
Iris
4.2.1
Anatomie
4 Die Iris ist der vordere Teil der Tunica vasculosa oculi, die Fortsetzung der Aderhaut nach vorne 4 sie bildet mit ihrer vorderen Öffnung die Pupille 4 vorderes Blatt mit unterschiedlicher Pigmentierung (Augenfarbe) 4 hinteres Blatt mit Irispigmentzellen 4 beim Albinismus ist die Pigmentbildung defekt, die Iris erscheint hellblau und ist im regredienten Licht durchleuchtbar. Oft findet man dann auch nur einen sehr geringen Pigmentierungsgrad der Netzhaut 4 die Iris geht an ihrer Basis in den Ziliarkörper über 4 der M. dilatator upillae (Sympathikus) und der M. sphincter pupillae (Parasympathikus) regeln die Pupillenweite und die Pupillenreaktionen
4.2.2
4 4 4 4 4 4
Aniridie
angeborenes vollständiges oder teilweises Fehlen der Iris sichtbarer Linsenäquator, Zonulafasern und Zotten des Ziliarkörpers erhebliche Blendempfindlichkeit Sehschärfe oft erheblich reduziert es kann ein angeborenes Glaukom bestehen ! Cave Bei Aniridie Wilms-Tumor der Niere ausschließen!
4.2.3
Kolobome
4 durch unvollständigen Schluss des Augenbechers Lücke in der Iris 4 meist nach unten 4 manchmal zusammen mit einem Kolobom der Netzhaut und/oder der Aderhaut 4 von operativen Kolobomen durch Iridektomie zu unterscheiden
4.2.4
Iritis – Iridozyklitis
Ätiologie 4 immunologische Erkrankungen (z. B. M. Bechterew, M. Reiter, Sarkoidose, multiple Sklerose und andere) oder infektiös (z. B. Lues, Borreliose, Tuberkulose) 4 oft keine Ursache identifizierbar
39 4.2 · Iris
Klinik 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Eigene Notizen
rotes Auge mit Schmerzen Sehverschlechterung ziliare Injektion – Hyperämie der limbalen Gefäße Zellablagerungen am Hornhautendothel, vor allem unten im ArltDreieck bei sehr starker zellulärer Reaktion Hypopion möglich: Spiegel von Zellen im Kammerwinkel unten enge Pupille, die nur wenig auf Licht reagiert Tyndall-Phänomen in der Vorderkammer durch hohen Proteinanteil im Kammerwasser bei rezidivierenden Formen Verklebungen zwischen der Iris und der Linse typisch (hintere Synechien) und Kataraktbildung sekundäres Glaukom möglich
Therapie 4 Behandlung der Grunderkrankung notwendig 4 Lokaltherapie mit steroidhaltigen Augentropfen und Mydriatika, ggf. Antibiotika 4 systemische Steroidtherapie ist nur in seltenen sehr ausgeprägten Fällen angezeigt
4.2.5
Uveitis
4 anatomische Einteilung der Entzündungen der Uvea (Aderhaut) in drei Gruppen: 5 Uveitis anterior: Entzündung der Iris und/oder des Ziliarkörpers (7 Abschn. 4.2.4) 5 Uveitis intermedia: Entzündungen des Glaskörpers und/oder des Ziliarkörpers 5 Uveitis posterior: Entzündung der Aderhaut/Netzhaut
Uveitis intermedia Ätiologie (. Tabelle) 4 4 4 4
idiopathische Formen Sarkoidose Borreliose Encephalitis disseminata
Klinik 4 4 4 4
4
Sehverschlechterung meist nicht sehr schmerzhaft zellige Infiltration des Glaskörpers (Vitritis) nicht selten mit weißlichen Infiltraten in der Pars plana (Pars planitis)
40 Kapitel 4 · Sklera, Iris, Uveitis
Eigene Notizen
Diagnostik 4 klinisch und Laboruntersuchungen zur Ursachenabklärung 4 Immunologische und infektiöse Ursachen ausschließen 4 Differenzialdiagnose: lymphatische Infiltrate, primär intraokulares Lymphom
Therapie
4
4 4 4 4
nach Ursache, parabulbäre Steroidinjektionen orale Steroide bei infektiöser Genese gezielte antiinfektiöse Therapie
Komplikationen 4 Makulaödem 4 Papillenödem 4 Katarakt Spezifische Ursachen einer Uveitis Uveitis anterior
Uveitis intermedia
Uveitis posterior
rheumatologische Erkrankungen, z. B. juvenile Arthritis, rheumatoide Arthritis M. Behcet M. Reiter Encephalitis disseminata Sarkoidose Tuberkulose Borreliose Herpes-Infektion Lues
Encephalitis disseminata Borreliose Sarkoidose
Toxoplasmose Toxocara-canis-Infektion Lues Tuberkulose Herpes-Retinitis (auch Varizella zoster) Zytomegalovirus-Retinitis Pilzinfektionen (Candida, Aspergillus) Borreliose Histoplasmose Sarkoidose
Uveitis posterior 4 Manifestation entzündlicher Prozesse an der Netzhaut oder der Aderhaut
Ätiologie (. Tabelle) 4 infektiös (z. B. Toxoplasmose, CMV, Lues) 4 besonders bei immunsupprimierten Patienten möglich 5 unter Chemotherapie 5 unter chronischer medikamentöser Immunsuppression 5 Steroidabusus 5 HIV 4 immunologisch (z. B. Birdshot-Chorioretinopathie)
Klinik 4 schmerzlose Sehverschlechterung 4 Schleiersehen
41 4.2 · Iris
4 4 4 4 4 4 4 4
ggf. Begleitsymptome einer generalisierten Erkrankung meist relativ unauffälliger vorderer Augenabschnitt weißlich-gelbe Infiltrate der Netzhaut oder der Netzhaut/Aderhaut einzelner solitärer Herd bei der Toxoplasmose manchmal in der Nähe alter vernarbter Toxoplasmoseherde multiple kleine Herde bei der Chorioiditis z. B. Lues retinale Blutungen bei bakteriellem oder viralen Befall Pilzbefall (Candida, Aspergillus u. a.) fast ausschließlich bei immunsupprimierten Patienten (z. B. Chemotherapie) 4 später Atrophiezone 4 Infiltrationsgrad im Glaskörper variiert stark
Diagnostik 4 4 4 4
klinisches Bild Labordiagnostik ggf. Glaskörperbiopsie ggf. Netzhaut-/Aderhautbiopsie
Therapie 4 abhängig von der Ursache 4 bei infektiösem Geschehen immer gezielt auf den Erreger 4 bei immunologischem Geschehen Steroide und andere antiinflammatorische Therapie z. B. Methotrexat, Ciclosporin, TNFα-Antagonisten wie Infliximab etc. 4 ggf. Vitrektomie zur Reduktion des entzündlichen Geschehens
4.2.6
Endophthalmitis
4 Panuveitis (alle Abschnitte des Auges sind betroffen)
Ätiologie 4 Operationen (Kataraktchirurgie!) 4 Trauma ( ! Cave landwirtschaftliches Umfeld, offene Verletzungen!) 4 selten endogen bei abwehrgeschwächten Patienten 5 Chemotherapie 5 Drogen/Alkoholabusus 5 chronische Steroidtherapie
Klinik 4 4 4 4 4
erhebliche Sehverschlechterung massive Schmerzen Tränenfluss Chemose und diffuse Rötung der Bindehaut Hypopion (Leukozytenansammlung im Kammerwinkel, . Abb. 6, Farbteil) 4 kein oder nur sehr reduzierter Funduseinblick 4 Fibrin in der Vorderkammer
4
Eigene Notizen
42 Kapitel 4 · Sklera, Iris, Uveitis
Eigene Notizen
Diagnostik 4 wird klinisch gestellt (Anamnese und Befund!)
Therapie
4
4 4 4 4 4 4
systemische und lokale Antibiose ggf. systemische Steroiden immer Probenentnahme (Vitrektomie) mikrobiologische Erregerdiagnostik Umstellen auf gezielte Therapie Prognose ungünstig
4.2.7
4 4 4 4 4
Sympathische Ophthalmie
seltene Komplikation nach penetrierendem Trauma an einem Auge granulomatöse Panuveitis am Partnerauge kann noch nach Jahren entstehen Nachlassen der Akkommodation als frühes Zeichen Therapie: Entfernung des verletzten Auges, Immunsuppression
4.2.8
Iristumoren
4 Iriszysten 5 meist angeboren 5 meist keine Beschwerden 5 selten Sekundärglaukom 5 selten Trübung der Hornhaut 5 Diagnostik mittels Ultraschallbiomikroskopie und Verlaufskontrolle 5 selten Feinnadelbiopsie oder Exzision erforderlich 4 Irisnävus 5 relativ häufige fokale Hyperpigmentierung der Iris 5 manchmal auch knötchenartig in die Vorderkammer vorwuchernd 5 Größenzunahme möglich 5 in Zweifelsfällen Resektion oder Feinnadelbiopsie 5 photographische Verlaufskontrolle 4 Irismelanom 5 bösartiger Tumor 5 dunkler knotiger Tumor mit Größenwachstum in der Verlaufskontrolle 5 nicht selten in Verbindung mit dem Ziliarkörper 5 ggf. tumoreigene Gefäße 5 Blockresektion oder Enukleation erforderlich 5 ungünstige Prognose
43 4.2 · Iris
4.2.9
Gefäßneubildung der Iris
4 Hypoxie der Netzhaut kann zur Gefäßneubildung an der Iris führen (Irisneovaskularisation)
Ätiologie 4 diabetische Retinopathie 4 ischämische Formen der Zentralvenenthrombose 4 Karotisverschluss mit ischämischer Ophthalmopathie
Therapie 4 panretinale Laserkoagulation 4 drucksenkende Maßnahmen
Komplikationen 4 Blutansammlung in der Vorderkammer (Hyphäma) 4 Sehverschlechterung 4 Sekundärglaukom
4
Eigene Notizen
5 Tag 1 – Augenheilkunde
5
Linse M. Hermel
5.1
Anatomie – 45
5.2
Funktion – 45
5.3
Presbyopie (Alterssichtigkeit) – 45
5.4
Ectopia lentis (Verlagerung) – 45
5.5
Entwicklungsstörungen – 46
5.6
Linsentrübung (Katarakt, grauer Star) – 46
5.6.1 5.6.2 5.6.3
Kongenitale Katarakt – 46 Erworbene Katarakt – 46 Kataraktoperation – 47
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_5, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
45 5.4 · Ectopia lentis (Verlagerung)
5.1
Anatomie
4 avaskulär 4 zwiebelschalenartiger Aufbau 5 faserartige Fortsätze des Linsenepithels 5 Kern, Epinukleus und Rinde können unterschieden werden 5 Wachstum und zunehmende Verdichtung des Linse im Laufe des Lebens, daher nimmt der Kern an Größe zu 5 Linsenkapsel 4 Aufhängung über Zonulafasern auf dem Ziliarkörper 4 aktiver Stoffwechsel des Linsenepithels
5.2
Funktion
4 Lichtbündelung auf die Netzhaut 4 Akkommodation (Nahanpassung) 5 Anspannung des ringförmigen Ziliarmuskels entspannt die Zonulafasern 5 Linse kugelt sich ab durch Eigenelastizität 5 dadurch Zunahme der Brechkraft 5 zusätzlicher Effekt durch axiale Vorverlagerung
5.3
Presbyopie (Alterssichtigkeit)
4 Verlust der Akkommodation, bedingt durch Dichtezunahme und damit Abnahme der Elastizität des der Linse 4 bei Emmetropen (Normalsichtigen): Lesebrille 4 bei manchen Hyperopen (Weitsichtigen) evtl. auch Verlust der Sehschärfe in der Ferne, weil sie die Weitsichtigkeit nicht mehr durch Akkommodation kompensieren können, daher auch Fernbrille 4 manche Myope (Kurzsichtige) können ohne Brille wie gewohnt in der Nähe lesen, Fernbrille weiterhin erforderlich
5.4
Ectopia lentis (Verlagerung)
4 Verlagerung aus der normalen Position, bis hin zum Absturz in das Auge 4 erworben, dann als Linsenluxation bezeichnet 5 mechanisch oder traumatisch bedingt 4 kongenital 5 ohne systemische Assoziation 5 mit systemischer Assoziation bei Syndromen oder Stoffwechselerkrankungen (z. B. Marfan-Syndrom, Homozystinurie)
5
Eigene Notizen
46 Kapitel 5 · Linse
Eigene Notizen
Entwicklungsstörungen
5.5
4 4 4 4
Lenticonus anterior/posterior Lentiglobus Mikrosphärophakie, Mikrophakie Kolobom
Linsentrübung (Katarakt, grauer Star)
5.6
5
Die nicht behandelte Katarakt stellt nach den nicht korrigierten Refraktionsfehlern weltweit die zweithäufigste Ursache einer Sehschwäche bzw. Erblindung dar. Die Kataraktoperation ist wohl der häufigste operative Eingriff weltweit.
5.6.1
Kongenitale Katarakt
4 2/3 bilateral
Ätiologie 4 4 4 4
genetisch Chromosomenanomalien (z. B. Trisomie 21), skelettale Syndrome intrauterine Infekte und Schäden (z. B. Rubella) Systemerkrankungen (z. B. Galaktosämie)
Diagnostik 4 verschiedene morphologische Erscheinungsformen 4 oft Leukokorie (weißer Lichtreflex) im Brückner-Test oder bei Blitzaufnahmen, abklärungspflichtig (wichtige Differenzialdiagnosen 7 Abschn. 7.1.1) 4 ! Cave: Gefahr der Amblyopieentwicklung (Deprivationsamblyopie)!
Therapie 4 bei dichten oder deutlich asymmetrischen Befunden frühe Kataraktextraktion, u. U. wenige Tage nach der Geburt! 4 Vorbeugung bzw. Behandlung der Amblyopie durch Refraktionskorrektur und Okklusionstherapie – je nach Ausprägung, Sehfunktion und Symmetrie der Katarakt
5.6.2
Erworbene Katarakt
4 altersbedingte Katarakt (. Abb. 7, Farbteil) 5 verschiedene Trübungsformen J Kernkatarakt: Kernverdichtung, ggf. auch mit Myopisierung durch Brechkraftzunahme
47 5.6 · Linsentrübung (Katarakt, grauer Star)
J Rindenkatarakt: z. B. radspeichenartige Trübungen in der Rindenschicht J hintere subkapsuläre Katarakt J weitere vielfältige Trübungsformen 5 Reifung der Katarakt J beginnend bis fortschreitend, bei teilweiser Trübung J mature Katarakt bei vollständiger Trübung: komplett brauner Kern (Cataracta rubra), komplette Weißfärbung der Rinde, oder beides J hypermature Katarakt: Rinde verflüssigt, Kern abgesunken, Kapsel geschrumpft; bei Platzen der Kapsel und Entleerung des verflüssigten Materials ins Augeninnere phakolytisches Glaukom oder Uveitis möglich (Linsenmaterial war in der Entwicklung vom Immunsystem abgeschirmt) 4 sekundäre Katarakt 5 medikamentös bedingt, z. B. klassische Steroidkatarakt: hintere subkapsuläre Trübung; häufig bei chronischer Gabe von Kortikosteroiden) 5 Uveitis (hier teilweise auch durch Steroidgabe) 5 »Glaukomflecken« nach Glaukomanfall – vordere subkapsuläre Trübungen 5 »Kontusionsrosette« nach Contusio lentis 5 Zustand nach Vitrektomie: beschleunigte Linsenalterung, evtl. durch erhöhte Sauerstoffspannung im Glaskörperraum 5 andere Schädigungsursachen J radioaktive Strahlen J früher: Glasbläserkatarakt durch Infrarotschäden J Dehydratation/Urämie J andere toxische Einwirkungen 4 Katarakt bei Systemerkrankungen 5 Diabetes: auch Refraktionsschwankungen durch Quellung der Linse und Akkommodationsschwankungen möglich, daher bei schwankender Refraktion an Diabetes denken, vor allem bei Jüngeren! 5 myotonische Dystrophie, Atopie u. a.
5.6.3
Kataraktoperation
4 Trübung und Verdichtung der Linse praktisch irreversibel 4 Operation meist in Lokalanästhesie 4 Strategien der Linsenentfernung 5 historisch: Starstich J Linse wird mit einer erhitzten Nadel nach hinten ins Auge weggedrückt J einer der ältesten Operativen Eingriffe, schon im alten Mesopotamien praktiziert 5 Entfernung der gesamten Linse mitsamt Kapsel (intrakapsuläre Kataraktextraktion) J geht mit Verlust der Linsenkapsle und der Zonula einher
5
Eigene Notizen
48 Kapitel 5 · Linse
Eigene Notizen
5
J erfordert sehr großen Schnitt J daher heute nur in seltenen Fällen nötig 5 Entfernung der Linse oder des Kernes unter Belassen der Kapsel (extrakapsuläre Kataraktextraktion) J Kapsel wird vorne eröffnet J Kern oder Kernteile werden durch einen mittelgroßen Schnitt aus dem Auge entbunden J Rinde wird abgesaugt oder ausgespült J Intraokularlinse wird dann meist in die Kapsel implantiert J heute noch praktiziert: in den Industrieländern z. B. bei sehr harten Kernen und in den Entwicklungsländern, weil geringerer apparativer Aufwand als Phakoemulsifikation (s. unten), und weil dort wegen der schlechteren Versorgung der Anteil an sehr harten Kernen hoch ist 5 intraokulare Verflüssigung der Linse unter Belassen der Kapsel (Phakoemulsifikation) J kleine Schnitte (Schnitttbreiten 1,5–2,8 mm heute Standard) J Kapsel wird vorne eröffnet J Kern wird gebrochen und meist mittels feiner hochfrequenter mechanischer Schwingung des Instrumentes (Ultraschall) zerkleinert und abgesaugt J Rinde wird abgesaugt oder ausgespült J Intraokularlinse wird dann meist gefaltet durch einen Injektor in die Kapsel implantiert J heute Standard in den Industrieländern 4 nach Entfernung der Linse besteht Linsenlosigkeit (Aphakie) 5 meist entsteht dadurch eine hohe Hyperopie (außer bei manchen vorher Hochmyopen) mit nur schemenhaften Sehen, daher Korrektur der Aphakie nötig 5 vor der Entwicklung der Intraokularlinsen waren Starbrillen (starke Plusgläser) die Regel 5 Kontaktlinsenkorrektur möglich J im Kleinkindesalter unter 1–2 Jahren wird i. d. R. keine primäre Intraokularlinsenimplantation vorgenommen 5 Implantation einer Intraokularlinse J starre Modelle aus Plexiglas erfordern größeren Schnitt, heute bei extrakapsulärer Extraktion oder in auserwählten Fällen verwendet J flexible Modelle aus Silikon oder Acrylat können durch einen kleinen Schnitt gefaltet oder gerollt eingesetzt werden – heute Standard in den Industrieländern J die Fixation der Linse erfolgt meist in der Kapsel der eigenen Linse, gelegentlich im Sulcus ciliaris (zwischen Kapsel und Iris), in auserwählten Fällen in der Vorderkammer, auf der Iris oder in der Sklera J nach Implantation einer Intraokularlinse besteht »Pseudophakie« J mit neuen Linsenmodellen auch Korrektur von Aberrationen und Astigmatismen möglich; Bifokallinsen erzeugen einen zweiten
49 5.6 · Linsentrübung (Katarakt, grauer Star)
Brennpunkt und erlauben somit eine gewisse Brillenunabhängigkeit, haben aber auch Nachteile; echte akkommodative Linsen sind noch nicht serienreif J für eine gute Korrektur der Brechungsfehlers mittels Intraokularlinse ist eine vorherige Vermessung (Biometrie) des Auges erforderlich, um die Stärke berechnen zu können: Die Achsenlänge und die Hornhautbrechkraft sind Muss, die Vorderkammertiefe ist für die Einschätzung der späteren Linsenposition im Auge sinnvoll; verschiedene Formeln finden Anwendung
5
Eigene Notizen
6 Tag 1 – Augenheilkunde
6
Glaukom N. Plange
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_6, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
51 6 · Glaukom
Grundlagen 4 fortschreitender glaukomatöser Sehnervenschaden (mit Vergrößerung der Exkavation) durch individuell zu hohen Augendruck 4 Glaukom gehört zu den häufigsten Erblindungsursachen weltweit
Ätiologie 4 mechanische (durch Augendruck) und vaskuläre (durchblutungsbedingter) Schädigung des Sehnerven 4 Nervenfaserdefekte führen zu korrespondierenden Gesichtsfelddefekten 4 > Memo Der Nervenfaserverlauf hat physiologisch eine horizontale Raphe (die Nervenfasern »respektieren« die Horizontale). Daher ergibt sich bei Glaukom meist ein typischer asymmetrischer Schaden in der oberen versus unteren Gesichtsfeldhälfte. 4 ! Cave Der Glaukompatient bemerkt zu Beginn der Erkrankung meist keine Einschränkung, erst bei fortgeschrittenem Schaden fällt der Gesichtsfelddefekt auf. Ausnahme: Glaukomanfall (akuter Sehverlust, Schmerzen). 4 Risikofaktoren 5 Augendruck 5 Alter 5 schwarze Rasse 5 Myopie, dünne Hornhaut, Pseudoexfoliatio lentis 5 positive Familienanamnese 5 vaskuläre Risikofaktoren
Klassifikation 4 nach Anatomie (Kammerwinkel offen oder eng), zeitlichem Auftreten, primär oder sekundär (andere Grunderkrankung), nach Schadensausmaß, nach Augendruckniveau 4 primäre Glaukome 5 kongenitales Glaukom (. Abb. 8, Farbteil) 5 Offenwinkelglaukom (ca. 90% aller Glaukome) J primäres Offenwinkelglaukom (Augendruck >21 mmHg) J Normaldruckglaukom (Augendruck <22 mmHg) J okuläre Hypertension (Augendruck >21 mmHg, aber kein Glaukomschaden) 5 Engwinkelglaukom 4 sekundäre Glaukome (<5% aller Glaukomformen) 5 Glaukome bei kongenitalen Anomalien 5 sekundäre Glaukome bei Augenerkrankungen/Allgemeinerkrankungen J Pseudoexfoliatio-lentis-Glaukom (PEX-Glaukom) J Pigmentglaukom J Neovaskularisationsglaukom J Glaukom bei Iritis/Uveitis J steroidinduziertes Glaukom J Glaukom bei intraokularer Blutung, Tumor, Trauma, durch Linsen-, Netzhaut- oder Orbitaerkrankung, nach Augenoperation
6
Eigene Notizen
52 Kapitel 6 · Glaukom
Eigene Notizen
6
Diagnostik 4 Augendruckmessung 5 normal: 10–21 mmHg, Mittel 15,5 mmHg, normale Tagesdruckschwankungen <5 mmHg 5 Augendruckpalpation 5 Applanationstonometrie nach Goldmann (Goldstandard) 5 Impressionstonometrie nach Schiötz 4 > Memo Die Augendruckmessung erfolgt indirekt durch Messung der Kraft, die eine definierte Hornhautabflachung induziert. 4 ! Cave Bei dünner Hornhaut werden falsch-niedrige Druckwerte in der Applanationstonometrie gemessen. 4 Sehnervenuntersuchung 5 glaukomatöse Exkavation als Diagnosekriterium (. Abb. 9, Farbteil), Differenzialdiagnose physiologische Exkavation bei großem Sehnerv 5 Verlust von neuroretinalem Randsaum am Sehnerv 5 Verlauf der Gefäße (Bajonett) 5 Papillenrandblutung 4 Gesichtsfelduntersuchung 5 automatische und statische Perimetrie (. Abb. 10, Farbteil) 5 typische Gesichtsfelddefekte bei Glaukom J nasaler Sprung (nach Rönne) J Bogenskotom (nach Bjerrum) 4 Gonioskopie (Untersuchung des Kammerwinkels) 5 eng oder offen 5 Pigmentierung 5 pathologische Blutgefäße (Rubeosis) 5 Vernarbungen (anteriore Synechien) 4 andere Befunde 5 Anamnese (kortisonhaltige Tropfen, Trauma, Voroperationen) 5 sekundäres Glaukom? (Pseudoexfoliatio lentis, Pigmentdispersion, Rubeosis, Iritis/Uveitis, Katarakt, kurzes Auge/Hyperopie)
Therapie 4 Prinzip: Augendrucksenkung nach individuellem Zieldruck 4 bei sekundärem Glaukom Behandlung der Grunderkrankung 4 Berücksichtigung von Lebensqualität, Nebenwirkungen, lokaler Unverträglichkeit 4 lokale medikamentöse Augendrucksenkung 5 α-adrenerge Agonisten (nicht-selektive, selektive: Clonidin, Brimonidin u. a.) J Wirkung: verminderte Kammerwasserproduktion, vermehrter Kammerwasserabfluss J Nebenwirkungen: zentrale Blutdrucksenkung, Müdigkeit, KI bei Kleinkindern (Apnoe) 5 β-adrenerge Antagonisten (β-Blocker) J Wirkung: verminderte Kammerwasserproduktion J Nebenwirkungen: Blutdrucksenkung, Bronchokonstriktion, KI bei Asthma
53 6 · Glaukom
5 Carboanhydrasehemmstoffe (Dorzolamid, Brinzolamid) J Wirkung: verminderte Kammerwasserproduktion J Allergie: Sulfonamidderivat! 5 Parasympathomimetika (Pilokarpin u. a.) J Wirkung: vermehrter Kammerwasserabfluss J Nebenwirkungen: Miosis, Akkomodation, KI bei jungen Menschen 5 Protaglandinderivate (Latanoprost u. a.) J Wirkung: vermehrter Kammerwasserabfluss (v. a. uveoskleraler Abfluss) J Nebenwirkungen: Wimpernwachstum, Dunkelfärbung der Iris 4 systemische medikamentöse Augendrucksenkung 5 Carboanhydrasehemmstoff (Azetazolamid) J Wirkung: verminderte Kammerwasserproduktion J Nebenwirkungen: Kaliumverlust, Diuretikum, Nierensteine 5 Mannitol (osmotisches Diuretikum) J Wirkung: Entwässerung des Glaskörpers J Nebenwirkungen: Kreislaufbelastung 4 Lasertherapie 5 Lasertrabekuloplastik (Verbesserung Kammerwasserabfluss) 5 Laseriridotomie (bei Engwinkelglaukom, Kurzschluss hintere zu vordere Augenkammer) 5 Zyklophotokoagulation (Ziliarkörperdestruktion) 4 operative Therapie 5 Trabekulektomie/fistulierende Operation (Kammerwasserfistel) 5 basale Iridektomie (bei Engwinkelglaukom, Kurzschluss hintere zu vordere Augenkammer) 5 Trabekulotomie (Trabekelwerkseröffnung) bei angeborenem Glaukom 5 Implantatchirurgie und andere (Kammerwasserfistel)
Glaukomanfall (Winkelblockglaukom) ! Cave Glaukomanfall ist ein Notfall – sofort zum Augenarzt!
Ätiologie 4 akuter Verschluss des Kammerwinkels bei Prädisposition (Hyperopie = kurzes Auge, Katarakt, anatomisch enger Kammerwinkel) mit massiver Augendruckerhöhung
Klinik 4 schmerzhaftes rotes Auge 4 harter Augapfel 4 Schmerzen auch ausstrahlend, DD akutes Abdomen/Herzinfarkt, Übelkeit 4 Sehverschlechterung 4 Ringe um Lichtquellen (durch Hornhautödem) 4 entrundete, lichtstarre Pupille
6
Eigene Notizen
54 Kapitel 6 · Glaukom
Eigene Notizen
Therapie 4 Augendrucksenkung (systemisch i.v.: Carboanhydrasehemmstoff und Mannitol) 4 Pilokarpin: Miosis mit Kammerwinkelerweiterung 4 Schmerztherapie 4 operativ: basale Iridektomie (Kurzschluss hintere zu vordere Augenkammer) 4 > Memo Nach einem Glaukomanfall muss eine prophylaktische chirurgische Iridektomie oder Laseriridotomie am Partnerauge erfolgen.
6
7 Tag 1 – Augenheilkunde
7
Glaskörper und Netzhaut P. Walter
7.1
Glaskörper – 56
7.1.1 7.1.2 7.1.3 7.1.4
Entwicklungsstörungen – 56 Glaskörpertrübungen – 56 Glaskörperabhebung – 56 Glaskörperblutung – 57
7.2
Netzhaut – 57
7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4 7.2.5 7.2.6 7.2.7 7.2.8 7.2.9 7.2.10 7.2.11 7.2.12
Anatomie – 57 Degenerationen am Übergang zwischen Glaskörper und Netzhaut – 58 Periphere Degenerationen – 58 Netzhautablösung – 59 Retinitis pigmentosa – 60 Dystrophien der Makula – 60 Altersmakulopathie, altersbedingte Makuladegeneration (AMD) – 61 Venenthrombosen – 62 Zentralarterienverschluss – 63 Diabetische Retinopathie – 63 Frühgeborenenretinopathie – 64 Retinoblastom – 65
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_7, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
56 Kapitel 7 · Glaskörper und Netzhaut
Eigene Notizen
7.1
Glaskörper
4 füllt den Augapfel aus 4 besteht zu 98% aus Wasser und zu 2% aus kollagenem Bindegewebe
7.1.1
7
Entwicklungsstörungen
4 primärer Glaskörper bildet sich während der Embryonalentwicklung zurück 4 durch den primären Glaskörper zieht die Arteria hyaloidea von der Papille zur Rückfläche der Linse 4 Persistenz des primären Glaskörpers ist eine Hemmungsmissbildung; sie kann als weißliche Masse im Auge erkennbar sein, A. hyaloidea ist dann nachweisbar 4 Befunde: Leukokorie (weißliches statt rotes Aufleuchten der Pupille), ggf. Netzhautablösung 4 Therapie: frühe Operation, da Amblyopie droht, hohe Komplikationsrate 4 Differenzialdiagnose der Leukokorie 5 Retinoblastom 5 retrolentale Fibroplasie (Frühgeborenenretinopathie) 5 angeborene Katarakt 5 M. Coats 5 Uveitis 5 persistierender hyperplastischer primärer Glaskörper (PHPV)
7.1.2
Glaskörpertrübungen
4 im Kindes- und Jugendalter ist der Glaskörper sehr fest geformt und glasklar, später kommt es zu Trübungen durch Auflösung der kollagenen Struktur 4 Trübungen bei Kurzsichtigen früher und stärker ausgeprägt 4 Beschwerden (individuell sehr unterschiedlich): fliegende Mücken (»mouches volantes«), umherflottierende Schatten 4 Beschwerden können individuell sehr unterschiedlich sein 4 Therapie: normalerweise Beruhigung des Patienten, in extremen Sonderfällen Vitrektomie möglich
7.1.3
Glaskörperabhebung
4 in höherem Alter zunehmende Verflüssigung des Glaskörpers, Glaskörperkortex beginnt sich von der Netzhaut abzuheben, Patient nimmt spinnennetzartige Schatten vor dem gesamten Gesichtsfeld wahr 4 sehr akute Verläufe mit Glaskörperblutung möglich 4 peripher ist der Glaskörper auch in höherem Alter noch fest an der Netzhaut
57 7.2 · Netzhaut
4 Zugwirkung des Glaskörpers auf die Netzhaut möglich, dadurch können Netzhauteinrisse entstehen 4 Netzhautlöcher als Vorstufen für Netzhautablösung
7.1.4
Glaskörperblutung
Ätiologie 4 4 4 4 4 4 4
symptomatische Glaskörperabhebung diabetische Retinopathie Venenthrombosen Makuladegeneration Medikamentenwirkungen (Marcumar, Acetylsalicylsäure) Trauma Komplikation nach Operationen
Klinik 4 Leitsymptom: akute schmerzlose Sehverschlechterung
Diagnostik 4 kein Einblick auf den Fundus mehr möglich
Therapie 4 operative Entfernung des Glaskörpers mittels Vitrektomie 4 Ersatz des Glaskörpers durch Elektrolytlösung, flüchtige Gase oder Silikonöl
7.2
Netzhaut
7.2.1
Anatomie
4 mehrere Schichten von Neuronen 4 Photorezeptoren liegen dem retinalen Pigmentepithel auf 4 Stäbchen sind für das Dämmerungssehen zuständig, Zapfen für das Farbensehen 4 Makula als zentrale Struktur mit hoher Zapfendichte 4 gute Sehschärfe nur in der Makula 4 Stäbchen und Zapfen sind mit Bipolarzellen verschaltet, diese wiederum mit Ganglienzellen 4 Fasern der Ganglienzellen bilden den Sehnerven 4 horizontale Verschaltung durch Amakrine und Horizontalzellen 4 Blutversorgung der Netzhaut 5 Äste der A. centralis retinae in der inneren Netzhaut 5 Diffusion aus der Choriokapillaris in die äußere Netzhaut 5 die Fovea ist gefäßfrei
7
Eigene Notizen
58 Kapitel 7 · Glaskörper und Netzhaut
Eigene Notizen
7.2.2
4 4 4 4
Degenerationen am Übergang zwischen Glaskörper und Netzhaut
macular pucker epiretinale Gliose vitreomakuläres Traktionssyndrom Makulaforamen
Ätiologie
7
4 meist idiopathisch 4 seltener sekundär 5 nach Verletzungen 5 nach Augenoperationen auftreten 5 bei chronischem Ödem 5 medikamentös
Klinik 4 Verzerrungen 4 Leseverschlechterung 4 Sehverschlchterung
Diagnostik 4 Funduskopie 4 optische Kohärenztomographie (OCT)
Therapie 4 meist Vitrektomie mit Entfernung der inneren Grenzmembran.
Prognose 4 mittels Operation kann oft eine bessere Sehschärfe erreicht werden 4 oft deutliche Besserung der Verzerrungen möglich
7.2.3
4 4 4 4 4
Periphere Degenerationen
Netzhautausdünnungen Pigmentepithelalteration Glaskörperadhäsionen zystenartige Netzhautdopplungen Netzhautlöcher
Klinik 4 unspezifisch bis keine Symptome 4 gelegentlich floater 4 manchmal Lichtphänomene, Blitze
Diagnostik 4 Funduskopie
59 7.2 · Netzhaut
Therapie 4 Beobachtung 4 Laserkoagulation bei Netzhautlöchern
7.2.4
Netzhautablösung
Klassifikation und Pathogenese 4 Rhegmatogene Netzhautablösung 5 häufigste Ursache 5 Glaskörperabhebung als Voraussetzung 5 ausgehend von einem Netzhautloch 5 Kammerwasser dringt in den Spaltraum zwischen Netzhaut und retinalem Pigmentepithel 5 Löcher am häufigsten im temporal oberen Quadranten 4 traktive Netzhautablösung 5 bedingt durch fibröse oder fibrovaskuläre Membranen 5 auf oder unter der Netzhaut 5 Netzhaut wird durch die Membranen hochgezogen 5 z. B. proliferative diabetische Retinopathie 5 z. B. prilferative Vitreoretinopathie nach Amotio oder nach Trauma 4 Exsudative Amotio 5 bedingt durch Flüssigkeitsansammlung unter der Netzhaut 5 kein Foramen, keine Traktion 5 z. B. beim Aderhaut/Netzhauttumor 5 z. B. Melanom, Hämangiom 5 z. B. bei Gefäßerkrankungen wie M. Coats 5 z. B. bei maligner Hypertonie, Gestose 5 z. B. bei Nierenerkrankungen und Proteinverlust 5 z. B. Uveitis
Klinik 4 4 4 4
Schattensehen Blitzesehen, andere Lichtphänomene »aufsteigende Staubwolken« Gesichtsfeldausfälle
Diagnostik 4 Funduskopie 4 ggf. Ultraschall
Therapie 4 rhegmatogene Amotio 5 Buckelchirurgie zum externen Lochverschluss: Plombe, Cerclage, Kryopexie des Loches 5 primäre Vitrektomie zum internen Lochverschluss: Füllung mit Gas oder Silikonöl, Laserkoagulation des Loches
7
Eigene Notizen
60 Kapitel 7 · Glaskörper und Netzhaut
Eigene Notizen
4 traktive Amotio 5 Vitrektomie mit Entfernung aller Membranen 5 ggf. Füllung mit Gas/Silikonöl 4 exsudative Amotio 5 Therapie richtet sich nach der Ursache → ausführliche Diagnostik!
Prognose
7
4 rhegmatogene Amotio 5 Wiederanlegung der Netzhaut in 70–80% mit einer Operation 5 mit mehreren Operationen in 95% 4 traktive Amotio 5 Wiederanlegung gut machbar 5 dauerhaft Rezidive möglich 4 exsudative Amotio 5 hängt von der Behandelbarkeit der Ursache ab
7.2.5
Retinitis pigmentosa
Ätiologie 4 Ursache sind zahlreiche Gendefekte für Schlüsselproteine des Sehkaskade 4 je nach Mutation autosomal-dominant, autosomal-rezessive, X-chromosomal gekoppelt oder spontan
Klinik 4 4 4 4
Nachtblindheit und zunehmende Einschränkung des Gesichtsfeldes Röhrengesichtsfeld Erblindung in späten Stadien Erkrankung beginnt im mittleren Erwachsenalter oder früher, selten in der Kindheit
Diagnostik 4 4 4 4
Pigmentverklumpungen in Form von Knochenkörperchen wachsgelbe Papille stumpfer Netzhautreflex Elektroretinogramm (ERG): erloschen
Therapie 4 keine ursächliche möglich 4 Rehabilitation: vergrößernde Sehhilfen, Kantenfiltergläser, Mobilitätstraining, Blindenschrift
7.2.6
Dystrophien der Makula
4 heterogene Gruppe von erblichen Erkrankungen des retinalen Pigmentepithels (RPE) und der Netzhaut
61 7.2 · Netzhaut
4 4 4 4 4 4
meist autosomal-dominant bei den Musterdystrophie autosomal rezessiv beim M. Stargardt zentrale Atrophie der Makula frühe Sehverschlechterung bereits im Jugendalter beim M. Stargardt Therapie: keine spezifische möglich Rehabilitation: vergrößernde Sehhilfen
7.2.7
Altersmakulopathie, altersbedingte Makuladegeneration (AMD)
4 häufigste Erblindungsursache in den Industrienationen 4 tritt nach dem 50. Lebensjahr auf
Ätiologie 4 degenerative Prozesse im retinalen Pigmentepithel 5 Drusenbildungen 5 Verdickung der Bruch-Membran 5 Ablagerung toxischer Stoffwechselprodukte 4 bei Vorliegen bestimmter Mutationen hohes genetisches Risiko
Klassifikation 4 frühe Form mit Drusen und Pigmentverschiebungen 4 späte Formen: 5 trockene AMD mit Atrophie des retinalen Pigmentepithels (. Abb. 12a, Farbteil) 5 feuchte AMD mit subretinaler Neovaskularisation oder Pigmentepithelabhebung (. Abb. 12b, Farbteil)
Klinik 4 Leseverschlechterung 4 Verzerrungen
Diagnostik 4 4 4 4 4
Visus Amsler-Test Funduskopie Fluoreszenzangiographie optische Kohärenztomographie
Therapie 4 frühe Formen: beobachten 4 späte Form: 5 Atrophie: Rehabilitation mit vergrößernden Sehhilfen 5 feuchte Form: Anti-VEGF-Injektionen in den Glaskörperraum 5 ggf. bei großen Blutungen auch operatives Vorgehen mittels Vitrektomie
7
Eigene Notizen
62 Kapitel 7 · Glaskörper und Netzhaut
Eigene Notizen
7.2.8
Venenthrombosen
4 betroffen sind die Zentralvenen oder auch nur einen Ast
Ätiologie 4 Ursachen sind Gefäßwandschäden meist durch Atherosklerose 4 seltener genetisch bedingte Hyperkoagulolabilität, z. B. Faktor-V-Leiden-Mutation, AT3-Mangel, APC-Resistenz
Klinik 4 akute schmerzlose Sehverschlechterung
Diagnostik
7
4 Funduskopie 5 streifenförmige Blutungen entlang der Nervenfaserschicht (. Abb. 13a, Farbteil) 5 Makulaödem 5 Cotton-wool-Exsudate 4 Zentralvenenthrombose: Blutungen disseminiert über den ganzen Fundus 4 Astvenenthrombose: Blutungen im Stromgebiet eines Venenastes
Therapie 4 Ursachenabklärung 4 Einstellung des Hämatokrits auf ca. 40% mittels isovolämischer Hämodilution 4 Gabe von Thrombozytenaggregationshemmern
Prognose 4 bei nicht-ischämischen Formen kann es zu einer Abheilung kommen 4 Visus oft durch Makulaödem reduziert 4 bei ischämischen Formen bleibt oft ein erheblicher Funktionsausfall zurück
Komplikationen 4 4 4 4
Neovaskularisationen an der Iris Sekundärglaukom Glaskörperblutungen Prophylaxe und Therapie der Komplikationen 5 bei ischämischen Formen Laserkoagulation der avaskulären Netzhaut 5 bei Glaskörperblutungen Vitrektomie 5 bei Makulaödem Anti-VEGF-Injektionen oder intravitreale Steroide
63 7.2 · Netzhaut
7.2.9
Zentralarterienverschluss
Ätiologie 4 vollständiger oder unvollständiger Verschluss der A. centralis retinae 4 meist durch atherosklerotische Wandveränderungen der A. centralis retinae 4 seltener durch Embolien aus dem Vorhof oder den Karotiden
Klinik 4 akuter schmerzloser nahezu vollständiger Verlust des Sehvermögens
Diagnostik 4 4 4 4 4 4 4
deutliche afferente Pupillenstörung Funduskopie blasse Papille kirschroter Fleck in der Makula (. Abb. 13b, Farbteil) ischämisches Netzhautödem kein Fluss in den retinalen Arterien internistische und/oder neurologische Abklärung
Therapie 4 Minderung des intraokularen Drucks 5 Parazentese 5 Acetazolamid 5 Bulbusmassage 5 Thrombozytenaggregationshemmern 5 ggf. Hämodilution 4 Prognose: sehr ungünstig, selten Verbesserungen möglich, dann meist bei unvollständigen Verschlüssen
7.2.10
4 4 4 4
Diabetische Retinopathie
Verdickung der Basalmembranen Perizytenverlust entzündliche Mechanismen Mikroangiopathie der Netzhaut mit Kapillarverschlüssen, Mikroaneurysmen, Ödemen, Exsudatbildungen und Neovaskularisationen, Bildung fibrovaskulärer Membranen
Klassifikation (. Abb. 14, Farbteil) 4 proliferative Retinopathie mit Neovaskularisationen 4 nicht-proliferative diabetische Retinopathie ohne Neovaskularisationen
Komplikationen 4 Makulaödem 4 traktive Netzhautablösung
7
Eigene Notizen
64 Kapitel 7 · Glaskörper und Netzhaut
Eigene Notizen
4 Glaskörperblutung 4 Katarakt 4 Glaukom
Therapie
7
4 straffe Zuckereinstellung 4 gute Blutdruckeinstellung 4 panretinale Laserkoagulation bei proliferativer diabetischer Retinopathie 4 Kataraktoperation bei diabetischer Katarakt 4 fokale Laserkoagulation bei diabetischem Makulaödem 4 ggf. Injektion mit Anti-VEGF-Präparaten und/oder Steroiden 4 Vitrektomie bei Glaskörperblutung und/oder Netzhautablösung 4 Kataraktoperation bei diabetischer Katarakt 4 drucksenkende Maßnahmen beim Glaukom
7.2.11
Frühgeborenenretinopathie
Ätiologie 4 Wachstum der retinalen Gefäße ist erst am Termin abgeschlossen 4 vermehrte Sauerstoffgabe postpartal führt zu einem Stop des Gefäßwachstums 4 bei reduziertem Sauerstoff nach der Inkubatorphase oder bei Schwankungen der Sauerstoffsättigung kommt es zur Hypoxie der peripheren nicht vaskularisierten Netzhaut 4 die Hypoxie führt sekundär zu Neovaskularisationen und Wachstum fibrovaskulärer Membranen 4 Risikofaktoren 5 Kinder <1000 g Geburtsgewicht ( > Memo Screeningprogramm für alle Frühgeborenen vor der 32. SSW und unter 1000 g vorgeschrieben!) 5 Geburt vor der 32. SSW 5 komplizierter postpartaler Verlauf 5 Bluttransfusionen
Klassifikation 4 4 4 4 4 4
Stadium 1: avaskuläre Netzhaut Stadium 2: Demarkationslinie Stadium 3: prominente Leiste Stadium 4: partielle Netzhautablösung Stadium 5: totale Netzhautablösung plus Kriterium wenn deutliche Neovaskularisationstendenz vorliegt, z. B. Tortuositas, Blutungen
Therapie 4 laufende Kontrollen für Stadium 1 und 2 4 Laserkoagulation im Stadium 3 mit Aktivitätszeichen
65 7.2 · Netzhaut
4 Vitrektomie in Stadium 4 4 meist keine Behandlung mehr in Stadium 5, da sehr schlechte Prognose
Spätfolgen 4 4 4 4
Myopie Schielen Amblyopie Netzhautablösung
7.2.12
Retinoblastom
4 häufigster maligner intraokularer Tumor im Kindesalter 4 Inzidenz 1:20.000 Geburten
Ätiologie 4 genetisch bedingt durch RB1-Gen (Tumorsuppressorgen) 4 bei Keimbahnmutation beidseitiges Vorkommen und familiär gehäuft 4 bei somatischer Mutation einseitiges sporadisches Vorkommen
Klinik 4 weißliche Tumor der aus der Netzhaut in den Glaskörperraum vorwächst (endophythisch, exophytisch), manchmal Aussaat von Tumorzellen im Glaskörperraum
Diagnostik 4 meist zufällig entdeckt, durch Leukokorie oder Schielen
Therapie 4 Enukleation bei einseitigem Befall 4 bei beidseitigem Befall Enukleation des Auges mit dem größeren Tumor, Versuch, das 2. Auge zu erhalten durch Brachytherapie, Laser-/Kryokoagulation. 4 Polychemotherapie als Basistherapie 4 Prognose: 5-Jahres-Überlebensrate 95%
7
Eigene Notizen
8 Tag 1 – Augenheilkunde
8
Aderhaut P. Walter
8.1
Anatomie
– 67
8.2
Fehlbildungen – Aderhautkolobome – 67
8.3
Entzündungen der Aderhaut (Uveitis posterior) – 67
8.4
Lymphome – 68
8.5
Aderhautmelanom – 68
8.6
Aderhautnävus – 69
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_8, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
67 8.3 · Entzündungen der Aderhaut (Uveitis posterior)
Anatomie
8.1
4 extrem gefäßreiche Schicht zwischen Sklera und Retina 4 über ihre Kapillarschicht stellt sie die Blut- und Sauerstoffversorgung der äußeren Netzhaut und des retinalen Pigmentepithels sicher 4 die Aderhaut beinhaltet neben den Gefäßen pigmentierte Zellen
Fehlbildungen – Aderhautkolobome
8.2
4 4 4 4 4 4
entstehen durch fehlerhaften Schluss des Augenbechers Defekte entstehen meist nach unten im Kolobom sieht man dann direkt auf die Sklera am Rand solcher Kolobome kann es zu Netzhautablösungen kommen kann Zufallbefund sein die Funktion ist dann erheblich reduziert, wenn das Kolobom durch die Makula geht
Entzündungen der Aderhaut (Uveitis posterior)
8.3
Ätiologie 4 bakterielle, virale oder pilzbedingte Infektionen 4 besonders häufig: Lues, Toxoplasmose, Tuberkulose, Borreliose, Toxocara canis 4 immunologische Prozesse 4 nach Verletzung am Partnerauge (sympathische Ophthalmie)
Klinik 4 4 4 4
unspezifische Sehbeschwerden Schatten sehen Sehverschlechterung meist schmerzlos
Diagnostik 4 Fundus. weißliche zuerst unscharf begrenzte Herde peripher oder zentral unter der Netzhaut 4 Labor 4 ggf. Aderhautbiopsie
Therapie 4 richtet sich nach der Ursache 4 spezifisch bei Infektionen (Antibiotika u. a.) 4 Steroide bei immunologischen Prozessen
8
Eigene Notizen
68 Kapitel 8 · Aderhaut
Eigene Notizen
Lymphome
8.4
4 Infiltrate in der Netzhaut imponieren manchmal wie eine Aderhautentzündung 4 sprechen nur wenig auf eine Uveitistherapie an 4 Ausdruck einer lymphatischen Systemerkrankung
Klinik 4 Allgemeinsymptome 4 ggf. auch neurologische Ausfälle
Diagnostik
8
4 Fundus: 5 weißlich Herde unter der Netzhaut 5 im Verlauf der Erkrankung größer werdend 4 Aderhautbiopsie 4 CT/NMR, um ZNS-Beteiligung auszuschließen
Therapie 4 Bestrahlung 4 Chemotherapie
Aderhautmelanom
8.5
4 häufigster intraokularer primärer maligner Tumor 4 manchmal Chromosomenaberrationen im Tumor, z. B. Monosomie 3, dann ungünstige Prognose
Pathogenese 4 4 4 4 4 4 4
können aus einem Aderhautnävus entstehen knotenförmiges Wachstum unter der Retina gehen von maligne transformierten Melanozyten der Aderhaut aus Durchstoßen die Bruch-Membran wölben sich in den Glaskörperraum vor können die Sklera infiltrieren und nach außen durchbrechen können auch vom Ziliarkörper ausgehen oder in den Ziliarkörper infiltrieren
Histologie 4 spindelförmige Typen mit hoher Differenzierung 4 epitheloide Typen mit niedrigem Differenzierungsgrad 4 gemischte Formen
Klinik 4 meist zufällig entdeckt 4 Sehbeschwerden oder -verschlechterung oft als später Befund 4 Glaukom mit Schmerzen
69 8.6 · Aderhautnävus
4 Größe- und/oder Farbänderungen des Auges 4 Metastasen 5 Leber, seltener Knochen, Lunge oder ZNS 5 können auch noch nach Jahren einer erfolgreichen Therapie des Primärtumors auftreten
Diagnostik 4 Funduskopie (. Abb. 15, Farbteil) 4 Ultraschall zur Größenbestimmung und Therapieplanung 4 Staging
Therapie 4 4 4 4 4 4
größen- und lageabhängig Brachytherapie mittels Aufnähen eines episkleralen Rutheniumplaque Protonenbestrahlung Gamma-Knife-Bestrahlung Resektion Enukleation
Prognose 4 abhängig von: 5 Tumorgröße 5 Lokalisation 5 histologischem Typ 5 Genetik (Monosomie 3) 5 Skleradurchbruch
8.6
Aderhautnävus
4 Ansammlung pigmentierter Zellen in der Aderhaut ohne pathologische Relevanz 4 selten Größenwachstum, insbesondere keine oder nur geringe Prominenz 4 in sehr seltenen Fällen Entartung zum Aderhautmelanom 4 Beobachtung mittels photographischer Fundusdokumentation
8
Eigene Notizen
9 Tag 1 – Augenheilkunde
9
Sehnerv und Sehbahn N. Plange
9.1
Optikusatrophie – 71
9.2
Anteriore ischämische Optikusneuropathie (AION) – 71
9.3
Entwicklungsanomalien des Sehnerven – 72
9.4
Hereditäre Optikusneuropathie – 72
9.5
Toxische Optikusneuropathien – 72
9.6
Differenzialdiagnose Papillenschwellung – 73
9.7
Sehbahn – 73
9.7.1 9.7.2 9.7.3 9.7.4
Anatomie – 73 Topographische Anatomie des Chiasma opticum – 74 Sehbahnläsionen und Gesichtsfelddefekte – 74 Pupillenstörungen und Anisokorie – 74
9.8
Neuritis nervi optici: Retrobulbärneuritis, Papillitis – 75
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_9, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
71 9.2 · Anteriore ischämische Optikusneuropathie (AION)
9.1
Optikusatrophie
4 blasser, wachsgelber Sehnervenkopf mit massiver Sehminderung bis Erblindung als möglicher Endzustand von Augenerkrankungen mit Sehnervenbeteiligung (. Abb. 16, Farbteil) 4 Differenzialdiagnose glaukomatöse Optikusatrophie: Endstadium der glaukomatösen Optikusneuropathie mit totaler Exkavation
9.2
Anteriore ischämische Optikusneuropathie (AION)
4 Sehnerveninfarkt, akute Durchblutungsstörung des Sehnerven (»small vessel disease« der Ziliararterien) 4 nichtarteriitisch (d. h. arteriosklerotisch) und arteriitisch (Arteriitis temporalis Horton) 4 hohes Risiko für Befall des 2. Auges innerhalb von Tagen bis Wochen bei arteriitischer AION
Klinik 4 plötzliche Visusminderung, meist einseitig 4 Papillenschwellung meist sektoriell/asymmetrisch, streifige Sehnervenblutungen (. Abb. 17, Farbteil) 4 Gesichtsfelddefekt häufig altitudinal, variabel bis Erblindung
Diagnostik 4 Fundus: ischämische (= blasse) Sehnervenschwellung 4 Visusverlust, Gesichtsfelddefekt 4 Arteriitis temporalis Horton? 5 Kopfschmerzen, Kauschmerzen 5 A. temporalis: vermehrte Tortuositas, Druckschmerzhaftigkeit 5 Labor: hohe BSG (Sturzsenkung), hohes CRP 5 A. temporalis Biopsie (Histologie: Riesenzellarteriitis?) 5 meist hohes Alter (>60 Jahre) und niedriger Hämatokrit 5 Assoziation mit Polymyalgia rheumatica 4 Abklärung vaskulärer Risikofaktoren (arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Blutfette, Nikotin, kardiovaskuläre und zerebrovaskuläre Erkrankungen) 4 neurologisches Konsil, Karotisdoppler 4 Differenzialdiagnose: s. Differenzialdiagnose Papillenschwellung (7 Abschn. 9.6) 4 > Memo Bei jeder ischämischen Optikusneuropathie muss ein Arteriitis-Ausschluss erfolgen!
Therapie 4 systemisch Steroide bei nicht-arteriitischer AION 4 hochdosiert Steroide bei arteriitischer AION 4 Hämodilution
9
Eigene Notizen
72 Kapitel 9 · Sehnerv und Sehbahn
Eigene Notizen
4 Optimierung vaskuläres Risikoprofil 4 Thrombozytenaggregationshemmer ohne Einfluss auf ischämische Optikusneuropathie, aber sinnvoll wegen vaskulärem Risikoprofil 4 > Memo Bei Verdacht auf Arteriitis temporalis muss unmittelbar eine Therapie mit hochdosierten systemischen Steroide begonnen werden, später Reduktion auf lebenslange Erhaltungsdosis.
9.3
9
Entwicklungsanomalien des Sehnerven
4 Makropapille und Mikropapille 5 anomale Größe des Sehnervenkopfes 5 meist keine funktionellen Defekte 4 Hypoplasie bis Aplasie des Sehnerven 5 uni- und bilateral, variable Visus/Gesichtsfeldeinschränkung 5 Assoziation mit anderen Anomalien von ZNS und Auge 4 Kolobome des Sehnerven 5 unvollständiger Schluss der Augenbecherspalte, variable Visus/ Gesichtsfeldeinschränkung, meist einseitig 5 Assoziation mit anderen Anomalien von ZNS und Auge 4 Drusenpapillen 5 Hyalinkörperchen kalzifiziert, meist beidseitig, autosomal-dominant 5 Gesichtsfelddefekte möglich 5 Diagnostik: hyperreflektiv im Ultraschall mit Schallschatten, Autofluoreszenz 4 markhaltige Nervenfasern, Striae medullares 4 Bergmeisterpapille: persistierende A. hyloidea 4 Therapie der Entwicklungsanomalien des Sehnerven: keine
9.4
Hereditäre Optikusneuropathie
4 selten, bilateral, Assoziation mit anderen ZNS-Erkrankungen/neurodegenerativen Syndromen, variable Erbgänge, keine Therapie 4 Lebersche Optikusneuropathie 5 Mutation mitochondrialer DNA (Vorkommen nur in Eizelle), Mütter als Konduktorinnen, meist junge Männer betroffen 5 erst einseitiger schmerzloser Visusverlust mit Papillenschwellung, dann Optikusatrophie, innerhalb von Tagen bis Monaten Befall des 2. Auges
9.5
Toxische Optikusneuropathien
4 beidseitige variable Optikusatrophie mit Visusminderung/Gesichtsfelddefekten 4 Ursachen
73 9.7 · Sehbahn
5 Nikotin/Alkoholabusus 5 schwerer Vitamin-B1-, -B12- (pernizöse Anämie) oder Folsäuremangel 5 Medikamente (Chloramphenicol, Ethambutol, Isoniazid, Chloroquin, Digitalis, Streptomycin u. a.) 5 Methylakoholvegiftung, Toluene (Klebstoffe: »Schnüffeln«) 5 Schwermetalle 5 Bestrahlung
9.6
Differenzialdiagnose Papillenschwellung
4 Stauungspapille 5 bei erhöhtem Hirndruck (s. a. Pseudotumor cerebri), beidseitig, hochprominente Papillenschwellung (»Sektkorken«) 5 vergrößerter blinder Fleck oder geringe Gesichtsfelddefekte 5 Rückbildung nach Wochen, Optikusatrophie bei persistierend hohem Hirndruck möglich 5 Foster-Kennedy Syndrom: keine Stauungspapille bei Optikusatrophie 5 Abklärung durch Neurologen, Bildgebung 4 anteriore ischämische Optikusneuropathie (7 Abschn. 9.2) 5 einseitige asymmetrische Papillenschwellung mit Randblutungen, akuter Visusverlust 4 Papillitis (7 Abschn. 9.8) 5 einseitige Papillenschwellung mit allmählichem Sehverlust, Schmerzen 4 andere 5 vaskuläre Papillenschwellung (z. B. bei Fundus hypertonicus Grad IV, Zentralvenenverschluss) 5 Infiltration des Sehnerven durch entzündliche/immunologische Erkrankungen und Malignome 5 Kompressive Optikusneuropathie bei orbitaler Druckerhöhung (z. B. bei Blutungen, endokrine Orbitopathie) 5 Pseudopapillenödem (z. B. bei Drusenpapillen, Hyperopie) 5 Lebersche Optikusneuropathie (7 Abschn. 9.4)
9.7
Sehbahn
9.7.1
Anatomie
4 Netzhaut – Nervus opticus – Chiasma opticum – Tractus opticus – Corpus geniculatum laterale – Radiatio optica (Sehstrahlung) – Sehrinde (Okzipitalpol, Area 17/V1) 4 Nervenfasern (3. Neuron) der nasalen Netzhauthälfte kreuzen im Chiasma opticum in den kontralateralen Tractus opticus
9
Eigene Notizen
74 Kapitel 9 · Sehnerv und Sehbahn
Eigene Notizen
9.7.2
4 4 4 4 4
inferior: Hypophyse lateral: A carotis int., N. III, N. IV, V1 und V2, Sympathikusfasern posterior: III. Vetrikel perichiasmal: Sinus Cavernosus superior: A. cerebri ant.
9.7.3
4 4 4 4
9
Topographische Anatomie des Chiasma opticum
Sehbahnläsionen und Gesichtsfelddefekte
Nervus opticus: einseitige Gesichtsfelddefekte Chiasma opticum: heteronyme Gesichtsfelddefekte (. Abb. 18, Farbteil) Hypophysenadenom: bitemporale Hemianopsie (Scheuklappe) retrochiasmale Läsionen (Tractus opticus, Sehrinde): homonyme (gleichsinnige) Gesichtsfelddefekte (Läsion rechts – Gesichtsfeldefekte nach links)
9.7.4
Pupillenstörungen und Anisokorie
Einteilung und Differenzialdiagnose 4 afferente Störung (Swinging-flashlight-Test positiv, nie Anisokorie), amaurotische Pupillenstarre bei Erblindung 4 efferente Störung 5 Anisokorie mehr im Dunkeln: Dilatatorstörung (Sympathikusläsion) 5 Anisokorie mehr im Hellen: Sphinkterstörung (Okulomotoriusstörung) 4 Pupillotonie (Holmes-Adie-Pupille) 5 tonische, wurmartige Kontraktionen, Denervierungs-Überempfindlichkeit auf Pilokarpin 0,1%, idiopathisch oder neurodegenerative Erkrankungen 4 pharmakologische Anisokorie 5 Mydriasis: Pflanzen (Atropin), Medikamente, Rauschmittel (Kokain, Amphetamine u. a.), augenärztliche Mydriasis 5 Miosis: Opiate, Vergiftungen 5 essenzielle Anisokorie: kein Krankheitswert 5 Organerkrankungen des Auges: Irisläsionen, Reizmiosis bei Iritis, entrundete Pupille bei Glaukomanfall, Trauma, Zustand nach Operation u. a. 4 selten 5 Argyll-Robertson-Pupille (reflektorische Pupillenstarre): Pupille beidseits eng/entrundet, kaum Lichtreaktion, Licht-Nah-Dissoziation, Neurolues, ZNS Erkrankungen 5 Parinaud-Syndrom (Mittelhirnpupille): Pupille beidseits mittelweit, Mittelhirnläsion mit weiteren neuroophthalmologischen Befunden
75 9.8 · Neuritis nervi optici: Retrobulbärneuritis, Papillitis
4 > Memo Zur Ursachenabklärung bei Anisokorie muss eine ophthalmologische Untersuchung zum Ausschluss anderer Erkrankungen des Auges mit sekundärer Anisokorie erfolgen.
Diagnostik 4 immer ophthalmologischer Organbefund 4 afferente Störung (ophthalmologische oder neuroophthalmologische Erkrankung als Ursache) 4 efferente Störung 5 Sympathikusläsion (enge Pupille): Kokain-Test (Kokain AT 10%): Mydriasis wenn Sympathikus intakt, persistierende Anisokorie bei Horner-Sydrom (dann weitere neurologische Abklärung) 5 Okulomotoriusläsion (weite Pupille): Miosis nach Pilokarpin AT 1%; weitere neuroophthalmologische Ablärung (Motilitätseinschränkung, Ptosis) 4 Miosis nach Pilokarpin AT 0,1%: Pupillotonie 4 keine Miosis nach Pilokarpin AT 1%: pharmakologische Mydriasis 4 > Memo Trias bei Horner-Syndrom: Miosis, Ptosis, Enophthalmus.
Neuritis nervi optici: Retrobulbärneuritis, Papillitis
9.8
4 Entzündung des Sehnerven, ophthalmoskopisch unauffällig (Retrobulbärneuritis) oder Papillenschwellung mit Randblutungen (Papillitis) mit Funktionsausfall
Ätiologie 4 4 4 4 4
idiopathisch multiple Sklerose infektiöse Erkrankungen des Kindesalters, virale Infektionen fortgeleitete Entzündungen (Nasennebenhöhlen, Orbita, ZNS) granulomatöse Entzündungen und Infektionen (Tuberkulose, Syphilis, Sarkoidose, Borreliose u. a.)
Klinik 4 4 4 4 4
allmählicher Sehverlust (meist über Tage), meist einseitig relatives afferentes Pupillendefizit (RAPD) Bewegungsschmerz, Repulsionsschmerz Farbsinnstörung (Rotentsättigung) Alter 10–45 Jahre (Retrobulbärneuritis: junge Erwachsene, Papillitis: meist beidseitig, Kinder) 4 Uthoff-Zeichen: verstärkte Sehstörungen bei körperlicher Anstrengung oder Erhöhung der Körpertemperatur
9
Eigene Notizen
76 Kapitel 9 · Sehnerv und Sehbahn
Eigene Notizen
Diagnostik 4 7 Abschn. 9.6 4 variable Gesichtsfelddefekte: Zentral-, Zentrozökalskotom, Hemisphärendefekte, Bogendefekte 4 visuell evozierte Potenziale (VEP): zu Beginn nicht ableitbar (»ausgelöscht«), dann Latenzverzögerung 4 andere neuroophthalmologische Symptome? (z. B. Motilitätseinschränkung, Internukleäre Ophthalmoplegie u. a.) 4 neurologisches Konsil (multiple Sklerose?)
Therapie 4 intravenöse Hochdosissteroidtherapie (insbesondere bei schlechtem Visus) oder abwarten 4 ggf. Therapie der Grunderkrankung
Prognose 4 günstig (meist Visusrehabilitation über Monate) 4 Rezidive möglich 4 abhängig von möglicher Grunderkrankung
9
> Memo Retrobulbärneuritis: Patient sieht nichts, Arzt sieht nichts.
10 Tag 1 – Augenheilkunde
10
Orbita K. Hartmann
10.1
Anatomie – 78
10.2
Stumpfes Trauma – 78
10.3
Tumoren – 79
10.3.1 10.3.2
Maligne Tumoren – 80 Benigne Tumoren – 81
10.4
Endokrine Orbitopathie – 81
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_10, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
78 Kapitel 10 · Orbita
Eigene Notizen
10
10.1
Anatomie
4 nach hinten hin spitz zulaufender knöcherner Trichter, vorne durch den Bulbus oculi und das Septum orbitale begrenzt 4 Gesamtvolumen 30 ml, davon 7 ml Bulbus oculi (von normaler Größe) 4 knöcherne Wände: Os zygomaticum lateral unten, Os frontalis lateral oben und oben, Ala major des Os sphenoidale hinten lateral unten, Ala minor hinten medial, Os ethmoidale (Lamina papyracea) medial, Maxilla unten 4 medial, unten und oben vorne enger Kontakt zu den Nasennebenhöhlen 4 Durchtrittsstellen: Fissura orbitalis superior (zwischen Ala major und Ala minor) – durch diese verlaufen von medial nach lateral: V. orbitalis inferior, N. nasociliaris, N. abducens, N. oculomotorius, N. trochlearis, N. frontalis, N. lacrimalis, V. orbitalis superior; Canalis opticus (medial der Fissura orbitalis superior) – durch diesen verlaufen der N. opticus und die A. ophthalmica, um diese Austrittsstelle liegt der Anulus tendinosus communis, aus dem alle äußeren Augenmuskeln entspringen mit Ausnahme des M. obliquus inferior (dieser entspringt vom vorderen medialen Orbitaboden) 4 Extrakonalraum: zwischen den knöchernen Orbitawänden und den geraden Augenmuskeln und sie umgebendem Bindegewebe; beinhaltet u. a. Orbitafett (als Gleitlager wichtig), Orbitavenen, lateral oben vorne die Tränendrüse 4 Intrakonalraum: Inhalt zwischen den geraden Augenmuskeln und sie umgebendem Bindegewebe, vorne durch den Bulbus begrenzt; beinhaltet u. a. Orbitafett, N. opticus, Äste der A. und V. ophthalmica
10.2
Stumpfes Trauma
4 > Memo: Entweder der Bulbus »gibt nach« (eher selten) oder die knöchernen Strukturen, sehr selten beides. 4 Bulbusverletzung (Contusio bulbi) 5 Vorderkammerreiz 5 Augeninnendruck zu hoch (Verlegung des Kammerwinkels mit Zelldetritus) oder zu niedrig (Ziliarkörper hat durch stumpfes Trauma (Perfusion p) Produktion eingestellt oder reduziert) 5 Pupillenfunktionsstörung und -entrundung (M. sphincter pupillae bezüglich der arteriellen Versorgung »letzte Wiese«, Iris sehr vulnerabel) 5 Berlin-Ödem der Netzhaut (durch Wassereinlagerung Verdickung der Netzhaut, dadurch wird die Netzhaut dicker und die Aderhaut schimmert nicht gut durch → weißliche Farbe entspricht Eigenfarbe der Netzhaut) 5 Bulbusberstung (Sollbruchstellen = dünnste Stellen der Sklera am Limbus und unter den Ansätzen der geraden Augenmuskeln) 5 Therapie
79 10.3 · Tumoren
J Vorderkammerreiz antiinflammatorisch behandeln (kortisonhaltige Augentropfen) J Augeninnendruck wenn möglich regulieren J Pupille nicht medikamentös beeinflussen, um die Spontanremission nicht zu behindern J Bulbusberstungen müssen operativ versorgt werden 4 Fraktur der knöchernen Orbita 5 meist Orbitabodenfrakturen 5 Dehnungs- und Kontraktionsbehinderung des M. rectus inferior, dadurch Zurückbleiben des betroffenen Auges bei Auf- und Abblick, bei Aufblick Tieferstand, bei Abblick Höherstand = VD-Umschlag (Umschlag der Vertikaldeviation) 5 bei Erwachsenen Einklemmung von Orbitasepten im Bruchspalt, die mit dem M. rectus inferior verbunden sind 5 bei Kindern echte Einklemmung des M. rectus inferior im Sinne einer Grünholz-Fraktur möglich 5 Sensibilitätsstörung N. V2 5 Lidhämatom, fast immer assoziiert mit Jochbeinfraktur 5 Therapie J operative Versorgung nach 2–3 Tagen (nach Abschwellung) J Operationsindikationen: Doppelbilder = Motilitätsstörung, Sensibilitätsstörung N. V2, deutlicher Enophthalmus (Zurücksinken des Auges) 4 Selten 5 Fraktur der medialen Orbitawand (Abduktionseinschränkung durch mechanische Dehnungsbehinderung des M. rectus internus) 5 Orbitadachfrakturen (operative Versorgung nur bei Liquorfistel)
10.3
Tumoren
Klinik 4 4 4 4 4 4
Visusminderung Gesichtsfeldausfälle Protrusio bulbi Doppelbilder Bewegungsschmerzen des Auges Druckgefühl
Diagnostik 4 Visus reduziert bei Affektion des N. opticus 4 Gesichtsfeldausfälle bei Beteiligung des N. opticus 4 Swinging-flashlight Test = relatives afferentes Pupillendefizit, falls nur eine Seite betroffen ist, werden die Pupillen bei gleicher Beleuchtung wie beim Partnerauge beide weiter 4 Motilitätsanalyse – Doppelbilder?, Bewegungseinschränkungen durch mechanische Behinderung? 4 Binokularstatus
10
Eigene Notizen
80 Kapitel 10 · Orbita
Eigene Notizen
4 Exophthalmometrie nach Hertel – auf der betroffenen Seite meist Protrusio bulbi, Ausnahme: bei szirrhösem Mammakarzinom (Metastase) Enophthalmus möglich durch narbige Schrumpfung der die Umgebung infiltrierenden Metastase 4 Organbefund (vorderer Augenabschnitt, Tensio, Fundus) 4 Photodokumentation 4 Ultraschall, CT oder NMR der Orbita 4 histologische Diagnosesicherung – diese sollte immer angestrebt werden mit folgenden Ausnahmen: 5 kavernöse Hämangiome in der Orbita werden oft bei bildgebender Diagnostik des Schädels als Zufallsbefund entdeckt, sie wachsen, wenn überhaupt, langsam und stören meist nicht, ihre radiologischen Kriterien sind recht spezifisch – hier sind Verlaufskontrollen zu empfehlen 5 infauste Prognose quoad vitam – hier sollte bedacht werden, ob nicht alleinige palliative Maßnahmen sinnvoller sind
10.3.1
10
Maligne Tumoren
4 ca. 45% aller Tumoren im Orbitabereich (. Abb. 19a, Farbteil) 4 ca. 15%: Metastasen von Karzinomen (alle Tumoren können in die Orbita metastasieren, z. B. Prostata-, Oropharynx-, Magen-, Mammakarzinom, malignes Melanom, Ewing-Sarkom, Leiomyosarkom) 4 ca. 10%: Lymphome 5 hier handelt es sich um niedrig-maligne Non-Hodgkin-Lymphome (B-Zell-, MALT-, seltener T-Zell-Lymphom) und nicht, wie bei intraokularen Lymphomen, um hochmalige ZNS-Lymphome; daher ist die Prognose quod vitam günstig 5 die Tumoren sind nicht heilbar, aber gut therapierbar (Bestrahlung bei alleinigem Orbitabefall, ansonsten Chemotherapie – häufig Expression von CD20-Antigenen, die heute mit Rituximab (AntiCD20-Antikörper) gut und nebenwirkungsarm behandelbar sind) 5 primärer Tränendrüsenbefall häufig 4 ca. 8% Meningeome (Keilbein und N. opticus) 4 ca. 12% alle anderen malignen Tumoren, z. B. neuroendokrines Karzinom, spindelzelliges Hämangioendotheliom, papillomatöses Karzinom, melanotisches Schwannom, Osteom 4 histologische Diagnosesicherung je nach Lokalisation durch Ophthalmologen (Zugang durch die Bindehaut oder die Lider), HNO-Arzt (endoskopisch durch die NNH), Neurochirurg (Orbitadach oder laterale Orbitawand), Kieferchirurg 4 danach Staging und interdisziplinäre Therapie mit Onkologen und Strahlentherapeuten
81 10.4 · Endokrine Orbitopathie
10.3.2
Benigne Tumoren
4 ca. 50% aller Tumoren im Orbitabereich 4 ca. 12% immunologisch vermittelte entzündliche Orbitaprozesse (para-, postinfektiös, Sarkoidose, M. Wegener, rezidivierende Polichondritis) (. Abb. 19b, Farbteil) 5 die häufige endokrine Orbitopathie ist hier nicht subsumiert und wird später abgehandelt (7 Abschn. 10.4) 5 Suche nach der Grunderkrankung (Labor) 5 antientzündliche medikamentöse Therapie (Steroide, nichtsteroidale Antiphlogistika, Immunsuppressiva, ggf. Chemotherapeutika) 4 ca. 10% Dermoide: zystischer Keimzelltumor (Teratom) 5 Innenfläche der Zyste von Hautgewebe ausgekleidet, Inhalt: Talg, Haare, manchmal Hautanhangsgebilde (Zähne) 5 wächst an knöchernen Suturen – oft lateral vorne oben 5 operative Entfernung bei subjektiver Störung oder Bulbusimpression mit Astigmatismusinduktion 4 ca. 10% Hämangiome 5 meist kavernöse Hämangiome mit derber Kapsel und koaguliertem Blut als Inhalt 5 meist im Intrakonalraum, oft als Zufallsbefund 5 meist bei Erwachsenen (kapilläre Hämangiome bei Kindern stellen eine andere Entität dar: sie wachsen bis etwa zum 1. Lebensjahr, um sich dann wieder zurückzubilden; sie müssen therapiert werden, wenn die optische Achse nicht mehr frei ist und sich ansonsten eine Amblyopie entwickeln würde, wegen Narbeninduktion primär keine chirurgische Therapie, sondern Laserbehandlung und/oder medikamentöse Therapie (Steroide, β-Blocker) 4 ca. 4% Pseudotumor orbitae 5 idiopathische lymphozytäre Entzündung mit reaktiver Fibrose 5 nach histologischer Diagnosesicherung Therapie mit Steroiden, gute Prognose 4 ca. 4% Lipome 4 ca. 4% Zysten 4 weitere benigne Tumoren: in die Orbita eingebrochene Mukozelen, Neurofibrom, Hamartom
10.4
Endokrine Orbitopathie
4 häufigste immunologische Orbitaerkrankung, etwa 2–3% aller Frauen und 0,2–0,3% aller Männer in Mitteleuropa (genaue epidemiologische Daten liegen nicht vor) 4 Autoimmunerkrankung des orbitalen Weichteilgewebes, entzündliche Veränderungen der Tränendrüse, des Orbitafettes und der äußeren Augenmuskeln 4 meist assoziiert mit M. Basedow oder Hashimoto-Thyreoiditis
10
Eigene Notizen
82 Kapitel 10 · Orbita
Eigene Notizen
10
Klinik 4 initial Druckgefühl, Tränen, Brennen, Chemose der Bindehaut, präseptale Lidschwellung, eventuell Diplopie (Doppelbilder) 4 Augenmuskelbefall: R. inferior > R. internus, M. levator palpebrae 5 sowohl Kontraktionseinschränkung durch Entzündung als auch Dehnungsbehinderung durch Fibrose, letztere steht meist im Vordergrund, so dass bei Befall des R. inferior die Hebung des betroffenen Auges eingeschränkt ist, bei Befall des R. internus die Abduktion und bei Befall des M. levator palpebrae imponiert eine Oberlidretraktion 5 erst Verdickung der Muskeln durch lymphozytäre Infiltration und Einlagerung von sauren Mukopolysacchariden, dann Vernarbung mit eingeschränkter Dehnfähigkeit → Restriktion) 4 Lidretraktion 5 echte Lidretraktion durch Restriktion, sowohl Ober- als auch Unterlid möglich → weitere Lidspalte, scheinbar weiter vorstehendes Auge; in diesem Fall Zurückbleiben des Oberlides bei Abblick (von-Gräfe-Zeichen), bei Geradeausblick oben Skleraweiß sichtbar (Dalrymple-Zeichen) 5 Pseudooberlidretaktion durch entweder erhöhten Sympathikotonus bei hyperthyreoter Stoffwechsellage (der Müller-Muskel ist ein Lidheber, der sympathisch innerviert wird, bei erhöhtem Sympathikotonus ist die Lidspalte weiter offen [Schreck, Aufmerksamkeit], bei Ermüdung weiter geschlossen) oder durch Kontraktur des M. rectus inferior (um das Auge in den Geradeausblick zu heben, muss mehr Aufblickinnervation geleistet werden, hier liegt eine Koinnervation des M. rectus superior mit dem M levator palpebrae vor, vermehrte Aufblickinnervation steigert automatisch die Lidspaltenweite) 4 Erkrankung des Immunsystems bei genetisch disponierten Individuen, psychische Stress- und Umwelteinflüsse als Triggerfaktoren 5 Toleranzverlust des Immunsystems gegenüber thyreoidalen Antigenen (TSH-Rezeptor) 5 »trouble maker« bei der endokrinen Orbitopathie ist der orbitale Fibroblast, der TSH-Rezeptoren und IGF-1-Rezeptoren (Interaktion) »über«-exprimiert → hier ggf. zukünftige Therapieansätze 5 pathologische Aktivierung des Immunsystems gegen den TSH-Rezeptor, der von Schilddrüsengewebe, orbitalem Binde- und Fettgewebe und von prätibialem Gewebe (Myxödem) exprimiert wird 5 orbitale Präadipozyten differenzieren sich zu Adipozyten → Volumenvermehrung von Orbitafett → Zunahme des orbitalen Gewebevolumens (nicht nur durch Ödemkomponente) 5 zunehmende Akkumulation von hydrophilen Glukosaminoglykanen, wachsende intraorbitale Raumnot (die Orbita ist ein nach hinten spitz zulaufender knöcherner Trichter mit nur begrenztem Raumangebot) 5 mechanische Komplikationen: Gewebehypoxie, Azidose, oxidative Schädigungsmechanismen 5 dies wird durch Rauchen verstärkt; Rauchen hat auch einen synergistischen Effekt auf die IL-1 induzierte Adipozytogenese – hier
83 10.4 · Endokrine Orbitopathie
5 5 5
5
5
5
liegen Interaktionen mit negativer Auswirkung sowohl auf immunologischer Ebene als auch bezüglich der mechanischen Komplikationen, Raucher sind stärker betroffen mit schwereren und protrahierteren Krankheitsverläufen Therapie: Rauchen einstellen! die Erkrankung durchläuft zunächst eine Akutphase über Wochen, erreicht dann über Wochen bis Monate ein Plateau, um dann langsam »auszubrennen« bei schlaffem Septum orbitale kann das Gewebe nach vorne ausweichen, es entwickelt sich eine deutlich sichtbare Protrusio bulbi, allerdings baut sich in der Orbita kein hoher Druck auf, so dass die Perfusion des N. opticus bei dieser Konstellation besser ist bei straffem Septum orbitale entwickelt sich nur eine geringe Protrusio bulbi, allerdings ein erhöhter intraorbitaler Druck mit nachfolgender Perfusionsstörung des N. opticus (»Optikuskompression«), hier sind v. a. Männer betroffen, die von der Erkrankung weniger häufig befallen sind, aber deutlich häufiger Optikopathien entwickeln bezüglich der Therapie muss die Schilddrüse optimal therapiert werden: Euthyreose, ein Jahr lang thyreostatische Therapie, dann Auslassversuch, bei Rezidiv Radiojodtherapie ( ! Cave Ausschwemmung von TSH-Rezeptor-Autoantikörpern → Verschlechterung der endokrinen Orbitopathie → Steroidprophylaxe erforderlich!) oder Thyreoidektomie bezüglich der ophthalmologischen Therapie muss klinisch entschieden werden, ob die Erkrankung noch floride ist oder nicht mehr floride (= ausgebrannt)
Therapie 4 Tränendrüsenbefall → Sicca-Syndrom (wird durch weitere Lidspalte verstärkt, da mehr Schleimhautoberfläche (Hornhaut und Bindehaut) freiliegt): künstliche Tränen als Augentropfen; damit kann eine Ulkusbildung der Hornhaut vermieden werden 4 präseptale Lidschwellung/Ödem: systemisch Steroide (i.v. günstiger als oral, da besserer Effekt, weniger Nebenwirkungen, mehr Responder) oder – bei milderen Formen – Lymphdrainage 4 Lidretraktion → wenn nicht mehr floride: operative Lidverlängerung 4 Exophthalmus = Protrusio bulbi: wenn nicht mehr floride zur kosmetischen Rehabilitation Orbitadekompression = Entfernen von Knochenstrukturen zu den NNH → das Gewebe kann nach hinten »sinken« oder Orbitafettresektion 4 Motilitätsstörung, Doppelbilder: bei Floridität wenn möglich Ausgleich mit Prismengläsern oder Okklusion eines Auges, evtl. Retrobulbärbestrahlung, später Augenmuskelchirurgie 4 Visusminderung durch Perfusionsstörung des N. opticus: hochdosiert Steroide i.v. und knöcherne Orbitadekompression (auch wenn die Erkrankung noch floride ist) oder Orbitafettresekion (wenn v. a. das Fettvolumen vermehrt ist)
10
Eigene Notizen
11 Tag 1 – Augenheilkunde
11
Strabismus K. Hartmann
11.1
Definitionen – 85
11.2
Grundlagen – 85
11.3
Begleitschielen – 85
11.4
Paretisches Schielen – 89
11.4.1 11.4.2 11.4.3
Okulomotoriusparese – N.-III-Parese – 90 Trochlearisparese – N.-IV-Parese – 90 Abduzensparese – N.-VI-Parese – 90
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_11, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
85 11.3 · Begleitschielen
11.1
Definitionen
4 Schielen: Fehlstellung eines Auges; das fixierende Auge ist auf das Sehobjekt gerichtet, das nicht fixierende (schielende) Auge weicht ab 4 Begleitschielen, Strabismus concomitans: angeboren oder in früher Kindheit erworben → keine Diplopie, Suppression → Amblyopiegefahr 4 paretisches Schielen, Strabismus incomitans: Augenmuskellähmungen, meist erworben → Doppelbilder (Diplopie)
11.2
Grundlagen
4 Monokulare Lokalisation: Hauptsehrichtung: die Fovea zentralis der Netzhaut hat den Richtungswert geradeaus. Was sich auf der Fovea abbildet, wird im Raum »geradeaus« lokalisiert. Nebensehrichtungen: ein Objekt, das sich rechts von der Fovea abbildet, wird mit entsprechendem Betrag im Raum nach links lokalisiert und umgekehrt; dies ist normalerweise für beide Augen synchron verschaltet = korrespondierende Netzhautstellen 4 Der Raum hat eine Tiefe, fixiert wird aber nur in einer frontalen Ebene → Objekte vor und hinter dieser Ebene werden physiologischerweise doppelt gesehen, ohne dass dies bewusst wahrgenommen wird. Ein kleinerer Bereich vor und hinter der Fixationsebene kann – obwohl nicht korrespondierende Netzhautstellen gereizt werden – binokular überlagert werden, es entsteht ein Stereoeindruck. Der Bereich im Raum, für den dies möglich ist, heißt Horopter; der Bereich der Netzhaut, der hier dynamisch binokular verschaltet werden kann, heißt Pannum-Areal.
11.3
Begleitschielen
4 Durch die Schielstellung ist beidäugiges Sehen von Kindheit an gestört. Ein Auge fixiert, die Fovea hat den Richtungswert geradeaus. Die Fovea des abweichenden Auges hat ebenfalls den Richtungswert geradeaus, dort bildet sich aber ein anderes Objekt ab, also müssten eigentlich 2 Bilder überlagernd den Richtungswert »geradeaus« haben (Konfusion). Das kindliche = noch plastische Gehirn merkt schnell, dass dies nicht sein kann, also wird das zentrale Bild des abweichenden Auges nicht wahrgenommen, es baut sich ein funktionelles Skotom der Fovea auf, das vor Konfusion schützt. Das Objekt, das von der Fovea des fixierenden Auges wahrgenommen wird, bildet sich auf dem schielenden Auge exzentrisch ab, gewinnt dadurch einen anderen Raumwert. Ein Bild wird demnach an 2 verschiedenen Orten im Raum wahrgenommen (Diplopie = Doppelbild), das kindliche plastische Gehirn unterdrückt diesen störenden Seheindruck ebenfalls und baut ein funktionelles Fixierpunktskotom auf. Diese Unterdrückungsmechanismen nennen sich Suppression, sie schützen vor Diplopie und Konfusion, führen aber auch dazu, das ein Auge amblyop = sehschwach bleiben kann/werden kann, obwohl es organisch gesund ist. Die Verschaltung
11
Eigene Notizen
86 Kapitel 11 · Strabismus
Eigene Notizen
4 4 4
4
11
4
zwischen Retina und visuellem Kortex ist in diesem Fall minderrepräsentiert. Der Visus bei einem Neugeborenen liegt geschätzt nur bei 0,1, alles andere wird durch Lernen = »Benutzen« erst erworben. > Memo Schielen ist keine Krankheit der Augen, sondern des Gehirns = der beidäugigen Bildverarbeitung«. Inzidenz: 5–7% (Mitteleuropa); häufiger bei Risikogeburten, Frühgeburten; familiär gehäuft Amblyopie 5 Schwachsichtigkeit ohne organischen Fehler oder mit einem, der nicht im Verhältnis zum Grad desselben steht 5 neuronale Verschaltungen zwischen Retina und visuellem Kortex werden in der Kindheit (bis zur Pubertät) aufgebaut = »learning by using«, Abbau → Visus p ist jederzeit möglich 5 der Visus des amblyopen Auges ist beim Schielen mit streng einseitiger Führung ohne Therapie nur 0,1! 5 Therapie: schielendes Auge zum Sehen zwingen, indem das Führungsauge abgeklebt = okkludiert wird 5 Schielen ist die Hauptursache für Amblyopie 5 weitere Ursachen: Deprivationsamblyopie durch Ptose, Hämangiom des Oberlides, kongenitaler Katarakt und persistierendem hyperplastischem Glaskörper und Refraktionsamblyopie bei hoher Hyperopie, hohem Astigmatismus, Anisometropie bei kleineren Schielwinkeln wird die Fovea des fixierenden Auges mit einer etwas in Richtung Schielwinkel abweichenden Netzhautstelle des nicht fixierenden Auges verschaltet = anomale Netzhautkorrespondenz. Dies ermöglicht grobes Binokularsehen. Daraus ergibt sich ein Anomaliewinkel, der nicht operabel ist, aber auch (ähnlich wie die Größe und Defekttiefe der Suppressionsskotome) dynamisch ist und verschoben werden kann Phorie 5 latentes Schielen 5 kein Parallelstand, wenn die beidäugige Zusammenarbeit unterbrochen ist, Einstellbewegungen nur bei Aufdecken (Refusion) oder im alternierenden Abdecktest 5 »normal«: 80% aller Menschen haben keinen Parallelstand, wenn das beidäugige Sehen unterbrochen ist 5 selten Dekompensation → asthenopische Beschwerden: »blurred vision«, bifrontale Kopfschmerzen, Brennen, Tränen, Diplopie 5 Dekompensation bei Übermüdung oder unter Alkoholeinfluss normal 5 Therapie: Prismenausgleich, Augenmuskeloperation
Diagnostik 4 Covertest = Abdecktest 5 das führende = fixierende Auge wird abgedeckt 5 nun muss das nicht fixierende Auge die Führung aufnehmen und macht eine Bewegung = Einstellbewegung. Dies beweist manifestes Schielen
87 11.3 · Begleitschielen
4
4
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4 4 4
5 wird die Führung mit dem nun fixierenden Auge gehalten? Wenn ja, wie lange? → Rückschluss auf den Schweregrad der Amblyopie Uncovertest = Aufdecktest 5 weicht ein Auge unter dem Abdecken in eine »Ruheposition« ab, die nicht dem Geradeausblick entspricht, und liegt beidäugiges Einfachsehen vor, so macht dieses Auge nach Aufdecken eine Fusionsbewegung (latentes = phorisches Schielen) Prismencovertest 5 mit Prismen (lenken den Lichtstrahl in einer definierten Größe zur Basis hin ab) kann man den Schielwinkel neutralisieren und so die Größe bestimmen (die beim Begleitschielen nicht statisch, sondern dynamisch ist und sich situativ ändern kann) Visusprüfung (zentrale Sehschärfe) 5 mit »konservativen« Methoden ab dem 2. Lebensjahr möglich, mit speziellen Tests (»preferential looking«) schon bei Säuglingen 5 wichtig: Seitendifferenz und absolute Werte streuen erheblich (Aufmerksamkeit, Lerneffekt, Angst vor Fehlern bei Schulkindern) 5 Visus für Einzeloptotypen (einzeln stehende Sehzeichen) steigt etwa bis zum 8. Lebensjahr auf 1,0; der Reihenvisus ist erst zur Pubertät voll entwickelt 5 normierte Sehzeichen sollten verwendet werden Stereotests, Prüfung des Simultansehens (Bagolini-Lichtschweiftest) Organbefund: Trübung der brechenden Medien? Netzhautveränderungen? Refraktion? abgegrenzt werden müssen: 5 Pseudostrabismus: bei breitem Nasenrücken, Epikanthus → scheinbares Innenschielen; bei positivem oder negativem Winkel Kappa (Winkel zwischen Gesichtslinie (Fovea centralis → Objekt) und Pupillenachse (Pupillenmitte → Hornhautscheitel); die Fovea centralis liegt in der Regel nicht genau am hinteren Augenpol, sondern etwas nach temporal verschoben → dies verursacht einen positiven Winkel Kappa (scheinbares Außenschielen bei monokularer Fixation) 5 Lidasymmetrien (durch einen Oberlidhöherstand kann z. B. ein Höhenschielen vorgetäuscht werden)
Definitionen 4 4 4 4 4
Tropie: manifestes Schielen Phorie: latentes Schielen Esotropie: Innenschielen Exotropie: Außenschielen Hypotropie: Tieferstand rechts = Höherstand links; –VD (Vertikaldeviation) 4 Hypertropie: Höherstand rechts = Tieferstand links; +VD
11
Eigene Notizen
88 Kapitel 11 · Strabismus
Eigene Notizen
11
Therapie 4 Okklusion 5 stundenweise Abkleben des führenden Auges, damit das nicht führende Auge »zum Sehen gezwungen wird« und sich so neuronale Verschaltungen zwischen Retina und visuellem Kortex aufbauen können, die für einen guten Visus erforderlich sind 5 Therapiebeginn ab dem 6. Lebensmonat (rascher Erfolg mit weniger Aufwand bei frühem Beginn) 5 Nachsorge: Erhaltokklusion ggf. bis zur Pubertät; die tägliche Stundenzahl richtet sich nach Führungsverhalten, Visus und Alter; Behandlung muss der Visusentwicklung angepasst werden 4 Brille 5 Hyperopie korrigieren, oft teilakkommodative Esotropie, manchmal rein akkommodativ 5 bei Hyperopie muss bereits in der Ferne akkommodiert werden, um ein scharfes Bild zu erhalten. Dies ist mit Konvergenz gekoppelt und kann beim Schielen oft nicht entkoppelt werden. Dies führt wiederum zu größeren Innenschielwinkeln, die sich durch Tragen einer entsprechenden Brille entspannen 4 akkommodativer Konvergenzexzess 5 Akkommodation → »zu viel« Konvergenzimpuls, größerer Nahschielwinkel 5 Therapie: Nahaddition in der Brille 4 Augenmuskeloperation 5 Anomaliewinkel kann nicht »wegoperiert« werden 5 Operation vor der Einschulung zu empfehlen 4 ursächliche Therapie nicht möglich
Schielformen 4 akkommodative Esotropie 5 Beginn um das 2. Lebenshalbjahr (Fixationsbeginn) 5 durch Hyperopie ausgelöst: scharfes Sehen in der Ferne nur durch Akkommodation → löst Konvergenzimpuls aus 5 Brille → Parallelstand 4 frühkindliches Schielsyndrom 5 frühkindliche Esotropie: mit Abstand häufigste Schielform, Beginn im 1. Lebensjahr 5 Innenschielen + Nystagmus latens (jeweils außenschlägiges Augenzittern, wenn dem Partnerauge Licht entzogen wird) + dissoziiertes Höhenschielen (Abdriften des schielenden Auges nach oben) + Kopfzwangshaltung + »crossed fixation« (Fixation in Adduktion – weil hier der Nystagmus latens am ruhigsten ist und ein schärferes Bild resultiert) + Winkelschwankungen (größerer Winkel bei Müdigkeit und in der Nähe) 4 Mikrostrabismus 5 meist Mikroesotropie, selten Mikroexotropie 5 Schielwinkel <5° (kosmetisch unauffällig) 5 anomale retinale Korrespondenz, Simultansehen, manchmal subnormales Stereosehen, meist strenge Führung eines Auges
89 11.4 · Paretisches Schielen
5 ! Cave Bei fehlender Vorsorge wird das Schielen oft erst spät (6. Lebensjahr) erkannt. Mit Amblyopietherapie kann dann kein voller Visus mehr erreicht werden. 5 Vorsorge daher sehr wichtig 4 normosensorisches Spätschielen 5 Schielbeginn >3. Lebensjahr 5 oft Diplopie, Zukneifen eines Auges (anfangs) 5 strabologischer Notfall: sofortige Entlastung durch Prismen, Brillenbestimmung → akkommodativ? 5 falls mit Brille keine Rekompensation: rasche Operation, sonst droht Verlust des Stereosehens 4 Strabismus divergens intermittens 5 häufigste Form des Außenschielens 5 zeitweise Parallelstand mit normalem bis subnormalem Binokularsehen, zeitweise Exotropie ohne Diplopie mit Suppression (2 sensorische binokulare Verarbeitungen wechseln sich ab) 5 oft Lichtempfindlichkeit (Ursache unklar) 5 Operation nur bei Dekompensation >50% der Wachzeit oder bei Visusabfall
11.4
Paretisches Schielen
4 Wirkung der äußeren Augenmuskeln, betrachtet wird schematisch ein rechtes Auge von vorne . Abbildung
4 die Wirkungen beziehen sich auf den Geradeausblick. Anhand des Pfeilverlaufes kann man diese ableiten. Der Muskel steht jeweils an der Stelle seiner Hauptwirkung (seines effektivsten Hebelarmes), dies entspricht jedoch nicht der Zugrichtung! 4 der Hebelarm der Obliqui kommt von vorne und setzt schwerpunktmäßig hinter dem Äquator an, daher hebt der Obl. inferior und der Obl. superior ist ein Senker 4 Definition: Inzyklorotation: die obere Hälfte des Bulbus rotiert zur Nase hin, Exzyklorotation: die obere Hälfte des Bulbus rotiert nach außen
11
Eigene Notizen
90 Kapitel 11 · Strabismus
Eigene Notizen
4 Innervation: N. trochlearis (N. IV): M. obliquus superior; N. abducens (N. VI): M. rectus externus; N. oculomotorius (N. III): alle anderen Muskeln incl. des M. levator palpebrae 4 Augenmuskelparesen sind meist erworben, daher werden meist Doppelbilder wahrgenommen, da keine Suppression erlernt wurde
11.4.1
Okulomotoriusparese – N.-III-Parese
4 1/3 aller Augenmuskelparesen, selten komplett 4 Augenbewegungsstörung: Defizit der Adduktion, Hebung und Senkung, das Auge steht nach außen, etwas tiefer und in Inzyklotropie – der M. obliquus superior wirkt noch 4 Ptosis 4 Mydriasis – erweiterte Pupille, bei gleichzeitig betroffenen parasympathischen Fasern, die Innervation des M. sphincter pupillae fällt aus 4 Akkommodationslähmung – bei gleichzeitig betroffenen parasympathischen Fasern, die Innervation des M. ciliaris fällt aus
11.4.2
11
Trochlearisparese – N.-IV-Parese
4 4 4 4
1/4 aller Augenmuskelparesen Augenbewegungsstörung: Defizit der Senkung in Adduktion Exzyklotropie höhenversetzte und verkippte Doppelbilder, der Doppelbildabstand nimmt bei Abblick zu 4 positiver Bielschowsky-Kopfneigetest 5 bei Kopfneigung zur betroffenen Seite wird vom paretischen Auge Inzyklorotation gefordert, der M. obliquus superior wirkt nicht mehr, also muss der R. superior als 2. Inzyklorotator vermehrt innerviert werden und zieht gleichzeitig das Auge nach oben, was die Höhenabweichung verstärkt 5 bei Kopfneigung zur Gegenseite kann das betroffene Auge exzyklorotieren, die Höhenabweichung wird weniger 5 kompensatorische Kopfzwangshaltung: Neigung zur Gegenseite
11.4.3
4 4 4 4
Abduzensparese – N.-VI-Parese
ca. 45% aller Augenmuskelparesen ipsilaterale Abduktion eingeschränkt (. Abb. 20, Farbteil) Esotropie im Geradeausblick: homonyme Doppelbilder kompensatorische Kopfzwangshaltung: Kopfdrehung zur betroffenen Seite 4 Fernwinkel > Nahwinkel, in der Nähe muss weniger konvergiert werden
91 11.4 · Paretisches Schielen
4 Abklärung 5 bei älteren Patienten mit vaskulären Grunderkrankungen: J Diabetes mellitus, Hypertonus → meist ist dies die Ursache der Parese J sehr hohe Spontanremissionsrate, daher abwarten und nach etwa 6 Wochen klinische Kontrolle J bei Schielwinkelregress/Remission keine weitere Abklärung erforderlich, internistische Therapieoptimierung J bei Progress umfangreiche Abklärung (s. unten) und NMR Schädel 5 bei jüngeren Patienten sofort Abklärung: J Labor (Routinelabor, BSG, Differenzialblutbild, Gerinnung, Borrelien-Antikörper, Lues-Serologie, HIV, Antikörper gegen neurotrope Viren) J NMR Schädel J Lumbalpunktion – meist entzündliche/virale Erkrankungen J Raumforderungen möglich
11
Eigene Notizen
12 Tag 1 – Augenheilkunde
12
Verletzungen P. Walter
12.1
Lidverletzungen – 93
12.2
Verletzungen des Augapfels – 93
12.2.1 12.2.2
Orbitabodenfraktur – 94 Bulbuseröffnende Verletzungen
12.3
Verätzungen – 95
– 94
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_12, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
93 12.2 · Verletzungen des Augapfels
12.1
Lidverletzungen
4 Einwirkung stumpfer oder scharfer Gewalt auf die Augenumgebung
Ätiologie 4 4 4 4 4 4
Wurfgeschosse Holzscheite Explosionen Messerstiche Hundebisse Kleiderbügelhaken u. v. a. m.
Klinik 4 z. T. erhebliche Zerreißungen der Lider und der Tränenwege
Therapie 4 Tetanusprophylaxe 4 Inspektion und Reinigung der Wunde 4 schichtweiser, anatomisch korrekter mikrochirurgischer Wundverschluss 4 Rekonstruktion der Tränenwege primär anstreben mit Schienung und direkter Naht der Canaliculi 4 Antibiose insbesondere bei Bissverletzungen unumgänglich
Komplikationen 4 Infektionen 4 Narbenektropium, -entropium 4 sekundärer Tränenwegsverschluss mit Epiphora
12.2
Verletzungen des Augapfels
Klassifikation 4 nicht-bulbuseröffnende Verletzungen 5 Bindehautrissen 5 Lazerationen der Hornhaut 5 Erosio corneae 5 Licht-/Temperturschäden 5 Verätzungen 5 Prellungen 4 bulbuseröffnende Verletzungen 5 Hornhautperforation 5 Bulbuspenetration mit oder ohne Fremdkörper 5 Bulbusperforation mit Eintritts- und Austrittsöffnung 5 Bulbusberstung
12
Eigene Notizen
94 Kapitel 12 · Verletzungen
Eigene Notizen
Diagnostik 4 4 4 4
Unfallhergang analysieren, Fremdkörperherkunft, Material? Vorerkrankungen am Auge (z. B. Kataraktoperation?) Sehleistung vor dem Unfall? Visusprüfung, Druckmessung, Spaltlampe, Fundusuntersuchung je nach Ausmaß der Verletzung 4 Inspektion manchmal in Narkose erforderlich, z. B. bei Kindern oder Polytrauma 4 ggf. bildgebende Diagnostik mit Röntgen Orbita in zwei Ebenen oder CT 4 ! Cave: bei metallischen Fremdkörpern im Auge kein NMR!
Therapie 4 4 4 4
Bindehauteinrisse: Naht Hornhautlazeration: Kontaktlinse Erosio corneae: Gleitmittel, lokale Antibiose Metallfremdkörper auf der Hornhaut: Fremdkörperentfernung und Ausfräsen des Rosthofs 4 Hornhautperforation: Naht, ggf. Kontaktlinse 4 Bulbusprellung mit Netzhautödem: Steroide 4 intraokulare Verletzungen: operative Rekonstruktion
12.2.1
12
Orbitabodenfraktur
4 4 4 4
Prellung der Orbita kann zur Fraktur des Orbitabodens führen z. B. Faustschlag, Holzscheit, Ballsportverletzung Loco typico: Orbitaboden über dem Sinus maxillaris Komplikationen: 5 Orbitafett fällt in den Bruchspalt: Einsinken des Augapfels 5 Einklemmung des M. rectus inferior: Doppelbilder beim Blick nach oben 5 bei Fraktur der medialen Siebbeinwand tritt Luft in die Lidhaut ein: Hautemphysem 4 operatives Vorgehen interdisziplinär mit HNO und Kieferchirurgie abstimmen
12.2.2
Bulbuseröffnende Verletzungen
Ätiologie 4 4 4 4 4
Hammer-/Meißel-Verletzungen Stichverletzung Geschossverletzung Explosion schwerste Prellung mit Bulbuszerreißung
95 12.3 · Verätzungen
Klinik
Eigene Notizen
4 manchmal weitere Verletzungen, Polytrauma 4 Augapfel eingesunken ( ! Cave nicht immer, siehe gedeckte Ruptur!) 4 bei gedeckter Ruptur scheint der Augapfel intakt, der Riss ist unter der Bindehaut verborgen, Augeninhalt kann unter der Bindehaut liegen 4 Linse, Iristeile, Aderhaut, Glaskörper, Netzhaut treten vor 4 oft ausgedehnte Bulbusblutung
Therapie 4 primärer Wundverschluss 4 bei Verdacht auf eine gedeckte Ruptur immer in Operationsbereitschaft 4 unter dem Operationsmikroskop inspizieren, ggf. Bindehaut eröffnen 4 nach ca. 1 Woche dann definitive Versorgung mit Rekonstruktion 4 oft Silikonölendotamponade erforderlich
Komplikationen 4 4 4 4 4 4 4 4
Traktionsamotio Sekundärglaukom Hypotonie Hornhauttrübung Endophthalmitis sympathische Ophthalmie (7 Kap. 4) Siderose (eisenhaltige intraokulare Fremdkörper) Chalkose (bei kupferhaltigen Fremdkörpern)
Prognose 4 hängt vom Ausmaß der Gewebszerreißung ab
12.3
Verätzungen
Ätiologie 4 unfallbedingte oder durch Attentate bedingter Kontakt mit Säuren (Koagulationsnekrosen) oder Laugen (Kolliquationsnekrosen)
Klinik 4 4 4 4 4 4 4 4
12
Bindehautchemose Injektion der Bindehautgefäße Hornhautstippung Erosio corneae Bindehautischämien mit Gefäßabbrüchen Hornhauttrübung intraokularer Reizzustand weiße Hornhautverfärbung (»gekochtes Fischauge«)
96 Kapitel 12 · Verletzungen
Eigene Notizen
Therapie 4 Sofortmaßnahmen 5 Entfernung sämtlichen ätzenden Materials aus den Umschlagfalten der Bindehaut (Ektropionieren) 5 ausgiebige intensive Spülung möglichst mit wässrigen Lösungen 5 Transport in eine Augenklinik 5 während des Transportes Spülung mit puffernden Lösungen 5 nach Eintreffen in der Klinik Spülung fortsetzen 5 lokale Antibiotika und Steroide 5 bei Ischämie der Bindehaut und des Limbus-Peritomie 5 Debridément von nekrotischer Bindehaut am Tarsus 5 Lösen von Lidverklebungen 4 Therapie der Verätzungsfolgen 5 rekonstruktive Lidchirurgie 5 Hornhautransplantation 5 Transplantation von Limbusstammzellen 5 Ersatz der Bindehaut durch Mund- oder Nasenschleimhaut 5 ggf. Hornhautprothese
Komplikationen 4 4 4 4
Sicca-Syndrom Lidkantenvernarbung dauerhafte Hornhauttrübung Limbusinsuffizienz
Prognose
12
4 hängt vom Schweregrad ab, je ischämischer desto ungünstiger
13 Tag 1 – Augenheilkunde
13
Augenerkrankungen bei Allgemeinleiden P. Walter
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_13, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
98 Kapitel 13 · Augenerkrankungen bei Allgemeinleiden
Eigene Notizen
13
4 Diabetes mellitus 5 Diabetiker müssen aufgrund der häufigen Augenkomplikationen regelmäßig beim Augenarzt vorgestellt werden: Visus- und Druckbestimmung, Untersuchung des vorderen Augensegmentes und Fundusuntersuchung bei weiter Papille 5 wichtigste Komplikationen des Diabetes am Auge J diabetische Retinopathie J Katarakt J Glaukom J Netzhautablösung 4 arterielle Hypertonie – Fundus hypertonicus 5 Einteilung in 4 Schweregrade nach Thiel: J I: Verengung der Arteriolen und vermehrte Gefäßschlängelung J II: Kreuzungszeichen, Venolen gestaut, Silberreflex der Arteriolen J III: Blutungen, Cotton-wool-Exsudate, Exsudate in der Makula J IV: Papillenödem, Optikusatrophie 5 Beschwerden nur im Stadium III und IV mit Sehverschlechterung 5 Therapie durch Einstellung des Blutdrucks 5 hohe Assoziation mit Venenthrombosen oder arteriellen retinalen Verschlüssen 4 Rheumatische Erkrankungen 5 rheumatische Erkrankungen können zu verschiedenen Uveitisformen am Auge führen 5 Beispiele: Iridozyklitis beim M. Bechterew, Iritis bei rheumatoider Arthritis 5 neben der Therapie der Grunderkrankung muss eine lokale Steroidtherapie erfolgen 4 Immunsuppression 5 unter einer laufenden Immunsuppression kann es zu verschiedenen endogenen Infektionen an allen Augenabschnitten kommen, z. B. zu einer endogenen Endophthalmitis 4 HIV-Infektion 5 Uveitis anterior 5 feine Präzipitate an der Hornhautrückfläche meist durch Viren der Herpesgruppe 5 Retinitis J meist als CNV-Retinitis mit Nekrosen der Netzhaut von peripher beginnend mit Blutungen, Exsudaten und Ödemen, nach zentral fortschreitend J seltener als Herpes-Retinitis J Behandlung mit entsprechender systemischer und lokaler antiviraler Therapie, ggf. mit antiviralen Medikamententrägern im Auge 5 HIV-Retinopathie J meist feine Cotton-wool-Exsudate am hinteren Pol
99 13 · Augenerkrankungen bei Allgemeinleiden
4 andere Infektionen 5 andere Infektionen treten im Glaskörperraum oder in der Netzhaut deutlich häufiger bei HIV-Patienten auf als bei immunkompetenten Patienten, z. B. Pilzinfektionen (Candida, Aspergillose u. a.) 5 da das klinische Bild wegen der fehlenden Immunantwort des Patienten atypisch ist, bringt oft nur eine diagnostische Punktion Klarheit 5 Therapie richtet sich nach der Ursache
13
Eigene Notizen
14 Tag 1 – Augenheilkunde
14
Tropenophthalmologie P. Walter
14.1
Trachom – 101
14.2
Lepra – 101
14.3
Onchozerkose – 101
14.4
Vitamin-A-Mangelerkrankungen – 102
14.5
Katarakt – 102
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_14, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
101 14.3 · Onchozerkose
14.1
Trachom
4 Infektionskrankheit durch Chlamydia trachomatis, wird durch Fliegen übertragen 4 eine der häufigsten Erblindungsursachen weltweit
Klinik (. Abb. 21, Farbteil) 4 4 4 4 4 4
follikuläre Bindehautentzündung Granulombildung Oberlidentropium Trichaisis chronische Erosio mit Keratitis Narben und Trübung der Hornhaut
Therapie 4 4 4 4
Erythromicin oder Tetracyclin Augensalbe operative Korrektur des Entropiums Prognose der Keratoplastik beim Trachom ungünstig Prophylaxe: Hygiene!
14.2
Lepra
4 systemische Infektionskrankheit durch Mycobacterium leprae
Klinik 4 4 4 4 4
akute Iritis chronische Iritis Skleritis, Episkleritis Keratitis Sekundärglaukom
Therapie 4 systemisch mit Dapson und Rifampicin 4 lokal mit Steroiden
14.3
Onchozerkose
4 parasitäre Infektionskrankheit durch Onchocerca volvulus 4 sehr häufige Infektionskrankheit im tropischen Afrika an Flüssen (Flussblindheit)
Klinik 4 4 4 4
Uveitis Keratitis Skleritis sekundäre Katarakt
14
Eigene Notizen
102
Kapitel 14 · Tropenophthalmologie
Eigene Notizen
4 Aderhautatrophie 4 Neuritis nervi optici
Therapie 4 Suramin, Diethylcarbamazin 4 symptomatisch
14.4
Vitamin-A-Mangelerkrankungen
Klinik 4 4 4 4
Nachtblindheit Austrocknen der Bindehaut und Hornhaut Hornhauttrübung Metaplasie
Therapie 4 Vitamin-A-Substitution 4 eiweißreiche Ernährung 4 Verhindern von Durchfallserkrankungen und anderen Infektionskrankheiten
14.5
Katarakt
Aufgrund der fehlenden flächendeckenden Infrastruktur für Kataraktoperationen in den Entwicklungsländern werden viele Fälle nicht behandelt. Vermeidbare Blindheit ist das Ergebnis z. T. bereits im früheren Alter.
14
15 Tag 1 – Augenheilkunde
15
Sehbehinderung, Rehabilitation und rechtliche Grundlagen P. Walter
15.1
Sehbehinderung und Erblindung – 104
15.2
Verkehrmedizin – 104
15.3
Entschädigungsrecht – 104
15.4
Rehabilitation – 105
15.5
Frühförderung, Förderschulen – 105
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_15, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
104
Kapitel 15 · Sehbehinderung, Rehabilitation und rechtliche Grundlagen
Eigene Notizen
15.1
Sehbehinderung und Erblindung
Definitionen 4 Sehbehinderung liegt vor, wenn auf dem besseren Auge die Sehschärfe unter 0,3 liegt 4 als hochgradig sehbehindert gilt, wer auf dem besseren Auge nicht mehr als 0,05 sieht 4 als blind gilt, wer auf dem besseren Auge nicht mehr als 1/50 Sehkraft hat. > Memo Die Einstufung als »blind« vor dem Gesetz bedingt, dass dieser
Personenkreis Leistungen nach den Landesblindengesetzen beziehen können wie z. B. Blindengeld.
Erblindungsursachen 4 häufigste Erblindungsursachen in den Industrienationen 5 altersbedingte Makuladegeneration 5 diabetische Retinopathie 5 Glaukom 4 häufigste Erblindungsursachen in den Entwicklungsländern 5 Katarakt 5 Trachom
15.2
15
Verkehrmedizin
Es gibt klare Richtlinien, wie die Sehschärfe mindestens sein muss, wenn der Führerschein für eine bestimmte Klasse beantragt wird. Besteht der Bewerber den Sehtest bei einer amtlich zugelassenen Sehteststelle nicht, so erfolgt eine Untersuchung durch den Augenarzt, der dann zu prüfen hat, ob die Mindestanforderungen erfüllt sind. 4 Mindestanforderungen für Führerscheinbewerber Klassen A, A1, B, BE, M, S, L T 5 besseres Auge 0,5 oder besser 5 schlechteres Auge 0,2 oder besser 5 bei Einäugigkeit 0,6 oder besser auf dem einzigen Auge 4 Mindestanforderungen für Führerscheinbewerber Klassen C und D 5 besseres Auge 1,0 5 schlechteres Auge 0,8 oder besser 4 Beispiel: ein Busfahrer (Klasse D), der auf einem Auge nur noch eine Sehschärfe von 0,5 hat, wird berufsunfähig
15.3
Entschädigungsrecht
4 Häufig sind Sehminderungen Ursache für Behinderung und Schwerbehinderung und dementsprechend auch Gründe für Rentenansprüche. Diese werden nach dem Ausmaß der Sehbehinderung eingeteilt. Die Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit bzw. der Minde-
105 15.5 · Frühförderung, Förderschulen
rung der Gebrauchsfähigkeit erfolgt nach Tabellen. Die Erblindung eines Auges beispielsweise bedingt bei normalem anderem Auge eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 25%. 4 In die Bestimmung der Minderung der Erwerbsfähigkeit bzw. Minderung der Gebrauchsfähigkeit eines Auges geht aber nicht nur die Sehschärfe ein sondern auch das Gesichtsfeld und andere funktionelle Ausfälle. So resultiert eine 100% MdE auch bei doppelseitiger Einschränkung des Gesichtsfeldes auf 5°. 4 Sehbehinderungen sind wichtige Ursachen für Arbeitsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit. Ein Dachdecker, der auf einem Auge erblindet, kann seinen Beruf nicht mehr ausüben, wohl aber nach entsprechenden Umschulungsmaßnahmen in anderen Berufen arbeiten.
15.4
Rehabilitation
Jede Maßnahme, die zu einer Verbesserung des Sehvermögens führt, kann als Rehabilitationsmaßnahme im weitesten Sinne angesehen werden, also auch Operationen, Medikamente etc. Im engeren Sinne werden unter Rehabilitationsmaßnahmen für Blinde und Sehbehinderte aber Maßnahmen verstanden, die den Betroffenen in die Lage versetzen, mit der geringen Sehschärfe ein unabhängiges Leben zu führen. 4 spezifische Rehabilitationsmaßnahmen bei Blinden 5 Erlernen der Blindenschrift (Punktschrift nach Braille) 5 Mobilitätstraining mit dem Langstock 5 Führen eines Blindenhundes 5 Berufsspezifische Maßnahmen (Umschulung etc.) 4 wichtige Hilfsmittel 5 elektronische Systeme zur Bildvergrößerung (Bildschirmlesegeräte, portable Vorlesesysteme) 5 optische Systeme zur Bildvergrößerung wie Lupen, Lupenbrillen oder Lesesteine
15.5
Frühförderung, Förderschulen
Sehbehinderungen können bereits angeboren oder im frühen Kindesalter auftreten (z. B. Frühgeborenenretinopathie). Ziel ist einerseits eine frühzeitige spezielle augenärztliche Behandlung um die funktionell anatomischen Voraussetzungen für eine Reifung des visuellen Systems zu schaffen (z. B. frühzeitige Operation bei angeborener Katarakt, Amblyopiebehandlung). Gleichzeitig sollten Frühfördermaßnahmen eingeleitet werden, um durch gezielte visuelle Inanspruchnahme Restfunktionen des Sehsystems zu trainieren und zu stärken. Diese Maßnahmen werden über die Frühfördergruppen bei den Förderschulen Sehen koordiniert. Ist der Besuch einer Regelschule durch die Sehbehinderung nicht möglich wird neben integrativen Angeboten der Besuch einer Förderschule Sehen empfohlen. Nicht selten sind solche Einrichtungen auch als Internatschulen organisiert.
15
Eigene Notizen
16 Tag 1 – Augenheilkunde
16
Leitsymptome P. Walter
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_16, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
107 16 · Leitsymptome
4 Augenbrennen 5 trockenes Auge 5 Entzündungen der Bindehaut und der Hornhaut 5 Lidentzündungen 4 Tränenträufeln (Epiphora) 5 schmerzlos J Tränenabflussstörungen (Tränenwegsstenosen) J Ektropium J Entropium 5 mit Fremdkörpergefühl J trockenen Auge 5 schmerzhaft J Entzündungen der Lider, der Bindehaut oder der Hornhaut J Fremdkörper der Hornhaut oder unter dem Tarsus ( ! Cave Ektropionieren nicht vergessen!) 5 bei Säuglingen 5 Tränenwegstenosen 5 angeborenes Glaukom (Augendruck nötigenfalls in Narkose messen) 4 Lichtscheu, Blendung 5 Katarakt 5 lichtstarre weite Pupille J medikamentös J nach Trauma J nach Operationen 5 Netzhautdystrophien 5 Albinismus 5 angeborenes Glaukom 4 Doppelbilder beim Blick mit beiden Augen 5 Augenmuskelparesen 5 Traumatisch 5 entzündliche Augenmuskelerkrankungen 5 degenerative Muskelerkrankungen 5 Orbitaerkrankungen (z. B. M. Basedow, Tumoren) 5 normosensorisches Spätschielen 4 Doppelbilder beim Blick mit einem Auge 5 Katarakt 5 Linsenluxation 5 Keratokonus 5 Irisdefekte 4 Zurückgesunkenes Auge (Enophthalmus) 5 Orbitabodenfraktur 5 Horner-Syndrom 5 Schrumpfung des Augapfels (Phtisis bulbi) 4 Hervorstehendes Auge (Exophthalmus) 5 schmerzlos J M. Basedow (meist beidseitig) J retrobulbären Tumoren (eher einseitig) J hohe Myopie (oft beidseitig)
16
Eigene Notizen
108
Kapitel 16 · Leitsymptome
Eigene Notizen
4
4
4
4
4
16
4
5 schmerzhaft J Myositis J entzündliche Orbitaerkrankungen (z. B. Orbitaphlegmone) Hypopion 5 Endophthalmitis 5 Ulkus 5 Keratitis 5 steriles Hypopion nach Operationen Kopfschmerzen 5 Glaukomanfall 5 Arteriitis temporalis mit oder ohne ischämischer Optikoneuropathie 5 falsch angepasste Brille 5 Migräne Lichtblitze, Photopsien 5 hintere Glaskörperabhebung 5 Netzhautablösung 5 periphere Degenerationen 5 Uveitis posterior 5 Retinitis Lidschwellung 5 entzündliche Lidprozesse J Hordeolum J Chalazion J virale Lidentzündungen wie Herpes, Zoster etc.) 5 allergische Lidreaktion (z. B. Insektenstich) 5 Konjunktivitis 5 Tumoren der Lider 5 sekundär bei orbitalen Entzündungsprozessen (Orbitaphlegmone) 5 orbitale Fetthernie (Unterlid, sog. »Tränensäcke«) Ptosis 5 senile Ptosis 5 nach Operationen 5 kongenitale Ptosis 5 externe Ophthalmoplegie 5 Horner Syndrom 5 Myasthenie 5 Okulomotoriusparese 5 sekundär bei entzündlichen Vorderabschnittserkrankungen 5 Pseudoptosis J Hautüberschuss am Oberlid (Blepharochalasis) J Orbitabodenfraktur J Enophthalmus Miosis 5 Reizmiosis bei Iritis 5 nach Medikamenten (z. B. Pilocarpin) 5 Horner-Syndrom 5 nach Verklebungen bei rezidivierender Uveitis
109 16 · Leitsymptome
4 Mydriasis 5 medikamentös 5 nach Verletzungen oder Tumoren mit Zerstörung des Sehnerven 5 bei Erblindung als lichtstarre Pupille 4 rotes Auge 5 Konjunktivitis 5 Skleritis 5 Episkleritis 5 Glaukomanfall 5 Myositis 5 Endophthalmitis 5 Hyposphagma 4 mouches volantes 5 Glaskörpertrübungen 5 Glaskörperabhebung 5 Uveitis 4 weißlicher Pupillenreflex – Leukokorie – beim Kind 5 Retinoblastom 5 Frühgeborenenretinopathie 5 Katarakt 5 M. Coats 5 persistierender primärer Glaskörper 4 plötzliche beidseitige Erblindung 5 Methylalkoholvergiftung 5 Schlaganfall 5 Urämie 5 Eklampsie 4 schmerzlose einseitige Erblindung 5 Zentralarterienverschluss 5 Zentralvenenverschluss 5 ischämische Optikoneuropathie 5 Glaskörperblutung 5 Neuritis nervi optici 5 Netzhautablösung 4 akute schmerzhafte einseitige Erblindung 5 Winkelblockglaukom 5 Arteriitis temporalis mit Papilleninfarkt 4 Nachtblindheit 5 Vitamin-A-Mangel 5 Netzhautdystrophien, z. B. Retinitis pigmentosa 5 angeborene Nachtblindheit 4 hochgradige Gesichtsfeldeinschränkung 5 Endstadium Glaukom 5 Netzhautdystrophien, z. B. Retinitis pigmentosa 5 Optikusatrophie 5 Tumoren 5 Aggravation, Simulation
16
Eigene Notizen
17 Tag 2 – Dermatologie
17
Grundlagen A. Jung
17.1
Aufbau der Haut – 112
17.1.1 17.1.2 17.1.3 17.1.4
Epidermis – 112 Dermis – 113 Subkutis – 114 Funktionen der Haut
17.2
Hautanhangsgebilde – 114
17.2.1
Haare – 114
17.3
Effloreszenzenlehre – 115
17.3.1 17.3.2
Primäreffloreszenzen – 115 Sekundäreffloreszenzen – 116
17.4
Befundbeschreibung – 117
17.5
Weitere wichtige Begriffe – 118
– 114
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_17, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
112
Kapitel 17 · Grundlagen
Eigene Notizen
17.1
Aufbau der Haut
Schichten: Epidermis (= Oberhaut) – Dermis (= Lederhaut, = Korium) – Subkutis
17.1.1
Epidermis
4 Struktur der Epidermis ist wesentlich geprägt von Keratinozyten 4 Aufbau der Epidermis (von der Basalmembran zur Hautoberfläche): 5 einreihiges Stratum basale: Schicht der sich teilenden Keratinozyten (exprimieren Keratine 5 + 14); ist über die Basalmembran mit der darunter liegenden Dermis verbunden 5 mehrreihiges Stratum spinosum: Stachelzellschicht, Keratinozyten exprimieren hier Keratine 1 + 10 (palmoplantar 1 + 9) 5 Stratum granulosum (Körnerschicht): lichtmikroskopisch charakterisiert durch Keratohyalingranula, die Profilaggrin enthalten 5 einreihiges Stratum lucidum (nur palmoplantar): Keratinfilamente überwiegend parallel zur Hautoberfläche orientiert 5 Stratum corneum: Hornschicht aus kernlosen Korneozyten verhindert Austrocknung und Eindringen von Keimen, Fremdproteinen und anderen Noxen
Zellen der Epidermis
17
4 Epidermis besteht zu über 90% aus Keratinozyten, Transitzeit eines aus dem Stratum basale aufsteigenden Keratinozyten bis zur Abschilferung als Korneozyt beträgt ca. 1 Monat 4 Melanozyten: ca. jede achte Zelle des Stratum basale; ein Melanozyt versorgt bis zu 30 Keratinozyten mit Melanosomen zum UV-Schutz = Melanozyteneinheit 4 ! Cave: Die Melanozytenzahl ist unabhängig vom ethnischen Hintergrund; Unterschiede in der Hautfarbe erklären sich über die variierende Größe der Melanosomen und der Melanozytenaktivität! 4 Merkel-Zellen: neuroendokrine bzw. mechanorezeptive Zellen im Stratum basale 4 Langerhanszellen: Antigen-präsentierende Zellen der Epidermis, finden sich auch im Stratum spinosum 4 in der gesunden Epidermis sind selten auch einzelne T-Lymphozyten anzutreffen, aber keine Neutrophilen
Differenzierung der Keratinozyten zu Korneozyten 4 Aggregation der Keratinfilamente: durch Filaggrin, das aus dem repetitiven Profilaggrin (ca. 10 Filaggrin-Kopien) der Keratohyalingranula freigesetzt wird 4 Cornified envelope: Transglutaminase quervernetzt an der Zellmembran zu deren Stabilisierung Loricrin, Involucrin, prolinreiche Proteine, Trichohyalin 4 Abbauprodukte des Filaggrin tragen zur Wasserbindung bei
113 17.1 · Aufbau der Haut
4 Interzellularlipide: werden aus den lichtmikroskopisch nicht sichtbaren Keratinosomen = Odland-Körperchen in den Interzellularraum abgegeben.
Desmosomen 4 Desmosomen vermitteln die Kohäsion benachbarter Keratinozyten, enthalten u. a. Desmoglein-1 und -3 4 Hemidesmosomen: Adhäsionsorganellen zwischen basalen Keratinozyten und der Basalmembran, enthalten u. a. Kollagen XVII = bullöses Pemphigoidantigen II = bullöses Pemphigoidantigen 180 kD = BP180
Antimikrobielle Peptide 4 Keratinozyten synthetisieren verschiedene antimikrobielle Substanzen: Beta-Defensine, Cathelizidine, S100-Proteine wie Psoriasin, RNAsen, Protease-Inhibitoren
Histopathologische Veränderungen der Epidermis 4 Hyperkeratose: Verdickung des Stratum corneum 4 Parakeratose: abnorme Verhornung mit Persistenz pyknotischer Keratinozytenzellkerne im Stratum corneum, das normalerweise keine Zellkerne enthält 4 Hypergranulose: Verdickung des Stratum granulosum 4 Akanthose: Verdickung des Stratum spinosum 4 Dyskeratose: vorzeitige und fehlerhafte Verhornung einzelner Keratinozyten 4 Akantholyse: Verlust der Kohäsion zwischen Keratinozyten durch Störung der Desmosomenfunktion; geht mit Abrundung der Keratinozyten einher 4 Spongiose: epidermales interzelluläres Ödem zwischen Keratinozyten, geht mitunter mit der Ausbildung intraepidermaler Bläschen einher; ist häufig begleitet von einer Exozytose 4 Exozytose: Einwanderung von Entzündungszellen in die Epidermis
17.1.2
Dermis
4 Stratum papillare: oberer Teil der Dermis mit Papillenspitzen, die in die Epidermis einstülpen; enthält oberflächlichen horizontalen Gefäßplexus 4 Stratum reticulare: unterer Teil der Dermis mit tiefem horizontalen Gefäßplexus 4 Zellen der Dermis: Fibroblasten, Endothelzellen, Mastzellen, dermale dendritische Zellen, Makrophagen 4 Kollagenfasern (besonders Typ I) gewährleisten Dehnbarkeit bei erhaltener Reißfestigkeit 4 elastische Fasern stellen die Ausgangslage wieder her 4 Proteoglykane und Glykosaminoglykane bilden gelartige Grundsubstanz und sind wesentlich verantwortlich für Gewebsturgor (Wasserspeicher)
17
Eigene Notizen
114
Kapitel 17 · Grundlagen
Eigene Notizen
17.1.3
Subkutis
4 dient mit ihren septal gegliederten Fettgewebsläppchen zur Wärmeisolierung, als mechanisches Polster und Energiereserve
17.1.4
4 4 4 4 4
Funktionen der Haut
Schutz vor physikalischen, chemischen und mikrobiellen Noxen Schutz vor Austrocknung; Temperaturregulation Wahrnehmung von Berührung, Schmerz, Temperatur, Juckreiz Produktionsort zahlreicher Botenstoffe und Hormone psychisches Ausdrucksorgan
17.2
Hautanhangsgebilde
17.2.1
Haare
Haartypen 4 Lanugohaar: Haar des Feten 4 Vellushaar: dünn und marklos, bis höchstens 2 cm Länge, fast an der gesamten Körperoberfläche 4 Terminalhaar: dick, markhaltig, pigmentiert, wächst ca. 1 cm im Monat 4 Sexualhaar: entsteht unter Androgenwirkung mit der Pubertät als Terminalhaar genital und axillär sowie im Bartbereich und als Körperbehaarung 4 Palmae und Plantae sind haarlos
Aufbau des Haarfollikels
17
4 dermale Haarpapille 4 zwiebelartiger Haarbulbus = Wachstumszone der Matrixzellen mit eingelagerten Melanozyten in Kontakt mit der Haarpapille 4 äußere und innere Haarwurzelscheide mit dem zentral gebildeten Haar 4 Wulst = Ausbuchtung der Haarwurzelscheide am Ansatz des M. arrector pili = Sitz der epidermalen Stammzellen 4 Einmündung von Talgdrüsen (oder apokrinen Drüsen) 4 Infundibulum = trichterförmige Haarschafterweiterung 4 Übergang der äußeren Haarwurzelscheide in die Epidermis
Wachstumszyklus der Haare 4 Anagenphase = Wachstumsphase des Haares, ca. 3 Jahre 4 Katagenphase = ca. zweiwöchige Umbauphase des Haarbulbus mit synchronisierter Apoptose, am unteren Pol des Haares findet sich der Kolben 4 Telogenphase = Ruhephase bis zum Ausfall des Haares, ca. 2–4 Monate
115 17.3 · Effloreszenzenlehre
4 am Kapillitium finden sich 80–95% der Haare in der Anagen- und 5–20% in der Telogenphase sowie vereinzelt Katagenhaare 4 Haarverlust am Kapillitium von bis ca. 100 Haaren täglich ist physiologisch
Talgdrüsen 4 freie Talgdrüsen ohne Verbindung zu einem Haarfollikel sind lediglich am Lippenrot und der Mundschleimhaut, genital sowie perimamillär anzutreffen 4 ein Talgdrüsenfollikel ist eine große, multilobuläre Talgdrüse, die ins Infundibulum eines Vellushaares mündet, sie finden sich in den seborrhoischen Arealen = Gesicht, V-förmiger Brust- und Rückenausschnitt, seitlich an den Oberarmen und in den Ohrmuscheln
Schweißdrüsen 4 ekkrine Schweißdrüsen sind über den gesamten Körper verteilt (höchste Dichte an der Fußsohle), ihr Ausführungsgang ist unabhängig von Haarfollikeln 4 apokrine Schweißdrüsen = Duftdrüsen münden über ihren Ausführungsgang in den Haarfollikel und finden sich axillär, genitoanal, vereinzelt auch perimamillär und -umbilikal
Nägel 4 Nagelmatrix: Bildungszone der Nagelplatte unter dem proximalen Nagelwall 4 die Nagelplatte schiebt sich tangential über das Nagelbett (Hyponychium) nach distal 4 der proximale Nagelwall (Paronychium) geht nach distal in das Nagelhäutchen (Kutikula) über, das der Nagelplatte zum Schutz vor einer Infektion der Matrix anhaftet 4 Wachstumsgeschwindigkeit: Erneuerung eines Fingernagels nach 4–6 Monaten, eines Fußnagels nach 12–18 Monaten
17.3
Effloreszenzenlehre
17.3.1
Primäreffloreszenzen
Primäreffloreszenzen können direkt in gesunder Haut entstehen. 4 Makula (Fleck) 5 lediglich Farbveränderung der Haut, die Haut ist nicht erhaben oder tastbar infiltriert 5 häufige Sonderform: Erythem = größere (>2 cm Durchmesser) rote Makula, entsteht durch Gefäßweitstellung 5 ! Cave: »Erythematös« bedeutet erythemartig und bezieht sich auf obige Definition. Begriff nicht synonym zu »rot« verwenden!
