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Eine kleine Gruppe von Freunden – jeder von ihnen ein großer Könner auf seinem Spezialgebiet – baut die Sunbeam, ein Schiff, das eine neue Epoche der Raumfahrt einleiten soll. Dieses Wunderwerk menschlichen Erfindungsgeistes erfüllt alle Erwartungen, die in es gesetzt werden, und doch geschieht schon beim Testflug durch unser Sonnensystem etwas völlig Unerwartetes: Die Sunbeam prallt mit einem Asteroiden zusammen, wird in den Hyperraum geschleudert und gelangt in ein fremdes Universum, das voller Überraschungen ist.
In der Hauptsache sind es die Erlebnisse der irdischen Wissenschaftler in diesem UNGLAUBLICHEN SYSTEM, die John W. Campbell jr. dem Leser auf faszinierende Art nahezubringen versteht.
JOHN W. CAMPBELL JR.
DAS
UNGLAUBLICHE
SYSTEM
Science Fiction Roman
eBook by »Menolly«
BALOWA-VERLAG : BALVE i. W.
INHALT
Vorwort ..........................................................
5
1. Kapitel ........................................................
7
2. Kapitel ........................................................
24
3. Kapitel ........................................................
31
4. Kapitel ........................................................
40
5. Kapitel ........................................................
45
6. Kapitel ........................................................
54
7. Kapitel ........................................................
92
8. Kapitel ........................................................
106
9. Kapitel ........................................................
114
10. Kapitel ......................................................
121
11. Kapitel ......................................................
135
12. Kapitel ......................................................
146
13. Kapitel ......................................................
164
14. Kapitel ......................................................
175
15. Kapitel ......................................................
192
16. Kapitel ......................................................
202
17. Kapitel ......................................................
205
18. Kapitel ......................................................
210
19. Kapitel ......................................................
215
20. Kapitel ......................................................
223
Epilog .............................................................
230
Vorwort
Am 14. Mai 2079 schrieb auf dem Passagierraumer ALDEBARAN Captain Arnold Barett folgende Meldung in das Logbuch: Um 13.45.30 Uhr flammte in einer Entfernung von 10 Millionen Meilen ein grelles riesenhaftes Licht auf. Es stand fast fünf Minuten im All, ehe es allmählich verglühte und verschwand. Seine Form war ringförmig, und im Zentrum schien ein dunkler Fleck zu sein, der nur einmal für Sekunden violett aufleuchtete. Lange Zeit blieb die Stelle, an der die Erscheinung aufgetaucht war, dunkel, und nicht einmal das Licht der Sterne vermochte diese Dunkelheit zu durchdringen. Im Raum stand jetzt ein schwarzer Fleck. Obermaat Matterson will vor dem Aufflammen des geheimnisvollen Lichtes in jener Richtung ein merkwürdig geformtes Schiff beobachtet haben... Seit diesem 14. Mai galt auf der Erde die SUNBEAM als verloren. Niemand zweifelte daran, daß die kühne Testfahrt des neuen Wunderschiffes mit einer Katastrophe geendet habe. Man bedauerte die Rocket-Gesellschaft wegen des schweren Verlustes, und man bedauerte vor allem, daß drei der genialsten Raumfahrtpioniere bei diesem Unglück den Tod gefunden hatten. Sie hatten eine neue Epoche der Raumfahrt einleiten zu können geglaubt, und sie waren, so schien es, gescheitert – trotz Transponantrieb, trotz magnetischer Sphäre, Antischwer-kraftfeld und anderer technischer Neuerungen. Aber waren sie wirklich gescheitert? Gewiß, die
SUNBEAM existierte in diesem Universum nicht mehr. Sie war mit einem 100-Tonnen-Asteroiden zusammen geprallt, und dieser Zusammenprall hatte in gewissem Sinne zu einer Katastrophe geführt. Trotzdem bestand das Schiff weiter fort. Es war in einen Raum gefallen, in dem Kraft, Masse oder Energie ohne jede Bedeutung blieben... Und als die Männer ihre Augen öffneten, erblickten sie durch die Sichtfenster sechs fremde Raumschiffe. Sie waren schlank und sahen tödlich aus... Damit begann für die Besatzung der SUNBEAM ein Abenteuer, wie sie es sich in den phantastischsten Vorstellungen nicht hatten träumen lassen...
1. Kapitel »Ich wette«, sagte Don Carlisle mißbilligend, »daß man wieder behaupten wird, es handele sich um den letzten und größten Fortschritt interplanetarischer Forschungs-arbeit. Das tun sie nämlich seit sechs Monaten mit jedem Dreck, den sie fertigstellen.« »Du hast gerade Grund, so etwas zu sagen«, lachte Russ Spencer. »Eine der neuesten Errungenschaften jenes Schiffes dort sind die Carlisle-Klimaanlagen. Sie garantieren höchste Vollkommenheit in der reibungslosen Versorgung mit Atemluft und gleichbleibende Tempera tur. Immerhin«, wandte er sich dann mit einem Augen zwinkern an seinen Freund Aarn, »du hättest ganz gut zwei Jahre früher auf die Idee mit der magnetischen Sphäre kommen können. Im übrigen war es der Traum meines Vaters, das erste meteoritensichere Raumschiff in der Werft der Spencer-Rocket-Gesellschaft auf Kiel zu legen. Leider habt ihr Physiker euch gewaltig Zeit gelassen, um jetzt auf einmal das Wunder zu vollbringen.« Der wuchtige Aarn Munro lächelte sein ruhiges, überlegenes Lächeln. »Wie gern hätten wir dir den Gefallen getan, Russ, aber du darfst niemals vergessen, daß die technische Entwicklung, besonders dann, wenn sie mit Physik zu tun hat, einer Kette gleicht. Das letzte Glied läßt sich nicht eher befestigen, bis alle vorherigen Glieder an Ort und Stelle sind. Was allein für Vorarbeiten dazu gehörten, die magnetische Sphäre zu entwickeln – ich glaube kaum, daß du dir da die richtige Vorstellung machst. Unmöglich,
diesen schützenden Energieschirm bereits vor zwei Jahren fertiggestellt zu haben. Die Voraussetzungen fehlten einfach. Auf der anderen Seite bildet natürlich die von mir erfundene magnetische Sphäre die Grundlage für weitere unglaubliche Erfindungen. Während ihr Ingenieure euch damit beschäftigt, die Schiffe immer formvollendeter zu gestalten, befaßte ich mich damit – auch wenn Russ jetzt noch mißmutiger dreinschaut als bisher –, letzte und größte Fortschritte aus der Theorie in die Praxis umzusetzen.« Sie waren langsam gegangen und hatten nun die Werft erreicht, wo auf der metallenen Basis das letzte Schiff der Rocket-Geselllschaft lag: die fast vollendete Procyon. Mehr als zweihundert Meter lang, siebzig Meter im Durchmesser, bildete das Schiff einen matt schimmern den, gigantischen Zylinder, der in der Unendlichkeit des Raumes zu einem winzigen Staubkorn werden würde. Das bisher ununterbrochene Summen und Rattern der Werkmaschinen war leiser geworden. Es hatte sich mehr in das Innere des Schiffes zurückgezogen, wo die letzten Installationen vorgenommen wurden. Schwere Kräne hoben Kisten mit Einrichtungsgegenständen und Lebens mitteln. Licht drang aus den Luken, und aus einer Öff-nung hingen sechs schwarze Kabel, die gleich abwarten-den Riesenschlangen zur abseits gelegenen Energiestation führten. Ein rhythmisches Stampfen kam verhalten von dort und berührte kaum ihre beanspruchten Ohren. »Wird sie planmäßig starten, Russ?« erkundigte sich Aarn voller Interesse. Der Ingenieur nickte. »Sie sollte. Barett meinte, es könne nichts dazwischen kommen. Versuchsflug dann also morgen um genau
13.57.30 Uhr. Nur kurz bis Luna-City und zurück.« In seine Stimme schlich sich plötzlich ein harter, ernster Unterton. »Wollen hoffen, Aarn, daß deine Theorien richtig waren. Ganz abgesehen davon, daß uns das Baby eine runde Summe von zehn Millionen Credits gekostet hat, konnte niemand von der Besatzung versichert werden. Und an Bord befinden sich genau 73 Mann. Und noch etwas, Aarn: Ich werde das Schiff im Leonidenschwarm testen lassen.« Aarn nickte langsam. »Die physikalischen Gesetze garantieren eine absolute Sicherheit gegen Meteore bis zu einem Erdgewicht von einer Tonne. Und Meteore, die überhaupt hundert Pfund wiegen, sind recht selten.« »Nur ein einziger von einer Tonne genügt, und ich bin ruiniert. Großvater und Vater haben diese Firma aufgebaut, und ich hatte wenig damit zu tun, bis Vater vor zwei Jahren starb. Ich bin gewillt, die Familientradition fortzuführen. Großvater konstruierte jene Rakete, die 1983 den Mond erreichte. Vater schuf das Schiff, welches im Jahr 2036 auf dem Mars landete. Dein Vater war es, der als erster Mensch seinen Fuß auf die Oberfläche des Jupiter setzte. Zugegeben, die Spencer-Rocket-Gesell-schaft hat ihre Konkurrenz. Die Leute von der ›Deutschen Raketenbau‹ sind die schlimmste – oder sollte ich sagen: die beste? Wenn wir die Procyon verlieren, schlucken die unsere Firma garantiert. Mich beruhigt jedoch, daß die magnetische Sphäre bei den kleinen Versuchsschiffen funktionierte – also wird sie es auch hier tun. Ich habe Vertrauen zu dir, Aarn.« »Danke«, lächelte der Physiker. »Unsere Wissenschaft
ist eine ziemlich exakte. Man kann sich auf ihre Ergebnis se verlassen – wenn man keine Fehler unterlaufen läßt.« »Hm«, knurrte Carlisle voller Zweifel. »In Hinsicht auf das Atom habt ihr Physiker nicht gerade das Hervor ragendste geleistet. Atomenergie und gefahrlose Umwand lung – pah! Seit einem Jahrhundert wird uns das nun schon versprochen. Ich glaube, da werden wir Chemiker das Problem noch eher lösen. Was die Energiespeicherung angeht, so halte ich jedenfalls den Akkumulator für einen recht erbärmlichen Kompromiß...« »Das kann ich nicht finden«, unterbrach Aarn den Redefluß seines eifrigen Freundes. »Immerhin darfst du rechnen, daß pro Pfund Gewicht ganze 30000 Kilowatt gespeichert werden können – und das habt ihr Chemiker bisher nicht verbessern können. Na, und dann der Treib stoff! Hast du vergessen, daß wir 22 Jahre als Schiff brüchige auf Jupiter hockten und darauf warteten, daß man uns abholte und befreite? Euer Treibstoff reichte gerade, ein Schiff von der Erde abzuheben und auf Jupiter landen zu lassen. Aber mit dem Rückflug wurde es dann nichts, weil die Schwerkraft zu groß war. Vater, Mutter und die Mannschaft warteten 22 Jahre, bis sie geholt wurden. Und es waren die Physiker, die sie befreiten, nachdem die Chemiker sie zwar hingebracht, aber nicht zurückbringen konnten.« »Aber die Chemiker sorgten für die synthetische Nahrung, ohne die sie auf Jupiter verhungert wären.« »Ein Dreckzeug!« machte Aarn verächtlich. »Ich war neunzehn, als ich es das erste Mal anrührte.« »Da hast du aber Glück gehabt«, stimmte ihm Spencer zu.
Aarn Munros Gestalt maß annähernd zwei Meter, und für diejenigen, die seine Geschichte nicht kannten, mußte er den Eindruck einer ungewöhnlichen Fettleibigkeit hinterlassen. Sein Körperumfang betrug sicherlich anderthalb Meter, und Arme wie Beine schienen mißgestaltet. Jupiter, eine Welt mit der zweieinhalbfachen Schwerkraft der Erde, verlangte von seinen Bewohnern Stärke und Wendigkeit. Auf der Erde wog Aarn 350 Pfund. Die ersten zwanzig Jahre seines Lebens hatte er auf Jupiter verbracht, wo er geboren wurde. Diesem Umstand hatte er seine übermenschliche Stärke zu verdanken, die ihn ohne Schwierigkeiten ein Gewicht von einer Tonne heben ließ. Und so war es gewesen... Marta Munro war der einzige weibliche Passagier der Spencer II, die unter dem Kommando von Arty Munro zum Jupiter unterwegs war. Mond, Mars und Venus hatten sich als nicht allzu schwierige Etappen auf dem Wege zur Eroberung des Sonnensystems erwiesen, aber der Riesenplanet Jupiter ließ Probleme erwarten. Sicher, die Spencer II besaß einen neuen Antrieb unvorstellbarer Leistungsfähigkeit. Der erst kürzlich gefundene Treibstoff gab dem Schiff eine Schubkraftentwicklung, die es mit Leichtigkeit aus dem Gravitationsbereich der Erde heraushob. Die Geschwindigkeit, die es erreichen konnte, war im Vergleich zu den früheren Flügen der Pioniere enorm. An Bord befanden sich Wissenschaftler und Forscher, die alle begierig waren, Näheres über die Natur des gewaltigen Planeten Jupiter zu erfahren, der den Menschen
bisher ein Rätsel geblieben war. Besonders der rote Fleck hatte es ihnen angetan. Die Erde wurde zu einem Stern, der bald im Glanz der helleren Sonne unterging und verschwand. Die Sonne selbst wurde zu einem Stern, und dann kam der Asteroidengürtel. Er war Arty Munro nicht unbekannt. Mehr als einmal hatte er Gruppen von Wissenschaftlern nach hier gebracht und sich schrecklich gelangweilt, wenn er Monate warten mußte, bis die Forschungsergebnisse in den Safes des Schiffes lagerten. Untätig hatte er in seiner Kabine gehockt und gewartet. Einige der Asteroiden betrat er, um sich der dort herrschenden geringen Schwerkraft zu erfreuen und mit Riesensätzen die kleinen Welten zu umrunden. Kurz vor dem Start der Spencer II jedoch hatte er geheiratet. »Nein«, wurde ihm auf seine Frage hin eröffnet, »selbstverständlich ist der Flug zum Jupiter zu gefährlich, einer Frau die Erlaubnis zu geben, mit Ihnen zu kommen. Selbst dann, wenn es sich um Ihre eigene Frau handelt.« »Ich übernehme die Verantwortung.« Es folgten lange Wochen des Wartens, in denen Munro nicht einmal seine Flitterwochen richtig genießen konnte. Dann wurde überraschend die Erlaubnis erteilt. Er durfte seine Frau mit auf die große Reise nehmen. Und nun befanden sie sich bereits mitten im Asteroidengürtel. »Siehst du dort den Brocken«, machte er seine Frau auf einen unregelmäßigen Kleinplaneten aufmerksam, der sich träge im fernen Sonnenlicht drehte und seltsame Reflexe in das schwarze Nichts zauberte. »Das war einmal ein
winziges Stück eines Planeten. Wir wissen nicht, warum er zerplatzte, aber wir wissen, daß es ein Planet gewesen sein muß. Das Material, aus dem die Asteroiden bestehen, ist identisch. Sie müssen den gleichen Ursprung haben.« Marta befand sich zum ersten Male auf einer Raumreise. Sie war kaum fähig, die neuen Eindrücke in so schneller Folge in sich aufzunehmen. Verwundert betrachtete sie den Felsbrocken. »Eine Welt für sich«, hauchte sie ergriffen. »Wie klein er ist im Gegensatz zur Erde!« »Und wie klein ist die Erde, wenn wir den Jupiter zum Vergleich heranziehen«, machte sie Arty auf einen weiteren Umstand aufmerksam. »Du wirst sehen...« Und sie sahen es alle. Jupiter wurde größer und größer, als sie sich ihm vorsichtig näherten. Die kleineren Monde umkreisten ihn ziemlich schnell und erinnerten an Planeten, die eine erkaltete Sonne umwanderten. Munro errechnete eine geeignete Umlaufbahn und brachte die Spencer II langsam näher an die Oberfläche des Planeten heran. Die Schwerkraft machte sich nur durch die höher einzusetzende Geschwindigkeit bemerkbar. Eine zweieinhalb so große Zentrifugalkraft wie auf der Erde mußte ihr entgegenwirken, das erwünschte Gleichgewicht zu halten. Fast zwei Wochen lang währten die ersten Untersuchungen, die von den Wissenschaftlern angestellt wurden. Dann erhielt Munro den Befehl, auf Jupiter zu landen. Er tat es mit sehr gemischten Gefühlen, denn seine anfänglichen Zweifel waren stärker geworden. Aber die
Berechnungen ergaben, daß die vorhandenen Triebwerke ausreichten, der Schwerkraft zu trotzen. Die Landung erfolgte ohne alarmierende Ereignisse. Die Spencer II setzte ein wenig hart in einer Ebene auf, die von riesigen Bergen eingeschlossen war. Sie schwankte merklich und stand dann ruhig. Der Antrieb verstummte. Das erste Schiff war auf dem Jupiter gelandet. Die eigentlichen Arbeiten begannen am dritten Tag. Es war gut, daß noch niemand ahnte, was geschehen würde, sonst hätten die späteren Forschungsergebnisse sicherlich anders ausgesehen. So aber widmete sich jeder der ihm zugeteilten Aufgabe mit dem heiligen Eifer des Besessenen und mit dem Bewußtsein, nur wenig Zeit zu haben. Denn in drei Monaten sollte der Start zum Rückflug zur Erde stattfinden. Drei Monate hatte Arty Munro nicht viel zu tun. Seine Frau sorgte zwar für die ordnungsgemäße Verpflegung der Expedition, aber es blieb ihr ebenfalls genügend Freizeit, die verdorbenen Flitterwochen auf dem Jupiter nachzuholen. Die Wissenschaftler erforschten mit dem Raupenwagen, der eine drucksichere Kabine besaß, die nähere Umgebung. Sie stießen bis zu den fernen Gebirgen vor und entdeckten gewaltige, kochende Lavaseen, die das Innere des Riesenplaneten vor ihren staunenden Augen bloßlegten. Leben gab es auf Jupiter keines, denn die Atmosphäre war giftig. Sie schien auch für unbekanntes Leben giftig zu sein. Man konnte sich nur in den Raumanzügen ins Freie wagen, und als ganz besonders hinderlich wirkte sich die zweieinhalbfache Erdenschwere aus. Allerdings gewöhnte sich der menschliche Körper sehr schnell an die
veränderten Verhältnisse und paßte sich an. In den ersten Tagen konnte man sich nur kriechend fortbewegen, dann folgten die ersten Gehversuche, und schließlich schritten sie aufrecht dahin, ein wenig schleppend und schwerfällig, aber immerhin ohne übermenschliche Kraftanstrengung. Aber was den Menschen gelang, gelang dem Schiff nicht. Das sollten sie sehr bald erfahren. Der Tag des Abschieds rückte heran. Wohlgeordnet lagen die Forschungsergebnisse in Form von Film- und Tonbandrollen in den Schränken. Gesteinsproben und winzige Behälter mit erstarrter Lava, Gläser mit Erde und winzigen Atmosphäreresten ruhten in den Truhen. Ganze Manuskripte stapelten sich in den dafür bestimmten Schränken. Die Expedition war ein voller Erfolg gewesen, und die Rundfunkmeldungen zur Erde unterwegs. Sie begaben sich alle in ihre Kabinen und schnallten sich fest. Das war unbedingt notwendig, den selbst der geringste Andruck würde sich hier auf Jupiter verheerend auswirken. Arty Munro ließ die Pumpen warmlaufen. Die Generatoren summten. Der Treibstoffmesser stand auf dreiviertel voll. Genau wie berechnet und notwendig. Und dann erfolgte der Start. Die Spencer II hob sich langsam und zögernd vom Boden ab, stieg fast zwei Kilometer hoch, ohne die Geschwindigkeit zu erhöhen, obwohl Munro den Antrieb auf vollen Touren arbeiten ließ. Dann blieb sie auf gleicher Höhe stehen. Der Treibstoffmesser sank rapide und erreichte die Marke, an der die Zufuhr aufhören mußte, wollte man noch genügend Energie für die Landung auf der Erde besitzen.
Er sank unter den roten Strich, ohne daß die Spencer II weiter stieg. Im Gegenteil. Sie begann abzusacken. Langsam zuerst, dann schneller werdend. Der felsige Grund des Jupiter schnellte empor und traf die noch nicht eingezogenen Teleskopstützen mit voller Wucht. Sie knickten wie Streichhölzer und fingen den Stoß nur teilweise ab. Das Schiff stand für wenige Sekunden, während Munro den Antrieb, der nutzlos geworden war, ausschaltete, dann kippte es langsam zur Seite und legte sich der Länge nach auf den harten Boden. Wie durch ein Wunder brach es nicht auseinander. Kein Leck war entstanden. Keine giftige Atmosphäre drang in das Innere Niemand wurde verletzt. Aber die Spencer II befand sich wieder auf dem Jupiter. Die Teilnehmer der Expedition versammelten sich in der Zentrale und hörten mit bleichen Gesichtern die Erklärungen Munros an, der gefaßt die Ergebnisse seiner Untersuchungen und Berechnungen bekanntgab. »Meine Herren, ich will Ihnen gleich sagen, daß ein zweiter Startversuch sinnlos geworden ist. Der Treibstoff würde nicht einmal für eine Landung auf der Erde reichen. Aber er reicht, uns die kommenden zwanzig Jahre mit Energie zu versorgen, wenn wir hierbleiben. Und es bleibt uns keine andere Wahl, als hierzubleiben. Es besteht die Möglichkeit, daß schon in zwei oder drei Jahren die Antriebe so weit verbessert sind, daß man uns abholen kann. Aber versuchen wir einen weiteren Start, kann es geschehen, daß wir diesmal rettungslos abstürzen, ganz abgesehen davon, daß ein Start aus der waagerechten Position unmöglich ist. Machen Sie sich also damit vertraut, einige Jahre auf Jupiter zu verbringen.«
Er erhielt keine Antwort. Die Wissenschaftler blickten sich stumm an und gingen in ihre Kabinen. Munro aber nahm seine junge Frau in die Arme. »Unsere Flitterwochen – sie werden länger dauern, als wir zu hoffen wagten. Sorgen wir dafür, daß es Flitterwochen werden – und nicht die Hölle.« Es wurde erträglich. Schon nach wenigen Wochen hatten sie sich eingerichtet und fristeten ihr Dasein, so gut es eben ging. Der Funkverkehr zur Erde war die einzige Abwechslung in ihrem Dasein und ihre große Hoffnung. Man versprach, die Entwicklung wirkungsvollerer Antriebe voranzutreiben. Man versprach, sie so bald wie möglich abzuholen. Aber die Jahre vergingen, und Munros Frau gebar ihren ersten und einzigen Sohn Aarn. Er war das einzige Lebewesen, das jemals auf Jupiter das Licht der Welt erblickte. Schon bei seiner Geburt ein kräftiger Junge, entwickelte er sich bereits in den ersten Monaten zu einem ungewöhnlich großen und massigen Kind, ganz wie es die hohe Gravitation des Riesenplaneten verlangte. Im Alter von zwei Jahren wog Aarn einen Zentner. Mit zehn Jahren sprach er drei Sprachen, nahm es im Zweikampf mit jedem Erwachsenen auf und erfand eine Methode, die es gestattete, statt vier Stunden deren zehn im Raumanzug zu bleiben, ohne die Sauerstoffflaschen zu wechseln. Die Hoffnung auf eine Rettung hatte man fast aufgegeben. Zwar bestand die Funkverbindung immer noch, und man arbeitete in den Spencerwerken am
sogenannten »Jupiterantrieb«, aber von positiven Ergebnissen hörte man nichts. Das Leben hatte sich normalisiert, und man begann zu vergessen, daß es einmal anders gewesen war. Der Jupitergeborene Aarn Munro bewies, daß der Mensch mit den Hilfsmitteln der Technik sehr wohl auf dem bislang für unbewohnbar gehaltenen Planeten existieren konnte. Sie alle bewiesen es. Wieder vergingen zehn Jahre. Hinter dem Wrack der Spencer II, immer noch die beste Zuflucht und Wohnung für die Schiffbrüchigen, war ein kleiner Friedhof entstanden, der die sterblichen Überreste jener aufnahm, welche die Rückkehr zur Erde nicht mehr erleben sollten. Nicht einer von ihnen war jedoch einer ansteckenden Krankheit zum Opfer gefallen. Da gaben die Spencerwerke bekannt, daß ein Schiff in Richtung Jupiter gestartet sei, die Überlebenden der ersten Expedition zu bergen. Der neue Antrieb gestatte eine Landung und den Start auf dem Jupiter trotz der zweieinhalbfachen Erdenschwere. Außerdem habe man eine neue Startmethode erdacht. Wozu besaß der Jupiter seine vielen Monde mit zum Teil sehr geringer Gravitation? Wenn man immer nur geringe Lasten zu diesen Monden brachte, benötigte man auch weniger Schubkraft. Die Freude unter den Teilnehmern der ersten Expedition war groß, die Stimmung zuversichtlich. Aarn selbst war auf die Erde gespannt, die er ja nicht kannte. Aus Büchern und Filmen hatte er sich ein Wissen angeeignet, wie es nur wenige Menschen besaßen. Seine Begabung für physikalische Probleme und deren Lösung schien
verblüffend. Marta Munro war auf ihren Sohn sehr stolz, und sie hatte auch allen Grund dazu. Ganz zu schweigen von Vater Munro. Die Funkzeichen wurden lauter, je näher die Jupiter I dem Planeten kam. Sie landete schließlich auf dem Mond Europa, mehr als eine halbe Million Kilometer vom Planeten entfernt. Die Gravitation des Satelliten wie auch sein Durchmesser waren geringer als die des Erdmondes. Die ausgetauschten Meldungen waren sparsam, aber sie unterrichteten die sehnsüchtig Wartenden genau über das, was nun geschah. »Wir entladen alle entbehrlichen Ausrüstungs gegenstände«, gab der Kommandant der Jupiter I bekannt. »Nur die notwendigste Mannschaft kommt mit. Treibstoffvorräte lagern ebenfalls auf Europa. Wir nehmen nur so viel mit, wie zur Landung und zum Start erforderlich scheint. Dann bringen wir den ersten Schub hierher, tanken Treibstoff und kommen ein zweites Mal. Die Forschungsergebnisse dürfen auf keinen Fall verlorengehen. Sobald wir starten, melden wir uns wieder.« Die folgenden Tage vergingen in fieberhafter Spannung. Und dann endlich kam die Nachricht: Jupiter I von Europa gestartet! Das neue Schiff der Spencerwerke umkreiste den Riesenplaneten einige Male, ehe es zur Landung ansetzte, die glatt verlief. Leicht und sicher kam der silberne Torpedo durch die milchige Atmosphäre und setzte knapp fünfhundert Meter neben der Spencer II auf. Die Luke öffnete sich, und zum ersten Male seit fast 22 Jahren betraten wieder Menschen die Oberfläche des Jupiter. Man staunte allgemein über Aarn und seine
ungewöhnliche Konstitution und sagte ihm voraus, er werde sich auf der Erde mit einer Leichtigkeit bewegen, die an ein Wunder grenze. Diese Voraussage sollte sich später bestätigen. Dann bestieg die erste Partie das Schiff. Zurück blieben nur drei Wissenschaftler und die Forschungsergebnisse. Sie sollten später abgeholt werden. Die Jupiter I startete – und sie startete wirklich! Langsam und schwerfällig, fast bis zu Europa hin gegen die zerrende Schwerkraft ankämpfend, gelang ihr die Flucht aus den unsichtbaren Klauen des Riesenplaneten. Der Rest war einfach. Die zweite Partie wurde geholt, auf Europa alles wieder in das Schiff verladen, das nun mit doppelter Last, aber auch mit der doppelten Leichtigkeit, startete und den Rückflug zur Erde antrat. So gelangte Aarn zu seinem eigentlichen Heimatplaneten, der niemals seine Heimat gewesen war. In seinem Innern verlor sich seine Liebe für Jupiter nicht, der ihm Kraft, Stärke und Intelligenz verliehen hatte, wie sie kein zweiter Mensch in dieser Vollendung besaß. Es war kein Wunder, daß er bald einer der leitenden Physiker der Spencerwerke wurde und der beste Freund des jungen Russ Spencer, der einmal die Werke seines Vaters übernehmen würde. * »Immerhin trug die Chemie zu unserer Rettung bei«, gab Am schließlich zu, um seinen Freund nicht zu verstimmen. »Aber ich war damals sehr froh, als ein Schiff kam, das
auch wieder zu starten vermochte.« »Na ja, ohne die Leiter hätte man es ohnehin nicht geschafft«, schränkte Spencer ein. »Die sogenannte Satellitenleiter. Wäre sie nicht gewesen, ihr hättet noch lange warten können.« »Gebe ich auch zu«, nickte Aarn willig. »Aber es hat nichts mit unseren Argumenten zu tun, weil ja die Satelliten schon vorher da waren – neun hübsche Monde. Was willst du denn noch mehr?« Spencer war genau vor der offenen Luke, die in das Innere der Procyon führte, stehengeblieben. In seiner Stimme war etwas mehr als freundschaftlicher Vorwurf, als er nun sagte: »Da ist noch viel, was mich interessiert, zum Beispiel Gravitationsneutralisatoren. Einen Antigravitator brauche ich, mein lieber Aarn. Falls die physikalische Wissenschaft überhaupt etwas taugt, sollte sie zumindest in der Lage sein, die Wege, die zur Konstruktion eines solchen Apparates führen, genau aufzuzeichnen und die vorhandenen Schwierigkeiten zu benennen. Es wäre dann unsere gemeinsame Aufgabe, diese Schwierigkeiten mit allen Mitteln zu überwinden. Oder ich könnte dich nach einem geeigneten Energieerzeuger fragen – möglicherweise sogar Energie aus gespaltenen Atomen. Was wir heute haben, ist eine glatte Verschwendung an wertvollen Rohstoffen, sogar Wasser. Nimm Mars als Beispiel. Da ist kaum Wasser vorhanden, und wenn sie nicht die Fotozellen besäßen, die ihnen Energie aus Sonnenstrahlen zaubern, mit deren Hilfe sie Wasser aus Kalkstein oder Gips freimachen, sähe es schlecht für sie aus.
Zum Teufel, Aarn, warum kommt ihr nicht weiter? Die Chemie ist fertig; von ihr ist kaum noch Großartiges zu erwarten. Nur noch die Physik kann uns weiterhelfen, das weißt du ganz genau. Selbst Carlisle weiß das, wenn er es auch niemals zugeben würde. Also, Aarn? Wie steht es mit dem Fortschritt?« Er besann sich und kam wohl zu der Feststellung, ein wenig heftig gewesen zu sein. Besänftigend setzte er also hinzu, um seinen Freund nicht zu verärgern: »Deine magnetische Sphäre ist ein gewaltiger Schritt nach vorn, Aarn, das gebe ich zu. Sie verwandelt Meteore, die sonst das Schiff getroffen hätten, in Gas und Energie. Aber wir dürfen uns nicht auf den Lorbeeren ausruhen.« »Wer tut das denn?« wunderte sich Aarn. »Natürlich arbeiten wir weiter. Und die magnetische Sphäre stellt an und für sich nichts anderes als ein zufälliges Nebenprodukt meiner Forschungen dar. Sie ist nur ein Stein auf meiner Straße, nur das Metall des Schlüssels, den ich zu formen gedenke. Obwohl ich nicht viel rede, Spencer, bin ich einer ganz großen Sache auf der Spur und arbeite schon lange an ihrer Verwirklichung. Nun gut, ich will euch eine interessante Geschichte erzählen. Hört zu: Ich kenne eine Maschine – die mächtigste und gigantischste Maschine, die zu existieren vermag. Es ist eine Maschine, die Materie in Energie verwandelt – in verschiedenartige Energie. Eine Form dieser Energie zum Beispiel besteht aus einem merkwürdigen Kraftfeld, das große Massenzusammenballungen Millionen von Meilen in den Weltraum zu schleudern vermag. Es ist eine gleichmäßig arbeitende und sich selbst regulierende Maschine ungeheueren Ausmaßes von
unvorstellbarer Präzision. In jeder Sekunde verwandelt sie fast vier Millionen Tonnen Materie in pure Energie – ohne sich zu erschöpfen. Stellt euch vor: Vier Millionen Tonnen Materie werden zu Energie – innerhalb eines langsam verlaufenden und genau kontrollierten Prozesses. Manchmal erscheinen dunkle Flecke und Gaswirbel auf der Oberfläche der Sonne, in denen ganze Planeten Platz fänden. Und dann beobachtet man gewaltige Flammenzungen, die viele Millionen Meilen in den Weltraum geschleudert werden – trotz einer Gravitation, die zehnmal größer ist als die des Jupiter. Die Flammenzungen sind Energie, also Materie. Eine geheimnisvolle Kraft läßt sie von der Sonne fortstreben – trotz der Anziehungskraft. Aber – ist diese vorhanden?« Aarn sah Spencer fest in die Augen – forschend und fragend. Und dann zog plötzliches Begreifen über das Gesicht des Ingenieurs. »Mein Gott! Aarn! Antigravitation...?« »Ich kann es nur vermuten, Russ. Ich weiß nichts. Aber wenn du mir hilfst, werden wir alle vielleicht sehr bald mehr wissen. Deinem Einfluß wird es gelingen, einen Befehl an alle Raumschiffe zu erlassen. Ich benötige genaue Beobachtungsergebnisse ganz bestimmter Natur. Außerdem ausführliche Angaben über die Schwankungen der Gravitationsmeßgeräte auf dem Mond, auf Phobos und den Satelliten des Jupiter. Und wenn ich die Ergebnisse habe, werde ich euch meinen Gedanken näher erklären. »So, jetzt kommt! Sehen wir uns die Procyon von innen an.« Er schritt voran. Nachdenklich folgten ihm seine beiden Freunde.
2. Kapitel In der übertrieben ruhigen Art eines Menschen, dessen Geduld kurz vor dem Zusammenbruch steht, erklärte Spencer dem erwartungsvoll grinsenden Carlisle: »Nein! Dieser mißgestaltete Elefant von Aarn Munro hat seinen Mund bis heute noch nicht aufgemacht, obwohl er alle Informationen erhielt, die er damals verlangte. Ich habe ihn gebeten, mir wenigstens einen Hoffnungsschimmer zu vergönnen, worauf dieser Unmensch mir etwa folgendes zur Antwort gab: ›Nur einen Hoffnungsschimmer, Russ? Nein, das wäre grausam. Außerdem weiß ich ja auch noch gar nicht, ob meine Theorie richtig oder falsch ist.‹ Ja, so sprach er – und dann ging er davon, mich in meinen Zweifeln einfach am Fleck stehen lassend. Ich finde das nicht gerade schön von ihm.« »Es ist seine Spezialität, die Mitmenschen einfach vor vollendete Tatsachen zu stellen. Diese magnetische Sphäre zum Beispiel. Ich weiß, daß er sie entwickelt hat, und ich weiß, was sie bezweckt. Wir haben es ja bei dem erfolgreichen Versuchsflug der Procyon erlebt. Aber wie sie funktioniert, Russ, das weiß ich nicht. Du vielleicht?« »Wieviel weißt du denn?« »Ich habe ihn gefragt, und er erklärte mir etwas von einem Kraftfeld mit hoher Durchlässigkeit, das einen gewissen Einfluß auf die Meteore habe, sie elektrisch lade und somit das durchlässige Feld für sie undurchdringbar mache. Das Magnetfeld hingegen stoppe den Meteor und verwandele ihn in Energie oder Gas. Dabei habe ich immer
geglaubt, ein Magnet ziehe Eisen an – anscheinend irrte ich mich aber.« Jetzt grinste Spencer. »Natürlich zieht ein Magnet Eisen an, aber nur unter gewissen Bedingungen. Aarn entdeckte einen Weg, dem Schiff einen vollkommen isolierten Nord- und Südpol zu verschaffen. Und eine spezielle elektrische Ladung. Irgendwie wendet er im Raum die magnetischen Kraftfelder und verwandelt sie somit in elektrische Energie. Es hängt mit den Vorgängen in einem Dynamo zusammen. Der Meteor selbst resultiert als Ankerwicklung und erzeugt jene Energie, die ihn vernichtet. Das magnetische Feld der Sphäre aber ist so intensiv, die entstehende Energie derart groß, daß sie jedes Hindernis sofort verdampfen läßt. Vorausgesetzt natürlich, es wird nicht zu groß. Aber ein Meteor mit 500 Pfund ist fast noch seltener als ein Komet. Mit anderen Worten, Car: Die magnetische Sphäre ist für ein Raumschiff nichts anderes als die Atmosphäre für die Erde. Sie stoppt die großen Brocken und vernichtet die kleinen restlos. Wie selten kommt es vor, daß ein Meteor die Oberfläche der Erde erreicht? Nun, die magnetische Sphäre dürfte hinsichtlich ihrer Wirksamkeit leicht mit der irdischen Lufthülle konkurrieren können.« Carlisle nickte. Aarns Werkstatt besaß Großflächigkeit und war in zwei Räume aufgeteilt. In dem einen befanden sich die Geräte und die eigentliche Versuchsstation, in der vier Assistenten arbeiteten. Der zweite Raum durfte nur vorn Aarn selbst
benutzt werden. Spencer fühlte sich immer schrecklich hilflos, wenn er inmitten des unbeschreiblichen Durcheinanders stand, das von Aarn als »sein Forschungsmaterial« bezeichnet wurde und aus dem wahrscheinlich auch nur er klug werden konnte, nicht aber seine engsten Mitarbeiter. »Seht hier«, lud Aarn seine beiden Besucher ein, dabei auf die mit einer Neukonstruktion belastete Werkbank zeigend. »Tretet näher, meine Freunde.« Spencer und Carlisle folgten der Aufforderung. Mit unterschiedlichem Temperament betrachteten sie das Gerät, das in der Hauptsache aus zwei Gehäusen bestand. Das eine konnte seine Identität mit dem Erzeuger der magnetischen Sphäre nicht verleugnen, diesmal allerdings mit einem merkwürdig geformten Metallkonus verbunden. Das andere Gehäuse war nichts als eine komplizierte Schalttafel. Auf einer Art Antenne saß eine blanke Kupferkugel von der Größe eines Apfels. Die davon ausgehende Leitung führte zu wohlgeordneten Kupferbarren, die in der Anordnung eines normalen Ankers den einigen vertrauten Anblick bildeten. Dieser »Anker« war von den übrigen Teilen sorgfältig isoliert worden. Aarn lächelte wissend, was Spencer ungemein reizte. Aber er ließ sich nichts anmerken. Stumm sah er zu, wie Aarn einen Schalter betätigte. Sofort brummte es im Innern der Kästen auf, und rings um die Kupferkugel erschien ein feines, blaues Schimmern. »Es dauert einige Minuten, bis er warm wird«, sagte Aarn und zeigte hinüber zum anderen Ende der Bank. Dort stand ein Netz aus Kupferdrähten, durch ein Kabel mit der
Hauptleitung verbunden. »Das Netz befindet sich unter Strom.« Er legte seine Hand auf einen kleinen Kasten, der wiederum mit dem geheimnisvollen neuen Gerät verbunden war. »Dies ist mein Projektor. Ich will jetzt versuchen, von dieser Stelle aus den Strom vom Kupfernetz anzuzapfen. Der sogenannte Projektor ist meine neue Erfindung. Mit seiner Hilfe kann ich selbst den Weltraum zu einem erstklassigen Leiter machen. Schalte ich dieses Modell ein, entsteht zwischen ihm und jenem Netz dort eine unsichtbare Stromleitung.« Er legte einen Hebel um. Sofort verstärkte sich das Summen, und ein grelles Licht blendete auf. Im gleichen Augenblick begann der Elektromotor, der Bestandteil der Versuchsanlage war, zu laufen. Er lief, obwohl er nur mit dem Projektor, nicht aber mit der normalen Stromleitung verbunden war. »Fast fünfundzwanzig Prozent der Energie geht verloren«, erklärte Aarn und übersah die verblüfften Gesichter seiner Gefährten. »Das ist nicht sehr schön. Für den Zweck jedoch, den ich im Sinn habe, reicht es. Da könnte sogar die Hälfte eingebüßt werden, ohne daß jemand den Verlust überhaupt messen könnte.« Spencer raffte sich zu einer Frage auf: »Warum entsteht kein Kurzschluß?« »Weil der Leitstrahl negative und positive Teilchen trennt. Außerdem arbeitet er – zusammen mit dem Projektor – wie ein Gleichrichter.« Spencer konnte seine freudige Überraschung nun nicht mehr länger im Zaume halten. Er schlug Aarn kräftig auf die breiten Schultern. »Danach haben wir hundert Jahre gesucht, Aarn:
Drahtlose Kraftübertragung – durch einen Leitstrahl zu jedem beliebigen Ort der Erde gesendet.« »Nein!« schüttelte Aarn den Kopf. Seine Stimme war ungewöhnlich scharf gewesen, als er das ›Nein‹ sagte. »Du mußt nun endlich den Unterschied begreifen. Ich schaffe keinen Leitstrahl, um Energie zu versenden. Im Gegenteil! Mein Strahl geht zu einer Stromquelle und holt die Energie! Der Unterschied ist klar. Außerdem ist der Mensch nicht imstande, einen Leitstrahl zu schaffen, dessen Durchmesser gleichbleibt. Stelle dir ein Schiff vor, das von der Erde aus mit Energie versorgt werden soll. Hier unten ist der Leitstrahl zwei Meter im Durchmesser. In fünfzig Kilometern bereits schon drei. Und in einer Entfernung von 10000 Kilometern empfängt das Schiff nur noch zehn Prozent der von hier ausgehenden Energie. Eine sehr unrentabele Sache, finde ich. Umgekehrt jedoch sieht es ganz anders aus. Der Leitstrahl geht vom Schiff aus. Damit würde die Kraftstation ihre Energie lediglich in einen Tunnel pum pen, der immer enger würde und somit an seinem anderen Ende – es ist die Empfangsstation auf dem Schiff – die Energie in konzentrierter Form wieder abgeben könnte.« »Es grenzt an Zauberei«, gab Spencer zu, »aber ich sehe Schwierigkeiten, falls diese Methode überhaupt funktioniert. Die Schiffe schicken also ihren Strahl aus und holen sich die notwendige Energie von der Erde. Wer aber bezahlt das? Läßt sich die Abnahme in irgendeiner Weise kontrollieren?« Nun lächelte Aarn sehr breit und überlegen. Man sah ihm die Freude an, eine weitere Überraschung anbringen zu können.
»Erstens habe ich nichts davon gesagt, daß sie die Energie von der Erde holen. Zweitens hätte ich auch kein Interesse daran, die armseligen Überlandleitungen leerzusaugen. Das gäbe nur Ärger mit den entsprechenden Werken.« »Nicht von der Erde? Woher denn? Die anderen Planeten sind froh, wenn sie ihre eigenen Energieversorgungsprobleme selbst zu lösen vermögen.« »Wer spricht von den anderen Planeten? Du hast vergessen, worüber wir uns kürzlich unterhielten. Ich beabsichtige, die Energie direkt bei der mächtigsten Quelle des Universums anzuzapfen.« Beide Männer starrten ihn an. Dann hauchte Spencer: »Die Sonne – mein Gott! Du glaubst, du könntest ihre ungeheuren Energien mit diesem Gerät heranholen?« Spencer war blaß geworden. Er hatte eine Vision, die ihm den letzten Blutstropfen zum Herzen trieb. Ein winziger Punkt im Weltall – ein Schiff – sandte einen Strahl zur Sonne und griff so hinein in die unerschöpflichen Reserven eines kosmischen Brandes, der Materie in pure Energie verwandelte. »Ja, die Sonne«, bestätigte Aarn ruhig. »Ich weiß, der Gedanke ist ungeheuerlich – aber er ist noch nicht zu Ende gedacht. Denn nicht nur die Sonne würde die künftige Energiequelle darstellen, sondern jeder beliebige Stern kann an ihre Stelle treten. Mit der Energie zerfallender Sterne werden wir das Universum durchqueren, von einem Ende zum anderen. Niemals wird uns der Treibstoff ausgehen können.« Carlisle blieb stumm, ebenso Spencer. Also fuhr Aarn fort:
»Im Grunde genommen ist es einfach. Selbstverständlich benötigt das Schiff eine ausgezeichnete Speicheranlage, bestehend aus leistungsfähigen Akkumulatoren. Dieser Projektor hier läuft nicht ohne Kraft an, außerdem – stellt euch eine Situation vor, in der die nächste Sonne zu weit entfernt wäre, um vom Leitstrahl innerhalb eines Menschenlebens erreicht zu werden.« »Dann würde die Energie auch nichts nützen.« »Wir sind bei der Theorie«, machte Aarn ihn auf den hypothetischen Charakter ihrer Unterhaltung aufmerksam. »Mit Hilfe der Batterien würde man nahe genug an die nächste Sonne herankommen, ihr Energie entnehmen, die Speicherstationen laden – und weiterreisen. Unbegrenzte Möglichkeiten, denn wir haben unbegrenzte Energien. Atomare Energie! Nie könnte der Mensch uns einen solchen Atommotor zur Verfügung stellen. Und damit hast du deine Antwort, Car: Du fragtest, warum die Physik die Atomenergie noch immer nicht genügend ausnütze. Weil sie zu teuer sein wird – und zu gefährlich. Die Sterne aber sind billig. Sie selbst, meine Freunde, werden uns helfen, sie zu erreichen...«
3. Kapitel Wieder einige Wochen später. »Dies ist ebenfalls eine Folge meiner logisch aufgebauten Versuchsreihe – außerdem hatte ich euch den Antigravitator ja versprochen.« Aarn sagte es mit der ihm eigenen Ruhe, obwohl er die Genugtuung über die verdutzten Gesichter seiner beiden Freunde nicht verbarg. Spencer betrachtete das Gebilde auf der Werkbank. »Ich möchte wissen, was du nicht erfinden willst!« »Die Sonne ist es, die sämtliche Geheimnisse birgt. Unvorstellbare Kräfte blockieren zeitweilig unter der Oberfläche die Gravitation, nur so ist es möglich, daß die Protuberanzen derart weit in den Raum vordringen. Das war meine Theorie – und die Meßergebnisse, die ich von den Raumschiffen erhielt, haben sie bestätigt.« Er warf seinen beiden Freunden einen forschenden Blick zu und sah nichts als angespanntes Interesse. Langsam nickte er. »Seit Jahrhunderten«, fuhr er erklärend fort, »wissen die Techniker, daß es drei Arten von Kraftfeldern gibt. Zuerst einmal das allgemein bekannte elektrische Energiefeld, dann das Magnetfeld, welches künstlich erzeugt werden kann und im übrigen naturgemäß jeden Himmelskörper umgibt. Meine magnetische Sphäre ist im Grunde genommen nichts anderes als eine Verdrehung des Magnetfeldes um neunzig Grad, wodurch die Pole umgewandelt werden. Statt magnetischer Pole haben wir nun elektrische Pole. Nun, das war an sich eine recht
einfache Angelegenheit. Aber – Gravitation besitzt keine Pole! Wenn ich es mal so sagen darf: Gravitation ist vierdimensional. Nur eben der Sonne habe ich die Beantwortung aller meiner Fragen zu verdanken. Und nun eine ganze simple und logische Erkenntnis, die so direkt auf der Hand liegt, daß man sie bisher nicht fand: Um einen zweidimensionalen Gegenstand zu verändern, benötige ich einen eindimensionalen Druck, oder besser ausgedrückt: einen Druck oder Zug von nur einer Seite. Will ich den gleichen Einfluß auf einen dreidimensionalen Gegenstand ausüben, benötige ich bereits zwei verschiedene Kraftanstrengungen. Nehmen wir als Beispiel einen einfachen Luftballon. Man kann seine Hülle mit einem Druck des Zeigefingers nach innen drücken. Und doch wird offensichtlich, daß zwei Kräfte am Werk sind, wir dürfen den natürlichen Zug des Gummis nicht vergessen, der den Ballon in die ursprüng liche Form zurückbringen möchte. Druck des Fingers und Zug des Gummis wirken entgegengesetzt, in einem Winkel von neunzig Grad zueinander. Damit also läßt sich das Drehen des Magnetfeldes bei meiner magnetischen Sphäre vergleichen. Überhaupt habt ihr so eine einfache Repräsen tation eines elektrischen und eines magnetischen Feldes. Wenn wir den Ballon also eindrücken, findet natürlich auf der gesamten Oberfläche eine Veränderung statt, die meinetwegen so gering ist, daß wir sie nicht bemerken. Aber unbestreitbar wird die Gummihülle doch höher strapaziert als zuvor, wo sie sich nur dem Druck der innerhalb befindlichen Gase widersetzen mußte. Die Beule nach innen verringert den zur Verfügung stehenden Raum, das Gas wird zusammengepreßt und sein Druck erhöht.
