BEGEGNUNGEN
CIVITAS TERRENA #2
MARTIN HOYER
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AE-Firmenzentrale, Atlanta (EUMON) Vincent Alexander trat hinter das...
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BEGEGNUNGEN
CIVITAS TERRENA #2
MARTIN HOYER
2
AE-Firmenzentrale, Atlanta (EUMON) Vincent Alexander trat hinter das kleine Pult auf der rechten Seite der Bühne. Er lächelte, während sein Blick die Runde machte. „Guten Abend, meine Damen und Herren, geschätzte Gäste. Es freut mich aufrichtig, daß Sie meiner Einladung heute Abend so zahlreich gefolgt sind und ich möchte Sie alle herzlich begrüßen.” Er neigte leicht den Kopf. „Ich heiße auch die Damen und Herren von der Presse willkommen, obwohl ich mich nicht erinnern kann, in dieser Richtung Einladungen verschickt zu haben.” Vielfaches Gelächter und die ertappten Blicke einiger Gäste bewiesen Vincent, daß der Schuß ins Blaue dennoch ins Schwarze getroffen hatte. „Ich hoffe Sie alle genießen diese kleine Feier anläßlich des zehnjährigen Jubiläums von AE“, fuhr er fort, „und ich hoffe auch auf weiterhin gute Zusammenarbeit. Nun möchte ich das Podium nicht länger mit Beschlag belegen. Einen schönen Abend.” Von, wie er selbst befand, unverdientem Applaus begleitet verließ er das Pult und hinter ihm auf der drehbaren Tribüne erschien die Kapelle, welche sofort mit ihrem Programm begann. Vincent seinerseits zögerte, sich sofort unter die Leute zu begeben, obwohl er einige erwartungsvolle Blicke zu spüren glaubte. Er beschloß, sich statt dessen von der Galerie einen Überblick zu verschaffen. Es hat auch Vorteile, wenn man eine Feier in der eigenen Firmenzentrale gibt, dachte er bei sich und musterte von seinem erhöhten Standpunkt aus die Gäste. Die Galerie war nicht beleuchtet, selbst wenn einer der Gäste sich die Mühe gemacht hätte, nach oben zu blicken, wäre Vincent vermutlich unentdeckt geblieben.
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Von seinem erhöhten Standpunkt aus konnte er erkennen, daß sich innerhalb der Menge der Gäste bereits kleine Gruppen zu bilden begannen und er wußte, das dort nahezu jeder einen Großteil seines geistigen Potentials darauf verwendete, möglichst sinnleere Gespräche über noch belanglosere Dinge zu führen, also genau die Art von Smalltalk betrieb, mit der er sich nie hatte anfreunden können. In Gedanken strich er einige der Grüppchen von der Liste derer, zu denen er sich im Laufe des Abends gesellen würde. Er setzte seine Musterung fort und erkannte auch bald die Gruppen, in denen alte Bekanntschaften gepflegt oder private Gespräche geführt wurden. Er strich einen weiteren Punkt von seiner imaginären Liste und setzte seine Beobachtung fort: Einzelne Personen beiderlei Geschlechts, die sich bald zu einer, bald zu einer anderen Gruppe gesellten, gehörten eindeutig zur Presse und waren nach Möglichkeit zu meiden. Des weiteren waren da noch einzelne Damen ohne Herrenbegleitung, die nach irgend jemanden Ausschau hielten. Die Jagdsaison auf Junggesellen der High Society ist wieder eröffnet, stellte er sarkastisch fest. In der Menge entdeckte er jedoch auch Robert Deerhunt, in Fachkreisen als der „Eiserne Rob”, bekannt, Stahlmagnat oberster Rangordnung. In Hinsicht auf in Kürze geplante Projekte der AE war es vielleicht nicht schlecht, hier schon einmal auf Tuchfühlung zu gehen. Weitere interessante Personen waren Jean Algier, Flugzeugbau und Albert Bergt, Bankier. Vincent blickte auf die Uhr. Er stand schon fast eine halbe Stunde hier oben und es wurde langsam Zeit, seinen Pflichten als Gastgeber nachzukommen. Er wandte schon den Blick ab, als er sie erblickte. Sie stand etwas abseits von den anderen Gästen und er war sofort fasziniert. Nicht von ihrem Äußeren, gutes Aussehen war für die meisten der hier Anwesenden käuflich, es war eher die Tatsache, daß sie genau wie er einen abseitigen Beobach-
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tungsposten bezogen hatte, um sich eine Überblick zu verschaffen. Und wenn man bedachte, daß sie wie alle Gäste keinen Zugang zur Galerie hatte, war ihr Platz sehr gut gewählt. Direkt neben der Bühne, im Schatten des Vorhangs und hinter einer der Zierpalmen konnte man alles sehen, ohne dabei unangenehm aufzufallen. In Gedanken blätterte Vincent sämtliche Artikel aus Wirtschaftsmagazinen durch, die er ich aus vagem Interesse heraus zu merken versucht hatte. Woher kannte er das Gesicht? Da war etwas, ein Bericht, schon ein paar, nein fast genau zweieinhalb Jahre her: Aheema McGerwyn. Er hatte mit einigem Interesse gelesen, daß sie nach dem Tod ihres Vaters Thomas McGerwyn und dem Antreten des Erbes die mutmaßlich jüngste Konzernchefin weltweit sei. AMGA war ihm ein Begriff, obwohl er niemals direkt geschäftlich mit dem Unternehmen zu tun gehabt hatte. Er tauschte in Gedanken Robert Deerhunt gegen Aheema McGerwyn aus. Vincent gab viel auf seine Instinkte und hier hatten einige angesprochen, wobei er nicht ausschloß, daß nicht alle davon etwas mit seinem Geschäft zu tun hatten. Er erinnerte sich jedoch hauptsächlich an die ungewöhnlichen Hintergründe des Todes von Thomas McGerwyn. Die Sache versprach, interessant zu werden. Auf seinem Weg von der Galerie zog er ein Mobiltelefon aus der Innentasche seines Smokings und betätigte die Ruftaste. Es wurde sofort eine Verbindung hergestellt. „Horaz?”, fragte Vincent, bevor sich die Person am anderen Ende melden konnte. „Ja, Chef?” „Suchbegriff McGerwyn, Aheema. Finde alles dazu heraus.” „Selbstverständlich, es dürfte nur ein paar Sekunden dauern. Darf ich dich auf eine kleine Unregelmäßigkeit aufmerksam machen?”
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Vincent runzelte die Stirn. „Was ist passiert?” „Bis jetzt noch gar nichts. Allerdings erkennt die Raumüberwachung mehr Personen im Gebäude, als durch die Tür eingetreten sind. Es kann sich allerdings durchaus um eine Störung aufgrund der vielen Leute handeln.” „Vermutlich ... Bleib trotzdem an dieser Sache dran, wenn du Zeit dafür hast.” Er klappte das Gerät zu, verließ die Galerie und betrat den Festsaal. Und ging direkt in die Falle. „Mr. Alexander, ich dachte schon, Sie bleiben Ihrer eigenen Party fern. Schön, daß Sie doch noch aufgetaucht sind.” Vincent wünschte sich, er hätte es bleiben lassen. Die junge Frau gehörte genau zu der Gruppe, die zu meiden er sich dringend vorgenommen hatte. Dennoch rang er sich ein freundliches Lächeln ab. „Ich freue mich auch, Sie hier zu sehen, Miss Cline”, behauptete er, die Wahrheit nicht nur ein wenig strapazierend. Im Stillen wünschte er sie dahin, wo der Pfeffer wächst. „Ich hatte in den letzten Tagen den Eindruck, Sie weichen mir aus”, meinte die junge Frau mit dem recht extravaganten Abendkleid in einem Tonfall, der auch zu einem unzufriedenen Kind gepaßt hätte. Ja, dachte Vincent, ich habe mir Mühe gegeben. Aber man mußte nur eine Sekunde nicht achtgeben ... „Die Geschäfte lassen einen oft nicht zur Ruhe kommen”, entgegnete er mit einem entschuldigendem Gesichtsausdruck. Zumindest hoffte er, das es wie einer wirkte. „Es tut mir leid, wenn Ihnen dieser Eindruck entstanden ist.” Sie kicherte. „Ich verzeihe Ihnen, wenn der nächste Tanz mir gehört.” Tatsächlich hatten sich einige Gäste durchgerungen, auf dem freien Platz vor der Bühne zu tanzen. Es war das Letzte, was er jetzt vorhatte und schon gar nicht mit dieser aufdringli-
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chen Miss Cline. Er wollte gerade eine Ausrede anbringen, als ihn das Summen seines Telefons ganz unvermutet rettete. „Sie erlauben, Miss?”, sagte er und klappte mit einem entschuldigendem Blick im gleichen Atemzug das Gerät auf. Miss Cline besaß genug Anstand, nun von sich aus das Weite zu suchen. „Die Geschäfte lassen Ihnen anscheinend wirklich keine Ruhe, Mr. Alexander. Wir sehen uns ja sicher später noch.” „Aber natürlich, Miss Cline.” Er verdrehte die Augen. Nicht, wenn ich es irgendwie verhindern kann. „Ja, Horaz?” „Ich habe die Informationen, die du wolltest.” „Und du hast mir soeben das Leben gerettet.” „Auf mich wirkte die junge Dame nicht gefährlich.” Vincent lachte kurz auf. „Für dich vielleicht nicht, Horaz, geniale Datenjongleure fallen nicht in ihr Beuteschema.” „Schade eigentlich”, antwortete Horaz und in seiner Stimme klang ebenfalls mehr Belustigung als Enttäuschung mit. Ein Computer der neuesten Generation und eine nur für ihn reservierte Breitband-Standleitung übten mehr Anziehungskraft auf ihn aus als das andere Geschlecht. „Die Info, bitte”, meinte Vincent. „In der Kurzfassung, wenn möglich.” „Aheema McGerwyn, geboren in Karkuk, Iran am 26.04.1969 als Aheema Kalekh”, begann Horaz wie aus der Pistole geschossen. „Wohlhabende, streng islamische Familie. Kam mit ihrer Familie und dem lokalen Recht in Konflikt und mußte das Land verlassen. Reiste nach Großbritannien. Entging der Auslieferung nach damaliger Rechtslage in der EUMON nur, weil sie von Thomas McGerwyn adoptiert wurde. Der Rest ist größtenteils inoffiziell und unbestätigt. Soll ich fortfahren?” Die Gewißheit, daß Miss Cline vielleicht immer noch Kreise um ihn zog wie ein Hai um einen im Wasser treibenden Schiff-
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brüchigen, ließ Vincent keinen Augenblick länger als nötig über Horaz Frage nachdenken. „Sicher.” Horaz räusperte sich kurz. „Gerüchten zufolge nahm Miss McGerwyns Familie Kontakt mit einer radikalen islamischen Terrorgruppe auf, welche die verlorene Tochter eliminieren sollte, um die Ehre der Familie Kalekh wiederherzustellen. Dem Anschlag fiel jedoch ihr Adoptivvater, Thomas McGerwyn zum Opfer. Zwei Attentäter starben durch den Sicherheitsdienst auf McGerwyns Anwesen, zwei weitere entkamen. Es gab keine weiteren Anschläge und der Tod McGerwyns löste einige diplomatische Wirrungen zwischen Großbritannien und dem Iran aus, die nur durch die insgesamt guten Beziehungen zwischen den Europäischen Dynastien und den Emiraten kompensiert werden konnten. Aheema McGerwyn war von Thomas McGerwyn als Alleinerbin eingesetzt, er hatte keine weiteren lebenden Verwandten. Seit sechs Jahren leitet sie den Konzern.” „Und wie steht es um den?” „Einen Moment ...” Das leistungsfähige Telefon übertrug das Klappern einer Tastatur. „Tendenz steigend, wenn man den mir zugänglichen Unterlagen glauben schenken darf”, meinte er dann. „Offenbar hat Thomas McGerwyn seine Adoptivtochter ein paar gute Grundlagen in Sachen Konzernführung vermittelt, wenn mir diese Vermutung gestattet ist.” „Beeindruckend. Ich nehme an, AMGA verfügt über die von uns benötigten Bestände und Bearbeitungskapazitäten?” „Das dürfte der Fall sein, ja. Genaueres kann ich derzeit nicht sagen, die Datenbanksysteme des Unternehmens sind außerordentlich gut gesichert. Allerdings deutet einiges darauf hin, daß Robert Deerhunts Unternehmen seit zwei Jahren lediglich eine stille Tochtergesellschaft von AMGA ist. Möchtest du eine Aufzählung der Hinweise?”