17
Eigene Notizen
116
Kapitel 17 · Grundlagen
Eigene Notizen
4 Urtika (Quaddel) 5 besonders durch Histamin hervorgerufene flüchtige (maximal 24 h an gleicher Stelle lokalisierte) Erhabenheit der Haut durch überwiegend intradermale Flüssigkeitseinlagerung 5 häufig Juckreiz 5 Angioödem = besonders durch Bradykinin bedingte Hautschwellung (meist für mehrere Tage) durch überwiegend subkutane Flüssigkeitseinlagerung 4 Papula (Knötchen) 5 persistierende (>24 h) tastbare Gewebsvermehrung der Haut bis zu einem Durchmesser von 1 cm 5 Formen: kuppelartig, knopfartig, plateauartig erhaben, rund oder polygonal begrenzt, glatte oder zerklüftete Oberfläche 5 sukkulente Papel = Erhabenheit entsteht überwiegend durch Flüssigkeitseinlagerung 4 Nodus (Knoten) 5 persistierende (>24 h) tastbare Gewebsvermehrung der Haut mit einem Durchmesser >1 cm 4 Plaque: große (ca. >2 cm Durchmesser) plateauartige persistierende Erhabenheit der Haut 4 Vesikula (Bläschen) 5 flüssigkeitsgefüllter Hohlraum bis zu einem Durchmesser von 5 mm 4 Bulla (Blase): flüssigkeitsgefüllter Hohlraum mit einem Durchmesser >5 mm 4 Pustula (Pustel): mit Eiter gefüllter Hohlraum, enthält weißliches Sekret aus untergegangenen Granulozyten
17.3.2
17
Sekundäreffloreszenzen
Sekundäreffloreszenzen entwickeln sich im weiteren Krankheitsverlauf aus Primäreffloreszenzen oder entstehen durch Einwirkungen von außen. 4 Squama (Schuppe) 5 durch übermäßige und/oder pathologische Verhornung entstehen mit dem bloßen Auge sichtbare Korneozytenkonglomerate, die sich von der Haut lösen 5 bei Beschreibung einer Schuppung sollte zwischen fein-, mittel- oder groblamellös, gleichmäßiger oder randständig betonter Verteilung auf der Primäreffloreszenz sowie quantitativ zwischen starkem, mäßigem, oder geringem Ausmaß der Schuppung unterschieden werden 5 Collerette = Schuppenkrause 4 Keratose: fest haftende Verdickung der Hornschicht 4 Crusta (Kruste): eingetrocknetes Sekret 4 Erosion: intraepidermaler Gewebsdefekt mit nässender Oberfläche, aber keine Blutung, da ohne Eröffnung von Gefäßen 4 Exkoriation: Gewebsdefekt bis zu den Papillenspitzen mit punktförmiger Blutung im Sinne eines hämorrhagischen Exsudats
117 17.4 · Befundbeschreibung
4 Ulkus (Geschwür): tiefer Gewebsdefekt, der auch Knorpel und Knochen betreffen kann 4 Atrophie: Schwund von Hautanteilen ohne vorherigen Substanzdefekt 4 Cicatrix (Narbe): minderwertiger Gewebsersatz ohne Neubildung sekundärer Hautanhangsgebilde 4 Rhagade: Hauteinriss bis in die Dermis 4 Fissur: Hauteinriss am Übergang zur Schleimhaut, reicht bis in die Dermis 4 Lichenifikation: Epidermisverdickung, die mit einer Vergröberung des Hautspaltlinienreliefs einher geht
17.4
Befundbeschreibung
4 Lokalisation 5 bei Einzelläsion Benennung der betroffenen Stelle 5 sind mehrere oder viele Stellen betroffen, so ist die Beschreibung des Verteilungsmusters essentiell 4 Verteilung 5 im betroffenen Areal: diffus = alles gleichmäßig betroffen; disseminiert = regellose Streuung der Einzelläsionen; gruppiert = Läsionen finden sich überwiegend in Gruppen mit nur wenigen Einzelläsionen 5 Anzahl der betroffenen Körperregionen: lokalisiert = eine Region; limitiert = wenige (bis 5) Regionen; generalisiert = viele Körperregionen; universell = alle Körperregionen 5 Körperseiten: einseitig; einseitig betont; beidseitig gleichförmig verteilt 5 Systeme: betroffenes Areal entspricht Dermatomen oder den Blaschko-Linien 4 Größe: Größenangaben sollten in einem metrischen Maß erfolgen; bei vielen Einzelläsionen empfiehlt sich die Angabe der typischen Spannbreite (z. B. 2–6 mm) 4 Konfiguration: Beschreibung des Aussehens der Läsionen: rund, ovalär (evtl. mit Ausrichtung der Längsachsen in den Hautspaltlinien), polyzyklisch, kokardenförmig, konfettiartig, polygonal, landkartenartig 4 Begrenzung: Übergang der betroffenen zur gesunden Haut: scharf versus unscharf; regelmäßig versus unregelmäßig 4 Farbe: Benennung der Farbtöne, z. B. rot, livid, apfelgelee-farben 4 Symmetrie: zeigen Einzelläsionen Achsen- oder gar Punktsymmetrie? 4 Oberflächenbeschaffenheit: z. B. kleinpapulös, zerklüftet, ohne epidermale Beteiligung 4 Konsistenz: z. B. prall-elastisch bei Zysten, derb bei Dermatofibromen 4 Begleitsymptome: Erwärmung, Juckreiz, Brennen, einschießende Schmerzattacken
17
Eigene Notizen
118
Kapitel 17 · Grundlagen
Eigene Notizen
17
17.5
Weitere wichtige Begriffe
4 Aphthe: rund bis ovale, flache Schleimhautulzeration bis 5 mm Durchmesser, die häufig von einem roten Hof umgeben ist 4 Dermatoskopie: auflichtmikroskopisches Verfahren, bei dem mit mindestens 10-facher Vergrößerung eine detailgenaue Strukturbeurteilung von z. B. pigmentierten Läsionen möglich ist 4 Dermographismus: Hautreaktion wenige Minuten nach einem strichförmigen Kratzreiz mittels Glas- oder Holzspatel an entzündungsfreier Haut 5 Reaktionsmuster: J »roter Dermographismus«: physiologisches strichförmiges Reflexerythem J »weißer Dermographismus«: durch Vasokonstriktion strichförmige Abblassung, kann auf eine Atopie hinweisen J »urtikarieller Dermographismus«: strichförmige Quaddelbildung bei Urtikaria factitia 4 Diaskopie 5 durch Glasspateldruck Unterscheidung von Erythem und Purpura (Rötung nicht wegdrückbar) 5 bei granulomatösen Erkrankungen findet sich ein blasses, gelboranges = »Apfelgelee«-artiges Eigeninfiltrat 4 Ekzem 5 morphologische Beschreibung für eine Entzündung von Epidermis und Dermis, die meist mit einem unscharf begrenzten Erythem, multiplen mm-großen Papeln, Vesikeln, Papulovesikeln, Krusten, Schuppung und längerfristig mit Lichenifikation einhergeht 5 Juckreiz! 4 Erythrodermie 5 Ganzkörpererythem mit Schuppung (als dermatologische »Endstrecke« mitunter nach fehlender oder falscher Behandlung) 5 aufgrund der nicht mehr sichtbaren Prädilektion, Begrenzung und Verteilung keine Blickdiagnose möglich 5 zugrunde liegen können z. B. Psoriasis vulgaris, kutanes T-ZellLymphom, atopisches Ekzem, allergisches Kontaktekzem, Arzneimittelexanthem 4 Exanthem 5 Ausschlag mit Aufblühen vieler entzündlicher Einzelläsionen an der Haut 5 monomorph (nur ein Effloreszenzen-Typ) versus polymorph (verschiedene Effloreszenzen-Typen) 5 Enanthem bei Schleimhautbefall 4 isomorpher Reizeffekt = Köbner-Phänomen (. Abb. 22, Farbteil) 5 Provokation einer Hauterkrankung durch einen unspezifischen, meist physikalischen Hautreiz wie z. B. Kratzer, Scheuerstellen 5 am Ort der Einwirkung entwickeln sich charakteristische Läsionen mit einer Latenz von 1–2 Wochen (z. B. bei Psoriasis vulgaris, Lichen ruber, Vitiligo, Pityriasis rubra pilaris)
119 17.5 · Weitere wichtige Begriffe
4 Leukoplakie: nicht abwischbare Weißverfärbung der Schleimhäute (Präkanzerose!) 4 Nikolski-Zeichen 1: durch tangential einwirkende Scherkräfte (z. B. Daumen) lässt sich die oberste Hautschicht abstreifen (z. B. bei Pemphigus vulgaris und toxischer epidermaler Nekrolyse ((TEN)) 4 Nikolski-Zeichen 2: durch seitlichen Druck auf eine Blase kann diese in der Haut seitlich verschoben werden (z. B. bei bullösem Pemphigoid) 4 Poikilodermie: Buntscheckigkeit der Haut z. B. nach einer Röntgenweichstrahltherapie (gleichzeitig Hyper- und Hypopigmentierungen, Teleangiektasien, Atrophie) 4 Purpura: Verfärbung von Haut oder Schleimhaut durch Erythrozytenaustritt ins Gewebe 5 Farbtöne in Abhängigkeit von der Dichte des Infiltrates, Tiefenausdehnung und Zeitdauer: blassrot bis dunkelrot, blau bis fast schwarz oder grün-gelb bis braun 5 je nach Infiltratausprägung: J nicht tastbar: Makula J tastbar: Papula = »palpable Purpura« oder Knoten bzw. Plaque 5 Einordnung nach Durchmesser oder Konfiguration der Einzelläsionen: J Petechien: bis 3 mm J Sugillationen: größer 3 mm bis 1 cm J Ekchymosen: größer 1 cm bis 3 cm J Suffusionen: größer 3 cm J Vibices: streifenförmig durch mechanische Auslösung J Hämatom: tiefe Einblutung 4 Sklerose: Induration der Haut durch vermehrte Einlagerung von Bindegewebe 4 Tzanck-Test 5 Blasengrundausstrich, bei dem mit einem stumpfen Skalpell über den Bläschen- oder Blasengrund geschabt und das gewonnene Material auf einem Objektträger ausgestrichen, gefärbt und zur Beurteilung von Epidermiszellen mikroskopisch betrachtet wird 5 akantholytische Zellen bei Pemphigus vulgaris 5 ballonierte Riesenzellen bei Herpes simplex 4 Wickham-Zeichen: weißliches retikuläres Netzwerk auf der Oberfläche von polygonalen Papeln oder an Schleimhäuten beim Lichen ruber aufgrund einer retikulären Hypergranulose (Körnerzellschicht)
17
Eigene Notizen
18 Tag 2 – Dermatologie
18
Erkrankungen durch physikalische und chemische Noxen A. Jung
18.1
Dermatitis solaris (Sonnenbrand) – 121
18.2
Hautläsionen durch chronische UV-Strahlung – 122
18.3
Polymorphe Lichtdermatose – 123
18.4
Verbrennung (Combustio), Verbrühung (Ambustio) – 124
18.5
Erfrierung (Congelatio) – 125
18.6
Verätzung – 125
18.7
Dekubitus – 126
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_18, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
121 18.1 · Dermatitis solaris (Sonnenbrand)
18.1
Dermatitis solaris (Sonnenbrand)
4 Ultraviolett-Strahlung als Auslöser 5 UV-A1 (340–400 nm) 5 UV-A2 (320–340 nm) 5 UV-B (280–320 nm) 4 UV-A durchdringt Fensterglas, UV-B nicht 4 UV-A dringt tiefer in die Haut ein: bis zu 50% der UV-A-Strahlung, aber nur 10% des UV-B erreichen die Dermis 4 UV-Licht wirkt immunsuppressiv (u. a. Hemmung der Antigenpräsentation durch Langerhans-Zellen, Modulation der Zytokinsynthese, Induktion von Zellzyklusarrest oder Apoptose) 4 Hauttypen nach Fitzpatrick (nach 30 min Sonnenexposition im Sommer): 5 I: immer rot, nie braun 5 II: immer rot, gelegentlich braun 5 III: gelegentlich rot, immer braun 5 IV: nie rot, immer braun 5 V: Angehörige dunkelhäutiger Ethnien; VI: Schwarze 4 von Melanozyten produziertes braunschwarzes Eumelanin fungiert als guter Lichtfilter, während das rötliche Phäomelanin nur schlecht gegen UV-Licht schützt; das Mengenverhältnis zwischen Eu- und Phäomelanin ist genetisch determiniert und für den Hauttyp nach Fitzpatrick mitverantwortlich 4 Sofortbräunung tritt bereits während UV-Exposition ein und bildet sich nach Stunden zurück 4 die vielfach kosmetisch erwünschte verzögerte Bräunung beginnt etwa 3 Tage nach UV-Exposition und beruht auf einer verstärkten Melaninsynthese und Zunahme der Zahl der Melanosomen, die von den Dendriten der Melanozyten zu den Keratinozyten transferiert werden (Pigmenttransfer)
Ätiologie 4 Dermatitis solaris wird vor allem durch UV-B hervorgerufen 4 Ausmaß hängt ab von Hauttyp, Vorbräunung und exponierter Dosis (hohe Dosen wirken insbesondere bei Exposition zur Mittagszeit, am Wasser oder im Hochgebirge ein) 4 nach Überschreitung der minimalen Erythemdosis (= MED, entspricht etwa einer Exposition von 20 min zur Mittagszeit im Sommer bei klarem Himmel) kommt es zur Apoptose von Keratinozyten (»sunburn cells«) sowie zur Freisetzung zahlreicher proinflammatorischer Zytokine und weiterer Mediatoren; Erythem als Folge der Gefäßweitstellung in der oberen Dermis 4 bei weiterer Exposition führt die zunehmende Apoptose der Keratinozyten zur Blasenbildung
18
Eigene Notizen
122
Kapitel 18 · Erkrankungen durch physikalische und chemische Noxen
Eigene Notizen
Klinik 4 Beginn des Erythems in den der Sonne exponierten Arealen mit scharfer Begrenzung zur bedeckten Haut nach 4–6 h 4 Maximum des Erythems 12–24 h nach Expositionsende 4 Rückbildung nach 72 h 4 leichter Sonnenbrand: Erythem mit anschließender Schuppung 4 starker Sonnenbrand: Erythem, Ödem, Überwärmung, Bläschen, Blasen, Erosionen, Nässen, Krusten, Schuppung 4 ! Cave großflächige, ausgeprägte Sonnenbrände mit Blasenbildung können zu lebensbedrohlichen Allgemeinsymptomen führen!
Diagnostik 4 Anamnese mit entsprechend langer Sonnenexposition
Differenzialdiagnosen 4 Hautreaktionen nach Einnahme lichtsensibilisierender Medikamente (z. B. Tetrazyklin-Derivate, Chinolone, Furosemid) 4 phototoxische Reaktionen z. B. nach Kontakt mit Pflanzen (Wiesengräserdermatitis = Dermatitis pratensis)
Therapie 4 lokal kühlend mit feuchten Umschlägen, Schüttelmixturen oder Lotionen, evtl. mit Kortikoidzusatz 4 keine okkludierende Externa wie Salben 4 bei ausgedehnten Sonnenbränden systemisch Kortikoide und Azetylsalizylsäure bzw. Antiphlogistika
18.2
18
Hautläsionen durch chronische UV-Strahlung
4 UV-induzierte Hautalterung (= »photoaging«, wichtigste Form der extrinsischen Hautalterung) manifestiert sich in chronisch sonnenexponierten Arealen – die intrinsische Hautalterung betrifft hingegen die gesamte, d. h. auch UV-Licht-geschützte Haut! 4 von UV-induzierter Lichtalterung sind besonders Individuen mit Hauttyp I oder II betroffen 4 UV-Exposition führt zur DNA-Schädigung mit Mutationen und ggf. zur malignen Transformation; sie wirkt außerdem immunsuppressiv 4 UV-Exposition induziert reaktive Sauerstoffradikale und führt zur Aktivierung von Matrixmetalloproteinasen, die dermales Kollagen degradieren; es resultiert Defektheilung mit alteriertem Fasernetz
Klinik 4 solare Elastose: im Gesicht besonders an Stirn, Schläfen und Nacken, seltener am Hals, finden sich durch Hautfältelung pflastersteinartig unterteilte, blass-gelbliche bis elfenbeinfarbene Plaques 5 klinische Variante: Cutis rhomboidalis nuchae mit prominenter rautenförmiger Hautfurchung im Nackenbereich
123 18.3 · Polymorphe Lichtdermatose
4 M. Favre-Racouchot: solare Elastose mit Hinzutreten von Komedonen und Zysten, meist in den seitlichen Gesichtspartien 4 Erythrosis interfollicularis colli: Erythem besonders im seitlichen Halsbereich und Decolleté, welches die Follikel ausspart 5 Epheliden und Lentigines (7 Kap. 24) 4 UV-induzierte Hauttumoren: aktinische Keratosen, spinozelluläres Karzinom, Basalzellkarzinom, Merkel-Zellkarzinom, Lentigo malignaMelanom (7 Kap. 24) 4 weitere Manifestationen der Hautalterung: Atrophie der Epidermis mit zigarettenpapierartiger Fältelung, Xerosis, Teleangiektasien, Purpura senilis (durch erhöhte Kapillarfragilität)
Prävention und Therapie 4 textiler Lichtschutz (z. B. Tragen einer Kopfbedeckung) und Verwendung potenter Sonnencremes mit UV-A- und UV-B-Filter 4 Meidung von Nikotin als aggravierendem Kofaktor der Hautalterung 4 Behandlung der solaren Elastose bzw. solarer Lentigenes mit topischen Retinoiden, Peeling mit α-Hydroxysäuren (Fruchtsäuren); ggf. Faltenunterspritzung mit Fillersubstanzen (Hyaluronsäure, Milchsäure, Kollagen), ggf. Laser-Resurfacing
18.3
Polymorphe Lichtdermatose
4 Auftreten nach starker UV-Bestrahlung der ungebräunten Haut im Frühling oder Urlaub 4 häufig bei jungen Frauen 4 auslösendes UV-Spektrum (= Aktionsspektrum): meist UV-A, selten UV-B
Klinik 4 mit einer Latenz von Stunden bis Tagen kommt es an lichtexponierten Arealen zu stark juckenden Erythemen, Papeln, Papulovesikeln, Plaques, Hämorrhagien oder Blasen 4 intraindividuell findet sich bei Rezidiven wiederkehrend der gleiche Effloreszenzentyp 4 interindividuell ausgesprochene Polymorphie der Hautläsionen 4 Prädilektionsstellen: Decolleté, Hals, Extremitätenstreckseiten, evtl. Gesicht 4 Abheilung bei Sonnenkarenz nach ca. 1 Woche 4 zunehmende UV-Toleranz über den Sommer
Diagnostik 4 typische Anamnese 4 Photoprovokation mit UV-A und UV-B an den Prädilektionsstellen 4 evtl. Histologie
18
Eigene Notizen
124
Kapitel 18 · Erkrankungen durch physikalische und chemische Noxen
Eigene Notizen
Differenzialdiagnose 4 beim Lupus erythematodes (7 Abschn. 22.2) manifestieren sich Hautläsionen erst nach längerer Latenz (1–3 Wochen) nach Sonnenexposition; hier auch langsamere Rückbildung über Wochen
Therapie 4 lokal: Lotion, Creme oder Schüttelmixtur mit Kortikoid bei konsequenter Sonnenkarenz 4 Sekundärprävention: UV-Schutz durch Präparate, die insbesondere auch im UV-A-Bereich filtern, durch Kleidung und Verhaltensänderung 4 Licht-»Hardening« durch präsaisonale, über Wochen verteilte repetitive unterschwellige Bestrahlung mit dem auslösenden UV-Spektrum (meist UV-A)
18.4
Verbrennung (Combustio), Verbrühung (Ambustio)
4 häufiges Unfallereignis: bei Einwirkung von Temperaturen ab 60–65°C kommt es zur Koagulationsnekrose mit Denaturierung von Proteinen 4 durch Schädigung der Gefäße starker Plasmaaustritt ins Gewebe 4 bei großflächigen Verbrennungen meist hypovolämischer Schock
Klinik
18
4 Gradeinteilung: 5 Grad 1: Schädigung der Epidermis; schmerzhaftes Erythem ohne Blasenbildung, narbenfreie Abheilung 5 Grad: 2a: Schädigung von Epidermis und oberer Dermis; schmerzhaftes Erythem mit Blasenbildung und nässenden Erosionen; häufig narbenfreie Abheilung 5 Grad 2b: Schädigung von Epidermis und auch tieferen Dermisschichten; Blasen und weißliche, nässende Wundfläche; Vellushaare lassen sich schmerzfrei epilieren, herabgesetztes Berührungsempfinden; hinterlässt häufig hypertrophe Narben 5 Grad 3: vollständige epidermale und dermale Destruktion mit Zerstörung der Hautadnexe; verhärtete Konsistenz, durch Eiweißdenaturierung weißlich-trockener Wundgrund, kein Berührungsempfinden; narbige Abheilung 5 Grad 4: Verkohlung bis in tiefere Schichten (Muskeln) 4 Bestimmung der Ausdehnung mit der Neunerregel nach Wallace (Anteil an der Körperoberfläche): jeweils 9% für Kopf und jeden Arm, jeweils 2×9% für jedes Bein, den Stamm ventral und dorsal, 1% fürs Genitale 4 Schockgefahr bei Kindern bereits bei 10% betroffener Körperoberfläche, bei Erwachsenen ab ca. 20% 4 ! Cave Risiko der Superinfektion!
125 18.6 · Verätzung
Therapie 4 Erstmaßnahme: Kühlung mit kaltem Wasser zur Verhinderung weiterer Gewebsschädigung sowie zur Schmerzlinderung 4 Tetanusprophylaxe 4 Grad 1: kühlende kortikoidhaltige Lotionen oder Cremes und Analgesie 4 Grad 2: Abpunktieren von Blasen, spezielle Wundauflagen, Metallfolien; antiseptische und ggf. kortikoidhaltige Lokaltherapie 4 Grad 3: evtl. Frühexzision des geschädigten Gewebes 4 bei Ausdehnung der Schädigung auf über 10% der Köperoberfläche Volumensubstitution (hypovolämischer Schock) 4 bei größerer Ausdehnung (Kleinkinder >5%, Kinder >10%, Erwachsene >10–15% der Körperoberfläche) ist stationäre Behandlung erforderlich; ggf. Verlegung in ein spezialisiertes Verbrennungszentrum
18.5
Erfrierung (Congelatio)
Auf eine reflektorische Hyperämie folgt eine Vasokonstriktion mit Weißfärbung und anschließender Einfrierung des Gewebes.
Klinik 4 Gradeinteilung: 5 Grad 1: narbenlos abheilendes Erythem 5 Grad 2: nach der Schädigung Bildung junktionaler Blasen bei Wiedererwärmung, teils hämorrhagisch; narbenlose Abheilung 5 Grad 3: trockene Nekrose (Mumifikation) oder feuchte Nekrose (Gangrän)
Therapie 4 Wärmezufuhr durch temperiertes Wasser (35–40°C) für ca. 20 min 4 Analgetika, Blasen punktieren, Tetanusprophylaxe 4 bei Grad 3: Amputation bei feuchter Gangrän früh, bei Mumifikation postentzündlich nach Demarkation 4 ggf. Antibiotikaprophylaxe
18.6
Verätzung
4 durch Hautkontakt mit aggressiven Säuren oder Laugen kommt es zu oberflächlichen bis tiefen schmerzhaften Nekrosen 4 Säuren führen durch Eiweißfällung meist zur Koagulationsnekrose mit Neutralisation der Säure; es resultieren eher oberflächliche Nekrosen (Ausnahme Flusssäure!) 4 Laugen führen zur Kolliquationsnekrose (tieferes Eindringen) > Memo Je nach Chemikalie, Kontaktfläche und Einwirkzeit kann es nach
Resorption zu systemischen Manifestationen kommen.
18
Eigene Notizen
126
Kapitel 18 · Erkrankungen durch physikalische und chemische Noxen
Eigene Notizen
Klinik 4 Koagulationsnekrosen sind meist trocken, scharf begrenzt und weiß bis grau (Flusssäure: grün) mit Umwandlung in lederartigen schwärzlichen Schorf 4 Kolliquationsnekrosen sind meist weich, gallertig mit eher unscharfer Begrenzung und randständigem Ödem
Diagnostik 4 > Memo Die Ermittlung der auslösenden Chemikalie ist essenziell!
Therapie 4 Sofortige Spülung unter fließendem Wasser für mindestens 10 min 4 bei Flusssäure, die sich schnell in tiefe Gewebsschichten ausbreitet, Unterspritzung mit Kalziumglukonat (bildet Kalziumfluorid) 4 Exzision des Schorfs und klassische Ulkusbehandlung 4 Kompressionstherapie im weiteren Verlauf bei Hinweisen für Keloidbildung
18.7
Dekubitus
4 ischämische Drucknekrose der Haut über knöchernen Aufliegestellen, evtl. mit Beteiligung von Subkutis, Muskulatur und Knochen 4 häufig bei alten, bettlägrigen Menschen mit multiplen Grundkrankheiten und reduzierter Schmerzwahrnehmung
Klinik 4 Gradeinteilung nach Tiefe des Ulkus: 5 Grad 1: bis Dermis, schmerzloses Erythem, das bei Druckentlastung schnell abheilt 5 Grad 2: bis Subkutis, livides Erythem mit Blasenbildung und Schmerzen 5 Grad 3: bis Faszie und Muskel, Ulkus mit Nekrosen und entzündetem Randödem, weniger Schmerzen 5 Grad 4: alle Schichten mit Knochen, offenes Ulkus 5 Grad 5: Unterminierung, Taschen und Fistulation 4 Wundzustand: 5 A: sauber 5 B: lokale Infektion mit schmierigen Belägen 5 C: systemische Infektion
18
Therapie 4 suffiziente Druckentlastung durch Abpolsterung und konsequente Lagerungstherapie entscheidend, evtl. Spezialbetten, Dekubitusmatratzen; Anwendung spezieller Wundauflagen 4 Prophylaxe durch Frühmobilisation postoperativ 4 ab Grad 3 ist eine alleinige konservative Therapie nur bedingt Erfolg versprechend
19 Tag 2 – Dermatologie
19
Intoleranzreaktionen A. Jung
19.1
Grundbegriffe
19.1.1 19.1.2
Natürliche und erworbene Immunität – 129 Immunreaktionen nach Coombs und Gell – 129
– 129
19.2
Allergietestung – 130
19.2.1 19.2.2
Vorgehen bei Verdacht auf Typ-I-Allergie – 130 Vorgehen bei Verdacht auf Typ-IV-Allergie – 130
19.3
Rhinoconjunctivitis allergica – 131
19.4
Nahrungsmittel-Typ-I-Allergie – 132
19.5
Bienen- und Wespengiftallergie – 133
19.6
Latexallergie – 134
19.7
Urtikaria – 134
19.8
Hereditäres Angioödem – 137
19.9
Atopisches Ekzem – 137
19.10
Kontaktekzem – 140
19.10.1 19.10.2
Irritatives Kontaktekzem – 141 Allergisches Kontaktekzem – 142
19.11
Nummuläres Ekzem – 144
19.12
Seborrhoisches Ekzem – 144
19.13
Weitere Ekzemerkrankungen – 145
19.13.1 19.13.2 19.13.3
Exsikkationsekzem – 145 Stauungsekzem – 145 Dyshidrosiformes (dyshidrotisches) Ekzem
– 146
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_19, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
19.14
Pruritus (Juckreiz) – 146
19.15
Prurigo-Erkrankungen – 147
19.15.1 19.15.2
Prurigo simplex subacuta – 147 Prurigo nodularis Hyde – 147
19.16
Arzneimittelreaktionen – 148
19.16.1 19.16.2 19.16.3 19.16.4 19.16.5 19.16.6
Makulopapulöses Arzneimittelexanthem – 148 Urtikarielles Arzneimittelexanthem – 149 Fixe (toxische) Arzneimittelreaktion – 150 Akute generalisierte exanthematische Pustulose (AGEP) – 151 Hypersensitivitätssyndrom – 151 Stevens-Johnson-Syndrom und toxische epidermale Nekrolyse (Lyell-Syndrom) – 152
129 19.1 · Grundbegriffe
19.1
Grundbegriffe
19.1.1
Natürliche und erworbene Immunität
4 natürliche (= angeborene) Immunität (»innate immunity«): wird getragen von Zellen wie Keratinozyten, Makrophagen, Neutrophilen, Endothelzellen u. a. m., die antigenunabhängig (ohne Beteiligung von Antikörpern bzw. von B- und T-Lymphozyten) Abwehrreaktionen z. B. gegen mikrobielle Pathogene oder Umweltsubstanzen hervorrufen 4 erworbene (= spezifische) Immunität (»adaptive immunity«): wird getragen von T-Lymphozyten bzw. B-Lymphozyten und Antikörpern, die antigenspezifisch Immunreaktionen vermitteln
19.1.2
Immunreaktionen nach Coombs und Gell
4 Typ I = Soforttypreaktionen 5 führen zur IgE-vermittelten Degranulation von Mastzellen bzw. Basophilen; ein Allergen muss benachbarte, mit ihrem Fc-Fragment an IgE-Rezeptoren bindende IgE-Moleküle quervernetzen, um ein degranulierendes Signal zu generieren 5 Reaktionseintritt innerhalb weniger Minuten bis weniger Stunden 5 häufige Typ-I-Allergene sind Pollen, Hausstaubmilben, Tierhaare, Nahrungsmittel, Bienen- oder Wespengift, Latex, Penicillin 4 Typ-II-Reaktionen 5 zytotoxische Antikörper (IgM/IgG) binden an Blutzellen und aktivieren über ihr Fc-Fragment Komplement mit konsekutiver Porenbildung in der Zellmembran 5 führen zu Leukopenie, Thrombozytopenie, hämolytischer Anämie 5 Auslöser z. B. Medikamente 4 Typ III = Immunkomplexreaktionen 5 Antikörper gegen Fremdproteine von Krankheitserregern, Autoantigene, Tumorantigene oder Medikamente führen bei nicht ausgewogenem Mischungsverhältnis bzw. bei Schädigung der Abbaumechanismen zur Bildung von Antikörper-Antigen-Komplexen (= Immunkomplexe), die in den postkapillären Venolen eine Gefäßentzündung mit Schädigung von Endothel und Basalmembran induzieren 5 es resultiert z. B. in der Haut eine Immunkomplexvaskulitis, bei der es in Folge der Gefäßschädigung zum Austritt von Erythrozyten in das Gewebe kommt (klinisch Petechien bzw. Purpura) 4 Typ-IV-Reaktionen 5 von T-Lymphozyten vermittelte antigenspezifische Immunreaktion vom verzögerten Typ (= Spättypreaktion), z. B. allergisches Kontaktekzem, manche medikamentöse und erregerbedingte Exantheme 5 Typ-IV-Reaktionen lassen sich je nach dominierendem Zelltyp und Zytokinmuster weiter unterteilen (z. B. TH1- und TH2-Reaktionen)
19
Eigene Notizen
130
Kapitel 19 · Intoleranzreaktionen
Eigene Notizen
4 anaphylaktischer Schock: IgE-vermittelte systemische Degranulation von Mastzellen und Basophilen mit Schocksymptomen 4 anaphylaktoider Schock: direkte, nicht IgE-vermittelte Degranulation von Mastzellen mit vergleichbarer Symptomatik (z. B. ausgelöst durch Analgetika oder Kontrastmittel)
19.2
Allergietestung
19.2.1
Vorgehen bei Verdacht auf Typ-I-Allergie
4 Bestimmung spezifischer IgE-Antikörper im Serum 4 Hauttestung auf Typ-I-Allergie an der Unterarmbeugeseite; im Falle einer Reaktion kommt es zu Erythem und Quaddelbildung; Ablesung nach 15–20 min 5 Reibetest: potenzielles Allergenextrakt wird auf der intakten Haut verrieben 5 Prick-Testung: Haut wird mittels Lanzettenspitze nach Auftragen eines Tropfens potenzieller Allergenlösung punktförmig oberflächlich eröffnet 5 Scratch-Test: mit der Lanzette wird die Haut oberflächlich stichförmig aufgekratzt und Allergenlösung aufgebracht 5 Intrakutantest: Injektion der potenziellen Allergenlösung oberflächlich intradermal 5 geringste Allergenexposition beim Reibetest, höchste beim Intrakutantest 5 als Positivkontrolle dient eine Histaminlösung, als Negativkontrolle physiologische NaCl-Lösung
19.2.2
19
Vorgehen bei Verdacht auf Typ-IV-Allergie
4 Epikutantestung 5 potenzielle Kontaktallergene werden mittels okklusiver Testkammern auf die in den Wochen vor Testung möglichst nicht UV-exponierte Rückenhaut aufgeklebt 5 Entfernung der Testsubstanzen zur ersten Ablesung nach 24 oder 48 h sowie zweite Ablesung nach 72 h, im Einzelfall nochmals nach einigen Tagen 5 da viele Kontaktallergene auch irritativ-toxische Reaktionen auslösen können (z. B. Glutaraldehyd), dient die mehrfache Ablesung auch zur Unterscheidung zwischen allergischen und irritativtoxischen Reaktionsmustern: die allergische Reaktionsstärke nimmt i. d. R. bis zur Zweitablesung weiter zu (Crescendo-Reaktion), die toxische Reaktionsstärke nimmt nach Entfernung der Substanz bis zur Zweitablesung bereits ab (Decrescendo-Reaktion) 5 Hauttestungen möglichst nur im beschwerdefreien Intervall (d. h., bei Abwesenheit z. B. einer symptomatischen Rhinoconjunctivitis
131 19.3 · Rhinoconjunctivitis allergica
allergica oder eines generalisierten Kontaktekzems) und bei Infektfreiheit durchführen! 5 positive Allergietestergebnisse werden als Sensibilisierung bezeichnet; erst in wertender Zusammenschau mit Anamnese und klinischem Befund kann eine allergische Erkrankung diagnostiziert werden. 5 positive Testreaktionen werden in einem Allergiepass vermerkt, der neben der Angabe der nachgewiesenen Sensibilisierung auch über Vorkommen und Verbreitung des Allergens informiert
19.3
Rhinoconjunctivitis allergica
4 Typ-I-Allergene als Auslöser: Proteine aus Pollen von Windbestäubern (wie Birke, Erle, Hasel), aus Gräsern, Roggen, Beifuß, Traubenkraut (Ragweed), aus Tierhaaren, -speichel oder aus Hausstaubmilben 4 Epidemiologie: Jahresprävalenz von 10–20% mit dramatischem Anstieg im letzten Jahrhundert
Klinik 4 bereits wenige Minuten nach Expositionsbeginn akute Niesattacken, Naselaufen mit wässrigem Sekret, Augenjucken 4 häufig aber chronische Symptomatik über Wochen und Monate mit ausgeprägter eosinophiler Schleimhautentzündung und weiterer TH2Stimulation (IL-4, IL-5) 4 Etagenwechsel – Etagenerweiterung: Symptomverschiebung, bzw. meist Erweiterung zum allergischen Asthma bronchiale 4 orales Allergie-Syndrom: beim Verzehr von Nahrungsmitteln kommt es bereits während des Kauvorganges zu Juckreiz und Schwellung an Lippen, Mundschleimhaut und Gaumen 4 das orale Allergie-Syndrom findet sich häufig bei Birkenpollenallergikern mit Nahrungsmittelkreuzallergien zu Kern- und Steinobst
Diagnostik > Memo Die Bedeutung der Anamnese kann nicht überschätzt werden.
4 ausgehend vom Beschwerdezeitraum (Birke: Ende März bis Mai; Gräser: Juni bis August; Hausstaubmilbe: ganzjährig, besonders während Heizperiode) Bestimmung spezifischer IgE-Antikörper gegenüber nativen Allergenen 4 durch Bestimmung spezifischer IgE-Antikörper gegen rekombinant hergestellte Allergene lässt sich die Reaktivität weiter aufschlüsseln und das Potenzial der Kreuzallergenität abschätzen 4 Pricktestung mit Allergenlösungen zur Befundbestätigung 4 ggf. nasale Provokation: nach tiefem Einatmen wird eine potenzielle Allergenlösung auf die Nasenschleimhaut gesprüht und die prompte Symptomentwicklung klinisch beobachtet
19
Eigene Notizen
132
Kapitel 19 · Intoleranzreaktionen
Eigene Notizen
Therapie 4 Allergenmeidung: Aufenthalt im Hochgebirge oder an der See 4 ! Cave: Birkenpollen können über 100 km aerogen transportiert werden. 4 soweit möglich, Allergenausschaltung: so sind z. B. Katzen verfügbar, bei denen das Hauptallergen gentechnologisch ausgeschaltet wurde; Eradikation allergener Pflanzen erscheint aber unrealistisch; Traubenkraut (Ragweed) als Hauptallergiepflanze Nordamerikas breitet sich auch in Europa zusehends aus 4 symptomatisch: nasale Applikation von modernen Kortikoiden wie Mometason, nichtsedierende H1-Blocker, schwächer wirksam sind Cromoglycin-Derivate 4 systemisch H1-Blocker 4 ! Cave: Orale Gabe oder gar i.m. Injektionen von Kortikoiden sind kontraindiziert!
Sekundärprävention 4 spezifische Immuntherapie = Hyposensibilisierung mit Allergenextrakten: Beginn mit deutlich niedrigeren Allergendosen als bei natürlicher Exposition und schrittweise Steigerung auf das Mehrfache der natürlichen Exposition 4 Allergenzufuhr entweder subkutan an der distalen Oberarmaußenseite (Möglichkeit des Abbindens bei allergischer Reaktion während der Therapie) oder sublingual 4 häufig werden die Allergene mittels Glutaraldehyd zur Reduktion der IgE-Bindungsfähigkeit bei Erhalt der T-Zell-Epitope modifiziert = Allergoide 4 oft Zusatz eines Adjuvans wie Aluminiumhydroxid oder Monophosphoryllipid A 4 Goldstandard ist nach wie vor die perenniale subkutane Hyposensibilisierung mit nativen Allergenen über 3 Jahre 4 Induktion regulatorischer T-Zellen mit langfristiger Reduktion der spezifischen IgE-Synthese, verminderter Bindungsaffinität des noch gebildeten IgE und Bildung von allergenspezifischem IgG, welches Allergene bereits vor dem IgE-Kontakt binden und/oder an den Mastzellen mit der IgE-Brückenbildung interagieren kann.
19.4
19
Nahrungsmittel-Typ-I-Allergie
4 während bzw. bis zu wenige Stunden nach dem Verzehr des auslösenden Nahrungsmittels kommt es in variabler Ausprägung zu: 5 oralem Allergiesyndrom 5 Urtikaria und/oder Angioödem 5 Übelkeit, Erbrechen, Durchfall 5 anaphylaktischem Schock 4 häufige Nahrungsmittelallergene: Hühnereiweiß, Milcheiweiß, Weizenmehl, Erdnuss, Fisch und Sojabohne
133 19.5 · Bienen- und Wespengiftallergie
Diagnostik 4 Anamnese entscheidend 4 Bestimmung spezifischer IgE-Antikörper gegen verdächtigte Lebensmittel sowie Prick-Testung mit nativen Lebensmitteln
Therapie 4 Meidung der als allergen identifizierten Nahrungsmittel 4 Hyposensibilisierung mit Nahrungsmittelallergenen bisher nicht möglich 4 bei Kindern große Chance, dass sich Nahrungsmittelallergien im Zeitverlauf zurückbilden
19.5
Bienen- und Wespengiftallergie
4 Klassische Typ-I-Reaktion nach Coombs und Gell 4 nicht mit Atopie assoziiert 4 Risiko höher bei mittlerer Stichhäufigkeit: beim ersten Stich kann sich zwar die Allergiebereitschaft mit spezifischer IgE-Synthese entwickeln, es kommt jedoch zu keiner klinischen Symptomatik 4 bei sehr häufigen Stichen (Imker) lassen sich ähnlich wie bei einer Hyposensibilisierung regulatorische T-Zellen nachweisen
Klinik 4 wenige Minuten bis einige Stunden nach dem Stichereignis (meist 15–30 min): als Frühsymptom oft Juckreiz an Handflächen und Fußsohlen, dann Urtikaria 4 Einteilung des Schweregrades nach der Maximalreaktion: 5 I: alleinige Hautsymptomatik wie Juckreiz, Flush, Urtikaria, Angioödem 5 II: Übelkeit, Bauchkrämpfe, Heiserkeit, Dyspnoe, Tachykardie, Hypotonie, Arrhythmie 5 III: Erbrechen, Defäkation, Larynxödem, Bronchospasmus, Zyanose, Schock 5 IV: Atemstillstand, Herzkreislaufstillstand 4 Risikofaktor für schwere Reaktionen: Mastozytose
Diagnostik 4 > Memo Die Anamnese ist von essenzieller Bedeutung. 4 unterstützend Bestimmung spezifischer IgE-Antikörper gegenüber nativem sowie gegenüber rekombinant hergestelltem Bienen- und Wespengift 4 da rekombinant in Bakterienkulturen hergestellte Antigene nicht glykosyliert sind, kann bei Verwendung entsprechender Testsysteme die i. d. R. klinisch nicht relevante Reaktivität gegenüber Kohlenhydratseitenketten ausgeschlossen werden 4 Bestimmung der basalen Mastzell-Tryptase als Marker für eine Mastozytose
19
Eigene Notizen
134
Kapitel 19 · Intoleranzreaktionen
Eigene Notizen
4 Prick-/Intakutantestung mit nativem Bienen- und Wespengift in 6 Stufen mit ansteigender Dosis 4 in unklaren Fällen Analyse markierter (CCR3+) Basophiler nach Stimulation mit Bienen- bzw. Wespengift und Messung des Aktivitätsmarkers CD63 (Basophilenaktivierungstest)
Therapie 4 Notfallset zur Selbstbehandlung durch den Patienten: trinkbare Lösungen mit 5 H1-Blocker 5 Kortison 5 Autoinjektor mit Adrenalin 4 Hyposensibilisierung mit nativem Bienen- oder Wespengift mit stationärer Therapieeinleitung und Aufdosierung auf das Mehrfache der natürlicherweise bei einem Feldstich übertragenen Giftmenge; ambulante Hyposensibilisierungsinjektionen erfolgen dann ca. alle 4 Wochen über 3–5 Jahre
19.6
Latexallergie
4 durch Verbot gepuderter Latexhandschuhe als primärpräventive Maßnahme Prävalenz von Latex-Typ-I-Allergien deutlich rückläufig 4 früher führten die an Stärkepuder adsorbierten Latexproteine über eine aerogen vermittelte Schleimhautexposition häufig zu Typ-I-Allergien 4 mögliche Nahrungsmittelkreuzallergene sind Banane, Kiwi, Esskastanie, Papaya, Avocado, Ananas 4 Pflanzen, die mit Gummibäumen verwandt sind, setzen Proteine in die Umgebungsluft frei, die kreuzallergen zu Latex sind
19.7
Urtikaria (. Abb. 23, Farbteil)
4 häufige Erkrankung mit einer Prävalenz von 1–2%
Ätiologie
19
4 Mastzelldegranulation in der oberen Dermis mit Quaddelbildung 4 zentraler Mediator ist Histamin: es kommt zu Gefäßdilatation, Plasmaaustritt ins Gewebe, Kontraktion glatter Muskulatur und Juckreiz 4 weitere Mediatoren sind Bradykinin, Prostaglandine, Leukotriene, Tryptase und Chymase 4 Urticae können prinzipiell an allen Hautstellen auftreten, die Rückbildung der Einzelherde erfolgt meist innerhalb von Stunden, definitionsgemäß nach maximal 24 h 4 anamnestisch wird häufig auch von Angioödemen berichtet 4 selten treten nur Angioödeme auf 4 Angioödeme entstehen subkutan bis tief dermal durch Mastzelldegranulation
135 19.7 · Urtikaria
4 entscheidender Mediator für die Angioödem-Genese ist Bradykinin 4 Auftreten von Angioödemen besonders im Gesicht und an den Extremitäten 4 Rückbildung der Einzelherde erfordert meist mehrere Tage
Klinik 4 Einteilung nach dem zeitlichen Verlauf: 5 akute Urtikaria (bis 6 Wochen) 5 chronische Urtikaria (länger als 6 Wochen, oft über Jahre und Jahrzehnte) 4 Einteilung nach der Ursache 5 induzierbare Urtikaria (offensichtlicher Auslöser) 5 spontane Urtikaria (unklarer Auslöser) 4 Induzierbarkeit auch durch physikalische Reize möglich: Kratzen, Druck, Vibration, Kälte, Wärme, Licht, aber auch körperliche Anstrengung oder Wasserkontakt 4 bei der akuten spontanen Urtikaria können Typ-I-Allergien gegenüber Nahrungsmitteln relevant sein, bei der chronischen Verlaufsform ist dies extrem selten 4 Formen der spontanen Urtikaria: 5 Intoleranzurtikaria J direkte Mastzelldegranulation durch Nahrungsmittelzusatzstoffe wie Farbstoffe, Konservierungsstoffe oder Salicylate, die sich teilweise auch hochkonzentriert in Obst und Gemüse finden J Quaddeln treten typischerweise zeitverzögert 4–12 h nach der Nahrungsaufnahme auf 5 medikamentös bedingt J nicht-steroidale Antiphlogistika können dramatische UrtikariaSchübe bis hin zum anaphylaktoiden Schock provozieren J ACE-Hemmer und seltener auch Angiotensin-II-Antagonisten können auch nach jahrelanger problemloser Einnahme durch Hemmung des Bradykininabbaus zu Angioödemen führen 5 autoreaktive Urtikaria J Autoantikörper gegenüber dem hochaffinen IgE-Rezeptor der Mastzellen, gegenüber IgE oder anderen bisher unbekannten Antigenen J Assoziation mit Autoantikörpern gegenüber Thyreoperoxidase 5 Infekturtikaria J jeder Entzündungsfokus im Körper kann zu dieser Variante führen J wichtig insbesondere Streptokokkeninfekte (z. B. Tonsillitiden oder vereiterte Zahnwurzeln) und Helicobacter-pylori-assoziierte Gastritiden 5 psychosomatisch in chronischen Belastungssituationen bei eingeschränkten Coping-Möglichkeiten 5 idiopathisch
19
Eigene Notizen
136
Kapitel 19 · Intoleranzreaktionen
Eigene Notizen
Diagnostik > Memo Anamnestisch ist Juckreiz der Quaddeln obligat.
4 die zeitliche Dynamik einzelner Quaddeln ist durch Markierung einer frischen Läsion mit Beobachtung bis zu deren Verschwinden zu klären 4 bei der induzierbaren Urtikaria können je nach Mechanismus entsprechende Provokationstestungen erfolgen (z. B. urtikarieller Dermographismus bei Urticaria factitia) 4 bei der spontanen Urtikaria ist eine photographische Eigendokumentation durch den Patienten hilfreich 4 Führung eines Beschwerdetagebuches wird empfohlen 4 Diät, die frei von Zusatzstoffen ist 5 für 4 Wochen konsequent durchzuführen (Compliance!) 5 bei Beschwerdebesserung evtl. stationär überwachte, verblindete Provokation mit Nahrungsmittelzusatzstoffen in Kapselform 4 Fokussuche 5 mühsam und zeitaufwändig 5 Foci werden oft nicht von Entzündungszeichen wie erhöhtem CRP, ASL-Titer oder Leukozytose begleitet 4 autologer Serumtest 5 bei Verdacht auf autoreaktive Urtikaria 50 μl Serum am Unterarm oberflächlich intradermal injizieren 5 nach 30 min auf Quaddel-Provokation ablesen 4 Urtikaria-Diagnostik erfolgt i. d. R. ressourcenschonend als Stufendiagnostik
Therapie 4 Meidung unspezifischer Provokationsfaktoren wie Alkohol, nichtsteroidale Antiphlogistika, scharfe Speisen, heiße Getränke, körperliche Anstrengung und Stress 4 symptomatisch bis zur Ursachenklärung oder bei nicht identifizierbarer bzw. behandelbarer Ursache: 5 nicht-sedierende H1-Blocker in bis zum vierfachen der sonst üblichen Dosierung (off-label) 5 ggf. zusätzlich Leukotrienantagonist (off-label) 5 ggf. zusätzlich H2-Blocker (off-label) 5 ggf. Immunsuppression mit Ciclosporin, Chloroquin, Dapson (off-label) bzw. internen Kortikoiden ! Cave: Kortikoide sind nicht zur Dauermedikation bei chronischer
19
Urtikaria geeignet! 4 im akuten Schub, der bis zum anaphylaktischen bzw. anaphylaktoiden Schock führen kann: 5 Beginn mit H1-Blockern und Kortison i.v. 5 bei Systemzeichen, die über Hautsymptome hinausgehen, zusätzlich subkutane Applikation von Adrenalin erwägen 4 Notfallset zur Selbstbehandlung durch den Patienten: trinkbare Lösungen mit H1-Blocker und Kortison sowie Autoinjektor mit Adrenalin
137 19.9 · Atopisches Ekzem
19.8
Hereditäres Angioödem
Ätiologie 4 Gen-Defekte, die zu einer Bradykinin-Überproduktion über eine erhöhte Kallikrein-Aktivität führen: 5 Typ I: C1-Esterase-Inhibitor-Konzentration und -Aktivität vermindert 5 Typ II: C1-Esterase-Inhibitor-Konzentration normal, aber Aktivität vermindert 5 Typ III: (aktivierende) Mutationen im Gerinnungsfaktor XII
Klinik 4 Schub-Auslöser: kleinere Traumen, psychischer Stress, Östrogene (besonders Typ III) 4 Beginn in Kindheit und oft mit der Pubertät, bei Einnahme der Pille oder Schwangerschaft 4 ausgeprägte subkutane Schwellungen sind an allen Körperstellen möglich 4 Schwellungen an Zungengrund, Pharynx und Larynx sind oft lebensbedrohlich 4 häufig Bauchschmerzattacken durch Schwellungen im Verdauungstrakt
Diagnostik 4 Typ I/II: Bestimmung der C1-Esterase-Inhibitor-Aktivität und -Konzentration 4 Typ III: Sequenzanalyse des Faktor XII
Therapie 4 4 4 4
akut: Substitution des C1-Esterase-Inhibitors (Blutprodukt, i.v.) oder Bradykinin-B2-Rezeptor-Antagonist (Icatibant, s.c.) ! Cave: Adrenalin, H1-Blocker oder Kortison sind nicht hilfreich! Prophylaxe: Anabolika wirken günstig über eine Änderung des Leberstoffwechsels (off-label) 4 ! Cave: die Gabe von ACE-Hemmern kann tödlich enden!
19.9
Atopisches Ekzem
4 chronische, meist in der frühen Kindheit beginnende, in Schüben verlaufende Ekzemerkrankung, die mit starkem Juckreiz einher geht
Genetik 4 mindestens 25% der Patienten weisen eine Loss-of-function-Mutation im (Pro-)Filaggrin-Gen auf, die zu einer Störung der Hautbarriere des Stratum corneum führt 4 Polymorphismen der Gene für Interleukin-4 und -13 sowie des Rezeptors für Interleukin-4 führen über eine verstärkte T-Helferzellen-Typ2-(TH2)-Antwort zu einer erhöhten IgE-Synthese
19
Eigene Notizen
138
Kapitel 19 · Intoleranzreaktionen
Eigene Notizen
4 die hohe Rate der Profilaggrin-Gen-Mutationen erklärt auch die starke Assoziation mit der Ichthyosis vulgaris
Atopische Disposition 4 Neigung, gegenüber Aero-Allergenen (z. B. Pollen von Gräsern, Birke, Beifuß; Hausstaubmilben oder Tierhaaren), spezifische IgE-Antikörper zu produzieren: 5 dies führt einerseits durch IgE-vermittelte Mastzelldegranulation zur Rhinoconjunctivitis allergica und zum allergischen Asthma bronchiale und andererseits IgE-vermittelt über eine verstärkte spezifische Antigenpräsentation durch Langerhanszellen und Stimulation von Eosinophilen zu einer TH2-mediierten Ekzemreaktion der Haut 5 80% der Patienten mit atopischem Ekzem weisen erhöhte spezifische IgE-Spiegel auf = »IgE-assoziiertes« = »extrinsisches« atopisches Ekzem; abzugrenzen vom »nicht-IgE-assoziierten« atopischen = »nonatopischen« Ekzem
Epidemiologie 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Prävalenz bei Kindern in Industriestaaten bei 10–20% Zunahme in den letzten 50 Jahren auf das zwei- bis dreifache bei 2/3 der Patienten positive Atopieanamnese eines Elternteils haben beide Eltern eine positive Atopieanamnese, so liegt das Risiko für ein atopisches Ekzem bei ca. 75% bei 60% manifestiert sich das atopische Ekzem im 1. Lebensjahr (meist erst ab dem 3. Lebensmonat), bei weiteren 30% bis zum 5. Lebensjahr bis zur Pubertät heilt das atopische Ekzem häufig ab eine Erstmanifestation im höheren Erwachsenenalter = »spätmanifestes atopisches Ekzem« ist eine Rarität (DD kutanes T-Zell-Lymphom) Risikofaktoren aus der Umwelt für die Manifestation eines atopischen Ekzems sind elterliches Rauchen und Katzenhaltung (die Rolle anderer Haustiere wird kontrovers diskutiert) präventiv wirken Stillen bis zum 4. Lebensmonat und häufiger Fischverzehr
»Atopischer Marsch« 4 im Laufe des Lebens entwickelt sich häufig in Ergänzung zum atopischen Ekzem eine Typ-I-Allergie gegenüber Aeroallergenen oder Nahrungsmitteln sowie ein allergisches Asthma bronchiale
Klinik
19
4 Säugling 5 ab dem 3. Lebensmonat Bildung von »Milchschorf«: am Kapillitium besonders parietal und an den Wangen finden sich auf erythematösem Grund ausgeprägte weiß-gelbliche Krusten, die an »eingetrocknete« Milch erinnern sollen (keine Milchallergie!) 5 darüber hinaus mit Prädilektion der Extremitätenstreckseiten und des Rumpfes Ausprägung weiterer, mitunter exsudativer Ekzemherde
139 19.9 · Atopisches Ekzem
4 Kindesalter 5 starker, quälender Juckreiz mit allgemeiner Sebostase 5 weiterhin Befall des Gesichts, die übrigen Prädilektionsstellen verschieben sich hin zu den großen Gelenkbeugen = Beugenekzeme (Ellenbeugen, Handgelenksbeugen, Kniekehlen, Nacken, Hals) und Ausbildung eher chronischer Ekzemherde mit teils deutlicher Lichenifikation (. Abb. 24, Farbteil) 5 oft auch Hand- und Fußrücken betroffen 5 »Glanznägel« durch häufiges Kratzen 4 Erwachsenenalter 5 Prädilektionsstellen sind weiterhin Gesicht mit Stirn und Lidern, Hals, Extremitätenbeugeseiten, Hand- und Fußrücken 5 die Ekzemherde sind meist lichenifiziert und zeigen mitunter Prurigoknötchen; darüber hinaus häufig auch generalisiert eher nummuläre Ekzemherde 4 Prurigoform des atopischen Ekzems 5 bei (älteren) Erwachsenen kann die eigentliche Ekzemmorphe sehr diskret sein 5 im Vordergrund stehen hier mit Prädilektion der Extremitätenstreckseiten stark juckende, häufig aufgekratzte Papeln und Knoten
Atopie-Stigmata (klinische Hinweise auf Atopie) 4 Sebostase, palmoplantare Hyperlinearität = »Ichthyosishände und -füße« 4 doppelte Unterlidfalte = Dennie-Morgan-Falte 4 Rarefizierung der lateralen Augenbrauen = Hertoghe-Zeichen 4 pelzkappenförmiger Haaransatz 4 Gesichtsblässe 4 weißer Dermographismus 4 Keratosis follicularis
Provokationsfaktoren der Ekzemmanifestation 4 Typ-I-Aeroallergene oder -Nahrungsmittelallergene 4 Typ-IV-Kontaktallergene 4 Hautirritation durch häufiges Duschen, Seifen- oder Desinfektionsmittelbestandteile, Schafwolle 4 Superinfektion mit Staphylococcus aureus 4 Klimafaktoren, die mit Hauttrockenheit oder starkem Schwitzen einher gehen 4 psychische Belastungssituationen
Komplikationen 4 Superinfektion mit Staphylococcus aureus 4 Eczema herpeticatum = Streuung einer Herpes simplex-Infektion meist großflächig im Gesicht mit multiplen, disseminiert stehenden wenige mm großen Erosionen, Krusten, selten Bläschen 4 erhöhtes Risiko für das Auftreten von Mollusca contagiosa (Dellwarzen)
19
Eigene Notizen
140
Kapitel 19 · Intoleranzreaktionen
Eigene Notizen
Diagnostik 4 Labortest zum Beweis der Diagnose eines atopischen Ekzems existiert nicht! 4 wiederholt wurden Haupt- und Nebenkriterien aufgestellt, die bei Vorhandensein die Verdachtsdiagnose zunehmend sichern 5 Hauptkriterien: chronischer, quälender Juckreiz; typische, altersentsprechende Ekzemmorphe; chronischer Verlauf; positive Eigenoder Familienanamnese für Atopie 5 Nebenkriterien (Auswahl): spezifische IgE-Antikörper oder positive Reaktionen im Pricktest gegenüber häufigen Aero- oder Nahrungsmittelallergenen; Atopie-Stigmata
Therapie 4 im Schub 5 phasen- und lokalisationsadaptierte Lokaltherapie mit kortikoidhaltigen Cremes und Salben 5 Kortikoidexterna sind keine Dauertherapie, sondern nur für die akute Intervalltherapie sinnvoll 5 Meidung nachgewiesener Typ-I-Allergene 5 systemisch H1-Blocker zur Juckreizlinderung 5 bei Superinfektionen topische Antiseptika bzw. ggf. systemische Antibiotika nach Antibiogramm 5 topische Calcineurin-Inhibitoren (Tacrolimus, Pimecrolimus) 5 Lichttherapie mit UV-A1 oder UV-B (besonders UV-B 311 nm), ggf. Bade-PUVA 5 in ausgeprägten Fällen ggf. systemische Immunsuppression mit Ciclosporin A 4 nach Befundstabilisierung 5 rückfettende Externa, die frei sind von potenziellen Kontaktallergenen wie Duftstoffen, Pflanzenextrakten, Farb- und Konservierungsstoffen, Wollwachs 5 bei Hautbesiedelung mit Staphylococcus aureus antiseptische Lokaltherapie mit z. B. Triclosan oder Chlorhexidin oder Tragen von Kleidung mit antiseptisch wirksamer Silberbeschichtung 4 Neurodermitisschulung zur Optimierung von Coping-Strategien, Unterbrechung des Juck-Kratz-Zirkels und Verhinderung psychischer Folgeerkrankungen 4 »proaktive« Therapie: auch bei klinisch abgeheilten Läsionen zweimal wöchentlich Lokalbehandlung mit einem topischen Calcineurin-Inhibitor
19.10
19
Kontaktekzem
4 hervorgerufen durch irritativ-toxische bzw. allergene Effekte von auf die Haut einwirkenden nichtinfektiösen Noxen 4 es kommt zu einer Entzündungsreaktion mit epidermaler Hyperproliferation, die klinisch als Rötung und Schuppung wahrgenommen wird und in der Regel mit Juckreiz einhergeht
141 19.10 · Kontaktekzem
4 Kontaktekzeme gehen mit einer Barrierestörung der Epidermis einher; beim irritativen Kontaktekzem kann es in der Folge zur Allergisierung gegenüber der ursprünglich nur irritativ wirkenden Substanz oder gegenüber ko-exponierten potenziellen Kontaktallergenen kommen, die in tiefere Epidermisschichten und die Dermis eindringen können (»Pfropfallergie«) 4 klinische Verlaufsformen des Kontaktekzems: 5 akutes Kontaktekzem J verschiedene Phasen lösen sich ab = metachrone Polymorphie J Beginn mit scharf auf das Expositionsareal begrenztem Erythem = Stadium erythematosum J bei schwacher Schädigung direkte Abheilung möglich J bei stärkerer Schädigung Ausbildung von Bläschen mit Juckreiz = Stadium vesiculosum J nach Platzen der Bläschen entstehen nässende Erosionen = Stadium madidans J Sekrettrocknung mit Krustenbildung = Stadium crustosum J Übergang zur Schuppung = Stadium squamosum J Abheilung bei Expositionskarenz 5 chronisches Kontaktekzem J durch repetitive Einwirkung der Noxe kommt es zum gleichzeitigen Auftreten der bei der akuten Kontaktdermatitis genannten Stadien = synchrone Polymorphie J zudem Papeln, Kratzexkoriationen und Lichenifikation J Begrenzung der Läsionen eher unscharf
19.10.1
Irritatives Kontaktekzem
4 hervorgerufen durch unterschiedliche Noxen (z. B. Feuchtigkeit, Seife, Schmutz, Hitze, Kälte, mechanische Belastung, Reibekörper in Reinigungsmitteln, Säuren, Laugen, Lösungsmittel, Körperflüssigkeiten), die dosisabhängig eine Entzündungsreaktion auslösen
Klinik 4 im akuten Stadium Erytheme, Bläschen und Erosionen, im chronischen Stadium zunehmend Hyperkeratosen und Rhagaden (»kumulativ-toxisches Kontaktekzem«) 4 Sonderform: Windeldermatitis, entsteht durch Einwirkung von Urin und Stuhl unter Okklusion mit nachfolgender Mazeration in der Genitoanalregion
Diagnostik 4 typische Anamnese, aus der sich ein Kontakt mit potenziellen Irritantien ergibt
19
Eigene Notizen
142
Kapitel 19 · Intoleranzreaktionen
Eigene Notizen
Therapie 4 stadien- und lokalisationsgerechte Lokaltherapie mit Kortikoidexterna unter Ausschaltung bzw. Meidung der auslösenden Noxe(n) 4 ggf. Ablösung von Hyperkeratosen mit Salicylat bzw. Harnstoff 4 konsequenter Hautschutz und Hautpflege mit Externa, die frei von Duft-, Farb- und Konservierungsstoffen sowie Pflanzenextrakten sein sollten 4 bei Handekzemen ggf. UV-A-Lichttherapie nach topischer Vorbehandlung mit dem Lichtsensibilisator Psoralen (topische PUVA-Therapie) oder Systemtherapie mit dem Vitamin-A-Abkömmling Alitretinoin 4 bei beruflich bedingten Handekzemen: Einleitung eines sog. Hautarztverfahrens bei der zuständigen Berufsgenossenschaft, die eine (für den Patienten kostenneutrale) Therapieoptimierung ermöglicht (u. a. Patientenschulung zu Hautschutz und -pflege, ggf. innerbetriebliche Umsetzung)
19.10.2
Allergisches Kontaktekzem
4 Typ-IV-Immunreaktion auf niedermolekulare Allergene (Haptene), die die Hornschichtbarriere durchdringen können 4 häufige Kontaktallergene (. Abb. 25, Farbteil): Nickel (Modeschmuck, Uhr, Jeans-Knopf), Duftstoffe (Parfum, Shampoo, Duschgel, Kosmetika, Weichspüler), Kühlschmierstoffe, Kaliumdichromat (Zementverarbeitung, gegerbtes Leder, Galvanisation), Konservierungsstoff Dibromdicyanobutan (Körperpflegemittel, Massageöle, Kühlschmiermittel, Farben)
Klinik 4 charakteristische Ekzeme (s. o.) im Bereich der Expositionsorte mit unscharfer Begrenzung zur Umgebung und Streuphänomenen; Maximalvariante: generalisiertes allergisches Kontaktekzem 4 an den Händen meist geringere Ausprägung an Arealen mit dickerer Hornschicht, stärkere Ausprägung an Fingerseiten und -zwischenfalten sowie Finger- und Handrücken
Diagnostik
19
4 sorgfältige Anamnese, insbesondere in Bezug auf Kontaktsubstanzen und zeitliche und örtliche Dynamik der Hautläsionen 4 lokalisationstypische Allergene: 5 Bartbereich: Allergen in Rasierschaum? (z. B. Duftstoffe) 5 Fußrücken: Allergen in Schuhen? (z. B. Kaliumdichromat in Leder) 5 Kontaktbereich zu Latexhandschuhen: Gummiakzeleratoren? (z. B. Thiurame, Carbamate) 5 Perianalregion: z. B. Lokalanästhetika in Hämorrhoidalsalben 5 aerogenes allergisches Kontaktekzem J unbedeckte Körperregionen wie Gesicht und Decolleté betroffen J hochgradige Allergisierung gegenüber Stäuben, z. B. Korbblütlern oder Duftstoffaerosolen möglich
143 19.10 · Kontaktekzem
4 Epikutantestung an der Rückenhaut (idealerweise nach Abheilung des Ekzems zur Vermeidung unspezifischer Mitreaktionen = »angry back«); Testung mit standardisierten Testblöcken, die für viele Bereiche zur Verfügung stehen; Testung nicht-standardisierter Eigensubstanzen nur selten erforderlich; Ablesung erfolgt nach 24–48 und 72 h, ggf. auch später 4 »repeated open application test« = ROAT: zweimal tägliches Auftragen einer verdächtigen Substanz (meist patienteneigenes Externum) auf ein ca. 2×2 cm2 großes, erscheinungsfreies Hautareal, z. B. Ellenbeuge, für mindestens 3 Tage zur Prüfung auf Ekzemprovokation
Differenzialdiagnostik irritativer und allergischer Kontaktekzeme 4 typisch für irritative Reaktionen sind: 5 Ekzemauslösung bereits beim Erstkontakt möglich 5 häufig beruflich bedingt 5 oft ähnliche Reaktionen bei gleichartig Exponierten 5 der Ausprägungsgrad korreliert mit der Intensität der Irritantieneinwirkung 5 Hautläsionen sind auf das exponierte Areal begrenzt (keine Streuherde) 4 typisch für allergische Reaktionen sind: 5 Sensibilisierung erforderlich, die klinisch inapparent erfolgt; klinisch manifeste Ekzeme entwickeln sich nach erneutem Kontakt mit dem Allergen 5 gleichartig Exponierte sind selten mitbetroffen 5 geringer Bezug zur Expositionsintensität 5 Streuphänomene = Läsionen in satellitenartiger Streuung auch in nicht exponierter Umgebung 4 weitere Differenzialdiagnosen 5 atopisches Ekzem (Anamnese, Verteilungsmuster) 5 Psoriasis vulgaris 5 Tinea corporis, Tinea manuum (meist ungleichmäßiges/asymmetrisches Verteilungsmuster, Nachweis mittels mykologischem Nativpräparat und Pilzkultur)
Therapie 4 entscheidend ist die Allergenerkennung und -meidung (letztere ist allerdings bei beruflicher Exposition oftmals nur schwer umsetzbar) 4 stadien- und lokalisationsgerechte Lokaltherapie mit Kortikoiden wie beim irritativen Kontaktekzem: 5 auf nässende Ekzeme bevorzugt als Lotion oder Creme, 5 adstringierend und kühlend mit Schwarztee-Umschlägen, z. B. im Gesicht 5 auf trockene, lichenifizierte Ekzeme Kortikoid-Salben 4 systemische H1-Blocker gegen den Juckreiz 4 bei therapierefraktären Ekzemen ggf. Calcineurin-Inhibitoren 4 ggf. UV-B- oder topische PUVA-Therapie
19
Eigene Notizen
144
Kapitel 19 · Intoleranzreaktionen
Eigene Notizen
19.11
Nummuläres Ekzem
Ätiologie 4 diskutiert wird eine Kontaktallergie auf mikrobielle Antigene in loco 4 häufig sind Staphylococcus aureus und Streptokokken in den Läsionen nachweisbar, evtl. auch bakterielle Fokalinfekte (z. B. Tonsillitis)
Klinik 4 Prädilektionsstellen: Unterschenkel, Rücken, Oberarme 4 teilweise starker Juckreiz 4 besonders bei älteren Erwachsenen finden sich münzförmige, eher scharf begrenzte, einige cm große Ekzemherde, die zu Beginn aufgrund multipler, oftmals erodierter Papulovesikel exsudativ imponieren und später mit Krusten bedeckt sind 4 Streuherde in die Umgebung sind möglich 4 Neigung zu chronischem Verlauf
Diagnostik 4 Ausschluss eines atopischen Ekzems anhand klinischer Atopiezeichen und Screening auf spezifische IgE-Antikörper gegenüber Aeroallergenen 4 Epikutantestung 4 Abklärung auf Superinfektion
Therapie 4 bei Keimnachweis lokal antiseptisch (z. B. Triclosan, Chlorhexidin, Clioquinol) sowie antientzündlich mit topischen Kortikoiden in stadien- und lokalisationsgerechter Grundlage
19.12
Seborrhoisches Ekzem
4 chronisches Ekzem der seborrhoischen Areale 4 Ätiologie unklar; pathophysiologisch bedeutsam ist die veränderte Sebum-Zusammensetzung in Zusammenhang mit der Besiedlung durch den kommensalen lipophilen Hefepilz Malassezia 4 Vorkommen an talgdrüsenreichen Regionen bei ausgeprägter Talgdrüsenaktivität besonders in den ersten Lebensmonaten und nach der Pubertät; Prävalenz: 5%, Männer sind häufiger als Frauen betroffen
Klinik
19
4 blass-rote, überwiegend scharf begrenzte Erytheme bis flache Plaques mit gelblicher (»fettiger«) kleieförmiger Schuppung 4 lokalisiert an Kapillitium, Gesicht mit Betonung von Glabella, Augenbrauen, Nasolabialfalten, Haaransatz, Koteletten, Retroaurikulärregion; prästernal und interskapulär; seltener axillär und inguinal – häufig starke Ausprägung bei Patienten mit M. Parkinson und bei HIV-Infizierten
145 19.13 · Weitere Ekzemerkrankungen
4 seborrhoisches Ekzem des Neugeborenen (Dermatitis seborrhoides infantum): Auftreten in den ersten Lebensmonaten mit Befall besonders der Kopfhaut mit fettigen, schwer ablösbaren Schuppen = Gneis 4 Sonderform: Erythrodermia desquamativa Leiner: Maximalvariante des infantilen seborrhoischen Ekzems, der vermutlich Genmutationen von Komponenten des Komplementsystems zugrunde liegen
Diagnostik 4 klinische Blickdiagnose anhand der charakteristischen Morphe und des Verteilungsmusters; Differenzialdiagnosen: atopisches Ekzem, Psoriasis vulgaris 4 Koinzidenz eines seborrhoischen Ekzems bei Psoriasis vulgaris = Seborrhiasis
Therapie 4 antientzündlich mit Kortikoiden in Cremegrundlagen oder am Kapillitium als Lösung 4 antimykotisch mit Azolen oder Ciclopiroxolamin als Creme oder Shampoo 4 ggf. topische Calcineurininhibitoren (off-label) 4 ggf. Salicylsäure zum Ablösen stärkerer Kopfschuppung
19.13
Weitere Ekzemerkrankungen
19.13.1
Exsikkationsekzem
4 Synonym: Eczema craquelé 4 Klinik: chronisches Ekzem bei Austrocknung der Haut; tritt vorzugsweise bei älteren Menschen besonders im Winterhalbjahr an den Extremitäten auf 4 Differenzialdiagnosen: atopisches Ekzem, Kontaktekzeme 4 Therapie: Reduktion des Wasserkontakts; regelmäßige Verwendung rückfettender Externa; ggf. kurzfristig topische Glukokortikoide
19.13.2
Stauungsekzem
4 Ekzeme an den Unterschenkeln meist irritativ-toxischer oder allergischer Genese, die durch das Vorliegen einer chronisch-venösen Insuffizienz begünstigt werden 4 Therapie: wie Kontaktekzem; zusätzlich Behandlung der chronisch-venösen Insuffizienz z. B. durch konsequente Kompression mit Kurzzugbinden
19
Eigene Notizen
146
Kapitel 19 · Intoleranzreaktionen
Eigene Notizen
19.13.3
Dyshidrosiformes (dyshidrotisches) Ekzem
4 stark juckende, ausschließlich an Händen und Füßen (besonders an Seitenpartien der Finger und Handinnenflächen sowie Fußsohlen) auftretende Bläschen 4 Maximalvarianten: Cheiropompholyx (an Händen) und Podopompholyx (an Füßen) mit größeren, prall gespannten Blasen 4 vielfältige Ursachen: Atopie, Id-Reaktion (= Spättypreaktion gegen mikrobielle Antigene, z. B. Mykid bei zugrunde liegender Tinea), Kontaktallergie, u. a. m.; Nikotinkonsum als Triggerfaktor 4 Therapie: potente topische Steroide; bei lokaler Hyperhidrose Leitungswasseriontophorese
19.14
19
Pruritus (Juckreiz)
4 wird über eigene, von Schmerzfasern unabhängige, marklose Nervenfasern vermittelt, deren Nervenendigungen im Grenzbereich von Dermis und Epidermis liegen 4 (chronischer) Juckreiz ist eine der unangenehmsten Sinnesqualitäten des Menschen und kann durch zahlreiche (Haut-)Erkrankungen und Triggerfaktoren ausgelöst werden 4 klinische Klassifikation des Pruritus: 5 Pruritus auf primär veränderter, entzündlicher Haut: z. B. bei atopischem Ekzem, Kontaktekzemen, Psoriasis vulgaris, blasenbildenden Autoimmunerkrankungen, Scabies 5 Pruritus auf primär nicht-veränderter, nicht-entzündlicher Haut (früher als Pruritus sine materia bezeichnet): z. B. bei chronischer Niereninsuffizienz, hämatologischen Systemerkrankungen (z. B. M. Hodgkin, Polycythaemia vera), intrahepatischer Schwangerschaftscholestase 5 Pruritus mit chronischen Kratzläsionen, die nicht den ersten beiden Gruppen zugeordnet werden können: z. B. Prurigo-Erkrankungen mit intensiv juckenden Papeln und Knoten, die zerkratzt werden; ohne lokal nachweisbare Ursache 4 symptomatische Therapie des Pruritus (erfolgt in Form der Stufentherapie): 5 topisch: rückfettende Lokaltherapie, Polidocanol, Capsaicin, Cannabinoide, topische Glukokortikoide, Calcineurinantagonisten 5 systemisch: H1-Antagonisten (nicht-sedierend oder sedierend), Naltrexon, Gabapentin, trizyklische Antidepressiva und Neuroleptika, Ciclosporin A 5 Phototherapie
147 19.15 · Prurigo-Erkrankungen
19.15
Prurigo-Erkrankungen
4 stark juckende, meist chronisch verlaufende Gruppe von Hautkrankheiten unklarer Ätiologie, die durch plötzlich auftretende Seropapeln gekennzeichnet ist 4 diese werden anfallsartig zerkratzt, um den Juckreiz zu beherrschen
19.15.1
Prurigo simplex subacuta
4 Frauen häufiger als Männer betroffen
Klinik 4 an Stamm und proximalen Extremitäten Ausbildung stark juckender Papeln mit zentralem Bläschen (Seropapeln), die zerkratzt werden 4 als Kratzfolge verbleiben zentral eingesunkene Närbchen mit hyperpigmentiertem Randsaum 4 Körperregionen wie die Interskapularregion und der mittlere Rücken, die beim Kratzvorgang nicht erreicht werden können, sind ausgespart
Diagnostik 4 Ausschluss von Pruritus-assoziierten Systemerkrankungen; ggf. psychosomatische Abklärung
Differenzialdiagnose 4 Prurigoformen des atopischen Ekzems 4 blasenbildende Autoimmunerkrankungen (bullöses Pemphigoid, Dermatitis herpetiformis Duhring)
Therapie 4 4 4 4 4 4 4
topische Glukokortikoide Polidocanol bei Juckreizattacken kurzfristige Kühlung mit Gelkissen Phototherapie (UV-A1, Bade-PUVA) systemische H1-Antagonisten ggf. Naltrexon, Mirtazapin, Gabapentin psychosomatische Mitbetreuung bei i. d. R. stark eingeschränkter Lebensqualität
19.15.2
Prurigo nodularis Hyde
Klinik 4 an den Extremitätenstreckseiten, weniger am Rumpf unter Aussparung der Interskapulärregion, multiple, disseminierte, bis zu 3 cm große, derbe, kuppelförmige, stark juckende Knoten mit oft hämorrhagischen Krusten oder verruziformen Keratosen sowie im Hautniveau gelegenen hyperpigmentierten oder atrophen Narben
19
Eigene Notizen
148
Kapitel 19 · Intoleranzreaktionen
Eigene Notizen
Diagnostik 4 in 2/3 der Fälle Zeichen einer Atopie (z. B. Erhöhung des Gesamt-IgE) 4 psychosomatische Abklärung empfehlenswert
Differenzialdiagnose 4 Prurigoform des atopischen Ekzems 4 bullöses Pemphigoid 4 Lichen ruber verrucosus
Therapie 4 wie Prurigo simplex subacuta 4 zusätzlich intraläsionale oder topische Glukokortikoide unter Okklusion 4 Vereisung mit flüssigem Stickstoff 4 bei Juckreizattacken kurzfristige Kühlung mit Gelkissen 4 Phototherapie (UV-A1 oder Bade-PUVA) 4 systemisch: H1-Blocker, Naltrexon, Mirtazapin, Gabapentin zur Therapie des Pruritus; ggf. antientzündliche Systemtherapie mir Ciclosporin A oder anderen Immunsuppressiva (off-label) 4 psychosomatische Mitbetreuung bei i. d. R. stark eingeschränkter Lebensqualität
19.16
Arzneimittelreaktionen
4 können prinzipiell durch jedes Medikament induziert werden 4 am häufigsten makulo-papulöse und urtikarielle Arzneimittelexantheme 4 am gefährlichsten sind das Hypersensitivitätssyndrom und die toxische epidermale Nekrolyse
19.16.1
Makulopapulöses Arzneimittelexanthem
Pathogenese
19
4 T-Zell-vermittelte Immunreaktion mit evtl. direkter Interaktion des Medikaments oder seiner Metaboliten mit T-Zell-Rezeptor bzw. der Antigenpräsentation 4 Beginn der Hauterscheinungen bei vorhandener Sensibilisierung innerhalb von 1–3 Tagen, bei neu erworbener Sensibilisierung nach ca. 7–12 Tagen 4 Medikamente, die bereit länger als 8 Wochen eingenommen werden, sind als Auslöser extrem unwahrscheinlich 4 häufige Auslöser: Antibiotika (Penicilline und Cephalosporine, Sulfonamide; . Abb. 26, Farbteil), Pyrazolone, Antiepileptika (Carbamazepin, Phenytoin) 4 Kofaktoren: Infektionskrankheiten: Einnahme von Amoxycillin bei Mononukleose führt in nahezu 100% der Fälle zum Exanthem
149 19.16 · Arzneimittelreaktionen
Klinik
Eigene Notizen
4 sehr vielgestaltig in Hinblick auf Verteilungsdynamik sowie Größe und Morphe der Einzelläsionen 4 i. d. R. an beiden Körperhälften gleichförmig ausgeprägt 4 häufig Beginn am Stamm mit Ausbreitung auf Extremitäten unter Betonung der Streckseiten; das Gesicht ist weniger betroffen 4 meist 3–5 mm große rote Makulopapulae, teilweise großflächig konfluierend 4 ! Cave: Stevens-Johnson-Syndrom, toxische epidermale Nekrolyse oder Hypersensitivitäts-Syndrom können zu Beginn als makulo-papulöses Arzneimittelexanthem imponieren!
Diagnostik 4 sorgfältige Anamnese mit systematischer Erfassung aller in den vorausgegangenen Wochen applizierten Medikamente 4 Labor (Differenzialblutbild, Leberwerte, Entzündungsparameter zur Erfassung infektiös bedingter Exantheme); ggf. Histologie 4 Differenzialdiagnosen: erregerbedingte Exantheme (z. B. Virusexantheme, Lues im Stadium II)
Therapie 4 strikte Meidung des auslösenden und ggf. kreuzreagierender Medikamente mit Ausstellung eines (Verdachts-)Allergiepasses 4 ggf. Juckreizlinderung durch H1-Blocker 4 lokal mit kühlenden Umschlägen und Lotionen 4 kortikoidhaltige Externa und systemische Glukokortikoide nur selten erforderlich
19.16.2
19
Urtikarielles Arzneimittelexanthem
Pathogenese 4 zugrunde liegt eine Mastzelldegranulation, die durch IgE oder durch direkte Stimulation vermittelt wird 4 ! Cave: Gefahr der systemischen Mitreaktion: anaphylaktischer bzw. anaphylaktoider Schock! 4 häufige Auslöser: Penicilline und andere Antibiotika, Analgetika (bes. Acetylsalicylsäure oder Diclofenac), Kontrastmittel
Klinik 4 Minuten bis Stunden nach Medikamentenapplikation kommt es zur generalisierten Urtikaria, evtl. mit Angioödem oder Schock 4 > Memo Beim Anhängen jeder ersten Penicillin-Infusion eines Therapiezyklus sollte der Patient einige Minuten beobachtet werden, um Frühsymptome einer urtikariellen Arzneimittelreaktion wie Juckreiz an Handinnenflächen oder Fußsohlen zu erkennen.
150
Kapitel 19 · Intoleranzreaktionen
Eigene Notizen
Diagnostik 4 bei Penicillinen und Cephalosporinen Bestimmung spezifischer IgEAntikörper im Serum 4 bei nicht-allergischen Unverträglichkeitsreaktionen Prick-/Intrakutantestungen negativ 4 (meist orale) Provokationstestung unter stationärer Überwachung bzw. Testung eines chemisch bzw. allergologisch differenten mutmaßlich verträglichen Ausweichpräparats
Therapie 4 sofortige Unterbrechung der weiteren Zufuhr bzw. Applikation des mutmaßlich auslösenden Medikaments 4 systemische Gabe von H1-Blockern und Glukokortikoiden, bei Anaphylaxie auch Adrenalin 4 Ausstellung eines (Verdachts-)Allergiepasses
19.16.3
Fixe (toxische) Arzneimittelreaktion
Ätiologie 4 wahrscheinlich Typ-IV-Reaktion mit ungewöhnlichem Tropismus der Gedächtnis-T-Zellen, da bei Reexposition die vormals betroffenen Hautstellen erneut reagieren 4 häufige Auslöser: Sulfonamide (bes. Cotrimoxazol), Tetracycline (besonders Doxycyclin), Analgetika
Klinik 4 früher Beginn, oft bereits Stunden nach Reexposition 4 häufig genital, im Gesicht und an den Händen finden sich einzelne, rund bis ovale, rötlich bis bräunliche, sukkulente Plaques mit zentraler livider Note, mitunter auch Blasenbildung 4 nach wiederholter Exposition häufig zunehmende Anzahl von Einzelherden: fixes (toxisches) Arzneimittelexanthem 4 Verteilung der Einzelläsionen eher ungleichmäßig auf beide Körperhälften
Diagnostik 4 durch kurzen zeitlichen Zusammenhang zwischen Medikamenteneinnahme und klinischer Manifestation Erkennung meist unproblematisch 4 ggf. Histologie 4 nach Abheilung kann in einem vormals betroffenen Hautareal (»im Herd«) mit verdächtigen Medikamenten ein Epikutantest durchgeführt werden
19
Therapie 4 lokal kühlend, evtl. topische Glukokortikoide; selten systemische Glukokortikoide erforderlich 4 Ausstellung eines (Verdachts-)Allergiepasses
151 19.16 · Arzneimittelreaktionen
19.16.4
Akute generalisierte exanthematische Pustulose (AGEP)
Ätiologie 4 T-zellulär regulierte Immunreaktion, bei der IL-8-vermittelt infiltrierende Neutrophile zur Ausbildung subkornealer, nicht-follikulärer Pusteln führen 4 häufige Auslöser: Ampicillin/Amoxicillin, Chinolone, Makrolide, Diltiazem, (Hydroxy)-Chloroquin
Klinik 4 Beginn ca. 2 Tage nach Medikamentenexposition mit großflächigen Erythemen, die von zahlreichen Pusteln durchsetzt sind; Pusteln können großflächig konfluieren und zur Ablösung der Hornschicht führen 4 häufig Fieber über 38°C 4 Neutrophilie im peripheren Blut 4 keine Schleimhautbeteiligung 4 i. d. R. Abheilung innerhalb einer Woche nach Absetzen des auslösenden Medikaments
Diagnostik 4 Anamnese mit meist eindeutigem Bezug zum auslösenden Medikament 4 Histologie: spongiforme subkorneale Pustel mit Neutrophilen und papilläres Ödem
19.16.5
Hypersensitivitätssyndrom
4 = DRESS (»drug reaction with eosinophilia and systemic symptoms«) 4 häufige Auslöser: Carbamazepin, Phenytoin, Allopurinol, Sulfonamide, Dapson und Minocyclin; als Kofaktor wird eine Reaktivierung von humanem Herpesvirus Typ 6 diskutiert
Klinik 4 Beginn erst 2–8 Wochen nach Ansatz des auslösenden Medikaments 4 ausgeprägtes, lang persistierendes, makulopapulöses Exanthem bis hin zur Erythrodermie 4 häufig ausgeprägte Gesichtsschwellung 4 mitunter Pustulation 4 hohes Fieber 4 Lymphknotenschwellung 4 Eosinophilie (≥1500/μl im peripheren Blut) 4 Organbeteiligung (Hepatitis, Nephritis, Pneumonie, Myokarditis, Pankreatitis)
19
Eigene Notizen
152
Kapitel 19 · Intoleranzreaktionen
Eigene Notizen
Diagnostik 4 sorgfältige Anamnese mit systematischer Erfassung aller in den vorausgegangenen 2–8 Wochen applizierten Medikamente 4 Labor (Differenzialblutbild, Leber- und Nierenwerte), Histologie, ggf. Abdomen-Sonographie 4 Score-System mit Bewertung der vorgenannten klinischen Symptome
Therapie 4 strikte Meidung des auslösenden Medikaments mit Ausstellung eines (Verdachts-)Allergiepasses 4 Fieber und Exanthem sprechen relativ rasch auf systemische Kortikoide an 4 Abheilung dauert oft deutlich länger als 2 Wochen
19.16.6
Stevens-Johnson-Syndrom und toxische epidermale Nekrolyse (Lyell-Syndrom)
4 Stevens-Johnson-Syndrom: Hautablösung unter 10% der Körperoberfläche 4 toxische epidermale Nekrolyse: Hautablösung über 30% der Körperoberfläche 4 Übergangsvariante Stevens-Johnson-Syndrom/toxische epidermale Nekrolyse: Hautablösung von 10–30% der Körperoberfläche
Ätiologie 4 zytotoxische T-Lymphozyten zerstören insbesondere die Basalzellschicht; es resultiert die Ablösung der gesamten Epidermis 4 häufige Auslöser: Allopurinol, Sulfonamide, Oxicame, Antiepileptika (Lamotrigin, Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital), Nevirapin (bei HIV-Infektion eingesetzter nicht-nukleosider Reverse-Transkriptase-Hemmer)
Klinik
19
4 Beginn der ersten Hautläsionen meist 4–14 Tage nach Therapiebeginn 4 stammbetont Ausbildung multipler, 1–2 cm großer, roter Makulae mit zentral dunklerem Farbton 4 einzelne Läsionen erinnern an Kokarden 4 im Verlauf zentral Blasenbildung 4 oft Konfluenz zu großflächigen Erythemen mit großflächiger Ablösung der Epidermis 4 Schleimhautbeteiligung mit großflächigen Erosionen, die zu Verklebungen neigen 4 Nikolski-Zeichen I positiv
153 19.16 · Arzneimittelreaktionen
Diagnostik 4 Erfassung aller in den vorangegangenen Wochen (insbesondere der in den letzten 4–14 Tagen vor Exanthembeginn) applizierten Medikamente 4 Hautbiopsie zur histologischen Sicherung: subepidermale Spaltbildung mit Nekrose der Epidermis 4 wichtige Differenzialdiagnose: »staphylococcal scalded skin syndrome« (SSSS): in der Histologie findet sich hier die Spaltebene subkorneal 4 im Tzanck-Test vom Blasengrund keine intakten Epidermiszellen nachweisbar
Therapie 4 Absetzen aller verdächtigen Medikamente 4 bei großflächiger Epidermisablösung ausgeprägter Flüssigkeits- und Proteinverlust mit Störung von Temperaturregulation und Nierenfunktion 4 intensivmedizinische Betreuung mit interdisziplinärer Kooperation erforderlich (Spezialbett, Lagerung auf Metallfolie, Volumensubstitution, Erhöhung von Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit etc.) 4 Systemtherapie mit kurzfristig hochdosierten systemischen Glukokortikoiden; ggf. hochdosierte intravenöse Immunglobuline (IvIg); ggf. Ciclosporin A 4 ! Cave: Gefahr von Synechien an Schleimhautgrenzen, insbesondere eines Symblepharons mit Gefahr der Erblindung! 4 toxische epidermale Nekrolyse zeigt hohes Letalitätsrisiko
19
Eigene Notizen
20 Tag 2 – Dermatologie
20
Infektionskrankheiten der Haut P. Mayser
20.1
Erysipel – 156
20.2
Erysipeloid – 156
20.3
Impetigo contagiosa – 157
20.4
Ostiofollikulitis, Furunkel, Karbunkel – 158
20.5
Phlegmone – 159
20.6
Gramnegativer Fußinfekt – 159
20.7
Erythrasma – 160
20.8
Borreliose – 160
20.9
Syphilis – 162
20.10
Gonorrhö – 167
20.11
Ulcus molle – 168
20.12
Lymphogranuloma venereum – 169
20.13
Superfizielle Mykosen (Dermatomykosen) – 170
20.13.1 20.13.2 20.13.3
Erkrankungen durch Dermatophyten – 171 Dermatomykosen durch Hefepilze (Kandidosen) Pityriasis versicolor – 180
20.14
Infektionen mit Herpes-simplex-Viren – 181
20.14.1 20.14.2
Orofaziale HSV-Infektion – 182 Genitale HSV-Infektion – 182
– 176
20.15
Varizella–Zoster-Virus-(VZV)-Infektionen – 183
20.15.1 20.15.2
Varizellen – 183 Herpes zoster – 184
20.16
Infektionen mit humanen Papillomviren (HPV) – 186
20.16.1 20.16.2 20.16.3 20.16.4
Verruca vulgaris (Viruswarze vom Hauttyp) Plantarwarzen – 186 Verrucae planae (juvenilis) – 187 Condylomata acuminata – 187
20.17
Molluscum contagiosum – 189
20.18
Erythema infectiosum – 189
20.19
Hauterscheinungen bei HIV-Infektion und AIDS – 190
20.20
Trichomoniasis – 191
20.21
Leishmaniose – 192
20.21.1 20.21.2
Kutane Leishmaniose der »Alten Welt« – 192 Kutane Leishmaniose der »Neuen Welt« – 193
20.22
Pedikulose – 193
20.22.1 20.22.2 20.22.3
Pediculosis capitis – 193 Pediculosis vestimentorum – 194 Pediculosis pubis – 195
20.23
Cimikose (Wanzenbefall) – 195
20.24
Skabies – 196
– 186
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_20, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
156
Kapitel 20 · Infektionskrankheiten der Haut
Eigene Notizen
20.1
Erysipel
4 Synonym: Wundrose 4 akut verlaufende Infektion in der oberen Dermis unter Beteiligung der dermalen Lymphspalten/-gefäße durch Streptokokken 4 Erreger: Streptococcus pyogenes (Gruppe A, β-hämolysierend) ist für ~90% aller Infektionen verantwortlich; weitere Erreger dieser Gruppe: Streptococcus viridans (α-hämolysierend), Streptococcus pneumoniae 4 Erreger gelangen durch Eintrittspforten (z. B. Mazeration bei Tinea pedis interdigitalis, kleine Verletzungen, Stichreaktionen) in die Haut
Klinik 4 scharf begrenztes Erythem mit zungenförmigen Ausläufern, bei schwereren Verläufen mit blasiger Abhebung der Haut, Hämorrhagien und Nekrosen (. Abb. 27, Farbteil) 4 hohes Fieber, Schüttelfrost, allgemeines Krankheitsgefühl 4 > Memo Bei rezidivierenden Erysipelen ist die klinische Symptomatik oft abgeschwächt, es besteht das Risiko der Entwicklung chronischer Lymphödeme durch Obliteration der Lymphwege (»Elephantiasis nostras«).
Diagnostik 4 charakteristisches klinisches Bild 4 Leukozytose, CRP-Erhöhung, im Verlauf Anstieg des Antistreptolysinund des Anti-Streptokokken-DNAse-B-Titers 4 ggf. Abstriche von Ulzerationen und Erosionen für mikrobiologische Diagnostik
Differenzialdiagnosen 4 4 4 4 4 4 4
Kontaktdermatitis beginnender Herpes zoster (insbesondere Gesicht) Erysipeloid tiefe Venenthrombose Stauungsdermatitis Erysipelas carcinomatosum Erythema chronicum migrans
Therapie 4 Penicillin G i.v. oder Cephalosporin (z. B. Cefuroxim i.v. oder p.o.) 4 bei Penicillinallergie Clindamycin oder Makrolid 4 Ruhigstellung und Hochlagern betroffener Extremitäten, ggf. Thromboseprophylaxe
20.2
20
Erysipeloid
4 Synonym: Rotlauf 4 Zoonose durch Erysipelothrix rhusiopathiae (grampositives Stäbchen; Hauptwirte sind Schweine und Salzwasserfische)
157 20.3 · Impetigo contagiosa
4 Erreger gelangen über kleine Verletzungen beim Zubereiten von infiziertem Fleisch in die Haut 4 Risikogruppen: Metzger, Fischer
Klinik 4 4 4 4
lividrote randbetonte Erytheme, meist im Bereich der Hände randbetonte Ausbreitung, erysipelähnlich (Name!) kaum Allgemeinsymptome Komplikationen: Arthritis
Diagnostik 4 Anamnese 4 ggf. Erregernachweis im Biopsiematerial
Differenzialdiagnosen 4 Erysipel (Fieber) 4 Erythema chronicum migrans (langsamere Ausbreitung)
Therapie 4 Penicillin
20.3
Impetigo contagiosa
4 oberflächliche Hautinfektion meist durch Staphylococcus aureus, seltener durch Gruppe A-Streptokokken (Streptococcus pyogenes) 4 häufigste bakterielle Infektion bei Kindern 4 hohe Kontagiosität (Schmierinfektion) 4 bullöse und nichtbullöse Formen 4 Pathogenese der bullösen Impetigo: 5 exfoliative Toxine von S. aureus fungieren als Serinprotease und spalten das desmosomale Protein Desmoglein-1 der Keratinozyten 5 es resultiert eine Akantholyse mit Blasenbildung
Klinik 4 initial Rötung, dann Ausbildung von Erosionen, die von honiggelben Krusten bedeckt sind 4 bei der bullösen Impetigo Bläschen oder Blasen unterschiedlicher Größe, die nach Erosion ebenfalls honiggelbe Krusten hinterlassen
Diagnostik 4 Abstrich für mikrobiologische Diagnostik 4 Labor: Leukozytose und CRP-Erhöhung in ca. 50% der Fälle 4 ggf. Urinstatus mit Wiederholung nach 6 Wochen zum Ausschluss einer Poststreptokokken-Glomerulonephritis
Differenzialdiagnosen 4 Dermatophytosen 4 Herpes-simplex-Infektion
20
Eigene Notizen
158
Kapitel 20 · Infektionskrankheiten der Haut
Eigene Notizen
Therapie 4 fett-feuchte Verbände mit Antiseptika (z. B. Polihexanid-Macrogolsalbe) zum Ablösen der Krusten 4 Wäsche- und Umgebungsdesinfektion 4 bei ausgedehntem Befall und Allgemeinsymptomatik: orales penicillinasefestes Penicillin (z. B. Flucloxacillin) oder Cephalosporin (z. B. Cefuroxim)
20.4
Ostiofollikulitis, Furunkel, Karbunkel
4 Infektion des Haarfollikels durch Staphylococcus aureus unterschiedlichen Ausmaßes: 5 Ostiofollikulitis: betrifft die Region des Infundibulums (ostium (lat.) = Eingang) 5 Furunkel: Entzündung und Einschmelzung des gesamten Follikels 5 Karbunkel: Konfluenz mehrerer Furunkel
Klinik 4 Ostiofollikulitis: das Infundibulum ausfüllende Pustel mit erythematösem Hof, meist an Stamm, Gesäß, Oberschenkel (»JeanshosenFollikulitis«), Bartbereich 4 Furunkel: derber, stark schmerzhafter, geröteter Knoten mit Einschmelzung (Abszedierung), narbige Abheilung 4 Karbunkel: plattenartige Infiltrate mit Einschmelzung
Diagnostik 4 mikrobiologischer Abstrich 4 bei Furunkel/Karbunkel Suche nach möglichen Prädispositionsfaktoren (Reservoir für Staphylococcus aureus im Nasenrachenraum oder perineal; Diabetes mellitus; Immundefekte)
Differenzialdiagnosen 4 zur Ostiofollikulitis: gramnegative Follikulitis, Acne vulgaris, Malassezia-Follikulitis, Candida-Follikulitis, Tinea 4 zu Furunkel und Karbunkel: tiefe Trichophytie, Acne conglobata, Acne inversa, Aktinomykose
Therapie 4 Ostiofollikulitis: lokale Antiseptika, bei ausgedehntem Befall ggf. orales penicillinasefestes Penicillin oder Cephalosporin 4 Furunkel/Karbunkel: Ruhigstellung, Inzision und Drainage nach Einschmelzung (Fluktuation), penicillinasefestes Penicillin oder Cephalosporin 4 bei allen Formen sorgfältige Haut- und Kleiderhygiene
20
159 20.6 · Gramnegativer Fußinfekt
20.5
Phlegmone
4 teils einschmelzende, tiefe bakterielle Hautinfektion unter Einbeziehung der Dermis und des subkutanen Fettgewebes, auch Ausbreitung auf Muskulatur und Knochen 4 Erreger meist Staphylokokken und Streptokokken, aber auch Mischinfekte (z. B. nach Bissverletzungen)
Klinik 4 tiefgreifende, lividrote, unscharf begrenzte Schwellung mit Nekrosen und Abszedierung 4 zunehmende Allgemeinsymptomatik
Diagnostik 4 Labor: Leukozytose, oft massive Erhöhung von CRP und BSG 4 mikrobiologische Diagnostik: Materialgewinnung ggf. auch durch Inzision bzw. Biopsie (auch Anaerobier sollten erfasst werden) 4 ggf. bildgebende Ausbreitungsdiagnostik (MRT)
Therapie 4 Antibiotikum nach Antibiogramm 4 ggf. Inzision und Drainage
20.6
Gramnegativer Fußinfekt
4 Infektion der Zehenzwischenräume durch gramnegative Erreger, insbesondere Pseudomonas aeruginosa 4 wird durch Hyperhidrose, geschlossenes Schuhwerk und interdigitale Mykose begünstigt
Klinik 4 Erytheme mit nässenden Erosionen der Zehenzwischenräume und des Vorfußes, Schwellung 4 aufdringlicher, süßlich-fauliger Geruch
Diagnostik 4 Abstrich für bakteriologische Diagnostik 4 mykologisches Nativpräparat und Kultur zum Ausschluss einer oft gleichzeitig bestehenden Tinea pedis
Therapie 4 Antiseptika in austrocknender Grundlage (z. B. Polihexanid-Gel, Clioquinol-haltige Paste) 4 systemische Antibiotika nach Antibiogramm, z. B. Chinolone oder Cephalosporine der 3. Generation
20
Eigene Notizen
160
Kapitel 20 · Infektionskrankheiten der Haut
Eigene Notizen
20.7
Erythrasma
4 Infektion intertriginöser Areale durch Corynebacterium minutissimum
Klinik 4 feinschuppende, leicht bräunliche Erytheme insbesondere an Leistenregion und Axillen
Diagnostik 4 unter Illumination mit Woodlicht (Wellenlänge 365 nm) korallenrote Fluoreszenz durch von Corynebakterien produzierte Porphyrine
Differenzialdiagnosen 4 Tinea (zeigt stärkere Randbetonung und Schuppung) 4 Candidose (zeigt stärkere Mazeration und Satellitenherde)
Therapie 4 topische Breitspektrumantimykotika (Azole, Ciclopiroxolamin)
20.8
Borreliose
4 durch Zecken (Ixodes ricinus), möglicherweise auch durch andere blutsaugende Insekten übertragene Infektion mit Spirochäten der Gattung Borrelia 4 wichtige humanpathogene Spezies 5 Borelia afzelii (führt zur Acrodermatitis chronica atrophicans) 5 Borrelia garinii (häufige Ursache der Neuroborreliose) 5 Borrelia burgdorferi sensu stricto 4 in Europa sind alle drei Spezies vertreten, in den USA vorwiegend Borrelia burgdorferi sensu stricto 4 sowohl adulte Zecken als auch Nymphen können Borrelien übertragen 4 > Memo Eine durchgemachte Borrelieninfektion bietet keinen Schutz vor Reinfektion.
Klinik
20
4 stadienhafter Verlauf 5 Stadium I = lokalisierte Frühborreliose (ca. 1–8 Wochen) J gekennzeichnet durch Allgemeinsymptome (Kopfschmerzen, Gliederschmerzen) und Erythema chronicum migrans J Spontanheilung möglich 5 Stadium II = disseminierte Frühborreliose (Monate bis 1 Jahr) J Borrelienlymphozytom (Lymphadenosis cutis benigna) J neurologische Veränderungen (Bannwarth-Meningopolyradikuloneuritis, Hirnnervenausfälle insbesondere des N. facialis, lymphozytäre Meningitis) J Karditis (Perikarditis, Myokarditis mit AV-Block, Pankarditis)
161 20.8 · Borreliose
J Arthralgien/Arthritis (Oligoarthritis besonders des Kniegelenks), Myalgien J Konjunktivitis, Iritis 5 Stadium III = Spätborreliose (1–10 Jahre) J Acrodermatitis chronica atrophicans, juxtaartikuläre Knoten, chronische Arthritiden J progressive Enzephalomyelitis 4 Manifestationen der Borreliose am Hautorgan: 5 Erythema chronicum migrans (ECM) J zentrifugale Ausbreitung eines zentral oft, aber nicht immer abblassenden, anulären Erythems ohne epidermale Beteiligung in der Umgebung des Zeckenstichs, das innerhalb von 6 Wochen abklingt J Variante: multilokuläre Erythemata migrantia bei hämatogener Dissemination der Erreger (wird von manchen Autoren dem Stadium II zugeordnet) 5 Lymphadenosis cutis benigna J besonders an den Ohrläppchen und Mamillen auftretende rötlichbraune, nicht schuppende Knoten, die histologisch als benigne B-Zell-Proliferation mit zahlreichen Keimzentren imponieren 5 Acrodermatitis chronica atrophicans Herxheimer (ACA) J chronisch-progressive Atrophisierung der Haut besonders im Bereich der distalen Extremitäten, meist asymmetrisch J zunächst ödematöses Stadium mit lividrotem, unscharf begrenztem Hautödem J oft erst nach Jahren atrophisches Stadium mit zigarettenpapierartiger Hautatrophie und durchscheinender Venenzeichnung nach Verlust des subkutanen Fettgewebes 4 juxtaartikuläre Knoten: fibroide Proliferationen über Ellbogen und Knien
Diagnostik 4 serologischer Nachweis zirkulierender IgG- und/oder IgM-Antikörper gegen Borrelienantigene mittels ELISA (als Suchtest) und Westernblot (als Bestätigungstest) 4 in den ersten 4 Wochen nach Infektion nur in ca. 50% der Fälle positive serologische Reaktionen, d. h., eine negative Borrelienserologie schließt eine floride Infektion nicht aus 4 Serologie erlaubt keine sichere Unterscheidung zwischen einer floriden Spätinfektion und der Seronarbe einer ausgeheilten Infektion 4 Serologie eignet sich nur bedingt zur Kontrolle des Therapieerfolgs 4 falsch-positive IgM-Titer möglich bei Syphilis, Malignomen, Autoimmunerkrankungen, akuter EBV-Infektion 4 bei aktiver Neuroborreliose Nachweis einer entzündlichen lymphozytären Liquor-Pleozytose sowie einer intrathekalen Antikörperproduktion 4 histologische Befundsicherung i. d. R. bei Verdacht auf Lymphozytom und Acrodermatitis chronica atrophicans und bei unklarem klinischen Bild eines Erythema chronicum migrans
20
Eigene Notizen
162
Kapitel 20 · Infektionskrankheiten der Haut
Eigene Notizen
Therapie 4 bei lokalisierter und mild verlaufender disseminierter Frühinfektion: Doxycyclin bzw. bei Kindern und Schwangeren Amoxicillin oder Makrolide über 14–21 Tage 4 bei schwerer verlaufender disseminierter Früh- und Spätborreliose: Ceftriaxon i.v. über 14–28 Tage 4 > Memo Die Therapie einer Borreliose richtet sich nach der klinischen Symptomatik, nicht allein nach der serologischen Befundkonstellation. Die prophylaktische Gabe eines Antibiotikums bereits nach Zeckenstich ist nicht indiziert.
20.9
Syphilis
4 Synonym: Lues 4 vornehmlich durch Geschlechtsverkehr übertragene Infektion durch Treponema pallidum (pallidus = blass; verweist auf schlechte Anfärbbarkeit des Erregers in Ausstrichen/Gewebe) 4 6–20 μm lange und 0,1–0,2 μm dicke Spirochäte mit 10–20 schraubenförmigen Windungen, zentral »kleiderbügelartig« abgeknickt 4 sehr austrocknungsempfindlich, kaum Überleben in freier Umgebung (für Beurteilung des Übertragungswegs wichtig) 4 Infektion erfordert engen Gewebekontakt und Mikrotraumen 4 lange Generationszeit der Spirochäten (>30 h), für Therapiedauer wichtig
Systematik
20
4 Frühsyphilis (nach WHO-Definition: 0–2 Jahre bzw. CDC-Definition: 0–1 Jahr nach Infektion) umfasst die 5 primäre Syphilis (= Lues I): Primäraffekt und Befall regionärer Lymphknoten 5 sekundäre Syphilis (= Lues II): disseminierte Infektion mit Bakteriämie, Systemzeichen und Exanthem/Enanthem (»Syphilide«) 5 seropositive latente Syphilis (= Lues latens seropositiva): ist Ausdruck unbehandelter oder subkurativ behandelter Infektion (nicht zu verwechseln mit »Seronarbe« nach erfolgreicher Therapie) 4 Spätsyphilis (Syphilis ab vollendetem zweitem Jahr [nach WHO] bzw. erstem Jahr nach Primärinfektion [nach CDC]) umfasst die 5 tertiäre Syphilis (Lues III) – granulomatöse, erregerarme tuberonodöse Läsionen und Gummen 5 quartäre Syphilis: erregerarme Veränderungen und Neurolues (Tabes dorsalis, progressive Paralyse) 4 kongenitale Syphilis (Lues connata) 5 entsteht durch diaplazentare Übertragung von Treponema pallidum während der Schwangerschaft auf den Feten
163 20.9 · Syphilis
Klinik 4 primäre Syphilis 5 ca. 3 Wochen nach Infektion an Inokulationsstelle zunächst dunkelrotes Knötchen, dann schmerzlose (nicht bei rektalem oder analem Befall) Ulzeration mit hellrotem Randsaum (sog. Primäraffekt), palpatorisch derb = Ulcus durum (»harter Schanker«; . Abb. 30, Farbteil); gelegentlich ausgeprägte Schwellung (Vorhautödem mit Paraphimose, »Glockenschwengelpenis«) 5 prinzipiell ist jede Lokalisation möglich, auch extragenital (z. B. Lippen, Zunge, Pharynx) 5 ohne Therapie Heilung des Primäraffektes nach 3–8 Wochen 5 regionale Lymphadenitis: 1–2 Wochen nach Ulcus durum auftretende Lymphknotenschwellung meist einseitig, derb – indolent; sog. Primärkomplex 4 sekundäre Syphilis 5 Exantheme/Enanthem der Syphilis (»Syphilide«) als Ausdruck einer Dissemination von T. pallidum 5 große Vielfalt möglicher Morphen: Syphilis ist der (nahezu alles nachahmende) »Affe unter den Hautkrankheiten« 5 Exantheme der sekundären Syphilis jucken nicht und sind nur selten bullös J makulöses Syphilid (Roseola): zartrote, unscharf begrenzte Makulae J papulöses Syphilid: zunehmende Gewebeimmunität führt zu immer umschriebeneren Veränderungen; Mundschleimhaut zeigt mitunter weißliche Plaques = Plaques muqueuses J Palmoplantarsyphilid: 1–2 cm große rotbraune Papeln an Handinnenflächen und Fußsohlen (»Clavi syphilitici«) J Condylomata lata: erosive genitale Papeln, sehr erregerreich J bei Immunsuppression Erosion der Veränderungen möglich (»Lues maligna«) J syphilitisches Leukoderm: Abheilung der Exantheme mit postinflammatorischer Hypopigmentierung (z. B. am Hals: »Halsband der Venus«) J syphilitische Alopezie: kleinherdiger, »mottenfraßähnlicher« Haarausfall 5 generalisierte Lymphadenopathie (derb, indolent); »Schwiegervaterhandgriff«: Ertasten der antekubitalen Lymphknoten beim Händedruck 5 akute Hepatitis 5 akute Glomerulonephritis 5 Splenomegalie 5 Meningitis/Meningoenzephalitis (insbesondere bei Immunsuppression – HIV/AIDS) 5 muskuloskelettale Veränderungen (Periostitis – nächtlicher Knochenschmerz), Polyarthritis
20
Eigene Notizen
164
Kapitel 20 · Infektionskrankheiten der Haut
Eigene Notizen
20
4 tertiäre Syphilis 5 tuberonodöse Syphilide J gruppierte rotbraune Papeln und Knoten, die peripher expandieren und zentral abheilen und somit anuläre Muster hinterlassen (tuberoserpiginöse Syphilide) J besonders betroffen Oberarmstreckseiten, Rücken und Gesicht 5 Gummen J schmerzlose, derb-eleastische subkutane Knoten; neigen zur Ulzeration mit Austritt eines zähflüssigen, gummiartigen Sekrets J betroffen sind besonders weicher Gaumen (Gefahr der Perforation), Nase (»Sattelnase« nach Einschmelzung), Kapillitium, Gesicht, auch innere Organe 5 muskuloskelettale Symptome J Periostitis, Osteolysen, gummöse Osteopathien 5 kardiovaskuläre Symptome J Befall der Vasa vasorum führt zur Entzündung der Gefäßwand mit Risiko der Bildung von Aneurysmen: z. B. Mesaortitis syphilitica (Aortenaneurysma, -insuffizienz) 5 neurologische Symptome 4 quartäre Syphilis 5 progressive Paralyse J bei etwa 2% der unbehandelten Patienten etwa 20–25 Jahre nach Primärinfektion J Schädigung besonders des Frontalhirns führt u. a. zum Persönlichkeitsveränderung 5 Tabes dorsalis J bei etwa 2% der unbehandelten Patienten J degenerative Veränderungen im Bereich der Hinterstränge und Dorsalwurzeln J neurotrophische Ulzera J einschießende Schmerzen (Bauch, Extremitäten) J Argyll-Robertson-Phänomen: pathognomonisches Pupillenzeichen mit fehlender Licht-, aber erhaltener Konvergenzreaktion J Ataxie: schleudernder Gang/unkoordinierte Bewegungen, Romberg-Zeichen positiv 4 kongenitale Syphilis (Syphilis connata) 5 in utero erworbene Syphilis 5 Ausmaß der Schädigung ist vom Infektionszeitpunkt der Mutter abhängig 5 Syphilis connata praecox J Manifestation innerhalb der ersten 2 Lebensjahre J Frühgeburt, niedriges Geburtsgewicht J Hepatosplenomegalie J Glomerulonephritis J Blasen/Erosionen besonders palmoplantar (»Pemphigus syphiliticus«) J Coryza = blutiger Schnupfen
165 20.9 · Syphilis
J Periostitis (besonders der langen Röhrenknochen) führt zur schmerzbedingten Bewegungsminderung (Parrot-Pseudoparalyse) J hohe Letalität 5 Syphilis connata tarda J Manifestation nach dem 2. Lebensjahr J Hutchinson-Trias: Keratitis, Innenohrschwerhörigkeit und Hutchinson-Zähne (tonnenförmige Zähne, Diastema) J Sattelnase
Diagnostik 4 serologische Testmethoden 5 Suchtests J TPPA (früher TPHA): mit Treponema pallidum beladene Partikel (TPPA) oder Hammelerythrozyten (TPHA) werden mit Patientenserum inkubiert; im Falle des Vorliegens von Antikörpern kommt es zur Agglutination (= positiver TPPA); Test wird etwa 3 Wochen nach erfolgter Infektion positiv; Titer persistiert meist zeitlebens; TPPA und TPHA eignen sich nicht zur Erfolgskontrolle einer antibiotischen Therapie oder zur Einschätzung der Therapienotwendigkeit J VDRL (»veneral disease research laboratory«): weist mittels Flockungstest Antikörper gegen Phospholipide/Kardiolipin nach, die nach Befall mit Treponema pallidum durch Gewebszerfall freigesetzt werden; Test ist unspezifisch (falsch-positive Ergebnisse z. B. bei Vorliegen eines Lupus erythematodes möglich), erlaubt aber wegen des Titerabfalls nach Therapie Aussagen zur Effektivität derselben; Test 2–3 Wochen nach Infektion positiv 5 Bestätigungstests J Westernblot bzw. ELISA werden als Bestätigungstests eingesetzt, die unter Verwendung von Treponema pallidum-Antigenen den Nachweis spezifischer IgG- und IgM-Antikörper im Patientenserum erlauben J FTA-ABS (= Fluoreszenz-Treponema-Antikörper-Absorptionstest): gestattet den Nachweis zirkulierender Antikörper mittels Immunfluoreszenz gegen Treponema pallidum-Antigene, die auf einem Objektträger suspendiert sind; wird etwa 4 Wochen nach Infektion positiv; Modifikationen dieses Tests erlauben den frühzeitigen Nachweis von IgM-Antikörpern bereits 2 Wochen nach Infektion (IgM-FTA-ABS; 19S-IgM-FTA-ABS) 5 bei Verdacht auf Neurolues Untersuchung des Liquors bezüglich des Vorhandenseins treponemenspezifischer Antikörper 4 Diagnostik der primären Syphilis 5 Direktnachweis mittels Dunkelfeldmikroskopie aus Reizserum vom Ulcus (kräftiges Reiben des Ulkus mit einer NaCl-getränkten Mullkompresse, bis klare Lymphe austritt) 5 Dunkelfeldmikroskopie ist bei Veränderungen im Mundbereich nicht verlässlich (apathogene Treponemen der Mundhöhle sind schwer abgrenzbar) 5 Serologie (s. oben)
20
Eigene Notizen
166
Kapitel 20 · Infektionskrankheiten der Haut
Eigene Notizen
4 Differenzialdiagnosen der primären Syphilis 5 Herpes genitalis (schmerzhafte Lymphadenitis) 5 Ulcus molle (schmerzhaftes, weiches Ulkus) 5 Lymphogranuloma venereum (kleine Ulzeration, abszedierende Lymphadenopathie) 5 (spinozelluläre) Karzinome (Histologie) 5 fixe Arzneimittelreaktion (Erosion, kein Ulkus; Medikamentenanamnese) 5 Traumata, Artefakte 4 Diagnostik der sekundären Syphilis 5 Serologie (s. oben) 5 Dunkelfelduntersuchung erosiver Veränderungen 5 Lues latens seropositiva J symptomfreie Phase nach Abheilung der Lues II bis zum Auftreten der Spätsyphilis (Lues III/IV) J positiver IgM-FTA-ABS-Test J Durchuntersuchung erforderlich (Liquor, neurologische Untersuchung, Beurteilung Aorta, augenärztliche Untersuchung) 4 Diagnostik der tertiären Syphilis 5 Liquor- und Serumuntersuchungen 5 neurologische Untersuchungen 4 Diagnostik der quartären Syphilis 5 Liquor- und Serumuntersuchungen 5 neurologische Untersuchungen
Therapie
20
4 Penicillin als Mittel der Wahl (bisher keine Resistenzentwicklung) 4 vorzugsweise intramuskuläre Applikation: therapeutische Serumkonzentration muss mindestens über 7 Tage bestehen, da die Generationszeit von Treponema pallidum etwa 30 h beträgt 5 Frühsyphilis: Benzathin-Penicillin 2,4 Mio. IE i.m. einmalig (ggf. Wiederholung am Tag 8) 5 Spätsyphilis: Benzathin-Penicillin 2,4 Mio. IE i.m. dreimalig an den Tagen 1,8 und 15 5 Neurosyphilis: 6×4 Mio. IE Penicillin G i.v. pro Tag über 14 Tage 4 Komplikation: Jarisch-Herxheimer-Reaktion 5 akute Systemreaktion durch Zerfallsprodukte von T. pallidum unter Penicillintherapie besonders bei Frühsyphilis 5 2–6 h nach Gabe grippeähnliche Symptomatik, Fieber, Kopf- und Gelenkschmerzen 5 Therapie: systemische Glukokortikoide 5 Differenzialdiagnose: Penicillinunverträglichkeit 4 serologische Kontrolle nach 3, 6, 12, 24 und 36 Monaten zur Validierung des Therapieerfolgs (VDRL, Westernblot IgM bzw. IgM-FTA-ABS) 4 > Memo Eine Syphilis-Infektion verleiht keine Immunität. 4 bei nach Therapie erneut positivem IgM-FTA-ABS-Test bzw. erneutem Nachweis von IgM im Westernblot und steigendem VDRL-Titer ist ReInfektion wahrscheinlich
167 20.10 · Gonorrhö
4 gemäß Infektionsschutzgesetz nicht-namentliche Meldepflicht bei positiver Labordiagnostik 4 Ausschluss weiterer sexuell übertragbarer Erkrankungen (insbesondere HIV) sowie von Hepatitis B und C
20.10
Gonorrhö
4 Synonym: Tripper 4 Erreger: Neisseria gonorrhoeae (gramnegative aerobe Diplokokken – semmelförmig) 4 häufigste bakterielle sexuell übertragene Erkrankung 4 Infektionsraten: 35% der Männer nach Geschlechtsverkehr mit einer infizierten Frau; 60–90% der Frauen nach Geschlechtsverkehr mit einem infizierten Mann 4 Erregerreservoir: asymptomatische Frauen mit oft lang persistierender Infektion 4 Infektion der oberflächlichen Schleimhäute (Urethra, Rektum, Endozervix, Pharynx, Konjunktiven) 4 Dissemination möglich
Klinik 4 genitale Gonorrhö des Mannes 5 Urethritis 3–4 Tage nach Infektion, Dysurie und eitriger Ausfluss (»Bon-jour-Tropfen«) 5 Komplikationen: akute Epididymitis, chronische Prostatitis 4 genitale Gonorrhö der Frau 5 Urethritis: oft übersehen, in 80% der Fälle wie die Zervizitis asymptomatisch; Inkubationszeit 5–8 Tage 5 Komplikationen: 5 Salpingitis: über Spermien mit anhaftenden Gonokokken Infektion der Eileiter; häufige Komplikation: Peritonitis/Perihepatitis 5 »pelvic inflammatory disease« (PID) J Infektion von Eileitern, Ovarien und Peritoneum J chronische Bauchschmerzen J ! Cave Geht mit Gefahr der Eileiterschwangerschaft und Sterilität einher! 4 Sonderformen: 5 Gonoblennorrhö: Infektionen von Augenlidern und Konjunktiven besonders bei Neugeborenen. Gefahr der Hornhautulzeration 5 anorektale Gonnorhö: verläuft oft asymptomatisch 5 pharyngeale Gonorrhö: uncharaktistische Beschwerden (»Halsschmerzen«), in 90% der Fälle asymptomatisch 5 disseminierte Gonokokkeninfektion (Gonokokkensepsis) mit Trias: J Polyarthralgie ohne Arthritis, später Monarthritis (fast immer Knie, Gonokokken im Gelenkpunktat) J Tenosynovitis
20
Eigene Notizen
168
Kapitel 20 · Infektionskrankheiten der Haut
Eigene Notizen
J Dermatitis: Pusteln auf erythematösem Grund oft über den Gelenken – septische Vaskulitis 5 Fieber, Schüttelfrost, Abgeschlagenheit
Diagnostik 4 direkter Erregernachweis mittels urethralem/zervikalem Abstrich mit Anfärbung intrazellulärer gramnegativer Diplokokken 4 PCR-Diagnostik (unter Verwendung von Erststrahlurin) 4 Anzüchtung mittels Kultur (Thayer-Martin-Agar, 37°C in CO2-Atmosphäre; nach 24–36 h positive Oxidasereaktion mit Schwarzfärbung durch Dimethylparaphenylendiamin), erlaubt Durchführung eines Antibiogramms 4 > Memo Eine kulturelle Diagnostik vom Rektum sollte bei allen an Gonorrhö erkrankten Frauen, eine Kultur von Rektum- und Pharynxabstrichen bei allen an Gonorrhö erkrankten homosexuellen Männern angelegt werden.
Differenzialdiagnosen 4 beim Mann 5 andere Urethritiden 4 bei der Frau 5 andere bakterielle Infektionen 5 Herpes simplex
Therapie 4 wegen Zunahme der Resistenzentwicklung Therapie möglichst immer nach Antibiogramm 4 unkomplizierte urethrale Gonorrhö: Ceftriaxon oder Cefixim als Einmaldosis 4 oft begleitende Chlamydieninfektion 4 Ausschluss begleitender Syphilis- bzw. HIV-Infektion 4 ggf. Mitbehandlung von Sexualpartnern 4 Kontrolle des Therapieerfolgs mittels Kultur 4–7 Tage nach Therapieende
20.11
Ulcus molle
4 Synonym: weicher Schanker 4 Erreger: Haemophilus ducreyi (gramnegatives, thermolabiles anaerobes Stäbchen) 4 Übertragung erfolgt fast immer durch Geschlechtsverkehr 4 endemisch in Afrika, Südostasien, Zentralamerika 4 Inkubationszeit: 3–5 Tage
Klinik
20
4 Beginn mit kleiner rötlicher Papel (gelegentlich auch mehrere Läsionen in abklatschartiger Verteilung), innerhalb von 2–3 Tagen Pustel und Ulzeration
169 20.12 · Lymphogranuloma venereum
4 schmerzhaft besonders nach Kontakt mit Urin 4 Lokalisation: 5 Männer: Glans penis, inneres Vorhautblatt, Frenulum 5 Frauen: Labien, Perianalregion, Zervix 4 Lymphadenopathie (= Bubo): meist einseitig inguinal, schmerzhaft; Auftreten meist nach 1–2 Wochen; im Verlauf Abszedierung mit Spontanentleerung und Fistelbildung 4 Spontanheilung nach 4–6 Wochen bei Männern, nach mehreren Monaten bei Frauen; Rezidive selten
Diagnostik 4 charakteristische Klinik: schmerzhaftes weiches Ulkus 4 mikrobiologischer Abstrich: gramnegative Stäbchen in fischzugartiger Anordnung 4 Kultur nur auf Spezialmedien möglich 4 Nachweis mittels PCR 4 Untersuchung auch von Sexualpartnern 4 Mischinfektionen (insbesondere Syphilis und HIV) sollten ausgeschlossen werden
Differenzialdiagnosen 4 primärer Herpes simplex (Beginn mit Bläschen) 4 syphilitischer Primäraffekt (zeigt derbes, nicht schmerzhaftes Ulcus; die einschmelzende Lymphadenopathie fehlt) 4 Lymphogranuloma venereum (Ulkus ist kleiner, geht mit bilateraler und indolenter Lymphadenopathie einher)
Therapie 4 Antbiotika: Cetriaxon oder Azithromycin als Einmaldosis
20.12
Lymphogranuloma venereum
4 sexuell übertragbare Erkrankung mit akuter Lymphadenopathie und nachfolgender Fibrose 4 Erreger: Chlamydia trachomatis, Serovare L1–L3 (obligat intrazelluläres Bakterium) 4 Inkubationszeit 3–30 Tage 4 in Deutschland gemäß Infektionsschutzgesetz Meldepflicht
Klinik 4 genitale Infektion 5 Primärläsion: 5–8 mm große schmerzlose, oft übersehene Erosion. Abheilung innerhalb weniger Tage 5 inguinale Lymphadenopathie: bilateral oberhalb und unterhalb des Leistenbandes (»Furchenzeichen«); Verbacken der Lymphknoten zu großen Konglomeraten, ggf. Fistelbildung, Ruptur; unbehandelt narbige Abheilung innerhalb von 2–3 Monaten
20
Eigene Notizen
170
Kapitel 20 · Infektionskrankheiten der Haut
Eigene Notizen
5 Komplikationen: sekundäre Lymphödeme von Penis, Skrotum, Vulva. Persistierende Fisteln 4 rektale Infektion 5 besonders bei Frauen und homosexuellen Männer; schmerzhafter, eitrig-blutiger Ausfluss 5 Spätkomplikationen: Fistelbildung, Ulzeration, Rektumstriktur, Lymphödem 4 orale Infektion 5 Halslymphknoten vergrößert 5 später auch Vergrößerung axillärer und thorakaler Lymphknoten
Diagnostik 4 4 4 4 4
serologischer Nachweis von Chlamydien-Antikörpern Identifikation des Erregers aus Abstrichen PCR Lymphknotenhistologie (Mikroabszesse, Granulome mit Riesenzellen) Untersuchung auch von Sexualpartnern
Differenzialdiagnosen 4 4 4 4 4
Syphilis Herpes genitalis Granuloma inguinale Acne inversa Erkrankungen mit analer/rektaler Entzündung und Fistelbildung (z. B. M. Crohn) 4 Lymphome (insbesondere bei oraler Lokalisation)
Therapie 4 Doxycyclin 4 ggf. chirurgische Maßnahmen
20.13
Superfizielle Mykosen (Dermatomykosen)
4 Erkrankungen durch Besiedlung der Haut und ihrer Anhangsgebilde mit Pilzen 4 Erreger: 5 häufig Dermatophyten: diese verursachen als keratinophile Pilze oberflächliche Mykosen im Stratum corneum sowie in den keratinisierten Anhangsgebilden (Haare, Nägel) 5 seltener Candida-Hefen: opportunistische Infektionen der Haut, Schleimhäute und Nägel 5 Schimmelpilze: infizieren meist sekundär bereits krankhaft veränderte Haut oder Nägel
20
171 20.13 · Superfizielle Mykosen (Dermatomykosen)
20.13.1
Erkrankungen durch Dermatophyten
4 Dermatophytose: alle durch Spezies der Dermatophytengattungen Epidermophyton, Microsporum und Trichophyton hervorgerufenen Infektionen der Haut und/oder ihrer Anhangsgebilde (Haare, Nägel) 4 klinische Nomenklatur: Tinea mit einem Suffix, das die infizierte Körperstelle beschreibt (z. B. Tinea pedis, Tinea faciei, Tinea capitis etc.)
Einteilung In Abhängigkeit vom natürlichen Vorkommen werden 3 Gruppen von Dermatophyten unterschieden: 4 anthropophile Dermatophyten 5 sind an den Menschen angepasst und rufen zumeist nur gering entzündliche chronische Infektionen hervor 5 mit Abstand häufigster Erreger: Trichophyton rubrum 4 zoophile Dermatophyten 5 werden vor allem von warmblütigen Tieren durch Kontaktinfektion übertragen und führen zu meist stark entzündlich verlaufenden Infektionen beim Menschen 5 Tiere oft nicht selbst erkrankt, aber asymptomatische Überträger 5 wichtige Erreger: Trichophyton interdigitale (zoophil; Hauptwirt: Nager u. a.), Trichophyton verrucosum (Hauptwirt: Rinder u. a.), Microsporum canis (Hauptwirte: Katzen, Hunde u. a.) 4 geophile Dermatophyten 5 Saprophyten im Erdboden 5 verursachen nur selten Mykosen beim Menschen 5 Infektionen verlaufen jedoch zum größten Teil stark entzündlich, weil der Erreger nicht adaptiert ist 5 wichtigster Erreger: Microsporum gypseum
Diagnostik 4 ggf. Untersuchung mittels UV-Licht (~365 nm = Wood-Licht; gelb-grüne Fluoreszenz bei Microsporum spp., blauweiße Fluoreszenz bei Trichophyton schoenleinii [Erreger des Favus]) 4 Direktpräparat (Nativpräparat): aus dem Randbereich verdächtiger Läsionen werden feine Schuppen gewonnen und auf einem Objektträger in 15%iger Kalilauge inkubiert; anschließend erfolgt mikrokopische Untersuchung auf Hyphen und Sprosszellen 4 im Allgemeinen kann aus dem Nativpräparat keine Aussage zur vorliegenden Gattung oder Spezies gemacht werden (Ausnahme: Pityriasis versicolor) 4 die Pilzkultur auf speziellen Nährböden erlaubt Erregerdifferenzierung anhand makroskopischer, mikroskopischer und ggf. physiologischer Eigenschaften 4 ggf. molekulare Diagnostik und Differenzierung (ITS 1 und 2 der rDNA)
20
Eigene Notizen
172
Kapitel 20 · Infektionskrankheiten der Haut
Eigene Notizen
Therapie 4 topische Antimykotika (Clotrimazol, Miconazol, Econazol, Bifonazol, Sertaconazol, Tioconazol, Ciclopiroxolamin, Naftifin, Terbinafin, Amorolfin) in geeigneter Grundlage als Monotherapie bei unkomplizierten Infektionen 4 systemische Therapie (meist mit Terbinafin, aber auch mit Fluconazol, Itraconazol, Griseofulvin) bei ausgedehnten Mykosen, Mykosen der Leistenhaut sowie Versagen einer topischen Therapie, leitliniengerecht bei Tinea capitis und fortgeschrittener Onychomykose (Befall >50% der Nagelplatte) 4 > Memo Polyene (Nystatin, Amphotericin B) sind bei Dermatophytosen nicht wirksam.
Tinea der freien Haut (Epidermomykose) Klinik 4 scharfe Begrenzung der oft scheibenförmigen, randbetont schuppenden Läsionen 4 blass bis intensiv rotes Erythem 4 zentrifugale Ausbreitung mit gleichzeitiger Abheilung im Zentrum, dadurch charakteristische Ringformen
Differenzialdiagnosen 4 Ekzeme (zeigen unscharfe Begrenzung mit Punctum maximum der Entzündung im Zentrum, bei allergischem Kontaktekzem z. T. mit Streuphänomenen) 4 Psoriasis vulgaris 4 Parapsoriasis en plaques 4 Mycosis fungoides 4 Pityriasis rosea 4 diskoider (CDLE) oder subakut kutaner Lupus erythematodes (SCLE) 4 Erythrasma (befällt Leistenregion; es fehlt die Randbetonung; ziegelrote Fluoreszenz im Wood-Licht) 4 > Memo »Wenn eine Läsion schuppt, sollte eine Mykose ausgeschlossen werden«.
Tinea manus/manuum Klinik
20
4 meist einseitig lokalisiert, greift erst bei längerem Bestehen auf die andere Hand über 4 am häufigsten squamös-hyperkeratotische oder hyperkeratotischrhagadiforme Tinea manus mit Befall der Palmae, der palmaren Fingeranteile und der Fingerkuppen 4 in der Hohlhand feine, teils auch Collerette-artige Schuppung mit Akzentuierung im Bereich der Handlinien 4 dyshidrosiforme Tinea manus: juckende Bläschen und Pusteln an Handtellern, seitlichen und volaren Fingerregionen 4 »One-hand/two feet«-Mykose: beide Fußsohlen sowie eine Handfläche (meist die dominante Hand) betroffen
173 20.13 · Superfizielle Mykosen (Dermatomykosen)
Differenzialdiagnosen 4 hyperkeratotisch rhagadiformes oder dyshidrosiformes Handekzem (mit beidseitigem Befall) 4 atopisches Handekzem 4 Kontaktekzeme 4 Psoriasis palmaris (häufig Psoriasisläsionen auch an anderer Stelle) 4 Mykidreaktion der Hände (wie bei Fußmykose)
Tinea pedis/pedum 4 Synonym: Fußpilz 4 eine der häufigsten dermatologischen Erkrankungen (Prävalenz in Deutschland bei Erwachsenen etwa 20%)
Klinik 4 interdigitale Form am häufigsten 5 Mazeration und groblamelläre Schuppung vornehmlich in den besonders engen 3. und 4. Zehenzwischenräumen 4 squamös-hyperkeratotische Form 5 charakterisiert durch eine wenig entzündliche diffus schuppende Keratose der gesamten Fußsohle 5 oft fälschlicherweise als Hauttrockenheit fehlinterpretiert 4 Mokassin-Mykose 5 an den Fußrändern scharf begrenzte, randbetonte Schuppung auf erythematösem Grund 4 vesikulös-dyshidrotische Tinea pedis 5 besonders am Fußgewölbe sowie Klein- und Großzehballen dyshidrosiforme, oft leicht getrübte Bläschen auf entzündlich gerötetem Grund 5 heftiger Juckreiz 5 gelegentlich zusätzlich dyshidrosiformes Mykid an den Händen
Differenzialdiagnosen 4 zum intertriginösen Typ der Tinea pedis 5 einfache Intertrigo 5 bakterielle Fußinfekte (insbesondere gramnegativer Fußinfekt) 5 Kandidose 4 zum squamös-hyperkeratotischen Typ der Tinea pedis 5 hyperkeratotische oder hyperkeratotisch rhagadiforme Fußekzeme 5 Psoriasis plantaris 5 Lichen ruber 5 hereditäre Palmoplantarkeratosen 4 zum dyshidrosiformen Typ der Tinea pedis 5 dyshidrosiforme Ekzeme (meist doppelseitig) 5 Pustulosis palmoplantaris 5 ! Cave Wichtige Komplikation der Tinea pedis sind Erysipele der unteren Extremität. Erosionen und Rhagaden in den Zehenzwischenräumen stellen häufig eine Eintrittspforte für Bakterien dar.
20
Eigene Notizen
174
Kapitel 20 · Infektionskrankheiten der Haut
Eigene Notizen
Tinea unguis/unguium 4 Synonym: Onychomykose (Tinea unguium bei Verursachung durch Dermatophyten) 4 bis zu 40% aller Nagelerkrankungen sind auf Onychomykosen zurückzuführen 4 über 80% aller Onychomykosen gehen auf eine Dermatophyteninfektion zurück, in 10–20% sind Hefen oder Schimmel verantwortlich 4 betrifft häufiger die Füße (ausgehend von einer Tinea pedis) als die Hände, bei Befall der Hände sind die Füße meist mitbetroffen 4 begünstigende Faktoren 5 genetische Disposition 5 rezidivierende Traumen durch zu enges Schuhwerk und Fußfehlstellungen 5 Angiopathien und Polyneuropathien, etwa im Rahmen eines Diabetes mellitus
Klinik 4 häufig assoziiert mit Mykosen der Leistenhaut 4 leicht gelbliche Verfärbung der Nagelplatte bis hin zum vollständigen krümeligen Zerfall 4 im Hinblick auf therapeutische Aspekte werden unterschieden: 5 distolaterale subunguale Onychomykose (DLSO) J häufigste Form J Pilz (meist T. rubrum) dringt via Hyponychium in die Unterseite der Nagelplatte ein und breitet sich von distal langsam nach proximal zur Matrix aus 5 weiße superfizielle Onychomykose (WSO; Leukonychia trichophytica) J gekennzeichnet durch weißliche Maculae mit Pilzelementen (oft T. interdigitale) in den oberen Schichten des Nagelkeratins 5 proximale subunguale Onychomykose (PSO) J Eindringen des Pilzes über das Eponychium zur Nagelmatrix und in die Nagelplatte 5 total dystrophische Onychomykose (TDO) J weitgehende Zerstörung der Nagelplatte als Endzustand der 3 vorgenannten Formen
Differenzialdiagnosen 4 4 4 4 4
Psoriasis vulgaris des Nagelorgans Lichen ruber Trauma des Nagelorgans paraunguale Ekzeme > Memo Ein Pilznachweis schließt eine Nagelpsoriasis nicht aus.
