Nr. 423
Der Zellaktivator Aufruhr auf der Kunstwelt von Hans Kneifel
Als Atlantis-Pthor, der durch die Dimensionen fl...
19 downloads
449 Views
1MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Nr. 423
Der Zellaktivator Aufruhr auf der Kunstwelt von Hans Kneifel
Als Atlantis-Pthor, der durch die Dimensionen fliegende Kontinent, die Peripherie der Schwarzen Galaxis erreicht – also den Ausgangsort all der Schrecken, die der Dimensionsfahrstuhl in unbekanntem Auftrag über viele Sternenvölker gebracht hat –, ergreift Atlan, der neue Herrscher von Atlantis, die Flucht nach vorn. Nicht gewillt, untätig auf die Dinge zu warten, die nun zwangsläufig auf Pthor zu kommen werden, fliegt er zusammen mit Thalia, der Odinstochter, die Randbezirke der Schwarzen Galaxis an und erreicht das sogenannte Marantrone-rRevier, das von Chirmor Flog, einem Neffen des Dunklen Oheims, beherrscht wird. Dort beginnt für Atlan und seine Gefährtin eine Serie von Abenteuern, die allesamt voller tödlicher Gefahren sind. Die ersten Stationen ihres Weges sind unter anderem Enderleins Tiegel, der Schrottplanet, Xudon, der Marktplanet, und Gooderspall, die Welt der Insektoiden. Inzwischen ist der Planet Dykoor für Thalia zur Endstation ge worden – die Odinstochter lebt nicht mehr. Doch für Atlan geht die kosmische Odys see weiter. Die KIERMELL, ein Spezialschiff Chirmor Flogs, bringt den Arkoniden nach Cyrsic, einem technischwissenschaftlichen Forschungszentrum der Scuddamo ren. Gegenstand der Untersuchungen auf Cyrsic ist DER ZELLAKTIVATOR …
Der Zellaktivator
3
Die Hautpersonen des Romans:
Atlan - Der Arkonide verliert seinen Zellaktivator.
Verkonder - Ein Wahrheitsspürer.
Korlin, Aträss und Faebler - Das Triumvirat von Cyrsic.
Wassleng - Ein hoher Scuddamoren-Kommandant.
1. Trauer, Unsicherheit und Verwirrung be stimmten diese Stunden und Tage. Atlan trauerte um Thalia. Ihr freiwilliges Ende war ebenso sinnlos wie unverständlich. Der Ar konide war sicher, daß es irgendwann und irgendwo in dem Reich der Schwarzen Gala xis gelungen wäre, ihren schnellen Alte rungsprozeß rückgängig zu machen. Thalia, die Tochter Odins, war mehr als Atlans Freundin gewesen; allein schon die Hunder te verschiedener, lebensgefährlicher Aben teuer hatten den Arkoniden und die junge Frau von Pthor zusammengeschweißt und zu einem hervorragenden Team gemacht. Jetzt, in der relativen Stille des Organschiffes, kreisten Atlans Gedanken ständig um diesen erschütternden Verlust. Er war verwirrt, und das aus mehreren Gründen. Du mußt zur Kenntnis nehmen, sagte sein Extrasinn, daß es Chirmor Flog aus guten Gründen nicht eilig hat, mit dir zusammen zutreffen! Atlan glaubte, daß der Logiksektor sich zurückgezogen hatte. In der letzten Zeit mel dete er sich immer seltener; auch vergaß der Extrasinn seine ironischen Zwischenbemer kungen. Warum war er verwirrt? Er befand sich an Bord des Organschiffs KIERMELL. Auch Verkonder war in seiner Nähe. Nach einer endlosen Kette haarsträuben der Vorfälle hatte es Atlan wieder einmal geschafft, einen Planeten zu verlassen und in einem Raumschiff zu stehen. Die KIER MELL war ein Spezialschiff des Neffen. Der Auftrag der Scuddamoren-Besatzung lautete, Atlan und Verkonder abzuholen. Aber wieder war Atlan nicht sicher, ob die nächste Landung tatsächlich auf Säggallo stattfinden würde. Unsicherheit befiel Atlan
jedesmal, wenn er die Galionsfigur sah. Gra ters, ein Wesen, das wie eine Pflanze mit zahllosen Ästen und Wurzeln aussah, be herrschte die KIERMELL ebenso souverän wie jede andere Gestalt dieser unglückseli gen Verbindung zwischen Raumschiff und Steuermann. »Kennst du das Ziel der KIERMELL?« fragte Atlan und sah zu, wie die Enden der pflanzlichen Intelligenz Schalter bewegten. »Es ist nicht Säggallo!« bestätigte der Wahrheitsspürer, dessen Fähigkeiten Atlan noch längst nicht kannte. »Ich habe es geahnt!« murmelte Atlan. »Hast du erfahren, wohin unsere Reise füh ren wird?« Der Havare blickte Atlan unschlüssig an. Atlan glaubte, im Gesicht des anderen so et was wie ein lauerndes Grinsen erkennen zu können. »Das Ziel des Organschiffs ist eine Welt, die Cyrsic genannt wird.« »Was weißt du über diesen Planeten?« fragte Atlan. »Ich weiß nur, daß es dort so etwas wie eine Menge technischer und wissenschaftli cher Forschungszentren gibt.« »Sonst weißt du nichts?« »Nein. Nur, daß auf Cyrsic viele Scudda moren arbeiten.« Atlan hob die Schultern und wandte sei nen Blick ab von den Zweigen und Wurzeln, den verkümmerten Blättern und den weißen, spiralig zusammengeringelten Fäden, die sich ununterbrochen bewegten. Wenn dies die Finger oder die Tastorgane der Galions figur waren, wie sahen dann die Sinnesorga ne aus? Plötzlich sagte Verkonder: »Ich bin ebenso wie du enttäuscht, daß wir nicht auf Säggallo landen.« »Es freut mich, das von dir zu hören«, er
4 klärte Atlan knapp. »Warum?« »So wie du glaubte ich, mit dem Neffen oder mit einer sehr wichtigen Person zusam menzutreffen.« »Aus welchem Grund?« Atlan starrte in die stechend grünen Au gen des Havaren, die in tiefen Höhlen lagen. »Ich bin ebenso hingerissen von der Macht des Neffen, vom Leben am Hofe, vom Erlebnis des Zentrums der Macht«, sagte Verkonder mit knirschenden Silber backen. »Ebenso wie ich? Ich kenne Säggallo nicht«, sagte Atlan. »Ebenso wie alle anderen Wesen im Ma rantroner-Revier.« Ein merkwürdiges Gewand verhüllte den Knochenkörper des Havaren. Vielleicht dachte auch er, wovon Atlan überzeugt war, daß Chirmor Flog ein angsterfülltes, überaus mißtrauisches Wesen war, das niemanden in seine unmittelbare Nähe ließ. Jedenfalls war auch Verkonder ein Werk zeug und ein begeisterter Anhänger Chirmor Flogs! Atlan meinte knurrend: »Ich gehe in meine Zelle und bleibe dort bis zur Landung. Du weißt, wie ich zu fin den bin.« »Ich werde dich, wenn nötig«, antwortete Verkonder in Garva-Guva, »schnell zu fin den wissen.« Atlan zog sich zurück und wartete wieder einmal. Schließlich gelang es ihm, einen Tamater auszufragen, der sich zwischen all den Scuddamoren an Bord aufhielt. Atlan getraute sich nicht, die große Plejade aus der Tasche des Goldenen Vlieses zu holen. Auch ohne diese Beeinflussung erzählte ihm der Tamater etwas über den Planeten Cyrsic. Auf dieser Welt wurden neue Techniken für die Raumschiffe und die Raumfahrt ent wickelt. Außer Scuddamoren waren hier auch Angehörige aus allen anderen Teilen des Marantroner-Reviers vertreten, aus nahmslos irgendwelche Spezialisten. Cyrsic war der zweite Planet einer blauen Sonne, die der Tamater als Ursolg bezeichnete.
Hans Kneifel Der Planet war offensichtlich weitestge hend künstlich beeinflußt worden, sogar die Lufthülle, wie der Tamater zu sagen wußte. Atlans Neugierde wuchs. Die Berichte lenk ten ihn etwas von seinen eigenen Problemen ab. Bei der Einsetzung gewaltiger Mengen von Fauna und Flora schien es vor langer Zeit zu seltsamen Vorkommnissen und merkwürdigen Beziehungen zwischen Tier gattungen und Pflanzenfamilien gekommen zu sein. Cyrsic hatte eine Oberflächen schwerebeschleunigung von zwei Zehntel über der Norm, der Tag dauerte mehr als sechsundzwanzig Stunden, und der Planet hatte eine mittlere Temperatur von achtund zwanzig Grad. Es gab Binnenmeere, Gebirge und jede Landschaftsform, die durch jahrhundertelan ge Kultivierung und planmäßige Bewirt schaftung entstehen konnte. »Hat man dir gesagt, wer über den Plane ten herrscht?« fragte der Tamater. »Chirmor Flog, denke ich.« »Natürlich. Aber die Verantwortung für alles auf Cyrsic trägt ein Rechenzentrum von beachtlichen Ausmaßen. Es wird Gittzo genannt.« »Also steuert letzten Endes ein Robot alle Vorgänge auf dem Planeten?« fragte Atlan und sah neue Chancen für sich. »Abermals falsch. Ein Triumvirat von Scuddamoren lenkt die Geschehnisse. Es sind Faebler, Aträss und Korlin. Sie haben erklärt, eines Tages Organschiffe ohne Gali onsfiguren entwickeln zu können. Besonders in der letzten Zeit mehren sich die Gerüchte darüber, daß einzelne Galionsfiguren sich selbständig gemacht hätten oder nicht richtig funktionieren.« Die große Plejade! sagte der Extrasinn. »Also versuchen auch die Mitglieder des Triumvirats, von Chirmor Flog einen deutli chen Gunstbeweis zu erhalten.« »Richtig.« »Sie sagen, daß sie Flog helfen wollen, sich gegen den Rivalen Duuhl Larx durchzu setzen. Sie hoffen, daß er sie mit der Herr schaft über einen Planeten belohnt, der nä
Der Zellaktivator
5
her dem Zentrum der Schwarzen Galaxis liegt. Deswegen tun sie alles?« Der blaue, wie Stein wirkende Schädel des Havaren schob sich durch das offene Schott der Zelle. »Du kannst sicher sein, Atlan, daß sich das Triumvirat ganz besonders um dich kümmern wird.« Er grinste Atlan an und riß donnernd das Schott zu.
2. Ein heißer, wolkenloser Morgen. Für Dedramixxis bedeutete die Zeit nach Sonnenaufgang den Aufenthalt im Wasser des Sulumc. Während Dedramixxis über die runden Steine und die feuerfarbenen Moos polster glitt, veränderte sich der Körper. Die Gliedmaßen wurden kürzer. Zwischen den scharfkralligen Zehen bildeten sich dünne Schwimmhäute. Hinter dem kantigen, lan gen Schädel erschienen die pulsierenden Schlitze der Kiemen. Mit einem kraftvollen Satz warf sich der langgestreckte Körper ins Wasser. Das Binnenmeer kannte nur geringe Unterschiede des Tidenhubs. Beim Eintau chen verursachte Dedramixxis eine nur ge ringfügige Wellenfront. Das schwarz und gelb getigerte Fell merkte den wohltuenden Schock des kühlen Wassers; der Körper des Mehrfachwesens erschauerte und tauchte schräg nach unten. Dedramixxis und seine vielen Artgenos sen fühlten sich in der riesigen Strandzone des Binnenmeeres Sulumc wohl. Sie fanden für ihre verschiedenen Zustandsformen idea le Bedingungen vor. Es gab genügend Was ser, das Land und der Kunstdschungel war voller Verstecke und Beutetieren, die Sümp fe versorgten Dedramixxis mit heißem Schlamm, und in den Nächten konnten sie überall frei jagen – es gab keine größeren Raubvögel oder Flieger in der Luft. Dedramixxis schwamm mit schnellen Be wegungen geradeaus. Ein einzelner Fisch kam auf ihn zu, seine Augen glotzten den gelbschwarz leuchtenden Torpedo aus Kno
chen und Muskeln träge an. Dann erreichte ein Reflex den dumpfen Verstand des Fi sches. Das Tier zuckte mit dem glatten Kör per, die riesige Schwanzflosse schlug peit schend das Wasser, und die Beute raste zit ternd davon. Natürlich wußte Dedramixxis nichts über die lange Geschichte der Welt Cyrsic. Aber manchmal, wenn geheimnisvolle Strahlungen oder Einflüsse ihn rasend mach ten, schien Dedramixxis zu ahnen, daß es auf Cyrsic viel mehr fremdartige Dinge gab, als er begreifen konnte. Sein Rachen öffnete sich. Lange, mit Wi derhaken bewehrte Zähne wurden sichtbar. Ein schlanker Fisch kam von links und schwamm direkt auf ihn zu. Unmerklich be wegte sich der Körper des zeitweiligen Fleischfressers. Dann schnappte der Rachen zu, die Zähne bohrten sich in den zuckenden und zappelnden Leib des Beutefisches. De dramixxis tauchte auf, und mit einigen schnellen, schüttelnden Bewegungen tötete er den Fisch. In einem Strudel tauchte er auf und sah, daß alles heller war. Die Sonne leg te einen breiten Streifen aus strahlender Lichtfülle auf das Wasser. Dedramixxis schwamm langsam auf die Konstellation verschieden großer und unter schiedlich farbiger Steine an der Grenze zwischen Grashang und Sandstrand zu. De dramixxis legte sich in den warmen Sand und verschlang genußvoll den Fisch. Lang sam stieg die heiße, blauweiße Sonne höher. In einigen Stunden, kurz vor dem höchsten Sonnenstand, würde sich Dedramixxis wie der in ein Wesen verändern können, dessen eigentliches Element das feste Land war. Genau in dem Moment, als Dedramixxis die Reste des Fisches hinunterschluckte, erschi en in dem dunkelblauen Himmel ein scharf gezeichneter, schneeweißer Streifen, kurz vor dessen Beginn ein winziger, das Son nenlicht reflektierender Punkt funkelte.
* Auch Korlins Schattenschirm zeigte, daß
6 sein Inhaber einen höheren Rang in der Hierarchie der Scuddamoren innehatte. Er strahlte Stärke und Macht aus. »Die KIERMELL wird in Kürze landen. Sie bringt den Wahrheitsspürer und den Fremden mit, dessen Gerät wir in der Wir kung duplizieren sollen.« Irgittzheim nannten sie das Land zwi schen den Binnenseen, in dem die wichtig sten Zentren der Koordination errichtet wa ren. Hier lag auch der Raumhafen, auf dem die KIERMELL aufsetzen würde. »Der Auftrag des Neffen«, sagte Aträss, »ist klar definiert.« »Eine klare Anordnung kann den Erfolg auch nicht erzwingen«, warf Faebler ein. Auch sein Schattenschild war groß und ener giereich. Faebler sprach mit knarrender, rau her Stimme und starker Betonung. »Wir sollten besser bald Erfolg haben, meine Freunde!« sagte Korlin. »Es wäre wünschenswert«, gab Aträss zu. »Hin und wieder habe ich den Eindruck, daß wir uns zuviel vorgenommen haben. Die er satzlose Streichung der Galionsfiguren der Organschiffe, die verschiedenen Entwick lungen im Bereich der Waffentechnik und der Raumfahrt, und jetzt auch noch der Ver such, die Schwingungen einer uns fremden Zelltechnik zu entschlüsseln und für den Neffen anzuwenden. Wir werden uns über Anstrengungen und Fehlschläge nicht bekla gen zu brauchen.« »Wir haben alle erdenklichen Möglichkei ten. Auf Anforderung erhalten wir Material, Energie und Spezialisten. Ich denke, daß letzten Endes der Erfolg programmierbar ist«, entschied sich Korlin. »Richtig. Aber Chirmor Flog drängt auf schnelle Erfolge.« Diese drei Scuddamoren arbeiteten schon seit langen Jahren zusammen. Nach einigen Machtkämpfen waren sie zu der Überzeu gung gekommen, daß keiner von ihnen al lein etwas tun konnte; zusammen aber waren sie ein hervorragendes Team. Es war zutref fend – der Neffe, für den sie arbeiteten, war wirklich in der letzten Zeit ungeduldig und
Hans Kneifel daher wenig geneigt, Fehler zu verzeihen. Aträss schaltete einen Bildschirm ein. »Das Schiff landet soeben«, sagte er. »Wie gehen wir vor?« Faebler gab einen Laut der Heiterkeit von sich. »Auf alle Fälle schnell. Man soll gleich nach der Landung diesen Fremden Atlan in die Untersuchungsabteilung bringen.« »Also nach Gul-Goar?« »Ja. Zuerst brauchen wir Informationen. Wer von uns kümmert sich persönlich um den Problemfall des Fremden?« »Ich«, sagte Korlin. »Ich glaube, das fällt ebenso in meine Zuständigkeit, wie es mir auch Befriedigung verschafft.« »Einverstanden!« Faebler, Aträss und Korlin sahen auf ei nem der vielen arbeitenden Konferenzbild schirme, wie das tropfenförmige Schiff mit den markanten Ausbuchtungen landete. Sie hatten es auf den Raumhafen Gittzo-Carsh dirigiert. Gittzo-Carsh lag fast unmittelbar neben dem Rechenzentrum an der buchtför migen Küste des Binnenmeeres Sulumc. Der vor einigen Tagen ausgesprochene Untersu chungsauftrag von Säggallo war nur eines der vielen anstehenden Probleme – und jeder der drei war ziemlich sicher, bald einen Er folg an den Hof des Neffen melden zu kön nen.