Also muß die Hülle auch mehr aushalten. Ich habe nun diesen lächerlichen Vorgang mit der Tatsache verglichen, daß es keinen Nordpol ohne den dazugehörenden Südpol geben kann. Das Dehnen der Ballonhülle muß zur Folge haben, daß sie an anderer Stelle entlastet wird, voraus gesetzt, es wird nicht gleichmäßig neues Gas eingeblasen. Das ist der Gegensatz, der ebenfalls zwischen den beiden Polen besteht. Ich gebe zu, daß mein Beispiel kein gutes ist und euch die Natur meiner Überlegungen nicht klarmachen kann. Ihr werdet nicht verstehen, was ich mit einer Drehung des Magnetfeldes um neunzig Grad gemeint habe, aber ihr dürft wiederum nicht vergessen, daß dieses Problem der Antigravitation vierdimensional ist und ich nur ein drei dimensionales Beispiel anführen konnte. Nur in einem dreidimensionalen Medium sind zwei Kräfte rechtwinklig angeordnet möglich. Und nur in einem vierdimensionalen Raum sind drei rechtwinklig wirkende Kräfte möglich. Und noch eins: Die Notwendigkeit der gegensätzlichen Pole ist nicht mehr vorhanden. Es ist bei der Gravitation nicht das Gegensätzliche, was sich anzieht, sondern umgekehrt das Gleiche, das aufeinander einwirkt. Gäbe es also gegensätzliche Pole, sie würden sich abstoßen. Ich bin in der Lage, die Gravitation zu krümmen, wenn ich genügend Energie zur Verfügung habe. Selbst den gekrümmten Raum kann ich theoretisch nach innen wölben wie den erwähnten Ballon. Um das zu erreichen, muß ich jedoch zuvor die Natur der vorhandenen Gravitationsfelder umkehren. Und dazu wird Energie benötigt, ungeheuere Energie.
Diese unsinnig klingenden Überlegungen waren nötig, mich das Problem der Schwerelosigkeit lösen zu lassen. Vielleicht habt ihr nun die Freundlichkeit, unter diesem Gesichtspunkt meine nun folgende Demonstration zu beachten. Kommt!« Er stand auf, schob den Stuhl beiseite und zeigte auf die Werkbank. »Angenommen, wir möchten einen Körper von seiner Eigengravitation befreien, um seine Schwerkraftwirkung auf andere Körper zu neutralisieren. Du entsinnst dich der Kraftlinien, die von einem ganz gewöhnlichen Magneten ausgehen? Gut. Nun stelle dir etwas anderes vor: Die Anziehungskraft der Erde, die auf ein kleines Stück Blei einwirkt, ist genauso groß wie die Anziehungskraft dieses Bleistückes, das seinerseits wiederum auf die Erde seinen Einfluß ausübt. Zurück zu den Kraftlinien: Ein Stück Eisen im Feld eines großen Magneten. Die Linien biegen sich praktisch von Pol zu Pol und durchschneiden das Eisen. Nun wickeln wir dieses Eisen in Draht ein und machen es somit magnetisch gewichtslos – wenn ich einmal so sagen darf. Wir haben nämlich nichts anderes zu tun, als ein weiteres Kraftfeld aufzubauen, welches stark genug ist, die Kraftlinien des großen Magneten abzuleiten. Seht ihr, und das ist genau das, was ich getan habe!« Er beugte sich hinab zu dem Gewirr von Spulen, Röhren, Drähten und metallischen Platten, die das Ganze umgaben. Dazwischen befand sich ein leerer Raum. In diesen plazierte Aarn jetzt eine Bleikugel, die an einem Hebelarm ähnlich einer einfachen Waage befestigt war. Auf der anderen Seite hing das entsprechende Gegengewicht in Form mehrerer kleiner Bleistücke.
Zwei isolierte Leitungen verließen die Werkbank und führten hinüber zur Schalttafel, wo sie in einer Steckdose verschwanden. Aarn überprüfte mit einem letzten Blick seine Anlage, dann schritt er hinüber zur Tafel und legte die Rechte schwer auf den gewichtigen Hebel. »Fertig, schätze ich. Achte auf das Blei, Spencer. Halte es in der Balance.« Dann legte er den Hebel nach unten. In den folgenden zehn Sekunden geschah nichts. »Induktion!« erklärte Aarn. »Ein Magnetfeld wird errichtet, und dazu der entsprechende elektrische Pol.« Und dann, ganz plötzlich und doch langsam, sank der eine Arm des Hebels, an dem das Gewicht befestigt war, nach unten. Die Bleikugel hingegen schwebte in die Höhe. »Die Kugel – sie verliert ihr Gewicht!« rief Spencer aufgeregt. »Das sollte mich nicht wundern – sie verschlingt ja auch an die zweitausend PS – so klein sie ist. Nimm die Gewichte herunter, Russ.« Carlisle sah gespannt zu, wie Spencer soviel Gewichte wegnahm, bis die Bleikugel wieder sank und in der Waagerechten verharrte. »Die Bleikugel wog zuvor fünf Pfund«, stellte der bisher schweigsam gebliebene Carlisle fest. »Jetzt wiegt sie kaum noch die Hälfte.« »Das wird genügen«, sagte Aarn zufrieden. »Ich wollte euch nur zeigen, daß ich nicht geschlafen habe. Vergeßt nicht, es handelt sich hier um ein besseres Spielzeug ohne wirklich bemerkenswerte Kraftquelle. Was ich benötige ist eine Versuchsstation im All und die Energie der Sonne. Aber – ich habe da noch etwas anderes. Nein«, fügte er
hinzu, als er in die erwartungsvollen Augen seiner Freunde blickte, »ich kann noch kein Wort dazu sagen. Erst muß ich damit fertig sein.« Spencer sank regelrecht in sich zusammen. In seinem Blick war ein unsagbarer Vorwurf, als er mehr zu Carlisle gewandt sagte: »Dieser Aarn Munro ist das schrecklichste Monstrum, das mir je begegnete. Nichts macht ihm mehr Spaß, als seine besten Freunde auf die Folter zu spannen. Erst rückt er mit einer zarten Andeutung heraus, und wenn man dann neugierig wird, hält er den Mund. – Übrigens, Aarn: Woher willst du überhaupt wissen, ob dein Leitstrahl zur Sonne, statt Praxis zu werden, ewige Theorie bleibt? Hast du deine Erfindung schon ausprobiert?« Aarns ewiges Grinsen ging ihnen allmählich auf die Nerven. »Ich liebe diesen Planeten, wenn ich auch nicht auf ihm geboren wurde, Freunde. Und er besitzt eine gewisse Heavysideschicht, die leitend ist. Stellt euch nur einmal vage vor, ich würde die Sonne kurzschließen...« Weder Spencer noch Carlisle konnten verhindern, daß sie um die Nasenspitze herum bemerkenswert blaß wurden. Doch Aarn setzte seinen Vortrag ungerührt fort: »Nur jenseits der Erdatmosphäre kann der erste Versuch stattfinden. Das jetzt im Bau befindliche Schiff wird das reinste Labor werden. Ich nehme meine halbe Werkstatt mit. Kostet dich mindestens fünf Millionen, Russ. Und das Wichtigste: Meine neuartigen Speicherbatterien und Aggregatspulen kommen auch mit. Die herkömmlichen Akkumulatoren besitzen eine zu geringe Kapazität, um
meinen Zwecken gerecht zu werden. Ihr dürft nicht vergessen, daß in der Nähe der Erde jedes Aussenden meines Leitstrahles unmöglich ist. Hinzu kommt noch etwas anderes: Schiffe, die künftig mit Sonnenkraft angetrieben werden, dürfen nur nach strengen Vorschriften manövrieren und Energie speichern. So ein Leitstrahl kann ohne Schwierigkeit – auf Grund der hindurchfließenden Energie – ein dazwischen geratendes Schiff aufglühen lassen und vernichten.« »Mein Gott – eine grauenhafte Waffe!« stieß Spencer erschrocken hervor. »Die ganze Erde ließ sich zerstören...« Aarn schüttelte den Kopf. »Nur unter gewissen Umständen ließe sich der Strahl als Waffe verwenden. Er ist sehr schmal, wie ihr wißt, und auf jeden Fall müßte sich das feindliche Objekt zwischen unserem Schiff und der angezapften Sonne befinden. Und mit der Erde verhält es sich noch anders. Dort hätte man die Möglichkeit, in den auf sie gerichteten Strahl eine unerwarteten Stromstoß nicht einkalkulierter Frequenz zu schicken, der den Projektor auf dem Schiff zerstören könnte. Vergeßt auch nicht, daß die Geschwindigkeit des Lichtes begrenzt ist. Der Vernichtungsschlag von der näheren Erde würde eher kommen als die notwendige Energie von der Sonne.« »Ich glaube kaum, daß du den Strahl überhaupt entwickelt hättest, wäre er als furchtbare Waffe zu verwenden. Doch eine andere Frage: Benötigst du unbedingt das fliegende Labor für fünf Millionen?« »Unbedingt! Und noch etwas: Keine Raketen einbauen! Ich will etwas ausprobieren. Und nun – macht, daß ihr aus der Werkstatt verschwindet! Ich habe wenig Zeit.«
Ohne ihre Antwort abzuwarten, nahm er die beiden Männer einfach unter den Arm, als handele es sich um Wickelkinder. Draußen vor der Tür stellte er sie ab und schloß sich ein. Carlisle strich seinen zerknitterten Anzug glatt, betrachtete wütend die verriegelte Tür und knurrte: »Mit mir hätte er das nicht zu tun brauchen – ich interessierte mich ohnehin nicht für den physischen Krimskrams.« Spencer kratzte sich am Kopf. »Dieser Kerl kennt mich bis auf die Knochen. Ich wette, er hat genau gewußt, daß ich ihm keine Ruhe mehr gelassen hätte, bis ich wußte, warum das neue Schiff keine Raketen haben soll. Wie, zum Teufel, will er das Schiff überhaupt ohne Raketen von der Stelle bringen? Seinen Antigravitator kann ich notfalls noch akzeptieren, denn unsere Wissenschaftler zerbrechen sich lange genug den Kopf darüber. Auch den Leitstrahl zur Sonne lasse ich mir gefallen, obwohl der Gedanke daran, den Sternen ihre Energie abzuzapfen, haarsträubend ist. Aber ein Schiff ohne Antriebsraketen! Oder sollte er gar versuchen, die Sonnenkraft zur Fortbewegung auszunutzen? Beim Start, meine ich...« Er betrachtete die Tür mit fast furchtsamen Augen, als erwarte er jeden Moment von dort eine Explosion. Die aber kam nicht. Man hörte lediglich das Schleifen eines Riegels, und dann streckte Aarn noch einmal den Kopf heraus. »Das eine will ich dir noch sagen, Carlisle«, sagte er mit einem schadenfrohen Grinsen auf dem breiten Gesicht, »ich werde beweisen, daß die Forschungsarbeiten der Physik auf dem Gebiet der Atomenergie nicht ganz
umsonst gewesen sind.« Der Kopf verschwand genauso schnell wie er aufgetaucht war. Carlisle sah Spencer an und lächelte sanft, als er bemerkte: »Ich schätze, diese kurze Information genügt, dich für einige Zeit mit Kopfschmerzen zu versorgen.«
4. Kapitel »Car«, stellte Spencer mit einiger Befriedigung fest, »es ist mir eine unwahrscheinliche Freude, wenigstens dich hier begrüßen zu dürfen. Diesen bockigen Aarn Munro habe ich schon zehnmal gebeten, sich das Schiff anzusehen, dessen Inneres ja schließlich nach seinen Wünschen gestaltet wurde, soweit es die Raumeinteilung angeht. Die Hülle ist fertig, aber Munro erscheint nicht.« »Hat das Schiff schon einen Namen?« fragte Carlisle, ohne auf die Beschwerden des Ingenieurs einzugehen. »Ich würde vorschlagen, es ›Kleiner Sonnenstrahl‹ zu nennen.« Wenn möglich, sah nun Spencers Antlitz noch leidender aus als zuvor. »Ich möchte es lieber ›Großer Geldfresser‹ taufen«, bekannte er trübselig. »Bis jetzt hat es mich zweieinhalb Millionen gekostet.« »Ist das möglich?« wunderte sich der Chemiker ernsthaft. »Wo es doch nur aus der Hülle besteht.« »Es gehören einige Maschinen dazu, die Aarn bestellte. Sie wurden noch nicht eingebaut. Aber sobald wie möglich...« »He – was ist das?« schrak Carlisle aus seiner Ruhe hoch. Das ganze Verwaltungsgebäude erzitterte unter dem plötzlichen Luftstoß, der heranfegte und sofort wieder nachließ. Er mußte die Geschwindigkeit eines startenden Raumschiffes gehabt haben. Es war, als habe ein abrupt geschaffenes Vakuum sich sättigen wollen – ein Vakuum riesenhaften Ausmaßes.
Das Visifon schrillte. Spencer schaltete es ein, und auf dem Bildschirm erschien das breit lächelnde Gesicht von Aarn Munro. Russ Spencer kam ihm diesmal zuvor. »Was, in aller Welt«, schrie er ihn an, »hast du denn diesmal wieder angestellt?« Aarn verlor sein freundliches Lächeln nicht. »Kleine Fehlrechnung, mehr nicht. Habe die Entfernung unterschätzt. Im übrigen ist es mir gelungen, die Theorien der Physiker in Hinsicht auf die Atomkraft zu bestätigen. Ich komme gleich zu euch. Wie weit ist es genau?« »Zwölf Kilometer«, antwortete Spencer; dann ärgerte er sich. Als ob Aarn nicht selbst wüßte, wie weit sein Labor vom Verwaltungsgebäude entfernt war. »Einen Augenblick«, sagte Aarn und verschwand vom Bildschirm. Spencer starrte weiterhin auf die leere, glatte Fläche, dann fluchte er laut und ausgiebig. »Was hat er bloß wieder vor?« flüsterte er ahnungsvoll. Und im gleichen Augenblick sagte Carlisle mit schrecklich gelangweilter Stimme: »Mach ihm bitte das Fenster auf – ich bin zu müde.« Er winkte lässig hinüber zu der durchsichtigen Wand, die den Blick auf eine wellige Hügellandschaft freigab. Wenigstens sonst. Jetzt aber wurde die schöne Perspektive durch die massige Gestalt Aarn Munros zum Teil überschattet. Er lag auf einer metallenen Platte von etwa zwei Meter Länge und einem halben Meter Breite. Vorn befand sich eine Art Kanzel mit einer Instrumententafel.
Fast eine Minute starrte Spencer fassungslos auf die Erscheinung, die reglos in der Luft schwebte. Dann drang Aarns ärgerliche Stimme: durch die Scheiben, zwar geschwächt, aber trotzdem ärgerlich. »Das Kamel ist es nun leid, von anderen Kamelen so angestarrt zu werden. Kann man das Fenster nicht öffnen?« Spencer sprang auf und ließ die Scheibe zu Seite gleiten. Dann duckte er sich erschrocken, denn Aarn kam samt seiner Flugplatte in den Raum geschossen, als habe ihn eine unsichtbare Faust angestoßen. In der Mitte des Zimmers kam das merkwürdige Gefährt zum Stillstand. »Dies ist«, erklärte Aarn, indem er sich auf einer Couch, die reglos in der Luft schwebte, »das Modell des fliegenden Labors. Ihr werdet beide bemerkt haben, daß es eine beachtliche Geschwindigkeit entwickelt. So etwa an die anderthalbtausend Kilometer in der Stunde. Irrsinnige Beschleunigung! Es wäre noch schneller gegangen, aber ich habe es erst vor sechs Stunden fertiggestellt und noch nicht getestet.« »Was es ist, will ich wissen!« brüllte Spencer unbeherrscht, um seine Verblüffung zu überwinden. »Nun rede doch schon, du Jupitermond!« »Ein Modell des neuen Schiffes! Sagte ich das nicht bereits? Natürlich besitzt es einen Antigravitator, klarer Fall. Deshalb kann ich auch nicht aussteigen. Und wenn du dich ihm näherst, wird es automatisch ausweichen, weil du Gewicht besitzt. Der Antrieb beruht auf dem Prinzip, daß ein Elektron sich sowohl als Korpuskularstrahlung als auch als normale Lichtwelle verhält. Ganz einfach ausgedrückt nutzte ich die zwischen beiden Arten bestehende Spannung zum Antrieb
aus. Überall jedoch gibt es Strahlung, auch im Raum. Mit anderen Worten: Ich kann Geschwindigkeit und Antrieb mit Hilfe eines Empfängers regeln – das Ideal, nach dem unsere Wissenschaftler seit Jahrhunderten suchten.« »Wie hoch ist die Geschwindigkeit?« erkundigte sich Spencer, ohne die Bedeutung der neuen Erfindung in ihrer ganzen Tragweite sofort begreifen zu können. »Im Weltraum zum Beispiel?« »Wir werden es wissen, wenn unser Schiff starten kann. Die einzubauenden Geräte werden weitere 1000 Tonnen wiegen; leider läßt sich das kaum vermeiden. Hinzu kommen die Speicherspulen für die Energieversorgung; nochmals tausend Tonnen. Aber damit können wir einen Strahl aussenden, der einen mittleren Planeten in Stücke reißt.« »Mein Bankkonto wird auch bald zerrissen, wenn du so weitermachst. Kannst du mir erklären, wozu du soviel Energie benötigst?« »Aufspeichern – für schlechte, sonnenlose Zeiten«, grinste Aarn mitleidlos. »Ich benötige für meine Versuche äußerst starke Kraftfelder. Nur so mag es mir vielleicht gelingen, die gefahrlose Umwandlung von Materie in Energie zu vollbringen.« »Du wirst ein ganzes Jahr benötigen, bis alle Speicher aufgeladen sind«, gab Spencer zu bedenken, der seinem Bankkonto einen weiteren Schlag ersparen wollte. »Selbst dann, wenn du die Sonne zu Hilfe nimmst.« »Du wirst dich wundern«, prophezeite Aarn siegessicher. »Im übrigen noch etwas: Von einer Beschleunigung wird nichts zu spüren sein, denn wir
befinden uns in einem eigenen Kraftfeld, das wir nicht verlassen. Bis auf die künstliche Gravitation bleiben wir gewichtslos. – So, und nun hätte ich eigentlich Zeit, mir das Schiff einmal anzusehen. Deshalb kam ich hauptsächlich.« »Wirklich?« machte Spencer überrascht. »Wie großzügig! Ich hätte da nämlich einige wichtige Fragen, ohne deren Beantwortung wir einfach nicht weiterkommen. Zum Beispiel die Gyroskope...« Aarn begann mit seinen Erklärungen, und eine halbe Stunde später war Carlisle sanft in einen stärkenden Schlummer geglitten, ohne Aarn und Russ durch sein dezentes Schnarchen auch nur im geringsten zu stören.
5. Kapitel Die offizielle Bezeichnung des Schiffes war »SpencerLaboratorium Nummer sechs«. Aarn verheimlichte seine Absicht nicht, in dem Schiff etwas mehr zu sehen als ein bloßes Labor. Er ließ Unmengen der von ihm erfundenen Stromspeicher – kurz »Aggiespulen« genannt – an Bord bringen, verbesserte den Antrieb in einer Weise, die Spencer im Hinblick auf seinen Geldbeutel unnötig erschien, und schuf schließlich einen Antigravitator, der das Schiff mit Leichtigkeit von der Sonne abheben würde – entgegen dreißigfache Erdschwerkraft. Drei Monate allein benötigte der Einbau der verschiedenartigen Instrumente und Geräte, aber Spencer trieb zur Eile. Viele der zu testenden Apparate sollten so schnell wie möglich in den Kreislauf der Spencerschen Raumfahrtindustrie einbezogen werden. Den Jungfernflug wollte Aarn allein unternehmen. »Ich kann das Baby allein manövrieren«, beruhigte er seine Freunde. »Viel besser sogar, als wenn ich durch neugierige Fragen andauernd abgelenkt würde. Na ja, höchstens Canning könnte mitkommen, falls ich einen Techniker benötige.« »Vielleicht versagt die Klimaanlage«, gab Carlisle ernsthaft zu bedenken. »Es wird besser sein, ich begleite dich.« »Die Finanzen versagen jetzt ohnehin«, verkündete Spencer nicht ohne leichten Vorwurf, den ihm jedoch niemand abnahm. »Du mußt mich schon deshalb
mitnehmen, damit ich einige Stunden nichts von der Werft zu sehen bekomme. Ich muß mich erholen. Kämen die Aufträge nicht haufenweise herein, wären wir längst pleite. Mann, Aarn, du bist gut in physikalischen Spekulationen, aber wie gut du im Geldausgeben bist, daß weißt du wohl selbst nicht. Falls dieses fliegende Labor aus dem einen oder dem anderen Grunde nicht zur Erde zurückkehrt, bringe ich mich vor Gram um. Um das jedoch unmöglich zu machen, fliege ich gleich mit.« »Die Möglichkeit eines Überfalls durch Piraten, die auf Lösegeld aus sind, wird dadurch nicht gerade geringer«, vermutete Carlisle nicht ganz unlogisch. Aarn besaß ein dickes Fell. »Die offizielle Bezeichnung gefällt mir ganz und gar nicht«, runzelte er die Stirn. »Wir werden unser Schiff ›Sonnenstrahl‹ nennen. Jawohl, von nun an heißt es Sunbeam.« Dann schien ihm wieder einzufallen, was seine Gefährten zuvor gesagt hatten. Er betrachtete sie mißmutig, um dann zu sagen: »Ich will euch gern verraten, warum ich allein starten wollte. Meine Absicht war es, Jupiter einen Besuch abzustatten. Aber wenn ihr schon darauf besteht, daß die halbe Firma mitfliegt – in Gottes Namen, es sei! Machen wir einen Betriebsausflug.« Und drei Tage später hob sich die Sunbeam mit fünf Männern an Bord langsam vom Boden ab. Der Antigravitator ließ sie gewichtslos werden, und die bloße Zentrifugalkraft der sich drehenden Erde bewirkte ihr Steigen. Eins der Spencer-Rettungsschiffe senkte sich von oben auf die Sunbeam herab, zwei Magnetklammern hafteten gegen die blanke Hülle, und dann wurde sie der Grenze der
irdischen Atmosphäre entgegengeschleppt. Aarn wagte es nicht, in der Nähe eines Planeten den neuen Antrieb, der auf dem Prinzip der Impulswellen arbeitete einzusetzen. Ebenso konnte der Leitstrahl – inzwischen Transponstrahl getauft – zur Sonne noch nicht erprobt werden. Die Mannschaft der Sunbeam bestand aus Aarn Munro, Spencer, Carlisle, dem Techniker Canning und Henry Martin, der als Küchenchef und Mädchen für alles vorgesehen war. Das Schleppschiff löste sich jenseits der Stratosphäre und blieb schnell zurück. Aarn räkelte sich im Pilotensitz und legte die Hand auf die Kontrollen. »So – und jetzt geschieht es gleich! Sind wir zu langsam? Sind wir zu schnell? Bald wissen wir es – und ich hoffe, ich muß den ganzen Wirrwarr nicht wieder aus der Sunbeam herausreißen...« Er bewegte blitzschnell seine Finger, und hinter ihnen summte der Transponstrahl auf, der das Schiff voranstieß. Er war das Resultat der im Raum geschaffenen Wellen, die nichts anderes als Impulse waren und so für den Antrieb genutzt wurden. Unsichtbar tasteten sich lichtschnelle Strahlen in die Unendlichkeit des Raumes und drückten das Schiff voran. Aarn versuchte es mit einer Beschleunigung von einem »G«, um dann auf zwei »G« zu schalten. Die Männer verspürten dank des eigenen Schwerefeldes nicht das geringste von einem Andruck. Aarn starrte mit weitgeöffneten Augen auf den Beschleunigungsanzeiger. Eine steile Falte erschien auf seiner Stirn. Dann lockerte sich die Spannung in seinen
Zügen, und er stieß einen leisen Pfiff aus. »Da war ich mal wieder zu konservativ in meinem Denken«, teilte er triumphierend mit. »Ich hatte mir schon gedacht, daß die Wirkung der Transponstrahlen größer sein muß als angenommen. Der Beschleunigungsmesser zeigt acht G an, obwohl ich nur zwei G eingestellt habe. Wir müssen also den Kubus nehmen. Meiner alten Rechnung nach wären wir bis zu eintausend G gekommen...« »Und jetzt eine Million G!« keuchte Spencer. »Das ist unmöglich! Niemand würde das aushalten!« Aarn schüttelte seelenruhig den Kopf. »Natürlich hielten wir es nicht aus, hieße dieses liebe Schiffchen nicht Sunbeam. Wir besitzen drei verschiedene Kraftfelder, die uns schützen. Die magnetische Sphäre vernichtet jegliche Materie, die sich uns nähert; das Antischwerkraftfeld stößt jeden Körper ab; genauso wirkt der Impulswellenapparat, der unsere Impulswellen erzeugt. Alles in allem sind wir wie in einer Kapsel eingeschlossen, und selbst die unvorstellbarste Beschleunigung kann uns nichts anhaben. So, und jetzt statten wir ganz schnell der guten alten Sonne einen Besuch ab und laden unsere Aggiespulen auf.« Er ließ die Sunbeam herumschwenken, bis die blauweiße Flammenhölle des Zentralgestirns genau im Bugfenster stand. Dann schob er den Beschleunigungshebel vor, langsam und bedächtig, aber immer weiter und weiter auf der langen Zahlenreihe. Zuerst war nichts zu bemerken, aber dann fiel die Erde zurück, während die Sonne sichtbar größer wurde. Die gewaltige Entfernung von 150 Millionen Kilometern
schrumpfte zu einem lächerlichen Nichts zusammen. »Zweieinhalbtausend Kilometer pro Sekunde«, stellte Aarn zufrieden, aber nicht im mindesten überrascht, fest. »Und die Geschwindigkeit nimmt ständig zu. Der Kosmos sei dem Meteor gnädig, der unsere Bahn kreuzt. Zuerst wirkte die magnetische Sphäre auf ihn ein, und wenn das nicht genügt, macht ihn das Antischwerkraftfeld fertig. Und sollte auch das nicht reichen, bekommt er schließlich mit den Impulswellen und der Masse unseres Schiffes zu tun. Und bei der augenblicklichen Geschwindigkeit repräsentieren wir den konzentrierten Impuls eines kleinen Planeten, den man auf engsten Raum zusammengedrängt hat.« »Ja, und was passiert, wenn wir da vorn die Sonne treffen und gebraten werden?« erkundigte sich Carlisle ängstlich. Es war offensichtlich, daß er sich bei dem Gedanken, bei einem Zusammenstoß einen Planeten zu vertreten, in seiner Haut nicht gerade wohl fühlte. Aarn lachte sorglos auf. »Wir werden vorher abbremsen, Russ! Du bekommst ein Schiff, wie es niemals zuvor ein Schiff gegeben hat.« »Als ob ich das nicht wüßte«, tat der Ingenieur entrüstet. »Der augenblickliche Rekord liegt bei zweitausendsechs hunderteinundzwanzig Kilometern pro Sekunde. Und wie ich sehe, haben wir die dreitausend bereits überschritten.« »Genau! Doch nun wollen wir mal sehen, wie schnell wir abstoppen können.« Lässig warf Aarn einen kleinen roten Hebel herum – die »Notbremse«. Hinter ihnen im Maschinenraum verstärkte sich das Summen, als die Transponstrahlen den plötzlichen Widerstand spürten, und somit gegenteilig wirksam
wurden. Mit einer negativen Beschleunigung von mehr als einer Million G verlangsamte die Sunbeam und kam zum totalen Stillstand. Wieder fühlten die Männer an Bord des wunderbaren Schiffes keinen Andruck, obwohl ihr Gewicht rein theoretisch jetzt etwa 100000 Tonnen betragen mußte. »Die Sunbeam ist durstig«, erklärte Aarn in einer Anwandlung übermütiger Poesie. »Gönnen wir ihr einen erfrischenden Energiecocktail, gespendet von der niemals erlöschenden Fontäne der alten Mutter Sonne.« Im Heck wurde ein lautes, eifriges Summen hörbar Im Maschinenraum bauten sich die Kraftfelder auf, die den mächtigen Leitstrahl mit einer Geschwindigkeit von 300000 Kilometern pro Sekunde auf die Reise schickten. Die Sonne selbst schwebte dicht neben ihnen, eine grauenhafte Hölle entfesselter Glut, kaum 30 Millionen Kilometer entfernt. Die folgenden Minuten vergingen in abwartendem Schweigen. Vier Minuten vergingen, fünf... Und dann floß die Energie der Sonne in die leeren Aggiespulen – zehn Minuten lang. Das Summen schien eher zu- als abzunehmen. Bis Aarn endlich den Projektor abschaltete und somit die Zufuhr drosselte. Der bislang unsichtbare Strahl, eine verborgene Brücke zur Sonne, leuchtete plötzlich als grelle Flammenerscheinung auf, als sich die heranfließende Energie in ihm staute und frei wurde. Stumm betrachteten sie das gewaltige Schauspiel, dann – als es vorüber war – sagte Aarn: »Alle Energiespeicher sind voll aufgeladen. Nun machen wir einen kurzen Sprung zum Jupiter – und ihr könnt euch
darauf verlassen, daß ich diesmal ein wenig schneller sein werde als bisher. Wollen doch mal sehen, was die Sunbeam zu leisten vermag.« Das Schiff wendete, und vorn kam Jupiter in Sicht, fast 800 Millionen Kilometer entfernt. Links stand Mars, eine rotgrüne Scheibe geringsten Durchmessers. Langsam bewegte Aarn den Beschleunigungshebel, langsam aber stetig. Noch langsamer aber wanderte der Mars aus dem Sichtfeld, bis er plötzlich – wie mit einem Ruck – verschwunden war. Aarn widmete sich gleichzeitig der Steuerung, und die Sunbeam hob sich aus der Ebene der Ekliptik heraus, um den gefährlichen Asteroidengürtel zu vermeiden. 5 Millionen Kilometer. 10 Millionen Kilometer. Eine Nadel vor Aarn stieß zitternd gegen ihre Begrenzung. Die Sunbeam machte 75000 Kilometer pro Sekunde – ein Viertel der Lichtgeschwindigkeit. »Es ist phantastisch!« rief Aarn Munro aus, und sein Gesicht war ein einziges Strahlen. Er schaltete den Transponantrieb ab, und das Schiff wurde von seiner eigenen Masse vorangeschleudert. »Wir haben in diesem kleinen Sonnensystem keinen Platz mehr. Was wir benötigen, ist der interstellare Raum.« Er behielt recht. Unsichtbar kreiste vor ihnen ein Stück des vor Äonen auseinandergebrochenen fünften Planeten auf einer exzentrischen Bahn um die Sonne, weit ab von der Masse
der restlichen Asteroiden. Mehr als 100 Tonnen reinen Nickelstahls trieben durch die Weite des Alls. Und Aarn behielt auch recht in Hinsicht auf das, was er über die Impulskapazität der Sunbeam gesagt hatte. Mit fast einem Viertel der Lichtgeschwindigkeit traf die Sunbeam auf die solide Masse von 100 Tonnen Gewicht. Für den Millionsten Teil einer Sekunde sah Aarn den Asteroiden vor sich, angestrahlt von der fernen Sonne – dann prallte er auf die magnetische Sphäre. Diese verwandelte ihn in Gas – aber Gas ist Materie. Die 100 Tonnen blieben somit vorhanden, wenn auch in veränderter Form. Der Antigravitator stieß sie ab und saugte dabei fast alle Energie aus den vollgeladenen Aggiespulen. Die Impulsstrahlen griffen mit ein. Es schien, als bäume sich der vierdimensionale Raum unter dieser ungeheuren Belastung auf; dann riß er auf. Die Sunbeam, Bestandteil des gasförmigen Planetoiden, fiel in das entstandene Loch hinein und geriet in einen Raum, in dem Kraft, Masse oder Energie ohne jede Bedeutung blieben. Hinter ihr schloß sich der normale Raum nach kurzer Zeit wieder. Nichts verriet, was vor sich gegangen war. * Auf dem Passagierraumer Aldebaran schrieb Captain Arnold Barett folgende Meldung in das Logbuch: »Um 13.45.30 Uhr, am 14. Mai 2079, flammte in einer Entfernung von 10 Millionen Meilen plötzlich ein grelles, riesenhaftes Licht auf. Es stand fast fünf Minuten im All, ehe es allmählich verglühte und verschwand. Seine Form
war ringförmig, und im Zentrum schien ein dunkler Fleck zu sein, der nur einmal für Sekunden violett aufleuchtete. Lange Zeit blieb die Stelle, an der die Erscheinung aufgetaucht war, dunkel, und nicht einmal die Sterne vermochten diese Dunkelheit zu durchdringen. Im Raum stand jetzt ein schwarzer Fleck. Obermaat Matterson behauptete, ein merkwürdig geformtes Schiff beobachtet zu haben, welches sich vor dem Aufflammen des geheimnisvollen Lichtes der betreffenden Stelle genähert habe. Da die Entfernung aber 10 Millionen Meilen betrug und man über eine so weite Strecke unmöglich ein Schiff sehen kann, ist Obermaat Matterson allem Anschein nach einer Täuschung zum Opfer gefallen. Natur der merkwürdigen Erscheinung: Unbekannt...«
6. Kapitel Grelles Licht stach in die Augen Aarn Munros. Er öffnete sie mühsam, dann aber ruckte seine erschlaffte Gestalt urplötzlich zusammen. Vor ihm war das Sichtfenster der Zentrale, und er besaß die Möglichkeit eines umfassenden Rundblickes. Was er sah, ließ sein Blut in den Adern gerinnen. Sechs fremde Raumschiffe, jedes länger als achtzig Meter, standen der Sunbeam gegenüber. Sie waren schlank und sahen todbringend aus. Die Bugspitzen wiesen drohende Öffnungen auf. Und alle Bugspitzen zeigten auf die Sunbeam. Blaulichtige Scheinwerfer tasteten den Raum ab und glitten forschend über die Hülle ihres Schiffes, durch die magnetische Sphäre nicht aufgehalten. »Was ist geschehen?« flüsterte Spencer und beugte sich vor. Mit aufgerissenen Augen starrte er auf die unbekannten Schiffe. »Wir stießen auf einen zu großen Asteroiden – mehr weiß ich auch noch nicht. Hast du jemals Schiffe dieser Art gesehen?« »Keine Werft unseres Sonnensystems hat sie gebaut«, sagte Spencer überzeugt. »Das sieht jedes Kind.« »Habe ich mir gedacht. Hast du übrigens die Sterne hinter den Schiffen bemerkt? Betrachte sie einmal sehr aufmerksam.« Spencer warf seinem Freund einen schnellen Seitenblick zu, ehe er der Aufforderung nachkam. Und erst jetzt fiel ihm auf, daß der Weltraum viel heller war, als sie ihn
kannten. Statt schwarzer Dunkelheit mit vielen, aber winzigen Sternen, die dem Nichts einen Stich ins Weißliche gaben, schimmerte hier um sie herum alles silbern. Dazwischen standen große, funkelnde Sterne aller Farben des Spektrums. Die weißen, heißen Sonnen erreichten so eine Überzahl, daß kaum noch Platz für den eigentlichen Weltraum blieb. Fast vermeinte Spencer, die Hitze dieser nahen Sonnen spüren zu können – und trotzdem fröstelte ihn. »Mein Gott – wo sind wir?« »Ich weiß es nicht«, antwortete Aarn. »Ich weiß nur, wo wir nicht sind.« Die fremden Schiffe kamen langsam näher. Anscheinend hatten sie den Entschluß gefaßt, die Sunbeam als Wrack zu betrachten, das kein Leben mehr barg. »Auf keinen Fall befinden wir uns mehr im Sonnensystem«, machte Aarn jetzt den Versuch einer vernünftig klingenden Erklärung. »Ich habe eine Idee. Sie hört sich verrückt an, aber sie würde immerhin einige Fragen beantworten. Den Sternen nach zu urteilen befinden wir uns an einem Punkt des Universums, der von unserer Sonne mindestens hunderttausend Lichtjahre entfernt ist. Entweder sind wir im Zentrum der Milchstraße gelandet – oder gar Millionen von Lichtjahren von ihr entfernt. Eine Zwischenmöglichkeit gibt es nicht. Vor uns steht ein kugelförmiger Sternhaufen von knapp 100000 Lichtjahren Durchmesser. Sie sind so heiß, daß unser Schiff schmelzen würde, geriete es näher als ein halbes Lichtjahr an sie heran. Und diese drei Sonnen sind mindestens ebenfalls 100000 Lichtjahre von uns entfernt.« Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder den sechs
Schiffen zu. »Sie werden mutiger«, bemerkte er unangenehm berührt. »Wenn die Gott sei Dank noch funktionierende magne tische Sphäre nicht wäre, hätten wir die Burschen schon auf dem Pelz. Überhaupt haben wir Glück gehabt. Es scheint alles in Ordnung geblieben zu sein. Lediglich das Antischwerkraftfeld ist zusammengebrochen, und wir stürzen in freiem Fall auf die nächste Sonne zu. Wir können sie im Augenblick nicht sehen, aber sie muß sehr heiß sein. Ihr Schein spiegelt sich auf den Hüllen der Schiffe dort – und ich wette, ihre Strahlen sind violett gefärbt. Nicht mehr lange, und die Fremden werden versuchen, an uns heranzukommen. Achtet auf die Kontrollen, ich muß im Maschinenraum nach dem Rechten sehen, damit wir uns wehren können.« Er stand auf und schritt nach hinten, vorbei an Carlisle, der vergeblich versuchte, seine Klimaanlage wieder in Gang zu bringen. Aarn sagte im Vorbeigehen zu ihm: »Eine der Leitungen ist geschmolzen, Car. Martin wird das schon wieder hinbiegen, wenn Bob ihm hilft.« Bob war in Wirklichkeit Dr. Robert Canning, ein ausgezeichneter Techniker, der im Stab Munros arbeitete. Es dauerte keine zwei Minuten, bis Aarn wieder in die Zentrale zurückkehren konnte. Die kleinen Defekte waren behoben, einige Leitungen miteinander verbunden worden, und das Antischwerkraftfeld wurde wieder wirksam. Er nahm Spencers Beobachtungsposten ein. »Was ist inzwischen geschehen?«
»Sie versuchen, Sonden in unser Feld zu bringen, und scheinen festgestellt zu haben, das sich einiges bei uns änderte.« »Unsere Stromspeicher sind fast erschöpft. Es sieht nicht gerade gut für uns aus. Immerhin, es wird reichen, unsere Felder eine Zeitlang aufrechtzuerhalten.« Carlisle kam in die Zentrale. »Die Lufterneuerungsanlage funktioniert wieder«, gab er bekannt. Dann sah er den fremden Raum und die unbekannten Schiffe. »Wo sind wir?« »Zu weit von zu Hause, um das feststellen zu können. Wir können nur hoffen, daß wir uns im vierdimensionalen Raum befinden. Meine Theorie besagt, das wir von einem normalen Raum in den anderen gelangten, indem wir den sagenhaften Pararaum passierten. Seht die Fremden! Sie schicken uns einen Torpedo auf den Hals – na, das kann ja lustig werden...« Ein schlanker, silberner Metallkörper von gut sieben Metern Länge und einem Durchmesser, der knapp einen Fuß betrug, drang aus der Bugöffnung eines der Schiffe. Mit geringer Geschwindigkeit näherte er sich der Sunbeam. »Hochexplosiv«, vermutete Aarn, »oder ich will statt eines Physikers ein Chemiker sein.« Der Torpedo wurde schneller. Plötzlich stieß er am Heck eine deutlich sichtbare Rauchwolke aus und schoß regelrecht nach vorn. Und dann explodierte er am Rand der magnetischen Sphäre. »Pech gehabt!« knurrte Aarn. Er zog die Augenbrauen in die Höhe, als die Sprechanlage aufschrillte. Es war Canning aus dem Maschinenraum. »Vor vier Stunden kann ich den defekten Kompensator
nicht repariert haben, Aarn. Eher ist an ein Fortkommen nicht zu denken.« »Laßt die Schutzplatten vor alle Sichtluken«, riet Aarn. »Sie werden bald aktiver werden.« »Strahlen?« fragte Carlisle ängstlich. »Und wir haben nichts, womit wir uns verteidigen könnten.« »Es werden kaum mehr als Lichtstrahlen sein, schätze ich. Die aber können uns blenden. Ich werde auch die Zentrale abschirmen und zur Beobachtung den neuen Dinwiddie-TV einsetzen. Er hält die Strahlung einer Sonne auf der Oberfläche aus, mehr als zehn PS pro Quadratzentimeter. Damit haben wir außerhalb des Schiffes, das gegen Blendstrahlen aller Art geschützt ist, eine Fernsehkamera, die empfindlich und doch wieder unempfindlich ist. Ich glaube kaum, daß sie stärkere Strahlen einzusetzen haben, als unser Auge draußen verkraften kann.« »Was ist mit Hitzestrahlen?« erkundigte sich Carlisle. »Man merkt, daß du von Physik keine Ahnung hast«, schüttelte Aarn seinen Kopf. »Um einen solchen Strahl wirksam werden zu lassen, muß man ihm eine unvorstellbare Kapazität geben. Am Ziel wird er einen wesentlich größeren Durchmesser besitzen als am Projektor. Konzentriert jedoch muß seine Wirkung noch intensiver sein. Folge: Der Projektor würde zerschmelzen. Zweite Folge: Einen Hitzestrahler kann es überhaupt nicht geben!« Carlisle sah Aarn derart vorwurfsvoll an, daß selbst der erbarmungsloseste Despot Mitleid gefühlt hätte. Ein Lichtschein blitzte abrupt auf.
Es war ein schrecklicher greller und blendender Strahl, der von der Fernsehkamera erfaßt und auf dem Bildschirm der Zentrale wiedergegeben wurde. Dabei durfte nicht vergessen werden, daß die Übertragung nach der Zentrale die Intensität abschwächte. Die fremden Schiffe erschienen als schwach glühende Schatten auf dem Schirm; trotzdem blieb der Lichtschein immer noch grell genug, die Besucher für Sekunden die Augen schließen zu lassen. Am Rand der magnetischen Sphäre entstanden protuberanzenähnliche Flammenzungen von rötlicher Farbe. Der fremde Strahl drang nicht bis zur Hülle der Sunbeam vor. »Es ist das reinste Katze- und Mausspiel«, seufzte Aarn. »Im Augenblick vermögen sie unsere Sperre noch nicht zu durchbrechen, und wir sind nicht in der Lage, einfach von hier zu verschwinden. Wenn sie uns jedoch lange genug Energie zu entziehen versuchen, kann es passieren, daß sie bei uns einbrechen. Ewig wird der Schirm nicht halten.« Genauso plötzlich, wie der Strahl aufgeleuchtet war, erlosch er auch wieder. Nur die sechs fremden Schiffe blieben, ihre spitzen Bugnasen gegen die S u n b e a m gerichtet. Es schien, als warteten sie auf etwas. »Die alten Seeleute auf der Erde würden sie als Zerstörer bezeichnen«, sagte Aarn sinnend. »Klein und wendig, starke Bewaffnung und selbst ein schwieriges Ziel für den Feind.« »Was werden sie beabsichtigen?« »Wie, zum Teufel, soll denn ich das wissen? Das mit dem Licht eben war zu erraten, aber der nächste Schritt kann alles mögliche sein. Ein bleistiftgroßer Energiestrahl, der ein Loch in unsere Hülle schweißt, oder gar ein
Magnetstrahl, mit dessen Hilfe sie uns zu sich nach Hause schleppen, damit die schweren Kreuzer uns aufknacken. Keine erfreulichen Perspektiven.« »Was können wir dagegen tun?« »Canning dabei helfen, die Reparatur zu beschleunigen. Schaffen wir es in vier Stunden und können wir uns bis dahin der Fremden erwehren, dürfte es uns leichtfallen, ihnen einfach davonzulaufen. Im übrigen sehe ich gerade, daß wir doch nicht absolut still im Raum schweben. Ganz langsam drehen wir uns, und bald werden wir die Sonne erblicken können, den Mittelpunkt dieses Systems. – Sieh mal einer an – jetzt wollen sie uns tatsächlich mit dem Lasso einfangen...« Die Bemerkung bezog sich auf den neuesten Versuch der Fremden, ihrer habhaft zu werden. Zwei Kabel hinter sich herziehend, näherte sich ein zylindrischer Körper der Sunbeam – offensichtlich ein starker Magnet. Aarn konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. »Wir werden nun ein in Australien sehr beliebtes Spiel aufführen. Es heißt: ›Wie stellt man es an, daß der Bumerang den Werfer trifft?‹ Wenn ich nicht irre, haben sie – um unser einpoliges Feld nicht zu beeinflussen – ihren Magneten zweipolig gestaltet. Wir werden gleich wissen, welcher Pol uns beglücken soll.« Seine Finger glitten blitzschnell über die Kontrollen, und den Augen von Carlisle und Spencer war es nicht möglich, diesen übermenschlich raschen Bewegungen zu folgen. Dann blieb seine Hand auf einem Hebel liegen, den man nach oben und auch nach unten legen konnte. Jetzt teilte sich der Zylinder, und mehrere große Magneten kamen zum Vorschein, die weiter gegen die
Sunbeam vordrangen. Aarn seufzte ergeben und legte den Hebel um. Er hatte Glück. In der gleichen Sekunde nämlich befanden sich die mächtigen Elektromagneten unter dem Einfluß eines gleichpoligen Kraftfeldes, das mit der gleichen Kraft nun abstieß, wie es vorher angezogen hatte. Nur ein wenig mehr, denn Aarn opferte zu diesem speziellen Zweck einen Teil der noch vorhandenen Energie. Mit einem Ruck blieben die verschiedenen Metallteile stehen, um sich dann mit unerhörter Beschleunigung in entgegengesetzter Richtung zu bewegen. Genau auf die fremden Schiffe zu, von denen zwei durch eine blitzschnelle Reaktion ausweichen konnten. Die anderen vier aber wurden getroffen, eins davon sehr schwer. »Nun wissen sie aber mit Bestimmtheit, daß unsere Sunbeam kein totes Wrack ist«, stellte Aarn mit Genugtuung fest. »Das war ein ziemlich schlagender Beweis.« Wer immer sie auch waren, sie mochten zum gleichen Schluß gekommen sein. Mit überraschender Schnelligkeit gruppierten sich die fünf noch manövrierfähigen Schiffe und bildeten einen weiten Halbkreis. Ihre Nasen zeigten auf die Sunbeam. Und dann gingen sie die Liste ihrer Bewaffnung durch, indem sie alles der Reihe nach einsetzten. Sie begannen mit gewöhnlichen Geschossen, die jedoch nicht alle aus Metall hergestellt waren. Verschiedene Plastiktorpedos passierten ungehindert die magnetische Sphäre, prallten gegen das Antischwerkraftfeld und detonierten dort, ohne Schaden anzurichten.