Trichomykosen
20
4 Dermatophytosen der Terminalhaare 4 aus klinisch-praktischen Erwägungen wird zwischen Tinea im engeren Sinne, Mikrosporie und Favus (Tinea favosa) unterschieden
175 20.13 · Superfizielle Mykosen (Dermatomykosen)
4 Tinea capitis im engeren Sinne (sensu stricto) (. Abb. 28, Farbteil) 5 häufigste Dermatophytose im Kindesalter 5 anthropophile Erreger: insbesondere T. tonsurans, T. violaceum und T. soudanense verursachen endotriche Infektion des Haares 5 das Haar ist bei intakter Kutikula mit Sporen angefüllt und aufgrund der Trichomalazie als kleiner schwarzer Punkt in der Follikelöffnung erkennbar (»black-dot ringworm«) 5 Kopfhaut zeigt bei fehlender oder geringer Rötung oft nur eine pityriasiforme Schuppung 5 dringen die Pilze an den Haarfollikeln in die Tiefe vor, so kommt es zu follikulären Pusteln mit u. U. massiver eitriger Sekretion, die mit Allgemeinerscheinungen (Fieber, Kopfschmerzen, Lymphknotenschwellung) einhergehen können 5 Maximalvariante: Kerion (griech. Honigwabe) Celsi (Celsus: römischer Arzt, 30 vor Chr. bis 40 nach Chr.) mit abszedierender tiefer Infektion des Haarfollikels 5 Zerstörung der Haarwurzeln mit bleibender Alopezie (Pseudopeladezustand) möglich 4 Mikrosporie 5 nicht-abszedierende, fast reaktionslos verlaufende tiefe Follikulitis durch M. audouinii oder M. canis 5 betroffen fast nur präpubertäre Kinder 5 glanzlose Haare brechen in den wie mit Mehl bestäubt erscheinenden Herden kurz über dem Haarboden ab 5 wichtigste Differenzialdiagnose: Alopecia areata 4 Favus 5 gekennzeichnet durch Myzelmassen enthaltende, schildchenförmige Schuppenkrusten (= Scutula; Scutulum = Schildchen), die sich im und um den Haarfollikel herum entwickeln 5 Erreger: Trichophyton schoenleinii 5 unangenehmer Geruch (soll an Mäuseurin erinnern) 5 früher in Mitteleuropa endemisches Auftreten, jetzt vorrangig im Mittleren und Nahen Osten 5 Abheilung mit narbiger Alopezie (Pseudopeladezustand) 4 Tinea barbae 5 tiefe abszedierende Follikulitis der Barthaare insbesondere durch T. verrucosum 5 oft von Allgemeinsymptomen begleitet, Lymphadenopathie 5 zunächst vereinzelte eitrige Follikulitiden, wobei die Erreger beim Rasieren weiterverbreitet werden 5 Vordringen der oberflächlichen Entzündung mit Rötung, Schuppung und Pusteln in die Tiefe der Haarfollikel, es resultieren weiche, infiltrierte, furunkuloide Knoten 5 bei Landwirten nach Nachweis der Kausalkette (Rinder als Wirt) Anerkennung als Berufskrankheit möglich
20
Eigene Notizen
176
Kapitel 20 · Infektionskrankheiten der Haut
Eigene Notizen
Differenzialdiagnosen: 4 bakterielle Follikulitiden, insbesondere staphylogene und gramnegative Follikulitis 4 Candidafollikulitis 4 Aktinomykose 4 Tuberculosis cutis colliquativa
Mykide 4 infektassoziierte sterile Immunreaktion vom verzögerten Typ gegen Pilzantigene (Dermatophytid) 4 Mykide können auch während intensiver Behandlung einer manifesten Mykose auftreten, vermutlich ausgelöst durch verstärkte Antigenfreisetzung nach Abtötung der Erreger 4 Mykide bilden sich nach Behandlung der Mykose spontan zurück
Klinik 4 häufigste Form: symmetrische, dyshidrosiforme Eruptionen an Händen und Füßen 4 seltener ist der Lichen trichophyticus: symmetrisch am Stamm gruppiert stehende, blasse, rötliche, spitzkegelige, follikuläre Papeln
20.13.2
20
Dermatomykosen durch Hefepilze (Kandidosen)
4 Hefen der Gattung Candida finden sich beim Menschen als Kommensale im Gastrointestinaltrakt, oberen Respirationstrakt sowie im weiblichen Genitalbereich 4 es handelt sich hierbei um eine Kolonisation, nicht um eine Infektion, wobei sich letztere jedoch nach Eintreten bestimmter Prädispositionsfaktoren relativ rasch manifestieren kann: 5 lokale Prädispositionsfaktoren J vorbestehende Haut- und Schleimhauterkrankungen J oral angewandte Steroide J chronische Mazeration der Haut (besonders der Intertrigines) J erhöhte Schweißneigung J Okklusion durch Verbände, geschlossenes Schuhwerk J Eintrittspforten durch Kunststoffteile: Venenverweilkatheter, Implantate 5 systemische Prädispositionsfaktoren J > Memo »very old, very young, very sick« J gestörte zellvermittelte Immunantwort bei Neugeborenen und Greisen, angeborene Immunmangelsyndrome, HIV-Infektion, unter zytostatischer und immunsuppressiver Therapie, bei Neutropenie J endokrine Faktoren: Schwangerschaft, Diabetes mellitus, Morbus Cushing, Morbus Addison, Hypoparathyreoidismus, Hypothyreose
177 20.13 · Superfizielle Mykosen (Dermatomykosen)
J bei Hypoalimentation und Marasmus, Eisen- und Zinkmangel J iatrogen unter Therapie mit Östrogenen, Kortikosteroiden, Immunsuppressiva, Zytostatika, Antibiotika 4 mit Abstand häufigster Erreger: Candida albicans
Diagnostik 4 bei schuppenden Herden: Entnahme von Schuppenmaterial und Direktpräparat wie unter Dermatophytosen beschrieben 4 bei Läsionen an den Schleimhäuten und Intertrigines: Abstrich von der Oberfläche 4 Anzüchtung auf Nährböden; Kulturergebnis liegt nach meist 1–4 Tagen vor: weiße, cremefarbene oder rote Kolonien mit matter Oberfläche ohne Luftmyzel 4 Differenzierung der Hefespezies anhand der Kulturmakromorphologie ist im Allgemeinen nicht möglich: daher Reisextraktagar (C. albicans bildet charakteristische dickwandige Dauersporen = Chlamydosporen) 4 aufwändiger ist die Differenzierung anhand physiologischer Leistungen mittels Assimilations- und Fermentationstests
Therapie 4 Ausschalten von Prädispositionsfaktoren (oft opportunistische Infektionen) 4 topische und ggf. systemische antimykotische Therapie 4 wirksame Substanzklassen sind insbesondere Polyene (Nystatin, Amphotericin B), Azole 4 Auswahl geeigneter Grundlagen in Abhängigkeit von der Lokalisation: Cremes und Salben für Körperstamm und Extremitäten, Pasten für Intertrigines, Lacke für Nägel, Suppositorien und Vaginaltabletten für die Vaginalregion, Lutschtabletten und Suspensionen für die Mundschleimhaut 4 bei stark entzündlichen Verläufen ggf. kurzfristige Kombinationstherapie mit topischen Steroiden (für maximal 5 Tage) 4 systemische Therapie einer lokalen Kandidose mit Azolen (Fluconazol, Itraconazol; ggf. Voriconazol, Posaconazol) 4 Amphotericin, Echinocandine und Flucytosin müssen i.v. verabreicht werden und sind vornehmlich der Therapie invasiver Kandidosen vorbehalten 4 Griseofulvin bei Hefen nicht wirksam
Candidaintertrigo 4 häufigste Komplikation einer Intertrigo 4 Hauptlokalisation sind die anatomischen oder funktionellen intertriginösen Hautregionen (Axillae, Leistenbeugen, Bauchfalten, Submammär-, Perigenital- und Perianalregion)
Klinik 4 relativ scharfe Begrenzung durch eine dem entzündlich geröteten und nässenden Herdzentrum zugewandte Schuppenkrause (Collerette)
20
Eigene Notizen
178
Kapitel 20 · Infektionskrankheiten der Haut
Eigene Notizen
4 randwärts mitunter als Primäreffloreszenzen kleine Pusteln mit weißgelblichem Inhalt (im Gegensatz zur meist staphylogenen Ostiofollikulitis nicht an die Haarfollikel gebunden) 4 Streuherde (Satellitenläsionen) in der näheren Umgebung (»islands in front of the coast«)
Differenzialdiagnosen 4 4 4 4
einfache Intertrigo toxische oder allergische Kontaktdermatitis intertriginöse Psoriasis vulgaris Morbus Hailey-Hailey
Candidaparonychie und Candidaonychomykose Klinik 4 vor allem unter chronischer Belastung der Hände, beispielsweise durch ständige Durchfeuchtung, entwickeln sich Rötung und Schwellung des Nagelwalls an einem oder mehreren Fingern, häufig mit spontaner oder druckinduzierter Eiterentleerung 4 bei chronisch-mukokutaner Kandidose kommt es nicht selten zur Mitbeteiligung der Nagelorgane (dystrophische Onychomykose)
Differenzialdiagnosen 4 Paronychie und Onychodystrophie durch Dermatophyten und Bakterien (Staphylokokken, Streptokokken, Pseudomonas aeruginosa, Proteus mirabilis), selten auch durch Schimmelpilze
Akute pseudomembranöse Kandidose Synonym: Soor Klinik 4 bevorzugt an Wangenschleimhaut und Gaumen stippchenförmige, später konfluierende, weiße, in Abgrenzung zur Leukoplakie mit Holzspatel abstreifbare Beläge 4 darunter zeigt sich eine hochrote, leicht blutende Schleimhaut 4 ggf. Mitbefall von Zunge, Pharynx und Ösophagus 4 Auftreten vorwiegend bei Neugeborenen sowie bei Immundefizienz
Differenzialdiagnosen 4 4 4 4
Lichen ruber der Mundhöhle Plaques muqueuses bei sekundärer Syphilis bei HIV-Infizierten Haarleukoplakie an den Seitenkanten der Zunge zu beachten ist die Möglichkeit der gleichzeitigen Manifestation mehrerer der angeführten Erkrankungen
Candidafollikulitis Klinik
20
4 insbesondere im Bartbereich erwachsener Männer honiggelbe Krusten, kleine follikuläre Pusteln oder mit Krusten bedeckte, von Pusteln durchsetzte Papeln und Knoten
179 20.13 · Superfizielle Mykosen (Dermatomykosen)
4 prädisponierende Faktoren: Diabetes mellitus; allgemeine oder örtliche Schwächung der Abwehrlage bei malignen Lymphomen, Leukämien, HIV/AIDS, Glukokortikoid- und Zytostatikabehandlung sowie inadäquate längerfristige Vorbehandlung von Hauterscheinungen mit Glukokortikoiden und Antibiotika
Differenzialdiagnosen 4 4 4 4
Impetigo contagiosa Tinea barbae staphylogene Ostiofollikulitis gramnegative Follikulitis
Chronische mukokutane Kandidose (CMC) 4 heterogene Gruppe seltener und angeborener Syndrome, die durch chronische und rezidivierende Candida-Infekte von Haut und Schleimhaut gekennzeichnet sind 4 Auftreten von Kandidosen gleichzeitig an Haut, Nägeln und Schleimhäuten verschiedener Körperregionen, oft bereits im Kindesalter 4 selten finden sich bei diesen Patienten disseminierte oder systemische Infektionen 4 sekundäre Formen bei: 5 chronischen Infektionen (HIV-Infektion) 5 Stoffwechselerkrankungen (Diabetes, Übergewicht) 5 malignen Tumoren, insbesondere Lymphomen/Thymomen 5 therapieinduzierter Abwehrschwäche (Immunsuppressiva, Zytostatika, Glukokortikoide)
Vulvovaginale Kandidose 4 von Hefepilzen der Gattung Candida hervorgerufene Entzündung der Vulva und/oder der Vagina 4 vermutlich erkranken drei von vier Frauen wenigstens einmal im Leben an einer vulvovaginalen Kandidose 4 in 80–90% der Fälle Erreger Candida albicans 4 begünstigende Faktoren: Schwangerschaft, Diabetes mellitus, orale Kontrazeptiva, Glukokortikoidtherapie, antimikrobielle Chemotherapie (sowohl systemisch als auch lokal), mechanische Reize (Intrauterinpessare, Koitus), mechanische und chemische Irritation (Scheidenspülungen)
Klinik 4 reichlich weißlichcremiger bis käsigkrümeliger Ausfluss 4 weißliche, abwischbare Auflagerungen auf der Scheidenwand 4 ausgeprägtes Erythem der Vulva und der angrenzenden Inguinalregion
Differenzialdiagnosen 4 bakterielle Vaginose 4 bakterielle Vaginitis insbesondere mit Nachweis von Streptokokken der Gruppe A
20
Eigene Notizen
180
Kapitel 20 · Infektionskrankheiten der Haut
Eigene Notizen
4 4 4 4 4 4
Trichomoniasis Herpes genitalis Chlamydieninfektion (bei leukozytärem Fluor der Zervix) Gonorrhö Lichen ruber mucosae verschiedene Ekzemformen
Candidabalanitis 4 insbesondere durch C. albicans hervorgerufene Infektion der Glans penis und des Präputiums 4 begünstigend wirken feuchtwarmes Milieu im Präputialraum, mangelhafte Hygiene, speziell ungenügende Abtrocknung nach dem Waschen oder bei Vorliegen einer Candidavulvovaginitis bei Sexualpartnerinnen
Klinik 4 umschriebene Rötungen, grauweißliche Auflagerungen oder nässende Erosionen im Vorhautraum (Balanoposthitis) 4 im Krankheitsverlauf ggf. akut oder subakut entzündliche Schwellung des inneren Präputialblatts bis zur entzündlichen Phimose 4 bakterielle Sekundärinfektion 4 subjektiv Brennen und Juckreiz
Differenzialdiagnosen 4 4 4 4 4 4 4 4
bakteriell bedingte Infektionen allergisches Kontaktekzem Balanitis plasmacellularis Zoon Lichen sclerosus et atrophicus Balanitis erosiva circinata Herpes-simplex-Infektionen Psoriasis inversa Erythroplasie Queyrat
20.13.3
20
Pityriasis versicolor
4 Synonym: Tinea versicolor (der Begriff Tinea sollte jedoch den Dermatophytosen vorbehalten sein) 4 eine der häufigsten superfiziellen Mykosen der Haut 4 durch lipophile Hefen der Gattung Malassezia verursacht 4 betroffen vor allem Jugendliche und jüngere Menschen in der 2. und 3. Lebensdekade, nach dem 60. Lebensjahr Inzidenz deutlich geringer 4 in tropischen bis subtropischen Regionen etwa jeder Zweite erkrankt; in Nord- und Mitteleuropa Inzidenz 0,5–1% mit einem jahreszeitlichen Maximum in den Monaten Mai bis September 4 Prädispositionsfaktoren 5 tropisch-feuchtwarmes Makroklima 5 individuelle Schweißneigung (ggf. beeinflusst durch Hyperthyreose, Tuberkulose, Malignome)
181 20.14 · Infektionen mit Herpes-simplex-Viren
5 Einflüsse des Mikroklimas (Okklusion) 5 Anwendung lipidhaltiger Externa 4 hohe Rezidivneigung
Klinik 4 hell- bis dunkelbraune, zum Teil rötliche Makulae bevorzugt in den talgdrüsenreichen Arealen des Körperstammes 4 Läsionen sind anfänglich 3–5 mm groß, neigen im Verlauf zu landkartenartiger Konfluenz 4 beim Streichen über die Läsionen mit einem Holzspatel entsteht eine feine, kleieartige (pityriasiforme) Schuppung (Hobelspanphänomen) 4 häufig unter UV-Exposition Umwandlung der hyperpigmentierten Areale in weiße, nicht oder nur gering schuppende Läsionen (Pityriasis versicolor alba); Repigmentierung kann bis zu einigen Monaten dauern
Diagnostik 4 Diagnosestellung erfolgt klinisch, ggf. ergänzt durch Wood-Licht-Untersuchung (gelblich-grüne Fluoreszenz) 4 im KOH-Nativpräparat zeigen sich charakteristische kurze, zum Teil fragmentierte Pilzfäden neben runden Hefezellen (»Spaghetti und Fleischklößchen«) 4 Kultur verzichtbar
Differenzialdiagnosen: 4 hyperpigmentierte Läsionen 5 seborrhoisches Ekzem (zeigt stärkere entzündliche Komponente) 5 Pityriasis rosea 5 Tinea corporis 4 hypopigmentierte Läsionen (Pityriasis versicolor alba) 5 Vitiligo 5 postinflammatorische Hypopigmentierung
Therapie 4 topische Azolzubereitungen, Azol-haltiges Shampoo 4 bei ausgedehnten Herden und häufigen Rezidiven ggf. systemische antimykotische Therapie mit z. B. Itraconazol
20.14
Infektionen mit Herpes-simplex-Viren
4 Krankheiten durch Infektion mit den DNA-Viren Herpes simplex-Virus Typ 1 (HSV-1) oder Typ 2 (HSV-2) 4 beide Subtypen können orofaziale bzw. genitale Infektionen verursachen, HSV-2 prädominiert im Genitalbereich, HSV-1 in der Orofazialregion 4 Infektionen in der Kindheit oft inapparent 4 Durchseuchung bei HSV-1: >95% der Bevölkerung, Durchseuchung bei HSV-2: 25–50%, mit Beginn sexueller Aktivität
20
Eigene Notizen
182
Kapitel 20 · Infektionskrankheiten der Haut
Eigene Notizen
4 Erstinfektion über Schleimhautverletzungen und Erosionen; von dort retrograder intraaxonaler Transport zu den sensorischen Ganglien, dort Persistenz 4 Rezidive möglich über Reaktivierung nach Einwirkung verschiedener Faktoren wie UV-Licht, Fieber, lokale/systemische Immunsuppression 4 Inkubationszeit: 3–8 Tage 4 Übertragung auch durch asymptomatische Träger möglich
20.14.1
Orofaziale HSV-Infektion
4 Erstinfektion führt zur Gingivostomatitis herpetica 5 meist bei Kleinkindern 5 ausgedehnte Erosionen mit hämorrhagischen Krusten, mitunter auch Ulzerationen im Bereich der gesamten Mundschleimhaut und der Lippen verbunden mit Foetor ex ore 5 Fieber, beeinträchtigtes Allgemeinbefinden, lokale Lymphadenitis 4 bei Rezidiv 5 kleine, gruppiert (»herpetiform«) stehende Bläschen auf gerötetem Grund, Dysästhesien und Neuralgien, oft stark schmerzhaft 5 Prädilektionsstellen: Lippen (= Herpes labialis) 4 Eczema herpeticatum 5 ausgedehnte orofaziale HSV-Infektionen bei Patienten mit atopischem Ekzem oder M. Darier 5 betroffen besonders die von der Grunderkrankung erfassten Hautareale, Ausdehnung auf die gesamte Haut möglich 4 periunguale HSV-Infektion (»herpetischer Umlauf«) 5 periunguales Erythem, Schmerz und gruppierte Bläschen 5 ! Cave Keine Inzision oder Drainage! 5 Differenzialdiagnosen: Panaritium, Candida-Paronychie
20.14.2
20
Genitale HSV-Infektion
4 Erstinfektion führt zur Vulvovaginitis herpetica oder Balanoposthitis herpetica 5 disseminierte, rasch erodierende Bläschen, im Verlauf mitunter schmerzhafte Ulzerationen, bilaterale Lymphadenopathie; ZervixBefall in 80% der Fälle 5 Balanoposthitis herpetica verläuft meist milder als die Vulvovaginitis herpetica 5 Rezidive verlaufen milder 4 seltenere Manifestationsorte 5 Gluteal- und Oberschenkelregion 5 Anorektalregion: schmerzhafte Krämpfe, möglicher Harn- oder Stuhlverhalt
183 20.15 · Varizella–Zoster-Virus-(VZV)-Infektionen
4 Herpes simplex vegetans 5 schwere kutane Verlaufsform infolge Immundefizienz (bei hämatologischen Grunderkrankungen, HIV-Infektion, Autoimmunerkrankungen) 5 aus initial hämorrhagisch-nekrotisierenden Läsionen entwickeln sich persistierende, stark schmerzhafte Ulzerationen mit Größenprogredienz 4 postherpetisches Erythema exsudativum multiforme (EEM) 5 bei bis zu 95% der EEM-Patienten HSV-Rezidive als verantwortliche Auslöser
Diagnostik 4 charakteristische Klinik 4 Virusnachweis aus Bläschenmaterial mittels Immunfluoreszenz oder PCR 4 Tzanck-Test: Nachweis von mehrkernigen Riesenzellen in der Abklatschzytologie
Differenzialdiagnosen 4 initialer Herpes zoster (ist i. d. R. unilateral, nur sehr selten Rezidive in loco) 4 zur Gingivostomatitis herpetica: Herpangina (Infektion mit CoxsackieViren) 4 zur genitalen HSV-Infektion: Aphthen, M. Behçet, Lues im Stadium I 4 anogenitale Läsionen: CMV-Infektion
Therapie 4 topische Virustatika (Aciclovir) bzw. Antiseptika 4 bei schweren Verläufen bzw. Eczema herpeticatum systemische Virustatika wie Aciclovir 4 ggf. Rezidivprophylaxe, insbesondere bei rezidivierendem, durch HSV getriggerten Erythema exsudativum multiforme
20.15
Varizella–Zoster-Virus-(VZV)-Infektionen
20.15.1
Varizellen
4 Synonym: Windpocken, Chicken-Pox 4 Erstinfektion mit dem Varizella-Zoster-Virus (VZV), gehört zur Herpes-Virusgruppe 4 meist in der Kindheit auftretend 4 in ca. 30% der Fälle klinisch inapparent 4 Inkubationszeit: 2–3 Wochen
Klinik 4 rasch aufschießende rötliche Maculae an Kopfhaut und Stamm, die sich rasch vesikulös umwandeln und dann krustös abheilen
20
Eigene Notizen
184
Kapitel 20 · Infektionskrankheiten der Haut
Eigene Notizen
4 asynchrone Entwicklungsstadien ergeben ein polymorphes Bild: sog. Heubner-Sternkarte 4 Handteller und Fußsohlen sind ausgespart 4 Enanthem 4 starker Juckreiz 4 Narben werden durch Kratzen und resultierende Sekundärinfektion hervorgerufen 4 bei Manifestation im Erwachsenenalter oft ausgeprägte Allgemeinsymptomatik (Fieber, Kopfschmerz, Abgeschlagenheit), ggf. Pneumonie, Meningoenzephalitis 4 Varizelleninfektion in der Schwangerschaft: Risiko der Embryopathie
Diagnostik 4 charakteristische Klinik 4 VZV-Nachweis im Bläscheninhalt mittels Immunfluoreszenz oder PCR
Differenzialdiagnosen 4 Zoster generalisatus (unter Immunsuppression auftretend; Effloreszenzen finden sich hier meist im gleichen Entwicklungsstadium) 4 disseminierte HSV-Infektion 4 multiple Insektenstiche
Therapie 4 topische austrocknende und antiseptische Therapie (z. B. Lotio alba aquosa, Clioquinol-Lotio) 4 Antihistaminika zur Juckreizstillung 4 bei schweren Verläufen systemische Gabe von Aciclovir 4 bei VZV-Kontakt seronegativer Schwangerer oder immunsupprimierter Patienten: VZV-Immunglobulin 4 Prophylaxe durch Impfung: für Kinder ab vollendetem 1. Lebensjahr sowie seronegative Risikogruppen
20.15.2
Herpes zoster
4 Synonym: Gürtelrose 4 hervorgerufen durch Reaktivierung von VZV, das nach Varizelleninfektion in sensorischen Ganglien des ZNS »latent« persistiert 4 Erkrankungsgipfel: 50. bis 70. Lebensjahr 4 bei Erkrankung jüngerer Patienten sollten Zustände einer Immunsuppression abgeklärt werden
Klinik
20
4 Prodromalstadium: Dysästhesie oder Schmerz im Versorgungsgebiet des betroffenen Nerven ohne sichtbare Hautveränderungen 4 im Bereich eines Dermatoms, seltener mehrerer benachbarter Dermatome, finden sich gruppierte Vesikel auf gerötetem Grund, die gelegent-
185 20.15 · Varizella–Zoster-Virus-(VZV)-Infektionen
4 4
4
4
lich eintrüben; gelegentlich hämorrhagisch-nekrotisierende Umwandlung (. Abb. 29, Farbteil) gelegentlich aberrierende, in andere Segmente streuende Bläschen Sonderform: Zoster generalisatus 5 generalisiertes, Varizellen-artiges Bild 5 Beginn meist segmental 5 besonders bei immunsupprimierten Patienten postzosterische Neuralgie 5 starke Schmerzen im betroffenen Dermatom, die auch 4 Wochen nach Abheilung der Hautläsionen noch bestehen 5 z. B. Trigeminusneuralgie nach Herpes zoster im Versorgungsgebiet des V. Hirnnerven besondere Varianten 5 Zoster ophthalmicus J Befall des 1. Trigeminusasts (Nervus ophthalmicus) J in 50% der Fälle mit Augenbeteiligung (Keratitis, Erosionen der Cornea) J Bläschen an der Nasenspitze: Beteiligung des Nervus nasociliaris bedeutet höhere Wahrscheinlichkeit einer Augenbeteiligung 5 Zoster oticus J nur geringe sensible Anteile im äußeren Gehörgang und am weichen Gaumen J oft Beteiligung des Innenohres bei Befall des 7./8. Hirnnerven mit Hörminderung, Schwindel und Befall motorischer Fasern (Fazialisparese)
Diagnostik 4 charakteristisches klinisches Bild 4 Nachweis von VZV im Bläscheninhalt mittels Immunfluoreszenz oder PCR 4 bei Zoster ophthalmicus ophthalmologische Diagnostik, bei Zoster oticus HNO-ärztliche Mitbetreuung
Differenzialdiagnosen 4 4 4 4
Herpes-simplex-Infektion hämorrhagische und bullöse Verlaufsformen des Erysipels Kontaktekzem Photodermatitis
Therapie 4 topische austrocknende und antiseptische Therapie (z. B. ClioquinolLotio) 4 systemische Virustatika (Aciclovir, Valaciclovir, Brivudin) 4 Schmerztherapie 4 > Memo Ein Herpes zoster kann sich nur nach einer vorangegangenen VZV-Infektion entwickeln, die apparent (in Form von Varizellen) oder inapparent verlaufen ist. VZV-seronegative Individuen können sich durch Kontakt mit Varizellen- oder Herpes-zoster-Patienten anstecken und entwickeln dann Varizellen.
20
Eigene Notizen
186
Kapitel 20 · Infektionskrankheiten der Haut
Eigene Notizen
20.16
Infektionen mit humanen Papillomviren (HPV)
4 große Gruppe eng verwandter DNA-Viren 4 >100 Subtypen mit unterschiedlicher Epithelaffinität und klinischer Manifestation 4 Verbreitung durch Autoinokulation von Mensch zu Mensch 4 einige HPV weisen onkogene Potenz auf: HPV-16, -18, -31, -33 und -45; sie können Zervixkarzinome und intraepitheliale Neoplasien an Zervix, Vulva, Vagina, Penis und Anus hervorrufen 4 HPV-Typisierung daher bei genitalen Läsionen sinnvoll
20.16.1
4 4 4 4 4
Verruca vulgaris (Viruswarze vom Hauttyp)
hervorgerufen meist durch HPV-1, -2 und -4 hyperkeratotische papillomatöse Tumoren zeigen intraläsional punktförmige Einblutungen (Kapillarthromben) führen zur Unterbrechung der Papillarleisten Prädilektionsstellen: Akren (= Hautregionen mit niedrigerer Körpertemperatur)
Diagnostik 4 charakteristisches klinisches Bild 4 ggf. Histologie
Differenzialdiagnosen 4 4 4 4
Molluscum contagiosum Clavus (»Schwiele«) aktinische Keratose spinozelluläres Karzinom
Therapie 4 hohe Spontanheilungsrate 4 schmerzhafte und narbenträchtige therapeutische Prozeduren sollten vermieden werden 4 Keratolyse (mit Salicylsäure-haltigem Pflaster) und anschließende mechanische Abtragung 4 Kryotherapie 4 Virustatika-haltige Lacke, Fluorouracil-Lösung; ggf. Imiquimod (offlabel) 4 ggf. Laserablation
20.16.2
20
Plantarwarzen
4 Synonym: Dornwarzen 4 HPV-1, -2, -4, seltener -60 und -63
187 20.16 · Infektionen mit humanen Papillomviren (HPV)
Klinik
Eigene Notizen
4 oft solitäre Papel im Bereich der Plantae mit reaktiver Hyperkeratose 4 endophytisch wachsend (Name!), druckschmerzhaft 4 Sonderform: Mosaikwarzen mit diffus-flächiger Anordnung kleinerer Warzen
Diagnostik 4 punktförmige Hämorrhagien 4 Papillarleistenverlust 4 Druckschmerz
Differenzialdiagnosen 4 Klavus (druckinduzierte reaktive Hyperkeratose) 4 verruköses Plattenepithelkarzinom (Epithelioma cuniculatum)
Therapie 4 Keratolyse und anschließende mechanische Entfernung; ggf. Entfernung mittels scharfem Löffel (Exkochleation) 4 ggf. adjuvante Therapie einer zugrunde liegenden Hyperhidrose
20.16.3
Verrucae planae (juvenilis)
4 hervorgerufen durch HPV-3 und -10, seltener durch -28 und -29
Klinik 4 4 4 4
1–2 mm große hautfarbene, plane Papeln besonders an Gesicht und Handrücken Verbreitung durch Autoinokulation (Kratzen) betroffen meist Kinder und Jugendliche
Differenzialdiagnosen 4 Epheliden 4 Xanthelasmen 4 kleine und flache Verrucae seborrhoicae
Therapie 4 wegen des isomorphen Reizeffektes sollten invasive therapeutische Maßnahmen mit Zurückhaltung eingesetzt werden 4 Kryotherapie 4 topische Retinoide, z. B. Tretinoin
20.16.4
20
Condylomata acuminata
4 Synonym: Feigwarzen, Genitalwarzen 4 häufigste virale sexuell transmittierte Infektion
188
Kapitel 20 · Infektionskrankheiten der Haut
Eigene Notizen
4 Infektion der genitoanalen Übergangsschleimhaut, meist durch HPV-6 und -11, seltener durch HPV mit hohem onkogenen Potenzial (Risiko insbesondere für Zervixkarzinom)
Klinik 4 kleine weiße Papeln mit rascher Größenzunahme 4 Neigung zur flächigen Ausbreitung mit Bildung papillomatös-verruziformer Beete 4 mitunter langes Zeitintervall zwischen Infektion und klinischer Manifestation 4 im Falle des Auftretens bei Kindern Möglichkeit des sexuellen Missbrauchs erwägen 4 abzugrenzen ist die bowenoide Papulose: 5 genitales Carcinoma in situ, oft hervorgerufen durch HPV-16 oder -18 5 bräunlich-pigmentierte Papeln im Bereich der genitoanalen Haut, insbesondere am Penisschaft
Diagnostik 4 Betupfen betroffener Areale mit 5%iger Essigsäure führt zur weißlichen Verfärbung und erlaubt die Erkennung auch diskreter Kondylome 4 proktologische Untersuchung 4 gynäkologische Untersuchung der Zervix betroffener Frauen 4 Ausschluss weiterer sexuell transmittierter Inefektionen (insbesondere von Lues und HIV) sowie Hepatitis B und C 4 Untersuchung auch der Sexualpartner
Differenzialdiagnosen 4 Condylomata lata bei Lues II (breitbasig aufsitzende, oft erodierte und nässende Papeln; Luesserologie) 4 Mollusca contagiosa 4 freie Talgdrüsen 4 Lichen planus
Therapie 4 4 4 4 4
topisch appliziertes Podophyllotoxin Imiquimod-Creme grüner Tee (Trockenextrakt in Salbe zur topischen Applikation) Kryotherapie Abtragung mittels Laser oder Elektrokauter (Cave: verdampfendes Material muss abgesaugt werden, da infektiös) 4 ggf. Zirkumzision 4 Prävention durch HPV-Impfung 12- bis 17-jähriger Mädchen
20
189 20.18 · Erythema infectiosum
20.17
Molluscum contagiosum
4 Synonym: Dellwarze 4 quaderförmiges DNA-Virus aus der Gruppe der Molluscipoxviren, streng epidermotrop 4 Auftreten überwiegend im Kindesalter 4 Prädisponierend sind atopische Dermatitis, Immundefekte incl. HIV/ AIDS, immunsuppressive Therapien 4 Übertragung durch Fremd- und Autoinokulation
Klinik 4 auf normaler Haut wenige mm große, breitbasig aufsitzende, isoliert oder gruppiert stehende, perlenartige bis mittelderbe, zentral gedellte Papeln (»Dellwarzen«) von weißlicher, gelb bis blassroter Farbe 4 Prädilektionsstellen: Gesicht, Hals sowie periaxilläre, perigenitale und perianale Regionen 4 bei Patienten mit atopischer Dermatitis ggf. Auftreten in großer Zahl (»Eczema molluscatum«) 4 bei Immundefekten finden sich bis zu 1 cm große Dellwarzen (= Molluscum contagiosum giganteum)
Diagnostik 4 charakteristisches klinisches Bild 4 Histologie: infizierte Keratinozyten sind ballonartig aufgetrieben (= Molluscum-Körperchen)
Differenzialdiagnosen: 4 Milien, Hydrozystom 4 Verruca vulgaris 4 bei Immunsupprimierten auch kutane Kryptokokkose
Therapie 4 spontane Abheilung möglich 4 Kürettage der Dellwarzen unter Lokalanästhesie mit z. B. Lidocain/Prilocain-Creme 4 im Falle des Vorliegens zahlreicher Dellwarzen ggf. Abtragung in kurzer Allgemeinanästhesie 4 antiseptische Lokaltherapie kann vor Autoinokulation und Re-Infektion schützen
20.18
Erythema infectiosum
4 Synonym: Ringelröteln; fünfte Krankheit 4 akute, insbesondere bei Kindern auftretende exanthematische Infektionskrankheit 4 Erreger: Parvovirus B19 (kleines, einsträngiges DNA-Virus)
20
Eigene Notizen
190
Kapitel 20 · Infektionskrankheiten der Haut
Eigene Notizen
4 Parvovirus B19 infiziert Retikulozyten und führt zur Lyse 4 Inkubationszeit: 4–14 Tage
Klinik 4 makulopapulöses Exanthem meist ohne Prodromi 4 Beginn meist an den Wangen unter Aussparung der Nasen-/Mundregion (»slapped cheek«), später Befall der Extremitäten; Rumpf meist schwächer betroffen 4 figurierte Morphe durch Konfluenz und zentrale Abblassung der Läsionen: Bild der »Ringelröteln« 4 assoziiert sind Pharyngitis, Lymphadenopathie, Fieber; gelegentlich Arthralgien 4 Komplikation: transitorische aplastische Krise 4 bei Infektion während der Schwangerschaft kommt es je nach Zeitpunkt zu intrauterinem Fruchttod, Hydrops fetalis oder transienter aplastischer Anämie 4 »Papular-purpuric gloves and socks-Syndrom«: bei jungen Erwachsenen nach Parvovirus B19-Infektion an Palmae und Plantae auftretende schmerzhafte Erytheme, Petechien und Purpura
Diagnostik 4 charakteristisches klinisches Bild 4 Titerbestimmung von IgM- und IgG-Antikörpern gegen Parvovirus B 19
Therapie 4 symptomatisch 4 bei Komplikationen ggf. hochdosierte intravenöse Immunglobuline
20.19
20
Hauterscheinungen bei HIV-Infektion und AIDS
4 HIV-Infektion: pandemische Infektion mit dem »human immunodeficiency virus« (HIV-1 oder HIV-2), Lentiviren aus der Familie der Retroviridae 4 AIDS (»acquired immunodeficiency syndrome«): fortgeschrittenes Erkrankungsstadium nach HIV-Infektion; charakterisiert durch AIDSdefinierende Erkrankungen sowie Reduktion der Helferzellen (CD4+T-Zellen <200/mm3) 4 > Memo Das Auftreten von Hautkrankheiten in atypischen Altersgruppen, in atypischer Lokalisation oder Morphologie sowie mit protrahiertem und aggraviertem Verlauf sollte an das Vorliegen einer HIV-Infektion denken lassen. 4 Hauterscheinungen bei Kategorie A (= asymptomatische HIV-Infektion) 5 seborrhoische Dermatitis 5 Herpes zoster
191 20.20 · Trichomoniasis
4 Hauterscheinungen bei Kategorie B (= HIV-Infektion mit Krankheiten und Symptomen, die nicht in die AIDS-definierende Kategorie C fallen, aber durch den Immundefekt begünstigt werden) 5 Pruritus/Xerodermie 5 orale Haarzellleukoplakie (weiße Plaques an den Seitenpartien der Zunge, hervorgerufen durch das Ebstein-Barr-Virus [EBV]) 5 oropharyngeale Candidose (»Soor«) 5 Mollusca contagiosa disseminata und Mollusca contagiosa gigantea 5 ausgedehnte Tinea-Infektionen 5 Condylomata acuminata 5 Verrucae vulgares 5 Herpes simplex (oral, anal) 5 psoriasiforme Exantheme 5 Psoriasis (Exazerbationen mit häufig exsudativem Erscheinungsbild und inversem Verteilungsmuster) 4 Hauterscheinungen bei Kategorie C (= Vorliegen AIDS-definierender Erkrankungen) 5 eosinophile Follikulitis 5 bazilläre Angiomatose 5 vorzeitiges Ergrauen 5 Pyodermien 5 Hautmanifestationen von Systemmykosen und Mykobakteriosen 5 Scabies crustosa 5 Kaposi-Sarkom (7 Abschn. 24.11.4) 4 durch antivirale Therapie (HAART = »highly active antiretroviral therapy«) hervorgerufene Hautläsionen 5 Lipodystrophie: Fettverteilungsstörungen mit Lipoatrophie von Gesicht, Extremitäten und Gesäß, viszeraler Adipositas und dorsozervikaler Lipomatosis (»Stiernacken«)
20.20
Trichomoniasis
4 Erreger: Trichomonas vaginalis (Protozoon = einzelliger eukaryontischer Organismus) 4 urogenitale Infektion vornehmlich durch Sexualkontakt 4 Inkubationszeit 4–21 Tage
Klinik 4 oft oligosymptomatischer Verlauf 4 Frauen: zunächst Vaginitis mit übel riechendem, gelblich-schaumigen Fluor, dann Vulvitis; keine Aszension 4 Männer: meist asymptomatisch, gelegentlich milde Urethritis
Diagnostik 4 Untersuchung von Abstrichmaterial in Kochsalzlösung mittels Nativmikroskopie zeigt bewegliche Flagellaten
20
Eigene Notizen
192
Kapitel 20 · Infektionskrankheiten der Haut
Eigene Notizen
Differenzialdiagnosen 4 vulvovaginale Kandidose (zeigt käsig-krümeligen Ausfluss) 4 bakterielle Vaginose durch anaerobe Bakterien (»Fischgeruch« nach Zugabe von KOH-Lösung auf Ausstrichobjekträger)
Therapie 4 Metronidazol
20.21
Leishmaniose
4 Erreger: Leishmanien = geißeltragende Protozoen, ca. 30 pathogene Spezies 4 Säuger als natürliche Wirte 4 Sandfliegen als Vektoren: Phlebotomus in der »Alten Welt«, Lutzomyia in der »Neuen Welt« 4 Verbreitung weltweit mit Ausnahme von Australien, Endemiegebiete 4 4 Leishmania-Komplexe 5 Leishmania tropica = kutane Leishmaniose der »Alten Welt« 5 Leishmania mexicana = kutane Leishmaniose der »Neuen Welt« 5 Leishmania viannia = kutane und mukokutane Leishmaniose der »Neuen Welt« 5 Leishmania donovani = viszerale Leishmaniose
20.21.1
Kutane Leishmaniose der »Alten Welt«
4 Synonym: Orientbeule 4 kutane Infektion mit Leishmania-tropica-Komplex (Mittelmeerraum, mittlerer Osten) 4 Inokulation durch Sandfliegen (nachtaktiv, Flughöhe <3 m; geringeres Infektionsrisiko bei Aufenthalt/Schlafen nicht in Bodennähe) – komplexer Lebenszyklus 4 Inkubationszeit meist 2–4 Wochen (sehr variabel)
Klinik 4 4 4 4
20
Entwicklung einer Papel, Übergang in Knoten, zentral Ulzeration besonders exponierte Regionen sind Wangen und Arme Abheilung nach ca. 1 Jahr mit Narbe Sonderformen: 5 Leishmania rezidivans – chronischer Verlauf mit Progredienz an der Peripherie 5 disseminierte kutane Form bei Immunsuppression 5 viszerale Leishmaniose (Kala Azar): Dissemination, verläuft unbehandelt meist innerhalb von 1–2 Jahren tödlich
Diagnostik 4 Histologie (Giemsa-Färbung; Donovan-Körperchen in Makrophagen) 4 PCR aus Gewebe
193 20.22 · Pedikulose
Differenzialdiagnosen 4 4 4 4 4
Insektenstichreaktion bakterielle Infektionen, insbes. Furunkel Lymphom Basalzellkarzinom Spinalzellkarzinom
Therapie 4 4 4 4
meist Spontanheilung topisches Paromomycin intraläsionale Injektion von Antimonverbindungen ! Cave Knotige oder ulzerierende Hautläsionen, die nach Aufenthalten in Endemiegebieten auftreten, sollten an eine Leishmaniose denken lassen!
20.21.2
Kutane Leishmaniose der »Neuen Welt«
4 Läsionen sind zahlreicher, destruierender und chronisch verlaufender als bei »Altwelt«-Formen 4 Chiclero-Ulkus: Destruktion des Ohrknorpels bei Waldarbeitern 4 mukokutane Leishmaniose (Espundia): führt zu destruktiven mutilierenden Veränderungen im Gesichtsbereich 4 Therapie: Systemtherapie mit Antimonpräparaten; die Kenntnis der ursächlich zugrunde liegenden Spezies ist wichtig für die Wahl des geeigneten Präparats
20.22
Pedikulose
4 Läusebefall mit Kopflaus (Pediculus capitis), Kleiderlaus (Pediculus vestimentorum) oder Filzlaus (Pediculus pubis bzw. Phthirus pubis) 4 befruchtete Weibchen kleben mit wasserunlöslichem Kitt aus der Anhangsdrüse des Ovars etwa 150–300 Eier in Form der ovalen 0,8 mm langen Nissen an die Kopf- oder Schamhaare (Kopf- und Filzläuse) oder in die Säume von Unterwäsche (Kleiderläuse) 4 nach etwa 8 Tagen Schlüpfen der Larven, nach 3 Häutungen (2–3 Wochen) geschlechtsreif
20.22.1
Pediculosis capitis
4 Kopflaus (Pediculus capitis) ist 2,0–3,5 mm lang, hat drei Paar sehr kräftige, mit Krallen versehene Beine (flügelloses Insekt) 4 Übertragung von Mensch zu Mensch (Kinder und Erwachsene), insbesondere bei Langhaarigen 4 getrennt von ihrem obligaten Wirt überleben Kopfläuse nur 24–36 h, in Ausnahmefällen bis zu 4 Tage
20
Eigene Notizen
194
Kapitel 20 · Infektionskrankheiten der Haut
Eigene Notizen
Klinik 4 insbesondere retroaurikulär durch Stich der Kopfläuse hochrote sukkulente Papeln, Exkoriationen und punktförmige Krusten; Haare sind verklebt oder verfilzt 4 bakterielle Sekundärinfektionen bevorzugt im Nackenbereich 4 schmerzhafte Lymphadenitis im Okzipital- und Halsbereich möglich
Diagnostik 4 Nachweis von Nissen, die knospenartig an die Haare geklebt sind und sich im Gegensatz zu Kopfschuppen nicht vom Haar abstreifen lassen; Prädilektionsstellen sind Haarpartien hinter den Ohren 4 Eier mit noch enthaltender Larve erscheinen dunkel und finden sich meist in Kopfhautnähe, während die »Nissen« weiß wirken. Letztere können auch als leere Eihüllen nach Beseitigung der Läuse noch lange vorhanden sein und sind daher kein Indiz für einen akuten Befall 4 bevorzugter Sitz der Läuse im Bereich des Haarbodens ist der Grund des Haarschafts 4 Auffinden wird durch Kämmen der angefeuchteten Haare mit einem Metallkamm (Zinkenabstand maximal 0,2–0,3 mm) und Verwendung einer Lupe deutlich erleichtert (»wet combing«)
Differenzialdiagnosen 4 Kopfekzem 4 Impetigo contagiosa 4 Tinea capitis
Therapie 4 Lokaltherapie mit Dimeticon (Derivat des Silikons) führt durch Verstopfen der Atmungsöffnungen der Läuse zum Erstickungstod 4 Permethrin ( ! Cave Resistenzentwicklung!)
20.22.2
Pediculosis vestimentorum
4 Kleiderlaus (Pediculus vestimentorum) mit 3–4,5 mm Länge größer als Kopflaus, findet sich unter geordneten sozialen Verhältnissen nur selten; sitzt nicht am Körper, sondern an anliegender Kleidung (rosenkranzartig an den Säumen der Kleider) 4 Kleiderläuse können die Erreger der Rickettsiosen, des Fleckfiebers, des Wolhynischen Fiebers und des Rückfallfiebers übertragen 4 Infektion durch Körperkontakt
Klinik
20
4 als Reaktion der Haut auf Stiche insbesondere periaxillär, genitokrural sowie im Bereich des Rock- und Hosenbundes starker Pruritus mit rötlichen Papeln 4 sekundär impetiginisierte Kratzeffekte (»Vagabundenhaut«)
195 20.23 · Cimikose (Wanzenbefall)
Diagnostik 4 Nachweis von Kleiderläusen und Nissen in den Nähten der Unterwäsche durch Entfernung mittels Pinzette und Betrachtung der Erreger in der Lupenvergrößerung
Therapie 4 Reinigung der Wäsche durch Auskochen oder Desinfektion erforderlich 4 ggf. antiekzematöse Therapie
20.22.3
Pediculosis pubis
4 Filzlaus (Pediculus pubis) kleiner als die Kopf- bzw. Kleiderlaus (1,5– 2 mm Länge) und von breiter, schildförmiger Körperform 4 Filzläuse bewegen sich im Gegensatz zu Kopf- und Kleiderläusen wenig und sind daher schwerer zu erkennen 4 Übertragung bei engem Körperkontakt, häufig während des Geschlechtsverkehrs sowie von Eltern auf Kinder durch Benutzung gemeinsamer Bettwäsche, gemeinsamer Kleidung oder gemeinsamer Handtücher
Klinik 4 bevorzugte Lokalisation im Bereich der Schambehaarung sowie genitoanal, im Bereich der Achselhaare und der Brust- und Bauchbehaarung (insbesondere Regionen mit apokrinen Schweißdrüsen) 4 bei Kleinkindern selten auch Befall der Augenbrauen, Wimpern und des Haarbodens 4 meist gering ausgeprägter Pruritus, nachts stärker als am Tage; es finden sich mitunter wenige Exkoriationen 4 als Folge der Filzlausstiche bilden sich verwaschene, schieferfarbene bis stahlblaue, 2–8 mm große Flecke (= Maculae coeruleae oder »taches bleues«); entsprechen punktförmigen Einblutungen, die unter dem Einfluss von Läusespeichel entstanden sind
Diagnostik 4 Nachweis der Läuse und Nissen
Therapie 4 lokale Anwendung der Insektizide Permethrin, Allethrin oder Pyrethrin, Wiederholung nach einer Woche 4 > Memo Die Mitbehandlung von Kontaktpersonen ist erforderlich.
20.23
Cimikose (Wanzenbefall)
4 Cimex lectularius (Bettwanze) ist ein ausschließlicher Parasit des Menschen, beide Geschlechter dieser Art und alle Entwicklungsstadien leben hämatophag
20
Eigene Notizen
196
Kapitel 20 · Infektionskrankheiten der Haut
Eigene Notizen
4 ovoider, gelblich-brauner Körper der Bettwanze misst ungefüttert 4– 5 mm in der Länge und 3 mm in der Breite; nach der Blutmahlzeit schwillt der Körper an 4 Bettwanzen sind nachtaktive Tiere und befallen ihren Wirt im Schlaf; tagsüber verbergen sie sich in Ritzen und Spalten von Böden und Wänden, Mauern und Möbeln; Schlupfwinkel finden sich gewöhnlich in Bettnähe
Klinik 4 gruppierte, teils lineare und häufig hämorrhagisch tingierte Stichreaktion besonders an unbedeckten (Urticaria e cimicibus)
Diagnostik 4 charakteristisches klinisches Bild 4 Kotbestandteile der Wanzen finden sich gelegentlich als schwarze Flecken in der Bettwäsche
Therapie 4 symptomatisch juckreizstillend, z. B. mit Polidocanol 4 Entwesung
20.24
Skabies
4 Synonym: Krätze 4 stark juckende Infestation mit der Milbe Sarcoptes scabiei var. hominis 4 außerhalb des Wirtes sind Milben unter optimalen Bedingungen (niedrige Temperatur und relative Feuchte nahe Sättigung) für maximal 48 h überlebensfähig
Klinik
20
4 Übertragung durch intensiven körperlichen Kontakt 4 bei Erstinfektion Auftreten von Symptomen nach 2–5 Wochen (»Juckreiz in Bettwärme«); bei Zweitinfektion Juckreiz bereits nach 1–4 Tagen 4 charakteristisch sind kommaartige, wenige mm lange Milbengänge, an deren Ende im sog. Milbenhügel die weibliche Milbe zu finden ist 4 insbesondere sind Hautareale mit hoher Temperatur und dünner Hornschicht befallen wie Fingerzwischenräume, Beugeseite der Handgelenke, Mamillen- und Nabelregion, Penisschaft; der Kopf ist in der Regel ausgespart (Ausnahme: Kleinkinder) 4 postskabiöse persistierende Papeln (= Granulombildung) 4 Sonderformen 5 Kinder in infestierter Familie oft am stärksten betroffen, bei Kleinkindern auch Befall des Kopfes ( ! Cave Superinfektion durch Gruppe-A-Streptokokken) 5 »gepflegte« Skabies bei guter Körperhygiene oder Anwendung lokaler Glukokortikoide
197 20.24 · Skabies
5 Skabies crustosa (»Borkenkrätze«): massive Infestation mit krustösen hyperkeratotisch-psoriasiformen Läsionen; geringe Gangbildung, Anergie; Juckreiz kann daher fehlen; hochkontagiös (auch aerogen); besonders bei Immunsupprimierten und älteren Menschen
Diagnostik 4 Identifikation der Milbe am Ende des Milbengangs mittels Auflichtmikroskopie bzw. Dermatoskopie 4 Milbengang dann mit Kanüle eröffnen, Inhalt auf einen Objektträger aufbringen und bei 10-facher Vergrößerung mikroskopieren 4 geeignete Untersuchungsstellen sind z. B. die Hände
Therapie 4 Mittel der Wahl: Permethrin 5% Creme; alternativ Benzylbenzoat oder Crotamitex 4 Nachtherapie bei postskabiösen persistierenden Papeln und irritativem Ekzem: rückfettende Hautpflege bzw. topische Steroide 4 anfänglich täglicher Wechsel von Bett- und Körperwäsche 4 Wäsche und Gegenstände, die für längere Zeit mit dem Körper in Kontakt kommen (z. B. Stofftiere), sollten bei 60°C gewaschen oder für mindestens 4 Tage bei mindestens 20°C trocken in Plastiksäcken gelagert werden 4 Untersuchung und simultane Mitbehandlung aller Personen, zu denen enger persönliche Kontakt besteht (Familienmitglieder, Sexualpartner) 4 bei Vorliegen einer Scabies crustosa auch Behandlung von Personen, zu denen nur ein flüchtiger Kontakt bestand
20
Eigene Notizen
21 Tag 2 – Dermatologie
21
Entzündliche Hauterkrankungen M. Goebeler
21.1
Psoriasis (Schuppenflechte) – 199
21.2
Lichen ruber – 204
21.3
Pityriasis rosea – 207
21.4
Erythema multiforme – 207
21.5
Nicht-infektiöse granulomatöse Erkrankungen – 209
21.5.1 21.5.2 21.5.3 21.5.4 21.5.5 21.5.6
Sarkoidose – 209 Granuloma anulare – 210 Necrobiosis lipoidica – 211 Cheilitis granulomatosa – 212 Rheumaknoten – 213 Fremdkörpergranulome – 213
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_21, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
199 21.1 · Psoriasis (Schuppenflechte)
21.1
Psoriasis (Schuppenflechte)
4 chronisch-entzündliche Erkrankung unklarer Ätiologie, der eine erbliche Disposition zugrunde liegt und die mit einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität einhergeht 4 pathogenetisch bedeutsam ist eine Dysregulation der adaptiven und natürlichen Immunität, an der insbesondere T-Lymphozyten, dendritische Zellen und Keratinozyten beteiligt sind; vermehrte Synthese zahlreicher Zytokine (u. a. TNF) und Chemokine führt zu einem entzündlichen Milieu; es kommt zur Differenzierung von Th1- und Th17Lymphozyten, wobei letztere über Freisetzung von IL-22 die Hyperproliferation von Keratinozyten induzieren 4 familiäre Häufung, hohe Konkordanz bei monozygoten Zwillingen 4 Assoziation mit HLA-Cw6 und HLA-DR7 4 Alterationen an definierten genetischen Loci unterschiedlicher chromosomaler Lokalisation (Psoriasis-Suszeptibilitätsloci PSORS1 bis PSORS9) prädisponieren für Psoriasis 4 bei pustulöser Psoriasis und Psoriasisarthritis Assoziation mit HLAB27 4 Auslösung durch zahlreiche Trigger-Faktoren möglich (physikalisch, mikrobiell, medikamentös, Nikotin, Stress) 4 Prävalenz in Mitteleuropa: ca. 2% 4 Alter bei Erstmanifestation mit zwei Häufigkeitsgipfeln: 2. bis 3. Lebensjahrzehnt (early onset Psoriasis = Typ-I-Psoriasis; hier größere Rolle der genetischen Disposition) und 6. Lebensjahrzehnt (Typ-II-Psoriasis) 4 Psoriasisarthritis: wichtige systemische Manifestation 4 Psoriasis ist mit zahlreichen Komorbiditäten assoziiert: 5 chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (insbesondere M. Crohn) 5 metabolisches Syndrom 5 koronare Herzerkrankung (mit erhöhtem Risiko für Myokardinfarkte) 5 arterielle Hypertonie 5 Diabetes mellitus 5 erektile Dysfunktion 5 Depression
Klinik 4 Leiteffloreszenz: monomorphe, scharf begrenzte erythrosquamöse Plaque mit silbrig-weißer, abstreifbarer Schuppung 4 klassische Psoriasisphänomene, die sich sukzessive auslösen lassen: »Kerzenwachsphänomen«: Schuppen lassen sich mit Holzspatel leicht abheben »Phänomen des letzten Häutchens«: bei weiterem Kratzen mit dem Spatel lassen sich die unteren Zelllagen der Epidermis mit einem Mal entfernen »Phänomen des blutigen Taus« (Auspitz-Phänomen): durch Traumatisierung der Kapillaren in den Papillenspitzen kommt es zu punktförmigen Blutungen
21
Eigene Notizen
200
21
Kapitel 21 · Entzündliche Hauterkrankungen
Eigene Notizen
4 Schleimhäute sind nicht befallen 4 Juckreiz in variabler Ausprägung 4 Klinische Varianten der Psoriasis: 5 Psoriasis vulgaris (= Plaque-Psoriasis) J häufigste Form J Prädilektionsstellen: Ellenbogen, Knie, Sakralregion (mit Erythem und Rhagade der Rima ani; . Abb. 31, Farbteil), Umbilikalregion, äußere Gehörgänge, Kapillitium (besonders an der StirnHaar-Grenze mit Befall der angrenzenden nichtbehaarten Haut) 5 Psoriasis guttata (= eruptive Psoriasis) J tritt besonders bei Kindern und jungen Erwachsenen nach vorausgegangenem Streptokokkeninfekt auf J exanthematische, konfettiartige Aussaat erythematöser, wenig schuppender Läsionen besonders an Rumpf und proximalen Extremitäten 5 Psoriasis inversa intertriginosa J erythematöse, nicht schuppende Läsionen in den Beugen der großen Gelenke bzw. den Intertrigines (Axillen, Submammärregion, Leisten, Genitoanalregion) 5 Seborrhiasis J psoriatische, wenig schuppende, blassrosa Läsionen in seborrhoischen Arealen, besonders im Gesicht 5 erythrodermatische Psoriasis (Psoriasiserythrodermie) J Befall des gesamten Integuments J schweres Krankheitsbild, mitunter massiver Flüssigkeitsverlust 5 Nagelpsoriasis J tritt gehäuft bei Psoriasisarthritis auf und kann dieser vorangehen J Tüpfelnägel: grübchenförmige Eindellungen der Nagelplatte, entstehen durch punktförmige Parakeratosen in der Nagelmatrix J psoriatischer Ölfleck: gelblich-bräunliche Flecken durch Parakeratosen im Nagelbett J subunguale Hyperkeratosen: hyperkeratotische Schuppungen unterhalb der Nagelplatte (Abgrenzung von Onychomykose durch mykologische Diagnostik) J subunguale Pusteln: können auf eine Acrodermatitis continua suppurativa (Hallopeau) hinweisen 5 Psoriasis pustulosa generalisata (von Zumbusch) J Psoriasisform mit massiver Infiltration neutrophiler Granulozyten, die bis zum Stratum corneum aufsteigen J sterile Pusteln auf erythematösem Grund J vielfach eruptiver Beginn mit Fieberschüben und Neutrophilendominierter Leukozytose im peripheren Blut 5 Pustulosis palmoplantaris J früher als Psoriasis pustulosa palmoplantaris bezeichnet, nach heutiger Auffassung eigenständiges Krankheitsbild J Pusteln auf erythematösem Grund in palmoplantarer Lokalisation J Sonderform: SAPHO-Syndrom mit Synovitis, Acne conglobata, palmoplantarer Pustulosis, Hyperostose und Osteitis
201 21.1 · Psoriasis (Schuppenflechte)
5 Psoriasisarthritis J wird in 20–30 % der Fälle einer kutanen Psoriasis beobachtet J Prävalenz vermutlich unterschätzt J meist gehen kutane Manifestationen der Psoriasis der Arthritis voraus J Formen: Arthritis mit Beteiligung der distalen Interphalangealgelenke, asymmetrische oligoartikuläre Arthritis, symmetrische Polyarthritis (wie bei rheumatoider Arthritis), Spondylitis und Sakroiliitis, Arthritis mutilans (seltene, rapidprogressive Form mit destruktiver erosiver Arthritis der Fingergelenke, die klinisch als Teleskopfinger imponieren) J weitere Manifestationen: Daktylitis: Schwellung der Finger (»Wurstfinger«), Enthesitis: Entzündung an den Sehnenansätzen, besonders an der Achilles-Ferse
Diagnostik 4 Histologie 5 Akanthose und Parakeratose der Epidermis mit verlängerten Reteleisten 5 Papillen sind kolbig aufgetrieben und zeigen vermehrt Kapillaren 5 gemischtzelliges Entzündungsinfiltrat 5 Neutrophile steigen in die Dermis bis zum Stratum corneum auf, gelegentlich aggregieren Neutrophile subkorneal zu Munro-Mikroabszessen 4 Abklärung möglicher Triggerfaktoren 5 Köbner-Phänomen (isomorpher Reizeffekt): exogene Reize wie mechanische Traumen, Tätowierungen, UV-Exposition und irritative externe Therapien können charakteristische Psoriasisläsionen hervorrufen 5 Infekte: Streptokokken (Bestimmung des ASL-Titers, besonders bei Kindern und jungen Erwachsenen; ggf. HNO- und zahnärztliche Konsiliaruntersuchungen), HIV (bei exsudativen Formen der Psoriasis) 5 Medikamente: Lithium, Interferon, (Hydroxy-)Chloroquin; der Zusammenhang mit der Einnahme von β-Blockern und ACEHemmern ist umstritten 5 Nikotin und Alkohol 5 Stress 4 Abklärung einer möglicherweise assoziierten Psoriasisarthritis 5 Erhebung des CASPAR-Scores als Screening-Instrument 5 Bestimmung des Rheumafaktors (Psoriasisarthritis ist seronegativ) 5 ggf. bildgebende Diagnostik (Röntgen, Sonographie bzw. MRT betroffener Gelenke) und rheumatologische Konsiliaruntersuchung 4 Abklärung möglicher Komorbiditäten 5 chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (insbesondere M. Crohn)
21
Eigene Notizen
202
21
Kapitel 21 · Entzündliche Hauterkrankungen
Eigene Notizen
5 koronare Herzerkrankung (mit erhöhtem Risiko für Myokardinfarkte besonders bei Early-onset-Psoriasis) 5 arterielle Hypertonie 5 Diabetes mellitus und metabolisches Syndrom 5 Depression 5 Stress 4 Ermittlung des Schweregrads der Psoriasis 5 Erfassung des PASI-Scores (= Psoriasis Area and Severity Score) bei Psoriasis vulgaris bzw. Psoriasis guttata 5 erfasst in allen 4 Regionen der Haut (Kopf, Rumpf, obere und untere Extremitäten) flächengewichtet das Ausmaß von Erythem, Infiltration und Schuppenbildung 5 kann Werte zwischen 0 und 72 annehmen und erlaubt weitgehend objektivierbare Unterscheidung von leichter, mittelschwerer und schwerer Psoriasis 4 > Memo Die Psoriasis ist in erste Linie eine klinisch zu stellende Diagnose. Die Entnahme einer Probebiopsie zur histologischen Sicherung ist in aller Regel nicht erforderlich.
Differenzialdiagnose 4 4 4 4 4
Pityriasis lichenoides, Pityriasis rosea Parapsoriasis en plaque, Mycosis fungoides subakut-kutaner Lupus erythematodes (SCLE) nummuläres Ekzem zur Psoriasis intertriginosa: Intertrigo, allergisches Kontaktekzem, M. Hailey-Hailey 4 zu generalisierten pustulösen Psoriasisformen: pustulöses Arzneimittelexanthem, subkorneale Pustulose 4 zur erythrodermatischen Psoriasis: Erythrodermie bei Mycosis fungoides und atopischem Ekzem; Pityriasis rubra pilaris
Therapie 4 je nach Krankheitsausprägung topische, systemische oder phototherapeutische Behandlung 4 häufig Kombination unterschiedlicher Therapien 4 topische Therapie 5 Salizylsäure J wirkt keratolytisch J > Cave: ist potenziell nephro- und neurotoxisch! 5 Harnstoff (Urea) J wirkt keratolytisch J schwächer wirksam als Salizylsäure 5 Dithranol (Cignolin, Anthralin) J klassisches topisches Therapeutikum zur Behandlung der Psoriasis vulgaris J Wirkmechanismus unklar J wirkt bei Überdosierung irritativ-toxisch J erfordert kontrollierte Erhöhung der Konzentration
203 21.1 · Psoriasis (Schuppenflechte)
J fast ausschließlich im Rahmen einer stationären Behandlung eingesetzt J bei ambulanter Therapie Steuerung über Variation der Einwirkdauer (»Minutentherapie«) J häufig mit UV-Phototherapie kombiniert, bei Abheilung mitunter Auftreten eines Pseudoleukoderms (behandelte nicht befallene Haut bräunt, psoriatische Hautläsionen nicht; nach Abheilung erscheinen die vormals betroffenen Areale hypopigmentiert) 5 Vitamin D3 und -Analoga (Calcipotriol, Tacalcitol, Calcitriol) J interferieren mit der Keratinozytendifferenzierung und wirken immunmodulatorisch J können in Kombination mit topischen Glukokortikoiden eingesetzt werden J unerwünschte Wirkungen: Hautirritation; bei zu großflächiger Anwendung Risiko der Hyperkalzämie 5 topische Glukokortikoide J sollten nicht als Monotherapie eingesetzt werden J Verwendung meist in fixen Kombinationen mit Calcipotriol J unerwünschte Wirkungen: Atrophie, Teleangiektasien, Purpura, Hypertrichose; bei Absetzen Gefahr des Rebound (= über den Ausgangsbefund vor Therapie hinausgehende Verschlechterung der Erkrankung) 4 »klassische« Systemtherapie 5 Methotrexat J Folsäureantagonist J Einsatz bei mittelschwerer und schwerer Psoriasis sowie bei Psoriasisarthritis J Anwendung p.o., i.v., s.c. oder i.m. 1×/Woche, 24 h später Verabreichung von Folsäure p.o. J unerwünschte Wirkungen: Nephro- und Hepatotoxizität; Leukopenie, Lungenfibrose, Mukositis; möglichst keine Kombination mit UV-Therapie wegen erhöhten Risikos für epitheliale Malignome der Haut 5 Ciclosporin J wirkt immunsuppressiv J Einsatz bei mittelschwerer bis schwerer Psoriasis; meist in Form einer Intervalltherapie J unerwünschte Wirkungen: Niereninsuffizienz, arterielle Hypertonie; keine Kombination mit UV-Therapie wegen erhöhten Risikos für epitheliale Malignome der Haut 5 Fumarsäureester J wirken immunmodulierend J einschleichende Dosierung erforderlich J unerwünschte Wirkungen: häufig Übelkeit, Diarrhö, Flush, Eosinophilie 5 Acitretin J Retinoid, das mit der Keratinozytendifferenzierung interferiert
21
Eigene Notizen
204
21
Kapitel 21 · Entzündliche Hauterkrankungen
Eigene Notizen
J vergleichsweise schwache Wirkung, eignet sich gut zur Kombination mit UV-Lichttherapie J unerwünschte Wirkungen: Teratogenität ( ! Cave: Einsatz bei Frauen im gebärfähigen Alter verlangt strikte Kontrazeption!), Xerosis, Erhöhung der Blutfette 4 ! Cave: Systemische Glukokortikoide sind zur Behandlung der Psoriasis nicht indiziert. 4 Systemtherapie mit Biologicals 5 gentechnisch hergestellte Antikörper oder Fusionsproteine, die die Wirkung natürlicherweise vorkommender entzündungsfördernder Zytokine gezielt blockieren 5 sind i. d. R. effektiver als klassische Systemtherapien; dürfen bei mittelschwerer und schwerer Psoriasis verordnet werden, wenn letztere wirkungslos oder kontraindiziert sind oder zu schwerwiegenden Nebenwirkungen geführt haben 5 unerwünschte Wirkungen: erhöhtes Infektionsrisiko; vor Therapiebeginn Tuberkulose- und Virushepatitis-Ausschluss erforderlich 5 TNF-Antagonisten: Adalimumab, Infliximab (Antikörper gegen TNF); Etanercept (lösliches TNF-Rezeptor-Protein, das zirkulierendes TNF antagonisiert); je nach Präparat Applikation s.c. bzw. i.v.; wirksam auch bei Psoriasisarthritis 5 IL-12/IL-23-Antagonist: Ustekinumab 4 UV-Therapie (Phototherapie) 5 UV-B der Wellenlänge 311 nm (monochromatisches UV-B mit »Aktionsspektrum« der Psoriasis = wirksamster Wellenbereich); häufig Kombination mit topischen Therapien und Solebädern (Balneophototherapie) 5 Photochemotherapie (PUVA): der Photosensibilisator Psoralen wird systemisch (»orale PUVA«) oder topisch (in Form von Bädern (»Bade-PUVA«), Lösungen oder Cremes (»Creme-PUVA«) appliziert, anschließend erfolgt eine UVA-Bestrahlung; kann mit dem Retinoid Acitretin kombiniert werden (»Re-PUVA«) 5 ! Cave Phototherapien (PUVA > UVB) begünstigen die Hautalterung und erhöhen das Risiko für kutane Malignome; photosensibilisierende Medikamente sollten unter UV-Therapie gemieden werden.
Prognose 4 chronisch-stationärer oder schubweiser Verlauf 4 Komorbiditäten (insbesondere kardiovaskuläre) können die Prognose beeinträchtigen
21.2
Lichen ruber
4 Synonym: Lichen (ruber) planus 4 chronisch-entzündliche Erkrankung unklarer Ätiologie, die Haut, Schleimhäute, Nägel und Haarfollikel befallen kann
205 21.2 · Lichen ruber
4 zugrunde liegt vermutlich eine durch T-Lymphozyten vermittelte Autoimmunreaktion, die gegen bislang nicht identifizierte Autoantigene basaler Keratinozyten gerichtet ist 4 Triggerung durch Viren (Hepatitis-C-Virus) möglich, besonders beim Lichen ruber mucosae 4 Triggerung durch Medikamente (ACE-Hemmer, (Hydroxy-)Chloroquin, Hydrochlorothiazid) möglich, schwierige Abgrenzung zum lichenoiden Arzneimittelexanthem 4 Triggerung durch physikalische Reize möglich (isomorpher Reizeffekt = Köbner-Phänomen) . Abb. 22, Farbteil 4 an der Mundschleimhaut Triggerung durch metallische Dentalmaterialien (Gold, Amalgam) möglich; dieses kann Ausdruck eines KöbnerPhänomens sein oder im Rahmen einer immunologischen Sensibilisierung auftreten 4 Auftreten meist in der zweiten Lebenshälfte 4 familiäre Häufung wurde beschrieben
Klinik 4 »lichenoide« Papel als Leiteffloreszenz: violett-rote, polygonale, pflastersteinartige, flache Papel mit glänzender Oberfläche, die mitunter ein weißliches Netzwerk erkennen lässt (Wickham-Streifung, korrespondiert histologisch mit Hypergranulose (= fokale Verbreiterung des Stratum granulosum)) 4 Papeln können zu größeren Plaques konfluieren 4 Prädilektionsstellen der Haut: Beugeseiten der Handgelenke und der distalen Unterarme, Handrücken, Ventralseite der Unterschenkel, Sakral- und Nackenregion 4 Lichen ruber mucosae: solitär oder in Kombination mit Hautbefall, retikuläre, weißliche Streifen, mitunter erosiv 4 Prädilektionsstellen der Schleimhaut: bukkale Mukosa, Zunge, Gingiva, auch Vulva und Glans penis 4 Lichen ruber der Nägel: longitudinale Riffelung der Nagelplatte, z. T. Fissuren, als Ausdruck der Beteiligung der Nagelmatrix; Verlust der Nagelplatte mit Vernarbung möglich 4 Lichen ruber follicularis: besonders am Kapillitium violett-rötliches, perifollikuläres Erythem mit Schuppenkrause; bei Voranschreiten der Entzündung Vernarbung mit Verlust des Haarfollikels, es resultiert vernarbende Alopezie 4 weitere Formen: 5 Lasseur-Graham-Little-Syndrom: Triade aus J vernarbender Alopezie am Kapillitium J nicht-vernarbendem axillären und genitalen Haarverlust mit hyperkeratotischen follikulären Papeln J kutanem und/oder mukosalem Befall 5 hypertropher Lichen ruber (Lichen ruber verrucosus): Variante mit stark juckenden hyperkeratotischen Plaques, besonders prätibial
21
Eigene Notizen
206
21
Kapitel 21 · Entzündliche Hauterkrankungen
5 bullöser Lichen ruber J Blasenbildung als Folge der lymphozytären Infiltration der Junktionszone und vakuolären Degeneration des Basalzelllagers J davon abzugrenzen ist der Lichen ruber pemphigoides, bei dem es ähnlich wie beim bullösen Pemphigoid zu einer autoantikörpervermittelten Blasenbildung kommt (Autoantikörper gegen BP180, 7 Kap. 22)
Eigene Notizen
Diagnostik 4 Histologie 5 Hyperkeratose ohne Parakeratose 5 fokale Verbreiterung des Stratum granulosum 5 Akanthose mit Sägezahnmuster 5 vakuolige Degeneration basaler Keratinozyten 5 bandförmiges, lymphozytäres Infiltrat an der dermoepidermalen Junktionszone (»interface dermatitis«) 4 direkte Immunfluoreszenz 5 Kolloid-Körperchen (Civatte-Körperchen), stellen apoptotische Keratinozyten des Basalzelllagers dar 5 gelegentlich Fibrinogenablagerungen entlang der Junktionszone 4 weitere Labordiagnostik 5 Hepatitis-C-Serologie (besonders Lichen ruber mucosae kann mit Hepatitis C assoziiert sein)
Differenzialdiagnose 4 4 4 4
lichenoide Arzneimittelreaktionen (s. oben) »graft-versus-host disease« Lichen nitidus, Lichen striatus, Lichen sclerosus et atrophicus Lupus erythematodes
Therapie 4 in erster Linie topische Glukokortikoide 4 an Schleimhäuten ggf. topische Kalzineurin-Antagonisten (Tacrolimus, Pimecrolimus; off-label) 4 bei exanthematischem Lichen ruber Bade-PUVA oder UV-A1-Phototherapie 4 in schweren und ansonsten therapierefraktären Situationen: systemische Gaben von Glukokortikoiden, Acitretin, Cyclosporin, Mycophenolatmofetil
Prognose 4 chronischer Verlauf 4 selten Ausbildung von Plattenepithelkarzinomen bei langjährig bestehendem Lichen ruber mucosae und hypertrophem Lichen ruber
207 21.4 · Erythema multiforme
21.3
Pityriasis rosea
4 papulosquamöse selbstlimitierte Erkrankung meist junger Erwachsener 4 Ätiologie unklar; diskutiert wird ein Zusammenhang mit Virusinfektionen der Herpes-Gruppe (HHV-7 bzw. HHV-6)
Klinik 4 Beginn mit solitärer, ovalärer, 3–4 cm großer, zentral eingesunkener, feinlamellös schuppender, hellroter Plaque meist am Rumpf (»Primärmedaillon«, »tache mère«), die im Randbereich eine dem Zentrum zugewandte Schuppenkrause (»collerette«) aufweist 4 nach wenigen Tagen Ausbildung eines stammbetonten papulösen Exanthems mit colleretteartig schuppenden, ca. bis 1 cm großen ovalären Plaques, die mit der Längsachse an den Spaltlinien der Haut orientiert sind 4 gelegentlich Juckreiz 4 innerhalb von 4–8 Wochen spontane Abheilung
Diagnostik 4 Histologie 5 nicht spezifisch 5 Parakeratose, Spongiose, mildes perivaskuläres lymphozytäres Infiltrat 5 Biopsiegewinnung i. d. R. nicht erforderlich
Differenzialdiagnose 4 Virusexantheme 4 Lues im Stadium II (ggf. Kontrolle Lues-Serologie) 4 Psoriasis guttata (nach vorangegangenem Infekt; Psoriasisphänomene überprüfen) 4 Tinea corporis (mikroskopische und kulturelle Untersuchung von Hautschuppen)
Therapie 4 4 4 4
wegen der zu erwartenden Spontanremission meist nicht erforderlich glukokortikoidhaltige Cremes ggf. UV-B-Lichttherapie (UV-B 311 nm) ggf. orale Makrolide
21.4
Erythema multiforme
4 Synonym: Erythema exsudativum multiforme (. Abb. 32, Farbteil) 4 entzündliche selbstlimitierte Erkrankung unklarer Ätiologie, die gehäuft nach Virus- (besonders HSV, seltener Coxsackie-Virus), Streptokokken- und Mykoplasmeninfektionen auftritt 4 ist abzugrenzen von schweren Medikamentenreaktionen (StevensJohnson-Syndrom, toxische epidermale Nekrolyse)
21
Eigene Notizen
208
21
Kapitel 21 · Entzündliche Hauterkrankungen
Eigene Notizen
4 2 Formen: 5 Minor-Form: charakteristische Kokarden; fehlende, allenfalls diskrete Schleimhautbeteiligung 5 Major-Form: charakteristische Kokarden; zusätzlich schmerzhafte, vesikulobullöse, erosive oder ulzerierende Schleimhautläsionen
Klinik 4 abrupt auftretende papulourtikarielle Plaques mit zonalem Aufbau, die an Kokarden oder Schießscheiben erinnern (»target lesions«); typische Läsionen umfassen mindestens drei konzentrische Ringe und können konfluieren 4 zentral mitunter Vesikel bzw. Kruste 4 zusätzlich meist atypische Läsionen mit weniger charakteristischem Aufbau 4 Prädilektionsstellen: besonders Handrücken und Streckseiten der Unterarme; auch Handinnenflächen, Gesicht, Hals und Rumpf können betroffen sein 4 bei der Major-Form zusätzlich vesikulobullöse, erosive oder ulzerierende Schleimhautläsionen an Wangen, Lippen, Augen und/oder Genitale; auch Allgemeinsymptome wie Fieber und Abgeschlagenheit
Diagnostik 4 Histologie 5 uncharakteristisch 5 fokale vakuoläre Degereneration basaler Keratinozyten 5 dermales Ödem und perivaskuläres, mononukleäres Entzündungsinfiltrat
Differenzialdiagnose 4 4 4 4
Urtikaria (Urticae sind flüchtiger und bestehen weniger als 24 h) fixe Arzneimittelreaktion, Stevens-Johnson-Syndrom subakut-kutaner Lupus erythematodes (SCLE) polymorphe Lichtdermatose
> Memo Das Erythema multiforme ist vom Stevens-Johnson-Syndrom (7 Kap. 19) abzugrenzen. Letzteres wird durch Medikamente hervorgerufen
und zeigt keine typischen zonal aufgebauten »target lesions«. Im Gegensatz zum Stevens-Johnson-Syndrom kann das Erythema multiforme nicht in eine toxische epidermale Nekrolyse (TEN) übergehen.
Therapie 4 topische und ggf. systemische Glukokortikosteroide 4 bei rezidivierenden HSV-assoziierten Formen des Erythema multiforme ggf. prophylaktische Gabe von niedrigdosiertem Aciclovir, Valaciclovir oder Brivudin (off-label)
209 21.5 · Nicht-infektiöse granulomatöse Erkrankungen
Prognose 4 selbstlimitierter Verlauf 4 Rezidive insbesondere bei Herpes simplex-assoziierten Formen
21.5
Nicht-infektiöse granulomatöse Erkrankungen
4 Gruppe nichtinfektiöser, entzündlicher Erkrankungen unbekannter Ätiologie, bei der es zu histiozytären Infiltraten kommt
21.5.1
Sarkoidose
4 systemische granulomatöse Erkrankung, die insbesondere die Lunge betrifft 4 eine durch unbekannte Antigene getriggerte, T-Lymphozyten-vermittelte Immunreaktion initiiert Bildung epitheloidzelliger Granulome in unterschiedlichen Geweben 4 in 1/3 der Fälle Hautbeteiligung: spezifische (granulomatöse) und unspezifische Läsionen (Erythema nodosum)
Klinik 4 rötlich-bräunliche bis rötlich-gelbliche Papeln und Plaques, die auf Glasspateldruck ein als apfelgeleeartig beschriebenes Eigeninfiltrat hinterlassen; gewöhnlich nicht schuppend 4 Prädilektionsstellen: Gesicht, Rumpf, obere Thoraxapertur 4 Auftreten spezifischer Läsionen auch in Narben (Narbensarkoidose) 4 Lupus pernio: Erscheinungsform der Sarkoidose an kälteexponierten Lokalisationen mit bräunlich-lividen spezifischen Läsionen (Nase, Ohrläppchen, Wange) 4 Erythema nodosum (bei gleichzeitigem Auftreten mit Fieber, Arthralgien und bihilärer Lymphadenopathie spricht man vom LöfgrenSyndrom) 4 systemische Manifestationen: Lunge (in 90%), Lymphknoten (in 90%), Muskel und Knochen (40%), Zentralnervensystem, Herz, Leber, Niere 4 besondere Manifestationsformen: 5 Heerfordt-Syndrom: granulomatöse Entzündung von Augen (Iridozyklitis), Parotis und anderen Speicheldrüsen sowie ZNS (Hirnnervenausfälle) 5 von-Mikulicz-Syndrom: Befall von Parotis, Tränen- und Speicheldrüsen, geht mit Sicca-Symptomatik einher 5 Ostitis multiplex cystoides Jüngling: zystische Knochenumwandlung an den Phalangen
21
Eigene Notizen
210
21
Kapitel 21 · Entzündliche Hauterkrankungen
Eigene Notizen
Diagnostik 4 Histologie 5 sarkoidale Granulome mit epitheloidzelligen Makrophagen, die z. T. fusionieren (mehrkernige Langhans-Riesenzellen), spärliches lymphozytäres Infiltrat 5 im Gegensatz zu tuberkuloiden Granulomen keine zentrale Verkäsung 4 Labordiagnostik 5 im Serum Erhöhung des »angiotensin-converting enzyme« (ACE, wird aus Epitheloidzellen freigesetzt; ist unspezifisch, aber hilfreich für die Therapieüberwachung) 5 Hyperkalziämie 4 weitere organbezogene Diagnostik 5 Röntgen-Thorax 5 ggf. HR-CT der Lunge 5 Lungenfunktionsdiagnostik 5 bronchoalveoläre Lavage u. a.
Differenzialdiagnose 4 andere granulomatöse Erkrankungen incl. Hauttuberkulose (Lupus vulgaris) 4 kutane Lymphome 4 Pannikulitiden
Therapie 4 in Abhängigkeit vom Befall innerer Organe ggf. mit systemischen Glukokortikosteroiden (anfängliche Dosis: 1 mg/kg KG/Tag Prednisolonäquivalent) 4 kutane Sarkoidose: topische Glukokortikoide, ggf. läsional oder unter Okklusion; niedrigdosierte systemische Glukokortikoide (10 mg/Tag Prednisolonäquivalent); Hydroxychloroquin; Alternativen: Methotrexat, Isotretinoin, Allopurinol, Minozyklin, Thalidomid
Prognose 4 hohe spontane Remissionsrate, in 1/3 der Fälle chronischer Verlauf mit Gefahr der Organschädigung
21.5.2
Granuloma anulare
4 chronisch-entzündliche Erkrankung unbekannter Genese, die vermutlich durch eine zelluläre Immunreaktion gegen ein nicht identifiziertes Antigen getriggert wird 4 Erkrankung tritt meist vor dem 30. Lebensjahr auf 4 fragliche Assoziation mit Diabetes mellitus
211 21.5 · Nicht-infektiöse granulomatöse Erkrankungen
Klinik
Eigene Notizen
4 ringförmig angeordnete Papeln, die durch zentrifugale Ausbreitung zu einem polyzyklischen Erscheinungsbild führen 4 Prädilektionsstellen: Handrücken und Unterarme, seltener Fußrücken und Beine; Gesicht und Rumpf sind selten betroffen 4 neben der klassischen Form werden mehr flächig-erythematöse interstitielle und subkutane Manifestiationen der Erkrankung beobachtet, noch seltener sind perforierende und disseminierte Formen des Granuloma anulare
Diagnostik 4 Histologie: histiolymphozytäres Infiltrat in Palisadenstellung (Palisadengranulom), zentral degeneriertes Bindegewebe (Nekrobiose); gelegentlich Riesenzellen
Differenzialdiagnose 4 4 4 4
andere granulomatöse Erkrankungen Lupus erythematodes (SCLE, CDLE) Erythema anulare centrifugum Erythema elevatum et diutinum
Therapie 4 4 4 4
topische Glukokortikoide, ggf. unter Okklusion Creme- oder Bade-PUVA, UV-A1-Lichttherapie Kryotherapie Hydroxychloroquin, Dapson
Prognose 4 meist spontane Remission innerhalb von 2 Jahren, Rezidive sind häufig
21.5.3
21
Necrobiosis lipoidica
4 entzündliche granulomatöse Dermatose unbekannter Ätiologie 4 in einem Teil der Fälle Assoziation mit Diabetes mellitus
Klinik 4 meist prätibial: unregelmäßig und scharf begrenzte, gelblich-bräunliche, atrophe, teleangiektatische Plaques mit betontem Rand 4 häufig multiples und bilaterales Auftreten 4 in 1/3 der Fälle kommt es zur Ulzeration, meist nach vorangegangenem Trauma 4 selten extratibialer Befall (Kopf, obere Extremitäten)
212
21
Kapitel 21 · Entzündliche Hauterkrankungen
Eigene Notizen
Diagnostik 4 Histologie 5 Biopsieentnahme vorzugsweise aus der Randregion, histiozytäre Infiltrate in Palisadenstellung, in allen Schichten der Dermis nekrobiotische Areale 5 Lipidablagerungen (nur an Gefrierschnitten nachweisbar)
Differenzialdiagnose 4 Granuloma anulare, Sarkoidose 4 zirkumskripte Sklerodermie 4 Pannikulitis
Therapie 4 zufriedenstellende Therapien existieren nicht 4 Versuch mit potenten topischen Glukokortikoiden (läsional, ggf. unter Okklusion) 4 Creme-PUVA, UV-A1-Phototherapie 4 chirurgische Exzision mit Spalthautdeckung
Prognose 4 chronisch mit Neigung zur Ulzeration 4 bei Patienten mit Diabetes mellitus hat die Blutzuckereinstellung keinen Effekt auf den Krankheitsverlauf
21.5.4
Cheilitis granulomatosa
4 Synonym: orofaziale Granulomatose 4 nicht-infektiöse, nichtnekrotisierende granulomatöse Entzündung der Lippen, des Gesichts und der Mundhöhle unbekannter Ätiologie 4 kann orofaziale Manifestation eines M. Crohn darstellen
Klinik 4 persistierende Schwellung der Unter- oder der Oberlippe; Schwellung beider Lippen (»Tapirmund«) ist selten 4 Melkersson-Rosenthal-Syndrom: zusätzlich periphere Fazialisparese und multipel gefurchte Zunge (Lingua plicata)
Diagnostik 4 Histologie: lymphozytäres Infiltrat mit Epitheloidzellgranulomen 4 bei entsprechender Anamnese gastroenterologische Diagnostik zur Abklärung eines M. Crohn
Differenzialdiagnose 4 Angioödeme (bilden sich in der Regel innerhalb von 24–48 h zurück)
213 21.5 · Nicht-infektiöse granulomatöse Erkrankungen
Therapie 4 häufig unbefriedigend 4 Versuch mit Hydroxychloroquin, Dapson, Salazosulfapyridin, Clofazimin oder läsionalen Glukokortikoiden
21.5.5
4 4 4 4 4 4
Rheumaknoten
treten in 20 % der Fälle einer rheumatoiden Arthritis auf subkutane derbe Knoten, können gelegentlich ulzerieren Prädilektionsstellen: Ellenbogen, Hände, Finger mitunter auch Befall viszeraler Organe (Lunge, Herz, Muskulatur) Histologie: Palisadengranulome und Riesenzellen Differenzialdiagnose: Gichttophi, subkutanes Granuloma anulare, Kalzinosis
21.5.6
Fremdkörpergranulome
4 entstehen nach Einbringen von körperfremdem Material, z. B. von Silikon, Zirkonium, Beryllium, Tätowierungen, Insektenbestandteilen, Stacheln, Haaren (»Friseurgranulom«) etc. 4 histologisch ist Fremdmaterial häufig bei Dunkelfeldbetrachtung bzw. bei Verwendung eines Polarisationsfilters zu erkennen
21
Eigene Notizen
22 Tag 3 – Dermatologie
22
Autoimmunerkrankungen der Haut M. Goebeler
22.1
Blasenbildende Autoimmundermatosen – 216
22.1.1 22.1.2 22.1.3 22.1.4
Pemphigus vulgaris und Pemphigus foliaceus – 216 Bullöses Pemphigoid und Pemphigoidgruppe – 218 Epidermolysis bullosa acquisita – 223 Dermatitis herpetiformis Duhring – 223
22.2
Lupus erythematodes – 224
22.2.1 22.2.2 22.2.3 22.2.4
Chronisch-diskoider Lupus erythematodes (CDLE) – 224 Subakut-kutaner Lupus erythematodes (SCLE) – 225 Systemischer Lupus erythematodes (SLE) – 225 Weitere Formen des kutanen Lupus erythematodes – 225
22.3
Dermatomyositis – 227
22.4
Progressive systemische Sklerodermie – 229
22.5
Kryoglobulinämie – 231
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_22, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
216
Kapitel 22 · Autoimmunerkrankungen der Haut
Eigene Notizen
22
22.1
Blasenbildende Autoimmundermatosen
4 organspezifische Immunreaktionen gegen körpereigene Strukturen der Haut und/oder Schleimhaut; hervorgerufen durch eine Dysregulation der adaptiven humoralen und zellulären Immunität 4 unter Vermittlung von Autoantikörpern Spaltbildung innerhalb der Epidermis (bei Pemphiguserkrankungen) oder in der dermoepidermalen Junktionszone (bei bullösem Pemphigoid, Epidermolysis bullosa acquisita, Dermatitis herpetiformis Duhring) 4 Diagnostik 5 Nachweis gewebsgebundener Autoantikörper mittels direkter Immunfluoreszenz (DIF; erfordert die Entnahme einer Biopsie [Nativmaterial]) 5 Nachweis zirkulierender Autoantikörper mittels indirekter Immunfluoreszenz (IIF; erfordert die Untersuchung von Serum mittels geeigneter Substrate und ELISA bzw. Western Blot) 5 zusätzlich konventionelle Histologie zur Ermittlung der Spaltebene 5 > Memo Biopsieentnahme erfolgt für die Histologie läsional, für die direkte Immunfluoreszenz periläsional.
22.1.1
Pemphigus vulgaris und Pemphigus foliaceus
4 gegen desmosomale Strukturproteine (Desmoglein (Dsg) 3 bzw. Dsg1) der Keratinozyten gerichtete IgG-Antikörper führen zum Kontaktverlust (Akantholyse) mit nachfolgender intraepithelialer Spaltbildung 4 aufgrund des Expressionsmusters der Desmogleine führen Anti-Dsg3Antikörper zur Spaltbildung an Schleimhäuten und Anti-Dsg1-Antikörper zur Spaltbildung an der Haut 4 Pemphigus vulgaris: obligat Anti-Dsg3-Antikörper; zusätzlich fakultativ Anti-Dsg1-Antikörper 4 Pemphigus foliaceus: obligat Anti-Dsg1-Antikörper, keine Antikörper gegen Dsg3
Klinik 4 Pemphigus vulgaris 5 schmerzhafte Erosionen und Ulzerationen besonders der Mundschleimhaut, nur selten Blasen 5 auch Befall von Nasenschleimhaut, Larynx und Pharynx möglich, dann Nasenbluten, Heiserkeit und Schluckbeschwerden 5 seltener Befall von Ösophagus, Genitale und Anus 5 an der Haut bei zusätzlichem Vorliegen von Anti-Dsg1-Antikörpern schlaffe Blasen und Erosionen besonders an Kopf, Rumpf und Intertrigines 5 positives Nikolski I-Phänomen (auch Nikolski II-Phänomen wäre positiv, ist aber in der Praxis nicht relevant)
217 22.1 · Blasenbildende Autoimmundermatosen
4 Pemphigus foliaceus 5 Primäreffloreszenz (Bläschen) nur selten sichtbar, meist lediglich von blätterteigartigen Schuppen und Krusten gekennzeichnete Erosionen besonders an Kopf und oberer Thoraxapertur (Schweißrinnen) 5 Schleimhäute sind nicht betroffen 4 paraneoplastischer Pemphigus 5 tritt begleitend zu Lymphomen und Thymomen auf 5 ausgedehnter Befall von Schleimhäuten und Integument 5 schlechte, wesentlich von der Grunderkrankung abhängige Prognose 4 Fogo selvagem (portugiesisch, »wildes Feuer«) 5 Sonderform des Pemphigus foliaceus 5 endemisch, in ländlichen Regionen Südamerikas mit familiärer Häufung auftretend 4 Pemphigus vegetans 5 sich besonders an den Intertrigines manifestierende Variante des Pemphigus vulgaris 5 Mazerationen und papillomatös-verruköse Läsionen 4 neonataler Pemphigus 5 hervorgerufen durch während der Schwangerschaft diaplazentar auf das Kind übergetretene Autoantikörper einer an Pemphigus erkrankten Mutter 5 heilt innerhalb weniger Wochen nach Geburt ab
Diagnostik 4 direkte Immunfluoreszenz: interzelluläre Ablagerungen von IgG in der Epidermis 4 indirekte Immunfluoreszenz: am Ösophagusepithel (Substrat) findet sich interzelluläre Fluorezenz; im ELISA Nachweis von Antikörpern gegen Dsg3 (und ggf. zusätzlich gegen Dsg1) beim Pemphigus vulgaris bzw. nur gegen Dsg1 beim Pemphigus foliaceus 4 Histologie 5 beim Pemphigus vulgaris suprabasale Spaltbildung in der Epidermis; basale Keratinozyten an der Unterseite des Spalts erinnern an eine Reihe von Grabsteinen (»row of tombstone«-Muster) 5 beim Pemphigus foliaceus subkorneale Spaltbildung mit entsprechend dünner Blasendecke, diese ist allerdings nur selten erhalten
Differenzialdiagnose 4 Pemphigus vulgaris: an der Mundschleimhaut Aphthen, Licher ruber mucosae, virale Infektionen; Erythema exsudativum multiforme majus, Stevens-Johnson-Syndrom, toxische epidermale Nekrolyse, andere blasenbildende Autoimmundermatosen 4 Pemphigus foliaceus: seborrhoisches Ekzem, subakut-kutaner Lupus erythematodes
22
Eigene Notizen
218
Kapitel 22 · Autoimmunerkrankungen der Haut
Eigene Notizen
22
Therapie 4 Systemische Steroide (1–2 mg/kg KG Prednisolonäquivalent) in Kombination mit Immunsuppressiva (Azathioprin oder Mycophenolatmofetil); Alternative: Cyclophosphamid-Dexamethason-Pulstherapie 4 weitere Optionen bei Therapieresistenz: 5 Rituximab (Anti-CD20-Antikörper, der Autoantikörper-produzierende B-Lymphozyten depletiert) 5 Immunadsorption (zur Entfernung von Immunglobulinen einschließlich pathogener Autoantikörper aus dem Plasma) 5 hochdosierte intravenöse Immunglobuline (IvIg) 4 zusätzlich topische Behandlung mit Anästhetika an der Mundschleimhaut 4 am Integument zur Vermeidung von Superinfektionen topische Antiseptika wie Triclosan 4 zur Behandlung des Pemphigus foliaceus sind weniger aggressive Therapien häufig ausreichend
Prognose 4 unbehandelt verläuft der Pemphigus vulgaris innerhalb von 1–2 Jahren letal (Tod durch Infektionen, Flüssigkeitsverlust und Kachexie) 4 in der Mehrzahl der Fälle trotz Therapie chronischer Verlauf 4 Serumspiegel der Autoantikörper korrelieren mit Krankheitsaktivität und können zur Therapiesteuerung herangezogen werden
22.1.2
Bullöses Pemphigoid und Pemphigoidgruppe
Bullöses Pemphigoid 4 gegen hemidesmosomale Strukturproteine (BP180 und BP230) basaler Keratinozyten gerichtete IgG-Autoantikörper führen zur Spaltbildung in der Lamina lucida der Basalmembranzone; es resultieren subepidermale Blasen 4 in Europa mit Abstand häufigste blasenbildende Autoimmundermatose 4 Beginn meist jenseits des 6. Lebensjahrzehnts; Prävalenz steigt deutlich mit dem Alter
Klinik (. Abb. 33, Farbteil) 4 häufig unspezifischer Beginn mit urtikariell erscheinenden Erythemen, die der Blasenbildung vorausgehen (prämonitorisches Stadium) 4 starker Juckreiz 4 im Verlauf pralle seröse Blasen variabler Größe auf erythematöser Haut besonders in den Intertrigines, am Abdomen und an Innen- und Beugeseiten der Extremitäten 4 Schädigung der Blasen durch mechanische Einwirkung führt zu Erosionen, die meist krustig belegt sind 4 Blasen sind aufgrund der Spaltebene in der dermoepidermalen Junktionszone deutlich stabiler als beim Pemphigus
219 22.1 · Blasenbildende Autoimmundermatosen
4 Nikolski-Zeichen I negativ; Nikolski-Zeichen II (= Verschiebbarkeit intakter Blasen durch seitlichen Fingerdruck) ist positiv, jedoch relativ unspezifisch 4 Schleimhautbefall ist selten 4 narbenlose Abheilung 4 klinische Sonderformen: 5 nicht-bullöses Pemphigoid: exkoriierte Papeln und Papulovesikeln, die klinisch an Prurigoerkrankungen erinnern 5 dyshidrosiformes Pemphigoid: klinisches Bild wie dyshidrosiformes Hand- und Fußekzem 5 vesikulöses bullöses Pemphigoid: kleine Bläschen wie bei Dermatitis herpetiformis Duhring
Diagnostik 4 direkte Immunfluoreszenz: lineare Ablagerungen von C3 und IgG an der dermoepidermalen Junktionszone 4 indirekte Immunfluoreszenz: auf NaCl-separierter Spalthaut Nachweis von Autoantikörpern, die im Dach der artifiziellen Blase binden (Spalthaut: humane Spenderhaut, in der durch Vorinkubation mit NaCl eine Spaltbildung in Höhe der Lamina lucida der Basalmembran hervorgerufen wird; diese wird anschließend mit Patientenserum überschichtet); im ELISA Nachweis von Autoantikörpern gegen BP180 bzw. BP230 4 Histologie: subepidermale Spaltbildung mit eosinophilenreichem Entzündungsinfiltrat 4 Labor: häufig Eosinophilie
Differenzialdiagnose 4 4 4 4 4 4 4 4
andere blasenbildende Autoimmunerkrankungen Prurigo simplex subacuta und Prurigo nodularis Prurigoformen des atopischen Ekzems bullöse Formen des allergischen und irritativen Kontaktekzems Impetigo bullosa bullöse Arzneimittelreaktionen bullöse Iktusreaktionen bullöses Erythema exsudativum multiforme
Therapie 4 topische Therapie mit potenten Glukokortikoiden (Clobetasol) häufig ausreichend 4 zur Vermeidung von Superinfektionen topische Antiseptika (z. B. Triclosan) 4 ggf. niedrig dosierte orale Glukokortikoide (initial 0,5 mg/kg KG Prednisolonäquivalent) in Kombination mit Dapson oder Immunsuppressiva (Azathioprin, Mycophenolatmofetil) 4 milde Therapiealternative: Doxycyclin in Kombination mit Niacinamid (wirkt antientzündlich)
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Eigene Notizen
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Kapitel 22 · Autoimmunerkrankungen der Haut
Eigene Notizen
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Prognose 4 in 1/3 der Fälle selbstlimitiert 4 Prognose hängt ab von Komorbiditäten und Aggressivität der Therapie, nicht vom Ausmaß der Blasenbildung > Memo Das bullöse Pemphigoid verläuft weniger aggressiv als der Pemphigus vulgaris. Die Mortalität hängt ab von (meist altersbedingten) Komorbiditäten und der Aggressivität der Therapie, nicht vom Ausmaß der Blasenbildung.
Pemphigoid gestationis 4 schwangerschaftsassoziierte, selbstlimitierte Autoimmundermatose mit Autoantikörperbildung gegen BP180 4 genetische Assoziation mit HLA-DR3 und HLA-DR4 4 alte, heute obsolete Bezeichnung: Herpes gestationis
Klinik 4 meist im letzten Schwangerschaftsdrittel oder post partum Auftreten juckender ekzematöser, papulöser oder urtikarieller Läsionen, häufig Beginn in der Abdominalregion, typischerweise periumbilikal 4 später Hinzutreten von gruppiert angeordneten Bläschen 4 Schleimhautbeteiligung nur selten
Diagnostik 4 direkte Immunfluoreszenz: lineare Ablagerungen von C3 und IgG in der Junktionszone 4 indirekte Immunfluoreszenz: auf NaCl-separierter humaner Spalthaut Nachweis von Autoantikörpern, die im Dach der artifiziellen Blase binden; Erhöhung der Sensitivität des Tests, wenn zusätzlich mit frischem Serum gesunder Spender als Komplementquelle inkubiert wird. Im ELISA Nachweis von Autoantikörpern gegen BP180 4 Histologie: eosinophilenreiche lymphohistiozytäre Infiltrate, gelegentlich Spaltbildung in der Junktionszone erkennbar
Differenzialdiagnose 4 polymorphe Schwangerschaftsdermatose (»pruritic urticarial papules and plaques of pregnancy«), Ekzemerkrankungen, Arzneimittelexantheme
Therapie 4 Antihistaminika und topische Glukokortikoide meist ausreichend 4 Behandlung mit niedrigdosierten systemischen Steroiden nur in schweren Fällen erforderlich
Prognose 4 selbstlimitierende Erkrankung, bei erneuter Schwangerschaft Rezidivrisiko 4 erhöhtes Risiko für »Small-for-date-Babys« aufgrund leichter Plazentainsuffizienz; Fehlbildungsrate nicht erhöht
221 22.1 · Blasenbildende Autoimmundermatosen
Lineare IgA-Dermatose 4 junktionale blasenbildende Autoimmundermatose, hervorgerufen durch IgA-Antikörper gegen die extrazelluläre Domäne von BP180 (= LAD-1) 4 häufigste blasenbildende Autoimmundermatose des Kindesalters, tritt auch im Erwachsenenalter auf 4 medikamentöse Auslösung möglich (Vancomycin)
Klinik 4 Erytheme und urtikarielle Plaques; Bläschen in anulärer, rosettenartiger Anordnung (erinnert an »juwelenbesetzte Krone«) 4 häufig Befall der Schleimhäute, bei Befall der Konjunktiven Vernarbung möglich
Diagnostik 4 direkte Immunfluoreszenz: lineare Ablagerungen von IgA in der Junktionszone 4 indirekte Immunfluoreszenz: auf NaCl-separierter humaner Spalthaut Nachweis von IgA-Autoantikörpern, die im Dach der artifiziellen Blase binden; im Western Blot Nachweis von Autoantikörpern gegen BP180 (LAD-1) 4 Histologie: subepidermale Spaltbildung mit Neutrophilen-dominiertem Infiltrat
Differenzialdiagnose 4 bei Kindern: bullöse Impetigo, hereditäre Epidermolysen 4 sonst bullöses Pemphigoid, Dermatitis herpetiformis Duhring
Therapie 4 Dapson 4 topische und ggf. systemische Glukokortikoide
Prognose 4 bei Kindern Ausheilung innerhalb weniger Jahre, bei Erwachsenen eher chronischer Verlauf 4 wie beim Schleimhautpemphigoid bei Beteiligung der Konjunktiven Erblindung möglich
Schleimhautpemphigoid 4 alte Bezeichnung: vernarbendes Pemphigoid 4 heterogenes Krankheitsbild, hervorgerufen durch Autoantikörper gegen unterschiedliche Zielstrukturen der dermoepidermalen Junktionszone: BP180, α6β4-Integrin, Laminin 332 (= Laminin 5)
Klinik 4 alle Schleimhäute können betroffen sein 4 Mundschleimhaut: Rötung, Erosionen, z. T. fibrinbelegt 4 Nasenschleimhaut: Erosionen, Nasenbluten
22
Eigene Notizen
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Kapitel 22 · Autoimmunerkrankungen der Haut
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4 Konjunktiven: Rötung, Brennen, Fremdkörpergefühl; Narbenstränge (Synechien), Trichiasis, Entropion 4 Larynx: Heiserkeit 4 Ösophagus: Dysphagie, Strikturen 4 genital/anal: Erosionen 4 außer an der Mundhöhle meist narbige Abheilung 4 in bis zu 30% der Fälle auch Befall der Haut
Diagnostik 4 direkte Immunfluoreszenz: falls Schleimhautbiopsie an anderer Lokalisation nicht möglich, Biopsieentnahme von der Wangenschleimhaut; lineare Ablagerungen von IgG, C3 und/oder IgA an der Junktionszone 4 indirekte Immunfluoreszenz: auf NaCl-separierter humaner Spalthaut Nachweis von Autoantikörpern, die im Dach (Antikörper gegen BP180) oder im Boden der artifiziellen Blase binden (Antikörper gegen Laminin 332) 4 Histologie: subepidermale Spaltbildung und gemischtzelliges Entzündungsinfiltrat; ältere Läsionen sind entzündungsärmer 4 je nach Symptomatik ophthalmologische, HNO-ärztliche, gynäkologische und gastroenterologische Konsiliaruntersuchungen
Differenzialdiagnose 4 4 4 4 4
Pemphigus vulgaris Lichen ruber mucosae Aphthosen und M. Behçet systemischer Lupus erythematodes Erythema multiforme
Therapie 4 richtet sich nach dem Befallsmuster 4 bei Befall von Konjunktiven, Nasopharynx, Larynx, Ösophagus, Genital- und Analregion (»High-risk-Schleimhautpemphigoid«) höheres Risiko für Vernarbung, Erblindung, bzw. Strikturen; daher aggressivere Therapie: systemische Glukokortikosteroide (1–2 mg/kg KG) in Kombination mit Immunsuppressiva, Cyclophosphamid-Dexamethason-Pulstherapie; ggf. Rituximab, hochdosierte intravenöse Immunglobuline 4 bei Befall nur der Mundschleimhaut (»Low-risk-Schleimhautpemphigoid«): topische bzw. systemische Glukokortikoide in Kombination mit Dapson häufig ausreichend
Prognose 4 chronischer Verlauf 4 Gefahr der Erblindung, Strikturen
223 22.1 · Blasenbildende Autoimmundermatosen
22.1.3
Epidermolysis bullosa acquisita
4 seltene, durch Autoantikörper gegen Kollagen VII (Ankerfibrillen) hervorgerufene bullöse Autoimmundermatose mit Spaltbildung in der dermoepidermalen Junktionszone
Klinik 4 mechanobullöse Variante: erhöhte Verletzlichkeit der Haut an mechanisch belasteten Stellen mit Blasen und Erosionen, die narbig abheilen; auch narbige Alopezie und Nageldystrophie bzw. -verlust möglich 4 entzündliche Variante: klinisch wie bullöses Pemphigoid 4 Befall der Schleimhäute möglich
Diagnostik 4 direkte Immunfluoreszenz: Ablagerung von IgG an der dermoepidermalen Junktionszone 4 indirekte Immunfluoreszenz: unter Verwendung von NaCl-separierter Spalthaut Nachweis von Autoantikörpern im Boden der artifiziellen Blase 4 Histologie: subepidermale Spaltbildung; bei der mechanobullösen Variante weniger ausgeprägtes Infiltrat als bei der entzündlichen Form
Therapie 4 systemische Glukokortikoide in Kombination mit Immunsuppressiva oder Dapson; 4 ggf. Colchicin 4 Vermeidung von Traumen 4 topische Antiseptika
22.1.4
Dermatitis herpetiformis Duhring
4 subepidermale blasenbildende Autoimmunerkrankung, hervorgerufen durch Immunkomplexe von IgA und epidermaler Transglutaminase 4 genetische Assoziation mit HLA DQ2 und DQ8 4 gilt als kutane Manifestation einer Zöliakie: alle Patienten mit Dermatitis herpetiformis Duhring zeigen histologische Zeichen einer Zöliakie, wobei bei 90% keine oder nur abgeschwächte gastrointestinale Symptome auftreten 4 umgekehrt erkranken nur 5% der Zöliakie-Patienten an einer Dermatitis herpetiformis Duhring
22
Eigene Notizen
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Kapitel 22 · Autoimmunerkrankungen der Haut
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22
Klinik 4 extremer Juckreiz ist wichtiges Leitsymptom 4 exkoriierte Papeln an den Streckseiten der Extremitäten (Knie, Ellenbogen), Gesäß, behaarter Kopf; mitunter akrale Petechien 4 Bläschen in charakteristischer herpetiformer Anordnung sind nicht immer zu sehen 4 kein Schleimhautbefall
Diagnostik 4 direkte Immunfluoreszenz: granuläre IgA-Ablagerungen in den Papillenspitzen der Dermis oder kontinuierliche granuläre Ablagerungen an der dermoepidermalen Junktionszone 4 indirekte Immunfluoreszenz: Nachweis von IgA-Autoantikörpern gegen Endomysium; im ELISA Nachweis von IgA-Autoantikörpern gegen epidermale Transglutaminase und Gewebstransglutaminase 4 Histologie: subepidermale Blasenbildung mit Dominanz neutrophiler Granulozyten
Therapie 4 lebenslange glutenfreie Diät (Gluten ist enthalten in Weizen, Gerste und Roggen) 4 Dapson (1,5–2 mg/kg KG), darunter rasche Befundbesserung
22.2
Lupus erythematodes
4 chronisch-entzündliche Multisystemerkrankung mit autoimmuner Genese 4 nichtorganspezifische Autoantikörper (ANA = Antikörper gegen nukleäre Antigene) 4 familiäre Häufung 4 Frauen erkranken häufiger als Männer 4 unterschiedliche Formen des Hautbefalls, die verschiedene Manifestationsarten der Erkrankung charakterisieren
22.2.1
Chronisch-diskoider Lupus erythematodes (CDLE)
Klinik 4 scheibenförmige (diskoide), rote, keratotische Plaques besonders im Kopfbereich und an oberer Thoraxapertur 4 follikuläre Keratosen (»Tapeziernagelphänomen«) 4 Hyperästhesie 4 anfangs entzündlich infiltriert, später Abheilung mit Atrophie, Hyperund Hypopigmentierungen, Vernarbung 4 Schleimhautbefall möglich 4 am Kapillitium vernarbende Alopezie
225 22.2 · Lupus erythematodes
22.2.2
Subakut-kutaner Lupus erythematodes (SCLE)
Klinik 4 an UV-exponierten Lokalisationen (obere Thoraxapertur, Streckseiten der Arme, Wangen) anuläre, z. T. polyzyklische Plaques von psoriasiformem Charakter mit nach innen gerichteter Schuppenkrause, mitunter exsudativer Aspekt 4 diffuse Alopezie, Schleimhautulzerationen möglich 4 Hautläsionen heilen unter Hinterlassung von Hypopigmentierungen ab, im Gegensatz zum CDLE jedoch keine Vernarbung 4 Allgemeinsymptome (Abgeschlagenheit, Fieber), häufig Arthralgien, Myalgien 22.2.3
Systemischer Lupus erythematodes (SLE)
Klinik 4 bilaterales, schuppendes Erythem an den Wangen, das sich über das ganze Gesicht ausdehnen kann (Schmetterlingserythem) 4 Erythema multiforme-artige Exantheme, häufig mit hämorrhagischem Aspekt 4 periunguale Erytheme und Teleangiektasien, gelegentlich RaynaudSymptomatik 4 diskoide Plaques wie beim CDLE 4 diffuse Alopezie, bei Auftreten von diskoiden Läsionen am Kapillitium auch vernarbende Alopezie 4 Erosionen und fibrinbelegte Ulzerationen an der Mundschleimhaut 4 erhöhte Photosensitivität 4 weitere Befunde: 5 Abgeschlagenheit, Fieber, Lymphadenopathie 5 Arthralgien und Myalgien 5 Serositis (Pleuritis, Perikarditis) 5 kardiovaskuläre Symptome (erhöhtes Risiko für koronare Herzkrankheit, Myokardinfarkt; Libman-Sacks-Endokarditis) 5 Nephritis (mit Hämaturie, Proteinurie, Einschränkung der Nierenfunktion; Ödeme, Hypertonie) 5 hämolytische Anämie, Leukopenie mit Lymphozytopenie, Thrombozytopenie 5 ZNS-Beteiligung (Krampfanfälle, Apoplex, Psychosen, eingeschränkte Konzentrations- und Merkfähigkeit, u. a. m.) 5 Antiphospholipid-Syndrom (arterielle und venöse Thrombosen, die zu zerebrovaskulären Ischämien und Aborten führen) 22.2.4
Weitere Formen des kutanen Lupus erythematodes
5 Lupus erythematodes tumidus J indurierte, z. T. urtikariell erscheinende Plaques ohne Schuppung im Gesicht oder am Rumpf 5 Chilblain-Lupus
22
Eigene Notizen
226
Kapitel 22 · Autoimmunerkrankungen der Haut
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22
J in kälteexponierten akralen Lokalisationen (z. B. Finger, Zehen, Nase) livid-rote Plaques (»chilblain«, Frostbeule) J Chilblain-Lupus ist abzugrenzen von Perniones (Frostbeulen) 5 Lupuspannikulitis (Lupus erythematodes profundus) J tiefe, in die Subkutis reichende, livide Knoten, die unter Hinterlassung von Einsenkungen und Narben abheilen 5 medikamentös induzierter Lupus erythematodes J Auslösung durch Medikamente (häufig Hydralazin, Procainamid, seltener Carbamazepin, Phenytoin, Minocyclin, TNF-Antagonisten); klinisches Bild ähnelt einer leichteren Verlaufsform des SLE J Hydrochlorothiazid und Terbinafin können SCLE auslösen 5 neonataler Lupus erythematodes J kann sich bei Neugeborenen von Müttern entwickeln, die Ro (SSA)-Autoantikörper aufweisen J SCLE-artige Hautläsionen, die selbstlimitierend sind J diaplazentar auf das Kind übergehende Ro (SS-A)-Autoantikörper interagieren mit kindlichem Herzreizleitungssystem und können kongenitalen AV-Block hervorrufen
Diagnostik 4 Histologie 5 atrophe Epidermis mit vakuoliger Degeneration der Keratinozyten des Stratum basale 5 in der PAS-Färbung verdickte Basalmembran 5 Muzinablagerungen 5 lymphozytäres, vorzugsweise perivaskuläres Infiltrat 5 je nach klinischer Manifestationsform auch Orthohyperkeratose und Parakeratose 4 direkte Immunfluoreszenz von läsionaler Haut: bei SLE, SCLE und CDLE meist bandförmige Ablagerungen von IgG, seltener IgM und IgA, sowie C3 an der dermoepidermalen Junktionszone 4 Lupus-Band-Test (direkte Immunfluoreszenz von normal erscheinender, nicht-UV-exponierter Haut): zeigt beim SLE in ca. 50% der Fälle, nicht jedoch beim SCLE und CDLE, bandförmige Ablagerungen von Immunglobulinen und C3 in der Junktionszone 4 indirekte Immunfluoreszenz: SLE: ANA in >95% der Fälle, Anti-dsDNA (60%), Anti-SM (30%); SCLE: ANA in > 95% der Fälle, Anti-Ro (SS-A) (75%); Anti-La (SS-B) (35%); CDLE: niedrigtitrige ANA in <20% der Fälle 4 Labor: beim SLE häufig Komplementverbrauch (C3 und C4 erniedrigt) 4 weitere Diagnostik: in Abhängigkeit vom (potenziellen) Organbefall 4 ACR-Kriterien zur Klassifikation des systemischen Lupus erythematodes (SLE) (mindestens 4 der 11 Kriterien müssen erfüllt sein): 1. Schmetterlingserythem 2. diskoide Läsionen 3. Photosensitivität (Exanthem nach Sonnenexposition) 4. orale oder nasopharyngeale Ulzerationen
227 22.3 · Dermatomyositis
5. Arthritis (nichterosive Arthritis von mindestens 2 Gelenken) 6. Serositis (Pleuritis oder Perikarditis) 7. Nephritis (Proteinurie >0,5 g/Tag oder pathologisches Sediment) 8. ZNS-Beteiligung (Anfallsleiden oder Psychosen) 9. hämolytische Anämie oder Leukopenie oder Lymphozytopenie oder Thrombozytopenie 10. immunologische Befunde (Anti-DNA- oder Anti-SM- oder AntiPhospholipid-Antikörper) 11. antinukleäre Antikörper (ANA) 4 > Memo ANA finden sich auch bei anderen Autoimmunerkrankungen. Sie sind nicht für die Diagnose eines SLE beweisend. Weniger als 20% der Patienten mit ANA haben einen SLE, umgekehrt ist das Vorliegen eines SLE bei Fehlen von ANA nahezu ausgeschlossen.
Differenzialdiagnose 4 andere UV-sensitive Hauterkrankungen (polymorphe Lichtdermatose, photoallergische Kontaktdermatitis), Rosacea 4 Psoriasis 4 Arzneimittelreaktionen 4 Erythema multiforme 4 Erythema anulare centrifugum 4 Granuloma anulare, Sarkoidose 4 andere Kollagenosen (Dermatomyositis, »mixed connective tissue disease«)
Therapie 4 Vermeiden von UV-Exposition, Lichtschutz 4 Verlaufsformen, bei denen die Hautbeteiligung im Vordergrund steht: topische Glukokortikoide, Antimalariamittel (Hydroxychloroquin (maximal 6,5 mg/kg (Ideal-)Körpergewicht pro Tag), Chloroquin) 4 Verlaufsformen mit viszeraler Beteiligung: systemische Glukokortikoide in Kombination mit Immunsuppressiva (Azathioprin und Mycophenolatmofetil); Cyclophosphamid-Pulstherapie; Rituximab, u. a. m.
Prognose 4 schubweiser Verlauf, bei Männern schwerer als bei Frauen 4 Prognose hängt ab vom Ausmaß des Organbefalls, insbesondere der Niere 4 erhöhtes Infektionsrisiko 4 erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Komorbiditäten
22.3
Dermatomyositis
4 Autoimmunerkrankung unklarer Ätiologie aus dem Formenkreis der Kollagenosen 4 Formen: juvenile Dermatomyositis und adulte Dermatomyositis 4 Dermatomyositis sine Myositis (= amyopathische Dermatomyositis): Hauterscheinungen ohne nachweisbare Muskelbeteiligung
22
Eigene Notizen
228
Kapitel 22 · Autoimmunerkrankungen der Haut
Eigene Notizen
22
Klinik 4 fliederfarbene Erytheme in der Periorbitalregion, die einen weinerlichen Gesichtsausdruck vermitteln (»heliotropes« Erythem) 4 poikiloderme Läsionen (Poikilodermie: Nebeneinander von Atrophie, Hyper- und Hypopigmentierungen und Teleangiektasien) über Fingerknöcheln, an Ellenbogen, Knien und oberem Rücken (Hals-NackenRegion, Decolleté) 4 Gottronsche Papeln: lichenoide, violette Papeln über den Fingergelenken, Ellenbogen und Knien 4 periunguale Teleangiektasien und Nagelfalzhyperkeratosen 4 Keining-Zeichen: Schmerzhaftigkeit beim Zurückschieben des Nagelhäutchens 4 insbesondere bei juveniler Dermatomyositis Kalkablagerungen in der Subkutis (Kalzinosis) und Lipodystrophien 4 gelegentlich Hyperkeratosen und Rhagaden an der Palmarseite der Finger (»mechanic’s hand«) 4 Myalgien mit Schwäche besonders der proximalen Extremitätenmuskulatur (Bewegungsabläufe wie z. B. Kämmen der Haare und Steigen von Treppen sind schmerzhaft) 4 Dysphagie bei Beteiligung des Ösophagus 4 Heiserkeit und Dyspnoe bei Beteiligung des Larynx und der Atemmuskulatur 4 selten: Myokarditis, Herzrhythmusstörungen, Bronchiolitis obliterans, interstitielle Lungenfibrose
Diagnostik 4 Labor: Erhöhung der CK, die eine Muskelbeteiligung widerspiegelt; auch Erhöhung von GOT und LDH 4 indirekte Immunfluoreszenz: ANA in etwa 50 % der Fälle; gelegentlich Autoantikörper gegen Mi-2 oder Jo-1 4 Histologie: ähnlich wie bei Lupus erythematodes 4 Direkte Immunfluoreszenz: negativ, d. h. kein Nachweis von Immunglobulinablagerungen 4 Myositis-Diagnostik: EMG (zeigt Myopathiemuster), Magnetresonanztomographie (hat die früher übliche tiefe Muskelbiopsie weitgehend abgelöst)
Differenzialdiagnose 4 systemischer Lupus erythematodes, Sklerodermie und Overlap-Erkrankungen 4 Hydroxyurea-induzierte dermatomyositisartige Hautläsionen 4 Polymyositis und andere Myopathien 4 Trichinose
Therapie 4 systemische Glukokortikoide in Kombination mit Immunsuppressiva (Azathioprin); Methotrexat; hochdosierte intravenöse Immunglobuline (IvIg); Rituximab; TNF-Antagonisten
229 22.4 · Progressive systemische Sklerodermie
4 bei alleinigem Hautbefall (amyopathische Dermatomyositis): Hydroxychloroquin, topische Glukokortikosteroide 4 UV-Lichtschutz
Prognose 4 adulte Form der Dermatomyositis kann mit Malignomen assoziiert sein, wobei die Hauterkrankung dem Malignom häufig vorausgeht; daher sind nach Diagnose Tumorsuche und regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen angezeigt 4 am häufigsten assoziiert sind Malignome von Ovar, Mamma, Lunge und Colon/Rektum sowie Non-Hodgkin-Lymphome 4 sofern keine Malignome vorliegen, günstige Prognose 4 ! Cave adulte Form der Dermatomyositis kann mit Malignomen assoziiert sein und erfordert Tumorsuche und regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen.
22.4
Progressive systemische Sklerodermie
4 Autoimmunerkrankung des Bindegewebes unklarer Ätiologie, die Haut, Blutgefäße und innere Organe erfasst 4 Frauen erkranken häufiger als Männer 4 familiäre Häufung spricht für genetische Disposition 4 Pathogenese ist unklar: mikrovaskuläre Dysfunktion und eine Aktivierung des Immunsystems mit Produktion von Autoantikörpern und Ausbildung lymphozytärer Infiltrate, in der Folge überschießende Kollagensynthese, die zur Fibrose führt
Klinik 4 2 Hauptformen: 5 limitierte (akrale) systemische Sklerodermie (betrifft die Akren und ggf. das Gesicht) 5 diffuse systemische Sklerodermie (betrifft zusätzlich proximale Extremitäten und Stamm) 4 Sonderform der limitierten Sklerodermie mit milderem Verlauf: CREST-Syndrom, gekennzeichnet durch Calcinosis, Raynaud-Symptomatik, ösophageale Dismotilität, Sklerodaktylie, Teleangiektasien 4 anfangs teigig-ödematöse Schwellung, später symmetrische Induration und Sklerosierung der Akren, die Haut lässt sich dann nicht mehr in Falten abheben; Einschränkung der Beweglichkeit; kegelartige Zuspitzung der Endglieder (»Madonnenfinger«) 4 diffuse Hyperpigmentierung, mitunter mit eingestreuter perifollikulärer Depigmentierung (»Salz und Pfeffer«-Zeichen) 4 Teleangiektasien, auch an Nagelfälzen 4 Raynaud-Symptomatik: episodische Farbveränderungen der Akren durch Vasokonstriktion der Fingerarterien (»weiß«) mit nachfolgender Hypoxämie (»blau«) und anschließender reaktiver Hyperämie (»rot«) 4 Calcinosis cutis, insbesondere akral
22
Eigene Notizen
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Kapitel 22 · Autoimmunerkrankungen der Haut
Eigene Notizen
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4 4 4 4
verkleinerte Mundöffnung (Mikrostomie) radiäre Furchen an den Lippen (»Tabaksbeutelmund«) sklerotisch verdicktes und verkürztes Zungenbändchen Ulzerationen an den Fingerspitzen (»Rattenbissnekrosen«, infolge von Ischämie, Fibrose und Traumatisierung) 4 extrakutane Manifestationen: Dyspnoe bei Belastung als Zeichen einer interstitiellen Lungenfibrose und pulmonalen Hypertonie; Cor pulmonale; Proteinurie, Niereninsuffizienz, renale Hypertonie; Reflux und Dysphagie als Zeichen einer Ösophagusbeteiligung
Diagnostik 4 indirekte Immunfluoreszenz 5 Nachweis von ANA; bei diffuser Sklerodermie häufig Anti-Topoisomerase-I-Antikörper (Scl-70) 5 beim CREST-Syndrom Anti-Zentromer-Antikörper 4 direkte Immunfluoreszenz: negativ, d. h. keine Ablagerung von Immunglobulinen 4 Histologie 5 exzessive Ablagerungen von Kollagen in der Dermis 5 Atrophie der Schweißdrüsen 5 spärliches lymphozytäres Infiltrat 5 die Entnahme einer Probebiopsie ist i. d. R. nicht erforderlich 4 organbezogene Diagnostik 5 Lungenfunktionstest 5 bronchoalveoläre Lavage 5 HR-CT der Lunge 5 Echokardiographie
Differenzialdiagnose 4 zirkumskripte Sklerodermie (= Morphaea; 7 Abschn. 26.1) 4 Scleroedema adultorum Buschke, Skleromyxödem Arndt-Gottron, eosinophile Fasziitis 4 chronische »graft-versus-host disease« (GVHD)
Therapie 4 schwierig, erfordert interdisziplinäre Zusammenarbeit besonders in Bezug auf Lunge und Niere 4 Raynaud-Symptomatik: Nikotinkarenz, Vermeidung von Kälteexposition; ggf. Kalziumantagonisten, Sartane, Prostaglandin-Agonisten, Sildenafil, ASS 4 digitale kutane Ulzerationen: Bosentan (Endothelin-Rezeptor-Antagonist), Prostaglandine; hydrokolloidale Wundauflagen 4 kutane Sklerose: D-Penicillamin ist von zweifelhaftem Nutzen; ggf. Methotrexat; ggf. Bade- bzw. Creme-PUVA- oder UVA1-Lichttherapie 4 interstitielle Lungenbeteiligung: systemische Glukokortikoide in Kombination mit Cyclophosphamid; pulmonale Hypertonie: Bosentan, Prostacycline, ggf. Sildenafil
231 22.5 · Kryoglobulinämie
Prognose 4 limitierte Sklerodermie hat günstigere Prognose als diffuse Sklerodermie 4 Haupttodesursache: interstitielle Lungenbeteiligung, pulmonale Hypertonie 4 foudroyanter Verlauf mit Herz- und Nierenversagen möglich
22.5
Kryoglobulinämie
4 Kryoglobuline sind Immunglobuline, die unter Kälteexposition präzipitieren und bei Erwärmung wieder in Lösung gehen 4 Unterteilung der Kryoglobuline in 3 Typen: 5 Typ I: monoklonales IgG oder IgM 5 Typ II (gemischte Kryoglobuline): monoklonales IgM, seltener IgG, das an den Fc-Teil von polyklonalem IgG bindet 5 Typ III: (gemischte Kryoglobuline): polyklonale Immunglobuline 4 Typ-I-Kryoglobuline treten bei lymphoproliferativen Erkrankungen auf (multiples Myelom, Lymphome) 4 Typ II- und Typ III-Kryoglobuline am häufigsten nach Infektion mit Hepatitis C 4 Kryoglobuline können auf zweierlei Weise pathogen wirken: durch Vasookklusion oder durch Auslösung einer Immunkomplex-vermittelten Vaskulitis (7 Kap. 29) 4 von Kryoglobulinen abzugrenzen sind Kryofibrinogen (Fibrinogen, das in der Kälte geliert) und Kälteagglutinine (Antikörper, die bei Kälteexposition zur Agglutination von Erythrozyten führen)
Klinik 4 purpurische, netzartige Läsionen an den Akren nach Kälteexposition, die nach Gefäßokklusion zu Hautnekrosen und Ulzerationen führen können 4 Akrozyanose, mitunter Raynaud-Phänomen, Livedozeichnung und palpable Purpura 4 gelegentlich Arthralgien, Hepatomegalie und Nierenbeteiligung
Diagnostik 4 Blutentnahme zum Nachweis der Kryoglobuline; Transport und Zentrifugation müssen bei 37°C erfolgen; bei Abkühlung entsteht Kryopräzipitat 4 Histologie: Okklusion kleiner Gefäße; bei Immunkomplexgenese Zeichen einer leukozytoklastischen Vaskulitis
Differenzialdiagnose 4 Kryofibrinogenämie, Kälteagglutininkrankheit, Vaskulitiden, Perniones, Chilblain-Lupus, Antiphospholipid-Syndrom
Therapie 4 Vermeidung akraler Kälteexposition 4 Erkennung und Behandlung zugrunde liegender Erkrankungen
22
Eigene Notizen
23 Tag 3 – Dermatologie
23
Hereditäre Erkrankungen der Haut A. Jung
23.1
Ichthyosen – 233
23.1.1 23.1.2 23.1.3 23.1.4 23.1.5
Ichthyosis vulgaris – 233 X-chromosomal-rezessive Ichthyosis – 234 Lamellöse Ichthyosen – 234 Harlekin-Ichthyose (Harlekin-Fetus) – 235 Epidermolytische Ichthyosen – 235
23.2
Palmoplantarkeratosen – 235
23.2.1
Hyperkeratosis palmoplantaris diffusa Vörner-Unna-Thost
23.3
Dyskeratosis follicularis (Morbus Darier) – 236
23.4
Neurokutane Erkrankungen (Phakomatosen) – 237
23.4.1 23.4.2 23.4.3
Neurofibromatose Typ I (Morbus von Recklinghausen) – 237 Tuberöse Sklerose (Morbus Bourneville-Pringle) – 238 Sturge-Weber-Syndrom – 239
23.5
Marfan-Syndrom – 239
23.6
Epidermolysis bullosa hereditaria – 239
23.6.1 23.6.2 23.6.3
Epidermolysis bullosa simplex (EBS) – 240 Epidermolysis bullosa junctionalis – 241 Epidermolysis bullosa dystrophicans – 241
23.7
Xeroderma pigmentosum – 241
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_23, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
– 235
233 23.1 · Ichthyosen
23.1
Ichthyosen
4 heterogene Gruppe genetisch determinierter Hauterkrankungen (Genodermatosen), die durch eine fischschuppenartige Verhornungsstörung gekennzeichnet sind 4 bei den (seltenen) kongenitalen Ichthyosen (lamellöse Ichthyosen, bullöse Ichthyosen) ist die Verhornungsstörung bereits bei Geburt bzw. innerhalb der ersten 4 Lebenswochen erkennbar, bei den (häufigeren) nichtkongenitalen Ichthyosen (Ichthyosis vulgaris, X-chromosomal-rezessive Ichthyose) tritt diese erst danach in Erscheinung 4 zwei Wege der Entstehung 5 Retentionshyperkeratose (Störung der Abschilferung der Korneozyten) 5 Proliferationshyperkeratose (gesteigerte epidermale Proliferation mit gestörter Abschuppung) 4 manche Formen der Ichthyosen gehen mit einer Blasenbildung einher: epidermolytische Ichthyosen
Diagnostik 4 Histologie, ggf. Elektronenmikroskopie 4 biochemische bzw. molekularbiologische Diagnostik
Therapie 4 rückfettende, hydratisierende, schuppenlösende Hautpflege mit Harnstoff-, Milchsäure- oder kochsalzhaltigen Externa 4 wegen der meist erforderlichen großflächigen Anwendung sollten salicylsäurehaltige Externa angesichts der Resorptionsgefahr (Nephrotoxizität) gemieden werden 4 ggf. Einsatz niedrigdosierter systemischer Retinoide (Acitretin, Isotretinoin; ! Cave Teratogenität!)