* Die Triebwerke des Schiffes heulten und donnerten ein letztesmal auf. Die KIER MELL setzte mit weich einfedernden Lan destützen auf. Atlan und der Havare gingen langsam die Rampe hinunter. Atlan wußte, daß der Gedanke an Flucht in dieser Phase seines Aufenthalts vollkommen sinnlos war. Er hob den Kopf, ließ seinen Blick über die Umgebung des Landeplatzes gleiten und sagte zu seinem knochigen Nebenmann: »Meine Vorstellungen scheinen zuzutref fen.« »Ich weiß nicht, welche Vorstellungen du dir gemacht hast.«
Der Zellaktivator Atlan lächelte schroff und erklärte: »Eine Landschaft, die mehr an einen gigantischen Park erinnert als an gewachsene Natur und lang andauernde Evolution.« »In der Tat ist Cyrsic eine Kunstwelt.« »Je mehr ich davon sehe«, gab der Arko nide zu, »desto mehr glaube ich es.« Er konnte sich nicht erinnern, jemals eine Anlage von derartigen Ausmaßen gesehen zu haben. Die Hügel und Berge in der Nähe des Raumhafens waren ausnahmslos dicht bewaldet. Verschiedene Farben der Gewäch se bildeten kunstvolle Muster. Sie wirkten ganz anders als die zufällige Verteilung in einer natürlichen Umwelt. Steril, das war der zutreffende Ausdruck. »Wir werden abgeholt«, sagte Verkonder knarzend. »Du meinst, ich werde zu einer Reihe von lästigen und vermutlich auch gefährlichen Untersuchungen geholt?« fragte Atlan sarka stisch. In der Ruhe einer der letzten Nächte hat ten sich Argwohn und Mißtrauen in Atlan wieder gemeldet. Sein Extrasinn verhielt sich eigenartig. Im Augenblick schwieg er völlig. Daß eine Beeinflussung von außen stattfand, war immerhin möglich. »Auch so kann man es ausdrücken!« be stätigte Verkonder die letzte Vermutung des Mannes im goldenen Anzug. Über die helle, geriffelt erscheinende Oberfläche des sonnenüberfluteten Raumha fens kroch ein seltsames Gefährt heran. At lan merkte nach weiteren Schritten, daß der höhere Wert der Schwerkraft ihn behinderte, aber nicht belästigte. »Bist du mein Wächter, Verkonder?« er kundigte sich Atlan und blieb am Ende der Rampe stehen. »Drücken wir es so aus«, entgegnete der Havare, ohne zu zögern, »ich bin für dich verantwortlich und habe nur wenige Be fehlsgewalt auf dieser Welt.« »Du würdest mich aufhalten oder verra ten, wenn ich fliehen wollte«, murmelte der Mann von Pthor. »Das gehört zu meinen Aufgaben«, bestä
7 tigte Verkonder. Die Plattform mit den kugeligen Antriebs elementen und den ringförmigen Antennen summte heran und hielt vor den beiden An kömmlingen. In der Schleuse des Schiffes zeigte sich ein starkes Kommando Scudda moren. Mit einer knappen Bewegung seiner skeletthaften Hand bedeutete der Havare At lan, einzusteigen. Er setzte sich neben ihn. Der Robotgleiter fuhr rucklos an, schweb te über den Platz und auf eine Ansammlung von Gebäuden zu, die ziemlich verwirrend aussahen. Auch die langgestreckten, niedrigen Hal len und die geschwungenen, konisch zulau fenden Türme waren in die Landschaft inte griert. Rasenhänge, Felsbarrieren und Was serfälle reichten, durchbrochen von riesen haften Bäumen voller Schlingpflanzen, bis an die Mauern. Teilweise waren die Bau werke zu zwei Dritteln von Erdreich be deckt. Röhrenförmige Rampen und Stege, Brücken und fingerartige Stege verbanden in kühnen Mustern die einzelnen Teile der Hochbauten. Der Gleiter raste darauf zu und bewegte sich auf einer kurvigen Straße, die durch tief eingeschnittene Geländeformatio nen führte. Es war ziemlich heiß. An einigen Stellen sah Atlan, daß sich die planmäßig geformte Natur verselbständigt hatte. Aus Teilen von Waldungen, die in irgend einer grauen Urzeit der Kolonisation Cyrsics angelegt worden waren, hatte sich verfilzter Dschungel gebildet. Der Ausläufer eines Binnenmeers, der weit ins Land hineinragte und von einigen Brücken überspannt wurde, verlandete und verwandelte sich dabei in einen Sumpf, in dem sich blasenwerfende Tümpel blauschwarzen Wassers abzeichneten. Dann nahm eine Tunnelröhre den Robotgleiter auf, dessen Geschwindigkeit sich jetzt dra stisch erhöht hatte. Atlan brüllte zu seinem Nachbarn hinüber: »Gibt es hier Raubtiere und frei lebende Tiere, die von diesen gejagt werden?« Verkonder schrie zurück:
8 »Ich weiß es nicht genau, aber ich glaube, bestimmte Gen-Experimente haben die ein stigen Züchtungen veränderte.« Der Tunnel, der durch einen sanft gerun deten Bergrücken führte, hörte auf. Atlan blinzelte in die Sonne. Sein Anzug der Ver nichtung funkelte in Tausenden Reflexen auf. Im dunkelblauen Himmel kreisten riesi ge Tiere, deren Silhouetten mehr Flugsauri ern als Vögeln ähnelten. Der Robotwagen wurde langsamer, bog auf eine schräg abwärts führende Gleiterpi ste ein und hielt direkt vor einem stark gesi cherten Eingang. Ein flaches Dach sprang weit vor, der Eingangsbereich konnte durch eine Vielzahl von Energieschirmen gesperrt werden. Atlan sah eine Menge ausgeschalte ter Projektoren in den stählernen Säulen. Der Havare hob den blauhäutigen Kopf und sagte rauh: »Dort hinein, Atlan.« Atlan gehorchte schweigend. Er warf einen letzten Blick auf den Wasserfall, die Schlingpflanzen an den Felsnadeln und das blaue Wasser des nahen Sulumc-Ufers, dann ging er in die Halle hinein. Ihre Innenaus stattung glich einem Mischmasch von allen jenen Bauten, die er im Zusammenhang mit Scuddamoren kennengelernt hatte. Aber zu mindest war sie hell, vom Sonnenlicht durchflutet. Mehrere Scuddamoren glitten mit verschwimmenden Bewegungen heran und umringten ihn. »Es ist die Anordnung von Korlin ergan gen«, ertönte es hinter den Schattenschilden hervor, »dich sofort zu untersuchen. Es sol len tiefgreifende Messungen und Tests un ternommen werden.« Atlan knurrte zurück: »Es geht um die Strahlungswerte meines Zellschwingungsaktivators, nicht wahr?« »Diese Befehle wurden uns von Chirmor Flog übermittelt.« »Ich wünsche euch viel Erfolg«, sagte At lan kühl. Er wußte, daß Flog seinen Aktiva tor aus guten Gründen nicht direkt benutzen konnte, und daß die aktivierenden Strahlun gen dieses lebenserhaltenden Systems alles
Hans Kneifel andere als einfach zu kopieren waren. Er rechnete damit, daß die Scuddamoren samt der Technik des Gul-Goar-Zentrums nach vielen Versuchen restlos versagen würden. »Wir haben Erfolg«, erklärte einer der na menlosen Scuddamoren, »weil wir solange forschen werden, bis wir schließlich erfolg reich sein werden.« »Auch eine Methode«, meinte Atlan. Sie brachten ihn zunächst durch ein Drit tel der Halle, dann in eine zylindrische Ab sperrung hinein. Sie war am oberen Rand mit einer glasartig durchsichtigen Masse ab gedeckt. Tageslicht strahlte auch hier herein, verstärkt durch spiegelnde Wände und star ke Tiefstrahlerbatterien. Die Halle, etwa achtzig Meter im Durchmesser, war voller Geräte, Kabelstränge, rätselhaften Schaltbat terien in mehreren Ebenen, einer Unmenge von unfertigen und halbfertigen Dingen, die wie Strahler, Projektoren oder Zieloptiken aussahen. Zuerst zwangen die Scuddamoren den Gefangenen, den Anzug der Vernichtung bis zum Gürtel zu öffnen. Die große Plejade, die sich nach wie vor in einer Tasche seitlich des Schenkels be fand, suchten und fanden sie nicht. Es ging ihnen eindeutig um Atlan und um die Aus strahlung des in der Brust eingewachsenen Zellschwingungsaktivators. Atlan wurde auf einem Untersuchungstisch von monströsen Ausmaßen festgeschnallt, nachdem er den schimmernden Anzug mit Hilfe von zwei schweigsamen, ganz in Blau gekleideten Krejoden geöffnet hatte. Dann folgten mehrere Stunden, in denen sich Atlan wie ein seltenes Fundstück oder ein Untersuchungspräparat vorkommen mußte. Er wurde gewogen und gemessen. Man schloß Dutzende von Saugnäpfen, Sensoren und Tastern überall an seiner Haut an. Man maß seinen Atemrhythmus, seinen Herz schlag, seine Gehirnwellen. Es wurden die Feuchtigkeit und die Leitfähigkeit seiner Haut getestet und registriert. Man entnahm Gewebeproben und Blutproben, maß die
Der Zellaktivator Temperatur und die Länge und Stärke der Kopfbehaarung und der Körperbehaarung. Geräte zwickten Atlan, verbrannten ihn und vereisten die Haut wieder. Summende und klickende Arme und Spiegel schwebten über seinen Brustkorb, seine Arme und Beine, seinen Kopf und seine Füße und saugten Milliarden von Informationen auf, die ir gendwo in den Speichern von Gittzo, dem Rechenzentrum, verschwanden. Atlan ließ alles über sich ergehen. Die letzten Stunden konzentrierte sich das Interesse der Scudda moren, des Hilfspersonals und aller Geräte auf Atlans Brust. Mindestens fünf Stunden waren seit dem Eintreten in die Halle ver gangen. Atlan vermochte nicht zu erkennen, ob diese unaufhörlich erzeugte Datenflut et was bewirkte, ob sie Informationen für die Scuddamoren lieferte, die sie verwenden konnten. Er mußte zugeben, daß diese wahr haft große Menge an Untersuchungsgeräten in der vergangenen Zeit eine gigantische Masse an Untersuchungsergebnissen er bracht haben mußte. Plötzlich schien alles vorbei zu sein. Die düsteren Energiegebilde der Schatten schilde zogen sich zurück. Sämtliche Son den kehrten an ihre Ausgangspunkte zurück. Atlan öffnete die Augen und blinzelte in der Helligkeit. Zwischen dem technischen In strumentarium kam der hagere Havare auf ihn zu und beugte sich halb über ihn. »Die erste Phase der Erforschung ist ab geschlossen«, knirschte er nicht ohne eine gewisse Feierlichkeit. Ächzend richtete sich Atlan auf. Er fühlte sich ausgelaugt und schwindlig. Sie hatten seinen verborgenen Aktivator nicht angeta stet. Um ihn anzutasten, hätten sie ihn her ausoperieren müssen, sagte der Extrasinn. Atlan schüttelte sich und versuchte, den An zug der Vernichtung zu schließen. Verkon der half ihm und versicherte: »Bis zum Beginn weitergehender Unter suchungen kannst du dich ausruhen. Ich bringe dich in dein Quartier. Dort findest du alles.«
9 Einige Tamater und zwei schläfrig schei nende Noots schienen die Überbleibsel des Untersuchungsprogramms aufzuräumen. At lan und der Havare gelangten ungehindert zum Ausgang der Halle. Dort wartete ein leerer, geradezu winziger Gleiter von gelber Farbe und mit funkelnden Verzierungen auf sie. Atlan wandte sich an seinen Begleiter. »Und was geschieht jetzt, Verkonder?« Merkwürdigerweise hatte er immer die Befürchtung oder den Eindruck, daß der Ha vare, der sich selbst als Wahrheitsspürer be zeichnete, auf etwas Bestimmtes lauerte. Er ließ eine deutliche Gier erkennen. »Zu jeder neuen Untersuchung werden dich Scuddamoren holen. Du kannst versu chen, zu flüchten, aber selbst unter günstig sten Bedingungen erscheint dies als hoff nungsloses Unterfangen.« Atlan schwang sich auf den Nebensitz und massierte seinen schmerzenden Nacken. »Ich beabsichtige nur zu flüchten, wenn mich der Fluchtweg direkt nach Säggallo bringt«, erklärte er kategorisch. Verkonder aktivierte die Antriebseinhei ten des Gleiters. »Du wirst Säggallo sehen, wenn dich Chirmor Flog zu sehen wünscht«, sagte Ver konder. »Mir ergeht es übrigens nicht an ders.« »Dann werden wir also zusammen flie gen?« Die kleinen, stechendgrünen Augen schie nen Blitze in seine Richtung zu schleudern, als der Havare knurrend entgegnete: »Falls du dann noch zu einer Reise fähig bist.« Atlan schloß betäubt die Augen. Die Aus sichten, fand er, waren mehr als trübe. Nach einer kurzen Fahrt, abermals durch eine Art degenerierten Wald und über ein Stück Kunstlandschaft aus Wasser, Felsen, Weiden und breiten Moorstreifen, von selt sam verkrüppelten Bäumen gesäumt, schob sich ein hohes, schmales und langgestrecktes Gebäude mit Metallfassade zwischen dem giftigen Grün hervor.
10
Hans Kneifel
Der Gleiter hielt zwischen einigen Grup pen von Säulen an, von denen die Basis des Gebäudes gebildet wurde. Verkonder griff in eine Tasche seines Gewandes, das um sei nen Körper schlotterte, und zog einen Schlüssel hervor. Er war wie ein Zylinder geformt, an dessen Ende sich verschieden lange Stäbe herausstreckten. »Dein Quartier liegt auf der obersten Ebe ne. Der zehnte Raum auf der rechten Seite des Korridors. Du hast einen trefflichen Ausblick auf die Uferlandschaft des Su lumc.« »Danke«, erwiderte Atlan und stieg aus. »Ich weiß diese Aufmerksamkeiten zu schätzen.« Er fuhr mit einem mechanischen Lift hin auf, fand eine Tür und das Schloß, zu dem der Schlüssel paßte, und betrat nacheinander drei mäßig große Räume, die auf die Grö ßenverhältnisse von Krejoden zugeschnitten waren. Also würde auch er keine großen Schwierigkeiten haben, es eine gewisse Zeit lang auszuhalten. Er blickte aus dem großen Fenster. Der Ausblick auf Teile des Landes Irgittz heim und auf die metallenen Türme des GulGoar-Zentrums war tatsächlich gewaltig. Das schlanke Haus befand sich auf einem kleinen Hügel, und direkt darunter, durch einen Kilometer Hang und Sandstrand ge trennt, schlugen die kleinen Wellen des Su lumc-Binnenmeers an den Strand. Leise sagte Atlan zu sich selbst: »Wahrscheinlich sollen die Scuddamoren des Triumvirats einen Projektor bauen, der die gleichen Eigenschaften wie mein Akti vator hat. Eine Maschine für den Neffen! Ich muß also mit einem langen Aufenthalt rech nen.«
3. Dedramixxis riß seinen Rachen auf und gähnte. Das Ziehen und Reißen in seinem Körper hatte ihn aus dem Verdauungsschlaf ge weckt. Er sprang auf die Füße und schüttelte
den Sand aus dem Fell. Der schwarze Schat ten auf dem gelben Sand zeigte dem Tier, daß es wieder über lange, muskelstrotzende Läufe verfügte, über einen flachen und ho hen Körper und einen langen Schwanz, mit Hornscheiben, Widerhaken und Saugnäpfen bewehrt. Die stechende Sonne hatte ihren höchsten Stand erreicht. Dedramixxis hob den schmalen, wolfs ähnlichen Schädel und starrte die höchsten Wipfel der Bäume an. Feurige Reflexe zuck ten von den Flächen der Glas und Metallver kleidungen der Gebäude. Auch dort gab es Beute – sie war schwerer zu bekommen als hier im Dschungel, der feucht, heiß und lockend riechend vor Dedramixxis lag. Dort fingen jetzt seine Artgenossen zu jagen an. Er schloß sich der zweiten Jagd des Tages an. Der Schlaf in der Sonnenhitze hatte ihn gestärkt und gleichermaßen hungrig werden lassen; der Fisch war verdaut. Lange Speichelfäden troffen von den schneeweißen Fangzähnen, als sich Dedra mixxis in Bewegung setzte. Die Flugechsen waren vom Himmel verschwunden. Es war zu heiß. Sie ruhten sich im Schatten aus, be reit, jederzeit sich aus den Felsspalten und zwischen den obersten Zweigen der Bäume zu stürzen und ihre Krallen in Beutetiere zu schlagen. Viele von ihnen waren Pflanzenfresser, groß, aber harmlos. Mit langen Sprüngen bewegte sich das he chelnde Raubtier den Hang schräg aufwärts. Der Körper war wieder mit schwarzgelb ge tigertem Fell bedeckt, unter dem die Mus keln spielten. Der Schwanz war zu einem Drittel ausgestreckt, die letzten zwei Drittel bildeten eine eng gerollte Spirale. Das Raubtier warf sich in den feuchtwar men Schatten des Dschungels. Zwischen den miteinander verfilzten und verwobenen Stämmen, Ranken und Lianen gab es genü gend Öffnungen, durch die sich der schlanke Körper zwängte. Entlang eines Bachbetts stürmte Dedramixxis tiefer und tiefer in den Dschungel hinein.
Der Zellaktivator Als Dedramixxis noch ein wehrloses Jungtier gewesen war, unfähig zur vierfa chen Veränderung, geschahen merkwürdige Dinge. Nur undeutlich entsann sich das jetzt erwachsene Tier an diese Zeit des Lernens und der totalen Verwirrung. Seltsame Wesen waren aufgetaucht. Wenn Dedramixxis und sein Rudel sie an griffen, verschwanden sie einfach. Oder sie lösten sich in einer übelriechenden Wolke auf. Oder sie verwandelten sich in unzählige Teile, die nach allen Seiten flüchteten und sich nicht einmal durch gezielte Pranken schläge töten ließen. Diese merkwürdigen Vorgänge existierten nur in der Umgebung der harten, hohen Ge bäude, in denen die Wesen mit den gestaltlo sen Körpern wie Wolken umherschlichen und nicht zu erkennen gaben, ob sie nun Beute waren oder nicht. Mit einem fast geräuschlosen Satz schnellte sich Dedramixxis auf einen halb vermoderten Baumstamm. Es war einer sei ner Lieblingsplätze. Unter ihm kamen klei ne, runde Tiere aus dem Dunkel und tappten durch den Schlamm zum Wasser. Dedramix xis spannte seine Muskeln und stemmte sich hoch. Er suchte das Beutetier aus. Die Beute war erschreckend dumm und von selbstmör derischer Instinktlosigkeit. Sie sahen, rochen und spürten den Tod in ihrem Nacken nicht eher, bis sich die Zähne ins Rückenmark bohrten. Unhörbar sog das Raubtier die Luft ein. Dann löste sich die Spannung der Muskeln in einem einzigen Sprung, der den schweren Körper meterweit abwärts schleuderte und ihn genau auf dem Rücken der Beute landen ließ. Die vier Reißzähne drangen wie feinge schliffene Dolche durch schlammbedecktes Fell, durch Bindegewebe, Fett und Muskeln bis ins Zentrum der Wirbel. Jäger und Beute überschlugen sich. In einem rasenden Wirbel aus Schlamm, Blut und Wasser rollten sie mehrmals durch das flache Bachbett. Dann bewegte Dedra mixxis seinen Schädel dreimal scharf nach
11 rechts und links und zerriß die Wirbelsäule des Beutetiers. Blut strömte ins Wasser und machte die Egel und die kleinen Fische ra send. Kreischend flohen dreißig Tiere in den Dschungel zurück. Ihre Schreie wurden von dem schlagartigen Lärm, der sich für einige Sekunden erhob, verschluckt. Dedramixxis zerrte das tote Tier an eine geeignete Stelle und fing systematisch an, die Beute zu fressen. Schließlich war das Raubtier satt und trollte sich auf die Lich tung in der Nähe des Moores. Dort erzeugten seltsame, schillernd in der Sonnenglut wuchernde und blühende Pflan zen Ausstrahlungen und stimmungshafte Be dingungen, denen sich die Dedramixxis be sonders gern aussetzten.
* Mehrere Blätter, eng vollgedruckt mit winzigen Zeichen, verschwanden in der grauen Aura des Schattenschilds. Aträss und Faebler hörten schwaches Rascheln und ei nige brummende Laute. Dann ließ sich Kor lin wieder vernehmen. Seine dunkle, knar rende Stimme drückte Überraschung aus. »Dieser Fremde, den wir untersuchen las sen – er ist wirklich mehr als exotisch. Und sein Aktivator ist noch viel fremdartiger.« »Was siehst du in dem Text?« erkundigte sich Faebler und studierte einen Zeitplan, der auf einem Bildschirm ausgedruckt wur de. »Viele einschränkende Bemerkungen«, antwortete der Leitende Scuddamore. »Wir dürfen uns keinen großen Hoffnungen hin geben. Das Unternehmen ist voll von schier unüberbrückbaren Gegensätzen.« Er erklärte weiter: »Atlan ähnelt in seiner Körperstruktur ei nem warmblütigen Säuger, wie die Angehö rigen vieler Marantroner-Planeten. Er ist ge sund, kräftig und offensichtlich ein Muster exemplar seines Volkes. Die Ausstrahlung des Zellschwingungsak tivators, so lautet die korrekte Bezeichnung
12 für ein solches Gerät, erscheint auf den er sten Blick als simpel. Im Lauf der unge wöhnlich langen und intensiven Untersu chung aber wurde festgestellt, daß sich die Strahlung in Dutzende verschiedener, teil weise außerordentlich schwer nachzuprodu zierender Arten von Emission aufspaltet.« »Das heißt«, ließ sich Aträss hinter sei nem Schattenschild vernehmen, »daß wir die uns gestellte Aufgabe nicht lösen können?« »Nein. Es bedeutet, daß wir länger dazu brauchen. Und bisher hat ein hypothetischer Projektor, der den Aktivator weitestgehend ersetzen könnte, die Ausmaße eines schwe ren Gleiters.« »Verstehe. Damit können wir keine Ehre bei Chirmor Flog einlegen.« »Nicht nur das. Der Neffe wird uns an den Rand des Reviers verbannen, wenn wir ihm dieses Gerät anbieten. Außerdem ist der Energiebedarf geradezu gespenstisch hoch.« »Sind Versuche durchgeführt worden?« fragte Aträss beunruhigt. »Man bestrahlte Zellgewebe. Bisher ist noch kein Erfolg eingetreten. Aber Hunderte von Spezialisten und Helfern arbeiten unun terbrochen. Wir können auch jede Messung nachholen; es gibt keine Schwierigkeiten mit Atlan.« Sie hatten sich auf das Problem gut vorbe reiten können. Nachdem Chirmors Befehl eingetroffen war, organisierte Faebler die Aktivator-Abteilung binnen einiger Stunden neu. Und als Atlan in die Halle gebracht wurde, standen bereits alle Geräte bereit, und die Mannschaft wußte ganz genau, was sie zu tun hatte. »Also existiert etwas innerhalb des Akti vators«, meinte Korlin nachdenklich und warf die zusammengehefteten Untersu chungsergebnisse auf einen niedrigen Tisch, »das sich nicht messen und daher auch nicht duplizieren läßt.« »Was ist das?« »Wenn es jemand von uns wüßte, wären alle Probleme gelöst«, erwiderte Korlin. »Ich werde mich zu gegebener Zeit mit dem Fremden darüber unterhalten.«
Hans Kneifel »Können wir dir helfen?« »In diesem Stadium der Erfolglosigkeit noch nicht«, gab Korlin zurück.
* Zwei Stunden nach Einbruch der Nacht riß der scharfe Ton des Türsummers Atlan aus einem leichten Schlaf. »Die Tür ist nicht abgeschlossen!« rief er in Garva-Guva. Seine Hand fand einen Schalter. Teile des Raumes erhellten sich. Verkonder schob seinen hageren Körper in den Schlafraum. Das Licht ließ seine per gamentartige Haut gelb aufleuchten. Er trug einen leichten Anzug, der wie zerknitterte Silberfolie aussah. Ohne Feindseligkeit hob er seine dürren Hände und sagte: »Ich komme soeben aus dem Forschungs labor.« Atlan versuchte zu erraten, was dieser nächtliche Besuch zu bedeuten hatte. Er blieb unter den leichten Decken liegen und hob nur den Oberkörper. »Ich kann mir denken, daß man mit der Duplizierung meines Geräts noch nicht sehr weit gekommen ist«, fragte er einfach. Ver konder setzte sich in einen kugelschalenför migen Sessel, der in der Ecke schwebte. Das seitlich einfallende Licht ließ seinen Schädel wie einen Felsbrocken aussehen. »Es ist zu früh, von einem Erfolg reden zu können«, sagte Verkonder mit dem grauen vollen Knirschen seiner silbernen Kiefer. »Aber der Projektor arbeitet bereits.« Atlan stellte sich vor, wie Schauer von Zellstrahlung mit stärkster Intensität und höchster Sendeleistung durch die Mauern und Dächer der Anlage drangen und sich nach allen Seiten ausbreiteten wie eine star ke Gammastrahlenquelle oder wie Hyper strahlung. »Es muß ein riesiger Projektor sein, den die Scuddamoren bauten?« fragte der Arko nide und lächelte. »Groß wie ein Haus. Warum lächelst du?« fragte Verkonder. »Weil dort, woher ich komme, Hunderte
Der Zellaktivator Versuche dieser Art fehlgeschlagen sind. Außerdem wohnt dem Aktivator eine Kom ponente inne, die sich nicht messen und da her auch nicht simulieren läßt.« Verkonder sprang auf. Atlan machte eine beschwichtigende Geste. »Du kennst die fehlende Komponente?« »Ich weiß, daß es sie gibt. Ihr Vorhanden sein hat etwas mit unserer wahren Natur zu tun und läßt sich nur unvollkommen mit ei nem metaphysischen Begriff umschreiben.« »Den du natürlich nicht preisgibst?« rief Verkonder. Atlans Lächeln wurde breiter. In diesem Punkt konnte er leicht großzügig und ehrlich sein. »Natürlich kann ich dir schildern, worum es geht.« »Du weißt«, sagte Verkonder zu Atlans Verblüffung, »daß ich mein Wissen an das Triumvirat weitergeben muß?« »Aus diesem Grund versuche ich dir zu erklären, daß abgesehen von jener Strah lung, die auch ich nicht genau kenne, eine weitere geheimnisvolle Emission erfolgt. Wir nennen es, reichlich unvollkommen, ei ne Art Seele, einen geistigen Hauch, den ge samten geistigen Ausdruck einer Persönlich keit. Genau diese Einzelheit werdet ihr nicht aufspüren und nachahmen können. Nicht, weil ich es nicht will. Sondern deswegen, weil es nicht möglich ist. Viele haben es versucht, niemand hat es geschafft.« »Ich habe das Empfinden, du sagst tat sächlich die Wahrheit«, antwortete der Ha vare. Wieder einmal hatte Atlan den Ein druck, daß Verkonder mehr wußte, als er zu gab. »So ist es!« sagte Atlan. Die Maschine, die Korlin, Aträss und Faebler bauten, wür de bis zu einem bestimmten Grad funktio nieren. Vielleicht schaffte sie es auch, Zellen lebensverlängernd zu beeinflussen. Aber niemals würde sie dieselbe Wirkung haben wie der eingewachsene Zellaktivator. »Man hat bereits Zellverbände bestrahlt«, erklärte der Havare nach einer Weile. »Mit Erfolg?« erkundigte sich Atlan mit schwachem Interesse.
13 »Ich weiß es nicht.« »Hat jemand daran gedacht, daß die Strahlung des riesigen Projektors unter Um ständen böse Folgen für die Natur auf Cyrsic haben könnte?« »Ich dachte nicht daran!« gab Verkonder zu. Atlan lachte kurz und schloß: »Denke jetzt daran. Und sage es den drei Chefs des Planeten. Sie könnten vielleicht sich selbst Schäden zufügen, die nicht mehr repariert werden können.« Der Havare stand auf und warf Atlan einen funkelnden Blick zu. Atlan legte sich zurück und zog die Decken bis ans Knie. »Ich werde es weitergeben.« »Schläfst du eigentlich nie?« fragte Atlan gähnend, als Verkonder aus dem Raum tappte. »Selten«, erwiderte der Havare mahlend und schloß geräuschvoll das Schott hinter sich.