Dann flammten die grellen Lichtwerfer wieder auf; gleichzeitig verließen blaue, phosphoreszierende Gaskugeln die fremden Schiffe, eilten auf die Sunbeam zu und begannen sie regelrecht einzukreisen. In einer Entfernung von einem knappen Kilometer rasten die merkwürdigen Gebilde in gleichmäßigen Abständen um das irdische Schiff. Einmal geriet ein Torpedo in ihre Bahn; eine der Lichtkugeln traf ihn – und ein grelles Aufblitzen war die Folge. Zurück blieb nichts. Die anderen Kugeln jedoch eilten weiter, als sei nichts geschehen. Wenn sie sich selbst einander näherten, trieben sie sofort wieder auseinander, als habe sich ein abstoßendes Magnetfeld automatisch eingeschaltet. »Kaum zu glauben«, behauptete Aarn verblüfft. »Das sind kontrollierbare Kugelblitze! Was würde ich dafür geben, ihr Geheimnis lüften zu können!« »Und warum greifen sie uns damit nicht an?« wollte Carlisle wissen. »Wird seinen Grund haben – ah, ich glaube, das ist er. Seht nur!« Er zeigte auf das Thermometer. Es stieg langsam aber sicher an. Und erst jetzt fiel ihnen auf, daß es in der Zentrale wärmer geworden war. Die ersten Schweißtropfen zeigten sich auf ihrer Stirn – und dann sprangen kleine blaue Lichtbögen aus allen metallischen Gegenständen und bildeten winzige Heiligenscheine. »Verdammt!« hörte Aarn auf, die Kugelblitze länger zu bewundern. »Sie schicken uns die Energie direkt ins Schiff. Es wird Zeit, daß wir ihnen mal wieder etwas zeigen.« Hinten im Maschinenraum wurde das bis jetzt kaum
hörbar gewesene Summen zu einem infernalischen Geheul, als er einen Hebel betätigte. Ein Transponstrahl verließ das Heck der S u n b e a m und fand seinen Weg durch Antischwerkraftfeld und magnetische Sphäre. Dort, wo eben noch ein feindliches Schiff gestanden hatte, irrte ein weißglühender Ball geschmolzenen Metalls durch den Raum. Das Heulen verstummte, als Aarn Energie sparte und den Strahl ausschaltete. Doch Sekunden später das gleiche noch einmal – und wieder verloren die Fremden eins ihrer Kriegsfahrzeuge. »Das klappt besser, als ich je zu hoffen wagte«, gab Aarn zu und ließ den geschwächten Transstrahl herumschwenken, bis er auf das nächste Hindernis traf. »Unser Leitstrahl arbeitet diesmal in genau umgekehrter Weise. Ich schuf ihn, um Energie aus der Sonne in unsere Aggiespulen zu leiten. Jetzt zieht er die Kraft aus den Spulen und läßt jene Schiffe zu kleinen Sonnen werden.« Das dritte Schiff verpuffte zu einer glühenden Gaswolke. Und erst jetzt hatte sich der Rest von dem ersten Schrecken erholt. Wie der Blitz verschwanden zwei Zerstörer im Nichts des weiten Raumes. Zwei der getroffenen Schiffe jedoch – es waren im Grunde nichts als jämmerliche Reste heilgebliebenen Metalls – begannen, sich von der Sunbeam fortzubewegen. Aarn schüttelte in grenzenloser Verwunderung den Kopf. »Sie sind nicht zu erledigen – eine zähe Rasse. Und Kriegsschiffe können sie bauen! Man muß den ganzen Kasten restlos zerschmelzen, ehe er bewegungsunfähig wird. Aber eine so wundervolle Waffe wie unseren Transponstrahl besitzen sie doch nicht. Ich möchte wetten,
daß sie sich jetzt den Kopf zerbrechen, was sie so hart getroffen hat.« »Ich dachte«, warf Carlisle ein, »du hättest vor kurzer Zeit noch behauptet, es könne keine Hitzestrahlen geben, weil sie an der Quelle zu heiß wären.« »Das habe ich gesagt«, gab Aarn zu. »Und ich sage es auch jetzt noch. Trotzdem ist es möglich – na, findest du es nicht selbst heraus?« »Es kommt darauf an, daß der Strahl selbst ungefährlich ist – nicht aber das, was er zum Feind hinüberleitet.« »Das ist die Antwort«, nickte Aarn anerkennend. »Kein Laut kann über zu große Entfernungen gehört werden; keine Schallwelle kann jemals den leeren Raum durchqueren. Und doch hören wir auf Jupiter Laute, die auf der Erde entstanden. Der Schall wird also von etwas anderem von der Erde zum Jupiter getragen. Unser Transponstrahl ist harmlos und könnte allein keinerlei Zerstörung anrichten. Wenn man ihn aber mit Gift versetzt, wirkt er am anderen Ende tödlich. Siehst du dort den dünnen Kupferdraht? Nun gut, man kann mit ruhigem Gewissen behaupten, daß dieser Draht niemals in der Lage sein wird, ein Gewicht von vielen Tonnen zu tragen. Aber wenn man Strom durch ihn leitet, kann er – eben mit Hilfe dieses Stromes – eine Turbine antreiben, die das Mehrfache wiegt. So ähnlich also verhält es sich mit unserem Transponstrahl, der harmlos ist, aber zum Träger einer tödlichen Waffe werden kann. Ja, der Feind hat sich verärgert zurückgezogen. Was machen wir nun? Wir können ja nicht ewig hier abwarten, zu was er sich entschließen wird.« »Finden wir einmal heraus, wo wir überhaupt sind«,
schlug Spencer vor, der damit sein langes Schweigen unterbrach. »Wollen wir nicht die Sunbeam manövrierfähig machen und das als unsere vordringlichste Aufgabe betrachten?« sagte Carlisle. »Solange wir hilflos durch das All treiben und auf die nächste Sonne zufallen, sind wir nichts anderes als ein Wrack.« »Warum sollen wir keine Überlegungen darüber anstellen, wo wir sind?« unterstützte Aarn seinen Freund Spencer. »Canning arbeitet ohnehin am Antrieb. Allerdings kann ich jetzt genauso viel sagen wie in fünf Jahren. Wir befinden uns in einem anderen Raum – das ist sicher. Auch weiß ich, wie wir in diesen anderen Raum gerieten. Außerdem möchte ich behaupten, daß sich dieser Raum in einem Stadium großer Anspannung befindet. Seht euch die Sterne doch nur einmal an. Viele von ihnen sind Supergiganten. Überhaupt glaube ich, wir stehen nicht weit vom Zentrum eines dichten Sternhaufens.« »Woher willst du das eigentlich alles wissen?« bezweifelte Spencer die Vermutungen Aarns. »Du hast doch kaum eben mal hingeschaut.« »Ehrlich gesagt – es ist eigentlich mehr eine Annahme von mir. Aber sie ist sehr wahrscheinlich richtig. Die Spektren dort verraten ungewöhnlich heiße Sterne. Ich glaube kaum, daß in diesem ebenfalls vierdimensionalen Raum andere Bedingungen herrschen als bei uns.« »Und was beweisen die Supergiganten? Was erklären sie?« »Überlege, wie wir hierhergeraten sind, Russ. Wir haben eine Stelle unseres Raumes drüben durchbrochen, gerieten in einen fünfdimensionalen Zwischenraum, den
Hyperspace oder Pararaum, und fanden die schwächste Stelle an der Grenze zu diesem Raum hier. Vielleicht sind sogar mehrere Räume im Hyperspace eingelagert, und dies hier ist derjenige, in den man am leichtesten eindringen kann. Jedenfalls muß es einen Grund haben, daß wir hier und nicht woanders landeten. Die Supergiganten gaben mir den Schlüssel, denn sie sind es, die durch ihre Gravitation den Raum so spannen, daß Lücken entstehen. Eine dieser Lücken fanden wir. Und wenn jemand nach uns käme, würde er die gleiche Lücke automatisch finden. Alles also, was von der Erde aus in den fünfdimensionalen Pararaum gerät, wird sich hier wiederfinden.« Spencer schien ihm nicht recht zu glauben. Er wechselte das Thema: »Wie weit sind wir von der Sonne dieses Systems entfernt?« fragte er. »Ich habe sie noch nicht gesehen und werde mich jetzt in den Maschinenraum begeben, um einen Blick auf sie zu werfen.« »Völlig unnütze Kraftverschwendung«, riet Aarn seinem Freund ab. »Du wirst nicht mehr zu sehen bekommen als ich – nämlich einen großen Stern. Nur die Instrumente können uns helfen, nähere Einzelheiten zu erlangen. Wenn ich mich nicht täusche, handelt es sich um eine ganz besonders riesenhafte Sonne, deren Einfluß es wohl zu danken ist, daß die Grenze zum Pararaum hier an dieser Stelle derart dünn und leicht passierbar ist, daß die Sunbeam von einem Universum ins andere gelangte.« »Hatten wir nicht Glück? Wie leicht hätte es sein können, daß wir mitten in der Sonne dort materialisierten!« »An sich kaum wahrscheinlich. Wenn auch diese Sonne die schwache Stelle verursacht, so kann sie niemals direkt
an der Grenze stehen. Und wir passierten die Räume schließlich nur dort, wo sie zusammenstoßen.« »Jedenfalls ist dies also der größte Stern des Haufens...« »Warum denn das? Es ist lediglich der größte und unserem Raum nächste Stern. Na, hast du es jetzt begriffen?« In der nächsten halben Stunde war Aarn damit beschäftigt, die Riesensonne zu analysieren. Die Resultate kamen nacheinander herein, und je mehr er sich in sie vertiefte, desto nachdenklicher wurde sein Gesichtsausdruck. Er verglich Ergebnisse, rechnete sie nach – und dann seufzte er gequält auf. »Es könnte ein Wunder geschehen sein, Russ...« »Wieso?« erkundigte sich der Ingenieur mißtrauisch. »Du könntest recht haben mit deiner Vermutung, daß diese Sonne der größte Stern der ganzen Wolke ist. Und zwar ein variabler Cepheid einer Klasse, die uns unbekannt sein dürfte. Eine Periode dauert nur wenige Stunden – unvorstellbar! Ich habe ihn genauestens untersucht, das Spektrum genommen und die Strahlen gemessen. Sämtliche Methoden habe ich eingesetzt, um ein möglichst genaues Bild zu erhalten. Nun, ich erhielt es – und es ist verflucht verblüffend. Das Pünktchen Licht dort ist etwa von einer Helligkeit, welche die der Sonne um das Hundertmillionenfache übertrifft. Genauso steht es mit der Energieausstrahlung. Vom Zentrum des Cepheiden befinden wir uns 10000 astronomische Einheiten entfernt, also zehntausendmal die Strecke Erde–Sonne. Und um noch eine weitere Zahl zu
nennen: In einer Entfernung von einer Trillion Meilen wärmt dieses nette Baby noch genauso wie unsere Sonne auf der Erde.« »Lieber Himmel!« ächzte Spencer erschrocken. »Wie groß ist denn diese Sonne?« »Schwer zu sagen. Dazu gehören weitere Messungen. Aber vielleicht ist meine Schätzung in etwa richtig. Ich glaube, der Durchmesser wird ungefähr bei fünfhundert bis achthundert Millionen Kilometern liegen. Und er wächst ständig.« »Größer als Antares...« hauchte Spencer ergriffen. »Antares ist ein harmloses Spielzeug gegen diesen Burschen«, erinnerte ihn Aarn. »Antares ist alt, und seine Oberflächentemperatur beträgt kaum dreitausend Grad. Aber dieses Ding dort – der Teufel weiß, wie hoch seine Oberflächentemperatur ist. Ich kann es nicht so genau feststellen, und zwar deshalb, weil die Lichtstrahlen, die von der Sonne ausgehen, durch das ungeheure Gravitationsfeld aufgehalten und verlangsamt werden. Mindestens sechs Einheiten auf der Spektralskala muß ich zurückstecken.« »Und wie sollen wir nun Energie erhalten? Diesen Riesenbrocken anzapfen? Unsere gute, liebe Sonne daheim ist ein ausgetrockneter Akkumulator gegen diesen Hochofen.« »Anzapfen können wir alles«, schüttelte Aarn den Kopf. »Der Transponstrahl läuft bereits.« »So?« machte Spencer, und in seinen Augen war ein milder Protest. »Und wie lange willst du auf die zurückkehrende Energie warten? Ein Jahr?« Aarn zuckte zusammen und setzte sich gerade hin. Mit
aufgerissenen Augen starrte er seinen Freund an. »Wie konnte ich das vergessen! Eine Trillion Meilen. Das Licht benötigt tausendfünfhundert Stunden für diese Strecke.« Er wurde auffallend blaß. »Wenn nicht etwas geschieht, sind wir fertig...« Er schwieg und dachte nach. »Gibt es Planeten?« störte ihn Spencer rücksichtslos. »Eh – Planeten?« fuhr Aarn aus seinem Sinnen. »Ja, natürlich. Dutzende! Man kann sie kaum unterscheiden und klassifizieren.« »Dutzende?« schnappte Spencer nach Luft. »Mein Gott – in welche Art Sonnensystem sind wir da geraten?« »Solche Riesensterne verschleudern auch entsprechende Masse – dank dem natürlichen Antischwerkraftfeld, nach dessen Vorbild wir das unsere entwickelten. So entstehen die Planeten. Hinzu kommt hier, daß die Entfernungen geringer sind als bei uns. Die Schwerkraft fremder Sterne hilft also noch mit, die Entstehung der Planeten zu beschleunigen. Ich bin fest davon überzeugt, daß wir jetzt der üblichen Bahn der hier vorkommenden Meteore folgen, sonst – würden wir diese Bahn etwa kreuzen – würden wir in ihnen regelrecht gebadet. Und zwar wäre es schlimmer als in den Leonidenströmen daheim.« »Angenehme Umgebung für Raumschiffe«, knurrte Spencer unwillig. »Wir können nichts daran ändern«, entgegnete Aarn und schob die Metallverkleidung von der Sichtluke fort. »Dort ist unsere Riesensonne. Jetzt können wir sie mit bloßem Auge betrachten – wenn man nicht zu lange hinschaut.« Die Kabine füllte sich mit einem bläulichen Licht ungeahnter Intensität. Eine Weile nahmen sie den neuen
Eindruck in sich auf, dann entsann sich Aarn ihrer wenig beneidenswerten Lage. »Wenn wir hier verschwinden wollen, ehe die beiden Schiffe der Fremden ihre Heimat oder Station erreichen und uns eine ganze Meute Schlachtkreuzer auf den Hals schicken, wird es allmählich Zeit, daß Canning zu einem Resultat kommt. He, Canning! Hast du gehört? Wie sieht es bei dir aus?« »Nicht schön!« drang die heisere Antwort aus dem Lautsprecher der Bordanlage. »Halbverbrannte Kabel, komplizierte Kurzschlüsse, durchgeschlagene Sicherungen. Es wäre mir lieb, jemand käme, um mir zu helfen.« Aarn nickte Spencer zu. »Sei so nett und kümmere dich um die Kontrollen. Gib auf draußen acht!« riet er und zeigte in die Leere des Alls hinaus. »Ich werde Canning helfen und mir dabei etwas überlegen.« »Überlegen?« lauerte Spencer verhalten, denn er ahnte, daß Munro mal wieder eine seiner grandiosen Ideen hatte. »Was willst du denn überlegen?« »Wie wir die Sunbeam schneller als das Licht machen können«, entgegnete Aarn Munro und schlenderte davon, als ginge er, um in der Kombüse eine Konserve anzuwärmen. Canning hatte wieder einmal übertrieben. Als Aarn den Maschinenraum betrat, pfiff der Techniker zwar zufrieden, aber sehr unmelodisch vor sich hin. Ein sicheres Zeichen dafür, daß die größten Schwierigkeiten überwunden waren. Er hatte alle beschädigten Teile ersetzen können, und es
würde keine zwanzig Minuten dauern, bis Aarn mit dem Einstellen beginnen konnte. Und dann dauerte es Stunden. Draußen stand die blaue Scheibe der gigantischen Sonne, ganz nahe und doch so unendlich weit. Anderthalbtausend Lichtstunden entfernt. »Es muß also einen bewohnten Planeten in diesem unglaublichen System geben«, kalkulierte Carlisle. »Wo sollten die fremden Schiffe sonst hergekommen sein?« »Und es gibt zumindest zwei bewohnte Planeten, denn du darfst nicht vergessen, daß es Kriegsschiffe waren. Hat eine Welt jedoch die Raumfahrt entwickelt, wird es kaum noch Streitigkeiten auf ihr geben können. Also sind diese Kriegsschiffe für Gegner bestimmt, die von anderen Welten stammen. Und zwar von Welten innerhalb dieses Systems, denn ich kann nicht annehmen, daß man mit einem Feind Krieg zu führen gedenkt, der Lichtjahre entfernt haust. Und noch eine weitere Tatsache möchte ich euch zu bedenken geben, Freunde: Die Schiffe kamen von einem nahen Planeten, denn bedenkt einmal den Durchmesser der Kreisbahn, den die Satelliten in diesem System der Sonne besitzen. Das Licht benötigt ja bereits von hier bis zur anderen Seite der Sonne fast ein halbes Jahr.« »Ein interplanetarischer Krieg würde hier sicher länger als ein Jahr dauern«, stellte Carlisle eine kühne Vermutung auf. Aarn warf ihm einen belustigten Blick zu, ehe er den Kopf schüttelte. »Kaum, mein Lieber – wenn du ein hiesiges Jahr nimmst. Es dürfte so etwa zwischen fünfzig- und achtzigtausend unserer Erdjahre dauern. Und das hält kein
General aus.« »Und wenn sich die feindlichen Planeten in Opposition gegenüberstehen – mit der Sonne dazwischen sind sie Lichtmonate voneinander entfernt. Wahrscheinlich einigt man sich in solchen Fällen auf einen Waffenstillstand, der einige tausend Jahre dauert. Erdjahre natürlich.« »Das wäre möglich. Überlege nur, wie weit sich Neptun und Pluto in einem solchen Fall voneinander entfernen. Hier besitzen diese Perspektiven noch ganz andere Dimensionen, die wir uns fast kaum vorzustellen vermögen.« Martin hatte eine Mahlzeit bereitet und drängte die Männer, etwas zu sich zu nehmen. Lediglich Canning machte eine Ausnahme, denn seine Arbeit war noch nicht beendet. Danach entnahm Aarn dem Elektronengehirn einige Daten, die er zuvor zur Berechnung eingeschoben hatte. Mit schnellen Strichen fertigte er eine Zeichnung an, versah sie mit den erhaltenen Rechenresultaten und begab sich mit der Skizze zu Canning. »Ich werde deinen Job beenden«, bot er dem Techniker an. »Wenn du mir dafür dieses herstellst, wäre uns vielleicht geholfen.« Und er schob Canning die Zeichnung hin, der sie nahm und eingehend studierte. Einige Falten auf der Stirn des Technikers schienen Aarn heimliche Freude zu bereiten. Schließlich knurrte Canning kopfschüttelnd: »Natürlich kann ich das Ding in der Werkstatt herstellen, ich sehe bloß nicht ein, wozu es gut sein soll...« »Aber ich!« beendete Aarn sehr kurz die Debatte, bevor sie überhaupt beginnen konnte.
Eine halbe Stunde später richtete sich Aarn befriedigt auf. Er warf einen letzten Blick auf die Eingeweide des bislang offenen Schaltkastens, ehe er den Deckel darüber schloß. Mit sicheren Schritten begab er sich in die Zentrale, berührte vorsichtig einige Hebel – und die Sunbeam glitt langsam nach vorn, nach hinten, und drehte sich wie auf Kommando. Eine weitere Stunde dauerte es, ehe Canning Aarn das fertige Werkstück vorlegen konnte. Spencer betrachtete es mit hilflosen Blicken. »Und was soll das sein?« knurrte er wenig überzeugt. »Das Ei des Kolumbus!« behauptete Aarn Munro todernst. »Wie bitte?« »Das Ei des Kolumbus – ganz einfach!« wiederholte der Physiker. Die Alarmglocke schrillte durch das Schiff. Aarn vergaß das »Ei des Kolumbus« augenblicklich. Er sprang auf. »Beim Jupiter – sie sind zurückgekommen! Ich wette, sie haben ihre großen Brüder mitgebracht...« Er eilte den anderen voraus und verschwand in der Zentrale, wo er sich mit einem behenden Satz, den man seiner Massigkeit niemals zutraute, wenn man Aarn nicht kannte, in den Pilotensitz schwang. Die weitreichenden Suchstrahlen waren auf ein Hindernis gestoßen: Acht Schiffe näherten sich der Sunbeam. Zwei davon waren zweifellos die beiden entkommenen der ersten Runde, aber die anderen hatten sich allem Anschein nach neu eingefunden. Es handelte sich um neue, nie gesehene Typen, die
keinen sehr beruhigenden Eindruck erweckten. Die schlanke Torpedoform fehlte gänzlich, dafür war der wuchtigen Armierung der Vorzug gegeben worden. Aarn durchzuckte sofort die Erkenntnis, Kreuzern und Schlachtschiffen gegenüberzustehen Die beiden kleineren Zerstörer wiesen offensichtlich den Weg; sie hielten einen Zickzackkurs ein, um kein Ziel zu bieten. Langsamer folgten die vier Kreuzer und zwei Schlachtschiffe. Spencer war endlich in der Zentrale angelangt. Er hielt für Sekunden die Luft an, dann stieß er hervor: »Eine richtige Raumflotte! Heiliger Ring des Saturn!« »Unser Energiestrahl!« gab Aarn die Antwort. »Sie wollen das Geheimnis kennenlernen, deshalb kommen sie. Jetzt rettet uns aber nichts mehr, denn ich schätze die Panzerung der Schlachtkreuzer auf mindestens einen halben Meter Stahl.« Einer der Riesen drehte ein wenig seitlich ab und wurde so in seiner ganzen Länge sichtbar. Er mochte an die 400 Meter messen, bestückt mit einer Unzahl kleiner Geschütztürme und dunkler Torpedorohröffnungen. »Welches Monster – und auch noch zwei von ihnen«, flüsterte Spencer voll dumpfer Ahnungen. »Was mögen sie ausrichten können?« »Die Kreuzer sind auch nicht zu verachten«, erkannte Aarn objektiv, aber doch widerwillig, an. Er hatte nicht unrecht. Gute 200 Meter lang, wiesen auch diese eine gefährliche Anzahl Geschütztürme auf und verrieten somit eine beachtliche Feuermöglichkeit. Und trotzdem näherte sich die unheimliche Flotte der Sunbeam nur mit äußerster Vorsicht. Der Bericht der beiden restlichen Zerstörer mußte nicht ohne nachhaltigen
Eindruck geblieben sein. »Wenn nur die Aggiespulen voll aufgeladen wären«, seufzte Aarn bedauernd. »Wir müssen dem ersten Schlachtschiff unbedingt ein Loch in den Pelz brennen, sonst verlieren sie den Respekt. Aber ich befürchte, unsere Energie reicht nicht mehr aus, die Panzerung zu durchdringen. Und besteht sie gar aus Silber, kann jeder Versuch im voraus als gescheitert betrachtet werden.« Aarn war inzwischen nicht untätig geblieben. Seine Hände huschten über die Kontrollen, legten Schalter und winzige Hebel um, drehten an Rädchen – und dann summte hinten im Heck der Transponprojektor auf. Ein Strahl schoß hinüber zu dem ersten Schlachtschiff. Der Bug begann zu glühen; die weiße Glut vergrößerte sich rapide, und der Riese begann unruhiger zu manöverieren. Die harten Bewegungen lösten ein Stück geschmolzenen Metalls aus der Hülle, es strebte von dannen, und ein großes Loch war entstanden. Weiter fraß der verheerende Strahl, drang in das Innere des Feindes ein. Sofort traten die übrigen Schiffe des unbekannten Gegners in Aktion. Sie versuchten es mit ihren Strahlen, den Torpedos und den blauen Kugelblitzen. Aber an der magnetischen Sphäre und dem Antischwerkraftfeld prallten alle Versuche harmlos ab. Ungehindert konnte die Sunbeam ihre vernichtende Waffe einsetzen, ohne selbst der geringsten Gefahr ausgesetzt zu sein. Aarn ließ den Transponstrahl schwenken und richtete seine Aufmerksamkeit einem der Kreuzer zu. Blitzschnell entstand in seiner Hülle ein anderthalb Meter großes Loch. Der Todesstrahl drang weiter und erreichte innerhalb von fünfzehn Sekunden den Maschinenraum und die
Energiespeicherung. In einer aufflammenden Sonne plötzlich entfesselter Naturkräfte verschwand der Kreuzer. Metallbrocken, der totalen Vernichtung entgangen, schossen aus der Gluthölle in alle Richtungen und trafen die eigenen Verbündeten. Einer der Kreuzer trieb hilflos und manövrierunfähig davon, an mehreren Stellen durchlöchert. Ein anderer scherte aus und suchte sein Heil in hastiger Flucht. Als die künstliche Sonne erlosch, schwebte nur noch eine schwach leuchtende Gaswolke an der Stelle, an der eben noch ein stolzes Raumschiff gestanden hatte. Für einen Augenblick stoppte der Angriff. Die Kugelblitze allerdings umkreisten weiterhin die Sunbeam, und im Innern der Zentrale herrschte eine fast unerträgliche Temperatur. Wieder sprangen kleine blaue Funken von metallenen Gegenständen und bildeten elektrische Lichtbögen. »Ich wundere mich allmählich, wieso unsere Anlagen das aushalten«, bemerkte Spencer beunruhigt. »Zuviel Isolierung«, klärte Aarn ihn kurz auf. Er ließ sich selbst durch eine Kampfpause nicht aufhalten. Er schwang den Transponstrahl herum und griff damit den letzten Kreuzer an. Prompt entstand das erwartete Loch in der Hülle, aber ehe der empfindlichste Teil erreicht werden konnte, raste der angeschlagene Feind davon. Blitzschnell verschwand er in den Tiefen des Alls. Aarn seufzte und schüttelte den Kopf. »In genau anderthalb Minuten ist unsere Energie erschöpft. Noch etwa neunzig Sekunden Transponstrahl – und Feierabend!«
Diesmal erwischte der Energiefinger den bereits einmal getroffenen Schlachtkreuzer an der schon beigebrachten ersten Wunde. Weißglühende Funken geschmolzenen Me talls versprühten im Nichts. Der Strahl der Sunbeam fraß sich in das Innere hinein, verwandelte den Maschinenraum in eine Hölle zerfließenden Metalls und stoppte den Antrieb. Überall an der Hülle entstanden plötzlich kleine Öffnungen – Notausstiegluken. Kaum erkennbare Gestalten drangen ins Freie und segelten rasch hinüber zu den verbleibenden Schiffen. »Ich hoffe, sie haben jetzt genug«, stöhnte Aarn resigniert. »Unsere verbleibende Energie reicht gerade noch aus, die nächste Mahlzeit zu wärmen – und ich esse nicht gern kalt.« Ehe Spencer etwas darauf sagen konnte, geschah etwas Merkwürdiges. Von irgendwoher aus dem Nichts kam ein sieben Meter langer Torpedo, schoß knapp an der Sunbeam vorbei und erreichte in wenigen Sekunden das beschädigte Schlachtschiff. Er zerschmetterte die Hülle durch eine gewaltige Detonation und befand sich dann in deren Innern, wo weitere Explosionen erfolgten, die aus dem verlassenen Gegner ein totales Wrack machten. Dem Vorgänger folgte nun ein ganzer Schwarm der tödlichen Geschosse, die zweifellos mit der Absicht abgefeuert worden waren, den Rest der gegnerischen Flotte zu vernichten. Drüben blitzte es überall auf, geschmolzene Metallteile strebten gleich glühenden Meteoren in alle Richtungen davon, um in der Tiefe des Alls unterzutau chen. Das bisher heilgebliebene Schlachtschiff wendete
und nahm Geschwindigkeit auf. Es folgte den längst geflüchteten Zerstörern. Und zum ersten Male sahen nun auch die drei Männer in der Zentrale der Sunbeam ihre Retter. Vier gewaltige Schlachtschiffe, acht Kreuzer und eine ganze Flotte wendiger Zerstörer tauchte hinter dem Heck auf und glitt in langsamer Fahrt heran. In präziser Ordnung kreisten sie die Sunbeam ein, verhielten sich jedoch passiv. »Und was nun?« ächzte Spencer fassungslos. »Kämpfen?« »Wie kommst du auf die Idee?« erkundigte sich Aarn. »Sie haben uns doch nichts getan – im Gegenteil! Sie halten uns für ihre Freunde, weil wir gegen ihre Feinde kämpften. Außerdem nehme ich an, daß sie genauso neugierig wie jene anderen sein werden, und sicherlich wollen auch sie wissen, wie jene Schmelzlöcher in der Hülle der feindlichen Schlachtschiffe zustande kamen. Geben wir ihnen ein Signal? Und wenn ja, wie? Ich bin mir nicht ganz sicher, ob sie einen Energiestrahl von einem harmlosen Scheinwerfer unterscheiden können. Unsere Aggiespulen sind bald erschöpft – also keine Gelegenheit mehr, ihnen einen Feuerwerk vorzuführen.« »Könnten wir nicht...« begann Spencer, wurde jedoch sofort wieder von Aarn unterbrochen. »Natürlich – Energie! Das ist ein guter Gedanke, unsere friedlichen Absichten darzutun.« »Energie? Aber wir haben doch keine mehr in den Spulen!« »Eben! Das ist ja gerade meine Idee! Wenn du jemand einen Gefallen tust, wird er doppelt schnell dein Freund. Kapiert?«
Spencer nickte. Die Lichter an Bord der Sunbeam begannen zu flackern und langsam auszugehen. Sie wurden dunkler und dunkler. Ein Scheinwerfer glühte auf, um sofort wieder zu verlöschen. Die Fremden in ihren Schiffen beobachteten, wie sich in der Hülle der Sunbeam eine Luke öffnete, eine Gestalt erschien und etwas zu ihnen herüberwarf. Es glühte sanft und schwach. Irgend etwas war daran befestigt wie ein Seil. Einer der Zerstörer glitt heran und nahm den Gegenstand auf, eine ganz gewöhnliche Glühbirne, an der man eine ebenso gewöhnliche Doppelleitungsschnur befestigt hatte. Der nur noch schwach leuchtende Draht in dem Vakuum der Birne erzählte den überaus intelligenten Männern von Magya eine lange und ausführliche Geschichte. Kurz gesagt folgendes: Das Schiff drüben arbeitet mit elektrischer Energie. Seine sämtlichen Energievorräte haben sich jedoch in dem vorangegangenen Kampf restlos erschöpft, so daß nun auch die Bordbeleuchtung nicht mehr gespeist werden kann. Der Draht an der Birne soll uns sagen, daß wir ihnen Energie hinüberleiten sollen, und gleichzeitig verrät uns die Birne, welche Art Strom sie benötigen. Jener Fremde dort befindet sich in Schwierigkeiten und ist auf unsere Hilfe angewiesen. Der Kapitän des Zerstörers setzte sich mit seinen Vorgesetzten in Verbindung, während die Techniker sich bereits um die Einzelheiten kümmerten. Sie schlossen die Birne an ihr eigenes Stromnetz und prüften die Stärke. Sie hielt 230 Volt gut und gerne aus – nach irdischen
Maßstäben gemessen. Also nahmen sie das Ende der Leitung und schickten 230 Volt zu dem fremden Schiff, als die Befehlshaber ihre Erlaubnis dazu gaben. In der Sunbeam flammte die Beleuchtung grell auf, und die drei Männer fielen sich jubelnd in die Arme. »Schritt Nummer eins!« rief Aarn. »Sie haben uns verstanden!« »Wir werden mit ihnen reden müssen«, stellte sie Spencer vor ein anderes Problem. »Hoffentlich ist eine Verständigung möglich. In Fremdsprachen war ich nie gut.« »Trotzdem wirst du gehen müssen, denn ich möchte lieber das Schiff klarmachen. Aber – seht doch! Sie kommen zuerst! Bleibt hier – oder besser, begebt euch in die Messe. Ich werde die Luftschleuse öffnen und bringe ihn dann zu euch.« Die Gestalt überquerte den Abgrund zwischen den Schiffen und landete furchtlos in der Schleuse der Sunbeam. Und in dieser Sekunde stand Aarn Munro zum erstenmal Anto Rayl, seinem späteren Freund, gegenüber. Er mochte fast zwei Meter groß sein und unterschied sich in nichts von einem Menschen. Seine grauen Augen trugen goldene Flecke, in denen die Pupillen zu schwimmen schienen. Braungebrannt war das ovale, männliche Gesicht mit den hohen, starken Backenknochen; gerade und wohlgeformt die kräftige Nase mit den seltsam zarten Flügeln. Das schwarze Haar begrenzte die hohe Stirn wie ein Pony, in der gleichen Form, nur war es im Nacken ein wenig länger geschnitten. Die Uniform bestand aus einem starken, elastischen Stoff, der offensichtlich die Eigenschaft besaß, sich
beliebig nach allen Richtungen zu dehnen. Sie schmiegte sich eng an den Körper und verriet somit dessen makellose Proportion. Er folgte Aarns Handbewegung und betrat die Messe, in der Spencer und Carlisle ihren seltenen Besucher erwarteten. Der Fremde betrachtete sie neugierig, und in seinen Augen lagen gleichermaßen Verwunderung und Überraschung. Er blickte sich um und verbarg seine Enttäuschung nicht. Von den Maschinen war nichts zu erkennen, denn alle Schutzhauben schlossen dicht. Jetzt machte der Fremde eine geringfügige Bewegung, und die durchsichtige Hülle, die ihn während seines kurzen Fluges im Raum isoliert hatte, fiel zu Boden. Dabei nahm er keinen Blick von dem mächtigen Aarn, dessen Riesengestalt ihm zu imponieren schien. Erst als er sich abwandte, glaubte Aarn so etwas wie Mißfallen in den goldgesprenkelten Augen lesen zu können. Der Jovianer überwand seinen ersten Ärger und lachte laut auf. Er trat auf den Fremden zu und streckte ihm die Hand entgegen. Nur zögernd nahm sie der Magyaner und schien sich über den sanften Druck zu wundern. Aber Aarn wollte den neu gefundenen Freund nicht gleich zu Beginn erschrecken. »Wir grüßen dich, Freund«, sagte er. Und der Fremde antwortete: »Ahtop ah-menahep – etran matral hepanet.« Aarn schüttelte den Kopf. »So kommen wir nicht weiter«, stellte er fest. »Paß mal auf!« Und er tippte sich mit dem rechten Zeigefinger gegen die eigene Brust. »Ich bin Aarn! Aarn!«
»Aarn?« »Ahem – Aarn – Russ – Cah...« »Ja, ich bin Aarn! Dies ist Russ – der dort Car.« »Richtig!« Und er tippte seinen Zeigefinger nun gegen die Brust des Fremden. »Und du? Wer bist du?« »Anto Rayl«, verstand der Fremde die Zeichensprache. »Anto Rayl also. Wunderbar. Und jetzt kann der eigentliche Unterricht beginnen. Lernen wir ihre Sprache, Russ, das wird die Dinge vereinfachen. Und wo beginnen wir?« Spencer entsann sich seiner schlechten Noten. Es schien, als wolle er nun sein Versäumnis nachholen. Er nahm den nächsten Stuhl, hob ihn in die Höhe und zeigte mit der freien Hand darauf. »Stuhl!« sagte er laut und deutlich. Dann machte er ein fragendes Gesicht und fügte hinzu: »Wie bei euch?« Anto Rayl begriff sofort. Eine Stunde nach dieser ersten Begegnung kam von den Schiffen ein zweiter Mann herüber, ein Lehrer. Außerdem ein sehr begabter Künstler und Zeichner. Gemeinsam mit Rayl begann er einen Sprachunterricht, der es in sich hatte. Anscheinend kannte diese Rasse keine Müdigkeit, denn die intensiv durchgeführte Lektion dauerte genau zehn Stunden und enthielt keinerlei Pause. Zwischenzeitlich wurde ein stärkeres Kabel von einem der großen Schlachtschiffe zur Sunbeam gebracht und von Canning angeschlossen. Ständig floß nun ein beachtlicher Strom elektrischer Energie in die sich langsam erholenden Aggiespulen. Einmal nur unterbrach Anto den Unterricht und
erkundigte sich ein wenig befremdet danach, wohin der ganze Strom denn flösse. Ein Viertel des Vorrates, den das Schlachtschiff fasse, sei nun vergeben, und mehr könne es kaum entbehren. Aarn setzte ein wissendes Lächeln auf, packte seinen Gast beim Arm und führte ihn zum Speicherraum. Lässig zeigte er auf eine Reihe Aggiespulen und erklärte, sie seien erst zu einem Zehntel geladen. Von einer weiteren Reihe behauptete er sogar, sie enthielten überhaupt noch keine Energie. Der Gesichtsausdruck Antos verriet ehrliches Erstaunen. Das Erlernen einer total fremden Sprache ist mit derartigen Komplikationen verbunden, daß die Autoren der Science Fiction sehr gern auf die telepathische Methode zurückgreifen, um Zeit und Nachdenken zu sparen. Leider aber bestand die Rasse Antos nicht aus Telepathen, so daß unseren Helden nichts anders übrigblieb, als ihre Sprache nun wirklich und gründlich zu erlernen. Und sehr bald schwirrten in ihrem Kopf die verschiedenartigsten Ausdrücke umher, die alle ihre bestimmte Bedeutung besaßen. Trotzdem war es schwer, auch nur einen vernünftigen Satz zusammenzubringen. Spencer sagte immer wieder vor sich hin: »Der Stuhl ist dort oben.« Anto lächelte und schien mit diesem Erfolg zufrieden. Nicht so Aarn. »Das ist ja grauenhaft«, stellte er mit einem Stöhnen fest, den Kopf in die großen Hände gestützt. »Dabei sind sie vernünftig genug, uns nicht mit Deklinationen und anderen Mätzchen zu kommen. Immerhin werden wir uns bald mit ihnen verständigen können – auch wenn es in
ihren Ohren wie ein schauderhaftes Kauderwelsch klingen mag.« »Ich bekomme Kopfschmerzen«, beschwerte sich Carlisle. Sie legten eine Schlafperiode ein. Am anderen »Morgen« nach dem Frühstück meldete Canning die Fertigstellung des Apparates, den Aarn bei ihm bestellt hatte. Anto Rayl war noch nicht zu ihnen zurückgekehrt, und alles wies darauf hin, daß man auch drüben bei den Magyanern schlief. Aarn prüfte das neue Gerät in Verbindung mit den Kontrollen der Sunbeam. Dann stellte er die vorhandene Energiemenge fest und erfuhr, daß genügend davon für den beabsichtigten Zweck vorhanden war. »Was nun folgt«, erklärte er mit einem geheimnisvollen Grinsen, »wird unsere Freunde sehr überraschen. Euch aber auch, nehme ich an.« »Wahrscheinlich«, gab Spencer ohne weiteres zu. »Es wäre jedoch höchst freundlich von dir, wenn du auch deinem Arbeitgeber mal erzählen würdest, was du so geplant hast.« »Recht gern. Wir statten der Sonne dort einen Besuch ab.« Und er zeigte in Richtung der bläulich flammenden Scheibe. »Habe ich mir fast gedacht. Anto nannte diese Sonne Anrel, und das Licht benötigt von ihr bis zu uns ein halbes Jahr. Nun willst du also hin. Auch gut. Aber erkläre mir jetzt wenigstens, wie du etwas zustande bringen willst, das von Einstein als unmöglich dahingestellt wurde.«
»Haben wir es nicht bereits einmal getan?« Spencer sah ihn einen Augenblick verblüfft an, dann nickte er resigniert. »Dann habe ich eben gelogen – aber beweise mir wenigstens, daß ich gelogen habe!« Aarn seufzte. »Wie weit ist die Erde entfernt?« »Hm – entfernt? Ist das überhaupt eine meßbare Entfernung?« »Ob meßbar oder nicht, Russ, wir werden überhaupt keine Entfernung im bekannten Sinne zurücklegen, sondern einfach in der Nähe der Sonne Anrel auftauchen. Das ist alles.« Ohne eine weitere Frage abzuwarten, begann Aarn, die Blenden vor die Luken gleiten zu lassen. Nun diente lediglich wieder das bewährte Fernsehauge als einzige Verbindung zur Außenwelt. Aarn drückte auf einige Knöpfe. »Auf Wiedersehen!« rief er den Schiffen der Magyanern zu. In der gleichen Sekunde verwandelten sich diese Schiffe in zweidimensionale Schattenrisse, die sofort danach verschwanden. Anrel selbst veränderte sich nicht, wurde aber bereits nach fünf Minuten sichtlich größer. Irgendwo bäumte sich ihnen die gekrümmte Oberfläche eines Planeten entgegen – und erlosch wieder, als sie mit unvorstellbarer Geschwindigkeit vorbeischossen. »In Wirklichkeit«, erklärte Aarn bereitwillig, »rasen wir nicht mehr durch den eigentlichen Raum, sondern um ihn. Wir behalten lediglich losen Kontakt zur Vierdimensionalität. Zur Hälfte haben wir den normalen
Weltraum verlassen – mehr Energie besitzen wir leider nicht.« »Und wie schnell sind wir?« hackte Spencer auf seinem Lieblingsthema herum. »Überhaupt nicht«, machte Aarn niedergeschlagen. »Grrr – wie schnell wären wir denn, wenn wir schnell wären?« »Etwa zweitausendfünfhundertmal so schnell wie das Licht. Es würde bis zur Sonne eintausendvierhundert Stunden benötigen, während wir es in einer guten halben Stunde schaffen. Natürlich wollen wir nicht bis dicht an sie 'ran, da wir sonst schmelzen würden. Das Baby besitzt ein unglaubliches Temperament...« Das System eines Fluges durch den Hyperraum war einfach, wenn man es einmal verstanden und begriffen hatte. Das Schiff mußte, wenn es von einem normalen Raum in den anderen gelangen wollte, diesen Hyperspace kreuzen. Der Hyperspace jedoch duldete keine normale Materie und stieß sie wieder in den Normalraum zurück. Da es jedoch keine Entfernung mehr gab, konnte das in der gleichen Sekunde und Millionen Lichtjahre entfernt geschehen. Aarn vermied das, indem er zur Hälfte im Normalraum und zur anderen Hälfte im Hyperspace blieb. So konnte er jederzeit in das gewohnte Universum zurückkehren, ohne die Orientierung zu verlieren. Anrel wurde größer und größer, eine gewaltige Scheibe flackernder Flammenzungen, die weit hinaus in den Weltraum reichten. In jeder Sekunde legte die Sunbeam beinahe eine Milliarde Kilometer zurück und schien somit in die gigantische Feuersbrunst hineinzustürzen.