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„Nicht nötig”, wehrte Vincent ab, er kannte Horaz’ Faible für komplizierte Beweisketten. „Was ist mit dieser Unregelmäßigkeit, von der du vorhin erzählt hast?” „Hm, anscheinend wirklich nur eine Störung.” „Um so besser. Danke, Horaz.” „Gern geschehen, o Sultan.” Die Verbindung brach ab. „Scherzkeks.” Vincent klappte das Gerät zu. Eine tolle Lebensgeschichte, überlegte er, nahezu filmreif. Und Aheema McGerwyn hatte auch seine private Höchstleistung geschlagen, denn mit gerade 29 Jahren hatte sie ihn als jüngsten Chef eines multinationalen Konzerns um fünf Jahre unterboten. Würde er Wert auf derartige Rekorde legen, bliebe ihm an dieser Stelle nur noch der Trost, daß er sein eigenes Imperium praktisch aus dem Nichts aufgebaut hatte. Nichtsdestotrotz nahm er sich vor, zuerst Jean Algier ansprechen, seine geschäftliche Disziplin durfte nicht unter privater Neugier leiden. Algier war sofort zu einem Gespräch bereit, was Vincent nicht überraschte. Bald war man auf einen gemeinsamen Nenner gekommen und verblieb vorerst dabei, in Kontakt zu bleiben. Der Nächste wäre Albert Bergt gewesen, doch dieser hatte die Feier inzwischen verlassen. Es war an der Zeit, Aheema McGerwyn aufzusuchen. Das erwies sich als überflüssig, denn sie hatte ihn gefunden. „Guten Abend, Mr. Alexander”, hörte Vincent eine Stimme hinter sich. „Ich wollte Ihnen die Mühe ersparen, nach mir zu suchen.” Vincent war für einen kurzen Moment verwirrt, etwas, daß ihm nur äußerst selten passierte. Genaugenommen war er seit seinem Aufstieg in der Weltwirtschaft nie wirklich verwirrt gewesen. Aber schließlich gab es immer ein erstes Mal. „Guten Abend ... Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz.” „Ich bitte Sie... Jean Algier, der leider nicht mehr anwesende Mr. Bergt und dann ich. Sie scheinen diese Feier zum Auf-
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bau neuer Geschäftsbeziehungen zu nutzen, oder liege ich da falsch?” Der Spott in ihrer Stimme war fast unspürbar, aber Vincent ging nicht zu Unrecht davon aus, daß von seiner Reaktion darauf einiges abhing. „Ich fürchte, Sie haben mich durchschaut, Miss McGerwyn”, gestand er. „Darf ich erfahren wie?” „Ich habe Sie beobachtet”, meinte sie. „Sie haben von der Galerie gespäht, wie der Falke nach seiner Beute. Ich mag es weniger, die Beute zu sein.” „Sie haben gute Augen, Miss McGerwyn. Ich hoffe Sie akzeptieren meine Entschuldigung angesichts der Tatsache, daß Sie ganz offensichtlich ähnlich vorgegangen sind.” Sie lächelte. „Ja, ich denke, wir sind quitt. – Tanzen Sie?” Die Frage kam unvermittelt, aber Vincent schaltete schnell. Ganz offensichtlich testete sie mit Vorliebe ihre Gegenüber. Das Spiel beherrschte Vincent auch. „Selbstverständlich. Ich darf bitten?” Die Tanzfläche hatte sich inzwischen gefüllt, doch es war immer noch genug Platz. Aheema McGerwyn schien ihren Test fortführen zu wollen. „Sie scheinen wenig von solchen Feiern zu halten. Warum geben Sie trotzdem welche?” Vincent entschloß sich, vorerst weiter mitzuspielen. „Ich folge dem Ratschlag meines Imageberaters. Und ich hoffe darauf, interessante Leute kennenzulernen.” „Zufällig ist das auch der Grund, aus dem ich solche Feiern besuche. Hatten Sie Erfolg?” „Nicht mehr als Sie.” „Dann hat sich der Abend ja für Sie gelohnt.” „Da könnten Sie recht haben.” Eine Weile bewegten sie schweigend weiter über das Parkett. Das war auch besser so, denn Vincent war kein Naturtalent, was das Tanzen angeht und brauchte seine ganze Konzentration, um sich nicht in den Schrittfolgen zu irren. Ein weiterer
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Grund, warum er derartige Anlässe im Grunde nicht leiden konnte. Dementsprechend war er froh, als sie die Tanzfläche wieder verließen und er hoffte inständig, daß seine Unsicherheit vor Miss McGerwyn verborgen geblieben war. „Sie scheinen auf dem Boden der Wirtschaft wesentlich gewandter zu sein als auf dem Tanzparkett”, stellte Aheema fest und machte seine Hoffnung zunichte. Vincent fand, daß es nun an der Zeit wäre, auf das Geschäftliche zurückzukommen. „Touché. Ich bin auch froh, das mein Geschäftsinn besser ist als meine tänzerischen Fähigkeiten.” „Ganz offensichtlich. Immerhin haben Sie es innerhalb von zehn Jahren geschafft, sich vom kleinen Broker zum Besitzer eines Wirtschaftsimperiums hochzuarbeiten. Ihre Bilanzen sind beeindruckend.” „Auch AMGA scheint es nicht schlecht zu gehen. Insbesondere wenn man die seit einigen Jahren bestehende Krise im Metallgeschäft berücksichtigt.” „Schon mein Vater hat ausreichend differenziert und ich habe das fortgeführt. Und nun lassen Sie die Katze aus dem Sack und sagen Sie, was Sie von mir wollen. Oder besser, was Sie von AMGA wollen.” „Es scheint, Ihnen kann man nur schwer etwas vormachen”, gestand Vincent freimütig ein. „Sehen Sie, ein paar laufende Projekte im Herzstück meines Gesamtunternehmens bedürfen zur Realisierung hochwertige und teilweise auch recht seltene Metalle und Legierungen. An dieser Stelle kommt AMGA ins Spiel.” „Unsere Produkte werden in großen Mengen von vielen Unternehmen direkt von uns bezogen. Ich sehe in einem Vertrag bezüglich gewünschter Lieferungen kein Problem.” Vincent schüttelte lächelnd den Kopf. „Doch, es gibt ein Problem. Ein sehr wichtiger Punkt auf unseren Ankauflisten steht nicht auf Ihren Verkauflisten.”
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„Ich glaube, ich kann Ihnen nicht folgen ...” meinte sie und trat einen Schritt zurück. Er senkte die Stimme etwas. „Ich gebe Ihnen einen Anhaltspunkt... IFM36.” Aheemas Gesicht nahm einen Ausdruck an, der irgendwo zwischen Mißtrauen und Bewunderung angesiedelt war, aber sie fand die Fassung schnell wieder. „Einmal angenommen, ich hätte etwas davon in meinem Besitz, wie könnten Sie davon erfahren haben?”, fragte sie vorsichtig. „Ich habe eine sehr gute Informationsquelle. Bevor Sie jetzt ihr Unternehmen auf den Kopf stellen, es ist keiner Ihrer Angestellten. Nichtsdestotrotz ist die Quelle zuverlässig.” „Also gut, Sie wissen davon”, gab sie zu. „Trotzdem ist der Bestand unverkäuflich und bleibt für jede Art von Kundschaft unzugänglich.” „Für Kunden vielleicht, aber möglicherweise nicht für Partner. Als Teilhaberin an diesen Projekten könnte ich Ihnen langfristige, regelmäßige und vor allem hohe Gewinne garantieren.” Sie überlegte nur kurz und nickte dann. „Ihr Unternehmen genießt Weltruf und ich bin prinzipiell nicht abgeneigt. Aber vorher würde ich gern mehr über diese Projekte erfahren.” „Es ist alles noch streng geheim, aber ...” Er zögerte einen Moment. „Aber ohne Ihre Unterstützung kommen die Projekte vermutlich ohnehin nur schwerlich über das Reißbrettstadium hinaus. Wenn Sie mir bitte folgen würden?” Er wartete keine Antwort ab und bewegte sich in Richtung des Aufzugs, der in einem kleinen Seitentrakt im hinteren Teil des Saals zu sehen war. Geschäftliches Interesse oder auch einfach nur Neugier, er war sich absolut sicher, daß sie ihm folgen würde. Vor dem Aufzug hielt er an, die Tür öffnete sich automatisch, er ging hinein und registrierte, wie Aheema neben ihn trat.
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„Entwicklungsabteilung”, sagte er laut und der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung. „Ich führe Sie jetzt in mein Allerheiligstes”, meinte er, ohne sie dabei anzublicken. „Fast ganz nach oben.” Er deutete dabei mit dem Zeigefinger auf die Decke des Fahrstuhls. Solche Auftritte waren ganz nach seinem Geschmack. Offenbar auch nach Aheemas Geschmack, denn sie blickte nicht mehr ganz so ernst. Als die Digitalanzeige „40” anzeigte, lächelte sie sogar wieder. „Ein bißchen ungewohnt”, erklärte sie, „unsere Abteilungen für Forschung und Entwicklung liegen nur etwa ein Zehntel so weit von der Erdoberfläche entfernt. Allerdings in die entgegengesetzte Richtung.” Sie wies mit dem Zeigefinger nach unten, so wie es Vincent zuvor nach oben getan hatte. „Wenn es Ihnen gelingt, mich zu überzeugen, führe ich Sie auch durch unsere Hauptentwicklungsabteilung.” Vincent gab sich optimistisch. „Ich freue mich schon darauf.” „Seien Sie nicht zu sicher. Ich bin nicht leicht zu beeindrukken.” Er erwiderte nichts darauf und blickte auf die Anzeige, genau wie Aheema. Die Digitalanzeige wies den 69. Stock aus und bald darauf den 90sten. Der Fahrstuhl bewegte sich jedoch immer noch nach oben. Wenn Aheema darüber beunruhigt war, zeigte sie es nicht. Vincent lieferte trotzdem eine Erklärung. „Ich vergaß zu erwähnen, das die oberen zwanzig Stockwerke des Gebäudes nicht ohne weiteres zu betreten sind. Normalerweise müßte man im Hundertsten eine Sicherheitsprüfung über sich ergehen lassen und in einen anderen Aufzug umsteigen... Es sei denn, man reist mit dem Chef des Unternehmens.” „Ganz oben im Ostturm des Schlosses lagen die Gemächer von Merlin. Hier übte er seinen Zauber...”, zitierte Aheema eine derzeit populäre Schriftfassung der Arthursage.
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„Eigentlich wohne ich ganz oben. Merlin arbeitet fünf Stockwerke tiefer mit hochmodernen Rechnern und einem gut ausgestatteten Labor. Einiges, was die Wissenschaftler meines Konzerns so austüfteln, grenzt allerdings auch für mich oft an Zauberei.” Sie nickte. „Vielleicht ist es das auch.” „Vielleicht.” Der Fahrstuhl hielt und die Anzeige des Lifts zeigte die 115. Vincent ließ Aheema den Vortritt beim Verlassen des Aufzugs, trat dann aber neben sie und bot ihr den Arm an. „Ich führe sie wohl besser”, meinte er und schritt mit ihr durch die weit verzweigten Korridore. Sie kamen an einer Reihe schwerer Sicherheitstüren vorbei, jede war mit Dutzenden von Hinweisen wie Hochspannung, Hochexplosives Material, Strahlenquelle und ähnlichen Warnungen beklebt. Aheema hielt vor einer Tür an und deutete auf ein Schild mit der Aufschrift Biogefährdung. „Ich dachte, dieses Gebäude sei das Herzstück eines Elektronikunternehmens”, bemerkte sie mit einem fragenden Blick in Vincents Richtung. „Nicht ganz. Um ehrlich zu sein, in diesem Gebäude liegen die Hochsicherheitslabore nahezu aller Unternehmen meines Konzerns. Machen Sie sich wegen der Schilder keine allzu großen Sorgen, die sind mehr aus rechtlichen Gründen angebracht. Die Sicherheitsvorkehrungen hier übersteigen im Grunde die gesetzlichen Vorgaben um ein Vielfaches.” Sie hielten vor einer weiteren Tür und Aheema registrierte, daß sie diesmal eine ganz normale Doppeltür vor sich hatte, die im Übrigen auch nicht verschlossen war. Vincent machte eine einladende Geste und sie betrat vorsichtig den dahinter liegenden Raum. – Nur, daß dahinter kein Raum lag, sondern schon eher eine Halle, mindestens zwei Stockwerke hoch und mit mattschwarzen Wänden. Der Raum war bis auf einen Konferenztisch und ein paar Stühle absolut leer.