* Die zweite Welt der blauen Sonne Ursolg besaß eine planetare Geschichte voller Merkwürdigkeiten. Seit dem Tag, an dem die Völker des Marantroner-Reviers die Raumfahrt beherrschten, war an Cyrsic gear beitet worden. Gigantische Umwandlungsprozesse liefer ten zunächst eine Lufthülle, die den Planun gen für Fauna und Flora entsprach. Plane tenweit gingen Heerscharen von Robotma schinen und Scuddamoren daran, die Ober fläche des Planeten zu gestalten. Zahllose Modelle wurden in die Wirklichkeit umge setzt. Man leitete Flüsse um beziehungswei se schuf Flußbetten für später zu erwartende Wassermassen. Mit dem Aushub von mee resgroßen Flächen modellierten die Scudda moren in teurer und langwieriger Arbeit das Gelände nach ihrem Wunsch um. Natürlich geschah dies nicht auf jedem Quadratkilo meter der Planetenoberfläche. Aber der Ein druck einer zwar bizarren, aber sterilen Kunstwelt wuchs mit der Größe und Menge
14 der Bäume. Aus allen Teilen des Marantroner-Reviers wurden Setzlinge und Schößlinge von Pflan zen herbeigeschafft, die das Klima von Cyr sic vertrugen. Viele wuchsen wie rasend, an dere wieder veränderten sich unter den Strahlen von Ursolg. Wieder andere starben ab und bildeten lediglich Nährboden für an deres Gewächs. Jahrzehnte und Jahrhunderte vergingen, und die Myriaden verschiedener Tiere be gannen sich zu verändern. Mutationen und Modifikationen fanden statt, und mehr und mehr paßten sich der Planet, seine künstli che Flora und die ebenso aus allen Teilen des Reviers herangebrachte Fauna einander an. Aber je mehr Irgittzheim ausgebaut wur de, je mehr biologische Forschungen und andere Experimente durchgeführt wurden, desto größer wurden die Änderungen. Höher organisierte Pflanzen änderten die Farbe ihrer Blüten und Blätter, wuchsen schneller und wurden zu kriechenden Ge wächsen – bisher waren es hohe, stolze Bäu me mit wuchtigen Kronen gewesen. In den Dschungeln begannen, unbeobach tet von den Scuddamoren und den Hilfsvöl kern, andere Pflanzen geheimnisvolles Ei genleben zu entwickeln. Sie wurden auf eine mörderische Art empfänglich für verschie dene Strahlungen aus dem breiten Band des Spektrums. Tiere fingen an, starke Abweichungen im Verhalten zu zeigen. Die Dedramixxis beispielsweise ent wickelten zu dieser Zeit die Fähigkeit einer neuen mutativen Form, sich täglich in vier fast völlig verschiedene Lebewesen verwan deln zu können. Je mehr und länger geforscht wurde, desto mehr entfernte sich der Kunstplanet von sei ner Ausgangsform. Zum Teil waren die Änderungen zu se hen, zum größeren Teil blieben sie auch des halb im Bereich des Unsichtbaren, weil sich kein Scuddamore die Mühe machte, intensi ve Untersuchungen durchzuführen. Trotz-
Hans Kneifel dem blieben offene Fragen. Die Noots, Kre joden und Tamater flüsterten von seltsamen Erscheinungen. Man fand blutige Spuren überall in der Nähe der Forschungsanlagen, hauptsächlich aber in Irgittzheim und dort verstärkt rund um das Gul-Goar-Zentrum. Merkwürdige Wesen tauchten dort in den Nächten aus dem Dunkel des Dschungels auf. Alarme wurden von seltsamen Energie wolken ausgelöst. Die Manifestationen ver schwanden, wenn man sie näher untersuchen wollte oder auf sie schoß. Tiere verhielten sich aggressiv; Tiere, die sonst angsterfüllt vor jedem Scuddamoren geflüchtet wären. Die meisten Scuddamoren und ihre Helfer befanden sich in kleinen Ansiedlungen und bewegten sich so gut wie nie aus diesen Zo nen hinaus. So sahen sie auch nicht, was um sie herum geschah. Weiterhin sandte der Prototyp-Projektor die verschiedenen Teile der »Zellaktivator«Strahlung in die Umge bung und in die Luft über Gittzo. Die Strah lung war heftig und reichte weit ins umlie gende Gebiet hinaus.
* Die große Pflanze hatte keinen Namen. Sie war einfach da. Und sie war schön. Ihre Wurzeln füllten fast einen gesamten Hang aus, der sich an ein Magazin schmiegte. Ihre Ranken und Zweige waren an der Wand des Magazins festgewachsen. Die Mauer war sechzig Meter hoch und mehr als zweihun dert Meter lang. Sie war von oben bis unten von den feuerroten Blüten der Pflanze be deckt. Jetzt ging ein unerklärliches Rau schen durch alle oberirdischen Teile der Pflanze. Es gab keinen Wind, der die Blüten, die Ästchen und die Spiralfäden bewegt hätte. Die Pflanze selbst geriet in gieriges Zittern. Ihre Ranken bewegten sich wie Tausende kleiner und größerer Schlangen. Die eisen harten Haftfäden begannen sich zu drehen und bohrten sich in jede noch so kleine Ver tiefung in der Mauer. Staub und Stein brocken lösten sich. Die Äste krallten sich
Der Zellaktivator um Vorsprünge und zerrten daran. Das Rau schen und Knistern wurde lauter, hin und wieder durchbrachen knackende und ber stende Geräusche diesen Laut, der wie ein starker Morgenwind wirkte. Die Pflanze riß einige Wurzeln aus dem Boden. Im Lauf der Jahrzehnte hatten sich die Wurzeln um Teile der Fundamente ge legt. Ein leichtes Zittern ging durch das ro botisch versorgte Magazin. Eine Ecke der Wand brach und prasselte herunter. Im In nern des riesigen Magazins begann es zu dröhnen und zu rumpeln. Wie gierige Finger vergrößerten die Ranken und Äste die klei nen Löcher, rissen Spalten auf und krümm ten sich unablässig. Die Zerstörung ging weiter. Die Pflanze handelte keineswegs zielge richtet. Sie bewegte nur alle ihre Teile. Die pflanzlichen Zellen begannen zu rasen, weil eine unkontrollierbare Strahlung sie in rät selhafte Aktionen versetzte. Niemand sah es; es waren die ersten Stunden nach Sonnen aufgang. Der Strahlenschauer, der in diesem Mo ment die Pflanze traf, war der schwerste der letzten Zeit. Die riesige Pflanze schüttelte sich und riß weitere Wurzelsysteme aus dem Boden. Wieder zitterte der Bau das Magazins, und erste Sprünge brachen knisternd in den Wänden und dem Boden auf. Aus den Zwi schenräumen bohrten sich die Teile der Pflanze. Längst waren die Insekten zornig summend davongerast, die Vögel hatten die Nester in den mächtigen Zweigen verlassen, und ein Regen von Blütenteilen ging nieder. Als ein neuer Schub aus dem Projektor die Pflanze förmlich in Wahnsinn versetzte, legten die brechenden und splitternden Ran ken, Äste und Gabelungen die große Mauer in Schutt und Trümmer. Das Dach kippte um vierzig Grad nach außen. Staub und eine Unmenge Geröll fielen in das Gras, das von rätselhaften Strömungen gepeitscht wurde. Dann erstarrten sämtliche Pflanzen dieses Gebietes.
15
* Der Havare stand neben dem riesigen Ar beitstisch. Er wußte, daß er Korlin gegen überstand. »Du weißt«, sagte er unruhig, »daß ich ein Wahrheitsspürer bin.« »Richtig. Welche Wahrheit willst du mir berichten?« »Langsam. Wie weit seid ihr mit dem Projektor und der Strahlung?« Ohne daß von dieser Regung etwas zu se hen oder zu bemerken war, erklärte Korlin mit dunkel grollender Stimme: »Wir sind außer uns. Wir können noch lange keine Erfolgsmeldung nach Säggallo absetzen. Wir kommen einfach nicht so schnell voran, wie wir es uns vorgestellt ha ben.« »Wie weit ist der Projektor?« fragte Ver konder. »Oder sollte ich besser fragen, wie weit inzwischen seine Verkleinerung gelun gen ist?« »Damit machen wir gute Fortschritte«, antwortete das Mitglied des Triumvirats. »Wir strahlen unentwegt Testsendungen aus und machen Reihenversuche mit allen denk baren Zellpräparaten.« »Ich habe auf meinem Weg hierher eine Menge von Pflanzen gesehen, die sich wie lebende Wesen verhalten. Sie erwürgen und zerstören andere Lebewesen. Ich sah einen kleinen Noot, der von drei Ranken förmlich in Scheiben zersägt worden ist.« »Ab und zu passieren unerklärliche Dinge rund um Gittzo«, erklärte Korlin knapp. »Wir bekommen die Vorfälle mit Leichtig keit wieder in den Griff.« »Vielleicht ist der Erfolg näher, als ihr glaubt«, meinte der Wahrheitsspürer. »Davon sind wir alle überzeugt!« pflich tete ihm Korlin bei. »So meine ich es nicht«, sagte Verkonder. »Ich korrespondiere mit dem zweiten Ver stand des Fremden.« »Womit?« schrie Korlin verblüfft. »Mit einem Extrasinn, einem zweiten
16 Verstand, was weiß ich. Bisher habe ich ge glaubt, der Fremde spräche die Wahrheit. Er sagte, daß der Zellschwingungsaktivator ex plodieren würde, wenn man ihn aus seinem Körper herausoperieren würde.« »Das ist, was wir wissen!« sagte Korlin. »Es ist nicht die Wahrheit. Es kann sein, daß ihn die Operation tötet. Aber der Akti vator kann entfernt werden, ohne daß er de toniert.« »Bisher …«, begann Korlin. Dann schwieg er verblüfft. »Es ist die Wahrheit. Ich habe es seinem Bewußtsein entnommen. Bisher log er, na türlich als Selbstschutz. Aber eine Operation dauert nicht lange, ist unaufwendig und bringt schnellen Erfolg. Entweder können wir den Aktivator leichter und schneller un tersuchen, oder er kann sofort zu Chirmor Flog nach Säggallo gebracht werden.« Nach einer langen Pause der Überlegung meinte der Scuddamore: »Du bist dieser Feststellung absolut si cher?« »Ich habe mehrmals im Bewußtsein des Fremden nachgeforscht, ohne daß dieser es merkte. Es ist die Wahrheit. Sein Extraver stand denkt voller Angst an nichts anderes mehr. Es scheint hier auch ein zeitbedingtes Überlebensproblem zu geben.« »Das uns nicht sonderlich zu stören braucht«, erwiderte Korlin. »Ich werde dei ne Idee Faebler und Aträss vortragen. Ich bin sicher, daß du uns geholfen hast.« Verkonder streckte seinen skeletthaften Arm nach dem Handgriff der Tür aus und entgegnete: »Mein Ziel ist, nach Säggallo gerufen zu werden.« »Dieser Umstand hängt, wie du weißt, nicht von uns ab.« »Ich hoffe, daß mein Name bei deinem Bericht erwähnt wird.« »Mit Sicherheit«, bekräftigte der Scudda more. Verkonder nickte ihm zu und verließ den Raum. Während er zu seinem Gleiter ging, arbeiteten in den Hallen und Labors von
Hans Kneifel Gittzo die Scuddamoren weiter daran, die seltsamen Emissionen zu untersuchen. Im mer wieder brummte die Energieversorgung des Projektors. Aber inzwischen entstand in der Nähe dieses riesigen Geräts ein anderes, das um neun Zehntel kleiner und noch im mer zu wuchtig und zu schwer war. Beide Geräte lieferten – weitestgehend! – die er wünschten Werte. Aber sie waren nicht in der Lage, genau die Funktion des Aktivators zu ersetzen.
* Kurz nach dem Einsturz der südlichen Magazinmauer und mitten in dem Alarm, der von den automatischen Systemen ausge löst wurde, erschienen die ersten Schwärme am Himmel. Die gewaltige Strahlung schien Vögel aller Größen, Insekten und Flugsauri er mit magischer Kraft unwiderstehlich an zulocken. Mücken, so groß wie Finger, sam melten sich und kamen in langen Schleiern aus den Öffnungen des Dschungels. Im frei en Gelände und über dem Ufer des Binnen meers bildeten sie mehrere runde Wolken. Dann erschienen die Vögel, die von den zit ternden und wild peitschenden Pflanzen aus ihren Nestern und von den Ruheplätzen auf gescheucht worden waren. Einige Tausend von ihnen stürzten sich auf die Insekten und fraßen viele davon, aber nach kurzer Zeit ließen Hunger und Jagdinstinkt nach. Zwi schen den grausilbernen Wolken der Mücken, Fliegen, Hornissen und Libellen rasten die Schwärme von Vögeln aller Grö ßen heran und zogen immer enger werdende Kreise um die Türme und Hallen des Re chen und Forschungszentrums. Schließlich erschienen in großer Höhe Ketten von Flugsauriern. Es waren Schwe ber, keine echten Vögel, aber sie waren ebenso geschickt. Tausende und aber Tau sende der gelben, pergamenthäutigen, brau nen und schwarzen Flugechsen kamen aus allen Richtungen. Sie bildeten keine Schwärme, sondern kleine Verbände, die durch die Wolken der Insekten hindurchjag
Der Zellaktivator ten und die Formationen der Vögel aufspal teten. Das Licht der Sonne, die im frühen Vor mittag stand, wurde verdunkelt. Die Schat ten über Gittzo erschienen drohender und schwärzer. Eine kleine Wolke aus Insekten, durch die Strahlung in rasende Wut gestürzt, jagte summend und sirrend auf einen Scud damoren zu, der ein Gebäude verließ und das nächste zu erreichen versuchte. Die Tie re bildeten zuerst rund um den Schatten schild einen wirren Wirbel, dann gelang es einigen von ihnen, durch die Energieglocke zu schlüpfen. Der Scuddamore, unsichtbar hinter dem Schild, schrie auf und begann sich wie ein Verrückter zu gebärden. Schließlich, als immer mehr Tiere in den Schild eindrangen, schien es einen Kurz schluß in der Energieversorgung zu geben. Mit einer donnernden Explosion barst der Schattenschild und enthüllte einen verform ten Körper. Einige zehntausend Insekten stürzten sich darauf und bedeckten ihn. Eine Masse Vögel ließ sich fast senkrecht fallen und schwirrte auf den Körper zu. Die Schreie des Scuddamoren verhallten ungehört. Der Scuddamore starb unter Tausenden von Insektenstichen und den schnappenden Bissen der rasenden Vögel. Die Tiere griffen alles an, das sich bewegte – aber sie waren völlig desorientiert. Binnen weniger Minuten waren nur me tallene Teile und wenige Knochen übrig. Verwirrt erhoben sich die rasenden Tiere wieder und vereinigten sich mit der Masse der anderen, die unablässig um die funkelnden Türme kreisten. Als ein Kommando von Krejoden, die auf schweren Gleitern Material in die Konstruk tionshalle der Aktivator-Projektoren brach ten, von Insekten, Vögeln und Flugsauriern angegriffen wurden, erreichten die Nach richten auch die Rechner und von dort aus die Angehörigen des Triumvirats. Faebler gab Alarm. »Niemand verlaßt die Gebäude. Sie bieten
17 einigen Schutz vor den Tieren!« rief er in die Mikrophone. Ein anderer Sektor meldete sich und gab durch: »Die Ansaugstutzen der Luftumwälzanla gen werden von toten Insekten verstopft. Es sind bereits mehrere Maschinen durchge brannt und ausgefallen.« »Maschinen abschalten!« Von irgendwoher schrie eine Stimme: »Die Pflanzen … die Tiere … hier spielt alles verrückt. Es ist, sage ich euch, der neue Projektor!« Noch waren längst nicht alle Meldungen über Zwischenfälle dieser Art eingegangen. »Schaltet den Projektor ab!« befahl Aträss. Der Verbund aus zahllosen Terminals und Meßstationen gehorchte. Der mächtige Pro jektorprototyp wurde ausgeschaltet. Die For men der Wolken veränderten sich fast au genblicklich. Inzwischen erreichten mehr und mehr Meldungen die Rechenanlage. Hier im Zentrum war ein Transport überfal len worden. Mehrere Tote, viele Verletzte. Einige Bäume hatten sich in die Räume der Hilfskräfte gestürzt und dort Verwüstungen angerichtet. Insektenschwärme töteten eini ge Noots und vier Tamater. Überall ver stopften zusammengeschmorte Insektenkör per die Einlaßgitter. Aus dem Dschungel kam ein unheimlicher Lärm, den sich nie mand erklären konnte. Fische kamen in Schwärmen aus der Tiefe des Binnensees und sprangen an der Oberfläche wie ver rückt hin und her. Auch die kleineren Pro jektoren wurden abgeschaltet. Im selben Maß, wie sich die Lage beruhigte, trafen im mer mehr Meldungen über Störungen, Ver wüstungen und Tote ein. Das Bild klärte sich nur langsam. Aber es wurde deutlich. Die Analysen der Vorkommnisse wurden in den riesigen Konferenzraum eingespielt, in dem sich die drei obersten Scuddamoren be fanden. Korlin sagte, nachdem er viele kurze Dia loge mit Außenstellen geführt hatte: »Wir haben bisher fast nur das Gegenteil
18 von dem erreicht, was wir beabsichtigt ha ben. Statt die Strahlung des fremden Geräts zu analysieren und wiedergeben zu können, haben wir die Natur von Cyrsic aufgeregt.« Ein Bild erschien auf einem Schirm. Ein dichter Gürtel von Punkten zog sich kreisförmig um das Gebiet von Gittzo. Jeder Impuls, den die Rechner sichtbar werden lie ßen, bedeutete einen mehr oder weniger ern sten Zwischenfall. Der Gürtel war tiefgestaf felt und wirkte bedrohlich. »Was in diesem Fall bedeutet, daß unsere Projektoren nicht richtig funktionieren.« Aträss hatte diese Zwischenbemerkung gemacht. Er sorgte sich um den Fortgang ih res Unternehmens ebenso wie jeder andere. Und er war gezwungen, einzusehen, daß sie sich auf dem falschen Weg befanden. »Leider nicht. Ich werde anordnen, daß Verkonders Vorschlag ausgeführt wird.« »Die Operation?« »Richtig, Faebler!« sagte Korlin. »Es bleibt uns nichts anderes mehr übrig. Ich ha be alle Risiken erwogen und durchrechnen lassen. Chirmor Flog ist auch mit der Opera tion mehr gedient. Überdies: es eilt. Milde ausgedrückt, sollten wir schon längst präzise Ergebnisse nach Säggallo gemeldet haben.« »Bisher konnten wir nur melden, daß wir wie besessen arbeiten und trotzdem keinerlei Fortschritt erzielt haben«, stimmte Aträss zu. Die künstliche Natur von Cyrsic war im Bereich der neu ausgelösten Strahlung im Aufruhr. Die Masse der Schäden war noch nicht abzusehen. Selbst wenn es gelänge, den Projektor abermals um einige Faktoren zu verkleinern, würden die Effekte dieselben bleiben. »Wir haben etwas falsch gemacht!« sagte dumpf Aträss. »Nein. Wir verfügen über zuwenig Infor mationen«, gab Faebler zurück. »Wir brauchen tatsächlich den eigentli chen Aktivator. Wir müssen die Operation anordnen!« stimmte Korlin zu. »Du solltest alles vorbereiten!« rief Aträss erregt. »Sonst war alles vergeblich. Zögere
Hans Kneifel nicht länger!« »Einverstanden«, sagte Korlin. »Ich küm mere mich darum.« Jeder von ihnen wußte, daß alles, was sie taten, zum größeren Ruhm Chirmor Flogs notwendig war. Jeder Fortschritt wurde dazu benutzt, daß Chirmor eines Tages seinem Dunklen Oheim ein Bündel neuer Entwick lungen präsentieren konnte. Er buhlte um die Gunst des Oheims. Chirmor versuchte auf diese Art, den Konkurrenten Duuhl Larx auszustechen. Er wollte ein Herrschaftsge biet, das näher dem Kern der Schwarzen Ga laxis war. Und jeder, der ihm dabei half, würde überreich belohnt werden. Damit rechneten Faebler, Aträss und Korlin. Sie würden alles tun, dieses Ziel zu erreichen. Am frühen Abend holten acht bewaffnete Scuddamoren den Arkoniden ab. Sie brach ten ihn in einen Gleiter. Die Maschine raste davon. Keine seiner Fragen wurde beant wortet. Er merkte, daß der Weg in eine an dere Richtung führte. Schließlich hielt das Gefährt vor einem mittelgroßen Kuppelbau. Atlan wandte sich, inzwischen wieder im Anzug der Vernichtung, an den neben ihm stehenden Scuddamoren. »Du verformter und konditionierter Ma rantroner«, sagte er und bemühte sich, Ge hässigkeit und Schärfe in seine Stimme zu legen. »Sage mir, wo wir sind! Was ist dies für ein Gebäude?« Der Scuddamore antwortete tatsächlich. Er sagte schroff: »Die biologische Teststation!« Atlan ahnte, was ihm bevorstand. Der Lo giksektor meldete sich und sagte knapp: Man schneidet den Aktivator aus deiner Brust, Arkonide! Seit das Gerät sich vor dem Betreten Pthors durch die Haut und das Bindegewebe vor der Brust-Knochenplatte eingelagert hat te, hatte Atlan nur selten bewußt an den Ak tivator gedacht. Jetzt wurde es ernst. Die Operation selbst war simpel. Die Folgen aber konnten ihn vernichten. Hier: nach so vielen Jahrtausenden, in de nen es ihm geglückt war, den Aktivator zu
Der Zellaktivator
19
schützen und damit sein Leben. Hier würden sie es schaffen, ihn umzubringen. Und das alles deswegen, weil er die Aufgabe des Kö nigs von Pthor übernommen hatte; eine Ar beit ohne viele Freude, mit einer Unmenge von Verantwortung und darüber hinaus mit tödlichem Risiko. Atlan senkte den Kopf. Er wußte, daß er das lange Spiel verloren hatte. Er ahnte, daß er dieses Abenteuer ebenso wenig überleben würde wie Thalia. Alles war umsonst gewesen und hatte eine derarti ge Menge Energie gekostet. Die nächste Stunde, stets vor den Waffen der Scuddamoren, verlief tatsächlich wie die Routine eines Krankenhauses: Ausziehen, Desinfizieren, festgeschnallt auf dem riesigen Operationstisch, Lampen und Scuddamoren-Mediziner, Hilfskräfte aus anderen Stämmen und Roboter. Schließ lich kam die Betäubung und erlöste den Ar koniden von seinen Gedanken der Todesah nung.