»Jetzt ist es genug«, sagte Aarn, als Anrel den halben Himmel ausfüllte und alle anderen Sterne zum Erlöschen brachte. »Jede weitere Annäherung brächte Gefahren mit sich, von denen wir uns keine Vorstellung machen können.« Das Fernsehauge wurde auf Minimum eingestellt. Im Schiff stieg die Temperatur merklich an. »Vorsicht!« warnte Aarn, aber sie sahen es schon selbst. Rotglühend wurden die Blenden vor den Sichtluken, und für den Augenblick fiel das Fernsehauge aus. »Radiation!« fügte Aarn noch hinzu; dann schwieg er. Er veränderte einige Hebelstellungen. Gottes mächtigste Maschine, die Sonne, schien alles Menschenwerk zunichte machen zu wollen. In wenigen Sekunden hätten ihre Strahlen die Sunbeam einfach zerschmolzen. Doch schon wurden die glühenden Platten wieder dunkel. »Wir kühlen ab!« rief Spencer erleichtert aus. »Wie hast du das gemacht, Aarn?« Der Physiker hantierte an den Kontrollen. »Wenn ich nur die Sonnenfrequenz besser kennen würde«, murmelte er vor sich hin. »Wie bitte?« »Die millionenfache Menge der benötigten Energie ist vorhanden«, ging Aarn auf den Einwurf nicht weiter ein. »Im übrigen kühlen wir nicht ab, wenigstens nichts im gewohnten Sinne des Wortes. Ich fand eine Methode, die Wärmestrahlung der Sinne unwirksam zu machen. Ganz einfach. Ich habe das Schiff unsichtbar werden lassen.« »Unsichtbar!« polterte Spencer. »Aber – ich kann es noch sehen!«
»Es ist nur von außen unsichtbar«, verbesserte sich Aarn geduldig. »Die Sunbeam ist mit einer Kraftschicht umgeben, die das herankommende Licht mitsamt der Hitze in eine durchdringende gravitomagnetische Strahlung verwandelt, die durch unser Schiff dringt, ohne es zu erhitzen oder anders zu beeinflussen. Nur noch ein zehnprozentiger Rest behält die ursprüngliche Wirkung bei und läßt uns sehen.« »Gravitomagnetische Strahlung – was ist denn das nun schon wieder?« »Elektromagnetische Energie ist Energie, die beim Zyklus von Elektrofeld zu Magnetfeld und wieder zurück transformiert wird und sich mit einer Geschwindigkeit von dreihunderttausend Kilometern in der Sekunde fortbewegt. Gravitomagnetische Energie ist genau das gleiche, nur besteht der Zyklus zwischen einem Gravitations- und einem Magnetfeld.« »Kann so etwas in der Natur vorkommen?« »Selbstverständlich!« »Und warum hat dies niemand zuvor entdeckt und ausgenutzt?« »Die Erklärung liegt auf der Hand: Ich sagte bereits, daß diese Strahlen jeden Körper ungehindert durchdringen und daß sie nur unter Spezialbedingungen erkannt werden können. Fast glaube ich, hier sogar die Ursache der kosmischen Strahlung gefunden zu haben. Der Transponstrahl muß jetzt die Sonnenatmosphäre erreicht haben und bald zurückkehren. Hoffentlich werden wir der hereinbrechenden Energie Herr.« »Ist das Fernsehauge eigentlich durchgebrannt?« machte sich nun auch Carlisle bemerkbar. »Ich möchte mir Anrel
gern mal näher ansehen.« Aarn sah zur Decke hinauf, schloß für Sekunden die Augen, ehe er mit der Miene eines Märtyrers zum zweiten Male erklärte: »Licht und Hitze wurden in unsichtbare Strahlen verwandelt – draußen ist nichts mehr zu sehen. Natürlich könnte ich ein Loch in den Energieschirm bringen, aber wir lebten nicht mehr lange genug, es rechtzeitig wieder zu schließen.« »Ist doch eine feine Sache, unsichtbar zu sein«, freute sich der Chemiker, unbeschwert der ihn umgebenden Gefahren. »Wir würden eine Menge Spaß mit den Tefflanern haben – so bezeichnete sie Anto Rayl, wenn ich mich recht entsinne.« »Natürlich genau falsch überlegt«, schüttelte Aarn den Kopf. »Machten wir uns mit Hilfe des gravitomagnetischen Strahles von Anrel unsichtbar, würde man uns viele Millionen Meilen weit sehen. Wir würden praktisch den normalen Weltraum auslöschen – und somit sehr schnell bemerkt werden.« Sie schwiegen und warteten. Bald mußte die Sonnenenergie auf dem Leitstrahl zurückkehren. Ein irrsinniges Kreischen kam aus dem Maschinenraum, dann summten die aufladenden Aggiespulen zufrieden. Aarn beobachtete unaufhörlich die Skalen; kurz darauf schaltete er den Transponstrahl ab. »Geschafft! Mit der Energie fangen wir eine ganze Menge an. Aber es wird nicht reichen. Wollen wir jemals wieder in unseren Raum zurückkehren, benötigen wir ein anderes Quantum. Russ, wir werden einige
Bequemlichkeiten aus der Sunbeam hinauswerfen müssen, um weiteren Raum für Speicherspulen zu schaffen. Das ließe sich auf Magya bewerkstelligen. Vielleicht dauert es Jahre, ehe wir unser Ziel erreichen, und vielleicht dauert es ebenfalls Jahre, bis wir an Hand genauer Beobachtungen feststellen, an welchem Punkt wir anzusetzen haben, um an der richtigen Stelle die Transition durchzuführen.« Auf dem Bildschirm erschien wieder der vom Fernsehauge vermittelte Eindruck. Anrel fiel zurück und wurde kleiner. »Wie willst du die Stelle wiederfinden, an der wir in diesen Raum gelangten?« fragte Spencer. In seiner Stimme schwangen Besorgnis und verhaltene Furcht. »Berechnungen – vielleicht aber auch Zufall«, spendete ihm Aarn nur wenig Trost. »Im Augenblick interessieren mich die Magyaner mehr. Mir ist nämlich etwas aufgefallen. Euch nicht?« Beide Männer sahen Aarn erwartungsvoll an. Der sagte sinnend: »Wie war noch mal ihr Wort für Mutter?« »Matra«, entsann sich der Ingenieur. »Und für Vater?« »Paldri, glaube ich.« »Seht ihr, das ist es, was mir auffiel. Euch nicht? Meint ihr denn wirklich, das sei noch Zufall? Padre-paterpaternal-father-pere-Vater-paldri...? Oder auch madremater-mere-mother-Mutter-matra! Noch weitere Ähnlichkeiten sind vorhanden, die niemals reine Zufälligkeit sein können. Wir sind einer Rasse begegnet, die zweifellos mit der unseren verwandt ist – und das ist es auch, das mir die Hoffnung auf eine Rückkehr in unseren
Raum gibt.« Er legte eine kurze Pause ein und beobachtete die Wirkung seiner Worte auf den Gesichtern der Freunde. Dann setzte er entschlossen und mit Nachdruck hinzu: »Wir werden jetzt zu ihnen eilen und ihre Geschichte kennenlernen. Sie sind zu menschlich, um keine Menschen zu sein. Am Rande dieses Sonnensystems berühren sich zwei verschiedene Universen – das unsere und das ihre. Wer von uns aus den Pararaum durchdringt, gelangt hierher. Ich will ihre Geschichte hören, und auch die der Tefflaner. Einen von ihnen habe ich übrigens gesehen – ihr nicht?« »Gesehen? Wann?« »Während des Kampfes, als er sich aus dem zerstörten Schiff rettete. Er war kein Mensch. Der erste Anblick flößte mir Angst, Abscheu und Haß ein. Ein Teufel war er, rot gefärbt, mit einem Schwanz und deutlich sichtbaren Hörnern...«
7. Kapitel Anto Rayl betrachtete die drei Männer mit einem Anflug von Mißtrauen. Neben ihm stand der Sprachlehrer. »Wo seid ihr gewesen?« fragte er. »Wir statteten der Sonne Anrel einen Besuch ab, um unsere Energiespeicher aufzuladen«, gab Aarn bereitwillig Auskunft. Er schien kaum über die Tatsache erstaunt, auf eine in der fremden Sprache gestellten Frage so schnell im gleichen Idiom antworten zu können. Anto blieb voller Unsicherheit. »Euer Schiff glitt davon, veränderte die Farbe. Es wurde rot, dann schwarz – und schließlich verschwand es.« »Die Sonne ist weit entfernt, und wir mußten uns beeilen. Da wir schneller als das Licht flogen, konntet ihr uns nicht mehr sehen.« Anto sah Aarn mit einem merkwürdigen Ausdruck im Gesicht an. Natürlich wußte er als Angehöriger einer raumfahrenden Rasse sehr genau, daß nichts schneller als das Licht sein konnte. Aarn versuchte, seine Zweifel zu beseitigen. »Wir bewegten uns sehr schnell, bis wir das Licht überholten. Es kroch hinter uns her – so kam es, daß wir für eure Augen unsichtbar wurden.« Plötzlich lächelte Anto. »Warum?« fragte er. Aarn erklärte es ihm in kurzen Worten, und nun begann er sich doch zu wundern, wie schnell er die fremde und doch so vertraut klingende Sprache erlernte. Die Regeln der Grammatik blieben ihm verschlossen, und er sprach –
vom Standpunkt der Fremden aus gesehen – sicherlich ein sehr fehlerhaftes Magyanisch. Anto Rayl nahm seine Erklärungen mit sichtbarem Erstaunen auf. Ganz besonders interessierte er sich für die Energiequelle der Sunbeam. Mit unverkennbarer Scheu betrachtete er die Kontrollanlage für das Antischwerkraftfeld, denn niemals hatte ein Schiff der Magyaner es gewagt, sich der riesigen Sonne Anrel zu nähern. Nicht die gewaltige Entfernung schuf das unüberwindliche Hindernis, sondern einzig und allein das furchtbare Gravitationsfeld des überdimensionalen Gestirns. Aarn sprach fast eine ganze Stunde über die wunderbaren Eigenschaften des irdischen Raumschiffes, ehe er seine entscheidende Frage stellte, die nichts mehr mit den technischen Problemen zu tun hatte: »Verschiedene Anzeichen lassen darauf schließen, daß unsere beiden Rassen verwandt sind – so unglaublich das auch scheint. Willst du uns nicht die Geschichte deines Volkes erzählen, Anto? Von wo stammt es? Wie gelangte es in dieses System?« Anto Rayl nickte langsam, als sei die Vermutung Aarn Munros keine Überraschung für ihn. Und dann begann er langsam und deutlich zu sprechen, so daß die aufmerksam Lauschenden ihn gut und restlos verstehen konnten. Er berichtete von einem geschichtlichen Epos, das Licht in die dunkle Vergangenheit der irdischen Völker brachte. »Vor vielen tausend Zeiteinheiten lebten unsere Vorväter auf einem Planeten jenseits der Grenze unseres Universums. Es war eine wunderbare, grüne Welt von der
Größe Magyas, vielleicht ein wenig kleiner. Sie bestand aus fruchtbaren Landgebieten und großen Ozeanen. Und inmitten des größten Meeres wohnten die Ma-jhay-anhu, unsere Ursprungsrasse. Sie hatten gewaltige Städte errichtet und schier unvergängliche Bauwerke geschaffen. Ihre Zivilisation war die einzig bemerkenswerte auf jener fernen, versunkenen Welt. Sie vermehrten sich nur langsam, wenn auch stetig, und ihr Sinn stand nicht nach Eroberung der übrigen Teile ihres Planeten. Erst als sie Flugfahrzeuge erfanden und ihre Welt kennenlernten, erfuhren sie von den übrigen Bewohnern – Halbwilden und menschlichen Affen, die in den Tiefen der unübersehbaren Wälder der Kontinente hausten. Trotzdem gründeten sie immer noch keine Kolonien, sondern blieben auf ihrem großen, flachen Kontinent wohnen. Aber dann, eines Tages, als die Ma-jhay-anhu auf der Höhe ihrer Entwicklung angelangt waren, brach das Unglück über sie herein. Es begann mit einem niemals zuvor erlebten Erdbeben, das einen tiefen Riß in die Erde schlug und den geheiligten Berg weit öffnete. Und damit erschienen zum ersten Male die Teff-Hellani auf der Oberfläche der bisher so friedlichen Welt. Sie waren – eine andere Rasse, eine Ausgeburt der Hölle, etwas, das eigentlich gar nicht existieren durfte und es doch tat. Wir glauben heute, daß diese Bestien die Kreuzung zwischen einer menschenähnlichen Rasse und Ziegen sind, die durch irgendeinen Zufall entstand und im Innern jenes Planeten eingeschlossen wurde, wo sie sich entsprechend entwickelte.
Sie zeichneten sich durch lange, schmale Gesichter aus, in denen durch Augen, Nase und Mund ein menschlicher Ausdruck vorherrschte. An der Stirn saßen ein Paar Hörner. Der Körper war wieder menschlich, und auch die Hände waren die normaler Menschen Die Füße jedoch endeten in Hufen, und ihre Haut war mit zottigen Ziegenhaaren bedeckt. Die ewige Dunkelheit hatte sie rötlich gefärbt. Während die im Innern des Planeten vorhandene Hitze sie sehr kälteempfindlich machte. Sie liebten die Wärme und gewöhnten sich nur langsam an die für sie fast unerträgliche Kälte des Oberflächensommers. Wo immer sie auch waren, brannten große, lodernde Feuer. Sie besaßen eine hervorragende Intelligenz und zeichneten sich durch eine erschreckende Fruchtbarkeit aus. Wo immer sich ihnen die Gelegenheit bot, raubten sie die Angehörigen unseres Volkes und verschleppten sie in ihre Höhlen, um sie zu verspeisen. Erst Flüchtlinge konnten berichten, daß sie sogar Zuchtställe anlegten, um für die Vermehrung dieses grauenhaften Küchenzettels zu sorgen. Unsere Vorväter bekämpften die Teff-Hellani mit erbittertem Haß, der dem instinktiven Unterbewußtsein entsprang. Beide Rassen waren Todfeinde vom ersten Augenblick ihres Begegnens an – und sie werden es auch immer bleiben. Dieser unvorstellbare Krieg dauerte länger, als wir es uns vorzustellen vermögen. Er begann mit Pfeil und Bogen und endete mit Raumschiffen und Todesstrahlen. Der letzte große Herrscher der Ma-jhay-anhu hieß TsooAhs. In seiner Weisheit erkannte er, daß dieser furchtbare
Krieg nicht eher beendet sein konnte, bis eine der beiden Rassen ausgelöscht war. Beide besaßen zu diesem Zeitpunkt Flugschiffe, aber keine Kolonien auf den übrigen Teilen jener Welt. Und so sandte Tsoo-Ahs Tausende von jungen Männern und Frauen aus, endlich diese Kolonien zu gründen. Er mußte es heimlich tun, damit die höllischen Teff-Hellani nichts von seinen Plänen erfuhren und ihm zuvorkommen konnten. Die Expedition zog aus, unvorbereitet und nur mit unzulänglichen Mitteln ausgestattet. Aber die Techniker der Rasse hatten zwei Fortschritte erzielt, die helfen sollten, den Kampf zu entscheiden. Erst einmal die unerschöpfliche Energie des zerfallenen Atoms, die in gebändigter Form frei und zum wertvollen Bundesgenossen unseres Volkes wurde. Und dann die Kontrolle über die geschleuderten Kugelblitze.« In diesem Augenblick stieß Spencer einen Ruf der Überraschung aus. Er starrte Anto fassungslos an. »Tsoo-Ahs!« sagte er dann ruhiger. »Das ist Zeus!« Aarn nickte langsam und drückte den erregten Techniker auf seinen Platz zurück. »Natürlich, wer sonst? Und weiter? Schon mal etwas von Mu, dem versunkenen Erdteil, gehört? Oder von den Osterinseln? Das war eine Kolonie von Mu – oder Mahu, wie Anto Rayl es nennt. Oder denke daran, daß die Mayas in Süd- und Mittelamerika Pyramiden bauten, genau wie die alten Ägypter in Afrika. Oder die Babylonier ihren Turm. Und warum erzählten sich die Griechen jene unverständlichen Sagen über Menschen, die in Tierkörpern steckten? Doch nun still, Anto soll weiterberichten.« Und Anto sprach erneut das Epos der verschollenen und
wieder aufgetauchten Rasse. »Tsoo-Ahs schickte Boten in alle Teile seines Reiches und befahl ein großes Fest. Die bestehenden Gebote wurden aufgehoben und für nichtig erklärt, denn der Herrscher wußte, daß sein Volk sterben würde. Ohne daß jemand es ahnte, hatte er fünf fliegende Kriegsschiffe bauen lassen, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellten. Sie besaßen keine Flügel und waren unabhängig von der tragenden Luft. Die Atmosphäre des Planeten bedeutete keine Grenze mehr. Und während das Fest seinen Höhepunkt erreichte, erschienen diese fünf Schiffe über dem Riß, der den Eingang zum Reich der Teff-Hellani bildete. Ein Bombardement begann, wie es die Geschichte bisher noch nicht gekannt hatte. Der Felsen schmolz unter der Glut der entfesselten Energie und verbreiterte den Erdspalt derart, daß er sich beängstigend den blauen Fluten des Ozeans näherte. Die Armeen der behörnten Kannibalen drangen aus der Tiefe und wurden vernichtet, ebenso die angreifenden Luftflotten. Der Riß aber wurde größer, bis er das Meer erreichte. Tosend stürzten sich die Fluten in die dunkle Tiefe, und unergründlich schien der Schlund des Planeten. Aber dann schoß aus der ertrinkenden Unterwelt ein Schiff heraus, ähnlich den fünfen, die Tsoo-Ahs hatte erbauen lassen. Eine Anzahl silberner Torpedos verließen seinen gewaltigen Leib und trafen vier unserer Kreuzer. Keins überstand die darauffolgende Detonation. Nun gab es keine Teff-Hellanis mehr, nur noch jene in dem riesigen Kampfschiff. Das übriggebliebene Schiff
unserer Rasse jedoch griff es mit den gelenkten Energiebällen an und vertrieb es. Inzwischen hatte sich die Unterwelt mit Wasser angefüllt, das die natürlichen Hitzespeicher der Vulkane erreichte. Ein Beben erschütterte den Kontinent Mahu, der sich daraufhin senkte. Tsoo-Ahs hatte es nicht anders erwartet, denn Kontinente sind nichts anderes als gewaltige Inseln, die in der zähen Masse des Magma schwimmen. Werden sie schwerer, sinken sie tiefer ein. Und Wasser ist schwer. Und so versank der Erdteil langsam, aber sicher, bis nur noch die höchsten Gipfel der Vulkane aus dem Meer schauten. Die beiden Schiffe aber blieben übrig. Das Schiff der Ma-jhay-anhu sollte – so war es geplant gewesen – mit Hilfe der anderen vier die Kolonisten aufnehmen und in Sicherheit bringen. Aber diese vier waren durch die feindlichen Torpedos vernichtet worden. Und außerdem drängte die heilige Aufgabe, das einzige Schiff der Teff-Hellanis zu finden und zu zerstören. Also kümmerte es sich nicht mehr um die wartenden Kolonisten, sondern nahm die Verfolgung des flüchtigen Feindes auf. Wie ich schon sagte, gab es für beide keine Hindernisse mehr. Das Ende der Lufthülle bedeutete nicht mehr das Ende ihres Fluges. Sie jagten sich durch die Weiten des Raumes, ließen ungeheure Energien frei werden und schützten sich selbst durch unvorstellbare Kräfte, die jeder Gravitation widersprachen und abstoßend auf Materie einwirkten. Der Kampf zwischen den beiden Giganten ist auch heute noch unbeschreiblich und zählt zu den grauenhaftesten
Schilderungen, die unsere Geschichte kennt. Das kleine Sonnensystem, von dem jener Planet ja nur ein Teil war, wurde als Arena zu klein, und so konnte es nicht ausbleiben, daß ein Asteroid die Bahn beider Schiffe unverhofft kreuzte. Trotz der aktivierten Energieschirme prallten alle beide fast gleichzeitig gegen das Hindernis. An verschiedenen Orten kehrten sie in das normale Universum zurück – in das System der bis dahin unbekannt gebliebenen Riesensonne Anrel. Jeder hoffte, der Feind habe die Transition nicht überstanden und existiere nicht mehr. Beide fanden nicht mehr den Weg zurück in den bekannten Raum, beide waren sie arg in Mitleidenschaft gezogen, und so suchten beide für sich einen geeigneten Planeten, um dort zu landen. Siebenundachtzig bekannte Planeten unkreisen Anrel, und wir wissen, daß es noch mehr sein müssen. Und manche dieser Planeten werden durch Entfernungen getrennt, zu deren Überwindung das Licht Wochen und Monate benötigt. Kein Wunder, daß sie nicht den gleichen Planeten auswählten. Die Teff-Hellani fanden eine Welt, deren Sonnennähe die ersehnte Wärme versprach. Bei der Landung jedoch wurde das Schiff beschädigt – und niemand konnte es reparieren. Unser Volk fand eine Welt, die es Magya nannte. Und an Bord des Kreuzers befanden sich auch Frauen, die den Fortbestand der Rasse garantierten. Was jedoch fehlte, waren geeignete Lehrer, Techniker und Philosophen. Sie besaßen nur das Notwendigste, ihr Leben zu erhalten und kärglich zu fristen. Das Schiff aber lag dort, wo es gelandet
war, und niemals mehr konnte es starten, denn der Antrieb sprach nicht mehr an. Die Energien waren durch den Kampf und den weiten Flug durch dieses System erschöpft worden. Schon nach einer Generation hatte sich das ehemalige Schiff in einen Tempel verwandelt, nach weiteren zwei versank auch das Wissen um den Ursprung dieses Tempels. Legenden rankten sich um das seltsame Bauwerk, während sich die gestrandete Rasse über die neue Welt verbreitete und in den Urzustand zurücksank. Sie wurden Wilde und Barbaren. Ihre Zivilisation erlosch mit ihrer Kultur. Oder vielleicht umgekehrt. Generation auf Generation kam und ging, bis erneut der Verstand die Zivilisation gebar. Die alten Legenden blieben Legenden, aber die Sehnsucht des Menschen nach Wissen und Erkenntnis trieb eine neue Entwicklung voran, die sie den längst vergessenen Weg einer weit zurückliegenden Vergangenheit noch einmal gehen ließ. Vor Tausenden von Zeiteinheiten verließ der erste Magyaner wieder seine Heimatwelt, um den Raum zu erobern. Er erreichte den nächsten der vier vorhandenen Monde, dann endlich den äußersten. Kurz darauf startete von dort das erste Schiff zum Nachbarplaneten. Es kehrte niemals zurück, ebensowenig wie das zweite und dritte. Erst das vierte landete mit ausgebrannten Düsen, nachdem es mehr als tausend Millionen Kilometer von fremden Raketen gejagt worden war. Weitere Forschungsflüge folgten, und erneut traf man mit den kriegerischen Fremden zusammen, die ohne Warnung angriffen und ausgezeichnete Kampfmittel
besaßen. Die Magyaner lernten daraus und entwickelten die notwendigen Gegenwaffen. Zuerst in sehr primitiver Form, dann jedoch mit mehr Erfahrung und voll tödlicher Sicherheit. Einer der erfolgreichsten Pioniere, Harn Malto, kehrte eines Tages von einer ausgedehnten Reise zurück und berichtete von seinen Erlebnissen. Er hatte jene Welt gefunden, auf der die Fremden hausten, und diese Fremden waren niemand anders als die legendären Teff-Hellani, die ebenfalls ihre Überlieferungen besaßen und in jedem Magyaner den verhaßten Erbfeind sahen. Umgekehrt wußten nun die Magyaner, daß die uralte Legende von dem gehörnten Übel einen sehr realen Ursprung haben mußte. Und nach einer Unterbrechung von Jahrzehntausenden begann erneut der unerbittliche Kampf zwischen den beiden Rassen, die sich allein im Weltraum gewähnt hatten. Die Magyaner konstruierten neue Schiffe und neue Waffen, während zaghafte Zweifler rieten, sich in das Innere von Magya zurückzuziehen, um so der drohenden Vernichtung zu entgehen. In diesem Stadium der Entwicklung erfand ein Wissenschaftler namens Hero Shal den Staubtorpedo. Dieses Geschoß vermochte jegliche Materie zu durchdringen und in Staub zu verwandeln. Atom für Atom, jedes wurde einzeln vom anderen getrennt – aber alle zusammen in weniger als einer Sekunde. Und dann geschah es eines Tages. Sechs kleine Schiffe der Tefflaner senkten sich auf unsere Welt herab und zerstörten Mag-Harun, unsere größte Stadt. In weniger als dreißig Sekunden wurde sie dem Erdboden gleichgemacht und ausradiert. Die Schiffe
führten metallisches Sodium mit sich, die Piloten waren Selbstmörder. Sie brachten ihre tödliche Ladung mitten ins Ziel und kamen bei der Detonation um. Die Stadt zerschmolz in der unvorstellbaren Hitze, und niemand kam mit dem Leben davon. Nur Hero Shal, der unter der Stadt in den von seiner Erfindung geschaffenen Wohnhöhlen hauste, überstand die Katastrophe. Seine Staubtorpedos waren ihm zum Lebensretter geworden. Als die Ruinen abkühlten, kam er ins Freie. Und nun konnte niemand mehr die Entwicklung aufhalten. Die Städte begannen sich nach unten auszudehnen, denn jeder drängte nach der Geborgenheit des sicheren Felsens. Nichts legte der Flucht in die Tiefe ein Hindernis in den Weg, die mit Hilfe des Staubtorpedos zu einem wahren Kinderspiel wurde. Für diese Wunderwaffe wurde selbst der härteste Panzer ein Nichts, und auch das größte Kriegsschiff ist verloren, wenn es in die Flugbahn dieses schrecklichen Geschosses gerät.« »Habt ihr sie nicht auch gestern bei der Vernichtung der Tefflaner benutzt?« unterbrach ihn Aarn interessiert. »Allerdings«, nickte Anto. »In ihrem Innern sind weitere kleinere Shal-Torpedos verborgen, die sich nach der Detonation selbständig machen und nach allen Richtungen davoneilen, um den Feind von innen her zu vernichten. Doch laßt mich in meiner Erzählung fortfahren: Die Tefflaner kamen erneut und machten eine weitere Stadt dem Erdboden gleich. Aber diesmal verloren kaum Magyaner ihr Leben, denn dank dem Staubtorpedo war man dem Beispiel des Erfinders gefolgt. Fast in einer Tiefe von einem Kilometer entstanden die neuen Städte. Genau
wie einst die Tefflaner, lebten nun auch wir unter der Oberfläche unserer Welt. Während die Kampfmethoden immer wirksamer und tödlicher wurden, forschten unsere Wissenschaftler nach jenem sagenhaften verschollenen Tempel, der nichts anderes sein konnte als das Raumschiff, mit dem unsere Vorfahren nach hier gekommen waren. Die militärischen Stützpunkte auf den vier Monden wurden verstärkt und ausgebaut. Sie bildeten unsere Vorposten. Und schließlich verließ eine Flotte von zehn Schiffen Magya, um Teff-El, die Heimat der Tefflaner, anzugreifen. Jedes Schiff barg ein kleines Kampfboot in seinem Leib, dem die härteste Aufgabe obliegen würde. Tarnel Car leitete diese Expedition. Es war die erste, aber nicht die letzte. Der interplanetarische Krieg war somit in sein gefährlichstes Stadium getreten. Und genau zu diesem Zeitpunkt fanden die Tefflaner die Überreste ihres längst vergessenen Raumschiffes, das sie durch den Pararaum gebracht hatte. Selbst der Antrieb war noch intakt, wenn auch ohne Treibstoffvorrat. Doch die inzwischen fortgeschrittene Technik meisterte auch dieses Hindernis. Sie bauten ein neues Schiff nach dem Muster des alten. Es flog. Drei weitere wurden in aller Eile fertiggestellt, und dann griffen sie uns an. Zuerst zerstörten sie die Basen auf unseren Monden, vernichteten fast unsere gesamte Flotte und stürzten sich dann auf unsere wehrlosen Städte auf der Oberfläche von Magya. Unsere Verteidigung stellte sich um. Statt Raumschlachten zu schlagen, verlegten wir uns auf den Kleinkrieg. Bei Nacht verließen kleine, bemannte Torpedos versteckte Höhlen, drangen in die um Magya kreisenden
Feindverbände ein und schossen ihre furchtbaren ShalProjektile ab. Jeder Treffer bedeutete ein vernichtetes Schiff. Und bis heute sind die Tefflaner noch nicht hinter das Geheimnis dieser Waffe gekommen, denn der Staubtorpedo sprengt sich selbst, wenn er nicht trifft. Und wenn eins unserer Schiffe beschädigt wird und verlassen werden muß, bleibt kein heiler Staubtorpedo zurück. Trotzdem konnten die Tefflaner unsere Monde halten. Von dort aus beschossen sie unsere Städte und drangen so langsam, aber unaufhaltsam gegen die sicheren Höhlen im Erdinnern vor. Da entdeckte ein Magyaner das Geheimnis der Atomkraft. Aber sie hielt nicht das, was er sich davon versprochen hatte. Obwohl die Theorie besagt, daß man mit einer winzigen Menge Materie einen Motor jahrelang betreiben kann, benötigen wir immer noch viel zuviel Material zur Energiegewinnung.« »Nach welchem Prinzip arbeitet man?« unterbrach Aarn. »Wenn man zwei Elemente zu einer kritischen Masse zusammenfügt, tritt eine Spaltung ein. Atome werden frei und bewegen sich mit ungeheurer Geschwindigkeit nach allen Richtungen davon. Es entsteht entweder eine kurze und gewaltige Explosion, oder aber ein langes und sehr intensives Strahlen. Wir lassen diesen Prozeß innerhalb eines isolierenden Gehäuses vor sich gehen, wo die frei werdenden Atome in flüssigem Metall aufgefangen werden. Dort verwandeln sie sich in Hitze und Gas. Die Hitze läßt das Metall sieden und treibt somit Turbinen an. Das Gas entweicht nach außen. Diese Methode ist besser als die vorherigen, aber wir sind damit nicht zufrieden. Die Apparate sind zu schwer
und nehmen zuviel Platz ein.« »Wäre es nicht besser, wenn ihr statt Quecksilber einfach Wasser nehmen würdet, um die Atome aufzufangen?« stellte Spencer eine richtungsweisende Frage. Aber Anto schüttelte den Kopf. »Wasser ist zwar leichter und weniger dicht, aber es würde die Atome ungehindert passieren lassen. Es vergingen viele Jahrzehnte, bis wir die Tefflaner mit Hilfe der neuen Schiffe von unseren Monden vertreiben konnten. Und dann fanden auch wir unser altes Schiff, entdeckten das Geheimnis der gesteuerten Energiebälle – aber auch die Tefflaner besaßen es nun. Es wird lange dauern, bis der letzte Feind vernichtet ist, und eher wird es in diesem System keine Ruhe geben, so gewaltig seine Ausmaße auch sind. Wäre das System kleiner, wäre der Kampf vielleicht schon entschieden...«
8. Kapitel Aarn Munro sah den Magyaner lange an, ehe er seufzte und sagte: »Ich glaube, Anto, ich kann dir von dem Schicksal jener berichten, die ihr auf der alten Heimat zurückgelassen habt, die wir heute Erde nennen. Als plötzlich ausgesetzte Kolonisten befanden sie sich in keiner sehr beneidenswerten Lage. Sie besaßen weder Werkzeuge noch Lebensmittel, sie hatten keine Nachrichtengeräte oder entsprechende Ersatzteile. Ihre Flugzeuge verbrauchten den restlichen Treibstoff, denn wie sollte neuer hergestellt werden? Und so verloren sie auch das, was sie ihre Zivilisation nannten. Einige der Kolonisten hatten sich auf einem Kontinent niedergelassen, den wir Europa nennen. Sie trafen dort auf eine Rasse gedrungener, kräftiger Menschen, die in Höhlen hausten und vom Kannibalismus und der Jagd lebten. Es waren die Neandertaler. Zwischen den beiden Rassen fand keine Vermischung statt, und bald starben die Wilden aus. Die Kolonisten gingen somit nicht unter, sondern beschritten nach anfänglichen Rückschlägen erneut den Weg einer zivilisatorischen Entwicklung. Andere landeten in Afrika und gründeten eine Kolonie in Ägypten. Auch hier befanden sich bereits Eingeborene mit geringer Intelligenz, deren Sprache man erlernen mußte, wollte man sich mit ihnen verständigen. Man gab ihnen vom eigenen Wissen ab und baute somit eine gewisse Zivilisation auf. Später jedoch unterlag das edle Blut der Kolonisten der Mehrheit der Eingeborenen; sie wurden
regelrecht aufgesaugt, und erneut fiel die nun vermischte Rasse in die Barbarei zurück. Wieder andere landeten in Amerika, wo sie ebenfalls Wilde vorfanden. Es fand ein ähnlicher Prozeß statt wie in Afrika. Immer siegte zuerst die Intelligenz der Kolonisten, aber dann gewann das Blut der Eingeborenen die Oberhand. In allen Fällen, bis auf Europa, wo sich die Kolonisten rein halten konnten – bis heute. Sie errichteten eine neue Zivilisation, von der wir immer glauben, sie befinde sich gerade auf ihrem Höhepunkt. Nun haben wir das gleiche Erlebnis hinter uns wie eure Vorfahren: Wir durchbrachen die unsichtbare Grenze unseres Universums, überquerten das Nichts des Pararaumes und gelangten in dieses System. Wir werden eines Tages zurückkehren in unsere Welt, Anto, ihr aber werdet bleiben. Und zwischen unseren Völkern, die von derselben Rasse abstammen, wird Freundschaft und ewiger Friede sein. Aber noch haben wir nicht den Weg gefunden, der durch das große Nichts führt. Es kann Jahre der Beobachtungen und Berechnungen dauern, bis das geschieht.« Anto Rayl nickte sinnend. »Und doch möchte ich annehmen, daß es euch gelingen wird. Bei uns gibt es eine alte Überlieferung, die an die Sage vom Ursprung unseres Volkes anknüpft. Nach ihr versuchte damals der Kapitän des Ma-jhay-anhu-Schiffes, das Tor zum anderen Universum zu finden. Nach vielen Jahren des Forschens entdeckte er die notwendigen Mittel, das bewerkstelligen zu können; aber sein Schiff konnte die gestellte Aufgabe nicht mehr bewältigen. Zu lange schon hatte es ausgeruht.
Die Teff-Hellani, so erzählt die Sage voller Ahnung, fanden unsere Welt und überfielen sie. Zwei Städte wurden zerstört und ausgeraubt. Unter der Beute befand sich auch die sogenannte Datentafel, ein auf Edelmetall eingraviertes geschichtliches Dokument, das selbst durch Jahrmillionen keinem Witterungseinfluß erliegen würde. Es schilderte auch die Methode, mit der man den Pararaum durchqueren konnte. Der alte Kapitän behauptete, auch den Teff-Hellani würde es nicht gelangen, die Mauer zu durchbrechen, und eines Tages würde man den verhaßten Feinden die Datentafel wieder abjagen. Die Legende berichtet von seiner Prophezeiung, und dies waren seine Worte: ›Die Datentafel wird zurückerobert werden, und die TeffHellani werden mit Hilfe einer anderen Welt bis auf das letzte Exemplar vernichtet werden.‹ Ich bin davon überzeugt, daß diese Wahrsagung sich verwirklichen wird. Und das glaubt mir: Alle Informationen, die ihr zur Rückkehr in eure Welt benötigt, befinden sich auf der Tafel aus Edelmetall. Unser Volk hat sich zuwenig um den Verlust gekümmert und ihn als gegeben betrachtet.« »Wir werden sie uns holen«, sagte Aarn kurz. »Jener alte Kapitän schaffte es nicht in seinem ganzen Leben – und soviel Zeit haben wir nicht.« Spencer nickte und sagte entschlossen: »Wir sind auf der Seite deines Volkes, Anto Rayl. Schon allein deshalb, weil die Teff-Hellani versuchen könnten, zu unserer Erde zu gelangen. Und nichts wäre schrecklicher, als wenn dort der Teufel in persona erscheinen würde...« Die schweren Schlachtschiffe der Magyaner formierten
sich zum Abflug und nahmen das beschädigte Schiff der Feinde ins Schlepp. Die Zerstörer umringten den Geleitzug, und dann setzte sich die Flotte langsam in Bewegung. Am Flaggschiff löste sich ein Magnetanker, schwebte auf die Sunbeam zu und blieb mit einem Ruck auf der Hülle haften. Dann zog es ebenfalls davon, der wegstrebenden Flotte nach und die Sunbeam mit sich ziehend. Aarn grinste und wandte sich an Anto: »Wie weit ist es bis zum Planeten Magya?« erkundigte er sich. Anto erklärte es recht umständlich, aber Aarn genügten die Angaben vollauf. Seine geschickten Finger vollführten einige blitzschnelle Bewegungen, der Magnetanker löste sich von der Hülle und glitt zum Heck, wo er erneut haften blieb. Nun befand sich Antos Kreuzer im Schlepptau. Wieder hantierte Aarn an den Kontrollen, und dann wurden die Schiffe der Magyaner zu vorbeihuschenden Lichtpünktchen, als die Sunbeam beschleunigte. »Beim Herren des Alls!« rief Anto erschrocken aus. »Wie schnell sind wir jetzt? Und warum verspüren wir keinen Andruck?« »Das ist nicht so schnell zu erklären, Anto«, antwortete Aarn bereitwillig. »Es hängt mit der Struktur des Raumes zusammen. Wir beschleunigen rapide, aber nicht nur das Schiff, sondern jedes einzelne Atom unserer Körper ebenfalls. Natürlich läßt sich unser Antrieb nicht so leicht in eure Schiffe einbauen, aber wir können ihnen Beschleunigungsneutralisatoren geben. Und dann, so glaube ich sicher, wird eure Flotte schneller sein als bisher. Im übrigen hoffe ich, daß eure Werkstätten gut sind – ich
benötige eine Menge Dinge zur Vervollkommnung unserer Kampfkraft.« Der Planet Magya wurde größer und größer. Dann wurden drei Monde sichtbar, gleichzeitig fast ein Dutzend schwerer Kreuzer, die sich ihnen entgegenstellten. Aarn verminderte das Tempo. Antos Schiff sandte einen blauen Lichtstrahl aus, der Sekunden später flackerte und erlosch. Das gleiche Erkennungssignal wurde zurückgegeben, dann bildete die Empfangsflotte einen Ring um das Gespann und fiel mit ihm Magya entgegen. Aarn betrachtete die Schiffe voller Interesse. »Wieviel verschiedene Arten besitzt eure Flotte eigentlich?« wollte er wissen. »An sich sechs Hauptklassen«, gab Anto Auskunft. »Die schweren Schlachtschiffe sind wohl die gefährlichsten, und wir haben fünfundsechzig von ihnen. Ihre Bewaffnung besteht aus Kanonen, Induktionsstrahlern und Staubtorpedos. Dann kommen die schweren Kreuzer, von denen wir mehr als hundert besitzen. Eine gewisse Anzahl befindet sich stets im Bau, wobei auch die Wracks ausgenutzt werden, denn entsprechendes Metall ist knapp. Die leichten Kreuzer sind wieder ein wenig kleiner, aber nicht minder gefährlich, weil sie schneller und wendiger sind. Auch von ihnen befinden sich mehr als einhundert im ständigen Einsatz. Über 580 Zerstörer, 5000 Erkundungsschiffe und 10000 Spähboote gehören ebenfalls zur Flotte. Die Zerstörer besitzen die Anlage, welche erforderlich ist, gelenkte Energiebälle auszustoßen.« Inzwischen hatten sie sich Magya so weit genähert, daß
Einzelheiten erkenntlich wurden. Grüne Kontinente lagen in blauen Ozeanen, und deutlich sahen die Beobachter die schwarzen Flecke, die einst Städte gewesen waren. »Bomben«, sagte Anto bitter. »Radioaktiv! Für ein ganzes Jahrhundert werden diese Stellen unbewohnt bleiben müssen.« Sie glitten dicht über den Strand eines großen Meeres dahin, in das sich ein Felsrücken in Form kleiner Inseln wie ein Rückgrat fortsetzte. Ihre Eskorte hatte jetzt die Führung übernommen und verlangsamte die Fahrt fast bis zum völligen Stillstand. Und dann hielt Aarn erstaunt die Luft an. Die kleine, aber ungemein grelle Sonne Anrel und der tiefblaue, fast ins Violette spielende Himmel wurden von einem feinen Dunstschleier verdeckt, der immer dichter zu werden schien. Er kam aus der See und hüllte die wartende Flotte vollkommen ein, so daß selbst die Fernsehgeräte nichts mehr anzeigten. Schweigend warteten Aarn und seine Freunde, was geschehen würde. Einer der Zerstörer senkte sich auf die größte der Insel hinab, auf der plötzlich eine Veränderung zu bemerken war. Ein metallisch blitzender Ring von fast 150 Meter Durchmesser entstand, während der Boden einer gähnenden Leere Platz machte. Der Zerstörer sank tiefer und verschwand in der gewaltigen Öffnung, die den Eingang zum Innern des Planeten darstellte. Die Sunbeam folgte langsamer und tauchte in den riesigen Tunnel hinein. Schräg führte dieser hinab in die unbekannten Tiefen des Planeten. Aber nicht lange, dann
wurde es wieder hell, und sie befanden sich in einer unübersehbaren Werft, in der Schiffe über Schiffe in den Docks lagen. Eine unvorstellbar große unterirdische Fabrik für Raumschiffe! »Das ist San-Toa«, erklärte Anto seinen staunenden Zuhörern. »Wir wollen euch unsere Schiffe zeigen, denn ihr habt uns auch das eure nicht verborgen.« Aarn lachte gutmütig. »Irrtum, mein guter Anto. Wir haben dir – richtig genommen – überhaupt nichts gezeigt.« Anto sah ihn überrascht an. »Wieso? Habe ich mir nicht ungehindert die ganze Maschinerie anschauen dürfen?« »Schon, aber hat es dir etwas genutzt? Alles ist in Gehäusen verkapselt und dem freien Auge unsichtbar. Doch sei sicher, Anto, daß ich dir und deinem Volk alles erklären werde. Dort drüben sehe ich zwei Schlachtschiffe im Bau. Kannst du veranlassen, das man die beabsichtigten Energiespeicher nicht installiert, sondern wartet, bis ich euch Besseres zu bieten habe? Und zwar die von mir entwickelten Aggiespulen, die wesentlich kleiner und haltbarer sind als die üblichen Batterien. Ihre Ladekapazität ist viel höher, als man gewöhnlich annimmt. Außerdem möchte ich, daß ihr...« Aarn geriet ins richtige Fahrwasser und war nicht mehr abzubremsen. Und keine zwei Stunden später stand er vor hundert der fähigsten Wissenschaftler Magyas und wiederholte seine Ausführungen, denen er weitere Erklärungen hinzufügte. Er gab ihnen wertvolle Hinweise, gutgemeinte Ratschläge und Anregungen. Auch unterließ er es nicht, auf die gewaltigen Energiereserven der
mächtigen Sonne Anrel hinzuweisen. »Wer erfolgreich kämpfen will, benötigt unermeßliche Energien«, führte er aus. »Drei Dinge werde ich euch geben, die in alle eure Schlachtschiffe eingebaut werden können und die eure Kampfkraft stärken. Zuerst einmal Speicherbänke, sogenannte Aggiespulen, von unvorstellbarer Ladekapazität. Dann die magnetische Sphäre, die selbst Staubtorpedos schadlos abgleiten läßt und gelenkte Energiebälle in ein harmloses Feuerwerk verwandelt. Und schließlich und drittens den Transponstrahl, mit dem ihr die Panzer der feindlichen Schiffe zerschmelzen könnt. Zu allem jedoch gehören mehr Energievorräte, als sie jetzt in euren Schiffen aufzuspeichern sind. Ja, und fast hätte ich es vergessen: Selbstverständlich werde ich die Besatzungen eurer Flotte von den Anstrengungen der Beschleunigung befreien. Ich stelle mir das Anlegen der benötigten Energiereserven folgendermaßen vor: Vier Mutterschiffe werden restlos ausgeleert und mit Aggiespulen vollgestopft, die mit einem Transponprojektor verbunden sind. Dann werden sie schneller als das Licht zur Sonne fliegen. Dort sammeln sie die freigiebig verschwendete Energie, laden sie auf und bringen sie zurück nach Magya. Mit Leichtigkeit können sie hier ihren Vorrat an vier Schlachtschiffe, acht schwere Kreuzer oder zwölf leichte Kreuzer abgeben. Wer nicht für den Sieg kämpft, wird ihn niemals erringen.« Und damit wurden die Männer der Sunbeam zu den stärksten Verbündeten der um ihre nackte Existenz ringenden Magyaner.