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„Wenn das ein Scherz sein soll”, sagte sie ruhig und wandte sich zu Vincent um, „dann ist er nicht gelungen.” Vincent reagierte nicht auf ihre Bemerkung, schloß die Tür hinter sich und trat in die Mitte des Raumes. „Horaz”, rief er in die Leere der Halle. „Bitte spiele jetzt die aktuellen Projektdaten bis Sicherheitsstufe 4 ein.” Leben in die Halle, als Rißzeichnungen, endlose Formeln und Zahlenkolonnen, Standbilder und Animationen im Kinoformat nahezu jeden Zentimeter der Hallenwände zu füllen begannen. „Das ist der Brainstormingraum”, erklärte Vincent. „Normalerweise beraten hier die am jeweiligen Projekt beteiligten Wissenschaftler und Techniker über Neuerungen und Problemlösungen. Die gesamte Darstellungstechnik ist sprachgesteuert und natürlich ist der Raum auch für Vorführungen geeignet.” „Das glaube ich Ihnen aufs Wort”, versicherte Aheema. „Wer nicht weiß, was ihn hier erwartet, ist sicher schwer beeindruckt. Ich übrigens auch.” „Damit habe ich zugegebenermaßen gerechnet. Wenn Sie nichts dagegen haben, können wir nun zum Inhalt dieser Vorführung kommen.” „Ich habe nichts dagegen. Trotzdem fände ich es besser, wenn Sie die Informationsfülle etwas einschränken würden. Ich bin keine Wissenschaftlerin.” „Ich bin auch kein Wissenschaftler”, gab Vincent zu und schaltete per Stimmbefehl einen Großteil der Einblendungen weg. Übrig blieben ein paar Standbilder. „Was Sie hier sehen ist eine Kette von Projekten, die ich mit Ihrer Hilfe realisieren möchte”, kommentierte Vincent die Darstellung. „Es handelt sich, wie Sie sehen können, hauptsächlich um Gerätschaften mit den Einsatzgebieten Extremarbeitsplätze und Rettung, aber auch Verbrechens- und Terrorbekämpfung.” Ein paar Teile des Bildes blinkten auf und wurden für einen kurzen Moment ver-
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größert und als Drahtgittermodell abgebildet. „Nun, was ist ihr erster Eindruck?” Aheema blickte Vincent vorwurfsvoll an, schwieg eine ganze Weile und schüttelte dann den Kopf. „Auf keinen Fall. Ich habe meine Prinzipien, Mr. Alexander, und eines davon ist, daß AMGA keinen Beitrag zur Entwicklung von militärischen Gerät leisten wird. Ich möchte nicht in den Nachrichten vom Konflikt in Australien hören und dabei wissen, daß dort Menschen durch Mitwirkung meiner Firma gestorben sind. Und damit auch durch mich. Ich muß ablehnen.” Vincent Gesicht zeigte keine Regung. „Auch ich habe meine Prinzipien, Miss McGerwyn”, entgegnete er kalt. „Sie schätzen mich absolut falsch ein. Ich habe noch nie und werde auch nie irgendwelches Kriegsgerät bauen. Diese Projektkette soll Leben retten, nicht vernichten. Es ist Ihr gutes Recht, abzulehnen, aber nicht aus dem Grund, den Sie eben angegeben haben. Es sind keine potentiell tödlichen Waffen darunter.” „Aber bedient werden die Geräte von Menschen”, konterte Aheema. „Und ein Mensch kann eine Waffe tragen und sie benutzen. Was für Antiterror-Maßnahmen verwendet werden kann, ist auch als Waffe zu benutzen. Sie können mir nicht erzählen, daß die in keinem Fall tödlich sind!” „Auch ein Schraubenzieher ist potentiell tödlich, aber einen Waffenschein braucht man dafür trotzdem nicht. Ein Mensch kann sich auch in ein Auto setzen und jemanden überfahren. Werfen Sie vielleicht der Fahrzeugindustrie deswegen vor, Kriegsgerät zu produzieren?” Er hielt inne, als er Aheemas erschrockenen Gesichtsausdruck bemerkte. Kein Wunder, dachte er, ich bin unabsichtlich lauter geworden, als es sich gehört. „Entschuldigen Sie”, meinte er nun wesentlich leiser und mit unüberhörbarem Bedauern in der Stimme, „ich habe die Beherrschung verloren. Doch ihr Vorwurf ist wirklich unberechtigt. Bitte kommen Sie mit, ich zeige Ihnen etwas, das Sie von meiner Aufrichtigkeit überzeugen wird.”
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Langsamen Schrittes verließ er den Raum und Aheema folgte ihm zögernd. Er führte sie direkt vor eine der Hochsicherheitstüren und gab einen Code in das Ziffernschloß neben der Tür ein. Zu Aheemas Verwunderung gab er gab sich keine Mühe, die Zahlenfolge vor ihr zu verbergen. Er drückte die Öffnungstaste und mit einen elektrischen Summen glitt die Tür auf. Die Zwei betraten das Labor und Aheema ließ ihren Blick herumwandern. In einer Vielzahl von Regalen lagen ordentlich sortiert elektronische Bauteile, von denen Aheema nicht einmal einen Bruchteil irgendwo einzuordnen vermocht hätte. Auf der großen Werkbank hingegen herrschte das Chaos: Dutzende von irgendwie halbfertig aussehenden Geräten, unterschiedlichste Werkzeuge und viele Bauteile, einige davon verschmort, bedeckten die komplette Arbeitsfläche. Etwas abseits vom Rest lag ein etwa doppelt faustgroßes Gerät mit einem längeren Kabel an dem einen Ende. Vincent nahm das Gerät an sich und verband das Kabel mit einer Klemmsteckdose, die in die Werkbank eingebaut war. Er betätigte den Schalter an der Steckdose und eine kleines grünes Licht leuchtete am Gerät auf. Er richtete das dem Kabel abgewandte Ende auf eine Wand des Labors und betätigte einen kleinen Kippschalter neben der Leuchtdiode, diese wechselte ihre Farbe zu rot und kurz darauf wieder zu grün, als Vincent den Schalter zurückstellte. Er trat damit zu Aheema und drückte es ihr in die Hand. „Das ist die einzige wirkliche Waffe, die zu dem Projekt gehört. Richten Sie das Gerät auf mich und betätigen Sie den Schalter. Erschrecken Sie nicht, egal, was auch passiert, halten Sie ruhig ein paar Sekunden in meine Richtung. Aheema wußte nicht, was sie davon halten sollte. „Wozu diese Demonstration? Was bezwecken Sie damit?”
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Ungeduldig trat Vincent auf sie zu. Bevor sie irgendwie reagieren konnte, betätigte den Schalter selbst und brach im selben Augenblick vor ihr zusammen. Aheema ließ vor Schreck beinahe das Gerät fallen. Schnell schaltete sie es ab, ging in die Knie und legte das Gerät vorsichtig neben sich auf den Boden, beugte sich über Vincent und legte die Hand an seinen Hals. Sein Puls war vorhanden und ging gleichmäßig, seine Augen waren normal geöffnet, aber er bewegte sich keinen Millimeter. Ein Trick? Blitzschnell bewegte sie Zeige- und Mittelfinger auf sein Auge zu und verhielt kurz davor. Es gab keine Reaktion. Sie stand auf und war bereits an der Tür, um Hilfe zu holen, als sie hinter sich ein Geräusch hörte. Sie wandte sich um und gewahrte Vincent Alexander, der sich abmühte, wieder auf die Beine zu kommen. Aheema ging zu ihm, ergriff seinen Arm und half ihm hoch. „Danke”, sagte er kaum hörbar, legte den Kopf schräg und führte den Zeigefinger der rechten und linken Hand vor seinem Gesicht zusammen. Aheema verstand nicht ganz, was er da machte, aber es schien zu funktionieren, denn seine Haltung straffte sich. „Gern geschehen”, beantwortete Aheema etwas verspätet. „Und jetzt wüßte ich gerne, was diese absolut unsinnige und gefährliche Demonstration bezwecken sollte.” „Sie war nicht gefährlich”, widersprach Vincent. „Das ist ja grade der Sinn der Sache. Das ist die erste und vermutlich auch die einzige Waffe, die AE jemals hergestellt hat. Und sie ist in keinem Fall tödlich, egal wie lange man sie auf jemanden anwendet. Sie ist sogar zu leicht, um jemanden damit zu erschlagen.” Er lächelte. „Trotzdem war es dumm”, beharrte Aheema. „Ich hätte mich auch mit Argumenten von der lauteren Absicht Ihres Unternehmens überzeugen lassen.”
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„Aber ganz sicher nicht so schnell”, entgegnete Vincent. „Außerdem haben Sie so gleich eine Demonstration gesehen. Das Gerät basiert übrigens auf Schall und beeinflußt den Gleichgewichtssinn. Es wirkt mit Ausnahme von Insekten, Fischen und den meisten Vögeln sofort betäubend auf jedes Lebewesen. Das Schlimmste, was dabei an Nebenwirkungen auftreten kann, sind Übelkeit und Brechreiz. Ich bin froh, daß letzteres nicht der Fall war, schließlich muß ich in dem Anzug noch wieder zu meinen Gästen.” Aheema lächelte nun auch. „Das glaube ich kaum. Trotz Ihrer Übungen von vorhin sind Sie immer noch wackelig auf den Beinen, was bestimmt keinen guten Eindruck macht. Besonders die Auslegung der Presse dürfte interessant sein. Ich sehe schon die Schlagzeile: Junger Unternehmer feiert sturzbetrunken das zehnjährige Bestehen seines Unternehmens.” „Stimmt, das wäre meinem Ruf abträglich. Allerdings könnte ich jetzt wirklich etwas zu trinken vertragen. Wenn Sie es schaffen, mich zum Lift zu lotsen, kann ich Sie zu einem Drink in meiner Wohnetage einladen. Bei der Gelegenheit können wir gleich über unsere zukünftigen Geschäfte reden.” Sie schüttelte mit gespielter Verzweiflung den Kopf. „Sie geben wohl nie auf, was? Das ich nunmehr beinahe von Ihrer Lauterkeit überzeugt bin heißt noch lange nicht, daß ich auf ihr Angebot eingehe. Nicht, bevor ich alles über die geplante Verwendung aller weiteren Projekte erfahren habe.” „Auch gut”, meinte Vincent. „Aber etwas trinken können wir trotzdem, oder?” „Sicher.” Entgegen seiner Befürchtung fand Vincent den Lift doch noch selbst und mußte nicht auf die Führung Aheemas zurückgreifen. Als der Aufzug im 119sten Stock hielt, waren auch die Auswirkungen der Betäubungswaffe nahezu vollständig ver-
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schwunden. Die Tür öffnete sich und Vincent machte eine einladende Armbewegung. „Willkommen in meinem bescheidenen Heim.” Aheema blickte sich um. Das, was Vincent in einem Anfall von Untertreibung als bescheiden bezeichnet hatte, stellte sich wahrheitsgemäß als gut 1200 Quadratmeter große Wohnfläche heraus, in der sämtliche notwendigen Einrichtungsgegenstände locker und ohne erkennbares System arrangiert waren. Nur wenige Schränke standen ordnungsgemäß an der Wand. Aheema drängte sich sofort der Eindruck der Designerversion einer Junggesellenwohnung auf, nur das hier keine getragenen und ungewaschenen Kleidungsstücke auf dem Boden herumlagen. Offenbar war das gesamte Stockwerk ohne Trennwände und nur durch Säulen gestützt als Apartment ausgeführt worden. Drei Seiten waren fensterlos, eine jedoch vollkommen offen gelassen worden. Vor den gut drei Meter hohen Scheiben fielen außen die waagerechten, etwa handbreiten Platten einer Jalousie herab und ließen den Raum irgendwie abgeschlossener erscheinen. Die Jalousie wirkte filigran, aber Aheema erkannte mit fachlichem Blick, daß dieses spezielle Modell neben dem Sonnenlicht auch eventuelle Raketentreffer, Flugzeugabstürze und bis zu einem gewissen Grad auch lästige Pressefotografen abwehren würde. Der ganze Raum war in gedämpftes Licht getaucht, welches beim Eintreten auch nicht heller wurde. Dafür öffnete sich die Jalousie und gewährte einen atemberaubenden Ausblick über die ganze Stadt. Eine solche Einrichtung machte nur bei Menschen mit einer gewissen Empfindsamkeit oder bei solchen mit einem ausgeprägten Machtwahn Sinn, befand Aheema und ordnete ihren Gastgeber nach kurzer Überlegung in die erste Kategorie ein. Zumindest vorläufig.