4. Dedramixxis lag zitternd und keuchend am Rand des Sumpfes. Er war halb besinnungslos. Sein Instinkt sagte ihm, daß er noch niemals dem Tod so nahe gewesen war wie in den vier zurücklie genden Verwandlungsperioden. Der lautlose Ruf von überall und nirgends hatte ihn fast vernichtet. Ihn ebenso wie die anderen Dedramixxis und große Teile des Meeres, des umliegen den Landes, der Sumpfflächen und des Luftraums. Jetzt war er, nach dieser Phase rasender Aktivität, zu Tode erschöpft. Er hatte nicht einmal mehr die Kraft, bis zur Lichtung vorzustoßen. Er lag nur noch im kühlen Schlamm und wartete darauf, daß sich seine neue Gestalt dieses Mal ohne die peitschenden Schmerzen einstellen würde. Das Tier wußte nicht, warum sich die Na tur in weitem Kreis um die blitzenden Tür me aufgebäumt hatte. Aber Dedramixxis hatte den lautlosen Kampfschrei ebenso gehört wie alle Wür
mer, Gräser, Insekten oder Bäume. Wie fast jedes Lebewesen in Irgittzheim. Natürlich war es kein Schrei gewesen … Aber er wirkte wie ein Signal. Zuerst, in mehreren auf und abschwellenden Interval len, hatte eine unerklärliche Unruhe alle Le bewesen erfaßt. Tiere, die sonst schrecker füllt vor Dedramixxis geflohen waren, grif fen ihn an. Insekten verfolgten ihn und alles andere, das sich rührte. Er selbst wurde zu einem rasenden Bündel aus Muskeln und Fangzähnen. Er verfolgte und tötete jedes andere Tier, das ihm in den Weg kam. Nicht nur er und seine Artgenossen, sondern alle anderen Raubtiere waren in heller Panik. Stundenlang hielt die Panik an. Dann wurde sie wieder schwächer; die unergründlichen Schwingungen hörten auf. Aber sie fingen nach Stunden wieder an. Diesmal erzeugte der lautlose Schrei keine rasende Wut, sondern ebenso furchtbare Angst. Jedes Lebewesen flüchtete vor dem ande ren. Es gab keine Unterschiede. Selbst die Pflanzen, die in geringem Maß beweglich waren, versuchten ihren Platz zu verlassen. Der Dschungel erwachte zu raschelndem und knirschendem Scheinleben. Lianen ris sen sich von den Bäumen los, die sie um krallt hatten, und verwandelten sich zu schlangenartigen Wesen. Unerklärlicher Lärm erfüllte die Natur. Er trieb die gestei gerte Angst der Lebewesen noch höher. Als sich im Dunkel der Nacht das Lärmen und die vielen Millionen der Kämpfe, Zusam menstöße und Fluchtversuche zu einem ge waltigen Höhepunkt gesteigert hatten, rissen die Schwingungen ab. Dann herrschte lange Zeit absolute Ruhe. Die gesamte Natur kehr te langsam wieder zum natürlichen Rhyth mus zurück. Dedramixxis erkannte, daß sei ne Gliedmaßen sich veränderten. Dicke Schwimmhäute entstanden zwischen den langen Zehen. Die Körperhohlräume sogen sich voll Luft. Der wohlig kühle Schlamm ließ ihn die Anstrengung leichter ertragen. Der Körper wurde zu einer flachen Walze,
20 die Parasiten im kurzhaarigen Fell wurden vom dicken Schlamm erstickt. Dedramixxis richtete sich auf. Es war fast Abend; die Sonne schwebte nicht mehr sehr hoch über der Linie des Ho rizonts. Die Wärme staute sich unter den Bäumen, die allesamt halb zerfetzt waren, voller zerbrochener Äste und teilweise ohne Blätter. Dedramixxis hob den Kopf und schüttelte sich. Er fühlte noch immer den Schrecken der vergangenen Zeit in sich. Aber jetzt kam die Zeit, in der er sich er holen konnte. Langsam wanderte er in den Sumpf hin ein. Zuerst schob er sich aus dem Schlamm loch hervor, erreichte einen Abschnitt wei chen, aber nicht grundlosen Morastes und watete dann durch das eiskalte Wasser eines vorbeiströmenden Baches. Der Schock der Kälte beruhigte Dedramixxis noch mehr. Er sprang den Bach aufwärts in einem Wirbel aufspritzenden Wassers. Dann wechselte er über in die tiefe Rinne aus pechschwarzem, blasenwerfendem Schlamm. In dem Augen blick, als Dedramixxis tief untertauchte und auf dem Grund des Schlammtümpels nach einer fetten Schlange tastete, wurde aber mals jede Zelle seines eben veränderten Körpers erschüttert. Der lautlose Schrei hallte wieder durch die Umgebung der Türme! Für einige Sekunden verlor Dedramixxis jegliche Orientierung. Dann erreichten seine Krallen den Boden. Er stieß sich ab und tauchte durch den zähen, blubbernden Schlamm nach oben und durchstieß die Oberfläche des Tümpels. Noch während der Schlamm seine Gehöröffnungen verklebte, hörte er den rasenden Lärm. Diesmal war die Beeinflussung aus der Richtung der Hallen und Türme so stark und so schmerzend wie nie zuvor. Dedramixxis riß den Rachen auf und schnappte nach Luft. Seine Lungen füllten sich röchelnd. Er be mühte sich, etwas zu sehen, aber der Schmerz in seinem Schädel ließ ihn schwar ze Flecken und Lichtblitze sehen, nichts an deres. Blind und voller Todesangst beweg-
Hans Kneifel ten sich seine Läufe. Das mächtige Tier ru derte durch den Schlamm und wußte nicht, in welche Richtung. Auch das Zeitgefühl verließ im Lauf der nächsten Atemzüge das Raubtier. Irgendwann erreichte Dedramixxis, noch immer blind und mit einem gewaltigen Heu len in den Gehöröffnungen, mit schmerzen den Nüstern und trockenem Rachen den Bachlauf. Er stürzte sich hinein, kippte um und wurde mitgerissen. Die starke Strömung schleuderte ihn mehrmals gegen runde, große Steine und warf den schweren Körper schließlich halb über einen entwurzelten Baumstamm. Alle anderen Lebewesen litten weiter un ter der ungewöhnlich starken Strahlung, die ein viel breiteres Spektrum umfaßte.
* Du bist nicht tot, hämmerte ein Gedanke. Atlan zuckte zusammen, als er die Augen öffnete. Er starrte direkt in grelles Licht, das aus starken Operationslampen kam. Er lag auf dem Rücken und war nackt unter einem dünnen weißen Tuch. Als er zusammenzuckte, fuhr ein schwa cher Schmerz durch seinen Körper und kon zentrierte sich auf seiner Brust. Schlagartig verstand er alles. Er war im Operationssaal, war aus der Betäubung aufgewacht, und die Scuddamoren hatten seinen Zellaktivator aus seinem Körper herausoperiert. Richtig! bestätigte der Logiksektor. Um ihn herum war es unheimlich still. Ir gendwo tropfte es hart und rhythmisch. At lan legte den Kopf zur Seite und betrachtete eine Hälfte des Operationssaals. Er war tat sächlich leer. Und er schien verwüstet zu sein. Nichts rührte sich. Atlan stemmte sich vorsichtig hoch. Sein Körper schmerzte nicht sonderlich, trotzdem fühlte er sich schwach und ausgelaugt: die heilende und stärkende Wirkung des Aktivators fiel weg. Seit wann? Er konnte zweiundsechzig Stunden, also
Der Zellaktivator rund zweieinhalb Cyrsic-Tage, ohne den Aktivator auskommen. Dann drohte ihm ein schrecklicheres Ende als das Thalias. Es drohte nicht, mußte er sich verbessern – es war absolut sicher. Er stützte sich auf die El lenbogen, unterdrückte einen leichten Schwindelanfall und sah sich weiter um. Er sah drei Tamater in weißen Anzügen. Sie lagen auf dem Boden, und Teile der wei ßen Schutzkleidung waren mit Körperflüs sigkeit aus Wunden getränkt. Was war geschehen? Eine Katastrophe! Das Tropfen in ein stählernes, wie ein Re sonanzboden wirkendes Becken war eine schauerliche Begleitmusik zu seinen ver zweifelten Gedanken. An vielen Stellen des Operationssaals lagen umgestürzte Geräte. Medizinisches Material war verstreut und auseinandergerissen. Zwei Scuddamoren im Schattenschild lagen rechts und links neben einem Eingang. Irgendwo fauchte ein Gerät auf. Atlan ließ das Tuch von seinen Schul tern rutschen und sah, daß ein großes, wei ßes Pflaster zwischen den Schlüsselbeinen und dem Magen straff auf der Haut aufsaß. Die Operationswunde war also gut versorgt worden. Mit Sicherheit, daher seine Benom menheit, steckte er voller Betäubungsmittel oder unter dem Eindruck der Narkose. Vor sichtig bewegte er sich weiter und setzte sich an die Kante des Tisches. Ihm wurde bewußt, daß der Operations raum Schauplatz eines Überfalls oder einer ähnlichen dramatischen Aktion gewesen sein mußte. Warum aber hatte man ihn mit samt dem Operationstisch nicht umgestürzt oder getötet wie jene Scuddamoren dort? Die Lampen brannten, auf arbeitenden Bildschirmen, deren Sonden auf den Opera tionstisch gerichtet waren, zeichneten sich grafische Darstellungen seiner Lebensfunk tionen ab, dicke Bündel von Leitungen schlängelten sich aus dem großen, hohen Raum hinaus. Hinter Verschalungen arbeite ten verborgene Maschinen. Ein kühlender Luftstrom kam von der Decke. »Wo ist der Aktivator?« fragte sich Atlan laut. Seine Stimme verhallte ungehört im
21 Operationssaal. Er stand auf. Als er seine nackten Füße betrachtete, sah er unter dem Tisch ein klei nes Stück funkelndes Gewebe. Das Goldene Vlies! Er bückte sich, stöhnte vor Benom menheit auf und zog den Anzug unter dem Tisch hervor und warf ihn über die Platte. Die Ärzte hatten ihn ausgezogen und den Anzug achtlos unter den Tisch geworfen. Langsam zog er sich den Anzug der Ver nichtung an, der ihn wieder zuverlässig und wie eine zweite Haut angenehm umhüllte. »Wer hat das Gul-Goar-Zentrum überfal len? Und warum?« fragte er sich und ging langsam auf den Ausgang zu. Eine Hälfte des Portals stand offen. Atlan konnte nicht wissen, ob es seinetwegen oder wegen des Aktivators gewesen war – wer hatte außer dem Neffen noch Interesse an dem Gerät? Zuviele Fragen und nicht die Chance ei ner Antwort. Atlan tappte mit langsamen Schritten vor sichtig aus dem Saal hinaus. Er blieb in der Nähe von Wänden und Geräten, an denen er sich abstützte. Nur in feinen Abstufungen klärte sich sein Bewußtsein, seine Benom menheit schwand. Wieder stolperte er über einen toten Krejoden, der neben einer Schwebeplattform zwischen Boden und Wand lehnte und sich nicht bewegte. Der Arkonide wußte, daß er nicht nur schwerer an den Strapazen leiden würde, weil ihm der Aktivator nicht mehr zur Ver fügung stand, sondern auch deshalb, weil er sich mehr und mehr erschöpfte. Trotzdem blieb ihm nichts anderes übrig. Er mußte den Aktivator suchen und im Verlauf der näch sten Stunden finden. Nach hundert Schritten kam er in einen Korridor, der durch zwei Glaswände abge grenzt war. Rechts und links lagen riesige Laboratorien voller Tische und von Hunder ten unbekannter Geräte ausgefüllt. Auch hier gab es kein lebendes Wesen. Entweder waren alle Arbeiter und Spezia listen von Gul-Goar geflohen oder tot. Oder beides. Entweder hatten die geflüchteten Wissenschaftler seinen Aktivator mit sich
22 genommen oder diejenigen, die den Überfall ausgeführt hatten. »Es steht schlecht um deine Chancen, Ar konide«, stöhnte er laut, »den Aktivator wie derzufinden.« Nicht nur die fremde, absolut unbekannte Umgebung, sondern auch die Möglichkeit, daß der Dieb längst mit einem Raumschiff geflüchtet sein konnte, minderten seine Chancen drastisch. Eine Reihe Gedanken mit furchtbaren Konsequenzen machten sich breit. Man hatte den Zellaktivator irrtümlich zerstört. Oder jemand hatte ihn achtlos weg geworfen. Atlan hatte den Gang hinter sich gelassen und klammerte sich jetzt am oberen Ende ei ner breiten Treppe am Geländer fest. Säu lenartige Elemente, die eine Zwischendecke abgestützt hatten, waren zusammengebro chen und hatten eine breite Bahn aus Trüm mern quer über die untersten Stufen gewor fen. Auf einzelnen Stufen lagen unbewegliche Scuddamoren unter ihren Energieschilden. Ein toter Noot kauerte in einer Ecke. Schau dernd tastete sich Atlan mit weichen Knien die Stufen hinunter. Plötzlich stutzte er. Zwischen kleinen Trümmern ragten zwei staubbedeckte Hände und ein unverkennba rer Kopf hervor. »Verkonder!« murmelte Atlan, setzte sich auf eine Stufe und fing an, mit beiden Hän den die Trümmer wegzuräumen. Die einzel nen Brocken waren nicht groß, und bald lag der ausgemergelt wirkende Körper des Ha varen vor ihm. Heute trug Verkonder einen dicken, wei ßen Stoffanzug. Als Atlan versuchte, den Oberkörper des bewegungslosen Fremden hochzuheben, stöhnte Verkonder tief auf. Er öffnete seine kleinen, stechenden Au gen, dann knirschte er: »Atlan!« »Sie haben mich operiert. Der Aktivator … weg«, sagte Atlan und half dem Havaren, sich aufzusetzen. Verkonders Hände fuhren zu seinem Nacken und zum Hinterkopf. Dann ächzte er abermals schmerzgepeinigt
Hans Kneifel auf. »Der Aktivator?« fragte er gedehnt. »Ja. Er ist weg. Ich wachte auf dem Ope rationstisch auf«, Atlan holte Luft und be gann zu husten; der Staub des Trümmerhau fens legte sich auf seine Schleimhäute. »Und der Operationssaal war verlassen. Überall sind Tote. Alle anderen scheinen geflüchtet zu sein.« Der Havare sagte stockend: »Ich weiß nichts. Ich hörte Lärm, dann traf mich etwas hier«, er massierte vorsich tig die dünne Schicht unter der pergamente nen Haut, »und ich verlor das Bewußtsein. Der Aktivator? Weg, sagst du?« Atlan nickte. Er war nicht mehr so schlapp und schläfrig wie noch vor Minuten. Offenbar besaß er größere Reserven, trotz des fehlenden Aktivators, als er selbst an nahm. »Ja. Er wurde herausoperiert.« Atlan deutete auf der Brust des Anzugs ungefähr die Größe des Wundpflasters an. Er berührte die Ausbuchtung der Tasche des Goldenen Vlieses. Als er den Anzug ange legt hatte, war ihm aufgefallen, daß sich kei ner der Scuddamoren für diesen Fund inter essiert hatte. Also gab es noch das Geheim nis der großen Plejade. »Und?« »Ich wachte auf, alles war leer und tot und verwüstet. Gul-Goar wurde anscheinend überfallen«, zählte Atlan auf. »Entweder ha ben die geflüchteten Wissenschaftler dieses Gerät mitgenommen.« »Oder diejenigen, die uns überfallen und mich niedergeschlagen haben. Beides ist gleichermaßen furchtbar.« »Besonders für mich«, murmelte der Ar konide und fragte sich, ob es ein Trümmer stück gewesen war, das Verkonder besin nungslos geschlagen hatte, oder ein Hieb ei nes Piraten oder wessen auch immer. »Für mich nicht weniger. Ich habe für uns beide sehr viele Hoffnungen gehabt«, mur melte er undeutlich. »Das ist eine halbe Lüge«, stellte Atlan fest. »Du weißt, daß ohne den Erfolg das
Der Zellaktivator Triumvirat und du für Chirmor Flog völlig uninteressant geworden seid. Es geht euch nicht um mich. Ich bin unwichtig. Und ich vermute, daß du irgendwie herausgefunden hast, daß der Zellschwingungsaktivator bei dem Versuch, ihn zu entfernen, nicht deto nieren wird.« Der blauhäutige Schädel bewegte sich nicht. »Du kommst der Wahrheit nahe.« Atlan erwiderte resignierend: »Jedenfalls hast du dich mir gegenüber so fair wie möglich verhalten. Aus diesem Grund wirst du mir sicher helfen, den Akti vator zu finden.« Mit Atlans Hilfe stand Verkonder auf und schüttelte sich den Staub aus dem Anzug, der ihm ein groteskes Aussehen verlieh. At lan stieg treppab aus der Staubwolke hinaus. »Natürlich helfe ich dir!« versprach Ver konder. Vorsichtig turnten sie über die Trümmer und befanden sich im Basisgeschoß der Hal le. Atlan entdeckte sieben weitere Körper, die wie tot dalagen. Es waren viele Scudda moren unter den Leichen, und erst jetzt fiel ihm ein seltsamer Umstand auf. Die Schattenschilde waren ein hervorra genden Schutz gegen jede Art von Angriff. Er hatte selbst einen Schattenschild getragen und wußte, daß keine Energie durchschlagen konnte, die es im Marantroner-Revier gab. Nicht umsonst verwendeten die Scuddamo ren diese Kombination aus Uniform, Mar kenzeichen, Schutz und gleichmachender Tarnung. Welche neue und überraschend wirkende Kraft hatte dann die Scuddamoren von Gul-Goar umgebracht? »Dies läßt die Möglichkeit eines Überfalls wahrscheinlicher werden«, sagte Atlan und lehnte sich an ein Schott. »Wie?« fragte Verkonder, der hinter ihm herantaumelte. Sie beide standen unter der Wirkung des Schocks. »Ich überlege gerade, welche unbekannte Macht es schaffte, Scuddamoren reihenwei se zu töten«, brummte Atlan. »Außerdem habe ich Hunger und bin durstig. Mir
23 scheint, daß wir uns auf dem Weg der Ein dringlinge befinden.« »Das kann sein oder auch nicht«, gab Verkonder zu. Sie schwärmten nach rechts und links aus. Hier innerhalb der kuppelförmigen Anlage war es noch immer totenstill. Atlan suchte mit ständig steigender Verzweiflung nach seinem Aktivator oder wenigstens nach ei ner deutlichen Spur, nach einem Anhalts punkt, nach einer Idee, wo sich dieses le bensnotwendige, lebensrettende Etwas be finden mochte. Überall stieß er auf Spuren einer schlagartig erfolgten Aktion, die jedes lebende Wesen zumindest innerhalb dieser gigantischen Halle überrascht hatte. »Aber«, murmelte er im skeptischen Selbstgespräch, »ein Überfall kann niemals so durchschlagend an allen Teilen der Anla ge gleichzeitig erfolgt sein. Die Spuren …« Es sei denn, meldete sich der Logiksektor, der in Verkonders Gegenwart seltsamerwei se weitestgehend zu verstummen schien, es wären neuartige Strahlungen eingesetzt worden! »Was auch der Grund für den Tod der schattenschildgeschützten Scuddamoren ge wesen sein könnte«, ergänzte Atlan sinnge mäß. Er ging weiter. Irgendwo, in einem kleinen Raum, fand er Nahrungsmittel und frisches Wasser. Er machte eine Pause und aß und trank. Dann brach er wieder auf und erreichte wieder den Teil der Anlage, die unmittelbar dem Aus gang gegenüber lag. Er setzte sich auf einen Mauerbrocken und wartete. Etwa fünf Minuten später erschien Ver konder. Atlan warf ihm eine Packung mit Eßbarem und einen sackartigen Wasserbe hälter zu. »Du hast auch nichts gefunden?« fragte der Arkonide bitter. »Nein. Vermutlich nur das, was auch du gesehen hast. Zerstörungen und Tote aller Völker.« »So ist es.« Atlan und sein Zellaktivator – der Arkoni
24 de wußte, daß er gegenüber diesem uner setzlichen Gerät, dem Geschenk von ES, ei ne bestimmte Affinität entwickelt hatte. Es hatte nichts mit Telepathie zu tun, sondern war mehr eine Leistung des Unbewußten. Er glaubte, einen Weg zum Aktivator zu fin den, wenn es ihn gab. Sicherlich nicht ohne Hindernisse, aber die Suche trieb ihn früher oder später in die betreffende Richtung. Je denfalls glaubte er daran, und vermutlich deswegen, weil sein Glauben unbeirrbar war, funktionierte diese Art Effekt so und nicht anders. Hoffentlich auch diesmal, sagte der Lo giksektor und schwieg erschreckt, wie es dem Arkoniden schien. Trotzdem wäre ein Peilgerät die bessere Alternative. »Der Aktivator ist mit Sicherheit nicht mehr innerhalb dieser Halle«, sagte Verkon der nach einer Weile und warf die leere Ver packung zu Boden. »Woraus schließt du das?« Der Havare breitete seine Arme aus und knirschte rauh: »Weil es nur Leichen, Zerstörung und Chaos hier gibt. Niemand hätte mit dem Ak tivator das medizinische Zentrum verlassen können. Sie sind alle gestorben oder ge flüchtet. Du weißt es nicht, aber der Operati onssaal war von schwerbewaffneten Scudda moren umstellt.« »Ich vermag zwar die Logik in dieser Aussage nicht zu erkennen«, antwortete At lan und ging auf das Portal zu. Er fühlte sich ein wenig ausgeruhter und kräftiger. »Trotzdem glaube ich dasselbe.« Verkonders Arm deutete auf die auseinan derfahrenden Türteile. »Dort draußen ist die Natur in hellem Aufruhr. Die Strahlungen der verschiedenen Prototypen haben das Gleichgewicht gestört. Kannst du noch Schwärme von Vögeln, In sekten und Flugsauriern erkennen?« Vor ihnen glitten die Portale auseinander. Zu Atlans Verblüffung war es einige Stun den vor Mittag, dem höchsten Sonnenstand. Mehr Zeit, als er schätzte, war seit dem An-
Hans Kneifel fang seiner Bewußtlosigkeit vergangen. Er hob den Kopf. Seine Augen suchten den Himmel ab. Er konnte nur einige gelb lich schimmernde Haufenwolken erkennen. »Nein. Warum fragst du?« »Weil die Fauna und die Flora aufgestö bert und aufgescheucht wurden. Sie waren alle wie rasend«, lautete die Antwort. Zö gernd gingen Verkonder und Atlan hinaus. Sie befanden sich nach einigen Schritten in einem Park, der seltsam genug wirkte. »Nur, weil die Prototypen fragwürdige Strahlungen aussandten?« »Ja. Sie war sehr stark, und die Tiere sind sehr empfindlich. Cyrsic ist ein künstlich an gelegter Planet. Die einzelnen Spezimen kommen aus allen Teilen des Reviers. Sie haben sich verändert, und vor einem halben Tag passierten wegen der Projektoren eine Reihe tödlicher Unfälle.« »Aber jetzt sind die Projektoren abge schaltet?« erkundigte sich der Mann von Pthor und merkte wieder, wie die Operati onswunde schmerzte. Der Schmerz verging langsam. »Offensichtlich. Aber wir müssen gewär tig sein, daß die Tiere und Pflanzen noch un ter den Einwirkungen dieser Aufregung ste hen und sich nicht beruhigt haben.« »Hast du etwas Bestimmtes im Auge?« fragte Atlan knapp. »Nein. Alles und nichts.« »Ausgezeichnet«, knurrte Atlan und sah verwundert auf die Verwüstungen des Parks. »So oder ähnlich habe ich mir meinen Le bensabend stets vorgestellt.« Das Gras und die Blumen zwischen den Wegen sahen aus, als sei eine Herde von wütenden Großtieren darüber hinwegge trampelt. Vielleicht war es so gewesen. Die Bäume wirkten räudig und halb zerfetzt. Blätter und Blattreste bedeckten stellenweise das ruinierte Gras. Zwischen den Blätterabfällen lagen abge brochene Zweige und zersplitterte Äste. Sie bedeckten an einigen Stellen die Körper von Tieren und von Wesen, die gräßlich zuge richtet waren. Atlan ging nach rechts und