23.1.1
Ichthyosis vulgaris
4 häufigste erbliche Hauterkrankung; Prävalenz 1:250 bis 1:1000 4 Mutationen im (Pro-)Filaggrin-Gen führen zur Retentionshyperkeratose (gestörte Aggregation der Keratinfilamente bei der Korneozytenbildung; beeinträchtigte Wasserbindungsfähigkeit; histologisch resultiert fehlendes bis rudimentär ausgebildetes Stratum granulosum) 4 autosomal-semidominanter Vererbungsmodus: bei Homozygotie (Mutation in beiden Allelen) meist ausgeprägter Phänotyp, bei Heterozygotie (Mutation nur in einem Allel) milde bis fehlende Ausprägung 4 in bis zu 40% der Fälle Assoziation mit Atopie (geht ebenfalls mit Mutationen im (Pro-)Filaggrin-Gen einher)
Klinik 4 am Rumpf und besonders an den Extremitätenstreckseiten in beidseitig gleichförmiger Ausprägung fein- bis mittellamellöse Schuppung ohne Erythem
23
Eigene Notizen
234
Kapitel 23 · Hereditäre Erkrankungen der Haut
Eigene Notizen
23
4 die großen Gelenkbeugen sind ausgespart 4 an den proximalen Extremitätenstreckseiten Keratosis pilaris (follikulär gebundene, 1–2 mm große Keratosen) 4 palmoplantar Hyperlinearität (»Ichthyosishand« bzw. »Ichthyosisfuß«) 4 Manifestation ab dem 3. Lebensmonat mit Progression bis zur Pubertät und anschließender Besserungstendenz
23.1.2
X-chromosomal-rezessive Ichthyosis
4 X-chromosomal-rezessiv vererbte Mutation im Steroidsulfatase-Gen 4 gestörte Zusammensetzung der Interzellularlipide im Stratum corneum mit Retentionshyperkeratose 4 nahezu ausschließlich bei Männern auftretend; Frauen sind Konduktorinnen
Klinik 4 am Rumpf und besonders an den Extremitätenstreckseiten in beidseitig gleichförmiger Ausprägung mit Beginn in den ersten Lebensmonaten helle lamellöse Schuppung, die sich im Laufe der Kindheit in eine dunkelbraune, polygonale Schuppung wandelt (»Ichthyosis nigricans«) 4 häufig Befall der Nackenregion (»dirty neck«) 4 große Gelenkbeugen meist ausgespart 4 Keratosis pilaris und palmoplantare Hyperlinearität fehlen 4 keine Besserung nach der Pubertät 4 häufig assoziiert mit Kryptorchismus und Hornhauttrübung 4 anamnestisch ist mitunter eine Wehenschwäche der Mutter erfragbar (bei der Geburt durch Steroidsulfatasemangel verlangsamte Öffnung des Muttermundes mit verzögertem Geburtsverlauf)
23.1.3
Lamellöse Ichthyosen
4 heterogene Gruppe nicht-epidermolytischer Formen der Ichthyosis congenita, denen autosomal-rezessive Mutationen meist der Transglutaminase-1, seltener des Transportergens ABCA12 oder des CYP4F22, eines Mitglieds der Cytochrom p450-Familie, zugrunde liegen 4 Beeinträchtigung der Verhornung bzw. der Desquamation
Klinik 4 bei Geburt häufig Erythrodermie mit Kollodium-Membran (pergamentartige Membran, die das gesamte Integument umgibt; kann auch bei anderen Ichthyose-Formen auftreten) 4 in den ersten Lebenswochen variable Ausprägung einer fein- bis groblamellösen, bräunlichen Schuppung 4 häufig Ektropium und Eklabium 4 palmoplantare Hyperkeratosen und -linearität
235 23.2 · Palmoplantarkeratosen
23.1.4
Harlekin-Ichthyose (Harlekin-Fetus)
4 extreme Form der kongenitalen Ichthyose, die mit Frühgeburtlichkeit einhergeht 4 dicke Hornplatten am Integument, Ektropium, Eklabium 4 hohe Frühletalität 4 Defekt des Gens für das Lipidtransportprotein ABCA12
23.1.5
Epidermolytische Ichthyosen
4 bullöse kongenitale ichthyosiforme Erythrodermie Brocq 5 autosomal-dominant vererbte Mutationen des Keratin-1- oder des Keratin-10-Gens 5 Beeinträchtigung der Integrität des Zytoskeletts der Keratinozyten mit Blasenbildung 5 Klinik: bei Geburt Erythrodermie mit großflächigen Erosionen sowie Blasen (Bild des »verbrühten Kindes«); betrifft besonders mechanisch belastete Areale; mit zunehmendem Alter stehen beugenbetonte Hyperkeratosen im Vordergrund 4 Ichthyosis bullosa Siemens 5 autosomal-dominant vererbte Mutationen des Keratin-2-Gens 5 Klinik: deutlich mildere Ausprägung mit Blasen und Erosionen an mechanisch belasteten Lokalisationen
23.2
Palmoplantarkeratosen
4 heterogene Gruppe hereditärer (seltener auch erworbener) Erkrankungen, die zu palmoplantaren Hyperkeratosen führen 4 keine einheitliche Nomenklatur; unterschieden werden diffuse, fokale (streifenförmige) und papulöse Formen der Palmoplantarkeratosen 4 Auftreten isoliert oder als Teilsymptom einer komplexen Erkrankung
23.2.1
Hyperkeratosis palmoplantaris diffusa Vörner-Unna-Thost
4 häufigste hereditäre Palmoplantarkeratose 4 autosomal-dominant vererbte Mutation des ausschließlich in palmarer und plantarer Haut exprimierten Keratins 9
Klinik 4 mit Beginn in den ersten Lebensmonaten Ausbildung orangegelber Hyperkeratosen an Palmae und Plantae mit erythematösem Randstreifen zur Umgebung 4 Hyperhidrose 4 Neigung zur Infektion mit Dermatophyten (Tinea manuum)
23
Eigene Notizen
236
Kapitel 23 · Hereditäre Erkrankungen der Haut
Eigene Notizen
Therapie 4 rückfettende Externa 4 Keratolyse mittels topisch applizierter 10–20% Salizylsäure in Vaseline und Abtragung mittels Bimsstein
23
23.3
Dyskeratosis follicularis (Morbus Darier)
4 autosomal-dominant vererbte Mutation im ATP2A2-Gen, das für eine Ca2+-abhängige ATPase im endoplasmatischen Retikulum, SERCA2, kodiert 4 interzellulärer Kohäsionsverlust der Keratinozyten (Akantholyse) und Apoptose mit Dyskeratose
Klinik 4 Beginn meist im 2.–3. Lebensjahrzehnt 4 besonders in den seborrhoischen Arealen multiple, mehrere mm große, rot-bräunliche, keratotische Papeln 4 zentral Konfluenz zu Plaques, peripher satellitenartig auslaufend 4 bei Ablösung der Keratosen großflächige Erosionen mit Neigung zu Superinfektion und Fötor 4 intertriginös Papillomatose und Mazeration 4 Assoziationen: 5 Nageldystrophie mit Längsriffelung und erhöhter Brüchigkeit 5 palmoplantare Unterbrechung der Papillarleisten durch mm-große Grübchen (»pits«) 5 weißliche Papeln der Mundschleimhaut, besonders am harten Gaumen 5 hautfarbene, flache, warzenartige Papeln an der Dorsalseite von Händen und Füßen (Acrokeratosis verruciformis Hopf) 4 Provokation: UV-Exposition, Wärme und Okklusion verschlechtern das Krankheitsbild 4 Komplikation: erhöhtes Risiko für HSV-Infektionen, die unter dem Bild eines Eczema herpeticatum verlaufen
Diagnostik 4 Blickdiagnose 4 Histologie: fokale Akantholyse und Dyskeratose von Keratinozyten (»corps ronds«)
Therapie 4 antiseptische Externa (Triclosan, Octenidin, Chlorhexidin) 4 Retinoide: topisch Adapalen, systemisch ggf. Isotretinoin oder Acitretin ( ! Cave Teratogenität!) 4 Dermabrasion, evtl. CO2-Laser
237 23.4 · Neurokutane Erkrankungen (Phakomatosen)
23.4
Neurokutane Erkrankungen (Phakomatosen)
4 Phakomatosen: heute obsolete Bezeichnung für neurokutane Syndrome: Neurofibromatose Typ I, tuberöse Sklerose, Sturge-Weber-Syndrom, von-Hippel-Lindau-Syndrom
23.4.1
Neurofibromatose Typ I (Morbus von Recklinghausen)
4 autosomal-dominant vererbte Mutation des Neurofibromin-Gens (Tumorsuppressor-Gen, das das Ras-Onkogen inaktiviert) 4 erhöhte Proliferationsneigung von Zellen neuroektodermalen Ursprungs 4 in 50% der Fälle Neumutation 4 Prävalenz: 1:3000
Klinik 4 zur Diagnosestellung müssen mindestens zwei der folgenden Kriterien zutreffen: 5 Café-au-lait-Flecke: präpubertär mehr als 5 hellbraune, scharf begrenzte Maculae mit einem Durchmesser von über 5 mm (postpubertär über 15 mm Durchmesser); Café-au-lait-Flecken stellen das früheste Symptom dar! 5 Neurofibrome: mindestens zwei hautfarben bis braune, kuppel- bis knopfartige, weiche, symmetrische Papeln und Knoten, die sich auf Druck mit anfänglichem Widerstand in die Haut eindrücken lassen (»Klingelknopf-Phänomen«) oder mindestens ein plexiformes Neurofibrom (subkutane, sich an den Verlauf der Nerven orientierende Neurofibrome) 5 disseminierte Lentiginose: besonders axillär (»axillar freckling«) und inguinal sommersprossenartige Flecken 5 Optikusgliome 5 mindestens zwei Lischknötchen (Hamartome der Iris) 5 charakteristische Knochenveränderungen: Pseudoarthrosen der Röhrenknochen, Makrozephalie, Skoliose) 5 Vorliegen einer Neurofibromatose Typ I bei Verwandten ersten Grades 4 assoziierte Erkrankungen: erhöhtes Risiko für Epilepsie, mentale Retardierung und Tumoren (juveniles Xanthogranulom, juvenile chronischmyeloische Leukämie, malignes Schwannom, malignes Gliom, Ependymom, Neurofibrosarkom, Rhabdomyosarkom, Phäochromozytom, Wilms-Tumor)
Diagnostik 4 klinische Blickdiagnose (7 Diagnosekriterien) 4 bildgebende Diagnostik; ophthalmologische, neurologische und orthopädische Konsilaruntersuchungen 4 Mutationsanalyse des Neurofibromin-Gens aufgrund der Genlänge aufwändig und i. d. R. nicht erforderlich
23
Eigene Notizen
238
Kapitel 23 · Hereditäre Erkrankungen der Haut
Eigene Notizen
23
Differenzialdiagnose 4 Neurofibromatose Typ II 5 zugrunde liegt eine autosomal-dominant vererbte Mutation des NF2-Gens, das für Merlin/Neurofibromin-2 kodiert 5 diagnostisch wegweisend sind vestibuläre Schwannome 5 kutane Neurofibrome und Café-au-lait-Flecken sind seltener als bei der Neurofibromatose Typ I 5 Lisch-Knötchen, axilläres und inguinales »freckling« sowie mentale Retardierung fehlen
Therapie 4 interdisziplinäre Betreuung und regelmäßige Verlaufskontrollen ( ! Cave Malignome!) 4 Exzision schnellwachsender und funktionell behindernder Neurofibrome 4 humangenetische Beratung
23.4.2
Tuberöse Sklerose (Morbus Bourneville-Pringle)
4 autosomal-dominant vererbte Mutation der Gene für Hamartin (TSC1) oder Tuberin (TSC2), die mit der Regulation des Zellzyklus interferieren 4 in 2/3 der Fälle Neumutationen
Klinik 4 hypopigmentierte, mehrere cm große Makulae (»Eschenlaubfecken«) als früheste Hautzeichen 4 zentrofaziale Angiofibrome (»Adenoma sebaceum«) entwickeln sich ab 2. Lebensjahr 4 Bindegewebsnävi (»shagreen-patches«, die an Leder erinnern) erscheinen ab dem 2. Lebensjahr meist lumbosakral 4 Ausbildung periungualer Fibrome (Koenen-Tumoren) ab der Pubertät 4 assoziierte Erkrankungen: erhöhtes Risiko für Epilepsien, mentale Retardierung und Tumoren (Riesenzellastrozytome, Astrozytome der Retina, kardiale Rhabdomyome, renale Angiomyolipome)
Diagnostik 4 meist klinische Blickdiagnose 4 ggf. positive Familienanamnese 4 bildgebende Diagnostik; neurolologische, internistische und ophthalmologische Konsilaruntersuchungen
Therapie 4 symptomatisch: ablative Laser-Therapie der fazialen Angiofibrome 4 ggf. Antikonvulsiva bei Epilepsie 4 ggf. Einsatz von Rapamycin, das den bei der tuberösen Sklerose dysregulierten mTOR-Signalweg hemmt
239 23.6 · Epidermolysis bullosa hereditaria
23.4.3
Sturge-Weber-Syndrom
4 sporadisch auftretende neurologische Erkrankung mit fazialer kapillärer Malformation und ipsilateralen okulären und leptomeningealen Anomalien
Klinik 4 lateralisierter Nävus flammeus meist im Versorgungsgebiet des 1. oder 2. Trigeminusastes, gelegentlich auch bilateral 4 Augenbeteiligung (Glaukom, vaskuläre Malformation) 4 ZNS-Beteiligung mit Paresen, Epilepsie, Minderbegabung
Diagnostik 4 neurologische und ophthalmologische Konsilaruntersuchungen bei Vorliegen eines Nävus flammeus im Trigeminusbereich 4 bildgebende Diagnostik (MRT, ggf. PET)
Therapie 4 Lokaltherapie des Naevus flammeus mit Farbstofflaser oder Abdeckung mittels Camouflage
23.5
Marfan-Syndrom
4 autosomal-dominant vererbte Mutationen des Fibrillin-I-Gens 4 Beeinträchtigung der Funktion von elastischen Fasern und Mikrofibrillen 4 in 25% der Fälle Neumutation
Klinik 4 Trias: Linsenluxation, Aortenaneurysma, auffällig lange Extremitätenknochen mit Arachnodaktylie 4 Hautmanifestationen (verdünnte, hyperextensible Haut; Striae distensae; gelegentlich Elastosis perforans serpiginosa) stehen nicht im Vordergrund der Erkrankung
23.6
Epidermolysis bullosa hereditaria
4 Gruppe seltener Genodermatosen, bei der es durch Mutationen von Genen verschiedener Strukturproteine zur erhöhten mechanischen Fragilität der Haut mit Spalt- und Blasenbildung kommt 4 Prävalenz: 1–5:100.000 4 Unterteilung der hereditären Epidermolysen nach der Lokalisation der Spaltbildung: 5 Epidermolysis bullosa simplex: intraepidermale = epidermolytische Spaltbildung (Basalzellschicht) bei Mutationen in den Genen für Keratin 5, Keratin 14 oder Plektin
23
Eigene Notizen
240
Kapitel 23 · Hereditäre Erkrankungen der Haut
Eigene Notizen
23
5 Epidermolysis bullosa junctionalis: Spaltbildung in der Lamina lucida der Basalmembran bei Mutationen in den Genen für Laminin 332, BP180 (Kollagen XVII) oder Integrin α6β4 5 Epidermolysis bullosa dystrophicans: Spaltbildung unterhalb der Basalmembran bei Mutationen des Kollagen-VII-Gens 4 > Memo Die hereditären Formen der Epidermolysis bullosa sind von der Epidermolysis bullosa acquisita zu unterscheiden, bei der es durch Autoantikörper gegen Kollagen VII zur Blasenbildung kommt.
Diagnostik 4 konventionelle histologische Techniken erlauben keine Ermittlung der Höhe der Spaltbildung, daher spezialisierte Untersuchungstechniken: »antigen-mapping« (immunfluoreszenzmikroskopische Untersuchungstechnik, die die Ermittlung der Spaltebene durch AntikörperFärbung von Strukturproteinen in läsionalem Nativmaterial erlaubt) oder Elektronenmikroskopie 4 Nachweis der Mutation mittels Sequenzierung
Therapie 4 4 4 4 4
humangenetische Beratung kausale Therapien existieren (bislang) nicht Vermeidung von Bagatelltraumen Hautpflege mit antiseptisch wirksamen Externa Blasen sollten unter Belassung des Blasendachs (Infektionsschutz) abpunktiert werden 4 Behandlung von Hautdefekten mit nichtklebenden Wundauflagen 4 ggf. Operation von Strikturen 4 Krankengymnastik zur Besserung von Kontrakturen
23.6.1
Epidermolysis bullosa simplex (EBS)
4 Vererbung meist autosomal-dominant 4 milder klinischer Verlauf mit narbenloser Abheilung
Klinik 4 Typ Weber-Cockayne: häufigster Typ der EBS; Manifestation meist in der Kindheit an Händen und Füßen nach mechanischer Belastung (z. B. durch enges Schuhwerk, bei sportlicher Betätigung) 4 Typ Köbner: Beginn bei Geburt mit milder generalisierter Blasenbildung 4 Typ Dowling-Meara: schwerer verlaufende Form mit generalisierter herpetiformer Blasenbildung, Erosionen, Hyperkeratosen, Nageldystrophien und Schleimhautbeteiligung
241 23.7 · Xeroderma pigmentosum
23.6.2
Epidermolysis bullosa junctionalis
4 autosomal-rezessive Vererbung 4 Abheilung ohne Narbenbildung 4 breites Krankheitsspektrum von mildem Verlauf bis hin zu früher Letalität
Klinik 4 Typ Herlitz 5 postpartal große, teils hämorrhagische Blasen und Erosionen an mechanisch belasteten Hautregionen und Schleimhäuten 5 meist letal in ersten Lebensjahren 4 Typ Non-Herlitz 5 nicht letale Form 5 ab Geburt generalisierte, chronisch-rezidivierende Blasenbildung, später Hautatrophie sowie Hyper- und Hypopigmentierungen 5 typisch sind weiterhin Alopezie, Nageldystrophie und Zahnschmelzdefekte
23.6.3
Epidermolysis bullosa dystrophicans
4 autosomal-dominante oder autosomal-rezessive Vererbung 4 Typ Hallopeau-Siemens: Fehlen von Kollagen VII und damit der Ankerfibrillen 4 bei den weiteren Varianten führen Mutationen im Kollagen-VII-Gen zu Veränderungen der Ankerfibrillen 4 subbasale Spaltbildung im Stratum papillare bedingt narbige Abheilung 4 reduzierte Lebenserwartung 4 erhöhtes Risiko für die Ausbildung von Plattenepithelkarzinomen der Haut
Klinik 4 generalisierte Blasenbildung und oberflächliche Ulzerationen führen bereits während der Kindheit zu Narbenplatten, Nagelverlust, Synechien, Kontrakturen und Mutilationen unter Mitbeteiligung der Schleimhäute
23.7
Xeroderma pigmentosum
4 autosomal-rezessiv vererbte Mutationen in Genen für DNA-ReparaturEnzyme 4 Inzidenz: ca. 1:1.000.000 4 unterschieden werden 7 sog. Komplementationsgruppen (A bis G) und eine Xeroderma pigmentosum-Variante
23
Eigene Notizen
242
Kapitel 23 · Hereditäre Erkrankungen der Haut
Eigene Notizen
4 charakteristisch sind stark erhöhte UV-Empfindlichkeit, frühzeitige Hautalterung und hohes Risiko für Malignome der Haut 4 eingeschränkte Lebenserwartung
Klinik
23
4 bereits in früher Kindheit schwere Sonnenbrände nach minimaler UVExposition 4 frühzeitig chronische Lichtschädigung der Haut: Lentiginose, Hyperund Hypopigmentierungen, Teleangiektasien, Hautatrophie 4 Hauttumoren in UV-exponierten Arealen: aktinische Keratosen, Plattenepithelkarzinome, Keratoakanthome, Basaliome, Melanome 4 auch erhöhtes Tumorrisiko an Schleimhäuten und inneren Organen 4 Assoziation mit neurologischen Symptomen möglich (Hyporeflexie, Epilepsie, mentale Retardierung, Taubheit)
Diagnostik 4 klinisch charakteristisches Bild mit Aussparung lichtgeschützter Körperregionen (z. B. Gesäß) 4 ggf. positive Familienanamnese, evtl. Konsanguinität der Eltern 4 Sequenzierung der Genmutationen möglich
Therapie 4 4 4 4
konsequenter Lichtschutz Meidung von Kokarzinogenen wie Rauchen orale Kalzium- und Vitamin-D-Supplementation ggf. systemische Retinoide wie Acitretin zur Prävention von Malignomen 4 engmaschige dermatologische Betreuung zur Früherkennung von Malignomen
24 Tag 3 – Dermatologie
24
Zysten, Nävi und Tumoren der Haut P. Mayser, M. Goebeler
24.1
Zysten – 245
24.1.1 24.1.2 24.1.3 24.1.4
Epidermale Zyste – 245 Milie – 245 Trichilemmalzyste – 245 Pilonidalsinus – 246
24.2
Nicht-melanozytäre Nävi – 246
24.2.1 24.2.2 24.2.3 24.2.4
Epidermaler Nävus – 247 Inflammatorischer lineärer verruköser epidermaler Nävus (ILVEN) Naevus sebaceus – 247 Melanosis naeviformis Becker – 248
24.3
Verruca seborrhoica – 248
24.4
Basalzellkarzinom – 249
24.5
Aktinische Keratose, Cheilitis actinica, Leukoplakie und spinozelluläres Karzinom – 251
24.5.1 24.5.2 24.5.3 24.5.4
Aktinische Keratose – 251 Cheilitis actinica – 251 Leukoplakie der Schleimhaut – 252 Spinozelluläres Karzinom – 252
24.6
Keratoakanthom – 254
24.7
M. Bowen und Bowen-Karzinom – 254
24.7.1 24.7.2
M. Bowen und Erythroplasie Queyrat Bowen-Karzinom – 255
24.8
Merkel-Zellkarzinom – 255
– 254
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_24, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
– 247
24.9
Lentigines und melanozytäre Nävuszellnävi – 256
24.9.1 24.9.2
Lentigo simplex – 256 Melanozytäre Nävi – 257
24.10
Malignes Melanom – 260
24.11
Tumoren der Gefäße – 264
24.11.1 24.11.2 24.11.3 24.11.4 24.11.5
Infantiles Hämangiom – 264 Seniles Angiom – 265 Granuloma pyogenicum – 265 Kaposi-Sarkom – 266 Angiosarkom – 267
24.12
Tumoren des Binde- und Fettgewebes – 268
24.12.1 24.12.2 24.12.3 24.12.4
Histiozytom – 268 Fibroma molle – 268 Dermatofibrosarcoma protuberans Lipom – 269
24.13
Primär kutane Lymphome – 269
24.13.1 24.13.2 24.13.3 24.13.4
Mycosis fungoides – 270 Sézary-Syndrom – 271 Primär kutane B-Zell-Lymphome Pseudolymphome – 272
24.14
Mastozytosen – 273
24.14.1 24.14.2
Mastozytom – 274 Urticaria pigmentosa
24.15
Kutane Paraneoplasien – 275
24.15.1 24.15.2
Acanthosis nigricans – 275 Weitere kutane Paraneoplasien
– 268
– 272
– 274
– 275
245 24.1 · Zysten
24.1
Zysten
24.1.1
Epidermale Zyste
4 Synonyme: Atherom, Epidermoidzyste, Infundibulumzyste 4 entsteht oberhalb des Ursprungs der Talgdrüse aus dem Haarfollikelepithel (Infundibulum) 4 Zystenwand gleicht in ihrem Aufbau der Epidermis (mit Stratum granulosum)
Klinik 4 hautfarbene, nicht schmerzhafte, prallelastische Knoten, langsam an Größe zunehmend. Inhalt breiig-käsiges Hornmaterial 4 mitunter Ruptur mit abszedierender und granulierender Entzündungsreaktion
Differenzialdiagnosen 4 Trichilemmalzyste
Therapie 4 chirurgische Exstirpation
24.1.2
Milie
4 Synonym: »Hirsekorn« 4 kleine interfollikuläre Epidermalzyste; Wandaufbau entspricht dem der Epidermis 4 Auftreten mitunter nach Trauma oder nach Abheilung subepidermaler blasenbildender Erkrankungen
Klinik 4 kleine weißliche Papeln
Therapie 4 Anritzen und Exprimieren des Inhalts
24.1.3
Trichilemmalzyste
4 Synonym: »Grützbeutel« 4 entsteht in Höhe oder unterhalb der Einmündung des Ausführungsganges der Talgdrüse in den Follikelkanal 4 Zystenwand zeigt den Verhornungstyp der äußeren Haarwurzelscheide (Trichilemm): das Stratum granulosum ist nicht ausgebildet
24
Eigene Notizen
246
Kapitel 24 · Zysten, Nävi und Tumoren der Haut
Eigene Notizen
Klinik 4 meist am behaarten Kopf (90%) 4 prallelastische Knoten mit hartem geruchslosen Inhalt (homogenes Hornmaterial mit hohem Fettanteil, gelegentlich Verkalkungen)
Therapie 4 chirurgische Exstirpation
24 24.1.4
Pilonidalsinus
4 Synonym: Steißbeinfistel, Kokzygealfistel 4 durch chronische Reibung und abszedierende Entzündung im Bereich von Terminalhaarfollikeln Entwicklung von fuchsbauartigen, mit Epithel ausgekleideten Gangsystemen 4 Teilsymptom der sog. Akne-Tetrade zusammen mit Acne conglobata, Acne inversa und Folliculitis nuchae abscedens et suffodiens
Klinik 4 vorwiegend intertriginös, insbesondere auch im Bereich des Steißbeins durch chronische Druckbelastung (Fahrrad-, Motorradfahrer) 4 Männer sind häufiger betroffen 4 fluktuierende Schwellung, einschmelzende Knoten, sterile Abszesse und Fistulationen mit Sekretaustritt, Superinfektion möglich
Therapie 4 großzügige Exzision des gesamten unterminierten Abszessgewebes einschließlich Haaranlagen bis zur Faszie; sekundäre Wundheilung oder primärer Verschluss
24.2
Nicht-melanozytäre Nävi
4 Nävi 5 Fehlbildungen als Manifestation genetischer Mosaike, die Strukturen der Haut bzw. der Schleimhaut oder der Hautanhangsgebilde betreffen 5 keine malignen Neoplasien 4 Mosaik 5 Zustand, bei dem sich in einem Organismus genetisch unterschiedliche Zellpopulationen finden 5 entsteht z. B. durch eine postzygotische Mutation 5 je früher das Mutationsereignis stattfindet, desto größer das betroffene Hautareal 5 die sog. Blaschko-Linien spiegeln ein kutanes Mosaikmuster wider
247 24.2 · Nicht-melanozytäre Nävi
24.2.1
Epidermaler Nävus
4 Synonym: verruköser Nävus, Naevus verrucosus 4 nur die Epidermis betreffend
Klinik 4 rötlich- bis dunkelbraune, weich papillomatöse oder hyperkeratotischverruköse Läsion 4 einzeln oder gruppiert; in der Regel angeordnet im Verlauf der Blaschko-Linien
Therapie 4 ggf. Dermabrasio 4 ggf. ablative Laserchirurgie 4 ggf. Exzision
24.2.2
Inflammatorischer lineärer verruköser epidermaler Nävus (ILVEN)
4 seltene Variante eines epidermalen Nävus mit entzündlicher Komponente, die klinisch an eine Psoriasis erinnert
Klinik 4 streifige psoriasiforme oder ekzemartige Areale meist an Extremitäten 4 Erstmanifestation in der Adoleszenz bis in das 3. Lebensjahrzehnt
Differenzialdiagnosen 4 andere lineäre/streifenförmige Dermatosen, insbesondere Lichen striatus: 5 striäre Lichen-ruber-artige Entzündungsreaktion unklarer Genese 5 im Bereich aller Körperareale möglich 5 im Gegensatz zum ILVEN spontane Rückbildung, aber oft postinflammatorische Hyperpigmentierung
Therapie 4 unbefriedigend; symptomatisch topische entzündungshemmende Therapie mit Calcipotriol, Glukokortikosteroiden oder Tacrolimus
24.2.3
Naevus sebaceus
4 Synonym: Talgdrüsennävus 4 vergleichsweise häufiger »organoider« Nävus, der Epidermis und Adnexanlagen (insbesondere Talgdrüsen) betrifft
Klinik 4 schon bei Geburt bestehende, scharf begrenzte, orangegelbe, haarlose, flach erhabene Plaque 4 in der Pubertät verruköse oder knotige Umwandlung
24
Eigene Notizen
248
Kapitel 24 · Zysten, Nävi und Tumoren der Haut
Eigene Notizen
4 meist am Kapillitium, selten im Gesicht 4 auf dem Nävus können sich verschiedene gutartige Tumoren (Trichoblastom, Syringocystadenoma papilliferum) oder ein Basalzellkarzinom entwickeln
Differenzialdiagnosen
24
4 Syndrom des lineären Naevus sebaceus (Schimmelpennig-FeuersteinMims-Syndrom) 5 unilateral kopfbetont streifenförmiger, den Blaschko-Linien folgender N. sebaceus und multiple weitere Fehlbildungen (Augen, ZNS, Skelettsystem)
Therapie 4 Exzision
24.2.4
Melanosis naeviformis Becker
4 Synonym: Becker-Nävus, Becker-Melanose 4 epidermaler hyperpigmentierter organoider Nävus
Klinik 4 präpubertär unilateral auftretende, hyperpigmentierte, unregelmäßig begrenzte, flache Plaque 4 meist am oberen Stamm (Schulterpartie) 4 mit Beginn der Pubertät durch Androgenwirkung Ausbildung einer Hypertrichose
Histologie 4 variable Akanthose und Papillomatose 4 Hyperpigmentierung durch Vermehrung des Melanins bei weitgehend normaler Melanozytenzahl 4 Hyperplasie der Haarfollikel 4 Vermehrung glatter Muskelstränge
Therapie 4 im allgemeinen nicht erforderlich 4 ggf. Epilation
24.3
Verruca seborrhoica
4 Synonym: seborrhoische Keratose, Alterswarze 4 häufiger, oft pigmentierter, gutartiger Tumor, der meist nach dem 40. Lebensjahr auftritt 4 keine Virusgenese 4 aktivierende Mutationen im »fibroblast growth factor receptor 3« (FGFR3)
249 24.4 · Basalzellkarzinom
Klinik
Eigene Notizen
4 hellbraune, meist 0,5–1,5 cm große Tumoren mit wachsartig-fettiger, gepunzt wirkender, auch verruköser Oberfläche, die wie aufgeklebt wirken 4 gelblichbraune Hornperlen (entsprechen histologisch Pseudohornzysten) 4 oft in Spaltlinien der Haut angeordnet 4 gelegentlich Juckreiz 4 gestielte Formen häufig periokulär sowie in den Körperfalten 4 Stukkokeratosen: flache, nicht-pigmentierte Formen mit weißlicher rauer Oberfläche insbesondere an den distalen Extremitäten
Differenzialdiagnosen 4 4 4 4
Verruca vulgaris Basalzellkarzinom aktinische Keratosen melanozytäre Nävi und Neoplasien
Therapie 4 aus differenzialdiagnostischen Erwägungen oder bei Beschwerden Entfernung (mittels Kürettage, Dermabrasio, Laser) und histologische Befundbestätigung (Akanthose, Hyperkeratose, Pseudohornzysten, Papillomatose; keine Zellatypien)
24.4
4 4 4 4 4 4
4 4
24
Basalzellkarzinom
Synonym: Basaliom häufigster maligner Hauttumor (Inzidenz: 1–2/1000/Jahr) tritt nur an Hautarealen mit Haaranlage auf wächst lokal invasiv und destruierend, metastasiert aber nicht (daher auch als semimaligner Tumor bezeichnet) Auftreten meist in chronisch UV-exponierter Haut (80% im Gesicht oberhalb der Linie Mundwinkel/Ohrläppchen) genetische Prädisposition: heller Hauttyp I/II, Basalzellnävussyndrom (Gorlin-Goltz-Syndrom) mit Mutationen im PTCH-Gen, dem humanen Homolog des Drosophila-Gens »patched« und Rezeptor des Hedgehog-Signalwegs auch bei sporadisch auftretenden Basaliomen sind Mutationen im PTCH-Gen wie auch weiteren Genen (p53) pathogenetisch bedeutsam weitere Auslöser: chemische Karzinogene (Arsen), UV- und ionisierende Strahlen, Immunsuppression
Klinik 4 solides (knotiges) Basalzellkarzinom (. Abb. 34, Farbteil) 5 häufigste Form (ca. 60%) 5 breitbasig aufsitzende, glasige Knötchen 5 oft perlschnurartig aufgeworfener, transluzenter Randsaum mit Teleangiektasien 5 bei Fortschreiten kraterartige zentrale Ulzeration
250
Kapitel 24 · Zysten, Nävi und Tumoren der Haut
Eigene Notizen
24
4 oberflächliches Basalzellkarzinom (»Rumpfhautbasaliom«) 5 flache, leicht schuppende, gelegentlich psoriasiform imponierende Plaque insbesondere am Stamm 5 besonders bei Arsenanamnese, nach chronischer UV-Exposition und Therapie mit ionisierenden Strahlen 4 sklerodermiformes Basalzellkarzinom 5 indurierte, an atrophe Narben erinnernde flache Tumoren mit klinisch schlecht abgrenzbarer infiltrierender Ausbreitung 4 Ulcus rodens 5 flächenhaft ulzeriertes Basalzellkarzinom (rodere [lat.] = nagen) 4 Ulcus terebrans 5 ulzerierendes und in tiefe Gewebeschichten infiltrierendes Basalzellkarzinom (terebrare [lat.] = bohren) 5 Komplikationen durch Arrosionsblutung oder Infektion 4 pigmentiertes Basalzellkarzinom 5 pigmentierte, Melanin-haltige Varianten insbesondere des soliden und des oberflächlichen Basalzellkarzinoms 5 wichtige Differenzialdiagnose zum malignen Melanom
Diagnostik 4 charakteristische Morphe; diagnostische Schwierigkeiten bereiten mitunter sklerodermiforme Basalzellkarzinome 4 ggf. Probebiopsie zur histologischen Befundsicherung bzw. zur Ausbreitungsdiagnostik 5 atypische basaloide Keratinozyten mit Palisadenstellung der randständigen Kerne, umgeben von fibromyxoidem Stroma 5 artefizielle, durch Fixierung bedingte Spaltbildung zum umgebenden Gewebe
Therapie 4 Therapie der Wahl Exzision mit histologischer Schnittrandkontrolle 4 bei klinisch nicht zu definierender Begrenzung als mikrographisch kontrollierte Chirurgie (exakte Lagezuordnung des Präparates durch (Faden-)Markierung, temporärer Defektverschluss, endgültiger Verschluss nach histologischer Befundung) 4 Alternativen 5 bei superfiziellen Basalzellkarzinomen: Kryotherapie, topisches Imiquimod (= Aktivator von TLR7 und TLR8 = Rezeptormolekülen des natürlichen Immunsystems) oder photodynamische Therapie (PDT) 5 Röntgentherapie insbesondere bei älteren Menschen bzw. in Problemlokalisationen 4 regelmäßige klinische Verlaufskontrollen (2×/Jahr) zur Erkennung von Rezidiven und neuen Läsionen 4 > Memo Konsequenter UV-Expositionsschutz!
251 24.5 · Aktinische Keratose, Cheilitis actinica, Leukoplakie und spinozelluläres Karzinom
24.5
Aktinische Keratose, Cheilitis actinica, Leukoplakie und spinozelluläres Karzinom
24.5.1
Aktinische Keratose
4 Synonym: solare Keratose 4 intraepidermales Karzinom (Carcinoma in situ) besonders an UVexponierten Hautarealen 4 Sonderform: Arsen- und Röntgenkeratosen mit jahrelanger Latenz nach Einwirkung des Karzinogens 4 Spontanremission in bis zu 20% der Fälle möglich, in etwa 1–10% der Fälle aber Übergang in invasives Plattenepithelkarzinom; höheres Risiko bei iatrogener Immunsuppression, z. B. nach Organtransplantation
Klinik 4 scharf und unregelmäßig begrenzte, rötliche Papeln und Plaques mit festhaftender Hyperkeratose 4 häufig multiples Auftreten an chronisch UV-exponierter Haut 4 gelegentlich ausgeprägte Hyperkeratose (hypertrophe aktinische Keratose, »Cornu cutaneum«)
Diagnostik 4 charakteristische Klinik 4 Histologie 5 Schichtungsstörung, Zell- und Kernatypien der Keratinozyten 5 Wechsel von Para- und Orthokeratose (»pink and blue«); Orthokeratose im Bereich der Ostien der unbeteiligten Haarfollikel und ekkrinen Schweißdrüsen
Therapie 4 Kryotherapie 4 Kürettage 4 Exzision (insbesondere bei hyperkeratotischen Formen mit fraglicher Invasivität) 4 topisch Diclofenac, Imiquimod oder 5-Fluorouracil 4 photodynamische Therapie (= lokale Applikation einer photosensibilisierenden Substanz wie δ-Aminolävulinsäure, dann Bestrahlung mit Rotlicht, insbesondere bei flächigem Befall = sog. »field cancerisation«) 4 > Memo Wichtig sind nachhaltige UV-Protektion und regelmäßige klinische Kontrollen.
24.5.2
Cheilitis actinica
4 Carcinoma in situ im Bereich des Lippenrots 4 Risikofaktoren: chronische UV-Exposition, Pfeiferauchen
24
Eigene Notizen
252
Kapitel 24 · Zysten, Nävi und Tumoren der Haut
Eigene Notizen
Klinik 4 an der Unterlippe (»Sonnenterrasse«), seltener der Oberlippe weißliche Keratosen und Erosionen ohne Heilungstendenz
Differenzialdiagnosen 4 Plattenepithelkarzinom der Lippe 4 Lichen ruber planus des Lippenrots
24
Therapie 4 Exzision des Lippenrotes und Defektdeckung durch mobilisierte Schleimhaut (Vermillionektomie und Defektdeckung nach von Langenbeck) 4 ggf. Laser- oder kryochirurgische Abtragung 4 UV-Protektion und regelmäßige Nachsorge
24.5.3
Leukoplakie der Schleimhaut
4 nach WHO-Definition: weiße, nicht abwischbare Schleimhautveränderung, die keiner anderen definierten Erkrankung zugeordnet werden kann 4 gilt als Präkanzerose
Klinik 4 scharf begrenzte, homogen weißliche Plaque an der Schleimhaut, meist ohne subjektive Beschwerden 4 im zeitlichen Verlauf mitunter Ausbildung verruköser oder rötlicherosiver Anteile, die eine maligne Transformation widerspiegeln können (In-situ- oder bereits invasives Karzinom)
Diagnostik 4 falls nach Beseitigung möglicher auslösender Noxen (s. unten) innerhalb von 4 Wochen keine Rückbildung: Entnahme einer Probebiopsie zur Abklärung eines malignen Geschehens
Therapie 4 Beseitigung möglicher auslösender Noxen (z. B. Traumata durch Zahnfehlstellungen oder schlecht sitzende Prothesen, Nikotinabusus, Alkoholabusus) 4 bei Persistenz bzw. nicht auszuschließender maligner Transformation vollständige operative oder laserchirurgische Entfernung
24.5.4
Spinozelluläres Karzinom (. Abb. 35, Farbteil)
4 Synonym: Spinaliom, Stachelzellkarzinom, Plattenepithelkarzinom der Haut 4 maligner, von den Keratinozyten ausgehender Tumor der Epidermis, der in tiefere Schichten invadiert
253 24.5 · Aktinische Keratose, Cheilitis actinica, Leukoplakie und spinozelluläres Karzinom
4 Metastasierungspotenzial korreliert insbesondere mit der Eindringtiefe, weniger mit dem Differenzierungsgrad (G1 [gut differenziert] bis G4 [entdifferenziert]) 4 Metastasierung erfolgt primär lymphogen 4 Inzidenz: ca. 0,5–1/1000/Jahr 4 Risikofaktoren 5 chronische UV-Exposition 5 Röntgenbestrahlung 5 Kontakt zu Karzinogenen wie Arsen und Teer 5 Immunsuppression 5 Entwicklung sekundär auf lang bestehenden Narben, Ulzerationen oder entzündlichen Veränderungen
Klinik 4 unscharf begrenzte, hautfarbene bis rötliche, hyperkeratotische, mitunter exulzerierte und mit Krusten bedeckte Plaques oder Knoten 4 Wachstumsgeschwindigkeit erheblich variierend 4 Sonderform: verruköses Karzinom Ackerman 5 drei lokalisationstypischen Manifestationsformen: J im Bereich der Mundschleimhaut: floride orale Papillomatose J im Bereich der Genitalien: Riesenkondylom Buschke-Löwenstein J an distalen Extremitäten: Epithelioma cuniculatum 5 hochdifferenziertes Plattenepithelkarzinom mit verruköser Oberfläche 5 lokal invasives Wachstum und geringe Metastasierungstendenz 5 Induktion in einem Teil der Fälle durch humane Papillomviren (HPV)
Diagnostik 4 Histologie: eine starke Verhornung spiegelt einen hohen Differenzierungsgrad wider, fehlende Verhornung korreliert mit Entdifferenzierung und schlechterer Prognose 4 bei entdifferenzierten Tumoren und histologischer Tumordicke >2 mm bildgebende Diagnostik (Sonographie regionärer Lymphknoten, Röntgen-Thorax)
Differenzialdiagnosen 4 4 4 4 4 4
(hypertrophe) aktinische Keratose Keratoakanthom Basalzellkarzinom irritierte seborrhoische Keratose Verruca vulgaris M. Bowen und Bowen-Karzinom
Therapie 4 Exzision mit 3–5 mm Sicherheitsabstand und histologischer Kontrolle von Schnittrand und Wundgrund
24
Eigene Notizen
254
Kapitel 24 · Zysten, Nävi und Tumoren der Haut
Eigene Notizen
24
4 inoperable Primärtumoren: Radiatio; ggf. palliative Kryotherapie oder Laserchirurgie 4 metastasierte Plattenepithelkarzinome: Mono- oder Polychemotherapie; ggf. EGF-Rezeptor-Antagonisten 4 UV-Protektion und regelmäßige Nachsorge zur Früherkennung von Rezidiven bzw. Zweittumoren
24.6
Keratoakanthom
4 nosologische Zuordnung dieses Tumors wird kontrovers diskutiert: 5 als hochdifferenziertes Karzinom mit geringer Metastasierungstendenz oder 5 aufgrund der Neigung zur spontanen Regression als benigner Tumor
Klinik 4 halbkugeliger rötlicher Tumor mit raschem, häufig eruptivem Wachstum (Aufschießen innerhalb weniger Wochen) 4 zentraler Hornkegel 4 Größe meist 1–3 cm, selten auch größer (Keratoacanthoma gigantaeum) 4 meist solitäres Auftreten an UV-exponierten Arealen
Diagnostik 4 histologische Befundsicherung: Abgrenzung zum Plattenepithelkarzinom nur möglich bei Betrachtung der Architektur des Gesamttumors (Symmetrie) 4 Stanzbiopsien nicht aussagefähig
Differenzialdiagnosen 4 Plattenepithelkarzinom (wächst im Allgemeinen langsamer und infiltriert die Umgebung diffus) 4 solides, zentral ulzeriertes Basalzellkarzinom 4 hypertrophe aktinische Keratose
Therapie 4 aufgrund des nicht vorhersehbaren Verlaufs Exzision
24.7
M. Bowen und Bowen-Karzinom
24.7.1
M. Bowen und Erythroplasie Queyrat
4 intraepitheliale Karzinome (= in situ-Karzinome) an Haut (M. Bowen) oder Schleimhaut (Erythroplasie Queyrat) 4 Induktion durch onkogene humane Papillomviren (HPV 16 und 18) möglich
255 24.8 · Merkel-Zellkarzinom
Klinik
Eigene Notizen
4 M. Bowen 5 leicht erhabene, scharf begrenzte, rötliche Plaque mit variabler, mitunter psoriasiformer Schuppung 4 Erythroplasie Queyrat 5 rötlich glänzende, leicht verletzliche Makula oder flache Plaque an Glans penis, Präputium, oder Vulva, seltener in der Analregion oder an der Mundschleimhaut
Diagnostik 5
Histologie: Akanthose, Verlust der normalen Schichtung der Epidermis; Kern- und Zellpolymorphie, Dyskeratosen, Mitosen in allen Lagen der Epidermis
Differenzialdiagnosen 4 zum M. Bowen: 5 superfizielles Basalzellkarzinom 5 aktinische Keratose 5 Ekzem 5 Psoriasis 5 Tinea 4 zur Erythroplasie Queyrat: 5 Soor-Balanitis/Vulvitis 5 Balanoposthitis/Vulvitis plasmacellularis Zoon 5 fixe (toxische) Arzneireaktion
Therapie 4 4 4 4
Exzision Abtragung mittels CO2-Laser Kryochirurgie ggf. topisches Imiquimod (off-label)
24.7.2
Bowen-Karzinom
4 erreichen M. Bowen und Erythroplasie Queyrat nach Durchbrechen der Basalmembran die Dermis, so liegt ein invasives Karzinom (= BowenKarzinom) vor 4 vorwiegend lymphogene Metastasierung 4 ungünstige Prognose
24.8
24
Merkel-Zellkarzinom
4 meist solitär auftretender, seltener Tumor mit neuroendokriner Differenzierung, der Merkel-Zellen ähnelt 4 Merkel-Zellen = neuroektodermale Zellen, die in der Basalschicht der Epidermis sowie der Dermis lokalisiert sind
256
Kapitel 24 · Zysten, Nävi und Tumoren der Haut
Eigene Notizen
4 pathogenetisch bedeutsam ist das Merkel-Zell-Polyomavirus 4 Auftreten im höheren Lebensalter auf chronisch UV-exponierter Haut (insbesondere Gesicht, obere Extremität) 4 gehäuftes Auftreten auch bei Immunsuppression/transplantierten Patienten
Klinik
24
4 rasch wachsende bläulich-rote Knoten 4 hohes Metastasierungsrisiko
Diagnostik 4 Histologie und Immunhistologie (Anfärbung für Zytokeratin 20 und Chromogranin A) incl. Untersuchung des Schildwächterlymphknotens (Sentinel-Lymphknoten) 4 Staging mittels bildgebender Verfahren
Differenzialdiagnosen 4 Karzinommetastasen (insbesondere des kleinzelligen Bronchialkarzinoms) 4 Lymphome 4 amelanotisches Melanom bzw. Melanommetastasen 4 Schweißdrüsenkarzinom
Therapie 4 weiträumige Exzision mit 3 cm Sicherheitsabstand, anschließend adjuvante Radiatio 4 im Falle einer Fernmetastasierung Radiatio und (Poly-)Chemotherapie
24.9
Lentigines und melanozytäre Nävuszellnävi
24.9.1
Lentigo simplex
4 häufige, umschriebene Hyperpigmentierung durch Vermehrung von Melanozyten in der Basalschicht der Epidermis ohne Ausbildung von »Nestern« (Nest = fokale Aggregation von 3 und mehr Melanozyten; typisch für melanozytäre Nävuszellnävi) 4 bei Café-au-lait-Fleck hingegen Melaningehalt in Keratinozyten erhöht
Klinik 4 hellbraune, mitunter auch tiefbraune bis schwarze, regelmäßig und scharf begrenzte, 1–3 mm große Makula
Differenzialdiagnosen 4 melanozytäre Nävuszellnävi, insbesondere Junktionsnävi: zeigen histologisch nachweisbare Nester
257 24.9 · Lentigines und melanozytäre Nävuszellnävi
4 Epheliden (= Sommersprossen): umschriebene Hyperpigmentierungen ohne Vermehrung von Melanozyten an UV-exponierten Arealen, besonders häufig bei Hauttyp I und II 4 Lentigo senilis: bräunliche Flecken, die bei älteren Menschen nach hoher UV-Exposition auftreten; sind histologisch gekennzeichnet durch Vermehrung von Melanozyten und vergrößerte Melanosomen 4 bei multiplen Lentigines bereits im Kindesalter müssen seltene Syndrome erwogen werden, z. B.: 5 LEOPARD-Syndrom (Lentigines, EKG-Überleitungsstörungen, okulärer Hypertelorismus, Pulmonalstenose, abnormale Genitalien, Retardierung des Wachstums, Defekt des Hörvermögens) 5 Peutz-Jeghers-Syndrom (pigmentierte Makulae in der Perioralregion und Polypen des Gastrointestinaltrakts mit Risiko der malignen Transformation)
Therapie 4 im Allgemeinen nicht erforderlich 4 ggf. Lasertherapie oder Peeling
24.9.2
Melanozytäre Nävi
4 gutartige Proliferation bzw. Malformation melanozytärer Zellen, die aggregieren und sog. Nester bilden
Kongenitale melanozytäre Nävi 4 bei Geburt oder kurz danach in Erscheinung tretende melanozytäre Nävi 4 bei etwa 1% der Neugeborenen
Klinik 4 Flecken bzw. Papeln oder Plaques mit papillomatöser Oberfläche und variabler Pigmentierung, oft Hypertrichose (dunkel pigmentierte Terminalhaare) 4 Einteilung nach Größe, die im Erwachsenenalter erreicht wird (Umrechnung mittels Korrekturfaktoren): 5 »klein«: <1,5 cm 5 »mittel«: 1,5 bis <20 cm 5 »groß«: ≥20 cm 5 »riesig«: >40-50 cm , wesentliche Anteile einer anatomischen Region umfassend 4 ! Cave Kongenitale Nävi können entarten, wobei das Entartungsrisiko mit der Größe steigt. 4 Melanome entstehen besonders im tiefen dermalen Bereich und sind klinisch mitunter schwer frühzeitig zu erfassen 4 neurokutane Melanose: leptomeningeale Aussaat von Nävuszellen mit der Gefahr der spinalen Kompression und der Erhöhung des Hirndrucks; tritt besonders bei großen und Riesennävi auf, die die Mittellinie der Körperachse überschreiten
24
Eigene Notizen
258
Kapitel 24 · Zysten, Nävi und Tumoren der Haut
Eigene Notizen
24
Diagnostik 4 regelmäßige klinische Kontrollen und Verlaufsdokumentation größerer Nävi mittels Photodokumentation und Auflichtmikroskopie 4 Anleitung der Eltern zur sorgfältigen Beobachtung 4 bei klinischen Veränderungen Exzisionsbiopsie und histologische Untersuchung 4 bei Verdacht auf leptomeningeale Beteiligung frühzeitige MRTDiagnostik
Therapie 4 Ziele: Melanomprophylaxe und ästhetische Verbesserung 4 kleine und mittelgroße kongenitale Nävi: Exzision, ggf. seriell 4 große und Riesennävi: möglichst frühzeitige Exzision bzw. Teilexzision; bei nicht exzidierbaren Läsionen Dermabrasio in den ersten 3 Lebensmonaten
Naevus spilus 4 Synonym: Kiebitzeinävus 4 kongenitaler Café-au-lait-ähnlicher Fleck, in dem sich eingesprenkelt kleine melanozytäre Nävi oder Lentigines finden
Klinik 4 scharf und oftmals unregelmäßig begrenzte, bis zu mehrere Zentimeter große hellbraune Makula mit kleinen dunkleren Einsprengseln (»wie die Schale eines Kiebitzeis«)
Therapie 4 nicht erforderlich 4 extrem selten Melanomentstehung
Melanozytärer Nävuszellnävus (NZN) 4 Entwicklung bei jedem hellhäutigen Menschen 4 entstehen aus Neuroblasten, die aus der Neuralleiste in Richtung Epidermis migrieren; in der Epidermis formieren die Nävuszellen junktionale Nävi, später migrieren sie in die Dermis und bilden CompoundNävi, nach vollständigem Verschwinden der Nävuszellen aus der Epidermis liegen dermale Nävi vor 4 maximale Anzahl der Nävi wird in der 2./3. Lebensdekade erreicht, dann Rückbildung 4 Anzahl: »wenig«: <20 Nävi, »normal«: 20–40 Nävi; »viel«: >40 Nävi 4 Zusammenhang mit UV-Exposition
Klinik 4 intraepidermale (junktionale) Nävi 5 zunächst homogen pigmentierte Makula, bei zunehmender Zahl der Nävuszellen Papel 5 meist dunkel pigmentiert, da Pigment oberflächlich gelegen
259 24.9 · Lentigines und melanozytäre Nävuszellnävi
4 Compound-Nävi 5 Nävuszellen auch im oberen Korium 4 dermale Nävi 5 entstehen nach Rückbildung der epidermalen Komponente 5 oft Reduktion oder Verlust der Pigmentierung 4 Sonderform papillomatöser Nävuszellnäus 5 pigmentierte Papel mit papillomatöser oder verruköser Oberfläche 4 Sonderform Spindelzellnävus (Spitz-Nävus) 5 2 mm bis 2 cm großer, hellroter, halbkugeliger Tumor insbesondere im Gesicht von Kindern/Jugendlichen mit raschem Wachstum 5 pigmentierte Variante = pigmentierter Spindelzelltumor (ReedNävus) 5 Therapie: Exzision, wobei die histologische Abgrenzung vom malignen Melanom mitunter schwierig ist
Therapie 4 Anleitung zur Selbstkontrolle (ABCDE-Regel, s. unten) 4 bei multiplen Nävi und insbesondere atypischen Nävi (s. unten) regelmäßige klinische Kontrollen incl. Auflichtmikroskopie und ggf. computergestützter Photodokumentation
Halo-Nävus 4 Synonym: Sutton-Nävus 4 melanozytärer Nävus mit umgebender Depigmentierung (»perinävoide Vitiligo«), die durch eine Immunreaktion gegen Nävuszellen bzw. Melanozyten hervorgerufen wird 4 Auftreten besonders im 2. Lebensjahrzehnt 4 oftmals vollständige Regression des Nävus (mit histologisch dichtem lymphozytären Infiltrat) mit nachfolgend sukzessiver Repigmentierung > Memo Halo-Nävi treten auch bei regressiven Melanomen auf, daher
dermatologische Ganzkörperuntersuchung und regelmäßige klinische Kontrollen erforderlich.
Atypischer Nävus 4 Synonym: dysplastischer Nävus 4 durch unregelmäßige Begrenzung und Pigmentierung, überdurchschnittliche Größe und histologische Auffälligkeiten gekennzeichneter melanozytärer Nävus 4 Auftreten meist nach der Pubertät 4 erhöhtes Risiko für Melanome, das mit der individuellen Anzahl und der familiären Häufung atypischer Nävuszellnävi korreliert
Klinik 4 Unterscheidungsmerkmale zu gewöhnlichen erworbenen melanozytären Nävi: 5 >5 mm Durchmesser 5 unregelmäßige und unscharfe Begrenzung, asymmetrische Struktur
24
Eigene Notizen
260
Kapitel 24 · Zysten, Nävi und Tumoren der Haut
Eigene Notizen
5 unterschiedliche Pigmentierung innerhalb einer Läsion 5 erhabenes Zentrum bei flacher Peripherie (»spiegeleiartig«); rein makulöse Formen sind klinisch schwierig von initialem malignem Melanom abzugrenzen 5 Auftreten meist am Stamm
Therapie
24
4 Anleitung zur Selbstkontrolle (ABCDE-Regel, s. unten) 4 Meidung intensiver UV-Exposition und Lichtschutz 4 6- bis 12-monatige klinische Kontrollen incl. Auflichtmikroskopie und computergestützter Photodokumentation 4 Familienuntersuchung (zumindest Verwandte 1. Grades) 4 Exzision suspekter Nävi, insbesondere auch zur Abgrenzung von Melanomen
Blauer Nävus 4 Synonym: Naevus coeruleus, Naevus bleu 4 umschriebene Ansammlung pigmentierter Melanozyten in der Dermis
Klinik 4 meist flacher, etwa linsengroßer Fleck oder Knoten von blaugrauer Farbe (Farbe erklärt sich aus der tiefen Lokalisation des Pigments = Tyndall-Effekt)
Differenzialdiagnosen 4 malignes Melanom 4 Melanommetastase 4 pigmentiertes Dermafibrom
Therapie 4 nur bei Melanomverdacht Exzision
24.10
Malignes Melanom
4 maligner Tumor der Melanozyten 4 Inzidenz in Mitteleuropa 15–20/105 Einwohner/Jahr 4 Entwicklung von Metastasen in ca. 20% der Fälle
Ätiologie 4 genetische Disposition: familiäre Häufung von Melanomen z. B. bei Mutationen im CDKN2A-Gen 4 somatische Mutationen in Genen von Schlüsselkomponenten verschiedener intrazellulärer Signalwege (BRAF, NRAS u. a.) 4 weitere Risikofaktoren: 5 >50 melanozytäre Nävuszellnävi 5 atypische Nävuszellnävi
261 24.10 · Malignes Melanom
5 5 5 5
exzessive UV-Exposition besonders vor dem 20. Lebensjahr heller Hauttyp (Hauttyp I und II) vorangegangene Melanome (Zweittumoren) DNA-Reparaturdefekte (z. B. Xeroderma pigmentosum)
Klinik (. Abb. 36, Farbteil) wichtige Subtypen aus klinisch-histologischer Sicht: 4 superfiziell spreitendes Melanom (SSM) 5 häufigster Typ (60–70%), meist diagnostiziert zwischen 30.–60. Lebensjahr 5 kann sich de novo oder auf vorbestehenden Nävi entwickeln 5 anfangs horizontales (radiales), auf die Epidermis beschränktes Wachstum, später vertikales Wachstum mit Einbruch in die Dermis 5 unregelmäßig pigmentiert, unscharf und polyzyklisch begrenzte Makulae/Plaques meist >5 mm, ggf. sekundär knotiges Wachstum 5 häufig hellere Regressionszonen, die eine Immunreaktion des Organismus gegen Tumorzellen widerspiegeln 5 Prädilektionsstellen: bei Männern meist Rumpf, bei Frauen untere Extremitäten 5 Differenzialdiagnosen: atypische Nävuszellnävi, Spitz-Nävus, seborrhoische Keratose, pigmentierter M. Bowen, pigmentiertes Basalzellkarzinom 4 noduläres Melanom (NM) 5 ca. 15–30% aller Melanome, meist zwischen 50.–60. Lebensjahr diagnostiziert 5 dunkelbraun-schwarzer oder bläulicher, gelegentlich auch amelanotischer Knoten, oft erodiert 5 tendiert zu raschem vertikalen Wachstum 5 Differenzialdiagnosen: irritierte seborrhoische Keratose, Porokarzinom, thrombosiertes seniles Angiom, Granuloma teleangiectaticum, pigmentiertes Basalzellkarzinom, Angiokeratom 4 Lentigo-maligna-Melanom (LMM) 5 ca. 10% aller Melanome; besonders jenseits des 60. Lebensjahrs an chronisch UV-exponierter Haut auftretend 5 unregelmäßig pigmentierte, unscharf begrenzte Makula bzw. Plaque mit langsamem bzw. erst spätem invasivem Wachstum 5 Differenzialdiagnosen: Lentigo maligna (= In-situ-Melanom, auf die Epidermis beschränkt), Lentigo solaris, aktinische Keratose 4 akrolentiginöses Melanom (ALM) 5 ca. 5–10% aller Melanome; Auftreten meist jenseits des 60. Lebensjahrs an Handinnenflächen und Fußsohlen bzw. in Nachbarschaft zu Finger- und Fußnägeln 5 häufigster Melanomtyp bei Schwarzen und Asiaten 5 subunguale Melanome zeigen oft eine Pigmentierung der paraungualen Haut = Hutchinson-Zeichen 5 Differenzialdiagnosen: subunguales Hämatom, Glomustumor
24
Eigene Notizen
262
Kapitel 24 · Zysten, Nävi und Tumoren der Haut
Eigene Notizen
24
4 weitere Melanomvarianten 5 amelanotische Melanome: Melanome ohne klinisch erkennbare Pigmentierung; alle 4 o. g. Melanomtypen können als amelanotische Varianten auftreten 5 Schleimhautmelanome: an Mund-, Tracheal-, Pharyngeal-, Genitaloder Anrorektalschleimhaut (<4% aller Melanome) 5 okuläre Melanome: entstehen an den Konjunktiven oder der Uvea (Aderhautmelanome) 5 okkulte Melanome: Primärtumor nicht (mehr) nachweisbar, klinische Erstmanifestation durch Metastasen
Diagnostik 4 ABCDE-Regel zur klinisch-makroskopischen Einschätzung: 5 Asymmetrie 5 Begrenzung: polyzyklisch, unscharf – Ausbreitung von Tumorzellen innerhalb der Epidermis 5 Colour: unterschiedliche Pigmentierung 5 Durchmesser: >5 mm 5 Erhabenheit und rasche Größenzunahme (Enlargement) 4 Dermatoskopie 5 zur Abgrenzung von nichtmelanozytären Läsionen bzw. melanozytären Nävuszellnävi 5 auf ein Melanom hinweisen können: J irreguläres Pigmentnetz J irreguläre und radiäre Ausläufer, Pseudopodien J »black dots« besonders in der Tumorperipherie J grau-blaue Areale (Regressionszonen) 4 ggf. hochauflösender Ultraschall (20–50 MHz): zur orientierenden präoperativen Bestimmung der Tumordicke 4 Labor (insbesondere LDH und Protein S100β im Serum als wichtige Tumormarker) 4 Histologie und Immunhistologie 5 asymmetrische und irreguläre Nester atypischer Melanozyten (irreguläre Zellkerne unterschiedlicher Größe, prominente Nucleoli), Melanozyten in höheren Lagen der Epidermis, fehlende Reifung zur Tiefe hin, basisnahe Mitosen 5 zur Erkennung von Zellen melanozytären Ursprungs immunhistologische Färbung gegen melanozytäre Antigene: gp100/HMB45, MelanA/MART-1, S100 (wird auch von Langerhanszellen exprimiert) 5 histologische Prognoseparameter des Primärmelanoms: Tumordicke in mm (≤1mm: »low risk«, >1 mm: »high risk«), Ulzeration, Mitoserate (Mitosen/mm2) 4 Sentinel-Lymphknotenbiopsie 5 Entnahme und (immun-)histologische Untersuchung des ersten drainierenden Lymphknotens 5 erfolgt i. d. R. ab einer Tumordicke >1 mm
263 24.10 · Malignes Melanom
5 > Memo Der Befall mit Mikro- oder Makrometastasen ist ein wichtiger prognostischer Parameter und bestimmt die weitere Therapie (Lymphknotendissektion, adjuvante Therapie). 4 Ausbreitungsdiagnostik: Röntgen-Thorax, Lymphknoten- und Abdomensonographie; ggf. CT, MRT bzw. PET; Skelettszintigraphie 4 nach Vorliegen der o. g. Diagnostik erfolgt Eingruppierung hinsichtlich des Stadiums nach der AJCC-Klassifikation (2009): 5 Stadium 0: Melanoma in situ (auf das epidermale Kompartiment beschränkt) 5 Stadium I und II: Primärmelanome, Unterteilung in Abhängigkeit von zunehmender Tumordicke, Mitoserate, Vorhandensein einer Ulzeration 5 Stadium III: zusätzlich Lymphknotenmetastasen, Satelliten- (weniger als 2 cm vom Primärtumor entfernt) oder In-transit-Metastasen (mehr als 2 cm vom Primärtumor entfernt, aber vor dem drainierenden regionalen Lymphknoten) 5 Stadium IV: Fernmetastasen (hämatogen vor allem in Lungen, Leber, ZNS und Knochen)
Therapie 4 Exzision des Primärtumors mit festgelegten Sicherheitsabständen: 5 In-situ-Melanom: 0,5 cm 5 Tumordicke <2 mm: 1 cm 5 Tumordicke ≥2 mm: 2 cm 4 bei Nachweis einer Metastasierung im Sentinellymphknoten: operative Ausräumung der entsprechenden Lymphknotenstation 4 In-transit- bzw. Satellitenmetastasen: Exzision; ggf. Zytostatikaperfusion bei Lokalisation an Extremitäten, Radiatio, intraläsionales Interleukin-2 oder topisches Imiquimod 4 adjuvante Therapie zur Elimination klinisch inapparenter Mikrometastasen: Interferon-α2 nach Niedrigdosisschema ab einer Tumordicke von 1,5–2,0 mm; nach Hochdosisschema bei nachgewiesener Lymphknotenmetastasierung nach Resektion 4 In-transit-/Satellitenmetastasen: Exzision, hypertherme Zytostatikaperfusion 4 Fernmetastasen: Exzision solitärer Metastasen, Radiatio (insbesondere bei Knochen- und ZNS-Metastasen), Chemotherapie (Dacarbazin, Temozolomid, Cisplatin, Taxol, Fotemustin u. a. m.); Vakzinierungstherapien (im Rahmen klinischer Studien); sog. »targeted therapies« mit BRAF-Inhibitoren oder immunologisch interferierenden Antikörpern (gegen CTLA4 = Ipilimumab) zeigten jüngst vielversprechende Therapieerfolge
Prognose 4 5-Jahres-Überlebensraten im Stadium I >90%, im Stadium IV ca. 10% 4 regelmäßige Nachsorge in Abhängigkeit vom Stadium
24
Eigene Notizen
264
Kapitel 24 · Zysten, Nävi und Tumoren der Haut
Eigene Notizen
24.11
Tumoren der Gefäße
4 gutartige, intermediäre (Hämangioendotheliome) oder bösartige Tumoren (Angiosarkome) der Gefäße
24.11.1
24
Infantiles Hämangiom
4 4 4 4 4 4
Synonym: Säuglingshämangiom gutartiger kapillärer Gefäßtumor bei Neugeborenen und Säuglingen Prävalenz: ca. 5% häufiger bei Frühgeborenen häufiger bei Mädchen in 20% der Fälle Auftreten multipler Hämangiome (mit erhöhtem Risiko viszeraler Beteiligung) 4 immunphänotypische Ähnlichkeit mit vaskulärem Plazentagewebe 4 vermutet wird Triggerung durch peripartale Hypoxie
Klinik 4 entstehen meist in den ersten Lebenswochen 4 oberflächliche Hämangiome: hellrot; subkutane Hämangiome: blaues oder reguläres Hautkolorit 4 Prädilektionsstellen: Gesicht und Kapillitium, oft entlang embryonalfazialer Verschlusslinien 4 phasenartiger Verlauf 5 Initialphase: rosa- bis pinkfarbene Makula 5 Phase raschen Wachstums: im Vergleich zum Körperwachstum überproportionale Größenzunahme – gummiartige Knoten mit glatter oder gelappter Oberfläche 5 stationäre Phase 5 Regressionsphase: beginnt meist im 2. Lebensjahr und erstreckt sich über mehrere Jahre; es verbleiben häufig fibrotische Restzustände 4 Komplikationen 5 Verdrängungssymptome durch Expansion ( ! Cave Bei Lokalisation im Bereich von Auge, Nase, Mund, Ohr!) 5 viszerale/zerebrale Organfunktionsstörungen 5 Ulzeration mit nachfolgender Infektion 5 bei großen Hämangiomen Herzinsuffizienz, Verbrauchskoagulopathie (Kasabach-Merritt-Syndrom)
Diagnostik 4 anfänglich engmaschige klinische Kontrollen zur Abschätzung der Wachstumstendenz 4 Duplexsonographie zur Abgrenzung venöser Malformationen (z. B. venöses Angiom, AV-Fistel) 4 bei multiplen Hämangiomen Ausschluss weiterer Symptome, insbesondere viszeraler Beteiligung
265 24.11 · Tumoren der Gefäße
Differenzialdiagnosen 4 in der Initialphase: Naevus flammeus 4 vaskuläre Malformationen 4 andere Weichteiltumoren (insbesondere bei subkutanen Formen)
Therapie 4 wegen des phasenhaften Verlaufs mit Regression ist eine Therapie in der Mehrzahl der Fälle kleiner Hämangiome nicht erforderlich 4 relative Indikation zur Therapie bei kosmetischer Beeinträchtigung mit drohender psychosozialer Stigmatisierung 4 dringende Indikation bei größeren Hämangiomen mit Gefahr der Volumenbelastung sowie bei drohender Verdrängungssymptomatik und Obstruktion 4 Therapieoptionen 5 Kontaktkryotherapie (begrenzte Eindringtiefe) 5 Lasertherapie (insbes. gepulster Farbstofflaser bei oberflächlichen, Nd:Yag-Laser bei tieferen Läsionen) 5 Sklerosierung 5 Exzision 5 oral verabreichter β-Blocker Propranolol (off-label) 5 systemische Glukokortikosteroide 5 läsional appliziertes Interferon-α
24.11.2
Seniles Angiom
4 in der 2. Lebenshälfte auftretende kleine kapilläre Hämangiome
Klinik 4 meist am Stamm kleine violettrote Makulae oder Papeln
Therapie 4 nicht erforderlich 4 bei kosmetischer Beeinträchtigung Behandlung mittels Laser oder Elektrokoagulation
24.11.3
Granuloma pyogenicum
4 Synonym: Granuloma teleangiectaticum, eruptives Angiom 4 rasch innerhalb weniger Tage aufschießendes kapilläres Angiom mit sekundärer Entzündung 4 entwickelt sich meist nach kleineren Traumen 4 die (historisch begründete) Bezeichnung Granuloma pyogenicum ist eigentlich irreführend, da weder die implizierte granulomatöse Entzündung vorliegt noch eine Infektion ursächlich ist
24
Eigene Notizen
266
Kapitel 24 · Zysten, Nävi und Tumoren der Haut
Eigene Notizen
Klinik 4 weiche, rote, oft von einer Kruste bedeckte Papeln oder Knötchen, mitunter pilzartig gestielt 4 leicht verletzlich 4 Wachstum innerhalb weniger Wochen bis etwa 1 cm Durchmesser 4 Prädilektionsstellen: Finger, Handflächen, Gesicht, Kopfhaut, Gingiva 4 selten Spontanregression (außer Gingiva)
24
Differenzialdiagnosen 4 4 4 4 4
amelanotisches Melanom ulzerierte Tumoren bzw. Metastasen Granulationsgewebe bazilläre Angiomatose > Memo Zur Abgrenzung der o. g. Differenzialdiagnosen ist eine histologische Untersuchung unabdingbar.
Therapie 4 vorzugsweise Exzision 4 ggf. Laser- oder Kryotherapie; elektrokaustische Abtragung
24.11.4
Kaposi-Sarkom
4 vaskuläre, häufig multifokal auftretende Erkrankung mit neoplastischer Hyperplasie der Endothelzellen, die durch das humane Herpes-Virus 8 (HHV8) hervorgerufen wird 4 4 klinische Varianten: 5 klassisches Kaposi-Sarkom, vorzugsweise bei älteren Männern mediterraner oder jüdischer Herkunft 5 endemisches afrikanisches Kaposi-Sarkom, vermutlich HIV-assoziiert 5 iatrogenes Kaposi-Sarkom, bei Immunsupprimierten z. B. nach Organtransplantation auftretend 5 HIV-assoziiertes Kaposi-Sarkom, insbesondere bei männlichen homosexuellen AIDS-Patienten mit erniedrigter Zahl CD4-positiver T-Lymphozyten (7 Kap. 20)
Klinik 4 bläulich-rötliche bis bräunliche Maculae, aus denen sich Plaques, Knoten und Tumoren entwickeln 4 anfänglich unilaterales Auftreten, später multifokale Dissemination 4 Regression einzelner Läsionen möglich, selten Ulzeration 4 Prädilektionsstellen: beim klassischen Kaposi-Sarkom meist untere Extremitäten; beim HIV-assoziierten Kaposi-Sarkom vielfältige Erscheinungsformen mit Ausbreitung häufig entlang der Blaschko-Linien 4 Organbeteiligung: Lunge, Gastrointestinaltrakt, Lymphknoten
267 24.11 · Tumoren der Gefäße
Diagnostik 4 Histologie: im Korium Proliferate schlitzförmiger Gefäßstrukturen, Erythrozytenextravasate, später Dominanz spindelförmiger Zellen 4 Nachweis von HHV8-DNA mittels PCR oder In-situ-Hybridisierung 4 bildgebende Ausbreitungsdiagnostik
Therapie 4 Exzision oder Kryotherapie bei Vorliegen solitärer Läsionen 4 Radiatio bei multifokalem kutanem Befall (das Kaposi-Sarkom ist sehr radiosensitiv!) 4 systemische (Chemo-)Therapie bei rasch progressivem Verlauf bzw. bei viszeralem Befall (liposomale Anthrazykline [Doxorubicin, Daunorubicin]; Paclitaxel; Interferon-α; in Erprobung: antiangiogenetische Therapien und Kinaseinhibitoren [Imatinib]) 4 bei HIV-assoziiertem Kaposi-Sarkom zunächst antivirale Therapie (HAART) 4 bei Patienten mit iatrogenem Kaposi-Sarkom führt eine Reduktion der Immunsuppression oft zur Besserung
24.11.5
Angiosarkom
4 seltene maligne Neoplasie der Endothelzellen, die weniger als 2% aller Sarkome ausmacht 4 Auftreten bei älteren Menschen (höchste Inzidenz jenseits des 70. Lebensjahres) 4 mögliche Auslöser: ionisierende Strahlen, chemische Karzinogene, Immunsuppression; auf dem Boden chronischer Lymphödeme z. B. nach axillärer Lymphknotendissektion bzw. Bestrahlung bei Mammakarzinom = Stewart-Treves-Syndrom
Klinik 4 zunächst lividrote Makula mit rascher peripherer Ausbreitung, ggf. Entwicklung von Knoten 4 Prädilektionsstellen: Kapillitium, Stirn, Zentrofazialregion
Differenzialdiagnosen 4 4 4 4
Hämatom benigne Gefäßproliferationen (Lymphangiomatose) Kaposi-Sarkom Metastasen bei Mammakarzinom (im Falle des Stewart-TrevesSyndroms)
Therapie 4 mikrographisch kontrollierte Exzision mit weitem Sicherheitsabstand 4 adjuvante Bestrahlungstherapie mit Sicherheitsabstand 4 palliativ: Chemotherapie (mit liposomalen Anthrazyklinen, Paclitaxel), Strahlentherapie 4 schlechte Prognose (5-Jahres-Überlebensrate <10%)
24
Eigene Notizen
268
Kapitel 24 · Zysten, Nävi und Tumoren der Haut
Eigene Notizen
24.12
Tumoren des Binde- und Fettgewebes
24.12.1
Histiozytom
4 Synonym: Dermatofibrom 4 vermutlich reaktive Proliferation dermaler Fibroblasten z. B. nach Insektenstich
24
Klinik 4 meist an den Unterschenkeln lokalisierte derbe Papel, die bei seitlichem Druck unter Hinterlassung einer Delle in die Tiefe absinkt 4 Papel tastet sich größer als klinisch vermutet (»Eisbergphänomen«)
Therapie 4 nicht erforderlich 24.12.2
Fibroma molle
4 Synonym: Fibroma pendulans 4 sackartige Ausstülpung von Dermis und Epidermis
Klinik 4 hautfarbene Papel, mitunter gestielt (= Fibroma pendulans)
Therapie 4 nicht erforderlich; ggf. Entfernung mittels Scherenschlag 24.12.3
Dermatofibrosarcoma protuberans
4 seltener, lokal aggressiv wachsender Tumor mit fibrozytärer Differenzierung 4 häufigstes Sarkom der Haut 4 Metastasierung extrem selten
Klinik 4 langsam wachsende, derbe, plattenartige, hautfarben bis rötliche Tumoren
Diagnostik 4 Histologie: Proliferate hochdifferenzierter Fibroblasten 4 immunhistologisch CD34+
Therapie 4 Exzision mit großem Sicherheitsabstand 4 in inoperablen Fällen Therapieversuch mit dem Kinaseinhibitor Imatinib (blockiert den Rezeptor für den Wachstumsfaktor PDGF-E, welcher beim Dermatofibrosarcoma protuberans durch Bildung eines Fusionsgens aus Kollagen-1A1 und PDGF-E konstitutiv aktiv ist und Tumorzellen autokrin stimuliert)
269 24.13 · Primär kutane Lymphome
24.12.4
Lipom
Eigene Notizen
4 sehr häufiger, gutartiger Tumor aus reifem Fettgewebe 4 meist ab 3. Lebensjahrzehnt 4 gelegentlich familiär auftretend (familiäre multiple Lipome)
Klinik 4 weich palpabler subkutaner Tumor 4 Angiolipom: gefäßreiches Lipom, oft schmerzhaft 4 Lipomatose: Auftreten multipler Lipome
Differenzialdiagnosen 4 4 4 4
Zysten Fibrome subkutane Metastasen Liposarkom
Therapie 4 Exzision bei Schmerzhaftigkeit, mechanischer oder kosmetischer Beeinträchtigung 24.13
Primär kutane Lymphome
4 Non-Hodgkin-Lymphome der Haut, bei denen bei Diagnosestellung ein Befall innerer Organe nicht nachzuweisen ist 4 in ca. 75% der Fälle von T-Lymphozyten ausgehend 4 insgesamt niedrige Inzidenz und relativ gute Prognose (. Tabelle) 4 Auftreten im höheren Lebensalter Primär kutane Lymphome (Auszug aus WHO-EORTC-Klassifikation)
T-ZellLymphome
B-ZellLymphome
Typ
Relative Häufigkeit
5-JahresÜberlebensrate
Mycosis fungoides
44%
88%
lymphomatoide Papulose
12%
100%
CD30-positives großzelliges Lymphom
8%
95%
aggressiv
Sézary-Syndrom
3%
24%
indolent (niedrig maligne)
Follikuläres Keimzentrumslymphom
11%
95%
Marginalzonenlymphom
7%
99%
großzelliges B-ZellLymphom der unteren Extremität (»leg type«)
4%
55%
indolent (niedrig maligne)
intermediär
24
270
Kapitel 24 · Zysten, Nävi und Tumoren der Haut
Eigene Notizen
24.13.1
Mycosis fungoides
4 häufigste Form des primär kutanen T-Zell-Lymphoms 4 charakterisiert durch kleine bis mittelgroße T-Lymphozyten mit zerebriformen Zellkernen, die zur Absiedlung in die Epidermis neigen 4 Häufigkeitsgipfel jenseits des 50. Lebensjahres 4 Männer fast doppelt so häufig wie Frauen betroffen
24
Klinik 4 klassischer Verlauf nach Alibert-Bazin: anfangs »patches« (. Abb. 37, Farbteil), dann Plaques und schließlich Tumoren; auch Nebeneinander verschiedener Stadien möglich 5 Patch-Stadium (= »Ekzem«-Stadium, »prämykosides« Stadium): atrophe, mitunter zigarettenpapierartig gefältelt wirkende, rötliche Makulae mit diskreter, feinlamellöser Schuppung 5 Plaque-Stadium: infiltrierte, rötliche Plaques mit Schuppung 5 Tumor-Stadium: Knoten, die bei längerer Bestandsdauer zur Ulzeration neigen 4 Juckreiz variablen Ausmaßes 4 unspezifische Lymphknotenschwellungen möglich (dermatopathische Lymphknoten = vergrößerte Lymphknoten, die bei histologischer Untersuchung keine Infiltrate neoplastischer Lymphozyten zeigen) 4 in Spätstadien der Erkrankung Infiltration von Lymphknoten und viszeralen Organe möglich
Diagnostik 4 Histologie: atypische Lymphozyten in bandförmiger Verteilung in der Dermis mit Befall der Epidermis (Epidermotropismus = Tendenz der neoplastischen Lymphozyten, in die Epidermis zu migrieren); gelegentlich Formation von Aggregaten atypischer Lymphozyten in der Epidermis (= Pautrier-Mikroabszesse); Charakterisierung des T-ZellInfiltrats mittels Immunhistologie (neoplastische Zellen sind CD3 +, CD4+, CD8-); die Klonalität der neoplastischen T-Lymphozyten lässt sich mittels des sog. T-Zell-Rezeptor-Rearrangements molekularbiologisch nachweisen 4 Labor: mitunter Eosinophilie und Erhöhung von LDH und β2-Mikroglobulin 4 bildgebende Diagnostik: Röntgen-Thorax, Abdomensonographie und Sonographie der zervikalen, axillären und inguinalen Lymphknoten; in fortgeschrittenen Stadien MRT bzw. CT
Differenzialdiagnosen 4 Parapsoriasis en plaques 5 chronisch verlaufende Hauterkrankung, die klinisch dem PatchStadium der Mycosis fungoides ähnelt 5 je nach Größe der Einzelläsion spricht man von Parapsoriasis en petits plaques (<5 cm) oder Parapsoriasis en grands plaques (>5 cm)
271 24.13 · Primär kutane Lymphome
5 letztere kann in eine Mycosis fungoides übergehen und stellt biologisch vermutlich eine Form des Patch-Stadiums der Mycosis fungoides dar 4 Ekzeme (insbesondere atopisches Ekzem) 4 Psoriasis vulgaris 4 Tinea corporis
Therapie 4 phasenabhängig 5 in Frühstadien superpotente topische Steroide (Clobetasol); Phototherapie (Bade-PUVA, orale PUVA, UVA1-Therapie), ggf. in Kombination mit Retinoiden (Bexaroten, Acitretin) oder Interferon-α 5 in fortgeschrittenen Stadien Radiatio (schnelle Elektronen), Methotrexat; bei viszeralem Befall (Poly-)Chemotherapie mit CHOP oder Doxorubicin 4 Prognose im Allgemeinen recht gut
24.13.2
Sézary-Syndrom
4 seltene Form des kutanen T-Zell-Lymphoms 4 durch Erythrodermie, generalisierte Lymphadenopathie und leukämische Aussaat neoplastischer T-Lymphozyten (Sézary-Zellen mit zerebriformem Zellkern) in Haut, Lymphknoten und peripherem Blut charakterisiert
Klinik 4 Erythrodermie mit ausgeprägter Schuppung, Erosionen und Lichenifikationen 4 palmoplantare Hyperkeratosen 4 Onychodystrophie und Alopezie wechselnden Ausmaßes 4 massiv ausgeprägter Juckreiz 4 generalisierte Lymphadenopathie
Diagnostik 4 Histologie ähnlich wie bei Mycosis fungoides, jedoch monotoneres Infiltrat und weniger ausgeprägter Epidermotropismus 4 definitionsgemäß finden sich im peripheren Blut mindestens 1000 Sézary-Zellen/μl und eine CD4/CD8-Ratio >10; Phänotyp: CD3+, CD4+, CD8-, CD7-
Differenzialdiagnosen 4 andere erythrodermatische Hauterkrankungen (atopisches Ekzem, Psoriasis, Pityriasis rubra pilaris, Arzneimittelreaktionen u. a. m.)
Therapie 4 extrakorporale Photopherese (ECP), ggf. in Kombination mit Interferonα; PUVA; Methotrexat; Chlorambucil in Kombination mit Prednison 4 Prognose deutlich schlechter als bei Mycosis fungoides
24
Eigene Notizen
272
Kapitel 24 · Zysten, Nävi und Tumoren der Haut
Eigene Notizen
24
24.13.3
Primär kutane B-Zell-Lymphome
4 seltene Formen primär kutaner Lymphome, denen eine Entartung der B-Lymphozyten zugrunde liegt 4 Formen: 5 Keimzentrumslymphom: solitär oder multipel auftretende Papeln, Plaques oder Knoten, vorzugsweise an den Extremitäten 5 Marginalzonenlymphom: solitär oder gruppiert auftretende Knoten vorzugsweise an Kopf und Stamm 5 großzelliges B-Zell-Lymphom der unteren Extremität (»leg type«): vorzugsweise an der unteren Extremität auftretende rötlich-bräunliche, rasch wachsende Knoten, die zur Ulzeration und extrakutanen Aussaat neigen 4 > Memo Im Gegensatz zur Mycosis fungoides zeigen die primär kutanen B-Zell-Lymphome eine glatte, nicht schuppende Oberfläche.
Diagnostik 4 Histologie, Immunhistologie und Nachweis der Klonalität sichern die Diagnose 4 LDH, Serumelektrophorese und Immunfixation 4 zusätzlich Knochenmarksbiopsie und bildgebende Ausbreitungsdiagnostik
Therapie 4 Exzision im Falle solitärer oder weniger Knoten 4 Radiatio 4 Rituximab (Antikörper gegen das B-Zell-Antigen CD20, das bei vielen B-Zell-Lymphomen exprimiert wird) 4 Polychemotherapie 4 gute Prognose bei Keimzentrums- und Marginalzonenlymphom, deutlich schlechtere Prognose bei großzelligem B-Zell-Lymphom der unteren Extremität
24.13.4
Pseudolymphome
4 reaktive Infiltrate von B- oder T-Lymphozyten, die klinisch und histologisch ein (malignes) Lymphom imitieren können 4 Formen: 5 Lymphadenosis cutis benigna, auftretend nach Borrelieninfektion (7 Kap. 20) 5 persistierende Arthropodenreaktion, z. B. nach vorausgegangenem Insektenstich 5 medikamentenassoziierte Pseudolymphome (z. B. durch Antikonvulsiva) 5 »lymphocytic infiltration« Jessner-Kanof (vermutlich assoziiert mit Lupus erythematodes)
273 24.14 · Mastozytosen
Diagnostik 4 Pseudolymphome zeigen klinisch und histologisch meist symmetrischen Aufbau der Einzeleffloreszenz; Auftreten zumeist im Kopf- und Brustbereich 4 Histologie und Immunhistologie
Therapie 4 4 4 4
Behandlung der Grundkrankheit Absetzen verdächtiger Medikamente ggf. antibiotische Behandlung ggf. topische Glukokortikoide
24.14
Mastozytosen
4 heterogene Gruppe von Erkrankungen, die durch eine Vermehrung der Mastzellen gekennzeichnet ist 4 Manifestation meist im Kindesalter 4 Mastzellen gehen aus CD34-positiven pluripotenten Vorläuferzellen des Knochenmarks hervor und migrieren ins Gewebe. 4 bei einem Teil besonders der adulten Mastozytosen finden sich Mutationen (insbesondere D816V) im c-kit-Gen, das die Rezeptor-Tyrosinkinase KIT (CD117) kodiert; es resultiert eine konstitutive Aktivierung des Rezeptors mit überschießender Mastzellproliferation 4 auch Melanozyten exprimieren KIT; die Aktivierung des Rezeptors führt u. a. zur vermehrten Melaninproduktion, die klinisch als Hyperpigmentierung wahrnehmbar ist 4 Mastzellen setzen Histamin, Tryptase, Eicosanoide und Zytokine frei, die die klinische Symptomatik (Urticae, Pruritus, Flush, Schwindel, Palpitationen, Schwitzen, Gewichtsverlust, Diarrhö etc.) erklären 4 Klassifikation der Mastozytosen: 5 indolente Mastozytosen 5 Mastozytosen mit assoziierten hämatologischen Erkrankungen 5 aggressive systemische Mastozytosen 5 Mastzellleukämie 4 Die weitaus größte Zahl der kutanen Mastozytosen ist den indolenten Formen zuzuordnen; aber auch die aggressiveren Formen können mit Hautsymptomen einer Urticaria pigmentosa (s. unten) einhergehen
Diagnostik 4 Darier-Zeichen: wichtiges klinisches Zeichen, dass die Auslösung einer urtikariellen Reaktion nach Reiben der Haut beschreibt 4 bei disseminierten Formen Bestimmung der Serum-Tryptase als Maß für die Mastzell-Last 4 Histologie: Vermehrung unreifer Mastzellen in der Dermis (GiemsaFärbung)
24
Eigene Notizen
274
Kapitel 24 · Zysten, Nävi und Tumoren der Haut
Eigene Notizen
24.14.1
Mastozytom
4 lokalisierte Vermehrung unreifer Mastzellen in der Dermis 4 bereits bei Geburt vorhanden oder Entwicklung in den ersten Lebenswochen 4 spontane Rückbildung möglich
24
Klinik 4 solitäre oder multiple rötlich-braune Plaques oder Knoten 4 Darier-Zeichen häufig positiv 4 selten Blasenbildung nach exogener Reizung
Differenzialdiagnosen 4 juveniles Xanthogranulom 4 Pseudolymphom 4 Arthropodenreaktion
Therapie 4 spontane Rückbildung bis zur Pubertät abwarten 4 ggf. Exzision
24.14.2
Urticaria pigmentosa
4 disseminierte Aussaat fokal vermehrter Mastzellen 4 bei der adulten Form liegt häufig eine Mutation im c-kit-Gen zugrunde 4 juvenile Form tendiert im Gegensatz zur adulten Form zur spontanen Remission
Klinik 4 bräunliche, meist disseminiert in konfettiartiger Verteilung auftretende 1–5 mm große Makulae oder Papeln 4 Schweregrad und Ausdehnung variabel 4 Darier-Zeichen positiv 4 ! Cave Gefahr der Mediatorenfreisetzung (insbesondere Histamin) bei Provokation (z. B. heißes Bad, Abreiben der Haut). Es kommt zu Symptomen der anaphylaktischen Reaktion (RR-Abfall, Tachykardie). 4 Sonderform mit prominenten Teleangiektasien: Teleangiectasia macularis eruptiva perstans, tritt bei Erwachsenen auf
Differenzialdiagnosen 4 systemische Formen der Mastozytose mit extrakutanen Manifestationen im Gastrointestinaltrakt (Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö), Hepatomegalie, Splenomegalie, Lymphadenopathie (hohe Serum-Tryptase, Knochenmarksbiopsie) 4 Langerhanszell-Histiozytose 4 kleinknotige Sarkoidose
275 24.15 · Kutane Paraneoplasien
4 Lues im Stadium II 4 Karzinoidsyndrom (besonders bei Flush-Symptomatik; Bestimmung der 5-Hydroxyindolessigsäure im Urin)
Therapie 4 Vermeidung von Triggerfaktoren (mechanische Irrititation, abrupte Temperaturänderungen, histaminfreisetzende Medikamente, histaminreiche Nahrungsmittel u. a. m.) 4 Antihistaminika 4 Phototherapie: PUVA bzw. UVA1 führen zur Apoptose von Mastzellen
24.15
Kutane Paraneoplasien
24.15.1
Acanthosis nigricans
4 vorzugsweise intertriginös auftretende, bräunlich-schwarze Hyperpigmentierung mit verrukös-papillomatöser Hyperplasie 4 Auftreten paraneoplastisch oder bei benignen Grunderkrankungen 4 paraneoplastische (»echte«) Acanthosis nigricans 5 Auftreten häufig unter Einbeziehung auch von Handinnenflächen, Fußsohlen und Mundwinkeln 5 plötzlicher Beginn meist jenseits des 40. Lebensjahres 5 insbesondere bei gastrointestinalen Tumoren (Magenkarzinome) 5 vermutet wird, dass vom Tumor produzierte Botenstoffe wie der »insulin-like growth factor« die Acanthosis nigricans hervorrufen 5 Rückbildung nach erfolgreicher Tumortherapie möglich 4 benigne Acanthosis nigricans 5 Manifestation insbesondere im Bereich der Intertrigines 5 bei Hyperinsulinismus und Defekten des Insulinrezeptorsignalwegs; als »Pseudo«-Acanthosis nigricans bei adipösen Diabetikern auftretend 5 Auslösung auch durch Medikamente möglich (Nikotinsäure, orale Kontrazeptiva, Insulin)
24.15.2
Weitere kutane Paraneoplasien
4 obligate Paraneoplasien 5 Akrokeratosis Basex: psoriasiforme Hyperkeratosen an Akren und Gesicht 5 Hypertrichosis lanuginosa: plötzlich einsetzendes Wachstum von Lanugo-Haaren 5 Erythema gyratum repens J polyzyklisch konfigurierte, konzentrisch angeordnete Läsionen mit rascher Wanderungstendenz J Auftreten u. a. bei Bronchialkarzinomen
24
Eigene Notizen
276
Kapitel 24 · Zysten, Nävi und Tumoren der Haut
Eigene Notizen
24
5 Erythema necrolyticum migrans J polyzyklisch begrenzte, erosive, von Krusten belegte Läsionen besonders periorifiziell J verweisen auf glukagonproduzierende Tumoren des Pankreas (Glukagonomsyndrom) 5 paraneoplastischer Pemphigus J klinisch vielgestaltige Form des Pemphigus mit massiver Schleimhautbeteiligung und oftmals kokardenartigen Läsionen an der Haut J assoziiert insbesondere mit B-Zell-Malignomen 4 fakultative Paraneoplasien 5 Thrombophlebitis migrans: rezidivierende Thrombophlebitiden in unterschiedlicher Lokalisation; bei Pankreas-, Magen und Bronchialkarzinomen 5 Dermatomyositis 5 akute febrile neutrophile Dermatose (Sweet-Syndrom) 5 Pyoderma gangraenosum
25 Tag 3 – Dermatologie
25
Erkrankungen des Pigmentsystems A. Jung
25.1
Vitiligo – 278
25.2
Melasma (Chloasma) – 279
25.3
Postinflammatorische Hyperpigmentierungen – 280
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_25, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
278
Kapitel 25 · Erkrankungen des Pigmentsystems
Eigene Notizen
25
25.1
Vitiligo
4 fleckförmige Zerstörung der epidermalen Melanozyten aus nicht abschließend geklärter Ursache – wahrscheinlich liegt eine Autoimmunreaktion zugrunde 4 in Mitteleuropa ca. 0,5%, bei dunkelhäutigen Ethnien deutlich häufiger 4 familiäre Häufung in ca. 30% der Fälle 4 Erkrankung lässt sich unspezifisch durch z. B. Kratzreize provozieren: isomorpher Reizeffekt = Köbner-Phänomen
Klinik (. Abb. 38, Farbteil) 4 Beginn in 50% der Fälle vor dem 20. Lebensjahr 4 Ausbildung von runden bis ovalen, einigen mm bis vielen cm großen, stark hypo- bis vollständig depigmentierten Makulae, die eine Tendenz zur zentrifugalen Ausbreitung und Konfluenz zeigen; häufig auch bilaterales, gleichförmiges Verteilungsmuster 4 Prädilektionsstellen 5 mechanisch belastete Körperregionen wie Hände, Füße, Ellenbogen, Knie und Sprunggelenke 5 periorifizielle und normalerweise stärker pigmentierte Körperbereiche wie Perioral-, Perianal-, Genital-, Inguinal-, Mamillen- und Axillarregion sowie Handrücken 4 Verlauf 5 oft schleichender Beginn und langsame Ausdehnung der Makulae 5 oft jahrelang stabile Ausprägung 5 gelegentlich rasche Progredienz mit fast vollständiger Depigmentierung des gesamten Integuments, wobei meist einzelne Hautareale mit normaler Pigmentierung erhalten bleiben 5 selten Spontanremission mit vollständiger Repigmentierung 5 Haare: in den depigmentierten Makulae können sie lange Zeit normal pigmentiert bleiben; fokale Depigmentierung möglich (Poliosis) 4 klinische Variante: segmental konfigurierte Vitiligo 4 Assoziationen 5 Autoimmunerkrankungen wie Alopecia areata, Hashimoto-Thyreoiditis, perniziöse Anämie, M. Addison, Myasthenia gravis 5 Melanom 5 Halo-Nävi 5 Morphaea 5 Lichen sclerosus et atrophicus
Diagnostik 4 klinische Blickdiagnose 4 Ganzkörperinspektion und Labordiagnostik zum Ausschluss assoziierter Erkrankungen 4 ggf. Hautbiopsie: fehlende Melanozyten, gelegentlich diskretes lymphozytäres Infiltrat
279 25.2 · Melasma (Chloasma)
Therapie 4 bisher existiert keine zuverlässige und nebenwirkungsarme Therapieoption 4 Camouflage = kosmetische Abdeckung der sichtbaren VitiligoLäsionen 4 Lichtschutz der depigmentierten Läsionen 4 bei ausgedehntem Befall Phototherapie mit UV-B 311 nm oder (Creme-) PUVA (zu Beginn Bräunung der periläsionalen Haut mit stärkerem Kontrast zur depigmentierten Läsion) 4 bei begrenztem Befall topische Glukokortikoide; systemische Steroide sind nicht angezeigt 4 Calcineurininhibitoren (wirksam insbesondere im Gesichtsbereich, offlabel)
25.2
Melasma (Chloasma)
4 relativ häufig bei jungen Frauen, selten bei Männern 4 Hormoneinflüsse aufgrund von Schwangerschaft, oralen Kontrazeptiva oder selten hormonproduzierenden Tumoren führen zu einer gesteigerten Melanogenese der Melanozyten in der Epidermis bzw. zur gesteigerten Pigmentspeicherung in Makrophagen der Dermis (Melanophagen) mit Ausbildung hyperpigmentierter Makulae, meist im Gesicht 4 das Melasma (Chloasma) lässt sich nicht ausschließlich über eine verstärkte Östrogenwirkung erklären, da die Hormonersatztherapie postmenopausaler Frauen i. d. R. nicht zum Chloasma führt 4 genetische Disposition (häufigeres Auftreten bei Hispanics) 4 UV-Licht verstärkt als Kofaktor die klinische Ausprägung oft deutlich
Klinik 4 an Stirn, Wangen, Schläfen oder perioral finden sich in beiderseits gleichförmiger Ausprägung scharf begrenzte, teils bizarr konfigurierte, hyperpigmentierte Makulae 4 meist Rückbildung postpartal oder nach Beendigung der Hormoneinnahme innerhalb von Monaten, eine Persistenz über Jahre ist möglich
Diagnostik 4 klinische Blickdiagnose 4 falls anamnestisch keine Beziehung zu Schwangerschaft oder hormoneller Kontrazeption gegeben ist, endokrinologische Abklärung zum Ausschluss hormonproduzierender Tumoren
Therapie 4 ggf. Wechsel auf nicht-hormonelle Kontrazeptionsmethode sowie konsequenter Lichtschutz des Gesichts 4 ! Cave Bleichmittel auf Hydrochinonbasis können zu unregelmäßigen Hyper- und Hypopigmentierungen führen!
25
Eigene Notizen
280
Kapitel 25 · Erkrankungen des Pigmentsystems
Eigene Notizen
25
25.3
Postinflammatorische Hyperpigmentierungen
4 Entzündungen der Haut, insbesondere bei starker Beteiligung der dermo-epidermalen Junktionszone, können aufgrund von verstärkter Melaninproduktion oder Pigmentinkontinenz (»Abtropfen« von Pigment in die Dermis und Speicherung in Makrophagen (= Melanophagen)) zu monatelang persistierenden Hyperpigmentierungen führen 4 häufiger bei dunkel- als bei hellhäutigen Ethnien 4 mögliche Auslöser 5 z. B. Lichen ruber, Lupus erythematodes, atopisches Ekzem, Herpes zoster 5 Arzneimittelreaktionen: z. B. fixe (toxische) Arzneimittelreaktion 5 thermische oder traumatische Hautschädigung: z. B. nach Verbrennungen, häufigem Hautkontakt zu Wärmflaschen, chronischer mechanischer Reizung 5 phototoxische Hautschädigung: z. B. nach UVA-Exposition parfümierter Haut (Berloque-Dermatitis)
Klinik 4 nach Abklingen der primär entzündlichen Hautschädigung entwickelt sich oder persistiert in den vormals betroffenen Körperstellen eine Hyperpigmentierung 4 je nach auslösendem Schädigungsmechanismus bizarre Konfigurationen wie z. B. Abrinnspuren bei phototoxischen Reaktionen möglich 4 gelegentlich bleibt die primäre Hautschädigung aufgrund geringer Ausprägung der Entzündungsreaktion oder bereits erfolgter Rückbildung bei Vorstellung des Patienten unerkannt
Diagnostik 4 Verteilungsmuster der Hyperpigmentierungen und Anamnese weisen den Weg 4 z. B. retikuläre Hyperpigmentierung im Kontaktbereich zur Wärmflasche an Bauch oder Oberschenkel (= Erythema ab igne = Erythema e calore)
Therapie 4 Meidung identifizierter Auslöser 4 konsequenter UV-Schutz 4 Rückbildung nach Monaten, manchmal auch erst nach Jahren
26 Tag 3 – Dermatologie
26
Erkrankungen des Bindegewebes und der Subkutis M. Goebeler
26.1
Zirkumskripte Sklerodermie (Morphaea) – 282
26.2
Lichen sclerosus et atrophicus – 283
26.3
Narben und Keloide – 284
26.4
Striae distensae – 285
26.5
Pannikulitis – 285
26.5.1
Erythema nodosum
– 286
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_26, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
282
Kapitel 26 · Erkrankungen des Bindegewebes und der Subkutis
Eigene Notizen
26.1
Zirkumskripte Sklerodermie (Morphaea)
4 entzündliche Erkrankung unklarer Ätiologie, die zu sklerosierten Plaques führt 4 ähnliche Pathogenese wie bei progressiver systemischer Sklerodermie: mikrovaskuläre Dysfunktion, Aktivierung von T-Lymphozyten, Aktivierung von Fibroblasten mit überschießender Kollagensynthese 4 keine Assoziation mit Systemerkrankungen 4 Frauen sind häufiger als Männer betroffen
Klinik
26
4 herdförmige zirkumskripte Sklerodermie 5 nach anfänglicher entzündlicher Rötung weißlich-gelbliche bis bräunliche Induration der Haut, die häufig von einem fliederfarbenen Erythem umgeben ist (»lilac ring«) 5 bei längerer Persistenz Atrophie mit Verlust der Haarfollikel, Hyperund Hypopigmentierungen 4 disseminierte (generalisierte) zirkumskripte Sklerodermie 5 Auftreten multipler sklerotischer Plaques, die konfluieren können 5 Brustwarzen meist ausgespart 5 Sklerosierungen behindern Thoraxexkursionen und damit die Atmung 5 massive Bewegungseinschränkung möglich 4 lineare zirkumskripte Sklerodermie 5 bandförmige Sklerodermie, häufig frontoparietal mit Atrophie des darunter liegenden Knochens (»sclérodermie en coup de sabre«) 5 Morphaea mit hemifazialer Atrophie: Parry-Romberg-Syndrom 5 bei Auftreten an den Extremitäten Bewegungseinschränkung mit Kontraktur möglich 4 keine Raynaud-Symptomatik, keine digitalen Ulzerationen und Sklerosierungen 4 keine Beteiligung innerer Organe
Diagnostik 4 indirekte Immunfluoreszenz 5 gewöhnlich kein Nachweis von ANA 5 bei linearer und disseminierter/generalisierter zirkumskripter Sklerodermie mitunter ANA nachweisbar 4 Histologie 5 anfänglich Ödem und perivaskuläres entzündliches Infiltrat 5 später Reduktion der Reteleisten, Abflachung der Papillen, Atrophie der Adnexen, Vermehrung und Verbreiterung von Kollagenbündeln, die parallel zur Junktionszone verlaufen
Differenzialdiagnose 4 progressive systemische Sklerodermie 4 eosinophile Fasziitis 4 Lichen sclerosus et atrophicus
283 26.2 · Lichen sclerosus et atrophicus
Therapie 4 im entzündlichen Stadium topische Glukokortikosteroide, ggf. unter Okklusion 4 Phototherapie: UV-A1, Bade- oder Creme-PUVA 4 in ausgeprägten Fällen: Methotrexat, ggf. in Kombination mit systemischen Glukokortikosteroiden 4 anekdotische Berichte über erfolgreiche Anwendung von Penicillin G (10 Mega i.v./Tag über 3 Wochen)
Prognose 4 gut, kein Übergang in progressive systemische Sklerodermie 4 bei generalisierter zirkumskripter Sklerodermie mitunter trotz aggressiver Therapie Progress
26.2
Lichen sclerosus et atrophicus
4 entzündliche Erkrankung unklarer Ätiologie, die zur Entwicklung porzellanweißer, sklerotischer und atropher Plaques führt 4 Formen: 5 anogenitaler Lichen sclerosus et atrophicus (bei Befall der Vulva auch als Kraurosis vulvae bezeichnet) 5 extragenitaler Lichen sclerosus et atrophicus 4 Frauen erscheinen häufiger betroffen als Männer; Manifestationsalter: Mädchen vor der Pubertät; ansonsten 5. und 6. Lebensjahrzehnt
Klinik 4 porzellanartig weiße, sklerotische Plaques mit pergamentartiger, atropher Oberfläche, die scharf und unregelmäßig begrenzt sind 4 häufig starker Juckreiz 4 Prädilektionsstellen: Vulva, Präputium, Glans penis, Perianalregion; kann zu narbiger Schrumpfung führen (Folge: Phimose, Synechien) 4 extragenitaler Lichen sclerosus et atrophicus: Läsionen in seitlicher Halsgegend, submammär, an Extremitäten 4 gelegentlich Ausbildung von Blasen 4 nur selten Schleimhautbefall
Diagnostik 4 Histologie 5 anfänglich oberflächliches dermales Ödem, darunter bandartiges lymphozytäres Infiltrat 5 Atrophie der Epidermis mit vakuoliger Degeneration basaler Keratinozyten und Abflachung der Junktionszone 5 Homogenisierung des dermalen Kollagens mit Verlust elastischer Fasern
Differenzialdiagnose 4 zirkumskripte Sklerodermie 4 in der Anogenitalregion: Lichen ruber mucosae
26
Eigene Notizen
284
Kapitel 26 · Erkrankungen des Bindegewebes und der Subkutis
Eigene Notizen
Therapie 4 topische Glukokortikosteroide 4 topische Kalzineurinantagonisten: Tacrolimus, Pimecrolimus (offlabel) 4 früher gebräuchliche Therapien mit topischen Östrogenpräparationen sind vermutlich wirkungslos 4 bei Phimose: Zirkumzision
Prognose 4 in Einzelfällen sekundäre Entwicklung eines spinozellulären Karzinoms beschrieben, möglicherweise nach HPV-Infektion 4 bei Auftreten von Leukoplakien bioptische Abklärung erforderlich
26 26.3
Narben und Keloide
4 Narbe: Sekundäreffloreszenz; entsteht physiologischerweise im Rahmen der Wundheilung 4 hypertrophe Narbe: erhabene Narbe, die auf das ursprüngliche Wundgebiet beschränkt ist 4 Keloid: verzögert auftretende, überschießende, deutlich über das ursprüngliche Wundgebiet hinausgehende narbenartige Bindegewebsvermehrung
Klinik 4 Narben und Keloide sind anfangs rosa bis lila, häufig schmerzhaft und juckend; Rötung blasst mit der Zeit ab 4 i. d. R. geht Trauma voraus 4 Keloide entstehen auch nach Akne und Infektion bzw. ohne erinnerliches vorangegangenes Trauma 4 Prädilektionsstellen: Ohrläppchen, obere Thoraxapertur (insbesondere Decolleté)
Therapie 4 intraläsionale Glukokortikoide (Triamcinolon) 4 Silikongel-Auflagen 4 operative Entfernung, anschließend Druckverband und SilikongelAuflagen bzw. frühzeitig intraläsionale Glukokortikoide 4 weitere Therapieoptionen 5 Interferon-α2b intraläsional 5 5-Fluorouracil intraläsional 5 Radiatio 5 Blitzlampen-gepumpter, gepulster Farbstofflaser
Prognose 4 Therapieerfolg bei Keloiden häufig unbefriedigend; hohe Rezidivrate
285 26.5 · Pannikulitis
26.4
Striae distensae
4 lineare atrophe Streifen, die durch Zugbelastung bzw. Dehnung hervorgerufen werden 4 treten physiologischerweise in der Schwangerschaft, während der Pubertät und bei raschen Gewichtsveränderungen (Zu- oder Abnahme) auf; auch bei Adipositas 4 Auftreten begünstigt durch Hypercortisolismus; iatrogen nach Einnahme von Glukokortikoiden 4 Frauen sind häufiger betroffen als Männer
Klinik 4 parallel angeordnete rosa bis lilafarbene Streifen, häufig den Hautspaltenlinien folgend 4 Prädilektionsstellen: Unterbauch, Schultergürtel, Hüfte, Oberschenkelinnenseiten
Therapie 4 nicht erforderlich 4 ggf. Versuch mit topischem Tretinoin 4 ggf. Versuch mit Blitzlampen-gepumptem gepulsten Farbstofflaser
26.5
Pannikulitis
4 heterogene Gruppe von Erkrankungen unterschiedlicher Ätiopathologie, die durch Entzündungsvorgänge im subkutanen Fettgewebe charakterisiert sind 4 klinisch zeigen sich (druck-)schmerzhafte gerötete subkutane Knoten oder Indurationen, die vorzugsweise an der unteren Extremität (Unterschenkel) und im Hüft- bzw. Glutealbereich lokalisiert sind 4 histologische Einteilung in septale und lobuläre Pannikulitiden, häufig Mischformen: 5 septale Pannikulitis: Entzündungen an bindegewebigen Septen der Subkutis; klassischer Vertreter: Erythema nodosum 5 lobäre Pannikulitis: Entzündungen im Fettgewebe > Memo Falls zur Diagnosestellung eine Biopsie erfolgt, so muss diese ausreichend tief sein, um die Subkutis zu erfassen (Inzisions- statt Stanzbiopsie). 4 Klassifikation der Pannikulitiden 5 überwiegend septale Pannikulitiden J Erythema nodosum J Pannikulitis bei Morphaea/zirkumskripter Sklerodermie J Pannikulitis bei Alpha1-Antitrypsin-Mangel 5 überwiegend lobäre und gemischte Pannikulitiden J Erythema induratum (noduläre Vaskulitis) J Pannikulitis bei Pankreatitis und Pankreaskarzinom J Pannikulitis bei Lipodystrophie
26
Eigene Notizen
286
Kapitel 26 · Erkrankungen des Bindegewebes und der Subkutis
J Pannikulitis bei Sclerema neonatorum und subkutanen Fettgewebsnekrosen des Neugeborenen J Pannikulitis bei Lupus erythematodes (Lupus profundus) und Dermatomyositis J Physikalische Pannikulitis (nach Kälteexposition, Trauma, Einbringen von Arzneimitteln (Glukokortikoide, Morphin u. a.) oder Fremdsubstanzen (Silikon, Paraffin) J infektiöse Pannikulitis (durch (Myko-)Bakterien, Pilze) J Pannikulitis bei Malignomen (»subcutaneous panniculitis-like T cell lymphoma«, bei malignen subkutanen Infiltraten)
Eigene Notizen
26
26.5.1
Erythema nodosum
4 häufigste Form der Pannikulitis 4 zugrunde liegt vermutlich eine Immunreaktion vom verzögerten Typ gegen unterschiedliche, meist mikrobielle Antigene 4 mögliche mikrobielle Auslöser: Streptokokken, Yersinien, Salmonellen, Campylobacter, Viren 4 medikamentöse Auslöser: Östrogen, Penicillin, Sulfonamide 4 assoziierte Erkrankungen: Sarkoidose; M. Crohn, seltener Colitis ulcerosa; M. Behçet, Sweet-Syndrom 4 in 1/3 der Fälle lässt sich ein Auslöser nicht identifizieren
Klinik 4 bilateral schmerzhafte, indurierte, subkutane Knoten meist an der Ventralseite der Unterschenkel, seltener an Oberschenkeln und Unterarmen
Diagnostik 4 Histologie 5 septale Pannikulitis mit überwiegend neutrophilem Infiltrat 5 gelegentlich Miescher-Mikrogranulome aus Histiozyten 4 Abklärung möglicher Grundkrankheiten (Stuhluntersuchungen, Röntgen-Thorax, Antistreptolysin-Titer, Tuberkulose-Ausschluss)
Differenzialdiagnose 4 andere Pannikulitiden, z. B. Erythema induratum (hier im Gegensatz zum Erythema nodosum Läsionen an der Dorsalseite der Unterschenkel)
Therapie 5 Behandlung möglicher Grundkrankheiten 5 Bettruhe, Wickeln der Beine mit Kurzzugbinden oder Tragen von Kompressionsstrümpfen 5 nichtsteroidale Antiphlogistika, z. B. Diclofenac 5 Kaliumjodid-Tropfen
Prognose 4 narbenfreie Abheilung innerhalb weniger Wochen
27 Tag 3 – Dermatologie
27
Erkrankungen von Haaren, Nägeln und Schleimhäuten A. Jung
27.1
Definitionen – 288
27.2
Trichogramm – 288
27.3
Androgenetische Alopezie – 288
27.4
Alopecia areata – 289
27.5
Trichotillomanie – 291
27.6
Vernarbende Alopezien – 292
27.6.1 27.6.2 27.6.3
Lymphozytäre vernarbende Alopezien – 292 Neutrophile vernarbende Alopezien – 293 Gemischtzellige vernarbende Alopezien – 293
27.7
Hirsutismus – 293
27.8
Nagelerkrankungen – 294
27.9
Chronisch-rezidivierende Aphthen – 295
27.10
Morbus Behçet – 295
27.11
Leukoplakie – 297
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_27, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
288
Kapitel 27 · Erkrankungen von Haaren, Nägeln und Schleimhäuten
Eigene Notizen
27.1
Definitionen
4 Effluvium: Vorgang des Haarausfalls: Verlust von täglich mehr als 100 Haaren am Kapillitium 4 telogenes Effluvium: Haarausfall mit erhöhtem Anteil von Haaren in der Telogenphase (>20%) 4 Alopezie: Zustand der Haarlosigkeit (z.B. »Glatze«) 4 Hypotrichose: kongenital gering ausgeprägte Behaarung 4 Atrichie: angeborene Haarlosigkeit 4 Hypertrichose: verstärkter Haarwuchs mit Übergang von Vellushaaren in Terminalhaare
27.2
27
Trichogramm
4 dient der Erhebung des Haarwurzelstatus 4 mit einer Haarklemme werden an zwei Lokalisationen des Kapillitiums (frontal, okzipital) jeweils mindestens 50 Haare epiliert und bezüglich des Verteilungsmusters der Haarzyklusphasen (anagen, katagen, telogen) mikroskopisch untersucht 4 moderne digitalphotographisch basierte Methoden erlauben eine nichtinvasive Erhebung des Haarstatus (»TrichoScan«) 4 Norm: mehr als 80% der Haare befinden sich im Anagen-, bis zu 1% im Katagen- und bis zu 20% im Telogenstadium
27.3
Androgenetische Alopezie
4 Beginn bei Männern häufig bereits nach der Pubertät 4 erreicht bei kaukasischen Männern im 8. Dezennium eine Prävalenz von bis zu 80% 4 wesentlich niedrigere Prävalenz bei dunkelhäutigen Ethnien und Asiaten 4 Prävalenz bei Frauen vor der Menopause bei 10%, danach wesentlich höher 4 durch Androgenwirkung bedingte Verkürzung der Anagenphase = telogenes Effluvium 4 Miniaturisierung der Haarfollikel mit Umwandlung von Terminalhaarin Vellushaarfollikel 4 polygene Vererbung (u. a. Polymorphismen im Androgenrezeptorgen)
Klinik 4 Mann 5 Beginn typischerweise nach der Pubertät mit frontotemporalem Effluvium und Entwicklung von »Geheimratsecken« 5 frontaler Haaransatz median erst später betroffen 5 Ausweitung des Effluviums weiter nach temporal 5 zusätzliches Effluvium auch parietooccipital
289 27.4 · Alopecia areata
5 Konfluenz des Effluviums mit großflächiger Alopezie unter Aussparung lediglich eines temporookzipitalen Haarkranzes 5 variable Dynamik: Endstadium wird mitunter bereits im 3. Dezennium, häufig erst im Senium oder auch nie erreicht 4 Frau 5 Beginn am Mittelscheitel und Ausbreitung nach lateral, es findet sich ein diffuses Effluvium, das parietal i. d. R. nie zu völliger Haarlosigkeit führt 5 meist ist der frontale Haarsteifen nicht betroffen
Diagnostik 4 klinisch typisches Alopeziemuster bei positiver Familienanamnese 4 Trichogramm: Vermehrung der Telogenhaarfraktion (telogenes Effluvium) 4 > Memo Bei jungen Frauen sollte auf Hirsutismus und Zyklusunregelmäßigkeiten geachtet werden (Androgenisierungssyndrome: Überprüfung des Hormonstatus).
Therapie 4 Aufklärung, dass es sich um einen physiologischen, genetisch determinierten Prozess handelt, der nicht auf eine gestörte Gonadenfunktion zurückzuführen ist (Ausnahme: seltene Androgenisierungssyndrome); Therapien daher nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung 4 topische Therapie mit Minoxidil (Männer 5%ige, Frauen 2%ige Lösung): nicht-hormonelle Stimulation des Haarfollikels mit Blockade und teilweiser Umkehr der Vellushaarbildung 4 bei Frauen auch topische Therapie mit östrogenhaltigen Tinkturen möglich 4 bei Männern systemische Gabe von Finasterid (5-α-Reduktase-II-Inhibitor): verhindert die Umwandlung von Testosteron in das am Androgenrezeptor deutlich wirksamere Dihydrotestosteron; dies führt zu einer reduzierten Androgenwirkung und hemmt die Umwandlung von Terminal- in Vellushaarfollikel; Finasterid ist bei Frauen nicht (ausreichend) wirksam 4 bei Frauen im Falle von Virilisierungszeichen hormonelles Kontrazeptivum mit antiandrogenem Progesteronderivat 4 ggf. autologe Haartransplantation von Einzelhaarfollikeln (»micrografts«) von okzipital in die Alopezieareale 4 Perücke 4 > Memo: nach Absetzen von Finasterid oder Minoxidil kommt es erneut zum Haarausfall. 27.4
Alopecia areata
4 T-zellulär vermittelte, organspezifische Autoimmunerkrankung an Haarbulbus und -papille, die zu einer nicht vernarbenden Alopezie führt 4 Beginn meist im frühen Erwachsenenalter 4 Lebenszeitrisiko knapp 2%
27
Eigene Notizen
290
Kapitel 27 · Erkrankungen von Haaren, Nägeln und Schleimhäuten
Eigene Notizen
4 positive Familienanamnese in 20–25% der Fälle (genetische Disposition) 4 10% aller Menschen mit Down-Syndrom (Trisomie 21) entwickeln eine Alopecia areata 4 weitere Assoziationen 5 atopisches Ekzem oder Rhinoconjunctivitis allergica (bei bis zu 40% betroffener Kinder mit Alopecia areata) 5 Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto-Thyreoiditis, Vitiligo, perniziöse Anämie, Morbus Addison
Klinik (. Abb. 39, Farbteil)
27
4 Manifestation meist mit wenigen, einige mm bis cm großen, häufig kreisrunden, haarlosen Läsionen (»kreisrunder Haarausfall«) am Kapillitium oder im Bartbereich ohne sichtbare Entzündungsreaktion oder Atrophie mit Erhalt der Follikelostien 4 positiver Zupftest: die Haare im Randbereich lassen sich meist unter minimaler Zugkraft epilieren 4 typisch sind »Ausrufezeichenhaare«: bis 5 mm lange Haare mit dunkler, breiter Spitze und schmaler, hypopigmentierter Basis 4 die Alopezieherde breiten sich meist zentrifugal aus mit teilweise ausgeprägter Konfluenz bis hin zum völligen Haarverlust am Kapillitium = Alopecia areata totalis 4 bei weiterer Ausdehnung kann es auch zum Verlust sämtlicher Körperhaare kommen = Alopecia areata universalis 4 Alopecia areata im Okzipitalbereich (»Ophiasis-Typ«) gilt als sehr therapieresistent 4 selten führt die Alopecia areata zu einer diffusen Alopezie 4 Verlauf 5 häufig nach Wochen bis Monaten spontanes Wiederwachstum der Haare, die zu Beginn oft unpigmentiert sind; Verlauf jedoch nicht vorhersehbar 5 Spontanremissionen werden häufig von Rezidiven abgelöst 5 in schweren Fällen nur unvollständige Remission bis hin zu lebenslang persistierender Alopezie 4 Nagelveränderungen: mm-große Grübchen der Nagelplatte = »Tüpfel«, Querrillen, Längsriffelung, »Sandpapier«-Nägel 4 Prognose 5 in bis zu 50% der Fälle Abheilung innerhalb eines Jahres, aber häufig Rezidive; in 10–25% Progression zur Alopecia areata totalis oder universalis 5 prognostisch ungünstige Faktoren sind: früher Erkrankungsbeginn, schnelle Progression, häufige Rezidive, Ophiasis-Typ, Nagelveränderungen, Vorliegen assoziierter Komorbiditäten (weitere Autoimmunerkrankungen, atopisches Ekzem)
Diagnostik 4 bei typischer Klinik und positivem Zupftest Blickdiagnose 4 ggf. durch Probebiopsie aus Randbereich einer Alopezie-Läsion histologische Sicherung: erhaltene Haarfollikel mit peribulbärem lymphozytären Entzündungsinfiltrat
291 27.5 · Trichotillomanie
Therapie 4 aufgrund der Neigung zur Spontanremission und bei unbefriedigender Studienlage ist die Wirksamkeit üblicher Therapieansätze zurückhaltend zu bewerten 4 anfangs werden meist topische Glukokortikoide eingesetzt; ob das peribulbäre Entzündungsinfiltrat aufgrund der weiten Diffusionsstrecke erreicht wird, ist allerdings fraglich 4 unterstützend Einnahme von Zinktabletten 4 bei einzelnen Alopezieherden ggf. intraläsionale Kortikoidinjektionen ( ! Cave: Risiko der Hautatrophie!) 4 systemische Kortikoide (1 mg/kg KG) können bei rasch progredienten Formen wirksam sein, der Langzeiteffekt ist jedoch fraglich ( ! Cave: Risiko unerwünschter Wirkungen!) 4 Auslösung und Unterhaltung eines chronischen allergischen Kontaktekzems durch einmal wöchentliche epikutane Auftragung des obligaten Kontaktallergens Diphencypron (DCP) auf die alopezischen Areale (keine Zulassung!); hierdurch kommt es zur Suppression der gegen die Haarfollikel gerichteten T-lymphozytären Immunreaktion 4 topische Psoralen-Applikation und anschließende UVA-Bestrahlung (»Creme-PUVA«) 4 Psychotherapie zur Aufarbeitung von Lebensereignissen als Provokationsfaktoren und zur Unterstützung der psychischen Bewältigungsmöglichkeiten
27.5
Trichotillomanie
4 Störung der Impulskontrolle mit zwanghaftem Auszupfen von Haaren 4 meist halbbewusst im Sinne eines Para-Artefaktes 4 am häufigsten bei jungen Frauen und Mädchen
Klinik 4 Häufig finden sich parietal runde bis polyzyklisch begrenzte AlopezieHerde mit zonalem Aufbau: 5 zentral wenige mm lange, schlecht fassbare, unregelmäßig ausgerichtete Haare 5 fehlende Haare mit durch die Epilation verursachten einzelnen Hämorrhagien 4 verstärktes Auftreten in Phasen psychischer Belastung, z. B. während Examensvorbereitung
Diagnostik 4 neben dem typischen zonalen Aufbau können die Patienten i. d. R. vom impulsiven Auszupfen der Haare berichten (Para-Artefakt) 4 beim eigentlichen Artefakt erfolgt die Selbstschädigung in einem dissoziativen Bewusstseinszustand und bleibt unbewusst
27
Eigene Notizen
292
Kapitel 27 · Erkrankungen von Haaren, Nägeln und Schleimhäuten
Eigene Notizen
4 mitunter ist Abgrenzung zur Alopecia areata schwierig; in solchen Fällen kann eine Biopsie hilfreich sein (histologisch Nachweis von Hämorrhagien bei Fehlen des für die Alopecia areata charakteristischen peribulbären lymphozytären Entzündungsinfiltrats)
Therapie 4 je nach zugrunde liegender psychischer Komorbidität verhaltenstherapeutische, psychoanalytische und/oder psychopharmakologische Konzepte
27.6
27
Vernarbende Alopezien
4 von den vorgenannten nichtvernarbenden, potenziell reversiblen Alopezien (androgenetische Alopezie, Alopecia areata) werden die vernarbenden Alopezien abgegrenzt 4 irreversible Schädigung der follikulären Stammzellen, meist im Zusammenhang mit einer Entzündung 4 allgemein anerkannte Klassifikation existiert nicht; vorgeschlagen wurde die Unterteilung nach dem histologisch nachweisbaren Infiltrat (»lymphozytäre«, »neutrophile«, oder »gemischte« vernarbende Alopezien) 4 zur Diagnostik ist daher u. a. die Entnahme einer Probebiopsie erforderlich 4 stets auch Ganzkörperuntersuchung, um spezifische dermatologische Krankheitsbilder zu erkennen, die sich am Kapillitium als vernarbende Alopezie manifestieren können 4 Therapie richtet sich nach der zugrunde liegenden Erkrankung 4 Pseudopelade Brocq: nicht (mehr) entzündliche vernarbende Alopezie; oft auch als Sammelbegriff verwendet für »ausgebrannte« = postentzündliche Formen, die sich nicht mehr einer spezifischen Diagnose zuordnen lassen.
27.6.1
Lymphozytäre vernarbende Alopezien
4 chronisch diskoider Lupus erythematodes (7 Abschn. 22.2.1) 5 oft bizarr konfigurierte Alopezie-Herde mit reizloser zentraler Hautatrophie sowie Randerythem mit Schuppung 4 Lichen ruber follicularis (= Lichen ruber planopilaris) (7 Abschn. 21.2) 5 teils diffuse Hautatrophie in den Alopezie-Herden mit randständiger perifollikulärer Rötung und follikulären Hyperkeratosen 5 Sonderform mit Befall der Schläfenregion: frontal fibrosierende Alopezie (Kossard)
293 27.7 · Hirsutismus
27.6.2
Neutrophile vernarbende Alopezien
4 Folliculitis decalvans 5 besonders parietal lokalisierte, staphylogene, chronische, tiefe Follikulitis mit Pusteln, serösen Krusten und »Büschelhaaren« (= mehrere Haare treten an der Kopfhaut aus einer gemeinsamen Follikelöffnung aus) 4 Folliculitis et perifolliculitis capitis abscedens et suffodiens 5 großflächige Kopfhautentzündung mit Einschmelzung und Fistulation 5 bei Druck Eiterentleerung aus weit auseinander liegenden Fistelöffnungen 4 auch eine Tinea capitis (am häufigsten hervorgerufen durch Microsporum canis und Trichophyton tonsurans, früher auch durch Trichophyton Schönleinii) kann unbehandelt zur vernarbenden Alopezie führen
27.6.3
Gemischtzellige vernarbende Alopezien
4 Folliculitis scleroticans nuchae (= Acne keloidalis nuchae) 5 im Nacken Beginn mit staphylogener Follikulitis und Übergang in chronische Entzündung mit Keloidbildung und Büschelhaaren
27.7
Hirsutismus
4 männliches Verteilungsmuster der Körperbehaarung bei der Frau 4 Ätiologie 5 erhöhte Empfindlichkeit der androgensensiblen Haarfollikel, die Blutspiegel der Geschlechtshormone sind unauffällig 5 erhöhte Androgenspiegel bei polyzystischen Ovarien, kongenitaler adrenaler Hyperplasie oder androgen-produzierenden Tumoren: es finden sich weitere Virilisierungszeichen wie maskuliner Muskelaufbau, tiefe Stimme, Klitorishypertrophie, Zyklusunregelmäßigkeiten
Klinik 4 Terminalhaare im Bartbereich, prästernal, perimamillär, an der Linea alba und den Oberschenkelinnenseiten
Diagnostik 4 anamnestische Abklärung von familiärer Disposition, Zyklusunregelmäßigkeiten, Anabolikamissbrauch 4 besonders bei ausgeprägten Formen mit schneller Progression und weiteren Virilisierungszeichen Bestimmung der Sexualhormone mit Dihydroepiandrosteronsulfat (DHEAS) und Prolaktin sowie Tumorausschluss durch bildgebende Verfahren
27
Eigene Notizen
294
Kapitel 27 · Erkrankungen von Haaren, Nägeln und Schleimhäuten
Eigene Notizen
Therapie 4 primär Behandlung einer nachgewiesenen Ursache 4 symptomatisch 5 »Pille« mit antiandrogen wirksamem Progesteron (z. B. Cyproteronacetat, Drospirenon, Desogestrel) 5 Eflornithin-Creme zur Hemmung der Ornithindecarboxylase (eignet sich besonders zur Behandlung einer Hypertrichose im seitlichen Wangenbereich) 5 temporäre Epilation durch Rasur, Wachs oder Enthaarungscreme 5 Zerstörung der Haarfollikel mittels Laser, Blitzlampen oder Elektrokoagulation
27
27.8
Nagelerkrankungen
4 Aufbau des Nagels 5 Nagel besteht aus der Nagelplatte, die aus der Nagelmatrix hervorgeht 5 Nagelplatte wird seitlich vom lateralen Nagelfalz (Paronychium) begrenzt, proximal vom Nagelhäutchen (Eponychium) 5 distal findet sich das Hyponychium, das den freien Nagelrand mit der Fingerbeere verbindet 4 zahlreiche entzündliche, infektiöse, tumoröse und genetisch determinierte Hauterkrankungen können sich (auch) am Nagelorgan manifestieren: Psoriasis vulgaris, Lichen ruber, Tinea unguium, Paronychie, Granuloma pyogenicum, M. Bowen, akrolentiginöses Melanom, M. Darier, u. v. a. m. Auch bei manchen internistischen Erkrankungen kommt es zu typischen Nagelveränderungen. 4 charakteristische Veränderungen von Nagelplatte und Nagelmatrix: 5 Beau-Furchen: Querrillen der Nagelplatte, können durch unterschiedliche Noxen, Infekte, Ekzeme hervorgerufen werden 5 Onycholyse: partielle Ablösung der Nagelplatte vom Nagelbett, z. B. durch Trauma 5 Onychomadese: Ablösung der Nagelplatte im Bereich der proximalen Nagelfalte (Matrixregion) 5 Onychoschisis: horizontale Aufspaltung der Nagelplatte in zwei Schichten 5 Onychorrhexis: erhöhte Brüchigkeit der Nagelplatte; vom freien Nagelrand her häufig Aufsplitterung in Längsrichtung 5 Trachyonychie: Rauigkeit der Nagelplatte (»Sandpapiernägel«) 5 Leukonychie: Weißverfärbung der Nägel (punktförmig, streifenförmig oder diffus) 5 Pachyonychie: Verdickung der Nagelplatte 5 Koilonychie: löffelförmige, konkave Vertiefung der Nagelplatte (»Löffelnägel«) 5 Röhrennägel (»pincer nails«): röhrenförmige Verformung der Nagelplatte
295 27.10 · Morbus Behçet
5 Melanonychie: bräunlich-schwärzliche Längsstreifen, häufig anzutreffen bei dunkelhäutigen Individuen; können bei solitärem Auftreten bei Hellhäutigen auf einen Nävuszellnävus bzw. ein Melanom verweisen
27.9
Chronisch-rezidivierende Aphthen
4 Aphthe: rund bis ovale, flache Schleimhautulzeration bis 5 mm Durchmesser, die häufig von einem roten Hof umgeben ist 4 häufige Erkrankung junger Erwachsener ungeklärter Ursache, besonders bei Frauen
Klinik 4 häufigere »Minor-Variante« 5 wenige, typische, schmerzhafte Aphthen der Mundschleimhaut, die bis 5 mm groß werden 5 selten an der Genitalschleimhaut lokalisiert 5 pro Jahr mehrere Schübe mit narbenloser Abheilung nach circa 1 Woche 4 seltenere »Major-Variante« 5 bis zu 10 atypische, oft über 1 cm große, tiefreichende, sehr schmerzhafte Schleimhautulzerationen in Mund und Pharynx, selten an anderen Schleimhäuten 5 Abheilung häufig mit Narbenbildung 4 seltene herpetiforme Variante 5 multiple, wenige mm große, schmerzhafte Aphthen in herpetiformer Gruppierung an der Mundschleimhaut ohne Virusnachweis mit unregelmäßigen Rezidiven
Diagnostik 4 bei ausgeprägten Formen mit Befall auch der Genitalschleimhaut Ausschluss von M. Behçet, M. Crohn und Colitis ulcerosa
Therapie 4 4 4 4 4 4
Optimierung der Mundhygiene durch antiseptische Mundspülungen Vermeidung von Schleimhautverletzungen beim Kauakt Mundspülungen mit Lokalanästhetika zur Schmerzlinderung topische Glukokortikoide (zubereitet als Haftsalbe) topische Calcineurinantagonisten (Tacrolimus; off-label) bei schweren Formen evtl. Systemtherapie mit Dapson oder Colchizin
27.10
Morbus Behçet
4 chronisch-entzündlich verlaufende Erkrankung unklarer Genese, die mit einer Neutrophilen-dominierten Entzündung an Gefäßen einhergeht
27
Eigene Notizen
296
Kapitel 27 · Erkrankungen von Haaren, Nägeln und Schleimhäuten
Eigene Notizen
4 am häufigsten bei Menschen aus dem östlichen Mittelmeerraum mit einer Prävalenz von ca. 0,25%, etwas seltener bei Menschen mit Abstammung aus weiteren Ländern entlang der ehemaligen »Seidenstraße« von Japan/China nach Europa 4 sehr selten bei Individuen sonstiger ethnischer Herkunft 4 Manifestationsalter: meist 3.–4. Lebensdekade 4 Geschlechtsverteilung: ausgewogen 4 Assoziation mit HLA-B51
Klinik
27
4 klassische Trias: 5 Aphthen der Mundschleimhaut 5 Ulzera der Genital(schleim-)haut 5 Uveitis 4 Aphthen der Mundschleimhaut 5 einzeln bis multipel, schmerzhaft, 2 mm bis mehrere cm groß 5 Verlauf rezidivierend, sehr selten beschwerdefreies Intervall 4 genitale Ulzera 5 Läsionen meist tief und über 1 cm groß 5 meist narbige Abheilung an der Genitalschleimhaut, aber auch an Genitalhaut wie Skrotum und Penisschaft 4 Auge 5 besonders die rezidivierende posteriore Uveitis und die Retinavaskulitis können zur Erblindung führen 5 die anteriore Uveitis kann klinisch als Hypopyoniritis imponieren = Eiterspiegel in der vorderen Augenkammer 4 Haut 5 positives Pathergie-Zeichen: nach intradermaler Injektion von ca. 50 μl physiologischer NaCl-Lösung bildet sich nach 24–48 h eine rote Papel oder Papulopustel, teilweise mit hämorrhagischer Komponente 5 sterile Papulopusteln 5 Erythema nodosum 5 bis zu mehrere cm große, runde, rote bis hämorrhagische, sukkulente, schmerzhafte Plaques meist an den Beinen 5 Thrombophlebitis migrans 4 Gelenke 5 meist nicht-destruierende, rezidivierende Arthralgien 4 Nervensystem 5 selten mitunter dramatisch verlaufende Meningoenzephalitis 5 multiple neurologische Symptomkonstellationen möglich 4 Gastrointestinaltrakt 5 meist ileozökale Ulzerationen führen zu unspezifischen Bauchbeschwerden bis hin zum akuten Abdomen 4 Gefäßsystem 5 selten Thrombosen tiefer arterieller oder venöser Gefäße 5 Aneurysmen
297 27.11 · Leukoplakie
Diagnostik 4 Diagnose gesichert bei Vorliegen aphthöser oraler Ulzerationen (mindestens 3 Episoden in einem 12-Monats-Zeitraum) und mindestens 2 der nachfolgenden Kriterien 5 rezidivierende genitale Ulzerationen 5 Augenbeteiligung 5 Hautmanifestationen (Erythema nodosum, sterile Papulopusteln) 5 positives Pathergie-Phänomen
Therapie 4 symptomatische Lokaltherapie der Aphthen und Ulzera mit Antiseptika und Lokalanästhetika, z. B. als Haftsalbe; topische Glukokortikoide 4 systemisch: nicht-steroidale Antiphlogistika, Kortikoide, Colchizin, Dapson, Thalidomid, Azathioprin, Mycophenolatmofetil, Methotrexat, Ciclosporin sowie TNF-α- oder Interleukin-1-Rezeptor-Antagonisten (off-label)
27.11
Leukoplakie
4 Sammelbegriff für weißliche, nicht abstreifbare Läsionen der (Mund-) Schleimhaut 4 vielfältige Ursachen 4 bei Persistenz histologische Abklärung zum Ausschluss eines malignen Geschehens erforderlich (7 Abschn. 24.5.3)
27
Eigene Notizen
28 Tag 3 – Dermatologie
28
Erkrankungen der Talg- und Schweißdrüsen A. Jung
28.1
Seborrhö – 299
28.2
Acne vulgaris – 299
28.2.1
Varianten der Akne und akneiforme Erkrankungen
28.3
Acne inversa (Hidradenitis suppurativa) – 301
28.4
Rosacea – 302
28.5
Periorale Dermatitis – 303
28.6
Hyperhidrose – 304
28.7
Hypohidrose und Anhidrose – 305
– 300
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_28, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
299 28.2 · Acne vulgaris
28.1
Seborrhö
4 vermehrte Sebumproduktion und -freisetzung in den talgdrüsenreichen Körperregionen (Gesicht, obere Brust- und Rückenpartien) 4 führt zu fettig-glänzender Haut 4 assoziiert mit Acne vulgaris und seborrhoischem Ekzem
28.2
Acne vulgaris (. Abb. 40, Farbteil)
4 verbreitete, multifaktorielle, meist in der Pubertät beginnende, androgenabhängige Verhornungsstörung der Talgdrüsenfollikel 4 durch Komedonen, Papeln und Pusteln gekennzeichnet 4 in Europa finden sich bei 70–95% aller Jugendlichen Akneläsionen 4 ca. 20% benötigen eine medikamentöse Behandlung 4 bei ca. 90% Abheilung bis zum 25. Lebensjahr 4 bei ca. 5% Defektheilung mit Narbenbildung 4 multifaktorielle Ätiologie: 5 Stimulation der Talgdrüsenfollikel durch Androgene begünstigt Seborrhö 5 Retentions- und Proliferationshyperkeratose im Infrainfundibulum des Talgdrüsenfollikels, die zur Ausbildung von Komedonen führt 5 bakterielle Hyperkolonisation mit Propionibacterium acnes 5 frühzeitige Initiierung einer Entzündungsreaktion, vermittelt durch IL-1- und Toll-like-Rezeptoren (TLR) 5 genetische Prädisposition (hohe Konkordanz bei eineiigen Zwillingen) 5 nicht abschließend gesicherte Faktoren: Ernährung (proinflammatorische Omega-6-Fettsäuren in der »westlichen Ernährung« werden als Provokationsfaktor diskutiert), Stress, Rauchen
Klinik 4 Mikrokomedo: nur mikroskopisch nachweisbare ballonartige Aufweitung des Talgdrüsenfollikelinfundibulums durch hyperkeratotische Hornmassen mit Vellushaaren, Sebum und Bakterien 4 makroskopisch sichtbarer Komedo 5 geschlossener Komedo: kompakter Pfropf im Follikelinfundibulum, der aus Korneozyten, Sebum, Bakterien und Vellushaaren besteht; eingeschnürtes Akroinfundibulum 5 offener Komedo: Vergrößerung des Komedonenpfropfes mit Aufweitung des Akroinfundibulums und Übergang in offenen Komedo (»Mitesser«): die braun-schwarze Farbe des Komedos ist durch Melanin bedingt, das aus dem Akroinfundibulum stammt 4 Erscheinungsformen (zunehmender Schweregrad): 5 Acne comedonica: in den seborrhoischen Arealen mit Betonung des Gesichts finden sich multiple, offene und geschlossene Komedonen
28
Eigene Notizen
300
Kapitel 28 · Erkrankungen der Talg- und Schweißdrüsen
Eigene Notizen
5 Acne papulopustulosa: bei Zunahme der entzündlichen Komponente dominieren in den seborrhoischen Arealen rote Papeln und Papulopusteln neben den weiterhin vorhandenen Komedonen 5 Acne conglobata: bei weiter zunehmender Entzündung finden sich -häufiger bei Männern- zusätzlich Fistelkomedonen, Knoten, Zysten, Fistelgänge und Narben
Diagnostik 4 klinische Blickdiagnose 4 bei schweren Verläufen Bestimmung von LH, FSH und Testosteron sowie der Nebennierenrinden-Hormone Androstendion, DHEA-S und 17-OH-Progesteron zur Abklärung androgenproduzierender Tumoren bzw. eines »late-onset«-adrenogenitalen Syndroms
Therapie
28
4 erfolgt meist in Form einer Kombinationsbehandlung 4 topische Therapie (in Gel- oder Cremegrundlage) 5 Retinoide reduzieren die Komedogenese: Adapalen ist im Vergleich zu Tretinoin und Isotretinoin weniger hautreizend 5 Benzoylperoxid wirkt antibakteriell ohne Gefahr der Resistenzbildung und indirekt antientzündlich 5 Azelainsäure wirkt antibakteriell und antikomedogen 5 > Memo Antibiotika wie Erythromycin oder Clindamycin sollten, wenn überhaupt, zur Vermeidung einer Resistenzentwicklung nur kurzdauernd angewendet werden; die Kombination mit Benzoylperoxid minimiert Gefahr der Resistenzbildung. 4 systemische Therapie 5 Antibiotikagabe: z. B. Doxycyclin; supprimiert Propionibacterium acnes und wirkt antientzündlich; Therapie sollte i. d. R. nicht länger als 3 Monate erfolgen 5 bei Frauen hormonelle Kontrazeption mit einem Kombinationspräparat, das neben einem Östrogen ein antiandrogen wirksames Progesteronderivat enthält (z. B. Cyproteronacetat, Drospirenon oder Desogestrel) 5 Isotretinoin: Retinoid zur Behandlung schwerer, ansonsten therapieresistenter Akneformen (insbes. Acne conglobata) (! Cave Wegen Teratogenität bei Frauen im gebärfähigen Alter nur in Kombination mit sicherer Kontrazeption unter monatlicher Durchführung von Schwangerschaftstests!)