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Während sie die Wohnung sondierte, war Vincent an die Hausbar getreten. „Was darf ’s sein?”, fragte er. „Ein Mineralwasser wäre mir recht. Um ehrlich zu sein, ich vermeide Alkohol wo immer nur möglich.” „Willkommen im Club.” Mit einer lässigen Bewegung stellte er die Flasche, die er grade in der Hand hielt, zurück an ihren Platz und angelte unter der Theke nach einer anderen. „Die Hausbar gehört zur Einrichtung, falls ich mal Besuch habe”, meinte er fast entschuldigend, „ich selbst trinke auch nur selten. Ist auch etwas zu gefährlich in unserer Branche, nicht wahr?” Gekonnt füllte er zwei Longdrinkgläser und bot Aheema eines davon an. Sie nahm es und nippte daran. Vincent tat es ihr gleich und ließ den Blick beiläufig durch das Fenster über die Stadt gleiten ... Und erkannte sofort, daß etwas nicht stimmte. Er stellte das Glas auf einen nahen Ziertisch. „Bitte entschuldigen Sie, ich muß kurz etwas klären.” Sie nickte stumm und folgte mit den Augen seiner vorherigen Blickrichtung, um den Grund seiner plötzlichen Beunruhigung zu erfahren, doch ihr fiel nichts Ungewöhnliches auf. Vincent hatte inzwischen wieder sein Mobiltelefon gezückt. „Horaz?” „Ja?”, meldete sich dieser sofort. „Gibt es irgendeinen Grund, warum die Landescheinwerfer auf dem Dach in Betrieb sind?” „Nicht, daß ich wüßte. Die Scheinwerfer sind auf meinem Schirm nicht eingeschaltet, der Überwachung nach ist auf dem Dach alles in Ordnung.” „Ganz offensichtlich nicht. Jemand muß die Videoüberwachung und die Systemprotokolle für das Dach manipuliert haben. Schick sofort ein Sicherheitsteam auf das Dach.” „Selbstverständlich”, bestätigte Horaz und erneut konnte Vincent Tasten klappern hören. „Es geht nicht”, kam kurz darauf die hektische Feststellung, „die Leitung zu den Quartieren
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der Firmensicherheit muß unterbrochen sein, es erfolgt keine Rückmeldung.” Es klapperte erneut. „Auch über den internen Funk läuft nichts!“ Vincent überlegte einen Moment. „Versuch es weiter. Ich werde aus sicherer Entfernung selbst nachsehen.” „Das könnte ungesund sein...” „Ich weiß, Horaz, aber ich bin sowieso unter dem Dach. Gibt es noch irgend etwas, das ich wissen sollte?” Mit hastigen Bewegungen lebte er die hinderliche Anzugsjacke ab. „Die Luftdichtesensoren melden immer noch eine zu hohe Personenzahl im Gebäude. Es sieht immer noch nach einer Störung aus, doch diese läßt sich mit den neuen Daten auf die oberen Stockwerke eingrenzen.” „Also gut. Miss McGerwyn, bitte bleiben Sie hier. Es ist vielleicht wirklich nur ein ausgedehnter Systemfehler, aber trotzdem ...” „Ich kann Sie ebensogut begleiten, ein Stockwerk höher bin ich genauso sicher oder in Gefahr wie hier.” Vincent überlegte kurz. „Auch wieder richtig.” Langsam öffnete sich die Tür des Fahrstuhls und angesichts der augenblicklichen Situation verzichtete Vincent diesmal darauf, seiner Begleiterin den Vortritt zu lassen. Diese Vorsicht machte sich bezahlt, denn vor ihm baute sich eine Figur auf, die auf keinen Fall hierher gehörte. Dafür sprach auch die Maschinenpistole, die zwar nur ungefähr auf die Insassen, aber doch unverkennbar auf die Liftkabine zielte. Vincent fackelte nicht lange, schlug den Arm mit der Waffe mit der linken Hand beiseite und plazierte den Handballen dorthin, wo sich unter der schwarzen Skimaske die Stirn seines Gegenübers vermuten ließ. Der Mann schlug grade noch rechtzeitig betäubt auf dem Boden vor ihm auf, um die Sicht auf einen weiteren, ganz ähnlich gekleideten Eindringling freizugeben, der in diesem Augenblick um die Ecke bog.
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Der Neuankömmling brauchte einen Moment, die neue Situation zu erfassen, doch er bekam ihn nicht. Eine in Kopfhöhe durchgeführte, waagerechte Beinfege schleuderte den Gegner mit Wucht gegen die Wand und von dort auf den Boden, noch bevor er auch nur daran denken konnte, seine Waffe in Anschlag zu bringen. Vincent nahm sich die Zeit, sich im Geiste dafür zu gratulieren, daß er zum Ausgleich seines beruflich bedingten Bewegungsmangels Unterricht in den verschiedensten Kampftechniken genommen hatte. Zusammen mit den wilden Jahren vor seinem geschäftlichen Erfolg ergab das genug Erfahrung, um es eventuell auch mit einem erfahrenen Gegner fertig zu werden. Er hatte nie Ambitionen gehabt, es auszuprobieren. Bedauerlicherweise sah es so aus, als ob ihm keine Wahl blieb, als zwei weitere gestalten auf den Flur traten. Hier muß irgendwo ein Nest sein, dachte er, als er die ersten wütenden Attacken abwehrte. Wenigstens schienen die Eindringlinge nicht die Absicht zu haben, ihn einfach zu erschießen, denn ihre Maschinenpistolen blieben geschultert. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, wie Aheema versuchte, die Waffe des ersten Gegners an sich zu bringen und trotz seiner Abneigung gegen Schußwaffen empfand er das in diesem Augenblick als gar keine so schlechte Idee. Allerdings reichte schon diese kleine Ablenkung, um den ersten Treffer zu kassieren. Nicht sonderlich schwer getroffen, wollte er sich mit einem Schlag in die Bauchgegend des Betreffenden revanchieren, doch im Nachhinein war das keine gute Idee, denn auch leichte kugelsichere Westen zeichneten sich für gewöhnlich gegenüber Fausthieben durch außerordentliche Widerstandsfähigkeit aus. Vincent ignorierte den pochenden Schmerz in seiner rechten Hand, packte den Mann an den Schultern, zog in heran und stieß ihm das Knie an die Stelle, bis zu der keine schußsichere Weste reichte.
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Der Erfolg war durchschlagend, aber er vergaß für einen kurzen Moment den zweiten Widersacher und ein harter Schlag gegen den Hinterkopf ließ bei ihm alle Lichter ausgehen. Vincent schlug die Augen auf und erinnerte sich beinahe sofort, was ihn auf dieses Stockwerk und dort auf den Fußboden gebracht hatte. Außerdem war er nicht allein gewesen, wie ihm ein schmerzhaftes Zwinkern später einfiel. Er bewegte den Kopf, doch in seiner näheren Umgebung war weder etwas von den vier Eindringlingen noch von Aheema McGerwyn zu sehen. Er blickte auf die Uhr und erkannte, daß er nur ein paar Sekunden bewußtlos gewesen sein konnte. Möglicherweise waren sie noch im Gebäude und hatten Aheema mitgenommen. Das ist nicht gut. Er kramte nach seinem Telefon. „Horaz, öffne bitte die Kammer mit den Prototypen. Ich muß meine Chancen etwas aufbessern, falls der Sicherheitsdienst nicht inzwischen unterwegs ist.” „Ist er nicht, ich bekomme immer noch keine Verbindung. Aber ich habe die Kammer soeben geöffnet und bin unterwegs, den Sicherheitsdienst direkt zu alarmieren.” „Prima Idee”, meinte Vincent und rappelte sich auf. „Erinnere mich daran, daß unser Sicherheitsdienst eine Optimierung braucht.“ Er fuhr drei Stockwerke nach unten in den 117. Stock. Als sich diesmal die Tür des Lifts öffnete, lugte er erst vorsichtig hinaus, doch der Korridor vor ihm war leer. Er hastete zu einer Tür mit der Aufschrift Labor 155-7 Sec. III, die sich nach Eingabe seines Prioritätscodes zischend öffnete. Im hinteren Teil des langgestreckten Labors gab es einen separaten Raum mit einer Tür aus Panzerglas, die jedoch jetzt offen stand. Auf einem der Podeste des Raums lag eine ausgereifter wirkende Version des Gerätes, dessen Funktionsweise er Aheema zuvor im Selbstversuch demonstriert hatte. Es sah aus
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wie eine etwas zu klobig gerate Handfeuerwaffe, auch wenn das Gewicht deutlich unter dem einer solchen lag. Er prüfte den Ladezustand der Waffe und stellte zu seiner Zufriedenheit fest, daß die Laboranten die Akkus wie vorgesehen nach den Testläufen wieder komplett aufgeladen hatten. Mit eiligen Schritten verließ er das Labor und steuerte den Aufzug an. Er hatte sich bereits überlegt, daß es keinen Sinn hatte, allein die Stockwerke nach den Eindringlingen zu durchsuchen, er war kein Einzelkämpfer und würde bei diesem Unterfangen auf jeden Fall den Kürzeren ziehen. Wahrscheinlicher war es ohnehin, daß sie nach ihrer Entdeckung auf dem gleichen Weg wieder gingen, auf dem sie gekommen waren, also über das Dach. Dort befand sich ein Helikopterlandeplatz und wenn er sich beeilte, dann konnte er die Eindringlinge noch aufhalten, bevor sie verschwanden. Die praktische Beschäftigung mit der Situation hielt ihn davon ab, darüber sinnieren zu müssen, daß es nahezu selbstmörderisch war, in seiner Position den Helden zu spielen. Der Lift hielt, die Tür öffnete sich und eine Salve aus einer automatischen Waffe ließ Holz und Kunststoff aus der Rückwand der Liftkabine splittern. Vincent hatte sich ahnungsvollerweise an die Seitenwand gepreßt und blieb unverletzt. Die Schiebetür nahm nicht die ganze Front des Fahrstuhls ein und hinter den Paneelen blieb Vincent den entscheidenden Augenblick unbemerkt. Er schob die Waffe vor, drückte ab und bestrich auf gut Glück den kompletten Bereich vor dem Lift. Die Schallwaffe machte kaum ein Geräusch, lediglich ein leises Summen und die rote Statusleuchte am Griff belegte, daß sie in Funktion war. Erst als ein dumpfer Aufschlag zu hören war, trat Vincent aus seiner rudimentären Deckung hervor und musterte den Mann, der vor ihm auf dem Boden lag.