9. Kapitel Don Carlisle war wieder einmal unzufrieden. Und wenn er das war, meckerte er gern. »Nun sitzen wir bereits seit 47 Tagen – und was für lange Tage – auf diesem Planeten herum und sind noch keinen einzigen Schritt vorangekommen. Ganz im Gegenteil! Die Tefflaner haben einen weiteren Angriff gestartet und ein Schlachtschiff sowie drei schwere Kreuzer vernichtet. Sie selbst verloren dabei nicht mehr als zwei leichte Kreuzer.« Spencer lächelte entsagungsvoll. »Lieber Bruder Faulpelz, ich will dir mal etwas sagen: Was dir fehlt, ist eine Beschäftigung. Du wanderst den ganzen lieben, langen Tag in den Werften umher und siehst den anderen bei der Arbeit zu. Wie eine verlassene Seele kommst du mir fast vor.« »Was soll ich denn tun?« empörte sich Carlisle. »Das ist es ja gerade, was mich so aufregt: Ich bin nicht zum Müßiggang geboren. Aber auf der anderen Seite habe ich nur Talent für ganz bestimmte Aufgaben. Als ihr die Sunbeam überholtet, habe ich kaum Hand anlegen können. Die Kücheneinrichtung und die Klimaanlage – ja, davon verstehe ich etwas. Aber das ist auch alles! Ihr habt den halben Kasten auseinandergerissen, und ich mußte hilflos zusehen. Und Aarn hat wieder eine neue Waffe entwickelt, das sogenannte Blitzgewehr, was immer das auch sein mag.« Aarn grinste zufrieden. »Jaja, die Physiker sind euch Chemikern eben über«,
erklärte er schadenfroh. »Dabei ist die Sache kinderleicht zu begreifen. Ein Energieball ist nichts anderes als zusammengeballte Energie – sehr logisch, nicht wahr? Er bleibt auch in dieser Lage, bis er sich der Materie nähert und somit in ein noch so geringes Gravitationsfeld gerät. Dann nämlich passiert es. Nur einen Nachteil hat mein Blitzgewehr – oder doch wenigstens das Geschoß selbst. Sobald es die Oberfläche eines Gegenstandes berührt, detoniert es augenblicklich. So versuchte ich, dem Energieball magnetische Haftfähigkeit zu verleihen, die der beabsichtigten Detonation nur eine Richtung erlaubte, nämlich die in das Innere des Schiffes. Seht euch mein Modell einmal an, Freunde. Es hat selbst auf dem kleinsten Späherschiff Platz.« Das »Gewehr« wog mindestens 150 Pfund, aber der Jovianer handhabte es wie ein leichtes Spielzeug. Er führte seine Freunde zu dem neu eingerichteten Laboratorium, einem riesenhaften Saal, mit Hilfe der wunderbaren Staubtorpedos in den nackten Felsen getrieben. Am fernen Ende des Raumes standen schwere Panzerplatten, mehr als zwanzig Zentimeter dick. Das war die ungefähre Stärke der Raumschiffhüllen der schweren Kampfschiffe. »Nun paßt mal gut auf«, riet Aarn und hob das Gewehr. Er zog den Drücker durch, eine leichte Erschütterung ging durch den Lauf, und dann verließ ein ständiger Strom orangefarbener Bälle die Mündung, um in leichtem Bogen zu den wartenden Metallplatten zu eilen. Die sofort erfolgende Detonation beschädigte die glatte Oberfläche des Metalls, richtete aber weiter keinen Schaden an. Der zweite Ball jedoch, der die gleiche Stelle
eine hundertstel Sekunde danach erreichte, vertiefte die Aushöhlung merklich; dann trafen der dritte, der vierte und der fünfte Ball. Als etwa hundert Energiebälle innerhalb von zwei Sekunden getroffen hatten, zerfloß die Metallplatte und fiel in zwei Teile auseinander. »Das«, stellte Aarn ruhig fest, »ist der Hauptgedanke und das Prinzip dieser Waffe. Steter Tropfen höhlt den Stein.« »Und ist die Wirkung draußen im All die gleiche?« wollte Carlisle wissen, der seinen Ärger vergessen zu haben schien. »Nicht ganz«, gab Aarn bekümmert zu. »Du mußt bedenken, daß die Schiffe sich bewegen und es somit schwer ist, immer die gleiche Stelle zu treffen, damit die Energiebälle Gelegenheit erhalten, sich durch die Panzerung zu fressen. Ich muß zugeben, daß die Staubtorpedos da praktischer sind.« Carlisle grinste plötzlich bis zu beiden Ohren. »Jaja, die Physiker«, sagte er triumphierend. »Diesmal finden sie keinen Ausweg. Bin gespannt, ob es hier auch Chemiker gibt. Ich werde Mayno Shar fragen, der leitet den Laden hier. Wartet hier, ich komme bald zurück. Ich habe nämlich eine Idee.« Und ohne eine Entgegnung abzuwarten, marschierte er davon. Auf seiner Stirn standen steile Falten, die von angestrengtem Nachdenken zeugten. Spencer sah ihm erstaunt nach, während Aarn verständnisvoll nickte. »Er hat eine Idee! Und wenn er dabei noch so intensiv nachdenkt, muß etwas dran sein. Ich kenne ihn nur zu gut. Möchte wissen, was er aushecken wird.«
Wenige Stunden später erfuhren sie es. Carlisle und Mayno Shar kehrten in das Labor zurück, in ein angeregtes Gespräch vertieft. Sie verlangten Aluminium, Eisenoxyd, Magnesium und ein Gerät, um magnetische Energiebälle zu erzeugen. Aarn mußte ihnen helfen, und er war genauso gespannt wie die beiden Chemiker, als er schließlich das Gebilde betrachtete, das sie in gemeinsamer Arbeit geschaffen hatten: Eine runde Bombe aus Graphit, mit Eisenoxyd und Aluminiumpulver gefüllt, dazu eine Zündvorrichtung und eine Treibdüse. Erst am folgenden Tage waren alle Vorbereitungen für den Versuch beendet. Ein abgewracktes Schlachtschiff diente als Ziel, ein Zerstörer als Abschußbase. Die Bombe traf die schwere Panzerung und haftete. Zehn Sekunden lang geschah überhaupt nichts. Dann verfärbte sich der Graphitball, wurde rot und schließlich weißglühend. Ein greller Strahl sprühte aus einer Öffnung genau an der Stelle, an der die Bombe das alte Schiff berührte. Der schmale, konzentrierte Energiefinger ließ das Metall schmelzen wie ein Strahl kochenden Wassers einen Eisblock. Langsam drehte sich der Ball dabei, und kaum eine Minute nach dem Auftreffen fiel die herausgeschweißte Platte aus der Armierung. Die runde Bombe drang in das Innere des Schiffes ein, angezogen durch die schiere Masse. Immer noch wanderte der alles vernichtende Energiestrahl umher und ließ Metall zu flüssigen Feuerbächen werden. »Einmal in meinem Leben habe ich eine experimentelle Vorführung gesehen, welche die Eigenschaften von
Graphit demonstrierte. Daher stammt meine Idee zu dieser Bombe«, sagte Carlisle befriedigt. »Das Zeug hält eine unvorstellbare Hitze aus.« »Ich habe niemals gedacht«, gab Aarn zu, »daß die Chemie uns so viel nützen könnte. Aber wenn der gute Carlisle eine Idee aus dem Lauf läßt, dann ist sie ihr Geld wert...« »Aus dem Lauf!« griff Spencer den Gedanken auf. »Carlisle hat doch den idealen Hitzestrahler entwickelt. Wie wäre es, wenn man diese Strahlen mit Hilfe eines Laufes lenken würde?« »Unmöglich«, lehnte Aarn sofort ab. »Erstens würde der Lauf sofort schmelzen. Und wenn nicht, würde sich der Strahl während seines Fluges zum Ziel abkühlen, so daß seine Wirkung verlorenginge. Aber ich glaube, wir können wenigstens auf den Schlachtschiffen Abschußbasen für diese neue Bombe einrichten. Damit sind wir ein gutes Stück weitergekommen.« Carlisle gab keine Antwort. Aber er strahlte über das ganze Gesicht. »Habt ihr eine Ahnung, wie sich die Magyaner den weiteren Verlauf des Krieges vorstellen?« fragte er einige Zeit später. Aarn nickte. »Wie mir Anto Rayl mitteilte, wollen sie weitere Ladeschiffe bauen und zur Sonne schicken. Außerdem sollen die Mondstützpunkte verstärkt werden. Und schließlich soll ein Generalangriff auf Teff-El erfolgen, bei dem die ganze Teufelsrasse ausgelöscht wird. Soweit ich verstanden habe, wollen sie dazu den Mond von Teff-El
benutzen, der einen Durchmesser von fünfhundert Kilometern hat. Sie wollen Teff-ran erobern und als gigantisches Geschoß verwenden.« »Bei den neun Planeten!« schnappte Carlisle nach Luft. »Ist denn so etwas möglich?« »Zumindest nicht unmöglich«, nickte Aarn mit versteckter Begeisterung ob des genialen Planes der Magyaner. »Sie wollen den Mond aus dem Gravitationsfeld von Teff-El herauslösen, um ihn dann hinabstürzen zu lassen. Aber das redete ich ihnen aus, denn es würde zuviel Energie verbraucht werden, ihn dann wiederum dem Einfluß von Anrel zu entziehen. So schlug ich ihnen vor, ihn einfach mit Antigravgeräten zu versehen und mit Wellenerzeugern, die den Mond gewissermaßen mit immer größer werdender Geschwindigkeit auf Teff-El hinabtreiben.« Er schwieg, denn Anto Rayl trat mit allen Zeichen der Erregung ein, eilte auf die Freunde zu. Ohne sie besonders zu begrüßen, teilte er ihnen gleich die große Neuigkeit mit: »Soeben kehrte eins unserer kleinen Beobachtungsschiffe zurück: Mehr als zwanzig Tage kreiste es mit unvorstellbar hoher Geschwindigkeit um Teff-El, so daß kein Suchgerät es entdeckte. Die schwarze Farbe machte es so gut wie unsichtbar. Es meldet, daß eine gewaltige Kriegsflotte den feindlichen Planeten verlassen hat. Die Tefflaner planen also einen Generalangriff auf Magya.« »Es bedeutet noch etwas anderes«, sagte Aarn, den die Nachricht nicht sonderlich zu erschüttern schien. »Sie haben ebenfalls eine neue Waffe entwickelt, die ihnen vielversprechend vorkommt. Sie wollen sie einsetzen, ehe
eure Flotte die Kampfmittel der von ihnen gefürchteten Sunbeam erhält. Vergiß nicht, daß selbst ihre schwersten Kreuzer unserem kleinen Schiff keinen Schaden zufügen konnten. Nun fürchten sie, eure ganze Flotte könnte derart unverwundbar werden. Darum der Angriff jetzt. Hier mein Rat, Anto: Sende ihnen einen unserer neuen Zerstörer entgegen, der sie zum Kampf herausfordern soll. Und ganz in die Nähe postiere Spähboote, die alles genau registrieren sollen, was geschieht. Das beste wird sein, der Vorgang wird gefilmt. Nun wollen wir nicht mehr zögern. Treffen wir uns an Bord der Sunbeam, wenn es soweit ist?« »Genauso lautet der Befehl des Oberkommandos«, lächelte Anto gezwungen. »Und noch etwas: Wir haben die Tefflaner seit Jahrhunderten bekämpft und kennen ihre Gedanken. Das schlimme dabei ist nur, daß sie auch die unseren kennen. Und genau das ist es, was mir solche Sorgen bereitet.« Aarn lächelte nicht, als Anto langsam und schleppenden Ganges das Labor verließ. Stumm sah er hinter ihm her.
10. Kapitel Die ständige Wachflotte war weit zurückgefallen, und in Kampfformation strebte die gewaltige Streitmacht der Magyaner in den Raum hinaus. Voran bildeten Spähboote einen weiten Ring. Mitten zwischen den Schlachtschiffen befand sich die Sunbeam, auf deren Bildschirm sich ein beängstigender Anblick bot. Die weit vorauseilenden Zerstörer dienten als Relaisstationen und vermittelten so den Eindruck dessen, was sich Magya näherte. Ein feiner Schleier schwebte fast bewegungslos in der unendlichen Ferne des Weltalls – die feindliche Flotte. Teleskope waren auf sie gerichtet und gaben Einzelheiten wieder. Entgegen allen Gepflogenheiten schickten die Tefflaner ihre schweren Schlachtschiffe voraus, ihnen zur Seite die Kreuzer. Und es waren alles neue, frisch gebaute Schiffe. Die Aufbauten, nie zuvor gesehen, verrieten neuartige Bewaffnung. Zwei Schlachtschiffe der Magyaner machten plötzlich einen Satz und verschwanden im überlichtschnellen Flug. Mit höchster Wahrscheinlichkeit würden sie niemals mehr zurückkehren, aber Opfer mußten gebracht werden, wollte man die Fähigkeiten des Feindes testen. Aber die beiden vorpreschenden Schiffe waren auch nichts anderes als tödliche Kampfmaschinen unvorstellbarer Wirksamkeit. Die Flotte der Magyaner blieb schnell hinter ihnen zurück, während die der Tefflaner sich rasend vergrößerte und deutlicher wurde. Sie schien dank der seltsamen Effekte, die das zu schnell vorbeieilende Licht hervorrief,
zu flimmern. Für den Feind unsichtbar, gelangten die beiden Magyaner mitten unter den Gegner, stoppten ab – und wurden sichtbar. Die Tefflaner waren vollkommen überrascht, denn ihren Erkenntnissen nach konnte nichts schneller als das Licht sein. Und dreißig Sekunden lang hatten die beiden Schlachtschiffe Gelegenheit, ungehindert ihre tödlichen Waffen zu benutzen. Tausend Graphitbomben verließen die Kampfmaschinen, suchten sich mit Hilfe der magnetischen Vorrichtung ihr Ziel, klebten unlösbar an den Hüllen der verschiedensten Feindschiffe und schmolzen sich dann den Weg in deren Inneres. Transponstrahlen schossen aus den Torpedoluken und zerschnitten feindliche Kreuzer glatt in zwei Teile; sie durchdrangen die Panzerung der schweren Schlachtschiffe, bohrten sich bis in das Herz der Schiffe hinein und sprengten sie in einem Regen glühender Metalltropfen auseinander. Staubtorpedos glitten drohend durch den Raum, fraßen sich durch Metallplatten, detonierten lautlos und zerrissen die Gebilde tefflanischer Technik. Eine große Anzahl der feindlichen Schiffe wurde so zerstört, ehe überhaupt die Ursache des Unglücks festgestellt werden konnte. Dann aber verließen silberne Geschosse die Leiber der angeschlagenen Giganten und eilten den Magyanern entgegen. Doch die von Aarn installierten magnetischen Sphären ließen sie wirkungslos im freien Raum explodieren. Blendende Induktionsströme versprühten an den Energieschirmen, die von den Magyanern bereits seit fünfzig Zeiteinheiten erfolgreich
angewendet wurden. Und dann geschah das Unfaßbare. Auf dem Schlachtschiff Hantu Toa fühlte jeder Mann plötzlich eine Welle des Schmerzes über sich herfallen. Sie ergriff von seinem Bewußtsein Besitz und löschte das Denken aus. Vor den Augen verschwamm alles, und zum Gehörzentrum drang kein Laut mehr. Die außer Kontrolle geratenden Muskeln und Nerven ließen ihre Körper und Gliedmaßen zucken, sie stießen einen unartikulierten Laut aus – und brachen tot zusammen. Langsam kroch die Welle des Grauens durch das ganze Schiff und vernichtete jegliches Leben in ihm. Noch im Fall berührte der Kommandant den Beschleunigungshebel, und die Hantu Toa schoß mit einem Satz voran und rannte in ein Schlachtschiff der Tefflaner. In einem grellen Aufblitzen verschwanden beide und verwandelten sich in reine Energie. Die Anlan Toa war glücklicher. Die Todeswelle hatte den Bug erreicht, und die ersten Schmerzensschreie erklangen, als der Kommandant die Situation erfaßte. Sofort beschleunigte er und verschwand vor den Augen der Feinde, um mit Lichtgeschwindigkeit zur eigenen Flotte zurückzukehren. Dort betraten Wissenschaftler und die drei Männer der Sunbeam die Anlan Toa, um die Ursache des grauenhaften Geschehnisses festzustellen. Und wenige Augenblicke genügten... »Sie starben an Blutgerinnsel«, sagte Carlisle heiser. »Und ich weiß auch warum«, setzte Aarn Munro hinzu. »Ultraschall! Irgendwie erzeugten sie innerhalb des Schiffes Ultraschallwellen. Wenn ich nicht irre, halfen wir
ihnen sogar dabei. Sie senden einen Induktionsstrahl, der sich mit den Wellen unserer Verteidigungsanlagen überlagert und so den Ultraschall hervorruft. Anders kann es nicht sein.« »Wenn wir also die Schutzschirme ausschalten, bleiben ihre Induktionsstrahlen wirkungslos?« flüsterte ein Magyaner ohne jegliche Begeisterung. »Ich denke schon. Sendet einen Zerstörer aus und laßt ihn es ausprobieren. Aber einen der neuen, damit ihn kein Torpedo erwischt.« Der Befehl ging aus, und einer der Zerstörer verschwand, als er Kurs auf den Feind nahm. Die Fernsehaugen folgten ihm, und auf den Bildschirmen bot sich das grausig-schöne Schauspiel eines heldenhaften Kampfes gegen eine gewaltige Übermacht. Graphitbomben schlugen den Tefflanern empfindliche Wunden, und Staubtorpedos zerrissen Metallpanzerungen. Der Transponstrahl verwandelte feindliche Zerstörer in glühende Asteroiden. Und wieder geschah etwas Unbegreifliches. Das Versuchsschiff hielt plötzlich in seiner Kampftätigkeit inne, schien zu zögern – und begann dann ganz allmählich zu zerfallen, als dränge sich der Verrottungsprozeß eines Jahrtausends auf wenige Sekunden zusammen. Dann wurden in einer Zehntelsekunde alle gespeicherten Energien der Aggiespulen frei. Eine künstliche Sonne ging mitten unter der Feindflotte auf, verglühte langsam und dehnte sich, schwach glühend, allmählich aus. Die elektrische Schockwelle ließ das Vorpostenboot mit der Relaisstation erzittern. Als das Bild wieder klar wurde,
gab es keinen Zerstörer mehr. Der Magyaner wandte sich stumm Aarn Munro zu. Sein Gesicht war totenblaß. Er schloß für Sekunden die Augen, um ihren erschrockenen Ausdruck zu verbergen. Dann sagte er schwer: »Vollkommene atomare Auflösung – aber das ist doch ganz ausgeschlossen!« »Sie haben es aber getan!« beharrte der Magyaner nicht zu Unrecht. »Haben wir es nicht mit unseren eigenen Augen beobachten können?« »Nein, sie haben es nicht getan!« widersprach Aarn. »Es scheint nur so. Kommt, Freunde! Kehren wir an Bord der Sunbeam zurück. Wir erhielten eine neue Aufgabe...« Aarn blieb eine Weile stumm in der Zentrale stehen, ehe er sich setzte. Langsam strich er sich mit der Hand über die Augen, ehe er leise sagte: »Ich glaube, ich hab's!« Seine Finger flogen über die Kontrollen, dann preßte er einen Knopf tief in seinen Sockel. Die Schiffe draußen verschwanden, als seien sie niemals dagewesen. Und schon Minuten später waren sie mitten unter den Tefflanern. »Wir sind nun unsichtbar«, erklärte Aarn kurz. »Lediglich an einer Stelle des Schirmes befindet sich eine Öffnung für das Fernsehauge. Und doch werden sie unsere Anwesenheit sehr bald bemerken, davon bin ich überzeugt. Carlisle, du übernimmst die Graphitbomben, ich werde das Schiff manövrieren. Spencer, kümmere du dich um das Antischwerkraftfeld und die Schutzschirme.« Aarn ließ die Sunbeam schnell um die eigene Achse kreisen, während die tödlichen Geschosse nach allen Richtungen davonstrebten, um ihr Ziel zu suchen.
Sekunden später war um sie herum die Hölle los. Eine plötzliche Erschütterung ging durch die Sunbeam und die Lichter erloschen, um gleich wieder aufzuflammen. Automatisch schlossen sich alle Luken, als das Fernseh auge ausfiel. Blind und ohne Orientierungsmöglichkeit hing das Schiff im Nichts. Aarn handelte schnell genug, das Ärgste zu verhindern. Der Transponantrieb heulte auf und jagte die Sunbeam aus dem feindlichen Verband heraus, hinein in den leeren Raum. Und damit in Sicherheit. »So etwas Ähnliches habe ich mir gedacht«, knurrte er dann erleichtert. »Außer dem Induktionsstrahl besitzen sie also noch etwas anderes, das alle unsere Sperren durchdringt. Die Wirkung gleicht der unserer Staubtorpedos, aber sie erfolgt mit Hilfe eines leitenden Strahles. Ungeheure Energien müssen dazu vorhanden sein. Und der Strahl läßt Materie nicht etwa aufglühen und verdampfen, sondern er läßt sie einfach zerfallen – zu Staub. Ich habe im Maschinenraum einige Geräte aufgestellt, die mir die Natur der neuen Waffe verraten werden. Unsere Berylliumhülle hat die Wirkung zu unserem Glück merklich abgeschwächt, während Stahl leichter angreifbar ist. Fast nehme ich noch an, sie arbeiten mit Schwingungen, die in ihrer Frequenz der molekularen Struktur des entsprechenden Metalls gefährlich werden können, sie zerstören und in Staub verwandeln. Ich möchte diese Waffe den ›Ermüdungsstrahl‹ nennen, denn etwas anderes ist es kaum. Jedes Metall leidet unter Ermüdungserscheinungen, wenn sich diese auch erst in Jahrmillionen bemerkbar machen. Die Tefflaner haben es
geschafft, diese Jahrmillionen in den Zeitraum von Sekunden zu pressen. Wir stehen also vor folgender Situation: Lassen wir den Schutzschirm eingeschaltet, kann der Ermüdungsstrahl aufgehalten werden, aber die Überlagerung tötet alle Menschen an Bord durch Ultraschall. Ich nehme an, beide Wirkungen haben den gleichen Ursprung. Schalten wir aber den Schirm ab, um unser Leben zu schützen – zerfällt das Schiff zu Staub.« »Und – was bleibt uns noch zu tun?« hauchte Anto Rayl. »Kämpfen!« entgegnete Aarn hart und kalt. »Natürlich ist es ein Schlag für uns, vor einer solchen schrecklichen Alternative zu stehen. Aber immerhin glaubten die Tefflaner, uns aus der sicheren Ferne vernichten zu können. Das aber ist unmöglich. Betrachte das als einen Trost, Anto!« Anto lächelte säuerlich. »Ein billiger Trost«, murmelte er schwach. Martin und Canning hatten ihre Reparatur beendet, und auf dem Bildschirm erschien wieder der vertraute Anblick des Raumes. Im Maschinenraum waren sieben Aggiespulen detoniert und hatten leichte Zerstörungen verursacht. Obwohl alles hätte viel schlimmer ausgehen können, wäre die Reise bald zu Ende gewesen. Die Flotte der Magyaner erschien auf dem Schirm, und Aarn verlangsamte die Fahrt. Er wandte sich an Anto: »Wir werden deinen Leuten sagen, daß sie nun kämpfen müssen – und zwar klug kämpfen. Das ist alles, was ich jetzt für euch tun kann, sowenig es auch ist. Aus sicherer Entfernung sollen sie die Torpedos und Bomben abschießen, denn wenn diese auch ihr Ziel nicht erreichen,
so bedeuten sie doch eine nicht zu unterschätzende Gefahr für den sich stetig nähernden Feind. Dann gib die Anweisung, daß bei allen Schiffen die Schutzschirme in regelmäßigen Intervallen ausgeschaltet werden, sagen wir ein- bis zehnmal pro Sekunde. Ich glaube, der Effekt dieser Maßnahme wird uns zufriedenstellen – wenn mich nicht alles täuscht.« Die Schlachtschiffe blieben etwas zurück, als die Flotte der Magyaner zum Angriff ansetzte. Diese taktische Umgruppierung hatte zur Folge, daß die mit Überlichtantrieb versehenen kleinen Einheiten plötzlich auf ein Kommando hin mit irrsinniger Geschwindigkeit dem Feind entgegenschossen, alle verfügbaren Bomben und Torpedos auslösten und in großem Bogen zur abwartenden Flotte zurückkehrten, wo sie ihre verausgabten Vorräte ergänzen konnten. Die weitereilenden Bomben fanden die Tefflaner völlig unvorbereitet und trafen auf sie wie eine geschlossene Front. Der feine Schleier der gegnerischen Flotte verwandelte sich in ein Lichtermeer aufblitzender Sonnen, die zwar schnell wieder erloschen, aber Tod und Verderben zurückließen. Die mit Aggiespulen und unsichtbare Transponstrahlen verschießenden Kanonen ausgerüsteten Spähboote der Magyaner nutzten die heillose Verwirrung des Feindes aus und griffen ihn ununterbrochen an. Dabei kam ihnen ihre Wendigkeit sehr zustatten, und fast unbehelligt bewegten sie sich mitten unter den Tefflanern, die mit aller Verzweiflung versuchten, ein verhängnisvolles Chaos zu verhindern. Sie verringerten ihre Geschwindigkeit, kamen so zum relativen Stillstand und begannen sich in loser
Ordnung zurückzuziehen. Die kleineren Schiffe konnten gegen die gleich großen Einheiten der Magyaner nicht viel ausrichten, denn ihre Torpedos wurden von den magnetischen Sphären unschädlich in den Raum abgelenkt und dort zur Detonation gebracht; einen Ermüdungsstrahl besaßen sie nicht. Und so kam es, daß sie fast alle vernichtet wurden. Inzwischen war die Gesamtflotte der Magyaner herangekommen. Tatkräftig griff sie in das entscheidende Geschehen ein. Das war insofern notwendig, als die kleinen Spähboote gegen Zerstörer und Kreuzer auf die Dauer nicht bestehen konnten. Nun aber traf den Gegner die konzentrierte Kraft der vernichtenden Transponstrahlen und der diesmal wohlgezielten Bomben und Torpedos. Der Hauptkampf fand zwischen den schweren Schlachtschiffen beider Formationen statt. Der Rat Aarns, die Schutzschirme nur in Intervallen einzuschalten, hatte sich als vorzüglich erwiesen. Zwar verspürten die Besatzungen immer noch die Wirkung der sogenannten Ermüdungsstrahlen, aber längst nicht mehr so stark wie zuvor und auf keinen Fall tödlich. Der stetige Schmerz, der wie eine sanfte Welle die Körper der Männer durchspülte, war nur unangenehm, mehr nicht. Die starke Panzerung der gigantischen Schiffe absorbierte eine Unmenge von Energie, und nur dann, wenn mehrere Strahlen gleichzeitig den gleichen Punkt der Hülle trafen, konnte die Wirkung für die Besatzung gefährlich werden. Dreißig Schlachtschiffen standen neunundzwanzig der Tefflaner gegenüber, zu denen sich jedoch weitere elf halbe
Schiffe gesellten, die – zum Teil manövrierunfähig – aus allen Rohren schossen. Die Ermüdungsstrahlen griffen wie durchscheinende Finger nach den Magyanern, aber die Entfernung schwächte ihre Wirkung noch weiter ab. Ebenso geschah es allerdings mit den Transponstrahlen. Wenn man diese jedoch lange genug auf ein Ziel richten konnte, erzeugten sie dort genügend Wärme, um die Lebensbedingungen innerhalb eines Schiffes unerträglich zu gestalten. Lediglich der Umstand, daß der stete Schmerz, hervorgerufen durch den Einfluß der Ermüdungsstrahler der Tefflaner, ein sicheres Zielen verhinderte, ließ den erwartenden Erfolg vorerst ausbleiben. Die Sunbeam befand sich hinter der vordersten Front und schickte dem Feind Bombe auf Bombe entgegen. »Ich schätze«, knurrte Aarn zwischendurch, »daß diese Runde an die Magyaner gehen wird. Mit einem Verzweiflungsangriff auf Magya selbst brauchen wir jetzt nicht mehr zu rechnen, dazu ist der Feind zu sehr geschwächt. Nur zu dumm, daß wir jetzt in diesem entscheidenden Stadium der Schlacht nicht eingreifen können.« »Wozu dann die Bomben?« kritisierte Spencer unzufrieden. »Können wir nicht noch einmal – so wie zu Beginn – mitten zwischen ihnen auftauchen?« »Sie haben uns längst erkannt und warten ja nur darauf, daß wir unser erstes Manöver wiederholen. Sobald wir hier verschwinden, werden sie doppelt wachsam sein, und wenn wir dann zwischen ihnen auftauchen, erhalten wir ein Energiebad, wie uns Anrel kein besseres zu bieten hätte.« Aarn schüttelte den Kopf, ehe er fortfuhr: »Und was die
Bomben angeht, so erfüllen sie sicherlich ihren Zweck. Vielleicht sind drüben die Wissenschaftler bereits an der Arbeit und haben schon herausgefunden, aus was diese teuflischen Kugeldinger bestehen, aber es nützt ihnen im Augenblick nicht viel, denn nichts kann die Bomben aufhalten, und außerdem sind sie nicht an eine Entfernungsbegrenzung gebunden. Umgekehrt haben wir aber die Möglichkeit, ihrer neuen Waffe wirksame Gegenmittel entgegenzusetzen. Das Herz eines jeden Schlachtschiffes dort vorn ist ein gefährdeter, hochexplosiver Punkt neben dem Maschinenraum. Und trotzdem kämpfen sie noch, wenn er getroffen wurde. Sie kämpfen, solange sie Luft zum Atmen vorfinden. Außerdem besitzen alle diese Schiffe dort keine reguläre Energiequelle.« »Lieber Satellitenhimmel!« empörte sich Carlisle bitter. »Wenn die süßen kleinen Dingerchen da vorn keine Energiequelle besitzen, dann möchte ich mal gern ein Schiff mit einer solchen kennenlernen.« »Regulär, sagte ich«, erinnerte ihn Aarn geduldig. »Sie ziehen alle Kraft aus Energiespeichern großer Kapazität, aber diese Speicher sind begrenzt. Wenn der Kampf noch sehr lange dauert, haben sie nicht mehr genügend Kraftreserven, um zu ihrem Heimatplaneten zurückzugelangen... bei allen Spektralnebeln! Das ist ja die Lösung!« Ohne ein weiteres Wort der Erklärung ließ Aarn die Sunbeam wenden und jagte mit voller Kraft Magya entgegen. Schneller als das Licht schossen sie durch den Zwischenraum. Nun erst fand Aarn Gelegenheit, seine Freunde und den erstaunten Anto Rayl von dem in
Kenntnis zu setzen, was er plante. Inzwischen erreichten sie die Werkstattinsel und tauchten in den sich auftuenden Kanal hinein, fanden die Werft und landeten. Aarn verließ die Schleuse und lief in weiten, leichten Sätzen auf die Tür seines Laboratoriums zu. Spencer rief Canning und bat ihn, Aarn zu folgen. Als er und Carlisle ein wenig später das Labor betraten, summten dort bereits die Elektronengehirne und Kalkulations maschinen. Dann begann die eigentliche Arbeit. Stunde um Stunde verging, während die Nachrichten von der Front draußen im All nur spärlich eintrafen Die beiden Gegner hielten sich die Waage, und keiner wollte dem anderen weichen. Lediglich die leichten Kreuzer und Zerstörer der Tefflaner zogen sich kämpfend zurück. Sie hatten genügend damit zu tun, sich die kleinen Spähboote der Magyaner vom Leib zu halten. Nach vier Stunden war das erste der neu entstandenen Geräte fertig, ein einfach anzuschauendes und primitiv zusammengesetztes Gehäuse mit Bedienungsinstrumenten. Weitere folgten schnell, und dann landeten die ersten Schiffe, um die Apparate aufzunehmen. Nach anfänglichen Erfolgen begannen die Tefflaner nun doch, sich endgültig zurückzuziehen. Die Magyaner folgten ihnen, getrieben von der Hoffnung, die ihnen das neue Gerät einflößte. Und dann, als schon fast die halbe Strecke nach Teff-El zurückgelegt worden war, setzten sie die neue Waffe ein, nichts anderes als eine bloße Verlängerung des Antischwerkraftfeldes mit wechselbarer Polarität.
Wie eine gierige Faust griffen die Strahlen und Wellen nach den Schiffen der Tefflaner und hielten sie fest. Die Kommandanten versuchten der unsichtbaren Hand zu entrinnen, indem sie alle Energien von den Kampfmitteln abzogen und in den Antrieb warfen. Aber vergeblich; langsam nur bewegten sich die Tefflaner voran, dem rettenden Planeten entgegen. Es hagelte Bomben gegen die sich verzweifelt wehrenden Schlachtschiffe, und dann vollendeten ShalTorpedos das grausige Werk. Die restlichen Zerstörer wurden von den Transponstrahlern erfaßt und vernichtet. Zwei Stunden danach gab es keine Kriegsflotte der Tefflaner mehr. Die treibenden Wracks wurden von den Magyanern eingefangen und in Schlepp genommen, denn Metalle waren knapp. Dem Gegner würde ohnehin für lange Zeit das notwendige Rohmaterial fehlen. Obwohl nun Teff-El ohne schützende Raumflotte war, wagten die Magyaner es nicht, den Planeten jetzt anzugreifen. Der stark befestigte Mond und die zehn Raumstationen, die um Teff-El kreisten, besaßen genügend Energien und Kampfmittel, auch die Flotte der Magyaner zu vernichten. Um die Rasse der Feinde an der Wurzel auszurotten, mußten neue Methoden ersonnen werden. Das Hauptziel jedenfalls war erreicht worden: Magya war vorerst vor den Angriffen der gehörnten Tefflaner sicher. Ein fast unbeschädigtes Schlachtschiff des Feindes wurde in San Toa auf die Werft gelegt, um untersucht werden zu können. Aber leider konnte die Natur des Ermüdungsstrahlers nicht mehr erkannt werden, da eine automatische Vorrichtung die gesamte Anlage bis zur Unkenntlichkeit zerschmolzen hatte.
Obwohl die Tefflaner den Magyanern nun Millionen von Tonnen besten Stahls in Form der Wracks geliefert hatten, waren sie nicht bereit gewesen, das Geheimnis ihrer neuen Waffe zu lüften.
11. Kapitel Nach der Konferenz kehrte Aarn mit einem grüblerischen Ausdruck in seinem Gesicht zu den Freunden zurück. Spencer betrachtete ihn forschend, ehe er fragte: »Nun? Die Untersuchung des Wracks hat natürlich nichts ergeben?« »Nichts! Aber das ist es eigentlich weniger, was mich beunruhigt. Wenn wir den eben durchsprochenen Plan in die Tat umsetzen, brauchen uns die Ermüdungsstrahlen kaum zu kümmern. Ich habe diesen Plan selbst angeregt und damit etliche Schwierigkeiten ins Leben gerufen. Die Brüder sind mir fast um den Hals gefallen vor Begeisterung. Regelrecht wild sind sie geworden.« »Und was«, erkundigte sich Spencer voll ungemütlicher Ahnungen, »hat ihre Begeisterung so hervorgerufen?« »Die – eh – Idee mit dem Mondschiff. Weißt du, wir müssen dem fabelhaften Ermüdungsstrahl etwas Größeres und Besseres entgegensetzen. Ganz einfach, nicht wahr?« »Sehr! Deswegen weiß ich aber immer noch nicht, was du mit einem Mondschiff willst. Die Dinger gibt es seit einigen Jahrhunderten.« »Ja – ich vergaß zu erwähnen, daß ich mit dem Mondschiff den ganzen Mond meine. Schließlich haben die Magyaner ja deren vier. Zwei Stück werden geopfert werden müssen, und zwar Ma-ran und Ma-kanee, also die Nummern eins und vier. Der innere Mond hat einen Durchmesser von knapp 150 Kilometern, und es ist doch offensichtlich, daß keine Desintegrationsstrahlen ihm etwas anhaben können, wenn man ihn aushöhlt und als Fort
benutzt. Auf die Idee kam plötzlich einer, und ich schlug dann noch vor, warum man dieses Fort nicht in Richtung Teff-El in Bewegung setzen solle, um die Gehörnten auf ihrem eigenen Planeten zu schlagen...« »Bei allen Satelliten – welcher Gedanke!« begriff Spencer nun endlich und hätte es fast gemacht wie die begeisterten Magyaner. »Ein ganzer Mond als Schlachtschiff! Mit einer undurchdringbaren Panzerung. Zu groß, um vernichtet werden zu können. Und mehr als achthundert Millionen Kilometer wird er durch das All reisen...« »Genau, Spencer! Die zehn Raumstationen der Tefflaner sind für unsere Schiffe unangreifbar, ebenso der Mond Teff-ran. Alle Stationen und der Mond sind an ihre Kreisbahnen um Teff-El gebunden. Ihre Energie gilt ausschließlich der Verteidigung. Ma-ran soll mit Hilfe eines Shal-Torpedos im Mittelpunkt Raum genug erhalten, die Anlage für einen Antrieb aufzunehmen. Dann soll er die Reise nach Teff-El antreten und in eine Bahn um den Planeten einbiegen. Ebenfalls eingebaute Strahler und Abschußbasen werden die zehn Stationen vernichten. Dann werden die Männer in Ma-ran den Mondantrieb auf volle Kraft schalten und in einem kleinen Schiff entfliehen. Mit Höchstgeschwindigkeit wird Ma-ran auf den Mond der Tefflaner prallen, der zwar eine Kleinigkeit größer ist, aber nichtsdestoweniger restlos vernichtet werden dürfte, denn Ma-ran wird beim Zusammenprall eine Geschwindigkeit von 75 Kilometern pro Sekunde besitzen. In der Zwischenzeit geschieht noch etwas anderes. Der
vierte Mond Ma-kanee mit seinen tausend Kilometern Durchmesser wird aus seiner Kreisbahn um Magya gelöst und von der Gravitation der Sonne ins All gerissen. Gerade auf Anrel wird er zufallen, immer schneller und schneller werden, um dann genau auf Teff-El zu stürzen Denn TeffEl wird sich zum errechneten Zeitpunkt exakt in der geraden Flugbahn befinden. Ein Steuermechanismus wird – falls nötig – jede beliebige Kurskorrektur ausführen.« »Und damit dürften unsere guten Freunde, die Magyaner, ein für allemal ihre Sorgen los sein«, stellte Spencer fest. »Wenn das mit den Monden so klappt, wie du erzählst. Klappt es?« »Du irrst, Spencer. Das allein kann ihre Sorgen schon deshalb nicht beenden, weil die Tefflaner ganze Schiffsladungen ihrer Rasse vorher in Sicherheit bringen können, um auf einer anderen Welt eine neue Kolonie zu gründen. Und dann hätten sie in einigen tausend Jahren die gleiche Situation wie heute. Um das zu verhindern hat sich bereits eine ganze Flotte von Spähschiffen und Kreuzern auf den Weg gemacht, um Teff-El in Form einer Kugelschale einzukreisen. Kein Tefflaner wird seinen Planeten unbemerkt verlassen können. Ich kann euch sagen, diese Magyaner meinen es diesmal verdammt ernst. Sie wollen es verwirklichen, daß niemals mehr Tefflaner Angehörige der menschlichen Rasse angreifen. Sie haben es schon einmal unter unvorstellbaren Opfern versucht, und die Erde wurde von den Gehörnten befreit. Ich bewundere sie...« Er machte eine kurze Pause, und in seinen Augen war ein grimmiges Leuchten. Mit einer abschließenden Handbewegung fuhr er fort:
»Mit der Zeit werden sie es auch schaffen, davon bin ich überzeugt. Sie planen den Bau von fünfzig Frachtern, um einen ständigen Nachschub an geladenen Aggiespulen von Anrel zu erhalten. Ja, sie haben sogar vor, von hier aus einen Leitstrahl zur Sonne zu senden, um so später – wenn er zurückkehrt – unabhängig von diesem umständlichen Transport zu sein. Und mit einer Energiequelle wie die Sonne Anrel im Rücken ist Magya unschlagbar. Die Herauslösung der beiden Monde soll langsam geschehen, um keine zu großen Störungen auf Magya hervorzurufen. Ihre Bahnen werden weiter und weiter werden, bis sie der Schwerkraft von allein entfliehen. Die erbeuteten Vorräte an Stahl und Eisen genügen, eine halbe Flotte neu aufzustellen. Die Teff-El hingegen haben fast alles verloren, und es wird schwer für sie sein, neues Rohmaterial herbeizuschaffen.« »Na, und wenn schon?« lachte Carlisle übermütig. »Dann nehmen wir eben den Mond und rammen damit ihre Schlachtschiffe.« Spencer machte ein derart gequältes Gesicht, daß Aarn sich ein Grinsen nicht verbeißen mochte. »Er will mit einem Elefanten eine Mücke erschlagen«, schüttelte der Ingenieur fassungslos den Kopf. »Mit einem Transponstrahl will er auf Schmetterlingsjagd gehen! Als wäre es nicht genug, daß sie mit Ma-ran den Mond von Teff-El vernichten – und wenn ich nicht irre, auch Teff-El selbst dabei nicht vergessen. Stimmt es, Aarn?« »Allerdings! Der Kollisionskurs ist so berechnet, daß die Trümmer beider Monde auf den Planeten stürzen. Trotzdem dürfen wir nicht den Fehler machen, den Gegner zu unterschätzen. Ich bin davon überzeugt, daß er in
kürzester Zeit eine Flotte kleiner Schiffe fertiggestellt haben wird, die mit Kampfstrahlern und ähnlichen Scherzen ausgestattet ist. Damit können sie uns schon einigen Ärger bereiten. Außerdem nehme ich an, daß eventuelle Kreuzer genau in ihrem Schwerpunkt einen Hohlzylinder aufweisen werden, um unseren magnetischen Bomben den Anhaltspunkt zu nehmen. Wenn sie vielleicht auch nicht wissen, wie man die magnetischen Granitbomben herstellt, so werden sie doch in der Lage sein, ihre Natur – und damit die Gegenmittel – zu erkennen. Aber ich habe ganz vergessen, euch zu sagen, was mich bei der ganzen Geschichte so beunruhigt. Der gefaßte Plan ist gut, daran kann kein Zweifel bestehen. Er bedeutet die hundertprozentige Vernichtung der teuflischen Rasse und ihres Planeten. Nichts wird von diesem übrigbleiben als eine treibende Masse kleiner Asteroiden, die um die Sonne kreisen. Und auf einem dieser kleinen Himmelskörper wird tief im geschmolzenen und wieder erstarrten Felsen etwas verborgen liegen, das wir dringend benötigen: die Datentafel mit den Angaben, die uns nach dort zu bringen vermögen, von wo wir kommen. Niemand im ganzen Universum aber wird diesen einen Planetoiden finden, der die unzerstörbaren Metallplatten birgt...« Spencer und Carlisle starrten Aarn erschrocken an. In ihren Gesichtern arbeitete es, aber sie brachten keinen Ton über die Lippen. Endlich, nach langen, qualvollen Minuten, stieß Spencer hervor:
»Was – was können wir tun?« »Das habe ich mich auch gefragt«, gab Aarn zu. »Was können wir tun, das zu verhindern? Santin Rao hat befohlen, daß die Aktion sofort eingeleitet wird. Die Berechnungen ergeben, daß die Vorbereitungen etwa 80 Tage in Anspruch nehmen werden – so lange also haben wir Zeit, die Datentafel zu finden. Gelingt uns das nicht, werden wir den Rest unseres Lebens in diesem System verbringen. Nicht daß es mir hier nicht gefiele, aber es ist doch nicht die heimatliche Erde. Zugegeben, innerhalb von dreißig Jahren wäre ich vielleicht in der Lage, alle Fragen zu lösen und den Transitionspunkt zu finden, aber das ist eine lange Zeit. Die Magyaner haben sich bisher nicht um dieses Problem gekümmert, sie hatten genug andere Dinge zu erledigen.« »Hast du überhaupt eine Ahnung, wo auf Teff-El die Metalltafeln sein könnten?« wollte Spencer wissen. »Nein, aber die Magyaner haben mir versprochen, uns zu helfen. Und ich bin gerade dabei, ein kleines – eh – Gerät zu entwickeln, das diese Suche beschleunigen könnte.« »Was ist es?« »Was ganz Kleines – ich weiß nicht, ob es funktioniert...« »Ah – wieder eins deiner süßen Geheimnisse, von denen du nichts verraten willst. Na gut, von mir aus. Dafür hat auch Carlisle eine Idee, die uns voranhelfen könnte. Vielleicht ist er so gut, dir seine Gedanken darzulegen. Bei einem Angriff auf Teff-El könnte uns sein Gedanke sehr von Nutzen sein.« »Zweifellos. Und wir benötigen mehr als nur Hilfe, wir
benötigen fast ein Wunder. Wenn moderne Waffen eingesetzt werden, kann die Stadt, in der sich die gesuchten Platten befinden, restlos zerstört werden – und die Platten mit ihr. Zumindest werden sie unter den Trümmern begraben und nie mehr gefunden. Wir müssen versuchen, die Aufzeichnungen heimlich und mit List zu finden und in Sicherheit zu bringen.« »Es wird so gut wie unmöglich sein, durch die Sperre der Tefflaner unbemerkt hindurchzugelangen. Denk an den Ring der Raumstationen, Spähschiffe, Teleskope und Fernsehaugen. Und sicherlich haben sie dazu noch radarähnliche Geräte, die jeden Floh aufspüren.« »Die Magyaner haben etwas Derartiges auch. Ein Mikrowellenradio im Bereich der 10-cm-Welle. Jede noch so kleine Materie reflektiert die Ausstrahlungen und zeichnet sie auf einem Schirm auf. Sie benutzen das Gerät zum Auffinden von Meteoren im Raum.« Carlisle bemerkte mit Unbehagen, daß man seine Idee anscheinend vergessen hatte, denn niemand interessierte sich für sie. So beschloß er, dem Gespräch ein Ende zu bereiten. »Wollt ihr nun sehen, was ich herausgefunden habe, oder nicht?« fragte er mit betonter Höflichkeit »Wenn ja, dann folgt mir ins Labor. Und wenn nein, dann gehe ich eben ohne euch.« Und damit schritt er entschlossen davon. Fünf Tage später etwa saßen Spencer und Carlisle gemütlich im Wohnraum des Ingenieurs und unterhielten sich über dieses und jenes. Es war warm, und die Tür stand weit offen.
Das Gespräch stockte urplötzlich, denn in den Raum hinein kam ein fußballgroßer, schwarzer Ball geschwebt, der schwerelos in der Mitte des Zimmers hängen blieb und starres, gläsernes Auge auf die beiden Männer richtete. Dann sagte der Ball in einer verzerrt klingenden, metallischen Stimme: »Wenn ihr beiden Asteroiden mit planetarischen Gelüsten die Güte haben würdet, mir zu folgen, könnte ich euch zeigen, wie Männer mit Verstand zu arbeiten pflegen.« Dann verharrte der Ball etliche Sekunden schweigend und unbeweglich an seinem Ort, ehe er mit einer gewissen Lässigkeit auf die Tür zu davonzuschweben begann. Bereits im Gang drehte er sich noch einmal, um das gläserne Auge den verdutzt Dasitzenden zuzuwenden. »Welch ein himmlischer Anblick bietet sich mir da! Zwei offene Froschmäuler und beängstigende Stielaugen. Na, ich hätte es mir denken können, daß zwei so unbegabte Dummköpfe der Mühe nicht wert waren.« Und langsam entschwebte die sprechende Kugel und verschwand im Korridor. Spencer faßte sich. Hastig sprang er aus dem Sessel. »Bei allen Geistern der Hyperspace! Der Jovianer hat mal wieder eine Idee gehabt! Das muß ich sehen!« Und er eilte auf den Gang hinaus, um dem fliegenden Straußenei nachzulaufen. Carlisle folgte ihm auf den Fersen, und selbstverständlich landeten sie in Aarn Munros Labor. Der Physiker saß grinsend vor einer riesigen Schalttafel und betrachtete einen Bildschirm, der genau das wiedergab, was das gläserne Auge des Balles aufnahm.
