Doris Burger Computergestützter organisationaler Wissenstransfer und Wissensgenerierung
VS RESEARCH
Doris Burger
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Doris Burger Computergestützter organisationaler Wissenstransfer und Wissensgenerierung
VS RESEARCH
Doris Burger
Computergestützter organisationaler Wissenstransfer und Wissensgenerierung Ein Experteninterview basierter Forschungsansatz Mit einem Geleitwort von Univ.-Prof. Dr. Dr. Roman Brandtweiner
VS RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Wirtschaftsuniversität Wien, 2008
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Verena Metzger | Dr. Tatjana Rollnik-Manke VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17417-4
Geleitwort
Wissen, die Generierung desselben sowie seine Verwendung und Verwaltung – eben das Management des Wissens – sind gegenwärtig in allen gesellschaftlichen Teilsystemen zentral. Dies wurde innerhalb der vergangenen 20 Jahre durch die immer intensiver werdende Nutzung der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien besonders deutlich. Deshalb wird Wissensmanagement sehr oft in direktem Zusammenhang mit eben diesen Technologien gebracht. Wissen war allerdings für Organisationen schon immer sehr bedeutsam. Wie hätten die ab dem sechzehnten Jahrhundert teilweise global agierenden Handelshäuser prosperieren können ohne ein wirkungsvolles und effektives Wissensmanagement? Trotz dieser und anderer ähnlich klarer Indikatoren ist Wissensmanagement erst mit der fortschreitenden Entwicklung und dem umfassenden Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnologie in das Zentrum wissenschaftlicher Analysen gerückt. Primär beschäftigen sich technikorientierte Disziplinen wie die angewandte Informatik und verschiedene Informationswissenschaften mit diesem Fachgebiet. Wie auch von der Autorin des vorliegenden Werkes im ersten Kapitel aufgezeigt, ist nur ein vergleichsweise geringer Teil des Forschungsoutputs zum Thema Wissensmanagement den Managementwissenschaften zuzurechnen. Die Erklärung dafür dürfte in der während der letzten Jahrzehnte stattgefundenen fortschreitenden Digitalisierung aller Lebensbereiche liegen, insbesondere jener der For-Profit- und der Non-Profitorganisationen, da diese Subsysteme naturgemäß für die Managementwissenschaften von primärem Interesse sind. Damit einhergehende prozessuale und strukturelle Veränderungen wurden als technologiebedingt wahrgenommen. Durch Entwicklungen im Bereich der Halbleitertechnologie entstanden immer leistungsfähigere Computer 5
und Speichermedien, Fortschritte in der Telekommunikation revolutionierten die Übertragung von Information und Wissen. Letztendlich weist und wies alles auf die Technologie hin. Dabei wurde und wird oft übersehen, dass diese Technologien in einem gesellschaftlichen und organisatorischen Kontext entstanden sind und eingesetzt werden. Genau hier setzt die Autorin an. Die vorliegende Untersuchung ist eine, die einen Beitrag zur Schließung der bereits oben angesprochenen managementwissenschaftlichen Forschungslücken leistet. Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien werden als ein innovatives Werkzeug des Wissensmanagements begriffen, nicht als deren kausale Ursache. Fokussiert wird auf den Wissenstransfer und die -generierung. Zugänge, Einstellungen und Positionierungen von Führungskräften zum Wissensmanagement stehen im analytischen Focus. Die Autorin präsentiert eine interessante sozialwissenschaftlich und nicht technikorientierte Untersuchung dieser komplexen Thematik. ao. Univ.-Prof. Dr. Dr. Roman Brandtweiner
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Vorwort
Der Inhalt des Buches basiert auf meiner Dissertation an der Wirtschaftsuniversität Wien und beschäftigt sich mit organisationalem Wissen. Das Interesse der 20 befragten Expertinnen und Experten für das Thema hat mich veranlasst, die Dissertation zu überarbeitenden und zu publizieren. Eingebettet in die Managementlehre, fokussiert das Buch auf die Ressource Wissen, welche sich im Lebenszyklus von Organisationen stets zwischen Informationstechnologie und Human Resources bewegt, unter der organisationalen Prämisse von Effizienz und Gewinnmaximierung. Aus meinen persönlichen Erfahrungen in den Expertenund Expertinneninterviews handelt es sich beim Managen von Wissen um eine permanente Herausforderung für Führungskräfte, welche einerseits auf die Frage der Steuerung und Entscheidungsfindung und andererseits auf jene der Fortentwicklung und Erneuerung einer Organisation, abzielt. Die Bedeutung von Wissen als Ressource und folglich als Generator für Innovationen zur Sicherung des nachhaltigen Erfolgs einer Organisation wird des Öfteren unterschätzt. Aufgrund der gestiegenen Komplexität und Dynamik des organisationalen Umfelds bräuchten Führungskräfte heute mehr denn je zuvor Unterstützung in Bezug auf die Steuerung von Wissen, denn die äußere Komplexität bedingt die Notwendigkeit des Aufbaus von innerer Komplexität in einer Organisation. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten richtet sich der Fokus der Steuerung auf die Finanzperspektive, doch wo liegt die Grenze zur Gefährdung der Wissensbasis einer Organisation? Wie agieren intelligente Organisationen in Zeiten des harten Wettbewerbs? Wie viel Fluktuation verträgt eine Organisation, falls das Wissen der Mitarbeiterinnen und 7
Mitarbeiter nicht in die Wissensbasis der Organisation integriert wurde? Wie bedeutsam ist die Informationstechnologie für das Wissensmanagement von Organisationen? Diese und ähnliche Fragen sind Bestandteil des Buches. Die Informationstechnologie ermöglicht heute die Umsetzung von state-of-the-art Prozessen und Dokumentationen, des Weiteren hat sie wesentlich zur Beschleunigung und Vereinfachung unserer Arbeits- und Lebenswelten beitragen; trotz der Faszination für den technologischen Fortschritt, ist jedoch der Einsatz von Informationstechnologie mit zahlreichen Risiken verknüpft; innerhalb einer Organisation aufgrund neuer Kopplungen, außerhalb der Organisation aufgrund begrenzter Steuerbarkeit und komplexer Systeme. Die Interviews mit den Expertinnen und Experten haben gezeigt, dass der ausschließliche Finanzfokus in einer Organisation, ein für Führungskräfte zu eindimensionales Steuerungsinstrument ist; vielmehr erscheint es erstrebenswert, eine Balance zwischen den Polen Finanzen und Wissen zu finden, dies im Bezug auf den nachhaltigen Erfolg und die permanente Erneuerung einer Organisation. Es hat mich gefreut, dass meine interessanten Interviewpartnerinnen und Interviewpartner offen kommuniziert haben und somit wesentlich zum Erkenntnisgewinn dieses Buches beigetragen haben. Abschließend danke ich meinem Doktorvater für die Anregungen zur vorliegenden Publikation und Hubert für sein Verständnis - so konnte es gelingen, dieses Buch nun in Händen zu halten. Doris Burger
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Inhalt
Geleitwort..........................................................................................................5 Vorwort ..............................................................................................................7 1. Einführung ..................................................................................................13 2. Problemstellung - Forschungsfragen......................................................19 2.1 Problemstellung ....................................................................................19 2.2 Forschungsfragen .................................................................................21 2.3 Aufbau des Buches ...............................................................................22 3. Forschungsrelevante Annahmen.............................................................25 3.1 Meta-theoretische Positionierung im Forschungsrahmen ..............25 4. Knowledge Economy.................................................................................33 4.1 Wissen im wirtschaftlichen Kontext...................................................33 4.2 Wissensbegriff .......................................................................................37 4.2.1 Wissensarten ....................................................................................39 4.2.2 Wissenseigenschaften .......................................................................43 4.2.3 Wissenstransfer und Wissensbestand ..............................................45 4.2.4 Wissen und Informationstechnologie ...............................................50 4.2.5 Wissen und ethische Aspekte ...........................................................53 4.3 Exkurs: Abgrenzung Daten, Information und Wissen ....................55 5. Theoretische Konzepte und handlungs-................................................59 theoretische Überlegungen ..........................................................................59 5.1 Theoretische Basis: Wissen und Organisation ..................................59 5.1.1 Ansatz der Kernkompetenzen...........................................................61 5.1.2 Modell der wissensgenerierenden Organisation ..............................64 5.1.3 Konzepte des Wissenstransfers.........................................................71 5.1.4 Organisationaler Lernprozess ..........................................................80 5.1.5 EFQM-Modell “Knowledge Business-Excellence” ..........................97 6. Konzeptioneller systemtheoretischer...................................................101 Bezugsrahmen...............................................................................................101 9
6.1 Organisation: allgemein.....................................................................101 6.2 Organisation als soziales System nach Luhmann ..........................105 6.2.1 Systemische Merkmale der Organisation.......................................110 6.2.1.1 Merkmal „kommunikative Offenheit“ und „operative Geschlossenheit“ ..............................................................................110 6.2.1.2 Merkmal „Komplexität“......................................................111 6.2.1.3 Merkmal „Autopoiesis“ ......................................................113 6.2.1.4 Merkmal „Selbstorganisation“ ...........................................114 6.2.1.5 Merkmal „Kommunikation als soziale Einheit“ ..............117 6.2.2 Exkurs: Organisation und Entscheidung ......................................119 7. Empirie - Teil 1 .........................................................................................121 7.1 Forschungsleitende Fragestellungen................................................121 7.2 Methodische Vorgehensweise - Research Design ..........................122 7.3 Die Methode: das Experteninterview ..............................................127 7.3.1 Grundsätzliches zur Methode: Begriffsdarstellung und Vorgehen 127 7.3.2 Expertenauswahl ............................................................................130 7.3.2.1 Experten im Kontext der Organisation .............................132 7.4 Die qualitative Inhaltsanalyse...........................................................135 7.4.1 Beschreibung und Anwendung......................................................135 7.4.2 Auswertungsmethodik ...................................................................136 7.4.3 Kategorien und wissensbezogene Variablen in Organisationen ....140 7.5 Zusammenhang zwischen forschungsleitenden Fragestellungen, Erhebungsinstrument und Ergebnissen ................................................146 8. Empirie - Teil 2 .........................................................................................149 8.1 Untersuchungsergebnisse..................................................................149 8.1.1 Wissen in Organisationen..............................................................150 8.1.1.1 Allgemeine Bedeutung des Wissens in Organisationen.152 8.1.1.2 Differenzierung des Wissens ..............................................159 8.1.1.3 Explizites Wissen in Organisationen .................................160 8.1.1.4 Implizites Wissen in Organisationen.................................163 8.1.1.5 Stellenwert der Informationstechnologie in Organisationen .................................................................................166 8.1.2 Organisationale Kompetenzen .......................................................170 8.1.3 Wissensgenerierung in Organisationen.........................................180 8.1.3.1 Systembezogene Wissensgenerierung ..............................181 10
8.1.3.2 Identifikation von Chancen und Risiken ..........................185 8.1.3.3 Wissen als knappe Ressource .............................................190 8.1.3.4 Führungskraft als Wissensträger .......................................193 8.1.3.5 Mitarbeiter und Wissensgenerierung................................201 8.1.4 Organisationaler Wissenstransfer..................................................204 8.1.4.1 Besonderheiten des impliziten Wissens............................207 8.1.4.2 Organisationsbezogene Determinanten............................214 8.1.4.3 Personenbezogene Determinanten ....................................216 8.1.5 Lernen in Organisationen ..............................................................220 8.1.5.1 Initiatoren von organisationalen Lernprozessen .............222 8.1.5.2 Konsequenzen von Lernprozessen ....................................228 8.1.6 „Knowledge-Business Excellence“ .................................................231 8.2 Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse ........................237 9. Forschungsausblick .................................................................................245 10. Literaturverzeichnis...............................................................................249 11. Organisationsverzeichnis .....................................................................257 12. Anhang.....................................................................................................259
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1. Einführung
Das Buch analysiert Fragestellungen des computer-gestützten organisationalen Wissenstransfers und der Wissensgenerierung. Primäres Ziel ist die Generierung und Analyse von relevanten Daten und Informationen in Bezug auf Organisationen, anhand von Expertinnen- und Experteninterviews1; sekundär, die Umwandlung dieser gewonnenen Daten und Informationen in eine relevante explizite Wissensbasis, um für Organisationen den generellen Kontext von wissensrelevanten Fragestellungen zu verdeutlichen und die Ableitung von zentralen organisationsspezifischen Fragegestellungen zu ermöglichen. Das Forschungsfeld Wissen hat auf Grund der wirtschaftlichen Strukturveränderungen, der Digitalisierung und Technisierung und der zunehmenden Komplexität, aktuelle Relevanz für Organisationen. Es handelt sich allerdings um ein heterogenes Forschungsfeld, basierend auf verschiedenen Forschungsdisziplinen; folglich kann von keinem singulären Theoriegebäude für Wissensfragen, gesprochen werden. Diesen interdisziplinären Charakter untermauert eine Studie von Schwartz2, der zufolge 44% der wissenschaftlichen Arbeiten der Disziplin Information Systems, 15,66% der Disziplin Computer Science, 6,02% der Disziplin Information und Library Science und 4,82% der Disziplin Management zugeordnet werden. Weitere fünfundzwanzig Forschungsdisziplinen haben entsprechend dieser Studie, einen geringeren Anteil am wissensrelevanten Forschungsoutput zum Thema Wissensmanagement. 1 Im gesamten Text wurde zum Zweck der besseren Lesbarkeit auf den „innen“ -Zusatz verzichtet. Beide Geschlechter sind gleichermaßen angesprochen. 2 David G. Schwartz (2004): On Managing the Knowledge of Knowledge Management, Proceedings of the Tenth Americas Conference on Information Systems, New York, August 2004.
13 D. Burger, Computergestützter organisationaler Wissenstransfer und Wissensgenerierung, DOI 10.1007/978-3-531-93047-3_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Die theoretischen Konzepte und Modelle der Forschungsgemeinschaft untersuchen verschiedene Perspektiven, wie prozessorientierte-, organisationale- und soziale-, management-, rechtliche-, technologische- und anwendungsorientierte Aspekte. Bei allen vorhandenen Unterschieden, ist jedoch die besondere Bedeutung des Organisierens von Wissen, für die Entwicklung von Innovationsfähigkeit und den nachhaltigen Erfolg von Organisationen, gemeinsam (Schwartz, 2004). Wissen wird als neuer Produktionsfaktor beziehungsweise als neue Ressource der postindustriellen Gesellschaft bezeichnet. Die Bedeutung des Organisierens von Wissen im Bezug auf Organisationen lässt sich vor allem durch die Komplexität und den Wettbewerb, vorangetrieben durch die Geschwindigkeit der technologischen Entwicklungen und die wirtschaftlichen Strukturveränderungen, in einem globalen und internationalen Markt, erklären. Drucker unterstützt die Relevanz von Wissen für Organisationen, indem er meint: “The means of production to use the economists term- is no longer capital, nor natural resources, nor labour. It is and will be knowledge” (Drucker, 1993).
Ebenso betont Senge mit seiner Aussage „Knowledge ist the capacity for effective action“, die Bedeutung der Ressource Wissen für den Erfolg und den nachhaltigen Bestand von Organisationen (Senge, 1997). Der Umbau der traditionellen tayloristischen Organisation zu einer wissensbasierten intelligenten Firma verlangt nach Neuorientierung von Organisationen im Hinblick auf den Umgang mit dem Wissen generell und der Bewertung des Wissens, im Besonderen (Quinn, 1992). In der Literatur existieren unzählige Definitionen des Wissensbegriffs. Im Folgenden werden einzelne ausgewählte Definitionen beispielhaft aufgezählt. In einem ersten Schritt erfolgt eine zentrale Differenzierung zwischen Wissen, Information und Daten (siehe Kapitel 4.3.). In der Betriebswirtschaftslehre wird bei der Abgrenzung von Daten, Informationen und Wissen zumeist auf die Erkenntnisse der Semiotik zurückgegriffen, wobei hier zwischen den drei Hauptebenen der Sprache, der syntaktischen, semantischen und pragmatischen Ebene, unterschieden wird. Basierend auf dieser Systematik, werden Daten, Informatio14
nen und Wissen einer Ebene zugeordnet (Al-Laham, 2003). Leibold et al treffen eine andere Unterscheidung, welche lautet: „Data are elements of analyses. Information is data with context; knowledge is information with meaning, wisdom is knowledge plus insight and sound judgement” (Leibold, Probst, Gibbert, 1995). Machlup wiederum klassifiziert nach der subjektiven Bedeutung des Wissens in: „Practical knowledge, intellectual knowledge, small-talk and past-time knowledge, spiritual knowledge und unwanted knowledge” (Machlup, 1962). Eine umfassende Definition des Wissens wird von Davenport & Prusak formuliert: „Knowledge is a fluid mix of framed experience, values, contextual information, and expert insight that provides a framework for evaluation and incorporating new experiences and information. It originates and is applied in the minds of knowers. In organizations, it often becomes imbedded not only in documents or repositories but also in organizational routines, processes, practices, and norms.” (Davenport & Prusak, 1998, S. 5).
Ein sehr häufig rezipierter Erklärungsansatz ist auf Polanyi zurückzuführen, welcher zwischen zwei Arten des Wissens unterscheidet: Dem impliziten Wissen, welches aufgrund von Erfahrungen und Praxis entsteht und dem explizitem Wissen, welches formulierbar und dokumentierbar ist (Polanyi, 1958). Diese Differenzierung nach Polanyi wird den weiteren Ausführungen des Buches zu Grunde gelegt, da diese insbesondere für die wissensbezogene Bewertung von Organisationen relevant ist (siehe Kapitel 4.2.1). Grundsätzlich werden im theoretischen Kontext, zwei Perspektiven bei der Beantwortung der Frage des Organisierens von Wissen in Unternehmen, unterschieden. Einige wenige holistische Ansätze, welche Wissen und organisatorisches Lernen zum Erkenntnisobjekt der Organisationsführung herausarbeiten und eine überwiegende Mehrheit von Ansätzen mit partiellen Lösungsansätzen auf einzelne Aspekte der Organisation oder technikorientierte, der Wirtschaftsinformatik zuzuordnende Ansätze (Al-Laham, 2003). Im Mittelpunkt des prozessorientierten und ganzheitlichen Ansatzes von Nonaka und Takeuchi steht die Generierung von neuem, relevantem Wissen einer Organisationen mittels verschiedener Formen der Wissensumwandlung, mit dem Ziel die Innovationsfähig15
keit zu erhöhen. Bei diesen Umwandlungsformen, genannt Modi, handelt es sich konkret um die Sozialisierung, Externalisierung, Internalisierung und Kombination des vorhandenen Wissens. Dieses Konzept beruht auf der Dichotomie zwischen implizitem und explizitem Wissen innerhalb der Organisation, welche durch die Nutzung der Modi überwunden wird und zu neuem systemrelevantem Wissen führt (siehe Kapitel 5.1.2). Ein weiterer prozessorientierter Ansatz fokussiert auf den Lebenszyklus des Wissens innerhalb einer Organisation, wobei hier ebenfalls zwischen vier Prozessen unterschieden wird: Der Wissensgenerierung durch Kreation und Akquisition, der Wissenskodifizierung, verstanden als Wissensspeicherung, dem Wissenstransfer und letztlich der Anwendung des Wissens (Davenport & Prusak, 1998). Ziel des Organisierens von Wissen ist die Fähigkeit einer Unternehmung, sich Zugang zum individuellen und kollektiven Wissen der Organisation zu verschaffen und die Organisation entsprechend den Kriterien der Optimierung und Effizienz, zu gestalten. Um die Mitarbeiter einer Organisation zur Kreation, Nutzung und zum Wissenstransfer zu stimulieren, ist ebenfalls eine wissensfördernde Kultur und –Infrastruktur, Voraussetzung (Bennet & Bennet, 2003). Willke versteht Wissensmanagement als interne Leistung einer wissensbasierten Organisation, welche sich in den Prozessen und Produkten der Organisation wieder spiegelt (Willke, 2001). Organisationales Wissen ist demzufolge eng verknüpft mit organisationalen Lernprozessen. Wissen ist das Ergebnis von organisationalen Lernprozessen, welche einerseits Lernprozesse auf der Ebene der Person implizieren und andererseits Lernprozesse auf der Ebene der Organisation initiieren (siehe Kapitel 5.1.4). Folglich handelt es sich um einen zirkulären Prozess der Wissensgenerierung und des Wissenstransfers auf den unterschiedlichen Ebenen einer Organisation. Im Rahmen des Buches werden Wirtschaftsorganisationen und Organisationen, welche unter wirtschaftlichen Prämissen operieren müssen, aber im Weitesten dem öffentlichen Sektor zuzurechnen sind, analysiert. Die besondere Perspektive ist jene von Führungskräften der Organisationen, welche in ihrer Rolle als Experten der organisationalen Steuerung verstanden werden und über eine Gesamtsicht auf das jeweilige soziale 16
System und gleichzeitig über einen privilegierten Zugang zu Informationen und Daten, verfügen. Im Buch finden die Aspekte der technischen Informatik keine inhaltliche Berücksichtigung, vielmehr wird auf managementwissenschaftliche Fragestellungen im Kontext der Wirtschaftsinformatik, als betriebswirtschaftliche Teildisziplin eingegangen. Informationstechnologie wird grundsätzlich als Black Box beziehungsweise als Enabler für die Umsetzung von Wissensmanagementprojekten und -aufgaben eingestuft, allerdings nicht als kritischer Erfolgsfaktor für die Implementierung von wissensrelevanten Managementaufgaben. Folglich ist die Informationstechnologie als solche auch nicht Gegenstand des Buches, sondern ihre Anwendungen im Rahmen eines integrativen Forschungsansatzes.
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2. Problemstellung - Forschungsfragen
2.1 Problemstellung Die Theorie bezeichnet die heutige Gesellschaft oft als Wissensgesellschaft beziehungsweise als postindustrielle Gesellschaft, in welcher das Wissen zur relevanten Ressource für den Erfolg von Organisationen erklärt wird (Drucker, 1993; Quinn, 1992). Diese „neue“ Ressource verlangt auf Grund ihrer inhärenten Eigenschaften wie Flüchtigkeit, Kontextabhängigkeit und Schwierigkeit der Messbarkeit, neue Mechanismen der Steuerung beziehungsweise einen neuen Umgang im Sinne eines ökologischen Verständnisses, ganz im Unterschied zu den Handlungsweisen in Bezug auf finanzielle Ressourcen. Mit der Entwicklung der Informationstechnologie und der damit verbundenen Technologisierung und Digitalisierung von Prozessen, haben sich die Markt- und Wettbewerbsstrukturen und die Strukturen und Prozesse des wirtschaftlichen Agierens von Organisationen verändert (Rosegger, 1991). Die Entwicklung des World Wide Web und folglich die Verfügbarkeit von Informationen in großem Umfang hat zur Beschleunigung des Transfers von Informationen, ohne beziehungsweise mit nur geringen Transaktionskosten, geführt. Der Kontext von Organisationen zeichnet sich heute vielmehr durch Komplexität und durch das Problem der Selektion und Steuerung von Informationen und Wissen, aus. Organisationen, verstanden als soziale Systeme in einem komplexen Umfeld, verfügen grundsätzlich über besondere Fähigkeiten und über ein Wissen, das sie von anderen sozialen Systemen ihrer Umwelt unterscheidet. Dieses Wissen und die damit verknüpften Fähigkeiten beziehungsweise Kernkompetenzen liegen in den 19 D. Burger, Computergestützter organisationaler Wissenstransfer und Wissensgenerierung, DOI 10.1007/978-3-531-93047-3_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Strukturen, Prozessen und den Regelsystemen der Organisation und sind als personales und organisationales Wissen, verankert. Das eigentliche Problem aller wissensrelevanten Fragestellungen ist folglich die Verknüpfung und die Re-kombination des Wissens der Ebene der Person mit der Ebene der Organisation (Willke, 2001). Bei detaillierter Analyse gelangt man zu Fragen des Transfers des Wissens von der personalen zur organisationalen Ebene und vice versa und schließlich zur Frage des Wissenstransfers in Bezug auf die unterschiedlichen Wissensarten (Polanyi, 1958). Die Tatsache, das Wissen in Form von explizitem und implizitem Wissen vorliegt und besondere Eigenschaften aufweist, führt zum Problem der Steuerungsmöglichkeiten des Wissenstransfers in Organisationen. Das Ziel von Organisationen liegt grundsätzlich in der Erlangung von Gewinnen beziehungsweise Umsetzung von determinierten Aufgaben und Zielen, unter wirtschaftlichen Prämissen, wie beispielsweise bei Non Profit Organisationen oder im öffentlichen Sektor. Neue Marktstrukturen und zunehmender internationaler Wettbewerb erzeugen Druck in Richtung Effizienz und Innovationsfähigkeit; unter Innovation wird im Kontext des Buches, generell die Generierung von Produkten und Dienstleistungen verstanden, welche neue Wertschöpfungsmöglichkeiten bieten. Folglich sind Organisationen gefordert, laufend „neues“ relevantes Wissen systemintern und systemextern zu generieren und vorhandenes organisationales Wissen bestmöglich zu nutzen, um am Markt nachhaltig Gewinne zu erwirtschaften und damit den Bestand des Unternehmens zu sichern. Das Problem für Organisationen liegt einerseits in der Schwierigkeit der Messbarkeit und andererseits in der Steuerbarkeit des Wissenstransfers im Gegensatz zu jenen von Finanzströmen. Hinsichtlich der Messbarkeit schlägt Machlup vor, den getätigten finanziellen Aufwand als Maßzahl für die Veränderung der organisationalen Wissensbasis heranzuziehen. In Bezug auf die Steuerbarkeit des Wissenstransfers und die Wissensgenerierung sind vor allem verschiedene kontextbezogene Variablen relevant. In der Literatur finden sich wissensbezogene Modelle und Konzepte, welche Fragen der Generierung und des Transfers von organisationalem Wissen, den kritischen Faktoren und möglichen Hindernissen des Wissens20
transfers, sowie den Lernprozessen von Organisationen, auf der Ebene der Person und auf der Ebene der Organisation analysieren, systematisieren und unterschiedliche Lösungsansätze präsentieren. Übertragen auf die Praxis wird untersucht, wie im Generellen wissensrelevante Fragestellungen evaluiert und ob diese als wissensrelevante Problemstellung erkannt werden und wie im Speziellen die Organisationsfragen in einem wissensrelevanten Kontext gelöst werden, wobei hier zwischen System internen und externen Fragen zu differenzieren ist. Systemintern treten Fragen des optimalen Grades an Offenheit einer Organisation, der Schaffung von wissensförderlichen Strukturen, Prozessen und Regelsystemen und der Fähigkeit des Lernens, auf. Zu den systemexternen Fragen zählen jene, welche auf die einzelne Person, sprich Führungskraft gerichtet sind, in der Rolle als Entscheidungsträger und Kommunikator.
2.2 Forschungsfragen Abgeleitet aus der dargestellten Problemstellung lautet die zentrale Frage des Buches: „Wie wird der computer-gestützte Wissenstransfer und die Wissensgenerierung in Organisationen gesteuert und welche wissensrelevanten Variablen sind bedeutsam?“ Diese Frage wird in zwei Teilfragegruppen gesplittet und somit weiter operationalisiert. Die erste Teilfrage bezieht sich auf den Bedeutung des Wissens für Organisationen aus der Sicht von Führungskräften: x
x
Werden Organisationen von Führungskräften als Wissensorganisationen verstanden und welche Relevanz hat das implizite und explizite Wissen bei organisationalen Operationen? Wie agieren Führungskräfte in der Rolle als Steuerungsexperten für Organisationen?
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Die zweite Teilfrage fokussiert auf die systeminternen und systemextern en Kriterien des Wissenstransfers und der Wissensgenerierung: x x
Determinieren systeminterne oder systemexterne Variablen den Wissenstransfer und/oder die organisationale Wissensgenerierung? Welche Variablen sind aus der Sicht von Führungskräften für eine systemspezifische Knowledge-Business Excellence relevant?
Der systemtheoretischen Einbettung zufolge, werden Organisationen als soziale Systeme verstanden, mit den systemtypischen Eigenschaften der Autopoiesis, der Selbstorganisation, der operativen Geschlossenheit und gleichzeitigen Offenheit, der Komplexität und der Kommunikation als kleinste soziale Einheit. Das Ziel des Buches ist es, Organisationen im Kontext des systemtheoretischen Ansatzes von Niklas Luhmann, in Bezug auf den organisationalen Wissenstransfer und die organisationale Wissensgenerierung zu analysieren und entsprechende Daten zu generieren. Die Datengewinnung erfolgt mittels qualitativer Experteninterviews.
2.3 Aufbau des Buches Zunächst erfolgt eine kurze allgemeine Einführung zum Thema Wissen und dessen Relevanz für Organisationen. Darauf folgend werden im zweiten Abschnitt einerseits die Problemstellungen und andererseits die relevanten Fragestellungen generiert. Das dritte Kapitel legt die metatheoretischen Annahmen dar, sozusagen den impliziten Rahmen des Buches. Im vierten Abschnitt wird das Thema Wissen vielfältig erörtert. Beginnend mit der Begriffsfindung, den verschiedenen Differenzierungen des Begriffs, den unterschiedlichen Perspektiven des Bestands und des Transfers des Wissens, wird schließlich die Rolle der Informationstechnologie im Kontext von Organisationen behandelt. Diese wird hier als Enabler für organisationale Wissensoperationen eingestuft. Die abschließenden ethischen Aspekte des Kapitels beleuchten wissensrelevante 22
Fragen, welche vor allem der Ebene der Person angesiedelt sind. Der abschließende Exkurs des Abschnitts bringt eine begriffliche Abgrenzung von Daten, Information und Wissen. Das fünfte Kapitel stellt die theoretischen Konzepte und Modelle vor, welche als Referenzrahmen zur Analyse und Bewertung der gewonnen Informationen herangezogen werden, wie beispielsweise das Modell der Wissenskreation, oder die Ansätze organisationalen Lernens und des Wissenstransfers. Hier wird auch die Verschränkung der wissens- und lernrelevanten Konzepte erläutert. Das EFQM Praxismodell bildet den Abschluss des Kapitels. Das sechste Kapitel erörtert das Thema Organisation aus einer allgemeinen Perspektive und der Perspektive der Systemtheorie nach Luhmann. Darin werden vor allem die besonderen systemischen Merkmale, wie jene der Offenheit und operativen Geschlossenheit, der Komplexität, Autopoiesis, der Selbstorganisation und der Kommunikation von sozialen Systemen beschrieben. Der abschließende kurze Exkurs erläutert die für Organisationen wichtige Frage der Entscheidungsfindung. Im folgenden Abschnitt Empirie I werden die forschungsleitenden Fragestellungen und die methodische Vorgehensweise erörtert. Im Besonderen wird der Einsatz der qualitativen Methode des Experteninterviews und der qualitativen Inhaltsanalyse dargelegt und deren Eignung zur Generierung und Auswertung der Daten, argumentiert. Die Bedeutung der Experteninterviews im Kontext der Organisation und der Relevanz für das vorliegende Thema sind Gegenstand der Ausführungen dieses Kapitels, des Weiteren die Auswahl der befragten Experten als Repräsentanten ihrer Organisation, in der Rolle als Entscheidungsträger; abschließend wird ein Kategoriensystem in Form einer Auswertungsmatrix der gewonnen Daten erstellt, wobei der Zusammenhang der forschungsleitenden Fragestellungen mit dem Erhebungsinstrument und den Ergebnissen dargelegt wird. Im achten Kapitel Empirie II, werden die Ergebnisse der Experteninterviews entlang der forschungsleitenden Fragestellungen dargelegt und erörtert und generalisierende Erklärungsansätze abgeleitet, welche auf den Systemtheorie-relevanten Differenzierungen basieren. Diese Auswertung erfolgt mit Hilfe der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse und eines eigens entwickelten Kategoriensystems. Den Ab23
schluss des Abschnitts bildet eine Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse. Den Abschluss des Buches bildet das neunte Kapitel mit dem Forschungsausblick. Gegenstand dieses Kapitels sind quantitativequalitative-, temporäre- und Gender Dimensionen, welche bei zukünftigen Forschungsarbeiten Berücksichtigung finden könnten.
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3. Forschungsrelevante Annahmen
3.1 Meta-theoretische Positionierung im Forschungsrahmen Am Beginn des Buches wird der Zugang zum Themenfeld, die implizit und explizit getroffenen Annahmen, wie die Natur der sozialen Welt und die Art und Weise wie Wissenschaft betrieben wird, dargestellt. Jede Forschung und Publikation erfolgt auf Basis einer Differenz zwischen impliziten und expliziten Annahmen, das heißt, das Forschungsparadigma ist die implizite Annahme einer Untersuchung und diese liegt hinter dem eigentlichen Forschungsprozess und ist zumeist nicht explizit beschrieben, sondern bleibt verborgenes Wissen. Kuhn hat den Begriff des Paradigmas eingeführt und diesen folgendermaßen definiert: “A frame of reference, consisting partly of established scientific fact (realizing a convergence of meaning), and partly of modes of thought or beliefs of scientists, which underlie the development of the different families of science” (Kuhn 1962, in: Baumard, 1999, S. 59).
Das explizite Wissen jedes Forschungsprozesses ist jenes Wissen, das in Form der Beschreibungen des Vorgehens, der theoretischen Modelle und Konzepte, der Anwendung von Methoden, der Darstellung von Erkenntnissen et cetera, explizit dargestellt wird. Im Vergleich dazu, liegt das implizite Wissen im Prozess der Forschung selbst und folglich in der Art und Weise wie Forschung praktiziert wird. Mittels des Autors fließt die Grundhaltung, die Erfahrungen, sowie die mentalen Modelle und die Intuition in den Forschungsprozess mit ein und bildet den impliziten Rahmen der Publikation. Der hier beschriebene Bezug auf beide Wissensarten soll deren Relevanz nochmals unterstreichen. 25 D. Burger, Computergestützter organisationaler Wissenstransfer und Wissensgenerierung, DOI 10.1007/978-3-531-93047-3_3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Der Zweck dieses Kapitels liegt in der Erklärung und Darlegung der Methodologie des Forschungsvorhabens, das heißt, die Forschungsperspektive in Verbindung mit den impliziten Annahmen, der wissenschaftstheoretischen Grundhaltung und der angewandten Methode, werden beschrieben. Da es sich um Forschung im Kontext von Organisationen handelt, bezieht sich die Autorin zur Erklärung des Forschungszugangs auf den Ansatz von Burrell und Morgan, den „Four paradigms for the analysis of social theory“ (Burell & Morgan, 1982). Dieser theoretische Ansatz ermöglicht, auf Basis von metatheoretischen Annahmen eine Zuordnung und Systematisierung der Organisationstheorien zu einem entsprechenden Paradigma. Es wird zwischen vier Paradigmen, welche wechselseitig exklusiv und inkommensurabel sind, differenziert oder so wie Burell und Morgan feststellen: „Each paradigm needs to be developed in its own terms” (Burrell & Morgan, 1979, S 395).
Ausgangspunkt des Ansatzes ist die Grundthese, dass sich alle Organisationstheorien auf eine Erkenntnistheorie und zumindest eine Gesellschaftstheorie stützen. Der erste Aspekt betrifft somit die methodischen Grundannahmen, der zweite Aspekt den normativen Rahmen der Theorie, die sogenannte Gesellschaftstheorie. Die methodischen Grundannahmen werden von der Dichotomie der subjektiven und objektiven Dimension über die soziale Welt auf der Ebene der Ontologie, der Wissenschaftstheorie, menschlichen Natur und der Methodologie, getroffen (siehe Abbildung).
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Abbildung 1: Schema zur Analyse der Annahmen über die Natur der Sozialwissenschaften (Burrell & Morgan, 1979, S. 3)
Das Buch steht in der Tradition der objektivistischen Forschungsperspektive. Entsprechend den vier meta-theoretischen Grundannahmen der subjektiven und objektiven Dimension und den damit verknüpften philosophischen Annahmen, ergeben sich folgende Interpretationsperspektiven: (1) Die ontologische Sichtweise ist jene des Realismus, da es eine soziale Welt außerhalb der individuellen Wahrnehmung des einzelnen Mitarbeiters in einer Organisation, gibt. Dieser realen Sichtweise wird die Systemtheorie nach Luhmann zu Grunde gelegt. Organisationen werden entsprechend dem systemtheoretischen Bezugsrahmen als soziale Systeme definiert und jeweils in einen größeren Kontext, dem Gesellschaftssystem, eingebettet. Bestimmendes Merkmal jedes sozialen Systems sind die in ihr stattfindenden Kommunikationssysteme, welche durch sogenannte binäre Codes, systemspezifischen Kommunikationsregeln, determiniert werden. Diese sind unabhängig von der Sichtweise einzelner Mitglieder der Organisation beziehungsweise der Organisation selbst, denn nicht das einzelne Individuum beziehungsweise der einzelne Mitarbeiter steht im Mittelpunkt des sozialen Systems, sondern die Kom27
munikationen selbst, als kleinste soziale Einheit jedes Systems (siehe Kapitel 6.2). Als besondere Merkmale eines sozialen Systems sind die Offenheit und Geschlossenheit, die Selbstorganisation, die Autopoiesis und die Komplexität des Systems zu nennen. Was real stattfindet, sind Kommunikationen innerhalb des Systems und über die Systemgrenzen hinweg (siehe Kapitel 6.2.1). Basierend auf einer objektivistischen Sichtweise, werden soziale Systeme als reale Entitäten betrachtet, deren Erforschung unabhängig von einzelnen Individuen möglich ist (Kieser, 2002, S. 15). Es existiert eine Realität, hier Organisation, unabhängig vom Erkennen Einzelner im jeweiligen System. Der objektivistische Zugang auf der Ebene der Ontologie ist demzufolge realistisch. (2) Die Gewinnung von Erkenntnissen beziehungsweise die epistemologische Dimension geht der Frage nach: Wie verstehen die Individuen die Welt, welches Wissen ist „richtig“ und welches Wissen ist „falsch“ und wie wird dieses Wissen anderen Individuen kommuniziert? Im Kontext der Systemtheorie nach Luhmann wird Wissenstransfer und Wissensgenerierung als kumulativer Prozess verstanden, indem neue systemrelevante Erkenntnisse die Wissensbasis des sozialen Systems Organisation ergänzen und nicht-systemrelevante Erkenntnisse keine Berücksichtig finden und als „falsch“ eliminiert werden. Diesem positivistischen Zugang folgend, kann die Erweiterung der organisationalen Wissensbasis der Organisation gemessen werden und im Hinblick auf Zusammenhänge und Regelmäßigkeiten beziehungsweise Unregelmäßigkeiten analysiert werden. Die Messbarkeit des Wissens ist aufgrund der inhärenten Eigenschaften schwierig, aber nicht ausgeschlossen. Kriterien, wie die Messung der finanziellen Ausgaben innerhalb eines definierten Zeitrahmens als Vergleichsmaßstab (siehe Kapitel 4.2.2) nach Machlup ermöglichen eine Interpretation im Sinne des Positivimus. (3) Ausgehend von der Dichotomie des Determinismus und des Voluntarismus über die Natur des Menschen und seine Beziehungen zur Umwelt, wird die deterministische Sichtweise eingenommen, das heißt die Handlungen der Individuen, hier der befragten Führungskräfte einer Organisation, werden durch die systemspezifischen Besonderheiten des sozialen Systems determiniert. Führungskräfte in wirtschaftlichen Organisationen operieren in einer bestimmten Art und Weise im Unterschied 28
zu Führungskräften einer öffentlichen-, unter wirtschaftlichen Prämissen stehenden Organisation. Dieser Determinismus wird in der Kommunikation des sozialen Systems evident (siehe Kapitel 6). Beispielsweise ist eine Organisation im Bereich der Kultur, welche sich, folgt man Luhmann, im Spannungsfeld zwischen zwei Subsystemen befindet, sowohl dem binären Code von Wirtschaftsunternehmen „Zahlen/Nicht Zahlen“ als auch dem binären Code einer öffentlichen Organisation „Politik determiniert/Nicht-Politik determiniert“, kommunikativ verpflichtet. Die Natur des Menschen, seine Handlungen und Kommunikationen sind folglich durch die Zugehörigkeit zu einem bestimmten sozialen System determiniert und spiegeln die systemrelevanten Kommunikationssysteme wieder. Die Zugehörigkeit einer Publikation zum Subsystem der Wissenschaft verpflichtet zum binären Code „Wahr/Unwahr“ und findet ebenso seine Ausgestaltung in einer bestimmten Form der Kommunikation als auch innerhalb der Beziehungen in der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Daher ist aus der systemtheoretischen Perspektive, die deterministische Sichtweise schlüssig. (4) Entsprechend dem objektivistischen Zugang wird auf die nomothetische Methodologie geschlossen. Charakteristisch für den Einsatz nomothetischer beziehungsweise empirisch-analytischer Methoden in Verbindung mit dem positivistischen Ansatz ist der Zugang zu einer großen Menge an Daten und Informationen, verknüpft mit dem Ziel der Formulierung von allgemein gültigen Aussagen (Blackburn, 1996b). Die Umsetzung des Forschungsvorhabens erfolgt mittels Einsatz der qualitativen Methode des Experteninterviews. Diese Interviews werden mit Führungskräften der obersten Ebene einer Organisation geführt, mit dem Ziel umfangreiche Erkenntnisse aus einer Metaperspektive der Organisation zu generieren. Die Führungskräfte werden in ihrer Rolle als Experten für Organisationsfragen, interviewt. Auf Grund der für qualitative Interviews, relativ hohen Anzahl der befragten Experten beziehungsweise der durch sie repräsentierten Organisationen, wird eine umfangsreiche Daten- und Informationsmenge gewonnen. Diese werden mittels der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse analysiert, ausgewertet und zu generalisierbaren Erkenntnissen geführt.
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Der zweite Aspekt bezieht sich auf den normativen Rahmen von Organisationstheorien, die Gesellschaftstheorie. Hier differenzieren Burrell und Morgan zwischen der Dimension Sociology of Regulation und der Dimension Sociology of Radical Change, als Kriterium für die paradigmatische Einordnung einer Organisationstheorie. Diese Dimensionen stellen jeweils Gegenpole dar. Regulations-Ansätze beschäftigen sich mit Fragen des Bestands und Gleichgewichts von Organisationen und analysieren den Bestand von sozialen Einheiten, deren Bedingungen und deren Fortbestand, vergleichsweise zu den Change-Ansätzen, die den radikalen Wandel von Organisationen in den Mittelpunkt ihrer Analyse stellen und der Frage der Veränderung von sozialen Systemen nachgehen (Kieser, 2002). Im Kontext des Buches werden wissensrelevante Fragestellungen zum Status quo einer Organisation analysiert. Das soziale System Organisation nach dem systemtheoretischen Ansatz von Luhmann unterliegt einer systeminhärenten Ordnung und ist durch systemrelevante Merkmale determiniert und durch Systemgrenzen von seiner Umwelt abgegrenzt. Die Organisation ist als soziales System, Teil des wirtschaftlichen Systems und in den größeren Kontext, das Gesellschaftssystem, eingebettet. Der Austausch mit anderen System und der Umwelt erfolgt mittels Kommunikationen über einen Sinnmechanismus (siehe Kapitel 6). Die Zuschreibung erfolgt daher zur Sociology of Regulation. Die von Burrell und Morgan genannten Dimensionen und daraus abgeleiteten Annahmen bilden den Rahmen der vier Paradigmen entsprechend der folgenden Abbildung:
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Abbildung 2: Vier Paradigmen zur Analyse der sozialwissenschaftlichen Theorien (Burrell & Morgan, 1979, S. 22)
Die Zuschreibungen erfolgen entlang des Ansatzes von Burell und Morgan zur objektivistischen Dimension und zur Dimension Sociology of Regulation und münden im Paradigma des Functionalist. Entsprechend der Position des Functionalist existiert eine objektive Realität einer Organisation, welche jeweils in soziale Systeme eingebettet ist; dieses soziale System Organisation wird entsprechend dem systemtheoretischen Rahmen nach Luhmann interpretiert und ist in Bezug auf das funktionalistische Paradigma anschlussfähig (siehe Kapitel 6). Die Systemtheorie nach Luhmann ist aus Sicht der Autorin für Fragestellungen im organisationalen Kontext sehr geeignet, da die Kriterien der Systemabgrenzung, der Komplexität und der Kommunikation, Entsprechung finden. Des Weiteren gelingt es, mittels des systemtheoretischen Rahmens, eine exzellente Verknüpfung von Organisationsfragen mit wissensrelevanten Fragestellungen zu generieren; beide Perspektiven können entlang von Differenzierungen analysiert und ausgewertet werden (siehe Kapitel 8.1.1). Diese Differenzziehungen richten sich einerseits auf das soziale System, als Differenz zu den Umwelten und anderseits auf das Wissen selbst, wie folgend dargestellt: x x
Der Begriff der Form als die Einheit der Differenz nach SpencerBrown (siehe Kapitel 6.2) und die Unterscheidung zwischen implizitem und explizitem Wissen nach Polanyi (siehe Kapitel 4.2.1). 31
(1) Die untersuchten Organisationen werden durch die befragten Experten repräsentiert und sind entsprechend der Systemtheorie als soziale Systeme zu verstehen. Jedes soziale System ist von anderen Systemen zu differenzieren und ist gleichzeitig Teil eines bestimmten Subsystems, welches sich durch sogenannte binäre Codes von anderen Subsystemen unterscheidet. Beispielsweise operiert eine Organisation im Kontext der Wirtschaft grundsätzlich nach dem binären Code „Zahlen/Nicht Zahlen“ vergleichsweise zu einer Universität, folgend dem binären Code „Wahr/Unwahr“. Diese binären Codes determinieren die Arten und Inhalte der stattfindenden Kommunikationen eines Systems. Nicht jede Organisation wird ausschließlich einem System zugeordnet, sondern diese kann auch im Spannungsfeld zwischen mehreren Subsystemen operieren. Im Kontext des Buches werden einerseits Organisationen des Subsystems Wirtschaft und andererseits Organisationen des Subsystems „Kultur/Kunst/Öffentlichkeit“ untersucht. Das soziale System Organisation zeichnet sich generell durch systeminhärente Wesensmerkmale, aus. Zu diesen zählen die Komplexität, die Offenheit und Geschlossenheit des Systems, die Selbstorganisation und die Autopoiesis (siehe Kapitel 6). (2) In Bezug auf Fragestellungen im Wissensbereich wird auf die Unterscheidung zwischen implizitem und explizitem Wissen nach Polanyi zurückgegriffen (Polanyi, 1958). Jeder Experte wird im Rahmen der Interviews entlang dieser Unterscheidung des Wissens befragt und die gewonnen Informationen werden entsprechend analysiert, wobei das explizite Wissen seine Ausformung in der Kommunikation, den Strukturen, Prozessen, der festgeschriebenen Visionen und den Strategien findet. Das implizite Wissen ist mehr oder weniger unsichtbar in der Organisation vorhanden und tritt in Form der Handlungen und Entscheidungen zu Tage (siehe Kapitel 4).
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4. Knowledge Economy
4.1 Wissen im wirtschaftlichen Kontext „Wissensgesellschaften sind nicht das Ergebnis eines einfachen, eindimensionalen gesellschaftlichen Wandlungsprozesses. Wissensgesellschaften sind in der Regel zwei Marktgesellschaften, repräsentieren aber eine umfassende Vielfalt verschiedener Gesellschaftsformationen aufgrund ihrer jeweiligen Geschichte, Religion, Sprache, Kultur und Institutionen sowie der Beziehungen zu ihren unmittelbaren Nachbarn und zur Weltwirtschaft“ (Stehr, 2001, S. 119 f).
Dieses Zitat lässt die Komplexität und Heterogenität von wissensrelevanten Fragestellungen erkennen. Eine erste Annäherung erfolgt im ersten Unterkapitel mittels eines Rückblicks in die Historie der Gesellschaften, die allgemeine Relevanz des Wissens und die Entwicklung von gesellschaftlichen- und marktwirtschaftlichen Strukturen. In den darauffolgenden Abschnitten wird der Begriff Wissen erläutert, verschiedene Arten des Wissens dargestellt und begrifflich ausdifferenziert und abschließend eine Begriffsdefinition für das vorliegende Buch gewählt. Diese begriffliche Festlegung bildet die Ausgangsbasis für die Annäherung an die Fragestellung organisationaler Wissenstransfer und die miteingeschlossene empirische Analyse. In den folgenden Kapiteln werden die Wesensmerkmale des Wissens, der Wissenstransfer und der Wissensbestand und schließlich der Stellenwert der Informationstechnologie analysiert. Der abschließende Exkurs trifft eine Differenzierung zwischen den Begriffen Daten, Informationen und Wissen. Beginnend bei den historischen Wurzeln und der sich entwickelnden Kommerzialisierung des Wissens meint Burke, dass Wissen im Laufe der Geschichte stets große Bedeutung hatte und dass Wissen, Macht und 33 D. Burger, Computergestützter organisationaler Wissenstransfer und Wissensgenerierung, DOI 10.1007/978-3-531-93047-3_4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Wohlfahrt einer Gesellschaft beziehungsweise eines Staates stets sehr eng verknüpft gesehen werden muss. Diese historische Perspektive lehrt uns, dass wirtschaftliches Agieren stets auf Informationen angewiesen war; das heißt, dass man stets auf der Suche nach relevanten Informationen war beziehungsweise dass man die vorhandenen relevanten Informationen zu schützen versuchte, um einen Nutzen zu erzielen. Informationen über Produkte waren den Produkten an sich gleichzusetzen, denn auch im 17. Jahrhundert bestand ein florierender Markt für Marktinformationen als Grundlage für den Handel (Burke, 2000). Wissen war stets ein äußerst bedeutungsvoller Faktor für einzelne Gesellschaften, Gruppen und Personen, eingebettet in die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen der entsprechenden Zeit. „Man kann geradezu von einer anthropologischen Konstanten sprechen: soziales Handeln (die soziale Rolle) ist wissensgeleitet, soziale Gruppierungen sind nicht bloß Herdenbildung, sondern symbolisch vermittelt, das heißt sie beruhen auf Wissen“ (Stehr, 2000 in Reinhold, Lamnek, Recker, 2000, S. 740 f).
Frühe Texte zum Thema Wissensgesellschaft stammen beispielsweise von Amitai Etzioni und Daniel Bell. In den Werken von Etzioni wird mit einem Modell der aktiven Gesellschaft, die Rolle des Wissens und das Verhältnis von Politik und Wissen dargestellt. Daniel Bell bezeichnet die gegenwärtige Gesellschaft als postindustrielle Gesellschaft und gelangt mit seiner Analyse der Gesellschaft zu einem neuen Stellenwert des Wissens, den er folgendermaßen beschreibt und begründet: „Knowledge has of course been necessary in the functioning of any society. What is distinctive about the post-industrial society is the change in the character of knowledge itself. What has become decisive for the organization of decisions and the direction of change is the centrality of theoretical knowledge - the primacy of theory over empiricism and the codification of knowledge into abstract systems of symbols that, as in any axiomatic system, can be used to illustrate many different and varied areas of experience” (Bell, 1999, S. 20 in Tsoukas, 2003).
Bell legt seinem Ansatz die Unterscheidung des Wissens in theoretisches und praktisches Wissen zu Grunde, indem er meint, dass der Stellenwert des theoretischen Wissens, im Laufe der Zeit enorm an Bedeutung gewon34
nen hat und das theoretische Wissen in einer modernen Marktwirtschaft kaum mehr wegzudenken ist. Vergleichsweise dazu, wird dem Wissen in Form von Intuition, eher Misstrauen entgegen gebracht. Demzufolge hat sich die Bedeutung des theoretischen Wissens und nicht jene des Wissens an sich, verändert. Auf mögliche Arten des Wissens beziehungsweise Differenzierungen wird später eingegangen (siehe Kapitel 4.2.1). Die meisten Ökonomen beschäftigen sich in ihren Theorien mit Wissen in indirekter oder direkter Form. Allen theoretischen Ansätzen ist gemeinsam, dass Wissen als wichtiger Faktor im Kontext von ökonomischen Phänomenen betrachtet wird. Unterschiede bestehen im Hinblick auf die jeweilige Akzentuierung, die jeweilige Art des Wissens und den Erwerb beziehungsweise die Anwendung des Wissens. Beispielhaft kann in diesem Zusammenhang Hayek genannt werden, welcher sich explizit mit wissensrelevanten Fragen auseinander setzte. Hayek beschäftigt sich mit dem Problem einer rationalen ökonomischen Organisation. Aus seiner Sicht rühren viele der gegenwärtigen Streitpunkte der ökonomischen Theorie und der Wirtschaftspolitik aus einem Missverständnis über die Natur der ökonomischen Probleme der Gesellschaft. Hayek unterscheidet grundsätzlich zwischen dem knowledge of the particular circumstances of time and place und dem scientific knowledge und stellt dazu Folgendes fest: „Die besondere Problematik einer rationalen ökonomischen Ordnung wird eben von der Tatsache bestimmt, dass das Wissen um die Umstände, dessen wir uns bedienen, nie in konzentrierter oder integrierter Form existiert, sondern nur als verstreute Bruchstücke eines unvollkommenen und oft widersprüchlichen Wissens, das die einzelnen getrennt besitzen. Das ökonomische Problem der Gesellschaft besteht also nicht nur in der Verteilung gegebener Ressourcen, sondern im Gebrauch von Wissen, das keinem in seiner Gesamtheit vorliegt“ (Hayek, 1945, S. 519 f).
Unter der Annahme, dass das ökonomische Problem der Gesellschaft jenes einer schnellen Anpassung an Veränderungsprozesse ist, sollten Entscheidungen von Personen getroffen werden, die mit den Umständen und den Veränderungsprozessen und den verfügbaren Ressourcen vertraut sind, um die sofortige Umsetzung des Wissens sicherzustellen. In 35
diesem Zusammenhang stellt sich Hayek die Frage der Kommunikation von Informationen zur Entscheidungsfindung, der ökonomischen Muster und des ökonomischen Systems allgemein. Aus seiner Sicht ist das Preissystem der Mechanismus zur Steuerung von Informationen in Märkten und Systemen. Die heutigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen sind durch eine zunehmende Expansion von wissensintensiven Unternehmen gezeichnet und folglich durch eine zunehmende Bedeutung des Produktionsfaktors Wissen. Wissen ist als Beitrag zur Wertschöpfung von großer Bedeutung. Wissen ist die Ressource unserer Gesellschaft geworden und bildet die Basis für neue wirtschaftliche Strukturen und die Basis für eine neue Gesellschaft, die von Peter Drucker als „postkapitalistische Gesellschaft“ bezeichnet wird (Drucker, 1993). Drucker sieht die Aufgabe von Unternehmen in der Steuerung eines selbst initiierten Wandels. Die jeweilige Organisation muss befähigt sein, überholtes Wissen aufgeben und neues Wissen zu schaffen. Diese Befähigung drückt sich durch eine permanente Verbesserung von unternehmerischen Operationen aus, durch erzielte Erfolge und durch laufende Innovationen, als integrativen Prozess von Organisationen (Drucker, 1991). Damit weist Drucker explizit auf die zentrale Bedeutung des Wissens und das organisationale Lernen von Organisationen hin. Die intellektuelle und produzierende Leistung einer Gemeinschaft basiert heute auf intellektueller und serviceorientierter Kapazität und nicht auf dem, im weitesten Sinne zuzuordnenden Anlagevermögen wie Grund und Boden, Produktionsstätten und Ausstattung (Quinn, 1992). In Organisationen wird ein Großteil des Wohlstands in zunehmenden Maße von kognitiven Faktoren, von Kreativität, Wissen und Information, abhängen (Stehr, 2000 in Reinhold, Lamnek, Recker, 2000). Als Eigenschaften der Wissensgesellschaft werden genannt (siehe Stehr, 2000, S. 741 in Reinhold, Lamnek, Recker, 2000): x „Verdrängung anderer Wissensformen durch Wissenschaft z.B. durch Professionalisierung von Berufen x Entwicklung der Wissenschaft zur unmittelbaren Produktivkraft
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x Entstehung eines besonderen Sektors der Politik (Wissenschafts- und Bildungspolitik) x Herausbildung eines neuen Produktionssektors (Wissensproduktion) x Veränderung der Herrschaftsstrukturen (Technologiedebatte) x Transformation der Legitimationsgrundlage von Herrschaft bis hin zu Spezialwissen (Expertenmacht; aber nicht unbedingt als ´Weg der Intellektuellen zur Klassenmacht`) x Entwicklung des Wissens zur Grundlage sozialer Ungleichheit und gesellschaftlicher Solidarität oder als Transformation der vorherrschenden Quellen sozialer Konflikte“.
Die gegenwärtigen Gesellschaftsformen zeichnen sich durch eine zunehmende Bedeutung des Wissens und der Informationen aus. Wirtschaftsprozesse sind in stärkerem Maße von Wissen abhängig vergleichsweise zu den traditionellen Ressourcen Arbeit, Boden und Kapital. Wissen wird im Zusammenhang mit organisationalen Problemstellungen relevanter, vor allem für strategische Entscheidungen in Organisationen (siehe Leibold, Probst, Gibbert, 2002; Prange, 2006, S. 188). Wie der Begriff Wissen nun im Kontext des Buches zu verstehen ist wird im folgenden Kapitel dargestellt.
4.2 Wissensbegriff „Selbst wenn allerorten klar wäre, was unter Wissen zu verstehen ist, müsste das Management dies als unklar behandeln, um diejenigen Definitionen zu entwickeln, die den eigenen Eingriffsmöglichkeiten in eine Organisation des Wissens entsprechen“ (Baecker, 2003, S. 96).
Wissen lässt sich nicht als Ressource im herkömmlichen Sinn behandeln, denn diese besitzt Eigenschaften, welche mit jenen der herkömmlichen Produktionsfaktoren nicht vergleichbar sind. Der Umgang mit Wissen erfordert ein neues Verhalten und einen neuen Zugang zu verschiedenen Fragestellungen in Organisationen. Die alten Formen des Expertenwissens, die mit allen Zeichen der Autorität kommuniziert werden konnten, weichen einem ökologischen Verständnis, das heißt es gilt ein Grenzen überschreitendes Bewusstsein von möglichen Formen des Um37
gangs mit Nichtwissen zu finden. Die zentrale Frage für Organisationen lautet demnach: „Wie wird mit dem Nichtwissen umgegangen, gibt es eine Kultur des Nichtwissens? (Baecker, 2003, S. 99; Willke, 2004, S. 27).
Ein zentraler Aspekt im Zusammenhang mit Wissen, ist das Handeln selbst. Viele Autoren nennen die Handlungsrelevanz, als den wichtigsten Aspekt im Kontext von Wissensfragen. Francis Bacon unterstreicht mit seiner faszinierenden These des „Scientia est potentia“, die Verbindung des Wissens zum eigentlichen Handeln (Stehr, 2001, S. 62). Interessant für zukünftige Entwicklungen ist vor allem das Verhältnis zwischen dem wissenschaftlichen Wissen und jedem Wissen, welches für die Entwicklung der Produktivkraft verantwortlich ist und die eigentliche Basis des sozialen Handeln, betrifft (Stehr, 2000, S. 741 in Reinhold, Lamnek, Recker, 2000). Vielen Autoren bezeichnen Wissen als die Kapazität, die zu Handlungen führt, als ihre wesentlichste Eigenschaft (siehe Sveiby, 1997). Bei der Betrachtung des Wissens in Bezug auf Organisationen sind drei Aspekte besonders relevant: x x
x
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die Dimension des tacit knowledge beim Einsatz von organisationalen Maßnahmen und Tools die Verbindung zur Praxis, als zweiten wesentlichen Aspekt, denn Wissen steht in enger Verbindung zum Handeln. Handeln und praktische Umsetzung beeinflusst die Denkweise und vice versa die soziale Dimension des Wissens, indem Wissen als Prozess interpretiert wird, der durch die Interaktion von Personen beeinflusst wird. Personen teilen und kreieren Wissen durch soziale Konstruktionen (Matzler, 2006).
4.2.1 Wissensarten Die Differenz von Wissen und Nicht-Wissen und die Notwendigkeit der Selektion von relevantem Wissen als Grundlage für Entscheidungen wird aus der Sicht der Autorin für Organisationen zunehmend relevanter und auch von Führungskräften als Schwierigkeit erkannt, da jeweils nur ein Teil der organisationalen Wissensbasis für Entscheidungen in Betracht kommt. In der Theorie werden verschiedenste Wissensbegriffe verwendet. Alle verweisen auf ein geringes Differenzierungsniveau. Eine Übersicht über die in der Literatur verwendeten Dichotomien und Arten des Wissens gibt Romhardt (1998, S. 49 f). Die aus der Sicht der Autorin wesentlichste Form der Unterscheidung des Wissens ist auf Polanyi zurückzuführen. Er differenziert zwischen implizitem beziehungsweise tacit und explizitem Wissen. Implizites Wissen ist persönlich, kontextspezifisch und nur schwer kommunizierbar. Explizites Wissen hingegen lässt sich in formaler, systematischer Sprache weitergeben. Implizites Wissen wird in eine kognitive und eine technische Dimension gesplittet (Baumard, 1999, S. 59): x x
Kognitive Dimension: Paradigmen, mentale Modelle und Repräsentationen Technische Dimension: „Know-how“, kontextspezifische Anwendung einer Expertise
Die kognitiven Elemente beziehen sich auf Paradigmen und mentale Modelle, wogegen sich die technische Dimension auf das Know-how, bestimmte Fertigkeiten et cetera, bezieht. „Ein mentales Modell ist eine persönliche Repräsentation der Realität, die für die Wahrnehmung der Umwelt des Einzelnen bestimmend wirkt“ (Johnson-Laird in Baumard, 1999, S. 59).