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Zufrieden stellte er fest, daß die Waffe wie gewünscht zu funktionieren schien, der Mann regte sich nicht und die Augen hinter den Sichtlöchern seiner Skimaske wirkten glasig. Eine kurze Prüfung ergab, daß der Mann flach, aber gleichmäßig atmete. In einigem Abstand lagen zwei weitere Schwarzgekleidete auf dem Boden, allerdings hatte das verschwenderische Bestreichen des kleinen Dachbereichs den Akku der Waffe zu über zwei Drittel geleert, wie die Anzeige am Griff auswies. Ein tiefes Dröhnen, welches sich zu einem motorischen Flattern steigerte, unterbrach Vincents Überlegungen und mit raschen Schritten rannte er um die Dachaufbauten herum, die ihm die Sicht auf den Helikopterlandeplatz verwehrten. Das Röhren war inzwischen in ein gleichmäßiges Flattern übergegangen und tatsächlich stand ein startbereiter Transporthubschrauber mit laufenden Motoren auf der Landefläche. In der geöffneten seitlichen Ladeluke stand ein maskierter Mann und winkte Vincent zu, zu ihm zu kommen. Offenbar verwechselte er Vincent bei den schlechten Lichtverhältnissen mit demjenigen, den dieser vor dem Lift betäubt hatte. Vincent legte ohne zu Zögern an und bestrich den Hubschrauber großzügig, bis der Akku der Waffe endgültig den Geist aufgab. Der Maskierte in der Ladeluke fiel vornüber aus der Maschine und blieb reglos auf der Landemarkierung liegen, im beleuchteten Cockpit konnte Vincent den Piloten ebenfalls in sich zusammensacken sehen. Er beeilte sich, über die Frachtluke in die Maschine zu kommen und steuerte sofort das Cockpit an. Obwohl er offiziell nur einen Pilotenschein für Flugzeuge hatte, mußte er die Kontrollen des Helikopters nur kurz überfliegen, um herauszufinden, wie er die Rotoren abstellen konnte. Als das geschehen war, nahm er sich Aheemas an, die immer noch regungslos im Frachtteil des Hubschraubers lag. Er war erleichtert, als er das Betäubungspflaster an ihrem Arm entdeckte und riß es ab. Neben ihr entdeckte er ein Päckchen
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mit weiteren Pflastern, welches er benutzte, um die Eindringlinge langfristig ruhig zu stellen. Nachdem er Aheema zurück in sein Apartment gebracht hatte, überdachte ersein weiteres Vorgehen. Er stellte fest, daß die hausinternen Telefonleitungen noch immer außer Betrieb waren und machte sich auf, um den Firmenarzt und den Sicherheitsdienst persönlich zu verständigen. Auf halben Wege traf er auf eine vierköpfige Truppe seines Sicherheitsdienstes, die sofort alle Waffen auf ihn richtete. Die Leute beruhigten sich sehr schnell wieder, als sie ihn erkannten. „Irgendwelche Anweisungen, Mr. Alexander?”, fragte der Mann an der Spitze der Truppe, den Vincent nur vom Sehen her kannte. „Sie sind auf dem Dach und bereits ausgeschaltet”, erklärte Vincent. „Sammelt sie ein und nehmt sie in Gewahrsam.” „Äh, bereits überwältigt, Chef?”, fragte einer der Leute. „Sollen wir jetzt auch die Polizei verständigen?” Vincent schüttelte den Kopf. „Nein, erst will ich wissen, was diese Leute wollten. Aber Sie können einen ihrer Leute zu Dr. Perry schicken, die internen Leitungen sind immer noch tot. Schicken Sie den Doktor in mein Apartment.” „Sind sie verletzt?” Vincent winkte ab. „Fragen Sie nicht soviel, tun Sie’s einfach, okay?” Der Mann nickte. „Verstanden.” Die Leute stürmten weiter zum Lift und Vincent schüttelte den Kopf. Er würde sich um einen kompetenten Leiter des Sicherheitsdienstes kümmern müssen; seine Manager mochten auf ihren Gebieten zu den Besten gehören, aber sie hatten keine Ahnung in Sicherheitsfragen. Außerdem stellten die Leute, die sie bisher eingestellt hatten, entschieden zu viele Fragen.
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„Sie ist soweit in Ordnung”, meinte der Dr. Perry und schaltete die kleine Lampe wieder ab, mit der er soeben Aheemas Augen untersucht hatte. „Was, meinst du war auf dem Betäubungspflaster?”, fragte Vincent. Er und der Doktor kannten sich schon mehrere Jahre, der Mediziner gehörte mindestens ebenso zur Firma wie Vincent selbst, zwischen dem 50jährigen Arzt und dem 34jährigen Konzernchef bestand etwas das gleiche Verhältnis, welches ein Onkel zu seinem Neffen haben würde. Sie hatten sich auch schon vorher gekannt, Dr. Perry war zuvor Arzt in dem Waisenhaus gewesen, in dem Vincent seine Jugend verbracht hatte. „Irgendein handelsübliches Beruhigungsmittel, wenn auch in mehrfacher Dosis. Ich schlage vor, wir lassen sie ganz einfach ausschlafen. Was dich angeht, ist bis auf die Beule am Hinterkopf ist alles in Ordnung. Du hattest schon als Junge einen harten Schädel.” „Also gut”, meinte Vincent grinsend, „du bist hier der Arzt. Ich werde mich noch einmal kurz unten bei den Gästen sehen lassen und dann ...” „Was dann?” „Dann”, meinte Vincent ernst, „werde ich mir die Leute vornehmen, die bei uns eingebrochen sind.” Schweigen. Mehr war bei dem Verhör bis jetzt nicht herausgekommen. Vor einer Stunde waren die letzten Gäste gegangen und Vincent war, nachdem er den lästigen Smoking gegen einen bequemen Freizeitanzug ausgetauscht hatte, sofort in die obere der zwei Sicherheitszentralen des Firmengebäudes geeilt. Er hätte sich auch Zeit nehmen können. Jetzt saßen er und einer der Eindringlinge an dem kleinen Metalltisch, allein in dem beengten Raum, die anderen befanden sich noch in den Arrestzellen, über welche die Sicherheitszentrale ebenfalls verfügte. Vincents Gegenüber trug Handschellen und das genügte.
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„Also gut”, meinte Vincent und schlug die flache Hand auf den Tisch, was den Gefangenen überrascht aufblicken ließ. „Vergessen wir mal für einen Augenblick die Frage, was ihr hier wolltet. Warum habt ihr versucht, Miss McGerwyn zu entführen? Erzähl’ mir jetzt bloß nicht, das war euer Ziel, denn das hättet ihr woanders auch einfacher haben können. Also?” Der Mann schien nach kurzem Überlegen zu dem Entschluß gekommen zu sein, daß diese Information ihm nicht schaden würde. „Sie hat einem von uns die Maske abgerissen, nachdem Sie am Boden lagen. Wir mußten sie mitnehmen, damit sie uns nicht identifiziert. Wir hätten sie später wieder freigelassen, dann wäre es egal gewesen.” „Also gut, da komme ich mit”, knurrte Vincent. „Und warum habt ihr nicht mit eurer Aktion weitergemacht, wo ihr nun schon freie Bahn hattet? – Nein, laß mich raten: Ihr habt bei meinem Auftauchen messerscharf kombiniert, daß euer Einbruchsversuch nicht unbemerkt geblieben ist und das in Kürze doch Wachleute auftauchen würden.” „Sie haben’s erfaßt”, nickte sein Gegenüber. „Dann würde mich noch interessieren”, fuhr Vincent gerissen fort, „wer euch den Auftrag erteilt hat.” „Darauf sollten Sie keine Antwort erwarten”, knurrte der Mann. „Ich wäre erledigt, wenn ich einen Klienten verpfeife.“ Er machte eine kurze Pause. „Wann übergeben Sie uns der Polizei?” Vincent grinste. „Wer sagt denn, daß ich das überhaupt vorhätte?” „Aber ...” „Damit würde ich mir die Option aus der Hand geben, euch alle bei Bedarf spurlos verschwinden zu lassen”, erklärte Vincent eiskalt. „Ich verabscheue es, unerwünschten Besuch zu bekommen und werde mir noch überlegen, wie ich mit euch verfahre.”
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Als Vincent die Zentrale verließ, traf er auf Horaz, der in seiner gewohnt legeren Art und Weise neben der Tür an der Wand lehnte. Niemand hätte in der hageren Gestalt einen der besten Computerspezialisten vermutet, die man für Geld anwerben konnte und die dennoch kaum eine Universität von innen gesehen hatten. Dennoch wirkte er wie ein Prototyp des ewigen Studenten, mit langen, zu einem Pferdeschwanz zusammengebundenen Haaren und einem Gesicht, in dem man alles Mögliche, aber kein Alter zu erkennen vermochte. Außerdem hatte Horaz einige fast aristokratische Züge an sich, die lediglich dadurch ein wenig an Substanz verloren, daß er seinen richtigen Namen vermutlich nicht einmal mehr selbst kannte. „Du wirst sie doch nicht wirklich verschwinden lassen, nicht wahr, Chef?”, fragte er. Vincent grinste. „Du weißt das und ich weiß das, aber die wissen es nicht. Lassen wir sie eine Weile schmoren.” „Verstehe, Chef”, grinste Horaz. „Clevere Idee.” „Danke. Sonst noch was?” „Äh, ja”, meinte der Mann und hakte die Daumen in die Seitentaschen seiner Weste, „das ist der eigentliche Grund, warum ich dich noch aufhalte. Der Helikopter wurde durchsucht und zwei Sporttaschen mit C4 gefunden, inklusive vorbereiteten Zünder.” „Du meinst, sie wollten möglicherweise ...”, grübelte Vincent. „Genau, es ist ausreichend Sprengstoff, um die oberen Stockwerke auszubrennen. Ich habe schon veranlaßt, das die Sicherheitskräfte verstärkt werden, auch auf dem Dach stehen ab heute immer Wachen.” „Saubere Arbeit. Ich werde noch heute Abend ein paar Leute damit beauftragen, herauszufinden, wer uns hier den Krieg erklären will, aber du könntest auch ein paar Fühler ausstrekken.”
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„Ich bin bereits dabei.” Die Sonne weckte Aheema und sie erschrak im ersten Augenblick, als sie sich in einer unbekannten Umgebung wiederfand. Nein, korrigierte sie sich, nicht ganz unbekannt. Für einen Moment überlegte sie, ob sie sich zu irgendeiner Dummheit in Zusammenhang mit ihrem sympathischen Gastgeber hatte hinreißen lassen, aber den Gedanken wies sie schnell wieder von sich. Sie kannte sich besser und langsam fiel ihr auch wieder ein, was am gestrigen Abend passiert war. Nachdem Vincent niedergeschlagen worden war, hatte sie einem der Eindringlinge mit einem leicht mißglückten Schlag die Maske heruntergerissen. Nicht verwunderlich, ihr Abendkleid war vom Designer ganz sicher nicht für den Faustkampf entworfen worden. Vermutlich hätte sie aber auch unter günstigeren Umständen nicht verhindern können, daß ihr ein Betäubungspflaster angehängt wurde. Sie untersuchte die Stelle an ihrem Arm, wo sich natürlich kein Pflaster mehr befand. Ihre Entführung mußte fehlgeschlagen sein, sonst würde sie sich wohl nicht auf einer Couch im Apartment von Vincent Alexander wiederfinden. Der widerlich pelzige Geschmack auf ihrem Gaumen hatte ein bitteres Aroma, welches direkt aus der Lunge zu kommen schien und wohl von dem Narkotikum herrührte. Diese Mischung weckte ihren dringenden Wunsch nach etwas zu trinken und so stand sie vorsichtig auf und prüfte ihre Reflexe. Offenbar hatte das Mittel ansonsten keine Nachwirkungen und so begab sie sich mit schnelleren Schritten zur Hausbar. Sie hatte sich gerade etwas Mineralwasser eingeschenkt, als Vincent das Apartment betrat. „Ah, Sie sind schon wach. Bedienen Sie sich ruhig, Dr. Perry meinte schon, daß Sie von dem Zeug aufgrund der Überdosis noch etwas schmecken würden.” „Stimmt. Wie kommt es, daß ich hier bin?”