»Raffinierte Sache, was?« erkundigten sich Aarn und der Ball gleichzeitig. »Möchte bloß wissen, wem ich nun antworten soll«, fand Spencer seinen Sarkasmus wieder. »An sich sieht das Ei intelligenter aus, obwohl ich es zuerst für eine neue Art von Bombe hielt, die uns ins Jenseits befördern sollte.« »Keine schlechte Idee, und vielleicht läßt sich da etwas kombinieren. Im übrigen wird der Fernsehball bereits in Serie hergestellt. Er wird künftig dem Shal-Torpedo folgen und in das Innere der befindlichen Schiffe eindringen. Somit haben wir ein winziges Spähschiffchen, das ferngesteuert wird. Es ist mit einem Miniaturantrieb ausgestattet, hat zwei kleine, aber leistungsfähige Aggiespulen, einen Sender und Empfänger und eine Fernseheinrichtung. Das Bild ist noch nicht so deutlich, aber dafür funktioniert die akustische Anlage um so besser. Im Augenblick werden zehn Stück von ihnen pro Stunde fabriziert. Bald werden es fünfzig sein, und jedes Schiff bekommt einen solchen Spionball. Im übrigen ist unsere Ruhezeit vorbei. Die Sunbeam hat eine Spezialaufgabe erhalten, bei der uns sieben Schlachtschiffe und zwanzig Kreuzer begleiten werden – als Schutzgeleit. Wir sollen den Planeten Teff-El beobachten und jede Bewegung nach hier melden.« »Und bei dieser Gelegenheit«, vermutete Spencer augenzwinkernd, »werden wir uns um die Datentafeln kümmern.« »Erraten!« lachte Aarn. »Und wir werden sie finden, vorausgesetzt natürlich, die Tefflaner wissen selbst, wo sie verborgen sind. Gott sei Dank bekommen wir einige Magyaner mit, die ausgezeichnet Tefflanisch lesen und
sprechen können.« »Doch um auf meine Erfindung zurückzukommen – ihr habt den wunderbaren Ball ja noch gar nicht richtig kennengelernt. Ich bin sehr stolz darauf, das könnt ihr mir glauben. Ihr habt doch sicher bemerkt, daß der Bildschirm die Eindrücke nur schwarzweiß wiedergibt, aber nicht in Farbe. Das ist so zu erklären, daß es sich eigentlich um zwei Televisionsempfänger handelt, nämlich einen für normalen Betrieb, und den anderen...« Der Schirm wurde plötzlich blaß, als Aarn auf einen Knopf drückte. Dann erlosch er. Für einige Sekunden blieb er dunkel, leuchtete dann wieder auf. Aber die Szene war nun eine andere. Sicher, sie erkannten den gleichen Raum wie zuvor, und auch sie selbst saßen oder standen, wie das Fernsehauge sie sah. Die Beleuchtung jedoch war anders. Die Zimmerwände reflektierten ein schwaches Glühen, das aus ihren eigenen Körpern zu dringen schien, die nichts als phosporeszierende Silhouetten waren. »Infrarot!« sagte Aarn mit Betonung. »Eine der tollsten Sachen, die ich je entwickelte. Damit kann ich in völliger Finsternis sehen.« »Das geht über meinen Verstand«, gab Carlisle mürrisch zu, ohne seine Anerkennung zu verbergen. »Dein Gehirn befindet sich jenseits der Linie normaler Gehirne – und ich glaube doch, ein solches zu besitzen. Zuerst baust du ein Raumschiff, das kein Problem der Gravitation mehr kennt, die Energie stiehlst du von den Sternen, du machst es unsichtbar und fliegst schneller als das Licht. Und nun auch noch das!« »Dabei ist die Entwicklung nichts als logisch«, lächelte
der mächtige Jovianer. »Man wußte schon lange, daß es eine Schwerkraft gibt – warum nicht auch etwas, das dagegen wirkt? Und ebenfalls wußte man, daß Hitze Wellen ausstrahlt. Die Körperwärme eines Menschen kann aufgefangen und sichtbar gemacht werden – und mehr habe ich ja auch nicht getan. Ist das so verwunderlich?« »Wenn ich das bejahe, so lachst du mich aus. Also – es ist nicht verwunderlich! Ich gebe zu, damit vergrößert sich unsere Chance, die Metallplatten auf Teff-El zu finden. Ich frage mich nur, wie wir sie dann auch holen wollen?« Aarn seufzte. »Du hast unbestreitbar das Talent, anderen Leuten die Freude zu verderben, Don. Ist es nicht unsere wichtigste Aufgabe, sie erst einmal zu entdecken? Und wenn wir sie gefunden haben, werden wir schon einen Weg finden, sie den Tefflanern abzunehmen. Ist das klar?« Carlisle betrachtete sinnend den unheimlichen Bildschirm. »Klar...« murmelte er ergeben.
12. Kapitel Die zwei letzten Schlachtschiffe, die von den Magyanern erbaut worden waren, hießen Santir Ranla und T o a l Deenar. Sie gehörten zu der Schutzeskorte, welche die Sunbeam auf ihrer gefährlichen Reise begleiteten. Die Tefflaner zeigten Unruhe, als sie die starke Flotte des Feindes außerhalb der Reichweite ihrer Strahlwaffen auf den Stationen entdeckten. Sie sandten einen schweren Kreuzer aus, um nach dem Rechten zu sehen. Die beiden Giganten benötigten ganze 45 Sekunden, das mächtige Schiff derart zu beschädigen, daß sich keine lebende Seele mehr an Bord befand. Und sogleich danach begannen sie, das wertvolle Metall der Panzerung auseinanderzuschweißen und in den Laderäumen zu verstauen. Aarn machte sich an seine Aufgabe. Zusammen mit Anto Rayl und anderen Magyanern befand er sich im Kontrollraum der Sunbeam vor der neu eingerichteten Schalttafel mit dem ovalen Bildschirm. Der erste Fernsehball – einfach »Spion« genannt – war nach Teff-El unterwegs, auf dessen Oberfläche er unbemerkt landen sollte. Teff-El war immerhin eine Million Meilen entfernt, was wiederum bedeutete, daß die Fernsteuerung nicht so exakt funktionierte, wie es erforderlich schien. Die Licht- und Funkimpulse benötigten wertvolle Sekunden, um an ihr Ziel zu gelangen. Ganz vorsichtig nur konnte Aarn den Ball lenken, aber immerhin befand er sich nun näher an der Oberfläche von Teff-El, als jemals zuvor ein Magyaner
gewesen war. Er schwebte achtzig Kilometer über dem wilden Land und gab seine Eindrücke an die Sunbeam weiter. Aber in diesem Augenblick ereignete sich der Zwischenfall mit dem feindlichen Kreuzer, und Aarn war gezwungen, den Standort zu wechseln. Als er zurückkehrte, stürzte der Spion gerade in eins der zahlreichen Meere und entzog sich so der Fernkontrolle. »Ich muß einen anderen ausschicken«, gab Aarn bekannt. »Und das dauert wieder einmal drei volle Stunden – wenn wir nicht gestört werden.« »Warum schickst du nicht gleich eine ganze Reihe von ihnen auf die Reise? Einer wird schon durchkommen.« Aarn nickte Anto, der diesen Vorschlag machte, anerkennend zu. »Keine schlechte Idee, wenn auch die Steuerung schwierig sein dürfte. Aber sie sind so konstruiert, daß sie alle auf eine bestimmte Wellenlänge reagieren. Auf der zweiten Länge kann ich sie individuell lenken. Ich denke, Canning kann das arrangieren. He, Canning! Hast du einen Augenblick Zeit...?« Zu Aarns Überraschung reagierte der erste Spion auf die sieben Sekunden später eintreffenden Impulse und tauchte wieder aus dem Meer auf. Langsam glitt er über die wenig bewegte Oberfläche dahin und näherte sich schließlich einer wilden, felsigen Küste. »Wir werden uns ihre Welt ansehen«, murmelte Aarn. »Ist Cantak nicht ihre größte Stadt, Anto? Um jedoch keine Verzögerung auftreten zu lassen, benötigte ich ein sicheres Versteck, um eine genügende Anzahl der Spione unterzubringen. Vielleicht eine Höhle an dieser Steilküste.
Wie verhält es sich mit den Gezeiten?« »Nicht bemerkenswert«, verkündete Anto Rayl. »Der Mond ist zu klein dazu und außerdem zu weit entfernt.« Langsam schwebte der dunkle Ball an der Küste entlang, nicht schneller als ein Fußgänger geht. Wenn ein Hindernis auftauchte, war es für Aarn fast zu spät, eine Kursänderung vorzunehmen, weil die Stromimpulse zu lange benötigten, den Steuermechanismus in Tätigkeit zu setzen. »He, Canning!« rief er in Richtung des Maschinenraums. »Wie weit bist du mit dem Einbau des zweiten Impulsempfängers? Denk daran, ein winziges Antischwerkraftfeld um die Spione zu legen, denn wir haben nicht Zeit genug, immer wie die Schnecken über Teff-El hinwegzukriechen. Sie müssen automatisch einem Hindernis ausweichen.« »In Ordnung, Dr. Munro. Die zweite Wellenlänge funktioniert bereits – ich mußte eine weitere Spule einbauen Wegen des Antigravfeldes will ich mal sehen; wenn noch Platz in den Bällen vorhanden ist, schaffe ich es mit Aggiespulen.« Aarn wandte seine Aufmerksamkeit erneut dem Bildschirm zu, auf dem jetzt der Eingang zu einer Höhle sichtbar wurde. Sieben Sekunden später hielt der Spion an, änderte seine Richtung und näherte sich dann langsam der schwarzen Öffnung. Dann wurde es finster. Aarn drückte auf einen Knopf und wartete. Die Anlage für Infrarot trat in Tätigkeit. Die bislang im Schwarz ewiger Nacht verborgenen Felswände begannen schwach zu glühen und verrieten somit ihre Umrisse und Begrenzungen. Der Spion glitt weiter; er legte nun etwa einen Meter in der Sekunde zurück.
Doch selbst das war zu schnell. Drei Meter vor dem Fernsehauge tauchte plötzlich die Felsnase auf. Aarn hieb auf die Taste und veranlaßte die Kursänderung. Langsam jedoch schwebte der Spion weiter, kollidierte mit dem Felsen – und sieben Sekunden nach dem wirklichen Ereignis erlosch der Bildschirm. Die akustische Übermittlung hingegen fiel nicht aus. Deutlich kamen aus dem Lautsprecher die Brandungsgeräusche und ein hartes, schwingendes Summen. Der Antrieb des Spions versuchte offensichtlich, den Felsen beiseite zu schieben. »Die optische Beobachtungsmöglichkeit ist dahin«, deklamierte Aarn, indem er auf den Bildschirm zeigte. »Kein Wunder, denn die knappe Zeit, die uns zur Verfügung stand, ließ sorgfältige Arbeit bei der Herstellung nicht zu. Die Sender hingegen tun nach wie vor ihre Pflicht. Aber was nützt uns eine Schraube mit Rechtsgewinde, wenn wir eine solche mit Linksgewinde benötigen?« Canning kam in die Zentrale und unterbrach die philosophische Anwandlung des Physikers. »Sechs Stück habe ich fertig«, verkündete er stolz. »Selbst das kleine Antigravfeld wird seine Pflicht tun.« »In Ordnung. Schick sie gleich aus, Canning. Wie groß ist die Leitwelle?« »Genau 11,55. Darauf also reagieren alle. Die Daten der Einzelsteuerung habe ich aufgeschrieben...« Diesmal klappte es vorzüglich. Aarn brachte fünf der Spione im Hintergrund der Höhle unter und stationierte sie dort. Mit Hilfe der Einzelsteuerung lenkte er dann den sechsten auf den Weg zur Hauptstadt Cantak.
Sehr bald erschien auf dem Schirm das Bild einer Straße, auf der hin und wieder ein Tefflaner entlangtrottete. Zu seiner eigenen Überraschung stellte Spencer fest, daß sich seine kurzen Nackenhaare senkrecht in die Höhe richteten, als er die Gehörnten nun so deutlich vor sich erblickte. »Diese Monstren!« flüsterte er heiser. »Bestien!« Anto Rayl lächelte verstehend. »Du bist ein Mensch, und somit von deinen Gefühlen abhängig. Ich kenne die Tefflaner und habe sie schon oft gesehen, aber ich hasse sie nach jeder Begegnung mehr. Und doch weiß ich, daß es intelligente, logisch denkende Lebewesen sind, die weder grausamer noch schlechter sind als wir. Unser Haß auf sie entspringt dem Instinkt und dem vergessenen Erleben der Vergangenheit. Sie und wir, wir sind wie – wie...« »Wie Katze und Hund«, half Aarn ihm bereitwillig. »Ihr werdet mit diesem Haß geboren – und sie auch.« Der Spion erhöhte seine Geschwindigkeit und stieg etwas an. Passagierschiffe eilten geschäftig zwischen den Städten hin und her, ohne den kleinen schwarzen Ball zu bemerken. Und dann tat sich eine gewaltige Öffnung in der Oberfläche von Teff-El auf: der Einflug zur Hauptstadt Cantak. Langsam nur bewegte sich jetzt der kleine Spion und wartete, bis ein größeres Schiff sich in den Schacht hinabsenkte. Blitzschnell schoß er dann vor und verbarg sich unter den kurzen Stummelflügeln. Die Magnetpfoten sorgten für einen sicheren Halt. Das Schiff landete auf einem weiten Feld inmitten der Stadt. Aarn bediente gewandt die Fernsteuerung, und der Spion löste sich von seinem Halt, um senkrecht nach oben
zu streben und in der dunklen Deckenbegrenzung der überdimensionalen Höhle ein Versteck zu finden, von wo aus die Beobachtung leichtfallen würde. Niemand achtete auf den schwarzen und fast unsichtbaren Ball, der kurz darauf überall und nirgends zu finden war. Er steckte in dichten Büschen in Parks, verbarg sich in Blumenvasen oder Zimmern; überall lauschte er, sah er, horchte er. Durch die schmalen Schächte der Klimaanlagen glitt er, schwebte unbemerkt in großen Sälen und suchte die Geheimnisse der Tefflaner. Niemals zuvor hatten die Magyaner eine solche Gelegenheit besessen, die Gewohnheiten ihrer Todfeinde zu studieren. Es war Nacht in der unterirdischen Stadt, und die Beleuchtung war entsprechend reduziert worden. Ein einsamer Wachmann wanderte durch die leeren Straßen. Der Spion konnte sich nun frei bewegen, fand dafür aber auch weniger Gelegenheit, ein Gespräch zu belauschen und der Sunbeam zu übermitteln. Manchmal waren hinter verschlossenen Türen sich unterhaltende Tefflaner, aber selten nur drangen die Gesprächsfetzen bis an die empfindlichen Membranen des Spions. »Ich glaube, diesmal wird unser Angriff die Magyaner überraschen«, hörte er einmal deutlich. »Dagegen kennen sie kein Mittel. Der neue Todesstrahl wird...« Die Stimme wurde undeutlicher. Oder: »Die zuletzt konstruierten Schiffe besitzen im Zentrum einen Hohlraum«, sagte jemand wichtig zu einem anderen, den der Spion nicht sehen konnte. »Die Bomben der
Magyaner werden keinen Schaden mehr anrichten. Und was die magnetischen Klammerungen angeht, so macht Hoo Ralsops Gerät sie unwirksam.« »Man vermutet«, entgegnete der Unsichtbare darauf, »daß jene Fremden, mit denen eine unserer Patrouillen in ein Gefecht verwickelt wurde, von jener verschollenen Heimat stammen und Nachkommen der alten Ma-jhayanhu sind. Es muß ihnen gelungen sein, die Mauer zu durchdringen. Vielleicht sind es nur Botschafter. Aber ihr Schiff ist ein derartiges Wunder an moderner Technik, daß wir annehmen dürfen, auch die Teff-Hellani haben sich dort entsprechend entwickelt.« »Hoo Ralsop ist übrigens dabei, ein Funkgerät zu bauen, mit dem er hofft, die Mauer zu durchbrechen und so Verbindung mit dem anderen Universum aufzunehmen...« Aarn wandte sich an Anto: »Ich möchte wissen, wer dieser verdammte Hoo Ralsop ist. Sicher ein berühmter Wissenschaftler. Wenn er schon dabei ist, wenigstens auf dem Funkwege die Mauer zu überwinden, sind seine und meine Absichten identisch. Ich wette einen ganzen Planeten gegen einen lächerlichen Asteroiden, daß er die genauen Daten der Tafeln zur Verfügung hat. Und wenn, kann er sie überhaupt lesen, Anto?« »Mit der Zeit schon. Die Tafeln wurden in der alten, längst nicht mehr gebräuchlichen Sprache geschrieben, aber wir würden ihren Sinn schon entziffern. Und die Tefflaner kennen unsere moderne Sprache ebenfalls. Nach einigem Studium werden sie also bestimmt in der Lage sein, die alten Dokumente zu lesen.« »Vielleicht haben sie sie bereits übersetzt.«
»Kaum. Sie maßen ihnen nicht so große Wichtigkeit bei, genauso wenig wie wir. Man wird sie mehr als Heiligtum betrachten. Wir sind auch im Besitz alter tefflanischer Aufzeichnungen und haben uns bisher nicht der Mühe unterzogen, sie zu übersetzen. Wozu auch? Ist das so wichtig?« »Und ob es wichtig ist! Ich möchte verhindern, daß tefflanische Schlachtschiffe die Mauer durchbrechen und die Erde angreifen. Wir besitzen kaum Verteidigungsanlagen, und es wurde den Bestien gelingen, unsere ganze Zivilisation auszulöschen. Ich muß diesen Hoo Ralsop finden! Er scheint mir gefährlich zu sein, und notfalls schicke ich ihn mit Hilfe eines explosiven Spions in die Hölle, wo er hingehört.« Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Bildschirm zu. Und aus dem Lautsprecher drangen die Worte eines Tefflaners: »... schon vernommen, was die Regierung bekanntgab? Hoo Ralsop hat sich mit den metallischen Platten beschäftigt, die im großen Heiligtum liegen. Er behauptet, sie stammen von der alten Welt und beschrieben die Methode, mit der man von einem Universum in das andere gelangen könne. Diese Platten...« Die leise Stimme des Übersetzers überlagerte die der Tefflaner so geschickt, daß den Zuhörern kaum zu Bewußtsein kam, daß sie kein Wort von der ursprünglichen Sprache verstanden. Aarn gab das Stoppsignal, und es dauerte lange, wertvolle Sekunden, bis der Spion reagierte. Dann trieb er langsam wieder zurück bis vor die Tür, hinter der das interessante Gespräch stattfand. Ein Teil davon fehlte nun.
Atemlos lauschten sie. »... man wird sie ihm selbstverständlich nicht überlassen, da sie geheiligtes Altertum sind. Man sagt, sie würden eines Tages unsere Rasse zu Ruhm und Erfolg führen. Aber sie müssen unangetastet bleiben, denn nicht umsonst haben die Alten sie aus unzerstörbarem Metall hergestellt.« »Hoo Ralsop erhielt die Erlaubnis, Kopien von ihnen herzustellen, und sie entsprechen so genau dem Original, daß selbst feinste Kratzer auf dem Papier zu sehen sind. Mit Hilfe von Sol Kaldan, dem hervorragenden Physiker, wird seine Arbeit nicht ohne Erfolg bleiben.« »Und was nützen ihm diese alten Überlieferungen? Sind unsere heutigen Waffen nicht moderner und wirksamer?« »Sie enthalten das Geheimnis, wie man die trennende Mauer zwischen den Universen durchdringt, wie es jene Fremden getan haben, die uns so viel Schaden zufügten. Denke an den Bericht der Patrouille. Der Kommandant kam ja mit dem Leben davon. Er sagte aus, das fremde Schiff habe plötzlich aus dem Nichts materialisiert; es könne niemals auf gewöhnliche Weise gekommen sein.« »Und der Physiker von Santakalt sagt, sie stammen aus dem anderen Universum.« »Und warum – was ist das? Der Magnetometer flackert. Das kann nur bedeuten, daß sich eine fremde Kraftquelle in der Nähe befindet. Das ist verdächtig. Wir wollen nachsehen...« Ohne zu überlegen, preßte Aarn einen Knopf nieder, der den Impuls an den Spion gab, sich mit höchstmöglicher Geschwindigkeit zu entfernen. Aber inzwischen waren sieben Sekunden vergangen, und weitere sieben würden noch vergehen.
Und die Tefflaner handelten blitzschnell. Einer von ihnen erschien in der Tür und starrte auf den reglos schwebenden Ball. »Was ist das?« fragte er laut und griff danach. Geschickt wich der Spion aus. »Er hat eine eingebaute Kontrolle«, stellte der Tefflaner fest. »Werden wir gleich haben.« Er stürzte in den Raum zurück und erschien zwei Sekunden später mit einer Metallplatte, an der eine Leitung befestigt war. Entschlossen hielt er sie dem unheimlichen Ball entgegen. Und der Spion sprang der Platte – einem überstarken Elektromagneten – mit einem wilden Satz entgegen und haftete daran fest, als sei er ein Stück von ihm. Aarn seufzte und drückte auf einen roten Knopf. Zuerst erreichten den Spion die Fluchtimpulse, aber vergeblich versuchte er, sich von dem Einfluß des Magneten zu befreien. Und weitere fünfzehn Sekunden später kam das Signal zur Selbstvernichtung. Er wurde rotglühend und zerschmolz unter enormer Hitzeentwicklung. Aber noch zuvor erlosch der Bildschirm in der Sunbeam. »Der wäre also auch dahin«, murmelte Aarn ergeben, wenn auch nicht enttäuscht. Denn immerhin wußte er nun, daß die alten Datentafeln wirklich existierten. »Jetzt müssen wir diesen Hoo Ralsop finden. Sie nannten einmal den ›Physiker von Santakalt‹ – was ist das, Anto? Ob es dieser Hoo Ralsop ist?« »Mit Sicherheit«, bejahte Anto Rayl. »Ich entsinne mich jetzt, daß wir auf einigen zerstörten Feindschiffen Aufzeichnungen fanden, die von Santakalt als dem wissenschaftlichen Forschungszentrum Teff-Els sprachen.
Santakaruck ist eine Zweigstelle mit dem größten Raumhafen.« »Weißt du, wo dieses Santakaruck liegt?« »Ja, das ist in etwa bekannt. Wir können einen Spion nach dort senden. Aber – wie willst du Hoo Ralsop auftreiben?« Aarn lächelte plötzlich, und ein Schimmer schelmischer Freude stahl sich in seine Augenwinkel. »Das ist furchtbar einfach, wenn er wirklich so wichtig und einflußreich ist, wie es den Anschein hat.« Er ließ einen Spion aus der Höhlenbasis ins Freie und setzte ihn in Richtung Santakaruck in Bewegung. Dann ließ er dem ersten einen zweiten folgen, der seinerseits den ersten ständig unter Beobachtung hielt. Aarn hatte alle Hände voll zu tun, bis die beiden Bälle den Eingang zur Domstadt fanden. Dann tat er etwas sehr Merkwürdiges. Er schickte den einen Spion vor, während er den zweiten etwas abseits in Deckung hielt. Deutlich war auf dem Bildschirm der Sunbeam zu erkennen, was nun geschah. Eins der Scoutschiffe entdeckte den schwarzen Ball, der im langsamen Flug in die Stadt hinabtauchte. Es zögerte nicht, das seltsame Gebilde näher in Augenschein zu nehmen, was der Besatzung um so leichter fiel, als der Spion nicht einmal den Versuch einer Flucht unternahm. Sie verankerten den Ball mit Magnetklammern und brachten ihn dann triumphierend als Beute in die wartende Stadt hinab. Sie sahen nicht, daß irgendwo zwischen den Flossen ihres Schiffes verborgen ein zweiter, gleicher Ball haftete, der sich so nach Santakaruck hineintragen ließ.
Wie ein Bluthund heftete er sich dann an die Fersen des ersten, der von Dienststelle zu Dienststelle zu wandern begann, bis er endlich in den Laboratorien der Wissenschaftler landete. »Ich denke, es ist eine Bombe – eine Art ferngesteuerter Torpedo«, vermutete einer der Physiker. »Unsinn!« protestierte ein anderer. »So dumm sind die Magyaner nun auch wieder nicht. Ich bin überzeugt, da steckt mehr dahinter als nur das. Wir müssen das Ding mit aller Sorgfalt einer gründlichen Untersuchung unterziehen. Mich interessiert besonders die Art des Antriebs und der Lenkung. Jedenfalls sind sie nicht in Massen vorhanden, oder habt ihr weitere bemerken können?« Diese Frage galt dem Kommandanten des Scoutschiffes. Der schüttelte den Kopf. »Nein, es wurden keine gesehen, hoher Herr!« »Dann macht das nächste Mal eure Augen auf.« »Jawohl, hoher Herr!« Damit verließ er den Raum. »Vielleicht ist es doch eine Bombe«, versuchte der erste Physiker erneut seine Meinung anzubringen. »Möglicherweise sogar eine von der Art, wie wir sie vorbereiten: Bakterien.« »Welch ein häßlicher Gedanke«, lehnte der »hohe Herr« diese Vermutung ab. Seine schmalen Finger, die prüfend über das glatte Metall des Spions strichen, zogen sich erschrocken zurück. »Kann man das Ding untersuchen?« »Ich würde empfehlen, den Meister zu rufen. Hoo Ralsop wird sich sehr für das hier interessieren, denn kann es nicht möglich sein, daß es eine Erfindung von jenseits
der Mauer ist?« »So dumm sind die Brüder gar nicht«, erkannte Spencer voller Neid an. »Und was sagten sie da über Bakterien? Sie werden doch wohl nicht die Absicht haben, Magya mit Bakterienbomben einzudecken?« »Ich fürchte doch«, sagte Aarn ernst. Anto Rayl lächelte. »Darauf können wir uns jetzt entsprechend vorbereiten. Wie werden sie sich freuen, wenn sie bei der Untersuchung des Spions feststellen, daß wir ihre Unterhaltung belauscht haben.« »Sie werden das niemals feststellen, dieser Hoo Ralsop schon gar nicht«, nahm Aarn ihm die Freude. »Wenn der ›Meister‹, wie sie ihn nennen, den Spion auseinandernimmt, würde er zuviel lernen.« In diesem Augenblick übermittelte der zweite Spion den Eintritt eines weiteren Tefflaners. »Hoo Ralsop läßt ausrichten, daß er sich auf dem Wege nach hier befindet. Aber er ist verärgert, weil er im Studium der alten Botschaften gestört wurde.« Der Physiker hatte inzwischen das Fernsehauge an dem gefangenen Spion entdeckt. »Beim gewaltigen Renoo!« rief er aus. »Das ist ja keine bloße Öffnung, sondern ein Kristall, das Licht auffängt oder verstrahlt. Ich möchte wetten, es ist eine Linse.« »Was? Eine Linse? Das glaube ich nicht.« »Doch, es kann nichts anderes sein! Warten wir ab, was Hoo Ralsop dazu sagen wird. Bis dahin aber empfehle ich, nicht mehr soviel zu reden. Wenn es schon keine Bombe ist, dann ist es ein ferngesteuertes Aufnahmegerät. Überall kann es hingelangen und unsere Geheimnisse stehlen. Ich kann nur nicht verstehen, daß es sich so leicht fangen ließ.
Vielleicht ist der Mechanismus der Lenkung ausgefallen. Legen wir etwas über die Linse, bis der Meister kommt.« Sie stülpten ein Gefäß über die ruhig auf einem Tisch ruhende Kugel, aber der zweite Spion draußen an der Decke des Korridors sah die drei Tefflaner kommen. Ihre Hufe verursachten scharrende, gedämpfte Laute auf dem Gummiboden. Die Tür zum Labor stand weit offen, und die Neuankömmlinge traten ein. Hoo Ralsop war sich seiner Wichtigkeit vollauf bewußt. »Aus welchem Grunde, Aggar Mankel, hast du mich in meiner Arbeit stören lassen? Du weißt, daß ich dabei bin, die Kakkakill-Platten zu übersetzen. Sie bergen die Geheimnisse jenes anderen Universums, aus dem unsere Vorfahren einst kamen und...« »Kein Wort mehr!« fiel ihm der Physiker in die Rede. »Dieser Ball hier ist eine Fernsehkamera und ein Sender, der alle unsere Gespräche an die Magyaner weiterleitet.« Hoo Ralsop vergaß die Vermessenheit seines Untergebenen. Sein Gesicht nahm eine feuerrote Farbe an, als er vortrat. »Was sagst du da? Wo ist das Ding?« Aarn hatte auf einen Knopf gedrückt. Hoo Ralsop hielt den Spion einige Sekunden lang in den Händen, als das Metall plötzlich rotglühend wurde. Mit einem Schmerzensschrei ließ der große Meister das zu untersuchende Objekt einfach fallen. »Bei den neun größten Göttern – verflucht! Ich habe mir die Hände verbrannt! Soll der Erfinder dieses Mordinstrumentes für ewig in der Hölle schmoren!« »Ich werde die Wunden verbinden«, erbot sich jemand und brachte einen Kasten angeschleppt.
»Tue das – aber wehe, wenn es danach noch schmerzt! Ich werde dich in das Gefängnis von Caratoon werfen lassen. Verdammt, meine ganze Arbeit wird dadurch aufgehalten, und zwar für...« Aarn war in der Zwischenzeit nicht untätig geblieben. Er hatte die Kontrollen betätigt, und der zweite Spion schwebte in das Labor der Tefflaner hinein und verharrte genau in der Mitte des Raumes. Für Sekunden hing er über dem Haupt des verblüfft nach oben starrenden Hoo Ralsop, dann sagte er mit krächzender Stimme in vollendetem Tefflanisch: »... und zwar für immer!« Dann folgte ein scharfes Klicken, und der bis dahin dunkle Ball begann von innen heraus zu glühen, bis er fast weiß wurde. »Es wird explodieren!« stieß Hoo Ralsop hervor und versuchte, die Tür zu erreichen. Es waren seine letzten Worte gewesen. Das Bild in der Sunbeam erlosch mit einem grellen Aufblitzen. Aarn hantierte bereits wieder an den Kontrollen. »Das Labor existiert nicht mehr Die Zerstörungen reichen mindestens einen Kilometer im Umkreis. In der kleinen Kapsel war eine ganz hübsche Menge Energie verborgen. Ich schätze, nun werden wir uns um Kakkakill kümmern müssen. Wo ist es, Anto Rayl?« Auf dem Bildschirm war wieder die Höhle, in der die restlichen Spione ihrer Aufgaben harrten. »Fast hätte ich es mir denken sollen, wo wir die Datentafeln finden«, machte sich Anto selbst einen Vorwurf. Kakkakill ist ihre heilige Stadt. Dort finden auch
alljährlich die großen Opfer statt. Haben sie einen Sieg errungen, wird einer der gefangenen Feinde vor den Augen ihres Gottes hingerichtet. Nach einer Niederlage jedoch opfern sie eine junge Frau ihrer eigenen Rasse. So wird es also diesmal sein. Das Opfer findet etwa in sechs Wochen statt. Im Tempel ihres Gottes Kak-Ka, wo mit Sicherheit auch die Reliquien zu finden sind, also unter anderem die gesuchten Metalltafeln.« »Dann fürchte ich, daß wir dem Tempel einen Besuch abstatten müssen.« »Er ist gleichzeitig ihr bedeutendstes Museum und kann wertvolle Hinweise für uns bergen.« »Wir haben keine andere Wahl, als diesem Tempel einen Besuch abzustatten«, verkündete Aarn. »Aber selbstverständlich werden wir einen Spion vorschicken, der die Lage erkundet und uns den Weg zeigt. Da – er ist schon unterwegs...« In wenigen Minuten erreichte das ferngelenkte Gerät den Eingang zur heiligen Stadt Kakkakill, aber Aarn sah keine Möglichkeit, es unbemerkt in ihr Inneres zu schmuggeln. Zu wenig Schiffe besuchten die geheiligte Stätte, und außerdem war es heller Tag. Er überlegte nicht lange, sondern suchte ein geeignetes Versteck und ließ den Spion dort reglos verharren. Nach einer Ruhepause auf der Sunbeam nahm man das Frühstück ein. Inzwischen war auf dem Teil von Teff-El, wo sich Kakkakill befand, die Nacht hereingebrochen. Und nun gelang es Aarn, sein Sorgenkind sicher in das unterirdisch gelegene Heiligtum zu bringen. Auf dem Bildschirm zeigte sich ein Tunnel in der Art
eines gewaltigen Kirchenschiffes, langgestreckt und scheinbar ohne sichtbares Ende. Die Wände glühten matt in allen erdenklichen Farben und riefen merkwürdige optische Effekte hervor, die ihren Eindruck auf die Zuschauer nicht verfehlten. Der Spion erreichte eine Halle nie gesehenen Ausmaßes, deren Decke sich irgendwo oben verlor. Vier mächtige Säulen schienen das Ganze zu stützen; auch sie verschwanden im Dunkel der Höhe. Erst als sich das Auge an das herrschende Halbdämmern gewöhnt hatte, konnte die Gesamthöhe der Kathedrale mit vierhundert Meter abgeschätzt werden. Auf den Wänden erschienen farbige Reliefs, die Szenen aus der Vergangenheit darstellten, von hervorragenden Künstlern gestaltet. Überall jedoch stand die Gestalt des hier verehrten Gottes Kak-Ka im Vordergrund. Am eindrucksvollsten jedoch traf die Männer in der Sunbeam die Hauptstatue des Gottes an der Stirnseite des Saales. Mehr als hundert Meter hoch, war sie ein erschreckendes, grauenhaftes und doch faszinierendes Kunstwerk einmaliger Schönheit. Kak-Ka war selbstverständlich ein Tefflaner, aber ein idealisierter. Das Gesicht zeigte strenge, machtvolle Züge. Es war nach oben gerichtet, als suche der Gott die Antwort auf alle Fragen in der Unendlichkeit des Raumes. In der einen Hand hielt er ein breites Schwert; die andere gestaltete sich zu einer auffordernden Geste. Zu Füßen der riesigen Gestalt ruhte der Altar, ein einfacher Spahirblock, der von innen heraus schwach erleuchtet wurde und in einem unnatürlich wirkenden Licht erstrahlte. Zu beiden Seiten stand eine weiße,
unbewegliche Flamme, die wie gefrorenes Feuer aussah. Und dahinter erst befand sich der eigentliche Tempel, dessen Wände in schierem Marmor erglänzten und wunderbare Farbenspiele reflektierten. Wie ein weißer Kristall wirkte dieser Tempel im Halbdunkel der gesamten Anlage. Anto Rayl sagte leise: »Niemals hätte ich glauben können, daß diese verruchte Rasse etwas so Schönes schuf. Auch wir besitzen unser Heiligtum, aber es kann sich nicht mit diesem Wunderwerk vergleichen. Fast möchte ich vergessen, daß sie Monstren und Kannibalen sind, wenn ich diesen Tempel betrachte.« »Ich suche das Museum«, unterbrach Aarn ihn nüchtern. »Und das wird genauso zerstört werden müssen wie dieses Heiligtum. Wie ganz Teff-El! Ich glaube, wenn nur dieser Tempel übrigbliebe, würde uns die Nachwelt dafür verdammen, daß wir eine Rasse auslöschten, die Derartiges hervorbrachte...«
13. Kapitel »Unsere Einmannschiffe müssen klein genug sein, um unbemerkt auf Teff-El landen zu können, auf der anderen Seite sollen sie genügend Energie aufspeichern. Ich möchte bloß wissen, was Carlisle für einen Apparat eingebaut hat.« »Mit der Erklärung wirst du ein wenig warten müssen«, sagte Spencer schadenfroh. »Endlich haben wir Gelegenheit, dir deine Geheimniskrämerei zurückzuzahlen. Wenn alles fertig ist, wirst du es erfahren.« Aarn ging nicht weiter auf den Spott ein. »Nachdem ich die Kathedrale gesehen habe, hielt ich es für richtig, unsere Schiffe dunkelviolett zu färben. Das macht sie so gut wie unsichtbar. Um uns besser orientieren zu können, nehmen wir Spezialtelevisoren, die mit einer Infrarotvorrichtung versehen sind. So sehen wir auch in der Dunkelheit.« »In absoluter Dunkelheit?« fragte Spencer mit Nachdruck und einem gespannten Lauern in der Stimme. »Natürlich! Und die Televisoren sind leicht, nicht schwerer als diese Strahlpistole hier, die wir ebenfalls mitnehmen.« Spencer nahm den tragbaren Televisor, der im Grunde aus einer einfachen Platte bestand, die dem Bildschirm entsprach. Da es in der Sunbeam hell war, entstand auf ihm das Bild der Zentrale im negativen Verhältnis. Erst bei Dunkelheit würde es deutlicher werden. Plötzlich grinste er unverschämt, zog ein hühnereigroßes Etwas aus der Tasche und ließ es einfach zu Boden fallen. Es gab ein dumpfes Geräusch – und dann war es
stockfinster in der Zentrale. Alles Licht schien wie verschluckt und war nicht mehr vorhanden. Selbst die starken Kontrollämpchen erloschen. »Himmel – was ist das?« rief Aarn erschrocken aus. »Wo bist du, Spencer? Ich kann die Hand nicht vor Augen sehen. Ah – hier habe ich eine Stablampe gefunden...« »Sie wird dir kaum etwas nützen«, enttäuschte ihn der Ingenieur mit höhnischer Überlegenheit. Mit zufriedener Miene betrachtete er die Bemühungen seines Freundes durch den Televisor, der Aarn deutlich und hell zeigte. Die Taschenlampe brannte natürlich, aber Aarn konnte es nicht sehen. »Halte sie ganz dicht vor deine Augen, vielleicht bemerkst du dann ein schwaches Glühen«, riet er. Aarn befolgte den Rat. Dann sagte er: »Wie, zum Teufel, habt ihr das gemacht?« »Carlisle hat das ausgetüftelt – eine Antilichtbombe. Genau der umgekehrte Vorgang wie bei deiner Erfindung. Du verwandelst unsichtbare Infrastrahlen in sichtbares Licht. Die Bombe verwandelt sichtbares Licht in unsichtbare Infrarotstrahlen, die aber wiederum durch einen Televisor sichtbar werden. Einfach, nicht wahr?« »Schrecklich einfach«, gab Aarn sarkastisch zu. »Und wie lange dauert der Spaß?« »Etwa drei Stunden hält die Wirkung an, dann läßt sie allmählich nach.« »Wundervoll. Ich schätze, diese Nachteier werden uns sehr von Nutzen sein. So, und nun will ich dir unsere beiden Schiffe zeigen!« Im Laderaum lagen zwei kleine, drei Meter lange Torpedos; der Durchmesser betrug kaum mehr als neunzig Zentimeter. Der Pilot mußte liegen. Ausgestattet waren die
beiden Boote mit Transponantrieb und Strahlwaffen. Außerdem befand sich der gleiche Televisor in der Kanzel, wie Aarn ihn auch tragbar konstruiert hatte. Die Hülle war violett gefärbt. Eine Abschußvorrichtung, von Spencer und Carlisle entwickelt, konnte die chemische Flüssigkeit verspritzen, die der Wirkung der Antilichtbombe gleichkam. In einem Umkreis von mehreren hundert Metern würde absolute Finsternis herrschen. Der Chemiker kam hinzu. »Meine Erfindung«, jammerte er. »Und ich darf nicht mit.« Aarn tröstete ihn: »Ein bemerkenswertes Mitglied unserer Expedition muß an Bord der Sunbeam zurückbleiben – und das bist du.« Carlisle nickte ergeben. Die beiden Boote verließen den Laderaum der Sunbeam durch die Schleuse und schossen hinein in den Raum, um sich dann mit unvorstellbarer Geschwindigkeit dem Planeten Teff-El zu nähern. Der Plan schrieb eine Trennung vor; und zwar sollte Spencer allein voraus, damit Aarn Gelegenheit erhielt, ihn im Fall einer Gefangennahme zu befreien. Unbemerkt gelangten sie in die Atmosphäre des Planeten und verschwanden auf der Nachtseite. Der schwarze Eingang zur Kathedrale öffnete sich unter ihnen, und sie tauchten blitzschnell hinein. Geräuschlos drangen sie in die weite, hohe Halle ein und fanden in einer dunklen Ecke den geeigneten Landeplatz. »Wollen wir hoffen, daß unser Unternehmen gelingt«, sagte Aarn, als sie sich draußen trafen. »Ich warte hier, du
gehst allein.« Mit der Sicherheit eines geborenen Tefflaners schritt Spencer davon. Seine Gummisohlen verschluckten jedes Geräusch. Um ihn herum war dämmriges Halbdunkel, das ihn wie ein schützender Mantel einhüllte. Unbekümmert wanderte er dem Tempel entgegen. Der Eingang strahlte ihm neben dem linken Huf der gigantischen Statue des Gottes entgegen, und ohne zu zögern trat Spencer ein. In der Ferne erkannte er den Schatten eines Wächters. Aber von weitem sah er selbst wie ein Tefflaner aus und wurde bestimmt für einen solchen gehalten. Alle Türen standen weit offen – massive Türen aus purem Gold, das Abfallprodukt atomarer Maschinen. Darauf wieder Reliefs mit religiösen Szenen – wenigstens im Sinne der Tefflaner. Verzierte Säulen rahmten seinen Weg ein, der ihn immer weiter weg von dem wartenden Aarn führte und ihn einsamer und einsamer werden ließ. Endlich die letzte Tür – und dahinter ein Saal, in dem ganze Reihen von Tischen mit glasbedeckten Behältern standen. Das Museum! Hier wurden die Heiligtümer aufbewahrt. Und genau in der Mitte lagen die elf Datentafeln in einem gläsernen Kasten auf einem Marmortisch. Vor mehr als 30000 Jahren hatte ein Wissenschaftler sie beschrieben, von seiner ursprünglichen Heimat durch einen Abgrund von Zeit und Raum getrennt. Ein Spezialschneider war plötzlich in Spencers Hand und begann, einen feinen Schnitt in das schützende Glas zu schmelzen. Kaum entstand der erste Spalt, als das Zeichen entweichender Luft an sein Ohr drang. Die Platten ruhten
also in komprimierter Luft. Wozu? Eine Sicherheits maßnahme? Spencer beeilte sich, von Unruhe getrieben. Wenige Minuten später konnte er einen Teil der Glasplatte abheben. Die Datentafeln lagen offen vor ihm. Sie besaßen eine Dicke von einem halben Zentimeter und eine Kantenlänge von gut fünfundzwanzig Zentimetern. Ihr Gewicht betrug mindestens fünfzehn Pfund pro Stück. Spencers freudiges Herz sank ihm mit einem Male in die Hosentaschen. Die einfache physikalische Tatsache des enormen Gewichtes aller elf Tafeln brachte das ganze Unternehmen in größte Gefahr. Aarn wurde das mit Leichtigkeit geschafft haben, aber er war nicht Aarn. Der mitgebrachte Sack, in den er die Tafeln stecken sollte, konnte unter dem Gewicht zerreißen. Minuten stand Spencer in Nachdenken versunken, dann riß ihn ein Geräusch in die Wirklichkeit zurück. Das Tapp-Tapp-Tapp behufter Füße kam schnell näher. Und er wußte, daß es weit mehr als ein Dutzend Füße waren, die mit unbeirrbarer Sicherheit dem Tempel zustrebten. Jetzt entsann er sich wieder der entweichenden Luft. Natürlich, das war nichts als eine einfache, aber wirksame Alarmanlage gewesen. Sobald der Druck in dem Kasten nachließ, zeigten das die damit verbundenen Instrumente selbstverständlich an. Er griff in die Tasche und zog vier Antilichtbomben hervor, um sie in alle vier Ecken des Raumes zu werfen. Sie detonierten mit dem sanften Plob wie zuvor in der Sunbeam und verschluckten sofort jegliches Licht. Schnell
befestigte er den Televisor an der Brust, so daß er beide Hände frei behielt, und stopfte die elf Metalltafeln in den bereitgehaltenen Sack. Dann eilte er auf den nächsten Ausgang zu – und hielt jäh an, als die Gruppe der Tefflaner in den Saal bog, nur durch die plötzliche Finsternis aufgehalten. Völlig blind streckten sie die Hände in die Finsternis vor, um nach einem Halt zu suchen. Mit schrillen und heiseren Stimmen wurden Kommandos gegeben. Der zweite Ausgang wurde durch eine andere Gruppe versperrt. Spencer saß in der Falle! Jetzt nahmen sie sich bei den Händen und bildeten so eine Kette. Jemand rief etwas, als fordere er den Dieb auf, sich zu ergeben. Niemand würde auf den Gedanken kommen, bei diesem könne es sich um einen Nichttefflaner handeln. Durch den Televisor konnte Spencer alles genau beobachten. Besondere Aufmerksamkeit schenkte er dem Tefflaner am Ende der Kette, und er sah, daß dieser für einen Augenblick die Hand seines Nachbarn losließ. Sie hatten Hände wie er – haarlos und mit fünf Fingern. Vielleicht etwas schmaler. Langsam näherte er sich seinem Opfer, stellte den Sack mit der wertvollen Last nieder und wartete seine Chance ab. Und wieder ließ der letzte Tefflaner die Hand seines Nebenmannes los – und in der gleichen Sekunde griff Spencer nach ihm, zog ihn zu sich heran und schlug mit der rechten Hand erbarmungslos zu. Er traf das Genick. Die entstandene Lücke ausnützend, gelangte er hinter die Kette. Aber der zweite Mann schien seinen Kameraden zu
vermissen. Er sagte etwas, das Spencer nicht verstand. Dann rief er den anderen erregte Worte zu. Die Kette stockte. In verzweifelter Anstrengung hob Spencer den toten Tefflaner in die Höhe, schwang ihn über den Kopf und ließ ihn mitten unter die Verharrenden sausen. Es gab ein heilloses Durcheinander, und wilde Schmerzensschreie ertönten aus der Dunkelheit. Er hob den schweren Sack auf und verließ das Museum, in dem sich die Wachmannschaften anscheinend gegenseitig zu verprügeln begannen, weil jeder den anderen für den gefaßten Dieb hielt. Er beeilte sich, so gut er konnte. Die Last behinderte ihn sehr, aber glücklich erreichte er das Ende des Korridors und wollte den Tempel betreten, als ein Tefflaner aus dem versteckt liegenden Seitengang trat und ihn sah. Eine Sekunde lang benötigte sein Gehirn, die unfaßbare Tatsache aufzunehmen, daß der Dieb ein Magyaner war, dann stieß er eine laute Warnung aus, die durch den Tempel hallte, ehe er sich auf Spencer stürzte. Der ließ den Sack mit den Tafeln fallen und schmetterte dem Angreifer seine Faust entgegen. Der Ahnungslose lief regelrecht hinein und wurde von der Wucht des Schlages buchstäblich nach hinten gebogen. Irgend etwas krachte in seinem Rücken – und dann sackte er schlaff in sich zusammen. Aber die Warnung hatte Spencer nicht mehr verhindern können. Jeder wußte nun, daß sich ein Magyaner im großen Heiligtum befand. Und das sechs Wochen vor dem Opfertag! Vom Museum her kam das Trappeln vieler Hufe.
Spencer nahm den Sack wieder auf, warf die letzte Antilichtbombe – und stellte erschrocken fest, daß der Televisor versagte. Nun war er genauso blind wie die Tefflaner. Er wußte so ungefähr die Richtung und setzte sich in Bewegung. Wenn doch nur Aarn jetzt zu Hilfe käme! Die Tafeln wurden schwerer und schwerer. Vorn war das Rasseln metallischer Gitter. Der Eingang zum Tempel und damit der Weg zum Schiff war versperrt. Und Aarn würde nicht zu ihm gelangen können. Noch ehe er das so recht begriff, packten ihn harte Fäuste aus der Dunkelheit. Er ließ den Sack fallen und befreite sich mit erstaunlicher Leichtigkeit. Einer der Tefflaner heulte in grauenhaften Tönen auf, denn das schwere Gewicht der Tafeln hatte ihm die Hufe abgequetscht. Ein Boxhieb ins Dunkle traf prompt sein Ziel. Aber Spencer ahnte, daß er den Gegner nicht unterschätzen durfte. Immerhin besaßen sie lange und scharfe Hörner, die eine tödliche Waffe sein konnten. »Wir schlagen ihnen sämtliche Knochen ein«, sagte plötzlich eine tiefe Stimme neben Spencer. »Solche Schwächlinge!« Aarn! »Nimm die Tafeln – sie wiegen zweihundert Pfund. Mein Televisor ist hin. Auch habe ich keine Bomben mehr.« In verbissenem Schweigen zerschlugen sie die weiteren Angriffe aus dem Dunkel, und keine Minute war vergangen, da durfte der Kampf als beendet angesehen werden.