Mentale Modelle bestimmen das Weltbild des Einzelnen und sind für die Bilder und Visionen des Einzelnen verantwortlich (Nonaka, Takeuchi, 1997, S. 72). Die kognitive Dimension des impliziten Wissens bezieht sich 39
auf Muster eines Einzelnen, welche als Basis für dessen Annahmen und Interaktionen mit der externen Welt, dienen. Es findet folglich eine permanente Selektion von Informationen aus der Umwelt statt, welche entsprechend den bestehenden kognitiven Mustern interpretiert werden. Die folgende Tabelle zeigt die gegensätzlichen Eigenschaften der beiden Wissenstypen:
Tabelle 1 : Zwei Typen von Wissen (Nonaka, Takeuchi, 1997, S. 72)
Diese Unterscheidung zwischen impliziten und expliziten Bestandteilen wird ebenfalls den gegenwärtigen neurowissenschaftlichen Forschungen in Bezug auf das Gedächtnis zugrunde gelegt (siehe Kandel, 2006). Basierend auf dieser Unterscheidung kann das Wissen von Individuen, aber auch jenes von Organisationen analysiert werden. Im Kontext des Buches wird von einem sozialen Wissen der Organisation gesprochen und damit von „einem Wissen, das in den Verhältnissen steckt und das uns in dem Ausmaß, in dem wir in ihnen stecken, zwangsläufig bekannt und zugleich unbekannt ist“ (Baecker, 1999, S. 77 f). Nicht das Wissen in den individuellen Köpfen der Mitarbeiter einer Organisation ist gemeint, sondern jenes Wissen, das kommuniziert werden muss. Um den Begriff des sozialen Wissens näher zu präzisieren, wird der Wissensbegriff weiter ausdifferenziert, denn ein eingegrenzterer Wissensbegriffs determiniert die Schnittstelle zur Organisation besser, im Sinne der Fragestellung: „Über welches Wissen sprechen wir eigentlich?“. Jede Wissensart ist an einen bestimmten Schnitt der Organisation gebunden und beleuchtet folglich eine andere Differenz in Bezug auf die organisationsrelevanten Fragestellungen, wie beispielsweise die Gesell40
schaftsordnung, die Produktion, den Planungsgegenstand, et cetera (Baecker, 1999). Die jeweilige Wissensart ist nicht als objektives Wissen zu verstehen, sondern als Wissen, in Abhängigkeit von der Konstruktion des Einzelnen, also dem jeweiligen betrieblichen Kontext der befragten Führungskraft in der Organisation. Basierend auf der Klassifizierung nach Baecker wird zwischen fünf Arten des Wissens unterschieden: Expertenwissen, Produktwissen, Führungswissen, Gesellschaftswissen und Milieuwissen (Baecker, 1999): Expertenwissen liegt in expliziter Form vor und ist grundsätzlich ein Wissen über relevante Umwelten der Organisation. Dieses wird mit Hilfe von externen Beratern oder von speziellen Organisationseinheiten für die Organisation bereitgestellt. Expertenwissen bezieht sich auf die grundsätzlichen Fragestellungen der anderen Gestaltung von wirtschaftlichen Fragen in Bezug auf Strategie, Produktion, Absatz, Personal, Organisation und Kontrolle. Nur in seiner Isoliertheit kann dieses Wissen Relevanz für Entscheidungen betreffend der eigenen Organisation haben, ohne dass die Organisation selbst zugleich auf Spiel stünde (Baecker, 1999, S. 74 f). Dieses Wissen ist zwangsläufig explizit und beruht auf der notwendigen Differenz zwischen Entscheidung und Entscheidungsgegenstand. Unter dem Begriff des Produktwissens wird ein Wissen über Produkte, Technologien und Produktionsprozesse verstanden. Dieses wird von Mitarbeitern unterschiedlicher Professionen und Qualifikationen, aber auch von Kunden und Kooperationspartnern eingebracht. Mit dem Produktwissen sollen Fragen der unternehmerischen Fähigkeit und der mit dem Produkt in Verbindung stehenden Lösungsmöglichkeiten zur Sicherung des Absatzes realisiert werden. Dieses Wissen liegt sowohl in impliziter als auch expliziter Form vor. Das Führungswissen beschäftigt sich mit Fragen der Führung einer Organisation als Hierarchie und Fragen der Koordination der Arbeitsteilung. Dieses Wissen ist auch Teil des gesellschaftlichen Wissens, wenn es um Fragen der Akzeptanz von Autorität und Disziplin geht. Es ist aber in erster Linie ein Wissen darüber, wie Mitarbeiter zu motivieren sind, wobei die wesentlichen Faktoren im Arbeitsvertrag, in der sozialen Einbettung und den Karriereerwartungen liegen. Führungswissen liegt 41
nur teilweise explizit vor und wird nur selten thematisiert. Fragen der Motivationstechniken haben den Sinn, das Führungswissen nicht anzutasten und implizit zu lassen (Baecker, 1999, S. 72 f). Die beiden Wissensarten Gesellschaftswissen und Milieuwissen liegen in impliziter Form vor, wobei das Gesellschaftswissen der Frage der Organisation als gesellschaftliche Institution nach geht und dieses Wissen als selbstverständlich voraussetzt und das Milieuwissen in Form von implizitem Wissen über Abläufe, Annahmen, Erwartungen et cetera vorhanden ist. Dieses Wissen lässt sich nicht explizieren, da diesbezüglich, die Selbstbeobachtung der Organisation im Mittelpunkt steht. Jeder dieser fünf Wissensarten zielt auf eine bestimmte Schnittstelle zur Organisation. In unten stehender Tabelle wird die Differenzziehung zwischen-implizitem-beziehungsweiseexplizitem-Wissen-undsysteminterner beziehungsweise systemexterner Relevanz des Wissens, d.h. auf das System oder die Umwelt der Organisation bezogen, dargestellt; der eigentümliche Charakter jeder Wissensart wird weiter präzisiert. Wissensart Produktwissen
Relevanz in Organisationen - Problemlösungskompetenz - Wissenserzeugung Single Loop Learning (Instrumentelles Lernen) Expertenwissen - Dooble Loop Learning (=Veränderungslernen) Führungswissen - Hierarchie/Arbeitsteilung individuelles Lernen einer Elite für Entscheidungsprozesse - Dooble loop Learning (=Veränderungslernen) Gesellschaft- Fragen des Verständnisses von liches Wissen Organisationszusammenhängen, Verhaltensmaßstäben und Verträgen Milieuwissen - Handlungsleitende, verhaltensrelevante Fragestellungen, Werte, Annahmen Abläufe, etc.)
Wissensart explizit/ implizit
Differenz System
explizit
Umwelt
explizit/ implizit
System
implizit
System/ Umwelt
implizit
System
Tabelle 2: Zusammenhang zwischen Wissensarten, Relevanz in Organisationen & Differenzen implizites/explizites Wissen und System/Umwelt
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Die Bedeutung jeder Wissensart ist vor allem im Zusammenhang mit der Entscheidungsproblematik zu sehen; so meint auch Baecker: „Wissen kommt im Rahmen von Systemen des Wissensmanagements nicht als problematisches Wissen über einen Sachverhalt vor, sondern als Anhaltspunkt für richtiges Entscheiden“ (Baecker, 1999, S. 95).
Insofern muss die Differenz zwischen dem Wissen und der Entscheidung gewahrt bleiben (Baecker, 1999, S. 98) und diese kann nur durch die Dokumentation sichergestellt werden. Nicht die Entscheidung selbst soll dokumentiert werden, sondern die Wissensgrundlage der Entscheidung (Baecker, 1999). Dies wird auch von Willke betont, indem er für die Dokumentation einer neuen Lernerfahrung den sogenannten Micro-Artikel vorschlägt, mit dessen Hilfe, Lernerfahrungen systematisch expliziert werden und als Wissensgrundlage für organisationales Lernen herangezogen werden können (Willke, 2001).
4.2.2 Wissenseigenschaften Ein zentrales Wesensmerkmal des Wissens ist jenes der Bedingtheit der Kommunikation an sich, denn Wissen muss kommuniziert werden, um wirksam zu werden. Qualität und Wirksamkeit des Wissenstransfers hängen von der Kommunikation der Differenz des Wissens beziehungsweise Nicht-Wissens ab, nicht aber von der Kommunikation des Wissens selbst (siehe Kap. 6.1.4.1). So meint Baecker: “Man gelangt mit Hilfe von Wissen, so glaubt man, nicht in die Probleme hinein, sondern aus den Problemen heraus“ (Baecker, 1999, S. 81).
Drei weitere wesentliche Eigenschaften sind mit dem Wissen unmittelbar verknüpft: Slippery, Stickiness und Measureability, wobei die beiden erst genannten Eigenschaften Wesensmerkmale gegensätzlichen Charakters beschreiben. Die Eigenschaft Slippery nimmt Bezug auf die Flüchtigkeit des Wissens, das heißt, Wissen bleibt dem Wissenden auch nach einem 43
potenziellen Transfer erhalten. Der Einsatz von Wissen in einen Produktionsprozess oder in einen Dienstleistungsprozess ändert nichts am Wissensstand des Wissensträgers, auch nicht nach einem erfolgten Transfer; vergleichsweise dazu, führt der Einsatz der herkömmlichen Ressourcen wie Arbeit, Kapital oder Boden zu einer Änderung des ursprünglichen Ressourcenbestands. Wissen und Ideen breiten sich auch ohne weitere Kosten und Anstrengungen aus (Schumpeter, 1934). Die Eigenschaft Stickiness nimmt Bezug auf die Kontextabhängigkeit des Wissens; von Hippel bezeichnet die Übertragbarkeit des Wissens aufgrund seiner Kontextabhängigkeit und dessen sozialen Charakter, als Ursache aller Schwierigkeiten im Umgang mit Wissen (Reinhardt, 2002, S. 81). Auf der Ebene der Organisation wird von firmenspezifischem Wissen gesprochen. Dieses wird von Organisationen im Laufe ihres Lebenszyklus entwickelt und unterscheidet die Organisation im Normalfall wesentlich von jenem ihrer Mitbewerber, da es aufgrund des besonderen Kontextes und der individuellen Entstehungsgeschichte der Organisation aufgebaut und verändert wurde. Organisationen sind im Normalfall bestrebt dieses besondere firmenspezifische Wissen zu schützen (siehe Rosegger, 1991). Neues Wissen kann sich nur durchsetzen, wenn es in einem bestimmten Kontext, das heißt der jeweiligen Organisation als Lösungsansatz für ein wahrgenommenes Problem gilt. Es muss an die soziale Praxis der Organisation anschlussfähig sein, an jene Stellen, wo bestimmte Problemstellungen aufgetreten und es muss weiters über eine unabhängige Problemlösungskapazität verfügen. Daraus folgt, dass erst ein universales, vom Kontext seiner Entstehung gereinigtes Wissen, allen Nutzern sinnvoll zur Verfügung stehen kann. Das sogenannte „gereinigte“ Wissen muss danach für das konkrete Umfeld re-kontextualisiert werden, um Anwendungen zu ermöglichen (Götschl, 2000). Die Measureability des Wissens, konkret des Wissenstransfers ist eine wichtige und zentrale Fragestellung. Den Wissenstransfer als Bestandsveränderung im Sinne von Geld- und Kapitalflüssen zu messen, ist eine vereinfachende und undifferenzierte Sichtweise. Bezieht man die Messung des Wissenstransfers auf das Recorded Knowledge, das heißt auf jenes Wissen, das in expliziter Form vorliegt, so könnte dieses in Form von physischen Einheiten wie beispielsweise Veröffentlichungen, Biblio44
theksbewegungen, Performing Arts et cetera gemessen werden. Diese physischen Einheiten geben zwar Auskunft über gemessene Einheiten, sind aber nicht vergleichbar, weder zwischen den Branchen, noch innerhalb der Branchen. Die gemessenen Größen führen zwar zu Schätzungen über die Größenordnung des Wissenstransfers, jedoch nicht zu einem gemeinsamen Nenner. Der einzig gemeinsame Nenner sind die finanziellen Mittel, die während eines Jahres ausgegeben wurden (Machlup, 1979). „Costs or revenues expressed in dollars permit the one measure or estimate that applies to all types of knowledge disseminated within a period” (Machlup, 1979, S. 409).
Aus der Sicht von Machlup, kann nur der zahlenmäßige Vergleich des Bruttonationalprodukts beziehungsweise der jährliche Bildungsaufwand einer Nation, eine Messung des Wissenstransfers der Gesellschaft ermöglichen. Abschließend wird auf den Wissensbegriff und dessen Eigenschaften nach Willke hingewiesen, welche aus der Sicht der Autorin besonders für managementrelevante Fragestellungen und folglich für Organisationen relevant ist: „Wissen ist nun dadurch charakterisiert, dass es (a) kontinuierlich revidiert, (b) permanent als verbesserungsfähig angesehen, (c) prinzipiell nicht als Wahrheit, sondern als Ressource betrachtet wird und (d) untrennbar mit Nichtwissen gekoppelt ist, sodass mit dem Management der Ressource Wissen spezifische Risiken des Nichtwissens verbunden sind“ (Willke, 2004, S. 21).
4.2.3 Wissenstransfer und Wissensbestand Grundsätzlich kann zwischen dem statischem Wissensbestand, dem Messen des vorhandenen Wissens und dem dynamischen Prozess des Wissenstransfers unterschieden werden. Diese Differenzierung zwischen Bestand und Flüssen hat ihre ursprüngliche Relevanz bei ökonomischen Betrachtungen, wie jene des Kapitals, des Geldes und der Waren und findet beim Wissen ebenfalls ihre Anwendung, allerdings in unterschiedlicher Ausprägung. 45
„A flow of goods from person to another reduces the stock of the former and increase the stock of the later. By contrast, a flow of knowledge may increase the recipient´s stock of knowledge without reducing the stock of the transmitter” (Machlup in Reinhardt, 2002, S. 80).
Der Wissensfluss unterscheidet sich somit essentiell von jenem des Waren- und Kapitalflusses. Dieser kann den Wissensbestand des Empfängers oder Wissensträgers erhöhen, ohne gleichzeitig den Bestand des ursprünglichen Wissensträgers zu verringern. Damit impliziert jeder Wissenstransfer die Möglichkeit der Erhöhung des Wissensstands aller Beteiligten oder Wissensträger (Machlup, 1979, S. 408). Der Bestand an Wissen kann entsprechend Machlup in knowledge on record und knowledge in the mind, unterschieden werden (Machlup, 1979, S. 400 ff). Recorded knowledge findet seine Ausformung in verschiedensten Arten von Dokumentationen, mit mehr oder weniger freiem Zugang, wo hingegen sich knowledge in the mind im Gedächtnis von Personen, Gruppen oder Organisationen wiederfindet. Analog kann hier auf die Unterscheidung des tacit knowledge und explizit knowledge verwiesen werden (siehe Nonaka und Takeuchi, 1995; Polanyi, 1958). Tacit knowledge als verborgenes Wissen des Einzelnen, welches vom einzelnen Individuum nicht oder nur schwer ausgedrückt werden kann. Explizites Wissen hingegen, welches in geschriebener oder gesprochener Form vorliegt und als solches manifest ist. Schwierigkeiten des Wissenstransfers ergeben sich vor allem beim knowledge-in-mind, des tacit knowledge. Die Übertragbarkeit dieses Wissens ist stets an spezielle Bedingungen geknüpft. Diese sind dem einzelnen Individuum und/oder dem organisationskulturspezifischem Typus einer Organisation zuzuordnen. Der Wissenstransfers nach Machlup findet auf drei Arten statt (siehe Machlup, 1979): x x x
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From “person to record” from “record to person” form “person to person without record”
Vergleicht man die genannten Arten des Wissenstransfers mit den Prozessen der Wissensumwandlung des SECI-Modells nach Nonaka und Takeuchi, so kann folgende Übereinstimmung dargelegt werden: x x x
„Person to record“ - Wissensfluss entspricht dem Prozess der Externalisierung, „record to person“ - Wissensfluss jenem der Internalisierung und „person to person without record“ - Wissensfluss, entspricht jedem der Sozialisierung des Wissens (siehe Nonaka und Takeuchi, 1997).
Alle drei Arten des Wissenstransfers können auf intraorganisationaler und auf interorganisationaler Ebene stattfinden. Nonaka und Takeuchi ergänzen die unterschiedlichen Formen der Wissensumwandlung mit einer vierten Form, jener der Kombination des expliziten Wissens mit explizitem Wissen (siehe Kap. 6). Das Schichten-Modell von Pautzke stellt sehr anschaulich den gesamten Wissensbestand der Organisation dar, geschichtet nach dem Kriterium der Wahrscheinlichkeit der Aktualisierung beziehungsweise der Nutzung für organisatorische Entscheidungsprozesse. „Die organisatorische Wissensbasis repräsentiert den Wissensbestand, der einer Organisation auf individueller und kollektiver Ebene zur Verfügung steht“ (Pautzke, 1989, S. 63).
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Abbildung 3: Schichtenmodell der organisatorischen Wissensbasis nach Pautzke (1989)
Das Modell unterscheidet zwischen folgenden Arten des Wissens: x x x x x
Von allen geteiltes Wissen, explizites Wissen (Schicht 1) der Organisation zugänglichem individuelles Wissen (Schicht 2) der Organisation nicht zugängliches individuelles Wissen, implizites Wissen (Schicht 3) Wissen der Umwelt, über das ein Metawissen in der Organisation vorhanden ist (Schicht 4) sonstiges kosmisches Wissen (Schicht 5).
Es differenziert nach dem Prinzip der Verfügbarkeit der jeweiligen Wissensart für die Organisation und die Wahrscheinlichkeit in organisatorische Entscheidungen und Handlungen einzufließen und in die organisationale Wissensbasis integriert zu werden. Die innerste Schicht (Schichte 1) bildet das von allen Organisationsmitgliedern geteilte Wissen. 48
Dieses kommt in der Organisationskultur, den vorhandenen Grundannahmen et cetera zum Tragen und kann nach Pautzke als das Wissen der Organisation betrachtet werden, welches nicht nur in impliziter Form, sondern auch in expliziter Form vorliegt. Die organisatorische Wissensbasis bezieht aber auch das individuelle Wissen der Mitarbeiter mit ein, welches der Organisation zur Verfügung gestellt wird (Schichte 2). Der Schichte 3 ist das individuelle Wissen zuzuzählen, über welches die Mitarbeiter verfügen, aber der Organisation nicht zur Verfügung stellen, beispielsweise aufgrund von Wissens-, Transfer- oder Motivationsbarrieren. Die Unterscheidung zwischen Schichte 2 und 3 bildet die Basis für organisationales Lernen, denn die Organisation lernt auch ohne das einzelne Mitarbeiter lernen, beispielsweise wenn individuelles Wissen von Mitarbeitern, Teil der organisatorischen Wissensbasis wird. Schichte 4 bezieht sich auf die latente organisatorische Wissensbasis, das sogenannte Metawissen der Organisation, welches in der gegenwärtigen Situation der Organisation keine Entscheidungsrelevanz besitzt (Pautzke, 1989, S. 78). Nicht jeder Wissenstransfer führt zu einer Erhöhung der Wissensbasis einzelner Wissensträger oder der Organisation. Möglich Gründe sind: Erstens, könnte das zu übertragende Wissen für den Empfänger nicht verständlich sein. Zweitens, könnte das zu übertragende Wissen vergessen werden und drittens könnte der Wissenstransfer flüchtig sein und in Folge dessen, untergehen. Der Faktor der Flüchtigkeit des Wissens trifft nur selten auf wissenschaftliches und schulisches Wissen, sehr oft aber auf praktisches Wissen (Machlup, 1979, S. 408). Der Wissenstransfer kann folgende mögliche Ausformungen haben: Eine Anhäufung zu vorhandenem Wissen, als Ersatz für bestehendes oder verloren gegangenes Wissen, als gegenwärtiger Input für die Produktion im weitesten Sinne, als momentaner und kurzfristiger Unterhaltungsfaktor oder als „Abfall“, wenn es keinem der genannten Zwecke dient. Normalerweise stellt jeder Wissenstransfer eine Kombination von fünf Ausprägungen dar. Nicht verwertbares Wissen im Sinne von „Abfall“, kann durch Übertragungsfehler, fehlendes Verständnis, schlechter Vorbereitung, mangelndes Interesse oder in sonstiger Form nicht empfänglich sein, seine Begründung haben (Machlup, 1979, S. 409 f). 49
4.2.4 Wissen und Informationstechnologie Die Informationstechnologie symbolisiert aus systemischer Sicht die Differenz zwischen Wissen und Entscheidung. Im Kontext des Buches wird Informationstechnologie als Enabler für wissensrelevante Problemstellungen eingestuft. Baecker betrachtet Informationstechnologie als technologisches Werkzeug zur Wissensverarbeitung im weitesten Sinn, mangels ihrer inhärenten Eigenschaft der Nicht-Beeinflussbarkeit organisationaler Entscheidungen (Baecker, 1999). Mit dem Einsatz von Informationstechnologie sind folgende Themen dauerhaft verknüpft (Rosegger, 1991, S. 246): x “There is the influence of existing institutions, interests, and practices on the rate and the direction of technical progress; x there is the potential of major innovations to transform, and in many instances to revolutionize, prevailing social and economic arrangements; and x there is the concern of actors (individuals and organisations) that their ability to appropriate new knowledge, as well as to hold on to old knowledge, may be threatened by innovations in the transmission of information”.
Organisationen sind bestrebt, durch Innovationen, sprich durch den Einsatz von Informationstechnologien, Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Investitionen in Informationstechnologien versprechen per se technologische Fortschritte und -Verbesserungen im Bereich der Kommunikation und des systeminternen und systemexternen Wissenstransfers, bedingen aber gleichzeitig eine Veränderung der strukturellen Verknüpfungen in der Organisation. Neue Kopplungen verursachen neue Prozesse in der Organisation und führen einerseits zum Aufgeben von alten Routinen und andererseits zum Aufbau von Neuem (siehe Luhmann, 2000). Zum Zeitpunkt der Investition in Informationstechnologie stehen Organisationen vor der Entscheidung der verbesserten und/oder beschleunigten Kommunikation oder des Verlusts des firmenspezifischen Wissens, beispielsweise in Form von bereits bestehenden strukturellen Kopplungen und feststehenden Prozessen innerhalb der Organisation. 50
Organisationen verfügen über firmenspezifisches Wissen, welches aus Marktwissen und technischem Wissen, besteht. Dieses Wissen ist in impliziter und expliziter Form in der Organisation vorhanden, mit unterschiedlichen Zugriffsmöglichkeiten für die Organisation und ihre Mitarbeiter (siehe Kapitel 4.2.3). Es unterscheidet Organisationen grundsätzlich von ihren Mitbewerbern und soll durch Investitionen in Innovationsprozesse unter der Prämisse des gleichzeitigen Schutzes dieses Wissens, vergrößert werden. Ein wesentlicher Punkt im Prozess der Erweiterung der organisationalen Wissensbasis ist der Grad der Integration von neuem Wissen. Dieser wird durch die Art der Integration des Wissens und den zeitlichen Rahmen determiniert, in dem informationstechnologisches neues Wissen akquiriert wird. Zur ökonomischen Evaluation von Wissensakquisition durch Informationstechnologie können vier Determinanten unterschieden werden, welche nicht unabhängig von einander zu betrachtet sind (Rosegger, 1991): x x x x
Grad der internen Wissensproduktion Grad der Akquisition von public-goods-type knowledge aus der Umwelt Grad der Akquisition von proprietären Wissen anderer Unternehmen Grad der Akquisition von Wissen gemeinsam mit anderen Organisationen
(1) Der Grad der internen Wissensproduktion wird wesentlich durch Research and Development, Design und Engineering, bestimmt. Durch diese kostenaufwendigen Prozesse wird neues Wissen innerhalb der Organisation generiert, welches vor allem gegenüber Mitbewerbern als besonders schützenswert, gilt. Gleich signifikant ist jenes interne Wissen über die aktuellen technischen Kundenanforderungen. Dieses Wissen bedarf einer Internalisierung in interne Strategien und Prozesse, um zu nachhaltigen positiven Effekten zu führen. Eine weitere interne Quelle, um zu relevanten technischen Wissen zu gelangen, ist learning by doing, verstanden als das Ergebnis der laufenden operativen Tätigkeiten eines
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Unternehmens. Dieses Wissen ist in der Wissensbasis der Organisation kodifiziert oder als Know-how einzelner Mitarbeiter implizit vorhanden. (2) Organisationen akquirieren ebenfalls Wissen, das als public-goodstyp knowledge bezeichnet werden kann. Es handelt sich dabei um Wissen, das durch ökonomischen Agenten genutzt werden kann, ohne dadurch die Nutzung Anderer zu beeinträchtigen. Dazu zählen unter anderem technische und wissenschaftliche Publikationen, frei zugängliche Informationsnetzwerke et cetera. Kline und Rosenberg bezeichnen monitoring als wichtigste Aktivität bei der Akquisition von public-goods-typknowledge, in dem durch sorgsames organisieren und managen die Nutzung des Wissens optimiert wird, vergleichsweise zu a priori Einschränkungen der Nutzung (Kline und Rosenberg 1986, in Rosegger, 1991). (3) Die Akquisition von proprietärem Wissen von anderen Organisationen kann durch formale Know-how-transfer agreements erfolgen; informell durch Anwerben von Wissensträgern von Unternehmen und durch direkten Wissensaustausch zwischen Mitarbeitern unterschiedlicher Organisationen. Rosegger benennt in diesem Zusammenhang den Konflikt zwischen dem proprietärem Wissen einer Organisation und ihren Wissensträgern. Tendenziell geben Experten ihr Wissen eher an professionelle Partner weiter vergleichsweise zum Transfer an Kollegen innerhalb der Organisation Dies kann durch die Rolle des Mitarbeiters als Experte und den Machtfaktor beziehungsweise die Statusrelevanz innerhalb der Organisation, begründet werden (Rosegger, 1991, S. 249, vgl. ebenfalls Steinmann, Schreyögg, 2000). (4) Die Akquisition von Wissen gemeinsam mit anderen Organisationen lässt sich durch zu erwartende hohen Kosten und Risiken für einzelne Organisationen, erklären. Gemeinsame Probleme und Herausforderungen begründen des Öfteren multinationale Kooperationen für generische technische Lösungen. Im Kontext des Buches wird Informationstechnologie als Enabler für den Wissenstransfer- und die Wissensgenerierung eingestuft. Informations- und Kommunikationstechnologie dient der Beschleunigung des Transfers- von Daten und Informationen und der Generierung und Verarbeitung von Daten- und Informationen,
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mit dem Ziel nachhaltige Vorteile für eine Organisation zu generieren, unter der Prämisse eines ökologischen Verständnisses des Wissens.
4.2.5 Wissen und ethische Aspekte Durch die Digitalisierung des Wissens und den Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnologien werden laufend Unmengen von Daten und Informationen produziert und grundsätzlich zur Verfügung gestellt. Grundsätzlich deshalb, weil bestimmte Daten und Informationen einem eingeschränkten Nutzerkreis zur Verfügung stehen. Es findet folglich ein permanenter Prozess der Kreation und Generierung, des Transfers, der Verarbeitung und der Neuinterpretation von Wissen statt. Dieser Prozess ist nicht neu, wird aber durch die Nutzung von Informationstechnologie verändert. Die angesprochenen strukturellen Kopplungen und Fragen der Selektion werden für einzelne Nutzer und Organisationen relevanter. Folglich besteht für Organisationen die Notwendigkeit, mit Wissen hochselektiv umzugehen, indem beispielsweise Daten und Informationen nicht nur zur Kenntnis genommen werden und/oder aus Informationen keine Schlüsse gezogen werden. Die Entscheidung, welches Wissen für die eigene Organisation wichtig ist, wird zur zentralen Fragestellung für Organisationen (Baecker, 1999). Eine Ökologie des Wissens sucht Kriterien, nach welchem Wissen zugelassen und tradiert wird und welches Wissen vernachlässigt und vergessen wird (Liessmann, 1985, S. 148 f). Von Foerster spricht in diesem Zusammenhang von Down-to-Earth Problemen und hebt besonders die Verbundenheit mit einer konkreten Situation in der Praxis hervor, als ethischen Handlungsrahmen im Vergleich zu abgehobenen und losgelösten Diskussionen über Ethik und Denkkategorien: „Und in dem Moment, in dem ich eine unentscheidbare Frage entschieden habe, kommt die Verantwortung ins Spiel. Man entschließt sich, die Dinge, die Welt und seine Mitmenschen auf eine besondere Weise zu betrachten und entsprechend zu handeln. Man wird verantwortlich für die Entscheidung, die man getroffen hat und die einem niemand abnehmen kann;
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Moral ist explizit, Ethik sollte implizit bleiben, sie sollte in die Handlungen eines Einzelnen gewissermaßen eingewoben sein. Moral ist, so meine ich, eine Angelegenheit des autoritären Appells, der Predigt, der Vorschrift“ (von Foerster, 2004, S. 162 und S 164).
Nonaka und Takeuchi sprechen von individuellen Wahrheiten, die durch persönliche Sichtweisen, Erfahrungen und durch die Sinnhaftigkeit für den Einzelnen determiniert werden. Jedes Individuum befindet sich in einem Prozess der puplic justification, in einem fragilen Prozess des Umgangs mit Wissen. So meint von Krogh: „Care is a serious attention, a feeling of concern and interest; to care for someone is to help her to learn , to help her to increase her awareness of important events and their consequences, and to help nurture her personal knowledge creation while sharing her insights” (von Krogh, 1998, S. 137).
Care wird hier als bewusster, sensibler und offener Umgang mit Wissen, verstanden. Überträgt man dieses Handlungsmuster auf die organisationale Ebene, so schafft Care die Basis für einen vertrauensvollen Umgang und für aktive Empathie, indem sich einzelne Mitarbeiter in die Situation von anderen Mitarbeitern gedanklich hinein versetzen können. Des Weiteren wird dadurch eine Atmosphäre geschaffen, die das Teilen von negativen und positiven Emotionen der Mitarbeiter untereinander zulässt und gegenseitige Hilfsbereitschaft fördert, sowie ein nachsichtigeres und ein verständnisvolleres Urteil im gegenseitigen Umgang. unterstützt. Organisationen bewegen sich grundsätzlich zwischen einer high-care relationship und low-care-relationship Orientierung. Die folgende Abbildung stellt die Ebene des Individuums und der Organisation dar und die möglichen Care-Intensitäten. Abhängig vom jeweiligen Intensitätsgrad differiert der Umgang mit Wissen; in den Care-Ausprägungen Capturing, Transacting mit geringer Intensität und Bestowing und Indwelling mit hoher Intensität.
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Abbildung 4: The Processes of Knowledge Creation (von Krogh, 1998, S. 139)
Unter indwelling wird folgende individuelle Haltung verstanden: „Indwelling is about commitment to an idea, to an experience, to a concept, or to a fellow human being” (von Krogh, 1998, S. 141). Dieses Verhalten ist für Prozesse des Teilens von implizitem Wissen besonders relevant (siehe Kap. 5). Um in der Organisationen eine hohe Care-Orientierung zu erreichen, bedarf es strategischer Maßnahmen, wie beispielsweise Wissenstranfer-bezogene Incentive Systeme, Mentoring Programme, explizit und implizit kommunizierte Werthaltungen, Trainings Programme, Social Events et cetera.
4.3 Exkurs: Abgrenzung Daten, Information und Wissen Die Abgrenzung zwischen den Begriffen Daten, Informationen und Wissen soll eine hilfreiche Differenzierung und einen ersten Einblick in das Wesen des Wissens ermöglichen. Generell erfolgt die sprachliche Unterscheidung unpräzise und oberflächlich; eine differenziertere Sichtweise zu erzeugen, ist das Ziel des folgenden Exkurses. „Das Bekannte ist darum weil es bekannt ist, nicht erkannt“ (Hegel in Liessmann, 2006, S. 27).
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Dieses Zitat berührt den Kern der Frage in Bezug auf Wissen, nämlich das Verstehen. Das Verstehen als erste und wichtige Differenz von Informationen und Wissen. So wie Liessman meint: „Informationen haben mit Wissen und mit Erkenntnis nichts zu tun (Liessmann, 2006). Mit dem Wissen wird mehr als Information verknüpft, denn Wissen ermöglicht die Auswahl von Daten mit Informationswert und ist: „Eine Form der Durchdringung der Welt, erkennen, verstehen, begreifen (Liessmann, 2006, S. 29). Wissen ist demnach ein wichtiger Unterschied zum Begriff der Information oder wie Bateson meint: „Der Terminus Technicus `Information` kann vorläufig als irgendein Unterschied, der bei einem späteren Ereignis einen Unterschied ausmacht, definiert werden (Bateson, 1985, S. 488).
Folgt man nun informationstheoretischen Ansätzen, so wird folgende Differenzierung vorgenommen: Daten stellen Zeichen dar und können vereinfacht als Informationen auf syntaktischer Ebene verstanden werden. Informationen sind Daten, welche in einem bestimmten Kontext von einem Empfänger oder Wissensträger interpretiert werden können. Die Vernetzung einer Information in einem bestimmten Handlungsumfeld beziehungsweise in einem bestimmten Kontext durch ein Individuum, wird als Wissen bezeichnet (siehe Rehäuser, Krcmar, 1996, S. 6 ff).
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Abbildung 5: Die Beziehungen zwischen den Ebenen der Begriffshierarchie (Rehäuser/Krcmar in Romhardt, 1998)
Folgend werden einzelne Autoren zitiert, welche neben der klassischen informationstheoretischen Betrachtungsweise, relevante Unterschiede von Information und Wissen, beschreiben: „Knowledge emphasizes understanding and sense making, the “why” and “how”; information is more awareness of something, the “who” and the “what” (Bennet & Bennet, 2004, S. 440 f.). „Knowledge presupposes values and beliefs and is closely related to human action“ (Tsoukas und Vladimirou, 2001 in Renzl, Matzler, Hinterhuber 2006, S. 2).
Sokrates plädierte ebenfalls für eine konsequente Unterscheidung zwischen Wissen und Information. Im damaligen Wortlaut wird zwischen actual speech und written speech unterschieden. Actual speech wird als lebendiger Dialog zwischen zwei Personen verstanden, basierend auf aktivem Bewusstsein, Überzeugung, Engagement und vielleicht Leidenschaft, während written speach kein Leben in sich trägt, indem es aufkommende Fragen in einer uniformen Art, beantwortet. Wissen ist im Vergleich zu Informationen, persönlichkeitsabhängig und steht im starken Konnex zu den Werthaltungen der einzelnen Person. Wissen impliziert die Verbindung zum eigentlichen Handeln des Einzel57
nen und folglich zur betreffenden Person. Die Handlungsorientierung des Wissensbegriffs bildet die Basis für die Ausführungen dieses Buches.
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5. Theoretische Konzepte und handlungstheoretische Überlegungen
5.1 Theoretische Basis: Wissen und Organisation Die theoretischen Konzepte zum organisationalen Wissen basieren auf einem heterogenen Verständnis des Wissensbegriffs und dessen Relevanz für Organisationen. Diese fokussieren einerseits auf der Entstehung neuen Wissens (Nonaka, Takeuchi, 1995), der Bedeutung der Führung und des Vertrauens in Zusammenhang mit Wissensfragen (Senge, 1999) und der Frage der Kernkompetenzen (Hamel, Prahalad, 1989). Andererseits ist die Anwendung des Wissens, das heißt der Zusammenhang zwischen qualifikatorischen- und organisatorischen Gestaltungsaspekten, häufiger Untersuchungsgegenstand (Hamel, Prahalad, 1994). Der Dualismus zwischen der Perspektive Wissen und dem organisationalen Lernen ist Ausgangspunkt vieler unterschiedlichen Konzepte, welche sich einerseits auf eine prozessorientierte Perspektive, dem sogenannten knowing-how beziehungsweise tacit knowledge und andererseits auf die knowing that-Perspektive beziehungsweise dem explizit knowledge beziehen (Antonacopoulou, 2006, S. 9). Unter dem knowing-that wird verstanden, dass Jemand glaubt, dass Etwas so oder so ist und nicht anders; hingegen wird mit dem knowing-how, die unmittelbare Umsetzungsbefähigung verstanden (Machlup, 1962, S. 31 ff). Die Gemeinsamkeit liegt in der Bedeutung des Wissens und dem organisationalen Lernen, in einem durch Komplexität und technologische Beschleunigung charakterisierten Kontext. Unterschiede bestehen in Bezug auf die Kodifizierbarkeit und die Komplexität und folglich auch in den Konsequenzen für den Lernprozess selbst. 59 D. Burger, Computergestützter organisationaler Wissenstransfer und Wissensgenerierung, DOI 10.1007/978-3-531-93047-3_5, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Der gegenwärtige Kontext für Organisationen erfordert folglich eine größere Anpassungsfähigkeit und Veränderungsfähigkeit in Bezug auf die organisationale Umwelt im Sinne des organisationalen Lernens und eines ökologischen Umgangs mit Wissen. Der Transfer von Wissen manifestiert sich in den organisationalen Prozessen, sowohl auf der Ebene der Person, der Gruppe und der Organisation, sowohl prozessintern, als auch prozessextern, das heißt als intraorganisationaler und interorganisationaler Prozess. Der Wissenstransferprozess wird aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und stellt jeweils unterschiedliche Faktoren in den Mittelpunkt, welche sich auf folgende Perspektiven beziehen: x x x
Das einzelne Individuum die Organisation als interner Rahmen oder System und die Organisation, mit grenzüberschreitenden Prozesse oder in Bezug auf ihre Umwelt
In den genannten Ansätzen kommt dem Problem der Bewertung des Wissens keine allzu große Bedeutung zu, obwohl das Problem der Bewertung beziehungsweise der Messung des Wissens als solches erwähnt wird und zunehmend als Defizit in empirischen Studien wahrgenommen wird (Reinhardt, 2002). Die folgende Tabelle zeigt einen Vergleich verschiedener theoretischer Wissensansätze zum Wissenskonzept von Nonaka, welcher auf drei zentralen Fragestellungen basiert: Begriff des organisationalen Wissens, Frage des „Warum“ der Wissensgenerierung von Organisationen und die Frage des „Wie“ der Wissensgenerierung von Organisationen. Questions
Traditional Theories
What is organizational Knowledge?
A feeling of belonging (Curle, 1972) An unconscious scheme (Goleman, 1985) Simultaneous representations (Watzlawick, 1984) Belief derived from information (Dretske, 1981) A psychological economy (Jones, 1975)
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Theory of Nonaka (1990-94) Four types of Knowledge: - tacit and individual - tacit and collective - explicit and individual - explicit and collective Knowledge is dynamic.
Why do Organizations accumulate Knowledge?
How do Organizations create Knowledge?
To solve problems (Cyert & March, 1963) To assert predominance (Teece, 1987; Winter 1987) To manipulate the environment (Kotter, 1979) To learn and unlearn (Hedberg, 1981) Through intrusions into their environment (Wilensky, 1967b) By strategizing with the same information as their competitors (Starbuck, 1992b) By creating links and discovering incongruities (Jones, 1975) By being informal, non-systematic (Fahey & King, 1977) By obeying local rationality (Cyert & March, 1963; Berry, 1983 By creating consensual knowledge on the one hand and peripheral knowledge on the other hand (Schwenk & Lyles, 1992) By using bounded rationality (Cyert & March, 1963) by being either passive or generative of their environment (Weick, 1979)
- The organizations object is to create knowledge (Nonaka & Kenney, 1991). - Knowledge is at the center of the organizational dynamic. - Organizations obtain their knowledge either through socialization or through appropriation of collective explicit knowledge. - Organizations can effect combinations of their explicit knowledge or articulations of their tacit knowledge. - Socialization, Combination, Exteriorization, Internalization
Tabelle 3: Organizational Knowledge (Baumard, 1999, S. 32)
Die genannten Fragestellungen der Tabelle entsprechen gleichzeitig den Hauptfragen des Buches, denn sie zielen alle auf die Ebene der Organisation und analysieren Prozesse der organisationalen Wissensgenerierung und des Wissenstransfers. Die Perspektive des individuell gebundenen Wissens von Mitarbeitern in einer Organisation, sprich jene der individuellen Lernprozesse als Teilbereich des Human Ressource Managements, findet keine Berücksichtigung.
5.1.1 Ansatz der Kernkompetenzen „Jede Firma sollte ihre strategischen Investitionen und die Aufmerksamkeit ihres Managements auf solche Kernkompetenzen – in der Regel intellektuelle Kompetenzen oder Dienstleistungsfähigkeiten fokussieren, in denen sie Weltklassestatus
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erreichen und erhalten kann, das heißt, einen signifikanten langfristigen Wettbewerbsvorteil" (Quinn, 1992, S. 32 in: Willke, 2004, S. 78).
Kernkompetenzen knüpfen an die Frage der Wettbewerbssituation einer Organisation an, indem durch die Nutzung interner Ressourcen, Marktvorteile erzielt werden sollen. Dieser Ansatz entspricht somit dem ressourcenbasierten Ansatz vergleichsweise zum marktbasierten Managementansatz (Steinmann, Schreyögg, 2000 S. 222 ff). Das Konzept der Kernkompetenzen von Gary Hamel und C.K. Prahalad beschreibt Handlungsweisen von innovativen Organisationen und die Möglichkeiten der Generierung von Wettbewerbsvorteilen. Hamel und Prahalad verwenden für ihr Konzept die Metapher eines Baums, den Kompetenzbaum. Ein diversifiziertes Unternehmen wird als großer Baum beschrieben, mit dem Stamm und den wichtigsten Ästen, als Kernprodukte der Organisation. Die Geschäftseinheiten werden durch Zweige symbolisiert und die Endprodukte durch Blätter, Blüten und Früchte. Die eigentlichen Kernkompetenzen einer Organisation liegen entsprechend der Metapher im Wurzelsystem des Baums, das für Nahrung, Halt und Stabilität sorgt. Die eigentliche Stärke einer Organisation liegt somit im Verborgenen und ist für Externe nicht einfach zu erkennen. Des Öfteren wird bei der ausschließlichen Betrachtung der Endprodukte, die eigentliche Stärke der Organisation übersehen. Kernkompetenzen, genannt Core Competences unterscheiden sich folglich grundlegend von den Kerngeschäften, den Core Businesses. Die Kernkompetenzen lassen sich nicht auf Produkt-MarktKombinationen abgrenzen, sondern bilden eine breite und allgemeine Basis für zukünftige Fähigkeiten der Organisation und beziehen sich auf alle Funktionen des Unternehmens (Sydow, 1992). Bei einer strategischen Analyse einer Organisation stehen folglich die Kernkompetenzen im Mittelpunkt vergleichsweise zu den traditionellen Ansätzen mit einem Portfolio von strategischen Geschäftseinheiten (siehe Porter, 1987). „Die Kernkompetenzen werden durch einheitliche, strategisch relevante Merkmale charakterisiert. Sie beziehen sich nicht in erster Linie auf Märkte oder Produkte, sondern auf funktionale Stärken einer Organisation wie beispielsweise Forschung
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& Entwicklung, die Kombination von Vertriebswegen und Produktion, internen Prozessen, et cetera (Hamel, Prahalad, 1991).
Im Mittelpunkt stehen folglich die intraorganisationale Koordination und die damit verbundene Kommunikation innerhalb der Organisation. Die Perspektive der strategischen Geschäftseinheiten wird mit diesem Modell abgelöst und auf eine, die gesamte Organisation bezogene Perspektive, ausgeweitet. Die Entwicklung von Kernkompetenzen basiert daher auf einem differenzierten Verständnis der zentralen Managementaufgaben, welche mit organisationalen Lernprozess- und Veränderungsprozessen verknüpft sind, um Produktions- und Technologieströme zu koordinieren und zu integrieren. Komplexe Koordinations- und Kommunikationsströme sind die bestimmenden Faktoren der Kernkompetenz, die einen strategischen Wettbewerbsvorteil begründen, wobei die Muster dieser Abstimmungs- und Lernprozesse von Mitbewerbern nur schwer kopiert werden können. Zur Identifikation und Analyse der potenziellen Kernkompetenzen einer Organisation sind nach Hamel und Prahalad folgende drei Fragen von Relevanz: x x x
Bietet eine bestehende Kompetenz einen potentiellen Zugang zu einer Vielfalt von Märkten? Bietet eine Kernkompetenz einen signifikanten Beitrag zu dem vom Kunden wahrgenommenen Nutzen des Endprodukts? Ist die Kernkompetenz schwer durch die Konkurrenz imitierbar?
Folgende fünf Hauptkomponenten kennzeichnen das Konzept der Kernkompetenzen (Steinmann, Schreyögg, 2000, S. 224): (1) (2)
(3)
„Unternehmensweiter Geltungsbereich: Kernkompetenzen bilden die Grundlage für eine Vielzahl an Produkten und Geschäftsfeldern Dauerhafter Nährboden: Produkte oder Dienstleistungen sind der aktuelle Ausdruck der dahinterliegenden Kernkompetenzen. Letztere entwickeln sich langsamer und überdauern verschiedene Produktgenerationen Historisch entwickelt: Kernkompetenzen sind nicht marktgängig, sie entwickeln sich in Unternehmen über die Zeit hinweg. Sie werden durch ihren Einsatz nicht abgenutzt, sondern eher verfeinert und verbessert
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(4) (5)
Kollektives Wissen: Kernkompetenzen sind das Ergebnis kollektiver Lernprozesse und insofern auch nicht individuell aneigenbar Ressourcenwettbewerb: Mit den Kernkompetenzen erhält der strategische Wettbewerb eine zweite tiefer liegende Dimension. Der klassische Produkt und Markt-Wettbewerb wird überlagert von der Konkurrenz zwischen und um Ressourcen.“
Zusammengefasst stellen Kernkompetenzen tief verwurzelte Fähigkeiten dar und sind von Mitbewerbern nicht einfach kopierbar. Der Erfolg einer Organisation hängt von der einzigartigen Kombination dieser organisationalen Fähigkeiten ab, auf deren Basis neue Produkte oder Dienstleistungen entstehen können. Werden die für den Unternehmenserfolg wichtigen Funktionen konsequent externalisiert, besteht die Gefahr, dass Organisationen ihre Kernkompetenzen verlieren. Wenn es sich um die Externalisierung von Wissen im Bereich von Forschungs- und Entwicklungsfunktionen, Montage- und Komponenten-fertigung handelt, so ist die Gefahr des Verlusts von Kernkompetenzen besonders groß. Im Vergleich dazu, können durch die Internalisierung von unternehmensrelevanten Funktionen, neue Kernkompetenzen auf- und ausgebaut werden und so neues relevantes Wissen für die Organisation akquiriert werden (Sydow, 1992, S. 109 f).
5.1.2 Modell der wissensgenerierenden Organisation Das von Nonaka und Takeuchi entwickelte SECI-Modell basiert auf der Unterscheidung zwischen implizitem- (tacit) und explizitem Wissen und geht von der Annahme aus, dass neues relevantes Wissen durch vier unterschiedliche Modi der Wissensumwandlung der beiden Wissensarten des vorhandenen Wissens einer Organisation kreiert beziehungsweise generiert wird. Diese organisationale Fähigkeit wird von den Autoren folgendermaßen beschrieben: „By organizational knowledge creation we mean the capability of a company as a whole to create new knowledge, disseminate it throughout the organization, and embody it in products, services and systems” (Nonaka, Takeuchi, 1995).
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Um neues, relevantes Wissen zu generieren, bedarf es folgender interner Modi in einer Organisation: Der Sozialisation, der Externalisation, der Kombination und der Internalisation. Diese Prozesse determinieren jeweils eine bestimmte Form der Wissensumwandlung, basierend auf den beiden unterschiedlichen Wissensarten.
Abbildung 6: Vier Modi der Wissensumwandlung nach Nonaka & Takeuchi (1995, S. 62)
(1) Der Modus der Sozialisation beschreibt den Prozess des Transfers von implizitem zu implizitem Wissen. Es handelt sich um einen impliziten Erfahrungsaustausch zwischen zwei oder mehreren Personen, dessen Resultat in gemeinsamen mentalen Modellen oder technischen Fähigkeiten liegt. Beispielhaft kann hier die Meister-Lehrling Beziehung genannt werden: Durch jahrelange Beobachtung, Nachahmung und Übung bestimmter Verhaltensweisen und Handlungen des Meisters werden implizit Fähigkeiten erworben, welche ohne Verwendung der Sprache vom Meister zum Lehrling transferiert werden. Von großer Relevanz ist hier die gemeinsame Erfahrung, um sich in das Denkmuster des jeweiligen Gegenübers versetzen zu können. Ein klassisches Beispiel für Sozialisierung erfolgt während der Kindheit eines Menschen. Im Vergleich dazu, versteht Luhmann unter Sozialisation Selbst-Sozialisation, indem er meint, dass sich das einzelne Individuum nur selber in Form bringen kann, um den in sozialen Interaktionen bestimmten Anforderungen zu genügen, bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen oder auch bestimmte Reaktionsweisen auszulösen. Darin liegt für Luhmann die enorme Viel65
falt der Individuen begründet, im Gegensatz zur Transmissionsthese, dem reinen Übertragungsmodell (Luhmann, 2002). (2) Der Modus der Externalisierung bezeichnet die Wissensumwandlung von implizitem zu explizitem Wissen. Es handelt sich um einen Prozess der Artikulation oder des Versuchs der Artikulation von implizitem Wissen in explizite Konzepte und Dokumentationen. Das implizite Wissen nimmt hier des Öfteren die Form von Metaphern, Analogien, Modellen oder Hypothesen an. Diese sind sprachlich meist unzureichend, unlogisch und unangemessen. Mittels der Verknüpfung von Deduktion und Induktion kann dieser Prozess unterstützt werden. Der Modus der Externalisation wurde bis dato in der Theorie vernachlässigt vergleichsweise zu den restlichen Modi (Nonaka, Takeuchi, 1995, S. 62). (3) Der Modus der Kombination bezeichnet die Wissensumwandlung von explizitem zu explizitem Wissen. Es findet ein Prozess der Erfassung von Konzepten innerhalb eines Wissenskomplexes statt, wobei verschiedene Bereiche von explizitem Wissen miteinander verbunden und neu verknüpft werden. Es handelt sich dem gemäß um folgenden Prozess: „Eine Neuzusammenstellung vorhandener Informationen durch Sortieren, Hinzufügen, Kombinieren oder Klassifizieren von explizitem Wissen kann zu neuem Wissen führen“ (Nonaka, Takeuchi, 1997). (4) Die Internalisierung bezeichnet die Wissensumwandlung von explizitem zu implizitem Wissen. Dieser Prozess umfasst die Eingliederung des expliziten Wissens in individuelles- und organisationales implizites Wissen. Dieser Prozess kann als learning by doing verstanden werden. Im Zuge der unterschiedlichen Wissensumwandlungsprozesse entstehen unterschiedliche Arten von Wissensinhalten, die in der sogenannten Wissensspirale zusammenwirken.
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Abbildung 7: Wissensspirale der Wissensschaffung von Nonaka & Takeuchi (1995, S. 73)
Die Wissensspirale bezieht sich auf zwei Wissensdimensionen: Die erkenntnistheoretische Dimension, mit der Dichotomie des impliziten und expliziten Wissens und die ontologische Dimension mit den von einander abhängigen Ebenen des Individuum, der Gruppe und der Organisation, wobei die ontologische Dimension die Basis für die Umwandlung des Wissens von der individuellen Ebene bis letztlich zur Ebene der Organisation bildet. Das Modell berücksichtigt alle wesentlichen Momente und Phasen des organisationalen Wissensmanagements. Als wesentlichster Aspekt ist der Modus des Umwandlungsprozess des impliziten Wissens zu nennen. Folglich rückt das einzelne Individuum in den Mittelpunkt der Betrachtung, denn eine Organisation kann kein Wissen ohne Zutun des Einzelnen schaffen. Organisationen können kreative Personen unterstützen und Kontexte bieten, die den Prozess der Wissensgenerierung fördern. Diese sind die eigentliche Quelle für Innovationen und Veränderungen von Organisationen. Die ent-scheidenden Punkte sind das Problem der Abhängigkeit des impliziten Wissens vom Individuum und die Grenzen des Einsatzes der Informationstechnologie (Reinhard, 2002).
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Um die organisationale Wissensspirale in Gang zu setzen, bedarf es von Seiten der Steuerung der Verantwortlichen bestimmter Voraussetzungen. Zu diesen zählen die Organisationsintention, die Autonomie, die Fluktuation und das kreative Chaos, die Redundanz und die notwendige Vielfalt. Die Intention ist als das Streben der Organisation nach relevanten Zielen zu definieren, das seine wichtigste Ausformung in einer Vision findet. Diese ist eng mit den Werten einer Organisation verknüpft. Als zweite wichtige Voraussetzung einer lebenden Wissensspirale ist die Autonomie in einer Organisation zu nennen beziehungsweise das Vorhandensein eines autopoietischen Systems (siehe Kapitel 6.2.1.3 und Nonaka & Takeuchi, 1995). Jedes Mitglied dieses Systems fördert und kontrolliert sich zugleich selbst in Bezug zur Organisation. Selbstbezüglichkeit ist damit ein wesentliches Element eines autonomen Systems. Als besonders wirkungsvolles Instrument zur Erzeugung eines autonomiefreundlichen Umfelds sind selbstorganisierende Teams zu nennen (Nonaka und Takeuchi, 1995 und Kapitel 6.2.1.4). Als weitere wichtige Voraussetzung der Wissensgenerierung werden die Fluktuation und das kreative Chaos genannt. Diese beiden Kriterien regen die Wechselwirkung zwischen Unternehmen und Umfeld an. Fluktuation zerstört Routineabläufe, Gewohnheiten oder die kognitiven Bezugssysteme. Diese führen uns zu einem kontinuierlichen Prozess des Infragestellens und des Überdenkens bestehender Grundannahmen und begünstigen damit die Wissensschaffung. Chaos entsteht auf natürliche Weise, wenn eine Organisation auf Grund von Umfeldveränderungen in eine Krise gerät; also Entwicklungen außerhalb des eigenen Systems. Ein chaotischer Zustand kann aber auch künstlich und bewusst durch die Organisationsführung herbeigeführt werden um das Engagement der Mitarbeiter zu fördern oder Prozesse der Veränderung zu initiieren. Als vierte Voraussetzung der Wissensspirale wird die Redundanz genannt. Im herkömmlichen Sinn bestehen hier negative Assoziationen, wie Verdoppelung und Verschwendung et cetera. Nonaka unterstreicht vor allem die positiven Aspekte der Redundanz, in dem der Austausch von redundanten Informationen den Austausch des impliziten Wissens fördert und folglich Prozesse der Kreativität und der Wissensgenerie-
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rung unterstützt werden. In Organisationen wird Redundanz vor allem durch Jobrotation oder internen Wettbewerb künstlich erzeugt. Die fünfte Voraussetzung ist die notwendige Vielfalt innerhalb einer Organisation, welche im Kontext des Buches als interne oder notwendige Komplexität bezeichnet wird, um auf Anforderungen des Umfelds reagieren zu können (siehe Kapitel 6.2.1.2). Diese erforderliche Vielfalt kann durch den gezielten Einsatz der Informationstechnologie und einer entsprechenden Strukturierung des Informationssystems realisiert werden, wie beispielsweise durch einen gleichberechtigten Informationszugang, welcher dem Wissenstransfer und der Interaktion der Mitarbeiter förderlich ist. Gezielte Strukturänderungen tragen ebenfalls zum Wandel der Organisation bei und erhöhen die interne Vielfalt. Die nachfolgende Tabelle fasst die Modi des Wissenstransfers, die Art des Wissensinhalts und dessen Formalisierung und Operationalisierung, zusammen: Wissensumwandlung
Wissensinhalt & Wissensformalisierung
Operationalisierung
implizit implizit (=Sozialisation)
- Sympathetisches Wissen o Mentale Modelle, technische Fähigkeiten
implizit explizit (=Externalisation)
- Konzeptuelles Wissen o Analogien, Hypothesen, Modelle, Metapher
Brainstorming Camps, Beobachtung, Imitation, praktische Anwendung, gemeinsame Erfahrungen, kontinuierliche Dialoge Dialoge oder kollektive Reflexion.
explizit explizit (=Kombination)
- Systemisches Wissen o Produktkonzepte, Corporate Vision, Business Konzepte
Sortieren, Zusammenfügen, Kombinieren, Kategorisieren
explizit implizit (=Internalisation)
- Operatives Wissen o “Learning by Doing”
Dokumente, Manuals, Story Telling
Tabelle 4: Übersicht der Modi des Wissenstransfers, Wissensinhalte, Formalisierung und Operiationalisierung, erweitert von Autorin
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Das SECI-Modell erfährt seine Weiterentwicklung im sogenannten BA3Konzept. Unter BA wird ein physischer-, virtueller und mentaler Raum verstanden, wo eine Konzentration der Wissensressourcen stattfindet. BA dient als Plattform der Ressourcenkonzentration des organisationalen Wissens im Prozess der Wissenskreation. „BA is a shared space for emerging relationships, which serves as a foundation for knowledge creation” (Nonaka, Konno, 1998, S. 40).
Den vier verschiedenen Formen der Wissensumwandlung des SECIModells entsprechen spezifische BA´s: Originating-, Interacting-, Exercising- und Cyber BA (siehe Nonaka, Konno, 1998, S. 45 f): x
x
x
x
Originating-BA bildet den Ursprung des Wissenskreationsprozesses: Physische face-to-face Erfahrungen und der Austausch von implizitem Wissen repräsentieren diese Phase der Sozialisation. Interacting-BA wird durch Selektion der Wissensträger und Fähigkeiten bewusst kreiert. Durch den Dialog wird implizites Wissen in Konzepte und ein gemeinsames Verständnis gebracht und folglich externalisiert; Interacting-BA wird in der Unternehmenskultur institutionalisiert. Exercising-BA unterstützt den Internalisierungsprozess des Wissens: Trainings durch Mentoren und gezielte Übungen zum Erlernen von bestimmten Mustern vergleichsweise zu analytischen Lernmethoden in realen Lebenssituationen und Anwendungsformen. Cyber-BA is a place of interaction in a virtual world instead of real space and time; and it represents the combination phase” (Nonaka, Konno, 1998, S. 47). Diese Phase der Wissenskombination ist stark verknüpft mit dem Einsatz von Informationstechnologie, in Form von elektronischen Netzwerken, Datenbase Systemen.
Durch den sorgsamen Umgang mit unterschiedlichen BAs der Organisation wird der Wissenskreationsprozess fortlaufend unterstützt und folglich die Wissensbasis der Organisation fortlaufend erweitert. Der gesamte Prozess der Wissenskreation wird durch die Steuerung der Führungskräfte beziehungsweise des TOP-Managements einer Organisation, determiniert. Als besonders relevante Faktoren sind die zur Verfügung ge3 Als Ursprungsquelle gilt der japanische Philosoph Kitaro Nishida.
70
stellten finanziellen Mittel in Verbindung mit einem verantwortungsvollen Umgang mit dem Wissen generell (Nonaka, Konno, 1998).
5.1.3 Konzepte des Wissenstransfers Analysiert man den Transfer von Wissen in Organisationen, so ist von einem komplexen und mehrdimensionalen Phänomen auszugehen. Die grundlegende Prämisse ist, dass Wissenstransfer nicht schlechthin als Prozess der Übertragung des Wissens zu verstehen ist, sondern vielmehr als einen durch soziale Faktoren geprägten Prozess, welcher durch zahlreiche Parameter direkt und indirekt beeinflusst wird. Diese Mehrdimensionalität bezieht sich auf alle sozialen Ebenen einer Organisationen: auf die Ebene der Person, des Teams, der Organisation und auf inter-organisationale Ebenen, im Falle einer systemübergreifenden Betrachtung. Sie berücksichtigt die grundlegende Differenz zwischen humankapital-zentrierter und technologie-zentrierter Perspektive. Bei der Übertragung von Wissen handelt sich um einen komplexen und sehr differenziert zu betrachtenden Prozess, welcher hier im weitesten Sinne entsprechend dem systemtheoretischen Ansatz von Luhmann, als Kommunikation verstanden wird. Im konkreten Kapitel wird auf die beschriebene Differenzierung zwischen Daten, Informationen und Wissen zurückgegriffen (siehe Kapitel 4.3), wonach Daten ausschließlich mit Hilfe von Informationsund Kommunikationstechnologien transportiert beziehungsweise übertragen werden können. Gewonnene Daten bedürfen anschließend der Interpretation durch Individuen oder soziale Systeme (Maier, 2004). Informations- und Kommunikationssysteme ermöglichen generell die Lokalisation von Experten, die Suche, die Generierung und Selektion von Daten. Diese werden im vorliegenden Buch als Enabler des Wissenstransfers eingestuft. Diskutiert werden jene Formen des Transfers, welche soziale Phänomene und die Differenz zwischen implizitem Wissen und explizitem Wissen nach Polanyi, berücksichtigen.
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Folgt man der Theorie des Wissenstransfers nach Gupta und Govindarajan, so wird der Wissenstransfer als Funktion von fünf Faktoren verstanden (Gupta & Govindarajan, 2000, S. 475 ff): x x x x x
The value of source units knowledge stock The motivational disposition of the source knowledge Existence and richness of transmission channels The motivational disposition of the target unit The absorptive capacity of the target unit
Die Basis dieser fünf-Faktoren-Funktion ist die kommunikationstheoretische Annahme der Zwei-Personen Kommunikation, bestehend aus einer Nachricht, einem Sender, einem Kodierungsschema, einem Kommunikationskanal, einem Dekodierungsschema, einem Empfänger und die Zuordnung der Bedeutung der decodierten Mitteilung. Diese Funktion wird für die Analyse eines innerhalb oder über die Organisationsgrenzen hinausgehenden Kommunikationsflusses herangezogen, wobei die nodale Perspektive fokussiert wird, das heißt, es wird auf das Verhalten individueller Organisationseinheiten zueinander abgestellt (Gupta & Govindarajan, 2003, S. 474). Der erste Faktor Wert einer Information ist in Abhängigkeit von der Duplizierbarkeit beziehungsweise der Nicht-Duplizierbarkeit des Wissens einer Organisation, zu betrachten. Eine Organisation wird tendenziell mehr Wissen transferieren, wenn der Grad der Nicht-Duplizierbarkeit des Wissens höher ist. Daraus folgt, dass die Attraktivität des Wissenstransfers einer Organisation für eine andere Organisationseinheit, umso größer ist, je höher der Anteil des nicht-duplizierbaren Wissens ist und gleichzeitig dieses Wissen besondere Relevanz für andere Organisationen hat. Der zweite Faktor Motivation eines Wissensträgers wird durch den zwischen Organisationseinheiten wahrgenommenen Wettbewerb beziehungsweise den damit verbundenen Machtverhältnissen innerhalb einer Organisation oder innerhalb einer Multi National Corporation (MNC) bestimmt. Machtkämpfe sind ein allgegenwärtiges Phänomen in Organisationen und führen nicht selten zum Horten von Informationen und Wissen um relative Macht innerhalb einer Organisation oder einer MNC 72
zu erlangen (Pfeffer, 1981 in Gupta & Govindarajan, 2000). Das Horten von Informationen wird häufig aufgrund wahrgenommener Konkurrenz zwischen einem Wissensträger und einem potenziellen Nutzen, verursacht. Dieses Verhalten kann aber nicht zwangsläufig auf die generelle Tendenz der einzelnen Mitarbeiter zurückgeführt werden, sondern kann durch bestehende intra-organisationale Muster erklärt werden (Hansen, Mors und Lovas, 2005). Des Weiteren haben Organisationen in vielen Situationen durch die Weitergabe von Wissen, Nachteile durch Kopieren, erlitten (Gupta & Govindarajan, 2000). Der dritte Faktor der Existenz und Vielfältigkeit der Übertragungskanäle lässt sich entsprechend der Kommunikationstheorie in formelle beziehungsweise integrative und informelle beziehungsweise auch Corporate Sozialisation, genannte Kanäle unterscheiden. Wesentliche formelle oder integrative Mechanismen sind Beziehungspositionen, Task Forces, permanente Ausschüsse et cetera. Zu den Corporate Sozialisation Mechanismen werden jene Faktoren gezählt, die das gegenseitige Vertrauen stärken, die persönliche Affinität und Annäherung von kognitiven Landkarten erhöhen und so eine offenere Kommunikation unterstützen. Gupta und Govindarajan unterscheiden hier zwischen dem lateralen und dem vertikalen Sozialisierungsmechanismus. Demnach werden Jobtransfers zu Peer-Niederlassungen und die Teilnahme an Multinational Corperations Executive Programmen als laterale Maßnahme der Sozialisierung verstanden, wogegen Jobtransfers zu einem Headquarter und die Teilnahme an Corporate Mentoring Programmen als vertikale Sozialisierungsmaßnahme, zu verstehen sind. Der vierte Faktor ist die motivationale Disposition des Wissensempfängers. Diese wird durch Faktoren wie Incentives, relativer ökonomischer Level und Grad der Dezentralisierung determiniert. Incentives wirken sich generell positiv auf den Wissenstransfer aus und erhöhen bei Wissensempfängern die generelle Motivation, das Lernenstreben und den Veränderungswillen. Der relative ökonomische Level zwischen verschiedenen Organisationseinheiten beeinflusst die Haltung beziehungsweise die Lernbereitschaft der Mitarbeiter der jeweiligen Einheit. Besteht zwischen den Organisationen ein ökonomisches Gefälle, so wird jenes Wissen, dass aus der ökonomisch höher bewerteten Organisation 73
zur ökonomisch niedriger bewerteten Organisation transferiert wird, größere Akzeptanz bei den Mitarbeitern finden, als umgekehrt. Dieses ökonomisch relativ höhere Wissen wird als Quelle eines Wettbewerbsvorteils für das eigene Unternehmen im lokalen Markt, betrachtet. Der Grad der Dezentralisierung in Multinational Corporations stellt einen weiteren Einflussfaktor auf den Wissenstransfer dar. Eine geringere Dezentralisierung in einer Niederlassung führt zu einem größeren Wissenstransfer in die jeweilige Organisation. In diesem Zusammenhang kann das Not-Invented-Here (NIH) Syndrom genannt werden, welches durch egodefensive Mechanismen, wie Abblocken von Informationen und durch Machtkämpfe innerhalb von Organisationen verursacht werden kann. Letztere führen zu Abwertungen des Wissens von anderen Organisationen. Das NIH-Syndrom ist eine Hauptbarriere für den Wissenstransfer in Organisationen (Pfeffer, 1981 in Gupta & Govindarajan, 2000). Der fünfte Faktor analysiert die Absorptionsfähigkeit der Wissenempfangenden Organisation, das heißt die Fähigkeit der Mitarbeiter und der Organisation, den Wert der Information zu erkennen, zu assimilieren und zu einer ökonomischen Anwendung zu führen (Gupta und Govindarajan, 2000). Diese Fähigkeit differiert aufgrund der Einschätzung des Wissens als Prioritätswissen und aufgrund der inter-organisationalen Homophily zwischen einzelnen Organisationen. Unter dem Begriff der inter-organisationalen Homophily wird die Ähnlichkeit von Werthaltungen, bestimmten Attributen, wie Ausbildung, sozialer Status et cetera zwischen einzelnen Individuen, verstanden. Die Absorptionsfähigkeit wird mittels der Determinante Art des Markteintritts und Anteils der Expatriates in der wissensempfangenden Organisation, analysiert. Je höher der Anteil der Expatriates in der Organisation, umso höher die Absorptionsfähigkeit von systemsfremdem Wissens. Ein wesentlicher Grund für die positive Korrelation liegt in der bereits genannten inter-organisationalen Homophily. Da die Denkhaltung von Managern wesentlich durch den nationalen Background bestimmt wird, erfolgt die Interpretation von sprachlichen Artefakten, ähnlich jenem der Managern in der Heimatorganisation; des Weiteren ist die Art des Markteintritts als wichtiger Faktor zu nennen. Erfolgt der Markteintritt einer Multinational Corperation mittels Akquisition einer lokalen Organisation, so besteht zwischen den 74
Organisationen im Regelfall eine nicht-duplizierbare Wissensbasis. Dieses nicht-duplizierbare lokale Wissen ist für den ökonomischen Erfolg auf unbekannten Märkten besonders relevant. Da sich die Wissensbasen sehr stark voneinander unterscheiden, ist mit dem gewählten Markteintritt, tendenziell eine geringere Absorptionsfähigkeit des systemfremden Wissens in der lokalen Organisation gegeben (Gupta & Govindarajan, 2000). Allen fünf Faktoren der Funktion ist gemeinsam, dass sich diese sowohl als Barrieren oder als Facilitatoren im Transferprozess zwischen Organisationseinheiten, manifestieren können und sich in unterschiedlichen Ausprägungsformen, realisieren. Die grundlegende Barriere jedes Wissenstransfers liegt jedoch im impliziten Wissen begründet, jenem Wissen das im Verborgenen des einzelnen Akteurs oder einer Organisation liegt. „The tacitness or causal ambiguity of knowledge is one of the most widely recognized barriers to its transfers and replication; additional barriers rooted in motivational dispositions and absorptive capacity” (Gupta, Govindarajan, 2000, S. 474).