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Vincent grinste schelmisch. „Sagen wir’s mal so: Sie waren die Erste, die unter Einsatz von Teilen der neuen Produktpalette gerettet wurde.” „Uh, danke”, meinte Aheema trocken. „Aber bitte nehmen Sie das nicht gleich als verbindliche Zustimmung für meine Mitarbeit an dem Projekt.” „Keine Sorge. Ich hoffe vielmehr, das Sie dieser unangenehme Zwischenfall nicht vollkommen davon absehen läßt.” „So leicht lasse ich mich nicht erschrecken. Wer waren diese Leute?” „Ich habe nicht die geringste Ahnung, sie schweigen sich aus”, antwortete Vincent etwas ernster. „Aber ich werde es herausbekommen, vielleicht sogar noch, bevor ich sie an die Behörden ausliefern muß.” „Ausliefern?”, stutzte sie und ihr blick verfinsterte sich ein wenig. „Ihr Konzern ist kein Staat, Mr. Alexander.” „Ich vertrete die Ansicht, daß da heutzutage die Grenzen schon sehr verschwommen sind, Miss McGerwyn. Woran erkennen sie einen Staat? An der Einwohnerzahl? Dem Einkommen? Der Bevölkerung, oder ...?” „Schon gut, schon gut”, wehrte sie ab, „darüber können wir zu einem anderen Zeitpunkt diskutieren, finden Sie nicht auch?” „Sie haben natürlich Recht. Gehen wir zum nächsten Tagesordnungspunkt über: Ich nehme an, Sie möchten jetzt gerne in ihr Hotel gefahren werden, oder wo immer Sie hier Ihr Domizil haben?” „Das wäre zu begrüßen. Ich nehme an, es genügt, wenn wir unser Gespräch heute Nachmittag fortsetzen?” „Selbstverständlich. Unten steht ein Wagen für sie bereit.” „Danke.” „Keine Ursache. Wenn Sie mir eine Telefonnummer nennen, unter der ich Sie erreichen kann, halte ich Sie auch gerne
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auf dem Laufenden, was meine Nachforschungen zu diesen Übergriff angeht.” Aheema überlegte kurz, nickte und notierte schnell ein paar Zahlen auf den Block, den Vincent ihr auf ihre Anfrage hin zureichte. Dann gingen sie zum Lift, der direkt in die Tiefgarage führte. Diese war nur für spezielle Fahrzeuge des Konzerns gedacht, für einfache Angestellte und Gäste gab es einen bewachten Parkplatz auf der Südseite des Gebäudes. Aheema war verwirrt, als sie neben den verschiedensten PKW, Liefer- und Lastkraftwagen in einer unbeleuchteten Ekke der Halle auch die kantigen Umrisse zweier gepanzerter Fahrzeuge gewahrte. Die Fahrzeuge waren zwar wesentlich breiter als hoch, wirkten aber aufgrund der Kastenform und der fast bis unter das Dach reichenden Räder trotzdem bullig. Die einfache Form wurde nur von der auf dem Dach befindlichen, leicht seitlich versetzten kegelstumpfartigen Geschützaufsätzen unterbrochen, aus denen bedrohlich die stumpfen Läufe von jeweils zwei automatischen Geschützen ragten. „Wozu braucht ein angeblich so friedlicher Mensch wie sie militärisches Gerät?”, fragte sie spitz. „Weil einige Leute um mich herum weitaus weniger friedlich sind”, entgegnete Vincent trocken. „Außerdem wurden die Fahrzeuge gleich mit Geschützen geliefert, aber wohl sowieso bald mit der Infraschalltechnologie ausgestattet.” „Verstehe...” „Bitte versuchen Sie nicht, mir zu erzählen, daß Ihr Sicherheitsdienst keine Waffen hätte.” „Sie haben ja recht”, lenkte sie ein. „Gefallen muß es mir aber trotzdem nicht.” „Nein”, meinte er und öffnete die hintere Tür eines Chrysler, der dem Aufzug am nächsten stand, „das sollte es auch nicht.”
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Der Fahrer wandte sich um, als Aheema einstieg und nickte grüßend, sowohl in Aheemas, als auch in Vincents Richtung. Sein Blick verharrte abwartend auf seinem Chef. „Miss McGerwyn wird Ihnen sagen, wohin Sie zu fahren haben”, wies dieser ihn ein. „Anschließend können Sie sich gern bis heute Nachmittag frei nehmen. Alles klar?” „Sicher, Chef, danke”, meinte der Mann knapp, drehte sich nach vorn und betätigte die Zündung. Mit einem sanften Schnurren sprang der Motor an und der Wagen verließ die Tiefgarage durch ein Tor, welches sich noch während der Anfahrt geräuschlos öffnete. „Hast du etwas über unsere Freunde herausgefunden, Horaz?”, fragte Vincent in das Halbdunkel des Hauptrechner-Raums. Er bekam keine Antwort, doch sein suchender Blick saugte sich an dem großen Klotz fest, der tiefschwarz aus der dunklen Umgebung hervorstach. Nur eine Reihe kleiner Leuchten, die über der Fußleiste um den ganzen Raum lief spendete ein gedämpftes Licht. „Horaz?”, wiederholte er etwas ungeduldiger, als der Angesprochene nicht antwortete. Wie von Vincents Ungeduld angesteckt, schien der dunkle Klotz zum Leben zu erwachen, kleine Lichtpunkte verschiedenster Farbe huschten ohne ein für Menschen erkennbares Muster über seine Oberfläche und zusammen mit den nun intensiver leuchtenden Leiste war die feine Segmentierung des mindestens zwei Meter hohen Blocks gut zu erkennen. Es wirkte, als wäre er aus Abertausenden von kleinen Plättchen zusammengesetzt. Kabel unterschiedlicher Stärke liefen von vielen Stellen des Blocks in alle Richtungen, und verschwanden in unterschiedlicher Höhe in den Wänden, als hätte eine große metallene Spinne ohne den Sinn für Geometrie, die ihre organischen Verwandten auszeichnete, hier ihr Netz gesponnen. Dem war natürlich nicht so, sowohl der Block als
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auch das Netz waren von Menschen geschaffen worden, die einhellig die Ansicht vertraten, daß sich das Aussehen stets der Funktionalität zu beugen hatte. „Entschuldigung”, erklang Horaz’ Stimme und er tauchte hinter dem Block auf. „Ich mußte nur noch schnell etwas an der Zentraleinheit justieren.” „Schon in Ordnung. Und, was hast du herausgefunden?” „Zwei der im Arrest befindlichen Personen sind bei Interpol aktenkundig. Bis hin zum internationalem Terrorismus sind nahezu alle Punkte vertreten. Auch Anklagen wegen Mordes, obwohl es zu keiner Verurteilung kam.” „Aber sie gehören nicht zur obersten Riege, oder?” „Dafür spricht deren semiprofessionelles Eindringen hier, sowie die Tatsache, daß du diese Leute verhältnismäßig leicht überwältigen konntest ...” „... und nicht zuletzt, daß sie überhaupt irgendwo aktenkundig sind. Die erste Garde hält sich wohl eher im Hintergrund.” Horaz strich über die Verkleidung des Rechnerblocks. „Das deckt sich mit meinen Informationen.” Vincent strich grübelnd über sein Kinn. „Ich weiß nur noch nicht, ob mich das beruhigen oder eher nervös machen sollte. Eventuell wollte irgend jemand unsere Sicherheitsmaßnahmen vorsichtig testen, ohne das man jemanden die Handschrift zuordnen und möglicherweise zurückverfolgen kann. Ich habe so ein Gefühl, daß wir da noch mehr erleben werden.” „Die Intuition überlasse ich dir”, meinte Horaz und nahm eine weitere Einstellung an der Zentraleinheit des Hauptrechners, „aber rein vom taktischen Aspekt her macht deine Überlegung Sinn.” „In dem Fall dürfte sich bei der Befragung dieser Leute im günstigsten Fall ergeben, auf welche Weise sie ihren Auftrag erhielten und bezahlt wurden.” „Das ist richtig.”
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„Also gut”, faßte Vincent einen Entschluß, „benachrichtige die Behörden. Sie möchten bitte die Leute abholen. Anklage: Unbefugtes Eindringen, versuchte Sabotage, Körperverletzung, Entführung, versuchter Mord ... Und alles, was ich vielleicht übersehen haben sollte.” „Abfeuern nichtregistrierter Waffen in sensiblen Bereichen, unerlaubtes Benutzen eines privaten Helikopterlandeplatzes, Betriebsspionage, Ruhestörung“, ergänzte Horaz die Punkte wie aus der Pistole geschossen. „Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, Sachbeschädigung, Mitführen großer Mengen Sprengstoffs ohne Lizenz, Verstoß gegen das Vermummungsverbot ...” „Danke, das reicht”, meinte Vincent lachend. Horaz grinste. „Hundertprozentig.”
Irgendwo in Atlanta „Die Leute, die Sie beauftragt haben, wurden gefaßt”, meinte eine Stimme. „Wir haben auch diesem Ausgang der Aktion in Betracht gezogen”, meinte eine andere Stimme, die dumpf durch den großen Raum hallte. „Auswertung der Reaktionen des Sicherheitssystems?” „Noch nicht verfügbar. Es gibt einige Widersprüchlichkeiten.” „Das ist vorerst uninteressant. Lassen Sie die Analyse fortsetzen und die Liquidierung der Leute einleiten.” „In welcher Weise sollen sie ...” „Lassen Sie das einen unserer eigenen Leute machen. Es sollte eine unserer neuen Schutzausstattungen verwendet werden, das ist vermutlich ein guter Praxistest. Aber sorgen Sie
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dafür, daß nichts, was vor Ort zurückbleibt, auf uns hindeuten kann. „Verstanden.” Nur kurze Zeit nach dem Mittagessen hatte Vincent wie gewohnt seinen Sportraum aufgesucht. Bereits schweißüberströmt, bearbeitete aber immer noch hartnäckig den Sandsack mit blitzschnellen Schlägen und Tritten. Noch eine weitere Kombination und dann ... Er fuhr herum, als er leisen Applaus hinter sich hörte. „Nicht übel, Mr. Alexander”, meinte Aheema trocken und warf ihm ein Handtuch zu. „Ich nehme an, die Ereignisse des letzten Abends veranlassen Sie zu diesen Übungen?” „Nein”, entgegnete er, nachdem er das Handtuch gefangen hatte. „Das sind meine üblichen Trainingseinheiten. Wie sind Sie überhaupt hier hereingekommen?” „Ihr guter Geist, dieser Horaz, war so freundlich. Aber wenn ich störe, gehe ich auch gerne wieder.” „Sie stören nicht. Nicht wirklich, ich wäre sowieso gleich fertig gewesen. Was führt Sie denn so bald schon wieder hierher?” Sie blickte ihn an. „Ich habe mich ein wenig mehr über Sie erkundigt, Mr. Alexander.” „Sie sollten nicht die Hälfte von dem glauben, was man so über mich erzählt”, wandte er trocken ein. „Die gute oder die schlechte Hälfte?”, gab sie schlagfertig zurück. „Suchen Sie’s sich aus.” „Habe ich bereits.” „Und?” „Ich nehme Ihr Angebot an. Unter einer Bedingung.” „Sehr schön. Und die wäre?”, fragte er und fuhr mit dem Handtuch über sein Gesicht.
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„Sie werden Ihre Kontakte nutzen, um ein paar bestimmte Personen für mich finden.” Vincent ließ das Handtuch sinken und blickte sie nachdenklich an. „Verlorengegangene Verwandtschaft?”, fragte er schließlich. „So ähnlich”, räumte sie ein. Es schien sie nicht zu stören, daß er sich auch über sie erkundigt haben mußte. „Also, spielen sie nun mit?” Er pfefferte das Handtuch in die Ecke. „Ja.” „Gut.” Sie lächelte. „Ich nehme an, sie haben nichts dagegen, die Einzelheiten beim Abendessen zu besprechen?” „Nein, es wäre mir im Gegenteil ein Vergnügen. Wann soll ich sie abholen?” „19 Uhr. Aber ich werde Sie abholen.” „Auch kein Problem.” Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich nun zum Gehen, doch Vincent hielt sie noch einmal zurück. „Was wäre, wenn ich Ihre Bedingung nicht einhalten würde?”, meinte er provozierend. Sie blieb neben dem von der Decke hängenden Sandsack stehen. „Ich halte Sie für jemanden, der sein Wort hält, auch wenn es nicht vertraglich besiegelt ist.” „Das mag sein. Es war auch mehr eine rhetorische Frage.” „Nun, in diesem Fall ...” Sie fuhr blitzschnell herum und ihr Bein traf den Sandsack, der daraufhin stark zur Seite zog. Sie drehte sich zu ihm um und lächelte zuckersüß. „... fällt mir sicher auch eine rhetorische Antwort ein.” Sie verließ den Raum und Vincent betrachtet mehr fasziniert das Übungsgeräte, welches immer noch hin und er schaukelte. Er würde die Nachforschungen über Aheema McGerwyn wohl etwas intensivieren müssen.