Erschöpft setzte sich Spencer einfach auf den Gang, den Rücken gegen die Wand gelehnt. »Das war ja furchtbar«, ächzte er. »Wenn wir bloß schon hier weg wären!« »Wenn du sitzen bleibst, schaffen wir das nicht«, hatte Aarn eine logische Anwandlung. »Die Burschen waren übrigens von der Polizei. Sie hielten dich für einen einfachen Dieb, darum kamen sie unbewaffnet. Machen wir, daß wir in Sicherheit gelangen.« Er nahm den Sack mit den Tafeln unter den linken Arm, rückte den Televisor zurecht und schritt in Richtung des Tempels davon. »Das Gitter!« entsann sich Spencer und stand auf. »Ich weiß«, gab Aarn zurück. »Hinter mir fiel es herab. Aber es ist der einzige Ausweg.« Spencer konnte wieder etwas sehen, als sie die Dunkelheitsgrenze überquerten. Der Jovianer legte den Sack zu Boden und zog die Strahlpistole aus dem Gürtel. Der feine Energiefinger traf das Gitter an einem der vielen Knotenpunkte. Funken sprühten auf, sonst geschah nichts. »Es ist Gold«, knurrte Aarn und schob die Waffe in den Gürtel zurück. »Gleiche Eigenschaft wie Kupfer. Die Energie wird sofort abgeleitet, ehe sie Schaden anrichten kann. Dann müssen wir es wohl anders versuchen.« Er beugte sich vor und ergriff zwei der Goldstäbe. Spencer sah von hinten, wie seine Muskeln sich anspannten und der Rücken sich vor Anstrengung durchbog. Dann wurde der Abstand zwischen den beiden Stäben allmählich größer, bis eine der Stangen plötzlich aus ihrem Sockel sprang. Schnell schlüpften sie hindurch, aber irgendwo vorn
erklang nun Marschschritt auf. Es mußte ein halbes Regiment sein, das dort Stellung bezog. »Die ganze Armee«, murmelte Aarn. »Mit der können wir nicht reden, ohne den kürzeren zu ziehen.« Er warf einige Dunkelbomben und sah unvermittelt direkt über sich einen der kleinen Spione schweben. Schnell entschlossen griff er nach ihm und sagte: »Carlisle, führe Spencer. Sein Televisor ist entzwei. Dann kann ich mich um die Tafeln kümmern. Zurück zu den Schiffen!« Spencer nahm den schwarzen Ball, der nach einigen Sekunden in einer ganz bestimmten Richtung davonzuziehen begann. Obwohl in der Finsternis völlig blind, konnte er so den Weg zu seinem kleinen Schiff finden. Einmal prallte er gegen einen suchenden Tefflaner, der genauso viel sah wie er. Ehe der Gehörnte sich von seinem Schrecken erholte, war Spencer bereits auf und davon. Aarn erwartete ihn. Er saß in seinem Schiff, die Tafeln in Sicherheit. »Hier – nimm den Televisor. Und dann setz den Lichtschlucker in Betrieb. Im Schiff können wir ja sehen. Schnell jetzt!« Die Dunkelheit begann sich rapide zu verbreiten, und bald war die ganze Kathedrale in totale Finsternis getaucht. Polizeischiffe, die den Soldaten zu Hilfe eilen wollten, gerieten in ein unfaßbares Dilemma und zogen sich eilig wieder in die verhältnismäßig helle Nacht draußen zurück. Dort warteten sie untätig. Die beiden kleinen Boote erhoben sich. Im Radio ertönte Aarns Stimme:
»Draußen warten bestimmt auch Zerstörer. Wir müssen mit höchster Geschwindigkeit durch sie hindurch. Ehe sie wissen, was geschehen ist, müssen wir die Atmosphäre hinter uns haben. Los – folge mir!« Sie schossen durch die breite Öffnung hinauf in den klaren Sternenhimmel mit den fremden Konstellationen. In Sekunden wurde Teff-El zu einem riesigen Globus, der bald darauf im Dunkel der Nacht versank. Die verfolgenden Zerstörer fielen schnell zurück. Die Sicherheit des Weltraums nahm die Fliehenden auf.
14. Kapitel Mit langsamen Bewegungen schob Aarn die Übersetzung der Datentafeln von sich fort. Die Sprachforscher Magyas hatten vorzügliche Arbeit geleistet. »Ich werde meine Zeit benötigen, sie genauestens zu studieren«, teilte er dem wartenden Wissenschaftler mit. »Aber eins kann ich dir schon jetzt mit Sicherheit mitteilen«, wandte er sich dann an Anto Rayl. »Die Aufzeichnungen werden genügen, mich den Weg durch die Mauer finden zu lassen.« »Das ist eine gute Nachricht«, erwiderte der Magyaner erfreut. »Sowohl für uns als auch für euch. Wir werden in der Lage sein, unsere verschollene Heimat zu besuchen, jene Welt, auf der unsere Rasse geboren wurde. Ich hoffe, wir sind dort willkommen.« »Mehr als das«, versicherte ihm Aarn mit einem feinen Lächeln. »Unsere Anthropologen, Philologen und alle anderen ›Logen‹ werden euch bis auf die Haut umkrempeln und euch den letzten Atemzug aus dem Leib fragen. Es ist nur zu natürlich, daß wir alles über euch wissen wollen, denn ihr wollt ja auch alles über unsere Rasse – eure Nachkommen – erfahren. Die Lebewesen einer Welt genügen nicht immer, restlos alle Abstammungsfragen zu klären.« »Das weiß ich nur zu gut«, entgegnete Anto und nickte. »Unsere Wissenschaftler, besonders die Biologen und Zoologen, haben sich bereits seit Jahrhunderten den Kopf darüber zerbrochen, warum die Tiere von Magya aber auch nicht die geringsten Verbindungsglieder zu uns besitzen.
Bei der Fauna selbst sind gewisse Entwicklungsstufen zu beobachten, die bei den verschiedenartigsten Rassen Merkmale der einstigen Verwandtschaft hinterlassen. Aber nicht eins dieser Merkmale konnte man in bezug auf uns bringen. Erst das Auftauchen der Tefflaner und damit die Bestätigung der alten Mythen löste dieses Rätsel.« Aarn lachte laut. »Ich kann mir die vergeblichen Bemühungen recht gut vorstellen, wenn ich an unsere gute alte Erde denke. Bei uns ist die Verwandtschaft zwischen dem Menschen und allen Lebewesen offensichtlich, und trotzdem stößt noch heute die Theorie der gemeinsamen Abstammung auf heftigen Widerstand. Es gibt ein Buch, das man die Bibel nennt, im Grunde genommen die Geschichte unserer Rasse, halb Sage, halb Wahrheit. Als Geschichtsbuch recht interessant, aber oft nicht richtig gelesen. So etwa die Schöpfungsgeschichte. Viele Menschen machten den Fehler, sie allzu wörtlich zu nehmen. Und das Resultat? Als unsere Wissenschaft die Wahrheit über die Entstehung des Menschen herausfand – deutlich stand die Entwicklung in den Felsen geschrieben –, konnten sie jene nicht überzeugen, die sich an das heilige Buch halten wollten, ohne Allegorien zu verstehen. Doch Schluß mit der Philosophiererei. Was macht der Leitstrahl zur Sonne?« »Er hat sie schon längst erreicht, und die Energie fließt zurück. In zehn Tagen wird sie Magya erreichen.« »Was macht die Arbeit auf Ma-kanee und Ma-ran?« »Die Bohrungen sind beendet, und die Installation der Geräte und Antriebe beginnt. Das wichtigste scheint uns
ein genügender Vorrat an Energiespulen. Doch das können wir alles noch in der Konferenz besprechen, zu der ich euch einladen möchte.« »Du weißt, daß wir euch gern helfen. Um welche Konferenz handelt es sich diesmal?« »Eigentlich mehr um einen Kriegsrat. Die Experten möchten eure Meinung kennenlernen. Die Besprechung beginnt in zwei Stunden.« »Wir werden pünktlich zur Stelle sein, Anto Rayl.« Genau zwei Stunden später betraten Aarn, Spencer und Carlisle den Konferenzsaal, eine weit in den Fels getriebene Höhle in eigenartiger Beleuchtung. Ein langer Tisch nahm einen Großteil des vorhandenen Platzes ein. Die Magyaner saßen bereits, nur Anto Rayl stand neben einem kräftigen, grauhaarigen Mann am Kopfende. »Hiermit stelle ich dem Rat die Fremden vor«, sagte er und hielt sich somit streng an das Zeremoniell. »Die Fremden sind uns willkommen«, nickte Minot, der Chef des Kriegsrates. »Wir nehmen die Einladung mit Dank an«, entgegnete Aarn mit seiner tiefen Stimme, »und bieten euch alle Hilfe an, deren wir fähig sind.« »Setzt euch, Freunde«, forderte sie Andar Minot auf und beendete somit das Zeremoniell der offiziellen Begrüßung. »Um unsere Feinde endgültig zu schlagen, benötigen wir euren Beistand. Die Pläne haben nun Gestalt angenommen und liegen dem Rat vor. Exakte Pläne erfordern jedoch eine genauso exakte Durchführung. Die genauen Berechnungen unserer Astronomen haben uns die Masse unserer Monde ermittelt. Aus diesem
Grunde ist uns auch bekannt, wie groß die Leistungsfähigkeit der Antriebsmaschinerie sein muß, mit denen sie ausgestattet werden. Weiterhin haben die Beobachtungen und Kalkulationen unserer Wissenschaftler bestätigt, daß der Gedanke, den kleineren Mond Ma-ran als erstes Geschoß zu verwenden, richtig war. Zu einem günstigen Zeitpunkt werden wir seine Umlaufgeschwindigkeit um unseren Planeten erhöhen und ihn so allmählich aus dem Schwerebereich unserer Welt hinaustragen. Dann wird er seine lange Reise nach Teff-El antreten...« Die Größe des Projektes trat erst richtig durch die Einfachheit zutage, mit der diese Worte gesprochen wurden. Der Chef des Kriegsrates tat so, als ließe man alle zwei oder drei Jahre einen Mond auf irgendeine feindliche Welt stürzen und fände nichts Außergewöhnliches dabei. Dieser Eindruck war natürlich eine Täuschung, denn in Wirklichkeit war sich jeder der Anwesenden sehr wohl bewußt, welch ungeheuerliches Vorhaben seinen Anfang genommen hatte. »Die Geschwindigkeit des Mondes ist so errechnet worden, daß seine Bahn ihn genau in einen Umlauf um Teff-El bringt. Auf seinem Weg um die Heimat der gehörnten Teufel trifft er auf mehrere der Forts und wird sie vernichten. Damit ist auch die Möglichkeit ausgeschlossen, daß es Überlebende gibt, ganz abgesehen davon, daß entsprechende Maßnahmen zur Vereitelung einer Massenemigration eingeleitet werden müssen. Nachdem Ma-ran also die Forts soweit zerstört hat, wird er sich Teff-ran nähern und mit ihm zusammenstoßen. Die
gegenseitige Gravitation genügt, beide Körper zu einem einzigen verschmelzen zu lassen, nachdem sie infolge des Zusammenpralls auseinanderbrachen und teilweise zerschmolzen. Teff-El wird plötzlich einen neuen Mond besitzen, fast mit der doppelten Masse wie zuvor. Und somit ergibt sich die zwangsläufige Folge, daß die bestehende Kreisbahngeschwindigkeit, durch den Aufprall gemildert, nicht mehr ausreicht, diesen neuen Mond gegen die Zentrifugalkraft auszugleichen. Diese wird zu schwach sein, ihn zu halten. Ma-Teff-ran wird auf Teff-El stürzen.« Obwohl der Rat diesen Plan bereits kannte, ging doch eine Bewegung durch die Männer. Über die Durchführung des gewagten Vorhabens hatten sie sich bisher anscheinend noch keine Gedanken gemacht. Nun wurden ihnen die genauen Einzelheiten vorgelegt – und sie schauderten zusammen. »Die Bahn von Ma-kanee wird anders verlaufen, ebenso wird seine Geschwindigkeit eine andere sein. Er wird unsere Welt vor Ma-ran verlassen und nach Teff-El eilen. Da er langsamer als Ma-ran reisen wird, hat er bereits mehr als die Hälfte seiner Strecke zurückgelegt, ehe man ihn einholen wird. Ein wenig später als Ma-ran wird er dann bei Teff-El eintreffen. Es ist alles so berechnet worden, daß folgendes geschieht: Während Ma-ran die Forts aus der Kreisbahn wischt und sich mit Teff-ran vereinigt, holt ihn Ma-kanee wieder ein. Im Gegensatz zum kleineren bzw. nun neu entstandenen Mond wird Ma-kanee senkrecht und mit ständig wachsender Geschwindigkeit auf Teff-El stürzen und infolge seiner Masse und seines Beharrungsvermögens den
Planeten spalten. Er wird mit einer solchen Wucht auftreffen, daß eine Katastrophe unvermeidlich ist. Risse werden entstehen und das Innere des Teufelsplaneten freilegen. Wenn die Atmosphäre durch den Reibungswiderstand noch nicht verbrannte, so wird sie nun vergiftet werden. Und wenn das noch nicht genügt, so wird der Planet schließlich auseinanderbrechen und so alles Leben vernichten. Selbst jene Tefflaner, die sich in die Tiefe ihrer Welt zurückzogen, werden von dem Untergang nicht verschont bleiben. Diesmal gibt es für die Gehörnten keinen Ausweg mehr, und wir werden dafür sorgen, daß nicht ein einziger von ihnen entkommt. Damit verhindern wir, daß in tausend oder zehntausend Jahren die gleiche Gefahr noch einmal entsteht, der wir seit Jahrhunderten zu entrinnen versuchen.« Der Chef des Kriegsrates atmete auf, als sei er froh, die Last seiner schweren Worte nicht mehr zu spüren. Sie schienen ihm doch auf der Seele gelegen zu haben. Er beantwortete einige schnell eingeworfene Fragen und ging dann dazu über, die Härte der geplanten Kriegsführung, die mit der Vernichtung einer ganzen Rasse enden sollte, zu rechtfertigen. »Solange wir zurückdenken können, sind die Tefflaner unsere Erbfeinde. Selbst in den Sagen geistern die Gehörnten als Verkörperung des Bösen. Und nicht nur bei uns ist das der Fall, sondern auch bei denen, die unsere Heimatwelt Erde bewohnen. Der Kampf unserer Vorfahren jenseits der Mauer hat seinen Niederschlag gefunden in Überlieferungen, die die Tefflaner als größtes Übel der gesamten Schöpfung bezeichnen. Es gibt ethische Gesetze, nach denen man jedem
unterlegenen Feind eine Chance geben soll. Wer nun eine solche Chance für die Tefflaner verlangt, sollte nicht vergessen, daß sie bereits einmal gegeben wurde, damals nämlich, als jenes eine Schiff entkam und dieses System fand. Die Tefflaner hatten Gelegenheit, neu zu beginnen und das Vergangene zu vergessen, so wie wir es versuchten. Was aber geschah? Schon die erste Begegnung brachte erneutes Blutvergießen; die uralte Feindschaft lebte neu auf. Wir dürfen den Tefflanern keine zweite Chance mehr geben, ohne uns selbst zu gefährden. Nur der Zufall überhaupt gibt uns die Möglichkeit, unsere eigene Welt vor dem Verderben zu retten. Wäre das Schiff der Solarianer nicht versehentlich zu uns gekommen, gäbe es schon bald keinen Planeten Magya mehr. Ich bin nicht gewillt, zu einem Verbrecher zu werden, indem ich die Tefflaner nicht vernichte, nachdem mir die Möglichkeit dazu geboten wird. Wir werden darüber abstimmen, sobald ich Ihnen die gesamten Berechnungen unserer Wissenschaftler und die Meinung der Politiker und Militärexperten vorgelegt habe...« Andar Minot sprach fast noch eine Stunde, und dann wurde der Angriffsplan vom Rat diskutiert. Noch während er angenommen wurde, gingen bereits die ersten Befehle an die entsprechenden Militärkommandos. Die Arbeit auf den Monden selbst war bereits in vollem Gange. Am selben Tage flogen Aarn, Spencer und Carlisle zum Ma-ran, um sich an Ort und Stelle vom Fortschritt der Arbeiten zu überzeugen.
Das kleine Späherraumschiff landete neben dem Observatorium, das unter einer gewaltigen Glaskuppel gelegen war, um für den Menschen erträgliche Verhältnisse zu schaffen. Dieses Observatorium diente seit mehr als 600 Jahren wissenschaftlichen Beobachtungen, aber schon hatte man begonnen, die Instrumente und aufgezeichneten Forschungsergebnisse zu den beiden anderen Monden zu transportieren, die auch weiterhin Magya umkreisen würden. Der Verlust der Satelliten Ma-ran und Ma-kanee fiel den Magyanern selbstverständlich nicht leicht; manche Forschungsarbeiten würden von nun ab eingestellt werden müssen. Ein weiteres Risiko bestand in der Tatsache, daß die Veränderung der gravitatorischen Verhältnisse Erdbeben und Überflutungen auf dem seiner Monde beraubten Planeten hervorrufen konnte. Es war nicht ausgeschlossen, daß viele unter der Oberfläche befindliche Städte durch herabstürzende Felsmassen verschüttet oder von den hereinbrechenden Wassern der Ozeane überflutet würden. Lediglich der Umstand, daß sich die Monde nicht plötzlich, sondern nur in immer weiteren Spiralen von Magya entfernen sollten, verringerte diese drohende Gefahr erheblich. Neben der Glaskuppel führte ein weiter, dunkler Schacht in das Innere des Mondes. Das kleine Schiff glitt mehr als 15 Kilometer in die Tiefe, ehe es die Luftschleuse erreichte. Kurze Zeit darauf setzten sie ihren Weg in die Tiefe in normaler Atmosphäre fort. »Unsere Energiereserven bestehen jetzt nur noch in Aggiespulen«, erklärte ihr Pilot. »Die Tagesproduktion beträgt mehr als einhundert.«
»Heiliger Merkur!« erschrak Spencer ehrlich. »Wir benötigen aber für unser Vorhaben mehr als 50000 Exemplare. Das wird eine hübsche Weile dauern, bis wir soweit sind.« »Unsere Produktion steigt von Tag zu Tag«, erinnerte ihn der Magyaner sanft. »Wie, zum Teufel, wollt ihr alle Spulen aufladen?« wollte Carlisle wissen. »Habt ihr so viele Schiffe, sie alle zur Sonne zu schleppen?« »Das haben wir nicht mehr nötig«, beruhigte ihn der Pilot. »Unser Leitstrahl zur Sonne befindet sich bereits auf dem Rückweg und wird bald auf Magya eintreffen. Dann haben wir mehr Energie, als wir jemals benötigen.« In Carlisles Gesicht trat ein verwunderter Ausdruck, und man sah deutlich, daß sich hinter seiner Stirn ein komplizierter Denkvorgang abspielte. Dieser resultierte dann auch in der Frage: »Ja, und was passiert, wenn auf dem Strahl mehr Sonnenenergie nach Magya gelangt, als benötigt wird? Oder umgekehrt – wenn man mehr Energie auflädt, als der Strahl zu bringen vermag – eh – lieber Himmel! Ich bin ganz durcheinander – was also passiert...?« Aarn und Spencer brachen in Lachen aus. Verblüfft schwieg der Chemiker. »Was meinst du wohl«, brachte Aarn zwischen zwei Erstickungsanfällen hervor, »was passieren wird, wenn du mehr Wasser aus einem Glas trinkst, als darin vorhanden ist?« Carlisle hob triumphierend den Zeigefinger. »Aber man kann doch nicht mehr Wasser aus einem Glas trinken, als in einem Glas...«
Wieder versagte ihm die Stimme, als er den Unsinn erkannte, den er zuvor gesagt hatte. »Schlaues Kind!« erkannte Aarn grinsend an. »Man kann also dem Leitstrahl auch nicht mehr Energie abzapfen, als er zu bringen in der Lage ist. Mach dir also keine Sorgen, es wird schon nichts explodieren.« Sie erreichten den geräumig ausgehöhlten Mittelpunkt des Mondes und konnten der vorhandenen Atmosphäre wegen das Schiff ohne Schutzanzug verlassen. Diesmal überlegte sich Carlisle seine Frage: »Recht massiv, der Kern des Mondes. Wo habt ihr die Felsmassen gelassen?« »An die Oberfläche gebracht und dort abgelagert, damit der Satellit nicht an Gewicht verliert«, gab der Pilot Auskunft. »Wenn er schon als Geschoß gegen die Tefflaner Verwendung findet, soll er auch kein Gramm einbüßen.« Im Hintergrund der riesigen Höhle schrillte das nervenaufpeitschende Geräusch in Tätigkeit befindlicher Shal-Torpedos, die den Felsen in Staub verwandelten, der von Vakuummaschinen aufgesaugt und zur Oberfläche geleitet wurde. »An dieser Stelle wird der Antrieb seinen Platz finden«, erklärte der Pilot, der anscheinend sehr gut orientiert war. »Auf der Oberfläche befinden sich sechs Fernsehstationen, so daß man von hier unten aus die Beobachtungsmöglichkeit nach allen Seiten besitzt. Wir hoffen, Dr. Aarn Munro, daß Sie Ma-ran auf seinem Kurs nach Teff-El steuern werden.« »So lautet der Wunsch des Kriegsrates, und es ist mir eine Ehre, diese Aufgabe zu übernehmen. Ein Raumschiff mit einem Durchmesser von mehr als 150 Kilometern habe
ich noch nie zuvor besessen – ganz abgesehen von dem enormen Gewicht.« »Teff-El ist so gut wie verloren«, erwiderte der Pilot, und in seinen Augen glühte es fanatisch auf. »Der Jahrhunderte dauernde Kampf der Rassen wird beendet sein – ein für allemal! Das haben wir nur Ihrer Hilfe zu verdanken.« »Ich bin kein Sadist«, entgegnete Aarn nachdenklich, »aber ich kann den Standpunkt deiner Rasse nur zu gut verstehen. Doch einen guten Rat möchte ich ihr und speziell dir geben: Betrachte Teff-El so lange nicht als restlos vernichtet und geschlagen, ehe seine Trümmerstücke nicht für immer als Asteroiden um Anrel kreisen.« »Aber es kann keinen Planeten geben, der unseren beiden Geschossen widerstehen würde.« »Nicht, daß ich wüßte. Aber – haben wir nicht auch angenommen, es könne niemals einen Energiestrahl geben, der die Panzerung eines Schlachtschiffes in ein Nichts verwandelt? Und doch sahen wir einige unserer Schiffe regelrecht zu Staub werden.« »Die Masse des Mondes ist viel zu groß, um sie beim Anflug vernichten zu können.« »Wer spricht davon? Aber wäre es nicht möglich, daß sie Mittel und Wege finden, den Kurs von Ma-ran einfach zu ändern? Unser Mond würde an Teff-El vorbeifliegen. Und bis wir den Versuch wiederholen könnten, wäre es vielleicht zu spät.« »Natürlich wäre eine solche Möglichkeit nicht ausgeschlossen, aber ich glaube nicht an sie«, lächelte der Pilot sicher.
»Wieviel Zeit werden die Vorbereitungen in Anspruch nehmen?« wechselte Aarn das Thema. »In etwa siebzig Tagen könnten wir fertig sein. Es ist ja so, daß wir immer noch auf den Leitstrahl von Anrel warten, sonst ginge es schneller. Um Teff-El zu zerstören, muß unser Geschoß die höchstmögliche Geschwindigkeit erhalten. Und vergeßt nicht, daß auch die Flotte neu ausgestattet werden muß, um die flüchtenden Feinde anzugreifen und zu vernichten. Die Tefflaner werden sich in ihrer Verzweiflung bis zur Aufopferung wehren.« Aarn nickte schweigend. Damit rechnete er allerdings... Kurze Zeit darauf statteten sie dem anderen Mond einen Besuch ab. Hier waren die Arbeiten aus dem einfachen Grunde noch nicht so weit gediehen, weil ein 500 Kilometer langer Tunnel bis zum Mittelpunkt geschaffen werden mußte. Außerdem stellte es sich heraus, daß Ma-kanee einen Kern aus massivem Nickelstahl enthielt. Diese unerwartete Bereicherung des Rohstoffvorrates wurde von den Magyanern mit großer Freude begrüßt. »Wir beschlossen«, erklärte ihr Pilot und Führer, »ähnliche Schächte auf allen Monden zu bohren. Bisher sind wir nie auf die Idee gekommen, im Innern nach Erzen zu suchen.« »Warum versucht ihr es nur bei den Monden? Wie wäre es mit Magya selbst?« Carlisle fragte es und wunderte sich, daß Spencer Aarn einen verzweifelt-komischen Blick zuwarf. Aarn schüttelte den Kopf.
»Das ist unmöglich, mein lieber Chemiker und NichtPhysiker. Die Monde besitzen nur eine geringe Schwerkraft. Im Innern von Magya würde ein Druck herrschen, der Material und Menschen unmöglichen Bedingungen aussetzte. Schon in einer Tiefe von zehn oder zwanzig Kilometern würde allein die bestehende Hitze ausreichen, jedes weitere Vordringen zu vereiteln. Und man wäre noch sehr weit vom vermutlichen Metallkern entfernt – wenn dieser sich nicht im flüssigen Zustand befindet.« »Wäre doch wunderbar!« freute sich Carlisle. »Dann würden sie die Verarbeitung im Hochofen sparen.« Da gab Aarn es auf. Noch am gleichen Tage kehrten sie nach Magya zurück, und Aarn begann mit seiner Arbeit. Er machte sich über die Datentafeln her, und die Freunde bekamen ihn tagelang nicht zu Gesicht. Vor mehr als 30000 Erdjahren waren diese Tafeln angefertigt worden, aber immer noch stimmten die angegebenen Daten und Zahlen. Aarn fand sich allmählich zurecht und kam der Lösung um ein gutes Stück näher. Er wußte, daß der Sprung durch Raum und Zeit gelingen würde. Selten nur verließ Aarn seine Arbeitsräume. So auch, als der große Leitstrahl auf Magya eintraf. Nach 120 Tagen endlosen Wartens kehrte der lichtschnelle Strahl von Anrel zurück und brachte einen niemals endenden Strom unerschöpflicher Energien. Allerdings waren Schwankungen zu bemerken, die dem Umstand zu verdanken waren, daß man Anrel als variablen Cepheid
bezeichnen mußte. Von Magya aus zweigte ein Nebenstrahl genügender Energie nach Ma-ran ab, um die dort lagernden Aggiespulenbänke zu laden. Nebenbei wurden die Verteidigungsanlagen und sogar die gesamte Raumflotte versorgt. Inzwischen kreiste eine starke Einheit um Teff-El, um die Tätigkeit der Feinde im Auge zu behalten. Ständig waren die kleinen Spione unterwegs, und nichts entging der Aufmerksamkeit der Magyaner. Sobald irgendwo auf dem gegnerischen Planeten ein neues Rüstungswerk entstand, wurde es durch einen blitzschnellen Angriff kurz vor der Vollendung vernichtet. Das gigantische Atomkraftwerk Katakataml war eines Tages mit Hilfe von sechs Sprengspionen dem Erdboden gleichgemacht worden. Der Raumhafen wurde das Opfer eines weiteren Angriffs. Dann aber wurden die Tefflaner vorsichtiger. Sie verlegten alle wichtigen Anlagen unter die Erde und sicherten diese gegen jeden Eindringling, und sei er auch noch so klein, erfolgreich ab. Die Städte jedoch blieben offen, und so kam es, daß die beobachtenden Magyaner mit der Zeit eine ansteigende Tendenz in der Stimmung des feindlichen Volkes bemerkten. Eine geheime Waffe war in Vorbereitung, so viel erfuhren sie. Mehr jedoch nicht, denn die Masse der Tefflaner besaß keinerlei Kenntnis von der Art dieses neuen Kriegsmittels, das demnächst eingesetzt werden sollte. »Man sagt«, äußerte ein tefflanischer Kaufmann zu seinem Kollegen, als unbemerkt ein Spion lauschte, »daß diesmal der Sieg endgültig sein wird. Magya ist verloren,
und nichts kann den Feind retten. Das letzte Opfer hat sich gelohnt.« »Dieses letzte Opfer war für uns nicht sehr erfreulich«, entgegnete ihm der andere und sah sich um, ohne den winzigen Spion zu entdecken, der über ihm im Halbdunkel der Nacht lauerte. »Die junge Malee Faaing wurde als Opfer auserwählt, die einzige Tochter des alten Leean Taol. Der greise Vater war nahe daran, den Verstand zu verlieren, als er von der großen Ehre erfuhr, die ihm zuteil geworden war. Er bäumte sich gegen das Urteil der Priester auf, wurde aber dann doch davon überzeugt, daß das Leben seiner Tochter den Weiterbestand einer ganzen Rasse aufwog. Und so erklärte er sich einverstanden, denn das Opfer kann erst dann als sicher angenommen gelten, wenn das Einverständnis des Vaters vorhanden ist. Er begleitete seine Tochter nach Kakkakill, wo er der Vorbereitung zum Opfer beiwohnte Da hörte er von dem Eindringen des Magyaners in das Heiligtum. Eine neue, wilde Hoffnung durchzuckte ihn. Wenn dieser Magyaner gefangen wurde, mußte seine Tochter nicht geopfert werden, sondern der verhaßte Feind starb. So alt er auch war, er beteiligte sich an der Jagd nach dem frechen Dieb, der die alten Tafeln entwendet hatte. Doch genau wie die Soldaten und Polizisten geriet er in die schwarze Wolke, die allen Beteiligten plötzlich die Sicht nahm. Eine neue Erfindung der Magyaner, nimmt man an. Der alte Leean Taol sah das goldene Gitter, das jener Fremde auseinandergebogen hatte. Dieser Titan muß unheimliche Kräfte besitzen; ein wildes Tier, mehr nicht. Nachdem nun der Magyaner entfliehen konnte und alle Hoffnungen für den alten Mann zusammenbrachen, fluchte
er erneut den Göttern und unserem eigenen Volk. Er wollte seine Erlaubnis zur Opferung seiner Tochter zurücknehmen, aber die Priester lassen niemand aus den Klauen, den sie einmal darin haben. Nur ein Schatten fiel dann später auf das erfolgte Opfer: Taol stieß während der Verfolgung mit einem Soldaten zusammen, der wilde Flüche gegen den ehemaligen Chemiker ausrief, weil er dem erfolgreichen Kampfmittel der Magyaner nichts Gleichwertiges entgegensetzen konnte. Und der verfluchte Vater eines Opfers hat nicht mehr viel Wert. Anscheinend machten die Götter eine Ausnahme, indem sie uns nun doch einen Weg finden ließen, den Feind zu vernichten. Leean Taol war selbst dabei, als seine Tochter den Opfertod starb. Er selbst war es, der das Opfermesser dem Oberpriester reichte, der den Todesstoß zu führen hatte. Diese Handlung erhöhte den Wert des Opfers beträchtlich. Seine Worte, daß er seine Tochter den Göttern opfern wolle, damit diese den Krieg gegen die Magyaner ein für allemal beenden mögen, hinterließen bei den Versammelten einen nachhaltigen Eindruck. Und ich bin sicher, daß die Götter seine Worte erhörten. Wenigstens habe ich nicht allein diese Auffassung, sondern sie wird von den Priestern und der gesamten Regierung vertreten. Alle sind sich darüber einig, daß es bald keinen Krieg mehr zwischen uns und den Magyanern geben kann, weil einer der beiden Planeten unbewohnbar sein wird. Und dieser Planet wird Magya heißen. Das Blut der hübschen Tochter ist somit nicht vergeblich vergossen worden.« Die Tefflaner besaßen also eine neue Waffe, mit der man Magya zu vernichten hoffte. Daß man diese Waffe dem erfolgten Opfer zuschrieb, bewies die kulturelle
Rückständigkeit des Feindes. Was aber diese Waffe war und wie man sie einzusetzen gedachte, das fand niemand heraus. Weder ein Tefflaner noch ein Magyaner. Tiefes Dunkel breitete sich über das drohende Geheimnis aus.
15. Kapitel »Wenn ich nur wüßte, welches die böse Überraschung sein wird, die uns bevorsteht«, seufzte Aarn eines Tages, als die Freunde ihn besuchten. »Allem Anschein nach muß es eine chemische Waffe sein. Hoffentlich benötigen sie noch einige Zeit, ehe sie in der Lage sind, sie einzusetzen. Wenn sie länger als achtzig Tage dazu brauchen, sind unsere Sorgen überflüssig, denn zu diesem Zeitpunkt wird Teff-El bereits als Planetoidenring um die Sonne Anrel kreisen.« »Wir haben nur Andeutungen«, sann Carlisle vor sich hin. »Sie behaupten, man wolle Magya seiner Lufthülle berauben, aber wie sie das bewerkstelligen wollen, ist und bleibt ein Rätsel. Ich selbst halte das für unmöglich. Es kann keinen Katalysator geben, der eine derartig große Masse Sauerstoff an sich binden könnte, um sie der Atmosphäre zu entziehen – wenn es das ist, was sie vorhaben.« »Und was macht deine Arbeit?« erkundigte sich Spencer, die neue Geheimwaffe der Tefflaner einfach ignorierend. »Fertig!« antwortete Aarn zufrieden. »Ich habe den Technikern bereits die letzten Anweisungen gegeben, und mit Cannings Hilfe werden sie es schaffen, mir die notwendigen Apparate zu konstruieren. Einen davon hast du ja bereits gesehen.« »Hm – aber ausprobiert hast du ihn noch nicht?« »Du bist ein Planet mit dem Gehirn eines Meteors«, wandelte Aarn ein altes Sprichwort ins Moderne um. »Testen läßt sich das doch nur, indem wir die Erde finden –
und das haben wir offensichtlich noch nicht getan. Im übrigen interessiert mich der Ausgang des Krieges hier viel zu sehr. Ich will Ma-ran mit Teff-ran auf Teff-El stürzen lassen, und den Spaß wird mir niemand nehmen können. Diese Rasse muß ausgelöscht werden, denn sie ist seit Jahrtausenden für den Menschen die Personifizierung des Bösen. Ich will...« Er kam nicht weiter, denn Anto Rayl stürzte ohne Anmeldung in den Raum. Sein Atem ging keuchend, und in den Augen flackerten irre Angst und Ungewißheit. »Aarn – sie haben begonnen! Ihre neue Waffe – es ist Feuer! Auf der Nachtseite – riesige blaue Flammen. Komm mit!« Die drei Solarier stellten keine Fragen, sondern eilten mit Anto Rayl zur Sunbeam, wo Canning und Martin sie bereits erwarteten. In Begleitung einer schützenden Eskorte stieg das Schiff in die Höhe und raste der Nachtseite von Magya entgegen. Inzwischen berichtete Anto Rayl: »Es gelang den Tefflanern, den Sperring um ihren Planeten unbemerkt zu durchbrechen. Sie tauchten plötzlich über Magya auf und begannen mit einem furchtbaren Bombardement. Die Bomben – schwarz angestrichen – wurden erst später entdeckt. Sie waren nicht sofort detoniert. Das taten sie erst später in einer merkwürdigen Art und Weise.« Sie näherten sich der Nachtseite und bemerkten schon von weitem den grellblauen Schimmer, der über dem Land lagerte. Als sie heran waren, konnten sie Einzelheiten erkennen. Viele Kilometer hohe Flammenzungen wanderten in steter Unruhe hin und her, sanken in sich
zusammen, um dann wieder aufzulodern. Im Radio war die Stimme eines Magyaners: »Die Temperatur der Flammen ist so niedrig, daß sie nicht einmal menschliches Fleisch versengen, aber die chemische Reaktion scheint merkwürdig. Der Boden allerdings ist weißglühend und zerfällt. Entstehende Dämpfe sind giftig und besitzen eine rotbraune Färbung...« »Mein Gott!« stieß Carlisle plötzlich hervor. »Der Katalysator! Sie haben ihn gefunden! Magya ist verloren, wenn wir nicht das Gegenmittel finden. Sie verwandeln Stickstoff und Sauerstoff in ein Giftgas – und bald schreitet der Prozeß allein weiter, ohne daß ein Katalysator benötigt wird. Die gesamte Atmosphäre von Magya wird bald giftig sein, und niemand kann mehr hier leben.« Anto Rayl war bleich geworden, ebenso Aarn. »Ist das sicher?« fragte er kurz. »Was sonst? Man soll mir Proben heranschaffen, vielleicht finde ich einen Ausweg. Aber schnell...« Anto Rayl wartete nicht. Er gab die Anweisung sofort weiter: »Achtung! An alle Spähschiffe: Hier spricht Anto Rayl, Codenummer C-8-N32. Carlisle, der Chemiker vom anderen Universum, behauptet, die Tefflaner benutzten einen Katalysator, der Sauerstoff und Stickstoff bindet und für unsere Lungen unbrauchbar macht. Unsere Welt ist verloren, wenn wir das Gegenmittel nicht finden. Er benötigt Proben. Gebt auch allen unseren Chemikern derartige Proben. Das ist ein Befehl! Ich wiederhole: Achtung...« Dann erst wandte er sich wieder den Solariern zu: »Ihr müßt mir verzeihen, Freunde, aber ich habe euch zu
spät von den Vorkommnissen unterrichtet. Wir hielten den Angriff für harmlos, weil die Bomben nicht detonierten. Erst als die unlöschbaren Feuer aufflammten, kam ich zu euch. Und nun, Carlisle, wird es in deiner Hand allein liegen, ob wir gerettet werden, oder ob wir endgültig dem Bösen erliegen. Wenn möglich, dann rette uns – deine Verwandten. Denn wir sind Angehörige ein und derselben Rasse...« Die unheimlichen, bläulichen Flammen züngelten immer höher, während sie auf dem Grund regelrecht dahinkrochen und sich mit den braunen Gasen und dem Schein normaler Feuer vermischten. Es sah aus, als hätten sich die Tore der Hölle geöffnet und die Mächte des Bösen ins Freie gelassen. Carlisle drängte zum Rückflug, um dort sogleich mit seinen Untersuchungen und Vorbereitungen beginnen zu können. Indessen erklärte er: »Sie haben den für unmöglich gehaltenen Katalysator gefunden – es ist nicht zu glauben! Länger als anderthalb Jahrhunderte suchen wir danach, stets erfolglos. Es ist ein Glück, daß ich mich bereits mit diesem Problem befaßt habe. Sie müssen wissen, daß Stickstoff eine hitzeentwickeln de Verbindung mit Sauerstoff einzugehen vermag, nämlich N2O5. Natürlich entsteht nur eine geringe Wärme bei diesem Vorgang, und daher ist auch die niedrige Tempera tur der blauen Flammen erklärlich. Sie dürfen jedoch nicht vergessen, daß N2O5 die Grundlage der Salpetersäure ist und tief in den Boden eindringt. Somit wird alles Leben
unter der Oberfläche ebenfalls rettungslos vernichtet, ganz gleich, ob es sich um Tiere oder Pflanzen handelt. Wir haben deshalb nach diesem Katalysator gesucht, weil er uns in kontrollierter Form die praktisch kostenlose Herstellung von Nitraten ermöglicht hätte. Auch das Pro blem freier Energiegewinnung aus der Luft wäre in den Bereich des Möglichen gerückt. Wärme aus der Luft durch einen einfachen chemischen Vorgang. Unkontrolliert jedoch wird der Sauerstoff allmählich der Luft entzogen und zu tödlich-giftigen Bestandteilen späterer Salpetersäure verwandelt. Das alles geschieht ganz automatisch und wird nicht aufgehalten, wenn man kein Mittel zur sofortigen Neutralisation findet und den Prozeß zum Absterben bringt. Jedes Partikelchen organischer Materie wird in Mitleidenschaft gezogen werden. Bis zum Grunde des Ozeans wird die Umwandlung vordringen und so alles Leben im Wasser zerstören. Die Luft wird so lange brennen und sich umwandeln, bis es keine Luft mehr gibt. Der Rest davon in den unterirdischen Städten wird durch das entstehende Vakuum ausgesogen; die Menschen ersticken rettungslos. Man kann Luftschleusen an den Ausgängen anbringen, und ich würde das sogar dringend empfehlen, aber auf die Dauer wird auch das Magya nicht retten können. Lediglich können wir damit den Untergang vielleicht so lange hinauszögern, bis wir das Gegenmittel gefunden haben. Im Augenblick jedoch sehe ich keine Möglichkeit, Magya zu retten. Aber ich werde es versuchen.« Schweigen antwortete ihm. Dumpfes, tödliches Schweigen.
»Schon Glück gehabt?« fragte Aarn, als er bei Carlisle eintrat. Die Luft in dem Raum war gut, der Sauerstoffgehalt ein wenig höher als im Freien. Man versuchte dem Chemiker behilflich zu sein. In luftdichten Ampullen hatte man Proben gebracht, und eine enthielt sogar ein wenig des gefährlichen Stoffes selbst, der die Atmosphäre zu Gift verbrannte. Carlisle sah auf. Sein Gesicht war bleich und trug die Anzeichen angestrengten Arbeitens. Tiefe Ringe lagen unter seinen Augen. »Es wird besser sein, du schläfst dich erst einmal aus«, sagte Aarn besorgt. Carlisle ging nicht weiter darauf ein. »Noch kein Glück bisher, ich kann es nicht analysieren. Es gibt überhaupt keine chemische Formel dafür. Ich muß mich beeilen, denn der Luftdruck draußen läßt bereits nach. Seit zwanzig Tagen brennen nun die Feuer, und bald wird alles zu Ende sein.« »Wir müssen etwas unternehmen, damit die Bevölkerung nicht erstickt, bevor das Gegenmittel gefunden wird.« »Die unterirdischen Städte sind bereits mit Luftschleusen versehen worden, um die Menschen zu schützen. Aber das kann nicht ewig so gehalten werden. Indessen stirbt das Leben auf der Oberfläche.« »Trotzdem solltest du dich ausruhen, Car.« »Keine Zeit. Wir alle haben jetzt keine Zeit mehr. Wenn wir nicht das Mittel finden, den Katalysator auszuschalten und unschädlich zu machen, ist die Rasse der Magyaner verloren.«
Aarn wurde ein kleines Spähboot zur Verfügung gestellt, das durch eine kleine Schleuse die versiegelte Werft verließ. In den vergangenen zwanzig Tagen hatte sich Magya verändert. Der Planet war mit einer feinen Schneedecke überzogen, der von der Temperatur unabhängig und stets matschig war. Sowohl Schnee als auch die restliche Atmosphäre glühten in einem kaum sichtbaren, sanften blauen Schimmer. Vom Himmel herab senkte sich dauernd ein mikroskopisch feiner Kristallregen unbestimmbarer Asche. Die wandernden Flammen waren kleiner geworden, denn in der Luft befand sich nur noch wenig Sauerstoff. Ebenso fehlte das Wasser in ihr. Im Ozean gab es keine Fische mehr, und auf dem Land keine Tiere. Magya starb. Nachts wurde es empfindlich kühl, während am Tage Anrel unbarmherzig auf das sterbende Land brannte. Was früher Wasser war, war heute stark verdünnte Salpetersäure. Und selbst das kleine Schiff, in dem Aarn die grausige Landschaft überflog, wurde langsam und sicher von dem säurehaltigen Gas der Atmosphäre zerfressen. So tot Magya auch wirkte, auf den vier Monden herrschte lebhafte Tätigkeit. Man war entschlossen, Teff-El zu vernichten, auch dann, wenn Magya inzwischen zugrunde ging. Aarn nahm Proben von Luft, Erde und Wasser mit sich und kehrte zu Carlisle zurück, der immer noch in seinem Labor saß und nach der Rettung suchte. »Auf Teff-El herrscht eitel Freude und Sonnenschein«, knurrte er niedergeschlagen. »Spencer war hier und
berichtete, daß die Tefflaner jetzt auch so eine Art ferngelenkte Beobachter entwickelt haben, die Magya umkreisen.« »Ihre Freude wird umschlagen, wenn sie dahinterkommen, was auf den Monden geschieht.« »Die haben sie schon längst untersucht, Aarn. Sehr aufmerksam sogar.« »Aber anscheinend nicht sorgfältig genug, denn soweit ich weiß, glaubt man im feindlichen Lager, die Magyaner wollten auf die Monde umziehen.« »Das ist aber nett«, murmelte Carlisle und gähnte. Aarn nahm die günstige Gelegenheit beim Schopf und schob dem ermüdeten Chemiker schnell eine Tablette in den Mund, hielt ihm die Nase zu und zwang ihn so, das Schlafmittel zu schlucken. »Das Bübchen muß schlafen«, sagte er, mit dem Erfolg seiner Bemühungen zufrieden. »Deine eigene Erfindung! Diamorph. So an die zwanzig Stunden wirst du schlafen – freiwillig tätest du es ja doch nicht.« Trotz der protestierenden Bewegungen des Chemikers wurde dieser von dem kräftigen Aarn in die Schlafkabine getragen und dort ins Bett gelegt. »Ich schließe die Tür ab«, wurde ihm angedroht. »Du würdest dich also nur unnötig anstrengen. Schlafe dich aus, damit du wieder arbeiten kannst, mein Bester.« »Ich habe ein Gegenmittel«, murmelte Carlisle, schon halb im Schlaf. »Du halbgebildeter Physiker – ich muß Magya retten! Wie kann ich das, wenn ich schlafe...?« »Jetzt halt den Mund und mach die Augen zu! Zweimal bist du bereits im Labor umgekippt. Schluß mit der Debatte. Gute Nacht, du halber Asteroid!«
Aarn war noch nicht an der Tür, da schlief Carlisle schon. Das sanfte Geräusch, das seinem halboffenen Mund entwich, übertönte selbst das Schließen. Drinnen im Labor setzte sich Aarn an den Arbeitstisch seines Freundes und nahm dessen Notizen zur Hand. »Der Kerl hat eine unmögliche Handschrift!« stellte er ärgerlich fest. »Wie kann ein intelligenter Mensch nur so schreiben, daß ein anderer intelligenter Mensch es nicht lesen kann?« Das Papier, auf dem sich die Notizen befanden, war halb von Säure angefressen. Überall drang diese Säure hinein, die einst einmal Bestandteil der Atmosphäre von Magya gewesen war. Lange suchte er, bis er endlich entdeckte, was er suchte: eine provisorische Analyse des tefflanischen Katalysators. Titanium war bei den darin befindlichen Elementen. Das etwa hatte er sich gedacht. Mit einem Seufzer sank er tiefer in den Sessel und las weiter. Titanium, so entsann er sich, besaß die seltsame Eigenschaft, sowohl in Sauerstoff als auch in Stickstoff zu verbrennen. Vielleicht lag in dieser Tatsache die Lösung des Rätsels. Wenn er eine Substanz fand, die sich mit Titanium für längere Dauer verband, würde der Katalysator unwirksam werden. Man sollte Carlisle einen entsprechenden Tip geben, wenn er aufwachte. Spencer erschien; er war müde und abgespannt. »Ich bin auf Ma-ran gewesen. Die arbeiten dort ohne Pause – und bald haben sie es geschafft. Der Antrieb wird sogar noch stärker sein als der in Ma-kanee. Luftnachschub haben sie fast keinen mehr. Wenn wir doch endlich etwas in dieser Hinsicht unternehmen könnten. Hat Car denn
immer noch nichts herausgefunden?« Aarn schüttelte den Kopf. »Und – keine Hoffnung?« Aarn zuckte mit den Schultern. »Lassen wir erst einmal die Monde auf Teff-El stürzen, und dann können wir vielleicht auf einen anderen, geeigneten Planeten umziehen. Wenn auch nicht alle Magyaner gerettet werden, so ist doch der Fortbestand der Rasse gesichert. Doch zuerst muß Teff-El vernichtet werden, damit die junge Kolonie nicht von ihnen angegriffen werden kann.« »In fünfzig Tagen beginnen die Monde ihre Reise – und in genau dreiundsechzig Tagen wird Teff-El getroffen.« »Und vernichtet!« setzte Spencer müde und doch voller Hoffnung hinzu.