Betrachtet man den Wissenstransfer aus der systemtheoretischen Perspektive nach Luhmann, so lässt sich zwischen dem System überschreitenden Transfer und dem System internen Transfer unterscheiden, jeweils unter der Prämisse, dass Wissen grundsätzlich nicht übertragen werden kann. Luhmann spricht von der Möglichkeit der Kommunikation zwischen unterschiedlichen Systemen oder Organisationen, welche nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen miteinander kommunizieren können (siehe Kapitel 6). Ein weiterer Erklärungsansatz des Wissenstransfers nach Holden und Kortzfleisch nimmt auf die Analogie zur sprachlichen Übersetzung im ureigensten Sinn Bezug. Dem zur Folge handelt es sich bei jeder Übersetzung um Wissensumwandlung von implizitem in explizitem Wissen oder wie die Autoren definieren (Holden, von Kortzfleisch, 2004, S. 133): x „Knowledge transfer, like translation is a sense making activity x Knowledge transfer, like translation is literally concerned with personal cognition and the inter-lingual transfer of knowledge from head to head and into social networks
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x Knowledge transfer, like translation, is subject to constraints which affect not just transfer, but rather transferability: the extent to which knowledge can be transmitted to others.”
Das Konzept von Holden und Kortzfleisch basiert auf vier Dimensionen der Übersetzung: (1) (2) (3) (4)
“Translation as a networking activity Process and the end-product quality Levels of accuracy Constraints on the production of good translations”
Mögliche Störungen des Wissenstransfers beziehungsweise Noise, im Sinne der Kommunikationstheorie sind zu unterscheiden: Ambiguity, Interference und Lack of Equivalence. Unter dem Begriff der Ambiguity beziehungsweise Zweideutigkeit wird in der Organisationstheorie generell Unbestimmtheit oder Unsicherheit von Informationen verstanden. Besonders Wissen aus fremden Kulturen, wobei hier Kultur im weitesten Sinn verstanden werden soll, wird von Individuen meist als feindlicher Faktor betrachtet und nicht als Ressource für tacit knowledge bewertet und genutzt (Holden in Holden, von Kortzfleisch, S. 131). Der Begriff der Interference hat in erster Linie bei interkultureller Kommunikation Relevanz, indem identische Worte unterschiedlicher Sprachen, verschiedene Bedeutung haben. Der Lack of Equivalence zielt auf die Machbarkeit der Übersetzung ab, in erster Linie in Bezug auf die Bedeutung eines Wortes und in zweiter Linie in Bezug auf den Stil. Bei jedem Prozess der Übertragbarkeit ist die Übersetzung der sozialen Welt mit eingeschlossen, sprich die Einbettung in einen bestimmten sozialen Kontext. Wissen ist folglich nur dann anschlussfähig, wenn es in einem bestimmten Kontext als Lösungsansatz für ein wahrgenommenes Problem gilt, das heißt, wenn das relevante Wissen an das jeweilige soziale System anschlussfähig ist und über eine unabhängige Problemlösungskapazität verfügt. Das Wissen muss folglich von seinem Kontext „gereinigt“ werden, um neuen Nutzern sinnvoll zur Verfügung stehen zu können. Dieses Wissen muss anschließend für eine bestimmte Organisation re-kontextualisiert werden, um angewendet werden zu können (Götschl, 2004). 76
“It is not the act of translation alone that makes tacit knowledge explicit: it is the wider conversion into the user´s existing knowledge domains” (Holden, von Kortzfleisch, 2004, S. 135).
In Bezug auf die Führungsrolle unterscheidet von Krogh zwischen zwei unterschiedlichen Perspektiven: Die Steuerung des organisationalen Wissenstransfers durch das Management, sprich die Perspektive Agency vergleichsweise zur Perspektive Gemeinschaft. Die Perspektive Agency: Hier schafft das Management der Organisation eine dem Wissenstransfer förderliche Struktur, beispielsweise durch die Vergabe von Incentives, Sanktionen bei Wissenstransfer-hinderlichem Verhalten von Mitarbeitern. Zu diesem Zwecke werden strukturelle Maßnahmen zur Steuerung von möglichen Kontaktpunkten, das Networking zwischen den Mitarbeitern initiiert oder Best-Practices des Wissenstransfers innerhalb der Organisation, kommuniziert. Eine besondere Form der Organisationsstruktur, die sogenannte Hypertext-Organisation, wird in diesem Zusammenhang von Nonaka und Takeuchi vorgeschlagen. Bei dieser Organisationsstruktur handelt es sich um eine Mischung aus Bürokratie und Projektorganisation mit zwei gleichzeitig nebeneinander bestehenden komplementären Einheiten. Die Hypertext-Organisation besteht aus mehreren wissensbezogenen Schichten mit unterschiedlichen Aufgabenfeldern, mit deren Hilfe eine Synthese der beiden Grundtypen hergestellt wird. Diese wissensförderliche Struktur besteht aus einer Geschäftssystem-Projektteam-Schichte und einer Wissensbasis-Schichte. Die Mitarbeiter der Hypertext-Organisation wechseln je nach Bedarf den Kontext und können alle mit einem bestimmten Thema verbundenen Verknüpfungen, aufrufen. Damit wird der beschriebene Prozess der Wissensspirale für alle Mitglieder einer Organisation, unabhängig von Ebene und Aufgabe grundsätzlich ermöglicht (Nonaka und Takeuchi, 1997, S. 191; siehe Kapitel 5.1.2). Vergleichsweise dazu, sind bei den traditionellen Organisationsstrukturen wie Bürokratie oder Arbeitsgruppen, Mängel in Bezug auf wissensförderliche Bedingungen, zu erkennen (Simon, 2000). Der zweite Ansatz analysiert die Rolle von Communities als Auslöser oder Facilitator des Wissenstransfers in einer Organisation. Der Begriff 77
der Communities wird nach von Krogh folgendermaßen definiert (von Krogh, 2003, S. 377 f): „Communities are people, who share social bonds through shared norms, traditions, identity, and solidarity”; an act collectively without outside intervention from an agency.”
Zu den charakteristischen Merkmalen einer Gemeinschaft zählen Opportunity Structures, Care und Authenticity. Opportunity Structures beziehen sich auf Gelegenheiten und Möglichkeiten in einer Organisation, Communities zu bilden. Dieser Gemeinschaftstyp wird von Nonaka und Takeuchi als Raum beziehungsweise BA bezeichnet, ein Ort indem unterschiedliche Interessen während eines bestimmten Zeitraumes geteilt werden (siehe Kapitel 5). Opportunity Structures können auf einem System von Improvisationen oder auf Verhaltensritualen basieren. Die Größe einer Gemeinschaft ist ein Relevanzkriterium für die Intensität des Wissensaustausches und die Zahl der Gelegenheiten der spontanen Wissensteilung und der damit verbundenen Rituale. Mit der Größe einer Gemeinschaft kommt aber gleichzeitig das Free-Rider Problem der Wissensteilung zum Tragen, wonach eine Person durch den Wissensaustausch wertvolles Wissen für sich generiert, ohne sich gleichzeitig selbst am Austausch zu beteiligen und folglich den eigenen Lernprozess verschleiert. Durch die Vergabe von Incentives kann das Phänomen des Free-Rider in großen Communities verringert werden (von Krogh, 2003). Mit der Bildung von Communities, als einem Ort des Austausches ist der Begriff des Care eng verknüpft. Care wird als soziale Norm für menschliche Beziehungen verstanden. Vertrauen, aktive Empathie, nachsichtiges Urteilen und gegenseitige Unterstützung fördern den Wissenstransfer im Sinne einer Care-Kultur. Die operative Umsetzung kann beispielsweise durch ein teamorientiertes Incentive-System, Mentoren Programme, Schulungs- und Trainingsprogramme, Social Events et cetera erfolgen (von Krogh, 1998). Die soziale Norm der Authentizität als Bestandteil des Gemeinschaftsansatzes bezieht sich auf den Ursprung einer Information, dessen Genauigkeit, Validität und Reliabilität und ist eine wertrelevante Voraussetzung jeder Wissensteilung beziehungsweise der Kommunikation allgemein. 78
Eine weitere Möglichkeit den Wissenstransfers zu analysieren, erfolgt durch die Differenzierung in einzelne Phasen. Hansen, Mors und Lovas (2005) unterscheiden zwischen den drei Phasen, Entscheidung zur Wissenssuche, dem Suchprozess an sich und der eigentlichen Übertragung des Wissens. Vergleichsweise dazu unterscheidet Szulanski (1996) wiederum zwischen den Phasen der Initiation, Implementierung, Ramp-up und der Integration; darüber hinaus wird der Beginn und das Ende des Wissenstransferprozesses, also die Entscheidung zur Wissenssuche und der eigentliche Suchprozess in der Untersuchung von Szulanski berücksichtigt (Szulanski, 2000). Neben der Unterteilung in einzelne Phasen, können auch verschiedene Sets von sozialen Einheiten beim Transferprozess berücksichtigt werden (Hansen, Mors und Lovas, 2005): x
x
x
Bei „within-Team Networks“ handelt es sich um Beziehungen zwischen den Mitarbeitern einer Organisation und somit um ein Interaktionssystem nach Luhmann. Unter „intersubsidiary networks“ werden Beziehungen von Mitarbeitern mit anderen Tochtergesellschaften ohne Wissenstransfer über die Systemgrenze, verstanden. Unter „transfer networks“ werden Beziehungen der Mitarbeiter mit anderen Tochtergesellschaften mit etablierten Wissenstransfer über die Systemgrenze hinweg, verstanden.
Der Wissensoutput ist das Resultat eines Netzwerktyps in Abhängigkeit von den unterschiedlichen Phasen des Wissenstransfers. Die finanziellen Aufwendungen für Organisationen sind folglich durch die Kombination Netzwerktyp und Phase des Transfers determiniert. Ein förderliches Kriterium für den Austausch impliziten Wissens sind starke etablierte Beziehungen zwischen den Akteuren von Untereinheiten in einer Organisation (Hansen, 1999; Szulanski, 1996, Uzzi, 1997). Hohe durchschnittliche Beziehungen in within-team Netzwerken fördern jedoch nicht zwangsläufig die Wissensteilung zwischen den Mitgliedern. Diese sind großteils von der jeweiligen Phase im Wissensteilungsprozess abhängig, sie führen allerdings zu geringeren Wissenssuchprozessen (Hansen, Mors, Lovas, 2005). 79
Theoretische Erklärungen, warum und unter welchen Umständen Wissenstransfer erfolgt, sind zahlreich. Luhmann bringt eine einfache Erklärung für den Beginn jeder Kommunikation ins Spiel: Das NichtWissen ist die Ursache jeder Kommunikation, es ist die Initialzündung für den Wissenstransfer.
5.1.4 Organisationaler Lernprozess „It was implicit that learning was the only means of becoming a man of knowledge; the result of a process, the opposite of an immediate acquisition by an act of grace “(Castaneda, 1968:145 in Baumard, 1999, S. 73).
Lernen wird als Anpassung eines komplexen Systems an bestimmte Umweltbedingungen verstanden, wobei allerdings keine Wertung des Begriffs Lernen impliziert wird. Lernen umfasst im hier gemeinten Sinn, sowohl positives als auch negatives Lernen beziehungsweise positive als auch negative Veränderung einer Organisation. „Lernen lässt sich gar nicht vermeiden. Lernen einer Organisation meint das System selbst in Bezug zu seiner Umwelt. Abgegrenzt wird es von jenem organisationale Lernen, dass aus der Sicht eines externen Beobachters stattfindet“ (Willke, 2004, S. 48).
Organisationales beziehungsweise institutionelles Wissen steckt in den personen-unabhängigen, anonymisierten Strukturen, Prozessen und Regelsystemen einer Organisation, welche die Operationsweise des Sozialsystems definieren (Willke, 2004, S. 58). Organisationale Lernprozesse und das Managen von organisationalem Wissen werden des Öfteren synonym verwendet und bilden die Basis für unterschiedliche theoretische Grundannahmen und Perspektiven in Bezug auf verschiedene Konzepte des organisationalen Lernen und des organisationalen Wissens; diese basieren auf unterschiedlichen theoretischen Bezügen, wie der entscheidungstheoretischen-, systemtheoretischen-, kognitiven-, wissens- und kulturbezogenen Perspektive (siehe Reinhardt, 2002). Diese werden wie folgt kurz beschrieben:
80
(1) Entscheidungstheoretische Konzepte analysieren den auf Basis von „standard operation procedures“ gekennzeichneten Lernprozess (Cyert, March, 1963), welcher in späteren Arbeiten von March und Olsen durch sozial- und kognitionspsychologische Faktoren, ergänzt wird. Diese organisationalen Lernprozesse werden aufgrund der von Mitarbeitern in der Organisation wahrgenommenen Diskrepanzen ausgelöst, mit dem Ziel diese durch Handlungen abzumildern. Die individuellen Handlungen der Mitarbeiter verdichten sich folglich zu organisatorischen Handlungen, welche wiederum bestimmte Reaktionen in der Umwelt hervorrufen. Durch den laufenden Anpassungsprozess aller Mitarbeiter an die Organisation entsteht eine Art Lernzirkel (March, Olsen, 1976). (2) Innerhalb der systemtheoretischen Ansätze wird zwischen drei Perspektiven unterschieden: x
x x
Traditionelle Managementansätze, in deren Mittelpunkt die Analyse der Beziehungen der Organisation und ihrer Umwelt stehen. System-Dynamics-Ansätze, beispielsweise das Konzept der „Lernenden Organisation“ von Peter Senge (siehe Senge, 1999). Konzepte der Selbstorganisation, welche sich auf selbst-referenzielle Prozesse als Ausgangspunkt von organisationalen Veränderungsprozessen beziehen.
(3) Der kognitiven Perspektive werden zwei unterschiedliche Ansätze zugeordnet: x
x
Strukturelle Ansätze, mit dem Schwerpunkt der Informationsverarbeitungsfähigkeit in Verbindung mit strukturellen Merkmalen des kognitiven Systems. Epistemologische Ansätze, die den organisationalen Lernprozess aufgrund der unterschiedlichen Qualität von Wirklichkeitskonstruktionen, erklären.
(4) Innerhalb der Wissensperspektive wird zwischen zwei unterschiedlichen Ansätzen differenziert: 81
x x
Identifikation, Entwicklung und intra-organisationaler Transfer von wissensbezogenen Kernkompetenzen. Wissensbasierte Ansätze mit dem Hauptfokus auf der Explikation des impliziten Wissens und der Generierung dieses Wissens für die Organisation auf der Ebene des Individuums, des Teams und der Organisation (siehe Nonaka, Takeuchi, 1995).
(5) Die kulturbezogene Perspektive folgt der Frage der optimalen Lernkultur und der relevanten Lernhemmnisse (Schein, 1965). Neben den unterschiedlichen Perspektiven der genannten Lernkonzepte kann des Weiteren der Ansatz des Aktion Learning genannt werden, in welchem Lernprozesse aus der Perspektive von konkreten Projekten beziehungsweise Fällen aus der Praxis einer Organisation betrachtet werden. Dieser Ansatz kann zwar nicht als einheitliches theoretisches Konzept gewertet werden, zeigt allerdings wichtige lernförderliche Faktoren auf (Argyris, Schön, 2002). Eine weitere Möglichkeit der Differenzierung ist jene in individuelle oder kollektive Prozesse in Organisationen. Organisationale Lernprozesse können sich auf individuelles Lernen innerhalb der Organisation oder auf kollektive Lernprozesse der gesamten Organisation beziehen, wobei sich die meisten Konzepte auf Lernprozesse eines Teams und auf kollektive Lernprozesse beziehen (Bennet, Bennet, 2004). Von organisationalen Lernprozessen sind grundsätzlich die individuellen Lernprozesse zu unterscheiden. Bennet und Bennet definieren individuelle Lernprozesse folgendermaßen: „Individual learning is a cognitive or behavioral activity between an individual and his/her environment, whereas in teams or organizations, learning is a collective process dependent upon relationships and interactions among individuals such that learning occurs primarily through the interaction of the participants” und “organizational learning is more than the sum of the parts of individual learning” (Bennet, Bennet, 2004, S. 441).
Die Analyse individueller Lernprozesse beziehungsweise die theoretischen Ansätze des individuellen Lernens sind nicht Gegenstand des 82
Buches, es soll jedoch an dieser Stelle festgestellt werden, dass die individuelle Lernfähigkeit von einzelnen Personen unbedingte Voraussetzung jedes Lernprozesses in Organisationen ist. Dazu meint Kim: „Organizations can learn independent of any specific individual but not independent of all individuals” (in Kasper, Mühlbacher, 2002, S. 147). Folgt man Simon, so kann eine Organisation nur in zweifacher Hinsicht lernen: Durch Lernen ihrer Mitglieder und durch Aufnahme neuer Mitarbeiter, welche über ein relevantes Wissen verfügen, das der Organisation bis dato nicht zur Verfügung stand (Simon, 1991). Die meisten Konzepte des organisationalen Lernens stimmen dahin gehend überein, dass eine Organisationen aus mehr als der Summe ihrer Wissensträger besteht und dass das Lernen von Teams eine wesentliche Rolle in Bezug auf das organisationalen Lernen der Organisation darstellt (Aryris, Schön, 2002). Organisationen verfügen über nicht-humane Wissensdepots und organisationale Lernsysteme, dass heißt über die Fähigkeit zu Lernen, abseits von einzelnen Individuen; des Weiteren verfügen sie über ein organisationales Gedächtnis (Crossan, Vera, 2003; Reinhardt, 2002). Individuelle Lernprozesse sind kognitive und verhaltensbezogene Aktivitäten, wogegen Lernprozesse von Teams und Organisationen als kollektive Prozesse verstanden werden, abhängig von den Interaktionen und Beziehungen zwischen den Mitgliedern innerhalb der Organisation. Unter dem Lernen einer Gruppe wird die Fähigkeit verstanden, auf veränderte Umweltanforderungen durch veränderte Regelsysteme und Kommunikationsstrukturen in Form von Anpassung, zu reagieren. Dies erfolgt durch Interaktionsprozesse zwischen den Gruppenmitgliedern in Form von direkten Interaktionen. Im Vergleich dazu findet organisationales Lernen nur durch eine Änderung prozessualer Abläufe und entsprechender struktureller Adaption der Organisation statt. Zentrale Fragen sind die konstituierenden Aspekte der Organisation, wie Strukturen, Prozesse, Strategien, Normen und Werte (Kasper, Mühlbacher, 2002). Unter dem individuellen Lernen in einer Organisation, wird aber auch des Öfteren das Lernen einer bestimmten Elite, im Sinne einer Führungselite einer Organisation verstanden. Die Grundannahme ist die Existenz eines oligarchisch 83
geführten Systems, indem eine dominante Gruppe ihre Macht dazu nutzt, das durch individuelle Lernprozesse erworbene Wissen in organisationale Entscheidungsprozesse zu integrieren. Dieser sehr stark auf dem Machtaspekt fokussierte Ansatz wird in der Literatur des Öfteren als zu enge Betrachtungsweise beurteilt. Im Vergleich zum Verständnis der Führung im Sinne von Guidance, erfolgen die Steuerungsprozesse der elitären Gruppe in Bezug auf die Beeinflussung des organisationalen Kontexts und auf die Ermöglichung und Förderung von selbstorganisationalen Prozessen. Die heutige Komplexität der systeminternen- und externen Bedingungen reduziert per se die Möglichkeiten der Einflussnahme auf die unmittelbaren operativen Prozesse durch die Führungsverantwortlichen einer Organisation. Folglich sinkt tendenziell die Chance, handlungsrelevantes Wissen der Führung in die Operationen der Organisation einfließen zu lassen (Pautzke, 1989). Organisationales Lernen wird in den meisten theoretischen Ansätzen im Sinne eines kollektiven Prozesses der Organisation behandelt, indem es zu einer Veränderung der von allen Wissensträgern geteilten Wissensbasis oder zu Veränderungen der Organisation selbst, kommt. Unmittelbare Veränderungen der Organisation werden in Form von Lernerfahrungen in den organisatorischen Standardprozessen, Normen und Werten, Strategien, Strukturen, Verfahren und Spielregeln sichtbar. „Organisationales Lernen findet statt, wenn Einzelne in einer Organisation eine problematische Situation erleben und sie im Namen der Organisation untersuchen. Sie erleben eine überraschende Nichtübereinstimmung zwischen erwarteten und tatsächlichen Aktionsergebnissen und reagieren darauf mit einem Prozess von Gedanken und weiteren Handlungen; dieser bringt sie dazu, ihre Vorstellungen von der Organisation oder ihr Verständnis organisationaler Phänomene abzuändern und ihre Aktivitäten neu zu ordnen, damit Ergebnisse und Erwartungen übereinstimmen, womit sie die handlungsleitende Theorie von Organisationen ändern. Um organisational zu werden, muss das Lernen, das sich aus Untersuchungen in der Organisation ergibt, in den Bildern der Organisation verankert werden, die in den Köpfen ihrer Mitglieder und/oder den erkenntnistheoretischen Artefakten existieren (den Abbildungen, Speichern und Programmen), die im organisationalen Umfeld sind“ (Argyris, Schön, 1996, S. 31).
84
Prange charakterisiert organisationales Lernen folgendermaßen (siehe Prange, 2006, S. 191): „Einen Prozess, der im Wechselspiel zwischen Individuum und Organisation abläuft; durch den die Mitglieder einer Organisation Wissen und Informationen über die Beziehungen der Organisation zu ihrer Umwelt erwerben, legitimieren und untereinander kommunizieren, um die Überlebensfähigkeit der Organisation zu verbessern; der eine kontinuierliche Organisationstransformation darstellt, bei der Ergebnisse individuellen Lernens zusammengefasst werden, um grundlegende Änderungen in kollektiven Annahmen, Zielen, Normen und Spielregeln zu bewirken“.
Mit Hilfe der Systematik von Shrivastava (1983) (Sackmann in Franke, 1999) kann zwischen unterschiedliche Perspektiven des organisationalen Lernens differenziert werden: x x x
Organisationales Lernen als Anpassung beziehungsweise als Adaptive learning bezeichnet (Cyert, March, 1963; March, Olsen, 1976) Organisationales Lernen als die Entwicklung einer gemeinsamen Wirklichkeit =Assumption sharing (Argyris, Schön, 2002) Organisationales Lernen als die Entwicklung einer gemeinsamen Wissensbasis= Development of knowledge base (Duncan, Weiss, 1978)
Ein Großteil der Theoretiker, unter Anderem, Aryris und Schön, Duncan und Weiss unterstreichen die wechselseitige Beziehung zwischen Kognition und Verhalten und sehen Lernprozesse als kognitive und behavioristische Veränderung. “Organizational learning is the process of change in individual and shared thought and action, which is affected by and embedded in the institutions of the organization” (Crossan, Vera, 2003, S. 123).
Argyris und Schön setzen sich mit dem organisationalen Lernen auf Basis eines dynamischen Organisationsbildes auseinander und stellen den Prozess des Organisierens in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung (Weick, 1995). 85
Diesem Konzept liegen Handlungstheorien zu Grunde und das allgemeine Verständnis, dass menschliche Handlungen beziehungsweise Aktionen auf bestimmten Werthaltungen, Strategien und Normen basieren. Die Autoren versuchen in erster Linie theoretische Überlegungen mit praktischen Handlungsvorschlägen zu verbinden und unterscheiden zwischen verschiedenen Arten beziehungsweise Intensitäten des Lernens: Dem „Einschleifen-Lernen“ beziehungsweise „Single-loop-learning“ und dem „Doppelschleifen-Lernen“ beziehungsweise dem „Double-loop-learning“ einer Organisation. Unter Single-loop-learning einer Organisation wird instrumentales Lernen verstanden, wonach sich Handlungsstrategien und Annahmen der Mitarbeiter im Zuge des Lernprozesses verändern, jedoch ihre Wertvorstellungen unverändert bleiben. Beispielsweise kommt es zu individuellen Fehlerkorrekturen, nicht aber zu einer Änderung der Werthaltungen und Normen. Man spricht in diesem Zusammenhang von Anpassungslernen. Unter Double-loop-learning wird Lernen verstanden, welches zu einem Wertewandel sowohl der handlungsleitenden Theorien, als auch der Strategien und Annahmen führt. Dieses Lernen wird als Veränderungslernen bezeichnet; ein Prozess, der zur Änderung der handlungsleitenden Theorien führt und folglich zu neuen Bildern über die Organisation selbst. Argyris und Schön differenzieren zwischen zwei Formen von Aktions- oder Handlungstheorien, zur Erklärung der genannten Lerntypen: Die vertretene Theorie beziehungsweise EpousedTheory erklärt ein bestimmtes Aktivitätsmuster. Diese manifestiert sich in Strategiepapieren, Unternehmensvisionen, der Corporate Culture oder der Corporate Identity der Organisation. Mit der handlungsleitenden Theorie beziehungsweise Theory-in-use wird eine Aktionstheorie verstanden, welche bei der Durchführung eines Aktivitätsmusters implizit quasi als Hintergrundfolie vorliegt. Diese wird von jedem Mitarbeiter individuell konstruiert und ist mehr implizit, als explizit im Unternehmen vorhanden. Jeder einzelne Mitarbeiter konstruiert sich sein eigenes, unvollständiges Bild von den handlungsleitenden Theorien. Formale Dokumente von Organisationen wie Organisationspläne, Zielformulierungen, Stellenbeschreibungen können Aktionstheorien ent86
halten, müssen aber nicht zwangsläufig mit den aktuellen Aktivitätsmustern der Organisation vereinbar sein (Argyris, Schön, 2002). Aus der Sicht von Argyris und Schön ist folglich die Schaffung einer gemeinsamen Wirklichkeit für die Lernfähigkeit einer Organisation wesentlich. Diese kann in Organisationen durch die Schaffung einer Vision entstehen. Im Kontext der Organisationslehre liegen zwei unterschiedlich ausgerichtete Theorieansätze vor: das „Organisationale Lernen“ und die „Lernende Organisation“. Ersterer beschäftigt sich hauptsächlich mit der Frage „Wie lernen Organisationen“ und ist auf die Beschreibung des Prozess selbst gerichtet (siehe Argyris, Schön, 2002), wogegen der zweite Ansatz der Frage nachgeht „wie sollen Organisationen lernen?“; dieser ist vor allem für Praktiker relevant (Crossan, Vera, 2003). Das Modell der „Lernenden Organisation“ von Peter Senge fokussiert auf die Praxis und konzentriert sich auf die Frage der Überwindung von Lernhemmnissen. Die Lernende Organisation wird von Senge folgendermaßen beschrieben: “A place where people continually expand their capacity of creating results they really want, where patterns of thinking are broadened and nutured, where collective aspiration is free and where people are continually learning to learn” definiert (Senge 1990, S.1).
Das Modell stützt sich auf folgende fünf Disziplinen: x x x x x
Die erste Disziplin zielt auf das Personal Mastery, die Fähigkeit des Menschen sein eigenes Leben zu bewältigen. Die zweite Disziplin bringt das vorherrschende mentale Modell ins Bewusstsein und hinterfragt dieses. Die dritte Disziplin ist die Entwicklung einer gemeinsamen Vision für die Organisation. Die vierte Disziplin ist die Förderung des Teamlernens. Die fünfte Disziplin liegt in der Aneignung des systemischen Denkens, als integrierende Disziplin für alle anderen Disziplinen.
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Die Entwicklung zu einer lernenden Organisation setzt zunächst die Überwindung von Lernhemmnissen in der Organisation voraus, welche häufig durch traditionelle Organisationsmuster verursacht werden. Sieben Lernhemmnisse von Organisationen sind zu nennen (Senge, 1999): (1) „Ich bin meine Position“: Falsch verstandene Loyalität zur Organisation führt zur Verwechslung der eigenen Identität mit der eingenommenen Stellung. Die Konzentration auf den Erhalt und Aufbau der eigenen Position führt zur Verringerung der Verantwortung gegenüber dem Ergebnis, welches in erster Linie durch das Zusammenwirken aller Positionen entsteht. (2) „Der Feind da draußen“: Dieses Hemmnis ist als Folge des nichtsystemischen Denkens zu verstehen. Es äußert sich im Abteilungsdenken und Schuldzuweisungen an potenzielle äußere „Feinde“. (3) „Angriff ist die beste Verteidigung“ oder die „Illusion von der Kontrolle“: Proaktivität wird des Öfteren falsch verstanden und führt nicht selten zu reaktivem aggressivem Verhalten gegenüber potenziellen Feinden. Echte Proaktivität sollte in erster Linie mit der Reflexion über den eignen Beitrag zum Problem einhergehen. (4) „Die Fixierung auf Ereignisse“: Denken in kurzfristigen Ereignissen verhindert generatives Lernen und Kreativität. Die Wahrnehmung ist auf kurzfristige Ereignisse konzentriert und der Einzelne übersieht dadurch die langfristigen Auswirkungen seiner Handlungen. (5) „Das Gleichnis vom gekochten Frosch“: Dieses Lernhemmnis bezieht sich auf die Konzentration auf drastische Ereignisse und den Verlust der Sensibilität für langsame, allmähliche Entwicklungen. Würde man einen Frosch in ein Glas mit kochendem Wasser setzen, so würde dieser blitzartig herausspringen. Im Vergleich dazu, würde der Frosch bei langsamer, aber stetiger Temperatursteigerung ein völlig anderes Verhalten zeigen. Der Frosch würde im Glas sitzen bleiben und verharren, auch bei stetig steigender Temperatur, bis er letztendlich durch die hohe Temperatur des Wassers so geschwächt werden würde, das er nicht mehr aus dem Glas herausspringen könnte und verenden würde. Die Quintessenz dieses Gleichnisses liegt in der Notwendigkeit von höherer
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Aufmerksamkeit auf subtile Ereignisse vergleichsweise zu drastischen Ereignissen. (6) „Die Illusion, dass wir aus Erfahrungen lernen“: Das zentrales Lernhemmnis von Organisationen ist jene der mangelnden Kenntnis der Auswirkungen der getroffenen Entscheidungen. Der berufliche Zeithorizont zwischen Aktion und Reaktion ist durch dynamische Umfeldbedingungen und Komplexität gekennzeichnet. Die Rahmenbedingungen erschweren die Kenntnis beziehungsweise die Wahrnehmung der Resultate unserer Entscheidungen. Daher versuchen traditionelle Organisationen dieses Problem durch Arbeitsteilung und Arbeitsdifferenzierung auszugleichen. (7) „Der Mythos vom Managementteam“: Das Managementteam muss die Organisation nach außen vertreten und hat den Druck den Anschein eines zusammenhängenden Teams, zu bewahren. Das Team muss gemeinsam nach außen eine Position vertreten, um damit Unstimmigkeiten zu verhindern. Es soll gleichzeitig organisationales Lernen fördern. Das eigene Verhalten verhindert aber gleichzeitig den Prozess des Fragens und Erforschens und damit die eigene Möglichkeit zu lernen. Erst die Überwindung dieser typischen Lernhemmnisse führt zu organisationalen Lernschritten. Mit Hilfe des Modells des Lernkontiuums von Bennet und Bennet werden die Chancen und Risiken in potenziellen Lernsituationen bei sich ändernden Umweltbedingungen einer Organisation analysiert. Die Grundannahme lautet, dass Lernen ein soziales Phänomen darstellt und folglich verschiedene Formen von Interaktionen mit eingeschlossen werden müssen (siehe Bennet & Bennet, 2004, S. 451). Interaktionen beziehen sich sowohl auf Phänomene zwischen Individuen, als auch auf jene zwischen einzelnen Individuen mit der Umwelt. Lernen wird als individueller und organisationaler Prozess zur Wissensgenerierung und Kreation von neuem Wissen verstanden, mit dem Ziel den laufenden Veränderungen der Umwelt positiv zu begegnen. Das Lernkontinuum einer Organisation bewegt sich zwischen den Extremen hoher Interaktion mit der Umwelt, dem sogenannten „Flow“- Stadium und keiner Interaktion beziehungsweise geringer Interaktion mit der Umwelt, einem statischen, geschlossenen Stadium. Die Beziehung einer 89
Organisation zu seiner Umwelt ist nicht deterministisch festgelegt, sondern wird durch die laufend stattfindenden wechselseitigen Interaktionen und damit die wechselseitigen Strukturänderungen determiniert (siehe Maturana, 1982b, S. 150 in Sydow, 1992, S. 286). Dieser Prozess der Anpassung wird des Öfteren als dynamischer Fit bezeichnet. Die Aufrechterhaltung der Sinnidentität der Organisation innerhalb der systemspezifischen Umwelt wird durch diesen laufenden Anpassungsprozess bestimmt (Sydow, 1992). Csikszentmihaly führt in diesem Zusammenhang den Begriff des Flow ein. Dieser wird auf der personalen Ebene als mentaler Zustand des „Fliessens“ beziehungsweise des „Strömens“ verstanden, indem eine einzelne Person während seiner Aufgabenerfüllung den Zeitpfad verliert unter gleichzeitiger Nutzung seiner Erfahrungen und seines Wissens (Csikszentmihaly, 1990). Überträgt man diesen Flow auf die Ebene der Organisation, so besteht während dieser Phase die höchste Interaktion mit der Umwelt, verbunden mit dem größten Potenzial für Veränderungen und gleichzeitig erhöhtem Risiko für Verletzbarkeit. Beispielsweise, wenn eine Organisation ihre Ausrichtung auf Zielmärkte verändert und neue Märkte bearbeitet oder neue Produkte einführt. Entsprechend dem Ansatz des Lernkontinuums von Bennet & Bennet bewegt sich eine Organisation in Bezug zu seiner Umwelt zwischen den Extremen der maximalen Offenheit und der maximalen Geschlossenheit. Organisationen tendieren in Phasen einer guten Wettbewerbsposition zu einer eher statischen Position vergleichsweise in einer Schlechten. Verharrt eine Organisation trotz permanenter Umwelt- und Marktänderungen in der statischen Position, so wird die Organisation im Laufe der Zeit an Effektivität und Marktposition verlieren. Wird hingegen das Feedback der Umwelt in Bezug auf interne Prozesse und Produkte genutzt, so kann ein Lernprozess zur Produktverbesserung und/oder-Innovation initiiert werden (Bennet & Bennet, 2004, S. 452). Offene Organisationen hingegen, bewegen sich in Richtung des anderen Endes des Lernkontinuums. Diese haben eine zunehmend stärkere Interaktivität mit der Umwelt und können sich bis zum FlowStadium entwickeln, dem weitesten Punkt des Lernkontinuums. In dieser Phase bestehen für die Organisation die größten Chancen für 90
Veränderungsprozesse bei gleichzeitiger Verletzbarkeit des Systems (Csikszentmihaly, 1990). In diesem Zusammenhang ist die Autonomie der Organisation ein zentraler Faktor. Diese wird aus systemtheoretischer Sicht durch die Herausbildung von emergenten systeminternen Ordnungsmustern und der Fähigkeit zur Selbstreferenzialität und Selbstproduktion determiniert. Im Vergleich zur klassischen Annahme, dass Organisationen in erster Linie durch ihre Umwelt bestimmt sind und folglich mehr oder weniger als autonome Organisationen handeln (Sydow, 1992). Als flow-hinderliche Faktoren in Organisationen sind zu nennen: keine klaren Zielsetzungen für Aufgabenbereiche, Mangel an angemessenen Rückmeldungen, fehlende Steuerungsmöglichkeit der einzelnen Mitarbeiter und ein unflexibles Zeitmanagement. Tendenziell sind geschlossene Organisationen für Mitarbeiter mit einer „flow“-nahen Arbeitsweise schwieriger vergleichsweise zu Mitarbeitern mit einem geschlossenen Set an Arbeitsgewohnheiten und Einstellungen. Als besonders wesentlicher Faktor auf der Ebene der Person ist die „NichtPassung“ der Handlungsanforderungen mit der Qualifikation des Mitarbeiters, zu nennen. Als flow-förderliche Faktoren sind vor allem die innerbetriebliche Kommunikation und die Vertrauensbasis zu nennen. Dem zu Folge ist die Erhöhung des Flexibilitätsspielraums in Bezug auf die zu erreichenden Ziele durch Führungskräfte besonders wichtig, indem Mitarbeitern das Learning by doing ermöglicht wird. Organisationen sollten folglich die Fähigkeit entwickeln, sich entlang des Lernkontinuums in den verschiedenen Lernphasen zu bewegen, abhängig von der spezifischen Wettbewerbssituation und dem Status der internen Prozesse (Bennet und Bennet, 2003). Als Metapher für die zukünftige wissensbasierte Organisation verwenden Bennet und Bennet das Modell des „Intelligent Complex Adaptive System (ICAS), eine Organisation, verstanden als komplexes System „that can take a large number of states“ und aus einer „large number of individual ,intelligent agents“ besteht (Bennet und Bennet, 2004, S. 16). Unter Adaptive wird die Fähigkeit des Systems verstanden, die Umwelt zu analysieren und die entsprechenden Handlungen zu setzen. Eine 91
Organisation mit den genannten Eigenschaften kann entsprechend dieser Annahmen im Bereich des „Edge of chaos“ operieren, da Innovationen und Kreativität in einem komplexen und dynamischen Umfeld zunehmend bedeutsamer werden und die individuellen Agenten den nötigen Handlungsspielraum für Kreativität benötigen. Eine „edge of chaos“-Situation kann durch eine Betonung der individuellen Mitarbeiterkompetenz und Gestaltungsfreiheit im Sinne des Lernens, der Entscheidungsfreiheit und Verantwortung, gepaart mit multiplen und effektiven Netzwerken erreicht werden. Das Ziel ist die Erschließung neuer Wissensquellen und Erfahrungen. Die Gefahr der Entstehung von chaotischen Zuständen ist jedoch ebenfalls evident (Bennet und Bennet, 2004). „Großunternehmen haben in der Regel zu viel Ordnung und entwickeln ein Immunsystem gegen Chaos. Junge, kleine Unternehmen operieren oft am anderen Extrem. Es wird ständig nur improvisiert, und das Chaos regiert. Etwas übertrieben kann man sagen, dass die Mitarbeiter kleinerer Firmen „Ordnung nicht ertragen“ können, während die Angestellten in Großfirmen zu viel Angst vor Chaos haben (Simon 2002, S.53 in: Willke, 2004, S. 62).
Abhängig von der jeweiligen Phase der Organisation ist eine fundierte Evaluierung des Grades an Offenheit des Systems und der Lernfähigkeit erforderlich. Entscheidend für das organisationale Lernen einer Organisation ist jedoch stets die Frage des Wie und des Was des Lernens, denn dass jede Organisation lernt ist unvermeidbar. Mit dem integrativen Ansatz des 4I-Framework von Crossan, Lane, White, Djurfeldt (1999) werden Lernprozesse auf den Ebenen des Individuums, der Gruppe und der Organisation dargestellt und durch die Subprozesse Intuiting, Interpreting, Integrating und Institutionalizing ergänzt. Das Modell schließt behavioristische und kognitive Änderungen mit ein. Der Subprozess des Intuiting ist ein unbewusster Prozess eines Individuums. Interpreting setzt auf den Prozess des Intuiting auf und bringt das Wissen durch Sprache, Metapher et cetera auf die Gruppenebene. Im Integrating-Prozess wird auf der Ebene der Gruppe ein kollektives Verständnis erzeugt und Brückenschläge zur Organisation hergestellt. Während des Prozesses der Institu92
tionalizing wird Wissen in die Organisation in den Systemen, den Strukturen, Routinen und Praktiken integriert und damit institutionalisiert. Vergleichbar mit dem Modell der Wissensspirale von Nonaka und Takeuchi (siehe Kapitel 5) wird auch in dem 4I-Framework-Modell zwischen dem Prozess des Lernens und dem Lerninhalt differenziert. Ein Prozess, in dem sich Lernen und Wissen gegenseitig verstärken und miteinander verflechten und neue Lernprozesse auslösen. Um die Beziehung zwischen dem Prozess und dem Inhalt des Lernens besser analysieren zu können, wird auf jene Konzepte zurückgegriffen, wo zwischen dem Flow of knowledge beziehungsweise dem dynamischem Wissen und dem Stock of knowledge beziehungsweise dem statischem Wissen unterschieden wird (Bontis, Crossan, Hulland, 2002). Die Metapher Stock of knowledge wird für menschliches und nicht-menschliches Wissen in Organisationen verwendet. Die Metapher Flow of Knowledge steht für alle organisationalen Lernprozesse, in denen neues Wissen kreiert und institutionalisiert wird. Bei letzterem werden zwei Arten von Flows unterschieden: Der feed-forward-Flow, der vom Individuum und der Gruppe zur Organisation abläuft. Dieser entspricht den vier Subprozessen Intuition, Interpretation, Integration und Institutionalisierung. Der feed-backFlow Lernprozess, verläuft von der Organisation zum Individuum und zur Gruppe. Innovationen und Änderungsprozesse finden durch den feed-forward Prozess des Lernens statt. Dadurch wird neues Wissen kreiert und institutionalisiert. Gleichzeitig wird durch den Feedback-Flow erkennbar, was das Unternehmen auf der Ebene der Struktur, Strategien, Routinen in Zukunft zu lernen hat und welche Lernschritte bereits erzielt wurden. Die Modelle der Wissensspirale und dem 4I-Framework zeigen die enge Verzahnung von organisationalen Lernprozessen und dem Wissen. Lernen als Prozess der Wissenskreation und zeitgleicher Generierung einer neuen Wissensbasis für zukünftiges Lernen der Organisation (Crossan, Vera 2003; Kogut, Zander, 1992). Abschließend werden die beiden interdependenten Ansätze des organisationalen Lernens und des organisationales Wissens diskutiert.4 Die
4 Der Begriff „Organisationales Wissen“ und „Wissensmanagement“ wird aufgrund der derzeitigen nicht eindeutigen Begriffsabgrenzung in der Literatur synonym verwendet.
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relevante Literatur dieses Forschungsfeldes ist vor allem durch unterschiedliche Perspektiven und unterschiedliche Terminologie gekennzeichnet. Gemeinsam ist allen Ansätzen, dass das Wissen die zentrale zukünftige Ressource für Organisationen (siehe Quinn, 1992; Drucker, 1993) ist, unabhängig davon, ob Wissen als Kernkompetenz (Hamel, Prahalad, 1994), als intellektuelles Kapital (Sveiby,1997), als organisationales Gedächtnis (Walsh, Ungson, 1991), als intangible ressource (Hall, 1993) oder als Ergebnis eines organisationalen Lernprozesses et cetera determiniert wird. Das integrative Modell von Reinhard verknüpft die Perspektiven organisationales Lernen und organisationales Wissen. Die Differenzierung basiert auf den Kategorien Lernebenen, Lernformen, Lerntypen und Lernprozessen (siehe Reinhardt, 2002, S. 147):
Anzumerken ist jedoch, dass der Begriff des organisationalen Wissens in der akademischen Gemeinschaft häufiger verwendet wird.
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Abbildung 8: Bausteine eines integrativen Theorieansatzes organisationalen Lernens (Pawlowsky 1994, S. 313)
Jede Kategorie des integrativen Ansatzes wird in Bausteine unterteilt und veranschaulicht die Mehrdimensionalität der wissensrelevanten Prozesse und des Lernens in Organisationen. (1)Lernebenen: Es wird zwischen den Lernebenen des Individuums, des Teams und der Organisation unterschieden. Diese drei Lernebenen beziehen sich ausschließlich auf interne Ebenen der Organisation. Organisationsübergreifendes Lernen hat im Zusammenhang mit Mergers & Acquisitions, Allianzen, Joint Ventures et cetera Relevanz. (2)Lernformen: Es wird zwischen drei Perspektiven des organisationalen Lernens und des organisationalen Wissens differenziert: Die Perspektive des kognitiven Lernens basiert auf entscheidungstheoretischen Überlegungen und bezieht sich auf die kognitiven Strukturen (March, Olsen, 1976). Kulturbezogenes Lernen wird unter der Prä95
misse der konstruktivistischen Denkhaltung betrachtet, d.h. die Wirklichkeit des Einzelnen ist sozial konstruiert und kontextabhängig; gemeinsames Lernen wird durch die Konstruktion von gemeinsamen Wirklichkeiten und Bildern in Form von gemeinsamen Metaphern, Symbolen, Artefakten et cetera. ermöglicht (Schein, 1965). Die Perspektive des Aktion-Learning beruht sowohl auf experimentellen Lernkonzepten als auch auf sozio-technischen Ansätzen. (3)Lerntypen: Entsprechend dem Ansatz von Argyris und Schön können folgende Lerntypen unterschieden werden: Single-loop-learning, double-loop-learning und deutero-learning. Unter single-loop-learning werden Verbesserungen interner Anpassungsprozesse verstanden, ohne dass es zu einer Änderung der internen Normen und Standards kommt. Double-loop-learning bezeichnet Anpassungsprozesse an eine sich veränderte Umwelt, in Verbindung mit einem Werte- und Normenwandel. Unter dem Typus des deutero-learnings wird ein Lernprozess höherer Ordnung verstanden. Stattgefundene Lernprozesse werden kritisch hinterfragt und auf ihre Relevanz für höhere Ebenen von Lernprozessen geprüft (siehe Ausführungen vorne). (4)Lernprozesse: Aus der Prozessperspektive lassen sich die Bereiche der Wissenskreation beziehungsweise Wissensgenerierung (Nonaka, Takeuchi, 1995), die Wissensidentifikation, die Wissensverteilung, Wissensdiffusion, Wissensintegration beziehungsweise jene der Modifikation und Aktion unterscheiden. Die vier genannten Perspektiven des organisationalen Lernens bilden die Komplexität und Heterogenität des Forschungsfeldes ab. Diese beschreiben insgesamt 1445 verschiedene Varianten des organisationalen Lernens beziehungsweise des organisationalen Wissens. Das integrative Modell von Reinhardt vernachlässigt Fragen der Messung des Wissens (Sveiby, 1997) und die praxisrelevante Frage der Zielfindung im Sinne von: Welches Wissen ist für die Organisation überhaupt relevant“? Im Kontext des Buches werden, basierend auf der meta-theoretischen Annahme des Positivismus beziehungsweise des Modells von Burell und 5 144 Perspektiven ergeben sich aus 4 Prozesse x 4 Ebenen x 3 Formen x 3 Typen, Reinhardt, 2002).
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Morgan (siehe Kapitel 3), sprich des Functionalist, Fragestellungen auf der Lernebene der Organisation und der Lernphase der Generierung und Diffusion des Wissens untersucht. Die positivistische Sichtweise des Knowledge is justified true believe ist in der westlichen Welt dominant und wird auch als solche akzeptiert (Nonaka, Takeuchi, 1995). Zunehmend wird das Thema Wissen aus der konstruktivistischen Perspektive betrachtet und damit der dynamische Charakter ebenfalls berücksichtigt (Crossan, Vera, 2003).
5.1.5 EFQM-Modell “Knowledge Business-Excellence” Nach der Darstellung und Erläuterung unterschiedlicher theoretischer Modelle und Ansätze erfolgt nun mit Hilfe des EFQM-Praxismodells ein Brückschlag zur Praxis. Bei dem Excellence-Modell der European Foundation for Quality Management (EFQM) handelt es sich um ein prozessorientiertes Modell mit dem Ziel, als Diagnose-Werkzeug in Organisationen eingesetzt zu werden. Eine exzellente Organisation wird folgendermaßen beschrieben: “Outstanding practice in managing the organisation and achieving results based on a set of Fundamental Concepts which will include: Result orientation, customer focus, leadership and constancy of purpose, managenent by process and facts, people development and involment, continuous learning, innovation and improvement, partnership development, corporate social responsibility” (EFQM, 2005, S. 36).
Dieses Excellence Modell wurde auf der Grundlage von Praxiserfahrungen entwickelt und basiert auf einer Ursache-Wirkungslogik zwischen sogenannten Enablern und Results. Es folgt dem Prinzip der Kausalität und steht damit eindeutig im Widerspruch zu den systemtheoretischen Überlegungen von Luhmann. Aus der Sicht von Luhmann unterstellt Kausalität eine Kopplung von Ursache und Wirkung im Sinne eines Bewirkens von Wirkungen durch Ursachen. Kausalität ist immer ein Zeit in Anspruch nehmendes und Zeitdifferenzen überbrückendes Geschehen und wird demnach nur durch die Beobachtung, das heißt durch die Selektion ei97
nes Beobachters von Ursachen und Wirkungen erzeugt (Luhmann, 2000, S. 178 f). In einer komplexen Umwelt ist folglich die Kausalität eine konstruierte Kopplung durch einen Beobachter. Eine entsprechende Kopplung von Enabler und Results im EFQM Praxismodell findet eine ergebnisorientierte Auswirkung in Form von Key Performance Outcomes und Performance Indicators. Diese werden von der Organisation zu determiniert; einerseits in Bezug auf die allgemein zu erreichenden Kennzahlen und andererseits in Bezug auf Wissensziele. Es ist demnach festzulegen, welche Bereiche der messbaren Kennzahlen eine eindeutige Entsprechung auf der strategischen Wissensebene finden sollen und welche finanziellen und nicht-finanziellen Outputs diesbezüglich erwartet werden. Folgende Daten zählen zum finanziellen Outcome: Marktbezogene Daten, Profitabiliätskennzahlen, investitions- und kapital-bezogene Daten und budgetbezogene Daten. Der nicht-finanzielle Outcome bezieht sich auf Marktanteil, Time to Market, Erfolgsraten, Volumen und Prozessperformance.
Abbildung 9: EFQM Business-Excellence Model 6
Das Modell benennt explizit neun Faktoren, welche für jede Organisation auf dem Weg zur Exzellenz als Enabler beziehungsweise als Result, Relevanz haben. 6 Copyright EFQM
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Zu den Enablern zählen folgende fünf Faktoren: Führung, Politik & Strategie, Personen, Partnerschaften & Ressourcen und Prozesse. Dem Faktor Results werden folgende vier Faktoren zugeordnet: Kunden, Personen, Gesellschaft und Performance. Das Praxismodell analysiert jeden Faktor in Bezug auf generelle Wissensrelevanz und wissensrelevante Maßnahmen. Im Kontext des Buches wird ausschließlich der Faktor Führung analysiert, auf Grund der Perspektive der befragten Führungskräfte einer Organisation. Diese Rolle bezieht sich einerseits auf die Schaffung einer wissensförderlichen Kultur und andererseits auf die Sicherstellung der Integration von wissensrelevanten Maßnahmen und Operationen. Eine wissensförderliche Kultur findet ihren Ausdruck im Generellen in der Prioritätensetzung und in der Handlungsausrichtung in Bezug auf Wissensfragen und im Besonderen in der Formulierung von Wissenszielen, Förderung und Motivation zur Zusammenarbeit und zum Wissenstransfer, der Nutzung von Wissensressourcen et cetera. Der zweite Aspekt der Führung umfasst die Sicherstellung der Umsetzung von wissensrelevanten Maßnahmen und bezieht sich auf folgende Punkte (EFQM, 2005): Anpassung der Strukturen des Systems, die der Entwicklung, Verinnerlichung und Verteilung des Wissens dienen; Anpassung der Prozesse und der Rollen der Mitarbeiter in Bezug auf Wissensrelevanz; Setzung von Wissenszielen für Prozesse und Maßnahmen entsprechend den organisationalen strategischen Zielen; Finanzielle und personelle Unterstützung der Wissenskreation und der organisationalen Lernprozesse; Befähigung von Mitarbeitern in Bezug auf wissensrelevante Aufgabenstellungen; Einsatz von Incentive-Systemen in Bezug auf wissensrelevante Aufgaben und Positionierung der Wissensgenerierung als Kernkompetenz der Organisation du der Sicherstellung eines Prozesses, der wissensrelevante Prozesse effektiv misst, überprüft und verbessert. Die beschriebenen Maßnahmen des Modells fördern insgesamt Prozesse in Bezug auf Innovationen und des Lernens einer Organisation. Aus der Sicht der Autorin sind im Besonderen Führungskräfte in ihrer Rolle als organisationale Experten gefordert, relevante Lernstrukturen aufzubauen und gleichzeitig eine organisationsgerechte Kontextsteuerung zu etablieren. Unabhängig von einzelnen Maßnahmen wird die Schaf99
fung einer Vision für die Organisation und von wissenskreierenden „Räumen“ im Sinne von Nonaka et al als besonders wichtig erachtet (Nonaka, Toyama, Nagata 2000).
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6. Konzeptioneller systemtheoretischer Bezugsrahmen
6.1 Organisation: allgemein Der von der Autorin gewählte singuläre konzeptionelle Rahmen des Buches ist jener der Systemtheorie nach Luhmann. Dieser Frame of Reference ist theoretisch und stellt weder den Anspruch auf Anwendbarkeit der verwendeten Konstrukte auf empirischen Untersuchungsobjekte, noch auf Vollständigkeit im Hinblick auf die relevanten Fragestellungen; er dient der Strukturierung und Analyse des Untersuchungsgegenstands, der Organisationen. Ziel ist die Determinierung eines theoretischen Bezugsrahmens, welcher den Anforderungen der Analyse wissensrelevanter Fragestellungen in Organisationen gerecht wird. Eine erste theoretische Annäherung erfolgt durch die Klärung des Begriffs der Organisation. „Organizations are many things at once“(Morgan, 1986, S. 339 in Kieser, 2002, S. 3).
Das Zitat bringt den herrschenden Pluralismus in der Organisationsforschung auf den Punkt, denn die Organisationstheorie gibt es nicht; hingegen eine Vielzahl von Organisationstheorien unter zu Grunde Legung von unterschiedlichen theoretischen Perspektiven. Die von Morgan betonte Unbestimmtheit des Systems Organisation entspricht der Denkhaltung der Autorin zur Organisation. Der Inkommensurabilitätsthese entsprechend, existieren keine objektiven Kriterien, die einen Vergleich zwischen den radikal verschiedenen Perspektiven der Organisationstheorien ermöglichen (Kieser, 2002; siehe 101 D. Burger, Computergestützter organisationaler Wissenstransfer und Wissensgenerierung, DOI 10.1007/978-3-531-93047-3_6, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
ebenfalls Kap.3). Bei Bezugnahme auf die Tradition der Organisationstheorien wird von einer Organisation gesprochen, sobald zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern unterschieden werden kann und folglich Verhaltenserwartungen mit einer Mitgliedschaft verknüpft sind. Diese sind wiederum mit den Entscheidungen der Mitglieder verbunden, welche ohne Mitgliedschaft in einer Organisation unmöglich wären (siehe Baecker, 2005, S. 113 f). Diese Differenzierung in Mitarbeiter/Nicht-Mitarbeiter ist auf die Idee der Zweiseitenform der Differenz von George Spencer-Brown zurückzuführen (siehe Kapitel 6.1.2). Der genannten Differenztheorie folgend, ist die Ordnungsform von der körperlichen Anwesenheit der Mitarbeiter der Organisation grundsätzlich unabhängig und Kommunikation kann auch mit nicht anwesenden Mitarbeitern der Organisation, erfolgen. Eine Besonderheit von Organisationen besteht in der Eigenschaft des hochselektiven Umgangs mit Wissen, das heißt, Daten nicht zur Kenntnis zu nehmen und aus Informationen keine Schlüsse zu ziehen. „Organization is bias. Organization necessitates selectivity” (Wildavsky, 1983 in: Baecker, 1999, S. 69).
Die in der Organisationstheorie vorherrschende Differenzierung zwischen konstruktivistischen und positivistischen Ansätzen soll hier der Vollständigkeit halber, kurz erwähnt werden. Folgende Grundannahmen werden den konstruktivistischen Ansätzen zugesprochen (Wollnik 1992, S. 1780 f in Kieser, 2002, S. 296): x „Die Wirklichkeit ist mittels Kommunikation unter Verwendung von Symbolen, insbesondere sprachliche Symbole, sozial konstruiert und bewusstseinsabhängig x Erkenntnis ergibt sich nur unter Berücksichtigung der Perspektiven der Akteure und relativ zu kulturell geteilten, auf eine gemeinsame Geschichte zurückgehende Sinnzusammenhänge. x Menschen handeln auf der Grundlage ihres freien Willens, d.h. sie folgen eigenen Zielen und Motiven, zwar beeinflusst, aber niemals strikt determiniert durch äußere (materielle und soziale) Faktoren.“
Innerhalb der Organisationstheorien können drei generelle Richtungen von konstruktivistischen Ansätzen unterschieden werden: Sozial102
konstruktivistische-, kognitive- und systemtheoretische Ansätze (KnorrCetina, 1989 in: Kieser, 2002, S. 297). Die beiden erst genannten Ansätze werden hier nicht ausgeführt. Erwähnenswert erscheint der Autorin jedoch die absolute Negation der Fakten im Rahmen der sozialkonstruktivistischen Ansätze. Diese werden als rein linguistische Konstruktion behandelt (Kieser, 2002). Dem gegenüber stellen die positivistischen Grundannahmen eine radikale Differenz zu den konstruktivistischen Grundsätzen dar (Kunnemann, 1991, S. 20 in Kieser, 2002, S. 296 f) und lauten wie folgt: x „Unabhängig von der menschlichen Erkenntnis x Objektive Erkenntnis der Wirklichkeit erlangt man durch systematische Beobachtung, welche die Grundlagen für Gesetzmäßigkeiten und Theorien bilden, mit deren Hilfe wiederum beliebige Erscheinungen kausal erklärt werden können x Die durch diese Ausgangspunkte festgelegten Regeln der wissenschaftlichen Methode ermöglichen einen intern kontrollierten, rationalen Lernprozess, der den Widerstand über Natur und Gesellschaft stetig hebt x Dieser rational kontrollierte Lernprozess und der dadurch ermöglichte wissenschaftliche Fortschritt sind Voraussetzung für den gesellschaftlichen Fortschritt, weil dieses Vorgehen zur Akkumulation von wahrer Erkenntnis führt und so eine rationale Lösung jedes beliebigen Problems ermöglicht. Auf diese Weise sind wissenschaftlicher und sozialer Fortschritt, rationales Handeln und wissenschaftliche Erkenntnis untrennbar von einander verbunden.“
Mangelnde begriffliche Präzisierung hat in der Wissenschaft zur Annäherung mithilfe von Metaphern geführt. „Metapher ist definiert als Sprachfigur, in der ein Begriff von dem Objekt, das er gewöhnlich bezeichnet, auf ein Objekt übertragen wird, das er nur mittels Analogie oder impliziten Vergleich bezeichnen kann“ (American Heritage Dictionary, 1976, s. 825 in Weick, 1995, S. 72).
Mittels der Darstellung durch eine Metapher gelingt eine prägnante Beschreibung eines komplexen Ereignisses, ohne die Notwendigkeit, dieses Ereignis in allen Einzelheiten darzustellen, da die Details implizit in der gewählten Metapher einhalten sind. Metapher benennen und beschreiben den innersten Kern oder die wesensmäßige Natur des Gegenstands (siehe Weick, 1995, S. 72 f). 103
„Metaphern sind kognitive Instrumente, die unerlässlich sind zur Wahrnehmung von Aspekten und Verbindungen, die bisher noch nicht gesehen wurden“ (Kieser, 2002, S. 308 f).
Kritisch beurteilt Heinz von Foerster die Verwendung einer Metapher, indem er meint, dass jede Metapher immer nur einen Vergleich darstellt und dass dieser leicht zu einer trivialisierten Betrachtung verführt (siehe Heinz von Foerster, 2004). Morgan beschreibt Organisationen unter anderem mit der Metapher des Gehirns und unterstreicht die Bedeutung der Informationsverarbeitung, des Lernens und der Intelligenz. Organisationen sind demnach „informationsverarbeitende, kommunizierende und Entscheidung treffende Systeme, die sich in einer hochkomplexen Umwelt“ bewegen (vgl. Morgan, 1996, S. 81). Diese Beschreibung kommt dem Prinzip der Selbstorganisation einer Organisation sehr nahe und hat aus der Sicht der Autorin für wissensrelevante Fragestellungen hohe Relevanz. Um dem Begriff der Organisation eine weitere Dimension zu geben, kann auf Weick verwiesen werden: „Die grundlegenden Rohmaterialien, mit denen Organisationen arbeiten, sind Informationseingaben unklaren, unzuverlässigen und mehrdeutigen Charakters“ (Weick, 1995, S. 15).