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In einem Randbezirk von Atlanta „Wann wollten eigentlich die Typen vom FBE da sein, um die da zu abzuholen?”, fragte Officer John Pescali und deutete mit dem Daumen über die Schulter auf den Arrestbereich, in dem zur Zeit drei mutmaßliche Wirtschaftsterroristen darauf warteten, von den für sie zuständigen Behörden übernommen zu werden. Alles, was über Gewalt- und Eigentumsdelikte hinausging, oblag nicht der Ordnungsmacht der europäischen Pachtgebiete in der Neuen Welt, sondern der dafür von der EUMON eingesetzten überregionalen Behörde, dem FBE. „Es ist schon Abend”, entgegnete sein Kollege Howard Grader gelangweilt, warf einem Blick nach draußen, wo es bereits der Abend dämmerte und biß herzhaft in sein Sandwich. „Vielleicht kommen sie auch erst morgen. Wir sind dabei die Angeschmierten, nur wegen dieser Kanaillen wurde uns doch die Nachtschicht aufgebrummt”, murmelte er mit vollem Mund. „Im neuen Überführungsgefängnis ist wohl noch nicht alles so, wie’s sein soll.” „Der Kasten hier ist aber auch ein schlechter Witz”, griente Pescali ohne wirkliche Belustigung. „Meine Oma könnte den Laden hier mit einer Wasserpistole übernehmen!” „Na”, warf sich Grader in Pose und fuchtelte mit dem Sandwich herum, „nicht mit uns, den beiden besten Cops der Stadt als Verantwortliche!” „Stimmt”, bestätigte Pescali, auf den scherzhaften Tonfall seines Partners eingehend. „Was haben die da drinnen eigentlich ausgefressen?” „Die haben wohl versucht, irgend so ein Geschäftsgebäude zu sprengen. Merkwürdige Sache, wenn du mich fragst.” „Sollen sich doch die Deppen vom FBE mit denen befassen. Uns kann’s jedenfalls gleich sein.”
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„Sehe ich genauso ...“ Er hielt inne und horchte. „Warte mal, da draußen hält ein Wagen. Ob die das sind?” Pescali trottete zum Fenster und starrte hinaus. „Hm, bißchen sehr klein, der Wagen. Und es steigt nur einer aus. Na ja, dem Aufzug nach könnte er vom FBE sein, aber sonst ... He, was ist das für eine Scheiße?” „Was denn?” Grader ließ sein Sandwich auf die Tischplatte fallen, eilte zum Fenster und schaute ebenfalls hinaus. „Oh, Mist ...”, stieß er hervor. Auf dem kleinen Hof vor dem Gebäude stand eine einzige Person und blickte zu dem Fenster hoch, an dem wie gebannt die beiden Polizisten standen. Er war eine ziemlich imposante Erscheinung, sicher ein Meter und neunzig groß, sein dunkelgrauer Trenchcoat war offen und die hinteren Zipfel wehten, vom leichten Wind bewegt, um seine Knöchel. Bei der spärlichen Beleuchtung des Hofs ließ sich seine übrige Kleidung nicht erkennen, selbst wenn die Beiden am Fenster darauf geachtet hätten... Aber sie blickten nur auf das Gesicht des Ankömmlings, wo in Augenhöhe zwei kleine grüne Punkte glommen. Plötzlich kam Bewegung in die bisher reglose Gestalt, im Straßenlicht schimmerte es metallisch auf, als sich die Waffe auf das Fenster richtete. Pescali zischte einen unterdrückten Fluch und warf sich blitzschnell zurück. Allerdings nicht schnell genug. Ein trockenes, helles Hämmern drang von unten herauf, für einen Moment wechselte das von außen kommende Dämmerlicht zu einem hellen bläulichen Schimmer, der im Rhythmus des Knatterns flackerte. Das Fensterglas splitterte und Pescali zuckte für Sekundenbruchteile ebenfalls im Rhythmus von Licht und Lärm, bevor er ohne einen Laut nach hinten fiel. Noch in der Bewegung riß er Grader mit sich, der auf diese Weise von den Geschossen verschont blieb, die immer noch durch das Fenster prasselten, noch mehr Glas aus dem Rahmen
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brachen, teilweise von dem Gitter davor abprallten und als Querschläger durch den Raum und in die Nacht zurück jaulten. Einige der Projektile zerstörten die Leuchtstoffröhren an der Decke und es wurde schlagartig finster im Raum, als auch noch das flimmernde Mündungsfeuer gleichzeitig mit dem Rattern erstarb. Grader zog seine Dienstwaffe und robbte zu Pescali, der reglos auf dem Boden und auf sich langsam rot färbenden Scherben lag. Grader brauchte nicht erst die gebrochenen Augen und die vielen roten Flecken auf dem zerfetzten Uniformhemd seines Kollegen sehen, um zu wissen, was passiert war. Er zuckte erschrocken zusammen, als unten wieder das Feuer eröffnet wurde. Eine Alarmsirene sprang an und Grader wußte, daß diesmal die Eingangstür hatte dran glauben müssen. Er packte seine Waffe fester, das geriffelte Metall des Griffs fühlte sich auf irritierende Weise beruhigend an. Diesen Hundesohn würde er sich kaufen. Er warf noch einen kontrollierenden Blick auf die Stahltür, die zum Arresttrakt führte. Diese Leute waren das Einzige, warum jemand versuchen sollte, hier einzudringen, aber trotz der Schüsse waren die Gefangenen nach wie vor ruhig. Vermutlich warteten sie in aller Ruhe auf ihre Befreiung, aber da sollten sie sich geirrt haben. Um zu ihnen zu gelangen, mußte ihr Freund durch diesen Raum, und der hatte nur den einen Ausgang, welcher auf den Korridor führte. Es war die Tür, die Grader, hinter dem Schreibtisch kniend, im Visier seiner Waffe hatte. Es dauerte unerträgliche Sekunden, bis sich schwere Schritte auf dem Flur vernehmen ließen, offenbar legte der Eindringling keinen Wert darauf, sich unbemerkt zu nähern. Grader richtete seine Waffe auf das Milchglasfenster der Tür, doch es dauerte noch ein wenig, bis die Silhouette des Ankömmlings dahinter erschien. Durch das trübe Glas drang nun ebenfalls ein grüner Schimmer, aber Grader war es egal,
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ob der Angreifer nun eine Nachtsichtbrille trug oder nicht. Er würde keine Gelegenheit bekommen, in der Dunkelheit des Raums einen Vorteil daraus zu ziehen. Als sich der Umriß des ganzen Kopfes hinter der Scheibe abbildete, betätigte er zweimal den Abzug. Bereits vor dem zweiten Schuß war der Kopf aus seiner Sicht verschwunden. Er sprang aus seiner Deckung und rannte zu Tür, um sich sein Opfer näher anzusehen, verhielt aber auf halber Strecke. Die Silhouette des Angreifers erschien langsam wieder in der Tür, wandte den Kopf, blickte durch die zersprungene Scheibe in Graders Richtung und verharrte leicht taumelnd für einen Augenblick, als wolle er dem erschrockenen Polizisten Gelegenheit geben, sein Gegenüber näher zu betrachten. Grader seinerseits blickte in das verspiegelte Visier des Helmes, den sein Gegenüber trug und registrierte die leichte Eindellung, wo das Geschoß aus seiner Waffe abgeprallt war. Als der offenbar benommene Eindringling mit einer überraschend kontrollierten Bewegung sein Gewehr hob, feuerte Grader erneut und leerte sein Magazin. Der Angreifer wurde durch die Treffer an die der Tür gegenüberliegende Wand des Flurs geschleudert, konnte aber seine Bewegung noch vollenden. Der bisher intakte Rest der Tür splitterte unter den Geschossen, die von außen das Holz und dann den Officer durchschlugen...
In der City von Atlanta „Ich wußte nicht, daß Sie so einen Laden im Auge hatten”, meinte Vincent zögernd und beäugte aus dem Fenster der Limousine mißtrauisch die futuristisch anmutende Konstruktion aus Glas und Stahl. Er hätte eher vermutet, daß Aheema ein übliches Lokal ins Auge gefaßt hatte. Die riesige Leuchtschrift
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über dem Eingang bildete das Wort AIRPORT und Vincent stellte fest, daß er bereits von diesem Club gehört hatte. „Wäre Ihnen eines dieser konservativen Restaurants vielleicht lieber gewesen?”, fragte Aheema, die Vincents Blick fehlinterpretierte. „Nein”, grinste Vincent, „ich fürchte nur, daß ich falsch angezogen bin.” Sie musterte ihn von oben bis unten und lachte hell auf. „Stimmt, aber das macht nichts. Lassen Sie einfach die Jacke im Wagen und machen Sie diese alberne Fliege ab.” „Nichts lieber als das”, stimmte er zu, denn im Grunde verabscheute er es, wie ein Pinguin herumzulaufen. Auch Aheema trug höchstens halbformelle Kleidung und machte auch darin eine gute Figur, wie Vincent feststellte. „Und noch ein Tip”, meinte sie, als sie beide ausstiegen, „lassen Sie sich drinnen bloß nicht auf eine Diskussion mit jemanden ein, dann sitzen Sie nämlich noch morgen Mittag hier. Hier trifft sich die komplette Schickeria Atlantas, jedenfalls die Jüngeren und Junggebliebenen.” „Danke für die Warnung. Dann mal los.” Bei der Innenarchitektur setzte sich das fort, was das Äußere des Gebäudes angedeutet hatte. Hätte jemand ein halbfertiges Sportflugzeug in die gewaltige Halle gestellt, wäre der Unterschied zu einer kleinen Flugzeugwerft wohl minimal gewesen, doch die in zwei Etagen angeordneten Galerien mit Tischen und zahlreichen Theken umrahmten nur eine große Tanzfläche, die jedoch um diese Zeit noch leer war. Es herrschte ein angenehmes, gedämpftes Licht, die einzige Ausnahme war die gigantische Monitoranlage, die unter der Decke angebracht war und nach allen Seiten flimmerfrei die Ausstrahlung des regionalen Nachrichtenkanals zeigte. Obwohl sich die Gäste, die immerhin schon zu Dutzenden zählten, in der Weitläufigkeit des Gebäudes verteilten, verlor Vincent schnell den Überblick und verließ sich vollkommen
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auf Aheema, die ihn zielstrebig zu einer Reihe von Tischen führte, die durch Trennwände als Separées ausgelegt waren. „Ich bin häufiger hier und habe einen Stammplatz”, erklärte sie, als sie in einem der Separées Platz nahmen. Vincent kam nicht dazu, etwas zu entgegnen, zumal in diesem Augenblick ein ziemlich junger Kellner auf der Bildfläche erschien, der auch aus einem Science-fiction- Film hätte entsprungen sein können. „Guten Abend, die Herrschaften”, meinte er „Schön, Sie wieder bei uns zu Gast zu haben, Miss McGerwyn”, fügte er, an Aheema gewandt, hinzu. „Möchten Sie das Übliche oder wünschen Sie eine Karte?” „Bitte, Peter, gib uns ruhig die ...” Sie brach ab, als das Geschehen auf dem Riesenmonitor ihre Aufmerksamkeit fesselte. Vincent folgte ihrem Blick, ebenso der Kellner. Auf dem Bildschirm wurden Bilder eines Gebäudes gezeigt, welches von Polizei- und auch einem Krankenwagen umringt war, die Signalleuchten erzeugten eine unwirkliche Atmosphäre, die durch die vielen im Bild umherlaufenden Beamten, teilweise in Zivil, auch eine gewisse Hektik mitbekam. Erst jetzt trat ein Berichterstatter in Bild, der sich merkwürdigerweise nur durch das Mikro in seiner Hand von den Polizisten in Zivil unterschied. Direkt neben dem ALN- Logo in der unteren rechten Bildschirmecke erschien der Schriftzug „Eduard Hengist vor Ort”. „Wir stehen hier vor dem alten Überführungsgefängnis, in dem vor kurzen wohl eine Art Massaker stattgefunden hat”, begann der Reporter und schaffte es, eine genau bemessene Aufregung in seine Stimme zu legen, für die er eigentlich gar keinen Grund hatte, aber die beim Publikum meistens sehr gut ankam. „Wie wir bereits berichteten, sollte morgen offiziell die neue Anlage eingeweiht werden, aber an diesem Abend warteten noch drei Personen, über die uns noch keine Informationen