28.2.1
Varianten der Akne und akneiforme Erkrankungen
4 Acne neonatorum 5 Auftreten entzündlicher Papeln und Pusteln in den ersten Lebenswochen durch Wirkung mütterlicher Androgene oder kurzdauernder Nebennierenrindenaktivierung 5 selbstlimitierender Verlauf
301 28.3 · Acne inversa (Hidradenitis suppurativa)
4 Acne infantum 5 Auftreten im 3.–6. Lebensmonat 5 Abheilung innerhalb von 1–2 Jahren 5 bei ungewöhnlichen Verläufen und Persistenz endokrinologische Abklärung erforderlich 4 Acne fulminans 5 bei Jungen in der Pubertät plötzlich auftretende massive Acne conglobata mit Allgemeinsymptomen (Fieber, Arthralgien, Myalgien, Leukozytose) 4 Acne excoriée des jeunes filles 5 es dominieren klinisch Exkoriationen, Krusten und Närbchen bei fehlenden oder nur vereinzelten Komedonen 5 Paraartefakt mit Störung der Impulskontrolle 4 Acne tarda 5 typische Akne nach der 3. Lebensdekade 5 meist Frauen 4 Acne venenata 5 Ausbildung von Komedonen und Papeln durch den häufigen Gebrauch komedogen wirkender Kosmetika 4 Chlorakne 5 nach Vergiftung mit aromatischen Kohlenwasserstoffen 4 Acne medicamentosa 5 hervorgerufen durch z. B. systemische Kortikoide, Anabolika (= »Doping-Akne«, »Body-building-Akne«), Psychopharmaka, Tyrosinkinase-Inhibitoren, EGF-Rezeptor-Antagonisten
28.3
Acne inversa (Hidradenitis suppurativa)
4 entzündliche Erkrankung mit epithelialer Hyperplasie und Okklusion der follikulären Infundibula von Terminalhaaren meist in intertriginösen Arealen (besonders axillär und anogenital); es kommt zur Ruptur der Follikel mit zunehmender Entzündung und Fistulierung 4 familiäre Häufung 4 Rauchen und die Einnahme von Lithium führen zur Exazerbation
Klinik 4 axillär, inguinal, perigenital, perineal, perianal und submammär, seltener an Nacken, Kapillitium und Oberschenkeln, finden sich entzündliche Knoten, Zysten und fuchsbauartige Fistelgänge mit eitrigfötider Sekretion
Diagnostik 4 klinische Blickdiagnose 4 bei jahrzehntelangem Verlauf Entwicklung von sekundärer Amyloidose und Plattenepithelkarzinomen möglich
28
Eigene Notizen
302
Kapitel 28 · Erkrankungen der Talg- und Schweißdrüsen
Eigene Notizen
Therapie 4 im akuten Schub kurzfristige systemische Antibiotikagabe nach Antibiogramm 4 Tabakkarenz 4 Inzisionen im Sinne von Abszessspaltungen sind nicht zielführend! 4 empfehlenswert ist die frühzeitige großflächige Exzision der von Fistelgängen durchzogenen Läsionen mit plastischer Deckung oder sekundärer Wundheilung
28.4
28
Rosacea
4 häufige, meist zentrofazial lokalisierte chronisch-rezidivierende Hautkrankheit mit Teleangiektasien, Papeln und Papulopusteln, aber ohne Komedonen 4 Ätiologie: unklar, relevante Faktoren: 5 genetische Veranlagung 5 Provokationsfaktoren: UV-Strahlung, heiße Getränke, scharfe Speisen, Alkohol, Hitze, Kälte, Stress, topische Glukokortikoide 4 Beginn in der 3.-4. Lebensdekade; besonders ausgeprägt in der 5. Lebensdekade mit einer Prävalenz von bis zu 10% 4 betroffen insbesondere hellhäutige Menschen (»Fluch der Kelten«)
Klinik 4 Beginn mit transienten zentrofazialen Flush-Reaktionen, besonders nach Einwirkung der oben genannten Provokationsfaktoren 4 Erscheinungsformen (zunehmender Schweregrad): 5 Rosacea erythematosa-teleangiectatica: zentrofazial finden sich flächige Erytheme und Teleangiektasien 5 Rosacea papulopustulosa: an Wangen und Nase Papeln und Papulopusteln 5 glandulär-hyperplastische Rosacea: zusätzlich aufgrund einer Gewebehyperplasie Knoten und Plaques, z. B. Rhinophym: knollenartige Vergrößerung der Nase durch Gewebehyperplasie 4 Varianten: 5 Rosacea conglobata J zentrofazial finden sich hämorrhagische Knoten und Plaques mit derben Strängen und Neigung zur Einschmelzung J meist bei jungen Frauen 5 Rosacea fulminans J abrupt einsetzende Maximalvariante mit Knoten und Pusteln J begleitend Allgemeinsymptome wie Fieber 5 lupoide Rosacea J bräunlich-rötliche Papeln, die auf Glasspateldruck ein Eigeninfiltrat erkennen lassen J histologisch granulomatöse Enzündungsreaktionen (granulomatöse Rosacea)
303 28.5 · Periorale Dermatitis
4 > Memo In bis zu 50% der Fälle kommt es zur Augenbeteiligung (verminderter Lipidgehalt der Tränenflüssigkeit mit erhöhter Reizbarkeit der Augen, Konjunktivitis, Keratitis).
Diagnostik 4 klinische Blickdiagnose 4 ggf. ophthalmologische Konsilaruntersuchung
Therapie 4 Vermeidung von Triggerfaktoren (s. oben) 4 topische Therapie (in Gel- oder Cremegrundlage) 5 Metronidazol (Mittel der 1. Wahl) 5 Alternativen: Azelainsäure, Adapalen, Permethrin, topische Antibiotika wie Clindamycin und Erythromycin 4 systemische Therapie 5 systemische Antibiotika (Doxyzyklin als Mittel der 1. Wahl; Alternativen: Makrolide, Metronidazol) 5 Isotretinoin (! Cave Wegen Teratogenität bei Frauen im gebärfähigen Alter nur in Kombination mit sicherer Kontrazeption!) 4 physikalische/operative Therapie 5 Laserbehandlung von Teleangiektasien 5 Operation insbesondere beim Rhinophym: Wiederherstellung der Nasenkontur mittels Shaving, Dermabrasion oder anderer ablativer Verfahren
28.5
Periorale Dermatitis
4 relativ häufige entzündliche Hauterkrankung vorzugsweise jüngerer Frauen 4 Ätiologie nicht abschließend geklärt 4 der regelmäßige Gebrauch von Gesichtspflegeprodukten wie Feuchtigkeitscremes zur Nacht und okklusivem Make-up tagsüber spielt als Auslöser eine wichtige Rolle 4 Anwendung von Kortikoidexterna gilt als wesentlicher Provokationsfaktor
Klinik 4 nasolabial und perioral mit Aussparung der Lippenränder finden sich monomorphe, wenige mm große rote Papeln und Papulopusteln, teilweise mit feinlamellöser Schuppung 4 ähnliche Läsionen auch periokulär und an der Stirn möglich 4 Pruritus, Brennen
Diagnostik 4 klinische Blickdiagnose 4 positive Anamnese hinsichtlich der (exzessiven) Anwendung von Gesichtskosmetika und topischen Glukokortikoiden
28
Eigene Notizen
304
Kapitel 28 · Erkrankungen der Talg- und Schweißdrüsen
Eigene Notizen
Therapie 4 Meidung der zuvor verwendeten Kosmetika und sonstigen Externa! 4 topische Therapie 5 Schwarzteeumschläge 5 Metronidazol, ggf. Azelainsäure, Calcineurinantagonisten (Pimecrolimus, Tacrolimus; off-label) 4 systemische Therapie 5 in ausgeprägten Fällen ggf. Doxycyclin oder Makrolide 5 ! Cave Bei der perioralen Dermatitis ist die Anwendung von Kortikoiden kontraindiziert! Nach deren Absetzen ist mit einem Rebound-Effekt zu rechnen!
28.6
28
Hyperhidrose
4 Steigerung der ekkrinen Schweißsekretion deutlich über die Erfordernisse der Thermoregulation bei Hitzeexposition oder körperlicher Anstrengung 4 generalisierte Hyperhidrose: primär (idiopathisch) oder sekundär (bei Hyperthyreose, Phäochromozytom, Tuberkulose, Autoimmunerkrankungen, B-Symptomatik bei Malignomen, Einnahme cholinerg wirkender Medikamente) 4 lokalisierte Hyperhidrose 5 palmar 5 plantar 5 axillär 5 andere umschriebene Hautregion
Klinik 4 generalisiert 5 in vielen Körperregionen großflächige Schweißflecken der Bekleidung wie nach ausgiebiger körperlicher Anstrengung 5 anfallartiges Schwitzen ohne Anlass bzw. inadäquat übersteigert in Beziehung zum Anlass 4 lokalisiert 5 palmoplantar: nasse bis triefende Handflächen oder Fußsohlen (nasse Socken) 5 axillär: großflächige Schweißflecken der anliegenden Kleidung mit Schweißrändern 4 Sonderform: aurikulotemporales Syndrom (Frey-Syndrom) 5 sekretomotorische Nervenfasern wachsen z. B. nach einer Parotisoperation fehlgeleitet in einen Trigeminusast ein 5 Folge gustatorischen Schwitzens (umschriebene Hyperhidrose bei Nahrungsaufnahme)
Diagnostik 4 anamnestisch Klärung, ob lokalisierte oder generalisierte Hyperhidrose 4 ggf. Diagnostik zum Ausschluss zugrunde liegender Erkrankungen
305 28.7 · Hypohidrose und Anhidrose
4 Jod-Stärke-Test nach Minor zur Visualisierung hyperhidrotischer Hautareale 4 gravimetrische Schweißmessung (Filterpapier wird vor und nach Hautkontakt gewogen)
Therapie 4 topische Therapie 5 10–20% Aluminiumchloridhexahydrat in Gelgrundlage oder mittels Deoroller abends mehrmals wöchentlich bis täglich zur Okklusion des Akrosyringiums (zuvor gründliches Abtrocknen der Haut; wirkt bei zu häufiger Anwendung irritativ) 5 Iontophorese: Behandlung durch schwachen Gleichstrom palmoplantar im Wasserbad bzw. axillär mit Pads; 5 intradermale Injektionen mit Botulinumtoxin A (hemmt die Freisetzung von Acetylcholin aus cholinergen Neuronen; zugelassen für die axilläre Hyperhidrose; Wiederholung der Injektionen alle 4–6 Monate erforderlich) 5 als Ultima ratio: operative Kürettage axillärer Schweißdrüsen; Sympathektomie 4 systemische Therapie 5 Salbei-Dragees 5 Anticholinergika (Bornaprin, Methantheliniumbromid)
28.7
Hypohidrose und Anhidrose
4 Hypohidrose: verminderte Fähigkeit zur Schweißsekretion 4 Anhidrose: Unfähigkeit zur Schweißsekretion, die sich als Wärmeintoleranz und »Überhitzung« manifestiert 4 Ursachen bzw. assoziierte Erkrankungen: 5 Einnahme anticholinerg wirkender Medikamente 5 Systemerkrankungen: Niereninsuffizienz, Polyneuropathie, Amyloidose, Autoimmunerkrankungen, Malignome u. a. m. 5 Hauterkrankungen, die zu einer Okklusion der Schweißdrüsenausführungsgänge führen: Ekzeme, Psoriasis, Ichthyosen, Miliaria 5 genetische Erkrankungen: hypohidrotische ektodermale Dysplasien, Incontinentia pigmenti
28
Eigene Notizen
29 Tag 3 – Dermatologie
29
Erkrankungen des Gefäßsystems M. Goebeler
29.1
Raynaud-Phänomen und Morbus Raynaud – 307
29.2
Livedoerkrankungen – 307
29.3
Vaskulitiden – 309
29.3.1 29.3.2 29.3.3 29.3.4 29.3.5 29.3.6 29.3.7 29.3.8
Riesenzellarteriitis (Arteriitis temporalis) – 310 Takayasu-Arteriitis – 310 Polyarteriitis nodosa (Panarteriitis nodosa) – 311 M. Kawasaki (mukokutanes Lymphknotensyndrom) – 311 ANCA-positive Vaskulitiden: M. Wegener – 312 ANCA-positive Vaskulitiden: Churg-Strauss-Syndrom – 312 ANCA-positive Vaskulitiden: mikroskopische Polyangiitis – 313 Immunkomplex-Vaskulitiden – 313
29.4
Pyoderma gangraenosum – 314
29.5
Erkrankungen der Venen – 316
29.5.1 29.5.2 29.5.3 29.5.4
Varikose – 316 (Thrombo-)Phlebitis – 317 Phlebothrombose (tiefe Beinvenenthrombose) – 317 Chronisch-venöse Insuffizienz und Ulcus cruris venosum
29.6
Erkrankungen der Lymphgefäße – 318
29.7
Diabetische Ulzera – 320
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_29, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
– 317
307 29.2 · Livedoerkrankungen
29.1
Raynaud-Phänomen und Morbus Raynaud
4 Raynaud-Phänomen: anfallsweise auftretende Vasospasmen digitaler Arterien, die zu charakteristischen Farbveränderungen führen: Akren erscheinen durch Vasokonstriktion der Fingerarterien zunächst weiß, durch nachfolgende Hypoxämie blau und anschließende reaktive Hyperämie rot 4 primäres Raynaud-Phänomen (Morbus Raynaud) 5 keine assoziierten Grunderkrankungen 5 tritt gehäuft bei Frauen mit Beginn der Pubertät auf 5 kann provoziert werden durch Kälte und emotionalen Stress 4 sekundäres Raynaud-Phänomen 5 assoziiert mit Systemerkrankungen, insbesondere progressiver systemischer Sklerodermie, auch Dermatomyositis, Lupus erythematodes; gelegentlich auch bei soliden und hämatologischen Malignomen; nach Vibrationstraumen; nach Exposition mit Vinylchlorid oder Bleomycin; bei Karpaltunnelsyndrom 5 Krankheitsbeginn später als beim M. Raynaud 5 häufig auffällige Nagelfalzteleangiektasien 5 häufig Nachweis von ANA 5 kann provoziert werden durch Kälte
Diagnostik 4 Anamnese 4 ANA, Antikörper gegen extrahierbare nukleäre Antigene (ENA)
Therapie 4 Erkennung und Behandlung möglicher Grunderkrankungen 4 Vermeiden von Triggerfaktoren (Kälte, Nikotinkonsum) 4 ggf. Kalziumantagonisten (Nifedipin) oder Angiotensin-II-RezeptorBlocker (Sartane) 4 topische Nitrate werden wegen möglicher paradoxer Reaktionen nicht mehr eingesetzt 4 in ausgeprägten Fällen ggf. Prostaglandin-Agonisten oder Sildenafil (off-label)
29.2
Livedoerkrankungen
Der Begriff Livedo beschreibt eine netzförmig marmorierte, bläulichrötliche Hautzeichnung als Folge einer vasospastischen Reaktion auf Kältereize; stellt häufig eine physiologische Reaktion dar. Die Netzartigkeit erklärt sich durch die arterielle Versorgung der Haut, die sektorförmig erfolgt: Im (arteriolennahen und venenfernen) Zentrum Normoxämie, in der (arteriolenfernen und venennahen) Peripherie Hypoxämie, die die bläuliche Farbe erklärt. Unterschieden werden:
29
Eigene Notizen
308
Kapitel 29 · Erkrankungen des Gefäßsystems
Eigene Notizen
29
4 Livedo reticularis 5 regelmäßige, homogene, meist symmetrische, netzartige Zeichnung 5 kann eine physiologische vasospastische Reaktion (Cutis marmorata) darstellen, aber auch mit verschiedenen Grunderkrankungen assoziiert sein: J Kollagenosen (Lupus erythematodes u. a.) J Raynaud-Phänomen und M. Raynaud J Kryoglobulinämie, Kryofibrinogenämie, Kälteagglutininerkrankung J Polycythaemia vera, Thrombozythämie und Leukämie J Hyperkoagulabilitätszuständen J Vaskulitiden J neurologischen Erkrankungen (nach Apoplex, multiple Sklerose u. a.) J Infektionen (Lues, Hepatitis C, Mykoplasmen) 4 Livedo racemosa 5 irregulär-netzartige, meist asymmetrisch-unregelmäßige, blitzfigurenartige Zeichnung 5 > Memo In der amerikanischen und englischen Dermatologie erfolgt diese Unterscheidung nicht; es werden beide Veränderungen als Livedo reticularis bezeichnet, was mitunter zur Verwirrung beiträgt. 5 Livedo racemosa verweist regelmäßig auf pathologische Zustände: J Sneddon-Syndrom: geht einher mit ZNS-Symptomen (Kopfschmerzen, transitorische ischämische Attacken, Apoplex, Demenz), die durch Arterienverschlüsse hervorgerufen werden; in einem Teil der Fälle finden sich Antiphospholipidantikörper; Therapie: Vitamin-K-Antagonisten J Livedoid-Vaskulopathie (Livedovaskulopathie; alte, obsolete Bezeichnung: Livedo reticularis mit Sommerulzerationen): Verschlusserkrankung der kapillären Mikrozirkulation meist an der unteren Extremität, die zu kutanen Ischämien und Infarzierungen führt; es resultieren Livedo racemosa, schmerzhafte Ulzerationen und Atrophie blanche (porzellanweiße, narbenartige, sternförmige Läsionen); Diagnostik: Histologie mit Nachweis okkludierter Kapillaren; Therapie: niedermolekulare Heparine J Kalziphylaxie: rasch progrediente Kalzifikationen der Gefäße mit nachfolgender ischämischer Nekrotisierung der Haut; tritt auf bei chronischem Nierenversagen und zeigt hohe Mortalität J Antiphospholipid-Syndrom: assoziiert u. a. mit Lupus erythematodes; führt zur Thrombosierung mit Gefäßokklusion und nachfolgender Livedo racemosa und Ulzeration; anamnestisch gehäuftes Auftreten von Aborten; Diagnostik: Nachweis von Antiphospholipidantikörpern, insbesondere Anti-β2-Glykoprotein I. Therapie: Antikoagulation
309 29.3 · Vaskulitiden
29.3
Vaskulitiden
29
Eigene Notizen
4 heterogene Gruppe von Erkrankungen, die durch entzündliche Prozesse an bzw. in der Gefäßwand hervorgerufen werden, die zu einer Destruktion derselben führen 4 das initiale Ereignis ist eine Schädigung der Gefäße durch Leukozyten
Klinik 4 Leitsymptome kutaner Vaskulitiden (abhängig von der Größe der betroffenen Gefäße) 5 Petechien und Purpura (aufgrund des hydrostatischen Drucks besonders an unteren Extremitäten) 5 Livedo reticularis 5 Ulzera 5 subkutane Knoten 5 Nekrosen 4 Zeichen extrakutaner (systemischer) Beteiligung 5 Fieber, Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust, Nachtschweiß 5 Kurzatmigkeit, Husten, blutiger Auswurf bei pulmonaler Beteiligung 5 Brustschmerz, Kopfschmerzen, Zeichen der Herzinsuffizienz bei kardialer Beteiligung 5 abdominale Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, blutiger Stuhl bei gastrointestinaler Beteiligung 5 Hämaturie, Proteinurie, Ödeme bei renaler Beteiligung 5 Arthralgien, Myalgien bei Beteiligung von Gelenken und Muskeln 5 Kopfschmerzen, Benommenheit, Muskelschwäche, Parästhesien bei neurologischer Beteiligung
Klassifikation 4 derzeit am meisten verwendete Klassifikation (Chapel Hill, 1994) basiert im wesentlichen auf histologischen Kriterien, berücksichtigt aber kutane Formen der Vaskulitiden nicht in ausreichender Weise 4 Einteilung richtet sich nach der Größe der vorwiegend betroffenen Gefäße (. Tabelle) Klassifikation der Vaskulitiden (Chapel-Hill-Klassifikation 1994, modifiziert in Anlehnung an Sunderkötter 2006) Vaskulitis der großen Gefäße
Vaskulitis der mittelgroßen Gefäße
Vaskulitis der kleinen Gefäße
Riesenzellarteriitis
Polyarteriitis nodosa
ANCA-positive Vaskulitiden: M. Wegener, Churg-Strauss-Syndrom, mikroskopische Polyangiitis
TakayasuArteriitis
M. Kawasaki
Immunkomplexvaskulitiden: Vasculitis allergica, Purpura Schönlein-Henoch, kryoglobulinämische Vaskulitis
noduläre Vaskulitis (Erythema induratum Bazin)
komplexe Formen leukozytoklastischer Vaskulitiden: Urtikariavaskulitis, Vaskulitis bei Kollagenosen, Erythema elevatum et diutinum
310
Kapitel 29 · Erkrankungen des Gefäßsystems
Eigene Notizen
Diagnostik 4 Gewinnung von Biopsien für Histologie und Direkte Immunfluoreszenz (bei Ulzera bzw. Nekrosen immer Entnahme aus dem Randbereich zur nicht betroffenen Haut) 4 Labordiagnostik 5 Differenzialblutbild, CRP, Leber- (Transaminasen) und Nierenwerte (Kreatinin), Elektrolyte, Gerinnung (PTT, INR/Quick) 5 Serumelektrophorese und Immunfixation, ANA, ANCA, Rheumafaktor, Komplementfaktoren C3 und C4 (Erniedrigung verweist auf Komplementverbrauch und schwere Vaskulitis hin), Kryoglobuline, Infektionsserologie (ASL-Titer, Hepatitis B und C, Lues, ggf. HIV) 5 Urinstatus (Sediment, Blut, Eiweiß) 5 Stuhluntersuchung (auf okkultes Blut) 4 bildgebende Diagnostik in Abhängigkeit von vermuteter Organbeteiligung (Abdomen-Sonographie, Röntgen-Thorax, CT, MRT)
Therapie
29
4 Erkennung und Behandlung zugrunde liegender oder assoziierter Erkrankungen 4 medikamentöse Therapie richtet sich nach Ausmaß und Schwere insbesondere der systemischen Beteiligung; eingesetzt werden: 5 systemische Glukokortikoide, ggf. in Kombination mit Azathioprin, Mycophenolatmofetil, Methotrexat oder Cyclophosphamid 5 ggf. intravenöse Immunglobuline (IVIg), Rituximab, TNF-Antagonisten
29.3.1
Riesenzellarteriitis (Arteriitis temporalis)
4 granulomatöse Entzündung der Gefäßwand meist extrakranialer Äste der Karotiden mit nachfolgender Destruktion
Klinik 4 häufig Sehstörungen (Doppelbilder, Amaurosis fugax, Optikusneuropathie), Kopfschmerzen 4 selten Hautbeteiligung mit Ulzerationen
Therapie 4 gutes Ansprechen auf systemische Glukokortikoide, ggf. in Kombination mit Methotrexat
29.3.2
Takayasu-Arteriitis
4 granulomatöse Entzündung der Aorta und ihrer Abgänge mit nachfolgender Obliteration
311 29.3 · Vaskulitiden
Klinik
Eigene Notizen
4 Claudicatio mit Muskelschwäche und Pulsdifferenz zwischen den oberen Extremitäten (»pulseless disease«) 4 gelegentlich Raynaud-Symptomatik, selten kutane Ulzerationen
29.3.3
Polyarteriitis nodosa (Panarteriitis nodosa)
4 Systemvaskulitis mit nekrotisierender Entzündung mittelgroßer Arterien, die im mittleren Lebensalter auftritt 4 vermutlich Triggerung durch Infekte (Streptokokken, Hepatitis B-Virus, HIV, Parvovirus B19) 4 auf die Haut beschränkte Variante: Polyarteriitis nodosa cutanea benigna
Klinik 4 in 50% der Fälle Hautbeteiligung mit Livedo reticularis, ausgestanzt wirkenden Ulzera und schmerzhaften subkutanen Knoten 4 Fieber- und Gewichtsverlust, Abdominalschmerzen, Arthralgien, Myalgien, Mononeuritis multiplex, renale Hypertonie, Orchitis
Diagnostik 4 wegweisend sind neben der Histologie (Mikro-)Aneurysmen renaler und mesenterialer Gefäße 4 ANCA fehlen!
Therapie 4 Behandlung zugrunde liegender Infekte 4 systemische Glukokortikoide
29.3.4
M. Kawasaki (mukokutanes Lymphknotensyndrom)
4 bei Kindern unter 5 Jahren auftretende vermutlich durch bislang nicht identifizierte Infekterreger getriggerte granulomatöse Vaskulitis mittelgroßer Gefäße, insbesondere der Koronararterien
Klinik 4 4 4 4 4
29
fieberhafter Beginn mit Konjunktivitis, Erdbeerzunge, rissigen Lippen ödematöse Schwellung der Hände und Füße, später Desquamation polymorphes Exanthem zervikale Lymphknotenschwellung im Vordergrund steht die Herzbeteiligung mit Aneurysmen der Koronarien, Myokarditis, Perikarderguss und Herzinsuffizienz
Therapie 4 intravenöse Immunglobuline (IVIg)
312
Kapitel 29 · Erkrankungen des Gefäßsystems
Eigene Notizen
29.3.5
ANCA-positive Vaskulitiden: M. Wegener
4 nekrotisierende granulomatöse Entzündung vorwiegend kleiner Gefäße, die insbesondere den Respirationstrakt befällt und im Verlauf häufig mit Glomerulonephritis einhergeht
Klinik 4 in 40% der Fälle Hautbeteiligung mit Purpura, oralen Ulzerationen, subkutanen Knoten und papulonekrotischen Läsionen besonders an den Extremitäten 4 Epistaxis, Nasenseptumperforation, Sattelnase, Dyspnoe, Husten, blutiger Auswurf 4 Glomerulonephritis
Diagnostik 4 wegweisend sind Antikörper gegen zytoplasmatische Antigene von Neutrophilen (= ANCA, meist c-ANCA mit anti-PR3)
Therapie
29
4 systemische Glukokortikoide in Kombination mit Azathioprin, Methotrexat oder Cyclophosphamid 4 intravenöse Immunglobuline (IVIg), Rituximab
29.3.6
ANCA-positive Vaskulitiden: Churg-Strauss-Syndrom
4 nekrotisierende, granulomatöse Vaskulitis kleinerer und mittlerer Gefäße, die mit ANCA assoziiert ist
Klinik 4 Beginn mit oft jahrelang persistierenden Symptomen einer allergischen Rhinitis und Asthma, später auch Eosinophilie 4 nach Jahren Entwicklung einer granulomatösen Systemvaskulitis, in 50% der Fälle Hautbeteiligung mit Purpura, subkutanen Knoten, papulonekrotischen Läsionen; gelegentlich Livedo reticularis und Urticaria 4 häufig Mononeuritis multiplex, gelegentlich Glomerulonephritis
Diagnostik 4 wegweisend sind ANCA (meist p-ANCA mit anti-MPO)
Therapie 4 systemische Glukokortikoide
313 29.3 · Vaskulitiden
29.3.7
ANCA-positive Vaskulitiden: mikroskopische Polyangiitis
4 nekrotisierende Vaskulitis ohne granulomatöse Entzündung kleiner und mittelgroßer Gefäße (Arterien, Arteriolen, Kapillaren, Venolen), die mit ANCA assoziiert ist
Klinik 4 Beginn mit Fieber, Gewichtsverlust, Arthralgien und Myalgien 4 in 50% der Fälle Hautbeteiligung mit Purpura, subkutanen schmerzhaften Knoten, Ulzerationen, Livedo reticularis 4 in 90% Glomerulonephritis 4 Lungenbeteiligung 4 Mononeuritis multiplex
Diagnostik 4 wegweisend sind ANCA (c-ANCA mit anti-PR3 und p-ANCA mit antiMPO)
Therapie 4 systemische Glukokortikoide; falls nicht ausreichend, Kombination mit Cyclophosphamid, Azathioprin, Mycophenolatmofetil oder intravenösen Immunglobulinen (IVIg)
29.3.8
Immunkomplex-Vaskulitiden
4 Synonyme: Vasculitis allergica, Hypersensitivitätsangiitis 4 Purpura Schönlein-Henoch: vorwiegend bei Kindern auftretende Immunkomplex-Vaskulitis mit Ablagerung von IgA-Immunglobulinen, die meist nach Infekten der oberen Atemwege auftritt
Pathogenese 4 Vaskulitis der kleinen Gefäße, die durch Ablagerung von Immunkomplexen an der Gefäßwand ausgelöst wird 4 Neutrophile werden dadurch an die Gefäßwand attrahiert und aktiviert; sie schädigen das Gefäß und gehen dabei selbst zugrunde (histologisch sichtbar als »Kernstaub« in der Gefäßumgebung (Leukozytoklasie, leukozytoklastische Vaskulitis)) 4 es kommt zum Austritt von Erythrozyten aus dem Gefäßlumen (klinisch als Petechie/Purpura wahrnehmbar) 4 Immunkomplexe (aus Antigen und Antikörper) entstehen insbesondere bei Antigenexzess unterschiedlicher Ursache: 5 Infektionen bakterieller (Streptokokken, Mykoplasmen, Mykobakterien) oder viraler Genese (Hepatitis-C, -B, -A; Parvovirus B19, HIV) 5 im Kontext entzündlicher Erkrankungen (Kollagenosen, rheumatoide Arthritis, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen)
29
Eigene Notizen
314
Kapitel 29 · Erkrankungen des Gefäßsystems
Eigene Notizen
5 nach Medikamenteneinnahme (NSAID, Antibiotika u. a.) 5 bei Neoplasmen (monoklonale Gammopathien, multiples Myelom, myelo- und lymphoproliferative Erkrankungen) 4 > Memo In ca. 50% der Fälle findet sich keine fassbare Ursache der Immunkomplexvaskulitis.
Klinik 4 aufgrund des hydrostatischen Drucks meist an den unteren Extremitäten auftretende dunkelrote Maculae, später Petechien und Purpura (. Abb. 41, Farbteil) 4 Petechien können konfluieren und in ausgeprägten Fällen nekrotisieren; es resultieren Ulzerationen; selten auch Schleimhautbefall 4 häufig Allgemeinsymptome wie Fieber, Gewichtsverlust, Arthralgien, Myalgien 4 gelegentlich gastrointestinale, renale und neurologische Symptome, die auf eine Systembeteiligung verweisen können 4 bei Purpura Schönlein-Henoch häufig Abdominalschmerzen, blutiger Stuhl, Erbrechen und renale Beteiligung (Hämaturie, milde Proteinurie)
29
Diagnostik 4 Histologie mit Nachweis einer leukozytoklastischen Vaskulitis 4 direkte Immunfluoreszenz mit Nachweis von IgG>IgM>IgA und C3 an Gefäßwänden; bei Purpura Schönlein-Henoch Nachweis von IgA und C3 4 Nachweis von IgA-Ablagerungen deutet insbesondere bei Erwachsenen auf einen schwereren Verlauf hin
Therapie 4 eine auf die Haut beschränkte Immunkomplexvaskulitis kleiner Gefäße bessert sich häufig bereits nach Vermeidung des identifizierten Triggerfaktors unter supportiven Maßnahmen (Hochlagerung bzw. Kompressionsbehandlung der unteren Extremitäten) 4 bei sich andeutenden Nekrosen und Ulzerationen Einsatz systemischer Glukokortikoide, bei längerer Bestandsdauer ggf. auch Dapson oder Colchicin 4 bei der Purpura Schönlein-Henoch kann der Einsatz systemischer Glukokortikoide die Abheilung beschleunigen
29.4
Pyoderma gangraenosum
4 chronisch-rezidivierend verlaufende ulzerierende Hauterkrankung unklarer Genese, die in mindestens der Hälfte der Fälle mit anderen Systemerkrankungen assoziiert ist
Klinik 4 Beginn meist an den unteren Extremitäten mit schmerzhafter hämorrhagischer Papel oder Papulopustel, seltener Vesikel, auf rotviolettem Grund
315 29.4 · Pyoderma gangraenosum
4 Läsionen neigen zur zentrifugalen Ausdehnung und Ulzeration 4 Ulzera sind häufig purulent und zeigen düster-lividen, meist unterminierten Randsaum 4 Zahl der Ulzera ist variabel: solitär bis multipel 4 narbige Abheilung, meist atroph-depigmentiert 4 Varianten: bullöse, pustulöse und oberflächlich-granulomatöse Formen 4 assoziierte Erkrankungen: 5 chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (M. Crohn, Colitis ulcerosa) 5 rheumatoide Arthritis 5 monoklonale Gammopathie (meist IgA) und hämatologische Malignome (akute und chronische myeloische Leukämien, Haarzellleukämie, Myelodysplasie) 5 andere neutrophile Dermatosen (M. Behçet, Sweet-Syndrom, subkorneale Pustulose)
Diagnostik 4 positives Pathergiephänomen (wie bei M. Behçet, 7 Abschn. 27.10): Traumen, z. B. im Rahmen chirurgischer Eingriffe, können ulzerierende Hautläsionen hervorrufen 4 Histologie: unspezifisch; Neutrophilen-dominiertes Infiltrat, häufig begleitet von Leukozytoklasie 4 direkte Immunfluoreszenz: unspezifisch 4 Labordiagnostik: Differenzialblutbild, Serumelektrophorese, Immunfixation; ANA, ANCA; Luesserologie 4 Bakteriologie: Pusteln sind steril 4 ggf. gastroenterologische (Koloskopie), hämatologische (Knochenmarksstanze) und rheumatologische Konsilaruntersuchungen
Differenzialdiagnose 4 Infektionen (Streptokokken-Gangrän, Ecthyma, Lues im Stadium III, tiefe Mykosen, atypische und typische Mykobakteriosen) 4 Ulzera venöser oder arterieller Genese 4 Vaskulitiden und Pannikulitiden 4 Malignome (Basalzellkarzinome, Plattenepithelkarzinome, kutane Tund B-Zell-Lymphome) 4 neutrophile Dermatosen: Sweet-Syndrom (= akute febrile neutrophile Dermatose; meist postinfektiöse, seltener paraneoplastische Erkrankung, bei der es zur Ausbildung schmerzhafter, sukkulenter Plaques kommt; geht mit Fieber, Leukozytose und erhöhtem CRP einher), M. Behçet
Therapie 4 Erkennung und Behandlung assoziierter Erkrankungen 4 systemische Glukokortikoide und superpotente topische Glukokortikoide (Clobetasol) 4 in milderen Fällen Dapson oder Clofazimine
29
Eigene Notizen
316
Kapitel 29 · Erkrankungen des Gefäßsystems
Eigene Notizen
4 in ausgeprägten Fällen Ciclosporin A, Tacrolimus, Methotrexat, Azathioprin, Mycophenolatmofetil, Cyclophosphamid, ggf. in Kombination mit Glukokortikoiden 4 TNF-Antagonisten, hochdosierte intravenöse Immunglobuline (IVIg)
29.5
Erkrankungen der Venen
4 Venenleiden zählen zu den häufigsten Erkrankungen 5 fast 40% der Bevölkerung leiden an Varizen 5 5% an einer chronisch-venösen Insuffizienz 5 bis zu 1% an einem venösen Ulcus cruris
Diagnostik der Venenerkrankungen
29
4 Anamnese und klinischer Befund incl. Erfassung des arteriellen Gefäßstatus und einer orientierenden neurologischen (Polyneuropathie) und orthopädischen Untersuchung (Beweglichkeit des Sprunggelenks, Deformitäten) 4 Doppler-Sonographie als apparative Basisdiagnostik (mit ValsalvaVersuch zum Nachweis eines venösen Reflux) 4 Lichtreflexionsrheographie und Photoplethysmographie: nichtinvasive Verfahren, mit denen sich das Füllungsverhalten der Venen beurteilen lässt und venöse Abflussbehinderungen erkennbar werden 4 farbkodierte Duplexsonographie: sonographische Bildgebung in Kombination mit Doppleruntersuchung; hat als nichtinvasives Verfahren die Phlebographie nahezu vollständig abgelöst
29.5.1
Varikose
4 erweiterte, meist geschlängelt verlaufende oberflächliche Venen (Varizen, Krampfadern) 4 Besenreiservarizen: intradermale, geschlängelte Teleangiektasien 4 retikuläre Varizen: kleinkalibrige, subdermal liegende, erweiterte Venen 4 Perforansvarizen: Erweiterungen der Venae perforantes, die das oberflächliche (epifasziale) mit dem tiefen Venensystem verbinden 4 Stammvarizen: variköse Erweiterungen und Ausbuchtungen der Vena saphena magna oder parva 4 Seitenastvarizen: Varizen der Seitenäste der Vena saphena magna oder parva
Therapie 4 Kompressionsbehandlung mit Kompressionsstrümpfen (Klasse II–III) 4 Sklerosierung von Besenreisern und retikulären Varizen durch Verödungsmittel 4 endoluminale Lasertherapie 4 operative Entfernung insuffizienter epifaszialer Venen durch Stripping mit Krossektomie und Ligatur der Perforansvenen
317 29.5 · Erkrankungen der Venen
29.5.2
(Thrombo-)Phlebitis
4 Entzündung der Wand oberflächlicher Venen (Phlebitis) oder Varizen (Varikophlebitis), die mit Thrombenbildung einhergehen kann (Thrombophlebitis)
Therapie 4 Kompression, Kühlung, ggf. nichtsteroidale Antiphlogistika; bei Varikophlebitis zusätzlich Heparinisierung und Stichinzision zur Thrombusentfernung
29.5.3
Phlebothrombose (tiefe Beinvenenthrombose)
4 Thrombosierung im tiefen (Bein-)Venensystem, die zur teilweisen oder kompletten Verlegung des Gefäßlumen führen kann 4 Komplikationen: 5 akut: Lungenembolie 5 chronisch: postthrombotisches Syndrom, das zur chronischvenösen Insuffizienz führt 5 Risikofaktoren: Immobilisation, Infektionen und Tumorleiden; Faktor V-Leiden-Mutation
Therapie 4 Kompression 4 sofortige Heparinisierung in therapeutischer Dosierung; überlappend Beginn einer Therapie mit Vitamin K-Antagonisten 4 ggf. Lysetherapie oder interventionelle Thrombektomie
29.5.4
Chronisch-venöse Insuffizienz und Ulcus cruris venosum
4 durch Insuffizienz der Venenklappen bzw. durch Obstruktion im tiefen Venensystem nach Phlebothrombose (postthrombotisches Syndrom) kommt es zum Reflux mit venöser Hypervolämie und Druckerhöhung auch in postkapillären Gefäßen 4 nachfolgende Schädigung bis hin zur Ulzeration
Klinik 4 Corona phlebectatica paraplantaris: plantar seitlich angeordnete Besenreiser 4 Ödem 4 Hyperpigmentierung: gelblich-bräunliche Verfärbung durch abgelagertes Hämosiderin abgebauter Erythrozyten (Purpura jaune d’ocre) 4 Lipodermatosklerose: Induration und Fibrosierung des subkutanen Gewebes
29
Eigene Notizen
318
Kapitel 29 · Erkrankungen des Gefäßsystems
Eigene Notizen
4 Atrophie blanche: porzellanweiße, atrophe, z. T. von Teleangiektasien durchzogene Plaques 4 Stauungsdermatitis: ekzematöse juckende Läsionen, die durch toxischirritative Einflüsse und ggf. Sensibilisierungen auf Externa im Sinne einer Kontaktallergie begünstigt werden 4 solitäre oder multiple Ulzera vorzugsweise an der Innenseite des distalen Unterschenkels; gelegentlich zirkumferente Ulzeration (= Gamaschenulkus) 4 Komplikationen: Sekundärinfektionen; selten Ausbildung eines spinozellulären Karzinoms (»Marjolin-Ulkus«) 5 Schweregrade der chronisch-venösen Insuffizienz nach Widmer: 5 Grad I: Corona phlebectatica paraplantaris, Ödem 5 Grad II: zusätzlich trophische Störungen wie Hyperpigmentierung, Lipodermatosklerose, Atrophie blanche und Stauungsdermatitis 5 Grad IIIa: florides Ulcus cruris venosum 5 Grad IIIb: abgeheiltes Ulcus cruris venosum
Therapie
29
4 Kompressionstherapie mit Kompressionsstrümpfen bzw. im Falle des Vorliegens venöser Ulzera mit Kurzzugbinden (Cave: bei peripher arterieller Verschlusskrankheit ist Kompression nicht indiziert) 4 vorzugsweise mechanisches Débridement der Ulzera, ggf. auch enzymatisch oder biochirurgisch (Maden) 4 Versorgung der Ulzera mit adäquaten Wundauflagen (z. B. Hydrogele, Hydrokolloide, Alginate, Polyurethanschaumstoffe, ggf. mit Silberbeschichtung zur Antisepsis) 4 Einsatz antiseptischer Lokaltherapeutika in der Ulkusumgebung ( ! Cave Sensibilisierung mit Entwicklung eines allergischen Kontaktekzems!) 4 im Falle von Infektionen (nicht bei Kolonisation!) systemische Antibiotika, möglichst nach Antibiogramm 4 ggf. Vakuumversiegelung 4 ggf. operative »Shave«-Exzision der Ulzera mit anschließender Spalthauttransplantation, ggf. Fasziotomie 4 soweit möglich, kausale Therapie mit operativer Entfernung insuffizienter epifaszialer Venen durch Stripping mit Krossektomie und Ligatur der Perforansvenen
29.6
Erkrankungen der Lymphgefäße
4 Erkrankungen der Lymphgefäße manifestieren sich meist an den unteren Extremitäten als Lymphödem, das eine Beeinträchtigung des Abtransports der Lymphe widerspiegelt 4 primäre Lymphödeme 5 genetisch bedingt oder sporadisch auftretend 5 kongenitale Lymphödeme durch Aplasie oder Hypoplasie der Lymphgefäße
319 29.6 · Erkrankungen der Lymphgefäße
5 Auftreten im Rahmen von Syndromen (Nonne-Milroy-Syndrom, Turner-Syndrom, Noonan-Syndrom, Meige-Syndrom) 4 sekundäre Lymphödeme 5 Folge einer Schädigung der Lymphgefäße durch J rezidivierende Lymphangitiden bei Erysipel J Lymphogranuloma venereum (Infektion mit Chlamydia trachomatis) und Granuloma inguinale (Infektion mit Calymmatobacterium granulomatosis) J parasitäre Erkrankungen (Filariose) J rezidivierende Herpes-simplex-Infektionen J tiefe Beinvenenthrombose J Malignome J Operationen (z. B. nach Lymphknotendissektion), Radiatio, Trauma 4 beidseitige sekundäre Lymphödeme treten auf 5 bei Eiweißmangel und Unterernährung 5 in der Schwangerschaft und prämenstruell 5 bei Herz- und Niereninsuffizienz und chronischen Lebererkrankungen
Klinik 4 eindrückbare Schwellungen besonders in abhängigen Körperpartien 4 Stemmer-Zeichen: die Haut über den Zehen kann nicht mit den Fingern als Falte abgehoben werden 4 ggf. Elephantiasis (ausgeprägte unförmige Schwellungen) 4 bei längerer Bestandsdauer der Lymphödeme verruziforme Hyperkeratosen und papillomatöse Plaques 4 Komplikationen: sekundäre Infektionen, insbesondere Erysipel > Memo Die Bezeichnung Elephantiasis nostras grenzt in »unseren«
Regionen erworbene massive Lymphödeme von der Elephantiasis tropica, die durch Filarien hervorgerufen wird, ab.
Diagnostik 4 Abklärung möglicher Grunderkrankungen 4 Infektionsdiagnostik 4 ggf. bildgebende Diagnostik
Therapie 4 soweit möglich, Behandlung der Grundkrankheit 4 Kompressionstherapie mit Kompressionsstrümpfen der Klassen II, III oder IV 4 physikalische Entstauungstherapie 4 gute Hautpflege unter Einbeziehung antiseptischer Externa zur Vermeidung infektiöser Komplikationen 4 Sanierung möglicher Eintrittspforten
29
Eigene Notizen
320
Kapitel 29 · Erkrankungen des Gefäßsystems
Eigene Notizen
29
29.7
Diabetische Ulzera
4 Diabetes mellitus erfasst als Multisystemerkrankung auch das Gefäßund periphere Nervensystem: diabetische Fußulzera mit dem Risiko der Infektion (»diabetischer Fuß«) 4 diabetische Makroangiopathie 5 ähnelt der Arteriosklerose, tritt jedoch deutlich früher auf 5 ist neben der Neuropathie wesentlich für den »diabetischen Fuß« verantwortlich und führt bis hin zur diabetischen Gangrän 4 diabetische Mikroangiopathie 5 beginnt bereits bei prädiabetischer Stoffwechsellage und geht mit der Verdickung der Basalmembran von Arteriolen, Kapillaren und Venolen einher 5 Beeinträchtigung der Mikrozirkulation 4 distale symmetrische Neuropathie 5 wird bei über 80% der Patienten mit »diabetischem Fuß« beobachtet 5 verminderte Schmerzempfindung und Dysfunktion der Motoneurone 5 es resultieren Fußdeformitäten und Hypohidrose, die das Auftreten von Ulzerationen begünstigen
Klinik 4 Ulzerationen an mechanisch belasteten Stellen durch repetitive (Bagatell-)Traumen, Druck (enges Schuhwerk) und Scherkräfte besonders an der Plantarseite über den Metatarsalköpfchen sowie an (Groß-)Zehen und Fersen 4 Ulzera wirken wie ausgestanzt und sind häufig von einem Kallussaum umgeben 4 Okklusion besonders der tibialen und peronealen Arterien, während die A. poplitea meist gut palpabel ist 4 Komplikationen: Infektionen (Erysipel, Phlegmone, Tinea pedum, Osteomyelitis), Gangrän
Diagnostik 4 Labordiagnostik (Glucose und HbA1c; CRP und Blutbild zur Diagnostik von Infekten) 4 mikrobiologische Abstriche von Ulzera 4 bei Ulzerationen unklarer Ätiologie Entnahme einer Probebiopsie zum Ausschluss von Malignomen, Vaskulitis und Pannikulitis 4 Duplexsonographie der Arterien; ggf. MRT-Angiographie 4 bei Verdacht auf Osteomyelitis Bildgebung (Röntgen, MRT bzw. Knochenszintigraphie)
Differenzialdiagnose 4 Ulzera anderer Genese (bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit, Vaskulitis, Malignomen, Pyoderma gangraenosum u. a. m.)
321 29.7 · Diabetische Ulzera
Therapie 4 Druckentlastung und Vermeidung von Deformitäten durch angemessenes orthopädisches Schuhwerk 4 Vermeidung von Bagatelltraumen 4 gute Fußpflege unter Einbeziehung antiseptischer Externa zur Vermeidung infektiöser Komplikationen 4 Optimierung der metabolischen Einstellung 4 Débridement der Ulzera und Versorgung mit Wundauflagen (Hydrogel, Hydrokolloid, Alginat) 4 im Falle von Infektzeichen systemische Antibiotikagabe 4 topische Antimykotika bei Vorliegen einer Tinea pedum 4 ggf. chirurgische Revaskularisation; Amputation als Ultima ratio
29
Eigene Notizen
30 Tag 3 – Dermatologie
30
Proktologie P. Mayser
30.1
Hämorrhoidalleiden – 323
30.2
Fissuren und Fisteln der Anal- und Rektalregion – 324
30.2.1 30.2.2 30.2.3
Analfissur – 324 Anorektalfisteln – 324 Analvenenthrombose – 325
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_30, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
323 30.1 · Hämorrhoidalleiden
30.1
Hämorrhoidalleiden
4 Hyperplasie der physiologischen Schleimhautpolster (Corpus cavernosum recti, wichtig für Erhaltung der Feinkontinenz) 4 bei Beschwerden = Hämorrhoidalleiden 4 genetische Disposition; wird begünstigt durch chronische Obstipation mit starkem Pressen bei der Defäkation
Klinik 4 meist bei 3°°, 7°° und 11°° in Steinschnittlage 4 Grad I 5 nur proktoskopisch sichtbare vergrößerte Hämorrhoidalknoten 5 gelegentlich Blutung 4 Grad II 5 insbesondere beim Pressen Prolaps der Knoten aus dem Analkanal 5 spontane Retraktion 5 Symptome: Blutung, Nässen, Juckreiz 4 Grad III 5 permanentes Prolabieren bei Druck, aber noch reponibel 5 Symptome: Blutung, Nässen, Juckreiz, Ekzem 4 Grad IV 5 Analprolaps, nicht reponibel 5 ggf. Schmerzen infolge von Inkarzeration und/oder Thrombosierung
Diagnostik 4 Inspektion der Analregion, ggf. auch unter Pressen, Palpation 4 Proktoskopie
Therapie 4 ballaststoffreiche Ernährung und ausreichende Flüssigkeitszufuhr, Vermeidung zu starken Pressens bei der Defäkation; keine Laxanzien 4 »Analgymnastik«: ggf. unter Verwendung eines Analdehners mehrmals täglich Analsphinkter kontrahieren 4 Sklerosierungsbehandlung (»Verödung«) und Gummibandligatur bei Grad I-II, operativ-chirurgische Therapie bei Grad III und IV 4 Externa (Cremes, Salben, Suppositorien) allenfalls kurzfristig zur symptomatischen Anwendung 4 ! Cave Langfristige Anwendung von Externa sollte bei Hämorrhoidalleiden vermieden werden, da hohes Risiko einer Typ-IV-Sensibilisierung mit Entwicklung eines Kontaktekzems.
30
Eigene Notizen
324
Kapitel 30 · Proktologie
Eigene Notizen
30.2
Fissuren und Fisteln der Anal- und Rektalregion
30.2.1
Analfissur
4 meist bei 6°° in Steinschnittlage schmerzhafte Fissur (akut) bzw. Ulkus (chronisch) 4 oft bei erhöhtem Sphinktertonus, z. B. in Zusammenhang mit Hämorrhoidalleiden
Klinik 4 besonders nach Defäkation ausgeprägte Schmerzsymptomatik, daher Vermeidungsverhalten mit resultierender Obstipation (Teufelskreis) 4 fibrinös belegte, einige Millimeter breite Fissur bzw. Ulkus mit verhärtetem Randwall 4 proximal hypertrophe Analpapille, distal vor der Fissur sogenannte Vorpostenfalte 4 erhöhter Sphinktertonus
Therapie
30
4 Stuhlregulation 4 Unterspritzen mit Lokalänasthetika 4 Auftragen von Glycerolnitrat-Creme mehrmals täglich zur Reduktion des Spinktertonus (unerwünschte Wirkungen: Kopfschmerz, Blutdruckabfall) 4 Injektion von Botulinumtoxin (unerwünschte Wirkung: passagere Inkontinenz) 4 chronische Fissuren erfordern chirurgische Sanierung
30.2.2
Anorektalfisteln
4 perianal mündender, eitriges Sekret absondernder, epithelisierter Fistelkanal, ausgehend von einer Krypte 4 verschiedene Verläufe (submukös, transsphinktär durch den Schließmuskel, intersphinktär zwischen innerem und äußeren Muskel sowie extrasphinktär) 4 oft im Gefolge von Krypten- oder periproktitischen Abszessen auftretend 4 weitere Ursachen: chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (M. Crohn, Colitis ulcerosa), Divertikulitis, Kryptitis, Tumoren
Klinik 4 Schmerzen, bei Verhalt Fieber 4 aus der leicht geröteten perianalen Öffnung entleert sich auf Druck Eiter
325 30.2 · Fissuren und Fisteln der Anal- und Rektalregion
Diagnostik 4 palpatorisch verdickter Knoten der Ausgangskrypte/-papille 4 Rektoskopie 4 Darstellung komplexer Fistelverläufe mittels MRT des Beckenbodens
Therapie 4 operative Fistelspaltung und Abszessdrainage unter Schonung des Kontinenzapparates 4 ggf. Fadendrainage
30.2.3
Analvenenthrombose
4 akut schmerzhaftes Krankheitsbild durch Thrombosierung einer Analvene
Klinik 4 akute Entwicklung eines sehr schmerzhaften, prallelastischen, blauroten Knotens am Analring 4 Abheilung oft mit einer Mariske (perianale, schlaffe, fibrosierte Hautfalte), keine Füllung beim Pressen
Therapie 4 Stichinzision in Lokalanästhesie zur Entfernung der Koagula 4 nach Beschwerderückgang proktologische Untersuchung und evtl. Therapie eines zugrunde liegenden Hämorrhoidalleidens 4 Marisken: bei erschwerter Analhygiene Abtragung vergrößerter Marisken
30
Eigene Notizen
31 Tag 3 – Dermatologie
31
Andrologie A. Jung
31.1
Infertilität – 327
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_31, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
327 31.1 · Infertilität
31.1
Infertilität
4 Ausbleiben einer Konzeption trotz regelmäßigen ungeschützten Geschlechtsverkehrs nach einem Jahr 4 ca. 10–20% aller Paare mit Kinderwunsch betroffen 4 > Memo Die Ursache liegt zu etwa gleichen Teilen bei Mann und Frau, wobei eine Fertilitätseinschränkung eines Partners durch »optimale Bedingungen« beim anderen kompensiert werden kann.
Ätiologie beim Mann 4 genetische Ursachen: z. B. Klinefelter-Syndrom, Kallmann-Syndrom, Y-chromosomale Deletionen, kongenitale bilaterale Aplasie der Vasa deferentia z. B. im Rahmen einer Mukoviszidose 4 Lageanomalien der Testes: u. a. auch bei Zustand nach operativ in den ersten Lebensjahren behobenem Hodenhochstand 4 Tumoren: z. B. im Hoden (Seminome, Teratome), Hypophysenprolaktinome 4 Varikozele: gestörter Rückfluss des venösen Blutes aus dem Hoden im Plexus pampiniformis mit Beeinträchtigung der testikulären Thermoregulation 4 aufsteigende Infektionen der Samenwege: früher häufig hervorgerufen durch Gonorrhö, heute meist durch klinisch stumm verlaufene Infektionen mit gram-negativen Bakterien, Chlamydien und Mykoplasmen; bei Zustand nach Mumpsorchitis 4 immunologische Ursachen: Autoantikörperbildung gegen Spermatozoen 4 exogene Ursachen: Medikamente (z. B. Anabolika, Zytostatika), ionisierende Strahlung, Hitze, Umweltnoxen, Nikotin und Alkohol 4 Auftreten im Rahmen von Allgemeinerkrankungen: z. B. Leberzirrhose, Niereninsuffizienz 4 Samendepositionsstörungen: z. B. Ejaculatio praecox (»ante portas«), erektile Dysfunktion 4 idiopathisch
Diagnostik 4 klinische Untersuchung im Stehen, um eine Varikozele mittels ValsalvaManöver (Blutrückfluss bei Bauchpresse im Plexus pampiniformis) verifizieren zu können 4 Normalbefund: Samenleiter als derber Strang ausgehend vom Nebenhoden gut tastbar 4 sonographische Darstellung von Hoden, Nebenhoden, Bläschendrüsen und Prostata 4 entsprechen Stimmlage, Körperbehaarung, Körperproportion, Bartwuchs und Geheimratsecken dem männlichen Phänotyp, so ist Androgenmangel unwahrscheinlich 4 vermindertes Hodenvolumen (Norm: pro Seite jeweils ≥12 ml) kann auf gestörte Spermatogenese hinweisen 4 höckrige Hodenoberfläche bei Vorliegen eines Hodentumors
31
Eigene Notizen
328
Kapitel 31 · Andrologie
Eigene Notizen
4 Ejakulatuntersuchung nach WHO 2010 5 Referenzwerte, die an einem Kollektiv von Männern (aus mehreren Kontinenten) erhoben wurden, die in dem der Samenanalyse vorausgehenden Jahr auf natürlichem Wege eine Schwangerschaft erzielt hatten . Tabelle Parameter
Untergrenze (95%-Perzentile)
Ejakulatvolumen (ml)
1,5
Spermatozoengesamtzahl (×106 pro Ejakulat)
39
Spermatozoenkonzentration (×106 pro ml)
15
Gesamtmotilität (%)
40
Progressivmotilität (geradliniges Bewegungsmuster in %)
32
Vitalität (%)
58
Spermatozoenmorphologie (Normalformen in %)
31
4
4 Die Referenzwerte dienen als Orientierungshilfe und stellen keine klare Grenze zwischen fertil und infertil dar. Die Fertilitätsprognose eines Paares hängt beim Nachweis von im Referenzbereich oder auch darunter liegenden Ejakulatparametern insbesondere auch ab von der bisherigen Zeitdauer des unerfüllten Kinderwunsches und der Situation bei der Partnerin 4 Nomenklatur . Tabelle Nomenklatur und Definitionen Normozoospermie
Spermatozoengesamtzahl sowie Prozentsatz der progressiv motilen und der normal geformten Spermatozoen auf oder über der jeweiligen Referenzwertgrenze
Asthenozoospermie
Prozentsatz der progressiv motilen Spermatozoen unter der Referenzwertgrenze
Oligozoospermie
Spermatozoengesamtzahl unter der Referenzwertgrenze
Teratozoospermie
Prozentsatz der normal geformten Spermatozoen unter der Referenzwertgrenze
Azoospermie
keine Spermatozoen im Ejakulat nachgewiesen (unter Angabe der verwendeten Analysenmethode)
Kryptozoopermie
keine Spermatozoen im Nativpräparat, aber im Zentrifugat
Hämospermie
Erythrozyten im Ejakulat
Aspermie
kein antegrades Ejakulat (z. B. retrograde Ejakulation in die Blase)
329 31.1 · Infertilität
Therapie 4 rational 5 bei »idiopathisch«-hypogonadotropem Hypogonadismus, Kallmann-Syndrom oder Hypophyseninsuffizienz: Gonadotropine oder GnRH 5 bei Prolaktinom: Dopaminagonisten 5 bakterielle Infektionen: Antibiotika 5 chronische Allgemeinerkrankungen: Therapieoptimierung 5 Medikamente, Drogen, Anabolika, Genussmittel: Karenz 5 obstruktive Azoospermie: Epididymovasostomie, Vasovasostomie, testikuläre Spermatozoenextraktion 5 erektile Dysfunktion: Phosphodiesterase-5-Hemmer 5 retrograde Ejakulation: Imipramin, Midodrin 5 Ejaculatio praecox: Dapoxetin 4 empirisch 5 immunologische Infertilität: Immunsuppression 5 Varikozele: Sklerosierung 5 idiopathische Infertilität: Tamoxifen 4 symptomatisch 5 assistierte Reproduktion: intrauterine Insemination, In-vitro-Fertilisation, intrazytoplasmatische Spermatozoeninjektion (ICSI)
31
Eigene Notizen
32 Tag 4 – HNO
32
Ohr, Otobasis M. Westhofen
32.1
Erkrankungen des äußeren Ohrs – 333
32.1.1 32.1.2 32.1.3 32.1.4 32.1.5
Dysplasie des äußeren Ohrs – 333 Atherome – 335 Verletzungen des äußeren Ohrs – 336 Entzündungen des äußeren Ohrs und des Gehörgangs Tumoren des äußeren Ohrs – 339
32.2
Erkrankungen des äußeren Gehörgangs – 341
32.2.1 32.2.2 32.2.3
Gehörgangsatresie – 341 Entzündungen des äußeren Gehörgangs – 341 Tumoren des äußeren Gehörgangs – 341
32.3
Erkrankungen des Mittelohrs, des Trommelfells und der Otobasis – 342
32.3.1 32.3.2 32.3.3 32.3.4 32.3.5
Traumatische Trommelfellperforation – 342 Felsenbeinfraktur – 343 Entzündungen des Mittelohrs und Mastoids – 343 Nicht-entzündliche Erkrankungen des Mittelohrs – 348 Tumoren des Mittelohrs und Mastoids – 349
32.4
Erkrankungen des Innenohrs – 350
32.4.1 32.4.2 32.4.3 32.4.4 32.4.5 32.4.6 32.4.7 32.4.8 32.4.9 32.4.10
Fehlbildungen des Innenohrs – 350 Verletzungen des Innenohrs – 354 Toxischer Schaden des Innenohrs – 355 Entzündungen des Innenohrs – 355 Hörsturz – 356 Tinnitus – 357 Morbus Menière und Menière-Syndrom – 358 Vestibularisneuropathie – 359 Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel – 360 Superiore Bogengangsdehiszenz – 361
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_32, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
– 337
32.5
Erkrankungen des Felsenbeins – 361
32.5.1 32.5.2 32.5.3 32.5.4 32.5.5
Frakturen des Felsenbeins – 361 Idiopathische und entzündlich verursachte Fazialisparesen – 363 Entzündungen des Felsenbeins und der Felsenbeinspitze – 363 Otitits externa maligna (necroticans) – 363 Tumoren des Felsenbeins – 364
333 32.1 · Erkrankungen des äußeren Ohrs
32.1
Erkrankungen des äußeren Ohrs
32.1.1
Dysplasie des äußeren Ohrs
4 Formanomalie des äußeren Ohrs durch partielle Fehlanlage oder gänzliches Fehlen 4 Fehlbildungen durch Entwicklungsstörung des 1. und 2. Kiemenbogens, 1. Kiemenfurche 4 isoliert oder kombiniert mit Fehlbildung des Mittelohrs, Innenohrs oder mit kraniofazialen, selten mit ohrfernen Fehlbildungen 4 Mikrotie: 1:5.000–1:20.000 Geburten, in 50% der Fälle syndromal 4 Anotie: Inzidenz 0,1‰, ein- oder beidseitig 4 5% aller Geburten mit Dysplasie Grad I (Otabtosis, Fistel, Aurikularanhänge) 4 Atresie des äußeren Gehörgangs mit Inzidenz 1:10.000–1:20.000 der Geburten (. Tabelle) 4 Anomalie des äußeren Ohrs allein ohne Relevanz für Hörvermögen 4 Gehörgangsstenose oder Atresie führen zu Schallleitungsschwerhörigkeit 4 bei einseitigem Vorliegen oft eingeschränkte hör- und schulische Entwicklung, bei bilateraler Betroffenheit erhebliche Behinderung mit 80% Grad der Behinderung (GdB) 4 Verhältnis Männer : Frauen = 2,5 : 1 Einteilung der Dysplasie des äußeren Ohrs bzw. der Gehörgangsatresie Grade der Dysplasie des äußeren Ohrs nach Weerda Grad I
Fehlbildung ohne wesentliches Fehlen von Haut- und Knorpelstrukturen
Grad II
äußere Form erhalten, jedoch Defizit an Haut und/oder Knorpel mit Notwendigkeit des plastischen Ersatzes bei Korrektur, äußerer Gehörgang oft verengt
Grad III
vollständiges oder nahezu vollständiges Fehlen des äußeren Ohrs, Lobulus ventralwärts verlagert, äußerer Gehörgang fehlt oder stark verengt
Grade der Gehörgangsatresie nach Weerda Typ A
Gehörgangsstenose mit intakten Hautschlauch
Typ B
partielle Atresie mit Atresieplatte im mitteren Anteil
Typ C
komplette knöcherne Atresie
Ätiologie 4 chromosomale Aberrationen (Gen 5q32-3.1.) 4 embryonale oder fetale externe Schädigung (z. B. Röteln) 4 gemeinsam mit mandibulofazialer Fehlbildung (FrancheschettiSyndrom, Berry-Treacher-Collins-Syndrom) (7 Abschn. 32.4.1)
32
Eigene Notizen
334
Kapitel 32 · Ohr, Otobasis
Eigene Notizen
Klinik 4 gestörtes Ohrrelief, meist Fehlen des Crus anthelicis, Vergrößerung des Concha-Mastoid-Abstands 4 Tassenohrdeformität als häufigste schwerwiegende Fehlbildung 4 Gehörgangsatresien häutig oder knöchern (. Tabelle) 4 Größe im Verhältnis zu Kopfgröße verkleinert (Mikrotie) oder vergrößert (Makrotie) 4 Einteilung der Dysplasie des äußeren Ohrs in 3 Grade (I–III) (. Tabelle) 4 für kombinierte Fehlbildungen des äußeren und Mittelohrs PrognoseScore nach Jahrsdoerfer (. Tabelle) Prognose der Funktionsergebnisse operativer Korrektur nach CT des Felsenbeins (nach Jahrsdoerfer)
32
Punkte
Kriterium
2
Stapes vorhanden
1
ovales Fenster vorhanden
1
Mittelohrkavität vorhanden
1
N. facialis beteiligt oder involviert
1
Hammer/Amboss beteiligt
1
Mastoid pneumatisiert
1
Amboss-Stapes-Verbindung erhalten
1
rundes Fenster normal
1
äußeres Ohr normal
Maximale Punktzahl = 10, 10 = exzellentes, 9 = sehr gutes, 8 = gutes, 7 = angemessenes, 6 = grenzwertiges, 5 = mäßiges oder schlechteres Ergebnis zu erwarten
4 Aurikularfistel oder -zyste 5 Typ I (meist präaurikulär, epitheliale Auskleidung) 5 Typ II (vom Halsbereich zum Gehörgang oft in Nachbarschaft des N. facialis), selten als doppelter Gehörgang. Sekretion aus der Fistel, sekundär akute Superinfektion 4 Aurikularanhänge, Wangenanhänge (Melotie)
Diagnostik 4 4 4 4 4
Inspektion, Photodokumentation Ausmessen Concha-Mastoid-Winkel, Helix-Mastoid-Abstand ggf. Sondierung der Fistel Mikrootoskopie Prüfen der Luft- und Knochenleitungsschwelle im Vorschulalter durch objektive Audiometrieverfahren mittels BERA 4 ggf. ASSR (Tieftonhören), positive Befunde oft bei Typ-II-Fehlbildung (s. oben)
335 32.1 · Erkrankungen des äußeren Ohrs
Therapie 4 Makrotie 5 operative Verkleinerung nach Cheyne und Burghard 5 nach Gersuny durch Haut- und Knorpelresektion 4 Mikrotie 5 2–4 Schritte zum Aufbau (Knorpelgewinnung aus Rippe, Ohrläppchenpositionierung, Formen der retroaurikulären Falte, Tragusaufbau) 5 alternativ Implantation einer Polyethylenform und parietotemporalem Faszien- und/oder Kutislappen (nach Berghaus) 5 Beginn im 4.–7. Lebensjahr 5 Hörverbesserung durch knochenverankertes Hörgerät oder besser durch Mittelohrimplantat (MOI) (. Abb. 46i, Farbteil), einem Implantat, das durch elektromechanischen Wandler die Gehörknöchelchenkette bewegt. Energie und Signal zur Ansteuerung des Implantats werden von außen durch einen batteriegetriebenen Audioprozessor durch die geschlossene Haut gesendet und dort dekodiert und an den elektromechanischen Wandler weitergegeben (. Abb. 42, Farbteil) 5 ggf. Cochlea-Implantat (CI) bei kochleärer Gehörlosigkeit oder Ertaubung auch bei unilateralem Befund (. Abb. 43, Farbteil) 4 Otabtosis 5 Resektion – oder besser Anschleifen – des Knorpels mit Nahttechnik von retroaurikulärem Zugang 5 Hautresektion 4 Fistel, Zyste 5 Exzision nach Farbstoff-Gel-Füllung, ggf. unter Fazialismonitoring 32.1.2
Atherome
4 fehlerhafter Neuralrohrverschluss mit kongenitaler Epidermoidzyste der Aurikularregion
Klinik 4 derber Knoten periaurikulär, größenprogredient, dann oft teigig, prall oder fluktuierend 4 Superinfektion mit akuter Rötung und Schwellung, Druckgefühl und Schmerz
Diagnostik 4 Inspektion 4 Palpation 4 Differenzialdiagnose: Halslymphknotenschwellung
Therapie 4 Exzision 4 ggf. bei Superinfektion vorausgehend lokale Therapie (Betaisodona) und systemische Antibiotikagabe (Clindamycin oder Flucloxacillin)
32
Eigene Notizen
336
Kapitel 32 · Ohr, Otobasis
Eigene Notizen
32.1.3
Verletzungen des äußeren Ohrs
Othämatom (. Abb. 44, Farbteil), Otserom 4 akzidentell oder traumatisch Ansammlung von Exsudat (Serom) oder Blut (Hämatom) zwischen Knorpel und Perichondrium 4 bei Persistenz Knorpelnekrose und nachfolgend narbige Verziehung des Reliefs des äußeren Ohrs (Boxer-, Ringer-, Blumenkohlohr)
Diagnostik 4 Inspektion: Verstreichen des Reliefs 4 Photodokumentation obligat 4 Palpation: weiche, prall-elastische Schwellung ohne Rötung
Therapie 4 Inzision von retroaurikulär wahlweise in Lokalanästhesie 4 Knorpelfensterung 4 Entfernen des Seroms/Hämatoms von der Rück- und Vorderseite des Ohrs 4 Matratzennähte über Schaumstoffplatten
Verletzungen der Haut, des Knorpels, des Lobulus 4 Schnitt-, Platz-, Bisswunden, Erfrierung mit Beteiligung von Haut, Perichondrium und Knorpel 4 im weiteren Verlauf hypertrophe Narbenbildung oder Keloid (proliferierende Narbe; . Abb. 45, Farbteil) möglich
32
Klinik 4 oft Schmutztätowierung 4 abgetrennte Knorpelanteile werden bisweilen mitgebracht 4 > Memo Knorpel kann wegen seiner bradytrophen Eigenschaft reimplantiert werden. 4 bei Erfrierung bläuliche Verfärbung und Nekrosen (Pernio)
Diagnostik 4 Inspektion 4 Photodokumentation obligat 4 Prüfen des Tetanusschutzes
Therapie 4 abgetrennten Knorpel in frischem Zustand säubern, desinfizieren und in retroaurikuläre Hauttasche implantieren 4 chirurgisches Débridement der Wundränder an Haut und Knorpel 4 primäre Naht innerhalb von ca. 6 h
337 32.1 · Erkrankungen des äußeren Ohrs
32.1.4
Entzündungen des äußeren Ohrs und des Gehörgangs
Perichondritis, Erysipel 4 Erysipel: akute Entzündung der Subkutis retroauriculär und des äußeren Ohrs unter Einschluss des Lobulus meist einseitig lokalisiert meist durch Streptococcus pyogenes Gruppe A und Ausbreitung über lokale Lymphwege 4 Perichondritis: akute Entzündung der perichondralen Schicht durch Hautverletzung, ohrnahe Furunkel oder fortgeleitet bei Otitis externa meist einseitig meist durch Streptococcus pyogenes Gruppe A 4 rezidivierendes Auftreten meist beidseitig bei rezidivierender Polychondritis (Meyenburg-Altherr-Uehlinger-Syndrom) = Autoimmunopathie
Klinik 4 hochakute Rötung und schmerzhafte Schwellung bei Perichondritis unter Aussparung des Lobulus. Lokale Lymphknotenvergrößerung 4 Ausbreitung in Gesichtsweichteile und Parotisloge
Diagnostik 4 Inspektion 4 Photodokumentation 4 bei rezidivierendem Auftreten Biopsie des Knorpels
Therapie 4 4 4 4
Cephalosporin 2. Generation (Cefuroxim) i.v. lokal Sprühdesinfektion ggf. Salben mit Gentamicin oder Betaisodonna bei rezidivierender Polychondritis Prednisolon oral (60 mg/Tag), bei Generalisierung Immunsuppression (Imurek 10 mg/Tag)
Herpes zoster oticus (Ramsay-Hunt-Syndrom) 4 Herpes-Zoster-Infektion des Ohrs 4 Reaktivierung des latenten Varicella-Zoster-Virus in den extramedullären Ganglien des VII. und VIII. Hirnnerven mit Funktionsausfall und Ausbreitung der Infektion über die sensiblen Nerven in das tributäre Hautareal 4 therapieresistente Schmerzen (Zoster-Neuralgie) als Spätfolge möglich
Klinik 4 Frühphase mit Bläschenbildung und Schmerz 4 zeitlich abfolgende Funktionsausfälle 5 periphere Fazialisparese 5 Hörminderung ipsilateral 5 Schwindelbeschwerden 5 Schmeckstörung bei Beteiligung der Chorda tympani 4 Superinfektion möglich
32
Eigene Notizen
338
Kapitel 32 · Ohr, Otobasis
Eigene Notizen
Diagnostik 4 Inspektion 4 Mikrootoskopie 4 Antikörper-Titer auf Varizella-Zoster-Virus für Akutdiagnostik nicht geeignet 4 Fazialis-Funktionsprüfung 4 Tonschwellenaudiogramm 4 Kopf-Impuls-Test zur Bogengangprüfung 4 VEMP zur Otolithenfunktionsprüfung 4 subjektive Gustometrie 4 Stapediusreflexprüfung impedanzaudiometrisch 4 Schirmer-Test zur Prüfung der Tränensekretion
Therapie 4 Aciclovir i.v. (5 mg/kg KG 4× täglich über 7 Tage) 4 Prednisolon 60 mg/Tag über 2 Tage, dann abfallend 4 Analgetika
Otitis externa
32
4 akute Dermatitis nach Verletzung z. B. bei Gehörgangssäuberung, Rhagaden, fortgeleitet bei Furunkel des Gehörgangseingangs, bei akuter Parotitis 4 Superinfektion bei atopischer Dermatitis des äußeren Gehörgangs (Analgetikaintoleranz, Allergie, Kontaktallergie auf Hörgerätepassstück, Haarspray) 4 Komplikation bei Otorrhoe: Superinfektion des feuchten äußeren Gehörgangs mit Pilzen (Gehörgangsmykose), bei ungepflegter Radikalhöhle Superinfektion unter Krusten und Zerumen 4 maligne Otitis externa (7 Abschn. 32.1.5) 5 chronischer Verlauf als Komplikation des Diabetes mellitus mit nekrotisierender Ostitis des Felsenbeins und Beteiligung der Gehörgangshaut 5 Besiedlung mit Pseudomonas aeruginosa 5 progrediente Hirnnervenausfälle Nn. VII, VIII 5 unbehandelt Risiko der Meningitis, Hirnabszess, letaler Ausgang
Klinik 4 4 4 4 4
Tragusdruckschmerz Otalgie Otorrhoe ggf. fötide Verschwellen des Gehörgangs mit Schallleitungsschwerhörigkeit Vorwölbung der Gehörgangshinterwand (Pseudomastoiditis)
Diagnostik 4 4 4 4
Medikamenten- und Berufsanamnese mikrobiologischer Abstrich bei chronischem Verlauf Allergietestung Mikrootoskopie
339 32.1 · Erkrankungen des äußeren Ohrs
4 Computertomographie des Felsenbeins 4 ggf. 3-Phasen-Knochenszintigramm zum Nachweis der Osteomyelitis 4 ggf. Biopsie zum Tumorausschluss
Therapie 4 lokale Desinfektion mit alkoholischer Fuchsinlösung 4 Antibiotika systemisch und lokal durch Salbenstreifen nach Abstrichergebnis 4 ! Cave Keine ototoxischen Antibiotika in Tropfenform bei Trommelfellperforation oder liegendem Paukenröhrchen! 4 bei maligner Otitis externa (7 Abschn. 32.5.4): Ciprofloxazin i.v., frühzeitige operative Resektion des osteomyelitischen Knochens durch Felsenbeinteilresektion
32.1.5
Tumoren des äußeren Ohrs
4 Chondrodermatitis nodularis chronica helicis 5 zirkumskripte Perichondritis des Ohrs ungeklärter Ätiologie 5 langsame Größenzunahme 4 Basalzellkarzinom 5 maligner Tumor der Basalzellschicht der Haut ohne Metastasierungspotenz 5 lokal destruierendes Wachstum 4 Plattenepithelkarzinom (Spinaliom) 5 maligner Tumor der Keratinozyten der Haut 5 meist geht die aktinische Keratose voraus 5 Tumor wächst lokal destruierend, metastasiert vorwiegend in die Halslymphknoten 5 Auftreten vor allem an lichtexponierten Hautpartien 4 malignes Melanom 5 extrem maligner Tumor der Melanozyten der Haut (tritt auch im Bereich der Schleimhaut sowie der Retina auf) 5 Metastasierung früh lymphogen und hämatogen 5 wächst lokal destruierend
Klinik 4 Chondrodermatitis nodularis chronica helicis: schmerzhaftes Knötchen am Helixrand meist ca. 5 mm Durchmesser, zentrale Ulzeration 4 Basalzellkarzinom: s. unten 4 Plattenepithelkarzinom (Spinaliom): in 20% der Fälle lymphogene Metastasierung 4 malignes Melanom: s. unten, Einteilung . Tabellen 4 bei den drei o. g. Tumoren ist eine sichere Differenzierung anhand klinischer Kriterien nicht möglich. Das melanotische maligne Melanom fällt durch die Schwarzfärbung auf, bei amelanotischen Melanomen fehlt die Schwarzfärbung. Meist liegt bei malignen Tumoren eine zentrale Ulzeration mit Randwall vor. Exophytische Tumoren mit ulzerierter wie auch mit geschlossener Oberfläche kommen vor
32
Eigene Notizen
340
Kapitel 32 · Ohr, Otobasis
Eigene Notizen
Clark-Level des malignen Melanoms, Einteilung des Stadiums nach Eindringtiefe Level I
Tumorausbreitung intraepidermal
Level II
Stratum papillare erreicht
Level III
Stratum papillare breit infiltriert
Level IV
Stratum reticulare erreicht
Level V
subkutanes Fettgewebe erreicht
T-Klassifikation des malignen Melanoms gemäß AJCC (American Joint Committee of Cancer) Stadium
Tumordicke nach Breslow
Ulzerationsstatus
T1
<1 mm
a: ohne Ulzeration und Level II/III b: mit Ulzeration oder Level IV/V
T2
1,01–2,0 mm
a: ohne Ulzeration b: mit Ulzeration
T3
2,01–4,0 mm
a: ohne Ulzeration b: mit Ulzeration
T4
>4,0 mm
a: ohne Ulzeration b: mit Ulzeration
Diagnostik
32
4 4 4 4
Inspektion Photodokumentation als obligater Bestandteil der Tumordiagnostik Exzision Ausschluss maligner Tumoren (Basalzellkarzinom, Spinaliom, malignes Melanom) durch histopathologische Untersuchung 4 Echographie der Halslymphknoten
Therapie 4 Chondrodermatitis nodularis chronica helicis 5 Exzision 5 plastische Defektdeckung oder primärer Verschluss 4 Basalzellkarzinom 5 lokale Exzision in den gesunden Grenzen 5 plastische Defektdeckung oder primärer Verschluss 4 Plattenepithelkarzinom (Spinaliom) 5 lokale Exzision mit 5–8 mm Sicherheitsabstand, regionäre Lappenplastik durch Transpositions-, Rotations- oder Insellappen 5 abhängig vom Tumorstadium operative Behandlung der Lymphabflusswege (Neck dissection) und postoperative Radiatio 5 bei ausgedehntem Befund Ablatio auris, ggf. totale Parotidektomie 5 bei lymphogener Metastasierung in jedem Fall Strahlentherapie 4 malignes Melanom 5 großzügige Exzision, ohne den Tumor zu inzidieren ( ! Cave Gefahr der Aussaat!) (. Tabelle)
341 32.2 · Erkrankungen des äußeren Gehörgangs
Resektionsränder bei Stadien des malignen Melanoms Tumordicke nach Breslow
Sicherheitsabstand
In situ
0,5 cm
<1 mm
1 cm
1–2 mm
2 cm
>2 mm
3 cm*
* wenn ohne Morbiditätserhöhung möglich (Österr. Ges. Onkologie 2 2011)
4 bei Dicke >1 mm Sentinel-node-Biopsie (Injektion von Farbstoff + radioaktiver Tracer, Lymphknotenbiopsie nach Maßgabe des intraoperativ szintigraphisch erfassten maximal speichernden Lymphknotens) 4 bei positivem Tumornachweis bei Abstand <10 cm En-bloc-Resektion, ansonsten modifiziert radikale Neck dissection ipsilateral 4 Resektion von Fernmetastasen abhängig von Gesamtzustand, Morbidität und Erfolgsaussicht 4 adjuvante Therapie mittels Immuntherapie (α-Interferon), Chemotherapie mit Dacarbacin (DTIC) 4 Palliativtherapie bei nicht-operabler Metastasierung mittels Radiatio aussichtsreich
32.2
Erkrankungen des äußeren Gehörgangs
32.2.1
Gehörgangsatresie
7 Abschn. 32.1.1
32.2.2
Entzündungen des äußeren Gehörgangs
7 Abschn. 32.1.4.1 und 7 Abschn. 32.5.4
32.2.3
Tumoren des äußeren Gehörgangs
4 gutartig 5 Osteome als Gehörgangsexostosen durch häufigen Kontakt mit kaltem Wasser (Taucher, Schwimmer, Surfer mit ca. 50% Inzidenz bei 10-jähriger Exposition; Schwimmer bei 5-jähriger Exposition mit 10 °C temperiertem Wasser!) 5 Adenom (Zeruminom) 4 maligne 5 Basalzell-, Plattenepithelkarzinom, malignes Melanom, seltener: adenoidzystisches Karzinom, verruköses Karzinom 5 Prognose maligner Tumoren des äußeren Gehörgangs zweifelhaft
32
Eigene Notizen
342
Kapitel 32 · Ohr, Otobasis
Eigene Notizen
Klinik 4 4 4 4 4
Einengung des Gehörgangslumens oft erst spät bemerkt durch Einengung Obliteration durch Zerumen mit Hörminderung Superinfektion mit Otitis externa bei Ulzeration maligner Tumoren Otorrhö Schwellung der Parotisregion oft als erstes Symptom
Diagnostik 4 Mikrootoskopie 4 Biopsie 4 bei malignen Tumoren Echographie der Gl. parotis und der Halslymphknoten, hochauflösende Dünnschicht CT des Felsenbeins
Therapie 4 Osteome werden bei rezidivierender Otitis externa, Schallleitungsschwerhörigkeit oder bei Okklusion des äußeren Gehörgangs als Hindernis für eine Hörgeräteanpassung mikrochirurgisch transmeatal entfernt 4 Resektion abhängig von der Tumorausdehnung, ggf. Felsenbeinteilresektion, Parotidektomie, stadienabhängig modifiziert radikale Neck dissection 4 postoperative Strahlen-Chemotherapie
32
32.3
Erkrankungen des Mittelohrs, des Trommelfells und der Otobasis
32.3.1
Traumatische Trommelfellperforation
4 durch Verletzung mit spitzem Gegenstand oder durch Einreißen bei Felsenbeinfraktur (Trommelfellrandbruch) (7 Abschn. 32.3.2), durch Schweißperle (meist persistierende Perforation) oder Schlag aufs Ohr 4 bei spontanem Einschlagen der Perforationslefze in Richtung Mittelohrkavität Gefahr des Implantationscholesteatoms 4 bei großer Perforation Schallleitungsschwerhörigkeit
Klinik 4 zentrale oder randständige Perforation 4 potenziell Gehörknöchelchen-Kettenluxation und/oder Innenohrtrauma 4 initial blutige Otorrhoe möglich
Diagnostik 4 4 4 4
Mikrootoskopie bei Gewaltdelikt mikro- oder endoskopische Photodokumentation Tonschwellenaudiometrie ggf. Labyrinthfunktionsdiagnostik (Kopf-Impuls-Test, VEMP)
343 32.3 · Erkrankungen des Mittelohrs, des Trommelfells und der Otobasis
Therapie 4 Myringoplastik durch Auskrempeln der Perforationsränder und Adaptation mittels Fließpapier oder Silikonfolie 4 bei Persistenz Tympanoplastik (Typ I) 4 bei Luxation der Gehörknöchelchenkette oder Fraktur des Amboss Tympanoplastik mit Ketteninterposition (Typ III) 4 bei Innenohrbeteiligung Prednisolon 250 mg/Tag für 2 Tage, dann abfallend
32.3.2
Felsenbeinfraktur
7 Abschn. 32.5.1
32.3.3
Entzündungen des Mittelohrs und Mastoids
4 akute und chronische entzündliche Erkrankungen der Schleimhaut des Mittelohrs und des Warzenfortsatzes, die im weiteren Verlauf auch knöcherne Strukturen arrodieren
Ätiopathogenese 4 entstehen weit überwiegend durch Tubenventilationsstörung, akute Otitis media (AOM) durch bakterielle oder virale Infektion, meist durch aufsteigende Infektion über die Tuba Eustachii oder durch Tubenventilationsstörung mit vergrößerten Adenoiden (Rachenmandeln) 4 im Kindesalter ist daher die sekretorische OM (SOM) eine der häufigsten Erkrankungen überhaupt. Sie geht mit Ergussbildung im Mittelohr einher (»otitis media with effusion«, OME), die Folge einer Schleimhautmetaplasie des Mittelohrs infolge der chronischen Tubenventilationsstörung ist. Das Bild wird meist durch intermittierende und rezidivierende AOM verschärft. Durch Viskositätszunahme des Sekrets entsteht das sog. »Leimohr« (»glue ear«). Eine bakterielle Superinfektion kann durch Bildung eines Biofilms chronifiziert werden (. Abb. 46a–c, Farbteil) 4 genetische Ursachen (17q12, AP2B1, CCL5 und in 10q22.3, SFTPA2) prädisponierend 4 Rauchen der Eltern und frühe Sozialisierung in Kinderhorten u. a. krankheitsverstärkend 4 nach rezidivierender akuter OM entstehen oft atrophe Trommelfellnarben, die bei fortbestehender chronischer Tubendysfunktion die Retraktion des Trommelfells und damit die weitere Entwicklung der chronischen OM oder des Retraktionscholesteatoms begünstigen 4 bei extremer Retraktion des Trommelfells entstehen die Atelektase des Mittelohrs und der Adhäsivprozess des Trommelfells. Die chronische OM kann als chronisch mesotympanale OM, als Cholesteatom oder als spezifische OM (z. B. Mittelohrtuberkulose) auftreten
32
Eigene Notizen
344
Kapitel 32 · Ohr, Otobasis
Eigene Notizen
4 Cholesteatom möglich durch: 5 chronisch progrediente Retraktion des Trommelfells vor allem im Bereich der nur 2-schichtigen Pars flaccida des Trommelfells oder im Bereich atropher Narben (Verlust der Kollagenschicht [Typ II, IV] des Trommelfells) (häufig) (. Abb. 46d, Farbteil) 5 Metaplasie der Mittelohrschleimhaut 5 Fehldifferenzierung der Mittelohrschleimhaut (vermutet werden Fehlbildungen) als genuines Cholesteatom (Cholesteatom hinter dem geschlossenen Trommelfell), das oft in kindlichem Alter und mit großer Ausdehnung und erhöhter Rezidivneigung entsteht 4 bei Verschluss des Antrum mastoideum im Rahmen der Grunderkrankung Schwellung der Mastoidschleimhaut, ggf. akute Mastoiditis 4 bei Beteiligung der otobasalen Knochenstrukturen können z. T. das Mittel- und Innenohr, die Blutsinus und die Duragrenze entzündlich infiltriert und zerstört werden → otogene und endokranielle Komplikationen
Klinik 4 . Tabelle Klinische Bilder der Otitis media Diagnose
Beschwerden
Befunde
Otalgie, ggf. Fieber, Hypakusis Otorrhoe
1. Phase: Trommelfell gefäßinjiziert, Schallleitungsschwerhörigkeit
akute Otitis media bakterielle OM
2. Phase: Trommelfell gerötet, vorgewölbt, Schallleitungsschwerhörigkeit
32
3. Phase: Trommelfell stark gerötet, perforiert, eitrige Otorrhoe, Schallleitungsschwerhörigkeit Ursachen meist Streptococcus pneumonie, Haemophilus influenzae, Moraxella catarrhalis, Streptococcus pyogenes, Staphylococcus aureus selten: nekrotisierende Scharlach-Otitis media (durch Bacteriophagen (Viren) innerhalb der Streptococcen ausgeschiedene Toxine, kann die Innenrohrfunktion ausfallen Grippeotitis (viral)
starke Otalgie, Hypakusis, ggf. Schwindel, oft Innenohrbeteiligung
hämorrhagische Bullae des Trommelfells, kombinierte Schwerhörigkeit selten: nekrotisierende Masern-Otitis media
GradenigoSyndrom (Pyramidenspitzensyndrom) 6
starke Gesichtsschmerzen Abduzensparese fötide Otorrhoe
akute Otitis media (vorausgehend) als akute Exazerbation der chronischen Otitis media oder des Cholesteatoms
345 32.3 · Erkrankungen des Mittelohrs, des Trommelfells und der Otobasis
Klinische Bilder der Otitis media (Fortsetzung) Diagnose
Beschwerden
Befunde
chronische Otitis media sekretorische Otitis media
Ohrgreifzwang (Kleinkinder), Hypakusis
Trommelfell vorgewölbt, nicht gerötet, gefäßinjiziert, gelblicher Erguss, Schallleitungsschwerhörigkeit
Otitis media mit Erguss
Otorrhoe trübe, gelblich oder klar, Hypakusis
Trommelfellperforation oder Paukenröhrchen in situ, Schallleitungsschwerhörigkeit
chronische mesotympanale Otitis media (. Abb. 47a, Farbteil)
Hypakusis, bisweilen Otorrhoe
Trommelfell perforiert ohne Beteiligung des Limbus, mit oder ohne Sekretion, Kettendestruktion selten, Schallleitungsschwerhörigkeit
Adhäsivprozess
bisweilen ohne Beschwerden, Hypakusis
nicht übersehbare Retraktionstasche oder Adhäsivprozess (Grad 1–4 nach Sadé), Schallleitungs-SH (<50 dB = Kette intakt, ≥50 dB = Kettendestruktion)
Cholesteatom (. Abb. 47b, Farbteil)
chronische fötide Otorrhoe, Hörminderung
Trommelfell perforiert randständig od. Pars flaccida, ggf. Signalpolyp, mit oder ohne Sekretion, Schallleitungsschwerhörigkeit, Kettendestruktion häufig Komplikationen: Fazialisparese, Bogengangfistel, Meningitis bei Superinfektion; Befunde oft unterschätzt!
Felsenbeinspitzencholesteatom
im Einzelfall beschwerdefrei oder mit kombinierter Schwerhörigkeit, Kopfschmerz, Abduzensparese
bisweilen symptomarme Vorgeschichte mit plötzlichem Beginn der Akutsymptomatik, CT-Befund mit Raumforderung der Pyramidenspitze (7 Gradenigo-Syndrom)
genuines Cholesteatom
Frühphase oft symptomarm, oft als kindliches Cholesteatom, später: Hypakusis, Fazialisparese, Schwindel
Trommelfell geschlossen, nicht immer Schallleitungsschwerhörigkeit! Verhalten des Cholesteatoms meist aggressiver, höhere Rezidivneigung
Diagnostik 4 Mikrootoskopie 4 Prüfen der Trommelfellbeweglichkeit durch Siegle-Trichter (pneumatische Ohrlupe) 4 Impedanzaudiometrie (Tympanometrie, Tubenfunktionsprüfung [Valsalva-, Toynbee-Manöver]) nur möglich bei geschlossenem Trommelfell 4 Sinustonschwelle naudiometrie 4 Röntgenaufnahme des Mastoids nach Schüller, bei Komplikation hochauflösendes Felsenbein-CT
32
Eigene Notizen
346
Kapitel 32 · Ohr, Otobasis
Eigene Notizen
4 im Einzelfall Fazialis-Funktionsprüfung, subjektive Gustometrie, bei ausgedehnten Prozessen Prüfen der N.-abducens-Funktion 4 ggf. Labyrinthfunktionsprüfung (Spontannystagmus, Kopf-ImpulsTest, VEMP) 4 ggf. Abstrich bei Otorrhoe zur gezielten Antibiotikaauswahl
Therapie . Tabellen Behandlung der Otitis media Diagnose
Indikation
Therapie
Schmerzen
Paracetamol oder Ibuprofen (oral) ab 12 Jahre rectal, Xylometazolin nasal 3-stündlich in der Akutphase
Trommelfell deutlich vorgewölbt oder Innenohrbeteiligung, Fieber
Amoxicillin oral (Komplikationen nicht signifikant seltener mit Antibiose!)
Innenohrbeteiligung, Schwindel, Fazialisparese
Parazentese, Antibiotika (Amoxicillin, Makrolide bei Allergie, Cephalosporine 2. Generation nur bei Fehlschlagen der Therapie)
Infekt obere Luftwege, Nasenatmungsbehinderung
Xylometazolin Nasentropfen, 3-stündlich, maximal 5 Tage Dauer
Schmerzen
Paracetamol/Ibuprofen, ggf. + Tramadol
sensorische Schwerhörigkeit
Prednisolon 250 mg, dann abfallend
GradenigoSyndrom (Pyramidenspitzen-Syndrom)
starke Gesichtsschmerzen Abduzensparese fötide Otorrhoe Nachweis im CT
Notfallindikation! sofortige Hospitalisierung, hochdosierte Antibiose bei weiteren Funktionsausfällen sofortige Operationsindikation nach CT-Befund transmastoidal, ggf. retrosigmoidal; transmastoidaler, infralabyrinthiner und suprajugulärer Zugangsweg zur Felsenbeinspitze, ggf. Indikation zu Felsenbeinteilresektion und Labyrinthektomie
sekretorische Otitis media
Muko- oder Mukoserotympanon bei Rezidiv oder Persistenz über 3 Monate
Parazentese und Paukenröhrchen Nasenracheninspektion, ggf. Adenotomie
Otitis media mit Erguss 6
Muko- od. Mukoserotympanon
Parazentese und Paukenröhrchen Nasenracheninspektion, ggf. Adenotomie
akute Otitis media bakterielle Otitis media
32 Grippeotitis (viral)
347 32.3 · Erkrankungen des Mittelohrs, des Trommelfells und der Otobasis
Behandlung der Otitis media (Fortsetzung) Diagnose
Indikation
Therapie
Otitis media mit Erguss
Allergie oder Intoleranzerkrankung
Antihistaminika oral, ggf. Montelucast
Otorrhoe bei liegendem Paukenröhrchen
Paukenröhrchen-Wechsel (Superinfektion mit Biofilm!), keine Entfernung!
chronische mesotympanale Otitis media
Trommelfellperforation Otorrhoe Schallleitungsschwerhörigkeit
Tympanoplastik ggf. Kettenrekonstruktion (Typ IIIb), Attiko-Antrotomie (. Abb. 46e–g, Farbteil)
Adhäsivprozess
Schallleitungsschwerhörigkeit
Tympanoplastik (Typ IIIb), ggf. Radikalhöhlenoperation
Cholesteatom
absolute Operationsindikation
Tympanoplastik als geschlossene Technik = Erhalt der hinteren Gehörgangswand (bei kleinem Befund) oder offene Technik = Radikalhöhlenoperation mit 1 Jahr später nachfolgender Zweitoperation (»Second-look-Operation« und ggf. Verkleinerung der Höhle [Wiederaufbau der hinteren Gehörgangswand])
Felsenbeinspitzencholesteatom
absolute Operationsindikation
mikrochirurgische Entfernung nach CT-Befund transmastoidal, ggf. retrosigmoidal; transmastoidaler, infralabyrinthiner und suprajugulärer Zugangsweg zur Felsenbeinspitze, ggf. Indikation zu Felsenbeinteilresektion und Labyrinthektomie
genuines Cholesteatom
absolute Operationsindikation
Tympanoplastik oder Radikalhöhlenoperation
Typen der Tympanoplastik nach Wullstein TyP
Operative Maßnahmen
Typ I
Deckung der Perforation mit Faszie oder Knorpel/Perichondrium
Typ II
Überbrückung bei Teildefekt der Kette (selten ausgeführt)
Typ III
a Kopplung zwischen Trommelfell (oder Transplantat) und Stapes oder Stapesfußplatte ohne Kettenüberhöhung b Kopplung mittels Knorpelchip oder Ossikelprothese (Eigenamboßinterponat oder Titanprothese), somit Kettenüberhöhung (PORP oder TORP s. unten)
Typ IV
Auflegen des Trommelfell auf die Stapesfußplatte und Abdecken des runden Fensters mit Knorpel zur Schallprotektion (selten ausgeführt)
Typ V
Fensterungsoperation, d. h. Schallübertragung über artifiziell angelegtes Bogengangsfenster (selten ausgeführt, historisch)
32
Eigene Notizen
348
Kapitel 32 · Ohr, Otobasis
Eigene Notizen
4 Techniken der Rekonstruktion der Gehörknöchelchenkette mittels Implantatprothesen 5 PORP (»partial ossicular replacement prosthesis«): Interpositionsprothese bei erhaltener Stapessuprastruktur 5 TORP (»total ossicular replacement prosthesis«): Interpositionsprothese bei nicht erhaltener Stapessuprastruktur
32.3.4
Nicht-entzündliche Erkrankungen des Mittelohrs
4 mit Schallleitungsschwerhörigkeit einhergehende Erkrankungen des Mittelohrs, der Otobasis und der Gehörknöchelchenkette unterschiedlicher, z. T. unbekannter Ätiologie (. Tabelle) Nicht-entzündliche Erkrankungen der Otobasis Diagnose
Ätiologie, Spontanverlauf
Otosklerose
komplexe Erkrankung des Knochens im Felsenbein. Neben exogenen Faktoren werden für familäres Auftreten (autosomal dominant) genetische Ursachen angegeben (6 bislang noch nicht identifizierte Gen-Loci). Ätiologisch wird das RELN-Gen diskutiert. Befunde sprechen für eine entzündliche Genese mit persistierender Immunantwort gegen Masern-Virus-Antigen. Kann im Verbund mit Osteogenesis imperfecta und blauen Skleren (van-der-Hoeve-Syndrom) auftreten. Herdförmige Aktivität von Osteoblasten im Bereich von Prädilektionsstellen des Os temporale, symptomatisch bedeutsam in der Labyrinthkapsel (Kapselotosklerose) und am ovalen Fenster, vor allem an der Fissula ante fenestram. Progrediente Stapesankylose mit Schallleitungsschwerhörigkeit. Vermehrte Aktivität in der Schwangerschaft nicht signifikant. Frauen zu Männer betroffen 2 : 1
idiopathische Hammerkopffixation
unbekannte Ätiologie, Fixierung des Hammerkopfs im Kuppelraum durch enge Verhältnisse oder durch Kalzifikation des Hammerligaments mit progredienter Schallleitungsschwerhörigkeit
Sarkoidose
Antigen-Präsentation durch Makrophagen gegenüber T-Lymphozyten, dadurch pathologisch ausgelöste T-Zellantwort mit Freisetzung von Zytokinen, die Granulome induzieren. Sarkoidose ist eine nicht infektiöse spontane granulomatöse Erkrankung der Schleimhaut an Mittelohr, Mastoid und Tuba Eustachii. Kann im Rahmen der generalisierten Sarkoidose (Hauptmanifestation pulmonal) auftreten. Meist unter dem Bild der chronischen Otitis media auftretende Otorrhoe und Schallleitungsschwerhörigkeit
32
Klinik 4 Otosklerose und idiopathische Hammerkopffixation 5 Hörminderung 5 unauffälliger Trommelfellbefund 5 regelrechte Pneumatisation des Mastoids (Röntgen des Mastoids nach Schüller) 5 Schallleitungsschwerhörigkeit 5 Ausfall des Stapediusreflexes 5 bei Kapselotosklerose kombinierte Schwerhörigkeit
349 32.3 · Erkrankungen des Mittelohrs, des Trommelfells und der Otobasis
4 Sarkoidose 5 Mikrootoskopie mit Granulation des Trommelfells histopathologisch einem Granulom entsprechend 5 Trommelfellperforation und therapierefraktärer Otorrhoe 5 Schallleitungsschwerhörigkeit ipsilateral
Diagnostik 4 4 4 4
Tonschwellenaudiogramm Impedanzaudiometrie Röntgen des Mastoids nach Schüller Stapediusreflexmessung
Therapie 4 Otosklerose, idiopathische Hammerkopffixation 5 abhängig von der Innenohrleistung und dem Schallleitungsanteil der Schwerhörigkeit Hörgeräteversorgung oder Tympanotomie 5 bei intraoperativem Nachweis der Otosklerose mit Stapesankylose CO2-laserchirurgische Stapedotomie mit Perforation der ankylosierten Fußplatte und Einsatz einer Titan-Stapesprothese, die am langen Ambossfortsatz fixiert wird (. Abb. 46h, Farbteil) 5 bei Nachweis der idiopathischen Hammerkopffixation, Kettenunterbrechnung, Ambossentnahme, Abstanzen des Hammerkopfs und Tympanoplastik Typ IIIb mit Titan-Protheseninterposition (PORP) (7 Abschn. 32.3.3, Tympanoplastik) 4 Sarkoidose 5 Kortikoidtherapie 5 Tympanoplastik bei medikamentöser Beherrschung oder zumindest Stabilisierung des Krankheitsbilds zur Beherrschung der Ohrsekretion und zur Hörverbesserung 5 Verlaufskontrolle hierzu notwendig
32.3.5
Tumoren des Mittelohrs und Mastoids
4 seltene Tumoren der Ohrschädelbasis 4 neben Paragangliomen (Glomus-jugulare-, Glomus-tympanicumTumoren) werden sehr selten Metastasen im Felsenbein beobachtet 4 bei 25% der Paragangliome sind Genmutationen Ursache 4 die stark vaskularisierten Paragangliome wachsen langsam raumfordernd im Mittelohr bzw. im Foramen jugulare, Tumorklassifikation . Tabelle 4 primär maligne Tumoren des Felsenbeins und Metastasen treten sehr selten auf und sind i. d. R. Zufallsbefunde
32
Eigene Notizen
350
Kapitel 32 · Ohr, Otobasis
Eigene Notizen
Tumorklassifikation der Paragangliome des Felsenbeins nach Fisch Typ
Ausdehnung
Typ A
Tumoren mit Ausdehnung bis zum Mittelohr
Typ B
Tumore mit Ausdehnung bis in die Paukenhöhle und den Mastoidbereich, ohne Beteiligung des unteren Labyrinthbereiches
Typ C
Tumoren mit Ausdehnung in den unteren Labyrinthbereich des Schläfenbeins bis zur Felsenbeinspitze
Typ D1
Tumoren mit intrakranieller Ausdehnung von weniger als 2 cm Durchmesser
Typ D2
Tumoren mit intrakranieller Ausdehnung von mehr als 2 cm Durchmesser
Klinik 4 Paragangliome können pulssynchronen Tinnitus und Schallleitungsschwerhörigkeit verursachen 4 bei zunehmender Größe treten durch die Raumforderung im Foramen jugulare Paresen der Nervi glossopharyngeus und vagus (Dysphagie) sowie des Nervus accessorius (Schulterheberschwäche) auf
Diagnostik
32
4 Mikrootoskopie mit dunkel rot durchschimmerndem Tumor hinter dem transparenten Trommelfell, meist im hinteren unteren Quadranten (. Abb. 48, Farbteil) (Differenzialdiagnose: hochstehender Bulbus venae jugularis) 4 pulssynchroner Tinnitus ipsilateral 4 Schallleitungsschwerhörigkeit 4 bei zunehmender Größe durch Raumforderung im Foramen jugulare Dysphagie, Parese des Nervus accessorius 4 Bilddiagnostik der Gefäßversorgung des Tumors mittels Angio-CT, Angio-MRT oder arterieller Angiographie
Therapie 4 präoperativ Tumorembolisation 4 Zugangsweg abhängig von der Tumorgröße transmastoidal/transzervikal oder transtemporal, ggf. retrosigmoidal 4 in Einzelfällen wird strahlentherapeutisch ggf. auch postoperativ kombiniert behandelt 4 Rezidive in weniger als 5% der Fälle
32.4
Erkrankungen des Innenohrs
32.4.1
Fehlbildungen des Innenohrs
4 18% der Fälle durch exogene Ursachen (z. B. pränatale Rötelninfektion, Hypoxie unter der Geburt, Meningoenzephalitis, Otitis media, Trauma)
351 32.4 · Erkrankungen des Innenohrs
4 weitere 25% genetisch verursacht – 57% unbekannte Ursache 4 syndromale Innenohrschwerhörigkeit in 30% der Fälle prälingualer Taubheit (frühkindlich erworbene Taubheit oder kongenitale Erkrankung = Gehörlosigkeit) weit überwiegend bilateral (. Tabellen) (Häufigkeiten nach Zahnert 2011) Syndromale Innenohrschwerhörigkeiten Syndrom
Symptome
dominant Waardenburg-Syndrom (einige Typen autosomal-rezessiv)
Pigmentstörung Haare, Haut, Iris, Hypertelorismus 2% mit kongenitaler Schwerhörigkeit
branchio-oto-renales Syndrom
Niereninsuffizienz, Nierenaplasie Halsfisteln Mittelohr- und Innenohrfehlanlagen
Franceschetti-Syndrom (Dysostosis mandibulofacialis), Treacher-Collins-Syndrom
mandibulofaziale Dysplasie
Crouzon-Syndrom
Kraniosynostose, Hypertelorismus, Strabismus divergens, mandibulofaziale Dysplasie
Osteogenesis imperfecta
Knochenbrüchigkeit (»Glasknochen«), Skelettdeformitäten, Herzklappeninsuffizienz, blaue Skleren, Sklerose der Innenohrkapsel und Stapesankylose
Apert-Syndrom
Akrozephalosyndaktylie
Alport-Syndrom (in 80% der Fälle autosomal-dominant)
chronisch progrediente Nephropathie, Katarakt
rezessiv Usher-Syndrom
Retinitis pigmentosa
Pendred-Syndrom
durch Fehlen der Thyreoperoxidase Entwicklung einer Hypothyreose durch Mutation des Pendrin wird dessen Kanalfunktion gestört. Im Alter zwischen 3 und 14 Jahren daher progrediente sensorische Schwerhörigkeit und Labyrinthfunktionsstörung
Jervell/Lange-Nielsen-Syndrom
verlängertes QT-Intervall im EKG mit Rhythmusstörung, Ursache für plötzlichen Kindstod
Alport-Syndrom (in 10% der Fälle autosomal rezessiv)
s. oben
X-chromosomal Alport Syndrom
s. oben
VATERL-Assoziation
V = vertebral anomalies, A = anal atresia, C = cardiovascular anomalies, T = tracheoesophageal fistula, E = esophageal atresia, R = renal (Nierenfehlbildung), L = limb defects
32
Eigene Notizen
352
Kapitel 32 · Ohr, Otobasis
Eigene Notizen
Syndrome ohne eindeutige Vererbungsmuster Syndrom
Genetik
DiGeorge-Syndrom
90–95% De-novo-Deletion, d. h. nicht vererbt
Pfeiffer-Syndrom
Mutation der Gene FGFR-1 und FGFR-2 (»fibroblast growth factor receptor 1 und 2«)
GoldenharSyndrom
nur in geringem Maße erblich, Folge teratogener Effekte wird vermutet
Moebius-Syndrom
reziproke Chromosomentranslokation wird als Ursache vermutet
Alport-Syndrom
10% der Fälle Neumutationen
CHARGE-Syndrom
C = Kolobom des Auges, H = Herzfehler, A = Atresie der Choanen, R = retardiertes Längenwachstum, G = Geschlechtsorgananomalien, E = Ohrfehlbildungen Neumutationen im CHD7-Gen auf dem 8q12
4 nicht-syndromale Ursachen 5 in 70% der Fälle prälingualer Taubheit, davon wiederum 80% autosomal-rezessiv, 20% autosomal-dominant 5 <2% mitochondriale oder X-chromosomale Defekte 5 50% der Fälle autosomal-rezessiver Schwerhörigkeit durch Mutation des GJB2-Gens (Connexin 26) im Chromosomenbereich 13q11-12 verursacht 5 seltener auch Mutationen des Connexin 30 und 31; bei Connexin 31 extrem selten auch dominanter Erbgang
32
Klinik 4 4 4 4
Gesamtaspekt bei syndromalen Bildern positiver Befund bei Neugeborenen-Hörscreening Sprachentwicklungsverzögerung Fehlbildung des äußeren Ohrs als potenzieller Hinweis
Diagnostik 4 Impedanzaudiometrie, OAE, BERA, ASSR (objektive Audiometrie zum Nachweis des tieffrequenten Hörvermögens als Ergänzung zur BERA) 4 hochauflösendes Felsenbein-CT 4 pädiatrische Untersuchung bei Verdacht auf syndromale Erkrankung
Therapie 4 > Memo Die Therapie der Hörstörung ist einzubetten in das Gesamtkonzept der Habilitation des Kindes unter Berücksichtigung aller Entwicklungsdefizite und Fehlbildungen. 4 Behandlung der Schwerhörigkeit frühestmöglich, d. h. möglichst bis zum 6. Lebensmonat 4 in Abhängigkeit vom CT-Befund Cochlea-Implantation, auch möglich bei Mondini-Deformität (nur 1,5 Windungen der Cochlea) oder »Common-cavity-Anomalie« (Cavität statt Cochlea mit den normalen 2 1/2 Windungen) möglich
353 32.4 · Erkrankungen des Innenohrs
4 Cochlea-Implantat 5 elektronische Innenohrprothese zur Behandlung der kochleären Taubheit und Gehörlosigkeit (= konnatale Taubheit) und hcohgradigen Schwerhörigkeit mit Elektrodenarray aus Silikonträger und Elektroden entlang des Trägers zur artifiziellen elektrischen Stimulation des Ganglion spirale. Dadurch Reizung der Hörbahn mit ipsilateralem Höreindruck und Sprachverstehen möglich (. Abb. 43, Farbteil) 5 Elektroden sind verbunden mit einem Elektronikimplantat, das eine Empfangsantenne, HF-Demodulator, frequenzgestuften Elektrodentreiber mit Stimulusimpulsformer enthält 5 durch kurzfristiges Umschalten von Stimulationsmodus in den Registriermodus werden durch Aktivieren von Biosignalverstärkern zum Aufzeichnen der neuralen Hörbahnantwort nach Stimulation die reizabhängigen Antworten der Hörbahn durch Elektrostimulation aufgezeichnet und objektiviert (Neuromonitoring). Das Verfahren wird bereits intraoperativ zur Funktionskontrolle eingesetzt und ist unabhängig von der Vigilanz des Patienten 5 Sprachprozessor J außen getragenes Head-Set ähnlich einem HdO (hinter-demOhr)-Hörgerät mit Mikrofon und Signalprozessor, der die Kodierung des elektroakustischen Signals in die einzelnen Stimulationskanäle des Cochlea-Implantats vornimmt J HF-Modulation zur transkutanen (geschlossene Haut) Übertragung der Signale und der Energieversorgung des Implantats über eine magnetzentrierte Antennenstrecke (induktiv) 5 Platzierung des Elektrodenarrays transmastoidal über eine posteriore Tympanotomie (Zugang zum Mittelohr im chordafazialen Winkel) via Kochleostomie (mikrochirurgische Bohröffnung der Cochlea) am runden Fenster. Insertion der Elektrode in die Scala tympani. Kontrolle der Platzierung über neurale Antworten, die telemetrisch intraoperativ registriert werden. Postoperativ Grundeinstellung der Stimulationselektronik (Erstellen einer Map) 5 Verfahren für Kinder >6 Monaten <8–9 Jahre ohne auditive Sprachkompetenz (prälingual) (d. h. ohne jemals Sprache gehört zu haben) und für Kinder und Erwachsene mit Sprachkompetenz (postlingual) geeignet 5 für Implantationskandidaten präoperative Immunisierung gegen Pneumokokkeninfektion obligat (erhöhtes Meningitisrisiko!) 5 Therapieergebnisse J bei erwachsenen postlingual implantierten Patienten wird Sprache in Ruhe im Mittel zu 78% verstanden, Sprachverstehen im Störgeräusch mit Implantat im Mittel zu 64%. Das entspricht dem Ergebnis, das Patienten mit geringeren Graden an Schwerhörigkeit im Mittel mit konventionellen Hörgeräten erreichen J bei Kindern sind Hörergebnis und Sprachverstehen von einer Reihe von Faktoren abhängig. Die Varianz der Ergebnisse ist beträchtlich. Sehr bedeutsam ist die frühe Implantation innerhalb des ersten Lebensjahrs. Damit erreicht mehr als ein Drittel dieser Kinder
32
Eigene Notizen
354
Kapitel 32 · Ohr, Otobasis
Eigene Notizen
ein offenes Sprachverstehen. Nach ca. 6 Jahren wird ein Niveau mit im Mittel 60% Sprachverstehen im Störgeräusch erreicht 4 bei bilateral fehlender Anlage der Cochlea taktile Hörhilfen oder elektronisches Hirnstammimplantat 4 > Memo In jedem Fall institutionelle pädagogische Frühförderung gehörloser (= kongenital tauber) Kinder!
32.4.2
Verletzungen des Innenohrs
4 durch Druckwellen (Lärm, Knall, Explosion, Schlag auf das Ohr) hoher Intensität transiente oder permanente Funktionseinschränkung der Cochlea, vor allem der äußeren Haarzellen (. Tabelle) 4 Felsenbeinfraktur mit Ruptur der Labyrinthkapsel oder Contusio labyrinthi 4 Symptomatik tritt posttraumatisch ohne zeitliche Latenz auf Dauer und Intensität der Schalleinwirkung
32
Typ
Dauer der Schalleinwirkung
Intensität (Pegel) der Schalleinwirkung
Lärmtrauma
8h 1h 45 s
85 dB (A) 94 dB 113 dB
Knalltrauma
<1,5 ms
Lpeak >150 dB
Explosionstrauma (kann mit traumatischer Trommelfellperforation oder Gehörknöchelchenluxation einhergehen)
>1,5 ms
Lpeak >150 dB
Klinik 4 Hörminderung, diese kann abhängig vom Ausmaß der Exposition temporär oder permanent auftreten (TTS = temporary threshold shift; PTS = permanent threshold shift). 16 Std. nach Exposition ist mit dem Abklingen des TTS zu rechnen (Arbeitsplatzexposition) 4 Tinnitus 4 ggf. Beteiligung des Labyrinths mit Schwindelbeschwerden
Diagnostik 4 adäquate Exposition in der Anamnese 4 Tonschwellenaudiometrie mit typischer Schädigung der Cochlea um 4000 Hz (C5-Senke), Sprachaudiometrie zu Beginn der Erkrankung noch erhaltenes Sprachverstehen, bei Progredienz zunehmende Beeinträchtigung des Sprachverstehens zunächst nur im Störlärm, dann auch in Ruhe 4 OAE (TEOAE + DPOAE), Schwellen-BERA, Labyrinthfunktionsprüfung (kalorische Prüfung nur bei geschlossenem Trommelfell, VEMP)
355 32.4 · Erkrankungen des Innenohrs
4 ggf. hochauflösendes Felsenbein-CT zum Ausschluss einer Felsenbeinfraktur
Therapie 4 4 4 4
Prednisolon (250 mg) für 2 Tage, dann mit abfallender Dosierung Expositionsprophylaxe Rheologika tragen nicht zum Erfolg bei bei Felsenbeinfraktur (7 Abschn. 32.3.2) mit Frakturspalten der Labyrinthkapsel Tympanotomie und Abdecken mit Bindegewebs-Patches
32.4.3
Toxischer Schaden des Innenohrs
4 meist akzidentelle Überdosierung kochleo- oder vestibulotoxischer Medikamente 4 Verabreichung von Aminoglykosidantibiotika 4 Chemotherapie mit Cisplatin 4 transiente und permanente Funktionsausfälle sind möglich
Klinik 4 akute Hörminderung beidseits 4 Tinnitus 4 Beginn der Symptome oft im Hochtonbereich, daher selten Frühsymptome bemerkt
Diagnostik 4 Tonschwellenaudiometrie, Hochtonaudiometrie, Sprachaudiometrie 4 OAE, Labyrinthfunktionsprüfung (kalorische Prüfung, VEMP)
Therapie 4 Sofortiges Absetzen der Medikamente, falls vital vertretbar 4 Kortikoidtherapie nicht mit sicherem Therapieeffekt im Schrifttum belegt
32.4.4
Entzündungen des Innenohrs
4 fortgeleitete bakterielle Entzündung nach/während akuter Otitis media, akuter Mastoiditis, bakterieller Meningitis oder hämatogen (vor allem bei viraler Infektion)
Klinik 4 wegen der vorausgehenden Mittelohrerkrankung wird die zusätzliche kochleäre Funktionsstörung meist im Akutstadium nicht registriert 4 akutes Auftreten von ipsilateraler Hörminderung, Tinnitus, Schwindelbeschwerden, ggf. Spontannystagmus
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Eigene Notizen
356
Kapitel 32 · Ohr, Otobasis
Eigene Notizen
Diagnostik 4 Tonschwellenaudiometrie, Impedanzaudiometrie, falls bei Mittelohrerkrankung möglich 4 OAE, Labyrinthfunktionsprüfung, falls bei pathologischer Mittelohroder Trommelfellsituation möglich (wegen der akuten Otitis media Kopf-Impuls-Test statt kalorischer Prüfung, VEMP)
Therapie 4 4 4 4
hochdosierte Antibiotikatherapie i.v. nasale Abschwellung mit Xylometazolin (nicht evidenzbasiert) ggf. Parazentese und Paukenröhrchen bei akuter Mastoiditis sofortige Mastoidektomie
32.4.5
Hörsturz
Ätiologie
32
4 idiopathische, akute kochleäre Funktionsstörung fakultativ mit Labyrinthbeteiligung weitgehend ungeklärter Ätiologie 4 neben Ischämie werden Autoimmunreaktionen, postinfektiöse Immunreaktionen, genetisch programmierte Haarzellapoptosen und hydrostatische Druckfehlregulationen ätiologisch diskutiert 4 Insbesondere für Fälle mit rezidivierenden Hörstürzen werden Genmutationen angenommen (in 10–37% der Fälle). Häufigste Genmutation im Zusammenhang mit erworbenen und angeborenen Hörstörungen betrifft das Connexin 26 und 30. Bei 2% der Patienten mit sensorineuraler Hörstörung bestehen heterozygoten Mutationen im GJB2-Gen (Connexin 26) und heterozygote 342 kb-Deletion im für das Connexin 30-Protein kodierenden GJB6-Gen. 4 pathophysiologisches Konzept der spontanen Perilymphfistel nicht belegt 4 bei Kindern und Jugendlichen psychogene Hörstörung (ggf. durch Wiederholung der Audiometrie ausschließen)
Klinik 4 akute Hörminderung 4 Tinnitus 4 Ohrdruck, meist einseitig
Diagnostik 4 Tonschwellenaudiometrie, OAE 4 ! Cave Keine überschwellige Diagnostik im Akutstadium wegen Gefahr der Traumatisierung des Innenohrs (Sprachaudiometrie Stapediusreflex, BERA)! 4 bei Verlängerung der interauralen Laufzeitdifferenz (Potenzial JI–JV) >0,25 Indikation zur MRT des Kleinhirnbrückenwinkels zum Ausschluss des Akustikusneurinoms (Vestibularisschwannom)
357 32.4 · Erkrankungen des Innenohrs
Therapie 4 Spontanremission >60% 4 Kortikoidtherapie ohne sichere Evidenzbelege 4 Rheologika und hyperbare Sauerstofftherapie ohne nachweisbaren Einfluss 4 kaum belastbare Studienergebnisse 4 bei Schwellenabfall ≥50 dB in mindestens 3 Frequenzen Indikation für Tympanotomie und Nischenabdeckung mit Bindegewebe (Erfolgsrate 50% der Fälle) 32.4.6
Tinnitus
4 Wahrnehmung eines Ohrgeräuschs uni- oder bilateral ohne externe Schallquelle 4 bisweilen wechselnder tonaler Charakter und wechselnde Intensität 4 quälender Charakter der Beschwerden bis zur Suizidalität der Patienten 4 Beschwerdeintensität unabhängig vom Grad der Hörminderung 4 Beschwerden abhängig von der gesamten Wahrnehmung und physischen wie psychischen Belastung der Patienten 4 pulssynchrones Ohrgeräusch kann hinweisen auf: 5 arterielle Hypertension 5 Glomustumor der Otobasis Paragangliom (Glomus jugulare/tympanicum Tumor) 5 Sinus-Dura-Fistel (arteriovenöse Fistel zwischen A. occipitalis und Sinus sigmoideus)
Klinik 4 subjektive Wahrnehmung von Ohrgeräuschen
Diagnostik 4 4 4 4
Tonschwellenaudiogramm Tinnitusskalierung (Frequenz und Intensität über kontralaterales Ohr) Tinnitusverdeckungskurve (nach Feldmann mit Schmalbandrauschen) Prüfen der Zahnokklusion wegen myofazialer Dysfunktion als potenzieller Ursache 4 bei Verdacht auf Paragangliom, Sinus-Dura-Fistel oder vaskuläre Malformation bildgebende Diagnostik mit Gefäßdarstellung (je nach Lokalisation Doppler-/Duplexsonographie der Kopf-/Halsgefäße und (Angio-)MRT
Therapie 4 keine Evidenz für medikamentöse Therapieverfahren 4 Korrektur der dentalen Okklusion bei Lateralbewegung oder Fehlokklusion (Aufbissschiene, Esmarch-Schiene, ggf. kieferorthopädische Maßnahmen, Dysgnathieoperation) 4 ggf. Tinnitusretraining oder Psychotherapieverfahren 4 Korrektur der häufig vorliegenden Hochtonschwerhörigkeit durch Hörgeräteanpassung abhängig vom Ergebnis der Tinnitusverdeckungskurve Anpassen eines Tinnitusmaskers oder Tinnitusinstruments (=Hörgerät + Tinnitusmasker)
32
Eigene Notizen
358
Kapitel 32 · Ohr, Otobasis
Eigene Notizen
32.4.7
Morbus Menière und Menière-Syndrom
4 Rezidivierende cochleovestibuläre Störung mit Attacken von ≥20 min Dauer 4 in 30% der Fälle bilaterales Auftreten innerhalb von 4 Jahren nach Beginn der Erkrankung 4 meist unregelmäßige Intervalle 4 progrediente Funktionsminderung in Cochlea und Labyrinth 4 idiopathische Erkrankung = Morbus Menière idiopathischer endolympathischer Hydrops 4 bekannte Ätiologie = Menière Syndrom (z. B. narbige Strikturen im Endolymphschlauch des Labyrinths, mittelohrvermittelte Druckerhöhung im Labyrinth)
Klinik 4 Attacken von Drehschwindel 4 Hörminderung und Tinnitus sowie fakultativ Druckgefühl im Ohr für die Dauer von minimal 20 min in zwei wiederholten Fällen 4 zu Beginn der Erkrankung werden monosymptomatische Bilder beobachtet 4 Attacken bisweilen von Übelkeit und Erbrechen begleitet, Patienten dabei im Stehen und Gehen beeinträchtigt, niemals mit Bewusstlosigkeit einhergehend
Diagnostik
32
4 Akutphase 5 Tonschwellenaudiometrie ohne typisches pathognomisches Frequenzmuster 5 Beobachtung eines Spontannystagmus mittels Lupenbrille nach Frenzel 5 Kopf-Impuls-Test 5 thermische Prüfung 5 Tympanometrie zum Ausschluss mittelohrbedingter Ursache (Menière-Syndrom) 5 Ausschluss zentralnervöser Ursachen für akuten Schwindel durch orientierende neurologische Untersuchung 4 in der Postakutphase weitergehende Differenzialdiagnostik und Verlaufskontrollen 5 hochauflösendes CT der Ohrschädelbasis 5 VEMP 5 vor therapeutischer Labyrinthausschaltung: Sprachaudiometrie, klinische Prüfung der vestibulären Kompensation
Therapie 4 Morbus Menière (idiopathischer endolymphatischer Hydrops) 5 Akutphase J Prednisolon 250 mg in den Folgetagen ausschleichende Dosis J Dimenhydrinat als Antivertiginosum J bei vegetativer Begleitsymptomatik stationäre Aufnahme
359 32.4 · Erkrankungen des Innenohrs
5 Postakutphase J Betahistin-Hydrochlorid (3×12 mg) in 70% der Fälle erfolgreich J für Therapieversager: endolymphatische Shuntoperation (Sakkotomie) als funktionserhaltende operative Therapie in ca. 66% der Fälle erfolgreich J bei Ausbleiben des Therapieerfolgs der Sakkotomie: operative Labyrinthausschaltung durch Vestibularis-Neurektomie (Gehör erhaltend), Kochleo-Sakkulotomie (schaltet kochleäre und vestibuläre Labyrinthfunktion aus) oder lokale Gentamicin-Therapie (oft mit sekundärer Hörverschlechterung verbunden) 4 Menière-Syndrom 5 Therapie entsprechend der Ätiologie, z. B. Paukenröhrcheneinlage bei mittelohrvermittelter Druckerhöhung
32.4.8
Vestibularisneuropathie
4 akuter einseitiger Ausfall der Labyrinthfunktion ohne begleitende Hörminderung 4 Ätiologie bislang ungeklärt, diskutiert werden Virusinfektion (Neuritis), Borrelien-Infektion, Ischämie, Autoantikörper (Cogan-Syndrom), genetisch disponierter akut einsetzender Haarzellverlust 4 Auftreten bei 3,5/100.000 Einwohnern 4 Spontanverlauf der Beschwerden günstig, da postakut die vestibuläre Kompensation die vestibulären Reflexe neu organisiert 4 Rezidive selten
Klinik 4 akut auftretende Gleichgewichtsstörungen mit meist horizontalem Spontannystagmus 4 begleitend Übelkeit, Erbrechen 4 Fallneigung, Einschränkung von Gehen und Stehen 4 keine begleitende neurologische Symptomatik oder Kopfschmerzen
Diagnostik 4 Kopf-Impuls-Test pathologisch bei Rotation nach ipsilateral 4 Tonschwellenaudiometrie: Normakusis; regelrechter Trommelfellbefund
Therapie 4 Akutphase 5 Prednisolon 250 mg mit ausschleichender Dosierung und Magenschutz (Omeprazol) 5 Antivertiginosa (Dimenhydrinat) nur innerhalb der ersten 3 Tage, um die vestibuläre Kompensation nicht zu beeinträchtigen 5 Aciclovir und rheologische Therapie ohne nachweisbaren Therapieeffekt 5 innerhalb der ersten 3–4 Tage Beginn des vestibulären Kompensationstrainings
32
Eigene Notizen
360
Kapitel 32 · Ohr, Otobasis
Eigene Notizen
32.4.9
Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel
4 idiopathisch auftretende Dislokation von Otokonien in dem Bereich von Bogengängen (primäre Form) überwiegend einseitig auftretend 4 posttraumatisch (Kopf-Anpralltrauma, Vibrationen oder im Rahmen akuter Labyrintherkrankungen 4 horizontaler Bogengang in ca. 10% der Fälle, posteriorer Bogengang in 80–90% und superiorer Bogengang in <10% betroffen (sekundärer benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel) 4 Rezidive treten in 1/3 der Fälle innerhalb eines Jahres, in der Hälfte der Fälle innerhalb von 5 Jahren selbst nach konservativer Therapie auf
Klinik 4 bei raschen Drehungen oder schrägen Kopfneigungen plötzlich einsetzender Drehschwindel, zum Teil mit Übelkeit und Erbrechen 4 Auftreten oft beim Umdrehen im Bett 4 Beschwerden mit Crescendo-/Decrescendo-Verlauf über ca. 20–30 s anhaltend
Diagnostik
32
4 Lagerungsmanöver nach Dix-Hallpike mit Nachweis torsionaler ageotroper Nystagmen unter der Frenzel-Brille zur Untersuchung der posterioren und superioren Bogengänge seitengetrennt. Posteriorer BG ipsilateral und superiorer BG kontralateral stehen in jeweils gleicher Ebene und werden daher gemeinsam untersucht! 4 Lagerungsmanöver nach Bárány mit Nachweis horizontaler geotroper Nystagmen unter der Frenzel-Brille zur Untersuchung des lateralen Bogengangs seitengetrennt
Therapie 4 benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel des posterioren Bogengangs 5 Lagewechselmanöver nach Brandt-Daroff 5 Repositionsmanöver nach Sémont oder nach Epley; durch die korrekte Geschwindigkeit der Bewegung und Bewegungsrichtung entlang der Kontur der Bogengänge werden so die Otolithen aus den Bogengängen in den Utriculus transportiert 5 bei Rezidiven kann die Behandlung wiederholt werden 5 bei Rezidiven 1× täglich Brandt-Daroff-Manöver durch den Patienten selbst 4 benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel des lateralen Bogengangs 5 Manöver nach Lempert durch 270°-Drehung in liegender Position um eine horizontale Achse oder nach Gufoni oder Vannucchi durch 12-stündiges Liegen auf dem gesunden Ohr 4 bei therapieresistenten Fällen mikrochirurgische Okklusion des Bogengangs
361 32.5 · Erkrankungen des Felsenbeins
32.4.10
Superiore Bogengangsdehiszenz
4 durch Provokation bei Heben schwerer Lasten, bei Pressen oder tiefem Bücken verursachte Drehschwindelbeschwerden 4 Schwindelbeschwerden bei lauten Geräuschen (Tullio-Phänomen) 4 Schwerhörigkeit meist geringen bis mittleren Ausmaßes 4 fehlende knöcherne Bedeckung des superioren Bogengangs zur mittleren Schädelgrube hin 4 Entstehen der Beschwerden bisweilen im Alter durch osteoporotische Ausdünnung der Schädelbasis 4 > Memo Die superiore Bogengangsdehiszenz ist die einzig bislang bekannte Innenohrerkrankung, die zu einer Schallleitungsschwerhörigkeit führt.
Klinik 4 dauerhafte Schwerhörigkeit 4 Schwindelbeschwerden bei einigen Patienten durch Provokationsmanöver unmittelbar auszulösen
Diagnostik 4 Tonschwellenaudiogramm mit Nachweis einer Schallleitungsschwerhörigkeit 4 cVEMP und oVEMP mit erniedrigter Schwelle ipsilateral 4 fehlende knöcherne Bedeckung des superioren Bogengangs im rekonstruierten Felsenbein-Dünnschicht-CT
Therapie 4 transtemporale Operation des Felsenbeins mit Okklusion des superioren Bogengangs oder mit Abdeckung des superioren Bogengangs im Bereich der Dehiszenz mittels Keramikimplantat (»resurfacing«) 32.5
Erkrankungen des Felsenbeins
32.5.1
Frakturen des Felsenbeins
4 bei Kopfanpralltrauma Berstung oder Trümmerung des Os temporale, bisweilen im Rahmen weiterer Schädel- und Schädelbasisfrakturen 4 traumatische Bruchspalten des Felsenbeins in Längs- (80%), Quer- (20%) oder kombinierte (prozentual schwer klassifizierbar) Richtungen 4 potenziell Beteiligung von Trommelfell, Kiefergelenk, Fazialiskanal, Innenohr und Labyrinth sowie des inneren Gehörgangs 4 ! Cave: Innenohrtrauma und Fazialisparese werden bei bewusstlosen Patienten in der Initialphase oft nicht erkannt.