Die konstruktivistische Sichtweise von Weick betont den komplexen Charakter einer Organisation und seiner Umwelt. Besonders bedeutsam ist die Aufgabe des Organisierens als Mittel zur Reduktion von Komplexität, aus der Vielzahl von Handlungsmöglichkeiten innerhalb und außerhalb eines Systems. Die letzt genannten Zitate verweisen auf zentrale Elemente der Systemtheorie nach Luhmann. Diese bildet einen geeigneten theoretischen konzeptionellen Rahmen für die Untersuchung. Zwei Elemente sind nach Luhmann von besonderer Bedeutung: Information und Kommunikation als Grundbaustein jedes sozialen Systems und Komplexität von Systemen und die damit verbundene Komplexitätsreduktion.
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An dieser Stelle wird auf die Akzeptanz der Systemtheorie nach Luhmann in unterschiedlichsten Disziplinen verwiesen. Seine Theorie der sozialen Systeme zeichnet sich im Vergleich zu Theorien der klassischen großen Soziologen der Vergangenheit durch hohe Komplexität und Stringenz aus (siehe Schuldt, 2003, S. 6 ff); sie erscheint auch für das vorliegende Buch und den komplexen Untersuchungsgegenstand der Organisation sehr geeignet. Luhmann selbst verweist auf die bewusst gewählte und nötige Abstraktion seiner Theorie. Er beschäftigt sich nicht mit Kausalzusammenhängen von Ursache und Wirkung, sondern mit funktionalen Analysen und Problemlösungen, vergleichsweise einem Blindflug, wie Luhmann selbst seine Vorgehensweise bezeichnet: „Blindflug: diese Theorienanlage erzwingt eine Darstellung in ungewöhnlicher Abstraktionslage. Der Flug muss über den Wolken stattfinden und es ist mit einer ziemlich geschlossenen Wolkendecke zu rechnen. Man muss sich auf die eigenen Instrumente verlassen“ (Luhmann in Schuldt, 2003, S. 9).
Der Pluralismus innerhalb der Organisationstheorien findet im nächsten Kapitel mit der Systemtheorie seine Fortsetzung. Es gibt keine allgemeine Systemtheorie, sondern mehrere Systemtheorien, aus welchen jene von Luhmann explizit ausgewählt wurde. Aus diesem umfassenden Theoriegebäude werden jene Konstrukte beziehungsweise Merkmale selektiert und beschrieben, welche für Wissensfragen im Kontext von Organisationen von besonderer Relevanz sind.
6.2 Organisation als soziales System nach Luhmann Die Systemtheorie nach Luhmann wird aufgrund der breiten Akzeptanz in den Sozialwissenschaften und der besonderen Eignung für komplexe Fragestellungen als Referenzrahmen herangezogen. Luhmann bezeichnet Organisationen als soziale Systeme, welche durch Offenheit gekennzeichnet sind; das heißt es findet eine Austauschbeziehung zwischen der Organisation und der Umwelt statt. Im Falle 105
eines sozialen Systems spricht Luhmann von sinnorientierten Systemen, welche auf den Austausch von Informationen über die jeweiligen Systemgrenzen beruhen. Diese Systeme sind offene Systeme in Bezug auf den Informationsaustausch, jedoch geschlossen in Bezug auf ihre Operationen. Unter Operationen versteht Luhmann entscheidende Aktivitäten innerhalb von Systemen. Diese typische Operation ist in einem sozialen System, jene der Kommunikation. Die Kommunikation ist für ein soziales System die konstitutive Eigenschaft, mit welcher sich das System selbst produziert und reproduziert (Berghaus, 2003). Luhmanns soziale Systeme sind Kommunikationssysteme. Nicht der einzelne Mensch selbst, sondern die Kommunikation als kleinstes Element steht im Mittelpunkt. Die Gesellschaft ist die Gesamtheit aller Subsysteme und folglich aller Kommunikationen. Sie besteht aus einer funktionalen Differenzierung in verschiedene Subsysteme, wie jenes der Wirtschaft, des Rechts, der Politik, der Kunst et cetera. Jedes Subsystem innerhalb der Gesellschaft stützt sich auf einen kommunikativen binären Code. Der Code ist das Kriterium der Kommunikation innerhalb des jeweiligen Subsystems und sorgt für die operative Geschlossenheit des Systems gegenüber anderen Subsystemen; beispielsweise regelt im wirtschaftlichen Subsystem der Code Zahlen/Nicht-Zahlen den Kommunikationskanal und ist mit dem relevanten wirtschaftlichen Programm der Budgets und Preise anschlussfähig (siehe Schuldt, 2003, S. 11 f). Vergleichsweise lautet der binäre Code des Wissenschaftssystems Wahr/Unwahr und jener des Rechtssystems Rechtmäßig/Unrechtmäßig (Schuldt, 2003). Innerhalb der Gesellschaft bestehen somit funktionsspezifische soziale Systeme nebeneinander. Diese agieren mit ihrer eigenen Logik und ihren spezialisierten Kommunikationsmedien. Luhmann betont die begrenzte Wirksamkeit von systemübergreifendem Wissen; seine strikte Ablehnung der Idee, wissenschaftliches Wissen könne Produktionsfaktor sein, geht auf die elementare Prämisse zurück, dass das ökonomische System dann zum wissenschaftlichen System mutieren müsste (Luhmann in: Stehr, 2001, S. 51). Überträgt man nun gedanklich die theoretischen Überlegungen von unterschiedlichen Subsystemen beispielsweise auf eine nach 106
ökonomischen Kriterien geführte öffentliche Universität, so liegen im Sinne Luhmanns aufgrund der Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Subsystemen, zwei unterschiedliche binäre Codes vor, jenem der Ökonomie und jenem der Wissenschaft. Beide Subsysteme kommunizieren mit unterschiedlichen binären Codes, dem Code wahr/unwahr im universitären System und dem Code zahlen/nicht-zahlen im Wirtschaftssystem. Diese in Bezug auf das Kommunikationskriterium unterschiedlichen Subsysteme sind nur schwer kombinierbar. Jedes Subsystem hat seinen eigenen binären kommunikativen Code und seine Medien und ist durch strukturelle Kopplungen mit anderen Subsystemen verbunden. Unter struktureller Kopplung wird die Möglichkeit der Interaktion zwischen Systemen und der Umwelt verstanden. Beispielsweise kann in diesem Zusammenhang auf die strukturelle Kopplung von Wirtschaft und Politik durch Steuern und Abgaben verwiesen werden. Strukturelle Kopplungen determinieren den Zustand des Systems nicht, sondern sie versorgen das System nur mit Irritationen und Reizen aus der Umwelt und bedingen die Resonanzfähigkeit eines Systems. Durch Störungen können Such- beziehungsweise Identifikationsvorgänge im Sinne von Informationsverarbeitungsprozessen innerhalb eines Systems einleitet werden. Strukturelle Kopplungen bedingen die Notwendigkeit für den inner-organisationalen Strukturaufbau, da Systeme nur jene Strukturen aufbauen können, welche mit der Umwelt kompatibel sind. Diese Kopplung ist selektiv über einen Sinnmechanismus geregelt, das heißt, es handelt sich um eine Form, die Etwas einschließt und gleichzeitig aber Etwas ausschließt. Dieser Sinnmechanismus ist nach Luhmann das Bewusstsein. Die Kommunikation selbst, kann nichts wahrnehmen sondern nur das Bewusstsein, welches Wahrnehmungen der Außenwelt ins Systeminnere transformiert. Die These nach Luhmann lautet: „Soziale Systeme sind nur an das Bewusstsein gekoppelt“ (Luhmann, 2002, S. 270). „Sinn im systemtheoretischen Kontext bezeichnet die Bedeutung, die etwas für einen Beobachter hat“ (Schuldt, 2003, S. 27).
Die Verwendung von Sinn ist eine Grundoperation der Systemtheorie. Jedes Handeln in sozialen Systemen erfolgt nach Sinnkriterien. 107
„Sinn ist damit jene Operation die nicht nur, wie die Erwartung, etwas bestimmt, damit es irgendwie weitergehen kann, sondern darüber hinaus Relationen herstellt, die den Raum des Möglichen zurück auf jede einzelne Möglichkeit und jede Möglichkeit zurück auf den Raum des Möglichen bezieht. Auf diese Art und Weise ist Sinn die Ordnungsform menschlichen Erlebens“ (Baecker, 2005, S. 148).
Wenn Luhmann von sozialen Systemen spricht, sind drei allgemeine Grundtypen von Systemen zu unterscheiden: das Interaktionssystem, das Organisationssystem und das Gesellschaftssystem. Das Gesellschaftssystem ist als ein System höherer Ordnung zu verstehen, welches alle Interaktionssysteme und Organisationssysteme umfasst, ohne nur die Summe dieser Systeme zu sein, wobei die Gesellschaft, die Summe aller Kommunikationen darstellt. Zum Gesamtverständnis werden das Interaktionssystem und das Gesellschaftssystem an den betreffenden Stellen ausgeführt; allerdings befasst sich das vorliegende Buch hauptsächlich mit dem Organisationssystem. Organisationssysteme beruhen auf konkreter Mitgliedschaft im System, beispielsweise durch die vertragliche Bindung der Mitarbeiter an die Organisation et cetera und begründet dadurch bestimmte Interaktionssysteme, welche außerhalb des Systems eher unwahrscheinlich wären (vgl. Schuldt, 2003). In der Theorie von Luhmann wird eine essenzielle Unterscheidung zwischen dem System, sprich hier der Organisation und der Umwelt getroffen. Hier konstruiert Luhmann die Differenz als Unterscheidungsmerkmal, in dem er meint: „Das ein System die Differenz ist, die Differenz zwischen System und Umwelt“ (Luhmann, 2002, S. 67). Die Differenz von System und Umwelt entsteht alleine aus der Tatsache, dass eine Operation innerhalb der Organisation eine weitere Operation gleichen Typs erzeugt und damit im Sinne von Luhmann anschlussfähig ist; Systeme erst mittels dieser Grenzziehung zur Umwelt ihre Identität begründen (siehe Koch, 2003). Entsprechend den Aussagen von George Spencer-Brown bestimmt erst die Wahl der Unterscheidung also die jeweilige Differenz, was gesehen werden kann: „Draw a distinction and a univers comes into being“ (von Foerster, 2004, S. 78; Baecker, 2005).
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Beispielsweise wird durch die Wahl des Unterscheidungsmerkmals Neu/Alt, etwas anderes beobachtet, wie vergleichsweise bei der Differenz Gut/Böse. Ein Unterschied ist folglich ein sehr spezieller Begriff, welcher sich wesentlich von einer Kategorie oder einem Ereignis unterscheidet. In der Welt der Kommunikation und jener von Organisationen, ist ein Unterschied oder eine Differenz eine mögliche Ursache von einer Wirkung. Im Vergleich dazu, werden in den Naturwissenschaften, Wirkungen durch konkrete Bedingungen oder Ereignisse ausgelöst (Bateson, 1985, S. 580). Auch die Informationstheorie wird als Differenztheorie angelegt. Der klassische Ausspruch von Gregory Bateson wonach eine Information „a difference which makes a difference“ ist, basiert ebenfalls auf der Differenztheorie. Demnach wird eine Information erst dann zur Information, wenn ein System, aufgrund eines wahrgenommen Unterschieds in Form von Informationszuwachs, die nächsten Operationen verändert (Bateson in: Willke, 2004, S. 31). Diese Differenz innerhalb eines Systems entsteht alleine aus der Tatsache, dass eine Operation eine weitere Operation gleichen Typs erzeugt. Luhmann bezieht sich hier auf Maturana, welcher von Autopoiesis beziehungsweise von zirkulärer Selbstproduktion spricht. Der Begriff der Autopoiesis wird anschließend erklärt (siehe Luhmann, 2002). Bei den 20 befragten Führungskräften beziehungsweise analysierten Organisationen handelt es sich um Organisationen unterschiedlicher Subsysteme beziehungsweise Funktionssysteme. Diese sind dem Subsystem Wirtschaft beziehungsweise dem Subsystem Öffentlichkeit zuzuordnen. Innerhalb jedes Subsystems determinieren die systemtypischen Codes, die organisationalen Handlungsmuster der Organisation und ihrer Mitglieder und werden folglich zu Erklärungsmustern. Die folgenden systemischen Merkmale einer Organisation sind als allgemein gültige Eigenschaften sozialer Systeme zu verstehen und besitzen keine Exklusivität in Bezug auf ein bestimmtes Subsystem.
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6.2.1 Systemische Merkmale der Organisation Eine erste Annäherung an die Wesensmerkmale einer Organisation erfolgte durch die Begriffsklärung in Bezug auf die Organisation allgemein, im vorhergehenden Kapitel; nun gilt es, das systemische Organisationsverständnis zu erläutern. Entsprechend dem Verständnis von Luhmann, handelt es sich bei einer Organisation um ein soziales System, wobei zwischen drei allgemeinen Grundtypen von sozialen Systemen unterschieden wird: dem Gesellschaftssystem, dem Organisationssystem und dem Interaktionssystem. Die Organisation wird als soziales System beziehungsweise als Insel geringerer Komplexität beziehungsweise als offenes und zugleich geschlossenes System, verstanden. Das soziale System bildet die Grundlage für Interaktionssysteme innerhalb der Organisation und ist gleichzeitig, Teil eines größeren Ganzen, eines bestimmten Subsystems, wie beispielsweise jenem der Wirtschaft. Die Organisation als Teil eines Subsystems des Gesellschaftssystems kommuniziert entsprechend ihrem binären Code und begründet folglich eine Differenz zu anderen Subsystemen. Diese gehört als Teil des Subsystems Wirtschaft dem Gesamtgesellschaftssystem an. Aber nicht alleine die Differenz zu einer oder mehreren Umwelten determiniert das System Organisation, sondern die in ihr inhärenten Merkmale. Diese begründen die eigentliche Differenz zu anderen Systemen. Als Referenzmerkmale nach Luhmann werden die kommunikative Offenheit und gleichzeitige operative Geschlossenheit, die Komplexität, die Selbstorganisation und die Autopoiesis des Systems herangezogen, welche im folgenden Kapitel näher ausgeführt werden.
6.2.1.1 Merkmal „kommunikative Offenheit“ und „operative Geschlossenheit“ Ein wesentliches Merkmal des Systems Organisation ist jene der Offenheit und der gleichzeitigen operativen Geschlossenheit.
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Die These Luhmanns lautet: „Systeme sind operational geschlossen“ (Luhmann, 2002, S. 93). Diese Geschlossenheit des Systems bezieht sich auf die ausschließliche Entstehung von internen Operationen im eigenen System, während sich die Offenheit auf den Informationsaustausch, verstanden als Kommunikation mit anderen Systemen und der Umwelt bezieht. Die Operationen innerhalb der Organisation sind immer durch die Typik des Systems determiniert und weisen spezifische Charakteristika auf. Folglich können keine Operationen oder Handlungen, Prozesse et cetera entstehen, welche über keinen Bezug zum System verfügen, denn das soziale System ist in sich geschlossen und damit abhängig von den innersystemischen Kommunikationen, Prozessen, Strukturen und Regelsystemen. Innerhalb der Theorie der operativen Geschlossenheit muss zwischen der Operation und der Kausalität unterschieden werden. Für Luhmann ist Kausalität ein Urteil beziehungsweise eine Beobachtung eines einzelnen Beobachters und hat nichts mit einer Ursache-Wirkung Beziehung zu tun. Die Kopplung von Ursache und Wirkung ist immer selektiv von der Position eines einzelnen Beobachters zu verstehen (Luhmann, 2002, S. 94). Mit dem Luhmannschen Theorem der operativen Geschlossenheit sind die Begriffe Selbstorganisation und Autopoiesis untrennbar verbunden (Luhmann, 2002). Diese beiden systemischen Merkmale werden gesondert beschrieben.
6.2.1.2 Merkmal „Komplexität“ Ein System, welchem das Attribut komplex zugeschrieben wird, zeichnet sich dadurch aus, dass es „mehrdimensional, vernetzt, eigendynamisch, unscharf, wahrscheinlichkeitsabhängig und bis zu einem bestimmten Grad instabil ist“ (Reither 2004, S. 160 f in: von Mutius). Was bedeuten nun die genannten zugeschriebenen Attribute im Detail? Die Mehrdimensionalität spiegelt die Vielschichtigkeit und große Zahl von inhaltlichen und formalen Gesichtspunkten unter welchen Systeme und organisationale Operationen analysiert werden können. Aus der
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Fülle müssen Prioritäten festgelegt und Kriterien definiert werden, als klar erkennbare Ziele für eine Organisation. Mit dem Faktor der Vernetzung sind unbeabsichtigte Effekte als Folge von Operationen zu verstehen. Diese können ebenfalls zeitverzögert für die Organisation auftreten und sind folglich nicht immer sofort erkennbar. Die Eigendynamik eines Systems verlangt nach einer Betrachtungsweise aus der Perspektive der Nicht-Linearität heraus. Der Umgang mit Komplexität führt nicht selten zu der Annahme der Notwendigkeit von Handlungen. Im Vergleich dazu, kann das Nicht-Eingreifen eine sinnvolle Alternative darstellen. Die Unschärfe von Situationen auf Grund mangelnder Informationen und mangelnden Wissens ist für Organisationen letztendlich eine Suche nach Symptomen um mögliche Zusammenhänge zu erkennen. Die Komplexität eines Systems zeichnet sich durch die Wahrscheinlichkeitsabhängigkeit aus, sprich in Organisationen werden Entscheidungen in Unsicherheit getroffen. Es gilt diese Entscheidungsfindungsprozesse zu analysieren und eventuelle subjektive Sichtweisen bewusst zu machen. Letztendlich erfordert der Faktor der Instabilität einer Organisation sensible und verständige Akteure für kritische Phasen oder Faktoren in einer Organisation (Reither, 2004). Unter der Annahme, dass die Umwelt stets komplexer ist als das jeweilige System, besteht folglich ein Komplexitätsgefälle zwischen dem System und der Umwelt. Die Organisation als Einheit mit geringerer Komplexität versucht folglich durch die Grenzziehung zur Umwelt die wahrgenommene Komplexität der Umwelt zu reduzieren. Dies erfolgt beispielsweise durch gezielte Selektion von Informationen. Gleichzeitig reduzieren soziale Systeme aber nicht nur Komplexität, sie bauen Eigenkomplexität auf, um einerseits den Anforderungen einer komplexen Umwelt gerecht zu werden und andererseits auf Veränderungen der Umwelt reagieren zu können (Luhmann in: Schuldt, S. 21 f). Die Welt im Sinne Luhmanns ist an sich nicht komplex, sondern die Komplexität entsteht aus der Perspektive der Systeme, die diese 112
Komplexität wahrnehmen und reduzieren wollen. Erst durch interne Vielfalt, sprich ein bestimmtes Maß an Eigenkomplexität kann die Organisation auf Anforderungen der Umwelt reagieren. Der Ausgangspunkt jeder Analyse der Komplexität einer Organisation ist die Organisationsgröße, denn erst ab einer bestimmten, allerdings geringen Größe, wird ein System komplex, sodass nicht jede Operation mit allen Operationen des Systems verknüpft werden kann (Luhmann, 2000). Der Komplexität wird in Organisationen folglich mit Selektions- und Entscheidungsmechanismen entsprochen. Alle zwanzig untersuchten Organisationen sind als komplexe Organisationen zu bezeichnen. Unterschiede bestehen hinsichtlich des wahrgenommenen Grades an Komplexität und dessen Relevanz für Entscheidungsprozesse aus der Sichtweise der befragten Führungskräfte. Nach Luhmann kann ein System nicht mehr oder weniger autopoietisch sein, hingegen aber mehr oder weniger komplex (Luhmann, 2000).
6.2.1.3 Merkmal „Autopoiesis“ Das soziale System Organisation operiert in Differenz zu seiner Umwelt, welche durch die im System begründeten Operationen und Aktivitäten entsteht. Die laufenden Operationen entstehen nur innerhalb des eigenen Systems, das heißt diese produzieren sich selbst. Diese permanente Selbstproduktion hat Luhmann mit dem Begriff Autopoiesis bezeichnet. Er greift damit auf den Begriff von Maturana zurück, welcher Autopoiesis folgendermaßen definiert: „Ein System kann seine eigenen Operationen nur durch das Netzwerk der eigenen Operationen erzeugen und das Netzwerk der eigenen Operationen ist wiederum erzeugt durch diese Operationen“ (Luhmann, 2002, S. 109). Luhmann überträgt das biologische, autopoietische System auf das soziale System und bestimmt als Basiselement jede Form von Kommunikation. Die Kommunikation erscheint als zeitlich fixiertes Ereignis mit Anschlusscharakter und damit als System erhaltende Funktion und determiniert einen Zustand, von dem weitere Operationen ausgehen.
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Folglich beschreibt die Autopoiesis die Selbstproduktion des Systems. Wird der Gedanke der Autopoiesis auf eine Wissen generierende Organisation übertragen, so bestehen nebeneinander Beziehungen zwischen dem System und den Mitarbeitern, welche nicht hierarchisch geordnet sind. Jede Einheit kontrolliert autonom die kontinuierlichen Veränderungen in sich und bestimmt durch Selbstproduktion die eigenen Aufgabengrenzen mit dem Zweck, das determinierte Ziel der gesamten Organisation zu erreichen. Die Selbstreferenzialität des Systems ist daher wesentliches Element der Autopoiesis oder wie Bardmann meint: „Hinter den äußerst kompliziert erscheinenden Ausführungen der AutopoiesisAutoren, die viele Leser abschrecken, verbirgt sich ein frappierend einfacher Gedanke, dessen Einfachheit vielleicht zu schockierend ist. Es ist die Idee der Zirkularität“ (Bardmann, 1994 in Kieser, 2002, S. 300 f).
6.2.1.4 Merkmal „Selbstorganisation“ In der klassischen betriebswirtschaftlichen Organisationstheorie werden Unternehmungen als allopoietische beziehungsweise fremd-steuerbare Systeme betrachtet; demgemäß wird Selbstorganisation als ein vom Management beziehungsweise der Führungskraft unerwünschter organisationaler Zustand auf Basis von drei Ursachen erklärt: (1) Überforderung des Managements um alle organisatorisch relevanten Sachverhalte zu erfassen, (2) zunehmende Komplexität und Dynamik der Problemstellungen, (3) begrenzter Zugriff des Managements auf das für die (Fremd-) Organisation notwendige Prozesswissen der Organisationsmitglieder (Sydow, 1992, S. 246 f). Im Vergleich dazu, versteht Luhmann den Begriff der Selbstorganisation als Element zur Erzeugung einer Struktur durch eigene Operationen, das heißt die Systeme produzieren „die Elemente, aus denen sie bestehen, durch
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die Elemente, aus denen sie bestehen“ (Luhmann, 1988, S. 47 in Sydow, 1992, S. 247). Diese Strukturen sind allerdings nur im gegenwärtigen Moment der Operation des Systems wirksam und relevant. Damit zieht Luhmann eine eindeutige Differenz zu den klassischen Vorstellungen von Strukturen, als dem Beständigen und dem Prozess, als dem Vergänglichen. Demnach muss das System operieren, um die Strukturen nutzen zu können und um zu operieren. Die Strukturen des operational geschlossenen Systems müssen durch die eigenen Operationen aufgebaut werden. Ein Strukturimport findet nicht statt (siehe Luhmann, 2002, S. 101 ff). Das System kann nur im Kontext der eigenen Organisation operieren und ist auf die eigenen Strukturen angewiesen, sozusagen strukturdeterminiert beziehungsweise selbstorganisierend (Luhmann, 2000). Strukturen in Organisationen als feststehende Elemente und damit als selbstverständliche Einheiten von Organisationen zu betrachten, wird in der Managementliteratur zunehmend kritisch hinterfragt (siehe Steinmann, Schreyögg, 2000). To echo Wittgensteins (1953) warnings about language: Manager often seem bewitched by their vocabulary of organizational forms. The problem they face is a process problem, but the vocabulary they use is one of structure” (Yoon, Boland, Lyytinen, 2006, S. 215). „Organisatorische Strukturen sind ganz allgemein ein basales Mittel, die Umweltkomplexität auf ein bearbeitbares Maß zu reduzieren“ (Steinmann, Schreyögg, 2000, S. 401). „Im alten Paradigma war man der Meinung, es gebe fundamentale Strukturen und dann Kräfte und Mechanismen, durch welche Strukturen in Wechselwirkung treten, und dadurch zu Prozessen werden. Im neuen Paradigma halten wir die Vorgänge oder Prozesse für primär und sehen jede Struktur als Manifestation eines entsprechenden Vorgangs an“ (Capra, 1988, S. 31 in: Sydow, 1992, S. 281).
Die systemische Sichtweise trifft die Unterscheidung zwischen dem System Organisation und der Umwelt, innerhalb dessen die Organisation agiert. Innerhalb der Organisation werden organisatorische Strukturen, 115
in Form von Teilsystemen, wie beispielsweise Abteilungen zum Zweck der Verarbeitung von komplexen Umweltinformationen geschaffen. Beispielsweise wird einerseits die Selektivität innerhalb der Organisation verstärkt und andererseits die Komplexität im Gesamtsystem gesteigert. Die einzelnen Teilsysteme nehmen dann die anderen Teilsysteme wiederum als Umwelt wahr. Mit der Ausdifferenzierung von Teilssystemen, rücken zwei zentrale Aufgabenfelder der organisatorischen Gestaltung in den Vordergrund, jene der Differenzierung und jene der Integration. Diese Aufgaben sind latent widersprüchlich, denn eine verstärkte Differenzierung führt zur Kommunikationsverschlechterung und bedingt wieder eine stärke Integration der Operationen eines Systems. Der Einsatz der Strukturlösung und der Umfang des Einsatzes ist stets eine zu reflektierende Aufgabe für das Managements denn das Organisieren ist vielmehr als laufender Prozess innerhalb einer Organisation zu verstehen (siehe Steinmann, Schreyögg, 2000, S. 402 f). Neue Standpunkte in Bezug auf die Steuerbarkeit von Organisationen innerhalb der systemtheoretischen Organisationstheorie verweisen vermehrt auf die Sicherung der Entwicklungsfähigkeit von Unternehmungen. Als zentrale Aufgabe des Managements wird dem gemäß die Gestaltung einer Unternehmensarchitektur, in Form von Kontextsteuerung verstanden, die den Anforderungen eines komplexen und beschleunigten Umfelds gerecht wird (Sydow, 1992, S. 281). Soziale Systeme lassen sich aufgrund der operativen Geschlossenheit und Selbstreferenz nicht direkt oder linear steuern. Sie bilden eine Eigendynamik der Selbststeuerung, die durch Kontextsteuerung oder in der Form der Anregung zur Selbststeuerung, gesteuert werden kann (siehe Willke, 2004, S. 25). Für die Strukturbildung eines System ist für Luhmann, die Tatsache der Wiederholung einer Situation, besonders relevant, denn „wenn alles immer komplett neu ist, könnte man nie etwas lernen“ (Luhmann, 2002, S. 107). Obwohl Luhmann gleichzeitig jede Situation als komplett neu und nicht vergleichbar mit einer Anderen festlegt, existieren aus seiner Sicht, bestimmte Anhaltspunkte für Identitäten, auf welche in einer neuen Situation zurückgegriffen werden kann. Diese Leistung der Identifi116
kation und Generalisierung kann nur innerhalb des Systems stattfinden. Es handelt sich daher um einen zirkulären Prozess, wo Strukturen nur durch eigene Operationen aufgebaut werden, weil diese wiederum die Operationen determinieren (Luhmann, 2002, S. 107 ff).
6.2.1.5 Merkmal „Kommunikation als soziale Einheit“ Luhmann betrachtet soziale Systeme als Kommunikationssysteme; nicht der einzelne Mensch steht im Mittelpunkt als kleinste soziale Einheit eines Systems, sondern die Kommunikationssysteme. Diese setzen die sozialen Systeme kontinuierlich fort und halten das System am Leben. Kommunikation ist folglich nicht das Produkt von Menschen, sondern von sozialen Systemen (Luhmann, 2002). „Immer wenn Kommunikation stattfindet, handelt es sich um ein soziales System“ oder „soziale Systeme bestehen nicht aus Menschen; auch die Gesellschaft an sich besteht nicht aus menschlichen Körpern und Gehirnen. Sie ist schlicht ein Netzwerk von Kommunikationen“ (Berghaus, 2003, S. 64).
Folgt man George Herbert Mead, so ist das Handeln einer Person jeweils im gesellschaftlichen Kontext zu betrachten, wobei die Wechselwirkung über die kommunikativen Prozesse hergestellt wird: Diese bilden die zentrale Voraussetzung für die Genese, die Stabilisierung und die Veränderung der Gesellschaftsordnung (Froschauer, Lueger, 1998). Kommunikation ist die Folge von gegenseitiger Wahrnehmung. Sie bedingt auf beiden Seiten der Kommunikation Kontingenzspielräume, welche wiederum erst das Zustandekommen der Kommunikation ermöglichen (Baecker, 2005). Im Vergleich zu früheren Theorien wie dem Stimulus-Response-Ansatz der Kommunikation und dem Verständnis, dass eine Übertragung des Sinns von einem Sender zu einem Empfänger erfolgt, wird heute Kommunikation als soziale Analyseeinheit verstanden und als kommunikative Dyade bezeichnet. Luhmann verwendet auch im Zusammenhang mit Kommunikation, den von SpencerBrown verwendeten Begriff der Form, als die Einheit der Differenz. Im
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Kontext der Kommunikation ist die Form Wissen/Nichtwissen relevant (siehe Kap. 4). Luhmann versteht unter Kommunikation eine Synthese eines dreistufigen Selektionsprozesses, der sich aus der Einheit Information, Mitteilung und Verstehen, zusammensetzt. Kommunikation ist realisiert, wenn das Verstehen zustande kommt und eine symbolisch konstruierte Korrelation, das Verstehen eine eigene Realität begründet. Diese Realität ist von Personen losgelöst. Mit dem Begriff der Kommunikation sind die Begriffe der Selektion und der Redundanz verbunden. Selektion bedeutet, dass eine Nachricht nur dann einen Informationsgehalt hat, wenn sie eine Auswahl von anderen möglichen Nachrichten darstellt. So wie Shannon meint: “The significant aspect is, that the actual message is one selected from a set of possible messages” (Baecker, 2005, S. 21). Damit liegt der Informationsgehalt nicht in der Nachricht selbst, sondern im Verhältnis dieser Nachricht zu anderen möglichen Nachrichten, welche ihrerseits ebenso eine gewisse Wahrscheinlichkeit haben. Folglich muss die Selektion der möglichen Nachrichten mitgelesen werden (Baecker, 2005, S. 21). Der zweite Aspekt der Kommunikation ist jener der Redundanz. Diese nimmt auf die zu Grunde liegende Ordnung der Information Bezug. Diese ist umso höher, je größer die Wahrscheinlichkeit ist, dass von einer Nachricht auf andere Gegenstände und Zustände des Auswahlbereiches geschlossen werden kann. Zwischen den an der Kommunikation beteiligten Personen findet kein Übertragungsvorgang statt, sondern Redundanz im Sinne der Erzeugung eines Gedächtnisses. Die Kommunikation ist eine interne Operation oder wie Luhmann feststellt: „Es wird Nichts übertragen“ und der Anlass jeder Kommunikation liegt typisch im „Nichtwissen“ (Luhmann in: Baecker, 2005, S. 86) „Man muss einschätzen können, welche Mitteilungen für andere Informationen bedeuten, also etwas, was sie nicht oder nicht sicher wissen, ergänzen. Ebenso muss, umgekehrt gesehen, jeder Teilnehmer etwas nicht wissen, um Informationen aufnehmen zu können. Diese Rolle des Nichtwissens lässt sich nicht auf ein je individuelles Wissen des Nichtwissens anderer reduzieren. Es ist auch völlig unrealistisch, anzunehmen, ein Individuum wisse, was es nicht wisse. Vielmehr erzeugt und testet die Kommunikation selbst das für ihren weiteren Betrieb notwendige Nichtwissen. Sie lebt, könnte man auch sagen, von ungleich verteiltem
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Wissen/Nichtwissen. Sie beruht auf der Form des Wissens, die immer zugleich eine andere Seite des noch nicht Gewussten mitlaufen lässt. Und ebenso muss jeder Teilnehmer abschätzen können, was überhaupt nicht gewusst werden kann, damit er vermeiden kann, erkennbar Unsinn zu reden“ (Luhmann in Baecker, 2005, S. 67).
6.2.2 Exkurs: Organisation und Entscheidung Organisationen reproduzieren sich durch die Kommunikation von Entscheidungen, welche innerhalb des Systems getroffen werden. Entscheidungen werden naturgemäß von Entscheidungsträgern, sprich den Führungskräften der Organisation innerhalb und außerhalb eines Systems kommuniziert. Nicht der organisationale Entscheidungsfindungsprozess selbst, sondern die Entscheidung im Kontext der Luhmannschen Systemtheorie wird hier angesprochen. Zunächst ist die Frage zu klären, was ist eine Entscheidung überhaupt? Hier hat Luhmann eine typische Erklärung, die abermals auf einer Differenz basiert, indem er meint: „Nur die Alternative macht die Entscheidung zur Entscheidung; dass seine Auswahl stattgefunden hat, kann man nur an ihrem Resultat, also retrospektiv erkennen“ (Luhmann, 2000, S. 135 ff). „Was immer eine Entscheidung ist: Innerhalb von Organisationssystemen kommt sie nur als Kommunikation zu Stande. Jede Entscheidung in einer Organisation muss eine Meta-Information mitkommunizieren, die besagt, dass der Entscheider das Recht oder die Autorität oder gute Gründe hat, so zu entscheiden, wie er entschieden hatte“ (Luhmann, 2000, S. 142).
Demgemäß folgt, dass es bei der Darstellung von Entscheidungen typischerweise zu Mystifikationen kommt, nicht nur in der Praxis, innerhalb und außerhalb der Organisationen, sondern auch in der Theorie, das heißt, die Paradoxie der Entscheidung wird durch Komplexität überdeckt. Diese Paradoxie wird durch die Bezeichnung des Entscheidungsträgers aufgelöst. Die wichtigste Konsequenz der Zurechnung von Entscheidungen auf Entscheidungsträger ist demnach, dass die Bedeutung der Entscheidungsträger wächst, umso wichtiger die Entscheidung. Die 119
wichtigsten Entscheidungen müssen dann an der Spitze getroffen werden. Die nicht entschiedenen Entscheidungsprämissen werden als Organisationskultur bezeichnet (Luhmann, 2000, S. 138 f). Sie bilden die Basis für das Entstehen und die Weiterentwicklung der Organisationskultur. Bei der Befragung der zwanzig Führungskräfte im Kontext des Buches ist mit der befragten Person explizit die Rolle des Entscheidungsträgers und folglich einer Determinanten der Organisationskultur verknüpft. Diese Rolle stellt eine eindeutige Differenz zu allen Fachexperten und Mitarbeitern der Organisation dar.
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7. Empirie - Teil 1
7.1 Forschungsleitende Fragestellungen Nach der theoretischen Einführung, Präsentation relevanter Modelle und Ansätze, sowie der Beschreibung der systemtheoretischen Einbettung, werden die forschungsleitenden Fragestellungen formuliert. Diese sind auf die Wissens- und Führungsperspektive des Untersuchungsfeldes Organisation gerichtet und lauten: 1. Welche Bedeutung hat Wissen für das soziale System Organisation, sowohl systemintern, als auch systemextern? Wird Wissen als Kernkompetenz einer Organisation verstanden? 2. Welche Variablen sind für den systeminternen und systemexternen Wissenstransfer relevant? 3. Wie findet Wissensgenerierung in der Organisation statt und welchen Stellenwert hat die Informationstechnologie? 4. Welche Variablen beeinflussen den impliziten und expliziten Wissenstransfer? 5. Welcher Zusammenhang besteht zwischen Wissensgenerierung und Entscheidungsprozessen in der Organisation? 6. Welche Ziele verfolgen Führungskräfte in Bezug auf wissensrelevante Prozesse? 7. Welche organisatorischen Variablen beeinflussen den Wissenstransfer und welche Schwierigkeiten treten in diesem Zusammenhang auf? Gibt es Lösungsansätze? 8. Welche Variablen sind für eine „wissensexzellente“ Organisation relevant? 121 D. Burger, Computergestützter organisationaler Wissenstransfer und Wissensgenerierung, DOI 10.1007/978-3-531-93047-3_7, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
7.2 Methodische Vorgehensweise - Research Design Das Research Design bildet das Herzstück jedes Forschungsvorhabens; es umfasst einerseits das Forschungsziel und andererseits den Forschungsprozess. Das Research Design determiniert den Einsatz der Methoden und folglich das Untersuchungsverfahren (Mayring, 2002, S. 40). Yin definiert Research Design folgendermaßen: „A research design is an action plan for getting from here to there, where here may be defined as the initial set of questions to be answered, and there is some set of conclusions (answers) about the questions” (Yin, 1994, S. 19).
Entsprechend den forschungsleitenden Fragen wird ein explorativer Forschungszugang gewählt. Ziel ist es folglich, mit Hilfe der vorhandenen theoretischen Modelle und Konzepte, neue Erkenntnisse über den organisationalen Wissenstransfer und die Wissensgenerierung in Organisationen zu gewinnen. Diese Analyse erfolgt mittels eines zweistufigen Forschungsprozesses, welcher sich aus einem primären literarischen Teil und einem sekundären empirischen Teil, zusammensetzt. Beide Forschungsteile beeinflussen sich im Laufe des Forschungsprozesses wechselseitig, das heißt, das die neu gewonnenen relevanten empirischen Erkenntnisse auf die literarischen Erkenntnisse und umgekehrt wirken. Folglich entsteht eine Art Kreislauf im laufenden Forschungsprozess (siehe folgende Abbildung); Forschen und Lernen ist demnach ein zirkulärer Prozess.
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Abbildung 10: Kreislauf des Forschungsprozesses unter Berücksichtung der impliziten und expliziten Wissensbestandteile
Es wird ein praxisrelevanter Forschungszugang gewählt, welcher stringent eingehalten wird. Im Mittelpunkt steht ein Hypothesen-generierender Prozess beziehungsweise ein Theorie-bildendes Vorgehen, ganz im Gegensatz zu einer Hypothesen-testenden Forschungsausrichtung. In der empirischen Sozialforschung wird grundsätzlich zwischen quantitativer und qualitativer Sozialforschung differenziert. Diese strenge Dichotomie wird von Wissenschaftlern des Öfteren als ein überzogener und letztendlich undifferenzierter Forschungszugang bewertet. Folgt man Max Weber, so geht es letztlich bei Soziologie um eine Wissenschaft, die „soziales Handeln, deutend verstehen und ursächlich erklären will“ und die Gemeinsamkeit der unterschiedlicher Paradigma sucht (vgl. Gläser, Laudel, 2004, S. 22 f). Unter Berücksichtigung der sozialwissenschaftlichen Forschung ist in den letzten Jahren eine stärkere Beachtung und Akzeptanz der qualitativen Sozialforschung festzustellen (Kleining, 1995, S. 21 f). Teilweise wird sogar von einer Renaissance der qualitativen Forschungstradition gesprochen, welche über längere Zeit abgewertet wurde (Flick, v. Kardorff, Keupp, v. Rosenstiel, Wolff, 1995). Wesentliche Unterscheidungen lassen sich hinsichtlich der empirischen Methoden und den Erklärungsstrategien festmachen: der statistisch-basierten und der fall-basierten Erklärungsstrategie (Gläser, Laudel, 2004). Die Bedeutung der explorativen Forschung nimmt zu und folglich 123
auch der Einsatz von qualitativen Forschungsmethoden, denn viele Bereiche der sozialwissenschaftlichen Forschung sind nur durch den Einsatz relevanter qualitativer Methoden erschließbar und zugänglich (Atteslander, 2000, S. 58). Häufig werden qualitative Erhebungen als Vorbereitung von oder in Kombination mit quantitativen Umfragen eingesetzt (Froschauer, Lueger, 2003). „Qualitative Methoden beruhen auf der Interpretation sozialer Sachverhalte, die in einer verbalen Beschreibung dieser Sachverhalte resultiert“ (Gläser, Laudel, 2004, S. 24).
Innerhalb der Sozialwissenschaften gelten vier allgemeine methodologische Prinzipien, unabhängig von der statistisch- beziehungsweise fallorientierten Erklärungsstrategie. Die Prinzipien lauten: Offenheit, theoriegeleitetes Vorgehen, regelgeleitetes Vorgehen und Verstehen (Mayring, 2002). Diese Prinzipien werden im Folgenden kurz beschrieben: (1) Das Prinzip der Offenheit: „Das Prinzip der Offenheit auf theoretischer Ebene zielt vor allem auf eine Kritik strenger Hypothesengeleitetheit der Forschung ab (Mayring, 2002, S. 28) und so meint Mayring weiter: Der Forschungsprozess muss so offen dem Gegenstand gegenüber gehalten werden, dass Neufassungen, Ergänzungen und Revisionen sowohl der theoretischen Strukturierungen und Hypothesen als auch der Methoden möglich sind, wenn der Gegenstand es erfordert“ (Mayring, 2002, S. 28).
Bezogen auf die Offenheit des Forschungsprozesses ist ein methodisch kontrolliertes Vorgehen unerlässlich. Die einzelnen Verfahrensschritte müssen in expliziter Form vorliegen und begründet werden (Mayring, 2002). Die Offenheit soll theoretische Strukturierungen des Forschungsgegenstands zurückstellen bis zu jenem Zeitpunkt, wo sich Strukturierungen durch die Forschungssubjekte herausgebildet haben. Die Offenheit bezieht sich auf sämtliche Aspekte des Forschungsprozesses: die Forschungsfrage, den Forschungsablauf, die Auswahl der in der Untersuchung mit einbezogenen Personen, das Forschungssubjekt, die Untersuchungs-situation, die anzuwendenden Methoden und die potentiellen 124
alternativen Interpretationen (Meuser, Nagel, 1991). Drei Grundregeln der Offenheit fordert Kleining: „Vorurteilsfreies Herangehen seitens der ForscherInnen (Subjekt) an einen als vorläufig anzusehenden Forschungsgegenstand (Objekt) mittels vielfältiger Methoden (Handeln)“ (Kleining, 1982, in Meuser, Nagel, 1991, S. 17). (2) Das Prinzip des „theoriegeleiteten Vorgehens“: „Theorien, so wird häufig gesagt, würden das Material verzerren, den Blick zu sehr einengen, würden ein Eintauchen in das Material behindern. Begreift man jedoch Theorie als ein System allgemeiner Sätze über den zu untersuchenden Gegenstand, so stellt sich nichts anderes als die gewonnenen Erfahrungen anderer über diesen Gegenstand dar. Theoriegeleitetheit heißt nun, an diese Erfahrungen anzuknüpfen, um einen Erkenntnisfortschritt zu erreichen (Mayring, 1993, S.48 in: Gläser, Laudel, 2004, S. 29).
(3) Das Prinzip des regelgeleiteten Vorgehens bezieht sich auf das Kriterium der intersubjektiven Reproduzierbarkeit des Vorgehens und fordert, die Angabe der einzelnen Untersuchungsschritte, die zwischen der Frage und der Antwort liegen, das heißt eine nach Möglichkeit exakte Beschreibung dessen, was getan wurde (Gläser, Laudel, 2004). (4) Das Prinzip des Verstehens meint die konstitutive Leistung des Forschers: „Verstehen als unverzichtbares Mittel sozialwissenschaftlicher Forschung und nicht als Ziel“ (Gläser, Laudel, 2004).
Qualitativ orientierte Forschung kann nicht ausschließlich an den klassischen Gütekriterien für quantitative Forschung gemessen werden. In der Forschergemeinschaft setzt sich zunehmend die Ansicht durch, dass die Gütekriterien der qualitativen Forschung neu definiert werden müssen und eigene Maßstäbe festzulegen sind, welche den eigenen Anforderungen an qualitativ orientierte Forschung gerecht werden müssen (Mayring, 2002, S. 140). Dem entspricht die grundsätzliche Ausrichtung der qualitativen Forschung an nicht standardisierten Untersuchungsmethoden und –verfahren und folglich an der Orientierung an eigenen Forschungsprinzipien.
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Der Fokus des Buches liegt in der empirischen Untersuchung von Organisationen im Hinblick auf wissensrelevante Fragestellungen, wie den computer-gestützten organisationalen Wissenstransfer und die Wissensgenerierung, aus der Perspektive einer Führungskraft. Zur Datenerhebung werden zwanzig Experteninterviews mit Führungskräften von Organisationen durchgeführt. Ziel dieser Befragungen ist es, neue Erkenntnisse über das organisationale Wissen, den Wissenstransfer und die Wissensgenerierung zu generieren, wobei die Führungskräfte in ihrer Rolle als Experten von Organisationen befragt werden. Die ganzheitliche Perspektive und die Entscheidungskompetenz der befragten Personen stellt ein wesentliches Kriterium dar vergleichsweise zur Befragung von Mitarbeitern in einer Wissensmanagement-relevanten Expertenrolle innerhalb der Organisation. Während des Forschungsprozesses werden Variable als Suchraster definiert, welche als Eigenschaftsdimension in unterschiedlicher Ausprägung innerhalb oder außerhalb der Organisation auftreten. Diese Variablen werden auf Basis der Expertenaussagen theoriegeleitet und generalisierend gebildet. Die unterschiedlichen Ausprägungen finden sich in den einzelnen Expertenaussagen wieder (siehe Kapitel 7.4.3). Gläser und Laudel definieren den Begriff der Variablen folgendermaßen: „Variablen sind Konstrukte, die veränderliche Merkmale der sozialen Realität beschreiben“ (Gläser, Laudel, 2004, S. 78). Die gewonnen Daten werden entsprechend der Auswertungsmethodik der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet (siehe Kapitel 7.4). Aufbauend auf den gewonnenen Erkenntnissen werden Hypothesen beziehungsweise Theorien gebildet. Nach Möglichkeit werden zusätzliche Kriterien für ein Modell der Knowledge Business Excellence generiert. Folglich wird zur Beantwortung der Forschungsfragen ein explorativer Forschungszugang gewählt.
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7.3 Die Methode: das Experteninterview
7.3.1 Grundsätzliches zur Methode: Begriffsdarstellung und Vorgehen Das Experteninterview stellt eine besondere Form des qualitativen Interviews dar. Methodisch betrachtet, existiert das qualitative Interview als solches nicht, sondern eine Vielzahl von ähnlichen, aber nicht identischen Erhebungsmethoden. Beispielhaft kann hier das narrative-, episodische-, problemzentrierte-, fokussierte- Interview genannt werden (Lamnek, 2005). Eine sehr allgemeine Definition zielt auf ein „planmäßiges Vorgehen mit wissenschaftlicher Zielsetzung, bei dem die Versuchsperson durch eine Reihe gezielter Fragen oder mitgeteilter Stimuli zu verbalen Informationen veranlasst werden soll“ (Scheuch 1967, S. 70). Experteninterviews werden in den verschiedensten Forschungsfeldern angewandt, sowohl als eigenständiges Verfahren als auch im Zuge eines Forschungsmix, wie beispielsweise bei Case Studies. In der empirischen Sozialforschung erfährt das Experteninterview keinen besonderen Stellenwert (Meuser, Nagel, 1991), obwohl die Methode des Experteninterviews von Forschern sehr oft angewandt wird (Bogner, Menz, 2005). Vergleicht man eine standardisierte Befragung mit einem Experteninterview, so sind wesentliche Unterschiede festzustellen, welche sich auf alle Phasen des Forschungsprozesses beziehen (Dexter, 1970 in Meuser, Nagel, 1991). Experteninterviews werden mit Personen geführt, die über ein spezielles Wissen in einer sozialen Situation verfügen, wobei das Ziel der Untersuchung und der Zweck des Interviews und die Rolle des Interviewpartners entscheidend sind (Gläser, Laudel, 2004). Daher wird der Expertenstatus der Person grundsätzlich durch das konkrete Forschungsinteresse bestimmt (Meuser, Nagel, 1991). Bei einem Experteninterview ist nicht die Gesamtperson, Gegenstand der Analyse, sondern der organisatorische und institutionelle Kontext. Dieser ist mit dem individuellen und kollektiven Lebenszusammenhang der befragten Person nicht identisch (Meuser, Nagel, 1991).
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“Experten sind Menschen, die ein besonderes Wissen über soziale Sachverhalte besitzen, und Experteninterviews sind eine Methode, dieses Wissen zu erschließen” (Gläser, Laudel, 2004, S. 10).
In der empirischen Forschung wird eine Person als Experte bezeichnet, wenn sie: „In irgendeiner Weise Verantwortung trägt für den Entwurf, die Implementierung oder die Kontrolle einer Problemlösung oder über einen privilegierten Zugang zu Informationen über Personengruppen oder Entscheidungsprozesse verfügt“ (Meuser, Nagel, 1991, S. 443).
Neben dem Prinzip der Offenheit (siehe Kapitel 7.2) kommt der Kommunikation eine besondere Bedeutung zu. Da soziale Systeme auf Kommunikationsprozessen und anschließend produzierten Bedeutungen und Erwartungen beruhen, muss dieser zentrale Aspekt mit einbezogen werden. Nach Luhmann ist Kommunikation die charakteristische, konstitutive Operationsweise eines sozialen Systems. „Die Gesellschaft besteht nicht aus menschlichen Körpern und Gehirnen. Sie ist schlicht ein Netzwerk von Kommunikation“ und sie ist die „kleinstmögliche Einheit“ (Luhmann, 1989b in Berghaus, 2004, S. 64). „Kommunikation ist autopoietisch stabil genug, um sich durchzusetzen, was immer nun passiert, ob sich ein Börsencrash ereignet, ein Krieg oder was immer. Man kann immer noch darüber reden, man kann es immer noch wiederum kommentieren. Selbst wenn ein großer Teil der Bevölkerung verschwände, würde der Rest immer noch reden und beklagen, was geschehen ist. Die Kommunikation ist wie das Leben eine sehr robuste, qua Autopoiesis hochgradig formelastische Erfindung der Evolution“ (Luhmann, 2002b in Berghaus, 2002, S. 74).
Der Prozess der Kommunikation kommt durch die Synthese zwischen den drei Selektionen Information, Mitteilung und Verstehen zu Stande (Luhmann, 1988, S. 11 in Froschauer, Lueger, 1998). Der Luhmannsche Kommunikationsbegriff ist für das Buch von besonderer Relevanz, da das Forschungsvorhaben in seinen systemtheoretischen Rahmen eingebettet ist und auf folgenden Selektionsphasen basiert:
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(1) Selektion der Information: Da Information ein systeminternes Element ist, wird diese durch den Beobachter konstituiert. Information wird durch den selektiven Akt der Aufmerksamkeit zu Information, das heißt es wird zunächst festgelegt, was überhaupt kommuniziert wird. Damit steht am Anfang jeder Kommunikation eine Differenz (siehe Kap. 6.1.1). Überträgt man das Konstrukt der Selektion der Information auf das konkrete Forschungsvorhaben, so wird erst durch die Selektion der Forscherin ein bestimmtes „Etwas“ zu relevanter Information. Diese Konstruktionen sind folglich die Eigenleistung der Autorin und damit quasi ein systeminternes Produkt der Forscherin. Die Frage, die in diesem Zusammenhang relevant ist, ist folglich jene der Auswahl (Froschauer, Lueger, 1998). (2) Selektion der Mitteilung: Eine Mitteilung ist ebenfalls eine getroffene Selektion durch eine Entscheidung für eine bestimmte Information beziehungsweise gegen eine andere mögliche Information, das heißt für bestimmte inhaltliche Sinnvorschläge und formale Darstellungsweisen gegenüber anderen Möglichen (Berghaus, 2003). Jede Mitteilung kann in unterschiedlicher Weise geschehen, sowohl sprachlich, als auch in nonverbaler Form. Im Forschungsprozess werden Informationen in Beiträge umgewandelt und so zu Mitteilungen mit der Möglichkeit einer Anschlusskommunikation (Froschauer, Lueger, 2003). Übertragen auf die Interviewsituation des Buches bedeutet dies Folgendes: Es werden Selektionen von Informationen in Fragestellungen umgewandelt und so als Mitteilung an den Experten transferiert. Die Selektionen der Informationen und die Selektion der Mitteilungen sind dem Sender, hier der Forscherin beziehungsweise der Interviewerin zuzuordnen, wogegen die dritte Selektion, jene des Verstehens das relevante Kriterium für den Empfänger beziehungsweise den Befragten darstellt, welcher für das eigentliche Zustandekommen der Kommunikation relevant ist. (3) Die Selektion des Verstehens: Kommunikation kommt mit dem Begriff des Verstehens im Luhmannschen Sinne zustande, nämlich nur dann, wenn der Empfänger einer Mitteilung versteht, dass es sich um einen Mitteilung handelt. Sobald eine Information als Mitteilung aufgefasst wird, versteht man, dass beim Mitteilenden eine Differenz zwischen Information und Mitteilung vorliegt, d.h. man versteht, dass: 129
„Der Andere über viele Informationen verfügt und er daraus nur einige zur Mitteilung in einer bestimmten Weise auswählt, man somit viele andere Informationen nicht mitgeteilt bekommt“ (Berghaus, 2003, S. 83). „Wir müssen deshalb auch die klassische Metapher aufgeben, Kommunikation sei eine Übertragung von semantischen Gehalten von einem psychischen System, das sie schon besitzt, auf ein anderes“ (Luhmann, 1997, 104 in Berghaus, 2003, S. 88).
Entsprechend der Sichtweise Luhmanns, ist weder Konsens noch Dissens das entscheidende Merkmal für Kommunikation, sondern das Entstehen von Anschlusskommunikation. Das zentrale Basiselement der Kommunikation ist demgemäß eine Differenz (siehe Kap.6.1.1). Während des Prozesses des qualitativen Interviews mit einer Führungskraft wird durch verschiedene Mitteilungen, Anschlusshandlungen beziehungsweise Anschlusskommunikationen angeregt, welche die Kontrolle über das Verstehen der Mitteilung ermöglich und weitere Handlungen beziehungsweise Kommunikationen anregen. Die einzelnen Selektionen im Kommunikationsprozess folgen den Mustern des Empfängers und sind durch systemspezifische Differenzschemata und den dahinter verborgenen Selektionskriterien beeinflusst. In qualitativen Interviews stellt sich folglich die Anforderung an den Interviewer, solche Muster auszulösen (Froschauer, Lueger, 2003, S. 29).
7.3.2 Expertenauswahl Die Expertenauswahl erfolgt in Bezug auf die forschungsrelevanten Fragen und die Relevanz der durch den Experten repräsentierten Rolle beziehungsweise Funktion und des Organisationstyps. Im vorliegenden Buch werden zwanzig Experteninterviews geführt; es werden Führungskräfte unterschiedlicher Organisations- beziehungsweise Branchentypen befragt, welche über einen entsprechenden Expertenstatus nach Meuser und Nagel verfügen. Dieser wird wie folgt beschrieben: „Als Experte wird angesprochen, wer in irgendeiner Weise Verantwortung trägt für den Entwurf, die Implementierung oder die Kontrolle einer Problemlösung
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oder wer über einen privilegierten Zugang zu Informationen über Personengruppen oder Entscheidungsprozesse verfügt“ (Meuser, Nagel, 2005, S. 73). „In ExpertInneninterviews fragen wir nicht nach individuellen Biographien, untersuchen wir keine Einzelfälle, sondern wir sprechen die ExpertInnen als RepräsentantInnen einer Organisation oder Institution an, insofern sie die Problemlösungen und Entscheidungsstrukturen (re)präsentieren“ (Meuser, Nagel, 1991).
Der Expertenstatus ist ein relationaler Status in Bezug auf das Forschungsinteresse. Die befragten Führungskräfte werden als Funktionsträger im organisatorischen Kontext befragt; Führungskräfte werden als Experten für Fragen der Steuerung von Organisationen eingestuft und auf Basis dieses Status, befragt. Gegenstand der Befragung ist das relevante Wissen und die relevanten Erfahrungen aus der Sicht ihrer Rolle. „Das Wissen des Experten, seine Handlungsorientierungen, Relevanzen usw. weisen zudem- und das ist entscheidend die Chance auf, in der Praxis in einem bestimmten organisationalen Funktionszusammenhang hegemonial zu werden, das heißt der Experte besitzt die Möglichkeit zur (zumindest partiellen) Durchsetzung seiner Orientierungen. Indem das Wissen des Experten praxiswirksam wird, strukturiert es die Handlungsbedingungen anderer Akteure in seinem Aktionsfeld in relevanter Weise mit“ (Bogner, Menz, 2005, S. 46).
Die Kompetenz von Experten zeichnet sich nicht nur durch einen exklusiven Wissensbestand aus, sondern durch ihre Zuständigkeit für die Bereitstellung, Anwendung und/oder Absicherung von Problemlösungen. Daraus resultiert eine Verantwortung in Bezug auf ein Mehrwissen, um über Rat- und Hilfskompetenz zu verfügen. Die Experten verfügen daher über privilegierte Informationszugänge und sind ebenfalls für die Implementierung von und/oder Kontrolle von Problemlösungen verantwortlich (Pfadenhauer, 2005, S. 116 f). Die Auswahl der Führungskräfte entsprechend ihrem Expertenstatus erfolgte einerseits aus Gründen der Vielfalt von Organisationstypen beziehungsweise Branchentypen und andererseits aufgrund der exemplarischen Natur eines Organisationstyps beziehungsweise Branchentyps. Die Basisstrategie einer solchen Vorgangsweise findet sich in zwei Prinzipien des theoretischen Samplings (Glaser, Strauss 1998, S. 53 ff.): 131
(a) Nach dem Prinzip der maximalen strukturellen Variation begibt man sich auf die Suche nach Extremfällen und möglichen Anomalien, um den Innenbereich zu umschließen und im Forschungsfeld allgemeine Charakteristika aufzuspüren (Reichweite der Schlussfolgerungen und deren Verallgemeinerbarkeit), (b) nach dem Prinzip der Unterschiedsminimierung wiederum lassen sich bisherige Interpretationen anhand ähnlicher Fälle prüfen, um Unschärfen der Argumentation zu identifizieren (Bogner, Littig, Menz, 2005, S. 231). Die maximale strukturelle Variation wird durch die Auswahl der Experten aus unterschiedlichsten Organisationstypen beziehungsweise Branchentypen gewährleistet. Es werden Experten unterschiedlichen Branchen- und Organisationstyps beziehungsweise unterschiedlicher Funktionssysteme nach Luhmann, befragt. Beispielweise werden einerseits Experten aus dem Kulturbereich und/oder dem öffentlichkeitsnahen Bereich und andererseits Experten aus dem Bereich der Produktion, des Transports und dem Logistikbereich et cetera, befragt. Die minimale strukturelle Variation findet ihre Entsprechung in der festgeschriebenen Rolle der Führungskraft. Zu den typischen Aufgaben der befragten Führungskräfte zählen die Steuerung, Entscheidungsfindung und Kommunikation betreffend der Organisation. Die Minimalität der Variation ist auch in Bezug auf die Expertenrolle als Führungskraft und die gleichzeitige Nicht-Expertenrolle für Wissensmanagement, gegeben. Die befragten Experten werden der Funktionselite der jeweiligen Organisation zugeordnet.
7.3.2.1 Experten im Kontext der Organisation Die Experten, hier Führungskräfte werden mit Hilfe eines strukturierten Leitfadens im betrieblichen Kontext interviewt. Entsprechend dem Forschungsdesign wird, folgend der Definition nach Meuser und Nagel, Betriebswissen erhoben. Im Mittelpunkt steht der Experte als erklärte Zielgruppe, welcher Auskunft über sein eigenes Handlungsfeld Organisation gibt. Im Vergleich dazu, werden bei Untersuchungen des Kontextwissens, die 132
Kontextbedingungen des Handelns untersucht. Das auf Betriebswissen fokussierte Experteninterview behandelt einen objekttheoretischen Fragen- und Aussagenkomplex im Bezugsrahmen der eigenen Organisation. In Ermangelung eines einheitlichen Idealrezepts für die Durchführung von Experteninterviews mit Führungskräften bezieht sich die Autorin auf die methodische Regel der Gegenstandsadäquanz: „Das der Forscher den Zugang zu bedeutungsstrukturierten Daten im allgemeinen nur gewinnt, wenn er eine Kommunikationsbeziehung mit dem Forschungssubjekt eingeht und dabei das kommunikative Regelsystem des Forschungssubjekt in Geltung lässt“ (Hofmann-Riem, 1980, S. 346 in Trinczek, 2005).
Im Vergleich zu den üblichen Standards der qualitativen Interviewführung verlangt eine Interviewsituation mit Managern beziehungsweise Führungskräften eine argumentativ-diskursive Interviewführung. Manager bedienen sich grundsätzlich managerialer Kommunikationsstrukturen und Verhaltensweisen, welche sich durch eine knappe, prägnante und durch keinerlei Abschweifungen gekennzeichnete Gesprächsstruktur auszeichnen, wie Trinczek meint: „Fragen von Vorgesetzten gestellt zu bekommen beziehungsweise selbst die richtigen Fragen zu stellen, ist integraler Bestandteil managerialer Arbeitssituationen“ (Trinczek, 2005, S. 213).
Diese Beschreibung unterstreicht die generelle Erwartungshaltung der befragten Experten an Interviews und Forschern gegenüber. In der Interviewsituation entsteht eine Art diametrales Verhalten zwischen den Gesprächspartnern vergleichsweise zu Interviewsituationen mit NichtManagern. Grundsätzlich werden im managerialem Kontext zwei verankerte Strukturen alltäglicher Kommunikation beobachtet: die Frage-AntwortStruktur und das Fachgespräch. Während des Interviews gilt es, diese dominante Frage-Antwort-Orientierung von Managern zu überwinden und sie zu längeren Ausführungen zu bewegen. Der Wechsel zwischen den unterschiedlichen Gesprächsstrukturen ist auffallend; diesem Wechsel sollte in einem gut geführten qualitativen Interview gefolgt 133
werden. Nach der Realisierung des Interviews ist eine neuerliche Änderung des Verhaltens der Manager in Richtung Fachgespräch festzustellen. Neben den hier beschriebenen managerialen Kommunikationsstrukturen ist der Katharsische Effekt ein häufig ein-tretender Effekt (Kern u.a. 1988 in Trinczek, 2005). „Katharsiseffekt meint, dass Befragte das Interview zur Kompensation nutzen, um ihrer beruflichen Unzufriedenheit Luft zu machen“ (Vogel, 1995 in Abels, Behrens, 2005, S. 183).
Aufgrund dieses Effekts können Schwierigkeiten in Interviews auftreten, wie beispielsweise Abschweifen des Experten oder geringer Informationsgehalt der getätigten Aussagen; allerdings besteht auch gleichzeitig die Chance, zusätzliche Informationen in Verbindung mit dieser Handlungsentlastung zu generieren; d.h. trotz knapper Zeitressourcen wird in einzelnen Interviews von Seiten des Befragten, das ursprünglich angegebene Zeitfenster überschritten, um beispielsweise über schwierige Situationen in der Organisation und in Bezug auf die Wahrnehmung der Führungsrolle zu berichten. Das Experteninterview ist zur Rekonstruktion von explizierbaren Wissensbeständen besonders geeignet, jedoch nicht oder nur sehr schwer zur Generierung von impliziten Wissensbestandteilen von Experten, was aber nicht heißt, dass nicht auch implizites Wissen während des Interviews zur Anwendung kommt (Pfadenauer, 2005). „Likewise there is an unavoidable paradox in attempting to study tacit knowledge by means of codification” (Baumard, 1999, S. 4).
Die Auswahl der Experten zielt auf die Gewinnung von Erkenntnissen in Bezug auf die Gesamtorganisation. Der Status Experte für Organisationen ist als Differenz zu Wissensmanagement-Experten die wichtigste Differenz bei der Analyse der gewonnenen empirischen Daten.