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vorliegen, auf ihre Übernahme durch die Bundesbehörden der europäischen Pachtgebiete. Diese sind zwar inzwischen eingetroffen, können aber zur Zeit offenbar auch nichts zur Klärung der Situation beitragen. Tatsache ist, daß die zwei diensthabenden Polizisten und alle drei Inhaftierten unbekannten Angreifern zum Opfer fielen. Offenbar wurde der Alarm ausgelöst, wenig später ging auch eine Meldung eines hier in der Nähe wohnenden Bürgers ein, der die Schüsse gehört hat. Wir werden versuchen, einen für die Ermittlung Verantwortlichen vor die Kamera zu bekommen.” Er ging schnellen Schrittes zu einer Gruppe von Personen hinter der Absperrlinie, die sich angeregt unterhielten. Aheema beugte sich über den Tisch. „Sind das die Leute, mit denen wir gestern zu tun hatten?”, fragte sie wispernd. „Höchstwahrscheinlich”, antwortete Vincent ebenso leise, nickte und wandte sich wieder der Monitoranlage zu, wo Eduard inzwischen sein Opfer gefunden hatte. „Ich spreche hier mit dem für die Untersuchung dieses Falls Beauftragten, mit Ermittler Columbo ...” „Cosano”, korrigierte der Beamte trocken, der neben Eduard stand. „... Cosano, entschuldigen Sie bitte.” Eduard Hengist war in seinem Element, der Versprecher natürlich geplant gewesen. Er wußte, was seine Zuschauer neben reiner Information erwarteten. „Was können sie uns zur Situation sagen, Mr. Cosano?” „Wir tappen noch vollkommen im Dunkeln, was die Motive und den Ablauf des Verbrechens angeht”, berichtete Cosano souverän. Es war nicht das erste Mal, daß er mit lästigen Reportern umgehen mußte, obwohl er seit seiner Versetzung aus dem benachbarten Pachtdistrikt South Carolina noch nicht lange seinen Dienst in Atlanta versah. Auch der Scherz Hengists auf seine Kosten störte ihn nicht wirklich. „Wir wissen nur”,
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fuhr er fort, „daß dieser Anschlag, wie ich es nenne möchte, primär den Inhaftierten galt, die Beamten Pescali und Grader starben offenbar bei dem Versuch, diesen Übergriff zu verhindern.” „Wie kommt es, daß nur zwei Beamte zur Sicherung der Anlage abgestellt wurden, ist das nicht eher unüblich?” „Da haben Sie recht. Dieser Umstand ist sicher auf den morgigen Umzug ins neue Überführungsgefängnis zurückzuführen, nichtsdestotrotz wird es deswegen ebenfalls eine Untersuchung geben. Ebenso, wie intensiv nach den Tätern gefahndet werden wird.” „Gibt es denn bereits Spuren, denen Sie und ihre Kollegen nachgehen können?” „Die Untersuchung und Spurensicherung ist selbst vor Ort noch nicht abgeschlossen, aber ja, wir haben bereits ein paar Anhaltspunkte, namentlich was den Grund für die Inhaftierung der ermordeten Häftlinge angeht.” „Im Klartext: Er wird spätestens morgen bei mir aufkreuzen”, knurrte Vincent, „schon allein, weil meine Vernehmung wegen des Einbruchs in meine Firmenzentrale noch ansteht.” „Ich kenne Cosano schon von heute Vormittag”, meinte Aheema, „da Sie sich noch bedeckt hielten, hat er bei mir versucht, schon mal ein paar Informationen zu bekommen. Offenbar hat es ihm nicht übermäßig gefallen, die Sache ans FBE abgeben zu müssen.” „Wirtschaftsterrorismus ist nun mal ein Fall für die Bundesbehörden. In Europa mag man es gar nicht, wenn Niederlassungen in der Neuen Welt gesprengt werden, es hängt zuviel dran und der Lakota-Delaware-Stammesverband ist heutzutage recht schnell mit dem Entzug territorialer Pachtlizenzen, wenn man in den betreffenden Gebieten nicht für Ordnung sorgt. Inzwischen könnte LDS gut auf die Pachtgebühren für Georgia verzichten, wie auch auf einige andere Areale. Aber wie auch
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immer, ich werde mir noch was einfallen lassen müssen, was ich ihm in welcher Weise erzähle.” „Wir werden uns da was einfallen lassen müssen”, korrigierte ihn Aheema. „Sollten wir nicht gehen, falls er nachher bei Ihnen auftaucht? Wenn er uns zusammen befragen muß, können wir uns nicht in Details widersprechen.” Sie wandte sich an Peter, dem Kellner, der sich sofort grinsend die Hände an die Ohren hielt, als Zeichen dafür, daß er nichts gehört haben wollte. „Peter, leider müssen wir gleich wieder los. Wenn Cosano dich aus irgendwelchen Gründen wegen uns fragen sollte, sagst du ihm bitte die Wahrheit. Leute wie er werden mißtrauisch, wenn man Unwissen vorschiebt, okay?” „Selbstverständlich, Miss McGerwyn.” „Meine Güte”, seufzte Vincent, als sie wieder im Wagen saßen, „es scheint mir ein wenig so, als hätten Sie sich in dem Burschen einen Verschwörer herangezogen.” „Richtig. Ich nehme an, auch Sie lassen es sich einiges kosten, auch in der Öffentlichkeit eine gewisse Diskretion für sich in Anspruch nehmen zu können, nicht wahr?” „Sicher”, grinste Vincent. „Ach übrigens, wenn wir uns schon verschworen haben, können wir uns auch beim Namen nennen, oder?” „Natürlich, Vincent.” „Sehr schön, Aheema, wir müssen uns also nur noch absprechen, wieviel wir Cosano erzählen...” „Das war also der Ablauf aus Ihrer Sicht.” Cosano lehnte sich in dem bequemen Ledersessel zurück, der mit einigen anderen zu einer lockeren Sitzgruppe in einem der vielen Besprechungsräume arrangiert war. Neben dem Ermittler waren nur Aheema und Vincent im Raum und hatten ebenfalls Platz genommen, mit etwas Abstand zueinander, um nicht den Eindruck zu erwecken, gegen den Beamten Front machen zu wollen.
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Cosano selbst war ein umgänglich wirkender Mann südländischen Typs, welcher es vermochte, die eigentlich recht prosaische Sprache Europarl mit einem angenehmen Akzent zu verknüpfen. Aheema war dies auch bei Vincent aufgefallen und auch sie selber sprach die Lingua franca Europas und seiner Pachtgebiete in der Neuen Welt mit dem leichten Unterton der Sprache ihres Heimatlandes nach traditioneller Grenzlage. Es war eine der Möglichkeiten, die Identität der Völker in einer Zeit zu erhalten, in denen statt einzelner Nationen Staatenbünde – meist auf kontinentaler Ebene – miteinander konkurrierten. Die Emirate hatten sich ebenfalls auf reines Arabisch geeinigt, wodurch viele Dialekte dem Untergang geweiht waren. In Asien sah es nicht viel anders aus, ebenso in der Pazifischen Liga, zu der neben sämtlichen Inselstaaten Ozeaniens natürlich auch Japan zählte. Und dann gab es auch noch Australien, in dem territoriale Ansprüche seit dem Beginn der Nutzung dieses Kontinents im Jahre 1780 – über einhundert Jahre bevor der erste Europäer seinen Fuß auf den Boden der Neuen Welt setzte – umkämpft wurden. Die wenigen Siedler unterschiedlicher Nationen oder auch nur unterschiedlicher Familienzugehörigkeit, die Staatenbünde selbst und natürlich die Privatarmeen großer Konzerne lieferten sich dort kleine, aber zahlreiche und intensive Scharmützel, um ihre Ansprüche an Territorium und Rohstoffen zu verteidigen und zu erweitern. Aheema registrierte, wie weit sie in Gedanken abgeschweift war und konzentrierte sich wieder auf das Gespräch, welches jedoch keine Fortschritte gemacht hatte. „Nun dann”, meinte Cosano in diesem Augenblick, „will ich Sie beide nicht länger behelligen. Ihre Angaben decken sich mit meinen bisherigen Erkenntnissen und daher genügt es mir, wenn Sie sich zur Verfügung halten könnten. Natürlich dürfen Sie Georgia nicht verlassen.”
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„Selbstverständlich”, bestätigte Aheema. „Ich hoffe, wir konnten Ihnen weiterhelfen.” „Mir liegt natürlich ebenfalls sehr viel daran, diese Sache geklärt zu wissen”, ergänzte Vincent. „Schließlich betrifft es mein Unternehmen in nicht geringem Maße und Sie haben daher meine volle Unterstützung.” „Davon bin ich überzeugt”, nickte Cosano und stand auf. „Danke, daß Sie beide sich so spät noch Zeit für mich genommen haben. Es ist zwar schade, daß Sie mir keien näheren Auskünfte geben können, was die Details Festsetzung der Terroristen auf dem Dach dieses Gebäudes angeht, aber ...” „Sie können mir glauben, gäbe es nicht meine Pflicht zur die Geheimhaltung, würde ich Ihnen erzählen, wie dieser Teil der Ereignisse ablief”, versicherte Alexander dem Ermittler. „Aber ich darf das Vertrauen meiner Kunden in Regierungskreisen nicht enttäuschen, so lange keine gerichtliche Verfügung zur Offenlegung vorliegt.“ „Das glaube ich Ihnen aufs Wort. Ach ja, ich bräuchte noch Kopien der Überwachungsdaten Ihres Sicherheitssystems von gestern Abend.” „Die Anlagen wurden größtenteils gestört”, erklärte Vincent, „aber was wir haben, stellen wir Ihnen gern zur Verfügung. Einer meiner Angestellten kümmert sich bereits darum, Sie können das Material in der Lobby in Empfang nehmen.” „Vielen Dank”, meinte Cosano, „sehr freundlich. Eine Frage hätte ich noch: Haben Sie beide in der Vergangenheit schon häufiger geschäftlich miteinander zu tun gehabt?” „Nein”, entgegnete Vincent, „jedenfalls nicht persönlich. Der Grund, warum Sie uns hier zusammen antreffen ist, daß unsere Geschäftsbesprechung gestern unterbrochen wurde.” „Sie können natürlich auch mit meiner vollen Unterstützung rechnen”, warf Aheema ein. „Natürlich”, nickte Cosano und wandte sich zum Gehen. „Einen guten Abend noch, die Herrschaften.”
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„Er hat uns nur einen Bruchteil von dem geglaubt, was wir ihm aufgetischt haben”, stellte Aheema fest, als Cosano gegangen war. „Allerdings”, bestätigte Vincent. „Ich frage mich nur, welchen Bruchteil.” „Nun”, meinte Aheema, „ich denke, diese kleine Verschwörung wird das Gesamtkonzept unserer Partnerschaft nicht nachhaltig stören.” „Ich freue mich, daß du dich inzwischen entschieden hast”, entgegnete Vincent ohne jede Überraschung. „Das andere könnte noch etwas hinderlich werden, denn Cosano hat Verdacht geschöpft und das FBE ist sicher nicht weniger neugierig, dafür aber wesentlich penetranter in seiner Vorgehensweise. Horaz hat die bisherigen Ergebnisse im Fall der ermordeten Terroristen aus dem Computer des hiesigen Dezernats des PSB gezogen. Den Daten zufolge kam bei dem Zugriff Hochtechnologie zum Einsatz. Mein Konzern hat sein Herzstück in diesem Bereich und bis die Sache restlos geklärt ist, werden alle zuständigen Behörden den falschen, aber für sie logischen Schluß ziehen, ich hätte die Leute möglicherweise beseitigen lassen.” „Ich gehe davon aus, daß du es nicht warst”, meinte Aheema großzügig. „Das hättest du gestern Abend leichter haben können. Aber wer könnte dafür verantwortlich sein?” „Ich habe nicht die kleinste Idee, aber Horaz wird an der Sache dranbleiben.” „Vermutlich werden wir warten müssen”, meinte Aheema, „bis dein, oder richtiger unser Widersacher den nächsten Schritt unternimmt.”
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3. Auflage (07/2002) © 2001 Sonnensturm Media. Alle Rechte vorbehalten. Umschlaggestaltung: Sonnensturm Media www.webprojekt.org
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