Klinik 4 4 4 4
Auftreten bisweilen ohne äußere Prellmarke Längs-, Quer- und komplexe Frakturen möglich Verschwellung/Stufenbildung des äußeren Gehörgangs blutige oder seröse Otorrhoe
32
Eigene Notizen
362
Kapitel 32 · Ohr, Otobasis
Eigene Notizen
4 klare Otoliquorrhoe möglich bei Verletzung der Dura zu mittlerer oder hinterer Schädelgrube 4 Einriss des Sinus sigmoideus mit starker Blutung nach mastoidal oder intrakraniell 4 Trommelfellperforation (Trommelfellberstungsfraktur) 4 Hörminderung 4 akuter Drehschwindel 4 bei Längsfraktur in 20%, bei Querfraktur in 50% der Fälle periphere Fazialisparese akut oder als Spätparese 4 Hörminderung, Schwindelbeschwerden akut oder zweizeitig jeweils als Zeichen der Innenohrbeteiligung, unspezifisch bei frischem SchädelHirn-Trauma
Diagnostik
32
4 Mikrootoskopie meist mit Nachweis eines Hämatotympanons, Verletzung der Gehörgangshaut, bei Fraktur im Limbusbereich des Trommelfells Trommelrandbruch (s. oben) 4 Verifizieren einer Otoliquorrhoe oft schwierig bei blutiger Otorrhoe 4 bei Notfällen Stimmgabelprüfung 4 später Tonschwellenaudiometrie 4 Prüfen der Fazialisfunktion 4 Prüfen auf Spontannystagmus, Labyrinthfunktionsdiagnostik (wenn möglich Kopf-Impuls-Test, VEMP) 4 subjektive Gustometrie zur Prüfung der Chorda tympani 4 hochauflösende Computertomographie des Felsenbeins mit Darstellung im Knochenfenster (0,7 mm Schichtdicke, Knochenfenster) ( ! Cave Kleine Frakturspalten und Fragmente oft nicht erkennbar!) (Übersichtsröntgenaufnahmen des Mastoids nach Schüller oder des Felsenbeins nach Stenvers nicht mehr adäquat)
Therapie 4 Therapieindikationen abhängig von Befunden und der vorliegenden Funktionsstörung 4 bei Otoliquorrhoe initial steriles Abdecken des Ohrs 4 otobasale Liquorfisteln verschließen in der Regel spontan 4 periphere Fazialisparese 5 bei geringgradigen Paresen i.v. Prednisolon 250 mg für 2 Tage, dann ausschleichende Dosierung 5 bei fehlendem Ansprechen oder mittel- bis hochgradigen Paresen operative Fazialisdekompression transmastoidal mit Schlitzen des Perineuriums 4 geringgradige sensorineurale Schwerhörigkeit: i.v. Prednisolon 4 mittel-, hochgradige Schwerhörigkeit oder Ertaubung: Tympanotomie und Abdecken der Frakturspalten mit Bindegewebe 4 Labyrinthausfall: nach Ausschluss zentralnervöser Ursachen des akuten posttraumatischen Schwindels Tympanotomie und Abdecken der Frakturspalten mit Bindegewebe 4 Verschluss von Trommelfellperforationen mitttels Tympanoplastik
363 32.5 · Erkrankungen des Felsenbeins
32.5.2
Idiopathische und entzündlich verursachte Fazialisparesen
4 meist einseitige Lähmung der Gesichtsmuskulatur; einzelne oder sämtliche Äste des Nervus fazialis betroffen 4 i. d. R. auch Ausfall von Chorda tympani und Nervus stapedius 4 Inzidenz der idiopathischen Parese beträgt 20 pro 100.000 Einwohner/ Jahr 4 ohne Therapie bei 71% aller Patienten nach einem Jahr Wiederherstellung der Funktion, in 12% der Fälle nur mäßige Wiederherstellung, in 4% keine nennenswerte Besserung
Ätiologie 4 akute Durchblutungsstörungen perineuraler Gefäße 4 spontan auftretende Entzündungen (Mononeuritis) 4 in 18% der Fälle Herpes-simplex-Virus-Infektionen, in 26% HerpesZoster-Infektionen
Klinik 4 einseitige motorische Schwäche der Gesichtsmuskulatur mit peripheren Ausfallsmuster (auch Stirnmuskulatur betroffen) 4 bisweilen wird ipsilateral die Geschmackstörung vor allem für süß (Chorda tympani) angegeben
Diagnostik 4 Prüfen der Gesichtshaut durch Stirnrunzeln, Lidschluss, Mundspitzen, Wangen aufblasen, Zähne zeigen, Mundwinkel nach unten ziehen 4 subjektive Gustometrie 4 impedanzaudiometrische Untersuchung des Stapediusreflexes 4 Schirmer-Test zur Überprüfung der Tränensekretion 4 hochauflösende CT des Felsenbeins zum Ausschluss von Entzündungen oder Raumforderungen am Canalis facialis oder im Kleinhirnbrückenwinkel
Therapie 4 Prednisolon 250 mg p.o. oder i.v. für 2 Tage Dauer beginnend, in zweitägigen Intervallen abfallend und ausschleichend 4 bei frischer Herpes-Zoster-Infektion zusätzlich Gabe von Aciclovir i.v. 32.5.3
Entzündungen des Felsenbeins und der Felsenbeinspitze
7 Abschn. 32.3.3
32.5.4
Otitits externa maligna (necroticans)
4 nekrotisierende Ostitis und Osteomyelitis des Felsenbeins bei Patienten mit eingeschränkter Immunfunktion 4 meist als Spätkomplikationen bei schlecht eingestelltem Diabetes mellitus
32
Eigene Notizen
364
Kapitel 32 · Ohr, Otobasis
Eigene Notizen
4 Infektion mit Pseudomonas aeruginosa 4 frühe Formen werden meist unterschätzt, im Verlauf kommt es zurAusbreitung im Felsenbein mit Fazialisparese und weiteren Hirnnervenparesen 4 unbehandelt letaler Ausgang (in 10–20% der Fälle) 4 Rezidive in 9–27% der Fälle 4 Bei Vorliegen intrakranieller Komplikationen 100% Letalität
Klinik 4 4 4 4 4 4
Otalgie fötide Otorrhoe Schwellung der Gehörgangshaut Granulationsgewebe im äußeren Gehörgang bisweilen freiliegende Knochensequester in fortgeschrittenen Fällen periphere Fazialisparese (prognostisch extrem ungünstig)
Diagnostik 4 4 4 4 4
Blutzucker-Tagesprofil Hba1c im Serum lokaler mikrobiologischer Abstrich aus dem äußeren Gehörgang hochauflösendes Dünnschicht-CT des Felsenbeins ggf. Knochenszintigraphie
Therapie
32
4 stabile Einstellung des Diabetes mellitus 4 Antibiotikatherapie i.v. zunächst ohne Vorliegen eines Erregernachweises breitbandig, z. B. mit Ciprofloxacin i.v. (Pseudomonas-wirksam), ggf. nach Rücksprache mit Mikrobiologen. Falls erforderlich, Anpassung nach Vorliegen des Antibiogramms 4 bei fehlendem Ansprechen frühzeitige Indikation zu operativer Sanierung mit Resektion des ostitischen Knochens, meist im Rahmen einer Felsenbeinteilresektion 4 bei Fazialisparese unmittelbare operative Indikation unter gleichzeitiger Antibiotikatherapie 4 deutliche Verbesserung der Therapieeffekte durch hyperbare Sauerstofftherapie
32.5.5
Tumoren des Felsenbeins
4 7 Abschn. 32.3.5 4 weit überwiegend gutartige Tumoren 4 neben den Paragangliomen (s. oben) auch Meningiome und Schwannome, meist des Nervus vestibularis, seltener auch des Nervus facialis oder des Nervus acusticus 4 29–54% dieser Tumoren wachsen ohne Therapie, so dass weitere therapeutische Maßnahmen notwendig werden
365 32.5 · Erkrankungen des Felsenbeins
4 Begriff »Akustikusneurinom« ist sachlich nicht zutreffend, da es sich um Schwannome handelt, die vom Nervus vestibularis ausgehen und durch Druck unmittelbar benachbart im Meatus acusticus internus den Nervus acusticus sekundär schädigen 4 Vestibularisschwannome i. d. R. einseitig 4 bei Neurofibromatose Typ II oft bilaterale Vestibularisschwannome im zeitlichen Verlauf
Klinik 4 Leitsymptom: die einseitige, langsam zunehmende Hörminderung, bisweilen mit Tinnitus 5 wenn durch Tumorwachstum Gefäße lokal komprimiert werden, plötzlicher kochleärer Hörverlust möglich 5 Paresen und Funktionsausfälle der Labyrinthfunktion in diesem Zusammenhang weitaus seltener
Diagnostik 4 Tonschwellenaudiometrie und Kopf-Impuls-Tests für alle drei Bogengänge jeder Seite zur Klärung der peripheren Lage der Läsion 4 Auswertung überschwellig akustisch evozierter Frühpotenziale (BERA) im Seitenvergleich. Dazu wird beidseits jeweils die Laufzeitdifferenz der Potenziale JI–JV berechnet. Die Seitendifferenz beider Laufzeitdifferenzen muss im normalen Fall <0,25 ms sein (interaurale Laufzeitdifferenz) 4 sensitivstes, jedoch kostspieligstes Diagnostikverfahren zum Ausschluss des Vestibularisschwannoms ist die MRT des Hirnstamms 4 Prüfung der Gehörgangssensibilität nach Hitselberger hat wegen der ungenauen Befundlage keine Bedeutung mehr
Therapie 4 Strategie abhängig von der Größe, der Größenentwicklung über die Zeit und der Lage des Tumors, von radiologisch beobachtendem Abwarten (watch and wait-Strategie) bis zur invasiven Behandlung 4 stereotaktische Bestrahlung, fraktionierte Strahlentherapie und Mikrochirurgie möglich 4 fraktionierte Strahlentherapie (Linearbeschleuniger) liefert gegenüber der stereotaktischen Bestrahlung (Gamma-Knife) in Studien für Tumoren mit Durchmesser <25 mm besseren Hörerhalt (59–94% gegenüber 44–66%) 4 primäre Mikrochirurgie für größere Tumoren, bilaterale Schwannome und Rezidivtumoren indiziert, da in nur 40,8–57,5% der Fälle selbst bei kleinen Tumoren der Hörerhalt mittels retrosigmoidalem Zugang möglich ist 4 kombiniertes mikrochirurgisches und strahlentherapeutisches Vorgehen möglich 4 posttherapeutische Fazialisparesen nach einem Jahr in <10% der Fälle, bei Radiotherapie seltener als bei Mikrochirurgie
32
Eigene Notizen
33 Tag 4 – HNO
33
Nase, Gesicht, Mittelgesicht, Rhinobasis J. Ilgner
33.1
Erkrankungen der äußeren Nase und des Gesichts – 368
33.1.1 33.1.2 33.1.3 33.1.4 33.1.5 33.1.6
Mediane Nasenfistel und Nasenzyste – 368 Deformitäten der äußeren Nase – 369 Verletzungen der äußeren Nase – 370 Rosacea der Nase und Rhinophym – 371 Entzündungen des Gesichts und der äußeren Nase Tumoren der äußeren Nase – 373
33.2
Erkrankungen der inneren Nase – 375
33.2.1 33.2.2 33.2.3 33.2.4 33.2.5 33.2.6 33.2.7 33.2.8
Naseneingangsstenose/-atresie – 375 Choanalatresie – 376 Septumdeviation – 377 Nasenmuschelhyperplasie – 378 Nasale Fremdkörper und Rhinolithen – 379 Nasenseptumperforation – 379 Epistaxis – 380 Hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie (Morbus Osler-Rendu-Weber) – 382 Akute Rhinitis – 382 Allergische Rhinitis – 383 Chronische Rhinitis und chronische Rhinopathie – 385 Wegener-Granulomatose – 390 Granuloma gangraenescens (»midline granuloma«) – 390
33.2.9 33.2.10 33.2.11 33.2.12 33.2.13
– 371
33.3
Erkrankungen der Nasennebenhöhlen – 391
33.3.1 33.3.2 33.3.3 33.3.4 33.3.5 33.3.6 33.3.7 33.3.8
Akute Entzündung der Nasennebenhöhlen – 391 Barosinusitis – 393 Chronische Entzündungen der Nasennebenhöhlen – 394 Dentogene Rhinosinusitis – 400 Orbitale Komplikation der Rhinosinusitis – 401 Tränenwegsobstruktion – 402 Endokranielle Komplikationen der Rhinosinusitis – 403 Tumoren der inneren Nase, der Nasennebenhöhlen und der Rhinobasis – 404
33.4
Erkrankungen der Rhinobasis und des Mittelgesichts – 409
33.4.1 33.4.2 33.4.3 33.4.4 33.4.5
Fehlbildungen des Mittelgesichts – 409 Frakturen des Mittelgesichts – 410 Frakturen der Rhinobasis – 412 Osteomyelitis des Hirn- und Gesichtsschädels Rhinobasale Liquorfistel – 416
33.5
Erkrankungen der Orbita und periorbitalen Rhinobasis – 417
33.5.1 33.5.2 33.5.3 33.5.4
Orbitabodenfraktur (Blow-out-Fraktur) – 417 Endokrine orbitale Ophthalmopathie – 418 Pseudotumor orbitae – 418 Orbitale Tumoren und Metastasen – 419
– 414
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_33, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
368
Kapitel 33 · Nase, Gesicht, Mittelgesicht, Rhinobasis
Eigene Notizen
33.1
Erkrankungen der äußeren Nase und des Gesichts
33.1.1
Mediane Nasenfistel und Nasenzyste
4 Nasenfistel 5 Entstehung in der 3. Embryonalwoche als unvollständiger Verschluss des Neuroporus bzw. in der weiteren Entwicklung als unvollständiges Verwachsen der lateralen und des medianen Nasenwulstes 5 Fisteln können Kontakt zur Dura besitzen, u. U. mit Liquor gefüllt sein und Hirngewebe enthalten 4 Nasenzysten 5 Vorkommen als Dermoide (mit Hautanhangsgebilden, Haaren, Talgdrüsen) oder als Epidermoide (Auskleidung mit Plattenepithel) 5 sind bei der Geburt angelegt, machen sich jedoch oft erst im Erwachsenenalter bemerkbar
Klinik 4 Nasenfistel 5 Fistelmündung in der Mittelinie an der Glabella, aber auch am Nasenrücken, an der Nasenspitze oder am Philtrum möglich 5 inkonstanter Austritt von trübem Sekret 4 Nasenzysten 5 Vorkommen in gleicher Lokalisation wie Fisteln 5 bei Superinfektion Schwellung, Rötung, Durchbruch nach außen
Diagnostik
33
4 Inspektion, Palpation, 30°-Endoskopie des Naseninneren, hierbei können u. U. weitere Anteile einer Meningozele oder Meningoenzephalozele gesehen werden, die zu Verwechslung mit Nasenpolypen Anlass geben können 4 Duplexsonographie zur Darstellung des Fistelgangs bzw. des Zysteninhalts 4 CT der Rhinobasis in koronarer/sagittaler Schichtführung oder -rekonstruktion zur Darstellung der knöchernen Rhinobasis 4 MRT der Rhinobasis zur Darstellung einer etwaigen Meningozele oder Meningoenzephalozele
Therapie 4 mikroskopisch-endoskopische Exzision der Zyste bzw. Fistel von außen und endonasal mit allen Ganganteilen, unter Darstellung mit Toluidinblau-Gel 4 Schnittführung an der äußeren Nase orientiert sich an den Hautspannungslinien 4 bei Vorliegen einer Meningozele oder Meningoenzephalozele gemeinsames HNO-ärztliches/neurochirurgisches Vorgehen über transfrontalen Zugang mit Deckung der Rhinobasis durch Duraplastik
369 33.1 · Erkrankungen der äußeren Nase und des Gesichts
4 bei Zysten in der Regel unkomplizierte Exzision und primärer Wundverschluss von außen
33.1.2
Deformitäten der äußeren Nase
Ätiologie 4 angeboren, z. B. im Rahmen von Missbildungen (Lippen-KieferGaumenspalte; Spaltnase) oder erworben (Unfall, Rohheitsdelikte, stattgehabte Operationen) 4 weitere mögliche Ursachen: chronisch-entzündliche Erkrankungen (Lues, Lupus erythematodes, Wegener-Granulomatose, Lepra), die häufig zu einem Stützverlust des knorpeligen Nasengerüsts und damit zu einer Sattelnase führen
Klinik 4 Höckernase als »echter« Nasenhöcker im knöchernen oder knorpeligen Bereich (Papageienschnabeldeformität, »polly beak«) 4 davon zu unterscheiden: Pseudohöcker bei normal konfiguriertem knöchernen Nasengerüst, aber abgesunkener knorpeliger Nasenspitze 4 Breitnase: abschnittsweise überbreite Basis der knöchernen Abhänge oder eine Abflachung des Nasenrückens 4 Langnase: verlängerte Distanz des Nasenrückens von der Nasenwurzel bis zur Nasenspitze mit verringertem Nasolabialwinkel 4 Schiefnase: Nasenpyramide weicht aus der Medianlinie zur Seite ab. Beteiligt sind der knöcherne Anteil, der knorpelige Anteil oder beide 4 Sattelnase: Absinken des Nasengerüsts im Bereich der Dreiecksknorpel relativ zum knöchernen Nasenrücken und zu den Flügelknorpeln, bedingt durch eine unzureichende Stützfunktion des knorpeligen Nasenseptums
Diagnostik 4 4 4 4
Inspektion und Palpation der äußeren Nase und des Stützgerüsts anteriore Rhinoskopie Endoskopie des Naseninneren mit 0°- und 30°-Winkeloptik Beurteilung der inneren Querschnitte der Nase mit akustischer Rhinometrie, der Nasenatmung mittels Rhinomanometrie, der Riechfunktion mittels subjektiver Olfaktometrie 4 Röntgenübersichtsaufnahme der NNH in 2 Ebenen zum Ausschluss einer Rhinosinusitis sinnvoll 4 > Memo Zentrale Bedeutung hat die Photodokumentation in mehreren Ebenen.
Therapie 4 operative Korrektur der äußeren Nase in den formveränderten Anteilen aus funktioneller (Atmungsbehinderung, Riechfunktion, Entzündungen) oder ästhetischer Indikation
33
Eigene Notizen
370
Kapitel 33 · Nase, Gesicht, Mittelgesicht, Rhinobasis
Eigene Notizen
4 Korrektur z. B. eines deviierten Nasenseptums evtl. erforderlich 4 bei fehlenden Stützstrukturen (z. B. Knorpel) kann auf körpereigene Ersatzmaterialien (Ohr- oder Rippenknorpel) zurückgegriffen werden
33.1.3
Verletzungen der äußeren Nase
4 Verletzungen der äußeren Nase bei 40% aller Gesichtsverletzungen 4 häufigste Ursachen sind Berufs- und Verkehrs- sowie Sportunfälle, Stürze gebrechlicher Personen und Gewalttaten, oft mit Frakturen des Mittelgesichts vergesellschaftet (s. dort) 4 Weichteilverletzungen durch Bissverletzungen z. B. durch Hunde 4 Risiko bakterieller Superinfektion, z. B. mit Anaerobiern oder Staphylococcus aureus mit lokaler oder systemischer Ausbreitung (Sepsis)
Klinik 4 Weichteilverletzungen können sich je nach Ursache als Schürf-, Riss-, Schnitt- oder Quetschwunden manifestieren. Die Wundränder sind je nach Ursache glatt begrenzt oder lazeriert, ggf. kontaminiert
Diagnostik
33
4 Inspektion und Palpation der Nase 4 beurteilende Adaptation der Wundränder 4 bei Palpation des Nasenbeins u. U. Mobilität unter Krepitation als Hinweis auf Nasenbeinfraktur 4 anteriore Rhinoskopie und 30°-Endoskopie des Naseninneren zum Ausschluss innerer Verletzungen 4 Prüfung von Mobilität des Nasenbeins, Bissokklusion, Sensibilität der Austrittspunkte des N. trigeminus, Visus und Motilität der Bulbi zur Früherkennung von weiteren Frakturen 4 Photodokumentation (auch unter medikolegalen Gesichtspunkten) obligat!
Therapie 4 Wundversorgung mit Wundreinigung, Adaptation der Wundränder durch Subkutan- und Hautnaht, evtl. Replantation abgetrennter Hautanteile 4 Tetanusschutz sowie bei bestehendem Tollwutverdacht nach Tierangriffen eine Tollwutimmunisierung obligat 4 Gabe von Antibiotika mit Wirkspektrum gegen Staphylokokken und Anaerobier 4 bei sekundärer Nekrose von replantierten Hautanteilen folgen plastischrekonstruktive Maßnahmen im entzündungsfreien Intervall
371 33.1 · Erkrankungen der äußeren Nase und des Gesichts
33.1.4
Rosacea der Nase und Rhinophym
4 4 4 4
Rosacea = entzündliche Dermatose der Gesichtshaut Auftreten im 4. Lebensjahrzehnt betrifft gleichermaßen Männer wie Frauen Ursache weiterhin ungeklärt, diskutiert wird eine Assoziation mit heißen Getränken, scharfen Gewürzen, Alkoholgenuss und UV-Einstrahlung 4 Übergang in ein Rhinophym (bei Männern) manifestiert sich an der Nasenspitze und ist gekennzeichnet durch eine massive Talgdrüsenhyperplasie mit Bindegewebsvermehrung
Klinik 4 die Rosacea kann sich im Gesichtsbereich als erythematöse Form mit Teleangiektasien und bläulich-livider Hautverfärbung manifestieren 4 in der papulo-pustulösen Form zusätzlich akneähnliche Papeln 4 Das Rhinophym zeigt sich als unregelmäßige, knollige Wucherung der Haut der äußeren Nase, beginnend im Bereich des knorpeligen Anteils
Diagnostik 4 Blickdiagnose im Rahmen der HNO-ärztlichen Untersuchung
Therapie 4 Abtragen der Talgdrüsenhyperplasie unter Schonung des darunter liegenden Nasengerüsts konventionell-chirurgisch 4 Re-Epithelisierung von selbst unter Salbengazeverbänden 4 Verwendung eines CO2-Lasers bringt keinen entscheidenden Vorteil
33.1.5
Entzündungen des Gesichts und der äußeren Nase
Zu den häufigsten Entzündungen des Gesichts und der äußeren Nase zählen: 4 Herpes simplex 5 lokalisierte Infektion an Haut und Schleimhäuten Mit HSV-Virus Typ 1, durch direkten Kontakt übertragen 5 weltweit hoher Durchseuchungsgrad bei Erwachsenen 4 Zoster 5 Reaktivierung einer stattgehabten Infektion mit Varizella-ZosterViren aus den Spinalganglien 5 segmentale Manifestation im Ausbreitungsgebiet z. B. der Hirnnerven 4 Naseneingangsekzem 5 akute oder chronische Dermatitis der Haut unter Nasensekretion, begünstigt durch Diabetes mellitus bzw. bei generalisiertem Ekzem 4 Erysipel 5 akut auftretende Dermatitis durch Ausbreitung von Streptokokken im Subkutangewebe (. Abb. 50, Farbteil)
33
Eigene Notizen
372
Kapitel 33 · Nase, Gesicht, Mittelgesicht, Rhinobasis
Eigene Notizen
4 Furunkel 5 bakterielle Infektion der Haarfollikel durch Staphylococcus aureus, am Naseneingang bzw. der äußeren Nase (. Abb. 49, Farbteil) 5 beim Konfluieren mehrerer Herde bilden diese ein Karbunkel oder eine Phlegmone des Gesichts
Klinik
33
4 Herpes simplex 5 lokalisierte Bläschen an Lippe, Naseneingang, Stirn, Wange, Augenlidern, die nicht streng dermatombezogen auftreten 5 Auftreten der Bläschen beginnend mit Juckreiz, krustige Abheilung nach 7–10 Tagen 4 Zoster 5 beginnend mit neuralgischen Schmerzen im Bereich des Ausbreitungsgebiets treten Bläschen und Rötung im Bereich des Versorgungsgebiets betroffener Hirnnerven halbseitig auf (z. B. in den Regionen der Trigeminusäste) 5 nach hämorrhagischer Phase heilen die Bläschen unter Bildung goldgelber Krusten ab 5 Komplikationen: Fortbestehen neuralgischer Schmerzen 5 vor allem bei immungeschwächten Patienten Gefahr der Nekrosenbildung, sekundären Generalisierung des Zoster, Beteiligung innerer Organe 4 Naseneingangsekzem 5 rhagadenartige Hautläsion mit Rötung und Schwellung des Nasenvorhofs 4 Erysipel 5 klassisches Bild der scharf begrenzten Entzündung eines Hautbezirks mit Rötung und Schwellung 5 ggf. flächiger Krustenbildung, die nicht segmental auf ein sensibles Nervenareal begrenzt ist 4 Nasenfurunkel 5 solitärer, unscharf begrenzter, geschwollener und geröteter Bezirk im Bereich der Haarfollikel des Naseneingangs bzw. des äußeren Nasenabhangs 5 nach Demarkation Spontanentleerung von Pus
Diagnostik 4 klinische Diagnostik in den meisten Fällen richtungsweisend 4 HNO-ärztliche Spiegeluntersuchung 4 Gesamtlabor, ggf. Serologie auf H.-simplex- bzw. Varizella-ZosterViren; Serologie jedoch nicht entscheidend für den Therapiebeginn 4 augenärztliches Konsil bei Verdacht auf Zoster ophthalmicus 4 bei Verdacht auf Thrombose der V. angularis bzw. des Sinus cavernosus neurologisches und augenärztliches Konsil und Angio-MRT zur Darstellung des Gefäßlumens
373 33.1 · Erkrankungen der äußeren Nase und des Gesichts
Therapie 4 Herpes simplex 5 bei geringem Ausmaß lokale Behandlung mit adstringierenden Lösungen/Aciclovir-Salbe ausreichend 5 in fortgeschrittenen Stadien Virustatika, z. B. Aciclovir i.v. 5 bei bakterieller Superinfektion ggf. Antibiose 4 Zoster 5 Virustatika, z. B. Aciclovir i.v. möglichst frühzeitig 5 bei bakterieller Superinfektion ggf. Antibiose 5 analgetische Mitbehandlung der neuralgischen Schmerzsymptomatik 4 Naseneingangsekzem 5 lokale Behandlung mit Gentamicin/Betametason-Salbenpräparat, ggf. Einstellung des Diabetes 4 Erysipel 5 Lokalbehandlung mit Gentamicin-Salbe 5 zusätzlich i.v. Antibiose mit Penicillin oder Cephalosporinen 4 Furunkel 5 stationär Behandlung mit i.v. Antibiose (Cephalosporine, Flucloxacillin oder Clindamycin bei Penicillinallergie), lokal GentamicinSalbe 5 Ruhigstellung der Oberlippe, d. h. Sprechverbot, Flüssigkost, Manipulationsverbot 5 bei Thrombose der V. angularis bzw. Sinus-cavernosus-Thrombose Vollheparinisierung, höchstdosierte Antibiotikagabe, intensivmedizinische Überwachung, gemeinsam mit neurologischem und ophthalmologischem Konsil 33.1.6
Tumoren der äußeren Nase
4 häufigste Tumoren der äußeren Nase: Basaliom, malignes Melanom und Plattenepithelkarzinom mit seinen prämalignen Vorstufen 4 Basaliom 5 in 22% aller Fälle Manifestation an der äußeren Nase, daher häufigster Tumor der äußeren Nase 5 lokal destruierender, nicht metastasierender Tumor, ausgehend von den Basalzellen der äußeren Haut, häufig unterminierend unter die intakte Hautoberfläche wachsend (»Ulcus rodens«) 5 sonnenxponierte Haut von Personen im 6.–7. Lebensjahrzehnt häufig betroffen 4 Plattenepithelkarzinom 5 zweithäufigster Tumor der äußeren Nase 5 entsteht aus den Epidermisschichten der äußeren Haut und der Hautanhangsgebilde 5 Vorstufen sind u. a. die aktinische Keratose und der Morbus Bowen 5 Abhängigkeit von Sonneneinstrahlung (UV-Schädigung), bevorzugtes Wachstum in der unteren Gesichtshälfte 5 eher lymphogene Metastasierung
33
Eigene Notizen
374
Kapitel 33 · Nase, Gesicht, Mittelgesicht, Rhinobasis
Eigene Notizen
4 malignes Melanom 5 maligner Tumor ausgehend von dem melaninbildenden Zellen der Haut 5 deutliche Abhängigkeit von lichtexponierten Stellen 5 frühzeitige Metastasierung in Halslymphknoten bzw. Fernmetastasierung 5 Frauen häufiger als Männer betroffen 5 Inzidenz 13–15/100.000 Einwohner, Tendenz steigend
Klinik 4 Diagnose oder Unterscheidung anhand klinischer Kriterien allein nicht zu treffen 4 Plattenepithelkarzinome sowie Basaliome fallen durch ein noduläres oder flaches Wachstum, häufig mit Krustenbildung und/oder einem zentralen Ulkus (rezidivierende Blutung, »schlecht heilende Wunde«) auf 4 maligne Melanome imponieren durch eine pigmentierte Oberfläche, diese ist jedoch nicht obligat vorhanden (amelanotische Melanome) 4 Stadieneinteilung 7 Abschn. 32.1.5
Diagnostik
33
4 Probeexzision in toto, bei mittelgroßen und großen Läsionen mit temporärer Deckung 4 bei Malignitätsverdacht Randschnitte aus allen vier Quadranten zur histographisch kontrollierten Resektion 4 bei melanotischen Läsionen (Verdacht auf malignes Melanom) primäre Resektion mit großzügigem Sicherheitsabstand 4 bei invasiv malignen Läsionen übliches Tumorstaging (Duplexsonographie der Halsweichteile, CT der Gesichts- und Halsweichteile und des Thorax, B-Scan-Sonographie des Oberbauchs)
Therapie 4 7 Abschn. 32.1.5 4 Basaliom 5 lokale Exzision im Gesunden 5 primärer Wundverschluss oder plastisch-rekonstruktive Maßnahmen 4 Plattenepithelkarzinom 5 lokale Exzision im Gesunden mit 5–8 mm Sicherheitsabstand, Resektion angrenzender Knorpelstrukturen; ggf. Ablatio nasi 5 regelhaft plastisch-rekonstruktive Maßnahmen oder Epithesenversorgung (bei Ablatio nasi) erforderlich 5 bei Läsionen >2 cm (>T1) bzw. sono- und CT-morphologisch vergrößerten Halslymphknoten Indikation zur Neck dissection 5 bei positivem N-Status Indikation zur postoperativen Radiatio 4 malignes Melanom 5 großzügige Resektion mit weitem Sicherheitsabstand 5 bei Manifestation an der äußeren Nase meist Ablatio nasi erforderlich
375 33.2 · Erkrankungen der inneren Nase
5 Versorgung mittels plastisch-rekonstruktiver Maßnahmen oder Epithese 5 adjuvante Behandlung mittels α-Interferon oder Chemotherapie 5 Radiatio in palliativer Situation möglich
33.2
Erkrankungen der inneren Nase
33.2.1
Naseneingangsstenose/-atresie
4 Naseneingangsstenosen und -atresien können angeboren, z. B. im Rahmen einer Missbildung (Spaltnase) auftreten 4 Atresie: membranöser Verschluss des Naseneingangs ein- oder beidseitig 4 häufiger sind erworbene Naseneingangsstenosen durch Traumen mit Verletzung der inneren Nasenklappe, nach Verlust der Stützfunktion des knorpeligen Septums im Bereich der Columella bzw. Resektionen im Bereich des Naseneingangs mit folgender narbiger Stenosierung
Klinik 4 Kolumella: bei fehlender knorpeliger Septumvorderkante in der Kolumella tritt diese in der Frontalansicht hinter das Profil der Nasenspitze zurück (»hidden columella«) 4 Naseneingang: im Fall instabiler Flügelknorpel kommt es bei der nasalen Inspiration zum Kollaps der Nasenflügel (»Ansaugphänomen«). Bei traumatisch bedingten Synechien des Naseneingangs wird diese narbig verengt 4 innere Nasenklappe: Stelle des engsten Querschnitts im Verlauf der Nasenluftpassage. Stenosen wirken sich hier besonders gravierend aus. Verletzungen im Bereich des Nasendoms durch Traumen oder Formveränderungen nach Eingriffen an der Nasenspitze kommen ursächlich in Frage
Diagnostik 4 HNO-ärztliche Untersuchung mit anteriorer Rhinoskopie und Endoskopie der Nase (zum Ausschluss anderer Ursachen der Nasenatmungsbehinderung) 4 daneben Photodokumentation und Beobachtung der Nasenatmung in Ruhe und unter forcierter nasaler In- und Exspiration entscheidend 4 akustische Rhinometrie kann weitere Engstellen identifizieren, ist jedoch ebenso wie die Rhinomanometrie zur Diagnostik der Naseneingangsstenose nicht geeignet, da bei diesen Verfahren der Naseneingang mittels eines Platzhalters offengehalten wird
Therapie 4 plastisch-chirurgischen Erweiterung der Stenose (. Tabelle)
33
Eigene Notizen
376
Kapitel 33 · Nase, Gesicht, Mittelgesicht, Rhinobasis
Eigene Notizen
Chirurgische Therapie der Naseneingangsstenose Ursache der Stenose
Chirurgisches Rekonstruktionsprinzip
»hidden columella«
Einstellen von Knorpelmaterial in die Columella, entweder als Septumaustauschplastik durch 90°-Drehung des noch vorhandenen knorpeligen Septums oder durch Stützkonstruktion zweier verschränkter Streben aus Rippenknorpel (»columella strut«)
Nasenflügelkollaps
Verstärkung durch Insertion eines rautenförmigen Knorpeltransplantats vom Ohr zwischen Dreiecks und Flügelknorpel (»butterfly graft«)
Synechie des Naseneingangbodens
Lateralisieren des Nasenflügels durch lokale Lappenplastik
Synechie der inneren Nasenklappe am Nasendom
Z-Plastik nach Walter, ggf. Rekonstruktion der knorpeligen Anteile
33.2.2
Choanalatresie
4 einseitiger oder beidseitiger Verschluss des Übergangs der Nasenhöhle in den Nasopharynx durch Persistieren der Membrana buccopharyngea bzw. Membrana bucconasalis 4 Häufigkeit 1:5.000–1:10:000 4 in 90% der Fälle knöcherner Verschluss, in 10% membranös 4 80% einseitig, 20% doppelseitig
Klinik
33
4 ! Cave Die doppelseitige Atresie ist ein lebensbedrohlicher Notfall, da unmittelbar nach der Geburt Luftnot mit Stridor und Zyanose auftreten, vor allem bei Nahrungsaufnahme. 4 Aspirationsgefahr beim Trinken 4 bei einseitiger Atresie wenig symptomatisch: einseitige Nasenatmungsbehinderung, u. U. mit muköser Sekretion und Hyposmie der betroffenen Seite
Diagnostik 4 Feuchtigkeitsniederschlag auf einem kalten Spiegel unter der Nasenöffnung (Czermak-Platte) fehlt bei behinderter Nasenatmung 4 Einblasen von Luft mit dem Politzer-Ballon 4 0°- bzw. 30°-Endoskopie (beim Neugeborenen in Lokalanästhesie möglich) 4 Sondieren der Nase und des Nasenrachens mit flexiblem Absaugkatheter 4 CT-Darstellung in sagittaler Schnittführung/Rekonstruktion zeigt den knöchernen/membranösen Verschluss
377 33.2 · Erkrankungen der inneren Nase
Therapie 4 bei bilateraler Choanalatresie zunächst Sicherung der Atemwege und Aspirationsschutz 5 notfallmäßiges Einlegen eines Guedel-Tubus, Intubation oder Tracheotomie und Legen einer Ernährungssonde 5 Durchstoßen der Atresie mit einem Trokar ist möglich, jedoch keine endgültige Behandlung 5 ab 3 Wochen post partum endgültige Operation möglich: transnasale Eröffnung der Stenose, unter Navigations-CT, mittels Laser (Membran) bzw. Mikrofräse (Knochen) 5 alternativ Abtragen des hinteren Septumanteils (Rethi) oder transpalatinale Eröffnung (deutlich invasiver) 5 Einlage eines Platzhalters zur Re-Stenoseprophylaxe obligat 4 bei einseitiger Atresie elektive Operation 33.2.3
Septumdeviation
4 Abweichung des knorpeligen und/oder des knöchernen Nasenseptums nach lateral, angeboren oder erworben 4 während des Wachstums bis in das Erwachsenenalter unterliegen die knorpeligen und knöchernen Zonen des Nasenseptums ständigen Umbauvorgängen, daher Nasenseptumdeviationen auch ohne Trauma möglich
Klinik 4 es können basale Septumleisten und -sporne, in der Kontaktzone zwischen knorpeligem Septum und Prämaxilla sowie aufsteigende Leisten im Bereich des Vomers entstehen 4 hohe Deviation im Bereich der knorpeligen Lamina quadrangularis bzw. der knöchernen Lamina perpendicularis ossis ethmoidalis 4 i. d. R. asymptomatische Septumdeviationen, daher steht die funktionelle Behinderung durch eine Septumdeviation im Vordergrund bei der Indikationsstellung zur Therapie 4 Beschwerden durch 5 ein- oder beidseitige Nasenatmungsbehinderung 5 Mundatmung 5 protrahierte Abheilung akuter Rhinitiden 5 Riechstörung 5 Kopfschmerzen zentral über der Glabella (Spannungsseptum)
Diagnostik 4 anteriore Rhinoskopie 4 30°-Endoskopie der Nasenhöhlen 4 Rhinomanometrie vor und nach Abschwellung der Nasenmuscheln mit Oxymetazolin 0,1% 4 subjektive Olfaktometrie 4 Röntgenaufnahme der NNH in 2 Ebenen zum Ausschluss einer Rhinosinusitis 4 Photodokumentation vor Operation
33
Eigene Notizen
378
Kapitel 33 · Nase, Gesicht, Mittelgesicht, Rhinobasis
Eigene Notizen
Therapie 4 Therapie zielt auf die operative Begradigung der Nasenscheidewand 4 Prinzip: Anlage eines submukösen Zugangs in der Nähe der Kolumella, Freilegung der knorpeligen und knöchernen Septumanteile subperichondral bzw. subperiostal und möglichst sparsame, gezielte Resektion deviierter knöcherner Anteile 4 knorpelig deviierte Anteile werden durch gezieltes nicht durchgreifendes Einritzen von ihrer Spannung befreit 4 resezierte knorpelige Leisten werden nach Crashen zwischen die Mukosablätter wieder eingestellt (Cottle)
33.2.4
Nasenmuschelhyperplasie
4 Hyperplasie des Schwellkörpers und der Schleimhautoberfläche der Nasenmuscheln bei entzündlichen Reizen, z. B. allergischer Rhinitis, und reaktiv bei ungleichem Querschnitt der Nasenhöhlen (Nasenseptumdeviation)
Klinik 4 Volumenvermehrung bis zur Verlegung einer Nasenhaupthöhle bzw. direkter Kontakt zum Nasenseptum wirken sich vor allem an der unteren Nasenmuschel behindernd auf die Nasenatmung aus 4 bei allergischer Genese gerötet-livide, zum Teil porige Oberfläche in Verbindung mit mukös-klarer Sekretion
Diagnostik
33
4 anteriore Rhinoskopie 4 30°-Endoskopie der Nasenhöhlen 4 Rhinomanometrie vor und nach Abschwellung der Nasenmuscheln mit Oxymetazolin 0,1% 4 subjektive Olfaktometrie 4 ggf. Allergiediagnostik 4 bei vorherrschender Nasenatmungsbehinderung durch die Muschelhyperplasie nach der Abschwellung deutliche Verbesserung des Nasenluftstroms 4 tritt keine Besserung ein, sind strukturelle Formveränderungen maßgeblich für die Nasenatmungsbehinderung
Therapie 4 konventionelle Abtragung der Muschelschleimhaut an der Unterkante der unteren Nasenmuschel (»Streifenkonchotomie«) 4 alternativ submuköse Ablation bzw. Obliteration des Schwellkörpergewebes unter Erhalt der Schleimhautoberfläche mittels Radiofrequenz, fasergeführtem Laser oder mechanisch (Shaver)
379 33.2 · Erkrankungen der inneren Nase
33.2.5
Nasale Fremdkörper und Rhinolithen
4 Einführen von Fremdkörpern aller Art in die Nasenhöhle, vor allem bei Kleinkindern, im Vorschul- und frühen Schulalter, seltener bei geistig behinderten Personen 4 bei langer Liegedauer Kalkabscheidungen um den Fremdkörper (Kalziumkarbonat oder-phosphat) 4 Rhinolithen treten selten spontan auf
Klinik 4 Das Einbringen des Fremdkörpers durch Kinder wird gelegentlich von Erwachsenen beobachtet, seltener von Kindern selbst berichtet 4 in vielen Fällen ergibt sich die Verdachtsdiagnose erst aus wochenlanger einseitiger Nasenatmungsbehinderung mit muköser bzw. fötide-purulenter Sekretion 4 die meisten Fremdkörper liegen im unteren Nasengang 4 bei langer Liegedauer können granulierende Entzündung der Schleimhaut und frische Narben den Fremdkörper umscheiden
Diagnostik 4 anteriore Rhinoskopie; frisch eingebrachte Fremdkörper im unteren Nasengang oft noch zu erkennen 4 > Memo Eine 30°- oder 0°-Endoskopie der Nase in örtlicher Betäubung wird von Kindern nicht toleriert und ist wegen der Gefahr der akzidentellen Dislokation des Fremdkörpers nicht indiziert.
Therapie 4 Entfernung in toto 4 bei kooperativen Patienten, guter Übersicht, solider Konsistenz und sicherer Anamnese (Ausschluss weiterer Fremdkörper) Bergung im Untersuchungsraum mit einem Häkchen nach anterior möglich 4 in allen anderen Fällen endoskopische Entfernung unter Intubationsnarkose (Schutz vor Aspiration) 4 falls kein Fremdkörper gefunden wird, flexible Tracheobronchoskopie zum Ausschluss einer unbemerkten Aspiration
33.2.6
Nasenseptumperforation
4 Perforation des Nasenseptums in variabler Größe und Lage 4 Ursachen 5 traumatisch (bei Nasenbeinfraktur, stumpfem Nasentrauma im knorpeligen Bereich, als Folgezustand nach Septumhämatom oder -abszess) 5 entzündlich (bei Wegener-Granulomatose, Lues, Mykobakteriose, Mittelliniengranulom, Rhinosklerom, selten bei unkomplizierter Rhinitis sicca)
33
Eigene Notizen
380
Kapitel 33 · Nase, Gesicht, Mittelgesicht, Rhinobasis
5 toxisch (bei Exposition gegenüber Chromaten, Kokain) 5 iatrogen (nach Kilian-Septumplastik (4–15%), nasaler Langzeitintubation
Eigene Notizen
Klinik 4 4 4 4 4
rezidivierende Epistaxis aus den Perforationsrändern Nasenatmungsbehinderung durch Turbulenzbildung am Lochrand Bildung trockener Borken pfeifendes Atemgeräusch (eher bei kleinen Perforationen) bei ausgedehnten Perforationen Verlust der Stützfunktion des Septums mit Sattelnasenbildung
Diagnostik 4 4 4 4 4
anteriore Rhinoskopie und 0°-Endoskopie der Nase Rhinomanometrie subjektive Olfaktometrie Photodokumentation zur Ursachenabkärung ggf. Biopsie bei granulomatöser Entzündung (Rhinosklerom: Erregernachweis), ANCA-Serologie (M. Wegener), Lues-Serologie, Tuberkulin-Hauttest bzw. b-Interferontest, Drogenscreening (Kokain)
Therapie
33
4 Verschluss der Septumperforation mit Brückenlappenplastik der Septummukosa bei kleinen bis maximal mittelgroßen Perforationen 4 alternativ und bei großen Perforationen Verschluss mittels SilikonObturator 4 ggf. Rhinoplastik mit Rippenknorpelimplantation zur operativen Korrektur der Sattelnase
33.2.7
Epistaxis
4 Blutung aus den Gefäßen des Naseninneren 4 die Gefäßversorgung besteht aus 5 A. ethmoidalis anterior 5 A. ethmoidalis posterior 5 A. sphenopalatina 5 A. labialis superior und ihrer jeweiligen Endäste 4 die Endäste der genannten Gefäße bilden hier ein dichtes und verletzliches Gefäßnetz (Locus Kiesselbachi)
Ätiologie 4 entzündlich: akute Rhinitis; chronische Rhinitis atrophicans/sicca 4 traumatisch: Frakturen des Nasenbeins, des Mittelgesichts (Le Fort), der Frontobasis (Escher), vorangegangene Operationen an den Nasenmuscheln/Septum/Nebenhöhlen. Septumperforation
381 33.2 · Erkrankungen der inneren Nase
4 neoplastisch: benigne und maligne Neubildungen der Nasenhöhle und der Nasennebenhöhlen 4 generalisiert: erworbene/angeborene Blutgerinnungsstörung, medikamentöse Antikoagulation, Bluthochdruck 4 hereditär: Teleangiektasie (Morbus Rendu-Osler)
Klinik 4 Blutung aus der Nasenhaupthöhle wechselnder Stärke, nach anterior oder posterior 4 im Bereich der vorderen Abschnitte Blutungsquelle häufig sichtbar
Diagnostik 4 RR-Kontrolle 4 anteriore Rhinoskopie 4 0°- oder 30°-Endoskopie der Nase unter Absaugen von Blut und Koageln 4 Gesamtlabor (Gerinnungswerte, Blutbild, Leberenzyme)
Therapie 4 Sofortmaßnahmen: Eiskrawatte, Oberkörper hochlagern, Vornüberbeugen des Kopfes, Nierenschale, Temporäre Einlage von Oxymetazolin 0,1% + Lidocain 2% gemischt, i.v. Volumensubstitution, falls erforderlich 4 Vorgehen zur Blutstillung im Untersuchungsraum . Tabelle Blutstillung bei Epistaxis Blutungsquelle sichtbar
Blutungsquelle nicht sichtbar
Zusammendrücken der Nasenflügel für 10 min (falls Blutung diffus am vorderen Septum)
vordere Nasentamponade mit latexfreien Gummifingerlingen
Ätzen mit AgNO3 (nicht bilateral an korrespondierenden Stellen)
falls schwere Blutung aus den hinteren Abschnitten: ggf. vordere und hintere (Bellocq-)Nasentamponade
Elektrokoagulation bipolar ( ! Cave Herzschrittmacher, elektrische Implantate!)
falls nicht erfolgreich: operative/interventionelle Blutstillung (s. unten)
4 Sekretstase hinter der Tamponade begünstigt eine bakterielle Superinfektion – ab 48 h ist eine systemische Antibiotikagabe obligat 4 operative/interventionelle Blutstillung (Optionen) 5 Tamponadenentfernung im Operationssaal unter Intubationsnarkose (zur Sicherung der Atemwege gegen Aspiration) 5 flächige Behandlung mittels Argon-Plasma-Elektrokoagulation 5 Aufsuchen und Elektrokoagulation der A. ethmoidalis anterior/posterior am Siebbeindach über eine endonasale Siebbeinoperation bzw. der A. sphenopalatina nahe der Choane (koronares NNH-CT erforderlich) 5 interventionell: angiographische Darstellung der A. sphenopalatina über die A. carotis externa/A. maxillaris und gezielte Embolisation
33
Eigene Notizen
382
Kapitel 33 · Nase, Gesicht, Mittelgesicht, Rhinobasis
Eigene Notizen
4 flankierende Maßnahmen 5 medikamentöse RR-Kontrolle, Einstellung der Blutgerinnung 5 3 Wochen nach Entlassung Röntgenübersichtsaufnahme der Nasennebenhöhlen in 2 Ebenen zum Ausschluss einer Neoplasie
33.2.8
Hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie (Morbus Osler-Rendu-Weber)
4 autosomal-dominant vererbte Erkrankung, assoziiert mit Blutgruppe 0
Klinik 4 multiple Teleangiektasien der äußeren Haut, der Schleimhäute und der inneren Organe mit spontanen oder auf geringe mechanische Belastung auftretenden Blutungen 4 die teleangiektatischen Herde imponieren als kleine knopfförmige Papeln mit spiderähnlichen Gefäßausläufern 4 anämisches Hautkolorit
Diagnostik 4 Blickdiagnostik der äußeren Haut, bestätigt durch den Inspektionsbefund der Mundhöhle bzw. die anteriore Rhinoskopie und die Endoskopie der Nasenhöhle und der Pharynxetagen mit 30°-bzw. 70°-Winkeloptiken 4 im Blutbild erniedrigter Hb-Wert, an den die Patienten infolge des langen Krankheitsverlaufs gewöhnt sind
Therapie
33
4 keine kausale Therapie bekannt 4 Dauertherapie der Nasenschleimhäute mit fettender Nasensalbe zur Minderung des spontanen Blutungsrisikos 4 berührungslose Obliteration der ektatischen Gefäße mittels Neodym: YAG-Laser führt wegen der Angioneogenese nur zur passageren Besserung 4 alternativ Abtragung der oberflächlichen Schichten der Septummukosa und Ersatz durch Spalthaut (Dermatoplastik nach Saunders)
33.2.9
Akute Rhinitis
4 akute Infektion des Naseninneren mit einer großen Bandbreite viraler Erreger (Rhino-, Adeno-, Picorna-, Myxo- [Influenza Typ A/B/C], Orthomyxo-, Paramyxo- [Parainfluenza Typ 1–4)], Respiratory-Syncytial-, Coronaviren etc.) 4 Übertragung durch Tröpfcheninfektion oder durch Schmierinfektion mit kontaminiertem Material 4 gehäuftes Vorkommen bei Temperaturwechseln in Herbst und Frühjahr, Plateauphase im Winter
383 33.2 · Erkrankungen der inneren Nase
Klinik
Eigene Notizen
4 Inkubationszeit 1–4 Tage 4 Verlauf 5 Prodromalstadium mit trockener Schleimhautreizung in der Nase und im Nasenrachen (Juckreiz, Brennen, Wundgefühl) von wenigen Stunden 5 katarrhalisches Stadium mit profuser wässriger Schleimsekretion, Krankheitsgefühl, Niesreiz, nasale Obstruktion, Hyp- oder Anosmie, gelegentlich Fieber (vor allem bei Kindern) 5 nach ca. 4 Tagen Übergang in ein Stadium zäher Sekretion mit Rückgang der Sekretmenge, des Niesreizes und des Krankheitsgefühls 5 Abklingen der Symptomatik nach insgesamt 8–14 Tagen
Diagnostik 4 Nasenendoskopie 5 ausgeprägte Rötung und Schwellung der Nasenschleimhäute mit Verlegung der Nasenhöhle 5 klare, wässrige bzw. muköse Sekretion in der Nasenendoskopie 5 ekzematöse Läsion des Naseneingangs durch Feuchteexposition und Manipulation 4 bei unkomplizierten Verlauf weitergehende Diagnostik obsolet
Therapie 4 keine kausale Therapie 4 Gabe von systemischen Antihistaminika im Erkrankungsbeginn gelegentlich erfolgreich 4 Prophylaxe durch Händehygiene gegen Schmierinfektion 4 im Rahmen der Entzündung symptomatische Behandlung mit abschwellenden Nasentropfen, weicher Nasensalbe 4 Antibiotikagabe nur bei bakterieller Superinfektion
33.2.10
33
Allergische Rhinitis
4 eine der häufigsten allergischen Erkrankungen (20% der Allgemeinbevölkerung bezogen auf die Gesamtlebensdauer) 4 Beginn meist in der frühen Kindheit, Dauer über mehrere Lebensjahrzehnte 4 allergenspezifische, IgE-vermittelte Entzündungsreaktion, die zweiphasig in einer Sofort- (<2 h) und Spätphase (2–48 h) abläuft 4 durch Allergenkontakt kommt es zur initialen Ausschüttung von Histamin, Leukotrienen und Kininen 4 auf zellulärer Ebene sind neben eosinophilen Granulozyten auch T- und B-Lymphozyten, Mastzellen und basophile Granulozyten beteiligt 4 im Rahmen der allergischen Erkrankung verlängert sich auch die Überlebensdauer bestehender Entzündungszellen
384
Kapitel 33 · Nase, Gesicht, Mittelgesicht, Rhinobasis
Eigene Notizen
4 vermehrte Expression der IgE-Rezeptoren an der Zelloberfläche 4 minimal persistierende Entzündungsreaktion bleibt auch im symptomfreien Zustand bestehen
Klinik 4 bisherige Unterteilung in saisonale und perenniale Erkrankung wegen mangelnder Trennschärfe nicht mehr bedeutend 4 nach WHO Unterscheidung in: 5 intermittierender Verlauf (Symptomatik <4 Tage/Woche oder <4 Wochen) 5 persistierender Verlauf (>4 Tage/Woche oder >4 Wochen) 4 Kardinalsymptome: Niesen, Juckreiz, Sekretion und Obstruktion der Nase 4 weitere mögliche Symptome: Husten, Halskratzen, geschlossenes Näseln, Lidödeme, Mundatmung, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen und nasale Hyperreaktivität 4 hohe Komorbidität mit allergischem Asthma (32% bei Kindern; 16% bei Erwachsenen), sekretorischer Otitis media und Rhinosinusitis ohne Polyposis
Diagnostik
33
4 ausführliche Anamnese (Exposition, Fremdanamnese, familiäre Häufung, Nahrungsmittel, Medikamente) 4 klinische Untersuchung der Haut (Ekzem?) 4 Endoskopie der Nase mit 30°- und 70°-Winkeloptik 4 ggf. dermatologisches, pädiatrisches, pulmologisches Konsil 4 Hauttestungen mit Prick- oder (falls nicht eindeutig) Intrakutantest 5 systemische Antihistaminika müssen 3 Tage vorher abgesetzt sein, ebenso kortisonhaltige Dermatologika 5 falls Hauttestung nicht möglich, Bestimmung von spezifischem IgE (z. B. durch Radio-Allergo-Sorbent-Test; RAST) in Relation zum Gesamt-IgE im Serum 5 falls nasale Symptomatik (Anamnese) den Testergebnissen widerspricht, ist ein nasaler Provokationstest (mit Leerprobe zum Ausschluss der Reizeffekte mechanischer Belastung) indiziert; Ergebnisermittlung durch Symptomscore und Rhinomanometrie 5 ! Cave Anaphylaktischer Schock bei allen Expositionstests möglich!
Therapie 4 Allergenkarenz, sofern diese praktikabel ist (z. B. Urlaubsziele, Meidung bestimmter Nahrungsmittel, allergendichtes Umschließen (»encasing«) von Matratze und Bettwäsche (Milbenkot), Abgabe von Haustieren 4 abgestufte medikamentöse Therapie nach aktuellen Leitlinien (ARIA) 4 wirksame Medikamente 5 Cromone (zur Allergenabschirmung der Schleimhäute am Effektororgan) 5 Antihistaminika der 2. und 3. Generation (nicht sedierend)
385 33.2 · Erkrankungen der inneren Nase
5 topische Kortikosteroide mit geringer systemischer Bioverfügbarkeit (z. B. Mometason, Fluticason) 5 orale Kortikosteroide in schweren Fällen 5 Leukotrienrezeptorantagonisten und Anti-IgE-Antikörper sind noch Gegenstand weiterer Studien 5 abschwellende Nasentropfen/-sprays (α-Sympatomimetika) nur kurzzeitig zur Besserung der Obstruktion 5 Ipratropiumbromid adjuvant zur Besserung der Hypersekretion 4 spezifische Immuntherapie (SIT) 5 subkutane oder sublinguale Applikation (SLIT) von patientenspezifisch zusammengestellten Allergenextrakten zum Zweck der Hyposensibilisierung 5 frühzeitiger Therapiebeginn (auch im Kindesalter möglich) hat präventiven Effekt bezüglich Ausweitung des Allergenspektrums und Entstehung eines allergischen Asthmas 5 ! Cave Ein anaphylaktischer Schock ist grundsätzlich bei jeder Therapiesitzung möglich – bei sublingualer Applikation aber seltener als bei subkutaner. 4 chirurgische Maßnahmen adjuvant zur Besserung der Obstruktion möglich (Radiofrequenzablation der unteren Nasenmuscheln; Septumkorrektur)
33.2.11
Chronische Rhinitis und chronische Rhinopathie
Chronische Rhinitis 4 chronisch infektiöse Erkrankung der Nase durch unspezifische Erreger, Dauer >3 Monate und Ausschluss anderer Ursachen (spezifische Erreger, Tropenkrankheiten, Acetylsalicylsäure-Intoleranz, Allergien, chemische Noxen, mechanische Schädigungen, Neoplasien und Fremdkörper [!]) 4 Erreger meist Staphylokokken, Streptockokken (u. a. Streptococcus pneumoniae), Haemophilus influenzae und Anaerobier
Klinik 4 chronische, zäh-schleimige und eitrige Rhinorrhö, gelegentlich mit Blutspuren, über eine Dauer von mindestens 3 Monaten mit nur kurzzeitiger oder unvollständiger Besserung 4 bei Endoskopie gereizte Schleimhäute, bei Berührung leicht blutend, mukös-eitrige Sekretion
Diagnostik 4 30°/70°-Endoskopie der Nase (auch zum Ausschluss einer chronischen Rhinosinusitis mit Polyposis, Neoplasien, Fremdkörper etc.) 4 Rhinomanometrie 4 subjektive Riechprüfung 4 Abstrichentnahme 4 Röntgen NNH in 2 Ebenen zum Neoplasie-/Sinusitisausschluss
33
Eigene Notizen
386
Kapitel 33 · Nase, Gesicht, Mittelgesicht, Rhinobasis
Eigene Notizen
Therapie 4 Beseitigung der zugrunde liegenden Ursache, falls eruierbar 4 konservativ Einsatz von Antibiotika (Cephalosporine ab 2. Generation, Aminopenicilline, ggf. Clindamycin bei Allergie gegen Penicilline, je nach Antibiogramm) und Sekretolytika 4 Nasenspülung mit NaCl 4 Antihistaminika der 2. und 3. Generation adjuvant oft erfolgreich 4 chirurgische Maßnahmen nach eventueller Grunderkrankung (z. B. Adenotomie bei Kindern) und zur Verbesserung der Obstruktion (Septumplastik, Muschelablation mit interstitieller Radiofrequenzablation)
Rhinitis atrophicans 4 progrediente Atrophie der Nasenschleimhäute in allen Abschnitten unter Beteiligung von Epithel, Gefäßen, Drüsen und knöcherner Stützstrukturen 4 Ursache unbekannt 4 endemische Häufungen (z. B. Osteuropa) 4 Erkrankungsgipfel zwischen 15. und 30. Lebensjahr 4 diskutiert werden genetische, ernährungsbedingte, entwicklungsgeschichtliche Faktoren sowie bakterielle Entzündungen
Klinik 4 blasse, dünne, trockene Schleimhaut in allen Abschnitten der Nasenhöhle, ubiquitär mit Borken belegt 4 im Extremfall massive stinkende Verborkung des Naseninneren (Ozäna) 4 Anosmie wegen Atrophie des Riechepithels 4 irreführendes Gefühl der Nasenatmungsbehinderung für die Betroffenen wegen Verlust der Schleimhautsensibilität
33
Diagnostik 4 eingehende Anamnese mit Berücksichtigung möglicher Ursachen/endemischer Faktoren 4 30°- und 70°-Endoskopie aller Nasenabschnitte 4 Rhinomanometrie 4 subjektive Olfaktometrie 4 ggf. Biopsie
Therapie 4 konservativ: konsequente und langjährige Lokalpflege mit Nasenöl oder fettenden Nasensalben, Lösen der Borken mittels Nasenspülung mit NaCl-Lösung 0,9%, ggf. mechanisches Lösen der Borken unter endoskopischer Sicht durch den Arzt 4 operative Behandlungsprinzipien richten sich an die Normalisierung der abnormen Weite des Nasenlumens durch Medialisieren der unteren Nasenmuschel oder submuköses Auffüttern des Septums mit Knorpelchips (unsicher, da ebenfalls atrophiegefährdet) 4 Kontraindikation gegen Dekongestiva (von Patienten wegen subjektiver Nasenatmungsbehinderung angewendet)
387 33.2 · Erkrankungen der inneren Nase
Rhinitis sicca anterior 4 Austrocknung der Schleimhäute in den vorderen Septumabschnitten 4 Ursachen 5 Manipulation (Nasenbohren) 5 chemische Noxen (Stäube, Dämpfe, Schnupftabak, Kokain) 5 iatrogen nach zu ausgedehnter Septumknorpelresektion oder Muschelresektion) 5 extreme Temperaturexposition
Klinik 4 Trockenheitsgefühl und Juckreiz in den vorderen Nasenabschnitten 4 endoskopisch trockene, zum Teil atrophe, leicht blutende und borkig belegte Schleimhäute 4 Nasenatmung und Riechvermögen meist nicht beeinträchtigt 4 in einigen Fällen Septumperforation (7 Abschn. 33.2.6)
Diagnostik 4 eingehende Anamnese mit Berücksichtigung möglicher Noxen (s. oben) 4 Endoskopie der vorderen Nasenabschnitte 4 Rhinomanometrie 4 subjektive Olfaktometrie
Therapie 4 Ausschaltung der Noxe (Manipulationsverbot, Einstellen des Substanzabusus, Atemschutz etc.) 4 Verbesserung der Trophik durch Nasenöl/fettende Nasensalben 4 ggf. Krustenabtragung durch Spülen mit NaCl-Lösung 0,9% 4 bei kleinen Septumperforationen ggf. Versuch des operativen Verschlusses, bei größeren Perforationen Obturatoreinsatz
Nasale Hyperreaktivität 4 Synonyme: idiopathische Rhinitis, hyperreflektorische Rhinitis, vasomotorische Rhinitis 4 nasale Symptomatik analog zur allergischen Rhinitis, jedoch ohne allergische Begleitsymptomatik (Konjunktivitis, Ekzem) und ohne Allergennachweis 4 Ursache unklar (neuroendokriner Mechanismus?) 4 Auslöser: rasche Temperaturwechsel (z. B. Kühlhausarbeiter), chemische Reizung, heiße Speisen, scharfe Gewürze
Klinik 4 Niesen, Juckreiz, nasale Obstruktion, Hypersekretion
Diagnostik 4 ausführliche Anamnese 4 Endoskopie der Nase mit 30°- und 70°-Winkeloptik (blass-livide, geschwollene und sezernierende Muschelschleimhaut)
33
Eigene Notizen
388
Kapitel 33 · Nase, Gesicht, Mittelgesicht, Rhinobasis
Eigene Notizen
4 Allergiediagnostik (7 Abschn. 33.2.10) zum Ausschluss einer allergischen Genese 4 Rhinomanometrie vor und nach Abschwellung der Nasenmuscheln
Therapie 4 Dekongestiva (α-Sympatomimetika) nur kurzfristig 4 Ipratropiumbromid zur medikamentösen Hemmung der nasalen Sekretion 4 Capsaicin-Therapie lokal unter Oberflächenanästhesie zur Desaktivierung der Schleimhautsekretion 4 chirurgische Maßnahmen 5 Radiofrequenzablation der unteren Nasenmuscheln 5 Septumkorrektur zur Besserung der Obstruktion und Reduktion der Drüsenanteile im Epithel
Weitere chronische Rhinopathien
33
4 Rhinopathia gravidarum 5 hormonell bedingte ödematöse Schwellung der Nasen- und Nasenmuschelschleimhaut bei bis zu 30% der Schwangeren mit Hypersekretion und nasaler Obstruktion 5 symptomatische Therapie nach Rücksprache mit gynäkologischen Kollegen (keine α-Sympatomimetika) 4 nicht-allergische Rhinopathie mit Eosinophilie (NARES) 5 Symptomatik ähnlich der allergischen Rhinitis mit persistierendem Verlauf 5 positiver Nachweis von eosinophilen Granulozyten im Nasensekret, u. U. Erhöhung der eosinophilen Granulozyten im Blut, jedoch mit negativem Allergietest, RAST und Provokationstest 5 Auftreten im 2.–5. Lebensjahrzehnt 5 gutes Ansprechen auf topische Kortikosteroide
Spezifische chronische Rhinitis (. Tabelle) Übersicht über die spezifischen chronischen Rhinitiden Bezeichnung
Erreger
Klinik
Diagnostik
Therapie
Tbc der Nase/Lupus
Mycobacterium tuberculosis
epitheloidzellige Granulome (Lupus), schmierige Beläge
Endoskopie, Abstrich, Biopsie (Granulome), Röntgen-Thorax, internistisches Konsil
Tuberkulostatika nach aktuellen Therapieschemata
Lues
Treponema pallidum
eitrige Rhinorrhö, Gummen der Nasenwand und des Septums, Septumnekrose, Sattelnase
Endoskopie, Abstrich, serologische Diagnostik (nicht für Primärstadium)
Antibiotika
6
389 33.2 · Erkrankungen der inneren Nase
Übersicht über die spezifischen chronischen Rhinitiden (Fortsetzung) Bezeichnung
Erreger
Klinik
Diagnostik
Therapie
Sarkoidose
(keine infektiöse Genese, Ursache unbekannt)
Granulombildung, nicht verkäsend. Nasenatmungsbehinderung, Kopfschmerz, vermehrte Sekretion, pulmonale Manifestation, ggf. Uveitis, Sialadenitis
Endoskopie, Biopsie, CT NNH koronar (NNH-Manifestation), RöntgenThorax, internistisches Konsil
operative Sanierung, ggf. NNHOperation; nach Rücksprache mit Internisten Kortikosteroide systemisch, Immunsuppressiva
Weitere infektiöse chronische Rhinitiden/ Tropenerkrankungen (. Tabelle) Übersicht über infektiöse chronische Rhinitiden und Tropenerkrankungen Bezeichnung
Erreger
Klinik
Diagnostik
Therapie
Malleus (Rotz)
Burkholderia mallei
blutig-eitrige Rhinorrhö
Endoskopie, Abstrich, ggf. Biopsie
Antibiotika (z. B. Doxycyclin)
Blastomykose
Blastomyces, Cryptococcus , Paracoccidioides
Pneumonie, Haut- und laryngeale Beteiligung Nase: verruköse Schleimhautveränderungen, Narben (oft asymptomatisch)
Endoskopie, Abstrich
Antimykotika (z. B. Amphotericin B)
Leishmaniose
Leishmania brasiliensis
Hautmanifestation, granulierende Rhinitis, Zerstörung des Septumknorpels, Sattelnase
Endoskopie, Biopsie
Glucantim, Miltefosin, Amphotericin B
Rhinosklerom
Klebsiella rhinoscleromatis
eitrige Rhinorrhö, Granulombildung, narbige Strikturen (laryngeale Manifestation)
Endoskopie, Biopsie
Antibiotika (Streptomycin, Ciprofloxacin), Abtragung von Strikturen
Lepra
Mycobacterium leprae
Rhinitis sicca anterior, Granulombildung (Leprom), Einschmelzung, Zerstörung des Nasengerüsts
Endoskopie, Abstrich
Dapson
33
Eigene Notizen
390
Kapitel 33 · Nase, Gesicht, Mittelgesicht, Rhinobasis
Eigene Notizen
33.2.12
Wegener-Granulomatose
4 granulomatöse Vaskulitis mit multiplen Organmanifestationen: Nase, Nasennebenhöhlen, Larynx, Lunge, Nieren, Mittelohr (chronisch granulierende Otitis media, granulierende Mastoiditis) und Innenohr (kochleäre Vaskulitis), Muskulatur (Myositis), ZNS, periphere Nerven (Polyneuropathie, u. a. Fazialisparese) 4 autoimmunologische Erkrankung (Nachweis von antineutrophilen zytoplasmatischen Antikörpern; ANCA) unklarer Genese 4 (multipel) lokalisiertes Stadium mit mehrmonatigem bis zu mehrjährigem Verlauf bei guter Kontrolle der Erkrankung 4 generalisiertes Stadium mit sog. pulmorenalem Syndrom mit akzeleriertem Verlauf bis zum Tod
Klinik 4 Granulationen in oberen Atemwegen 4 nasale Obstruktion 4 blutig tingierte, schmierige Sekretion, bakterielle Superinfektion, borkig belegte nekrotisierende Entzündung der Schleimhäute mit granulierender Schleimhautoberfläche 4 nekrotischer Zerfall des knorpeligen Nasengerüsts mit Sattelnasenbildung 4 zur Ohrmanifestation 4 laryngeale Manifestation ebenfalls mit granulierender Schleimhaut und Borkenbildung
Diagnostik
33
4 Endoskopie der Nase (30°- und 70°-Endoskopie) und des Larynx (70°Endoskopie und 90°-Lupenlaryngoskopie) mit Biopsie (Granulomnachweis) 4 antineutrophile zytoplasmatische Antikörper (ANCA) im Serum 4 Röntgen Thorax (pulmonale Manifestation) 4 renale Funktionsdiagnostik 4 internistisches Konsil
Therapie 4 Immunsuppression mit Kortikosteroiden, Azathioprin, Cyclophosphamid 4 bei Vollremission Defektheilungen des Nasengerüsts mit Ausgleich der Sattelnase durch Einsatz von Rippenknorpel oder Einsatz eines Septumobturators zum Perforationsverschluss
33.2.13
Granuloma gangraenescens (»midline granuloma«)
4 progredient destruierende Erkrankung des Mittelgesichts als lokale Manifestation eines T-Zell-Lymphoms mit EBV-Assoziation
391 33.3 · Erkrankungen der Nasennebenhöhlen
Klinik
33
Eigene Notizen
4 initial nasale Obstruktion, mukös-eitrige Sekretion, Rötung und Schwellung der Gesichtshaut, Kopfschmerzen, Epiphora 4 später Ulzeration von Haut und Schleimhaut, bakterielle Superinfektion häufig, Nekrose von Weichteilen, Knorpel und Knochen des gesamten Mittelgesichts mit erheblichen Substanzdefekten 4 keine Schmerzen
Diagnostik 4 30°-/70°-Endoskopie der Nase, CT der Nase in koronarer Schichtführung, MRT der Gesichts- und angrenzenden Hirnanteile 4 Visus- und Motilitätsprüfung 4 Biopsie des Naseninneren bzw. aus den Randbereichen des Defekts
Therapie 4 primäre Radiochemotherapie (Immunsuppressiva) 4 antibiotische Mitbehandlung der bakteriellen Superinfektion 4 plastische Defektdeckung im Stadium der Vollremission
33.3
Erkrankungen der Nasennebenhöhlen
33.3.1
Akute Entzündung der Nasennebenhöhlen
4 akute Sinusitis definiert als Entzündung der Nasennebenhöhlenschleimhaut durch eine bakterielle oder bakterielle Infektion 4 regelmäßig Auftreten in Verbindung mit einer akuten Rhinitis (daher als Rhinosinusitis bezeichnet) 4 Prävalenz in der BRD ca. 8%
Ätiologie 4 zu den häufigsten pathogenen Erregern zählen Rhino-, Influenza- und Parainfluenza-Viren sowie Chlamydia pneumoniae und Mykoplasmen 4 in 10–40% unklare Ätiologie der akuten Rhinosinusitis 4 Kofaktoren u. a. anatomische Varianten der Nasennebenhöhlen und der Nasenhöhle sowie Allergien (assoziiert mit der akuten Rhinitis zu 25– 50%) möglich 4 bei bakteriellen Superinfektion besteht das übliche Keimspektrum aus Streptococcus pneumoniae (36–40%), Haemophilus influenzae (22– 50%), Staphylococcus aureus (3–5%), Streptococcus pyogenes (3%) und Moraxella catarrhalis (2%, bei Kindern häufiger) 4 bei immunsupprimierten Patienten zusätzlich Pseudomonas aeruginosa als bakterieller Erreger relevant
Klinik 4 Auftreten von mindestens zwei Hauptsymptomen oder eines Hauptund zwei Nebensymptomen (. Tabelle)
392
Kapitel 33 · Nase, Gesicht, Mittelgesicht, Rhinobasis
Eigene Notizen
Haupt- und Nebensymptome der akuten Sinusitis Hauptsymptome
Nebensymptome
Gesichtsschmerz
Kopfschmerzen
Stauungsgefühl im Gesicht
Fötor
Verstopfte Nase
Abgeschlagenheit
eitriger Schnupfen
Zahnschmerzen
Riechstörung
Husten
Fieber
Ohrenschmerzen
4 in 0,5–2,5% der Fälle kommt es nach einer akuten Infektion der oberen Luftwege zu einer akuten bakteriellen Rhinosinusitis. Hierbei entsteht infolge der entzündlichen Schleimhautreizung eine Schwellung der Nebenhöhlenostien mit resultierender Belüftungsstörung der NNH, Sekretstase und bakterieller Besiedlung des Sekrets 4 nasale Obstruktion, Abgeschlagenheit, Fieber, anteriorer oder posteriorer Rhinorrhö und Kopfschmerzen in typischer Projektion (. Tabelle) Schmerzprojektion nach betroffener Nasennebenhöhle
33
Entzündlicher Fokus
Projektion auf
Sinus maxillaris
Wange
Cellulae ethmoidales
Glabella bzw. Stirn median
Sinus frontalis
Stirn lateral
Sinus sphenoidalis
parietal median bzw. bitemporal
4 weitere klinische Zeichen: Klopfschmerzhaftigkeit der Region über den betroffenen Nebenhöhlen, Verstärkung des Gesichtsschmerzes/-drucks beim Vornüberbeugen, Nachweis von purulenter Sekretion an der Rachenhinterwand (»postnasal drip«) und im mittleren Nasengang (30°Endoskopie der Nasenhöhle)
Diagnostik 4 zentrale Bedeutung besitzt die Endoskopie der Nasenhöhle mit 30°oder 70°-Winkeloptik zur Beurteilung des mittleren Nasengangs und des ostiomeatalen Komplexes 4 CT der Nasennebenhöhlen in koronarer Schnittführung oder Rekonstruktion aus axialen Schichten derzeit das beste bildgebendes Verfahren zur Darstellung der Nasenebenhöhlen, da die Abbildung der knöchernen Strukturen eine detaillierte Übersicht z. B. über den ostiomeatalen Komplex erlaubt 4 ähnlich hohe Bildqualität bei u. U. niedrigerer Strahlenbelastung liefert die digitale Volumentomographie (DVT)
393 33.3 · Erkrankungen der Nasennebenhöhlen
4 MRT-Aufnahmen wegen der schlechten Knochendarstellung zur Diagnostik der Rhinosinusitis weniger sinnvoll 4 weniger wertvoll sind die A-Sonographie der Nasennebenhöhlen bzw. konventionelle Röntgenaufnahmen der Nasennebenhöhlen in 2 Ebenen, da sich mit beiden Verfahren nur Sekretspiegel in den Kieferhöhlen zuverlässig diagnostizieren lassen, bei fehlenden Sekretspiegeln bzw. zur Diagnostik der übrigen NNH sind beide Verfahren nicht zielführend 4 ein direkter Erregernachweis, z. B. durch eine scharfe Kieferhöhlenpunktion, ist bei der akuten unkomplizierten Rhinosinusitis obsolet
Therapie 4 Antibiotika nur indiziert bei bakterieller Superinfektion einer akuten viralen Rhinosinusitis, gekennzeichnet durch: 5 Erkrankungsdauer über 10–14 Tage 5 purulente Sekretion in der Endoskopie 5 u. U. verstärkte Beschwerden nach zwischenzeitlicher Besserung 4 Indikation zur antibiotischen Behandlung besteht darüber hinaus bei: 5 Fieber >38,5°C 5 drohender Komplikation (orbital, endokraniell) 5 chronisch-entzündlicher Lungenerkrankung 5 immunsupprimierten und immundefizienten Zuständen 5 schwerer begleitender Grunderkrankung oder besonderen Risikofaktoren 4 Mittel der ersten Wahl Amoxicillin, bei schweren Verlaufsformen und Risikofaktoren Aminopenicillin + β-Lactamase-Inhibitor, Cephalosporine der 2. Generation 4 alternativ Gabe u. a. von Makroliden, Clindamycin, Doxycyclin und bei schweren Verlaufsformen Cephalosporine der 3. Generation oder Gyrasehemmern möglich 4 lokale Dekongestiva (z. B. Oxymetazolin) zur symptomatischen Therapie für die Dauer von maximal 10 Tage empfohlen 4 Gabe topischer Kortikosteroidsprays kann zusätzlich die nasale Obstruktion und die Schwellung der endonasalen Schleimhäute mindern 4 Gabe von Antihistaminika nur bei einer gleichzeitig vorliegenden allergischen Rhinitis sinnvoll 4 weitere therapeutische Ansätze, wie z. B. pflanzliche Sekretolytika oder physikalische Maßnahmen (Kopfdampfbäder, Rotlichtbestrahlung), zeigen uneinheitliche Ergebnisse oder keine therapeutische Wirksamkeit 4 chirurgische Behandlungsverfahren bei der akuten Rhinosinusitis nur im Fall etwaiger Komplikationen an der Orbita, dem Endokranium oder bei septischen Zuständen
33.3.2
Barosinusitis
4 Verschluss der Nasennebenhöhlenostien bei raschen äußeren Druckänderungen, bevorzugt bei Berufs- und Hobbytauchern, in der Luftfahrt, bei Druckkammerinsassen
33
Eigene Notizen
394
Kapitel 33 · Nase, Gesicht, Mittelgesicht, Rhinobasis
Eigene Notizen
4 Erhöhtes Risiko bei akuter Schleimhautschwellung in Folge einer akuten Rhinitis oder Rhinosinusitis
Klinik 4 plötzlich auftretende Schmerzen in Projektion auf Stirn oder Wange bei Druckänderungen, d. h. Auf- oder Abtauchen, Start oder Landung im Luftverkehr 4 Verstärkte Rhinorrhö, evtl. blutig durchsetzt
Diagnostik 4 Endoskopie der Nase und der NNH mit 30°- und 70°-Winkeloptiken, dabei Reizung und Schwellung der NNH mit Rhinorrhö, u. U. blutig, erkennbar 4 falls protrahierter oder rezidivierender Verlauf, CT-NNH in koronarer Schichtführung zur Beurteilung einer zugrunde liegenden chronischen Rhinosinusitis und zum Ausschluss einer Neoplasie
Therapie 4 abschwellende Nasentropfen (z. B. Oxymetazolin 0,1%), ggf. Spülung mit NaCl 0,9% mittels Nasendusche, Antihistaminika (z. B. Desloratadin 5 mg) und topische Kortikosteroide (Budesonid- oder MometasonSpray 2×2 Hübe täglich) 4 bei persistierender Schleimhautschwellung in der CT der NNH, die auf vorgenannte Medikation nicht reagiert oder bei Neoplasieverdacht: Operationsindikation
33.3.3
33
Chronische Entzündungen der Nasennebenhöhlen
4 chronische Entzündungen der Nasennebenhöhlen werden in Verbindung mit einer Entzündung der Nasenhöhle (»Rhinosinusitis«) definiert als das Vorhandensein von mindestens zwei Symptomen (s. unten) für die Dauer von mehr als 12 Wochen oder mehr als 4 Episoden pro Jahr ohne vollständige zwischenzeitliche Erholung 4 bei der chronischen Rhinosinusitis werden Formen mit und ohne Nasenpolypen unterschieden 5 Nasenpolypen imponieren als gestielte, glasig-graue Schleimhauthyperplasien mit wässrigem, lockerem fibrösen Stroma und becherzellreichen Schleimhautüberzug 5 durch Gewebeneubildung oder Polypenwachstum im ostiomeatalen Komplex – dem Raum zwischen den vorderen Siebbeinzellen, dem Stirnhöhleninfundibulum und dem Kieferhöhlenostium – kommt es zur Drainagestörung und Minderbelüftung in den nachgeschalteten Sinus und damit zur Manifestation der Erkrankung 4 Prävalenz der chronischen Rhinosinusitis wird uneinheitlich bewertet: während 15,5% aller Individuen anamnestisch über »sinusitische Beschwerden« berichten, wird die Diagnose nach ICD-10 nur bei 2% aller Individuen gestellt (USA: 4,78%)
395 33.3 · Erkrankungen der Nasennebenhöhlen
4 zentrale Bedeutung besitzt nach gegenwärtigem Kenntnisstand eine gestörte Regulation der Entzündungsmediatoren im Schleimhautniveau der Nasennebenhöhlen. Unter anderem kommt es zur Aufwärtsregulation von Interleukinen, Cys-Leukotrienen und Eotaxin im Rahmen der Eosinophilen-assoziierten chronischen Rhinosinusitis 4 als Auslöser wird u. a. das Staphylococcus-aureus-Enterotoxin diskutiert, das als Superantigen 20–25% der nativen T-Zell-Population stimulieren kann 4 andere mögliche Auslöser sind Pilze (vor allem Alternaria spp.), die für das Entstehen einer Eosinophilen-assoziierten Pilzsinusitis verantwortlich sein sollen (. Tabelle) 4 gehäuftes Vorkommen einer mit neutrophilen Granulozyten assoziierte chronische Rhinosinusitis bei zystischer Fibrose und bei asiatischen Patienten 4 Assoziation der chronischen Rhinosinusitis mit einer Reihe von Krankheitsbildern, mit denen der ursächliche Zusammenhang größtenteils noch nicht geklärt ist: 5 Allergien J positive Prick-Tests bei 50–84% der Patienten mit chronischer Rhinosinusitis J manifeste Allergie bei 10–64% aller Patienten mit chronischer Rhinosinusitis mit Polyposis J umgekehrt Ausbildung nasaler Polypen bei 0,5–4,5% aller Allergiker – das entspricht der Prävalenz in der Normalbevölkerung 5 Asthma bronchiale J 100% der Patienten mit schwerem Asthma bronchiale und 88% der Patienten mit mäßig schwerem Asthma zeigen im CT-NNH Veränderungen einer chronischen Rhinosinusitis J umgekehrt findet sich bei 26% aller Patienten mit chronischer Rhinosinusitis mit Polyposis ein Asthma bronchiale (Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung ca. 6%), doppelt so häufig ein nichtatopisches wie ein atopischen Asthma bronchiale J ausschlaggebend für die Assoziation mit einem nicht-allergischen Asthma bronchiale ist eine Unverträglichkeit für nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAID), insbesondere Acetylsalicylsäure, was auf eine Variante in der Verstoffwechselung durch die Leukotrien-C4-Synthetase zurückgeführt wird J Samter-Trias = nicht-allergisches Asthma, Acetylsalicylsäure-Unverträglichkeit und chronische Rhinosinusitis mit Polyposis; bei 4,3–11% aller Asthmatiker (Allgemeinbevölkerung 0,6–2%) 5 bei HIV-positiven Patienten findet sich eine chronische Rhinosinusitis in ca. 34% 5 Patienten mit zystischer Fibrose entwickeln in 25–40% eine chronische Rhinosinusitis mit Polyposis 5 > Memo Bei Kindern mit chronischer Rhinosinusitis und Polyposis ist an die Differenzialdiagnose »zystische Fibrose« zu denken. 5 weitere, seltenere Erkrankungen: u. a. primäre ziliäre Dyskinesie, Kartagener-Syndrom und Wegener-Granulomatose
33
Eigene Notizen
396
Kapitel 33 · Nase, Gesicht, Mittelgesicht, Rhinobasis
Eigene Notizen
4 Rolle der bakteriellen Infektion der Nasennebenhöhlen ist noch unklar. Sie kommt am ehesten als Superinfektion im Rahmen des chronischen Entzündungsprozesses vor. Keimspektrum: Staphylococcus epidermidis, Staphylococcus aureus, Streptococcus viridans, Moraxella catarrhalis, Haemophilus spp. Anaerobier, Pseudomonas aeruginosa und gramnegative Enterobakterien 4 Sonderstellung: chronische Rhinosinusitis durch Pilzinfektionen; Einteilung in nicht-schleimhautinvasive und schleimhautinvasive Formen (. Tabelle) Übersicht über die pilzbedingte chronische Rhinosinusitis Invasivität
Typ
Charakteristika
invasiv
akut
bei schwerer Immunsuppression (z. B. Leukämie, AIDS); Manifestation <4 Wochen, nekrotisierender oder septischer Verlauf möglich
chronisch
bei mäßiger Immunsuppression (z. B. Diabetes, Steroidtherapie, AIDS); Manifestation >12 Wochen, häufig Asp. fumigatus
granulomatös
endemisch in Sudan, Pakistan, Indien, Saudi-Arabien; histologischer Granulomnachweis, Erreger Asp. flavus
saprophytische Besiedlung
keine Infektion bzw. Schleimhautreaktion
Pilzkugel (»Fungus-Ball«)
umschriebene Pilzansammlung, häufig in der Kieferhöhle, mit oberflächlicher Schleimhautreaktion
eosinophile Pilz-Rhinosinusitis (EFRS)
Vorhandensein von eosinophilen Granulozyten in der Schleimhaut, IgE-positiv auf Pilze, Pilzhyphen im Muzin nachweisbar, analog Typ-III-Allergiereaktion (meist Alternaria spp.)
allergische PilzRhinosinusitis (AFRS)
wie EFRS, analog Typ-I-Allergiereaktion
nicht-invasiv
33
Klinik 4 Symptome sind weniger ausgeprägt als bei der akuten Rhinosinusitis und häufig uncharakteristisch 4 vorherrschend Nasenatmungsbehinderung, nasales Völlegefühl, Kopfoder Gesichtsdruck; Riechstörungen, nasale Sekretion 4 analog zur akuten Rhinosinusitis Auftreten von mindestens zwei Hauptsymptomen oder eines Haupt- und zwei Nebensymptomen (. Tabelle)
397 33.3 · Erkrankungen der Nasennebenhöhlen
Haupt- und Nebensymptome der chronischen Sinusitis Hauptsymptome
Nebensymptome
Gesichtsschmerz
Kopfschmerzen
Stauungsgefühl im Gesicht
Fötor
Verstopfte Nase
Abgeschlagenheit
eitriger Schnupfen
Zahnschmerzen
Riechstörung
Husten
Fieber
Ohrenschmerzen
Diagnostik 4 Endoskopie der Nasenhöhlen mittels 30°- bzw. 70°-Winkeloptiken: Beurteilung der Schleimhaut auf Rötung, Schwellung, Sekretion aus dem mittleren Nasengang, Polypenwachstum im mittleren Nasengang (. Abb. 51, Farbteil) und darüber hinaus, Sekretstraße an der Nasenrachenhinterwand (posteriore Rhinoskopie) 4 Computertomographie der Nasennebenhöhlen in Knochenfenstertechnik Standard in der bildgebenden Diagnostik 5 in koronarer Schichtung Beurteilung der knöchernen Grenzen zur Orbita und des Canalis nervi optici sowie des Karotiskanals möglich 5 Vor Operation der Nasennebenhöhlen obligat 4 konventionelle Röntgenaufnahmen zur Beurteilung der chronischen Rhinosinusitis ungeeignet 4 MRT wegen mangelnder Darstellung der knöchernen Grenzen nicht erste Wahl (Ausnahme Differenzialdiagnose Neubildungen, Schädelbasisneoplasien) 4 mikrobiologische Untersuchungen bei chronischer Rhinosinusitis nur bei vermuteter Immunschwäche indiziert 4 zusätzlich können indiziert sein: 5 Allergiediagnostik bei zugrundeliegender allergischer Rhinitis 5 Acetylsalicylsäure-Provokationstest (oral, inhalativ, nasal) bei vermuteter Intoleranz 5 Biopsie zur Zilienaktivitätsbestimmung (ziliäre Dyskinesie, Kartagener-Syndrom) 5 antineutrophile zytoplasmatische Antikörper im Serum (ANCA) und Biopsie bei Wegener-Granulomatose 5 Angiotensin-konvertierendes Enzym (ACE)-Bestimmung im Serum und Interleukin-2-Rezeptorstatus bei Sarkoidose 5 Immunglobulinstatus bei Verdacht auf Immundefizienz 5 Biopsie bei Neoplasieverdacht
33
Eigene Notizen
398
Kapitel 33 · Nase, Gesicht, Mittelgesicht, Rhinobasis
Eigene Notizen
Differenzialdiagnose (. Tabelle) Differenzialdiagnosen der chronischen Nasennebenhöhlenentzündung
33
Kopfschmerzen ohne Zeichen einer Rhinosinusitis (Endoskopie, CT)
Migräne Kiefergelenksschmerz Trigeminusneuralgie dentogene Schmerzen ohne Sinusitis
Granulomatöse Entzündung, lokalisiert
Sarkoidose Wegener-Granulomatose Granuloma pyogenicum Midline Granuloma
Rhinitis ohne Sinusitis
allergische Rhinitis virale Rhinitis hyperreflektorische Rhinitis eosinophile (nichtallergische) Rhinitis Schwangerschaftsrhinitis
Medikamentöse/ substanzbedingte Rhinopathie
Dekongestiva-Abusus (»Privinismus«) Kokainabusus β-Blocker Antihypertensiva Hormonpräparate
mechanische Ursachen und Fehlbildungen
Muschelhyperplasie Hyperplasie der Nasenrachen- oder Gaumentonsillen Concha bullosa Septumdeviation Fremdkörper Pyozelen/Mukozelen Meningo-/enzephalo-/zele Rhinoliquorrhö (durch Rhinobasisfraktur oder spontan)
gut- und bösartige Neubildungen
invertiertes Papillom juveniles Nasenrachenfibrom Meningeom der Rhinobasis Plattenepithelkarzinom nicht verhornendes Karzinom des Nasenrachens Adenokarzinom adenoidzystisches Karzinom Ästhesioneuroblastom malignes Lymphom
399 33.3 · Erkrankungen der Nasennebenhöhlen
Therapie
33
Eigene Notizen
4 medikamentöse Therapie der chronischen Rhinosinusitis (. Tabelle) Medikamentöse Therapie der chronischen Nasennebenhöhlenentzündung Klasse
Chronische Rhinosinusitis ohne Polyposis
Chronische Rhinosinusitis mit Polyposis
topische Kortikosteroide
reduzierte Sekretion, Obstruktion, Gesichtsschmerz
Reduktion der Polypengröße, Sekretion, Obstruktion, Niesreiz, Riechvermögen unverändert
postoperativ Reduktion der Rezidivrate, der Symptome wie oben systemische Kortikosteroide
nicht ausreichend geklärt
effektiv als 2-wöchige Behandlung zur Polypenreduktion, z. B. vor Operation
Antibiotika
nur bei bakterieller Superinfektion sinnvoll Mittel der ersten Wahl: Aminopenicillin + β-Lactamase-Inhibitor bzw. Cephalosporin sind (alternativ z. B. Clindamycin, Cotrimoxazol, Piperacillin + Tazobactam; Behandlungsdauer mindestens 6 Tage über Beschwerdedauer hinaus) neuer Ansatz: Makrolide als Langzeittherapie in reduzierter Dosis zur Immunmodulation (bei neutrophiler Rhinosinusitis)
Antihistaminika
nicht ausreichend geklärt
Antimykotika
bei invasiver Pilzsinusitis systemisch topische Gabe nicht ausreichend geklärt
Spülung mit Salzlösung
Symptomreduktion, reduzierte Schleimhautdicke bei hyperosmolarer Lösung
Leukotrienantagonisten
Symptomreduktion, reduzierte Schleimhautdicke
adaptive Desaktivierung mittels Acetylsalicylsäure (bei Intoleranzreaktion)
nicht ausreichend geklärt
Reduktion von Niesreiz, Sekretfluss, Völlegefühl (kein Einfluss auf Polypengröße)
nicht ausreichend geklärt
signifikant reduzierter Steroidverbrauch, Reduktion der Asthmasymptome, der PolypenRezidivrate; Riechvermögen gebessert
4 operative Behandlungsverfahren bei chronischer Rhinosinusitis 5 zur Verbesserung der mukoziliaren Clearance, zur Beseitigung von Schleimhautobstruktion und zur Verbesserung der Ventilation der Nasennebenhöhlen 5 indiziert, wenn o. g. medikamentöse Behandlungsverfahren ohne ausreichende Wirkung 5 gezielte Abtragung erkrankter Schleimhautabschnitte auf endoskopischem oder mikroskopischem Weg unter Schonung der angrenzenden, nicht erkrankten Bezirke (funktionelle Nasennebenhöhlenchirurgie)
400
Kapitel 33 · Nase, Gesicht, Mittelgesicht, Rhinobasis
Eigene Notizen
5 obstruierte Nebenhöhlenostien werden eröffnet und erweitert, Polypen und geschwollene Schleimhaut begrenzt abgetragen 5 neben schneidenden und stanzenden Instrumenten auch Verwendung von motorischen Instrumenten (»Shaver«) und Laser 5 navigationsgeführte Eingriffe kommen bei veränderter Anatomie nach Voreingriffen bzw. Normvarianten z. B. eines durch die Siebbeinzellen frei verlaufenden Nervus opticus (»Onodi-Zellen«) in Frage
33.3.4
Dentogene Rhinosinusitis
4 Entzündung der Kieferhöhlen, bedingt durch entzündlichen bakteriellen Fokus im Bereich der Oberkieferzähne (am häufigsten 2. Prämolar bis 1. Molar) 4 30–40% der Sinusitis maxillaris auf dentogenen Fokus zurückzuführen 4 Ursachen: apikale Parodontitis, Wurzelspitzengranulome, Wurzelreste, nach Zahnextraktion; seltener radikuläre oder follikuläre Zysten 4 Erreger: häufig Anaerobier
Klinik 4 zusätzlich zu den klinischen Symptomen und endoskopischen Zeichen eines purulenten Sekretflusses aus dem mittleren Nasengang (7 Abschn. 33.3.1 und 7 Abschn. 33.3.2) Wangenschwellung und Unterlidödem 4 die dentogene Rhinosinusitis geht seltener mit Polyposis einher als die nicht-dentogene
Diagnostik
33
4 Inspektion des Zahnstatus und Klopfschmerzhaftigkeit der oberen Zahnreihe zeigt oft die Eintrittspforte 4 30°-/70°-Endoskopie der Nasenhöhlen 4 CT-NNH in Knochenfenstertechnik und koronarer Schichtführung: Schleimhautschwellung bzw. rundliche Schleimhautvermehrung in Projektion auf den Kieferhöhlenboden 4 Orthopantomogramm zur Beurteilung des Zahnstatus und zahnärztliches Konsil 4 alternativ: digitale Volumentomographie des Oberkiefers und der Nasennebenhöhlen
Therapie 4 im Vordergrund steht die zahnärztliche/kieferchirurgische Sanierung des entzündlichen Fokus 4 Verschluss einer oro-antralen Fistel durch Lappenplastik (RehrmannPlastik) 4 begleitend zur Zahnsanierung konservative Therapie der Rhinosinusitis (. Tabelle) 4 falls hierdurch keine Besserung der Rhinosinusitis → Indikation einer funktionellen endonasalen Operation der Kieferhöhlen
401 33.3 · Erkrankungen der Nasennebenhöhlen
33.3.5
Orbitale Komplikation der Rhinosinusitis
4 Übergreifen einer bakteriellen Infektion (seltener: Pilzinfektion) auf den Orbitainhalt, ausgehend von den Nasennebenhöhlen 4 Eintrittspforte am häufigsten das Siebbeinzellsystem wegen der dünnen knöchernen Trennwand (»Lamina papyracea«) bzw. kleiner knöcherner Dehiszenzen 4 vor allem bei Kindern begünstigt durch das Verhältnis von Siebbeinzellvolumen (hoch) zur Knochendicke (niedrig) 4 andere Eintrittspforten: Kieferhöhle, die Stirnhöhle und die Keilbeinhöhle (Apex-orbitae-Syndrom) 4 häufige bakterielle Erreger: Staphylococcus aureus, hämolysierende Streptokokken, Pneumokokken, Haemophilus influenzae (bei Kindern), Klebsiellen, Pseudomonas aeruginosa
Klinik 4 Orbitaödem: Lidödem ohne Bewegungseinschränkung des Auges, ohne Visusverlust 4 Periostitis der Lamina papyracea: beginnende Infiltration des orbitaseitigen Periosts, noch ohne Bulbusmotilitätsstörung und Visusverlust, aber stärkere Schmerzen 4 subperiostaler Abszess: Abszess nach Durchbrechen der Lamina papyracea bzw. des Stirnhöhlenbodens mit Protrusio bulbi und Lateral-/ Kaudalverlagerung des Bulbus. Es besteht Motilitätsstörung, aber i. d. R. noch keine Visusminderung 4 Apex-orbitae-Syndrom: entzündliche Infiltration des Orbitatrichters ausgehend von der Keilbeinhöhlenseitenwand (Protrusio bulbi, Chemosis, drohender Funktionsverlust der Hirnnerven II (Visus) und V (Sensibilität), Motilitätsstörung durch Ausfall der Hirnnerven VI>III>IV) 4 Orbitaphlegmone: schwerste phlegmonöse Entzündung im gesamten Orbitainhalt mit Protrusio bulbi, schwerer Chemosis, Bulbusstarre ( ! Cave Gefahr der Visusverschlechterung bis zur Blindheit! )
Diagnostik 4 30°-/70°-Endoskopie der Nase zur Verifizierung der Rhinosinusitis 4 CT-NNH in axialer und koronarer Schichtführung, hier auch in Knochen- und Weichteilfenstertechnik mit Kontrastmittel zur Darstellung der knöchernen Verhältnisse, Lage und Ausdehnung der intraorbitalen Komplikation und der knöchernen Eintrittspforten 4 MRT bei begleitender Neuritis nervi optici ggf. sinnvoll; eine MRT-Untersuchung allein wegen der fehlenden Knochendarstellung ungeeignet 4 augenärztliches Konsil zur Visus- und Motilitätsprüfung des Bulbus, auch im Verlauf 4 Sensibilitätsprüfung des Gesichts supra- und infraorbital
33
Eigene Notizen
402
Kapitel 33 · Nase, Gesicht, Mittelgesicht, Rhinobasis
Eigene Notizen
Therapie 4 bei Orbitaödem und Periostitis ohne Abszess, unauffälligem Visus und regelrechter Bulbusmotilität 5 konservative Behandlung mit hochdosierter Antibiotikatherapie 5 endonasale Abschwellung mit Dekongestiva und topischen Steroiden (Spray) 5 Analgesie nach Bedarf 5 regelmäßige Kontrollen von Visus und Bulbusmotilität 4 bei subperiostalem Abszess mit/ohne Visusminderung dringliche Indikation zur operativen Therapie 5 ! Cave Bei Apex-orbitae-Syndrom und Orbitaphlegmone mit Visusminderung Notfallindikation! 5 operative Entlastung der Nasennebenhöhlen von entzündlichem Sekret auf endonasal-endoskopischem oder -mikroskopischem Weg 5 zusätzlich Eröffnung der Lamina papyracea zur Abszessentlastung und bei Penetration durch die bindegewebige Periorbita Schlitzung derselben 5 bei entzündlich bedingter Neuritis nervi optici Freilegung des Nerven in der Keilbeinhöhlenseitenwand und Schlitzung des Perineuriums zur Druckentlastung indiziert
33.3.6
33
Tränenwegsobstruktion
4 Verschluss der ableitenden Tränenwege im Bereich der Canaliculi (präsakkal) oder des Ductus nasolacrimalis (postsakkal) 4 Ursachen: kongenital, nach Trauma mit Mittelgesichtsfraktur, in Folge einer Dakryozystitis, bei Tumoren der Orbita oder der Nasenhöhle, Ostitis/Osteomyelitis der Maxilla, iatrogen z. B. nach ausgedehnten operativen Eingriffen ohne Rekonstruktion der ableitenden Tränenwege
Klinik 4 Epiphora, Schwellung im medialen Lidwinkel, ggf. Rötung und Druckschmerz (Dakryozystitis) bzw. schmerzlose derbe Schwellung (Tumoren)
Diagnostik 4 30°-/70°-Endoskopie der Nase 4 Tränenwegsspülung 5 bei der präsakkalen Stenose kein Rückfluss von Spülflüssigkeit über das obere bzw. untere Tränenpünktchen 5 bei der postsakkalen Stenose Rückfluss über das obere/untere Tränenpünktchen, ggf. Aufblähen des Tränensacks sichtbar 4 Dakryozystographie unter Anspülen der Tränenwege mit Kontrastmittel unter Durchleuchtung 4 ggf. augenärztliches Konsil
403 33.3 · Erkrankungen der Nasennebenhöhlen
Therapie
Eigene Notizen
4 ggf. Behandlung der Grunderkrankung (Neoplasie; Dakryozystitis) 4 in einfachen Fällen kann bereits eine Tränenwegsspülung erfolgreich sein 4 operative Beseitigung einer postsakkalen Stenose 5 Indikation zur endonasal-mikroskopischen bzw. -endoskopischen Dakryozystorhinostomie 5 mikrochirurgische Abtragung der Knochen im Bereich des Agger nasi von endonasal und Freilegung und longitudinale Schlitzung des Saccus lacrimalis 5 Schienung der Öffnung durch einen über die Canaliculi vorgeführten Silikonkatheter für 6 Wochen 5 Operation von außen (nach Toti) mittlerweile obsolet
33.3.7
33
Endokranielle Komplikationen der Rhinosinusitis
4 direktes oder indirektes Übergreifen einer Rhinosinusitis auf das Neurokranium 4 Ursachen: bakterielle Infektionen, hauptsächliche Erreger sind Streptokokken (β-hämolysierende und Pneumokokken), Staphylokokken, anaerobe grampositive Kokken und gramnegative Keime 4 Vorkommen von Thrombophlebitis, Meningitis und Abszessen (. Tabelle) Endokranielle Komplikationen der Rhinosinusitis Komplikation
Beschreibung
Klinik
Thrombophlebitis
Thrombophlebitis des Sinus sagittalis superior (ausgehend von der Orbita oder der Stirnhöhle)
Hirndruckzeichen, Stauungspapille (Entwicklung langsam, daher kein Frühzeichen), Kopfschmerzen
Thrombophlebitis des Sinus Cavernosus (fortgeleitet von den äußeren Gesichtsweichteilen, der Orbita, den Siebbeinzellen oder der Keilbeinhöhle)
Hirndruckzeichen, hohes Fieber, Stauungspapille (Entwicklung langsam, daher kein Frühzeichen), Kopfschmerzen (N. V), Ophthalmoplegie (N. III, IV, VI), Visusminderung (N. II)
Meningitis
ausgehend von einer Ostitis der entzündlich infiltrierten Nasennebenhöhlenwände fortgeleitete Entzündung der Hirnhäute
Meningismus (Nackensteife, Lichtscheu, positive klinische meningeale Dehnungstests), Eintrübung, Übelkeit, Erbrechen, Fieber
Abszesse
Epiduralabszess (Abszesshöhle zwischen Knochen und Dura)
dumpfer Kopfschmerz, Fieber, ggf. Eintrübung, Meningismus
Subduralabszess (Abszesshöhle zwischen Dura und Hirngewebe)
dumpfer Kopfschmerz, Fieber, ggf. Eintrübung, Meningismus
rhinogener Hirnabszess (Stirnlappenabszess) (Abszesshöhle im Hirngewebe durch venöse Fortleitung; hier: Stirnlappen)
Herdsymptome (gering), Enthemmung, plötzliches Erbrechen, Hirndruckzeichen
404
Kapitel 33 · Nase, Gesicht, Mittelgesicht, Rhinobasis
Eigene Notizen
Klinik 4 unterschiedlich je nach Lokalisation und Ausprägung (. Tabelle)
Diagnostik 4 30°-/70°-Endoskopie der Nase zur Diagnose der Rhinosinusitis 4 CT der Nasennebenhöhlen und des Neurokraniums in axialer und koronarer Schichtführung, hier auch in Knochen- und Weichteilfenstertechnik mit Kontrastmittel zur Darstellung der knöchernen Verhältnisse, Lage und Ausdehnung der intrakraniellen Komplikation und der knöchernen Eintrittspforten 4 MRT des endokraniellen Raums 4 neurologisches Konsil zur Ausdehnungsbestimmung und Ausmaß der funktionellen Einschränkung, auch im Verlauf 4 bei Meningitiszeichen Liquorpunktion und -diagnostik, auch im Verlauf 4 augenärztliches Konsil zur Visus- und Motilitätsprüfung des Bulbus, auch im Verlauf 4 Sensibilitätsprüfung des Gesichts supra- und infraorbital
Therapie
33
4 Entlastung des entzündlichen Fokus der Nasennebenhöhlen auf endonasal-operativem Weg, auch unter Einbeziehung angrenzender Herde oder Durchbrüche epidural, orbital 4 falls erforderlich, Operation von außen 4 bei endokraniellen Abszessen gemeinsames Vorgehen mit dem Neurochirurgen (Abszessentlastung, Durarekonstruktion) 4 höchstdosierte, breitbandige Antibiotikatherapie 4 Behandlung des Hirndrucks (falls erhöht) 4 intensivmedizinische Überwachung
33.3.8
Tumoren der inneren Nase, der Nasennebenhöhlen und der Rhinobasis
4 Differenzierung in gutartige und bösartige Tumoren (. Tabellen) Gutartige Tumoren der inneren Nase, der Nasennebenhöhlen und der Rhinobasis invertiertes Papillom
gutartiger epithelialer Tumor der Nasenschleimhaut, papillär und invertierend in das Epithel hineinwachsend, Überschreiten der Basalmembran, maligne Entartung in 1–53% der Fälle, Assoziation mit humanen Papillomviren 16 und 18
Osteom
gutartiger Tumor des Knochens, häufig in Stirnhöhle und deren Ausführungsgang, seltener in der Kieferhöhle wachsend
Ameloblastom
ausgehend von den Alveolarfortsätzen der Oberkieferzähne in die Fossa pterygopalatina, die Siebbeinzellen und in die Nasenhöhle wachsender Tumor
6
405 33.3 · Erkrankungen der Nasennebenhöhlen
Gutartige Tumoren der inneren Nase, der Nasennebenhöhlen und der Rhinobasis (Fortsetzung) fibröse Dysplasie Jaffé-Lichtenstein
fibröser Umbau des Knochens mit Ersatz von Hartsubstanz durch Fibroblasten und Kollagen
pleomorphes Adenom
Mischtumor der kleinen Speicheldrüsen mit epithelialen und mesenchymalen Anteilen, von den kleinen Speicheldrüsen ausgehend
Meningeom
gutartiger Tumor der Hirnhäute, bei Entstehen im Bereich der Rhinobasis in die Nasenhöhle und in die Siebbeinzellen/Keilbeinhöhlendach/Stirnhöhlenhinterwand vorwachsend. Vorkommen von primär extrakraniellen und intrakraniellen Meningeomen mit Durchbruch nach extrakraniell
Bösartige Tumoren der inneren Nase, der Nasennebenhöhlen und der Rhinobasis Plattenepithelkarzinom
epitheliales Malignom der Nasenhaupt- und -nebenhöhlen. Ursächliche Noxen z. B. Zigarettenrauch; HPV-Genese wird untersucht
Adenokarzinom
epitheliales Malignom ausgehend von den mukösen Drüsen. Anerkannte Berufskrankheit bei Holzverarbeitern (z. B. Schreiner) durch Exposition gegenüber Hartholzstäuben
adenoidzystisches Karzinom
Malignom ausgehend von kleinen Speichel- oder Schleimdrüsen. Langsames Wachstum, häufig entlang Nervenscheiden, hohe Rezidivrate
Ästhesioneuroblastom
neuroendokriner Tumor der Rhinobasis, vom Epithel der Riechschleimhaut ausgehend
malignes Lymphom
nasale Manifestation im Rahmen eines Hodgkin- oder NonHodgkin-Lymphoms
Klinik 4 gutartige Tumoren 5 invertiertes Papillom: Epistaxis, Nasenatmungsbehinderung bei Größenwachstum Einbruch in Orbita bzw. Endokranium, Knochendestruktion 5 Osteom: kleine Osteome symptomlos, uncharakteristisches Druckgefühl bzw. Kopfschmerzen bei Größenzunahme, chronische Sinusitis bzw. Mukozele bei Verlegung eines Ausführungsganges 5 Ameloblastom: lokales Druckgefühl, Auftreibung des Oberkiefers am Alveolarkamm bzw. Wangenrelief, ggf. Exophthalmus 5 fibröse Dysplasie Jaffé-Lichtenstein: Auftreibung betroffener Knochenanteile, diffuses Druckgefühl, sekundäre Symptomatik durch Verdrängung z. B. des Orbitainhalts (Exophthalmus, Doppelbilder) 5 pleomorphes Adenom: Schwellung und Auftreibung von Nase und Wange, Nasenatmungsbehinderung, gelegentlich Epistaxis 5 Meningeom: uncharakteristisches Druckgefühl, Riechstörung, Nasenatmungsbehinderung
33
Eigene Notizen
406
Kapitel 33 · Nase, Gesicht, Mittelgesicht, Rhinobasis
Eigene Notizen
4 bösartige Tumoren 5 in kleineren Stadien kaum Beschwerden 5 in fortgeschrittenen Stadien Nasenatmungsbehinderung, fötide Sekretion durch zerfallene Tumormassen, Epistaxis und Kopfschmerzen 5 Doppelbilder, Bulbusmotilitätsstörung, Epiphora, Exophthalmus weisen auf einen Einbruch in die Orbita bzw. die Tränenwege hin 5 enoral zeigt sich ein Durchbruch durch den harten Gaumen 5 Infiltration des Oberkiefers macht sich in fortgeschrittenen Stadien durch Wangenauftreibung, Zahnausfall bzw. schlechten Sitz der Zahnprothese bemerkbar 5 prognostisch bedeutsam ist die Öhngren-Linie (gedachte schiefe Ebene ausgehend von der Nasenwurzel zum Kieferwinkel): Tumoren ventral-kaudal dieser Ebene prognostisch günstiger als solche dorsal-kranial der Ebene (rhinobasisnah)
Diagnostik
33
4 gutartige Tumoren 5 invertiertes Papillom J CT der Nasennebenhöhlen in Knochen- und Weichteilfenstertechnik koronar und axial geschichtet J 30°- und 70°-Endoskopie der Nasenhöhlen J augenärztliches Konsil bei Einbruch in die Orbita J neurologisches Konsil bei Einbruch in die Rhinobasis J Riechprüfung J Rhinomanometrie 5 Osteom J konventionelle Röntgenaufnahme der NNH und 30°- und 70°Endoskopie der Nasenhöhlen J vor Resektion Durchführung einer CT-NNH in Knochenfenstertechnik zur Festlegung des Zugangswegs und der Lagebeziehung J Photodokumentation J Riechprüfung 5 Ameloblastom J Orthopantomogramm J CT-NNH in Knochenfenstertechnik zur Festlegung des Zugangswegs und der Lagebeziehung J 30°- und 70°-Endoskopie der Nasenhöhlen J kieferchirurgisches und ggf. ophthalmologisches Konsil J Photodokumentation 5 fibröse Dysplasie Jaffé-Lichtenstein J CT-NNH in Knochenfenstertechnik zur Ausdehnungsbestimmung J ggf. ophthalmologisches Konsil J Riechprüfung 5 pleomorphes Adenom J CT-NNH in Knochen- und Weichteilfenstertechnik zur Ausdehnungsbestimmung
407 33.3 · Erkrankungen der Nasennebenhöhlen
J 30°- und 70°-Endoskopie der Nasenhöhlen J Riechprüfung J Rhinomanometrie 5 Meningeom J CT-NNH in Knochen- und Weichteilfenstertechnik koronar und axial geschichtet J 30°- und 70°-Endoskopie der Nasenhöhlen J neurologisches Konsil J Photodokumentation J Riechprüfung J Rhinomanometrie 4 bösartige Tumoren 5 Endoskopie der Nasenhöhle mittels 30°- bzw. 70°-Winkeloptik 5 CT-NNH in koronarer und axialer Schichtung in Knochen- und Weichteilfenstertechnik mit Kontrastmittel; CT auch der Halsweichteile und des Thorax zur Diagnostik von Lymphknotenmetastasen bzw. intrathorakalen Fernmetastasen 5 MRT zur Ausdehnungsbestimmung der Weichteilinfiltration 5 Duplexsonographie der Halsweichteile und des Oberbauchs (Lebermetastasen) 5 Biopsie der endonasalen Läsion 5 Photodokumentation 5 Rhinomanometrie 5 Riechprüfung 5 bei Einbruch in die Orbita ophthalmologisches Konsil 5 bei endokranieller Beteiligung neurologisches Konsil 5 bei Beteiligung des Oberkiefers inkl. Alveolarkamm kieferchirurgisches Konsil
Therapie 4 gutartige Tumoren 5 invertiertes Papillom: Resektion aller Schleimhautanteile und Glätten des darunterliegenden Knochens mittels Diamantfräse über osteoplastischen Zugang der Kieferhöhlenvorderwand inkl. Nasenhaupthöhle (»midfacial degloving«; . Abb. 52, Farbteil); Rekonstruktion der Tränenwege mittels Dakryozystorhinostomie 5 Osteom: bei Beschwerden Abtragen mittels Diamantfräse endonasal oder über osteoplastischen Zugang der Stirnhöhle 5 Ameloblastom: Abtragen betroffener Oberkieferanteile mittels Teiloder Totalresektion und -rekonstruktion/Anpassen einer Obturatorplatte 5 fibröse Dysplasie Jaffé-Lichtenstein: bei Beschwerdefreiheit keine Therapie; bei Beschwerden lokalisiertes Abtragen mittels Diamantfräse 5 pleomorphes Adenom: Abtragung endonasal oder via »midfacial degloving« (s. oben) in toto bei intakter Tumorkapsel 5 Meningeom: Abtragung in toto in Zusammenarbeit mit Neurochirurgen endonasal bzw. transfrontal ein- oder zweizeitig mit Durarekonstruktion
33
Eigene Notizen
408
Kapitel 33 · Nase, Gesicht, Mittelgesicht, Rhinobasis
Eigene Notizen
4 bösartige Tumoren 5 Ausmaß der Behandlung richtet sich nach der Histologie bzw. der Ausdehnung (TNM-Stadium für epitheliale Tumoren, . Tabelle) 5 für maligne Lymphome gelten die aktuellen radiochemotherapeutischen Therapieschemata 5 grundsätzliches chirurgisches Vorgehen: radikale Resektion des Malignoms je nach Ausdehnung, d. h. bei Infiltration der Rhinobasis mit Duraresektion und -rekonstruktion, ggf. endokranielle Resektion 5 bei Orbitabeteiligung ggf. Exenteratio orbitae und Epithesenanpassung 5 bei Fernmetastasen primäre Radiochemotherapie, ggf. mit Tumorteilresektion zur Reduktion der Tumormasse TNM-Klassifikation der malignen Tumoren der inneren Nase und der Nasennebenhöhlen T-Stadium
Kieferhöhle
Nasenhöhle und Siebbeinzellen
T1
begrenzt auf die antrale Schleimhaut ohne Knochenarrosion
begrenzt auf einen Unterbezirk, mit oder ohne Knochenarrosion
T2
Arrosion des Knochens; Ausdehnung auf den harten Gaumen und den mittleren Nasengang
Tumor in zwei Unterbezirken derselben Region oder Ausbreitung auf einen Nachbarbezirk in der Nasenhöhle/Siebbeinregion, mit oder ohne Knochenarrosion
T3
Tumorinfiltration in mindestens: – dorsale Kieferhöhlenwand – Subkutangewebe – Orbitaboden – mediale Orbitawand – Fossa pterygopalatina – Sinus ethmoidalis
Tumorinfiltration in mindestens: – Orbitaboden – mediale Orbita – Kieferhöhle – harter Gaumen – Lamina cribrosa
T4a
Tumorinfiltration in mindestens: – vordere Orbita – Wangenhaut – Processus pterygoideus – Fossa infratemporalis – Lamina cribrosa – Keilbeinhöhle – Stirnhöhle
Tumorinfiltration in mindestens: – vordere Orbita – Wangenhaut/Nasenhaut – Vordere Schädelgrube (minimal) – Processus pterygoideus – Keilbeinhöhle – Stirnhöhle
T4b
Tumorinfiltration in mindestens: – Orbitaspitze – Dura – Gehirn – mittlere Schädelgrube – Hirnnerven (ausgenommen N. V/2) – Nasopharynx – Clivus
33
409 33.4 · Erkrankungen der Rhinobasis und des Mittelgesichts
33.4
Erkrankungen der Rhinobasis und des Mittelgesichts
33.4.1
Fehlbildungen des Mittelgesichts
4 Lippenspalte, Kieferspalte, Gaumenspalte und deren Kombinationen (Lippen-Kiefer-Gaumenspalte) 4 zentrale (Gaumenspalte) bzw. paramediane Lage (Lippen- und Kieferspalte) 4 in 15–33% der Fälle vererbt, unregelmäßig dominanter bzw. rezessiver Erbgang 4 vergesellschaftet u. a. mit Trisomien 4 sporadisches Auftreten bei Virusinfektionen, Stoffwechselstörungen, physikalischen und chemischen Noxen in der Schwangerschaft 4 Lippenspalten entstehen in der 5.–6. Embryonalwoche, Gaumenspalten in der 10.–12. Woche 4 Häufigkeit von Lippenspalten mit oder ohne Gaumenspalte weltweit von 1:850; bei männlichen Geburten 1,5-mal häufiger als bei weiblichen 4 Inzidenz von reinen Gaumenspalten von 1:2050; bei weiblichen Geburten 1,33-mal häufiger als bei männlichen 4 Hemmungsmissbildung beim Zusammenwachsen von embryonalen Spalten bzw. Wiedereinreißen von bereits gebildeten Schlussfugen 4 Varianten: submuköse Gaumenspalte (tastbare Gaumenspalte unter intakter Gaumenschleimhaut), Uvula bifida
Klinik 4 offenes Näseln bei der Lautbildung 4 Gesichtsdeformität 4 Trinkunfähigkeit, da bei Lippenspalten kein Sog aufgebaut werden kann 4 Aspirationsgefahr von Flüssignahrung 4 chronische Tubenbelüftungsstörung wegen insuffizienter Tubenöffnung, da der Weichgaumenmuskulatur das Widerlager fehlt
Diagnostik 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Inspektion Endoskopie des Naseninneren mittels 0°-/30°-Winkeloptik Palpation des weichen Gaumens Ohrmikroskopie zur Beurteilung der Mittelohrbelüftung (Trommelfellretraktion, chronisch sekretorische Otitis media) kieferchirurgisches/zahnärztliches Konsil phoniatrische und logopädische Mitbeurteilung ggf. Bildgebung durch konventionelle Röntgenaufnahme oder digitale Volumentomographie Photodokumentation genetische Diagnostik
33
Eigene Notizen
410
Kapitel 33 · Nase, Gesicht, Mittelgesicht, Rhinobasis
Eigene Notizen
Therapie 4 interdisziplinäre langjährige gemeinsame Betreuung durch Kieferchirurgen, Logopäden, Hals-Nasen-Ohrenarzt (frühzeitige Anlage von T-Tubes zur dauerhaften Paukenbelüftung bei Tubenbelüftungsstörung) 4 operative Versorgung der Spaltenanteile 5 Gaumenspaltenverschluss durch Oberkieferplatte/nasoalveoläres Molding: unmittelbar nach Geburt 5 Lippenspaltverschluss, Nasenseptumreposition: 4.–6. Lebensmonat 5 Weichgaumenspaltverschluss: bis 12. Lebensmonat 5 Hartgaumenverschluss: bis 30. Lebensmonat 5 Spaltosteoplastik: vor Durchbruch spaltbenachbarter Zähne
33.4.2
Frakturen des Mittelgesichts
4 Gewalteinwirkung von lateral bzw. fontolateral/frontal 4 Verkehrsunfälle, Sport-/Arbeits-/Verkehrsunfälle, Gewalttaten 4 zentrale/zentrolaterale Mittelgesichtsfrakturen 5 isolierte Nasenbeinfraktur in geschlossener Form (ohne Weichteilverletzung) oder offen (mit offener Hautwunde) 5 Frakturen des Os nasale in Verbindung mit dem Os maxillare, dem Orbitaboden: Einteilung nach LeFort (. Tabelle) LeFort-Einteilung der Mittelgesichtsfrakturen
33
Typ
Frakturen
Klinik
Therapie
LeFort I (zentral)
Oberkiefersagittalfraktur mit Absprengung von Maxilla und Os palatinum
Okklusionsstörung
intermaxilläre Fixation, Miniplattenosteosynthese an den Frakturspalten
LeFort II (zentral)
Absprengung der gesamten Maxilla vom Gesichtsschädel
Okklusionsstörung, ggf. Doppelbilder, Hypästhesie N. V/2, Epiphora, Nasenschiefstand
LeFort III (zentrolateral)
Absprengung des gesamten Gesichtsschädels vom Hirnschädel
wie Le Fort II, zusätzlich ggf. Rhinoliquorrhö, Eindellung des Mittelgesichts (»dish face«), Schubladenphänomen
intermaxilläre Fixation, Miniplattenosteosynthese an den Frakturspalten, zusätzlich kraniomaxilläre Aufhängung, Orbitabodenreposition, ggf. Duraplastik
4 laterale Mittelgesichtsfrakturen 5 isolierte Jochbogenfraktur J ca. 6% aller lateralen Mittelgesichtsfrakturen J Impression des Jochbogens ohne Fraktur an den Suturen der angrenzenden Mittelgesichtsknochen
411 33.4 · Erkrankungen der Rhinobasis und des Mittelgesichts
5 Tripoidfraktur Jochbeinfraktur mit Beteiligung angrenzender Strukturen (in 30% vergesellschaftet mit zentrolateralen Frakturen): Sutura frontozygomatica, frontomaxillaris, Jochbogen, ggf. lateraler Orbitarand, Orbitaboden mit Canalis infraoorbitalis bis zum Foramen infraorbitale, Crista zygomaticoalveolaris 4 Unterkieferfrakturen 5 Frakturen am Collum der Mandibula, der Basis und der Symphyse
Klinik 4 zentrale/zentrolaterale Frakturen . Tabelle 4 Nasenbeinfraktur 5 Krepitation, Schiefstand der Nase, Nasenbluten, Sensibilitätsstörungen des Nasenrückens, Monokel- oder Brillenhämatom 5 Nasenatmungsbehinderung kann auf Septumhämatom hindeuten 4 isolierte Jochbogenfraktur 5 abgeflachtes Gesichtsprofil 5 Kieferklemme 4 Tripoidfraktur 5 abgeflachtes Gesichtsprofil 5 Kieferklemme 5 zusätzlich Sensibilitätsstörung des N. infraorbitalis 5 Enophthalmus, Bulbusmotilitätsstörung
Diagnostik 4 allgemeine körperliche Untersuchung auf Traumafolgen, Untersuchungsalgorithmus entsprechend Leitlinien der Notfallversorgung bei polytraumatisierten Patienten 4 Inspektion auf Gesichtsdeformität, Palpation von Knochenstufen, Mobilität von Fragmentenden, Krepitation, Schmerzhaftigkeit bei Bewegung, Schubladenphänomen (LeFort III), Emphysem (Schneeballreiben) der Weichteile, Sensibilitätsstörung im Gesichtsbereich (Trigeminusäste), Motilitätsstörung des Auges in 8 Blickrichtungen, Visusminderung 4 30°-/70°-Endoskopie der Nasenhöhle bei Verdacht auf Rhinoliquorrhö unter Abschwellen der Nasenhöhle und Kopftieflagerung, ggf. bei beatmeten Patienten mit Erhöhung des endexspiratorischen Drucks (PEEP) 4 labordiagnostisch β2-Transferrintest aus Nasensekret und Serum 4 Röntgendiagnostik 5 bei Nasenbeinfraktur Röntgenaufnahme der Nase seitlich bzw. NNH in 2 Ebenen 5 bei klinisch eindeutiger, isolierter Nasenbeinfraktur nicht zwingend erforderlich 5 isolierte Jochbogenfraktur mit konventioneller Röntgenaufnahme (Henkeltopfaufnahme) nachweisbar 5 für alle Mehrfachfrakturen CT des Mittelgesichts in koronarer/axialer Schnittführung und Knochenfenstertechnik zwingend erforderlich 4 ophthalmologisches/neurochirurgisches Konsil je nach Beteiligung von Orbita und Endokranium
33
Eigene Notizen
412
Kapitel 33 · Nase, Gesicht, Mittelgesicht, Rhinobasis
Eigene Notizen
4 subjektive Riechprüfung und Rhinomanometrie 4 ausführliche Photodokumentation der Verletzungen aus medikolegaler Indikation (Unfälle mit Fremdeinwirkung, Gewalttaten)
Therapie 4 Akutversorgung bei polytraumatisierten Patienten entsprechend notfallärztlichen Leitlinien. Kreislaufstabilisierung, Sicherung der Respiration, Ausschluss innerer bzw. intrakranieller Blutungen 4 Frakturversorgung, falls keine Kontraindikation von neurochirurgischer Seite (Hirnblutung, Hirndruck), nach Abschwellung, aber vor Einsetzen der bindegewebigen Frakturheilung (ca. 3–5 Tage nach Trauma) 4 zentrale/zentrolaterale Frakturen . Tabelle 4 isolierte Nasenbeinfraktur: Nasenbeinreposition von außen/von endonasal mit dem Elevatorium, Gipsanlage für 2 Wochen 4 isolierte Jochbogenfraktur 5 bimanuelle Reposition von enoral ohne Verplattung kann erfolgreich sein 5 Anlage eines Entlastungsverbandes für 2 Wochen 5 falls nicht erfolgreich und symptomatisch: Indikation zur Miniplattenosteosynthese 4 Tripoidfraktur: je nach Symptomatik Freilegung des Orbitabodens (Motilitätsstörung des Bulbus, Sensibilitätsstörung des N. Infraorbitalis), Schienung des Orbitabodens mit PDS-Folie oder Septumknorpel, Miniplattenosteosynthese des Jochbeins
33.4.3
33
Frakturen der Rhinobasis
4 Gewalteinwirkung von frontal, Verkehrsunfälle (Zweiradunfälle mit Sturz), Sport-/Arbeitsunfälle, Gewalttaten 4 6–13% aller Schädel-Hirn-Traumen mit einer Fraktur der Frontobasis 4 Altersgipfel zwischen 20 und 40 Jahren, Männer häufiger als Frauen betroffen 4 Fraktureinteilung erfolgt nach Escher I–IV (. Tabelle) Escher-Einteilung der Rhinobasisfrakturen Typ
Frakturen
Klinik
Therapie
Escher I (65%)
hohe ausgedehnte Frontobasisfraktur mit Schädelkalotte, Vorder- und Hinterwand des Sinus frontalis
Rhinoliquorrhö, Sensibilitätsstörung N. V/1, Lidemphysem, -hämatom, Visusminderung, Bulbusmotilitätsstörung, spätere Meningitis
Zugang über UnterbergerSchnittführung, osteoplastische Rekonstruktion mittels Mikroplattenosteosynthese, Deckung mit Galea-Periost-Lappen. Plastische Rekonstruktion der Stirnkontur mittels Bioverit-Keramikimplantat im 2. Eingriff
6
413 33.4 · Erkrankungen der Rhinobasis und des Mittelgesichts
Escher-Einteilung der Rhinobasisfrakturen (Fortsetzung) Typ
Frakturen
Klinik
Therapie
Escher II (5%)
isolierte Fraktur der Rhinobasis im Siebbeindach, Crista galli, Lamina cribrosa, ggf. ausstrahlend in das Orbitadach
Rhinoliquorrhö, Riechstörung, spätere Meningitis, Protrusio bulbi und Motilitätsstörung, Visusminderung bei Orbita-Einblutung
transnasale/transethmoidale Entlastung der Orbita über Entfernung der Lamina papyracea Schlitzung der Periorbita. Duraplastik transnasal mit Fascia Lata/Fibrinkleber
Escher III (10%)
Absprengung des gesamten Gesichtsschädels vom Hirnschädel (analog LeFort III)
Okklusionsstörung, ggf. Doppelbilder, Hypästhesie N. V/2, Epiphora, Nasenschiefstand, Rhinoliquorrhö, Eindellung des Mittelgesichts (»dish face«), Schubladenphänomen, spätere Meningitis
intermaxilläre Fixation, Miniplattenosteosynthese an den Frakturspalten, zusätzlich kraniomaxilläre Aufhängung, Orbitabodenreposition, ggf. Duraplastik endonasal mit Fascia lata/Fibrinkleber, gemeinsames kieferchirurgisches Vorgehen
Escher IV (10%)
laterale (frontoorbitale) Frontobasisfraktur
Orbitaödem, Protrusio bulbi, Motilitätsstörung, späte Infektion des Orbitainhalts bzw. Meningitis. Lidemphysem, -hämatom
frontoorbitaler Zugang zu Stirnhöhle, Siebbein, Orbitadach über Unterberger-Schnittführung Duraplastik mit Fascia lata/Fibrinkleber
Klinik . Tabelle
Diagnostik 4 allgemeine körperliche Untersuchung auf Traumafolgen, Untersuchungsalgorithmus entsprechend Leitlinien der Notfallversorgung bei polytraumatisierten Patienten 4 konsiliarische Mitbeurteilung durch Kieferchirurgen, Neurologen/ Neurochirurgen, Augenarzt 4 Inspektion auf Schädeldeformität, Palpation von Knochenstufen, Krepitation, Schubladenphänomen (LeFort III), Emphysem (Schneeballreiben) der Weichteile, Sensibilitätsstörung im Gesichtsbereich (Trigeminusäste), Motilitätsstörung des Auges in 8 Blickrichtungen, Visusminderung 4 30°-/70°-Endoskopie der Nasenhöhle bei Verdacht auf Rhinoliquorrhö unter Abschwellen der Nasenhöhle und Kopftieflagerung, ggf. bei beatmeten Patienten mit Erhöhung des endexspiratorischen Drucks (PEEP) 4 labordiagnostisch β2-Transferrintest aus Nasensekret und Serum
33
Eigene Notizen
414
Kapitel 33 · Nase, Gesicht, Mittelgesicht, Rhinobasis
Eigene Notizen
Therapie 4 vitale Notfallindikation zur operativen Behandlung (gemeinsam mit Neurochirurgen) bei intrakranieller Druckerhöhung, Blutung, Hirnabszess als Früh- oder Spätkomplikation 4 absolute operative Notfallindikation bei offenem Schädel-Hirn-Trauma, Durafistel, Lufteinschlüssen endokraniell, Meningitis, orbitalen Komplikationen (inkl. Visusminderung) 4 Zugänge und Vorgehen . Tabelle 4 Mukozelen und Pyozelen 5 häufige Komplikationen nach Verletzungen der Nasennebenhöhlen (auch nach schweren Entzündungen sowie NNH-Operationen) 5 narbig abgeschottete Schleimhauteinschlüsse mit langsamer Größenprogredienz durch endoluminale Sekretzunahme (Mukozele) bzw. Superinfektion (Pyozele) 5 charakterisiert durch verdrängendes Wachstum mit Einbruch in umliegende Strukturen, z. B. im Sinus frontalis mit Einbruch in die Orbita und Bulbustiefstand, Wachstum im Stirnhöhleninfundibulum mit Durchbruch in den inneren Lidwinkel oder in der Kieferhöhle mit Durchbruch in die Wangenweichteile (Auftreibung der Wange) 5 Diagnostik entsprechend einer gutartigen Raumforderung der NNH (7 Abschn. 33.3.8) 5 Therapie: operative Entlastung über einen endonasalen bzw. transfrontalen Zugang mit Einlage eines Platzhalters für mehrere Wochen zur Vermeidung einer Re-Okklusion
33.4.4
33
Osteomyelitis des Hirn- und Gesichtsschädels
4 Stirnbeinosteomyelitis 5 häufig bei Jugendlichen 5 es kommt am ehesten bei einer bakteriellen Sinusitis bzw. systemischen Infektion viraler oder bakterieller Genese zur Ausbreitung von Erregern in den Diploevenen des Stirnbeins zwischen Tabula interna und externa. Diese Breschet-Venen münden in den Sinus transversus des Endokraniums 4 Oberkieferosteomyelitis 5 ausgehend von einer Peridontitis oder Pulpitis der Oberkieferzähne bzw. Periostitis oder Ostitis des Alveolarkamms kommt es zur Ausbreitung der Entzündung in der maxillären Spongiosa 5 akute bakterielle Sinusitis maxillaris dagegen selten Fokus einer Oberkieferosteomyelitis 5 abzugrenzen sind Osteoradionekrose nach ionisierender Bestrahlung bzw. Osteomyelitis nach Zahnbehandlung unter gleichzeitiger Therapie mit Bisphosphonaten 4 Keilbeinosteomyelitis 5 selten 5 Folge eines Keilbeinhöhlenempyems oder einer aufsteigenden Infektion des Parapharyngealraums
415 33.4 · Erkrankungen der Rhinobasis und des Mittelgesichts
Klinik 4 Stirnbeinosteomyelitis 5 Fieber, teigige Schwellung der Kopfhaut über dem Stirnbein, Oberlidödem, Rötung, starke Druck- und Klopfschmerzhaftigkeit 5 Komplikationen J subperiostale, epidurale und subdurale Abszesse des Stirnlappens, u. U. auch Abszesse des Hirnparenchyms durch venöse Fortleitung J ggf. Übelkeit, Erbrechen, Enthemmung (Stirnlappenabszess), Hirndruckzeichen und neurologische Herdsymptome 4 Keilbeinosteomyelitis 5 uncharakteristische Beschwerden (retrobulbärer dumpfer Schmerz) 5 Nackensteife, Lichtscheu, schmerzhafte Kopfbewegung sowohl nach vorn als auch zur Seite 5 Hirnnervenausfälle (VI>V>III>IV) 5 hohes Fieber 4 Oberkieferosteomyelitis 5 hochrote, druckdolente Wangenschwellung, Fieber, deutlicher Kopf- und Gesichtsschmerz 5 Komplikationen: orbitale Beteiligung (Orbitaphlegmone), Meningitis und parapharyngeale Ausbreitung
Diagnostik 4 30°/70°-Endoskopie der Nase und der Nasennebenhöhlen sowie des Nasenrachens (Keilbeinosteomyelitis) 4 Gesamtlaboruntersuchung 4 kraniales CT sowie CT-NNH in Knochen- und Weichteilfenster in koronarer und axialer Schichtung inklusive des gesamten Stirnbeins bzw. des Oberkiefers 4 bei Verdacht auf Sinusvenenthrombose Kernspintomographie mit Gefäßdarstellung 4 szintigraphischer Nachweis der Osteomyelitis nur im Zweifelsfall (z. B. bei der Keilbeinosteomyelitis) erforderlich, nicht aber bei eindeutiger Klinik 4 Ausschluss Stoffwechselstörung (z. B. Diabetes mellitus), Immunschwäche
Therapie 4 operative Sanierung des Fokus (Zahnsanierung, endonasale Nasennebenhöhlenoperation bei akuter bakterieller Sinusitis frontalis, Empyementlastung des Sinus sphenoidalis) 4 Stirnbeinosteomyelitis: Zugang zusätzlich über Unterberger-Schnitt, Abtragung der Tabula externa des Stirnbeins, ggf. Unterbindung der Breschet-Venen am Übergang zum Sinus transversus 4 Oberkieferosteomyelitis: zusätzlich Kieferhöhlenoperation, ggf. Abszessentlastung der Wange 4 Keilbeinosteomyelitis
33
Eigene Notizen
416
Kapitel 33 · Nase, Gesicht, Mittelgesicht, Rhinobasis
Eigene Notizen
5 nur bedingt einer operativen Sanierung zugänglich 5 zusätzlich breitbandige, höchstdosierte Antibiotikatherapie über mehrere Wochen erforderlich 5 ggf. intensivmedizinische Überwachung mit regelmäßiger neurologischer Beurteilung wegen endokranieller Komplikationen erforderlich
33.4.5
Rhinobasale Liquorfistel
4 Auftreten aufgrund einer Rhinobasisfraktur, infolge knöcherner Missbildungen an der Rhinobasis, iatrogen nach Nasennebenhöhlen- und Septumoperationen oder spontan
Klinik 4 wässrige Rhinorrhö, häufig schwallartig nach dem Aufstehen, ohne Vorhandensein einer akuten Rhinitis oder Rhinosinusitis 4 Patienten ansonsten beschwerdefrei 4 Komplikation: aufsteigende bakterielle oder virale Meningitis mit Lichtscheu, Nackensteife, klinischen Zeichen der Meningenreizung (positives Brudzinski-, Kernig-, Lasègue-Zeichen)
Diagnostik
33
4 Nachweis von Glukose im Nasensekret unspezifisch 4 Liquorfluss kann durch Vornüberbeugen des Kopfes oder durch Kompression der V. jugularis int. (Queckenstedt-Versuch) bzw. positivem endexspiratorischen Druck bei beatmeten Patienten provoziert werden 4 β2-Transferinbestimmung im Nasensekret und im Serum 4 Szintigraphischer Liquornachweis in 1/6 aller Fälle falsch-positiv bzw. falsch-negativ 4 intrathekale Gabe von Fluoreszein und Nachweis durch starre Endoskopie der Rhinobasis unter UV-Licht 4 bildgebende Diagnostik: am geeignetsten hochauflösende Computertomographie der Rhinobasis in Knochenfenstertechnik in koronarer und sagittaler (axialer) Schnittführung
Therapie 4 operative Darstellung der Fistel auf endonasal-mikroskopischem bzw. -endoskopischem Weg und unmittelbarer Verschluss mittels Fascia lata, Fibrinkleber und anschließender Schleimhautauflage (z. B. von der mittleren Nasenmuschel) 4 Antamponade mittels Salbenstreifen für 7 Tage 4 Vorgehen von außen ist praktisch nur bei Fisteln an der Stirnhöhlenhinterwand (Unterberger-Schnitt, transfrontale Darstellung, osteoplastischer Verschluss) erforderlich
417 33.5 · Erkrankungen der Orbita und periorbitalen Rhinobasis
33.5
Erkrankungen der Orbita und periorbitalen Rhinobasis
33.5.1
Orbitabodenfraktur (Blow-out-Fraktur)
4 durch Gewalteinwirkung auf den Augenbulbus von vorn Durchbrechen der knöchernen Orbitabegrenzung an deren Boden (»Sollbruchstelle«) 4 aufgrund des Mechanismus als »Blow-out-Fraktur« bezeichnet 4 isolierte Blow-out-Fraktur ist abzugrenzen von zentralen und zentrolateralen (Le Fort) sowie lateralen Mittelgesichtsfrakturen (Tripoidfraktur des Jochbogens), bei denen ebenfalls der Orbitaboden beteiligt ist (7 Abschn. 33.4.2)
Klinik 4 Lidhämatom (Monokelhämatom), Enophthalmus, Absinken des Augenbulbus nach kaudal, Doppelbilder beim Blick nach oben durch Einklemmung des M. rectus inferior und M. obliquus inferior, Sensibilitätsstörung im Bereich des N. infraorbitalis (N. V/2), u. U. Visusverschlechterung durch direkte Bulbusverletzung 4 wegen der Lidschwellung nicht alle klinischen Zeichen im Akutstadium eindeutig beurteilbar
Diagnostik 4 Beurteilung auf Lidemphysem, Sensibilitätsprüfung der betroffenen Seite (im Bereich der Wangenschwellung evtl. falsch-positiv, daher Prüfung an der Oberlippe) 4 Visus- und Motilitätsprüfung des Bulbus durch ophthalmologisches Konsil, ggf. im Verlauf wiederholt 4 koronar geschichtetes CT der Orbita und der Nasennebenhöhlen in Knochenfenstertechnik mit Nachweis des Fragments am Orbitaboden und durchhängender Anteile von Orbitafett sowie ggf. der durchgesackten Muskulatur; Hämatosinus der betroffenen Kieferhöhle
Therapie 4 bei positiver Symptomatik Indikation zur Orbitabodenreposition 5 Zugang über Transkonjunktivalschnitt (keine sichtbaren Narben), seltener über Subziliarschnitt oder Orbitarandschnitt 5 Entfernung von Knochensplittern, ggf. Dekompression des N. infraorbitalis 5 Reposition des Orbitabodens, falls dieser anschließend ohne Hilfsmittel stabil steht; andernfalls Schienung mit PDS-Folie (resorbierbar) oder Nasenseptumknorpel; Fascia lata ist bei klaffenden Frakturen zu instabil 4 falls keine Symptomatik in Bezug auf Sensibilität, Motilität oder Visus: abwartendes Vorgehen unter symptomatischer Behandlung (abschwellende Nasentropfen zur Resorption des Hämatosinus und Schneuzverbot zur Emphysemprophylaxe) gerechtfertigt
33
Eigene Notizen
418
Kapitel 33 · Nase, Gesicht, Mittelgesicht, Rhinobasis
Eigene Notizen
33.5.2
Endokrine orbitale Ophthalmopathie
4 retrobulbäre Vermehrung von Fett, Bindegewebe und Muskulatur durch TSH-Rezeptorantikörper im Rahmen einer Autoimmunerkrankung 4 in 90% der Fälle vergesellschaftet mit einem M. Basedow (Autoimmunerkrankung mit Hyperthyreose, Tachykardie, Ophthalmopathie)
Klinik 4 Exophthalmus mit Lidretraktion und Sichtbarkeit des oberen Irisrandes (Dalrymple-Zeichen) 4 Zurückbleiben des Oberlids bei Blicksenkung (Graefe-Zeichen) 4 im fortgeschrittenen Stadium Motilitätseinschränkung des Bulbus und Visusverschlechterung bei Kompression des N. opticus 4 sicht- oder tastbare Struma nicht obligat vorhanden
Diagnostik 4 Visus- und Motilitätsstatus durch ophthalmologisches Konsil 4 Bestimmung von fT3, fT4, TSH und TSH-Rezeptor-Antikörpern im Serum 4 CT- bzw. MRT-Bildgebung in axialer Schichtführung zur Beurteilung der retrobulbären Masse und des N. opticus
Therapie
33
4 Behandlung der Grunderkrankung (Autoimmunerkrankung) durch Internisten 4 medikamentöse Behandlung der Ophthalmopathie durch systemische Gaben von Glukokortikoiden in absteigender Dosierung, ggf. Immunsuppressiva 4 Prophylaxe der Keratoconjunctivitis sicca durch Tränenersatzpräparate oder Salben 4 falls keine Reduktion des Exophthalmus durch medikamentöse Behandlung über 6 Monate oder akute Exazerbation (Visusverschlechterung) 5 Entlastungsoperation der Orbita möglich 5 prinzipiell endonasal-transethmoidal (Entlastung nach medial), transfrontal (Entlastung nach kranial) oder nach lateral (laterale Orbitotomie) möglich 5 falls operativer Eingriff kontraindiziert, Bestrahlung der Orbitaspitze möglich
33.5.3
Pseudotumor orbitae
4 entzündlich bedingte Bindegewebsvermehrung an verschiedenen Lokalisationen in der Orbita unklarer Genese 4 10–15% aller Raumforderungen in der Orbita 4 gelegentlich beidseitiges Auftreten
419 33.5 · Erkrankungen der Orbita und periorbitalen Rhinobasis
Klinik
Eigene Notizen
4 Motilitätsstörung des Bulbus mit Doppelbildern und retrobulbäres Druckgefühl 4 gelegentlich Exophthalmus, Konjunktivalschwellung, Hirnnervenläsionen (N. III, IV, V und VI)
Diagnostik 4 Visus- und Motilitätsstatus durch ophthalmologisches Konsil. Bestimmung von fT3, fT4, TSH und TSH-Rezeptor-Antikörpern im Serum zum Ausschluss einer endokrinen orbitalen Ophthalmopathie 4 CT- und MR-Diagnostik zur Ausdehnungs- und Lagebestimmung
Therapie 4 primär konservative Behandlung mit Glukokortikoiden in absteigender Dosierung 4 keine operative Resektion 4 bei unzureichendem Ansprechen ggf. lokale Bestrahlung
33.5.4
33
Orbitale Tumoren und Metastasen
4 intraorbitale Manifestation von soliden Tumoren, die ortsständig entstehen (Rhabdomyosarkom bei Kindern, Adenokarzinome bzw. adenoidzystische Karzinome der Tränendrüsen bei Erwachsenen) oder als Metastasen auftreten (z. B. Mamma-, Bronchial-, Prostatakarzinom) 4 von den Tumoren des blutbildenden Systems sind Non-Hodgkin-Lymphome am häufigsten
Klinik 4 je nach Lage und Ausdehnung Exophthalmus, Doppelbilder durch Motilitätsstörung, Keratoconjunctivitis sicca durch Sistieren der Tränenproduktion oder fehlenden Lidschluss, Ptosis des Oberlids, Schmerzen, Visusminderung bis zur Erblindung
Diagnostik 4 Visus- und Motilitätsstatus durch ophthalmologisches Konsil 4 CT- und MR-Diagnostik zur Ausdehnungs- und Lagebestimmung 4 falls Diagnosesicherung durch Probeexzision erforderlich: Wahl des Zugangswegs je nach Lage der Läsion endonasal-transethmoidal, transmaxillär-infraorbital oder über laterale Orbitotomie
Therapie 4 je nach histologischem Ergebnis durch primäre Radiochemotherapie oder chirurgisches Vorgehen 4 bei ortsständigen soliden Tumoren ohne Fernmetastasierung Exzision ggf. mit Exenteratio orbitae 4 bei Fernmetastasen mit intraorbitaler Manifestation in der Regel palliatives Vorgehen
34 Tag 5 – HNO
34
Mund, Mundhöhle, Pharynx M. Westhofen
34.1
Fehlbildungen der Mundhöhle und des Gaumens – 422
34.1.1 34.1.2 34.1.3 34.1.4
Lippen-Kiefer-Gaumenspalten (7 Kap. 33.4.1) – 422 Verkürzungen des Frenulum labialis und linguae (Ankyloglossie) Torus palatinus – 423 Bursa pharyngealis (Thornwaldt-Zyste) – 424
34.2
Verletzungen der Mundhöhle und des Rachens – 424
34.3
Entzündungen der Mundhöhle und Lippen – 425
34.3.1 34.3.2
Cheilitis – 425 Stomatitis, Glossitis – 426
34.4
Rhonchopathie und obstruktives Schlafapnoe Syndrom (OSAS) – 428
34.5
Entzündungen des Pharynx – 430
34.5.1 34.5.2
Akute und chronische Pharyngitis – 430 Erkrankungen des lymphatischen Rachenrings und Formen der Tonsillitis – 432 HIV-Infektion und Manifestation der HIV-Erkrankungen an Mundhöhle und Pharynx – 434
34.5.3
34.6
Tumoren der Lippe (Lippenrot), der Mundhöhle und der kleinen Speicheldrüsen – 435
34.7
Tumoren des Pharynx – 440
34.7.1 34.7.2 34.7.3 34.7.4
Gutartige Tumoren des Pharynx – 440 Leukoplakie und Dysplasie der Pharynxschleimhaut – 441 Karzinome des Pharynx – 442 Weitere maligne Tumoren des Pharynx – 444
34.8
Sonstige Erkrankungen des Pharynx – 445
34.8.1 34.8.2 34.8.3
Styalgie (Eagle-Syndrom, Stylohyoid-Syndrom) – 445 Funktionelle Dysphagie (Globus nervosus) – 445 Zenker-Divertikel (Hypopharynxdivertikel, Grenzdivertikel)
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_34, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
– 446
– 423
422
Kapitel 34 · Mund, Mundhöhle, Pharynx
Eigene Notizen
34.1
Fehlbildungen der Mundhöhle und des Gaumens
34.1.1
Lippen-Kiefer-Gaumenspalten (7 Abschn. 33.4.1)
4 häufigste Fehlbildung in dieser Region ist die Spaltenbildung mit einer Häufigkeit von ca. 2‰ 4 Lippen-Kiefer-Gaumenspalten 46,1%, Lippenspalten 32,7%, isolierte Gaumenspalten isoliert 21,2% 4 seltener sind Dystopien und Heterotopien (Fehlanlagen und/oder Fehlposition von Organteilen) sowie Zystenbildungen 4 dysontogenetische Zysten liegen überwiegend in der Mittellinie 4 Häufigkeit der Fehlbildungen in den letzten Jahrzehnten n (verbesserte operative Behandlung lassen die Benachteiligung bei der Partnerwahl in den Hintergrund treten) 4 multifaktorielle Ursachen, insbesondere exogene Faktoren wie teratogene Nebenwirkungen von Medikamenten, Strahlenexposition u. ä.