16. Kapitel »Nun, wie steht es?« fragte Aarn und schob den Kopf durch den schmalen Türspalt, um in Carlisles Labor zu schauen. Der Chemiker sah nicht einmal auf. »Mach die Tür von außen zu und laß mich in Frieden – ich habe zu arbeiten...« Aarn grinste und verschwand. Wenn Carlisle so sprach, bestand Hoffnung. Und richtig! Am dreiundzwanzigsten Tag der Katastrophe verließ der Chemiker seine strenge Klausur. Die Luft in der Stadt war schon fast zu dünn zum Atmen, der Sauerstoffgehalt derart gering, daß bereits die geringste Anstrengung ungeheure Mühe kostete. Ältere Personen schliefen in ihren Zimmern und würden mit aller Wahrscheinlichkeit niemals mehr aufwachen. Aarn sah das Ergebnis in Carlisles Gesicht geschrieben. »Es funktioniert!« sagte der Chemiker und schwenkte eine Glasphiole, in der eine grüngelbe Flüssigkeit schwappte. »Willst du es sehen? Ich habe genug von dem verdammten Schnee im Labor, der einst die Atmosphäre dieser Welt bildete.« Aarn folgte ihm, eine stille Freude im Herzen. Carlisle öffnete das Glasröhrchen und ließ die dünne Flüssigkeit auf eine Schüssel mit dem merkwürdigen Schnee träufeln. Dann nahm er ein Stück Papier, zündete es an und hielt es über den vergehenden Schnee. Die Flamme brannte reicher, da dem Prozeß der entstehende Sauerstoff
zu Hilfe kam. »Ich habe das N2 O5 getrennt«, erklärte Carlisle. »Der Katalysator ist erledigt, und er kann sich nicht erholen. Wir benötigen nur eine genügende Menge dieses Stoffes. Man kann ihn Hydrochlorid nennen, wenn man will. Hole mir den Chefchemiker der Werft, damit ich ihm die Herstellung erklären kann. Es ist lächerlich einfach, und ich ärgere mich, daß ich nicht eher auf die Lösung gekommen bin.« Bereits Stunden später lief die Produktion des Antikata lysators an, der sogar aus der vergifteten Atmosphäre in kürzester Zeit wieder in richtiger Verteilung Sauerstoff und Stickstoff entstehen ließ. Schiffe regneten den rettenden Stoff auf die weiten Schneefelder hinab, die neben den verseuchten Ozeanen die reichste Quelle der sich erneuernden Lufthülle von Magya bildeten. Nach drei Tagen starben die blauen, wandernden Flammen. Die Luft wurde atembar und die Temperaturen erträglich. Reduzierte Transponstrahlen halfen, die Normalisierung zu beschleunigen. Das Wasser der Ozeane erhitzte sich bis zum Siedepunkt, gewaltige Wolkenmassen stiegen auf – und dann begann es zu regnen. In den Städten atmeten die Menschen auf, denn der Regen wischte die letzten Spuren des schrecklichen Geschehens in die Ozeane. Gleichzeitig aber wurden auch die Spuren einer Verwitterung sichtbar, zu der die Natur Jahrtausende benötigt hätte. Es würde Jahrzehnte dauern, bis der vergewaltigte Boden wieder Früchte tragen konnte. »Eine Generation wird vergehen müssen, ehe das Land bebaut werden kann«, stellte Carlisle fest. »Aber dann ist es so fruchtbar wie niemals ein Land zuvor, denn der
Boden ist durchsetzt mit Stickstoff und Nitraten. Die Tefflaner haben somit ihren Feinden einen regelrechten Dienst erwiesen, denn niemals mehr ist eine künstliche Düngung notwendig. Übrigens ist es mir zuletzt doch noch gelungen, diesen Katalysator richtig zu analysieren. Ich habe sogar etwas davon hergestellt. Weißt du, was man damit machte?« »Keine Ahnung«, gab Aarn zu. »Ich war mit Spencer unterwegs, um den Einsatz der Transportstrahler zu kontrollieren.« »Sie haben meine Probe über Teff-El abgeworfen. Natürlich besitzen diese Teufel das Gegenmittel. Ich bekam es recht schnell in mein Labor, aber es war bereits in seine Grundelemente verfallen. Ich hätte es niemals wieder zusammenstellen können, wenn ich die Lösung nicht selbst gefunden hätte.« »Auf den Gedanken, ihnen eine Ladung von dem Schnee zu bringen, war ich auch schon gekommen«, grinste Aarn. »Aber ich sehe, es hätte uns nicht viel genutzt.« »Kaum. Man hätte einfach gar nichts unternommen oder eben in so beschränktem Rahmen, daß es uns kaum gelungen wäre, eine Probe des Gegenmittels rechtzeitig nach hier zu bringen. Gibt es sonst etwas Neues?« »Die Arbeit an den beiden Monden ist beendet. Die Tefflaner glauben, wir hätten es aufgegeben, die Bevölkerung von Magya nach dort zu bringen. Sie haben also tatsächlich an diesen Unsinn geglaubt. Die Städte werden weiterhin versiegelt bleiben, damit kein feindlicher Spion die Möglichkeit erhält, dort einzudringen. Sollen sie ruhig annehmen, das Volk der Magyaner läge in den letzten Zügen. Um so leichter werden wir es später haben.«
17. Kapitel Die gewaltige Größe des Hohlraumes verringerte sich etwas unter dem Eindruck der vielen Apparaturen, die alle Wände bedeckten. Allein die langen Bänke der Aggiespulen nahmen mehr als die Hälfte des vorhandenen Platzes ein. Irgendwo in einer Ecke verlor sich der Aufenthaltsraum der Besatzung. Die drei Solarier standen auf einer Plattform und betrachteten das Wunderwerk einer fortgeschrittenen Technik. »Sind die Spulen restlos aufgeladen?« fragte Spencer, um überhaupt etwas zu sagen, denn er wußte die Antwort. »Selbstverständlich«, nickte Aarn trotzdem. »Auch Ma kanee ist mit genügend Energie versorgt. Alles ist bereit.« »Wenn man es richtig betrachtet, befindet sich in diesen Speicherbänken genügend Energie, einen ganzen Planeten zu zersprengen.« Während Carlisle das sagte, zeigte sich in seinen Augen so etwas wie plötzliches Erschrecken. »Und was würde geschehen, wenn diese Energie jetzt auf einen Schlag frei würde?« »Der Mond und wir würden in Staubt verwandelt«, gab Aarn trocken Auskunft. »Aber ich kann deine Sorgen besänftigen. Wir haben nämlich gewisse Vorsichtsmaßnahmen getroffen, wie du dir eigentlich hättest denken können. Beim Sturz auf Teff-El allerdings werden wir die Spulen kurzschließen, damit die Restenergie frei wird. Das erhöht die erwartete Wirkung erheblich. Die Hauptwirkung allerdings erwarte ich von dem Aufprall selbst. Dabei hilft uns die Geschwindigkeit
des Mondes, seine Masse und die Eigengeschwindigkeit Teff-rans.« Ein Signal ertönte. »Die erste Warnung«, murmelte Aarn erleichtert. »Die Astronomen auf Ma-kanee geben damit bekannt, daß sie nun mit der Bahnbeschleunigung des Mondes beginnen. Er wird sich langsam von Magya entfernen.« Er strich sich über die Stirn. »Das ist gleichzeitig das Zeichen dafür, daß auch wir mit der Arbeit zu beginnen haben. Kommt, Freunde – es wird nun ernst.« Aarn ging voran. Im Kontrollraum des Mondschiffes herrschte nervöse Unruhe. Männer eilten geschäftig hin und her und trafen die letzten Vorbereitungen. Auf den Bildschirmen standen die klaren Wiedergaben des sie umgebenden Weltraums. Aarn stellte sich vor die große Schalttafel, dessen Bildschirm noch dunkel war. Er legte einen Hebel nach vorn, und augenblicklich erschien auf dem Schirm das Gesicht des Mannes, der den Flug von Ma-kanee kontrollieren würde. Die beiden Kommandanten nickten sich kurz zu, dann ertönte im Lautsprecher ein beginnendes Summen, das lauter und lauter wurde. »Gyroskope«, erklärte Aarn seinen Freunden. »Sie arbeiten der Rotation des Mondes entgegen und bringen sie zum Stillstand. Eine gigantische Tat, wenn man es überlegt. Nur schade, daß sie kriegerischen Zwecken dienen muß.« Sie verfolgten die Ereignisse mit steigender Spannung. Der Kommandant von Ma-kanee konnte endlich nach Magya umschalten und bekanntgeben:
»Meine Instrumente zeigen an, daß die Rotation bei Null angelangt ist. Stimmt das mit euren Beobachtungen überein?« »Exakt!« kam die metallisch klingende Antwort. »Gebt bitte die genauen Koordinaten durch, damit wir den Beschleunigungsgrad bestimmen können.« Es folgten eine Anzahl Daten auf dieser und jener Seite, dann sagte die metallische Stimme: »In genau zehn Sekunden Maschinen starten. Ich zähle: Neun – acht – sieben...« Ein leises Summen ertönte aus dem Lautsprecher. Es wurde intensiver und stärker. Aarn sagte leise: »Jetzt wird Ma-kanee beginnen, sich aus dem Schwerebereich seines Mutterplaneten zu lösen – langsam und allmählich. In wenigen Stunden wird er immer noch um Magya kreisen, aber bereits Tausende von Kilometern von der ursprünglichen Bahn entfernt. Immer weiter und größer wird diese Bahn werden, bis Ma-kanee endlich selbständig in den Raum hineinfallen wird, Anrel entgegen. Dann wird sich die gerade Linie durch den Einfluß von Teff-El biegen, zu einer gigantischen Parabel werden, deren Ende irgendwo auf der Oberfläche von Teff-El liegt.« Lange Zeit schwiegen sie. Dann aber wurde ihre Aufmerksamkeit durch weitere Nachrichten von Magya erneut in Anspruch genommen. Die Tefflaner hatten bereits bemerkt, was geschehen war. Sie ahnten sofort Sinn und Zweck dieser Aktion, wenn sie auch den wandernden Mond vorerst für nichts anderes als ein natürliches Schlachtschiff hielten; das ihre eigenen
Raumstationen vernichten sollte. Ihre Gegenaktionen begannen sofort anzulaufen... Aarn lächelte grimmig. »Es wird ihnen nicht mehr viel helfen«, sagte er kalt. »Vielleicht beabsichtigen sie die Flucht, aber draußen wartet die magyanische Flotte auf sie.« »Was geschieht, wenn die Tefflaner angreifen?« fragte Carlisle. Aarn entzündete eine der letzten Zigaretten. »Was käme dabei schon heraus? Einen Mond angreifen! Ebensowenig hätte es Sinn, die scheinbar tote Oberfläche von Magya zu verwüsten. Nein, ich glaube nicht, daß sie viel Schwierigkeiten machen werden.« Tage vergingen. Auf dem Bildschirm zeigte sich der dahinziehende Ma-kanee, von tefflanischen Schiffen umgeben. Selten nur zuckte irgendwo auf der Oberfläche des Mondes ein blauer Strahl auf, der die feindliche Flotte um eine Einheit verringerte. Unaufhaltsam jedoch bog sich die Flugbahn immer mehr Teff-El entgegen, dem zum Tode verurteilten Planeten, der immer noch ahnungslos durch das All zog. Doch zwei Tage später durfte er nicht mehr als ahnungslos bezeichnet werden, denn die Berechnungen der tefflanischen Astronomen zeitigten ein nur zu eindeutiges Ergebnis: die Kollision mit dem heranziehenden Mond! Aarn drückte auf eine Reihe von Knöpfen, die zuerst ein feines Summen und Vibrieren auslösten. Dann wurde das Summen stärker, der Boden zu ihren Füßen begann zu erzittern. Die großen überdimensionalen Transformatoren
brummten ihr eintöniges Lied, und Spulen glühten in allen Farben auf. Gyroskope wirbelten um ihre Achsen und verlangsamten die Rotation von Ma-ran. Die enormen Kräfte, die im Innern des Mondes bisher untätig geschlummert hatten, erwachten zum Leben. Der endgültige Startbefehl ertönte in Form eines Signals. Und von dieser Sekunde an war Aarn nicht anderes als der Kommandant eines Schiffes und vollkommen auf sich selbst gestellt. Der Kurs lag fest, sorgfältig errechnet. Der Antriebshebel wurde von seiner Hand nach vorn geschoben. Und dann beschleunigte Ma-ran unmerklich, um seinen Abstand zu Magya allmählich zu vergrößern. Die große Reise begann...
18. Kapitel »Kursabweichung korrigiert«, stellt Aarn fest, als er die Ergebnisse aus dem Elektronengehirn zog. »Es ist klar, daß ein ganzer Mond nicht so genau reagieren kann wie ein kleines Schiff. Korrekturen werden immer notwendig sein. Aber wenn ich die Energiemenge bedenke, die wir für jedes noch so geringfügige Steuermanöver oder gar die allmähliche Beschleunigung benötigen...« »Ma-ran war dem Gravitationsbereich Magyas entwichen, und schon zeigten die Instrumente die halbe Entladung der Speicherbänke an. Doch ein Leitstrahl befand sich bereits auf dem Weg zur nächsten Relaisstation, um neue Reserven heranzuschaffen und die leeren Aggiespulen aufzuladen. Anhand optischer Beobachtung überzeugte sich Aarn von der Richtigkeit der elektrischen Berechnungen. Den Sternen dieses Universums nach zu urteilen stimmte der Kurs jetzt wirklich. Er warf einen anderen Hebel herum, und sofort erschien auf dem Schirm das Gesicht von Hirun Theralt, dem Kommandanten von Ma-kanee. Der Magyaner lächelte. »Ist alles gutgegangen, Aarn Munro? Befindet sich Ma ran auf Kurs?« »Alles wie geplant, Hirun. Knapp fünf Millionen Kilometer sind wir nun voneinander entfernt, aber wir werden euch in einigen Tagen überholen. Habt ihr Schwierigkeiten?« »Nur geringe«, lächelte Hirun kalt. »Seit wir fünfzehn ihrer Kreuzer und zehn Zerstörer vernichtet haben, können
wir uns nicht mehr beklagen. Sie halten nun respektvollen Abstand. Und ihr?« »Wir kämpfen nicht, denn der Fels hält ihre Strahlen ab. Wir tun einfach so, als existieren sie nicht. Lediglich wenn sie zu landen versuchen, bekommen sie den Transponstrahl zu spüren. Landen auf unserem Mondschiff ist eben verboten.« »Übrigens – unsere Wissenschaftler beschäftigen sich mit der Frage, ob man nicht einige größere Asteroiden als neue Monde für Magya einfangen soll. Kein schlechter Gedanke, nicht wahr?« Schon wollte Aarn antworten, als der Außenbildschirm seine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. »He, da nähern sich zwei Schlachtschiffe! Sie greifen uns an – na, das wird nicht viel Zweck haben...« Aber in der gleichen Sekunde mußte er seine Meinung ändern, denn er spürte den plötzlichen Schmerz in seinen Nervensträngen sofort. »Der Ermüdungsstrahl – der Todesstrahl!« rief er. »Sie müssen ungemein hohen Energiereserven zur Verfügung haben...« Noch während er sprach, huschten seine Finger über die Kontrollen. Irgendwo schrillten die Alarmsignale. Männer erschienen und nahmen ihre Plätze ein. »Verteidigung bereit!« meldete ein junger Leutnant. »Leitstrahl anzapfen!« befahl Aarn. »Transponanlage auf der Oberfläche bereithalten. Sobald ich richtige Position eingenommen habe, den Strahl einschalten.« Die beiden Schlachtschiffe kamen näher. Das nähere von ihnen nahm Aarn sich aufs Korn. Er wartete, bis er genau im Fadenkreuz des Bildschirmes stand, dann schaltete er
alle vorhandene Energie auf den tödlichen Transponstrahl. Für etwa eine Sekunde änderte sich nichts, dann aber begann das feindliche Schiff plötzlich aufzuglühen, um wiederum eine Sekunde später zu detonieren und sich in eine grelle Sonne zu verwandeln. Dann erlosch die Sonne – und das gegnerische Schlachtschiff stand unbeschädigt im Raum. Aarn erstarrte vor Überraschung. Ein eisiger Schreck kroch durch seine Adern und erreichte das Herz, welches für einen Augenblick stockte. »Sie haben einen Schutz gegen den Transponstrahl gefunden«, brachte er schließlich hervor. »Ich habe geahnt, daß sie ihn analysieren würden.« »Und – was nun?« flüsterte Spencer erschrocken. »Wir müssen«, begann Aarn, wurde jedoch durch einen gewaltigen Schock unterbrochen, der den Mond erzittern ließ. Langsam nur ließ das Beben nach. »Unser Transponstrahl ist sinnlos geworden«, fuhr er fort. »Sie benutzen ihn, uns Energie zu entziehen. Wenn wir ihn ausschalten, fehlt ihnen jedoch die Kraftreserve, die dicken Felsmassen zu durchdringen, die uns umgeben. Nur ein geringer Prozentsatz ihres Todesstrahls kann uns erreichen.« Die ersten Schiffe der Magyaner kamen in Sicht. Sie materialiserten urplötzlich aus dem Nichts, wenn ihre Geschwindigkeit unter die des Lichtes sank. Sie waren gewarnt und gegen die Wirkung des Ermüdungsstrahls abgesichert. Die kleineren Spähschiffe, die Ma-ran begleitet hatten, trieben jedoch bereits als steuerlose Särge im All und verloren sich in den Weiten des Systems.
Die tefflanischen Schlachtschiffe erneuerten ihren Angriff und wandten sich diesmal gegen die Flotte der Magyaner. Ihre verstärkten Todesstrahlen fraßen sich in die Panzerplatten der Hüllen und veränderten die molekulare Struktur. Langsam zerfiel einer der schweren Kreuzer und wurde zu einer auseinanderstrebenden Staubwolke. Die Mannschaft war längst zuvor gestorben. »Diesmal kamen sie gut vorbereitet«, sagte Aarn leise. »Aber nicht genug. Jedes Ding hat seine Grenzen. Wir werden ja sehen...« Spencer wußte sofort, daß der Physiker nach einem Ausweg gesucht und diesen gefunden hatte. Gespannt beobachtete er, wie Aarn mit Hilfe des Televisors eine Verbindung herstellte und mit seltsamen, gutturalen Lauten zu sprechen begann. Offensichtlich verstümmeltes Magyanisch – oder gar eine Codesprache. In der gleichen Sekunde begann an verschiedenen Stellen eine fieberhafte Tätigkeit. Sowohl auf Magya als auch auf Ma-kanee schossen Leitstrahlen in das All und vereinigten sich an der berechneten Stelle. Die Energie von Anrel konzentrierte sich auf einen einzigen kleinen Punkt. Während sich der restliche Teil der Flotte zurückzog, näherte sich diesem Energiezentrum ein einzelnes Spähboot der Magyaner – unbemannt und ferngelenkt. Es erreichte den kritischen Punkt – und verwandelte sich augenblicklich in Gas, dessen Temperatur so hoch war, daß seine Moleküle sich trennten und die Atome sich in Elektronen und Protonen, in Negatronen und Neutronen aufteilten. Die winzigen Projektile schossen mit annähernder Lichtgeschwindigkeit nach allen Seiten davon. Solange sich ihnen kein Hindernis entgegenstellte, wurde
keine Wirkung ersichtlich, aber Aarn wußte, daß sich jede Materie beim Auftreffen ebenfalls in den atomaren Zerfallprozeß einbeziehen würden. Und die beiden tefflanischen Schlachtschiffe waren Materie. Sie befanden sich urplötzlich innerhalb eines unvorstellbaren Energiezentrums und einer Hagels harter Strahlgeschosse. Sie glühten blitzschnell auf und vergasten dann. Zurück blieb nichts als eine langsam davontreibende Wolke völlig verwandelter Materie. Das Energiezentrum erlosch, als Aarn das verabredete Signal gab. Es war zu gefährlich, um es bestehen zu lassen. Der Physiker setzte ein grimmiges Lächeln auf. »Ich glaube nicht, daß sie noch mehr Schiffe dieser Sorte besitzen, sonst hätten sie diese sicherlich eingesetzt. Denn sie fürchten Ma-ran, weil sie nicht wissen, wie sie ihn von seinem Ziel, das ihre Heimat ist, ablenken können...«
19. Kapitel »Der Kurs beträgt X-235-89«, sagte Aarn mit leiser, angespannter Stimme. Ma-kanee folgte ihnen nun etwas langsamer in einer Entfernung von vielen zehntausend Kilometern, im Frontbildschirm jedoch zeigte sich Teff-El als ständig anwachsende Kugel. Eine Flotte der großen Schlachtschiffe umkreiste Ma-ran mit hoher Geschwindigkeit und bildete so ein undurchdringbares Netz für eventuelle Angreifer. In etwas weiterem Abstand sorgten Kreuzer und Zerstörer für den Schutz des auf Teff-El zueilenden Mondes. Ma-kanee benötigte die Flotte nicht mehr, denn bis auf einige Fernsehstationen war der Mond verlassen worden. Selbst die wichtigsten Teile des Antriebes hatte man ausgebaut. Es gab nichts mehr, das den stürzenden Himmelskörper hätte aufhalten können. Mit stetig wachsender Geschwindigkeit fiel er Teff-El entgegen. Dort gab man sich nun keinen Illusionen mehr hin. Man mußte erkannt haben, daß die Magyaner es diesmal nicht auf ihre Raumforts abgesehen hatten, sondern die restlose Zerstörung ihrer Heimat beabsichtigten. Aus diesem Grunde setzten die Magyaner auch alles ein, um Ma-ran zu schützen. Denn wenn die Tefflaner Ma-ran in ihre Hände bekamen, konnten sie ihn vom Kurs bringen und Ma-kanee entgegensteuern. Eine Kollision im Raum würde alle Angriffspläne zunichte machen und die Tefflaner vor dem Untergang retten. Und dann geschah das, womit die Magyaner rechneten.
Die Handelsflotte der Tefflaner sammelte sich und strebte dann von Teff-El hinweg, in den Weltraum hinaus. Sie schlug eine Richtung ein, die entgegengesetzt der sich nähernden Monde lag. Die Flotte der Magyaner teilte sich. Schnelle Einheiten folgten dem flüchtenden Feind, der sich in dem verzweifelten Versuch, der eigenen Rasse eine Chance zum Überleben zu geben, aufgeteilt hatte und nun in allen Richtungen davonstrebte. Es war ein Versuch voller Haß und Verbitterung, genährt von dem Gedanken, daß die Nachkommen der Überlebenden in hundert oder tausend Generationen diesen Schlag des Erzfeindes zurückzahlen konnten. Aber die Magyaner holten sie ein und stürzten sich in grimmiger Freude auf den fast wehrlosen Feind. Es war ein grausamer und furchtbarer Kampf, der ohne jedes menschliche Gefühl geführt wurde, aber der instinktive Haß gegen das personifizierte Böse ließ alle moralischen Bedenken zunichte werden. Jeder Magyaner wußte, daß nicht ein tefflanisches Schiff entkommen durfte, wollte man dem Keim des Bösen nicht noch einmal die Möglichkeit geben, sich irgendwo auf einer anderen Welt zu entwickeln. Schnelle Spähschiffe eilten voraus und fanden auch die am weitesten versprengten Flüchtlinge. Zerstörer folgten ihnen und vollendeten die Aufgabe. Und später, wenn alles vorüber war, würde eine Suche beginnen, die sich auf alle Planeten des Systems Anrel erstreckte. Mit steinernem Gesicht beobachtete Aarn die sich abspielenden Ereignisse auf dem Bildschirm. Spencer stand neben ihm, schweigsam und stumm. Eine intelligente
Rasse starb – und sie hatten geholfen, ihr Ende zu be schleunigen. Aber beide Männer fühlten keine Gewissens bisse, denn sie wußten und fühlten, daß diese Rasse ein Mißgriff der Natur gewesen war, für die kein Platz in einem zivilisierten Universum sein durfte. »Die Raumstationen«, flüsterte Spencer endlich. »Bilden sie eine Gefahr für uns?« Aarn zuckte die Schultern. »Nicht direkt. Viel hängt davon ab, ob die Kalkulationen unserer Verbündeten richtig sind. Bei der ersten Umkreisung sind es fünf, die genau in unserer Bahn liegen. Damit dürften acht Stationen ausfallen.« »Wird die gewaltige Erschütterung beim Zusammenstoß unseren Mond nicht aufreißen? Kann die Antriebsmaschinerie kleinen Schaden erleiden?« Aarn schüttelte den Kopf. »Wohl kaum. Über unserem Kopf sind mehr als siebzig Kilometer massiven Felsens – es gibt nichts, was diese Panzerung eindrücken könnte. Und was die Erschütterung angeht, so wird diese durch die Tatsache abgeschwächt, daß die aufprallenden Forts pulverisiert werden. Schon der zweite Stoß wird schwächer sein, für das Fort jedoch fatal genug. Die Astronomen haben sogar bei ihren Berech nungen diesen achtfachen Zusammenprall berücksichtigt. Unsere Geschwindigkeit wird dadurch verlangsamt und damit der Sturz auf Teff-El beschleunigt.« »Die Forts also können nicht ausweichen?« »Ihre einzige Möglichkeit ist Beeinflussung Ihrer Rotation – und das hilft ihnen nicht. Denn es dürfte gleich gültig sein, mit welcher Seite sie gegen uns stoßen – und das geschieht mit einer vielfachen Schallgeschwindigkeit.«
Aus dem Lautsprecher des einen Bildschirmes drang ein feines Summen. »Das ist Carlisle«, murmelte Aarn und schaltete ein. »Anscheinend langweilt er sich in der Sunbeam.« Das Gesicht des Chemikers erschien. »Hallo, du Baby vom Jupiter – kannst du mich sehen und hören? Ich bin zehn Lichtsekunden entfernt. Achtung, hier die letzten Meldungen: Bei den Forts herrscht größte Aufregung! Man ist dabei, den voraussichtlichen Kurs von Ma-ran zu berechnen. Ja, jetzt wirst du fragen, wie ich das herausgefunden habe – aber du kannst ja gar nicht fragen, denn deine Worte erreichten mich erst in zehn Sekunden. Und so lange kann ich den Mund nicht halten. Also, hör gut zu: Es ist uns gelungen, einen Spion in das erste Fort zu schmuggeln. Frag mich bloß nicht, wie wir das gemacht haben – es war nebenbei meine Idee. Sei also beruhigt: Sie haben keine neuen Waffen in Bereitschaft. Sie beabsichtigen lediglich, dem sich nähernden Mond ihre gesamten Bomben auf den Pelz zu schießen. Macht euch also auf ein nettes Feuerwerk gefaßt. Die Magyaner bekommen übrigens graue Haare, wenn sie daran denken, daß die schönen Raumforts zerstört werden. Sie möchten sie studieren, um selbst welche zu bauen. Als ob sie die noch benötigten, wenn es keine Tefflaner mehr gibt! Noch ein Witz, Aarn: Wir haben Spione, in Lebensmittelimitationen verborgen, nach Teff-El geschickt. Nun sind wir in der Lage, alles zu beobachten, was die Brüder anstellen. Und eins kann ich dir sagen: Denen geht schon einiges mit Grundeis...« Aarn schaltete einfach um und sprach in das Mikrofon:
»Vergiß daß Atmen nicht, alter Giftzischer. Glaubst du, wir hätten so viel Zeit wie du? Wenn du meine Worte hörst, hast du bereits zehn Sekunden lang in ein totes Mikrophon geredet. Tröste dich, Freund, denn es kostet nichts.« Er schaltete ab und grinste bei dem Gedanken an das verblüffte Gesicht, das Carlisle ohne Zweifel ziehen würde. Dann widmete er sich den viel wichtigeren Geschehnissen, die auf ihn zukamen. Wie Motten in offener Flamme blitzten die angreifenden Zerstörer auf und trieben als Gaswolken davon. Der Rest der magyanischen Flotte zog sich kämpfend von Ma-ran zurück, der sich dem ersten Fort näherte, das einen Durchmesser von fünf Kilometern besaß. Spencer war es gelungen, auf die Relaisstation zu schalten und somit die Sendung zu empfangen, die der Spion im Innern des Forts übermittelte. Die Tefflaner befanden sich in einem Zustand heilloser Verwirrung. Ihre Worte und Befehle wurden von einem dazwischengeschalteten Dolmetscher übersetzt. »Alle Torpedos und Bomben abschußbereit machen!« befahl der Kommandant. »Todesstrahl einschalten, sobald wir uns der Oberfläche nähern.« Für die Tefflaner sah es aus, als stürzten sie haltlos Ma-ran entgegen. »Aggag Keenat – besteht keine Hoffnung?« »Keine«, entgegnete der Astronom des Forts ernst. »Es würde uns auch nicht viel nützen, denn Teff-El ist ohnehin verloren. Unser Tod kann vielleicht einigen Nutzen bringen, wenn wir den Mond von seiner Bahn ablenken...« Schnell wurde das Fort größer. Die Torpedos eilten ihm
zu Hunderten voraus und detonierten auf Ma-ran. Sie sprengten gewaltige Stücke aus dem Mond, konnten jedoch den Kontrollmechanismus im Zentrum nicht gefährden. Dann kamen die schweren Bomben. Fast einen Kilometer tief in die Oberfläche hinein trieb sie die Wucht des Aufpralls, ehe sie detonieren konnten. Ma-ran war von einem regelrechten Asteroidengürtel umgeben. Aarn hantierte geschickt an den Kontrollorganen. »Die Gravitation des Mondes ist zu gering, die herausgelösten Brocken zu halten. Ich schalte jetzt die künstliche Schwerkraft ein – das sollte helfen...« Es half! Langsam sanken die Fragmente auf die Oberfläche zurück. Aarn stellte die Verbindung mit der magyanischen Flotte her. »Die feindlichen Forts bombardieren uns. Schickt Zerstörer, die zwischen uns und die Forts ein Antischwerkraftfeld legen, damit die Sprengkörper die Oberfläche nicht erreichen, sondern vorher detonieren. Ich fürchte sonst, daß Ma-ran beim Sturz auf Teff-El nicht mehr die kompakte Wirkung wie beabsichtigt besitzt.« Inzwischen war das Fort bis auf 1500 Kilometer herangelangt. »Noch fünfzehn Sekunden!« gab Aarn ruhig bekannt. »Die entkommen uns nicht mehr! Festhalten! Noch fünf Sekunden – jetzt...!« Die titanische Masse des Mondes warf sich dem Fort entgegen, das trotz seiner hohen Geschwindigkeit von 50 Kilometern pro Sekunde stillzustehen schien. Fächerartig verbreitete sich ein greller Lichtschein; die
unvorstellbare Gewalt des Aufpralls verwandelte Stahl und Felsen im Bruchteil einer Sekunde in verglühendes Gas und radioaktiven Staub. Dann erst wurden die bislang noch gebundenen Kräfte frei, die in den Speicherbänken des Forts schlummerten. Der weiße Blitz färbte sich blaugrün und ließ Aarn die Augen schließen. Als er sie wieder öffnete, war die sichtbar gewordene Energie im Weltraum verweht. Die Beobachtungsstation meldete: »Das Fort hat einen Trichter von fünfzehn Kilometern Tiefe verursacht.« Aarn hatte Falten auf der Stirn, als er knurrte: »Und in 45 Sekunden erfolgt der nächste Zusammen stoß. Es wird Zeit, daß wir Schutz erhalten, sonst bricht uns der ganze Mond in Stücke. – Zu spät – die Bomben sind schon da...!« Die Explosionen drangen als heftige Erschütterungen bis zum Kern vor. Dann wieder die Meldung des Beobachtungspostens: »Ein Krater ist entstanden. Durchmesser dreißig Kilometer, Tiefe fast zwei Kilometer.« »Hatte es mir schlimmer vorgestellt«, tröstete Aarn sich selber. »Und jetzt das Fort – hoffen wir das beste...« Diesmal mußte Spencer sich festhalten, um nicht den Halt zu verlieren. Der Stoß war so gewaltig, daß einige der installierten Apparate sich aus ihrem Halt lösten und verrutschten. »Ein Spalt ist entstanden«, meldete der Beobachter, »weil die beiden Absturzstellen zu nahe beieinander liegen. Ich empfehle ein langsames Rotieren von Ma-ran.« Das dritte Fort näherte sich in Form einer riesigen
Stahlkugel. Doch diesmal hatten die Kalkulationen der Astronomen nicht gestimmt. Sie würde Ma-ran höchstens streifen, mehr nicht. »Vielleicht genügt es«, vermutete Aarn nicht sonderlich beunruhigt. »Wenn wir den Kurs ändern...« »Zu spät dazu. Warten wir ab...« Sekunden später wurde das Fort aus seiner Bahn geworfen, ohne sichtbare Schäden zu erleiden. Aber es taumelte, schneller und schneller fallend, dem mächtigen Globus des Planeten Teff-El entgegen. Seine Vernichtung ging diesmal nicht auf Kosten des wertvollen Mondgeschosses. »Es ist fertig, Spencer. Denen hilft niemand mehr.« Und kurze Zeit später schoß ein weißglühender Meteor durch die Atmosphäre von Teff-El und explodierte mit einem grellen Blitz auf der Oberfläche.
20. Kapitel »Das war das letzte Fort, Carlisle.« »Ich weiß – oder glaubst du, ich könne nicht zählen? Wie steht es um euren Ausgangsschacht?« »Nichts verschüttet – darauf haben wir geachtet. Wo bist du mit der Sunbeam?« »Knapp zehntausend hinter euch. Stimmt die Kreisbahn?« »Exakt! Teff-ran befindet sich auf der gleichen und wird bei der nächsten Umkreisung getroffen.« »Die Bremsschiffe werden euch nicht hindern?« »Ein wenig verlangsamen, aber es nützt ihnen nicht viel. Was sind sie eigentlich?« »Alte Frachter, beladen mit Felsen, Metallabfällen und Sand. Sie haben sie tatsächlich in die Höhe gebracht, in die richtige Kreisbahn gelenkt und dann verlassen. Wie wird sich der Zusammenstoß mit ihnen auswirken, Aarn?« »Verlangsamen, wie ich schon betonte. Aber durch die abgestürzten Forts haben wir derart an Masse zugenommen, daß es nicht viel ausmachte. Im Gegenteil: Je schwerer wir sind, um so schlechter bekommt unser Besuch Teff-ran. An Geschwindigkeit werden wir verlieren, nicht aber an Stoßkraft. Der Zusammenprall wird Teff-ran so treffen, daß er praktisch eine Umlaufgeschwindigkeit von Null erhält. Und damit beginnt sein Sturz auf Teff-El.« »Okay – was habe ich zu tun?« »Komm nach hier und erwarte uns an der Luftschleuse. Wir sind nur noch zu fünfen. Kurz vor dem Zusammenstoß
mit den Bremsfrachtern verlassen wir dann Ma-ran.« Die Verbindung unterbrach. Spencer fragte: »Warum verschwinden wir, bevor die Frachter einschlagen?« »Weil sie aus kompakter Masse bestehen und tief in die Oberfläche des Mondes dringen werden, vielleicht sogar bis zum Kern. Ich möchte das Risiko nicht eingehen.« Zehn Minuten später gab Carlisle das verabredete Signal. Er wartete an der großen Schleuse. Aarn setzte einige automatische Kontrollen in Tätigkeit und folgte dann den anderen in das winzige Spähboot, das sie zur Schleuse emporbrachte. Die Sunbeam erreichte schließlich die Oberfläche von Ma-ran, kreuzte quer um den kleinen Mond herum und landete dicht neben den schrecklichen Kraterwunden, die die Forts gerissen hatten. Aarn hatte den Raumanzug angelegt und stieß sich lachend von der Schwelle der Luftschleuse ab. Wie ein großer Vogel segelte er weit durch die fast absolute Schwerelosigkeit und landete sanft neben einigen blitzenden Instrumenten, die ein Wunder verschont zu haben schien. Er sah nach oben und bemerkte die kleinen leuchtenden Punkte in der Unendlichkeit des Alls. Die Bremsschiffe! Ohne länger zu zögern, bückte er sich und drückte auf einen rot bezeichneten Knopf. Dann flog er zur Sunbeam zurück und schloß die Luftdruckkammer. Das Schiff erhob sich und strebte von Ma-ran fort. Zum ersten Male sah er nun das Mondgeschoß als Außenstehender. Die große, mit Kratern und Spalten durchsetzte Kugel stand anscheinend bewegungslos im Raum. Ihr näherten sich die steuerlosen Frachter. Und weiter im Hintergrund
lauerte Teff-ran, der einzige Mond des Planeten Teff-El. Seitwärts näherte sich Ma-kanee seinem endgültigen Ziel. Der Mond wurde bereits von Teff-El angezogen und bewegte sich in freiem Fall mit zunehmender Geschwindigkeit. Keine anderthalb Millionen Kilometer weit war er mehr entfernt. Die Tefflaner hatten es aufgegeben, dieses Riesengeschoß abzuwehren. Sie wußten, daß ihr Ende bevorstand. Aber immer noch versuchten einzelne Schiffe mit Flüchtlingen, den Ring der magyanischen Flotte zu durchbrechen. Es gelang ihnen niemals, auch nur den äußersten Sperrgürtel zu erreichen. Ma-ran begann langsam zu glühen. Der Druck auf den roten Knopf hatte im Kern das Freiwerden aller noch vorhandenen Energie verursacht. Aber auch die ersten Bremsfrachter näherten sich, stürzten auf die Oberfläche des Mondes – und wurden von ihr verschluckt, wie Wasser einen hineinfallenden Stein verschluckt. Eins nach dem anderen verschwand in der glühenden, zähflüssigen Masse, aus der Ma-ran nun bestand. Aarn nickte. »Verlangsamung zu gering, um unsere Pläne zu stören. In 45 Minuten erreichen wir Teff-ran.« Die Zeit rann nur langsam dahin. Von weiter Ferne aus gesehen schienen sich die beiden Monde nur mit unendlicher Vorsicht zu nähern. Wußten sie, daß ihr Schicksal besiegelt war, und versuchten sie, den schrecklichen Augenblick der kosmischen Katastrophe hinauszuzögern? Fast hatte es den Anschein. Die Sunbeam eilte voraus und erreichte die Stelle, an der
der Zusammenstoß stattfinden mußte. Von beiden Seiten aus näherte sich ihnen ein Mond, – auf der gleichen Bahn und mit gleichem Ziel. Ma-ran erinnerte an eine Orange, die langsam auf eine Grapefruit zurollte. Unaufhaltsam und grauenhaft langsam. Und dann zeigten sich die ersten Veränderungen auf seiner zähflüssigen Oberfläche. Eine regelrechte Flut schien zu entstehen, und der Mond nahm die Form eines langgestreckten Eies an, dessen eines Ende sich Teff-ran entgegenstreckte. In der Mitte schnürte sich Ma-ran zusammen; zwei kleinere Monde entstanden. Und dann erfolgte der Zusammenprall. Die sofort freiwerdende Energie verwandelte sich in Hitze und ließ auch Teff-ran erglühen. Ganz allmählich nur überzog sich die Oberfläche des tefflanischen Satelliten mit Rissen und tiefen Spalten, die bis zum Kern hinabzureichen schienen. Und dann traf der zweite Teil von Ma-ran, zerschmolz den angeschlagenen Mond. Keine zehn Minuten später hatte sich ein Himmelskörper gebildet, dessen Umlaufgeschwindigkeit zu gering war, ihn auf einer Kreisbahn zu halten. Langsam und immer schneller werdend begann der neue Doppelmond zu stürzen, haltlos und nicht mehr zu beeinflussen. »In sechs Stunden wird er Teff-El erreichen«, sagte Aarn mit einem leichten Schaudern in seiner Stimme. »Und Ma kanee wird etwa zwei Minuten später dort ankommen – aus genau der entgegengesetzten Richtung. Das hält kein Planet aus.« Noch einmal schossen letzte Flotteneinheiten des verlorenen Planeten in den Raum hinaus und versuchten
dem unbarmherzigen Feind Schaden zuzufügen, aber die geballte Kraft der Magyaner ließ jede dieser verzweifelten Anstrengungen im Keime ersticken. Ma-ran-Teff-ran fiel und fiel. Ma-kanee stürzte durch den Raum auf Teff-El zu. Und unten auf dem Planeten drängte sich der Rest der Bevölkerung, hilflos und zum Tode verurteilt, starrte hinauf in den Himmel, wo die beiden neuen Monde größer und größer wurden. Drei Stunden – vier – fünf Stunden. Auf der Oberfläche von Teff-El machten sich erste verhängnisvolle Anzeichen der drohenden Zerstörung bemerkbar. Die steigende Gravitation der Monde ließ Springfluten über flaches Land rasen. Gebirge stürzten in sich zusammen, und riesige Berge versanken in plötzlich entstehenden Bodenspalten. Und dann fiel Teff-El regelrecht auseinander... Aus Erdrissen drang schwefliger Qual aus dem Innern des Planeten hervor, vergiftete die Atmosphäre und beschleunigte das Ende einer so gut wie vertilgten Rasse. Die Kavernensysteme gewaltiger Städte brachen auf und ließen das Wasser der Ozeane hereinströmen. Die Hitze aus dem Innern brachte dieses Wasser zum Kochen; unübersehbare Rauchschwaden breiteten sich aus und nahmen zum größten Teil die Sicht. Als wolle ein gütiges Schicksal einen Vorhang über das grauenhafte Ende breiten, dachte Spencer erschüttert. Ma-ran-Teff-ran näherte sich den äußeren Schichten der Atmosphäre. Er fiel nicht senkrecht, sondern würde Teff-El schräg treffen. Als die sechs Stunden vorbei waren, tauchte Ma-kanee senkrecht in die Atmosphäre ein. Diese wurde
sofort unter gewaltigem Druck zusammengepreßt, und die solide Gassäule erreichte die Oberfläche in weniger als drei Sekunden. Es gab nichts, was ihr hätte widerstehen können. Zur gleichen Zeit erreichte der andere Mond auf der entgegengesetzten Seite sein Ziel. Die Atmosphäre glühte auf, und die furchtbare Hitze entflammte die gequälte Oberfläche. Beide Monde trafen in der gleichen Sekunde auf die eigentliche Masse des Planeten. Und Teff-El platzte auseinander wie eine reife Tomate. Säulen flüssigen Magmas schossen aus tiefen Erdspalten und strebten hoch hinauf in die Atmosphäre, wo sie sofort erkalteten und erstarrten. Als massive Gesteinsquader fielen sie wieder zurück, schlugen neue Wunden und verursachten neue Katastrophen. Die zähflüssigen Massen der drei Himmelskörper verbanden sich miteinander. Die gemeinsame Schwerkraft ließ sie zu einem einzigen größeren Planeten werden. Und dieser neue Planet bewegte sich langsam rotierend auf einer fast unveränderten Bahn um die riesenhafte Sonne Anrel. »Der uralte Feind ist nicht mehr«, flüsterte Aarn ergriffen. »Er wurde nach vierzigtausend Jahren endgültig vernichtet.« »Genau wie Teff-El«, setzte Spencer hinzu. Aarn schüttelte langsam und überlegend den Kopf. »Die Tefflaner können niemals mehr entstehen, und sie werden niemals wieder in Erscheinung treten. Der Planet Teff-El aber ist dabei, sich neu zu formen. Sieh dort, wie er zu einem Ganzen verschmilzt. Es wird Tausende und aber Tausende von Jahren dauern, bis er wieder Leben tragen
wird. Zerstört jedoch wurde Teff-El nicht. Wir erlebten lediglich einen winzigen Augenblick seiner langen und weit in die Zukunft reichenden Geschichte.« Und stumm sahen die Männer hinab auf die verglühende Hölle, die einst einer große Rasse Lebensraum geboten hatte, ihr Grab wurde und einmal wieder die Wiege eines neuen, besseren Geschlechtes sein würde. Wann...?
Epilog
»Der Apparat ist installiert, Anto Rayl«, sagte Aarn, »das Problem ist gelöst. Wir lassen dir das Gerät zurück. Wir müssen gehen. Unsere Heimat liegt auf der anderen Seite der Mauer, aber wir können ja nun beide diese Hindernisse überwinden – wir auf der Erde hoffen also, euch von Magya bald zu sehen. Werdet ihr kommen?« »Ganz bestimmt kommen wir, Aarn Munro! Wir möchten die alte Welt sehen, wo Menschen erzogen werden wie die, denen wir hier begegnet sind. Wir werden versuchen; euch nach tausend Tagen zu folgen. Bis dahin also...« Anto Rayl winkte, drehte sich um und verschwand in der Eingangsluke einer großen, glänzenden Metallwand, der Wand eines mächtigen Kriegsschiffes. Hinter ihm schloß sich die Luftschleuse. »Sie werden sie bald nicht mehr benötigen«, stellte Aarn sinnend fest und ließ seine Finger über die Kontrollen gleiten. »Fertig?« fragte er. Spencer nickte halb eifrig und halb bedauernd. Drüben, hinter einer Sichtluke stand Anton Rayl und winkte. »Alles Gute!« wünschte Aarn in das summende Mikrofon. »Alles Gute für den Sprung von einem Weltraum zum anderen«, kam es auf magyanisch zurück. Als Anto Rayl noch einmal zur Sunbeam hinübersehen wollte, war das Schiff spurlos verschwunden. Aber er wußte, daß er die drei Männer bald wiedersehen würde.