Der Zellaktivator entdeckte den Rand eines dichten Waldes jenseits einiger künstlich modellierten Hü gel. »Wo befinden wir uns?« fragte Atlan. Tote Insektenleiber befanden sich zwi schen dem verwüsteten Gras und den Blatt fetzen. Hin und wieder sahen sie einen Vo gel, der entweder regungslos dalag oder schwach mit den gebrochenen Flügeln zuck te. »Am Rand von Gul-Goar. Das Zentrum ist in Form mehrerer Ringe angelegt. Ganz in der Mitte steht die Rechneranlage. Dort leben auch Korlin, Aträss und Faebler. Ich habe keinen von ihnen gesehen, obwohl sie ein starkes Interesse an deinem Aktivator haben sollten.« »Und dieser Wald dort?« »Es ist ein Teil des Dschungels, der sich im Lauf vieler Jahrhunderte aus den fremden Pflanzen entwickelt hat.« »Und aus dem riesige Insekten, alle Arten von Vögeln und schrecklichere Tiere ka men?« »Ja. Und jene, die noch niemand kennt.« Atlan ging weiter. Irgendeine Kraft schien ihn in diese Richtung zu zerren oder zu schieben. Daß es die erste Spur des Zellakti vators war, glaubte er selbst nicht. Aber er registrierte, daß es auch in der Umgebung von Gul-Goar totenstill war. »Die niemand kennt?« fragte Atlan. »Was willst du mit dieser mystischen Äußerung sagen?« »Du weißt es nicht?« »Woher sollte ich es wissen? Ich bin fremd auf Cyrsic.« Ein riesiges Tier lag, halb begraben von Insektenleichen und den Körpern großer Vö gel, blutend und regungslos, zwischen den bizarr hochragenden Luftwurzeln eines gi gantischen Baumes. Auch dieser Baum war halb zerrissen, und mehrere seiner Wurzeln hatten sich aus dem Boden gerissen und wa ren in der Luft erstarrt. Es wirkte auf Atlan, als habe dieser Baum versucht, davonzuren nen. Eine Vorstellung von phantastischer Abwegigkeit, aber der Eindruck wollte sich
25 nicht verdrängen lassen. Mit einem schauerlichen Knirschen seiner silbernen Kiefer sagte der Havare: »Ich sehe gerade, daß ich ebenso fremd bin wie du, Atlan. Ich konnte mir niemals vorstellen, daß wir Gefährten der Gefahr sein würden.« Atlan bemerkte irritiert: »Nichts ändert sich schneller im Kosmos als Machtverhältnisse und Abhängigkeiten. Besonders dann, wenn man meint, die Situa tion sei stabil.« »Wie wahr!« knurrte Verkonder und schloß auf. Jetzt ging er dicht neben Atlan. Es sah so aus, als suche er ausgerechnet bei Atlan Schutz. Außerhalb des klimatisierten medizini schen Zentrums war es schwül, feucht und kochend heiß. Es rührte sich nicht der ge ringste Windhauch. Totenstille herrschte nach wie vor. Es gab nicht einmal das allge genwärtige Summen von Insekten. Auf At lan wirkte dieser Zustand, als ginge er durch ein Leichenhaus. Immer wieder sah er sich um. Er wartete auf den nächsten Zwischen fall. Er war überzeugt davon, daß binnen kürzester Zeit sich diese starre Stille in einer gefährlichen Explosion auflösen würde. Jahrhunderte seines Lebens inmitten der Abenteuer hatten seine Sinne dafür ge schärft. »Zurück zu naheliegenden Dingen«, sagte er leise und merkte dadurch direkt, daß die Umgebung auf ihn deutlich einzuwirken be gann. »Diese Wesen, die niemand kennt. Was weißt du darüber?« Stockend berichtete der Havare, was er wußte. Es lief darauf hinaus, daß sich die Kunstnatur dieser Welt verselbständigt hat te. Die merkwürdig verlaufende Evolution hatte aus ehemals kontrollierbaren Tieren ir gendwelche Wesen entstehen lassen, deren Charakteristika niemand mehr kannte. Sie wurden niemals beobachtet – auch deshalb, weil die intelligenten Bewohner dieser Welt keine Zeit und kein echtes Interesse mehr hatten, sie zu beobachten! –, und man fand nur ihre Spuren. Sie töteten anscheinend
26 wahllos Angehörige der verschiedenen Völ ker, hinterließen blutige Spuren und ver schwanden, als hätten sie sich aufgelöst wie Nebel. »Und diese Wesen sollen uns angreifen?« fragte Atlan schließlich. Sie hatten sich in zwischen etwa tausend Meter von dem Kup pelbau entfernt. Die Sonne kletterte höher. Immer wieder mußten sie entweder abge rückten Pflanzen, zusammengeschobenen Unrathaufen oder Leichen von Tieren und Intelligenzwesen ausweichen. Niemand da von hatte den Aktivator bei sich. »Vielleicht greifen sie uns an. Vielleicht sind sie aber auch alle in die Tiefen der Wäl der geflüchtet«, sagte Verkonder. »Und haben den Aktivator mitgenom men«, knurrte Atlan und zog die Handschu he seines Goldenen Vlieses fest. Nach einiger Zeit fragte Verkonder: »Glaubst du, daß wir in dieser Richtung den Aktivator finden?« Atlan hob die Schultern und antwortete: »Ich weiß es nicht. In der Halle gab es keine Spuren davon. Ich rechne damit, daß einer der Flüchtenden den Aktivator an sich genommen hat.« »Deswegen hast du auch jeden Toten un tersucht, ich verstehe«, meinte der Havare. Als sie den ersten Hügel hinter sich gelas sen hatten, veränderte sich die Umgebung schnell und drastisch. Bisher waren die Grünflächen einigermaßen gepflegt gewe sen. Die Wege hatten aus hellen Platten be standen. Jetzt verwandelten sich die Ge wächse in einen halben Dschungel, sie rück ten dichter zusammen und wanden sich um einander. Auch hier hatte sich eine unbe kannte Kraft ausgetobt; die Folgen der falsch eingesetzten Projektorstrahlung. Die tödliche und beklemmende Stille hielt wei terhin an. Vorsichtig gingen die zwei Wesen weiter. Mit jedem Schritt mehr fühlten sie sich wie absolut Fremde, die hier nichts zu suchen hatten. Wenn es überhaupt eine Spur gegeben hatte – sie hier zu verfolgen, schien sinnlos zu sein. Die breiten Wege wurden schon nach wenigen Metern zu schmalen,
Hans Kneifel morastigen Pfaden. Atlan blieb stehen und suchte die Ränder des Waldes mit den Au gen ab. Er konnte, abgesehen von den Be wegungen der Blätter, keine auffallenden Beobachtungen machen. Die unerträgliche Stille legte sich marternd auf seine Nerven. Er ging weiter und dachte daran, wie wohl diese seltsamen Rätselwesen aussehen mochten. »Ich bin sicher, daß das Triumvirat seine Meinung geändert hat. Sie wagten, den Akti vator herauszuholen, obwohl ich stets beteu erte, daß er dabei explodieren würde.« Et was leiser setzte er hinzu: »Vielleicht ist er auch explodiert, und die Verwüstungen, die wir sahen, rühren daher?« Verkonder hob abwehrend die Arme und versicherte: »Das ist nicht möglich! Das kann nicht sein! Außerdem würdest du dann nicht nach dem Aktivator suchen.« Er blieb dicht neben Atlan, als der Arko nide zwischen die Mauern aus Blättern und Ästen eindrang. Der Pfad ließ erkennen, daß er von vielen Wesen benutzt wurde und aus dem Zentrum GulGoar hinausführte. Zu nächst verlief er ziemlich gerade, und auch die Pflanzen wucherten nicht an seine Rän der heran. Ein Geruch nach Fäulnis kam, stickig und feucht, den Eindringlingen ent gegen. Die Helligkeit nahm ab, als sich die Baumkronen über dem Pfad schlossen. Der wirkliche Dschungel begann. Es war deut lich, daß sich niemals ein Scuddamore hier her verirrte. Es war durchaus möglich, daß sich der Dschungel mit all seinen gefährli chen Bewohnern eines Tages nicht mehr er folgreich zurückdrängen ließ und die Zen tren der Scuddamoren angriff und überwu cherte. »Richtig. Ich suche noch immer nach dem Aktivator«, sagte Atlan und begann einzuse hen, daß sein Vorhaben jetzt schon einen ho hen Grad an Sinnlosigkeit erreicht hatte. Der Pfad verbreiterte sich plötzlich. Eine Lichtung entstand vor den Eindring lingen. Der Rand des Dschungels war scharf abgeschnitten, als hätte man die Pflanzen
Der Zellaktivator bearbeitet. Auf dem lehmigen Boden des freien Platzes standen mehrere Bäume, die sich augenblicklich wild zu bewegen began nen, als Verkonder und Atlan die Lichtung betraten. Atlan reagierte schnell. »Kennst du die Pflanzen?« stieß er her vor. »Nein. Ich habe keine Ahnung, was alles auf Cyrsic wächst.« Die Bäume schüttelten sich und fuhren wild mit ihren Ästen durch die Luft. Sausen de und pfeifende Geräusche waren zu hören. Atlan starrte einige Sekunden verblüfft auf das Phänomen, dann drehte er sich herum und wollte sich auf dem Pfad zurückziehen. Aber hinter ihm hatte sich auch dieser Teil der Umgebung in ein undurchdringliches, von Dornen und Ranken gespicktes Netz verwandelt. »Zurück!« schrie Verkonder. Der Schrei schien die Bäume und den Dschungel in plötzliche Aufregung zu versetzen. Atlan zog sich mit einem Ruck den Kapu zenhelm des Anzugs der Vernichtung über den Kopf. Die Bäume zitterten und zogen Teile ihrer Wurzeln aus dem Boden. Die Pflanzen schienen nicht aus Holz zu sein, ir gendwelche organische Teile erzeugten ein aggressives Leben und griffen an. Mit schmatzenden Geräuschen fuhren die Wur zeln aus dem Boden, rollten sich halb zu sammen und tappten auf Verkonder und At lan zu. Ein tiefes Summen breitete sich aus, aber es waren keine Insekten zu sehen. Ein tentakelartiger Ast schnellte sich nach vorn, griff nach Verkonder und ringelte sich zu sammen. Atlan packte zu und riß Verkonder am Gürtel zur Seite. Der Ast, der plötzlich wie eine züngelnde Schlange aussah, pfiff ins Leere. Aber sofort kam der erste Baum näher. »Das sind die unbekannten Wesen, die al les erdrosseln!« schrie Verkonder voller Angst auf. »Wir müssen zurück auf den Pfad!« knurrte Atlan und sprang zur Seite, den Ha varen mit sich reißend. Ein zweiter Baum
27 hatte sich aus dem Boden gezerrt und kam auf sie zu. Dutzende von Ästen, deren Blät ter sich wie Krallen formten, drangen auf die Männer ein. Atlan stolperte und versuchte, die Zweige des Dschungelrands auseinan derzureißen. Die Dornen versuchten, sich in das Material des Goldenen Vlieses zu boh ren, glitten aber ab und kratzten wirkungslos über die kettenartigen Glieder. »Die Pflanzen …!« schrie der Havare. Atlans Arme schoben sich in die züngelnde, grüne Mauer. Einige Zweige brachen ab und wurden zur Seite gefegt. Atlans Körper drehte und wand sich, und als er im Rücken und auf den Schultern die harte, klammernde Bewegung der lebenden Bäume spürte, verdoppelte er seine Anstrengungen. Hinter ihm schlug Verkonder wild um sich und duckte sich unter den Tentakeln der pflanzli chen Angreifer. Atlan kämpfte sich wieder einige Handbreit weiter in das knisternde, sich unaufhörlich verschlingende Netzwerk hinein, dann spürte er, wie endlich der An zug der Vernichtung reagierte. Aus den Stacheln an den Schultern fuhren kleine Blitze nach allen Seiten. Sie trafen die Dornen und die dicken Knospen der Ge wächse und verbrannten sie. Winzige Flam men brannten an den Stellen, an denen die ätherischen Öle schlagartig frei wurden. Ei ne Art Loch riß vor Atlan auf, er zwängte sich hinein und drehte sich mitten in der Be wegung um. Mit beiden Fäusten griff er in das Bündel aus erstickenden Blättern und Ranken, die sich wie Maschen um den dün nen Körper des Havaren klammerten. Vor den Fäusten Atlans wichen die Pflan zenteile zurück. Ächzend und keuchend, in Schweiß geba det, zerrte Atlan den Havaren hinter sich her. Aus den rätselhaften Waffen des An zugs zuckten nach wie vor die sengenden Blitze. Zwischen den Gewächsen breitete sich fetter, grüner Rauch nach allen Seiten aus. »Sie erwürgen mich!« röchelte der Hava re und versuchte, Atlan bei seinem Befrei ungsversuch zu helfen.
28 »So schnell geht das nicht«, murmelte At lan und riß weitere Ranken von dem kanti gen Schädel Verkonders herunter. Mehr kleine Dornen und Zweige wichen vor den Blitzen und dem goldenen Anzug zurück. Mit einem verzweifelten Sprung konnte sich Atlan befreien, zerrte den Havaren mit sich und überschlug sich mit ihm zusammen. In einem Hagel aus brennenden und rau chenden Blättern und Ästen, abgerissenen Ranken und knisternden Dornen gingen At lan und Verkonder zu Boden. Sie rutschten auf dem nassen Lehm aus, als sie versuch ten, wieder auf die Beine zu kommen. Die Stacheln des Anzugs jagten zwei lange, dröhnende Schüsse durch den entstandenen Hohlraum in die Stämme der geradezu ra send um sich peitschenden Bäume. Atlan rannte, den Havaren mit sich zie hend, einige Schritte den Pfad entlang. Hin ter ihm schlugen die Zweige und Ranken klatschend gegeneinander und ins Leere. Verkonder begann würgend zu husten. »Dieser verdammte Projektor!« stöhnte er auf und lief, immer wieder ausrutschend und stolpernd, von der Lichtung weg. Atlan folg te ihm etwas langsamer. »Die Maschine, die meinen Aktivator er setzen sollte?« rief Atlan. Der Lärm hinter ihnen wurde leiser. Atlan fühlte einen neuen, nachhaltigen Schub der Erschöpfung und hielt sich an einigen Ästen fest, als er wei terlief. »Ja. Die Strahlung hat alles verrückt ge macht«, bekannte Verkonder. Nebeneinander hasteten sie durch den Dschungel. Sie hielten sich gegenseitig an den Schultern fest und halfen einander. Die Pflanzen an beiden Seiten des Pfades ver hielten sich ruhig und griffen nicht an. Schließlich erreichten sie die freie Fläche, an der der stinkende Dschungel in die son nenüberstrahlte Parkfläche überging. »Das war vielleicht die richtige Rich tung«, sagte der Havare mühsam und torkel te ins Sonnenlicht hinaus, »aber eine tödli che Falle.« »Fast tödlich«, korrigierte Atlan.
Hans Kneifel Am Rand des Dschungels, etwa dreihun dert Meter entfernt, sprang ein riesiges Tier aus der Deckung hervor. Es sah entfernt aus wie ein Tiger, war pechschwarz und grell gelb gestreift und besaß einen riesigen Schweif, der spiralig aufgewickelt nach oben geschwungen war. »Es ist sinnlos, im Dschungel danach zu suchen«, sagte Atlan und ließ sich nach einigen Schritten auf einen Stein fallen. Er wischte den Schweiß von seiner Stirn und bemerkte, daß das raub tierartige Wesen starr herüberblickte. »Es war furchtbar. Die Pflanzen leben … wie Tiere!« sagte Verkonder erschöpft und setzte sich neben Atlan ins kurze Gras. Ein kurzer Schatten streifte die beiden Fremden. Atlan hob den Kopf und blickte in den Him mel. Er erschrak abermals, stieß Verkonder an und sprang auf. »Irgendwelche Raubvögel!« sagte er auf geregt. »Oder nein: es scheinen Echsen zu sein. Wir müssen zurück in die Gebäude.« Vor den scharfkantigen Silhouetten der weißen Wolken schwebten die sichelförmi gen Raubechsen in großer Höhe. Mehrere Dutzend der offensichtlich riesigen Tiere be wegten sich in Kreisen zwischen dem Wald rand und dem nächsten Gebäude. Es war die schimmernde Halle, in der Atlan operiert worden war. »Du hast recht. Sie werden angreifen!« sagte der Havare und begann, ohne sich um Atlan zu kümmern, auf das Tor der Halle zuzurennen. Mindestens dreitausend Meter betrug der Abstand. Atlan zuckte die Schul tern, murmelte eine Verwünschung und rannte hinterher. Immer wieder hob er den Kopf und warf besorgte Blicke nach oben. Noch hatte keiner der Flugsaurier angegrif fen, aber sämtliche Tiere kreisten um einige hundert Meter tiefer. Das einzelne Raubtier verharrte nach wie vor regungslos am Wald rand. Nur sein riesiger Schweif rollte sich auf und wieder zusammen, wie eine Anten ne. »Ganz sicher werden sie angreifen«, sagte sich Atlan und versuchte, den Abstand zu Verkonder zu verringern. Bis jetzt hatten sie
Der Zellaktivator nicht einen einzigen Scuddamoren oder den Angehörigen eines anderen Volkes gesehen – nicht gerechnet die Toten, die in der Zone zwischen dem Zentrum und dem Dschungel lagen. Aus der Schar der kreisenden Flugechsen löste sich ein einzelner Körper. Der Saurier legte die langen, sichelförmigen Schwingen zusammen und stürzte sich wie ein Stein brocken in einer schrägen Bahn in die Rich tung der beiden rennenden Punkte weit unter ihm. Atlan hörte das sausende, schwirrende Geräusch über sich. Er blieb stehen, winkel te die Arme an und hörte, daß der Havare et was rief, verstand aber nichts. Atlan sprang aus der fragwürdigen Deckung einiger Äste heraus, hob die Arme und erwartete den Angriff des ersten Sauri ers. Das Tier breitete zwanzig Meter über dem Boden die Schwingen aus. Es gab einen hellen, knatternden Laut. Dann stieß der lan ge Schnabel nach vorn, die Krallen an den Spannknochen spreizten sich gierig. Die Echse raste mit fast starren Flügeln waag recht über dem Boden auf Atlan zu. Der Ar konide duckte sich tief hinunter, und als das Tier dicht vor ihm war, sprang er in die Hö he, wirbelte seine Arme herunter und traf mit zwei furchtbaren Schlägen den Hals des Tieres dicht hinter dem langen Schädel und einen der dicksten Schwingenknochen. Die Wirbelsäule und der Knochen bra chen mit knackenden Geräuschen. Der Kör per der Echse rammte Atlan zu Boden. Der Arkonide krümmte sich zusammen, rollte sich ab und kam in dem Augenblick wieder auf die Beine, als sich der brechende Schna bel der Echse tief in den weichen Unter grund bohrte und die lederne Haut schwer aufs Gras schlug. Sofort rannte Atlan weiter und hinter dem Havaren her. Der Abstand zum sicheren Gebäude ver ringerte sich. Aber jetzt kamen von zwei Seiten die schwebenden Saurier heran. Sie griffen At lan im letzten Schwung des Sturzflugs an. Atlan flüchtete im Zickzack und versuchte, die Echsen in eine ungünstige Position zu
29 manövrieren. Mit einem schnellen Hecht sprung duckte er sich hinter einen Baum stamm von mäßiger Dicke. Eine Echse kurv te dicht vor dem Stamm schräg in die Höhe, und Atlans Bein schnellte hoch. Das Knir schen der berstenden Knochen ertönte in demselben Augenblick, als Atlans Hand den Schädel ergriff und mit einem harten Ruck nach hinten riß. Die Echse starb mit einem letzten, wütenden Trompeten. Atlan schnellte herum, und wieder kamen mit zitternden Schwingenenden zwei der fleischfressenden Saurier nebeneinander auf ihn zu. Er wurde, während er den Kopf senkte und in den ersten Angreifer mit wir belnden Armen hineinrannte, vom Schnabel und der Schulter der zweiten Echse getrof fen und zu Boden geworfen. Noch im Fallen klammerte er sich mit beiden Händen an den Hals des Tieres, spannte die Muskeln und brach der Echse, während ihre Schwingen in sein Gesicht peitschten und den Helm trafen, das Rückgrat. Der nächste Spurt, der Atlan wieder zu einer erschöpfenden Hochleistung zwang, brachte ihn etwa zweihundert Meter weiter an die Kuppel heran. Der Havare war nicht mehr zu sehen. Atlan winkelte die Ar me an, lief langsamer, um sich zu schonen, und jetzt spürte er auch die beginnende Pa nik. Jede Stunde, die verstrich, brachte ihn dem Tode näher. Daß es offensichtlich in ganz GulGoar kein einziges lebendes Wesen mehr gab, machte die Wahrscheinlichkeit ei nes vorausgegangenen schweren Angriffs größer. Aber dann hätte es an den Gebäuden auch äußerlich Spuren gegeben! Er wußte nicht, was er denken sollte. Er schaute nach oben, nach hinten, suchte die nächste Deckungsmöglichkeit und keuchte einen Hügel hoch. Die Schmerzen in seiner Brustwunde mußte er ignorieren. Die Ech sen, noch immer eine gewaltige Menge, kreisten jetzt ziemlich dicht über ihm, und er wartete auf den nächsten Angriff. Das Ende der anderen Angreifer schien die Tiere vor übergehend aufgehalten zu haben, aber jetzt kamen sie von allen Seiten auf ihn zu. Ob auch sie von irgendwelchen Strahlun
30 gen aufgescheucht worden waren, interes sierte den Arkoniden in diesem Zusammen hang herzlich wenig. Er hatte nur noch das Ziel, ihnen zu entkommen. Er rannte, so schnell er konnte. Ein Schwarm von mindestens zwanzig Flugechsen, die sich gegenseitig behinder ten, bildeten einen Pulk hinter ihm. Keine Echse war nahe genug, um ihm in diesem Augenblick gefährlich werden zu können. Atlan brachte ständig Bäume und Sträucher zwischen sich und die Verfolger, aber sie wichen den Hindernissen in elegantem Flug aus und schlossen sich wieder zur Formation zusammen. Atlan merkte auch nicht, daß sich zwi schen die Sonne und den Boden wieder ein neuer Schatten schob. Als ihn die erste Flug echse erreichte, die Flügelenden mit den lan gen Dornenfingern nach vorn krümmte und mit dem Schnabel auf seinen Nacken herun terhämmerte, ließ sich Atlan auf die Knie fallen, griff hinter sich und zerschmetterte die Knochen des Tieres, während er sich zu gleich mit dem leichten Körper überschlug. Gleichzeitig schaute er zwischen den an deren Echsenleibern senkrecht hinauf in den strahlenden Himmel. Ein riesiger Körper erschien in langsa mem Flug! Ein Organschiff von gigantischen Ausma ßen und in einer ungewöhnlichen Form. At lan sprang auf, traf mit seitlich zuschlagendem Handgelenk einen Knochen und fühlte, wie er unter dem Hieb brach. Das Organschiff glitt fast geräuschlos her an. Die Echsen, die es sahen, wandten sich mit knatternden Schlägen der langen Schwingen sofort zur Flucht. Die dunkle Masse, die über ihnen hing, verscheuchte sie. Atlan wehrte den letzten Hieb eines ster benden Tieres, das über das Gras auf ihn zu kroch und schrille Trompetenschreie aus stieß, mehr nachlässig als wütend ab und blieb verblüfft im Schatten eines riesigen Baumes stehen. Vom Eingang der Halle trennten ihn keine
Hans Kneifel siebenhundert Meter mehr. Verkonder stand dort und winkte. In seinen Händen hielt er eine schlanke Waffe, mit der er auf die flüchtenden Flugsaurier feuerte. Das Schiff sah aus wie drei riesengroße Kugeln, die unregelmäßig ineinander über gingen. Der größte Durchmesser betrug si cherlich mehr als eineinhalb Kilometer. At lan erkannte im Hauptbug die gläsernen Kanzeln von sechs Galionsfiguren. Die Au ßenhülle des gigantischen Raumschiffs war übersät mit Nischen, Ausbuchtungen, rillen artigen Vertiefungen und Mulden. Atlan streifte die Kapuze zurück und ging langsam auf den Havaren zu. Immer wieder zuckten die röhrenden Glutbahnen der Waffe in den Himmel und trafen Echsen, die schreiend und brennend abstürzten. In diesem Moment öffneten sich Schleusen in den Flanken der drei Kugelteile. Scuddamoren schwebten langsam aus dem Schiff auf den Boden zu. Atlan war überzeugt, daß sie schwer bewaff net waren. Was hatte das Schiff hier zu su chen? Der Arkonide registrierte mit einiger Verwunderung, daß er über das Erscheinen dieses riesigen Organschiffs keineswegs ent setzt war. In seiner derzeitigen Lage konnte jeder, der ihm half, den Zellaktivator zu fin den, nur von Vorteil sein.