Klinik 4 Spaltbildungen werden regelhaft zum Zeitpunkt der Geburt bereits beobachtet und können für Atemwegsnotfälle ursächlich sein 4 Eindringen der Zunge in den offenen Spalt → Verlegung des Atemweges und Einschränkung der Schluckfunktion 4 bei kleinen Spalten Nahrungsaufnahme durch Saugen und Stillen behindert 4 fehlender Ansatz der Muskulatur, die die Tuba Eustachii öffnet, führt rasch zu Mittelohrergüssen mit Schallleitungsschwerhörigkeit beidseits
Diagnostik
34
4 4 4 4
Blickdiagnose weitere Fehlbildungen sind pädiatrisch abzuklären bei Dystopien und Dysmorphien CT des Schädels indiziert Impedanzaudiometrie und Mikrootoskopie, bei ausgedehnten Fehlbildungen objektive Audiometrie durch BERA
Therapie 4 unmittelbar postpartal Anpassen einer Gaumenplatte, um Schlucken und Saugen zu gewährleisten 4 nach 4–6 Monaten operativ-plastischer Verschluss durch MKG-Chirurgie 4 bei mikrootoskopisch oder audiometrisch pathologischem Mittelohrbefund Parazentese und Paukenröhrcheneinlage zur dauerhaften Sicherung der Mittelohrbelüftung (Dauerpaukenröhrchen als sog. T-Tube) 4 Beratung und Betreuung der Familie zur Rehabilitation des Kinds und zum Wiederholungsrisiko
423 34.1 · Fehlbildungen der Mundhöhle und des Gaumens
34.1.2
Verkürzungen des Frenulum labialis und linguae (Ankyloglossie)
4 Fehlbildung mit Häufigkeit 4,2–10,7% aller Geburten 4 Einschränkung der Funktionalität der Zunge beim Säugen und bei starker Ausprägung beim Sprechen 4 verkürzte Zungenbändchen beeinträchtigen die Zahnstellung der Oberkiefer-Inzisivi (Diastema = Zahnlücke ohne Zahnverlust)
Klinik 4 bei ausgeprägtem Befund bereits beim Stillen des Säuglings bemerkbar 4 auffällige Symptomatik meist im Schulalter (zu dieser Zeit kein physiologischer Sigmatismus mehr!) 4 verkürztes Frenulum labialis der Oberlippe als Hindernis für Korrektur der Zahnstellung
Diagnostik 4 Inspektion mit Prüfen der Zungenbeweglichkeit und der Oberlippenmotilität
Therapie 4 Verlängerung des jeweiligen betroffenen Frenulums durch Z-Plastik 4 Verkürzungen in der Regel nicht kombiniert auftretend
34.1.3
4 4 4 4 4 4
Torus palatinus
knöcherne Protuberanz am harten Gaumen mit zunehmendem Alter bisweilen Größenprogredienz keine Neoplasie kann durch Kontakt mit harter Nahrung ulzerieren tritt als Hindernis bei der Zahnprothesenanpassung am Oberkiefer auf vermutlich autosomal-dominanter Vererbungsgang
Klinik 4 oft als Zufallsbefund bei der Inspektion der Mundhöhle 4 Fremdkörpergefühl bei zunehmender Größe
Diagnostik 4 Inspektion der Mundhöhle und Palpation mit dem Mundspatel (nicht schmerzhaft)
Therapie 4 bei Beschwerden operative Entfernung
34
Eigene Notizen
424
Kapitel 34 · Mund, Mundhöhle, Pharynx
Eigene Notizen
34.1.4
Bursa pharyngealis (Thornwaldt-Zyste)
4 dysontogenetische Zystenbildung am Dach des Nasopharynx durch persistierende Mittelfurche der Tonsilla pharyngea mit Bildung einer Tasche oder Zyste
Klinik 4 Fremdkörpergefühl im Nasen-Rachen 4 Schleimlaufen im Rachen, übel riechendes Sekret im Rachen 4 bisweilen Fremdkörpergefühl
Diagnostik 4 posteriore Rhinoskopie 4 besser transnasale Endoskopie (70°-Optik)
Therapie 4 operative Entfernung unter endoskopischer Sicht (90°-Weitwinkeloptik) mittels Velotraktion, gleichzeitig zur differenzialdiagnostischen Sicherung und zum Ausschluss eines Nasopharynxkarzinoms 4 > Memo In gleicher Lokalisation können das juvenile Nasenrachenfibroms und das Kraniopharyngeom entstehen. Beide gutartige Tumoren können erhebliche Ausdehnung in die Schädelbasis haben und sind stark vaskularisiert.
34.2
34
Verletzungen der Mundhöhle und des Rachens
4 akzidentelle oder im Rahmen von Selbstverletzungen (Suizidversuch) beigefügte Traumata der Mundhöhle und des Rachens 5 Schnittverletzungen J durch Fremdkörperingestion oder Eindringen spitzer Fremdkörper (z. B. Fischgräte) in den Parapharyngealraum J daraus können parapharyngeale Abszesse bis hin zur Mediastinitis entstehen 5 Pfählungsverletzung an Gaumen oder Rachen sowie Zunge beim Sturz auf spitze oder stumpfe Gegenstände 5 ! Cave Bei starker Blutung aus der Verletzung droht die blutige Aspiration. 5 Verbrühung, Verätzung J zu heiße oder tiefgekühlte Speisen oder die Ingestion von Säuren und Laugen führt zu schmerzhafter Schwellung und Irritation der Speisewege J Säuren → oberflächliche Koagulationsnekrosen J Laugen dringen in der Regel tiefer ins Gewebe und in den Parapharyngealraum ein → schwerwiegendere Verletzungen bis hin zu Perforationen und Beteiligung des Parapharyngealraums (Kolliquationsnekrosen) 5 Zungenbiss
425 34.3 · Entzündungen der Mundhöhle und Lippen
Klinik
34
Eigene Notizen
4 Vorstellung im Rahmen der Notfallambulanz 4 starke Schmerzen, Schluckbeschwerden, Schluckunfähigkeit mit Dyspnoe und Gefahr der Aspiration 4 Rötung und ödematöse Schleimhautschwellung, weißliche Fibrinauflagerungen auf der Schleimhaut 4 ! Cave Ggf. psychische Situation des Patienten bei Verdacht eines Suizidversuchs erfassen und unmittelbar psychiatrisch vorstellen!
Diagnostik 4 Inspektion, bei Kindern durch die Schmerzhaftigkeit meist kaum möglich 4 bei älteren Patienten mit Verletzungen durch gebrochene Zahnprothesen oder bei Zungenbiss mit Verlust von Zungengewebe Tracheobronchoskopie obligat, ggf. Ösophagoskopie
Therapie 4 Entfernung der Fremdkörper, bei Pfählungsverletzungen ggf. Schleimhautnaht und Naht des weichen Gaumens 4 Zungenverletzungen mit Blutung: monopolare Koagulation und ggf. Naht 4 Verätzung 5 sofortiger Versuch der Identifikation der fraglichen Substanz 5 abhängig vom Befund zusätzlich Pharyngoskopie oder Ösophagoskopie ( ! Cave Gefahr der Perforation! Bei Ösophagusverätzung keine Frühendoskopie!) 5 ggf. Röntgen-Breischluckuntersuchung mit wasserlöslichem Kontrastmittel vor der Endoskopie 5 in der Akutphase bei ausgeprägtem Befund systemisch Prednisolon (bei Erwachsenen 250 mg) 5 Spülen mit Wasser
34.3
Entzündungen der Mundhöhle und Lippen
34.3.1
Cheilitis
4 akute Entzündung der Ober- und/oder Unterlippe unterschiedlicher Genese 4 fortgeleitete Entzündung bei ausgedehntem Nasenfurunkel 4 bisweilen als Komplikation einer lokalen Strahlentherapie
Klinik 4 schmerzhafte Schwellung und Rötung der Lippen 4 zum Teil mit Inkrustation oder Ulzeration
426
Kapitel 34 · Mund, Mundhöhle, Pharynx
Eigene Notizen
Diagnostik 4 Inspektion 4 bei fehlendem Ansprechen auf die Akuttherapie mikrobiologischer Abstrich 4 ggf. Biopsie zum Ausschluss spezifischer Entzündungen (Tuberkulose, Lues)
Therapie 4 lokale Pflege mit neutraler Salbengrundlage (Dexpanthenol-Salbe) 4 bei ausgedehnten Befunden orale, ggf. intravenöse Antibiotikatherapie 4 während Strahlentherapie keine lokale Salbenapplikation, besser: lokal alkoholische Fuchsin-Lösung
34.3.2
Stomatitis, Glossitis
4 Gruppe von Erkrankungen der Mundhöhle unterschiedlicher Ätiologie und Akuität 4 klinisch-diagnostische Differenzierung wesentlich, da fachübergreifende Entscheidungen oft notwendig 4 Klinik, Diagnostik und Therapie . Tabellen Übersicht zur Stomatitis Diagnose
Ätiologie, Pathogenese
Therapie
Stomatitis herpetiformis aphthosa
Herpes-simplex (Typ I)-Infektion, Immunschwäche
kausal nicht möglich, lokal desinfizierend zur Vermeidung von Superinfektion
rekurrierende HerpesStomatitis
Herpes-simplex (Typ I)-Infektion, Immunschwäche, häufigste Lokalisation Lippe
an der Lippe Aciclovir lokal
akut nekrotisierende ulzerierende Gingivitis
Infektion der Gingiva mit Actinomyces actinomycetem concomitans
Tetracyclin oral
Herpes Zoster
schmerzhaft bläschenförmige Effloreszenz der Zunge halbseitig
Aciclovir intravenös
orale Candidosis
Candida-Infektion bei Kortikoidtherapie, reduzierter Immunität (AIDS), schlecht eingestellter Diabetes mellitus, während Strahlentherapie, Chemotherapie von Kopf-Hals-Tumoren
Nystatin, Miconazol oder Amphotericin B lokal
Lues
lokale Infektion mit Primäraffekt der Mundschleimhaut, Pharynxschleimhaut Syphilis I, in Stadium II Plaques opaques der Mundhöhle, Stadium III mit tiefen Einziehungen lingual
Penicillin 1,2 Mio. I.E. oder Erythromycin
infektiös
34
6
427 34.3 · Entzündungen der Mundhöhle und Lippen
Eigene Notizen
Übersicht zur Stomatitis (Fortsetzung) Diagnose
Ätiologie, Pathogenese
Therapie
Gonorrhö
lokale Infektion durch Neisseria gonorrhoeae
Ceftriaxon i.m. oder Erythromycin i.m., Ciprofloxacin oral
Stomatitis ulcerosa
Infektion durch hämolytische Streptokokken Gruppe F, fusiforme Bakterien und Spirillen
lokal Gentianaviolett, nach Besserung Zahnsanierung, Analgetika
Angina Ludovici
Phlegmone der Mundbodenweichteile
Breitbandantibiose
oraler Lichen ruber planus
Ätiologie unklar, entzündliche immunologische Genese, maligne Transformation häufig möglich
lokal und ggf. systemisch Kortikokoide
Pemphigus vulgaris
Autoimmunerkrankung an Haut und Schleimhaut in ca. 50% der Fälle oral beginnend mit spontan platzenden Blasenbildungen
Glukokortikoide, Rituximab zur Immuntherapie
autoimmun
ungeklärte und sonstige Ätiologie MelkerssonRosenthalSyndrom
granulomatöse Arteriitis mit Cheilitis, Glossitis und Fazialisparese
Kortikoide i.v., Clofazimine (Malaria-Therapeutikum)
Aphten (solitär)
unklare Ätiologie
Touchieren mit AgNO3
Hunter-Glossitis
Vitamin-B12- oder -B6-Mangel mit Furchenzunge, Knötchen und Zungenschwellung, Eisenmangelanämie
i.v. Vitamin B12
Erythema exsudativum multiforme (StevensJohnson-Syndrom
Immunologische T-Zell-vermittelte Reaktion auf Medikamentengabe (z. B. NSAR, Montelucast) mit Nekrose der Keratinozyten bis hin zum LyellSyndrom
Glukokortikoide i.v., ggf. Immunglobulingabe
Morbus Behçet
Immunvaskulitis mit Beteiligung der Haut und Schleimhaut oral, pharyngeal und urogenital, Uveitis, Iritis
Kortikoide, Immunsuppressiva, ggf. Immuntherapie
Inspektionsbefunde der Zunge Befund
Klinik
Therapie
Haarzunge
Schwarzfärbung der Zunge mit Hypertrophie und Verhornung der Papillae vallatae
Abtragen mit harter Zahnbürste
Himbeerzunge
Hinweis auf Scharlach
i.v. oder orale Antibiose, symptomatische Begleittherapie
6
34
428
Kapitel 34 · Mund, Mundhöhle, Pharynx
Eigene Notizen
Inspektionsbefunde der Zunge (Fortsetzung) Befund
Klinik
Therapie
HunterGlossitis
glatte, blassrote Oberfläche durch Atrophie der Papillen bei perniziöser Anämie
Vitamin B12
HaarzellLeukoplakie
graue, weißliche großfleckige Veränderung der Zungenoberfläche bei HIV-Infektion
entsprechend der Grunderkrankung
Glossitis rhombica mediana
in Zungenmitte Rötung und Vergröberung des Zungenreliefs, ohne Krankheitswert
–
Lingua geographica
unregelmäßig begrenzte graue oder rötliche Flecken der Zungenoberfläche durch Epithelabstoßung im Bereich der Papillae filiformes, Konstitutionsanomalie
–
Lingua plicata
starke Quer- oder Längsfurchung der Zungenoberfläche, hereditär, ohne Krankheitswert
–
34.4
34
Rhonchopathie und obstruktives Schlafapnoe Syndrom (OSAS)
4 Rhonchopathie 5 Atemgeräusche während des Nachtschlafes, die den Schlafpartner stören, ohne die Schlafarchitektur zu beeinträchtigen, sind ohne Krankheitswert (primäres Schnarchen) 5 obstruktive Rhonchopathie (»upper airway resistance syndrome« (UARS): durch eine Einengung der oberen Atemwege Entstehung lauter Atemgeräusche und gleichzeitig milder Abfall der Sauerstoffsättigung 4 OSAS 5 Atemstörung während des Nachtschlafes durch Verlegung der oberen Atemwege infolge fehlerhafter Muskelanspannung des Zungengrunds und/oder der Pharynxseitenwand oder zu hoch stehenden Zungengrunds oder zu engen Pharynxlumens 5 bei behinderter Nasenatmung wird nachts Mundatmung erzwungen und dadurch bei weiter Mundöffnung dem Zurückfallen der Zunge Vorschub geleistet 5 vollständiges Sistieren des Atemstroms (Apnoe) oder Einschränkung des Atemstroms auf <50% (Hypopnoe) möglich 5 Dauer dieser pathologischen Zustände jeweils >10 s 5 regelhaft Abfall der Sauerstoffsättigung um >5% 5 Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) Anzahl dieser Ereignisse pro Stunde Nachtschlaf J <5: normal J 5–14: leicht J 15–29: mittelschwer J ≥30: schwer
429 34.4 · Rhonchopathie und obstruktives Schlafapnoe Syndrom (OSAS)
5 bei >10 Ereignissen pro Stunde erhöhtes kardiovaskuläres Risiko 5 Apnoe führt zur Zerrüttung der Nachtschlafarchitektur, vor allem zur Störung der Tiefschlafphasen
Klinik 4 plötzliches Aufwachen nachts (»arousal«), Unausgeschlafenheit morgens, Tagesmüdigkeit, Konzentrationsschwäche und oft Kopfschmerz 4 Bluthochdruck und Insulinresistenz mögliche Folgen 4 Prädilektionsfaktor Adipositas
Diagnostik 4 Epworth Sleepiness Scale zur klinisch-anamnestischen Einschätzung der Symptomenschwere und der Notwendigkeit therapeutischer Maßnahmen . Tabelle Epworth Sleepiness Scale beim Sitzen und Lesen
0
1
2
3
beim Fernsehen
0
1
2
3
im Theater/Kino
0
1
2
3
als Beifahrer im Auto
0
1
2
3
wenn Sie sich mittags hinlegen
0
1
2
3
im Sitzen nach dem Essen
0
1
2
3
im Auto an einem Rotlicht
0
1
2
3
0: unmöglich 1: kaum möglich 2: gut möglich 3: wahrscheinlich
4 Polygraphie (ambulantes Screening): Atemfluss, Schnarchgeräusche, Sauerstoffsättigung des Blutes, Körperlage sowie Brust- und Bauchbewegungen 4 bei pathologischem Befund Polysomnographie (Schlaflaboruntersuchung) 5 neben den oben genannten Parametern werden EKG, EEG und EOG (Registrierung der Augenbewegungen) registriert 5 dadurch quantitative und qualitative Analyse der Nachtschlafarchitektur möglich 5 dient der Indikation und Planung der Therapie 4 Indikation und Prognose von Therapiemaßnahmen werden nach einem Staging (Friedman) in 4 Stufen entsprechend der Zungen- und Gaumenposition, der Tonsillengröße und des BMI determiniert
Therapie 4 Normalisierung des BMI 4 Vermeidung sedierender Medikation
34
Eigene Notizen
430
Kapitel 34 · Mund, Mundhöhle, Pharynx
Eigene Notizen
34
4 Normalisierung der Nasenatmung 4 Anpassung einer CPAP (»continuous positive airway pressure«)-Maske, die einen kontinuierlichen Überdruck von 15–20 mbar im Rachen erhält, ggf. BIPAP (»biphasic positive airway pressure«) Beatmung bei erhöhtem Atemwegswiderstand, mit erhöhtem endexspiratorischem Druck 4 Schienenkonstrukte können zur Protrusion der Mandibula nachts vom Patienten in der Mundhöhle eingesetzt werden, um eine Vergrößerung des Durchmessers im oropharyngealen Lumen zu erreichen (EsmarchSchiene) 4 operative Therapie 5 UVPP (Uvulo-Velo-Pharyngo-Plastik; UPPP = Uvulo-Palato-Pharyngo-Plastik) J Resektion der Schleimhaut im Isthmus faucium, Tonsillektomie und Uvulakürzung mit schleimhautplastischer Naht → erweiterter Querschnitt des Racheneingangs J der zumindest partielle Erhalt der Uvula reduziert die postoperativ häufig auftretende Trockenheit im Rachen mit Fremdkörpergefühl J Erfolge im Mittel bei 78% für die Normalisierung des AHI J radiofrequenzassistierte-UVP nur für geringere Befunde geeignet, allerdings ambulant durchführbar und mit geringerer Morbidität verbunden; 12-Monats-Ergebnisse sind gegenüber der UVPP allerdings deutlich unterlegen J laserasssistierte UVP ist wegen schlechterer funktioneller Resultate wieder verlassen 5 bei starker Retrognathie Maxilla- und Mandibulaosteotomie und Vorverlagerung indiziert (»maxillomandibular advancement«) 5 in Ausnahmefällen muss die dauerhafte Tracheotomie für Beatmung sorgen
34.5
Entzündungen des Pharynx
34.5.1
Akute und chronische Pharyngitis
4 akute Pharyngitis 5 meist im Verlauf akuter Infekte der oberen Luftwege 5 i. d. R. durch Viren verursacht (Influenza, Parainfluenza, Coxsackie, Adenoviren, Myxoviren), seltener durch Streptokokken, Pneumokokken oder Haemophilus influenzae 4 chronische Pharyngitis 5 bei behinderter Nasenatmung durch Abkühlung und zu trockener Atemluft im Pharynx (fehlende Klimatisierfunktion der Nase) 5 bei Arbeitssituation mit extremen Temperaturen oder Temperaturwechseln (Kühlhaus, Stahlproduktion) 5 durch chronische Reizung bei Rauchen und Alkoholkonsum 5 vielfach im Rahmen saisonaler Allergien oder per initialer Intoleranzreaktionen (z. B. Aspirin-Intoleranz)
431 34.5 · Entzündungen des Pharynx
4 selten als spezifische Pharyngitis im Rahmen von Infektionserkrankungen (. Tabelle) Formen der spezifische Pharyngitis Diagnose
Klinik
Therapie
Diphtherie
grau-schwarze festhaftende Beläge
Antitoxin, Penicillin
Gonorrhö
unspezifisch, Tonsillenhyperplasie, Vergrößerung der Halslymphknoten
Trimethoprim-Sulfmethoxazol (nach dermatologischem Konsil)
Lues
Primäraffekt :rötliches Knötchen der Schleimhaut, danach Ulkus, Vergrößerung der Halslymphknoten, spontane Rückbildung
Procain-Benzylpenicillin 600.000 I.E. i.m. über 10–14 Tage oder BenzathinBenzylpenicillin 2,4 Mio. I.E. i.m. einmalig, vorzugsweise für nicht therapietreue Patienten
LII: dunkelrote Schleimhautpapeln, Enanthem, flächige rauchig-trübe Schleimhautoberfläche (Plaque muqueuse), derbe Vergrößerung der Halslymphknoten
Procain-Benzylpenicillin 1,2 Mio. I.E. i.m. über 14–21 Tage oder BenzathinBenzylpenicillin 2,4 Mio. I.E. i.m. Tag 1, 8 und 15 ( ! Cave Eingeschränkte Liquorgängigkeit!) oder Doxycyclin 2×200 mg p.o. über 21 Tage
LIII: derbe Knoten der Schleimhaut mit oder ohne Ulzeration (Gummen)
Penicillin G 6×5 Mio. I.E. i.v. über 14– 21 Tage oder Doxycyclin 2×200 mg p.o. über 21–30 Tage
Pertussis
purulente Sekretion, nekrotisierende Mukositis
kein Effekt durch Antibiotika
Tuberkulose
Granulome und Ulzeration
Tuberkulostatika nach aktuellen Therapieschemata
Lepra (absteigend nach nasaler Infektion)
Unterteilung in lepromatöse und tuberkuloide Formen nicht mehr essenziell für Therapie Ulzerationen, ausgedehnte Vernarbungen, Granulome, nervale Ausfälle
Rifampicin: 600 mg einmal monatlich unter ärztlicher Aufsicht Dapson: 100 mg täglich unkontrollierte Einnahme durch den Patienten selbst abhängig vom bakteriologischen Befund zusätzlich: Clofazimin 300 mg einmal monatlich unter ärztlicher Aufsicht Clofazimin 50 mg täglich unkontrollierte Einnahme durch den Patienten selbst
Klinik 4 akute Pharyngitis: reduziertes Allgemeinbefinden, Fieber, Halsschmerzen, Schluckbeschwerden 4 chronische Pharyngitis: Halsschmerzen, Schluckbeschwerden, Fremdkörpergefühl im Rachen, bisweilen Sekretlaufen im Rachen
34
Eigene Notizen
432
Kapitel 34 · Mund, Mundhöhle, Pharynx
Eigene Notizen
Diagnostik 4 4 4 4
Inspektion 70°- oder 90°-Endoskopie ggf. Abstrich und mikrobiologische Untersuchung ggf. mikrobiologische serologische Diagnostik
Therapie 4 . Tabelle
34.5.2
34
Erkrankungen des lymphatischen Rachenrings und Formen der Tonsillitis
4 entzündliche und selten neoplastische Erkrankungen, die von den Organen des Waldeyer-Rachenrings ausgehen 4 akute Entzündungen zu 30% bakteriell, meist durch Streptokokken Typ A, zu 70% viral (Epstein-Barr- [Monozytenangina; dabei handelt es sich allerdings nicht um vermehrte Monozyten, sondern um lymphatische Reizformen, somit Lymphozyten), Pfeiffersches Drüsenfieber], Herpessimplex-, Zytomegalo-, HI-, Adeno-, Rhino-, Influenza-, Corona-, Respiratory-syncytial-Virus) verursacht 4 bakterielle akute Infektionen können durch Abszedierungen retrotonsillär oder paratonsillären zu Komplikationen führen 5 aufsteigende Abszesse in die Pterygoidloge → Kieferklemme 5 retrotonsilläre Abszesse → Einengung von Schluck- und Atemweg sowie zum Senkungsabszess im Bereich des tiefen Halsspatiums bis hin zur Mediastinitis 5 bei Scharlach tiefrote Färbung der Tonsillen, nach 24 h Exanthem am Oberkörper beginnend, perioral ausgespart, Himbeerzunge, kleinfleckiges Exanthem des weichen Gaumens, nach 1 Woche Hautschuppung 4 bei viraler Tonsillitis (Monozytenangina) Hepato-Splenomegalie ( ! Cave Risiko der Milzruptur!) 4 Neoplasien des lymphatischen Rachenrings im Rahmen maligner Lymphome möglich
Klinik 4 akute Tonsillitis (. Abb. 53, Farbteil) 5 Vergrößerung und Rötung der Tonsillen sowie Ausbildung von Eiterstippchen 5 flächige Fibrinbeläge und fehlendes Ansprechen auf Antibiotikatherapie bei Monozytenangina 5 begleitende zervikale Lymphknotenvergrößerung 4 infektiöse Mononukleose (Pfeiffer-Tonsillitis, sog. Monozytenangina; . Abb. 54, Farbteil) 5 bei EBV-Infektion echographisch mit starker Vaskularisation in der Duplex-Echographie 5 Halsschmerzen und Schluckbeschwerden, Krankheitsgefühl
433 34.5 · Entzündungen des Pharynx
5 Laborchemisch >10% lymphatische Reizformen bei Monozytenangina, positiver EBV-Titer 4 Komplikationen der akuten Tonsillitis 5 Peritonsillarabzsess 5 Retrotonsillarabszess mit Rötung und Vorwölbung des Gaumenbogens 5 Kieferklemme 5 bei weiterer Ausbreitung Parapharyngeal-, Hals- oder Senkungsabszess mit Mediastinitis 5 selten tonsillogene Sepsis 4 stark asymmetrische Größe der Tonsilla palatina Hinweis auf malignes Lymphom der Tonsille oder Oropharynxkarzinom
Diagnostik 4 4 4 4
Inspektion Palpation der Halslymphknoten abhängig von Klinik Differenzialblutbild ggf. EBV-Serologie: 5 Latexagglutinationstest zum Nachweis heterophiler Antikörper vom Typ IgM: bei 90% der frühen Infektionen nachweisbar, insgesamt wenig spezifisch wegen vieler falsch-positiver Ergebnisse durch andere Infektionen, Autoimmunerkrankungen etc. 5 EBV-(VCA)-IgM-ELISA: bei fast allen Primärinfektionen positiv, bei Reaktivierung positiv, persistiert in der Regel 8–10 Wochen 5 EBV-(VCA)-IgG-ELISA: meist schon im Frühstadium von Infektionen positiv (daher bedingt auch als Screening brauchbar) persistiert meist lebenslang, bei Reaktivierung Titeranstieg, bei chronischer Infektion persistierend hohe Titer
Therapie 4 akute bakterielle Tonsillitis und Peritonsillitis 5 Cefuroxim 5 bei Allergie gegenüber Penicillin oder Cefuroxim: Erythromycin, Clindamycin 5 Analgesie und Antipyrese mit Paracetamol 4 Peritonsillarabszess 5 Antibiose i.v. 5 dringende Operationsindikation, bei Einnahme von Aspirin stattdessen nur Abszesspunktion oder Inzision 5 bei Halsabszess Inzision von außen und Entlastung mit Lascheneinlage 5 Mediastinitis mit hochdosierter Antibiotikatherapie i.v., im Einzelfall: operativ durch kollare Mediastinotomie 5 Penicillin G, Penicillin V wegen zunehmender Betalaktamase-Bildung der beteiligten Anaerobier weniger wirksam, besser Aminobenzylpenicillin plus Betalaktamase-Inhibitor, wie z. B. Sulbactam/ Ampicillin oder Amoxicillin plus Clavulansäure, ggf. Clindamycin 5 Dauer der Therapie 8–12 Tage 5 Tonsillektomie im entzündungsfreien Intervall ca. 4–6 Wochen später
34
Eigene Notizen
434
Kapitel 34 · Mund, Mundhöhle, Pharynx
Eigene Notizen
4 Virustonsillitis 5 symptomatische Therapie mit Analgesie und weicher Kost 5 körperliche Schonung
34.5.3
HIV-Infektion und Manifestation der HIV-Erkrankungen an Mundhöhle und Pharynx
4 HIV-Übertragung durch Intimkontakte, konnatal im Geburtskanal sowie durch Spritzen bei Drogenabhängigen 4 Inkubationszeit 3–6 Wochen 4 dann Fieber, Zeichen des akuten Infekts, Nachtschweiß, orale Ulzerationen, Arthralgie 4 unbehandelt Abfall der CD4-T-Helfer Zellen auf <200/μl (. Tabelle) mit Entwicklung der Immundefizienz AIDS, Dauer hierfür 6–9 Jahre 4 als Folge treten maligne Lymphome, Kaposi-Sarkom, opportunistische Infektionen (meist als Pneumonie) und Wasting-Syndrom auf 4 unbehandelt letal
Klinik 4 . Tabellen HIV-Stadien nach klinischer Symptomatik Stadium
Klinik
I
asymptomatisch, persistierende Lymphadenopathie
II
Gewichtsabnahme <10% des Körpergewichts, mukokutane Manifestationen mit oralen Ulzerationen, Herpes Zoster innerhalb der letzten 5 Jahre, rekurrierende Infekte der oberen Luftwege, z. B. bakterielle Sinusitis
III
Gewichtsabnahme >10% des Körpergewichts, Fieber über >1 Monat, Diarrhö >1 Monat, Soorstomatitis, Haar-Leukoplakie der Zunge, schwere bakterielle Infektionen z. B. Pneumonie, Pyomyositis, LungenTbc innerhalb des zurückliegenden Jahres
IV
HIV-Wasting-Syndrom, Pneumocystis-carinii-Pneumonie, ToxoplasmenEnzephalitis, Zytomegalie, Kryptokokkose, atypische Mykobakteriose, extrapulmonale Tbc, mukokutane Herpes-simplex-Infektion <1 Monat, multifokale Leukenzephalopathie, Soor des Ösophagus, Trachea, Bronchien, pulmonal, malignes Lymphom, Kaposi-Sarkom, HIV-Enzephalopathie
34
HIV-Stadien nach Labordiagnostik (WHO) Stadium
Lymphozyten
CD4-T-Helfer-Zellen
A
>2000/μl
>500/μl
B
1000–2000/μl
200–500/μl
C
<1000/μl
<200/μl
435 34.6 · Tumoren der Lippe (Lippenrot), der Mundhöhle und der kleinen Speicheldrüsen
Diagnostik 4 HIV-Suchtest als Basistest (Immunoassay; Erfassen sowohl der HIVAntikörper als auch der HIV-p24-Antigene) 4 Westernblot als Bestätigungstest bei wiederholt reaktivem Suchtest (bei negativem Westernblot ggf. auch p24-Antigentest oder HIV-PCR)
Therapie 4 Initialtherapie mit Nukleosid-/Nukleotidanaloga (NRTI), nicht-nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI) und Proteaseinhibitoren (PI) 4 nahezu alle PI sind in Kombination mit niedrig dosiertem (meist 2×100 mg/Tag) Ritonavir (r) stärker wirksam (sog. »boosten«, PI/r) und deshalb in dieser Kombination zu bevorzugen (AWMF-Leitlinie)
34.6
Tumoren der Lippe (Lippenrot), der Mundhöhle und der kleinen Speicheldrüsen
4 Retentionszyste der Lippe 5 verursacht oft durch Bissverletzungen der Lippe mit Vernarbungen der Ausführungsgänge kleiner Speicheldrüsen 4 Basalzellkarzinom der Lippe 5 v. a. im Alter auftretender Tumor 5 vorwiegend durch Sonnenbestrahlung induziert 5 lokale Destruktionen durch Invasion und Ulzeration 5 nur extrem selten lymphogene Metastasierung (0,03%) 4 Plattenepithelkarzinom der Lippe oder der Mundhöhle 5 häufigster maligner Tumor der Mundhöhle, Lippenkarzinome überwiegend an der Unterlippe lokalisiert 5 Inzidenz/Prävalenz 7/100.000 Einwohner/Jahr, überwiegend Männer, Altersmaximum 55–65 Jahre 5 Lokalisation: 50% lingual, 12% Mundboden 5 durch Rauchen (6-fach höheres Risiko), Alkoholkonsum (Rauchen + Alkohol mit 100-fachem Risiko für Frauen, 38-fachem Risiko für Männer) und fehlende orale Hygiene geförderter Tumor 5 bei Pfeifenrauchern bevorzugte Lokalisation an der Lippe 5 beim Zungenkarzinom der Frau Plummer-Vinson-Syndrom als mögliche Ursache 5 Lichen der Mundhöhle als Vorläufererkrankung 5 orale Erythroplakie (Morbus Bowen) als potenzielle Präkanzerose 5 p53-Mutationen werden als pathogenetischer Faktor diskutiert 4 verruköses Karzinom (Akkermann-Tumor) 5 2–20% aller Mundhöhlenkarzinome 5 Wachstum wird durch Rauchen und Alkoholkonsum begünstigt 4 malignes Melanom 5 1,3% aller Malignome der Mundhöhle 5 extrem aggressiver Tumor 5 Lokalisation meist harter Gaumen oder maxillärer Alveolarkamm
34
Eigene Notizen
436
Kapitel 34 · Mund, Mundhöhle, Pharynx
Eigene Notizen
4 adenoidzystische-, Adeno- und Mukoepidermoidkarzinome 5 selten 5 von den kleinen Speicheldrüsen ausgehend
Klassifikation 4 . Tabellen Tumorklassifikation (TNM-System) für maligne epitheliale Tumoren (Karzinome) Primärtumor Tx
Primärtumor kann nicht beurteilt werden
T0
kein Anhalt für Primärtumor
Tis
Carcinoma in situ
T1
Tumor 2 cm oder weniger in größter Ausdehnung
T2
Tumor mehr als 2 cm, aber nicht mehr als 4 cm in größter Ausdehnung
T3
Tumor mehr als 4 cm in größter Ausdehnung
T4a
Lippe: Tumor infiltriert durch kortikalen Knochen, den N. alveolaris inferior, in Mundhöhlenboden oder in die Haut (Kinn oder Gesichtshaut) Mundhöhle: Tumor infiltriert durch kortikalen Knochen in äußere Muskulatur der Zunge (M. genioglossus, M. hyoglossus, M. palatoglossus und M. styloglossus), Kieferhöhle oder Gesichtshaut
T4b
Lippe und Mundhöhle: Tumor infiltriert Spatium masticatorium, Processus pterygoideus oder Schädelbasis oder umschließt die A. carotis interna
Lymphknoten
34
Nx
regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden
N0
keine regionären Lymphknotenmetastasen
pN0
selektive Neck dissection und histologische Untersuchung üblicherweise von 6 oder mehr Lymphknoten oder radikale oder modifiziert-radikale Neck dissection und histologische Untersuchung üblicherweise von 10 oder mehr Lymphknoten
N1
Metastase(n) in solitärem ipsilateralem Lymphknoten, 3 cm oder weniger in größter Ausdehnung
N2
Unterklassifizierung in N2a oder N2b oder N2c
N2a
Metastase(n) in solitärem ipsilateralem Lymphknoten, mehr als 3 cm, aber nicht mehr als 6 cm in größter Ausdehnung
N2b
Metastasen in multiplen ipsilateralem Lymphknoten, keiner mehr als 6 cm in größter Ausdehnung
N2c
Metastasen in bilateralen oder kontralateralen Lymphknoten, keiner mehr als 6 cm in größter Ausdehnung
N3
Metastase(n) in Lymphknoten, mehr als 6 cm in größter Ausdehnung
437 34.6 · Tumoren der Lippe (Lippenrot), der Mundhöhle und der kleinen Speicheldrüsen
Eigene Notizen
Stadieneinteilung bei Kopf-Hals-Tumoren I
T1 N0 M0
II
T2 N0 M0
III
T3 N0 M0 T1 oder T2 oder T3, N1, M0
IV
T4 N0 M0 jedes T, N2 oder N3, M0 jedes T, jedes N, M1
Stadieneinteilung Kopf-Hals-Karzinome außer Nasopharynx und Schilddrüse (nach American Cancer Society 2011, American Joint Committee of Cancer 2002) Stadium
T
N
M
Gruppe
Stadium
Stadium
Stadium
0
Tis
N0
M0
I
T1
N0
M0
II
T2
N0
M0
III
T3
N0
M0
T1
N1
M0
T2
N1
M0
T3
N1
M0
T4a
N0
M0
T4a
N1
M0
T1
N2
M0
T2
N2
M0
T3
N2
M0
T4a
N2
M0
T4b
jedes N
M0
jedes T
N3
M0
jedes T
jedes N
M1
IVA
IVB
IVC
34
438
Kapitel 34 · Mund, Mundhöhle, Pharynx
Eigene Notizen
Stadieneinteilung Nasopharynxkarzinome (nach American Cancer Society 2011, American Joint Committee of Cancer 2002) Stadium
T
N
M
Gruppe
Stadium
Stadium
Stadium
0
Tis
N0
M0
I
T1
N0
M0
IIA
T2a
N0
M0
IIB
T1
N1
M0
T2a
N1
M0
T2b
N0
M0
T2b
N1
M0
T1
N2
M0
T2a
N2
M0
T2b
N2
M0
T3
N0
M0
T3
N1
M0
T3
N2
M0
T4
N0
M0
T4
N1
M0
T4
N2
M0
IVB
jedes T
N3
M0
IVC
jedes T
jedes N
M1
III
IVA
34
Klinik 4 Retentionszysten der Lippe 5 pralle, elastische Tumorbildung ohne Ulzeration 5 gut verschieblich 4 Basalzellkarzinome 5 meist Ulzeration mit derbem Randwall 5 ohne histologische Untersuchung nicht von Plattenepithelkarzinom zu differenzieren 4 Plattenepithelkarzinome an der Lippe oder der Mundschleimhaut als Leukoplakie 5 Ulzeration bisweilen mit derbem Randwall 5 oft bei desolatem Zahnstatus 5 Prädilektionsstelle Fossa glosso-alveolaris oder Zungenrand (. Abb. 55, Farbteil) 4 malignes Melanom 5 melanotisch als schwarze Verfärbung der Schleimhaut zu Beginn 5 später exophytischer Tumor oder Ulzeration
439 34.6 · Tumoren der Lippe (Lippenrot), der Mundhöhle und der kleinen Speicheldrüsen
4 regionäre lymphogene Metastasen bei 5 >50% der Mundhöhlenkarzinome 5 15% der Lippenkarzinome (10% bei Tumoren der Unterlippe; 13% bei Tumoren der Oberlippe) 5 20% bei Tumoren des Mundwinkels 4 hämatogene Fernmetastasen (Lunge, Leber, Knochen) in ca. 15% der Fälle
Diagnostik 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Inspektion bei Verdacht unmittelbar Biopsie in Lokalanästhesie oder ITN Photodokumentation von außen bzw. endoskopisch obligat Histopathologie vor Biopsie Erhebung des Halslymphknotenstatus durch Palpation und Sonographie/Duplexechographie, ggf. Kontrastmittel-CT bei positiver Histologie vor Therapie Thorax-CT zum Ausschluss pulmonaler Metastasen Nachsorge bei Leukoplakien der Mundschleimhaut 5 ohne Dysplasie: in 6-monatlichen Intervallen 5 mit Dysplasie in 3-monatlichen Intervallen 10% der Leukoplakien besitzen histologische Kriterien der Präkanzerose ! Cave Patienten mit Lichen müssen in 4-monatlichen Intervallen einer Tumorvorsorge unterzogen werden!
Therapie 4 Tumoren der Lippe 5 Tis: Exzision 5 T1-Karzinom: Exzision, meist primäre Adaptation möglich, T2–4Karzinom: Resektion des Tumors, plastische Rekonstruktion durch lokale oder regionale Lappenplastik 5 N0: Vorgehen abhängig von T-Größe, N1–2: modifiziert radikale Neck dissection, z. T. selektive Neck dissection möglich, N3: radikale Neck dissection, modifiziert radikale Neck dissection oder erweiterte radikale Neck dissection 5 Neck dissection Vorgehen und Einteilung der Neck dissection 7 Kap. 7
5 postoperative Radiotherapie bei Tumoren ≥T3, alle Stadien pN2–3, ggf. bei pN1 4 Tumoren der Mundhöhle 5 T1-Tumoren der Zunge: transorale, partielle Glossektomie, ggf. CO2-Laserresektion 5 T1-Tumoren des Mundboden: transorale Resektion des Mundboden mit Sicherheitszone zum Unterkiefer 5 T2/3 und T4-Tumoren des Zungenkörpers und Mundbodens: Resektion bis zur Hemiglossektomie mit segmentaler Unterkieferresektion, die meist eine Primär- oder Sekundärrekonstruktion mit Osteosynthese und/oder gefäßgestielten myokutanen, und mikro-
34
Eigene Notizen
440
Kapitel 34 · Mund, Mundhöhle, Pharynx
Eigene Notizen
5 5 5 5 5
34
chirurgisch revaskularisierten kutanen, osteokutanen und osteomyokutane Lappentechniken erfordern primäre Strahlentherapie nur bei T1-Karzinomen mit vergleichbarer Kontrollrate bei ausgedehnten Tumoren postoperative Strahlentherapie: Primärtumor 60–66 Gy, Halsfelder 60–66 Gy bei positiver Histologie, 44– 64 Gy bei N0 Hals Neck dissection bei Mundhöhlenkarzinom >T1 auch als elektive Neck dissection (d. h. bei N0 Hals) Neck dissection bei Lippenkarzinom nur bei N+ Hals oder ausgedehnter Infiltration der Nachbarschaft 5-Jahres-Überlebenszeit (alle Stadien) Mundhöhlenkarzinom 40–60% Lippenkarzinom: 90%
34.7
Tumoren des Pharynx
34.7.1
Gutartige Tumoren des Pharynx
4 Vaskuläre Malformationen 5 Raumforderungen, die konnatal bereits vorliegen und postnatal keine epitheliale Proliferation zeigen 5 zählen zu den häufigsten konnatalen Missbildungen 5 Low-flow- und High-flow-Varianten 5 Unterscheidung in kapilläre, venöse, arteriovenöse, lymphatische und gemischte Formen 5 Größenzunahme möglich 5 Lokalisation oft im Bereich der Schädelbasis orbital, nasopharyngeal, nasal oder im Bereich der Fossa pterygopalatina 4 Hämangiome 5 vaskuläre tumoröse Neubildungen mit Proliferationstendenz und z. T. Regressionstendenz mit zunehmendem Alter (»rapidly involuting congenital hemangioma« [RICH], »non-involuting congenital hemangioma« [NICH]) 5 gutartiges Wachstumsverhalten 4 juveniles Nasenrachenfibrom 5 Angiofibrom der Rhinobasis 5 unklare Ätiologie 4 Kraniopharyngeom 5 seltener Tumor der Hypophysenregion, der häufig nach nasopharyngeal einwächst 5 gutartiger, sehr gefäßreicher Tumor 5 ausgehend von Neoplasie im Bereich des persistierenden Ductus craniopharyngeus 5 bei Größenzunahme Hypophyseninsuffizienz
441 34.7 · Tumoren des Pharynx
Klinik
Eigene Notizen
4 Nasenatmungsbehinderung, Epistaxis, Hyposmie/Anosmie, nasale Sekretion 4 bei Beteiligung der Orbita Doppelbilder, Sehstörung
Diagnostik 4 Nasenendoskopie 4 CT, Angio-CT, Angio-MRT 4 abhängig von der Lokalisation augenärztliches Konsil
Therapie 4 Hämangiome 5 Therapie nur bei Funktionsbehinderung 5 ansonsten Involution mit zunehmendem Alter abwarten 5 Kortikosteroide 5 β-Blocker 5 chirurgische Resektion 5 Laserablation 5 ggf. Embolisation (in Kombination vor chirurgischer und Laserresektion) 4 vaskuläre Malformationen 5 abhängig von Klassifikation, Größe, Lage der Gefäßversorgung und Lage der Malformation 5 operative Entfernung mittels sublabialer Zugänge zu Schädelbasis und Nasopharynx ohne transfazialen Zugang möglich
34.7.2
34
Leukoplakie und Dysplasie der Pharynxschleimhaut
4 weißliche Verfärbung der Schleimhaut, die nicht abwischbar ist und für die keine andere Ursache erkennbar ist (WHO) 4 70–90% Raucher 4 in 58% der Fälle verschwinden Leukoplakien 12 Monate nach Beendigung des Rauchens, in 78% der Fälle sind die Befunde regredient 4 die syphilitische Glossitis kann zu Leukoplakien führen 4 weitaus häufigste Lokalisation ist die Mundhöhle, zweithäufigste Lokalisation der Larynx 4 > Memo Die Haar-Leukoplakie der Zunge bei HIV-Patienten ist eine Keratose (Veränderung nur des Stratum corneum), keine Leukoplakie!
Klinik 4 meist beschwerdefrei 4 Erkennung im Rahmen von Routineuntersuchungen aus anderen Beweggründen
Diagnostik 4 endoskopische Untersuchungen des Pharynx
442
Kapitel 34 · Mund, Mundhöhle, Pharynx
Eigene Notizen
4 bei Leukoplakien stets Biopsie 4 histopathologische Klassifizierung, 10% der Leukoplakien sind epitheliale Dysplasien
Therapie 4 Exzisionsbiopsie
34.7.3
Karzinome des Pharynx
Übersicht . Tabelle Übersicht Pharynxkarzinome Lokalisation
Ätiologie/Pathogenese
Klinik
Prognose
Nasopharynx (. Abb. 56, Farbteil)
kindliche Form (1/3) adulte Form (2/3) Plattenepithelkarzinom lymphoepitheliales Karzinom
Epistaxis, Nasenatmungsbehinderung bei Infiltration: Tubenfunktionsstörung, sekretorische Otitis media, Abduzensparese, 47% der Fälle mit N+ bei Diagnosestellung
5-Jahres-Überleben gesamt: 60%
Oropharnx (. Abb. 57 bis 59, Farbteil)
Plattenepithelkarzinom überwiegend, Rauchen, Alkohol in 60% der Fälle HPV16-Nachweis: dadurch Risiko auch ohne Alkohol und Rauchen erhöht selten adenoid-zystisches Karzinom, Adenokarzinom der kleinen Speicheldrüsen
Schluckbeschwerden, Globusgefühl bei Infiltration des Parapharyngealraums oder der Submandibularloge:Hypoglossusparese
Stadium I: 90% Stadium II: 75% Stadium III: 45–75% Stadium IV: <35% 5-Jahres-Überleben gesamt: – 74% HPV-16+ – 25% HPV-16– – 15–30% N0 (okkulte Metastasen)
Hypopharynx
fast ausschließlich Plattenepithelkarzinom (seltene Tumorentität) Rauchen, Alkohol in 31% der Fälle Mehrfachtumoren synchron oder metachron
Schluckbeschwerden, Globusgefühl bei Infiltration des Larynx: Heiserkeit
Prognose sehr ernst Rezidiv in 37% der Fälle 5-Jahres-Überleben gesamt: 47% Überleben von der lymphogenen Metastasierung unmittelbar abhängig
34
Klinik 4 . Tabelle
443 34.7 · Tumoren des Pharynx
Diagnostik 4 Endoskopie des Rachens mit starren oder flexiblen Optiken 4 bei begründetem Verdacht starre Endoskopie in Kurznarkose am intubierten Patienten oder in Jet-Ventilation (ohne Intubation) 4 Biopsie und histopathologische Untersuchung 4 digitale Palpation des Zungengrunds, Palpation der Halsweichteile 4 Echographie und Duplexechographie der Halslymphknoten und des Mundbodens 4 CT der Halsweichteile mit Kontrastmittel als Standardverfahren, in ausgewählten Fällen MRT oder PET-CT
Therapie 4 Nasopharynxkarzinom 5 alle Stadien: primäre Radiochemotherapie, bei persistierenden Tumoren oder Rezidiven operatives Vorgehen (maxillary swing Operation oder kombinierter transnasaler transoraler Zugang) mit 56% 5-Jahres-Überleben 5 bei großen Metastasen (Plattenepithelkarzinom) ggf. modifiziert radikale Neck dissection 4 Oropharynxkarzinom 5 Tis: Exzision 5 T1: transorale Resektion 5 T2: transoral CO2 laserchirugisch oder transzervikal durch laterale Pharyngotomie, plastische Rekonstruktion 5 T3: transzervikal durch laterale Pharyngotomie, ggf. temporäre Mandibulotomie, ggf. zusätzlich Larynxteilresektion 5 T4: transzervikal durch laterale Pharngotomie, ggf. temporäre Mandibulotomie, bei tiefer oder bilateraler Infiltration des Zungengrunds ggf. Larynxtotalresektion 5 N0: selektive Neck dissection ab T2 5 N1: modifiziert radikale Neck dissection 5 N2: modifiziert radikale Neck dissection 5 N3: radikale oder erweiterte radikale Neck dissection 5 postoperative Radiotherapie: bei T2–T4 und/oder >pN1 4 Hypopharynxkarzinom 5 Tis: Exzision 5 T1: transorale CO2-Laserresektion, ggf. transzervikaler Zugang, 5 T2: laterale Pharyngektomie, ggf. mit Larynxteilresektion, ggf. Resektion des ipsilateralen Schilddrüsenlappens, ggf. Rekonstruktion durch mikrovaskularen Lappen 5 T3: laterale Pharyngektomie, ggf. mit Larynxteilresektion oder Laryngektomie, ggf. Resektion des ipsilateralen Schilddrüsenlappens, ggf. Rekonstruktion durch mikrovaskularen Lappen 5 T4: Meist nicht unter Funktions- oder Organerhalt möglich, Resektion der ipsilateralen Schilddrüse, Rekonstruktion ggf. mittels Lappenplastik, Magenhochzug 5 N0: selektive Neck dissection ab T2 5 N1: modifiziert radikale Neck dissection 5 N2: modifiziert radikale Neck dissection
34
Eigene Notizen
444
Kapitel 34 · Mund, Mundhöhle, Pharynx
Eigene Notizen
5 N3: radikale oder erweiterte radikale Neck dissection 5 bei Indikation zu Laryngektomie ggf. primäre Radiotherapie mit Option zu »Rettungs-Laryngektomie« bei Nicht-Ansprechen auf Radiotherapie 5 postoperative Radiotherapie bei pT1–4 pN1–3 und bei pT3–4 pN0 5 5-Jahres-Überleben bei kurativer Radiotherapie des Hypypharynxkarzinoms nur 18% 5 5-Jahres-Überlebensrate unter operativer Behandlung, ggf. mit postoperativer Radio(-Chemo)therapie 55% für alle Lokalisationen und Stadien bei Pharynxkarzinomen, Zunge 65%, 45% andere orale Lokalisationen, Oropharynx 64%, Hypopharnyx 47%
34.7.4
Weitere maligne Tumoren des Pharynx
4 Kaposi-Sarkom 5 seltener maligner Tumor 5 oft mit AIDS assoziiert und somit Zeichen des fortgeschrittenen Stadiums der Erkrankung (7 Abschn. 34.5.3, HIV-Staging) 4 Plasmozytom extramedullär 5 in 80% der Fälle im Bereich der oberen Luftwege 5 Inzidenz 4/100.000 5 aggressives B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom 5 in 5–32% der Fälle Entwicklung eines multiples Myeloms mit Laborzeichen (. Tabelle) Internationales Staging-System des multiplen Myeloms (Plasmozytoms)
34
ISS I
β2-Mikroglobulin <3,5 mg/l und Albumin ≥35 g/l
ISS II
β2-Mikroglobulin <3,5 mg/l und Albumin <35 g/l oder β2-Mikroglobulin 3,5–5,5 mg/l
ISS III
β2-Mikroglobulin >5,5 mg/l
4 Chordom 5 potenziell maligne 5 seltener Tumor 5 Lokalisation nasopharyngeal, retropharyngeal oder zervikal 5 ausgehend von der ehemaligen Chorda dorsalis (Mesoderm) 5 in 10% der Fälle metastasierend
Klinik 4 Globusgefühl, Dysphagie 4 ggf. Heiserkeit 4 Aspiration
Diagnostik 4 Endoskopie des wachen Patienten mit starren oder flexiblen Optiken 4 bei begründetem Verdacht starre Endoskopie in Kurznarkose am intubierten Patienten oder in Jet-Ventilation
445 34.8 · Sonstige Erkrankungen des Pharynx
4 Biopsie und histopathologische Untersuchung 4 digitale Palpation des Zungengrunds, Palpation der Halsweichteile 4 Echographie und Duplexechographie der Halslymphknoten und des Mundbodens 4 CT der Halsweichteile mit Kontrastmittel als Standardverfahren, in ausgewählten Fällen MRT oder PET-CT 4 bei Verdacht oder Hinweis auf Kaposi-Sarkom: nach Patienteneinverständnis (schriftlich) HIV-Serologie
Therapie 4 Kaposi-Sarkom: wenn möglich, Chemotherapie, Radiotherapie, antiretrovirale Therapie (ART) 4 Plasmozytom extramedullär: Radiotherapie, CO2-laserchirurgische Resektion, solange kein multiples Myelom vorliegt 4 Chordom: operative Therapie, Radiotherapie
34.8
Sonstige Erkrankungen des Pharynx
34.8.1
Styalgie (Eagle-Syndrom, Stylohyoid-Syndrom)
4 Schmerz der Tonsillenregion, des seitlichen Halses, ins Ohr bzw. Gesicht ausstrahlend 4 durch idiopathische Kalzifikation des Lig. stylohyoideum oder des verlängerten Processus styloideus verursacht
Klinik 4 Schmerz fortgeleitet durch Nn. glossoparyngeus, vagus, trigeminus 4 keine klare Trennung zur idiopathischen Neuralgie des N. glossopharyngeus möglich, da die Verlängerung des Styloidfortsatzes nicht in jedem Falle symptomatisch ist 4 Dysphagie, Odynophagie
Diagnostik 4 bimanuelle Palpation und Prüfen der Schmerzauslösung 4 Orthopantomogramm mit Nachweis der kalzifizierten Kontur des Ligamentum stylophyoideum und/oder des verlängerten Styloidfortsatzes 4 ggf. CT
Therapie 4 operative Kürzung des Processus und/oder Resektion des Ligaments von außen (bevorzugt) oder peroral
34.8.2
Funktionelle Dysphagie (Globus nervosus)
4 Fremdkörpergefühl im Rachen ohne organisches Korrelat 4 meist unter starker seelischer oder körperlicher Belastung des Patienten
34
Eigene Notizen
446
Kapitel 34 · Mund, Mundhöhle, Pharynx
Eigene Notizen
Klinik 4 Dysphagie mit deutlicher Lokalisation durch den Patienten
Diagnostik 4 Palpation des Halses mit Größenbestimmung der Schilddrüse und Prüfen auf Schluckverschieblichkeit 4 Echographie und Duplex-Echographie des Halses und der Schilddrüse 4 endoskopische Untersuchung des Pharynx und Larynx 4 Röntgen-Breischluckdarstellung des Ösophagus, ggf. flexible Ösophagoskopie 4 Labor: Hb, Erythrozyten, Eisen im Serum
Therapie 4 nach Ausschluss aller somatischen Ursachen ggf. Versuch der psychosomatischen Therapie
34.8.3
Zenker-Divertikel (Hypopharynxdivertikel, Grenzdivertikel)
4 Pulsationsdivertikel des Pharynx im Bereich der Pars cricopharyngea des M. constrictor pharyngis (Killian’scher-Schleudermuskel)
Klinik 4 Globusgefühl, Dysphagie, typische Regurgitation, insbesondere beim Liegen nach dem Essen mit Zurücklaufen nicht-saurer Nahrung 4 Hustenanfälle im Liegen 4 ggf. gluckerndes Geräusch beim Druck auf die Halsweichteile vor allem links 4 bevorzugtes Auftreten im höheren Lebensalter (>60 Jahre)
34
Diagnostik 4 Röntgenbreischluckaufnahme 4 Pharyngoskopie, starre Ösophagoskopie
Therapie 4 endoskopisches Vorgehen 5 CO2-Laser-Divertikulotomie 5 scharfe Durchtrennung 4 Vorgehen von außen 5 Zugang transzervikal von links 5 Pharyngotomie und Myotomie des M. cricopharyngeus (Killian’scher-Schleudermuskel) 5 Fixieren des Divertikelsacks ohne Pharyngotomie auf das vordere Längsband 5 ggf. begleitende Myotomie des M. cricopharyngeus
35 Tag 5 – HNO
35
Larynx, Stimme, Sprechen M. Westhofen
35.1
Fehlbildungen des Larynx – 448
35.1.1
Zysten und Laryngozelen
35.2
Verletzungen des Larynx – 450
35.3
Larynxödem – 450
35.3.1 35.3.2
Akutes Larynxödem – 450 Chronisches Larynxödem (Reinke-Ödem)
35.4
Entzündungen des Larynx – 452
35.5
Sonstige Erkrankungen der Stimmlippen – 455
– 449
– 452
35.6
Tumoren des Larynx – 457
35.6.1 35.6.2 35.6.3 35.6.4 35.6.5
Larynxpapillomatose – 457 Leukoplakien und Dysplasien – 457 Plattenepithelkarzinom des Larynx – 459 Verruköses Karzinom des Larynx – 465 Sarkom des Larynx – 466
35.7
Lähmungen des Kehlkopfs und Stimmstörungen – 467
35.8
Sonstige Erkrankungen des Larynx – 468
35.8.1 35.8.2 35.8.3
Krikoidstenose – 468 Sarkoidose – 469 Amyloidose – 469
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_35, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
448
Kapitel 35 · Larynx, Stimme, Sprechen
Eigene Notizen
35.1
Fehlbildungen des Larynx
4 unmittelbar postpartal oder im Säuglingsalter auftretende Einengung des Larynxlumens 4 Laryngomalazie (ca. 60%) 5 Leitsymptom ist meist die übergroße und überhängende Epiglottis aus dem 3. Kiemenbogenanteil (Larynx aus dem 3. und 4. Kiemenbogen gebildet) 5 histomorphologisch Normalbefunde, syndromale Fehlbildungen bestehen i. d. R. nicht 5 Unreife des noch zu weichen Knorpels, unterentwickelte neuromuskuläre Kontrolle und gastroösophagealer Reflux als weitere Ursachen diskutiert 4 subglottische Stenose (20%) 5 Einengung des Luftwegs in Höhe des Krikoids 5 ursächlich Verdickungen der Subglottisschleimhaut und Einlagerung von Bindegewebe submukös sowie Fehlanlage des Krikoids 5 mit zunehmendem Alter (meist 3. bis 4. Lebensjahr) bisweilen spontane Ausheilung 5 bei hochgradigen Befunden akute Dyspnoe mit Intubationshindernis durch die Krikoidstenose 4 Stimmlippenparese (15–20%) 5 ursächlich Geburtstraumata wie Hypoxien oder Einblutung, Arnold-Chiari-Malformation, Hydrozephalus, Meningozelen, Spina bifida 5 bei bilateraler Ausprägung akuter Notfall unmittelbar postpartal mit Intubationshindernis
Klinik
35
4 4 4 4 4
Dyspnoe heiseres Brüllen ggf. Dysphagie Zyanose obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom
Diagnostik 4 bei akutem Atemwegsnotfall notfallmäßiges Einstellen des Larynx mit dem Laryngoskop und Versuch der Intubation 4 bei Fehlschlagen Notfalltracheotomie bei Neugeborenen unter mikroskopischer Sicht 4 ohne Notfallindikation flexible Laryngoskopie ( ! Cave Bei minimaler reaktiver Schwellung Dyspnoe!)
Therapie 4 nicht in allen Fällen operatives Eingreifen notwendig, da mit zunehmendem Lebensalter häufig spontane Verbesserung 4 H2-Rezeptorantagonisten (Ranitidin) 3 mg/kg KG 3× täglich oder Protonenpumpenhemmer 1 mg/kg KG 1× täglich
449 35.1 · Fehlbildungen des Larynx
4 mit zunehmendem Lebensalter und ggf. wegen der durch die Erkrankung eingeschränkten Sprachentwicklung individuelle Therapiepläne notwendig Laryngomalazie: Supraglottoplastik, Epiglottoplastik mittels endoskopischer CO2-Lasertechnik 4 bei persistierender Zyanose, Dyspnoe, Aspiration, Gewichtsabnahme durch Schluckstörung Indikation zu operativem Vorgehen zur Therapie der Laryngomalazie: Supraglottoplastik, Epiglottoplastik mittels endoskopischer CO2-Lasertechnik 4 Krikoidstenose: Operation nach Rethi durch vertikale Ringknorpelfissur, Implantation eines Knorpelspans und Schaffen eines weiten Tracheostomas (offene Rinne) im ersten Schritt, Verschluss der Rinne nach 2–3 Monaten oder alternativ einzeitig Thyrokrikotracheoplastik durch vertikale Ringknorpelfissur und mediane Thyrotomie mit Hochziehen der Trachea, die zungenförmig in die Fissur eingezogen wird und so den Querschnitt erweitert
35.1.1
Zysten und Laryngozelen
4 Retentionszysten entstehen vorwiegend subglottisch, im Bereich der Taschenfalten oder der Vallecula epiglottica (. Abb. 60, Farbteil) 4 entzündliche Vergrößerung der suprahyoidalen Bursa 4 durch Vorwölbung des Ventriculus laryngis (Sinus Morgagnii), z. B. bei extremem Druckaufbau im Larynxlumen (Hornbläser) 4 i. d. R. erworbene Erkrankung 4 bei Durchdringen der Membrana thyrohyoidea Vorwölbungen nach außen: äußere Laryngozele 4 bei Vorwölbung der Zyste nach endolaryngeal: innere Laryngozele
Klinik 4 Stimmstörung mit Heiserkeit oder gestopfter Stimme 4 Globusgefühl 4 beim Pressen Vorwölbung von außen erkennbar und palpierbar
Diagnostik 4 indirekte Laryngoskopie mittels 70°- oder 90°-Optik 4 ggf. flexible Endoskopie transnasal 4 ggf. Mikrolaryngoskopie (starre Endoskopie) mit Möglichkeit zur Resektion durch CO2-Laserchirurgie oder mittels Mikroscherchen
Therapie 4 mikrolaryngoskopisch-endoskopische Entfernung durch CO2-Laser oder mikroinstrumentell 4 nur im Ausnahmefall Resektion von außen
35
Eigene Notizen
450
Kapitel 35 · Larynx, Stimme, Sprechen
Eigene Notizen
35.2
Verletzungen des Larynx
4 Schnitt-, Schlag-, Schussverletzungen des Larynxgerüsts, der prälaryngealen Weichteile, ggf. Eröffnung des Larynxlumens 4 ! Cave Es kann eine Notfallsituation auftreten: durch Blutung Aspirationsgefahr, durch endolaryngeale Schwellung Dyspnoe. 4 nach Inhalationen toxischer Substanzen oder heißer Dämpfe akute ödematöse Schwellung des Larynx im Bereich der Stimmlippen und der Larynxschleimhaut mit Heiserkeit und Dyspnoe 4 Verlegung des Larynxlumens durch aspirierte Fremdkörper wie Zahnprothesen, Spielzeug bei Kindern, Fleischbolus
Klinik 4 i. d. R. Notfallvorstellung mit Atemwegsverlegung
Diagnostik 4 Wundinspektion von außen 4 endoskopische Inspektion mit 70°- oder 90°-Winkeloptik, unter Notfallbedingungen ggf. mittels Laryngoskop in Intubationsbereitschaft
Therapie 4 Absaugen der oberen Atemwege als erste Maßnahme 4 ggf. unmittelbare Intubation 4 endoskopisch-instrumentelle Sicherung der oberen Luftwege mittels starrer Endoskopie und Hechtmaul-Fasszange zur Extraktion von Fremdkörpern 4 Prednisolon 1000 mg i.v. 4 abhängig von der Beeinträchtigung der oberen Luftwege Koniotomie (Notfallmaßnahme) oder Tracheotomie
35
35.3
Larynxödem
35.3.1
Akutes Larynxödem
4 Angioödeme (oder auch Quincke-Ödeme) sind 1–7 Tage andauernde Ödeme, die in unregelmäßigen Abständen rezidivieren 4 Einteilung 5 erworbene Larynxödeme J allergisch J medikamentös induziert (meist ACE-Hemmer, ASS, NSAR) J Komplikation der Strahlentherapie 5 hereditäre Larynxödeme: autosomal-dominante Mutationen mit abnormer Aktivierung des Komplementsystems J Typ I: verminderte Aktivität und Konzentration des C1-Inhibitors im Plasma durch Mutation des SERPING1-Gens J Typ II: verminderte Aktivität bei normaler oder erhöhter Konzentration des atypisch konfigurierten C1-Inhibitors im Plasma durch Mutation des SERPING1-Gens
451 35.3 · Larynxödem
4 4
4 4
J Typ III: bei Mutation des F12-Gens, das den Gerinnungsfaktor XII kodiert akute Angioödeme können im Rahmen einer Urtikaria auftreten 63% der Angioödeme induziert durch ACE-Inhibitor-Einnahme oder infolge einer Stahlentherapie; ACE-Hemmer und andere Medikamente führen bei 0,1–2,2% der Behandelten zu rezidivierenden Angioödemen 22% allergische Genese <1% als hereditäres Angioödem (HAE). Das Gen, das den C1-EsteraseInhibitor (C1-INH) kodiert, liegt auf dem langen Arm des Chromosoms 11 in der Subregion q12–q13.1
Klinik 4 bei hereditärem Angioödem des Larynx: bei 70% der Patienten 12 oder weniger Attacken jährlich, bei 30% mehr als 12 Attacken 4 Schwellung an Zunge, Rachen- und/oder Larynxschleimhaut, Lippen, Gesichtshaut und Augenlidern 4 Dysphagie, Dyspnoe 4 Präsentation meist in der Notfallambulanz
Diagnostik 4 Anamnese (familiäre Häufung, rezidivierendes Auftreten, bekannte Nahrungsmittelallergie, ACE-Inhibitor-Behandlung; bei hereditärem Angioödem: Schwellung an anderen Körperstellen; auch abdominelle Beschwerden möglich) 4 70°- bzw. 90°-Lupenendoskopie des Larynx 4 C1r- und C1s-Esterase-Spiegel im Serum bzw. -Aktivitätsbestimmung (pathologisch bei <25% der Norm) 4 C1-, C3- und C4-Komplementspiegel im Serum: Durch die Fehlfunktion des C1-Esterase-Inhibitors, der im »klassischen« Pfad der Komplementkaskade liegt, ist der Spiegel des dahinter liegenden C4-Faktors erniedrigt, weil verbraucht. Der C3-Spiegel liegt dagegen im »alternativen« Pfad der Kaskade und ist normal hoch. Bei Fehlfunktion des C1-Esterase-Inhibitors wird vermehrt Bradikinin freigesetzt, das über die Erhöhung der Gefäßpermeabilität die Schwellungszustände verursacht
Therapie 4 bei erworbenem Angioödem: 1000 mg Prednisolon i.v. (bei hereditärem Angioödem nicht effektiv!) 4 bei hereditärem Angioödem: C1-Esterase-Inhibitor Konzentrat (C1INH-Konzentrat, 8500–1000 IE) oder Icatibant (Bradykinin-B2-Rezeptorantagonist) mit Wirkungseintritt nach 2 h 4 Epinephrin, Antihistaminikum i.v. als Sofortmaßnahme 4 sofortiges Absetzen des ACE-Hemmers
35
Eigene Notizen
452
Kapitel 35 · Larynx, Stimme, Sprechen
Eigene Notizen
35.3.2
Chronisches Larynxödem (Reinke-Ödem)
4 über mehr als 3 Wochen anhaltende ödematöse Schwellung der Glottis durch Lymphansammlung im subepithelialen Raum (Reinke-Raum) 4 überwiegend bilaterales Auftreten 4 Ursachen: 5 durch unphysiologische Stimmführung (unausgebildete Sänger), Stimmüberlastung 5 Rauchen 5 Arbeiten in wechselnden Temperaturen (Kühlhausarbeiter) 5 Residualzustand nach Radiotherapie des Halses 5 anhaltende oder wiederkehrende Exposition gegenüber Allergenen 5 Intoleranzerkrankung der oberen Atemwege 5 gastroösophageale oder laryngopharyngeale Refluxerkrankung
Klinik 4 4 4 4 4 4
Stimmstörungen und Heiserkeit, eingeschränkte Stimmbelastbarkeit Globusgefühl Dysphagie bei großen Befunden Stimme mit Tremoloeffekt Dyspnoe ggf. Sodbrennen
Diagnostik 4 Endoskopie des Larynx und Pharynx, Nasenendoskopie, bei gering ausgeprägten Befunden ggf. Prüfen der Tonhaltedauer und Stimmfeld-Untersuchung
Therapie
35
4 Nikotin- und Alkoholkarenz 4 Stimmruhe, ggf. mehrwöchig mit Einschränkungen der Stimmbelastung vor allem im Beruf und unter Belastung 4 Lokaltherapie mit kortisonhaltigen Sprays/Dosieraerosolen 4 ggf. Therapie allergischer Erkrankungen oder Intoleranzerkrankungen lokal und systemisch 4 individuelle logopädische Übungstherapie individuell 4 bei fehlendem Ansprechen Mikrolaryngoskopie und CO2-Laserchirurgie 4 ggf. Inzision der Ödempolster an der lateralen und kranialen Fläche der Stimmlippe fernab der vorderen Kommissur, Eingriff i. d. R. nicht simultan bilateral zur Vermeidung von Stimmlippensynechien 4 bei Larynxödemen nach Radiotherapie oft deutlich längerer Verlauf
35.4
Entzündungen des Larynx
4 Unterscheidung in akute (Dauer <3 Wochen) und chronische Entzündungen 4 akute Laryngitis (. Tabelle)
453 35.4 · Entzündungen des Larynx
5 meist virale Infekte des oberen Atemtrakts, bakterielle Infektionen oder Superinfektionen sowie Irritation durch Rauchen, Überlastung oder Fehlbelastung der Stimme oder Inhalativa (Rauch, Stäube) verursacht 4 chronische Laryngitis (. Tabelle) 5 kann bei anhaltender Exposition oder Stimmfehlbelastung aus akuten Bildern entstehen 5 Laryngitis posterior bei Refluxerkrankung und GERD 5 immunologische Ursachen: Pemphigoid und Pemphigus vulgaris 5 systemische Erkrankungen (M. Wegener, Sarkoidose, systemischer Lupus erythematodes, Amyloidose) führen zu Beschwerden und Befunden, die einer chronischen Entzündung ähneln können 4 > Memo Wesentlich ist die diagnostisch zuverlässige Differenzierung der chronischen Entzündung und des Carcinoma in-situ (7 Abschn. 35.5.1.2). Oft gehen der Entwicklung des Carcinoma in-situ und des invasiven Karzinoms langjährige Phasen chronischer Entzündung toxischer und irritativer Ätiologie voraus.
Klinik 4 Heiserkeit, Versagen der Stimme bei geringer Belastung 4 Schmerzen oder Druckgefühl über dem Thyroid
Diagnostik 4 70°- oder 90°-Endoskopie, ggf. unter Lokal-Sprühanästhesie, transnasale flexible Rhino-Pharyngo-Laryngoskopie 4 bei therapieresistentem oder neoplasieverdächtigem Befund insbesondere bei Risikogruppen (Rauchen, Alkohol) frühzeitig Mikrolaryngoskopie in Narkose ambulant
Therapie 4 . Tabelle Entzündliche Kehlkopferkrankungen – Übersicht Diagnose
Ätiologie und Klinik
Therapie
akute Laryngitis
viral, bakteriell (. Tabelle), meist im Rahmen akuter Infekte der oberen Luftwege, selten traumatisch durch inhalative Noxen Heiserkeit, Hustenreiz
Stimmschonung, Soledampfinhalation, Kortikoide als Aerosol
akute Epiglottitis
meist bakteriell infizierte Valleculazyste, Trauma durch scharfkantige Speisen, akute Infekte der oberen Luftwege (vor allem bei Kindern) Fieber, Dysphagie, kloßige Sprache, bei fortgeschrittenem Bild auch Stridor, Dyspnoe
i.v. Antibiose, Prednisolon (Erwachsene 1000 mg Einzeldosis, Kinder 6 mg/kg KG, bei Progredienz Endoskopie in Narkose ggf. mit Abszessinzision, bei Atemwegsnotfall Tracheotomie
6
35
Eigene Notizen
454
Kapitel 35 · Larynx, Stimme, Sprechen
Eigene Notizen
35
Entzündliche Kehlkopferkrankungen – Übersicht (Fortsetzung) Diagnose
Ätiologie und Klinik
Therapie
chronische Laryngitis
unspezifische Entzündung mit Hyperämie, Rötung, Schwellung, Fibrinausschwitzung, bisweilen Übergang zu Leukoplakie, Ödembildung, Heiserkeit, rasche Stimmermüdung, Hustenreiz für >3 Wochen (> Memo Bis zum sicheren Ausschluss Verdacht auf Larynxkarzinom, da klinisch nicht immer sicher zu differenzieren!) Laryngitis posterior bei (gastroösophagealer oder laryngopharyngealer Refluxerkrankung (7 Abschn. 35.3.2)
Stimmruhe, -schonung, logopädische Therapie, Karenz von Rauchen und Alkohol, Antazida (z. B. Omeprazol), Bettposition kopfwärts anheben, Kortikoide als Aerosol
spezifische Laryngitis
. Tabelle
. Tabelle
subglottische Laryngitis (Pseudokrupp)
viral, im Kindesalter (1.–5. Lebensjahr), Jungen häufiger als Mädchen, hoch-akut, stenosierend mit Stridor und Dyspnoe, bellender Husten, Entzündung
Budenosid-Vernebelung Prednisolon i.v. oder Prednison 100 mg Supp. (Rectodelt 100) Kortikoide als Aerosol
Diphtherie (Krupp)
Infektion durch Corynebacterium diphtheriae (extrem selten), 2–5 Tage Inkubationszeit gefährliche, meldepflichtige Infektionserkrankung mit pseudomembranöser Tonsillitis (Beläge abwischbar, blutend, konfluierend, die Tonsillengrenzen überschreitend), Laryngo-Tracheitis, Atemwegsobstruktion, Polyneuritis, Gaumensegelparese, Nephritis, Herz-KreislaufVersagen weltweit höchste Inzidenz in Lettland
bei begründetem Verdacht ohne diagnostischen Nachweis unmittelbar Antitoxin 200– 500 IE/kg KG i.m. (zeitkritisch) Penicillin, Erythromycin oder Clindamycin i.v.
Kehlkopfperichondritis
meist bakterielle Entzündung des Perichondriums und Knorpels des Thyroids fortgeleitet bei Halsabszess, Halstrauma mit Larynxbeteiligung, abakterielle Entzündung als Komplikation der Radiotherapie des Halses entzündliche Begleitschwellung des Endolarynx ( ! Cave Gefahr der Knorpelnekrose mit Ausbildung von Strikturen und Aryfixation!) Schwellung äußerlich und endolaryngeal, Schmerz, Dysphagie, Odynophagie, Dyspnoe, Stridor selten Folge der spezifischen Laryngitis
hochdosierte Antibiotikatherapie (Clindamycin i.v.)
455 35.5 · Sonstige Erkrankungen der Stimmlippen
Eigene Notizen
Erreger der akuten Laryngitis Virusinfekte
Bakterielle Infekte
Adenoviren Coxsackieviren Coronaviren EBV Influenza Myxoviren Parainfluenzaviren Paramyxoviren Rhinoviren
Bramhella catarrhalis Haemophilus influenzae Staphylococcus aureus Staphylococcus pneumoniae
Spezifische Infektionen und Entzündungen des Larynx Infektionskrankheit
Erreger
Klinik
Therapie
Tuberkulose
Mycobacterium tuberculosis
Schleimhautödem Granulome Ulzerationen Monochorditis Diagnose durch THT (Tuberkulin-HautTest), bei positivem Befund Interferon-γRelease Assays (IGRA), ggf. PCR
Tuberkulostatika für 2 Monate: Isoniazid (INH), Rifampicin (RMP), Ethambutol (EMB), Pyrazinamid (PZA), danach für 4 Monate INH und RMP ( ! Cave Kein Streptomycin, da massiv ototoxisch!)
Lues
Treponema pallidum
Granulome Ulzerationen Fibrose
Penicillin
Aktinomykose
Actinomyces israelii
Erythem exophytischer Tumor Perichondritis
operative Ausräumung durch endolaryngeales mikroskopisches Vorgehen
Soor
Candida albicans
weiße Beläge Ulzerationen
lokale Antimykotika Clotrimazol (Canesten) 10 mg 5× täglich p.o. Fluconazol 100–400 mg/ Tag für 3–4 Wochen
Aspergillose
Aspergillus fumigatus
Ulzerationen schmierig gelbliche Beläge
Itraconazol (Sempera) 2×100 mg oral über 2–5 Monate Amphotericin B i.v.
35.5
35
Sonstige Erkrankungen der Stimmlippen
4 durch unprofessionelle Stimmbenutzung oder chronisch entzündlichen Reiz bedingte Veränderung am Epithel, der Lamina propria oder dem subepithelialen Lymphspalt (Reinke-Raum; 7 Abschn. 35.3.2) ohne Hinweis auf Neoplasie
456
Kapitel 35 · Larynx, Stimme, Sprechen
Eigene Notizen
Klinik 4 Heiserkeit, Räusperzwang, fehlende Belastbarkeit der Stimme (. Tabelle)
Diagnostik 4 Laryngoskopie 4 Larynxendoskopie . Tabelle Nicht-neoplastisch chronische Stimmlippenveränderungen – Übersicht
35
Diagnose
Ätiologie
Klinik
Histologie
Therapie
Stimmlippengranulom
Trauma, z. B. Intubation
bisweilen gelappt, gelbrötlich am freien Stimmlippenrand auf Höhe des Processus vocalis, oft bilateral
gefäßreiches Granulationsgewebe
Mikrolaryngoskopie, Abtragung, Rezidive nicht selten
Stimmlippenpolyp
Stimmüberlastung
an der Grenze zwischen vorderem und mittleren Stimmlippendrittel meist einseitig gelegen, gelb-rötliche Farbe
Ödem mit weiten sinusoiden Gefäßen, fibrinoide Verquellungen, fibrinöse Umwandlung
Mikrolaryngoskopie, Abtragung, Stimmtherapie
Sängerknötchen
Stimmüberlastung
symmetrische weißliche Knötchen am vorderen und mittleren Stimmlippendrittel
Ödem des Coriums mit geringer entzündlicher Reaktion
bei kleinem Befund: Stimmtherapie bei größeren Befunden: ML, Abtragung, Stimmtherapie
Kontaktpachydermie
Stimmüberlastung
Epithelverdickung und oberflächliche Ulzeration der Stimmlippen am Processus vocalis
Plattenepithelhyperplasie, Ulzeration
Stimmkarenz Mikrolaryngoskopie, möglichst keine Abtragung der Verdickung starke Rezidivneigung
ReinkeÖdem (7 Abschn. 35.3.2)
Stimmüberlastung, chronischer Reiz
ödematöse Verdickung beider Stimmlippen
Auftreibung des subepithelialen Reinke-Raums
bei diskreten Befunden: Stimmtherapie bei ausgedehnten Befunden: streifenförmige Epithelabtragung zweizeitig kontralateral (Stripping)
457 35.6 · Tumoren des Larynx
Therapie 4 . Tabelle
35.6
Tumoren des Larynx
35.6.1
Larynxpapillomatose
4 durch HPV 6 und HPV 11 (humanes Papilloma-Virus) induzierter gutartiger Tumor 4 Vorkommen bei Kindern (juvenile Papillome: Inzidenz 4,3 pro 100.000) und Erwachsenen (adulte Form: Inzidenz 1,8 pro 100.000) 4 das adulte Papillom des Larynx hat im Vergleich zur juvenilen Form histopathologisch eine stärkere entzündliche Komponente, eine geringere Tendenz zu Rezidiven, jedoch ein höheres Risiko der malignen Transformation, die mit dem Nachweis von Virus (HPV 11) in maligne transformierten Zellen assoziiert zu sein scheint 4 während der Geburt ist für Kinder ein Risiko der Infektion bei Papillomatose im Geburtskanal der Mutter (Condylomata acuminata) gegeben
Klinik 4 zunehmende Heiserkeit 4 bei Ausbreitung auf die Epiglottis Dysphagie möglich
Diagnostik 4 endoskopische Diagnostik, Mikrolaryngoskopie, Tracheoskopie zum Ausschluss der trachealen Papillomatose 4 Biopsie, histopathologische Untersuchung und histopathologischer Nachweis von HPV
Therapie 4 Mikrolaryngoskopie und CO2-laserchirurgische Abtragung 4 bei juveniler Papillomatose und häufigen mikrolaryngoskopischen Abtragungen ist nach dem 12.–14. Lebensjahr oft die mikrochirurgische Rekonstruktion der Glottis zur Stimmrehabilitation notwendig 4 keine überzeugenden Evidenzen für den Wert der Interferontherapie
35.6.2
Leukoplakien und Dysplasien
4 Leukoplakien des Larynx 5 endoskopisch erkennbare, weißliche Epithelveränderungen, die nicht einem histopathologischen Befund fest zuzuordnen sind 5 in gleicher Weise werden Erythroplakie oder Kombinationen beider Veränderungen (Erythroleukoplakie) beobachtet. Sie bedürfen daher der histopathologischen Untersuchung, um maligne Tumoren oder Vorläuferstadien auszuschließen 5 bei 3–7% der biopsierten Leukoplakien invasive Karzinome
35
Eigene Notizen
458
Kapitel 35 · Larynx, Stimme, Sprechen
Eigene Notizen
4 Carcinoma in-situ 5 trägt bereits alle Zeichen des Karzinoms, ohne allerdings eine Destruktion der Basalmembran erkennen zu lassen 5 ca. 50% der Carcinomata in-situ entwickeln sich zu invasiven Karzinomen 4 Dysplasien des Epithels 5 unterschiedliche Schweregrade (Grad I–III) 5 Dysplasien des Stimmlippenepithels werden bei Patienten mit Heiserkeit in aller Regel endoskopisch, bioptisch und histopathologisch abgeklärt. Oft kommt es zu wiederholten Endoskopien und Biopsien 5 mit zunehmendem Grad der Epitheldysplasie steigt das Risiko für die Entstehung des malignen Tumors (aus geringgradiger Dysplasie entstehen in 25,9% der Fälle invasive Karzinome, bei mittelgradiger Dysplasie in 54,2%) 5 die Begriffe Dysplasie und laryngeale intraepitheliale Neoplasie (LIN) werden analog verwendet, jedoch schließt das Stadium LIN III das Carcinoma in-situ ein 4 Störungen der Keratinschicht des Epithels gehen mit den Dysplasien einher bzw. diesen voraus 5 Dyskeratose: pathologische Verhornung einzelner Plattenepithelzellen, die über die gesamte Dicke der Plattenepithelschicht verteilt sind, dadurch erhöhtes Potenzial der malignen Transformation 5 > Memo Keratosen ohne begleitende Dysplasie haben kein Potenzial der malignen Transformation. 5 Orthokeratose: Verhornung ohne Zellkerne im Bereich der verhornenden Epithelschicht 5 Parakeratose: Verhornung der an sich nicht verhornenden Plattenepithelschicht mit Zellkernen im Bereich der verhornenden Epithelschicht
Klinik
35
4 zunehmende Heiserkeit 4 Hustenreiz 4 Fremdkörpergefühl im Kehlkopf
Diagnostik 4 flexible oder starre Untersuchung des Larynx 4 bei endoskopisch erkennbarem Verdacht oder nicht einsehbarem Pharynx und Larynx Indikation zur Mikrolaryngoskopie mit endoskopischer und/oder mikroskopischer Untersuchung des Larynx und Pharynx 4 mikrolaryngoskopische Biopsie, histopathologische Untersuchung
Therapie 4 lokale Exzision (Mikroscherchen oder CO2-Laser) 4 regelmäßige Nachbeobachtung wegen bekannter Rezidivneigung 4 histopathologische Befundung
459 35.6 · Tumoren des Larynx
35.6.3
Plattenepithelkarzinom des Larynx
4 invasiver maligner Tumor des Kehlkopfs 4 Rauchen und Alkohol als wesentliche Ursachen (Alkohol + Rauchen → 100-fach erhöhtes Risiko) 4 klinisch nachgewiesene Asbestose als Promotorerkrankung (Berufskrankheit Nr. 4104) 4 erhöhtes Risiko durch berufliche Exposition gegenüber Ruß, Teer, Nickel, polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe, Ledergerbereien, Uranbergbau 4 Einfluss von HPV-Infektion wird diskutiert, bislang kein eindeutiger Nachweis 4 häufigste Lokalisation Stimmlippe (60%), zweithäufigste Supraglottis (<40%, . Abb. 61, Farbteil), subglottische Tumoren sehr selten (ca. 1%) 4 transglottisches Karzinom: Tumor mit Ausbreitung in alle 3 Etagen, also in Glottis, Supraglottis und Subglottis (. Abb. 62, Farbteil) 4 Metastasierung überwiegend lymphogen, prognostisch günstigster maligner Tumor des Halses 4 bei Feldkanzerisierung des gesamten Luft-Speisewegs prognostisch sehr ungünstig 4 neben Plattenepithelkarzinomen kommen selten maligne Lymphome, Spindelzellkarzinome, neuroendokrine Karzinome, Karzinome der kleinen Speicheldrüsen, maligne Melanome der Schleimhaut und Sarkome vor
Klinik 4 Heiserkeit mit einer Dauer von >3 Wochen 4 Fremdkörpergefühl im Hals 4 abhängig von der Lokalisation Dysphagie
Diagnostik 4 flexible oder starre endoskopische Untersuchung des Pharynx und Larynx: Ulzeration oder exophytisch wachsender Tumor (. Abb. 63, Farbteil) 4 Palpation der Halsweichteile mit derber Resistenz als Zeichen für lokale lymphogene Metastasierung 4 Echographie und Duplex-Echographie der Halsweichteile zur Beurteilung des Lymphknotenstatus 4 Mikrolaryngoskopie mit mikroinstrumenteller Biopsie, histopathologische Untersuchung 4 Pharyngoskopie und Ösophagoskopie zum Ausschluss eines Zweittumors (30% der Fälle als synchrones oder metachrones Ereignis) 4 CT des Halses mit Kontrastmittel 4 bei histopathologischer Diagnose Oberbauchechographie, Thorax-CT 4 vor Therapie exakte Ausdehnungsbestimmung durch Endoskopie mit Photodokumentation und Bildgebung, daraus Staging des Tumors, der Lymphknotenmetastasen und Fernmetastasen (TNM) sowie Stadieneinteilung nach UICC (. Tabellen)
35
Eigene Notizen
460
Kapitel 35 · Larynx, Stimme, Sprechen
Eigene Notizen
TNM-Staging des Larynxkarzinoms nach UICC 2002
T1
Supraglottis
Glottis
Subglottis
Tumor auf einen Unterbezirk der Supraglottis begrenzt, mit normaler Stimmlippenbeweglichkeit
Tumor auf Stimmlippe(n) begrenzt (kann auch vordere und hintere Kommissur befallen), normale Stimmlippenbeweglichkeit
Tumor auf die Subglottis begrenzt
T1a
unilaterale Manifestation
T1b
beide Stimmlippen betroffen
T2
Tumor infiltriert Schleimhaut von mehr als einem benachbarten Unterbezirk der Supraglottis oder Glottis oder eines Areals außerhalb der Supraglottis (z. B. Schleimhaut von Zungengrund, Vallecula, mediale Wand des Sinus piriformis), ohne Fixation des Larynx
Tumor breitet sich auf Supraglottis und/oder Subglottis aus und/oder Tumor mit eingeschränkter Stimmlippenbeweglichkeit
Tumor breitet sich auf eine oder beide Stimmlippen aus, diese mit normaler oder eingeschränkter Beweglichkeit
T3
Tumor auf den Larynx begrenzt, mit Stimmlippenfixation, und/oder Tumor mit Infiltration des Postkrikoidbezirks, des präepiglottischen Gewebes und/oder geringgradiger Fixation des Larynx
Tumor auf den Larynx begrenzt, mit Stimmlippenfixation, und/oder Invasion der Postkrikoidregion (. Abb. 64, Farbteil) und/oder des präepiglottischen Gewebes und/oder des paraglottischen Raums mit geringgradiger Invasion des Schildknorpels (innerer Kortex)
Tumor auf den Larynx begrenzt, mit Stimmlippenfixation
T4a
Tumor infiltriert durch den Schildknorpel und/ oder breitet sich außerhalb des Kehlkopfs aus, z. B. Trachea, Weichteile des Halses eingeschlossen, äußere Muskulatur der Zunge (M. genioglossus, M. thyreoglossus, M. palatoglossus, M. styloglossus), gerade Halsmuskulatur, Schilddrüse, Ösophagus
Tumor infiltriert durch den Schildknorpel und/oder breitet sich außerhalb des Kehlkopfs aus, z. B. Trachea, Weichteile des Halses eingeschlossen äußere Muskulatur der Zunge (M. genioglossus, M. thyreoglossus, M. palatoglossus, M. styloglossus), gerade Halsmuskulatur, Schilddrüse, Ösophagus
wie Glottis
T4b
Tumor infiltriert Prävertebralraum, mediastinale Strukturen oder umschließt die A. carotis interna
Tumor infiltriert den Prävertebralraum, mediastinale Strukturen oder umschließt die A. carotis interna
wie Glottis
35
461 35.6 · Tumoren des Larynx
Stadiengruppierung des Larynx-und Hypopharynxkarzinoms nach UICC 2002 Stadium 0
Tis
N0
M0
Stadium I
T1
N0
M0
Stadium II
T2
N0
M0
Stadium III
T1, T2
N1
M0
T3
N0, N1
M0
T1, T2, T3
N2
M0
T4a
N0, N1, N2
M0
T4b
jedes N
M0
Jedes T
N3
M0
jedes T
jedes N
M1
Stadium IVA (fortgeschritten, resektabel) Stadium IVB (fortgeschritten, nicht resektabel) Stadium IVC (fortgeschritten, fernmetastasiert)
Staging des supraglottischen Larynxkarzinoms Stadium
Tumorausdehnung
Lymphknotenbeteiligung
Fernmetastasen
Stadium 0
Tis
N0
M0
Stadium I
T1
N0
M0
Stadium II
T2
N0
M0
Stadium III
T3
N0
M0
T1
N1
M0
T2
N1
M0
T3
N1
M0
T4a
N0
M0
T4a
N1
M0
T1
N2
M0
T2
N2
M0
T3
N2
M0
T4a
N2
M0
T4b
Jedes N
M0
Jedes T
N3
M0
Jedes T
Jedes N
M1
Stadium IVA
Stadium IVB
Stadium IVC
35
Eigene Notizen
462
Kapitel 35 · Larynx, Stimme, Sprechen
Eigene Notizen
N-Staging des Larynxkarzinoms N0
keine tumorösen Lymphknoten
N1
Metastase eines einzelnen ipsilateralen Knotens, ≤3 cm
N2a
Metastase eines einzelnen ipsilateralen Knotens >3 cm aber nicht mehr als 3–6 cm im größten Durchmesser
N2b
Metastasen in multiplen ipsilateralen Knoten nicht größer als 6 cm im größten Durchmesser
N2c
Metastasen bilateral oder in kontralateralen Knoten, nicht größer als 6 cm im größten Durchmesser
N3
Metastase eines Lymphknotens >6 cm im größten Durchmesser
Therapie
35
4 abhängig vom Tumorstaging, von der Lokalisation und Ausdehnung lokal sowie der Komorbidität des Patienten stehen zur Verfügung: 5 primäre Strahlentherapie 5 endoskopische Laserchirurgieverfahren 5 offene Teilresektionsverfahren 5 offene Resektionsverfahren mit postoperativer Radiotherapie oder Radio-Chemotherapie 5 Laryngektomie (Totalresektion) mit postoperativer Radiotherapie oder Radio-Chemotherapie 5 während bei kleinen (T1–2) glottischen und supraglottischen Karzinomen weitgehende Übereinstimmung über das therapeutische Vorgehen besteht, ist die Indikation zur den operativen Verfahren bei T3–4-Tumoren der Glottis und Supraglottis weiter Gegenstand wissenschaftlicher Analysen 5 > Memo Wegen der vorwiegend lymphogenen Metastasierung der Kopf-Hals-Karzinome ist die Behandlung der Lymphabflusswege wesentlich für das rezidivfreie Überleben und die Rezidivrate. 5 selektive Neck dissection ersetzt wegen ihrer geringeren Morbidität und kürzeren Operationszeit stadienangepasst zunehmend die modifiziert radikale Neck dissection aller Level I–VI 5 bei Tumorstadien III–IV (UICC) verbessert die adjuvante RadioChemotherapie mit Carboplatin oder Cisplatin das Überleben und die Rezidivneigung 5 Für T1-Stadien bei primärer Radiotherapie sind die onkologischen Ergebnisse vergleichbar mit denen nach endoskopischer CO2-Laserchirurgie, nach 5 Jahren findet sich jedoch ein deutlich verbesserter Erhalt der Organfunktion bei operierten Patienten (95% zu 77%) 4 bei fehlender endoskopischer Übersicht (z. B. keine Überstreckung des Kopfes möglich) müssen offene Verfahren statt endoskopischer Laserchirurgie oder die Laserchirurgie nach Thyreotomie durchgeführt werden 4 bei Laserchirurgie kann der Tumor grundsätzlich ohne Nachteil für das Therapieergebnis endoskopisch in Lamellen reseziert werden, wenn eine en-bloc-Resektion wegen der Größe nicht möglich ist
463 35.6 · Tumoren des Larynx
4 während die operative Behandlung der Lymphabflusswege (Neck dissection) bei offen resezierenden Verfahren simultan vorgenommen wird, erfolgt diese zweizeitig nach endoskopischer Laserchirurgie 4 adjuvante Radiotherapie 3 Wochen postoperativ 4 Vorgehen angepasst und definiert nach Lokalisation und Stadien 5 Glottis . Tabelle Stadienangepasstes therapeutisches Vorgehen bei glottischen Larynxkarzinomen Stadium
Therapie
Ergebnisse
Tis, T1a, kleine, endoskopisch gut zugängliche T2-Tumoren
CO2-endoskopische Laserchirurgie oder mikroinstrumentelle Resektion (Chordektomie) T1a-Tumoren können primär durch Radiotherapie behandelt werden; für nachfolgende Rezidive dann allerdings keine Bestrahlung mehr möglich. Morbidität angesichts der kleinen T-Größe beträchtlich, daher nur bei operativer Kontraindikation ratsam
T1b mit Infiltration der vorderen Kommissur
frontolaterale Kehlkopfteilresektion
5-Jahres- Überleben 97–100%
T2
CO2-endoskopische Laserchirurgie (Lamellierung zur besseren Übersicht intraoperativ, nicht der En-bloc-Resektion im Gesamtüberleben oder der Rezidivrate unterlegen)
12–15,4% lokale Rezidive
offene Teilresektion: Hemilaryngektomie (ggf. mikrovaskulärer Radialislappen zur Rekonstruktion)
5-Jahres-Überleben 79%
suprakrikoidale subtotale Laryngektomie (Krikohyoidopexie zur Rekonstruktion) T3
6
subtotale Resektion (2/3 oder ¾ Laryngektomie mit Belassen der Interarytenoidregion, unilateral Ary und Krikoid mit permanentem Tracheostoma und Sprechfunktionserhalt) oder ggf. suprakrikoidale Laryngektomie mit Belassen des Krikoids und zweizeitigem Verschluss des Tracheostomas, dadurch normalisierte Atem- und Speisewege und Sprechfunktion lage- und größenabhängig Hemilaryngektomie, partielle frontolaterale Laryngektomie mit Epiglottisrekonstruktion, subtotale Laryngektomie postoperative Radiotherapie
5-Jahres-Überleben 81,7%
35
Eigene Notizen
464
Kapitel 35 · Larynx, Stimme, Sprechen
Eigene Notizen
Stadienangepasstes therapeutisches Vorgehen bei glottischen Larynxkarzinomen (Fortsetzung) Stadium
Therapie
Ergebnisse
T4
Laryngektomie mit/ohne partieller Pharyngektomie und bilateraler Neck dissection, postoperative Radiotherapie
nach Studienlage signifikant besseres 5-Jahres-Überleben nach operativer Therapie (55%) im Vergleich zu Strahlen-Chemotherapie (25%) und Radiotherapie (0%)
J Patienten mit Stadium I–III weisen keine signifikant unterschiedlichen 5-Jahres-Überlebensraten nach operativer und nicht operativer Therapie auf. Bei Stadium III ist alleinige Radiotherapie der Radio-Chemotherapie deutlich unterlegen. Evidenz bei Studienvergleich ist durch unterschiedliche Indikationsgrenzen, z. T. unterschiedliche Klassifikationskriterien eingeschränkt J transglottische und subglottische Karzinome sind eine Indikation zu totaler Laryngektomie. R0-Resektion ist prognoseentscheidend und R1/R2-Resektion durch postoperative Radiotherapie nicht zu kompensieren, daher Nachresektion indiziert J Stadium I, II: 5-Jahres-Überleben 95,2% J Stadium III, IV: 82,4% 5 Supraglottis Stadienangepasstes therapeutisches Vorgehen bei supraglottischen Larynxkarzinomen Stadium
Therapie
T1–2
endoskopische CO2 Laserchirurgie
T3
horizontale Teilresektion supraglottisch nach Alonso, ggf. suprakrikoidale Laryngektomie mit Krikohyoidopexie
T4 und transglottische Karzinome
suprakrikoidale Laryngektomie mit Krikohyoidopexie
35
J Stadium I, II: 5-Jahres-Überleben 90,6% J Stadium III: supraglottische Karzinome mit endoskopischer CO2Laserchirurgie und postoperativer Radio-Chemotherapie weisen 5-Jahres-Überleben zwischen 89% und 69% auf J Stadium IV: 5-Jahres-Überleben 32% J Bei N0-Hals: 5-Jahres-Überleben mit elektiver Neck dissection und »Wait-and-see«-Strategie jeweils ohne Unterschied für alle Stadien 4 Subglottis . Tabelle
465 35.6 · Tumoren des Larynx
Stadienangepasstes therapeutisches Vorgehen bei subglottischen Larynxkarzinomen Stadium
Therapie
Ergebnisse
T1–2
bei limitierter Ausdehnung ggf. modifizierte Hemilaryngektomie, postoperative Radiotherapie
5-Jahres-Überleben T1: 83%, T2: 55%
T3–4
Laryngektomie, postoperative Radiochemotherapie
5-Jahres-Überleben T3: 17%, T4: 0%
T4 und transglottische Karzinome
suprakrikoidale Laryngektomie mit Krikohyoidopexie
J > Memo Subglottische Karzinome weisen die schlechteste Prognose aller Larynxkarzinome auf (5-Jahres-Überleben 44%) 5 Indikation für Neck dissection J selektive Neck dissection bei glottischen und supraglottischen Karzinomen mit N0-Situation (= Neck dissection ohne klinischen, bildgebenden oder histologischen Nachweis metastatischer Lymphknoten) onkologisch notwendig nur in Level IIA und Level III (s. oben) J bilaterale elektive Neck dissection (d. h. bei N0-Hals) nur bei supraglottischen Karzinomen mit Ausdehnung in der Mittellinie oder bilateral. Dadurch Reduzieren der Morbidität der Neck dissection (s. oben). Bei T1–2-Karzinomen mit N0-Situation abwartendes Verhalten hinsichtlich der Neck dissection vertretbar, bei T3–4-Tumoren selektive Neck dissection überlegen. Selektive Neck dissection der lateralen Neck dissection (Level I–V) bei N0 Hals im Gesamtüberleben nicht unterlegen 5 Stimmrehabilitation nach totaler Larynxresektion möglich durch J Ruktusstimme, Schlucken und dosiertes Hochrülpsen von Luft zur Stimmbildung J Stimmprothese, Anbringen einer ösophagotrachealen Fistel in Höhe des blind endenden Tracheostomas und Einbringen einer Kunststoff-Ventilkonstruktion, die der Patient während der Exspiration mit zugehaltenem Tracheostoma anbläst, um dadurch Luft retrograd in den Ösophagus und den Pharynxbereich einzubringen. Mit dieser Luft ist Sprechen möglich J Servox-Sprechhilfe: batteriebetriebenes Vibrationsgerät, das die Patienten von außen an die Halsweichteile halten und dadurch die Pharynxwand in Schwingung versetzen. Die mitschwingende Luft kann zum Sprechen benutzt werden, der Sprachklang ist monoton
35.6.4
Verruköses Karzinom des Larynx
4 langsam wachsender, lokal destruierender Tumor ohne Potenz zu Metastasierung 4 2,7% aller Larynxmalignome
35
Eigene Notizen
466
Kapitel 35 · Larynx, Stimme, Sprechen
Eigene Notizen
Klinik 4 4 4 4
Heiserkeit Stimmstörung Globusgefühl keine typische Noxenexposition
Diagnostik 4 Laryngoskopie 4 Larynxendoskopie mit höckrigem weißlichen Tumor, meist exophytisch, nicht ulzerierend 4 Mikrolaryngoskopie 4 histologische Diagnostik (meist mehrfache Biopsien notwendig, da die histopathologische Differenzierung bisweilen schwierig ist, bis die endgültige, nicht häufige Diagnose gesichert ist)
Therapie 4 endolaryngeale CO2-Laserresektion 4 bei größerer Ausdehnung ggf. Kehlkopfteilresektion 4 Rezidivrate <10%, Rezidive mit Notwendigkeit zu totaler Laryngektomie in 25% der Fälle
35.6.5
Sarkom des Larynx
4 Chondrosarkome des Larynx sind seltene Tumoren (ca. 1–2% aller Larynxmalignome) 4 Ätiologie und Pathogenese ungeklärt 4 in 10% der Fälle Tumorrezidive, Lymphknotenmetastasen 4 Kaposi-Sarkome des Larynx im Rahmen der AIDS-Erkrankung, dann meist kombiniertes Auftreten mit Kaposi-Sarkomen der Mundhöhle oder des Oropharynx
Klinik
35
4 Stimmstörungen, Heiserkeit 4 Fremdkörpergefühl 4 Hustenreiz und Expektoration von Tumorpartikeln
Diagnostik 4 Laryngoskopie und Larynxendoskopie mit rötlichem oder bläulichlivide exophytischem Tumor, ulzerierend, bisweilen blutend
Therapie 4 Chondrosarkome 5 Teilresektion mit ausreichendem Resektatrand im Gesunden 5 bei ausgedehntem Wachstum Larynxtotalresektion unumgänglich 5 postoperative Strahlentherapie obligat 4 Kaposi-Sarkome: angesichts der eingeschränkten Immunantwort sollte eine Radiotherapie erfolgen
467 35.7 · Lähmungen des Kehlkopfs und Stimmstörungen
35.7
Lähmungen des Kehlkopfs und Stimmstörungen
35
Eigene Notizen
4 Funktionsstörungen durch zentralnervöse oder neurale Einschränkungen der Sensibilität und/oder Motorik des Larynx sowie durch primär muskuläre Funktionsstörung der intrinsischen Kehlkopfmuskulatur 4 zentralnervöse Ursachen meist durch zerebralen Insult oder SchädelHirn-Trauma bedingt 4 neurale Funktionsstörungen parainfektiös, durch Tumorinfiltration, durch operative Komplikationen (z. B. Rezidivoperation der Schilddrüse) oder durch Teilresektion des Larynx zur Behandlung von Tumorerkrankungen Neurogene Stimmstörungen – Übersicht Parese
Laryngoskopie
Beschwerden
N. laryngeus superior
unvollständiger Stimmlippenschluss
kraftlose Stimme Unfähigkeit zur Erzeugung hoher Töne bei unilateraler Parese Dysphagie bei bilateraler Parese Überschlucken
N. laryngeus inferior
Paramedianstellung
Heiserkeit bei bilateraler Parese Stridor, Atemnot
N. laryngeus superior + N. laryngeus inferior
Intermediärstellung
Heiserkeit hauchender Stimmeinsatz bei beidseitiger Parese Belastungsdyspnoe Dys-, Aphonie starke Dysphagie mit Überschlucken
4 nicht-neurogene Stimmstörungen . Tabelle Nicht-neurogene Stimmstörungen – Übersicht Ursachen
Laryngoskopie
Beschwerden
Arthrogene Polyarthritis Radiogene Aryankylose Aryluxation durch Intubation
Asymmetrie der Arybewegung, inkompletter Stimmlippenschluss durch Stroboskopie Differenzierung von neurogener Ursache
Heiserkeit
Muskuläre Substanzreduktion Myasthenia gravis Myopathie des M. vocalis nach Überlastung Alter (Greisendiskant)
Internusschwäche mit ovalärem Stimmlippenspalt Transversusschwäche: »klaffendes hinteres Dreieck«
Stimmstörung, hauchende Stimme, Heiserkeit
Klinik 4 Stimmstörungen, Heiserkeit, Nachlassen der Belastbarkeit der Stimme 4 ggf. Dyspnoe oder Dysphagie
468
Kapitel 35 · Larynx, Stimme, Sprechen
Eigene Notizen
Diagnostik 4 Laryngoskopie, Larynxendoskopie 4 Larynxstroboskopie 4 Prüfen der Tonhaltedauer (mindestens 15 s) durch Sprechen eines Vokals (a) durch den Patienten nach aktiver Inspiration mit dem Ziel, den Ton möglichst lange anzuhalten 4 ggf. bildgebende Diagnostik und neurologische Untersuchung
Therapie 4 endoskopische mikrolaryngoskopische Verfahren der Stimmlippenverlagerung zur Stimmverbesserung nach Stimmlippenparesen 5 bei bilateraler Vagus- und/oder Rekurrensparese steht Dyspnoe im Vordergrund. In diesen Fällen kann durch operative mikrolaryngoskopische Lateroposition oder Kraniolateroposition der Stimmlippe eine Verbesserung der Dyspnoe erreicht werden. Damit geht meist eine geringe Verschlechterung der Stimmqualität einher. Bei der Kraniolateroposition wird die Stimmlippe unilateral mobilisiert und der Aryknorpel reseziert. Eine minimale Resektion erfolgt im Bereich der ipsilateralen Taschenfalte. Die Stimmlippe wird nachfolgend auf die Taschenfaltenkontur aufgenäht. Die Öffnung und das Schließen für Phonation und Respiration erfolgen dann durch die vom Nervus laryngeus superior innervierte Taschenfalte. Das Verfahren ist daher nicht für eine Vagus-Paralyse geeignet 5 Teilparesen der Stimmlippe(n) können durch rehabilitative Stimmtherapie so weit gebessert werden, dass eine meist akzeptable Stimmleistung resultiert
35
35.8
Sonstige Erkrankungen des Larynx
35.8.1
Krikoidstenose
4 Lumeneinengung in Höhe des Ringknorpels 4 meist konnatal bei Neugeborenen in der physiologisch engsten Stelle der oberen Luftwege 4 bei Erwachsenen posttraumatisch, nach Tumorresektionen oder als Folge einer Langzeitintubation mit subglottischen Granulationen und anschließender Vernarbung
Klinik 4 Dyspnoe 4 abhängig vom Ausmaß Atemwegsnotfall, Heiserkeit
Diagnostik 4 Laryngoskopie, Larynxendoskopie vorzugsweise mit flexiblem Instrument 4 Mikrolaryngoskopie und endoskopische Untersuchung
469 35.8 · Sonstige Erkrankungen des Larynx
Therapie 4 Rethi-Operation 5 vertikale Durchtrennung des Ringknorpels ventral und als Laminotomie (Durchtrennen der Ringknorpelplatte median) 5 Implantation eines stabilen Knorpel-Chips (z. B. Rippenknorpel) in die Lamina des Krikoids 5 nach 8–12 Wochen Verschluss des Tracheostomas (offene Rinne) durch Composite-Graft aus gestieltem Hautlappen und Knorpelinterponat 5 alternativ einzeitig die Thyrokrikotracheoplastik durch vertikale Ringknorpelfissur und mediane Thyrotomie mit Hochziehen der Trachea, die zungenförmig in die Fissur eingezogen wird und so den Querschnitt erweitert (7 Abschn. 35.1)
35.8.2
Sarkoidose
4 seltene auf den Larynx beschränkte oder häufiger im Rahmen des generalisierten Auftretens (in 5% der Fälle) idiopathische granulomatöse Erkrankung
Klinik 4 Globusgefühl 4 Heiserkeit 4 Dysphagie
Diagnostik 4 Laryngoskopie, Larynxendoskopie mit ödematöser Schwellung der Larynxschleimhaut vor allem im Bereich der Supraglottis umschrieben auftretende Granulome, zu Beginn herdförmig auftretend 4 Mikrolaryngoskopie mit Biopsie und histologischer Untersuchung 4 Röntgenaufnahme des Thorax und internistisch-pulmonologisches Konsil
Therapie 4 unter endoskopisch mikrolaryngoskopischer Sicht laserchirurgische Resektion der stenosierenden Granulome und aufgetriebener Schleimhautanteile 4 Kortikosteroide nur in Absprache mit dem Pulmonologen 4 wegen potenziell spontaner Rückbildungstendenz der Herde zurückhaltende Operationsindikation
35.8.3
Amyloidose
4 ätiologisch nicht vollständig geklärte Erkrankung mit Einlagerung von Amyloid im Rahmen der generalisierten Erkrankung oder umschrieben lokalisiert im Larynx
35
Eigene Notizen
470
Kapitel 35 · Larynx, Stimme, Sprechen
Eigene Notizen
4 Lumeneinengung durch Schwellung der ortsständigen Strukturen 4 ätiologisch Zusammenhang mit rheumatischen und entzündlichen Erkrankungen
Klinik 4 Heiserkeit, Dyspnoe 4 Globusgefühl 4 Hustenreiz
Diagnostik 4 Laryngoskopie, Larynxendoskopie mit diskreten endolaryngealen Knötchen meist am Larynxeingang und im Bereich der Taschenfalten – Larynxstroboskopie 4 endoskopische Mikrolaryngoskopie mit Biopsie und histopathologischer Untersuchung
Therapie 4 CO2-laserchirurgische Abtragung der Herde 4 ggf. lumenerweiternder Eingriff durch Resektion
35
36 Tag 5 – HNO
36
Trachea, Ösophagus M. Westhofen
36.1
Fehlbildungen – 472
36.1.1 36.1.2
Konnatale Trachealstenose – 472 Ösophagusatresie und ösophagotracheale Fistel – 472
36.2
Verletzungen der Trachea, des Bronchialbaums und des Ösophagus – 473
36.2.1 36.2.2 36.2.3
Tracheale und bronchiale Fremdkörper Ösophagusfremdkörper – 474 Ösophagusverätzung – 475
36.3
Entzündungen der Trachea und des Ösophagus – 476
36.3.1 36.3.2
Tracheitis – 476 Ösophagitis und gastroösophageale Refluxerkrankung
36.4
Tumoren der Trachea und des Ösophagus – 477
36.4.1 36.4.2 36.4.3 36.4.4
Tracheale Papillomatose – 477 Intratracheale Struma – 478 Bösartige Tumoren der Trachea – 479 Ösophaguskarzinom – 479
– 473
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_36, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
– 477
472
Kapitel 36 · Trachea, Ösophagus
Eigene Notizen
36.1
Fehlbildungen
36.1.1
Konnatale Trachealstenose
4 durch konnatale Fehlbildung bereits bei Geburt als Atemwegsnotfall manifeste oder postnatal progrediente Einengung des Tracheallumens 4 ätiologisch instabile Knorpelstruktur der Trachea mit inspiratorischem Trachealkollaps, durch Thymushyperplasie mit Kompression des Lumens oder durch Segelbildung im Tracheallumen
Klinik 4 akuter Atemwegsnotfall mit Stridor und Hypoxie oder langsam zunehmende Dyspnoe mit in- und exspiratorischem Stridor 4 bei geringgradiger Stenosierung rekurrierende tracheobronchiale Infekte
Diagnostik 4 Röntgen-Thoraxaufnahme, ggf. CT des Mediastinums und der Lunge 4 starre und flexible Tracheobronchoskopie in Narkose
Therapie 4 in der Notfallsituation Intubation mit starrem Bronchoskop, ggf. dann positiv-endexspiratorischer Druck (PEEP) zur Beatmung 4 kurzstreckige Stenosen können durch endoskopische Laserchirurgie (Nd:YAG-Laser) eröffnet werden 4 langstreckige Stenosen erfordern die Tracheaquerresektion und Endzu-End-Anastomose 4 ggf. kann die Anastomose durch Tracheopexie mit Verwendung extratrachealer Keramikspangen unterstützt werden
36.1.2
36
Ösophagusatresie und ösophagotracheale Fistel
4 Ösophagusatresien entstehen durch (konnatale) Fehlbildungen, dann meist mit ösophagotrachealen Fisteln kombiniert (. Tabelle) 4 beim Erwachsenen können Ösophagusatresien durch Verätzungen mit Laugen oder Säuren entstehen 4 tumoröse Prozesse im Ösophagus oder Kompression sowie Infiltration von außen können ebenfalls das Ösophaguslumen vollständig verschließen 4 ösophagotracheale Fisteln beim Erwachsenen traumatisch nach Punktionstracheotomie mit Via-falsa-Komplikationen, nach Thoraxtrauma, durch Tumorarrosion oder nach intrathorakalen operativen Eingriffen
473 36.2 · Verletzungen der Trachea, des Bronchialbaums und des Ösophagus
Kombination von Ösophagusatresie und ösophagotrachealer Fistel Topographie der Atresie
Häufigkeit (%)
Ösophagusatresie mit distaler ösophagotrachealer Fistel
86
isolierte Ösophagusatresie ohne ösophagotracheale Fistel
8
isolierte ösophagotracheale Fistel
4
Ösophagusatresie mit proximaler ösophagotrachealer Fistel
1
Ösophaguatresie mit proximaler und distaler ösophagotrachealer Fistel
1
Klinik 4 4 4 4 4
Dysphagie oder Unfähigkeit zu schlucken dauerhafte Aspiration, Pneumonie durch Aspiration kontinuierlicher Hustenreiz und Erstickungsgefühl geblähtes Abdomen bei Beatmung über Tubus oder Maske Mediastinitis
Diagnostik 4 CT der Lunge und des Thorax 4 flexible und/oder starre Bronchoskopie und Endoskopie 4 bei Verdacht der ösophagotrachealen Fistel Einfüllen von Patentblau unter ösophagoskopischer Sicht (starre Ösophagoskopie) in Höhe des Fistelmauls und unmittelbar anschließende Bronchoskopie zur Suche des Farbübertritts in die Trachea
Therapie 4 operatives Vorgehen gemeinsam mit Thoraxchirurgie 4 plastische Rekonstruktion ggf. unter Einsatz mikrovaskulärer oder myokutaner Lappentechniken 4 ggf. Magenhochzug 4 bei kleinen Fisteln und abhängig von der Ursache der Fistel ggf. endoskopische Stenteinlage (gecoateter Stent)
36.2
Verletzungen der Trachea, des Bronchialbaums und des Ösophagus
36.2.1
Tracheale und bronchiale Fremdkörper
4 unvollständiger oder vollständiger Verschluss der Trachea oder eines Hauptbronchus (i. d. R. des rechten wegen seines steileren Abgangs) durch Aspiration eines Fremdkörpers 4 meist bei Kleinkindern
Klinik 4 nur vorübergehend Hustenreiz und Erstickungsgefühl 4 zum Zeitpunkt der Vorstellung oft beschwerdefrei
36
Eigene Notizen
474
Kapitel 36 · Trachea, Ösophagus
Eigene Notizen
4 selten Stridor (meist bei trachealer Lage) 4 oft können Bronchialfremdkörper über viele Wochen unbemerkt liegen → Schwellung der Bronchialschleimhaut in Nachbarschaft des Fremdkörpers. Wenn der Fremdkörper dann akzidentell disloziert wird (Abhusten) und nur bis zur Trachea gelangt, wird er wegen des dann partiell verschlossenen rechten Hauptbronchus linksseitig aspiriert und blockiert den noch verbliebenen Gasaustausch über die nicht atelektatische linke Lunge. Dies kann dann zum Exitus letalis führen
Diagnostik 4 Auskultation der Lunge 4 bei unklarer Situation Röntgenübersicht der Lunge zur Suche nach Atelektasen, Überblähung oder Mediastinalverlagerung 4 ! Cave Der Verdacht eines bronchialen Fremdkörpers zwingt zur sofortigen starren Bronchoskopie in Narkose!
Therapie 4 unmittelbare endoskopischer Entfernung des Fremdkörpers durch starre Tracheobronchoskopie
36.2.2
Ösophagusfremdkörper
4 Obstruktion des Ösophagus durch Ingestition eines Fremdkörpers bei Kindern wie auch Erwachsenen 4 Erwachsene mit Oberkiefervollprothese bemerken den Fremdkörper oft erst nach Abschluss der willkürlich kontrollierten oralen Schluckphase, so dass bei Beginn der unwillkürlich ablaufenden pharyngealen Schluckphase der Fremdkörper unkontrolliert passiert 4 im Erwachsenenalter kann ein Speisebolus im Ösophagus auf ein Ösophaguskarzinom hinweisen 4 im Kindesalter ist eine Ösophagusstenose/-atresie auszuschließen
Klinik
36
4 Schluckschmerz und Globusgefühl, Unfähigkeit zu schlucken und Regurgitation von Speichel 4 bei Perforation von Fremdkörpern durch die Ösophaguswand Hautemphysem der oberen Thoraxapertur und des Halses (Knistern bei Palpation) 4 bei Perforation des Ösophagus durch einen scharfen oder spitzen Fremdkörper sind die klinischen Zeichen der Mediastinitis zu prüfen: 5 Schmerz zwischen den Schulterblättern 5 Fieberanstieg 5 Anstieg der Leukozyten 5 Verschlechterung des Allgemeinzustands
Diagnostik 4 Röntgenaufnahme des Thorax (a. p. und seitlich) und des Abdomens, Nachweis des Fremdkörpers oder von Luftextravasat
475 36.2 · Verletzungen der Trachea, des Bronchialbaums und des Ösophagus
4 ggf. Ösophagus-Röntgen-Breischluckaufnahme mit wasserlöslichem Kontrastmittel 4 ggf. Halsweichteil-Röntgenaufnahme seitlich zur Beurteilung des Spatium retropharyngeum 4 unmittelbare Ösophagoskopie in starrer und/oder flexibler Technik 4 Labor: Leukozytenzählung
Therapie 4 endoskopische Extraktion des Fremdkörpers
36.2.3
Ösophagusverätzung
4 Schädigung oder Perforation der Ösophaguswand durch Einwirkung verschluckter Säuren oder Laugen (Sanitärreiniger), meist mit späterer Narbenstriktur 4 bei Einnahme von Säure Koagulationsnekrosen, bei Laugen Kolliquationsnekrose (tiefgreifender und gefährlicher) 4 in 80% der Fälle sind Kinder betroffen
Klinik 4 Akutsymptomatik 5 starke Schmerzen im Bereich des Schluckweges 5 Würge- und Brechreiz 5 Sialorrhö 5 Dyspnoe 5 Entwicklung einer Schocksymptomatik 4 subakute Phase (24–48 h nach Einnahme) 5 beginnende Mediastinitis mit Schmerz zwischen den Schulterblättern 5 Fieberanstieg 5 Leukozytose 5 Verschlechterung des Allgemeinzustands 4 Spätkomplikationen (nach 3–4 Wochen) 5 Stenosierung des Ösophagus mit zunehmender Dysphagie und Globusgefühl bei 30–40% aller Patienten 4 sehr späte Komplikationen (nach 10–15 Jahren) 5 Ösophaguskarzinom durch Kanzerisierung im Narbengebiet
Diagnostik 4 Evaluierung der inkorporierten Substanz 4 Inspektion und Endoskopie von Mundhöhle und Pharynx (dort Spuren, Fibrinbeläge und Schleimhautödem) 4 Beurteilung des Larynx und Klärung der Schwellung im Bereich der Supraglottis und Glottis 4 keine Ösophagoskopie in der Frühphase wegen der Gefahr der Perforation 4 Ösophaguskopie frühestens nach Ablauf von 6 Tagen
36
Eigene Notizen
476
Kapitel 36 · Trachea, Ösophagus
Eigene Notizen
Therapie 4 frühester Zeitpunkt der Bougierung unter endoskopischer Sicht nach 8–14 Tagen mit Bougies bis zu 40 Ch. bei Erwachsenen und bis zu 20 Ch. bei Kindern 4 endoskopische Verlaufskontrollen nach 1, 3, 6, 12 Monaten 4 > Memo Wegen des erhöhten Risikos zur Entwicklung eines Ösophaguskarzinoms sollte einmal jährlich eine flexible Ösophagoskopie durchgeführt werden.