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7.4 Die qualitative Inhaltsanalyse
7.4.1 Beschreibung und Anwendung Die Auswertung der gewonnenen empirischen Daten erfolgt mittels der qualitativen Inhaltsanalyse. Der Einsatz dieser Methode ist besonders dann gerechtfertigt, wenn die Komplexität von Gegenständen erfasst werden soll (Mayring, 2003, S. 18). Anstelle einer allgemeinen Definition werden hier die wesentlichsten Faktoren beschrieben; zu viele unterschiedliche Definitionen sind in der Methodenliteratur zu finden. Mayring beschreibt die Ziele der Inhaltsanalyse folgendermaßen: „Kommunikation analysieren: fixierte Kommunikation analysieren; dabei systematisch vorgehen, das heißt regelgeleitet vorgehen, das heißt auch theoriegeleitet vorgehen, mit dem Ziel, Rückschlüsse auf bestimmte Aspekte der Kommunikation zu ziehen“ (Mayring, 2003, S. 13). „Ganz gleich, welchem Typus von qualitativen Daten man vorzieht, alle scheinen außerordentlich gut für die Entdeckung gegenstandsbezogener Theorien in den Bereichen und Problemfeldern der Soziologie geeignet zu sein“ (Glaser, Strauss 1979, S. 108; Strauss 1987 in Mayring, 2003).
Die Auswertung der Expertenaussagen orientiert sich an thematischen Einheiten, sprich an zusammengehörigen Inhalten, über einzelne Textteile hinausgehend. Die thematischen Einheiten werden entsprechend dem sogenannten Funktionskontext verortet, konkret dem Funktionssystem Wirtschaft mit seinen relevanten Handlungsoptionen. Jede Aussage eines Experten wird als kontextspezifische Aussage interpretiert; die befragte Führungskraft tritt demgemäß als Person in seiner biografischen Motiviertheit in den Hintergrund. „Es ist der gemeinsam geteilte institutionell-organisatorische Kontext der Experten, der die Vergleichbarkeit der Interviewtexte weitgehend sichert“ (Meuser, Nagel, 2005, S. 81).
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Die Vergleichbarkeit der Expertenaussagen wird durch die Kontextbezogenheit und durch die strenge leitfadenorientierte Interviewführung gewährleistet.
7.4.2 Auswertungsmethodik Entsprechend der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse sind nach Gläser und Laudel (2004), unabhängig von den vorliegenden Texten, stets bestimmte Operationen verbunden: Das Aufbauen eines geschlossenen Kategoriensystems vor der Analyse, das Zerlegen des Textes in Analyseeinheiten, das Durchsuchen des Textes auf relevante Informationen und die Zuordnung dieser Informationen zu den Kategorien, dem Vercoden des Textes. Gläser und Laudel (2004) differenzieren grundsätzlich zwischen den Begriffen der Extraktion und der Kodierung von Texten. Folgt man diesen Begriffen, so werden Daten aus Texten mittels Extraktion gewonnen, das heißt die Entnahme von Informationen aus dem vorliegenden Text zum Zweck der Auswertung; bei der Kodierung, der Indizierung des Textes, sind sowohl der Text, als auch der Index, Gegenstand der Auswertung. In der vorliegenden Auswertungsmethodik werden Daten aus den Interviewtexten extrahiert und ausgewertet. Im Vergleich zu einer Einzelfallanalyse ist der jeweilige Text des Experteninterviews die Basis für das ÜberindividuellGemeinsame aller Interviewtexte. Das Ziel ist das Herausarbeiten von Erkenntnissen über gemeinsam geteilte Wissensbestände, Relevanzstrukturen, Wirklichkeitskonstruktionen, Interpretationen und Deutungsmuster, wobei die Experten als Repräsentanten des Funktionssystems Wirtschaft beziehungsweise jenes des Wirtschaftsprämissen orientierten öffentlichen Systems, befragt werden. Der Prozess der Analyse konzentriert sich auf die laufende gleichzeitige Suche nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden, welche durch die Aussagen der Experten herausgearbeitet und dokumentiert werden (Meuser, Nagel, 2005). Entsprechend diesem Prinzip der qualitativen Inhaltsanalyse wird eine von den Ursprungstexten unabhängige Informationsgrundlage für die Auswertung geschaffen. Nur diese neue Informationsbasis ist für die 136
Auswertung und für die Beantwortung der Forschungsfragen relevant, wobei grundsätzlich festzuhalten ist, dass die Inhaltsanalyse kein vom Material unabhängiges Standardinstrument ist. Im Gegenteil, es wird auf die spezifischen Fragestellungen hin konstruiert (Mayring, 2003). Der Prozess der Auswertung der Experteninterviews im vorliegenden Buch, schießt sich in weiten Teilen den Vorschlägen von Meuser und Nagel an (Meuser, Nagel, 2005, S. 80 ff). Der Prozess läuft in mehreren Phasen ab und kann wie folgt beschrieben werden: In einem ersten Schritt werden alle Experteninterviews mit dem Ziel der inhaltlichen Vollständigkeit transkribiert, um eine bestmögliche Basis für die weitere Analyse zu generieren. Dieser Prozessschritt ist aus der Sicht der Autorin besonders wichtig, allerdings sehr zeitaufwändig, wie auch King unterstreicht: „Difficult and time consuming though transcription is, there really is no satisfactory alternative to recording and fully transcribing qualitative research interviews“(King 1994, S. 25).
Im Vergleich zu narrativen Interviews sind bei Experteninterviews aufwendige Notationssysteme nicht notwendig, d.h. Pausen, Stimmlage oder nonverbale Elemente et cetera werden nicht transkribiert, da das Betriebswissen des Experten im Vordergrund steht. Durch eine digitale Aufzeichnung wird eine wortgetreue Transkription und entsprechende Dokumentation ermöglicht. Die Alternative des Abhörens und Zusammenfassens der Aussagen wurde aus Gründen der methodischen Kontrollierbarkeit abgelehnt (Gläser, Laudel, 2004). Im zweiten Schritt erfolgen die Paraphrasierung des Textes und die anschließende Bildung von Überschriften, um eine Verdichtung des Textes zu erreichen. Es wird jeweils das Betriebswissen und nicht die Person des Experten analysiert; der Experte dient als Medium, um zum Betriebswissen zu gelangen (Meuser, Nagel, 2005). Danach folgt der thematische Vergleich des Textes beziehungsweise der Vergleich der Aussagen der Experten, welcher durch die Suche nach thematisch vergleichbaren Textteilen über das einzelne Interview hinausgehend, erzielt wird.
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Das Ergebnis des thematischen Vergleichs sind theoretische Konstrukte, welche vom Text und der Terminologie des Befragten abgelöst sind und eine organisationsbezogene wissensrelevante Variable im Kontext der Organisation repräsentieren (siehe Tabelle Kategorie und theoretische Konstrukte, Kapitel 7.4.3). Der nächste Auswertungsschritt umfasst die Erstellung eines Kategoriensystems, welches der Nachvollziehbarkeit und Intersubjektivität des Vorgehens gerecht werden soll. Generell wird in der Literatur wenig über die Bildung von Kategorien gesagt; dieses Vakuum unterstreicht Krippendorff mit folgender Aussage: „How categories are defined is an art; little is written about it“ (Krippendorff, 1980, S. 76).
Meuser und Nagel beschreiben Kategorien folgendermaßen: „In einer Kategorie ist das Besondere des gemeinsam geteilten Wissens eines Teils der Experten verdichtet und explizit gemacht; Der Prozess der Kategorienbildung impliziert einerseits Subsumieren von Teilen unter einem allgemeine Geltung beanspruchenden Begriff andererseits ein Rekonstruieren dieses allgemeinen, für den für den vorgefundenen Wirklichkeitsausschnitt gemeinsam geltenden Begriff“ (2005, S. 88).
Das Verfahren der Zuordnung von Materialbestandteilen zu einer Kategorie wird durch Hauser/Mayring/Strehmel beschrieben (Mayring, 2003, S 83). (1) Definition der Kategorien: Es wird genau definiert, welche Textbestandteile unter eine Kategorie fallen; (2) Ankerbeispiele: Es werden konkrete Textstellen angeführt, die unter eine Kategorie fallen und als Beispiele für diese Kategorie gelten sollen; (3) Kodierregeln: Es werden dort, wo Abgrenzungsprobleme zwischen Kategorien bestehen, Regeln formuliert, um eindeutige Zuordnungen zu ermöglichen. In einem finalen Schritt werden die empirisch gewonnenen Erkenntnisse im Sinne einer Generalisierung interpretiert und anschließend formuliert. Dieser rekonstruktive Schritt dient der Herstellung von Sinnzusammenhängen zu Typologien und theoretischen Erkenntnissen. Theorie und Empirie werden miteinander
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konfrontiert, um anschließend Schlussfolgerungen im Hinblick auf die empirischen Erkenntnisse zu treffen (Meuser, Nagel, 2005). Die einzelnen Interviews werden während der Auswertung in Bezug auf innere Stimmigkeit geprüft, dem sogenannten Cross-Checking. Für Experten ist es grundsätzlich schwierig über die Gesamtdauer eines Interviews zu täuschen und eine Überzeugung zu vertreten, die nicht der eigenen Wahrheit entspricht. Daraus folgt, dass Experten während der Interviewsituation tendenziell Aussagen nicht tätigen als bewusst zu täuschen. „Eine Gewähr, dafür, dass die ExpertInnen sich nicht allzu weit vom Boden der Tatsachen entfernen, besteht allerdings darin, dass sie damit rechnen, dass auch KollegInnen interviewt werden. Darin sehen wir einen immanenten Zwang zur Wahrheit und dazu, z.B. eher zu schweigen als zu lügen. Die Äußerungen subjektiver Einschätzungen wird dabei nicht verhindert“ (Meuser, Nagel, 2005, S. 91).
Die Autorin ist sich bewusst, dass nicht alle relevanten Wissensbestandteile kommuniziert werden und folglich implizit bleiben. Im Vergleich zu quantitativen Forschungsmethoden werden bei qualitativen Methoden nicht alle Daten präsentiert, aus welchen Schlussfolgerungen gezogen werden; dies wird als nicht zu erreichender Idealzustand bezeichnet (Gläser, Laudel, 2004). Die Inhaltsanalyse erfolgte gemäß folgender Phasen: (1) Transkription des Betriebswissens, (2) Paraphrasierung der Texte und Bildung von Überschriften, (3) Thematischer Vergleich und Bildung der theoretischen Konstrukte, (4) Erstellung eines Kategoriensystems, (5) Theoretische Generalisierung und Interpretation der Daten. Nach Durchführung dieser Prozessschritte werden die gewonnen Erkenntnisse interpretativ und deskriptiv ausgewertet, d.h. die Expertenaussagen werden in Form von generalisierenden Beschreibungen, in Verbindung mit relevanten Zitaten darstellt. Eine Quantifizierung des Datenmaterials erfolgte durch Zählung der wissensrelevanten Variablen und einer Kategorisierung in Bezug auf die Relevanz für die jeweilige Kategorien Umwelt, Organisation und/oder Technologie“ durch die Bildung von Medianen. 139
Die Quantifizierung wird nicht explizit im vorliegenden Buch beschrieben, stützt jedoch die gewonnenen empirischen Erkenntnisse im Hintergrund (siehe Anhang). Zusammenfassend wird festgehalten, dass die Auswertung des Datenmaterials durch einen Mix aus qualitativen und quantitativen Auswertungsmethoden erfolgte, wobei der Schwerpunkt bei der Anwendung der qualitativen Inhaltsanalyse liegt.
7.4.3 Kategorien und wissensbezogene Variablen in Organisationen Die qualitative Inhaltsanalyse erfolgt in mehreren Prozessschritten (siehe Kapitel 7.4.2). Wesentlichster Prozessschritt ist jener des Thematischen Vergleichs und der Bildung der theoretischen Konstrukte; aus diesem Grunde wird diesem dritten Auswertungsschritt ein gesondertes Kapitel gewidmet. Eine Besonderheit bei der Analyse und Interpretation des Textmaterials liegt aus der Sicht der Autorin in den inhärenten Eigenschaften des Untersuchungsgegenstands Wissen selbst, wie jener der Flüchtigkeit, Kontextbezogenheit und mangelnden Messbarkeit (siehe Kapitel 4.2.2). Diese Wesensmerkmale verlangen ein besonders sorgsames und strukturiertes Vorgehen bei allen Prozessschritten, beginnend bei der Vorbereitung und Durchführung der Experteninterviews und in Fortsetzung bei der Analyse und Auswertung des Datenmaterials. Der verwendete Interviewleitfaden wird entsprechend den inhaltlichen Kategorien „Wissen allgemein, Kernkompetenz, Wissensgenerierung, organisationales Lernen, Wissenstransfer und Knowledge Business-Excellence“ (siehe Kapitel 7.4) strukturiert. Das Ziel des dritten Auswertungsschrittes ist die systematische Strukturierung des Datenmaterials. Die gebildeten Überschriften aus dem Textmaterial werden den wissensrelevanten Variablen beziehungsweise theoretischen Konstrukten zugeordnet, welche die inhaltlich vergleichbaren Aussagen von Experten repräsentieren und theorienahe gebildet werden. Bei den wissensrelevanten Variablen handelt es sich um organisationsbezogene wissensrelevante Operationen wie Wissens140
transfer, Wissensstrukturierung, Wissensgenerierung, Kernkompetenz und organisationales Lernen. Allgemein werden Variable als veränderliche Merkmale der sozialen Realität beschrieben (Gläser, Laudel, 2004, S. 78) oder wie Luhmann definiert: „Variablen sind Begriffe, die planmäßig unbestimmt bleiben; sie sind Leerstellen, die aber nicht beliebig, sondern nur in bestimmter Weise, durch begrenzte Möglichkeiten ausgefüllt werden können“ (Luhmann, 1997:624 in Gläser, Laudel, 2004).
Eingebettet in den systemtheoretischen Rahmen nach Luhmann, wird zwischen systeminternen und systemexternen Operationen differenziert. Diese Unterscheidung determiniert die Zuordnung einer Variablen zur jeweiligen Kategorie. Laut Luhmann ist die Person nicht Teil einer Organisation, sondern Teil der Umwelt; Personen sind ausschließlich durch die Kommunikation, als kleinste soziale Einheit und nicht als Person selbst, in der Gesellschaft repräsentiert. Folglich werden personenabhängige wissensrelevante Variable der Kategorie Umwelt zugeordnet. Die Zuordnung erfolgt demgemäß nach systemtheoretischen Prinzipien; sie ist jeweils exklusiv und schließt die wechselseitige Zuordnung zu mehreren Kategorien, aus. Da die Zusammenhänge in der sozialen Realität komplex und vielschichtig sind, kann letztlich nicht von exklusiv zuordenbaren Variablen einer bestimmten Kategorie ausgegangen werden. Eine Ausnahme stellt einzig die Kategorie Informationstechnologie dar. Diese wird als Enabler für systeminterne und systemexterne wissensrelevante Operationen in Organisationen determiniert. Im Kontext des systemtheoretischen Bezugsrahmens erfolgte folgende Zuordnung: Zur Kategorie Umwelt werden folgende Variable gezählt: x x x x x x
Komplexität Halbwertszeit/Aktualität/Relevanz technologischer Fortschritt strukturelle Kopplung Veränderungsrelevanz/Umwelt Handlungsrelevanz/Praxis/Person 141
x x x x
Wissen und Nicht-Wissen/Person Wissenstransfer/Person7 Verknüpfung explizites und implizites Wissen/Person Entscheidungsrelevanz/implizites Wissen8
Diese Konstrukte nehmen auf personenrelevante und organisationsexterne Variablen, Bezug. Zu den personenrelevanten Variablen zählen jene, die unmittelbar an die Person geknüpft sind, wie Entscheidungsfindung und Verknüpfung von explizitem und implizitem Wissen. Organisationsexterne Variablen beziehen sich hingegen auf Phänomene außerhalb der Steuerungs- und Einflussmöglichkeiten von einzelnen Personen und der Organisation. Der Kategorie Organisation werden folgende Variablen subsumiert: x x x x x x x x x x x x
Organisationsrelevanz/Organisation Organisationsrelevanz/Sinn/Zweck Organisationsrelevanz/Bereichstypus Organisationsrelevanz/Branchentypus finanzielle Ressourcen9, Strategie/Organisation Wissen und Nicht-Wissen der Organisation Wissenstransfer/Organisation/Technologie Wissensstruktur/Organisation/Technologie Wissensgenerierung/Organisation organisationale Fähigkeit Veränderungsrelevanz Veränderungsrelevanz/Organisation
Diese Konstrukte nehmen auf systeminterne Phänomene, wie Strukturen, Prozesse und Regelsysteme und des Weiteren auf alle wissensrelevanten Operationen in einer Organisation, Bezug; Fragen, welche auf die Besonderheiten der konkreten Organisation abzielen und 7 Wissenstransfer einer Person wird mit dem Begriff des Lernens gleichgesetzt. 8 Exemplarische Auflistung entscheidungsrelevanter Wissensarten durch Experten. 9 Humane Ressourcen werden dem Konstrukt „finanzielle Ressourcen“ subsumiert, da diese aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein Kostenfaktor sind.
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sich auf die Fähigkeit der Umsetzung von wissensrelevanten Aufgaben beziehen, sind Teil dieser Kategorie. Der Kategorie Informationstechnologie werden die Variablen x x
Technologie und Dokumentation/Qualität
zugeordnet. Die folgenden Tabellen zeigen eine Zusammenschau der übergeordneten Kategorien und der zugeordneten theoretischen und empirischen Konstrukte: Kategorie UMWELT Theoretisches Konstrukt/ wissensrelevante Variable Komplexität Halbwertszeit/Aktualität/ Relevanz Technologischer Fortschritt Strukturelle Kopplung Veränderungsrelevanz/Umwelt
Handlungsrelevanz/Praxis
Wissen und Nicht-Wissen des Wissensträgers
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Empirisches Konstrukt10/Expertenaussage intern/extern/Vernetzung Lebenszyklen/Schnelligkeit/Veränderungen/ Verbreitung Technologischer Fortschritt/Effizienz/schnellerer Zugriff Kunden/Mitbewerber/künftige Mitarbeiter/Partner/Kooperationen Makroökonomische Rahmenbedingungen/Gesetze/Ausgliederung aus Bundesbudget/ externe Faktoren/Trends Führung/Verhalten/Routine/Wissensanwendung/Sozialtypus/Kulturtypus/lessons learned/ Akzeptanz/geistige Barriere/Wahrnehmung/ unterschiedlicheBlickwinkel/Werthaltung/Motivation/geistiger Umdenkprozess/ Denkhaltung/„beflügelte“ Mitarbeiter/Umdenkund Lernprozess/Betriebsblindheit/Erfahrungshintergrund/gemeinsames Verständnis/Umgang mit Wissen/Überwindung des Einzelkämpfertums/ Freiwilligkeit/Erklärungsmuster des Einzelnen/Bewusstsein & Denkmechanismen/Coaching System Fluktuation/Abbau/Spezialisierung
Exemplarische Aufzählung von Konstrukten durch Experten.
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Kategorie UMWELT - Fortsetzung Wissenstransfer des Wissensträgers 11) Verknüpfung explizites & implizites Wissen des Wissensträgers Entscheidungsrelevanz/implizites Wissen des Wissensträgers12
HR-Maßnahmen/geordnete Übergabe Schlüsse ziehen/beide Wissensarten
Erfahrungen/wenig Expertenwissen/schnelle Auffassung/Intuition/Denkmuster/Einschätzung von Personen/Entscheidungen herbeiführen/ Glaubwürdigkeit/Authentizität/Managementaufgabe/Führungsposition/Nacharbeiten & Aufarbeiten/Gelassenheit/keine Aufregung/Erfahrung sinnvoll verwerten/aus Unsicherheit entscheiden/tägliche Lektüre/Kreativität/Kontext der Person/Persönlichkeit/Schlüsse ziehen/Einschätzung der Kräfte von Mitarbeitern
Tabelle 5: Kategorie Umwelt und wissensrelevante Variable beziehungsweise theoretische Konstrukte und deren Anformungen in Organisationen
Kategorie ORGANISATION Theoretisches Konstrukt/ wissensrelevante Variable Organisationsrelevanz
Organisationsrelevanz/Sinn/ Zweck Organisationsrelevanz/ Bereichstypus
11
12 13 14
Empirisches Konstrukt13/Expertenaussage KMU14/Nicht-KMU/Unternehmensgröße/Pragmatisierung/Stabilität als internationale Organisation/Tradition/Unternehmensebenen/Eigentümerschaft/Vermögen/Netzwerk/Vision/Freiheit/Kontrolle/ Kontextabhängigkeit: Zeit-Rahmen-Akteure/ unterschiedliche Blickwinkel/Heterogenität Das„Funktionieren“/Kennzahlen/Resultate/Wirtschaftlichkeit/Ergebniserzielung/Standortbeurteilung/Effektivität/Ergebnisse Bereich Kommunikation/Rechnungswesen
Wissenstransfer der Person wird von der Autorin mit dem Begriff des Lernens gleichgesetzt. Exemplarische Auflistung entscheidungsrelevanter Wissensarten von Führungskräften. Exemplarische Aufzählung von Konstrukten durch Experten. Klein- und Mittelbetriebe (KMU).
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Kategorie ORGANISATION - Fortsetzung Organisationsrelevanz/Branchen typus Finanzielle Ressourcen15 Strategie Wissen und Nicht-Wissen der organisationalen Wissensbasis Computer-gestützter Wissenstransfer/Technologie Computer-gestützte Wissensstruktur/Technologie Computer-gestützte Wissensgenerierung Organisationale Fähigkeit
Veränderungsrelevanz/Lernen
Veränderungsrelevanz der organisationalen Wissensbasis
Branche Kultur Aufwand/Zeit/Human Ressourcen/unternehmerisches Risiko/Unternehmensdruck Strategie/Politik Eigene Lösungen/lange Wertschöpfungskette/Singularität/Wettbewerb/gesetzliche Bestimmungen/Auflagen/Sicherheit Schutz/Zugang/Teamarbeit & Kommunikation Verteilen/Strukturierung/verdichtetes & präzises Wissen/regionales- & zentrales Wissen/Differenzierung in nützliches nicht-nützliches Wissen Data Reporting System/Kreativität/komplexe Kundenprobleme Planungskompetenz/Krisenorientierung/ Problemorientierung/Beispiele sind in allen Köpfen/Fehlerkultur/Explikation von Fehlern/Anpassungsund Problemlösungsfähigkeit Organisationen lernen langsam/Trägheit/ Beharrungsvermögen/organisationales-Vergessen/Anreichern/Frag-mentierung/Vernetzen/Institutionalisierung Bestimmte Erfahrungen/Vision/Strategie/Feedback aus Workshops/Wissensintegration/Lernen aus Fehlern/Schäden/Problemfälle/Leiden/laufender Prozess/ Raumsituation/räumliche Größe/ Lern-organisation/Lernen in Teams/menschliche Werte/Mitarbeiterbefragungen/Evaluierungen/ Organisationsentwicklung/Grund-verständnis/ Abkommen von Idealtypus/Formierung von Teams
Tabelle 6: Kategorie Organisation und wissensrelevante Variable beziehungsweise theoretische Konstrukte und deren Anformungen in Organisationen
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Human Ressourcen werden dem Konstrukt „finanzielle Ressourcen“ subsumiert, da diese aus betriebswirtschaftlicher Sicht einen Kostenfaktor darstellen.
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Kategorie TECHNOLOGIE Theoretisches Konstrukt/ wissensrelevante Variable Technologie Dokumentation/Qualität
Empirisches Konstrukt16/Expertenaussage Data Reporting-System/gutes Ablagesystem Nachvollziehbarkeit/Entscheidungsgrundlage/Qualität/richtiger Mix/Sinnhaftigkeit
Tabelle 7: Kategorie Technologie und wissensrelevante Variable beziehungsweise theoretische Konstrukte und deren Anformungen in Organisationen
7.5 Zusammenhang zwischen forschungsleitenden Fragestellungen, Erhebungsinstrument und Ergebnissen Entsprechend dem Research Design wurden die forschungsleitenden Fragestellungen mittels Experteninterviews erhoben. Die Befragung erfolgte entlang eines strukturierten Leitfadens, welcher in die Themenabschnitte Allgemein, Kernkompetenz, Wissen und Wissensgenerierung, organisationales Lernen und Wissenstransfer (siehe Anhang Interviewleitfaden) gegliedert war. Um den Abstraktionsgrad einzelner Fragestellungen zu verringern und gleichzeitig Praxisnähe zu erlangen, wurde der Leitfaden deduktiv aufgebaut und kurze thematische Einführungen vor einem neuen Themenblock durchgeführt. Die Befragung war in folgende Fragegruppen unterteilt: Der allgemeine Teil diente der Hinführung zur Wissensperspektive generell und zur Erhebung der Bedeutung des Wissens für die einzelne Organisation. Des Weiteren wird auf die Unterscheidung zwischen implizitem und explizitem Wissen mittels einer Tabelle hingeführt. Der erste Themenblock bestand aus drei offenen Fragen und einer geschlossenen Frage zum Begriff des impliziten Wissens. Der Abschnitt Kernkompetenz bestand aus einer offenen Hauptfrage und zwei geschlossenen Zusatzfragen. Der Begriff Kernkompetenz wurde mittels Definition eingeführt und so von den Begriffen Kernprodukten, 16
Exemplarische Aufzählung von Konstrukten durch Experten.
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Kernmärkten und Kerngeschäftsfeldern, abgegrenzt. Der Fragenblock Wissen und Wissensgenerierung fokussierte auf die Bedeutung der Ressourcen Wissen und Kapital, welcher insgesamt vier Hauptfragen und fünf Zusatzfragen behandelte. Eine Zusatzfrage richtete sich explizit an den Experten in ihrer persönlichen Rolle als organisationaler Wissensträger. Der Abschnitt Organisationales Lernen grenzte individuelles von organisationalem Lernen ab und bestand aus zwei Hauptfragen und drei Zusatzfragen. Der abschließende Fragenblock Wissenstransfer führte abermals auf die Differenz zwischen implizitem und explizitem Wissen hin. Der Abschnitt setzte sich aus vier Hauptfragen und drei Zusatzfragen zusammen. Eine der Fragen zielte in Richtung Kriterien für ein Modell der Knowledge-Business Excellence. Die folgende Übersicht präsentiert den beschriebenen Forschungszusammenhang. Forschungsleitende Fragestellungen
Interviewleitfaden/ Themenblock
1. Welche Bedeutung hat Wissen für das soziale -Wissen allgemein System Organisation, systemintern und -Kernkompetenz systemextern? Ist Wissen die Kernkompetenz einer Organisation?
Zuordnung Ergebnisse zu Kapiteln 8.1.1 8.1.1.1 - 8.1.1.4 8.1.2
2. Welche Variablen sind für den Wissenstransfer relevant, sowohl systemintern als auch systemextern?
- Wissenstransfer
8.1.4 8.1.4.1 - 8.1.4.3
3. Wie findet Wissensgenerierung in der Organisation statt? Welchen Stellenwert hat Informationstechnologie?
-Wissensgenerierung -Wissen allgemein
8.1.3 8.1.3.1 - 8.1.3.4 8.1.1.5
4. Welche Variablen beeinflussen den impliziten und expliziten Wissenstransfer?
-Wissenstransfer -Wissen allgemein
8.1.4, 8.1.1.3, 8.1.1.4, 8.1.3.3
5. Welcher Zusammenhang besteht zwischen -Wissen & Wissens Wissensgenerierung und Entscheidungs- generierung prozessen in einer Organisation?
8.1.3 8.1.3.1, 8.1.3.3
6. Welche Ziele verfolgen Führungskräfte in Bezug auf wissensrelevante Prozesse
8.1.3.1 - 8.1.3.3 8.1.4
-Wissensgenerierung - Wissenstransfer
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Fortsetzung vorherige Tabelle 7. Welche organisatorischen Variablen beeinflussen den Wissenstransfer und welche Schwierigkeiten treten in diesem Zusammenhang auf? Gibt es Lösungsansätze? 8. Welche Variablen sind für eine wissensexzellente Organisation relevant?
- Wissenstransfer
- Wissen & Wissens generierung - Organisationales Lernen
8.1.4 8.1.4.1 - 8.1.4.3 8.1.5, 8.1.5.1, 8.1.5.2 8.1.3.3 8.1.5 8.1.5.1 – 8.1.5.2
Tabelle 8: Zusammenhang zwischen den forschungsleitenden Fragestellungen, dem Erhebungsinstrument und der Darstellung der Ergebnisse
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8. Empirie - Teil 2
An dieser Stelle des Buches erfolgt die Verknüpfung des expliziten Wissens mit implizitem Wissen: Eingebettet in die Systemtheorie nach Luhmann, dienten die beschriebenen, expliziten, theoretischen Ansätze und Modelle als Basis für die Generierung der wissensbezogenen Expertenfragen. Die Auswertung der Expertenaussagen erfolgte mittels qualitativer Inhaltsanalyse. Konkret wurden anhand der Expertenaussagen, welche jeweils aus dem impliziten Erfahrungshintergrund resultieren, unterschiedliche wissensrelevante Variable gebildet und ein relevanter, systemtheoriekonformer Auswertungsraster entwickelt; dieser wurde in die Kategorien Umwelt, Organisation und Informationstechnologie, gegliedert. Die Auswertung und Interpretation der Expertenaussagen erfolgte entlang dieser determinierten Struktur und führt letztendlich zur Ableitung von generalisierenden Erklärungsansätzen.
8.1 Untersuchungsergebnisse Die Analyse der Experteninterviews mit Führungskräften hat Erkenntnisse über den Status-quo der Wissensgenerierung und den Wissenstransfer im organisationalen Kontext ermöglicht. Besonders zwei Aspekte sind vorab hervorzuheben: die informationstechnologische Komponente in der Funktion des Enablers für organisationale Prozesse und Maßnahmen und die personale Komponente in der Funktion des Wissens- und Entscheidungsträgers.
149 D. Burger, Computergestützter organisationaler Wissenstransfer und Wissensgenerierung, DOI 10.1007/978-3-531-93047-3_8, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
8.1.1 Wissen in Organisationen Wissen wird in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur (siehe Kapitel 4.1.) als wichtigste Ressource industrieller Innovationsprozesse genannt, denn die industrielle Gesellschaft hat sich durch diese Durchdringung in eine Wissensgesellschaft transformiert (Küppers in von Mutius, 2004, S. 44). Demzufolge ist die gezielte Steuerung von wissensrelevanten Aufgaben eine der wesentlichsten Aufgaben von Führungskräften, welche sich sowohl auf interne als auch auf externe Prozesse der Organisation bezieht. Informationstechnologie wird als Enabler eingestuft und ist folglich wichtiger Bestandteil eines zeitgemäßen Organisationsprozesses. Sie ist unverzichtbares Werkzeug und Treiber für die innere Dynamik von Organisationen, unter anderem auf Grund des technologischen Fortschritts. Informationstechnologie ist jedoch nicht wesentlichster Initiator für organisationale Veränderungen, sondern vielmehr unverzichtbarer Enabler für computer-gestützte organisationale Prozesse. Im vorliegenden Buch werden Führungskräfte, in ihrer Rolle als Experten von Organisationen befragt (siehe Kapitel 7.3.2.1), wobei folgende Fragestellungen im Mittelpunkt des Interesses stehen: Die Relevanz von Wissen für eine Organisation, die Frage der Kernkompetenz, der Wissensgenerierung, des organisationalen Lernens in einem dynamischen Umfeld und Fragen zum Wissenstransfer innerhalb der Organisation und über Organisationsgrenzen hinweg. Die Befragung verfolgt das Ziel, die Relevanz des Wissens im Kontext von Organisationen aus der Perspektive von Führungskräften zu analysieren und relevante Kriterien für ein Modell der Knowledge Business-Excellence zu generieren. Der Fokus ist einerseits auf Organisationen, als Teil des Funktionssystems Wirtschaft und andererseits auf Organisationen als Teil des dualen Funktionssystems Wirtschaft und Öffentlichkeit gerichtet. Das Funktionssystem Wirtschaft steht unter der Prämisse beziehungsweise dem binären Code nach Luhmann „Zahlen“ beziehungsweise „Nicht-Zahlen“(siehe Kapitel 6.2.1). Wirtschaftliche Gewinnmaximierung ist das Ziel dieses Systems als Teilsystem des gesellschaftlichen Gesamt150
systems. Organisationen im Kontext dieses Teilsystems operieren mit knappen Ressourcen zum Zweck der wirtschaftlichen Gewinnmaximierung, eingebettet in ein bestimmtes Wettbewerbsumfeld. Wissen ist im Kontext wirtschaftlicher Entscheidungsprozesse, neben den finanziellen Ressourcen, ebenfalls knappe Ressource. Folglich hat die Steuerung von Wissen und gleichzeitig von Nicht-Wissen große Relevanz für die Steuerung einer Gesamtorganisation. Organisationen, welche sowohl dem Funktionssystem Wirtschaft als auch jedem der Öffentlichkeit zuzuordnen sind, unterliegen zwei diametralen binären Codes, dem genannten wirtschaftsrelevanten- und dem entscheidungsrelevanten Code, welcher durch das Interesse der Öffentlichkeit determiniert ist. Dieser Code wird von der Autorin als „Politikdeterminiert“ beziehungsweise „Nicht-Politik - determiniert“ bezeichnet. Fragen der wirtschaftlichen Nutzung von Wissen treten zunehmend als gesellschaftliches Phänomen auf. Diese betreffen den Bereich der Wertorientierung von Organisationen beziehungsweise jenen der Ethik. Wissensrelevante Fragestellungen im Kontext von Organisationen werden im Kapitel 4.2.5 besprochen. Als theoretische Hintergrundfolie wird die Idee des Theoretikers Spencer-Brown aufgegriffen, welcher mit den „Laws of Form“ einen Denkansatz der die Setzung von „Differenzen“ begründet, demzufolge erst die Wahl einer bestimmten Differenz, also einer getroffenen gedanklichen Unterscheidung, die Ausrichtung beziehungsweise Art der Erkenntnis determiniert (siehe Kapitel 6.2.). Da Wissen eine inhärente Eigenschaft einer Person ist und erst durch verschiedene Formen der Umwandlung expliziert werden kann beziehungsweise in organisationales Wissen transferiert werden kann, wurde die Differenz „Personen“- beziehungsweise „Nicht-Personen“- bezogenes Wissen und „organisations“- beziehungsweise „Nichtorganisations“- bezogenes Wissen gezogen (siehe Kapitel 5.1.3). Zunächst wird der Frage nachgegangen: „Worauf nehmen Experten in erster Linie Bezug, wenn sie von Wissen sprechen“. Entsprechend dem systemtheoretischen Bezugsrahmen nach Luhmann, sind Personen nicht Teil eines Systems, sondern Teil der Umwelt. Die kleinste soziale Einheit eines Systems ist die Kommunikation, sowohl innerhalb des Systems, als auch über die Systemgrenzen der Organisation hinweg. Personen als 151
humane Wesen sind nicht Gegenstand der Luhmann´schen Systemtheorie, denn sie existieren als soziale Wesen nur durch die stattfindende Kommunikationen. Die Befragung der Experten berücksichtigt neben der Kategorie Umwelt und Organisation, ebenfalls die Informationstechnologie und dessen Stellenwert in der Organisation. Ergänzend zur Differenz „Person/Nicht-Person“ und „Organisation/Nicht-Organisation“ wurde daher die Kategorie „Informationstechnologie“ mitberücksichtigt (siehe Kapitel 4.2.4.). Informationstechnologie wird als Enabler für organisationale Transaktionen und Initiator für neue strukturelle Kopplungen eines Systems betrachtet. Bei der Auswahl der Organisationen hat man sich auf die Suche nach vermuteten Extremfällen in Bezug auf die Nutzung der Informationstechnologie in Organisationen begeben. Dies unter der Annahme, dass Informationstechnologie ein Relevanzkriterium für den Wissenstransfer und die Wissensgenerierung in Organisationen sein könnte. Die Experten stammen im Wesentlichen aus dem Bereich „Kunst/Kultur“, sowie dem Bereich „Transport/Logistik/Produktion“. Um über diese Branchen hinausgehend, Aussagen treffen zu können, wurden ergänzend Experten aus dem Dienstleistungsbereich, der Beratung und dem Bankensektor befragt. Dadurch konnte ein relativ breites Spektrum an Branchen und Industrien abgedeckt werden und gleichzeitig Organisationen zweier unterschiedlicher Funktionssysteme berücksichtigt werden.
8.1.1.1 Allgemeine Bedeutung des Wissens in Organisationen „Vielleicht ist es deshalb ratsam, auch ohne große Theorieentwürfe zunächst einmal von einer Ökologie des Nichtwissens auszugehen, also die Beschreibung genau auf die Form zu lenken, hinter der zur Zeit der unmarked space liegt“ (Luhmann in von Mutius, 2004, S. 43).
Dieses Zitat leitet den Übergang von theoretischen Wissenskonzepten zur Empirie ein und mutet dem Leser gleichzeitig einen sehr hohen Abstraktionsgrad zu, indem auf „Nichtwissen“ als Ausgangspunkt aller 152
Überlegungen, Bezug genommen wird. Die Frage an die Experten lautet: Wie bedeutsam ist Wissen in der jeweiligen Organisation aus der Sicht einer Führungskraft? Wissen in Organisationen wird durch die Dimensionen implizites Wissen, Handlungsorientierung und soziale Dimension repräsentiert. Implizites Wissen ist vor allem beim Einsatz von organisationalen Maßnahmen und Tools relevant; die Handlungsorientierung als Verbindung zur Praxis und die soziale Dimension als Prozess zwischen menschlichen Interaktionen (siehe Kapitel 4.2). Diese drei Dimensionen realisieren sich in jeder Organisation, denn sie sind die Basis des Handelns von Personen und Organisationen. Wissen wird von den befragten Führungskräften als sehr bedeutsam eingeschätzt, vor allem im Hinblick auf das Funktionieren einer Organisation. Unter Funktionieren wird in erster Linie der wirtschaftliche Erfolg einer Organisation verstanden, repräsentiert durch relevante finanzwirtschaftliche Kennzahlen. Wenn Experten von organisationalem Wissen sprechen, so wird üblicherweise keine klare Differenzierung zwischen der Ebene der Person und der Ebene der Organisation gezogen. Die Person wird in den meisten Fällen als Wissensträger verstanden und nicht die Organisation selbst. Demgemäß wird Wissen als personales Phänomen verstanden. Die Zuordnung der Expertenaussagen zu den unterschiedlichen Kategorien Umwelt, Organisation und Technologie folgt dem systemtheoretischen Ansatz nach Luhmann, nämlich der grundsätzlichen Unterscheidung zwischen systeminternen und -externen Merkmalen (siehe Kapitel 6). Die drei Kategorien Umwelt, Organisation und Technologie bilden die Hauptunterscheidungen in der systematischen Analyse der Expertenaussagen. Hinter jeder einzelnen Hauptkategorie steht wiederum eine Vielzahl an Differenzierungsmerkmalen, die sogenannten theoretischen Konstrukte. Diese bilden die Basis für die Zuordnung der Expertenausagen in der Matrix Konstrukt zu Kategorie, im vorliegenden Auswertungsprozess (siehe Kapitel 7.4.3). Basierend auf der Differenz zwischen dem System Organisation und dem System Umwelt, wird die Person des Mitarbeiters als Wissensträger der Kategorie Umwelt subsumiert, dem zu Folge erhält die Kategorie Umwelt die häufigste 153
Nennung, was gleich bedeutend heißt: die Person wird als Wissensträger verstanden im Vergleich zur Organisation. Was bedeutet Wissen heute und in Zukunft für Organisationen und welche zukünftigen Änderungen werden wahrgenommen? Der wirtschaftliche Erfolg einer Organisation wird von Experten mit den Begriffen Kennzahlen, Resultate, Ergebniserzielung, Wirtschaftlichkeit gleichgesetzt und wird im Kategorienraster durch das theoretische Konstrukt Organisationsrelevanz/Sinn/Zweck repräsentiert. Wissen wird als historisch immanent bedeutsam und als höchstes Gut bezeichnet. Eine Verringerung dieser Bedeutung würde zu einer Verminderung der Produktqualität und der Unternehmensleistung führen; so wie auch Burke und Stehr, Wissen als anthropologische Konstante benennen (siehe Kapitel 4.1). Neu ist somit nicht der Stellenwert des Wissens, sondern die Bedeutung der Selektion von Informationen und Wissen und die relevante Prioritätensetzung; demgemäß wird der Umgang mit Informationen und Wissen als schwierigste Managementaufgabe verstanden, d.h. das permanente Bewerten und Entscheiden in Organisationen als Notwendigkeit, verursacht durch die Informationsüberflutung in einem beschleunigten Unternehmenskontext. Die Halbwertszeit des Wissens und folglich der zeitliche Druck für die Beschaffung von relevanten Entscheidungsgrundlagen und organisationalen Entscheidungen steigen. Von Seiten der Kunden werden kürzere Reaktionszeiten verlangt, sodass der Lebenszyklus von Wissen als verkürzt wahrgenommen wird. Mit dieser Beschleunigung in Bezug auf die Daten- und Informationssammlung sind jedoch die operativen Entscheidungen verknüpft; nicht immer gelingt die operative Nutzung vorhandener Daten und Informationen und deren Integration in die Entscheidungsprozesse. Speziell Führungskräfte müssen Wissen permanent ausdifferenzieren um einen Wettbewerbsvorteil zu generieren; der Wettbewerbsvorteil wird in den erworbenen Kernkompetenzen nach Hamel und Prahalad sichtbar, da das erworbene Wissen in den Fähigkeiten und die Funktionen der Organisation evident sind und klar abzugrenzen sind von den Kernprodukten und Kerngeschäften einer Organisation. Kern154
kompetenzen stellen den eigentlichen Mehrwert für den Nutzer beziehungsweise den Kunden dar (siehe Kapitel 5.1.1) indem zunehmend systemgerechte Lösungen an die Stelle von einzelnen Produkten oder Komponenten nachgefragt werden. Die Mehrzahl der befragten Experten differenziert zwischen universellem Wissen und Expertenwissen. Expertenwissen wird als Wissen über Märkte und Umwelten einer Organisation verstanden; dieses ist nicht Teil des Systems Organisation, sondern Teil der Umwelt des Systems. Es steht der Organisation grundsätzlich als explizites Wissen zur Verfügung (Kapitel 4.2.1). Diese Unterscheidung ist einerseits wesentliches Kriterium im Bezug auf den Organisationszweck und andererseits auf die jeweilige Mitarbeiterrolle beziehungsweise Expertenrolle oder wie ein Experte prägnant meint: „Dadurch dass heute immer mehr Spezialisten herausgebildet werden, mag sich das Wissen etwas ändern, es mag etwas konkreter werden und es mag immer mehr zum Fachidioten führen“ (Experte 4).
Organisationen verfügen zumeist über ein hohes Maß an Expertentum; folglich kommen Führungskräfte vermehrt in die Rolle des Koordinators, indem Sie Experten einer Organisation koordinieren und das relevante expertenspezifische Netzwerk steuern. Der Aufbau und die Generierung von Expertenwissen erfordert allerdings Zeit, demgemäß wird der zeitliche Druck in Richtung eingeforderte Expertise als Gefahr für den Expertenstatus der Organisation bewertet. „Daher werden wir uns nicht auf dem Weg begeben dürfen, dass wir nur um kurzfristige Informationsbedürfnisse bedienen zu können, von dem Expertenstatus weggehen. Dann würden wir unseren Charakter verlieren“ (Experte 16).
Führungskräfte sind keine Experten im klassischen Sinne, denn Sie verfügen idealtypischerweise über die Fähigkeit der Verknüpfung von impliziten und expliziten Wissensbestandteilen. Sie sind für die Steuerung von Organisationen verantwortlich; ihr Wissen im Sinne von Führungswissen bezieht sich auf Hierarchie und Koordination einer Organisation und liegt sowohl in impliziter als auch in expliziter Form vor (siehe Kapitel 4.2.1). 155
Die Aufgabe umfasst das Zuordnen von Wissen in einen komplexen Kontext, die sinnvolle Verknüpfung und die Erlangung von Resultaten; diese hauptsächlich als Koordinationsrolle zu verstehende Aufgabe verlangt nach besonderen Fähigkeit im Umgang mit Nicht-Wissen. Die Führungskraft hat tendenziell die Schwierigkeit, aufgrund des meist generalistischen Wissens, über die sie verfügt, keine eigene Fachexpertise als Entscheidungsgrundlage heranziehen zu können. Folglich ist sie im besonderen Maße auf das Wissen und die Erfahrungen von fachlichen Experten angewiesen. Die Verifikation dieses Wissens, welches als Entscheidungsgrundlage herangezogen wird, ist nur schwer möglich, da der eigene Erfahrungshintergrund in Bezug auf eine spezifische Expertise fehlt. Welche Schwierigkeiten können nun im Prozess des Steuern und Organisierens auftreten? Als ein wesentlicher Punkt wird das Vergessen von vorhandenen Wissensbestandteilen genannt oder wie ein Experte beispielhaft meint: „Das zu häufig bereits vorhandenes Wissen vergessen wird und neu erfunden wird; das betrifft wohl produktorientiertes oder technisches Wissen für die spezifischen Kundenlösungen, wie setzt man etwas um, als auch organisationale Prozesse, Wissen, wie organisiert man so einen 600 Mann Betrieb in den einzelnen Prozessschritten richtig; es passiert sehr oft, das Dinge, die von den Leuten in der Organisation bereits einmal durchgedacht und sozusagen gewusst wurden, wieder quasi neu erfunden wurden, obwohl es im Prinzip schon bekannt gewesen wäre; weil dieser Transfer sehr schwer zu organisieren ist, aufgrund der großen Fragmentierung und Vielfalt im Unternehmen“ (Experte 8).
Die soziale Dimension des Wissens findet in der Kultur und den Regelsystemen der Organisation ihren Ausdruck. Die Kultur und die Regelsysteme tragen entweder zur Förderung oder zur Verhinderung des Wissenstransfers auf intrapersonaler Ebene bei. Die Frage des Wie, Was und Wie viel ist Kriterium für Transparenz, Vertrauen, Bürokratie, politischer Einfluss, Technologiestützung, etc. Basierend auf diesen Kriterien, können Annahmen über bestimmte Arten von Regelsystemen und organisationale Strukturen getroffen werden (siehe Kapitel 5.1.3). Insofern meint ein Experte, Bezug nehmend auf die mangelnde Transparenz in seiner Organisation:
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„Und ich hoffe, das die Bedeutung des impliziten Wissens eine Spur zurückgeht oder dass es viel, viel besser dokumentiert und transparent gemacht wird“ (Experte 6).
Unter der Annahme, dass die Person des Mitarbeiters Wissensträger ist, ist Wissen zunächst an die einzelne Person und nicht an die Organisation gekoppelt, d.h. die Organisation ist zunächst stärker vom Wissen und Nicht-Wissen einzelner Personen abhängig. Der Verlust einer Person als Wissensträger kann demzufolge zu einem besonderen Verlust für die Organisation führen. Diese Sichtweise entspricht der traditionellen Sichtweise und repräsentiert auch die Mehrzahl der befragten Experten, d.h. die Person des Mitarbeiters verkörpert das Wissen und ist Wissensträger der Organisation. Folgt man dieser Betrachtungsweise so bildet die Summe aller Mitarbeiter fälschlicherweise die gesamte Wissensbasis einer Organisation. Nicht nur das Wissen, auch die Erfahrungen der Mitarbeiter sind von höchstem unternehmerischem Wert; Erfahrungen, welche in Form von implizitem Wissen und explizitem Wissen in die Organisation einfließen und genutzt werden. Damit rückt die kritische Maße der Expertise einer auf Expertentum ausgerichteten Organisation in den Mittelpunkt und die Frage, wo ist bedeutungsvolles Wissen in der Organisation angesiedelt im Sinne von personalem Wissen und wie viel Fluktuation verträgt die Organisation, ohne an Unternehmenswert zu verlieren? Folgend dieser Sichtweise konnte das personale Wissen nicht in die Prozesse, Struktur und Kultur der Organisation integriert werden. Die Aussage eines Experten veranschaulicht dieses Beispiel: „Der Erfahrungsschatz war bezogen auf Einzelpersonen und Wissensmanagement heißt natürlich, genau diese Mischung für das Unternehmen gehend zu machen und das kann nur bedeuten, dass wir uns einerseits unabhängiger machen von Einzelpersonen, wenn man es jetzt etwas negativer formuliert oder das wenn man es positiv formuliert, was einzelne Personen an Wissen haben, für das Unternehmen entsprechend zu nutzen“ (Experte 9).
Wissen in Organisationen ist mit Informationstechnologie verknüpft, denn Informationstechnologie ist Enabler für die Wissensverarbeitung und 157
gleichzeitig Wettbewerbsfaktor für Organisationen; Wissen, welches durch Informationstechnologie transferiert wird, liegt jeweils in expliziter Form vor (siehe Kapitel 4.2.4). Informationstechnologie verspricht per se Fortschritte in Bezug auf den systeminternen und externen Wissenstransfer. Mit dessen Einsatz sind grundsätzlich strukturelle Konsequenzen verbunden, welche sich hauptsächlich auf Arbeitsbläufe und firmenspezifisches Wissen beziehen (siehe Kapitel 4.2.4) oder systemtheoretisch gesprochen: Die Nutzung von Informationstechnologie repräsentiert den Unterschied zwischen Wissen und Entscheidung. Um den Umfang des Einsatzes von Informationstechnologie festzulegen sind verschiedene Gradmesser relevant: Status-quo der Durchdringung mit Informationstechnologie in der Organisation und der Branche, Bedeutung als Kernkompetenz und finanzielle Ressourcen. Abhängig von den genannten Faktoren und den organisationstypischen Besonderheiten, kann der Grad an notweniger beziehungsweise gewünschter Durchdringung mit Informationstechnologie bestimmt werden. Dem entsprechend sind die unterschiedlichen Aussagen der Experten zu werten: „Mehrere Einflüsse haben das sehr verändert: die zunehmende Durchdringung des gesamten Unternehmens mit EDV, und zwar folgend Standardprozessen nach Geschäftsmodellen“ (I1, Z 34-35); jetzt merkt man, man kommt doch nicht ganz ohne aus und jetzt ist eine Gegenwelle oder Ergänzungswelle da, die sich sehr stark mit Training, E-Learning, Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter beschäftigt“ (Experte 1). „Die Bedeutung wird sicherlich steigen, wir sind nicht ein Unternehmen, das so wahnsinnige, schnelle Technologiesprünge macht“ (Experte 3). „Die technologische Ausrüstung eines Unternehmens oder die Möglichkeiten gleichen sich für mich immer stärker an und deswegen bekommt auch die Bedeutung des Mitarbeiters und damit auch seines Wissens, seiner Erfahrungen, seiner Kenntnisse eine zunehmende Bedeutung, glaube ich“ (Experte 12).
Zusammenfassend werden auf Basis der Experteninterviews folgende Erklärungsansätze abgeleitet:
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Wissen ist eine anthropologische Konstante. Wissen hat als Wettbewerbsfaktor und im Falle von Expertenorganisationen hohe Relevanz. Die Wissensbasis einer Organisation wird im Zeitverlauf durch den Wissenstransfer von Wissensträgern aufgebaut und vergrößert und ist folglich von den Inputs der Wissensträger abhängig. Das Ausmaß des Wissenstransfers wird durch die Unternehmenskultur determiniert. Informationstechnologie ist Enabler in Bezug auf organisatorische Operationen und Dokumentationen; die Durchdringung der Organisation mit Informationstechnologie ist von verschiedenen Faktoren abhängig, wesentlich vom jeweiligen Organisations- und Branchentypus. Informationstechnologie ist systemtheoretisch betrachtet, ein externer Faktor einer Organisation, wobei der Grad an informationstechnologischer Durchdringung großteils durch die Umwelt der Organisation determiniert wird. Führungskräfte können ein dem Wissenstransfer förderliches Verhalten vorleben, indem sie sich ihrer Rolle als Organisationskulturdeterminante bewusst sind und der Bedeutung der Kommunikation generell. Eine Organisation kann durch die Schaffung wissensrelevanter Strukturen, Prozesse und einer offenen Kultur, den Wissenstransfer fördern.
8.1.1.2 Differenzierung des Wissens „Die verschiedenen Arten von Wissen und die verschiedenartigen Codes in einer vielschichtigen und umfassenden Sicht der Welt vernetzen zu können“ (Italo Calvino in von Mutius, 2004, S. 10).
Die Differenzierung des Wissens nach Polanyi beruht auf der Unterscheidung zwischen implizitem und explizitem Wissen (siehe Kap. 4.2.1). Mit dem Begriff implizites Wissen wird jenes Wissen umschrieben, das unmittelbar mit der Person verknüpft ist und seine Ausformung in der Praxis, Anwendung, Intuition und in mentalen Modellen findet. Dieses Wissen ist nur schwer messbar und fassbar, da es mit dem Wissensträger unmittelbar verbunden ist. Das implizite Wissen einer Person ist aber nicht zwangsläufig bewusstes Wissen, denn es tritt erst bei der Anwendung und Praxis zu Tage. Vergleichsweise dazu, ist explizites Wissen theoretisches, verstandesmäßiges Wissen. Dieses kann in 159
schriftlicher Form, sowohl analog als auch digital dokumentiert werden (Polanyi, 1958). Besonders auf diese explizite Differenzierung des Wissens wird mittels einer visuellen Darstellung während der Befragung der Experten Bezug genommen, da im Regelfall nicht bewusst zwischen diesen Wissensarten differenziert wird. Von der Autorin wird das Konstrukt Verknüpfung implizites und explizites Wissen, als Teil der Kategorie Umwelt in der Auswertungsmatrix determiniert. Dieses Konstrukt repräsentiert jene Experten-aussagen, in denen sich Führungskräfte explizit auf die Verknüpfung beider Wissensarten beziehen. Die hohe Relevanz der Verknüpfung des Wissens wird von vielen Experten unterstrichen, wie beispielhaft eine Führungskraft meint: „Das implizierte Wissen vervollständigt das explizite Wissen, das Eine ist nicht ohne das Andere denkbar, das geht in die eine Richtung, genauso gut wie in die andere Richtung; sie vervollständigen und ergänzen sich“ (Experte 4).
Insbesondere für das Schlüsse ziehen, um Entscheidungen zu treffen, ist die Verknüpfung des impliziten und expliziten Wissens besonders relevant. Des Weiteren ist die Kommunikation als zentrales Moment hervorzuheben, denn: „Es ist die Kommunikation und besonders die direkte Kommunikation zwischen den Menschen, welche durch nichts zu ersetzen ist“ (Experte 6). Die Differenzierung zwischen den Wissensarten unterstützt den Auswertungsprozess in Bezug auf die Konkretisierung der Expertenaussagen. Mehrere Fragen des Interviewleitfadens nehmen Bezug auf die Unterscheidung in die beiden Wissensarten.
8.1.1.3 Explizites Wissen in Organisationen Explizites Wissen bezieht sich sowohl auf Theorie als auch auf den Verstand. Es ist ein Wissen, das in Form von Dokumentationen, sowohl analog, als auch digital, vorliegt (Polanyi, 1958) und es kann vergleichsweise zu implizitem Wissen, einfach transferiert werden. Mit
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dem explizitem Wissen ist der Schutz von Wissen verknüpft, denn explizites Wissen kann urheberrechtlich geschützt oder patentiert werden. Nimmt man Bezug auf die unterschiedlichen Wissensarten nach Baecker (siehe Kapitel 4.2.1), so hat jede Wissensart einen typischen Explikationsgrad. Expertenwissen liegt grundsätzlich in expliziter Form vor; es ist ein Wissen über Umwelten der Organisation und kann nur durch seine Isoliertheit als Entscheidungsgrundlage für interne Organisationsfragen genutzt werden. Das Produktwissen liegt in expliziter und impliziter Form in der Organisation vor. Das gesellschaftliche Wissen und das Milieuwissen liegen in impliziter Form in der Organisation vor. Führungswissen, verstanden als Wissen um die Steuerung der Organisation und ihrer Mitarbeiter liegt teilweise in expliziter, als auch impliziter Form vor; in impliziter Form besonders dort, wo es um Fragestellungen der Mitarbeitermotivation geht. Dokumentationen erhöhen grundsätzlich die Nachvollziehbarkeit von Prozessen und Entscheidungen, sie dienen als Entscheidungsgrundlage und als Qualitätsindikator, wie beispielsweise im Rahmen von Zertifizierungs- und Prüfprozessen. Wie wird nun die Bedeutung des expliziten Wissens für die Organisation von Führungskräften bewertet? Explizites Wissen findet sich vor allem in den Dokumentationen, wie Geschäftsordnungen, Gesetze, Richtlinien, Prozessabläufe etc. Es ist leicht transferierbar und vermittelbar und gleichzeitig mit der Frage des Dokumentationsgrades verknüpft: Was wird dokumentiert, in welcher Form und in welchem Umfang? Allen befragten Experten zu Folge, ist die digitalisierte Form der Dokumentation des expliziten Wissens in Organisationen selbstverständlich. Der Sinn der Dokumentation wird von einer Führungskraft folgendermaßen kommentiert: „Es muss Etwas dokumentiert sein, es muss nachvollziehbar sein - es darf nicht auf dem Bauch herauskommen, damit auch Organe der Zukunft, einen Trend oder eine Richtung nachvollziehen können und diese in die Richtung weiterverfolgen können“ (Experte 18).
Im konkreten Fall ist die Erstellung von nachvollziehbaren Entscheidungsgrundlagen in dieser Organisation besonders wichtig. 161
Firmenspezifisches Wissen (siehe Kapitel 4.2.4) kann durch verschiedene Formen der Explikation explizit gemacht werden. Dieser Wissenstransfer von impliziten in explizites Wissen wird von Nonaka in seinem Modell der Wissensspirale beschrieben (siehe Kapitel 5.1.2). Die besondere Schwierigkeit liegt in der Explikation des Wissens der Mitarbeiter für die Organisation. Ein Experte beschreibt verschiedene computer-gestützte Formen in seiner Organisation, welche den Wissenstransfer fördern sollen, nennt aber gleichzeitig die damit verknüpften Schwierigkeiten: „Wir versuchen es zum Beispiel mit ‚Wikipedia’ - orientierten Technologien, Story-Telling, d.h. aufzuschreiben, was passiert; das sind so Ansätze, wo man sagt, alles Andere funktioniert nicht; denn wenn es zu strukturiert wird, wenn Dokumente verfasst werden, gibt es zwei Probleme: Erstens ist es irrsinnig zeitaufwendig und zweitens liest es kein Mensch mehr“ (Experte 8).
Für die Koordination von großen Datenmengen ist der Einsatz von Technologie unerlässlich. Bei Organisationen mit hohem Dokumentationsaufwand, sprich Expertenorganisationen beziehungsweise behördennahen Organisationen ist die Bedeutung der Informationstechnologie besonders hoch, als Folge des hohen notwendigen beziehungsweise verbindlichen Dokumentationsaufwands. So wie ein Experte schildert: „Erstens baut das Arbeitsgebiet, in dem wir tätig sind, auf einer Unmenge von Daten auf; zweitens, wir haben Alles aufgezeichnet. Hier gibt es keine vagen Angaben, sondern wir arbeiten mit Daten, die wir über hunderte Quellen hereinbekommen und welche wir aufgrund eines Systems analysieren und drittens wir prüfen und zertifizieren - die Daten sind ebenfalls harmonisiert“ (Experte 17).
Zusammenfassend werden auf Basis der Experteninterviews folgende Erklärungsansätze abgeleitet: Explizites Wissen wird grundsätzlich mit Dokumentation beziehungsweise dem Dokumentationsaufwand verknüpft. Die Gründe für einen hohen Dokumentationsaufwand liegen einerseits im Zweck der Organisation und andererseits im Vernetzungsgrad mit anderen Organisationen, welcher den Transfer von explizitem Wissen notwendig macht; vor allem multinationale Organisationen sind auf Informationstechnologie als 162
Transfermedium angewiesen. Zusammengefasst ist der Grad an Informationstechnologisierung und der Grad an Dokumentationsaufwand durch den Organisations- und Branchentypus bedingt, verknüpft mit den state-of-the-art Standards relevanter Informationstechnologien und folglich durch die Umwelt der Organisation determiniert.
8.1.1.4 Implizites Wissen in Organisationen Implizites Wissen ist mit der Person verknüpft und folglich ist der Transfer von implizitem Wissen nur durch die Einbeziehung der Person möglich. Implizites Wissen tritt als kognitive und technische Dimension zu Tage, in Form von handlungsleitenden Mustern und der kontextspezifischen Anwendung einer Expertise (siehe Kapitel 4.2.1). Was sagen nun Führungskräfte zum Begriff des impliziten Wissens in Organisationen? Was ist implizites Wissen? Die Auswertung der Befragung von zwanzig Experten ergibt, dass 10 Experten den Begriff des impliziten Wissens als solchen nicht kennen und neun Experten den Begriff sinngemäß beschreiben können. Ein Experte eines Beratungsunternehmens kennt den Begriff des impliziten Wissens. Für ihn ist das implizite Wissen, Grundlage jedes Handelns von Mitarbeitern und folglich von besonderer Relevanz für den Unternehmenserfolg: „Implizites Wissen ist handlungsleitendes Know-how beziehungsweise handlungsleitende Erfahrungen, welche nicht strukturiert niedergeschrieben werden können, d.h. Jemand weiß zwar intuitiv was zu tun ist, kann es aber nicht ohne großen Aufwand Anderen vermitteln“ (Experte 8).
Implizites Wissen ist personenbezogenes Wissen und wird gemäß der Systemtheorie der Kategorie Umwelt der Organisation zugeordnet. Implizites Wissen ist mit der Person des Wissensträgers verbunden und kann durch den Wissenstransfer, konkret durch verschiedene Formen der Wissensumwandlung in die Organisation übertragen und integriert werden (siehe Kapitel 5.1.2).
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Die Relevanz des impliziten Wissens für die Organisation selbst wird allerdings nur von einem Experten erkannt. Aus der Sicht der Autorin lässt sich dies aus der ursächlichen Kopplung des impliziten Wissens an die physische Person erklären. „In welchem Zusammenhang ist das implizite Wissen in Organisationen von Bedeutung und warum? Zunächst ist die Relevanz des impliziten Wissens für die Rolle einer Führungskraft besonders hervorzuheben, wie beispielsweise ein Experte meint: „Ohne implizites Wissen kann ich mich nicht in einem Unternehmen in einer Führungsposition bewegen; ich sehe das immer wieder, die Diskrepanz, wir haben schon einige Male den Fall gehabt, den Bestqualifizierten oder die Bestqualifizierte für eine Job aufzunehmen und dann hat sich herausgestellt, die Defizite sind beim implizitem Wissen gelegen, die Person war formal qualifiziert, dass es eine Freud war, aber vollkommen unfähig Menschen zu führen, sich sozial zu integrieren“ (Experte 7).
Der Faktor Zeit wird des Öfteren im Zusammenhang mit implizitem Wissen genannt. Besonders bei historischen Organisationen wird ein Überhang des impliziten Wissens vergleichsweise zu explizitem Wissen festgestellt, wobei im Kontext des Buches jene Organisationen als historisch bezeichnet werden, welche eine mehr als achtzig bis hundertjährige Bestandsgeschichte haben. Diese Organisationen zeichnen sich häufig durch eine relativ geringe Mitarbeiterfluktuation aus und verfügen über eine relativ breite Erfahrungsbasis der Mitarbeiter, als Ergebnis der langjährigen Unternehmenszugehörigkeit. Implizites Wissen ist im Vergleich zu explizitem Wissen nur schwer kommunizierbar; so liegt es an den sogenannten weichen Faktoren, wie beispiels-weise der Organisationskultur, welche den Wissenstransfer zwischen Mitarbeitern fördern oder behindern können. Diese ist neben anderen Faktoren wie dem Führungsstil, Technisierungsgrad et cetera einflussreicher Faktor für den Wissenstransfer zwischen Mitarbeitern innerhalb einer Organisation (siehe Kapitel 5.1.3). Ein Experte meint dazu: „In unserem Unternehmen spielt das implizite Wissen eine wahnsinnig große Rolle, eine für meinen Begriff, zu große Rolle; Entscheidungen sind nicht
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transparent genug und nicht nachvollziehbar genug und für Jemanden, der von Außen in die Organisation kommt ist es einfach wahnsinnig schwer, an dieses Wissen heranzukommen, wenn noch dazu die Unternehmenskultur eine eher verschleiernde, als Offene, ist“ (Experte 6).