5. Kurz bevor Atlan den Eingang der Halle und seinen gewissenlosen Begleiter erreich te, landeten die ersten von einigen Tausend der bewaffneten Scuddamoren. Auch jetzt waren außer den Projektorspitzen alle Aus rüstungsgegenstände hinter dem düsteren Schattenschild verborgen. Sofort bildeten sich um Atlan und Verkonder zwei Kreise von Raumsoldaten-Scuddamoren. Atlan rief laut in Garva-Guva: »Ich bin Atlan. Der Mann dort ist der Ha vare Verkonder. Wir sind im GulGoar-Zentrum offensichtlich die zwei einzi gen übriggebliebenen Lebewesen. Wer seid ihr?« Ein Scuddamore gab laut und knarrend
Der Zellaktivator zurück: »Wir kommen von der KYR. Komman dant Wassleng ist einer der höchsten Schiffskommandanten des Marantroner-Re viers.« Der Havare schien sich schnell gefaßt zu haben. Er warf seine Waffe einem Scudda moren zu und erklärte lautstark: »Wir müssen Wassleng sofort sprechen. Es geht um wichtige Dinge im Zusammen hang mit Chirmor Flogs Leben.« »Wassleng wird gleich hier landen. Was ist geschehen? Warum schweigen die Sen der des Zentrums? Warum wird nichts nach Säggallo gemeldet?« Atlan lachte kurz und ohne jeden Humor. »Weil es niemanden mehr gibt, der etwas funken könnte. Irgend etwas ist geschehen. Wir wissen nicht, was es ist.« Überall landeten die Scuddamoren. Sie verteilten sich rund um das Zentrum auf die Zone zwischen Dschungelrand und den Ge bäuden. Ein tropfenförmiger Gleiter löste sich aus einer Schleuse der KYR und schwebte dem Boden entgegen. Die KYR hing über dem Zentrum wie eine riesige schwarze Wetterwolke. Die Kreise um Ver konder und Atlan öffneten sich, glitten in einander, dann befanden sich die beiden Männer im Zentrum eines Kreises aus schweigenden, gesichtslosen Scuddamoren. Eine größere Truppe der Schattengestalten eilte mit ihren typisch gleitenden Bewegun gen in die Halle hinein, in das nächststehen de Gebäude. »Ein Überfall? Wir hätten an Bord des Schiffes Spuren davon anmessen müssen!« sagte einer der Scuddamoren. »Ich weiß es nicht. Ich wurde bewußtlos«, erklärte Verkonder und deutete auf den Ar koniden, »und er lag ohne Besinnung auf dem Operationstisch dort drin. Ich bin si cher, daß es Überlebende gibt.« »Die sich vermutlich sehr gut versteckt haben«, gab Atlan zurück. »Kommt Was sleng mit diesem Beiboot?« »Ja. Das ist das Boot des Kommandan ten«, bestätigte ein Scuddamore.
31 »Warum seid ihr hier?« fragte der Havare, etwas ruhiger. »Chirmor Flog befahl dem Schiff, das sich gerade in der Nähe des Systems Ursolg befand, hierher zu fliegen. Er zeigte sich au ßerordentlich beunruhigt über die ausblei benden Funksprüche. Er scheint dringend auf eine Nachricht gewartet zu haben.« »So ist es«, bestätigte Atlan bitter. »Achtung. Das Boot landet.« Der Kreis öffnete sich. Das Boot setzte nach einem kurzen Bremsmanöver am Rand des freien Platzes auf. Aus der Kabine sprang ein Scuddamore heraus, der Was sleng sein mußte – die Aura, die von seinem energiereichen Schattenschild ausging, war beeindruckend. Er kam geradewegs auf den Havaren und den Arkoniden zu und blieb dicht vor ihnen stehen. Die Raumsoldaten machten achtungsvoll Platz und bildeten ei ne Gasse bis zu dem Boot. »Wer seid ihr?« dröhnte die dunkle Stim me aus dem Schattenschild hervor. »Ich bin Atlan. Dies ist Verkonder, der Wahrheitsspürer. Wir sind aus verschiede nen Gründen hier, hauptsächlich aber wegen meines Zellschwingungsaktivators, der Chirmor Flog nahezu ewiges Leben garan tieren sollte. Dieser Aktivator wurde aus meiner Brust herausoperiert und ist ver schwunden.« Der Havare schilderte hastig, was seiner Meinung nach vom Zeitpunkt der Operation ab geschehen sein konnte. Er betonte mehr mals die Wichtigkeit dieses Geräts. Er sprach von den Mitgliedern des Triumvirats, die vermutlich ebenfalls verschwunden oder verschleppt worden waren. Der Komman dant sagte nach einer kurzen Pause: »Wir werden sehen, was zu tun ist. Ich spreche mit Säggallo. Wartet hier!« Er glitt zurück zum Landungsboot. Über all – jedenfalls dort, wohin Atlan und Ver konder sehen konnten – drangen Scuddamo ren-Kommandos in die Gebäude ein und be gannen sie zu untersuchen. Eine zahlenmä ßig große Gruppe landete auf dem Dach ei nes riesigen, turmartigen Gebäudes. Plötz
32 lich war die gesamte Umgebung wieder be lebt. Das Schiff war noch immer nicht ge landet. Die transparenten Kanzeln glänzten in der Sonne. Wassleng kam aus dem Bei boot zurück und baute sich vor Atlan und Verkonder auf. »Ich habe von Chirmor Flog einen Befehl bekommen. Ich sprach mit ihm über die KYR-Funkanlage. Ich und meine Truppen haben dafür zu sorgen, daß der Aktivator so schnell wie möglich gefunden wird.« Er wandte sich an Atlan und fragte: »Wo ist der Aktivator?« Selbst wenn er nicht wußte, was ein Akti vator war und wozu er diente, er würde sei nem Befehl nachkommen und bis zur letzten Konsequenz gehorchen. Was für ihn galt, würde er auch unverändert von seinen Trup pen verlangen. Denn sie alle waren Scudda moren. »Ich weiß es nicht. Ich nehme an«, sagte Atlan wahrheitsgemäß, »daß er entweder in den Händen derer ist, die das GulGoar-Zentrum überfielen, oder daß er sich irgendwo in weitem Umkreis befindet. In der Hand eines toten Scuddamoren, Noots, vielleicht eines der unheimlichen Tiere … ich weiß es nicht.« »Ein Überfall aus dem Raum fand nicht statt!« sagte Wassleng hart. »Das weißt du genau?« fragte der Mann von Pthor skeptisch. »Ja. Wir hätten zu dem fraglichen Zeit punkt den Überfall bemerken müssen. Kein Schiff wäre unerkannt entkommen!« bestä tigte der Kommandant der KYR selbstbe wußt. »Also befindet sich der Zellschwingungs aktivator auf Cyrsic, und vermutlich auch in der Umgebung dieser Halle«, rief der Hava re. Er schien für sich wieder neue Chancen zu sehen. »Damit ist zu rechnen!« bestätigte der Kommandant. »Ich werde meinen Truppen eindeutige Befehle geben.« Seine Stimme hinter dem Schattenschild wurde leiser. Er verständigte seine Scuddamoren ver-
Hans Kneifel mutlich über einen Minikom. Als Atlan sich umsah, konnte er erkennen, daß sich die Kommandos der Schattenschildträger neu formierten. Sie schwärmten teilweise mit Hilfe der Fluggeräte aus, zum anderen Teil bewegten sich die düsteren Gestalten blitz schnell zwischen den Gebäuden und den nä heren Teilen der Parkanlagen. Es war klar zu sehen, daß sie genau wußten, was zu gesche hen hatte. Sie fingen an zu suchen. Atlan sagte, nachdem er einen Teil der Vorbereitungen mitangesehen hatte: »Ich bin sicher, daß der Aktivator bald ge funden wird, wenn so viele deiner Leute da nach suchen.« »Du kannst dich darauf verlassen, daß Flogs Befehl ausgeführt wird«, versicherte der Scuddamoren-Kommandant. »Ich bin sehr daran interessiert«, erklärte Atlan. »Nicht wahr, Verkonder?« Er grinste den Havaren sarkastisch an. Gleichgültig breitete Verkonder die Hände aus, erwiderte ohne die geringste Beklom menheit: »Ich bin nicht weniger daran interessiert als du, Atlan.« Auch aus der Gruppe der Scuddamoren, die den gelandeten Luftgleiter und die drei augenblicklichen Hauptpersonen umstanden, lösten sich einzelne Individuen und glitten in verschiedene Richtungen auseinander. Atlan sah nach dem Stand der Sonne und der Län ge der Schatten, und wieder erschrak er. Mehr als fünf Prozent der Gnadenfrist waren bereits unwiderruflich vergangen. Schließ lich standen neben dem Beiboot nur noch Atlan, Verkonder, zwei Scuddamoren und der Kommandant. »Ich kenne das Problem«, sagte Wassleng plötzlich. Für Atlan war die Situation einigermaßen verwirrend. Zwischen dem Opfer oder bes ser dem Betroffenen – in diesem Fall ihm selbst – und denjenigen, die Befehle eines unbekannten, fast abstrakten Wesens aus führten, gab es eine durchaus wertfreie, sachliche Art des Verständnisses. Es war ab solut makaber. Aber sein Ziel war ohne sein
Der Zellaktivator eigenes Zutun völlig klar: Er mußte den Zellschwingungsaktivator so schnell wie möglich wieder um seinen Hals hängen haben! Unter diesem Vorzeichen war ihm jeder recht, der ihm half. Dazu gehörten Verkon der ebenso wie der Kommandant. Atlan wartete darauf, daß Wassleng seinen Satz beendete. Da dies nicht erfolgte, fragte er zurück: »Du kennst das Problem, Wassleng – aber du kennst, denke ich, den Zellaktivator und dessen Bedeutung nicht? Richtig?« »Richtig. Warum ist er so wichtig?« Ver konder erklärte es ihm in einigen Sätzen. Wassleng begriff natürlich ohne besondere Schwierigkeiten die gesamte Breite des Pro blems. Atlan sagte sich, daß er hinter dem Schattenschild vermutlich ein zustimmendes Kopfnicken oder eine andere Bewegung würde sehen können. Aber er sah nichts, er konnte an der Veränderung der Stimme nichts feststellen, er konnte nur versuchen, die einzelnen Worte zu analysieren. Viel kam dabei nicht heraus. Er setzte sich auf den Bug des stromlinienförmigen Beiboots und hörte die letzten Worte des Havaren. Als Verkonder schwieg, fuhr er ohne Unter brechung fort: »Ich kenne einige Daten, die ausgestrahl ten Schwingungen meines Aktivators betref fend. Vielleicht finde ich in deiner Ausrü stung, Wassleng, ein Peilgerät. Mit einem solchen Gerät und deiner Hilfe könnte ich den Aktivator finden – falls deine Truppen ihn nicht entdecken.« Wassleng antwortete entgegenkommend: »In Ordnung. Sage mir die Spezifikatio nen, und du bekommst dieses Peilgerät. Ver mutlich sprechen wir, was die Meßwerte und die Konstanten betrifft, zwei verschie dene wissenschaftliche Sprachen.« »Das Problem ist leicht zu lösen«, versi cherte Atlan. Hin und wieder lösten sich kleinere For mationen von Scuddamoren von der KYR, die ihren Platz über dem Rechenzentrum nicht verlassen hatte. Die Sonne beschrieb
33 ihren täglichen Weg weiter und stand jetzt im letzten Viertel des Tages. Atlan, der wie der etwas zur Ruhe gekommen war, fühlte einen neuen Ansturm von Schwäche und Er schöpfung. Wieder verfluchte er seinen Ent schluß, im Interesse der Sache von Pthor die Flucht nach vorn angetreten zu haben. Seine Abenteuer im Vorfeld der Schwarzen Gala xis erhielten, je länger er sich hier befand, mehr und mehr tödlichen Charakter. Seine Gedanken schwangen zurück und trafen wieder auf die letzten Eindrücke: Thalias freiwilliger Tod, seine Verzweiflung, die aussichtslose Lage, in der er sich befand, und der Umstand, daß er nicht die geringsten Informationen über die Situation hatte, in der sich das Weltenfragment befand. Exi stierte Pthor überhaupt noch? War es inzwi schen zur Kolonie des Düsteren Oheims her abgesunken? Er hob den Arm und sagte: »Vor wenigen Stunden wurde ich ope riert. Ich bin erschöpft, Wassleng. Ich werde mich in der Kuppel dort irgendwo hinlegen und versuchen, mich etwas zu erholen. Soll te es wichtige Erkenntnisse geben, wird mich mein alter Freund Verkonder sicher lich zu finden wissen – wie schon so oft.« Verkonder stieß einen undeutbaren Laut aus und versicherte mit mahlenden Metall kiefern: »Du kannst dich darauf verlassen, Freund Atlan. Unsere Wege verlaufen parallel.« Das war es, was ich befürchtete, dachte sich der Arkonide und ging auf den Eingang des Kuppelgebäudes zu.
* Atlan hatte, als ihn Verkonder und Was sleng weckten, nicht länger als einige Stun den geschlafen. Er fühlte sich keineswegs erholt, als er den Havaren und den Scudda moren vor seiner dürftigen Liege stehen sah. Stockend fragte er: »Habt ihr den Aktivator?« »Nein«, sagte Verkonder. »Aber wir se hen nunmehr viel klarer.«
34 Atlan richtete sich auf, unterdrückte einen Schwindelanfall und lehnte sich gegen die kühle Metallwand. »Ich höre?« murmelte er und versuchte, seine Gedanken und Empfindungen zu ord nen. Der Havare begann: »Die Scuddamoren-Kommandos sind aus geschwärmt. Mehrere tausend Kämpfer durchsuchten das Zentrum, dessen nähere Umgebung und die künstlichen Dschungel jenseits dieser Zone. Sie fanden, verblüffen derweise, Tausende der Besatzungsmitglie der von Gul-Goar. Sie waren offensichtlich in blinder Panik davongerannt und versteck ten sich in jedem dunklen Winkel, den sie fanden.« »Ich verstehe!« brummte Atlan und mu sterte den glühenden Schattenschild des KYRKommandanten. »Sie sind also nicht alle tot.« »Weit gefehlt!« triumphierte der Havare. »Keine Spur. Aber sie stehen alle unter der Einwirkung eines oder mehrerer schwerer Schocks. Keiner ist mehr bei Sinnen. Sie können alle nicht mehr klar denken.« »Sie sind außerordentlich verwirrt. Und dies sind keine Schutzbehauptungen. Wir haben eine willkürliche Auswahl außeror dentlich harten Prüfungen unterzogen«, sag te der Kommandant. »Ich zweifle nicht daran«, antwortete der Arkonide. Er zweifelte tatsächlich nicht dar an, daß Wassleng bei der »Befragung« die bekannt harten Methoden der Scuddamoren eingesetzt hatte. »Aber keiner wußte etwas vom Zellaktivator?« »Keiner.« Der Kommandant und der Havare schil derten weiter, daß man praktisch neun Zehn tel der Besatzung schließlich gefunden hatte. Keiner der Scuddamoren und niemand aus der breiten Skala der Hilfsvölker-Angehö rigen konnte ihnen genau sagen, was wirk lich passiert war. Hin und wieder bekamen die Suchkommandos Individuen in die Fin ger, die eine Spur weniger geschockt und gelähmt waren. Aus den vielen – im Einzel-
Hans Kneifel fall höchst undeutlichen – Erklärungen ließ sich ungefähr folgendes Bild herstellen: Atlan lag auf dem Operationstisch. Mediziner, hervorragende Fachkräfte, operierten den Zellschwingungsaktivator aus seiner Brust heraus. Die Strahlung dieses Geräts, teilweise be kannt und teilweise viel zu energieaufwen dig reproduziert, wurde von Detektoren noch während der Operation neu angemes sen. Die Daten passierten das Rechenzentrum und wurden in die Generatoren eingespeist, die nicht nur den riesigen ersten PrototypProjektor versorgten, sondern auch eine Rei he kleinerer Geräte und eine gänzlich neue Testanordnung. Als der Aktivator samt sei ner Kette freigelegt worden war, schaltete wohl einer der vielen Techniker, von dem neuen Datenstrom fasziniert, die Serie der synchron geschalteten Projektoren ein. Sekunden später brach die Katastrophe aus! Es mußte, sagte sich Atlan, kurz nach dem Augenblick geschehen sein, an dem man seine Operationswunde versorgt hatte. Sämtliche Projektoren begannen mit voll ster Kapazität zu arbeiten. Sie strahlten gigantische Mengen von Schwingungen absolut sinnlos in die Umge bung. Von der Wucht der Strahlung wurden ebenso die Pflanzen wie auch die Tiere der Parks und der Kunstdschungel erreicht und wahnsinnig gemacht, wie auch die vielen Scuddamoren und alle anderen Intelligenz wesen der Basis und des Rechenzentrums. Atlan unterbrach und erkundigte sich: »Haben deine Mannschaften Korlin, Fae bler oder Aträss gefunden, Wassleng?« »Bis jetzt noch nicht«, antwortete der Kommandant. »Aber natürlich kann es auch sein, daß sie einen der drei fanden, und der Betreffende wußte seinen Namen nicht. Ich werde es nachprüfen lassen.« »Jeder, der nicht sofort das Bewußtsein verlor«, fuhr Verkonder fort, »verlor dafür fast völlig den Verstand und flüchtete in ra sender Panik. Stellenweise treffen die Flüch
Der Zellaktivator tenden mit den verrückt gewordenen Tieren oder Pflanzen zusammen – du hast die Toten ebenso gesehen wie ich, Atlan!« Atlan senk te bejahend den Kopf. »Ich scheine entwe der von einem flüchtenden Scuddamoren niedergeschlagen oder in Panik umgestoßen worden zu sein«, sagte der Havare erklä rend. »Oder jemand feuerte auf die Säule, und ein Brocken traf mich und setzte mich außer Gefecht.« »Möglich!« murmelte Atlan und fühlte sich elender als je zuvor. Wasslengs harte Stimme ließ sich vernehmen: »Die Verwü stung der Stationen, die Panik, die vielen Toten und der Aufruhr der Natur gehen also zurück auf die eingeschalteten Projektoren.« »Sind sie inzwischen ausgeschaltet?« fragte Atlan sarkastisch. »Die Sicherungen haben die Geräte abge schaltet«, antwortete der Havare. »Trotz al ler Erkenntnisse hat sich der Aktivator nicht gefunden.« »Auch nicht bei Korlin oder einem ande ren der Chefs?« »Es wurde lediglich ausgesagt, daß je mand Korlin gesehen hat, wie er deinen Ak tivator an sich riß und unter dem Eindruck des Schocks aus der Halle raste. Dann ver lieren sich sämtliche Spuren.« »Sämtliche Spuren?« wollte Atlan wissen. Der Scuddamore bestätigte: »Das ist alles, was wir bis jetzt herausbe kommen haben. Früher oder später wird sich das Bild wohl ein wenig klären. Es ist nun mehr erwiesen, daß tatsächlich kein Überfall auf Cyrsic und das GulGoarZentrum stattge funden hat.« »Wie aufschlußreich!« murmelte der Ar konide. Die Gewißheit, daß der Aktivator sich nicht in der Gewalt irgendwelcher unbe kannter Piraten oder Gegner von Chirmor Flog befand, tröstete ihn nicht sonderlich. Seine Chancen waren ein wenig besser ge worden, das war alles. Aber wieder waren einige Stunden vergangen, und der Zeit punkt seines Verfalls und seines qualvollen Todes rückte näher. Starke Unruhe ergriff
35 ihn wieder. Er stand auf und hielt sich an der Wand fest. »Ich glaube, ich suche selbst nach dem Aktivator!« sagte er unsicher. »Hilfst du mir, Havare?« »Unser erster Versuch war von sehr we nig Erfolg gekrönt«, gab Verkonder zu be denken. »Diesmal werden wir es geschickter an stellen!« erklärte Atlan mit Nachdruck. Ein Scuddamore kam herein, blieb in achtungs voller Entfernung vom Kommandanten ste hen und sagte aufgeregt: »Wassleng! Wir haben jemanden gefun den. Vielleicht ist es wirklich Korlin.« Atlan sprang auf. »Korlin? Wo ist er gefunden worden?« »Wo ist er?« fragte Wassleng gleichzeitig. »Wir fanden ihn ziemlich tief im Dschun gel. Er ist hier in einer Krankenstation. Ich bringe euch hin.« Atlan, Verkonder und Wassleng folgten dem Scuddamoren. Sie brauchten nicht weit zu gehen, denn sie befanden sich im Basis geschoß der Halle, in der Atlan operiert wor den war. In einem kleinen Raum, dessen Tür von zwei Scuddamoren bewacht wurde, lag auf einer flachen weißen Liege eine merk würdige und bedauernswerte Kreatur. Sie schien irgendwann ein Noot gewesen zu sein. Schweigend kamen die Scuddamoren, der Havare und der Arkonide näher. Der aufge dunsene, veränderte, stellenweise überstei gert muskulöse Körper des Scuddamoren ohne Schattenschild war voller Wunden und schmutzbedeckt. Zwei Raumfahrer der KYR kümmerten sich um den Mann, der sich un ruhig hin und her warf. Der Kommandant brach das Schweigen und fragte hart: »Habt ihr den Aktivator gefunden?« »Nein«, kam augenblicklich die Antwort. »Weder bei ihm noch in der Umgebung.« Atlan hatte damals, zusammen mit Thalia, seinen Schattenschild durch ein einfaches Unterbrechen des Kontakts an der Gürtel schnalle abschalten können. Er wußte ande
36 rerseits, daß die Scuddamoren ihre Tarnung niemals aufgaben. Was hatte Korlin veran laßt, seinen Schild zu desaktivieren? Hing es mit einem Erlebnis auf der Flucht zusam men? Der entstellte NootScuddamore, ein Ergebnis der Mutationen auf dem namenlo sen Planeten, stieß ein langes Stöhnen aus und versuchte sich aufzurichten. »Du bist Korlin?« fragte Wassleng laut und trat näher an das Lager heran. Mit riesi gen Augen starrte ihn der Noot an und lallte: »Früher … ich hatte einen anderen Na men … TarfonSherl … jetzt bin ich wohl ei ner vom Triumvirat …« »Also bist du Korlin. Wo ist der Aktiva tor?« rief der Kommandant schroff. »Ich habe … Aträss und Faebler … nicht gesehen.« »Hast du den Aktivator des Fremden?« schnarrte Wassleng. Atlan und Verkonder hörten schweigend zu. Der Scuddamore oh ne Schild bot einen jämmerlichen, bedau ernswerten Eindruck. Er schien nicht nur verwirrt zu sein; er war nicht bei vollem Verstand. Atlan begann mehr und mehr zu begreifen, was die konzentrierte Strahlung der verschiedenen Prototypen-Projektoren im Gul-Goar-Zentrum und in dessen Umge bung angerichtet hatten. Jetzt glaubte auch er nicht mehr an die Möglichkeit eines Überfalls. »Wer hat den … Aktivator …?« röchelte Korlin und machte mit seinen Klauen wilde Bewegungen. »Warum bist du geflüchtet?« herrschte ihn Wassleng an. »Flucht … Panik und Angst … zuviel Helligkeit … suche das Dunkle … Angst …«, gab der Scuddamore zurück und fiel wieder schwer auf das Lager. »Es ist sinnlos, ihn befragen zu wollen«, sagte Atlan kopfschüttelnd. Jemand gab dem Mißgestalteten einen Becher voll grüner Flüssigkeit zu trinken. Atlan wandte sich an die ScuddamorenRaumsoldaten und fragte: »Könnt ihr die Stelle wiederfinden, an der sich Korlin versteckt hatte?«