36.3
Entzündungen der Trachea und des Ösophagus
36.3.1
Tracheitis
4 Entzündungen der Trachealschleimhaut meist im Rahmen viraler Infekte der oberen Luftwege 4 nach Tracheotomie wegen des Fehlens der Klimatisierfunktion der Nase (Anfeuchtung, Erwärmung) 4 fortgeleitete Entzündung aus der Nachbarschaft bei Laryngitis oder Rhino-Pharyngitis, bei Sicca-Syndrom, im Rahmen einer Exsikkose 4 Differenzialdiagnose: subglottische Laryngitis (Pseudo-Krupp) und Diphtherie (Krupp)
Klinik 4 Hustenreiz, Dyspnoe, Expektoration zähen Schleims und Abhusten bzw. Absaugen von Krusten 4 retrosternale Schmerzen beim Abhusten
Diagnostik 4 Tracheoskopie mit flexiblem Tracheoskop 4 bei tracheotomierten Patienten kann mit starrem Bronchoskop, Hechtmaul-Zängelchen und starrem Sauger selbst extrem trockenes und hartes Material endoskopisch entfernt werden
Therapie
36
4 bei akuter Dyspnoe sofortiges Absaugen und ggf. endoskopische Kontrolle der Trachea und Bronchien 4 nach Tracheotomie ist die Tracheoskopie am wachen Patienten möglich, ohne Tracheotomie ist die starre Bronchoskopie unmittelbar erforderlich 4 bei akut entzündlicher Tracheitis 5 Atemluft mit Vernebelung und zusätzlich systemische Gabe von Mukolytika 5 Ausgleich des Wasser- und Elektrolythaushalts 5 ggf. systemische Antibiotikatherapie 4 bei Tracheitis sicca 5 analoges Vorgehen wie bei akut entzündlicher Tracheitis 5 Antibiotikagabe meist verzichtbar
477 36.4 · Tumoren der Trachea und des Ösophagus
36.3.2
Ösophagitis und gastroösophageale Refluxerkrankung
4 entzündliche Schleimhaut des Ösophagus 4 abhängig von den Ursachen kann die Erkrankung den gesamten Ösophagus, vorwiegend aber den distalen oder vorwiegend den proximalen Abschnitt betreffen 4 selten lokale Infektion durch Candida bei reduziertem Immunstatus (malignes Lymphom, zytostatische Therapie, HIV-Erkrankung) 4 der Rückfluss säurehaltigen Mageninhalts infolge Insuffizienz der Kardia oder des distalen Ösophagussphinkters verursacht chronische Irritation der Schleimhaut mit chronischer Entzündung (gastroösophageale Refluxerkrankung, GERD); daraus kann sich der Barrett-Ösophagus (gilt als erhöhtes Risiko für das Ösophaguskarzinom) entwickeln 4 Besiedlung der Ösophagusschleimhaut mit Helicobacter pylori durch aufsteigende Infektion aus dem Magen hat bei der Karzinogenese vermutlich größere Bedeutung 4 höheres Risiko des Ösophaguskarzinoms für Männer 4 Rauchen und Alkohol erhöhen das Risiko eines Plattenepithelkarzinoms, der Barrett-Ösophagus das Risiko eines Adenokarzinoms 4 > Memo Bei entsprechender Risikolage sollte ab dem 60. Lebensjahr jährlich eine flexible Ösophaguskopie durchgeführt werden.
Klinik 4 Dysphagie 4 Odynophagie 4 Sodbrennen
Diagnostik 4 flexible Ösophagoskopie 4 pH-Messung im Ösophagus 4 ggf. Druckmessung im distalen Ösophagus
Therapie 4 Alkoholkarenz, Einstellen des Rauchens 4 bei Refluxerkrankung Protonenpumpenhemmer und Erhöhen der Oberkörperposition im Schlaf 4 Vermeiden ausgedehnter Mahlzeiten vor dem Schlafen bzw. liegender Position postprandial
36.4
Tumoren der Trachea und des Ösophagus
36.4.1
Tracheale Papillomatose
4 meist im Rahmen einer adulten oder juvenilen Larynxpapillomatose auftretende Manifestation in der Trachea 4 HPV-assoziierte Erkrankung
36
Eigene Notizen
478
Kapitel 36 · Trachea, Ösophagus
Eigene Notizen
Klinik 4 progrediente Dyspnoe 4 Hämoptoe 4 Hustenreiz
Diagnostik 4 flexible Endoskopie des Kehlkopfs und der Trachea 4 ! Cave Grundsätzlich besteht die Gefahr der Verschleppung von Papillomen nach distal im Rahmen der Endoskopie.
Therapie 4 bei proximaler Ausdehnung ggf. laserchirurgische Abtragung mit dem CO2-Laser möglich 4 bei distaler Lokalisation Nd:YAG-laserchirurgische Abtragung endoskopisch über die flexible Glasfaser 4 ggf. Tracheotomie bei schwer zu beherrschendem Atemwegsnotfall und ausgedehntem Befund 4 zur leichteren Epithelisierung der Trachea und Subglottis ist die Einlage einer Montgomery-T-Kanüle geeignet, die im T-Schenkel der Kanüle verschlossen werden kann und so dem Patienten Sprechen und physiologische Atmung zulässt
36.4.2
Intratracheale Struma
4 intraluminäres ektopes Schilddrüsengewebe meist in Höhe des Krikoids 4 leicht mit einer Tumorinfiltration eines Schilddrüsenkarzinoms zu verwechseln 4 kann gemeinsam mit Struma oder Struma nodosa auftreten 4 als Fehlbildungen zu werten
Klinik
36
4 Hämoptoe 4 bisweilen Zufallsbefund im Rahmen einer Tracheoskopie aus anderem Grund 4 nur bei erheblicher Größe und im Rahmen einer Schilddrüsenerkrankung Dyspnoe und Stridor
Diagnostik 4 Echographie der Schilddrüse 4 ggf. Schilddrüsenszintigramm
Therapie 4 bei Einengung der Atemwege ist die Strumektomie indiziert 4 bei ausgedehnten Befunden in gleicher Sitzung erfolgt die Tracheotomie und das Einlegen einer Montgomery-T-Kanüle
479 36.4 · Tumoren der Trachea und des Ösophagus
36.4.3
Bösartige Tumoren der Trachea
4 maligne Tumoren im Tracheallumen können von der Schleimhaut der Trachea ausgehen oder – häufiger – durch die Trachealwand von außen infiltrieren 4 adenoidzystisches Karzinom: sehr langsam wachsender Tumor, der von der Trachealschleimhaut ausgeht und sowohl lymphogen als auch hämatogen metastasiert 4 lokal infiltrativ wachsende maligne Tumoren gehen am häufigsten von der Schilddrüse aus, fast ausschließlich bei anaplastischen oder medullären Schilddrüsenkarzinomen 4 die Befunde können bei der Primärmanifestation des Tumors oder im Rahmen des Rezidivs auftreten 4 paratracheale Lymphknotenmetastasen diverser maligner Tumoren oder Bronchialkarzinome mit ähnlichen Bildern
Klinik 4 4 4 4
Hustenreiz Hämoptoe Dyspnoe Stridor
Diagnostik 4 flexible Tracheobronchoskopie 4 Halsechographie und Duplex-Echographie zur Untersuchung der Schilddrüse und Halsweichteile 4 ggf. Schilddrüsenszintigraphie 4 zur weiteren Abklärung im Rahmen des Stagings CT des Halses und des Mediastinums sowie der Lunge 4 flexible, ggf. starre Ösophagoskopie zur Klärung einer Ösophagusinfiltration 4 endoskopische Biopsie und histopathologische Untersuchung
Therapie 4 Tracheaquerresektion und End-zu-End-Anastomose 4 bei ausgedehnten Befunden und langstreckiger Resektion ggf. zweizeitiges Vorgehen mit Anlage einer offenen Trachealrinne und nachfolgender plastischer Deckung nach Abschluss einer ggf. adjuvanten Radiotherapie 4 ggf. endoskopische Abtragung von Tumorgewebe im Bereich des Lumens der Trachea und/oder Hauptbronchien 4 bei fortgeschrittenen oder palliativ zu behandelnden Fällen ggf. Einlage eines Trachealstents
36.4.4
Ösophaguskarzinom
4 Plattenepithelkarzinom oder Adenokarzinom 4 Barrett-Ösophagus: Risiko für ein Adenokarzinom
36
Eigene Notizen
480
Kapitel 36 · Trachea, Ösophagus
Eigene Notizen
4 Plummer-Vinson-Syndrom: Risiko für ein postkrikoidales und zervikales Ösophaguskarzinom 4 Rauchen und Alkoholkonsum Risikofaktoren für das Plattenepithelkarzinom 4 10–15 Jahre nach Ösophagusverätzungen erhöhtes Risiko für maligne Tumoren des Ösophagus
Klinik 4 4 4 4
Dysphagie Odynophagie retrosternaler Druckschmerz bei weiterer Tumorinfiltration Anämie durch Blutung aus dem ulzerierten Tumor 4 Aspiration, ggf. mit Aspirationspneumonie bei Vorliegen einer Tumorinfiltration mit ösophagotrachealer Fistel 4 Heiserkeit bei Infiltration des Nervus laryngeus inferior 4 > Memo Da Ösophaguskarzinome nur selten in sehr frühen Stadien diagnostiziert werden, finden sich überwiegend bereits mediastinale Lymphknotenmetastasen.
Diagnostik 4 4 4 4 4
flexible Ösophagoskopie und Biopsie Endosonographie des Ösophagus und paraösophagealen Raums Tracheobronchoskopie ggf. ebenfalls mit Biopsie CT des Halses und Mediastinums mit Kontrastmittel fachübergreifende Absprache mit Allgemeinchirurgie und Strahlentherapie
Therapie
36
4 Resektion des Ösophagus über Thorakotomie und/oder kollar mit Magenhochzug 4 abhängig von der Ausdehnung und Tumorgröße ist die Laryngektomie und partielle Pharyngektomie notwendig 4 bei Magenhochzug und Anastomose zum Pharynx hohes Risiko einer Anastomosenfistel zervikal 4 nicht-operable Karzinome des proximalen Ösophagusdrittels: primäre Radiotherapie und adjuvante Chemotherapie 4 bei palliativem Vorgehen kann das Lumen für den Schluckakt durch endoskopisches Laser-Debulking wieder eröffnet und durch Stenteinlage die Notwendigkeit zur Anlage einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG) zunächst herausgezögert werden. Da für die Einlage der PEG die flexible Ösophagoskopie notwendig ist, sollte diese rechtzeitig geplant werden 4 kurative oder palliative Radiotherapie 4 Prognose 5 T1- und T2-Tumoren des distalen Ösophagus ohne lymphogene Metastasierung: bis zu 50% 5-Jahres-Überleben 5 T1- und T2-Tumoren des proximalen Ösophagus: deutlich schlechtere Prognose
37 Tag 5 – HNO
37
Speicheldrüsen M. Westhofen
37.1
Verletzungen der großen Kopfspeicheldrüsen – 482
37.2
Sekretionsstörungen und Entzündungen der Speicheldrüsen – 482
37.2.1 37.2.2 37.2.3 37.2.4 37.2.5 37.2.6 37.2.7
Sialolithiasis – 483 Sialadenose – 484 Akute Sialadenitis – 485 Parotitis epidemica – 485 Zytomegalie – 486 Radiogene Sialadenitis – 486 Chronische Sialadenitis – 487
37.3
Tumoren der Speicheldrüsen – 488
37.3.1 37.3.2
Gutartige Speicheldrüsentumoren – 488 Bösartige Speicheldrüsentumoren – 490
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_37, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
482
Kapitel 37 · Speicheldrüsen
Eigene Notizen
37.1
Verletzungen der großen Kopfspeicheldrüsen
4 durch Schussverletzung, Schnittverletzung oder tief reichende Platzwunden verursachte Verletzung der Kapsel, des Parenchyms und Gangsystems sowie bisweilen des Nervus facialis
Klinik 4 klaffende Wunde der Parotis- und/oder Submandibularisregion, ggf. mit Speichelsekretion in die Wunde 4 periphere Fazialisparese 4 Hypoglossusparese
Diagnostik 4 Wundinspektion unter dem Operationsmikroskop zur Prüfung von Gangrupturen und ggf. des Fazialisverlaufs (insbesondere, wenn der Patient intubiert ist und die Fazialisfunktion nicht zu beurteilen ist) 4 Mikrootoskopie zur Klärung der Gehörgangsbeteiligung 4 ggf. Sialographie mit wasserlöslichem Kontrastmittel zur bildgebenden Darstellung von Gangrupturen 4 CT ggf. kombiniert mit der Sialographie
Therapie 4 bei Gangdurchtrennung oder Gangrupturen der Ausführungsgänge der Gl. parotis mikrochirurgische Naht (9X0) über Silikonkatheter, der über die Papille hinaus geführt wird 4 bei vollständiger Durchtrennung der Gl. submandibularis Drüsenexstirpation 4 bei traumatischer Fazialisparese: Darstellen des Fazialishauptasts und der peripheren Äste, mikroskopische faszikuläre Nervennaht 4 bei Schussverletzung ggf. totale Parotidektomie und vollständige Entfernung der Projektile
37.2
Sekretionsstörungen und Entzündungen der Speicheldrüsen (. Tabelle)
Erkrankungen der Speicheldrüsen – Übersicht
37
Entzündliche Ursachen
Tumorerkrankungen
akute Entzündungen
gutartige Tumoren
Parotitis epidemica
pleomorphes Adenom
Sialadenose
Zytomegalievirusinfektion
monomorphes Adenom (Speichelgangadenom)
Ranula der Gl. sublingualis
radiogene Sialadenitis
Zystadenolymphom (Warthin-Tumoren)
Retentionszysten der kleinen Speicheldrüsen
6
Sonstige Ursachen
483 37.2 · Sekretionsstörungen und Entzündungen der Speicheldrüsen
Erkrankungen der Speicheldrüsen – Übersicht (Fortsetzung) Entzündliche Ursachen
Tumorerkrankungen
Sonstige Ursachen
marantische Sialadenitis bei Patienten mit reduziertem Allgemeinzustand, Exsikkose, Nahrungskarenz mit Sistieren des Speichelflusses, aufsteigende Superinfektion
Extravasationsmukozelen der kleinen Speicheldrüsen
akute obstruktive Sialadenitis
Sialolithiasis, medikamentös induziert, Folge der Elektrolytsialadenitis oder idiopathisch lymphomepitheliale Zysten (Zystenparotis bei HIV-Infektion)
chronische Entzündungen
bösartige Tumoren
chronisch-rezidivierende Parotitis
Karzinom im pleomorphen Adenom, Plattenepithelkarzinom
chronisch-sklerosierende Sialadenitis der Gl. submandibularis (im Endstadium der Sklerosierung sog. Küttner-Tumor)
adenoid-zystisches Karzinom
Immunsialadenitis allergische Sialadenitis myoepitheliale Sialadenitis (Sjögren-Syndrom) epitheloidzellige Sialadenitis (Sarkoidose der Speicheldrüsen, HeerfordtSyndrom)
Adenokarzinom
Mukoepidermoid-Karzinom (ca. 30% aller maligner Tumoren der Gl. parotis) Azinuszellkarzinom undifferenziertes Karzinom
37.2.1
Sialolithiasis
4 meist im Bereich der großen Ausführungsgänge liegende Steinbildungen infolge langfristiger Sekretionsstörung 4 Vorkommen in der Gl. submandibularis 83%, Gl. parotis 10%, Gl. sublingualis 7%
37
Eigene Notizen
484
Kapitel 37 · Speicheldrüsen
Eigene Notizen
Klinik 4 akute Schwellung der gesamten Drüse oft in Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme wegen der dann stimulierten Speichelsekretion 4 im weiteren Verlauf oft obstruktive Sialadenitis 4 bei rekurrierendem Verlauf chronisch sklerosierende Sialadenitis
Diagnostik 4 Palpation, vorzugsweise bimanuell 4 Inspektion der Ausführungsgangpapillen, in denen bisweilen das Konkrement erkennbar ist 4 Echographie der Steine ab 1,5 mm Durchmesser erfolgreich, RöntgenLeeraufnahmen daher nicht mehr indiziert
Therapie 4 bei solitärem Befund papillennah Gangschlitzung in Lokalanästhesie indiziert 4 bei weiter proximal liegenden Konkrementen kann durch Sialo-Endoskopie über den Ausführungsgang das Konkrement entfernt werden 4 bei solitären Konkrementen in der Gl. parotis extrakorporale Lithotripsie oder intraluminale Laserlithotripsie möglich 4 bei zentral intraglandulärer Lage der Konkremente und bei multiplem Auftreten Exstirpation der Drüse indiziert 37.2.2
Sialadenose
4 nicht-entzündliche, parenchymatöse Speicheldrüsenerkrankung, die auf Stoffwechsel- und Sekretionsstörungen des Drüsenparenchyms durch sympathische Denervierung der Drüse beruht 4 gehäuft mit Diabetes mellitus auftretend, im Rahmen von Polyneuropathien oder medikamentös (langfristige Einnahme von Isoproterenol) induziert
Klinik 4 rezidivierende, diffuse, doppelseitige, meist schmerzlose Parotisschwellung
Diagnostik
37
4 durch Inspektion und manuelle Palpation Ausschluss tumoröser Neubildungen 4 durch Echographie Ausschluss von Gangektasien und Tumoren 4 ggf. Stanzbiopsie oder offene Biopsie mit histopathologischer Untersuchung 4 zum Nachweis der Sialadenose Elektronenmikroskopie
Therapie 4 da oft nur kosmetische Beeinträchtigung, nur selten operatives Vorgehen berechtigt 4 Einstellung des Diabetes mellitus 4 ggf. Korrektur der Medikation (nicht selektive β-Blocker vermeiden)
485 37.2 · Sekretionsstörungen und Entzündungen der Speicheldrüsen
37.2.3
Akute Sialadenitis
4 Hämatogen oder durch aufsteigende Infektion verursachte bakterielle Entzündung 4 virale Sialadenitis der Glandula parotis bei Mumps oder Zytomegalie 4 durch Schwellung und Obstruktion der Ausführungsgänge im Verlauf einer Radiotherapie 4 häufig bei älteren Patienten mit reduziertem Allgemeinzustand und reduziertem Pflegezustand durch Exsikkose, generalisierte Dehydratation, Verweigerung oraler Nahrungsaufnahme und schlechter Mundhygiene mit Begünstigung der aufsteigenden Infektion
Klinik 4 ein- oder beidseitige schmerzhafte Schwellung vor allem der Gl. parotis mit erheblicher Kapselspannung der Drüse 4 trüber oder purulenter Speichel aus dem Ausführungsgang 4 regionäre Lymphknotenvergrößerung, auch intraglandulär 4 ! Cave Zunahme der Schwellung und Hautrötung können Zeichen einer beginnenden Einschmelzung und Abszedierung sein.
Diagnostik 4 wenn möglich, manuelle digitale Palpation 4 Exprimieren von Speichel aus der Drüse zur Beurteilung der Speichelretention und Superinfektion 4 Echographie zum Ausschluss einer Abszedierung und zur Verlaufsbeurteilung der Lymphknotenreaktion, Ausschluss eines Tumors als Ursache einer obstruktiven superinfizierten Sialadenitis
Therapie 4 Hospitalisierung und intravenöse Antibiotikatherapie, Cephalosporin i.v. 4 Normalisieren des Wasser-und Elektrolythaushalts 4 wenn möglich Sialagoga (Kaugummi und saure Drops) 4 bei Abszedierung Abszessinzision und Lascheneinlage unter Berücksichtigung des N.-facialis-Verlaufs
37.2.4
Parotitis epidemica
4 virale Infektion und Entzündung der Gl. parotis nach Tröpfcheninfektion durch Mumpsvirus
Klinik 4 nach Inkubationszeit von 18 Tagen Prodromalstadium mit Schwellung der Drüsen beidseits 4 bisweilen Gehörgangsschwellung, Kieferklemme, Lidschwellung durch entzündliches Ödem 4 leichte Temperaturerhöhung
37
Eigene Notizen
486
Kapitel 37 · Speicheldrüsen
Eigene Notizen
Diagnostik 4 Inspektion und Palpation 4 Labordiagnostik mit Erhöhung der Serum-Amylase 4 ggf. begleitende Pankreatitis und Orchitis ( ! Cave Gefahr der Sterilität!) ausschließen 4 Komplikation: Labyrinthitis
Therapie 4 symptomatisch mit Analgetika
37.2.5
Zytomegalie
4 Virusinfektion bei immunkompetenten Neugeborenen im Geburtskanal oder durch die Muttermilch 4 pränatale Infektion diaplazentar möglich 4 im erwachsenen Alter Zytomegalie-Infekte im Rahmen einer Immuninkompetenz (z. B. HIV)
Klinik 4 nur geringe Schwellung und vergleichsweise geringe Beschwerden im Bereich aller großer Kopfspeicheldrüsen
Diagnostik 4 bimanuelle Palpation 4 Echographie 4 Labordiagnostik mit Differenzialblutbild und HIV-Serologie
Therapie 4 symptomatisch mit Analgetika
37.2.6
37
Radiogene Sialadenitis
4 bei Radiojodtherapie der Schilddrüse (7,4 GBq [200mCi] in 70% der Fälle) auftretende, akut beginnende Schwellung, die in eine chronische sklerosierende Sialadenitis und Sialopathie übergehen kann 4 nicht selten auch bei perkutaner Radiotherapie 4 i. d. R. vor allem seröse Drüsenazini beeinträchtigt
Klinik 4 akut auftretende Schwellung der großen und kleinen Kopfspeicheldrüsen mit begleitender Schmerzhaftigkeit vor allem der Gl. parotis 4 Nachlassen der Speichelsekretion mit Mundtrockenheit im Verlauf der darauf folgenden Wochen und später anhaltend 4 Induration der Drüse 4 langfristig Xerostomie
487 37.2 · Sekretionsstörungen und Entzündungen der Speicheldrüsen
Diagnostik 4 Palpation der Drüse mit Zeichen wie bei akuter Sialadenitis, später derbe Induration 4 Echographie: zu Beginn Rückgang der Echogenität und Schwellung der Drüse, Gangektasien und intraglanduläre Lymphknotenvergrößerung. Im weiteren Verlauf Zunahme der Echogenität infolge der zunehmenden Fibrosierung der Drüse 4 Labordiagnostik: Erhöhung der Serum-Amylase bereits um den 5. Tag der Radiotherapie
Therapie 4 Therapieversuch mit Pilocarpingel (hydrophiles Gel mit 0,1% Pilocarpingehalt) 4 Verabreichung von künstlichem Speichel (Saliva natura, Glandosane), Dexpanthenol Lutschtabletten
37.2.7
Chronische Sialadenitis
Chronisch sklerosierende Sialadenitis der Glandula submandibularis 4 rezidivierende, schubweise verlaufende Erkrankung 4 Autoimmungenese
Klinik 4 progressive Fibrosierung der Drüse (Küttner-Tumor)
Diagnostik 4 Palpation 4 Echographie 4 ggf. Stanzbiopsie
Therapie 4 beschwerdeabhängig Exstirpation der Glandula submandibularis
Myoepitheliale Sialadenitis (Sjögren-Syndrom) 4 Autoimmun-Sialadenitis in Verbindung mit Xerostomie durch progrediente Parenchymatrophie der großen Kopfspeicheldrüsen 4 führt zum Sicca Syndrom durch Befall der großen und kleinen Kopfspeicheldrüsen und der Tränendrüsen
Klinik 4 Auftreten isoliert (primäres Sjögren-Syndrom) oder im Zusammenhang mit autoimmunologischen Systemerkrankungen (sekundäres Sjögren-Syndrom) 4 in ca. 6% der Fälle Koinzidenz mit malignem Lymphom 4 rheumatoide Arthritis 4 disseminierter Lupus erythematodes 4 progressive Sklerodermie
37
Eigene Notizen
488
Kapitel 37 · Speicheldrüsen
Eigene Notizen
4 4 4 4
Polymyositis Panarteriitis nodosa M. Bechterew Raynaud-Syndrom
Diagnostik 4 4 4 4
Palpation Echographie ggf. Stanzbiopsie oder offene Biopsie laborchemischer Nachweis antizytoplasmatischer oder/und antinukleärer Antikörper (in 50% der Fälle positiv). Korrelation mit HLA-B8 und HLA-DW3 4 ! Cave Risiko der Entwicklung eines MALT-Lymphoms (6% der Fälle mit Sjögren-Syndrom)!
Therapie 4 Glukokortikoide, Immunsuppressiva, nicht-steroidale Antirheumatika 4 künstlicher Speichel 4 operative Therapie nur bei erheblicher Schmerzbelastung durch Schwellung und Sklerosierung
Epitheloidzellige Sialadenitis (Heerfordt-Syndrom) 4 Sarkoidose der Speicheldrüsen
Klinik 4 4 4 4
knotig-derbe Parotitis mit Hautinfiltrat Fieber Uveiitis anterior periphere Fazialisparese
Diagnostik 4 4 4 4
typischer Aspekt von außen mit Wangenschwellung höckrig derbe Konsistenz bei Palpation echographisch multiple intraglanduläre Lymphknotenvergrößerungen ggf. positiver Röntgen-Thoraxbefund
Therapie 4 Kortikoide nach Absprache mit dem internistischen Konsiliarius
37 37.3
Tumoren der Speicheldrüsen
37.3.1
Gutartige Speicheldrüsentumoren (. Tabelle, 7 Abschn. 37.2)
4 pleomorphes Adenom 5 47% der gutartigen Speicheldrüsentumoren 5 Mischtumor aus mesenchymalen und epidermalen Anteilen
489 37.3 · Tumoren der Speicheldrüsen
5 5 Jahre Dauer:1,9% maligne Transformation 5 >15 Jahre Dauer: 9,6% maligne Transformation 4 Zystadenolymphom (Warthin-Tumor) 5 14% der gutartigen Speicheldrüsentumoren 5 in 10% der Fälle bilaterale Manifestation 4 Speichelgangadenom 5 4% der gutartigen Speicheldrüsentumoren 5 in 70% der Fälle monomorphe Adenome
Klinik 4 langsam zunehmende Größe 4 Tumoren überwiegend in der Parotisregion 4 gefäßreiche, bläulich durch die Haut schimmernde Tumoren bei Kindern oder weiche Schwellungen der Parotisregion bei Kindern entsprechen meist vaskulären Malformationen oder Lymphangiomen bzw. Hämangiomen. Sie gehen nicht primär vom Speicheldrüsengewebe aus, können aber in die Glandula parotis und/oder submandibularis hineinreichen 4 ! Cave Auch maligne Tumoren können langsame Wachstumsgeschwindigkeit aufweisen! Bei akuter Größenzunahme nach lange vorbestehendem Befund besteht der Verdacht auf maligne Transformation eines pleomorphen Adenoms (Karzinom im pleomorphen Adenom).
Diagnostik 4 Palpation mit Prüfen der Größe und der Verschieblichkeit, bimanuelle Palpation zur besseren Einschätzung 4 Echographie und Duplex-Echographie zur Klärung der Lagebeziehung zur Drüsenkapsel, zur Erkennung von Sekretstau mit Gangektasie und zur Prüfung des kontralateralen Drüsenbefunds 4 Feinnadelpunktion oder Stanzbiopsie führen nur bei sehr erfahrenen Pathologen zu verlässlichem Ergebnis. Nur der positive Tumornachweis ist verwertbar 4 bei Nachweis unspezifischer Entzündungen oder regelrechten Drüsengewebes ist daher ggf. die offene Biopsie vor der therapeutischen Entfernung notwendig 4 meist intraoperative histologische Klärung durch Schnellschnittdiagnostik möglich
Therapie 4 Parotidektomie 5 als mikroskopischer Eingriff 5 unter binokularmikroskopischer Kontrolle werden der Fazialishauptstamm und seine 4 peripheren Äste aufgedeckt und der Tumor ohne Kapseleröffnung desselben exstirpiert (. Tabelle) 5 Revisionseingriffe an der Gl. parotis stets mit intraoperativem Fazialis-Monitoring mittels 4-kanaligem-EMG getrennt für die einzelnen peripheren Äste
37
Eigene Notizen
490
Kapitel 37 · Speicheldrüsen
Eigene Notizen
Typen der Parotidektomie laterofaziale Parotidektomie
Entfernen des Parotisgewebes, das sich lateral der Ebene befindet, die durch die Fazialisäste gebildet wird, anatomisch und topographisch jedoch keine eigene Einheit bildet
totale Parotidektomie
Entfernen des gesamten Parotisparenchyms, ohne den Nervus facialis und seine Äste zu schädigen
radikale Parotidektomie
extrem seltener Eingriff, bei dem das gesamte Parotisparenchym und einzelne Äste oder ggf. der gesamte Fazialishauptstamm reseziert werden (bei Infiltration durch maligne Tumoren, wenn hierdurch eine vollständige Tumorsanierung möglich ist) (s. unten)
37.3.2
Bösartige Speicheldrüsentumoren (. Tabelle, 7 Abschn. 37.2)
4 maligne Tumoren der großen Kopfspeicheldrüsen mit einer Inzidenz von 11,95/1.000.000 Einwohner/Jahr 4 Inzidenz und Prognose . Tabelle 4 weit überwiegend treten maligne Speicheldrüsentumore in der Gl. parotis, weitaus seltener in der Gl. submandibularis und den kleinen Speicheldrüsen des Aero-Digestivtrakts auf 4 Adenokarzinome und Karzinome im pleomorphen Adenom sind die häufigsten histopathologischen Befunde bei malignen Tumoren in der Gl. submandibularis Maligne Parotistumoren – Übersicht Diagnose
Indizenz (pro 1.000.000 Einwohner/Jahr)
Prognose
Plattenepithelkarzinom (. Abb. 65, Farbteil)
3,44 bei mehr als 15 Jahren bestehendem pleomorphem Adenom in bis zu 10% der Fälle
21–55% 5-Jahres-Überleben bei Primärtumoren der Gl. parotis
Mukoepidermoidkarzinom
Männer 3,23 Frauen 2,67
low grade: 70–95% 5-Jahres-Überleben high grade 5% 5-Jahres-Überleben 50% 10-Jahres-Überleben insgesamt
Azinuszellkarzinom
1,57
82% 5-Jahres-Überleben 68% 10-Jahres-Überleben selten metastasierend
37
6
491 37.3 · Tumoren der Speicheldrüsen
Maligne Parotistumoren – Übersicht (Fortsetzung) Diagnose
Indizenz (pro 1.000.000 Einwohner/Jahr)
Prognose
Adenoidzystisches Karzinom gleich häufig parotideal/ submandibulär
1,4
in 30–50% Fernmetastasen 35% 5-Jahres-Überleben 20% 10-Jahres-Überleben kribriforme (beste Prognose), solide (schlechteste Prognose) und tubuläre Formen sehr langsames Wachstum, charakteristisch entlang des Perineuriums des N. facialis, plötzliche Infiltration nach >10 Jahren nicht ungewöhnlich, primär extensive Resektion notwendig
Adenokarzinom
19–75% 5-Jahres-Überleben Sehr aggressiver Tumor mit 33% lymphogener oder Fernmetastasierung zum Zeitpunkt der Erstdiagnose
Speichelgangkarzinom
extrem selten und extrem aggressiv
Klinik 4 ca. 20% der Patienten weisen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits eine periphere Fazialisparese auf 4 nahezu alle Patienten mit lymphogenen Metastasen
Diagnostik 4 Inspektion mit asymmetrischer Wangenschwellung 4 palpatorisch solitäre oder multiple derbe oder pralle Knoten der Parotisregion, die nicht in allen Fällen mit der Umgebung fixiert zu palpieren sind 4 Halspalpation und Sonographie 4 Duplex-Echographie der Halsweichteile zur Klärung des Lymphknotenstatus und der Tumorinfiltration in der Drüse und in die Nachbarschaftsstrukturen 4 CT mit Kontrastmittelgabe einschließlich CT der Lunge zum sicheren Metastasenausschluss 4 Oberbauchechographie zur Suche nach Leberfiliae
Therapie 4 Therapie erster Wahl: totale Parotidektomie (7 Abschn. 37.3.1) und ipsilaterale Neck dissection 5 radikale Parotidektomie onkologisch nur bei histologisch zweifelsfreiem Befund (Schnellschnittdiagnosen bei Parotismalignomen mit 93% Zuverlässigkeit in Studien!) der breiten Tumorinfiltration und positivem Tumornachweis im Perineurium des N. facialis 5 totale Parotidektomie stets bei Tumoren >4 cm, bei kleineren Tumoren des tiefen Blattes oder bei Tumoren mit hoher Aggressivität
37
Eigene Notizen
492
Kapitel 37 · Speicheldrüsen
Eigene Notizen
37
4 adjuvante Radiotherapie bei allen Tumoren mit Durchmesser >4 cm, lokaler Infiltration der Nachbarschaft (z. B. M. masseter, Mandibula, äußerer Gehörgang, Haut) und bei histopathologisch nachgewiesenem aggressivem Verhalten (z. B. Infiltration in Blut- oder Lymphgefäße, hohe Zellteilungsrate) 4 Mukoepidermoidkarzinome weisen hohe Aktivität von »epidermoid growth factor receptor« (EGFR) auf und werden daher aktuell durch EGFR-Antagonisten adjuvant therapiert 4 62% 5-Jahres-Überleben und 14–26% 10-Jahres-Überleben für alle malignen Parotistumoren 4 Therapie bei malignen Tumoren der Gl. submandibularis 5 lokale Exzision und bilaterale Neck dissection 5 abhängig von der lokalen Tumorausdehnung Teilresektion der Mandibula 5 Mandibularekonstruktion durch osteomyokutane Lappenplastik aus der Fibula oder durch Osteosynthese-Rekonstruktionsplatten 5 adjuvante Radiotherapie (s. oben)
38 Tag 5 – HNO
38
Hals J. Ilgner
38.1
Fehlbildungen des äußeren Halses und der Halsweichteile – 494
38.1.1 38.1.2
Halsfisteln und Halszysten Costa cervicalis – 495
38.2
Verletzungen der Halsweichteile, der Halsnerven und der extrakraniellen hirnversorgenden Gefäße – 496
38.3
Entzündungen der Halsweichteile und Halslymphknoten – 497
38.3.1 38.3.2 38.3.3 38.3.4
Unspezifische Lymphadenitis colli – 497 Spezifische Lymphadenitis colli – 498 Infektiöse Mononukleose – 501 HIV-assoziierte Lymphadenopathie – 501
38.4
Tumoren des Halses – 502
38.4.1 38.4.2 38.4.3 38.4.4
Gutartige Halstumoren – 502 Bösartige Halstumoren – 505 Halslymphknotenmetastasen – 507 Schilddrüsenkarzinome – 509
38.5
Knöcherne und muskuläre Fehlstellungen des Halses – 510
– 494
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8_38, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
494
Kapitel 38 · Hals
Eigene Notizen
38.1
Fehlbildungen des äußeren Halses und der Halsweichteile
38.1.1
Halsfisteln und Halszysten
4 laterale Halszyste 5 prallelastische, zystische Raumforderung des lateralen Halses 5 entsteht aus einer persistierenden Aussackung der 2. (seltener auch der 3. und 4.) Schlundtasche während der Embryonalentwicklung 4 laterale Halsfisteln 5 münden im Hautniveau am Vorderrand des M. sternocleidomastoideus in variabler Höhe, meist im mittleren oder unteren Halsdrittel 5 Ursprung liegt in der Fossa tonsillaris (2. Schlundtasche) 4 mediane Halszyste (. Abb. 66, Farbteil) 5 Residuum des Ductus thyreoglossus, der in der Embryonalentwicklung bei der Genese der Schilddrüse aus dem Foramen caecum des Zungengrundes persistieren kann 5 zuweilen wird ektopes Schilddrüsengewebe angetroffen 4 mediane Halsfisteln 5 münden variabel zwischen suprahyoidaler Region und Schilddrüse im Hautniveau
Klinik
38
4 Halszysten 5 wechselnde Füllungszustände 5 Erstmanifestation meist im Kindesalter, aber auch im Erwachsenenalter 5 gelegentlich Superinfektion mit Durchbruch nach außen 4 Halsfisteln 5 trocken oder schleimig-sezernierend 5 gelegentlich Superinfektion 4 laterale Halszyste 5 prall-elastische, glatt begrenzte, homogene, verschiebliche Raumforderung des lateralen Halses 5 bei Superinfektion druckdolent 4 laterale Halsfistel 5 singuläres Punktum im Hautniveau 5 bei Superinfektion gerötet, geschwollen 4 mediane Halszyste 5 wie laterale Halszyste, jedoch in der Medianlinie 5 zusätzlich Verschiebung nach kranial beim Herausstrecken der Zunge 4 mediane Halsfistel 5 Punktum in der Medianlinie 5 bei Superinfektion gerötet, geschwollen
495 38.1 · Fehlbildungen des äußeren Halses und der Halsweichteile
Diagnostik 4 4 4 4
Duplexsonographie des Halses bei Fisteln ggf. Sondierung (stumpfe Knopfsonde) möglich Photodokumentation mediane Halszyste 5 bei Nachweis soliden, perfundierten Gewebes in der Duplexsonographie Schilddrüsenszintigraphie anschließen (ektopes Schilddrüsengewebe) 5 weitere Differenzialdiagnosen: Lymphadenitis colli, Halslymphknotenmetastase, Lipom, malignes Lymphom, Glomus-caroticumTumor = Paragangliom; 7 Abschn. 38.4.1)
Therapie 4 Exzision der Zyste bzw. Fistel mit allen Ganganteilen 5 bei medianer Halszyste/-fistel Resektion des mittleren Zungenbeindrittels obligat (Rezidivgefahr) 5 Resektion ektopen Schilddrüsengewebes nur bei Vorhandensein orthotoper Schilddrüsenanteile 4 mediane/laterale Halsfistel 5 zu Beginn der Resektion Anfärben der Halsfistel mit ToluidinblauGel-Gemisch 5 laterale Halsfisteln lassen sich häufig durch die Karotisgabel bis in die Tonsillenloge verfolgen; dann Tonsillektomie erforderlich
38.1.2
Costa cervicalis
4 embryonal angelegte, akzessorische Halsrippe, meist vom 7. Halswirbelkörper ausgehend 4 bei ca. 1% der Allgemeinbevölkerung vorhanden
Klinik 4 Tastbare harte Raumforderung supraklavikulär 4 meist asymptomatisch 4 in 10% aller Fälle neurologische Symptome durch Kompression des Plexus brachialis und/oder der A./V. subclavia (»thoracic outlet compression syndrome«) 4 Durchblutungsstörungen des Unterarms und der Hand (Schmerzen, Sensibilitätsstörungen, Kraftminderung) sowie des vertebrobasilären Stromgebiets (Hinterkopfschmerz, Schwindel, Doppelbilder)
Diagnostik 4 Duplex-/Dopplersonographie zum Nachweis der Flussminderung 4 Röntgenübersichtsaufnahme 4 Adson-Test: Kopfdrehung zur betroffenen Seite, Luftanhalten bei maximaler Inspiration, Palpation der A. radialis des betroffenen Arms (Pulsminderung, Unterarmschmerz)
38
Eigene Notizen
496
Kapitel 38 · Hals
Eigene Notizen
Therapie 4 wenn asymptomatisch: keine 4 bei neurologischen Ausfällen oder Perfusionsstörungen: Resektion der Halsrippe sowie des M. scalenus anterior
38.2
Verletzungen der Halsweichteile, der Halsnerven und der extrakraniellen hirnversorgenden Gefäße
4 von außen einwirkende Traumen im Rahmen von Unfällen, Suizidversuchen oder Rohheitsdelikten mit scharfen oder stumpfen Gegenständen 4 iatrogene Verletzungen z. B. durch Fehlpunktion zervikaler Gefäße, Intubationstraumen, fehlgeschlagene Punktionstracheotomien (zu Fremdkörpern der Luft- und Speisewege 7 Abschn. 35.2) 4 zu unterscheiden sind scharfe, penetrierende Verletzungen (Schnitt-, Schuss-, Stichverletzungen) und stumpfe Verletzungen (Erwürgen, Strangulation, Anprall)
Klinik
38
4 stumpfe Traumen 5 Heiserkeit 5 Luftnot z. B. durch Fraktur des Larynxskeletts, der Trachea (Einriss oder Abriss) 5 Schluckbeschwerden 5 neurologische Symptomatik durch Gefäßkompression 5 Luftembolie bei Verletzung der V. jugularis interna 5 Einblutung in die Halsweichteile 5 Querschnittsymptomatik bei HWS-Verletzung 4 scharfe Traumen 5 Luftnot bei Penetration der oberen Atemwege und Aspiration bei Einblutung in die oberen Atemwege 5 Heiserkeit 5 Hirnnervenausfälle 5 Blutung, u. U. lebensbedrohlich, bei Gefäßverletzungen 5 bei Intubationstraumen häufig Weichteilemphysem (»Schneeballreiben«) 5 bei Fehlpunktionen von außen Einblutung in die Halsweichteile mit zunehmender Schwellung und ggf. Luftnot
Diagnostik 4 nach Sicherung der Vitalfunktionen (s. unten) HNO-ärztliche Untersuchung äußerlich (Tiefe der Verletzung, Schusskanal), endoskopisch mit 30°- und 70°-Winkeloptik, Stimmprüfung, Hirnnervenprüfung 4 flexible/starre Endoskopie der Luft- und Speisewege (Pharynxetagen, Ösophagus, Larynx, Trachea, Bronchialtrakt)
497 38.3 · Entzündungen der Halsweichteile und Halslymphknoten
4 Röntgenaufnahmen zur Lagekontrolle röntgendichter Fremdkörper (Projektile, Messer etc.) und Hals-Weichteilaufnahme seitlich (Bei Mediastinitis: Abstand Ösophagus/HWS >5 mm) 4 Röntgen-Thoraxaufnahme (Bei Mediastinitis: Mediastinalverbreiterung) 4 CT des Halses und der oberen Thoraxapertur mit Kontrastmittel 4 Duplex-/Dopplersonographie der Halsgefäße bei Gefäßverletzungen 4 > Memo Photodokumentation aller Verletzungen ist obligat.
Therapie 4 zunächst Sicherung der Vitalfunktionen (Atmung, Kreislauf) 4 ggf. Blutstillung durch Gefäßunterbindung oder -rekonstruktion (bei hirnversorgenden Gefäßen) 4 ggf. Nottracheotomie bei Verlegung der oberen Atemwege 4 Tetanusprophylaxe 4 Antikoagulation bei Fremdkörpern in Gefäßen oder verletzungsbedingten Thromben 4 bei stumpfen Halstraumen (Erwürgen, Strangulieren) mit Einblutung der Halsweichteile ohne Frakturen abschwellende Maßnahmen (Kortikosteroide systemisch, β-Sympatomimetika als Inhalat); stationäre Überwachung 4 bei Verletzungen der HWS unfallchirurgisches/neurochirurgisches Procedere 4 bei penetrierenden Verletzungen schichtweises Freilegen des Verletzungswegs 4 Fremdkörper erst unter vollständiger Übersicht entfernen 4 mikrochirurgische Rekonstruktion von Gefäßen bzw. Nerven 4 Rekonstruktion des Larynx durch Verplattung, der Trachea durch Readaptation und End-zu-End-Anastomose mittels Aufnaht von Keramikspangen 4 Deckung äußerlicher Hautdefekte durch plastische Maßnahmen 4 Intubationstraumen werden in unkomplizierten Fällen durch tiefe Intubation bzw. Tracheotomie überbrückt. In komplizierten Fällen HNO-thoraxchirurgisches Vorgehen mit Rekonstruktion. Bei fehlgegangener Punktionstracheotomie Überführen in eine epithelisierte Tracheostomaanlage, ggf. unter Rekonstruktion kollateraler Verletzungen
38.3
Entzündungen der Halsweichteile und Halslymphknoten
38.3.1
Unspezifische Lymphadenitis colli
4 infektiös bedingte Vergrößerung (bakteriell, viral) der Halslymphknoten systemischer oder lokaler Ursache (Infektion mit Eintrittspforte, z. B. nach Zahnbehandlung, durch akute Tonsillitis, Hautverletzungen)
38
Eigene Notizen
498
Kapitel 38 · Hals
Eigene Notizen
Klinik 4 Schwellung des äußeren Halses 4 palpatorisch vergrößerte Halslymphknoten tastbar, verschieblich, regionär multipel, z. T. druckdolent, Oberfläche nicht derb, homogen
Diagnostik 4 Suche nach Eintrittspforte: HNO-ärztliche und allgemeine körperliche Untersuchung 4 Duplex-sonographische Untersuchung der Halslymphknoten (Lage, Form, Infiltration, Perfusionsmuster, Einschmelzung) 4 Gesamtlabor inklusive Differenzialblutbild 4 ggf. Serologie auf adenotrope Viren und Bakterien 4 differenzialdiagnostisch Lues-, Toxoplasma-Antikörper, Angiotensinkonvertierendes Enzym (ACE) im Serum (Sarkoidose), TuberkulinHauttest, γ-Interferontest zum Nachweis einer Tbc
Therapie 4 Breitbandantibiotikum oral 4 Behandlung der Grunderkrankung 4 Verlaufskontrolle unter Duplexsonographie, da Einschmelzung der Lymphknoten mit erforderlicher Abszessdrainage möglich 4 > Memo Bei Persistenz der Lymphknotenschwellung über 3 Wochen trotz Antibiotikatherapie ist eine Lymphknoten-Probeexzision zum Malignomausschluss obligat.
38.3.2
38
Spezifische Lymphadenitis colli
Hierzu zählen Infektionen der Halslymphknoten mit spezifischem Erregernachweis bzw. nicht-infektiöse Erkrankungen (Sarkoidose): 4 Lymphknotentuberkulose: Infektion mit Mycobacterium tuberculosis. Entstehung eines Primärkomplexes (selten) bzw. postprimär/sekundär 4 atypische Mykobakteriosen: Infektion z. B. mit Mycobacterium aviumintracellulare 4 Lues: Infektion mit Treponema pallidum. Sexuell übertragbar, meldepflichtige Erkrankung 4 Toxoplasmose: Infektion mit Toxoplasma gondii, z. B. durch Kontakt mit Katzen 4 Diphtherie: Infektion mit Corynebacterium diphtheriae, meldepflichtige Erkrankung 4 Katzenkratzkrankheit (Lymphoreticulosis benigna): Infektion mit Bartonella henselae bzw. Afipia felis durch direkten oder indirekten Katzenkontakt 4 Tularämie: Infektion mit Francisella tularensis durch Kontakt mit Nagetieren bzw. infizierten Arthropoden (Zecken), meldepflichtige Erkrankung 4 Sarkoidose (M. Boeck): epitheloidzellige granulomatöse Erkrankung bedingt durch Antigen-Präsentation durch Makrophagen gegenüber
499 38.3 · Entzündungen der Halsweichteile und Halslymphknoten
T-Lymphozyten, dadurch pathologisch ausgelöste T-Zellantwort mit Freisetzung von Zytokinen, welche die Granulombildung anstoßen. Wechselnde, z. T. multiple Manifestationsorte (u. a. Mittelohr, Nase, Pharynxetagen, Larynx, Lunge, große Speicheldrüsen, Lymphknoten)
Klinik 4 Mykobakteriose 5 ähnlich der unspezifischen Lymphadenitis colli, jedoch mit geringer ausgeprägter Symptomatik (weniger Druckdolenz, Rötung, ödematöse Schwellung des Subkutangewebes) 5 anamnestisch häufig Auslandsaufenthalt, Ingestion von erregerhaltigem Material (z. B. nicht-pasteurisierte Milch, sog. »Vorzugsmilch«) 5 häufig Durchbruch der einschmelzenden Lymphadenitis mit Fistelbildung 4 Lues 5 generalisierte Lymphadenopathie im Rahmen des Sekundärstadiums ca. 8 Wochen nach Infektion 4 Toxoplasmose 5 Lymphadenitis colli, vor allem nuchal 5 ! Cave Bei Infektion in der Schwangerschaft schwere Fetalschädigung möglich (Hydrozephalus, Chorioretinitis, intrazerebrale Verkalkung)! 4 Diphtherie 5 Lymphknotenschwellung hochjugulär zusätzlich zu den oropharyngealen Zeichen (gräuliche Beläge auf den Tonsillen, auf den weichen Gaumen übergreifend, Azetongeruch, schneller Puls) 4 Katzenkratzkrankheit 5 Ausbildung einer rot-braunen Papel an der Inokulationsstelle nach 2–10 Tagen 5 in der Folge regionäre Lymphknotenschwellung mit Druckdolenz 4 Tularämie 5 ggf. entzündlich geschwollene Eintrittspforte an der Haut, sonst akute Lymphadenitis 5 systemische Verlaufsformen möglich 4 Sarkoidose 5 systemische Erkrankung mit wechselnden, z. T. multiplen Manifestationsorten (u. a. Mittelohr, Nase, Pharynxetagen, Larynx, Lunge, große Speicheldrüsen, Lymphknotenschwellung, Haut [Lupus pernio])
Diagnostik 4 analog zur unspezifischen Lymphadenitis 4 Mykobakteriose 5 Tuberkulin-Hauttest 5 γ-Interferontest 5 ggf. Lymphknoten-Probeexzision mit Erregernachweis aus Polymerase-Kettenreaktion (PCR)
38
Eigene Notizen
500
Kapitel 38 · Hals
Eigene Notizen
4
4
4
4 4 4
5 Röntgen-Thorax in 2 Ebenen zum Ausschluss einer pulmonalen Manifestation Lues 5 serologischer Nachweis mittels TPHA-Test (Screening) 5 FTA-Abs-Test (Bestätigung) bzw. VDRL-Test (Aktivitätsbestimmung) Toxoplasmose 5 serologischer Nachweis über Sabin-Feldman-Test 5 Immunfluoreszenztest bzw. Komplementbindungsreaktion (KBR) 5 ggf. charakteristische Histologie aus Lymphknotenprobeexzision (Piringer-Kuchinka-Zeichen) Diphtherie 5 Abstrich und Gramfärbung 5 Bakterienkultur 5 Abstrichkontrollen im Verlauf Katzenkratzkrankheit 5 Antikörpernachweis im Blut gegen Bartonella henselae 5 ggf. PCR aus Lymphknotenmaterial Tularämie 5 Erregernachweis aus Lymphknotenmaterial bzw. Agglutinationstest Sarkoidose 5 histologischer Nachweis anhand exzidierter Lymphknoten 5 Ausschluss einer Mykobakteriose 5 ACE-Spiegel im Serum zur Verlaufskontrolle
Therapie
38
4 Lymphknotentuberkulose (Mycobacterium tuberculosis): Kombinationsbehandlung mit Tuberkulostatika 4 atypische Mykobakteriose: schlechtes Ansprechen auf medikamentöse Behandlung, deswegen primär chirurgische Therapie durch regionale Exstirpation befallener Lymphknoten 4 Lues: Antibiose mit z. B. Penicillinen, Cephalosporinen, Tetrazyklinen, Makroliden 4 Diphtherie: Isolation und Antitoxingabe bei Verdacht; Antibiose mit Penicillin bzw. Makroliden (Erythromycin) 4 Katzenkratzkrankheit: bei asymptomatischem Verlauf nicht erforderlich, ggf. Antibiose mit Makroliden (z. B. Azithromycin) 4 Toxoplasmose: bei symptomarmem Verlauf keine; ggf. Chemotherapie mit Sulfadiazin, Pyrimethamin und Folinsäure 4 Tularämie: Antibiose mit Tetrazyklin, Makroliden wie Erythromycin oder Azithromycin und Chloramphenicol; Streptomycin wird empfohlen, ist allerdings stark ototoxisch und daher nur im Ausnahmefall indiziert 4 Sarkoidose: ggf. systemische Gabe von Kortikosteroiden; regionale Exstirpation befallener Lymphknoten
501 38.3 · Entzündungen der Halsweichteile und Halslymphknoten
38.3.3
Infektiöse Mononukleose
4 Halslymphknotenmanifestation der infektiösen Mononukleose 4 Infektion mit Epstein-Barr-Viren 4 geht einher mit systemischer entzündlicher Schwellung aller lymphatischen Organe (andere Lymphknotenregionen, Milz, Leber, Tonsillen des Waldeyer-Rachenrings)
Klinik 4 Abgeschlagenheit 4 Fieber bis 39°C 4 Halsschmerzen und Schluckbeschwerden (können nach Adenotomie und Tonsillektomie fehlen) 4 multiple, oft eindrucksvolle Halslymphknotenschwellung, mäßig druckdolent, verschieblich, nicht induriert, glatt konturiert 4 fehlendes Ansprechen auf Antibiose; bei stattgehabter Gabe von Aminopenicillinen nach 3 Tagen juckendes papulöses Exanthem
Diagnostik 4 HNO-ärztlicher Spiegelbefund (schmierig-nekrotische Beläge auf den Tonsillen des Waldeyer-Rachenrings) 4 Palpation des Halses 4 Duplexsonographie des Halses zeigt vergrößerte, regelrecht konturierte Lymphknoten mit deutlicher Perfusionssteigerung bis in die Randsinus 4 Oberbauchsonographie zur Größenbestimmung von Leber und Milz 4 Gesamtlabor mit Differenzialblutbild mit deutlicher Leukozytose und erhöhtem relativen Monozytenanteil (d. h. gereizte Lymphozyten, sofern auf dem Befund ausgewiesen) 4 Monozytose-Schnelltest positiv (jedoch eingeschränkter positiver Vorhersagewert) 4 EBV-Antikörperbestimmung mit erhöhtem IgM
Therapie 4 symptomatisch (Analgesie, i.v. Flüssigkeitssubstitution bei passagerer Schluckbehinderung) 4 keine Antibiose, da wirkungslos ( ! Cave Exanthem nach Aminopenicillingabe!) 4 Tonsillektomie im Ausnahmefall bei massiver Einengung des Oropharynx mit Luftnot 4 körperliche Schonung für die Dauer der Milzschwellung ( ! Cave Gefahr der Ruptur mit innerer Blutung!)
38.3.4
HIV-assoziierte Lymphadenopathie
4 Infektion mit HI-(humane Immundefizienz-)Viren 4 führt nach erster Akutreaktion 3–6 Wochen nach Infektion über ein mehrjähriges Stadium der asymptomatischen Latenz zu einem Lymph-
38
Eigene Notizen
502
Kapitel 38 · Hals
Eigene Notizen
adenopathiesyndrom und ersten immundefizienzbedingten Symptomen, schließlich zum Vollbild der Erkrankung mit Infektion durch opportunistische Erreger, bösartige Neubildungen
Klinik 4 bei akuter Infektion zervikale Manifestation mit Lymphknotenschwellung, allgemein mit Nachtschweiß, Fieber, Exanthemen, Diarrhö 4 dann Abklingen der klinischen Zeichen in der asymptomatischen mehrjährigen Latenzphase 4 anschließend persistierendes Wiederauftreten der klinischen Zeichen aus der Akutphase als Aids Related Complex (ARC) 4 im Vollbild der Erkrankung Auftreten opportunistischer Infektionen (z. B. Pneumonie mit Pneumocystis carinii; Soor) und maligner Neoplasien (z. B. Kaposi-Sarkome, maligne Lymphome, Plattenepithelkarzinome)
Diagnostik 4 Inspektion, Palpation des Halses mit multiplen Lymphknotenschwellungen, in der Akutphase druckdolent, glatt begrenzt, nicht induriert 4 Duplexsonographie mit Zeichen wie bei akuter Lymphadenitis 4 im Krankheitsverlauf Nachweis eines zystischen Umbaus der Speicheldrüsen (Parotiszysten, zystische lymphoepitheliale Hyperplasie) 4 im Labor Nachweis von Antikörpern im ELISA bzw. Western-Blot 4 kontinuierlich fallende Zahl von T-Helfer(CD4)-Zellen gegenüber T-Suppressor (CD8)-Zellen
Therapie 4 gegenwärtig keine kurative Behandlungsmöglichkeit 4 Behandlungsstrategien richten sich auf die kombinierte Anwendung antiretroviraler Medikamente in Kombination (»highly active antiretroviral therapy«, HAART). Hierzu zählen u. a. nukleosidische ReverseTranskriptase-Inhibitoren (NRTI), nicht-nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (nNRTI), HIV-Proteaseinhibitoren, Entry-Inhibitoren, Fusionsinhibitoren und Integrase-Inhibitoren 4 Indikation zur Therapie bei einer CD4-Zellzahl von 200–350/μl Blut, bei hoher Viruslast auch darüber (<500/μl) 4 zusätzliche Behandlung der opportunistischen Infektionen bzw. malignen Neubildungen auf medikamentösem bzw. chirurgischem Weg (7 AWMF-Leitlinie »Antiretrovirale Therapie der HIV-Infektion«)
38
38.4
Tumoren des Halses
38.4.1
Gutartige Halstumoren
4 Lipom 5 Fettgewebsgeschwulst des Halses 5 umschrieben oder generalisiert (Madelung’scher Fetthals)
503 38.4 · Tumoren des Halses
4 vaskuläre Malformation (Hämangiom) 5 kutane oder subkutane Gefäßmalformation 5 kapillär oder kavernös, kongenital 5 in Gesicht und Nacken 5 gelegentlich im Rahmen von Missbildungssyndromen (z. B. Phakomatosen) 4 Lymphangiom 5 zystischer bzw. kapillärer oder kavernöser Tumor der Lymphgefäße 5 meist laterozervikal gelegen 5 kongenital 4 Paragangliom (Glomus-caroticum-Tumor) 5 nicht-chromaffines Paragangliom des Glomus caroticum 5 stark vaskularisiert 5 in der Karotisgabel gelegen 5 unklarer Genese 4 Neurofibrom/Neurilemmom des N. vagus 5 benigner Tumor der Schwann-Zellen, durch den Nervenfasern hindurch ziehen 5 tritt u. a. bei Neurofibromatose Typ 1 multipel auf 5 beim Neurilemmom lassen sich die Nervenfasern vom Tumor trennen
Klinik 4 Lipom 5 weiche, nicht druckdolente, gut verschiebliche Raumforderung 5 sehr langsam wachsend 4 vaskuläre Malformation 5 oberflächliche oder tiefergehende Raumforderung 5 palpatorisch weich 5 hauptsächlich kosmetisch störend, gelegentlich funktionsbehindernd durch Befall des M. masseter 4 Lymphangiom 5 unterschiedlich voluminöse Raumforderung des lateralen Halses 5 weich, elastisch, verschieblich 5 kann die oberen Speise- und Atemwege von lateral her einengen 4 Paragangliom (Glomus-caroticum-Tumor) 5 langsam wachsende, schmerzlose Schwellung im Karotisdreieck 5 gelegentlich Globusgefühl mit Dysphagie 5 Strömungsgeräusch bei Auskultation 5 selten Herzrasen, Schwindel, Schweißausbrüche 4 Neurofibrom/Neurilemmom des N. vagus 5 derber, langsam wachsender Tumor des lateralen Halses 5 transversal gut und longitudinal schlecht verschieblich 5 gelegentlich Dysphagie, Globusgefühl, Heiserkeit
Diagnostik 4 Lipom 5 Palpation 5 Duplexsonographie (echoarme, homogene, schlecht durchblutete Raumforderung)
38
Eigene Notizen
504
Kapitel 38 · Hals
Eigene Notizen
4 vaskuläre Malformation 5 Duplexsonographie mit Nachweis der Perfusion und Eindringtiefe 5 ggf. MRT/Angio-MRT der Hals-/Gesichtsweichteile 5 Angiographie vor Embolisation 4 Lymphangiom 5 Duplexsonographie mit Nachweis der Struktur, der Lagebeziehung zu den Pharynxweichteilen und der Eindringtiefe 5 ggf. MRT der Hals-/Gesichtsweichteile 4 Paragangliom (Glomus-caroticum-Tumor) 5 Auskultation 5 Duplexsonographie mit Nachweis der Perfusion und Ausdehnung 5 MRT/Angio-MRT der Halsweichteile 5 Angiographie vor Embolisation 4 Neurofibrom/Neurilemmom des N. vagus 5 Duplexsonographie 5 ggf. CT bzw. MRT zur Klärung der Lagebeziehung an der Schädelbasis 5 70°-Endoskopie des Larynx 5 Stimmlippenstroboskopie zur Dokumentation der Stimmlippenfunktion
Therapie
38
4 Lipom 5 Exzision, falls kosmetisch störend oder funktionsbehindernd 4 vaskuläre Malformation 5 zunächst spontane Rückbildungstendenz abwarten 5 bei Persistenz oder Progredienz bestehen Behandlungsoptionen in der Gabe von β-Blockern (Propanolol), interstitieller Laserbehandlung (gepulster Farbstofflaser), photodynamischer Therapie 5 in Einzelfällen chirurgisches Vorgehen 4 Lymphangiom 5 spontane Rückbildung sehr selten 5 bei Funktionsbehinderung ein- oder mehrzeitige chirurgische Resektion 5 ggf. Laserbehandlung, photodynamische Therapie 4 Paragangliom (Glomus-caroticum-Tumor) 5 Interventionelle angiographische Embolisation, falls ohne Gefahr der Paraembolisation der A. carotis interna möglich 5 anschließend innerhalb von 48 h Exzision des Tumors, ggf. unter Gefäßersatzplastik der A. carotis interna (ausreichende Bereitstellung von Blutkonserven obligat!) 4 Neurofibrom/Neurilemmom des N. vagus 5 Exzision über zervikalen Zugang 5 bei schädelbasisnaher Lage Zugang über die Submandibularloge 5 bei großer Ausdehnung ggf. totale Parotidektomie und retromandibulärer Zugang 5 u. U. temporäre mediane Unterkieferspaltung mit späterer Mikroplattenosteosynthese erforderlich
505 38.4 · Tumoren des Halses
38.4.2
Bösartige Halstumoren
4 Hodgkin- Lymphom 5 maligner Tumor des lymphatischen Gewebes unklarer Ätiologie 5 histologische durch Sternberg-Reed- bzw. Hodgkin-Zellen gekennzeichnet 5 folgende histologische Subtypen: J lymphozytenreicher Typ (LR, LRCHL) J nodulär-sklerosierender Typ (NS, NSHL) J Mischtyp (MC) J lymphozytenarmer Typ (LD, LDHL) 4 Non-Hodgkin-Lymphom 5 Sammelbegriff für alle malignen Lymphome, die sich nicht den Hodgkin-Lymphomen zuordnen lassen 5 für einige NHL konnte eine Genmutation als pathogenetischer Faktor identifiziert werden (z. B. das Burkitt-Lymphom, das diffus-großzellige NHL, das Mantelzelllymphom oder das follikuläre Lymphom) 5 ebenfalls kommen virale Infektionen (EBV, HTLV-1, HHV-8) oder die Assoziation mit einer langjährigen Infektion mit Helicobacter pylori (MALT-Lymphom des Magens) als pathogenetische Faktoren in Betracht 5 Die Klassifikation der NHL wird ständig überarbeitet. Die ältere, in Deutschland gültige Kiel-Klassifikation ist mittlerweile von der aktuell gültigen WHO-Klassifikation abgelöst (. Tabelle) WHO-Klassifikation der Non-Hodgkin-Lymphome Vorläufer-B-Zell-Lymphome
Vorläufer-B-lymphoblastisches Lymphom/Leukämie
Reife-B-Zell-Lymphome
B-CLL/kleinzelliges lymphozytisches Lymphom Haarzell-Leukämie Plasmozytom extranodales MALT-Lymphom follikuläres Lymphom Mantelzell-Lymphom diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom Burkitt Lymphom/Leukämie
Vorläufer-T-Zell-Lymphome
Vorläufer-T-lymphoblastisches Lymphom/Leukämie
Reife-T-Zell-Lymphome
Mycosis fungoides/Sézary-Syndrom peripheres T-Zell Lymphom NK-Zell Leukämie angioimmunoblastisches T-Zell Lymphom anaplastisches großzelliges Lymphom, T-/Null-Zell-Typ
38
Eigene Notizen
506
Kapitel 38 · Hals
Eigene Notizen
Klinik 4 i. d. R. schmerzlose Halslymphknotenschwellung, häufig zervikal und mediastinal, in Paketen auftretend, verdrängend wachsend 4 ggf. B-Symptomatik: Gewichtsverlust von >10% in 6 Monaten, Temperaturerhöhung >38°C, Nachtschweiß
Diagnostik 4 Exzision eines Lymphknotens zur histologischen Diagnostik 4 Feinnadelpunktion nicht ausreichend 4 histologische und immunhistologische Sicherung der Diagnose, ggf. durch pathologisches Referenzlabor 4 Staging 5 Inspektion, Palpation, HNO-ärztliche Untersuchung 5 Duplexsonographische Untersuchung aller peripheren Lymphknotenregionen 5 Röntgenuntersuchung des Thorax in 2 Ebenen 5 CT des Thorax in Lungen- und Weichteilfenstertechnik 5 MRT des Halses, (Thorax), Abdomen und Becken 5 Ganzkörperskelettszintigraphie bei Verdacht auf Knochenbefall, im Nachweisfall gezielte weitergehende Bildgebung 5 PET mit 2-[F-18]Fluoro-2-Desoxy-D-Glukose (FDG-PET) 5 EKG, Echokardiographie, Gesamtlabor, Endokrinologie, Serologie auf Viren und Toxoplasmose 4 aus der Diagnostik ergibt sich die Stadieneinteilung (. Tabelle) Ann-Arbor-Klassifikation der Lymphome (1971)
38
I
Befall einer einzelnen Lymphknotenregion (I) oder eines einzelnen extralymphatischen Organs (IE)
II
Befall von zwei oder mehr Lymphknotenregionen auf der gleichen Seite des Zwerchfells (II) oder lokalisierter Befall eines einzelnen extralymphatischen Organs und seiner lokoregionären Lymphknoten mit oder ohne Befall anderer Lymphknotenregionen auf der gleichen Seite des Zwerchfells (IIE)
III
Befall von Lymphknotenregionen auf beiden Seiten des Zwerchfells (III), ggf. zusätzlich lokoregionärer Befall eines extralymphatischen Organs oder Bezirks (IIIE) oder gleichzeitiger Befall der Milz (IIIS) oder beidem (IIIE+S)
IV
disseminierter multifokaler Befall eines oder mehrerer extralymphatischer Organe mit oder ohne gleichzeitigen Befall von Lymphknoten oder Befall eines einzelnen extralymphatischen Organs mit Befall nichtregionärer Lymphknoten
Therapie 4 Chemotherapie kombiniert mit lokoregionärer Radiotherapie nach international standardisierten Therapieschemata (7 aktuell gültige Leitlinien, z. B. »Hodgkin-Lymphom« der AWMF)
507 38.4 · Tumoren des Halses
38.4.3
Halslymphknotenmetastasen
4 Absiedlungen bösartiger Neubildungen in zervikalen Halslymphknoten kommen vor bei: 5 Malignomen im Kopf-Hals-Bereich 5 Malignomen außerhalb des Kopf-Hals-Bereichs 5 unbekanntem Primärtumor (»carcinoma of unknown primary«, CUP) 4 die Lymphknotenmetastasierungswahrscheinlichkeit von Kopf-HalsMalignomen schwankt je nach Literaturangaben (. Tabelle) Globale Metastasierungswahrscheinlichkeit in die Halslymphknoten bezogen auf die Lage des Primärtumors Lokalisation des Primärtumors
Globale Wahrscheinlichkeit für Befall der Halslymphknoten
Mittelohr
30%
Nasenhöhle und Nasennebenhöhlen
10–20%
Nasopharynx
60%
Mundhöhle
40–45%
Oropharynx
60–70%
Hypopharynx
65–70%
Larynx
0–7% (T1a,b,c Glottis) –60% (T4)
Speicheldrüsen
25–50%
Äußere Haut des Kopfes und Gesichts außer Lippe
15%
Klinik 4 inspektorisch und palpatorisch singulär oder multiple Raumforderungen des Halses, nicht druckdolent, derb, meist schlecht oder nicht verschieblich, polyzyklisch unregelmäßig begrenzt (. Abb. 67, Farbteil) 4 u. U. mit Infiltration der äußeren Haut, Blutung oder Entleerung von nekrotischem Tumorgewebe
Diagnostik 4 4 4 4 4 4 4
HNO-ärztliche Untersuchung 30°- und 70°-Endoskopie der oberen Luft- und Speisewege Duplexsonographie der Kopf-Halsregion CT der Kopf-Halsregion und des Thorax B-Sonographie des Oberbauchs bei unbekanntem Primärtumor Durchführung einer FDG-PET nach Abschluss der bildgebenden Diagnostik Panendoskopie (Spiegelung sämtlicher oberen Luft- und Speisewege einschließlich Ösophagus und ggf. Tracheobronchialsystem) mit flexiblen und starren Instrumenten in Intubationsnarkose
38
Eigene Notizen
508
Kapitel 38 · Hals
Eigene Notizen
4 bei unbekanntem Primärtumor zusätzlich Tonsillektomie der Gaumenmandeln und repräsentative Biopsie der Tonsilla lingualis und der Tonsilla pharyngea 4 am Ende der präoperativen Diagnostik Festlegung des N-Status (. Tabelle) Stadieneinteilung der Halslymphknoten-Metastasierung (TNM-Klassifikation der UICC, 7. Auflage) N-Stadium
Kriterien
N0
Keine Halslymphknotenmetastasen
N1
Metastase in solitärem ipsilateralem Halslymphknoten, ≤3 cm in größter Ausdehnung
N2a
Metastase in solitärem ipsilateralem Halslymphknoten, >3 cm und ≤6 cm in größter Ausdehnung
N2b
Metastasen in multiplen ipsilateralen Halslymphknoten, keiner >6 cm in größter Ausdehnung
N2c
Metastasen in kontralateralen oder bilateralen Halslymphknoten, keiner >6 cm in größter Ausdehnung
N3
Metastasen in Lymphknoten von >6 cm in größter Ausdehnung
Therapie 4 stadiengerecht und lokalisationsgetrennt (. Tabellen) 4 Ausräumung der Halslymphknoten (Neck dissection), ggf. in Verbindung mit operativer Behandlung des Primärtumors 4 nach Abheilung des Operationssitus je nach Tumorausdehnung und Resektionssicherheit Durchführung einer postoperativen Radiotherapie bzw. Radiochemotherapie 4 bei unbekanntem Primärtumor obligate Bestrahlung der tributären Region (Waldeyer-Rachenring) Klassifizierung der Neck-dissection-Typen nach Ausmaß der Resektion
38
Typ der Neck Dissection
Resektion von Lymphknoten und Fettgewebe
M. sternocleidomastoideus
V. jugularis interna
N. accessorius
radikal
alle Regionen
ja
ja
ja
modifiziertradikal,Typ I
alle Regionen
ja
ja
nein
modifiziertradikal, Typ II
alle Regionen
ja
nein
nein
modifiziertradikal, Typ IIII 6
alle Regionen
nein
nein
nein
509 38.4 · Tumoren des Halses
Klassifizierung der Neck-dissection-Typen nach Ausmaß der Resektion (Fortsetzung) Typ der Neck Dissection
Resektion von Lymphknoten und Fettgewebe
M. sternocleidomastoideus
V. jugularis interna
N. accessorius
selektiv supraomohyoidal
Region I, II, III
nein
nein
nein
selektiv posterolateral
Region II, III, IV, V
nein
nein
nein
selektiv lateral
Region II, III, IV
nein
nein
nein
Chirurgische Klassifizierung der Halsregionen bei der Neck dissection Chirurgische Region
Lage
Ia
submental
Ib
submandibulär
II
oberes Jugularisdrittel/jugulofazialer Venenwinkel
III
mittleres Jugularisdrittel
IV
unteres Jugularisdrittel
V
nuchal (gesamter Bereich dorsal des M. sternocleidomastoideus)
VI
prälaryngeal
38.4.4
Schilddrüsenkarzinome
4 Schilddrüsenkarzinome können durch lokoregionäre Halslymphknotenmetastasen oder durch Infiltration der Trachea das hals-nasen-ohrenärztliche Fachgebiet betreffen. Die häufigsten Karzinome sind: 5 papilläres Schilddrüsenkarzinom (60%), lymphogen metastasierend 5 follikuläres Schilddrüsenkarzinom (30%), hämatogen metastasierend 5 anaplastisches Schilddrüsenkarzinom (5%), entdifferenziert, nicht stoffwechselaktiv 5 medulläres Schilddrüsenkarzinom (5–10%), ausgehend von den Kalzitonin-produzierenden C-Zellen 4 ursächlich kommen u. a. ionisierende Bestrahlung und Strahlenunfälle mit Aufnahme von radioaktivem Jod in Frage
38
Eigene Notizen
510
Kapitel 38 · Hals
Eigene Notizen
Klinik 4 Schluckbeschwerden 4 Globusgefühl 4 derb palpable, u. U. wenig verschiebliche, nicht druckdolente, unregelmäßig begrenzte Schwellung in Projektion auf die Schilddrüsenloge 4 Heiserkeit durch Rekurrensparese 4 Infiltration der Trachea bei anaplastischen und medullären Schilddrüsenkarzinomen möglich, dabei möglicherweise Luftnot durch Trachealstenose/tumorösen Einbruch in die Trachea
Diagnostik 4 Inspektion 4 Palpation, 70°-Endoskopie des Larynx mit Stimmlippenstroboskopie (Funktion des N. laryngeus recurrens) 4 flexible Tracheoskopie zum Ausschluss eines Trachealeinbruch 4 Duplexsonographie der Schilddrüse und der Halsweichteile 4 Schilddrüsenszintigraphie 4 CT-/MR-Untersuchung der Halsweichteile und des Thorax/Mediastinums 4 ! Cave Jod-Kontrastmittelgabe bei CT (verzögert die Ablationsbehandlung mit Jod-131)! 4 Gesamtlabor mit fT3, fT4, TSH, Kalzitonin-Spiegel (als Tumormarker/ Verlaufsmarker bei C-Zell-Karzinom)
Therapie 4 operative Entfernung der Schilddrüse unter EMG-Monitoring der Funktion des N. laryngeus recurrens, falls präoperativ noch funktionsfähig 4 zusätzlich Halslymphknotenentfernung (modifiziert-radikale Neck dissection) 4 Radiojodtherapie bzw. perkutane Bestrahlung 4 bei Einbruch in die Trachea Mobilisierung der Trachea aus dem Mediastinum, ggf. unter Sternotomie, Tracheaquerresektion und End-zuEndanastomose
38.5
38
Knöcherne und muskuläre Fehlstellungen des Halses
4 Schiefhaltung des Kopfes und des Halses unterschiedlichere Genese (kongenital, ggf. progredient, oder erworben) 4 Ursachen: muskulär, ossär, neurogen, sekundär bei entzündlichen bzw. neurogenen Ursachen (. Tabelle)
511 38.5 · Knöcherne und muskuläre Fehlstellungen des Halses
Eigene Notizen
Ursachen und Entstehung der Fehlstellungen des Halses Ursache
Muskulär
Ossär
Neurogen
kongenital
muskuläre Fehlbildung
WS-Fehlbildung
Fehlbildung extrapyramidaler Bahnen
erworben
Geburtstrauma (Hämatom, Einriss)
Osteomyelitis
Lues
Lymphadenitis colli
Zustand nach Resektion des M. sternocleidomastoideus
traumatische HWSLuxation
Chorea Huntington
Bezold-Mastoiditis
Myogelosen
entzündlich (GrisellSyndrom)
Myositis ossificans progressiva
38
Sekundär
Parapharyngealabszess muskuläre Tumorinfiltration nach Labyrinthausfall muskuläre Fehlstellung des Augenbulbus
Klinik 4 Schiefhaltung des Kopfes und des Halses zur erkrankten, mit Kinndrehung zur gesunden Seite 4 Schmerzen im Halsbereich und Schultergürtel möglich
Diagnostik 4 Palpation des Halses (Muskellänge, -konsistenz, Fluktuation, Raumforderungen, Schmerzhaftigkeit) 4 Beweglichkeit des Kopfes/Halses aktiv und passiv 4 Duplexsonographie der Halsweichteile (Muskelaufbau, -konsistenz, Raumforderungen, Abszesse) 4 neurologische Diagnostik (u. a. EMG) 4 Röntgen der HWS 4 orthopädische Diagnostik 4 Untersuchung der Labyrinthfunktion und der Okulomotorik
Therapie 4 bei kongenitalem Schiefhals zunächst konservative Maßnahmen (passive Rotations- und Streckübungen), ggf. mit Gabe von Muskelrelaxanzien (neurologische Mitbehandlung) zur Vermeidung einer permanenten Muskelfibrosierung indiziert 4 bei ausbleibendem Erfolg spätestens im 2. Lebensjahr plastisch-operative Maßnahmen zur Verlängerung des Muskels/Verringerung der Hautspannung 4 bei sekundären Formen Therapie der Grunderkrankung
513
Abbildungen zum Kapitel Augenheilkunde
a
b
. Abb. 1 a Ektropium. b Entropium
. Abb. 2 Basaliom am Unterlid
. Abb. 3 Schwere eitrige Konjunktivitis. Am linken Auge Beteiligung der Orbita
a . Abb. 4 Bindehautmelanom mit Abtropfmetastase am Unterlid
a
b
. Abb. 5 a Nummuläre Hornhautnarben nach Adenovirusinfektion der Hornhaut (Keratoconjunctivitis epidemica). b Tiefe stromale Keratitis nach Herpesinfektion
b
. Abb. 6 a Endophthalmitis mit erheblicher gemischter Injektion, gelblich-weißlichem Augeninhalt und Hypopion (Leukozytenspiegel in der Vorderkammer unten). b Schwere Endophthalmitis mit nahezu vollständiger Ausfüllung der Vorderkammer mit Leukozyten sowie Randinfiltraten am Limbus oben
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
514
Abbildungen zum Kapitel Augenheilkunde
a
b
. Abb. 7 a Linsentrübung, Cataracta senilis. b Katarakt mit brauner Kerntrübung im Spaltbild
. Abb. 8 Angeborenes Glaukom mit deutlich vergrößertem Hornhautdurchmesser
a
. Abb. 9 Papille mit glaukomatöser Exkavation und Ausdünnung des Randsaums oben
a
b
b
. Abb. 10 Automatische Schwellenperimetrie. a Glaukomatöser Gesichtsfeldschaden mit bogenförmigem Ausfall ausgehend vom blinden Fleck. b Fortgeschrittener glaukomatöser Gesichtsfeldschaden mit röhrenförmigem Restgesichtsfeld
c
. Abb. 11 a Hufeisenloch mit Ablatio retinae. b Zentrale Amotio mit Loch in der Makula bei hoher Myopie. c Traktive Amotio bei proliferativer Vitreaoretinopathie (PVR)
515 Abbildungen zum Kapitel Augenheilkunde
a
b
. Abb. 12 a Trockene Form der altersbedingten Makuladegeneration (AMD) mit kreisförmigen Atrophien des retinalen Pigmentepithels. b Feuchte Form der altersbedingten Makuladegeneration (AMD) mit schmutzig-grauer Neovaskularisationsmembran unter der Netzhaut und Blutungen
a
b
. Abb. 13 a Zentralvenenthrombose mit streifenartigen Blutungen in der Nervenfaserschicht der Netzhaut. b Zentralarterienverschluss mit »kirschrotem« Fleck der Makula bedingt durch ein ischämisches Ödem
a
b
c
. Abb. 14 a Nicht-proliferative diabetische Retinopathie mit Blutungen und Exsudaten. b Proliferative diabetische Retinopathie mit präretinaler Blutung. c Proliferative diabetische Retinopathie mit Gefäßneubildungen an der Papille. Am Rand erkannt man Laserherde
a
b
. Abb. 15 a Kleines papillennahes Aderhautmelanom aus einem Nävus herauswachsend. b Großes Aderhautmelanom vom Ziliarkörper ausgehend
516
Abbildungen zum Kapitel Augenheilkunde
a . Abb. 16 Totale Optikusatrophie mit weißlicher Papillenfarbe
b
. Abb. 17 a Unscharfe Papille, im Niveau liegend mit Blutung oben bei anteriorer ischämischer Optikoneuropathie, einer arteriellen Perfusionsstörung des Sehnerven. b Unscharfe Begrenzung der Papille mit Halo und leichter Prominenz als Zeichen der Stauungspapille
a
b
. Abb. 18 Bitemporaler Gesichtsfeldausfall bei Läsion der Sehbahn im Chiasma
a
b
. Abb. 19 a Einseitiger Exophthalmus bei malignem Orbitaprozess. b Orbitaprozess mit Exophthalmus, Exotropie, Chemose, Gefäßreaktion und entzündlicher Infiltration der Orbita und Periorbita. Differenzialdiagnostisch müssen entzündliche und maligne Prozesse ausgeschlossen werden
517 Abbildungen zum Kapitel Augenheilkunde
a
b . Abb. 20 Abduzensparese links. Das linke Auge kann nicht nach außen abduziert werden. In Primärposition besteht eine kleine Abweichung des linken Auges nach innen (Esotropie)
. Abb. 21 a Symblepharon bei Trachom. b Trachomläsionen im Tarsus des Oberlides
518
Abbildungen zum Kapitel Dermatologie
Abbildungen zum Kapitel Dermatologie
. Abb. 22 Köbner-Phänomen bei Lichen ruber planus: linear angeordnete lividrote Papeln nach mechanischer Reizung (Kratzen)
. Abb. 23 Urtikaria mit Quaddeln in der Kniekehle
. Abb. 24 Atopisches Ekzem mit Lichenifikationen in den Ellenbeugen
. Abb. 25 Allergisches Kontaktekzem auf nickelhaltige Gürtelschnalle
519 Abbildungen zum Kapitel Dermatologie
. Abb. 26 Arzneimittelexanthem nach Einnahme eines Antibiotikums
. Abb. 28 Tinea capitis
. Abb. 30 Lues im Stadium I mit Ulcus durum am Penis
. Abb. 27 Gesichtserysipel mit Blasenbildung am rechten Nasenflügel
. Abb. 29 Herpes zoster im Gebiet des Dermatoms L5/S1 links
. Abb. 31 Psoriasis vulgaris mit (häufig anzutreffendem) Befall der Rima ani
520
Abbildungen zum Kapitel Dermatologie
. Abb. 32 Erythema exsudativum multiforme mit zonal aufgebauten Plaques am Daumenballen
. Abb. 33 Bullöses Pemphigoid mit charakteristischem Nebeneinander von Blasen, Erosionen, Erythemen und urtikariell anmutenden Läsionen
. Abb. 34 Basalzellkarzinom an der Schläfe
. Abb. 35 Spinozelluläres Karzinom der Unterlippe
. Abb. 36 Malignes Melanom am Rücken
. Abb. 37 Mycosis fungoides mit Tumoren auf »patches« an der oberen Thoraxapertur
521 Abbildungen zum Kapitel Dermatologie
. Abb. 38 Vitiligo
. Abb. 39 Alopecia areata
. Abb. 40 Acne vulgaris
. Abb. 41 Vasculitis allergica mit charakteristischem Befall der unteren Extremitäten (Ventral- und Dorsalansicht des linken Unterschenkels)
522
Abbildungen zum Kapitel HNO
Abbildungen zum Kapitel HNO
© Cochlear Ltd.
a
b
© MED-EL
. Abb. 42 Technische Implantate zur Hörverbesserung. Im Vergleich Normalzustand, Cochleaimplantat, Mittelohrimplantat und Hirnstammimplantat. a Prinzipieller Aufbau der Hörbahn von Trommelfell, Gehörknöchelchenkette (beides mechanische Schwingung in Luft) bis zur Grenze des ovalen/runden Fensters, der Cochlea (Ort der Transduktion von mechanischer Schwingung in Flüssigkeit zu neuralen Effekten an Haarzellen, Hörnerv und zentraler Hörbahn bis zum auditiven Kortex. Angriffspunkte gehörverbessernder mikrochirurgisch platzierter Implantate im Falle des Mittelohrimplantats (MOI), des Cochlea-Implantats (CI) und des Hirnstammimplantats (BSI = »brain stem implant«). b Platzierung des Mittelohrimplantats an den Inkus (links) oder die runde Nische (rechts) (mit freundlicher Genehmigung der Fa. Cochlear, Basel, Schweiz)
. Abb. 43 Cochlea-Implantat (CI), Implantat mit gerader mehrkanaliger Elektrode und Antennenspule rechts oben. Implantat, retroaurikulär getragener Sprachprozessor mit Antenne und Fernbedienungseinheit links unten (mit freundlicher Genehmigung der Fa. MED-EL, Innsbruck, Österreich)
523 Abbildungen zum Kapitel HNO
. Abb. 45 Typisches Narbenkeloid bei ghanesischem Patienten mit konstitutionell erhöhter Fibroblastenaktivität . Abb. 44 Othämatom links a
b
c
d
. Abb. 46a–d Typen der Trommelfellretraktion, a Normalzustand mit regelrechter Position des Trommelfells und der Gehörknöchelchenkette (Tf = Trommelfell, P = Pauke (Mittelohr), H = Hammer, A = Amboss, St = Steigbügel, An = Antrum mastoideum, To Tubenostium), b Retraktion bei Tubenokklusion oder -Fehlfunktion, c Retraktion epitympanal im Pars flaccida Anteil des Trommelfells, beginnendes Cholesteatom, d fortgeschrittene Retraktionscholesteatome, epitympanales und Attikcholesteatom (e), Pars tensa Retraktion des Trommelfells mit Retraktionscholesteatom (t), jeweils mit Destruktion der Gehörknöchelchen
. Abb. 46e–i Typen hörverbessernder Mittelohr-Operationen. e Normalzustand des Mittelohrs (T = Trommelfell, H = Hammer, A = Amboss, S = Steigbügel), f Tympanoplastik nach Wullstein Typ IIIb mit Partialprothese (PORP), g dto. mit Totalprothese (TORP), h Stapedotomie mit Pistonprothese (z. B. aus Titan), i Mittelohrimplantat (MOI) mit floating mass tranducer am Amboss, der über ein Kabel von einer implantierten Elektronik schallabhängig in Schwingung versetzt wird (Signal- und Energieübertragung durch die geschlossene Haut)
e
f
g
h
i
524
Abbildungen zum Kapitel HNO
. Abb. 47a Chronisch mesotympanale Otitis media mit zentraler Trommelfellperforation, gerötete und geschwollene Paukenschleimhaut über dem Promontorium. Umbo bei 12 Uhr des Defekts randbildend
. Abb. 47b Cholesteatom links, Trommelfell tief retrahiert, Cholesteatom weißlich schimmernd von der Pars flaccida des Trommelfells ausgehend auf das Gehörgangsdach reichend, keine Granulationspolypen, keine Otorrhö
. Abb. 48 Glomus-jugulare-Tumor des rechten Ohrs. Der rötlich durchschimmernder Tumor liegt retrotympanal im hinteren unteren Trommelfellquadranten
. Abb. 49 Großer kindlicher Nasenfurunkel links
. Abb. 50 Gesichtserysipel ausgehend von einem Nasenfurunkel links. Metastatischer subkutaner Abszess am Unterlid links . Abb. 51 Chronische Rhinosinusitis mit Polyposis im mittleren Nasengang links. Endoskopisches Bild
. Abb. 52 Sublabialer Zugang zur Rhinobasis („midfacial degloving“) hier nach Resektion eines invertierten Papilloms der Rhinobasis nach abgeschlossener Osteosynthese der Kieferhöhlenvorderwand. Links neben dem verplatteten Mittelgesicht Blick auf die Apertura piriformis mit Einblick in die Nasenhaupthöhle
525 Abbildungen zum Kapitel HNO
. Abb. 53 Stark vergrößerte Tonsillen mit membranösen Belägen bei Monozytenangina
. Abb. 54 Karzinom des Nasopharynx. Bild durch Endoskopie des Nasopharynx mittels Velotraktion. Tumor am Dach des Nasopharynx (blaue Pfeile), oben im Bild Choane mit hinterem Muschelende (roter Pfeil)
. Abb. 55 Karzinom der Mundhöhle links am Zungenrand mit benachbarter Leukoplakie und kleinem exophytischem Tumor am dorsalen Rand (rechts)
. Abb. 56 Akute Angina tonsillaris, rechts stärker als links ausgeprägt mit weißlichen Stippchen
. Abb. 57 Oropharynxkarzinom links. Linksseitige unilaterale Tonsillenvergrößerung. Bei Betastung derbe Konsistenz
. Abb. 58 Oropharynxkarzinom links am Zungengrund mit Ausdehnung bis zum oberen Rand der Epiglottis
526
Abbildungen zum Kapitel HNO
. Abb. 59 Computertomogramm in Höhe des Oropharynx mit Nachweis des ausgedehnten Oropharynxkarzinoms aus Abb. 58, heranreichend an die Gefäß-Nervenscheide nach dorsal und in die Mundbodenmuskulatur nach ventral
. Abb. 60 Zyste der Vallecula epiglottica links (Patient in Rückenlage bei mikrolaryngoskopischer Endoskopie in Intubationsnarkose)
. Abb. 62 Ausgedehntes Karzinom des Larynx am Operationspräparat nach totaler Laryngektomie mit ausgedehntem exophytischen Tumor des subglottischen Abhangs links (unterer Pfeil), unruhiger Schleimhautoberfläche über dem submukösen Tumorinfiltrat der Taschenfalte links (oberer Pfeil), Glottis links und Recessus Morgagni von Tumor infiltriert, Tumor wächst an der vorderen Kommissur in die Gegenseite ein (Pfeil rechts)
. Abb. 61 Supraglottisches Larynxkarzinom, Mikrolaryngoskopie mit optischer Vergrößerung des Epiglottisrands. Dort leukoplakisch-exophytischer Tumor. In der Tiefe des Larynx unscharf die regelrechte linke Glottis
. Abb. 63 Karzinom des vorderen Stimmlippendrittels links bis in die vordere Kommissur reichend
527 Abbildungen zum Kapitel HNO
. Abb. 64 Karzinom des Larynx mit Infiltration der Interarytenoidregion und Aryregion links (blaue Pfeile) mit Schwellung der aryepiglottischen Falte. Links Phonationsstellung des Larynx, rechts Respirationsstellung
. Abb. 65 Ausgedehntes Karzinom der Glandula parotis in lange vorbestehendem pleomorphem Adenom mit ipsilateraler zervikaler lymphogener Metastasierung rechts
. Abb. 66 Mediane Halszyste in Höhe des Hyoids
. Abb. 67 Zervikale Metastase rechts bei Oropharynxkarzinom rechts mit derber Halsschwellung
529
A–B
Stichwortverzeichnis A ABCDE-Regel 262 Abdecktest 87 Abduzensparese 90, 91 Abszess – epiduraler 403 – parapharyngealer 511 – subduraler 403 – subperiostaler 401, 402 Acanthosis nigricans 275 Ackermann-Tumor 435 Acne – comedonica 299 – excoriée des jeunes filles 301 – fulminans 301 – infantum 301 – inversa 301, 302 – medicamentosa 301 – neonatorum 300 – tarda 301 – venenata 301 – vulgaris 299–301 ACR-Kriterien, Lupus erythematodes 226, 227 Acrodermatitis – chronica atrophicans 161 – continua suppurativa 200 Aderhaut – Anatomie 67 – Entzündung 7 Uveitis – Fehlbildungen 67 – Lymphom 68 – Melanom 68, 69, 262 – Nävus 69 AGEP 151 AIDS 190, 191 Akanthamöben-Keratitis 30 Akantholyse 113 Akanthose 113 Akne 7a. Acne Akne-Tetrade 246 Akrokeratosis Basex 275
Aktinomykose, Laryngitis 455 Akustikusneurinom 364 Akzessoriusparese 349, 350 Allergietest 130, 131 Alopecia areata 289, 290 Alopezie – androgenetische 288, 289 – Definition 288 – frontal fibrosierende 292 – syphilitische 163 – vernarbende 292–293 – – gemischtzellige 293 – – lymphozytäre 292, 293 – – neutrophile 293 Alport-Syndrom 351 Alterssichtigkeit 7 Presbyopie Alterswarze 248 Ameloblastom 404–407 Amotio 7 Netzhautablösung Amsler-Test 61 Amyloidose 469, 470 Analfissur 324 Analvenenthrombose 325 Anamnese, ophthalmologische 2 Angina Ludovici 427 Angiom – eruptives 265 – seniles 265 Angioödem 450 – hereditäres 137 Angiosarkom 267 Anhidrose 305 Aniridie 38 Anisokorie 74 Ankyloglossie 423 Anomaloskop 4 Anorektalfistel 324, 325 Anotie 333 Antiphospholipid-Syndrom 308 Apert-Syndrom 351 Apex-orbitae-Syndrom 401 Aphthe 118, 426 – chronisch-rezidivierende 295 – Definition 295
Apnoe-Hypopnoe-Index 427 Applanationstonometrie 5 Argyll-Robertson-Pupille 74 Arteriitis temporalis 108, 310 Aryankylose, radiogene 467 Arzneimittelexanthem – makulopapulöses 148, 149 – urtikarielles 149, 150 Arzneimittelreaktion 148 – toxische 150, 280 Aspergillose 455 Aspermie 328 Asthenozoospermie 328 Ästhesioneuroblastom 405 Asthma bronchiale 395 Atherom 245, 335 Atopie-Stigmata 139, 140 Atrichie 288 Atrophie blanche 308, 318 Atrophie, Definition 117 Aufdecktest 87 Augapfelverletzungen 93, 94 Auge – rotes 109 – trockenes 23, 107 Augenbrennen 107 Augeninnendruck 5 Augenverätzungen 95, 96 Aurikularfistel 334 aurikulotemporales Syndrom 304 Auspitz-Phänomen 199 Autoimmundermatosen 215–231 – blasenbildende 216–223 Autoimmunsialadenitis 487 Azinuszellkarzinom 490 Azoospermie 328
B Bannwarth-Meningopolyradikuloneuritis 160 Barosinusitis 393, 394
M. Goebeler et al, Augenheilkunde, Dermatologie, HNO IN 5 TAGEN, DOI 10.1007/978-3-642-20412-8, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2011
530
Stichwortverzeichnis
Barrett-Ösophagus 479 Basaliom 249, 249 Basalzellkarzinom 249, 250, 339, 340 Beau-Furche 294 Becker-Nävus 248 Begleitschielen 85, 86 Beinvenenthrombose, tiefe 317 Bell-Phänomen 34 Berlin-Ödem 78 Besenreiservarizen 316 Bettwanze 195 Bezold-Mastoiditis 511 Bienengiftallergie 133, 134 Bindegewebserkrankungen 281–286 Bindehaut – Anatomie 18 – Degeneration 24 – Diagnostik 19 – Pathologie 18 – Tumoren 24, 25 Bindehautentzündung 7 Konjunktivitis Blaschko-Linie 246 Blase 116 Blastomykose 389 Blepharitis chronica 9 Blepharochalasis 12 Blow-out-Fraktur 417 Bogengangsdehiszenz 360 Borkenkrätze 197 Borrelia burgdorferi 160 Borreliose 160–162 Bowen-Karzinom 255 branchio-oto-renales Syndrom 350 Breitnase 369 Brudzinski-Zeichen 416 Bulbusverletzung 78, 79, 93, 94 Bulla 116 Bursa pharyngealis 424 B-Zell-Lymphom, primär kutanes 272
C Café-au-lait-Fleck 237 Calcinosis cutis 228, 229 Candidabalanitis 180 Candidafollikulitis 178 Candidaintertrigo 177 Candidaonychomykose 178 Candidaparonychie 178 Candidosis, orale 426 CASPAR-Score 201 Chalazion 9 Chalkose 95 Chapel-Hill-Klassifikation 309 CHARGE-Syndrom 351 Cheilitis 425, 426 – actinica 251, 252 – granulomatosa 212 Chemodektom 357 Chiasma opticum 74 Chilblain-Lupus 225 Chlamydia trachomatis 20, 101, 169, 319 Chloasma 279 Chlorakne 301 Choanalatresie 376, 377 Cholesteatom 343–345, 347 Chondrodermatitis chronica helicis 339, 340 Chondrosarkom 466 Chordom 444 Churg-Strauss-Syndrom 312 Cicatrix 117 Cimikose 195, 196 CNV-Retinitis 98 Cochlea-Implantat 352 Cogan-Syndrom 358 Compound-Nävus 259 Condylomata – acuminata 187, 188 – lata 163 Contusio bulbi 78, 79 Corona phlebectatica paraplantaris 317, 318 Coryza 164 Costa cervicalis 495, 496 Covertest 86
Credé-Prophylaxe 21 CREST-Syndrom 229 Crouzon-Syndrom 350 Crusta 116
D Dakryolithiasis 16 Dakryozystitis 15, 402 Dakryozystographie 402 Daktylitis 201 Darier-Zeichen 273 Degeneration, pelluzide marginale 27 Dekubitus 126 Dellwarze 189 Dermatitis herpetiformis Duhring 223, 224 Dermatitis – atopische 8 – periorale 303, 304 – seborrhoische 190 – solaris 121, 122 Dermatochalasis 12 Dermatofibrosarcoma protuberans 268 Dermatomykose 170–181 – Hefepilze 176–180 Dermatomyositis 227–229, 276 Dermatophyten 171–176 – Diagnostik 171 – Einteilung 171 – Therapie 172 Dermatose, akute febrile neutrophile 276 Dermatoskopie 262 Dermis 113, 114 Dermographismus 118, 139 Desmosomen 113 Diaskopie 118 DiGeorge-Syndrom 351 Diphtherie 431, 454, 499, 500 Doppelbilder 107, 417 Dornwarze 186, 187 DRESS 151 Ductus nasolacrimalis, Stenose 15
531 Stichwortverzeichnis
Durafistel 414 Dyskeratose 113, 458 Dyskeratosis follicularis 236 Dysostosis mandibulofacialis 350 Dysphagie 349, 480 – funktionelle 445, 446 Dysplasie – fibröse Jaffé-Lichtenstein 405 – Pharynxschleimhaut 441, 442
E Eagle-Syndrom 445 Ectopia lentis 45 Eczema – herpeticatum 182 – molluscatum 189 Effloreszenz 115–117 Effluvium 288 Ektropium 10 Ekzem – atopisches 137–140 – Definition 118 – Diagnostik 140 – dyshidrosiformes 146 – nummuläres 144 – Provokationsfaktoren 139 – seborrhoisches 144 – Therapie 140 Elastose, solare 122 Elektrookulogramm 4 Elektroretinogramm 4 Enanthem 184 Endophthalmitis 41 Endothelmikroskopie 6 Engwinkelglaukom 51 Enophthalmus 107 Enthesitis 201 Entropium 11 Epheliden 257 Epidermis 112 Epidermoidzyste 245 Epidermolysis bullosa
– acquisita 223 – dystrophicans 241 – hereditaria 239, 240 – junctionalis 241 – simplex 240 Epidermomykose 172 Epiduralabszess 403 Epiglottitis, akute 453 Epikutantest 130, 131 Epiphora 14, 107 Episkleritis 37 Epistaxis 380, 381 Epworth Sleepiness Scale 429 Erblindung 104 – einseitige 109 – plötzliche 109 Erfrierung 125 Erosion 116 Erysipel 156, 337 – Gesicht 371–373 Erysipeloid 156, 157 Erythema – chronicum migrans 161 – exsudativum multiforme 183, 427 – gyratum repens 275 – induratum Bazin 309 – infectiosum 189, 190 – multiforme 183, 207, 208, 427 – necrolyticum migrans 276 – nodosum 209, 286 Erythrasma 160 Erythrodermie 118 Erythroplakie, orale 435 Erythroplasie Queyrat 254, 255 Erythrosis interfollicularis colli 123 Esotropie 87 Esotropie, akkomodative 88 Exanthem, Definition 118 Exkoriation 116 Exophthalmometrie nach Hertel 80 Exophthalmus 107 Exotropie 87 Expositionskeratopathie 34 Exsikkationsekzem 145 Exzyklorotation 89
B–F
F Farbensehen 4 Farbtafeltest nach Ishihara 4 Farnsworth-Farblegetest 4 Favus 175 Fazialisparese – entzündlich verursachte 362 – idiopathische 362 – traumatische 482 Feigwarze 187, 188 Felsenbeinfraktur 353, 361, 362 Felsenbeinspitzencholesteatom 345, 346 Felsenbeintumoren 349, 350, 364, 365 Fibroma molle 268 Filzlaus 195 Fissur 117 Fistel – anorektale 324, 325 – ösophagotracheale 472, 473 Flügelfell 24 Fluoreszeinangiographie 6 Fogo selvagem 217 Folliculitis – decalvans 293 – et perifolliculitis capitis abscedens et suffodiens 293 – scleroticans muchae 293 Franceschetti-Syndrom 333, 350 Fremdkörper – bronchialer 473, 474 – nasale 379 – ösophagealer 474, 475 – trachealer 473, 474 Fremdkörpergranulom 213 Frenulum – labialis, Verkürzung 422 – linguae, Verkürzung 422 Frenzel-Brille 359 Frey-Syndrom 304 Frontobasisfraktur 413 Frühgeborenenretinopathie 64, 65 Fundus hypertonicus 98 Fungus-Ball 396
Stichwortverzeichnis
532
Furunkel 158, 372–373 Fuß, diabetischer 320 Fußinfekt, gramnegativer 159
G Gamaschenulkus 318 Gaumenspalte 409, 422 Gefäßerkrankungen 307–320 Gefäßtumoren 264–267 Gehörgang, Tumoren 341, 342 Gerontoxon 27 Gerstenkorn 9 Gesichtsfelddefekte 74 Gesichtsfeldeinschränkung 109 Gesichtsfelduntersuchung 7 Perimetrie Gingivitis, akut nekrotisierende ulzerierende 426 Gingiovostomatitis herpetica 182 Glanznägel 139 Glaskörperabhebung 56, 57 Glaskörperblutung 57 Glaskörperentwicklungsstörungen 56 Glaskörpertrübung 56 Glaukom 51–54 – Diagnostik 52 Glaukom, Klassifikation 51 – primäres 51 – sekundäres 51 – Therapie 52–54 Glaukomanfall 53 Globus nervosus 445 Glockenschwengelpenis 163 Glomus-caroticum-Tumor 503, 504 Glomus-jugulare-Tumor 349, 356 Glomus-tympanicum-Tumor 349, 356 Glossitis 426, 427 – rhombica mediana 428 Goldenhar-Syndrom 351 Gonioskopie 52 Gonoblennorrhö 167 Gonokokkensepsis 167
Gonorrhö 167, 168, 427 Gorlin-Goltz-Syndrom 249 Gradenigo-Syndrom 344, 346 Granuloma – anulare 210, 211 – gangraenescens 390, 391 – pyogenicum 265, 266 – teleangiectaticum 265 grauer Star 7 Katarakt Greisenbogen 27 Greisendiskant 467 Grenzdivertikel 446 Grippeotitis 344, 346 Grisell-Syndrom 511 Grützbeutel 245 Gummen 164 Gürtelrose 184, 185 gustatorisches Schwitzen 304
H Haare 114 – Wachstumszyklus 114, 115 Haarfollikel 114 HAART 502 Haarzell-Leukoplakie 191, 428 Haarzunge 427 Hagelkorn 9 Halo-Nävus 259 Halsfehlstellungen 510, 511 Halsfistel 494, 495 Halslymphknotenmetastasen 507–509 Halsrippe, akzessorische 495, 496 Halstumoren – bösartige 505, 506 – gutartige 502–504 Halsverletzungen 496, 497 Halszyste 494, 495 Hämangiom – Hals 503, 504 – infantiles 264 – Pharynx 440 Hammerkopffixation, idiopathische 348, 349 Hämorrhoidalleiden 323
Hämospermie 328 Harlekin-Ichthyose 235 Haut – Aufbau 112 – Autoimmunerkrankungen 215–231 – Funktion 114 – Infektionskrankheiten 154–196 Hautalterung, UV-induzierte 122 Hautanhangsgebilde 114, 115 Hauttumoren, UV-induzierte 123 Heerfordt-Syndrom 209, 482, 487 Herpes zoster 184, 185 – ophthalmicus 10, 31, 32, 185 – oticus 185, 337 Herpes-Retinitis 98 Herpes-simplex-Infektion 181–183 – genitale 182, 183 – Gesicht 371–373 – orofaziale 182 – periunguale 182 Herpes-simplex-Keratitis 31 Herpes-Stomatitis 426 Heubner-Sternkarte 184 Hidradenitis, suppurative 301, 302 Himbeerzunge 427 Hirnabszess, rhinogener 403 Hirsekorn 245 Hirsutismus 293, 294 Histiozytom 268 HIV-Infektion 190, 191, 434, 435 – Therapie 502 HIV-Retinopathie 98 Höckernase 369 Hodgkin-Lymphom 505 Holmes-Adie-Pupille 74 Hordeolum 9 Horner-Syndrom 75 Hornhaut – Anatomie 25 – Diagnostik 26 Hornhautchirurgie, refraktive 34, 35 Hornhautdegeneration 27 Hornhautdystrophie 28 Hornhauterkrankungen, ulzerierende 32, 33 Hornhauttopographie 6
533 Stichwortverzeichnis
Hornhauttransplantation 35 Hornhautveränderungen, kongenitale 26 Hörsturz 355, 356 Hunter-Glossitis 426, 427 Hutchinson-Zeichen 261 Hyperhidrose 304, 305 Hyperkeratose 113 Hyperkeratosis plamoplantaris diffusa 235, 236 Hyperpigmentierung, postinflammatorische 280 Hyperreaktivität, nasale 387, 388 Hypersensitivitätskonjunktivitis 21 Hypersensitivitätssyndrom 149, 151, 152 Hypertonie, arterielle 98 Hypertrichose 288 Hypertrichosis lanuginose 275 Hypertropie 87 Hypohidrose 305 Hypopharynxdivertikel 446 Hypopharynxkarzinom 442, 443 Hypopion 108 Hyposensibilisierung 132 Hyposphagma 18 Hypotrichose 288 Hypotropie 87
I Ichthyosis 233–235 – epidermolytische 235 – lamelläre 234 – vulgaris 233, 234 – X-chromosomal-rezessive 234 IgA-Dermatose, lineare 221 ILVEN 247 Immunität – erworbene 129 – natürliche 129 Immunkomplexreaktion 129 Immunkomplexvaskulitis 313 Immunreaktionen 129, 130 Immunsialadenitis 483 Impedanzaudiometrie 345
Impetigo contagiosa 157, 158 Infekturtikaria 135 Infertilität 327, 328 Innenohrentzündung 355 Innenohrerkrankungen 350–360 Innenohrfehlbildungen 350–353 Innenohrschaden, toxischer 354, 355 Innenohrschwerhörigkeit 350 Innenohrverletzungen 353, 354 Insuffizienz, chronisch-venöse 317, 318 Intoleranzurtikaria 135 Intrakutantest 130 Inzyklorotation 89 Iridozyklitis 38, 39 Iris 38–43 Iris – Anatomie 38 – Entwicklungsstörungen 46 – Gefäßneubildungen 43 – Tumoren 42 Irisnävus 42 Iriszyste 42 Iritis 38, 39
J Jervell/Lange-Nielsen-Syndrom 351 Jochbeinfraktur 411 Jochbogenfraktur 410 Jod-Stärke-Test 305 Jones-Test 23 Juckreiz 7 Pruritus
K Kallmann-Syndrom 327, 329 Kalzinosis 228, 229 Kalziphylaxie 308 Kandidose 176–180 – 7 a. Candida – akute pseudomembranöse 178
F–K
– chronische mukokutane 179 – oropharyngeale 191 – vulvovaginale 179 Kaposi-Sarkom 191, 266, 267, 443, 466 Karbunkel 158 Kartagener-Syndrom 395 Karzinom – spinozelluläres 252, 253 – verruköses 435 Katarakt 46–49 – erworbener 46, 47 – Operation 47, 48 – sekundärer 47 – Tropen 102 Katzenkratzkrankheit 498 Kehlkopflähmung 467 Kehlkopfperichondritis 454 Keilbeinosteomyelitis 414, 415 Keining-Zeichen 228 Keloid 284 Keratektasie 26, 27 Keratektomie, phototherapeutische 35 Keratinozyten 112 Keratitis – Akanthamöben 30 – bakterielle 28, 29 – fungale 29 – infektiöse 29, 30 – neurotrophische 33 – periphere ulzerative 33 – Therapie 29, 30 – virale 31, 32 Keratoakanthom 254 Keratoconjunctivitis – epidemica 19 – sicca 23 Keratokonjunktivitis, atopische 21 Keratokonus 26 Keratopathie, metabolische 28 Keratoplastik 35 Keratose 116 Keratose – aktinische 186, 251 – seborrhoische 248 Keratosis follicularis 139 Kerion 175
534
Stichwortverzeichnis
Kernig-Zeichen 416 Kerzenwachsphänomen 199 Keuchhusten 431 Kiebitzeinävus 258 Kieferspalte 409 Kleiderlaus 194 Klinefelter-Syndrom 327 Klingelknopf-Phänomen 237 Knalltrauma 354 Knötchen 116 Koagulationsnekrose 95, 424 Köbner-Phänomen 118, 201 Kohärenztomographie, optische 6 Koilonychie 294 Kokzygealfistel 246 Kolliquationsnekrose 95, 424 Kolobom 38 Komedo 299 Kompressionstherapie 316, 318 Konchotomie 378 Konjunktivitis 19–22 – allergische 21 – bakterielle 19 – durch Chlamydien 20 – herpetische 19 – virale 19 Kontaktdermatitis 8 Kontaktekzem 140, 141 – allergisches 142, 143 – irritatives 141, 142 – Therapie 143 Kontaktpachydermie 456 Kopf-Hals-Tumoren – Stadieneinteilung 437 – TNM-Klassifikation 436 Kopf-Impuls-Test 345, 355, 361 Kopflaus 193 Korneozyten 112 Kraniopharyngeom 440 Krätze 196 Krikoidstenose 449, 468, 469 Krupp 454 Kruste 116 Kryoglobulinämie 231 Kryptozoospermie 328 Küttner-Tumor 483
L Labyrinthfunktionsprüfung 354 Lagerungsmanöver – nach Bárány 359 – nach Dix-Hallpike 359 Lagerungsschwindel, benigner paroxysmaler 359 Lagewechselmanöver nach Brandt-Daroff 360 Langnase 369 Lanugohaar 114 Lärmtrauma 354 Laryngeusparese 467 Laryngitis – akute 452, 453 – chronische 453, 454 – spezifische 454 – subglottische 454, 476 Laryngomalazie 448 Laryngozele 449 Larynxentzündungen 452–455 Larynxfehlbildungen 448, 449 Larynxkarzinom 459–465 – Diagnostik 459 – Klinik 459 – Stadieneinteilung 41 – supraglottisches 461 – Therapie 462–465 – TNM-Staging 460 – verruköses 465, 466 Larynxödem 450, 451 – chronisches 452 Larynxpapillomatose 457, 477 Larynxsarkom 466 Larynxtumoren 457–466 Larynxverletzungen 450 Lasègue-Zeichen 416 Lasseur-Graham-Little-Syndrom 205 Latexallergie 134 Lederhaut 7 Sklera LeFort-Einteilung 410 Leimohr 343 Leishmaniose 192, 193 Lempert-Manöver 360
Lentigo – senilis 257 – simplex 256, 257 Lentigo-maligna-Melanom 261 LEOPARD-Syndrom 257 Lepra 101, 389, 431 Leukokorie 109 Leukonychie 294 Leukoplakie 119, 297, 440 – Larynx 457 – Schleimhaut 252 Lichen – ruber 204–206 – – follicularis 292 – – planus 426 – – Hyperpigmentierung 280 – sclerosus et atrophicus 283, 284 Lichenifikation 117 Lichtblitz 108 Lichtdermatose, polymorphe 123, 124 Lichtscheu 107 Lid – Anatomie 8 – Fehlstellungen 10–12 – Pathologie 8–13 – Phlegmone 9 – Tumoren 12–14 – Verletzungen 93 Lidhämatom 417 Lidödem, allergisches 8 Lidschwellung 108 Lingua – geographica 428 – plicata 428 Linse, Anatomie 45 Linsentrübung 46–49 Lipodermatosklerose 317 Lipom 269 Lippen-Kiefer-Gaumenspalte 409, 421 Lippenspalte 409, 422 Lippentumoren 434, 435, 438 Liquorfistel, rhinobasale 416 Lischknötchen 237
535 Stichwortverzeichnis
Livedo 307, 308 – Definition 307 – racemosa 308 Livedoid-Vaskulopathie 308 Löffelnagel 294 Lues 7 Syphilis Luftröhre 7 Trachea Lupus erythematodes 224–227 – ACR-Kriterien 226, 227 – chronisch diskoider 224, 225, 292 – Diagnostik 226 – medikamentös induzierter 226 – neonataler 226 – profundus 226 – Prognose 227 – subakut-kutaner 225 – systemischer 225–227 – Therapie 227 Lupus erythematodes, tumidus 225 Lupuspannikulitis 226 Lyell-Syndrom 22 Lymphadenitis colli – spezifische 498, 499 – unspezifische 497, 498 Lymphadenopathie – generalisierte 499 – HIV-assoziierte 501, 502 Lymphadenosis cutis benigna 160, 161, 272 Lymphangiom 503, 504 Lymphgefäßerkrankungen 318, 319 Lymphknotensyndrom, mukokutanes 311 Lymphknotentuberkulose 498, 499 Lymphödem, kongenitales 318 Lymphödem – primäres 318 – sekundäres 319 Lymphogranuloma – inguinale 319 – venereum 169, 170 Lymphom – Ann-Arbor-Klassifikation 506 – primär kutanes 269, 270 Lymphoreticulosis benigna 498
M Madelungscher Fetthals 502 Magenhochzug 480 Makroangiopathie, diabetische 320 Makrotie 334, 335 Makula 115 Makuladegeneration, altersbedingte 61 Makuladystrophie 60, 61 Malleus 389 Marfan-Syndrom 239 Mariske 325 Marjolin-Ulkus 318 Masern-Keratitis 32 Mastozytom 274 Mastozytose 273 Mastzellleukämie 273 Meibom-Drüse 22 Melanom, malignes 260–263 – akrolentiginöses 261 – amelanotisches 262 – – Ätiologie 260, 261 – – Diagnostik 262, 263 – – Klinik 261, 262 – – Mundhöhle 435, 438 – – Nase 374 – – Ohr 339, 340 – – Therapie 263, 341 – noduläres 261 – okkultes 262 – okuläres 262 – superfiziell spreitendes 261 Melanonychie 295 Melanose, neurokutane 257 Melanosis naeviformis Becker 248 Melanozyten 112 Melasma 279 Melkersson-Rosenthal-Syndrom 427 Melotie 334 Menière-Syndrom 357, 358 Meningeom 364, 405–407 Meningitis 403 – lymphozytäre 160
K–M
Merkel-Zellen 112 Merkel-Zellkarzinom 255, 256 Meyenburg-Altherr-UehlingerSyndrom 337 Mikroangiopathie, diabetische 320 Mikrosporie 175 Mikrostomie 230 Mikrostrabismus 88 Mikrotie 333, 335 Milie 245 Miosis 74, 108 Mitesser 299 Mittelgesichtsfehlbildungen 409, 410 Mittelgesichtsfrakturen 410–412 Mittelohrentzündung 7 Otitis media Mittelohrtuberkulose 343 Mittelohrtumoren 349, 350 Moebius-Syndrom 351 Molluscum contagiosum 10, 189 Monokelhämatom 417 Mononukleose, infektiöse 432, 501 Monozytenangina 432 Morbus – Behçet 286, 295–297, 427 – Boeck 498 – Bourneville-Pringle 238 – Bowen 254, 255, 435 – Darier 236 – Favre-Racouchot 123 – Kawasaki 309, 311 – Menière 357, 358 – Osler-Rendu-Weber 381 – Raynaud 307 – von Recklinghausen 237, 238 – Wegener 311 Morphaea 282 mouches volantes 109 Mukoepidermoidkarzinom 490 Mundhöhlenentzündungen 425, 426 Mundhöhlentumoren 435, 436, 439 Mundhöhlenverletzungen 424, 425 Myasthenia gravis 467 Mycosis fungoides 270
Stichwortverzeichnis
536
Mydriasis 74, 109 Myelom, multiples 444 Mykide 176 Mykosen, superfizielle 170–181 Myringoplastik 343
N Nachtblindheit 102, 109 Nagel 115 – Aufbau 294 Nagelerkrankungen 294, 295 Nagelpsoriasis 200 Nagelveränderungen 294 Nahrungsmittelallergie 132, 133 Narbe 117 – Definition 284 – hypertrophe 284 NARES 388 Nasenbluten 380, 381 Nasendeformitäten 369 Naseneingangsatresie 375 Naseneingangsekzem 371–373 Naseneingangsstenose 375, 376 Nasenfistel, mediane 368 Nasenfurunkel 372–373 Nasenmuschelhyperplasie 378 Nasennebenhöhlenentzündung 7 Sinusitis Nasennebenhöhlentumoren 404–408 Nasenpolyp 394, 395 Nasenrachenfibrom, juveniles 440 Nasenseptumdeviation 377, 378 Nasenseptumperforation 379, 380 Nasentumoren 373, 374, 404–408 Nasenverletzungen 370 Nasenzyste 368 Nasopharnyxkarzinom 438, 442, 443 Nävus (Naevus) – atypischer 259 – blauer 260 – Definition 246 – dermaler 259 – dysplastischer 259
Nävus, epidermaler 247 – inflammatorischer linearer verruköser epidermaler 247 – melanozytärer 257, 258 – nicht-melanozytärer 246, 247 – sebaceus 247, 248 – spilus 258 Nävuszellnävus – melanozytärer 258, 259 – papillomatöser 259 Neck dissection 508, 509 Necrobiosis lipoidica 211, 212 Nekrolyse, toxische epidermale 149 Nervus 7 unter den einzelnen Nerven Netzhaut – Anatomie 57 – Venenthrombose 62 – Zentralarterienverschluss 63 Netzhautablösung 59 – exsudative 59 – rhegmatogene 59 – traktive 59 Netzhautdegeneration, periphere 58, 59 Neurilemmom 502, 503 Neuritis nervi optici 75, 76 Neurodermitis 7 Ekzem, atopisches Neurofibromatose, Typ I 237, 238 Neuropathie, diabetische 320 Nikolski-Zeichen 119, 152 Nodus 116 Non-Hodgkin-Lymphom 269, 505 Normozoospermie 328
O Oberkieferosteomyelitis 414, 415 Offenwinkelglaukom 51 Ohr, äußeres – Dysplasie 333–335 – Entzündungen 337–339 – Tumoren 339–341 – Verletzungen 336
Okulomotoriusparese 90 Oligozoospermie 328 Onchozerkose 101, 102 Onycholyse 294 Onychomadese 294 Onychomykose – distolaterale subunguale 174 – proximale subunguale 174 – total dystrophische 174 – weiße superfizielle 174 Onychorrhexis 294 Onychoschisis 294 Ophthalmia neonatorum 20, 21 Ophthalmie, sympathische 42 Ophthalmopathie, endokrine orbitale 418 Ophthalmoskopie 5 Optikusatrophie 71 Optikusneuropathie – anteriore ischämische 71 – hereditäre 71 – ischämische 71, 108 – toxische 71, 72 Orbita – Anatomie 78 – Trauma 78, 79 – Tumoren 79–81 Orbitabodenfraktur 79, 94, 417 Orbitadachfraktur 79 Orbitaödem 401 Orbitaphlegmone 401 Orbitatumoren 419 Orbitopathie, endokrine 81–83 Orientbeule 192 Oropharynxkarzinom 442, 443 Orthokeratose 458 Ösophagitis 477 Ösophagus – Fremdkörper 474, 475 – Verätzung 475, 476 Ösophagusatresie 472, 473 Ösophaguskarzinom 479, 480 Osteogenesis imperfecta 351 Osteom 404–407 Osteomyelitis 414, 415 Ostiofollikulitis 158
537 Stichwortverzeichnis
Ostitis – multiplex cystoides Jüngling 209 – nekrotisierende 363 Otabtosis 335 Othämatom 336 Otitis – externa 338, 339 – – maligna 363 – interna 355 – media 343–347 – – bakterielle 344, 346 – – chronische 343–345, 347 – – Diagnostik 345 – – Klinik 344, 345 – – mesotympanale 345, 347 – – sekretorische 343, 344, 346 – – Therapie 346 Otorrhö, fötide 363 Otosklerose 348, 349 Otserom 336
P Pachyonychie 294 Palmoplantarkeratose 235, 236 Panarteriitis nodosa 311 Pannikulitis 285, 286 Panuveitis 41 Papel, Gottronsche 228 Papillenschwellung 73 Papillitis 72, 75, 76 Papillom – adultes 457 – invertiertes 404–407 Papillomatose, tracheale 477, 478 Papillomviren, humane 186–188, 457 Papula 116 Papular-purpuric-gloves-andsocks-Syndrom 190 Papulose, bowenoide 188 Paragangliom 349, 364, 503, 504 Parakeratose 113, 458 Parapharyngealabszess 510 Parinaud-Syndrom 74
Parotidektomie 489–491 Parotitis – epidemica 482, 483, 486 – chronisch-rezidivierende 483 PASI-Score 202 Pathergie-Zeichen 296, 315 Pediculosis – capitis 193, 194 – vestimentorum 194, 195 – pubis 195 Pedikulose 193 Pemphigoid – bullöses 218–220 – gestationis 220 – okuläres 22 – vesikulöses 219 Pemphigus – Diagnostik 217 – foliaceus 216–218 – neonataler 217 – paraneoplastischer 217, 276 – Therapie 218 – vegetans 217 – vulgaris 216–218, 427 Pendred-Syndrom 351 Perforansvarizen 316 Perichondritis 337 Perimetrie 2 Peritonsillarabszess 433 Pertussis 431 Peutz-Jeghers-Syndrom 257 Pfeiffer-Syndrom 351 Pfeiffer-Tonsillitis 432, 501 Phakomatose 237–239 Pharyngitis – akute 430, 431 – chronische 430, 431 Pharynxkarzinom 442–444 Pharynxschleimhaut, Dysplasie 441, 442 Pharynxtumoren 440, 441 Phlebitis 317 Phlebothrombose 317 Phlegmone 159, 401 Phorie 86, 87 Photochemotherapie 204 Photopherese, extrakorporale 271
M–P
Photopsie 108 Phototherapie 204 Phthiriasis palpebrarum 10 Pilonidalsinus 246 Pilz-Rhinosinusitis 396 Pingueculum 24 Pityriasis – rosea 207 – versicolor 180, 181 Plantarwarze 186, 187 Plaque 116 Plasmozytom, extramedulläres 444 Plummer-Vinson-Syndrom 479 Poikilodermie 119, 228 Polyangiitis, mikroskopische 313 Polyarteriitis nodosa 309, 311 Polyarthritis, arthrogene 467 Polysomnographie 429 PORP 347 Potenziale, visuell evozierte 4 Presbyopie 45 Prick-Test 130 Primäreffloreszenz 115, 116 Prismencovertest 87 Prurigo 147 – nodularis Hyde 147 – simplex subactua 147 Pruritus 146–148 Pseudokrupp 454, 476 Pseudolymphom 272, 273 Pseudopelade Brocq 292 Pseudoptosis 108 Pseudostrabismus 87 Pseudotumor orbitae 418 Psoriasis 199–204 – Diagnostik 201, 202 – erythrodermatische 200 – guttata 200 – inversa 200 – Klinik 199, 200 – palmoplantaris 200 – pustulosa 200 – Therapie 202–204 – vulgaris 200 Psoriasisarthritis 201 Pterygium 24 Ptosis 11, 108
Stichwortverzeichnis
538
Pulsationsdivertikel 446 Punctumstenose 15 Pupillenreflex, weißlicher 109 Pupillenstörungen 74, 75 Pupillotonie 74 Purpura 119 Pustula 116 Pustulose, akute generalisierte exanthematische 151 PUVA 204, 271 Pyoderma gangraenosum 276, 313, 314 Pyramidenspitzensyndrom 344, 346
Q Quaddel 116 Quincke-Ödem 450
R Rachenverletzungen 424, 425 Ramsay-Hunt-Syndrom 337 Ranula 482 Rattenbissnekrose 230 Raynaud-Phänomen 229, 307 Refluxerkrankung, gastroösophageale 477 Refraktionsuntersuchung 2 Reibetest 130 Reinke-Ödem 452, 456 Retina 7 Netzhaut Retinitis pigmentosa 60 Retinoblastom 65 Retinopathie, diabetische 63, 64, 98 Retrobulbärneuritis 75, 76 Rhagade 117 Rheumaknoten 213 Rhinitis – akute 382, 383 – allergische 383–385 – atrophicans 386
– chronische 385, 386 – hyperreflektorische 387 – idiopathische 387 – sicca anterior 387 – vasomotorische 387 Rhinobasis – Erkrankungen 409–416 – Frakturen 412–414 – Tumoren 404, 405–408 Rhinoconjuncitivis allergica 131, 132 Rhinolith 379 Rhinomanometrie 378 Rhinopathia gravidarum 388 Rhinopathie – chronische 385, 386 – nicht-allergische mit Eosinophilie 388 Rhinophym 371 Rhinosinusitis 391, 395, 396 – chronische 395, 396 – dentogene 400 – endokranielle Komplikationen 403, 404 – fungale 396 – orbitale Komplikationen 401, 402 Rhinosklerom 380, 389 Rhonchopathie 428, 429 Riesenzellarteriitis 309, 310 Ringelröteln 189, 190 Röhrennagel 294 Rosacea 302, 303, 371 Rosacea-Keratitis 32 Rotlauf 156 Rotz 389 Rubella-Keratitis 32
S Salz-und-Pfeffer-Zeichen 229 Samter-Trias 395 Sandpapiernagel 290 Sängerknötchen 456 SAPHO-Syndrom 200 Sarkoidose 209, 210, 348, 349
– chronische Rhinitis 389 – Larynx 468 – Lymphknotenschwellung 498–500 – Speicheldrüsen 483, 488 Sattelnase 369 Säuglingshämangiom 264 Schallleitungsschwerhörigkeit 348 Scharlach 426 Schiefhals 510 Schiefnase 369 Schielen 7 Strabismus Schielsyndrom, frühkindliches 88 Schilddrüsenkarzinom 509, 510 – anaplastisches 509 – follikuläres 509 – papilläres 509 Schirmer-Test 23, 363 Schlafapnoe-Syndrom, obstruktives 428, 429 Schleimhautpemphigoid 221, 222 Schmerz, retrosternaler 480 Schulterheberschwäche 349 Schuppe 116 Schuppenflechte 7 Psoriasis Schwannom 364 Schweißdrüsen 115 Schweißdrüsenerkrankungen 304, 205 Schwellen-BERA 354 Schwiegervaterhandgriff 163 Schwimmbadkonjunktivits 20 Scratch-Test 130 Seborrhiasis 200 Seborrhö 299 Sebostase 139 Sehbahn – Anatomie 73, 74 – Läsionen 74 Sehbehinderung 104 – Entschädigung 104 – Frühförderung 105 – Rehabilitation 105 Sehnerv – 7 a. Optikus – Entwicklungsanomalien 72
539 Stichwortverzeichnis
Seitenastvarizen 316 Sekundäreffloreszenz 116, 117 Septumdeviation 377, 378 Septumperforation 379, 380 Sézary-Syndrom 271 Sialadenitis – akute 485 – – obstruktive 483 – allergische 483 – chronische 487, 488 – – sklerosierende 483, 487 – epitheloidzellige 488 – marantische 483 – myoepitheliale 483, 487 – radiogene 482, 486 Sialadenose 482, 484 Sialolithiasis 483, 484 Sialorrhö 475 Sicca-Syndrom 83 Siegle-Trichter 345 Sinus-Dura-Fistel 356 Sinusitis – akute 391–393 – chronische 394–400 – – Diagnostik 397 – – Differenzialdiagnostik 398 – – Klinik 396, 397 – – Therapie 399, 400 Sjögren-Syndrom 482, 486 Skabies 196, 197 Sklera 37, 38 – Farbveränderungen 37 Skleritis 37 Sklerodermie – progressive systemische 229, 230 – zirkumskripte 282, 283 Sklerose – Definition 119 – tuberöse 238 Sneddon-Syndrom 308 Sommersprossen 257 Sonnenbrand 121, 122 Soor 454 Spaltlampenuntersuchung 5 Spaltnase 369 Speicheldrüsen – Entzündungen 485–487
– Ranula 482 – Retentionszyste 482 – Sekretionsstörungen 482–485 – Verletzungen 482 Speicheldrüsentumoren 436, 488–491 Speichelgangkarzinom 491 Speiseröhre 7 Ösophagus Spermiogramm 327, 328 Spinaliom 252, 339, 340 Spindelzellnävus 259 Spitznävus 259 Spongiose 113 Sprachprozessor 352, 353 Squama 116 Stachelzellkarzinom 252 Stammvarizen 316 Stauungsdermatitis 318 Stauungsekzem 145 Stauungspapille 72 Steißbeinfistel 246 Stenose – Ductus nasolacrimalis 15 – kanalikuläre 15 Stevens-Johnson-Syndrom 22, 149, 152, 153, 426 Stewart-Treves-Syndrom 267 Stimmlippengranulom 456 Stimmlippenparese 448 Stimmlippenpolyp 456 Stimmstörungen – neurogene 467 – nicht-neurogene 467 Stirnbeinosteomyelitis 414, 415 Stirnlappenabszess 403 Stomatitis 426, 427 – herpetiformis aphthosa 426 – ulcerosa 427 Strabismus 85–90 – Diagnostik 86, 87 – divergens intermittens 89 – paretisches 89–91 – Therapie 88 Stratum papillare 113 Streifenkonchotomie 378 Striae distensae 285 Struma, intratracheale 477
P–T
Sturge-Weber-Syndrom 239 Styalgie 444 Stylohyoid-Syndrom 444 Subduralabszess 403 Subglottisstenose 448 Subkutis 114 Sutton-Nävus 259 Sweet-Syndrom 276, 286 Swinging-flashlight-Test 74, 79 Syphilid – makulöses 163 – papulöses 163 – tuberonodöses 164 Syphilis 162–167 – Diagnostik 165, 166 – Einteilung 162 – kongenitale 162, 164 – Laryngitis 454 – Lymphadenitis 498–500 – Pharyngitis 430 – primäre 162, 163 – quartäre 164 – Rhinorrhö 388 – Schleimhautentzündung 425 – sekundäre 162, 163 – seropositive latente 162 – tertiäre 162, 164 – Therapie 166, 167
T Tabaksbeutelmund 230 Takayasu-Arteriitis 309–311 Talgdrüsen 115 Talgdrüsenerkrankungen 299–303 Tapeziernagelphänomen 224 Teleangiektasie, hereditäre hämorrhagische 382 Teratozoospermie 328 Thornwaldt-Zyste 424 Thrombophlebitis migrans 276 Thrombophlebitis 317, 403 Thyreoidektomie 510
540
Stichwortverzeichnis
Tinea – barbae 175 – capitis 175, 293 – der freien Haut 172 – favosa 174 – manus 172 – pedis 173 – unguis 174 – versicolor 180 Tinnitus 356, 357 Tinnitus, pulssynchroner 350, 356 Tinnitusverdeckungskurve 357 Tonsillektomie 433 Tonsillitis 432, 433 TORP 347 Torus palatinus 422 Toxoplasmose 498–500 Toynbee-Manöver 345 Trachea – Entzündungen 476, 477 – Fehlbildungen 472, 473 – Tumoren 477–479 – Verletzungen 473–475 Trachealstenose, konnatale 472 Tracheitis 476 Tracheotomie 476 Trachom 101 Trachyonychie 294 Tränenfilm 22, 23 Tränenträufeln 107 Tränenwege, Erkrankungen 14–16 Tränenwegsobstruktion 402, 403 Tränenwegsspülung 402 Treacher-Collins-Syndrom 333, 350 Trichiasis 11 Trichilemmalzyste 245, 246 Trichogramm 288 Trichomoniasis 191, 192 Trichomykose 174, 175 Trichotillomanie 291, 292 Tripoidfraktur 411 Trochlearisparese 90 Trommelfellperforation, traumatische 342, 343, 361 Tropenophthalmologie 100–102 Tropie 87
Tuberkulose 388 – Laryngitis 455 – Pharyngitis 431 Tularämie 498–500 Tüpfelnagel 290 Tympanometrie 345 Tympanoplastik 343, 347 Tympanotomie 356 Tyndall-Effekt 260 Tzanck-Test 119 T-Zell-Lymphom, kutanes 271
U Überdruckbeatmung 430 Ulcus – cruris venosum 317, 317 – molle 168, 169 – rodens 250, 373 – terebrans 250 Ulkus – Definition 117 – diabetisches 320, 321 – Gradeinteilung 126 – Mooren 32 Uncovertest 87 Unfruchtbarkeit 327, 328 Unterberger-Schnitt 416 Urticaria pigmentosa 274, 275 Urtika 116 Urtikaria 134, 135 – akute 135 – Ätiologie 134 – autoreaktive 135 – Diagnostik 135 – Klinik 134 – medikamentös bedingte 135 – Therapie 136 Usher-Syndrom 351 Uveitis 39, 40 – Ätiologie 40 – intermedia 39 – posterior 40, 67 Uvulo-Palato-Pharyngo-Plastik 430 Uvulo-Velo-Pharyngo-Plastik 430
V Valsalva-Manöver 345 Varikose 316 Varizella-Zoster-Virusinfektion 183–185, 337, 371–373 Varizen 316 – retikuläre 316 Vaskulitis 309–314 – ANCA-positive 312, 313 – Diagnostik 310 – granulomatöse 390 – Klassifikation 309 – kochleäre 390 – nekrotisierende 313 – noduläre 309 – Therapie 310 VATERL-Assoziation 351 Venenerkrankungen 316–318 Verätzung – Auge 95, 96 – Haut 125, 126 – Mundhöhle 424 – Ösophagus 475, 476 Verbrennung 124, 125 Verbrühung 124, 125, 423 Verkehrsmedizin, Sehschärfe 104 Verruca – plana 187 – seborrhoica 248, 249 – vulgaris 186 Vesikula 116 Vestibularisneuropathie 358, 359 Visusbestimmung 2 Visusprüfung 87 Vitamin-A-Mangel 102 Vitiligo 278, 279 von-Mikulicz-Syndrom 209 Vulvovaginitis 182
541 Stichwortverzeichnis
W Waardenburg-Syndrom 350 Waldeyer-Rachenring, Entzündung 432 Wegener-Granulomatose 390 weicher Schanker 7 Ulcus molle Wespengiftallergie 133, 134 Wickham-Zeichen 119 Windpocken 183, 184 Winkelblockglaukom 53 Wundrose 156 Wurstfinger 201
X Xeroderma pigmentosum 241, 242 Xerophthalmie 23
Z Zeis-Drüse 22 Zenker-Divertikel 446 Zoster – generalisatus 185 – ophthalmicus 10, 31, 32, 185 – oticus 185, 337 Zoster-Neuralgie 337 Zoster-Retinitis 98 Zungenbiss 423 Zyste, epidermale 245 Zytomegalie-Virusinfektion 482, 486
T–Z
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