Der Umgang mit implizitem Wissen ist nicht nur Ausdruck der Organisationskultur, sondern auch im weitesten, Ausdruck einer Volkskultur beziehungsweise den Angehörigen einer Nation. Kulturspezifische Besonderheiten sind besonders im Zusammenhang von internationaler und globaler Tätigkeit einer Organisation von Bedeutung, wie ein Experte meint: „Das was wir teilweise als Kulturunterschied oder als Mentalitätsunterschied begreifen: Bei uns geht man in Österreich davon aus, dass gewisse Dinge absolut klar sind, man braucht es nicht einmal zu kommunizieren, weil Jeder so sozialisiert wurde“ (Experte 14).
Implizites Wissen wird auch als wesentlicher Faktor bei Veränderungsprozessen in Organisationen genannt, wie ein Experte beschreibt: „Das implizite Wissen ist dann besonders von Bedeutung, wenn sie in großen Organisationen Veränderungen machen wollen. Dann müssen sie überlegen, welchen impliziten Wissensstand hat ein bestimmter Unternehmensbereich oder ein bestimmter Mitarbeiter und sie müssen als ganz einfache ManagementAttention, an die Wissensgrenze, d.h. sie müssen die Mitarbeiter dort abholen wo sie stehen und ihnen neues Wissen vermitteln und sie auch motivieren, dieses neue Wissen zu akzeptieren und sogar intrinsisch zu machen“ (Experte 5).
Zwei Experten heben die Verknüpfung des impliziten Wissens mit explizitem Wissen besonders hervor; ein Experte stuft für seine Organisation die Bedeutung des impliziten Wissens in Form von Intuition oder mentalen Modellen als sehr geringfügig ein, unter Bezugnahme auf die Entstehung von Entscheidungsgrundlagen in seiner Organisation: „Die Erfahrung als Bestandteil des impliziten Wissens hat große Bedeutung, aber auch die Erfahrung baut wieder auf explizitem Wissen auf; wir müssen versuchen, das explizite Wissen zu nutzen, um das System zu verbessern und in der Praxis anzuwenden. Hier komme ich aber wieder auf die Mathematik zurück: Wir
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können nicht die Zukunft durch Schätzung oder Intuition lösen, wir müssen alles, was wir für die Zukunft umsetzen wollen, simulieren und auf Safety Assessment prüfen. Das implizite Wissen spielt bei uns eine relative geringe Rolle“ (Experte 17).
Der Zusammenhang zwischen implizitem Wissen und Informationstechnologie wird von einem Experten einer internationalen Organisation aufgegriffen: „Das explizite Wissen, wenn es ein breites Wissen ist, kann vielleicht ein wenig in die Tiefen gehen, aber wenn es wirklich Erfahrungswissen ist, dann sind wir zu dem Entschluss gekommen sind, dass wir einfach den Prozess des Austausches zur Verfügung stellen wollen, anstatt jetzt einfach irgendein Dokument; also wir sprechen hier von `’Collaboration Tools’, ob das jetzt BLOGS oder WIKIS sind; ich glaube, dass läuft besser, als wenn ich jetzt 10 Angebotspräsentationen durchschaue“ (Experte 20).
Zusammenfassend werden auf Basis der Experteninterviews folgende Erklärungsansätze abgeleitet: Die Organisationskultur ist großteils durch das implizite Wissen determiniert, d.h. die getroffenen und nicht getroffenen Entscheidungen und diesbezüglichen Erfahrungen der Mitarbeiter in der Organisation etablieren die organisationale Kultur. Des Weiteren sind organisationale Veränderungsprozesse unter besonderer Berücksichtigung impliziter Wissensbestandteile durchzuführen. Führungskräfte erachten das implizite Wissen für die Ausübung ihrer Führungsrolle als sehr wichtig. Sie treffen ihre Entscheidungen auf Grund des Zusammenspiels des impliziten und expliziten Wissens; sie sind als Entscheidungsträger organisationale Kulturdeterminante und beeinflussen demgemäß nachhaltig.
8.1.1.5 Stellenwert der Informationstechnologie in Organisationen Informationstechnologie symbolisiert die Differenz zwischen Wissen beziehungsweise Dokumentation und einer Entscheidung (Baecker, 1999). Informationstechnologie ist in erster Linie Enabler bei der Durchführung von organisationalen Prozessen; in Bezug auf führungsrelevante Aufgaben hat Informationstechnologie eher geringe bis keine Bedeutung. Technologische Standards sind an Entwicklungen außerhalb 166
des Systems Organisation gekoppelt und stets in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext zu analysieren. Technologische Innovationen und daraus resultierende Technologieschübe sind Treiber für den Einsatz von neuer Technologie in Organisationen und verursachen bei der Integration in organisationale Prozesse neue systeminterne strukturelle Kopplungen. Diese wiederum verändern bestehende Arbeits- und Kommunikationsprozesse innerhalb des Systems und über die Systemgrenzen hinweg. Mit dem Erwerb und der Integration von neuen Technologien in Organisationen ist stets die Frage des Status quo des firmenspezifischen Wissens, verknüpft. Firmenspezifisches Wissen als jenes Wissen, das der Organisation zur Verfügung steht und das organisationsbezogenes technisches Wissen und Marktwissen umfasst. Dieses Wissen begründet die Differenz zur organisationalen Wissensbasis der Mitbewerber. Durch die Integration von neuen Technologien und neuen strukturellen Kopplungen gehen Teile des firmenspezifischen Wissens verloren und gleichzeitig entsteht neues firmenspezifisches Wissen. Der Einsatz von Informationstechnologie zeigt grundsätzlich die Differenz zwischen explizitem und implizitem Wissen auf, denn Informationstechnologie dient ausschließlich dem Transfer von explizitem Wissen, jenem Teil des Wissens, das von der Person entkoppelt ist. Welchen Stellenwert hat nun die Informationstechnologie in einer Organisation, aus Expertensicht? Die Auswertung der Expertenaussagen ergibt ein differenziertes Bild: Der Informationstechnologie wird in den einzelnen Organisationen unterschiedliche Bedeutung beigemessen. Die Unterschiede resultieren aus organisationsbezogenen Parametern, wie beispielsweise dem Organisationszweck, dem Grad des Technologieeinsatzes, der Branchenzugehörigkeit, den organisationsspezifischen Dokumentations-verpflichtungen, der internationalen Tätigkeit et cetera. Sprechen Experten vom Technologieeinsatz in ihrer Organisation, so beziehen sie sich stets auf state of the art Informationstechnologie. Ein Experte aus dem Bereich Logistik meint beispielsweise: „Eine Geringere als man als Antwort von einem General Manager erwartet und Versuche, Probleme nur von der IT- Seite zu lösen, sind fehlgeschlagen“(Experte 1)
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Ein Experte aus dem Bereich technologischer Produktion meint generell zum Einsatz von Informationstechnologie: „Wie man vielleicht nicht vermuten würde, einen geringen Stellenwert vergleichsweise zur internen Kommunikation; aber die strukturierte Weitergabe von Wissen spielt wahrscheinlich zu wenig Rolle; aufgrund der Komplexität merken wir dass z.B. Story telling und Ähnliches funktioniert; natürlich haben wir alle Black Berrys, womit wir alle möglichen Informationen verteilen, aber ich glaube, dass darin viel mehr implizites als explizites Wissen gespeichert ist, weil der Kontext irgendwann einmal verloren geht und man daraus sehr schwer explizites Wissen extrahieren kann“ (Experte 8). „Man muss sich der modernen Kommunikationsmedien bedienen, weil das Jeder tut, ich halte sie jedoch für Etwas sehr zweischneidiges, so wie wir zugemüllt werden und wie wir einen Großteil unserer Kraft darauf verwenden, Dinge abzuwehren, die unnötig sind. Es ist auch eine große Belastung damit verbunden; aber wir müssen mitmachen, es ist der Zug der Zeit“ (Experte 7).
Vergleichsweise zu den bereits zitierten Statements wird von einem Experten, der Informationstechnologie ein höherer Stellenwert eingeräumt: „Eine ganz Große natürlich - wir investieren eine Menge Geld in eine technologische Infrastruktur, die es ermöglicht, Wissen zu speichern und auf dieses Wissen zuzugreifen; jeder Mitarbeiter kann auf dieses Wissen zugreifen, ganz egal wo er arbeitet und der Mitarbeiter ist auch mit Tools versehen, um einfach Wissen abrufen zu können; ohne technische Infrastruktur geht es nicht und es gibt natürlich auch außerhalb der Datenbank noch andere Tools, wie Voice-Mails oder Handy, um sich einfach mit anderen Leuten in Verbindung zu setzen; ich denke, dass wir da schon „highly equiped“ sind (Experte 20).
Der Experte spricht explizit die getätigten Investitionen für die technologische Infrastruktur an. Entsprechend den Ausführungen von Machlup ist die ausgegebene Geldmenge innerhalb einer bestimmten Periode, die einzige Messgröße und der einzige Vergleichsmaßstab für das Ausmaß der Generierung von Wissen in Organisationen (siehe Kapitel 4.2.2). Aus Sicht der Autorin lässt sich der Stellenwert von Informationstechnologie durch den Branchentypus der Beratung erklären. Industrie168
beratung ist an sehr spezifische Kenntnisse gebunden, das heißt, die Organisation muss über aktuelles strukturiertes Wissen von einzelnen Branchen und ebenfalls über bestimmte Unternehmen verfügen. Durch computer-gestützte Dokumentationen wird eine hohe Qualität der Dokumentation erzielt, daher ist besonders bei der Dokumentation von großen Mengen an Daten und Informationen Informationstechnologie unverzichtbar, wie ein Experte beschreibt: „Bei uns spielt die Informationstechnologie vor allem eine Rolle in der Verwaltung der 1,5 Millionen Kunstwerke und die IT ermöglicht uns, das vom Leihverkehr ingoing, out-going, ebenso wie Sammlungsverwaltung, hoch komplizierte Daten überblickten zu können “ (Experte 13).
Ein weiterer Experte begründet den Stellenwert der Technologie in seiner Organisation ebenfalls aufgrund der internen Dokumentationsnotwendigkeit: „Die größte Bedeutung hat die IT zur Zeit im Bereich der Inventarisierung und Dokumentation, der natürlich zur Gänze elektronisch unterstützt ist und was auch anders nicht mehr vorstellbar wäre und bei weitem nicht in der Qualität; und das Zweite ist der gesamte Bereich „Museumssicherheit“, welche auch sehr stark über die Informationstechnologie gestützt und gesteuert wird; von Zutrittskontrolle, über Objektüberwachung bis Nachverfolgungen“ (Experte 10).
Informationstechnologie ist für Experten vor allem für die Wissensgenerierung bedeutsam, denn mithilfe der Informationstechnologie werden entscheidungsrelevante Informationen über Märkte und Umwelten für die eigene Organisation generiert (siehe Kapitel 4.2.1). Experten sind auf Informationen und Wissen außerhalb der eigenen Organisationen angewiesen. Dieses Faktum begründet die Rolle eines Experten, denn die Generierung von explizitem Wissen aus der Umwelt und die Schaffung von Entscheidungsgrundlagen für Organisationen begründen ihren Status. Das Internet ermöglicht den Zugang zu Informationsquellen, zumeist ohne zusätzliche Transaktionskosten. Angesprochen auf die Bedeutung der Informationstechnologie, wird von einem Experten die computer-gestützte Wissensgenerierung für Experten, unterstrichen: 169
„Ist schon wichtig, dass man auf die EDV und das Internet zurückgreifen kann, weil in der täglichen Bearbeitung von Problemen, ist es des Öfteren erforderlich, Hintergrundinformationen zu bekommen“(Experte 4).
Für internationale Organisationen ist der Informationstransfer mittels Informationstechnologie von zentraler Bedeutung, wie der Experte schildert: „Es ist essentiell, weil wir zum Beispiel auch Zeichnungen, Konstruktionen von Slowenien, von unserem Standort nach Österreich rückspielen. Wir haben in Polen eine ausgelagerte Konstruktionsabteilung, d.h. natürlich kommunizieren wir täglich und vielfach“ (Experte 14).
Eine Führungskraft analysiert die eigene Rolle in Verbindung mit dem Einsatz von Technologie folgendermaßen: „Es ist die Kommunikation, die direkte Kommunikation zwischen den Leuten, die durch nichts zu ersetzen ist; die wichtigen Sachen, sollen im direkten Kontakt gelöst werden“ (Experte 7).
Zusammenfassend werden auf Basis der Experteninterviews folgende Erklärungsansätze abgeleitet: Der Informationstechnologieeinsatz ist vom Organisationstypus beziehungsweise Branchentypus abhängig. Der Umfang der Integration von Informationstechnologie ist von der Notwendigkeit einer Dokumentationsverpflichtung, dem Umfang der internationalen beziehungsweise globalen Unternehmensaktivität und vom state-of-the-art Einsatz branchenüblicher Informationstechnologie, abhängig. Die zentralen Aufgaben einer Führungskraft sind technologie-unabhängig.
8.1.2 Organisationale Kompetenzen Kernkompetenzen beziehen sich auf die zentralen Fähigkeiten einer Organisation. Wie in Kapitel 5.1.1 beschrieben, handelt es sich nicht um Kerngeschäftsfelder, sondern vielmehr um intellektuelle Kompetenzen oder 170
Dienstleistungsfähigkeiten. Kernkompetenzen sind Teil des firmenspezifischen Wissens einer Organisation. Für den Aufbau von Kernkompetenzen ist ein differenziertes Verständnis der zentralen Managementaufgaben erforderlich, wobei das Management seine Aufmerksamkeit auf Lern – und Veränderungsprozesse der Organisation richtet und organisationale Kommunikations- und Koordinationsströme steuert. Kernkompetenzen können durch neue strukturelle Kopplungen, beispielsweise durch den Einsatz von neuen Technologien oder durch konsequente Externalisierung verloren gehen (siehe Kapitel 4.2.4). Somit ist die Entwicklung und der Erhalt von Kernkompetenzen keine triviale Aufgabe für eine Organisation, denn: „Kernkompetenzen sind das Ergebnis schwer entschlüsselbarer kollektiver Lernprozesse“ (Steinmann, Schreyögg, 2000, S. 225). Diese setzen eine lernfähige Organisation voraus und eine Unternehmensführung, welche sowohl das System Organisation, als auch das Umfeld sensitiv wahrnimmt, analysiert und die Entwicklung von Kernkompetenzen, auf Basis des vorhandenen Wissens und der organisationalen Fähigkeiten, fördert. Verfügt eine Organisation über Kernkompetenzen, so sind diese für die Umwelt nicht einfach identifizierbar und folglich nur schwer imitierbar. Daraus folgt, dass für die Entwicklung von Kernkompetenzen einerseits eine ganzheitliche Sichtweise der Organisation erforderlich ist und andererseits die Anwendung erst durch das Zusammenwirken aller Ressourcen unter einer strategischen Perspektive, gelingen kann (Steinmann, Schreyögg, 2000). Ein Experte beschreibt die Kernkompetenzen seiner Organisation folgendermaßen: „Die Kernkompetenz ist zweifelsohne die Präsentation von Kunstwerken aus der Perspektive der Zeichnung heraus, ohne diese als ein isoliertes Phänomen zu betrachten und einzubetten in eine ganzheitliche Sicht der Kunst“ (Experte 13).
Die Kernkompetenzen in einer Organisation umfassen sowohl implizites als auch explizites Wissen. Aus Sicht der Autorin realisieren sich organisationale Kernkompetenzen in einer geglückten Kombination des impliziten und expliziten Wissens einer Organisation, sichtbar in den laufenden Prozessen der Organisation. Experten beschreiben die Kern-
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kompetenzen folgendermaßen: „In einer klugen Kombination Beider“ (Experte 1) beziehungsweise: „Die beiden Wissensarten – das kann man nicht trennen; aber es liegt im Kunstbereich stärker im Implizitem, das ist klar, wenn es um die ganzen Ausstellungen, die Diskussionen, vor allem auch die Kunstvermittlung geht, wir haben ja einen großen Kunstvermittlungsbereich; also das ist schon sehr stark vom impliziten Wissen getrieben“ (Experte 11). „Im explizitem und implizitem Wissen; es wäre nicht möglich gewesen, wenn wir neben diesen reinen Zahlen, Daten, Fakten nicht auch ein gewisses Gespür gehabt hätten, was man mit Technologien, die in anderen Bereichen Verwendung finden, in Übertragung auf unsere Aufgaben erreichen kann“ (Experte 9).
Ein Experte unterstreicht die Rolle des expliziten Wissens bei Entscheidungen beziehungsweise bei der Vorbereitung von Entscheidungen, indem er meint: „Ich glaube bei weitreichenden Entscheidungen reicht das implizite Wissen nicht aus; das ist explizites Wissen, Wissen was aufgezeichnet ist, was schriftlich aufgenommen worden ist“ (Experte 4).
Die Explikation von Kernkompetenzen wird als organisationaler Prozess verstanden, dessen Ergebnis ein eindeutiges Differenzierungsmerkmal zu Mitbewerbern darstellt. Ein Experte nimmt besonders auf die Schwierigkeit der Explikation des Wissens Bezug: „Organisationen neigen dazu, Kernkompetenzen in impliziter Form zu haben, weil es einfacher ist und weil es auch weniger Organisationsaufwand bedeutet. Eigentlich ist es eine Aufgabe der Organisationsführung, dafür zu sorgen, dass dieses Wissen auch in expliziter Form vorliegt“ (Experte 5).
Die Benennung beziehungsweise die Beschreibung der organisationalen Kernkompetenzen gestaltet sich für die befragten Experten schwierig, da zumeist der Begriff der Kernkompetenzen definitionsgemäß nicht bekannt ist. Was würden Sie in Ihrer Organisation als Kernkompetenz bezeichnen? Können Sie diese beschreiben? Liegen die Kernkompetenzen eher in impliziter oder expliziter Form des Wissens vor?
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Diese Fragestellungen zielen einerseits auf die Nennung von organisationalen Koordinations- und Kommunikationsaufgaben und anderseits auf die Unterscheidung zwischen impliziten und expliziten Wissen in Bezug auf Kernkompetenzen. Wie sich aus den Expertenaussagen zeigt, sind Kernkompetenzen mit verschiedenen unternehmensrelevanten Variablen, wie beispielsweise der Wettbewerbssituation, Grad des Technologieeinsatzes, Komplexität, Führungsstil der Führungskräfte, Branchentypus, et cetera verknüpft. Diese genannten Variablen beziehen sich auf die beiden Kategorien Umwelt und Organisation. Inwieweit die Kategorie Technologie für die Kernkompetenz einer Organisation relevant ist, wird gegen Ende dieses Abschnitts beschrieben. Geht man zunächst der Frage des Umfelds von Organisationen nach, so ist die Zuordnung in ein bestimmtes gesellschaftliches Funktionssystem und die Verknüpfung mit dem funktionstypischen binären Code maßgeblich für das Ausmaß der Entwicklung von Kernkompetenzen. Beispielsweise sind Wirtschaftsorganisationen aufgrund der Wettbewerbs-situation eher gezwungen, Kernkompetenzen entwickeln und aufzubauen. Im Zusammenhang mit dem Begriff der Kernkompetenzen wird der Faktor der Komplexität von zahlreichen Experten genannt wird. Der Begriff Komplexität kann in folgendem Sinne beschrieben werden: „Das Charakteristikum der Komplexität ist ein Produkt von Kompliziertheit und Dynamik und bewirkt, dass ein System weder vollständig beschreibbar noch sein Verhalten eindeutig prognostizierbar ist“ (Sydow, 2002, S. 252).
Eine weitere Beschreibung des Begriffs zielt auf die Zusammensetzung einer Vielzahl von Teilen und den besonderen Umstand, dass sich die Eigenschaften des Ganzen nicht durch die Addition dieser Eigenschaften charakterisieren lassen, sprich: „Das Ganze ist mehr als die Summe der Teile“, und „entscheidend für das Phänomen des Komplexen ist daher die Emergenz neuer Eigenschaften“ (von Mutius, 2004, S. 47).
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Entsprechend der systemtheoretischen Sichtweise nach Luhmann, ist Komplexität zunächst ein Merkmal, das der Umwelt zugeordnet wird und folglich eine von außen gegebene Bedingung für eine Organisation. Organisationen werden demnach als Inseln geringerer Komplexität verstanden. Diese bauen Komplexität auf, um im weitesten den Erwartungen der Gesellschaft gerecht zu werden. Organisationsinterne Bemühungen zur Herstellung von Komplexität sind dem zu Folge Maßnahmen, um der äußeren Komplexität gerecht zu werden. Organisationen erzeugen daher ein bestimmtes Maß an Eigenkomplexität, in dem sie Produkte und Dienstleistungen anbieten, die den Anforderungen der komplexen Umwelt gerecht werden (siehe Kapitel 6.2.1.2). Daher wird zunächst die Umwelt im Sinne der operativen Grenze ausgeschlossen, um anschließend den Aufbau von Eigenkomplexität zu ermöglichen. Jede Analyse der Komplexität einer Organisation beginnt bei der Analyse der Größe des Systems, denn erst ab einer bestimmten Größe, wird ein System in dem Sinne komplex, dass es nicht jede Operation mit allen Operationen verknüpfen kann. Und daraus ergibt sich ein Selektionszwang, welcher letztendlich zu Diversität führt (Luhmann, 2000). Diese Komplexität führt zu unterschiedlichsten Ansprüchen und Erwartungen an Produkte und Dienstleistungen, wie ein Experte meint: „Heterogenste Zielgruppen, heterogenste Bildungsschichten, sogar wahrscheinlich heterogenste Bevölkerungskreise mit verschiedenen Wahlverhalten ansprechen zu müssen, ohne den Besucher draußen zu irritieren“ (Experte 13).
Die Komplexität der Umwelt und vor allem die gleichzeitige Zugehörigkeit einer Organisation zu verschiedenen Funktionssysteme führt zu einer höheren internen Komplexität, da jedes Funktionssystem über einen eigenen binären Code, einem spezifischen Kommunikationscode geregelt wird. Beispielsweise kann hier das wirtschaftliche System mit dem kommunikativen Code „Zahlen/Nicht-Zahlen“ und das öffentliche System mit dem kommunikativen binären Code Politik determiniert/Nicht-Politik determiniert“17 genannt werden (siehe Kapitel 17 Der binäre Code für das System „Öffentlichkeit“ wurde von der Autorin definiert.
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6.2). Eine Organisation, welche diesen beiden Funktionssystemen angehört, hat folglich eine höhere interne Komplexität aufzubauen vergleichsweise zu einer Organisation, die gemäß den Spielregeln in einem alleinigen Funktionssystem agiert. Die Zugehörigkeit zu zwei Funktionssystemen beschreibt ein Experte folgendermaßen: „Gleichzeitig sind wir von der Eigentümerschaft auch nicht uninteressant aufgestellt; wir sind einerseits zu 20% öffentliche Hand, 10 % Mitarbeiterstiftung und der Rest wird an der Börse gehandelt, d.h. es werden unterschiedliche Anforderungen von unseren Stakeholdern an uns gerichtet“ (Experte 12).
Als mögliche Konsequenz der Einbettung in zwei Funktionssysteme wird folgende Situation beschrieben:
divergente
„Dadurch existiert ein Bewusstsein innerhalb der Organisation, dass man sehr flexibel und sehr schnell auf Gegebenheiten reagieren und miteinander zusammen arbeiten muss“ (Experte 12).
Aus der Sicht der Autorin erhöht die Zugehörigkeit zu mehreren Funktionssystemen die Zugehörigkeit zum Funktionssystem Wirtschaft und zu jenem der Öffentlichkeit, grundsätzlich den Schwierigkeitsgrad bei Entscheidungsprozessen und der Entscheidungsfindung (siehe Kapitel 6.2.2). Das System Wirtschaft funktioniert nach dem ökonomischen Kommunikationscode vergleichsweise zum System Öffentlichkeit, welches mit dem gesellschaftlichen Code verknüpft ist. Kernkompetenzen können Organisationen zu einem Wettbewerbsvorteil führen, indem interne Ressourcen aufgefunden und genutzt werden. Die Notwendigkeit des Aufbaus von Kernkompetenzen ist zumeist eine Folge der Wettbewerbssituation (siehe Kapitel 5.1.1). Gehört eine Organisation zwei unterschiedlichen Funktionssystemen an, so hat die Organisation diametralen Anforderungen gerecht zu werden beziehungsweise diametrale Aufgabenstellungen zu erfüllen. Einerseits jene, welche vom Systemerhalter festgelegt wurden, wie beispielsweise durch den Staat und anders jene, welche durch externe wirtschaftliche oder technologische Entwicklungen determiniert sind. Aus Sicht der Autorin verlagert sich die Kernkompetenz einer dualen Organisation 175
in Richtung Handlungs- und Führungskompetenz der Organisation. Beispielsweise benennt ein Experte die Erfüllung der Kernaufgaben als die eigentlichen Kernkompetenzen. Die organisationale Fähigkeit verlagert sich aus Sicht der Autorin schwerpunktmäßig auf die Ebene der Organisationsführung. Neben dem Konstrukt Komplexität als umweltbezogene Variable, werden von den Experten vor allem personenbezogenen Konstrukte wie Handlungs- und Entscheidungsrelevanz als Relevanzkriterien für das Vorliegen von Kernkompetenzen genannt (siehe Kapitel 7.4.3). Diese personenbezogenen Konstrukte zählen im Sinne Luhmanns nicht zum System. Persönliche Kompetenzen beziehungsweise das Wissen der Mitarbeiter ist ausschließlich in Form der stattfindenden Kommunikationen mit der Organisation verknüpft. Das Wissen und die Kompetenzen werden durch unterschiedliche Formen in die Organisation transferiert (siehe Kapitel 5.1.2). Ein Experte die Entscheidungsfähigkeit der Führungsebene einer Organisation als eigentliche Kernkompetenz, indem er meint: „Wobei natürlich die Gesamtorganisation – das ist meist dort, wo Entscheidungen gefällt werden, das ist ja das Erforderliche und vielleicht klingt das jetzt ein wenig vermessen, aber ich habe das Empfinden, das der Vorstand dieses Unternehmens in den letzten Jahre oder Jahrzehnte nahezu bei den entscheidungserheblichen Kriterien positive oder richtige Entscheidungen gefällt hat; das ist sicherlich zum großen Teil auf Entscheidungen zurückzuführen, die richtig vorbereitet worden sind und die auch richtig getroffen worden sind“ (Experte 4).
Eine weitere Führungskraft knüpft bei der Frage der Kernkompetenzen ausschließlich an die Fähigkeit einzelnen Mitarbeiter an: „Aus meiner Sicht sind Kernkompetenzen sehr gute Kenntnisse über das Netzwerk, den Sales- Bereich und auch spezifische soziale Kompetenzen; ein bereichsübergreifendes Denken ist extrem wichtig“ (Experte 19).
Diese Expertenaussage bezieht sich ausschließlich auf die persönliche Kernkompetenz eines Mitarbeiters vergleichsweise zur Kernkompetenz auf der Organisationsebene. Betrachtet man nun die Kategorie Organisation im Auswertungskontext näher, so lassen sich bedeutsame 176
Konstrukte, wie jene der Organisationskultur als Ausdruck der organisationalen Fähigkeiten und jene des Wissens und Nicht-Wissens der Organisation, hervorheben. Aus Sicht der Autorin ist die Variable Organisationskultur ein wesentlicher Faktor für die Kommunikationsund Koordinationsfähigkeiten eines Unternehmens und damit wichtige Voraussetzung für die Entwicklung von Kernkompetenzen. Wird der Begriff der Organisationskultur weiter gefasst, so können auch die kulturspezifischen Eigenarten einer Gesellschaft beziehungsweise einer gesamten Nation unter den Begriff der Kernkompetenzen subsumiert werden. Ein Experte benennt diese kulturspezifischen Besonderheiten der Angehörigen von einer Nation als besonders relevanten Faktor für seine international tätige Organisation. Aus seiner Sicht hat dies zur Entwicklung einer besonderen organisationalen Kernkompetenz geführt hat: „Sicherlich ist ein Moment, die kulturbedingte Deutlichkeit, das heißt die Flugzeuge gelten gemein hin als besser gewartet als jene von vielen anderen Gesellschaften; das ist sicherlich eine Kernkompetenz - vielleicht auch eine größere Effektivität als bei anderen nicht-westeuropäischen Gesellschaften; auch eine bessere geistige Durchdringung von manchen Schwierigkeiten oder Problemen des Luftverkehrs in der Gesamtorganisation“ (Experte 4).
Auf die Ebene der Organisation bezogen, wird von einer organisationstypischen Kultur und typischen Handlungsmustern gesprochen. Der Begriff der Organisationskultur wird im systemtheoretischen Kontext „als Verlust von oder Verzicht auf zentrale Kontrollmöglichkeiten, Bevorzugung informeller Kontakte, weiche Einteilungen und Kategorisierungen, lose Kopplungen, Netzwerkbildungen, stärkere Abhängigkeit von Vertrauen, vermehrte Arbeit an und mit Computern, größere strukturelle Flexibilität, erheblich gestiegenes Tempo der organisatorischen Veränderungen, Steigerung von Unsicherheit mit Bezug auf Arbeitsplätze und Aufgaben“, beschrieben (Luhmann, 2000, S 240). Luhmann spricht hier konkret von nicht entschiedenen Entscheidungsprämissen. Ein Experte beschreibt die organisationstypischen Muster in folgender Weise: „Der Erfolg spiegelt sich vor allem in der Unternehmenskultur wieder; die größte Fähigkeit des Unternehmens ist eine sehr ausgeprägte Problemlösungsfähigkeit,
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d.h. wir übernehmen sehr große Projekte, wo man definitiv nicht alles vorhersehen kann, sondern wo man sehr situativ reagieren muss, d.h. es gibt auch in der Unternehmung, unabhängig von den Abteilungen sehr starke Netzwerke, wo sehr schnell, sehr spezifische Leistungen, die aber implizit eigentlich vorhanden sind und hergestellt werden können, welche über einen normalen sozusagen Instanzenweg, einfach in der Zeit nicht möglich wären“ (Experte 8).
Der Experte spricht hier ebenfalls die Besonderheit der NichtImitierbarkeit von Kernkompetenzen an. Aufgrund der NichtExplikation können diese außerhalb des Systems nur schwer identifiziert werden und folglich zu einem Wettbewerbsvorteil führen. Diese Fähigkeit manifestiert sich in einer Organisation in Form einer besonderen Problemlösungskompetenz. Kernkompetenzen beziehen sich nicht ausschließlich auf eine einzelne Fähigkeit, vielmehr ist sie das Resultat der Verknüpfung von mehreren funktionalen Stärken beziehungsweise Besonderheiten der Organisation. Diese funktionale Stärke ist, wie von einem Experten beschrieben, in der langen Wertschöpfungskette der Organisation begründet: „Der andere Punkt ist sicher die große Vielfalt im Unternehmen und die lange Wertschöpfungskette, welche in der heutigen Zeit untypisch ist; das hat damit zu tun, dass wir uns in einer Weltmarktnische bewegen- wenn man jetzt Porter nimmt, eine klare Differenzierungsstrategie und diese auch leben zu können und immer wieder neu zu erfinden, immer neue Technologien aufnehmen zu können; am Markt werden wir sicherlich als Technologieführer an sich wahrgenommen, der wir intern vielleicht gar nicht so stark sind - uns nicht so wahrnehmen“ (Experte 8).
Bemerkenswert sind die Aussagen des Experten vor allem im Hinblick auf die Identifikation der Kernkompetenzen, ebenso die Selbstreferenz in Bezug auf Außen- und Innenwahrnehmung der Organisation. Zusammenfassend besteht aus der Sicht der Autorin die Kernkompetenz dieser Organisation aus der Verbindung von organisationskulturspezifischen und strategischen Entscheidungen, am Beispiel der langen Wertschöpfungskette. Inwieweit nun der Einsatz von Informationstechnologie ein Relevanzkriterium für die Entwicklung von Kernkompetenzen darstellt, wird nun folgend besprochen. Die Nutzung von Informationstechnologie ist grundsätzlich mit mehreren Themen 178
verknüpft: dem technologische Fortschritt, der Effizienz, der Effektivität, dem Verlust von firmen- und personenspezifischem Wissen et cetera (siehe Kapitel 4.2.4). Ein Experte bewertet dies folgendermaßen: „Eine Stärke ist auch, dass wir bestimmte Technologienischen durchaus prominent besetzen können und diese auch vorantreiben“ (Experte 9).
Aus Sicht der Autorin kann durch die systemgerechte Nutzung von Informationstechnologie und der Adaptierung an systemspezifische Erfordernisse eine Kernkompetenz entwickelt werden; dies erfolgt jedoch nicht zwangsläufig. Informationstechnologie stützt die Umsetzung von Kernkompetenzen, in dem die Explikation, der Transfer beschleunigt und gestützt wird. Des Weiteren trägt Informationstechnologie zur Wissensgenerierung bei. Ein Experte unterstreicht die Technologiestützung der Prozesse, wie folgend: “Computer-gestützte Fahrplanung ist die Kernkompetenz - und da gehört sehr viel implizites Wissen dazu, wie dieser Prozess auch konzernintern abläuft“ (Experte 6).
In einer internationalen Organisation ist der intensive Einsatz von Informationstechnologie zur Stützung der Kernaufgaben und Umsetzung der Prozesse unverzichtbar. Der weltweite Transfer, die Zusammenführung und die Analyse der Daten ist ohne den Einsatz der Technologie nicht möglich. Die Kernaufgabe dieser Organisation wird im konkreten Fall systemextern festgelegt. Ein Experte bezieht sich bei der Frage der Kernkompetenzen auf folgende organisationale Fähigkeit: „Unsere Singularität ist auf einem relativ kleinen Gebiet, hochkonzentriertes Wissen, up to date beziehungsweise on the edge of knowledge zu haben; dieses Wissen wird ständig reflektiert mit den anderen Partnern im System und daraus kommt dann ein Entwicklungsschritt, der das betreffende System in Europa sicherer macht und eine größere Kapazität schafft“ (Experte 17).
Technologische Maßnahmen unterstützen die Effizienz, Effektivität und die Qualität einer Organisation beziehungsweise deren Prozesse:
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„Unsere Organisation ist unter dem modernen Begriff Prozessmanagement unterwegs; unsere Kernkompetenz heißt Luftverkehr planen und lenken und im weiteren Sinn dafür zu sorgen, dass das ganze sicher, effizient und effektiv abgewickelt wird und von der Qualität her keine Verspätungen im Gesamtgefüge verursacht werden“ (Experte 9).
Zusammenfassend werden auf Basis der Experteninterviews folgende Erklärungsansätze abgeleitet: Mit dem Einsatz von Informationstechnologie werden grundsätzlich keine organisationalen Kernkompetenzen etabliert. Systemkonforme Informationstechnologie unterstützt zwar den Prozess der Dokumentation und Selektion von organisationsspezifischen Kernkompetenzen, begründet aber per se keine Kernkompetenz. Informationstechnologie ist demgemäß Enabler für die Generierung von organisationalen Kernkompetenzen; diese liegen großteils in impliziter Form vor, daher besteht die Notwendigkeit der Explikation, besonders in Wettbewerbsmärkten. Die Erarbeitung von organisationalen Kernkompetenzen wird als Führungsaufgabe bezeichnet.
8.1.3 Wissensgenerierung in Organisationen Im Kontext des Themas Wissensgenerierung wird auf die anthropologische Konstante der Bedeutung des Wissens hingewiesen und auf das Faktum der Änderung des Charakters des Wissens. Theoretisches Wissen hat in der postindustriellen Gesellschaft einen vergleichsweise höheren Stellenwert als praktisches Wissen erlangt (siehe Kapitel 4.1). Die Generierung von Wissen ist für Organisationen von zentraler Bedeutung geworden. Systemexterne Bedingungen wie technologische Entwicklungen, globale Märkte, Erhöhung des Wettbewerbs drängen in Richtung technologische Innovationen und versprechen Erhöhung der Effizienz und wirtschaftliche Vorteile (siehe Kapitel 4.2.4). In Unternehmen wird durch die Strukturierung des Wissens, verstreutes organisationales Wissen zusammengeführt, mit dem Ziel, relevantes Wissen für Entscheidungen zu generieren. Für Hayek liegt das Problem einer rationalen ökonomischen Ordnung in der Verstreutheit des Wissens begründet und folglich in den Steuerungsschwierigkeiten eines Systems (siehe Kapitel 4.1). Mit dem Einsatz der 180
neuen Informationstechnologien wird der Zugang zu großen Mengen an Daten und Informationen erleichtert und die Verfügbarkeit von Informationen erhöht.
8.1.3.1 Systembezogene Wissensgenerierung Entsprechend der Systemtheorie nach Luhmann zeichnen sich Systeme durch operative Geschlossenheit und gleichzeitige kommunikative Offenheit aus. Die Geschlossenheit bedingt, dass es innerhalb einer Organisation zu typischen Operationen kommt. Diese Selbstproduktion des Systems durch die eigenen Operationen beziehungsweise diese Zirkularität des Systems bezeichnet Luhmann als Autopoiesis (siehe Kapitel 6.2.1.4). Aufgrund der Autopoiesis unterscheiden sich die Operationen einer Organisation von jenen einer anderen Organisation innerhalb eines Funktionssystems wesentlich. In Bezug auf die Kommunikation ist das System offen (siehe Kapitel 6.2.1.1). Operiert eine Organisation als wissensgenerierende Einheit und folgt man dem SECI- Modell nach Nonaka und Takeuchi, so wird neues Wissen mittels der vier Formen der Wissensumwandlung, der Sozialisation, Externalisation, Internalisation und Kombination generiert. Dieser Prozess der Wissenskreation bezieht sich auf die Entstehung von relevantem Wissen, den Wissenstransfer und die Wissensintegration in Produkte und Leistungen. Eine genaue Beschreibung der Formen der Wissensumwandlung nach Nonaka und Takeuchi siehe Kapitel 5.1.2. Dieser Ansatz nutzt in erster Linie systeminterne Wissensquellen zur Generierung neuen relevanten Wissens. Im Kontext der organisationalen Wissensgenerierung ist es aus der Sicht der Autorin ebenfalls notwendig, neben den systeminternen, auch die systemexternen Quellen zu berücksichtigen. Die konkreten Fragen in Bezug auf die Wissensgenerierung an die Experten lauten: Wie generiert Ihre Organisation dieses bedeutsame Wissen? Intern und/oder extern? Gibt es Personen, die hier eine zentrale Rolle spielen? Organisationales Wissen ist kurzfristig für die täglichen Operationen beziehungsweise für das Funktionieren der Organisation relevant. Mittel181
beziehungsweise langfristig ist die organisationale Wissensbasis für die nachhaltige Entwicklung und den Fortbestand der Organisation essentiell. Die Entscheidung in bestimmten Geschäftsfeldern der Organisation relevantes Wissen aufzubauen, wird von einem Experten einer globalen Organisation so beschrieben: „Wenn jetzt irgendwo eine Entscheidung gefallen ist, dass wir noch etwas Neues entwickeln sollen, dann kümmere ich mich darum, die Experten zu finden, welche an der Entwicklung der Inhalte arbeiten können; ich koordiniere die Experten diese bilden dann zusammen eine Lernorganisation“ (Experte 20).
Im Vergleich dazu, beschreibt ein Experte den Ent-scheidungsfindungsprozess folgendermaßen: „Generell das Management-Team und dann besonders die Funktionen, People Development auf der einen Seite und Sales Management auf der anderen Seite“ (Experte 1).
Relevantes Wissen für eine Organisation kann systemintern oder systemextern generiert werden. Wird Wissen von außerhalb des Systems bezogen, so wird mit Bezug auf die Systemtheorie von strukturellen Kopplungen gesprochen. Die Form der Wissensgenerierung ist aus der Sicht der Autorin eine Konsequenz des Organisations- beziehungsweise des Branchentypus. Beispielsweise generiert ein Dienst-leistungsunternehmen einen höheren Anteil an Wissen außerhalb der Systemgrenzen, vergleichsweise zu einem Forschungsunternehmen. Ein Experte eines Dienstleistungsunternehmens beschreibt die externe Wissensgenerierung folgendermaßen: „Wir hören sehr genau hin, was auf Tagungen, Meetings, Seminaren, in Fachzeitschriften und bei Kunden kommuniziert wird; wir bemühen uns auch gemeinsam mit unseren Kunden in Brainstorming Sessions und generell in neue Anwendungsbereiche zu gehen, neues Erfahrungswissen zu generieren; wir trachten auch durch die Analyse von Erfolgen und Misserfolgen, Erfolgsmuster und anwendungsorientiertes Wissen zu generieren“ (Experte 1).
Wie von dem Experten beschrieben, wird systemexternes Wissen durch verschiedene Formen der Umwandlung in die Organisation transferiert. 182
Die kommunikative Offenheit des Systems unterstützt die Generierung von Wissen außerhalb des Systems. Dies wird von einem Experten mit dem Hinweis auf die weltweite Vernetzung der Organisation beschrieben: „Wir sind heute de facto weltweit vernetzt und haben weltweit Betriebe, wo es auch darum geht, sich mit Kulturen und anderen sozialen Organisationen zu beschäftigen, mit Non Profit Organisationen; auch dort liegt Wissen und neue Erfahrungswerte; das ist derartig komplex und das Schulungsbudget, das zeigt sich auch hier, steigt jährlich um etwa 8-10 Prozent.; wir glauben, dass das gut investiertes Geld ist, denn Wissen zu bekommen, kostet Geld“ (Experte 18).
Der Hinweis des Experten auf finanziellen Ressourcen ist aus der Sicht der Autorin ein wesentlicher, da laut Hayek hier die einzig vergleichbare Messgröße bezogen auf einen definierten Zeitabschnitt für die getätigten Wissensinvestitionen vorliegt (siehe Kapitel 4.2.2). Die stärkste Ausprägung in Bezug auf die Kategorie Organisation wird bei einem internationalen Konzern festgestellt. Konzernartige Strukturen tendieren zum Zukauf von Organisationseinheiten, wie ein Experte beschreibt: „Denn das Zukaufen von Einzelpersonen ist zumeist zu wenig, was wir tun, ist Unternehmen zuzukaufen oder Joint-Ventures einzugehen; aber in unserem Konzern, würde ich sagen, ist ein Großteil selbst aufgebaut, durch sehr hohe F & E Ausgaben, lange Entwicklungszyklen, zahlreiche Kooperationen, auch mit unterschiedlichen Partnern, Kunden usw. und natürlich auch durch eigene Erfindungen; wir haben einen hohen Patentanteil und davon lebt so ein Unternehmen, das geht nicht anders; und wenn sie am Markt sehr weit vorne sein müssen, müssen sie das Wissen A) früh haben und B) selber haben“ (Experte 5).
Die beschriebene Organisation baut systemintern Mitarbeiter auf und kauft parallel dazu Organisationseinheiten zu. Der Stellenwert und der Umfang des Informationstechnologieeinsatzes sind in Organisationen sehr unterschiedlich. Informationstechnologie stützt den Transfer, die Speicherung und Zusammenführung von Daten und Informationen. Jede strukturierte Wissensgenerierung erfolgt heute in Organisationen computer-gestützt. Zählt die Wissensgenerierung ad Definition zur Kernaufgabe einer Organisation, so stellt sich die Frage, in welcher 183
Form, in welchem Umfang und in welchem Ausmaß an Informationstechnologie, die Wissensgenerierung erfolgt. Ein Experte einer internationalen Organisation beschreibt die Wissensgenerierung folgendermaßen: „Das Generieren des Wissens beruht auf Berichtspflichten; wir bekommen die Daten aus dem System, zum Teil weil wir auch Abrechnungsinstanz sind und ein guter Teil der Daten kommt aus der Abrechnung entsprechender Gebühren; diese Daten werden also nicht nur für die Abrechnung verwendet, sondern auch für andere Schlussfolgerungen verwendet. Der zweite Komplex ist die Zusammenarbeit mit anderen europäischen Institutionen und den Erzeugern von Geräten“ (Experte 17).
Für die Beherrschung von großen Datenmengen und Informationen benötigt eine Organisation ein besonderes Ausmaß an ComputerStützung, wie beispielsweise durch besondere technologische Systeme und Instrumente. Ein Experte beschreibt den Einsatz neuer Informations- und Kommunikationssysteme, wie folgt: „Wir haben das Corporate Document Management System geschaffen: Hier gibt es ein gemeinsames Repository für alle Dokumente, welche indexiert werden und auch der Volltextsuche zugänglich sind; dieses elaborierte Wissen, das sich aus diesen zusammengeführten Daten ergibt, ist jedermann zugänglich und soll auf Duplizierungen hingewiesen werden“ (Experte 17).
Die Nutzung dieser Datenmengen und Informationen als Entscheidungsgrundlage, erfordert zunächst die Zusammenführung der Daten und Informationen und schließlich den Transfer in Wissen, das heißt, die Einbettung in einen relevanten Kontext und die Verknüpfung mit dem implizitem Wissen von Personen, sprich den Erfahrungen. Liegt der Unternehmenszweck einer Organisation in der Generierung und dem Wissenstransfer, so bedarf es eines integrierten strukturierten Prozesses in der Organisation. Strukturierte Wissensgenerierung wird von der Autorin mit dem Begriff Lernen gleichgesetzt. Ein Experte eines internationalen Beratungsunternehmens berichtet über das Selbstverständnis seines Unternehmens als Lernorganisation:
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„Wir haben eine Lernorganisation, welche sich um Trainings kümmert und diese auch entwickelt oder von außen einkauft; es ist selbstverständlich, dass mithilfe von Experten, computer-gestützte Trainings erstellt werden; es gibt natürlich auch die Möglichkeit über Conference-Calls gewisse Themen vorzustellen, dann muss man die Experten organisieren, welche über ein gewisses Thema reden und Präsentationen erstellen können“ (Experte 20).
Die Wissensziele einer Organisation sind im Kontext des jeweiligen Funktionssystems zu erklären. Zählt eine Organisation zum Funktionssystem Öffentlichkeit, so sind die Entscheidungen über die generellen Wissensziele per Definition durch die systemexternen Kernaufgaben determiniert. Im Vergleich dazu, werden bei wirtschaftlichen Organisationen, Entscheidungen über Wissensziele von strategischen oder visionären Überlegungen abgeleitet. Weiterführende Überlegungen zur Strategie oder der Vision einer Organisation im Kontext des organisationalen Wissens werden im Forschungsvorhaben nicht ausgeführt. Zusammenfassend werden auf Basis der Experteninterviews folgende Erklärungsansätze abgeleitet: Das Ausmaß an Wissensgenerierung ist von der Zugehörigkeit zum jeweiligen Funktionssystem, beispielsweise jedem der „Wirtschaft“ oder „Politik“ der Organisation abhängig und ist unmittelbar mit der Frage des Ausmaßes der Stützung durch Informationstechnologie verknüpft; diesbezügliche Entscheidungen werden von Führungskräften getroffen; der Organisationszweck und der finanzielle Aufwand für technologische Innovationen determinieren Entscheidungen dieser Art.
8.1.3.2 Identifikation von Chancen und Risiken Wissensgenerierung vergrößert die organisationale Wissensbasis, sowohl auf der Ebene der Organisation, als auch auf der Ebene der Person. Die Relevanz des Wissens ist jeweils im Kontext der Organisation zu analysieren und des Weiteren sind die möglichen Konsequenzen in Bezug auf firmenspezifisches Wissen zu analysieren. Die Frage an die Führungskräfte lautete: Was kann für die Wissens185
generierung in Ihrer Organisationen getan werden? Welche Schwierigkeiten könnten dabei auftreten? Die Notwendigkeit relevantes Wissen für eine Organisation zu generieren, ist eine Folge des Organisationszwecks oder des Sinns der Organisation. Dieser lässt sich entweder aus der, per Gesetz definierten Kernaufgabe ableiten, wie beispielsweise bei öffentlichen Organisationen beziehungsweise ist eine Folge des Unternehmenszwecks bei Organisation. In welchem Umfang relevantes Wissen für eine Organisation generiert wird, ist zumeist eine Frage der finanziellen Ressourcen, welche einer Organisation zur Verfügung stehen. Ein Experte nimmt hier konkret Bezug: „Es sollten noch mehr externe Schulungen gemacht werden; wir haben ein unterdurchschnittliches Fortbildungsbudget und das wird noch stärker unterdurchschnittlich ausgenutzt“ (Experte 13).
Ein weiterer Experte betont ebenfalls die Bedeutung der finanziellen Ressourcen: „Drittmittel einzufordern, in Form von Zusammenarbeit mit anderen XYOrganisationen et cetera, wo wir auch Forschungsprojekte bewilligt bekommen beispielsweise haben wir jetzt vier Mitarbeiter für Forschungsprojekte für zwei Jahre finanziert bekommen“ (Experte 15).
Mit dem Thema Wissensgenerierung sind auch der organisationale Wissensverlust und die daraus resultierenden Schwierigkeiten für Organisationen verknüpft. Ein Experte einer historischen Wissensorganisation spricht diese Problematik an: „Wir haben hier ein Spezialwissen; möglicherweise kommen uns die Experten und Expertinnen abhanden und das bereitet mir ein bisschen Sorge“ (Experte 15).
Auf der Ebene der Person ist Wissensgenerierung mit Fragestellungen des Sinns und der Motivation des einzelnen Mitarbeiters verbunden. Unterschiede sind auf personale Barrieren, den Mitarbeitertypus und Organisationstypus zurückzuführen.
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Beim Mitarbeitertypus wird zwischen der Rolle Experte und NichtExperte beziehungsweise Generalist unterschieden. Der Branchentypus wird nach Zugehörigkeit zum funktionalen System, wie beispielsweise dem Teilsystem „Wirtschaft“ oder dem System „Öffentlichkeit“ differenziert. Ein Experte nimmt auf den Branchentypus Bezug, indem er meint: „Die Mitarbeiter nehmen hier zuwenig - das ist der Branchenunterschied zu meinem vorhergehenden Beruf in der Bank, viel zu wenig die Fortbildung an und verordnete Fortbildung, ist nur die halbe Fortbildung; das ist gar nicht leicht; der Widerwille gegen Fortbildung ist bei wirklichen Experten extrem groß“ (Experte 13).
Aus der Differenz des Branchentypus und des Mitarbeitertypus folgen Differenzen in Bezug auf die Art der Wissensgenerierung. In öffentlichen Organisationen oder historischen Organisationen haben Mitarbeiter durchschnittlich längere Arbeitsverhältnisse und generieren das Wissen über eine längere Zeitdauer hinweg vergleichsweise zu privatwirtschaftlichen Organisationen mit größerer Mitarbeiterfluktuation. Die Wissensbasis einer historischen Organisation liegt tendenziell im einzelnen Wissensträger, dem jeweiligen Mitarbeiter. Die Notwendigkeit, das Wissen in die Organisation zu transferieren ist vergleichsweise aufgrund der durchschnittlichen längerfristigen Arbeitsverhältnisse gering. Im privatwirtschaftlichen Bereich sind Arbeitsverhältnisse vergleichsweise tendenziell kürzer beziehungsweise flexibler und Organisationen sind bemüht das Wissen der Wissensträger in die Organisation zu transferieren und keine Abhängigkeit von einzelnen Wissensträgern entstehen zu lassen. Aufgrund dieser grundsätzlichen Unterschiede zwischen den Funktionstypen, verfügen öffentliche Organisationen über ein längerfristig aufgebautes internes Erfahrungswissen. Mitarbeiter, die sich einen Expertenstatus in einer Organisation erworben haben, generieren ihr Wissen großteils innerhalb der Organisation und weniger außerhalb des Systems. Die Entstehung eines Expertenstatus wird dadurch gefördert. Ein Experte beschreibt den Mitarbeitertypus eines
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öffentlichen Unternehmens im Vergleich zu jenem in einer privatwirtschaftlichen Organisation explizit: „Ich könnte die Mitarbeiter alle drei Wochen lang, irgendwo hinschicken; wir reden hier immer von dem Personalstock, den ich auch nicht verändern kann, welchen man aufgrund der Pragmatisierung geerbt hat; das unterscheidet natürlich so ein Unternehmen von der Privatwirtschaft; das war auch ein Unterschied zu früher“ (Experte 13).
Der Mitarbeitertypus eines privatwirtschaftlichen Unternehmens ist tendenziell flexibler, wechselt häufiger sein Arbeitsverhältnisse und generiert sein Wissen auf Basis unterschiedlicher Erfahrungshintergründe. Ein weiterer Experte beschreibt die Differenz der Funktionssysteme Wirtschaft und Öffentlichkeit folgendermaßen: „Mitarbeiter, welche schon fast 30 Jahre hier sind, das war für mich völlig neu, weil ich aus der Privatwirtschaft komme und einfach gelernt habe, dass man nach 6 Jahren wieder einmal wo anders hin geht und halt flexibel ist; hier war das ganz anders und dadurch haben sich die Leute ein unglaubliches Wissen in ihrem Bereich aneignen können“ (Experte 15).
Mögliche Ursachen für die mangelnde Weitergabe des Wissens liegen auf der Ebene der Person. Faktoren wie beispielsweise Verlust des Expertenstatus oder andere in der Person begründete Ursachen haben hier Relevanz. Ein Experte beschreibt dieses Phänomen so: „Eine Schwierigkeit liegt auf der mentalen Seite, z.B. Wissen oder Erfahrungen mit Kunden werden ja von Vertriebsmitarbeitern, operativen Managern und selbst Sachbearbeitern versucht zu horten; das ist ja vermeintlich das Asset, welches man gegenüber dem Arbeitgeber hat; eine besondere Kundenbeziehung und problematik, eine kreative Problemlösung besser kennen, anwenden und umzusetzen und weiterentwickeln zu können als Andere“ (Experte 1).
Ein weiterer Experte berichtet über seine Erfahrungen: „Es gibt ja auch Leute mit der Einstellung: Mein Wissen gebe ich nicht her - das gibt es Alles; deshalb muss man Strukturen und eine gewisse Vernetzung schaffen“ (Experte 15).
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Ein Experte beschreibt den Typus des hoch spezialisierten Experten in seiner Organisation in folgender Weise: „Es gibt eine große geistige Barriere: Wenn sie einen hoch spezialisierten Experten in einem ganz kleinen Gebiet haben, kann er sich nicht vorstellen, in irgendeiner Weise sein Spezialwissen zu ergänzen, zu erweitern; der hoch spezialisierte Experte ist ein Positivist, er denkt, es gibt keine Fortbildung“ (Experte 13).
Mit der Wissensgenerierung ist die Frage des Nutzens von neuem relevantem Wissen für die Mitarbeiter und die Organisation verknüpft und mögliche organisationale Schwierigkeiten. Ein Experte beschreibt seine Erfahrungen folgendermaßen: „Es kommt vor, dass Mitarbeiter nach Weiterbildungsmaßnahmen mit Ansätzen und Wissen zurückkommen und meinen, jetzt machen wir Alles anders; weil es ist ja ein Unterschied zu einem, ob ich sage, okay jetzt weiß ich Etwas oder dieses Wissen 1:1 sofort umzusetzen will - da kann es innerhalb einer Gruppe Konflikte bis zu größeren Schwierigkeiten in der gesamten Organisation geben, je nachdem, auf welcher Managementebene er angesiedelt ist; wenn ein Hauptabteilungsleiter geläutert zurückkommt, dann kann schon Einiges daraus entstehen“ (Experte 18).
Mögliche Schwierigkeiten der Wissensgenerierung liegen aus der Sicht eines Experten im Grad der Technologisierung der Organisation begründet: „Richtiger Einsatz von Soft- und Hardware; wenn man alles erschlagen will mit Tools, dann werden diese immer mächtiger und dann muss ich immer strukturierter die Dinge erfassen und vorgeben; das System ist einerseits zu komplex und tötet andererseits die Bereitschaft der Mitarbeiter, Inputs zu geben“ (Experte 1).
Zusammenfassend werden auf Basis der Experteninterviews folgende Erklärungsansätze abgeleitet: Die Wissensgenerierung auf individueller Ebene wird durch die Motivation des einzelnen Mitarbeiters und die Organisationskultur bestimmt; personale Barrieren der Mitarbeiter sind häufig in den Faktoren Herrschaftswissen und Macht, Notwendigkeit und Sinn des relevanten Wissens etc. zu suchen; das Ausmaß der individuellen Wissens-
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generierung der Mitarbeiter ist im Kontext der Branche beziehungsweise der jeweiligen Organisation zu beurteilen.
8.1.3.3 Wissen als knappe Ressource Wissen ist gleichfalls zu Kapital, knappe Ressource in Organisationen. Diese Knappheit realisiert sich in der Nicht-Verfügbarkeit von relevantem Wissen für bestimmte organisationale Prozesse und Entscheidungen. Damit rückt nach Baecker der Umgang mit der knappen Ressource Wissen beziehungsweise dem Nicht-Wissen ins Zentrum einer Organisation und die Frage, wie werden Organisationen trotz mangelnder Verfügbarkeit von relevantem Wissen gesteuert (siehe Kapitel 6.2.1). Um den Fokus in Richtung Management des Nicht-Wissens zu lenken, lautet die Frage an die Experten: „Gibt es Prozesse oder Bereiche in ihrer Organisation, die aus ihrer Sicht besonders wissenskritisch sind? Welche Art des Wissens ist hier bedeutsam?“ Unter dem Begriff wissenskritisch versteht die Autorin systeminterne und systemexterne wissensrelevante Ressourcen in Organisationen, welche dem Faktor der Knappheit unterliegen. Der Engpass der Ressource findet seine Ausformung einerseits auf der Ebene der Person und andererseits auf der Ebene der Organisation, wobei der Grad der Integration des personalen Wissens in die Organisation von besonderer Relevanz ist. Die einzelnen Wissensträger, sprich die Mitarbeiter verfügen über Wissen und gleichzeitig Nicht-Wissen. Folgend dem systemischen Ansatz des Buches, werden die Individuen als externe Variable und folglich als nicht systemzugehörig, eingestuft. Das Wissen der Mitarbeiter bedarf grundsätzlich der Wissensumwandlung um für die Organisation nutzbar zu werden. Die Organisation selbst, verfügt nach dem Modell von Pautzke über eine Wissensbasis, welche entsprechend dem Kriterium der unterschiedlichen organisationalen Verfügbarkeit des expliziten und impliziten, sowie des individuellen und kollektiven Wissens, geschichtet ist. Die kleinste gemeinsame Wissensbasis ist das von allen geteilte 190
explizite Wissen, welches allen Mitgliedern des Systems zur Verfügung steht. Parallel zum allgemein verfügbarem Wissen, existiert ein individuelles, implizites Wissen der Mitarbeiter, das der Organisation verfügbar gemacht werden kann, sofern keine personalen Barrieren des Wissenstransfers vorliegen. Die weiteren Schichten des Wissensmodells zählen zunehmend zu jenen Wissensbereichen, deren Wahrscheinlichkeit in Entscheidungen miteinbezogen zu werden, abnimmt (siehe Kapitel 4.2.2). Wissen ist ursächlich mit dem Thema Entscheidung verknüpft. Die Relevanz von Wissen als Entscheidungsgrundlage in einer Organisation ist sehr differenziert zu betrachten und führt letztendlich auf die Paradoxie jeder Entscheidung in einer Organisation (siehe Kapitel 6.2). Wissen ist grundsätzlich die Basis für Entscheidungen in jeder einzelnen Organisation. Der Engpass oder der kritische Wissensbereich liegt somit in der mangelnden Verfügbarkeit von zukunftsrelevanten Daten und Informationen als Entscheidungsgrundlage, wie ein Experte beschreibt: „Das sind also Bereiche, wo wir planen müssen: Wir bauen unsere Planungen, Entscheidungen, Vorschläge darauf aus, dass die Luftfahrt jedes Jahr um fünf oder sechs Prozent wächst und wir müssen leider sechs bis acht Jahre im Vorhinein planen; wenn jetzt dieses Wissen nicht stimmt, durch irgendeinen Umstand auf den wir keinen Einfluss haben, dieses Wachstum nicht eintritt, dann gehen wir in die völlig falsche Richtung - unser Problem ist die Langfristigkeit des Ergebnisses von Entscheidungen und zweitens das Basieren auf einer sehr großen Menge von Daten, welche alle in eine Richtung weisen, aber es kann ein Ereignis eintreten, etwa ein großer Unfall in der europäischen Luftfahrt und dann fallen die Prognosen wie auf Null zusammen. Kann man nicht lösen das Problem“ (Experte 17).
der Experte beschreibt, sind die Zusammenführung und der Transfer großer Mengen von Daten und Informationen ausschließlich computergestützt möglich. Die computer-gestützte Schaffung von Entscheidungsgrundlagen ist wesentlich für die generelle Dokumentation und die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen. Im Funktionssystem Öffentlichkeit ist die computer-gestützte Dokumentation vor allem im Hinblick auf die Einhaltung von gesetzlichen Bestimmungen unerlässlich. Ein
Wie
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Experte bezeichnet daher jene Aufgaben als wissenskritisch, welche per Gesetz als Kernaufgaben festgelegt wurden: „Wenn ich ein Wissen, welches mir vom Gesetz her abverlangt wird, nicht hätte wir sind sehr auf Prozessniederschreibung ausgerichtet, in den Werkstätten können wir alles nachweisen, da ist wirklich alles genau dokumentiert, wann was gemacht wurde“ (Experte 3).
In einer Organisation findet Wissen seine Ausformung in den Strukturen, Prozessen und in der Kultur seine Ausformung. Abhängig vom jeweiligen Organisationstypus und Branchentypus werden unterschiedliche Bereiche als wissenskritisch bewertet. Bei Expertenorganisationen kann das Fehlen von qualifizierten Experten zu Schwierigkeiten bei den Routinen der Organisation führen, das heißt, wenn beispielsweise die operativen Kernaufgaben der Organisation nicht mehr erledigt werden können. Organisationen, die für diese Grundoperationen die besondere Expertise von Mitarbeitern benötigen, haben in der Regel Mechanismen für den Ausfall dieser Experten integriert, wie ein Experte unterstreicht: „Wissenskritisch ist der unmittelbare Betriebs- und Infrastrukturbereich, aber insofern nicht kritisch, weil wir natürlich Mechanismen etabliert haben, das hier dieses Wissen, dieses echte Fachwissen, so vorhanden ist, das wenn man nur von einem Menschen spricht, substituierbar ist; das ist ein Gruppenwissen, dass dann in der Gruppe von Mitarbeitern etabliert ist.“ (Experte 9).
Dieses Expertenwissen ist innerhalb der Organisation eine knappe Ressource. Folglich werden innerorganisatorische Maßnahmen getroffen, um die Verfügbarkeit dieses Wissens für Routineoperationen sicherzustellen. Relevantes Wissen ist zeitkritisches Wissen. Kurzfristig ist jenes Wissen bedeutsam, dass für die typischen Operationen der Organisation unabdingbar ist, langfristig vor allem jenes Wissen, dass außerhalb dieser Prozessbereiche liegt und den Bereichen Vision, Strategie, Kultur et cetera subsumiert werden kann. Ein Experte hebt die Relevanz der Kultur als wissenskritische Variable hervor, indem er meint:
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„Wo ich kritische Bereiche sehe ist im Folgenden: Wir haben in der Kultur des Unternehmens, welche ja früher ein Bundesorganisation war und ganz einfach vom gesamten Finanz- und Rechnungswesen nicht existiert hat, sondern rein kameralistisch unter dem Staatshaushalt gelaufen ist, uns zu verändern gehabt und hier ist Wissen da, aber es wird divisionär gesehen, d.h. die Zusammenhänge zwischen den Notwendigkeiten im betriebswirtschaftlichem Sinne und jenen in der exekutiven Seite“ (Experte 9).