Hans Kneifel »Keine Schwierigkeiten!« »Wirst du mich mit dem Beiboot dort ab setzen lassen, Wassleng? Ich brauche Ver konders Hilfe, ein kleines Peilgerät und ein Funkgerät. Dann will ich nach dem Aktiva tor selbst suchen. Wenn er irgendwo dort ist, finde ich ihn!« »Das ist riskant für euch Fremde!« gab der Kommandant zurück. »Ich lasse ein Kommando der Raumsoldaten nach dem Aktivator suchen.« »Der Dschungel … fremd, voller Gefahr … lauter seltsame Wesen …«, lallte Korlin. »Wo ist mein Freund Faebler?« »Keine Ahnung«, knurrte Wassleng. »Warum willst du nicht, Atlan, daß meine Scuddamoren suchen?« »Weil ich den Dschungel ein wenig zu kennen glaube«, sagte der Arkonide selbstsi cher. »Verkonder war dabei. Eine große Gruppe würde erstens den Dschungel und seine Wesen aufstöbern und stören, zweitens angegriffen werden und sich verteidigen müssen. Drittens würde dies einen ungeheu ren Lärm erzeugen. Sie würden den Aktiva tor nicht finden, sondern nur das Gegenteil erreichen.« »Daran ist etwas Wahres«, schränkte Ver konder ein. Die Aussicht, mit Atlan zusam men im beginnenden Abend oder gar in der Nacht nach dem Aktivator suchen zu müs sen, erschreckte ihn zwar, aber er nahm sich zusammen. Wenn sie diesen verdammten Aktivator fanden, dann versprach dies für ihn äußersten Ruhm. Deswegen sagte er nichts gegen Atlans Vorschlag. »Dein freier Entschluß?« fragte der Kom mandant langsam. »Frei oder nicht frei«, antwortete der Ar konide, »es ist die einzige Lösung, die ich sehe. Außerdem sterbe ich, wenn ich den Aktivator nicht bald finde. Und wenn ich st erbe, wird auch vom Aktivator nichts mehr übrigbleiben, was Chirmor Flog brauchen könnte. So sehe ich die Lage, Komman dant!« »Von mir aus. Sucht. Wo warst du, Kor lin?«
Der Zellaktivator Die Benommenheit war nicht von dem Scuddamoren gewichen. »Im Dunkel. Es war … warm. Fremde Wesen kamen. Ich weiß nichts mehr. Laßt mich.« Verkonder warf Atlan einen verzweifelten Blick zu. »Dorthin willst du mit mir?« fragte er un deutlich. Atlan nickte. »Genau dorthin wollen wir, ja. Und zwar so bald wie möglich.« Der Anblick des bis zur Unkenntlichkeit veränderten Wesens, das noch vor Stunden einer der Chefs dieses Planeten gewesen war, schockierte Atlan, obwohl er keine Veranlassung hatte, auch nur einen einzigen Scuddamoren nicht zu hassen. Reiner Prag matismus herrschte in seinen Gedanken und bestimmte sein Handeln. »Also«, faßte der Kommandant der KYR zusammen, »es scheint folgendes vorgefal len zu sein: Man hat gesehen, wie Korlin den herausoperierten Aktivator an sich riß und flüchtete, während rundum das Chaos ausbrach. Irgendwo im Dschungel, in den Korlin geflüchtet war, ohne zu wissen, wo hin er rannte, hat er wohl den Aktivator ver loren, oder er wurde ihm weggenommen.« »So sehe ich es auch«, sagte Atlan. »Gib deine Befehle, Kommandant.« Der Kommandant verließ den Raum. Ein leiser Befehl rief eine Schar seiner Scudda moren herbei. Wassleng erklärte ihnen, was sie zu tun hatten. Sie gehorchten mit der ge wohnten Lautlosigkeit und Schnelligkeit. Sekunden später landete der Gleiter vor dem Portal der Kuppel. Man händigte Atlan und Verkonder kleine Funkgeräte aus, die sie um den Hals hängen konnten. »Ich brauche eine Waffe. Für alle Fälle«, sagte der Havare. »Ich fühle mich im Dschungel schutzlos.« Die Sonne hatte sich in eine stechend gel be, große Scheibe verwandelt, die langsam hinter dem Sulumc-Binnenmeer unterzuge hen schien. Die Schatten wurden lang, aber die Hitze nahm nicht ab. Atlan fühlte sich, obwohl er geschlafen hatte, keineswegs aus
37 geruht. Seine Abhängigkeit von der Wir kung des Zellaktivators war, besonders nach der Strapaze der Operation, besonders groß geworden. Ein Scuddamore fragte den Kommandan ten um Erlaubnis. Dann händigte man Atlan und Verkonder zwei mittelgroße Strahlwaf fen aus und öffnete im Innern des Beiboots einige Staufächer. »Das sind Peilgeräte. Welche Strahlungen willst du damit anmessen?« fragte einer der Soldaten. Der Pilot ließ sich mit gleitenden Bewegungen hinter der einfach wirkenden Steuerung in den Sessel rutschen. »Augenblick!« sagte Atlan und fand schließlich ein Gerät, das einen mittleren Ausschnitt des Schwingungsspektrums über deckte. Er schaltete daran herum und drehte es probeweise einmal nach allen Richtun gen, aber er hatte auch kein Signal erwartet. Das Gerät arbeitete zuverlässig. »Damit werden wir es schaffen!« versi cherte der Arkonide. Verkonder schwieg und kauerte sich tief in seinen Sitz. Der Gleiter startete. Der Pilot beschrieb über der Kuppel einen Halbkreis und steuer te zielsicher auf den Rand des Dschungels zu. Sieben Scuddamoren befanden sich an Bord und schienen schweigend aus den Bullaugen zu starren. Atlan zwang sich dar an, nicht an die bevorstehenden Strapazen zu denken und nicht daran, daß die Zeit un barmherzig ablief. Er hatte nur noch eines im Sinn: den Zellaktivator zu finden. Wo in diesem verdammten Dschungel be fand sich das Gerät?
* Der Gleiter schwebte brummend etwa dreißig Meter über dem hügeligen Boden des Kreisrings um das Gul-Goar-Zentrum. Korlin schien in seiner Angst weit fortge rannt zu sein. Bald konnte Atlan im Gewirr der Baumwipfel weder Pfade noch Bäche oder Lichtungen erkennen. Das Grün ver schmolz zu einer einzigen wirren Masse, und die schwarzen Schatten verstärkten den
38 düsteren und gefährlichen Eindruck noch mehr. Er erkundigte sich nach einer Flugstrecke, die ihm viel zu lange erschien: »Ihr bringt uns wirklich dorthin, wo ihr Korlin gefunden habt?« »Genau dorthin«, lautete die knappe Aus kunft. »Es war fast die weiteste Stelle, an der wir Überlebende gefunden haben.« »Und dorthin sollen wir! In der Nacht! Ich bin schon jetzt halbtot vor Angst«, sagte der Havare und hob, als könne er durch die se Geste seine Furcht verscheuchen, den Strahler. »Ich werde dich trösten!« versicherte At lan grimmig. In dem Gemenge aus Ästen und Blattwerk unter ihnen zeigten sich spärliche Lücken. Das Wasser von schmalen, mäandernden Bachläufen und einigen winzigen Seen war schwarz zwischen den Zweigen. Einige sumpfige Streifen tauchten auf, ein kleiner Sandfleck, und der Gleiter ging tiefer. »Wir fanden Korlin dort vorn. Zwischen den Wurzeln eines Baumes. Wir gingen sei ner Spur durch den Schlamm nach. Sie war sehr deutlich!« sagte ein Scuddamore. »Verstanden. Wie viele Einwohner habt ihr gefunden?« fragte Atlan zurück. »Insgesamt einige Tausende. Viele Grup pen waren leicht zu sehen, weil sie umherirr ten.« Das Beiboot schoß schräg abwärts, ramm te einige Dutzend Äste zur Seite und brach einen dünnen Baum ab, dann setzte es nach einigen Metern Flug dicht über dem stillen Wasser eines kleinen Sees auf dem Sand streifen auf. Der Sand war von zahllosen Spuren zerfurcht. Atlan und Verkonder öff neten die Türen und schwangen sich hinaus. Atlan sagte zum Piloten: »Wir rufen euch, wenn der Aktivator ge funden ist.« »Wie lange dauert es?« »Das weiß niemand. Ich hoffe, wir finden ihn bald. Sonst bricht die Wut eures Herrn Chirmor Flog über alle herein«, schloß der Arkonide, winkte Verkonder und stapfte
Hans Kneifel durch den feuchtwarmen Sand. Einige Meter vor den zerzausten Büschen, die den Dschungel abgrenzten, blieb er stehen. Der Gleiter startete und entfernte sich schnell in Richtung auf das Zentrum. Von hier aus war die gewaltige Masse des Organ schiffs nicht mehr zu sehen. Die Dunkelheit brach herein; die zwei Ausgestiegenen er kannten gerade noch die Umrisse und die Grenzen zwischen Himmel und Baumwip feln. Atlan schaltete das Peilgerät ein und sag te: »Ich denke, notfalls werden wir in den Ästen der Bäume die Nacht überleben. Trotzdem sollten wir uns einen ruhigen Platz suchen, von dem aus wir die Umgebung un tersuchen können.« Säuerlich erwiderte der Havare: »Du bist der Fachmann und Spezialist, wenn es sich um das Überleben in solch gräßlicher Umgebung handelt. Ich vertraue mich dir bedingungslos an.« Atlan schnappte zurück: »Da ich dir im Verlauf der Suche sicher lich mehrmals das unwürdige Leben retten werde, tust du gut daran, mir zu gehorchen, Havare! Mein Tod bedeutet auch dein En de.« Wortlos folgte Verkonder dem Arkoni den. Das Peilgerät gab weder Schallzeichen noch Zeigerausschläge von sich. Der Zellak tivator befand sich also nicht in greifbarer Nähe.
6. Dedramixxis wußte nicht, wie er aus dem reißenden Wasser des kleinen Flusses ge kommen war und sich auf den breiten, fla chen Stein hatte retten können. Als er jetzt zu sich kam und spürte, daß die Dunkelheit längst angefangen hatte, die Herrschaft über die Natur seiner Welt zu übernehmen, wußte er, daß er den letzten Schock unbeschadet überlebt hatte. Würgender Hunger peinigte ihn. Sein Schlund war ausgedörrt. Seine Muskeln und
Der Zellaktivator Knochen schmerzten wie nach einem zu lan gen Schlaf. Er erinnerte sich: Der Wahnsinn war ausgebrochen. Jeder Wurm, jeder Grashalm, alle Büsche und Bäume und jedes größere Tier hatten wahl los miteinander gekämpft, hatten sich gegen seitig getötet oder waren voreinander ge flüchtet. Jetzt herrschte seit dem höchsten Stand der Sonne ungefähr wieder die normale Stil le und Ruhe. Keine lautlosen Schreie mehr aus der Richtung der Türme und Kuppeln, die jeden Muskel tyrannisierten und inner halb des Schädels Verwüstungen anrichte ten. Dedramixxis stemmte sich hoch. Er sehnte sich nach dem heißen Mittag auf der Lichtung, wo er im Kreis der Raub tierhorde liegen, sich sonnen und paaren konnte. Bis dorthin waren es noch zwei Ver wandlungen. Aber sein Instinkt sagte ihm, daß die nächtliche Jagd seine Kräfte restlos wieder zurückbringen und ihm reiche Beute zeigen würde. Sein Hunger war wirklich au ßergewöhnlich. Sein Fell bestand jetzt aus dünnen Här chen, die sich über lederartigen Schwingen miteinander verfilzten. Die Vorderpranken hatten sich gestreckt und waren mit den Schwingen zusammen abgeknickt. Der ge samte Körper war leichter geworden, weil der Stoffwechselvorgang beschleunigt abge laufen war. Die vierte Veränderung von De dramixxis. Jetzt hatte er die Form und die Funktion eines Gleiters angenommen, kei nes echten Vogels. Er sprang zurück zum Wasser, trank einige Schlucke und begann sofort, den nächsten Baum zu erklettern. Der Schweif war dünner, kürzer und zäher ge worden. Er benutzte ihn als Kletterorgan und als Hilfe beim Halten des Gleichge wichts. Binnen kurzer Zeit befand sich De dramixxis in der schwankenden Krone des Baumes. Hinaus aufs Wasser! sagte er sich. Über das Delta des Dschungelflusses! Vorsichtig balancierte das erstaunliche
39 Raubtier, spannte seine Schwingen halb aus und stieß sich mit einem gewaltigen Satz schräg aufwärts in die Luft. Sofort fuhren die meterlangen Schwingen auseinander. Die Dunkelheit machte die auffallende Strei fung des schwarzgelben Körpers nahezu un sichtbar. Mit einigen schnellen Schlägen brachte sich Dedramixxis in eine Zone des heißen Aufwindes. Er schraubte sich höher und höher. Seine nachtsichtigen Augen er faßten schon jetzt die Einzelheiten vor und unter sich. Eine riesige fremdartige Wolke hing über der Siedlung. Dedramixxis pas sierte sie in vorsichtigem Abstand und schlug einen Zickzackkurs zum Delta ein. Im Flug schnellte sein Schwanz nach vorn und zerfetzte die Knochen eines kleinen Nachtvogels, der ihm in den Weg kam. Mit den hinteren Pranken und einer blitzschnel len Bewegung des Schädels schnappte das Tier die Beute und verschlang sie im Flug. Eine unbestimmte Schwingung kam aus der Richtung, in der sich die Dedramixxis trafen. Es war eine Strahlung ungehinderten Wohlbehagens. Entweder war sie schon im mer dagewesen, und er hatte dies nicht ge merkt, weil er zu unreif oder zu sehr von der Jagd abgelenkt worden war – oder sie war neu. Dorthin, zur Lichtung, würde einer seiner nächsten Wege führen. Die riesige Wolke verdeckte einen Teil der Sterne. Das Raubtier sah vor sich die rie sige Fläche des Binnenmeeres und darüber die Silhouetten der jagenden Dedramixxis und anderer Tiere. Er vergaß vorübergehend die Strahlung und spürte zwischen den Zäh nen das trocknende Blut des Beutetiers. Eine lange Nacht der Jagd lag vor ihm.
* Verkonder starrte Atlan von der Seite an. Die winzigen Skalenlämpchen des kleinen Peilers beleuchteten undeutlich das Gesicht des Arkoniden. Er hantierte langsam und mit sicheren Bewegungen mit den kleinen Schaltern und Drehknöpfen.
40 Verkonder versuchte, wieder mit dem Lo giksektor des Fremden neben ihm zu kom munizieren. Aber gerade jetzt war der laut lose Weg verbaut. Der Extrasinn befand sich in einer Verfassung, die mit dem Verlust des Zellschwingungsaktivators zu tun hatte. Er war unansprechbar; wo der Wahrheitsspürer sonst einigermaßen klare Gedanken aufge nommen und Reaktionen erzeugt hatte, war nichts anderes als eine Masse brodelnder Strukturen. Verkonder verschob den Ver such, die ganze Wahrheit über die Funktion des Aktivators herauszubekommen. Auch hatte er jetzt nicht im Sinn, Atlan irgendwie zu beeinflussen. Es konnte gefährlich wer den, denn unbeeinflußt handelte dieser Fremde mit erstaunlicher Sicherheit. Hier, mitten im Dschungel, war diese Sicherheit eine Lebensversicherung für beide. Auch gab es nichts wirklich Neues, das er nach Säggallo melden könnte. Verkonder und Atlan befanden sich etwa zwölf Meter über dem Boden des Dschun gelrands. Vor ihnen lagen der schmale Strand und der kleine See. Das Wasser plät scherte leise, aber es waren keine Tiere zu sehen. Und auch keine der unbekannten Fa belwesen, von denen so oft die Rede gewe sen war. »Rechnest du damit«, fragte Verkonder nach einigen Minuten, in denen er zugese hen hatte, wie Atlan das Gerät drehte und in verschiedene Richtungen hielt, »daß ein Tier Korlin den Aktivator entrissen haben könn te?« »Auch das ist eine Möglichkeit«, antwor tete Atlan und visierte einen Hügel an. Auf dem Felsen der höchsten Erhebung glänzte das Sternenlicht. »Ich rechne mit allem. Auch damit, daß der Aktivator irgendwo im Schlamm steckt.« »Damit müssen wir wirklich rechnen!« gab Verkonder nach einer Weile zu. »Je mehr ich darüber nachdenke, desto verfahre ner ist die Situation.« Atlan erwiderte voller Sarkasmus: »Das sagst du! Wie, glaubst du, denke ich darüber?«
Hans Kneifel Unter ihnen gab es erste Geräusche. Vö gel und Kletterwesen in den Bäumen rührten sich nicht. Dafür kamen Tiere aller erdenkli chen Gattungen ans Wasser und zur Tränke. Das schwache Sternenlicht genügte gerade, um ihre Konturen erkennen und ihre Augen aufleuchten zu lassen. Zwischen den Bäu men schienen winzige Glühwürmchen zu fliegen oder ähnliche Insekten, die Feuer markierungen trugen. Sie schwirrten hin und her, verbanden sich miteinander und lösten sich wieder. Ihre Lichter beschrieben seltsa me Bahnen in der fast vollkommenen Schwärze. »Was ist das?« flüsterte Atlan und wandte unruhig den Kopf. Die Anzahl der Funken vergrößerte sich. Überall tauchten sie auf, auch am gegenüberliegenden Ufer des großen Teiches. Im unruhig gewordenen Wasser spiegelten sich die Leuchterschei nungen. Die Tiere, die mit langen Hälsen tranken, kümmerten sich nicht darum. Zwi schen den Läufen gazellenartiger Tiere huschten winzige kugelförmige Tierchen hin und her und rührten den Schlamm auf. Hin und wieder brach ein trockener Ast. Es klang wie eine unnatürlich laute Detonation. Bisher waren die winzigen Lichtpunkte kri stallweiß gewesen. Schlagartig veränderten sie jetzt ihre Farbe und wurden dunkelrot. Gleichzeitig verdoppelte oder vervielfachte sich ihre Anzahl. Alles ging ohne zusätzli chen Lärm vor sich, und noch immer küm merten sich die zahlreichen Tiere nicht um die Punkte, die sich hier und dort zu neuen Formationen zusammenfanden. Atlan lauschte in sich hinein. Normaler weise müßte ihn sein Extrasinn längst ge warnt haben. Aber der Logiksektor schwieg. Seit ich in unmittelbarem Kontakt mit Verkonder bin, dachte er unruhig, verhält sich der Logiksektor höchst merkwürdig. Ob es etwas mit dem Havaren zu tun hat? Kaum denkbar! Der Arkonide hatte sich, während er mit dem Peiler hantierte, zu einem Versuch ent schlossen. Er und Verkonder mußten versu
Der Zellaktivator chen, sich als Teil in den Kunstdschungel zu integrieren. Sie durften nicht als Fremdkör per erscheinen. Das war schwierig, wenn nicht gar unmöglich, aber es gab einige Tricks und Methoden, den Versuch zu er leichtern. Atlan verhielt sich ruhig und winkte ab, als er merkte, daß Verkonder et was fragen wollte. Die Lichtpunkte reagierten ein drittes Mal. Sie änderten ihre Färbung und wurden stechend blau. Gleichzeitig schlossen sie sich zu Figuren zusammen, während immer neue aus dem Dunkel heranschwebten. An mindestens zwei Dutzend Stellen erschienen die Umrisse von Gebilden, die mit wenig Phantasie als Vögel zu identifizieren waren. Vögel allerdings, die nicht mit den Schwin gen schlugen, sich trotzdem bewegten und auf das Wasser hinausschwebten. Die kon densierten Formen aus Licht befanden sich etwa fünf Meter über dem schwarzen Spie gel des Teiches und wurden spiegelverkehrt verdoppelt. »Ich bin fassungslos«, murmelte der Ha vare selbstvergessen und klammerte sich mit den knochigen Fingern an den Ästen der Ga belung fest. »Still!« zischte Atlan. Ein Tier mit riesi gem Geweih hob sichernd den Kopf. Rund fünfundzwanzig riesige Vögel trafen sich et wa in der Mitte des Sees. Bevor sich ihre äu ßersten Ausläufer berührten, wechselte die Färbung der Millionen Pünktchen in ein ste chendes Gelb, das die nähere Umgebung er hellte. Dann, als Atlan mit blinzelnden Augen mehr und mehr Einzelheiten wahrnehmen konnte, verschmolzen die Lichtvögel mitein ander und bildeten eine linsenförmige Wol ke, die aber nur für einige Sekunden stabil blieb. Die Umrisse der Wolke dehnten sich, bil deten mehrere Ausläufer und versuchten, ei ne neue Form zu finden. Ein Vogelkopf bil dete sich heraus, mit Löchern an den Stellen, wo sich die Augen befinden sollten, und mit einem scharfen nach unten gekrümmten Ad
41 lerschnabel. Gleichzeitig streckten sich zwei ausgebreitete Flügel nach den Seiten, ein Körper entstand und der fächerförmig ge spreizte Schwanz. Der Vorgang erfolgte noch immer lautlos, und jetzt waren auch al le Tiere wie erstarrt. Dies schien eines der Geschöpfe zu sein, von denen die Scudda moren sprachen. Es gab sie also doch! Bin nen weniger Sekunden war die Verwand lung beendet. Jetzt schwebte über dem Was ser, abermals gespiegelt, die vollkommene Silhouette eines Vogels mit nicht weniger als zehn Metern Flügelspannweite. Nein – es war nicht nur die Silhouette: dieser Vogel aus unzähligen Energiefünkchen war pla stisch und fing an, die Flügel zu bewegen. Zeitlupenhaft langsam glitt die grellgelbe Vision quer über den See und bewegte, als suche sie etwas, den Kopf mit den leeren Augenhöhlen hin und her. Es war nicht nur für Verkonder, auch für Atlan ein Vorgang von gespenstischer und gefährlicher Lautlo sigkeit. Was suchte diese Erscheinung wirklich? Atlan hielt den Atem an. Der gelbe Licht vogel driftete lautlos auf ein stumpfschädli ges Tier zu, das mit vier Säulenbeinen bis zum Bauch im Wasser stand und die Er scheinung anglotzte. Kurz bevor der »Schnabel« den wuchtigen Tierkörper be rührte, wechselte die Farbe erneut. Aus Gelb wurde ein helles, transparentes Grün. In die ser Farbe hüllte der Riesenvogel das erstarr te Tier ein, floß an dessen Körper entlang und sank bis auf das Wasser hinunter. Die irrlichternden Funken schienen sogar das schwarze Wasser zu durchdringen und den Grund zu erreichen. Plötzlich ertönte ein helles, drohendes Knistern. Es erfüllte, als mehrfaches Echo zurückgeworfen, den Raum zwischen den Dschungelrändern. Noch immer standen alle Tiere erstarrt und absolut regungslos da. Es war, als habe sie die Lichterscheinung in Steinbildnisse verwandelt. Das Knistern dauerte etwa eine Minute lang. Als es vorbei war, hob sich der Vogel