Zusammenfassend werden auf Basis der Experteninterviews folgende Erklärungsansätze abgeleitet: Führungskräfte benötigen für ihre Entscheidungen relevante Entscheidungsgrundlagen – diese stützen sich grundsätzlich auf Expertenwissen, d.h. auf ein Wissen in Bezug zur organisationalen Umwelt. Aufgrund von Unvollständigkeiten können Wissensengpässe entstehen. Diese sind in Abhängigkeit vom Organisations- und Branchentypus zu sehen. Die Organisationskultur hat auch hier ihre Relevanz, indem Engpässe auch durch nicht in die Organisation transferiertes Wissen entstehen.
8.1.3.4 Führungskraft als Wissensträger „Die Welt aus der Perspektive des Wissens zu betrachten“ lautet das Paradigma und jene Fähigkeit, die für Führungskräfte in Wissensorganisationen wesentlich ist (Sveiby, 1997, S. 50).
Wissen ist Ausgangspunkt für richtige Entscheidungen und die Handlungsfähigkeit von Organisationen. Führungswissen umfasst Wissen über Hierarchie und Koordination der organisationalen Arbeitsteilung. Es setzt sich sowohl aus implizitem, als auch explizitem Wissen zusammen; es liegt nur teilweise in expliziter Form vor. Der zentrale Bezugspunkt für Führung ist das System der Organisation, eingebettet in gesellschaftliches Wissen (siehe Kapitel 4.2.1). Führung in einer Wissensorganisation beinhaltet zwei Aufgaben: „Wissen, wohin man gehen will und andere Menschen zum Mitkommen veranlassen“ (Sveiby, 1997, S. 93).
Über welche Eigenschaften eine Führungspersönlichkeit vergleichsweise zu einem Manager in einem Wissensunternehmen verfügen sollte, beschreibt Sveiby folgendermaßen: 193
x Eine Führungspersönlichkeit verändert, ein Manager bewahrt x Nur wenige Manager sind gleichzeitig auch Führungspersönlichkeiten x Führungspersönlichkeiten sind in einem Wissensunternehmen wichtige Leute, von denen es häufig mehrere gibt. „Die Kunst, Wissensunternehmen zu führen, ist daher die Kunst, mit Spezialisten umzugehen, besonders mit den Experten, und die Führungsaufgabe in solchen Unternehmen besteht darin, den Spezialisten Bedingungen einzuräumen, unter denen diese ihre Kreativität zum Vorteil des Kunden entfalten können, ohne dass das Unternehmen von ihnen ganz abhängig wird“ (Sveiby, 1997, S 95).
Eine wesentliche Aufgabe von Führungskräften ist ihre Rolle als Initiator und Begleiter von organisationalen Veränderungs- und Lernprozessen. Führung im Sinne von Begleitung zielt daher auf Kontextsteuerung der Organisation, das heißt Führungskräfte beeinflussen die Kontexte und lassen gleichzeitig das Entstehen von Prozessen der Selbstorganisation zu. Aus der Sicht der Autorin ist diese Form der Führung im Gegensatz zum Lernen einer Führungselite, eine für Wissensorganisationen geeignete Form (siehe Kapitel 5.1.4). Im Rahmen des Buches wird unter dem Begriff Führungskraft der Experte einer Organisation verstanden, welcher formal dem oberen Management der Organisation angehört und für die Führung der Organisation hauptverantwortlich ist. Eine theoretische Differenzierung von Führungstypen ist in diesem Kontext nicht Gegenstand der Ausführungen. Um die beschriebenen Fähigkeiten einer Führungskraft zu analysieren, wird den Experten auf Basis der Differenz zwischen explizitem und implizitem Wissen, folgende Frage gestellt: Wie schätzen Sie die Bedeutung des impliziten Wissens für Ihre Position ein? Die Differenzziehung zwischen implizitem und explizitem Wissen symbolisiert die Unterscheidung zwischen Entscheidung und Entscheidungsgrundlage und ist letztlich auf die unterschiedlichen Kategorien Mensch und Technologie zurückzuführen. Systemtheoretisch betrachtet, werden die Mitarbeiter einer Organisation als systemexterne Variable 194
betrachtet und sind ausschließlich durch die Zahl der Kommunikationen im System existent (siehe Kapitel 6.2.1.5). Führungskräfte einer Wissensorganisation benötigen für die Wahrnehmung der Führungsaufgaben beide Wissensarten, für die Generierung von Entscheidungsgrundlagen und für die eigentliche Entscheidung, als zentrale Aufgabe. Die zentralen Fähigkeiten von Führungskräften werden auf Grund der Experteninterviews unter den Konstrukten Verknüpfung explizites und implizites Wissen und Entscheidungsrelevanz subsumiert (siehe Kapitel 7.4.3). Zum Konstrukt Entscheidungsrelevanz werden folgende, von den Experten genannte Faktoren gezählt: Erfahrung, wenig Expertenwissen, schnelle Auffassung, Intuition, Denkmuster, Einschätzung von Personen, Entscheidungen herbeiführen, Glaubwürdigkeit, Authentizität, Managementaufgabe, Führungsposition, Nacharbeiten und Aufarbeiten, Gelassenheit, keine Aufregung, Erfahrung sinnvoll verwerten, aus Unsicherheit entscheiden, tägliche Lektüre, Kreativität, Kontext der Person, Persönlichkeit, Schlüsse ziehen, Einschätzung der Kräfte von Mitarbeitern (siehe Kapitel 7.4.3). Das Konstrukt Verknüpfung explizites und implizites Wissen findet seinen Ausdruck in den Expertenaussagen wie Schlüsse ziehen, Fähigkeit der Kombination beider Wissensarten, ganzheitliche Betrachtung, Erfahrung des Scheiterns bei einseitigem Vorgehen, vier Grundrechenarten und Erfahrung,, Gleichwertigkeit“ (siehe Kapitel 7.4.3). Einzelne Experten benennen ebenfalls organisationsbezogene Kriterien wie den Typus der Branche oder des Unternehmens als Relevanzkriterium für den Grad der Bedeutung des impliziten Wissens. Auch hier wird auf die Unterscheidung zwischen implizitem und explizitem Wissen fokussiert, mit dem Ziel, jene führungsrelevanten Wissensbestandteile zu evaluieren, welche aus der Sicht der befragten Experten für die Wahrnehmung ihrer Funktion maßgeblich sind. Nach Polanyi findet implizites Wissen seine Ausformung in der Praxis und Anwendung, der Erfahrung, Intuition und den mentalen Modellen; wogegen das explizite Wissen seinen Ausdruck in der schriftlichen, aufgezeichneten Form, in Form von Patenten, in der Theorie und dem Verstand findet (Polanyi, 1958).
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Die Befragung der Experten in ihrer Rolle als Führungskraft zielt auf die Relevanz der beiden Wissensarten. Basierend auf den Expertenaussagen, ist das implizite Wissen für die Wahrnehmung der Managementaufgaben für den Großteil der Befragten sehr bedeutend. Ein Experte beschreibt seine Einschätzung folgendermaßen: „Wenn sie eine Führungsposition haben wollen, dann müssen sie sehr viel implizites Wissen haben, sie müssen die Chance bekommen haben, sehr viel an Erfahrung sammeln zu können, mitarbeiten zu können und sie nehmen für sich dann das heraus, was für sie eben das Wichtige ist, weil sonst sind sie auch nicht glaubwürdig“ (Experte 18).
Ein weiterer Experte trifft folgende Aussage: „Für die Führungsrolle ist das implizite Wissen fast wichtiger als das explizite Wissen; wir haben also hier sehr viele Dinge einerseits aus dem Bauch heraus beziehungsweise aufgrund von Erfahrungswerten die man gesammelt hat, getroffen“ (Experte 14).
Die Entstehung des impliziten Wissens in all seinen Ausformungen liegt im jeweiligen individuellen Erfahrungshintergrund und der Persönlichkeit begründet. Folgt man der Systemtheorie nach Luhmann, so steht nicht der einzelne Mensch im Mittelpunkt des sozialen Systems, sondern die Kommunikation als System erhaltende Einheit (siehe Kap. 6.2.1.5). Die Kommunikation als kleinste soziale Einheit ist nicht das Produkt von Menschen, sondern von einem sozialen System, in dessen Rahmen sie ihren Ausdruck findet. Das soziale Funktionssystem Wirtschaft wird durch typische Kommunikationen determiniert und folglich systemadäquat interpretiert. Nicht der Mensch determiniert das soziale System, sondern der binäre Code des sozialen Systems (siehe Kapitel 6.2). Die Beschreibung eines Experten verdeutlicht die Verknüpfung von implizitem Wissen und Kommunikation in einem Wirtschaftsunternehmen: „Ich glaube implizites Wissen hat sehr viel zu tun mit Glaubwürdigkeit - mit Authentizität und eine Führungsposition können sie nur dann glaubwürdig ausüben, wenn sie wirklich, dass was sie sagen auch umsetzen, wo man ihnen das
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auch abnimmt im wahrsten Sinn des Wortes; also das würde ich über das explizite Wissen auf jeden Fall stellen“ (Experte 18).
Kreativität gleichgesetzt mit dem Neuen findet verschiedene organisationale Ausformungen wie beispielsweise in kreativen Kundenlösungen, Dienstleistungen, Produkten et cetera. Kreativität entsteht durch das Zusammenspiel von implizitem und explizitem Wissen und findet seine erste Explikation auf der Ebene der Person und erst danach, auf Grund verschiedener Formen der Wissensumwandlung, auf der Ebene der Organisation (siehe Kap. 5.1.3). Ein Experte beschreibt die Kreativität einer Person, als Ausdruck des impliziten Wissens, als maßgeblichen Faktor für den Erfolg in seiner Führungsrolle: „Dann ist immer die Frage, wer ist der Bürokrat, der alles nach einem Schema macht; viel wichtiger ist, Entwicklungen zu erfahren, Dinge anders zu machen, nicht immer nur den ausgetretenen Pfaden nachzugehen, sondern neue, spannende Dinge zu entdecken und zu machen, welche man woanders nicht sieht; das ist ja genauso wie in jedem Industriebetrieb: Die kreativen, innovativen Typen, die erfolgreich sind; man heute nur kopiert, dann wird man bald vom Fenster weg sein - es ist heute im Museum auch ein harter Verdrängungswettbewerb da“ (Experte 11).
Neben der Kreativität ist Entscheidungsfindung bei Unsicherheit das Ergebnis eines kognitiven menschlichen Prozesses. Diese resultieren aus der Verknüpfung von expliziten und impliziten Wissensbestandteilen. Entscheidungsfindung bei Unsicherheit oder der Umgang mit NichtWissen ist eine für Führungskräfte typische Situation, ein Experte beschreibt: „Ein konkretes Bespiel im Unternehmen: Wir haben ein neues Dokumentmanagement-System, wo demnächst ein neues Release kommen wird; soll ich jetzt das heutige Release, sprich die Lizenz kaufen oder auf das nächste abwarten? Ob wir das nächste kaufen, da ist letztlich die Intuition entscheidend - irgendwann hört das explizite Wissen bei Managemententscheidungen auf und irgendwann muss man aus Unsicherheit entscheiden.; jetzt habe ich zwar alle Daten am Tisch, aber das Ergebnis ist 50:50“ (Experte 17).
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Führungskräfte müssen permanent Entscheidungen treffen; teilweise unter Unsicherheit beziehungsweise nicht vollständigen Informationen. Inwieweit nun Experten die Relevanz des impliziten Wissens einschätzen zeigen folgende Aussagen: „Für die meisten Entscheidungen reichen die vier Grundrechenarten und letztlich Erfahrung - Kundenkontakt und der Versuch, die Erfahrung, die man gesammelt hat, sinnvoll zu verwerten“ (Experte 14).
Entscheidungsfindung bei Vorliegen einer umfassenden Datenbasis kann ebenfalls zu Entscheidungen führen, welche vermehrt auf implizitem Wissen beruhen: „Wenn es 50:50 steht, dann ist Intuition maßgeblich, da reden wir morgen darüber oder am Wochenende, da möchte ich im wahrsten Sinne des Wortes noch einmal darüber schlafen und das ist dann nur mehr Intuition oder implizite Lösung - aber ich kann auch dann nicht mehr begründen, warum die Lösung 2 besser “ (Experte 17). „Grundsätzlich werden Entscheidungen, vor allem hinsichtlich von Projekten, ob und wie man sie macht sehr stark aufgrund des impliziten Wissens gefällt; man holt sich bestimmte Experten und baut auf Basis deren Meinungen eine bestimmte Erwartungshaltung gegenüber dem Projekt und entscheidet dann, d.h. sehr stark implizit“ (Experte 8). „Für mich ist der entscheidungsrelevante Moment, wie geht es mir mit dieser Entscheidung, knapp bevor ich sie treffe und wie steht sie im Einklang mit den Erfahrungswerten, welche ich gesammelt habe; auch was die Reaktion bei Menschen anbelangt et cetera bei der Mitarbeiterführung; für mich ist das entscheidend“ (Experte 16).
Neue Situationen erfordern von Führungskräften eine intuitive Einschätzung der Situation des konkreten Handlungs- und Entscheidungsspielraums. „Für eine Top-Managementposition ist das implizite Wissen sehr wichtig, nämlich zu wissen, wie die Organisation funktioniert, wie die Menschen, die Köpfe denken, welchen Denkmustern sie verhaftet sind, wo man ansetzen muss; da ist meiner Meinung nach sehr viel Intuition dabei; also ich erfasse sehr vieles, ich
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brauche nur in eine Sitzung reingehen und die Mitarbeiter sitzen sehen und weiß, wie die Interessenslage ist“ (Experte 6).
Ein Experte beschreibt den Stellenwert des impliziten Wissens als Ergebnis der Verknüpfung der beiden Wissensarten und als Grundlage für zukünftige Entscheidungen: „Bei mir persönlich sehr hoch; aber zugleich lese ich jeden Tag drei Stunden in der Früh, bevor ich ins Büro gehe - lese Feuilletons, die FAZ, die Züricher, Süddeutsche usw. aus dem resultiert sehr viel implizites Wissen; nicht unmittelbar anwendbares, konkretes, praktisches Wissen für die Tätigkeit, sondern das ist ein Schwamm, der da entsteht und sich anfüllt, den drücke ich dann tagsüber aus“ (Experte 13).
Parallel zur Ebene der Person hat implizites Wissen auch auf der Ebene einer Gruppe und der Organisation Relevanz. Jeder Organisation verfügt über implizites Wissen, das seine Ausformung in den Strukturen, Prozessen und der Kultur findet. Des Weiteren liegt auch implizites Wissen im jeweiligen Branchentypus und im jeweiligen funktionalen System vor, der durch den binären Code des gesellschaftlichen Subsystems explizit und implizit durch seine Spielregeln determiniert wird. Experten beschreiben das implizite Wissen eines Bereichstypus beziehungsweise des Branchentypus in folgender Weise: „Bei mir persönlich ein bisschen geringer als in den Bereichen, die unmittelbar mit künstlerisch, kreativer konzeptiver Gestaltung zu tun haben; es werden sich wahrscheinlich in jedem Bereich, Teilbereiche finden lassen, wo implizites Wissen und persönliche Erfahrungen eine große Rolle spielen; auch bei meinem Funktion ist sicher die persönliche Erfahrung des Arbeitens in einem Kulturbetrieb wichtig, der nicht zu unterschätzen ist, welche man über Jahre aufbaut hat: Umgang mit Personen aus dem Kunst, ob das jetzt Künstler sind beziehungsweise das Betriebsund Unternehmensklima in einem Kulturbetrieb“ (Experte 10). „Es kommt immer darauf an, welche Zielsetzungen die jeweilige Organisationseinheit hat und nach dem orientiert es sich dann; ich glaube, dass das Rechnungswesen, natürlich braucht man dort auch viel Erfahrung, das ist keine Frage, aber es ist viel mehr explizites Wissen als implizites Wissen von Relevanz; Implizites Wissen ist einerseits besonders wichtig im Bereich der
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Kommunikation und andererseits in all jenen Bereichen, wo Kundenkontakte stattfinden und auch wo strategische Entscheidungen fallen für das gesamte Unternehmen“ (Experte 12).
Für Führungskräfte ist der Einsatz von Informationstechnologie ein Mittel zur Erhöhung der Effizienz und zur qualitativ hochwertigen Dokumentation. In Verbindung mit Entscheidungsprozessen wird Informationstechnologie für die Dokumentation und Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen genutzt. Bevor Führungskräfte normalerweise entscheiden, wird explizites Wissen von Experten generiert. Dieser vorgelagerte Prozess erfolgt in Organisationen computer-gestützt, wobei der Grad der Computerstützung von organisationsspezifischen Faktoren abhängt. Beispielsweise haben größere Strukturen tendenziell einen höheren Grad an Dokumentation und einen höheren Aufwand in Bezug auf den innerorganisationalen Wissenstransfer, wie ein Experte eines Konzerns beschreibt: „Der Vorstand eines Unternehmens lebt nur davon, dass er diese Information und dieses Wissen aus den Bereichen erhält, verarbeitet, strukturiert, systematisiert und dann wieder weitergibt; das ist faktisch der Job“ (Experte 5).
Im Vergleich dazu, die Aussagen eines Experten eines KMU in Bezug auf die Explikation des Entscheidungsfindungsprozesses: „Entscheidungsfindungen halte ich fest, auch nur auf einem Blatt Papier handschriftlich: Wie ist die Entscheidung zustande gekommen, denn wenn man in zwei Jahren darauf zurückkommt, dann weiß ich wie kam ich zu der Entscheidung gekommen bin - aber es ist dennoch Vieles aufgrund meines impliziten Wissens entstanden, das wird sich glaube ich, auch nicht so schnell ändern“ (Experte 3).
Zusammenfassend werden auf Basis der Experteninterviews folgende Erklärungsansätze abgeleitet: Führungskräfte sind Entscheidungsträger und Kommunikatoren. Entscheidungen kommen durch die Verknüpfung des impliziten und expliziten Wissens zustande und werden anschließend kommuniziert. Führungskräfte sind einerseits von den relevanten Expertisen ihrer Mitarbeiter und andererseits von ihren persönlichen Erfahrungen, Praxis 200
und Intuition, abhängig. Das implizite Wissen wird bei unvollständigen Entscheidungsgrundlagen beziehungsweise in unsicheren Szenarien zukünftiger Entwicklungen als besonders entscheidungsrelevant beurteilt. Die Fähigkeit zur Kreativität generell beziehungsweise zu kreativen Lösungen wird vor allem in Bezug auf Unterschiede zu Mitbewerbern und in Bezug auf Innovationen als bedeutsam erachtet.
8.1.3.5 Mitarbeiter und Wissensgenerierung Organisationen verfügen über Mitarbeiter unterschiedlichsten Typs. Folgt man Sveiby, so wird in einer Organisation zwischen Führungspersönlichkeiten, Experten, Managern und Zuarbeitern differenziert (Sveiby, 1997). Diese verfügen über individuelles Wissen, welches sie in einem unterschiedlichen Ausmaß in die Organisation transferieren. Die organisationale Wissensbasis repräsentiert demgemäß jenen Wissensstand, welcher der Organisation auf individueller und kollektiver Ebene zur Verfügung steht (siehe Kapitel 4.2.2). Jeder Mitarbeiter verfügt über explizites und implizites Wissen, welches er für die Erledigung seiner Aufgaben einsetzt und in einem unterschiedlichen Grad in die Organisation transferiert. Nur Teile des Wissens der Mitarbeiter werden für von der Organisation genutzt beziehungsweise stehen der Organisation überhaupt zur Verfügung. Auf der Suche nach wissensrelevanten Differenzierungen in Bezug auf die Rolle der Mitarbeiter bei der Entscheidungsfindung wird den Experten folgende Frage gestellt: Worauf beruhen die Entscheidungen von Mitarbeitern in den verschiedenen Verantwortungsbereichen in Ihrer Organisation, in Bezug auf implizites und explizites Wissen? Wissensorganisationen bestehen zu einem Großteil aus Experten, wobei die Führung von Experten keine triviale Aufgabe ist, da: „Experten häufig kreative Persönlichkeiten und keine gelassenen, friedfertigen Typen sind“ (Sveiby, 1997, S. 94). Experten sind für eine Wissensorganisation unerlässlich und dem zu Folge sollte eine Organisation einen expertengerechten Kontext auf der 201
Ebene Struktur, Prozesse und Kultur, schaffen; wobei Strukturen entsprechend dem Ansatz von Luhmann nur im gegenwärtigen Moment der Operation des Systems wirksam werden und die Selbstorganisation ein Element zur Strukturerzeugung ist. Im Vergleich zu selbst-steuerbaren Systemen geht man in der traditionellen betriebswirtschaftlichen Organisationstheorie von fremdsteuerbaren Systemen aus und erklärt die Ursachen, welche zur Selbstorganisation geführt haben als Resultat von Managementfehlern. Neue Ansätze in der Organisationsforschung weisen jedoch in Richtung der Prozessorientierung vergleichsweise zur Strukturorientierung (siehe Kapitel 6.2.1.3). Experten besitzen Wissen über relevante Märkte und Umwelten der Organisation; dieses Wissen der Experten liegt zumeist in expliziter Form vor (siehe Kapitel 4.2.1). Dies führt zur Frage der Verwendung der Expertise und letztendlich zur Frage der Art der Einbindung der Experten in organisationale Entscheidungen. Die befragten Experten differenzieren bei der Beantwortung der Fragen grundsätzlich nach der Art der Tätigkeit beziehungsweise der Art der Entscheidung, demgemäß determiniert die Rolle des Mitarbeiters beziehungsweise sein Aufgabenfeld den konkreten Entscheidungsspielraum oder umgekehrt formuliert, die Art der Entscheidung impliziert den Entscheidungsträger in der Organisation. Den Mitarbeitern einer Organisation wird die Verantwortung für bestimmte Aufgaben von den Führungskräften implizit und explizit zugewiesen, wie ein Experte beschreibt: „Explizit liegt das Wissen nur dann vor, wenn eine konkrete Willensäußerung vom Vorstand kommt; der Vorstand führt die Unternehmung allerdings nicht über Befehle, sondern indem er die Mitarbeiter motiviert, Etwas zu tun und da ist eben auch wieder sehr viel im Verborgenen“ (Experte 8).
Unternehmensentscheidungen werden stets eigentümerkonform getroffen, das heißt der jeweilige Eigentümer beziehungsweise die vom Eigentümer beauftragten Manager treffen Entscheidungen für die Organisation. Ein Experte beschreibt dies folgendermaßen:
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„Bei den unternehmerische Entscheidungen, sprich welche Mitarbeiter, wo und wie eingesetzt werden entscheidet der Eigentümer; das ist bei uns ein bisschen ein Ausnahmefall, weil wir ein stark eigentümergeprägtes Unternehmen sind, weil dem Herrn XY das Unternehmen zu 100% gehört, da ist natürlich für uns eine extreme implizite Wissensquelle drinnen - es passieren viele Entscheidungen im geglaubten Wissen; darüber was der Eigentümer denkt“ (Experte 8).
Im Vergleich zu einem eigentümergeprägten Wirtschaftsunternehmen sind die Entscheidungsprozesse und die Kommunikation über getroffene Entscheidungen einer internationalen Organisation klarer determiniert. Mitarbeiter der operativen Bereiche der Expertenorganisation generieren Daten und Informationen entsprechend ihren Kernaufgaben und generieren entscheidungsrelevante Grundlagen für Führungspersonen und Entscheidungsträger. Operative Entscheidungen beruhen sehr stark auf den vorliegenden Fakten; wogegen im nichtoperativen Bereich auch implizites Wissen in Form von Einschätzungen über künftige Entwicklungen Relevanz hat, wie dies von einem Experten beschrieben wird: „Da gibt es einen zweiten Bereich - hier agieren wir wie ein Unternehmen, welches auf der Einschätzung der Entwicklung des Umfeldes beruht und natürlich ist hier relativ viel Intuition dabei“ (Experte 17).
Organisationen in stark regulierten Bereichen und mit staatlich festgelegten Kernaufgaben, haben zumeist einen höheren Grad an computer-gestützten Dokumentationen zu erfüllen. Folglich ist der Einsatz von Informationstechnologie hier umfassender. Gesetzliche Bestimmungen und Zertifizierungen reduzieren den Handlungs- und Entscheidungsspielraum der Mitarbeiter, erhöhen aber das Ausmaß der Nachvollziehbarkeit von Operationen und Entscheidungen innerhalb des Systems und über die Systemgrenzen hinweg. Ein Experte beschreibt die Dokumentationsverpflichtungen in seiner Branche wie folgt: „Wir sind schon von Gesetzes wegen dazu angehalten als Bank und da hat eine Bank sicherlich eine Sonderstellung; wahnsinnig viel schriftlich dokumentieren zu müssen, schriftlich heißt ja jetzt digital“ (Experte 18).
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Da Entscheidungen und deren Akzeptanz eine große Rolle spielt, erfolgt die Wissensgenerierung und die Entscheidungsfindung in dem genannten Unternehmen teambasiert, mit dem Ziel einer breiten Unterstützung in Bezug auf den organisationalen Wertekanons. Dazu der Experte: „Im Bezug auf das implizite Wissen: Wir arbeiten ganz intensiv in Teams, damit das Wissen nicht auf Einzelpersonen aufgeteilt ist, sondern wir versuchen, insbesondere hier das implizite Wissen breit zu verteilen“ (Experte 18).
Zusammenfassend werden auf Basis der Experteninterviews folgende Erklärungsansätze abgeleitet: Führungskräfte treffen organisationsbezogene Entscheidungen – Fachexperten treffen aus Sicht der Führungskräfte keine Organisationsentscheidungen. Sie generieren aufgrund ihrer Expertise Entscheidungsgrundlagen, welche sich auf Informationen und Wissen in Bezug auf die Umwelt der Organisationen stützen. Experten verfügen über beziehungsweise erarbeiten sich eine fachspezifische Expertise und ein relevantes Erfahrungswissen; dieses Wissen wird, abhängig von der Organisationsstruktur, in den Prozess der strategischen Entscheidungsfindung integriert. Die Zahl der Experten mit fachlicher Entscheidungskompetenz ist vom Organisationstypus beziehungsweise Branchentypus, abhängig.
8.1.4 Organisationaler Wissenstransfer Organisationaler Wissenstransfer ist ein komplexes soziales Phänomen. Dieser kann nicht schlechthin als Prozess der Übertragung von Wissen verstanden werden, denn Wissen lässt sich nicht schlichtweg von A nach B transferieren. Wissen ist stets mit dem Erkennen, Verstehen und Begreifen von Sinnzusammenhängen verbunden und unterscheidet sich folglich wesentlich von Daten und Informationen. Im Kontext des Buches wird der Wissensbegriff mit konkreter Handlungsfähigkeit verknüpft (siehe Kapitel 4.3). Unter Bezugnahme auf die Systemtheorie wird zwischen den Kategorien Umwelt und Organisation differenziert, wobei die Umwelt den systemexternen Bereich abbildet
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und die Organisation im Sinne eines Systems mit den Eigenschaften der Autopoiesis, Selbstorganisation, Eigenkomplexität etc. verknüpft wird. Der Kategorie Umwelt werden jene Variable zugeordnet, welche aus der Perspektive der Organisation nicht beeinflussbar sind, wie beispielsweise externe Komplexität, technologischer Fortschritt, generelle Umfeldveränderungen et cetera und des Weiteren personenbezogene Variable, wie die Handlungs- und Entscheidungsrelevanz. Die Kategorie Organisation beinhaltet Variable wie den Organisationszweck, die finanziellen Ressourcen, die strategischen Ausrichtung, der Veränderungsrelevanz et cetera; jene Variable, welche systeminhärent vorliegen und nach Luhmann mit dem Begriff der Autopoiesis umschrieben werden (siehe Kapitel 7.4.3 und Kapitel 6.2.1.4). Folgt man Luhmann, so sind Informationen grundsätzlich nicht übertragbar: „Kommunikation kann nicht als Übertragung von Informationen, Nachrichten, Sinnelementen von einer Stelle auf eine andere begriffen werden“ (Luhmann 1990 b, 173 in Berghaus, 2003).
Kommunikation ist so stabil, dass sie sich in jedem Fall durchsetzt, unabhängig von dem was passiert, da in jedem Fall noch die Kommunikation über das Geschehene noch möglich ist (Luhmann 2002 b, 278 in Berghaus, 2003). Die Kommunikation ist die kleinste soziale Einheit zwischen zwei Systemen, welche aus der Information, Selektion und dem Verstehen besteht. Das Charakteristikum der Kommunikation ist die Selektion, denn Kommunikation bedeutet, zwischen mehreren Möglichkeiten wählen zu müssen: „Kommunikation kommt zustande durch eine Synthese von drei verschiedenen Selektionen – nämlich Selektion einer Information, Selektion der Mitteilung dieser Information und selektives Verstehen oder Missverstehen dieser Mitteilung und ihrer Information“ (Luhmann 1995b, S. 115 in Berghaus, 2003).
Der Transfer von Wissen wird hier im Kontext breit interpretiert, folgend Luhmann, als jede Form der Kommunikation, die zwischen sozialen Systemen stattfindet, das heißt als selektiver Prozess innerhalb des sozialen Systems Organisation und über die Grenzen des Systems hinweg. Kommunikation liegt nach Luhmann nur dann vor, wenn die Mitteilung 205
als solche vom Empfänger verstanden wird. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zum klassischen kommunikationswissenschaftlichen Verständnis (siehe Kapitel 6.2.1.5). Informationstechnologie ist im Kontext des vorliegenden Buches Enabler für den Transfer des Wissens. Mittels Informationstechnologie können letztendlich aber nur Daten und Informationen weiter gegeben werden, jedoch nicht Wissen im hier verstandenen Sinne der Handlungsrelevanz (siehe Kapitel 4.2.4). Laut Luhmann wird durch die moderne Computertechnologie die Autorität der Experten angegriffen, da der Einzelne jederzeit die Aussagen von Experten am Computer überprüfen kann (Luhmann 1997, 312 in Berghaus 2003). Durch den Einsatz der Computertechnologie tritt eine weitere Stufe der sozialen Entkoppelung ein, welche mit der Entkopplung der Mitteilung vom Verstehen durch die Schrift begonnen hat und nun durch die Technik eine weitere Stufe erreicht hat, indem die Daten unabhängig vom Sinn bearbeitet werden. Luhmann spricht in diesem Zusammenhang von einer nicht mehr durchschaubaren Komplexität (Luhmann 1997, S. 310 in Berghaus 2003). Mit der Frage der Selektion ist das Thema Ethik verknüpft, im Sinne eines ökologischen Umgangs mit Wissen, das heißt, es wird der Frage nachgegangen, welches Wissen wird zugelassen, tradiert, transferiert und welches wird vernachlässigt und vergessen als bewusster individueller Prozess innerhalb einer Organisation (siehe Kapitel 4.2.5). Wissen ist für die Erzielung von nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen und Innovationen von Organisationen notwendig. Unter dieser Prämisse, dass das relevante Wissen innerhalb der Organisation existiert und ebenso verfügbar ist, wird der organisationale Wissenstransfer zu einer Frage der Selektion und des Transfers des relevanten Wissens innerhalb des Systems. Die Grenzen des Wissenstransfers liegen in der Eigenschaft der Kontextbezogenheit des Wissens, denn jede Form des Wissens muss für das jeweilige soziale System rekontextualisiert werden, um für die Anwendung im jeweiligen sozialen System Sinn zu stiften. Die weiteren Eigenschaften des Wissens werden im Kapitel 4.2.2 besprochen. Als Ausgangspunkt der Analyse wird nochmals das implizite Wissen gewählt, mit dem Ziel die Besonderheiten im Wissenstransferprozess zu verdeutlichen. 206
8.1.4.1 Besonderheiten des impliziten Wissens „Knowledge starts with subjective belief and it is humans who hold and justify those beliefs. Knowledge cannot exist without human subjectivities and the contexts that surround them. What is “truth” depends on who we are (values) and from where we look at it (context). And it is the differences on our values and contexts that create new knowledge” (Nonaka, Toyama, 2007, S. 374).
Implizites Wissen ist vergleichsweise zu explizitem Wissen persönlich, kontextspezifisch und nur sehr schwer kommunizierbar und findet entsprechend Polanyi seine Ausformung in der Praxis, Anwendung, mentalen Modellen und der Intuition (Polanyi, 1958). Eine weitere Differenzierung des impliziten Wissens trifft Baumard, welcher zwischen einer kognitiven und technischen Dimension unterscheidet. Paradigmen und mentale Modelle sind Teil des Bereichs der Kognition. Das Know-how einer Person zählt zur technischen Dimension und ist als kontextspezifische Anwendung der Expertise einer Person zu verstehen (siehe Kapitel 4.2.1). Um den Aspekt des impliziten Wissens einer Organisation zu analysieren, wurde den Experten folgende Frage gestellt: Wo spielt implizites Wissen in ihrer Organisation eine bedeutsame Rolle? Wo liegen die Besonderheiten oder Schwierigkeiten des Umgangs mit implizitem Wissen? Das implizite Wissen ist mit der Person verknüpft und Teil der Kategorie Umwelt (siehe Kapitel 7.4.3). Implizites Wissen findet seine Ausformung sowohl auf der Ebene der Person als auch auf der Ebene der Organisation; auf der personellen Ebene ist der Wissenstransfer mit persönlichkeitsbezogenen Hemmnissen oder Mustern verknüpft. Es kann entsprechend den vier Formen der Wissensumwandlung nach Nonaka explizit gemacht werden und folglich transferiert werden. Wissen kann entsprechend dem Modus der Sozialisation durch Imitation oder Beobachtung übertragen werden. Mit dem Modus der Externalisation wird implizites Wissen beispielsweise durch Dialoge weitergegeben (siehe Kapitel 5.1.2). Experten beschreiben Schwierigkeiten des Wissenstransfers in Bezug auf das implizite Wissen auf persönlicher Ebene, wie ein Experte schildert: 207
„Das implizite Wissen spielt bei Führungskräften eine wichtige Rolle; die Schwierigkeit hängt mit der jeweiligen Persönlichkeit zusammen; das ist schwer zu steuern, denn sie haben im Führungsteam unterschiedliche Personen; die Einen, die bereitwillig offen kommunizieren und die Anderen, die verschlossen sind, eher mehr straight, durchaus auch manchmal schwierige persönliche Züge haben“ (Experte 16). „Die Schwierigkeit ist wahrscheinlich, dass man davon ausgeht, dass der Andere genauso ist wie man selbst und das ist ein ziemlicher Fehler - man darf nie annehmen, dass der Kollege genauso denkt oder genau solche Überlegungen anstellt, dann geht es schon schief; man stößt auch manchmal auf mangelnde Bereitschaft sich überhaupt neues Wissen anzueignen, aufgrund einer anderen Wertewelt oder was immer“ (Experte 14). „Die Schwierigkeiten liegen immer dort, wir haben es mit Menschen zu tun, dass manche Menschen Wissen als Herrschaftswissen behandeln; das ist die größte Gefahr, und daher liegt es ganz entscheidend beim Führungspersonal, dass sich diese hoffentlich nur mit Menschen umgeben, die nicht genau diesem Typus entsprechen, sondern Mitarbeiter suchen, welche auch implizite Wissen weitergeben“ (Experte 18).
Die Entscheidungsfähigkeit beruht auf der Verknüpfung von implizitem und explizitem Wissen. Werden Entscheidungen ausschließlich aufgrund des impliziten Wissens, beispielsweise der individuellen Erfahrungen eines Entscheidungsträgers getroffen, so ist das Risiko von Fehleinschätzungen größer. Experten beschreiben Entscheidungsprozesse und mögliche damit verbundene mögliche Risiken: „Daher die Frage, wie können wir das implizite Wissen mit dem Faktenwissen verknüpfen, dass es nicht nur rein persönlich gefärbt ist; das Risiko besteht, wenn sich eine Person irrt und dieser Irrtum das gesamte Unternehmen betrifft“ (Experte 9).
Ein weiterer Experte beschreibt jene Schwierigkeiten welche im Zusammenhang mit erfahrungsbasierten Entscheidungen und der Führungsrolle auftreten: „In der Führungsrolle kann es bei erfahrungsbasierten Entscheidungen Schwierigkeiten geben, weil Anderen dieser Erfahrungshintergrund fehlt und die
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Entscheidung nicht nachvollziehbar sind; dann sieht man möglicherweise den erhobenen Zeigefinger; wer Anderer, der diese Erfahrungen nicht gemacht hat, kann damit nur schwer Etwas anfangen und da kommt man dann manchmal in das Autoritäre hinein“ (Experte 15).
Die Steuerung des Wissenstransfers auf der Ebene der Organisation ist grundsätzlich eine Frage der generellen Steuerungsmöglichkeiten von Mitarbeitern in Organisationen, da dieser Prozess durch soziale Faktoren geprägt ist, wie Experten beschreiben: „Es ist sehr schwierig, dass implizites Wissen an künftige Nachfolger weitergegeben wird; das muss man ganz offen sagen. Das muss man von oben steuern oder Verständnis dafür wecken, dass er das Wissen weitergibt - den Wissenstransfer können sie nicht verordnen und in manchen Fällen scheitern sie. Es gibt auch pensionsbedingte Abgänge, die ihr Büro überhaupt nicht übergeben“ (Experte 16). „Da müssen sie so vorgehen, als wäre der Mitarbeiter überraschend gestorben und sie müssten weiter tun; ist auch ein Erfahrungsprozess für den neuen Mitarbeiter; der wird gezwungen implizites Wissen durch Schock zu erwerben“ (Experte 16). „Ich habe noch kein probates Mittel gefunden, da muss ich dann als Führungskraft passen, wenn das von der chemischen Basis nicht passt, dann haben wir diese Wissenslücke, dann dauert es halt eine Weile, bis der sich von anderen Quellen Informationen geholt hat“ (Experte 3).
Analysiert man nun die Übertragung des Wissens auf der interorganisationalen Ebene nach der Funktion nach Gupta und Govindarajan, so wird der Wissenstransfer zwischen zwei Organisationseinheiten, wie beispielsweise innerhalb einer multinationalen Corporation und damit außerhalb des sozialen Systems nach Luhmann, durch fünf Faktoren determiniert. Zu diesen zählen: der Wert beziehungsweise die Duplizierbarkeit des Wissens, die Motivation des Wissensgebers, die Existenz und Vielfältigkeit der Übertragungskanäle, die Motivation des Wissensempfängers und die Absorptionsfähigkeit der Wissen empfangenden Organisation. Die genannten Faktoren können sich in Form von Fazilitatoren oder in Form von Barrieren realisieren (siehe Kapitel 5.1.3). Die Existenz und 209
Vielfältigkeit verschiedener Formen der Übertragungskanäle ist entscheidend für die Akzeptanz des „fremden“ Wissens. Das sogenannte „Not-Invented-Here“–Syndrom (NIH) wird als eine der Hauptbarrieren jedes Wissenstransfers bezeichnet (siehe Kapitel 5.1.3). Wird Konkurrenz zwischen dem Wissensgeber und Wissensnehmer wahrgenommen, so kann dies zum Horten von Wissen und Informationen führen. Beim Auftreten eines solchen Verhaltens, sollte nicht auf das Fehlverhalten von einzelnen Mitarbeitern geschlossen werden; vielmehr können die Ursachen in intra-organisationalen Mustern zu finden sein. Der ökonomische Level zwischen den Organisationseinheiten beeinflusst weiters den Wissenstransfer und die Lernbereitschaft der Mitarbeiter (Gupta & Govindarajan, 2000). Formelle und integrative Mechanismen von Beziehungspositionen im Sinne von Corporate Sozialisierungsmechanismen dienen der Steigerung des gegenseitigen Vertrauens; ein Experte berichtet über seine Erfahrungen zum interorganisationalen Wissenstransfer: „Was auch interessant ist und das spricht vielleicht nicht für den Entwicklungsgrad der weltweiten Lösung des Wissensmanagements: Wir generieren sicher mehr Wissen originär in der eigenen Organisation als wir aus anderen Niederlassungen in die Organisationen transferieren“ (Experte 1).
Sowohl laterale als auch vertikale Sozialisierungsmaßnahmen werden von dem Experten zur Verbesserung des Wissenstransfers beschrieben. Als laterale Maßnahmen werden Jobtransfers zu Peer-Niederlassungen verstanden, vergleichsweise zu vertikalen Maßnahmen, als Jobtransfers zum Hauptquartier (Gupta & Govindarajan, 2000). Ein Experte beschreibt die Maßnahmen so: „Eine Art Coaching System - das ist eine Kernantwort, es coachen erfahrene Führungskräfte neue Führungskräfte und neue Mitarbeiter absolvieren Seminare in den verschiedenen Ländern wo Top-Führungskräfte als Referenten auftreten“ (Experte 1).
Der Prozess des Wissenstransfers in einer Konzernstruktur kann anhand des Konzepts von Holden und Kortzfleisch erläutert werden. Der Ansatz basiert auf der Analogie zur sprachlichen Übersetzung und definiert vier 210
Dimensionen des Transfers, welche im Kapitel 5.1.3 bereits ausgeführt wurden. Als Störfaktoren des Wissensumwandlungsprozesses werden die Zweideutigkeit, die Interferenz und der Mangel an gleicher Bedeutung bezeichnet (siehe Kapitel 5.1.3). Diese sind besonders bei stark strukturierten, internationalen oder multikulturellen Organisationen zu finden. Organisationen mit einer Vielzahl von unterschiedlich strukturierten Einheiten haben unterschiedliche Aufgaben und Zielsetzungen zu erfüllen. Jede dieser Organis-ationseinheit verfügt nach Pautzke über eine explizite und implizite Wissensbasis, mit unterschiedlichen Möglichkeiten des Zugriffs durch die Entscheidungsträger (siehe Kapitel 4.2.2). Ein Experte eines Konzerns beschreibt die Strukturierung des Wissens der Organisationseinheiten und mögliche Schwierigkeiten in Bezug auf den intra-organisationalen Wissenstransfer: „Auf jeder Ebene gibt es umfangsreiches implizites Wissen, welches von Menschen getragen wird und auch nach außen verkauft wird; es ist natürlich sehr wichtig, dieses Wissen als Vorstand abzuchecken und nachzuschauen, was wird aus ihrem Wissen überhaupt und sie dürfen nicht glauben, dass das Wissen, das sie heute weitergeben, zu dem wird, was sie meinen, dass daraus werden sollte das ist ein großer Irrtum“ (Experte 5).
Der intra- und interorganisationale Wissenstransfer einer Organisation ist schwierig zu steuern. In der Theorie wird grundsätzlich zwischen zwei diametralen Ansätzen unterschieden. Einerseits, die Perspektive des Managements, genannt Agency, als Initiatoren einer dem Wissenstransfer förderlichen Struktur und Kultur des Unternehmens. Im Vergleich zu Gemeinschaft -förderlichen Strukturen, wie den Wissenstransfer begünstigende Rahmenbedingungen in der Organisation. Das Ergebnis seiner Analyse des intra-organisationalen Wissenstransfers beschreibt ein Experte folgendermaßen: „Das Wissen, welches nach oben kommt und wie dieser Prozess läuft, ist höchst spannend sich das zu überlegen; aber das betrifft großteils intrinsisches Wissen, nicht das Fachwissen und nicht das explizit im Intranet festgeschriebene Wissen“ (Experte 5).
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Das implizite Wissen der Mitarbeiter über den Kunden und seine Anforderungen wird als USP18 der Organisation verstanden, wie ein Experte beschreibt: „Wenn man den Kunden und seine Anforderungen und Haftungsfragen besser verstehen lernt und wie man technische Lösungen baut, welche dann doch zwischen einem Preisfaktor und diesen Anforderungsprofil liegen; das ist sicherlich auch implizite Wissen, dass unsere Organisation auch ausmacht“ (Experte 8).
Die Generierung von Wissen verursacht Kosten und stellt einen finanziellen Aufwand für Organisationen dar. Diese resultieren aus dem Transferaufwand von Daten und Information in Wissen. Daten sind umso kostspieliger, umso aufwendiger die Beobachtungsinstrumente für die Datensammlung und sind umso wertvoller, je proprietärer und geheimer sie sind. Die zweite Kostenkomponente bei der Wissensgenerierung ist jene der Datenverarbeitung, dem Prozess des Transfers von Daten in Informationen. Der dritte Kostenfaktor ist der Aufwand für die Herstellung einer sozialen Praxis und damit in Sinn machende Handlungsmuster (Willke, 2004). Ein Experte spricht die Kostenstruktur des Wissens seiner Organisation an, indem er meint: „Wir kommen in einem Punkt in Probleme, dass Andere mit unserem Wissen dann Geld machen; das ist eine Unternehmensentscheidung - wir müssen nicht Profit machen; wir verkaufen kein Wissen“ (Experte 17).
In einem nächsten Schritt wird nun die Bedeutung der Informationstechnologie für den Wissenstransfer beziehungsweise der Zusammenhang von Technologie und Wissen analysiert. Informationstechnologie dient dem Transfer von Daten und Informationen und sichert die zeit- und ortsunabhängige Verfügbarkeit für einen festgelegten Personenkreis. Investitionen in Informationstechnologie werden zum Zwecke der Effizienz und Effektivität für die typischen Operationen zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen integriert. Nach Luhmann wird durch den Einsatz von Computertechnologie der Sinn
18 Unique Selling Proposition
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vom Material entkoppelt, da der Computer unabhängig alle Daten verarbeitet und zur Verfügung stellt. Daher stellt sich grundsätzlich die Frage, ob und wie weit Computer die gesellschaftskonstituierende Leistung der Kommunikation ersetzen oder überbieten können und wie es sich auf gesellschaftliche Kommunikation auswirkt, wenn sie durch computervermitteltes Wissen beeinflusst wird? „Was sich tatsächlich beobachten lässt, sind weltweit operierende, konnexionistische Netzwerke des Sammelns, Auswertens und wieder zugänglich Machens von Daten, etwa im Bereich der Medizin, die themenspezifisch, aber nicht räumlich begrenzt operieren“ (Luhmann 1997, 304, in Berghaus, 2003). Befragt man Experten bezüglich des Zusammenhangs von Informationstechnologie und implizitem Wissen, so werden neue Möglichkeiten der Kommunikation genannt. Wenn Luhmann zur „Technik“ Stellung nimmt, meint er: „Technik erhöht die Wahrscheinlichkeit gelingender Kommunikationen, indem sie es möglich macht, auf einen kommunikativen Konsens zu verzichten“ (Schuldt, 2003, S. 36).
Ein Experte eines weltweit operierenden Beratungsunternehmens beschreibt den Einsatz der Informationstechnologien in seiner Organisation folgendermaßen: „Wir bieten für die Kommunikation sogenannte Collaboration-Tools an, verschiedene Möglichkeiten oder Plattformen, wo sich Mitarbeiter austauschen können euch austauschen könnt und dann die Mitarbeiter einfach selber entscheiden lässt, was für sie am Besten nützlich ist; diese technischen Tools werden jetzt angeboten und wir werden einfach mal sehen, wie sie benutzt werden oder für welche Zwecke sie benutzt werden“ (Experte 20).
Abschließend wird auf die Ursache jeder Kommunikation Bezug genommen. Diese liegt für Luhmann schlichtweg im Nicht-Wissen. Dieses ist die Initialzündung für jede Form der Kommunikation und damit auch jeden Wissenstransfers. Zusammenfassend werden auf Basis der Experteninterviews folgende Erklärungsansätze abgeleitet: Der Transfer des impliziten Wissens auf 213
personaler Ebene ist vom einzelnen Mitarbeiter der Organisation abhängig; jener auf organisationaler Ebene vom getätigten Aufwand der Re-Kontextualisierung in Bezug auf die eigene Organisation. Informationstechnologie ist in der Rolle als Enabler vom Sinn des Wissenstransfers entkoppelt, d.h. unabhängig vom Inhalt der transferierten Informationen und dem Wissen.
8.1.4.2 Organisationsbezogene Determinanten Der Wissenstransfer beziehungsweise die Kommunikation nach Luhmann ist Ausdruck der Autopoiesis des Systems Organisation, das heißt das System produziert seine Formen der Kommunikation selbst, indem bestimmte Formen der Kommunikationen wahrscheinlicher sind als andere. Zur Analyse der wissensrelevanten Variablen innerhalb einer Organisation, wurden Experten wie folgend befragt: Wird impliziter Wissenstransfer gesteuert und/oder gefördert? Zum Beispiel durch die Einrichtung von informellen Räumen oder strukturellen Maßnahmen wie Communities? Die Fragen betreffen die Steuerungsmöglichkeiten des Wissenstransfers durch Führungskräfte und versuchen die verschiedenen Formen der Strukturierung beziehungsweise Nicht-Strukturierung innerhalb eines Systems zu evaluieren. Nach Luhmann reduzieren Strukturen die Komplexität eines Systems dadurch dass sie bestimmte Anschlussmöglichkeiten der Kommunikation zur Umwelt ausschließen. Unter dem Begriff Strukturen werden Erwartungsstrukturen an ein soziales System verstanden. Prozesse schließen hingegen Anschlusskommunikationen mit ein (Schuldt, 2003). In Organisationen entscheiden Führungskräfte über die Etablierung von Wissenstransfer förderlichen Strukturen und Prozessen und be-einflussen damit die sich etablierende organisationale Kultur. Einige Experte beschreiben ihre Organisationskultur und die damit ver-knüpften Strukturen und Prozesse: „Wissenstransfer hängt mit der Kultur zusammen – der informelle Kontakt, der sich durch das Gehen durch das Haus ergibt, kann vielleicht auch so ein kleiner Wissenstransfer sein; aber das kann man nicht steuern, das tun wir auch nicht; es
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gibt keine institutionellen Einrichtung wie Jour Fix, externe Camps oder Klausuren. Dass es dies nicht gibt, ist meine Entscheidung. Ich mag dieses: Wir sind zusammen und wir lieben uns, nicht - wenn die Kommunikation nicht funktioniert im täglichen Leben, dann nützen diese Maßnahmen auch nicht“ (Experte 16). „Die Rahmenbedingungen sind so, dass einformeller Wissensaustausch ermöglicht wird, aber nicht explizit gefördert; weil diese Dinge auch schwer förderbar sind“ (Experte 14).
Im Vergleich zu den genannten Expertenaussagen, werden in anderen Organisationen bewusst versucht, Strukturen und Prozesse, mit dem Ziel der Förderung des Wissenstransfers, zu etablieren. Ein Experte beschreibt die innerorganisatorischen Maßnahmen folgendermaßen: „Wir haben informelle Mitarbeiterkreise zu den unterschiedlichsten Themen; da gibt es Vorträge von Wissenschaftlern, Philosophen oder Fachvorträge; wir haben auch sogenannte Clubs, wo sich auch Mitarbeiter unterschiedlicher Hierarchiestufen treffen - es soll ein Netzwerk entstehen“ (Experte 18).
Dieser strukturierte Wissenstransfer umfasst die Etablierung von Netzwerken beziehungsweise Kommunikationsforen für definierte Mitarbeitergruppen der Organisation, unter Berücksichtigung der Hierarchiestufen. Die Schaffung von förderlichen Strukturen und Prozessen durch das Management der Organisation, wie eben geschildert, bezeichnet von Krogh als Agency-Perspektive (siehe Kapitel 5.1.3). Unter anderem schildert der Experte installierte Sozialisierungsaktivitäten. Diese werden mit dem Zweck der Stärkung des Zusammenhalts und des Umgangs mit Stresssituationen verfolgt: „Alle Führungspersönlichkeiten einer bestimmten Ebene müssen einmal im Jahr ein Outdoor-Training absolvieren, damit werden sie in ein ganz anderes Umfeld geschickt, wo sie neue Dinge machen müssen; da kommen sie in andere als die gewohnten Stresssituation - aber da sammeln sie ein Wissen und Erfahrungen mit Kolleginnen und Kollegen, das sich ganz anders abspielt, wie da herinnen“ (Experte 18). „Wissenstransfer wird gesteuert - das ist sehr wichtig; ohne Kommunikation geht es nicht. Ich habe in allen Bereichen solche Meetings oder Kommunikationsforen eingeführt, wo die Mitarbeiter teilnehmen müssen. Gezielte Steuerung mit einer
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festgelegten Tagesordnung und einem Protokoll; da kann ich feststellen, was besprochen wurde“ (Experte 2).
Weitere Experten nehmen Bezug auf computer-gestützte Maßnahmen zur Förderung beziehungsweise Steuerung des Wissenstransfers: „Die Absicht besteht und wenn ich auf das Intranet komme, dann sind das diese anderen Aspekte vergleichsweise zu reinen Informationsmedien; ein Chat-Room oder Communities zu gründen, das bildet sich heraus, das ist eine Art Subkultur, welche entsteht und ich habe auch die Absicht, diese irgendwo zu fördern“ (Experte 9). „Wir haben auch Communities of Practice, die sich regional oder lokal treffen, face-to-face Meetings; ansonsten virtuelle Communities oder auch Blogs oder Wikis; wir versuchen auch auf globaler Ebene Communities of Practice zu unterstützen, wenn der finanzielle Rahmen es zulässt“ (Experte 20).
Durch den Einsatz von Informationstechnologie verändern sich Raum und Zeit in der Kommunikation und so wie Luhmann meint: „Dieser fast vollständige Entkoppelung von Raum und Zeit ist ein wichtiges, ja einzigartiges Merkmal der Moderne“ (Luhmann 1992a, S. 166 in Berghaus, 2003, S. 185).
Zusammenfassend werden auf Basis der Experteninterviews folgende Erklärungsansätze abgeleitet: Die Art der Steuerung des impliziten Wissenstransfers ist von der Führungskraft und dem Organisations- und Branchentypus abhängig. Die informationstechnologische Stützung des expliziten Wissenstransfers ist durch die finanziellen Ressourcen der Organisation determiniert.
8.1.4.3 Personenbezogene Determinanten Geht man zur Tradition der klassischen Organisationstheorie zurück, so wird zwischen Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern einer Organisation unterschieden. Wird diese traditionelle Differenzierung auf die Kommunikation übertragen, so wird mit Mitgliedern im Vergleich zu 216
den Nicht-Mitgliedern eines sozialen Systems kommuniziert, unabhängig von deren persönlicher Anwesenheit. Die formale Zugehörigkeit zum System ist für den Miteinschluss in die Kommunikation relevant (Baecker, 2005, S.113). Nach Luhmann sind soziale Systeme mit der Eigenschaft der operationalen Geschlossenheit und der kommunikativen Offenheit determiniert. Organisationen sind in Bezug auf ihre Operationen geschlossen, hinsichtlich der Kommunikation sind sie jedoch gegenüber ihrer Umwelt offen; das heißt, es findet ein Informationsaustausch zwischen dem eigenen System und anderen Subsystemen wie der Umwelt, statt (siehe Kapitel 6.2.1.1). Jedes soziale System ist Teil eines Funktionssystems und kommuniziert über den systemspezifischen Sinnmechanismus mit seiner Umwelt und den relevanten Kommunikationsmedien (siehe Kapitel 6.2). Beispielsweise kommuniziert ein Wirtschaftsunternehmen entsprechend seinem binären Code „Zahlen/Nicht Zahlen“ im Vergleich zu einer öffentlichen Organisation entsprechend dem systemspezifischen Code „Öffentliches Interesse/Nicht-Öffentliches Interesse“. Wird Kommunikation im Sinne Luhmanns verstanden, so ist auch die schriftliche Form Kommunikation und eine noch kommunikativere Form vergleichsweise zur mündliche Kommunikation; ganz im Unterschied zur konventionellen Sichtweise der Kommunikation (Berghaus, 2003, S. 149 f). Mündliche und schriftliche Kommunikation kommt jedoch erst durch das Verstehen zustande, als Ergebnis eines dreistufigen Selektionsprozess bestehend aus der Information, Mitteilung und dem Verstehen (siehe Kapitel 6.2.1.5). Um die Kommunikation in diesem Sinne zu analysieren, wurde an die Experten folgenden Fragen gerichtet: Hat Ihre Organisation designierte Personen, welche mit wissensrelevanten Aufgaben betraut sind? Wenn Ja, welche Aufgaben hat dieser Mitarbeiter oder diese Mitarbeiterin? Die Experten benennen die verschiedenen Typen der Kommunikationsadressaten, welche innerhalb und außerhalb ihres sozialen Systems liegen und benennen ebenfalls jene Funktionen, welche aus ihrer Sicht wissensrelevante Aufgaben in der Organisation wahrnehmen:
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„Im Bereich der Kommunikation ist es eigentlich fast jeder Mitarbeiter; wobei man darf die Führungskräfte der Mitarbeiter nicht außer Acht lassen, weil diese sind trotz Allem der stärkste Multiplikator und Faktor; des Weiteren die externe Kommunikation, die dafür sorgt, dass die Öffentlichkeit informiert ist und natürlich die Anrainerkommunikation, die Stakeholder“ (Experte 12). „Es gibt eine Medien-Kontaktperson: Es darf nicht Jeder mit den Medien kommunizieren, dass ist auf einen kleinen Kreis beschränkt und es gibt Spezialisten; der Wissenstransfer an die Fachumgebung ist sehr intensiv; der Wissenstransfer an die General Public ist sehr beschränkt“ (Experte 17).
Parallel zu expliziten Kommunikationsfunktionen in Organisationen, unterstreicht ein Experte, die Kommunikationsfunktion von Führungskräften: „Jeder der eine Führungsaufgabe hat, hat auch die Verantwortung für die Wissensvermittlung im weitesten Sinn; in den Mitarbeitergesprächen werden Zielvereinbarungen festgehalten – das ganze Unternehmen wird durch Ziele gesteuert, mithilfe der Balanced Score Card“ (Experte 18).
Des Weiteren werden folgende kommunikations- und wissensrelevante Funktionen von den Experten genannt: „Im Bereich People Development, Sales Operations für das kundenspezifische Wissen, Marketing Personen für bestimmte Marktsegmente und eigentlich alle Führungsverantwortlichen“ (Experte 1). „Nicht nur eine Person sondern Mehrere, welche ganz spezielle wissensrelevante Bereiche übernehmen, vor allem im Bereich der Digitalisierung, Langzeitarchivierung und der EU-Projekte“ (Experte 15). „Es gibt eine Strategieabteilung in der Organisation, da kann man sicherlich sagen, diese ist mit wissensrelevanten Aufgaben betraut“ (Experte 4).
Die explizite Stellenzuordnung von wissensrelevanten Aufgaben zu einer bestimmten Funktion wird einigen Experten als nicht sinnvoll erachtet: “Explizit haben wir so eine Stelle nicht eingerichtet; am ehesten könnte man sich mit der Überlegung annähern: Haben wir Wissen vorrätig für überraschende
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Ausfälle in anderen Positionen, haben wir Menschen, die bereichsübergreifendes Wissen haben; ja, das haben wir – das sind allerdings nur wenige Personen, welche man mehrfach verwenden könnte, ohne das es Probleme gebe“ (Experte 16). „Auf Top-Management Ebene ist man nicht interessiert, über eine solche Funktion zu reden; d.h. die Top-Führungskraft ist bestimmend, um so eine Kultur entstehen zu lassen; die wollen selber bestimmen“ (Experte 1).
Implizit gibt es in jeder Organisation wissensrelevante Positionen, wie ein Experte dies beschreibt: „Letztendlich ist meine Position nichts anderes als eine Wissensposition auf der obersten Ebene; die zweite Ebene ist jene, wo sich Mitarbeiter mit dem Thema Innovation befassen und Wissen aus den Bereichen absaugen und zu einer verwertbaren Struktur bringen; in der dritten Ebene gibt es Mitarbeiter, welche sich damit befassen, Fachwissen zu koordinieren und einen entsprechenden Output zu erreichen“ (Experte 5).
Die Dokumentation beziehungsweise Explikation von organisationalem Wissen wird von einigen Experten als wissensrelevante Aufgabe genannt. Mit Dokumentationen werden sowohl interne, als auch externe Prozesse beschrieben und als computer-gestützte Fakten festgehalten. Ein Experte beschreibt die Zwecke der Dokumentation folgendermaßen: „Zu beschreiben wie technische Systeme im Unternehmen funktionieren; bestimmte Dinge, welche im Tagesgeschäft sozusagen nicht festgehalten werden, zu strukturieren; die Qualitätssicherung hat bei uns auch sehr stark die Aufgabe zu reviewen und zu monitoren, das heißt nach den ganzen ISO-Prozessen muss auch hingegangen werden, die Prozesse explizit zu machen; Zertifizieren ist ja nichts anderes wie explizit machen von implizitem Wissen“ (Experte 8).
Die Verknüpfung von wissensrelevanten Aufgaben von Teams und relevanter Technologie, wird von einem Experten thematisiert. Dieser beschreibt drei zentrale Fragestellungen beziehungsweise Aufgabenstellungen im Kontext eines Beratungsunternehmens. Diese wissensrelevanten Aufgaben werden mit der Bezeichnung Capability Development zusammengefasst:
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„Erstens welche technologische Struktur braucht unser Unternehmen und wo geht der Trend hin? Zweitens die Bereitstellung der technischen Infrastruktur; drittens das Team der Berater, welches themenbezogen unterstützt und versucht, sich dort in die Prozesse zu integrieren, wo Wissensaustausch gefördert werden soll und Wissen bereit gestellt werden muss“ (Experte 20).
Abschließend soll nochmals der selektive Charakter der Kommunikation betont werden, denn jede Entscheidung kommt als Kommunikation und folglich als Resultat einer Selektion zu Stande (siehe Kapitel 6.2). Ein Experte kommt auf die Frage des Sinns zu sprechen, indem er meint: „Sie können nicht Alles aufschreiben - das ist nicht wirklich machbar; aus Zeitgründen und aus Gründen der Dynamik des Wissens. Wissen veraltert und es wäre auch zu zeitintensiv“ (Experte 5).
Zusammenfassend werden auf Basis der Experteninterviews folgende Erklärungsansätze abgeleitet: Die organisationsbezogene Kommunikation obliegt der Führungskraft – vor allem in Bezug auf Entscheidungen; Entscheidungen werden demnach von Führungskräften, unabhängig vom Entscheidungsprozess, kommuniziert. Die Art der Wahrnehmung von wissensrelevanten Aufgaben wie beispielsweise der internen und externen Wissenssteuerung lassen sich in Abhängigkeit vom Organisationstypus beziehungsweise Branchentypus erklären.
8.1.5 Lernen in Organisationen „Das Wagnis ist: wir fangen Etwas an - wir schlagen unseren Faden in ein Netz von Beziehungen. Was daraus wird, wissen wir nie“ (Hannah Arendt in: von Mutius, 2004, S. 332).
Grundsätzlich wird zwischen dem individuellem und dem kollektiven Lernen in einer Organisation unterschieden: Das individuelle Lernen als Lernen des Top-Managements, indem das erworbene Wissen der Elite, in die Organisation integriert wird, wogegen unter dem kollektiven Lernen, Lernprozesse der Mitarbeiter durch selbstgesteuerte Prozesse der Selbstorganisation in Beziehung zur Organisation verstanden 220
werden. Im Kontext des Buches interessiert ausschließlich das kollektive Lernen beziehungsweise das organisationale Lernen, also der Veränderungsprozess zwischen den Mitarbeitern und der Organisation und der Organisation selbst. Jene Fragen, die hier im Mittelpunkt stehen, sind somit Fragen betreffend Strukturen, Prozesse, Strategien und Regelsystemen, wie Normen und Werte (siehe Kapitel 5.1.4). Der Prozess des Lernens wird als Veränderung des sozialen Systems Organisation in seiner Umwelt verstanden. Das soziale System ist nach Luhmann operativ geschlossen, aber in Bezug auf Informationen offen. Die Organisation operiert autopoietisch, wird jedoch durch ihre Umwelt beeinflusst, in dem bestimmte Einflüsse selektiv zugelassen werden und in Informationen transformiert werden (siehe Kapitel 6.2.1.1). Mit diesem selektiven Prozess sind stets Fragen der Ethik verknüpft (siehe Kapitel 4.2.5). Bei der Auswertung der Expertenaussagen wird zwischen umweltund organisationsbezogenen Veränderungen differenziert, also jenen Veränderungen, die durch systemexterne Veränderungen verursacht werden und jenen, die aus Sicht der Experten durch interne Variable zu Lernprozessen geführt haben (siehe Kapitel 7.4.3). Als umweltbezogene Ausformungen werden folgende Variable von den befragten Experten genannt: Makroökonomische Rahmenbedingungen, Gesetze, Ausgliederung aus Bundesbudget, externe Faktoren, Trends. Zu den umweltbezogenen Variablen zählen ebenfalls jene Maßnahmen, die durch Entscheidungsträger in der Organisation ausgelöst wurden. Im Gegensatz zu den systemexternen, werden folgende organisationsbezogene Variable genannt: Bestimmte Erfahrungen, Vision, Strategie, Feedback aus Workshops, Wissensintegration, Lernen aus Fehlern, Schäden, Problemfälle, Leiden, laufender Prozess, Raumsituation, räumliche Größe, Lernorganisation, Lernen in Teams, menschliche Werte, Mitarbeiterbefragungen, Evaluierungen, Organisationsentwicklung, Grundverständnis, Abkommen von Idealtypus, Formierung von Teams. Diese Variablen beschreiben Lernprozesse in der Organisation, welche durch systemimmanente Operationen entstanden sind. Alle genannten Variablen haben Auswirkungen unterschiedlichen Ausmaßes auf das soziale System Organisation. Experten ordnen organisationalen 221
Lernprozessen folgende Attribute zu: Langsames organisationales Lernen, Trägheit, Beharrungsvermögen, organisationales Vergessen, Anreichern, Fragmentierung, Vernetzen, Institutionalisierung.
8.1.5.1 Initiatoren von organisationalen Lernprozessen Organisationen versuchen der Komplexität der Umwelt durch den Aufbau von inner-organisationaler Eigenkomplexität zu begegnen. Anpassungen oder Veränderungen verschiedener Formen, sei es in den Strukturen, Prozessen oder Regelsysteme sind nötig, um nachhaltig den Anforderungen der Umwelt gerecht zu werden; dies erfolgt durch die Entwicklung von Produkten, Dienstleistungen oder Beratungsleistungen beziehungsweise der Erfüllung von staatlich zugewiesenen Kernaufgaben. Luhmann geht von der zentralen Annahme aus, dass die Umwelt stets über eine höhere Komplexität verfügt, als die Organisation selbst. Folglich muss die Organisation Eigenkomplexität aufbauen, um auf Veränderungen der Umwelt reagieren zu können (siehe Kapitel 6.2.1.2). Lernen der Organisation ist ein kollektiver Veränderungsprozess. Entsprechend der Kategorienbildung des Buches werden alle externen und internen Variablen dem Konstrukt Veränderungsrelevanz zugewiesen. Inwieweit diese Variablen für die Veränderung der Organisation Relevanz haben, wird nun analysiert, indem Experten werden bezüglich ihrer Einschätzung von Lernprozessen in ihrer Organisation befragt werden: Was hat in Ihrer Organisation zu Lernprozessen geführt? Gibt es aus Ihrer Sicht nennenswerte Aspekte? Entsprechend den Expertenaussagen verursachen vor allem externe Einflussvariable, wie technologische Entwicklungen, neue Mitarbeiter, makroökonomische Rahmenbedingungen et cetera den höchsten Grad an internen Veränderungen, also Variable, die zum Umfeld der Organisation zählen und außerhalb des Systems liegen. Experten beschreiben Veränderungsprozesse auf Grund von technologischen Entwicklungen wie folgt:
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„Zu Lernprozessen hat mit Sicherheit der Black Berry geführt; das ist ein geistiger Prozess, bis die Mitarbeiter so weit sind, denn sie argumentieren, nicht nur 8 Stunden im Job, sondern eigentlich immer im Job zu sein; das ist ein wichtiger Lernprozess; das hat man sich vor 20 Jahren nicht vorstellen können“ (Experte 18). „Der Lernimpuls des Wissens kommt durch technische Entwicklungen, welche manchmal zum Ziel führen, aber manchmal auch nicht“ (Experte 17).
Neue technologische Anwendungen führen zu Lernprozessen in Organisationen. Eine nachhaltige Entkoppelung von neuen Technologien ist nicht möglich, da diese in allen gesellschaftlichen Funktionssystemen Relevanz haben, d.h. eine Nichtanpassung von Wirtschaftsorganisationen über einen mittelfristigen Zeitraum ist nicht möglich. Ein Experte beschreibt seine Einschätzung bezüglich des technologischen Fortschritts folgendermaßen: „Man ist sehr stark technologiegetrieben und die Technologie hat eine massive Auswirkung; das wird in Zukunft nicht weniger, aber auch nicht mehr werden.; das sind Technologieschübe, auf die man sich einstellen muss; junge Mitarbeiter sind schon mit dem aufgewachsen, die haben damit überhaupt kein Problem“ (Experte 18).
Mit dem Prozess des Lernens ist gleichzeitig der Prozess des organisationalen Vergessens verknüpft. Prozesse des Lernens und Verlernens manifestieren sich sowohl auf der Ebene der Person als auch auf der Ebene der Organisation. Der Einsatz der Informationstechnologien führt beispielsweise zu neuen organisationalen Prozessen und gleichzeitig zum Aufgeben von gewohnten Handlungen und Prozessen. Die Integration von neuen Informationstechnologien in Organisationen verlangt daher die Berücksichtigung des unterschiedlichen Sozialisierungsgrades von Mitarbeitern innerhalb einer Organisation, wie ein Experte beschreibt: „Das ist eine Generationenfrage: Für junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist das überhaupt kein Problem, hingegen für Mitarbeiter, die seit 30 Jahren im Unternehmen sind, ist das tatsächlich ein schwieriger Umdenkprozess; die Implementierung ist in nach Altersgruppe und fachspezifisch unterschiedlich.“ (Experte 18).
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Ein weiterer wichtiger umweltbezogener Einflussfaktor sind neue Mitarbeiter in einer Organisation, denn Lernen einer Organisation findet ausschließlich in Verbindung mit Mitarbeitern statt und ist nicht als personen-unabhängiges Lernen der Organisation zu verstehen (siehe Kapitel 5.1.4). Neue Mitarbeiter transferieren explizites Wissen in Form von Fachwissen und implizites Wissen in Form von Erfahrungen, Praxis, mentalen Modellen et cetera in die Organisation. Einige Experten beschreiben diese externe Variable Mensch als wichtigen Initiator von organisationalen Veränderungen: „Durch das Hereinnehmen von neuen Mitarbeitern in kommunikative Schlüsselstellen, kommt es zu Veränderungen; denn der hoch spezialisierten Experte hat auch eine Einzelkämpfermentalität - das vielfach auch zu einer Kommunikationsunfähigkeit führt“ (Experte 13). „Als ich in die Organisation gekommen bin, hat sich Einiges verändert: Das war sicher meine Person, weil ich auch für die Mitarbeiter etwas völlig Neues war; vom Alter, vom Geschlecht, aber auch, dass ich aus der Privatwirtschaft gekommen bin “ (Experte 15). „Wir haben viele neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom freien Markt geholt; diese Mitarbeiter sind jetzt keine Beamten mehr und haben natürlich auch eine andere Sichtweise in die Organisation gebracht“ (Experte 15).
Auf der Ebene der Organisation werden verschiedene Variable für Lernprozesse oder Lerneffekte genannt, wie beispielsweise finanzielle Schäden, Fehler, Zertifizierungsprozesse et cetera. Diese Variablen sind der Kategorie Organisation zugeordnet und entstehen durch eigene systeminterne Operationen, quasi autopoietisch (siehe Kapitel 6.2.1.4). Nach Luhmann sind Organisationen operativ geschlossen, jedoch kommunikativ offen. Der Grad der Offenheit des Systems ist laut Csikszentmihaly ein Maß für das Potenzial an möglichen Veränderungen, um sich einem Flow-Stadium einer Organisation zu nähern, jenem Stadium des Lernkontinuums, indem die größte Interaktion mit der Umwelt besteht und folglich die höchsten Chancen auf Veränderungen bestehen. Gleichzeitig ist jedoch ein System aufgrund der Offenheit gefährdet, zu große Risiken einzugehen. Daher ist 224
ein optimaler Grad an Offenheit eines Systems zu finden, welcher einerseits die Stabilität erhält und andererseits adäquate Reaktionen auf Veränderungen der Umwelt zulässt (siehe Kapitel 5.1.4). Die Öffnung des Systems nach außen wird von Experten als wichtige Komponente für Veränderungen bewertet: „Das Öffnen nach außen, auch wenn wir in Österreich Monopolisten sind, ist ganz wichtig; es gibt einen europäischen Markt und es gibt andere Unternehmen unserer Branche; der Austausch ist einfach ganz wichtig und diesen weiter zu entwickeln“ (Experte 6).
Das System kommuniziert mit seiner Umwelt mittels struktureller Kopplungen: mit Kunden, Mitbewerbern, künftigen Mitarbeitern, Kooperationspartnern et cetera, aber auch innerhalb der Organisation. Die Kommunikation ist die Grundlage des sozialen Systems und trägt zur Erhaltung des Systems bei, wie ein Experte beschreibt: „Meine Mitarbeiter haben Einiges lernen müssen; die Unternehmenskultur weiter zu entwickeln, d.h. die Kommunikation, die Informationsweitergabe, das miteinander Umgehen“ (Experte 6).
Aus der Zugehörigkeit zum jeweiligen gesellschaftlichen Teilsystem leiten Führungsverantwortliche unter Anderem, den Organisationszweck und die damit verknüpften Aufgaben und Anforderungen, ab. Beispielsweise determiniert eine Organisation des Teilsystems Wirtschaft ihren Zweck im ökonomischen Erfolg, das heißt in der Erreichung der finanziellen Kennzahlen aus ihrem Unternehmenszweck heraus. Vergleichsweise haben Organisationen des öffentlichen Bereichs, bestimmte per Gesetz definierte Kernaufgaben zu erfüllen und unterliegen folglich zusätzlichen Spielregeln, parallel zu den wirtschaftlichen Vorgaben. Insofern werden anhängig von der jeweiligen Funktionszugehörigkeit unterschiedliche Relevanzkriterien für organisationale Veränderungen wirksam. Gemeinsam ist allen Expertenaussagen, unabhängig von der Einbettung in das gesellschaftliche Teilsystem, dass Schäden, sei es in Form von finanziellen Verlusten oder Fehlern in Bezug auf die Kernaufgaben der Organisation, die stärksten Auslöser von organisationalen 225
Lernprozessen sind. Diese verbleiben am nachhaltigsten im Gedächtnis der Organisation und ebenfalls der Personen. Für Experten einer Organisation des Systems Wirtschaft sind finanzielle Verluste und Fehler die stärksten Auslöser eines Lernprozesses. Mehrere Führungskräfte beschreiben dies anhand ihrer Erfahrungen im Unternehmen: „Die wichtigsten Lernprozesse in der Unternehmung waren jene, wo man Geld verbrannt hat, d.h. man hat bestimmte Entwicklungen durchgeführt, wo man aus einer technischen Sicht davon überzeugt war, dass das gebraucht wird, - war aber nicht der Fall“ (Experte 8). „Wie schnell beziehungsweise wie nah ein Unternehmen am finanziellen Abgrund operieren kann; wenn ein Unternehmen Konkurs angemeldet hat und weitergeführt wird und dann wie Phönix aus der Asche aufsteht, dann mag man sicherlich aus den Erfahrungen, die zum Konkurs geführt haben, lernen“ (Experte 4). „Am Meisten lernt man im Grundsätzlichem durch Probleme, durch Schäden“ (Experte 14). „Vor allem haben Fehler zu Lernprozessen geführt; mittlerweile konnten wir eine Fehlerkultur entwickeln, die es uns erlaubt aus diesen Fehlern zu lernen, sowohl was den Einzelnen betrifft, als auch die Gruppe“ (Experte I9). „Lernprozesse durch Fehler, die man macht; wenn die Mitarbeiter bereit sind, diese einzusehen und diese gemeinsam nochmals durchzugehen, dann kann man beim nächsten Mal auf eine höhere Ebene gelangen“ (Experte 7).
Eine entsprechende Fehlerkultur wird als wichtiges Kriterium für Lernschritte betrachtet: „Die Kultur hat sich verändert und es gibt keine Angst mehr, Vorfälle zu melden, denn man erkennt langsam, aus den Erfahrungen Rückschlüsse zu ziehen und diese in die Arbeitsweise einfließen zu lassen, um hier in eine positive Schleife zu kommen“ (Experte 9).
Im Vergleich zu wirtschaftlichen Organisation, sind internationale Organisationen an Stabilität ausgerichtet und folglich nur schwer veränderbar. Dieser Typus von Organisation unterliegt besonderen
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Gesetzmäßigkeiten, wie demokratischen Prozessen, wie ein Experte beschreibt: „Wir sind als internationale Organisation eine äußerst stabile Organisation; eine Veränderung der Organisation ist sehr schwierig; es müssen 37 Staaten zustimmen, dass sich etwas Substanzielles ändert“ (Experte 17).
Im Gegensatz zu internen Veränderungsvariablen, verursachen externe Variable ebenfalls Lernprozesse der Organisation, wie der Experte beschreibt: „Lernprozesse kommen auch durch organisatorische Entwicklungen von Außen; wenn sich das technologische Umfeld ändert und wir darauf reagieren müssen“ (Experte 17).
Eine weitere Variable, welche organisationalen Lernprozesse fördert, ist die Integration von Entscheidungsträgern auf der TopManagementebene, welche dem Thema Wissen und Lernen einen hohen Stellenwert beimessen, wie dies ein Experte beschreibt: „Wir haben nun eine Person auf der Leadership-Ebene, die dieses Thema unterstützt und dadurch hat sich Etwas verändert; der Chief Learning Officer, wie es so schön heißt, ist letztlich jetzt unser Obervorsteher“ (Experte 20).
Computer-gestützte Dokumentationen bei Zertifizierungsprozessen und Qualitätssicherungsmaßnahmen führen zu organistionalen Lernprozessen. Ein Experte benennt Lernprozesse anhand von Dokumentationen: „Bei Zertifizierungen, wie ISO oder Sonstiges wird im Prinzip die ganze Organisation auseinander genommen; zumindest einige Mitarbeiter müssen sich auch wirklich intensiv mit der Materie befassen“ (Experte 14).
Zusammenfassend werden auf Basis der Experteninterviews folgende Erklärungsansätze abgeleitet: Lerneffekte beziehungsweise organisationale Veränderungen entstehen durch negative Erfahrungen der Organisation. Das Ausmaß eines Lerneffektes in Bezug auf die Organisation ist vom Ausmaß des finanziellen Schadens beziehungsweise dem Ausmaß und den Konsequenzen des 227
Fehlers abhängig. Beide Erfahrungen werden Bestandteil des organisationalen Gedächtnisses. Lernprozesse treten auch aufgrund von externen Veränderungen wie beispielsweise technologischen Fortschritten oder Technologiesprüngen, ein.
8.1.5.2 Konsequenzen von Lernprozessen Die im vorherigen Kapitel beschriebenen Einflussfaktoren führen zu Lernprozessen unterschiedlichster Art. Entsprechend den Expertenaussagen werden vor allem umweltbezogene Veränderungen als Ursachen von organisationalen Veränderungen bewertet. Welche Art von Veränderung nun auf der Ebene der Organisation eintritt und welche Beobachtungen in Bezug auf die Wissensbasis gemacht werden, soll die Beantwortung durch die Experten klären: Welche Veränderungen sind auf der Ebene der Organisation, als Konsequenz von Lernprozessen, eingetreten? Hat sich die Wissensbasis verändert? Durch organisationales Lernen treten Veränderungen auf der Ebene der Organisation und der Person ein; diese betreffen die Struktur, Prozesse und die Kultur, welche ihren Ausdruck in kollektiven Annahmen, Normen, Werten und Spielregeln der Organisation findet. Es handelt sich daher um ein Wechselspiel zwischen den Individuen und der Organisation (siehe Kapitel 5.1.4). Ein Experte beschreibt die Lernfähigkeiten einer Organisation und von Personen so: „Das ist ein schwieriges Thema, weil kleine Einheiten und einzelne Menschen leichter lernen; aber Organisationen lernen sehr schwer; das ist auch ein Vorteil, eine gewisse Trägheit zu haben und Trägheit heißt letztendlich, auch organisationale Stabilität zu haben“ (Experte 5).
Der Umgang mit Wissen stellt im Vergleich zu jenem des Kapitals andere Anforderungen an die Unternehmensführung, denn die Ressource lässt sich nicht leicht beobachten und lässt sich durch die Bindung an Individuen nicht leicht verfügbar machen. Die größte Schwierigkeit ist jedoch die Messbarkeit des Wissens in einer Organisation. So werden von Experten ausschließlich qualitative Änderungen der Wissensbasis genannt. Folgt man Machlup, so sind 228
Änderungen der Wissensbasis ausschließlich auf Grund des Parameters Ausgaben in einer Periode messbar und verifizierbar (siehe Kapitel 4.2.2). Eine wesentliche Variable für Veränderungen der Wissensbasis ist entsprechend der Aussagen der Experten, die Organisationskultur. So werden in einer Fehlerkultur das heißt einer Kultur, wo Fehler von Mitarbeitern oder Teams als potenzielle Lernfelder bewertet werden, Fehler beziehungsweise Schwierigkeiten eher explizit gemacht und der Organisation zur Verfügung gestellt im Unterschied zu einer Sanktionskultur. Dieses relevante Wissen kann für die Verbesserung von möglichen Problembereichen genutzt werden. Ein Experte beschreibt die Veränderungen der Arbeitsprozesse durch Explikation von relevantem Wissen der Mitarbeiter: „Dann hat sich durch diese Kulturänderung, durch die Kommunikation von Fehlern und Problemen, die Kultur verändert und Änderungen der Abläufe und Arbeitsverfahren bewirkt“ (Experte 9).
Durch organisationale Veränderungen tritt eine Veränderung der Wissensbasis ein, sowohl auf der Ebene der Person, als auch auf der Ebene der Organisation. Beispielsweise wird durch den Einsatz von neuer Informationstechnologie oder durch strukturelle Maßnahmen vorhandenes Wissen ersetzt beziehungsweise vergessen. Bei der Entwicklung von neuen Produkten oder Dienstleistungen wird relevantes Wissen generiert und in die Wissensbasis der Organisation mit unterschiedlicher Verfügbarkeit integriert (siehe Kapitel 4.2.2). Veränderungen der Wissensbasis sind das Resultat von internen und externen Variablen, die in unterschiedlichem Ausmaß auf die Organisation wirken und diese verändern. Wirtschaftsorganisationen sind stärker an marktrelevante Faktoren gekoppelt vergleichsweise zu öffentlichen Organisationen. Die Ursachen der Veränderung der organisationalen Wissensbasis als Konsequenz eines Lernprozesses beschreibt ein Experte einer Wirtschaftsorganisation folgendermaßen: „Ja, massiv; ich glaube, dass sich durch die Einflüsse des externen Marktes die Wissensbasis massiv verändert und dass ein hoher Aufwand getrieben wird, Alternativszenarien, Alternativprodukte, alternative Lösungen oder alternative
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Geschäftsmodelle usw. zu finden - dass führt letztendlich zu neuem Wissen“ (Experte 5).
Experten von Wirtschaftsorganisation beschreiben den Prozess der Veränderung der Wissensbasis im Zeitauflauf durch getätigte strukturelle interne Maßnahmen: „Die Organisation hat sehr marktorientierte Organisationseinheiten geschaffen, d.h. hat mehr strukturiert, hat zentrale Bereiche aufgespalten und bestimmten Märkten zugeordnet; daraus sind sehr viele neue Lösungen entstanden; das ist ein Prozess, von einer zentralen Wissensbasis in ein fragmentiertes Unternehmen; in jeden Bereich ist bestimmtes Wissen mitgegangen und jetzt kommt man wieder drauf, dieses angereicherte fragmentierte Wissen wieder stärker zusammenzufassen, weil wir in diesen Märkten Fuß gefasst haben“ (Experte 8).
Durch Dokumentationen ändert sich die Wissensbasis; Wissen wird durch Explikation in Form von Dokumentationen sichtbar und kann in dieser Form einfacher transferiert werden. Dieser Dokumentationsprozess wird von einem Experten als Veränderung in Richtung Bürokratisierung beschrieben: „Im Prinzip ist es ein gewisses Mehrmaß an Bürokratie, weil alljährliches ISO oder Ähnliches ist mit Dokumentationen und mit der Darstellung von Prozessabläufen usw. verbunden, aber es führt auch tatsächlich aus meiner Sicht, zu einer Verbesserung in der Produktqualität und zu neuen Produkten“ (Experte 14).
Zusammenfassend werden auf Basis der Experteninterviews folgende Erklärungsansätze abgeleitet: Die organisationale Wissensbasis ist von organisationsspezifischen Parametern abhängig: vom Funktions- und Branchentyp, dem Führungstyp und der Organisationskultur. Die explizite Veränderung der Wissensbasis ist durch den Dokumentationsoutput der Organisation determiniert; die gesamte Veränderung der Wissensbasis ist wesentlich von der Organisationskultur abhängig oder systemtheoretisch gesprochen: Es gibt es keine vergleichbare organisationale Wissensbasis.
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8.1.6 „Knowledge-Business Excellence“ Wie müsste eine Organisation Wissen organisieren, um Business Excellence zu erreichen? Befragt man Führungskräfte in Bezug auf Knowledge Business-Excellence, so wird diese als idealtypischer Zustand beziehungsweise großteils als unrealistischer und praxisferner Status einer Organisation bezeichnet. Führungskräfte werden im Kontext des Buches als Organisationsexperten eingestuft, wobei ihr praktisches und erfahrungsbasiertes Wissen und der Umgang mit diesem Wissen im Vordergrund des Interesses und der Analyse stehen. Führungskräfte werden demgemäß nicht auf Grund einer Wissensmanagementrelevanten Expertise, sondern im Hinblick auf ihr praktisches Managementwissen befragt, welches großteils implizit vorhanden ist, vergleichsweise zum expliziten und eher theoretischem Wissen. Bezugspunkt für die Interpretation und Analyse der Expertenaussagen ist das Konzept von Spencer-Brown, konkret seine Idee der Differenzbetrachtung, welche lautet: Draw a distinction and a univers comes into being. Mit dieser Idee von Spencer-Brown wird mit der getroffenen Unterscheidung eine subjektive und relativierende Wertung getroffen. Die gezogene Differenz gibt Information über die Relevanz eines Faktors oder eines Kriteriums im Kontext der jeweiligen Kommunikation; wenn beispielsweise ein befragter Experte, den Einsatz von Informationstechnologie als organisationsrelevante Variable für Business-Excellence benennt, so wird geschlossen, dass Informationstechnologie aus der Sicht dieses Experten ein besonders relevanter Faktor ist und zum gegenwärtigen Zeitpunkt zentrale organisationale Bedeutung hat. Auf der Ebene der Person, basieren die Aussagen der Führungskräfte auf ihrem impliziten und expliziten Wissen. Entscheidungen werden auf Basis der persönlichen Erfahrungen und der von den Mitarbeitern zur Verfügung gestellten Expertise getroffen. In ihrer Rolle als Organisationsverantwortliche verfügen Führungskräfte tendenziell über ein breiteres Wissen vergleichsweise zu den Fachexperten der Organisation. Da sich Führungskräfte nicht selbst in Frage stellen, benennen sie
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folglich jene organisationalen Lernpotenziale, welche als entscheidungsrelevante Variable zur Disposition stehen. Bezogen auf die Organisationsebene bedeutet für Führungskräfte Business-Excellence grundsätzlich die Erreichung der Organisationsziele, welche ausschließlich in Bereich von Finanzzielen, mit Ausnahme bei Nicht-Wirtschaftsorganisationen, liegen. Organisationen außerhalb des wirtschaftlichen Wettbewerbs verfolgen definierte Kernaufgaben, zumeist unter Einhaltung finanzieller Rahmenbedingungen. Die Zugehörigkeit zum jeweiligen Funktionssystem determiniert die Zieldefinition der Organisation, wie ein Experte einer Non-Profit Organisation, beschreibt: „Das Ganze, was hier durch das implizite Wissen, das Vernetzen und aufeinander Zugehen passiert, muss zusammengefasst werden und unserem Auftrag gemäß nach Außen dringen. Es muss sich in guter Arbeit niederschlagen, d.h. in guten Ausstellungen, in Besucherzahlen, in Publikationen, in Presseartikeln, etc. Wir müssen an unseren Kenngrößen arbeiten“ (Experte 7). „In Zukunft ist es sicher ein Problem, wenn wir keine Wissenstransfer-Politik haben; wer bekommt welches Wissen zu welchem Preis? Irgendwann wird der Aufwand so hoch werden, dass man die Kosten der Non-Profit Organisation abdecken möchte“ (Experte 17).
Die Messung von Wissen und des Wissenstransfers erfolgt anhand von quantitativen systembezogenen Größen, wie finanziellen Kenngrößen beziehungsweise anderen systemrelevanten Kenngrößen, wie beispielsweise Besucherzahlen bei einem Kulturbetrieb, Zahl der Publikationen bei einem Wissenschaftsbetrieb et cetera. Entsprechend dem EFQMKnowledge-Excellence Modell wird zwischen den Kategorien beziehungsweise den Messgrößen „Ergebnis-, Mitarbeiter-, Kunden- und Gesellschaftsrelevanz“ unterschieden, wobei jede Ergebniskategorie anhand von Maßnahmen beschrieben und anhand von Indikatoren gemessen werden kann (siehe Kapitel 6.9.). Die Aussagen der Führungskräfte beziehen sich jeweils auf die eigene Organisation und das entsprechende Umfeld. Einige Experten heben die Subjektivität und Relativität ihrer Aussagen in Bezug auf mögliche Verallgemeinerungen und eines Idealmodell, hervor: 232
„Weil jeder Kontext anders ist; sowohl zeitlich, die Rahmenbedingungen und die handelnden Akteure“ (Experte 9). „Dass ist von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich; es gibt jedoch Merkmale, welche man höchst wahrscheinlich auf viele Unternehmen umlegen kann“ (Experte 12).
Die Relevanz der Ressource Wissen in einer Organisation liegt im Verantwortungsbereich der Führungskräfte, denn diese determinieren, ob und in welcher Form Wissen genutzt wird und in welcher Form relevantes Wissen bei den zentralen Organisationsprozessen und Entscheidungen Berücksichtigung findet. Mehrere Experten beschreiben ihre Sichtweise in Bezug auf die organisationale Integration des Wissens und den Umgang mit Wissen folgendermaßen: „Dass die Organisation eine Führungsperson auf oberster Ebene hat, welche für diese Gruppe spricht und das Geld bereitstellt, um diese Infrastruktur, den HeadCount, zu bezahlen“ (Experte 20). „Die Organisation ist im EFQM-Verfahren drinnen und wir haben ja als Erster in der Organisation die erste Stufe erreicht“ (Experte 17). „Wir leben im Prinzip einfach hier im Tagesgeschäft und die Dinge entwickeln sich einfach - dass muss man sagen“ (Experte 14).
Die Expertenfragen betreffend Knowledge Business-Excellence zielen auf die organisationale Wissensbasis, also auf jenes Wissen, welches sowohl in impliziter als auch expliziter Form der Organisation und der Führungskraft zur Verfügung steht (siehe Kapitel 4.2.2). Bezugsrahmen für die Auswertung der Expertenaussagen sind die Kategorien Umwelt, Organisation und Technologie. Zur Kategorie Umwelt zählen alle personen- und umweltrelevanten Konstrukte, wie Entscheidungsrelevanz der Führungskräfte, Verknüpfung des impliziten und expliziten Wissens, technologischer Fortschritt et cetera. Zur Kategorie Organisation hingegen, werden unter Anderem folgende Konstrukte gezählt: Finanzielle Ressourcen, Kennzahlen, Wissensstruktur und Wissenstransfer und Veränderungsrelevanz et cetera. Die Kategorie Technolo233
gie repräsentiert das explizite Wissen in Form von computer-gestützten dokumentiertem Wissen (siehe Kapitel 7.4.3). Ziel der Führungskräfte ist die Steuerung der Organisation zur Erreichung der Organisationsziele und alle damit in Zusammenhang stehenden Fragen. Diese Ziele liegen bei den befragten Experten im Bereich nicht-wissensrelevanter Größen. Folglich wird die Ressource Wissen nicht als eine dem Kapital gleichwertige Ressource eingestuft und bewertet, sondern als Zweitrangig und von geringem Stellenwert; und damit ist die eigentliche Schwierigkeit in Bezug auf den organisationalen Wissenstransfer, die Nichtmessbarkeit und die Kopplung des Wissens an die Person, verknüpft. Implizites und explizites Wissen repräsentieren die Differenz zwischen dokumentiertem und nicht-dokumentiertem Wissen, zwischen der Theorie und der Praxis, zwischen der Intuition und der Verstandesorientierung et cetera (siehe Kapitel 4.2.1). Einige Experten unterscheiden in ihren Aussagen explizit zwischen dem impliziten und expliziten Wissen in ihrer Organisation und den damit verbundenen Schwierigkeiten. Ein Experte hebt die implizite Komponente des Wissens, hier vor allem das Erfahrungswissen und die Persönlichkeit des Mitarbeiters besonders hervor, indem er meint: „Jedes Unternehmen tut gut daran, sich auf die Qualifikation der Mitarbeiter zu stützen, aber auch auf das Erfahrungswissen, die Menschlichkeit, den Umgang miteinander; das ist eine Komponente, welche ich in der Benchmark-Diskussion vermisse; in der es beispielsweise immer heißt: Wie hoch ist der Anteil an qualifiziertem Personal und holen sie neue Leute herein“ (Experte 16).
Zentraler Aspekt jeder zeitgemäßen Organisation ist die computergestützte Verknüpfung des personalen und organisationalen Wissens in der Organisation; sprich das persönliche Wissen und das Expertenwissen als Fundierung von Managemententscheidungen: „Bei unserem Unternehmen ist es wichtig, ein erweitertes Verständnis für die Ziele der Organisation zu schaffen; dass jeder Mitarbeiter sein Wissen in seinen individuellen Bereich umsetzt“ (Experte 9).
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„Das für den Job notwendige Wissen sollte möglichst breit verteilt werden, es sollte nicht nur einige Wenige geben, die Herrschaftswissen haben - es sollte dafür Sorge getragen werden, dass die, die Wissen haben, es auch weiter geben“ (Experte 4). „Den richtigen Mix zwischen strukturierten und niedergeschriebenem Wissen zu finden, ohne dies zu übertreiben; ich bin kein Freund von dem nach ISO-Schema Qualitätsstandard geprüften seitenlangen Handlungsbüchern, Manuals und Checklisten, weil ich glaube, dass Vieles was man dort dann hinein schreibt, ohne das vorhandene implizite Wissen erst recht wieder nichts bringt“ (Experte 10). „Es müssten alle Mitarbeiter letztendlich ein gemeinsames Verständnis davon haben, das sie von einander und für einander da sind und die Arbeit für Dritte erledigen; die Mitarbeiter sind sehr stark gespeist von den Erfahrungen einer verstaatlichten Dienststelle, es ist historisch drinnen und die Organisation ist im Grund darin nicht interessiert ist, das Einzelkämpferdasein zu überwinden - den Zweck seiner Arbeit sozusagen in sich sieht“ (Experte 13). „Durch sehr viel Teamarbeit und sehr viel Kommunikation; sprich gute etablierte funktionierende Informationskanäle, welche auch genutzt werden; eine offene Unternehmenskultur, welche auf Vertrauen baut - das sind die wesentlichsten Elemente“ (Experte 6).
Die Frage der Steuerung des Wissenstransfers wird vor allem von Führungskräften von Großunternehmen angesprochen. Wie kann die Steuerung in einem komplexen Kontext gelingen? Ein Experte benennt die Netzwerkstruktur als beste Möglichkeit der Steuerung des Wissens in einer Organisation und bezieht sich implizit auf strukturelle organisationale Steuerungsfunktionen: „Ich stelle mir ein Netzwerk vor, wo Jeder eine bestimmte Aufgabe als Netzwerkkomponente hat; sie müssen gewisse Freiheit geben; aber auch nachschauen, dass diese Netzwerkkomponente ihre Aufgabe erfüllt und mit anderen Komponenten kommuniziert“(Experte 5). „Was man mit Sicherheit braucht ist eine Organisationseinheit, sprich eine Kernkompetenzstrategie, welche definiert, was ist sozusagen state-of-the-art und was wird gelebt und was wird nicht gelebt et cetera - eine Art Evaluierung“ (Experte 18).
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„Vor allem sind zwei Organisationseinheiten bei einem Unternehmen stark in der Ziehung: Einerseits die Personabteilung und andererseits die Kommunikationsabteilung nahe dem Vorstand, welche dafür sorgt, dass die Verankerung des Unternehmens in ihrer Branche gegeben ist“ (Experte 12).
Welche prozessorientierten Maßnahmen zur Förderung des Wissenstransfers beziehungsweise zur Annäherung an Business-Excellence angewandt werden, wird von mehreren Führungskräften beschrieben: „Das kann man unterschiedlich machen: durch gemeinsame Projekte und wenn es um sehr starkes Fachwissen geht, durch Datenbanken; sie müssen auch Drehscheiben, Meetings initiieren und dezentrale Strukturen aufbauen; so können sie wachsen, sich anpassen und letztendlich auch verändern - ein Netzwerk“ (Experte 5). „Das Management sorgt aktiv dafür, dass bestimmte Sachen gemacht werden, wie beispielsweise Lessons learned- und Best Practice-Workshops – eben schwierig im Projektdruck“ (Experte 8).
Organisationen unterscheiden sich durch einen unterschiedlichen Grad an Computerstützung bei Prozessen beziehungsweise Operationen. Der jeweilige Grad des Informationstechnologieeinsatzes wird durch das Umfeld, sprich die systemexternen technologischen Entwicklungen und die Integration der Informationstechnologie in organisationale Prozesse determiniert. Führungskräfte entscheiden über das Ausmaß der Integration von Informationstechnologie in ihrer Organisation und damit über die Differenz technologiegestützte/nicht-technologiegestützte Lösungen. Eine Führungskraft nimmt konkret Bezug zu technologieorientierten versus humanorientierten Problemlösungen in seiner Organisation. Der Experte setzt sich implizit mit der Frage auseinander, welche lauten könnte: Mit welchem Grad an Technologisierung erreicht die Organisation bestmöglich die Unternehmensziele? „Auf den beiden Schienen, Tools und Capabilities und generell Kommunikation; der Austausch von Erfolgsgeschichten, Mentoring und Coaching; das heißt, Wissen nicht als Lebensversicherungspolizze zu sehen, sondern als Etwas was ich weitergeben kann und mehr zurückbekomme, das ist Vertrauenskultur; dann braucht es aber eine Struktur und Tools wie Intranet, E-Learning- und CRM-Tools,
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die aber nur die Enabler sein dürfen und nicht das System durch Komplexität, Formalistik und Bürokratie ersticken; das ist wirklich eine schwierige Balance, die man finden muss, denn ohne die notwendigen Strukturen, ist es einfach von der Fülle her nicht organisierbar und ohne die Menschen, die das wirklich inhaliert haben, helfen die besten Tools nicht“ (Experte 1). „Es ist wichtig, dass eine gute Organisation da ist; es müssen Abläufe genau definiert sein, d.h. Jeder muss wissen, was von ihm verlangt wird; dann muss dieses Wissen auch dokumentiert sein, über EDV oder über Intranet“ (Experte 11).
Zusammenfassend werden auf Basis der Experteninterviews folgende Erklärungsansätze abgeleitet: Die Relevanz beziehungsweise der Stellenwert des Wissens als zentrale Ressource und Wertschöpfungsmöglichkeit der Organisation ist von der Führungskraft als Entscheidungsträger und dem Organisationszweck - aus systemtheoretischer Sicht dem Funktionstyp, abhängig. Die Steuerung des Wissens ist zentrale Aufgabe der Führungskraft; in dieser Rolle ist sie für die wissensbezogenen Aufgaben verantwortlich. Knowledge Business Excellence ist wesentlich von der Balance human- und computer-gestützer Prozesse abhängig, wobei die Größe der Organisation ein weiteres zentrales Relevanzkriterium darstellt. Für die Beurteilung der wissensbezogenen Performance beziehungsweise Messung der Knowledge Business Excellence ist der Kontext der Organisation von hoher Relevanz – die Umwelt der Organisation, sprich der state-of-the-art Funktions- beziehungsweise Branchentyp.
8.2 Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse Basierend auf den Forschungsfragen wurde das Thema computergestützter organisationaler Wissenstransfer und Wissensgenerierung untersucht. Die Analyse erfolgte aus der Perspektive von Führungskräften, da diese in ihrer Rolle als Experten für Organisationsfragen einerseits Steuerungsprozesse initiieren und andererseits über einen privilegierten Zugang zu Informationen und Wissen in Organisationen verfügen. Des Weiteren wurden die Führungskräfte nicht aus einer informationstechnologischen-, sondern aus einer organisationsbezogenen Sichtweise befragt, da Informationstechnologie als Enabler für die Umsetzung von or237
ganisationalen Entscheidungen und deren Integration in organisationale Prozesse, eingestuft wurde. Die Interpretation der Expertenaussagen basierte auf einer ganzheitliche Sichtweise, demzufolge weder eine human-zentrierte-, noch eine informationstechnologie-zentrierte Perspektive eingenommen wurde. Die gezogene Differenz zwischen implizitem und explizitem Wissen repräsentiert diese Gegenpole. Das Buch folgt dem systemtheoretischen Ansatz nach Luhmann, wonach die Organisation als soziales System mit den für sie typischen Eigenschaften der Autopoiesis, der Komplexität, der operativen Geschlossenheit und gleichzeitigen kommunikativen Offenheit und der Kommunikation als kleinste soziale Einheit der Gesellschaft verstanden wird. In diesem System agieren Organisationen autopoietisch und unterscheiden sich demnach von allen anderen Organisationen ihrer Umwelt. Welche Aussagen der Experten lassen sich nun ableiten und welche Generalisierungen sind zulässig? Wissen ist Grundlage jeder Form von Operation in einem organisationalen Kontext und wird in Bezug auf seine Bedeutung als anthroplogische Konstante bezeichnet. Experten lassen keinen Zweifel am hohen Stellenwert des Wissens; sie haben jedoch Schwierigkeiten bei der Beantwortung organisationaler Fragen aus der Wissensperspektive vergleichsweise zur Finanzperspektive; Wissen wird von Experten aufgrund der unauflöslichen Koppelung an das einzelne Individuum hauptsächlich als personales Wissen im Unterschied zur organisationalen Betrachtungsweise gesehen. Der theoretische Zugang der Differenzierung in implizites und explizites Wissen stößt auf wenig Akzeptanz, da Wissen als Einheit der beiden Wissensarten verstanden wird und diese Differenzziehung in der Praxis keine Relevanz hat. Als wissensbezogenes Hauptproblem sehen Führungskräfte die latente Bedrohung des Wissensverlustes durch Fluktuation und den Abgang von Mitarbeitern im Zeitverlauf, da Wissen als personale Ressource betrachtet wird und nicht im ausreichenden Maße in die Organisation transferiert wird. Bei großen Organisationen beziehungsweise in Konzernen ist dies für eine entsprechend höhere Zahl an Mitarbeitern relevant. 238
Die begriffliche Differenzierung zwischen Informationen und Wissen ist den Experten nicht vollständig bekannt, ebenso wie die Definition des Begriffs implizites und explizites Wissen. Die befragten Führungskräfte bejahen den hohen Stellenwert von Wissen; die explizite Steuerung durch relevante Maßnahmen steht jedoch nicht im Vordergrund. Die inhärenten Eigenschaften des Wissens, wie jene der Schwierigkeit der Messbarkeit, der Kontextabhängigkeit und der Flüchtigkeit führen zum Problem der Selektion relevanten Wissens bei komplexen Entscheidungsfindungsprozessen in Unsicherheit. Experten bezeichnen nicht die Fülle an Information und Wissen als grundsätzliches Problem, sondern vielmehr die Selektion, die Nutzung, den Umgang und die Einschätzung der zukünftigen Relevanz von Information und Wissen für Entscheidungssituationen. Die Informationstechnologie hat folgend den Aussagen der Führungskräfte systemspezifische Bedeutung und wird als Werkzeug zur Umsetzung organisationstypischer Operationen zur Erhöhung der Effizienz und Erlangung von Wettbewerbsvorteilen beziehungsweise zur Umsetzung der relevanten Aufgabenstellungen in öffentlichkeitsnahen Organisationen, genutzt. Der unterschiedliche Grad an Integration in organisationale Prozesse wird systembedingt, das heißt entsprechend dem Organisationstypus, dem Branchentypus und/oder dem Status der Organisationsentwicklung, erklärt. Gründe des unterschiedlichen Technologisierungsgrads liegen im Organisationstypus, da beispielsweise bei historisch gewachsenen Organisationen ein geringerer Grad an Durchdringung mit Informationstechnologie festzustellen ist vergleichsweise zu Wirtschaftsorganisationen. Bei internationalen Organisationen finden auf Grund der determinierten Abstimmungsprozesse und der im Regelfall größeren Investitionssummen aufwendigere und komplexere Entscheidungsfindungsprozesse statt, wodurch sich eine langsamere technologische Anpassung ergibt. In kreativen und innovativen Branchen, wie beispielsweise dem Kunst- und Kulturbereich beanspruchen Mitarbeiter für sich, auf Grund ihres besonderen Sozialtypus, einen größeren Denk-, Handlungs- und Kreativitätsspielraum. Entsprechende Organisationen sind tendenziell weniger mit Informationstechnologie durchdrungen. Organisationen im 239
Dienstleistungsbereich haben großteils einen hohen Grad an Computerstützung, einerseits aus Gründen der Effizienz und andererseits auf Grund gesetzlicher Dokumentationsverpflichtungen, wie beispielsweise im Banken- und Luftfahrtssektor. Des Weiteren ist in konzernartig strukturierten Organisationen der Technologisierungsgrad tendenziell stärker und folglich gleichzeitig das Ausmaß an Bürokratisierung. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die befragten Führungskräfte die Bedeutung der Informationstechnologie als organisationaler Enabler bestätigen, wobei die technologischen Fortschritte, welche meist in Form von Schüben auftreten, mit unterschiedlicher Geschwindigkeit in die organisationalen Prozesse integriert werden. Der Adaptierungsdruck wird als systemexterne Variable bezeichnet. Investitionen in Informationstechnologie werden aus Sicht der Experten aufgrund von zu erwartenden Wettbewerbsvorteilen und dem branchenbedingten Anpassungsdruck an state-of-the-art Technologien, getätigt. Die Kernkompetenzen einer Organisation, verstanden als explizite und implizite Fähigkeiten, werden von einem großen Teil der Führungskräfte mit den Kernaufgaben, den Kernprodukten und/oder den Kerngeschäftsfeldern der Organisation gleichgesetzt. Unter der Annahme, dass jede Organisation über Kernkompetenzen verfügt, sind diese in unterschiedlichem Ausmaß expliziert. Als Beispiel können Organisationen im öffentlichkeitsnahen Bereich, wie dem Kultur- und Kunstbereich, genannt werden: Diese Organisationen verfügen zumeist über eine historisch gewachsene Kernkompetenz, welche im eigentlichen Selbstverständnis der Organisation liegt, das heißt in der Erfüllung der jahrzehntelangen determinierten Kernaufgaben. Diese sind folglich zumeist implizit in der Organisation vorhanden. Wirtschaftsorganisationen stehen im Wettbewerb und müssen sich von diesen grundsätzlich unterscheiden, weshalb Maßnahmen zur Explikation von wettbewerbsdifferenzierenden Faktoren, getroffen werden. Im Zuge dessen werden organisationale Prozesse und -Strukturen analysiert und Kernkompetenzen expliziert. Abgeleitet von der Kopplung des Wissens an das einzelne Individuum, verstehen Experten die Wissensgenerierung als einen auf 240
externe Ressourcen bezogenen Prozess. Neues Wissen wird entweder durch Akquisition neuer Wissensträger oder als Ergebnis von individuellen Qualifizierungsmaßnahmen von Mitarbeitern in die Organisation transferiert und integriert. Konzernartig strukturierte Organisationen akquirieren häufig auf der Ebene ganzer Organisationen, sprich im Zuge von Mergers & Akquisitions, um einerseits das eigene Portfolio zu vergrößern und andererseits neues Marktwissen und folglich Marktmacht, zu gewinnen. Den Experten zufolge findet interne Wissensgenerierung ausschließlich in zu diesem Zweck installierten Organisationseinheiten statt oder bei entsprechendem Bedarf, in Form von Projekten. Organisationale Veränderungsprozesse sind den Führungskräften zufolge stets mit dem Risiko des Verlusts von Wissensträgern verbunden. Als zentrale Frage in diesem Zusammenhang nennen die Experten die Erhaltung der Stabilität der Organisation bei Verlust von Wissensträgern und hier besonders jene der kritischen Größe an Wissensträgern für das Funktionieren der Organisation. Der Wissenstransfer in Organisationen kreist um die Frage der Integration des personalen Wissens in die Organisation und um die Frage der Möglichkeiten der Wissensumwandlung des impliziten Wissens in explizites Wissen. Experten benennen Mentorenprogramme, Jobrotation und die Installation von organisationsweiten Projektgruppen als geeignete Maßnahmen zur Förderung des Wissenstransfers und zur Vergrößerung der organisationalen Wissensbasis. Des Weiteren wird die Explikation von Wissen als typischer Nebeneffekt im Zusammenhang mit Zertifizierungsprozessen genannt. Als dem Wissenstransfer fördernde Maßnahme wird eine gute Organisationskultur bezeichnet. Experten sehen das „Nicht-Verhindern“ von sich etablierenden Netzwerken und informellen Gemeinschaften als wesentliche Punkte in ihrer Rolle als Führungskraft. Die Führungskraft wird von allen befragten Experten als Kulturdeterminante für den Wissenstransfer bezeichnet. Demzufolge ist das Vertrauen innerhalb einer Organisation die wichtigste Voraussetzung jeder Form der Kommunikation und des Wissenstransfers. Als häufigstes Hindernis wird der Faktor Macht beziehungsweise das Herrschaftswissen 241
einzelner Personen, genannt. Kulturelle Unterschiede und Akzeptanzprobleme organisationsfremden Wissens werden als hemmende Faktoren bei internationalen Organisationen, genannt. Experten bezeichnen zwei Gründe für die Notwendigkeit von Maßnahmen des Wissenstransfers: 1. Altersstrukturbedingter Abgang von Mitarbeitern in größerem Umfang. 2. Fluktuation in wirtschaftlichen Organisationen, auf Grund der generellen höheren Flexibilität und Mobilität der Mitarbeiter. Experten benennen Fehler und negative Erfahrungen als Auslöser von Veränderungsprozessen in Organisationen. Diese Faktoren sind die wesentlichsten Initiatoren von organisationalen Veränderungen oder wie ein Experte einer Wirtschaftsorganisation beispielhaft meint: „Dort, wo man viel Geld verbrannt hat“. Lerneffekte aufgrund von entstandenen finanziellen Schäden oder von Arbeitsplatzverlusten lösen Veränderungen aus und prägen sich in das Gedächtnis der Organisation und ihrer Mitarbeiter ein. Als weitere Ursachen werden veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen, externe existenzbedrohliche Faktoren, neue Eigentümerschaft und/oder neue Führung, genannt. Beispielsweise bezeichnen die Experten aus dem öffentlichkeitsnahen Bereich die Ausgliederung aus dem nationalen Budgethaushalt als organisationalen Lerneffekt. Experten der Luftfahrtsindustrie nennen die wirtschaftlich bedrohliche Situation der Luftfahrtsunternehmen in Folge von Terroranschlägen und Umweltkatastrophen, als Lerneffekt. Vergleichsweise dazu, werden internationale Organisationen auf Grund des demokratischen Prinzips als stabiler und veränderungsresistenter beschrieben. Die befragten Führungskräfte treffen in ihrer Rolle als Führungskraft Entscheidungen; Basis dieser Entscheidungen sind einerseits das individuelle implizite und explizite Wissen und andererseits das in der Organisation verfügbare Wissen, sprich die organisationale Wissensbasis. Beide Formen des Wissens werden von den befragten Experten als wichtig bezeichnet, jedoch hat das implizite Wissen in Form von Erfahrungen besondere Relevanz bei der Entscheidungsfindung in sogenannten unentscheidbaren Situationen; jenen Situationen, wo ein relevantes Wissen entweder nicht verfügbar ist und mögliche Entwicklungen nur antizipiert werden können. In diesem Zusammenhang 242
wird von einigen Experten die Intuition als die Entscheidung beeinflussender impliziter Faktor genannt und generell als zentraler Faktor für die Anforderungen an die Führungsrolle, bezeichnet. Bezogen auf die Ebene der Organisation bezeichnen sich die befragten Experten als Gestalter der Organisationskultur. Als zentrale wissensförderliche Faktoren werden das Vertrauen, die Transparenz und die Offenheit genannt. Die Aussagen der Experten in Bezug auf Knowledge-Business-Excellence führen zu der Erkenntnis, dass unter Berücksichtigung der wissensförderlichen Faktoren das fragile Gut Wissen gesteuert werden kann, wobei die Rolle der Führungskraft als wichtigster Faktor genannt wird und Informationstechnologie als zeitgemäßer Enabler bestätigt wird. Die weiteren Relevanzfaktoren sind: Umwelt der Organisation, Sozialtypus der Mitarbeiter, Art der Organisation, Organisationsgröße und struktur, Art der internationalen Vernetzungen und Branchentypus. Die system-typische Autopoiesis führt stets zu systemspezifischen Lösungen. Die Basis für die Setzung von wissensförderlichen Maßnahmen ist die Kenntnis des eigenen Systems und dessen Mechanismen. Folglich werden von den befragten Experten jene wissensbezogenen Relevanzfaktoren genannt, die als Differenz zum Status quo der Organisation wahrgenommen werden und als kritische Faktoren für eine KnowledgeBusiness-Excellence eingestuft werden. Da die Messung der Performance der Organisation und der verantwortlichen Führungskräfte nach grundsätzlich finanziellen Kriterien erfolgt, ist die explizite Wissensperformance von zweitrangiger Bedeutung - das Wissen der Organisation ist jedoch als impliziter Erfolgsfaktor von kritischer Relevanz.
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9. Forschungsausblick
Mit dem Forschungsausblick werden zukünftige Forschungsfelder im Kontext des computergestützten Wissenstransfers und der Wissensgenerierung identifiziert. Diese beziehen sich auf quantitative-, qualitative-, temporäre- und genderspezifische Dimensionen der Forschung. (1) Quantitative Dimension: Eine weiterführende Stützung der qualitativen Analyseergebnisse durch quantitative Daten ist vor allem in Bezug auf eine breite Akzeptanz in der Forschungsgemeinschaft empfehlenswert. Bezug nehmend auf Machlup, wäre die Messung der Ressource Wissen mithilfe der getätigten finanziellen Aufwendungen in einer festgelegten Periode und der anschließende quantitative Vergleich der analysierten Organisationen möglich; beispielsweise könnten die finanziellen Aufwendungen für Qualifizierungsmaßnahmen und Schulungen der Mitarbeiter, Investitionen für Informationstechnologie, Anzahl der Mitarbeiter in wissensrelevanten Organisationseinheiten et cetera für ein Budgetjahr erhoben und verglichen werden. Die gewonnen Daten könnten von den Befragten als Kenngröße und Benchmark für den Funktionsbeziehungsweise Branchentypus herangezogen werden. Ein weiteres Instrument zur Quantifizierung der organisationalen Wissensbasis ist die Wissensbilanz. Da diese jedoch noch nicht fixer Bestandteil des Reportings aller analysierten Organisationen ist, war es zum gegebenen Zeitpunkt der Expertenbefragungen noch nicht möglich, aussagekräftige Vergleiche durchzuführen. Ein Vergleich wäre heute nur innerhalb jener Organisationen möglich, welche einer gesetzlichen Verpflichtung zur Erstellung einer Wissensbilanz unterliegen. (2) Qualitative Dimension: Aus Gründen der relativ zeitintensiven Forschungsmethode wurde eine überschaubare Zahl, sprich zwanzig Experten in ihrer Rolle als Führungskräfte befragt. Würde man den Befragtenbias verbreitern, so könnte man zusätzliche Erkenntnisse zur Relevanz 245 D. Burger, Computergestützter organisationaler Wissenstransfer und Wissensgenerierung, DOI 10.1007/978-3-531-93047-3_9, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
wissensrelevanter Variablen des untersuchten Funktions- beziehungsweise Branchentypus, erzielen. Eine weitere mögliche Ausweitung des Bias könnte in Bezug auf den Branchentypus „Klein- und Mittelbetriebe“ oder den politikdeterminierten Funktionstypus „Gesundheits-organisation“ erfolgen und so die Forschungsergebnisse und den Relevanzrahmen der Erkenntnisse auf zusätzliche Branchen- und Organisationstypen vergrößern. (3) Temporäre Dimension: Die Befragung der zwanzig Führungskräfte wurde als Querschnittserhebung durchgeführt. Diese erfolgte einmalig zu einem festgelegten Zeitraum. Im Zuge der Experteninterviews wurden die Experten angehalten, ihre Organisation aus einer reinen Wissensperspektive zu betrachten und zu analysieren; aufgrund dieser Sensibilisierung und Vertiefung des Verständnisses für wissensrelevante Fragestellungen, könnten bei einer neuerlichen Befragung zusätzliche Erkenntnisse erzielt werden. (4) Gender Dimension: Drei Phasen des Forschungsvorhabens könnten in Bezug auf Gender-relevante Faktoren näher analysiert werden: die Expertenauswahl, das Experteninterview und die Auswertung des Experteninterviews (Bogner, Littig, Menz, 2005). Von den insgesamt zwanzig befragten Führungskräften, wurden fünfzehn männliche und fünf weibliche Experten befragt. Bei diesen Experten handelte es sich um Personen der höchsten organisatorischen Ebenen, sprich Geschäftsführung beziehungsweise Vorstandsebene oder der nächst darunter liegenden Ebene. Die Expertenauswahl bei der erfolgten Befragung unterlag dem Zufallskriterium, da der Organisations- bzw. Funktionstypus als Selektionskriterium galt. Der relativ hohe Anteil an Frauen in den genannten Führungsebenen, konkret fünfundzwanzig Prozent im Bias, lässt sich aus dem Funktionstypus, sprich den ehemals öffentlichrechtlichen Organisationen erklären; alle befragten Experten der Wirtschaftsorganisationen waren männlichen Geschlechts. Dies könnte als gegenwärtig typische Situation für die Besetzung in verantwortungsvollen Positionen sein. Hätte der Untersuchungsgegenstand ausschließlich österreichische Wirtschaftsorganisationen berücksichtigt, so wäre der Frauenanteil mit größter Wahrscheinlichkeit unter fünfundzwanzig gelegen. Zu berücksichtigen wäre des Weiteren der nationale Frauenanteil in relevanten Positionen 246
im Vergleich zu jenem in den anderen EU-Mitgliedsstaaten. In der Methodenliteratur wird Gender als beeinflussender Faktor bei Interviews nicht allzu oft thematisiert und analysiert. Einige wenige Autoren im Bereich der Interviewforschung beurteilen die Geschlechtsaufteilung für einen relevanten Faktor in einer Interviewsituation, wie dies beispielsweise von Meuser und Nagel thematisiert wird: „Mit Sicherheit - Geschlechtsunterschiede der Beteiligten auf die Definition der Situation einwirken; dass es nahezu eine Binsenwahrheit der Interviewforschung sei, dass Frauen in den meisten Fällen mehr Rückmeldungen erhalten, weil sie weniger bedrohlich wirken und über eine kommunikative Kompetenz verfügen“ (Meuser, Nagel, 2005, S. 177).
Weiterführende Forschungen in Bezug auf Gender als wissensrelevantes Kriterium könnten sich auch auf die Auswirkungen der Genderkonformen Sprache in der Interviewsituation beziehen und auf die Analyse der Forschungsergebnisse aus ausschließlicher Gender-Perspektive.
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255
11. Organisationsverzeichnis
Die Autorin bedankt sich bei den befragten Experten folgender Organisationen*: Accenture Austrian Airlines Austro Control Eurocontrol Flughafen Wien Frequentis Herz Armaturen Kuehne & Nagel Lentos Kunstmuseum Linz Lufthansa Niederösterreichische Kulturwirtschaft Österreichische Bundesbahnen Österreichische Nationalbibliothek Postbus Raiffeisen Holding Sammlung Essl Technisches Museum Wien
*Die Reihung der Organisationen entspricht nicht der Nummerierung der im Text genannten Experten 1-20. Die verbleibenden Organisationen wollten anonym bleiben.
257 D. Burger, Computergestützter organisationaler Wissenstransfer und Wissensgenerierung, DOI 10.1007/978-3-531-93047-3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
12. Anhang
Die ergänzende quantitative Auswertung des Datenmaterials basiert auf der Zählung der wissensrelevanten Variablen und anschließenden Zuordnung zu den Kategorien Umwelt, Organisation oder Technologie. Eine einzelne Tabelle zeigt jeweils die Auswertung von 20 Experteninterviews in Bezug auf diese Kategorien. Die Reihung der Kategorien erfolgte auf Basis der errechneten Mediane, abfallend. Fragen zu „Wissen allgemein“: Was bedeutet Wissen allgemein für eine Organisation heute? Wird sich die Bedeutung in Zukunft ändern?
14 12 10 8 6 4 2 0
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Umwelt
Organisation
Technologie
Reihung: Umwelt (5), Organisation (2,5), Technologie (0,5)
259 D. Burger, Computergestützter organisationaler Wissenstransfer und Wissensgenerierung, DOI 10.1007/978-3-531-93047-3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
In welchem Zusammenhang ist explizites Wissen für die Organisation von Bedeutung und warum?
5 4 3 2 1 0 1
2
3
4
5
6
Umwelt
7
8
9
10
11
12
Organisation
13
14
15
16
17
18
19
20
Technologie
Keine abfallende Reihung der Kategorien; da alle gleich gewichtet. In welchem Zusammenhang ist implizites Wissen von Bedeutung und warum?
4,5 4 3,5 3 2,5 2 1,5 1 0,5 0
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Umwelt
Organisation
Technologie
Reihung: Umwelt (1), Organisation (1), Technologie (0)
260
Welche Rolle spielt die Informationstechnologie in ihrer Organisation?
4,5 4 3,5 3 2,5 2 1,5 1 0,5 0
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Umwelt
Organisation
Technologie
Reihung: Organisation (2), Technologie (0,5), Umwelt (0) Frage zur „Kernkompetenz“: Was würden sie in ihrer Organisation als Kernkompetenz bezeichnen? Können sie diese Kernkompetenz/en beschreiben?
10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0
1
3
5 Umwelt
7
9
11
Organisation
13
15
17
19
Technologie
Reihung: Umwelt (4), Organisation (2), Technologie (0)
261
Fragen zu „Wissen & Wissenserzeugung“: Worauf beruhen die Entscheidungen von Mitarbeitern in den verschiedenen Verantwortungsbereichen, in Bezug auf implizites und explizites Wissen?
10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Umwelt
Organisation
Technologie
Reihung: Umwelt (3), Organisation (1), Technologie (0,5) Wie schätzen sie die Bedeutung des impliziten Wissens für die Führungsposition ein?
8 7 6 5 4 3 2 1 0 1
2
3
4
5
6
Umwelt
7
8
9
10
11
12
Organisation
13
14
15
16
17
18
19
20
Technologie
Reihung: Umwelt (4), Organisation (0), Technologie (0) 262
Gibt es Prozesse oder Bereiche in der Organisation, die aus ihrer Sicht besonders „wissenskritisch“ sein? Welche Wissensform ist hier bedeutsam?
6 5 4 3 2 1 0 1
2
3
4
5
6
7
Umwelt
8
9
10
11
12
13
Organisation
14
15
16
17
18
19
20
Technologie
Reihung: Organisation (2), Umwelt (1,5), Technologie (0) Wie generiert ihre Organisation dieses bedeutsame Wissen? Intern und/oder extern? Gibt es Personen, die hier eine zentrale Rolle spielen?
10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 1
2
3
4
5
6
Umwelt
7
8
9
10
11
12
Organisation
13
14
15
16
17
18
19
20
Technologie
Reihung: Umwelt (4), Organisation (1,5), Technologie (0)
263
Was kann für die Wissensgenerierung in der Organisationen getan werden? Welche Schwierigkeiten könnten dabei auftreten?
9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 1
2
3
4
5
6
7
8
Umwelt
9
10
11
12
13
Organisation
14
15
16
17
18
19
20
Technologie
Reihung: Umwelt (3), Organisation (2), Technologie (0) Fragen zum „Organisationalen Lernen“: Was hat in der Organisation zu Lernprozessen geführt? Gibt es aus Ihrer Sicht nennenswerte Aspekte?
9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 1
2
3
4
5
6
Umwelt
7
8
9
10
11
12
Organisation
13
14
15
16
17
18
19
20
Technologie
Reihung: Umwelt (3), Organisation (2,5), Technologie (0)
264
Welche Veränderungen sind auf der Ebene der Organisation als Konsequenz von Lernprozessen eingetreten? Hat sich die Wissensbasis verändert?
14 12 10 8 6 4 2 0
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Umwelt
Organisation
Technologie
Reihung: Organisation (3), Umwelt (1), Technologie (0) Fragen zum „Wissenstransfer“: Wo spielt implizites Wissen in ihrer Organisation eine bedeutsame Rolle?
9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 1
2
3
4
5
6
Umwelt
7
8
9
10
11
12
Organisation
13
14
15
16
17
18
19
20
Technologie
Reihung: Umwelt (3), Organisation (1), Technologie (0) 265
Wird impliziter Wissenstransfer gesteuert und/oder gefördert, beispielsweise durch die Einrichtung von informellen Räumen oder strukturelle Maßnahmen wie „Communities“?
7 6 5 4 3 2 1 0
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Umwelt
Organisation
Technologie
Reihung: Organisation (2), Umwelt (1), Technologie (0) Hat die Organisation designierte Personen, welche mit explizit mit wissensrelevanten Aufgaben betraut sind? Wenn ja, welche Aufgaben hat dieser Mitarbeiter?
7 6 5 4 3 2 1 0 1
2
3
4
5
6
Umwelt
7
8
9
10
11
12
Organisation
13
14
15
16
17
18
19
20
Technologie
Reihung: Umwelt (1,5), Organisation (1), Technologie (0) 266
Fragen zur „Knowledge-Business-Excellence“: Wie müsste eine Organisation ihrer Meinung nach, Wissen organisieren, um „Business Excellence“ zu erreichen?
9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 1
2
3
4
5
6
Umwelt
7
8
9
10
11
12
Organisation
13
14
15
16
17
18
19
20
Technologie
Reihung: Organisation (3,5), Umwelt (3), Technologie (1)
267