42 wieder mit unendlich langsamen Bewegun gen der leuchtenden Flügel. Das Grün war dunkler geworden. Dort, wo eben ein Tier von mehreren Zentnern Gewicht gestanden war, gab es nichts mehr. Es war verschwun den. Das Abbild eines riesigen Raubvogels hatte es mit Haut und Knochen absorbiert … Zehn Meter über dem See fing die Vision an, einen engen Kreis zu fliegen, noch im mer mit diesen entnervenden Zeitlupenbe wegungen. Die Flügelenden schienen den Rand des Waldes zu berühren. Als die Schwinge an der Stelle vorbeiglitt, an der sich die beiden Fremden in den Ästen ver steckten, wurden die Körper von dem harten Licht scharf aus der Umgebung der schüt zenden Blätter herausmodelliert. Aber nichts geschah, keine unheilvolle Kraft ergriff Ver konder und Atlan. Ebenso plötzlich bewegten sich die Tiere an der Tränke wieder. Die Szene blieb unerklärlich. Die gespen stischen Vorgänge steigerten sich noch. Kei nes der Tiere verhielt sich anders als zuvor. Sie drängten sich zum Wasser, tranken sich satt und trotteten wieder zurück in den Dschungel, als sei absolut nichts vorgefal len. Die Eindringlinge konnten nicht die ge ringste Reaktion des Erschreckens feststel len. Nach einigen langsamen, immer weiter werdenden Kreisen, in doppelter Höhe als zuerst, löste sich die Erscheinung wieder auf. Aber die dunkelgrünen Leuchtpunkte kehrten nicht mehr an die Stelle zurück, von denen aus sie sich gesammelt hatten, son dern sie bildeten einen langgezogenen Schleier, der eine lanzenförmige Spitze zeig te und langsam zwischen den Bäumen und Büschen entlangkroch. Er spulte sich wie ein glühender Faden ab und schien entlang unsichtbarer Kraftlinien zu verlaufen. »Das ist schlimmer als ein Alptraum«, stöhnte Verkonder auf. Atlan sah undeutlich, daß seine Finger zitterten. »Vielleicht kriecht die Schlange in die Richtung, in der wir den Aktivator suchen?«
Hans Kneifel bemerkte Atlan unruhig und richtete den Peiler dorthin, wo er das zitternde Licht ge rade noch sah. Die Spitze glitt lautlos weiter und verschwand. Atlan atmete heftiger und stieß flüsternd hervor: »Das habe ich nicht geahnt!« Auf dem Peiler sah er, daß tatsächlich ein unendlich schwaches Signal erschien. Er wiederholte den Versuch. Der Zeiger schlich um wenige Millimeter in die Ausgangsstel lung zurück und kletterte, als Atlan die Öff nung des Peilers auf den Beginn der leuch tenden Schlange richtete, wieder hoch. »Der Projektor?« keuchte Verkonder er regt. »Mit einiger Sicherheit!« murmelte der Arkonide. »Keine voreiligen Hoffnungen. Das Signal ist mehr als schwach. Aber im merhin vorhanden.« »Wir haben Erfolg gehabt!« staunte der Havare. Seine Furcht schien, wenigstens für den Augenblick, verflogen zu sein. Atlan beugte sich vor und verfolgte die Kolonne der Lichterscheinungen mit den Augen. Von der Mitte des Sees ausgehend, hatte sich jetzt eine langgezogene Form ent wickelt, die in vielen Schlangenlinien und Windungen verlief und dünner als ein Unter arm war. Sie bildete, im Ganzen gesehen, einen leichten Bogen und verschwand in der dämmerigen Tiefe des Dschungels. Sie schi en satt und daher ungefährlich zu sein. Atlan sagte: »Die Zeit eilt. Wir brechen auf. Du kannst mit deiner Waffe, wenn du Angst hast, auf alles feuern, was sich bewegt. Nach Mög lichkeit nicht auf mich.« »Jetzt? Mitten in der Nacht?« rief Ver konder. Über ihnen begannen Vögel zu schreien. »Ja. Bei Helligkeit sehen wir die Licht punkte nicht … hier! Ein direkter Hinweis!« Wieder änderte sich die Farbe der Licht pünktchen. Sie wurde zu einem eisigen Weiß, das entlang des Weges dieser rätsel haften Erscheinung den Dschungel hell er leuchtete. Atlan war entschlossen, diesen
Der Zellaktivator
43
günstigen Umstand so lange wie möglich auszunutzen. Er befestigte den Peiler am Gürtel und machte sich daran, den Sitz in der Astgabel zu verlassen. Er war sicher, daß Verkonder folgen würde. Langsam kletterte er abwärts und federte auf den weichen Boden herunter. In der Rechten hielt er den entsicherten Strahler und lehnte sich mit dem Rücken an den Stamm, bis er sicher war, daß Verkonder den Boden erreicht hatte. Fünf Meter rechts von ihnen verlief hinter den Büschen der hell strahlende Lichtbalken. »Du sicherst nach hinten, Verkonder«, knurrte Atlan. »Nur keine Angst. Die Licht punkte sind satt. Sie werden dein fleischar mes Gestell nicht angreifen.« Der Havare überging die Anspielung und sagte nur: »Hoffentlich.« Atlan versuchte, zwischen den Büschen, Ranken und hochragenden Wurzeln einen Weg zu finden. Tatsächlich war das Licht nicht sonderlich hell und außerdem hinter den Stämmen. Unter den Stiefeln des Golde nen Vlieses krachten dürre Äste. Tiere sprangen erschreckt zur Seite. Hinter dem Arkoniden stapfte Verkonder durch die Dunkelheit, stolperte und fiel schwer zwi schen Atlans Schultern. Zweige peitschten in Atlans Gesicht. Er blieb stehen und zog den Helm des Anzugs über die Stirn. Rück sichtslos schob er sich ungefähr in die Rich tung, die ihm die eiskalt funkelnden Partikel wiesen.
7. Atlan zog sich, während er langsam und stetig dem Weg der Lichtpunkte zu folgen versuchte, gleichermaßen in sich zurück. Er schwieg und dachte nach. Er spürte, wie seine Sicherheit wuchs, den Aktivator wiederzufinden. Selbst wenn es noch einige Stunden dauern würde – er war gerettet. Im Moment hatte er keine Wundschmerzen. Er zwang sich, seine Erschöpfung zu ignorie ren, und stapfte keuchend weiter. Der Anzug
der Vernichtung schützte ihn zwar, aber er hatte keinerlei heilende Wirkung, konnte nicht im entferntesten den Zellschwingungs aktivator ersetzen. Wenn er den Aktivator fand, hatte sich der Kreis wieder geschlossen, und vieles fing wieder von ganz vorn an. Zweifellos würde ihn Kommandant Was sleng unter diesen Umständen nach Säggallo bringen. Oder etwa nicht? Auf Säggallo würde er seinem Ziel so na he wie nie zuvor sein. Darüber hinaus würde er, wenigstens vorübergehend, im vollen Be sitz seiner Kräfte sein. Vielleicht schaffte er es auch, den Havaren loszuwerden. Der kno chige Schatten mit dem kantigen Schädel und den stechenden Augen wurde ihm von Tag zu Tag unheimlicher. Hier in den entar teten Kunstdschungeln von Cyrsic jedenfalls war er, Atlan, eindeutig der Überlegene und Erfahrenere.
* Trotz aller positiver Aspekte blieb das Problem: die Zeit lief unabänderlich ab. Jede weitere Stunde kostete ihn mehr Kraft und Reserven als die vorhergehende. Mit großen Schritten folgte Atlan der Lichtspur. Sie wurde dünner, je länger der Weg dau erte, und immer mehr Lichtpunkte erloschen oder schwirrten lautlos davon. Atlan konnte nicht viel leiser und unauffälliger seinen Weg verfolgen. Jeder Schritt erzeugte Ge räusche. Der Anzug bewahrte ihn vor den Hieben zurückschnellender Zweige. Verkon der hielt sich ständig dicht hinter ihm, stol perte immer wieder und fühlte sich hilfloser als je zuvor. »Wie lange geht das noch …?« stöhnte er auf. Sie duckten sich unter riesigen Ästen, zerrten harte Lianen auseinander, wateten durch kniehohen Schlamm und bewegten sich durch Zonen heißen Morasts. »Bis wir den Aktivator finden«, sagte At lan spöttisch und spürte, daß seine Knie zit
44 terten. »Oder willst du umkehren, Verkon der?« Der Havare gab einen undefinierbaren Laut von sich und folgte ihm weiter. Nach einer Stunde oder nach drei Stunden – sie verloren das Zeitgefühl in dieser chao tischen Dunkelheit – waren auch die letzten Lichtfunken erloschen oder verschwunden. Atlan setzte sich auf einen umgestürzten Baumstamm und hakte den Peiler vom Gür tel ab. Langsam setzte er das Gerät in Funk tion, stützte es am Knie ab und drehte es hin und her. Zahlreiche Lichter glühten auf, blinkten, erloschen wieder, und die auffällig gekennzeichnete Nadel des Intensitätsmes sers bewegte sich um einige Punkte weiter hinauf auf der Skala. Atlan hatte die konvexe Antenne in jene Richtung gedreht, in der er die letzten Licht punkte bemerkt zu haben glaubte. »Wir sind näher herangekommen!« stellte er fest. »Irgendwo dort vorn ist der Aktiva tor.« »Du weißt nicht, wie weit entfernt?« »Keine Ahnung. Aber ganz sicher nicht in geringer Entfernung, Verkonder!« »Was soll's!« knurrte der Havare resignie rend. Die Strapaze ging weiter. Atlan versuchte, die geringfügigen Unterschiede innerhalb der Dunkelheit auszunutzen und so etwas wie einen Weg zu finden. Sie stolperten über Steine, fielen ins aufspritzende Wasser von Tümpeln und winzigen Bachläufen, keuch ten einen Hügel hinauf und tasteten sich zwischen den riesigen Brocken einer steini gen Schlucht hindurch. Von den Wänden hagelte es ununterbrochen Steinsplitter. Die Zeit verging, und die Fremden trieben sich bis an die Grenze ihrer Leistungsfähig keit. Irgendwann hörte die Nacht auf, ohne daß sie es direkt sehen konnten. Nur der Umstand, daß sich unter dem dichten Blät terdach ein graues Zwielicht auszubreiten begann, ließ sie erkennen, daß der Tag an fing. Als die ersten Sonnenstrahlen weit vor ih nen undeutliche Formen von Steinen, einem
Hans Kneifel Hang oder einer Lichtung erkennen ließen, hielten sie an. Atlan deutete auf die Bäume und fragte heiser, mit trockener Kehle: »Kennst du hier irgendwelche Früchte, die uns nicht vergiften?« Der Havare schüttelte den Kopf und ant wortete stockend: »Nein. Ich habe einige Würfel mitgenom men … hier.« Sie würgten eine Art Konzentratnahrung herunter und tranken hundert Meter weiter das Wasser aus einer winzigen Quelle, deren Wasser voller handtellergroßer Tiere war. Dann gingen sie auf den Lichtschein zu. Nachdem sie wieder einen schrägen Hang hochgeklettert waren, sahen sie im hellen Morgenlicht unter sich ein schüsselförmiges Tal liegen. Es war von Wald oder Dschungel ausgefüllt, aber schon von hier war etwa in der Mitte ein ovale Lichtung zu erkennen. Sie bestand aus riesigen Steinen oder Fels brocken, aus verkrüppelt wirkenden Bü schen und aus Sand. Atlan setzte sich und schwenkte das Peil gerät hin und her. Er schirmte die Lämpchen mit der Hand ab. Der Zeiger bewegte sich nach links und rechts. Immer wieder schnellte er nach oben, in einen sehr hohen Wert der unbekannten Skaleneinteilung hinein. Atlan deutete mit dem Arm auf die Lichtung. »Eindeutig!« sagte er zu Verkonder. »Eindeutig diese Lichtung. Dort ist der Akti vator!« Verkonder trat neben ihn und sah dem Spiel des Zeigers zu. »Mir scheint, du hast wirklich recht, At lan.« Zwischen dem Rand der Lichtung und der Kuppe des Hügels betrug die Entfernung nicht weniger als dreitausend Meter. Es war normalerweise keine große Distanz, aber ein Weg durch den Dschungel dauerte weitaus länger als eine Stunde Fußmarsch. Atlan holte tief Luft und verfluchte zum tausend stenmal seinen Versuch, etwas für Pthor tun zu wollen.
Der Zellaktivator
45
»Gehen wir«, sagte er erschöpft. »Es ist der letzte Abschnitt.« Er befestigte den Peiler wieder am Gürtel, vergewisserte sich, daß er die große Plejade nicht verloren hatte, und hob die Waffe. Sie hatten sie bisher nicht ein einziges Mal ge braucht. »Warum rufen wir nicht die Scuddamo ren? Sie können uns mit dem Gleiter dort absetzen und zurückfliegen!« schlug Ver konder vor. »Weil keiner von uns weiß, was uns auf der Lichtung oder im nahen Umkreis erwar tet. Es gilt unverändert, was ich vor dem Start zu Wassleng gesagt habe«, beharrte Atlan. »Los! Du schaffst es, Verkonder. Es dient alles deinem höheren Ruhm und den unermeßlichen Ehrungen, die der Neffe über dich ausschütten wird.« »Wenn ich es überlebe …« Jetzt trieb Atlan zur Eile. Ihn peitschte das Bedürfnis, sich endlich die rettende Kugel um den Hals hängen zu können, den Hang hinunter und in den schütteren Wald hinein. Er wurde schneller, Verkonder hatte ernst hafte Mühe, ihm zu folgen. Wie ein Rasen der brach der Arkonide durch den Wald und eilte mit großen Schritten unbeirrbar auf die Lichtung zu. Sie waren beide wirklich er schöpft, aber die Aussicht auf das Ende ihrer Bemühungen schuf neue Kräfte. Schließlich, gegen Mittag zu, standen sie endlich am Rand der Lichtung. Der Zeiger auf dem Pei ler verharrte am oberen Anschlagpunkt.
* Verkonder stöhnte tief und resignierend auf. »Das schaffen wir nie! Sie zerfleischen uns! Wir müssen die Scuddamoren rufen!« flüsterte er. »Nein!« gab Atlan zurück. Die Lichtung hatte gewisse Ähnlichkeit mit einem Amphitheater. Die Felsblöcke entpuppten sich als Teil eines Abbruchs, der in ein Wasserloch mündete, das von kleinen Quellen gespeist wurde. Überhängende Fel
sen warfen schwarze Schatten, zwischen den Steinen breiteten sich Moos, Kletterpflanzen und Krüppelbäume mit blanken Stämmen aus. Mindestens fünfzig Tiere, so groß wie Tiger, saßen und lagen in dieser natürlichen Arena. Atlan erinnerte sich, daß er eines die ser schwarzgelb gestreiften Tiere mit dem auffälligen Spiralschwanz bereits in der Nä he des Zentrums gesehen hatte. Suchend be wegte er den Peiler. Fast genau in der Mitte, irgendwo im Be reich einer ungleichmäßigen Treppe aus Sandsteinplatten, erreichte der Zeiger seine Maximalposition. Hundert riesige Augen richteten sich auf die Eindringlinge. Spitze Ohren zuckten unruhig, die Schweife ent rollten sich und zogen sich wieder zusam men – natürlich hatten die Tiere die Annähe rung schon längst bemerkt gehabt. »Sie fühlen sich in der Strahlung wohl«, sagte Atlan und machte probeweise einige Schritte geradeaus. Sofort richteten sich die Tiere zwischen ihm und dem vermutlichen Lageort des Aktivators drohend auf. »Wir haben die Strahler!« »Gewalt richtet nichts aus«, sagte der Ar konide. »Wir töten fünf von ihnen, und der Rest zerreißt uns, wie du richtig bemerkt hast.« Sein Logiksektor meldete sich überra schenderweise und zischte eindringlich: Die große Plejade! Atlan lächelte, griff in die Tasche und holte die polierte Marmorkugel hervor. Er legte sie auf die flache Hand und ließ das Sonnenlicht darauf fallen. Schlagartig beru higten sich die getigerten Raubtiere. Atlan wagte noch ein paar Schritte. Er fühlte mehr als er sah, daß sich die Augen der Bestien nicht auf ihn selbst, sondern auf die Aus strahlung der Kugel konzentrierten. Über die Schulter sagte er leise: »Rufe Wassleng. Der Gleiter soll außer halb der Lichtung landen! Ohne jede Aufre gung, klar?« Verkonder gehorchte mit Begeisterung. Atlan sagte sich, daß er wohl die große Ple jade opfern mußte. Der Wert des Zellaktiva
46 tors, den er noch immer nicht sah, war un gleich größer. Wieder ein paar Schritte. Die Tiere entspannten sich und streckten sich auf den heißen Felsen aus. Er riskierte es und bettete die Kugel mit dem Widerschein der Freiheit in eine Vertiefung eines Felsens. Sie konnte nicht davonrollen. Er wartete mit Herzklopfen und nervösem Zittern der Fin ger. Als er die Stufen hinaufkletterte, beach teten ihn die Tiere kaum – jedenfalls be drohte ihn keiner der riesigen Tigerähnli chen. Wo war die Gruppe der schnurrenden und schläfrig wirkenden Tiere am dichtesten? Er bewegte den Peiler und hörte Verkonder ha stig sprechen. Hier! Im Sonnenlicht sah er einen funkelnden Reflex. Dann erkannte er den Aktivator und die zusammengeringelte dünne Kette. Zit ternd und ganz schwach vor Spannung wag te er einige weitere Schritte. Einmal streifte er die Pranke eines der Riesen. Er bewegte sich bewußt langsam und schob den Peiler in den Gürtel, behielt aber die entsicherte Waffe in der Hand. Zögernd streckte er, während die Augen noch immer an ihm vor beistarrten, die andere Hand aus und griff nach dem eiförmigen Gegenstand. Als er ihn hochhob und den ersten Flucht reflex unterdrückte, kam eine schwache Spur Unruhe in die Tiere. Atlan kletterte rückwärts wieder die natürliche Treppe hin unter. Als er unten stand, hatte sich noch im mer nichts geändert. Die Tiere waren von der Ausstrahlung der Plejade wie paralysiert. Atlan zerrte an der Kapuze, riß am Hals ausschnitt des Goldenen Vlieses und zog sich die Kette mit zitternden Fingern über den Kopf. Der Aktivator fiel ins Innere des Anzugs. Sicher war es Einbildung, aber schon jetzt fühlte er die wärmende, gesund machende Strahlung. Er zwang sich, mit ei nem Schwächeanfall der Erleichterung rin gend, langsam bis zum Rand der Lichtung und zu Verkonder zu gehen. Er schaffte es auch noch, etwa hundert Meter zurückzule-
Hans Kneifel gen, ehe sie auf einer weiteren freien Fläche stehenblieben. »Geschafft«, sagte Atlan. »Kommen die Scuddamoren?« Verkonder deutete nach oben. »Da sind sie!« sagte er. Obwohl sein Ge sicht, wie aus blauem Stein geformt, nicht erkennen ließ, was er empfand, hörte Atlan aus der Stimme unendliche Erleichterung. Das Beiboot landete, nahm sie an Bord und brachte sie direkt in die KYR. Atlan ver brachte den Flug wie in Trance.
* Wassleng stand vor ihnen, als sie aus dem Boot stiegen. Seine Stimme war noch rau her, als er sagte: »Zeige mir den Aktivator, der soviel Un ruhe erzeugt hat!« »Sofort«, murmelte Atlan und stand noch immer im Bann dieser endlosen Erleichte rung. »Einen Moment.« Vorläufig war alles vorbei. Für die Pleja de hatte er den Aktivator wieder einge tauscht. Der Versuch, möglichst schnell möglichst viel zu vergessen, war teilweise bereits während des Fluges hierher geglückt. Atlan öffnete den Anzug der Vernichtung. Als er ihn von der Brust zerrte, weiteten sich seine Augen vor Erstaunen. Der Aktivator war verschwunden, ebenso die Kette! In dem großen, feuchten Verband war ein Loch! Der Aktivator hatte sich ebenso wie bei der ersten Annäherung an Pthor-Atlantis wieder unbeachtet und schmerzlos durch die kaum zugeheilte Wunde gesenkt und war in der alten Mulde vor der Knochenplatte ver schwunden, in der er vor der Operation ge wesen war! »Der Aktivator«, erklärte Atlan nach denklich, »ist wieder in meinen Körper zu rückgekehrt. Ich beschwöre dich, Verkon der, oder dich, Wassleng, den Neffen anzu funken. Sage ihm, daß ich bereit bin, ihm zu helfen. Nur dann, wenn ich dies auch wirk
Der Zellaktivator
47
lich will, hilft der Aktivator. Dies ist die Wahrheit. Nach allem, was hier vorgefallen ist … ich verspreche dem Neffen, ihm wirk lich zu helfen. Es ist auch in deinem Interesse, Verkon der. Los! Funkt von der KYR aus nach Säg gallo. Ich bin so erschöpft, daß ich nicht ein mal an Flucht denke. Mir ist das Leben neu geschenkt worden. So glücklich, wie ich jetzt bin, wird auch der Neffe sein!« Verkonder blickte auf den Schattenschild des Kommandanten und erwiderte schließ lich: »Das sollten wir wirklich tun, Wassleng.« »Komm!« sagte der Scuddamore und be
wegte sich aus der Schleuse ins Schiffsinne re hinein. Scuddamoren nahmen Atlan das Funkgerät, den Peiler und die Waffe weg und brachten ihn in eine Kabine. Er wußte nicht, wie Chirmor Flogs Antwort ausfallen würde. Er hoffte, daß Flog tat, was er vorschlug. Aber bevor er sich lange und sinnlose Ge danken machen konnte, übermannte ihn die Erschöpfung, und er fiel in einen tiefen, hei lenden Schlaf.
ENDE
Weiter geht es in Atlan Band 424 von König von Atlantis mit: Das Joch der Fremden von Horst Hoffmann